Internet-Fanstory des Perry Rhodan Online Clubs
Band 2
Spurensuche von Ralf König Titelbild von Robert Kopp
Hauptpersonen Irwan Dove, Will Dean, Matthew Wallace, Saraah und Lorif – die ehemaligen Mitglieder der Dorgon-Expedition müssen ihre neue Firma retten Jenny da Tranillan – die Arkonidin verspekuliert sich und will sich beschützen lassen Thomas Moore – ein Börsenmakler am Abgrund
Prolog Rückkehr der IVANHOE
Als
das Abenteuer in Dorgon beendet war, kehrten die Mitglieder der großen Expedition zurück in die Milchstraße. Für den Augenblick war Dorgon befreit, der Kaiser ein Mann von Ehre, der sicher in vielen Bereichen bei den Menschen der Milchstraße um Unterstützung nachsuchen, in der Qualität seiner Führung neue Maßstäbe setzen würde. Es war ein unglaubliches Gefühl, an etwas so Bedeutendem beteiligt zu sein. Sie fühlten sich großartig. Zumindest, bis sie die Heimat erreichten und dort erfahren mussten, dass die terranische Regierung beschlossen hatte, einige der Neuentwicklungen von Camelot wieder einmotten zu lassen. Die IVANHOE wurde außer Dienst gestellt, auf Luna eingemottet und die Besatzung entlassen. Viele erhielten ein neues Schiff, mit dem sie durch die Galaxis fliegen konnten. Manche wollten aber nicht mehr. Ein gutes Schiff, Kameradschaft,
Freunde und eine Aufgabe zu verlieren war nicht das, was sie sich vorgestellt hatten. Irwan Dove gründete zusammen mit seinen Freunden ein Unternehmen auf Lepso. Zusammen mit Will Dean, dem Posbi Lorif, Matthew Wallace und Saraah, sowie Walter Anderson, einem ehemaligen Techniker der IVANHOE, gründete er die Lepso Security Inc. Mit einigen neuen Mitarbeitern wollten sie Maßstäbe setzen und einen Unterschied machen. Eine Sicherheitsfirma, und das auf Lepso. Wenn sie es damit nicht schafften, Aufsehen zu erregen, dann waren sie ohnehin gescheitert. Die ehemalige Freihandelswelt war unter Monos in die Bedeutungslosigkeit zurückgefallen. Lange Jahre hatte es gedauert, bis man sich ihrer wieder erinnerte. Die alten Strukturen hatten sich von den ehemaligen Betreibern neu ins Leben rufen lassen, Lepso hatte sich in den letzten Jahren wieder entwickelt und war fast schon wieder so berüchtigt, wie vor langer, langer Zeit. Genau der richtige Ort für eine Gruppe ehemaliger Mitglieder des Geheimdienstes. Fast sofort hatten sie sich wie zu Hause gefühlt. Trotzdem fehlte ihnen allen die IVANHOE. Das Schiff war fast schon legendär geworden, hatte es doch von Anfang an den Ruf eines guten, mächtigen Schlachtschiffes gehabt, den sie in ihrem Einsatz in Dorgon noch bestätigt hatte. Es außer Dienst zu stellen, war keine populäre Maßnahme gewesen. Aber die Entwicklung in den nächsten Jahren war nicht so gewesen, wie sich Rhodan das vorgestellt
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hatte. Das Jahrtausend der Kriege, prognostiziert von Hismoom, warf seine Schatten voraus. Lange würde es sicher nicht mehr dauern, bis man sich der IVANHOE wieder erinnern würde. Und wenn das passieren würde, dann wären sie wieder da. Dann würden sie wieder zurückkehren, an Bord des Schiffes, das fast schon so etwas wie ihre Heimat geworden war. Das hatten sie sich selbst fest versprochen. Noch ahnten sie nicht, was ihnen bevorstand. Ein Abenteuer erwartete sie, mit dem nicht einmal die erfahrenen DorgonVeteranen rechnen konnten.
1. Lepso, 16. März 1298 NGZ »Könntest du mir einen Gefallen tun?« Thomas Moore drehte sich langsam nach der Stimme um. Die Person, die sich hinter ihm aufgebaut hatte, lächelte ihn freundlich an. Trotzdem war da etwas, das Moore misstrauisch machte. Es lag nicht an dem Lächeln, das war offen und ehrlich. Es lag auch nicht an der ganzen Erscheinung des Mannes, der wirkte gepflegt und vertrauenerweckend. Trotz allem verunsicherte ihn etwas. Vielleicht war es einfach nur die Tatsache, dass der andere einen wildfremden Menschen angesprochen hatte. Auf Lepso war jeder Tag ein Abenteuer, oft mit großen Gefahren verbunden. Die Verhältnisse waren weit entfernt von normal. Wenn jemand sich an einen vollkommen Unbekannten wandte, dann hatte er sicher einen Grund dafür. Entweder war er in großer Gefahr, oder aber er hatte etwas vor, was auf einer zivilisierten Welt nicht unbedingt legal sein musste. Auf Lepso waren hier die Grenzen zwar nicht so eng gesetzt, aber gewisse Gesetze gab es auch hier. Thomas wäre ein Lügner gewesen, wenn er sich selber als ehrlich bezeichnet hätte. Einige kleine Börsenschiebereien waren aber auf
einer Welt wie dieser allenfalls ein Kavaliersdelikt, jedenfalls noch lange nichts weswegen sich der Galaktische Wohlfartsdienst bemühen würde. Zumindest solange niemand geschädigt wurde, der auf dieser Welt in einer wichtige Position war. »Kommt darauf an«, antwortete Thomas mit einem Schulterzucken. Eigentlich wollte er sich nur umdrehen, dem Fremden den Rücken zukehren und sich so schnell wie möglich in eine Richtung entfernen, die der des anderen entgegengesetzt lag. Möglicherweise würde er sich dann aber etwas entgehen lassen. Auf Lepso musste man einen Instinkt für Geschäft und Gefahr gleichermaßen haben. Wenn Moore jemals einen solchen Instinkt besessen hatte, und wenn es dieser Instinkt war, der in diesem Augenblick zu ihm sprach, dann wäre es sicher ein Fehler gewesen, den Fremden zu ignorieren. Andererseits könnte es auch ein Fehler sein, ihm zuzuhören. Das würde Moore aber niemals herausfinden, wenn er nicht zuhörte. »Ich brauche jemanden, der mich an das andere Ende der Stadt bringt.« Das war nun wirklich kein Grund, um Hilfe zu bitten. Immerhin gab es in dieser Stadt viele öffentliche Verkehrsmittel und eine ganze Menge Taxigleiter. Moore lehnte ab. »Ich hätte eventuell eine Belohnung zu bieten.« Der Mann zog kurz einen Kreditstab aus der Tasche. Er ließ ihn einen Blick auf die Wertanzeige werfen, der Moore leicht schwindelig werden ließ. 500.000 Galax, und das nur für einen Transport an das andere Ende dieser Stadt. Das war selbst für einen Gefallen dieser Art etwas zu viel. Thomas Moore wurde sehr misstrauisch, als er den Betrag sah. Er war bereits kurz davor, sich umzudrehen und den anderen einfach stehen zu lassen, als ihm kurz eine Begebenheit ins Gedächtnis stieg, die unglücklicherweise noch nicht sehr lange her
Shadow Warrior - eine Internet-Fanserie - ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Band 2 zuletzt geändert am 2004-01-18. Autor: Ralf König (
[email protected]). Titelbild-Zeichner: Robert Kopp (
[email protected]). Generiert mit Xtory 3.0 (powered by Apache Cocoon 2.1) von Alexander Nofftz (
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[email protected]). Homepage: http://www.shadowwarrior.proc.org/. E-Mail:
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Spurensuche war. Er erinnerte sich noch sehr genau an ihre Worte, als er ihr den Verlust einiger Geldmittel beichtete. »Ich glaube nicht, dass ich das akzeptieren kann.« Jenny da Tranillan war eine sehr schöne Frau. Sie war jung, reich und unglaublich interessant, jedenfalls für einen Junggesellen wie ihn. Andererseits war sie aber auch etwas unterkühlt, weswegen er lieber die Finger von ihr gelassen hatte. Thomas Moore war das spätestens in dem Augenblick klar geworden, als sie einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres sicher nicht geringen Vermögens in seine Obhut gab. Ziel dieser Transaktion war die Vermehrung desselben gewesen, sicher nicht der Verlust. Moore hatte einen Ruf auf Lepso, immer über die nötigen Informationen zu verfügen. In diesem Fall allerdings war es ihm nicht gelungen, seine Aufgabe zu erfüllen. Warum, war ihm selber nicht ganz klar. Der Tipp, den er bekommen hatte, war direkt aus der Chefetage der Whistler-Company gekommen, wo man sich offenkundig mit dem Kauf der Firma RobLepso Inc. beschäftigte, die auf diesem Planeten ein Monopol für Roboter hatte. Moore hatte sofort ein gutes Geschäft gewittert und rechnete damit, dass das die Aktien der Firma RobLepso Inc. nach oben bringen würde. Eine Firma wie Whistler plötzlich als Anteilseigner, mit dem Kapital, das die Firma hinter sich hatte, lies vermuten, dass RobLepso einen gewaltigen Aufschwung erleben würde. Da waren die 4 Millionen Galax genau richtig gekommen. Er hatte das Geld investiert und alles weitere auf sich zukommen lassen. In der Tat hatte es Anfangs nach einer glücklichen Investition ausgesehen. Unglücklicherweise waren dann aber die Kursgewinne zurückgegangen. Analysen hatten ergeben, dass RobLepso nicht gerade auf einem soliden Fundament stand, was dazu geführt hatte, das Whistler auf dem Markt von Lepso nicht richtig Fuß fassen konnte. Und das war erstaunlich, wenn man bedachte, dass Whistler die größte Roboterfirma in der bekannten Galaxis war und RobLepso sicher finanziell unter die Arme hätte greifen können. Anscheinend hatte es Gründe dafür gegeben, die außerhalb von Whistlers
5 Einflussbereich lagen. Moore vermutete, dass letztendlich eine Initiative der Galactic Guardians daran schuld war, die offenkundig potentielle Kunden aus einer anderen Quelle versorgten, bis Whistler nicht mehr wollte und das Projekt auf Lepso aufgab. Oder sie waren einfach einigen der einflussreichen Dunkelmänner im Weg gewesen, die ihre Firma nicht einfach so aufgeben wollten. Was auch immer, es war jedenfalls schief gegangen. Der Verkauf dieser Firma war jedenfalls geplatzt und gerade das hatte sich sehr negativ auf die Verkaufszahlen der Aktie an der Börse ausgewirkt. Für mehrere Tage war die Aktie fast gar nicht gehandelt worden, dann hatte man sie für zwei Wochen aus dem Handel genommen. Inzwischen war sie wieder erhältlich, aber nur noch zur Hälfte ihres ehemaligen Wertes. Moore hatte zu spät reagiert und daher aus den vier Millionen zweieinhalb gemacht. Die Arkonidin Jenny da Tranillan war natürlich nicht sehr begeistert. Sie hatte ihm daraufhin unter vier Augen in Aussicht gestellt, ihm die Gesichtszüge zu verunstalten und in naher Zukunft eventuell auch noch den Abgang von dieser Welt zu erleichtern. Moore war kein ängstlicher Typ, das konnte er sich in diesem Geschäft auch gar nicht erlauben. Aber diese Frau hatte ihm Angst gemacht. Er hatte nur genickt und gemeint, er werde das verlorene Geld sicher auftreiben und damit ersetzen können. Dummerweise war das ganze gar nicht so einfach gewesen, denn auch einige andere Projekte waren schief gegangen, daher musste sich Moore immer mehr in Ausreden flüchten und war sich darüber im klaren, dass Jenny sicher nicht mehr lange Geduld haben würde. Diese Adligen von Arkon waren nicht gerade für ihre Geduld bekannt. Als er die Zahl 500.000 auf dem Kredstab aufleuchten sah, war ihm klar, dass er sich diese Chance nicht entgehen lassen konnte. Er nickte dem Fremden nach deutlich merklichem Zögern zu, dirigierte ihn in die Einfahrt und geleitete ihn zu seinem Gleiter. Als sich die Türen schlossen und der Gleiter abhob, sich in den Verkehr von Lepso einreihte, begann Moore ein Gespräch mit dem Fremden. Das heißt, er wollte eines beginnen, aber über die erste Frage kam er nicht hinaus. Der Fremde klärte ihn darüber auf, dass Neugierde sehr
6 ungesund sein konnte und machte klar, dass er über seinen Hintergrund nichts verraten wollte. Außer der Fahrt hatte er keine weiteren Interessen. Moore fügte sich. Moore wandte sich ab und beschränkte sich darauf, den Verkehr zu beobachten. Der Gleiter wurde von der Verkehrszentrale gelenkt. Er hatte somit nichts zu tun. Er begann schon, den Deal zu bereuen, musste aber nur an die 500.000 Galax denken, um sich wieder zu beruhigen. Seine Blicke schweiften über einen Park, der sich unter ihnen breit machte. »Ich denke, du solltest deinen Gleiter da unten landen«, drang die Stimme des Begleiters an sein Ohr. Sie hörte sich ruhig an, daher dachte er sich nichts dabei. Er nickte nur und löste den Gleiter aus der Steuerung durch die Verkehrskontrolle. Langsam schwebte das Gefährt auf eine Lichtung, die genug Platz zum Landen versprach und nicht allzu weit von einem kleinen Fußweg entfernt lag. Niemand ging durch den Park, die Menschen von Lepso hatten dazu zu wenig Zeit. Warum man diese Grünfläche in der Stadt angelegt hatte, war Moore sowieso ein Rätsel. Außerhalb der Städte gab es auf Lepso schließlich genug Grün. Aber er war kein Stadtplaner und solange es ihn nicht störte, war ihm die Zusammensetzung der Stadt egal. Er landete das Transportmittel und warf seinem Begleiter einen Blick zu. »Ich denke, nun sollten wir zur Bezahlung kommen« »Aber gerne.« Moore war nicht gerade der beste Menschenkenner, aber den Unterton in der Stimme seines Begleiters konnte er kaum überhören. Eindeutig hämisch klang die Stimme des Unbekannten und Moore überlief ein leiser Schauer. Er hatte es gewusst, hätte die Widersprüche ernster nehmen sollen. die ihm eher abgeraten hatten, auf den Fremden zu hören. Aber er hatte sich dazu entschieden, entgegen seines Gefühls, dem Fremden zu vertrauen. Nun musste er mit den Folgen leben. Für einen Augenblick machte er sich Vorwürfe, fragte sich, wie es sein konnte, dass ein von Natur aus misstrauischer Mensch wie er auf einen Charakter wie den Fremden überhaupt eingegangen war. Aber bereits seine Mutter hatte ihm klar gemacht, dass er zu
Ralf König vertrauensselig war. Nicht, dass sie seinen Berufswunsch jemals geteilt oder gar für gut befunden hatte. Er hätte wohl auf sie hören sollen. Aber jetzt war es zu spät, das zu bedauern. Langsam drehte er den Kopf und blickte nicht sonderlich überrascht auf einen kleinen Nadler, den der Unbekannte auf ihn richtete. Der Mann griff in eine Tasche und zog eine Ampulle hervor. »Wenn ich nun bitten dürfte, den Inhalt dieses Gläschens auszutrinken. Du würdest mir damit einen großen Gefallen tun.« Moore konnte den Mann nicht leiden, und das lag nicht einmal an der Waffe, die er auf ihn richtete. Es lag vielmehr an der süffisanten Art, mit der er seine Überlegenheit deutlich machte. Moore kam sich wie ein dummer Primat vor neben diesem Ausbund an Überlegenheit, der sich da neben ihn gesetzt hatte. Er griff zögernd nach der Ampulle und überlegte fieberhaft. Wenn er ihm das Gläschen aus der Hand schlagen würde, dann musste er den Inhalt nicht trinken. Allerdings legte der Nadler nahe, dass er dann einen anderen Tod sterben würde. Dass ihm der Inhalt der Ampulle ebenfalls den Tod bringen würde, war ihm klar. Einen Kampf zu riskieren war also die einzige Chance, die er hatte. Er griff langsam, ohne eine falsche Bewegung zu machen, nach der Ampulle, dann ließ er sie einfach fallen und warf sich auf den Gegner, drückte dessen Waffe nach unten und blockte den Fausthieb des Gegners ab. Er packte das andere Handgelenk und ließ sich auf ein verzweifeltes Ringen ein. Nun rächten sich die Monate im Büro, die er dazu genutzt hatte, sein Vermögen auf illegale Weise zu vermehren. Er hätte sich stattdessen etwas Bewegung verschaffen sollen, ein Training, das es ihm ermöglicht hätte, mit den athletischen Fähigkeiten seines Gegner mitzuhalten. Aber so war es ihm nicht möglich, dem Gegner Widerstand zu leisten. Er spürte, wie sich die Hand mit der Waffe langsam gegen seinen Widerstand wieder nach oben bewegte und in seine Richtung drehte. Der Fremde hebelte ihn mit der freien Hand aus, schlug ihm die Faust unter das Kinn und schleuderte ihn so gegen die Tür. Die Waffe
Spurensuche war frei, richtete sich wieder auf ihn aus. Moore schlug verzweifelt nach der Waffenhand. Die Todesangst verlieh ihm ungeahnte Kräfte und er erwischte die Hand des Gegners, schleuderte sie zur Seite. Der Nadler entlud sich in die Hintertür des Gleiters. Moore setzte nach und schlug in der Enge der Kabine noch einmal zu. Er erwischte seinen Gegner im Gesicht, der aber nicht auf den Schlag reagierte. Er schlug selbst zurück, schaffte es, den Börsenmakler empfindlich zu treffen und richtete ein drittes Mal die Waffe aus. Blut quoll aus Moores’ Nase. Er lehnte an der Tür und wusste, dass er verloren hatte. Einen heldenhaften Tod konnte und wollte er nicht sterben, er begann unterdrückt zu wimmern. »Bitte nicht«, flüsterte er. Die Miene des Fremden verzog sich geringschätzig, er grinste nur und griff nach der Ampulle, die unbeschädigt auf dem Boden lag. »Trinken!«, knurrte er. »Und diesmal bitte ohne Tricks.« Moore wehrte sich nicht mehr. Er nahm die Ampulle, öffnete sie und nahm einen Schluck. Der grimmige Blick des Gegners machte ihm klar, dass er besser den ganzen Inhalt austrinken sollte. Er tat ihm den Gefallen. Dann ließ er sie fallen, diesmal von seinem Gegner ungeahndet, der ihn wie eine Ratte in einer Versuchsanordnung beobachtete. Moore wurde heiß, er begann zu schwitzen, dann spürte er den ersten Stich in der Brust. Er krümmte sich, dann bäumte er sich auf, seine Hände verkrampften sich vor der Brust. Er spürte das Herz schnell schlagen, wie einen Presslufthammer gegen seine Rippen hämmern, dann einige Aussetzer und dann nichts mehr. Er rang nach Luft, versuchte, den Kragen zu öffnen. Es gelang nicht. Er sackte im Sitz zusammen und schnaufte entsetzt, dann bewegte er sich nicht mehr. Er war tot. Sein Gegner lächelte, griff nach der Ampulle und öffnete die Tür des Gleiters. Bevor er ihn allerdings verließ, ließ er noch etwas fallen. Das Objekt aus Papier fiel auf den Toten. Er sprang aus dem Transportmittel, ging auf den Weg zu, der durch den Park führte und entfernte sich langsam vom Tatort. Innerhalb weniger Augenblicke herrschte
7 Ruhe in der Nähe des Gleiters, der inmitten der Lichtung stand, als wäre nichts geschehen. Die Leiche Thomas Moores’ hing auf dem Fahrersitz, sein Gesicht eine Grimasse des Entsetzens, seine Hände lagen immer noch auf der Brust. Das Fahrzeug blieb mehrere Stunden unberührt, bis am Abend ein Spaziergänger den Gleiter entdeckte. Er alarmierte umgehend die Polizei.
2. Die Firma
Der Kaffe schmeckte mal wieder scheußlich. Irwan Dove stellte die Tasse ab und griff nach einem Datenträger, der eine Ausgabe der aktuellen Nachrichten des Planeten enthielt. Er begann, lustlos durch die Seiten zu blättern, konsumierte die Schlagzeilen und las sich in einige der Artikel genauer ein. Genaugenommen interessierten ihn die meisten Nachrichten nicht. Er wollte sich nur die Zeit vertreiben. Am Rande nahm er die Nachricht vom mysteriösen Tod eines Börsenbrokers auf, las sich aber den betreffenden Artikel nicht näher durch. Er legte den Datenträger auf den Tisch zurück und erhob sich. Ruhigen Schrittes ging er durch die Straßen von Lepso. Er schlenderte zurück in die vertrauten Straßen, die ihm in den letzten Monaten schon fast eine neue Heimat geworden waren. Hier befanden sich lediglich Büroräume. Er betrat eines der Häuser und ließ sich von einem Antigravschacht nach oben tragen. In einem der Büros wurde er bereits erwartet. »Wo treibst du dich nur wieder rum?« Der da so schlecht gelaunt war, war Lorif, der biologisch-positronische Roboter. Er schüttelte den Kopf, als der Oxtorner zu reden beginnen wollte. Eigentlich wollte er es gar nicht so genau wissen. »Da arbeite ich mir einen Wolf, um uns endlich mal etwas weiter zu bringen, aber das wird natürlich nicht anerkannt. Manchmal fühle ich mich wie eure Sekretärin.« Der Posbi rauschte beleidigt davon. »Nimm ihn nicht so ernst«, meinte Einstein. Der Matten-Willy, den sie zur Unterstützung im Umgang mit dem Posbi angefordert hatten, floss um die Beine des Oxtorners herum. Dann
8 bildete er ein Pseudopodium aus, auf dessen Spitze sich ein Auge befand. »Hast du vielleicht eine Flasche Vurguzz mitgebracht?« »Keinen Alkohol im Dienst«, meinte der Oxtorner automatisch. Einen Augenblick lang überlegte er sich, den Posbi zur Rede zu stellen, aber dann ließ er es bleiben. Ihm war klar, dass dem Wesen von der Hundertsonnenwelt augenblicklich die Beschäftigung fehlte, die er dringend gebraucht hätte, um seinen leichten Minderwertigkeitskomplexe zu kompensieren. Er dachte immer noch, seine stählerne Hülle mache ihn gegenüber organischen Lebewesen zu einem Wesen zweiter Klasse. Und sicher hatte er zumindest in einer Hinsicht recht: Da er in einem stählernen Körper steckte, konnte man wohl kaum von einem Wesen sprechen. Da er aber über eine biologische Komponente verfügte, war er im streng wissenschaftlichen Sinne allerdings als eigenständige Lebensform zu betrachten, wie das für alle Posbis galt. Daher konnte Dove die Gedanken des merkwürdigen Kameraden auch nicht so ganz nachvollziehen. Für einen Menschen war das auch nicht gerade einfach. Und als Oxtorner fühlte er sich seinen Brüdern von der Erde immer noch sehr nahe. Dove ließ sich in seinem Stuhl nieder und machte sich an die Arbeit, was sich wieder einmal als frustrierende Angelegenheit erwies. Sicher, es gab immer wieder etwas zu tun. Aber die Mehrzahl der Nachrichten in seinem Postfach bestanden aus Rechnungen, die er erst einmal speicherte, um sie eventuell später zu begleichen. Erst einmal wären Aufträge wichtig gewesen, die sie in ihrer neugewählten Existenz erfüllen konnten. Alles in allem war aber die Ausbeute der ersten sieben Monate ihrer Tätigkeit nicht sehr groß gewesen. Als sie damals aus Dorgon zurückgekehrt waren, hatten sie einige Zeit damit verschwendet, weiterhin für Camelot und Terra tätig zu sein. Schnell war ihnen jedoch klar geworden, dass sie sich ein neues Betätigungsfeld suchen mussten. Nach der Entscheidung Rhodans, Camelot aufzulösen, und Monkeys und Adams Vorpreschen mit der Initiative Neue USO war den Beteiligten klar gewesen, dass ein Standortwechseln unabdingbar war. In den Geheimdienstsektor wollte eigentlich keiner von ihnen notwendigerweise zurückkehren. Doves Vorkenntnisse aus dem Sicherheitsbereich, Lorifs technisches Verständnis und Will Deans
Ralf König Kenntnisse, die ebenfalls dem Sicherheitsdienst entstammten, hatten sie darauf gebracht, ihr neues Leben in den Dienst Lepsos zu stellen, wo sie ein Büro eröffneten, das sich mit Sicherheitsfragen aller Art beschäftigte. Matthew Wallace und Saraah, die einstige Sklavin Dorgons und jetzige Frau des Terraners, hatten sich ihnen gerne angeschlossen. Außerdem noch Walter Anderson, der damals auch auf der IVANHOE gewesen war. Er hatte sich um die Bordtechnik gekümmert, war im Team des Blues Zyrak Wygal gewesen, der für die Maschinentechnik zuständig war. Dazu kamen noch einige neue Mitarbeiter, die ihnen eine wertvolle Hilfe waren, Einstein, der Matten-Willy war nur einer davon. Anfangs waren sie recht erfolgreich gewesen und hatten sich so einen Grundstock an Kapital aufgebaut. Dabei war Dove von vorneherein klar gewesen, dass sie auf einer Welt wie Lepso am ehesten mit einem Konzept erfolgreich sein würden, bei dem sie Firmen und Privatpersonen, die es sich leisten konnten, mit entsprechenden Anlagen der Sicherheitstechnik ausrüsteten. Den Freunden war es dabei vor allem darauf angekommen, nach Möglichkeit nur legal arbeitende Institutionen zu unterstützen. Die waren aber auf Lepso nicht leicht zu finden, daher waren die Geschäfte recht schnell stagniert, was sie langsam aber sicher doch in finanzielle Schwierigkeiten brachte. Derzeit stritten sich vor allem Matthew und Will Dean darüber, ob sie ihre Angebotspalette nicht doch auch für Firmen öffnen sollten, die in einem eher grauen Bereich tätig waren. Dabei lehnte Dean das kategorisch ab, während Wallace nicht ganz so wählerisch war. Dove hatte sich noch nicht entschieden. Alles in allem waren sie jedenfalls in einer verzwickten Situation, die durch die psychischen Probleme des Posbis auch nicht gerade leichter zu ertragen war. Die Tür öffnete sich und Patrizia de Monti trat ein. Die Plophoserin machte ein ernstes Gesicht, was der Lage auch durchaus angemessen war. Dove schaute auf und machte einen zunächst unwilligen Eindruck, aber als er die gute Seele der Firma erkannte, lächelte er. »Patrizia, was gibt es?«
Spurensuche »Ich bin mir nicht sicher«, meinte sie vage. »Es könnte sein, dass wir eine neue Kundin haben. Eine Arkonidin steht draußen und möchte mit dem Chef sprechen. Ich dachte, ich bringe sie mal zu dir.« »Was will sie?« »Sie hat sich nicht klar geäußert. Sie will wohl einige Sicherheitsvorkehrungen in ihrer Villa überarbeiten lassen. Ihr Name ist Jenny da Tranillan. Soll ich sie hereinführen?« »Ich bitte darum. Danke.« Dove schaute sehr ernst und wartete so auf die Kundin, die in einer Wolke recht interessant duftenden Parfüms eintrat. Dove schnupperte und identifizierte ein Parfüm von Arkon, das sehr teuer war und auf einer Welt wie Lepso wohl nur schwarz gehandelt wurde. Andererseits konnte sie das Parfüm auch von Arkon importiert haben. Wenn ja, dann war ihre finanzielle Ausstattung wohl ziemlich beeindruckend. Sie machte jedenfalls nicht den Eindruck, sehr arm zu sein. Sie wirkte kühl und unnahbar. Die arkonidische Abstammung konnte sie mit ihren weißblonden Haaren und ihren roten Augen nicht verleugnen. Beherrscht bewegte sie sich auf den Schreibtisch des Oxtorners zu, der seine Blicke über ihren schlanken Körper gleiten ließ und mit einem angedeuteten Nicken auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch deutete. Sie nahm Platz und schlug die langen Beine übereinander. Dove lehnte sich zurück und sagte zunächst einmal nichts. Er beobachtete sie nur, versuchte, sich ein Bild von der jungen Arkonidin zu machen, die offenkundig aus guten Hause stammte. Was aber machte sie auf Lepso, wenn die Herkunft so untadelig war? Er verschwendete einige Gedanken daran, aber dann machte er sich klar, dass Lepso in erster Linie immer noch eine Handelswelt war und dass viele ihrer Bewohner immer noch auf diesem Planeten waren, um durchaus legalen Handel zu treiben, nicht etwa, um düsteren Geschäften nachzugehen. Andererseits – wenn dem wirklich so war, wieso hatten sie dann Probleme, ehrliche Kunden zu finden? Er schüttelte diese Gedanken ab. Schließlich waren sie nicht die erste Firma dieser Art auf Lepso und sehr viele der Kunden hatten sicher schon andere Firmen unter Vertrag. Sie aus
9 diesen Verträgen heraus und zu der eigenen Firma zu bekommen war eben nicht so einfach. Die Arkonidin schwieg und achtete die nachdenkliche Stille des Oxtorners, jedenfalls kurzzeitig. Sie war zurückhaltend, höflich und offensichtlich, wie es sich für eine Arkonidin gehörte, mit nicht geringer Arroganz ausgestattet. Andererseits war sie aber auch eiskalt und ungeduldig. Daher hielt sie das Schweigen auch nicht allzu lange durch und eröffnete einfach das Gespräch. »Mein Name ist Jenny da Tranillan und ich habe einen Auftrag für deine Firma«, begann sie. »Irwan Dove, Leitender Ingenieur der Lepso Security. Angenehm, deine Bekanntschaft zu machen.« Sie neigte leicht den Kopf, dann blickte sie ihm in die Augen. Dove wurde unter dem sezierenden Blick leicht ungemütlich, dann hatte er sich gefangen. »Was kann die Lepso Security für dich tun?« »Ich bin noch nicht sehr lange auf Lepso, möchte aber mein Haus auch für den Fall meiner Abwesenheit in sicheren Händen wissen. Daher würde ich gerne deine Firma damit beauftragen, die Sicherheitssysteme des Hauses auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen. Dazu hätte ich auch noch einige Stellen als Wachposten und Leibgarde zu vergeben. Die Personen wären für meine persönliche Sicherheit verantwortlich. Ist die Firma Lepso Security dazu in der Lage?« Dove deutete ein Nicken an. »Das können wir schon tun. Wir werden sofort Leute zu dir schicken, die deine Wohnung genau unter die Lupe nehmen und die bereits vorhandenen Sicherheitseinrichtungen genau analysieren. Ich brauche nicht zu betonen, dass wir dabei sehr diskret vorgehen werden. Es entspricht unserer Philosophie, die Wünsche unserer Kunden genau zu beachten.« Er spulte das übliche Programm ab, bis die Arkonidin zufrieden nickte. »Ich denke, das reicht. Ich werde dir meine Adresse da lassen und werde dann einen Spezialisten deiner Firma erwarten. Alle für dich nötigen Hintergründe werde ich dir mitteilen lassen. Das dürfte fürs Erste genügen. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit und vertraue auf eure Diskretion.«
10 Dove nickte. »Ich werde sofort alles Nötige veranlassen, dir nach der Inspektion einen Kostenvoranschlag zukommen lassen und erwarte dann deine Antwort. Ich danke dir für deine Mühe.« Er erhob sich und drückte die Hand der Arkonidin, die sie nur zögerlich ausstreckte. Anscheinend mochte sie es nicht, für sie fremde Wesen zu berühren. Oder sie mochte Terraner und Terra-Abkömmlinge nicht. Dann drehte sie sich um und ging, ohne sich noch einmal umzublicken, aus seinem Zimmer. Dove lehnte sich zurück und legte die Beine auf den Tisch. Er hielt sich für einen sehr guten Menschenkenner, aber die Arkonidin konnte er nicht auf Anhieb durchschauen. Sie schien im ersten Moment durchaus Vertrauen erweckend zu sein. Aber andererseits blieb da ein kleiner Zweifel zurück, ein Gefühl nur, dass etwas an diesem Auftrag durchaus nicht so sein würde, wie es sein sollte. Sicherheit war eine ernste Angelegenheit, sogar eine gefährliche, sonst wäre sie nicht nötig. Aber wenn die Gefahr bereits von der Person auszugehen schien, die man eigentlich sichern soll, dann war es durchaus angebracht, sich über den Auftrag auch weitergehende Gedanken zu machen. War sie ein Fall, den die Lepso Security ablehnen würde, oder sollte er in diesem Fall eine Ausnahme machen? Wie dem auch sei, zuerst einmal sollte er sich wohl ein Bild von der Lage bei der genannten Adresse machen. Oder besser machen lassen. Er entschied sich, diese erste Erkundigung Will Dean zu überlassen.
Dean blickte auf die Villa, die sich am Ende der Straße erhob. Er hatte den Gleiter angehalten und warf erst einmal einen genauen Blick auf das Haus, das die Firma Lepso Security schützen sollte. Ein kleiner Trichterbau im arkonidischen Stil erhob sich dort, nach außen hin vollkommen unspektakulär, schmucklos und nicht sehr auffällig. Im Inneren würde es sicher anders aussehen, zum einen deshalb, weil die arkonidischen Trichterbauten von Haus aus eine sehr nach innen gerichtete Architektur aufwiesen, zum anderen aber auch deshalb, weil Jenny da Tranillan eine Auftraggeberin war, die aus hohem arkonidischen Hause zu stammen schien und durchaus über Geld
Ralf König verfügte, wie erste Erkundigungen ergeben hatten. Dean war sich darüber im klaren, dass diese Informationen nur dadurch abrufbar waren, weil Jenny da Tranillan der Firma eine Zugriffsberechtigung erteilt hatte. Aber das war auch nötig, wollte man sich ein Bild von der neuen Kundin machen. Dean war gespannt auf das Innenleben des Trichterbaus. »Nicht sehr aufregend«, meinte Tanya Gray. Die Frau von Nosmo lehnte gelangweilt im Beifahrersitz, einen Fuß auf das Armaturenbrett gestützt. Dean warf ihr nur einen kurzen Seitenblick zu, dann konzentrierte er sich wieder auf den Trichterbau. »Ach? Kennst du dich mit arkonidischer Architektur aus?« »Nein«, bekannte sie ohne zu zögern. »Aber ich weiß, was mir gefällt. Diese Mülleimer am Stil jedenfalls nicht.« »Lass das mal bloß nicht unsere Kundin hören, die wäre sicher nicht sehr begeistert.« »Keine Sorge. Ich bin schließlich Profi. Ich werde doch einer Kundin nicht sagen, dass sie keinen Geschmack hat. Wie kommst du bloß auf so was?« »Tja, wie bloß?« Dean erinnerte sich noch sehr gut, wie die junge Frau einmal einen Ara als dürren Vogel bezeichnet hatte. Der Mediziner war zutiefst beleidigt gewesen und wollte fortan mit der Firma nichts mehr zu tun haben. Dass sich später heraus stellte, dass der Ara am Organschmuggel beteiligt war, machte den Fauxpas nicht weniger schlimm. Andererseits hatte sie immer behauptet, es schon vorher gewusst zu haben, eine Behauptung, die natürlich nur schwer zu widerlegen war. Jedenfalls war Dean seither sehr vorsichtig geworden, wenn er Tanya mit dabei hatte. Er steuerte den Gleiter auf das Anwesen zu und musste sich erst einmal anmelden. Sicherheitseinrichtungen waren also schon vorhanden, was ihren Job einfacher gestalten würde. Sie hatte auch bereits angekündigt, dass es im Wesentlichen darum ging, die bestehenden Anlagen zu verbessern. Schon bestehende Strukturen zu verwenden, machte einen Job immer einfacher, als neue Strukturen erst erschaffen zu müssen. Der Gleiter der Firma Lepso Security landete auf der Spitze des Trichters auf einem kleinen Landefeld.
Spurensuche Dean glitt aus dem Gleiter und ging federnd auf einen Antigravschacht zu. Tanya stolperte aus dem Transportgerät und schloss eilig zu dem Terraner auf, der kaum merklich den Kopf schüttelte. »Ich bin schon sehr gespannt auf das Mädchen.« »Sie mag zwar noch jung sein, aber der Ausdruck Mädchen dürfte wohl sicher nicht angemessen sein. Ich möchte doch darum bitten, unsere Kunden etwas ernster zu nehmen.« »Schon gut.« Tanya schwieg und stellte sich neben den Terraner, der sich in den Antigravschacht schwang und sich von dem Transportfeld nach unten bringen ließ. Die Arkonidin erwartete die Gäste bereits. »Gut, dass ihr endlich da seid. Ich dachte schon, die Firma hätte das Interesse an dem Auftrag verloren.« »Wir haben uns nur einen Überblick verschafft – das machen wir immer, bevor wir uns ein Haus näher anschauen.« Die Arkonidin nickte zu Deans Worten. Diese Antwort genügte wohl zunächst. »Ich möchte euch nur etwas zeigen, was bei mir eingetroffen ist. Vielleicht versteht ihr dann, warum ich so dringend professionelle Unterstützung brauche.« Brauchen? Davon war bisher noch keine Rede gewesen. Aber gut, wenn die Arkonidin meinte – der Kunde war schließlich König, auch wenn diese Einstellung heute nicht mehr sehr weit verbreitet war. Sie geleitete die beiden Besucher in einen Besprechungsraum, der sich auf der dritten Galerie befand. Als Dean und Tanya auf der obersten Galerie ankamen, konnten sie die Pracht des Trichterbaus in vollen Zügen genießen. Von der fünften Galerie aus wirkte der reich geschmückte Blumengarten auf der Sohle des Trichters ziemlich klein. Vögel und Insekten von vielen verschiedenen Welten bevölkerten den Garten und sorgten so für ein natürliches Zusammenspiel, das dem Bau ein besonderes Flair verlieh. Insgesamt fünf Galerien umliefen die Innenseite des Trichters, von den Galerien aus waren die Räumlichkeiten des Hauses zu erreichen. Da Tranillan geleitete die beiden Besucher zwei Galerien tiefer und führte sie in den Besprechungsraum. Sie hatte keinen Blick für
11 die Pracht ihres eigenen Hauses, war vielleicht auch bereits zu sehr an den Anblick gewöhnt. Auf ihren Wink hin nahmen Dean und Tanya Platz. »Ich habe heute morgen einen Anruf bekommen, den ich glücklicherweise aufgezeichnet habe. Bevor ich euch den zeige, möchte ich aber noch einige Dinge vorausschicken. Wie ihr ja sicher schon bemerkt habt, verfügt meine Familie über einiges an Kapital. Ich habe mich entschlossen, einiges von dem Kapital an der Börse einzusetzen. Leider sind die Spekulationen aber schief gegangen. Der Börsenspekulant, der mein Vermögen verwaltete, hat in einige Aktien investiert, die mir nicht weitergeholfen haben. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, hatte er eine Menge Ausflüchte. Ich ließ ihn daraufhin überprüfen und erfuhr, dass er gerne Insidergeschäfte tätigt. Anscheinend ging eines dieser Geschäfte schief, was mir ein beträchtliches Minus einbrachte. Das ist aber gar nicht das Schlimmste. Als ich anfragte, wie es sich damit verhält, musste ich erfahren, dass der Broker zu Tode kam. Die Umstände seines Todes sind noch unklar. Er wurde in einem Gleiter gefunden, der in einem Park in der Stadt geparkt war. Er hatte anscheinend einen Herzinfarkt erlitten. Der Gleiter ist aber nicht abgestürzt, anscheinend hat er ihn noch gelandet, bevor er den Herzinfarkt bekam. Dazu stellten die Sicherheitskräfte fest, dass im Fahrzeug Spuren eines Kampfes zu erkennen waren. Mit wem, ließ sich allerdings wohl nicht feststellen, letztendlich ist nicht einmal sicher, ob er sich einige der Verletzungen nicht im Todeskampf selber beigebracht hat. Das gleiche gilt für die Inneneinrichtung seines Gleiters, die einige Beschädigungen aufweist. Also alles in allem eine komische Geschichte. Der einzige Hinweis ist ein Stück Papier, das man im Gleiter vorgefunden hat. Es weißt keinerlei verwertbarer Spuren auf, besteht aus normalem Handelsüblichem Papier und ist insofern keine Besonderheit. Es hat nur die Form eines Schmetterlings. Die Sicherheitskräfte des Planeten sind sich uneins über die Bedeutung des Papiers. Einige halten es für eine Art Unterschrift des Mörders. Andere denken, dass es da zufallig gefunden wurde. Sicher ist nur eines: so eine Unterschrift hat man bisher noch nie entdeckt. Heute Morgen jedoch wurde mir klar, dass der
12 Mann vermutlich ermordet wurde. Der Mörder scheint mich mit der ganzen Geschichte in Verbindung bringen zu wollen. Diesen Anruf habe ich heute früh bekommen.« Jenny drehte sich zu dem Wiedergabegerät und legte einen Datenträger ein. Sie aktivierte das Gerät und setzte sich neben Will Dean, der ihr einen aufmerksamen Seitenblick zuwarf. Dann allerdings konzentrierte er sich auf die Aufzeichnung. »Ja?« Die Stimme der Arkonidin, die das Gespräch annahm: »Jenny da Tranillan?« »Ja, das bin ich. Was kann ich für dich tun?« »Er ist tot.« »Wer ist tot? Wovon sprichst du?« »Der Broker. Er wurde im Park aufgefunden. Er wurde ermordet.« »Was habe ich damit zu tun?« »Ich habe dir damit einen Gefallen getan. Erinnere dich daran, wenn es an der Zeit ist.« Der Bildschirm erlosch. Eine Sichtverbindung mit dem Anrufer hatte während der ganzen Zeit nicht bestanden, nur am Ende erschien eine verwertbare Bildinformation. Für einen Moment leuchtete der Umriss eines Schmetterlings auf, die Flügel bewegten sich leicht, dann flatterte das Insekt los. Der Bildschirm erlosch endgültig. Kurze Zeit herrschte Stille im Raum. Dann öffnete Tanya den Mund. »Was hat das mit der Lepso Security zu tun? Wieso wendest du dich damit nicht an die Behörden?« Da Tranillan warf ihr nur einen Seitenblick zu, dann wandte sie sich an Dean. Der Terraner war bereits zusammengezuckt, als Tanya den Mund geöffnet hatte. Aber in diesem Fall war die Frage durchaus berechtigt. »Welche Sicherheitsbehörden? Ihr wisst doch, dass Sicherheit nur derjenige bekommt, der am meisten bezahlt.« »Was für dich sicher kein Problem wäre.« Deans Worte klangen wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage. »Vielleicht nicht. Das bedeutet aber nicht, dass ich mein Geld zum Fenster hinaus werfe. Eine Sicherheitsfirma dürfte wohl reichen, oder nicht? Oder fühlt ihr euch außerstande, euch um dieses Problem zu kümmern?«
Ralf König »Wir sind eine Firma, die Sicherheit zur Verfügung stellt. Das bedeutet, du kannst von uns Alarmanlagen und auch Sicherheitspersonal bekommen. Wir sind keine Detektive.« »Das mag sein, aber wenn ihr mich beschützen wollt, dann müsst ihr über Dinge wie diese Bescheid wissen. Außerdem habe ich mich über euch erkundigt. Es gibt bei euch mehr als nur einen ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter. Warst du nicht beim TLD?« Woher wusste sie das? Solche Antworten bekam man nicht an jeder Straßenecke. Eigentlich waren Auskünfte dieser Art geheim. Aber Dean war auch klar, dass Geld viele Türen öffnete. Daher hakte er auch nicht weiter nach, sie würde ohnehin keine Auskünfte darüber erteilen. Er akzeptierte das vorhandene Wissen der Arkonidin und begann, sich auf das Problem des Anrufes zu konzentrieren. Irgendwie verunsicherte ihn das Gesehene. Der Anrufer und die Arkonidin unterhielten sich miteinander, als würden sie sich nicht kennen, was allerdings für den Anrufer nicht gelten konnte. Dazu kam noch, dass sich der ganze Dialog in Deans Ohren ziemlich konstruiert anhörte. Jedenfalls konnte man daraus nicht ablesen, wie tief die Arkonidin in der Geschichte steckte. Und dann noch dieses Symbol. Einen Schmetterling zu wählen, das legte nahe, dass ein Terraner hinter dem Anruf steckte. Andererseits war die Insektenwelt Terras auch auf anderen Planeten ein Begriff. Ein NichtTerraner könnte so ein Symbol wählen, um den Verdacht von seinem Volk abzulenken. Was die Auswahl auf alle Völker der Milchstraße erweiterte. Nicht einmal anhand der Stimme ließ sich etwas ablesen. Ein Mann konnte es durchaus sein, aber mit heutigen Methoden war es eben auch möglich, die Stimme eines Mannes künstlich zu erzeugen, auch wenn der Sprecher eigentlich eine Frau war. Also auch daran ließ sich nichts ablesen. »Können wir die Aufzeichnung mitnehmen? Ich würde das Band gerne analysieren. Außerdem sollten wir deine Kommunikationsanlagen mit Überwachungsgeräten ausstatten, dann können wir bei einem neuerlichen Anruf weitergehende Informationen erhalten.«
Spurensuche »Du meinst, er wird sich wieder melden?« »Ja, das sagte er doch. Er wird sich wieder melden und dann sollst du dich daran erinnern, dass er dir einen Gefallen getan hat.« Dean griff nach dem Band, das ihm die Arkonidin entgegenhielt und fragte sich, inwiefern sie ihm die naive Unschuld nun vorspielte. Dass sie nicht einmal verstanden haben sollte, was der Anrufer gesagt hatte, konnte er nicht glauben. »Richtig, ich vergaß.« Hatte sie nun einfach selber den Eindruck gewonnen, übertrieben zu haben, oder war sie wirklich so nervös, dass ihr eine solche Information entfallen konnte? Wahrscheinlich konnte man in ihrer Situation so etwas schon vergessen. Dean entschloss sich, ihr zumindest insoweit Vertrauen entgegenzubringen. Er nickte der Arkonidin kurz zu. »Wir melden uns sobald wie möglich wieder. Ich werde sofort ein Team hierher schicken, das die Geräte installiert und die restliche Überprüfung vornimmt, zu der wir nun nicht mehr kommen werden. Außerdem werden wir einige unserer Mitarbeiter in deinem Haus postieren, die sicherstellen sollen, dass du keinen unangemeldeten Besuch erhältst.« Dean wandte sich ab und verließ den Raum, gefolgt von Tanya. Er ließ sich von der Arkonidin in die richtige Richtung führen, obwohl er den Weg auch so gefunden hätte. Als er den Gleiter erreichte, setzte er über Funk eine Nachricht an die Firma ab, wo er die Situation kurz erklärte und ein TechnikerTeam anforderte. Dann ließ er den Gleiter langsam hochsteigen und entfernte sich vom Haus der Arkonidin. Aufatmend lehnte er sich zurück. »Du glaubst ihr doch nicht, oder?«, fragte Tanya. Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Warum sollte ich nicht?«, konterte er lauernd. »Erstens kann dieses Gespräch von jedem aufgezeichnet werden. Hörte sich meiner Meinung nach nicht sehr echt an. Zweitens glaube ich ihr kein Wort. Sie könnte genauso gut wirklich einen Auftrag erteilt haben, nachdem der Broker sie hereingelegt hat. Drittens ist sie Arkonidin.« »Deine letzte Bemerkung – was genau willst du damit sagen?« »Nun, die Arkoniden sind augenblicklich nicht gerade die Wohltäter der Galaxis«,
13 spielte sie auf die derzeitigen politischen Verwicklungen um Imperator Bostichs Reich an. »Und komm mir jetzt bloß nicht mit dem Kunden-Mist. Hier sind wir unter uns, da muss ich mich wohl nicht verstellen, wenn ich ihr nicht traue.« Dean schwieg und dachte über das Gehörte nach. So unrecht hatte Tanya nicht. Andererseits wehrte er sich einfach dagegen, dass da Tranillan nur deshalb als unglaubwürdig hingestellt wurde, weil sie Arkonidin war. Solche Unterschiede sollten die Galaktiker von heute eigentlich nicht mehr machen. Anscheinend konnte aber ausgerechnet die Völker der Milchstraße sich nicht dazu entschließen, zusammen zu arbeiten. In anderen Galaxien waren solche Ziele schon längst erreicht oder man stand zumindest kurz davor. In der Milchstraße war man seit dieser merkwürdigen Thoregon-Idee der Superintelligenzen weiter davon entfernt, als jemals zuvor. Zumindest schien es so. Was unter anderem an den Arkoniden lag, das war Dean durchaus bereit, zuzugestehen. Aber das allein machte Jenny nicht unglaubwürdig. Der Terraner beschloss, auf seine Instinkte zu hören. Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ihre Volkszugehörigkeit etwas mit ihrer Einstellung zu tun hat. Bisher hat sie jedenfalls kein Problem damit gehabt, dass in unserer Firma außer Terranern, Terra-Abkömmlingen oder Verbündeten wie den Posbis keine Mitarbeiter zu finden sind. Sie hat sich unsere Firma ausgesucht. Da wird sie uns doch nicht an der Nase herumführen, oder?« Dieses »oder« drückte seine inneren Zweifel aus, er war sich nicht sicher, ob er mit der eigenen Einschätzung richtig lag. »Mag sein.« Tanya wiegelte ab. »Aber was ist mit den anderen Punkten, die ich angesprochen habe?« »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Analysieren wir erst einmal das Band, dann werden wir hoffentlich Näheres wissen. Sollen wir ihr helfen oder den Auftrag ablehnen? Was meinst du dazu?« Tanya warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu. Offensichtlich war sie verwundert, dass er seine Meinung hören wollte. »Ich würde es machen. Zum einen, um herauszufinden, wie Vertrauen erweckend sie
14 ist. Zum anderen, weil wir den Job brauchen. Und zum dritten, weil es mich selber interessiert, was sie damit zu tun hat.« Dean grinste. »Du bist zu neugierig.« »Mag sein. Spannung ist das halbe Leben, deshalb habe ich mir den Job bei euch ausgesucht.« Dean lachte und beschleunigte den Gleiter. Er wollte so schnell wie möglich in der Firma ankommen und die Geschichte mit den anderen besprechen.
Lorif klopfte mit der Faust auf den Tisch, was die Behälter mit den Erfrischungsgetränken in leichtes Schwanken versetzte. »Ich sage, wir machen es. Wir brauchen langsam mal wieder einen Erfolg, sonst können wir unseren Laden dichtmachen.« »Was bringt dich darauf, dass ein Erfolg in dieser Geschichte etwas ändern könnte?« »Nichts«, meinte der Posbi. »Aber kein Auftrag wird vermutlich dazu führen, dass die Firma geschlossen wird. Möchtet ihr das?« Er ließ einen Blick in die Runde schweifen. Einstein, der direkt hinter ihm auf dem Boden lag, floss um seine Beine und versuchte, das Plasma zu beruhigen. Der Posbi beachtete den Matten-Willy nicht. Er fixierte der Reihe nach die maßgeblichen Mitarbeiter der Firma. Wallace saß entspannt zurückgelehnt und machte sich einige Notizen. Der Oxtorner erwiderte den Blick nur ruhig. Dean grinste leicht, als er den wütenden Posbi so sah. Saraah wirkte entsetzt. Schließlich beugte sich Irwan Dove leicht nach vorne. »Ich bin seiner Meinung.« »Ehrlich?« Der Posbi war sichtlich erstaunt. »Dann machen wir es?« Dean verlor keine Zeit. »Natürlich. Die Überwachungsanlagen werden im Augenblick installiert. Dean, ich möchte, dass du mit Tanya ständig im Palast bist. Dafür wirst du den Laden hier überwachen.« Er fixierte kurz Wallace. »Und was wirst du machen?« Der gebürtige Schotte wollte es genau wissen. »Ich werde mir mal die Geschichte mit dem Broker genauer anschauen. Vielleicht kann sich in seinem Büro auch jemand an die Arkonidin erinnern, das würde uns eventuell
Ralf König auch schon weiterhelfen. Vielleicht hat auch einer was gesehen oder gehört, was den Verdacht in eine bestimmte Richtung lenken kann.« »Dann sind wir also wieder im Geschäft?« Dean erhob sich bereits. »Wir sind wieder mit dabei. Die Lepso Security hat einen großen Auftrag übernommen.« Dean grinste, ohne zu jubeln. Niemand freute sich wirklich, dazu war die Situation, in der die Firma steckte, zu ernst. Außerdem war auch der vorliegende Auftrag nicht gerade als Vergnügen zu bezeichnen. Freude konnte so wohl nicht ernsthaft aufkommen. Die Freunde trennten sich. Jeder machte sich daran, seinen Auftrag auszuführen.
3. Ermittlungen
Dove
schaute an der Fassade in die Höhe. Nichts Außergewöhnliches konnte er entdecken, wenn man einmal von einem Schild absah, das anzeigte, dass in diesem Hochhaus Firmen untergebracht waren. Auch nicht wirklich außergewöhnlich, aber immerhin Hinweis gebend. Ein näherer Blick auf das Schild ließ erkennen, dass sich hier auch die Lepso Trade befand, eine Firma, die sich mit dem An- und Verkauf von Aktien, Warentermingeschäften und sonstigen Börsentrades beschäftigte. Natürlich war die Nachricht, wo der ermordete Broker beschäftigt war, nicht über die öffentlichen Quellen verbreitet worden. Solche Informationen wurden normalerweise überall in der Galaxis zurück gehalten, das war also nichts Besonderes. Auf Lepso war es nur leichter, an solche Informationen heranzukommen. Entweder musste man dazu den Richtigen kennen, oder dem Richtigen die richtige Menge an Geld zukommen lassen. Beides war sehr hilfreich. Dove kannte den Richtigen noch aus seiner Zeit beim Sicherheitsdienst von Oxtorne, wo er Kontakte auch in andere Teile der Galaxis knüpfen konnte. Dieser Bekannte hatte ihm einen Hinweis auf die Lepso Trade gegeben, zusammen mit einem gefälschten Ausweis des Wohlfahrtsdienstes. Und nun stand er vor dem Gebäude, in dem
Spurensuche sich die Firma befand. Er lenkte seinen Schritt durch den Eingang, vertraute sich einem Antigravschacht an und schwebte in die vierte Etage, wo sich das Büro befand. Als er aus dem Lift stieg, war er bereits mitten in der Firma. Er ging über den blütenweißen Teppich auf den Empfang zu, der von einem jungen Mann betreut wurde. »Was kann ich für dich tun?« Die Stimme klang unpersönlich, wenngleich freundlich. »Ich möchte Thomas Moore sprechen.« »Thomas ist nicht mehr bei uns.« »Wie bitte? Man hat ihn mir als guten Anlageberater empfohlen. Deshalb habe ich ihm einige Galax anvertraut.« Dove spielte den Unwissenden. »Was ist los, hat er einen besseren Arbeitsplatz gefunden?« Dove lachte über seinen eigenen Witz. Der Angestellte verzog leicht das Gesicht, wartete, bis sich der Besucher beruhigt hat und sagte dann mit gesalbter Stimme, in die er genau die richtige Menge Trauer legte: »Thomas Moore ist tot. Er wurde gestern Abend im Park aufgefunden.« Schlagartig wurde Dove ernst. Er setzte einen leicht verunsicherten Blick auf. »Wie konnte denn das passieren?« »Niemand weiß es so genau.« »Aha. Und wer ersetzt ihn jetzt? Immerhin betreut er noch so einiges an Aktien, die er für mich gekauft hat.« »Ich darf dich bitten, zu Belinda zu gehen. Belinda von Arguul hat seine Kunden übernommen.« Dove nickte und folgte der Wegbeschreibung zu dem Büro der Akonin. Er trat ein ohne anzuklopfen. Die Akonin blickte unwillig auf und erkundigte sich nach dem Grund der Störung. Dove spielte nun eine andere Rolle. Er legte ihr einen Ausweis vor, der ihn als den Sicherheitsbehörden von Lepso angehörig erschienen ließ. Sein Bekannter, der ihm auch den besorgt hatte, hatte nicht weiter nachgefragt, was der Oxtorner damit machen wollte. »Ich hätte einige Fragen den Tod von Thomas Moore betreffend.« »Dazu hat man uns doch schon befragt. Was seid ihr eigentlich für eine Organisation? Weiß da der eine nicht, was der andere tut?« »Das kommt schon vor. Manchmal kommen
15 wir auch mit Absicht öfter – natürlich machen wir das bloß, um die Leute zu ärgern. Außerdem habe ich persönliche Interessen, ich habe mit Moore zusammen gearbeitet.« Der Oxtorner legte Spott in seine Stimme, trat aber gleichzeitig so auf, dass die Akonin das Gefühl bekam, ihr Einwand wäre nicht sehr willkommen. Sie nickte nur kurz und wies auf den Stuhl vor ihrer Arbeitsfläche. Es war immer besser, dem Wohlfahrtsdienst nicht zu sehr zu widersprechen. Zufrieden ließ sich der Oxtorner auf den Stuhl sinken. »Fangen wir mal mit dem Broker selber an. Was für ein Typ war er?« »Das brauchen wir nun wirklich nicht mehr durchkauen, das wissen die Kollegen von deiner Behörde schon.« »Ich hätte aber gerne deine Einschätzung.« »Nun, er war zuverlässig, hatte gute Ideen und durchaus Erfolge vorzuweisen. Es gab da Gerüchte, dass die nicht immer ganz legal erreicht wurden. Ich persönlich halte davon allerdings nichts. Das ist nur Neid von denen, die weniger Erfolg hatten.« »Aha. Wie verhielt es sich dann mit dem Misserfolg, den er mit Jenny da Tranillan hatte? Meinen Informationen nach wurde dabei eine Menge Geld verloren.« »Das lag nun aber nicht an Moore. Er konnte schließlich nicht wissen, dass die RobLepso, in die er damals investierte, kurz darauf an ihren eigenen kriminellen Methoden scheitern würde.« Das war Dove nun allerdings neu. »Kriminelle Methoden? Ich dachte, die wurden nur durch einen plötzlichen neuen Konkurrenten in Schwierigkeiten gebracht.« »Mittlerweile hat sich heraus gestellt, dass der ehemalige Eigentümer dahinter steckte. Die Übernahme von RobLepso war eine feindliche. Die galaktischen Wirtschaftskontrollbehörden haben heraus gefunden, dass der Chef der Firma sich an die Galactic Guardians wendete, um sich an der Whistler Company zu rächen. Das ist ihm auch gründlich gelungen. Ich wundere mich nur, dass du das nicht weißt. Wenn du von den Behörden bist, dann solltest du das in Erfahrung gebracht haben.« »So genau habe ich wohl nicht recherchiert. Mein Fehler, Entschuldige.« Sie akzeptierte wohl auch diese Erklärung.
16 Was doch ein Ausweis manchmal bewirken konnte. Andererseits lag es vermutlich auch daran, dass es ihr letztendlich vollkommen egal war. Sie wollte ihn nur so schnell wie möglich loswerden. Solange er sie bei der Arbeit störte, konnte sie kein Geld verdienen und das war sicher das einzige, was sie interessierte. Dove ließ sie für einen Moment zappeln, dann stellte er die nächste Frage. Er wollte den Bogen nicht überspannen, sonst kam sie vielleicht doch noch auf die Idee, genaueres über seine Tätigkeiten wissen zu wollen. »Kennst du die da Tranillan?« »Ich bin ihr einmal begegnet.« »Was für einen Eindruck hast du von ihr?« »Ich mag sie nicht. Sie ist arrogant, weiß zu vieles besser und außerdem ist sie Arkonidin. Dazu kommt noch, dass sie Moore bedroht hat.« »Bedroht?« »In der Tat. Als sie hörte, dass er eine ihrer Millionen verloren hat, hat sie ihm angekündigt, dass er dafür einige Unannehmlichkeiten bekommen könnte. Sie hat ihm auf jeden Fall angedroht, dass er dafür eine Abreibung bekommen würde und wenn er das Geld nicht wieder auftreiben kann, dann könnte das zu seinem plötzlichen Ableben führen.« »Und das hast du gehört?« »Ja.« »Würdest du das beschwören?« »Jederzeit.« »Wann hast du Moore das letzte Mal gesehen?« »Am Tage seines Todes. Ich habe gerade das Büro verlassen, als ich ihn in einen Gleiter steigen sah. Er war allerdings nicht allein; er hatte einen Begleiter.« »Hast du das auch meinen Kollegen gesagt?« »Nein.« »Wieso nicht?« Dove war verwundert. »Ich wurde nicht gefragt.« »Na, das ist ja toll. Da siehst du es schon, dass es gut war, dass ich auch noch gekommen bin. Ich danke dir für die Information. Wie sah der Mann aus?« »Ich habe ihn nur von hinten gesehen. Er war etwa 1,80 groß, schlank, kräftig, dunkles
Ralf König Haar. Mehr konnte ich nicht erkennen.« »Kleidung?« »Das übliche. Ich habe nicht darauf geachtet, es war allerdings nicht sehr auffällig.« Dove zeichnete die Angaben auf und erhob sich dann. »Du hast mir sehr geholfen, ich danke dir. Wenn wir den Mörder fassen, dann haben wir das sicher dir zu verdanken. Auf Wiedersehen.« Er drehte sich um und ging, ohne noch einmal zurück zu blicken. Sie war offenbar nicht traurig darüber, ihn gehen zu sehen. Als Dove mit dem Aufzug nach unten fuhr, dachte er über das Gehörte nach. Dass sie so wichtige Informationen nicht an die Sicherheitsbehörden weitergab, wunderte ihn nicht im geringsten. Ohne danach gefragt zu werden, würde sie sicher nicht damit heraus rücken, das würde nur dafür sorgen, dass die Ordnungsmächte sie länger von der Arbeit abhielten, als nötig. Dass die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde nicht nachgefragt hatten, war allerdings ein starkes Stück. Bei den Verhältnissen auf Lepso war es andererseits auch nicht allzu verwunderlich. Viele der Leute hatten halboder illegale Nebeneinkünfte. Da war es zu erwarten, dass man Informationen nur in dem Rahmen beschaffte, wie man musste, ohne sich damit selber in die Quere zu kommen. Das hatte wohl zur Folge, dass man in allen Bereichen nicht sehr vorsichtig war. Das galt allerdings nicht für alle, die bei den Behörden arbeiteten. Die Leute, die sich an die Spielregeln hielten, waren auf Lepso allerdings in der Minderheit. Dove schüttelte nur leicht den Kopf. Sicher hatte Lepso als Freihandelswelt einige Vorteile, sowohl für seine eigenen Pläne als auch für die Pläne von Dunkelmännern, die einen Platz suchten, wo man sich ungestört austauschen konnte. Dass die Behörden nicht ganz im Rahmen der Legalität operierten, musste man an einem solchen Platz, der offenkundig für diese Dinge geschaffen wurde, eben hinnehmen. Immerhin hatte es ihnen auch Vorteile eingebracht. Auf einer anderen Welt hätten sie sicher nicht so leicht eine Lizenz für ihr Unternehmen erhalten. Mit einem gefälschten Ausweis ankommen, wäre fast unmöglich gewesen, wenn man nicht selbst Mitglied eines Geheimdienstes war.
Spurensuche Dove hatte also die Möglichkeiten Lepsos für sich selbst auch ausgenutzt. Er beklagte sich nicht über die Zustände. Trotzdem machte es das Leben auf Lepso zu einem Abenteuer. Bei den meisten Mitgliedern der Lepso Security musste er davon ausgehen, dass Abenteuerlust auch genau der Grund war, warum sie sich zur Arbeit auf dieser Welt entschlossen hatten. Eines kam ihm noch in den Sinn, als er an das Gespräch mit Belinda dachte. Sie hatte gesagt, dass da Tranillan den Broker mit dem Tode bedroht habe, zumindest aber mit Handgreiflichkeiten. Inwiefern stimmte das mit der Geschichte der Arkonidin überein? Sie hatte nur ausgesagt, dass sie mit dem Verlust nicht sehr glücklich war. Hatte sie daraufhin überreagiert und einige Dinge gesagt, die sie besser für sich behalten hätte? Oder hatte sie die Drohung mit Absicht ausgesprochen, in der Hoffnung niemand würde sie hören oder darauf vertrauend, dass auf Lepso sowieso niemand genauer danach fragen würde? Oder vielleicht auch deshalb, weil es ihr egal war? Wenn die Behörden von Lepso von der Drohung gehört hatten, dann hatten sie die Ermittlungen in dieser Hinsicht nicht weiterverfolgt. Bei der Arkonidin war zumindest noch niemand angekommen, der von den Behörden kam und ihr Fragen gestellt hatte. Dass sie von sich aus sich noch nicht an die Behörden gewandt hatte, konnte er irgendwo verstehen. Sicherheit auf einer Welt wie Lepso war ein Geschäft, in dem viele mitmischten. Die Lepso Security war nur eine davon. Nicht alle waren zuverlässig, das konnte aber eine nicht ganz arme Arkonidin wie da Tranilllan sicher herausfinden. Jenny hatte sich also die Firma ausgesucht, die ihr am unverdächtigsten erschien. Und da war eine Firma, die ehemalige Mitglieder von Sicherheitsdiensten wie denen Terras und Oxtornes beschäftigte, auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, so etwas wie Sicherheit auch wirklich zu bekommen. Jedenfalls war die Möglichkeit eher gegeben, als bei den korrupten Behörden der Welt Lepso. Ihre Entscheidung, sich der Firma anzuvertrauen, die für ihre Sicherheit zuständig war, war daher irgendwo
17 verständlich, wenn auch für einen Oxtorner wie Dove, der für Behörden tätig war, die im Rahmen der bestehenden Gesetze operierten, nicht gerade mit Freuden tolerierbar. Letztendlich musste er aber über ihre Entscheidung froh sein. Wenn sie sich anders entschieden hätte, dann hätte die Firma wieder einmal ein Geschäft nicht gemacht. Mittlerweile war er auf dem Gleiterparkplatz angekommen und hatte das eigene Gefährt bestiegen. Er lenkte es aus dem Parkbereich und klinkte sich in das Verkehrsleitsystem ein. Die Fernsteuerung stellte er auf die Villa der Arkonidin ein, wo er mit seinen Männern und nicht zuletzt mit der Arkonidin selber zu reden gedachte. Einige Fragen waren zu beantworten. Wie zum Beispiel die Frage nach den Drohungen gegenüber dem Broker.
Dean
und Tanya kontrollierten die Abschlussarbeiten der Techniker. Einer der Räume des arkonidischen Trichterbaus war zu einer Sicherheitszentrale umfunktioniert worden und beinhaltete nun alles, was eine Einheit von Sicherheitskräften benötigte, um das Gebäude zu überwachen. Walter Anderson, der skandinavische Techniker, zog seine Schultern aus dem geöffneten Schaltschrank und schloss die letzen Verbindungen. Dabei verlötete er die Kontakte mit den leitenden Teilen. Natürlich konnte man das nicht mehr löten nennen, das Ergebnis war aber das gleiche. Anderson nickte dem Terraner zu. »Fertig, Will«, meinte er nur. Dean nickte und konzentrierte sich auf die Anzeigen. Er bekam schon nicht mehr mit, wie der Techniker den Raum verließ. Kameras waren installiert, die jeden Raum des Anwesens und das umliegende Gelände erfassten. Natürlich konnten bestimmte Kameras, die sonst in den Intimbereich der Arkonidin eingreifen würden, abgeschaltet werden. Andererseits machte Jenny deutlich, dass ihr solche Dinge reichlich egal waren. Solange eine Bedrohung existierte, würde sie auch nichts dagegen haben, wenn man sie in ihren privaten Gemächern überwachte. Sie machte klar, dass sie den Terranern in dieser Hinsicht vertraute. Was Dean stutzig machte.
18 Wieso hatte sie bei dieser Eröffnung das Wort Terraner so eigentümlich betont? Wollte sie damit nur unterstreichen, dass sie gegen dieses Volk trotz ihrer Abstammung nichts einzuwenden hatte, dass sie keinerlei Problem damit hatte, wenn Menschen, denen man im Rest Arkons nicht sehr freundlich gegenüberstand, für ihre persönliche Sicherheit verantwortlich waren? Dean konnte nicht von anderen Voraussetzungen ausgehen. Vermuten konnte er vieles, aber solange er keinerlei Beweise für irgendetwas hatte, musste er wohl die bekannten Fakten zugrundelegen. Und die Fakten besagten, dass da Tranillan die Firma Lepso Security beauftragt hatte und damit auch eine Menge Geld in ihre Sicherheit investierte. Er ging nicht davon aus, dass sie das aus einer Laune heraus tat. Außerdem schien sie dem Team Vertrauen entgegen zu bringen, sonst hätte sie sicher nicht so ohne weiteres die Informationen über den Anruf an sie weiter gegeben. Oder sie hatte einfach nur Angst und konnte oder wollte in dieser Situation nicht wählerisch sein. Will Dean war sich über diesen morgendlichen Anruf immer noch nicht so ganz im Klaren. Die Auswertung des Bandes hatte er noch nicht erhalten. Er versprach sich allerdings auch nicht allzu viel davon. Wenn das Band selber echt war, dann war immer noch nicht bewiesen, dass der Anruf ebenfalls echt war. Es hörte sich für Dean jedenfalls immer noch so an, als würde jemand Sätze aus einem Drehbuch vorlesen. Bei der Arkonidin konnte er das noch verstehen. Die hatte vermutlich die Angst gepackt. Bei dem Anrufer allerdings nicht. Tanya trat neben ihn und warf einen flüchtigen Blick auf die Bildschirme, die die Räumlichkeiten des Wohnturmes anzeigten. Sie nahm allerdings nicht wirklich etwas wahr, dachte an andere Dinge. Ein Speicherkristall lag in ihrer Hand, als sie sie in seine Richtung ausstreckte. »Das Ergebnis«, meinte sie auf seinen fragenden Blick hin. »Welches Ergebnis?« Dean verstand nicht. Unpräzise Angaben hatte er noch nie leiden können. Das musste Tanya langsam auch wissen. Er runzelte leicht verärgert die Stirn. »Na, von der Banduntersuchung. Ich habe noch nicht hineingehört, das können wir ja jetzt zusammen machen.«
Ralf König Wortlos griff sich der Terraner den Kristall und legte ihn in ein Wiedergabegerät. Er aktivierte das Gerät und lauschte auf die Analyse. Wie er vermutet hatte, brachte ihn das nicht weiter. Lorif, der sich um diese Sache gekümmert hatte, bestätigte, dass die Aufzeichnung original war. Niemand hatte daran etwas manipuliert. Allerdings half ihm das Gehörte nicht weiter. Anhand von Aufnahmen, die sie bereits von der Arkonidin hatten, konnte er zwar bestätigen, dass es sich bei der einen Stimme wie vermutet um die der Arkonidin handelte. Die andere Stimme aber ließ sich nicht identifizieren. Lorif versprach, sich an den TLD zu wenden um eine Stimmüberprüfung vornehmen zu lassen. Das könnte aber zu lange dauern und wenn der Eigentümer der Stimme dem TLD nicht bekannt war, zu keinem Ergebnis führen. An die Behörden auf Lepso wollte sich niemand so recht wenden. Da Tranillan hatte diese Möglichkeit schon kategorisch abgelehnt und Dean respektierte diesen Wunsch genauso, wie die gesamte Firma. Lorif hatte festgestellt, dass die Stimme in ihren Klangmustern durchaus echt war, sie war also nicht synthetisch erzeugt. Das bewies aber nur, dass sie von einem Lebewesen stammte. Anhand der Daten konnte der Posbi nicht einmal feststellen, ob es sich um einen Menschenabkömmling oder um ein einem anderen Volk der Galaxis entstammendes Wesen handelte. »Das hilft überhaupt nicht weiter.« Tanya nickte bestätigend zu Will Deans Worten. Sie entnahm den Kristall und drehte ihn in den Fingern. »Das hätten wir uns sparen können. Aber das war zu erwarten. Viel wichtiger ist, dass wir bereit sind, wenn er wieder anruft.« Sie wies auf die Geräte. Der Terraner nickte zustimmend. Auf einem der Monitore regte sich etwas. Die schlanke Gestalt der Arkonidin schwebte über die dritte Galerie und begab sich zu einem Antigravschacht, über den sie sich auf die Gartenebene, die unterste Galerie des Hauses, begab. Von der Gartenebene aus gelangte man durch eine der Türen in den Raum, in dem sich Will Dean und Tanya gerade aufhielten.
Spurensuche Der Terraner wartete gespannt, bis die Arkonidin eintrat. Dabei nahm er seinen Blick nicht von ihrem Körper, der auf den verschiedenen Schirmen deutlich zu erkennen war. Er schien ihm ausnahmslos gut zu gefallen. Als sie durch die Tür trat, wandte er sich dem Original zu. Kurz zuvor spürte er einen Ellbogen, der sich in seine Seite bohrte. »Benimm dich!«, zischte Tanya. Er konnte ihr Grinsen geradezu hören, auch wenn das unmöglich war. Er riss sich los und heftete den Blick auf die Tür. Jenny da Tranillan trat ein und erfüllte den Raum allein durch ihre Präsenz mit einer ganz besonderen Form von Leben. Sie war durch und durch eine Adlige ihrer Welt, unnahbar stand sie in der Tür, verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte den Terraner und die Frau von Nosmo. »Habt ihr schon etwas heraus gefunden?« An ihrer Stimme konnte Dean hören, wie es in ihr aussah. Das selbstsichere Auftreten war bis zu einem gewissen Grade nur Maskerade. In Wahrheit hatte sie Angst. Dean fragte sich, ob sie wirklich so ängstlich war, wie es auf ihn wirkte. Konnte es nicht vielmehr sein, dass sie ihm die Angst nur vorspielte und in Wahrheit finstere Pläne hegte, von denen er nichts wusste, nicht einmal etwas ahnen konnte? Er konnte schließlich nicht wissen, ob sie die Terraner nicht deshalb engagiert hatte, weil sie sie für die größten Trottel des Universums hielt, die sicher nichts herausfinden würden, was gegen sie sprach. Nein, das konnte er nicht glauben. Wenn sie solches beabsichtigte, dann hätte sie es leichter gehabt, wenn sie niemanden mit einer Suche nach dem Anrufer beauftragt hätte. Wozu sollte sie so eine Sache inszenieren? Nur um eine noch schlimmere Sache zu vertuschen, wisperte eine Stimme in seinem Hinterkopf. Blödsinn, hielt er sich selbst dagegen. Dann hätte sie erst recht versucht, niemanden in diese Sache hinein zu ziehen. Vielleicht, widersprach die innere Stimme, vielleicht auch nicht. Dean schüttelte sich. Er war nicht Atlan, sollte nicht mit inneren Stimmen reden, die letztendlich nur seiner eigenen Phantasie entsprangen und seine eigene Unsicherheit zeigten. Er konzentrierte sich lieber auf Handfesteres. Für einen Augenblick überließ
19 er sich seinen nicht sehr jugendfreien Gedanken über die tolle Figur der Arkonidin, dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Er räusperte sich und ignorierte Tanya, obwohl er ihren Blick überdeutlich fühlte, die sich vermutlich schon fragte, was in seinem Kopf so lange vor sich ging. »Nichts Konkretes, außer dass die Aufzeichnung von heute morgen echt ist. Wir konnten dich identifizieren, aber nicht den anderen, mit dem du dich unterhalten hast.« »Dass der Kristall echt ist, hätte ich euch auch sagen können. Warum sollte ich euch eine Fälschung unterjubeln?« Ja, warum bloß? Wenn es darauf eine Antwort geben würde, dann wären sie alle einen großen Schritt weiter gekommen. »Das weiß ich nicht. Wir überprüfen jedenfalls alles, was wir überprüfen können. Im Augenblick ist das leider noch nicht viel. Wenn der Anrufer sich nochmal meldet, dann werden wir das schon heraus finden.« »Also muss ich warten, bis der Kerl mich wieder belästigt.« Die Arkonidin nickte, wandte sich um und verließ den Raum. »Was sollte dieser Auftritt?« Tanya schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung«, meinte Will. »Sie wird schon wissen, was sie damit sagen wollte.« Tanya blickte ihn merkwürdig von der Seite an. »Ich glaube, bis die Geschichte um ist, drehen hier noch mehr durch.« Dean ignorierte sie. Er blickte auf die Bildschirme und sah den Gleiter von Irwan Dove einschweben. Der Oxtorner schwang sich aus dem Fluggerät. Er ging mit federnden Schritten über das Landedeck der Villa und betrat das Haus der neugewonnenen Kundin der Lepso Security Inc. Dove wartete auf ihn und nahm ihn schweigend in Empfang. Die Arkonidin ließ sich nirgends blicken. »Ich habe interessante Neuigkeiten.« Der Oxtorner erzählte Dean und Tanya in kurzen Worten von den Erkenntnissen, die er bei dem Besuch von Lepso Trade gewonnen hatte. »Hört sich gut an. Ich denke, wir sollten unsere kleine Arkonidenprinzessin damit mal konfrontieren. Mal sehen, was sie dazu zu
20 sagen hat.« Tanya erlegte sich keine Zurückhaltung auf. Dove warf ihr einen bösen Blick zu und beschloss, sie zu ignorieren. »Statten wir ihr doch einen Besuch ab.« »Wir sollten uns eventuell doch vorher anmelden, oder meinst du nicht?« Dean warf ihr einen deutlich missbilligenden Blick zu, der sie nicht im geringsten beeindruckte. »Gar kein Problem«, meinte sie nur und stellte eine Verbindung zu der Arkonidin her, die sich unwirsch über die Störung beklagte. »Wir haben einige Erkenntnisse gewonnen, die wir gerne mit dir besprechen würden.« Der Oxtorner blieb ruhig. »Also gut, dann kommt in meinen Wohnraum. Ich werde da auf euch warten.« Dean und Tanya folgten dem Oxtorner. Der Überwachungsraum blieb allerdings nicht leer zurück, zwei Techniker hielten sich in den Räumlichkeiten auf, unterstützt von Anderson, der die Leitung in dem Raum übernahm, bis Dean und Tanya wieder zurück kamen. Die Arkonidin saß in einem Sessel und hatte die Beine übereinander geschlagen. Sie wippte mit dem Fuß und machte einen leicht ungehaltenen Eindruck. »Ich hoffe, das ist wirklich wichtig. Ich habe auch noch anderes zu tun, als mich mit euch zu unterhalten.« »Nun komm mal wieder runter, Prinzeschen. Wir haben bloß ein paar Fragen.« Jenny da Tranillan hörte die Worte von Tanya Gray überhaupt nicht. Dove und Dean beschlossen, sie ebenfalls zu ignorieren. »Verehrte Jenny, wir hätten da einige Fragen«, ergänzte der Oxtorner etwas weniger schnodderig. Er lächelte die Arkonidin freundlich an, was sie mit einem sehr gleichgültigen Blick quittierte. »Dann fang mal bitte an!« Jennys Worte waren betont freundlich, sie zwang sich sogar zu einem Lächeln. »Ich hatte heute das Vergnügen, mich mit jemandem von der Firma Lepso Trade zu unterhalten.« Er ließ sie nicht aus den Augen, versuchte, anhand von ihren Reaktionen Rückschlüsse auf ihre Gedanken. Es misslang gründlich. Sie
Ralf König reagierte überhaupt nicht, schaute ihn nur an, wartete darauf, dass er endlich fortfuhr. »Eine der dort Beschäftigten informierte mich auch über dein Verhältnis zu dem Verstorbenen.« Sie reagierte immer noch nicht, behielt eine gleichgültige Miene bei. »Und?« »Die Dame meinte, einen Streit mitangehört zu haben, in dem du Thomas Moore in Aussicht gestellt hast, ihn umzubringen. Trifft das zu?« Da Tranillan schwieg einige Zeit, was doch einigermaßen erstaunlich war, bedachte man, dass sie bis vor kurzem eigentlich noch überhaupt keine Zeit hatte. Dove war nicht der Typ, der sich leicht verunsichern ließ. Als er aber die roten Augen der Arkonidin auf sich gerichtet fühlte, mit einer sehr verwirrenden Mischung aus Kälte und Unsicherheit, wie sie wohl nur eine arkonidische Adlige hinbekommen würde, stiegen doch einige merkwürdige Gefühle in ihm auf. Er ließ sich allerdings nichts anmerken, sein haarloses Gesicht wirkte vollkommen ausdruckslos. »Wenn du jemandem vier Millionen Galax anvertraust und dann erfahren musst, dass er davon schon eine Million verloren hat, wenn du dann erfährst, dass er diese Sache mit einer sehr unsicheren Insider-Geschichte vermasselt hat, würdest du ihm dann nicht auch drohen?« »Nein.« Der Umweltangepasste erhob nicht einmal die Stimme. Er schüttelte nur den Kopf. »Wenn man jemandem mit dem Tod droht, dann sollte man sich darüber im Klaren sein, dass so etwas eine ernste Sache ist. Wenn er wirklich stirbt, kann das leicht nach hinten los gehen. Auf einer Welt wie Lepso mit einer so hohen Sterberate muss man außerdem damit rechnen, dass es wirklich passiert. Nein, ich würde niemandem mit dem Tod drohen, nirgends im Universum und schon gar nicht auf Lepso, wenn ich es nicht absolut ernst meinte.« Dieses mal sah er ihr direkt in die Augen, fixierte sie, bis sie sich unter seinem kalten Blick zu winden begann. Sie senkte den Kopf. »Nun, ich habe es jedenfalls getan. Ich hatte Angst um mein Vermögen. Daher wollte ich ihn von seinem Auftrag entbinden. Allerdings nicht ohne ihm noch eine Chance gegeben zu haben. Daher bat ich ihn, den Versuch zu unternehmen, die
Spurensuche Million wieder zu bekommen. Ich habe ihm gesagt, dass er bald wieder von mir hören wird und bin gegangen. Ich wollte ihm damit nicht drohen. Ich wollte nur mein Geld wiederhaben.« Ihre letzten Worte klangen sehr trotzig. Dove beherrschte sich und dachte einen Augenblick lang nach. Er fand es durchaus plausibel, dass eine Arkonidin, deren Volk nun nicht gerade für überragende Geduld und besondere Zurückhaltung bekannt war, einen Börsenmakler bedrohte und es eigentlich nicht so meinte. Er hielt es aber auch für möglich, dass der Makler die Drohung ernst genommen hatte. Wenn er sie aber ernst genommen hatte, war immer noch nicht klar, warum er sich mit einem Fremden in einen Gleiter setzte. Höchstens er kannte den Fremden oder der hatte ein sehr gutes Argument zu bieten. Ein gutes Argument auf einer Welt wie Lepso musste nicht zwangsläufig eine Waffe sein, es konnte auch Geld sein. Dove hätte doch nachfragen sollen, ob Moore gewirkt hatte, wie jemand, der bedroht wird. Aber das hätte ihm die Akonin wohl auch so gesagt. Oder vielleicht auch nicht, wenn man bedachte, was sie zu den Gründen für ihre mangelnde Auskunftsbereitschaft sagte. Es klang wie: »ich wurde ja nicht gefragt.« Auf jeden Fall war es zu spät, sich darüber zu ärgern. »Hast du schon mal daran gedacht, dass Moore deine Drohung ernst genommen haben könnte?« »Nein, warum sollte er?« »Vielleicht deshalb, weil er mit illegalen Insiderinformationen Geschäfte machte? Vielleicht deshalb, weil eine Kundin, der Geld anscheinend sehr wichtig war, ihm gesagt hatte, dass sie ihn umbringen würde, wenn er das Geld nicht wieder beschaffen kann? Vielleicht deshalb, weil wir auf Lepso sind, wo ohnehin sehr schnell was passieren kann?« Die Arkonidin schwieg. Sie wich dem Blick des Oxtorners aus und vermied auch, in Deans und Tanyas Richtung zu schauen. Beide verspürten nicht geringe Genugtuung, als die arrogante Arkonidin, solcherart in die Enge getrieben, einfach verstummte und versuchte, die Anwesenden zu ignorieren. Dove beließ es dabei. Er glaubte, dass die
21 junge Adlige verstanden hatte. Vielleicht lag es an der mangelnden Lebenserfahrung, dass sie sich so verhielt. Vielleicht war es auch einfach nur Gedankenlosigkeit, ein Grund, der in der Galaxis von heute leider zu oft Antrieb für Dinge war, die sonst nicht geschehen würden. Er präsentierte der Arkonidin die Beschreibung, die er von dem Unbekannten hatte, der mit Moore geflogen war. »Sagt dir das was? Kennst du den Mann?« »Ich kenne mehrere Männer, auf die eine Beschreibung wie die passt. Sicher würde sich auch in deinem Team einer finden lassen.« Ihre Stimme klang nun wieder ironisch. Dove bezweifelte, dass sie aus den Vorfällen wirklich lernen würde. Vielleicht wäre es doch ganz gut, wenn der Unbekannte ihr noch etwas Angst einjagen würde. Er erhob sich langsam, nickte der Arkonidin kurz zu, die einfach sitzenblieb und ihn von unten herauf anschaute. »Danke für deine Hilfsbereitschaft. Das hat uns zwar nicht sehr weiter gebracht, aber immerhin wissen wir nun etwas mehr. Ich hoffe, dass du auch weiterhin auskunftsfreudig bist und unsere Fragen beantwortest. Anders können wir dir nicht helfen.« Jenny nickte nur, dann öffnete sie doch noch den Mund. »Ich brauche keine Belehrungen. Ich weiß selber, was ich zu tun habe.« Sie klang nicht sehr selbstsicher, es war auch eher eine Trotzreaktion, als wirkliche Wut, die in der Stimme mitschwang. »Daran hege ich keinen Zweifel«, meinte der Oxtorner diplomatisch. »Wir werden dich jetzt deinen sonstigen Aufgaben nachgehen lassen. Schließlich wollen wir dich nicht aufhalten.« Sie sagte nichts mehr, folgte den Sicherheitsleuten nur mit einem Blick, der Zweifel erkennen ließ, ob sie wirklich das Richtige getan hatte, als sie diese Firma engangierte. Man sollte doch nicht auf Werbung hereinfallen, die man über E-Mail bekam, dachte sie. Wütend griff sie nach einem Datenträger mit den neuesten Nachrichten und schleuderte ihn gegen die Wand neben der Tür, als sich diese gerade schloss. Dann erhob sie sich und lief knurrend und mit geballten Fäusten durch den Raum. Als ihr Blick auf das kalte Auge einer Kamera fiel, die nicht versteckt angebracht
22 waren, beherrschte sie sich wieder. Sie verließ den Wohnraum und ging in ihren Garten, wo sie zwischen den Pflanzen entlang spazierte und für einige Minuten die Ruhe ihres eigenen Hauses auf sich wirken ließ. Langsam beruhigte sie sich wieder. »Was für eine arrogante, verzogene Ziege.« Tanya schüttelte den Kopf und ließ sich schwer in einen Sessel fallen. Mit Schwung landeten ihre Füße auf dem Schaltpult vor ihr, was mehr von ihren schlanken Beinen unter dem kurzen Rock zeigte, als Dean lieb war. Dove setzte sich in einen anderen Sessel und lehnte sich nachdenklich zurück. Er sagte nichts, ignorierte seine Mitarbeiterin einfach. »Bist du eigentlich verrückt geworden?« Dean ließ sich nicht lange von den Vorzügen der Frau von Nosmo ablenken. Er kam lieber gleich zur Sache. »Du warst nicht gerade sehr respektvoll unserer Kundin gegenüber.« »Ach hör schon auf«, winkte sie ab. »Die hat doch Dreck am Stecken, da brauche ich auf das Ergebnis der Untersuchung gar nicht zu warten. Wer nach Lepso kommt, hat was zu verbergen. Das ist doch klar.« »So wie du, nicht wahr, Tanya?« Die Kolonialterranerin zuckte zusammen, drehte sich halb zu dem Oxtorner, der sich aus seiner entspannten Haltung aufgerichtet hatte und schluckte. Sie wurde sehr nervös, was ihr sonst normalerweise nicht passierte. »Wie meinst du das?« »Na, das ist doch wohl klar. Du bist auch aus irgendwelchen Gründen nach Lepso gekommen. Ich auch, Dean auch. Saraah und Matthew desgleichen, oder nimm Anderson hier. Wir alle haben einen Grund, warum wir hier sind. Deshalb sind wir aber keine Verbrecher. Oder willst du uns auch in diesen Topf werfen?« Dove erhob sich abrupt und ging durch die Tür. Er blickte nicht einmal zurück – seine Mitarbeiter wussten ohnehin, was sie zu tun hatten und Dean war auch noch da. Er kümmerte sich nicht weiter um die Situation unter der Wachmannschaft. Tanya war sehr schweigsam geworden. Sie dachte offenbar nach und Dean entschied sich dazu, sie nicht zu stören. Er ging zu den Kontrollen und ließ sich mehrere neuralgische Stellen genauer
Ralf König anzeigen. Er machten einen Plan für die Nacht und legte fest, welche Kameras sie mit Unterstützung eines Rechners sowie mit eigenen Augen überwachen würden, sowie die Kameras, die nur von einem Rechner gecheckt werden würden. Er ließ sich vor den Bildschirmen auf einem Stuhl niedersinken und machte es sich bequem. Es war zwar in diesen Zeiten nicht mehr unbedingt nötig, dass sich Menschen um die Überwachung persönlich kümmerten, aber Dean wollte auch nicht selbst alle Kameras beobachten. Er wollte nur da sein, falls etwas passieren würde. Es würde langweilig werden, aber Unterhaltungsprogramm war ebenfalls vorhanden und nicht verboten, da es ermöglichte, dass das Personal in der Lage sein würde, seine Aufgabe zu erfüllen. Schlafen würde ebenfalls möglich sein, dafür waren die Rechner ja da. Dean und Tanya bildeten die Besatzung über die Nacht, eine Auswahl, die dem Terraner durchaus nicht unrecht war. Zum einen versprach der kleine Tiefschlag, den Tanya Gray soeben von Dove bekommen hatte, dass in der nächsten Zeit keine dummen Sprüche kommen würden, zum anderen war sie eine durchaus angenehme Gesprächspartnerin, alles andere als dumm und ein sehr interessantes Wesen, mit dem sich der Terraner gerne über alle möglichen Themen unterhielt. Wenn sie nur ein unsensibler Störenfried gewesen wäre, dann wäre sie auch schon längst nicht mehr in dieser Position in der Firma tätig gewesen. Das war sie aber nicht, deshalb dachte auch in Wahrheit niemand daran, sie los zu werden. Die junge Frau nahm endlich die Beine vom Tisch. Sie ging zu einem Getränkespender und orderte einen Kaffee, der direkt in einen Becher abgefüllt wurde, der aus Formenergie materialisierte. Sie nahm das heiße Getränk, das in dem Becher sehr gut isoliert war, so dass sie sich wenigstens nicht die Finger verbrannte. »Auch einen?«, fragte sie über die Schulter in Deans Richtung, der automatisch nickte. Mit zwei Bechern kehrte sie kurz darauf an den Tisch zurück. »Kann ich dich was fragen?« Dean warf einen kurzen Seitenblick auf die junge Frau und nickte kurz. »Was denkst du über mich?«
Spurensuche »Ehrlich oder nicht?« »Ehrlich, bitte.« »Du bist vorlaut, großmäulig und schaffst es immer wieder, im falschen Moment eine große Klappe zu haben. Davon abgesehen bist du in Ordnung.« Sie nippte an ihrem Becher, zuckte nicht einmal zusammen, als sie die wenig freundlichen Worte zu hören bekam. Dann nickte sie, was Dean nur aus dem Augenwinkel mitbekam. Er achtete gar nicht auf die Mitarbeiterin, behielt nur die Displays im Auge. »Ich dachte mir schon, dass so was dabei heraus kommen würde.« »Wenn du dir das gedacht hast, warum hast du dann gefragt?« »Weiß nicht. Vielleicht wollte ich es nur bestätigt haben.« »Vielleicht auch, weil dir klar ist, dass das nicht so weitergehen kann? Seit dem Ara damals bin ich mir gar nicht mehr so sicher, ob du nicht besser für den Innendienst geeignet wärest.« »Wenn ihr das denkt, warum versetzt ihr mich dann nicht, oder schmeißt mich gleich raus?« »Ich glaube nicht, dass einer von uns das will. Du bist immerhin eine gute Mitarbeiterin. Abgesehen von deinen Problemen im Umgang mit Kunden bist du genau richtig in diesem Beruf. Außerdem finde ich dich in Ordnung, wie schon erwähnt.« »Das ist ein sehr dehnbarer Begriff.« »Ja. Wenn dir das lieber ist, dann formuliere ich es anders. Ich weiß dich als Mensch sehr zu schätzen. Oder noch anders ausgedrückt, ich mag dich. Das ist ein wichtiger Grund, warum du immer noch dabei bist. Ich sehe es auch eher so, dass wir dich erst noch in die richtigen Bahnen lenken müssen. Du bist sozusagen ein ungeschliffener Diamant. Wir sind immer noch dabei, dich zu schleifen.« »Ja, das merke ich. Als Schleifer machst du dich sehr gut.« Sie grinste, als er endlich den Kopf drehte und den Blick von den Anzeigen nahm. Er grinste zurück. Irgendwie fühlte sie sich besser.
23
4. Zwischenfälle
Tanya
fuhr hoch, als sie den Schrei hörte. Entsetzt, Angst erfüllt, voller Panik schallte er durch den arkonidischen Trichterbau. Tanya überlief es eiskalt. Sie warf einen Blick auf den Bildschirm, erwartete schon halb, einen Schatten im Schlafzimmer der Arkonidin zu erkennen, der dort nicht hin gehörte und der gerade trotz aller Sicherheitsvorkehrungen dabei war, ihre Auftraggeberin vom Leben zum Tode zu befördern. Aber da war niemand, außer der Arkonidin selber. Vollkommen nackt lag sie neben dem Bett, aus dem sie sich offenbar herausgerollt hatte und schrie voller Panik. Die Tränen auf ihren Wangen rührten sicher von dem Schock her, den sie erlitten hatte. Etwas war nicht in Ordnung, aber Tanya sah nicht, was. Sie warf einen Blick auf Dean, der leise schnarchte. Sie stieß ihn an und weckte ihn damit auf. »Was’n los?« Schlaftrunken blickte sich der Terraner um. Dann hörte auch er den Schrei. Mittlerweile hatte sich die Frau von Nosmo erhoben und nach einer Waffe gegriffen. Sie verließ den Raum und drehte sich zu dem Terraner um. »Du behältst die Bildschirme im Auge. Irgendwas stimmt da nicht.« Dean nickte und fixierte die Anzeigen. Er registrierte die Arkonidin und fragte sich, was los war. Dass sie nackt war, nahm er nur am Rande wahr. Tanya stürmte aus dem Raum und blieb erst einmal stehen. Sie war keine ängstliche Person, sonst hätte sie sich sicher von diesem Planeten ferngehalten. Aber sie war vorsichtig. Erst einmal riskierte sie einen Blick auf ihre Orter. Keine Individualimpulse, wie sie erkannte. Dann warf sie einen Blick in die Runde, der ebenfalls erfolglos war. Der Garten der Arkonidin lag unberührt. Da es Nacht war, waren die Lampen heruntergedimmt. Normalerweise wären sie ganz aus gewesen, aber als sich Tanya in den Garten begeben hatte, war die Beleuchtung automatisch angegangen. Das ließ darauf schließen, dass niemand hier war. Wenn da jemand gewesen wäre, dann wäre das Licht sicher schon vorher an gewesen.
24 Oder der Eindringling, wenn es denn einen gab und die Arkonidin nicht bloß Alpträume hatte, hatte sich getarnt, dafür gesorgt, dass der Sensor für die Beleuchtung ihn nicht erkennen konnte. Wenn er es schon schaffte, die Alarmsysteme lahm zu legen, war das schließlich nur eine weitere kleine Fingerübung, die nicht allzu schwierig war. Deshalb entschied sie sich zur Vorsicht, behielt die Anzeigen im Auge und die Waffe im Anschlag. Schließlich konnte es durchaus sein, dass da irgend jemand war. Sie ging langsam, vorsichtig, wenn auch nicht übertrieben, quer durch den Garten zu dem Antigravschacht. Sie vertraute auf ihre Ausrüstung, auf das Backup durch Dean und darauf, dass der Eindringling vermutlich schon weg war, wenn da einer gewesen war. Erstens hätte er keinen Grund gehabt, länger als nötig da zu bleiben, vor allem dann, wenn er ohnehin schon entdeckt war. Zweitens musste sie zu der Arkonidin, auch auf persönliches Risiko hin. Sie ging also zu dem Antigravschacht und stieg hinein. Die Schlafräume der Arkonidin waren auf der vierten Galerie. Über der fünften befand sich der Ausstieg zu der Gleiterlandefläche. Sie glaubte, ein Flimmern im Antigravschacht zu erkennen. Wenn sich der Eindringling mit einem Deflektor getarnt hatte, dann gab es eventuell Störungen in dem Feld. »Will, den Ausgang auf den Landeplatz scannen. Befindet sich da ein Gleiter?« »Nein. Ich kann auch niemanden orten. Verdammt.« »Was ist los?« Sie war inzwischen an der Tür angekommen, die in den Schlafraum der Arkonidin führte. »Ich kann einen Schatten erkennen, eine optische Beobachtung ist möglich, wenn ich die Antiflexortung von Hand aktiviere. Aus irgend welchen Gründen nahmen ihn die Orter nicht wahr. Er verschwindet gerade über den Rand des Trichterbaus. Er verlässt das Gelände. Er ist weg.« Tanya hörte zu, verschwendete aber keine Zeit damit, über das Gesagte nachzudenken. Einen Grund dafür würde es schon geben. Aber das war für sie gerade denkbar uninteressant. Sie stürmte durch die Tür in das Schlafzimmer der Arkonidin, die Waffe im Anschlag. Erst jetzt erkannte sie, dass
Ralf König Schemen durch den Raum flatterten, kleine Tierchen, Insekten, die den Schlafraum der Adligen geradezu überfluteten. Und sie waren der Grund, warum sich die Arkonidin aus dem Bett gestürzt hatte, warum sie neben der Schlafstatt lag und diese Schreie ausstieß. Offensichtlich war sie schockiert, erschreckt von diesen im Grunde harmlosen Tierchen, die Tanya nicht das geringste zu Leide taten, außer um sie herum zu flattern. Sie feuerte mit der schwächsten Einstellung ihres Thermostrahls gegen die Decke. Der Stahlbeton hielt dem Beschuss mühelos stand. Das Licht zog die Tiere an, die in den Strahl flogen und nach und nach verdampften. Eine unkonventionelle Methode, sich der Plage zu entledigen. Tanya erkannte die Besucher im Licht des Feuerstrahls. Es waren Schmetterlinge.
Als nur noch wenige der Tierchen im Raum herum flatterten, nahm sie den Finger vom Auslöser. Sie ging zu der Arkonidin, zog sie vom Boden hoch und nahm sie in die Arme. Gemeinsam ließen sie sich auf dem Rand des Bettes nieder und die Nosmerin wartete eine Weile, bis der Weinkrampf nachließ. Offensichtlich war sie doch um einiges menschlicher, als sie selber wahrhaben wollte. Menschlich nicht im Sinne von terranisch, sondern eher im Sinne von sensibel, im Sinne einer Reaktion, die die meisten Arkoniden wohl als sentimental bezeichnen würden. Tanya versuchte, sie zu beruhigen, ohne allzu offensichtlich ihre Gefühle zu verletzen. Sicher würde sie sich dafür hassen, dass sie sich so gehen ließ, wenn sie sich erst einmal beruhigt hatte. Schweigend hielt sie daher die Arkonidin einfach nur im Arm, bis sie endlich soweit war, dass sie sich ihrem Griff entzog. »Was ist passiert?« Tanya fragte betont ruhig, versuchte, in einem Tonfall zu sprechen, der einen beruhigenden Einfluss auf die Arkonidin haben würde. »Plötzlich waren sie da«, sagte die Arkonidin erschüttert. Tränen der Erregung rannen immer noch über ihr Gesicht. »Sie flatterten einfach so um mich herum, setzten sich auf mein Gesicht, meinen Körper. Ihre Beine kribbelten auf meiner Haut.« Sie bekam eine Gänsehaut, als sie wieder an
Spurensuche die Tiere dachte, von denen immer noch einige im Raum herumflatterten. Zwar flogen durch ihren Garten auch Insekten, die somit zwangsläufig innerhalb des Hauses waren, aber sie wurden von speziell auf sie abgestimmten Strahlungen in einer Art Käfig gehalten, die sie auf den Grünbereich fest hielten und verhinderten, dass sie in die restlichen Räume flogen. Daher war die Adlige an nächtliche Besuche von Insekten nicht gewöhnt. Einige der Schmetterlinge flatterten durch die offene Tür nach draußen und verschwanden im Garten, andere flatterten aufgeregt auf die spärlichen Lichtinseln des Raumes zu. Tanya aktivierte die Beleuchtung und sofort sammelten sich die Schmetterlinge an den Lichtquellen. Die Arkonidin schaute weg. »Ich habe normalerweise keine Angst vor diesen Tieren, aber eigentlich werde ich auch nicht nachts von ihnen angefallen.« Ja, das war eines der Probleme in diesen modernen Zeiten. Wenn man Natur draußen halten konnte, dann war man sie auch nicht gewohnt. Ein Garten, in dem man Insekten hielt, war nur ein mäßiger Ersatz für die wirkliche Natur, die der Planet Lepso außerhalb der Metropolen auch durchaus zu bieten hatte. In überreichem, manchmal aber auch gefährlichem Ausmaß. So kam es, dass ein paar harmlose terranische Insekten eine junge Arkonidin in Angst und Schrecken versetzen konnten, die natürlich aufgrund ihrer adligen Abstammung noch viel behüteter aufgewachsen war. Tanya konnte das durchaus verstehen. Diese menschlichen Züge, die Jenny da Tranillan zeigte, nahmen sie für die Nosmerin ein, erweckten Tanyas Sympathien. Sie hörte zu, als die Arkonidin ihr alles über den nächtlichen Überfall der Schmetterlinge erzählte, ihr den Schrecken schilderte, den sie bei diesem Überfall empfunden hatte und fühlte mit ihr. Dean hörte natürlich mit und wertete das Gesagte schon mal aus, synchronisierte es mit den Kameras, die das Haus überwachten und versuchte, Bilder von dem Eindringling und dem Geschehen zu erhalten. Er meldete sich nicht bei Tanya, daher ging sie davon aus, dass er noch keine Erkenntnisse gewonnen hatte. Sie beobachtete die Arkonidin, die sich
25 langsam ankleidete. Ihre Bewegungen verrieten, dass sie immer noch in einem Zustand war, den sie von sich selbst nicht gewohnt war, dass sie sich aber langsam fing. Jenny schaute zu Tanya, setzte ein unsicheres Lächeln auf, das wie eine Grimasse wirkte und senkte den Blick wieder. »Ich hoffe, dass niemand jemals von meinem hysterischen Anfall erfährt«, flüsterte sie, als sie ganz dicht neben der Nosmerin stand. »Diskretion ist einer unserer wichtigsten Grundsätze«, meinte Tanya automatisch. Dann entschloss sie sich aber zu einer persönlicheren Anmerkung. »Ich fühle mit dir«, meinte sie, was zum Teil auch stimmte. »Ich garantiere dir, dass niemand es je erfahren wird.« Sie sprach ruhig und legte viel Überzeugungskraft in ihre Stimme. Obwohl sie manchmal über das Ziel hinausschoss, war sie durchaus in der Lage, die Erfordernisse ihrer Arbeit zu erfüllen. Sie schaffte es, die Arkonidin zu beruhigen, die sich langsam entspannte. Sie hakte sich bei der weißblonden Schönheit unter und geleitete sie aus dem Raum. An Schlaf konnte sie im Augenblick ohnehin nicht denken, sie wollte lieber in Gesellschaft sein. Tanya war gerne bereit, diese Gesellschaft zu bieten, solange niemand anders sich darum kümmerte. Inzwischen erreichten einige der Mitarbeiter von Lepso Security das Trichterhaus und schwärmten in den Räumen aus. Sie suchten nach Spuren, die der Eindringling hinterlassen haben könnte. Schließlich waren die Flattertierchen sicher nicht allein in dem Trichterbau aufgetaucht. Dove, der als einer der ersten am Trichterhaus eingetroffen war, und Dean übernahmen inzwischen die Wache im Überwachungsraum und werteten die Daten aus. Lorif saß in der Firma bereit und versuchte, mit den übermittelten Daten zu arbeiten. »Immer wieder diese Schmetterlinge«, meinte Tanya. »Das muss doch was zu bedeuten haben.« »Wie meinst du das?« Die immer noch leicht verunsicherte Jenny konnte nicht ganz folgen. »Das sind nicht die ersten Schmetterlinge, über die wir stolpern. Du erinnerst dich sicher
26 an den Schmetterling, der bei deinem Telefongespräch abgebildet war. Dann der Schmetterlingsumriss aus Papier, den man bei dem toten Moore gefunden hat. Da hängt doch was zusammen.« »Natürlich«, meinte die Arkonidin. »Das muss eine Art Zeichen sein, eine Art Erkennungsmarke, die der Täter überall zurücklässt. Das sagte ich doch schon.« »So etwas wie eine Unterschrift«, meinte die Nosmerin. »Das wäre aber schlecht für mich«, äußerte die Arkonidin skeptisch. »Wenn er mich nicht umbringen will, warum hinterlässt er dann seine Unterschrift ständig in meiner Nähe? Und wenn er mich umbringen will – warum hat er das heute Nacht nicht getan? Da hatte er doch Gelegenheit dazu.« »Vollkommen richtig«, erklang Doves Stimme vom Eingang zum Schlafzimmer. »Darf ich eintreten?« Jenny nickte nur stumm. »Es erhebt sich noch eine andere Frage«, begann der Oxtroner ohne Übergang. »Wie konnte er überhaupt hier eindringen? Unsere Anlagen haben zuverlässig gearbeitet. Trotzdem weisen die Aufzeichnungen einige Lücken auf, in denen nichts, aber auch gar nichts geortet wurde. Gerade so, als wären sie für diesen Zeitraum abgeschaltet gewesen. Da Dean geschlafen hat, frage ich dich, ob dir das nicht aufgefallen ist.« »Ist es nicht. Aber eigentlich bin ich ja auch bloß als Ergänzung zum Rechner da. Ist dem nichts aufgefallen?« »Nein, und er wurde auch nicht abgeschaltet. Nur die Kameras, aber der Rechner hat das offensichtlich als normalen Vorgang registriert. Vielleicht hat er ihn sogar ausgelöst. Wie das passieren konnte, wissen wir noch nicht.« »Es kann nur passiert sein, wenn wir einen Maulwurf in der Firma haben.« »Einen was?« Die Arkonidin verstand nicht. »Ein Maulwurf ist ein Tier von der Erde. Es gräbt sich durch den Boden und hinterlässt dort Gänge, die er zu einem System ausbaut, in dem er quasi wohnt. Der Maulwurf ist somit vollkommen unsichtbar, aber sehr oft auf privaten Grundstücken anzutreffen. Vor dem Beginn der Raumfahrt und dem damit einhergehenden Fortschritt in der Technik hatte man oft Untermieter, die einem
Ralf König schadeten, aber von denen man nicht unbedingt etwas wusste. Und wenn man etwas von ihnen wusste, musste man sie erst einmal finden. Danach hat man dann Leute benannt, die in eine Firma oder Organisation einsickern und dort Schaden verursachen. Die zu finden ist meist auch nicht ganz einfach. Das bedeutet, wir haben einen in der Firma, der uns vielleicht schaden will. Sonst wäre nämlich keiner an den Kameras und den Alarmsystemen vorbei gekommen.« Der Oxtorner hatte schnell gesprochen. »Ich hätte mich nie mit euch einlassen sollen«, meinte die Arkonidin. »Aber was kann man schon von einer Firma erwarten, die einem elektronische Flugblätter sendet.« »Wie war das?« Der Oxtorner reagierte alarmiert. »Wir versenden keine Flugblätter«, wandte auch Tanya ein. Jenny reagierte verunsichert. »Ich habe aber eines bekommen. Normalerweise werden die von meinem Servo zurückgewiesen und sofort gelöscht. Gleichzeitig wird eine Warnung an den Absender generiert, das nie mehr zu tun. Hat bisher eigentlich auch immer funktioniert. Bei Sicherheitsfirmen habe ich in der letzten Zeit, bevor ich euch gefunden habe, eine Ausnahme gemacht. Ich kann euch das Flugblatt zeigen.« Dove nickte. Jenny griff nach einer Kontrolleinheit, aktivierte sie kurz und ließ so eine Bildfläche aufflammen, die die gegenüberliegende Wand einnahm. Sie blätterte mit der Kontrolleinheit durch die EMails, sortierte eine aus und stellte sie dar. Es handelte sich um eine ganzseitige Anzeige der Firma Lepso Security Inc., die allerdings weder Dove noch Tanya jemals gesehen hatten. »Sende das bitte an meine Firma. Lorif soll sich das ansehen. Ich versichere dir, dass das nicht zu unseren Geschäftspraktiken gehört.« »Wer sollte dann so etwas schicken?« »Der Maulwurf natürlich.« Tanyas Stimme klang tonlos. Sie drehte sich zu Dove um. »Vielleicht können wir ihn finden, wenn wir heraus bekommen, von wem das Flugblatt verschickt wurde.« »Das kann von jedem verschickt worden sein. Mit den entsprechenden Programmen kann man jedem Rechner vorgaukeln, dass die Botschaft von einem bestimmten Anschluss
Spurensuche kommt. Es sollte zwar eigentlich nicht mehr passieren, dass einer die Codierung eines Absenders knacken und verändern kann, aber mit den Mitteln der Abwehr steigen meist auch die Mittel des Angreifers.« Dove nickte nur. »Warten wir mal ab, wer der Absender war. Es liefert zumindest einen Anhaltspunkt. Der, der im Absender auftaucht, ist vermutlich unschuldig.« »Vielleicht.« Tanya blieb skeptisch. »Auf jeden Fall können wir uns auf tolle Zeiten gefasst machen. Wenn wir uns schon gegenseitig nicht trauen können, wie sollen wir dann jemals den Fall lösen?« Dove antwortete nicht. Er verließ schweigend den Raum. »Eines wissen wir auf jeden Fall.« Dean meldete sich über Funk und bewies damit, das er mitgehört hatte. »Und das wäre?« »Wir haben einen Schatten gesehen und ich konnte zumindest einige optische Aufzeichnungen anfertigen. Die Aufzeichnungen sind kodiert, eine Bestätigung, dass nicht daran manipuliert wurde, wird automatisch im Moment der Aufnahme erzeugt. Diese Siegel sind derzeit noch fälschungssicher. Das bedeutet, der Schatten war real. Die Leute, die hier waren, gehören also auf jeden Fall nicht zu den Eindringlingen. Was gut für uns ist, Tanya.« »Aber nur dann, wenn der Täter keine Komplizen hat, die außerhalb der Firma sitzen.« Tanya blieb skeptisch. Dean sagte nichts dazu. Offenbar griff das Misstrauen schon um sich. Die Arkonidin blickte die Nosmerin argwöhnisch an. Auch sie begann schon damit. Worauf hatte sie sich mit Lepso Security nur eingelassen?
Dove schickte eine kurze, schriftliche Notiz an Lorif, in der er den Roboter dazu aufforderte, sich um die Spurensuche zu kümmern. Er war ziemlich sicher, dass der Posbi über jeden Verdacht erhaben war, denn seine persönliche Einstellung beruhte nicht nur auf dem biologischen Anteil, den ihm ein Plasma ähnlicher Zellklumpen verlieh, sondern eben auch auf einer Programmierung, deren Parameter nicht so leicht zu verändern waren. Vor allem Grundlagenprogramme wie die Ethik des Roboters waren nicht kaum zu
27 beeinflussen und vielfach abgesichert. Daher schlug er dem Posbi vor, seine biologische Komponente soweit wie möglich herunterzufahren, möglicherweise die hypertoyktische Verzahnung kurzzeitig zu lösen und damit eine Auswertung rein auf die Berechnung seiner positronischen Komponenten basierend zu erstellen. Natürlich hätte er dazu auch einen Syntron anstellen können. Aber Lorif war die einzige Recheneinheit, die er kannte, die vollkommen unabhängig von jedem Zugriff aus der Firma funktionierte. Daher überließ er dem Posbi die Hauptarbeit. Er selbst machte sich an die Arbeit und versuchte, Spuren zu verfolgen. Er hielt den Hinweis von Dean durchaus für plausibel, aber genauso wahrscheinlich war der Einwand von Tanya. Daher waren diese beiden noch nicht außen vor. Matthew und Saraah hatten mit dem Einsatz so gut wie nichts zu tun, aber nicht einmal das machte sie unverdächtig, im Gegenteil, die beiden hatten am ehesten die Möglichkeit gehabt, sich heimlich einzuschleichen und Schaden anzurichten, mit denen hätte keiner gerechnet. Er beschloss, erst einmal die Aufenthaltsorte der Mitarbeiter der Firma zu eruieren, dann würde er sicher mehr wissen. Auf die anderen Mitarbeiter konnte er sich dabei allerdings nicht verlassen, daher musste er diese Recherchen weitgehend alleine betreiben. Unterstützen könnten ihn vielleicht noch Lorif, dem er notgedrungen zu Vertrauen gedachte, und der Matten-Willy, dem mit einiger Sicherheit ziemlich egal war, was da vor sich ging. Schöne Aussichten, dachte der Oxtorner. Seufzend machte er sich an die Arbeit.
Seit
mehreren Jahren war die SOL nun verschwunden, verschollen in den Tiefen des Raumes und der Zeit. Niemand auf Terra wusste, wo sie war und die dunkle Gestalt interessierte es eigentlich auch nicht. Vorsichtig schlich er sich zu dem Trichterhaus der Arkonidin, vermied jedes Geräusch, um eine Entdeckung aufgrund akustischer Identifikation seines Eindringens zu verhindern und erreichte schließlich mühelos das Gebäude. Er setzte kurz seinen Antigrav ein und landete mühelos auf dem Dach des Hauses.
28 Seit sie damals aus Dorgon zurück gekommen waren, hatte sich sehr viel verändert in der Galaxis. Manches war zu erwarten gewesen, anderes hingegen ziemlich überraschend gekommen. Letztendlich war für die dunkle Gestalt auch sehr verwunderlich, wie sich sein persönliches Leben entwickelt hatte. Früher war er noch Anhänger der Ideen der Unsterblichen von Camelot gewesen, hatte sich als hervorragender Techniker auch dorthin beworben und war genommen worden, dann war dieser Ausflug nach Dorgon gekommen, der sich als Höllenritt erwiesen hatte, den die Überlebenden nur mit knapper Not überstanden hatten. Als er dann wieder in der Milchstraße angekommen war, hatte er das Leben mit anderen Augen gesehen. Das Überleben Terras hatte ihm mehr bedeutet als jemals zuvor. Als ihm klar wurde, dass andere nicht unbedingt auf die Terraner Rücksicht nahmen, wenn es um ihr Überleben im Universum ging, festigte sich in ihm immer mehr die Erkenntnis, dass er dieselbe Einstellung gegenüber Nicht-Terranischen Gruppierungen entwickeln musste. Damit war er natürlich den Ansichten eines Perry Rhodan frontal entgegengesetzt gewesen und deswegen entschied er sich, Terra den Rücken zu kehren. Aber auch ein ehemaliges Mitglied der Organisation Camelot musste von etwas Leben und dazu brauchte er auch noch ein Umfeld, in dem er seine Ideen und Meinungen nicht nur umsetzen, sondern auch ausleben konnte. Deshalb hatte er sich nach Lepso abgesetzt. Bereits auf Terra hatte er Anschluss an eine Gruppierung gefunden, die sich nicht nur den Entwicklungen in der Galaxis zu widersetzen gedachte, sondern auch noch Pro-Terranisch war. Nicht allerdings in einem Sinne, den Perry Rhodan gut geheißen hätte. Genau genommen waren die Ideen dieser Gruppierung ziemlich undemokratisch und liefen einer friedlichen Entwicklung in der Galaxis sowie den Ideen Thoregons entgegen. Anfangs hatte ihn das auch durchaus gestört, aber dann war ihm klar geworden, dass weder die Dorgonen noch die Arkoniden sich von solchen Überlegungen aufhalten ließen. Also hatte er sich notgedrungen von Recht und Gesetz abgewandt und sich in einen Menschen verwandelt, der den zunehmend um sich greifenden Nationalismus sich zu eigen
Ralf König machte und aktiv durch eigenen Nationalismus bekämpfte. Die Grundidee auf beiden Seiten war, das Leben des jeweils anderen so lange unerträglich zu machen, bis er aufgab. Da der Gegner auf Arkon sich genauso verhielt, bekam er auch keine Gewissensbisse. Er suchte sich ein Opfer. Er fand es sehr schnell. Die Arkonidin Jenny da Tranillan schien sehr gut geeignet zu sein, als erstes seine neuen Gefühle und Orientierungen zu erfahren. Er würde sie leiden lassen, sie langsam aber sicher in purer, reiner Angst erstarren lassen und sie schließlich auslöschen, aus dieser Realität tilgen und ihren Kopf dann an ihren Vater schicken, mit besten Empfehlungen der Aktiven Terraner. Mitterweile hatte er ihre Schlafgemächer erreicht und studierte für wenige Augenblicke mit geradezu wissenschaftlicher Präzision den nackten Körper der jungen Adligen, nahm alles in sein Gedächtnis auf und stellte sich vor, wie er sie töten, ihren schönen Körper langsam aber sicher zerteilen, sie schreiend vom Leben zum Tode befördern würde. Ein Schauer überlief ihn, als er auf die imaginären Überreste der toten Arkonidin blickte, er hätte am liebsten gleich angefangen. Aber das konnte er noch nicht tun. Nicht hier, nicht jetzt. Erst musste er sie noch einige Zeit leiden lassen, bevor er ihren Kopf von ihrem schönen Hals trennen, dieses Beweismittel dann an ihre Familie auf Zalit übersenden konnte. Er setzte die Schmetterlinge frei, beobachtete, wie sich die Insekten in dem Raum ausbreiteten, schließlich von ihrer Körperwärme angezogen auch auf der Arkonidin landeten. Er beobachtete, wie sie über ihren Körper marschierten, sie dadurch langsam aus dem Schlummer erweckten, wie sich die von Horror geschüttelte Arkonidin aus dem Bett wälzte, ihre eigenen Hände auf ihren eigenen nackten Körper einschlugen, die Angreifer zu treffen versuchten und lauschte auf die Schreie, die ihm solche Genugtuung verschafften, bis die junge Nosmerin Tanya angerannt kam und ihm diesen Moment der Genugtuung verdarb. Wütend zog er sich zurück, verließ das Anwesen auf dem schnellsten Weg, versteckte sich allerdings nicht wirklich sondern er tarnte sich nur gegen eine optische Erfassung. Denn er wusste, dass die Überwachungseinrichtungen nicht ansprechen würden. Nicht bei ihm. Schließlich
Spurensuche hatte er sie mit installiert, kannte ihre Schwachpunkte, konnte sie modulieren, anpassen, ausfallen lassen, wie auch immer er wollte. Dafür hatte er gesorgt. Lautlos wie ein Schatten verschwand der Schemen in der Dunkelheit. Zurück ließ er nicht nur eine geschockte Arkonidin sondern auch ein Sicherheitsteam, das im Augenblick mehr gegeneinander als miteinander versuchte, eine Lösung für dieses Problem so schnell wie möglich zu finden.
Lorif
trennte sich nicht von seiner biologischen Komponente. Er wusste schließlich selber am Besten, ob er für oder gegen die Firma arbeitete. Er zog sich mit dem Matten-Willy, der aufgeregt neben ihm her floss, in ein Labor zurück und baute die Beweismittel vor sich auf. Er analysierte die gewonnenen Erkenntnisse und versuchte, eine Verbindung zwischen allen Teilkomponenten herzustellen. Die einzige Verbindung, die er zwischen allem erkennen konnte, war ein Mann, der wohl an allen Vorfällen beteiligt war. Er hatte den Spekulanten ermordet, hatte mit der Arkonidin telefoniert und arbeitete vermutlich für Lepso Security. Außerdem hatte er als verbindendes Element auch noch ein Symbol, einen Schmetterling, der bei dem Toten, bei dem Telefongespräch und in der vergangenen Nacht aufgetaucht war. Was aber sollte er damit anfangen? Er fixierte den Matten-Willy, der ihn nervös anschaute. Dann begann er mit dem Wesen zu reden, nur einfach um sich abzulenken. Einen Sinn, einen Inhalt, hatte das Gespräch eigentlich nicht, es plätscherte nur so dahin. Schließlich durchzuckte ihn eine Erkenntnis, die zuvor schon andere gehabt hatten, von denen er aber noch nichts wusste. Der Schmetterling konnte so etwas wie eine Unterschrift, ein Erkennungszeichen sein. Wenn dem aber so war, dann konnte er vielleicht etwas darüber herausfinden. Er klinkte sich über GALORS im Galaktischen Netzwerk ein und gab den Begriff Schmetterling in Verbindung mit Organisation ein. Er folgte einem Gefühl und ließ sich schließlich vom Syntron die Suchergebnisse anzeigen. Tatsächlich war der Schmetterling als Symbol für einige
29 Organisationen von Bedeutung. Der Posbi konnte aber einige davon schon von vorneherein ausschließen, etwa eine Fabrik für Waschmittel auf Plophos, die das Symbol benutzte. Im Dialog mit dem Syntron schaffte er es schließlich, eine Spur zu finden, die Erfolg versprechend schien. Eine Organisation bediente sich seit einige wenigen Jahren des Symbols eines Schmetterlings. Perry Rhodan hatte von Lotho Keraethe vor einigen Jahren Informationen über die Entstehung von ES erhalten. Ein Schmetterling war darin auch vorgekommen, hatte offenbar den Augenblick symbolisiert, als der letzte Vertreter des blauen Blonds in der Galaxis Segafrendo materialisiert war oder wie auch immer man sich das vorstellen musste. Der Bote von ES war da nicht sehr präzise gewesen. Alles, was Rhodan erfahren konnte, hatte er in der Folge den Menschen zugänglich gemacht. Über das Museum in der Solaren Residenz konnte man sich auch über die Entstehungsgeschichte von ES informieren, soweit sie bisher bekannt war. Allerdings wusste niemand, was Atlan und die SOL derzeit erlebten. Es war nicht ausgeschlossen, dass die Geschichte bald wieder umgeschrieben werden musste. Anscheinend hatte eine relativ neue Gruppe auf Terra sich das Symbol zu eigen gemacht. Es diente fortan als Erkennungszeichen für die Gruppenmitglieder untereinander. Die Gruppierung hatte anfangs nur wenige Mitglieder, langsam aber sicher stieg die Zahl der Anhänger jedoch an. Grund war hauptsächlich die zunehmende Radikalisierung der Arkoniden, die sich mit der Zeit zu wahren Feinden der Terraner entwickelten und eine gefährliche Bedrohung zu werden begannen. Lorif fand heraus, dass die Aktiven Terraner, wie sich die Gruppe nannte, durchaus gemäßigt war. Allerdings entwickelte sich nach einiger Zeit ein radikaler Flügel, der sich zum Ziel setzte, die Bedrohung durch die Arkoniden mit militärischen Mitteln zu stoppen. Da die Organisation nicht legal war, beschränkten sich die militärischen Mittel auf terroristische Aktionen, die die Gruppierung auf Terra in Verruf brachte. Sie wich daraufhin auf andere Planeten aus, näherte sich bei ihrer Suche nach einem Standort, der Ideal für ihre Zwecke war, einem Planeten, der sich im Bereich aller
30 galaktischen Großmächte befand und landete so auf Lepso im System der Sonne Firing. Von hier aus konnte die Bewegung ungestraft ihren Untaten nachgehen und versammelte so immer mehr Menschen um sich, die gegen die arkonidische Hegemonie in der Galaxis waren und mit allen Mitteln versuchen wollten, Arkon vom Thron in der Galaxis, den sie mittlerweile zumindest ihre Macht betreffend innehatte, zu stoßen. In der Folge kam es zu mehreren Anschlägen auf arkonidischen Welten, für die man die Gruppe verantwortlich machte. Beweisen allerdings konnte man nichts, daher waren die Aktiven Terraner immer noch sehr einflussreich. Viele Terraner schienen in der Wahl ihrer Mittel nicht eben wählerisch zu sein und so hatte die Gruppe mehr und mehr Zulauf. Auf Lepso selber geschahen in dieser Zeit keine terroristischen Aktionen, da die Gruppe die eigene Basis nicht verlieren wollte. Daher hielt man sich wohl zurück, beschränkte sich darauf, von Lepso aus auf anderen Welten aktiv zu werden. Schließlich war der Mord an Moore geschehen und in diesem Zusammenhang zum ersten Mal das Schmetterlingssymbol von ES aufgetaucht, das die Gruppe benutzte, weil es die Verbundenheit der Superintelligenz zu den Terranern anzeigen sollte und damit den einzig legalen Machtanspruch in dieser Galaxis begründen konnte. Eine Sichtweise, die allerdings nur die Mitglieder der Organisation teilen konnten. Lorif wurde klar, dass die vorliegenden Taten vermutlich eine neue Dimension in den Aktionen der Gruppe darstellte. Wahrscheinlich bedeutete es, dass man künftig auf allen Planeten, auf denen sich Arkoniden aufhielten, mit Anschlägen rechnen musste. Vermutlich bedeutete es auch, dass sich Terraner, die mit Arkoniden zusammen arbeiteten in Gefahr befanden, sonst wäre das erste Opfer auf Lepso nicht ein Terraner geworden. Es bedeutete aber auch, dass der Täter vermutlich ein Terraner war. Unter diesem Oberbegriff wurden in der Galaxis alles Lebewesen zusammengefasst, die von Terra aus die Galaxis besiedelt hatten, also nur die Terraner und ihre Kolonialvölker, nicht jedoch die Lemurer und die von ihnen abstammenden Völker. Was auch logisch war, sonst hätte man
Ralf König sich ja mit dem Gegner verbündet. Es kamen in der Firma also alle in Frage, die von Terra oder einer ihrer Kolonialwelten stammten. Das schränkte die Auswahl auf etwa 95 % der Mitarbeiter ein, wie der positronische Sektor des Posbis berechnete.
Dove
schaute sich misstrauisch um. Die Stimmung in der Überwachungszentrale war gedrückt, jeder schien jeden im Verdacht zu haben. Etwas musste geschehen, sonst würde hier über kurz oder lang ein Konflikt ausbrechen. Er war mit seinem Vorhaben, die Aufenthaltsorte der Mitarbeiter in der Nacht zu eruieren, noch nicht sehr weit gekommen. Immerhin hatte er schon heraus gefunden, dass Matthew und Saraah die Nacht in ihrem Haus verbracht hatten. Sie arbeiteten gerade für einen anderen Kunden und waren für Dove damit weitgehend unverdächtig. Er hatte sich außerdem entschlossen, den einstigen Freunden von der DorgonExpedition zu vertrauen. Immerhin hatte man gemeinsame Gefahren überwunden, was eigentlich zusammenschweißen sollte. Da die Firma weitgehend auf die Initiative von ehemaligen Mitgliedern der Dorgon-Flotte zurückging, vermutete er, dass niemand wirklich gegen die eigenen Interessen arbeiten wollte. Wissen konnte er das natürlich nicht. So erstreckte er sein Vertrauen auch auf Dean und Lorif, die er am besten kannte. Des weiteren nahm er Tanya in den Kreis der Vertrauenswürdigen auf. Sie war immerhin maßgeblich an den Aktionen gegen den Eindringling in der Nacht beteiligt gewesen und schien sich mit der Arkonidin inzwischen besser zu verstehen. Allen andere weigerte sich der Oxtorner aber, in den Kreis der unverdächtigen aufzunehmen, bis er einen Beweis für ihre Unschuld hatte.
Lorif
berief eine Versammlung im Trichterhaus der Arkonidin ein. Alle Mitarbeiter dieses Projektes sollten sich im Wohnraum der Arkonidin einfinden, einschließlich der Auftraggeberin selber. Er
Spurensuche wollte eine wichtige Enthüllung machen. Und das gegen vier Uhr morgens, dachte Dove. Damit hätte er auch bis morgen warten können oder ihm wenigstens eine Begründung geben. Aber wahrscheinlich hatte der Posbi einen Grund für seine Entscheidung. Dove hatte ihm immerhin einen Auftrag erteilt. Wenn der Posbi diesem Auftrag nachkam, konnte er ihm wohl kaum böse sein. Als Lorif eintraf, hatten sich alle im Wohnraum versammelt und warteten nur noch auf das Wesen von der Hundertsonnenwelt, das mit dem Matten-Willy Einstein den Raum betrat. Die Arkonidin enthielt sich diesmal bissiger Kommentare, auch die Nosmerin war sehr schweigsam geworden. Der Posbi ließ seine Blicke durch den Raum schweifen und streifte jeden der Anwesenden kurz mit seinem Blick. Er blieb allerdings ausdruckslos, was bei den künstlichen Augen des Wesens nicht weiter verwunderlich war. Das Maschinenwesen ließ keine Gefühlsregungen erkennen, über die es aber ohne Zweifel verfügte. Er ging ruhigen Schrittes in die Mitte des Raumes, blieb dort stehen und verzichtete darauf, einen Stuhl zu benutzen. Während er sprach, drehte er sich immer wieder, sodass jeder der Anwesenden von seinen Blicken getroffen wurde. Einstein floss neben ihn und amte den Posbi nach, der nicht auf den Matten-Willy achtete. Pseudopodien bildeten sich aus und machten die Bewegungen des Posbis mit, ein Auge auf einem der Pseudopodien war ständiger Begleiter von Lorifs Rede. Obwohl es komisch wirkte, lachte keiner der Anwesenden. Der Matten-Willy erfreute sich vollkommener Missachtung. Lorif berichtete über seine bisherigen Erkenntnisse und klärte die Anwesenden über die Gefahren auf, die von den Aktiven Terranern drohten. Er äußerte seinen Verdacht, dass sich ein Mitglied der Aktiven Terraner in den Reihen der Mitarbeiter befand, nannte aber keine Namen. Schließlich hob er dozierend einen Finger, eine Bewegung, die von einem Tentakel des Matten-Willys getreulich wiederholt wurde, und kam auf den Punkt. »Ich habe eine Analyse über meinen Syntron laufen lassen. Dabei habe ich die
31 Daten jedes einzelnen Mitglieds unserer Firma eingegeben, soweit wir darüber verfügt haben. Ich habe diese Daten mit den Daten der Aktiven Terraner synchronisiert und versucht, heraus zu finden, wer nun der Drahtzieher hinter allem war. Nachdem wir davon ausgingen, dass ein Mitarbeiter der Firma hinter allem steckt, war das relativ einfach. Dabei ist mir aufgefallen, dass einer unserer Mitarbeiter genau zur selben Zeit auf Terra war, nach Lepso wechselte und hier seine Basis aufbaute, wie das die Aktiven Terraner getan haben. Dieser Mitarbeiter bist du.« Sein stählerner Finger streckte sich aus, gefolgt von einem Tentakel, den Einstein blitzschnell ausbildete. Beide deuteten Anklagend auf denselben Terraner. Anderson sprang auf, ein Lichtblitz blendete alle bis auf den Oxtorner, der sich aber von einer ungeheuren Kraft zur Seite geschleudert fühlte. Er krachte gegen die Wand und kam wieder auf die Beine. Anderson war verschwunden. Mit ihm die Arkonidin Jenny da Tranillan, deren Schreie man auf dem Gang unterdrückt vernehmen konnte. Wie er das geschafft hatte, war dem Oxtorner nicht so ganz klar. Er verschwendete aber keine Zeit mit Rätselraten, sondern folgte dem Mörder auf den Gang. Er sah ihn gerade noch im Antigravschacht verschwinden. Die Arkonidin lag regungslos über seiner Schulter.
Sie musste sterben, auf jeden Fall. Anderson presste den regungslosen Körper der Arkonidin an sich und fluchte über den Antigravschacht, der seine Flucht nur verlangsamte. Er kam nicht so schnell voran, wie er sich das wünschte. Dove war bereits direkt hinter ihm. Er hatte den Oxtorner mit einem mobilen Traktorstrahl zur Seite geschleudert, die Arkonidin ergriffen und war mit ihr nach draußen gerannt. Er hatte sie betäubt und so ruhig gestellt. Jetzt hoffte er nur noch, dass er rechtzeitig im Gleiter landen würde. Er schaffte es, vor dem Oxtorner aus dem Antigravfeld zu kommen, der nun seinerseits von dem Schacht gebremst wurde. Über das Landefeld rannte er auf einen Gleiter zu, unter der Last der Frau keuchte er, verlangsamte seine Schritte. Er warf sie in den Gleiter und rutschte hinter ihr her, aktivierte die Steuerung
32 und sah einen Schemen, als er gerade abhob, gegen die Kanzel prallen. Die Hände des Umweltangepassten krallten sich in einige Verstrebungen, er verankerte sich mit reiner Muskelkraft an der Kuppel des Schwebers. Anderson gab voller Panik Vollschub und versuchte den Oxtorner abzuschütteln. Er schaffte es nicht. Nur eine Chance hatte er noch, während er beobachtete, wie der Oxtorner sich am Verschluss der Kanzel zu schaffen machte. Eine der Türen des Gleiters öffnete sich. Er nahm Kurs auf einen Baum und aktivierte gleichzeitig eine der Sprengkapseln, die er am Körper versteckt mit sich führte. Mit einer selbstmörderischen Aktion wollte er das Kapitel beenden, die Arkonidin und sich selber töten. Der Oxtorner schaffte es, den Gleiter aufzubekommen. Er griff nach Jenny und zog sie aus der Kabine. Anderson lachte und beschleunigte nochmal. Es krachte, als er gegen den Baum prallte. Dove war plötzlich verschwunden, mit ihm die Arkonidin. Eine Feuerwolke bildete sich an der Stelle, an der der Gleiter war, als der Sprengkörper explodierte. Anderson war tot.
Dove
presste den Körper der Arkonidin an sich und versuchte, den eigenen Antigrav zu aktivieren. Er schaffte es nicht, ließ sich daher einfach fallen. Vierzehn Meter tiefer prallte er auf Gras. Seine kompakte Konstitution überstand den Aufprall ohne Probleme, die Arkonidin kam auf ihm zu liegen, er federte damit ihren Sturz ab. Entsetzt beobachtete er, wie der Fanatiker sich und den Gleiter in die Luft sprengte. Dann untersuchte er Jenny da Tranillan und stellte erleichtert fest, dass sie nur einige Knochenbrüche davongetragen hatte. Die Rippen, die er ertastete, irritierten ihn kurz. Er blieb liegen, keuchte erschöpft und wartete einige Augenblicke ab, bis er sich wieder gefangen hatte. Dann aktivierte er den Antigrav und schwebte auf das Dach des Trichterhauses zurück, wo ihn Lorif erwartete. Er hatte die Lichtbombe als einziger sofort ausfiltern können und war so nur kurz geblendet gewesen. Die Arkonidin kam langsam zu sich, nachdem der Posbi ihr ein Kreislauf
Ralf König stabilisierendes Mittel gespritzt hatte. »Wie kommt es eigentlich, dass du über Rippen verfügst?« Jenny musterte ihn hochmütig, nichtachtend der Schmerzen, die sie haben musste. »Meine Mutter stammt von Plophos. Ich bin halbe Terranerin, daher trage ich auch den Vornamen Jenny. Mein Vater leistete sich einen Fehltritt. Ich war das Ergebnis. Wir haben das geheim gehalten. Zumindest bis heute. Auf Arkon ist es derzeit nicht besonders ratsam, terranische Vorfahren zu haben. Daher bin ich auch nach Lepso ausgewichen.« Der Oxtorner lachte kurz und bitter auf. Welche Ironie. Der Fanatiker wollte eine Arkonidin treffen und erwischte eine Halbterranerin. Das hätte ihn sicher maßlos geärgert, wenn er noch die Gelegenheit gehabt hätte, es heraus zu finden. Er blickte auf die rauchenden Trümmer. Irgendwie war er froh, dass alles vorbei war. Damit hatte die Firma bewiesen, dass sie auch eine gefährliche Krise überstehen konnte. Es war zu Ende. Die Gefahr, die von den Aktiven Terranern ausging, bestand allerdings fort. Hoffentlich waren die Völker der Milchstraße in der Lage, diese Probleme zu lösen, den aufkeimenden Nationalismus überall in der Galaxis zu bekämpfen und schließlich zu besiegen, bevor es zu spät war. »Gratuliere, Lorif. Wie kamst du auf ihn?« »Eine Auswertung der Daten ließ nur diesen einen Schluss zu. Allerdings war ich nicht sicher, nur etwa 57 % sprachen gegen ihn. Letztendlich habe ich ihn mit dieser Erkenntnis konfrontiert, um eine Reaktion zu provozieren. Dazu hat mir mein Plasma-Anteil geraten. Es hat geklappt.« »Oh ja«, meinte Dove. Er erhob sich, zog die Arkonidin auf die Füße und legte einen Arm um sie, was sie widerstandslos mit sich geschehen ließ. Während er sie in das Trichterhaus führte, konnte er im Hintergrund schon die Sirenen hören, die die Ankunft der Sicherheitsbehörde von Lepso signalisierte. Sie kamen. Wie immer kamen sie allerdings zu spät.
Spurensuche
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E N D E Gerade noch haben sie es geschafft, die Gefahr von der Arkonidin Jenny da Tranillan abzuwenden. Wer aber steht hinter der Arkonidin aus gutem Hause? Was sind ihre Pläne und wohin wird sich die Lepso Security Inc. noch entwickeln? Wie groß ist die Bedrohung bereits, die von den Aktiven Terranern ausgeht? All diese Fragen werden noch beantwortet werden. Im Folgeband blenden wir allerdings erst einmal um und werden das Schicksal der ALBERT EINSTEIN aufklären. Dazwischen allerdings wird noch ein Gastbeitrag von Dennis Mathiak erscheinen.