Terra Astra 109
Söldner von übermorgen Mack Reynolds
1. Schon lange vorher sah Joseph Mauser die Reihe der Rekruten v...
34 downloads
444 Views
443KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Terra Astra 109
Söldner von übermorgen Mack Reynolds
1. Schon lange vorher sah Joseph Mauser die Reihe der Rekruten vor den Annahmebüros der Vacuum Tube Transport. Baron Haer mußte ja seine Söldner für das Spektakel mit Continental Hovercraft zusammensuchen, und seine eigenen Geschäftsräume kosteten keine Miete. Der Baron drehte nämlich jeden Penny zweimal um. Er war in dieser Beziehung so verrufen, daß sich Joe Mauser kaum selbst verstand, als er seinen Schweber zum Parken auf Straßenhöhe sinken ließ. Joe war ein alter Profi, und ein alter Profi wird man in der Kategorie Militär nicht, wenn man sich nicht mit sicherem Instinkt von der Verliererseite fernhält. Die Unter-Unteren und Mittel-Unteren wurden in der Regel von den schicken Uniformen und den Aktien angezogen, die man angeboten bekam, aber ein alter Profi sah auch das Budget des Kleinkriegs. Baron Haer strich persönlich an jeder Ausgabe herum und spielte sogar mit dem Gedanken, das Kommando selbst zu übernehmen und alle Stabsstellen mit Verwandten und Freunden zu besetzen. Auf der anderen Seite war Continental Hovercraft mit reichlich Kapital ausgestattet und daher in der Lage, Stonewall Cogswell persönlich als Taktiker zu engagieren. 2
Die Würfel waren jedoch schon gefallen. Man übersprang nicht eine oder sogar zwei Kasten mit Vorsicht; man mußte schon einiges wagen. Joe hatte alles ordentlich durchdacht. Alter Pro oder nicht - diesmal ging er ein Risiko ein. Leute wie er brauchten sich nicht in einer Schlange anzustellen. Deshalb schritt er entschlossen an dieser sehr langen Schlange entlang und musterte dabei auch die Leute, die sich um den Militärdienst für die Vacuum Tube Transport bemühten. Darunter waren einige Soldaten, die er in allernächster Zukunft kommandieren sollte, und deren Aussichten waren nicht besonders rosig. Einige Veteranen waren dabei, und die unterschieden sich in Gesichtsausdruck und Haltung deutlich von allen anderen. Er kannte die Lage, denn die Gerüchte verbreiteten sich ja sehr schnell. Baron Malcolm Haer hatte seine Niederlage sozusagen schon in der Tasche. Einen üppigen Siegesbonus hatte man nicht zu erwarten, wenn man in seine Dienste trat, und eine Kaste konnte man erst recht nicht überspringen. Kurz gesagt: Egal, wie Haers Vergangenheit auch aussah, man mußte die Gewinnerseite wählen, und die hieß nun einmal Continental Hovercraft. Und dazu gehörte der alte Stonewall Cogswell, der so wenig Scharmützel verloren hatte, daß sich manch alter Krieger an gar keines erinnern konnte. Ein paar unter den anstehenden Männern sahen gar nicht so übel aus, wie Joe Mauser im Vorbeigehen feststellte. Natürlich hielt man die Augen offen und sah sich nach denen um, von welchen man sich einiges erhoffen konnte. Zum Beispiel der kleine Mann ein Stück weiter vorne. Er schien seinen Platz gegen ein paar vordrängende Wunschsoldaten heftig verteidigt zu haben. Nicht einen Schritt gab er nach, als die anderen Unteren versuchten, ihn von seinem Platz wegzuschieben. Dieser Geist gefiel Joe Mauser, denn er zahlte sich aus, steckte man einmal in einer Klemme. Als er an den Vordrängenden vorbeikam, fauchte er sie an: 3
„Nicht so drängeln, Jungens. Ihr könnt mit Hovercraft noch genug raufen. Laßt euch doch Zeit bis dorthin.“ Er war zwar in Zivil, doch er hatte geglaubt, sein Befehlston würde auch so genügen. An dem kleinen Zwist war er gar nicht interessiert, oder höchstens so weit, daß er dem Kleinen ein bißchen Luft verschaffte. Jeder Veteran hätte ihn als Überveteran erkannt, vielleicht sogar als Offizier, und hätte auf ihn gehört. Das aber waren keine Veteranen. „Wer bist denn du überhaupt?“ rief einer der Unteren zurück. „Gehörst du zur Familie vom Baron, he?“ Joe Mauser blieb stehen und schaute sich den Sprecher näher an. Er war ärgerlich, vorwiegend auf sich selbst. Er wollte seine Ruhe haben. Jetzt konnte er nicht anders. Die Menschenschlange schwieg plötzlich erwartungsvoll. Es waren ausschließlich Untere, denen das Warten sowieso schon viel zu langweilig wurde. Endlich einmal eine kleine Abwechslung! Morgen würde Joe Mauser mindestens einen Teil dieser Leute kommandieren. In einer knappen Woche müßte er mit ihnen in einen ausgewachsenen Kleinkrieg ziehen. Er konnte es sich also nicht leisten, sein Gesicht zu verlieren, nicht einmal jetzt, da alle noch, auch er, Zivil trugen. Wurde es im Gefecht einmal brenzlig, dann mußten die Männer uneingeschränktes Vertrauen zu einem haben und bedingungslos gehorchen. Der Mann, der ihn angeflegelt hatte, konnte fast ein Zwillingsbruder von Joe Mauser sein; er war Anfang Dreißig, fast sechs Fuß hoch und etwa hundertachtzig Pfund schwer. Aber hier hörte die Ähnlichkeit dann doch auf. Joe Mauser gehörte zu denen, die sich immer wieder durch schwierigste Lagen boxten und recht zufriedenstellend dabei abschnitten. Er war kein schöner Mann, sah aber sympathisch aus, und die zwei Narben - eine auf der Stirn, die andere am Kinn verunstalteten ihn kaum. Die Gesichtschirurgen hatten sie nicht 4
ganz beseitigen können, doch das machte nicht viel aus. Der Untere trug eine säuerliche Miene zur Schau, und so klang auch seine Stimme. Seine Schultern zog er so ein, daß jeder ihm auf einen Blick ansah, wie übel ihm das Leben mitgespielt hatte. Den Kleidern nach gehörte er zu den UnterUnteren, hatte also nichts zu verlieren. Die aber, die nichts zu verlieren haben, sind sehr oft bereit, alles zu riskieren. Genau das drückte sein Gesicht aus, und Joe Mauser hatte keine Autorität über ihn und seine Freunde. Joe Mauser musterte rasch die beiden anderen, die den kleinen Burschen nicht in Ruhe gelassen hatten. Ohne Vorrede trat er auf sie zu. Seine rechte Hand schoß nach vorne. Sie war nicht zur Faust geballt, sondern wie eine Lanze ausgestreckt und traf den Solarplexus. Doch Mauser hatte die Burschen unterschätzt. Sein Gegner war gerade noch dabei, als schmerzverzerrtes Bündel auf den Boden zu sinken, als zwei weitere schon über ihm waren. Mindestens einer von den beiden war als Nahkämpfer nicht unerfahren. Joe Mauser ließ sich mit einem Schlag rollen, und seine Füße gingen automatisch in die Stellung des geschulten Kämpfers. Er tat einen Schritt zurück, um seine Verteidigung zu errichten und den Angriff zu planen. Die beiden anderen sahen in seinem Rückzug schon den Sieg und drangen auf ihn ein. Einer zählte für Joe Mauser überhaupt nicht. Den Hampelmann hätte er in Sekunden abgestreift, wären ihm die Sekunden vergönnt gewesen. Der zweite Mann jedoch war ein Problem. Er war Joe nahezu gleichwertig und mit dem großen Hampelmann als Verbündeten ihm fast überlegen. Hilfe kam ihm von einer Seite, die er schon wieder vergessen hatte, nämlich von dem kleinen Kerl, der eigentlich die Ursache der Rempelei gewesen war. Der trabte nun herbei und war, was den Kampfgeist betraf, gewiß nicht schlechter als 5
einer der beiden Raufbolde. Das Schicksal meinte es jedoch nicht sehr gut mit ihm. Er griff nämlich den Falschen an und bezog einen gewaltigen Hieb an den Kopf, der ihn in die Reihe der Wartenden schleuderte, die nun alle zu schreienden, gestikulierenden und aufgeregten Kampfteilnehmern geworden waren. Die Ausschaltung von Joe Mausers kleinem Kampfgefährten hatte jedoch Zeit beansprucht, und Zeit war alles was Joe brauchte. Ein paar Sekunden für den großen Hampelmann reichten um die Wende herbeizuführen. Er fing einen schwingenden Arm ab, verdrehte ihn und nahm ihn in einen recht wirksamen Ringergriff. Dann warf er den Mann mit einem Schwung über die Schulter, um ihm den Kampfgeist auszutreiben und sich dann sofort dem anderen Gegner zuzuwenden. Soweit kam es jedoch nicht mehr. „Aufhören, Burschen!“ schrie eine Stimme. Die dem Kampf vorangehende Situation schien sich zu wiederholen, doch während die drei Unteren nicht auf Joe Mausers autoritative Mahnung gehört hatten, wagten sie diesmal keinen Ungehorsam. Der Besitzer der Stimme war nämlich ein Mann in der prächtigen Uniform der Vacuum Tube Transport - komplett in Kilt und Offiziersstöckchen, das nur den Offizieren vom Colonel aufwärts zustand. Und der Mann stand nun da und funkelte sie wütend an. Alter etwa Ende Zwanzig, Kaste der Oberen. Zum Kommandieren geboren. Sein Gesicht war arrogant und verächtlich. Joe kannte diese Miene nur allzu genau. Öfter als einmal war sie ihm als Alptraum erschienen. „Jawohl, Sir“, sagte Joe. „Was, zum Zen, geht hier vor? Seid ihr Burschen betrunken?“ „Nein, Sir“, antwortete Joes erfahrener Gegner, schaute aber dabei wie ein ertappter, schuldbewußter Schuljunge zu Boden. 6
„Das war eine kleine private Meinungsverschiedenheit, Sir“, erklärte Joe gleichmütig. „Was - Meinungsverschiedenheit?“ schnarrte der Obere. Seine Augen musterten die drei gefallenen Kämpfer, die sich in einem recht unterschiedlichen Zustand der Wiederbelebung befanden. „Euch möchte ich in einem richtigen Gefecht sehen.“ Die Nichtkämpfer in der Schlange reagierten beflissen auf dieses nicht besonders originelle Bonmot, doch die Kaste der Oberen hatte ihre Privilegien, und so war das Gelächter nicht weit vom Röhren entfernt. Den Offizier im Kilt schien es ungemein zu besänftigen. Er stemmte sein Stöckchen an die Wade, während er Joe Mauser und die anderen musterte, als wolle er sich ihre Gesichter für künftige Fälle unauslöschlich einprägen. „Na schön“, sagte er schließlich. „Reiht euch wieder ein, und ihr Raufbolde gebt jetzt Ruhe, verstanden? Wir bemühen uns, so schnell wie nur möglich zu arbeiten.“ Die Teilnehmer der Kleinschlacht nahmen ihre Plätze in der Schlange wieder ein und waren erbost, mürrisch oder trotzig. Der kleine Bursche, der sein schmerzendes Kinn streichelte, stellte sich nachdrücklich auf seinen vorherigen Platz und warf Joe Mauser einen dankbaren Blick zu. Der stand noch immer da, wo er gewesen war, als er in den Kampf eingriff. Der Obere musterte Joe. „Und du, Bursche, bist du nicht interessiert, bei Vacuum Transport Dienst zu nehmen?“ In seiner Stimme klang ziemliche Ungeduld mit. „Jawohl, Sir, das bin ich“, erwiderte Joe gleichmütig. „Joseph Mauser, Sir“, fuhr er fort. „Kategorie Militär, Rang Captain.“ „Ach nein!“ Der Offizier musterte ihn von oben bis unten und blies die Nüstern auf. „Ein Mittlerer wohl. Und dann mit Rekruten herumraufen ... Na schön. Kommen Sie mit.“ Er wandte sich um und marschierte davon. Innerlich zuckte Joe die Achseln. Das war ja ein reizender 7
Anfang. Fast war er schon entschlossen, die Sache aufzugeben und nach Norden weiterzufliegen, wo er in den Catskills bei Continental Hovercraft unterschreiben konnte. In Stonewall Cogswells Stab konnte er ganz bestimmt einen ordentlichen Posten bekommen, und sein großer Plan mußte dann eben auf einen anderen Tag warten. Aber schließlich ging er doch hinter dem Aristokraten drein zu jenem Büro, das sein ursprüngliches Ziel gewesen war. Zwei Reihen einfacher Soldaten mit 45-70er Springfields in den Händen standen, mit den Kilts der Haer bekleidet, so da, daß man denken konnte, dies sei ein Dauersalut. Der Obere vor Joe hob sein Stöckchen an die Mütze und dokumentierte damit leutselige Herablassung. Im Innern des Büros gab es ziemlich viel Schreibtische; Schreibmaschinen summten, Kartenlocher klickten, Sortierund Vergleichsgeräte flackerten und blitzten, als die Angestellten der Vacuum Tube Transport, die zu dieser Spezialarbeit abkommandiert waren, die Freiwilligen für die Streitkräfte der Firma karteimäßig verarbeiteten. Überall schwirrten Zivilisten und Offiziere der untersten Ränge herum, denen es nicht gelang, wenigstens andeutungsweise Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Rechts befand sich eine Tür, auf die ein rotes Kreuz aufgemalt war, das noch feucht glänzte. Gelegentlich wurde die Tür aufgerissen, um einen Aspiranten hinein- oder herauszulassen, und dann sah man weißbemäntelte Ärzte, Sanitäter und halbnackte Männer. Das Bild kannte Joe von hundert Gelegenheiten her. Er folgte dem Oberen durch diesen Vorraum zu einer Tür, an die der andere nicht einmal klopfte. Er riß sie stürmisch auf, winkte mit seinem Stöckchen der einzigen drinnen sitzenden Person zu, worauf diese von einem heillos mit Papieren übersäten Tisch aufschaute. Das Gesicht hatte er schon im Telly gesehen, wenn auch noch nie so müde, abgekämpft und mutlos wie jetzt. Es war 8
Baron Malcolm Haer von der Vacuum Tube Transport, ein vierschrötiger Mann mit Kugelkopf; Kategorie Transport, Mittel-Oberer und aussichtsreicher Kandidat für die OberOberen, sobald er sich von den Geschäften zurückzog. Es gab aber kaum einen, der damit rechnete, daß sich der Baron in nächster Zukunft zurückziehen könnte. Der Konkurrenzkampf zwischen der Vacuum Tube Transport und ihren stärkeren Rivalen schien dem Baron ungeheuren Spaß zu machen. Körperlich sah er gewiß nicht bedeutend aus, dieser Malcolm Haer, aber er gehörte trotzdem eher zur kleinen Familie der Bonapartes als zur großen der Durchschnittlichen. Joe baute ein zackiges Männchen und ertrug gleichmütig den forschenden Blick seines - möglicherweise -Vorgesetzten. Die Augen des Älteren gingen zu dem Jüngeren im Kilt, der Joe mitgebracht hatte. „Was ist los, Balt?“ fragte er. Balt deutete mit seinem Stöckchen auf Joe. „Der da behauptet, er sei Captain. Dad, er will bei uns einen Posten haben. Ich wüßte aber nicht, warum.“ Das näselte er ganz beiläufig. Haer der Ältere warf seinem Sohn einen gereizten Blick zu. „Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem sich sonst Söldner für ein Gefecht verdingen, Balt.“ Nun schaute er Joe an. Er hatte kleine, scharfe Augen. Joe Mauser übte noch immer, wenn auch in Zivil, STILLGESTANDEN, machte den Mund auf, um Namen, Kategorie und Rang zu sagen, aber der ältere Mann winkte uninteressiert ab. „Captain Mauser, was? Ich habe damals das Gefecht zwischen Carbonaceous Fuel und United Miners drunten in der Panhandle Reservation verfolgt. Mir scheint, vorher habe ich Sie auch ein- oder zweimal irgendwo gesehen.“ „Jawohl, Sir“, antwortete Joe. Der alte Herr funkelte ihn an. „Verdammt noch mal, wieso haben Sie's nicht weiter gebracht als bis zum Captain? 9
Schließlich sind Sie ein sehr erfahrener, zuverlässiger Mann, der gewisse Verdienste hat.“ Wir nennen uns alte Pros, wenn wir unter uns sind, überlegte Joe Mauser. Und ich bin ein alter Pro. „Sir, ich wurde als Mittel-Unterer geboren“, sagte er. Ein Funken des Verständnisses glomm in den kleinen Augen des älteren Mannes auf. „Und was hat das damit zu tun?“ meinte Balt Haer hochmütig. „In der Kategorie Militär wird man doch schnell und seinen Verdiensten entsprechend befördert.“ Ist man ein guter, kampferprobter Feldoffizier, so gerät man einmal an einen Punkt, da man seine Meinung ausspricht, egal welchen Ranges der Mann vor einem ist. Für diesen Moment genügten Joe Mauser wenige Worte. Er musterte Balt Haers makellose Uniform von den Schuhen bis zur Kappe und nahm sich besonders das Stöckchen aufs Korn, das Offizieren vom Rang eines Colonel aufwärts zustand. „Ja, Sir“, sagte Joe gleichmütig. „Was wollen Sie damit sagen? Was meinen Sie ...“, knurrte er zornig. Aber sein Vater lachte glucksend. „Captain, Sie haben Grips im Kopf, und so etwas brauche ich jetzt. Sie haben völlig recht. Mein Sohn, der zwar, wie ich Ihnen versichere, ein fähiger Feldoffizier ist, hat aber kaum noch an einem Teil jener Gefechte partizipiert, in denen Sie sich bewährt haben. Natürlich ist etwas zu der Ausbildung zu sagen, die wir Oberen in den Militärakademien genießen. Haben Sie zum Beispiel je eine Formation kommandiert, die größer war als - nun ja - eine Kompanie, Captain?“ „Im Kampf Douglas-Boeing versus Lockheed-Cessna hatten wir einen hohen Ausfall an Offizieren zu verzeichnen, als die Douglas-Boeing-Truppe eine französische SchnellfeuerMitrailleuse einsetzte, von der wir nichts wußten“, antwortete Mauser mit unbewegter Stimme. „Als meine Vorgesetzten 10
verwundet wurden, beförderte man mich zum Bataillonskommandanten, zum Regimentskommandeur, dann zum Brigadier. Drei Tage lang hatte ich im Kampf den Rang des Brigadiers inne.“ Er holte tief Atem. „Und das Gefecht haben wir gewonnen, Sir.“ Ha! Und wie gut er sich erinnerte! Und jetzt fiel ihm alles wieder ein. Jawohl. Damals hatte Jim, sein Waffenkamerad seit mehr als sechs Jahren, einen Volltreffer in die Gedärme bekommen, der ihn fast in zwei Hälften riß. Balt Haer schnippte mit den Fingern. „Ah, daran erinnere ich mich! Erst sah ich es, dann las ich eine ganze Menge darüber. War in der Schule.“ Jetzt beäugte er Joe Mauser wesentlich respektvoller. „Stonewall Cogswell strich die Ehre des Sieges ein und bekam dafür auch den Marschallstab.“ „Er war einer der wenigen überlebenden Offiziere“, bemerkte Joe trocken. „Bei Zen!“ platzte Balt Haer heraus. „Soll das heißen, daß Sie überhaupt nicht befördert wurden?“ „Ich stieg zu Unter-Mittel auf. Vom Ober-Unter, Sir. Damals und in meinem Alter ein ziemlicher Triumph“, antwortete Joe. Auch Baron Haer erinnerte sich recht gut. „Ja, das war doch damals, als die Sovs ein solches Geplärr anstimmten. Sie behaupteten, diese Mitrailleusen stammten aus der Zeit nach 1900 und verletzten somit den Universal-Abrüstungspakt. Ja, daran erinnere ich mich ganz genau. Douglas-Boeing konnte beweisen, daß die Franzosen diese Waffe schon im Siebziger Krieg gegen die Preußen eingesetzt hatten.“ Plötzlich hatte Joe für ihn an Interesse gewonnen. „Setzen Sie sich doch, Captain. Und du auch, Balt. Bist du dir klar darüber, daß Captain Mauser der einzige im Offiziersrang ist, der sich heute bei uns hat sehen lassen?“ „Ja“, gab der jüngere Haer zu. „Aber jetzt ist es zu spät, das Gefecht abzusagen. Hovercraft würde eine Absage gar nicht 11
annehmen, und die Abteilung Kategorie Militär wurde sie darin auch noch unterstützen. Unsere einzige Alternative wäre eine bedingungslose Kapitulation, und du weißt doch selbst, was das heißt.“ „Das heißt, daß unsere Familie aus der Firmenleitung hinausfliegen würde“, brummte der ältere Mann. „Aber niemand hat eine Kapitulation auch nur angedeutet, egal, ob bedingungslos oder anders. Niemand - bis jetzt.“ Er funkelte seinen Offizierssohn an, der gelangweilt die Achseln zuckte und ein Bein über die Schreibtischecke seines Vaters schwang, so daß er endlich saß. Joe Mauser fand einen Stuhl und ließ sich darauf nieder. Der schnippische Balt Haer schien sich keine Illusionen darüber zu machen, in welch verteufelte Situation sein Vater das Familienunternehmen gebracht hatte. Und selbstverständlich hatte der Jüngere damit recht. Aber der Baron war auch nicht blind für die Wirklichkeit, noch weniger aber ein Feigling. Er wandte sich wieder Joe Mauser zu. „Wie ich schon sagte, sind Sie also heute der einzige Offizier. Warum?“ „Das weiß ich nicht, Sir“, gab Joe zur Antwort. „Die noch freien Männer der Kategorie Militär sind vielleicht anderswo beschäftigt. An erfahrenen Offizieren herrscht ja immer ziemliche Knappheit.“ Baron Haer wedelte abwehrend mit einem dicken Finger. „Das meinte ich nicht, Captain. Sie sind ein erfahrener Mann. Das ist Ihre Kategorie, und wenn Sie so lange überlebt haben, kennen Sie sich auch aus. Sie sind ja doch offensichtlich die Stufen raufgeklettert. Und warum suchen Sie, ausgerechnet Sie, trotzdem Dienst bei der Vacuum Tube Transport und nicht bei der Hovercraft?“ Joe Mauser sah ihn eine ganze Weile nachdenklich an. Er wußte genau, was der andere dachte. Theoretisch gab es zwischen den gegnerischen Truppen in einem Gefecht keine 12
Spionage, aber in der Praxis fiel es schlauen Kommandeuren wie Stonewall Cogswell durchaus ein, in die feindlichen Streitkräfte einen geschickten Offizier hineinzuschleusen, um sich passende Informationen zu beschaffen. Und von Joe wußte man ja, daß er unter Cogswell schon gekämpft hatte. „Na, kommen Sie schon, Captain?“ dröhnte der Baron. „Ich bin ja in meiner Kategorie auch ein alter Hase und kein Narr. Ich bin mir völlig darüber klar, daß es in der ganzen westlichen Welt nicht einen vernünftigen Menschen gibt, der für meine Farben etwas anderes als Unheil erwartet. Der Sold ist auch weithin bekannt, den die beiden Seiten bezahlen. Ich kann einem Captain nur fünf Aktien der Vacuum Tube bieten, egal, ob Sieg oder Niederlage. Hovercraft bietet das Doppelte; damit können sie unter den besten Offizieren der ganzen Hemisphäre wählen.“ „Ich habe alles an Aktien, was ich brauche“, erwiderte Joe leise. Balt Haer sah von seinem Vater zu Joe Mauser und wieder zurück. Er wurde immer verwirrter. „Sagen Sie mal, was, bei Zen, veranlaßt Sie dann, wenn es nicht die von uns gebotenen Aktien sind?“ fragte er verblüfft. Joe sah den jüngeren Haer an zum Zeichen, daß er seine Frage zur Kenntnis genommen hatte. Die Antwort gab er jedoch dem alten Herrn. „Sir, es ist, wie Sie sagten. Sie sind kein Dummkopf. Aber Sie stecken zu tief in dieser Zeit. Als Sie sich gegen Hovercraft stellten, dachten Sie nur an eine regionale Auseinandersetzung. Sie wollten Ihr Geschäft von Edmonton nach Fairbanks ausdehnen, um an dem lukrativen Alaska-Handel teilzunehmen. Und Sie erwarteten ein kleines Gefecht mit vielleicht fünftausend Mann auf jeder Seite. Daß Hovercraft die Sache durch ihre Verbindungen im Militär-Department hochspielen ließ, bis sie zur Divisionsgroße anschwoll, erwarteten Sie nicht, und Sie sind ganz einfach nicht groß genug, als daß Sie sich 13
das leisten konnten. Aber Hovercraft hatte es ganz einfach satt, sich mit Ihrer Firma herumschlagen zu müssen, weil Sie allzulange auf ihr herumhackten. Deshalb beschloß man, Sie zu Kleinholz zu zerlegen. Sie haben Marshall Cogswell angeheuert und die besten Kampfoffiziere von Nordamerika angeworben. Und dazu holen sie sich auch die tüchtigsten Veteranen zusammen, die sie finden können. Jeder Gefechtsfan, der am Telly sitzt, kann sich das zusammenreimen. Man hat gesehen, wie Sie durch lange Zeit hart und aggressiv waren, und jetzt hocken sie auf ihren Sofakanten und warten darauf, daß Sie Ihre Prügel beziehen.“ Baron Haers Gesicht hatte sich verhärtet, während Joe Mauser unbarmherzig weiterredete. „Und so denken alle?“ fragte er. „Ja. Jeder, der intelligent genug ist, um eine eigene Meinung zu haben.“ Joe machte eine Kopfbewegung zum äußeren Raum, wo die Rekrutierung noch immer weiterlief. „Diese Männer da draußen sind die, welche in Catskill zurückgewiesen wurden, wo der alte Baron Zwerdling rekrutiert. Entweder das, oder sie sind völlig unerfahren. UnterUntere, zu dumm, um sich darüber klar zu sein, daß sie nur die Nase zu weit vorstrecken. Nicht einmal jeder zehnte ist ein Veteran. Und wenn die Sache brenzlig wird, braucht man Veteranen.“ Baron Malcolm Haer lehnte sich in seinen Sessel zurück und starrte Captain Joe Mauser kalt an. „Erst war ich einigermaßen erstaunt darüber, daß ein altgedienter Söldner wie Sie meine Farben denen des Barons Zwerdling vorziehen sollte. Jetzt bin ich mir immer weniger über Ihre Gründe im Klaren. Deshalb frage ich Sie noch einmal, Captain: Warum wollen Sie einen Posten in meinen Streitkräften, wenn Sie doch davon überzeugt sind, daß wir haushoch verlieren?“ Jetzt war Joe Mauser am springenden Punkt angelangt. Er mußte vorsichtig taktieren, und er sagte: 14
„Weil ich glaube, Sir, daß es für Sie eine Möglichkeit gibt, doch zu gewinnen.“ 2. Seinen Dauerrang konnten sie zwar nicht ändern, denn der hing von der Abteilung Kategorie Militär ab, aber sie hatten keine tüchtigen Offiziere, stuften ihn daher als Major ein und gaben ihm das Kommando über eine Schwadron Kavallerie. An Kavallerie war Joe Mauser in diesem Gefecht zwar absolut nicht interessiert, doch er sagte nichts. Er mußte sich seinen Zeitplan genau überlegen, und der richtige Moment war noch nicht gekommen, um von seinen Überlegungen zu sprechen. Vorerst genügte ihm sein Kommando, die Anfänger einigermaßen in Form zu bringen. Nachdem er das Büro von Baron Haer verlassen hatte, durchlief er die normale Prozedur der vorübergehenden Beschäftigung für die Vacuum Tube Transport und deren Streitkräfte und kehrte dann in den Trubel des äußeren Raumes zurück, wo die Unteren eingetragen und einer ärztlichen Untersuchung unterzogen wurden. Und da rannte er direkt in ein Telly-Team, das dabei war, eine Sendung live zu machen. Joe Mauser erinnerte sich der Nachrichtenreporter, die das Team anführten. Ein paarmal war er ihnen in Gefechten schon begegnet. Er pflegte dieselben Vorurteile gegen Telly wie alle von der Kategorie Militär, aber er zollte wenigstens einem dieses Teams Respekt. Das letztemal, als er diesen Burschen sah, war es mitten im heißesten Kampf, als die Sache nicht besonders gut stand. Er setzte sich denselben Gefahren aus wie jeder Kämpfer, und mehr kann man von einem Reporter weiß Gott nicht verlangen. Natürlich erkannte ihn auch der Reporter. Es gehörte mit zu 15
seinem Job, Berühmte und solche, die es zu werden versprachen, immer sofort zu erkennen. Jetzt wies er die Kameraleute mit ein paar Handbewegungen an, auf Joe einzuschwenken; dieser bemerkte es sofort, wußte selbstverständlich auch, was Telly wert war und tat gerne mit. „Captain! Captain Mauser, nicht wahr? Joe Mauser, der in den Sümpfen von Louisiana mit einer einzigen Kompanie aushielt, während die ranghöheren Offiziere sich hinter ihm neu formierten.“ So konnte man es selbstverständlich auch sagen, aber beide - Joe ebenso wie der Reporter - kannten die Wahrheit. Als die Front zusammengebrochen war, hatten sich die kommandierten Offiziere - selbstverständlich von der Kaste der Oberern, zurückgezogen und es ihm überlassen, so lange hinhaltend zu kämpfen, bis sie mit dem Feind annehmbare Bedingungen ausgehandelt hatten. Joe sagte zu dem Reporter: „Stimmt, Captain Mauser. In diesem Gefecht mit den Aufgaben eines Majors betraut. Äh ...“ „Freddy Soligen. Sie erinnern sich doch, Captain?“ „Klar, Freddy. Wie könnte ich Sie vergessen? Wir waren Seite an Seite in diesem Schlamassel, und das öfter als einmal, was? Und Sie waren mit Ihrer Kamera selbst dort vorne dran, wo ich schon Angst hatte, mein Seitengewehr zu benützen.“ „Ha, ha, ha, Leute, hört euch den Captain an! Ich hoffe nur, mein Boß hört zu. Aber ganz im Ernst, Captain Mauser, was halten Sie von den Chancen der Vacuum Tube Transport gegen die Continental Hovercraft?“ Joe sah ernst in die Kamera. „Das Beste natürlich, sonst hätte ich mich ja nicht bei Baron Haer verdingt, Freddy. Jeder Schuljunge weiß doch, daß die Gerechtigkeit immer siegt, und jeder, der sich mit dieser Gefechtsgeschichte beschäftigt hat, der weiß doch, daß Baron Haer absolut im Recht ist.“ „Und, Captain, was ist Ihre Ansicht darüber, worum es hier geht?“ Er bemühte sich offensichtlich, sich den Sarkasmus 16
nicht anmerken zu lassen, den er fühlte. „Es geht um das nordamerikanische Recht der Unternehmerfreiheit. Hovercraft hat nahezu ein Transportmonopol nach Fairbanks, und die Vacuum Tube Transport unter ihrem großen Direktor Baron Malcolm Haer wünscht die Herabsetzung der Kosten, damit der Verbraucher in Fairbanks über eine Vacuumröhre besser, schneller und billiger bedient werden kann. Was könnte mehr nach dem Herzen der westlichen Welt sein? Die Continental Hovercraft steht dem und sich selbst im Weg, und nun haben sie bei der Abteilung Kategorie Militär einen Urteilsspruch durch Waffenkraft beantragt. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen kann man nur sagen, daß das Recht auf der Seite von Baron Haer steht.“ Freddy Solingen sagte in die Kamera: „Nun, ihr Freunde von der Tellywelt, das ist doch wirklich eine sehr geschickte Zusammenfassung, nicht wahr? Sie stimmt allerdings nicht ganz mit den Worten von Baron Zwerdling überein. Aber jedenfalls wird die Gerechtigkeit triumphieren, und wir werden schon sehen, was das Schlachtfeld zu bieten hat. Vielen Dank, Captain Joe Mauser, und wir alle, die wir heute am Telly sitzen, wünschen Ihnen, daß Sie persönlich während dieses Gefechts nicht in Schwierigkeiten kommen.“ „Vielen Dank auch, Freddy. Und allen anderen auch vielen Dank“, sagte Joe in die Kamera, ehe er sich abwandte. Dieser Teil des Jobs war ihm nie besonders angenehm, aber man durfte das Vergnügen der geistig Minderbemittelten niemals unterschätzen. Schließlich ging es ja um Karriere und Rang, nicht nur beim Militär, sondern auch in der Kaste, denn beides ging Hand in Hand. Wenn einen die Fans feierten und anhimmelten, dann wurde man auch etwas. Er, Joe Mauser, war nur eine mittlere Berühmtheit, und natürlich begrüßte er jede Chance, von einem so beliebten Reporter wie Freddy Solingen interviewt zu werden. Und als er sich von der Kamera abwandte, fiel sein Blick 17
auf die vier Männer, mit denen er sich gekabbelt hatte. Der kleine Bursche war immer noch bei den anderen dreien. Diese hatten offensichtlich inzwischen eingesehen, daß der eine Platz, den dieser Kleine einnahm, gar nicht wert war, daß man darum kämpfte. Es war ein Impuls, daß er auf den Kleinen zuging, der ihn gerade anlachte, weil er ihn erkannte. Und durch dieses Lachen veränderte sich sein unscheinbares Gesicht entscheidend. Es leuchtete von einer inneren Wärme, die in einer Welt, die aufrichtige, herzliche Menschlichkeit kaum mehr kannte, eine recht große Seltenheit war. „Willst du einen Job, Soldat?“ fragte Joe. „Ich heiße Max Mainz. Klar, ich will einen Job. Deshalb steh ich in dieser Reihe, die ja kein Ende zu nehmen scheint.“ „Dein erstes Gefecht, was?“ „Ja. Aber ich hab in der Schule eine Grundausbildung durchgemacht - wie alle anderen auch.“ „Was wiegst du, Max?“ Max schnitt eine säuerliche Grimasse. „Ungefähr eins-zwanzig.“ „Fein. Und hast du in der Schule auch Morsen gelernt?“ „Klar. Ich bin Kategorie Nahrung, Unterabteilung Kochen und Branchenchef, aber militärische Ausbildung habe ich auch genossen.“ „Ich bin Captain Joe Mauser. Willst du vielleicht mein Bursche werden?“ Max schnitt eine Grimasse, die sein unscheinbares Gesicht nicht gerade verschönte. „Herrjeh, ich weiß nicht recht, Sir. Eigentlich wollte ich ja wirklich was erleben, den richtigen Kampf und so. So was wie Kugelhagel. Sie wissen schon, was ich meine, Sir.“ Innerlich zuckte Joe Mauser zusammen, aber äußerlich gab er sich sehr gelassen. „Schau mal, Mainz, du findest wahrscheinlich in meiner Nähe ein viel aufregenderes Leben, 18
als du vielleicht willst. Und du willst doch lebend rauskommen, was? Oder wenigstens eine bessere Chance dafür haben? Als Infanterist hast du schlechtere Aussichten.“ Der Rekrutierungssergeant schaute von seinem Tisch auf. Max Mainz war nämlich an der Reihe. „Paß auf, Junge, und nimm eine gute Gelegenheit wahr, wenn sie dir schon in den Schoß fällt“, sagte er. „Der Captain ist einer der Besten auf dem Schlachtfeld. Von ihm lernst du mehr als anderswo, bekommst bessere Chancen für eine Beförderung, wenn du dich an ihn hältst, und auch sonst hast du's nicht schlecht.“ Joe konnte sich nicht erinnern, den Mann je vorher gesehen zu haben. „Vielen Dank, Sergeant“, sagte er trotzdem Der Mann schien zu wissen, daß Joe ihn nicht erkannte „Wir waren zusammen in der Chihuahua Reservation im Kleinkrieg zwischen den United Miners und den Teamsters, Sir.“ Das war schon fast fünfzehn Jahre her. Joe Mauser wußte nicht mehr davon als das, daß es damals ungewöhnlich viele Verwundungen gegeben hatte. Seine Seite hatte verloren, aber jetzt wußte er nicht mehr, auf wessen Seite er damals gekämpft hatte „Ja, das stimmt, Sergeant“, sagte er „Ich dachte doch, ich mußte Sie kennen. Ist schon lange her.“ „Es war mein erstes Gefecht, Sir. Wenn Sie wollen, daß ich den Burschen schnell durchpauke, Sir.“ „Bitte, ja, Sergeant“, antwortete Joe. Er wandte sich an Max „Ich weiß noch nicht, wo ich im Quartier liegen werde, wenn du aber hier fertig bist, kommst du am besten in die Offiziersmesse und wartest dort auf mich. „ „Ah, ja, okay also“, antwortete Max noch nicht ganz überzeugt. Der Sergeant schaute ihn an und sagte nachdrücklich „Sir. Wenn du militärische Grundausbildung gehabt hast, mußt du doch wissen, wie du einen Offizier anzureden hast.“ „Na, gut, Sir“, beeilte sich Max zu sagen Nun sah Joe den Mann, der hinter Max Mainz kam. Er 19
gehörte zu den dreien, die sich mit Joe wegen Max angelegt hatten, und es war jener mit der Kampferfahrung. Den Mann zeigte er nun dem Sergeanten „Dem Burschen da geben Sie lieber jetzt eine Korporalstelle. Er ist ein Veteran, und von denen haben wir sehr wenig.“ „Jawohl, Sir“, antwortete der Sergeant „Das stimmt, Sir. Komm hierher .“ Sein früherer Feind warf Joe einen dankbaren Blick zu. Nun erledigte Joe Mauser das, was ihm noch zu tun blieb und begab sich auf die Suche nach einem Mihtarschneider, der ihm rasch einen Satz der Haer-Kilts machen konnte und auch sonst alle Kleiderfragen regelte. Im Kopf überschlug er, wie viele verschiedene Uniformen er bis jetzt etwa getragen hatte. Hundert? Er notierte seine Jobs nicht einmal, vielleicht deshalb, weil er den Kampf im Unterbewußtsein ablehnte. War man erst so lange im Geschäft wie er, dann nahm man gelegentlich auch einmal eine Arbeit als Leibwächter, als Werkpolizist oder auch einen Job als Angehöriger einer ständigen Kampftruppe der einen oder anderen Firma an. Solche Stellungen waren stets ein Element der Sicherheit. Natürlich meldete man sich immer, so man ehrgeizig war, zu richtigen Kleinkriegen, und das hieß also, daß man alle paar Wochen eine andere Uniform trug. An der Tür wurde er fast von einer hastigen jungen Frau umgerannt. Er fing ihren Arm, da sie sonst gestolpert wäre, und sie funkelte ihn dafür keineswegs dankbar an. „Entschuldigen Sie bitte.“, sagte er und nahm damit die Schuld für den Zusammenstoß auf sich. „Ich fürchte, ich habe Sie nicht gesehen, Miß.“ „Das liegt wohl auf der Hand .“ Sie machte sich von ihm los und musterte ihn kalt. Irgendwie und irgendwo, wußte er, hatte er sie schon gesehen. Sie war nach der Art jener Leute gekleidet, die nicht auf Geld schauen mußten, und dazu war sie von erlesener 20
Schönheit, die noch auffallender gewesen wäre, hatte sie gelächelt. „Gibt es einen besonderen Grund, daß Sie mich so anstarren, Mister .“ „Captain Mauser“, beeilte sich Joe zu sagen „Ich fürchte, ich war ungeschickt, Miß Aber ich dachte, ich hatte Sie irgendwie schon mal gesehen.“ Zivil, dachte sie, schätzte den Typ ein und kam zum falschen Schluß. „Captain?“ fragte sie „Meinen Sie damit, daß Sie's von all denen, die ich als Oberstleutnant und General kenne, nicht weiter gebracht haben als bis zum Captain“? Joe zuckte zusammen. „Ich kam ganz von unten herauf, Miß. Captain ist für mich ein ganz ordentlicher Rang Nur wenige werden mehr als Sergeant.“ „Ha! Von unten herauf - „ Sie musterte wieder seine Kleider „Sie meinen damit wohl, Sie sind einer von Mittel? So sehen Sie nicht aus, Captain, und so reden Sie auch nicht.“ Für sie schien der Mensch erst bei der obersten Kaste zu beginnen. Natürlich meinte sie das nicht beleidigend, und das wußte er sehr genau. Sie war eben in ihre Kaste hineingeboren. „Mittel-Mitte jetzt, Miß , sagte er „Aber geboren wurde ich in der unteren Kaste.“ Sie zog eine Braue in die Höhe, ein wenig zynisch, ein bißchen spöttisch, als sei die gesellschaftliche Kletterpartie ein Witz „Zen! Da müssen Sie aber eine Menge studiert haben Sie sprechen nämlich wie einer der oberen Kaste, Captain. „ Damit war ihr Interesse an ihm erschöpft. Sie wollte weitergehen. „Moment, Miß, da können Sie nicht hineingehen“, versuchte Joe sie zurückzuhalten. Wieder hob sie die Brauen „Ich heiße Haer“, sagte sie „Und warum soll ich nicht in das Büro meines Vaters dürfen, Captain? Jetzt dämmerte ihm plötzlich, weshalb er sie erkannt zu haben glaubte. Sie hatte die verfeinerten Gesichtszüge dieses 21
überzüchteten Gockels Balt Haer. „Entschuldigen Sie“, bat Joe „Unter diesen Umständen können Sie natürlich. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß drinnen rekrutiert wird, und da rennen die Burschen halb nackt herum. Untersuchung auf Tauglichkeit, wissen Sie .“ Sie schniefte und rief ihm über die Schulter zu: „Ich bin nicht nur eine Haer, sondern auch Ärztin, Captain. Und ich werde kaum mehr rot, wenn ich einen verführerischen Mann in Unterhosen sehe.“ Damit war sie weg. Joe Mauser blickte ihr nach. Ihre Figur sah von hinten genauso einmalig aus wie ihr Gesicht von vorne. „Darauf gehe ich jede Wette ein“ , murmelte er. Hätte sie nur ein paar Sekunden gewartet, dann hätte sie erfahren woher er seinen Akzent und seine gute Erziehung hatte. Wenn man in Krankenhausbetten viel Zeit zum Lesen, zum Nachdenken und zum Studieren hat, dann wird man gelegentlich zum Rebellen gegen das Schicksal. Und genau das war Joe Mauser geworden. Als Joe Mauser die dringendsten Angelegenheiten erledigt hatte und sich in sein Quartier zurückzog war er erschöpft, und in diesem Zustand war er immer zornig auf seinen Beruf. Das kam jetzt ziemlich häufig vor. Er hatte seine unmittelbaren Vorgesetzten kennengelernt, in der Hauptsache Dilettanten der Oberen mit recht wenig Felderfahrung, und die hatten ihn absolut nicht beeindruckt. Dann hatte er seine untergebenen Offiziere gesehen, und da war er erschüttert. Captain Mausers Schwadron würde also nicht nur viel zu schwach in den Kampf gehen, sondern auch mit Offizieren die gar keine Erfahrung und mit Soldaten, die wenig davon hatten. Wenn das typisch war für die Streitkräfte von Baron Haer, dann war Balt Haers Pessimismus vollauf gerechtfertigt. Eine bedingungslose Kapitulation mußte in Erwägung gezogen werden, egal wie verheerend sie sich für 22
die Familie Haer auswirken mochte. Mit den Uniformen hatte Joe keine Schwierigkeiten. Kingston als Stadt am Rand der Catskill Reservation hatte viele Schneider, die innerhalb vierundzwanzig Stunden jede Uniform lieferten. Eine Kiltuniform hatte er sofort bekommen und jetzt im Quartier, zog er seine Jacke aus. Zu seiner Überraschung kam der kleine Mann, den er als Burschen ausgesucht hatte, in der Haer-Uniform aus einem Innenraum. Er war seinem Offizier recht geschickt beim Umziehen behilflich, aber in ihm war nichts von Unterwürfigkeit, sondern nur Respekt. Man hätte meinen können, er sei ein geschulter Diener. Joe knurrte befriedigt. „Max? Dich hatte ich ganz vergessen. Ich freue mich aber, daß du unser Quartier gefunden hast.“ „Jawohl, Sir“, antwortete Max. „Möchte der Captain vielleicht einen Drink? Hier in der Gegend ist Applejack der Drink, Sir. Mit Ingwerbier und einem Zitronenschnitz bekommt man einen erstklassigen Highball.“ Joe Mauser musterte ihn. Da schien er Glück gehabt zu haben, als er den Burschen aussuchte. „Ein Highball aus Applejack klingt wundervoll, Max“, antwortete er. „Mit Eis?“ „Selbstverständlich, Sir.“ Max verließ das Zimmer. Joe Mauser und seine jungen Offiziere waren in einem früheren Motel untergebracht, das an der Straße von Kingston nach Woodstock lag. In jedem Bungalow gab es eine Kochnische und eine Dusche. Es hatte schon gewisse Vorteile, wenn ein Gefecht in einer Gegend stattfand, die viele derartige Möglichkeiten aufwies. Joe zog seine Schuhe aus. Ja, einen Drink konnte er schon brauchen. Wieder dachte er darüber nach, ob sein Plan, das Gefecht zwischen der Vacuum Tube Transport und der Continental Hovercraft zum Vorteil der Vacuum Tube 23
Transport zu entscheiden, sich auch durchführen ließe. Je mehr er sah, wie mangelhaft die Streitkräfte des Barons Haer waren, desto mehr zweifelte er daran. Max kam mit dem Drink zurück. „Du hast doch selbst auch einen?“ fragte Joe. „Nein, Sir.“ „Na, so mache dir doch einen und setze dich zu mir. Wir wollen einander beschnuppern.“ „Gut, Sir. Jawohl, Sir“, antwortete Max, verschwand und kam fast sofort wieder aus der Küche zurück. Der kleine Bursche setzte sich. Sein Vorgesetzter musterte ihn. Wirklich, viel mehr als ein Kind war er noch nicht. Für einen Unteren, der wahrscheinlich in einer mehr als bescheidenen Hütte aufgewachsen war, schien er reichlich aggressiv. „Mach dir's gemütlich“, sagte Joe und nippte an seinem Applejack-Highball, der tatsächlich so gut war, wie Max versprochen hatte. „Das ist also mein erster Tag“, stellte Max fest. „Ich weiß. Und du hast dein Leben lang am Telly gesehen, wie sich ein Bursche seinem Vorgesetzten gegenüber benimmt. Paß mal auf, das kannst du jetzt sofort vergessen. Ich möchte, daß wir uns gut verstehen. Wenn es nämlich brenzlig wird, dann hätte ich gerne, daß mein Bursche neben mir ist und nicht einen Groll gegen mich hegt, der ihm einen Minderwertigkeitskomplex aufzwingt.“ Der Bursche schaute ihn verblüfft an. Joe trank sein Glas leer, um sich einen neuen Drink zu holen. „Zweimal haben mir meine Burschen das Leben gerettet. Ich lege es absolut nicht darauf an, unnötige Risiken einzugehen, aber es könnte sich doch eine dritte Gelegenheit ergeben.“ „Klar, Sir. Soll ich dem Captain ...“ „Ich hole ihn mir selbst. Willst du auch noch etwas?“ 24
Max räusperte sich. „Nein, Sir. Ich würge schon an dem hier.“ Als Joe Mauser zu seinem Stuhl zurückkehrte, fragte er: „Sag mal, Max, warum hast du dich von Baron Haer anheuern lassen?“ Der Bursche zuckte die Achseln. „Ich weiß selbst nicht. Vielleicht Abenteuerlust, vielleicht auch der Gedanke daran, daß all diese Fans am Telly sitzen und einen beobachten. Die Aktien, die man bekommt und vielleicht auch, das weiß man ja nie, ein Aufstieg in eine höhere Kaste Da hätte ich gar nichts dagegen.“ „Wenn das erste Gefecht hinter dir ist, dann ist dir's verdammt egal, ob dich jemand am Telly beobachtet oder nicht“, stellte Joe säuerlich fest „Und die Abenteuerlust vergeht dir garantiert auch. Natürlich, die Aktien sind schon eine andere Sache.“ „Captain, Sie zahlen nicht ganz bis unten durch“, erwiderte Max „Sie wissen ja gar nicht, was es heißt, als Mittel-Unterer geboren zu sein und kaum eine Aktie zu besitzen.“ Joe sagte darauf nichts, sondern musterte den anderen nur um so nachdrücklicher. „Klar“, fuhr Max fort, „unser System heißt Volkskapitalismus, und jeder bekommt genug Grundaktien, um ihm von der Wiege bis zum Grabe ein Minimumeinkommen zu garantieren Sie sind aber ein Mittlerer und ahnen ja gar nicht, wie bescheiden das Leben eines Unteren sein kann.“ Joe gähnte. Wäre er nicht so hundemüde gewesen, hätte er sich bei dieser Unterhaltung köstlich amüsiert. „Wenn man nicht zu den Grundaktien was dazuerwerben kann, dann ist das Leben ziemlich trüb, Captain. Aber Sie wissen das ja nicht“, fuhr Max fort. „Warum arbeitest du nicht?“ fragte Joe „Ein Unterer kann sich immer mit Arbeit etwas dazuverdienen.“ Max tat gekränkt „Was? Arbeiten, Sir, da ist doch alles so 25
automatisiert, daß man vom Arbeiten nicht mehr existieren kann. Schauen Sie, Sir, ich bin Kategorie Lebensmittelvorbereitung, Unterabteilung Kochen Branchenchef, ein Junior Verstehen Sie? Das Kochen liegt längst nicht mehr in den Händen von Dummköpfen die ein Stück Seife in die Suppe fallen lassen können Es wird automatisch erledigt. Nur Spitzenkönner, die schon fast Wissenschaftler sind, kochen noch selbst. Und die meisten von ihnen sind Obere Ist doch klar, oder?“ Joe Mauser seufzte innerlich. Also würde sein Bursche doch nicht ganz so wunderbar sein, wie er gedacht hatte. Vielleicht stammte er von Generationen von Küchenchefs ab, aber von seinem Beruf brauchte er trotzdem nicht allzu viel zu verstehen. Er selbst war in der Kategorie Bekleidung, Unterabteilung Schuhe, Zweig Reparatur, geboren. Wer ließ aber heute noch Schuhe reparieren? Man warf sie weg, ehe sich die ersten Abnutzungsspuren zeigten. In einer Wegwerfgesellschaft hatten Reparaturen jede Daseinsberechtigung eingebüßt. Höchste Zeit, daß die Regierung einmal die ganzen Kategorien durchfilzte und neu einteilte. Damit wären dann leicht die meisten Probleme der Bevölkerung zu lösen Natürlich mußte man sich dann wieder überlegen, was man mit den zahlreichen beschäftigungslosen Technikern anfangen sollte. „Und die einzige Möglichkeit, die ich sah, um in eine höhere Kaste aufzusteigen, war die, genügend Aktien zu verdienen. Sie wissen ja selbst, was das heißt. Entweder Kategorie Militär oder die Religion. Und über Religion weiß ich gar nichts.“ „Theoretisch kannst du doch von einer Kategorie in jede andere überwechseln“, wandte Joe ein. Max schniefte. Theoretisch, ja Sir, haben Sie vielleicht schon mal von einem Unteren oder sogar einem Mittleren gehört, der in die oberen Kategorien aufstieg, wie zum Beispiel 26
ins Bankwesen?“ Joe schmunzelte. Der Bursche gefiel ihm, denn er hatte Pfeffer im Blut. Wenn er so blieb dann konnte er ihn vielleicht zum nächsten Gefecht mitnehmen. „Ich sage ja gar nichts gegen die Regierung oder die alte Arbeitsweise aber Ihnen, Captain, kann ich´s ja erzählen. Von Jahr zu Jahr wird's einem schwerer gemacht, in der Kaste aufzusteigen oder ein paar zusätzliche Aktien zu verdienen.“ „Max bei uns gibt es keine alten Arbeitsweisen mehr.“ erklärte Joe. Vielleicht in Ägypten noch, die kommen aus ihren eingefahrenen Geleisen nicht heraus. Aber die Gesellschaftswissenschaft und die Wirtschaft sind in einer ständigen Fortentwicklung begriffen, und es gibt kaum ein Land mehr, wo man so arbeitet wie vor fünfzig Jahren. Unser heutiges Wirtschaftssystem ist praktisch ein Auswuchs der früheren Systeme. Der Wohlfahrtsstaat, das Einfrieren auf einen Status quo, der Kalte Krieg zwischen den West- und den Ostmächten, die industrielle Automation, die eine sinnvolle Beschäftigung für den einzelnen überflüssig macht - all diese Dinge waren im Ansatz schon vor fünfzig Jahren vorhanden. „Vielleicht haben Sie da recht, Sir, aber Sie müssen doch zugeben, daß wir noch das altmodische Zweiparteiensystem, die Verfassung und so weiter haben, und das ist doch alles schon recht alt.“ Allmählich bekam Joe die Unterredung satt. „Welchen Wert hat ein Zweiparteiensystem, wenn es keinen Unterschied zwischen den Parteien gibt?“ antwortete er.“ Diese Pseudodemokratie geht doch bis ins zwanzigste Jahrhundert zurück, wo man Gesetze erließ, die die Gründung neuer politischer Parteien unterband. Da sie sich gemeinsam gegen dritte und vierte Parteien sperrten, wurden sie einander immer ähnlicher. Wahlen wurden damit zu einer Farce. Im Westen und im Osten unterscheiden sich die Wahlen nicht sehr voneinander. Im Westen stellen sie zwei Männer auf, und man 27
wird gefragt. Welchen von den beiden wollt ihr? Und im Osten steht nur einer zur Wahl, und auch da wird gefragt: Welchen einen wollt ihr? Sonst gibt es da keinen Unterschied.“ „Ja, sehen Sie, Sir, der Wahltag stellt das ganze System auf den Kopf. Da gilt der Untere ebensoviel wie der Mittlere und der Obere. Da hat jeder alles, und es ist egal, wieviel Aktien einer besitzt. Jeder ist ebenso gleich wie jeder andere.“ Joe feixte innerlich über diesen unfreiwilligen Humor „Klar, klar“, seufzte er „Am Wahltag ist keiner freier als jeder andere.“ „Und was soll daran schlecht sein?“ Max blieb stur.“ Ihr Mittleren und Oberen wißt ja nicht, wie es einem Unteren zumute ist.“ „Quatsch!“ erklärte Joe scharf „Ich bin selbst als MittelUnterer geboren. Mir kannst du einen solchen Unsinn nicht erzählen.“ Max starrte ihn entgeistert an. Plötzlich war Joe wieder besänftigt „Max, hol noch ein paar Drinks für uns, dann erzähle ich dir eine Geschichte.“ Dann tat es ihm doch leid, dieses Angebot gemacht zu haben. Seine Geschichte hatte er seit vielen Jahren keinem Menschen mehr erzählt. Das letztemal war's ausgerechnet an einem Wahltag, und er war ziemlich betrunken gewesen. Sein Zuhörer war damals ein Unter-Oberer gewesen, ein Aristokrat von Familie. Du lieber Himmel, hatte der Mann gelacht. „Max, ich bin in derselben Kaste geboren wie du“, sagte er schließlich „Durchschnittliche Eltern und Geschwister. Sie saßen glücklich und zufrieden den ganzen Tag am Telly und gaben sich mit den Aktien zufrieden, die ihnen ein einfaches Leben garantierten. Mich hielten sie für verrückt, weil es mir nicht genügte. Mein Vater war der Meinung, was für ihn gut genug sei, müsse es auch für mich sein. Sogar die Mädchen waren Gefechtsfans. Wenn die Kamera 28
auf einen blutenden Verwundeten einschwenkte, schrien sie vor Begeisterung. Ähnlich war es damals in den Arenen der Römer, denn die hatten auch ihre Kamera auf das Gesicht eines sterbenden Gladiators gerichtet.“ „Von Ihrem Beruf scheinen Sie nicht allzuviel zu halten, Sir.“ Joe stand auf und stellte sein Glas ab „Ich will mich kurz fassen, Max. Es stimmt, daß du nur über die Kategorien Militär und Religion aufsteigen kannst, und die Religion konnte ich absolut nicht verdauen, noch viel weniger als das Militär. Ich entschied mich also für das kleinere Übel. Es gibt nur wenig Leute von oben, die sich auf intelligente oder schlaue Weise hinaufarbeiten konnten; manche waren tapfer oder stark, Beharrliche oder Opportunisten. Ich weiß nicht, wo ich da hineinpasse, aber ich habe jedenfalls dagegen rebelliert, in der unteren Klasse einer vielschichtigen Gesellschaft zu bleiben. Ich werde mir meinen Weg bis ganz nach oben erkämpfen. Mir stellt sich nichts in den Weg. Habe ich mich jetzt deutlich ausgedrückt?“ „Jawohl, Sir“, antwortete Max. Der Nachdruck, mit dem sein Vorgesetzter sprach, beeindruckte ihn zutiefst. * Nachdem er seine Morgenpflichten erfüllt hatte, kehrte Joe Mauser in sein Quartier zurück, zog Zivilkleider an und befahl auch dem verblüfften Max, dies zu tun. Der Termin des Gefechts rückte immer näher, und jede Menge Fans strömte nach Kingston, um die Atmosphäre drohenden Todes zu genießen. Jeder wollte einmal miterleben, wie es am Rand einer militärischen Reservation unmittelbar vor einem Waffengang zuging. Es wurde viel getrunken, viel getanzt, gelacht und gesungen, und von Moral hielt kaum einer mehr etwas. Die Zivilisten luden die Soldaten zum Trinken ein, 29
und die Frauen waren versessen auf die angehenden Helden. Die Aura künftiger Gefahr schien die Frauen zu locken, und für die meisten war es ein Nervenkitzel besonderer Art, mit einem der Soldaten auszugehen und sich zu vergnügen, um ihm dann am Telly zuzuschauen, wie er tötete oder selbst getötet wurde. „Wohin gehen wir jetzt, Captain?“ fragte Max. „Zum Flughafen. Komm mit.“ Sie stiegen in Joe Mausers Sport-Hovercar, und kaum hatten sich die beiden zurechtgesetzt, als Joe auch schon mit der linken Hand den Steighebel zurückdrückte. Das Luftkissenfahrzeug beschleunigte sehr schnell. „Also wirklich, Sir, das ist ja großartig! Ich war noch nie in einem so rasanten Ding. Die Aktien eines Mittel-Unteren reichen für so schicke Sachen nicht ...“ „Streich das Thema“, fiel ihm Joe ins Wort. „Mir wäre lieber, ich würde mal was von einem organisierten Protest gegen unser gegenwärtiges wirtschaftspolitisches System sehen.“ „He, Sir, verstehen Sie mich nur nicht falsch! Was für Pappi gut genug war, ist's auch für mich. Sie kriegen mich nicht dazu, gegen die Regierung zu reden.“ „Hm. Dann halten wir uns also an die Klischees, mit denen wir den Status quo erhalten, den Volkskapitalismus.“ Dieser Sarkasmus war für Max zu tiefsinnig, so daß er ihn nicht begriff. „Was ist schon schlecht am Volkskapitalismus?“ fragte er.“Verdammt besser als das System der Sovs.“ „Wir klammern uns an eine Illusion, die drüben an eine andere, Max“, erklärte Joe mißmutig. „Die drüben sind der Meinung, alle Produktionsmittel seien in der Hand des Volkes. Schön. Kontrolliert werden diese Produktionsmittel aber von den Parteimitgliedern, und die schauen schon darauf, daß sie selbst nicht zu kurz kommen. Die dortige Parteihierarchie ist auch nichts anderes als unsere 30
Kaste der Oberen.“ „Ja, darüber habe ich eine Menge am Telly gesehen. Wissen Sie, wenn gerade kein Kleinkrieg übertragen wird, schau ich mir gerne die Bildungsprogramme an. Drüben geht's ziemlich rauh zu, aber bei uns haben die Leute die Firmenaktien und beziehen ihr Einkommen daraus.“ „Wenigstens ist es eine hübsche Geschichte“, bemerkte Joe dazu. „Uns läßt man wenigstens die Illusion, wir hätten einen Volkskapitalismus und alles Aktienkapital sei in der Hand des Volkes. In Wirklichkeit ist es aber so, daß der größte Teil des Kapitals in den Händen der Oberen liegt, und was die Mittleren und Unteren haben, sind doch kaum Tropfen auf einem heißen Stein. Den Oberen gehört das Land, und sie verwalten es so, damit sie Nutzen daraus ziehen.“ „He, Sir, Sie sind doch hoffentlich nicht auch einer von diesen Sovs?“ fragte Max entrüstet. Nun näherten sie sich dem Parkplatz beim Flughafengebäude. „Nein, ein Sov bin ich nicht, sondern nur ein MittelMittlerer, der sich hinaufgeboxt hat“, antwortete Joe leise. Sie stiegen aus und gingen rasch ins Verwaltungsgebäude; Joe zeigte am Empfang seinen Ausweis und verlangte ein leichtes Flugzeug für drei Stunden. „Sie müssen ein bißchen warten“, sagte der Sekretär. „Eine ganze Reihe von Offizieren für das nächste Gefecht haben Taxifahrzeuge gemietet, und sie gehen weg wie die warmen Semmeln.“ Überraschend kam das für Joe Mauser nicht. Jeder tüchtige Feldoffizier schaute sich eine Schlachtreservation vor dem Kampf an. Man durfte natürlich während des Gefechts keine Flugzeuge einsetzen, denn die hatte es ja erst im zwanzigsten Jahrhundert gegeben. Kampfflugzeuge waren ebenso in den Militärdepots stillgelegt worden wie Nuklearwaffen, Tanks und 31
sogar uralte mit Benzin betriebene Propellermaschinen. Schon der Bau eines Kampfflugzeugs hätte die Meute der Militärattaches zum Heulen gebracht wie ein Rudel Wölfe. Bei jedem Gefecht waren etliche hundert Militärberater anwesend, die haarscharf aufpaßten, ob illegale moderne Waffen und Geräte benutzt wurden. Manchmal zweifelte Joe Mauser daran, daß die Beobachter der Westwelt bei den Sovs ebenso kleinlich waren wie umgekehrt. Möglich. Aber sie hatten drüben nicht dasselbe System genehmigter Kleinkriege wie in der Westwelt. Sie setzten sich und blätterten die ausgelegten Magazine durch. Von Zeit zu Zeit fand Joe Mauser sein eigenes Bild. Er war eine Berühmtheit etwa dritten Grades, vor allem wohl deshalb, weil er schon solange im Geschäft war. Glück hatte er bisher nicht allzuviel gehabt. Die Tellyfans wollten Siege, mörderische Situationen und sadistische Erregung. Seine Erfolge hatte Joe meistens mit Rückzügen oder hinhaltenden Kämpfen errungen. Das wußten seine Vorgesetzten zu schätzen, und wer mit Verstand am Telly die Gefechte verfolgte, der kannte ihn. Man brauchte Mut, Erfahrung, Glück und Entschlußfreude, wenn man in der Kategorie Militär vorankommen wollte. Und diesmal, das schwor sich Joe, wollte er es. „Ah, Captain Mauser!“ sagte eine Stimme. Joe sah erst auf, dann stand er auch schon und setzte zu einem zackigen Gruß an, als ihm einfiel, daß er ja nicht in Uniform war. „Meine Komplimente, Marshall Cogswell“, sagte er. Der andere war ein schlanker, schmal gebauter Mann mit einem erstaunlich kräftigen, knochigen Gesicht. Seine Stimme war klar und scharf. Er trug ebenso wie Joe Zivil. Die beiden schüttelten einander die Hände. „Ich höre, Sie haben sich mit Baron Haer zusammengetan, Captain“, sagte der andere. „Und ich hatte geglaubt, Sie würden sich bei mir melden. Ich hätte einen Platz für einen 32
guten Feldoffizier. Mir hat es gefallen, wie Sie beim letzten Gefecht angriffen.“ Der Marshall sah Joe erwartungsvoll an. „Man hat mir besonders gute Bedingungen geboten, Sir“, behauptete Joe. „Viel zu gut, als daß ich hätte widerstehen können.“ Der andere nickte, als komme er innerlich zu einem befriedigenden Entschluß. „Baron Haers Verbindungen, was? Hat er Ihnen vielleicht einen Sprung in eine höhere Kaste angeboten?“ Joe Mauser wurde rot. Stonewall Cogswell wußte, worüber er sprach. Er war als Mittlerer geboren und hatte sich zu den Oberen hinaufgeboxt. Joe brauchte dazu alles in allem ein wenig länger, und sein Pfad war auch vielleicht steiniger. Ein Aufstieg von den Unteren zur Mitte war noch schwieriger als von der Mitte zu den Oberen. „Ich fürchte, Sir, ich kann über meinen militärischen Kontrakt nicht diskutieren“, antwortete er steif. „Wir sind zwar in Zivil, aber schließlich ...“ Cogswell lächelte. „Das verstehe ich ja, Joe. Na, dann also viel Glück, und ich hoffe, für Sie entwickelt sich im kommenden Gefecht alles zufriedenstellend. Vielleicht kommen wir bei Gelegenheit wieder einmal als Kampfgefährten zusammen.“ „Vielen Dank, Sir“, antwortete Joe. Cogswell, mit seinem Stab im Gefolge, ging weiter, und Joe schaute ihnen nach. „Wer war denn das, Sir?“ fragte Max. „Der sieht wie ein ganz zäher Bursche aus.“ „Das ist er auch“, erwiderte Joe. „Das war Stonewall Cogswell, der beste Feldkommandant von ganz Nordamerika.“ Max spitzte die Lippen. „Den hab ich noch nie anders als in Uniform gesehen. Ich 33
hätt' geglaubt, er sei viel größer, und dabei ist er fast so klein wie ich.“ „Er kämpft ja auch mit dem Gehirn, und dazu braucht er nicht allzu groß zu sein“, antwortete Joe. „Woher hat er denn seinen Spitznamen?“ „Stonewall? Er soll, wie man hört, der Schüler eines besonders tüchtigen Generals gewesen sein, und er bedient sich auch einiger der Taktiken des alten Generals Stonewall.“ „Das muß aber schon lange her sein, Sir, denn einen solchen General hab ich noch nie am Telly gesehen.“ „Ja, ist schon lange her. Hundert Jahre nach diesem General wußte man nicht mehr, wofür oder wogegen oder aus welchem Grund er gekämpft hatte. Ich persönlich ...“ Da wurde er unterbrochen, denn sein Flugzeug stand bereit. Max Mainz folgte Joe zu den Hangars. Der Captain hatte die Absicht, das Flugzeug selbst zu steuern, und der alte Stonewall Cogswell hätte sich gewundert, hätte er geahnt, wonach Joe Mauser Ausschau hielt. 4. Joe Mauser ließ den Mini-Jet erst ziemlich hoch hinaufziehen und ging dann über dem Schlachtfeld wieder herunter. Er sah sehr nachdenklich drein. „He, Captain, nicht ganz so wild!“ protestierte Max Mainz. Joe sah ihn an. „In einem so kleinen Ding hab ich noch nie gesessen.“ „Ah, so!“ Joe grunzte in sich hinein. Er zog also ein bißchen weniger steil nach unten. „Wenn wir über die Runden kommen, müssen wir dich im Fliegen ausbilden lassen, Max.“ Sein Bursche war ein bißchen verlegen. 34
„Sir, Sie meinen, ich soll Pilot werden?“ „Weißt du, Max, eines mußt du gleich zu Anfang lernen: Das Leben eines Söldners spielt sich nicht nur am Telly ab, und es unterscheidet sich ein bißchen von dem, was dort gezeigt wird. Je mehr du über das weißt, was zu deinem Geschäft gehört, desto besser bist du dran, selbst wenn du glaubst, es hätte nur entfernt damit zu tun. Auf dem Bildschirm siehst du's natürlich nicht, wenn du was von Erster Hilfe verstehst und selbst ein halber Arzt bist, aber dir nützt es und deiner Umgebung, und ein solches Wissen ist unbezahlbar. Es nützt dir viel, wenn du ein guter Schwimmer bist, ein guter Reiter, ein guter Kletterer. Und vor allem mußt du ein Meister im Überleben sein. Du mußt dir deine Nahrung im Wald, im Sumpf, auf einem kahlen Berg, sogar in der Wüste zusammensuchen können. Du mußt ein mechanischer Zauberer sein, der nicht nur jede Waffe reparieren kann, deren Einsatz genehmigt ist, sondern du mußt auch einen Telegrafen ebenso bedienen können wie eine Signalanlage. Du mußt besser als andere Gräben ausheben können, viel besser sogar als der Unter-Untere, der seinen Lebensunterhalt mit der Schaufel verdient.“ „Gr-gräben ausheben, Sir? Wer will denn schon Gräben ausheben? Sir, deswegen bin ich nicht in eine andere Kategorie übergewechselt, um Gräben auszuheben.“ „Wir nennen sie ja auch Unterstände, Max. Und je eher du lernst, wie ein Maulwurf zu graben, desto besser. Das merkst du erst, wenn sich die Mörser auf dich einschießen.“ „Jawohl, Sir. Natürlich, Sir“, antwortete Max ziemlich kleinlaut. „Und auf Bäume mußt du auch schneller klettern können als jeder Lausebengel, schneller in einen Stollen absteigen als jeder Bergmann. Im Laufe der Jahre werden solche Dinge viel wichtiger als ein bißchen Schießen oder Messerstechen. Es ist sogar so, daß du ein Handgemenge nach Möglichkeit 35
vermeiden sollst. Du kannst durchaus ein halbes Dutzend Gefechte mitmachen, ohne daß du auch nur einmal unmittelbare Feindberührung hast. Aber ich habe noch nicht ein Gefecht erlebt, in dem es nicht notwendig gewesen wäre, sich ein Schützenloch zu graben.“ „Ja, klar ... Aber wofür soll das Fliegen gut sein? Im Kampf selbst darf doch keiner ein Flugzeug benutzen, Captain. Sogar ich weiß das.“ Joe ließ die Maschine in Richtung Hangar laufen. „Max, du kannst es dir nicht leisten, nicht alles zu tun, um deine Karten nach Möglichkeit zu verbessern. Wenn es dir gelingt, deine Chancen nur um ein Prozent zu verbessern, dann gibt dieses eine Prozent vielleicht sogar den Ausschlag, damit du überlebst. Jeder alte Pro, der an diesem Gefecht teilnimmt, hat sich das Gelände angesehen. Stonewall Cogswell hat in dieser Reservation schon einige Male gekämpft. Ich allein weiß von drei Gefechten hier. Aber wo ist er jetzt gerade? Er und sein Stab hängen wieder über der Reservation, damit ihnen ja nicht die geringste Geländefalte entgeht. Und warum? Vielleicht hat er diese oder jene Kleinigkeit inzwischen vergessen, wenn es auch beim Marshall nicht besonders wahrscheinlich ist. Es kann aber seit seinem letzten Kampf eine neue Straße gebaut worden sein, oder die Wasserläufe führen mehr oder weniger Wasser als gewöhnlich. Ein Waldbrand kann die Deckung vom letztenmal restlos vernichtet haben, und so gibt es noch viele Möglichkeiten, Max. Stonewall Cogswell wird sich jedes Quentchen an Information beschaffen, an das er gelangen kann.“ „Au, verdammt!“ murmelte Max. „Und ich hab geglaubt, bei der Kategorie Militär sei es ziemlich unwichtig, ob einer gebildet ist oder nicht. So wie Sie's sagen, Sir, müßte man eigentlich Professor in der Kategorie Erziehung sein, eh man es zum Sergeanten bringt.“ Vor den Hangars kamen sie zum Stehen, und Joe stellte die 36
Maschine ab. Er fischte seine Zettel zusammen, auf denen er seine Notizen gemacht hatte, und gab die Maschine ab. Er war sehr nachdenklich. Die Zeit war gut genutzt gewesen, aber wenn er seine Aufzeichnungen durchgegangen war, mußte er noch einen Flug unternehmen. Was er Max gesagt hatte, stimmte nur allzu genau. In der Kategorie Militär wurde man nur dann ein alter Pro, wenn man sich unendlich viel Mühe gab. Für ihn ging es aber diesmal nicht nur um das nackte Überleben; das war sein großer Versuch. „Captain Mauser, kann ich von Ihnen ein Autogramm bekommen?“ rief ihm jemand nach, als er zum Verwaltungsgebäude ging, um seine Gebühr zu bezahlen. Er drehte sich um und setzte das Lächeln für die Fans auf, aber dann lachte der Mann. Es war nämlich Freddy Solingen, der Telly-Reporter, der ihn am Tag vorher kurz interviewt hatte. Der Reporter hatte sich mit seiner Mannschaft so geschickt im Schatten aufgestellt, daß er jeden sehen konnte, der kam oder ging, selbst aber kaum bemerkt wurde. „Hallo, Freddy!“ Joe grinste. „Kann ich vielleicht das Ihre haben? Jemand muß ja schließlich auch die Autogramme der Reporter sammeln, die bei soviel Scharmützeln mitgemacht haben wie Sie.“ Freddy Solingen schien auf dem Flugplatz zu sein, weil er sich hier einiges wichtige Material erhoffte. Joe wußte, daß dies zum Spiel gehörte. Kleine Gefechte gab es in Hülle und Fülle, aber die interessierten kaum einen. Der Konflikt zwischen der Vacuum Tube Transport und der Continental Hovercraft war schon eine größere Sache, und Gefechte in dieser Größenordnung gab es pro Jahr höchstens zehn oder zwölf. Um den Fans etwas zu bieten, brachte man in der Zwischenzeit ziemlich viel Fiction oder das, was Freddy jetzt machte. Außerdem wollten natürlich die verschiedenen Kampfmagazine auch Material zur Veröffentlichung, und von 37
denen gab es eine ganze Menge. „Ha! Das wird ein Tag, wenn es einem einfällt, einen TellyReporter um ein Autogramm zu bitten!“ rief Freddy. „Diese Dummköpfe ahnen ja nicht einmal, daß einer hier die Kamera dirigieren muß, um die Action einzufangen, ohne sofort abgeschossen zu werden.“ „Sie werden es ertragen können, Freddy. Ihre Kollegen gehen ja nie so nahe heran. Deswegen sind ja überall auf dem ganzen Kampffeld diese Telly-Boxen. Viele von eurem Verein sind mitten im Kampf so sicher wie die Fans, die vor ihren Geräten hocken.“ „Captain, vielen von meinen Freunden würde das nicht passen, was Sie da sagen.“ „Das werde ich einstecken können, Freddy. Von Ihnen habe ich ja nicht geredet, und ich habe es noch nicht vergessen, wie Sie und ein paar Ihrer Kollegen bei mir auf diesem verdammten Hügel ausgehalten haben.“ „Ah, ja!“ Freddy nickte. „Wissen Sie“, sagte er nachdenklich, „jetzt kenne ich Sie wirklich schon ziemlich lange, und das sind, glaube ich, mindestens fünfzehn Jahre. Und immer waren Sie irgendwo in der Nähe. Warum sind Sie eigentlich noch Captain, Captain?“ Joe Mauser wurde ein wenig rot. „Und was tun denn Sie noch mit Ihrem Kamerateam auf den Kriegsschauplätzen?“ entgegnete er. „Nach so langer Zeit müßten Sie die Oberaufsicht über das ganze Gefecht haben.“ Freddy fühlte sich nicht betroffen. „Sie müßten es besser wissen, Captain. In der Kategorie Kommunikation gibt es wenig Beförderungsmöglichkeiten. Alles ist eingefroren. Der Bursche, der die Oberaufsicht in diesem Gefecht hat, sitzt gemütlich in seinem klimatisierten Büro in Kingston und gibt Befehle an die Kamerateams hinaus. Und zu denen gehöre eben ich auch. Der Mann war noch nie auf einem Kriegsschauplatz. Er hat's ja nicht nötig, weil er zum 38
Direktor geboren wurde. In der Kategorie Militär ist's aber doch anders. Wenn man am Ball bleibt, kann man ganz schön ein paar Ränge überspringen.“ „Vielleicht bin ich nicht fotogen genug, Freddy“, erwiderte Joe achselzuckend. „Den Fans liegt nicht sehr viel an mir.“ Freddy legte den Kopf schief. „Nein, das ist es nicht“, antwortete er ernsthaft. „Zum Beispiel Ihre leicht überhebliche Art ...“ Joe zog die Brauen hoch. Freddy schniefte. „Das wissen Sie gar nicht? Die meisten anderen bemühen sich, diese würdige Überlegenheit des Militärs zu lernen, und Ihnen paßt sie wie ein Handschuh. Sie schauen genau aus wie der Anführer einer Scharfschützentruppe, die in einer kitzligen Situation die Kastanien aus dem Feuer holt. Ich wundere mich eigentlich, daß Sie nicht mit einem einzigen Anlauf oben gelandet sind. Sie müßten sich was ausdenken, Captain, das uns Kameraleute zwingt, sämtliche Linsen auf Sie einzuschwenken. Zum Beispiel die Gefangennahme von Stonewall Cogswell oder etwas dergleichen.“ Einen Augenblick lang überlegte Joe Mauser, ob Freddy Solingen wohl etwas von seinem Geheimnis ahnte; das nämlich, etwas zu tun, was nicht nur Aufsehen erregte, sondern eine richtige Sensation wurde. Aber nein, das war unmöglich, denn Joe hatte mit keinem Menschen auch nur andeutungsweise darüber gesprochen. Die geringste Indiskretion würde den ganzen Plan entscheidend gefährden. „Vielleicht haben Sie recht, Freddy“, antwortete er.“Können Sie etwas unter Ihrem Hut behalten?“ Freddy schob seinen Hut keß auf ein Ohr und kniff vielsagend ein Auge zu. „Captain, ich hab schon so viel unter meinem Hut behalten, daß kaum mehr Platz ist für meinen Kopf.“ „Klar, Solingen. Auf Ihrem Gebiet sind Sie ja auch ein alter 39
Pro. Ungefähr so wie ich auf dem meinen.“ „Okay. Ich hab nur keine Geige für ein Solo für Sie zur Hand. Was soll ich also tun?“ „Möglichst mit Ihren Kameras in meiner Nähe bleiben, Freddy.“ „Und das ist alles, Captain? So grün sind Sie ja doch wirklich nicht mehr. Jeder von der Kategorie Militär will doch dasselbe.“ Er schniefte verächtlich, und sicher war er auch ein wenig enttäuscht. „Diesmal haben Sie mich ja ziemlich an der Nase rumgeführt, Captain.“ „Ach, zum Teufel, Freddy, vergessen Sie's“, sagte er. „Auf später dann.“ Und damit ging er weiter. Max Mainz folgte ihm. Der Telly-Reporter sah ihm stirnrunzelnd nach. “Ja, ich sehe Sie später noch, Captain. Hoffentlich rennen Sie nicht direkt in ein Schlamassel hinein.“ „Auch alles Gute!“ schrie Joe über die Schulter zurück. Aber Solingen hatte noch immer eine Menge zum Nachdenken. Sein Reporterinstinkt sagte ihm, daß hier irgend etwas ausgebrütet wurde. Es sah Captain Mauser nicht ähnlich, einem Telly-Reporter zuzublinzeln und ihn aufzufordern, ein paar Kameras auf ihn einschwenken zu lasse. Um Publicity ging es ihm sicher nicht. Aber ... Freddy Solingen sah eben Stonewall Cogswell landen und sammelte seine Leute ein, um den General zu interviewen. Aber sein kleines, schlaues Gesicht war noch immer sehr nachdenklich. * Schweigend fuhren sie in ihr Motel zurück. Max Mainz war sich natürlich nicht darüber klar, was das Ergebnis dieses Fluges sein konnte, denn er selbst hatte aus einigen tausend 40
Fuß Höhe eigentlich recht wenig erkennen können. Vor dem Motel parkte der Captain sein Luftkissenfahrzeug und ließ Max seine Sachen hineintragen. Joe Mauser zog seine Jacke aus, warf sie über einen Stuhl und ging zur Kochnische. Auf der Anrichte standen etliche Flaschen, eine davon enthielt Tequila. Er goß sich ein Glas der wasserklaren Flüssigkeit ein und trank es in einem Zug leer. Halt, was sollte das um diese Tageszeit? Er stellte die Flasche weg und ging ins Wohnzimmer. Er war mit sich selbst unzufrieden. Ein Trinker? Nein, das war er nicht und würde er auch nicht werden wollen. Er schaltete die Nachrichtenwiedergabe ein. Ein Mädchen in Haer-Uniform erschien auf dem Schirm; vermutlich eine Büroangestellte, die Kampfnachrichten bringen sollte. „Captain Mauser, bitte melden Sie sich so schnell wie möglich beim Erkennungsdienst.“ Das war eine Schallplatte, und man konnte darauf nicht antworten. Andere Mitteilungen und Nachrichten lagen nicht vor Joe Mauser zuckte die Achseln und begab sich ins Schlafzimmer, um seine Kavallerieuniform anzuziehen. Jetzt ärgerte er sich, daß er das Glas Tequila getrunken hatte, denn sein Atem mußte noch riechen. Doch dann gab er sich einen ungeduldigen Ruck. Was ging das die Leute im Hauptquartier an? Wahrscheinlich genehmigte sich jeder Offizier der Haer-Streitkräfte gelegentlich mehr als einen Drink. „Ich muß nach Kingston“, rief Joe zu Max hinaus „Du kannst den Rest des Tages frei haben, wenn du willst Morgen fangen wir dann an, die Rekruten zu drillen. Falls möglich“, fügte er hinzu. „Ich glaub, Sir, ich stürz mich auch in meinen Kilt und geh in die Stadt, um zu sehen, was sich da tut.“ Soll Max sein Vergnügen haben, dachte Joe, als er das Motel verließ.
41
* Das Büro des Erkennungsdienstes fand er ganz leicht. Es lag dem Rekrutierungsbüro gegenüber. Immer noch standen dort künftige Rekruten an, um sich anwerben zu lassen. Baron Haer schien immer noch weitere Truppen aufzustellen, und wenn das bis zum allerletzten Moment so weiterging, dann blieb keine Zeit mehr für auch nur die knappste Grundausbildung. Zwei Posten salutierten, als er das Büro betrat, und am Schreibtisch saß ein gehetzt dreinsehender Kavallerie-Captain. „Major Mauser meldet sich zur Stelle“, sagte Joe. Der andere nickte. „Gehen Sie nur hinein, Major. Der Colonel erwartet Sie schon.“ Das hatte er wissen müssen, der Kommandierende Offizier des Erkennungsdienstes war kein anderer als Balt Haer, prächtig wie immer und arrogant wie immer klatschte er sein Stöckchen gegen die Wade. Seine Antwort auf Joes Salut war fast beleidigend, weil er nur andeutungsweise das Stöckchen an den Kopf hob. „Zen, Captain, wo haben Sie gesteckt?“, tadelte er „Wohl rumgesoffen, was? Wir müssen allmählich Organisation in die Dinge kriegen.“ Joe Mauser war ein erfahrener Mann und ließ diesen Vorwurf an sich ablaufen „Nein, Sir“, antwortete er „Ich fuhr zum Flugplatz, mietete eine Maschine und erkundete das Terrain, in dem wir zu kämpfen haben. Ich darf erwähnen, daß ich Marshall Cogswell und seinen gesamten Stab draußen erkannte, die dasselbe taten wie ich.“ „Ach nein! Wirklich? Und welchen Eindruck haben Sie vom Terrain, Captain?“ Joe zuckte die Achseln „Hauptsächlich Berge, Hügel, Wälder, kleine Wasserläufe. Keine nennenswerten Flüsse. Gute Erkundungen werden in diesem Fall viel ausmachen, Sir. 42
Diesmal wird auch die Kavallerie wichtiger werden als die Artillerie oder Infanterie. Es kommt darauf an, wer mit den meisten Leuten am schnellsten dort ist.“ „Ah, vielen Dank für Ihre Meinung, Captain“, antwortete Balt Haer amüsiert „Zum Glück ist unser Stab im großen und ganzen auch zu dieser Ansicht gekommen. Man wird zweifellos sehr froh sein, wenn man Ihre Ansicht hört und sich danach richten darf.“ Diese Tonart kannte Joe längst, und er machte sich nichts daraus. „Ihr Schwadron untersteht als Aufklärungstruppe meinem Kommando“, fuhr Balt näselnd fort „Ich nehme doch an, daß Sie kavalleristische Erfahrung haben, oder?“ „Jawohl, Sir, in Gefechten über fünfzehn Jahre sowohl infanteristische als auch kavalleristische Erfahrung. Auch Artillerie, um genau zu sein. In erster Linie jedoch Kavallerie und Infanterie, Sir.“ „Schön. Und jetzt zu dem Grund, weshalb ich Sie hierhergebeten habe. Gestern deuteten Sie im Büro meines Vaters an, daß Sie einen grandiosen Plan hatten, der den Truppen meines Vaters den Sieg garantieren wurde. Dann lehnten Sie es aber mit einer mageren Entschuldigung ab, sich weiter darüber zu äußern. Ich möchte Ihre Meinung darüber hören, wie sich die Vacuum Tube Transport aus einer, milde ausgedrückt, dürftigen Lage herausmanövrieren kann.“ Joe Mauser sah sich im Raum um. Es war ein improvisiertes Firmenbüro, wenn auch jetzt an den Wänden Generalstabskarten der Catskil Reservation hingen. Die martialische Dekoration in Form gekreuzter Säbel und einer Kriegsfahne, die schon einmal einen Kampf erlebt zu haben schien, unterstrich den jetzigen Zweck des Büros. Anwesend waren noch zwei Sekretärinnen, die auf Schreibmaschinen herumhackten, und zwei von Balt Haers jüngeren Offizieren. Sie alle schienen für die Unterhaltung zwischen Balt Haer und 43
Joe Mauser kein Interesse aufzubringen Sie unterhielten sich lieber über Privatangelegenheiten. Joe überlegte genau. Schließlich war dieser Fatzke sein Kommandant. „Sir, was ich mir vorstelle, ist ein neuer Trick. Wenn ich jetzt darüber spreche und es sickert auch nur das geringste davon durch, dann ist nichts mehr damit zu machen.“ Haer musterte ihn kalt „Und Sie halten mich wohl nicht für fähig, über Ihren - äh - Trick zu schweigen? Sie sagten doch ’Trick’, nicht wahr.“ Nun schauten die beiden jungen Offiziere und die Frauen doch von ihrer Arbeit auf. Vermutlich bewunderten sie die Überlegenheit ihres Kommandeurs. „Diese Leute von meinem Stab, Captain Mauser, sind Angestellte, denen ich vollauf vertraue“, fuhr Balt Haer fort „Und sie sind auch nicht nur für eine Woche oder zwei angeheuert, sondern alte, treue Leute.“ „Jawohl, Sir“, antwortete Joe „Aber ich habe die Erfahrung gemacht, daß ein Geheimnis immer nur bei einer Person gut aufgehoben ist. Für zwei Menschen ist es doppelt so hart, es zu bewahren, und dann setzt es sich in einer geometrischen Reihe fort.“ Das Stöckchen des jungen Haer begann einen wilden Tanz an der Wade. „Und wenn ich Ihnen sage, daß ich Ihnen einen Befehl erteile? Zu Tricks, die angeblich unsere Truppen vor einem Desaster bewahren, habe ich wenig Vertrauen, und es paßt mir nicht, wenn ein Feldmajor mit seiner Schwadron solche Bienen unter seiner Mütze hat, statt meinem Kommando zu gehorchen.“ „Dann, Sir verlange ich, daß diese Angelegenheit vor den Oberkommandierenden, Ihren Herrn Vater, kommt.“ „Ach, nein.“ „Sir, ich habe lange Zeit daran gearbeitet Ich kann es mir 44
nicht leisten, daß diese Idee nun verschusselt und ausposaunt wird.“ Balt Haer schoß ihm einen wütenden Blick zu. „Na schön, Captain Sie bluffen ja nur. Kommen Sie mit. Wir werden jetzt sofort den Oberkommandierenden aufsuchen.“ Und damit stürzte er wie ein wütender Stier durch die Tür. Joe Mauser zuckte resigniert die Achseln und folgte ihm. Die Leute hinter ihm kicherten unterdrückt. * Der alte Baron war auch nicht recht viel glücklicher über Joe Mausers Geheimnis wie sein Sohn. Erst am Tag vorher hatte Joe ihn gesehen, aber er schien inzwischen um Jahre gealtert zu sein. Mit jeder Stunde mußte er sich wohl über den Ernst seiner Lage klarer werden. Die Vacuum Tube Transport hatte sich mit spitzen Ellbogen, Bluff und Gewaltakten bis zu den unteren Rängen der großen Transportunternehmen hinaufgeboxt, und des Barons Aggressivität, seine politische Bedeutung und seine Skrupellosikeit hatten ihm dabei ebenso geholfen wie sein Spürsinn für Geschäfte Aber jetzt waren alle Wetten abgeschlossen und die Chips für das Spiel verteilt. Er hatte sich gegen einen ganz Großen gestellt, und dieser Große hatte die ehrgeizige kleine Vacuum Tube Transport gründlich satt. Der Baron hörte sich erst seinen Sohn an, dann Joe Mausers verbissene Erklärung. „Wenn ich Sie richtig verstehe“, wandte er sich schließlich an Joe, „dann haben Sie einen Plan, der mir Ihrer Meinung nach zum Sieg verhilft, obwohl ich in einer verheerenden Lage zu sein scheine.“ „Jawohl, Sir.“ Die beiden Haers sahen ihn an, der eine ungeduldig, der 45
andere mißtrauisch. „Ich setze alles darauf, Sir“, fuhr Joe fort. „Ich bin ja schließlich kein kleiner Anfänger in seinem ersten Gefecht, und ich verdiene, daß man mir einige Erfahrung zubilligt.“ Balt Haer schniefte. „Glücksspieler! Was, bei Zen, setzen Sie alles aufs Spiel? Die ganze Familie Haer? Unser gesamtes Vermögen steckt darinnen. Hovercraft will unser Blut sehen. Die sind nicht zufrieden mit einem ausgehandelten Kompromiß! Sie werden uns vernichten. Tausende von Söldnern werden getötet, und das heißt, daß wir ungeheure Entschädigungen zu bezahlen haben. Ungezählte Millionen stecken in der militärischen Ausrüstung. Das meiste davon mußten wir pachten, und was fehlt, ist zu ersetzen. Können Sie sich nicht vorstellen, was unsere Aktien noch wert sind, wenn uns die Veteranen von Stonewall Cogswell zu Kleinholz verarbeitet haben? Sogar die kleinsten Transportunternehmen Nordamerikas werden uns dann den Krieg erklären, und wir haben weder Truppen, noch Ausrüstung mehr für das kleinste Scharmützel.“ Joe griff in eine Innentasche seiner Jacke und entnahm ihr ein Päckchen Papiere. Die legte er auf den Schreibtisch des Barons aus, und der musterte sie finster. „Und was, bei Zen, ist das?“ „Seit ich achtzehn wurde, habe ich Aktien angehäuft und bin mit meinem Sold trotz der hohen Steuern und sonstigen Kosten ganz gut vorangekommen. Gestern habe ich nun alles verkauft, was gesetzlich zulässig war, und habe damit Aktien der Vacuum Tube Transport erworben. Ich bekam sie, nebenbei erwähnt, recht billig, Sir“, fügte er trocken hinzu. Balt Haer überflog ungläubig die Papiere. „Heiliger Zen!“ stöhnte er. „Der Narr hat das doch tatsächlich getan! Er hat ein kleines 46
Vermögen in die Vacuum Tube Transport gesteckt.“ „Du scheinst von unserer Niederlage wesentlich überzeugter zu sein als der Captain“, grollte der Baron. „Vielleicht sollte ich dir das Kommando lieber abnehmen.“ Der Sohn knurrte nur, sagte aber nichts. „Zugegeben“, wandte sich der alte Haer an Joe Mauser, „gestern hielt ich Sie für einen Romantiker, der uns sozusagen in die Wüste führt. Nun überlege ich mir, ob Sie nicht vielleicht doch etwas haben könnten. Schön. Ich respektiere Ihr Verlangen nach Geheimhaltung. Spionage ist ja noch immer nicht veraltet, und es ist durchaus möglich, daß etwas von Ihrer Idee durchsickert, falls Sie darüber sprechen.“ „Vielen Dank, Sir.“ „Aber“, fuhr der Baron fort, „das ist noch nicht alles. Warum haben Sie Ihren großen Plan nicht zu Marshall Cogswell getragen? Sie haben doch früher schon unter ihm gedient. Und gestern erwähnten Sie, daß die Telly-Geräte der ganzen Nation auf dieses Gefecht eingestellt seien. Das könnte stimmen. Es fragt sich nur, was man daraus machen soll.“ Jetzt war das Fett schon im Feuer. „Sie haben doch politischen Einfluß. Sir“, antwortete Joe. „Ich weiß, Sie machen keine Präsidenten und setzen sie auch nicht ab, und selbst wenn Sie an all Ihren Fäden ziehen, können Sie wahrscheinlich nicht verhindern, daß Hovercraft dieses Gefecht auf Divisionsgröße hinauf jubelt. Für das, was ich brauche, reicht Ihr Einfluß jedoch aus.“ Baron Haer lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Und was brauchen Sie, Captain Mauser?“ „Wenn mir der Trick gelingt, bin ich eine TellyBerühmtheit, denn die Reporter bekommen sehr schnell Wind davon. Wenn ich für - sagen wir - zwei Tage ganz oben auf der Popularitätswelle schwimme, müssen Sie alle Fäden ziehen, 47
die in Ihrer Reichweite sind.“ „Na, dann fallen Sie ja die Rangleiter bis zu den Oberen hinauf, Captain“, vermutete Balt Haer amüsiert. „Genau das will ich ja“, gab Joe Mauser offen zu. Balt Haer grinste seinen Vater vielsagend an. „Captain Mauser drückt sich also dahingehend aus, daß er Stonewall Cogswell besiegen will, wenn du ihm dafür hilfst, in die Elite der Nation aufzusteigen.“ „Du lieber Himmel, spielt sich die Auswahl der Besten der Nation jetzt schon auf diesem Niveau ab?“ Die Stimme klang deutlich sarkastisch. Die beiden Haers drehten sich um, und Joe schaute zur Tür. Es war das Mädchen, das ihm am Tag vorher direkt in die Hände gelaufen war. „Nadine“, brummte Haer der Ältere, „das hier ist Captain Joseph Mauser, der als Feldmajor in unserer Truppe dient.“ Joe kannte die Zeremonien, mit denen eine Dame der oberen Kaste von einem Offizier der mittleren begrüßt werden mußte. Sie lächelte ihn ein wenig spöttisch an und sparte sich die Standardantwort. „Warum, wiederhole ich, ist der Dienst dieses Mannes für das Haus Haer so ungeheuer wichtig, daß er unter Druck in die Kaste der Oberen hinaufkatapultiert werden soll?“ fragte sie. „Ist er ein bekannter Wissenschaftler, gefeierter Künstler oder großer Lehrer?“ „Es heißt, das Militär sei auch eine Wissenschaft“, meinte Joe achselzuckend. Sie schien ebenso überheblich zu sein wie ihr Bruder. „Tatsächlich? Der Meinung war ich noch nie.“ „Nadine, das geht dich aber kaum etwas an“, sagte ihr Vater. Aber sie ließ sich nicht einmal von ihrem Vater maßregeln. „Nein? In ein paar Tagen werde ich damit anfangen, die Schäden an den Leibern ehemals gesunder Männer zu 48
reparieren, die ihr ihnen in eurer Dummheit zugefügt habt.“ „Kein Mensch hat dir befohlen, daß du zum ärztlichen Stab stoßen sollst, Nadine“, fauchte Balt sie an. „Du hättest durchaus in deinem Labor bleiben können, um dir eine Methode auszudenken, mit der die Menschheit sich selbst erhalten kann - oder umgekehrt.“ Jetzt wurde sie aber zornig. „Wenn die Menschheit weiter den bisherigen Kurs verfolgt, hat sie sich in Kürze selbst ausgerottet. Da ist dann keine Geburtenkontrolle mehr nötig!“ Joe lachte unwillkürlich in sich hinein, aber nun wurde sie auch auf ihn wütend. „Schauen Sie sich doch einmal in diesem Affenfrack an! Berufssoldat! Söldner! Mörder! Meiner Meinung nach ist das die überflüssigste Beschäftigung, die sich die Menschheit je ausgedacht hat. Parasiten seid ihr! Zerstörer und Vernichter dem Beruf nach!“ Joe versuchte etwas zu sagen, aber sie redete schon weiter. „Ja, ich weiß, das nennt ihr alles Unsinn, was ich sage. Die Glorie der Soldaten! Ha, daß ich nicht lache! Wie sie ihr Land verteidigen! Wie sie sich für das Gemeinwohl opfern! Welch ein grandioser Unsinn!“ Balt Haer lächelte sie säuerlich an. „Nadine, die Theorie geht heute dahin, daß alte Berufssöldner wie der Captain Erfahrungen sammeln müssen, um für einen großen Krieg mit den Sovs gerüstet zu sein, falls sich einer entwickeln sollte. Und diese Erfahrungen sammelt man eben in den kleinen Firmengefechten. Wo denn sonst?“ „Ha! Welch lächerliche Theorie! Waffen, die vor 1900 entwickelt wurden! Glaubt ihr, daß die Sovs sich darauf beschränken würden, falls es zum Krieg käme? Kampfflugzeuge, Panzerfahrzeuge, Atomwaffen und Raketen würde man über Nacht produzieren.“ Joe hörte ihr fasziniert zu. 49
„Und was halten Sie dann vom Sinn dieser Gefechte, Doktor?“ fragte er. „Zirkus, sonst nichts!“ schnaubte Nadine. „Die alten römischen Spiele, nur viel schlimmer als damals. Sadistischer Blutdurst. Unsere Unteren sind genauso verängstigt und nutzlos wie das römische Proletariat - und genauso gefährlich. Die Automation hat sie aus dem Produktionsprozeß ausgeschaltet. Deshalb geben wir ihnen Brot und Spiele. Und die Spiele müssen von Jahr zu Jahr sadistischer werden. Früher genügte es, wenn man Schlägereien, Indianerspiele, Cowboys und Gangster hatte, aber jetzt brauchen wir Blut. Ja, Blut!“ „Na schön, Nadine“, knurrte der Baron. „Das haben wir schon mal gehört. Der Captain wird daran wohl kaum interessiert sein, um so weniger, als du über das Stadium des Protests doch nicht hinauskommst. Oder hast du einen Vorschlag?“ „Jawohl, habe ich!“ „Ah?“ Balt Haer hob erstaunt die Brauen. „Schafft doch endlich diese absurde Statusgesellschaft ab. Schließt euch für den Fortschritt auf. Gebt den Leuten nützliche Arbeit, statt daß sie dauernd vor dem Telly sitzen, Trunkpillen nehmen und in einem glücklichen Nebel diese sadistischen Gefechte anschauen. Auf die Art verblöden sie ja nur.“ „Fortschritt - wohin?“ fragte Joe nun aufrichtig interessiert. „Das Ziel kenne ich selbst nicht, nur den Weg. Das Bemühen zählt, der Traum, daß man eine Welt besser machen könne, als sie früher war. Ich weiß, ihr redet immer von Utopien ...“ „Es sind auch Utopien“, warf Balt Haer ein. „Neunzehn von zwanzig Unteren sind mit dem zufrieden, was sie haben. Sie haben volle Bäuche und Sicherheit, jede Menge Freizeit und Trunkpillen, mit denen sie die Dinge noch 50
rosiger machen können, als sie sind, und sie sind jetzt schon ziemlich rosig.“ „Und warum dann diese endlosen Gefechte?“ „Nadine, das haben wir schon so oft durchgekaut!“ warf der Baron ungehalten ein. „Und für solche Debatten haben wir außerdem keine Zeit ... Na schön, Captain, Sie haben mein Versprechen. Hoffentlich sind Sie tatsächlich so optimistisch, wie Sie sich geben. Wenn wirklich infolge Ihrer Bemühungen dieses Gefecht zu unserem Vorteil ausgehen sollte, dann werde ich – hm – alle - wie Sie es nennen - Fäden ziehen, damit Sie ein paar Kastenstufen überspringen.“ Joe holte tief Atem, salutierte und machte eine schneidige Kehrtwendung. Im äußeren Büro atmete er noch einmal tief durch. Jetzt hatte er sich die Feindschaft des jungen Balt, seines unmittelbaren Vorgesetzten, zugezogen, dagegen jedoch die Unterstützung von Baron Haer, der wesentlich schwerer wog, eingehandelt. Nadine stürmte herein und warf ihm einen hitzigen Blick zu. Ihre zornige Erregung brachte allerdings ihre Schönheit erst richtig zur Geltung, und das Mädchen war unglaublich schön. „Dr. Haer, es hat mich außerordentlich interessiert, was Sie sagten“, wandte er sich an sie. „Ich würde gerne weiter mit Ihnen darüber diskutieren. Es würde mich ehren, wenn Sie mir das Vergnügen gewährten, zusammen mit mir eine Erfrischung zu nehmen.“ „Ah, Captain, welch eine formelle Einladung! Ich dachte, Sie würden sich mit ein paar Trunkpillen begnügen.“ „Ich glaube, Dr. Haer, in den letzten zwanzig Jahren habe ich nicht eine einzige Trunkpille genommen. Nicht einmal als Junge lag mir daran, meine Sinne mit diesem Zeug einzulullen.“ Etwas von ihrem Zorn schien zu verrauchen, aber ihr 51
Mißtrauen gegen den Söldner blieb erhalten. „Sie scheinen so zu tun, als seien Sie kultiviert, Captain“, sagte sie. „Warum üben Sie dann einen solchen Beruf aus?“ Die Antwort auf diese Frage kannte er schon seit Jahren. „Ich sagte Ihnen gestern ja, daß ich als Unterer geboren wurde. Sie wissen vermutlich nicht, was das heißt, denn Sie entstammen der obersten Kaste. Sehen Sie, ich muß mich nach oben kämpfen. Wissen Sie, ich kann mich nicht selbst verwirklichen, solange ich nicht der Kaste der Oberen angehöre.“ Sie kniff die Augen zusammen, doch ihr Zorn war endgültig verraucht. „Warum haben Sie sich keinen anderen Beruf gesucht? Einen medizinischen etwa? Oder in der Kategorie Künste? Aber nur nicht das Militär!“ „Dr. Haer, es ist praktisch ausgeschlossen, auf einem anderen Gebiet als dem militärischen aufzusteigen, wenn es auch die Regierung anders behauptet. Ich habe diese Welt nicht zusammengezimmert, und sie behagt mir auch nicht. Ihren Regeln muß ich leider trotzdem folgen.“ Sie hob die Brauen. „Und warum ändern Sie diese Regeln nicht?“ Joe blinzelte sie an, und ihre Augen wurden mißtrauisch, ein wenig spekulativ. Aber sie schien zu einem Entschluß zu kommen. „Da um die Ecke ist ein kleines Cafe, wenn Sie Ihre Einladung zu einer Erfrischung noch aufrechterhalten. Dort wäre es möglich, daß eine von der Brut des Barons Haer sich mit einem seiner Offiziere aus der Kaste der Mittleren zu einer Tasse Kaffee zusammensetzt.“
6. 52
In dem Augenblick, da Captain Joe Mauser eine Tasse Pseudokaffee an den Mund hob und sein Gegenüber, Dr. Nadine Haer, dasselbe tat, schaute der Telly-Reporter Freddy Solingen, der an der Bar des Offiziersklubs von Saugerties lehnte, zur Tür. Saugerties lag etwa auf halbem Weg zwischen Kingston, dem Zentrum der Haerschen Streitkräfte, und Catskill, der Basis der Continental-Hovercraft-Truppen, die dem alternden, wenn auch noch immer sehr aggressiven Baron Zwerdling dienten. Es gab keine Vorschriften darüber, aber man hielt sich den feindlichen Streitkräften vor dem Gefecht so gut wie möglich fern. Wenn Männer zusammensitzen, blüht die Fachsimpelei, egal um welche Branche es sich handelt. Natürlich traf das auch für die Militärs zu, wenn sie sich auch nicht über den bevorstehenden Kampf unterhielten, sondern über zurückliegende Gefechte. Die waren auch ergiebig. Nachrichtenleute gehörten seit eh und je zu diesem Geschäft, und daher war ja Freddy Solingen anwesend. Nicht einmal die Mitglieder der höchsten Kasten sind ja immun gegen Publicity, eher im Gegenteil. Gleichgültigkeit konnte man erst dann heucheln, wenn man so einsame Höhen erreicht hatte wie Feldmarschall Stonewall Cogswell. Deshalb gab es genug Majore oder Colonels, die einem Reporter Drinks kauften, weil sie hofften, daß er dann im Kampfgeschehen seine Kamera auf sie richten möge, allerdings nur dann, wenn es für den Major oder Colonel günstig war. Sonst war es besser, wenn er sich andere Leute aufs Korn nahm. Aber Solingen war an Colonels nicht interessiert, denn Stonewall Cogswell hatte allein und ohne jede Begleitung den Klub betreten. Er marschierte auf seinen gewohnten Tisch zu, den man ihm immer freihielt, wenn er sich in der Nähe der Catskill Reservation bewegte. 53
Die jüngeren Offiziere grüßten beflissen, doch der alte Herr hob kaum seinen Marschallstab zum Gruß. Sofort wetzte ein Kellner mit Glas, Flasche und Soda heran, denn der Marshall trank altmodischen Bourbon, der am Kentucky River destilliert wurde. Solingen setzte sein Glas mit Wodka ab, ging zum Tisch des Marshalls und blieb davor stehen, bis Cogswell aufschaute. „Verzeihung, Sir“, sagte Freddy. „Ich wollte nur fragen, ob ich mich ein wenig mit Ihnen unterhalten dürfte.“ Der Reporter war in Zivil, und weil seine Stimme nicht kultiviert genug klang, konnte man ihn ohne weiteres in die unteren Kasten einstufen. Das tat Marshall Stonewall Cogswell auch. „Ich gebe keine Interviews“, erklärte er gereizt. „Nein, Sir. Das weiß ich. Aber ich habe sowieso meine Kameras nicht dabei.“ „Was, bei Zen, wollen Sie dann von mir?“ Das wußte Freddy selbst noch nicht genau. Ein paar Drinks an der Bar beflügelten jedoch seinen Mut und seine Phantasie. „Nun, ich dachte, Sir, vielleicht könnte ich eine allgemeine Ahnung vom bevorstehenden Gefecht bekommen. Wissen Sie, so was wie ein Thema, damit man die Zusammenhänge schneller herstellen kann, wenn man Aktionen vor die Kamera bekommt.“ Von Telly und Reportagen hatte der Feldmarschall keine Ahnung. Reporter waren für ihn eine Belästigung, und mit der Überheblichkeit alter Militärs verachtete er sie. „Setzen Sie sich. Kenne ich Sie nicht?“ fragte er trotzdem. „Jawohl, Sir“, antwortete der verblüffte Freddy. „Ich habe über einige Ihrer Gefechte berichtet, Sir.“ „Aha, ja. Jetzt erinnere ich mich. Lockheed-Cessna. Ich kommandierte die rechte Flanke. Ihre Kameramannschaft geriet in das verdammte Feuer dieser verdammten Mitrailleusen. Ein paar wurden verwundet.“ 54
„Jawohl, Sir. Drei wurden sogar getötet.“ „Ah? Wirklich? Zu schlimm. Ihr Kameraleute solltet doch gar nicht ins Kampfgelände vordringen ... Drink?“ Verblüfft nahm Freddy Solingen die Flasche an und hielt nach einem Kellner Ausschau. Die Offiziersklubs der Oberen leisteten sich nämlich noch lebende Kellner. Endlich kam einer, goß für Freddy ein Glas ein und fügte Soda hinzu, wie es der Marshall tat. „Ist aber schon lange her, das Gefecht Lockheed-Cessna gegen Douglas-Boeing“, sagte der Marshall. „Und Sie sind auch schon lange dabei. Im Durchschnitt macht keiner so viele Jahre mit.“ Freddy Solingen nippte an seinem Whisky. „Eben fällt mir ein, daß ich heute schon einen anderen Veteranen aus diesem Gefecht gesehen habe“, sagte er dann. „Ein alter Pro. Sie waren damals auf der Seite von LockheedCessna, Sir. Joe auch.“ „Welcher Joe?“ „Captain Joe Mauser.“ „Ja, das stimmt. Damals war er Leutnant. Mich wundert, daß er sich diesmal nicht bei mir gemeldet hat. Verdammt guter Mann. Noch vom alten Schrot und Korn.“ „Komisch“, antwortete Freddy, dem der Alkohol schon allmählich zu Kopf stieg. „Wirklich komisch. Mauser ist doch sonst nicht so scharf auf die Kamera, und heute sagte er, ich soll ein Auge auf ihn haben und mit den Kameras in seiner Nähe bleiben.“ Cogswell goß sich einen frischen Drink ein. Am Vorabend eines Gefechts genehmigte er sich zwei, nicht mehr. „Was meinten Sie vorhin, als Sie sagten, Sie wollten ein Kampfthema haben?“ fragte der Marshall. „Sir, wissen Sie, mir scheint, alles spricht für einen Sieg der Continental Hovercraft, und wenn das schon anfangs feststeht, finden es die Fans langweilig. Soll ich mich vielleicht auf die 55
Kavallerie verlegen? Oder soll ich mich an Ihren Stab anhängen? Wissen Sie, einen solchen Aufhänger brauche ich, einen Trick sozusagen.“ „So, einen Trick“, sagte der alte Herr nachdenklich. „Jawohl, Sir. Einen Trick“, wiederholte Freddy. Der Marshall dachte darüber nach. Dann sah er sich um und fand den Mann, den er suchte. Er winkte Oberstleutnant Fodor heran, der sich in der Spionage bereits einen Namen gemacht hatte. „Kennen Sie einen Captain Joseph Mauser?“ fragte der Marshall. „Vom Sehen und vom Hören, Sir.“ „Ich möchte, daß Sie einen Mann auf ihn ansetzen“, sagte Cogswell. „Mauser ist ein alter Hase. Es muß ein tüchtiger Mann sein.“ Oberstleutnant Fodor war etwas erstaunt, denn Stonewall Cogswell stand nicht im Ruf, sich der Taktik des starken Armes zu bedienen. Der Gedanke, er könnte den Marshall mißverstanden haben, kam Fodor nicht. * Joe Mauser war an jenem Abend in einem ziemlich euphorischen Zustand in sein Quartier zurückgekehrt und daher nur ganz vage erstaunt, seinen Burschen nicht vorzufinden. Schließlich hatte er ihm ja für den Rest des Tages frei gegeben. Tag war es jetzt zwar nicht mehr, aber was sollte er machen? In Kingston hatte Joe nichts gegessen, denn Nadine Haer hatte ihn zu sehr beschäftigt. Es war aber auch eine Konversation! Er ging in seine Kochnische und setzte sich an den Tisch mit der darin versenkten Speisekarte. Hungrig war er nicht, aber er hatte sich regelmäßiges Essen zum Grundsatz gemacht, wenn er ein Gefecht vor sich hatte. Man brauchte gesunde 56
Reflexe, sonst wurde man kribbelig, und ein kribbeliger Soldat war so gut wie ein toter. Er wählte also im Autoservice ein Steak und war sehr erstaunt, als es nicht geliefert wurde. Dieses Motel schien schon unter dem kommenden Gefecht zu leiden. In einer Reservation gab es während einer kriegerischen Auseinandersetzung nur das an Dienstleistungen, was bis zum Jahr 1900 üblich gewesen war. Und da war Autoservice natürlich nicht mit Inbegriffen. Nun, wozu gab es denn einen Kühlschrank? Doch der war eine Enttäuschung, denn er enthielt nur Dinge, die man für Drinks benötigte. Also fischte Joe eine Flasche Applejack und eine Dose Ingwerbier heraus. Der Drink, den Max gemacht hatte, war ausgezeichnet gewesen. Aber das Zitronenschnitzel vergaß er. Etwas später machte er sich noch einen Drink, aber Max kam nicht. Nach dem dritten Drink ging er zu Bett. Einer der bösen Träume kam. Sie belästigten ihn immer wieder, und sie unterschieden sich nur wenig voneinander. Diesmal war es der von der Guanajuato Reservation, die früher einmal Mexiko geheißen hatte. Das Gefecht war von Anfang an schiefgegangen. Die Reservation war auch für einen Kampf in Divisionsstärke viel zu weitläufig, und wenn man nicht mehr als ein Regiment zur Verfügung hatte, verlor es sich ganz und gar in dem Gelände. Der Kampf war damals zwischen der Pemex Petrol und der Texas Oil ausgefochten worden. Er hatte mit Jim unter einem gewissen Colonel Ed Bomoseen, einem überkandidelten Oberen, gekämpft, der später in Montana bei einem Gefecht verlorenging. Jim und Joe Mauser waren auf Patrouille und hatten sechzehn Veteranen bei sich. Sie ritten in das alte spanische Ruinenstädtchen hinein, Joe mit acht Mann auf der einen Straßenseite, Jim mit den anderen acht auf der anderen. Die 57
Stadt war ruhig, viel zu ruhig gewesen; sie sahen keinen Feind, nicht einmal ein Telly-Team. Und es war Mittag. Dann blitzte etwas in der Sonne, und Joe schoß automatisch; dann galoppierten sie auf die Kirche zu, saßen ab, stürmten in die Kirchenruine hinein und erledigten in einem Aufwaschen einen feindlichen Trupp, der sich dort eingenistet hatte. Jim war der Anführer der Patrouille, teilte seine Leute zur Bewachung ein und stürmte die Treppe zum Turm hinauf. Jim und Joe Mauser standen nebeneinander am Fenster und beobachteten von oben das Gelände. Sie hatten einen Mann verloren, und einer war verwundet, aber der Feind war sieben Mann stark gewesen, und sie waren alle gefallen. Von der Plaza her näherten sich nun weitere Feinde lachend und schwatzend, aber Joe und Jim räumten mit einigen Feuerstößen unter ihnen auf. Es stellte sich heraus, daß alle beim Mittagessen gewesen waren und nun zurückkamen, und in der Zwischenzeit waren die Posten in der Kirche von der Patrouille niedergemacht worden. Es gab ein richtiges Scharmützel, in dem sie die eindeutigen Sieger blieben. Jim ging dann auf Erkundung und kam wenig später mit einer Generalstabskarte der Reservation zurück. „Weißt du, wo wir sind?“ fragte er Joe, legte die Karte auf den Boden und zog mit dem Finger einen Kreis um ein Gebiet. „Das ist San Miguel de Allende. Du stehst auf historischem Boden, mein Freund.“ „Draußen kommen mindestens wieder hundert Mann an, aber mir soll's recht sein, wenn wir auf historischem Boden stehen. Inwiefern ist dieser Boden historisch?“ Jim lachte. „Das hier ist die Stadt, in der Ignacio Allende die mexikanische Revolution gegen Spanien begonnen hatte. Hier ist Celaya, wo Pancho Villa sein Waterloo erlebte. War ein guter Kavallerist, aber Pferde kommen gegen Stacheldraht und Unterstände nicht an. Und da liegt Queretano, wo der Kaiser 58
Maximilian seinen letzten Kampf geführt hat. Da kam er in Gefangenschaft und wurde erschossen.“ „So?“ fragte Joe und gab ein paar kurze Feuerstöße ab. Nun drängte der Feind von links und rechts heran, und dann kamen Schüsse auch aus einer ganz neuen Richtung. Es waren mindestens hundert Mann, die heranstürmten. Jim stellte an jedes Fenster einen Mann, und sie mußten soviel Lärm machen wie möglich. Dann leerte Jim erst seinen Revolver und schoß auf den Platz vor der Kirche hinunter, und schließlich schoß er auch seinen Karabiner leer. Jeder mußte schießen, was das Zeug hielt, denn Munition gab es im Turm in Hülle und Fülle. Schließlich hatten sie aber die Hälfte der Patrouille verloren, und immer neue Feindtruppen strömten herbei. „Was meinst du, Jim?“ fragte Joe schließlich. „Sie kriegen laufend Verstärkung, und wir können nicht mehr lange durchhalten. Wir sind völlig umzingelt.“ Jim grinste ihn an. „Ich dachte, du wolltest eine Kaste hinaufspringen, Joe“, sagte er. „Teufel, wir müssen aushalten. Wenn wir sie hier noch ein paar Stunden abwehren können, kommt unser Alter und haut uns heraus. Und wir beide werden Leutnants und kommen vielleicht sogar in die Kaste der Mittleren ...“
7. An dieser Stelle wachte Joe Mauser, wie fast jedesmal, auf; Gott sei Dank, dachte er dann immer, daß es wieder einmal durchgestanden war, und das Schlimmste war ihm erspart geblieben. 59
Weder er noch Jim waren damals Leutnants geworden. Sie blieben Sergeanten. Sie waren auch als einzige noch in einigermaßen guter Verfassung gewesen, als Entsatz kam, und auch sie waren verwundet gewesen. Die alte Kirche war völlig zerschossen worden. Der Feind hatte ein Vielfaches an Toten und Verwundeten gehabt. Von einem Telly-Reporter war weit und breit nichts zu bemerken gewesen, und kein Mensch außer ihnen selbst wußte, was sie geleistet hatten. Ganz zum Schluß, als alles eigentlich schon vorüber war, hatte es dann seinen Freund Jim noch erwischt. Das ging ihm seither nach, und wenn er diesen Traum hatte, war er tagelang damit beschäftigt. Nichts konnte ihn dann je davon ablenken. Diesmal war es ein wenig anders. Er konnte sich der Unterhaltung mit Nadine Haer erinnern, und das war schon etwas. Es hatte keine zehn Minuten gedauert, da hatte er schon gewußt, daß er sich in das Mädchen verliebt hatte, und der ganze Rest des Abends war ein großes Bemühen, sie das nicht merken zu lassen. Er hätte ihr gerne gesagt, wie reizend er es fand, daß ihre Mundwinkel so leicht zuckten, aber sie wollte über die Entwicklung der Gesellschaft sprechen. Er hätte gerne das unglaublich süße, zart geformte Ohr geküßt, und sie dachte nur daran, wieso die Menschheit sich immer wieder in solche Zwickmühlen manövrierte. Er hätte gerne Händchen gehalten und ihr tief in die Augen geschaut, aber sie interessierte sich für den Unterschied zwischen der West- und der Ostwelt und der Möglichkeit, ihn zu überbrücken. Um ihre Gegenwart genießen zu können, mußte er natürlich seine eigenen Wünsche zurückstellen und sich den ihren unterordnen. Daß ein Mittel-Mittlerer auf die romantische Idee verfallen könnte, sich in Nadine Haer zu verlieben, schien außerhalb ihres Denkvermögens zu liegen. Theoretisch hielt sie die Kasten für einen längst überholten Unsinn, aber praktisch 60
hatte sie ihre radikalen Ansichten selbst noch nicht ausprobiert. Sie tadelte besonders scharf die Steuergesetze, die es einem Armen der unteren Kasten unmöglich machten, ein kleines Vermögen anzusammeln. Aufgrund seiner Fähigkeiten konnte er fabelhafte Summen verdienen, und wenn der Steuereinnehmer da war, hatte er weniger Geld als je vorher. Ein Erfinder, ein großer Künstler hatte keine Chancen, in die kleine Kaste der Bevorrechtigten, der Oberen, einzubrechen. Sie hatte es beklagt, daß im zwanzigsten Jahrhundert ein Gelehrter vom Range Einsteins oder noch früher ein Erfinder vom Range Edisons als nicht einmal wohlhabende Leute starben. Der Preisboxer Joe Louis hatte viele Millionen verdient und trotzdem nichts als nur Schulden gehabt. Die der unteren Klassen konnten sich keine guten Schulen leisten, um ihre unverbrauchte Intelligenz ausbilden und trainieren zu lassen. Die dümmsten Erben der Mittleren und Oberen dagegen hatten die besten Schulen und viele Jahre Zeit, sich zu bilden. Sie nahm auch ihre eigene Kaste nicht in Schutz, die sogar am allerwenigsten. Angenommen, der idiotische Sohn eines reichen Mannes beerbe seinen Vater. Sein Reichtum würde von einem Konsortium verwaltet werden, und ihn selbst steckte man in eine möglichst teure Privatanstalt. Fünfzig Jahre später stürbe er vielleicht, und obwohl er nicht einmal so weit bildungsfähig gewesen war, daß er gelernt hätte, seinen Namen zu schreiben, hatte sich doch sein Vermögen inzwischen mindestens verzehnfacht, wenn nicht verhundertfacht. Und die Nation verstrickte sich immer tiefer in das Zweiparteiensystem, und beide Gruppen wurden von den Oberen kontrolliert. Die Wahlen waren schon längst zur Farce geworden. Selbstverständlich wurde durch sie entschieden, wer in Zukunft die Nation führen sollte, aber nominiert wurden die künftigen Präsidenten, Senatoren und so weiter ja doch nur von den großen, reichen Familien und den wenigen professionellen 61
Politikern, die auch meistens der oberen Kaste angehörten. Die Produktion der Grundgüter war infolge der Automation immer mehr angestiegen. Für alle gab es soziale Sicherheit, freien Gesundheitsdienst, unbegrenzte Arbeitslosenversicherung, Alters- und Unfallpensionen, und auch für Witwen und Waisen war ausreichend gesorgt. Sicher, die Oberen lebten in einem Reichtum, von dem die Unteren und selbst die Mittleren keinen Begriff hatten, und sie lebten wirklich wie die Götter. Trotzdem mußte keiner der Unteren verhungern. Über diese Punkte hatten sie heiß diskutiert. „Ist das nicht Utopia?“ fragte er. „Hat sich nicht danach der Mensch von altersher gesehnt? Und was wurde aus den Träumen der Menschheit von Überfluß und Sicherheit?“ Nadine hatte ihre schöne Stirn in anmutige Falten gelegt. „Es ist nicht das erstemal, daß die Menschheit in einer Gesellschaftsform Überfluß und Wohlergehen gefunden hat, wenn auch noch nie in dem heutigen Ausmaß. Zum Beispiel hatten die Inkas diesen Überfluß.“ „Von denen weiß ich nicht viel“, gab Joe zu. „Ich habe nur eine Ahnung davon, daß sie als Staatsform so etwas wie einen Frühkommunismus hatten mit einer Art militärischer Priesterschaft an der Spitze.“ Sie hatte dazu ernsthaft genickt. „Man hieß sie Inkas, aber sie selbst nannten sich anders. Um die Zeit, als die spanischen Eroberer in ihr Land einbrachen, hatten diese Inkas den höchsten bekannten Lebensstandard, der jeden europäischen bei weitem überstieg. Es gab keine Armut. Von der Wiege bis zum Grabe hatte jeder Inka alles, was er zum Leben brauchte, und wenn er besondere Fähigkeiten besaß, konnte er sie entwickeln. Auch die Römer hatten jeden Überfluß, wenn auch auf Kosten der von ihnen besiegten Nationen. Und bei all den angeführten Völkern hat sich eine fast völlig identische 62
Entwicklung vollzogen. Die Gesellschaft verknöcherte, Joe.“ Sie nannte ihn zum erstenmal beim Vornamen, und Joe fühlte sich überglücklich. „Eine herrschende Klasse und ein gesellschaftswirtschaftliches System setzen sich so lange fort, wie es nur geht. Es ist dabei ganz belanglos, welchen Schaden dieses System der Gesellschaft als solcher zufügt - es setzt sich fort bis zur vollständigen Vernichtung der eigenen Grundlagen. Ein gesellschaftswirtschaftliches System reagiert wie ein lebender Organismus. Es kämpft verzweifelt um sein Dasein, egal wie antiquiert es inzwischen ist. Das römische System wirkte noch durch Jahrhunderte weiter, ehe es abgelöst werden konnte. Reformatoren wurden umgebracht, verbannt oder entmachtet, so daß sich die herrschenden Elemente an der Macht halten konnten. Als das römische Gesellschaftssystem endlich doch zusammenbrach, senkte sich die Nacht eines Jahrtausends über den Fortschritt der westlichen Welt.“ Joe fühlte sich unbehaglich. „Und was soll das ablösen, was wir jetzt haben?“ fragte er.“Wenn wir euch Oberen die Macht entziehen, wer soll sie dann bekommen? Die Unteren? Das ist nicht einmal ein schlechter Witz. Wenn sie ihre Telly-Gefechte und ihre Trunkpillen nicht haben, werden sie zu Berserkern. Sie wollen gar nichts anderes.“ „Zugegeben“, antwortete sie, „wir haben es zugelassen, daß die Dinge viel zu sehr entarten. Wir hätten vor langer Zeit etwas dagegen unternehmen sollen. Ich glaube, ich weiß sogar die Antwort auf diese Frage. Um den Status quo zu erhalten, bedienen wir uns nur eines kleinen Teiles unserer Menschen und ihrer Fähigkeiten. Wir lassen die anderen in aller Seelenruhe vor den Tellys sitzen und sich von den Trunkpillen und den Sendungen betrunken machen. Wir haben keinen Grund mehr, einen Fortschritt anzustreben. Die Politiker der Oberen fürchten schon die geringsten Veränderungen und 63
hintertreiben sie deshalb, und so geht alles im alten, ständig gleichen Trott weiter.“ „Ich weiß aber, daß man oben behauptet, die Unteren seien alles ausgemachte Narren, und deshalb wird es ihnen ja so schwer gemacht, zu den Mittleren aufzusteigen. Man könne einem Narren nicht begreiflich machen, daß er einer ist, heißt es. Es sind aber nicht alle Narren. Und wenn man nun denen erlaubt, sagen die Oberen, in eine andere Kaste aufzusteigen, dann werden die Narren zornig, weil sie es nicht auch dürfen. Deshalb machte man die Kategorie Militär zu einem Kanal, durch den die Aufstiegswilligen geschleust werden können. Hier gibt der Mann seine Sicherheit auf, und er stirbt daran, wenn er ein Narr ist.“ Nadine war damit auch nicht einverstanden. „Wenn ein Oberer unfähig ist, bleibt er trotzdem ein Oberer. Ein Zufall der Geburt macht ihn zum Aristokraten, und durch seine Umgebung, Familie, Erziehung, durch Freunde, Traditionen und Gesetze bleibt er es auch, selbst wenn er ein Idiot ist. Ein Unterer, der potentiell von größtem Wert für die Gesellschaft werden könnte, ist und bleibt benachteiligt, und meistens landet er ja auch vor seinem Telly und versetzt sich in einen Dauerzustand der Trunkenheit. Er hat keine Möglichkeit, sich selbst zu entwickeln.“ Ja, das war ein Abend gewesen! In dreißig Jahren seines rebellischen Lebens hatte er noch keinen Menschen getroffen, der sich so klar und kritisch geäußert hatte wie Nadine Haer. Und noch keinen hatte er gehört, der die Sache soweit durchdacht hatte. Seine eigene Rebellion befaßte sich ja auch nur mit seiner persönlichen Stellung innerhalb der Gesellschaft, nicht mit der Struktur dieser Gesellschaft an sich. Er wollte seinen Status zu den Oberen hinauf verbessern, das war sein Lebensziel. Es war für ihn ein Schock, einem Menschen zu begegnen, der als 64
Oberer geboren war, den er bewunderte, der aber den Wunsch hatte, das ganze System, das ihn selbst über die anderen hinaushob, zu zerstören. In seinen Gedanken wurde er unterbrochen, als die Tür aufging und das grinsende Gesicht von Max Mainz im Türspalt erschien. Joe war erstaunt, daß sein Bursche nicht einmal anklopfte. Er mußte also noch eine ganze Menge lernen. „Kommen Sie, Joe!“ platzte der kleine Mann heraus. „Wir müssen in die Stadt!“ „Joe?“ Captain Joe Mauser stützte sich auf einen Ellbogen und musterte seinen Burschen erstaunt. „Ihr Vorschlag hat etwas für sich, Soldat. Aber sollten Sie nicht trotzdem Ihren vorgesetzten Offizier ein wenig offizieller als mit dem Vornamen anreden?“ Jetzt kam Max Mainz ganz ins Schlafzimmer herein. Er grinste noch breiter. „Mensch, du hast vergessen, daß heute Wahltag ist!“ „Aha! Deshalb also. Da gibt es für heute wohl keine Pflichten?“ „Keine Pflichten. Für keinen“, trumpfte Max auf. „Was meinst du dazu, wenn wir jetzt in die Stadt gingen und uns in den Bars der Oberen ein paar Drinks genehmigten?“ Joe brummte in sich hinein, stand aber auf. „Und was soll das nützen? Von den Oberen bleibt doch an einem solchen Tag keiner zu Hause. Sie werfen sich in ihre ältesten Kleider und lungern in den Kneipen der Unteren herum. Und sie fühlen sich königlich, wenn sie ein hübsches Mädchen der Unteren aufgabeln und sich mit ihm im Heu wälzen. Und die Mädchen bilden sich auch was darauf ein, mit einem Aristokraten geschlafen zu haben.“ Max war nicht so leicht von seinem Plan abzubringen. 65
„Egal, wohin wir gehen, aber wir gehen. Zen! Die ganze Stadt ist voll von Dämchen, die sich die Helden des Gefechts vorher noch einmal anschauen wollen! Bis von Philadelphia kommen sie.“ Joe lachte und verschwand im Badezimmer. Im Grunde gefiel ihm die Idee, sich in den Stadt zu zeigen. Eigentlich hatte er keinen Rummel mehr mitgemacht, seit Jim damals noch im letzten Moment gefallen war. Und wie lange war es schon her, daß er einmal ein Mädchen im Arm gehabt hatte? * Oberstleutnant Michael Fodor musterte den Mann. „So. Sie sind also dieser John Smith.“ „Gibt es vielleicht noch einen?“ „Setzen Sie sich.“ Fodor war ziemlich mißmutig. Er selbst stand auf und ging zur eingebauten Bar seines Büros. Smith nahm in einem geradlehnigen Stuhl Platz, fischte ein Blechdöschen aus der Tasche und schob sich eine weiße Pille in den Mund. „Ist das eine Trunkpille?“ fragte Fodor scharf. „Dieser Auftrag erfordert einen klaren Kopf.“ Der andere schüttelte den Kopf und lutschte an seiner Pille. Der Effekt zeigte sich sofort. Smiths Gesicht verlor den leeren Ausdruck, wurde lebendig, und seine Haut war plötzlich rosig durchblutet. Fodor goß sich etwas aus einer Flasche in ein Glas und kehrte damit zum Tisch zurück. „Sie wurden mir empfohlen“, sagte er. Smith lehnte sich zurück und sah Fodor an. Michael Fodor fühlte sich gar nicht glücklich. Dieser Smith hatte etwas an sich, das ihm nicht gefiel. Aber die Zeit wurde allmählich knapp, und ein weiteres Suchen nach einem 66
geeigneteren Mann war nicht möglich. „Viel Hintergrund brauchen Sie nicht“, begann er. „Je weniger, desto besser ... Sagen Sie mir nur, was Sie wollen. Ich werde dafür bezahlt - für die Tat, nicht dafür, daß ich den Grund dafür kenne.“ Fodor trank sein Glas leer und lehnte sich zurück. „Schön. Mit kurzen Worten also folgendes: In der Catskill Reservation steht ein Gefecht bevor. Es genügt, wenn ich sage, daß ich die eine Seite vertrete.“ Smith musterte Fodors Uniform, die von Baron Zwerdlings ständigem Stab, sagte aber nichts. „Sie brauchen nicht einmal zu wissen, zu welcher Seite ich gehöre.“ Smith nickte. Das machte Michael Fodor ungeduldig. Der Mann schien weder Vertrauen, noch Respekt, noch sonst etwas zu empfinden. Darüber ärgerte sich Fodor. „Da gibt es einen gewissen Captain Joseph Mauser, der ... sagen wir ... so was wie ein eitriger Finger geworden ist. Es ist daher nötig, ihn vor Beginn des morgigen Gefechts zu eliminieren.“ „Schön.“ „Dieser Captain Mauser ist aber ein zäher Kerl. Er ist sehr kampferfahren.“ „Keiner ist zäh“, behauptete Smith verächtlich. „Manche glauben es nur. Sie wären recht erstaunt, Colonel.“ Fodor holte sich einen frischen Drink, bot dem Mann aber auch jetzt keinen an. Mit Menschen, die einem unterlegen waren, trank man schließlich nicht, und ein Oberer schon gar nicht mit einem angeheuerten Gauner. Ihm paßte die ganze Geschichte nicht, und von Feldmarschall Stonewall Cogswell fühlte er sich angewidert. Es gehörte sich nicht, daß man vor einem Gefecht einen jungen Offizier einfach umlegen ließ, weil er einem nicht paßte. Daß er selbst den Söldner nicht 67
mochte, stand auf einem anderen Blatt. „Sie sehen mir aber nicht danach aus, daß Sie sich mit einem alten, erfahrenen Kämpfer einlassen können“, stellte er überheblich fest. Smith lächelte amüsiert. „Größe und Aussehen zählen nicht, Colonel. Sie werden staunen ...“ „Haben Sie einen Helfer?“ erkundigte sich der Offizier scharf. Smith hob die Brauen und schüttelte den Kopf. „Wäre es Ihnen nicht lieber, diese Sache wird erledigt, ohne daß sonst jemand davon weiß?“ „Natürlich.“ „Schön. Dann wird es außer Ihnen und mir auch niemand wissen.“ Fodor wußte, daß er diesen Burschen mit jedem Augenblick weniger mochte. “Für Sie fällt eine Aktie der Allgemeinen Banken ab“, sagte er. „Zwei“, betonte Smith. „Zwei Aktien der Allgemeinen Banken und so, daß sich keine Spur verfolgen läßt.“ Fodor war wütend und fühlte sich unbehaglich. Der Feldmarschall hatte nicht erwähnt, was er dafür auswerfen würde, und er war der Meinung gewesen, er wolle auch gar keine Einzelheiten wissen. Schließlich lagen solche Sachen unter dem Niveau eines Stonewall Cogswell. Ihm war auch nicht verraten, ja nicht einmal angedeutet worden, weshalb Joe Mauser beseitigt werden sollte. Nun ja, der Abwehrdienst hatte ja immer gewisse Geldbeträge zur Verfügung, denn ein Gefecht schloß automatisch Ausgaben mit ein, über die man später schwieg. „Na schön“, schnarrte er. „Also zwei Aktien, zahlbar nach Erfolgsmeldung.“ 68
Smith kreuzte die Beine und schüttelte den Kopf. „Zahlbar jetzt sofort. Dann brauchen Sie mich niemals wiederzusehen.“ Fodor starrte ihn entgeistert an.“Glauben Sie vielleicht, ich bin ein Narr? Wie soll ich wissen, daß Sie Ihre Aufgabe erfüllt haben? Da könnte ja jeder kommen!“ Wieder lächelte Smith. „Wer hat mich Ihnen empfohlen, Colonel?“ Fodor musterte den Mann. „Na, schön“, schnappte er, stand auf und ging zu einem Wandsafe. Auch Smith erhob sich und fischte das Blechdöschen mit den Pillen aus seiner Tasche. Nachdem er seinen Judaslohn erhalten hatte und gegangen war, schaute Fodor ihm nach; das heißt, er schaute die Tür an, die sich hinter dem unscheinbaren, farblosen Mann geschlossen hatte. Michael Fodor war nicht auf den Gedanken gekommen, daß der Mann Smith ihn mißverstanden haben könnte. Das kam vielleicht daher, weil sein Unterbewußtsein ihn zensierte. Den Captain Joseph Mauser haßte er nämlich aus tiefstem Herzen. * Vor sehr, sehr langer Zeit war Kingston einmal die Hauptstadt der Vereinigten Staaten gewesen, wenn auch nur für kurze Zeit. Das war damals, als die Regierung aus Washington nach der verheerenden Niederlage in New York, dem Regierungssitz der Vereinigten Kolonien, in dieses Städtchen geflohen war. Es war ja nur ein kurzer Moment der Glorie gewesen, und danach war Kingston wieder zu einem unbedeutenden Städtchen halbwegs zwischen New York und Albany, am Rand der Catskill, herabgesunken; aber es zehrte 69
noch von dieser Glorie. Vor noch nicht allzu langer Zeit war es eines der Rekrutierungszentren geworden, die am Rande der Catskill Reservation lagen. Diese Reservationen waren von der Regierung restlos entvölkert worden, damit streitende Parteien dort ihre Differenzen austragen konnten. Solche Kriege mußten bei der Abteilung Kategorie Militär angemeldet und durften erst in die Wege geleitet werden, wenn die Genehmigung erteilt war. Diese Genehmigungen waren ziemlich leicht zu bekommen. Es hatte sich allmählich die Gewohnheit herausgebildet, Differenzen zwischen Konkurrenzfirmen, zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern oder zwischen ähnlichen Institutionen durch Gefechte auszutragen. Differenzen zwischen solchen Partnern hatten sehr oft zu Generalstreiks und zu kriegsähnlichen Rebellionen geführt, und für lange Jahrzehnte bestand die gesamte Geschichte der Gewerkschaften in Nordamerika aus Gewalttaten. Gegen die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts waren die Gewerkschaften überhaupt keine Interessenvertretung der Arbeiter mehr, sondern sie dienten nur noch den Zielen und der Wohlfahrt ihrer Bosse. Streiks und Kämpfe der Hafenarbeiter, Mord und Vergeltung der Morde mit neuen Morden, Terror, der von erstklassig organisierten Gangsterbanden ausgeübt wurde - das alles war an der Tagesordnung. Industrielle und Dienstleistungsbetriebe stöhnten unter der Knute dieses Terrors, und das gesamte Wirtschaftsleben stagnierte. Ein Grund für diese Entwicklung lag vielleicht im Filmgeschäft. Die Saat der Gewalt wurde schon während der Stummfilmzeit ausgesät, und sie ging richtig auf und kam in volle Blüte, als der Tonfilm sich durchsetzte und später der Farbfilm kam. Die riesigen Kriegsfilme wie Der große Vorstoß oder Im Westen nichts Neues wurden von unzähligen Menschen angesehen, und es war den Amerikanern egal, ob es 70
sich um amerikanische oder deutsche Helden handelte. Wenig später kamen die Gangsterfilme. Die Geschichten von Al Capone und Dillinger, von Baby Face Nelson, Bonnie und Clyde und den Parker Boys wurden durch den Film unvergeßlich. Diese Schurken wurden auf eine Art heroisiert, daß der Kinobesucher nicht mehr zu unterscheiden vermochte, wer nun der Held war, der Gangster, der Bankräuber oder der FBI-Beamte, der die Verbrecher stellte. Die Filmzaren schwammen auf dieser Welle mit. Wenn Mord, Gewalttat, Betrug und Raub gefragt waren, dann bekam das Publikum diese Dinge auf der Kinoleinwand geliefert. Aber nicht nur Kino und Radio förderten diese Tendenz. Das Spielzeuggeschäft brachte Flintchen, Kanönchen, Panzerchen, Kampfflugzeugchen, Bömbchen und Handgranätchen heraus, die alle richtig funktionierten und auch oft genug entsprechenden Schaden anrichteten. Das Kind wuchs in dieser Atmosphäre der Gewalttaten auf und kannte daher nichts anderes. Abgerundet wurde diese Entwicklung vom Fernsehen. Telly sieht alles, hört alles und ist überall dabei - vorwiegend wenn es sich um Entführungen, Raubüberfälle und Mordserien handelt. Oh, und man konnte die alten rauhen Filme wieder ausgraben und sie der heranwachsenden Generation schmackhaft machen, und so lebten die großen Kriege und Gangsterkämpfe wieder auf. Die Mühe dieser Drahtzieher lohnte sich. Die Zeiten und mit ihr die Menschen wurden immer gewalttätiger. Eine Gesellschaft, die sich auf Unternehmertum und Gewinnstreben gründet, kann Leerräume ebensowenig dulden wie Mutter Natur. Jede Lücke wird sofort mit einem künstlich erzeugten Bedarf ausgefüllt. Ein paar Jahrzehnte wurden von den Eisenbahnen beherrscht; dann kamen der Ölboom, die Autoproduktion mit allen damit zusammenhängenden Industrien, das Telly71
Geschäft; es kamen die Flugzeugindustrie und der Bauboom, und dazwischen gab es überall auf der ganzen Welt immer wieder Kriege, für die man Waffen aller Art brauchte. Musik ging im Kanonendonner und Pistolenknallen unter, der graziöse Tanz wurde durch ein wildes Schieben und irres Körperverdrehen ersetzt und statt geistvoller Komödianten, die einen Konflikt auf witzige Art lösten, gab es den Griff zum Revolver. Realismus war Trumpf! Es spielte keine Rolle, wenn ganze Telly-Teams im Krankenhaus landeten, weil sie unbedingt den mit Pflastersteinen ausgetragenen Kampf zwischen Schauerleuten live übertragen mußten. Es gab natürlich Bestrebungen, solche Dinge zu unterbinden, aber da begann dann ein großes Geschrei von Presse- und Informationsfreiheit, und alles blieb wieder beim alten, weil gewisse Kreise mit der Darstellung der Gewalt die besten Geschäfte machten. Brot hatten die Menschen allmählich genug; Trunkpillen waren billig zu haben und bescherten glückliches Vergessen. Jetzt brauchte man nur noch Spiele, den Zirkus, den sadistischen Zirkus, denn die Saat der Gewalt war aufgegangen, und das bestialische Unkraut stand in voller Blüte. Und da fand man endlich einen Ausweg, der gewisse Gesetze und Traditionen umging und gleichzeitig dem Hunger nach sensationeller Gewalttat Rechnung trug. Der weltweite Abrüstungspakt hatte schließlich alle Waffen verboten, die nach dem Jahr 1900 erfunden und hergestellt worden waren. Die Kalten Kriege und das allgemeine Rüstungswettrennen unterlagen zwar einer gewissen Kontrolle, doch der Pakt hatte der Menschheit die Angst vor dem Krieg als solchem nicht zu nehmen vermocht. Und das war die Entschuldigung dafür, daß man sich Soldaten und Waffen halten mußte, um für einen künftigen 72
Krieg gerüstet zu sein. Man entschuldigte sich damit, daß ja die Soldaten in Übung bleiben mußten und trug zunehmend Konflikte zwischen Firmen und Gewerkschaften mit Waffen aus. Anfangs erfuhr die Regierung immer erst nachher davon, aber allmählich bekam sie die Sache doch einigermaßen in den Griff. Es entwickelte sich die Kategorie Militär, und die Söldner wurden zunehmend zu Idolen. Die Gesellschaft erkannte sie an. Das Militär war praktisch die einzige Möglichkeit, in eine höhere Kaste aufzusteigen. * Joe Mauser hatte sich die Zeit genommen, sich eine herzhafte Mahlzeit zu gönnen. Er wußte aus Erfahrung, daß das Vergnügen am Wahltag erst im Lauf des Nachmittags richtig anfing, und nur Drogensüchtige und Betrunkene konnten es nicht erwarten und fingen schon in aller Morgenfrühe mit dem Feiern an. Joe schickte also Max zum Haer-Versorgungsdepot nach einem ordentlichen Frühstück, und dann bestiegen sie Joe Mausers Hovercar, um sich ins Vergnügen zu stürzen. Max Mainz mußte sein knallbuntes Barett festhalten, das zur Uniform der gewöhnlichen Soldaten Haers gehörte, und konnte sich vor Begeisterung über dieses schicke, sportliche Fahrzeug noch immer nicht recht fassen. „He, Captain, das hat Sie aber ne ganze Menge gekostet, um für den Schlitten eine Privatlizenz zu bekommen“, sagte er. „Das hat mich gar nichts gekostet“ antwortete Joe. „Herrjeh, Sir, es ist doch fast unmöglich, eine Privatlizenz für einen Wagen zu bekommen. Sonst hatte man doch nicht die unzähligen Autos von den Straßen bekommen. Jeder hatte doch mindestens eins, und die Straßen waren genauso überfüllt wie 73
die Parkplätze. Taxis gibt's ja genug, und einen Wagen zu mieten ist auch einfach. Aber einen Privatwagen? Sir, das ist doch fast ausgeschlossen.“ „Hm“, machte Joe nur, denn er war mit dem Fahren beschäftigt. „Und eine gute Idee war es auch, denn die meisten Leute brauchten ihre Wagen die meiste Zeit gar nicht. Das Fahrzeug stand in der Garage, vor dem Haus, auf der Straße oder auf dem Parkplatz, und damit ist der Bursche zur Arbeit und wieder nach Hause gefahren. Jetzt bekommt man ein Auto nur dann, wenn man es unbedingt braucht, und die Garage darf, wenn man in die Stadt fährt, nur einen Zweisitzer herausgeben. Einer Familie mit vielen Kindern gibt man schon einen großen Schlitten, wenn alle mitfahren müssen. Ich finde, es ist viel demokratischer, wenn nicht jeder sein eigenes Auto haben darf.“ „Max, du hast noch eine ganze Menge zu lernen“, meinte Joe nachdenklich. „Der Volkskapitalismus ist ein Gesellschaftssystem. Der Rang hat seine Privilegien, und die hat er immer gehabt. Gesetze dienen von jeher dazu, die zu begünstigen, die das Land regieren und nicht, wie manche irrtümlich annehmen, allen zu nutzen. Einmal hat ein gescheiter Franzose über die Unteilbarkeit des Rechts geschrieben. Er sagte, für einen Millionär sei es genauso ungesetzlich, unter einer Brücke zu schlafen wie für einen armen Teufel.“ Das begriff Max jedoch nicht. Joe mußte einem pferdebespannten Sanitätswagen ausweichen, der zur Reservation unterwegs war. „Angenommen, es gibt einen Unfall. Beide Parteien sind gleichermaßen schuld, und der eine ist ein Oberer, der andere ein Unterer. Der Richter ist unparteiisch. Der verurteilt beide zur gleichen Geldsumme an Strafe. Schön. Für den Oberen sind die zehn Credits nichts. Er bezahlt eine Flasche Wein 74
damit. Für den Unteren sind die zehn Credits, die er bezahlen muß, eine Katastrophe. Er kann seine Wohnungsmiete nicht bezahlen, oder er muß einen Zahnarztbesuch zurückstellen, oder seine Kinder bekommen keine neuen Schuhe. War nun das Gesetz parteiisch oder unparteiisch?“ „Aber Sie sagten doch selbst, Captain, daß beide die gleiche Strafe bekommen haben. Der Richter hat keinen Unterschied gemacht, ob der eine ein Oberer oder ein Unterer war. Aber was hat denn das überhaupt mit einer Privatlizenz zu tun?“ Joe seufzte. „Wagen von diesem Modell kommen sozusagen mit einer eingebauten Privatlizenz heraus. Auch das ist unparteiisch. Würdest du dir einen solchen Wagen kaufen, hättest du auch eine Privatlizenz, während die meisten Menschen keine bekommen, weil ja, wie du sagtest, das Problem des Parkens nicht mehr gelöst werden konnte.“ „Sehen Sie!“ rief Max triumphierend „Sie sagen ja selbst. Wenn ich einen solchen Wagen kaufen würde, hätte ich automatisch eine Privatlizenz.“ „Hm. Aber einen solchen Wagen kann sich nur einer von den Oberen leisten, Max.“ „Und woher haben Sie ihn?“ Joe Mauser grunzte in sich hinein „Den hat mir ein wirklicher Gefechtsfan geschenkt, Max. Eines Tages werde ich dir von ihm erzählen.“ Er fuhr in eine Kellergarage der Vacuum Tube Transport, die für Fahrzeuge der Haerschen Streitkrafte reserviert war. Joe Mauser sprang mit einem eleganten Satz aus seinem schnittigen Sportwagen und beantwortete den Salut des Postens. Und dann schlenderten Joe Mauser und Max Mainz durch die Straßen von Kingston. Es herrschte überschäumende Fröhlichkeit. An den Wahltagen ließ sich jeder Aristokrat zum gemeinen Volk herunter und warf alle Tabus beiseite. Da war 75
er dann auch nicht mehr als jeder andere. Die römischen Saturnalien, die am 17. Dezember begonnen hatten und dann mehrere Tage dauerten, waren das große Vorbild dieser Feiern. Einmal im Jahr wurde die Welt auf den Kopf gestellt, und der Sklave setzte sich an einen Tisch mit seinem Herrn. Ein schmucker Feldarbeiter durfte sich durchaus und ungestraft von der Tochter eines Patriziers einen Kuß stehlen, der Wein floß in Strömen, und alle waren gleich. Am Stadtrand gab es Karussells, Riesenräder, Autoscooter, Spielhallen und Shows. Für solche, die auf ihr geliebtes und gewohntes Telly-Programm nicht verzichten konnten, waren riesige Zelte mit Bänken aufgebaut, und dort konnten sie dann auf die Schirme starren. „He, Joe, was magst du lieber? Einen richtigen Drink oder Trunkpillen?“ Joe lächelte in sich hinein, weil Max es sehr zu genießen schien, wenn er ihn zwischendurch mit dem Vornamen und mit „du“ ansprach. Er hatte nicht allzuoft Gelegenheit, das zu tun. „Trunk mag ich nicht“, antwortete Joe Ich habe ihn ein paarmal versucht, aber diese Halluzinogene sagen mir nicht zu Ich halte mich lieber an Alkohol.“ „Ah, da kriegt man so leicht einen Kater, und wenn man am Morgen aufwacht, hat man Kopfschmerzen Beim Trunk dagegen wacht man mit einem Lächeln auf.“ „Und einer Gier nach weiterem Trunk, um dieses Glücksgefühl zu erhalten Und schließlich kann man ohne dieses Zeug nicht mehr leben. Es ist dasselbe Argument wie bei anderen Drogen. Etwa bei Marihuana. Kein Kater. Aber man ist vielleicht doch mit einem Kater besser dran, denn dann betrinkt man sich nicht so oft. Wenn du dich mit Alkohol vollaufen läßt, tut's dir leid, sobald du wieder zu dir kommst. „Also, dann fangen wir doch an“, meinte Max fröhlich „Da ist eine Kneipe der Oberen. Interessiert's dich, Joe, daß ich noch nie in einer Kneipe der Oberen war? Aber jetzt bin ich 76
zur Kategorie Militär gestoßen, und da kann ich mir's erlauben. Mein Blut ist ebenso rot wie das eines anderen auch. Und außerdem glaub ich, Joe, daß du das alles selbst weißt.“ Joe nickte und schaute sich im Lokal um. Joe kannte Kingston nicht übermäßig gut, aber dem Aussehen nach mußte das Hotel, vor dem sie standen, eines der protzigsten der ganzen Stadt sein. Er zuckte die Achseln. Er mochte die Gemütlichkeit und den Service der Mittelklassenbars natürlich viel lieber als die Einfachheit der Lokale, die er als Unterer besucht hatte. Er hatte aber nie den dringenden Wunsch verspürt, zu den Oberen vorzustoßen, solange er nicht von Rechts wegen diesen Status hatte. Er war kein sehnsüchtiges Kind, das voll Verlangen in das Schaufenster eines Spielzeugladens schaute. Er war es gewohnt, durch die Tür hineinzugehen und das zu erstehen, was er haben wollte. Nun, sein Bursche wollte einen Drink in der Bar der Oberen. Schön, es war ja Wahltag. Wenn sich die regierende Klasse an diesem Tag zu den Unteren herabließ und die Unteren die Reservate der Oberen betreten durften, dann konnte er sich nicht dagegen stemmen. „Gut, gehen wir“, sagte er deshalb zu Max. * Die Uniform etwa eines Majors der Kategorie Militär wies nicht auf die Kaste hin, der er angehörte. Ein Mann wie Joe Mauser, der seine Uniform mit selbstverständlicher Sicherheit trug konnte in jedes Lokal gehen, ohne daß jemand auch nur andeutungsweise die Brauen hob. Das heißt, er konnte es bis er seine Kreditkarte vorwies denn auf ihr waren Rang und Kaste eingetragen. Anders war es bei Max Er war mit Sicherheit ein Unterer, vielleicht sogar ein Unter-Unterer. 77
Doch man machte ihnen ohne weiteres Platz an der Bartheke, an der sich Politiker, hohe Offiziere beider Seiten und andere Feiernde drängten „Bier“, sagte Joe zum Barkeeper. „Nicht für mich“, brummte Max „Ich will Champagner. Am Wahltag gibt es für Max Mainz nur das Allerfeinsten. Ich möchte etwas von dem Champagner, von dem ich schon soviel gehört habe.“ Joe legte seine Kreditkarte auf den Zahlschirm, sie bekamen ihre Flaschen und Gläser und gingen damit zu einem freigewordenen Tisch. Man konnte nicht damit rechnen, von einem Kellner bedient zu werden, denn es herrschte ein unglaublicher Betrieb. Allerdings hätte sich Max Mainz nur allzu gerne einmal als vornehmer Gast gefühlt, dem ein Kellner aufwartet, denn eine solche Wohltat hatte er noch nie erlebt. Die Bars und Kneipen der Unteren, zum Teil sogar die der Mittleren, waren vollautomatisch, und es gab keine menschliche Bedienung. Aber hier gab es nicht nur einen Barkeeper, sondern auch Kellner. Richtige Kellner. Ehrfürchtig staunend sah sich der kleine Mann im Lokal um „Ah, das gibt es also wirklich. Ich wollte meine Leute könnten mich jetzt sehen, wie ich mit einer Militärberühmtheit in einem feinen Lokal der Oberen sitze und Champagner trinke. Ich möchte nur wissen, was die hier jetzt sagen würden, wenn ich ein Hotelzimmer verlangen wollte. Joe Mauser war selbstverständlich bei weitem nicht so beeindruckt wie sein Bursche, denn er hatte sich schon häufig in Städten wie Groß-Washington aufgehalten und dort in Hotels gewohnt, die auch nicht schlechter waren als das hier, nur eben für die Mittleren bestimmt. „Vielleicht würden sie dir sagen, daß sie nichts frei haben“, meinte Joe. Max war gekränkt. „Nur weil ich ein Unterer bin? Heute ist doch Wahltag.“ 78
„Vielleicht deshalb weil sie wirklich nichts frei haben. Aber möglicherweise würden sie dich auch so abweisen. Max ließ das Thema lieber fallen. Er schaute mißtrauisch in sein Glas. „He, was haben denn die mir gegeben? Das Zeug schmeckt ja wie Apfelwein.“ Joe, der sein Bier genoß, das aus Europa eingeführt worden war, lachte in sich hinein. „Und wie, glaubst du, müsse Champagner schmecken?“ fragte er. „Ich habe dir einen ausgezeichneten Jahrgang der besten Lage bestellt.“ Max nippte noch einmal an seinem Glas und zog eine saure Miene. „Und ich habe gedacht, Champagner sei der beste Drink, den es gibt. Das Zeug da ist ja nur ein Wein, der ein bißchen prickelt.“ „Ihr Begleiter scheint kein Kenner der französischen Spitzenweine zu sein“, sagte eine Stimme neben Joe. Es war Balt Haer im Kilt und mit seinem unvermeidlichen Offiziersstöckchen. Er saß mit zwei anderen am Nebentisch, und alle hatten starke Drinks vor sich stehen. Joe lachte freundlich, denn am Wahltag war er dazu wohl verpflichtet. „Um die Wahrheit zu sagen, Sir, als ich das erstemal Schaumwein trank, ging es mir nicht anders.“ „Ach nein.“ Haer ließ deutlich durchblicken, wie wenig ihn das interessierte. „Das kann ich mir vorstellen.“ Er machte eine flatternde Handbewegung. „Oberstleutnant Paul Warren von Marshall Cogswells Stab und Oberst Lajos Arpad aus Budapest - Captain Joseph Mauser, Feldmajor in meines Vaters Truppe.“ Joe Mauser stand auf und knallte die Absätze zusammen; seine Verbeugung aus der Taille heraus war streng nach dem militärischen Protokoll. Die anderen beiden standen nicht auf, schüttelten ihm jedoch herablassend die Hand. 79
„Ah, das ist doch eine eurer fabelhaften Sitten, nicht wahr?“ näselte der Sov-Offizier. „Wahltag? Da kann doch jeder überallhin gehen, oder? Ah, und sich natürlich auch mit jedem - hm - verbrüdern, nicht wahr?“ Joe Mauser setzte sich und schaute den Offizier an. „Das stimmt, Colonel. Diese Sitte geht sehr weit zurück, praktisch in eine Zeit, wo alle Menschen vor Recht und Gesetz als gleich betrachtet wurden. Das ist schon ziemlich lange her. Gentlemen, darf ich Ihnen den Soldaten Max Mainz, meinen Burschen, vorstellen?“ Balt Haer mußte schon einiges getrunken haben. Er hob sein Glas, nippte daran und musterte Joe Mauser. „Sie können diese Dinge bis ins Lächerliche ausspinnen, Captain. Bei Ihnen, einem Mann von Ehrgeiz, erstaunt mich das allerdings.“ „Ehrgeiz?“ sagte Warren, der Oberstleutnant aus Stonewall Cogswells Stab. „Hat der Captain wirklich Ehrgeiz, Balt? Wie, bei Zen, kann ein Mittlerer Ehrgeiz haben? Das ist ja in sich schon ein Widerspruch.“ Er starrte Joe Mauser überheblich an. „Sagen Sie, habe ich Sie nicht schon einmal irgendwo gesehen?“ „Jawohl, Sir“, antwortete Joe gleichmütig. „Vor fünf Jahren standen wir beide mit dem Marshall in einem Gefecht in der Little Big Horn Reservation. Ihre Kompanie wurde von einer Batterie Feldartillerie umzingelt, und ich wurde zu Ihrem Entsatz geschickt. Wir schlängelten uns durch eine Schlucht, und es gelang uns sogar, die meisten Ihrer Männer herauszuholen.“ „Ich war verwundet“, erklärte der Oberstleutnant hochmütig, wenn auch nicht mehr ganz so wie vorher, und eine Spur unsicher. 80
Darauf sagte Joe Mauser nichts. Max Mainz rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Diese Offiziere redeten über ihn hinweg, als sei er gar nicht da. Plötzlich war das Vergnügen weg, der Spaß aus. Max Mainz fühlte sich in der Bar der Oberen gar nicht mehr glücklich. Balt Haer hatte nach frischen Drinks gerufen. „Nun, Colonel, diese Ambitionen von Captain Mauser müssen ja sehr diskret behandelt werden. Wie ich höre, war er ja einmal eine Art Ordonnanz bei Marshall Cogswell, aber der Marshall wird sehr traurig sein, wenn er erfährt, daß Captain Mauser ein Geheimnis hat, mit dem er Ihre Streitkräfte dezimieren will. Ha, ha! Und was wird das dem Captain nützen? Nun, mein Vater hat ihm versprochen, daß er in unsere Kaste aufsteigt, falls sein Plan gelingt. Natürlich nicht nur am Wahltag, sondern die ganzen dreihundertfünfundsechzig Tage des Jahres.“ Joe Mauser sprang auf. Sein Gesicht war ausdruckslos. „Gehen wir, Max?“ fragte er. „Gentlemen, es war mir ein Vergnügen. Colonel Arpad, es hat mich sehr gefreut. Colonel Warren, es war schön, Sie wiedergesehen zu haben. Sir, wenn Sie gestatten?“ Joe Mauser drehte sich um und verließ, gefolgt von seinem verschüchterten Burschen, das Lokal.
9. Oberstleutnant Warren war nun ganz nüchtern und sehr blaß. Er sprang auf und hob die Hand, als wolle er Joe Mauser aufhalten. Balt Haer lachte. 81
„Setz dich doch, Paul. Ist doch nicht wert, daß du dich darüber ärgerst. Der Mann ist ein Tölpel. Was kannst du denn sonst von ihm erwarten?“ „Ich war ja gar nicht zornig, Balt“, erwiderte Warren. „Als ich ihn das letztemal sah, hing ich über seiner Schulter. Er trug, schleppte und zerrte mich zwei Meilen weit durch feindliches Feuer.“ Balt Haer zuckte die Achseln. „Das ist doch sein Beruf - Kategorie Militär. Na und? Ein Söldner, den man mieten kann. Ich nehme an, er hat seinen Sold bekommen.“ Warren ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. „Er hätte mich ja auch verbluten lassen können. Die Vernunft hätte ihm sagen müssen, er solle mich liegenlassen.“ „Damit beweist sich doch das, was ich schon immer sage“, näselte Balt Haer. „Der Mann hat keinen Funken Vernunft.“ Warren schüttelte den Kopf. „Das stimmt nicht, Balt. Joseph Mauser hat sogar sehr viel Vernunft. Er ist auf dem Kampffeld einer der besten Männer, die es gibt, und selbst so alte Hasen wie Stonewall Cogswell erkennen das an. Aber ich würde wirklich nicht gerne unter ihm dienen, wenn man einmal in eine richtige Klemme gerät.“ „Und warum nicht?“ wollte der Ungar wissen. „Weil er kein Glück hat, und ist man richtig tief im Schlamassel drinnen, dann braucht man Glück. Hätte damals der Reporter seine Kameras auf Joe Mauser ausgerichtet, dann wäre er mindestens für einen Monat eine tolle Sensation gewesen. Aber weit und breit gab es da kein Telly-Team.“ „Vielleicht war sich der Captain gar nicht darüber im klaren“, vermutete Balt Haer. „Sonst hätte er seinen Heroismus sicher modifiziert. Paul, der Captain ist wirklich sehr ehrgeizig.“ Warren spülte sein Mißvergnügen mit einem Schluck aus seinem Glas hinunter. 82
„Ich glaube, wir sollten jetzt lieber über das vor uns liegende
Geschäft reden. Wenn dein Vater, Baron Haer, zustimmt, kann das Gefecht in drei Tagen beginnen ... Oberst Arpad, Sie haben sich doch sicher davon überzeugen können, daß die Bestimmungen des Abrüstungspakts nicht verletzt wurden?“ Lajos Arpad nickte. „Bis jetzt war die Beobachtung zufriedenstellend, aber wir wollen natürlich auch auf dem Schlachtfeld unsere Beobachter haben.“ Das Geplänkel zwischen diesen beiden Männern und dem Offizier einer niederen Kaste hatte ihn interessiert. „Verzeihen Sie. Wie Sie wissen, ist dies mein erster Besuch im - äh - Westen. Ich bin fasziniert. Wenn ich recht verstanden habe, dann ist dieser Captain Mauser ein fähiger junger Offizier, der den Ehrgeiz hat, in Ihrer Gesellschaft einen höheren Rang zu erreichen?“ Er sah Balt Haer an. „Warum haben Sie etwas dagegen?“ Balt Haer war ziemlich gereizt. Er goß die Hälfte seines neuen Drinks in sich hinein. „Welchen Zweck hat die Kaste der Oberen, wenn jeder hergelaufene Tagedieb sich hineinschwindeln kann? Ich habe absolut nichts dagegen, daß passende Mittlere in die Kaste der Oberen aufsteigen, aber dieser Mann ist doch ein Tölpel, wie Sie ja selbst feststellen konnten. Stellen Sie sich vor, er betritt in Gesellschaft seines Burschen ein respektables Lokal!“ Warren machte den Mund zu einer Antwort auf, schloß ihn dann aber wieder. „In der Sov-Welt“, sagte der Ungar, „suchen wir ehrgeizige Leute aus und bedienen uns ihrer Fähigkeiten.“ Warren lachte. „Theoretisch tun wir das hier auch. Wir sind frei - wenn ich auch nicht recht weiß, was das heißt. Aber es ist gut, eine prima Schule, ausgezeichnete Beziehungen, Verwandte in einflußreichen Positionen, reichlich Aktien guter Unternehmen 83
und ähnliche Dinge zu haben; und noch andere Dinge, mit denen man in unserer freien Welt geboren wird, Colonel Arpad.“ Der Ungar schnalzte mit der Zunge. „Ein Zeichen für eine im Abstieg begriffene Gesellschaft. Eine Elite, die in ihrer Machtposition eingefroren ist.“ Balt Haer wandte sich an ihn. „Ist es in Ihrer Welt denn anders?“ fragte er aggressiv. „Oder ist es reiner Zufall, daß die besten Positionen in Ihrer Welt von Parteimitgliedern eingenommen werden? Sind nicht die besten Schulen mit den Kindern der Parteimitglieder angefüllt? Ist es nicht nur Parteimitgliedern gestattet, Dienstboten zu haben? Und sind es immer und überall nicht nur Parteimitglieder, die ...“ „Gentlemen“, sagte Warren und hob dazu abwehrend eine Hand. „Wir wollen doch nicht den Weltkrieg Nummer drei anzetteln, oder? Wenigstens nicht jetzt und ausgerechnet heute und hier.“ In diesem Moment lief ein Page herum. „Colonel Arpad? Ist ein Colonel Arpad hier?“ „Das hier ist Colonel Arpad“, sagte Warren und deutete. „Sie werden am Telefon verlangt, Der Ungar war einigermaßen überrascht; er zuckte die Achseln und stand auf. „Wenn die Herren mich entschuldigen wollen ...“ Er verbeugte sich und folgte dem Pagen. Er wurde in einen kleinen Raum geführt, der einen Tisch, ein paar Stühle und ein Videophon enthielt. „Hier haben Sie's ruhig, Sir“, sagte der Page und ging. Der Ungar nahm vor dem grauen Schirm Platz. „Hier ist Colonel Arpad“, sagte er. „Verwürfelt“, meldete der Schirm. Der Ungar hob die Brauen. Er schaute sich um, stand auf 84
und sah nach, ob die Tür geschlossen war. Dann zuckte er die Achseln, ging zum Schirm zurück, nahm ein Gerät aus seiner Jackentasche und befestigte es am Schirm. Jetzt wurde der Schirm hell, und der Mann, der sich bei Fodor als Smith eingeführt hatte, sagte: „Kamerad Arpad, bitte, entschuldigen Sie die Störung.“ „Na, schön, Troll“, antwortete Arpad ein wenig verwirrt. „Woher wußten Sie, wo ich bin? Und was tun Sie hier? Sie sollten in Groß-Washington sein.“ „Ich habe Sie rein zufällig entdeckt, Kamerad Colonel. Da ich zufällig in der Nähe war, dachte ich, es sei besser, mit Ihnen zu sprechen. Dieser Captain Mauser nämlich. Ich erhielt gestern den Auftrag, ihn zu … eliminieren.“ „Aus welchem Grund?“ „Vermutlich wegen des Gefechts zwischen Continental Hovercraft und Vacuum Tube Transport, Kamerad Colonel. Damit er dort nicht teilnehmen kann.“ „Wer will, daß er eliminiert wird?“ „Der Befehl scheint direkt von Feldmarschall Cogswell zu kommen, der die Continental Hovercraft vertritt.“ „Marshall Cogswell gibt keine Befehle zur Ermordung junger feindlicher Offiziere“, antwortete der Ungar. Der Mann, der sich Smith nannte, sagte darauf nichts. Lajos Arpad dachte nach und runzelte die Stirn. „Warum will Cogswell, daß Captain Mauser vor dem Gefecht eliminiert wird?“ fragte er. „Ich weiß es nicht, Kamerad Colonel.“ „Es muß mit dem Gefecht selbst zu tun haben. Einen anderen Grund kann ich mir nicht vorstellen.“ „Ich weiß es nicht, Kamerad Colonel. Ich wurde vom Spionagechef angeheuert. Es soll alles vermutlich ganz heimlich gemacht werden. Die Bezahlung ist ausgezeichnet.“ Der Ungar war sehr unglücklich. „Wann sollten Sie das erledigen, Troll?“ 85
„Vor dem Gefecht, Kamerad Colonel.“ „Es gefällt mir absolut nicht.“ „Mir auch nicht. Aber wenn ich's nicht mache, ist meine ganze Tarnung beim Teufel. Und dabei bin ich so weit, daß ich die gewünschten inneren Kontakte herstellen kann. Ich infiltriere ziemlich erfolgreich und werde von den Mächtigsten in ihren schwierigsten Angelegenheiten eingesetzt. Das ist ein verhältnismäßig recht harmloser Auftrag, aber ich muß ihn ausführen, sonst ist es aus mit meinem Image, das ich so mühsam aufgebaut habe.“ „Das verstehe ich ja alles“, antwortete Arpad ungeduldig. „Aber ich möchte endlich wissen, weshalb es nötig sein sollte, diesen jungen Offizier zu eliminieren.“ Jetzt war Smith-Troll sehr unglücklich. „Es wird nicht leicht sein, das herauszukriegen. Vermuten Sie vielleicht, Kamerad Colonel, daß die Bestimmungen des Abrüstungspakts verletzt wurden?“ „Möglich ... Aber soviel ist im Pakt auch wieder nicht drin, Troll. Wußten Sie nicht, daß es lange vor dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts Raketen gab? Die Chinesen nannten sie fliegende Feuerpfeile, und sie setzten sie schon im dreizehnten Jahrhundert gegen die Mongolen ein. Später wurden sie in verbesserter und mit Sprengsätzen ausgestatteter Form in den Napoleonischen Kriegen verwendet. Allerdings trat dann eine große Pause ein. Man entdeckte sie erst im Zweiten Weltkrieg wieder neu. In Budapest sähe man es nicht gerne, wenn die Westwelt unter dem Vorwand, es handle sich um Waffen, die schon Jahrhunderte alt sind, mit Raketen experimentierte und sie in Serie herstellte, um sie bei den Gefechten zu verwenden. Ich sage absolut nicht, daß Mauser das zu tun gedenkt und was Cogswell fürchtet, ich will damit nur sagen, daß wir die Entwicklung stets im Auge behalten müssen. Sie werden also herausfinden, weshalb der Captain eliminiert werden soll, 86
Troll.“ „Jawohl, Kamerad Colonel. Ich werde es jedenfalls versuchen.“ Das Gesicht des Colonels war plötzlich hart und kalt. „Sie werden besser mehr tun, als es nur versuchen“, sagte er. * Joe Mauser und Max Mainz drückten sich durch die Mengen der Spaziergänger und Feiernden, von denen sehr viele schon entweder von Alkohol oder von Drogen berauscht waren. Joe kochte innerlich, aber Max hatte den Zwischenfall im Hotel schon vergessen, weil ihm der Wahltag ungeheuer viel Spaß machte. Joe hatte keine Lust, sich zu unterhalten. Er war noch immer wütend, weil Balt Haer versucht hatte, ihn zu demütigen. Zum Glück hatte er dem Fatzke seinen Plan nicht verraten, sonst wäre er jetzt schon vermutlich in aller Mund. „Wir gehen auf einen Drink da herein“, sagte er schließlich. „Was ist das?“ wollte Max wissen. „Eine Bar der Mittleren? Ich war auch noch nie in einer Mittleren-Bar. Gut, gehen wir rein.“ Drinnen war dasselbe Gedränge wie im Hotel der Oberen, aber hier ging es ein bißchen gemischter zu. Joe und Max mußten erst eine Weile warten, ehe sie eine leere Nische fanden. Joe Mauser bestellte über den Autoservice zwei Rum Demara. Der Mittelteil des Tisches senkte sich und kam sofort wieder mit den beiden vollen Gläsern herauf. Joe hielt Max den Drink unter die Nase „Und das hier auf die Kaste der Oberen“, sagte er verächtlich. „Okay“, antwortete Max, der gar nichts begriff „Wir brauchen ja ein paar Gescheite, die das Land regieren. Ich sag nichts gegen die Regierung und die alten Zeiten. Für meinen Daddy waren sie gut genug, und sie sind auch …“ 87
„Halt die Klappe“, fauchte Joe. Er trank sein Glas auf einen Sitz leer. Max schaffte nur die Hälfte. „Wwwah. Eh, Joe, der brennt wie höllisches Feuer.“ „Willst du noch einen?“ „Muß erst den schaffen.“ Joe wählte noch einen Rum für sich selbst. Damals, als er mit Jim in der Jamaica Reservation gekämpft hatte, war er auf den Geschmack gekommen. Plötzlich hatte Joe jedoch den ganzen Betrieb satt. „Gehen wir“, sagte er angewidert, trank sein Glas leer und stand auf. „Okay“, murmelte Max. Auf den Straßen ging es noch viel schlimmer zu als vor einer halben Stunde. „He, das ist ein Leben!„ rief Max. „Ich hätte schon vor Jahren zur Kategorie Militär überwechseln sollen!“ „Da wärst du aber jetzt schon tot“, sagte Joe. „Du bist's ja auch nicht und tust schon lange mit.“ „Alles nur geborgte Zeit, Max“, antwortete Joe nüchtern. „Zeit, die von vielen Burschen geborgt ist, die ich alle in diesen Jahren gekannt habe und von denen keiner mehr da ist.“ Eine ganze Horde Mädchen kam ihnen entgegen. Alle trugen eine verweiblichte Haer-Uniformen, warfen ihnen Konfetti ins Gesicht und lachten übermütig. Joe wehrte brummend ab, aber die Mädchen waren drogenselig. Dann drängten andere heran lachten, schrien und tanzten, schoben hier- und dorthin, und als sich die Menge wieder ein wenig verzogen hatte, war kein Max mehr zu sehen. Joe Mauser tat es gar nicht leid, daß er jetzt den Wahltag auf seine Weise genießen konnte. Er wich dem größten Gedränge aus und betrat etwas später wieder eine Bar. Hier gab es keine leeren Tische, und er brauchte auch keinen. Er hatte keine Lust, sich mit Fremden zu 88
unterhalten, und so drückte er sich in eine Lücke an der Bartheke. Auch das hier war ein Lokal der Mittleren, und das paßte ihm. Er hatte die Plüschatmosphäre der Oberen ebenso satt wie den Lärm und die Unordnung und Primitivität der Unteren. Er legte seine Kreditkarte auf den Zahlschirm und wählte. Da stand neben ihm ein Zivilist. „Darf ich Sie zu einem Drink einladen, Soldat?“ sagte der Mann. „Nein“, brummte Joe „Danke,“ fügte er ein bißchen widerwillig hinzu. „Warum nicht?“ Das reizte Joe Mauser. „Weil ich die Idioten nicht mag, die in die Stadt kommen, um sich die Kämpfer anzuschauen, die vielleicht in ein paar Tagen nicht mehr leben.“, erklärte er. „Das nehme ich Ihnen nicht übel, und ich tue es auch nicht.“ Jetzt sah Joe auf „Was tun Sie nicht?“ „Hören Sie, ich bin geschäftlich in der Stadt.“, erklärte der Fremde. „Das Gefecht ist mir egal. Das letzte habe ich vor ungefähr zehn Jahren gesehen. Auch ohne Gefechte gibt es zuviel Gewalttätigkeiten auf der Welt.“ Joe musterte jetzt den Mann genauer. Er war ein drahtiger Typ, konservativ gekleidet, in keiner Beziehung auffallend, und schien zu meinen, was er sagte. „Was trinken Sie?“ fragte er den Mann. „Barack“ , sagte der Fremde. Versuchen Sie ihn. Ich heiße Smith.“ „Und ich Mauser. Was ist Barack?“ „Ein Brandy aus Aprikosen. Sehr gut.“ Joe schnitt eine Grimasse. „Scheint süß zu sein. Ich habe Rum getrunken.“ „Dann trinken Sie Rum. Aber Barack ist nicht süß.“ „Na schön. Dann versuche ich einen Barack.“ 89
Der Drink kam, und Joe hob andeutungsweise sein Glas, ehe er trank. Er war überrascht, wie stark das Zeug war, viel stärker als der starke Rum, den er vorher getrunken hatte. „Zen.“ Smith schüttelte den Kopf. „Den Barack dürfen Sie nicht wie Wasser in sich hineingießen. Den müssen Sie schon langsam trinken.“ „Ich hab aber keine Lust, langsam zu trinken.“ „Ist was schiefgegangen?“ „Warum mögen Sie keine Gefechte?“ „Hab ich Ihnen doch gesagt. Ist auch ohne sie genug Gewalttätigkeit auf der Welt.“ „Stimmt“, gab ihm Joe recht. Allmählich spürte er den Alkohol. Seit dem Frühstück hatte er nichts mehr gegessen, und jetzt war es schon ziemlich später Nachmittag. „Ich mag sie auch nicht“, sagte er und wußte, daß er schon etwas nuschelte. „So? Aber Sie sind doch für das nächste vorgesehen, was?“ Schon stand ein frisches Glas vor ihm, und auch das trank Joe leer. „Ja. Aber das ist das letzte. Für mich ist es das letzte Gefecht.“ „Interessant“, bemerkte Smith. „Wohl genug Geld gespart, was?“ „Noch nicht.“ Joe kicherte in sich hinein. „Aber nach dem jetzt. Und der alte Mauser sagt, dann hört er auf.“ Schon wieder stand ein Drink vor ihm, und auch den goß er hinunter. Zum Teufel warum auch nicht! Am Wahltag hatte er keinen Dienst, und er betrank sich sowieso selten genug. Und morgen mußte er diese drogensüchtigen Trottel zu Soldaten machen. Morgen. Und dieser junge Hund, dieser Balt Haer, beschäftigte ihn noch immer. Sein neuer Freund bestellte weitere Drinks. „Hab 'nen neuen Trick“, sagte Joe. Dann legte er die Stirn in Falten, um sich an etwas zu erinnern. Es gelang ihm nicht. Irgend etwas war irgendwie nicht richtig. Trotzdem trank er 90
das neue Glas zur Hälfte leer. „Sie trinken ja nicht“, hielt er Smith vor. Dessen Glas war halbvoll „Doch, ich trinke. Welchen Trick haben Sie? Ich fürchte, ich verstehe von Gefechten absolut nichts.“ „Wie heißt der Drink?“ „Barack.“ „Und woher stammt er ?“ „Ich glaube, ursprünglich aus Ungarn, aber jetzt wird er auch hier hergestellt. Ich kann mir nicht denken, daß er aus der Sov-Welt eingeführt werden durfte.“ „Ungarn?“ Jetzt fiel ihm doch noch ein, warum er geglaubt hatte, hier müsse etwas nicht stimmen. Ganz flüchtig hatte er Smiths Kreditkarte gesehen. Der Name darauf war nicht Smith gewesen. „Sie heißen ja gar nicht Smith“, sagte Joe. Smith sah ihn an und nahm ein kleines Döschen aus seiner Jackentasche. Er öffnete es und schüttelte eine Pille heraus „Ist das wichtig? Und was macht es schon aus? Wir sehen einander doch niemals mehr. Aber was sagten Sie da von dem besonderen Trick, der sich im nächsten Gefecht so gut bezahlt machen sollte?“ Joe kniff die Augen zusammen, nahm das Glas, um es leerzutrinken, setzte es aber wieder ab. „Hau ab, du Schnüffler“, knurrte er. „Was ist denn los, Joe?“ Joe Mauser schüttelte den Kopf, um etliche Spinnweben zu vertreiben „Woher weißt du, daß ich Joe heiße?“ „Hast du mir doch selbst gesagt.“ „Den Teufel hab ich'. Ich hab' dir gesagt, ich heiße Mauser.“ Abrupt drehte sich Joe Mauser um und ging zur Tür. Smith fluchte leise und erbittert in sich hinein.
91
10. In der Bar war es kühl und angenehm gewesen, und draußen auf der Straße herrschte drückende Sommerhitze. Ein Nebel überrollte ihn. Als er sich wieder verzog, befand sich Joe ein paar Straßen von der Bar entfernt, in der er den Zivilisten Smith getroffen hatte. Eigentlich hatte er den Mann schon wieder vergessen, nur eine leichte Gereiztheit war geblieben. „He, Major, Sie schauen aber ein bißchen überständig aus“, sagte jemand zu ihm. Sie war ein bißchen aufgedonnert oder wirkte wenigstens so; ihre Kleidung war sehr modisch, ihr Haar eine fuchsrote Masse schimmernder Löckchen. Die knallblauen Augen hatte sie in einem amüsierten Lächeln zusammengekniffen, und ihr schmales, hellwaches Gesicht hatte die Farbe frischer Sahne. „Ich fühle mich auch so überständig“, erklärte ihr Joe ein wenig verlegen. „Glauben Sie's einem uralten Veteranen, und mischen Sie niemals Rum und Barack.“ „Jetzt mußte ich Sie ja eigentlich fragen, was Barack ist, aber zum Teufel damit, das kann ich mir schon denken“, sagte sie. „Major, ich habe das Gefühl, an Ihnen ist eine gute Tat fällig. Wie wär's mit einem Sandwich und einem Becher kalten Bieres - so zum Nüchtern werden?“ Die Situation kam ihm nicht unbedingt neu vor. Er schüttelte den Kopf, um den Nebel darin vollends zu vertreiben. Sie war ein sehr niedliches, kleines Ding, das schönste Madchen, das er heute gesehen hatte. Ihre Stimme klang kultiviert, und sie war weder betrunken, noch stand sie unter dem Einfluß von Drogen. Humor schien sie auch zu haben. Genau das brauchte er. Ganz kurz einmal dachte er an Nadine Haer, aber wieder 92
schüttelte er den Kopf, diesmal aber ärgerlich. Einen aus der Haer-Familie, die Schwester von Balt? Erblicher Adel. Sie wußte ja nicht einmal, daß es einen Menschen Joe Mauser gab. Sicher hatte sie die ernsthafte Unterhaltung vom Tag vorher längst vergessen. Sicher, sie befand sich auf einem Kreuzzug für ihre revolutionären Ideen, und die brachte sie jedem nahe, der bereit war, ihr zuzuhören. Kaste, Herkunft und Bildung waren ihr da unwichtig. Aber Joe Mauser als Persönlichkeit? Daß ich nicht lache, Captain. Ich bin eine schöne Frau mit dem nötigen Stolz auf meine Abkunft, und eitel bin ich auch ein wenig. Ich bin eine Haer. Doktor der Medizin. Und was sind Sie, Captain? Ein Söldner. Ein Mörder von Beruf. Der Kaste nach ein Mittel-Mittlerer, von den Unteren nur deshalb aufgestiegen, weil Sie Ihre Ellbogen zu gebrauchen wußten. Für mich sind und bleiben Sie ein Unterer, Captain Mauser. Das Mädchen hier war etwas anderes. Joe holte tief Atem. „Ein Sandwich? Ich könnte eines vertragen. Und wo können wir eines kaufen?“ Sie lachte, nahm seinen Arm und führte ihn. „Major, heute und hier würde ich Ihnen nicht raten, in einem Restaurant ein Sandwich zu kaufen, nicht einmal dann, wenn ich ein Geheimagent des Barons Zwerdling wäre.“ Er schaute sie erstaunt an. „Sie wollen es selbst machen?“ Er wußte nicht, wohin sie ihn führen würde, und es war ihm auch egal. „Bei Zen! Hier sind wir auch schon.“ Sie waren in eine Seitenstraße eingebogen und standen nun vor einem kessen, sehr niedrigen Hoverlimousinchen. Das war ein Modell aus dem Vereinten Europa und stammte aus der Gegend, die früher Italien geheißen hatte. Sie öffnete die Tür, machte eine etwas spöttische Handbewegung und half ihm hinein, als sei er ein alter, gebrechlicher Herr. Dann ging sie um den Wagen herum und setzte sich ans Steuer. 93
„Wohin?“ fragte er. „Das sage ich nicht“, antwortete sie lachend und startete den Wagen, der leicht wie ein Vögelchen auf Luftkissen abhob. Sie drückte auf einen Knopf, und neben ihm schob sich das Fenster herunter. Dankbar atmete er die kühlere Luft ein. „So ist es schon besser“, sagte er. Die Stadt hatten sie bald hinter sich, und dann folgten sie einer Straße, die am Hudson entlang durch meilenweite Obstgärten führte. Nach ein paar Meilen bog das Madchen nach links ab und benutzte einen anscheinend privaten Luftkissenstreifen. „Wohin fahren wir denn?“ fragte er wieder. „Zu meinem Haus“, antwortete sie leichthin. „Oh?“ Er musterte sie. Sie war ein bißchen älter, als er anfangs geglaubt hatte. Um die Augen lag ein Netz angedeuteter Fältchen, und der Hals war nicht mehr ganz makellos glatt. Es war ihr aber sichtlich gelungen, den Kampf gegen die Zeit zu gewinnen. Offensichtlich war sie eine Angehörige der gutsituierten Ober-Mittleren, und das war ihm gerade recht. Gegen die jungen Mädchen, die oft genug in den Randstädtchen der Reservate vor und nach Gefechten auftauchten, hatte er gewisse männliche Vorbehalte. „Sie wohnen hier in den Catskills?“ fragte er. „Manchmal ... Sie scheinen kein Flaschenbaby zu sein, Major. Ist was Besonderes passiert?“ Es paßte ihm nicht, daß sie ihn auszufragen versuchte. „Eigentlich nicht“, wich er aus. „Ich habe mich nur viel zu früh in das Wahltagsvergnügen gestürzt.“ Vor einem recht ansehnlichen Gebäude hielt sie an. Er überschaute mit einem Blick weite Gärten, Rasenflächen, Tennisplätze, einen herrlichen Swimming-Pool, und dann standen sie an der Tür. Er stellte fest, daß er in einem so 94
prächtigen Haus noch nie gewesen war. „Sie leben hier?“ fragte er. „Von jeher.“ Damit stieß sie die Tür auf. Von innen sah das Haus gar nicht so unsäglich prächtig aus. Behaglich und üppig - das schon, aber nur von bescheidener Größe. An einer Seite der Halle gab es eine Bibliothek, an der anderen ein Speisezimmer. Alles wirkte ein wenig unbewohnt. Schon früher war ihm in den Häusern der sehr Reichen eine gewisse Sterilität aufgefallen, und nicht einmal der stolze Besitzer des eleganten Wohnsitzes fühlte sich darin wirklich behaglich. Wie würde er selbst einmal wohnen, wenn er nur seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu folgen brauchte? Keine Statussymbole, keine Konkurrenz mit den Nachbarn, keine künstlichen Stimulanzien, keine Räume, die über seine persönlichen Bedürfnisse hinausgingen. Er grunzte amüsiert in sich hinein. Er kannte Obere aus der Kategorie Militär, die der Meinung waren, es sei am besten, sich nach Alaska zurückzuziehen und ein paar Wochen in einer Blockhütte zu verbringen, die nur einen Raum hatte. „Was ist denn so lustig?“ fragte sie. „Übrigens: Ich heiße Ann.“ „Und ich Joe. Das ist ein hübsch luxuriöses Nest, das Sie da haben.“ „Gefällt es Ihnen?“ „Nein.“ Er war inzwischen zu der Ansicht gekommen, daß sie doch keine Ober-Mittlere war, denn mit einem solchen Reichtum konnten die doch nicht um sich werfen. Vielleicht gehörte sie zu den Unter-Oberen. Er ließ sich in eine Komfortcouch sinken. „Hm“, machte er. „Wenigstens sind Sie wieder soweit nüchtern, daß Sie 95
knarrende Töne von sich geben können. Wollen Sie zuerst einen Happen zu essen oder einen Drink?“ Mit dem Kopf deutete sie in eine Ecke. „Dort steht die Bar. Wissen Sie, wie Sie Ihren Drink mixen müssen, oder haben Sie Ihr Leben lang nur Automatbars gehabt?“ Aus ihrem Ton horte er eine andeutungsweise Verächtlichkeit heraus. „Ich mixe mir meinen Drink selbst“, antwortete er höflich. „Aber ich glaube, ein Sandwich vorher wäre mir doch lieber.“ Sie salutierte zackig, lächelte spitzbübisch, machte eine schneidige Kehrtwendung und marschierte davon. Ihr Kilt schwang verführerisch um runde Hüften. Kaum war sie gegangen, als Joe Mauser noch einmal über den angebotenen Drink nachdachte. Entweder mußte er jetzt einen Bissen in den Magen bekommen, oder er mußte wieder in den Nebel der Trunkenheit dort eintauchen, wo er aufgetaucht war. Als sie zurückkehrte, hob er die Brauen. Sie trug ein Tablett. Darauf standen drei kleine Teller, und jeder war mit belegten Broten beladen. Sie waren sehr kunstvoll hergerichtet, und er bezweifelte, daß das ihr Werk war. Es gab Schüsselchen mit Nüssen, Kartoffelchips, Käsestangen und ähnlichen Dingen, alles Sachen, die einen alkoholisierten Magen schnell wieder besänftigen konnten. Das Tablett stellte sie vor ihm ab und bedeutete ihm, er solle sich bedienen. Aber es waren nicht die Brote, die er anstarrte. Sie hatte sich umgezogen und war in etwas Bequemeres geschlüpft, das besser für die Hitze geeignet war und doch als Bekleidung galt. Und barfuß war sie. Er wählte ein Brot mit virginischem Schinken und Käse aus der Schweiz. „Wollen Sie Bier? Ich habe echtes Pivo aus Belgrad. Das beste Bier der Welt. Serbisch. Sehr stark, sehr dunkel, sehr 96
schwer.“ Er nahm ein zweites Brot. „Aus der Sov-Welt, eh? Sie haben aber einen kostspieligen Geschmack. Gehört Ihnen das Haus? Sonst scheint niemand da zu sein.“ „Ich habe es gemietet“, antwortete sie mit ausdrucksloser Miene. „Und den Dienstboten habe ich heute freigegeben.“ „Sie mieten es nur für ein paar Wochen vor und während eines Gefechts?“ fragte er langsam. Wieder war das Funkeln in ihren Augen, das er schon vorher bemerkt hatte, ohne es sich erklären zu können. Ihre Zungenspitze erschien rosig zwischen ihren vollen Lippen. Sie war ihm eine Spur näher gerückt, und er fand, daß sie eine außerordentlich anziehende Frau war. „Wie kommen Sie auf diese Vermutung?“ fragte sie. „Joe, wissen Sie, ich bin ein richtiger Narr, was Gefechte betrifft. Ich liebe sie. Telly ist schon und gut, aber ... Wissen Sie, das Haus hier ist sehr geschickt gebaut. Vom Turm aus kann man mit einem guten Fernglas erstaunlich viel von der Reservation beobachten. Wenn man das Glück hat, daß sich der Kampf in diese Richtung bewegt, hat man alles aus erster Hand.“ „Ah, ich verstehe.“ Sie rückte noch ein bißchen näher. „Joe. Captain Joe Mauser. Der alte Pro. Joe, ich habe alle Gefechte verfolgt, seit ich ein Kind war. Ich kann nicht genug davon kriegen. Ich liebe sie. Ich finde alles daran wunderbar. Joe, wissen Sie, weshalb ich Sie hergebracht habe? Ich weiß doch, was ihr Burschen vor einem Gefecht braucht.“ „Woher kennen Sie denn meinen Namen? Ich sagte doch nur, daß ich Joe heiße.“ Jetzt war er ein wenig mißtrauisch geworden. Sie lächelte ihn an, und ihr Mund wurde noch weicher. „Seit mehr als zehn Jahren kenne ich Ihr Gesicht, Ihre 97
Gestalt, Ihren Gang, selbst den Ton Ihrer Stimme. Damals waren Sie erst Corporal, Joe Mauser. Ich weiß auch, daß man Sie in der Big Sur Reservation in Kalifornien einmal stundenlang für tot liegen ließ. Damals waren Sie fast sechs Monate im Krankenhaus. Das weiß ich alles. Damals wurden Sie zum erstenmal in den Magazinen erwähnt.“ Ja, auch Joe konnte sich daran noch erinnern. „Die Artikel handelten ja nicht gerade von Ihnen, Joe, sondern mehr von dem Mann neben Ihnen. Er hieß Jim Hawkins. Sie kamen deshalb in die Geschichten hinein, weil Sie sein Freund waren. Das weiß ich alles.“ Auch Joe wußte es. Ja, dort hatte er Jim kennengelernt, und gute sechs Jahre lang waren sie die besten Freunde und Kameraden gewesen. Mindestens ein Dutzend Gefechte hatten sie zusammen mitgemacht. Jim. Er war der beste Freund gewesen, den er je gehabt hatte, und der einzig wahre. „Ich weiß, was ihr vor einem Gefecht haben wollt, Joe Mauser, und es macht mir nichts aus. Aber vorher wollen wir noch ein bißchen über den Kampf reden. Erinnern Sie sich noch an den ersten Mann, den Sie getötet haben, Joe?“ Daran erinnerte er sich; der Bursche war kaum älter als siebzehn gewesen, und es war wohl sein erstes Gefecht. Er war in einen Granattrichter gesprungen, um dort Deckung zu suchen, und hatte Joe darin gefunden. Es hatte Stunden gedauert, bis der Junge starb, und er selbst konnte nicht heraus, weil die ganze Gegend unter schwerem Beschuß lag. „Nein, ich kann mich nicht erinnern“, sagte er. Sie lachte kehlig. „So ist es doch immer mit euch Söldnern. Ein richtiger Fan kann sich an alles besser erinnern.“ Ihre Augen waren lockend und voll Verlangen. „Joe Mauser, ich kann mich an das größte Gefecht erinnern, das du je mitgemacht hast. Ich erzähle dir davon. Dann kannst du mit mir machen, was du willst, Joe Mauser. Es war das Gefecht zwischen den beiden großen 98
Flugzeugkonzernen. Lockheed-Cessna gegen Douglas-Boeing. Weißt du noch, weshalb sie kämpften?“ „Das glaube ich nicht. Ich weiß selten, weshalb sie miteinander kämpfen. Weder vorher, noch nachher.“ „Stonewall Cogswell kommandierte die Seite LockheedCessna. Damals war er noch General. Sie waren gerade Leutnant geworden.“ Jim war auch Leutnant geworden. Sie wußte alles. „Alles ging für euch gut, bis Langenscheidt, der die Streitkräfte von Douglas-Boeing kommandierte, diese leichten französichen Maschinengewehre einsetzte. Ich glaube, sie heißen Mitrailleusen. Bis dorthin hatte man nur immer die schweren Maschinengewehre verwendet; wassergekühlte. Und Wasser findet man nicht überall auf dem Kriegsschauplatz. Cogswell machte einen Fehler, als er damals befahl, daß der Hügel gestürmt werden müsse. Er wußte nicht, daß ein Dutzend dieser leichten Maschinengewehre oben war. Er glaubte, er habe den Sieg schon in der Tasche und brauche nur noch pro forma den Hügel zu stürmen.“ Joe schüttelte den Kopf, als wolle er gar nicht hören, was dann kam. „Mit der ersten Welle sind Sie hinaufgestürmt, Joe Mauser. Sie waren der einzige überlebende Offizier.“ „Ja“, bestätigte Joe. „Eine zweite Welle sollte es nicht mehr geben, aber Sie waren getroffen. Nicht schlimm, aber das wußte Ihr Freund, Leutnant Jim Hawkins, nicht. Er rannte zu Ihnen. Ich weiß das noch wie heute. Ein paar Schritte entfernt war ein TellyUnterstand. Es war alles wunderbar zu sehen. Hawkins lief also herbei, so geduckt, wie Männer im Kugelhagel rennen, um ein möglichst kleines Ziel abzugeben. Als er den Granattrichter erreichte, in den Sie gefallen waren, hatten all seine Leute Deckung gesucht oder waren gefallen. Er war allein. Er kam bis zum Rand des Granattrichters, und dann kam der 99
Volltreffer ...“ „Halten Sie den Mund“, sagte Joe so leise, daß es kaum zu hören war. „Halten Sie den Mund, Sie Luder!“ „Joe Mauser, nimm mich“, flüsterte sie hitzig. „Jetzt. Alles, was du willst. Und in den nächsten Tagen kannst du dann an mich denken. An mich denken!“ * Er hätte ihre Hoverlimousine benutzen können, denn sie stand noch vor dem Haus, doch er tat es nicht. Er marschierte den Luftkissenstreifen entlang zur Autostraße. Nach Kingston waren es zwar ein paar Meilen, aber der Marsch würde ihm guttun. Flüchtig überlegte er, ob er ihr die Nase oder sonst etwas gebrochen hatte. Er wollte nur von ihr weg. Nichts sonst. Jetzt war er stocknüchtern. Ein Wagen fuhr hinter ihm heran, und er ging zur Böschung hinauf. „Wollen Sie mitfahren, Soldat?“ rief eine Stimme. Joe schüttelte den Kopf. Es war ein Mietwagen und Standardmodell. „Nein, danke“, sagte er. „Sie steigen aber doch besser ein, Joe.“ Jetzt blieb Joe Mauser stehen und spähte in den Wagen hinein. Das war doch der Bursche, der ihm den Barack bezahlt hatte. Er hatte etwas an sich gehabt, das ihm nicht gefiel, doch er wußte nicht mehr, was es war. „Nein, danke“, wiederholte er. „Na, kommen Sie schon!“ drängte der andere ungeduldig. „Ich habe mit Ihnen zu reden.“ Zum Teufel, dachte Joe, zuckte die Achseln und kletterte hinein. „Ihren Namen habe ich vergessen“, brummte er. „Smith“, antwortete der Fahrer. „Und Sie sind Joe Mauser.“ Nun fiel es ihm wieder ein. Der Mann hatte gewußt, daß er Joe hieß, obwohl er selbst sich nur als Mauser vorgestellt hatte. 100
Da war Vorsicht am Platz, denn der Bursche hatte behauptet, er möge Gefechte nicht. „Wissen Sie, das war ein Glück, daß ich Sie zufällig traf“, sagte Smith. „Ich habe über etwas nachgedacht, das Sie in der Kneipe erwähnten.“ Joe war überzeugt, daß es geplant war. Nachdem er aus dem Luftkissenstreifen auf die Straße eingebogen war, hatte er gehört, wie der Wagen gestartet wurde. Smith schien ihm gefolgt zu sein. Instinktiv spielte Joe glaubwürdiges Theater. Er ließ sich in den Sitz zurückfallen. „Herrjeh, bin ich betrunken!“ brummte er. „Und Durst habe ich! Gibt's in diesem Wagen nichts zu trinken?“ „Nein“, antwortete Smith. „Aber die Bars in Kingston sind gewiß noch offen. Da kaufe ich Ihnen einen Drink. Inzwischen könnten wir jedoch über meine Idee sprechen, wie wir beide zu recht guten Aktien kommen könnten.“ „Wie denn?“ nuschelte Joe. Er war stocknüchtern. Wenn dieser Smith ihm von der Bar aus gefolgt war, dann wußte er auch, daß er zusammen mit Ann deren Haus betreten hatte. Vielleicht glaubte Smith, er habe dort noch getrunken und sei nun völlig betrunken. Gut, sollte er es glauben. „Sie wissen vermutlich nicht, daß die Chancen gegen Baron Haer etwa eins zu zehn stehen“, sagte Smith ernst. „So schlimm ist es?“ nuschelte Joe. „Ja. So schlimm. Zufällig habe ich nun ein paar gute Papiere, mit denen ich wetten könnte. Zehn zu eins, und jeder bekommt die Hälfte, das macht für jeden immer noch fünfmal soviel, wie ich einsetze.“ „Und was woll'n Sie wetten? Ah, ist mir scheußlich ...“ „In der Bar erwähnten Sie doch etwas davon, daß Sie wüßten, wie Sie reich werden könnten. Und daß dies Ihr letztes Gefecht sei. Daß Sie sich danach zurückziehen könnten. Nun, das einzige, womit Sie jetzt schnell reich werden können, sind 101
Informationen, die etwa dem Baron Haer einen Sieg ermöglichen. Sie haben womöglich all diese Informationen, und wenn Sie mich mitmachen lassen, dann teile ich all meine Gewinne zu gleichen Teilen mit Ihnen.“ Joe tat, als denke er mühsam nach. „Und wenn ich aber ... nix habe?“ „Sie haben, Joe Mauser.“ „Woher woll'n Sie das wissen?“ „Ich weiß es eben. Und es wäre sehr klug, wenn Sie mir's erzählten.“ „Nein.“ „Sie wollen mir also nichts sagen?“ „Ich hab nichts zu erzählen, also lassen wir's doch.“ Er sah in Smiths Hand eine Waffe schimmern; es war keine solche, wie er sie kannte und bei Gefechten benützte, ein Colt oder eine Smith & Wessen. .44 oder .45. Diese Waffe war klein, sah tödlich aus und mußte aus der Produktion der SovWelt stammen. War ganz schön interessant, daß der Bursche ungarischen Barack trank und eine Sov-Waffe hatte. Wirklich interessant. „Nicht bewegen, Captain Mauser“, sagte Smith. „Sonst verpasse ich Ihnen eine Hypodermik.“ „Was is' denn das?“ nuschelte Joe. „Ich will ja gar nix. Höchstens einen Drink.“ „Das ist ein Wahrheitsserum, Captain Mauser. Ich kann Sie auch schön in den Magen schießen und aus dem Wagen herauskippen.“ Das war der erste Fehler, den Smith machte. Er wußte ja nicht, daß Joe vollkommen nüchtern war. Er wußte ferner nicht, daß die Reflexe von Joe Mauser erstklassig waren und gar nicht besser sein konnten. Joes Linke zuckte nur einmal nach vorn, dann hatte er Smith die Waffe aus der Hand geschlagen. Er fing sie mit der rechten Hand auf, ehe sie noch den Boden berührte. Er stieß sie dem 102
Agenten in die Seite. „An den Rand fahren“, befahl er. Smith war kein Narr und auch kein Feigling. Vor den Behörden der West-Welt wollte er nicht landen. Dann war seine ganze Karriere beim Teufel. Er holte also aus. Joe Mauser drückte ein paarmal ab und lenkte das Fahrzeug an den Straßenrand. Der Mann, der sich Smith genannt hatte, war mausetot. Als der Wagen stand, stieg Joe aus, ging um das Fahrzeug herum, machte die Tür auf und zog den Agenten heraus. Jetzt brauchte er nur noch ein bißchen Glück, um die Leiche loszuwerden. Natürlich war es Notwehr, aber darum ging es nicht. Man würde ihn ohne Zweifel freisprechen, doch das dauerte eine Weile, und Zeit hatte er nicht. Er mußte beim Gefecht sein und mittun, wenn sich die Truppen von Baron Haer und Baron Zwerdling gegenseitig zu verprügeln suchten.
11. Das Hauptquartier von Baron Malcolm Haer lag in den Ruinen einer Farm im ehemaligen Städtchen Bearsville. Seine Streitkräfte und die des Feldmarschalls Stonewall Cogswell hatten noch keinen Kontakt. Da und dort hatte es zwischen Kavalleriepatrouillen kleine Scharmützel gegeben; sonst herrschte aber noch Ruhe. Der Kahlkopf von Baron Haer glänzte ölig. Das gefiel seinen Offizieren nicht, denn das war ein Zeichen von überschäumender Energie, die seinen Ärzten seit mehr als zehn Jahren ehrlichen Kummer machte. Haers Mut, sagte man, und sein Selbstvertrauen seien tausend Mann wert. Er zog mit dem Finger eine Linie auf der Generalstabskarte 103
nach. „Soviel ich weiß, hat Marshall Cogswell sein Hauptquartier in der Nähe von Saugerties. Weiß jemand den Grund dafür?“ „Sinn hat es keinen, Sir“, antwortete ein Major düster. „So wie ich den Marshall kenne, ist das nur eine Finte. Wenn wir ihm irgendwie überlegen sind, dann in der Artillerie. Aber der alte Fuchs wagt sich ja nicht auf die Ebene am Fluß heraus. Er hält sich lieber mit seiner Reiterei in den Bergen. Jack Altshulers Kavallerie hat die erfahrensten Veteranen.“ „Ja, das weiß ich“, erwiderte Haer grollend. „Ich möchte nur wissen, wo Balt steckt.“ „Bin schon da“, meldete er sich, denn er war gerade gekommen. „Mit Radio könnten wir die Verbindungen ...“ „Ach, laß doch. Was haben deine Kundschafter herausgefunden?“ unterbrach der Baron seinen Sohn. „Nicht sehr viel, Sir. Eine überlegene Schwadron hat sie in die Flucht geschlagen. Ich sagte doch immer, wir brauchten viel mehr Pferde. Ich kann ...“ „Im Augenblick ist dein Rat überflüssig“, fuhr ihn sein Vater an. „Ich möchte nur wissen, warum er sein Hauptquartier nach Saugerties verlegt hat.“ „Sir, darf ich vielleicht ...“, sagte eine Stimme hinter ihm. Die meisten Offiziere drehten sich nach ihm um. Es war Joe Mauser. „Major Mauser, warum sind Sie nicht auf dem Schlachtfeld bei Ihren Soldaten?“ schnappte Haer. „Ich habe sie meinem Stellvertreter übergeben, Sir“, erklärte Joe, stand stramm und sah seinen Kommandeur fest an. „Was soll das heißen, Major? Sie haben doch Ihre Befehle. Oder bilden Sie sich vielleicht ein, Sie gehörten zu meinem Stab?“ „Nein, Sir“, erwiderte Joe Mauser zackig. „Ich komme mit der Meldung, daß ich bereit bin ...“ „Aha, der große Plan!“ rief Balt Haer und lachte spöttisch. 104
Das Gesicht des Barons war rot vor Zorn. „Major Mauser, Sie kehren zu Ihrer Truppe zurück und gehorchen Ihren Befehlen“, rief er. Das hatte Joe Mauser erwartet, doch er blieb ruhig und gelassen. „Sir, ich werde Ihnen sagen können, wo Marshall Cogswell und all seine Truppen sind“, sagte er. Einen Moment lang herrschte Grabesstille. Dann stieß der Offizier, der gemeint hatte, das Hauptquartier des Feldmarschalls in Saugerties sei eine Fälschung, ein meckerndes Lachen aus. „Das ist nicht die richtige Zeit für leichtfertige Späße, Captain“, sagte Balt Haer. „Kehren Sie zu Ihrer Truppe zurück.“ „Moment, Sir“, wagte ein Colonel einzuwenden. „Ich habe früher schon mit Joe Mauser gekämpft, sowohl mit ihm als auch gegen ihn. Er ist ein guter Mann.“ „So gut auch wieder nicht, daß er behaupten kann, er sei Hellseher“, brummte jemand. „Postieren Sie hier heute nachmittag einen Mann, der morsen kann,“, sagte Mauser bestimmt. „Um die Zeit bin ich wieder da.“ Damit drehte er sich um und verschwand. * Am Flughafen in Kingston traf Joe Mauser wieder mit Max Mainz zusammen. Jetzt sah er ziemlich ernst und nachdenklich drein. „Läuft alles richtig?“ fragte der kleine Mann ängstlich. „Na, ich weiß nicht recht. Ich konnte ihnen ja die Geschichte gar nicht erzählen. Der alte Cogswell ist flink wie ein Fuchs. Wenn wir ihm heute was abnehmen, holt er sich's morgen wieder ... Haben wir alles, was wir brauchen?“ 105
„Soviel ich weiß, schon“, antwortete Max. Er musterte mißtrauisch den Gleitflieger. „Glauben Sie, Captain, daß man Sie mit dem Ding da vom Turm aus abfertigt?“ Joe lachte amüsiert. „Jawohl. Darüber mache dir nur keine Sorgen. Den hab ich vor über einem Jahr gekauft und mindestens tausend Stunden 'reingehängt. Und wo ist jetzt der Pilot von diesem leichten Flugzeug?“ Eine einmotorige Sportmaschine wurde durch ein Nylonseil von fünfzig Fuß mit dem Gleiter verbunden. Ein junger Mann streckte seinen Kopf durch das Fenster der kleinen Maschine. „Fertig?“ schrie er. „Lassen wir die Schau abrollen! Ich möcht wieder an mein Telly-Gerät zurück. Das größte Gefecht des Jahres kommt in Gang.“ Vom Verwaltungsgebäude näherte sich ein Mann in Uniform, der Mauser irgendwie bekannt vorkam. „Einen Augenblick, bitte, Captain Mauser!“ Jetzt wußte er, daß dies der Ungar war, den er in der Hotelbar zusammen mit Balt Haer gesehen hatte. Colonel Arpad, Budapest. „Als Vertreter meiner Regierung und Militärattache bin ich berechtigt, die Einhaltung der Bestimmungen des Abrüstungspakts zu überwachen. Darf ich fragen, was Sie zu tun vorhaben, Captain Mauser?“ „Woher wissen Sie, daß ich hier bin und was ich tue?“ „Ich habe einen Tip von Marshall Cogswell bekommen“, erwiderte der Colonel freundlich. „Er ist ein großer Mann, der aufs Detail schaut. Es hat ihn gestört, daß ein alter Veteran wie Sie sich mit der Vacuum Tube Transport liiert, statt mit der Continental Hovercraft. Er verstand das nicht und meinte, Sie hätten vielleicht etwas Ungesetzliches vor, um den Truppen des Barons Haer zum Sieg zu verhelfen. Deshalb mache ich mir die Mühe, selbst nachzuforschen, Captain Mauser.“ 106
„Und der Marshall weiß von diesem Gleiter?“ Joe Mausers Gesicht blieb ausdruckslos. Nein, es konnte nicht sein, daß alles umsonst war, was er geplant und getan hatte! „Das habe ich nicht gesagt. Und soviel mir bekannt ist, weiß er nichts davon.“ „Dann, Colonel Arpad, hab ich's jetzt eilig, wenn Sie gestatten.“ „Und was haben Sie damit vor, wenn ich fragen darf?“ „Ich werde diesen Gleiter vermutlich wohl als Aufklärungsmittel verwenden“, erwiderte Captain Mauser. Der Ungar schüttelte den Kopf. „Captain, ich warne Sie! Luftaufklärung war bis zur Jahrhundertwende nicht üblich. Als erste haben die Italiener in den Balkankriegen Flugzeuge verwendet.“ Aber Joe Mauser unterbrach ihn ungeduldig. „Colonel, solche Gleiter wurden schon vor dem Jahr neunzehnhundert zu diesem Zweck verwendet und sind daher erlaubt. Die Italiener haben Motorflugzeuge eingesetzt. Das hier ist kein Motorflugzeug.“ „Aber die Gebrüder Wright...“ „Die gehen mich nichts an. Außerdem behauptet ihr von der Sov-Welt immer, Iwan Iwanowitsch oder wie der Kerl hieß, habe schon lange vor Lilienthal einen Gleiter geflogen, und Lilienthal flog um 1890. Dieser Gleiter hier wurde, um genau zu sein, von Leonardo da Vinci entworfen, wenn er auch, wie ich zugeben muß, sein Modell nie flog.“ Der Ungar starrte Joe Mauser lange entgeistert an, und dann lachte er schallend. Er kniff ein Auge zu und grüßte fast freundschaftlich. „Gut, Captain. Ich werde - routinemäßig selbstverständlich dieses Ding als Aufklärungsmittel melden, und zweifellos wird sich eine Kommission damit beschäftigen. Inzwischen wünsche ich Ihnen Hals- und Beinbruch, Captain Mauser.“ 107
Joe grüßte und lachte ebenfalls. Dann schwang er sich auf den Sitz. Max hatte schon auf dem Vordersitz Platz genommen; er hatte Signalflaggen, Landkarten und einen Feldstecher auf den Knien liegen. Die Ankunft des SovOffiziers hatte ihm gar nicht gepaßt, und jetzt war er froh, daß Joe ihn offensichtlich abgewimmelt hatte. „Hast du dem Piloten erklärt, daß er unter keinen Umständen die Reservationsgrenze überfliegen darf? Er muß uns vorher ausklinken.“ „Jawohl, Sir, das weiß er.“ Langsam hoppelten sie über das Feld. Dann legte das Schleppflugzeug ein wenig Geschwindigkeit zu, und nun hob der Gleiter vom Boden ab. Dann stiegen sie ziemlich steil auf ungefähr zehntausend Fuß Höhe. Das Schleppflugzeug ging in die Waagerechte über; der Pilot schaute nach rückwärts, und Joe gab ihm ein Zeichen, daß er nun ausklinken solle. Er legte den Hebel um, das Flugzeug tauchte weg und zog das Seil hinter sich her. Später konnte er es dann über dem Flughafen abwerfen, wo es leicht wieder eingeholt werden konnte. Am Gleiter pfiff nur der Wind vorbei, und vor ihnen lag eine dunkle Turbulenz, die starken Aufwind bedeutete. Darauf steuerte er nun los. Joe Mauser liebte das Gefühl des Gleitens in der Luft. „Schau mal, was da unten los ist“, sagte er zu Max. „Nimm dein Glas.“ „Soldaten. Kavallerie. Die unseren sind das nicht, Captain. Das müssen die von Hovercraft sein. Und dort ist ja Artillerie!“ Feldmarschall Stonewall Cogswell suchte mit seinem altmodischen Fernglas die Gegend ab. „He, was ist denn das?“ rief er. „Ein Flugzeug, Sir“, stellte der andere erschüttert fest. „Flugzeug? Lächerlich! Gibt's doch gar nicht über einer militärischen Reservation während eines Gefechts.“ 108
„Jawohl, Sir ... Aber was kann es dann sein? Ein Freiballon bestimmt nicht.“ „Ballon!“ Feldmarschall Cogswell schniefte. „Die sind doch nutzlos ... Viel zu langsam und schlecht zu manövrieren.“ Sie standen vor dem ehemaligen Hotel, das jetzt das Feldquartier der Hovercraft-Streitkräfte war. Der ganze Stab strömte allmählich aus dem Haus. Telly-Reporter stellten ihre Kameras auf. „Weiß jemand, was das Ding da droben ist?“ bellte der Feldmarschall seinen Stab an. Baron Zwerdling begab sich auf die Veranda und starrte wie die anderen nach oben. „Ein Flugzeug“, krächzte er. „Diesmal ist Haer aber entschieden zu weit gegangen. Viel zu weit. Das bricht ihm diesmal das Genick ... Aber warum macht das Ding keinen Krach?“ Oberstleutnant Paul Warren stand neben seinem Kommandeur. „Das sieht ja wie ein Gleiter aus, Sir.“ „Ein was?“ fragte Cogswell. „Ein Gleiter, Sir.“ „Und was hält das Ding in der Luft?“ „Dieselbe Kraft, die den Falken fliegen läßt, den Albatros, die Möwe ...“ Cogswell beobachtete den Gleiter durch sein Glas. „Jed, können Sie das Ding da herunterholen?“ rief er seinem Artilleriechef zu. Der war aber genauso erschüttert wie alle übrigen und schüttelte den Kopf. „Mit unserer Artillerie von vor neunzehnhundert? Nein, Sir, ganz bestimmt nicht. Wir könnten höchstens ein paar kleine Kanonen auf Lafetten setzen und ihn daran hindern, herunterzukommen, Sir.“ 109
„Wann sind die Dinger erfunden worden?“ fauchte Cogswell den Oberstleutnant Warren an. „Das muß wohl so um die vorige Jahrhundertwende gewesen sein.“ „Und wie lange kann sich das Ding oben halten?“ „Unendlich lange, Sir, solange der Pilot es machen kann. Sind zwei drinnen, sie müssen erst dann 'runter, wenn ihnen Wasser und Essen ausgehen.“ „Welches Gewicht können sie mitnehmen?“ „Das weiß ich nicht genau. So etwa fünfhundert Pfund, würde ich sagen.“ „Fünfhundert Pfund“, murrte Cogswell. „Fünfhundert Pf ... Sogar Dynamit könnten sie über unsere Pferde kippen, damit sie quer durch die ganze Reservation jagen.“ „Was geht denn hier vor, Marshall Cogswell?“ kreischte Baron Zwerdling. „Fodor!“ schnappte der Feldmarschall. „Jawohl, Sir?“ „Einen Parlamentär mit einer weißen Fahne zu Baron Haer schicken. Meine Komplimente an ihn und die Bitte um Bedingungen. Und wenn Sie schon dabei sind, dann auch meine Komplimente an Joe Mauser - falls ich mich nicht sehr irre.“ „Bedingungen!“ stöhnte Baron Zwerdling. „Jawohl, Sir. Auch Sie müssen sich den Realitäten stellen. Wir stecken im dicksten Schlamassel. Besser ist, wir sehen jetzt zu, möglichst günstige Bedingungen auszuhandeln, als später bedingungslos kapitulieren zu müssen.“ „Und Sie wollen ein Soldat sein?“ kreischte Zwerdling wutentbrannt. „Jawohl, Sir. Ich bin Soldat und kein Schlächter meiner tapferen Burschen.“ Er wandte sich an die Telly-Leute, die soviel wie möglich 110
mitbekommen wollten. „Mr. Solingen, nicht wahr?“ Freddy sauste wie ein Blitz heran. „Jawohl, Sir. Freddy Solingen, Sir. Können Sie den TellyFans sagen, was das zu bedeuten hat, Sir? Leute, ihr kennt ja alle den berühmten Marshall Stonewall Cogswell, der in mehr als zehn Jahren nicht ein einziges Gefecht verloren hat.“ „Aber jetzt verliere ich's“, brummte Cogswell grimmig. „Die Vacuum Tube Transport hat ein Kaninchen aus dem Zylinder gezaubert, und jetzt sieht's für uns mulmig aus. Natürlich kommt die Angelegenheit vor die Abteilung Kategorie Militär, und die Sov-Attaches haben auch noch ein Wörtchen mitzureden. Das Gefecht, wie wir es kennen, wurde jedoch ganz gewiß revolutioniert.“ „Revo... revol...“ Selbst Freddy war sprachlos. „Sie meinen, mit dem Ding da oben?“ „Jawohl“, sagte Cogswell. „Glaubt ihr, ich kann mit einem solchen Ding über mir ein Gefecht leiten? Versteht denn keiner, wie wichtig im Krieg die Aufklärung ist? Unter diesen Umstanden weiß Baron Haer von jeder Truppenbewegung, die ich vornehme. Ich bin kein Schlächter. Wenn ich muß, kreuze ich mit Baron Haer sogar persönlich das Schwert. Paul, wie heißt das verdammte Ding?“ „Das ist ein Gleiter, Sir“, antwortete Oberstleutnant Warren. „Man kann auch Segelflugzeug sagen.“ 12. Major Joseph Mauser hatte seine allerbeste Uniform an und stand vor der Dame vom Empfang. „Ich habe zwar keine Verabredung mit Baron Haer, aber ich bin überzeugt, daß er mich empfangen wird“, sagte er. 111
„Jawohl, Sir. Durch diese Tür, Major.“ Joe Mauser klopfte kurz und trat sofort ein. Balt Haer trug Zivil. Er stand an einem Fenster, hatte einen Drink in der Hand, nicht aber sein Stöckchen. Nadine Haer saß in einem Schaukelstuhl. Das Mädchen, das Joe Mauser liebte, hatte geweint. Joe Mauser grüßte förmlich, doch Balt dachte nicht daran, den Gruß zu erwidern. Er trank sein Glas leer und sah den Eindringling an, wie eben ein Aristokrat einen unbedeutenden Unteren ansieht. „Ah, Sie sind jetzt Major geworden“, stellte er fest. „Jawohl, Sir“, antwortete Joe. „Wir sind beschäftigt. Was können meine Schwester oder ich für Sie tun?“ „Ich wollte den Baron sehen“, antwortete der Major gleichmütig. Nadine Haer schaute auf. Ein schmerzlicher Zug huschte über ihr Gesicht. „Ach nein“, sagte Balt Haer. „Sie sprechen nämlich mit dem Baron, Major Mauser.“ Joe Mauser sah erst ihn, dann seine Schwester an. Er wußte nicht, was er sagen sollte. „Ich glaube, ich weiß, weshalb Sie hier sind, Major“, sagte Haer bitter. „Sie wollen Ihr Pfund Fleisch holen. Nicht einmal in einer Stunde der Trauer ...“ „Das wußte ich nicht. Bitte, glauben Sie mir.“ Nadine Haer sah ungehalten auf. „Jetzt hör aber auf, Balt! Major, es ist eine Tatsache, daß die Familie Haer in Ihrer Schuld steht. Nur ... Wir können unsere Schulden leider nicht bezahlen. Erstens sind die Verbindungen meines Vaters nicht auf uns anwendbar. Zweitens hat mein Vater vor sechs Monaten, weil er um seine Gesundheit besorgt war und gewisse Erbschaftssteuern und dergleichen umgehen wollte, das Vermögen der Familie auf Balt überschrieben. Und 112
Balt wußte nichts Besseres, als die ganzen Aktien der Vacuum Tube Transport zu veräußern und dafür bei Hovercraft zu investieren.“ „Das reicht jetzt, Nadine“, fauchte ihr Bruder unverschämt. „Ah, ich verstehe“, sagte Joe Mauser. Er stand stramm. „Dr. Haer, ich bitte Sie, mein Eindringen in dieser Trauerstunde zu verzeihen.“ Dann wandte er sich an den neuen Baron. „Baron Haer, entschuldigen Sie bitte, daß Sie so trauern.“ Balt Haer starrte ihn sprachlos an. Joe Mauser marschierte zur Tür. Auf der Straße wandte er sich noch einmal um und besah sich das prächtige Gebäude der Vacuum Tube Transport, Hauptverwaltung New York. Na ja. In den letzten Tagen waren die Aktien der Gesellschaft nach oben geschnellt. Er war Major geworden, und der alte Stonewall Cogswell hatte ihm eine Dauerstellung in seinem Stab angeboten mit der Aufgabe, Luftoperationen in allen künftigen Gefechten zu leiten. Er wandte sich um, denn er wollte m sein Hotel gehen. Ein unglaublich schönes Mädchen kam die Stufen des Gebäudes herunter. „Joe“, sagte sie. Er sah sie an.“Ja?“ Sie legte eine Hand auf seinen Arm. „Wir wollen irgendwohin gehen, wo wir reden können, Joe.“ „Worüber?“ fragte er, denn er war jetzt sehr mißtrauisch. „Über Ziele“, antwortete sie. „Solange es Ziele gibt für einzelne Menschen, für Nationen oder ganze Rassen, ist das Leben noch immer lebenswert, Joe.“ ENDE
113
Lesen Sie nächste Woche:
Vorstoß ins Grenzenlose von Peter Terrid Sie gehen freiwillig in den Tod — denn sie wollen die Sterne erreichen Terra-Astra Nr. 110 überall im Zeitschriften- und Bahnhofsbuchhandel erhältlich. Preis DM 1,20
114