ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg
Nr. 130 (157)
Skanmanyons Berg von H. G. Ewers
Auf den Stützpunkten der USO, den ...
12 downloads
583 Views
660KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg
Nr. 130 (157)
Skanmanyons Berg von H. G. Ewers
Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Mitte Juli des Jahres 2843. Die Krise, die von Komouir, dem auf der galaktischen Eastside gelegenen Fundort wertvoller Schwingkristalle, ausging, veranlaßte Lordadmiral Atlan, gemeinsam mit Froom Wirtz, dem Instinkt-Spezialisten, und Terrania Skeller, einem parapsychisch begabten Kind, der Welt der Schatzsucher einen Besuch abzustatten. Dieser Besuch erwies sich, wie schon berichtet, als äußerst folgenschwer, denn Kräfte griffen ein, die, da sie sich weder steuern noch beeinflussen ließen, Menschen zu hilflosen Spielbällen machten. Alles begann in dem Moment, als Atlan und seine Begleiter das »schweigende Raumschiff« entdeckten, dessen Funktion es war, eine »Straße im Kosmos« zu bahnen. Jetzt sind Atlan und seine Begleiter im Bann des Eisplaneten, im Bann einer Welt, die plötzlich vom Kältetod überfallen wurde. Hier auf »Schneeball« wie sie diese Welt treffend nennen, sollen sie dem Mächtigen dienen – denn hier befindet sich SKANMANYONS BERG ...
2
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan – Der Lordadmiral kämpft um die Rückkehr in die Galaxis. Terrania Skeller – Eine Dienerin Skanmanyons. Froom Wirtz – Der Instinkt-Spezialist benimmt sich seltsam. Skabbah Tas – Eine Rakganterin. Skam Ma'h und Carrit Barkan – Skabbah Tas' Gefährten. Caepholk – Ein Mann von den Sonneninseln.
3
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg kunden hörte es auf zu schneien. In diesen wenigen Augenblicken konnten die beiden Männer klar sehen, daß der Eisberg tatsächlich in der Luft schwebte. Froom Wirtz lachte verzweifelt auf. Atlan blickte ihn überrascht an. Er sah das eigenartige Leuchten in den Augen des InstinktSpezialisten, die unnatürlich groß in einem Gesicht von wächserner Bleiche wirkten. »Der Berg schwebt mindestens fünfzig Meter über dem Boden«, stellte Wirtz fest. In seiner Stimme wurde die Angst vor der Einsamkeit und Verlorenheit auf dieser Welt hörbar. »Das schaffen wir nicht. Wenn Terrania tatsächlich in diesem Eiskoloß verschwunden ist, dann können wir ihr nie folgen. Wie wollen wir diese Höhe überwinden? Wir haben nichts bei uns, was uns helfen könnte. Keine Antigravs ... nichts ... Sir ...« »Wirtz, schweigen Sie!« befahl Atlan mit eisiger Stimme. Er blickte den USOSpezialisten scharf an. Wirtz war durch ihn aktiviert worden. Alle seine Fähigkeiten waren ihm bewußt gemacht worden. Dennoch wußte Froom Wirtz immer noch nicht, daß er Angehöriger der USO war. »Verdammt, Atlan, glauben Sie, ich möchte hier zwischen zwei Galaxien versauern? Auf dieser Welt gibt es nichts, was uns ...« »Ich sagte Ihnen, daß Sie still sein sollen, Wirtz«, erklärte der Arkonide. »Ich hoffe, ich muß mich nicht wiederholen.« Froom schob die Kapuze zurück und ließ sich den Schnee ins Gesicht wehen. Der Kopf wirkte noch eckiger als sonst. Die Strapazen der vergangenen Tage hatten deutliche Spuren in dem zuvor so glatten Gesicht des Mannes hinterlassen. Die dunklen Augen lagen tief in den Höhlen. Der Oberlippenbart sah struppig und ungepflegt aus. Froom Wirtz war vor Jahren Professor für Alte Musik gewesen. Er hatte die Hochschule jedoch verlassen und sich von seinem Abenteuerdrang in die Galaxis hinaustreiben lassen. Mit der für ihn bezeichnenden Leidenschaft hatte er sich auf die Suche nach versunkenen Schätzen gestürzt. Bis weit zurück in die terranische Geschichte hatte er Überlieferungen und Unterlagen durchgearbeitet, ohne je bemerkenswerte Erfolge zu erzielen. Von dem alten Feuer seiner Begeisterung
1. Atlan schritt so schnell aus, daß Froom Wirtz ihm kaum folgen konnte. Sie eilten durch einen vereisten Wald aus Nadelbäumen. Die dicht beieinanderstehenden Stämme nahmen ihnen die Sicht auf das unheimliche Gebilde, das ihr Ziel war. Sie hatten es noch beobachten können, bevor sie in das Gehölz eingedrungen waren. »Ich schätze, daß der Eisberg wenigstens zweitausend Meter hoch ist«, sagte Atlan und wandte sich zu seinem Begleiter um. Er stellte den Verschluß seiner Jacke nach. Ein steifer Wind blies ihm ins Gesicht. Er durchdrang selbst die dicken Pelze, die Kilter Shann ihnen zum Schutz gegen die eisige Kälte gegeben hatte, die plötzlich über diese Welt hereingebrochen war. »An der Grundfläche durchmißt er sicherlich tausend Meter.« »Glauben Sie wirklich, daß Terrania dorthin verschwunden ist?« fragte Wirtz. Atlan nickte nur. Er wartete, bis Wirtz an seiner Seite war. Dann ging er weiter. »Ich glaube nicht, daß das Ding in der Luft schwebt«, sagte der Instinkt-Spezialist. »Es sah so aus.« »Das halte ich für eine optische Täuschung. Ein Eisberg, der in der Luft hängt!« Froom Wirtz schnaufte und gab Atlan damit zu verstehen, daß er von dieser Vorstellung herzlich wenig hielt. Der Arkonide antwortete nicht. Wer ihn gut genug kannte, hätte gewußt, daß das genug Kommentar für ihn war. Atlan hatte zunächst auch an eine optische Täuschung geglaubt. Als sie den Wald verließen, begann es zu schneien. Wie durch einen Schleier konnten sie den weißlich-glasigen Berg sehen. Er war unregelmäßig geformt, voller Zacken, Schründe, Vorsprünge, Spitzen und Auswüchse. Und er schien tatsächlich in der Luft zu schweben. Auch jetzt konnten sie es noch nicht genau erkennen, da der untere Teil des Kolosses im Schneegestöber völlig verschwand. Froom Wirtz kniff die Augen zusammen. »Man sieht es nicht so richtig«, sagte er unzufrieden, »aber ich schätze ...« Er sprach nicht weiter, denn für einige Se4
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg alles, was Wirtz suchte. Deshalb reagierte er zunächst auch gelassen, als die schwache Stimme Terranias hinter ihnen hörbar wurde. Er drehte sich zu dem Mädchen um, das vor einiger Zeit im Nichts verschwunden war. Terrania sah auf schreckliche Weise verändert aus, ohne daß Wirtz auf Anhieb hätte sagen können, was eigentlich anders an ihr war als früher. Sie streckte ihre abgemagerten Hände aus und berührte Atlan und Wirtz. Im gleichen Augenblick wurde es Nacht um sie. Beide Männer hatten das Gefühl, in einen Abgrund zu stürzen. Bevor sie irgend etwas tun konnten, wurde es wieder hell um sie herum. Terranias übergroße Augen blickten sie an, ohne wirklich zu sehen. Dann verschwammen ihre Umrisse. Sie wurde durchsichtig und verschwand. »Was soll ...?« fragte Wirtz. Er drehte sich um sich selbst und verstummte. Die Szene hatte gewechselt. Sie befanden sich an einem anderen Ort. »Warum hat sie das getan?« fragte Wirtz betroffen. »Wollte sie nicht, daß wir näher an den Berg herankommen?« Sie standen am Ufer einer Meerenge, die etwa zwanzig Kilometer breit war. Der Eiskoloß war über den Hügeln auf der anderen Seite des Sunds zu erkennen. Ein heftiger Wind wühlte die Wasserfläche auf, die seltsamerweise nicht zugefroren war. Terrania hatte sich mit ihnen vom Berg hierher teleportiert. Das Motiv erschien klar. Entweder hatte ihr jemand den Befehl dazu gegeben, oder sie hatte sich gegen die fremde Macht, die sie beherrschte, aufgelehnt, um sie zu retten. Beides bedeutete, daß es gefährlich war, sich dem Berg zu nähern. Atlan drehte sich um. Etwa fünfhundert Meter von ihnen entfernt befand sich eine Metallkuppel, die mehrere Löcher aufwies. Sie war alt und höchstwahrscheinlich verlassen. Dahinter erhob sich ein Wald aus riesigen Schilfpflanzen. Mächtige, schwertartige Blätter hingen bis fast zum Boden herab. »Wir gehen erst einmal zu dem Bau hinüber«, sagte Atlan. »Dann werden wir weitersehen.« Wirtz folgte ihm durch das hüfthohe Gras, das sich mit Rauhreif überzogen hatte. Hier
war jedoch nicht viel geblieben. Froom Wirtz sah erschöpft aus. Er schien am Ende seiner psychischen Kräfte zu sein. Atlan fragte sich, ob er ihm noch lange folgen würde. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihm gegenüber nach der Aktivierung nicht sogleich mit absolut offenen Karten zu spielen. »Sie sollten sich zusammennehmen, Froom«, sagte er. »Ich glaube an unsere Chance, wie ich es immer getan habe. Tun Sie es auch.« Wirtz lächelte verzerrt. Er schüttelte den Kopf. »Man muß einsehen, daß irgendwann einmal Schluß ist.« »Für mich ist der Berg ein Grund, wieder zu hoffen.« »Erklären Sie mir, wie wir den Höhenunterschied von fünfzig Metern bewältigen sollen.« Er faßte sich an den Kopf. »Es ist einfach nicht zu glauben. Von unserer Galaxis trennen uns viele Lichtjahre. Aber das macht mich nicht nervös. Was mich verrückt macht, sind ganze fünfzig Meter. Können Sie das verstehen, Sir?« Atlan nickte ihm zu, wandte sich um und ging auf den schwebenden Berg zu. Zögernd folgte ihm Wirtz. Der Instinkt-Spezialist beobachtete den Arkoniden, den er schrankenlos bewunderte. Er wußte nicht, woher Atlan den Mut nahm, immer wieder an sich und seine Zukunft zu glauben. Gab dieser Mann denn nie auf? Gab es für ihn jenen Punkt nicht, an dem er einsah, daß er verloren hatte? Oder kam in Atlan nie der Gedanke auf, daß er überhaupt jemals verlieren könnte? Wirtz beschleunigte seine Schritte, um Atlan näher zu kommen. Instinktiv suchte er bei dem Arkoniden Schutz. Eine Aura der Hoffnung und der Sicherheit umgab den Lordadmiral wie ein unsichtbarer Schutzschirm, der stark genug war, auch ihn mit einzubeziehen. Wirtz fühlte, wie er sich beruhigte. Sein Pulsschlag verlangsamte sich und neue Kraft durchströmte ihn. Er schämte sich ein wenig für seine Schwäche und war versucht, Atlan mit einigen Worten zu verstehen zu geben, daß alles wieder in Ordnung war. Aber das war gar nicht nötig. Der Arkonide blickte ihn kurz an. Und in seinen rötlichen Augen lag 5
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg »Beim nächstenmal zielen wir nicht vorbei.« Atlan blieb stehen. »Das halte ich auch für besser«, sagte jemand hinter ihnen. Sie fuhren herum. Vor ihnen stand ein Rakganter. Die Haut des Gesichtes schimmerte wie Silberbronze. Grasgrüne Augen musterten Atlan. Der Mann, der von einer Randwelt des Orionarms stammte, zielte mit einem Thermostrahler auf sie. Er war etwa 1,80 m groß. Der Arkonide schätzte, daß er annähernd 140 kg wog. »Was treibt ein Rakganter auf Schneeball?« fragte er. »Das gleiche könnte ich Sie auch fragen«, erwiderte der Fremde. »Ich hätte nicht erwartet, hier einem Arkoniden zu begegnen.« »Sie scheinen immerhin erkannt zu haben, daß ich nicht von dieser Welt stamme«, sagte Atlan. »Das sollte Sie dazu veranlassen, endlich Ihre Waffe wegzustecken. Ich habe nicht vor, Sie anzugreifen. Das wäre ja auch sinnlos.« Zögernd schob der Mann mit der hellen Haut seinen Thermostrahler in eine Hüfttasche. »Das klingt nicht ganz unvernünftig, Arkonide.« Er hatte einen Akzent, der sein Interkosmo nur schwer verständlich machte. Er ließ das »r« und das »t« fast immer aus und betonte die Silben völlig anders, als sonst in der Galaxis üblich. Atlan mußte sich scharf konzentrieren. Rakganter galten als verschlossen und zurückhaltend. Sie waren kontaktscheu und lehnten eine enge Zusammenarbeit mit dem Solaren Imperium ab, obwohl sie von terranischen Kolonisten abstammten. Sie leugneten ihre solare Herkunft und distanzierten sich von den ursprünglichen Siedlern von Rakgant. Diese – so meinten sie – hätten nichts mehr mit ihnen gemein. Tatsächlich waren im Laufe der Jahrhunderte Mutationen eingetreten, die erhebliche Veränderungen bewirkt hatten. »Na, also«, sagte Atlan. »Können wir jetzt miteinander reden?« »Was wollen Sie hier?« »Haben Sie gesehen, wie wir hierhergekommen sind?«
war nur wenig Schnee gefallen. Als sie etwa zweihundert Meter weit gegangen waren, blitzte es bei der Kuppel auf. Ein Energiestrahl fuhr auf sie zu, erreichte sie jedoch nicht. Ein Hitzeschwall fauchte über sie hinweg und schuf eine Gasse. Sie blieben stehen. Atlan blickte sich um. Er wußte nicht, was er tun sollte. Sie mußten irgendeine Möglichkeit finden, das Wasser zu überwinden. Schwimmen konnten sie nicht. Dafür war das Wasser viel zu kalt. Zudem vermutete Atlan, daß es eine starke Strömung in der Meerenge gab. Sie mußten etwas finden, was sie als Fahrzeug benutzen konnten. »Wir gehen weiter«, sagte er. »Das ist doch sinnlos. Die knallen uns ab.« Atlan beachtete die Worte seines Begleiters nicht. Er hob die Arme, um dem unbekannten Schützen damit zu zeigen, daß er nicht die Absicht hatte, mit ihm zu kämpfen. Als er bis auf einhundert Meter an die Kuppel herangekommen war, konnte er sehen, daß diese tatsächlich nicht mehr als eine Ruine war. Die Ränder der Öffnungen waren gezackt und nach außen gebogen. Sie konnten nur durch Explosionen entstanden sein. Der Wind hatte ein hohes Schneefeld vor die Kuppel getrieben, so daß von dem Gras kaum noch etwas zu sehen war. »Da kommen wir nicht so ohne weiteres durch«, sagte Wirtz, der dem Arkoniden gefolgt war. »Wir müssen einen Bogen schlagen. Da drüben liegt der Schnee nicht so hoch.« Vor der Kuppel erschien eine hochgewachsene Gestalt, die in dicke Pelze gehüllt war, so daß die humanoide Form kaum auszumachen war. »Verschwinden Sie«, rief sie mit schriller Stimme in einem kaum verständlichen Interkosmo. »Hauen Sie ab, oder wir schießen.« Atlan ging weiter. »Seien Sie vernünftig«, antwortete er. »Wir müssen mit Ihnen reden.« »Bleiben Sie stehen.« Der Arkonide tat, als habe er die Worte nicht gehört. Froom Wirtz legte ihm die Hand auf die Schulter, um ihn zurückzuhalten, doch er schüttelte sie ab. Wieder blitzte es in einer der Öffnungen auf. Der Energiestrahl zuckte hoch über sie hinweg. 6
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg »Wir haben mit Fiktivtransmittern experimentiert«, erklärte sie und hob die Arme, als sei mit diesen Worten schon alles gesagt. »Die Experimente sind nicht ganz so verlaufen, wie Sie geplant haben, Skabbah Tas?« »Das sagte ich doch schon«, erwiderte sie schnaufend und strich sich erneut mit dem Ärmel ihres Pelzmantels über das Gesicht. »Wir sollten auf einer Welt 287 Lichtjahre von Rakgant entfernt materialisieren. Aber wir sind hier herausgekommen. Weitab von der Galaxis. Es ist zum Verrücktwerden.« Sie sagt nicht die Wahrheit, stellte Atlans Logiksektor fest. Die Entfernungen sind zu groß. So sehr kann man sich nicht irren? fragte der Arkonide lautlos zurück. So sehr nicht. »Wenn Sie in die Milchstraße zurückkehren wollen, dann müssen Sie sich an den Berg halten«, sagte er. »Oder haben Sie ein anderes Raumschiff entdeckt?« Sie blickte ihn zornig an. »Ich habe Sie gebeten, die Höflichkeitsformen zu wahren.« »Entschuldigen Sie, bitte, Skabbah Tas. Es war keine böse Absicht.« Sie wandte sich brummend ab und stapfte durch den Schnee davon. Atlan und Wirtz folgten ihr. Das wird sie dir nicht vergessen. Ich habe mich entschuldigt. Rakganter sind stolz. Du hast sie verletzt. Atlan antwortete nicht auf die Feststellungen seines Extrasinns. Was hätte er auch sagen sollen? Skabbah Tas hatte ihm alle nötigen Hinweise gegeben. Dennoch hatte er ihren Namen mißachtet. Er hoffte, daß sich alles von selbst wieder einrenken werde. Als sie die Kuppel erreichten, brannte drinnen bereits ein Feuer. Atlan sah jetzt, daß die verlassene Station praktisch nur noch aus der Hülle aus Thermoplast und einigen Stützwänden bestand, die mit Isoplast überzogen worden waren. Das ganze Bauwerk war etwa sieben Meter hoch und durchmaß an der Grundfläche zehn Meter, war also im Verhältnis zu seiner Grundlinie recht hoch. Alles, was jemals darin gewesen war, war von Unbekannten herausgerissen worden. Atlan vermutete, daß die Eingeborenen des Planeten für die
»Allerdings. Sie sind teleportiert.« »Worden«, ergänzte Atlan. »Worden?« »So ist es. Eine Teleporterin hat uns gepackt und hergebracht. Ganz gegen unseren Willen. Wir hatten nämlich die Absicht, jenen Berg dort drüben zu besteigen.« »Den schwebenden Eisberg?« »So ist es.« »Warum?« »Wäre es nicht möglich, daß der Berg so etwas wie ein Raumschiff ist?« »Hm – könnte sein.« »Dann ist der Berg die einzige Möglichkeit für uns, in die Heimatgalaxis zurückzukommen.« In den grünen Augen des Rakganters leuchtete ein geheimnisvolles Licht auf. Atlan blickte über die Schulter zurück. Zwei weitere Rakganter hatten sich ihnen lautlos von hinten genähert. Der eine war etwas größer als ihr Gesprächspartner. Der andere war nur etwa 1,60 m groß, wog aber sicherlich 100 kg. Beide waren mit Thermostrahlern bewaffnet, und beide machten den Eindruck, als würden sie ihre Waffen auch einsetzen, falls sich das als notwendig erweisen sollte. »Es gibt keine Möglichkeit, über die Meerenge zu kommen«, erklärte der größere der beiden neu hinzugekommenen Rakganter. Er nickte Atlan mürrisch zu. »Mein Name ist Skabbah Tas. Ich bin weiblich. Deshalb lege ich Wert darauf, daß Sie meinen ganzen Namen benutzen, wenn Sie mich ansprechen. Haben Sie verstanden?« »Ich habe verstanden, Skabbah Tas. Mein Name ist Atlan.« Die Frau fuhr sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Sie schnaufte hörbar. »Sind Sie ...?« »Ich bin.« »Das ändert die Situation ein wenig. Skam Ma'h, Carrit Barkan, verschwindet. Macht ein Feuer in der Kuppel an. Los doch. Beeilt euch.« »Ja, Skabbah Tas«, sagte Skam Ma'h, der kleinere der beiden Männer, unterwürfig. Zusammen mit Barkan eilte er durch den Schnee davon, der an einigen Stellen so hoch lag, daß er bis an die Schulter darin versank. Die Frau blickte den Lordadmiral ratlos an. 7
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg den zu sein schien, aber auch Atlan und Wirtz nicht vertraute. Carrit Barkan zeigte nach Südosten. »Einige hundert Meter weiter liegen am Strand einige hundert verendete Tiere. Die plötzliche Kälte hat sie umgebracht. Wenn wir sie aufschneiden und ins Wasser werfen, können wir die Fische vielleicht von uns ablenken. Wir sollten es wenigstens versuchen.« »Das ist eine gute Idee«, entgegnete Atlan. »Kommen Sie, bitte, ich möchte mir die Tiere ansehen.« »Das ist doch Irrsinn«, sagte Skabbah Tas zornig. Unbemerkt von den anderen war sie aus der Kuppel getreten. »So etwas zu versuchen, ist so närrisch, wie Selbstmord zu begehen.« Atlan lächelte verstohlen. Er nickte Wirtz zu und machte sich auf den Weg. Nur Carrit Barkan folgte ihm. Froom schien das Gefühl zu haben, daß es besser war, die Rakganterin zu besänftigen. Der Arkonide hörte, daß er leise auf sie einsprach. Barkan schwieg. Er fluchte ab und zu leise, wenn der Schnee zu tief wurde. Erst als sie ein Gebiet erreichten, in dem nur Rauhreif die Gräser bedeckten und kaum Schnee gefallen war, wurde er lebhafter. »Die Tiere flohen vor Raubtieren aus dem Schilfwald. Vielleicht wollten sie die Meerenge durchschwimmen. Als sie im Wasser waren, merkten sie wohl, wie kalt es war. Sie kehrten um und blieben am Ufer stehen. Eins nach dem anderen brach zusammen und starb«, berichtete er. Atlan sah die ersten Kadaver liegen. Die Tiere glichen entfernt terranischen Elefanten, waren allerdings nur so groß wie Elenantilopen. Sie hatten ein rötliches Fell. Vielfach gezackte Geweihe zierten ihren Kopf. Der Rüssel lief in drei Greiffingern aus. Der Arkonide kniete bei einem der Tiere nieder und tastete nach dem Puls. Er konnte kein Leben mehr feststellen. Carrit Barkan hatte einem der Tiere mehrere Schnitte beigebracht. Er nahm es auf und schleuderte es kraftvoll in die See. Es flog etwa vier Meter weit, bevor es ins Wasser fiel. Atlan staunte über die Kraft, die in dem massigen Körper des Rakganters wohnte. Sie überraschte ihn. Dieser Mann war zwar ein
Plünderung verantwortlich waren. Der kleine Rakganter reichte dem Arkoniden und seinem Begleiter ein heißes Getränk in einfachen, nicht sehr sauberen Bechern. »Der Dreck ging nicht herunter«, sagte Skam Ma'h. »Ich habe alles versucht.« »Du brauchst dich bei ihm nicht zu entschuldigen«, fuhr ihm Skabbah Tas über den Mund. »Er hat keinen Sinn für Höflichkeit und gute Umgangsformen.« Atlan ging lächelnd über diese Bemerkung hinweg. Er trank. Das Gebräu schmeckte bitter, weckte aber auf angenehme Weise die Lebensgeister. »Es muß eine Möglichkeit geben, die Meerenge zu überwinden, Skabbah Tas«, sagte er und umschloß den Becher mit beiden Händen, um sich daran zu wärmen. »Es gibt keine.« »Warum sind Sie so sicher, Skabbah Tas?« fragte er. Ihr Bronzegesicht zuckte. Die bleichen Lippen wurden weich. Sie schlug die Augen nieder. »Skarlt Op'han hat es versucht«, erklärte sie tonlos. »Er hat sich eines von den Schilfblättern geholt und sich draufgestellt. Ein zweites Blatt hat er als Segel in den Arm genommen. Er wollte sich vom Wind zur anderen Seite blasen lassen. Es hat nicht geklappt.« »Ist er ins Wasser gefallen, Skabbah Tas?« fragte Froom Wirtz. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Im Meer leben große Fische. Sie haben ihn angefallen und sein Blattboot umgestürzt.« »Und doch ist es die einzige Möglichkeit, Skabbah Tas«, sagte Skam Ma'h erregt. »Wir sollten es alle versuchen.« Atlan trat ins Freie hinaus. Er blickte zum Wasser hinüber. Der Wind hatte gedreht. Er blies jetzt genau in östlicher Richtung, also zum anderen Ufer der Enge hinüber. Er mußte ein windabhängiges Fahrzeug direkt nach drüben treiben. Carrit Barkan und Froom Wirtz kamen ebenfalls nach draußen. Die beiden Männer schienen sich auf Anhieb gut zu verstehen. Barkan machte einen weniger mürrischen und verschlossenen Eindruck als Skam Ma'h, der mit keiner Entscheidung der Frau einverstan8
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Zugleich begriff er, daß die Möglichkeiten, sie nicht zu beleidigen, immer geringer wurden. »Ich habe Carrit Barkan schon gesagt, daß jeder selbst zu entscheiden hat«, sagte Atlan. »Wollen Sie mir damit zu verstehen geben, daß es mit meinem Mut nicht besonders weit her ist?« fragte Skabbah Tas angriffslustig. »Keineswegs, Skabbah Tas«, entgegnete der Arkonide. »Ich sagte damit nur, daß jeder sein eigener Herr ist. Wer hierbleiben will, kann das tun.« »Gilt das auch für mich?« Atlan blickte Froom Wirtz überrascht an. Die Worte hatten scharf und aggressiv geklungen. »Was ist in Sie gefahren, Froom?« Er rebelliert, stellte der Logiksektor fest. Er sieht nicht mehr ein, weshalb er sein Leben aufs Spiel setzen soll. Wirtz preßte die Lippen trotzig zusammen. Demonstrativ sah er zu den schwertförmigen Blättern der riesigen Schilfpflanzen hinauf. Er tat, als habe er die Worte Atlans nicht gehört. Der Arkonide reagierte gelassen. »Kommen Sie, bitte, Froom«, sagte er. »Ich möchte einige Worte mit Ihnen reden.« Wirtz wurde unsicher. Er schien sich an Skabbah Tas wenden zu wollen, aber diese beachtete ihn nicht. Er folgte Atlan, der sich einige Schritte von der Kuppel entfernte und dann auf ihn wartete. »Froom«, begann der Lordadmiral. »Sie wissen mittlerweile, daß Sie ein InstinktSpezialist sind. Sie haben sich besondere Fähigkeiten erworben, die anschließend jedoch aus ihrem Bewußtsein gelöscht wurden. Sie erinnerten sich erst wieder daran, als ich die Aktivierungsformel sprach.« »Als Sie mir sagten, Rhodan werde kommen, wurde mir alles klar«, stimmte Wirtz widerwillig zu. Die beiden Männer standen etwa dreißig Meter von der Kuppel entfernt. Die drei Rakganter waren nicht zu sehen. Sie waren in die Ruine gegangen. »Nicht alles wurde Ihnen klar«, verbesserte Atlan. »Haben Sie sich nie gefragt, wieso Sie zu der Schulung gekommen sind, und was danach mit Ihnen geschehen ist?« Wirtz schüttelte den Kopf.
Umweltangepaßter, aber die Schwerkraft auf Rakgant betrug nur etwa 1,5 kg. Der Unterschied zur Erde war erheblich, reichte aber noch nicht aus, Kraftprotze wie etwa Ertruser heranwachsen zu lassen. Die Besonderheiten der Rakganter lagen auf anderem Gebiet. So waren sie beispielsweise extrem unempfindlich gegen harte Strahlung. Er erhob sich und beobachtete den Kadaver, der in den Wellen schaukelte. Eine schwertartige Flosse durchschnitt die schäumenden Wellen, und plötzlich färbte sich das Wasser rot. Atlan sah weitere Fische, die pfeilschnell auf das Wild zuschossen. Mächtige Schwanzflossen peitschten das Wasser. Der Kadaver wurde von den wild zupackenden Fischen in die Luft gehoben, versank jedoch sofort wieder. Sekunden nur dauerte der Spuk. Dann war alles vorbei, und das Wasser beruhigte sich. »Genauso schnell ging es mit Skarlt Ophan«, sagte Carrit Barkan. »Wir konnten ihm nicht mehr helfen.« »Wenn wir genügend Kadaver ins Wasser werfen, können wir es vielleicht schaffen.« Der Rakganter blickte ihn mit grünen Augen an. Atlan wußte, was er sagen wollte. Angesichts der Gefahren, die im Meer lauerten, war der Versuch, mit so primitiven Mitteln über den Sund zu kommen, ein unerhört gefährliches Unternehmen. »Es ist die einzige Chance, die wir haben«, sagte er. »Wenn wir es nicht tun, müssen wir hierbleiben und darauf warten, daß irgendwann einmal ein Raumschiff landet und uns mitnimmt. Ich glaube nicht, daß so etwas in den nächsten hundert Jahren passieren wird.« Er zuckte mit den Achseln. »Darüber hinaus zwingt Sie niemand, es uns gleichzutun.« 2. Skabbah Tas stand breitbeinig vor der Kuppel und hielt die Arme vor der Brust verschränkt. Sie hatte die Kapuze ihres Pelzes zurückgeschlagen, so daß Atlan ihr schulterlanges, schwarzes Haar sehen konnte. In dem silbrigen Bronzegesicht zuckte kein Muskel Atlan erkannte sofort, daß es ein Fehler gewesen war, sich über sie hinwegzusetzen. 9
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg men herausschneiden und daraus eine Art Segelboot bauen«, verkündete der Lordadmiral. »Damit werden wir den Sund überqueren. Wenn Sie wollen, Skabbah Tas, können Sie uns helfen. Wir werden Ihren Rat dankbar entgegennehmen. Wir wissen Ihre Erfahrung zu schätzen.« Der feindselige Gesichtsausdruck der Frau änderte sich nicht. Rakganter waren nicht gerade als freundliche Wesen zu bezeichnen. Sie galten vielmehr als mürrisch und argwöhnisch. Daher erschien es fast ausgeschlossen, daß ein Nicht-Rakganter mit einem Rakganter befreundet sein konnte. Das dafür notwendige Vertrauen würde bei den Silberbronzenen nie aufkommen. Atlan gab Wirtz einen befehlenden Wink. Die beiden Männer stampften durch den Schnee bis zu einem Schilfbaum, der hundert Meter von der Kuppel entfernt war. Der Arkonide umrundete ihn, richtete den Thermostrahler auf den Stamm und trennte ihn mit einem Strahl aus reiner Kernenergie durch. Krachend stürzte der Baum um. Zusammen mit Wirtz lösten sie ein schwertförmiges Blatt von etwa zwanzig Metern Länge und vier Metern Breite ab. Sie bogen die Spitze zurück und bohrten sie etwa in der Hälfte der Länge in das Blatt, so daß ein bogenförmiger Bug entstand. Wirtz löste einige Fasern aus der unteren Breitseite des Blattes heraus und band die Spitze damit fest. Atlan knotete mehrere Fasern an die Seiten des Blattes und zurrte sie fest, so daß ein schalenförmiger Rumpf entstand. Darin konnte ein ausgewachsener Mann gut stehen. »Das sieht nicht schlecht aus«, sagte Wirtz. »Es kann zu leicht kentern«, erwiderte Atlan. »Wir müssen noch ein Schwert haben, das durch den Boden abgesenkt werden kann. Das macht das Ding richtungsstabil und sorgt zugleich dafür, daß es nicht bei jedem kleinen Stoß umkippt.« »Dann dringt Wasser durch den Boden.« »Das macht nichts. Wir legen den Rumpf mit einigen kleineren Blättern aus. Naß werden wir ohnehin werden. Es kommt nur darauf an, daß die Fische uns nicht angreifen können.« Die beiden Männer verbesserten das Fahrzeug und sicherten es gegen die Fährnisse des
»Das ist mir auch egal. Ich habe es satt. Von jetzt an trennen sich unsere Wege.« »Das ist leider nicht möglich Froom. Ich erinnere daran, daß Sie vor Jahren freiwillig zu uns gekommen sind. Sie sind der USO beigetreten und haben sich zum Spezialisten ausbilden lassen. Damit haben Sie aber auch alle Verpflichtungen eines USO-Spezialisten auf sich genommen.« »Was sagen Sie da? Ich bin ... ein USOSpezialist?« Abgrundtiefe Bestürzung zeichnete sein Gesicht. Dann wurde die Verwirrung erkennbar, die ihn befiel, und schließlich leuchtete es in seinen Augen auf. Seine Blicke klärten sich. »Jetzt fällt mir alles wieder ein, Sir«, sagte er tonlos. »Ich habe mich für ein Experiment zur Verfügung gestellt.« Seine Gestalt straffte sich. Wirtz schwankte nicht mehr zwischen Atlan und den Rakgantern hin und her. Er wußte jetzt, wohin er gehörte. »Ich ahnte nicht, daß Sie mein Vorgesetzter sind, Lordadmiral«, erklärte er. »Selbstverständlich können Sie über mich verfügen.« »Es ändert sich nichts zwischen uns, Froom«, erwiderte Atlan. Er legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. »Mir kam es nur darauf an, Ihnen eine Orientierungshilfe zu geben. Der Eisberg ist unser Ziel, und wir werden mit allen Mitteln darum kämpfen, es zu erreichen.« »Sie können auf mich rechnen, Sir.« Froom Wirtz wirkte wie neubelebt. Es gab keine falschen Erinnerungen mehr in ihm. Er wußte wieder, wie alles gewesen war. Er erinnerte sich an die Faszination, die von dem Angebot ausgegangen war, das er eines Tages erhalten hatte. Er wußte wieder, wie er auf dieses Anerbieten der USO eingegangen, und wie er Lordadmiral zum erstenmal begegnet war. Die Lehren der harten Schule, durch die er gegangen war, standen ihm wieder klar vor Augen. Ihm war, als habe er jahrelang in einer Art Dämmerzustand gelebt, aus dem er endlich befreit worden war. An der Seite Atlans kehrte er zu Skabbah Tas zurück. »Wir werden einige Blätter aus den Bäu10
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg »Einen Teil von ihnen werfen wir ins Wasser. Wenn die Fische sie auffressen, zerren sie damit die anderen hinterher. So können sie sich selbst versorgen, ohne daß wir uns um sie kümmern müssen.« »Sie machen alles viel zu kompliziert«, erwiderte Skabbah Tas verächtlich. »Das ist zu mühevoll. Wir verlieren unnötig Zeit.« »Was meinen Sie?« fragte Atlan die anderen. Er merkte, wie sehr er die Frau damit erzürnte, daß er den anderen über ihren Kopf hinweg die Möglichkeit gab, mitzuentscheiden. Aber in diesem Fall war es ihm egal. Er war überzeugt davon, daß sich ihre Erregung wieder legen würde. Ihm kam es darauf an, daß nachher alle wirklich gut zusammenarbeiteten. Und das war – nach seiner Ansicht – nur dann zu erwarten, wenn er nicht einfach bestimmte, was getan werden sollte. Du täuschst dich, teilte der Logiksektor nüchtern mit. Rakganter sind anders. Sie haben das Bedürfnis, sich zu unterwerfen oder zu bestimmen. Zwischentöne gibt es nicht. Skabbah Tas ist der Herr – die anderen sind kaum mehr als Sklaven. Skam Ma'h trat von einem Bein auf das andere. Von unten herauf blickte er Atlan an. Seine Wangen zuckten. Atlan fühlte, daß er sich einen Todfeind geschaffen hatte. Der Rakganter hatte ihn gründlich mißverstanden. Er wollte gar nicht mitbestimmen, sondern gelenkt werden. Er sah in Atlans Frage lediglich den Versuch, einen Keil zwischen ihn und Skabbah Tas zu treiben. Und das empfand er als persönlichen Angriff und als Bedrohung für ihre Gemeinschaft. Auch Carrit Barkan war überfordert. Er scharrte mit den Füßen im Schnee, als habe er soeben eine welterschütternde Entdeckung gemacht. Froom Wirtz kaute unschlüssig auf seinen Lippen. Er hatte sich verändert. Die Ereignisse der letzten Stunden hatten ihre Spuren bei ihm hinterlassen. Das überraschte Atlan nicht. Irgendwann einmal erreichte jeder Mensch einen Punkt, an dem die Belastungen für ihn zu groß wurden. Erstaunt war er nur, daß der Instinkt-Spezialist sich offenbar stark von Skabbah Tas beeinflussen ließ. Es war ihm nicht gelungen, die geheimnisvollen Fäden, die sich zwischen Wirtz und der Rakganterin
Sunds ab, soweit sie konnten. Zögernd näherten sich die drei Rakganter. »Ich muß zugeben, daß dieses Floß besser ist als das, was wir gebaut haben«, sagte Skabbah Tas knurrig. »Damit könnte es sogar klappen.« »Warum bauen Sie nicht auch so ein Schiffchen, Madam? Damit hätten Sie ebenfalls eine Möglichkeit, auf die andere Seite zu kommen. Wenn einer von uns die Fische mit dem Wild füttert, können wir uns behaupten. Außerdem haben wir noch unsere Thermoautomatik.« Skabbah Tas schien zu überhören, daß er ihren Namen dieses Mal nicht nannte. Sie nickte. »Helfen Sie uns bei der Arbeit«, sagte sie in befehlendem Ton, »dann machen wir mit.« »Gern, Skabbah Tas. Ich will mir nicht nachsagen lassen, daß ich Sie nicht unterstützt habe.« Atlan überprüfte das Blatt-Schiff. Er war mit seiner Arbeit zufrieden. Er und Wirtz konnten damit über die Meerenge fahren. Der Wind würde sie treiben. Das Schwert war so angebracht worden, daß sie es ausfahren konnten, sobald sie auf dem Wasser waren. Zusammen mit Wirtz und den Rakgantern baute er zwei weitere Fahrzeuge dieser Art. In dem einen wollten Skabbah Tas und der kleine Skam Ma'h fahren, in dem anderen Carrit Barkan. Dieses konnte daher etwas kleiner sein. Abschließend brachte Atlan an allen drei Schiffen noch seitliche Ausleger an, die über dem Wasser schwebten, solange die Blätter sich nicht zu stark zur Seite neigten. Wenn sie zu kentern drohten, würden die Ausleger sie abstützen. Damit würden sie die Fahrt zwar herabsetzen, zugleich aber die Gefahr erheblich vermindern. Zusammen schleppten Atlan, Wirtz und die drei Rakganter die Fahrzeuge nacheinander zum Ufer. Sie glitten im Schnee relativ leicht dahin. Der Wind wurde stärker, und es begann wieder zu schneien, so daß sich die Sicht verschlechterte. »Ich übernehme es, die Tiere ins Wasser zu werfen«, sagte Carrit Barkan. »Wir sollten die Kadaver mit Baumfasern zusammenbinden«, schlug der Arkonide vor. 11
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg schwerfällig hinein. Die leichte Schale trug sie, ohne daß Wasser eindrang. Carrit Barkan rannte durch den Schnee davon. Wenig später verkündete er ihnen laut brüllend, daß er die Kadaver in die See schleuderte. Froom Wirtz gab dem Blatt einen Stoß, sprang zu Atlan und klammerte sich an das Schwert. Er senkte es langsam ab, um den Kurs des Schiffes zu stabilisieren. Der Wind trieb das Gefährt auf den Sund hinaus. Als Wirtz sich wenig später umdrehte, konnte er das Ufer nicht mehr sehen. Auch die beiden anderen Blätter waren im Schneegestöber verschwunden. Er konnte die Schreie hören, mit denen sich die Rakganter verständigten. Offenbar war auch Carrit Barkan gestartet. Atlan hielt seine Thermoautomatik in der Hand. Er blickte auf das Wasser, das vom Wind aufgewühlt wurde. Die Wellen schlugen an die Bordwände und erschütterten das Blatt, das immer heftiger schwankte, je weiter sie auf den Sund hinauskamen. »Es hört auf zu schneien«, sagte Wirtz. Die Sicht wurde von Minute zu Minute besser. Auch der Wind flaute etwas ab. Die beiden anderen Blätter folgten ihnen in einem Abstand von etwa fünfzig Metern. »Die Hälfte haben wir geschafft, Sir.« Atlan entdeckte einige schwertförmige Rückenflossen, die in einer Entfernung von etwa zwanzig Metern die Wellen durchschnitten. »Jetzt geht's los, Froom.« Atlan und Wirtz mußten sich festhalten. Immer wieder schien es, als würde das primitive Fahrzeug von den Wellen umgeworfen. Ihre Hände waren steifgefroren. Plötzlich schoß eine Rückenfinne auf sie zu. Der Arkonide sah einen mächtigen, dunklen Körper, der sich durch die Wellen schnellte und mit ihnen kollidieren mußte. Er schoß. Der Energiestrahl fuhr dem Fisch in den Rücken. Das Tier warf sich hoch. Für einen kurzen Moment konnten die beiden Insassen des primitiven Schiffes den fürchterlichen Rachen mit den Reißzähnen sehen. Dann stürzte der Räuber ins Wasser zurück. Seine Schwanzflosse peitschte gegen die Bordwand, so daß Atlan zur Seite geworfen wurde. Froom Wirtz schrie auf. Er stürzte ebenfalls, so daß sich das Gewicht der beiden Männer auf eine Bordseite verlagerte. Das
gezogen hatten, zu ergründen. »Also gut«, sagte er einlenkend. »Es ist Ihre Entscheidung. Sie haben sie zu verantworten.« In den grünen Augen von Skabbah Tas leuchtete es triumphierend auf. Sie genoß es, einen Sieg über Atlan errungen zu haben, ohne zu erkennen, daß der Arkonide den Ausgang der Auseinandersetzung keineswegs als Niederlage empfand. Skam Ma'h lachte hämisch. Carrit Barkan rieb sich unbehaglich das Kinn, während Froom Wirtz Atlan offen anblickte und ihm zulächelte. Er war der einzige, der begriff. »Können wir nicht noch warten?« fragte Barkan. »Der Wind ist ziemlich stark. Und es schneit zu sehr. Man kann kaum etwas sehen.« »Sie können warten, wenn Sie wollen«, erwiderte Atlan ruhig. »Froom Wirtz und ich werden jetzt starten.« »Warum?« fragte Skam Ma'h hitzig. »Weil wir nicht wissen, was mit dem Eisberg geschieht. Wenn sich unter dem Eis ein Raumschiff verbirgt, dann wird es bald starten. Vielleicht verläßt es diese Welt schon innerhalb der nächsten Stunde. Dann ist es zu spät für uns.« »Warum sollte es starten?« »Froom, sagen Sie es ihm.« »Das Mädchen Terrania, das mit uns gekommen ist, wurde von dem Eisberg angelockt«, erklärte der Instinkt-Spezialist. »Uns wollte man nicht haben, sondern hat uns weiter vom Berg entfernt. Diese beiden Fakten deuten darauf hin, daß der Start unmittelbar bevorsteht. Atlan hat recht. Wenn wir uns nicht beeilen, werden wir zu spät kommen.« Der Lordadmiral gab Wirtz einen befehlenden Wink. Die beiden Männer schoben ihr primitives Gefährt bis ins Wasser, das am Ufer relativ ruhig war, da der Wind ablandig wehte. Sie mußten es festhalten, damit es nicht vom Wind davongetrieben wurde. »Los. Beeilt euch«, schrie Skabbah Tas. »Wie lange wollt ihr hier noch herumstehen? Barkan – wirf die Tiere ins Wasser. Skam Ma'h, hier wird nicht gefaulenzt. An die Arbeit.« Der kleine Rakganter schob sein Schilfboot in die Wellen, und Skabbah Tas kletterte 12
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg verringern? Wir können nichts tun.« Atlan überlegte, aber auch ihm fiel keine Lösung ein. Sie waren allein vom Wind abhängig und konnten nicht frei manövrieren. Er hob seine Thermoautomatik, ließ sie dann aber wieder sinken, weil er einsah, daß er Barkan aus dieser Entfernung nicht unterstützen konnte. »Es muß doch einen Weg geben«, sagte er. Es gibt keinen, stellte der Logiksektor unerbittlich fest. Barkan ist verloren. Skabbah Tas wird dich dafür verantwortlich machen. Das ist unlogisch, erwiderte er. Aus ihrer Sicht heraus bist du verantwortlich. Mit hoher Fahrt näherten sie sich dem Ufer. Es war felsig. Zahlreiche Klippen waren der Küste vorgelagert. Atlan wußte, daß er seine ganze Aufmerksamkeit eigentlich nach vorn hätte richten müssen, aber er konnte seine Blicke nicht von dem Drama abwenden, das sich auf der Meerenge abspielte. Carrit Barkan kämpfte mit bewunderungswürdigem Mut um sein Leben. Er schoß mit seinem Energiestrahler. Zugleich schlug er mit der linken Faust nach jedem Fisch, der sich zu nah an das Blatt heranwagte. Skabbah Tas schrie ihm mit schriller Stimme Ratschläge zu. Skam Ma'h kauerte neben ihr und brachte kein Wort über die Lippen. »Er schafft es«, sagte Froom Wirtz. Er hatte sich erhoben und glich die Bewegungen des Schiffes aus, indem er sich mit federnden Knien mal zur einen, mal zur anderen Seite neigte. Atlan packte ihn und zwang ihn auf die Knie herab. »Wir wollen nicht noch im letzten Moment scheitern, Froom.« Carrit Barkan schleuderte seine Waffe nach einem Fisch. Dann zog er das Schwert aus dem Boden seines Schiffes, um damit um sich schlagen zu können. »Das darf er doch nicht machen«, rief Atlan. »Das Blatt wird kentern, wenn er das Schwert nicht wieder in den Boden steckt.« Er richtete sich auf und legte die Hände trichterförmig vor den Mund, um Barkan eine Warnung zuzurufen. In diesem Moment warfen sich zwei Fische gegen das Blatt des Rakganters. Das Schiff kippte um. Carrit Barkan stürzte ins Wasser kletterte
Schiff neigte sich bedenklich zur Seite, und ein Brecher schlug über die beiden Männer hinweg. Dann glitt Atlan an seinen Platz zurück. Das Schiff richtete sich schwerfällig auf, und eine Böe trieb es scharf voran. Atlan entdeckte zwei weitere Fische. Er glaubte, daß sie sich auf sie stürzen wollten, doch dann sah er, daß sie sich über den Kadaver des anderen hermachten. Besorgt blickte er zu den anderen Schiffen zurück, in denen ihnen Skabbah Tas, Skam Ma'h und Carrit Barkan folgten. Die beiden Blätter schwankten überaus stark. Diese Bewegung konnte nicht nur von den Wellen verursacht werden. Die Rakganter wurden von den Raubfischen angegriffen. Atlan sah mehrfach Impulsstrahler bei ihnen aufblitzen. Offensichtlich konnte Skabbah Tas sich damit ein wenig Luft verschaffen, während Carrit Barkan, der den Abschluß bildete, große Mühe mit seinem Schiff hatte. »Atlan! Achtung!« Der Arkonide fuhr herum. Froom Wirtz zeigte auf einen Schwarm von wenigstens sieben großen Fischen, die auf sie zuschwammen. Einige von ihnen schnellten sich wie terranische Delphine über die Wellen hinaus, so daß die beiden Männer auf dem Schilfblatt genau sehen konnten, wie groß sie waren. Atlan schätzte, daß sie durchschnittlich eine Länge von sieben Metern erreichten. Er schoß vor dem Schwarm ins Wasser. Dampfwolken stiegen auf. Als er abermals schoß, schäumte das Wasser auf. Das war ein deutliches Zeichen dafür, daß sich die Wassertemperatur, wie erwartet, schlagartig erhöht hatte. »Sie drehen ab«, rief Wirtz erregt. »Sie können die Hitze nicht vertragen.« Atlan blickte sich suchend um. Er konnte keine weiteren Fischleiber entdecken. Das Blatt, auf dem Carrit Barkan fuhr, schwankte überaus stark. Atlan konnte mehrere Raubfische sehen, die sich aus dem Wasser emporschnellten und mit dem Kopf gegen die Bordwand warfen. »Wir müssen versuchen, Barkan zu helfen«, sagte er. »Unmöglich, Sir. Wie sollten wir die Fahrt 13
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg daß Carrit Barkan umgekommen ist.« Atlan ging nicht auf diese Worte ein. »Wir wollen uns beeilen«, sagte er. Als sie die Steilwand überwunden hatten, sahen sie, daß die beiden Rakganter bereits weitergegangen waren. Sie waren offensichtlich entschlossen, allein zu versuchen, ins Eisschiff zu kommen.
jedoch sofort wieder an dem Blatt empor. Er hielt sich noch für einige Sekunden, so daß Atlan bereits glaubte, er werde es überstehen. Dann jedoch prallte offensichtlich ein großer Fisch gegen das Blatt. Der Rakganter verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber in die Wellen. Er tauchte nicht wieder auf. Unmittelbar darauf lief das Blatt des Arkoniden auf eine Klippe und blieb daran hängen. Doch das war nicht weiter gefährlich. Ein Felsrücken lief unmittelbar bis zum Ufer hin, und zwischen den Klippen waren keine Fische zu sehen, die ihnen hätten gefährlich werden können. Atlan und Wirtz sprangen aus dem Blatt heraus und rannten zum Steilufer, wo sie vor weiteren Angriffen sicher waren. Gebannt blickten sie auf die Meerenge hinaus. Skabbah Tas und Skam Ma'h näherten sich ihnen sehr schnell. Ein steifer Wind trieb das Blatt zur Küste. Um sie herum schäumte das Wasser. Die räuberischen Fische griffen das primitive Gefährt pausenlos an, doch sie hatten keinen Erfolg. Die Rakganterin feuerte immer wieder mit ihrem Energiestrahler ins Wasser, und schließlich zogen sich die Angreifer zurück. Sicher trieb das Blatt zwischen die Klippen. Skabbah Tas und ihr Begleiter konnten heraussteigen. Sie mußten durch hüfttiefes Wasser waten, bevor sie sicheren Boden erreichten. Frierend kamen sie auf Atlan zu. Das Bronzegesicht der Frau war wie aus Stein geschlagen. Nur die grünen Augen bewegten sich. Sie blickten Atlan mit unversöhnlichem Haß an. »Es tut mir leid«, sagte der Arkonide. »Er hätte es beinahe geschafft, Skabbah Tas. Er war ein ungewöhnlich mutiger Mann.« Sie ging an ihm vorbei, ohne auf seine Worte einzugehen. Skam Ma'h folgte ihr, doch er drehte sich noch einmal zu Atlan um, bevor er sich daranmachte, die Steilwand zu erklettern: »Dafür werden Sie zu zahlen haben, Arkonide.« »Er spinnt«, sagte Froom Wirtz, als Skam Ma'h und Skabbah Tas die Klippen erstiegen hatten und oben verschwanden. »Weder Sie, noch ich oder sonst jemand kann etwas dafür,
* Zwischen Nadelbäumen fanden Atlan und Froom Wirtz Schutz vor dem eisigen Wind. Sie näherten sich langsam dem schwebenden Eisberg, dessen Spitze von tiefhängenden Wolken verhüllt wurde. »Es muß doch eigentlich Energieprojektoren geben, die das ganze Gebilde stützen«, sagte der Instinkt-Spezialist. »Wenn wir die finden, dann könnten wir uns von den Kraftfeldern nach oben tragen lassen.« »Sie könnten recht haben, Froom.« Die beiden Männer kämpften sich durch Schneewehen, Gestrüpp und Eisbarrieren voran. Weit vor sich entdeckten sie Skabbah Tas und Skam Ma'h. Die beiden Rakganter schienen weniger Mühe zu haben, die Hindernisse Schneeballs zu überwinden als sie. Die höhere Schwerkraft ihrer Heimatwelt kam ihnen jetzt zugute. Sie waren größere Belastungen gewöhnt und konnten jetzt höher und weiter springen, wenn es notwendig war. »Die beiden sind vor uns am Ziel.« »Abwarten, Froom.« Da war es wieder! Atlan spürte, daß Wirtz sich zu Skabbah Tas hingezogen fühlte. Er bewundert sie. Er ist ihrer weiblichen Kraft nicht gewachsen. Er ist USO-Spezialist, widersprach Atlan den Feststellungen seines Extrasinns. Seine Persönlichkeit ist sorgfältig geprüft und weiter ausgebaut worden. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Wirtz blickte den Arkoniden an. Er ahnte nichts von dem unhörbaren Dialog Atlans mit dem Logiksektor. Skabbah Tas und Skam Ma'h waren zwischen Felsen und Büschen verschwunden. Sie näherten sich dem Gebiet, das direkt unter dem Berg Skanmanyons lag. Ihr Vorsprung betrug etwa dreihundert Meter. Das Gelände 14
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg »Ich habe kaum auf sie geachtet. Ich weiß nur, daß sie da waren.« »Sie sind unter dem Berg hindurchgeflogen. Wenn da ein Antigravfeld gewesen wäre, hätte man es sehen können. Der Schwarm wäre nach oben gedrückt worden. Davon aber war nichts zu sehen.« Wirtz krauste die Stirn. Er hauchte in die Hände, um sie zu wärmen und klopfte die Knöchel aneinander. »Sie haben recht, Sir. Es kann keine Projektoren geben. Aber was hält diesen Berg dann? Und wie sollen wir hinaufkommen, wenn es keine Projektoren gibt?« »Ich muß zugeben, daß ich es nicht weiß, Froom. Ich fürchte, wir können vorläufig überhaupt nichts machen.« »Wir könnten ein Feuer anzünden, Sir. Mir ist eiskalt. Ich kann die Hände kaum noch bewegen.« Atlan stimmte zögernd zu, wenngleich die Gefahr, daß sie entdeckt wurden, durch ein Feuer stieg. Wirtz suchte etwas herumliegendes Bruchholz zusammen und schichtete es auf. Als er es mit seinem Thermostrahler anzünden wollte, traten Skabbah Tas und Skam Ma'h hinter den Büschen hervor. Ihre Gesichter hatten einen silbriggrünen Farbton angenommen, der deutlich zeigte, wie sehr sie unter der Kälte litten, die hier in Bergnähe viel intensiver als jenseits der Meerenge war. »Das ist eine wirklich gute Idee«, sagte Skabbah Tas. »Nur ein Feuer kann uns jetzt noch retten.« Sie blickte demonstrativ an Atlan vorbei und tat, als sei er überhaupt nicht vorhanden. »Zünden Sie es an, Froom«, befahl sie. Wirtz richtete den Strahler auf das Holz, aber er löste ihn nicht aus.
wurde immer unübersichtlicher. Mehrere Geröllwälle unterschiedlicher Höhe verliefen von Westen nach Osten. Nur vereinzelt wuchsen hohe Bäume auf ihnen. Die Landschaft wurde überwiegend durch niedriges Buschwerk mit fingerförmigen Blättern bestimmt. Schnee und Eis überdeckten das Land, so daß nur wenige Einzelheiten zu erkennen waren. Hier und dort entdeckten die beiden Männer kleinere Tiere, die vor ihnen flüchteten und in Höhlen unter dem Geröll Schutz suchten. »Wir trennen uns Froom«, sagte Atlan. »Wenn es tatsächlich so etwas wie Antigravprojektoren gibt, dann müßten sie hier in der Gegend zu finden sein.« Wirtz nickte nur. Er zog seinen Pelz fröstelnd unter dem Kinn zusammen. Hier in unmittelbarer Nähe des Eisbergs wurde es empfindlich kalt. Unangenehm machte sich bemerkbar, daß sie bei ihrer Überfahrt über den Sund von Gischt überschüttet worden waren. Eiszapfen und Krusten bildeten sich an ihrer Kleidung. Atlan umrundete einen Hügel und stieg über einige umgestürzte Bäume hinweg, als er einen Vogelschwarm bemerkte. Die grasgrünen Vögel kamen von Westen und flogen direkt unter den schwebenden Eisberg. Er beobachtete sie, bis sie in der Ferne verschwunden waren. Dann kletterte er auf eine Hügelkuppe hinauf. Er entdeckte Froom Wirtz, der ausgerutscht war und über eine Schräge in die Tiefe glitt. Der InstinktSpezialist verschwand in einer Schneewehe. Es dauerte einige Sekunden, bis er wieder daraus hervorkam. Er schlug um sich und klopfte seine Kleider ab, um sich anzuwärmen und zugleich von Schnee zu befreien. Atlan legte die Hände trichterförmig vor den Mund und rief seinen Namen. Wirtz reagierte sofort. Er winkte. Der Arkonide deutete auf einen Punkt, der zwischen ihm und dem Instinkt-Spezialisten lag. Wirtz begriff und machte sich auf den Weg. Nach einigen Minuten trafen sie zusammen. »Ich habe keine Projektoren gesehen.« »Das konnten Sie auch nicht, Froom. Es sind keine da.« »Wie können Sie das so sicher sagen?« »Haben Sie die Vögel nicht beobachtet?«
3. »Das hört sich an, als ob ein Raumschiff kommt«, sagte Wirtz. Er blickte in den Himmel hinauf konnte jedoch nichts erkennen, weil die Wolken zu dicht waren. Ein eigentümliches Donnern erfüllte die Luft. Dabei war nicht auszumachen, aus welcher Richtung es kam. Atlan beobachtete den schwebenden Eis15
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg sie. Sie schnellten sich in weiten Sätzen von Fels zu Fels, während Atlan und der USOSpezialist mühsam klettern mußten. Für sie schien diese Flucht nicht sehr belastend zu sein. Atlan war ebenfalls durchtrainiert. Er konnte sich in diesen Sekunden alles abverlangen. Wirtz dagegen war schwach. Er verfügte zwar über alles Wissen und Können eines USOSpezialisten, aber seine Körpermuskulatur war schon seit Jahren nicht mehr so gefordert worden, wie in den letzten Tagen und Wochen. Normalerweise wurde die körperliche Belastbarkeit in einem sorgfältig abgestuften Intervalltraining allmählich gesteigert. Wirtz aber kam nicht in den Genuß erholsamer Pausen. Daher war es ihm auch nicht gelungen, soviel Kondition zu gewinnen, daß er mithalten konnte. Dennoch hatte er keinen Grund, sich den Rakgantern unterlegen zu fühlen. Sollte es zu einer Auseinandersetzung kommen, dann konnte er ihrer Kraft Geschicklichkeit und Intelligenz entgegensetzen. Die Temperaturen stiegen weiter an. Atlan öffnete seinen Pelz, weil ihm zu warm wurde. Froom blieb keuchend stehen und lehnte sich an einen Felsbrocken. Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Es kommen immer mehr, Sir«, sagte er mühsam und deutete nach oben. Atlan hatte es bereits bemerkt. Weitere Raumschiffe tauchten aus den Wolken auf. Sie hielten präzise die gleiche Entfernung voneinander ein und bildeten einen weiten Bogen um den Eisberg. Der Arkonide vermutete, daß sich dieser Bogen hinter dem Berg zu einem Kreis schloß. Er versuchte abzuschätzen, wie viele dieser ringförmigen Gebilde den Eisklotz umspannten, und kam auf eine Zahl von 36. Er nahm etwas Schnee auf und rieb sich seine erhitzten Handgelenke, Stirn und Wangen damit ab. Danach fühlte er sich etwas wohler. »Wenn die Schiffe landen, haben wir eine Chance«, sagte er. Froom Wirtz schürzte die Lippen. »Glauben Sie wirklich, Skanmanyon – oder wie das ominöse Wesen im Berg heißt – duldet, daß wir an Bord gehen? Er hat uns doch schon mit Terranias Hilfe aus der Nähe des Eiskolosses vertrieben. Bestimmt läßt er nicht
berg. Er befürchtete, daß dieser startete, doch dann stellte er fest, daß er sich nicht bewegte. Gleichzeitig stieg der Lärm an, bis die Rakganter, der Terraner und der Arkonide sich nicht mehr miteinander verständigen konnten. Atlan zog Wirtz mit sich. Zusammen zogen sie sich bis auf einen Hügel zurück, der weiter vom Berg Skanmanyons entfernt war. Zögernd folgten ihnen Skabbah Tas und Skam Ma'h. Auch ihnen war es in unmittelbarer Nähe des Eiskolosses nicht mehr ganz geheuer. »Sehen Sie, Froom«, rief der Lordadmiral. Er zeigte zu den Wolken hinauf, wo ein ringförmiges, schwarzes Raumschiff erschien. Seine Größe war schwer zu schätzen, weil Vergleichswerte fehlten. Atlan vermutete jedoch, daß es einen Durchmesser von etwa zweihundert Metern hatte und annähernd dreißig Meter dick war. »Dort ist auch eins«, brüllte der InstinktSpezialist. Jetzt konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, daß diese Ringe den Höllenlärm verursachten. »Mir ist heiß«, schrie Wirtz. Atlan nickte. Auch ihm war aufgefallen, daß die Raumer eine große Hitze ausstrahlten. Der Schnee taute. Die Temperatur stieg innerhalb weniger Sekunden um wenigstens fünfzehn Grad an. »Weg hier, Froom. Wir müssen weiter weg!« Wirtz packte den Arm von Skabbah Tas. Er zerrte sie mit sich. Die Rakganterin begriff. Sie brüllte Skam Ma'h ein Kommando zu, als sie merkte, daß dieser wie gelähmt auf seinem Platz stand und zu den Raumschiffen hinaufblickte. Die Flüchtenden rannten so schnell sie konnten durch das Geröll. Überall rutschte der Schnee von den Schrägen, Bäumen und Büschen. Der Grund verwandelte sich in einen eisigen Sumpf, der sie immer wieder zu gewagten Kletterpartien und Umwegen zwang. Atlan achtete sorgfältig darauf, wie Wirtz reagierte. Ihm fiel auf, daß dieser Skabbah Tas und ihrem Begleiter ständig mit seinen Blicken folgte. Ihm war anzusehen, daß er die beiden Rakganter bewunderte. Die Umweltangepaßten kamen viel schneller voran als 16
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg und Eis schmolzen. Die kleine Gruppe zog sich noch weiter von den Raumern zurück. Wirtz legte seinen Pelz ab. »Macht Vorschläge«, sagte Skabbah Tas und winkte aufmunternd mit den Händen. »Sagt, was wir tun können, um sie zum Landen zu veranlassen.« »Ich weiß nicht«, entgegnete Skam Ma'h unsicher. »Können wir überhaupt etwas tun?« Froom Wirtz wollte etwas sagen. Er blickte Atlan an, merkte, daß dieser sich nicht für die Frage interessierte, und begriff, daß sie wirklich keinen Einfluß auf die unbekannten Kommandanten der Ringraumer haben konnten. Skabbah Tas schnaufte abfällig. »Männer!« sagte sie mit der ganzen Verachtung, zu der sie fähig war. »Wenn man von Männern schon einmal etwas verlangt, dann versagen sie mit Sicherheit.« »Das ist ungerecht«, erwiderte Skam Ma'h aufbegehrend. »Ich habe schon oft ...« Sie blickte ihn erzürnt an, und er verstummte. Froom Wirtz biß sich auf die Lippen und wandte den Kopf ab. Lordadmiral Atlan lächelte offen. Skabbah Tas verfärbte sich. Sie hob die zur Faust geballten Hände, ließ sie dann jedoch wieder sinken und drehte Atlan den Rücken zu. Damit wollte sie ihm zu verstehen geben, daß sie auch von ihm nicht viel erwartete. Er pfiff belustigt durch die Zähne. »Da!« schrie Skam Ma'h und sprang auf einen hüfthohen Stein. »Jetzt landen sie.« Er tat, als sei diese Tatsache allein auf seinen Einfluß und seine Entschlußkraft zurückzuführen, erntete bei der Rakganterin jedoch keine Anerkennung. Sie stieß ihn vielmehr von dem Stein herunter und befahl: »Benimm dich! Willst du, daß sie uns schnappen?« Er stürzte in eine Pfütze. Langsam erhob er sich wieder, ohne sich gegen sie aufzulehnen. Er entfernte sich noch einige Schritte von ihnen. Atlan beobachtete die Raumschiffe. Sie senkten sich so gleichmäßig herab, als seien sie durch unsichtbare Energiefesseln miteinander verbunden. Er konnte nicht erkennen ob Landebeine ausgefahren wurden. »Das sieht ja aus, als ob sie abstürzten«, rief Froom Wirtz.
zu, daß wir in einen Raumer steigen.« »Ich kenne Sie noch gar nicht als Pessimist, Froom«, erwiderte der Arkonide ruhig. »Bisher waren Sie eigentlich immer optimistisch.« »Ich möchte schlafen, Lordadmiral, einmal richtig wieder ausschlafen. Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten.« »Das kann ich verstehen, Froom.« Wirtz fluchte leise. Er schüttelte den Kopf und blickte Atlan in die Augen. »Es tut mir leid, Sir. Ich hätte mich nicht so gehenlassen dürfen.« »Schon gut, Froom. Sie haben ja recht. Wir sind wirklich kaum zur Ruhe gekommen. Aber es hilft nichts. Wenn wir in die Milchstraße zurückfliegen wollen, dann müssen wir kämpfen. Freiwillig nimmt uns Skanmanyon sicherlich nicht mit.« »Ich weiß, Sir. Ich hab's ja begriffen.« Skabbah Tas und Skam Ma'h stampften durch den Schneematsch heran. Die Rakganterin wies auf die schwarzen Ringraumer. »Sie kommen auch nicht 'runter.« Atlan antwortete nicht. Auch er hatte mit Sorge beobachtet, daß die Ringe sich nicht weiter absenkten, sondern in einer Höhe von etwa fünfzig Metern in der Luft verharrten. Skabbah Tas schnaufte erregt. Sie hob die silbrig schimmernden Fäuste und drohte den Schiffen. »Nun los doch. Landet endlich«, schrie sie mit schriller Stimme. »Das hat keinen Sinn«, sagte Skam Ma'h leise. »Du bist still!« befahl sie zornig. Er fuhr wie unter einem Peitschenhieb zusammen und trat einige Schritte zurück. »Soll der Tod von Carrit umsonst gewesen sein?« fragte Skabbah Tas erregt. »Soll alles sinnlos gewesen sein?« »Ich hoffe nicht, Skabbah Tas«, bemerkte Atlan. »Sie halten ebenfalls den Mund, Arkonide!« »Wenn Sie meinen«, erwiderte der Lordadmiral und lächelte versteckt. Sie musterte ihn mit blitzenden Augen. Offensichtlich war sie sich nicht darüber klar, ob er sich über sie lustig gemacht hatte oder nicht. Die Temperaturen stiegen weiter an Schnee 17
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg stemmte der Arkonide ihr die Hüfte in die Seite und hob sie mit mühelos wirkender Bewegung aus. Sie flog kreischend über seinen Kopf hinweg und stürzte dumpf in die gleiche Pfütze, in der kurz zuvor Skam Ma'h gelandet war. Mit einem Aufschrei schnellte sie sich wieder hoch. Sie raste auf Atlan zu. Der Arkonide erwartete sie in gelockerter Haltung. Ein amüsiertes Lächeln zeigte der Rakganterin, daß er sie als Gegner nicht ernst nahm. Schnaufend blieb sie vor ihm stehen. Seine Sicherheit störte sie. Plötzlich erkannte sie, daß sie ihn unterschätzt hatte. Sie blickte zu Skam Ma'h und Froom Wirtz hinüber, bemerkte, daß diese sie gespannt beobachteten, und richtete sich stolz auf. Die Tatsache, daß weder Skam Ma'h noch der Terraner über ihre Niederlage lachten, half ihr, wieder zu sich selbst zu finden. »Pah«, sagte sie herablassend. »Das könnte Ihnen so passen. Ausgerechnet jetzt eine primitive Schlägerei anzufangen, das entspricht Ihrem Charakter.« Sie tat, als habe sie vergessen, daß sie diejenige gewesen war, die ihn angegriffen hatte. Aber Atlan sah ihr in die Augen. Er hatte das Gefühl, einer tückischen Bestie gegenüberzustehen. Nackter Haß schlug ihm aus ihren Blicken entgegen. Er erkannte, daß es vorläufig keine Brücke der Verständigung zwischen ihnen geben würde. Skabbah Tas hatte den Kampf nicht aufgegeben. Sie würde ihn zu einer ihr genehmen Zeit mit ihren eigenen Mitteln wieder aufnehmen. Das konnte in zwei Minuten der Fall sein, wenn er ihr den Rücken zuwandte, aber auch erst in zwei oder drei Tagen. Sie konnte warten. Sie wird versuchen, dich zu töten, meldete der Extrasinn. Der Instinkt-Spezialist winkte Atlan erregt zu. »Die Schleusen öffnen sich«, flüsterte er und duckte sich dabei, als befürchte er, allzu früh entdeckt zu werden. Atlan ging um den Felsen herum, der ihn gegen das nächste Raumschiff deckte. Wirtz hatte richtig beobachtet. In den Ringen glitten große Tore auf. Das aber war zunächst alles. »Skam Ma'h, wir gehen hin. Wir steigen
Tatsächlich kamen die Raumschiffe viel zu schnell herab. »Vorsicht«, sagte Atlan. »Wir müssen hier verschwinden. Die Steine könnten über uns zusammenbrechen.« »Unsinn«, antwortete Skabbah Tas heftig. Atlan und Wirtz eilten zu einer kleinen Lichtung, die frei von größeren Gesteinsbrocken war. Die Rakganterin folgte ihnen zögernd. Dann prallten die Raumschiffe krachend auf den Boden. Die Erschütterungen ließen einige Felsen verrutschen. Skabbah Tas blickte Atlan kurz an. Sie begriff, daß sie getötet worden wären, wenn sie ihren Platz nicht gewechselt hätten, aber sie brachte es nicht fertig, das auch laut zu sagen. * »Das ist die Chance, auf die wir gehofft haben«, sagte Atlan. »Ich muß zugeben, daß Sie recht hatten«, entgegnete Skabbah Tas unwillig. »Das Risiko hat sich gelohnt.« Eine halbe Stunde war seit der Landung der Ringraumer verstrichen, ohne daß etwas geschehen war. Atlan war überrascht, daß die Rakganterin nun doch noch einlenkte. »Dann sollten Sie auch zugeben, daß ich am Tode von Carrit Barkan nicht schuld bin, Skabbah Tas.« Die blickte ihn verächtlich an. »Ich hätte nicht gedacht, daß ein Mann wie Sie um Gnade winselt.« Atlan lächelte unmerklich. »Auf den Gedanken, daß man es auch so sehen könnte, bin ich nicht gekommen«, erwiderte er. »Ich dachte an etwas anderes. Wir haben das gemeinsame Ziel, in die Milchstraße zurückzukommen. Auseinandersetzungen wären unter diesen Umständen recht töricht.« »Sie enttäuschen mich.« »Gegen einen verbalen Streit ist nichts einzuwenden. Das Wortgefecht ist nun einmal Basis der Demokratie. Gewalt aber ...« »Feigling«, sagte Skabbah Tas erregt. Sie packte Atlans Arm und zog ihn mit einem Ruck zu sich heran. Mit der linken Hand holte sie aus, um ihm die flache Hand ins Gesicht zu schlagen. Doch dazu kam es nicht. Bevor sie recht begriff, wie ihr geschah, 18
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Tas und Skam Ma'h erkannten ebenfalls, daß dies die günstigste Situation für sie war. Sie folgten ihnen. Mit weiten Sätzen jagten sie auf die offenen Schleusen des nächsten Ringraumers zu. Da begannen die schwarzen Automaten damit, das Land mit der grünen Masse zu besprühen. Überall standen Roboter, und alle spritzten Fontänen um sich. Atlan hustete. Die Chemikalie verbreitete einen stechenden Geruch. Die Augen tränten nicht nur ihm sondern auch seinen Begleitern. Er preßte sich ein Tuch vor den Mund. Immer mehr von der vernebelten Masse schlug sich auf seinem Körper nieder. Atlan versuchte, sie von den Händen abzuwischen, aber das war kaum möglich. Sie klebte wie Sirup. Nur noch etwa einhundert Meter trennten sie von der offenen Schleuse, aber sie kamen von Schritt zu Schritt schwerer voran. Skabbah Tas und Skam Ma'h überholten sie. Die Rakganterin lachte triumphierend, als sie sah, wieviel Mühe der Arkonide hatte, voranzukommen. Die grüne Masse setzte sich auf seinem Pelz, seinen Hosen, seinem Haar und überall auf seinem Körper fest. Sie tropfte nicht ab, sondern blieb haften und bildete einen immer dickeren Panzer, der zunächst zähflüssig war, aber dann versteifte. Als Atlan bis auf fünfzig Meter an den Ringraumer herangekommen war, bedeckte eine zentimeterdicke Schicht seinen Pelz. Keiner der Roboter hielt sie auf. Die Automaten versprühten das Schutzmittel, ohne auf ihre Umgebung zu achten. Der Arkonide beobachtete einige antilopenähnliche Tiere, die in wilder Flucht zu entkommen suchten. Sie schafften es nicht. Der zähe Schleim hüllte sie ein und behinderte sie, bis sie schließlich zusammenbrachen und erstickten. Froom Wirtz stürzte neben ihm zu Boden. Atlan rannte einige Schritte weiter, bis ihm bewußt wurde, was geschehen war. Er kehrte zu dem Instinkt-Spezialisten zurück, der bewegungslos auf dem Boden lag und die Arme und Beine weit von sich streckte. Atlans Hand wühlte sich durch die klebrige Masse zum Pelzkragen Frooms durch. Mit äußerster Kraftanstrengung zog er den halbbetäubten Mann hoch.
einfach ein. Das ist doch eine Einladung an uns«, sagte Skabbah Tas. »Wirtz, Sie kommen mit uns.« Atlan wollte sie zurückhalten, aber das war nicht nötig. Plötzlich kamen kugelförmige, vollkommen schwarze Roboter aus den Schleusen. Sie waren mit Greifarmen und Spiraltentakeln versehen. Auf dünnen Beinen und ausladenden Tellerfüßen eilten sie von den Schiffen fort. Zunächst waren es nur wenige, dann aber nahm der Strom, der sich aus dem Schiff ergoß, schlagartig zu. Atlan stieg vorsichtig auf einen Felsen hinauf und spähte zu den anderen Ringraumern hinüber. Wohin er auch blickte, überall wimmelte es von diesen schwarzen Kugelrobotern. »Auf jeden Fall sind sie nicht auf der Suche nach uns«, sagte er zu Froom Wirtz. »Der Berg«, rief der Instinkt-Spezialist. »Er senkt sich ab.« Mit ungeheurem Getöse schwebte der Eisberg herab. Er schwankte stark. »Er stürzt ab«, schrie Skam Ma'h panikerfüllt. Er wollte fliehen, doch die Rakganterin packte ihn am Kragen und hielt ihn fest. Ihr bronzenes Gesicht zuckte. Ihr war anzusehen, daß sie sich fürchtete. Aber sie blieb. Tatsächlich schien es, als habe sich der Eisberg von seinen unsichtbaren Fesseln befreit. Mächtige Eisbrocken rollten polternd an seinen Flanken herab. In einer Entfernung von etwa einem Kilometer ging eine Schnee- und Eislawine herunter. Der Lärm wurde unerträglich. Atlan, Wirtz und die beiden Rakganter preßten sich die Hände an die Ohren. Sie achteten nicht mehr auf die Roboter, die in ihrer Nähe auftauchten. Sie suchten nur noch Schutz vor dem Tosen, Krachen und Donnern. Skanmanyons Berg senkte sich bis auf eine Höhe von etwa zehn Metern herab. Dann endete die Abwärtsbewegung, und der Koloß schwebte wieder unbeweglich in der Luft. Von den Ringraumern stiegen Tausende von Kugelrobotern zu den Eisflanken des Berges auf. Aus ihren Körpern sprühte eine grünliche Masse. Sie schlug sich auf dem Eis nieder. Atlan nahm an, daß der Berg gegen Substanzverluste geschützt werden sollte. »Jetzt«, schrie er Wirtz zu. »Los, Froom.« Die beiden Männer rannten los. Skabbah 19
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg länger gegen den zähen Brei anzukämpfen. An seinen Beinen bildeten sich schwere Masseklumpen. Sie wirkten wie Bleigewichte. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er, daß Froom Wirtz erneut zu Boden stürzte. Sein Gehirn verarbeitete die Eindrücke ungeheuer langsam. Bevor ihm bewußt wurde, was geschehen war, verstrichen einige Sekunden. Du mußt etwas tun, mahnte sein Extrasinn. Doch er war nicht mehr in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Die Sauerstoffnot hemmte seine Nervenreflexe und Gedanken. Er sah, daß Skabbah Tas ihre verklebten Pelze abwarf und sich geschmeidig aus der Schleuse herausstürzte. Sie rannte scheinbar mühelos durch den klebrigen Nebel auf Froom Wirtz zu. Atlan hatte nicht mehr die Kraft, sich umzudrehen, um zu sehen, was hinter ihm geschah. Kurz darauf kam die Rakganterin hautnah an ihm vorbei. Er blickte ihr in das lachende Bronzegesicht und die grünen Augen, in denen der Triumph leuchtete. Sie schleppte Froom Wirtz an ihm vorbei und zog ihn in die Schleuse. Dort blieb sie breitbeinig stehen, stemmte die Fäuste in die Hüften und beobachtete ihn. Atlan konnte die Beine nicht mehr voreinander setzen. Ein Panzer aus klebrigem Brei umschloß seine Füße, seine Beine, die Hüften, die Arme und den Kopf. Nur die Augen, die Nase und der Mund waren noch frei, weil er sie mit dem Tuch geschützt hatte. Er atmete schwer und keuchend. Die Bronchien schmerzten, und er fühlte, wie der Zellaktivator arbeitete. Die kräftigenden Impulse kamen in einem wahren Stakkato, aber er merkte nicht, daß seine Muskeln darauf reagierten. Die grüne Masse bedeckte ihn schneller, als seine Schwäche wich. Er schwankte. Mühsam streckte er die Arme nach Skabbah Tas aus. Er begriff nicht, weshalb sie nicht auch ihm half. Da sie mit den Pelzen auch den erstarrenden Brei abgeworfen hatte, konnte sie sich relativ mühelos bewegen. Sie konnte ihn spielend leicht retten. Aber sie tat es nicht. Sie stand in der Schleuse und lächelte hämisch. Sie weidete sich an seinen Qualen. Atlan spürte, wie die Beine unter ihm
Wirtz verdrehte die Augen. Er sackte auf die Knie zurück, doch erneut riß der Lordadmiral ihn hoch und stieß ihn voran. Die Atemnot zwang Atlan, das Tuch wegzuwerfen. Er wollte wenigstens einige Male frei atmen können. Abermals drang ihm die beißende Chemikalie in den Rachen. Er hustete und schützte seinen Mund danach mit einem Zipfel seines Hemdes, das er mühevoll zerriß. Er reichte Wirtz ebenfalls einen Stoffetzen. Der InstinktSpezialist reinigte seine Lippen, so gut es ging, und atmete im Schutze des Tuches kräftig durch. Er erholte sich ein wenig. Doch da die beiden Männer sich in diesen Sekunden kaum bewegt hatten, schloß sich ein dichter Sirupmantel über ihnen. Atlan warf seinen Pelz ab und befreite sich damit von einem Gewicht von etwa vierzig Kilogramm. Damit wurde zumindest sein Oberkörper beweglicher. Wirtz erkannte, daß ihm ebenfalls nichts anderes übrigblieb. In seiner höchsten Not warf er seinen Mantel ebenfalls weg. Sie konnten kaum noch etwas sehen, weil die grüne Masse ihre Gesichter verklebte. Wie durch einen Schleier hindurch beobachtete Atlan, daß die beiden Rakganter das Schiff erreicht hatten und sich in die Schleuse flüchteten. Nur noch etwa fünfzehn Meter trennten ihn von dem rettenden Ring. Aber jeder Schritt wurde unvorstellbar mühsam. Nur die Gewißheit, daß Aufgabe gleichbedeutend mit Tod war, trieb sie noch voran. Der Arkonide verfluchte die Roboter, die immer noch sprühten, obwohl der Boden schon von einer handbreiten Schicht bedeckt wurde. Er zog seinen Energiestrahler und löste ihn aus. Der Blitz zerschlug einen Roboter, aber ein anderer rückte sofort an seine Stelle und sprühte weiter, so daß keine spürbare Pause entstand. Atlan sah ein, daß es sinnlos war, die Automaten anzugreifen. Ebensogut hätte er auch auf die Masse schießen können. Der Erfolg wäre ebenso gering gewesen. Er merkte, daß er nicht mehr lange durchhalten würde. Seine Bewegungen wurden zeitlupenhaft langsam. Es kostete ihn eine geradezu unmenschliche Anstrengung, noch 20
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg 4.
nachgaben. Die Last auf seinen Schultern wurde zu groß. Er stürzte der Länge nach in den stinkenden Brei, der sich sofort um seine Arme und Beine legte und ihn an sich zog. Er konnte kaum noch den Kopf zur Seite wenden, um Mund und Nase freizubekommen. Sein Atem ging keuchend und schwer. Das ist ihr Sieg, meldete sein Extrasinn. Sie hat davon geträumt, dich so schwach zu sehen. Sie haßt dich nicht, weil Carrit Barkan tot ist, sondern weil du stärker bist als sie. Mit ungeheurer Kraftanstrengung wälzte Atlan sich herum. Er wollte nicht aufgeben. Nur noch zwei Meter trennten ihn von der Schleuse. Er zog die Beine an, bis er auf allen vieren kauerte. Mit gesenktem Kopf kroch er voran. Seine Hände schoben sich durch den zähen Brei. Er mußte daran denken, wie es den Tieren ergangen war. Als sie aufgehört hatten, sich zu bewegen, war es vorbei gewesen. Die Masse hatte sie eingeschlossen und nicht mehr freigegeben. Er mußte weiterkriechen. Bewegen! schrie sein Logiksektor. Er kämpfte sich voran. Zentimeter um Zentimeter kam er weiter. Er schwankte, aber er stürzte nicht. Sehen konnte er nichts mehr. Sein Rachen und seine Bronchien brannten unerträglich. Er atmete mit weit offenem Mund, obwohl die Chemikalie dadurch in seinen Rachen nebelte, aber er konnte nicht mehr anders. Dann endlich ertastete seine Hand den Rand der Schleuse. Eine Faust packte ihn und zerrte ihn mit einem Ruck nach oben. Er sah das Gesicht von Skam Ma'h über sich. Dann rollte er in eine Ecke der Schleuse, in der er frei atmen konnte. Er wischte sich Mund und Augen frei. Skabbah Tas schrie, als ob sie körperliche Schmerzen erlitte. Sie schlug mit beiden Fäusten auf Skam Ma'h ein, um ihn dafür zu strafen, daß er Atlan das Leben gerettet hatte. Der Arkonide versuchte, sich aufzurichten. Es wurde dunkel vor seinen Augen. Er fühlte, daß er auf einen Abgrund zuglitt, und er wehrte sich dagegen. Vergeblich.
Als Atlan wieder zu sich kam, war er allein. Er lag noch immer in der offenen Schleuse. Aus zahlreichen Düsen im Innenschott kam ein leichter Luftstrom. Er verhinderte, daß der klebrige Nebel in die Schleusenkammer dringen konnte. Atlan versuchte, sich aufzurichten, aber seine Glieder gehorchten ihm nicht. Er konnte lediglich den Kopf etwas wenden und drehen. Als er an sich herunterblickte, sah er, daß sein ganzer Körper von einem gummiartigen, grünen Panzer eingeschlossen war. Er wälzte sich einige Male hin und her, ohne eine Veränderung zu bewirken. Ruhe bewahren! befahl der Logiksektor. Danke für die Empfehlung, gab er zurück. Wenn's mir wieder etwas besser geht, werde ich lachen. Er kämpfte gegen die gummiartige Masse an, ohne den geringsten Erfolg zu erzielen. Erschöpft streckte er sich aus. Und jetzt zwang er sich, den Rat seines Extrasinns zu befolgen. Nur ruhige Überlegung konnte ihm helfen. Wo war Froom Wirtz? Hatte er zusammen mit den Rakgantern das Innere des Ringraumers erreicht? Atlan erschrak, als plötzlich ein Kugelroboter neben ihm erschien. Er bereitete sich auf einen Angriff vor doch die Maschine beachtete ihn überhaupt nicht. Mit einem satten Schmatzen glitt das Innenschott der Schleuse zur Seite. Der Automat verschwand. Doch weitere folgten. Zunächst kamen sie vereinzelt, dann aber in immer größerer Zahl, bis ein ununterbrochener Strom von Robotern in das Innere des Raumschiffs floß. Atlan blieb reglos auf dem Boden liegen. Er wollte die Aufmerksamkeit der Maschinen auf gar keinen Fall auf sich lenken. Endlos lange Minuten verstrichen, bis das Innenschott sich endlich hinter dem letzten Roboter schloß. Der Arkonide wunderte sich darüber, daß keiner der Automaten von der grünen Masse bedeckt war. Sie schienen einen Schutz gegen diese Substanz zu haben, so daß sie ihre Körper gar nicht erst erreichen konnte. Als er sich wieder unbeobachtet glaubte, 21
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg leichte Hose, so wie er sie zuvor getragen hatte. Er streifte sie sich über. Er durchwühlte die Schränke in der Hoffnung, eine weitere Waffe zu finden oder zumindest Energiepatronen, die er für seine Thermoautomatik verwenden konnte, aber vergeblich. Schließlich ging er weiter, bis er auf ein Zwischenschott traf. Es öffnete sich vor ihm, und er sah einen Gang, der tiefer in den Ring hineinführte. Er bog in ihn ein und folgte ihm. Das wispernde Geräusch arbeitender Maschinen drang an sein Ohr. Der Gang war mit hellem Isoplastikmaterial ausgelegt, das hin und wieder von farbigen Streifen durchzogen wurde. In ihnen schien eine fluoreszierende Flüssigkeit entlangzuziehen, aber das war nicht eindeutig auszumachen. Hin und wieder traf er auf graphische Darstellungen von Wesen, die ihn an Spinnen erinnerten. Ab und zu gab es auch Zeichnungen humanoider Gestalten, bei denen aber nur die Umrisse aufgezeigt wurden. Schlüsse ließen sich daraus kaum ziehen. Der Gang wurde von einem matt leuchtenden Band unter der Decke erhellt. Von ihm gingen auch eigentümliche Geräusche aus, die Atlan an Sphärenmusik erinnerten. Farbflecken glitten lautlos an der Decke entlang. Sie bewegten sich in einem bestimmten Rhythmus. Der Arkonide erreichte ein flammend rotes Schott, das mit einem schwertähnlichen Symbol versehen war. Er zögerte, eine rote Linie vor der Tür zu überschreiten. Vorsichtig streckte er die linke Hand aus, bereit, sie notfalls blitzschnell wieder zurückzuziehen. Das Schwert leuchtete auf, und das Schott glitt lautlos zur Seite. Atlan trat einen Schritt vor. Er blickte in einen kreisrunden Raum, der einen Durchmesser von etwa zwanzig Schritten hatte. Er enthielt hauptsächlich positronische Geräte und Schaltbänke. Die Decke strahlte ein beruhigendes, braunes Licht aus. Als Atlan eine gelbe Linie hinter dem Schott berührte, schloß sich die Tür hinter ihm. Er blickte zurück und als er den Kopf wieder nach vorn wandte, stand Terrania vor ihm. Sie sah seltsam verändert aus.
begann er, mit seinen Muskeln zu spielen. Er kämpfte nicht gegen den elastischen Panzer an sondern versuchte, seinen rechten Arm aus dem Ärmel seines Pullis hervorzuziehen. Er spürte, daß der Stoff auf seiner Haut hin und her rutschte. Er rollte mit der Schulter und schob die Masse mit dem Kinn zurück. Sie haftete fest an seinem Pulli, dieser aber glitt weich über seine Haut. Tatsächlich gelang es ihm nach unsäglichen Mühen, zunächst seine rechte Schulter und dann seinen Arm freizubekommen. Er zog ihn aus dem Ärmel heraus. Alles weitere war nicht mehr so schwer. Er konnte seinen linken Arm in ähnlicher Weise befreien und den Panzer dann allmählich bis zu den Hüften hinabschieben. Hier aber lag die Masse so dick an, daß er nicht weiterkam. Erst als er das grüne Material mit den Zähnen anreißen konnte, vermochte er die Hülle so weit aufzureißen, daß er auch seinen Unterkörper herausziehen konnte. Er benötigte fast eine Stunde, bis er seine Thermoautomatik aus dem Gürtel herausgelöst hatte. Unmittelbar darauf glitt das Schott abermals zur Seite. Atlan preßte sich an die Wand. Ein schwarzer Roboter, der doppelt so groß war wie die Sprüher, schwebte an ihm vorbei ins Freie. Atlan schlüpfte durch das sich schließende Schott ins Schiff und kam in einen schmalen Gang, der offenbar an der Außenkante des ringförmigen Raumers entlangführte. Er folgte ihm, bis er zu einer Reihe von Schranktüren kam. Als es ihm nicht gelang, diese aufzuziehen, justierte er seinen Thermostrahler auf geringste Energieausschüttung, richtete ihn auf den Verschluß und schoß. Die Tür sprang unter der Hitzeeinwirkung auf. Dahinter lagen – säuberlich in Plastikbeuteln verpackt – Raumkombinationen und verschiedene Kleidungsstücke. Atlan nahm sie heraus und stellte enttäuscht fest, daß sie für nichthumanoide Lebewesen hergestellt worden waren. Die exakte Körperform ließ sich jedoch in der Eile nicht ohne weiteres erkennen. Sie interessierte ihn zunächst auch nicht. Er brach in ähnlicher Weise siebzehn weitere Schränke auf, bis er endlich auf Kleidungsstücke stieß, die ihm paßten. Es handelte sich um einen ähnlichen Pulli und eine 22
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg des Mädchens. Atlan wußte nicht, wer dieser Skanmanyon war. Er hatte seinen Namen lediglich von Terrania erfahren. Aber er konnte nicht sagen, um welche Art Lebewesen es sich dabei handelte. »Freiwillig werden wir dieses Raumschiff nicht verlassen«, antwortete Atlan. »Unser Ziel ist es, in die Heimatgalaxis zurückzukommen. Wir wollen nicht hier im Leerraum bleiben.« »Sie zwingen mich, Gewalt anzuwenden.« Terrania wurde durchsichtig und verschwand. Froom Wirtz kam auf Atlan zu. Er blickte ihm nicht in die Augen und spielte nervös an seiner Gürtelschnalle herum. »Ich freue mich, daß Sie es geschafft haben, Sir«, sagte er verlegen. »Danke«, entgegnete Atlan. In seiner Stimme klang kein Vorwurf mit. Wirtz stand im Gesicht geschrieben, daß er unter Schuldgefühlen litt. Es wäre sinnlos gewesen, mit ihm darüber zu sprechen, daß er versagt hatte. Das Schott, durch das Atlan hereingekommen war, ging auf. Zwei große Kugelroboter schwebten herein. Der Arkonide griff nach seinem Energiestrahler, doch ein metallener Greifarm fuhr blitzschnell auf ihn zu und hielt seine Hand fest. »Versuchen Sie nicht, zu kämpfen«, hallte eine tiefe Baßstimme aus unsichtbaren Lautsprechern über ihm. »Wenn Sie sich wehren, werden Sie getötet.« Atlan öffnete die Hand und ließ die Waffe zurückgleiten. Der Roboter riß ihn mit einem Ruck herum. Der zweite Automat hatte die Arme Frooms gepackt und ihn ebenfalls daran gehindert, seinen Blaster zu ziehen. Der Roboter hob den Arkoniden hoch und flog mit ihm auf den Gang hinaus. Die zweite Maschine folgte mit Wirtz. Der Lordadmiral sah ein, daß es wenig Sinn hatte, gegen die Automaten zu kämpfen. Sie konnten – jedenfalls zunächst – nichts gegen Skanmanyon ausrichten. Da dieser offensichtlich nicht gewillt war, sie freiwillig in die Milchstraße mitzunehmen, mußten sie nach einem anderen Weg suchen, ihr Ziel doch noch zu erreichen. Froom Wirtz verlor die Nerven. Er schrie seine ganze Enttäuschung hinaus.
Ihre blinden Augen waren groß und leuchtend geworden, und sie waren direkt auf den Arkoniden gerichtet, als könnten sie noch sehen. Der Kopf hatte sich vergrößert. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Die Stirn war höher als früher. Die Wangen waren hohl. Deutlich zeichneten sich die Knochen unter der fahlen Haut ab. Terrania hatte nichts Kindhaftes mehr an sich. Sie bot ein Bild des Elends. Marionettenhaft bewegte sie sich auf Atlan zu. Dieser war überzeugt davon, daß sie unter dem Einfluß einer fremden Macht stand. Er streckte die Arme aus und versuchte, sie ihr an die Schultern zu legen, doch sie wich vor ihm zurück, als sei er von einer ansteckenden Krankheit befallen. »Terrania!« sagte er eindringlich, ohne den Blick von ihren blinden Augen zu wenden. »Terrania – hörst du mich?« Sie antwortete nicht. »Terrania – warum versuchst du nicht zu kämpfen? Warum lehnst du dich nicht gegen das Fremde auf, das dich beeinflußt? Du kannst es doch. Du hast die Kraft. Rette dich.« »Sie sind ein Störfaktor, Lordadmiral Atlan«, sagte sie tonlos. »Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte er. »Mit wem spreche ich? Mit Terrania? Oder mit Skanmanyon?« »Sie haben sich in eine Angelegenheit eingemischt, die Sie nichts angeht, Atlan«, fuhr das Mädchen mit monotoner Stimme fort, die kraftlos und unpersönlich wirkte. »Warum haben Sie das getan?« »Es sind immerhin einige Dinge vorgefallen, die nicht ganz erfreulich sind. Nicht wir haben störend eingegriffen, sondern die unbekannte Gegenpartei hat für Unruhe in unserer Galaxis gesorgt.« Der Fremde, der mit Terranias Lippen sprach, schwieg. Auf der anderen Seite des runden Raumes öffnete sich eine Tür. Ein Schott glitt in die Wand. Froom Wirtz betrat das positronische Rechen- und Schaltzentrum. Unsicher blickte er sich um. Auch er hatte seine Kleidung gewechselt, und auch er trug noch immer seinen Thermostrahler an der Hüfte. »Wir sind nicht bereit, Sie an Bord zu dulden«, erklärte Skanmanyon durch den Mund 23
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Schnee und Eis befreit war. Zwischen den Erhebungen hatten sich zahlreiche Seen und Bäche gebildet. So schnell konnte der Boden das überreichlich anfallende Wasser offensichtlich nicht aufnehmen. Die Sonne stand rot über dem Horizont. Sie würde bald untergehen. Atlan erwartete, daß der Ringraumer landete, aber der unbekannte Skanmanyon dachte nicht daran, soviel Rücksicht auf die beiden unliebsamen Männer zu nehmen. Der Kugelroboter, der Wirtz trug, schleppte diesen an Atlan vorbei und warf ihn einfach aus der Schleuse heraus. Der Arkonide hörte ihn gellend aufschreien, als er in der Tiefe verschwand. Verzweifelt wehrte er sich, als die beiden Kugelroboter nach ihm griffen. Er zog seinen Thermostrahler und feuerte auf einen der beiden Automaten. Er traf die Kugel, und die Maschine stürzte krachend zu Boden. Die schwarze Hülle zerbarst. Eine Serie von blauen Blitzen schoß aus ihr hervor. Bevor Atlan sich dem anderen Roboter zuwenden konnte, hatte dieser ihn schon gepackt. Einer seiner Arme fuhr weit aus und schleuderte den Arkoniden mit unwiderstehlicher Gewalt auf die Kante der Schleuse zu. Hier konnte er sich noch einmal abfangen. Er richtete seinen Strahler auf den Automaten, als ihn eine stählerne Faust vor die Brust traf. Um Millimeter nur verfehlte der Robot den Zellaktivator. Atlan konnte sich nicht mehr halten. Er rutschte über die Kante. Vergeblich warf er sich nach vorn. Seine Hand verfehlte die Unterkante der Schleuse und schlug ins Leere. Mit der anderen hielt er seine Thermoautomatik. Unwillkürlich schrie er auf, als er den Abgrund unter sich sah. Er stürzte. Unter ihm befand sich ein reißender Strom. Das Schmelzwasser hatte ihn weit über seine Ufer treten lassen. Mit einem Blick erkannte der Arkonide, daß er gute Chancen hatte, unten heil anzukommen. Aber dann mußte die Strömung ihn in eine Felsschlucht reißen, in der die Ufer bis auf wenige Meter aneinander herantraten. Froom Wirtz konnte er nicht sehen. Dafür war die Zeit zu kurz. Es gelang ihm, seinen
* Kurz bevor sie die Außenschleuse erreichten, glaubte Atlan eine Chance zu haben. Ein paramilitärischer Cleaner kam ihnen entgegen, ein ungefüger Metallkegel mit komplizierter Hebelmechanik. Er saugte den Boden des Ganges ab und verstaute einige Kleidungsstücke, die der Arkonide aus den Schränken hervorgeholt hatte. Als die Kugelroboter sich ihm näherten, erwartete der Lordadmiral, daß er Platz machen würde. Das aber war nicht der Fall. In diesem Moment handelte er. Mit einer geschickten Drehung warf er sich herum und glitt aus den Fängen der Kugelautomatik. Das Maschinenungeheuer versuchte sofort, ihn erneut zu packen, aber Atlan sprang mit einem Satz über den Cleaner hinweg, ergriff zwei seiner dünnen Arme und verhängte sie ineinander. Der Cleaner setzte seine Waffen ein und feuerte einen nadelfeinen Energiestrahl ab. Da Atlan ihn herumgeschleudert hatte, traf der Schuß den Kugelroboter. Ein Teil der ausgeschütteten Energie aber streifte Froom Wirtz, der vor Schmerz aufschrie. Atlan rief dem Instinkt-Spezialisten ein Kommando zu, doch dieser reagierte zu spät. Es gelang ihm nicht, sich ebenfalls zu befreien. Vielmehr verstärkte sich der Druck auf seine Gelenke derart, daß Wirtz es nicht mehr wagte, sich zu bewegen, weil er fürchten mußte, sich dann die Knochen zu brechen. Atlan hoffte, ihm später helfen zu können. Er verließ die sichere Deckung des Cleaners und wandte sich zur Flucht. Doch ein weiterer Kugelroboter tauchte unversehens vor ihm auf und bedrohte ihn mit seinem angelegten Doppelstrahler. Der Arkonide blieb stehen und hob die Hände. Dieses Zeichen der Aufgabe genügte. Der Roboter wandte sich um und schwebte davon. Atlan folgte ihm, als er einen kräftigen Stoß in den Rücken erhielt. Das Schleusenschott, durch das er hereingekommen war, glitt zur Seite. Atlan sah, daß der Ringraumer seine bisherige Position verlassen hatte. Er flog in einer Höhe von etwa zwanzig Metern über hügeliges Land hinweg, das vollkommen von 24
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Er blieb auf den Klippen sitzen und atmete tief durch. Er brauchte lange, bis er wieder kräftig genug war, um weiterzugehen. Vorsichtig schob er sich auf dem Sims entlang. Das Wasser schoß brodelnd und schäumend unter ihm vorbei. Jetzt erschien es ihm wie ein Wunder, daß er unversehrt daraus hervorgekommen war. Er fragte sich, wie Wirtz den Sturz überstanden haben mochte. Sollte der IS ebensoviel Glück gehabt haben? Wenn er ebenfalls ins Wasser gefallen war, dann konnte er überlebt haben.
Fall so zu stabilisieren, daß er mit den gestreckten Beinen zuerst ins Wasser prallte. Der Schlag traf ihn unerwartet hart. Die Beine wurden ihm unter dem Leib weggerissen, und die Wellen schlugen über ihm zusammen. Ein stechender Schmerz fuhr ihm von den Fußsohlen bis in die Schultern hinauf, so daß er im ersten Moment befürchtete, er habe sich das Rückgrat gebrochen. Doch dann kämpfte er schon gegen den nassen Tod an, der ihn mit wilder Gewalt zu holen suchte. Er konnte die Arme und Beine bewegen. Das sagte ihm, daß alles in Ordnung war. Mit schnellen Armzügen stieg er zur Wasseroberfläche auf und pumpte die frische Luft in seine Lungen. Dann schlugen die Wellen erneut über ihm zusammen und schleuderten ihn gegen einen Felsen. Für einige Sekunden verlor er das Bewußtsein. Doch er bemerkte die kurze Unterbrechung kaum, als er in gischtende Strudel gerissen wurde. Er sah glühend rote Felsen über sich, aus denen spitze Äste hervorstanden. Mit einer Beinschere schnellte er sich hoch, doch seine Hand glitt abermals ins Leere. Jetzt endlich stopfte er seine Thermoautomatik unter den Pulli, um beide Hände freizubekommen. Dann warf er sich herum und schwamm mit aller Kraft gegen die Strömung an. Damit konnte er sich zwar nicht abfangen. Nach wie vor trieb er hilflos durch die Schlucht, aber er konnte den Kopf hochhalten und so etwas mehr Übersicht gewinnen. So gelang es ihm schließlich, einen günstigen Moment zu nutzen und gegen einen Felsen zu schwimmen, der aus dem Wasser hervorragte. Er packte die spitzen Zacken und hielt sich fest. Minutenlang verharrte er so und rang keuchend nach Atem, bis er endlich erholt genug war, und sich ganz aufs Trockene ziehen konnte. Er blickte sich suchend um. Links von ihm erhob sich eine Steilwand, die ihm keinerlei Möglichkeiten bot. Rechts von ihm befand sich ein Einschnitt, von wo aus eine Art Sims weiter an den Felsen entlangführte. Er sprang hinüber, glitt auf den schlüpfrigen Steinen aus und rutschte mit den Beinen ins Wasser. Für einen kurzen Moment schien es, als könne ihn die Strömung erneut packen, dann endlich konnte er sich hochziehen.
* Langsam arbeitete er sich auf dem Sims voran, doch es schien, als könne er nicht sehr weit darauf weiterkommen. An einer Felsnadel endete der Weg. Atlan konnte von hier aus nicht sehen, wie die Schlucht weiter verlief. Ihm direkt gegenüber befand sich jedoch ein Spalt im Gestein. Er war nur etwas mehr als zwei Meter von ihm entfernt. Entschlossen sprang er hinüber. Er fand sofort ausreichend Halt. Jetzt konnte er erkennen, daß sich der Einschnitt hinter der Nadel weitete. Der Strom floß ruhiger dahin und mündete in eine stark bewaldete Ebene ein. Da er keine andere Möglichkeit hatte, ließ er sich ins Wasser fallen und von der Strömung mitziehen. Das war nicht gefährlich, sondern lediglich unangenehm, da das Wasser kaum mehr als zehn Grad warm war. Als er etwa zweihundert Meter weit getrieben war, bemerkte er etwas Helles, das vor einer buschbestandenen Insel an einem Baum hing. Er schwamm darauf zu. Als er nahe genug an das überflutete Land herangekommen war, erkannte er Wirtz, der bewegungslos zwischen den Ästen lag. Mit einigen kräftigen Zügen brachte er sich an den IS heran. Er fühlte Grund unter den Füßen und konnte sich aufrichten. »Froom«, rief er. Der USO-Spezialist rührte sich nicht. Erst als Atlan ihm die Hand auf die Schulter legte, stöhnte er leise. Der Arkonide löste ihn vorsichtig aus dem Geäst heraus und schleppte ihn auf trockenen 25
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg *
Boden. Wirtz hatte einige blutige Schrammen davongetragen. Da er nicht bei Bewußtsein war, ließ sich noch nicht feststellen, wie es sonst um ihn stand. Atlan sammelte einige Äste zusammen, schichtete sie auf und entzündete sie mit einem Schuß aus seiner Waffe, die das unfreiwillige Bad schadlos überstanden hatte. Das Holz war zu naß. Er mußte noch zwei weitere Entladungen opfern, bis die Hitze ausreichte. Dann schlugen die Flammen hoch und verbreiteten eine angenehme Wärme. Froom Wirtz kam zu sich. Er stöhnte und blickte Atlan zu, als habe er ihn nie gesehen. Der Lordadmiral richtete ihn auf und rückte ihn näher ans Feuer heran. »Wie geht es Ihnen, Froom?« fragte er. »Mein Bein«, antwortete der InstinktSpezialist. »Ich glaube, es ist gebrochen.« Atlan erhob sich und sammelte noch mehr Holz zusammen, bis endlich ein Feuer auf der Insel brannte, das ihm groß genug schien. Es war sicherlich meilenweit zu sehen, aber das spielte auf dieser Welt keine Rolle. Auf der Insel waren sie vor Überfällen sicher. Anschließend untersuchte er das Bein Frooms. »Ich kann keinen Bruch feststellen«, erklärte er. »Vielleicht haben Sie Glück gehabt.« Wirtz nickte gequält. Er hustete. Stöhnend kroch er so dicht an die Flammen heran, wie er es gerade ertragen konnte. Die beiden Männer legten ihre Kleidung ab, um sie am Feuer zu trocknen. »Das war deutlich«, sagte Froom Wirtz nach geraumer Weile. »Skanmanyon hält nicht viel von uns.« »Offensichtlich nicht.« »Jetzt geht das Schiff ohne uns ab.« »Das steht noch nicht fest.« »Sie verlieren den Mut wohl nie.« Atlan antwortete nicht. Er beobachtete im letzten Licht der untergehenden Sonne, daß ein Tier den Fluß herabkam. Es trug ein hirschähnliches Geweih und hielt sich nur noch mit Mühe über Wasser. Es schien verletzt zu sein. Als es die Insel erreichte und sich in das Gebüsch rettete, sah der Arkonide, daß es ein Bein nachzog. Er griff nach seinem Energiestrahler, legte ruhig an und schoß. »Wir müssen etwas essen«, sagte er.
Am nächsten Morgen fühlte Wirtz sich schon etwas besser, obwohl er noch immer nicht gehen konnte. Er hatte sich das Kniegelenk des rechten Beines verdreht und den Knöchel verstaucht. Atlan untersuchte das Bein und stellte fest, daß es unter diesen Umständen überhaupt keinen Sinn hatte, die Insel zu verlassen. Das Wasser fiel ständig. Gleichzeitig wurde es sauberer. Immer seltener trieben abgerissene Baumstämme und Geäst aus der Schlucht. Bei Sonnenaufgang kam ein heftiger Sturm auf. Zugleich begann es zu regnen, so daß der Aufenthalt auf der Insel immer ungemütlicher wurde. Das Feuer brannte immer schlechter und mußte einige Male mit Energieschüssen wieder angefacht werden. Gegen Mittag richtete Wirtz sich auf, nachdem er bis dahin zusammengekauert im Regen gehockt hatte. »Wir müssen versuchen, ans andere Ufer zu kommen«, sagte er. »Vielleicht finden wir zwischen den Felsen besseren Schutz.« »Wir müssen bleiben, Froom«, erwiderte Atlan und warf einige Äste ins Feuer. »Sehen Sie doch – wir haben Besuch bekommen.« Der Arkonide zeigte auf das Wasser hinaus. Der IS fuhr zusammen. Im Fluß – genau zwischen der Insel und dem Festland – stand ein Schwarm jener Fische, denen Carrit Barkan zum Opfer gefallen war. Die schwertartigen Rückenfinnen ragten etwa dreißig Zentimeter aus dem Wasser hervor. Wirtz zählte sieben Rückenflossen. Er lachte hysterisch. »Dann sind wir gefangen, Sir«, sagte er. Seine Augen flackerten. Atlan befürchtete, daß er zusammenbrechen würde. »Hier gibt es kein Schilf, aus dem wir ein Schiff bauen können.« »Beherrschen Sie sich, Froom. Die Räuber werden auch wieder verschwinden, wenn das Wasser noch weiter fällt.« »Bis dahin ist Skanmanyon aber auch weg.« »Das ist durchaus möglich«, gab der Arkonide gelassen zurück. »Das regt Sie nicht auf, Sir?« »Das hätte wenig Sinn.« 26
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg weshalb Sie versagt haben.« »Ich bin mit dieser Erklärung aber nicht zufrieden. Noch nie in meinem Leben habe ich wirklich Großes geleistet, Sir, aber ich habe auch noch niemanden verraten, den ich ... mag.« Die Worte kamen stockend über seine Lippen. Er blickte sein Gegenüber nicht an. »Ich sagte, wir können es vergessen, Froom. Ich trage Ihnen nichts nach. Schon gestern hatte ich das Gefühl, daß Skabbah Tas gefährlich für Sie ist. Sollten wir ihr noch einmal begegnen, was ich für unwahrscheinlich halte, dann müssen Sie versuchen, sich gegen ihren Einfluß zu wehren. Sie dürfen ihr nicht zu nahe kommen.« »Warum merken Sie nichts?« »Ich bin mentalstabilisiert.« Wirtz nickte. »Ich glaube, deshalb haßt sie Sie. Skabbah kommt nicht an Sie heran, und das kann sie nicht ertragen.«
Wirtz blickte ihn schweigend an. Nach einer geraumen Weile fragte er: »Warum haben Sie es getan, Atlan?« »Was meinen Sie?« »Warum haben Sie mich aus dem Wasser geholt? Sie hätten mich lassen können, wo ich war.« Atlan griff nach dem Fleisch, das sie am Vorabend über dem Feuer gebraten hatten. Er aß etwas davon. Es war hart und zäh. »Schließlich habe ich nichts für Sie getan«, fuhr Wirtz fort. »Ich habe keinen Finger gerührt, als Sie in dem klebrigen Brei steckten und sich nicht mehr bewegen konnten. Skam Ma'h hat Sie herausgeholt.« »Das ist mir alles bekannt, Froom«, antwortete der Arkonide, »aber das alles ist bedeutungslos. Wir brauchen nicht darüber zu reden.« »Ich habe mich nicht so benommen, wie ich es als USO-Spezialist hätte tun müssen.« Wirtz griff nach einem kleinen Ast und schleuderte ihn wütend nach den Fischen. »Interessiert Sie nicht, warum?« Atlan blickte ihn prüfend an. »Warum, Froom?« Der IS biß sich auf die Lippen und senkte den Kopf. »Ich glaube, ich kann es nicht erklären.« »Dann schweigen wir darüber und vergessen es.« »Das kann ich nicht.« Er probierte etwas Fleisch, spuckte es jedoch wieder aus, weil es ihm nicht schmeckte. Er hatte seinen Blaster verloren und besaß als einzige Waffe nur noch ein Messer mit Desintegratorklinge. Es hatte ihnen gute Dienste geleistet, als sie das erlegte Wild ausgeweidet hatten. »Ich glaube, Skabbah Tas hat einen parapsychologischen Einfluß auf mich. Wenn sie in meiner Nähe ist, kann ich nicht so klar handeln und denken wie sonst. Ich wollte Ihnen helfen, aber ich konnte nicht. Spüren Sie es nicht?« »Sie meinen die psionische Energie, die von ihr ausgeht?« »Genau. Für mich ist es manchmal, als ob ein Funke von mir zu ihr überspringt – und mit ihm verschwindet ein Teil meines Ichs.« »Dann wissen Sie doch ziemlich genau,
5. Am folgenden Morgen machte Wirtz erste Gehversuche. Er konnte sein Bein bereits recht gut gebrauchen. Atlan beobachtete ihn und stellte befriedigt fest, daß er sich soviel Mühe gab, wie von einem USO-Spezialisten zu erwarten war. Nach wie vor standen die Raubfische neben der Insel im Strom. Ihre Finnen ragten ruhig aus dem Wasser. Wirtz brach sich einen passenden Ast von einem Busch und stützte sich damit ab. Er hinkte zu Atlan. »Können wir sie nicht einfach abschießen?« »Wir warten noch einen Tag, Froom. Ich rechne damit, daß das Wasser weiter fällt. Vielleicht ziehen die Räuber sich dann von selbst zurück.« »Und dann, Sir? Was machen wir dann?« »Wir werden erneut versuchen, Skanmanyons Berg zu erreichen.« »Falls er Schneeball noch nicht verlassen hat.« »Wir hätten es gemerkt, wenn der Berg durch die Atmosphäre in den freien Raum geschleppt worden wäre.« 27
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Vorderteil des Körpers befindet sich ein Kranz mit sechs roten Augen, darunter hängt ein Sack, der wahrscheinlich die Nahrung zur Vorverdauung aufnimmt – und eine Membrane. Ich vermute, daß sie ein Kommunikationsmittel ist, mit dem Geräusche erzeugt werden können.« »Sind Sie sicher, daß die Gresstoren intelligent sind?« »Ganz sicher, denn Terrania tauchte in meiner Nähe auf. Sie wechselte ein paar Worte mit mir, bevor sie wieder verschwand. Von ihr erfuhr ich, daß die Gresstoren die Diener Skanmanyons sind.« »Terrania kam, um Ihnen zu erklären, welche Bedeutung die Gresstoren haben?« fragte der Arkonide zweifelnd. »Sie erschien bestimmt nicht nur aus diesem Grund, Sir. Sie sagte mir auch, daß ich von Bord gehen solle. Vielleicht befürchtete sie, daß ich mich auf einen Kampf mit den Gresstoren einlassen und dabei einige von ihnen töten würde. Immerhin hatte ich ja noch meinen Strahler.« »Wo sind Skabbah Tas und Skam Ma'h geblieben?« »Skabbah Tas wurde von Robotern abgedrängt.« Dem Lordadmiral fiel auf, daß Wirtz nur von der Rakganterin sprach, nicht aber von ihrem männlichen Begleiter. Dieser schien dem IS so unbedeutend zu sein, daß er gar nicht mehr an ihn dachte. »Ich glaube, die Gresstoren sind alle in den Eisberg Skanmanyons gebracht worden«, fuhr Wirtz fort. »Wie kommen Sie darauf?« »Ich glaube, so etwas gesehen zu haben, als ich aus dem Ringraumer stürzte. Aber ich bin mir dessen nicht ganz sicher. Alles ging ziemlich schnell.« »Alles sieht nach einem baldigen Aufbruch aus.« Atlan erhob sich und ging bis an den Rand der Insel. Der Wasserspiegel war weiter gefallen. Der Fluß war nur noch etwa sieben Meter breit. Diese Kluft konnten sie nicht überspringen, da ihnen die nötige Anlaufstrecke fehlte und Wirtz zudem noch geschwächt war. Atlan nahm die Reste des von ihm zuerst erlegten antilopenähnlichen Tieres und warf sie in den
Eine bullig gebaute Echse kroch unter einem Busch hervor. Sie war etwa zwei Meter lang und fünfzig Zentimeter hoch. »Achtung, Sir!« Atlan fuhr herum. Er sah das Tier, das ihm entgegenstürmte, griff nach seiner Thermoautomatik und schoß. Der Glutstrahl fuhr der Echse in den Kopf und tötete sie. Wild um sich schlagend, verendete sie direkt neben dem Feuer. Wirtz wartete, bis sie ganz ruhig war. Dann beugte er sich über sie und schnitt einen breiten Streifen Fleisch aus ihrem Rücken. »Auf manchen Welten gibt es Echsen, die hervorragend schmecken«, sagte er. »Sehen Sie, das Fleisch ist schneeweiß.« Atlan verzog das Gesicht. Das erlegte Tier sah nicht gerade appetitlich aus. Der grüne Körper war mit warzenartigen Drüsen besetzt, aus denen ein gelbliches Sekret floß. Froom Wirtz spießte das Stück Fleisch auf einen Ast und hielt es dicht neben die Flammen. Schon nach wenigen Minuten probierte er den ersten Bissen. »Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen, Sir«, sagte er schwärmerisch. »Das Fleisch schmeckt hervorragend.« Er reichte Atlan eine Probe, die ihn vollkommen überzeugte. Der Arkonide schnitt sich jetzt ebenfalls einen Streifen aus der Flanke der Echse. »Erzählen Sie mir, was Sie an Bord des Ringraumers erlebt haben.« »Das ist nicht viel, Sir. Am interessantesten fand ich die Gresstoren.« Er blickte Atlan an und merkte, daß dieser nicht wußte, wovon er sprach. »Ich sah, wie die Roboter diese Wesen aufweckten. Sie lagen im Tiefschlaf in Plastikbehältern. Kurz bevor Skabbah Tas und ich durch Roboter voneinander getrennt wurden, kamen wir in einen quadratischen Raum, in dem die Behälter aufgestapelt waren. Ich erinnere mich daran, daß es eiskalt in dem Raum war.« »Wie sehen die Gresstoren aus?« »Sie haben eine gewisse Ähnlichkeit mit großen Spinnen. Sie besitzen ovale Körper, die einen größten Durchmesser von etwa eineinhalb Metern haben. Ihre Haut ist bläulich und mit weißem, flaumartigen Haar besetzt. Sie bewegen sich auf acht Spinnenbeinen. Am 28
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Nachmittag hinein. Dann war die Lücke bis zum anderen Ufer nur noch so klein, daß sie sie im Sprung überwinden konnten. »Ich wußte, daß wir es schaffen«, sagte Atlan. Er nickte Wirtz anerkennend zu. Der Instinkt-Spezialist hatte sich in den vergangenen Tagen gut erholt. Er wirkte wieder frisch und kräftig. Nur das Bein machte ihm noch Sorgen. Atlan war überzeugt davon, daß er sich nunmehr voll auf Wirtz verlassen konnte.
Fluß. Augenblicklich schossen die Raubfische darauf zu. Das Wasser schäumte für Sekunden auf. »Es ist sinnlos«, stellte Wirtz fest. »Unter diesen Umständen können wir die Insel nicht verlassen.« * Am nächsten Morgen wehte ein warmer Wind von Süden her. Der Himmel war klar und durchsichtig. Der Wasserspiegel sank weiter. Die Raubfische zogen sich von der Insel zurück und verharrten in einer Gumpe, die etwa einhundert Meter von ihr entfernt war. Atlan watete einige Schritte ins Wasser hinein, um festzustellen, wie tief es war. Als er die Hälfte der Strecke überwunden hatte, reichte ihm das Wasser bis zu den Oberschenkeln. Froom Wirtz schrie ihm eine Warnung zu. Atlan floh zum Ufer zurück, als er sah, daß die Rückenfinnen der Raubfische auf ihn zuschossen. Er erreichte die Insel gerade noch rechtzeitig. Ein Fisch schnellte sich ihm bis ins knöcheltiefe Wasser nach. Dort warf er sich so lange hin und her, bis er wieder in tiefere Bereiche fiel. Die beiden Männer blickten sich stumm an. Beide hatten das fürchterliche Gebiß des Räubers gesehen. »Wir könnten versuchen, Büsche und Bäume ins Wasser zu werfen«, sagte Wirtz nach geraumer Weile. »Vielleicht können wir auf diese Weise eine Art Damm bauen, so wie die Biber.« »Das ist eine gute Idee«, stimmte Atlan zu. Sie machten sich sogleich an die Arbeit und schichteten zunächst am Ufer alles Holz auf, was sie auf der Insel finden konnten. Dann schnitten sie mit dem Desintegratormesser einige Büsche ab und legten sie davor. Einige Äste wurden von der Strömung mitgerissen, die meisten aber blieben liegen. Treibgut, das aus der Schlucht kam, verfing sich in dem Gestrüpp, so daß sich schon bald ein Damm bildete, der immer dichter wurde. Das Wasser wurde dadurch nicht aufgestaut, weil es auf der anderen Seite der Insel abfließen konnte. Atlan und Wirtz arbeiteten bis in den späten
* Atlan und der IS überwanden den Felsgürtel, der zwischen ihnen und dem Eisberg lag, noch vor Einbruch der Dunkelheit. Es dauerte lange, bis sie den Koloß endlich wieder sehen konnten, so daß Wirtz bereits befürchtete, Skanmanyon sei doch gestartet. In unmittelbarer Nähe der Stelle, an der der Fluß eine tiefe Schlucht gegraben hatte, verbrachten sie die Nacht. Sie sammelten Holz zusammen und entzündeten es mit Atlans Waffe. Obwohl sie beide von dem anstrengenden Marsch durch das unwegsame Gelände erschöpft waren, konnten sie nicht schlafen. Sie hörten die Jagd- und Locklaute von Raubtieren, die ihr Lager umkreisten, und die durchstandenen Kämpfe der vergangenen Tage kamen ihnen wieder ins Gedächtnis. Bevor sie Skanmanyons Berg zum erstenmal gesehen hatten, waren sie mehrfach von raublüsternen Bestien angegriffen worden. »Ich werde Wache halten«, sagte Atlan. »Legen Sie sich hin, und versuchen Sie zu schlafen.« Wirtz gehorchte, aber er fand keine Ruhe. Er wälzte sich im Gras und richtete sich bald wieder auf. Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist, Sir«, sagte er beunruhigt. »Vom Berg geht etwas aus. Ich spüre es. Merken Sie nichts?« »Nein.« Wirtz hatte sich verändert. Seine Wangen waren hohl, und die Augen lagen tief in den Höhlen. Er sah jetzt wieder so erschöpft aus wie nach seinem Sturz aus dem Ringraumer. Atlan führte den Kräfteverfall auf die außerordentlichen Anstrengungen des heutigen Tages zurück. Er konnte sich nur schwer vor29
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg »Ich weiß nicht.« Kein Lichtschein erhellte die Nacht, der die geheimnisvollen Geräusche hätte erklären können. Der Boden erzitterte unter ihren Füßen. »Ein Beben«, sagte Wirtz. »Das glaube ich nicht.« Wieder ertönte ein dumpfes Donnergrollen. Dieses Mal aber klang es nicht aus, sondern steigerte sich immer mehr. Wind kam auf. Er führte eine eiskalte Luft aus dem Norden heran. Das Schiff startet, stellte der Extrasinn kühl fest. »Das kommt von Skanmanyons Berg«, schrie Wirtz panikerfüllt. »Sir, der Koloß startet – und wir bleiben zurück.« Atlan antwortete nicht. Was hätte er auch sagen sollen? Offensichtlich hatte Wirtz recht. Der Eisberg verließ Schneeball entweder aus eigener Kraft, oder er wurde von den Ringraumern emporgetragen. Sie aber waren aussichtslos weit vom Ort des Geschehens entfernt. Nur mit Hilfe eines modernen Antigravitationsgeräts hätten sie das riesige Raumschiff noch erreichen können. »Sir, wir müssen etwas tun!« rief der IS erregt. Seine Stimme überschlug sich fast. »Atlan, wir können doch nicht hier stehenbleiben und zusehen, wie Skanmanyon ohne uns verschwindet! Sir, so sagen Sie doch etwas.« Er packte Atlan an den Schultern und schüttelte ihn. Der Arkonide schlug die Hände weg. »Beherrschen Sie sich, Froom.« »Beherrschen? Ich soll mich angesichts dieser Situation beherrschen? Warum denn, Sir?« »Weil es gut ist, wenn Sie sich auch morgen noch selbst achten können.« Der Instinkt-Spezialist verstummte. Betroffen blickte er den Arkoniden an. Seine Unterlippe zitterte. »Ich bin nicht so stark wie Sie, Atlan«, sagte er endlich. Sein Begleiter konnte ihn kaum verstehen, denn der Lärm, den der Berg bei seinem Start verursachte, wurde nahezu unerträglich. Die gigantischen Antriebsaggregate kannten eine Schalldämmung nicht, wie sie auf terranischen Raumschiffen selbstverständlich war. Ungehemmt donnerte die Schall-
stellen, daß Wirtz sich als parapsychisch so empfänglich zeigen sollte, nachdem er vorher so wenig auf psionische Einflüsse reagiert hatte. »Legen Sie sich wieder hin, Froom. Es ist wichtig, daß Sie schlafen. Sie müssen sich erholen.« Wirtz gehorchte. Atlan sammelte weiteres Holz zusammen und warf es ins Feuer. Ab und zu blickte er zum nachtschwarzen Himmel hinauf. Sterne waren nicht zu sehen, denn Schneeball stand weitab von der heimatlichen Galaxis. Diese war nur als schwacher Silberschleier zu erkennen. Der Arkonide fragte sich, ob es ihnen gelingen würde, diese ungeheuerliche Distanz noch einmal zu überwinden. Es zog ihn mit aller Macht in die Galaxis zurück. Er wußte, daß er auf dieser Welt zwischen zwei Galaxien nicht leben konnte. Die Einsamkeit und Abgeschiedenheit würden ihn erdrücken. ES, das geheimnisvolle Intelligenzwesen von Wanderer, fiel ihm ein. Er wußte nicht, warum er ausgerechnet jetzt an den Unsterblichen denken mußte. Er fragte sich, ob er ES jemals wieder begegnen würde. Lange war es her, daß er die stets belustigt klingende Stimme aus dem Nichts gehört hatte. Stets belustigt? Das ist nicht richtig, korrigierte der Logiksektor. Atlan legte seine Hand um den Zellaktivator, dessen belebende Impulse er deutlich spürte. Was ist mit mir los? fragte er sich. Er versuchte, die Dunkelheit mit seinen Blicken zu durchdringen und Skanmanyons Berg zu erkennen, weil er glaubte, Lichtreflexe gesehen zu haben. Vergeblich. Die Nacht war so dunkel, daß ihm alles außerhalb des Feuerscheins verborgen blieb. Er legte sich auf den Boden und preßte den Kopf gegen eine Felsplatte. Er hatte sich nicht getäuscht. Er vernahm ein leises Rumpeln, als ob sich ihnen ein schweres Fahrzeug näherte. Doch das dauerte nur wenige Sekunden. Dann schien in einigen Kilometern Entfernung etwas zu explodieren. Lauter Donner rollte über das Land. Froom Wirtz schreckte auf. »Was ist das?« fragte er. 30
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Sie ging nicht darauf ein. Langsam, mit machtergreifender Gebärde streckte sie die Arme nach den beiden Männern aus. Wirtz griff wie ein Ertrinkender zu, während Atlan die Hand des Mädchens nur zögernd nahm. Er fühlte sich mitgerissen. Das Feuer verschwand vor seinen Augen. Ein stechender Schmerz durchraste seinen Körper vom Kopf bis zu den Füßen. Er erinnerte ihn an jene Beschwerden, die bei Raumflügen mit antiken Transitionstriebwerken auftraten bei denen das Raumschiff mit allem, was es enthält, entmaterialisiert wurde, als Impulskette durch den Hyperraum raste, und am Zielpunkt wieder materialisierte. Plötzlich wurde es hell um ihn. Er stand auf einem Gang. Terrania und Wirtz befanden sich bei ihm. Der IS blickte sie wie hypnotisiert an. In dem hellen Licht sah Atlan, daß Terrania ihr Haar verlor. Die Haut platzte an mehreren Stellen ihres Schädels auf. Nun zweifelte er nicht mehr daran, daß ihr Hirn wuchs. Bevor er etwas zu ihr sagen konnte, teleportierte sie erneut. Sie ließ ihn und Wirtz zurück.
energie aus den bis jetzt noch nicht sichtbaren Abstrahldüsen. Noch immer war nicht auszumachen, ob der Eisberg selbst fliegen konnte, oder ob er von Antigravtriebwerken der Ringraumer in die Umlaufbahn um Schneeball hinaufgeschleppt werden sollte. Froom Wirtz hockte sich auf den Boden und preßte die Hände an die Ohren. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze ohnmächtigen Zornes. Er tat Atlan leid. Dieser hätte ihm gern geholfen, aber er konnte nichts für ihn tun. Er konnte weder den unerträglichen Lärm beheben, noch dafür sorgen, daß sie das Schiff doch noch erreichten. Der Wind wurde heftiger. Die Natur reagierte auf den Start des Kolosses. Da fühlte Atlan, daß sich ihm eine Hand auf die Schulter legte. Erschreckt zuckte er zusammen und fuhr herum. Unwillkürlich riß er die Fäuste hoch, setzte sie aber nicht ein. Vor ihm stand Terrania. Das Mädchen hatte sich weiter verändert. Eine Ähnlichkeit mit der Terrania von WigaWigo oder Komouir im Tiffak-System bestand kaum noch. Die Augen waren übergroß und leuchteten. Atlan konnte nicht feststellen, ob sie tatsächlich von innen heraus Licht ausschütteten oder ob sie nur das Licht des Feuers reflektierten. Ihr Kopf war angeschwollen. Atlan glaubte, einen klaren Unterschied gegenüber dem Zustand bei ihrer letzten Begegnung erkennen zu können. Darüber hinaus bestand Terrania nur noch aus Haut und Knochen. Es erschien wie ein Wunder, daß sie sich dennoch so aufrecht hielt und mühelos bewegte. Eine fremde Macht schien sie übernommen zu haben, die sie auf der einen Seite auszehrte, aber auf der anderen Seite mit lebensnotwendiger Kraft versah. »Terrania«, schrie Froom Wirtz. Er sprang auf und eilte auf das Mädchen zu. »Terrania, du mußt uns mitnehmen.« Sie verzog keine Miene. »Deshalb bin ich gekommen«, sagte sie. Die beiden Männer konnten sie wegen des Lärms kaum verstehen und lasen ihr die Worte mehr von den Lippen ab. »Skanmanyon ist sich dessen nicht sicher, ob er euch nicht doch irgendwann braucht.« »Skanmanyon ist ein kluger Mann«, erwiderte Atlan.
* Atlan trat unwillkürlich einen Schritt vor, doch es war schon zu spät. Terrania war verschwunden. »Was ist los, Sir?« fragte Wirtz. »Sie sehen so unruhig aus.« Der Arkonide antwortete nicht. Er eilte weiter bis zu einem Schott und versuchte, es zu öffnen. »Wir haben doch alles erreicht, was wir wollen«, sagte der IS. »Warum geben Sie sich nicht zufrieden?« Atlan drehte sich um. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. »Weil wir an Bord eines Ringraumers sind.« Der USO-Spezialist hob die Schultern. Er war verwirrt. »Was besagt das? Wir werden in die Milchstraße zurückkehren. Das ist genau das, wonach wir uns gesehnt haben.« »Wer sagt denn, daß auch die Ringraumer zu unserer Galaxis fliegen?« 31
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg der Darstellungen schienen zu leben. Sie waren mit einer fluoreszierenden Farbe gezeichnet worden, die den Bildern auf erstaunliche Weise Leben verlieh. »Vielleicht plant Skanmanyons Freundesschar auch noch etwas auf Schneeball«, sagte Wirtz. »Vielleicht will man uns nicht dort haben, weil man befürchtet, daß wir stören könnten.« »Wir werden es bald erfahren.« Sie erreichten ein weiteres Schott. Atlan fuhr mit der Hand daran entlang und berührte einen unsichtbaren Kontakt. Zischend glitt die Wand aus zentimeterdickem Panzerplast zur Seite. Vor ihnen stand ein Gresstor. Sechs rote Augen funkelten sie tückisch an. Die Spinnenbeine ruckten vor. Unwillkürlich wichen Atlan und Wirtz zurück, doch nicht schnell genug. Ein Spinnenbein fuhr durch die Luft. Die mit scharfem Horn versehenen Zehen trafen Froom Wirtz an der Brust und schleuderten ihn zurück. Atlan konnte einem zweiten Bein, das ihm wie ein tödlicher Stachel entgegenzuckte, ausweichen. Es glitt über seine Schulter hinweg, knickte ein und packte ihn von hinten. Der Gresstor riß den Arkoniden zu sich heran. Plötzlich sah dieser die scharfen Mundwerkzeuge des insektoiden Wesens über seinem Kopf. Ihm blieb keine andere Wahl. Er rollte sich noch weiter unter den Spinnenleib, wobei er versuchte, an seine Thermoautomatik zu kommen. Er mußte den gefährlichen Beißwerkzeugen entkommen. Der Gresstor sprang Wirtz förmlich an, als dieser sich aufrichtete. Abermals wurde der Instinkt-Spezialist von einem Fuß getroffen. Das Gehwerkzeug strich ihm quer über die Stirn und hinterließ eine blutige Schramme. Er warf die Arme haltsuchend hoch und brach betäubt zusammen. Atlan schnellte sich inzwischen gegen die hinteren Beine des Spinnenwesens und schmetterte seine Handkante mit kurzen Schlägen dagegen. Das harte Außenskelett gab knirschend nach. Der Gresstor schrie gellend auf. Er warf seinen plumpen Körper herum. Sechs Augen blickten Atlan haßerfüllt an, als dieser sich rückwärts schreitend von ihm
»Wohin sollten sie sich denn wenden?« »Das weiß ich nicht. Jedenfalls glaube ich nicht, daß der Eisberg und die Ringraumer auf Kurs Milchstraße gehen werden. Ich fürchte vielmehr, daß sie sich von dem Berg Skanmanyons trennen und in anderer Richtung verschwinden werden.« »Das wäre allerdings fatal. Aber sagte Terrania nicht, daß Skanmanyon uns eventuell noch braucht?« »Sicher, Froom. Das hat sie gesagt. Aber – wo braucht dieser geheimnisvolle Skanmanyon uns? In seiner Nähe oder dort, wo er herkommt?« Froom Wirtz schwieg betroffen. »Wir müssen also etwas tun.« »Das sehe ich ein, Sir. Was haben Sie vor?« »Wir müssen zum Eisberg. Und das schaffen wir nur, wenn wir das Kommando über diesen Ringraumer übernehmen und ihn dicht genug an den Berg heranbringen, so daß wir hinübersteigen können. Ich habe hier irgendwo in den Rundgängen Schränke gesehen, in denen auch Raumanzüge vorhanden waren. Damit können wir uns später ausrüsten. Zunächst machen wir uns auf den Weg zur Zentrale.« Atlan griff nach seinem Thermostrahler und überprüfte ihn. Die Energiekammer enthielt noch genügend Reserven. »Vielleicht finden wir für Sie später auch noch eine Waffe, Froom.« »Das Desintegratormesser ist auch nicht zu verachten, Sir.« Wirtz trat an das Schott heran nahm das Messer und führte die »Klinge« gegen das Schott. Das Desintegratorfeld zerschnitt das Material mühelos. Der Instinkt-Spezialist trennte eine quadratische Scheibe heraus, so daß eine ausreichend große Öffnung für sie entstand. Nacheinander kletterten sie hindurch. Sie kamen an einen Verteiler, von dem drei Gänge abführten. Atlan deutete auf einen Gang, durch den er hoffte, mehr in die Mitte des Ringes zu kommen. Auch hier befanden sich graphische Darstellungen von spinnenähnlichen Wesen an den Wänden. Jetzt wußte der Arkonide, daß damit die Gresstoren gemeint waren. Einige 32
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg eine kaum abschätzbare Zahl von Gresstoren befand. Der optische Eindruck war so täuschend echt, daß selbst ein so erfahrener Mann wie Lordadmiral Atlan sich zunächst verblüffen ließ. Er streckte die Hand aus und atmete auf, als sie die Wand berührte. Er wußte Bescheid. Er befahl Wirtz zu sich. »Sie können uns zwar sehen, Froom, aber dadurch ändert sich noch nicht viel.« Sie eilten weiter, ständig von den Blicken aus den Spinnenaugen verfolgt. Der InstinktSpezialist blieb hinter dem Arkoniden zurück. Als dieser es merkte, blieb er stehen und drehte sich um. »Was ist los, Froom?« »Nichts, Sir. Machen Sie sich keine Sorgen.« Wirtz war bleich. Das Haar fiel ihm strähnig in die Stirn. Seine hagere Gestalt erzitterte, als ob sie von Fieberschauern erschüttert wurde. Gefahr! signalisierte der Extrasinn. Froom Wirtz wird parapsychisch beeinflußt. Er wird dir bald nicht mehr folgen, sondern vielleicht sogar zu deinem Feind werden. »Froom, ist es wieder Skabbah Tas?« »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« »Wenn Sie spüren, daß die Rakganterin auf Sie einwirkt, dann müssen Sie sich wehren. Stemmen Sie sich dagegen, Froom.« »Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen. Mit mir ist alles in Ordnung. Mein Bein schmerzt nur etwas.« Er lügt. Er ist nicht mehr frei. Er wehrt sich, aber er schafft es nicht. Atlan wußte, wie unbestechlich logisch und sachlich die Feststellungen seines Logiksektors waren. Es irrte sich praktisch nie. Doch er wollte sich nicht damit abfinden, daß Wirtz tatsächlich sein Ich verlor und von ihm abfiel. Skabbah Tas war nicht in der Nähe. Wie sollte sie auf ihn einwirken, wenn sie ihm nicht direkt gegenüberstand? Bis jetzt war ein enger Kontakt notwendig gewesen, wenn sie ihren Einfluß auf ihn geltend machen wollte. Warum war das nun nicht mehr so? Aus zahlreichen Lautsprechern dröhnten die Stimmen der Gresstoren. Weder Atlan noch der Instinkt-Spezialist verstanden, was sie sagten, obwohl viele Wörter und Wortver-
entfernte. Der Arkonide hielt seine Thermoautomatik in der Hand. Damit zielte er auf den Augenkranz des Gresstors. »Du siehst, Freundchen, daß ich bewaffnet bin«, sagte er. In der Hoffnung, daß der Gresstor ihn verstand, benutzte er Interkosmo. »Ich werde schießen, falls du nicht vernünftig wirst.« Das Spinnenwesen zog sich etwa einen Meter von ihm zurück. Der Leib sank tief zwischen die hochstehenden Kniegelenke der Spinnenbeine, während die Fußenden sich satt auf den Boden preßten. Die Sprechmembrane vibrierte, aber der Arkonide hörte keinen verständlichen Laut. Hinter dem Gresstor richtete Froom Wirtz sich auf. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Das Blut lief ihm über die Wangen herab und verklebte seine Augenbrauen. »Passen Sie auf, Atlan«, rief er. »Dem Biest ist nicht zu trauen.« Im gleichen Moment schnellte das Spinnenwesen sich aus dem Stand heraus auf den Arkoniden. »Schießen Sie, Sir«, schrie der InstinktSpezialist. Atlan sprang mit einem weiten Satz zurück. Die herabsausenden Spinnenbeine verfehlten ihn nur knapp. Er merkte, daß der Gresstor nicht aufgeben wollte, sondern zu einem weiteren Sprung ansetzte. Er schoß. Das Glutbündel aus reiner Kernenergie bohrte sich zischend in den häßlichen Körper und verbrannte ihn. Wirtz wich vor der sich ausbreitenden Hitze zurück. Der Gresstor zog die Beine fest an den Leib heran, dessen Außenhaut sich krauste. Der Tote glich einer leeren Haut, die das Dienerwesen Skanmanyons beim Skelettwechsel abgeworfen hatte. 6. Die Optiplastbeschichtung des Ganges verlor ihre einheitlich beige Farbe und wurde zum dreidimensionalen Projektionsfeld. Die beiden Männer hatten das Gefühl, plötzlich in eine Halle versetzt worden zu sein, in der sich 33
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg in der Eile nicht darüber einigen, wer zuerst durch das Schott laufen sollte. So drängten sie sich in dem Durchgang zusammen und hinderten sich gegenseitig daran, weiterzukommen. »Halt«, rief der Arkonide. »Lassen Sie mit sich reden!« Keiner der Gresstoren hörte auf ihn. Einer von ihnen, offenbar der stärkste, hatte sich durchgesetzt. Seine Spinnenbeine schlugen nach Atlan. Er entging dem gefährlichen Wirbel nur, weil er noch weiter zurückwich. Froom Wirtz kroch auf allen vieren neben ihm her. Er versuchte, auf die Beine zu kommen glitt jedoch auf dem Boden aus und fiel immer wieder hin. Abermals rief Atlan den Gresstoren eine Warnung zu. Sie mißachteten sie und rannten blind in ihr Verderben. Sie zwangen ihn, seine Waffe zu benutzen. Atlan preßte die Lippen aufeinander, als er die klagenden Schreie der Sterbenden vernahm. Er ahnte, daß die Gresstoren nicht aus freiem Willen heraus gehandelt hatten, sondern lediglich Werkzeuge Skanmanyons waren. Froom Wirtz erhob sich. Er lehnte sich an die Wand und würgte hinter der vorgehaltenen Hand. »Mir ist schlecht«, sagte er. »Ich halte den Gestank nicht aus.« »Kommen Sie, Froom, wir holen uns Schutzanzüge.« Als sie sich einige Schritte weit von der Kommandozentrale entfernt hatten, materialisierte Terrania vor ihnen im Gang. Wirtz schrie auf. Er griff sich an den Kopf und wich taumelnd vor dem Mädchen zurück. »Atlan«, bat er keuchend. »Helfen Sie mir. Bitte, Sir. Helfen Sie mir.« Terranias Kopf war fast kahl. Ihre übergroßen Augen schienen aus den Höhlen quellen zu wollen. Mund und Nase wirkten unnatürlich schmal und klein. »Terrania«, rief Atlan mit scharfer Stimme. »Was tust du?« Er ging auf sie zu, legte ihr die Hände an die Schultern und schüttelte sie leicht. Sie antwortete nicht. Ihre blinden Augen leuchteten kalt. Sie schienen auf Wirtz gerichtet zu sein.
bindungen aus dem Interkosmo auftauchten. Vielleicht hätten die beiden Männer mehr erfaßt, wenn sie konzentriert zugehört hätten, aber dafür nahmen sie sich die Zeit nicht. Atlan griff nach dem Arm Frooms. Er zog ihn mit sich und versuchte ihm seinen Rhythmus aufzuzwingen. Er hoffte, ihn dadurch zurückgewinnen zu können. Ein Türschott öffnete sich vor ihnen, und Atlan erkannte, weshalb die Gresstoren so erregt reagiert hatten. Die Hauptleitzentrale des Ringraumschiffs lag vor ihnen. Sieben Gresstoren befanden sich in ihr. Sie lagen in seltsamen Möbeln, die auf ihre Körperform abgestimmt waren. Wie hypnotisiert blickten sie Atlan an. Der Arkonide trat ein. Er hielt die Thermoautomatik in der rechten Hand. Seine Blicke richteten sich auf einen großen Bildschirm, der ihm genau gegenüber lag. Auf ihm konnte er erkennen, daß der Berg Skanmanyons die Umlaufbahn um Schneeball erreicht hatte. Ein Gürtel von ringförmigen Raumern umspannte ihn an seiner Grundfläche, die relativ glatt im Vergleich zu den aufsteigenden Flanken war. Das Eis war unter einer grünlichen Masse verschwunden. Du hast dich geirrt, meldete der Logiksektor. Die Ringraumer bleiben beim Berg. Einer der Gresstoren schnellte sich aus seinem Spezialmöbel heraus. Er bewegte sich ungeheuer flink. Plötzlich wuchs er vor dem Arkoniden auf, der mit einem Schuß aus dem Thermostrahler reagierte. Der Energiestrahl streifte den ovalen Körper des Spinnenwesens. Das genügte. Aufschreiend brach der Gresstor zusammen. Sein Angriff und sein Ende wirkten wie ein Aufbruchssignal auf die anderen Gresstoren. Sie fuhren aus ihren Liegeschalen hoch und stürzten sich auf den Arkoniden. Dieser wich rasch einige Schritte zurück. Er prallte mit den Schultern gegen Froom Wirtz, der wie erstarrt hinter ihm stand. Der InstinktSpezialist fiel zu Boden. Über ihn hinweg fauchte der Energiestrahl aus der Waffe des Lordadmirals. In der Zentrale entstand ein chaotisches Durcheinander. Zwei Gresstoren starben in der Glut, die anderen aber gaben nicht auf. Sie griffen gemeinsam an, konnten sich aber 34
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg – und ihren eigenen Körper als Waffe im Aufstand gegen die Akonen benutzt. Es war ihnen gelungen, diese im Laufe einiger Jahrzehnte derartig zu zermürben, daß sie sich von Kamoth-Bish zurückzogen. »Froom«, sagte Atlan eindringlich, während er mit einem raschen Sprung dem ersten Angriff auswich. »Das dürfen Sie nicht tun. Sie sind USO-Spezialist. Kämpfen Sie nicht gegen Ihre Freunde, sondern gegen jene, die Ihnen Ihren Willen nehmen wollen.« Wirtz reagierte nicht. Geschmeidig wie eine große Raubkatze warf er sich erneut auf den Arkoniden. Dieser sprang abermals zurück. Er prallte gegen Terrania und stürzte mit ihr zusammen auf den Boden. Das Mädchen schrie ängstlich auf. Für Sekundenbruchteile fand sie wieder zu sich selbst. Froom Wirtz schnellte sich mit ausgestreckten Armen auf den am Boden liegenden Atlan, der nicht mehr ausweichen konnte. Der Arkonide schlug im letzten Moment die Hände des IS zur Seite, konnte aber nicht verhindern, daß dieser auf ihn fiel. Terrania flüchtete. Sie teleportierte. Da die beiden Männer innigen körperlichen Kontakt mit ihr hatten, wurden sie mitgerissen. Sie rematerialisierten in einer gigantischen Halle, in der eine Reihe von Maschinen lärmend arbeitete. Das Mädchen hatte sich offensichtlich nicht dieses Ziel ausgesucht und wurde von dem Krach wieder vertrieben. Froom Wirtz handelte unglaublich schnell. Er löste sich von Atlan, um zu einem erneuten Angriff auszuholen, doch das war ein Fehler. Terrania teleportierte und nahm den Arkoniden mit, während Wirtz zurückblieb. Als sie abermals körperlich wurden, befanden sie sich in einer Art Laboratorium. Terrania merkte, daß sie noch immer nicht allein war, und floh weiter. Atlan stand allein in dem mit komplizierten Instrumenten angefüllten Raum.
»Sag mir etwas über deine Psi-Kräfte, Terrania.« Sie schwieg beharrlich. »Gib Froom frei. Du darfst ihn nicht quälen.« Der Instinkt-Spezialist wimmerte wie ein kleines Kind. Atlan blickte über die Schulter zurück und sah, daß er auf dem Boden kauerte und beide Hände gegen die Schläfen drückte. Der Arkonide rüttelte so kräftig an den Schultern Terranias, daß diese fast zu Boden stürzte. Kein Muskel regte sich in ihrem Gesicht, das einer Totenmaske glich. Wirtz schrie laut auf. Atlan hörte seine Schritte hinter sich und fuhr herum. Der Instinkt-Spezialist sah völlig verändert aus. Jetzt war auch sein Gesicht starr wie eine Maske. Die gestreckten Hände fuhren auf ihn zu. Atlan erkannte die Gefahr augenblicklich. Froom Wirtz kannte alle Tricks und Finessen der verschiedenen waffenlosen Kampfarten humanoider Völker in der Galaxis wie Dagor, Ferryt oder das tückische Hamakath, das ausschließlich darauf abzielte, den Gegner mit blitzschnell geführten Hieben und Stichen zu töten. Es hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem auf Terra entwickelten Karate, war jedoch ungleich gefährlicher, weil es nur ein Kampfziel gab: den Tod des Gegners. Zu den Riten des Hamakath gehörte ein kurzes Abspreizen der Finger. Dieses Zeichen gehörte in den Bereich der psychologischen Kampfführung und diente nicht nur dazu, dem Gegner anzuzeigen, daß er sich auf Hamakath einzustellen hatte, sondern sollte ihn auch einschüchtern und damit seine kämpferischen Qualitäten mindern. Froom Wirtz spreizte die Finger ab! Er zeigte damit eindeutig an, daß er Atlan töten wollte. Der Arkonide erinnerte sich daran in den Personalunterlagen des Instinkt-Spezialisten gelesen zu haben, daß er eine Vorliebe für die untergegangene Kultur der blaubärtigen Kampfreiter von Kamoth-Bish im VossenSystem hatte. Die Ehrenkämpfer dieser Welt hatten Hamakath entwickelt, als der Planet von den Akonen erobert worden war. Die Invasoren hatten den Reitern das Tragen jeglicher Waffen bei Todesstrafe untersagt. Die Blaubärtigen hatten sich dem Befehl gebeugt
* Ein Gefühl der Zufriedenheit durchflutete Atlan. Er überprüfte seine Waffe und blickte sich 35
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Atlan beobachtete die Rakganterin genau. Dieses Mal hatte sie nicht gelogen. Sie meinte wirklich, was sie sagte. Sie hatte den Auftrag, ihn zu töten. Das paßt nicht zu der Aussage Terranias, daß Skanmanyon dich vielleicht noch braucht, stellte der Logiksektor fest. Dann ist es ihre freie Entscheidung, erwiderte Atlan. Sie will sich rächen – aus welchen Gründen auch immer. Das ist wahrscheinlich. Der Extrasinn verzichtete auf weitere Bemerkungen und gab ihm damit zu verstehen, daß die stumme Diskussion abgeschlossen war. Der Arkonide vernahm ein scharrendes Geräusch hinter sich. Er fuhr herum und sprang zur Seite. Das war sein Glück. Terrania taumelte an ihm vorbei. Ihre ausgestreckten Hände verfehlten ihn. Fraglos hatte sie die Absicht gehabt, ihn zu berühren und mit ihm zu teleportieren. Atlan konnte sich denken, wohin sie ihn bringen wollte – zu Skabbah Tas, die mit einem Mordkommando auf ihn wartete. Das Mädchen drehte sich langsam zu ihm um. »Terrania«, sagte er. »Du wirst es nicht schaffen. Notfalls werde ich mich sehr hart wehren.« Sie ging auf ihn zu, als habe sie ihn nicht gehört. Er wich ihr aus und glitt hinter einen Tisch, so daß zwischen ihm und ihr ein Hindernis war das sie nicht so ohne weiteres überwinden konnte. Sie blieb stehen und drehte den Kopf mit weit geöffneten Augen einige Male hin und her, als wisse sie nicht genau, wo er stand. »Geh, Terrania!« befahl er. »Ich will allein sein.« Ihre Lider zuckten. Die Augäpfel drangen noch weiter aus den Höhlen und einige kaum hörbare Töne kamen über ihre Lippen. Dann verwischten sich ihre Konturen, und sie verschwand. Der Arkonide drehte sich suchend um sich selbst und stellte fest, daß Terrania nicht versuchte, ihn zu täuschen. Sie hatte sich tatsächlich seinem Befehl gebeugt und sich zurückgezogen. Er eilte auf ein Türschott zu, das sich vor
im Laboratorium um, in der Hoffnung, etwas zu finden, was er für sich verwenden konnte. Er hatte es geschafft. Er befand sich zweifelsfrei im Eisberg. Die Halle, in der er zusammen mit Terrania materialisiert war, lieferte den eindeutigen Beweis dafür. Sie hatte derart große Dimensionen, daß sie auf gar keinen Fall in einem Ringraumer Platz gehabt hätte ... Vor einer Kommunikationswand blieb er stehen. Die Bildgeräte wurden optisch reizvoll von roter und weißer Isoplastbeschichtung eingefaßt. Das wies darauf hin, daß Skanmanyon zumindest ein Wesen mit einem gewissen Schönheitssinn war – oder sich Intelligenzwesen als Diener ausgesucht hatte, die Wert auf eine derartige Gestaltung legten. Als der Arkonide sich bereits abwenden wollte, leuchtete der größte der Bildschirme auf. Das silberbronzene Gesicht von Skabbah Tas wurde darauf sichtbar. Die Rakganterin lächelte abfällig. »Sieh da, der Albino hat es geschafft, in Skanmanyons Berg zu kommen.« »Offensichtlich«, entgegnete Atlan gelassen und ohne ein äußeres Zeichen des Triumphs. »Terrania hat also die Wahrheit berichtet.« »Ich sehe, daß mein Anblick Sie ins Träumen geraten läßt. Es ist immerhin ein neues Erlebnis für mich, Ihre Augen ganz weich werden zu sehen.« »Ihre Ironie läßt mich kalt, Arkonide. Sie trifft mich nicht«, antwortete Skabbah Tas in einem Tonfall, der Atlan verriet, daß sie nicht die Wahrheit sagte. »Schön, Skabbah Tas. Reden wir von ernsthaften Dingen.« »Skanmanyon ist nicht sehr glücklich darüber, daß sie in den Berg eingedrungen sind.« »Wie schade. Kann ich etwas tun, um sein seelisches Wohlbefinden zu erhöhen?« Sie blickte ihn kalt an. »Sie brauchen nichts zu tun. Das übernehmen wir, Arkonide. Es ist bedauerlich, daß Terrania sie nicht in den freien Raum schleudern kann. Dazu müßte sie einen Raumanzug anlegen, aber dagegen sträubt sie sich seltsamerweise. Also müssen wir Sie eigenhändig umbringen. Das aber ist mir keineswegs unangenehm.« 36
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg gesponnen. Skam Ma'h, der ergeben zu ihren Füßen auf dem kahlen Boden hockte sah dagegen bescheiden aus. Er glich einem großen, blauen Vogel, denn er war von oben bis unten mit Federn behängt. Nur der silberne Kopf war unbedeckt. Auf Froom Wirtz wirkten weder Skabbah Tas noch Skam Ma'h komisch. Der InstinktSpezialist beugte die Knie, als die Frau den Arm ausstreckte und den Daumen herrisch nach unten bog. »Vergeben Sie mir meine Unhöflichkeit, Skabbah Tas«, sagte er stockend. »Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ihre Bedeutung hat mich nur so sehr überrascht.« »Was weißt du von mir, Froom?« »Ich gestehe, daß ich völlig ahnungslos bin, Skabbah Tas.« »Erkläre es ihm, Skam.« Der untersetzte Rakganter ging auf Wirtz zu. »Skabbah Tas ist der höchste Diener von Skanmanyon.« »Schon immer?« fragte Wirtz verwirrt. »Nein – erst seit einigen Tagen. Skanmanyon hat die Genialität der Mauda erkannt und ihr diesen Posten angeboten. Sie hat ihn in aller Demut angenommen.« Vor den Augen des Instinkt-Spezialisten drehte sich alles. Er hatte das Gefühl, den Kontakt mit dem Boden verloren zu haben. Er war nicht mehr er selbst. Etwas Fremdes hatte von ihm Besitz ergriffen und gab ihn nicht mehr frei. Wenn er an Atlan dachte, stieg Haß in ihm auf. Er wunderte sich darüber, daß er den Wunsch hatte, den Arkoniden zu töten, aber er hatte nicht mehr die Kraft, sich gegen diesen Wunsch aufzubäumen. »Ich verstehe nicht«, sagte er zögernd. »Sie waren doch schon vorher hier auf Schneeball, Skabbah Tas. Wie sind Sie hierhergekommen?« »Skanmanyon hat uns geholt. Er hat unser Transmittertestprogramm scheitern lassen. Er hat uns über den Abgrund gerissen. Der Grund dafür ist einfach. Er benötigt für sich und seine zahllosen Dienervölker jemanden, der ihn in der Sprache unterrichtet, die man in der Milchstraße spricht. Dafür hat er uns aus-
ihm öffnete, als er eine rote Linie auf dem Boden überschritt. Dahinter lag ein weiteres, aber wesentlich größeres Laboratorium, das hauptsächlich chemischen Untersuchungen zu dienen schien. Er sah zwei Gresstoren, die in einer Nische an einigen Behältern mit farbigen Flüssigkeiten arbeiteten. Sie beachteten ihn nicht. Er ging an ihnen vorbei und durchquerte den Raum. Durch ein rotes Türschott verließ er ihn und gelangte auf einen Gang, der mehrere Meter breit war und in die Unendlichkeit zu führen schien. Zu beiden Seiten war ein Ende nicht zu sehen. Die Wände schimmerten wie Eis, so daß Atlan zunächst glaubte, daß sie wirklich aus Eis bestanden. Dann aber sah er, daß die Thermoplastbeschichtung diesen täuschenden Effekt hervorrief. * Froom Wirtz folgte einem unhörbaren Kommando. Er betrat einen großen, quadratischen Raum und ging auf die farbenprächtig gekleidete Gestalt zu, die in einer Art Hängematte saß. »Skabbah Tas«, sagte er bewundernd. »Hier sehe ich Sie wieder?« Die Rakganterin trug einen leuchtend gelben Mantel, der ihr von den Schultern bis zu den Füßen reichte. Er war mit zahlreichen Symbolen und Zeichen besetzt, die für Wirtz keinen erkennbaren Sinn ergaben. Da der Mantel offenstand, konnte der IS die prachtvolle Bluse sehen, die ebenfalls mit Mustern bestickt und mit Auszeichnungen versehen war. Ein breiter, schimmernder Gürtel umspannte ihre beachtlichen Hüften. Die Beine steckten in blauen Pluderhosen, die über den Waden endeten. Fluoreszierende Bänder schlossen sie nach unten hin ab. Die muskulösen Beine wurden von Strümpfen umhüllt, die wie Farbschleier aus blauen roten und gelben Tönen wirkten. Die Schuhe waren im Vergleich zu der übrigen Kleidung schlicht und einfach, obwohl an ihrer Spitze einige Edelsteine leuchteten. Skabbah Tas hatte sich das Haar stutzen lassen. Es bedeckte gerade noch die Ohren und ließ den Hinterkopf fast frei. Eine geschickte Hand hatte feine Goldfäden ins Haar 37
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg 7.
erwählt. Er hat unsere Versuche angemessen und einige Daten verändert. Fragen Sie mich nicht, wie er das gemacht hat. Er hat es mir nicht mitgeteilt.« »Wer ist Skanmanyon?« »Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Vielleicht erfahren wir es nie. Es ist auch nicht wichtig. Er ist unser Herr. Das genügt. Der Herr ist nicht verpflichtet, sich seinen nichtswürdigen Dienern vorzustellen. Und jetzt schweig, Froom Wirtz. Deine Fragen sind lästig.« Wirtz entschuldigte sich stammelnd und ließ sich von Skam Ma'h zur Seite ziehen. Der Rakganter führte ihn bis zu einer blauen Wand und befahl ihm, dort stehenzubleiben. Erstaunt stellte der Instinkt-Spezialist fest, daß in der Zwischenzeit zahlreiche andere Diener Skanmanyons in den Raum gekommen waren. Er sah hauptsächlich Gresstoren, aber auch krakenähnliche Wesen mit feinen Tentakeln, Vogelwesen mit farbenprächtigen Schwingen und andere Geschöpfe von teils bizarrem Aussehen. Zwei Dinge aber hatten alle gemeinsam wie auch immer sie aussahen. Alle hatten zu Greifwerkzeugen ausgebildete Extremitätenenden, und alle konnten sich schnell und leicht bewegen. Für Wirtz war nicht weiter beachtenswert, daß sie sich alle unterwürfig gegenüber Skabbah Tas benahmen. Er stand unter dem Einfluß der psionischen Energie, die Skabbah Tas ausstrahlte. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte er die Szene mit ganz anderen Augen gesehen. Wieder mußte er an Atlan denken. Der Arkonide hatte keine Chance gegen das Riesenheer von Skabbah Tas. Froom Wirtz erkannte, daß die Rakganterin Tausende von Helfern gegen ihn einsetzen konnte. Seltsamerweise befriedigte ihn diese Feststellung nicht. Im Gegenteil. Er war enttäuscht, denn er begriff, daß Skabbah Tas es nicht ihm allein überlassen würde, den Lordadmiral zu töten. Sie würde ihre ganze Macht einsetzen. Sie brauchte nur einen entsprechenden Befehl zu geben, dann wurde jedes lebende Wesen in Skanmanyons Berg zu Atlans Todfeind.
Atlan erkannte bald, daß er keinen Grund hatte, zu triumphieren. Er hatte sich gerade entschlossen den Gang durch eines der nächsten Seitenschotte zu verlassen, als Terrania überraschend vor ihm materialisierte. Er hatte nicht mehr damit gerechnet, daß sie erneut zu ihm kommen würde – es sei denn, um ihn in eine Falle zu locken. Das aber war nicht der Fall. Terrania stand fünf Meter von ihm entfernt und konzentrierte sich ganz auf ihn. Wieder schienen ihre übergroßen Augen aus den Höhlen springen zu wollen. Atlan fühlte den Ansturm der psionischen Energie, mit der sie ihn unter ihre Gewalt zwingen wollte. Da er mentalstabilisiert war, prallten ihre parapsychischen Kräfte jedoch von ihm ab. »Terrania«, sagte er eindringlich. »Du kannst mich mit diesen Mitteln nicht überwältigen. Gib es doch endlich auf.« Sie reagierte nicht. Er ging auf sie zu. »Terrania, sei vernünftig. So kommen wir nicht weiter.« Sie seufzte und schloß die Augen. Ihre Schultern sanken schlaff nach unten. Sie bot ein Bild des Jammers. Atlan erschien es wie ein Wunder, daß sie sich überhaupt noch aus eigener Kraft auf den Beinen halten konnte. »Terrania, wie soll es weitergehen? Wollt ihr diesen sinnlosen Kampf nicht endlich aufgeben?« »Das liegt nicht bei mir. Du hättest nicht mit in den Berg kommen dürfen, Atlan.« »Ich bin nun einmal hier. Wohin geht die Reise?« Sie antwortete überraschend bereitwillig: »Das Ziel ist das Zentrum unserer Heimatgalaxis. Dorthin wollte Skanmanyon von Anfang an.« »Warum, Terrania?« Atlan hatte den Eindruck, daß sie sich bereits wieder zurückziehen wollte. Ihre Konturen verwischten sich, doch seine Frage holte sie wieder zurück. Er spürte, wie seine Augen zu tränen begannen. Er mußte jetzt mehr erfahren. Sie durfte ihm nicht wieder so schnell entkommen. »Skanmanyon will in das Zentrum der Ga38
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Natürlich. Das war von Anfang an klar, entgegnete er unwillig. Der Logiksektor ging nicht auf diese Bemerkung ein, und Atlan vergaß für den Moment, was er vernommen hatte. Später sollte ihm klarwerden, daß es ein Fehler war, die sachlichen Feststellungen des Logiksektors nicht augenblicklich aufzugreifen und daraus die entsprechenden Folgerungen zu ziehen. Er ging auf ein Türschott zu, das sich sofort vor ihm öffnete. Er sah Skam Ma'h, der auf einem zehn Meter hohen Maschinenblock stand und mit einem Kombistrahler auf ihn zielte. Atlan warf sich zurück, ging zu Boden und rollte sich zur Seite. Gleichzeitig schloß sich das Schott wieder. So erzielte der Energiestrahl aus der Waffe des Rakganten nicht die volle Wirkung. Nur ein Teil der Nuklearenergie fauchte durch den noch bestehenden Spalt, während der Rest in das ultraharte Material des Schotts schlug. Der Arkonide entging dem Hitzeschock nur ganz knapp. Er erhob sich und eilte etwa zwanzig Meter weiter bis zu einer Schranknische, die normalerweise wohl durch eine Tür verdeckt wurde. Jetzt stand sie offen. Von der Tür waren lediglich noch einige Fragmente vorhanden. Atlan wartete. Etwa fünfzehn Minuten verstrichen, ohne daß etwas geschah. Dann glitt laut schmatzend ein Schott ihm schräg gegenüber zur Seite. Skam Ma'h trat auf den Gang heraus. Er hielt seinen Kombistrahler schußbereit in der Hand. In der Eile vorhin hatte der Arkonide das Federkostüm des Rakganten nicht richtig erkennen können. Daher betrachtete er den untersetzten Mann nun mit einiger Überraschung. Er verließ die Nische, als Skam Ma'h sich von ihm abwandte, und lief leise auf ihn zu. Irgend etwas warnte den Rakganten. Plötzlich fuhr er herum und schoß sofort. Atlan ließ sich auf die Knie fallen. Der sonnenhelle Energiestrahl strich siedend heiß über ihn hinweg, ohne Schaden anzurichten. Jetzt löste der Arkonide seine Thermoautomatik aus. Er hatte vorgehabt, Skam Ma'h zu schonen, weil er wußte, daß dieser völlig von Skabbah Tas abhängig war und nicht mehr frei ent-
laxis, weil er dort am wirkungsvollsten strahlen kann.« »Strahlen, Terrania? Was heißt das? Wer ist Skanmanyon?« Sie ging nicht auf seine Fragen ein. »Skanmanyon wird seine Kraft erst am Ziel entfalten.« »Ich glaube, ich verstehe«, sagte Atlan. »Dein Skanmanyon hat Angst gehabt, daß ihm unterwegs auf seiner Reise etwas passieren könnte. Deshalb hat er die Schneise durch die Galaxis geschaffen.« »Nicht er, Atlan«, korrigierte sie mit mildem Lächeln. »Das haben seine Diener getan.« »Natürlich. Das ist klar. Aber was soll das alles, Terrania? Was bezweckt Skanmanyon? Was will er mit der Strahlung erreichen?« Sie öffnete die Augen. »Ich habe schon zuviel gesagt, Atlan.« Sie versuchte erneut, ihn mit parapsychischen Kräften zu überwältigen, doch sie blieb damit ebenso erfolglos wie zuvor. Atlan reagierte nicht auf den Schwall psionischer Energie, der seinen Geist lähmen sollte. Er trat noch einen Schritt auf sie zu, aber sie wich vor ihm zurück. »Terrania, bitte, geh nicht.« Ihre Konturen verschwammen. Sie wurde transparent und verschwand wie ein ausgeblendetes Bild in einer Trivideodarstellung. Atlan blickte sich vorsichtshalber um. Er stellte fest, daß sie nicht versucht hatte, ihn abzulenken, damit ihn andere angreifen konnten. War sie wirklich nur gekommen, um ihn mit parapsychischen Mitteln in die Knie zu zwingen? Sie hätte doch eigentlich wissen müssen, daß er mentalstabilisiert war. Sooft es in den vergangenen Wochen und Tagen auch zu psionischen Ereignissen gekommen war, immer war er derjenige gewesen, der unbehelligt davon geblieben war. Vielleicht hatte sie die Tatsache getäuscht, daß er mit ihrer Hilfe zu teleportieren war. Das aber war ein ganz anderer paraphysikalischer Vorgang, als etwa die geistige Lähmung durch suggestive Kräfte, und konnte somit nicht damit verglichen werden. Die Diener spielen eine große Rolle, meldete der Extrasinn mitten in seine Überlegungen hinein. 39
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg deckte er die kaum sichtbare Kontaktlinie auf dem Boden. Sie zeigte ihm an, daß er selbst den Öffnungsmechanismus aktiviert hatte, nicht aber ein heimlicher Beobachter, der ihn in eine Falle locken wollte. Atlan nahm ein faustgroßes Maschinenteil und warf es in den Schacht. Es sank langsam nach unten. Er ließ sich fallen. Ein Antigravfeld fing ihn auf und trug ihn nach unten. Er fand in Abständen von jeweils etwa zwanzig Metern Kontakte an der Schachtwand, die Ausgänge anzeigten. Als er zehn abgezählt hatte, betätigte er den nächsten. In der Wand entstand eine Öffnung. Er zog sich hindurch und geriet in einen ovalen Raum, der in blutigrotes Licht getaucht war. Eine unfaßbar fremdartige Musik drang auf ihn ein. Sie bewegte sich an der höchsten Grenze der Hörbarkeit und verursachte Schmerzen in seinen Ohren. An den Wänden befanden sich Lichtwarzen, die im Gleichklang der Musik in allen nur erdenkbaren Farbnuancen aufleuchteten. Atlan wollte sich durch das Schott wieder in den Schacht zurückziehen, weil er keinen anderen Ausgang aus diesem Raum sah und die Musik als unerträglich empfand. Er drehte sich um und blieb betroffen stehen. Eine mächtige Gestalt versperrte ihm den Weg. Sie glich einer mit rotem Fell überzogenen, aufrecht gehenden Ratte. Atlan griff instinktiv nach seiner Waffe, doch sein Gegner war schneller. Paralysestrahlen erfaßten und lähmten ihn. Er stürzte bewußtlos zu Boden.
scheiden konnte. Unter den gegebenen Umständen aber blieb ihm keine andere Wahl. Sein Schuß traf den Rakganten mitten in die Brust. Skam Ma'h schrie röchelnd auf und fiel vornüber. Dabei warf er die Arme hoch. Sein Kombistrahler flog auf den Arkoniden zu und prallte dicht neben seinem Knie auf den Boden. Er ergriff die Waffe und schob sie sich in den Gürtel. Dann sprang er auf und eilte mit Riesensätzen auf das Schott zu, durch das der Rakganter auf den Gang gekommen war. Als er den Durchgang durchschritt, hörte er die Stimme von einigen Dienerwesen Skanmanyons, die den Toten entdeckt hatten. Das Schott schloß sich hinter dem Lordadmiral. Er befand sich in einem langgestreckten Raum, in dem Maschinenteile, Kanister mit unbekannten Flüssigkeiten, mannshohe Flaschen aus Hochdruckplastik und geschlossene Boxen mit nicht erkennbarem Inhalt lagerten. Atlan ging an den Haftbecken vorbei, in denen das Material befestigt war, und blickte sich nach einem Schlupfwinkel um, von dem aus er sich notfalls wirksam verteidigen konnte. Da er mit einem Strahlwaffenangriff rechnen mußte, hatte er nur wenig Möglichkeiten. Es kam darauf an, entweder einen Standort zu finden, der nicht beschossen werden durfte, weil damit das ganze Raumschiff gefährdet wurde, oder einen Platz, an dem unersetzliche Unterlagen aufbewahrt wurden. Im Rechenzentrum des Eisberges beispielsweise würde niemand mit Strahlwaffen angreifen, weil zu befürchten war, daß damit alle kosmonautischen Unterlagen vernichtet wurden. Schockstrahlwaffen machten Atlan weniger Sorgen. Er hoffte, seine jeweiligen Gegner jeweils so früh erkennen zu können, daß sie außer Schußweite blieben. Als Atlan einen gelben Behälter passierte, glitt neben ihm im Boden ein bis dahin nicht sichtbares Schott zur Seite. Darunter öffnete sich ein Schacht, der senkrecht in die Tiefe führte. Er blieb zögernd stehen. Hier bot sich ihm die Möglichkeit an, diesen Raum schnell zu verlassen und dabei eine große Distanz zwischen sich und seine Verfolger zu legen. Er trat zwei Schritte zurück und stellte fest, daß sich das Schott wieder schloß. Dann ent-
* Der Logiksektor Atlans erwachte zuerst. Mit eiskalter Nüchternheit traf er eine Reihe von Feststellungen, die frei von emotionalen Belastungen und Überlagerungen waren. Das Wesen, das Atlan paralysiert hatte, war keine Ratte. Es war eine humanoide Entität, die den spitzen Kopf eines Nagers hatte. Auch ragten drei fingerbreite, scharfe Zähne weit über die Unterlippe hinaus. Ob das dichte Fell den ganzen Körper bedeckte, war nicht zu erkennen, da der Schütze eine rote Kombination unter einer ebenfalls roten Robe trug, die von einem Gürtel in gleicher Farbe zusam40
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg auf, wie schwach die Dienerschaft Skanmanyons ist?« Er merkte, daß er den Finger auf eine äußerst empfindliche Stelle in der Seele seines Gegenübers gelegt hatte. Der Mann sprang auf und griff nach seiner Waffe, die er unter der Robe trug. Er zog sie jedoch nicht, sondern schritt erregt vor Atlan auf und ab. Dieser ließ ihn nicht aus den Augen. Skabbah Tas hat ihn von Skanmanyons Seite verdrängt. Spekulationen, gab Atlan spöttisch zurück. Sachliche Analyse, erklärte der Logiksektor. »Was wissen Sie davon?« fragte der Fremde. »Wie können Sie etwas davon erfahren haben, was in Skanmanyons Berg geschehen ist?« Atlan antwortete nicht. Sein Gegenüber blickte ihn prüfend an. Die kleinen, schwarzen Augen glitzerten im Licht der farbigen Lampen. »Mein Name ist Caepholk. Ich war der Herr über die Diener des Herrn, bevor die Rakganterin kam. Ich will wissen, wer sie ist, und warum sie mich verdrängen konnte. Ich muß es wissen, denn ich fürchte, sie wird Skanmanyon nur schaden.« »Das ist der Grund dafür, daß Sie mich nicht getötet haben.« »Sie sind nicht dumm.« Die Stimme Caepholks klang schrill. Sie paßte zu der Musik, vor der Atlan hatte fliehen wollen. »Seit Generationen hat das Volk der Caebraden ihre edelsten Vertreter für den Dienst Skanmanyons abgestellt. Immer waren es die Zcaphaden von den Sonneninseln, denen die Macht übergeben wurde. Und jetzt kommt dieses Weib und wagt es, den Herrendienst an sich zu reißen.« Atlan beobachtete Caepholk sorgfältig, um so viele Eindrücke wie möglich über ihn zu gewinnen. Seine Körperhaltung verriet Kraft und Energie. Sie ließ zudem erkennen, daß Caepholk ein Kämpfer war, der ständig darauf gefaßt war, einem Angriff zu begegnen. Er streckte den Kopf stets ein wenig nach vorn. Ein Hals war bei ihm nicht zu erkennen. Von der Unterseite des Kopfes her fielen die Schultern schräg ab. Atlan sah, daß der Kör-
mengehalten wurde. Der Fremde lag bäuchlings auf dem Boden und stützte das Kinn auf die beiden Fäuste, die über jeweils drei Finger und einen gespaltenen Daumen verfügten. Er wartete geduldig darauf, daß sich im Gesicht seines Gefangenen wieder Leben abzeichnete. Mehrere Stunden verstrichen, bis der Arkonide sich wieder bewegte. Atlan schwebte einen Meter über dem Boden frei in der Luft. Er wurde von einem Antigravfeld gehalten. Als er seine Situation erkannte, versuchte er, das Energiefeld zu verlassen, aber das gelang ihm nicht, so sehr er sich auch bemühte. Sinnlos, meldete der Extrasinn. Du mußt verhandeln. Nichts hinderte ihn daran, die Arme vor der Brust zu kreuzen und eine entspannte Haltung einzunehmen. Er verspürte kaum Schmerzen, wie es beim Einsatz terranischer Paralysewaffen der Fall gewesen wäre. Hier klang der Schock ohne große Beschwerden ab. »Gut«, sagte er laut. »Sie haben mich in Ihrer Gewalt. Und was geschieht jetzt?« »Das hängt nicht allein von mir ab.« »Das klingt seltsam.« Provokationen sind sinnlos, warnte der Logiksektor. Atlan preßte die Lippen zusammen. Er war sich seiner Niederlage bewußt und wollte sich noch nicht damit abfinden. Der von Emotionen freie Logiksektor hatte längst erkannt, daß es falsch war, sich auf das Vergangene zu konzentrieren. Er versuchte, seine Schlappe zu ignorieren und sich auf das einzustellen, was kommen sollte. »Sie sprechen Interkosmo«, sagte er. »Sie sind also kein absolut Fremder für unsere Galaxis.« »Das ist nicht richtig. Die Sprache habe ich von Skabbah Tas gelernt, die mein ...« Atlan beobachtete den Mann scharf. Ihm fiel die leichte Veränderung im Tonfall auf, als der Name der Rakganterin erwähnt wurde. Sofort zog er seine Schlüsse daraus. Dieses Wesen mochte Skabbah Tas offenbar nicht. Das mußte einen Grund haben. »Skabbah Tas«, erwiderte Atlan gedehnt. »Sie hat die Macht an sich gerissen, obwohl sie eine Fremde an Bord ist. Beweist sie damit, wie stark sie ist, oder zeigt sie damit nur 41
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg lichkeit, das Sonnensystem wieder zu verlassen und in die Galaxis zurückzukehren«, erklärte er. »Das soll dir vorläufig genügen. Später werde ich dir mehr von mir erzählen.« »Einverstanden.« Atlan konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. Skabbah Tas sollte ihre Überraschung erleben. Sie mußte annehmen, daß er allein auf sich gestellt war. Sie konnte nicht wissen, daß er einen Verbündeten von solcher Bedeutung gefunden hatte. »Hast du Freunde, auf die du dich verlassen kannst?« fragte er. Caepholk schlug die Hände klatschend zusammen. »Natürlich. Ich bin nicht allein.« Er ging mit Riesenschritten auf einen Ausgang zu, ohne sich nach Atlan umzusehen. Dieser folgte ihm, da ihm gar keine andere Wahl blieb. Sie durchquerten mehrere Hallen und Räume, die teils mit Vorräten vollgepackt waren, teils Maschinen unbekannter Art enthielten. Hin und wieder begegneten sie einigen Gresstoren. Caepholk versteckte sich nicht vor ihnen, sondern tat, als seien sie nicht vorhanden. Sie beachteten ihn ebenfalls nicht. So schien es. Atlan war jedoch davon überzeugt, daß sie sich miteinander verständigten, nur war das für ihn nicht wahrnehmbar. Nach etwa einer halben Stunde Fußmarsch, bei dem sie mal durch Antigravröhren nach oben, mal nach unten schwebten, erreichten sie eine kaum anderthalb Meter hohe Halle, in der dämmeriges Licht herrschte. So konnte Atlan die Gresstoren zunächst gar nicht sehen, die dicht an dicht auf dem Boden ruhten und sich in bräunliche Wannen drückten. Ein intensiver, süßlicher Geruch ging von ihnen aus. Leise rumpelnd schloß sich ein meterdickes Schott hinter den beiden Männern. Es bestand aus hochverdichtetem Panzerplast. Breitbeinig kniete Caepholk vor den Gresstoren. Er sprach in einer Sprache auf die Spinnenwesen ein, die Atlan nicht verstand. Eine auffallende Reaktion auf die Worte des ehemals Mächtigen konnte Atlan nicht feststellen. Er hörte hin und wieder ein leises Summen, das von den Sprechmembranen der Gresstoren auszugehen schien. Er konnte jedoch weder Zustimmung noch Ablehnung
per Caepholks in diesem Bereich weich und nachgiebig war, und er vermutete, daß der Entmachtete dort so etwas wie Nahrungsspeicher besaß. »Was unternimmt ein Mächtiger, wenn er sich plötzlich allein sieht?« fragte der Arkonide. »Gibt ein Machtgewohnter sich mit seiner neuen Rolle zufrieden?« Caepholk fuhr herum. »Das kann ich nicht. Ich würde mein Volk entehren und die Sonneninseln entweihen.« »Mächtige haben immer einen Grund, wenn es darum geht, ihre Motive zu rechtfertigen.« Caepholk trat dicht an Atlan heran. Sein süßlich riechender Atem schlug ihm ins Gesicht. »Was soll ich deiner Meinung nach tun, Fremder? Einfach verzichten und in Schande leben?« »Du könntest mich zunächst einmal aus dieser reichlich unwürdigen Lage befreien.« Zcaphade ging zu einer Tafel an der Wand und berührte sie an einer Stelle, die er scheinbar willkürlich ausgesucht hatte. Atlan fiel auf den Boden. Federnd fing er sich ab und blieb stehen, wo er gelandet war. »Das ist schon besser«, sagte er. Caepholk kam zu ihm und blickte ihm prüfend in die Augen. »So benimmt sich jemand, der es gewohnt ist, mit der Macht umzugehen.« Der Arkonide erwiderte nichts. Er wartete ab. »Du würdest auch kämpfen«, behauptete Caepholk. »Wir können Skabbah Tas gemeinsam Respekt beibringen«, sagte der Arkonide, der nunmehr fest davon überzeugt war, daß dieser Mann ihm die einzige Chance bot, die für ihn noch bestand. »Ich werde dir helfen, Skabbah Tas zu entmachten.« »Ich glaube, das ist eine gute Idee. Wie heißt du?« Atlan sagte es ihm. »Woher kommst du, und weshalb bist du hier im Berg?« Diese Frage beantwortete der Arkonide nur ausweichend. »Wir wurden nach Schneeball verschlagen und sahen in diesem Eisberg die einzige Mög42
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Nach etwa zweihundert Metern erreichten sie einen mehrere Meter durchmessenden Antigravschacht, der nach unten gepolt war. Sie rannten hinein und ließen sich nach unten tragen. Schon nach etwa zwanzig Metern verließen sie ihn. Atlan hörte Schüsse, und ein Hitzeschwall schlug ihm entgegen. Er kam auf einen Gang heraus, der mit Kämpfenden gefüllt war. Durch den beißenden Rauch hindurch erkannte er ein vier Meter hohes Schott, das mit Energiestrahlern zerstört worden war. Durch die entstandene Öffnung konnte er in eine Halle blicken, in der vier mächtige Maschinenblöcke standen. Er stürmte neben Caepholk in die Halle. Mehrere Wesen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ehemals höchsten Diener Skanmanyons hatten, warfen sich ihnen entgegen. Caepholk feuerte auf sie und tötete sie. Damit hatten sie die Maschinenstation bereits erobert. Der Kampf war zu Ende. Die Gresstoren umringten die Maschinen und besetzten die beiden anderen Zugänge, die noch vorhanden waren. Mehrere Spinnenwesen schafften ein Ersatzschott herbei, während andere das zerstörte beseitigten. Die Arbeiten wurden schnell und nahezu lautlos erledigt. »Was ist das hier?« fragte Atlan. »Die Antigrav-Zentrale«, antwortete Caepholk. »Wir schalten die Maschinen jetzt aus. Damit schwindet überall im Eisberg die Schwerkraft – mit Ausnahme jenes Bezirks, in dem Skanmanyon lebt. Es wäre eine Ungeheuerlichkeit, auch ihn zu belästigen.« Atlan nickte. »Fraglos wird Skabbah Tas sehr bald hier erscheinen«, sagte er. »Sehr richtig, mein Freund. Sie muß sich um die Anlagen kümmern«, entgegnete Caepholk. »Sie wird eine böse Überraschung erleben.« Er legte seine Robe ab und entblößte den Oberkörper. Jetzt konnte Atlan sehen, daß auch dieser Körperteil mit rotem Fell überzogen war. Caepholk trug auf der Brust ein Brandzeichen in der Form eines dreifingerigen Blattes. Er rollte mit den Schultern, griff sich bei den Händen und spannte die beachtlichen Armmuskeln. Dann richtete er sich stolz auf.
daraus ablesen. Endlich verstummte Caepholk. Er ließ sich auf die Hacken herabsinken und neigte den Kopf weit nach unten. Dabei stützte er die Hände auf die Knie. In dieser Stellung verharrte er fast fünfzehn Minuten, ohne daß etwas geschah. Die Spinnenwesen zeigten keinerlei Reaktion, so daß der Lordadmiral bereits befürchtete, Caepholk sei gescheitert. Da erhob dieser sich, drehte sich um und verließ die Halle wortlos. Atlan folgte ihm. Als sich das Schott hinter ihnen schloß, atmete er tief durch. Ihm war schließlich gar nicht mehr aufgefallen, wie schwül die Luft bei den Spinnen gewesen war. Jetzt erst wurde ihm bewußt, daß der süßliche Geruch immer intensiver geworden war. Sollte das eine Meinungsäußerung der Gresstoren gewesen sein? »Nun?« fragte er. »Wie sieht's aus? Werden sie uns helfen?« »Hast du es nicht gehört?« »Nein. Ich habe überhaupt nichts vernommen.« Caepholk kratzte sich mit den Fingerspitzen die Schneidezähne. Atlan erschauerte, weil Caepholk damit ein unangenehmes Knirschen erzeugte. »Sie werden uns helfen«, erklärte der ehemals höchste Diener Skanmanyons, »aber ich werde einen entsprechenden Preis dafür zu zahlen haben.« »Welchen?« »Davon später. Ich fürchte auch, du würdest nicht verstehen, worum es geht.« Das Schott öffnete sich. Gresstoren kamen heraus und entfernten sich auf einem Gang. Atlan zählte dreißig Spinnenwesen. Als der Strom dann noch nicht endete, wandte er sich Caepholk wieder zu. Dieser hob die rechte Hand und zeigte ihm die bloße Handfläche. »Es geht los«, sagte er. »Komm!« Die beiden Männer eilten neben den Spinnenwesen her. Plötzlich warf Caepholk sich zur Seite und sprang auf den Rücken eines Gresstors. Dieser rannte weiter, als sei nichts geschehen. Atlan zögerte. Er wußte nicht, wie die Spinnenwesen reagieren würden, wenn er es Caepholk nachmachte. Außerdem betrachtete er die Gresstoren nach wie vor mit einem gewissen Unbehagen. Er lief lieber neben den neuen Verbündeten her. 43
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg den Knien heraufreichten. Auf dem Kopf trug er die präparierten Reste eines Tierkopfs, der mit mächtigen Hörnern versehen war. Farbige Bänder schlangen sich um diesen Schmuck, der Atlan an seine Begegnungen mit Wilden auf der Erde erinnerte. Der Nacken des USOSpezialisten wurde von dem herabfallenden Fell des Tieres bedeckt. Caepholk ging auf die Rakganterin zu, und erst jetzt fiel dem Arkoniden auf, daß die Gresstoren die Antigravgeneratoren wieder hochgeschaltet hatten. Sie wollten also den bevorstehenden Kampf nicht unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit ablaufen lassen. »Seit wann wagen Weiber es, Anordnungen zu erteilen?« fragte Caepholk. Er bückte sich, nahm ein Stück auf, das aus dem Schott herausgesprengt worden war, und warf es der Rakganterin ins Gesicht. Sie fuhr zurück und schrie auf. Dann knickte sie leicht in den Beinen ein und schnellte sich auf Caepholk. Dieser hatte nicht damit gerechnet, daß sie an andere Schwerkraftverhältnisse gewohnt war als er. So wich er zu spät aus, und sie prallte gegen ihn. Zusammen stürzten sie zu Boden. Die Rakganterin versetzte ihm blitzschnell mehrere wuchtige Schläge gegen den Schädel, ehe er sich aufbäumen und sie zur Seite schleudern konnte. Taumelnd kam er auf die Beine. Er blickte zu Atlan hinauf. Er erwartet etwas von dir, stellte der Logiksektor fest. Du verhältst dich falsch.
Er schien mit sich zufrieden zu sein. »Sind wir Verbündete?« fragte er Atlan. »Wir sind Verbündete.« »Wir kämpfen zusammen?« »Wir kämpfen zusammen.« Vorsicht! signalisierte das Extrasinn. Atlan verstand die Warnung nicht. Er hatte auch keine Gelegenheit mehr, Fragen zu stellen. Die Schwerkraft wich, als die Antigravgeneratoren ausgeschaltet wurden. Schwerelos schwebte der Arkonide zur Oberkante einer Maschine hinauf, nachdem er sich leicht abgestoßen hatte. Caepholk glitt auf das Hauptschott zu, und schon Bruchteile von Sekunden später kam die erste Gegenreaktion von Skabbah Tas. Das deutete darauf hin, daß sie bereits vorher darüber informiert gewesen war, wo sie ihre Gegner zu suchen hatte. Das Schott, das sie inzwischen erneuert hatten, glühte rot auf. Dann wurde der Mittelteil weiß und platzte krachend auseinander. Ein Regen von Gluttropfen wirbelte in den Maschinenraum. Die Gresstoren Caepholks feuerten aus Energiestrahlern, die sie bis jetzt unter ihren ovalen Leibern verborgen gehalten hatten. Von draußen hallten zornige Schreie herein. »Skabbah Tas«, brüllte Caepholk mit einer Stimmgewalt, die alle anderen verstummen ließ. »Skabbah Tas!« Die Helfer der Rakganterin setzten Desintegratorwaffen ein. Das schien Caepholk nicht zu beunruhigen. Er sah zu, bis das Eingangsschott zusammenbrach und ein großer Durchgang entstand. Als sich der beißende Rauch verzogen hatte, erschien die wuchtige Gestalt von Skabbah Tas. Die Rakganterin stieg über die Reste des Schottes hinweg, wobei sie sorgfältig darauf achtete, keine glühenden Teile zu berühren. Dann blieb sie stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Wer wagt es, sich meinen Anordnungen zu widersetzen?« fragte sie. Atlan erkannte im Hintergrund Froom Wirtz. Der Instinkt-Spezialist trug eine prächtige rote Uniform, die mit silbernen Tressen und Symbolen besetzt war. Ein weißer Gürtel spannte sich um seinen Leib, und seine Füße steckten in weißen Stiefeln, die ihm bis zu
8. Skabbah Tas merkte, daß sie erhebliche Vorteile gegenüber ihrem Vorgänger hatte. Sie griff sofort wieder an und überraschte ihn abermals, da er seine Aufmerksamkeit mehr auf den Arkoniden als auf sie richtete. Ein gewaltiger Hieb traf ihn am Kopf und schleuderte ihn erneut zu Boden. Skabbah Tas schrie triumphierend auf und warf sich auf ihn. Ihre Hände packten seinen Hals und würgten ihn. Atlan fiel auf, daß sich mehrere Gresstoren ihm zuwandten. Du mußt ihm helfen, eröffnete ihm der Logiksektor. 44
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg grat und tötete sie auf der Stelle. Sie blieb in verkrampfter Haltung auf dem Boden liegen. Caepholk drehte sie zur Seite und nahm ihr das Messer aus der Hand. Ohne ein äußerliches Zeichen des Triumphs wandte er sich um. Er schaltete das Energiefeld ab und verbarg die Waffe unter seinem Gürtel. Mit lauter Stimme wandte er sich an die Gresstoren. Atlan verstand nicht, was er sagte, weil er eine fremde Sprache benutzte. Aber er konnte sich denken, worum es ging. Caepholk erklärte der Dienerschaft Skanmanyons, daß er nunmehr wieder ihr Vorgesetzter war. In dieser Ansicht wurde Atlan bestärkt, als er beobachtete, daß alle Gresstoren die gleiche Bewegung mit einem ihrer Beine machten. Er verstand sie als Geste der Unterwerfung. Lediglich Froom Wirtz stand steif und unbeweglich auf dem Gang. Sein Gesicht war bleich und maskenhaft starr. Von ihm waren noch Schwierigkeiten zu erwarten. Davon war der Arkonide überzeugt. Wirtz hatte nicht nur unter dem parapsychischen Einfluß von Skabbah Tas gestanden. Wäre das der Fall gewesen, dann hätte er nunmehr frei sein müssen. Das aber war er offensichtlich noch nicht. Caepholk ging auf den Arkoniden zu. »Komm herunter«, rief er mit hallender Stimme. Atlan stieg von dem Maschinenblock herunter. Er fand genügend Halt an den zahlreichen Ausbuchtungen, Klammern und Rohren. »Wir waren Verbündete«, sagte Caepholk. »Waren?« fragte Atlan. »Ich denke, wir sind es immer noch.« »Soll ich mit einem Feigling zusammen kämpfen? Ich war in Gefahr, aber du hattest nicht den Mut, in den Kampf einzugreifen.« Atlan hob abwehrend die Hände. »Solltest du tatsächlich erwartet haben, daß ich dich demütige? Dein Gegner war ein Weib.« Caepholk blickte ihn an. Atlan merkte, daß er ihn nicht annähernd verstanden hatte. »Für mich wäre es unehrenhaft gewesen, dir zu helfen. Ich mußte fürchten, dich zu beleidigen.« Caepholk zog das Desintegratormesser aus
Das würde ihn beleidigen, entgegnete Atlan unsicher. Schon die Tatsache, daß er gegen eine Frau kämpft, muß ihm unbehaglich sein. Wenn ich auch noch in den Kampf eingreife, wird er sich gegen mich wenden. Das ist eine Logik, die nicht überall zutrifft. Atlan trat zögernd einen Schritt vor. Er sah, daß Caepholk sich aus dem Würgegriff der Rakganterin befreit hatte. Skabbah Tas wurde über den Kopf ihres Gegners hinweggeworfen und rollte über den Boden. Caepholk richtete sich mühsam auf. Er massierte sich seinen Hals. Atlan erwartete, daß er abermals zu ihm heraufblicken würde. Das wollte er als Zeichen dafür nehmen, daß er helfen sollte. Aber Caepholk tat, als sei der Arkonide überhaupt nicht vorhanden. Er konzentrierte sich voll auf Skabbah Tas, die sich ihm mit ausgestreckten Armen und nach vorn geneigtem Oberkörper näherte. Als Caepholk ihr entgegenkam und sich bereits auf sie stürzte, griff Skabbah Tas blitzschnell zu ihrem Gürtel und zog ein Desintegratormesser. Ihr Gegner erkannte erst im allerletzten Moment, mit welch hinterhältigem Trick sie ihn hereingelegt hatte. Er konnte nicht mehr ganz ausweichen, und das materievernichtende Energiefeld streifte ihn an der Schulter, die sich sofort blutig färbte. Jetzt glaubte Skabbah Tas, gesiegt zu haben. Sie umkreiste den Verletzten und suchte nach einer günstigen Möglichkeit, den Kampf schnell zu beenden. Plötzlich machte sie zwei rasche Schritte auf Caepholk zu packte dessen linken Arm und riß ihn mit aller Gewalt an sich heran. Sie erwartete, daß er das Gleichgewicht verlieren werde, aber das war nicht der Fall. Caepholk gab dem Zug nach, behielt aber das Messer stets im Auge. Als Skabbah Tas zustieß, schlug er ihren Arm zur Seite, rammte ihr gleichzeitig das rechte Knie gegen die Beine und zerrte sie nun seinerseits nach vorn. Die Rakganterin verlor die Kontrolle über ihren Körper. Sie rutschte aus und versuchte verzweifelt, die Desintegratorklinge von sich zu strecken. Aber Caepholk versetzte ihrem Arm erneut einen Hieb, so daß er sich unter ihren Leib bog. Skabbah Tas stürzte auf den Rücken und begrub ihren angewinkelten Arm unter sich. Das Energiefeld zerteilte ihr Rück45
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg ben, mein Freund, daß ich kein Feigling bin. Ich habe dir gegen Skabbah Tas nicht geholfen, weil ich fürchten mußte, dich damit zu beleidigen. Wenn du mir das glaubst, kannst du den Kampf beenden.« Caepholk zögerte erneut. Er blickte sich forschend um, fand aber bei der Dienerschaft Skanmanyons keine Unterstützung. Man sah ihnen zu, ohne ihm durch Zurufe oder Gesten ein Zeichen zu geben. Caepholk stürmte auf Atlan zu. Mit der linken Faust schlug er nach ihm, mit der rechten versuchte er, ihm das Messer in den Körper zu treiben, doch der Arkonide tänzelte zur Seite, so daß der Angriff ins Leere ging. Er hatte die Möglichkeit, seinem Gegner ein Bein zu stellen, aber er verzichtete darauf, ihn stürzen zu lassen, weil er ihn damit unnötig gedemütigt hätte. Er hoffte noch immer, daß Caepholk vernünftig werden würde. Doch er irrte sich. Caepholk kam langsam auf ihn zu. Drei Meter von ihm entfernt blieb er mit hängenden Armen stehen. Atlan konnte ihm ansehen, daß er es nicht wagte, ihn erneut anzugreifen. Er suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, ihn doch noch zu überwinden. »Beende den Kampf, Caepholk«, sagte Atlan eindringlich. »Du kannst ihn nicht gewinnen. Wir können die Auseinandersetzung verschieben. Wenn deine Schulter geheilt ist, werden wir weiterkämpfen.« Der oberste Diener schob seine Hand unter seinen Gürtel. Das sah aus, als ob er Schmerzen habe und sich den Leib massieren wollte, doch dann erschien die Hand wieder, und sie brachte etwas hervor, das wie ein Energiestrahler aussah. Atlan griff sofort an. Er packte die Hand. Ein Schuß löste sich, und ein nadelfeiner Energiestrahl zuckte blendend hell am Kopf des Arkoniden vorbei. Die beiden Männer stürzten zu Boden. Atlan gelang es, Caepholk den Strahler zu entwinden. Er wollte sich von seinem Gegner lösen, als dieser mit der anderen Hand das Desintegratormesser auf ihn zuführte. Atlan schleuderte den Strahler von sich und begegnete zugleich dem Angriff Caepholks. Dabei entglitt diesem in der Eile das Messer. Es fiel auf seine Brust. Das genügte. Durch sein eigenes Gewicht drückte es sich ihm in
dem Gürtel und schaltete es ein. »Ich habe kein Verständnis für deine Lügen. Wer sagt, daß er mein Verbündeter sei, dann aber nicht kämpft, hat kein Recht, noch länger zu leben.« Blitzschnell stieß er die Waffe auf Atlan zu, aber dieser hatte mit einem solchen Angriff gerechnet und konnte ausweichen. »Das ist sinnlos, Caepholk«, sagte er, während er rückwärts ging. »Du kannst nicht gegen mich gewinnen. Du bist verletzt. Erwarte nicht, daß ich mit einem derartig geschwächten Gegner kämpfe.« In den dunklen Augen Caepholks blitzte es auf. Er zog die Lippen zurück und entblößte seine Schneidezähne noch weiter. In diesem Moment glich er einer mannshohen Ratte mehr denn je. »Begreifst du, Atlan«, sagte er zischelnd. »Ich habe einen Kampf vor den Augen meiner Untergebenen begonnen. Es ist zu spät. Ich kann ihn nicht mehr beenden, bevor ich dich getötet habe.« »Ein Mann kann alles tun, wenn es darum geht, der Vernunft zu ihrem Recht zu verhelfen. Es kommt nicht darauf an, es denen recht zu machen, die ohnehin nicht verstehen, worum es geht.« Caepholk schien auf ihn hören zu wollen. Für einen kurzen Moment beruhigte er sich. Seine Blicke wurden weich, aber dann flammte das Feuer in seinen Augen wieder auf. Er stürzte sich auf seinen Gegner, der seinen Arm packte, einen spielend leichten Seitenschritt machte, ihn mit dem Körper abfing und dann aushob. Caepholk rollte über den Rücken Atlans hinweg und flog im hohen Bogen durch die Halle. Er stürzte schwer und blieb keuchend liegen. Das Desintegratormesser fiel ihm aus der Hand und rutschte etwa einen Meter von ihm weg. Geradezu entsetzt blickte er Atlan an. Offensichtlich erwartete er, daß der Arkonide den Moment seiner Schwäche nutzen und ihm das Messer nehmen würde. Aber der Lordadmiral blieb gelassen stehen und strich sich das Haar aus der Stirn. Seine roten Augen beobachteten Caepholk, der sich langsam aufrichtete, das Messer nahm und sich ihm näherte. »Jetzt solltest du eigentlich begriffen ha46
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg einer Hygienekabine, die für ein humanoides Lebewesen eingerichtet war. Als er aus dieser Kabine zurückkehrte und sich in eine Schale legen wollte, glitt die Wand neben ihm lautlos auseinander. Froom Wirtz trat ein. Seine Augen wirkten übergroß. Seine Stirn hatte sich deutlich verformt. Atlan sah, daß die Haut an einigen Stellen aufgeplatzt war. Diese Zeichen, die er gemeinsam mit Terrania hatte, konnte er gar nicht übersehen. »Hallo Froom«, sagte er. »Ich bin der neue Herr der Diener«, entgegnete der Instinkt-Spezialist. »Das ist kein gutes Omen«, erklärte Atlan spöttisch. »Mir scheint, daß die Herren der Diener kein langes Leben vor sich haben.« Wirtz knöpfte seine Jacke auf und streifte sie sich ab. Dann legte er auch seinen Kopfschmuck ab. Atlan spürte die Impulse des Fremden. Sie durchdrangen den Berg. Sie waren so kraftvoll, daß selbst er als Mentalstabilisierter sie wahrnehmen konnte. Er wußte, daß sie ungeheuer wirksam für jemanden sein mußten, der diesen Schutz vor parapsychischen Angriffen nicht besaß – für Menschen wie Froom Wirtz. Du darfst es nicht auf einen Kampf ankommen lassen, warnte der Extrasinn. In diesem Zustand ist er dir weit überlegen. »Froom, erinnern Sie sich daran, wer Sie sind, und wer ich bin«, sagte Atlan mit beherrschter Stimme. »Kämpfen Sie gegen das an, was Sie beeinflussen will. Kämpfen Sie um Ihr Ich!« »Sie sollten nicht soviel reden, Atlan«, erwiderte der USO-Spezialist. Er streckte die Arme aus und spreizte die Finger kurz ab. Das Hamakath-Zeichen! »Bringen wir es hinter uns«, sagte er. »Nein«, antwortete der Lordadmiral. »Froom, das werden wir nicht tun, sondern Sie werden endlich Ihre Qualitäten als USOSpezialist einsetzen und sich gegen Skanmanyon wehren.« »Ich werde Ihnen zeigen, was ich als Spezialist gelernt habe«, sagte Wirtz. Im gleichen Moment schnellte er sich auf Atlan zu. Dieser entging dem Angriff nur ganz knapp. Mit unglaublicher Wucht sauste die Hand Frooms an ihm vorbei, dann warf
den Körper. Das Desintegratorfeld drang ihm in die Brust. Atlan versuchte, das Heft des Messers zu ergreifen, um es herauszuziehen, aber es gelang ihm nicht mehr. Die Waffe verschwand in der Brust Caepholks. Damit war der Kampf zu Ende. Der Arkonide richtete sich erschüttert auf. Caepholk war nicht mehr zu retten. Und damit hatte er den einzigen Verbündeten in diesem seltsamen Raumschiff verloren. Allein stand er einer erdrückenden Übermacht gegenüber. * Als Atlan sich zur Flucht entschloß, materialisierte plötzlich Terrania vor ihm. Sie griff nach seiner Hand und nahm ihn mit. Für den Arkoniden war es, als ob sie in einen Abgrund stürzten, aber dann waren sie wieder in einem fünfeckigen Raum, der Atlan in seiner eigentümlichen Form an einen Kristall erinnerte. Von der Decke hingen Zacken von unterschiedlicher Länge herab. Sie leuchteten von innen heraus in einem grünlichen Licht, das Terrania besonders bleich erscheinen ließ. Der Boden war mit einem langfaserigen Teppich bedeckt, der ein blaues Baummuster enthielt, das sich in ständigem Fluß zu befinden schien. An den Wänden schimmerten Darstellungen von Gresstoren aus unterschiedlichen Perspektiven. Darüber hinaus war der Raum nur spärlich mit einigen Liegeschalen und einigen anderen Möbeln ausgestattet, deren Funktion Atlan nicht so ohne weiteres erkennen konnte. »Danke, Terrania«, sagte er zu dem Mädchen, dessen Schädel fast kahl war. »Ohne dich hätte ich es nicht geschafft.« Ihr eingefallenes Gesicht blieb ausdruckslos. Sie wurde transparent und verschwand, bevor Atlan sie halten konnte. So wurde keine einzige seiner vielen Fragen beantwortet. Er blieb allein. Nachdem er sich damit abgefunden hatte, daß er zunächst nichts ausrichten konnte, sah er sich im Raum um. Er suchte nach einem Ausgang, aber es gab keinen. Er fand lediglich einen raffiniert versteckten Zugang zu 47
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Genickschlag. Atlan konnte nicht mehr ganz ausweichen. So traf ihn eine Hand an der Schulter. Er glaubte, seine Knochen unter der Wucht des Hiebes brechen zu hören. Ein nahezu unerträglicher Schmerz durchzuckte und lähmte ihn. Halbwegs bewußtlos trat er zur Seite und drehte sich um. Mit abscheulich verzerrtem Gesicht stürzte sich Wirtz auf ihn. Er war nicht mehr er selbst. Ein unbegreiflich fremdes Lebewesen hatte von ihm Besitz ergriffen. Du mußt ihn töten, signalisierte der Logiksektor. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Wirtz erwartete, daß Atlan abermals ausweichen würde. Doch der Arkonide trat die Flucht nach vorn an. Obwohl vor Schmerz halbwegs betäubt, empfing er den IS mit einer Hamakath-Beinschere, mit der er ihn völlig überraschte. Die beiden Kämpfer stürzten zu Boden und trennten sich blitzschnell wieder voneinander, weil beide merkten, wie gefährlich die Situation für sie war, in der jeder den anderen mit einem Griff töten konnte. Keuchend standen sie einander gegenüber. Atlan war froh über jede Sekunde Pause, die er herausholen konnte. Sein Zellaktivator arbeitete mit höchster Intensität. Deutlich spürte er die belebenden Impulse. Er beobachtete Wirtz und stellte fest, daß dieser noch immer kräftig wirkte. Das paßte nicht ganz zu dem Bild, das er bisher geboten hatte. Seine Kräfte ließen sonst sehr schnell nach. Jetzt aber gab er alles, was in ihm steckte. Terrania materialisierte in seiner Nähe. Ihre Augen waren auf ihn gerichtet. Wirtz zeigte Wirkung. Eine Welle neuer Kraft schien durch seinen Körper zu laufen. Er richtete sich auf und straffte sich. Dennoch bemerkte Atlan Anzeichen eines nahen Zusammenbruchs bei ihm. Das Fremde holte die letzten Körperreserven aus ihm heraus, und das konnte nicht ohne Folgen bleiben. »Terrania, rette ihn«, bat Atlan. »Tu etwas.« Sie reagierte nicht. Froom stöhnte gequält auf, und dann rannte er wieder auf den Arkoniden zu. Ein wahres Feuerwerk von Faustund Fußstößen, von Handkantenschlägen und Stichen mit gestreckten Fingern ging auf den Lordadmiral hernieder. Dieser befand sich in absoluter Defensive. Zurückweichend und
der IS sich herum und versuchte, seinen Gegner mit den Füßen zu treffen. Damit hatte der Arkonide gerechnet. Wiederum entkam er. Dann aber schien Froom Wirtz erst richtig zu erwachen. Er stürmte wild auf Atlan zu und brachte zwei Handkantenschläge an, die Atlan fast lähmten. Der Arkonide ließ sich fallen und rollte sich über die Schultern ab. Sein Gegner, der ihm nachsetzte, sprang ins Leere. Atlan packte eine Liege und schleuderte sie herum. Damit traf er den IS, bevor dieser sich noch erheben konnte. Er brachte ihn zu Fall, ohne ihn zu verletzen. »Froom, halten Sie ein«, bat Atlan. »Warum wehren Sie sich denn nicht gegen Skanmanyon?« Wirtz hörte nicht auf ihn. Er erhob sich und griff erneut an. Atlan sprang über eine Liegeschale. Als der IS ihm folgen wollte, riß er das Möbelstück hoch, so daß der IS sich darin verfing und stolperte. Der Arkonide floh durch den Ausgang hinaus. Er sah eine rot markierte Stelle in der Wand und legte seine Hand darauf. Das Schott schloß sich, bevor Froom ihm folgen konnte. Der Lordadmiral befand sich auf einem etwa zwanzig Meter langen Gang, der auf beiden Seiten durch schimmernde Eiswände begrenzt wurde. Diese Wände bewegten sich. Das konnte Atlan sofort erkennen. Sie schoben sich zusammen. Etwa fünf Meter von ihm entfernt zeichnete sich ein Schott ab. Atlan hörte, wie sich die Tür hinter ihm bewegte. Wirtz folgte ihm bereits. Er rannte auf das Schott zu und öffnete es, indem er seine Hand an eine rot markierte Kontaktscheibe legte. Es glitt zur Seite. »Bleib stehen«, rief der IS hinter ihm. Atlan lief durch die Öffnung und gelangte auf einen weiteren Gang, der etwa einhundert Meter lang war. Von ihm zweigten zahlreiche Schotte ab. Er sah etwa zwanzig Gresstoren, die Kisten, Flaschen und kugelförmige Behälter schleppten. Auch die Spinnenwesen bemerkten ihn. Sie blieben stehen und blickten ihn an. Für einen kurzen Moment hatte er nicht auf Wirtz geachtet. Dieser erschien plötzlich hinter ihm und hob beide Arme zum tödlichen 48
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg Gresstoren standen bewegungslos auf dem Gang und beobachteten ihn. Dann kehrte Terrania plötzlich zurück. Sie griff nach der Hand des Arkoniden. Er überließ sie ihr, weil er nicht wußte, was er sonst hätte tun können. Doch noch teleportierte sie nicht. »Bring mich zu Skanmanyon«, forderte er. »Nein, das darf ich nicht.« »Dann sage mir endlich, wer Skanmanyon ist.« »Eine von den wenigen Psi-Quellen in unserem Universum«, antwortete sie rätselhaft. »Damit kann ich nichts anfangen, Terrania. Du mußt mir schon ein wenig mehr verraten.« »Das werde ich nicht tun«, erklärte sie. »Du weißt ohnehin schon zuviel. Skanmanyon wird dein Gedächtnis löschen. Du wirst alles vergessen, was du erfahren hast.« »Das werde ich nicht zulassen.« Sie lächelte müde. »Dagegen kannst du nichts tun. Das ist nicht aufzuhalten, ebensowenig wie der Flug dieses Berges in die Galaxis. Jetzt wirst du schlafen – und wir werden dich erst wecken, wenn wir am Ziel sind.« »Nein, Terrania, das darfst du nicht zulassen.« Die Gresstoren rückten auf ihn zu. Er sah Waffen unter ihren ovalen Leibern. »Terrania, nein!« rief der Arkonide. »Am Ziel wird Skanmanyon entscheiden, was mit dir wird.« Ihre Stimme veränderte sich. »Du bist stark, Atlan. Dein Geist liegt verborgen vor mir. Gibt es noch mehr Männer deiner Art in der Galaxis?« »Natürlich«, erwiderte er. »Es gibt noch mehr Männer, gegen die du nichts ausrichten kannst.« Terrania verschwand. Atlan drehte sich um und blickte die Gresstoren an. Vergeblich suchte er nach einem Ausweg. Irgendwo löste irgend jemand seinen Paralysator aus. Der Arkonide spürte den Nervenschock. Die Beine sackten unter ihm weg. Er stürzte auf den Boden und verlor das Bewußtsein.
fintierend wehrte er die gefährlichen Angriffe ab, ohne selbst einmal offensiv werden zu können. Dabei mußte er vor allem an den Armen eine Reihe von schmerzhaften Schlägen einstecken. Es ist bald vorbei, meldete der Extrasinn, ohne erkennen zu lassen, für wen es bald vorbei war. Atlan merkte, wie ihm die Arme schwer wurden. Von Sekunde zu Sekunde ließ seine Konzentration nach. So konnte er nicht mehr jede Attacke Frooms einwandfrei abwehren. Immer mehr Hamakathstöße kamen durch. Du mußt angreifen. Du hast keine andere Wahl! Atlan spürte es selbst. Lange konnte er nicht mehr durchhalten. Zu schmerzhaft waren die Treffer, die Wirtz erzielte. Deshalb änderte er seine Taktik plötzlich. Als der IS wieder einmal versuchte, seine rechte Hand mit gestreckten Fingern nach seiner Kehle zu stoßen, wich er tänzelnd zurück, packte die Hand und riß Froom hinter sich her. Damit brachte er seinen Gegner völlig aus dem Konzept. Wirtz stolperte, versuchte einen weiteren Schlag und stürzte zu Boden. Er blieb in verkrampfter Haltung liegen. Vorsichtig beugte Atlan sich über ihn. Er sah sofort, daß es vorbei war. Froom war völlig ausgebrannt. Sein Herz hatte schließlich nicht mehr mitgemacht. Er war tot. Verbittert erhob Atlan sich und ging auf Terrania zu. »Und was nun?« fragte er zornig. »Bist du jetzt zufrieden?« Sie antwortete nicht. Ihre blinden Augen waren auf ihn gerichtet, und er fühlte die PsiImpulse, die auf ihn einstürmten. »Das ist doch sinnlos«, sagte er. »Du weißt es, Terrania. Ich bin mentalstabilisiert. So bin ich nicht zu überwältigen. Du mußt mir schon noch einen weiteren Gegner präsentieren – oder reicht es nun endlich?« Ihre Schultern sanken nach unten. »Du bist zu stark«, sagte sie und verschwand. Atlan blieb auf dem Gang zurück. Er wußte nicht, wohin er sich wenden sollte. Die
ENDE
49
ATLAN 130 (157) - Skanmanyons Berg
Weiter geht es in Band 131 (159) der ATLAN-ebooks mit:
Die PSI-Quelle von Ernst Vlcek
Impressum: © Copyright der Originalausgabe by Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt Chefredaktion: Klaus N. Frick © Copyright der eBook-Ausgabe by readersplanet GmbH, Passau, 2005, eine Lizenzausgabe mit Genehmigung der Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
50