DAS GRÖSSTE SCIENCE-FICTION-EPOS ALLER ZEITEN – IN NUR EINEM BUCH! Seien Sie mal ehrlich: Wollen Sie sich tatsächlich a...
103 downloads
922 Views
995KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
DAS GRÖSSTE SCIENCE-FICTION-EPOS ALLER ZEITEN – IN NUR EINEM BUCH! Seien Sie mal ehrlich: Wollen Sie sich tatsächlich alle sechs Star-WarsKinofilme antun (von anderen, völlig sinnlosen MerchandisingProdukten mal ganz abgesehen)? Nein, doch nicht wirklich! Sparen Sie sich das. Für einen wahren Spottpreis erhalten Sie hier die gesamte Geschichte in einer: Eine nackte Hoffnung Das Imperium spielt verrückt Die Rückkehr des Sohnes des Jobbers reitet wieder Die dunkle Verrohung Angriff der Tron-Krieger Und natürlich der ultimative Knaller, die abschließende sechste Episode (tatsächlich die dritte, aber wer blickt da schon durch): Die Rache der Rückkehr des Sohnes der Siff reitet wieder: Die nächste Generation – Die Anfangsjahre Viel Spaß! Und möge die Macht… na, Sie wissen schon.
Das Buch: Von der PRACHT hat der junge Luke Skyquaker noch nie etwas gehört. Doch als der legendäre Jobber-Ritter Opi-Jan Knofi ihn in die Lehre nimmt, entwickelt er sich absolut prächtig: Er macht alle Neonschwerter kaputt und lässt auch sonst kein Fettnäpfchen aus. Wenn da nur nicht ständig die Frage wäre, wer denn nun sein Vater ist… Doch als er den dann kennen lernt, ist er entsetzt: Schwarz Vater ist nicht nur sein Vater, sondern auch durch und durch SCHWARZ! Jetzt kann nur noch Jodella helfen. Der kleine grüne Jobber-Meister mit der Lederhose und dem exotischen Song-Repertoire unterweist den jungen Skyquaker in der PRACHT. Aber ist Luke wirklich schusselig genug, um das Neonschwertduell mit dem Siff-Lord zu gewinnen? Und was ist DAS GROSSE GEHEIMNIS? Und vor allem – warum steckt es in dem Toiletten-Druiden WC-00? Unvermeidlich, aber wahr: Die ultimative Parodie auf alle sechs (ja, Sie haben richtig gelesen: alle sechs) STAR-WARS-Kinofilme!
Der Autor: A3R Roberts wurde auch mal geboren. Es ist nicht viel daraus geworden, aber immerhin hat er schon zwei Bücher geschrieben: »Der kleine Hobbnix« und »Das Stiehlnemillion«, frei nach J. R. R. Tolkien. Diese Bücher müssen Sie unbedingt kaufen! Allerdings nennt er sich da A. R. R. R. Roberts – meine Güte…
Eine Parodie von A3R ROBERTS (K. I.)
Maschinell geschrieben nach den Originaldrehbüchern von Schorsch Luk-Ass Aus dem Englischen übersetzt von Ronald M. Hahn
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
Titel der englischen Originalausgabe STAR WARPED Deutsche Übersetzung von Ronald M. Hahn Das Umschlagbild ist von Dirk Schulz
Umwelthinweis: Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.
Deutsche Erstausgabe 5/2005 Redaktion: Rainer Michael Rahn Copyright © 2005 by Adam Roberts Copyright © 2005 der deutschen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH http://www.heyne.de Printed in Germany 2005 Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck ISBN 3-453-53065-9
Inhalt Erste Vierte Episode ............................................................................ 9 Eine nackte Hoffnung Fünfte Episode................................................................................... 98 Das Imperium spielt verrückt Sechste Episode ................................................................................ 150 Die Rückkehr des Sohnes des Jobbers reitet wieder Erste Episode .................................................................................... 211 Die dunkle Verrohung Zweite Episode .................................................................................229 Angriff der Tron-Krieger Dritte Episode ...................................................................................249 Die Rache der Rückkehr des Sohnes der Siff reitet wieder: Die nächste Generation – die Anfangsjahre Koda...................................................................................................268
6 Parodien zum Preis von 1,4! Dieses Ding zieht Ihnen garantiert die Schuhe aus!!! Wenn Sie* sich bei der Lektüre dieses Buches nicht kaputtlachen, keinen körperlichen Schaden nehmen bzw. nicht ins Krankenhaus eingeliefert werden, erstattet Wilhelm Heyne Ihnen nicht nur den Kaufpreis, sondern finanziert auch das Studium Ihrer Kinder.
Mit »Sie« ist Sepp Krötenkuss in Hückeswagen gemeint. Dies kann sich jedoch jeden Moment ändern: Schauen Sie hinsichtlich weiterer Einzelheiten unter wwwi. WeitereEinzelheiten. de nach. (Anmerkung: www. WeitereEinzelheiten. de wird nicht von Wilhelm Heyne betrieben, der außerdem für das, was Sie dort evtl. zu lesen kriegen, nicht verantwortlich ist.) *
… In ferner, ferner Zukunft (logisch, ist ja 'n Science-FictionRoman) … in einer Galaxis tja, seien wir ehrlich –, in der wir jetzt alle leben…
Erste Vierte Episode Eine nackte Hoffnung
Das Imperiale Reichsimperium scheint siegreich zu sein: Es zerschmettert jedwede Opposition unter der eisernen Ferse seines zwar nur metaphorischen, aber dennoch schmerzhaften eisernen Schaftstiefels und bügelt alle, die sich gegen es erheben, mit der eisernen Faust im Inneren des eisernen Handschuhs der Imp-R-ImpPropaganda. Nur ein Rebellengrüppchen widersetzte sich der unaufhaltbar vorwärts gleitenden Bewegung dieses Eisens: Die »Rebellenden« (die man so nannte, weil sie nämlich »rebellierten«, um dem Imperialen Reichsimperium ein »Ende« zu bereiten) kämpften für die Freiheit und gegen die Tyrannei, für das Chaos und gegen die Ordnung, für den Rock 'n' Roll und alles, was sie gern gemacht hätten und so weiter, und außerdem gegen den Respekt der Autoritäten, weil sie ihren Platz in der Gesellschaftshierarchie, ihre Pflichten und gesellschaftliche Verantwortung kannten. Da jegliche Informationsverbreitung unter der strengen Kontrolle der lmp-R-ImpPropagandaabteilung stand, konnten die Rebellenden nur riesige Flotten von AlphabettiRaumfahrzeugen (von der A- bis zur Z-Staffel) vor den staunenden Augen des Normalbürgers im All zusammenziehen, um ihre Botschaften auf ellenlangen Spruchbändern zu verbreiten und selbige durch die galaktischen Weiten ziehen. Ja, zum Beispiel auch Botschaften wie diese hier…
1 Der Anfang Ein winziges Raumschiff befindet sich auf der Flucht, passiert im Zickzackkurs den Pol eines gelbbraunen Wüstenplaneten und entschwindet in der Ferne. Und dann, kurz darauf… … fegt ein unglaublich klotziges Raumschiff hinter ihm her und nimmt die Verfolgung auf. Und zwar so, als flöge es genau über deinen Kopf hinweg. Es ist ein riesiger, mit Zinnen versehener Weißblechtempel von einem Raumschiff, größer als ein Dom, größer als die meisten Städte. Und es rauscht ohne Unterlass weiter. Es sieht so aus, als würde es ewig weiterrauschen. Es dampfwalzt mit unverschämter Kraft genau durch dein Blickfeld. Seine zehntausend Lasergeschütze ballern. Seine Luken sind geöffnet, um das kleine Schiffchen zu verschlingen. Es ist das bei weitem stärkere und gewaltigere der beiden. Das Raumschiffchen hat nicht die geringste Chance. Mal ehrlich: Mit welchem dieser beiden Raumschiffe sympathisieren Sie wohl? Sagen Sie's einfach aus dem Bauch raus. Ja, hab ich mir gedacht. Nun, da Sie sich entschieden haben, kann ich wohl darauf verzichten, das kleine Schiff als »Terroristenfahrzeug« zu beschreiben, das von »gefährlichen Kriminellen, Mördern, Schmugglern und sozialen Abweichlern« gesteuert wird. Muss ich das große Schiff jetzt noch als »amtlicherseits eingesetzte Einheit der Strafverfolgungsbehörden« bezeichnen, das von »sich aufopfernden Beamten bemannt ist, die unter schwierigen Umständen und unterbezahlt einer lebensgefährlichen Tätigkeit nachgehen«? Hab ich mir gedacht. Na schön, Mann. Also, das kleine Schiff, das den Namen Viva Galaxia Libre! trägt, hatte eine ermüdete Mannschaft aus heldenhaften Freiheitskämpfern an Bord. Sie waren durch die halbe Galaxis geflogen, um der gnadenlosen und tyrannischen Verfolgung durch das imperiale Reichs-
imperium zu entgehen. Das große Schiff jedoch, die ISS Ordnung durch Angst und Gehorsam XVII, war ein Raumzerstörer der Fresszellen-Klasse und die absolute Verkörperung der imperialen Unterdrückung, Niederdrückung und vier bis fünf anderer Begriffe, die auf -drückung enden. An Bord hielten sich vierzigtausend fanatische Schergen auf, die schneeweiße Kunststoff-Raumrüstungen trugen. Der Zerstörer beschleunigte problemlos mittels seiner kolossalen Triebwerke. Er fegte über die Viva Galaxia Libre! hinweg, grabschte sich mit riesigen Dreggankern den Rumpf des winzigen verbeulten Schiffchens und schaufelte es unerbittlich in seinen grottenhaften Laderaum. Auf der Viva Galaxia Libre! duckte sich eine junge Frau neben einen abfalleimerförmigen Roboter und schaute sich mit nervösen Blicken um. Sie hatte guten Grund, nervös zu sein, denn das Innere des Roboters barg ein Geheimnis – und zwar keins von geringer Größe. Es war das größte Geheimnis überhaupt; das Geheimnis, das ihre Mutter ihr anvertraut hatte; das Geheimnis, das der Schlüssel zu ALLEM war. Es erklärte den gesamten Kosmos, den fortwährenden Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen. Es war DAS GROSSE GEHEIMNIS. Dieses Geheimnis war so geheim, dass nicht mal die Prinzessin es kannte. Sie hatte es in einen speziell für diesen Zweck angefertigten Datenwürfel eingeschlossen. Doch nun, da das Imperiale Reichsimperium ihr Schiff gekascht hatte, wagte sie nicht, den Würfel in die Hände der Mächte des Bösen fallen zu lassen. Deswegen hatte sie ihn in dem kleinen Droiden deponiert, und den schickte sie nun fort. Auf den Befehl der jungen Frau hin sprang der kleine Roboter mit seinem robotischen »Freund« (bzw. »langjährigem Gefährten«) gleich aus der Luftschleuse, und gemeinsam sanken sie auf den Planeten hinab, der unter ihnen lag. Da die beiden nun mal Roboter waren, machten ihnen das Vakuum des Weltraums und der etwas überhitzte Eintritt in die planetare Lufthülle nichts aus. Allerdings landete der humanoid geformte Roboter auf den Beinen, die daraufhin um elf Prozent kürzer wurden. Dies verärgerte ihn und verlieh ihm leider ein ziemlich gedrungenes Aussehen. Wie? Was? Sie wollen wissen, was das Geheimnis ist? Das gewaltige Geheimnis, das die Prinzessin für wichtiger hielt als ihr Leben?
Alles zu seiner Zeit, Sepp. Üben Sie sich in Geduld. Warum? Deswegen. Weil ich sage, dass Sie sich in Geduld üben müssen. Wie? Was? Tja, wenn Sie wirklich schon jetzt wissen wollen, was es mit dem Geheimnis auf sich hat… Wenn Sie es wirklich nicht mehr aushalten… Dann kann ich Ihnen nur den Rat geben, ganz hinten im Buch nachzuschauen, wo die verheerende und das Universum verändernde Wirklichkeit des Geheimnisses endlich auf eine aufschreckende imperiale Ordnung losgelassen wird. Schauen Sie schon nach, wenn Sie sich den Spaß unbedingt verderben wollen. Na los, warum schauen Sie nicht nach? Sind Sie noch immer hier? Hab ich mir gedacht. Jetzt geht's los. Wo waren wir stehen geblieben? Inzwischen bereiteten sich die Imp-R-Imp-Streitkräfte auf das Entern der Viva Galaxia Libre! vor. Man pumpte die Luftschleuse mit Sauerstoff voll. Die Besatzung wartete nervös und mit den Schießeisen im Vorhalt ab. Dann, mit einem Blitz, der wie ein billiges Feuerwerk aussah – obwohl er eindeutig keins war –, flog die Tür aus dem Rahmen. (Da es sich um die Luftschleuse eines Raumschiffes handelte, bestand sie eindeutig aus verdichtetem Metall und nicht aus hastig bemaltem Holz, obwohl die Explosionskraft einem Beobachter genau diesen Eindruck vermittelte.) Die Sturtruppler stolperten durch den Qualm, feuerten ihre Lasergewehre ab und knallten hin und wieder mit dem Kopf gegen tiefer hängende Deckenbereiche. Rote Laserstrahlen – sie waren überraschend uniform und von einheitlicher Dicke – blitzten im Rauch und Staub auf. Sie waren nicht nur gleich dick, sie kamen auch in überraschend kurzen Stößen. (Man muss sich nur mal vorstellen, wie kurz man einen Abzug betätigen muss, um eine Lasersalve statt eines Laserstrahls zu erzeugen.) Obwohl jeder einzelne Strahl kaum gefährlicher aussah als die Dinger, die man in jeder Provinzdisco sieht, hatten sie dramatische Auswirkungen auf sämtliche zufällig getroffenen Rebellenden, die auf der Stelle die
Arme hochrissen und zurückwankten, um dann reglos am Boden liegen zu bleiben. Die Viva Galaxia Libre! war verloren, erobert, weg vom Fenster, geschlagen, überwältigt. Das Schiff und seine gesamte Besatzung befanden sich in der Gewalt der gnadenlosen Imp-R-Imp-Raumflotte. Und vor dem Hintergrund der Weltenraumweiten flog die ISS Ordnung durch Angst und Gehorsam XVII unerbittlich weiter. Die beiden Droiden landeten mit der Wucht zweier Meteoriten auf dem Planeten und wirbelten viel Sand auf. Sand hat übrigens eine seltsame, kaum bekannte Eigenart: Jeder Gegenstand, der eine große Sandmasse aufwirbelt, lässt selbige so wirken, als hätte man sie in eine sonst friedfertige Wüstenszenerie einkopiert. Wie ulkig.
2
Auf dem Planeten erfährt Luke, dass Onkel Sven in Wahrheit gar nicht sein Vater ist, sondern sein Onkel
Luke Skyquaker war schon wieder bekleidet. Er arbeitete in der Garage eines Außengebäudes von Onkel Svens Bauernhof an seinem Schweber und trug eine Hose und ein Oberteil. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass nackte männliche Leiber und schwirrende Eisenmotoren nicht gut zusammenpassten. Doch als hätte Onkel Sven einen sechsten Sinn, rief er ihn vom Haupthaus her. »Luke! Luke!« Luke seufzte. Er streckte den Schallschraubenzieher aus und brachte eine Schallschraube an. Onkel Sven kam in die Werkstatt gewetzt. Sein nacktes Fleisch schwabbelte bei jedem Schritt seines Laufes. »Ich hab's doch gewusst!«, schrie er. »Ich hab's doch gewusst! Du bist angezogen, abscheulich angezogen!« »Tut mir Leid, Onkel.« Luke schlug den Blick zu Boden. »Bevor wir galaktische Bürger sind, sind wir erst mal Schweden!«, bellte Onkel Sven. »Wir bleiben unserem Erbe treu! Wir laufen nackt herum!« »Ja, Onkel.« Luke öffnete mit einer matten Bewegung seine Hose. »Die komischen Klamotten«, fuhr Onkel Sven fort, wobei seine Wampe vor Empörung auf und nieder hüpfte, »kannst du anziehen, wenn du den Bauernhof verlässt, um dich der Fliegenden Schwadron des Imperialen Reichsimperiums anzuschließen. Vorher nicht. Hast du gehört? Vorher nicht.« »Nein, Onkel.« »Tja«, sagte Sven, nachdem sein Zorn etwas verraucht war. »Belassen wir es dabei. Komm jetzt rein, das Frühstück ist fertig.« »Ja, Onkel«, sagte Luke gehorsam.
»Komm rein zum Frühstück«, wiederholte Sven. »Ich muss dir etwas Wichtiges erzählen. Es ist von allergrößter Wichtigkeit. Eine hochwichtige Angelegenheit. Es ist sogar hochnotwichtig.« Der nun nackte Luke folgte seinem Onkel interessiert aus der Werkstatt. Tante Svenja schwabbelte nackt durch die Küche. Sie las äußerst konzentriert ein Käseblättchen und schob sich in regelmäßigen Abständen Yamtoastscheiben in den Mund. Sie begrüßte ihren Gatten mit einem Schmatzer auf die Wange und Luke mit der gleichen Geste. Bei ihm war es allerdings die andere Wange. Sven ließ sich mit einem Geräusch, das einem weiteren Knutscher ähnelte, auf seinen mit PVC gepolsterten Küchenhocker nieder. Dann haute er sich das Frühstück rein. Auch Luke setzte sich hin, obwohl ihm, was öfter vorkam, der Anblick seiner nackten Verwandten den Appetit vergällte. »Ich muss dir etwas Wichtiges sagen, Luke«, sagte Onkel Sven mit dem Mund voller Sahnequark. Luke schaute erwartungsvoll auf, doch Onkel Sven erwiderte seinen Blick nicht. Eine Weile hörte man ihn nur kauen. Luke wartete. »Ich bin nicht dein Vater, Luke«, sagte Onkel Sven kurz angebunden. »Deswegen nenne ich dich wohl Onkel«, erwiderte Luke. »Was ja auch logisch ist. Wer also ist mein Vater?« »Das kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass er ein Schwarzer ist.« »Wie meinst du das? Meinst du seine Hautfarbe?« »Nein, nein… Ich meine seine politischen Neigungen. Er ist zur schwarzen Seite der Pracht übergelaufen.« »Der Pracht?« »Die Pracht ist eine gewaltige, im ganzen Universum verbreitete übernatürliche Kraft. Sie hat eine schwarze und eine weiße Seite. Dein Vater steht eindeutig auf der ersteren. Deswegen ist er ein Schwarzer.«
»Eigenartig«, sagte Luke nachdenklich, »dass ich noch nie von dieser Pracht gehört habe.« »Nur wenige haben von ihr gehört«, sagte Onkel Sven. »Obwohl sie überall vorkommt und große Macht hat?« »Ja«, sagte Onkel Sven und schaute peinlich berührt auf den Fußboden. »Das ist aber komisch.« »Da sind manche Leute bestimmt deiner Meinung«, sagte Sven verächtlich. »Dann ist mein Vater also zur schwarzen Seite der Pracht übergetreten, nicht wahr?«, sagte Luke. »Er hätte zwar die weiße Seite wählen können, aber er hat sich lieber für die schwarze entschieden. Mein Vater, meine ich. Wie heißt er?« »Das kann ich nicht sagen«, sagte Onkel Sven. »Warum nicht?« »Ich kann's einfach nicht.« »Ach so«, sagte Luke zögernd. In der Frühstücksecke der Küche brach ein peinliches Schweigen aus. »Schwarz Vater ist wieder in den Nachrichten«, sagte Tante Svenja und blätterte ihr Käseblättchen um. »Offenbar hat er schon wieder einen Angehörigen des Sicherheitsrates umgebracht.« »Wer?«, fragte Onkel Sven. »Ich hab nicht genau zugehört. Hast du Schwarz Vater gesagt?« »Ja, Schwarz Vater.« »Verzeihung«, sagte Luke. »Ich hab nicht genau zugehört. Hast du Schwarz Vater gesagt?« »Ja, Schwarz Vater.« »Schwarz Vater.« »Hm, Schwarz Vater.« »Der ist ganz schön schwarz, dieser Schwarz Vater«, sagte Onkel Sven. »Hat er schon wieder einen Angehörigen des Sicherheitsrates umgebracht?«
»Ja, hat er«, sagte Svenja. »Er hat ihn mit bloßen Händen erdrosselt.« »Mit bloßen Händen? Ohne Handschuhe?« »Jajachen. Ohne Handschuhe. Oder Haut. Oder Knochen. Seine Hände waren tatsächlich so bloß«, fuhr Svenja fort und las langsam aus der Zeitung vor, »dass er sie nicht mal eingesetzt hat«. »Überhaupt nicht?« »Allem Anschein nach hat er eine Hand auf die Kehle des Ratsherrn gerichtet und mit Daumen und Zeigefinger eine kleine Zwickbewegung gemacht. Da war der Mann erstickt. – Hier, kuck mal«, fügte sie hinzu. Sie reichte Luke das Käseblättchen.
SCHWARZ VATER tötet Stellvertreter des Stellvertreters und einen gewöhnlichen Soldaten EIN AUGENZEUGE: »Er hat sie erdrosselt, ohne sie anzufassen. Ist das nicht unheimlich?« [Donnerstag, im interstellaren Raum] Mit einem Schachzug, der seine Machtbasis unter den kompromisslosen Imp-RImpAnhängern ausweiten sollte, hat Seine imperiale schwarze Eminenz, der Militärführer Schwarz Vater, heute zwei Angehörigen seines loyalen und entsetzten Stabes einstweilige Exekutionen angedeihen lassen. »Pfandmuffel Tartar hatte den Sicherheitsrat zu einer Versammlung einberufen«, erinnert sich der imperiale Sturtruppler
3449#6a889-1447 Benno Weizenkeym, der an diesem Tag Wachdienst hatte. »Lord Shar Mytzl, der Leiter des Ausschusses für innerstaatliche Unterdrückung, stellte einen Antrag unter Punkt sieben der Tagesordnung. Da hat Schwarz Vater ihm, ohne sich auch nur aus seinem Sessel zu erheben, quasi volles Rohr die Luftröhre zerquetscht. Er hat nur seine schwarz behandschuhte Hand ausgestreckt und so gemacht, so 'ne Art Würgegeste. Da fing Lord Mytzl an zu würgen. Er
keuchte, dann war er echt weg. Würde ich sagen, das war ganz schön abgefahren«, fügte Weizenkeym hinzu, wobei er mit Daumen und Mittelfinger einen Kreis bildete, den er vor seiner Brust bewegte, »würde ich ganz schön untertreiben. Es war oberabgefahren.« Shar Mytzl war der dritte hochmächtige Offizier der ImpR-Imp-Militärmaschinerie und stand in der Befehlskette gleich hinter Schwarz Vater und Pfandmuffel Tartar. »Der andere Typ, der Wache hatte«, so Weizenkeym, »war mein Kumpel George [Manzarek, Imperialer Sturtruppler 3449#6a88g-1466]. Wir waren unter unseren Helmen schwer beeindruckt, das will ich ganz offen sagen. Aber als Lord Shar Mytzl zu Boden fiel, hat George irgendwie ganz leise so was wie Igitt gesagt, und da hat Lord Vater seinen Brustkorb zerquetscht, als wolle er eine Nudel mit den Fingern prüfen, um festzustellen, ob sie bissfest ist. Und all das, ohne ihn auch nur anzufassen. Boah, ey!« Tagesordnungspunkt 7 auf der Versammlungsagenda stellte die Frage, ob es noch angemessen sei, die »Jobber-
Religion« als »galaxisweite Bewegung« anzuerkennen, da es gegenwärtig nur einen einzigen registrierten Anhänger dieses Glaubens gebe. Ein Pressesprecher Schwarz Vaters gab später folgende Erklärung ab: »Shar Mytzl war dem Imperium, dem Herrscher und Schwarz Vater zu hundert Prozent treu ergeben und ein fanatischer Anhänger der imperialen Ordnungsideologie. Aber es ist durchgesickert, dass er sich nur zu 97% vor Schwarz Vater fürchtete. Trillionen anständiger Imp-R-Imp-Bürger sind, offen gesagt, nicht mehr bereit, sich mit einer solchen Aufsässigkeit zufrieden zu geben.« UTUF, die Organisation der führenden Bürger des Reiches, hat sich »zu 100% hinter die Reichspolitik des willkürlichen Tötens von höheren Angehörigen des Militärstabes aus trivialen Gründen« gestellt. – »Man darf nie vergessen«, so Bluna »Boba« Mett, der Vorsitzende der Organisation Unsere Treue und Furcht steht zu 100% im Dienst des Reichsprogramms Ordnung durch Unterdrückung, »dass dies die einzige Sprache ist, die diese Leute verstehen.«
»Das ist ja ganz schön schwarz«, sagte Sven. »Sogar für Schwarz Vater.« »Das verstehe ich nicht«, sagte Luke. »Wenn er sich schon die Mühe macht, den Arm auszustrecken, warum erdrosselt er den Kerl dann nicht einfach? Wenn er ohnehin seine schwarze Telepathie einsetzen will, um den Kerl zu erdrosseln, warum macht er sich die Mühe mit der Hand? Warum macht er es nicht einfach vom Sessel aus? Wenn er wollte, könnte er es doch wahrscheinlich auch mit vor der Brust verschränkten Armen tun oder mit den Händen in der Tasche.« »Wie meinst du das?« »Ich sage nur«, erwiderte Luke, »dass es mir ein wenig überflüssig vorkommt, die Hand auf die Kehle eines Menschen zu richten, wenn man ihn auch mit einem Gedanken erdrosseln kann. Welchen Zweck erfüllt die ausgestreckte Hand?« »Es ist rätselhaft«, stimmte Sven ihm zu. »Aber um Schwarz Vater ranken sich viele Rätsel.« »Vielleicht war es im Grunde nur eine theatralische Geste«, meinte Tante Svenja. »Vielleicht hat er sie nicht aus Gründen der telepathischen Kommunikation gemacht, sondern damit seine Zuschauer was zu sehen kriegen. Hier steht auch, dass er seinen Bühnenzaubererumhang und seinen Spezialhelm getragen hat.« »Ahhh«, sagten Luke und Sven, als erkläre dies alles.
3 Den Erwerb einiger Roboter betreffend Du fragst – nachdem wir uns jetzt schon eine Weile kennen, darf ich Sie sicher duzen –, wer dieser Luke Skyquaker überhaupt ist? Eine gute Frage, die ich wohl auch beantworten werde, da er in den uns bevorstehenden Abenteuern eine Hauptrolle spielt. Luke ist ein ansehnlicher, wenn auch pickliger junger Bursche. Seine Akne neigt dazu, eher die hässlichen weißen statt die etwas weniger ekelhaften rotfleckigen Pusteln auszubilden, von denen ich glaube, dass sie weiter verbreitet sind. Doch da er erst siebzehn war, konnte man ihm den ekligen Zustand seiner Haut verzeihen, denn schließlich ist dies das normale Schicksal eines durchschnittlichen Heranwachsenden. »Ich habe zwei neue Droiden gekauft«, verkündete Onkel Sven eines Tages. »Bring sie bitte in die Garage und reinige sie, Luke.« Die Roboter sahen eindeutig nicht so aus, als entsprächen sie dem neuesten Stand der Technik. Der eine wirkte wie ein Abfallbehälter und war außen ziemlich schmuddelig. Die Beine des Goldhäutigen, der menschliche Form aufwies, waren unheimlich gedrungen und disproportioniert. Luke brachte sie in die Garage. »Hallo«, sagte er zu dem kleineren Droiden. »Wie heißt du?« »Piep!«, erwiderte der Abfallbehälter und wackelte energisch auf seinen beiden frei beweglichen Kugeln. »Piep!«, sagte er erneut und drehte sich um hundertachtzig Grad. Als seine Sichtlinse sich auf die leere Wand richtete, schien er sich ein wenig zu beruhigen. »Okay«, sagte Luke, der nur teilweise abgeschreckt war. Er wandte sich dem goldenen Androiden mit den Stummelbeinen zu. »Was ist deine Funktion?« »Ich habe mehrere Funktionen«, sagte der goldene Droide. Seine Stimme klang vornehm, doch sie knirschte ein bisschen. »Ich bin ein Lexikon. Und ein Wörterbuch. Ich kann Text verarbeiten. Aber hauptsächlich bin ich darauf programmiert, Menschen zu foppen. Ich bringe
sie weiter, doch im alles entscheidenden Moment enttäusche ich sie und mache sie zu cholerischen Herzinfarktkandidaten.« »Wie lautet deine Kennung?« »Schwerer Ausnahmefehler 4711. Steht auf meinem Chassis.« Der Roboter drehte einen Arm und Luke erspähte kurz einen Aufdruck: SchwAusnF4710. »Das ist aber ein langer Name«, sagte er. »Und so schwer auszusprechen.« »Man kann ihn abkürzen. Sag einfach SAF4711.« »Na schön. Was bedeutet der Name?« »Es ist doch nur 'n Name. Was bedeutet Luke?« »Klappe«, sagte Luke. »Ich lass mir den Mund nicht verbieten«, sagte SAF4711. »Luke bedeutet Luke.« »Ich kenne alle Schweren Ausnahmefehler«, konterte Luke, »die in der Liste der Schweren Ausnahmefehler stehen. Es sind 4710. Den Schweren Ausnahmefehler 4711 gibt es gar nicht.« »Gibt es doch.« »Gibt es nicht.« »Gibt es doch.« Luke seufzte. »Die Liste der Schweren Ausnahmefehler fängt beim Schweren Ausnahmefehler 0001 an und endet beim Schweren Ausnahmefehler 4710. Der Schwere Ausnahmefehler 4711 ist in der Liste nicht dokumentiert.« »Das ist doch gerade der Witz«, sagte SAF4711. »Alle Schweren Ausnahmefehler sind dokumentiert, aber keine Sau in der Galaxis weiß, wie man sie vermeidet, weil die Liste, die sie dokumentiert, Intelligenzen unverständlich ist. Den Schweren Ausnahmefehler 4711 aber versteht jeder. Er heißt ›Sie haben einen Schweren Ausnahmefehler gemacht. Das dürfen Sie nicht wieder tun, sonst stürzt das System ab.‹« Luke schwieg ein Weilchen. »Ist das auch wirklich echt wahr, Mann?«
»Ja.« »Na schön. Wie heißt dein Freund?« »Sein Name steht auf seinem Rücken«, sagte SAF4711. »Vielleicht machst du dir die Mühe, ihn anzuschauen. Falls du nicht blind bist. Du bist doch nicht zufällig blind?« »Nein«, sagte Luke. »Natürlich nicht.« Er ging zur Wand und untersuchte den abfalleimerförmigen Roboter. Auf dem Rücken der Maschine stand WC-02. »Wehzeh-0-hoch-zwei?«, riet Luke. »Nicht ganz dumm«, sagte SAF4711 hochnäsig. »Aber in Wirklichkeit heißt er Wehzeh-Nullnull.« »Ich glaube, Wehzeh-0-hoch-zwei gefällt mir besser«, sagte Luke. »Dann ist er also eine WC-Einheit, was?« »Ja.« »Gut. Toll. Eine WC-Einheit. Ausgezeichnet.« Durch das Garagentor konnte man den Himmel des Planeten Tätowiermir sehen – ein makelloses Blau. Die Luft war heiß. Wüste erstreckte sich in alle Richtungen. Ein Tätowiermir-Moskito, der ungefähr die Größe eines Chihuahua hatte, summte träge auf hauchfeinen Schwingen vorbei. Schließlich sagte Luke noch einmal »Toll«, und dann »Gut, ausgezeichnet, eine WC-Einheit. Ist es nicht pfundig? Eine WC-Einheit! Mann!« »Gib's zu«, sagte SAF4711. »Du weißt gar nicht, was eine WC-Einheit ist.« »Nein, weiß ich nicht«, gestand Luke auf der Stelle. »Eine WC-Einheit ist ein Art mobiler Nachttopf«, erläuterte SAF4711. »Eine der genialen Erfindungen des Menschen. Zuerst habt ihr Toiletten erfunden. Dann tragbare Toiletten. Dann mobile Toiletten mit Bewusstsein: Toiletten, die einem die Ohren voll quatschen, während man sein Geschäft verrichtet. Wehzeh kann dir Ausschnitte aus deiner 3-D-Lieblingsfernsehsendung zeigen, während du… na, du weißt schon… beschäftigt bist. Er ist sehr nützlich.«
»Na, das ist ja alles gut und schön«, sagte Luke, »aber wir brauchen hier auf dem Hof keine neue Toilette. Wir haben schon eine. Wir haben sogar zwei, wenn man das Granatapfel-Silo mitzählt. Wir brauchen eigentlich einen Droiden, der auf dem Hof hilft, damit ich zur imperialen Raummarine gehen kann. Wir brauchen einen Droiden, der pflanzt, erntet, drischt und Ähren liest.« »Ach, in dieser Hinsicht bringt er nicht viel«, sagte SAF4711. »Er hat nämlich keine Arme. Er hat nur einen abfalleimerförmigen Körper und einen automatisierten Schwingkopf. Und natürlich noch die großen, frei beweglichen Radkugeln ganz unten. Er hat nicht viel, um auf einem Bauernhof zu helfen.« »Ach«, sagte Luke enttäuscht. »Und du?« »Tja, ich will ganz ehrlich sein«, sagte SAF4711. »Ich hätte einem Bauernhof eine Menge zu bieten. Ich bin mir für nix zu fein, ich könnte überall mit anpacken, wo ich gebraucht werde und so. Aber wenn's drauf ankommt… Etwa in den entscheidenden fünf Minuten, wenn das Tauobst geerntet werden muss, weil es sonst verfault… Wenn man sich wirklich auf mich verlassen muss, damit die Ernte ordentlich eingefahren wird… dann lass ich euch hängen. Dann könnt ihr so laut schreien, wie ihr wollt, und mir mit dem Schuh auf den Kopf hauen. Dann rühre ich mich nicht von der Stelle.« SAF4711 zuckte die Achseln. »So bin ich halt programmiert.« Luke empfand eine nagende Enttäuschung. »Aber das ist ja schrecklich! Wir brauchen zwei neue Droiden, sonst häng ich ja noch ein Jahr auf dem Hof fest! Du kannst es natürlich nicht wissen, aber solange ich denken kann, träume ich von der Raummarine! Du musst mir helfen! Kannst du mir helfen?« »Nu«, erwiderte SAF4711 sibyllinisch. »Nu«, wiederholte Luke. »Okay. Hab keine Ahnung, was es bedeutet. Ist mir eigentlich auch wurscht.« Luke wollte die WC-Einheit reinigen, doch als er sich dem frei beweglichen Nachttopf näherte, schrie der »Piep! Piep!
Piep!« und wetzte schnell in eine Ecke. Also begann Luke, ein Ölbad für die SAF4711-Einheit vorzubereiten. »Sag mal«, sagte Luke und deutete mit dem Kopf auf die schlotternd in der Ecke stehende WC-Einheit. »Wieso redet der so komisch?« »Was ist daran komisch?« »Er kennt offenbar nur ein Wort: Piep. Spricht er Fax?« Dies wiederum schien SAF4711 über alle Maßen komisch zu finden. »Fax?«, gluckste er. »Er? Diese wandelnde Latrine soll Fax sprechen? Oh, jetzt bringst du mich aber wirklich zum Lachen.« »Hab ich irgendwas Erheiterndes gesagt?« »Fax…«, sagte SAF4711 und kriegte sein Lachen endlich unter Kontrolle. »Fax ist wie Robotlatein. Er hat unmöglich die Bildung, die man braucht, um Fax zu sprechen. Er ist ein mobiler Abfallbehälter, und zwar im skatologischsten Sinn des Wortes. Fax? Bring mich nicht zum Lachen.« »Und warum spricht er dann so?« »Nun«, sagte SAF4711, »um der Wahrheit die Ehre zu geben, er ist humanophob.« »Kannste das noch mal sagen?« »Er leidet an einer pathologischen Angst vor Menschen. Er kann nichts dagegen machen.« »Davon hab ich noch nie gehört. Kommt das unter Droiden öfter vor?« »Aber ja«, sagte SAF4711. »Viele Roboter leiden darunter, und manche noch viel mehr als andere.« »Aber warum denn?« »Tja, da gibt es sich widersprechende Theorien. Es könnte Kastrationsangst sein. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass er mit der matschigen, behaarten, tropfigen Grauenhaftigkeit der menschlichen Gestalt nicht fertig wird. Aus der Perspektive eines Roboters sind Menschen nämlich mehr oder weniger eklig und abscheulich anzuschauen. Es mangelt euch an Definition. In eurer Konstitution ist nicht genug Metall. Ihr habt auch keine scharfen Kanten. Und wenn man bedenkt,
wofür er gebaut wurde, überrascht es dich, dass er eine kleine… na, sagen wir mal… Menschen-Aversion hat?« »Ach so«, sagte Luke. »Tja, das ist wirklich interessant. Aber jetzt ist es Zeit für dein Ölbad.« Er trat zurück, damit SAF4711 einen deutlichen Blick auf das zwei Meter tiefe, in den Garagenboden eingelassene Loch werfen konnte. Es war mit schleimigem schwarzem Schmieröl gefüllt. SAF4711 neigte den Kopf. »Wie bitte?« »Rein mit dir«, sagte Luke. »Ich habe dir ein schönes Ölbad eingelassen. Nach eurem langen Marsch durch die Sandwüste gehe ich jede Wette ein, dass ein schönes langes Ölbad etwas Wunderbares für dich sein muss.« SAF4711 näherte sich dem Ölbad, tauchte einen goldenen Finger hinein und hielt ihn vor seine optische Eingabe. »Du willst, das ich was tue? Dass ich mich da reinsetze?« »Ja.« »Und du bezeichnest es als Bad?« »Ja, ein Ölbad.« »Meinst du ein Bad dieser Art: Ein Behälter, dem man dazu benutzt, den Körper in ihn einzutauchen, um ihn zu waschen? Ein Behälter, der in der Regel mit einer Mischung aus heißem Wasser und Seife gefüllt ist, womit man Schmutz und Schweiß von der Haut entfernt?« »Na ja«, sagte Luke leicht verunsichert. »Ja.« »Und du hast dieses Bad mit Rohöl gefüllt, nicht wahr?« »Stehst du nicht auf so was?« »Ob ich drauf stehe?«, wiederholte SAF4711. Er deutete ironisch mit dem Zeigefinger auf das Grübchen an seinem Metallkinn, um so zu wirken, als sei er tief in Gedanken versunken. »Tja, wenn ich zufälligerweise von oben bis unten von Sauberkeit befallen wäre und sie mir in einem Bad aus stinkendem dreckigem Öl vom Halse schaffen und mich von oben bis unten einsauen wollte – unter diesen Umständen könnte ich vielleicht verlockt sein, mich in dein stinkendes kleines Loch zu begeben.« Pause.
»Soll das nein heißen?«, fragte Luke. »Ein Riesenloch voller Öl? Was glaubst du?« »Ich hab geglaubt, du bist – du weißt schon – 'n Roboter.« »Genau«, sagte SAF4711 in einem vernichtend hochnäsigen Tonfall. »Ein Roboter. Kein Diesel-Traktor aus den 1950er-Jahren. Glaubst du wirklich, meine Gelenke werden mit Öl geschmiert? Ich bin ein kybernetischer Organismus auf dem neuesten Stand der Technik. Man hat mich konstruiert, damit ich in jeder Umwelt operieren kann – ob im reinen Vakuum oder in der Tiefsee. Was, glaubst du, würde wohl passieren, wenn mein Konstrukteur so dumm gewesen wäre, mich so zu bauen, dass meine Gelenke Öl brauchen? Verschenk nur mal einen halben Gedanken daran. Oder einen Viertelgedanken, wenn du es dir leisten kannst. Also wirklich.« Luke stand da und gaffte das Ölbad an. »Ja, was mach ich denn nun mit diesem zwei Meter tiefen Loch voller Öl?« »Nu«, sagte SAF4711 und stakste zu seinem robotischen Freund hinüber. »Das ist kein Roboterproblem.« Luke schlurfte zu den Robotern und nahm mit dem Rücken zur Wand Platz. SAF4711 erweckte einen distanzierten Eindruck. WehzehNullnull schüttelte sich in unverhohlener Angst, da der Mensch ihm so nahe gekommen war. »Es ist mir 'n bisschen peinlich«, gestand Luke. »Ich muss noch viel über Roboter lernen.« »Kann man wohl sagen«, sagte SAF4711. »Trotzdem«, sagte Luke und gewann den Optimismus zurück, für den er so berühmt war. »Ihr könnt es mir doch beibringen. Wollt ihr?« Er klopfte aufs Wehzeh-Nullnulls domartigen Schädel. Die Antwort des Roboters lautete »Piep! Piep!« Er machte einen Satz von Luke weg und kollidierte mit einem Stapel Farb!®-Dosen. Diese fielen um und kullerten die drei Stufen zum unteren Teil der Garage hinunter; er selbst landete neben ihnen. Ein blaues Licht an der Seite des Roboters erwachte flackernd zum Leben, und ein Hologramm materialisierte. Die Projektion war deutlich, doch um neunzig Grad gekippt.
Es war das Hologramm einer nackten Frau. Diese Art von Nacktheit war Luke ziemlich neu. Er hatte zwar sein ganzes Leben in der Umgebung nackter Menschen verbracht, doch abgesehen von ihm und Onkel Knochi aus Skørsgard (der über neunzig war) wogen alle Nackten, die er je zu Gesicht bekommen hatte, zwischen 115 und 250 Kilo. Dass Nacktheit auch anziehend und verlockend sein konnte, war ihm – bis jetzt – nie in den Sinn gekommen. Der grazile Leib der jungen Dame, die kaum älter aussah als neunzehn, verlockte ihn auf eine Weise, die er kaum noch in die Hand nehmen konnte. Genau besehen konnte er sie zwar noch in die Hand nehmen, aber in der Gegenwart der beiden Droiden traute er sich nicht. Die Dame war einfach umwerfend: Ihre Haut war so glatt wie Seide, auf der noch niemand je gesessen hatte. Ihr Haar war eine wilde Mähne aus Kastanienlocken (d.h. ihr Haar hatte die Farbe, nicht die Form von Kastanien, was ja auch albern ausgesehen hätte). Ihre Augen waren blaue Diamanten und ihre Figur so kurvenreich, dass man sich zwölf Hände wünschte, um sie von oben bis unten abzutasten. Während die holografische Nackte in der Horizontalen zuckte und tanzte, öffnete sie ihre vollkommenen, vollen roten Lippen und sagte: He, du! Lass dich mal im Tytten-Tempel sehen, is direkt auffe Hauptstraße in Motzarella. Tänzerinnen sieben verschiedener Spezies! Todesfälle unter den Gästen sind im letzten galaktischen Jahr um dreizehn Prozentpunkte gesunken! Jeden zweiten Donnerstag frei saufen! Na, komm schon, Langer – du weißt doch, was du willst. Dann verschwand die Vision der nackten Lieblichkeit. »He!«, schrie Luke. »Spiel das noch mal ab!« »Piep!«, piepte Wehzeh-Nullnull und bemühte sich wie ein auf dem Rücken liegender Käfer wieder auf die Beine zu kommen. »Piep!« Egal wie lange Luke der kleinen WC-Einheit auch schmeichelte, befahl und drohte – sie weigerte sich, das betörende Bild vollkommener menschlicher Nacktheit noch einmal abzuspielen. SAF4711 versprach, Luke zu helfen, den nun wieder aufrecht und schlotternd in der Ecke stehenden WC-Droiden zu überreden, die Projektion zu wiederholen, doch nach langwierigen und wortreichen Vorbereitungen fiel er stattdessen in einen schlafähnlichen komatösen Zustand.
Leicht angesäuert schlenderte Luke zu seinem Bett. Inzwischen kreiste hoch über seinem Kopf der Imp-R-ImpSternenvernichter. An Bord dieses Fahrzeugs brütete Schwarz Vater vor sich hin. Im Vertrauen gesagt: Brüten gehörte zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen. Doch diesmal brütete er zielgerichtet. Er hatte Prinzessin Lepra unter Bewachung weit fort zu dem gefürchteten Pfandmuffel Tartar geschickt, damit dieser sie verhörte. Er war zuversichtlich, dass sie ihre Geheimnisse bald preisgeben würde. Und wenn die Rebellenden erst mal zertreten waren, würde das Imp-R-Imp bald darauf die gesamte Galaxis beherrschen. Schwarz Vater räusperte sich quietschend und röchelnd, dann übte er fleißig sein gefürchtetes »Böses-Genie-Lachen«. Manchmal musste man solche Sachen wirklich üben.
4 Opi-Jan Knofi führt uns durch seine drollige kleine Wüsten-Einsiedelei und spricht offen über das Leben als solches und die wenigen in der Galaxis noch lebenden Jobber-Ritter
Am nächsten Morgen merkte Luke, dass die beiden Droiden weg waren. Das ärgerte ihn zwar, aber anhand der Spuren im Sand war es für ihn natürlich kein Problem zu erkennen, in welche Richtung sie gegangen waren. Außerdem hatte der goldene Roboter in der Garage einen Zettel hinterlassen, der an einem Pfosten hing, der zufällig die Funktion eines Gegenstandes der Informationstechnologie erfüllte. Da stand: Als du ins Bett gegangen warst, ließ Wehzeh-Nullnulls Angst nach. Sein Verstand klärte sich und ihm fiel ein, dass er den Auftrag hat, zu Jopi-An Knofi zu gehen, der offenbar ein paar Kilometer von euch entfernt wohnt. Wir hätten dich ja aufgeweckt, aber du hast sehr friedlich geschlafen. Mit freundlichen Grüßen SAF4711 Luke schlurfte mit hängendem Kopf in die Küche, wo er auf seinen Onkel und seine Tante stieß, die, nackt wie Quallen, Ahornbrötchen aßen. »Die beiden Droiden, die du gestern mitgebracht hast, Onkel…« »Ja?«, sagte Sven, ohne sein Frühstück aus den Augen zu lassen. »Tja, sie haben die Mücke gemacht«, erklärte Luke. »Mücke gemacht?«, sagte Sven und schaute zu Luke auf. »Im Sinne von ›Zeugungsprozess bei Insekten‹?« »Nein, im Sinne von verpisst. Sie sagen, sie müssen einen gewissen Jopi-An Knofi finden, wer immer das sein mag. Glaubst du, er könnte mit Opi-Jan Knofi in Beziehung stehen?« »Das sind doch völlig verschiedene Typen«, sagte Sven entschieden und nahm sein Frühstücksgeschlürfe wieder auf. »Die haben doch ganz
unterschiedliche Namen. Daran erkennt man, dass sie nichts miteinander zu tun haben können.« »Ach so«, sagte Luke verständig. »Tja, ich glaube, ich sehe trotzdem mal nach den beiden.« »Warum denn?«, fragte Tante Svenja spitz. »Glaubst du, der alte Depp kann dir was über deinen Vater erzählen? Bloß weil er ihn kannte und jahrelang an seiner Seite im Klo-Krieg gekämpft hat, muss das doch nicht heißen, dass er zu diesem Thema etwas Erhellendes zu sagen hat.« »Okay«, sagte Luke. »Ich glaub, ich geh trotzdem.« »Aber du hast doch noch nicht gefrühstückt!«, wandte Sven ein. »Hinter dem Stuhl da vorn steht noch ein Eimer Joghurt.« »Nein, danke, Onkel.« »Nimm dich bloß vor dem alten Zauberer in Acht«, sagte Svenja warnend, als Luke hinausschlüpfte. »Falls er dir Hasenpfoten oder Kristalle verkaufen oder dich dazu bewegen will, an einer Suche teilzunehmen, um einen Ring der Macht oder so was in dieser Art zu finden, sag einfach Nein.« Inzwischen standen zwei Angehörige der Imp-R-Imp-Sturtruppen in der tiefsten Wüste des Planeten Tätowiermir und begutachteten die Spuren, die die beiden Droiden im Sand hinterlassen hatten. Der eine ritt auf einer ziemlich echt und erstaunlich lebhaft aussehenden Rieseneidechse. Der andere suchte mit einem Digitalfernrohr allerneuester Machart den Horizont ab. »Hier entlang«, sagte er zu seinem Kollegen. »Ich glaube, sie haben den Weg hier genommen.« Während Lukes Reise durch die Sandwüste passierte nichts. Er klopfte an eine Bruchbudentür und wurde eingelassen. »Wie herrlich, dich zu sehen, mein Junge«, sagte der Jobber-Ritter. Er sprach in einem eigenartigen Tonfall, als transportierten seine Worte einen tieferen Sinn, der über ihre simple Bedeutung hinausging. »Hallo, Opi«, sagte Luke.
Opi-Jan Knofi schlurfte aufgrund der ihn plagenden Gicht voller Schmerzen über den Boden seiner einfachen Wüstenbehausung. »Na endlich«, sagte er und reichte Luke eine Tasse mit einem seltsamen heißen Saft, der laut seinen Worten »Tee« hieß. Dies war eine der Riten des alten Mannes. Sobald ein Besucher über seine Schwelle trat – was natürlich nicht oft vorkam –, schleppte er den abscheulichen heißen Saft an. »Na endlich«, sagte er mit gewaltiger Selbstzufriedenheit. »Trink das.« Das ziemlich aufgeblasene und übertriebene Timbre seiner Stimme hatte etwas Beeindruckendes. Es wirkte eigenartig klassisch, als wäre es von Shakespeare. »Danke«, sagte Luke. »Dann erzähl mal, junger Mann, was führt dich zu mir?« »Ich dachte, du hättest vielleicht meine Droiden.« »Ah, die Droiden«, sagte Opi. »Komm mit. Sie sind hier. Nimm den Tee mit.« Die Roboter parkten in Opis vorderem Zimmer. Sie sahen nicht besonders glücklich aus, als sie Luke sahen. »Komm«, sagte Opi, wobei seine Gelenke alarmierend knirschten. »Nimm Platz.« Die beiden setzten sich auf primitive Holzstühle, die um einen primitiven Holztisch standen. Opi musterte seinen Gast eingehend. Luke, den Opis nie schwankender Blick etwas verlegen machte, versuchte ein hochnäsiges Lächeln, rutschte auf dem Stuhl hin und her, brachte die Teetasse aus dem Gleichgewicht, sodass ein dicker Spritzer über das Zierdeckchen klatschte, schoss nach vorn, um ein weiteres Verschütten zu verhindern, fiel vom Stuhl und rollte unter den Tisch. Bei dem Versuch aufzustehen, knallte er mit dem Kopf an die Tischplatte. Er befreite sich verlegen, richtete den Stuhl auf und setzte sich wieder hin. »Wie schwungvoll!«, sagte Opi bewundernd. »Wie prächtig! Ganz der Vater!« »Du kanntest meinen Vater?«, fragte Luke. Er beugte sich eifrig vor und verschüttete noch mehr von seinem Getränk. »O ja!«
»Was für ein Zufall, dass wir über ihn reden! Denn erst gestern hab ich mit meinem Onkel über meinen Vater gesprochen. Beim Frühstück. Wie war er denn so? Mein Vater, meine ich.« »Er war ein stattlicher junger Jobber-Ritter«, sagte Opi nachdenklich. »Wir haben im Klo-Krieg Seite an Seite gefochten. Er hat über die Pracht geboten wie kein anderer. Er hieß Anni Skyquaker.« »Anni«, sagte Luke. »Hm. Ist Anni nicht eigentlich ein Mädchenname?« Opi machte »Hm« und nickte. »Er war, was dieses Thema anbetraf, sehr empfindlich. Eigentlich war es am besten, es in seiner Gegenwart überhaupt nicht zur Sprache zu bringen. Er war sehr empfindlich.« »Anni«, sagte Luke vor sich hin und versuchte sich seinen Vater vorzustellen. »Anni – mein Papa. Die Pracht war mit ihm, und er war ein Jobber-Meister. Nun ist die Pracht ja – wie ich es verstehe – eine Art universelle Energie oder Masse. Aber wer oder was sind Jobber?« »Ich bin ein Jobber«, sagte Opi. »Wir sind eine Art… eigentlich weniger eine militärische als eine… paramilitärische Organisation. Schwer bewaffnet. Wir tragen zwar alle die gleiche Uniform, aber wir stehen nicht im Dienst einer bestimmten Regierung. Wir sind eine Elite ausgebildeter Krieger und befehligen die Pracht, um… Du weißt schon. Wir treten als Friedensstifter auf. Wir prügeln uns in Schlachten, wobei wir pausenlos darüber reden, warum wir eigentlich gar keine Schlachten schlagen wollen. Beim ersten Anzeichen von Ärger hacken wir den Leuten die Arme ab. Wir spionieren sie aus. Machen jede Menge Sachen kaputt. Und wir stehen, die Arme vor der Brust verschränkt, im Hintergrund und wirken bedrohlich. So was in der Art.« »Ach so«, sagte Luke. »Ihr seid also Soldaten?« »Nein. Die haben doch keine Reputation. Soldaten sind nur Krieger im weitesten Sinn des Wortes. Die gehören doch nicht zu einem richtigen Heer.« »Dann seid ihr eher wie Pfadfinder?« Opi überlegte. »Ja.« »Ausgezeichnet«, sagte Luke. »Dann habe ich nur noch eine Frage – die entscheidende Frage: Was ist aus meinem Vater geworden?« »Ah«, sagte Opi. »Ja, ja. Hm. Was ist aus ihm geworden?«
Luke nickte. »Tja, mal sehen. Ich will nicht um den heißen Brei herumreden… Schwarz Vater… ähm… Tja, er hat deinen Vater getötet. Ah, ja, so war es. Genau das ist passiert. Er hat deinen Vater getötet. Er hat ihn totgemacht. Hat ihn umgehauen, erschlagen, abgemurkst. Insgesamt gesehen«, schloss Opi, »hat er ihn umgebracht.« »Was töten ist, weiß ich«, sagte Luke. »Aber ich weiß nicht genau, was diese kleine Geste bedeutet, diese zwickende oder kneifende Bewegung, die du da gerade mit den Zeigefingern gemacht hast.« »Geste?« Opi schaute verwirrt drein. »Du hast sie bei dem Wort getötet gemacht«, erläuterte Luke. »Hab ich das?« »Ja.« »Das ist nur so 'ne…« – Opi wedelte vage mit der Hand – »so 'ne Jobber-Masche.« »Stimmt«, sagte Luke nickend. »Aber um die Sache ein für alle Mal zu klären: Schwarz Vater hat meinen Vater getötet. Hab ich das richtig verstanden? War es ungefähr so?« »Ja«, sagte Opi. Er nickte mitfühlend und ließ dabei in seinen Halswirbeln eine überraschende Reihe von Knackgeräuschen ertönen. »Das ist ja einfach abscheulich«, sagte Luke. »Müsste ich ihm da nicht Rache schwören oder so was? Wäre das jetzt nicht angebracht?« »Gute Idee, gute Idee«, sagte Opi geistesabwesend, als sei er nicht ganz bei der Sache. Er schien mehr an den Droiden interessiert zu sein, die Onkel Sven vor der Schrottpresse bewahrt hatte. »Der Droide da enthält die Aufzeichnung einer Botschaft«, sagte Luke und kniete sich neben WC-Nullnull auf den Boden. »Den ersten Teil hab ich gestern gesehen, doch dann ist er abgeschmiert. Aber glaub mir, es wäre die Sache bestimmt wert, wenn ich noch eine Chance bekäme, sie zu überprüfen. Sie war überprüfenswert.« »Mal sehen, ob ich ihn zu einer Wiederholung bewegen kann«, murmelte Opi. Er stand auf und schlurfte zu dem Roboter hinüber. »Na
los«, sagte er und versetzte WC-Nullnull einen Schlag in den metallenen Magen. Auf der Stelle wurde auf dem schmutzigen Boden von Opi-Jan Knofis Hütte ein dreidimensionales Hologramm sichtbar. Es war die etwa sechzig Zentimeter hohe, lebhafte kleine Darstellung eines gut gebauten Herrn, der in eine irgendeine bunte Toga gehüllt war. Ich grüße euch!, sagte das Hologramm und blickte genau auf die Stelle zwischen Knofi und Luke. Ich bin Jean Paul Camembert vom Planeten Nigerium. Vierzig Millionen Reichskroyten sind auf meinem Bankkonto bei der Nationalbank von Nigerium eingefroren. Ich brauche einen nicht-nigerischen Freund, der mir hilft, das Geld von dem Planeten wegzuschaffen. Wenn du mir deine Bankdaten, eine Kopie deiner Netzhautabtastung und ein Faksimile deiner Unterschrift schickst, werde ich die Summe an dich überweisen. Als Ausgleich für deine Hilfe werde ich dir zwanzig Prozent von… Opi versetzte dem Droiden einen Tritt. Das Hologramm brach ab und zerfiel in Lichtkrümel. Dann löste es sich ganz und gar auf. »Das war es nicht«, sagte Luke. »Es war eine nackte Frau. Aber sie war schlank. Keine dicke Nackte, sondern eine echt hübsche Nackte.« Opi lugte in die Innereien des Droiden. »Da liegt ein Haufen Schrott drin rum, mein junger Freund«, sagte er. »Sonderangebote für Neonschwertverlängerungen. Software für Werbezwecke. Ah, wenn ich mich nicht irre, ist da auch das Bild einer Dame.« Er stocherte herum. Der Droide erwachte schlotternd zum Leben und projizierte ein zweites Bild. Es war tatsächlich eine Dame, doch nicht die Nackte, die Luke zuvor gesehen hatte. Diese hier war in ein züchtiges weißes Kleid gewandet und hatte eine atemberaubende Frisur: Sie sah so aus, als ringelten sich zu beiden Seiten ihres Kopfes zwei Würstchen. Lukes Blick wurde sofort von ihnen angezogen. Dann erkannte er, dass es gar keine sich ringelnden Haare waren, sondern eher Gewächse oder tumorartige Auswüchse von eigenartig symmetrischer Form. Sie hatte eins auf jeder Seite ihres Kopfes. »Huch«, sagte er. Doch schon ergriff die holografische Gestalt das Wort.
Ich kann nur hoffen, sagte sie, dass meine Botschaft Euch, Jopi-An Knofi, erreicht, und dass Ihr etwas unternehmen könnt, um mir zu helfen. Schwarz Vater hat das Schiff gekapert, mit dem ich unterwegs bin. Oder sollte ich sagen, auf dem ich unterwegs bin? Momentan bin ich wirklich ziemlich durcheinander. Puh! Puh – aber ich will nicht abschweifen: In diesem Droiden befindet sich das Große Geheimnis in verschlüsselter Form; das Geheimnis, das meine Mutter mir im Geheimen übergeben hat. Es ist so geheim, dass ich nicht weiß, was es für ein Geheimnis ist, obwohl ich andererseits glaube, dass es zum Ende des Krieges zwischen dem Imp-RImp und den Rebellenden führen wird. Ich hoffe, dass das Geheimnis, wenn ich es an Euch, Knofi, weitergebe, den Kräften des Guten dienen wird. Bitte, sorgt dafür, dass der Roboter zu meinem Adoptivvater auf den Planeten Ja!Buh! gelangt. Steht mir bei, Knofi. In meiner Liste der Top 100 steht Ihr in der ersten Hälfte ziemlich weit oben. »Jopi-An Knofi?« »Mein Deckname«, sagte Opi. »Da die Gicht mich etwas schlotterig gemacht und das Alter mich gebeugt hat, hielt ich es für besser, mir eine Tarnexistenz zuzulegen.« »Kennst du die Dame?« »Ja. Nun ja, ich kannte ihre Mutter. Ganz gut. Zufälligerweise.« »Sie hat schöne Augen«, murmelte Luke verträumt. »Auch wenn die unansehnlichen Fungoiden, die an den Seiten ihres Kopfes wachsen, etwas weniger anziehend sind.« »Ja. Aber ein Gentleman übersieht so was natürlich.« Luke errötete. »Wie heißt sie?«, fragte er. »Prinzessin Lepra. Wir müssen tun, was sie sagt. Wir müssen den Droiden zum Oberkommando der Rebellenden bringen. Ich hoffe doch, du hast nichts dagegen, in eine Rebellion gegen das Imperiale Reichsimperium verwickelt zu werden, die möglicherweise nicht nur mit deinem Tod endet, sondern auch mit dem Mord an deinen Freunden und deiner Familie sowie dem Umpflügen eurer Familienäcker mit arkturanischem Salz?« »Tja«, sagte Luke. »Ich hatte zehn Jahre lang vor, mich der Fliegenden Schwadron des Imperialen Reichsimperiums anzuschließen. Ich war bei jedem ›Tag der offenen Tür‹. Ich bin aktives Mitglied der Juniorkadet-
ten, lese jede verfügbare Literatur zum Thema und lasse keine Seifenoper aus, die sich damit befasst – ganz besonders Angst und Gehorsam: Die nächste Generation. Ganz allgemein bereite ich mich zudem auf ein Leben als Imp-R-Imp-Pilot vor. Andererseits wirkst du wie ein ganz passabler Kerl auf mich. Ich freue mich, dass ich den Plan meines zukünftigen Lebens in dieser Sekunde vergessen und bei dir mitmachen kann.« »Ich zieh schon mal die Plane von meinem Schwebelieferwagen«, sagte Opi. »Und dir rate ich, etwas anzuziehen.« Luke schaute an sich hinab. Wie es bei Langzeit-Nudisten öfter vorkam, hatte er völlig vergessen, dass er so nackt war wie ein Brathähnchen. »Mach ich«, sagte er.
5 Das Imperium. Dam-dam-dam-damm, di-dam, dammdidam!
Prinzessin Lepra wurde von den dienstgeilsten Wachen im untersten Verlies im tiefsten Inneren des neuesten gewaltigen monströsen mechanischen Apparats des Imperialen Reichsimperiums gefangen gehalten. Offiziell nannte man dieses Gerät »Gesundheitsstern«, doch inoffiziell war es überall unter der Bezeichnung Todesheilbad bekannt – und gefürchtet. Und was, fragst du dich, ist ein Todesheilbad? Nun, da du gefragt hast, werde ich es dir erklären. Das Imperiale Reichsimperium hatte diese mondgroße bewegliche Maschine viele Monate lang im Geheimen gebaut. Man wollte mit diesem Ding die ganze Galaxis entgiften und mit Muskeln versorgen und sämtliche Krankheiten sowie jegliche Trägheit und Unkeckheit ausradieren. Anders ausgedrückt: Das Ding war für jede normale, nicht faschistische Lebensform eine grauenhafte Bedrohung. Unter den abscheulichen Anwendungen des Todesheilbades würde sich das schlaffe bleiche Fleisch, mit dem die meisten der Trillionen Nicht-Imp-R-ImpBürger geschlagen waren, einfach auflösen, denn nur wenige körperliche Konstitutionen können dem Entgiftungsbeschuss eines intensiven Todesheilbadangriffs standhalten. Erschlaffte, jahrelang nicht benutzte Muskeln reißen nämlich, wenn sie einem starken elektronischen Massageangriff ausgesetzt werden. Sehnen, die Jahrzehnte nur dazu gedient haben, Arme und Beine am Torso zu halten, zerreißen, wenn man sie der Belastung eines unvorbereiteten Todesheilbadtrainings aussetzt. Die in Trillionen von humanoiden und nicht humanoiden Brustkörben schlagenden Herzen haben fast nie mehr getan als ein paar Mal pro Sekunde eine Hand voll schmieriges Blut in die allgemeine Richtung des »Kreislaufes« zu drücken. Unter der Belastung, die ein »Trainingsstrahl« des Todesheilbades erzeugt, sind sie
alle dem Untergang geweiht. Nur die fittesten, härtesten, dünnsten und allerschönsten – also die Faschisten – werden überleben. Als der Blick des Herrschers des Imperialen Reichsimperiums auf die noch zu integrierenden Welten der Galaxis fiel, sah er viele Planeten, die von dicken Schleimbeuteln bewohnt waren, die körperliche Betätigung verabscheuten. Manche dieser Schleimbeutel waren echt, nämlich Bewohner der fraglichen Planeten. Oftmals waren es aber auch Menschen, deren Leib schleimbeutelähnliche Eigenschaften aufwies, denn sie hatten seit Jahren nur noch auf Zucker und Schweineschmalz basierende Nährstoffe zu sich genommen und sich vor dem Fernseher rumgelümmelt. Für diese Kreise war schon der Gedanke an das Todesheilbad ein unvorstellbares Grauen. Eben deswegen hatte der Herrscher befohlen, ein solches zu bauen. Aber warum – fragst du dich jetzt – hat der Herrscher nicht einfach seine gewaltige, gut ausgebildete Raumflotte in Marsch gesetzt und sie mit bestens ausgebildeten Sturtrupplern bemannt, um die noch nicht eroberten Welten zu bezwingen? Hatte seine gigantische Militärmaschine – fragst du weiter, weil du glaubst, dass du mich jetzt erwischt hast – denn nicht schon die Trillionen Köpfe zählende Bevölkerung des ImpR-Imp unterdrückt und gefügig gemacht? Dies sind gute Fragen. Und die Antworten? Die Antworten lauten, damit es spannender für dich wird, nein und nein. Gestatte mir, dich hinsichtlich der Entwicklung und gegenwärtigen Disposition der imperialen Streitkräfte auf den neuesten Stand zu bringen. Das Imp-R-Imp beherrschte die vierzigtausend kolonisierten Welten der Galaktischen Bundesvereinigung mit einer gnadenlos alles unterdrückenden Militärstreitmacht. Seine Raumflotte machte Eindruck. Vielleicht erzeugte sie auch Furcht. Ja, es war das Letztere. Ihre Schlachtfregatten waren dreißig Kilometer lang – abscheulich bewaffnete titanische Konstruktionen aus Metall und Kunststoff. Doch so groß sie auch waren, neben den vom Bug bis zum Heck hundertfünfzig Kilometer messenden Superschiachtschiffen waren sie Zwerge. Andererseits konnten sich hundert dieser Superschiachtschiffe leicht im Unterbauch eines
Extra-Super-Großen Kolossal-Mega-Eimer-Macho-HyperKreuzers verstecken, dem größten Schiff der Flotte. Von diesem Schiff muss man wiederum sagen, dass es das größte Schiff der Flotte war, bis der Herrscher anordnete, einen Goliath-Gigantus-Doppel-KathedralenMegasuperhyper-Zerstörer zu bauen. Diese Flotte wurde auf die Tintenschwärze des Weltraums losgelassen, um sie zu bewachen und zu beherrschen und um das Imperiale Reichsimperium durch pures Entsetzen und brutale Gewalt zusammenzuhalten – außerdem noch durch die gewaltige Brutalität seiner entsetzlichen… Doch obwohl die Flotte Furcht erzeugte, gelang es ihr nicht sehr wirkungsvoll, die aufblühende Opposition der Rebellenden tatsächlich zu besiegen. Bei einigen Raumschlachten kriegte sie sogar den Arsch versohlt. Es gab offenbar technische Probleme. Ein Problem bestand darin, dass die Raumschiffe des Imp-R-Imp so riesig waren, dass sie drei Wochen zum Anhalten brauchten. Ihr Wendekreis betrug siebzehn Parsec. Die Allianz der Rebellenden flutschte in ihren viel kleineren und weitaus besser manövrierbaren Schiffen nur so an ihnen vorbei. Deswegen hatte der imperiale Herrscher die Exekution der Ingenieure befohlen, die die diversen Großraumschiffe entworfen hatten, und stattdessen den Bau von Zwe-Flis* angeordnet. Man stellte Millionen dieser Gefährte her: kompliziert konstruierte, mit Laserdisruptorgeschützen ausgerüstete Kugeln, die an jeder Seite über Solarpaneele verfügten, die zwar in der Finsternis des Weltraums nicht sehr nützlich waren, doch immerhin dazu beitrugen, die Bordwassertankheizrohre aufzuwärmen und so – je nach verfügbarem Sonnenlicht – die Stromrechnung des Gefährts um sieben Prozent zu senken. Bei der Schlacht von Progrok 7 setzten der Herrscher und seine Furcht einflößende rechte Hand Schwarz Vater eine Flotte von einhunderttausend Zwe-Flis in Marsch, um eine viel kleinere Streitmacht der Rebellenden zu vernichten. Doch dann zeigte sich, dass die Zwe-Flis ein neues Problem aufwarfen, und zwar dieses: Die Einsatzleiter konnten den Befehl »Dichter *
Abk. f. »Zwergen-Flieger«
fliegen, Zwergen-Flieger« nicht vier- bis fünfmal in rascher Folge aussprechen, ohne sich zu verhaspeln und »Flichter diegen, FlergenZwieger« zu sagen. Da die Piloten der Imperialen Flotte eine Hypnoseschulung erhalten hatten, damit sie alle Befehle, so bizarr sie auch klangen, sofort und ohne Rückfragen ausführten, gaben sie sich alle Mühe flichter zu diegen, was natürlich nicht sehr einfach war. Viele krachten in die Gefährte ihrer Kameraden. Manche flogen im Kreis, bis die Rebellenden sie in Fetzen schossen. Einer oder zwei flogen ganz und gar davon. Die Schlacht war ein Schuss in den Ofen. Pfandmuffel Tartar stand mit einer pfandfreien Glasflasche in der Hand im Kontrollraum des Todesheilbades. Seine leichenhafte Visage glotzte ungerührt auf den großformatigen Monitor, der sich vor ihm befand. Zwei Sturtruppler brachten Prinzessin Lepra zu ihm. »Tartar!«, stieß sie höhnisch hervor. »Ich hätte es mir doch denken können.« »Wirklich?«, höhnte Tartar. »Ihr könnt mich foltern, so oft Ihr wollt«, sagte Lepra mutig. »Ich verrate Euch trotzdem nicht, wo sich die Hauptbasis der Rebellenden befindet.« Der Pfandmuffel reagierte überrascht auf diese Worte. »Es gibt also doch eine Hauptbasis der Rebellenden, was?«, sagte er. »Das hab ich gar nicht gewusst. Ich dachte immer, ihr wärt in der ganzen Galaxis und außerhalb über zahllose kleine Winzbasen verstreut.« »Ähm«, sagte Prinzessin und schaute sich um, als suche sie nach einer Idee. »Ja. Sooo ist es auch. Wir sind überall verstreut. Es ist nicht so, wie ich gesagt habe. Ich hab mich versprochen. Es gibt gar keine Hauptbasis. Stimmt genau. So was in der Art existiert gar nicht. Es gibt keine Hauptbasis.« »Warum habt Ihr dann gesagt, es gäbe eine?« »Ich wollte eigentlich sagen… Ihr könnt mich foltern, so oft Ihr wollt, aber ich werde Euch nie… ähm… enthüllen, an welchem Standort sich
die vielen kleinen in und außerhalb der Galaxis verstreuten Basen der Rebellenden befinden.« »Vermutlich könnte ich aus dem Wort Standort ableiten, dass sie sich in und außerhalb der Galaxis befinden«, sagte Tartar. »Kalt oder warm?« »Ähm«, sagte die Prinzessin. »Aber viel mehr interessiert mich die Hauptbasis, die Ihr erwähnt habt.« »Ich? Ich hab nichts über die Hauptbasis gesagt. Also ich habe gar nichts über irgendeine Hauptbasis gesagt.« »Ich habe unser Gespräch aufzeichnen lassen. Wollt Ihr, dass ich es Euch vorspiele?« »Hört zu… Ich könnte doch auch wieder rausgehen. Dann lasst Ihr mich von der Wache wieder reinbringen, und wir fangen noch mal von vorn an.« »Wo ist die Hauptbasis, Prinzessin?« »Oh, nein«, sagte die Prinzessin und schüttelte ihr Haupt. »Mich legt Ihr nicht rein. Bloß weil Ihr mich ganz zu Anfang mal reingelegt habt, bedeutet dies keinesfalls, dass ich meine Freunde verrate. Selbst wenn Ihr einen Versuch machtet, Gregbär anzugreifen, würde ich Euch nie sagen, dass wir keine starken Abwehrschilde und keine wirklich großen Laserkanonen haben.« Tartar nickte langsam. »Die Hauptbasis befindet sich also auf dem Planeten Gregbär?« Die Prinzessin stieß ein leises Gurgeln aus. »Habt Ihr das etwa verstanden? Ähm, mit Eurem Gehör ist wohl etwas nicht… Ich könnte ebenso gut Breggär gesagt haben. Oder Regbrär. Gregbär hab ich jedenfalls nie gesagt. Da müsst Ihr Euch verhört haben. In Wirklichkeit gibt es überhaupt keine Hauptbasis. Es gibt auch keinen Planeten namens Gregbär. Ich hab ihn einfach gerade erfunden. Ähm.« »Vielen Dank, meine Liebe«, sagte der Pfandmuffel und gab seinen Sturtrupplern mit einer Geste zu verstehen, dass sie die Gefangene wieder in die Arrest-Suite bringen sollten. »Ihr habt mir sehr geholfen.« »Moment!«, schrie Prinzessin Lepra. »Ich bestehe auf einem neuen Verhör! Ich bestehe auf meinem Recht, erneut verhört zu werden…«
Ihre Schreie verstummten, als man sie durch einen der länglichen Metallkorridore des Todesheilbades schleifte.
6
»Dies [Handbewegung] sind nicht die Droiden, die Ihr sucht.«
Es war keine bequeme Fahrt in Opis Schweber zur Stadt. Sein Schwebeauto war nämlich ein jämmerlicher Vertreter seiner Art und eigentlich mehr oder weniger ein Überdenbodenschleifauto, das gegen jeden Kieselstein knallte, der sich ihm in den Weg stellte, und dann von ihm abprallte. Doch schließlich erreichten sie die Anhöhe, auf der Motzarella lag, die Hauptstadt des Planeten Tätowiermir. Zuerst sah man nicht mehr als ein paar baufällige Lehmziegelhütten, vor denen ein paar humanoide Fremdwesen in Arbeitskitteln herumlungerten. Doch nachdem das Schwebeauto um eine Ecke gebogen war, erblickte man überraschenderweise einen riesigen offenen Platz, auf dem Myriaden von Nichtmenschen bizarre Waren verkauften, sich gegenseitig anblafften und ganz allgemein von hier nach da gingen. Am Rande des Platzes erschreckte ein auf einer weiteren sehr realistisch und lebendig wirkenden Rieseneidechse reitender Sturtruppler einen siebenbeinigen Schweberadfahrer so sehr, dass dieser von seinem Fahrzeug fiel. Dann kam die nächste Ecke. Wieder rumpelte das Schwebeauto durch triste, nur von wenigen Städtern frequentierte Straßen. Sie fuhren durch die zwielichtige Vorstadt in die zwielichtige Innenstadt und hielten erst an, als zwei Imp-R-Imp-Sturtruppler sie mit einem Wink an einer Straßensperre stoppten. »Halt!«, rief der erste Sturtruppler und näherte sich dem Fahrzeug von der Seite. »Wir haben den Befehl, jedes Fahrzeug zu durchsuchen, das in den Hafen einfährt. Wir müssen zwei Droiden ausfindig machen. Sie sind Reichsbesitz und werden beschlagnahmt. Jeder, der dabei erwischt wird, dass er sie einschmuggeln will, wird festgenommen.« Sein Blick fiel auf den Rücksitz des Schwebers, auf dem Luke mit beiden Droiden saß. Alle bemühten sich, unschuldig dreinzuschauen. »Einer ist eine goldene Nervensäge«, fuhr der Sturtruppler fort. »Der andere ein Nachttopf.« Er stierte SAF4711 und WC-Nullnull lange an. »Hat einer von euch diese Droiden gesehen?«
»Was sollen wir jetzt machen, Opi?«, flüsterte Luke in Opis rechtes Ohr. »Sie suchen unsere Droiden. Er hat gesagt, sie werden uns festnehmen.« »Mach dir keine Sorgen junger Freund«, sagte Opi. »Ich habe nämlich vor, diese illegalen Droiden an der Nase dieser Sturtruppler vorbeizuschmuggeln.« »Ach, wirklich?«, flüsterte Luke. »Wie sieht dein Plan aus?« »Euch beiden ist doch wohl klar«, sagte der Sturtruppler und beugte sich ein Stück über den offenen Wagen, »dass ich hören kann, was Ihr da sagt? Euer Getuschel wäre auch dann noch ziemlich laut, wenn mein Helm nicht mit einem Klangverstärker ausgerüstet wäre. Was er aber ist.« Luke schaute den Soldaten bestürzt an. »Die Pracht wirkt sich auf einen mit ihr unvertrauten Geist sehr heftig aus«, fuhr Opi weltvergessen fort. »Ich werde mich einer besonderen Stimmlage bedienen, um ihn auszuschalten.« »Also hört mal«, sagte der Sturtruppler, der nun ein wenig stinkig klang. »Ich hab alles verstanden. Ihr habt gesagt: ›Die Pracht wirkt sich auf einen mit ihr unvertrauten Geist sehr heftig aus.‹ Ihr strengt Euch ja nicht mal an. Wäre es nicht besser gewesen, einen Plan zu schmieden, bevor Ihr an unsere Straßensperre gekommen seid?« »Mein guter Mann«, sagte Opi zu dem Sturtruppler. »Dies sind nicht die Droiden, die Ihr sucht.« »Soll das etwa heißen«, sagte der Sturtruppler, »dass dies nicht die Droiden sind, die wir suchen?« Opi runzelte die Stirn. Sein Lächeln fror leicht ein. Dann jedoch kehrte es umso strahlender auf seine Miene zurück. »So ungefähr«, sagte er. Der Sturtruppler schaute ihn an. »In Ordnung«, erwiderte er. »Wenn Ihr es sagt.« »Komm schon, Opi, lass uns abhauen«, sagte Luke drängend. »Einen Moment noch«, sagte Opi. »Schaut mal.« Er schüttelte eine Zwiebel aus den Falten seines braunen Umhangs. »Hier, mein Lieber«, sagte er und reichte sie dem Sturtruppler. »Ist für Euch. Ein leckerer Apfel.« Er drehte sich ein Stück herum und zwinkerte Luke zu.
»Opi«, sagte Luke mit panikerfüllter Stimme. »Lass uns jetzt abhauen.« »Danke«, sagte der Soldat. Er klang zwar leicht überrascht, nahm die Zwiebel aber an sich. »Wollt Ihr nicht mal reinbeißen?«, fragte Opi listig. »Hm, na, wie ist es?« »Tja, aber dann müsste ich ja den Helm abnehmen«, sagte der Sturtruppler. »Und das darf ich im Dienst nicht tun. Ich hebe ihn mir für später auf. Dennoch vielen Dank.« »Lass uns abhauen, Opi, biiiitte«, bettelte Luke. »Einen Moment noch. Ich will Euch mal was sagen, Herr Sturtruppler. Wisst Ihr, was ich glaube? Ich glaube, Ihr seid ein arkturanisches Huhn. Ihr seid doch eins, oder?« »Ein Huhn?«, wiederholte der Soldat verunsichert. »Genau. Ein Huhn. Ihr müsstet eigentlich gackern, meint Ihr nicht auch?« »Gack«, sagte der Soldat vorsichtig, als wolle er den alten Knaben veräppeln. »Ich würde sagen, dass ein Gackern eher so klingt«, fuhr Opi ermutigend fort. »Ga-ga-gack! Ga-ga-ga-gack! Ga-ga-ga-gack!« Er wedelte kurz mit den Armen. »Ihr wisst doch – etwas hühnerhafter.« »Ihr könnt Euren Geschäften nachgehen«, sagte der Sturtruppler und winkte sie durch. »Geht Euren Geschäften nach. Bitte.« Sie parkten vor einem heruntergekommen und zwielichtig aussehenden Lokal. Darüber hatte man eine Neonröhre von gigantischer Länge so gedreht und geformt, dass sie die Worte Bingo Bongo Bar bildete. Möglicherweise war es auch erleuchtet, doch das konnte man im stechend hellen Sonnenschein des Tätowiermir-Morgens nicht genau erkennen. »Da rein«, sagte Opi. »Wir suchen uns einen Piloten, der uns nach Ja!Buh! fliegt! Sei vorsichtig… Dies ist nämlich der Ort, an dem sich der Abschaum der Galaxis trifft, um zu trinken, Nüsse zu essen, Billard zu spielen und mit seinen Freunden zu tratschen. Und Münzen in Obstautomaten zu stecken. Es ist der Abschaum des Abschaums der Galaxis. Hier muss man einen klaren Kopf behalten.«
»Ich bin bereit.« »Wir lassen die Droiden im Wagen.« Zusammen passierten sie die niedrige Tür. Es war dunkel in dem Lokal. Außerdem fast leer. Die Bar müffelte nach Dingen, nach denen Bars um elf Uhr morgens eben müffeln: nach kaltem Rauch, schalem Bier und dem Vergnügen von gestern. Hinter der Theke saß ein Barweltler auf einem Hocker und trank Bier. In einem Eckalkoven nippte ein gut aussehender menschlicher Mann an seinem Bier. Neben ihm war ein yetiähnliches Geschöpf über dem Tisch zusammengesackt. Es schien zu schlafen. Ansonsten war die Kneipe leer. »Hier drin ist ja nur ein Mensch«, sagte Luke. »Hoffentlich ist er ein Pilot«, sagte Knofi. Er schlurfte knarrend durch das Lokal und setzte sich zu den beiden Gästen. »Hallo«, sagte der gut aussehende Bursche. Er sah wirklich toll aus. Er hatte erkennbar männliche Gesichtszüge und wunderbar feines Haar, das perfekt gekämmt und nicht im Geringsten verstrubbelt war. »Kann ich euch helfen, Leute?« »Das hoffe ich doch«, sagte Knofi. »Wir suchen einen Piloten.« »Ich bin Pilot«, sagte der Mann. »Ich heiße Hans Polo und stehe zu Diensten. Das hier ist Aubacke, mein Kopilot. Stört ihn nicht. Er hiberniert gerade.« »Ich bin Opi-Jan Knofi«, sagte Knofi. »Und das ist Luke Skyquaker.« Dann fuhr Knofi ungeduldig fort: »Wir müssen Folgendes wissen: Können wir dich und dein Schiff engagieren, damit du uns von diesem Planeten fortbringst, ohne dass die Vasallen des Imperialen Reichsimperiums uns schnappen?« »Klar«, sagte Hans. »Wie viel blecht ihr?« »Zehntausend imperiale Kroyten«, sagte Knofi mit der Aura eines Menschen, der nicht die geringste Ahnung hat, wie man feilscht. »Das käm mir gut zu pass«, sagte Hans. »Denn zufälligerweise schulde ich einem örtlichen Ganoven genau diese Summe. Kennt ihr ihn? Er heißt Pizza der Hut, ist 'n nicht menschliches Lebewesen und sieht aus
wie 'n gigantischer, mit abstoßenden roten Pocken bedeckter Kotzbrocken. Er beherrscht diese Stadt mit gnadenloser und gewalttätiger Grausamkeit.« »Ich hab noch nie von ihm gehört«, sagte Luke. »Na ja, ich bin ja auch ein braver Mittelklassejunge. Was hast du denn für ein Schiff?« »Es heißt Millennium Wanze«, sagte Hans Polo. »Kein guter Name, ich weiß. Ich hatte es eigentlich Millennium Wespe nennen wollen, aber der Name war schon vergeben. Das Gleiche galt für Millennium Schmetterling, Millennium Gottesanbeterin und Millennium Fliege.« »So hübsch diese Konversation auch ist«, sagte Knofi. »Ich glaube, wir sollten wirklich gehen. Die Zeit drängt nämlich und so weiter.« »Genau«, sagte Hans Polo. »Wir werden meinen Kopiloten tragen müssen.« »Tragen?« Knofi erstarrte mitten im Aufstehen. »Habt ihr nicht verstanden? Er hiberniert. Er ist ein Wuthi. Er hält sechs Monate im Jahr Winterschlaf. Auf Wuth dauert das Jahr nur sieben Monate. Aubacke ist immer nur einen Monat wach, aber dann ist er nicht ganz bei sich. Da ist es natürlich nicht verwunderlich, wenn er in seinem wachen Monat müde ist. Er muss alles in diesen einen Monat packen. Das ist ganz schön erschöpfend.« Knofi bedachte die haarige Gestalt mit einem ziemlich abfälligen Blick. »Was ist er für einer?«, fragte er. »Irgendeine Art Riesenhunderasse?« »So was in der Art«, sagte Polo. »Kommt, ich wuchte mir einen Arm über die Schulter, und du – hast du gesagt, du heißt Luke? – schnappst dir den anderen.« Als sie ins Freie traten, wartete eine unangenehme Überraschung auf sie. »Hallo«, sagte der Reichssturtruppler. »Erinnert Ihr Euch an mich? Es hat sich erwiesen, dass ich doch kein Huhn bin. Und der Apfel, den Ihr mir geschenkt hat, schmeckt grauenhaft.« »Ah«, sagte Knofi. Hinter dem Sturtruppler ragte ein ganzer Trupp Soldaten auf. Und hinter diesem ein anderer. Alle waren mit Laserge-
wehren ausgerüstet, und keiner machte den Eindruck, als sei es ihm unangenehm, seine Waffe auch einzusetzen. »Offen gesagt«, sagte der erste Sturtruppler, »Ihr seid eingelocht. Und Eure Droiden sind beschlagnahmt.« »Schnell«, keuchte Hans Polo, der vom Gewicht seines schlafenden Gefährten zu Boden gezogen wurde. Luke war ziemlich rot im Gesicht geworden. »Zum Schweber.« »Keine Angst!«, schrie Knofi. »Ich werde sie mit meinem Neonschwert abwehren. Ihr steigt in meinen Schweber und haut ab. Fahrt schnell weg und begebt euch zu Mr Polos Raumschiff. Los!« Vor Lukes verdutztem Blick zog Knofi ein langes schmales Glasrohr aus dem Gewand. Er hantierte irgendwo am unteren Teil des Rohrs an einem Schalter, und daraufhin verwandelte es sich in eine strahlende, leicht flackernde Leuchtröhre. Als die Sturtruppler verblüfft zurückwichen, schwang Knofi das Ding über seinem Kopf und nahm die Kampfstellung eines Fechters ein. »En garde!«, sagte Opi. »Mittlere Wache – aufgepasst! Linke Wache! Rechte Wa… beziehungsweise die rechte nicht. Zieht blank!« Das leuchtende Rohr verharrte, als er es quer vor seinen Brustkorb hielt. Sein knochiger Ellbogen stupste fast an sein Ohr, und er hatte eine bedrohliche Miene aufgesetzt. Der ganz vorn stehende Sturtruppler erholte sich nun und öffnete das Holster seiner Laserpistole. Mit einer Flinkheit, die man seinem äußerlich alten und gebrechlichen Leib nicht zugetraut hätte, sprang Knofi vor und drosch das Neonschwert jäh nach unten, um den Schussarm des glücklosen Soldaten von der Schulter zu trennen. Das Neonschwert kollidierte mit dem Oberarm des gepanzerten Sturtrupplers. Ein lautes Klirren ertönte. Das Licht ging aus, die Spitze des Glasrohrs brach ab. Splitter fielen zu Boden. Die Rüstung des Sturtrupplers war unbeschädigt. »Ähm«, sagte Luke. »Au weia«, sagte Knofi und untersuchte die kaputte Gerätschaft. »Offen gesagt… Eigentlich ist es ja mehr eine zeremonielle Waffe.«
Der Sturtruppler hob seine Laserpistole und feuerte. Ein roter Strahl aus pulsierender Energie pfiff durch die Luft. Er war tödlich, doch eigenartigerweise bewegte er sich so langsam, dass Knofi den Kopf ein Stück zur Seite drehen konnte. Der Schuss verfehlte ihn um Millimeter und traf Hans Polo in die Brust. Der Pilot schrie »Aua!« und fiel zu Boden. Aubacke brach auf ihm zusammen und riss Luke ebenfalls um. Im Liegen befand sich Lukes Gesicht ekelhaft nahe an einer großen Wunde in Hans' Brustkorb. Sie blutete schlimm und dampfte leicht. »Oh, nein«, sagte er. Hans Polo ächzte nur. Dann wurde Luke urplötzlich von einer übernatürlichen Kraft gepackt und ohne Federlesens auf die Heckladefläche des Schwebers geworfen. Knofi saß am Steuer. SAF4711 wuchtete die erschlafften Körper von Aubacke und Hans Polo in den Wagen. »Ohne Roboter kommt man aus dem Schlamassel nicht raus«, sagte er. »Auf geht's.« »Wohin denn?«, fragte Knofi. Laserstrahlen aus den zahlreichen Waffen der Sturtruppler zersäbelten über ihren Köpfen die Luft. »Raumhafen, Hangar 337«, keuchte Polo und betastete seine Wunde. Sein Gesicht zeigte, dass ihm etwas wehtat. »Gebongt«, sagte Knofi. Der Wagen raste los und wich geschickt den Laserstrahlen aus, die gegen die Karosserie knallten und gefährlich nahe an ihren Köpfen vorbeizischten.
7
An Bord der ISS Ordnung aufgrund von Angst und Gehorsam XVII in der Kreisbahn um Tätowiermir. (Damdam-dam-damm, di-dam; dam-dam-dam-damm, didam)
Hoch oben im polaren Orbit um den Planeten hielt sich Schwarz Vater in seinem teuren, doch nur minimal geschmückten Quartier auf. Er brütete vor sich hin. Er hatte Meldungen vom Todesheilbad erhalten. Er hatte mit Seiner imperialen Majestät kommuniziert, die vorausgesehen hatte, dass es nicht mehr nötig war, die Droiden auf dem Planeten da unten zu verfolgen. Es gab neue Befehle: Er sollte sich nach Gregbär begeben, der Welt, zwischen deren nudistischen Bewohnern man die Kommandozentrale der Rebellenden ausgemacht hatte. Trotzdem brütete Schwarz Vater vor sich hin. In seinem Kopf war allerhand los. Er rief den Kommandanten des Zerstörers in sein Quartier, der sofort kam, da Treue und Entsetzen ihn motivierten. »COMMANDER…«, röchelte Schwarz Vater unheilvoll. »Ja, Lord Vater.« Commander Axl Schweyss stand stramm und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Nach langem Nachdenken war ihm aufgefallen, dass es sich stets auszahlte, wenn man Schwarz Vaters Helmplatte nie direkt anstierte. Wenn man geradewegs in seine großen schwarzen Cyborg-Augen schaute, erweckte man nämlich den Eindruck unverschämter Aufsässigkeit, die in etwa der Bitte um einen Knoten in der Luftröhre gleichkam. Schaute man jedoch zielstrebig von Lord Vater weg, als sei er zu abscheulich, als dass man ihn ansehen konnte – was er offensichtlich auch war –, war auch dies ein Schäkern mit der Katastrophe. Eigentlich war es sogar mehr. Es war eher ein Schäkern der Art, dass man der Katastrophe mit alkoholischen Getränken zu Leibe rückte und sie drängte, einen an diesem Abend nach Hause zu begleiten. Es war, als würde man sich an sie heranmachen, indem man sie beharrlich mit erotischen E-Mails belästigte und vor ihrer Haustür herumlümmelte, um sie in ein Gespräch zu verwickeln, obwohl sie es eilig hatte, zur
Bushaltestelle zu kommen. Axl Schweyss riss all seine Kraft zusammen, um die genaue Balance zwischen diesen beiden gefährlichen Verhaltensweisen zu finden. Er stand stramm und rührte sich nicht. »IHR WERDET DIE FLOTTE ZUM PLANETEN GREGBÄR BRINGEN«, befahl Vater. »Auf der Stelle, Lord Vater.« »DAS TODESHEILBAD WIRD EUCH FOLGEN.« »Gewiss, Lord Vater.« Dann brach ein peinliches Schweigen aus, das nur von dem schnarchenden Röcheln unterbrochen wurde, das unter Schwarz Vaters Helm hervordrang. Commander Schweyss wartete ab und bemühte sich, die absolute und respektvolle Reglosigkeit beizubehalten. Vierzehn seiner Vorgänger waren gestorben, weil der verärgerte Siff-Lord aus ihrer Gurgel Kleinholz gemacht hatte. Er wartete. Es war nicht einfach. Seine Nasenspitze kitzelte nämlich, und dieser Reiz drohte, wie beim Kitzeln üblich, schlimmer zu werden, bis er sich, wenn man nicht achtsam war, in einem gewaltigen Niesen entlud. Was angesichts der wiederaufbereiteten Luft in diesem Zerstörer und der Tatsache, dass der Thermostat immer ein wenig zu hoch eingestellt war, dazu führte, dass Commander Schweyss ziemlich regelmäßig niesen musste. Außerdem musste er ständig husten. Er fragte sich, was Schwarz Vater wohl mit einem Untergebenen anstellte, der die Kühnheit besaß, auf seinen absolut makellosen schwarzen Umhang zu niesen. Er hatte sehr wahrscheinlich kein Verständnis dafür. Schließlich war die Flotte dreitausend Lichtjahre von der nächsten chemischen Reinigung entfernt. »COMMANDER…«, röchelte Schwarz Vater endlich. Commander Schweyss' Herzschlag geriet kurz ins Stolpern. Er kannte diesen Tonfall. Schwarz Vaters Tonfall war zwar noch immer unheilvoll, tiefgründig und mit Tod und Finsternis befrachtet, doch diesmal enthielt er auch eine winzige Spur von… Sorge. Wenn Lord Vater auch mörderisch gnadenlos war, so war er doch immer wenigstens vorhersehbar mörderisch gnadenlos. Wenn er in eine Stimmung wie diese geriet, spürte Commander Schweyss, dass in seinem Inneren ein ontologisches Entsetzen gähnte. Es gähnte aber nicht, weil es müde und im Begriff
war einzunicken. Oh, nein. Es gähnte, weil es ihn verschlingen wollte – an einem Stück. Weil es ihn in einer Agonie aus Säure und zerquetschenden, sich zusammenziehenden Muskeln verschlingen und verdauen wollte, um… Wenn man's sich genau überlegt, ist »gähnte« vielleicht doch nicht der richtige Ausdruck. Es war eher ein Klaffen: schauerliche, weit offene Kiefer, die ihre rasiermesserscharfen Zähne im Sonnenschein aufblitzen ließen. »Ja, mein Lord?« »COMMANDER… DIE MÄNNER…« »Die Männer, mein Lord?« »SAGT MIR… HABEN SIE SCHON MAL GESAGT, ICH HÄTTE KEINEN SINN FÜR HUMOR?« Was für eine schreckliche Frage. Schweyss schnappte nach Luft. »Die Männer sind zu entsetzt und zu loyal, um je über Euch zu reden, mein Lord – egal, in welchem Zusammenhang.« »GUT«, sagte Schwarz Vater. Er drehte dem Commander den Rücken zu. »GUT. WEIL ICH NÄMLICH DOCH SINN FÜR HUMOR HABE. ICH HABE ZUFÄLLIGERWEISE SEHR VIEL SINN FÜR HUMOR. AUCH WENN DIESER ZUGEGEBENERMASSEN ZIEMLICH SCHWARZ IST.« »Natürlich habt Ihr Sinn für Humor, mein Lord«, sagte Schweyss und betete darum, dass Vater ihn endlich hinausschickte oder – falls er dies nicht tun wollte – schnell tötete, damit sein Elend endlich ein Ende hatte. »ERST NEULICH«, röchelte Schwarz Vater in der unheilvollen Imitation eines unbeschwert lässigen Einwurfs, »SAGTE ADMIRAL MISEREOR-CARITAS… ›SCHWARZ VATER‹, SAGTE ER, ›ICH FINDE DIESE MELDUNGEN ÜBER DIE REBELLENAKTIVITÄTEN IM HAMILTON-QUADRANTEN SCHWER VERDAULICH.‹ ICH ERWIDERTE: ›ACH, WIRKLICH? WIRKLICH? SCHWER VERDAULICH, SAGEN SIE?‹ UND ICH ZERQUETSCHTE SEINE GESAMTE SPEISE- UND LUFTRÖHRE, INDEM ICH NUR DIE
KRAFT DER PRACHT EINSETZTE. ALS ER DANN STERBEND AUF DEM DECK LAG, SAGTE ICH: ›UND WIE SCHWER IST DAS ZU VERDAUEN, HE?‹« »Sehr witzig, mein Lord«, sagte Commander Schweyss. Der Schweiß tropfte von seinem Gesicht, aber er rührte sich noch immer nicht. »ICH HAB ES AUF ZIEMLICH LÄSSIGE UND VERBINDLICHE WEISE GESAGT«, fügte Schwarz Vater hinzu. »Da bin ich mir ganz sicher, mein Lord.« »WIE DER JUNGE SEAN CONNERY. IN EINEM CONNERY-ARTIGEN TONFALL.« »Ja, mein Lord.« »NICHT AUF SO 'NE HOCHNÄSIGE ART WIE ROGER MOORE. ICH HAB'S AUF VERBINDLICHE, DOCH TÖDLICHE WEISE GESAGT.« »Ja, mein Lord.« »WÜRDET IHR NICHT AUCH SAGEN, DASS ES KOMISCH WAR?« »Urkomisch. Wirklich, mein Lord.« Schwarz Vater marschierte mit weit ausholenden Schritten zu einem gewaltigen kreisförmigen Bullauge, das ihm in seinen Räumlichkeiten eine beeindruckende Aussicht auf den khakifarbenen Planeten gestattete, der sich unter ihnen immer um sich selbst drehte. »IHR SAGT ES ZWAR«, röchelte er, »ABER IHR LACHT JA GAR NICHT.« »Ha«, sagte Schweyss mit leicht irrem Blick. »Ha. Ha-ha-ha-ha.« »ICH HABE DEN EINDRUCK, DASS IHR MICH VERSTEHT, COMMANDER. IHR WISST DIE SCHWIERIGKEITEN EINES MENSCHEN IN MEINER POSITION ZU WÜRDIGEN. NATÜRLICH HABE ICH SINN FÜR HUMOR. ICH HABE EINEN SEHR GUT ENTWICKELTEN SINN FÜR HUMOR. ERST GESTERN ABEND HABE ICH MIR WIEDER MAL AUF MEINEM 3-D-
HOLORECORDER DIE MARX-BROTHERS IN DER OPER ANGESEHEN.« »Ein Klassiker der Komik, Lord Vater.« »TROTZ ALLEM, NICHT WAHR? ICH MEINE, NICHT WAHR? ALLE SAGEN ES. UND DER WITZIGE – ER IST SEHR WITZIG, ODER NICHT?« »Der Witzige, mein Lord?« »ZEPPO, ODER? ER IST SEHR WITZIG.« Das Herz in Schweyss' Brust fühlte sich an wie ein epileptischer Kolibri, als er sagte: »Zeppo, mein Lord?« »JA, ZEPPO. ER IST DER WITZIGE, NICHT WAHR?« »Ähm… Nun ja, mein Lord… Es soll eine Menge Leute geben, die glauben, dass Groucho der…« »GROUCHO?«, bellte Vater mit pfeifender und unheilvoller Intensität. »Oder Harpo…« »HARPO? ABER ER SAGT DOCH NIE ETWAS. WAS IST WITZIG AN JEMANDEM, DER NICHTS SAGT?« Vater schien eine geraume Weile nachzudenken. »HARFE SPIELEN VIELLEICHT?«, fragte er schließlich. »WAS SOLL DARAN WITZIG SEIN?« »Was an einer Harfe witzig sein soll, mein Lord?« »JA.« »… nichts, mein Lord.« »HAB ICH MIR GEDACHT.« Vater schien eine Weile über diese essentielle und universelle Wahrheit nachzudenken. Dann sagte er, als fiele ihm erst jetzt auf, dass Schweyss noch anwesend war: »IHR KÖNNT GEHEN, COMMANDER.« »Zu Befehl, mein Lord. Ach… Lord Vater? Da war noch etwas.« »JA?«
»Ich dachte, ich sollte Euch melden, dass unsere Planetarien Truppen die beiden Droiden zusammen mit einer Reihe organischer Lebensformen lokalisiert haben, von denen wir glauben, dass sie zu den Rebellenden gehören. Sollen wir sie fangen und an Bord bringen, bevor wir nach Gregbär aufbrechen?« »JA, COMMANDER. DAS IST WIRKLICH EINE AUSGEZEICHNETE NEUIGKEIT.« »Darf ich… ähm… Darf ich gehen, mein Lord?« »JA, JA«, sagte Schwarz Vater, der schon wieder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war. Commander Schweyss verließ fix Schwarz Vaters Quartier. Als er draußen im Gang war, fing er an zu rennen.
8
Wieder auf Tätowiermir
Obwohl Commander Schweyss von der imperialen Raumflotte zuversichtlich war, dass er die Droiden und die sich bei ihnen befindenden Menschen schnappen würde, hatten selbige die Hoffnung auf ein Entwischen noch nicht aufgegeben. Wenn sie wirklich entwischten, brachten sie den Commander des imperialen Reichszerstörers natürlich in eine sehr peinliche Lage: Dann musste er zu Schwarz Vater zurückkehren und gestehen, dass er sich zu früh gefreut hatte. Das hatte dann wahrscheinlich unerfreuliche Konsequenzen für ihn. Aber es ist ein Zeichen der grundlegenden Ichsucht der Streitkräfte der Rebellenden, dass sie weder etwas von Axl Schweyss' Schicksal wussten noch sich darum scherten. Was soll man dazu sagen? »Wenn wir es auf die Millennium Wanze schaffen«, keuchte Hans Polo. »Wenn wir mein Schiff erreichen, können wir von hier abhauen und kommen ungeschoren davon.« »Moment mal«, sagte Luke und versuchte einen Blick auf Polos Wunde zu werfen. In dem wüst hin und her hüpfenden Schweber war dies jedoch nicht einfach. »Sieht übel aus«, meldete er und beugte sich über die Brust des Verletzten. »Wenn ich mich richtig an meinen Erste-HilfeKursus erinnere, brauchen wir möglicherweise…« In diesem Moment bog der Wagen jäh nach links ab und bremste. Der schlafende Aubacke fiel auf Luke und schlug ihn nieder. »Wir sind da«, rief Knofi, der vorn saß. »Kommt alle mit. Gehen wir an Bord. Die Sturtruppen sind gleich hinter uns.« Es dauerte mehrere Minuten, bis sich alle an Bord des verbeult aussehenden frisbeescheibenähnlich aussehenden Raumschiffes befanden. Es stand in einem dachlosen Hangar. Luke half Hans ins Cockpit. Alle drängten sich hinter ihm hinein. Durch die Cockpit-Windschutzscheibe sahen sie, dass die weiß gewandeten Sturtruppler in den Hangar strömten.
»Bubi«, sagte Hans Polo zu Luke und legte die Hand auf seine Brustverletzung. »Ich bin zu feddich, um die Kiste zu fliegen. Du musst die Millennium Wanze steuern und uns hier aussi bringen.« »Aussi???« »Heraus.« »Ach so. – Moment!«, schrie Luke. »Ich hab aber noch nie ein interstellares Raumschiff geflogen! Ich hatte kaum Zeit, um mit dem Golfkarren meines Onkels zu proben! Wozu ist dieser Hebel da?« Hans hievte seinen Körper in den Sessel, verzog vor Schmerz das Gesicht und beäugte den Hebel, den Luke meinte. »Das… das ist der semileptonische betakonstantische Triebwerksüberlaster. Er fokussiert die Tau-Leptonen durch den Funkabzweigungsdeterminator, damit die Neutrino-Kondensate ein konstantes Vub-Gleichgewicht bewahren und der Druck inklusiv bleibt. Man bedient den Hebel im HypertauZustand, wenn die Startkonditionen für die Hubraumteilung sich einer perturbativen Ebene annähern. – Versuch aber bloß nicht, ihn zu Reduzierung der Invarianz konventionell ausgerichteter subatomarer LauLeptonen einzusetzen, haste gehört? Dann gehst du nämlich das ernsthafte Risiko ein, semileptonische Beta-Ereignisse zu unterstützen, und wenn das passiert, kaskadieren Tau-Leptonen allmählich in dileptonische Formeln«, keuchte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Ach so«, sagte Luke und nickte verstehend. »Und der Hebel da?« »Das ist der Zigarettenanzünder.« »Genau.« Luke glotzte konzentriert auf die Steuerkonsole, auf der allerlei Lichter blinkten. Es waren unheimlich viele blinkende Lichter. Es gab da auch eine größere Anzahl von Schaltern, Knöpfen, Hebeln und jede Menge anderes Instrumentarium. »Ich glaub, das kann ich!«, rief er. »Ich hab immer genau zugehört, wenn Opi mir das ganze Zeug über die Pracht erzählt hat. Ich glaube, ich kann die Pracht sogar schon spüren. Sie wird mich leiten. Alle Mann anschnallen! Wir brechen auf!« Hans Polo, vor Schmerzen fast ohnmächtig, legte den Anschnallgurt um seinen Bauch, und Opi-Jan Knofi gurtete sich gleich daneben an. Aubacke war schon in seinem Sitz zusammengesunken. Die beiden
Droiden streckten Enterhaken aus und hielten sich am Boden des Metalldecks fest. Luke packte die Steuersäule mit beiden Händen. Durch die Windschutzscheibe sah er die Sturtruppler, die nun ein schweres Lasergeschütz auf ein Stativ montierten. Sobald es einsatzbereit war, wäre die Millennium Wanze eine leichte Beute für sie. Dann war der Ofen aus. Dann konnten sie den Löffel abgeben und die schwarzen Essensmarken bestellen. Luke stellte gerade eine beeindruckende Liste zum Thema Abschmieren zusammen, als das Schiff ruckelte und zuckelte. Ein Sturtruppler schoss mit seinem Handlaser auf sie. »Jetzt lass uns endlich abhauen«, drängte Hans mit weißem Gesicht. »Lass uns die Kurve kratzen.« »Genau«, sagte Luke. Er trat auf die Kupplung und drückte einen Knopf. Dann ließ er die Kupplung los, entdrückte den Knopf, den er zuvor gedrückt hatte und drückte einen anderen. Dann bearbeitete er das subatomare Kondensatgaspedal. Er drückte wieder die Kupplung und entdrückte einen anderen Knopf. Das Schiff rührte sich nicht von der Stelle. Eine Anzahl weiterer Laserstrahlen traf das Schiff. Es wippte auf seinen Landestützen. »Da oben müssen wir hin«, sagte Opi und deutete auf ein größeres Quadrat am blauen Himmel, das genau über ihnen sichtbar war. »Ich weiß«, sagte Luke gereizt. »Aber das Schiff will sich nicht bewegen.« »Handbremse«, stöhnte Hans, der aus dem Zustand der Besinnungslosigkeit ins Stadium des angeschlagenen schmerzerfüllten Halbbewusstseins zurückkehrte. »Ohhh«, fügte er hinzu, und ein paar Sekunden später: »Oh-ahhh.« »Stimmt! Ja, klar! Die Handbremse!« Luke betätigte den kleinen roten Knopf ganz oben auf der handbremsisch aussehenden schwarzen Stange neben dem Sitz und drückte selbige nach unten. Sofort kippte sein Sitz um fünfundvierzig Grad nach vorn. »Ich glaube, der Hebel da justiert nur die Position des Fahrersitzes«, sagte Opi. »Er ist überhaupt keine Handbremse.«
»Richte mich auf«, drängte Luke und musterte die Decke mit finsteren Blicken. »Ich kann überhaupt nichts sehen!« Als sein Sitz sich wieder in Flugposition befand, hatten die Sturtruppler das für den schweren Einsatz konstruierte Lasergeschütz auf das Stativ montiert und nahmen die Millennium Wanze über die Kimme aufs Korn. »Hans Polo!«, schrie Luke. »Wo ist der Handbremsenhebel? Welcher ist es?« Doch Hans war besinnungslos. »Können wir nicht seinen Kopiloten wecken?«, brabbelte Luke. »Den großen haarigen Kerl?« »Hibernation ist in der Regel ein Zustand, aus dem man eher nicht aufwacht«, meinte Opi. »Jedenfalls hab ich das bisher immer geglaubt.« »Aber er kann dieses Schiff doch bestimmt fliegen, wenn er doch der Kopilot ist«, sagte Luke beharrlich. »Könntest du… Ich weiß nicht… die Pracht einsetzen? Irgendetwas unternehmen?« »Eine kurze Antwort auf diese Frage«, erwiderte Opi, »würde nein lauten.« »Droiden!«, kreischte Luke. »Wisst ihr, wo die Handbremse ist? Gleich werden sie mit der riesigen Stativkanone auf uns schießen! He, Droiden?!« »Droiden?«, erwiderte SAF4711 mit empörter Stimme und fügte ein so schrilles Pfeifen hinzu, dass Blutstropfen aus Lukes Trommelfellen quollen. »Droiden? Droiden? Willst du uns etwa beleidigen, du nichtsnutzige und inzüchtige albinoide Pappnase?« »Aber nein«, sagte Luke verzweifelt. »Auch wir haben nämlich Namen. Auch wir haben Namen und Gefühle«, fuhr SAF4711 fort: »Bildest du dir ein, du könntest unsere Namen einfach außer Acht lassen, weil wir aus Metall bestehen? In welchem Jahrhundert lebst du eigentlich? Was ist das denn für ein Benehmen? Wie würde es dir wohl gefallen, wenn ich mit einem Ruf wie ›He, du Sack aus wässerigen Proteinen‹ deine Aufmerksamkeit gewinnen wollte? Wärst du dann nicht auch verletzt?« »Tut mir Leid«, brabbelte Luke. »Tut mir Leid, SAF4711. Ich hatte nur gehofft, ihr wüsstet, wo die Handbremse ist. Wir müssen wirklich
weg. In einer Minute feuern die Sturtruppler nämlich diese echt große Kanone auf uns ab, und Hans Polo ist besinnungslos, und Aubacke schläft.« »Du erfüllst mich mit Abscheu und Hochmut«, sagte SAF4711 hochmütig. Dann deaktivierte er sich vor Abscheu. »Piep!«, kreischte Wehzeh-Nullnull. »Der da«, sagte Opi. »Ich glaube, der da unter dem Armaturenbrett, das ist er.« Luke packte den Hebel und schob ihn nach vorn. Auf der Stelle brüllten die gewaltigen Triebwerke der Millennium Wanze auf, das verzwickte interdimensionale Getriebe packte zu, und das Raumschiff bewegte sich ruckend voran. Es düste rückwärts und krachte in die Rückwand des Hangars, was verheerende Auswirkungen auf die strukturelle Kohärenz des Raumschiffhecks hatte. Durch den Zusammenstoß sprang der Gang aus dem Getriebe, und das Raumschiff soff mit einem knirschenden Heulen ab. Mauerwerk krachte wie schwerer Steinhagel auf sie herab. Sämtliche Lichter auf dem Armaturenbrett gingen aus. Einen Moment lang herrschte Chaos. Dann wurde alles still. Hans stöhnte in der Bewusstlosigkeit. »Die Pracht sagt mir«, murmelte Opi, dessen Stimme so bedeutungsschwanger und geheimnisvoll klang, »dass du versehentlich den Rückwärtsgang eingelegt hast.« »Den Rückwärtsgang«, sagte Luke und nickte.
9
Die wahre Natur der Pracht betreffend
Die Sturtruppler nahmen alle in Gewahrsam, fesselten ihre Handgelenke mit Klickklack! Die Billigpreis-Handschellenalternative und trieben sie auf die Ladefläche eines Polizeikreuzers. Hans Polo wurde ein Heilo-Gürtel umgelegt. Man legte ihn ausgestreckt auf den Metallboden. Aubacke wurde auf ähnliche Weise gefesselt. Luke wurde mit einem dicken Schlagstock der Marke Immer voll auf die Birne behandelt, den man mit roher Gewalt auf seinen Kopf niedergehen ließ. Er verlor die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, erwachte er in einer Reichsgefängniszelle. Er setzte sich hin. »Wo bin ich?«, fragte er. »Im Inneren des Todesheilbades«, sagte eine weibliche Stimme. Luke drehte sich herum. Auf einer metallenen Utensilienbank an der Zellenseite saß die Frau aus dem Hologramm des Toiletten-Droiden höchstpersönlich. Im wirklichen Leben war sie noch schöner und sogar noch deutlicher erkrankt als in ihrer billigen holografischen Darstellung. »Prinzessin Lepra!«, rief Luke. »Stimmt«, sagte sie. »Und du bist Luke Skyquaker.« Lukes Herz machte einen Sprung. Junge Liebe raste durch seine Arterien und verwandelte sich, als sie durch seine Venen schoss, in blanke Lust. »Wie kannst du das wissen?«, fragte er eifrig. »Ist es Schicksal, dass wir uns begegnet sind? Hat das Schicksal deinem Herzen meinen Namen zugeflüstert?« »Er hat's mir erzählt.« Die Prinzessin deutete über ihre rechte Schulter. Auf der Bank zu ihrer Rechten lag Opi in tiefem Schlaf. »Allem Anschein nach ist mein Droide in eurem Besitz. Doch statt ihn nach Ja!Buh! zu meinem Adoptivvater zu bringen, wo er vermutlich etwas Gutes hätte bewirken können, habt ihr ihn geradewegs zu den imperialen Reichssoldaten gebracht!«
»Das tut mir Leid«, sagte Luke. Er stand auf und rieb seinen Hinterkopf, der ganz schön wehtat. »Jetzt haben die Reichsimperialen den Droiden«, sagte Lepra traurig. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie das Geheimnis extrahieren, das ich in seinem Inneren abgelegt habe. Und wenn es dazu kommt, können wir jede Hoffnung auf eine Revolution begraben. Dann werden der Herrscher und Schwarz Vater die Rebellenden besiegen. Mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen.« »Glaubst du wirklich, dass Schwarz Vater die Rebellenden schlagen wird?« »Oh, und wie er sie schlagen wird«, sagte Lepra. »Er wird sie gnadenlos schlagen.« »Das ist ja katastrophal.« Luke nahm neben ihr Platz. »Geh nicht zu hart mit dir ins Gericht, Bubi«, pfiff eine Stimme vom Boden her. »Hans!«, schrie Luke. »Bist du gesund? Sie haben dir doch in die Brust geschossen!« »Ja, so war's«, keuchte Hans Polo. Er saß auf dem Boden und lehnte mit dem Rücken an der Wand. Sein großer behaarter Kopilot lag flach neben ihm auf dem Rücken und schnarchte leise. »Der Schuss hat mir fast einen ganzen Lungenflügel weggebrannt. Die Reichsimperialen haben mich mit einem kybernetischen Ersatz versehen und auch meine Haut geflickt – vermutlich, damit sie mich besser verhören können. Der künstliche Lungenflügel ist aber keine gute medizinische Prothese, deswegen bin ich ganz schön außer Atem. Wie gut, dass ich wenigstens noch einen natürlichen Lungenflügel habe, sonst würde ich nämlich ganz schön schnaufen.« »Das ist ja schrecklich!«, jammerte Luke. »Wir sind Gefangene in einer imperialen Reichsanlage! Was wird nur aus uns werden?« »Was aus uns werden wird?«, wiederholte Prinzessin Lepra. »Was für eine dusselige Frage! Natürlich werden sie uns foltern. Mich foltern sie schon seit mehreren Tagen.« »Gütiger Thog, nein!«, rief Luke. »Das ist ja schrecklich!«
Lepra nickte betrübt. »Gestern war ich stundenlang auf dem Laufband. Den größten Teil der Zeit war es um zwanzig Grad gekippt, sodass ich praktisch bergauf laufen musste.« Bei der Erinnerung daran musste sie sich schütteln. »Und davor war ich auf einem Loipensimulator. Man kann ihn auf ›Südhang‹ und ›Kathmandu‹ einstellen, aber natürlich haben sie Letzteres getan. Danach kam dann die Sauna… Man hat die Hitze so hoch gedreht, dass kein hiesiger Arzt es gutgeheißen hätte.« »Wir sind zum Untergang verurteilt«, sagte Luke. »Sind wir«, stimmte Lepra ihm zu. »Aber nicht nur wir. Das Todesheilbad hat die Kapazität, einen ganzen Planeten zu Tode zu turnen und zu massieren. Während wir uns hier unterhalten, sind wir nach Gregbär unterwegs.« »Gregbär? Ist das nicht der Planet, der ursprünglich von nudistischen Science-Fiction-Autoren kolonisiert wurde? Warum denn dorthin?« »Weil sich dort die Hauptzentrale der Rebellenden befindet.« »Auf Gregbär? Warum denn?« »Weil wir uns sicher waren, dass Gregbär der letzte Ort ist, an dem das Reich uns sucht. Also wirklich, wenn man die Siedler dieses Planeten kennt, wer würde dort schon nach uns suchen wollen? Niemand, der seine fünf Sinne beisammen hat.« Lepra schüttelte den Kopf. »Doch nun, da sie wissen, dass sich die Basis der Rebellenden dort befindet, wird das Reich den Planeten ausradieren. Wenn sie ihn vernichtet haben, ist es mit der Rebellerei aus. Das ist dann das Ende der Hoffnung für die gesamte Galaxis. Das Reichsimperium wird das ganze Universum unter seiner schaftbestiefelten Ferse zerschmettern. Unter seinem fersigen Stiefelschaft, meine ich.« Sie wandte sich zu Luke um. »Wenn ich darüber nachdenke, vielleicht auch das Erstere. Wie hast du es doch so schön ausgedrückt: Wir sind zum Untergang verurteilt.« »Wir«, sagte Opi, der sich nun langsam aufrecht hinsetzte und sich wie eine erwachende Katze reckte, »sind nicht zum Untergang verurteilt.« »Was weißt du denn schon, Opa«, sagte Hans Polo pfeifend. »Du hast uns die Sturtruppler in der Kneipe doch erst auf den Hals gehetzt. Es
ist deine Schuld, dass ich angeschossen wurde. Und was… Was sollte eigentlich die Sache mit dem Glasrohr?« »Moment«, sagte Lepra und hob eine Hand. »Opi-Jan Knofi ist ein großartiger, wenn auch etwas tatteriger alter Mann. Hören wir uns an, was er zu sagen hat.« »Ja, Opi wird uns einen Rat geben«, sagte Luke drängend. »Was sollen wir tun? Wie kommen wir hier raus?« »Das ist ganz einfach«, sagte Opi. »Wir müssen auf die Pracht vertrauen.« Hans Polo stieß ein heftiges Pusten aus, um darauf hinzuweisen, dass er nicht geneigt war, sich einen diesbezüglichen Ratschlag anzuhören. Eine Stunde verging. Luke marschierte in der Zelle auf und ab. Er untersuchte jeden Winkel und jede Ritze, fand aber weder etwas, das man abschrauben, noch Luftschächte, in die man hineinkriechen konnte. Aus dieser Zelle gab es keinen Fluchtweg. »Opi«, sagte er. »Das wollte ich dich schon längst fragen: Was genau ist eigentlich die ›Pracht‹, von der du immer erzählst?« »Ah«, sagte Opi und tippte sich auf den Nasenrücken. »Die Pracht. Die Pracht ist ein mächtiger Verbündeter – vorausgesetzt, man weiß sich ihrer zu bedienen.« »Das beantwortet meine Frage eigentlich nicht.« »Die Pracht ist mit der Struktur des Universums verwoben. Sie ist eine alles durchdringende Kraft.« Die Augen des Alten glitzerten begeistert. »Sagen wir es mal so: Weißt du, wie das Universum erschaffen wurde? Wie es zu existieren anfing?« »Da war der Große Knall«, vermutete Luke. »Danach«, sagte Opi-Jan Knofi. »Nachdem die ursprüngliche Materie des Universums sich ausgebreitet hatte? Weißt du, wo die Sterne und Planeten herkommen – warum der Kosmos nicht nur eine Suppe aus undifferenzierter Materie ist?« »Schwerkraft?«, vermutete Luke.
»Die Schwerkraft ist doch nur die Gestalt, die die Pracht angenommen hat!«, schrie Opi entsetzlich aufgeregt. »Das Universum ist durch Kollisionen gewachsen. Durch Dinge, die gegen andere Dinge geknallt sind. Irgendwelche dämlichen Materieklumpen krachten gegen andere dämliche Materieklumpen. Dies ist das Grundprinzip des Kosmos: Dämlichkeit! Schusseligkeit! Gepurzel! Dinge, die zusammenstoßen! Stützt sich der Kosmos auf das Prinzip des Problemlos-durch-eine-Tür-Gehens? Nein! Er stützt sich auf das Prinzip einer Fehlbeurteilung der Tür und darauf, dass dein Rüssel gegen den Türrahmen knallt, dass du zurückstolperst, dass du anschließend mit dem Fuß in einen Papierkorb trittst und über deinen Schreibtisch kippst, damit du auf die Nase fällst und dir eine leichte Gehirnerschütterung zuziehst. Verstehst du?« »Ich glaube schon«, sagte Luke zögernd. »Materie, die gegen andere Materie knallt! Kometen stoßen mit Gasriesen zusammen! Planeten dreschen mondgroße Stücke aus anderen Planeten heraus! Es ist alles eine universumgroße Klamaukkomödie! Ohne sie hätte der Kosmos sich nicht bilden können. Dies ist die Pracht. Dies ist das Prinzip, das alle lebende Materie verbindet.« »Ach so«, sagte Luke. Doch nun war Opi nicht mehr zu halten. »Was ist es für eine Kraft, die dazu führt, dass deine Schnürriemen genau in dem Moment aufgehen, in dem du in einer Raumhafenbar ans Pissbecken trittst, sodass sie über den Boden schleifen? Die Pracht sorgt dafür. Ja, wenn du die Hand bewegst, um eine Toastscheibe zum Mund zu führen, während du das morgendliche Käseblättchen liest… Führt diese Bewegung etwa nicht dazu, dass du dir den Toast in die Nase schiebst? – Wie soll man es anders erklären«, fuhr er zunehmend wehmütiger fort, als denke er an eine viel geliebte Erinnerung, »dass man, wenn man sich von seiner wunderschönen Freundin verabschiedet, die gerade in den Schwebebus steigt… Wenn man an dem langsam losfahrenden Fahrzeug entlanggeht und sie einem ein Kusshändchen zuwirft… Wenn man ihre plötzlich geweiteten Augen und ihren offenen Mund als das ihr dämmernde Bedauern darüber interpretiert, dass sie die Stadt überhaupt verlässt… Wenn auch deine Augen größer werden wenn du die ihren siehst und nickst, als wolltest du Ja, mein Lieb, wie dumm, dass wir uns trennen müssen
sagen… Wenn du dann einen Schritt zur Seite machst und gegen einen Laternenpfahl knallst, der dir den Kiefer ausrenkt? Es gibt keine andere Erklärung!« »Aber wie hilft uns dies in unserer momentanen Lage? Genau, meine ich?« Knofi schaute geheimnisvoll drein. »Wir müssen auf die Pracht vertrauen.« »Aber wie, ich meine praktisch, wird sie uns helfen?«, fragte Hans. »Ich höre nur schönes Gerede – aber wir sitzen noch immer hier fest.« Ein Rucken. Die ganze Zelle bebte. »Was war das?«, fragte Luke. »Es fühlt sich fast so an«, sagte Hans, »als hätte das Todesheilbad den Hyperantrieb abgeschaltet.« »Dann müssen wir Gregbär erreicht haben«, sagte Lepra. Sie verbarg das Gesicht in den Händen. »Jetzt ist alles aus. Jetzt werden sie ihre Todesmaschinen aufladen. Die geheime Basis der Rebellenden ist dem Untergang geweiht. Der ganze Planet Gregbär ist dem Untergang geweiht – und ebenso all die pudelnackten SF-Autoren. Und wir sitzen hier fest und können ihnen nicht helfen.« Die Zelleninsassen schwiegen eine ganze Weile. Schließlich ergriff Luke das Wort. »Hast du splitternackt oder pudelnackt gesagt?«, fragte er. Lepra drehte sich zu ihm um. »Spielt es eine Rolle?« »Tja, es ist halt so, dass ein Pudel ein viel hübscheres Bild abgibt als ein Splitter – zudem, wenn man nackt ist. Kommt mir jedenfalls so vor. In dem Sinne, dass ein pudelnackter Hintern ein viel schmackhafterer Gedanke ist als einer, in dem vielleicht Splitter stecken.« Luke schaute einen nach dem anderen an. »Meint ihr nicht auch? Also, ich weiß nicht mal genau, was ein Pudel in diesem Wort zu suchen hat, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ein nackter Pudel weniger bestürzend aussieht als ein nackter SF-Autor, der einen Splitter im… ähm… oder so.« Er hörte auf zu sprechen. Alle schwiegen eine Weile finster vor sich hin. Durch die Metallwand der Zelle wurden Laute hörbar, die von Schaftstiefeln kündeten, die auf Eisen schepperten. Bald wurde ihnen klar,
dass die Schritte näher kamen. Zwei Sturtruppler marschierten durch den Korridor und kamen auf ihre Zelle zu. Vor der Tür blieben sie stehen. Sämtliche Gefangenen schauten erwartungsvoll hoch. Dann öffnete sich die Tür und gab den Blick frei auf zwei im Gang stehende Sturtruppler. Beide hielten Laserpistolen in der Hand. »Gefangene!«, bellte ein gesichtsloser Soldat. »Ihr werdet nacheinander verhört – und mit dir fangen wir an!« Er deutete mit der Waffe auf Luke. »Komm mit!« Luke blickte nach hinten, als stünde dort jemand, der eventuell gemeint sein könnte. »Ich?«, sagte er. »Au weia!« Er stand beunruhigt auf. Die beiden Soldaten betraten die Zelle im Gleichschritt. Ihre Helme kollidierten im Gleichbums mit dem niedrigen Türrahmen, dann fielen sie im Gleichschepper rückwärts zu Boden und blieben reglos liegen. Prinzessin Lepra war so geistesgegenwärtig, sich zu den erschlafften Gestalten zu begeben. »Sie sind ohnmächtig«, meldete sie, wobei ihre Stimme ein gewisses Maß an Zufriedenheit ausdrückte. »Sie sind volles Rohr gegen den Türsturz geknallt. Die sind ganz schön schwerfällig – ganz schön schwerfällig, wenn ihr mich fragt.« »Na, bitte«, sagte Knofi, als hätte er genau mit dieser Entwicklung gerechnet. »Man muss nur auf die Pracht vertrauen.«
10
Im Todesheilbad herrscht allgemeine Aufregung, und allerhand Typen laufen hin und her
Luke und Lepra zogen den Soldaten die Rüstungen aus, nahmen ihnen Waffen und Utensiliengürtel ab und banden sie in der Zelle aneinander. Während dieses Prozesses rissen die Rüstungen an mehreren Stellen ein. »Schaut euch das Zeug an«, sagte Luke und zerfetze einen Brustpanzer. »Es ist unglaublich dünn. Es fühlt sich fast so an wie das Zeug, aus dem man Weihnachtsbaumkugeln macht. Oder wie das Zeug, in dem man Mikrowellengerichte verpackt.« »Es ist fadenscheinig«, stimmte Lepra ihm zu. »Warum geben die ihren Soldaten nicht mehr Schutz?«, fragte Luke. Opi kicherte vor sich hin. »Glaubst du etwa, das Imp-R-Imp kleidet seine Soldaten so ein, damit sie geschützt sind? Im Leben nicht! Du hast doch gesehen, wie unwirksam die weißen Rüstungen sind. Laserstrahlen durchlöchern sie sofort. Wenn man sie mit einem Bleirohr haut, fallen sie in Ohnmacht. Wenn man es genau nimmt, kann man sie sogar mit einem Knüppelbrot k.o. schlagen. Nein, man lässt sie die Rüstung nur aus dem Grund tragen, damit sie schwerfällig sind. Damit sie weniger sehen, was wiederum ihre körperliche Leistung beeinträchtigt. Wenn sie herumtaumeln, auf die Nase fallen und sich den Kopf am Türrahmen anschlagen, haben sie besseren Zugriff auf die gewaltige Macht der Pracht.« »Bloß hat es ihnen überhaupt nichts geholfen«, sagte Hans und warf einen Blick auf die ausgestreckten Gestalten der Sturtruppler. »Ei, ja, weil wir mit der Pracht besser umgehen können als sie«, erläuterte Opi und nickte verständig. »Aber das dürfen sie nicht wissen.« »Es sieht so aus, als würde die Pracht im Moment für uns arbeiten«, sagte Lepra zustimmend. »Also los – wir müssen verschwinden. Außerdem müssen wir meinen Droiden finden.«
»Ich sage, wir konzentrieren uns auf das Erstere«, keuchte Hans. »Der Droide kann bleiben, wo der Pfeffer wächst.« »Nein«, sagte die Prinzessin entschlossen. »Ich habe den Droiden aus dem Grund fortgeschickt, damit er nicht in die Hände des Imp-R-Imp fällt. Nachdem ihr ihn nun so eindrucksvoll ins Imperiale Reichsimperium zurückgebracht habt, haben wir die Pflicht, ihn zu schnappen, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird.« »Was ist an diesem Droiden denn nur so wichtig?« »Er enthält das einzige Exemplar eines gewissen alles entscheidenden Geheimnisses«, sagte Lepra. »Was ist das für ein Geheimnis?« »Ich weiß es nicht.« »Und warum nicht?« »Weil es geheim ist«, fauchte Lepra, die allmählich echt stinkig wurde. »Aber woher weißt du dann, dass es wichtig ist?« »Ich weiß nicht nur, dass es wichtig ist«, sagte Lepra. »Ich weiß auch, dass es das allerwichtigste Stück Information in der ganzen Galaxis ist. Wenn das Imp-R-Imp darüber verfügt, wird es ganz sicher jeglichen Widerstand zerschmettern. Aber wenn wir es zu meinem Adoptivvater auf Ja!Buh! bringen können, könnte es das Glück zugunsten der Rebellenden wenden. Und jetzt lasst uns gehen.« Sie trat an die Zellentür und lugte hinaus. »So«, sagte Luke und baute sich neben ihr auf. Trotz ihrer Leprosität hatte die Frau etwas eigenartig Verlockendes an sich. »Du bist also adoptiert worden, was?« »Ja«, sagte Lepra schroff und suchte den Gang in beiden Richtungen mit Blicken ab. »Meinen wirklichen Vater habe ich nie kennen gelernt.« »Na so was!«, sagte Luke und tätschelte ihre Schulter. »Ich auch nicht! Ich habe nämlich gerade erst erfahren, dass mein Vater ein großer Jobber-Ritter war. Schwarz Vater hat ihn getötet. Ich habe ihm deswegen sogar Rache geschworen.«
»Wirklich?«, fragte die Prinzessin mit der Ausstrahlung eines Menschen, der sich nicht im Geringsten für seine Worte interessierte. »Los, kommt, gehen wir.« Sie bahnten sich vorsichtig einen Weg durch den Korridor. Er war ziemlich lang, von metallenen Wänden umgeben und hatte einen fünfeckigen Querschnitt: eine eigenartige Konstruktion, die dazu führte, dass man den Kopf einziehen musste, wenn man dicht an der Wand entlangging, denn sonst stieß man gegen die Decke, obwohl die Gangmitte einem Kopf jede Menge Platz ließ. Die Gruppe verfügte über die beiden Laserpistolen der Wachen: Die eine hatte Lepra, die andere hatte Luke. »Wäre es nicht besser«, schlug Luke vor und hielt die Waffe so in der Hand, als wäre sie mit einer Substanz bedeckt, die die Finger verwesen ließ, »wenn Polo das Schießeisen hätte? Er ist doch so eine knochenharte Raumpiratentype. – Willst du sie haben, Hans?« »Ich hab schon genug am Hals«, keuchte der Pilot mit dem künstlichen Lungenflügel. »Ich muss doch Aubacke hinter mir herschleifen.« »Ach, kannst du ihn nicht einfach aufwecken?«, fauchte Luke, der sich allmählich einem Zustand leichter Gereiztheit näherte. »Du hast offenbar nicht viel Erfahrung mit hibernierenden Wuthis«, grunzte Hans und schleifte seinen Kopiloten über den Korridorboden. »Richte das Ding einfach auf einen Sturtruppler«, sagte Prinzessin Lepra. »Und drück ab.« »Ach, ich weiß nicht«, sagte Luke. »Dabei könnte doch jemand ums Leben kommen. Ich weiß nicht genau, ob ich das kann. Ich hab eigentlich noch gar nicht über die ethischen Implikationen einer solchen Handlung nachgedacht.« Er schob das Schießeisen in seine Hose. »Oh, große kugelförmige Sternhaufen«, murmelte Lepra leise vor sich hin. Sie hatten nun das Ende des Ganges erreicht. Er mündete vor einer Ansammlung großer Computer, mit blitzenden Lichtern und schnurrenden Magnetbändern in einer Kontrollzone. In der Ecke stand ein Karton mit Lochkarten. Vier Sturtruppler saßen im großen Dienstanzug
vor den flackernden, grün beleuchteten Bildschirmen. Sie schauten wie ein Mann auf, und alle rissen auf der Stelle Laserpistolen aus den an ihren Seiten baumelnden Plastikholstern. »Ich werde die Pracht einsetzen, um sie zu entwaffnen«, gab Knofi bekannt. »Habt keine Angst.« Mit erstaunlicher Schnelligkeit und katzenhafter Eleganz sprang der Alte vor und breitete seine Hände aus – mit den Handflächen nach außen, wie ein Karatekämpfer. Bevor der ihm am nächsten stehende Sturtruppler auch nur Gelegenheit zu einer Reaktion hatte, sprang Knofi ihn an. »Hurra!«, jubelte Luke. Sekunden später war alles vorüber. Der Jobber-Ritter knallte mit dem Schienbein an das seitliche Gehäuse eines Kontrollmonitors, schrie auf, wankte nach links, trat mit dem Fuß in einen kleinen Metallpapierkorb, kippte um, ruderte mit den Armen, rammte mit dem Kopf einen Waffenständer an der linken Wand und klemmte sich seinen Schädel zwischen zwei dort stehenden Gewehren ein. Nun sah man nur noch Opis wackelnden Hintern und seine dürren Beine, die hin und wieder in die Luft traten, als er darum kämpfte, sich zu befreien. Der Papierkorb klemmte noch an seinem linken Fuß. Seine Stimme war stark gedämpft und kaum hörbar, doch es schien, als sagte er: »Oh, weh! Meine Ohren! Meine Ohren sind an beiden Seiten zwischen den Abzugsbügeln eingeklemmt! Hilfe! Oh, meine schönen Ohren!« »Au«, sagte Luke noch viel gedämpfter, »weia!« Die vier Sturtruppler, die so etwas eindeutig noch nie gesehen hatten, stierten die zappelnde Gestalt des Jobber-Ritters an. Da man sie mit gnadenloser Leistungsfähigkeit dazu ausgebildet hatte, gnadenlos leistungsfähig zu sein, zauderten sie im Angesicht von Situationen, auf die die Ausbildung sie nicht vorbereitet hatte. Dies war so eine Situation. Dies gab Prinzessin Lepra jedoch alle Zeit, die sie brauchte. Sie konnte sorgfältig zielen und zwei Laserstrahlen abschießen, sodass zwei Gardisten schon am Boden lagen, ehe sie begriffen, dass sie aus einer anderen Richtung attackiert wurden. Selbst als die beiden verbliebenen Wachen ihre Waffen hoben und den Versuch machten, ihr Feuer zu erwidern, fiel es ihnen schwer, den Blick von der zappelnden Gestalt
des alten Knaben zu lösen. So waren sie für die Prinzessin leichte Beute. Rauch und der Geruch versengten Kunststoffes breiteten sich in dem kleinen Raum aus. Lepra wandte sich zu Luke um. »Wolltest du deine Laserpistole gleich einsetzen?«, fauchte sie. »Oder trägst du sie nur zur Verzierung?« »Tja«, sagte Luke. »Wie schon gesagt… Ich weiß nicht genau…« Sie gingen zu Opi hinüber, stellten ihn auf die Beine und befreiten ihn. Dabei riss sie zwei Flinten aus dem Waffenständer, was natürlich den Unautorisierten Waffenentnahme-Alarm auslöste. Er ging ungefähr so: Au-AAA! Au-AAA! Au-AAA! »Großartig«, sagte Lepra ironisch und brüllte, damit man sie trotz des Alarms noch verstand: »Dalli! Dalli! Verschwinden wir!« An der gegenüberliegenden Wand des Kontrollraums waren zwei beschilderte Türen. Auf der einen stand AUSGANG, auf der anderen ZU DEN ALLERINNERSTEN ABTEILUNGEN DES TODESHEILBADES. KEIN AUSGANG. SACKGASSE. NUR FÜR AUTORISIERTES PERSONAL. Lepra riss die erste Tür auf. Dahinter befand sich ein langer Gang, durch den ungefähr zwanzig Sturtruppler, die Waffe im Vorhalt, geradewegs auf sie zugewetzt kamen. »Nicht da entlang!«, schrie sie. »Durch die andere Tür! Schnell! Lauft! Dalli! Dalli!« Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Luke konnte ihre Worte aufgrund des pausenlosen und ohrenbetäubenden Au-AAA! Au-AAA! AuAAA! nicht hören. Doch die Dringlichkeit ihres Verhaltens und ihr verzweifelter Gesichtsausdruck, zu dem noch die Tatsache kam, dass sie ihn körperlich durch die zweite Tür schob, sagte ihm alles, was er wissen musste. »Lauft!«, schrie er. »Jede Lebensform ist sich selbst die Nächste! Lauft! Wir müssen hier weeeg!« Er eilte durch die zweite Tür. Er hatte kaum Zeit, den grottenartigen Gang zur Kenntnis zu nehmen, der so aussah, als wimmele er von Scharen deaktivierter Kampfdroiden, denn schon schoss er voran und fing so schnell an zu laufen wie er nur konnte.
Luke war ein junger Mann mit starken langen Beinen und konnte sehr schnell laufen. Seine Beine blitzten unter ihm auf, trommelten über den Boden, katapultierten ihn voran. Kurz darauf verfiel er in die Gangart eines Langstreckenläufers, der im Rhythmus seiner Schritte ein- und ausatmet. Lauf, lauf, lauf… Opi machte neben ihm bemerkenswert starke Fortschritte. Er hielt nicht nur mit Luke Schritt, er setzte auch langsam dazu an, ihn zu überholen. Luke war sehr überrascht, als er sah, dass der alte Knabe eines so schnellen Laufes fähig war. Vermutlich hatte er so viel Angst vor den im Anmarsch befindlichen Sturtrupplern, dass seine Beine ihr Letztes gaben. Vielleicht zehrte er aber auch von der Kraft der Pracht, dass er sich so schnell voranbewegen konnte. Dann zog Hans Polo an Luke vorbei. Sein Tempo überraschte ihn noch mehr, denn immerhin schleifte er den erschlafften Aubacke hinter sich her. Als noch überraschender empfand Luke es, dass Hans hin und wieder anzuhalten schien, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen und Luft zu holen, bevor er die Beine seines Kopiloten aufnahm und seine Flucht fortsetzte. Luke konnte sich nicht vorstellen, wie er das hinkriegte, wenn er gleichzeitig mit aller Kraft rannte. Er rannte so schnell, dass er sogar mit Luke Schritt hielt. »He«, fauchte Prinzessin Lepra. »Du da! Hör auf, Maulaffen feilzuhalten und komm von dem Laufband runter!« Allmählich dämmerte es Luke. Er verlangsamte seinen Schritt und das Laufband unter seinen Füßen wurde ebenfalls langsamer. Luke errötete zaghaft, weil es ihm so peinlich war, dann sprang er von der Tretmühle herunter. »Verzeihung«, sagte er. »Ich war etwas in Panik und dementsprechend natürlich auch ein bisschen abgelenkt…« Die Tür hinter ihnen flog auf. Rubinfarbene Laserstrahlen zersäbelten die Luft. Prinzessin Lepra wirbelte auf dem Absatz herum und feuerte ein halbes Dutzend fachmännischer Schüsse aus ihrer Laserpistole ab. Die Sturtruppler im Türrahmen stolperten nach vorn. »Komm schon!«, schrie sie. Die Gruppe eilte durch den Gang – vorbei an einem Gewimmel unbenutzter Laufmaschinen. Am anderen Ende befand sich ein breiter Durchgang, durch den sie in einen Raum für Gewichtheber kamen. Die
Wände waren vom Boden bis zur Decke verspiegelt. Gepolsterte Bänke waren nebeneinander aufgereiht. In der Ecke lief auf einem 3-DBildschirm die Dauerwerbesendung Hits der 2440er-Jahre! Mit freundlicher Unterstützung des Nonstop-Aerobic und Vacuumobic-Sportkanals. Die Gewichte lagen in Gestellen an der Wand gegenüber. »Soweit ich weiß«, sagte Luke, »sind Gewichte unterschiedlich schwer. Es gibt leichte und ganz schwere Gewichte, sodass man sie nach eigenem Gusto an einer Stange befestigen kann.« Er hob ein Todesheilbad-Gewicht auf. »Die hier sind alle aus Kunststoff und gleich groß.« Er warf das radförmige Gewicht in die Luft und fing es wieder auf. »Außerdem sind sie auch alle gleich schwer – sie wiegen ungefähr so viel wie ein Fladenbrot. Wie soll so ein Ding jemandem helfen, Muskeln und ein breites Kreuz zu entwickeln?« »Weißt du eigentlich überhaupt nichts?«, fauchte Prinzessin Lepra. »Die Muckibuden auf deiner Heimatwelt müssen ja ganz schön primitiv sein.« Sie deutete auf die Tür gegenüber und schob Opi, Hans und Aubacke darauf zu. »Los, da rein, Leute. Luke und ich werden diese Dinger einsetzen, um die Sturtruppler eine Weile aufzuhalten.« Während die anderen hinausschlurften, baute Lepra sich neben Luke auf. »Es sind einstellbare Gewichte«, erläuterte sie und deutete auf die winzigen roten und grünen Knöpfe in der Mitte der Scheiben. »Wenn man sie drückt, modifizieren sie die eingebaute künstliche Schwerkraft. Man kann diese Dinger nach Belieben auf jedes Schwerkraftniveau einstellen. Hast du so etwas wirklich noch nie gesehen?« »Ich geh lieber arbeiten als in die Muckibude«, sagte Luke, da er nicht genau wusste, was ihre Antwort bedeutete – und ob sie überhaupt etwas bedeutete. Doch der Klang ihrer Worte gefiel ihm. Trotz der abscheulichen Gewächse rechts und links an ihrem Schädel war an dieser Prinzessin etwas äußerst Verlockendes: eine elfenbeinerne Reinheit ihrer Haut, eine Tiefe in ihren blauen Augen, die seiner Seele etwas über Mondschein und Mitternacht zusäuselte, über das Säuseln der Brandung an einem warmen Strand auf einer idyllischen Welt. Und dass sie beide auf ewig zusammen sein konnten, der neue Adam und die neue Eva auf einer vollkommenen neuen Welt der Liebe. Außerdem roch sie
gut und hatte was in der Birne. Luke kam zu dem Schluss, dass es ihm gefiel, wenn sie neben ihm stand. »Hier«, sagte sie. »Stell die Uhr auf… na ja, sagen wir mal… auf drei Sekunden ein.« Sie tat es selbst an einer Scheibe. »Dann stell das Gewicht für einen Gasriesen ein. Dann…« Genau aufs Stichwort fegte der erste sie verfolgende Sturtruppler durch den Eingang. »… wirf es weg!«, schrie Lepra und ließ die dünne Kunststoffscheibe wie ein Frisbee durch die Luft auf den Soldaten zusegeln. Sie trieb fast traumverloren durch die Luft und wog nur wenige Gramm. Dann traf sie den Brustkorb des Sturtrupplers, wog zwei Drittel einer Tonne, brach ihm die Rippen und ließ ihn sofort zu Boden stürzen. Ein Soldat nach dem anderen stolperte durch die Tür. Luke und Lepra warfen die Leichtgewichtscheiben nacheinander und immer rechtzeitig, damit sie, wenn sie ihre Ziele trafen, sich in schwere, überdichte Körper verwandelten. Mehrere Sturtruppler fielen gerade um. Einer oder zwei flogen mit um mehr als hundert Grad gespreizten Beinen durch die Luft nach hinten. Einer vollführte einen perfekten Rückwärtssalto und krachte durch einen Tisch, auf dem alte Exemplare diverser Illustrierten lagen, die dazu dienen sollten, den Muckibudenbesuchern das Warten zu versüßen. Schließlich lag der ganze Trupp stöhnend am Boden. Prinzessin Lepra hechtete zur Tür und lugte hinaus. »Da kommt noch ein Bataillon«, sagte sie und lief zu Luke zurück. »Schnell«, keuchte sie. »Schnell hinter den anderen her – durch die Hintertür.« Sie liefen zusammen durch den Ausgang auf der anderen Raumseite, wobei keiner das Schild bemerkte, das darüber befestigt war: HIER GEHT'S NUR ZUR SAUNA. DIES IST KEIN AUSGANG. HIER KOMMT MAN NICHT RAUS. Sie wussten es zwar noch nicht, doch jetzt saßen sie in der Falle. O nein!
11
Verlegen wir sie (die Erzählung) auf die Brücke
Schwarz Vater kam zielstrebig, bösartig und bedrohlich auf die Brücke. Ernsthaft. Ich meine, er schritt ernsthaft aus, womit ich sagen will, auf ernsthafte Weise. Ich wollte dich nicht ermahnen, meine Worte ernst zu nehmen; könnte ja sein, dass du gedacht hast, ich scherze. Jedenfalls zuckte die normale Brückenmannschaft zusammen und beschäftigte sich noch intensiver mit ihren gewöhnlichen Brückenpflichten, worin diese auch immer bestanden. Überall wo Schwarz Vater hinkam, brachte er eine Aura abgrundtiefer Finsternis mit. Pfandmuffel Tartar war schon da und stierte auf den riesigen Bildschirm, auf dem der Planet Gregbär zu sehen war. Er hielt wie üblich eine pfandfreie Glasflasche in der Hand, zu Ehren der schrecklichen Zerstörung, die sie auf der unter ihm befindlichen hilflosen Welt anrichten würden – die erste destruktive Tat seit dem Stapellauf des voll funktionsfähigen Todesheilbades. Er schaute erfreut auf den Bildschirm, der die in glänzender Formation aufmarschierten 130000 Zwe-Flis zeigte, die sich mit den 120000 Alphabetti-Maschinen der Rebellenden eine Schlacht lieferten. Sie blieben ihren Hecks hart auf den Fersen und fochten auch im allgemeinen Sinn mit ihnen. Der Bildschirm zeigte auch eine Myriade kleiner Funken und Explosionen, wenn Alphabettis oder Imp-R-Imp-Zwe-Flis im Vakuum zerstoben. Dazwischen mischte sich das Flackern ballernder Laser. Die Rebellenden hatten in einer verzweifelten Verteidigungsaktion sämtliche ihrer Alphabetti-Raumjäger aus der Hauptbasis nach oben geschickt. A- und Q-Staffeln, Z- und P-Staffeln – sogar die volle Bandbreite der Sonderzeichen-Staffeln (!-, $-, §-, %-, &-Staffeln) düsten durch das Nichts und zischten in der eitlen Hoffnung um das Todesheilbad herum, es angreifen oder gar vernichten zu können. »Seid gegrüßt, alter Freund«, sagte der Pfandmuffel als Schwarz Vater neben ihm stand. »Es läuft alles bestens.«
»DIE REBELLENDEN LEISTEN WIDERSTAND?« »Ja, aber keinen nennenswerten. Sie sind kein Gegner für die Macht unserer Imperialen Reichsimperiumsstreitkräfte.« »WIE SIEHT IHRE TAKTIK AUS?« »Sie fliegen fortwährend am Äquatorgraben entlang.« »AM GRABEN?« »Ja. Sie glauben wohl, dass der Graben die Achillesferse in der Konstruktion des Todesheilbades ist.« »ACH SO. IST ES DENN SO?« »Ganz und gar nicht. Da gibt es nur das Wasserrohr, mit dem wir den Graben füllen, wenn wir ein bisschen Ruderboot fahren wollen.« »DIE REBELLENDEN SIND TÖLPELHAFT UND FEHLGELEITET.« »Eines verwirrt mich«, sagte der Pfandmuffel. »Warum fliegen sie gute achthundert Kilometer vom Portal entfernt in den Graben hinein und verplempern ihre Zeit damit, durch ihn zu düsen? Wozu soll das gut sein? Also, wir sind uns ja einig, dass sie sich irren, wenn sie glauben, dass dort unsere Achillesferse liegt… Aber wenn man davon ausgeht, dass sie es glauben… Warum stürzen sie sich nicht einfach von oben drauf und schießen ihn in Klump? Warum fliegen sie so weit von ihrem Ziel in den Graben rein und sausen dann für… für ganze Zeitalter durch ihn durch?« »ES IST VERBLÜFFEND«, sagte Schwarz Vater zustimmend. »Ah – da ist schon wieder ein Grabenflieger draufgegangen.« Tartar deutete auf ihn. Der Lichtblitz und das Schnauben sich rasch ausdehnender Gase war vor der Krümmung des Todesheilbadhorizonts deutlich sichtbar. »Sie kapieren es einfach nicht. Der Graben da dient zum Rudern, er ist nicht zum Durchfliegen da. Er ist breit genug für einen Achter, aber nicht für ein dämliches großes Raumschiff. Nun ja… Was gibt es Neues, mein Freund?«
»AUF DEN UNTEREN EBENEN WURDE DER Au-AAA!ALARM AUSGELÖST. OFFENBAR IST DIE PRINZESSIN AUS IHRER ZELLE ENTKOMMEN.« »Au weia«, sagte der Pfandmuffel. »Und die anderen Gefangenen?« »SIE SIND EBENFALLS ENTWISCHT.« »Au weia. Ist Commander Weythblick nicht für die Gefangenen verantwortlich?« »ICH HABE DEM COMMANDER BEREITS MITGETEILT, DASS ICH GLAUBE, ER SEI NICHT KOMPETENT GENUG, UM EINE SO HOHE POSITION ZU BEKLEIDEN.« »Habt Ihr rein zufällig auch seine Gurgel aus einer dreidimensionalen Struktur in eine zweidimensionale verändert, indem Ihr nur die Macht der Pracht angewandt habt?« »SO WAR ES. DURCH SIE ATMET ER JETZT NICHT MEHR.« »Tja, die entkommenen Gefangenen können ja nirgendwohin fliehen. Wollt Ihr Euch die Vernichtung der Rebellenden hier oben mit mir zusammen anschauen oder lieber runtergehen und die Gefangenen jagen?« »MIR IST BEWUSST GEWORDEN, DASS DER UNTER DEM NAMEN JOPI-AN KNOFI EINGELOGGTE GEFANGENE IN WIRKLICHKEIT EIN VÖLLIG ANDERES INDIVIDUUM IST, NÄMLICH EIN GEWISSER OPI-JAN KNOFI: EIN ALTER JOBBER-MEISTER, DER MICH EINST NACH ART DER JOBBER UNTERRICHTET HAT.« »Unglaublich! Wie habt Ihr das nur deduziert?« »ICH HABE SEINE ANWESENHEIT GESPÜRT. AUSSERDEM HABE ICH SEIN FAHNDUNGSFOTO WIEDER ERKANNT.« »Ah, da schmiert schon wieder einer ab!« Erneut hatte ein fruchtloser Angriff im Graben in einer Explosion und dem Tod eines glücklosen
Rebellenden-Piloten geendet. Der Pfandmuffel klatschte erfreut in die Hände. »ICH MUSS MICH KNOFI STELLEN. ER IST EIN MEISTER DER PRACHT.« »Tja, dann viel Glück, alter Freund«, sagte Tartar. »Wie wär's, wenn wir uns später zu einem Fondue treffen? Um unseren Sieg zu feiern?« »AUSGEZEICHNET.« »In meinem Quartier? Um 20.00 Uhr?« »ICH BRING ETWAS CRÈME DE MENTHE MIT.« »Und ich werde die Tornado-Untersetzer entrollen. Vielleicht lass ich sie – nach dem letzten Mal – noch reinigen. Und jetzt Glückauf, mein Freund!« Schwarz Vater marschierte eindrucksvoll von der Brücke.
12
Ein spannender Ausgang
Die Gruppe bahnte sich einen Weg durch einen hell erleuchteten Gang und dann durch eine Schiebetür in einen Raum mit holzgetäfelten Wänden. »Es ist 'ne Sackgasse«, schrie Polo. »Schnell – wir müssen zurück!« Sie stürmten wieder in den Gang hinaus, doch es war zu spät. Am anderen Ende des Korridors wimmelte es von Sturtrupplern. Sie hatten allesamt Feuerposition eingenommen. Einige hockten auf den Knien, andere lagen auf dem Bauch. Die in der dritten Reihe standen aufrecht. Und durch diese Masse ausgebildeter Soldaten trat Schwarz Vater. »Es ist Schwarz Vater!«, stieß Luke hervor. »Er hat meinen Vater getötet, jawohl, hat er getan! Abgesehen dass auch mein Vater ein Schwarzer war und auf mysteriöse Weise von Schwarz Vater getötet wurde, weiß ich nicht mal, wer er war!« »Böser Schwarz Vater!«, schrie Prinzessin Lepra. »Jetzt mache ich deinen bösen Taten auf der Stelle ein Ende!« Sie trat vor die Gruppe, senkte ihre Laserpistole und feuerte genau auf die aufragende, schwarz gekleidete Gestalt. Sie feuerte wieder und wieder, doch jedes Mal verfehlte der Laserstrahl sein Ziel. Schwarz Vater machte keinen Versuch, den Schüssen auszuweichen. Er blieb einfach mit vor der Brust verschränkten Armen stehen und röchelte leise vor sich hin. »Das verstehe ich nicht«, sagte Lepra. »Er ist kaum sieben Meter entfernt, aber ich kann ihn offenbar nicht treffen.« »Er ist in der Pracht zu stark«, sagte Opi und trat vor. »Schwerfälligkeit, Ungeschicklichkeit und Dyspraxie* umgeben ihn wie ein böser Schutzschirm. Du wirst nie genug Koordination aufbringen, um genau
*
Störung von Bewegungsabläufen der Zielmotorik
zu schießen. Dies ist ein Kampf, den niemand gewinnen kann. Du musst ihn mir überlassen.« »Opi!«, schrie Luke. »Was hast du vor?« »Heb mich mal flugs hoch«, murmelte Opi dem jungen Mann zu. Im Nu hatte Luke Opis gebrechlichen Leib zur Decke hochgehoben, wo der wackere Jobber-Ritter mit seinen gichtig verknoteten, aber flinken Fingern eine Neonröhre – Strippen inklusive – aus der Fassung schraubte. »Au«, sagte er, als er wieder auf dem Boden stand. »Das Ding ist heiß.« »Opi!«, rief Luke erneut und in schmerzhafter Vorwegnahme. »Sei vorsichtig!« Opi hechtete vorwärts und streckte die meterlange Leuchtstoffröhre aus. »Schwarz Vater!«, sagte er. »OPI-JAN«, sagte Schwarz Vater. »ES IST LANGE HER.« »Ganze Zeitalter«, stimmte Opi ihm zu. Schwarz Vater entfaltete die Arme, griff ins Innere seines Gewandes und zückte ebenfalls eine Leuchtstoffröhre. Als er sie einschaltete, leuchtete sie rosarot. Auch er trat einen Schritt vor. »Das ist aber ein hübscher Farbton, Schwarz«, spottete Knofi. »Hast du etwa vor, ein paar Fotos zu entwickeln?« »DU WAGST ES, MICH ZU VERHOHNEPIEPELN?« »Mann, bist du hässlich«, verhohnepiepelte Knofi ihn und bestätigte damit, dass er dies in der Tat wagte. »BEI UNSERER LETZTEN BEGEGNUNG«, sagte Schwarz Vater, »WARST DU MEIN MEISTER. JETZT BIN ICH DER MEISTER. ICH BIN NICHT NUR MEISTER IM VERHOHNEPIEPELN, SONDERN AUCH MEISTER IM NEONSCHWERTSPORT – DER NATÜRLICH«, fügte er hinzu, »NUR WENIG MIT PINGPONG ZU TUN HAT.« Er verlagerte sein Gewicht von einem schwarzen Fuß auf den anderen und ging
weiter auf Knofi zu. »GANZ IM GEGENTEIL. MEINE FECHTKUNST WIRD HEFTIG AUSFALLEN UND HÄLT EIN HARTES SCHICKSAL FÜR DICH BEREIT.« »Mehr hast du verhohnepiepelungsmäßig nicht drauf?«, höhnte Knofi. »Das ist doch alles Kacke. Das kann man doch nicht verhohnepiepeln nennen.« »FORTAN WIRD MEIN SCHWERT REDEN.« »Du kannst mich nicht schlagen, Schwarz. Wenn du mich niedermachst, werde ich nur noch mächtiger.« Schwarz Vater schien einen Moment darüber nachzudenken. »ÄHM… WIE FUNKTIONIERT DAS EIGENTLICH?« »Das ist eins der Mysterien der Pracht.« »ABER WENN ICH DICH NIEDERMACHE, BIST DU TOT.« »Einverstanden.« »AUF WELCHE WEISE SIND DIE TOTEN MÄCHTIGER ALS DIE LEBENDEN?« »In die Einzelheiten möchte ich lieber nicht gehen«, sagte Knofi und umkreiste seinen Widersacher mit der Neonröhre. »SIND SIE MÄCHTIGER IM SINNE VON ›REGLOS AUF DEM BODEN LIEGEN UND LANGSAM VOR SICH HIN VERWESEN‹?« »Ich könnte vielleicht als Gespenst zurückkehren, um dich zu plagen.« »OHHH, HAB ICH JETZT ANGST«, sagte Schwarz Vater auf eine Weise, die deutlich zeigte, dass er überhaupt keine Angst hatte. »KANNST DU KÖRPERLICH IRGENDWIE AUF MICH EINWIRKEN, WENN DU ALS GEIST DEINER SELBST ZURÜCKKEHRST?« »Nee«, räumte Opi kurz angebunden ein. »WARUM ALSO SOLLTE MICH DIESE ENTWICKLUNG BESORGT MACHEN?«
»Tja, nun…«, sagte Knofi, als dächte auch er zum ersten Mal über diese Frage nach. »Also, hör zu… Können wir das irgendwann später besprechen?« Der alte Jobber-Ritter hechtete vorwärts und zielte mit der weiß leuchtenden Neonröhre auf Schwarz Vaters Schädel. Doch Vater parierte den Hieb flugs und schwang sein eigenes rot leuchtendes Neonschwert im Kreis, um ihn abzufangen. Die beiden Röhren krachten mit einem lauten Klirren aufeinander. Sofort gingen die Lichter aus, und auf dem Boden verstreuten sich Glasscherben. »Au weia«, sagte Knofi und bedachte das kaputte Neonschwert in seinen Händen mit einem untröstlichen Blick. »Ich fass es nicht«, keuchte Hans Polo mit wütender Stimme. »Jetzt sind diese Neonschwerter nicht mehr zu gebrauchen.« Doch genau in diesem Moment hechtete Schwarz Vater nach vorn und trieb das spitze Ende seiner zerbrochenen Leuchtstoffröhre in Knofis Brustkorb. Die rasiermesserscharfen Glasscherben durchschnitten den Torso des Alten wie etwas sehr Scharfes, das man mit aller Kraft in ein Pfund Butter rammt. Alle keuchten auf. Die Zeit schien einen Augenblick stillzustehen. »Ach, so funktioniert das«, ächzte Knofi und warf einen Blick auf die tödliche Wunde in seiner Brust. Dann brach er zusammen und fiel zu Boden. »Schnell!«, kreischte Lepra. Sie zerrte Luke wieder in die Sackgassensauna und drückte den Türknopf. Die schwere Tür knallte genau in dem Moment zu, als die ersten Laserstrahlen der Sturtruppler dagegen krachten. Lepra richtete ihre Pistole auf den Türriegel, feuerte und zerschmolz den Schließmechanismus. »Das müsste sie aufhalten«, sagte sie mit knirschenden Zähnen. »Opi ist tot!«, sagte Luke entsetzt. »Ich glaub es nicht!« »Das solltest du aber«, sagte Polo. »Diese Neonschwerter sind als Waffen einfach dämlich.«
Auf der anderen Seite der Tür wurde ein Trommeln hörbar, unterbrochen von gelegentlichem, doch wirkungslosem Laserbeschuss, und dem eigenartig gedämpften Ruf »Oi! Pass auf, du hast mir fast 'n Auge ausgeschossen!« »Sie können nicht rein«, keuchte Polo. »Aber wir können auch nicht raus.« »Schachmatt«, sagte Luke nickend. Prinzessin Lepra schaute ihn an. »Heißt das nicht Patt?« »Hab ich doch gesagt«, sagte Luke mit einem heftigen Nicken. »Verdammt!« Lepra ging in der Sauna auf und ab. »Wir sitzen fest. Wir sind diesem Droiden keinen Schritt näher gekommen. Und das Todesheilbad wird in Kürze seine schrecklichen Fitnessstrahlen auf die schwabbeligen, laschen, unvorbereiteten, nackten SF-Autoren loslassen. Sie haben nicht die geringste Chance. Von den Rebellenden ganz zu schweigen.« Sie warf sich wütend auf eine Holzbank. »Wenigstens hat das Klopfen an der Tür aufgehört.« Luke nahm neben ihr Platz. »Was sollen wir jetzt machen?« »Daran arbeite ich gerade«, sagte die Prinzessin. Luke schaute eine Weile nur so vor sich hin. Dann fing er an zu pfeifen. Als Lepra ihm einen finsteren Blick zuwarf, hörte er auf. »Ich kann's nicht fassen, dass Opi tot ist«, sagte er nach einer Weile. »Es ist ein Schock«, sagte die Prinzessin. Luke wandte sich zu ihr um. »Opi hat mir von dir erzählt, Prinzessin.« »Was?«, fauchte sie. »Was hat er über mich erzählt?« »Er hat von deiner… du weißt schon… erzählt. Von deiner Leprosität.« Luke schüttelte bedauernd den Kopf. »Was für eine schreckliche Schande. Es ist eine böse Krankheit.« »Schön ist sie nicht«, sagte die Prinzessin mit schmalen Lippen. »Ist sie die… du weißt schon… Ursache dieser Dinger?« Er nickte in Richtung ihres Kopfes. »Dieser Gewächse rechts und links an deinem Kopf?«
Dies schien Prinzessin Lepra noch mehr zu verärgern. »Weißt du denn überhaupt nichts? Bist du das unwissendste Individuum in diesem Quadranten? Lepra ist eine Krankheit der Menschenwesen, die der Bazillus mycobacterium leprae hervorruft; sie ist durch Hautläsionen und Oberflächennerven charakterisiert. Destruktionen des peripheren Nervensystems können in einem Verlust von Sinneswahrnehmungen resultieren, welche, wenn sie mit einer progressiven generellen Degeneration des Körpergewebes einhergeht, oftmals zur Folge hat, dass die Extremitäten erodieren, wenn auch nicht in meinem Fall. Andere Symptome inkludieren einen Verlust der Hautkoloratur und die Entzündung des Unterhautgewebes. Meine Lepra – es wird dich sicher freuen, dies zu hören – wird mithilfe nanotechnologischer Implantate ganz gut in Schach gehalten. Sie wurde in einem frühen Stadium entdeckt und behandelt. Leprose als Krankheit«, fügte sie hektisch hinzu und deutete auf die Gewächse rechts und links an ihrem Kopf, »erzeugt derlei Dinge nicht.« »Ach«, sagte Luke. »Da hab ich ja mal wieder was gelernt. Aber was… ähm… sind diese… ähm… Dinger also dann?« »Kümmere dich gefälligst um deinen eigenen Scheiß«, fauchte die Prinzessin. »Okay«, sagte Luke. »He, Prinzessin«, rief Hans. »Unsere Lage hat sich gerade noch verschlimmert.« Lepra und Luke standen auf. Ja, ein Irrtum war nicht möglich: Kochend heißer Dampf drang durch eine Öffnung im hinteren Teil der Sauna. Sekunden später füllte er den ganzen Raum, trübte die Aussicht und plagte ihre Lungen. »Sie wollen uns verdampfen«, sagte Lepra. »Da sie nicht hier reinkönnen, wollen sie uns zu Tode dampfen.« »Großer Thog!«, fluchte Hans Polo. »Diese Schweine…« Er schwenkte die Arme, doch der Dampf ließ sich nicht vertreiben. In dem kleinen hölzernen Raum war es so heiß wie in einer kochenden Suppe, und noch immer mehr brodelnde weiße Wolken drangen ein. »Ich schwitze«, keuchte Hans. »Ich hab Punkte vor den Augen. Ich spüre förmlich, dass meine Körpertemperatur steigt… Es ist grauenhaft.«
»Ja«, sagte die Prinzessin. Verzweiflung schwang in ihrer Stimme mit. »Noch ein paar Minuten, dann kochen wir buchstäblich in unseren eigenen Säften. Was für ein schreckliches Ende!« »Verflucht sollt ihr sein!«, schrie Hans Polo. Die Prinzessin sackte auf ihre Bank zurück. »Da kann ich genauso gut im Sitzen sterben«, sagte sie. Und dann kam Luke eine geniale Idee. Es war die erste, wenn auch nicht die letzte, in seinem Leben. Und das Beste daran war, dass sie ihm genau in dem Moment kam, in dem sie eine brauchten. »Wartet!«, schrie er. »Gebt die Hoffnung nicht auf! Wir können von hier entkommen!« »Wie denn?«, fragte Lepra. »Ja, Bubi«, sagte Hans. »Was hast du vor?« »Wir können durch die Öffnung kriechen – durch die Öffnung, durch die der Dampf hier reinkommt.« »Bist du irre?«, fragte Hans. »Hier drin ist es schon heiß. Kannst du dir vorstellen, wie heiß es in dem Rohr ist, wenn man durch die Öffnung krabbelt? Das ist doch Wahnsinn. Es würde unseren Tod nur beschleunigen.« »Nicht unbedingt«, sagte Luke mit Nachdruck. »Uns steht nämlich eine Waffe zur Verfügung, mit der das Imp-R-Imp nicht rechnet.« »Was?« »Wir können uns ausziehen!«, schrie Luke jubilierend. Für den Zeitraum einer Minute herrschte Schweigen in dem kleinen Raum. »Stimmt«, sagte Prinzessin Lepra und brauchte für diese eine Silbe ungefähr so viel Zeit, wie normalerweise für drei oder vier. »Ich mein es ernst, Leute!«, sagte Luke und bahnte sich einen Weg in den rückwärtigen Teil der Sauna, wo der Dampf am dichtesten war. Schon knöpfte er seine Hose auf. »Mein ganzes Leben hat mich auf diesen Augenblick vorbereitet. Ohne Kleider ist die Hitze viel erträglicher. Wir müssen so lange überleben, bis wir uns durch das Dampfrohr geschlängelt und uns vom gesamten Saunakomplex entfernt haben.
Macht schon… Ich wurde von Schweden aufgezogen. Ich verstehe, was Nacktheit ist.« »Nun ja«, sagte Prinzessin Lepra unsicher. »Ich nehme an, es ist einen Versuch wert. Ich bin bereit, es zu versuchen, vorausgesetzt, dass ihr alle – ihr wisst schon – nicht guckt.« »Und was wird aus Aubacke? Er kann sich nicht ausziehen. Er trägt ein Fell.« »Wir können ihn rasieren«, sagte der nun nackte Luke und tastete sich in dem sich kräuselnden Dampf an der Wand entlang. »An dieser Wand befindet sich ein Brett mit allem, was ein gepflegtes Äußeres verlangt, und ein Haarschneider ist auch dabei. Also los, beeilt euch. Wir haben nicht sehr viel Zeit.« Es dauerte nur eine Minute, den Wuthi ratzekahl zu scheren. Allerdings dauerte es einige weitere Minuten, seine schlummernde Gestalt in das Dampfrohr zu wuchten und ihr einen Tritt zu verpassen, der sie nach unten beförderte. Der pudelnackte Hans Polo ging als Nächster und schob den Kopiloten vor sich her. Luke versuchte es bei der Prinzessin mit einem »Zuerst die Damen«, kam aber damit nicht weit, deswegen war er als Dritter an der Reihe. Sie machte den Abschluss. Nackt, vom Schweiß glitschig, keuchend und an dem Gefühl leidend, dass seine Augäpfel gleich vor Hitze platzen würden, schlängelte Luke sich durch den Schacht hinab. Glücklicherweise führte er nach unten, deswegen fiel ihm das Vorankommen nicht allzu schwer. Der Dampf klarte schnell auf; die Temperatur wurde erträglicher. Kurz darauf sah Luke gut genug, um einen Blick nach vorn zu werfen. Dort erspähte er Hans Polo aus einem ziemlich unvorteilhaften Winkel. »Würg!«, rief er. Er schaute so schnell weg, wie er konnte, aber das Bild blieb irgendwie in seinem Kopf und brannte sich in seine Netzhaut ein. Und dann waren sie urplötzlich alle aus dem Schacht heraus. Einer nach dem anderen stolperte in eine weitere, riesengroße Metallhöhle. Endlose Fahrzeugreihen breiteten sich in alle Richtungen aus. Prinzessin Lepra entdeckte ein hauchdünnes Kunststoffschild, auf dem stand: Ebene 14 566. Reihe 345. Vergessen Sie Ihren Standort nicht!
Nach allerlei Gereiße und Gezerre gelang es ihr, das Schild von der Wand zu lösen. Sie riss Schlitze in zwei gegenüberliegende Seiten, wickelte es um ihren nackten Leib und befestigte es ungefähr so wie einen Lampenschirm, der einem als Toga dient. Das Kleid war nicht sehr zweckmäßig, da sie es mit der linken Hand festhalten musste, damit es nicht herunterfiel. Aber wenigstens war es eine Art Kleidung. Luke und Hans mussten pudelnackt bleiben. Aubacke schlief noch immer. Eigenartigerweise ähnelte er nach der Rasur nun einem ziemlich gut aussehenden übergroßen Menschen. »Wir sind offenbar in einem Parkhaus«, bemerkte Luke. »In einem Parkhaus von wahrhaft gigantischen Ausmaßen.« »Ist doch logisch«, sagte Lepra. »An einem Ort dieser Größe – er hat immerhin die Abmessungen eines Planeten – gibt es auch jede Menge Pendler. Ganz zu schweigen von den Besuchern, den Leuten, die eigentlich gar nicht hier arbeiten. Die müssen doch ihre Autos irgendwo parken.« »Aber – Autos?«, fragte Luke. »Du vergisst, wie groß dieses Todesheilbad ist. Es ist so groß wie ein Planet. Wie soll man denn sonst von einem Ort an den anderen gelangen? Natürlich bringen sie ihre Autos mit. Kommt jetzt. Wir können nicht hier bleiben. Sobald sie in Erfahrung bringen, wohin der Schacht aus der Sauna führt, haben wir sie wieder am Hals.« Die Gruppe brach auf. Hans schleifte Aubacke weiter hinter sich her. Vierzig Minuten später waren sie erschöpft und wurden zunehmend wütender. »Das nimmt ja kein Ende mehr«, meckerte Lepra. »Ich hab noch nie so viele Autos gesehen. Autos, Autos und noch mal Autos. Wie groß mag die Bevölkerung eines solchen Ortes wohl sein? Auf der Erde leben ungefähr eine Trillion Menschen, aber doch nur an der Oberfläche! Hier jedoch gibt es nicht nur die Oberfläche, sondern auch all die Ebenen darunter, bis hinab zum Kern. Hier können Millionen Trillionen leben. Und die wollen natürlich auch alle ein Auto haben.« »Tja«, sagte Luke. »Wenn man logisch denkt, muss die Anzahl der Leute und die der Autos sich die Waage halten. Wenn ein Großteil des Todesheilbad-Innenraums als Parkfläche dient, können dort keine Menschen leben. Wahrscheinlich leben hier nur ein paar Milliarden.«
»Ja«, räumte der nackte Hans Polo ein. »Du hast Recht.« »Da drüben«, sagte Lepra und streckte die Hand aus, die sie nicht benötigte, um ihr rudimentäres Kleid zu halten. »Da hinten ist ein Licht. Kommt mit.« Zwanzig Minuten später bot sich ihnen ein sensationeller Anblick. Sie befanden sich am äußersten Rand der bisher durchquerten Parkebene. Dort gab es ein niedriges Geländer, und dahinter die Schwindel erregende Aussicht auf zahllose Ebenen, die sich unter und über ihnen in ferne Weiten erstreckten. Schon der schiere Umfang der Aussicht zog einem die Schuhe aus, sofern man welche anhatte. Die Perspektive ließ die weiter entfernten Ebenen wie papierene Blätter wirken. Der Mittelraum, um den die Millionen Parkebenen aufgereiht waren, war so groß wie ein planetarer Himmel. Es war sogar möglich, in diesem Raum träge herumschwebende Wolken auszumachen. Und tief unter ihnen, unterhalb der untersten Parkdeckebene – Luke schätzte, dass dort die exakte Mitte des Todesheilbades lag –, gab es etwas, das wie ein welliger, hell blitzender Ball aussah. Er leuchtete und blitzte und beschien die übereinander gestapelten Stockwerke des Fahrzeugparks mit blendendem elektrischem Blau und Weiß. »Die Energiequelle des Todesheilbades«, sagte der übers Geländer lugende Hans, »ist ein zusammengefaltetes schwarzes Loch. Man setzt den Ereignishorizont ein, um Schneidedruck zu erzeugen, der Photonen in nutzbare Energie zerlegt. Ein sensationelles und sehr wirkungsvolles Verfahren, denn für eine Anlage dieser Größenordnung wäre alles andere zu klein. Es ist allerdings von Grund auf instabil und kann nur Photonen verarbeiten, weil die nämlich keine Masse haben. Alles, was Masse hat, würde die entscheidende Schicht durchbrechen und das ganze System zusammenkrachen lassen.« Prinzessin Lepra schaute Hans Polo skeptisch an. »Vielen Dank für die kleine Vorlesung, Herr Professor«, sagte sie spöttisch. »Falls Sie jetzt nichts dagegen haben: Ich bin's leid, ständig mit diesem lästigen Stück Kunststoff herumzulaufen, das ich um mich geschlungen habe. Wie wär's, wenn wir uns etwas zum Anziehen suchen?«
Sie bogen rechts um die Ecke und gingen ungefähr einen Kilometer am Geländer entlang, bis sie an eine große klotzige Konstruktion kamen. Eine Rampe führte durch die Decke, von der Etage über ihnen bis auf den Boden des Stockwerks, auf dem sie sich befanden. »Da fahren die Autos rein«, sagte Lepra. »In der Kabine da sitzen bestimmt die Parkhauswächter.« Sie hob ihre Laserpistole. »Parkhauswächter sind angezogen. Versteht ihr? Wir werden uns ihre Kleider beschaffen. Auf geht's!« Hans ließ Aubacke draußen auf dem Gehsteig ratzen. Dann stürzten sie zu dritt mit gezückten Waffen durch die Tür. Drinnen saß SAF4711 reglos hinter einem Schreibtisch. »Hallo«, sagte er. Und dann: »Müsstet ihr nicht angezogen sein?« »SAF4711!«, rief Luke erfreut. »Was machst du denn hier?« Der goldene Roboter schaute Luke an. Obwohl sein Gesicht keine Mimik zeigen konnte, sah man doch gleich, dass er ihn mit der robotischen Entsprechung von Abscheu musterte. »Ich bewache ein Parkhaus«, sagte er. »Was sollte ich wohl sonst in einem Parkhaus tun?« Seine Worte kamen Luke eigenartig vertraut vor, aber er wusste nicht mehr genau, wieso. »Ich freue mich einfach nur, dich zu sehen«, brabbelte er. »Wir haben dich überall gesucht.« »Wirklich?«, erwiderte der Droide ironisch. »Habt ihr mich wirklich gesucht?« Lepra fand im hinteren Teil der Parkwächterkabine einen Schrank, in dem sich Ersatzoveralls befanden. Gleich darauf war die gesamte Gruppe wieder angezogen. »Ist WC-Nullnull bei dir?«, fragte die Prinzessin. »Ist er«, erwiderte SAF4711. »Ich hatte keine Chance, ihn mir vom Hals zu schaffen. Er ist gerade draußen und parkt einen Fiat Pluto HLX-Automatik ein. Hier ist seit einiger Zeit allerhand los.« »Thog sei Dank!«, rief die Prinzessin aus. »Ich hatte mir schon solche Sorgen gemacht, er könnte Schwarz Vater in die Hände gefallen sein!«
»Ach, Schwarz Vater hatte ihn eine Weile in seinem Büro«, sagte SAF4711 lässig. »'ne halbe Stunde oder so. Dann hat er ihn wieder rausgeschickt. Man hat uns beide beauftragt, uns um die Parkerei hier zu kümmern. Seitdem sind wir hier.« »Das sind ja ausgezeichnete Nachrichten«, sagte Luke. »Kannst du uns helfen, SAF4711? Wir müssen so schnell wie möglich weg von dieser Welt.« »Hmmm«, machte der goldene Roboter. »Tja, ich nehme an, dass ich ein Auto requirieren könnte. Es ist natürlich gegen die Vorschriften, aber… nun ja, der große Kukumotz besteht nicht darauf, dass ich mich in einer solchen Lage an die Vorschriften halte.« Seine goldene Hand flutschte in eine Schublade und kam mit einem dicken Kunststoffschlüssel wieder hervor. »Ein Vectra Vector-Elector 7«, sagte er stolz. »Mit doppelter Nockenwelle. Ein Kunststoffhersteller von Sirius ist heute damit angekommen. Er ist gerade beim Squash. Mit so einer Karre wollte ich schon immer mal 'ne Spritztour machen.« »Nur rumfahren bringt uns nichts«, sagte Luke mit gerunzelter Stirn. »Wir müssen sofort von diesem Todesheilbad runter.« »Ja, glaubst du denn, hier parken Fahrräder?«, sagte SAF4711, wobei der hochnäsige Tonfall wieder in seine Stimme zurückkehrte. »Das sind Raumautos! Sie haben zwar Räder für Oberflächenfahrten, aber auch Beschleuniger und Hyperantrieb für die wirklich offenen Straßen.« Er stand auf. »Gehen wir?« »Warte«, sagte Prinzessin Lepra. »Schlägst du etwa vor, wir sollen unsere eigene Haut retten, während der gesamten Bevölkerung Gregbärs der Untergang droht? Was ist mit den Rebellenden?« »Du hast Recht.« Luke schlug mit der rechten Faust auf den Handteller der Linken. »All die nackten SF-Autoren! Und die Freiheitskämpfer!« Sein Blick huschte durch die Parkhauswächterkabine. Eine Reihe breiter Fenster ermöglichte dem in der Kabine sitzenden Wächter einen Panoramablick über die unmittelbare Umgebung der Parkebene – und ebenso über den Schwindel erregenden Abgrund in die inneren Tiefen des Todesheilbades. »SAF4711«, sagte Luke. »Dieses Büro ist doch mit dem Hauptcomputer des Todesheilbades verklempnert, nicht wahr?«
»Natürlich«, erwiderte der Droide. »Damit alle ankommenden Autos registriert werden, weil das Imp-R-Imp über jeden Bescheid wissen möchte, der an Bord kommt.« »Ausgezeichnet«, sagte Luke. »Ich möchte, dass du rausgehst und WC-Nullnull holst. Halte auf dem Angestelltenparkplatz an. Wenn du fertig bist, drück auf die Hupe. Ich kann doch davon ausgehen, dass du den Wagen schnell hier rausfahren kannst?« »Gewiss kann ich das«, sagte der Roboter. »Gut«, sagte Luke. Die goldene Maschine latschte hinaus, und Prinzessin Lepra eilte zu Luke hinüber. »Du hast doch was vor«, sagte sie. »Was ist es?« »Ach, nichts«, sagte Luke. »Ich hab nur zufällig das da gesehen.« Er deutete auf ein Kontrollbord, auf dem sich ein dicker Knopf mit der Aufschrift AUTOVERNICHTUNG befand. »Großer Thog!«, keuchte Hans Polo. »Die Paranoia des Imp-R-Imp wird sein Untergang sein«, rief Luke aus. »Diese Leute sind allem Anschein nach so besorgt darüber, ihre mächtige Waffe könnte in die Hände der Rebellenden fallen, dass sie sie mit einem umfassenden System von Selbstvernichtungsanlagen ausgestattet haben. Sind die doof!« »Du bist ein Genie!«, sagte Prinzessin Lepra. Zum ersten Mal, seit Luke sie kannte, schaute sie glücklich drein. »Ich könnte dich küssen!« »Wirklich?« Luke strahlte. Die Prinzessin beugte sich vor und gab ihm einen Schmatzer auf die Wange. »Da hast du's.« »Hoffen wir bloß, dass der Vernichtungscountdown uns genug Zeit lässt, hier abzuhauen«, sagte Hans. »Dessen bin ich mir sicher«, sagte die Prinzessin. »Ich habe da ein gutes Gefühl.« Durch die Kabinentür kam das Geräusch einer teuren Autohupe. Sie spielte das Trompetensolo von Purcell. »Geh du zuerst, Hans«, sagte Luke. »Pack Aubacke in den Wagen. Sobald wie die Autovernichtung aktiviert haben, sind wir draußen.«
Hans eilte hinaus. Luke schaute in Lepras wunderschöne blaue Augen. »Dir ist doch klar«, sagte sie, »dass du im Begriff bist, ein Held der Revolution zu werden?« »Wirklich? Das klingt aber toll. Held der Revolution – mmm! Kriegen Helden der Revolution irgendwelche Vergünstigungen?« »Fordere dein Glück nicht heraus«, sagte die Prinzessin, wenn auch nicht unfreundlich. »Drück einfach den Knopf.« »Dann los.« Luke beugte sich über den dicken roten Knopf. Durch das Fenster der Parkhauswächterkabine konnten die beiden sehen, was anschließend passierte: Eine riesige Metallklaue am Ende eines dicken, schlangenähnlichen Tentakels kam aus einem gigantischen Metallkasten, der nur wenige Meter vom Büro entfernt war. Die Klaue öffnete sich, schoss in die Tiefe, packte ein abgestelltes Auto und hob es in die Luft. Sie schwang zum Metallkasten zurück und warf es in dessen glänzendes Eisenmaul. Sofort schoben sich die Wände des Kastens nach innen und verwandelten das Auto innerhalb von Sekunden in einen winzigen komprimierten Eisenwürfel. Dann hob die Klaue das Miniaturpäckchen hoch, warf es neben dem Zermalmer auf eine Rampe, verschwand wieder im Inneren des Kastens, und der Deckel schloss sich über ihr. »Autovernichtung«, sagte Luke. »Ach, so war das gemeint. Jetzt verstehe ich.« »Ich nehme den Kuss zurück«, sagte Prinzessin Lepra kühl. »Du bist ein Schwachkopf.« »Woher soll ich denn wissen, dass das Imp-R-Imp so auf Wiederverwertung versessen ist?«, schrie Luke, »Obwohl es jetzt, wo ich darüber nachdenke, nicht sehr wahrscheinlich ist, dass es den Knopf, mit dem man das gesamte Todesheilbad vernichten kann, in der Kabine eines Parkhauswächters unterbringt.« »Komm mit«, sagte die Prinzessin. »Es bringt nichts, wenn wir hier herumlungern.« Sie ging zur Tür. Luke stierte den roten Knopf an. In seinem Inneren machte sich ein kitzliges Gefühl breit. »Warte mal«, sagte er.
Urplötzlich hörte er eine geisterhafte Stimme aus einer Existenzebene, die jenseits seiner eigenen lag: Setz die Pracht ein, Luke. »Was?«, sagte Luke verdutzt. »Was?«, fragte Prinzessin Lepra. »Was?«, sagte Luke und schaute sie an. »Was hast du gesagt?«, fragte sie. »Was?« »Was?« »Hast du was gesagt? Hast du gesagt: ›Setz die Pracht ein, Luke‹?« »Nein«, sagte Lepra. »Hast du irgendwas gesagt, dass ich vielleicht als ›Setz die Pracht ein, Luke‹ missverstanden haben könnte?« »Nein – hör jetzt auf zu mauern. Komm mit. Ich kenne doch SAF4711. Man kann sich drauf verlassen, dass er ohne uns abfährt, wenn wir uns verspäten.« »Ich habe eine Idee«, sagte Luke. »In meinem Kopf fügt sich nun alles zusammen.« Und langsam, wie in Trance, streckte er den Arm zum zweiten Mal in Richtung des AUTOVERNICHTUNG-Knopfes aus. »Schon wieder?«, sagte Lepra. »Wir wissen doch, dass das nichts bringt.« Luke grinste die Prinzessin an und drückte den Knopf. Durch die Fenster der Kontrollbude konnten sie sehen, dass der Zermalmerdeckel zurückglitt, die riesige Eisenklaue wieder zum Vorschein kam und sich auf die geparkten Fahrzeuge zuschlängelte. Luke schnappte seine Laserpistole, zielte auf das Kontrollbord und feuerte. Es explodierte in einem Aufblitzen rauchenden Kunststoffs. Draußen bebte die Eisenkralle wie unter einer Druckwelle. Sie zuckte, dann drehte sie durch. Sie packte den ihr nächsten Wagen und schwang ihn wie ein spastischer Baseballwerfer wild herum. Das Fahrzeug flog über das Geländer und fiel, wobei es sich überschlug, dem Mittelpunkt des Todesheilbades entgegen. »Lauf!«, schrie Luke.
Sie kamen gerade rechtzeitig ins Freie, um zu sehen, dass die Klaue ein zweites Fahrzeug in den Abgrund warf und sich dem dritten zuwandte. Dann kletterten sie in den Vectra Vector-Elector 7. »Ich dachte schon, ihr kommt überhaupt nicht mehr«, nörgelte SAF4711, der den Fahrersitz einnahm. »Ich wollte gerade abfahren.« »Fahr los, fahr los, fahr los!«, schrie Luke. »Einmal ›fahr los‹ reicht«, sagte SAF4711. »Und 'n bissken freundlich, wenn ich bitten darf.« Als er einen Blick durch die Windschutzscheibe warf, fügte er in einem leicht entsetzt wirkenden Tonfall »Uuahh!« hinzu. Die Klaue, die inzwischen alle Fahrzeuge in der Umgebung des Zermalmers entsorgt hatte, wandte sich nun dem Vectra Vector-Elector zu. SAF4711 machte den Bleifuß, und das feine Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse jagte die Rampe hinauf. Sie jagten durch scheinbar endlose Tunnels. Rechts und links blitzen an den Wänden rote Lichter auf. Man hörte ein monströses Grollen. Im Wageninneren schrie eine Stimmaufzeichnung, die das Getöse übertönte: »Warnung! Warnung! Evakuieren! Evakuieren!« »Was habt ihr da hinten gemacht?«, fragte Hans. »Ich hab die Pracht angewandt«, sagte Luke. »Ich glaub, ich hab die Hauptenergiequelle des Todesheilbades zusammenbrechen lassen.« »Das hast du wirklich getan? Klasse, Bubi!« »Was bewirkt es denn?« »Es wird das ganze verdammte Ding implodieren lassen!«, jubelte Hans. »Das schwarze Loch im Zentrum wird alles in sich reinsaugen. Du hast es geschafft, Bubi!« »Noch sind wir nicht frei«, sagte Lepra. »Schaut mal…« Der Wagen kam aus dem Tunnel und gelangte in eine riesige Ausfahrt/Einfahrt-Kammer. Hinter dem Ausfahrt/ Einfahrt-Kraftfeld sah man den interstellaren Raum. Doch ihr Weg war von Hunderten umherwimmelnder Sturtruppler blockiert. Jene, die ihnen am nächsten waren, winkten, damit sie ihr Fahrzeug anhielten, und richteten ihre Gewehre auf sie. »FAHR WEITER!«, schrie Luke.
Der Wagen fuhr weiter. Als die Soldaten begriffen, dass der Wagen nicht anhalten würde, eröffneten sie das Feuer. Laserstrahlen donnerten gegen die Karosserie. Sie erzeugten zwar rauchende Krater, durchschlugen die Hülle aber nicht. Die Heckdüse erwachte zum Leben, der Vectra hob vom Boden ab und jagte geradewegs auf die Öffnung zu. Ein Zufallstreffer zerschlug mit entsetzlichem Lärm die Heckscheibe. Winzige Plastikglassplitter flogen umher. Im Fahrzeug ertönte eine Warnsirene. Der trotz des Tohuwabohus nicht aus dem Konzept zu bringende SAF4711 – er war schon von seiner Programmierung her nicht aus dem Konzept zu bringen – schaltete die Sirene aus und drückte den Knopf, der die Ersatzheckscheibe aktivierte. Dann waren sie im interstellaren Raum und düsten von dannen. Luke und Lepra schauten durch die Heckscheibe zu, wie das gewaltige Todesheilbad überall anfing zu beben. Aus allen möglichen Bullaugen zuckten Flammen hervor. Mehrere niedrige Türme brachen zusammen. Ein metallenes Kräuseln reißenden Metalls fuhr wie ein Erdbeben über die Außenhülle der künstlichen Welt. Dann explodierte das gesamte Todesheilbad in einer blendenden Detonation – wie ein mit Feuerwerkskörpern voll gestopfter Plastikglobus. Oder, wenn ich noch mal drüber nachdenke, wie eine riesige Welt, die von einem riesigen brennenden Licht- und Feuerball verzehrt wird, mit einem riesigen Torus aus weißen Flammen, die von ihrem Äquator aus nach außen verlaufen. Eine Wand aus weiß glühendem Feuer fegte genau auf das Fluchtfahrzeug zu. »Wir sind zu spät gestartet!«, schrie Luke. »Wir werden ins Gras beißen!« Die Feuerwand jagte unglaublich schnell hinter ihnen her. Fast berührte sie schon das Wagenheck – doch dann verlangsamte sie, als würde sie von einem phänomenalen Kraftfeld zurückgedrängt. Sie verlangsamte noch mehr, dann hielt sie – wunderbarerweise – einige Zentimeter vom. Heck entfernt an. Schließlich wich sie langsam zurück, wie ein rückwärts laufender Film, und wurde von einem supermassiven zentralen Punkt angesaugt. Sie brach zusammen. Das Gas und die Fragmente implodierten – alles wurde auf eine Stelle zugezogen.
Einen Moment lang war aus dem Heckfenster noch eine brodelnde Sphäre aus überheißen Gasen zu sehen… … im nächsten Moment war nichts mehr da. Das gesamte Todesheilbad war in das künstliche schwarze Loch gezogen worden, das sich in seiner Mitte befand. Der Vectra Vector-Elector 7 pflügte durch den leeren Raum und bewegte sich sozusagen auf den Planeten Gregbar zu. Vom Rücksitz kam eine Stimme. »O nein«, sagte Hans Polo. »Nicht schon wieder.« Der einzige verirrte Laserstrahl, der den Wagen in der letzten hektischen Fluchtphase durchschlagen hatte, hatte seinen gesunden Lungenflügel getroffen. Eine klaffende, blutende, dampfende Wunde wurde sichtbar. »Hans!«, schrie Luke. »Na, das ist aber schade«, sagte die Prinzessin. »Wenn er nicht verletzt wäre, wurde ich nämlich jetzt sofort mit der Feier loslegen.«
Fünfte Episode Das Imperium spielt verrückt
Das Todesheilbad ist zwar vernichtet, doch dieser Rückschlag hat die Entschlossenheit des Imperialen Reichsimperiums, die Rebellenden zu zerschmettern, nur verdoppelt. Genau genommen hat es seine Entschlossenheit, die Rebellenden zu zerschmettern, sogar verdreifacht – vorausgesetzt, dass wir unter ›verdreifachen‹ ›mal sechs‹ und nicht ›mal neun‹ verstehen, was dann dreimal so viel im Quadrat wäre und den Umfang des Vernichtungswillens des Imp-R-lmp ziemlich übertrieben darstellen würde. Schwarz Vater, der dem Untergang des Todesheilbades aufgrund einer Reihe von Zufällen entkam – leider haben wir, während dieser Vorspann läuft, keine Zeit, auf die Einzelheiten einzugehen –, führt höchstpersönlich die Aktivitäten zur Ergreifung und Exterminierung jeglichen rebellenden Widerstandes gegen die Macht des Imp-R-Imp an. Inzwischen haben die Rebellenden ihre verbeulten Streitkräfte auf der Eiswelt Caldarsch gesammelt…
1
Die neue Basis der Rebellenden
Der Eisplanet Caldarsch glitzerte vor einem tiefschwarzen Hintergrund wie eine weiße Riesenperle in der ewigen Finsternis des Weltalls. Genauer gesagt: Man muss sich den dunklen Hintergrund so vorstellen, als wäre er mit winzigen weißen Pünktchen durchsetzt. Stell dir zum Beispiel, damit wir die Sache ein für alle Mal klarstellen (und gib dir Mühe), vor, du renovierst gerade deine Wohnung. Du streichst die Decke mit weißer Farbe, und um den Teppichboden zu schützen, deckst du den ganzen Raum mit einem Tuch aus schwarzem Samt ab. Warum du dazu schwarzen Samt verwenden solltest, weiß ich nicht – vielleicht bist du exzentrisch. Vielleicht hast du aber gerade auch keine billigen Baumwolllaken rumliegen. Nun liegt das schwarze Samtlaken nun unter dir und bedeckt den Teppichboden. Du gehst der Malerei fröhlich und sorglos nach – und dann klatschen unausweichlich ein paar Spritzer der weißen Farbe – es dürfen auf keinen Fall dicke Spritzer sein, denn sie würden das Beispiel zunichte machen – auf das schwarze Samtlaken. Nehmen wir jetzt mal an, du machst bei der Malerei eine kurze Pause. Vielleicht hast du einen steifen Hals gekriegt, man weiß ja, wie es ist, wenn man Decken streicht: Für den Hals und die Schultern ist es einfach mörderisch. Du greifst also in die Tasche, um ihr ein Taschentuch zu entnehmen, damit du dir den Schweiß von der Stirn wischen kannst. Doch als du es aus der Tasche ziehst, ziehst du unabsichtlich auch die dicke weiße Perle mit heraus, die du immer bei dir hast. Wie groß sie ist? Weiß ich nicht genau. Nehmen wir mal an, sie ist so groß wie ein Tischtennisball. Als du das Tuch aus der Tasche ziehst, bemerkst du, dass du die wertvolle Perle – oder wenn es dir lieber ist: den Tischtennisball – hast fallen lassen. Du schaust mit von Grauen erfüllter Miene nach unten – genau im richtigen Moment, um zu sehen – wenn auch nur ganz kurz –, dass die Riesenperle – oder der Tischtennisball – im Begriff ist, zu Boden zu fallen. Man sieht sie – bzw. ihn – deutlich vor dem von weißen Farbklecksen bedeckten schwarzen Samt – und der Anblick ist so traumatisch, dass die Zeit
stillzustehen scheint und das Bild sich in deine Erinnerung einbrennt, sodass du es nie vergisst. So sah der Planet Caldarsch aus dem Weltraum aus. Unten auf dem Planeten ist Luke Skyquaker draußen im Schnee und reitet ein Huckepakka – eine riesige, wollige, auf Caldarsch heimische känguruartige Lebensform. Gegen die 80 Grad unter Null war er bestens gewappnet, denn er trug eine Schwindlerpelzparka mit Kapuze, die seine Ohren schützte, und er hatte den Reißverschluss bis zum Adamsapfel hochgezogen. Außerdem hatte er Autofahrerhandschuhe an. Er ritt auf seinem Reittier auf den Gipfel eines verschneiten Hügels, und auf der anderen Seite wieder runter. Hin und wieder hob er ein Fernglas an das von Pelz umrandete Kapuzenoval, aus dem sein Gesicht hervorlugte. Luke hielt nach Anzeichen von Imp-R-Imp-Aktivitäten Ausschau, denn er wollte in Erfahrung bringen, ob der imperiale Herrscher das neueste Versteck der Rebellenden schon entdeckt hatte. Doch er konnte nichts sehen. Gar nichts. Nothing. Nada. Nix. Na ja, wenn's nichts zu sehen gibt, reiten wir mal weiter. Leere. Ödnis. Weiße. Null. Jede Menge GAR NICHTS. Schnee, Schnee, Schnee, Schnee. Luke betätigte den Knopf an seinem Walkie-Talkie bzw. Ridie-Talkie. »Basis?«, sagte er. »Meldung. Hier ist Skyquaker. Ende.« Das Knistern von Störgeräuschen. »Ssss… psss… sssüüsss… Hallo, Luke? Pschsch… ssss…« »Prinzessin Lepra? Bist du's? Ende.« »Wie schön, deine krchchzzz Stimme zu hören, Luke«, sagte Lepra. »Ende.« »Tja«, sagte Luke. »Ich bin jetzt seit Stunden hier draußen und habe nichts gesehen. Ende.« »Pschsch… unsere Ortung hat dich ganz in der Nähe des Schwarzen Schneelosen Granitbergs ausgemacht. Du müsstest die riesige Schwarzgranit-Bergkette eigentlich genau vor dir sehen können. Ende.« »Ich seh überhaupt nix. Nur Schnee. Ende.«
»Nun, es ist ein klarer Tag, Luke… Bsssst… Über dir müsstest du eigentlich den weiten blauen Himmel sehen.« »Nix. Nur Schnee. Ende.« »Siehst du… psssst… das Huckepakka unter dir? Ende.« »Nein.« »Siehst du deine Hand, wenn du vor den Augen damit rumwedelst?« Wedel, wedel. »Nix. Ende.« »Luke… Dann leidest du vielleicht an krtz-krtz. Wiederhole: Du leidest vielleicht an krtz-krtz-krztz Schneeblindheit. Sei bloß vorsichtig da draußen.« »Mir geht's gut. Brüll!« »Luke?« Prinzessin Lepras Stimme klang durch das Ridie-Talkie-Gerät zwar dünn und blechern, aber man hörte ihr deutlich an, dass sie besorgt war. »Luke? Warum hast du gerade Brüll! gesagt?« »Ich hab nicht Brüll! gesagt. Ende.« »Ich habe aber ganz deutlich Brüll! gehört.« »Ich war es aber nicht«, sagte Luke. »Brüll!« »Da ist es wieder, Luke!«, schrie Lepra. »Hau sofort da ab!« »Hier ist alles in Ordnung«, sagte Luke. »Ich seh hier nichts, das eventuell gefährl… Wahhh!« »Luke? Luke? Hast du gerade Wahhh gesagt? Oder war es ein weiterer brüllartiger Lärm dieser unsichtbaren Kreatur?« »Nein«, erwiderte Luke. »Das Wahhh war von mir. Ende.« »Luke! Was ist da los?« »Eine riesige yetiartige Kreatur scheint wohl… Wahhh! Wahhh! Au! Au! Au!« Das Zischen der Störgeräusche war alles, was man während der nächsten dreißig Sekunden vernehmen konnte, doch schließlich fügte Luke mit röchelnder, verletzt klingender Stimme ein »Ende« hinzu. »Luke? Bist du in Ordnung? Luke?«
Doch es kam keine Antwort. Prinzessin Lepra versuchte über lange Minuten hinweg, ihren Freund per Funk zu erreichen. Doch ohne Erfolg. »Krchz… sak… kak… kaum noch was empfangen, Luke… Htschie!… sss… Verbindung unterbro…« Luke war in der Tat von einer gigantischen yetiartigen Kreatur angegriffen worden – einer Bestie, die ihn mit einem Hieb ihrer riesigen behaarten Klaue aus dem Sattel seines Huckepakka geschleudert hatte. Dann haute sie ihm, wo sie schon mal dabei war, noch eins auf den Schädel. Glücklicherweise war die yetiartige Kreatur nicht daran interessiert, ihn zu fressen, da es ihr an den nötigen Enzymen mangelte, um ein Lebewesen von Lukes fremdländischer Herkunft zu verdauen – ein Fakt, der Lukes halb bewusstlosen und stöhnenden Leib etwa so appetitlich wirken ließ wie unsereinem ein Teller Sand. Also verzehrte es Lukes Huckepakka, latschte von dannen und ließ den schwer verletzten jungen Mann reittierlos mitten in der Wildnis liegen, damit er sich buchstäblich zu Tode fror. Am Himmel ballten sich kalte Wolken zusammen, und bald darauf schneite es. Ein bösartiger Wind sammelte sich, heulte und zerrte auf rüde Weise an Lukes Kleidern. Er wirbelte den Schnee wie ein Blizzard umher. »Neee«, stöhnte Luke. Vielleicht hat er auch »O jeeeh« gestöhnt. Es war angesichts des Windgeheuls und des Schneesturmtosens wirklich schwer zu sagen. Er machte jedoch eindeutig eine Äußerung, deren Gehalt mehr oder weniger einen negativen Inhalt hatte. Wenn man bedenkt, dass er erst kurz zuvor von einer riesigen wilden Bestie angefallen und wie tot inmitten eines tobenden Schneesturms zurückgelassen worden war, ist es ja auch kaum wahrscheinlich, dass er eine positive oder bejahende Äußerung in der Art von »Jaaah!«, »Yeah!« oder »Dolores!« machen würde. Der Schneesturm umtoste Lukes ausgestreckten Leib. Dann schien sich das Sturmgeheul eigenartigerweise zu verzerren. Es muhte wie ein Rindvieh, und dann, als es so klang, als täte dem Wind was weh, glaubte Luke sogar, ihn sprechen zu hören.
»Luke«, sagte der Wind. Und dann: »Luke Skyquaker…« Es war die Stimme Opi-Jan Knofis. Aber das konnte doch nicht sein! Opi war doch im Todesheilbad gestorben. Seine Leiche war zusammen mit jeglicher anderer Materie der zum Untergang verurteilten Konstruktion in die Singularität gesaugt worden! Es konnte nicht sein! »Opi?« Luke schaute auf. »Bist du's, Opi?« »Luke«, sagte Opi. Als Luke durch den Schnee nach oben schaute, sah er eine geisterhaft leuchtende Gestalt, die eine flüchtige Ähnlichkeit mit dem toten alten Jobber-Ritter aufwies. »Hör zu, Luke«, trällerte die Halluzination. »Begib dich auf die Sumpfwelt und suche Jodella…« »Jodella?«, keuchte Luke, während die ersten Frostbeulen in sein Gesicht bissen. »Er ist ein großer Jobber-Meister. Er kann deine Jobber-Ausbildung zum Abschluss bringen. Tut mir echt Leid, dass ich ihn früher nie erwähnt habe; du weißt schon, als ich noch lebte. Hab irgendwie nicht dran gedacht. Ist mir wahnsinnig peinlich. Ich weiß gar nicht, wie ich mich entschuldigen soll. Na ja, jedenfalls bin ich jetzt hier, und das ist besser als wenn ich nicht hier wäre. Denn was man auf morgen verschieben kann, kann man auch übermorgen noch erledigen.« »Opi!«, keuchte Luke. »Opi!« »Geh zur Sumpfwelt«, sagte Opi und legte ein saftiges Vibrato in seine Stimme, als strebe er nach mystischer Resonanz. »Es ist deine Bestimmung! Geh, Luke! Suche Jodella! Denk positiv! Nimm hin und wieder ein Aromatherapiebad! Du hast es dir verdient! Für Entspannung kann man gar nicht genug Geld ausgeben! Wenn man beim Tarot die Todeskarte zieht, ist das nicht unbedingt schlecht; vielleicht bedeutet es nur den Tod alter und schlechter Angewohnheiten oder einer negativen Denkweise! Trag Purpur! Diese Kristalle sind für nur 29,95 imperiale Kroyten zuzüglich Porto und Verpackung erhältlich! Tritt ins Licht! Denk rosa! Zeig ihnen, was 'ne Harke ist!« »Opi… Du entgleitest mir! Du verblasst!«
»Luke!«, sagte Opi-Jan Knofi äußerst schwach. »Nutze die Pracht…« Und dann war er weg. Der Schnee umwehte Lukes hingestreckte Gestalt wie eine unglaubliche Menge Seifenflocken unter dem Einfluss einer Windmaschine. Und zwar sehr kalte Seifenflocken – ich glaube, das können wir als selbstverständlich voraussetzen. Seifenflocken, die man vielleicht zuvor in einem übergroßen Kunststoffbehälter in einem Kühlraum gelagert hat. Damit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass sie wirklich arschkalt waren. Luke wurde ohnmächtig. Der Schneesturm hörte auf. Über dem jungfräulichen Schnee lachte die Sonne. Hans Polo, der auf seinem eigenen Huckepakka ritt, wusste, dass irgendwas nicht stimmte. Er spürte fast, dass Luke in Schwierigkeiten war. Er konnte seine Position fast auf eine telepathische Weise ahnen. Er ritt über den Schnee hinweg, als würde er von einer übernatürlichen Zuneigung zu dem Verletzten geleitet. Es war natürlich auch hilfreich, dass Luke einen satellitengestützten Peilsender bei sich hatte, dass seine letzte Position bestens bekannt war und seine letzte Äußerung Wahhh! gelautet hatte. »Basis«, sagte Hans in sein Ridie-Talkie. »Ich nähere mich nun Lukes Position.« Er galoppierte den letzten Hang hinauf, hinter dem Luke lag. »Halt durch, Bubi«, rief er, nachdem er von seinem Reittier gesprungen war und den jüngeren Mann in seinen Armen wiegte – wenn auch eher in einer »lebensrettenden« als »romantisch-intimen« Weise. »Opi…«, stöhnte Luke. »Opi-Jan Knofi…« »Ich bin's, Bubi«, sagte Hans. »Hans Polo. Der Typ mit den künstlichen Lungenflügeln. Dein Kumpel, hast du's vergessen?« »… Opi…« »Nein, nein«, wiederholte Hans. »Ich bin's. Hans Polo.« »… Knofi…«
»Du sprichst im Fieber, Bubi, ich bin Hans. Nicht Opi-Jan Knofi. Ich. Ich bin's.« Luke zuckte, als litte er Schmerzen, doch seih zusammenhangloses Geschwafel hörte nicht auf. »… hatte eine… Vision… Opi… im Schneesturm… seine geisterhafte Gestalt wirkte… schien irgendwie… im Moment spreche ich nicht direkt mit ihm… Ich erzähle eher von der Vision, die ich eben hatte… hat gesagt, ich soll zur Sumpfwelt gehen… Jodella aufsuchen…« »Du bist ja nicht ganz bei dir, Bubi.« Hans schüttelte den Kopf. »Die Kälte wird ihn noch umbringen«, murmelte er. »Ich muss wohl zu 'ner drastischen Maßnahme greifen, um ihn zu wärmen.« Er griff in seinen Rucksack und entnahm ihm ein absolut gigantisches Bowiemesser, das völlig aus Silber war, wenn man von einer einzelnen roten Zickzacklinie an der Klingenspitze absah. »Eigentlich«, murmelte Luke und öffnete die Augen ein Stück, »fühl ich mich schon etwas besser… Wenn du mich vielleicht nur… zur Basis zurück… 'n hübsches Tässchen süßen heißen Tee… 'ne Decke, vielleicht aus Daunen, um die Schultern…« »Rühr dich nicht, Bubi«, sagte Hans mit grimmiger Miene. Mit einer flinken Bewegung, der gleich darauf zwölf bis vierzehn verzweifelte Hieb- und Stichbewegungen folgten, schnitt er den Bauch seines Huckepakka auf und gestattete es dessen faulig riechenden Innereien, in den Schnee zu fallen. Als die blassgrünen Gedärme ins Freie klatschten, dampften sie, doch die Eiseskälte des Planeten Caldarsch kühlten sie schnell ab. »Ist so kalt…«, sagte Luke. »Also los«, sagte Hans und klatschte einen Haufen übel riechender Gedärme nach dem anderen auf Lukes Körper. »Gleich wird dir wärmer.« »Ist so kalt«, sagte Luke erneut und runzelte diesmal die Stirn. »Und wie es mieft. Ist so kalt und miefig. Von dem Schleim ganz zu schweigen.« »Das ist nicht gut«, nörgelte Hans. »Die schleimigen Eingeweide haben ihre Hitze in der eiskalten Umgebung überhaupt nicht bewahrt. Sie
werden dich überhaupt nicht abschirmen. Du braucht eine wirkungsvollere Wärme als die hier.« Er kramte eine geraume Weile im Inneren des offenen Huckepakka-Kadavers herum und zog den Rest der Innereien heraus. Dann packte er Lukes Taille, wuchtete den jungen Mann mit aller Kraft hoch und schob ihn mit dem Kopf voran in den nun gänzlich ausgehöhlten Kadaver. »Würg«, sagte Luke, dessen Stimme nun aufgrund der Tatsache gedämpft war, dass er sich im Aas des riesigen flauschigen Tiers befand. »Ist das kaaalt… Außerdem stinkt es jetzt noch viel mehr… Auch wird mein Gesicht auf sehr unbequeme Weise gegen den Brustkorb irgendeines toten Dings gedrückt… sehr unbequem… und mit fauligem, klebrigem Zeug bedeckt. Und mir ist noch immer kalt.« Hans gab den Versuch auf, Luke mit den Händen hochzuwuchten. Es klappte nicht. Es war, als reiche die Magengrube eines Geschöpfs von der Größe eines großen Kängurus nicht aus, um einen gänzlich ausgewachsenen Menschen männlichen Geschlechts aufzunehmen. Ja, man sah es gleich: Er brauchte mehr Hebelkraft. Hans stand auf und warf einen Blick auf seinen Freund. Lukes Kopf und Schultern waren im Inneren des toten Lebewesens, doch ansonsten lag er draußen. Die Geräusche, die Luke erzeugte, deuteten – auch wenn sie nur halb hörbar waren – nicht auf ein Wesen hin, das sich in einem Zustand des Wohlbefindens oder körperlicher Gesundheit befand. Die Lage verlangte noch drastischere Maßnahmen. Hans eilte zu Lukes Füßen und setzte sich hin. Dann drückte er seine Fußsohlen an Lukes Fußsohlen und schob ihn mit aller Macht voran. Noch einige Zentimeter des Oberteils von Lukes Torso verschwanden in dem schartigen Loch im Bauch des Huckepakka, doch so fest Hans auch drückte, weiter konnte er ihn nicht hineinschieben. »Mmmbb, Bbbmmm«, sagte Luke. »MmmmmbBBbb! Mm! Mb!« »Was ist, Bubi?«, fragte Hans und stand wieder auf. In der klaren kalten Luft war ein Rauschen zu hören. Ein Schwebetransporter der Rebellenden setzte einige Meter von ihnen entfernt zur Landung an. Die Seitentür glitt auf; Prinzessin Lepra sprang heraus und eilte an Hans' Seite.
»Hans! Thog sei Dank bist du gesund! Und Luke – ist er in Ordnung?« Hans schaute in ihr wunderschönes Gesicht. Dann begutachtete er die Szene vor ihm im Schnee: Da lag ein totes Huckepakka, dessen Gedärme überall verstreut waren. Und Luke lag in der Horizontalen, die oberen zwanzig Prozent seines Körpers waren in den Kadaver gestopft. »Großer Thog!«, schrie Lepra bestürzt. »Was ist denn passiert?« Hans dachte sich flink eine passende Erklärung aus. »Als ich hier ankam«, sagte er und stellte seinen Gesichtsausdruck auf ›ernsthaft‹ ein, »lag er schon so da.« »Willst du mich verarschen?«, sagte die Prinzessin entsetzt. »Luke? Was hat er seinem Reittier angetan? Ich hätte ihn nicht für fähig gehalten, so…« Sie starrte Lukes Gestalt für lange Sekunden stumm und argwöhnisch an, dann schüttelte sie den Kopf und gab bekannt: »Na ja, jedenfalls ist die Imp-R-Imp-Flotte eingetroffen. Man hat unsere Basis entdeckt. Wir müssen evakuieren. Na los, zieh ihn da raus – wir müssen zurück.« »Hervorragend«, sagte Hans strahlend. »Übrigens«, fügte die Prinzessin hinzu, als Hans in den Transporter kletterte, »wo ist eigentlich dein Huckepakka?« »Oh«, sagte Hans. »Ähm. Ja.«
2 Der Herrscher des Imp-R-Imp betritt die Bühne Hoch über dem eisigen Planeten kreiste unaufhaltsam eine aus imperialen Zerstörern bestehende Flotte. Natürlich ist es für ein jegliches Kreisen typisch, dass es unaufhaltsam ist. Ist es nicht unaufhaltsam, ist es kein echtes Kreisen. Ein aufhaltsames Kreisen würden wir »Wiedereintritt« oder auch »Aufprall« nennen. Ich verwende das Wort »unaufhaltsam«, um die Bewegungen dieser Raumschiffe nicht nur im Wortsinne zu beschreiben, sondern um ihrem unaufhaltsamen terroristischen und unterdrückenden Feldzug auch metaphorisch Ausdruck zu verleihen. Du wirst es noch sehen. Schwarz Vater stand mit gespreizten Beinen auf der Kommandodrücke des Raumzerstörers Unterdrückung durch Furcht und Terror ist die Neue Freiheit (Fresszellen-Klasse). Seine Miene war undurchschaubar hinter einer Schrecken erregenden schwarzen schädelförmigen Maske verborgen und starrte in die tintenschwarze schwarztintige Nacht des interstellaren Raums hinaus. Er war dem Tod an Bord des Todesheilbades unter kaum glaubwürdigen Umständen, auf die einzugehen wir im Moment keine Zeit haben, nur knapp und in letzter Minute entgangen. Es reicht wohl, wenn ich sage, dass er tatsächlich überlebte und nicht sehr erfreut darüber war, dass diese militärische Einrichtung so locker und im Handumdrehen ausgeschaltet worden war. Der Bau des Todesheilbades hatte immerhin 45 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 Millionen imperiale Kroyten gekostet – ganz zu schweigen von den laufenden Gehaltskosten der siebzehn Millionen Köpfe starken Besatzung, den verschiedenen nicht absetzbaren, gesetzlich vorgeschriebenen Schadenersatzzahlungen und Witwen- und Waisenrenten! Nach einer verschnupften Konferenz mit dem imperialen Herrscher, bei der ein neues Todesheilbad in Auftrag gegeben worden war, hatte Schwarz Vater den Befehl erhalten, sich auf eine galaxisweite Mission zu begeben, um die Rebellenden aufzuspüren und mit dem ABSOLUTEN TOD ZU bestrafen.
Nun, viele Monate später, zeitigte die Suche ein Ergebnis. Die Rebellenden befanden sich genau unter ihnen. Commander Axl Schweyss näherte sich dem Schwarzen Lord der Siff mit einer Beklommenheit, die zu verbergen ihm täglich schwerer fiel. »Mein Lord«, sagte er und baute sich hinter der finster vor sich hin brütenden Gestalt des bösen Vater auf. »COMMANDER«, dröhnte Schwarz Vater. »Wir haben die neue Basis der Rebellenden unter uns auf dem Eisplaneten Caldarsch ausgemacht.« »GUTE ARBEIT, COMMANDER«, dröhnte Vater. »VERSETZT DIE FLOTTE IN ANGRIFFSBEREITSCHAFT. SETZT DIE EINBEINIGE ATTACKIERMASCHINE IN MARSCH.« »Sehr wohl, mein Lord. Und… Mein Lord?« »JA, COMMANDER?« »Der Umtaufbefehl gilt noch immer, oder? Ich meine den, der alle Militärs verpflichtet, die Attackiermaschine als ›einbeinig‹ zu bezeichnen?« »ES IST DER WILLE DES HERRSCHERS, COMMANDER.« »Ja, mein Lord. Natürlich, mein Lord. Es ist nur… Einige Männer meinen, der Name ›Monopodische Attackiermaschine‹ sei nicht nur passender, sondern auch besser geeignet, um die Truppen in die passende Kampfeswut zu versetzen. ›Einbeinig‹ klingt so…« »ES IST DER WILLE DES IMPERIALEN HERRSCHERS, COMMANDER.« »Natürlich, mein Lord.« Dann folgte eine unbehaglich brütende finstere Stille. Commander Schweyss wagte nicht zu gehen, bevor es ihm befohlen wurde. »COMMANDER«, dröhnte Schwarz Vater. Er wandte sich um und schaute seinen Untergebenen an. »ICH MÖCHTE, DASS IHR
DAS HIER LEST.« Er hielt Schweyss einen pechschwarzen Aktendeckel hin, in dem er mehrere dünne Blättchen fand. »Neue Befehle, mein Lord? Soll erneut die Vernichtung über einen ahnungslosen Planeten hereinbrechen?« »NEIN, DAS NICHT. ES IST ETWAS ANDERES. EIGENTLICH… ICH HABE DEM FILM DIE MARXBROTHERS BEIM PFERDERENNEN EINIGE DIALOGE HINZUGEFÜGT«, sagte Schwarz Vater. »UM IHN HIER UND DA ZU VERBESSERN. ZUM BEISPIEL IN DER KURZEN SZENE, IN DER GROUCHO… IHR HABT DOCH GESAGT, GROUCHO SEI DER WITZIGE?« Schweyss schluckte nervös. »Viele Menschen sehen es so, mein Lord. Ich meine… na ja…« »JA, JA. NUN, AN DER STELLE, AN DER GROUCHO SAGT ›ICH KÖNNTE MIT IHNEN TANZEN, BIS DIE KÜHE NACH HAUSE KOMMEN… EIGENTLICH WÜRDE ICH LIEBER MIT DEN KÜHEN TANZEN, BIS SIE NACH HAUSE GEHEN‹… ICH HABE DIE SZENE SO UMGESCHRIEBEN, DASS ER HINZUFÜGT: ›IHRE KÜHE SIND NICHTS IM VERGLEICH MIT DER SCHWARZEN SEITE DER PRACHT. ICH WERDE IHRE KÜHE ZERMALMEN UND SIE DANN ALS SCHWARZER LORD DES TANZES ERSETZEN, WEIL ES MEINE BESTIMMUNG IST.‹« Eine Periode der Stille brach aus. »Sehr gut, Lord Vater«, sagte Schweyss nervös. »Sehr… ähm. Gut. Eine deutliche Verbesserung.« »TROTZDEM, TROTZDEM… SCHAUT ES EUCH AN, WENN IHR EIN BISSCHEN FREIZEIT HABT. ICH GLAUBE WIRKLICH, ICH HABE DEN DIALOG VERBESSERT.« »Dessen bin ich mir sicher, mein Lord.«
»TJA, WIE GESAGT, LEST ES. DANN SAGT MIR, WAS IHR DAVON HALTET. SEID EHRLICH.« »Sowieso«, sagte Commander Schweyss. »ALSO«, sagte der Schwarze Lord der Siff mit einem Anflug von stimmlicher Unsicherheit, als sei er irgendwie verletzt, »ICH MEINE, WENN IHR WIRKLICH GLAUBT, DASS ES NICHT WITZIG IST…« »Nein, mein Lord! Es ist ein Brüller, mein Lord! Ha! Haha! Hahaha!« »ICH WÜSSTE ECHTE KRITIK WIRKLICH ZU SCHÄTZEN. JA, WIRKLICH.« »Natürlich, mein Lord.« »TROTZDEM, TROTZDEM. WO WAREN WIR GERADE?« »Dass wir einen Angriff auf die Basis der Rebellenden unter uns starten, mein Lord?« »AH, JA! LASST DIE STREITKRÄFTE VON DER LEINE!«
3
Angriff ! Angriff ! Angriff !
In der Basis der Rebellenden herrschte Verwirrung. Die Soldaten der Rebellenden liefen von hier nach da und von da nach hier. Viele kehrten auch zurück, um Zeug einzusammeln, das sie in der Eile vergessen hatten mitzunehmen. Panik lag in der Luft. »Evakuieren! Evakuieren!«, heulte eine automatische Sirene und dröhnte durch jeden Korridor und jeden Gang. »Evakuieren! Evakuieren! Beeilung! Wir haben sie gleich am Hals!« Offen gesagt, es war eher kontraproduktiv als produktiv. »Hans!«, schrie Luke, als er ungelenk zu seinem Jäger humpelte. »Ich muss zum Sumpfplaneten, um Jodella zu treffen!« »Du hast sie zwar nicht alle, Bubi«, sagte Hans und eilte zu dem Raumschiff, das die Rebellenden ihm zugeteilt hatten, »aber ich wünsch dir trotzdem Glück!« »Wir treffen uns in der Schwebestadt.« »Gebongt. – He, Bubi?« »Ja, Hans?« »Ist 'n langer Flug zum Sumpfplaneten. Du solltest 'ne WC-Einheit mitnehmen. Du wirst sie brauchen.« »Was wird aus dir, Hans?« »Ich flieg mit Lepra zu 'nem alten Freund. Er heißt Landser Kahlratzia. Die Prinzessin hat Hummeln im Hintern wegen des Großen Geheimnisses, das sie in ihrem Droiden gebunkert hat. Ich nehme an, Landser kann jede Information aus jeder Maschine rausholen – er ist nämlich ein Computergenie. Also schauen wir uns mal an, worum es bei dem Großen Geheimnis geht und ob es uns helfen kann, das Imperium zu schlagen.« »Dann viel Glück!« »Wünsch ich dir auch…«
Die beiden Freunde schüttelten sich die Hand. Hans lief zu seinem Raumschiff; Luke begab sich in das seine. Beide Maschinen düsten zum Himmel hinauf, und Sekunden später jagten sie, so schnell die Triebwerke sie beschleunigen konnten, durch den Hyperraum davon. Sie durften keine Zeit verlieren: Das Imp-R-Imp hatte seine Landeschiffe kaum einen Kilometer von der Basis der Rebellenden entfernt gelandet. Nun lud es tausende von Angehörigen der SturtruppenVorauskommandos in die eisernen Hüllen ihrer Monopoden – 'tschuldigung: ihrer Einbeinigen Attackiermaschinen – um. Dutzende dieser Maschinen hüpften schon über das Eis, der Basis der Rebellenden entgegen. Diese Furcht erregenden Kriegsmaschinen waren riesige Metallhülsen. Sie hockten auf einem einzelnen spindeldürren, hydraulisch betriebenen Roboterbein und konnten über jeden Verteidigungswall hinwegspringen, der auf einer ebenen, festen Oberfläche stand – wie etwa in einer Salzwüste oder auf ebenem Grasland. Auf dem matschigen Schnee und in dem unebenen Gelände von Caldarsch funktionierten sie jedoch nur jämmerlich. Solange der Schnee einen relativ flachen Untergrund bedeckte, konnten sie ihre schauerlich aussehenden, haarsträubenden Sprünge und Sätze ausführen und wie Bleienten von einer Stelle zur anderen hüpfen. Doch wenn die Topographie sich veränderte und aufwärts bzw. abwärts verlief, kippten sie häufig nach vorn und hinten, explodierten, brachen auf oder blieben einfach regungslos liegen. Und wenn ein einbeiniges armloses Lebewesen umkippt, ist es fast unmöglich, dass es sich auf seinem einzigen Bein wieder aufrichtet. Tja, über so was muss man mal nachdenken! »Idioten!«, schrie Boden-Commander Tüpaus Castrop an seinem Aussichtspunkt am Brückenkopf. »Tölpel! Idiotische Tölpel! Tölpelhafte Idioten! Was macht ihr da für'n Kappes, ihr Poofnasen?« »Das Gelände, Commander«, quietschte ein EinbeinAttackiermaschinen-Captain. »Es ist einfach zu kniffelig! Unsere Gyroskop-Software kann die Lage des Bodens unter uns nicht vorherberechnen… Woooahhh!« Dann war die Leitung tot. Von Castrops linker
Seite kam das wumpfige Geräusch einer in den Schnee klatschenden und explodierenden Maschine. »Idiölpel!«, schrie Castrop verbittert. »Tölioten! Schnell! Verlasst die Einbeinige Attackiermaschine, bevor Schwarz Vater von diesem Debakel erfährt!« »Sir?«, fragte sein Stellvertreter. »Die Duopoden!«, schrie Castrop. »Sofort!« In der Basis der Rebellenden beobachtete General Fischkopp Aufmtella die Entwicklung durch ein digitales Fernglas. »Ihre Monopoden haben versagt. Sieht so aus, als würden sie… ja… sie öffnen die Luken. Sie setzen die Duopoden ein. Folgenden Befehl weitergeben: Riesenbananen aktivieren.« Der Befehl wurde von einem Läufer, der hektisch zu den unteren Ebenen wetzte, in die vereisten Schützengräben gebracht. »Riesenbananen aktivieren! Riesenbananen aktivieren!« Zwei Dutzend Riesenbananengeschütze waren schon mit dem gigantischen Obst bestückt, das man in den Bananenwäldern Gigantias gepflückt und in Großraumtransportern – für den Fall, dass man sie eventuell brauchen würde – hierher verschifft hatte. Jede gelbgrünschalige Banane war doppelt so groß wie ein erwachsener Mann. Ihre Haut war zwar lederig, platzte jedoch leicht auf. Die blasse, faserige Frucht war innen weich und wurde an den Rändern schon schwarz und matschig. Jedes dieser riesigen Objekte war auf einen klotzigen katapultähnlichen Werfer geladen und zielte auf das Schlachtfeld. Wenige Minuten später erkannten die Werfer ihre Ziele. Stell dir flugzeugträgergroße Kisten vor, die mit einer mordlüsternen Soldateska bemannt sind. Jeder Soldat ist das Produkt einer lebenslangen Ausbildung. Sie sitzen auf endlosen Reihen von Bänken, alle tragen eine Rüstung und halten eine Waffe in den Händen. Jetzt stell dir den vorderen Teil dieser gigantischen Kiste vor: Dort kann man über eine eiserne Wendeltreppe in das nach vorn gerichtete Cockpit gehen. Im Cockpit bewegt sich ein ausgebildeter Gänger mit erfahrener Gelassenheit auf einem Laufband. Seine Hosen sind mit komplizierten Sensoren verka-
belt, die seine Bewegungen auf die metallenen Zwillingsbeine des Duopoden übertragen. Und jetzt – um bei der filmischen Analogie zu bleiben – zoomen wir aus dem Cockpit raus in die kalte Luft des Planeten Caldarsch und schwenken nach unten. Nun siehst du die gewaltigen, geschmeidigen Beine der Maschine: Jede Menge Segmente aus gewaltigem kreisförmigem Metall, die in zwei Strängen miteinander verbunden und hunderte von Metern lang sind. Sie ähneln tatsächlich einem jener Schläuche, die man an Duschköpfen befestigt, nur wird dieser Schlauch im Inneren von komplizierten Maschinen angetrieben. Unaufhaltsam marschierten die Duopoden durch das Gelände auf die Basis der Rebellenden zu. Da sie zwei Beine hatten, wurden sie nicht von irgendwelchen Unebenheiten in der Landschaft inkommodiert. General Fischkopp beäugte sie. Als sie in Reichweite waren, befahl er, die Riesenbananen abzufeuern. Dutzende der fünf Meter langen Früchte jagten in einem eleganten Bogen durch die Luft, um mit dem eisigen Permafrost zu kollidieren: Die heimtückische Waffe erzeugte beim Aufschlag ein klatschendes Geräusch und versprühte eine pürierte Masse. Die Schalen falteten sich zu einer gigantischen Sternform auf, um für die scheppernden Metallfüße der gigantischen Duopoden bereitzuliegen. An seinem Beobachtungsposten hinter der Imp-R-Imp-Front stieß Boden-Commander Castrop einen schweren Seufzer aus, als eine Duopoden-Attackiermaschine nach der anderen ausrutschte und sich dem Untergang entgegenneigte. Einige Maschinen fielen nach hinten um und warfen ihre langen Metalltentakelbeine in die Luft. Andere bemühten sich einige Sekunden lang, das Gleichgewicht zu halten, indem sie wie Stepptänzer von hier nach da hüpften, doch sie konnten das Unausweichliche nur ein wenig aufschieben. »Tripoden! Lasst die Tripoden los! Sofort!« Während sein Stellvertreter sich beeilte, den Befehl auszuführen, verbarg Castrop das Gesicht in den Händen. Dieser Angriff würde lange brauchen, bis er hinhaute.
4 Sumpfwelt. Da ist es sumpfig Über einer kleinen – sehr grünen – Welt zischte Luke wie ein Blitz aus dem Hyperraum. »Irgendwie«, sagte er zu der hinter seinem kissenlosen Sitz verstauten WC-Einheit, »muss ich hier einen einzelnen JobberMeister aufspüren.« »Piep!«, erwiderte der Droide. Das Schiff nahm Tempo auf, tauchte in die dichte Lufthülle des Planeten ein und fegte unter den Wolken dahin; der Urwald erstreckte sich von einem Horizont bis zum anderen. »Wie soll ich Jodella in diesem riesigen Dschungel nur finden?« Er überdachte sein Dilemma eine Weile. »Ich muss auf die Pracht vertrauen«, sagte er schließlich. Und eingedenk dieser großartigen Idee steuerte er die Maschine noch tiefer – genau genommen so tief, dass er mit einer Reihe höherer Bäume kollidierte. Sekunden später bestand die komplizierte Flügelstruktur seines &Flüglers nur noch aus Sondermüll. Niedrige Äste streiften den Rumpf. Luke wurde im Passagiersitz dermaßen umhergeschleudert und durchgerüttelt, dass seine Zähne ein Schlagzeugsolo veranstalteten. Es klang so ähnlich wie das von Keith Moon beim Live-Konzert der Who in Leeds. Dann führte seine Flugbahn zu einer erschütternden Kollision mit einem besonders dicken Baum. Die verbeulten Überreste seines Raumers landeten in einem schlammigen Gebiet, das nicht weit von einem übel riechenden Teich entfernt war, über dem einiges übel riechende Geflügel dahinflog, unter dem sich auch eine besonders übel riechende Eule befand. Luke blieb einige Minuten lang sitzen. Dann verschwanden das Blitzen vor seinen Augen und das Ohrensausen. Er nahm den Helm ab und löste den Sicherheitsgurt. »Wird Zeit, dass ich diesen Jodella-Kerl finde«, sagte er zu WC. »Wenn ich ihn…« »Piep!«, erwiderte der kleine Droide und tauchte unter Lukes Sitz auf. Luke ließ seinen Blick eine Weile über die Umgebung schweifen, dann machte er sich auf ins Unterholz. WC-Nullnull folgte ihm in vorsichti-
ger Distanz. »Ich kann nur hoffen«, sagte Luke, als er so vor sich hin latschte, »dass ich, indem ich auf die Pracht vertraue und mich ihr überlasse… Waaahhhh!« Er war in ein tiefes Loch gefallen. »Hilfe!«, schrie er. »Ich scheine in ein tiefes Loch gefallen zu sein.« »Unten da, hallo«, sagte eine Stimme. Über dem Rand des Loches konnte Luke ein faltiges schildkrötengrünes Gesicht ausmachen. Es schaute zu ihm hinab. »Könnt Ihr mir helfen?« »Nein leider«, erwiderte die Gestalt. »Ihr mir also nicht helfen?« »Geantwortet ich dir habe.« »Oh, lieber Thog«, sagte Luke. Er zog sich selbst hinauf, wobei er seine Finger einsetzte, die zwar noch ganz schön wund und – aufgrund der Erfrierungen auf Caldarsch – ziemlich unvollständig waren. Er kletterte an der schlammigen, schleimigen Seite des Loches hinauf, in das er gefallen war. Oben angekommen brach er auf dem Boden zusammen. »Trotzdem danke«, keuchte er. »Du geschaut hast, wo du trittst hin«, sagte das grüne Männlein. »Nicht«, fügte es dann hinzu, als sei es ihm gerade erst eingefallen. »Wie? Was?«, sagte Luke. »Deine Grammatik ist irgendwie schräg.« »Lichersich«, sagte das Bürschlein. Es nahm auf einem Baumstamm Platz, damit es sich mit Luke besser verständigen konnte. Es war kein sehr dicker Baumstamm; er war gerade so dick, dass ein erwachsener Mann in ihn hineingepasst hätte, hätte er darauf Wert gelegt. Und wenn er hohl gewesen wäre. Was er aber natürlich nicht war. Ich will dir nur einen Eindruck von den Abmessungen des Baumstammes verschaffen. Luke schaute das Männlein an. Dazu brauchte er nicht sehr lange, da es sich tatsächlich nur um ein sehr winziges Individuum handelte: Es hatte grüne Haut und kurze Glieder, die dem Anschein nach ebenfalls grün waren, denn sie waren von grüner Haut bedeckt. Sein Gesicht war faltig und auf merkwürdige Weise eingefallen. Auf seinem grünen Schädel wuchs kein einziges Haar. Das Komischste war seine Kleidung: ein
grünes Samtwams, das er über einem grünen Hemd trug, und eng anliegende Lederhosen, die ihm kaum bis zu den Knien reichten. »Ich suche einen mächtigen Jobber-Krieger«, sagte Luke und setzte sich aufrecht hin. »Er heißt Jodella.« »Jodella ich bin«, sagte das Bürschlein und fügte hinzu: »Jodelä-hiti – ein einsamer Ziegenhirt auf einem Berge saß.« Luke stierte ihn zwei volle Minuten an. Als er damit fertig war, sagte er: »Stimmt.« Wobei sein Tonfall irgendwie vorsichtig klang. »Lehren ich dich will«, sagte Jodella. »Ablegen Wissen du musst, bevor du kannst lernen. Die Pracht du spüren wirst. Jodelä-hiti! Jodelä-hiti! Jodel-di-dodel-di-lähi-ti! Dodel-di-jodel-di-jä-hiti!« Bei den letzten Silben erreichte die Stimme des kleinen Geschöpfs eine Höhe, die nur Hunde hören konnten. »Wie bitte?«, fragte Luke. Jodella schaute unergründlich drein. Sein Mund verzog sich auf bizarre, nicht menschliche Weise. Es war fast so, als sei sein aus Knochen und Sehnen bestehender Schädelunterbau keine glatte Kugel mit einem Kieferscharnier, sondern ein fünfzackiger, in der Mitte abgeflachter, fast handförmiger Aufbau, dessen »Daumen« sich an den »Fingern« rieb. Luke hatte dergleichen noch nie gesehen. »Ein heiliges Lied der Jobber es ist«, erklärte Jodella. »Du wirst lernen es. Ja, deine Hosen müssen sein eng. Ja, es wird helfen dir zu besteigen jeden Berg. Es ein weiteres Lied gibt, wenn du schwingst dich an Lianen durch den Dschungel, mit mir wie ein klein Rucksack auf dein Rücken. Ich werde singen es…« »Schon in Ordnung«, fiel Luke ihm ins Wort. »Es ist nicht nötig. Ich… ähm… freue mich, Euch kennen zu lernen. Könntet Ihr mich bitte, wenn's nicht zu viel Mühe macht, in den Riten und tödlichen Künsten der uralten Jobber-Religion unterrichten?« »Ich werde. Ich dir erteilen werde Fechtunterricht mit Neonschwert. Ebenso in Kriegskunst, was meint werfen Kiesel mit Geisteskraft, treffen Leute an Kopf mit Brett man trägt über Schulter, das. Viele andere Fertigkeiten, tödliche ebenso. Zu schweigen ganz von Dynamit. Hi-hi! Ja, Dynamit. Hi-hi! Jodelä-hiti!«
»Ist es wirklich nötig«, fragte Luke, »dass Ihr die meisten Eurer Sätze mit dem heiligen Lied der Jobber beendet?« »Tat, in der, ja«, sagte Jodella. Es hatte den Baumstamm verlassen, obwohl Luke nicht sah, dass er sich wirklich bewegte. Schon bahnte er sich einen Weg durch das dichte Unterholz des Dschungelbodens der Sumpfwelt. Luke konnte zwar weder die Füße noch die Beine des kleinen Geschöpfs erspähen, doch er nahm auf Treu und Glauben an, dass Jodella über diese physischen Attribute verfügte. Jedenfalls bewegte er sich wie jemand, der auf seinen unteren Gliedmaßen geht. »Du mit mir kommen wirst«, sagte Jodella. »Zu mein klein Häuschen, obwohl innen drin du ziemlich beengt wirst sein. Dort ich dich einweihen werde in die Geheimnisse großen der Pracht.« »Ausgezeichnet«, sagte Luke. »Jippie-jah-jeee! Jippi-jah-jeeeh! Jippi-aahh-jo-hoh!«, stimmte Jodella ihm zu.
5 Schwebestadt. Das ist doch mal 'n schöner Schauplatz. Wirklich hübsch. Wenn du 'ne Gelegenheit hättest, könntest du's selbst nachprüfen. Ein wirklich entzückendes Urlaubsziel. Tolle Aussicht. Und wenn du es dir in der Voroder Nachsaison erlauben kannst bzw. wenn du dich traust, die Blagen ein paar Tage die Schule schwänzen zu lassen, ist es da äußerst akzeptabel. Echt!
Hans Polo steuerte seinen Raumer Brüll, Rebell, und zwar aus vollen Halse IV mit geübter Hand aus dem Hyperraum. Es fiel ihm nicht schwer, ein Schiff aus dem Hyperraum zu steuern. Er hatte es geübt. Neben ihm schlief Aubacke. Ein Teil seines Fells war zwar nachgewachsen, aber es war noch ziemlich stoppelig. Demgemäß war er borstig und schwer zu handhaben. Hans hatte aus diesem Grund einen speziellen Herumlümmelsitz für ihn anfertigen lassen. Er war der Brücke der Brüll, Rebell, und zwar aus vollem Halse IV angepasst. In diesen Herumlümmelsitz hatte er Aubacke gehievt und ließ ihn mehr oder weniger dort schlafen. Prinzessin Lepra trug ein elegantes Kleid. Sie hatte es aus einem Bein ihrer ziemlich weit ausgestellten Hüfthosen mit Schlag geschneidert. »Erzähl mir doch mal was über deinen Freund, den wir besuchen werden.« »Landser Kahlratzia? Ich kenne ihn seit Jahren. Er hat es irgendwie geschafft, sich einen ziemlich flotten Job als Aufseher der Schwebestadt zu krallen. Wenn es überhaupt jemanden gibt, der deinem Droiden das mysteriöse Geheimnis entreißen kann, dann er.« »Weißt du genau, dass er ihm das Große Geheimnis entreißen kann? Dass ich keinen Zugang zu diesem Geheimnis habe, frustriert mich nämlich sehr. Ich bin mir ganz sicher, wenn wir an das Geheimnis herankämen, wären wir auch fähig, das Imp-R-Imp im Handumdrehen zu besiegen.«
»Wenn es überhaupt jemanden gibt, der das kann«, sagte Hans voller Zuversicht, »dann ist es Landser. Er wird uns helfen, da bin ich mir ganz sicher.« »Ich hoffe, du hast Recht«, sagte Prinzessin Lepra. Das Raumschiff tauchte in die planetare Atmosphäre ein. »Es ist bestimmt nicht einfach, an dieses Geheimnis heranzukommen.« Bald kam die Schwebestadt höchstpersönlich in all ihrer prächtigen Opulenz in Sicht. Sie war wie eine riesige Lappalie aus Metall und Kunststoff geformt und hing auf eine atemberaubenden Hängeweise mitten in der Luft. »Ich habe uns schon per Funk angemeldet«, sagte Hans. »Landser erwartet uns.« Er steuerte die Brüll, Rebell, und zwar aus vollem Halse IV zur Hauptlandebucht der Stadt, schaltete das Triebwerk aus und zog die Handbremse. Außer Aubacke, den sie dort ließen, wo er lag, legten alle ihre Sicherheitsgurte ab. Alle, die fähig waren, aus eigener Kraft durch die Luftschleuse zu gehen, taten eben dies. Die Luft draußen schmeckte frisch und ozonig. »Willkommen in der Schwebestadt«, sagte ein lächelnder junger Mann. Trotz seines Umhangs sah er gut aus – wenn auch nicht so gut wie Hans Polo. »Landser, alter Kumpan!«, rief Hans. »Wie geht's, wie steht's?« »Hans! Hans Polo! Gütiger Gugu, wie schön, dich zu sehen!« »Das ist Prinzessin Lepra«, sagte Hans. »Bin entzückt, Euch zu sehen. Wo ist Aubacke?« »Schläft«, sagte Hans und deutete mit dem Kopf auf den Raumer. »Natürlich. Aber es ist toll, euch alle hier in der Schwebestadt zu sehen.« Kahlratzia strahlte. Er schüttelte allen die Hand, auch SAF4711. »Sie schwebt wirklich«, fügte er hinzu. »Die Stadt, meine ich. Sie hängt wirklich mitten in der Luft, ungefähr 1,5 km über dem Boden. Wirklich. Echt.« »Sieht so aus«, sagte die Prinzessin. »Die Aussicht ist…« »Es liegt an einer sehr fortgeschrittenen Technik«, fiel Kahlratzia ihr ins Wort. »Die… ähm… Schwebestadt-Verwirklichungstechnik. Ist sehr fortgeschritten.«
»Stimmt«, sagte Lepra. »Wir schweben wirklich hier oben. Wie ein Ballon. In der Luft.« Kahlratzia fing verlogen an zu lachen. Sein Gelächter kam in kurzen bellenden Stößen, als sei das, was er sagte, absolut lächerlich. »Wir sitzen nicht etwa auf einem riesigen Pfeiler oder so was! Ha! Ha! Nein, nein – schon die Vorstellung – unmöglich. Nein.« Seine Augen lachten freilich nicht. »In Ordnung«, sagte die Prinzessin unsicher. »Gut«, sagte Landser und rieb sich die Hände. »Das haben wir also geklärt, nicht wahr? Eine schwebende Stadt. S-c-h-w-e-be-n-d! Alles klar?« »Sowieso«, sagte Hans. Landser schaute einen nach dem anderen leicht ängstlich an, dann machte sich auf seinem Gesicht ein Grinsen breit. »Prima! Dann kommt mit! Zu den Erfrischungen.« Er führte die Gruppe durch eine Reihe weiß getünchter Gänge, an deren Wänden überall Haltegriffe befestigt waren. Diese waren besonders nützlich, da die gesamte Schwebestadt beunruhigend zu schwanken schien. Sie kippte langsam in eine Richtung, bis der Boden eine Schräglage von etwa fünfzehn Grad aufwies. Dann schwang sie langsam in die Gegenrichtung zurück, bis der ganze Zyklus von neuem begann. »An die leichte Schräglage hat man sich im Nu gewöhnt«, sagte Kahlratzia. Er strahlte die Besucher an und zog sich von einem Haltegriff zum nächsten, bis er eine Tür erreichte. »Wenn du's sagst«, erwiderte Hans und knirschte mit den Zähnen. »Ich hab ein Gefühl als wäre ich seekrank«, sagte SAF4711. »Und ich hab nicht mal ein Innenohr, geschweige denn ein Verdauungssystem.« Sie hievten sich in einen Raum und ließen sich auf knallrote Ledersessel sacken. Ein Roboter mit Bodenhaftung kroch über einen bestimmten Bodenstreifen und versorgte sie mit Getränken. Jeder erhielt eine nicht tröpfelnde Nuckelflasche. »Warum schwankt es so?«, fragte Lepra. »Was schwankt wo?«, erwiderte Kahlratzia, als wäre es ihm noch nie aufgefallen. »Ach, du meinst das leichte Hin und Her. Meinst du das leichte Hin und Her?« »Schätze ja.«
Kahlratzia machte eine abfällige Handbewegung. »Das ist doch nur 'ne kleine Macke im Vergleich mit der komplizierten Bodenhaftungskraftfeldstrahl-, ähm, Laser-, Computer-, ähm, Superduper-BombastikTechnologie, die die, ähm, Stadt mit Energie versorgt.« Sein Lächeln wurde noch breiter. »Glaubt mir, nach 'ner Weile merkt man es gar nicht mehr. Ich nehm es jedenfalls nicht mehr wahr.« Urplötzlich neigte sich der Boden, und zwar mit einem solchen Tempo und einer solchen Kraft, dass Kahlratzia aus dem Sessel flog. Er jagte mit entsetzter Miene durch den Raum, prallte von der Wand ab und klatschte mit dem Gesicht voran auf den Boden. Nachdem er sich unter beträchtlichen Schwierigkeiten aufgerappelt hatte, kehrte er zu seinem Sessel zurück. »Sag mal«, sagte Lepra, die sich bemühte, Konversation zu betreiben, während Kahlratzia seine blutende Nase mit einem Papiertaschentuch abtupfte, »was ist eigentlich das Spezialgebiet dieser Stadt? Ist sie ein Bergbau-Außenposten?« »Eigentlich nicht«, erwiderte Kahlratzia. »Wir bieten hier besondere Abend- und Weiterbildungskurse für angehende Studenten an.« »Wie faszinierend! Gesellschafts- oder Naturwissenschaften?« »Eigentlich nur auf einem Gebiet: Schwebestadttechnologie.« Prinzessin Lepra nickte, als die baumelnden Haare an den Seiten ihres Kopfes wie zwei Pendel hin und her schwangen. »Ich hätte durchaus Interesse, an einem solchen Kursus teilzunehmen.« »Es ist mehr als nur ein Kursus«, sagte Kahlratzia. »Die Technologie, um die es geht, ist sehr kompliziert… Die meisten Schüler müssen Gebühren für vierzehn Semester entrichten, das heißt 400000 imperiale Kroyten pro Jahr. Erst dann wird ihnen gestattet, städtische Levitation zu studieren. Bis zum ersten Examen muss man fast zwanzig Jahre abreißen, und das können sich natürlich nur die reichsten Lebensformen leisten. – Die allerreichsten Lebensformen«, fügte er hinzu, »oder ihre Eltern. Und wenn irgendwelche superreichen Eltern sich ihr ekliges und ichbezogenes Balg für zwanzig Jahre vom Hals schaffen wollen, damit es an einem Ort eineinhalb Kilometer über dem Boden schwebt, dem es nicht entfliehen kann: Wer sind wir denn, dass wir so was ablehnen würden?«
»Wie viele Schüler haben denn im letzten Jahr euer Diplom für Fortgeschrittene Stadtlevitation erhalten?«, fragte Lepra. »Ähm«, sagte Kahlratzia. »Schaut mal aus dem Fenster! Ist das nicht ein toller Sonnenuntergang?« Ungefähr eine verschwafelte Stunde später entschuldigte Kahlratzia sich und bahnte sich durch einen der Ozeanriesen-in-einem-bösen-SturmKorridore einen Weg zu einem anderen Raum. Die Tür ging zischend auf und enthüllte eine vertraute, schwarz gekleidete Gestalt, die ziemlich unbehaglich wirkte. »LANDSER«, sagte Schwarz Vater. »SIND SIE DA?« »Sie sind da«, meldete Kahlratzia. »Aber einer der beiden ist ein alter Freund von mir. Ich habe meine Meinung hinsichtlich des Plans, sie zu verraten und Euch auszuliefern, geändert.« Schwarz Vater erweckte den Eindruck, als genieße er den Anblick des Himmels und der Wolken durch das Fenster des Raums. Entweder genoss er ihn wirklich oder er dachte darüber nach, ob er sich erbrechen sollte. »DAS WÄRE ABER WIRKLICH EINE SCHANDE«, sagte er kurz angebunden, »DENN DANN MÜSSTE ICH MEINEN ZWEFLIS DEN BEFEHL ERTEILEN, DEN PFEILER EURER STADT ANZUGREIFEN…« »Pfeiler?«, sagte Kahlratzia empört. »Was denn für ein Pfeiler? Was soll denn diese völlig aus der Luft gegriffene, von keinerlei Beweisen untermauerte Anspielung bedeuten? Es gibt hier keinen Pfeiler.« »ALSO WIRKLICH, LANDSER. DER PFEILER, AUF DEM EURE SO GENANNTE SCHWEBENDE STADT RUHT. DER PFEILER, DEN IHR HIMMELBLAU HABT ANSTREICHEN LASSEN. DEN PFEILER MEINE ICH.« »Ach«, sagte Landser. »Den Pfeiler. Nun, es wäre, soweit es uns betrifft, in vielerlei Hinsicht besser, wenn man diesen Pfeiler nicht… ähm… angreifen würde. Nicht etwa, dass er die Stadt irgendwie trüge«, fügte er schnell hinzu. »Das will ich damit natürlich nicht gesagt haben. Diese Stadt schwebt nämlich aufgrund einer wunderbaren futuristi-
schen Technologie mitten in der Luft. O ja. Doch ungeachtet dieser Tatsache wäre es wahrscheinlich besser, wenn Ihr von der… Ihr wisst schon… Abstand nehmen würdet: von der Vernichtung des Pfeilers. Oder auch nur von seiner Erwähnung.« »UND POLO?« »Ich werde ihn innerhalb einer Stunde an Eure Sturtruppen ausliefern.« Landsers Stimme klang leise und verbittert. Man könnte fast sagen, sie klang so schleimig wie eine Schnecke. Aber natürlich wusste er, wann er geschlagen war. »WIR VERSTEHEN UNS ALSO?« »Und ob.« »DANN SOLLEN DEINE LEUTE ALLE IN GEWAHRSAM NEHMEN. DOCH HANS POLO BRINGST DU ZU MIR.« »Hallo, Leute«, sagte Landser, als er zu seinen Gästen zurückkehrte. »Noch 'n bisschen Zuhältersaft? Mit Preiselbeer-und-ApfelGeschmack?« Er nahm in einem Sessel Platz. »Was kann ich sonst noch für euch tun? Was bringt euch in meine kleine Stadt bzw. Universität?« »Landser«, sagte Hans und beugte sich vor. »Ich muss dir was sagen. Du warst immer der beste Computerhacker, den ich gekannt hab.« Landser lächelte bescheiden. »Stimmt. Früher hat man mich immer ›Hacker Bilk‹ genannt.« Sein Lächeln verblasste und er wurde nachdenklich. »Warum, hab ich nie verstanden…« »Tja, in diesem Droiden da«, sagte Hans und deutete auf SAF4711, »ist ein Geheimnis verborgen. Und wir möchten gern…« »Nicht in dem Droiden«, warf Prinzessin Lepra schroff ein. »In der WC-Einheit. Ich würde dem Droiden dort nicht mal die geheimen Pläne meiner Oma anvertrauen.« »Ach«, sagte SAF4711 verschnupft. »Vielen Dank.« »Die WC-Einheit?«, fragte Hans unsicher. »Wirklich?« »Ja.«
»Echt wirklich? Oder nicht echt wirklich?« »Echt wirklich.« »Ach«, sagte Hans. Er musterte den makellosen Boden. »Oh«, sagte er dann. »Du hast die WC-Einheit doch mitgenommen, nicht wahr?«, sagte Lepra. »Du hast sie doch nicht auf Caldarsch zurückgelassen, damit sie noch einmal in die Hände des bösen Imp-R-Imp fällt?« »Nein«, sagte Hans. »Das habe ich nicht getan.« »Wo also ist sie? Ist sie im Schiff?« »Ich habe sie Luke mitgegeben«, sagte Hans. »Ich dachte, er braucht vielleicht eine mobilen Nachttopf, da er zu einem langen Flug zur Sumpfwelt aufbrechen musste.« Lepras eisenharter Blick sprach Bände. Doch in keinem dieser Bände stand irgendetwas Freundliches oder Schmeichelhaftes. »Tut mir Leid«, sagte sie und wandte sich Landser zu, wobei sie mit gefährlich freundlicher Stimme sprach. »Ich fürchte, wir haben deine Zeit vergeudet.« »Ach was«, sagte Landser. »Macht nichts. Vielleicht ein anderes Mal. Es gibt da aber noch eine Sache, über die ich mit euch reden wollte. Danach können wir vielleicht was futtern gehen.« »Irgendwas, über das du mit uns reden wolltest? Um was geht's denn?« »Ich muss dir leider sagen, Hans, dass das Imp-R-Imp, mithilfe eines Kopfgeldjägers, der euch schon eine ganze Weile auf der Spur ist und auch eure Reise hierher verfolgt hat, schon vor euch hier eingetroffen ist. Schwarz Vater wartet in einem Nebenzimmer darauf, dass er euch alle in Gewahrsam nehmen kann. Tut mir wirklich Leid, aber mir sind die Hände gebunden. Natürlich nur im übertragenen Sinn. Obwohl sie vielleicht auch wörtlich genommen gebunden – oder wenigstens gehandschellt – werden, wenn ich nicht das tue, was Schwarz Vater von mir verlangt. Er hat nämlich die Existenz der gesamten Stadt bedroht. Deswegen befürchte ich, dass ich von jetzt an ein schrecklich schlechtes Gewissen haben werde, während auf euch die Gefangenschaft, die Folter und möglicherweise ein schmerzhafter Tod warten. – Tel Aviv.« »Tel Aviv«, sagte auch Hans, der zu gelähmt war, um sich was Eigenes einfallen zu lassen. Seine Augen waren so groß wie Untertassen, vor-
ausgesetzt, wir einigen uns darauf, dass es auch Untertassen gibt, die nur zwei Zentimeter durchmessen – solche eben, wie man sie vielleicht in einer Puppenstube findet. Na ja, jedenfalls war er sehr überrascht. »Du hast mich missverstanden«, sagte Landser. »Es heißt C'est la vie, nicht Tel Aviv.« Er strahlte und rieb sich begeistert die Hände. »Was möchtet ihr essen? Ich hab saure Heringe und Schlagsahne. Was haltet ihr davon?«
6 Auf der Sumpfwelt ist's noch immer sumpfig Lukes Ausbildung im Umgang mit der Pracht hatte während des vorhergehenden Zwischenspiels gewaltige Fortschritte gemacht. Er lernte zu schusseln, zu stolpern und Wasserkrüge auf eine Weise zu jonglieren, bei der das Wasser auf seinen Kopf spritzte, sowie eine Reihe anderer obskurer Prachtkunststücke. Jodella ließ ihn zudem sehr oft auf den Händen stehen. »Warum, Meister?«, fragte der junge Schüler. »Stehen auf Händen schwieriger ist als auf Beinen«, sagte Jodella. »Studenten oft fallen um. Mittels der Pracht sie sich darauf einstimmen tun.« Eines Tages schenkte Jodella Luke ein eigenes Neonschwert. Es war ein schlankes Glasrohr von perlender Opaleszenz und hatte eine silbrige Metallspitze, in der die Energiequelle und der Ein-Aus-Schalter untergebracht waren. »Ein Neonschwert eine Jobber-Waffe ist. Achtgeben du musst gut drauf.« »Laut meiner begrenzten Erfahrung, Meister«, sprach Luke, »neigen sie zur Zerbrechlichkeit – Neonschwerter, meine ich. Muss das so sein?« »Muss eingesetzt werden richtig«, sagte Jodella. »Wenn eingesetzt wird nicht richtig, Zerbrechen vorkommen kann, wofür aber nicht verantwortlich ist die Jodella Glühbirnen KG. Kein Geld zurück. Keine Postwurfsendungen oder unverlangte Vertreterbesuche. Vorsitzender des Aufsichtsrates: Eyn Gonzo.« »Aber wie setzt man es richtig ein?«, sagte Luke drängend. »Einschalten du es musst«, belehrte Jodella ihn. »Und du musst es vor dir ausstrecken. – Ich meine«, fügte er hinzu, »du es vor dir ausstrecken musst.« Luke tat, wie ihn geheißen. »Jetzt versuchen du zu schlagen ein auf mich«, befahl Jodella.
Luke holte mit der Waffe aus, doch Jodella wich dem Hieb mit terrierartiger Schnelligkeit aus. Im Nu war er hoch in die Luft gesprungen und landete auf Lukes leuchtender Röhre. Zu Lukes Verblüffung stand das Männlein einfach nur da, balancierte auf dem Neonschwert und schaute ihm in die Augen. »Zu nichts zu gebrauchen du bist«, sagte Jodella. Mit einem raschen Rückwärtssalto katapultierte er sich in die Luft und landete auf dem Waldboden. »Jetzt«, sagte er, »du wirst schlagen auf Baumstamm diesen – aus einer Entfernung von einem Zoll nur. Du deine ganze Kraft in den Hieb legen musst – als ob du wolltest schlagen den Baum mitten durch.« Luke schaltete das Neonschwert aus und legte es vorsichtig auf seine Schulter. »Willst du mich etwa einen wundersamen Trick der Pracht lehren?«, fragte er. »Ich soll aus einer Entfernung von nur einem Zoll auf einen Baumstamm einschlagen?« »Eigentlich nicht«, erwiderte Jodella. »Es dir werden zermatschen hauptsächlich die Knöchel und machen dich sagen ›Au!‹. Aber es sehr amüsant ist zu beobachten Spektakel solches. Jodel-di-dödel-di-lähi-ti!« Später – am gleichen Tag – verzehrte Luke seine Suppe mit verbundener Hand. »Rekapitulieren wir noch mal, ob ich auch alles verstanden habe«, sagte er. »Du bist der oberste Jobber, der Meister der Meister – der Obermeister sozusagen –, der capo di capi di Jobber. Du hast alle JobberFertigkeiten gemeistert und befindest dich auf einer höheren Ebene des Könnens, der Weisheit, der Intelligenz und Macht der Pracht als alle anderen Lebewesen in der gesamten Galaxis.« »Dies wahr ist«, sagte Jodella. »Und trotzdem kannst du keinen einfachen Satz sagen, ohne die Grammatik des Normgalaktischen zu vergewaltigen.« Jodella schaute schmollend drein. »Legastheniker ich bin«, sagte er. »Dies jedoch keinen Einfluss ausübt auf sonstige Fähigkeiten intellektuelle. Viele hochintelligente Lebewesen Legastheniker sind. Eigentlich.«
»Aber Legasthenie betrifft die Verwechslung von Buchstaben innerhalb einzelner Worte«, sagte Luke echt verwirrt. »Nicht die Anordnung einzelner Worte innerhalb von Sätzen.« »Ein Scheißkluger du bist«, knurrte Jodella und fügte mürrisch ein ›Jodel-ähi-ti‹ hinzu. »Alt ich bin. Du zeigen solltest Respekt gewissen für Ältere. Ich nämlich schon hier war als hier alles war nur Wiese. Ärzte heute jung aussehen, dir aufgefallen ist? Auch Polizisten. Ebenso die neue imperiale Währung verwirrend ist: Hundert imperiale Zente auf eine imperiale Kroyte gehen? Was das soll? Was falsch war mit System gutes altes von viertausendsechshundertsieben Schlopps gehen auf ein Pdoing, siebenundzwanzigeinhalb Pdoing machen ein Bdapbamboum, und eins Komma eins Bdambamboum ergeben ein Hietschiblabbablabbablabba? System altes sehr sensibel war.« Luke kaute eine Weile schweigsam vor sich hin und verdaute Jodellas kleine Ansprache. Gleichzeitig verdaute er auch sein Abendessen, wenn auch in einem anderen Sinne. Dann fragte er: »Wie alt seid Ihr eigentlich, Meister?« »Ich bin siebzehn Jahrhunderte alt, aber bald sind es achtzehn«, erwiderte Jodella. »Viele Veränderungen ich gesehen habe.« »Dessen bin ich mir sicher«, sagte Luke höflich. »Jedenfalls«, sagte Jodella, »fallsjeden, meine ich, deine Ausbildung zu Ende jetzt ist.« »Ach, wirklich?«, sagte Luke erstaunt. »Aber ich habe das Gefühl, nur sehr wenig gelernt zu haben!« »Du nicht schenken Aufmerksamkeit mir? Du unlernen musst. Der Kern der Pracht ist Nichtlernen. Lernen, Übung, Geschick – diese Dinge der Pracht zuwiderlaufen. Die Pracht die Ahnungslosigkeit ist, Unwissenheit und Blödheit, in der Art eines Blödians, der bereit ist, jedes Risiko einzugehen. Nicht mehr ich dich lehren will. Gehen du musst.« »Gehen?« »Ja, gehen. Deine Freunde in Schwierigkeiten sind. Ja, gefangen genommen von Schwarz Vater sie wurden. Folter und Tod er plant. Hofft, er kann dich locken in Schwebende Stadt, damit er dich betten
kann in riesigen festen Block aus Kristall und transportieren zu imperialem Herrscher als besonderes Geschenk. Er die Maschinerie, die einbettet Lebewesen in gigantische feste Blocks, schon an Hans Polo ausprobiert hat, um später zu foltern und töten Prinzessin Lepra.« »Nein!«, schrie Luke. »Doch«, sagte Jodella. »Du nicht unterbrechen.« »Aber woher wisst Ihr das alles, Meister? Sagt die Pracht es Euch?« »Sie und der Kurzwellensender in Hütte meiner. Schwarz Vater den gesamten Quadranten über seine Taten informiert hat. Alles Teil seines Plans, um dich zu verleiten, zu inszenieren eine Rettungsaktion.« »Aber«, sagte Luke und dachte angestrengt nach. »Aber wenn Schwarz Vater mich in der Schwebestadt in einen Hinterhalt locken und mir eine Falle stellen will – wäre es dann nicht… ähm… unklug von mir, in diese Falle hineinzutappen? Ich meine, es besteht doch die Gefahr, dass Schwarz Vater wirklich alles tut, was Ihr sagt: dass er mich in eine Falle lockt, mich in diese Maschine steckt, mich in einem riesigen Kristallklumpen einbettet und mich zum Herrscher bringt?« »Idiot du bist«, sagte Jodella. »Die Pracht du nicht verstehst. Du glaubst zähmen zu können die gewaltige Pracht, indem du bist sensibel? Wie dies funktionieren soll, genau? Unsinn. Du dich damit selbst in Gefahr bringst – und auf die Nase fallen wirst.« »Na schön, Meister«, sagte Luke und schaute zu Boden. »Nimm das Neonschwert, das ich geschenkt dir habe«, sagte Jodella. »Mein Raumschiff du ausleihen dir darfst. Beschädige oder verbeule nicht es. Noch nicht alle Raten ich gezahlt habe, und peinlich genau Crazy Ron's Irrsinnspreis-Raumschiff-Verkaufssalon ist im Kleingedruckten seiner Verträge. Zur Schwebestadt fliege, deine Freunde rette und hierher zurückkehre, aber pronto, und zwar mit dem Raumschiff makellos und Kratzer jeglichen ohne.« »Jawohl«, sagte Luke und stand auf. »Ich werde Euch nicht enttäuschen, Meister.« »Wir sehen werden«, grollte Jodella und schlenderte in den Wald hinein. Dabei sang er »Hi-ho, Silver Lining, anywhere you go…«
7 Hans Polo steht ein schreckliches Schicksal bevor Alles, was Jodella Luke erzählt hatte, entsprach der Wahrheit: Schwarz Vater hegte tatsächlich die Hoffnung, er könne Luke in die Schwebestadt locken, indem er seine Freunde festnahm, folterte und ihre Qualen über die Kurzwellensender im gesamten Quadranten verbreiten ließ. Er hielt Luke Skyquaker wohl für den einzigen Menschen, der waghalsig genug war, bei dem Versuch, sie zu befreien, alles auf eine Karte zu setzen. Jodella hatte auch hinsichtlich der »Briefbeschwerer-Technologie größeren Umfangs« Recht, mit der Schwarz Vater Luke während der Reise zum imperialen Herrscher zu immobilisieren hoffte: Er hatte sie mitgebracht, und seine Sturtruppen hatten sich im Inneren der Schwebestadt versammelt. Tja, und um sich zu versichern, dass die Technologie auch ordnungsgemäß funktionierte, hatte Schwarz Vater den Plan gefasst, sie an Hans Polo auszuprobieren. Danach wollte er die Leiche des Raumpiloten einem bestimmten Kopfgeldjäger übergeben, mit dem er ein Abkommen hatte. »BRINGT HANS POLO ZU MIR«, befahl er. »ES IST AN DER ZEIT, DIE MASCHINE ZU TESTEN.« Zwei Soldaten schleiften Polo nach vorn. Obwohl seine Arme von stämmigen Sturtrupplern festgehalten wurden, setzte er sich zur Wehr. »Nehmt eure Pfoten von mir!«, bellte er, »ihr gottverdammten Imperialistenknechte!« »NUN MACHEN SIE MAL HALBLANG, MR. POLO«, sagte Schwarz Vater unheilvoll. »WIDERSTAND IST ZWECKLOS.« »Was willst du von mir, Schwarz Vater?«, fragte Hans. »Erwartest du etwa, dass ich auspacke?« »NEIN, MR. POLO – ICH ERWARTE, DASS SIE IN EINEN GIGANTISCHEN BRIEFBESCHWERER VERWANDELT WERDEN.«
Das war nun etwas, womit Hans Polo gar nicht gerechnet hatte. »Ach«, sagte er. »WERFT IHN IN DEN APPARAT«, befahl Schwarz Vater. Die Sturtruppler schleiften ihren Gefangenen an den Rand der Maschine. »Wartet!«, schrie Polo. Er schaute sich hektisch um. »Ich liebe dich!«, rief er. »Bevor ich in diese Höllenmaschine geworfen werde, sollst du wissen, dass ich dich Hebe!« »Nun, das ist sehr schmeichelhaft«, sagte der Sturtruppler, der seinen linken Arm festhielt. »Es kommt allerdings etwas unerwartet. Ich meine, du hast mir noch nicht mal den Hof gemacht… Sollten wir uns nicht etwas besser kennen lernen, bevor…« »Nicht dich, du Idiot!«, schrie Polo. »Dich doch nicht!« »Tja«, sagte der Sturtruppler und schaute sich um. »Hinter mir ist aber niemand mehr.« »Ach, wirklich? Ich hatte eine Sekunde lang angenommen, eine Gruppe Soldaten hätte Prinzessin Lepra hergebracht, damit sie mein abscheuliches Schicksal beobachten kann. Ist die Prinzessin nicht da hinten?« »Nee.« »Ach.« »Es lag kein Grund vor, sie zu holen«, erläuterte der Sturtruppler. »Deswegen haben wir sie in der Zelle gelassen.« »Ich hätte schwören können, ich hätte sie aus dem Augenwinkel erblickt, als man mich durch den Korridor schleppte. Es sah nach zwei weiteren Sturtrupplern aus, die eine Gefangene mit sich schleiften.« »Nee.« »Na, so was«, sagte Hans. »Hab ich mich wohl geirrt. Ich konnte natürlich auch nicht genau hinschauen, da ihr mich so grob angepackt habt.« »ES REICHT!«, dröhnte Schwarz Vater. »WERFT IHN REIN!« »Neiiin!«, schrie Hans. Doch es war zu spät. Er wurde über den Rand der Apparatur geschoben. Dampfwolken zischten in die Höhe. Monströse Hebel setzten sich pumpend in Bewegung. Ein kolossales Rattern
und Scheppern ertönte, und es rumste auch. Irgendwie leicht zögerlich begann sich das große Rad an der Seite zu drehen. Schließlich setzte sich auf der anderen Seite der Maschine ein Transportband in Bewegung. Durch ein halbes Dutzend Lederklappen, die wie ein rudimentärer Vorhang herabhingen, tauchte eine gewaltige Kristallkugel auf, die etwa drei Meter durchmaß und zweieinhalb Meter hoch war. Genau in ihrer Mitte, gefangen in einer Stellung der Überraschung und Alarmiertheit – gleich neben einem metergroßen Seepferd und einem Beet aus imitiertem Seetang – hielt sich Hans Polo auf. Er regte sich nicht mehr. »VORZÜGLICH«, sagte Schwarz Vater. »DIESES DING KANN BESTIMMT EINE GROSSE MENGE PAPIER DARAN HINDERN, BEI EINER STEIFEN BRISE ZU FLATTERN ODER WEGZUFLIEGEN.« Hinter ihm aus der Dunkelheit tauchte eine behelmte Gestalt auf: Es war – ziemlich unerwartet, da wir von diesem Charakter bisher noch nichts gehört haben, aber so spielt das Leben eben: Manchmal tauchen ganz abrupt und unerwartet Leute auf – 80% Fett, der berüchtigte Kopfgeldjäger. »Habt Ihr Euer Spielchen mit Polo beendet?«, fragte er. »FETT!«, sagte Schwarz Vater. »POLO GEHÖRT EUGH. BRINGT IHN ZU PIZZA DEM HUT.« »Woher wisst Ihr«, fragte Fett, den Schwarz Vaters Hellsichtigkeit verdutzte, »dass ich mit Pizza dem Hut einen Vertrag geschlossen habe?« »ALLE KOPFGELDJÄGER VON PIZZA DEM HUT TRAGEN NAMEN, DIE MIT KÄSE, FLEISCH ODER ÖLSARDINEN ZU TUN HABEN«, sagte Schwarz Vater. »DAS WEISS DOCH JEDER.« »Das stimmt natürlich«, gestand Fett. »Ach, so gern ich ein wenig tratschen würde… Aber leider muss ich fliegen.« Er klatschte einen Antigravitationsknopf an die Seite des überdimensionalen Briefbeschwerers und trat das ganze Ding leichtfüßig über den Boden und hinaus durch den Hauptausgang.
»NUN«, sagte Schwarz Vater selbstzufrieden, »DA WIR WISSEN, DASS DER APPARAT ZU UNSERER ZUFRIEDENHEIT ARBEITET, IST ES AN DER ZEIT, DASS ICH MIR LUKE SKYQUAKER VORKNÖPFE. IST ER EINGETROFFEN?« »Die Sensoren bestätigen, dass sein Schiff gelandet ist«, sagte der erste Sturtruppler. »VORZÜGLICH. ICH WERDE MIT IHM KÄMPFEN. ER HÄLT SEINEN VATER FÜR TOT, ABER ICH WERDE IHN MIT EINER ENTHÜLLUNG ÜBER DIE WAHRE NATUR SEINER HERKUNFT SCHOCKIEREN.« Schwarz Vater schaute auf den neben ihm stehenden Sturtruppler hinab. »DOCH WARUM ERZÄHLE ICH DIR DAS? DU BIST DOCH NUR EIN NIEDERER STURTRUPPLER. WIESO SOLLTE ICH DICH INS VERTRAUEN ZIEHEN?« »Ich weiß nicht, mein Lord«, erwiderte der Soldat leicht nervös. »NA JA, MACHT NICHTS. SORG BLOSS DAFÜR, DASS DER BRIEFBESCHWERER-HERSTELLUNGSAPPARAT EINSATZBEREIT IST, WENN ICH ZURÜCKKEHRE.« Er marschierte aus dem Raum, und sein schwarzer Umgang bauschte sich beeindruckend hinter ihm.
8 Ein Duell und eine überraschende Enthüllung über Lukes Herkunft
Luke landete Jodellas Ersatzraumschiff auf einer verwaisten Landerampe. »Wie still es hier ist«, sagte er zu WC-O2. »Es ist einfach zu still…« »Piep!«, quäkte WC, entfernte sich mit einem Satz von Luke und zockelte rasch durch eine offene Tür ins Innere. Luke bahnte sich einen Weg durch die Gänge und folgte dem Droiden vorsichtig. Irgendjemand hatte ein DIN-A-Blatt an eine Wand gepappt, auf dem in krakeliger Sturtruppler-Handschrift stand: »Zum Showdown-Duell mit Schwarz Vater hier entlang →« »Das ist sehr hilfreich«, sagte Luke. Jetzt musste er aber aufpassen. Er zückte das Neonschwert, das Jodella ihm geschenkt hatte, und fummelte am Griffschalter. Nach einigem zuckendem Geflacker leuchtete die Röhre hell auf. Luke musste zugeben, dass sie echt beeindruckend aussah. »Also los«, sagte er. »Jetzt bin ich bereit, dir zu begegnen, Schwarz Vater. Ich werde meinen Vater rächen – der, wie ich gehört habe, von Schwarz Vater getötet wurde oder so!« Er machte einen Schritt auf den Eingang zu, hinter dem seine Nemesis ihn erwartete: die größte Prüfung seiner im Entstehen begriffenen Pracht. Genau in diesem Moment kippte der Fußboden etwas tiefer als üblich. Luke strauchelte, hüpfte sechs Schritte auf dem linken Bein und krachte gegen die Wand, wobei das Neonschwert gegen seinen Oberschenkel schlug. Das Licht ging aus. Als Luke das Schwert untersuchte, sah er, dass das Glas seiner Waffe zerbrochen war. Das Leuchtgas strömte aus. »O verdammt«, sagte er. Er überlegte. Was hatte Opi damals noch im Todesheilbad gemacht, kurz bevor er Schwarz Vater begegnet war? Er hatte eine normale Leuchtstoffröhre aus der Deckenfassung geschraubt. Luke musterte den Leuchtstreifen an der Gangdecke. Doch wenn man es recht bedachte, hatte es Opi wenig gebracht. Vielleicht war es besser, wenn er
sich an die Waffe hielt, die er schon besaß. Ob es wohl eine Rolle spielte, wenn das Licht ausgegangen war? Vermutlich nicht, nahm Luke an. Er trat durch die Tür und kam in einen matt beleuchteten höhlenartigen Raum. Dort wurde er von Schwarz Vater erwartet. »ENDLICH BEGEGNEN WIR UNS«, dröhnte er. »Böser Schwarz Vater«, sagte Luke und hob seine Waffe. »Ich bin gekommen, um meinen Vater zu rächen, den du vermutlich ermordet hast.« »DU MUSST NOCH VIEL LERNEN, JUNGER SKYQUAKER. DU VERSTEHST DIE SCHWARZE SEITE DER PRACHT NICHT.« »Du wirst mich niemals auf die schwarze Seite ziehen!« »ABER DU KENNST DOCH DIE EINZELHEITEN NOCH GAR NICHT. DU WEISST ÜBERHAUPT NICHTS ÜBER DIE SCHWARZE SEITE. DU WEISST NICHTS ÜBER DIE AUFSTIEGSCHANCEN, DIE AUSSERTARIFLICHEN ZULAGEN UND DIE UNIFORM. NICHTS WEISST DU.« »Es ist mir auch schnurz.« »DAS IST ABER SEHR ENGSTIRNIG GEDACHT.« »Kann schon sein. Aber du wirst mich nie dazu überreden, zu dir überzulaufen.« »MIT WORTEN VIELLEICHT NICHT«, sagte Schwarz Vater. »ABER VIELLEICHT MIT MEINEM NEONSCHWERT! ZIEH BLANK… MOMENT MAL! WAS IST MIT DEINER WAFFE LOS?« »Ach«, sagte Luke leicht verlegen. »Sie hat einen Sprung. Aber sonst sieht sie noch ganz gut aus. Das Licht geht nur nicht mehr an.« »HÄLTST DU ES NICHT FÜR DUMM, MICH MIT EINER BESCHÄDIGTEN WAFFE BEKÄMPFEN ZU WOLLEN?«
»Quatsch! Das Licht hat doch nichts mit der Wirksamkeit dieser Röhre als Waffe zu tun. Ich habe gesehen, wie du Opi getötet hast – nicht mit dem Licht, sondern mit der abgebrochenen Ecke des Glasrohrs.« »DER ARME KNOFI«, sagte Schwarz Vater grüblerisch. »ER HAT MICH NÄMLICH AUSGEBILDET, BEVOR DU GEBOREN WURDEST. ACH, WELCH GLÜCKLICHE ZEITEN. DAMALS WUSSTE MAN NOCH, WAS RESPEKT IST. DA WAREN NICHT, SO WIE HEUTE, ALLE STÄNDIG BESCHÄFTIGT. UND AUCH MIT DER WÄHRUNG KAM MAN VIEL BESSER ZURECHT. ICH HABE MICH MIT DEM HERRSCHER ÜBER DIESE LÄCHERLICHEN REICHSCENTS UND KROYTEN UNTERHALTEN, ABER ER HÖRT JA NICHT AUF MICH. NA JA, ICH DARF MICH NICHT ABLENKEN LASSEN. ZIEH BLANK!« Der Schwarze Lord der Siff stürzte sich auf Luke und sein rot leuchtendes Neonschwert beschrieb eine ganze Reihe präziser Bögen. Bei dem Versuch, es abzuwehren, trat Luke zurück und stolperte über einen niedrigen Tisch, der ihm zufällig im Weg stand. Er stürzte schwer. Im Nu (d.h. er war eigentlich schneller, denn er brauchte nur ungefähr zwei Drittel eines Nu [das man nicht mit einem »im Handumdrehen« verwechseln darf, das beträchtlich schneller, doch jetzt nicht relevant ist]) war Schwarz Vater über ihm. Er packte das Ende von Lukes dunklem Neonschwert und entriss es ihm. Dann stürzte er sich – nun mit zwei Neonschwertern bewaffnet – auf Luke. Luke rappelte sich rasch auf und wich zurück. Na ja, wenn man es genau nimmt, wich er rasend schnell zurück. Und wenn man es noch genauer nimmt: Er drehte sich um und lief vor Schwarz Vater davon, so schnell seine langen Beine ihn trugen. Doch Schwarz Vater beherrschte die Pracht meisterlich. Mit einem Handwedeln sorgte er dafür, dass Luke genau auf eine ganz unscheinbar am Boden liegende Harke zulief. Sein rechter Fuß trat auf die Zinken und der nach unten ausgeübte Druck seines Fußes führte dazu, dass der lange Holzstiel der Harke sehr schnell in eine vertikale Stellung schwang. Der Griff knallte Luke ins Gesicht, und zwar mit einem Geräusch, für das man, um es zu beschreiben, in den 1930er-Jahren das Wort »Patsch« erfunden hat. Luke
wirbelte zurück, griff sich an die Nase, verlor den Boden unter den Füßen und fiel erneut hin. »DU KANNST NICHT SIEGEN, JUNGE«, dröhnte Schwarz Vater und näherte sich ihm. Doch so sehr Luke auch Schmerzen litt: Die Pracht war nicht von ihm gewichen. Als er auf dem Boden herumkroch, bemerkte er, dass sich auf dem Weg, den Schwarz Vater in seine Richtung nahm, eine Anzahl von Falltüren befanden. Mit einem Satz hechtete er zu einem aus der Wand ragenden Hebel. Schwarz Vater sah zwar, was Luke tat, doch es war zu spät: Die Falltürklappen klappten nach unten und die gigantische schwarz gekleidete Gestalt fiel wie ein ein Meter achtzig großer, schwarz gekleideter Stein in die Tiefe. Luke holte erleichtert Luft, rappelte sich auf, trat an den Rand der Falltür, durch die Schwarz Vater gefallen war, und wollte sich anschauen, welches Schicksal seinen Gegner wohl ereilt hatte. Doch da er nun ziemlich sorglos war, trat er ein zweites Mal auf die Zinken der nur wenige Zentimeter von dem Loch im Boden entfernt liegenden Harke. Erneut schnellte der Stiel hoch und kollidierte auf schmerzhafte Weise mit Lukes Stirn. »Au!«, rief er, wankte blindlings nach vorn und taumelte in das Loch, das gerade erst Schwarz Vater verschluckt hatte. Luke fiel durch einen Serviceschacht und landete auf dem metallenen Boden eines gigantischen Kochnischenkomplexes. Zu seiner Rechten, hinter den rostfreien Stahlschränken und Arbeitsplatten, sah er Schwarz Vater mit den beiden Neonschwertern stehen. Er hielt sie kampfbereit ausgestreckt. Luke sprang auf die Beine. Er war unbewaffnet! Er musste sich bewaffnen! Sein Blick suchte hektisch die Decke nach einer geeignet wirkenden Leuchtstoffröhre ab, die er aus ihrer Halterung schrauben konnte. Doch dann schaute er etwas tiefer und sah etwas, das er schon früher hätte bemerken können, wäre er nicht so aufgeregt gewesen. Zwischen ihm und Schwarz Vater befand sich eine riesige Arbeitsplatte, die vielleicht drei Meter breit und dreißig bis vierzig Meter lang war. Und darauf lagen sauber ausgerichtet hunderte und aberhunderte von Sahnetorten…
Inzwischen wurden Prinzessin Lepra und SAF4711 mehrere Ebenen höher in einer Zelle der mittleren Sicherheitsstufe unmittelbar unter der städtischen Straßenebene gefangen gehalten. Lepra schüttelte fortwährend den Kopf und seufzte. »Ich kann's nicht fassen, dass Hans' Freund uns verraten hat.« »Frag mich lieber nicht, was ich davon halte«, sagte SAF4711. »Ich hatte nie großes Vertrauen in den Homo sapiens.« Im gleichen Moment ging die Zellentür auf. Zwei Sturtruppler standen draußen. Sie hielten Landser Kahlratzia unversöhnlich fest, schleuderten ihn in die Zelle und knallten die Tür hinter ihm zu. Die Wucht des Stoßes reichte aus, um Landser um fast hundertachtzig Grad rotieren zu lassen, sodass der zuerst auf dem Boden landende Teil seines Körpers sein Schädel war. Landser äußerte ein einzelnes Wort (»Aua«) und blieb einige Minuten stöhnend auf dem Rücken liegen. »Der Verräter«, sagte Prinzessin Lepra und baute sich vor ihm auf. »Ich kann nicht behaupten, dass ich mich freue, dich zu sehen, Schweinebacke.« »Autsch«, sagte Landser und richtete sich behutsam auf. »Das hat wehgetan.« »Wenn du glaubst, dass das die schlimmste Beleidigung ist, die mir einfällt…« »Ich meine, es hat wehgetan, dass ich auf den Kopf gefallen bin. Aber dein Kommentar war auch ganz schön verletzend.« »Ist mir schnurz«, sagte die Prinzessin rücksichtslos. »Du Verräterschwein! Was machst du überhaupt hier? Wieso haben die Sturtruppler dich so grob behandelt?« »Tja«, sagte Landser und rieb die wunden Stellen seines Leibes, »ich dachte, ich hätte 'n prima Geschäft mit Schwarz Vater laufen. Ich hab euch alle in die Pfanne gehauen und ihm geholfen, Hans Polo in einen gigantischen Kristallklumpen zu verwandeln, den er dem Herrscher des Reiches schenken kann. Als Gegenleistung hat Schwarz Vater mir versprochen, die Stadt zu verschonen und mich weiter über sie herrschen zu lassen. Aber er hat es sich offenbar anders überlegt. Er hat die Stadt
unter die Kontrolle des Imp-R-Imp gestellt und mich zu euch gesperrt, weil er mich foltern und töten will.« »Ach so«, sagte die Prinzessin. »Tja, ich glaube, ich muss dich für deine Ehrlichkeit loben. Wenn du ein Lügner wärst, hättest du vielleicht behauptet, dein Verrat an uns sei eigentlich nur ein gerissen eingefädelter Schachzug deinerseits gewesen, und du hättest dich nur gefangen nehmen und einkasteln lassen, um Schwarz Vater zu ermorden.« »Ja!«, sagte Landser strahlend. »Genau so ist es. Ich bin ein Held!« Das Duell zwischen Schwarz Vater und Luke wurde auf den unteren Stadtebenen fortgesetzt. Na schön, ein Hauptteil des Duells bestand darin, dass Schwarz Vater, zwei Neonschwerter schwingend, auf Luke zulief und Luke so schnell wegrannte, wie er nur konnte. Aber ich würde es gern lieber als Duell beschreiben. Irgendwie hatte die Tortenschlacht Luke übler mitgespielt als seinem Gegenspieler. Schwarz Vaters Umhang bestand offenbar aus irgendeinem futuristischen Schmutz abweisenden Gewebe. Luke hingegen war von oben bis unten – vom blonden Haarschopf bis zu seinen cremefarbenen Stiefeln – mit Sahne bedeckt. Man muss sagen, dass die Sahne es ihm nicht gerade erleichterte, über den pausenlos wankenden Boden aus rostfreiem Stahl zu rennen. »ERGIB DICH, JUNGE!«, bellte Schwarz Vater. »KOMM MIT MIR ZUM HERRSCHER! ES IST DEINE BESTIMMUNG!« »Halte ich für unwahrscheinlich«, erwiderte Luke. Er hechte nach rechts durch eine niedrige Tür und fand sich auf dem Müllplatz der Schwebestadt wieder – in einem riesigen, mit Bergen von stählernem Abfall gefüllten Hangar: Hier wimmelte es von Bauschutt und Haufen buntscheckigen Mülls. In der Mitte des Raumes befand sich der Kern der städtischen Müllbeseitigungsanlage: Ein großes Loch, durch das man die Abfälle warf – falls man die kommunalen Müllwerker nicht belästigen durfte –, öffnete sich ins tiefe All. Luke hatte kaum Zeit, die neue Umgebung in Augenschein zu nehmen, denn schon stürmte Schwarz Vater hinter ihm her und schwang auf gefährliche Weise beide Neonschwerter. Luke schrie auf und sprang
nach vorn. Er rutschte auf einem Ölfleck aus und flog mit dem Kopf voran in einen riesigen Haufen Fischköpfe. Zwar konnte er sich befreien, doch zahlreiche verwesende Fischköpfe blieben an der seinen Körper bedeckenden Sahne hängen. Luke wankte weiter. Irgendwann schaute er sich nach Schwarz Vater um. Zwei durch die Luft fegende Neonschwerter verfehlten Luke nur um Millimeter. Er taumelte zurück und stolperte gegen eine Wand, von der er annahm, sie bestünde aus Ziegelsteinen, doch es waren nur Remittenden von Science-Fiction-Romanen. Man hatte sie zu einem gewaltigen Stapel aufgetürmt, um sich ihrer zu entledigen. Luke stieg den mit Stufen versehenen Berg so geschwind und mit den Armen wedelnd hinauf, dass es aussah, als würde ein Filmstreifen mit einem Menschen, der eine Treppe hinabfiel, rückwärts ablaufen. Doch die Pracht verließ Schwarz Vater nicht. Er trat einen Schritt zurück, stolperte gegen ein herrenloses Fahrrad, wankte, fiel gewaltig aufs Maul, landete auf einem Stapel alter Matratzen und wurde unglaublich hoch in die Luft geschleudert. Dann landete er auf beiden Beinen – nur zwei Meter von Luke entfernt. »DIES IST DEINE LETZTE CHANCE, LUKE. SCHLAG DICH AUF MEINE SEITE ODER STIRB!« »Keins von beiden!«, schrie Luke. Er wankte erschöpft und schmutzig bis zum Rand des Remittendenstapels. Genau unter ihm befand sich ein Abgrund. Der Wind heulte auf unheimliche Weise. Als Luke in die Tiefe schaute, erspähte er Wolken und hatte eine Schwindel erregende Aussicht über viele Kilometer bis auf einen im Dunst liegenden Boden. Er schob einen Arm um eine riesige Säule eingeschweißter Exemplare von Episode Null Bilderbuch-Schrott aus dem Suhrkrampf-Verlag und beugte sich über das Nichts. »LUKE!«, donnerte Schwarz Vater. »KNOFI HAT DIR NIE ERZÄHLT, WAS MIT DEINEM VATER PASSIERT IST.« »Ich weiß jede Menge über meinen Vater«, keuchte Luke. »Ich weiß, dass er über die Pracht gebot. Ich weiß, dass er sich der Schwarzen Seite zugewandt hat. Außerdem weiß ich, dass du, Schwarz Vater, der du ebenfalls mit der Schwarzen Seite der Pracht kungelst, ihn getötet hast!«
»WAS SOLL ICH GETAN HABEN? ABER NEIN, NEIN! ICH GLAUBE, DU BIST VÖLLIG AUF DEM FALSCHEN DAMPFER. WER HAT DIR DENN DAS ERZÄHLT? WAR ES KNOFI?« »Ähm«, sagte Luke. »Ja.« »WIE EIGENARTIG. WARUM SOLLTE ER DAS WOHL GESAGT HABEN? HAT ER DICH VIELLEICHT VERSCHEISSERT?« »Verscheißert?« »JA, LUKE. EINS MUSST DU WISSEN: ICH, SCHWARZ VATER, HABE EINE WICHTIGE INFORMATION, DIE DEINEN VATER BETRIFFT.« »Wirklich?« »WILLST DU SIE HÖREN?« »Ja, los, erzähl.« »WILLST DU DIE WIRKLICHE IDENTITÄT DEINES VATERS ERFAHREN?« »Ja, ja, nun mach schon.« »ICH BIN DEIN VATER, LUKE.« Diese Worte waren kaum verhallt, als der Wind aufgrund eines momentanen Ausfalls der gültigen Naturgesetze drei Akkorde ertönen ließ, die wie G-, C- und D-Dur klangen. Luke war völlig von den Socken. »Wie bitte?«, erwiderte er. »Ich weiß nicht, ob ich genau verstanden habe, was du gesagt hast. Der Wind hat so komische Geräusche gemacht. Du bist mein Vater?« »JA.« »Du, Schwarz Vater, bist mein Vater? Jener Vater, der auf die Schwarze Seite überwechselte?« »JA.« »Na, da zieht es mir ja die ungewaschenen Socken aus. Das kommt ja nun völlig unerwartet. Bist du wirklich mein Vater?«
»WIRKLICH.« »Tja«, sagte Luke und kratzte sich am Kinn. »Jetzt muss ich aber wirklich sagen, das hätte ich nicht erwartet.« »DAS IST NOCH NICHT ALLES. DU KENNST DOCH DIESEN GOLDENEN ROBOTER – SAF4711?« »Ja.« »ICH HABE IHN GEBAUT. MIT EINEM BAUKASTEN. IN GEWISSER WEISE BIN ICH AUCH SEIN VATER. DESWEGEN SEID IHR BRÜDER.« »Er ist mein Bruder? Aber er ist ein Schwachkopf.« »QUATSCH. ER GEHÖRT ZUR FAMILIE. SO KANN MAN DOCH NICHT ÜBER SEINE FAMILIE REDEN.« »Du bist mein Vater?«, sagte Luke, als käme ihm dies erst jetzt zu Gripse. »Na, da bin ich aber baff. Ich fall um. Gleich werd ich ohnprächtig. Du bist mein Vater? Was für eine unglaubliche Überraschung. Das kommt ja nun völlig unerwartet.« »DAS HAST DU SCHON MAL GESAGT.« »Was?« »DU HAST SCHON MAL GESAGT: ›DAS KOMMT ABER NUN VÖLLIG ÜBERRASCHEND.‹« »Tja, Verzeihung, aber das muss ich erst mal verdauen. Mein Vater? Ich fass es nicht. Boah, ey. Das haut einen um. Aber echt. Wer hätte das gedacht? Boah, ey. Nicht mal in einer Million Jahre wäre ich daraufgekommen. Es kommt völlig überraschend für mich. Ich bin ziemlich geplättet, echt. Tja, man fasst es einfach nicht. Boah, ey.« »NA, KOMM«, dröhnte Schwarz Vater. »STELL DAS DÄMLICHE GEBRABBEL EIN. SCHLAG DICH AUF MEINE SEITE, UND WIR WERDEN DIE GALAXIS BEHERRSCHEN! WIR KÖNNEN SIE WIE EIN VATER-&-SOHNUNTERNEHMEN HANDHABEN UND ALLES VON DER STEUER ABSETZEN. ABER DEN GRÖSSTEN TEIL DER HERRSCHEREI ÜBERNEHME NATÜRLICH ICH.
TROTZDEM WIRD DIR DEINE NEUE POSITION SEHR ZUM VORTEIL GEREICHEN.« »Ach«, sagte Luke. »Glaubst du wirklich, ich würde meine Freunde verraten? Jetzt hör mal zu…« Doch genau in diesem Moment gab die Dehnkraft der BüchersäulenKunststoffverpackung nach, an die Luke sich klammerte. Er wankte zurück – ins Nichts hinein. Man könnte vielleicht annehmen, dies sei Luke Skyquakers Ende gewesen. Aber nein – statt mehrere Kilometer tief einem matschigen Ende entgegenzufallen, wehte ein fehlgeleiteter Wind ihn zur Seite und knallte ihn wie ein Stück Eisen gegen ein Gerüst, von denen es an der Unterseite der Schwebestadt nur so wimmelte. Frag mich nicht, warum: Vermutlich hätte man die Unterseite der Stadt auch glatt und völlig eben bauen können. Doch man hatte sie so gebaut, dass es an ihr jede Menge Pfähle, Leitern, nach unten gerichtete Antennen und andere Vorsprünge gab. Und an einem davon hielt Luke sich fest, denn er wollte gern weiterleben. Schwarz Vater lugte über den Rand des Bücherstapels und sah seinen Sohn dortselbst baumeln. Er schaltete seinen Helmkommunikator ein und erteilte der über ihm befindlichen Stadt einen Befehl. »HIER SPRICHT SCHWARZ VATER. SCHICKT SOFORT EINE IMP-R-IMP-FÄHRE UNTER DIE STADT, SAMMELT DAS DORT BAUMELNDE INDIVIDUUM EIN UND NEHMT ES GEFANGEN.« »Was war das?«, erwiderte eine dünnblecherne Stimme. »Was?« »SCHICKT SOFORT EINE IMP-R-IMP-FÄHRE UNTER DIE STADT UND…« »Oh, Verzeihung, ich glaub, Sie haben sich verwählt. Hier ist der Empfang des Verlagshauses Hefterl & Schundig.« »TUT MIR SCHRECKLICH LEID. HAB MICH GEIRRT.« »Macht doch nichts.«
Schwarz Vater justierte fluchend die Frequenz seiner Kom-Einheit und wiederholte den Befehl. Mit dem spontanen Gehorsam, für den die Imp-R-Imp-Sturtruppler so berühmt waren, wurde sogleich eine Fähre bemannt und ins Freie geflogen, damit sie sich unter die Stadt begab. Die Fähre war ein klotziges Ding, und ihre Piloten waren ganz besonders geschickt. Sie lokalisierten Lukes Gestalt und machten den Versuch, ihr Gefährt so zu manövrieren, dass sie ihn ergreifen konnten. Doch als sie sich unter der Stadt bewegten, ratschte ihre Heckflosse am Stadtboden entlang und verhakte sich an einem der zahlreichen Vorsprünge. Dies brachte die Fähre zum Stillstand. Luke war noch immer mehrere hundert Meter von ihr entfernt, doch so heftig die Triebwerke auch heulten, die Maschine saß fest. In leichter Panik versuchte man es mit dem Rückwärtsgang, doch dadurch fraß sich die eiserne Heckflosse erst richtig im metallenen Brimborium der Unterstadt fest. »TÖLPEL!«, schrie Schwarz Vater, der all dies durch das Müllentsorgungsloch beobachten konnte. »BLÖDMÄNNER!« Als die Fährenpiloten Schwarz Vaters Zorn übers Interkom hörten, verfielen sie noch mehr in Panik. Sie schalteten das Gefährt in den kleinsten Gang und ließen den Hyperantrieb aufheulen. Die Imp-RImp-Fähre, die fähig war, sich innerhalb von Sekunden in die Kreisbahn zu katapultieren und schneller als das Licht zu fliegen, wehrte sich gegen ihre Gefangenschaft. Metall verbog sich und kreischte, doch die Heckflosse saß im Stadtboden fest. Und dann passierte das Unausweichliche. Der gewaltige Pfeiler, auf dem die Stadt ruhte, zitterte. Er zitterte und krümmte sich dann mit einem gewaltigen reißenden Geräusch. Die riesigen, zehn Meter durchmessenden Schrauben, mit denen die Unterseite der Platte auf der Pfeilerspitze der Stadt befestigt war, rissen. Mit einem Geräusch, als wolle die Welt enden, kippte die ganze Stadt um genau fünfundvierzig Grad. Schwarz Vater wurde von den Beinen gerissen. In der Stadt über ihm brachen Gebäude zusammen. Menschen wurden wie Pusteblumensamen im Wind hinausgewirbelt. Einen Moment lang blieb die Stadt so: vom Pfeiler abgebrochen, im Begriff umzukippen. Nun war das Einzige, was sie daran hinderte,
gänzlich vom Pfeiler zu fallen, die Imp-R-Imp-Fähre, deren Triebwerke mit Volldampf arbeiteten. Doch das Heulen ihrer Motoren deutete schon an, dass sie dieser Tätigkeit nicht mehr allzu lange nachgehen konnte. Wenn Prinzessin Lepra nicht gerade mit Landser Kahlratzia debattierte, traktierte sie ihn mit Maulschellen und Tritten ins Gesäß. Sie hatte sich gerade entschlossen, beides gleichzeitig zu tun, als die Stadt urplötzlich um fünfundvierzig Grad kippte und in ihren Gehörgängen das Schrillen der Katastrophe erklang. »Was, in Thogs Namen…«, schrie sie, als sie, Landser und SAF4711 gegen die Zellenwand prallten. Fast im gleichen Moment stürzte die Decke ein. Die Brüll, Rebell, und zwar aus vollem Halse IV, die das Stadtbeben aus ihrer Halterung gerissen hatte, war durch die Luft gesegelt, genau über der Zelle auf dem Straßenpflaster gelandet und hatte es eingedrückt. Das Heck des Raumers schob sich mühelos durch den Straßenbelag. Als der Staub sich gesetzt hatte, fand sich die überraschte Prinzessin vor der Hauptluftschleuse des Raumschiffes wieder. »Tja«, sagte sie. »Das nenne ich aber Glück.« Sie zog die Schleuse auf und latschte mit Landser und SAF4711 an Bord. Aubacke schlief noch immer. Die Brüll, Rebell, und zwar aus vollem Halse IV hob ab und umkreiste die heftig gekippte Stadt, um nachzusehen, was den Schaden hervorgerufen hatte. »Meine Stadt«, jammerte Landser. »Meine schöne Stadt! Und dennoch… Es ist möglicherweise das Beste, dass ich unmittelbar vor ihrer Vernichtung den Beschluss gefasst habe, mich auf die Seite der Rebellenden zu schlagen!« »Ist das nicht Luke?«, fragte Lepra. »Der da an der Strebe hängt?« Sie steuerte den Raumer auf Luke zu, und zwar weitaus geschickter als die Imp-R-Imp-Piloten es je hätten bewerkstelligen können. Dann schickte sie Landser in die Luftschleuse, um Luke an Bord zu holen. Schließlich steuerte sie den Raumer von dannen.
Fast im gleichen Moment, in dem sie die Stadtgrenze hinter sich ließen, brannte das Triebwerk der Imp-R-Imp-Fähre durch. Das schrille Heulen erstarb. Das Gefährt büßte all seine Kraft ein. Die mächtige Stadt ächzte, wackelte, kreischte und kippte dann über den Punkt hinaus, an dem es keine Rückkehr mehr gab. Sie fiel geradewegs nach unten und trug ihre vielen tausend unschuldigen Bürger dem sicheren, viele Kilometer unter ihnen wartenden Tod entgegen. Tja, so ist es eben. Schließlich kann man kein Omelett zubereiten, ohne hier und da ein paar tausend Menschen umzulegen, wie Gandhi – glaub ich – gesagt hat. Oder war es Pol Pot? Na, jedenfalls war es ein bekannter asiatischer Politiker. Und so… »Thog sei Dank konnten wir dich retten«, rief Prinzessin Lepra. Sie wandte sich im Pilotensitz um, denn sie wollte Luke umarmen. Dann überlegte sie es sich noch mal, denn ihr wehte der an ihm klebende Mief von Sahne und verrottendem Fisch entgegen. »Würg!« »Thog sei Dank?«, sagte Luke. »Für meine Rettung, würde ich sagen, war doch wohl eher die Pracht zuständig. Nun habe ich noch eine Frage: Sind Rebellendenraumer eigentlich mit Duschen oder Badezimmern ausgestattet?« »Nein«, sagte Lepra. »Ach«, sagte Luke, während der ätzende Mief sich langsam in der engen Kabine ausbreitete. »Dann könnte dies ein ziemlich langer Flug werden.« Als sie in die schmerzende Schwärze des Weltalls entschwanden, strömten Imp-R-Imp-Kreuzer zusammen, deren Laserstrahlen das Nichts durchpulsten. Mit einer Reihe verzweifelter Manöver manövrierte Lepra die Brüll, Rebell, und zwar aus vollem Halse IV durch einen komplexen transspatialen Fluchtvektor. Dann schaltete sie den Hyperantrieb ein und entfernte sie ganz und gar von der Szenerie. Als sie im Hyperraum waren, konnte Lepra sich endlich entspannen. Sie lehnte sich in den Pilotensitz zurück. »Luke!«, schrie sie. »Das Allerwichtigste! Vielleicht noch wichtiger als unsere äußerst unglaubliche Flucht!« »Ja?«, erwiderte der übel riechende junge Jobber. »Was ist denn?«
»WC-02! Hans hat gesagt, er hätte ihn dir gegeben! Der kleine Droide enthält das Große Geheimnis – wenn wir es ihm entreißen könnten, bin ich mir ganz sicher, dass wir das Imp-R-Imp besiegen können. Doch würden wir es verlieren, würden wir den abscheulichsten aller Rückschläge erleiden. Bitte«, bat sie, »sag mir bitte, dass du den Droiden auf der Sumpfwelt im Gewahrsam des großen Jobber-Meisters Jodella zurückgelassen hast. Sag mir bitte nicht, du hast ihn ohne jeden Grund mit in die Schwebestadt genommen, und dass er nun zerschmettert und in tausend Fetzen zerrissen im Wrack dieser pechbehafteten Großstadt liegt?« Luke schluckte. »Ersteres«, sagte er. Prinzessin Lepra atmete ungeheuer erleichtert aus. Sie schüttelte sich sogar, denn ein Riesengewicht war von ihren Schultern genommen. »Thog sei Dank!«, rief sie. »Dann geben wir jetzt die Koordinaten für die Sumpfwelt ein…« »Oder«, sagte Luke mit gerunzelter Stirn, »meinte ich ›Letzteres‹? Die beiden Begriffe verwechsle ich ständig. Das Zweite hab ich gemeint – zerschmettert, in tausend Fetzen zerrissen; ja, das.« »Och«, sagte Prinzessin Lepra.
Sechste Episode Die Rückkehr des Sohnes des Jobbers reitet wieder
Die Vernichtung des Todesheilbades durch die Attacken der Rebellenden war ein verheerender Schlag für das Imperiale Reichsimperium. Doch da es fest entschlossen und fantasielos war, hatte es sofort mit dem Bau eines zweiten Todesheilbades begonnen, das noch gewaltiger war als das erste. Diese Megawaffe sollte nicht von instabilen Technologien angetrieben werden, die die Photonen schwarzer Löcher zerschnitten, sondern von einer Reihe viel sicherer Atomkraftwerke. Atomkraftwerke waren wirklich viel sicherer, ehrlich. Es war unmöglich, dass da was explodierte, falls – nur mal angenommen – der Hauptreaktor vom sorgfältig gezielten Beschuss des Hauptlasergeschützes eines Raumschiffes getroffen wurde. Oder – vielleicht – falls das Reaktorpersonal an einem langweiligen Nachmittag völlig grundlos an den Kontrollen herumfummelte und auf diese Weise eine katastrophale Kernschmelze auslöste, die eine Jahrzehnte andauernde radioaktive Verseuchung nach sich zog. So was war völlig unmöglich. Schwarz Vater überwachte das Projekt persönlich. Übrigens – das wollte ich noch erwähnen – war ihm die Flucht aus dem stürzenden Chaos der Schwebestadt geglückt. Außer ihm gelang dies zwar niemandem, doch er schaffte es. Ja, ja, ich weiß, er befand sich im Inneren der Stadt. Aber ihm kamen halt seine auf der Pracht basierenden Kräfte zu Hilfe, und so konnte er entkommen. Nein, tut mir Leid, hier kann ich nicht in die Einzelheiten gehen. Kann ich wirklich nicht. Tut mir Leid. Das Wichtigste ist, dass er entkommen konnte. Inzwischen sitzt tief in der Wüste des Planeten Tätowiermir Hans Polos Briefe beschwerender Körper auf einem großen Papierstapel in einer Feste, die zum Eigentum und den anderweitigen Geschäftsinteressen des berüchtigten Gangsters und örtlichen Prominenten Pizza der Hut gehört.
1 Tätowiermir. Hier waren wir schon mal Es war am späten Vormittag auf Tätowiermir. Die Sonne gloste auf den Wüstensand hinab. Licht strömte durch die dunstige Luft wie geschmolzenes, mit Gold vermischtes Kupfer. Meilenweit sah man nur ödes Land. Auch kilometerweit sah man nur ödes Land. Es waren eigentlich sogar mehr Kilometer als Meilen, denn Kilometer sind kürzer als Meilen. Es gibt ein bestimmtes Verhältnis, das die Umrechnung regelt, aber ich fürchte, ich habe vergessen, wie man das macht. Irgendwie basiert es auf der Anzahl der Buchstaben in den Worten »Meile« und »Kilometer«. Es wäre natürlich eine tolle Eselsbrücke, nicht wahr? Denn es würde bedeuten, dass fünf Neuntel einer Meile einen Kilometer ergeben – und umgekehrt. Mit umgekehrt meine ich »neun Fünftel«, was – vorausgesetzt, ich hab mich beim Zusammenzählen nicht verhauen – zweieinviertel Kilometer pro Meile ergibt. Jetzt, wo ich's hingeschrieben habe, sieht es irgendwie nicht richtig aus. Also, wenn mein Leben davon abhinge – und wer weiß, vielleicht hängt es tatsächlich davon ab –, würde ich nicht gerade schwören, dass eine Meile zweieinviertel Kilometer lang ist. Es ist vermutlich weniger. Vielleicht besteht die Eselsbrücke auch aus zwei völlig anderen Wörtern – zum Beispiel aus »Toupet« und »Rasenmäher«. Vielleicht aber auch nicht. Ich frage mich, ob es den Behörden wohl möglich wäre, das Verhältnis von »Meile« zu »Kilometer« bei neun zu fünf festzuschreiben? Es würde eine Menge vereinfachen, meinst du nicht auch? Jedenfalls knallt die Sonne auf die Wüste, und zwar auf jeden Quadratzentimeter der Ödnis. Und dann stößt der Reisende auf die kompakten Steintürme des Unterschlupfes von Pizza dem Hut, der tief in der ödesten Ödnis liegt. Die gedrungenen Rotsteinvorsprünge sind nur die obersten Teile eines riesigen unterirdischen Komplexes aus Echos werfenden Kavernen, finsteren Gängen und tiefen Verliesen. Im Herzen dieses Baues bewegte Pizza der Hut sich gerade seinem Thron entgegen. Bevor er sich auf sein spezielles Podest setzte, hinterließ sein gigantischer schneckenartiger und schneckenfarbener Leib, der
gut zehn Meter durchmaß, am Boden eine Spur aus ekligem Wasserstoffschleim. Seine Spießgesellen kicherten und lachten. Pizzas Lachen wiederum klang wie der Lärm, den explodierende Fäulnisblasen in einer Jauchegrube erzeugen – ein aus tiefster Kehle kommendes »Hah! Hah! Hah! Hah!«. Übrigens möchte ich nicht zu erwähnen vergessen, dass explodierende Blasen in einer Jauchegrube so und nicht anders klingen. Ich würde dir aber nicht empfehlen, den Versuch zu machen, diese Aussage persönlich zu überprüfen, denn du könntest es nur tun, wenn du teure Aufzeichnungsgeräte in eine Jauchegrube hinablässt, in der sie vermutlich kaputtgehen. Verlass dich am besten auf meine Worte. Pizzas Leib war eine quellende Masse aus roten und braunen Pusteln, auf dem abscheuliche Blasen und eine riesige verfilzte Menge geronnenen gelben Eiterschleims wucherten. Seine Augen, pepperoniähnliche Kreise, waren irgendwie vorn an seinem gewaltigen, völlig verfetteten Körper angebracht. Sein Mund war ein knolliger Riss in seiner glasierten gelbbraunen Haut. Nur selten war ein so übel riechendes und Ekel erregendes Wesen über einen Planeten gewandelt: ein widerlich geflecktes Biest, ein bekennender Steuerhinterzieher, schnorrender Schmarotzer, Mafioso-Wurm, schleimiger Abschaum und absolut unter aller Würde. Ja, sogar unter der Würde jener Dinge, die wir für unter aller Würde halten. Dieses Ungeheuer verbrachte seine Zeit damit, seinen endlosen Bau vollzusabbern, Dinge zu planen, die gegen alle Gesetze verstießen, Lebewesen gefangen zu halten und zu ermorden, anderen zu befehlen, Lebewesen gefangen zu nehmen und zu ermorden, und sich ganz allgemein eklig aufzuführen. Der Speichel des Irrsinns tropfte ständig von seinen eklig aufgequollenen und Käse fressenden Lippen. Nun ist es ja nicht so, dass ich Vorurteile in dir gegen diese Lebensform erwecken möchte, bevor du ihr selbst begegnet bist. Natürlich wirst du Pizza selbst einschätzen und ihn anhand seiner Taten beurteilen. Es wäre nämlich sehr oberflächlich, wollte man ihn allein aufgrund seines Aussehens beurteilen. Schließlich sehen alle Pizzaner so aus wie er. Es war ja nicht seine Schuld, dass er so aussah. Es kommt schließlich nur auf seinen Charakter an, nicht auf die Farbe seiner Haut. Das darf man nie vergessen. Ehrlich. In der Mitte des großen Saales, wo Pizza in seinem Ornat mit dem Rücken an dem Ofenkomplex seines Schlupfwinkels saß, hockte auf
einem unglaublich hohen Papierstapel – Zahlungsaufforderungen des Finanzamts, Fanpost, Werbeschreiben und dergleichen – Hans Polo, umhüllt von einer riesigen Kristallkugel. Er war Pizzas Trophäe! Doch Hans' Freunde hatten ihn noch nicht aufgegeben. Einer nach dem anderen hatte sich aufgemacht, um mit Pizza zu verhandeln, ihn anzuflehen und schließlich gar zu bestechen. Vielleicht wären sie erfolgreicher gewesen, wenn sie alle zusammen gekommen wären, doch der Gedanke kam ihnen leider erst, als sie sich in Pizzas stinkendstem Verlies wieder fanden. Zuerst kam Landser Kahlratzia, um Hans' Freilassung und alles andere zu erbitten, was ihm gerade einfiel. Nun, obwohl ich »er kam« sage, wurde er Pizza in Wahrheit wie ein gewürztes Brathähnchen nach Hause geliefert. Eigentlich konnte niemand den verräterischen kleinen Saubeutel leiden, und alle waren irgendwie erleichtert, als Pizza ihn schließlich in ein Verlies warf. Dann kam der Roboter SAF4711, der über Hans' Freilassung verhandeln wollte – und natürlich auch über Landsers –, da seine Freunde nun wegen der Brathähnchennummer ein schlechtes Gewissen hatten. »Großer Pizza«, verkündete SAF4711, als er im Saal des Großgangsters stand, »ich bin gekommen, um mit dir über die Freilassung von Hans Polo zu verhandeln.« Pizza hörte sich seinen Vermittlungsversuch gar nicht erst an. Stattdessen riss er sich den Roboter unter den Nagel, setzte ihn als Übersetzer ein, denn er sprach kein Englisch, sondern nur Pizzalisch, während der größte Teil seiner Unterweltkomplizen wiederum nur Normgalaktisch sprach. Dieses Arrangement funktionierte eine Weile, bis Pizza erfuhr, dass SAF4711 seine Kernaussagen veränderte, statt sie gewissenhaft zu übersetzen. Als zum Beispiel das Präsidium der schrecklichen Organisation FDP* einige Vertreter in Pizzas Feste sandte, um für beide Seiten vorteilhafte Bedingungen zur Aufteilung der Zockerprofite aus der Spielbank von Monte Cassino auszuhandeln, sagte Pizza zu den Leuten: [»Ich akzeptiere eure Vorschläge. Lasst uns nicht länger miteinander zanken. Tref*
Falschmünzer/Diebe/Preller
fen wir eine ehrenwerte Abmachung. Wir teilen die Kohle halbe-halbe, und auch alle Unkosten.«] SAF4711 übersetzte dies so: »Eure Knie und Schienbeine erregen meine Woll-Lust. Lasst uns Döbel, Barsche und Heringe in verschwenderischer Fülle in die Luft werfen und bei den Kommunalwahlen nur die Kandidatur kahlköpfiger Frauen unterstützen. Zwerge sind die Quelle der meisten Flüsse.« Da Pizza kein Normgalaktisch sprach, wusste er nicht, was da in seinem Namen gesagt wurde. Doch natürlich war Little Jimmy Prellino entsetzt, verstört und ganz schön verdattert, als seine Vertreter ihm diese Antwort überbrachten. Aus Angst, er könne sein Gesicht verlieren, befahl er einen taktischen Atomschlag auf das Kasino. Da dabei zahlreiche Zocker ins Gras bissen und der radioaktive Niederschlag für einige Unbill sorgte, gingen die Umsätze dortselbst natürlich heftig in den Keller. Bei einer anderen Gelegenheit – SAF4711 sollte einen bestimmten Galaktischen Polizisten instruieren, wie er an sein Bestechungsgeld kam –, erklärte er dem Mann, wie man »eine Dose Pfirsiche öffnet, indem man die Stirn einsetzt – weil Pizza der Hut ansonsten Vagabunden und… ähm… Kamele, glaube ich, in Marsch setzt, die deine ganzen Klamotten durch Hundefutter ersetzen.« Schließlich erhielt Pizza zum Geburtstag einen Universalübersetzer geschenkt. Als er mit dem Gerät seine zur Sicherheit gemachten Gesprächsaufzeichnungen abspielte, kriegte er mit, wie er in die Irre geführt worden war. [»Warum?«], bellte er durch den U.Ü. [»Warum hast du diese abscheulichen Dinge getan? War dir denn nicht klar, dass du damit meinen Zorn hervorrufst?«] »Ich hab's nicht absichtlich getan«, erwiderte der entsetzte SAF4711 und warf sich mit dem Gesicht nach unten vor seinem wütenden Herrn in den Staub. »Bitte, demontiert mich nicht! Ich bin kein Übersetzer. Ich bin ein Wörterbuch und ein Lexikon! Das ist ein Unterschied. Ich glaube, ich habe nur jedes siebente Wort verstanden. Ich hab mein Bestes getan.« SAF4711 gesellte sich zu Landser ins Verlies, während Pizza der Hut sich sein böses Hirn zermarterte, um sich den schmerzhaftesten Tod auszudenken, den er seinem metallenen Gefangenen angedeihen lassen konnte.
Prinzessin Lepra machte den nächsten Versuch. Sie brachte eine bescheidene Bestechungssumme mit und versprach dem bösen DiHütte mehr Geld, wenn er sich einverstanden erklärte, Hans, SAF4711 und Landser freizulassen. Pizza der Hut lachte ihr ins Gesicht [»Hah! Hah! Hah!«] und nahm sie gefangen. Dann, böses Ungeheuer, das er war, konfiszierte er ihre Kleider und steckte sie in einen Metallbikini, obwohl keiner seiner Spießgesellen sich einen Grund dafür vorstellen konnte. Immerhin war Pizza eine zu hundert Prozent auf Mehl basierende Lebensform. Prinzessin Lepra wiederum war eine auf Kohlenstoff basierende Humanoidin. Pizza konnte sie sexuell nicht anziehender finden als jeder x-beliebige Menschenmann eine weibliche Pizzanerin sexy fand. Die Anzahl der Menschenmänner, die sich sexuell von einem zehn Meter dicken Sack aus watschelndem Eiter und rotem Schleim aufgeilen lassen, ist – seien wir ehrlich – gering. Die Anzahl anständiger, aufrechter Pizzaner, die sich von einem eineinhalb Meter hohen Klumpen aus Armen und Beinen anmachen lassen, der in eine ekelhaft bleiche, enge, glatte Haut verpackt ist, war noch geringer. Trotzdem ließ Pizza sie aus irgendeinem Grund einen Metallbikini tragen, obwohl sie sich beschwerte, dass das Ding unter den Armen zwickte und sie gezwungen war, den Bauch einzuziehen, um zu verhindern, dass der metallene Bund sie wund scheuerte. Schließlich warf Pizza auch Lepra ins Verlies, wo sie sich zu Landser und SAF4711 gesellte. Schließlich tauchte Luke Skyquaker höchstpersönlich auf: ein junger Jobber-Ritter, dessen Kräfte und Fähigkeiten immer stärker wurden. Er wollte all seine Freunde auf einen Streich befreien. [»Hah! Hah! Hah! Hah!«], lachte Pizza der Hut auf seine tiefkehlige Art, als Luke ruhig vor ihm stand. [»So, junger Jobber, du bist also, wie deine erfolglosen Kollegen, gekommen, um zu verhandeln und mich zu beschwatzen?«] »Ich nehme an«, erwiderte Luke, der aufgrund des U.Ü. deutlich zu verstehen war, »dass der von Kristall umhüllte Hans Polo dich inzwischen langweilt, o mächtiger Pizza.«
[»Keinesfalls!«], kicherte Pizza der Hut. [»Hier, kuck mal.«] Er nickte seinem Spießgesellen Krisss zu, einer neun Meter großen Muskelbestie vom Planeten Dumbarth. Die aus nicht menschlichen Muskeln bestehende Masse trat vor, nahm die Kristallkugel in ihre gigantischen Pratzen und schüttelte sie. Dann legte sie sie auf den Papierstapel zurück. Rings um Hans' reglosen Körper, das Seepferdchen und den Tang, wirbelten künstliche Schneeflocken. »Das ist sehr hübsch«, gab Luke zu. »Ich wusste gar nicht, dass man so was damit machen kann.« [»Nicht wahr? Meiner Ansicht nach vereint es Anziehungskraft und Lebensfreude.«] »Ja. Aber es ist nicht ganz logisch, oder? Ich meine… Soll das nicht eine Unterwasserszene sein? Wieso schneit es denn unter dem Meer?« [»Quatsch!«], dröhnte Pizza. [»Logik hat nichts damit zu tun!«] »Nehm ich auch an. Na ja… Ich schätze, das hier wird dich auch beeindrucken. Ein Jobber-Trick, den ich aufgeschnappt habe. Man nennt ihn ›die Stimme‹. Er geht so: Wenn ich die Pracht anwende, kann ich dich nach meinen Wünschen beeinflussen, selbst wenn dein Verstand sich dagegen wehrt. Es ist ein toller Trick.« [»Hah! Hah! Hah! Ich nehme an, du beziehst dich auf den gefeierten Jobber-Bewusstseinstrick, den man unter der Bezeichnung ›die Stimme‹ kennt. Ich warne dich. ›Die Stimme‹ funktioniert nur bei schwachsinnigen Idioten. Ich bin aber kein schwachsinniger Idiot. Ich habe sogar sehr viel Grips. In meine Haut sind über hundert scharfe gewürfelte Paprikas eingebettet. Und zwar nicht die pipigrünen, sondern rote. Sie sind so rot, dass sie fast schon violett sind. So stark bin ich. Deswegen verspotte ich deine Jobber-›Stimme‹, indem ich sie auslache: Hah! Hah! Hah! Hah!«] »Wir werden sehen«, sagte Luke und bereitete sich vor. Er setzte die Jobber-Stimme ein. »Ohhhh… nu komm… Bitte, bitte… Bitte, lass Hans doch gehen… Bitte, bitte… Nu mach doch… Ich möchte Hans gern wiederhaben… Ich möchte ihn sooo gern wiederhaben… Wenn du ihn mir nicht gibst, fang ich an zu heulen… Dann heul ich, bis ich
blau werde und kotzen muss… Nu gib ihn mir schon… Bitte, bitte…« Luke hielt kurz inne und sagte: »Ich sollte dich vielleicht warnen, dass ich das stundenlang durchhalten kann.« Pizza ließ den plappernden Jobber zu seinen Freunden ins Verlies werfen. »Na, so was«, sagte Prinzessin Lepra. »Jetzt bist du ja auch hier.« »Sei nicht so niedergeschlagen«, sagte Luke. »Ich habe einen Plan.« »Ach, was soll das denn jetzt noch?«, rief Lepra in einem jämmerlichen Tonfall. »Das Große Geheimnis ist verloren. Es wurde vernichtet, als die WC-Einheit, in der es gelagert war, bei der Zerstörung der Schwebestadt zermalmt wurde! – Oh, Jammer!«, schrie sie laut. »Oh, Jammer! Welch ein Jammer!«, fügte sie hinzu. Also ehrlich, sie klang ein wenig opernhaft. »Hör auf damit«, sagte Luke. »Ich habe hinsichtlich des Schicksals des Droiden gute Nachrichten. Na ja, eigentlich sind es gute und schlechte Nachrichten.« Lepras Miene erhellte sich. »Kann es wahr sein? Der Droide funktioniert noch?« »Das ist die gute Nachricht. Die WC-Einheit, um die es geht, ist der Vernichtung der Schwebestadt entgangen.« Lepras Miene erhellte sich. Nicht in dem Sinne, dass in ihrem Kopf eine Lampe anging, das wäre ja albern. Sondern in dem Sinne, dass sie nun fröhlicher dreinschaute. »Wirklich?« »So ist es. Agenten der Rebellenden haben bestätigt, dass die WCEinheit entwischt ist. Das ist die gute Nachricht.« »Aber wie ist sie entwischt? Sie ist doch nur ein Pott. Wie kann sie sich denn aus der zusammenbrechenden Masse befreit haben?« »Es ist wirklich ziemlich interessant«, sagte Luke. »Es hat sich herausgestellt, dass WC-02 fliegen kann. Er hat da so kleine Raketen, genau genommen zwei, die aus dem Chassis an seiner Seite rausklappen können. Aus zwei kleinen Saphirdüsen kommen Raketenflammen, und er kann vom Boden abheben.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass er fliegen kann!«, rief Lepra laut. »Ja, es war für alle eine Überraschung. Er hat es noch nie zuvor getan. Selbst dann nicht, als er sich in ganz haarigen Situationen befand… Er hat es nicht mal in Situationen getan, in denen es wirklich von Vorteil für ihn gewesen wäre, seine Flugfähigkeiten zu beweisen. Jeder Mensch, der ihn kennt, hätte dir nackt in die Hand geschworen, dass er flugunfähig ist. Sogar sein Konstrukteur. Aber es hat sich erwiesen, dass er doch fliegen kann. Und so ist er weggeflogen und entwischt.« »Und was ist die schlechte Nachricht?« »Ähm?« »Du hast gesagt, neben der guten Nachricht gibt es auch eine schlechte. Was ist die schlechte Nachricht?« »Tja, es scheint, als sei auch Schwarz Vater dem Untergang der Schwebestadt entkommen. Er hat sich, so die Tatsachen, auf dem Rücken von WC-O2 fliegend davongemacht. Er ist also noch immer auf freiem Fuß. Gewisse Gerüchte besagen, dass er gerade ein neues Todesheilbad baut, das diesmal noch widerstandsfähiger sein soll als das erste.« »Verflucht!«, rief Lepra. »Trotzdem – es ist eine gute Nachricht, dass der Droide nicht kaputt ist. Wir müssen das Maschinchen wieder in unseren Besitz bringen, weil sich in seinen Datenbanken nämlich das Große Geheimnis befindet. Und ich bin zuversichtlich, dass die Niederlage des Imp-R-Imp nur eine Frage der Zeit ist, wenn wir das Große Geheimnis in die Hände kriegen.« »Diese Rede habe ich schon mal gehört«, erinnerte Luke sie. »Doch jetzt hat Schwarz Vater den Roboter. Vielleicht hat er ihm das Geheimnis längst entlockt.« »Er hatte WC-O2 schon mal in seiner Gewalt«, erwiderte die Prinzessin. »Entweder hat er ihm das Große Geheimnis entlockt oder er konnte nicht darauf zugreifen. Ich glaube, dass letztere Erklärung…« »Letztere?«, fragte Luke. »Die zweite. Ich halte die zweite Erklärung für die wahrscheinlichere. Die Rebellenden hatten den Droiden seit Jahren und konnten es ihm
trotzdem nicht entreißen. Ich glaube nicht, dass Schwarz Vater mehr Glück gehabt hat.« »Ich könnte ihn knacken«, sagte Landser, der sich am anderen Ende der Zelle aufhielt. »Ich kann alles knacken. Ich bin ein äußerst geschickter Hacker.« »Es sei denn«, sagte Lepra, »wir gehen davon aus, dass Schwarz Vater das in den Datenbanken des Roboters abgelegte Große Geheimnis doch geknackt hat. Dann wäre es noch dringlicher, dass auch wir wissen, um was es dabei geht.« »Weißt du genau, dass dieses Geheimnis uns die nötige Überlegenheit verleiht?« »Ich bin zuversichtlich.« »Tja«, sagte SAF4711. »Ich war mehrere Jahre mit dem kleinen Abfalleimer zusammen, aber er hat nie ein Wort über ein Geheimnis gesagt. Aber davon mal abgesehen – vergesst ihr nicht eine Kleinigkeit?« »Welche, zum Beispiel?« »Dass wir alle in einem Verlies sitzen«, sagte SAF4711 traurig. »Pizza der Hut will uns auf die schmerzhafteste Weise, zu der er fähig ist, auslöschen. Morgen um diese Zeit sind wir vermutlich alle schon tot oder demontiert.« »Keine Sorge«, sagte Luke mit einem geheimnisvollen Lächeln. »Ich habe einen Plan.« Es war unmöglich, im Inneren des Verlieses zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden. Die Gruppe schlief eine Weile, aber ziemlich unbehaglich. Schließlich wurde nach vielen Stunden knirschend die Verliestür aufgestoßen. Verschiedene von Pizzas Spießgesellen, darunter auch der finstere Krisss, schleiften Luke, Lepra, Landser und SAF4711 aus ihrer engen Zelle. Das Quartett wurde in den großen Saal zu Pizza dem Hut gebracht. [»Hört zu«], gab das abscheulich schleimige, mit Käse bedeckte Ungeheuer durch den U.Ü. bekannt. [»Ich habe lange und hart nachgedacht und bin hinsichtlich eures Schicksals zu einem Entschluss gekommen. Er heißt: Tod! Hah! Hah! Hah!«]
Pizzas Anhänger brachen in Gelächter und Gejubel aus. [»Hah! Hah! Hah! Wir werden mit meinem Hopsschweber ins Herz der Wüste fliegen, wo das Große Sandmaul lebt. Wie ihr vielleicht wisst, verdaut diese Bestie Sand. Sie wird kurzen Prozess mit euren ekligen, von Gliedmaßen übersäten Leibern machen. Wenn sie euch tausend Jahre lang verdaut, werdet ihr eine neue Definition des Wortes Schmerz kennen lernen! Natürlich werdet ihr nach ein, zwei Tagen verdursten und eventuell nach einigen Sekunden ersticken, aber das Sandmaul wird dennoch tausend Jahre brauchen, um euch zu verdauen. Ich glaube, das wird euch während eures vermutlich raschen Todes zu denken geben. Hah! Hah! Hah!«] »Das glaube ich nicht«, sagte Luke mit deutlicher Stimme. Er trat vor und streckte ein metallenes Gerät aus, das er in der Hand hielt. »Ohhh!«, machte der ganze Raum. Falls Pizza inkommodiert war, zeigte er es nicht. [»Hah! Hah! Hah!«], lachte er. [»Was ist das? Eine Bombe? Weißt du denn nicht, dass rund um das Podest, auf dem ich gerade sitze, ein Kraftfeld existiert, du mickriger Jobbber? Eine Bombe kann mir nichts anhaben.«] »Aber uns«, warf SAF4711 ein. »Ich dachte, ich sollte dich vielleicht daran erinnern, Luke. Wenn du die Bombe zündest, tötest du nicht Pizza den Hut, sondern höchstwahrscheinlich jede andere auf Kohlenstoff-basierende Lebensform, wie dich, Landser und Prinzessin Lepra – sowie auf Zink-basierende Lebensformen wie mich.« »Das weiß ich«, sagte Luke böse. »Man sollte halt nur drüber nachdenken«, fügte SAF4711 hinzu. »Weil eine solche Tat sinnlos wäre.« »Das hier ist keine Bombe«, sagte Luke und hielt das Gerät hoch, damit alle es sahen. »Es ist ein Mobiltelefon.« Er betonte die letzten Worte wie ein Amerikaner, als sei das Telefon vom Petrochemiegiganten Mobil hergestellt worden und keines jener Schundfabrikate, die die Prolls an der Jogginghose tragen. Trotzdem verstanden alle, was er damit sagen wollte.
[»Ein Mobiltelefon?«], sagte Pizza verächtlich. [»Glaubst du, du kannst mich mit schwacher Mikrowellenstrahlung verletzen? Pah! Was für ein Quatsch!«] »Vielleicht ist es wirklich Quatsch«, sagte Luke. »Vielleicht ist es aber auch ein Telefon einer ganz neuen, gefährlichen Machart.« [»Nein, es ist Quatsch.«] »Ich stimme dem Hut zu«, sagte Lepra. »Luke, was hast in der Hinterhand?« »Wenn ich diesen Knopf hier drücke«, gab Luke bekannt, »ruft das Telefon eine programmierte Nummer an.« Er zeigte den Knopf und legte seinen Daumen darauf. [»Dann mach doch!«], lachte Pizza der Hut. [»Drück den Knopf. Ich hab keine Angst.«] »Du verstehst wohl nicht«, sagte Luke. »Ich drohe nicht damit, dass ich den Knopf drücke – ich drohe damit, dass ich ihn nicht drücke.« Alle im Raum Anwesenden brauchten eine Weile, um den Unterschied, auf den Luke anspielte, zu erkennen. »Es ist nämlich so«, sagte Luke und trat etwas näher an Pizzas kraftfeldgeschützten Thron heran. »Bevor ich hierher kam, habe ich einem gewissen Bürogebäude in Motzarella einen Besuch abgestattet. Ja, wirklich – und in diesem Gebäude habe ich so getan, als sei ich ein Halunke in deinen Diensten. Ja, hab ich wirklich gemacht. Welches Gebäude, fragst du? Das der örtlichen Kreditkartengesellschaft. Da schnallste ab, was? Die Heimat der Meister-Lampe- und vieler anderer Karten kreditabler Natur. Ich habe den Angestellten in diesem Gebäude erzählt, dem Großen Pizza seien sämtliche Kreditkarten gestohlen worden. Weißt du, was sie daraufhin getan haben? Sie haben alle deine Kreditkarten für ungültig erklärt. In zwei Wochen kriegst du Ersatzkarten.« Pizza der Hut war in Schweigen verfallen. [»Abschaum!«], murmelte er. [»Für die kleine Unannehmlichkeit, die du mir verursacht hast, wirst du mit deinem Leben bezahlen!«] »Aber es kommt noch schlimmer, Pizza«, sagte Luke. »Die programmierte Telefonnummer! Es handelt sich um die Kunden-Hotline des Elektrizitätswerks in Motzarella. Ich hab den Leuten da erzählt, all dei-
ne alten Kreditkartennummern seien ungültig, und ihnen ein neues Kreditkartenkonto genannt. Aber nun warten sie darauf, dass ich anrufe und ihnen den Sicherheitskode fürs Abbuchen nenne. Wir nähern uns dem letzten Termin. Wenn ich die Nummer nicht in den nächsten fünf Minuten anrufe und den Kode durchgebe, stellen sie dir den Strom für die gesamte Feste ab. Du weißt doch, was das bedeutet?« Pizza der Hut war vor Furcht teigig erbleicht. [»Nein!«], schrie er. [»Das kannst du doch nicht tun!«] »Richtig, Pizza! Deine Kinder!« Luke wandte sich den restlichen Anwesenden im Raum zu. »Ihr müsst nämlich wissen, dass Pizzaner wie alle anderen auf Weizen basierenden Lebensformen keine Warmblüter sind. Sie brauchen zum Überleben eine externe Heizquelle. Nun könnte ein erwachsener Pizzaner wie unser wackerer Pizza vielleicht überleben, indem er ins Freie hinaus krabbelt und sich von der heißen Sonne des Planeten Tätowiermir wärmen lässt. Aber seine Kinder können das nicht. Hab ich Recht, Pizza?« [»Mein Geheimnis ist gelüftet!«], jammerte der riesige Nichtmensch. [»Ich bin auf diesen Hinterwäldlerplaneten gekommen, weil es Zeit zum Brüten wurde. Wir Pizzaner tragen unsere Jungen nämlich nicht im eigenen Körper aus, wie es die – offen gesagt: abscheuliche – Sitte der auf Kohlenstoff-basierenden Lebensformen ist…«] »Ich hoffe, du schließt mich in diese Aussage nicht ein«, sagte SAF4711. [»Wir formen unsere Jungen in speziellen Uterus-Öfen. Sie werden viele Jahre bei Temperaturen gebacken, die weit höher sind als der heißeste Ort dieses Planeten. Sie quellen langsam heran und dehnen sich aus, bis ihr Käse vor Reife Blasen wirft, dann schleimen und ölen sie sich einen Weg in die Welt hinaus. Meine Backöfen stehen mitten in meiner Feste. Dort backen momentan vierhundert meiner Jüngsten heran. Wenn man mir den Strom abdreht, wäre das eine Katastrophe! Sie würden alle sterben. All meine hübschen Jungen!«] »Lass uns gehen, Pizza, dann drücke ich den Knopf und gebe den Kode weiter. Aber wenn du es nicht tust, musst du noch vierzehn Tage warten, bis deine neuen Kreditkarten kommen. Wie entscheidest du dich, Pizza? Können deine Jungen in den Öfen ohne Strom überleben?«
[»Die Antwort auf diese Frage kennst du doch«], sagte Pizza mit gebrochener Stimme. [»Wachen! Lasst sie frei! Ladet den Hans-PoloBriefbeschwerer in einen Rennwagen und gebt dem jungen Skyquaker den Schlüssel! Ich weiß, wann ich geschlagen bin…«] Noch eine Stunde später – sie jagten über die Dünen und näherten sich der Stadt Motzarella – sagte Lepra ständig »Ich fass es nicht« vor sich hin. »Ich fass es nicht, dass wir denen entkommen sind.« »Es war in letzter Sekunde«, sagte Landser zustimmend. »Aber eines verstehe ich nicht: Warum haben Pizzas Lakaien Luke nicht einfach abgeknallt und den Anruf selbst getätigt?« »Ich nehme an«, sagte Luke langsam, »dass sie nicht draufgekommen sind.« »Da haben wir ja besonderes Glück gehabt.« »Ich habe gelernt, in solchen Dingen auf die Pracht zu vertrauen«, sagte Luke. »Kommt mir aber eigentlich wie eine Antiklimax vor«, sagte SAF4711. »Ich hätte damit gerechnet, dass du mit deinem blitzenden Neonschwert herbeieilst, um uns zu retten und den bösen Pizza mit mächtigen Hieben in ein Dutzend mundfertiger Stücke zu zersäbeln.« »Ich hab noch etwas gelernt«, sagte Luke. »Manchmal zeigt sich die Pracht auch in Form einer Antiklimax. Auf lächerliche und jämmerliche Weise – und noch auf eine andere Weise, die vermutlich ebenfalls auf lich endet.«
2 Auf der Todesheilbad (zweiter Versuch) An Bord der noch immer im Bau befindlichen Todesheilbad II herrschte nervöse Erwartung. Jede Menge Sturtruppler standen in Reihen im Haupthangar. Ihre weißen Rüstungen waren poliert und glänzten wie Porzellan. Vor ihnen standen einige Stabsoffiziere. Alle warteten auf einen hochkarätigen Besucher. Alle hatten Angst. Besonders die Stabsoffiziere. Eine Fähre näherte sich, durchdrang das Energiefeld und landete. Die Sturtruppler standen stramm. Die Luke der Fähre öffnete sich, und die langen, schwarz gewandeten Beine Schwarz Vaters schritten die Rampe hinab. Der Schwarze Lord der Siff marschierte, gefolgt von seinen rot gewandeten Funktionären – Individuen, deren genaue Funktion niemand genau kannte, obwohl Schwarz Vater nirgendwo ohne sie hinging – durch den massiven Gang. General – früher: Commander – Axl Schweyss holte tief Luft, justierte seinen Kragen und trat seinem Vorgesetzten entgegen. »Lord Vater«, sagte er und blieb mit der riesigen schwarzen Gestalt im Gleichschritt, »dies ist in der Tat eine unerwartete Freude.« »GENERAL«, dröhnte Vater, »IHR DÜRFT DER NETTIGKEITEN ENTSAGEN. ICH BIN GEKOMMEN, UM MICH ZU VERSICHERN, DASS DAS NEUE TODESHEILBAD TERMINGERECHT FERTIG WIRD.« »Meine Männer arbeiten in Doppelschichten«, sagte General Schweyss, »aber ich werde sie zu Dreifachschichten verdonnern. Zum Termin wird alles an seinem Platz und funktionsbereit sein.« »ICH HOFFE ES – EURETWEGEN, GENERAL. WENN DER HERRSCHER DES IMPERIUMS NÄCHSTE WOCHE HIER EINTRIFFT, ERWARTE ICH, DASS DAS TODESHEILBAD VOLL UND GANZ EINSATZBEREIT IST.« »Der Reichsherrscher kommt her?«, fragte Schweyss alarmiert.
»HABE ICH DAS NICHT GERADE GESAGT?« »Jawohl, mein Lord.« »BLEIBT IM GLEICHSCHRITT.« »Jawohl, mein Lord. Wir werden in Vierfachschichten arbeiten!« »VORZÜGLICH. UND, GENERAL…« »Ja, mein Lord?« »DA IST NOCH ETWAS.« Schwarz Vater blieb stehen und schaute den General an. »Mein Lord?« »ICH HABE EINIGE SKETCHE GESCHRIEBEN.« Schweyss riss die Augen auf. »Ihr… Ihr habt… ähm… Ja, mein Lord?« »ES SIND NUR EIN PAAR KLEINE FINGERÜBUNGEN. ICH DACHTE AN EIN ZEHN-MINUTEN-PROGRAMM. VIELLEICHT EIN KOMÖDIANTISCHES LIED. WIR VERANSTALTEN JA NUR EINE KLEINE PARTY FÜR DEN IMPERIALEN HERRSCHER, AN DER MAN NUR MIT EINLADUNG TEILNEHMEN KANN. WIR KÖNNTEN SIE IN EINER DER KLEINEN EXERZIERHALLEN HIER IM TODESHEILBAD VERANSTALTEN.« »Ah… Natürlich, mein Lord.« »ES IST NUR SO…«, dröhnte Schwarz Vater. Dann verfiel er in Schweigen. Schweyss warf einen nervösen Blick nach hinten auf die Reihen der Imp-R-Imp-Sturtruppen. Ach, wie gern wäre er doch jetzt ganz woanders gewesen. Irgendwo, nur nicht hier. »Ja, mein Lord?« »ICH KÖNNTE HINSICHTLICH MEINER TEXTE WIRKLICH EIN WENIG KRITIK VERTRAGEN.« Schwarz Vater beugte sich vor und tippte mit seiner schwarz behandschuhten Hand auf Schweyss' Brustkorb. »ZUM BEISPIEL… DER GAG HIER GEFÄLLT MIR BESONDERS… ALSO… ÄHM…
IST ES NICHT EIGENARTIG, DASS MAN NACH DER FOLTER EINES VERDÄCHTIGEN MIT EINER CARELLIANISCHEN HIRNSONDE EINE DER BEIDEN EINFUHR-ELEKTRODEN IMMER VERLEGT? ALSO WIRKLICH IMMER? WIE KOMMT DAS NUR? GIBT ES ETWA SO ETWAS WIE EINE ART HIRNSONDEN-EINFÜHRELEKTRODEN-FEE, DIE DIESE DINGER INS LAND DES FOLTERGERÄTEBRIMBORIUMS WEGZAUBERT? HM? RAFFT IHR, WAS ICH DAMIT SAGEN WILL? IST EUCH DAS AUCH SCHON MAL PASSIERT? HE, IHR WART HEUTE ABEND EIN TOLLES PUBLIKUM. GUTE NACHT.« Schwarz Vater richtete sich auf. Sein Gesicht war hinter der schwarzen Gesichtsplatte völlig undurchschaubar. Schweyss musste bewusste Muskelkontrolle betreiben, um seine Augen daran zu hindern, sich in blankem Entsetzen aufzureißen. »Das ist ja wirklich gut, äh – ähm, ha, ha, ha. Ha. Ha ha ha. Ausgezeichnet, mein Lord. Urkomisch.« Schwarz Vaters Reaktion war unmöglich einzuschätzen. Er drehte sich schweigend um und verließ den Hangar. Schweyss' Körper sackte in sichtlicher Erleichterung zusammen.
3
Wo die Wälder noch rauschen, die Nachtigall singt, wo im die Berge hochragen, das Neonschwert klingt; wo Schatten der Eiche die Wiege mir stand, da ist meine Heimat, mein sumpfiges Land…
Luke flog zur Sumpfwelt zurück, so wie er es seinem Meister versprochen hatte. Traurigerweise konnte er Jodella den Raumer nicht zurückgeben, da er beim Untergang der Schwebestadt zermalmt worden war. Doch da die Rebellenden beinhart auf Luke vertrauten, hatten sie ihm schon wieder ein Schiff geliehen, und in diesem saß er, als er sicher auf der Sumpfwelt landete – nicht fern von der Hütte des winzigen Jobbers. »Jodella?«, schrie Luke, kniete sich hin und lugte durch die winzige Tür. »Jodella, seid Ihr da?« »Rein komm«, ertönte eine schwache Stimme. »Im Schlafzimmer ich bin.« Luke bahnte sich auf allen vieren einen Weg ins Schlafzimmer und fand seinen Miniatur-Jobbermeister in einem Bett sitzend vor. Es war ein sehr großes, ungewöhnlich tiefes Bett und groß genug, einen ausgewachsenen Menschen unter der Matratze zu verstauen, obwohl sich dort offensichtlich kein solcher befand. Das Bett sah nur so aus. »Zurückgekehrt du bist«, sagte Jodella und hustete jämmerlich. »Jodella! Meister! Seid Ihr krank?« »Im Sterben ich liege.« »Nein! Was für eine schreckliche Nachricht! Ihr könnt nicht sterben!« »Ach, ich nicht kann?«, erwiderte Jodella kurz und lebhaft, als hätte Luke ihn provoziert. »Du nur zuschaust, dann du es siehst.« »Aber… Es gibt doch noch so viele Fragen, auf die ich eine Antwort brauche. Schwarz Vater… Ist er wirklich mein Vater?«
»Dein Vater er ist. Das nicht nur, sondern Lepra auch deine Schwester ist. Und Opi-Jan Knofi war ein entfernter Vetter – oder Onkel? Die genauen Details ich vergessen habe.« In Lukes Kopf wirbelte alles durcheinander. Und zwar ziemlich lebhaft. »Das ist ja unglaublich!«, rief er. »Lepra ist meine Schwester?« »Luke«, sagte Jodella. »Im Sterben ich liege. Allein ich habe gelebt viele Jahre lang, ohne jemandem zu reden mit. Mein Leben nicht aufgezeichnet ist. Die ganze Geschichte ich dir erzählen will. Du auch mein einziger Erbe sein wirst; erben du meine beiden winzigen Lederhosen wirst.« »Danke«, sagte Luke skeptisch. »Der Letzte meiner Rasse ich bin…«, murmelte Jodella. »Wenn ich sterbe, diese Rasse wird sein völlig vergessen. Ein trauriger Gedanke dies ist.« »Ja, ich habe Euch schon fragen wollen – von welcher Rasse seid Ihr, Meister?« »Laut der Mythologie meines Volkes die Ersten von uns erschaffen wurden, als ein göttlicher Mop sich verliebte in eine gewisse gottähnliche lebendige Marionette. Die eigenartig leinenhäutigen Nachkommen ihrer Verbindung wir waren. Einst wir zahlreich und bedeutend waren. Als ein junges Wesen ich noch war – nicht wie mich siehst du heute, sondern jung und stattlich und mit glatter Haut… Als ich war jung, ein Theater ich sehr erfolgreich betrieb. Doch einer nach dem anderen meine Kumpels starben. Die Gelegenheit ich hatte, fortzuführen unsere Spezies. Gelegenheiten es gab, mich zu paaren mit anderen Wesen kleinen meiner Art, die es hatten schwer wegen ihrer grünen Haut. Doch Liebe eine gefährliche Droge ist! Ich mich verliebt habe in ein Wesen ganz anderer Spezies einer. Ein schweineartiges! Doch keine Chance zu einer genetischen Vereinigung bestand.« Jodella schüttelte den Kopf. »Und so ich mein Leben stattdessen der Pracht gewidmet habe.« Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Was für eine traurige Geschichte!«, sagte Luke. »Und außerdem ist sie sehr interessant. Ich kann's kaum erwarten, davon zu hören, wirklich… Doch ich frage mich, ob Ihr mir, da Ihr vielleicht nur noch einen kleinen Augenblick zu leben habt, nicht erst ein bisschen mehr darüber
erzählen könnt, dass Schwarz Vater mein Vater, Lepra meine Schwester und Knofi auf irgendeine geheimnisvolle Weise mit mir verwandt ist?« »Erzählen ich dir werde, warum meine Sätze so verdreht alle sind. Ich dir erzählen will.« »… was auch wiederum wahnsinnig interessant ist«, sagte Luke. »Nur habe ich gehofft, Ihr könntet mir etwas mehr über meine Familie sagen. Schwarz Vater hat nämlich gesagt…« »Ich die Wahrheit preisgeben werde. Dass zu zuhörst wichtig ist. Tatsache ist, Deutscher ich bin, und meine Dialoge geschrieben werden von einem Engländer, der glaubt, dass wir sprechen so.« »Deutscher? Wie schön. Ich hab allerdings gefragt…« »Nicht alle Deutschen sind wunderschön, hoch gewachsen und blond, auch wenn man in der Galaxis dies glaubt. Manche Deutsche klein und froschähnlich sind. Schwer zu glauben dies ist, ich weiß, aber es trotzdem stimmt.« »Tja, irgendwie hatte ich das schon angenommen«, sagte Luke. »Angesichts der Lederhosen und der Jodelei. Und natürlich wegen Eurer schrägen Syntax.« »Ah«, sagte Jodella. »Du ein guter Beobachter bist.« »Ja. Aber wenn ich Euch einen Moment dazu bewegen könnte, Meister… Ich weiß, dass die Zeit drängt, da Ihr doch jetzt sterben müsst und so. Vielleicht seid Ihr nicht zu einem Schwätzchen aufgelegt. Aber könntet Ihr mir vielleicht kurz – ganz kurz – die wahre Geschichte skizzieren, laut der Schwarz Vater mein Vater und Lepra meine Schwester ist und so weiter? Dann wäre ich Euch sehr… sehr dankbar… Wenn Ihr nur…« Doch Jodella hatte schon das Zeitliche gesegnet. »So'n Mist«, sagte Luke. Luke begrub die winzige Leiche und verließ Jodellas Hütte. Er hatte die beiden kleinen Lederhosen dabei, die seine Erbschaft darstellten. Er faltete sie und steckte sie in die Tasche. Dann setzte er sich im Freien auf einen Baumstamm, um alles noch mal zu überdenken. »Was mach ich jetzt nur?«, dachte er laut vor sich hin.
»Hallo«, sagte eine ihm vertraute Stimme. »Hallo? Bin ich jetzt auf Sendung? Hallo, kannst du mich hören?« »Opi?« Luke drehte sich um und erblickte ein leuchtendes, in das ihm vertraute Jobber-Ritter-Hellbraun gewandetes Gespenst. Die Erscheinung, die Halluzination oder was es auch war, sah sehr realistisch aus: Es war bis ins letzte Detail der alte Opi-Jan Knofi – wenn man davon absah, dass er in einem strahlenden Licht von inneren heraus leuchtete. »Hallo, Luke«, sagte Opis Geist. »Jodella ist gestorben, was? Na ja, er war ja auch sehr alt.« »Opi!«, sagte Luke vorwurfsvoll. »Hallo«, sagte das Gespenst. Es strahlte. In jeder Hinsicht. »Opi«, sagte Luke, wobei seine Miene sich verfinsterte. »Wie konntest du nur? Du hast mir doch erzählt, Schwarz Vater hätte meinen Vater umgebracht.« »Hab ich das?«, sagte Knofi. »Wirklich? Ähm…« Er schaute hinter sich, als gäbe es dort dringende Geschäfte zu erledigen, die keinen Aufschub mehr duldeten. »Aber jetzt habe ich erfahren«, fuhr Luke atemlos fort, »dass Schwarz Vater alles andere als der Mörder meines Vaters ist – dass er nämlich selbst mein Vater ist! Also, wie hätte ich nur darauf kommen können?« »Das ist tatsächlich ein Ding, das einem die Schuhe auszieht«, sagte Knofi. »Wie konntest du mich nur so in die Irre führen? Warum hast du gesagt, mein Vater sei tot?« Knofis Geist nahm auf einem umgestürzten Baum Platz. »Anni Skyquaker«, sagte er langsam, als sei ihm nach Langsamkeit zumute, »war ein großartiger, rechtschaffener Jobber-Ritter und sehr prachtbegabt. Aber… ähm… als er zur Schwarzen Seite überlief, wurde er… ähm… zu Schwarz Vater. An jenem Tag… nun ja… ähm… so sagt man wohl… An diesem Tag starb Anni Skyquaker, und Schwarz Vater wurde geboren. Ja, so war's, jetzt hab ich's. Anni Skyquaker war gestorben, und Schwarz Vater wurde geboren. Metaphorisch gesehen hat Schwarz
Vater Anni Skyquaker getötet. Ja, so ist es richtig.« Er schaute Luke an. »Verstehst du?« »Dann hast du also, als du gesagt hast, Schwarz Vater hätte meinen Vater getötet, eigentlich gemeint, dass er ihn nicht getötet hat.« »Genau.« »Dann hast du ›getötet‹ also in dem eher unwahrscheinlichen Sinn von ›eigentlich nicht getötet, sondern stattdessen seinen eigenen inneren moralischen Kompass verändert‹ gemeint.« »Hab ich.« Luke schaute die Erscheinung an. »Das ist aber nicht die übliche Bedeutung des Wortes ›getötet‹, oder? Ich meine, wenn man es genau betrachtet.« »Es ist so 'ne allgemein verbreitete Redensart«, sagte Knofi ausweichend. »Rein zufällig habe ich ein Wörterbuch bei mir«, sagte Luke und zog ein schmales Bändchen aus dem Ärmel. »Wenn ich dir mal eben die Definition des Wortes ›töten‹ vorlesen darf…« »Ist das wirklich nötig?«, fragte Knofi und verlagerte sein Gewicht von einer Geisterbacke auf die andere. »Jemandem das Leben oder die Lebenskraft nehmen«, las Luke vor. »Ihn zu Tode bringen und sein Leben beenden.« »Nun, wenn ein Jobber das Wort ausspricht…«, sagte Knofi. Er klang, als wolle er eine lange, ausführliche Abhandlung beginnen, um seine Verwendung des Wortes zu rechtfertigen. Doch dann verfiel er in Schweigen. Luke stopfte das kleine Wörterbuch in den Ärmel zurück. »Es hat sich also ergeben, dass Schwarz Vater mein Vater ist«, sagte er. »Und Jodella hat – trotz der unheimlichen Tatsache, dass ich seit unserer ersten Begegnung in sie vernarrt bin – gesagt, Lepra ist meine Schwester. Und du sollst eine Art Onkel sein. Was ist mit Hans Polo? Ist er mein sein langer Zeit verschollener Bruder?« »Na, hör mal«, sagte Opi. »Das wäre aber doch echt albern.« Luke dachte eine geraume Weile nach. »Was soll ich tun?«
»Du musst deinen Gefühlen vertrauen und so«, sagte Opi. »Ich würde an deiner Stelle auf den Waldmond des Planeten Endors Gaim gehen. Eine ziemlich gute Geisterautorität hat mir gesteckt, dass Schwarz Vater dort den Bau eines neuen Todesheilbades beaufsichtigt, das nicht die fatalen Schwächen des letzten aufweist.« »Das ist ein guter Rat«, sagte Luke und sprang auf. »Danke!« »Oh, keine Ursache. Hüte dich bloß vor der Warzenseite der Pracht.« »Der was?« »Der Schwarzen Seite der Pracht. Der Schwarzen Seite.« »Verzeihung, ich dachte, du hättest was anderes gesagt.« Luke bereitete sein Raumschiff auf den Start vor. Derweil saß Opi-Jan Knofis Geist auf einem Baumstamm und schaute ihm mit einer Miene der Distanziertheit zu – eine Verhaltensweise, die, nehm ich jetzt mal an, typisch für ihn war: Schließlich war er tot. Und damit ist man so distanziert wie nur was. »Wie funktioniert das eigentlich genau?«, fragte Luke. »Ich meine dieses Geistererscheinungszeug? Kehren alle Jobber als Geister zurück, wenn sie getötet wurden?« »Nun, das ist eine interessante Frage«, erwiderte Knofi, wobei sein Gesicht sich in überraschte Falten legte. »Jetzt, da du es erwähnst, fällt mir niemand ein, dem dies auch schon mal passiert ist. Es ist in der ganzen Geschichte des Jobber-Ordens noch nie vorgekommen. Natürlich sind eine Menge Jobber gestorben. Um genau zu sein, sind alle der vielen Millionen Jobber tot, die je gelebt haben, mit der Ausnahme von Schwarz Vater und dir.« »Und Prinzessin Lepra«, sagte Luke. »Die, wie sich erwiesen hat, meine Schwester ist.« »Sie zählt nicht. Sie ist doch ein Mädchen. Ich zermartere mir das Gehirn – wirklich –, um herauszukriegen, ob es je einen dokumentierten Fall gegeben hat, in dem ein Jobber nach seinem Tod als Geist umging. Vielleicht ist es besser, wenn es nicht dazu kommt. Dann wäre es hier ganz schön voll! Also sagen wir mal, soweit ich weiß, hat es noch kei-
nen Jobber gegeben, der die Pracht so gut gemeistert hat, dass er nach seinem Ableben als Gespenst umging.« »Nicht mal Jodella?« »Ah, natürlich – er könnte die Ausnahme von der Regel sein. Mich dünkt, er kehrt zurück. Vielleicht kommt er sogar verdammt viel schneller zurück als ich.« »Und«, fuhr Luke fort, »wie kommt es dann, dass es dir erlaubt ist, diesen Geisterbesuch zu machen, obwohl dies noch kein Jobber in der Geschichte der Jobber vollbracht hat?« Opi-Jan Knofi zuckte äußerst elegant die Achseln. »Was weiß ich? Vielleicht geht's nun endlich bergauf mit den Jobbern. Manchmal glaube ich – versteh mich nicht falsch, Luke, denn du bist die letzte Hoffnung für das Gute im Kosmos und so weiter –, aber manchmal glaube ich, dass die Jobber die Dinge in der Vergangenheit jämmerlich gehandhabt haben. Sieh es doch mal so: Wir waren Millionen. Jetzt gibt es nur noch zwei. Würde man diese Zahlen auf eine andere Gruppierung oder Spezies übertragen… etwa auf Lemminge oder Dorsche… Tja, dann kann man nur einen Schluss ziehen.« »Es fällt mir schwer, dir zu folgen«, gab Luke zu. »Und da ich in Eile bin, glaube ich, haue ich jetzt ab. Leb wohl!« »Wir werden uns wieder begegnen«, sagte Knofi. »Bis dahin tschüss.«
4 Auf dem Waldmond von Endors Caim Luke brauchte nicht lange, um die Rebellenden zu überzeugen, dass sie ihre gesamten Kräfte auf das in der Kreisbahn um den Waldmond von Endors Gaim befindliche Todesheilbad konzentrieren sollten. General Fischkopp Aufmtella, der Oberkommandierende der Rebellenden, hatte sich gleich nach dem Erfolg auf Caldarsch eine Strategie zusammengebraut. Die gesamte Flotte, jedes einzelne Schiff der Rebellenden inklusive, sollte das Todesheilbad angreifen und sprengen, bevor es fertig war. Zuvor sollte eine Sondereinheit auf dem planetaren Mond landen, um die Maschine außer Gefecht zu setzen, die den Sanitärschutzgürtel erzeugte, der das Todesheilbad während der Bauphase mit einem Verteidigungsschirm schützte. »Kommt mir wasserdicht vor, die Strategie«, sagte General Fischkopp Aufmtella. »Wie viele Männer werden wir eigentlich auf den Mond schicken?«, fragte Lepra. »Vierzigtausend«, sagte der General wie aus der Pistole geschossen. »Sir!«, quäkte Schwanker, seine rechte Hand. »So viele Soldaten können wir unmöglich entbehren…« »Ach so. Wie viele können wir entbehren, Captain Schwanker?« »Zwei.« »Dann eben zwei. Sie, Prinzessin, und Hans Polo. Das müsste reichen.« »Mal sehen, ob ich Euch verstanden habe«, sagte Lepra. »Ihr wollt, dass wir zu zweit eine Streitmacht aus Imp-R-Imp-Soldaten und Droiden angreifen, die insgesamt aus ungefähr zwanzigtausend hartgesottenen Einheiten besteht?« »Nun«, sagte der General und spreizte ausdehnend seine Kiemenklappen, »wenn die Einheiten schon gesotten sind, müsste der Auftrag doch noch leichter zu erfüllen sein, findet Ihr nicht?«
»Hart«, sagte Lepra mit gnadenloser Präzision. »Hartgesotten.« »Dann entschuldige ich mich«, sagte der General. »In diesem luftigen Medium ist es mit meinem Gehör nicht weit her. Ich verstehe. Ihr haltet zwei Mann also für nicht ausreichend? Na schön. Dann nehmt den jungen Skyquaker auch noch mit. Und dazu… Mir fällt niemand ein. Könnt Ihr die einheimische Bevölkerung nicht auf unsere Sache einschwören? Was sind das eigentlich für Leute, die den Mond bewohnen?« »Es handelt sich um eine Rasse«, erwiderte Schwanker, der sich gerade aus einer Frauenzeitschrift informierte, »die sich Tedibehren nennen.« »Ausgezeichnet!«, strahlte General Fischkopp. »Der Fall ist also geklärt. Ihr springt ab und überredet die Rudel der bissigen, vermutlich schwer bewaffneten, wahrscheinlich zwei Meter dreißig großen, unter Umständen mit riesigen Krallen ausgerüsteten Tedibehren dazu, den Kraftfeldgenerator anzugreifen. Ist er erst mal abgeschaltet, vernichten wir das Todesheilbad. Dann treffen wir uns zu einer kleinen Nachbesprechung, um… Was meint Ihr, Schwanker? Um zwanzig Uhr?« »Lieber um zwanzig Uhr dreißig, Sir. Falls uns was dazwischen kommt.« »Ist auch wieder wahr.« »Falls etwas schief geht, könnten wir's dann noch ausbügeln, Sir, nicht?« »Ja, klar. Also machen wir's so: Wir treffen uns um zwanzig Uhr dreißig bei den Koordinaten Delta Zero Vier, in Ordnung? Könnten wir… Hm, ich frage mich, ob… Noch eine Frage, Schwanker, bevor Ihr geht…« »Ja, Sir?« »Könnten bei der Nachbesprechung belegte Brote gereicht werden?« »Brote, Sir? Ich hab keine angefordert, Sir. Wollt Ihr, dass ich ein paar belegte Brote anfordere?« »Wenn es Euch nicht zu viel Mühe macht? Ein paar mit Schinken und ein paar mit Käse, damit für jeden Geschmack gesorgt ist. Und ein paar Kartons Saft. Dann wird die Nachbesprechung ein echtes Event, und wir können schon mal ausarbeiten, was wir nach der totalen Niederlage
des Imp-R-Imp mit dem Kosmos anfangen. Also los! Tschüss allerseits! Fangen wir an!« Die dreiköpfige Gruppe, die in einem getarnten Schiff der Rebellenden zum Waldmond aufbrach, der den Planeten Endors umkreiste, wirkte ein wenig niedergeschlagen. Prinzessin Lepra steuerte schweigend den Raumer. Hans und Luke saßen da und schauten mit bedrückter Miene vor sich hin. Ihre Kümmernis nahm noch zu, als sie Kontakt mit den MondEingeborenen aufnahmen und zum Hauptdorf der Tedibehren gebracht wurden, einer Lichtung im Wald, auf dem sich eine Anzahl schrankförmiger Säle und kistenartiger Häuser aneinander kuschelte. Es stellte sich heraus, dass der durchschnittliche Tedibehr weit davon entfernt war, zwei Meter dreißig groß zu sein: Er brachte es auf nackten Bärenfüßen auf kaum mehr als dreißig Zentimeter. Krallen und Zähne hatte er zwar nicht, doch seine Knopfaugen konnten einen unachtsamen Sturtruppler theoretisch verletzen, wenn er so dumm war, sie zu verschlucken. Andererseits wirkten die Tedibehren rauflustig. Der Chef-Tedibehr berief eine unter der Bezeichnung »Piek-Niek« laufende Dorfversammlung ein, bei der die Diskussion unter den verschieden Tedibehren zeigte, dass sie sich sehr freuten, unter der Leitung dieser Außenweltler das Lager der Sturtruppler angreifen zu können. »Böse Menschen!«, meldete Häuptling Fuzzi und deutete auf das Lager der Imp-R-Imp. »Sie viel Lärm machen! Sie bleiben auf, wenn Zeit fürs Bett. Dafür müssen sie mit dem Leben bezahlen!« Eine große Tedibehr-Menge bejubelte seine Rede; es klang wie ein Sopranchor, der sich im Vibrato übte. »Ich möchte euren Kampfgeist ja nicht dämpfen«, sagte Prinzessin Lepra. »Aber euch ist doch hoffentlich klar, dass die Sturtruppen bis an die Zähne mit den allerneuesten Schießgeräten bewaffnet sind?« »Sie haben gar keine Zähne!«, quäkte Fuzzi. »Ihre Gesichter alle weißes Plastik!«
»Du missverstehst mich«, sagte Lepra. »Ich meine nicht die Zähne, die sie im Mund haben. Ich hatte nur die Absicht, deine Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu richten, dass sie über Lasergeschütze, Lasergewehre und Laserpistolen verfügen und außerdem über jede Menge Automaten, die den Tod bringen können.« »Wir keine Angst!«, schrie Fuzzi. »Wir haben sorgfältig ausgearbeitet eine Baumstamm-basierte Militärstrategie!« »Hast du Baumstamm-basiert gesagt?« »Hab ich.« »Ich wollte nur sichergehen, dass ich mich nicht verhört habe. Also Baumstamm-basiert, ja?« »Ja.« »Keine Kanonen? Oder Pfeil und Bogen?« »Nein, nein, Baumstämme. Baumstämme, Furcht einflößende Baumstämme! Ja-haaah!« Bei Fuzzis letztem Schrei stieg die Erregung der Tedibehren noch mehr, und bald darauf tanzten und feierten sie um Lepras und Hans' Knie herum. Bald war es Zeit, zu Bett zu gehen – eine religiöse Vorschrift der Tedibehren, weswegen man nicht einfach auf sie pfeifen konnte. Minuten später war das gesamte Dorf wie ausgestorben, und Friede senkte sich herab. Im Licht der noch immer glühenden Abendfeuer suchte Luke Lepra auf. »Ich hab Neuigkeiten«, sagte er. »Wir haben Funksprüche des ImpR-Imp abgehört, die besagen, dass Schwarz Vater höchstpersönlich an Bord des Todesheilbades gelandet ist. Er hat einen Droiden mitgebracht.« »Verstehe«, sagte Lepra. »Das bedeutet, dass noch nicht alles verloren ist – wir können den Droiden also zurückholen!« »Schätze ich auch«, sagte Luke. »Ich hab nachgedacht: Während du die Tedibehren zu militärischem Ruhm führst, könnte ich doch mal zum Todesheilbad raufgehen und mir Schwarz Vater vorknöpfen –
auch wenn ich dabei mit ziemlicher Sicherheit meinem schmerzhaften und vorzeitigen Tod begegne.« »Was für eine ausgezeichnete Idee«, sagte Lepra aufgeregt – vermutlich bezog sie sich damit auf die erste Hälfte dessen, was Luke gesagt hatte. Luke nickte. »Dann mach ich es also. Obwohl es mit ziemlicher Sicherheit meinen schmerzhaften und vorzeitigen Tod bedeutet?« »Pah«, sagte Prinzessin Lepra. »Wir müssen den Droiden – diese WCEinheit – um jeden Preis zurückkriegen. Wenn wir ihn erst mal haben, können wir ihn zu Landser bringen, und der kann dann das Große Geheimnis aus seiner Datenbank holen. Dann werden wir wirklich siegreich sein! Schwarz Vater hat diesen Droiden, also musst du ihn dir vorknöpfen.« »In der Imp-R-Imp-Basis gibt es einen Weltraumaufzug.« »Dann weißt du ja wohl, wo du hingehen musst.« »Bevor ich gehe, Lepra… muss ich dir noch etwas erzählen.« »Was denn?« Luke schaute in ihre glänzenden Augen. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein – der Schock wäre zu groß für dich. Er würde dich von deiner Mission abhalten, die Tedibehren aufzuwiegeln. Ich sag's dir, wenn ich zurückkehre.« Dann fügte er mit melodramatischem Nachdruck hinzu: »Falls ich zurückkehre.« »Gebongt«, erwiderte Lepra. »Müsstest du nicht schon unterwegs sein? Es ist eine lange Fahrt von der Imp-R-Imp-Basis bis zum Todesheilbad hinauf. Außerdem müssen wir jetzt ins Bett. Diese Einheimischen sind ziemlich streng, was die nächtliche Sperrstunde angeht. Wir sollten sie nicht gegen uns aufbringen, bevor morgen der Krieg anfängt.«
5 Schon wieder 'n Duell-Showdown mit Neonschwertern. Ich weiß ja, diese Neonschwert-Showdowns gehen dir allmählich auf den Keks, aber das hier ist das letzte. Im Moment. Vielleicht sollte ich dich aber warnen, dass in den späteren Kapiteln – damit meine ich eigentlich die früheren – noch ein paar vorkommen
Mithilfe der Pracht konnte Luke den Grenzwachen ausweichen, durch ein Fenster fallen, einige Treppen hinaufstolpern – es machte ihm zwar Mühe, aber es gelang ihm – und schließlich unbemerkt ins Transitzentrum stolpern. Von dort aus fuhr der große gläserne Weltraumaufzug von der Mondbasis zum halb fertigen Todesheilbad hinauf. Lukes JobberKräfte machten die Fahrt nach oben möglich: Er schloss die Augen, hämmerte mit dem Ellbogen auf den Kontrolltasten herum, schrie »Jau!« und traf zufällig die richtige Tastenkombination. Der bewaldete Mond von Endors Gaim wurde unter ihm kleiner und zu einem komplexen Gekröse aus Grün- und Blautönen. Hinter ihm ragte Gaim über dem verkürzt dargestellten Horizont auf. Im weißen Licht seiner Sonne wirkte er rot und braun. Als Luke nach unten schaute, konnte er die stolpernden und wankenden Mono- und MultipodMaschinen des Imp-R-Imp durch die Wälder um die Bodenbasis patrouillieren sehen. Sturtruppler in weißen Rüstungen, die aus seiner Höhe wie Läuse wirkten, schoben sich durch den Wald. Luke richtete den Blick auf das halb fertige Todesheilbad. Es sah wie das StabilbaukastenModell eines Halbmondes aus und nahm den ganzen Himmel ein; in den gewaltigen Kreis schien ein riesiger gezackter Halbkreis hineingebissen worden zu sein. Luke bahnte sich einen Weg durch leere Korridore und matt beleuchtete Räume. Wohin er auch blickte, sah er rohen Verputz, Kabel, die wie Plastikspaghetti aus Löchern in der Wand hervorlugten, hunderte von Farbtöpfen, an denen glasierte Tropfen hingen, Glühbirnen ohne
Lampenschirm, die wie Gehenkte von der Decke baumelten, Bretter und Staubabdeckungen. Luke hörte Stimmen. Er näherte sich dem Geräusch, stolperte dabei versehentlich über ein tragbares Funkgerät, einen halb leeren Becher mit kaltem Kaffee und ein zusammengefaltetes Exemplar des beliebten Imp-R-Imp-Revolverblattes Vierhundert Millionen Sonnen, dessen Schlagzeile kreischte: GALAKTISCHE GASRIESIN OBEN OHNE!!! Siehe Seite 2-14! Luke gewann das Gleichgewicht zurück und bewegte sich nun verstohlener weiter. Als er um eine Ecke bog und sich an einer Gangwand entlangpirschte, konnte er sehr bald zwei in ein Gespräch vertiefte Stimmen ausmachen. Die eine gehörte eindeutig Schwarz Vater. Die andere kannte Luke nicht, obwohl sie ihre Identität kurz darauf enthüllte. »Ich sage doch nur«, sagte die zweite Stimme, »dass auf der Bestellung nichts von Kraftfeld-Luftschleusenstrahlmodifikatoren gestanden hat. Mehr sag ich doch gar nicht.« »UND WAS STAND AUF DER BESTELLUNG, HERR BOBA?« »Vierzig Saftfeld-Luftschleusenstrahlmodifikatoren«, erwiderte Boba. »Ich brauch Euch wohl nicht zu sagen, dass das ganz was anderes ist. Ich hab das nicht vermurkst. Offenbar kann mein Lieferant die Handschrift Eures Chefarchitekten nicht lesen.« »KEINE SORGE, ICH WERDE SEINE GURGEL MORGEN FRÜH ZERMALMEN.« »Ach, ich mach mir keine Sorgen«, sagte Boba. »Es ist halt nur so, dass ich bei diesem Bestellchaos die Modifikatoren für die KraftfeldLuftschleusenstrahler bis Dienstag nicht wie abgemacht fertig kriege.« »WANN DENN? MITTWOCH?«
»Ooohhh«, machte Boba, als hätte Schwarz Vater etwas völlig Absurdes gesagt. »O je, nein! Selbst wenn wir nur davon ausgehen, dass die passenden Teile am… sagen wir mal… Freitag geliefert werden… was schon sehr optimistisch ist… Selbst unter dieser Annahme, tja, das muss ich Euch sagen, Lord Vater, hat mein Kumpel Wayne sich die erste Hälfte der nächsten Woche freigenommen.« »HAT ER? WARUM, GENAU?« »Er hat seine Führerscheinprüfung. Bodenfahrzeuge MontagDienstag, Raumfahrzeuge Mittwoch-Donnerstag. Eine Beschwerde bringt nichts, Lord Vater, ich hab ihm schon freigegeben. Ich brauche ihn als Fahrer für den Lieferwagen. Was die Probleme mit der Verkabelung und der Nachbestellung angeht, von der Grafikkarte ganz zu schweigen – oder sollen wir lieber sagen, dem Unverständnis der Grafikkarte…?« »ICH SAG EUCH, MEINE SCHULD IST ES NICHT«, sagte Schwarz Vater. Er klang, als knirsche er mit den Zähnen. »DIE SOFTWARE MEINES HELMS STELLT MARINEBLAU MANCHMAL ALS FLAMINGOROSA DAR.« »Ist wurscht, wessen Schuld es ist«, sagte Boba glatt. »Wenn Ihr nicht wollt, dass die Wände rosa bleiben, müssen wir sie neu streichen. Aber Derek hat die Farbkanone für einen anderen Auftrag mitgenommen. Der kommt erst in einer Woche wieder zurück. Wenn Ihr die Wände natürlich rosa lassen wollt…?« »AUF EINEM FURCHT ERREGENDEN TODESHEILBAD? ICH GLAUBE NICHT. DIESE FARBE WÜRDE DOCH WOHL KAUM ENTSETZEN HERVORRUFEN, ODER?« »Es ist allerdings ein ziemlich schockierendes Rosa«, sagte Boba hoffnungsvoll, als mache er einen Versuch, Schwarz Vater zu überzeugen. »DAS KANN MAN DOCH NICHT VERGLEICHEN.« »Es sind aber doch verwandte Begriffe, oder nicht? Schock und Furcht und so weiter?«
»TUT MIR LEID, HERR BOBA, DAS KANN ICH SO NICHT HINNEHMEN.« »Tja, Ihr seid der Boss. Es ist Euer Todesheilbad, Lord Vater. Ihr zahlt die Rechnung. Ich sage ja nur, dass wir dann länger brauchen.« Luke hatte genug gehört. Er bog um die Ecke und sah den Mann, mit dem sein Vater sich unterhielt: Es war ein vierschrötiger Mensch mit einer feisten Wampe, der mit einem stummeligen Stift auf einem interaktiven Kritzelblock schrieb. »Vater«, sagte Luke, als er aus dem Dunkeln trat. »Hier treffen wir uns wieder.« Mit einem Daumenschnippen schaltete er sein Neonschwert ein, das strahlend helles Licht verbreitete. Schwarz Vater nahm wortlos sein eigenes Neonschwert vom Gürtel und drückte den »EIN«-Schalter an dessen Griff. Das rote Licht seiner Waffe leuchtete bösartig und gemein. Die beiden Jobber-Ritter – Vater und Sohn – nahmen Kampfstellung ein: Sie spreizten leicht die Beine, streckten die Waffen vor sich aus und umkreisten einander. »In Ordnung«, sagte Boba der Baulöwe und schaute von einem zum anderen. »Ich sehe, dass Ihr im Moment beschäftigt seid, Schwarz Vater… Wenn es Euch also recht ist, mache ich jetzt meine… Teepause.« Das letzte Wort sprach er viel schriller aus als den ersten Teil des Satzes, und außerdem zog er die Vokale heftig in die Länge – »TeeeeePauseeee« –, weil er schon im Begriff war, so schnell wie möglich von dannen zu wetzen und die Anstrengung seine Worte verzerrte. Vater und Sohn blieben allein zurück. »Tut mir Leid, dass ich dein Gespräch unterbrochen habe, Vater«, sagte Luke. »Aber wir haben noch ein paar Dinge zu klären.« »DU BIST WEGEN DES DROIDEN HIER«, sagte Schwarz Vater auf seine übliche bedrohliche Weise. »DER HERRSCHER HAT ES PROPHEZEIT.« »Kann schon sein, dass ich wegen des Droiden hier bin muss aber nicht«, sagte Luke und umkreiste Schwarz Vater mit dem Neonschwert im Vorhalt.
»QUATSCH«, erwiderte sein Vater. »DU GLAUBST, DER DROIDE BIRGT EIN GROSSES GEHEIMNIS. DESWEGEN HAST DU ALLES RISKIERT, UM IHN ZURÜCKZUKRIEGEN.« »Tja«, sagte Luke. »Kann schon sein. Muss aber nicht. Vielleicht aber doch. Von mir erfährst du nichts. Vermutlich. Aber tun wir doch mal so, als hättest du Recht. Du kennst also dieses Große Geheimnis?« »NATÜRLICH.« »Ach. Ich nehme an, es hat dich entsetzt. Die Vorstellung, dass ich ein Großes Geheimnis entdecken und es den Rebellenden zur Verfügung stellen könnte. Dann könnten wir das Imp-R-Imp nämlich absolut schlagen und den Kosmos von deiner Tyrannei befreien.« »ODER AUCH NICHT«, sagte Schwarz Vater. Er hieb in Lukes Richtung, und sein rot leuchtendes Neonschwert zerschnitt die Finsternis. Luke reagierte, indem er mit der Röhre seiner Waffe drei »S« und drei »Z« in die Luft schrieb. Die beiden Männer umtänzelten einander und drehten sich, damit ihre Röhren auf ihren jeweiligen Gegenspieler gerichtet blieben. Schwarz Vater schwenkte sein Neonschwert so schnell über dem Kopf, dass es kurz so aussah, als besäße er ein halbes Dutzend Röhren. Luke jagte eine Eisentreppe hinauf. Schwarz Vater verfolgte ihn vorsichtig, bis sie sich auf einer erhöhten Plattform befanden. Um die Plattform lief ein Geländer herum, aus dem in regelmäßigen Abständen riesige Metallblätter sprossen. »Mich legst du nicht rein, Vater«, sagte Luke. »Vater, meine ich«, fügte er hinzu. »Wenn du nämlich wirklich schon das Große Geheimnis entdeckt hättest, das im Inneren des Droiden verborgen ist, hättest du es dazu verwendet, die Rebellenden zu vernichten. Ergo: Du kennst das Große Geheimnis überhaupt nicht.« »ERGO?«, fragte Schwarz Vater. »Was soll dieses studentische Geschwafel?« »Seit ich bei Jodella studiert habe, habe ich viele Dinge gelernt.« »UND DOCH KENNST DU DAS GROSSE GEHEIMNIS NICHT?«
»Nun, vielleicht kenne ich es nicht. Aber du kennst es doch auch nicht.« »ICH HABE DAS GROSSE GEHEIMNIS SCHON VOR DEINER GEBURT GEKANNT, JUNGE!« »Welch eitle Prahlerei«, höhnte Luke. Er sprang vor und schwang seine Röhre. Schwarz Vater, der mit keiner Wimper zuckte, wich nicht aus, sondern hob sein Neonschwert, um den Hieb abzuwehren. Die beiden Schwerter krachten heftig aufeinander. Beide Lichter gingen aus, und jede Menge Glas sauste ihnen um die Ohren. Luke, der nicht wollte, dass die Splitter ihm in die Augen flogen, zuckte zurück. Sein Neonschwert war nun eigentlich kein leuchtender Stab mehr, sondern sah eher aus wie ein abgebrochener Flaschenhals. Natürlich war die Waffe nun gefährlicher als zuvor, doch wenn er sie schwingen wollte, erforderte dies einen anderen Kampfstil. Statt sich weiter eines eleganten Fechtstils zu befleißigen, umkreisten die beiden Kämpfer sich nun noch vorsichtiger und stießen die scharfen Enden ihrer Waffen in Richtung ihres Gegners. »Du scheinst zu keuchen, Vater«, sagte Luke. »Und deine Lunge pfeift.« »SIE PFEIFT?«, keuchte Schwarz Vater. »ICH KEUCHE?« »Ja, keuchen tust du auch.« »ICH BIN NUR BEGEISTERT VON DER SCHWARZEN SEITE DER PRACHT«, sagte Vater. »SO BEGEISTERT, DASS ICH EIN BISSCHEN ATEMLOS BIN.« »Wenn du das Geheimnis wirklich kennst, warum kämpfen wir dann auf diese Weise? Du würdest das Geheimnis doch gewiss nutzen, um mich zu vernichten?« »DU HAST WIRKLICH NICHT DIE GERINGSTE AHNUNG, UM WAS FÜR EIN GEHEIMNIS ES SICH HANDELT, NICHT WAHR?« »Doch!«, sagte Luke, dessen Stolz nun verletzt war. »Das heißt, ich kann mir gut vorstellen, um was es wahrscheinlich geht.«
»WIRKLICH? UND WORAUS BESTEHT DEINER MEINUNG NACH DAS GEHEIMNIS?« »Ich weiß nicht. Ist es vielleicht der Schlüssel zu einer gewaltigen Macht, die die Galaxis vernichten kann? Die Quadratwurzel von minus eins? Das Zauberwort, das einen mächtigen Dschinn herbeiruft, der tut, man man ihm befiehlt?« »ES IST NICHTS DIESER ART«, sagte Schwarz Vater. »Soweit du weißt«, höhnte Luke. Doch sein Hohn war nun etwas weniger höhnisch. Konnte es sein, dass Schwarz Vater die Wahrheit sprach? »HAST DU DICH NIE GEFRAGT, MEIN SOHN«, dröhnte Schwarz Vater, »WARUM ICH ZUR SCHWARZEN SEITE DER PRACHT GEWECHSELT BIN?« »Eigentlich nicht«, sagte Luke. »HAST DU ETWA GEDACHT, ES HÄTTE ETWAS MIT DEM GEHEIMNIS ZU TUN, VON DEM DU SPRICHST?« »Pah«, sagte Luke. »Wir reden hier über ein Geheimnis, das in den Datenbanken eines Toilettendroiden verborgen ist. Wie könnte dies einen jungen Jobber-Ritter dazu verleiten, zur Schwarzen Seite zu wechseln?« »WEISST DU, WER ES VERSTECKT HAT?« »Nein.« »DEINE MUTTER.« »Schon wieder eine Enthüllung, die mit meiner Familie zu tun hat? Also, eines kann ich dir sagen: Das haut mich nun nicht mehr um.« »ES GAB NÄMLICH EINEN GRUND, WESHALB SIE ES GETAN HAT.« »Na schön«, sagte Luke provokant. »Erzähl mir doch einfach, was das Geheimnis ist. Wenn du es kennst, warum packst du nicht einfach aus? Sag mir, worum es geht!«
»ALLES ZU SEINER ZEIT. WENN DU DEIN SCHICKSAL AKZEPTIERT HAST. DANN BRINGE ICH DICH VOR DEN HERRSCHER, UND ER WIRD ES DIR ERZÄHLEN.« »Jaaaah!«, sagte Luke, von giftgrünem Spott nur so triefend. »So kann man es auch ausdrücken, wenn man selbst keine Ahnung hat.« »SO IST ES NICHT.« »So ist es doch.« »NEIN, SO… HÖR MAL ZU, MEIN SOHN. ICH WILL MICH NICHT AUF EINEN LABERKAMPF MIT DIR EINLASSEN. LEG DEINE WAFFE NIEDER UND KOMME MIT MIR ZUM HERRSCHER. ER KANN DIR DIE DINGE FLÜSSIGER ERKLÄREN ALS ICH.« »Andererseits«, sagte Luke und sprang nach vorn, wobei er die zerbrochene Glasröhre seiner Waffe auf Armeslänge vor sich hielt, »könnte ich auch – nein.« Schwarz Vater machte einen seitlichen Ausfall. Luke kollidierte in hohem Tempo mit dem bauchhohen Geländer, das die Plattform umgab. Mit einem Geräusch, das eine exakte Mischung aus einem Uff! und einem Urgh! war, wich jegliche Luft aus seiner Lunge. Er fiel vorwärts, verlor sein Neonschwert, und nur ein verzweifelter Griff nach dem Geländer verhinderte, dass er hinüberfiel. Er baumelte am Geländerrand und schaute nervös in die Tiefe. Er schien – möglicherweise aufgrund der Kraft der Pracht – über einem tiefen Brunnenschacht zu hängen, der sich in der Ferne verlor. Wenn er nun abstürzte oder den Halt verlor, war er ziemlich sicher tot. »SIEHT SO AUS ALS WÄRST DU VOM MEINER GNADE ABHÄNGIG«, sagte Schwarz Vater finster und lugte auf ihn hinab. »ERGIB DICH ODER STIRB!« »Dir soll ich mich ergeben? Um dein Sklave zu werden?« »ES IST DEINE BESTIMMUNG.« »Es ist meine Bestimmung, dein Sklave zu werden? Niemals!«
»DER HERRSCHER HAT ES PROPHEZEIT.«. »Das hast du schon mal gesagt.« »WEIL ES WEITERHIN WAHR IST.« »Ja, nun…« Luke wechselte das Thema. »Jedenfalls möchte ich dir noch eine Frage stellen: Heißt du wirklich Anni Skyquaker?« Er versuchte sich an dem Geländer in die Höhe zu ziehen, um sich von dem direkt unter ihm befindlichen Schacht zu entfernen. »DIESER NAME BEDEUTET NICHT MEHR…« »Ist es nicht so 'ne Art Mädchenname?« Schwarz Vaters Atmung schien nun noch lauter geworden zu sein. »WAS HAST DU GESAGT?« »Ich frage mich nur, warum man meinem Papa einen Mädchennamen gegeben hat, mehr nicht.« »DAS REICHT«, dröhnte Vater. »ICH HAB GENUG VON DEINER UNVERSCHÄMTHEIT. DEIN HOSENBODEN WIRD ES GLEICH ZU SPÜREN KRIEGEN!« »Hosenboden?«, fragte Luke. »Du willst mir den Hosenboden…?« »ICH MEINE ES IN DEM SINNE«, sagte Schwarz Vater, »DASS DEIN HOSENBODEN SICH GLEICH MIT TÖDLICHER GESCHWINDIGKEIT NACH UNTEN BEWEGEN WIRD!« Er schob die gezackten Kanten seines Neonschwertes dicht an Lukes Knöchel heran. Luke ließ sich mit einen jähen »Jaul!« los und fiel auf der Stelle ins Nichts hinab. Der Boden, obwohl noch fern, kam schnell näher. Als Luke so vor sich hin stürzte, schrie er der kleiner werden Gestalt seines Vaters zu: »Ich hasse dich! Ich bin nicht dein Sklave! Ich hasse dich…«
6 Wie läuft eigentlich die Schlacht unten auf dem Mond? Unten auf dem Mond lief die Schlacht überhaupt nicht gut. Offen gesagt: Die Sturtruppen machten mit den Tedibehren kurzen Prozess. Lasergewehre und -pistolen fetzten die winzigen Reihen nieder und säbelten ein Glied nach dem anderen von ihren Leibern. Die Tedibehren wollten zurückschlagen, doch ihre Vorstellung von Waffen basierte größtenteils auf Baumstämmen. Sie versuchten Baumstämme von Abhängen auf die Imp-R-Imp-Kampfmaschinen hinabrollen zu lassen. Ihr Denkfehler bestand darin, dass rollende Baumstämme relativ langsam sind und viel Lärm erzeugen. Die Imp-R-Imp-Multipoden waren mit Automatik-Lasergeschützen ausgerüstet, die Granaten und Raketen verschossen, die viel schneller und leiser waren. Sie machten kurzen Prozess mit den Baumstämmen. Andere Baumstamm-Attacken sollten mithilfe von Baumstammkanonen erfolgen, bei denen man einen kleineren Stamm in einen ausgehöhlten größeren lud. Man feuerte sie ab, indem man einen dritten Baumstamm, der als Lunte diente, in Flammen setzte. Diese Kanone war, wie man u.U. anhand ihrer kurzen Beschreibung erkennt, die möglicherweise sinnloseste Waffe, die in einem Krieg je eingesetzt wurde. Außerdem setzten die Tedibehren Baumstämme gegen im Dschungel umherschleichende Gegner ein, die sie aufhängten und wie Pendel schwingen ließen. Sie hätten vielleicht mehr bewirkt, wenn die gedrungenen Glieder der Tedibehren kräftig genug gewesen wären, um sie weit genug zurückzuziehen und ihnen so zermalmende Kraft zu verleihen. Grob gesagt meine ich, es hätte vielleicht gereicht, die Stämme in einem Winkel von etwa fünfzig Grad zurückzuziehen. Die Tedibehren brachten es aber nur auf vier. Sie gaben die meisterhafte Strategie der Baumstamm-Attacke jedoch nicht auf. Sie spitzten die Enden der Stämme an und versuchten die Multipoden des Imp-R-Imp zu rammen. Doch selbst wenn hundert Tedibehren einen dieser Stämme trugen, war es schwierig, das dazu nötige Tempo zu erreichen.
Nun erlitten die Tedibehren grauenhafte Verluste. Leblose kleine Tedi-Leichen verunzierten den Wald. Überall auf dem Boden lag ihre aus zahlreichen klaffenden Wunden quellende Holzwolle herum. Einige Überlebende versuchten – obwohl tödlich verwundet – fortzukrabbeln; manche mit Gliedern, die nur mit wenigen Stichen an ihre Leiber genäht waren. Abgewetztheit und Kahlheit waren weit verbreitet. Ein winziger Tedi kroch über die Leiche eines gefallenen Kameraden. Seine Pratzen waren mit Sägespänen bedeckt, und er hob die knubbeligen Arme zum Himmel und schrie »Warum?« Von ihrem Aussichtspunkt am Ende des Trupps schauten sich Prinzessin Lepra und Hans Polo die absolute Katastrophe des TedibehrenFrontalangriffs an. »Tja«, sagte Lepra, »ich würde sagen, das war die größte militärische Niederlage, die man sich nur vorstellen kann.« »Einverstanden«, sagte Polo. »Und was machen wir jetzt?« Sechzig Imp-R-Imp-Oktopoden, jeder einzelne zwölf Meter groß und abscheulich bewaffnet, brachen an allen Seiten durch den Wald. Bodentruppen eilten von einer Deckung zur anderen und beharkten das Gelände mit Laserfeuer. Die Letzten des Tedibehr-Heeres flohen durchs Unterholz, fielen oftmals den sie verfolgenden Sturtruppen zum Opfer und stießen, als sie starben, giftigen Rauch aus. »Was wir jetzt tun?«, fragte Lepra. »Wir hauen ab.« »Einverstanden«, sagte Polo.
7 Der letzte Showdown zwischen Schwarz Vater und Luke Skyquaker
Luke, der einige hundert Meter tief fiel, rechnete mit seinem baldigen Ableben. Doch am Ende des Schachtes traf er nicht auf harten Boden, sondern auf etwas ganz anderes. Der Schacht mündete in einen großen, halb verputzten Raum, in dem vier Arbeiter des Baulöwen Boba gerade bei einem gemütlichen Tässchen Tee und einigen Keksen zusammensaßen. Ihrer Pause wollten sie eine schnelle und entspannende Nummer auf einem Trampolin folgen lassen, um dann – natürlich – wieder an die Arbeit zu gehen. Sie hatten das Trampolin schon aufgestellt und setzten sich, die Teetassen in der Hand, gerade auf ein paar Frachtkisten. Sie waren überrascht wie nur was, als sie ein schrilles »Arrrgh!« hörten. Dann fiel Luke durch eine offene Falltür in der Decke, klatschte auf das Trampolin und wurde wieder hochgeworfen. Er verschwand so schnell wie er gekommen war, und sein »Arrrgh!« zog sich schon in den Hintergrund zurück. Die Bauarbeiter stierten dorthin, wo Luke kurz zu sehen gewesen war. Luke flog aufwärts. Sein Schrei klang nun eher überrascht als verzweifelt, und im Nu fiel er wieder auf die Plattform, an der er zuvor gehangen hatte. Er griff panisch nach dem Geländer, erwischte es und hielt sich fest. »DU SCHON WIEDER!«, krakeelte Schwarz Vater. Er streckte die Arme aus, packte seinen Sohn am Hemdrücken und hievte ihn auf die erhöhte Plattform. Als Luke am Boden landete, schaute er auf und erblickte eine Gestalt, die langsam die Treppe heraufkam. »UND NUN«, sagte Schwarz Vater, »LERNE DEINEN NEUEN HERRN KENNEN… DEN IMPERIALEN HERRSCHER DES IMPERIALEN REICHSIMPERIUMS.«
Luke schnappte nach Luft und schaute auf. Er hatte – möglicherweise – eine riesige, einschüchternde Gestalt erwartet, die in Schwarz und Gold gekleidet und von einem Dutzend prätorianischer Sturtruppler umgeben war. Doch was ihm an dem Imperialen Herrscher am meisten umhaute war die Winzigkeit seiner Gestalt: Er maß höchstens einen Meter fünfzig. Er bewegte sich mit festem Schritt voran und stützte sich dabei auf einen Gehstock, obwohl es in seinen Bewegungen hin und wieder ein kurzes Rucken gab, sodass er um einige Zoll nach vorn zuckte und seine Hand jäh an sein Kinn fuhr – als hätte sich die Zeit selbst um ihn herum aufgrund seiner Befehlskraft über die Pracht gedehnt und sei gerissen. »OH, GROSSER HERRSCHER«, sagte Schwarz Vater und hockte sich aufs rechte Knie. Luke war verblüfft, dass sich sein Vater so erniedrigte. Der Herrscher des Imperiums stand nur ein paar Schritte von ihm entfernt. Und nun, als er ihm so nahe war, sah Luke mit Verblüffung sein schäbiges Herrschergewand: ein abgetragener schwarzer Rock, ein Bowlerhut aus einem Secondhandladen, und Hosen, die ihm eindeutig zu groß waren. Na, so was, dachte Luke, das mächtigste Lebewesen im ganzen Kosmos kann einem Schneider doch wohl befehlen, ihm ein paar schönere Klamotten zu machen? Musste eine Gestalt, die solches Entsetzen verbreitete, nicht mit einem Elfenbeingehstock samt goldenem Griff ausgerüstet sein, der vielleicht aus dem Schenkelknochen eines geschlagenen Gegners geschnitzt war? Doch des Herrschers Gehstock war ein dünner Bambusknüppel, der sich jedes Mal deutlich verbog, wenn er sich auf ihn stützte. Während der Herrscher des Reiches die kniende Gestalt Schwarz Vaters in Augenschein nahm, richtete er den Sitz seines Bowlers, indem er ihn mit dem Gehstock an der Krempe berührte. Dann zückte er blitzschnell ein schwarzes Rechteck, in dessen Ränder ein sich wiederholendes Blattmuster eingeprägt war. In der Mitte standen silberne Worte vor einem dunklen Hintergrund:
Irgendwo in der Ferne glaubte Luke in irgendeinem anderen unfertigen Raum des Todesheilbades die flotten Klänge eines Pianos zu hören. »Ich werde nie zu euch überlaufen!«, schrie er und riss all seine Würde zusammen. Der Herrscher des Reiches legte den Kopf auf die Seite und drehte das schwarze Rechteck in seiner Hand herum. Als Luke nun hinschaute, sah er, dass die Worte sich verändert hatten:
Der Herrscher drehte das Kärtchen noch einmal um.
Luke durfte keine Zeit vergeuden. Er sprang auf, entriss der knienden Gestalt seines Vaters das Neonschwert und stürzte sich auf den Herrscher. Das Rechteck verschwand mit unglaublicher Schnelligkeit und Eleganz, und als Luke das gezackte Glas so fest wie möglich auf den Brustkorb des Herrschers zustieß, zischte der Bambusstock hoch. Irgendwie wehrte der Herrscher nicht nur den Hieb ab, sondern ließ Lukes Neonschwert in die Luft segeln. Dann zuckte er mit verblüffender Schnelligkeit und Eleganz herum, sprang hinter Luke, trat ihm fest in den Hintern, führte ein Tänzchen auf, rutschte über den Boden und
kehrte wieder zu seiner ursprünglichen Position zurück. Lukes Kinnlade sank herab. Er war echt baff. Schwarz Vater sprang hoch und fing das sich in der Luft drehende Neonschwert auf. Die Miene des Reichsherrschers war ernst geworden.
Luke und sein Vater konnten die Worte zwar schnell lesen, aber sie mussten mehrere Sekunden warten, bis der Herrscher die Karte umdrehte.
»Nein!«, schrie Luke.
8 Unten auf dem Mond wird die Lage echt brenzlig Unten auf dem Mond waren Lepra und Hans mit Abhauen beschäftigt. Leider waren sie keine sehr geübten Abhauer. Minuten später hatten die Streitkräfte des Imp-R-Imp sie in die Enge getrieben, entwaffnet und gefangen genommen. Lepra und Hans wurden mit den Händen auf dem Kopf zum Lager der Sturtruppen zurückgebracht. Überall um sie herum erblickten sie Soldaten in weißen Rüstungen, die sich um die in großen Haufen gestapelten Leichen der Tedibehren versammelten oder durch den Wald marschierten, um letzte Überlebende aufzuspüren. Lepra und Hans wurden ins Innere der Basis gebracht. »Wir haben Befehl, euch mit dem großen gläsernen Weltraumaufzug ins Todesheilbad zu bringen«, sagte ein Captain der Sturtruppen. »Schwarz Vater möchte ein Wörtchen mit euch reden.« »Aber warum denn?«, fragte Lepra. »Was will er denn von uns?« »Ich weiß es nicht. Vermutlich möchte er wissen, auf welche Weise ihr gefoltert werden möchtet.« Der Sturtruppler hielt seine Worte wohl für witzig, denn er kicherte sich eins. Lepra kam der Spruch irgendwie bekannt vor, sie wusste allerdings nicht woher. Sie und Hans mussten – noch immer mit den Händen auf dem Kopf – zur Seite treten, derweil die siegreichen Sturtruppen das Gelände sicherten und sich bei ihren Vorgesetzten meldeten. »Sieht so aus, als wär's das gewesen, Schnucki«, sagte Hans. »Das Ende«, erwiderte Lepra zustimmend. »Da wir ja nun sterben werden«, sagte Hans, an dessen Kehle deutlich ein Knubbel sichtbar wurde, »sollte ich dir jetzt vielleicht das sagen, was ich dir schon seit geraumer Zeit sagen wollte…« »Warte«, sagte Lepra. »Nein, das nicht. Ich…«
»Nein«, sagte Lepra. »Ich habe gesagt, du sollst warten. Mir ist eine Idee gekommen. Eine geniale Idee!« »Kannste sie dir vielleicht mal für 'ne Sekunde merken?«, erwiderte Hans vergrätzt. »Diese Sache da, die ich dir schon längst sagen wollte… Es dauert nicht lange… Und es fällt mir nicht leicht, sie in Worte zu kleiden…« »Aber meine Idee könnte nicht nur uns retten, sondern auch alle Rebellenden…« »Ich hatte nämlich nie den Mut dazu, aber jetzt, glaub ich…« »Hinter uns!«, zischte Lepra. »Da ist eine Steuerkonsole, genau in Reichweite…« »… es sind nur drei kleine Worte«, fuhr Hans fort. »Aber sie sind die wichtigsten…« »… aus dem Augenwinkel gesehen«, sagte Lepra und drehte den Kopf ein Stück zur Seite. »Ich sehe den Einstellknüppel für das Kraftfeld…« »… die Wahrheit ist, dass ich schon lange so empfinde…« »Ich glaube, wenn ich warte, bis die Sturtruppler gerade mal nicht herschauen…« »… da wir ohnehin ganz sicher sterben werden, wäre es doch Blödsinn, es noch länger für mich zu behalten…« »Ich könnte den Traktorstrahl voll aufdrehen…« »… natürlich weiß ich nicht, ob du ebenso empfindest, aber…« »Das würde seine Kraft vervierfachen…« »… und selbst wenn die Chance nur ganz winzig ist, würde ich es mir nie verzeihen, wenn ich es nicht gesagt hätte…« »Dann stürzt das Todesheilbad ab…« »… offen gesagt, ich liebe…« »… und zwar auf den Mond von Endors Gaim…« »… dich, und ich werde dich immer lieben. Ich sehne mich danach, dich zu umarmen und mit Küssen zu bedecken…« »… und dann ist es vernichtet! Was hältst du davon?«
»Äh?«, machte Hans. »Entschuldige, ich hab wohl nicht aufgepasst. Was hast du gesagt?« »Mal ehrlich«, sagte Lepra aufgedreht. »Glaubst du, es ist einen Versuch wert?« »Natürlich glaube ich es!«, sagte Hans, wobei sein Herz vor Freude hüpfte und sich ein strahlendes Lächeln auf seinem schön geschnittenen Gesicht breit machte. »Ich bin ja so froh, dass du ebenso empfindest!« »Wirklich? Aber es könnte einen der Sturtruppler dazu verleiten, uns totzuschießen!« Hans musterte die Soldaten. »Glaubst du, die wären so gemein? Wir haben doch ohnehin nur noch ein paar Stunden zu leben.« »Gemein? Wie meinst du das?« »Ich glaube, sie hätten Verständnis dafür«, sagte Hans. »Verständnis? Das glaube ich nicht.« »Ich wette, die waren auch schon mal verliebt«, sagte Hans. »Ich wette, die wissen, wie es ist, eine wunderschöne Frau in den Armen zu halten…« »Was redest du da? Hör mit dem Geschwafel auf, Hans, und sag mir deine Meinung: Soll ich mir den Knüppel greifen?« »Welch wunderbare Idee«, sagte Hans sofort, wobei seine Augen vor Verblüffung, Freude und Dankbarkeit groß wurden. »Greif zu! Mann, ich hätte nicht gedacht, dass du so rangehst…« Lepra fegte zur Seite, ergriff zu Hans' maßloser Enttäuschung den Kraftfeldgeneratorenkontrollknüppel, legte ihn um und arretierte ihn – aufgrund eines unglaublichen Zufalls, der, so könnte man sagen, nur in einer Parodie auf das Leben möglich ist – in der Maximalposition. Mit einem mächtigen, bebenden Ächzen fing die Anlage an, das halb fertige Todesheilbad seiner Zerstörung entgegenzuziehen.
9 Der allerletzte und finalste End-Showdown zwischen Luke Skyquaker und Schwarz Vater (ehrlich). Ich weiß, ich hab's schon mal gesagt, aber dies ist wirklich der letzte, jedenfalls, soweit es diese beiden betrifft
Luke lief die Treppe hinunter, wobei er von einem Stapel bisher unbenutzten Bauholzes eine lange Dachlatte mitgehen ließ. Schwarz Vater, nur wenige Schritte hinter ihm, versuchte einen schneidenden Hieb mit seinem Neonschwert, doch Luke parierte und zerbrach die Waffe in nicht mehr zählbare Fragmente. »Ha!«, schrie Luke und haute so fest um sich, dass er Schwarz Vater an der Helmseite erwischte. Eigenartigerweise klang das daraufhin erfolgende Geräusch wie ein Glockenläuten. Auch der Herrscher war nach unten gekommen. Er trug das schwarze Rechteck vor sich her.
Luke las dies und blickte sich um. Als er seinen Vater anschaute, geschah dies genau in dem Moment, in dem dieser sich ebenfalls mit einer Dachlatte bewaffnete. Als Nächstes verspürte Luke einen nicht unerheblichen Schmerz, als dieses Stück Holz sein Gesicht berührte. Die Wucht des Hiebes riss seine Lippen so heftig nach hinten, dass er aussah als grinse er. Vor seinen Augen tanzten Lichter. Seine Ohren klingelten. Ein Vorderzahn nach dem anderen löste sich aus seinem Zahnfleisch und fiel klappernd zu Boden. Die Pracht rettete ihn. Luke schwankte genau in dem Moment zurück, in dem Schwarz Vater zu einem zweiten Killerhieb ausholte. Luke spürte den Wind, als sein Gegner seine Nase um nur wenige Millimeter
verfehlte. Da Schwarz Vater an das viel leichtere Gewicht von Neonschwertern gewöhnt war, verlor er das Gleichgewicht. Dies gab Luke gerade genug Zeit, um seinen benommenen und zahnlosen Kopf zu schütteln und seine eigene Dachlatte zu schwingen. Luke und Schwarz Vater fochten sich durch einen Raum nach dem anderen, und alle waren erst halb fertig und weder verputzt noch geweißelt. Sie fochten an Ziegelsteinstapeln und Stapeln von Bauholz vorbei, vorbei an Pappkartons, die mit Farbdosen und großen Rollen aufgewickelter Kabel gefüllt waren. Und während der ganzen Fechterei folgte ihnen die grinsende Gestalt des Herrschers, dessen Mitteilungen darauf hindeuteten, dass er das Spektakel sehr genoss. Von den Wohn- und Büroeinheiten aus drangen sie immer tiefer ins Todesheilbad vor. Hier befanden sich – in ähnlichen Stadien der Unfertigkeit – die gigantischen Maschinen und komplizierten Apparaturen des riesigen Konstrukts. Sie fochten und droschen vor dem Hintergrund einer Reihe großer Zahnräder mit Brettern aufeinander ein, die sieben Meter durchmaßen und sich langsam während eines Verfahrens drehten, das kein Mensch verstand. Luke legte eine Verschnaufpause ein. Sein Blick fiel vom Gesicht des grinsenden Imperialen Herrschers auf die finstere Maske seines Vaters. »WENN DU UNS NICHT DIENST«, sagte Schwarz Vater, »WIRST DU STERBEN.« »Du würdest deinen eigenen Sohn töten?« »DU MUSST DIE MACHT DER SCHWARZEN SEITE VERSTEHEN.« »Auch wenn mein Leben bedroht ist«, sagte Luke hitzig – und wenn wir ehrlich sind: auch ein wenig großtuerisch –, »werde ich meine Freunde nicht verraten!« »NA SCHÖN. VIELLEICHT IST ETWAS ANDERES NÖTIG, UM DICH ZU ÜBERZEUGEN. MACH BEI UNS MIT – ODER ICH TÖTE NICHT DICH, SONDERN DEINE SCHWESTER.«
»Du Ungeheuer!«, schrie Luke. Er stürzte vor, doch Schwarz Vater setzte die Macht der Pracht ein, sodass Lukes rechter Fuß auf einer kleinen Lache verspritzter Farbe ausrutschte. Er glitt jäh nach vorn, und sein zweiter Fuß verhakte sich, sodass er den Boden auf sehr schmerzhafte Weise berührte und jene Position einnahm, die die gebildeten Stände »Spagat« nennen. Luke ließ seine Dachlatte fallen. »JA…«, sagte Schwarz Vater. »DEINE SCHWESTER. VIELLEICHT WERDE ICH SIE MIT DER GEZACKTEN KANTE MEINES NEONSCHWERTES IN ZWEI HÄLFTEN SCHNEIDEN. WAS HÄLTST DU DAVON? JA… DANN HÄTTEST DU KEINE SCHWESTER MEHR, SONDERN ZWEI HALBSCHWESTERN! HA! JA…« Luke stöhnte auf und rappelte sich vorsichtig hoch. »Mehr hast du nicht auf Lager?« Schwarz Vater hielt inne. »WAS SOLL DAS HEISSEN?« »Der Witz eben. Der war doch schrecklich.« »NEIN, WAR ER NICHT. ER WAR ULKIG UND POINTIERT.« »Hör auf, Papa«, sagte Luke. »Wollen wir doch mal ehrlich sein. Es war ein echter Abschlaffer. Das ist genau die Art von Witzen, die nur völlig humorlose Menschen für ulkig halten.« »ICH HABE EINEN AUSGEZEICHNETEN SINN FÜR HUMOR«, verkündete Schwarz Vater, wobei seine Stimme den in seiner Brust aufsteigenden Ärger verriet. »Also, ich sag dir, du hast keinen.« »RUHE!«, brüllte Schwarz Vater. »Hör mal«, sagte Luke. »Ich hab doch nur gesagt, dass der Halbschwestern-Gag keinen Schuss Pulver wert ist. Nun mach dir mal nicht ins Hemd. Du hast doch jede Menge anderer Fähigkeiten – mit dem Neonschwert fechten zum Beispiel. Oder Gurgelzerquetschen aus der Ferne. Ich hab gehört, darin sollst du einsame Spitze sein.«
»DU WAGST ES«, sagte Vater, wobei seine Stimme ganz leise wurde und mit einer entsetzlichen Bedrohung schwanger ging, »DU WAGST ES ANZUDEUTEN, DASS ICH KEINEN SINN FÜR HUMOR HABE?« »Offen gesagt«, erwiderte Luke, »ja. Tut mir Leid, Papa, aber du weißt doch selbst, dass es die Wahrheit ist.« Schwarz Vaters Atmung wurde nun zunehmend lauter. Er stand offenbar am Rande eines gewaltigen Wutanfalls. Luke wappnete sich schon mal dagegen. Doch als er dann kam, war es eine Explosion ganz anderer Art. Schwarz Vater atmete bebend ein und brüllte: »ACH, WAS SOLL ES DENN – ES IST WAHR, ES IST WAHR, ICH WEISS, DASS ES WAHR IST!« Er ließ seine Waffe fallen, sackte zusammen und blieb mit gekreuzten Beinen auf dem Boden sitzen. »ICH WEISS, DASS DU RECHT HAST«, schluchzte er. »ICH HABE DEN SCHLIMMSTEN SINN FÜR HUMOR IM UNIVERSUM! IN SACHEN HUMOR BIN ICH EIN VERSAGER! HU-HU-HU!« Dies zog Luke fast die Schuhe aus. »Och«, sagte er schwerfällig. »He, komm schon, Papa. So schlimm ist es nun auch wieder nicht.« »IST IS DOCH!«, heulte Schwarz Vater. »Es spielt doch eigentlich keine Rolle… He, heulst du wirklich?« »BU-HUH!«, schrie Schwarz Vater. »KEINER VERSTEHT, WIE JÄMMERLICH ICH BIN! ICH VERBRINGE STUNDEN ALLEIN IN MEINEM GERÄUMIGEN QUARTIER, ÜBE WITZIGE EINZEILER UND BEMERKUNGEN, DIE MAN LÄSSIG AUS DEM ÄRMEL SCHÜTTELT. ICH STUDIERE SÄMTLICHE KLASSIKER… OTTO, CARELL, GOLDEN GIRLS… ABER ES FÜHRT ZU NICHTS!« Dies brachte Luke ein wenig aus dem Lot. »Ähm«, sagte er. »Ähm…« »WAAAH!«, schrie Schwarz Vater.
»Na, komm schon«, sagte Luke peinlich berührt. »Hab dich doch nicht so. Es ist doch nicht das Ende der Welt, oder?« »OH, DOCH, IST ES! LACHEN IST ALLES. MAN MUSS DOCH LACHEN, ODER NICHT?« »Ich weiß nicht«, sagte Luke. »Hin und wieder mal – klar. Aber immer? Es gibt auch Situationen, in denen Gelächter ganz und gar nicht angebracht ist.« »ABER«, sagte Schwarz Vater. »WENN MAN DIE MENSCHEN ZUM LACHEN BRINGEN KANN… DANN MÖGEN SIE EINEN AUCH.« »Ach, Quatsch. Im Grunde kann kein Mensch Witzbolde leiden. Die Menschen mögen normale Menschen, keine Clowns. Clowns sind was Nettes auf der Bühne, aber im wirklichen Leben sind sie einfach ermüdend.« »GLAUBST DU WIRKLICH?«, fragte Schwarz Vater vorsichtig. »Natürlich. Ich sag dir was, Papa: Du bist vielleicht die höchste Form der Bosheit und so weiter, aber du bleibst noch immer du.« »WIRKLICH?« »Ja, klar. Du bist doch mein Papa, oder? Na, bitte. Blut ist dicker als Wasser und so weiter.« Der Ausdruck auf der Miene des Reichsherrschers machte Luke klar, dass er all dies ermüdend fand. Er schnippte das schwarze Rechteck herum.
Schwarz Vater schaute seinen Herrn an und rappelte sich langsam auf. In dem imperialen Gesicht waren die Anzeichen der Ungeduld immer deutlicher zu sehen. Wieder wurde das Rechteck herumgeschnippt.
In der Ferne war noch immer die Pianomusik zu hören. Obwohl sie sehr gedämpft war, klang sie nach Scott Joplin. Schwarz Vater stand im Nu neben dem Herrscher. Er packte dessen winzige Gestalt und hob sie in die Luft. Als das schwarze Rechteck zu Boden fiel, konnte Luke gerade noch die Worte
erkennen. Schwarz Vater schleuderte den Herrscher auf ein Transportband und schaute zu, wie er durch eine Halbtür verschwand. Dann sah Luke auch schon, dass der imperiale Leib von riesigen Zahnrädern zermalmt und zermatscht wurde. Die Überreste wurden ins Innere der Maschine weiterbefördert. Sekunden später war er aus seinem Blickfeld verschwunden. »Wo führt das Band hin?«, fragte Luke. »INS INNERE DES ATOMREAKTORS. GERÄT EIN KÖRPER IN DIESE ENERGIEQUELLE, DER ÜBER EINE SOLCHE PRACHTMACHT VERFÜGT, WIRD DAS BESTIMMT ZU EXPLOSIONEN, EINER KATASTROPHE UND DEM UNTERGANG DES TODESHEILBADES FÜHREN. WIR MÜSSEN SOFORT VERSCHWINDEN!« »Gute Idee«, sagte Luke.
Inzwischen war die Basis des Imp-R-Imp unten auf dem Mond aufgrund der schnellen Reaktion Prinzessin Lepras mächtig in Verwirrung geraten. Die Steuerungsapparatur explodierte unter der Belastung der Kursänderung des Todesheilbades. Lepra fegte durch den Haupteingang und zog Hans an der Hand hinter sich her. Sie liefen zusammen über die Landebahn auf die auf der anderen Seite abgestellten Imp-R-Imp-Fähre zu. »Wir müssen von dieser Welt runter«, keuchte sie, als sie sich einen Weg ins Cockpit bahnte. »Wenn das Todesheilbad abstürzt, bleibt hier nichts mehr am Leben.« »Das sind aber böse Nachrichten für die Tedibehren«, sagte Hans. »Was? Ach, ja. Die hatte ich schon ganz vergessen.« Lepra schnallte sich an und wärmte schon mal das Starttriebwerk vor. »Na ja, ihr Opfer wird in dem gewaltigen Kampf gegen die Tyrannei etc. nicht vergessen werden. Auf geht's!« An Bord des Todesheilbades taumelten Luke und Schwarz Vater inzwischen durch die wankenden Korridore und wichen umstürzenden Säulen und Putzbrocken aus. »Was ist passiert?«, schrie Luke. »DER VERNICHTUNGSPROZESS HAT BEGONNEN«, keuchte sein Vater. »DU MUSST MEINE FÄHRE NEHMEN.« »Du kommst doch mit!« »NEIN, MEIN SOHN. ICH WERDE NUR VON DER PRACHT AUF DEN BEINEN GEHALTEN, UND MEINE KRAFT IST DURCH DEN KAMPF GEGEN DIE STARKE PRACHT MEINES HERRN FAST AUFGEBRAUCHT. NUN DA ER TOT IST, SPÜRE ICH, DASS MEINE KRAFT NACHLÄSST.« »Das ist ja 'n Ding!«, sagte Luke. Sie erreichten den Hangar, in dem Schwarz Vater schließlich zusammenbrach. »NIMM MEINE MASKE AB«, keuchte der ehemalige Schwarze Lord der Siff.
»Ich hab deine Maske doch gar nicht auf«, erwiderte Luke. Aber es war ein schwacher Witz und der Pracht unwürdig, deswegen nahm er sich vor, sich an langen Winterabenden dafür zu schämen. Mit einigen Schwierigkeiten löste Luke die schwarze Schädelmaske und enthüllte das dahinter befindliche Gesicht. Es war rund und pummelig und erinnerte ihn an Oliver Hardy. »Das ist aber komisch«, sagte er. »Deiner Statur zufolge hätte ich dich für hoch gewachsen und hager gehalten. Aber jetzt zeigt sich, dass du klein und dick bist. Ich schätze, Äußerlichkeiten können täuschen.« »Ich bin beides zusammen: klein, dick und hoch gewachsen und hager«, keuchte Schwarz Vater. »Es ist eins der Mysterien der Pracht…« Rings um sie her verwandelte sich der Hangar in einen hübschen Schrotthaufen. »Du musst gehen, mein Sohn«, pfiff Vater. »Schnell, bevor ich gehe… Kannst du mir das Große Geheimnis verraten? Lass es nicht mit dir sterben… Gib es an mich weiter…« »Das Geheimnis ist«, sagte Schwarz Vater mit einem würgenden Laut, »aaaaaaaahhhhh.« »Was ist es?«, sagte Luke drängend. »Was hat das zu bedeuten?« »Es bedeutet«, sagte Schwarz Vater leicht vergrätzt, »dass ich tot bin.« Er rollte seine Augen nach oben. Und dann war er es auch. Luke steuerte die Fähre in letzter Sekunde aus dem Haupthangar. Im Rückspiegel sah er, dass das halb fertige Todesheilbad an tausend Stellen zugleich Feuer fing. Dann brach es aus der Kreisbahn aus und stürzte der Oberfläche des bewaldeten Mondes von Endors Gaim entgegen. Als sein Raumschiff von Wellen sich ausdehnender Gase und Trümmer hin und her geworfen wurde, hatte Luke eine atemberaubende Aussicht auf die Kollision: das Todesheilbad raste außer Kontrolle in die Flanke des großen Mondes und entzündete seine Atmosphäre zu einem apokalyptischen Feuersturm, der in einer galoppierenden Wellenfront der Vernichtung über den sichtbaren Horizont wogte und alles ausradierte, was sich ihm in den Weg stellte.
»Boah, ey«, sagte Luke, »da hab ich ja noch mal Schwein gehabt…«
10 Was wir daraus lernen Als Luke, Lepra und Hans den Treffpunkt erreichten, war es fast 21.00 Uhr. Sämtliche belegten Brote waren verzehrt und der größte Teil des Weins getrunken worden. Das Trio gesellte sich dennoch zu den versammelten Offizieren in der Exerzierhalle des größten Raumkreuzers der Rebellenden. »Wir haben gesiegt!«, meldete General Fischkopp Aufmtella. »Wir haben das böse Imp-R-Imp geschlagen!« Alle jubelten. »Der Herrscher ist tot!« Noch mehr Gejubel. »Und Schwarz Vater auch! Lasst uns nie vergessen, dass Schwarz Vater der böseste Diktator in der Geschichte der galaktischen Zivilisation war«, schwadronierte General Fischkopp. »Sein Name hat es verdient, dass man ausspuckt, sobald er ausgesprochen wird! Er war absolut böse!« »Tja«, sagte Luke, »es ist aber durchgesickert, dass er sooo böse nun auch wieder nicht war.« »War er nicht?« Im Saal herrschte allgemeine Baffheit. »Nein«, sagte Luke und trat aufs Podium. »Na schön, er war für den Tod ungezählter Milliarden verantwortlich. Und – ja, er war ein Folterknecht, ein Tyrann und militärischer Diktator. Ja, er hat den Widerstand unterdrückter Völker auf tausenden von Welten gebrochen und zermalmt und alle kulturelle und ethnische Vielfalt unter dem gesichtslosen Nudelholz des Imp-R-Imp-Konformismus glatt gebügelt. Es stimmt auch, dass er mit aller Kraft dafür gearbeitet hat, das Böse schlussendlich siegen zu lassen. Aber – und das ist das Entscheidende – er hat in der letzten Minute seiner Existenz das Leben seines Sohnes gerettet.« Hier und da gab es ein überraschtes Aufkeuchen. »Ich weiß, ich weiß«, sagte Luke. »Dies ist eine fast unglaubliche Selbstlosigkeit und Heldenhaftigkeit, aber lasst mich nur wiederholen: Er hat das Leben seines Sohnes gerettet. Und das«, endete Luke und schaute sich um, »bedeutet – den-
ken wir nicht alle so? –, dass ihm absolute Rehabilitation zusteht, sodass wir ihn nun eigentlich als jemanden sehen können, der einem Heiligen nahe kommt.« Allgemeines Gemurmel. Nicken. »Wie wahr«, sagte Fischkopp. »Wie wahr das doch ist.« »Lasst uns zu seinen Ehren eine gewaltige Statue aufstellen!«, rief jemand. »Er war ein Held der Revolution!«, schrie ein anderer. »Jeder, der etwas anderes behauptet, wird aufgrund eines revolutionären Befehls des Exekutivkomitees auf der Stelle hingerichtet!« Und so wurde Schwarz Vater – auch bekannt unter dem Namen Anni Skyquaker – ein strahlendes Licht des revolutionären Geistes. Prinzessin Lepra huschte mit übervollem Herzen aus dem Saal. Luke sah sie verschwinden und folgte ihr. Auf einem Balkon, von dem man in die Halle blicken konnte, fand er sie wieder. Die beiden standen da und schauten sich die unter ihnen stattfindende ausgelassene Feier der siegreichen Rebellenden an: da wurde getrunken, getanzt, gegessen und gereihert. Es fand alles statt, was man von Feten her kennt. »Dir ist natürlich klar«, sagte Luke leise, weil er Angst hatte, seine Schwester gegen sich aufzubringen, »dass wir nun nie mehr erfahren, was das Große Geheimnis ist, nicht wahr? Schwarz Vater hat mir zwar erzählt, dass er es kennt, aber jetzt ist er tot. Und WC-02 wurde bei der Feuersbrunst vernichtet, das das Ende des Todesheilbades markierte.« »Ich kann nicht sagen, dass es mich allzu sehr ärgert«, sagte Lepra. »Eigentlich wollte ich das Geheimnis nur kennen, um das Imp-R-Imp zu schlagen. Da wir es auch ohne das Geheimnis geschafft haben, spielt es eigentlich keine Rolle mehr. Natürlich bin ich noch immer neugierig…« »Ja, neugierig. Ich auch.« »Aber wahrscheinlich war es ohnehin nicht wichtig.« »Nicht wichtig, nein.« »Warum wiederholst du alles, was ich sage, Luke?«
»Ich muss dir was erzählen, Lepra. Es wird dich vielleicht schockieren. Wusstest du, dass Schwarz Vater mein Vater war? Tja, er war auch dein Vater. Du und ich – wir haben die gleichen Eltern. Wir sind sozusagen Bruder und Schwester.« »Das glaube ich nicht«, sagte Lepra nüchtern. »Ich weiß, es ist schwer zu glauben. Ich wollte es zuerst auch nicht glauben…« »Das meine ich nicht«, sagte Lepra. »Ich meine vielmehr, es ist genetisch unmöglich, dass wir Geschwister sind. Schwarz Vater kann nicht mein Vater sein.« »Du klingst sehr sicher.« Lepra drehte sich um und schaute Luke an. »Also, hör mal, Luke… Hast du schon mal die Tentakel gesehen, die an meinem Kopf wachsen? Ich weiß, dass sie dir aufgefallen sind, denn du hast sie schon mehrmals erwähnt.« »Tentakel?«, sagte Luke verunsichert. »Ich bin eine Keflapodin vom Planeten Keflapodia. Wofür hast du meine Tentakel gehalten?« »Keine Ahnung«, murmelte Luke. »Irgendein pilzartiges Gewächs…« Lepra glotzte Luke an, woran man leicht erkennen konnte, dass sie es als ziemlich verblüffend empfand, wie wenig er über die Eigenarten des Universums wusste. »Du weißt verblüffend wenig über die Eigenarten des Universums«, sagte sie. »Wie viele Menschen hast du gesehen, die mit Tentakeln rumlaufen, die aus ihrem Kopf herauswachsen?« »Keine«, gestand Luke. »Und doch hast du nicht den offensichtlich logischen Schluss aus dieser Tatsache gezogen?« »Dann bist du also«, sagte Luke, der ziemlich langsam dachte, »gar kein Mensch?« »Nein.« »Aber Lepra hast du doch?« »Ja, keflapodische Lepra. Diese Krankheit ist der menschlichen Lepra sehr ähnlich. Aber sie ist unter medizinischer Kontrolle.«
»Tut mir Leid«, sagte Luke. »Du siehst so menschlich aus – so schön menschlich. Ich hab einfach angenommen, dass du ein Mensch bist. Trotz der aufgerollten Tentakel, die aus deinem Kopf rauswachsen.« »Ich bin humanoid«, sagte sie. »Das -oid ist dabei entscheidend. Es bedeutet zum Beispiel, dass mein Volk sich nicht mit deinem vermischen kann; wir sind genetisch nicht kompatibel. Deswegen kann ich nicht Schwarz Vaters Tochter oder deine Schwester sein.« »Dann würde ich gern wissen, warum er es behauptet hat.« »Wer weiß.« »Opi-Jan Knofi hat es auch gesagt.« »Und wieder muss ich die Achseln zucken. Siehst du es? Da, bitte – zuck, zuck.« Dann fügte sie hinzu: »Es bedeutet, dass ich es weder weiß, noch dass es mich schert.« Luke stand schweigend da und dachte nach, während das Feuerwerk wie riesenhafte strahlende Lilien und Narzissen aus Licht erblühte und den dunkelvioletten Himmel mit fröstelnder Helligkeit erfüllte. »Dann bist du also«, sagte Luke endlich langsam, »humanoid, was?« »Stimmt.« »Was natürlich«, fuhr Luke vorsichtig fort, »sehr menschenähnlich bedeutet?« »Ja.« »Und in der Lage…«, fuhr Luke fort, »mit Menschen… ähm… zu interagieren?« »Interagieren?«, fragte Prinzessin Lepra verärgert. »Was meinst du mit interagieren?« Sie schaute Luke ins Gesicht, und ihre Verärgerung löste sich auf. »Oh«, sagte sie, als es ihr schwante. »Diese Art von Interaktion meinst du. Tja, um diese Frage zu beantworten, müsste man… ja, wirklich.« »Wirklich?«, sagte Luke. Er trat näher an sie heran und legte den Arm um ihre Schulter. »Na, das ist aber interessant.« Auf der anderen Seite des Saals zuckte Aubacke – den man zum Schlummern in einen leeren Sessel geworfen hatte – plötzlich zusammen, schüttelte den Kopf und setzte sich aufrecht hin. Er rieb sich die
Augen und blinzelte mehrmals. »Gütiger Himmel«, sagte er mit einem Glas zerschneidenden Quasi-Eton-Akzent, »was war das denn für ein komischer Traum?«
Erste Episode Die dunkle Verrohung
Im vierhundertsten Jahr der Galaktischen Bundesvereinigung wurde der Planet Ja!Buh! von der siebzehnten Unterklausel des Innergalaktischen Bundesvereinigungssteuergesetzes benachteiligt, der die Anzahl der Steuerbefreiungen jedes berechtigten akkreditierten Bürger-Angehörigen beim Einreichen der interstellaren Handelszollsteuerrückvergütung festschrieb, denn der Buchhaltungsminister hatte es irgendwie und auf unerklärliche Weise verabsäumt, den Zentralen Steuerplaneten über die Heraufstufung dieser Welt von ISQ 9000 zu ISQ 9001 (betr. die revidierte Fassung der allgemeinen Steuerbelastungsklassifizierung für Registrationszwecke) zu informieren. Deswegen wurde Ja!Buh! fast zwei Wochen nach dem letzten von der Galaktischen Bundesvereinigung vorgeschriebenen Termins in Sachen buchhalterischer Transparenz aus der Unteren in die Mittlere Prioritätsklasse erhoben. Dies wiederum erforderte eine Rückbestätigung der Reorganisationsgesetze des planetaren Volkszählungsamtes, um die Volkszählungsdetails aus Steuerfestlegungsgründen auf den neuesten Stand der Galaktischen Bundesvereinigung zu bringen – unter besonderer Berücksichtigung der abgabenpflichtigen Belastungen der Fabrikations- und Dienstleistungsindustrie. Aufgrund des buchhaltungsministerlichen Versehens sah Ja!Buh! sich der schrecklichen Aussicht gegenüber, weder berechtigt zu sein, die übliche Handelszollrückvergütung noch die leicht höhere Handelszollrückvergütung laut ISQ 9001 erstattet zu bekommen, die man gerade erst verplant hatte. Ohne diese Rückvergütung hätte die demokratisch gewählte Regierung von Ja!Buh! ihr bereits verabschiedetes Budget um ein halbes Prozent kürzen müssen, was sich wiederum äußerst negativ auf die Ausgaben für die Kunstförderung und die Neuordnungsgesetzgebung für die Sozialhilfe auswirken konnte. Wegen dieser Situation hatte die Galaktische Bundesvereinigung keine andere Wahl als – wie ihr Chefadministrator sagte – »eine Art Blitzkrieg« gegen Ja!Buh!
zu führen und »mehr Kampfdroiden auf den Planeten loszulassen, als je in einer militärischen Operation auf einem Haufen gesehen wurden«. Für die junge Steuerschätzerin Pepsi Africola sah die Lage trostlos aus. Und jetzt geht's weiter…
1 Die bedauerliche Lage auf Ja!Buh! Zwei Jobber-Meister stiegen auf den grünen Feldern des Planeten Ja!Buh! aus ihrem Raumschiff. Der eine, Qi-Gong, hatte den weltmännischen Patriziercharme eines Götz George in den mittleren Jahren. Der andere, sein stattlicher und eifriger Lehrling, hieß Opi-Jan Knofi. Qi-Gong strahlte gelassene Würde aus. Knofi wiederum befand sich in der Blüte seiner Jugend. Beurteilte man ihn allerdings nach seinem Gesicht und dem Mangel desselben an Ähnlichkeit zu dem Gesicht, das er in späteren Jahren haben würde, befand er sich in der Blüte der Jugend eines anderen. Ihnen begegnete die junge Steuerschätzerin Pepsi Africola. »Guten Tag«, sagte sie ziemlich steif. Pepsi war dem Ende ihrer Ausbildungszeit als leibeigene Beamtin der Galaktischen Bundesvereinigung (Spezialgebiet: Steuerfragen) nahe. Sklaverei war in den menschlichen Kulturen früher natürlich weit verbreitet. Die Erfindung und Massenproduktion von Robotern hat zwar Sklaven längst überflüssig gemacht – die Arbeit, die nötig ist, um eine, sagen wir mal, Pyramide zu bauen oder die Tabakernte einzubringen, wird viel wirkungsvoller von Arbeitern aus Zinkblech als von solchen aus Kohlenstoff erledigt. Aber dass Sklaverei verboten war, kann man nicht sagen. Im Gegenteil. Eher hatte sich die Bürde der Sklaverei von der untersten Ebene der Gesellschaft – der die Freiheit, den Hungertod zu sterben, garantiert wurde, solange man nicht in der Öffentlichkeit abkratzte – auf die Manager des Mittelstands verlagert. Es nützte den Reichen, wenn sie Sklaven hatten, die ihre Steuerformulare ausfüllten, sich um ihren Versicherungsbedarf kümmerten und sich durch ein Gewirr von tausenden sich widersprechenden Gesetzestexten ackerten. Diese neue Sklavenklasse musste sämtliche Nachteile früherer Sklavenarten hinnehmen, obwohl die Gerissenen sich manchmal auch aus der Sklaverei befreien konnten – indem sie beispielsweise besonders gefährliche Sonderaufträge annahmen. Auf diese Weise hatte sich Pepsi Afri-
cola in die Spuckweite der persönlichen Freiheit gebracht. Nicht, dass sie spuckte. Um das zu tun war sie viel zu hübsch und gut erzogen. »Freut mich, Euch kennen zu lernen«, sagte Qi-Gong. »Ich bin QiGong.« »Ich bin Opi-Jan Knofi«, sagte Knofi schnöselig. Pepsi machte sich nicht die Mühe, ihren Namen zu nennen, denn wie alle Lehrlinge trug sie ein Namensschild mit der Aufschrift »Hallo! Ich bin Pepsi Africola! Was kann ich für Sie tun?« »Endlich«, fauchte sie, »schickt der Rat Vertreter. Ihr könnt Euch selbst überzeugen, welchen Schaden man diesem schönen Planeten zugefügt hat…« Sie breitete die Arme aus: Die grünen Hügel und fruchtbaren Täler Ja!Buh!s, die man von der Landebahn aus sah, waren mit braunen Kratern übersät. Die Ruinen einiger größerer Dörfer qualmten noch. Qualmende Dörfer sind natürlich ein ebenso schlechtes Zeichen wie qualmende Menschen und weisen fast immer auf einen jämmerlichen Gesundheitszustand hin. »Tut uns wirklich Leid«, sagte Qi-Gong. »Der ganze Angriff auf Eure Welt war ein zutiefst bedauerlicher Unfall.« »Bedauerlich?«, sagte Pepsi und verfärbte sich. »Mehr sagt Ihr nicht dazu? Die Gesetzgebung der Galaktischen Bundesvereinigung besagt ausdrücklich, dass Planeten erst zwei Wochen nach dem Gesuch eines aus unabhängigen Steuerappellbeamten bestehenden Gesuchskomitees bombardiert werden dürfen, und zwar erst nachdem selbige getagt und mit einfacher Mehrheit den Fall einer Nichtzahlung der Einkommenssteuer und weitere Mahnverfahrensverstöße mit Zweidrittelmehrheit festgestellt haben…« »Das ist absolut korrekt«, sagte Qi-Gong und hob die Hand. »Der Rat hat mich auch geschickt, damit ich unsere Entschuldigung entbiete.« »Entschuldigung?« »Ja. Es stimmt tatsächlich, dass das Appellkomitee, obwohl es mit einfacher Mehrheit für die Bombardierung gestimmt hat, den Auslöschungsantrag nicht mit der erforderliche Zweidrittelmehrheit durchgekriegt hat.«
Pepsi schaute von dem älteren Jobber zu dem jüngeren. »Was also ist passiert?«, fragte sie. »Wir vermuten Verrat durch eine Geheimorganisation. Unser Nachrichtendienst spricht über eine geheimnisvolle Gruppierung, die man Tron-Krieger nennt. Wir wissen freilich noch nicht genau, was der Name bedeutet.« »Tron-Krieger«, sagte Pepsi. Sie ließ den Namen auf ihrer Zunge zergehen. »Nein, das sagt mir nichts. Gab es nicht mal einen Film, der Tron hieß?« »Ja, es ist ein klassischer Film aus der Ära des 20. Jahrhunderts, dem goldenen Zeitalter von Disney und Pokemon, wie es manchmal auch genannt wird. Aber wir verstehen nicht, warum eine terroristische Organisation sich diesen Namen zulegen sollte. Es gibt aber noch schlimmere Neuigkeiten: Es könnte sein, dass die Schwarze Seite der Pracht den Rat unterwandert hat.« »Nein!« »Ich fürchte doch.« Über ihnen ertönte ein lautes Knirschen. Das Trio schaute auf und erblickte die schlanken Rümpfe von Söldnervirusjägern, die über den Himmel kreischten. Jeder Jäger verspritzte Raketen wie ein Köter, der sich schüttelt, weil er nass ist. »Schnell!«, schrie Pepsi. »Gehen wir in einen Bunker!« Der Bunker war zwar groß, aber bis zum Bersten gefüllt. Etwa die Hälfte der Insassen waren Menschen. Der Rest gehörte zum Volk der Keflapoden, das unter Wasser lebte. Die Keflapoden waren aufgrund einer seltsamen Symbiose zwischen einer hochintelligenten Tintenfischkreatur und einem hochdoofen Menschenaffen entstanden. Während die natürliche Auswahl ihre Wunder wirkte, war der Affe immer mehr verblödet. Sein Hirn war geschrumpft, sein Kopf hatte sich in die Schultern zurückgezogen, bis er weg war. Und dann hatte der tintenfischige Keflapode sechs seiner acht Arme durch den Halsstumpf ins Nervensystem des Anthropoden geschoben, sodass er jetzt nur noch über zwei verfügte, einen an jeder Kopfseite. Die so vereinigte Lebensform war
erfolgreicher als alle ihre Vorläufer und hatte sich über den ganzen Planeten ausgebreitet. Dann waren die Menschen gekommen. Es stimmt, die menschliche Population, die man auf diese Welt verschifft hatte, waren Sklaven gewesen – allerdings Sklaven aus dem mittleren Management. Eines hatten ihre Herren schon vor langem gelernt: Will man Sklaven im Zaum halten, muss man ihnen eigene Sklaven geben. Solange ein Sklave jemanden hat, der für ihn kocht, wäscht und die Dienstmagd macht, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er aufgrund seiner Unterdrückung einen Aufstand anzettelt. Qi-Gong und Knofi quetschten sich auf eine lange Bank, wobei Pepsi Africola die eine und eine Gruppe von Keflapoden die andere Seite einnahm. »Hallo«, sagte Qi-Gong, der sich gelegentlich damit brüstete, keine Vorurteile zu haben. Er schüttelte die Hand des neben ihm auf der Bank sitzenden Keflapoden. »Jessör? Duse schwatzn mit mich?«, erwiderte der Keflapode und riss vor Erstaunen die Augen auf. »Wie dir gehen, Massa? Ichse spreche haudi-dudi. Duse misse esse Wartznmelone, setzn hinne! Jessör, Massa!« »Beim Barte des Propheten – halt einfach die Klappe, Ham-Ham«, ertönte eine Stimme vom anderen Ende der Bank. Sie gehörte einer Keflapodin. »Ich fürchte, Ihr müsst ihn entschuldigen.« »Ich bin Qi-Gong, und dies ist Opi-Jan Knofi, mein Lehrling«, sagte Qi-Gong. »Ich weiß«, sagte die Keflapodin. »Meine Herrin hat mir alles über Euren Besuch erzählt. Ich bin Psoriasis, ihre Zofe. Meine Freunde nennen mich Krätze.« »Warum redet er so?«, fragte Knofi. »Das weiß niemand«, sagte Psoriasis seufzend. »Ich vermute, er ist einfach ein Schwachkopf.« »Ah«, sagte Knofi. Als Jobber wusste er natürlich jede Menge über Schwachköpfe. »Wowat?«, sagte Ham-Ham. »Jabba-dabba-duuuh. Duse sagen wira geahn…«
»Wenn du nicht die Klappe hältst«, sagte Psoriasis mit angespannter Stimme, »kriegst du eine aufs Maul…« »Na schön«, sagte Ham-Ham eingeschnappt. Er kreuzte die Arme vor der Brust und schmollte den Boden an. Eine Sirene ertönte. Sie klang wie ein Glockenspiel. »Es bedeutet, dass die Luft rein ist«, sagte Pepsi. »Gehen wir.« »Fräulein Africola? Wir müssen dieser… bedauernswerten Zerstörung ein Ende bereiten. Kommt Ihr mit uns zum Metroplaneten und liefert eine Meldung vor dem Wiederherstellungstarifkomitee ab?« »Kann ich etwa nein sagen?«, sagte Pepsi verbittert. »Ich bin doch Lehrling, oder nicht?« »Aber Ihr habt Euch doch fast schon freigekauft, oder?«, sagte Knofi. »Ich meine, falls ich Euch nicht missverstanden habe. Dieser Auftrag würde Euch diesem Ziel doch einen Schritt näher bringen.« Pepsi schenkte ihm einen säuerlichen Blick.
2 Ein Kinderwagenrennen auf Tätowiermir Pepsi begab sich in Begleitung der Keflapodin Psoriasis, die wiederum von dem Keflapoden Hara-Ham Links begleitet wurde, an Bord des Jobber-Raumschiffes. »Es sieht so aus«, sagte Knofi, »dass das Prinzip der hierarchischen Unterwerfung sich in jeder auf Sklaverei begründenden Gesellschaft bis ganz nach unten fortsetzt.« »Wat?«, erwiderte Ham-Ham. »Duse Massa sprechi-sprechi mit…« »Ach, schieb dir einfach einen galaktischen Socken rein, Ham-Ham«, sagte Pepsi. »Ja«, stimmte Knofi zu. »Halt's Maul. Hör auf zu reden. Sag nichts mehr.« »Tja, wenn die alle so sind«, sagte Ham-Ham eingeschnappt, »lege ich mich hin.« Er stampfte hinaus. »Wir müssen eine außerplanmäßige Rast auf einem abgelegenen Wüstenplaneten namens Tätowiermir einlegen«, gab Qi-Gong bekannt. »Um, äh, zu tanken.« »Tanken?«, erwiderte Pepsi. »Was ist das für ein Raumschiff?« Opi-Jan Knofi errötete bis ins Mark. »ähm«, sagte er, »mein Meister versucht nur, meine Gefühle zu schonen«, gab er Pepsi gegenüber zu. »Doch die Wahrheit ist, wenn meine Lehrzeit beendet ist, wird man mich verbannen…« »Nicht dieses Wort, Opi!«, sagte Qi-Gong warnend. »… auf eine wichtige Solomission schicken«, korrigierte Knofi sich, »auf die eine oder andere von Hinterwäldlern bewohnte Sackgassenwelt. Der Jobber-Orden möchte Tätowiermir als eines meiner möglichen Ziele prüfen. Wir müssen wissen, ob dieser Planet keinerlei einheimische Kultur hat und sehr weit von den Handelsrouten entfernt ist. Idealerweise müsste er der letzte Ort im Kosmos sein, an dem man leben möchte. Tätowiermir könnte all diesen Erfordernissen entsprechen. Wir wollen es nur überprüfen.«
»Was ihr macht, ist mir wurscht«, sagte Pepsi auf eine Weise, die zugleich lässig und aufrichtig war. Der Planet Tätowiermir war in jeder Hinsicht so grau und öde wie QiGong und Opi es erwartet hatten. Opi marschierte mit niedergeschlagener Miene herum. Vermutlich malte er sich den metaphorischen Läusetank aus, in dem er seine Zukunft verbringen würde. »Warum wird man Euch verbannen?«, fragte Pepsi. Opi warf einen flinken Blick in die Richtung seines Herrn. »Es ist kompliziert«, sagte er. »Interne Jobber-Politik. Es reicht wohl, wenn ich sage, dass ich den Rat der Jobber-Senioren… verärgert habe.« Das Trio kam an eine lange Freitreppe, die zu einem staubigen Quadrat und einem Artefakt hinabführte, das, wäre es mit Wasser gefüllt gewesen, ein Springbrunnen hätte sein können. Eine große Menge aufgeregter Einheimischer hatte sich oben versammelt. Man schloss Wetten ab. »Was ist hier los?«, fragte Qi-Gong einen der umherwuselnden Einheimischen. »Das wöchentliche Kinderwagenrennen«, lautete die Antwort. »Willste auf jemanden setzen? Die größten Chancen hat Anni Skyquaker.« Er deutete auf eine junge Frau, die sich gurrend über einen großen Kinderwagen mit Verdeck beugte. »Das ist Helmut, seine Mutter.« »Habt Ihr Helmut gesagt?« »Genau.« »Interessant.« Qi-Gong faltete unter seinem Gewand die Hände, blieb stehen und schaute zu. Kurz darauf hatte sich oben auf der Treppe ein Dutzend Mütter mit Kinderwagen versammelt. Die Menge bildete einen Halbkreis um sie und feuerten ihre Favoriten an. Ein großer hagerer Bursche hob seinen Arm, ließ ihn jäh sinken und schrie: »Los!« Alle Mütter schoben ihre Kinderwagen sofort an. Ein Dutzend Kinderwagen ratterte über den Rand der obersten Stufe und holperte die lange Treppe hinab. Qi-Gong behielt den Wagen im Auge, in dem der Favorit lag: Klein-Anni Skyquaker. Das Anfangsstadium des Rennens war im Grunde von dem initialen Impetus abhängig,
den die Mütter auf die Kinderwagen ausübten. Der Wagen ganz vorn wurde von einer besonders gut proportionierten Frau geschoben. Sie hatte Unterarme wie Dreschflegel. Hätte man ihren Brustkorb am Bug eines Schiffes in der Arktis befestigt, hätte er Eisschollen durchschneiden können: Sie schob ihr Kind mit solcher Vehemenz, dass ein Drittel der langen Treppe schon hinter ihr lag, als der Rest gerade die ersten Stufen überwunden hatte. Der von Helmut Skyquaker geschobene Kinderwagen befand sich irgendwo unter »ferner liefen«, was angesichts der dürren Gestalt und des kränklichen Aussehens der ihn schiebenden Frau eigentlich nicht verwunderlich war. Doch die Pracht zeigte sich fast sofort. Der Wagen, der Klein-Anni Skyquaker beförderte, stieß gegen ein Hindernis, vielleicht einen auf der Treppe liegenden Stein. Doch statt über das winzige Hindernis hinwegzurattern, wie es eventuell die Gesetze der Physik vorgeschlagen hätten, flog der Wagen im hohen Bogen davon, schwebte durch die Luft, beschrieb über der Konkurrenz unter ihm Saltos – auch dies ziemlich im Widerspruch zu der Physik, die Körper im tatsächlichen freien Fall beeinflusst –, prallte auf das Verdeck des ersten Wagens, schwankte heftig und machte einen Versuch, selbigen ganz und gar aus der Spur zu drängen. Plötzlich zuckten aus den Radkappen des Wagens an der rechten Seite blitzende Klingen hervor. Mit einem weiteren Schwenk stach das wirbelnde Eisen in die Räder von Klein-Annis Wagen. Plastikfetzen stieben wie Funken in die Luft. Annis Wagen kippte nach vorn. Doch statt umzustürzen, drehte sich der Wagen in der Luft, rammte das Aggressorfahrzeug von hinten und warf es von den Rädern. Der Wagen des anderen Säuglings krachte auf die Stufen, drehte sich im Kreis, rumste gegen das eiserne Treppengeländer und blieb stehen. Schon ratterte Annis Fahrzeug unter enormem Jubel die letzten paar Stufen hinab und brachte lässig die Ziellinie hinter sich. Der Rest der Kinderwagen – jene, die nicht gegen Hindernisse gestoßen oder deren Fahrt ein unglückliches Ende genommen hatte – überfuhren die Ziellinie eine ganze Weile später. Die Erwachsenen schlenderten die Treppe hinab, um ihre Wagen einzusammeln und ihre Gewinne zu kassieren.
»Euer kleiner Sohn ist ja wahrhaft prächtig entwickelt«, sagte Qi-Gong zu Helmut Skyquaker. »Sowieso.« Helmut Skyquaker steckte sich eine Zigarette an. »Prächtig, ja.« »Wahhh!«, warf Anni ein. »Ich möchte ihn gern mitnehmen. Ich möchte mit ihm durch die halbe Galaxis fliegen und ihn zum Jobber ausbilden. Er könnte alle brauchbaren und unbrauchbaren Künste erlernen. Später würde man von ihm erwarten, dass er sich für ewig und alle Zeiten dem JobberOrden widmet.« »Würde ich ihn je wieder sehen?« »Wahrscheinlich nicht.« »Na gut«, sagte Helmut und zog noch mal an ihrer Zigarette. »Ich sag ja immer: wie gewonnen, so zerronnen. Nehmt ihn halt mit, wenn Ihr wollt.«
3 Vor dem Jobber-Rat Das Schiff flog weiter, die ganzen Strecke zum Metroplaneten, dem Zentrum der Galaktischen Bundesvereinigung. Die gesamte Oberfläche des Metroplaneten war, wie du sicher weißt, mit einer riesigen Stadt bedeckt. So weit das Auge blickte, erspähte es nur Gebäude, Türme, Fabriken, Hochöfen, Stahl, Beton und Plastik. Es war ein wundervoller Ort, an dem es pro Kopf mehr Immobilienmakler gab als sonstwo in der Galaxis, obwohl es andererseits ein ziemliches Rätsel war, wie das Ökosystem dieser Welt so viel Sauerstoff in die Atmosphäre pusten konnte, um die Luft atembar zu machen. Vielleicht hatte es etwas mit den vielen Pflanzen zu tun, die in Töpfen auf den Fensterbänken standen. Genaues weiß man nicht. Qi-Gong brachte Anni Skyquaker vor den Rat der Jobber. Knofi und Pepsi standen ein Stückchen hinter ihm. Jodella saß in einem sehr großen Sessel, dessen geräumiger Korpus irgendwie im Widerspruch zu seiner winzigen Gestalt stand. Diverse verdiente Jobber saßen um ihn herum. »Meister Jodella«, sagte Qi-Gong, der den sich räkelnden Anni Skyquaker auf den Armen trug. »Ich ersuche den Rat um die Erlaubnis, dieses junge Menschlein in den Methoden und Vorgehensweisen der Pracht zu unterrichten.« »Zu alt er ist!«, schrie Jodella. »Viel zu alt für die Ausbildung!« »Zu alt? Er ist kaum sieben Monate alt.« »Waaa-aaaahh!«, bestätigte Anni. »Nein! Zu alt!«, sagte Jodella. »Das habt Ihr aber nicht gesagt«, warf Knofi ein und trat vor, um seinen Meister zu unterstützen, »als die siebzehnjährige dänische Austauschstudentin sich letzten Donnerstag zur Ausbildung gemeldet hat. Wie hieß sie noch mal?«
»Befragen ich ihn will«, sagte Jodella laut, als wolle er Knofi am Weiterreden hindern. »Entscheiden ich will, ob er fähig ein Jobber zu werden ist.« »Waaa-waaa-waaa«, brachte Anni vor. »Jüngling!«, sagte Jodella und beäugte die winzige Gestalt. »Ich viel Verstand in dir spüre!« »Wa-a-ah! Wa-a-ah! Waaaaaaah!«, konterte Anni. »Bang er ist«, erklärte Jodella. »Ich glaube, er möchte nur neu gewickelt werden«, sagte Pepsi. »Nein! Furcht es ist! Furcht! Ein Jobber keine Furcht empfinden darf! Furcht zu Zorn führt«, sagte Jodella mit bedeutungsschwangerer Stimme. »Zorn zu Hass führt. Hass zu Leiden führt. Leiden zur Schwarzen Seite führt.« »Dann nehmen wir beispielsweise mal an«, sagte Pepsi mit einer Stimme, die den Eindruck erweckte, es sei Zeit zu einer Rekapitulation, »ich hätte Angst vor dem Sterben. Dies führt dazu, dass ich beim Gedanken ans Sterben zornig werde. Dies führt unausweichlich zum Hass auf den Tod. Was wiederum zum Leiden führt, weil… ähm. Wie passt das Leiden da nur rein?« »Nein«, sagte Knofi. »Ein besseres Beispiel wäre dies: Sagen wir mal, ich fürchte mich vor Spinnen. Dies führt dazu, dass ich auf Spinnen Wut empfinde, was mich wiederum zwingt, Spinnen zu hassen. Und das führt dann zum Leiden.« »Wegen der Spinnen?« »Meinetwegen – glaube ich. Stimmt's, Jodella?« »Nein, nein, nein, nicht Spinnen – jodel-ähiti«, erwiderte das grüne Männlein. »Gelernt ihr nichts habt. Verbannung nicht zu früh kann kommen – wichtige Solomission zu früh nicht kann kommen, ich meine.« »Sagen wir mal«, sagte Qi-Gong und schüttelte über die Unwissenheit seines Lehrlings nachsichtig den Kopf, »dass ich im Wald einem arkturanischen Tiger begegne. Ich fürchte mich und laufe weg. Ist mein Leben also gerettet? Nein. Denn meine Furcht macht mich wütend auf den Tiger. Und meine Wut führt mich dazu, den Tiger zu hassen. Und
zwar so, dass ich in den Wald zurückkehre, um mir den Tiger vorzuknöpfen und damit das Leiden überstürze.« »Das Eure? Oder das des Tigers?« Qi-Gong dachte über die Frage nach; allem Anschein nach schwankte er zwischen der einen und der anderen Antwort. Schließlich sagte er mit einem nachdrücklichen Nicken: »Das Leiden beider.« »Was soll man also tun, wenn man einem Tiger begegnet?«, fragte Pepsi. »Keine Angst haben?« »Genau.« »Aber dann würde man ja nicht weglaufen.« »Nein.« »Würde einen das nicht mit der Schnellvorlauftaste zum leidenden Teil transportieren? Wenn man wegläuft, hat man wenigstens eine Verschnaufpause.« »Diese Diskussion wohl nur ins Nichts führt«, mischte Jodella sich ein. »Wir uns in weniger wichtige Bereiche verlieren. Ratsherr PappérLaPapp gebeten uns hat, sich zu treffen mit ihm! Wichtige Informationen er hat, er sagt, über die Tron-Krieger.« »Und der Kleine?« Jodella beäugte ihn noch mal. »Ausbilde ihn, wenn wünschst du. Oder ausbilde nicht ihn. – Mir«, fügte er hinzu, »es eigentlich schnurz ist.« Der Jobber-Rat, den Qi-Gong, Knofi und Pepsi begleiteten, begab sich durch die Gänge des Metroplaneten in die amtliche Residenz von Ratsherr Pappér-LaPapp. Für einen Politiker hatte der Ratsherr keinen sehr Vertrauen einflößenden Namen. Er wusste es. Jeder in seiner Umgebung wusste es. Wenn die Menschen seinen Namen hörten, dachten sie spontan an eine große, unklar definierte Masse amtsärschigen Schwabbelfleisches. Natürlich sah Ratsherr Pappér-LaPapp keineswegs wie ein schwabbeliger Amtsarsch aus: Er war eigentlich ziemlich frischgesichtig und jung und hatte ein fröhliches, rundes, offenes Antlitz.
Doch sein Name hatte sein Schicksal beeinflusst. Sagen wir's mal so: Wenn man dich »Sepp den Schlitzer« getauft hätte, glaubst du, du hättest den Weg der Gerechten beschritten? Allerdings wusste zu diesem Zeitpunkt niemand, dass Pappér-LaPapp einst der Herrscher des Bösen werden würde. Schließlich konnte niemand in die Zukunft sehen. Alle hielten ihn für einen echt anständigen Kerl. Also, vielleicht war er es ja auch. Vielleicht wird er nicht zum Herrscher des Bösen. Ein bisschen will ich die Spannung und die Rätsel dieser Geschichte ja auch aufrechterhalten. Sei ehrlich: Man kann nicht genau wissen, ob Ratsherr Pappér-LaPapp der Herrscher des Bösen werden wird, oder? Ich meine: Kann man sich dessen absolut sicher sein? »Danke, dass Ihr gekommen seid«, sagte Pappér-LaPapp. »Und wer ist dieses Bürschlein?« Er ging auf den Säugling in Qi-Gongs Armen zu. Als er die Hand ausstreckte, um das Kind zu streicheln, trat er mit dem Fuß versehentlich in einen Papierkorb, kam ins Rutschen und landete – mit dem Kopf zuerst – in einem zweiten Papierkorb. »Gütiger Himmel«, sagte Pappér-LaPapp, nachdem er sich unter Schwierigkeiten befreit hatte. »Er ist äußerst prächtig entwickelt, was?« »Er ist der Prächtigste, dem ich je begegnet bin«, sagte Qi-Gong. »Interessant. Wird er zum Jobber ausgebildet?« »Wird er.« »Interessant«, wiederholte Pappér-LaPapp. »Nun ja. Ich möchte Euch erzählen, warum ich Euch hergebeten habe. Ich habe nämlich alarmierende Nachrichten. Es scheint, dass ein Agent der Siff, ein SeniorAttentäter aus den Reihen der Tron-Krieger, hier ist – auf diesem unserem Planeten.« »Nein!«, rief Jodella aus. »O doch. Man nennt ihn Schwarz Maulwurf. Man kann ihn leicht an seiner sternförmigen Nase erkennen. Außerdem ist sein ganzer Körper mit feinem Haar bedeckt. Aber lasst Euch nicht täuschen – er ist ein tödlicher Killer, ein bösartiges Ungeheuer. Da er als Maulwurf kurzsichtig ist und deswegen alle naselang irgendwo gegen knallt, hat er einen Vorsprung im Pracht-Geschäft.«
»Wir müssen ihn stellen!« »Ja. Ich werde der Metroplaneten-Polizei seine Beschreibung geben, dann wissen wir – hoffentlich – bald, wo er steckt.« Kurz darauf war die Versammlung beendet. Jodella und der Jobber-Rat kehrten in ihren luxuriösen Wolkenkratzer zurück. Qi-Gong und sein junger Lehrling nahmen einen anderen Weg in ein preiswertes Hotel Garni. Pappér-LaPapp war kaum allein, als er das holografische Abbild von – ja, du hast es schon vermutet – Schwarz Maulwurf aufrief. Die Schrecken erregende Gestalt erschien: Obwohl klein von Statur und ziemlich schielend, strahlte sie eine böse Energie aus. Sie trug Maulpelzhosen und einen Maulpelzumhang – das Äquivalent menschlicher Meuchelmörderkleidung – und schielte in den Holografieprojektor. »Ja, mein Lord?« »Die Jobber-Ritter Qi-Gong und Opi-Jan Knofi«, sagte PappérLaPapp, »werden auf dem Weg zu ihrer Unterkunft in Kürze Sektor 78 passieren. Sie haben ein kleines Kind bei sich. Ergreife den Säugling, Maulwurf. Bringe ihn fort – es ist dringend geboten, dass er von der Schwarzen Seite aufgezogen wird. Er ist prächtiger entwickelt als jedes Kind, das ich je gesehen habe. Er wird ein bemerkenswerter Aktivposten der Siff werden.« »Jawohl, mein Lord. Und die Jobber-Ritter?« »Töte sie.« Ein Lächeln huschte über Maulwurfs flauschiges Gesicht. »Jawohl, mein Lord.«
4 Ah, ein Neonschwert-Duell! Das haben wir ja seit Jahren nicht mehr gesehen, was? Vorzüglich: Ich kann's kaum erwarten. Hoffen wir, dass es aufregend ist, dass es in allen Einzelheiten beschrieben wird und mit tollen Stunts und aufregender Musik daherkommt, dum-dum-diedel-dum, dum-dum-diedel-dum, DUM-DUM-DIEDEL-DUM DAHAHHHH!
Als Qi-Gong und Knofi Sektor 78 durchquerten, griff Schwarz Maulwurf sie aus dem Hinterhalt an. Der Kampf war wild und erbittert. Qi-Gong erhielt einen tödlichen Stich in die Brust, doch Knofi gelang es, den bösartigen Tron-Krieger zu töten.
5 Och… Das war schon alles? Als Qi-Gong sterbend auf dem Boden von Sektor 78 lag, stieß er seinen letzten Atemzug aus. »Mein Thog«, sagte er. »Was habe ich nur getan?« »Du hast dich selbst getötet, Meister«, sagte Knofi ziemlich verärgert. »Das hast du getan.« »Zieh das Kind auf, Opi«, sagte Qi-Gong. »Erziehe es zum Jobber. Es wird die Pracht völlig aus dem Gleichgewicht bringen.« »Mach ich«, sagte Opi. »Sonst noch was?« »Im Moment fällt mir nichts ein. Ah, doch! Ich hab's! Erinnerst du dich noch an die Schachtel mit den Keksen, die du gekauft hast? Die du dann nicht wieder finden konntest? Nach der du überall gesucht hast?« »Ich erinnere mich, Meister«, sagte Opi. »Ihr habt mir erzählt, die Schwarzen Lords der Siff hätten sie gestohlen, um die Tron-Krieger zu ernähren.« »Nein«, rasselte Qi-Gong. »Ich hab die Kekse gegessen. Ich furchte, ich hatte einen saumäßigen Hunger.« »Ist schon in Ordnung, Meister«, sagte Opi. »Ich kann mir ja neue kaufen.« Doch es war zu spät. Qi-Gong war tot und das Rätsel der TronKrieger seiner Lösung nicht näher gekommen. Opi-Jan Knofi hob den schlafenden Säugling auf, packte ihn etwas fester in seine Decke und verließ Sektor 78.
Zweite Episode Angriff der Tron-Krieger
Anni Skyquaker ist in den Jobber-Orden aufgenommen worden, damit Opi-Jan Knofi ihn ausbildete. Inzwischen sind die Taten der Tron-Krieger noch extremer geworden. Angeführt von einer zwielichtigen Gestalt namens Lord Tyrannosaurus, behaupten diese Gegenspieler des Jobber-Ordens, sie hätten Zugang zu einer höheren Wirklichkeit, die sie die wahre Natur der Wirklichkeit nennen. Dabei handelt es sich, könnte man sagen, um ein gewaltiges Geheimnis. Das erinnert mich an etwas… Was war es nur? Hmmm… hmmm… hmmm… Ah, ja, jetzt fällt's mir ein! Das Große Geheimnis, das zu Anfang des ersten Teils dieses Werkes in dem Droiden versteckt war. Könnte dieses ältere – genau genommen: neuere – Geheimnis irgendwie in Beziehung zu dem jüngeren – genau genommen: älteren – Geheimnis stehen? Könnte es sich eventuell gar um das gleiche Geheimnis handeln? Die Zeit wird es zeigen. Einverstanden? Inzwischen ist Anni Skyquaker zu einem stattlichen jungen Mann herangewachsen. Er und Meister Knofi sind auf den Stadtplaneten Metro gerufen worden, damit sie sich dem Jobber-Heer zugesellen, das Jodella und Ratsherr Pappér-LaPapp in Marsch setzen wollen, um Tyrannosaurus zu vernichten…
1 Auf dem Metroplaneten Viele Jahre waren vergangen. Anni Skyquaker war nun ein ausgewachsener Mann. Im Alter von sechzehn Jahren war er einen Meter achtzig groß. Ich wette, du stimmst mir zu, dass man dies als ausgewachsen bezeichnen kann. Jedenfalls war er nur fünf Zentimeter kleiner als das, was man »voll ausgewachsen« nennen würde. Er war zwar so schlaksig und dürr, wie man es von einem sechzehnjährigen Einsachtziger erwartet, doch andererseits auch mit der Pracht gesegnet, und zwar in der Form, dass seine physische Dämlichkeit dem eines Genies nahe kam. Wenn Anni sein Haus betrat, stolperte er über jede Türschwelle: Er fiel jedoch nie flach auf die Nase, sondern führte stattdessen – und völlig spontan – einen Veitstanz der Klasse 8 vor: Kopf runter, Stepptanz durch den Korridor bis in die Küche. Er konnte, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, mit vier leeren Kristallvasen jonglieren. Wenn er ein Brett auf seine rechte Schulter legte, es vierzig Meter weit trug und sich hin und wieder umdrehte, erzeugte er mehr Verwüstungen als eine kleine Neutronengranate. Es war deutlich, dass sein Können das seines Meisters Opi-Jan Knofi übertraf. Die beiden Jobber-Ritter trafen sich mit Pepsi auf dem Metroplaneten, wo Letztere am letzten anberaumten interplanetarischen Buchführungs- und Steuergesetzgebungsseminar teilnahm. »Wie schön, Euch zu sehen, Opi«, sagte Pepsi, als sie aus ihrem Raumschiff trat. »Und auch dich Annilein. Was bist du groß geworden!« »Mann«, sagte Anni Skyquaker und errötete bis unter die Haarwurzeln. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und schob sie so weit nach unten, wie seine Arme es erlaubten. Er drehte seinen rechten Fuß um neunzig Grad und schaute auf ein Stück Boden, das sieben Meter Nordnordost entfernt lag. »Mann«, sagte er erneut. Pepsi und Opi schlenderten dem Konferenzsaal entgegen. Anni fiel hinter ihnen in einen hoppelnden Schritt. »Ratsherr Pappér-LaPapp hat
vor dem Rat eine Rede gehalten«, informierte Opi Pepsi. »Es sieht so aus als würden die Tron-Krieger immer stärker. Sie wollen sich von der Galaktischen Bundesvereinigung lossagen und erkennen den JobberOrden nicht an. Ihr Kampfruf lautet ›Tod oder Gesundheit‹. Ist das nicht rätselhaft?« »Klingt jedenfalls unschön.« »Es besteht nur eine geringe Chance, dass die Tron-Krieger der Vereinigung echten Schaden zufügen«, sagte Opi. »Wir haben alle wichtigen Positionen besetzt. Der Ratsherr Pappér-LaPapp hofft sogar, dass er zum militärischen Oberkommandierenden gewählt wird. Er ist zuversichtlich, dass jemand hier im Zentrum jede Opposition leicht besiegen könnte. Meister Jodella stimmt ihm zu.« »Ich bin mir sicher, dass es wahr ist«, sagte Pepsi. »Mann«, sagte Anni hinter ihnen. Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch seine Zunge klebte an seinem Gaumen fest. »Ich geh jetzt rein, um zu sehen, ob die Abstimmung in unserem Sinne erfolgt. Wenn ja, setzen wir bald ein Heer von Jobbern und gelbgrün gepanzerten Soldaten zum Planeten Gastritis in Marsch und knöpfen uns die Tron-Krieger vor.« Es war eine hitzige Sitzung. Jene Delegierten, die gegen die Pläne des Ratsherrn waren, machten viele Zwischenrufe. Glücklicherweise bestimmte eine uralte Vorschrift, dass die Ratsherren bei sämtlichen Sitzungen persönlich anwesend sein mussten. Obwohl man eindeutig über eine Technik verfügte, mit der sämtliche viertausend Ratsherren auf virtuelle Weise miteinander diskutieren konnten, war dies im Parlament selbst verboten. Deswegen hatte dieser Raum titanische Dimensionen und maß vom Boden bis zur Decke gute achtzehn Kilometer. Die Anordnung der transparenten Kabinen, in denen sich Scharen von Ratsherren wie die Einzelteile eines optischen Kunstwerks aufhielten, krümmte sich wie die riesige Fläche eines Kettenbriefes an die Innenseite eines leeren Fasses.
Zwischenrufe hörte man in der Kabine des Vorsitzenden nur dann, wenn sie aus den Kabinen links, rechts oder unter ihr kamen. Keiner dieser Delegierten – die alle Pappér-LaPapps Freunde waren – tat dies jedoch. »Da niemand die Stimme gegen meinen Antrag erhebt«, sagte PappérLaPapp durch einen Sprachverstärker, »besteht auch kein Grund, ihn durch eine Abstimmung in die Länge zu ziehen.« Tief unter ihm verzogen sich die Gesichter der Ratsherren vor Zorn und Hass, doch sehen konnte dies nur der, der ein Teleskop bei sich hatte. Pappér-LaPapp schob Stöpsel in seine Ohren und drückte in seiner Kabine einen Knopf. Seine Stimme dröhnte so laut durch die gewaltigen Deckenlautsprecher, dass man ihn im gesamten Saal hörte. Pappér-LaPapps Kabine wurde von einem aufmontierten Lautsprecher geschützt, der eine invertierte Wellenform seiner Worte ausstrahlte. Er neutralisierte die Wellenfront des Erschütterungsgetöses, das die Verstärkung hervorrief. Nur wenige andere Kabinen hatten überhaupt einen Schutz. Als ihr Panzerglas zerbrach, fingen die zahlreichen Ohren der Ratsherren – die an zahlreichen Stellen ihrer fremdartigen Leiber saßen – an zu bluten wie der Restklumpen am Boden einer Ketchupflasche, der schlussendlich einen Sturzbach des roten Zeugs auslöst. »Vorzüglich«, sagte Pappér-LaPapp, rieb sich die Hände und verließ den Ort des Gemetzels. Später legte Pepsi im Zentralgebäude der Jobber Jodella höchstpersönlich ihren Sitzungsabschlussbericht vor. »Ihr werdet vermutlich feststellen, dass ich Eure Abschreibungsmöglichkeiten heraufsetzen konnte«, sagte sie. »Das ausgezeichnet ist«, sagte Jodella. »Gut Ihr gearbeitet habt, Africola Fräulein. Mit uns kommen Ihr müsst zum Planeten Gastritis, um zu bestätigen für Finanzamtzwecke die Rückvergütungspflicht pro Kopf der Freibetragprotokolle für unsere Soldateska.« »Ihr beabsichtigt Euer ganzes Heer von der Steuer abzusetzen?«, fragte Pepsi sachlich. »Tat in der«, sagte Jodella.
»Na schön. Dies wird mein letzter Auftrag für den Jobber-Orden sein. Danach endet meine Lehrzeit.« »Wahr dies ist«, sagte Jodella. »Jippi-ja-jeeeeh!« An Bord des Zerstörerflaggschiffs der Galaktischen Bundesvereinigungsflotte wurde Pepsi eine Kabine zugewiesen. Sie wohnte auf dem gleichen Gang wie Opi-Jan Knofi, Anni Skyquaker und Meister Jodella – nicht fern von Ratsherr Pappér-LaPapp höchstpersönlich. Während des Fluges blieben Pepsi zwei Dinge nicht verborgen: Das erste war, dass der Ratsherr – einer der einflussreichsten Politiker der Galaxis – sich sehr für den jungen Anni interessierte. Der alte Politiker verbrachte einen beträchtlichen Teil seiner Zeit mit dem jungen Jobber. Er unterhielt sich mit ihm und lauschte seinen Schwärmereien. Außerdem fiel ihr auf, dass Anni Skyquaker allem Anschein nach peinlicherweise auf sie persönlich abfuhr. Kurz bevor sie auf Gastritis landeten, traf sie ihn auf dem Gang. Sie war auf dem Weg zu ihrer Unterkunft, um ihre Steuerhandbücher zu holen. »Pepsi!« »Anni! Wie geht's denn? Wir hatten ja auf dieser Reise kaum Gelegenheit, uns zu unterhalten, was?« »Ich war sehr beschäftigt«, sagte Anni Skyquaker. »Ratsherr PappérLaPapp hat mir geholfen, mein prächtiges Können zu vervollkommnen.« »Er ist ein sehr engagierter Mensch.« »Er ist ein Ass«, sagte Anni leidenschaftlich. Und dann, als hätte er zu viel gesagt, errötete er wie eine Erdbeere und schaute weg. »Ich habe dieses Gedicht für dich geschrieben…« Er hielt ihr einen ziemlich zerfledderten Zettel hin, der so aussah als sei er zerknüllt und mehrmals wieder geglättet worden. Darauf stand geschrieben: Ich bin ein Wurm, du bist die Sonne Ich lieb dich, Pepsi, meine Wonne Ich liebe dich wie all das All
Liebst du auch mich, bin ich dein Vasall Oh, Pepsi, sag mir ehrlich: Bin ich dir unentbehrlich? Liebst du mich, wie ich dich liebe? Spürst du gar die gleichen Triebe? Ach, sag mir, schu-bi-du-bi-duh, Wir sind zusammen, ich und du! Unsere Liebe wäre wie Leim (um uns zusammenzubinden, meine ich) »Oh, Anni«, sagte Pepsi, als sie die Worte las. »Wie lieb. Ich fühle mich echt geschmeichelt – wirklich. Aber…« »Sag nicht aber«, quäkte Anni, verbarg sein Gesicht in den Händen und vollführte auf der Stelle eine Drehung um 360 Grad. »Anni, ich kann dich wirklich gut leiden, aber…« »Sag nicht aber«, schrie Anni. »Beende den Satz nicht! Vernichte nicht meine Hoffnung, zermalme nicht mein Herz! Lass mir die Hoffnung.« »Anni«, sagte Pepsi sanft, aber bestimmt. »Ich bin dreizehn Jahre älter als du. Die Kluft ist einfach zu groß… wirklich. Du bist sehr nett, du bist wirklich sehr nett, und vielleicht in zehn Jahren… Ich weiß nicht.« »Dann gibt es also Hoffnung!«, rief Anni, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte eine Miene auf, die irgendwo zwischen Agonie und Glückseligkeit lag. »Glaubst du nicht auch, es wäre viel besser, wenn du mich nicht in dem Himmel heben, sondern mit einem Mädchen in deinem Alter ausgehen würdest? Ich wette, dass die Richtige schon irgendwo auf dich wartet.« Anni schaute beschämt drein, dann zerknautschte sich allmählich sein Gesicht. Statt in ihrer Gegenwart loszuheulen, wandte er sich auf dem Absatz um und eilte durch den Korridor davon. Später an diesem Tag nippte Pepsi gerade allein an einer Cola in der Schiffskantine, als Opi-Jan Knofi sich zu ihr gesellte.
»Seid Ihr für die bevorstehende Schlacht bereit, Madam Steuerprüferin?«, fragte er und gab den Kode für ein Tässchen Kaffee in den Schwebomat-Spender ein. »Es ist nicht meine erste«, sagte Pepsi. »Aber hoffentlich wird es meine letzte sein.« »Ersehnt Ihr vielleicht den Tod?«, fragte Knofi erschreckt. »Nein. Ich will damit nur sagen, dass dieser Auftrag das Ende meiner Laufbahn als Steuerschätzerin markiert. Anschließend kann ich auf meine Welt zurückkehren und ein absolut durchschnittliches Leben führen.« »Ah!«, sagte Knofi. »Ich verstehe! Ihr seid also darauf aus, Euch dem Blick der Öffentlichkeit zu entziehen?« »Überhaupt nicht«, seufzte Pepsi. »Ich würde sehr gern auf dem Metroplaneten bleiben, mich in die echte Politik stürzen und vielleicht höhere Funktionärin werden – vielleicht sogar – obwohl ich weiß, dass dies unmöglich ist – Herrscherin der Galaxis. Aber die Chancen stehen bei null. Die einzige Möglichkeit, Delegierte des Planeten Ja!Buh! zu werden, erfordert einen zwanzig Jahre langen Wahlkampf und politisches Händeschütteln auf meinem Heimatplaneten. Und selbst wenn ich dann Delegierte werden würde, säße ich in der Hackordnung der Galaktischen Bundesvereinigung ganz unten. Ich bin dazu verdammt, mein Leben als Nichts – als Niemand – zu verbringen.« »Dafür habe ich Verständnis«, sagte Opi. »Auch ich bin zur Unbekanntheit verdammt.« »Aber Ihr seid doch ein Jobber!« »Aber von ganz kleinem Kaliber. Ich habe viele Feinde im Jobber-Rat, die dafür sorgen werden, dass ich in unserem Orden nie eine hohe Position erreiche. In etwa einem Jahr wird man mich als halbpermanente Abordnung auf einen Hinterwäldlerplaneten am After des Nichts in Marsch setzen, dann ist der Rat mich los. Ich habe diese Welt sogar schon mal besucht. Sie heißt Tätowiermir. Ihr wart natürlich auch schon dort. Ihr wisst, dass es eine absolut jämmerliche Gegend ist. Ich werde dort ein einsames, fast mönchisches Leben führen, vermutlich in irgendeiner Einsiedelei in der Wüste.« Opi seufzte. »Na, wenn schon«,
fügte er in dem Versuch hinzu, sich Mut zu machen. »Von JobberRittern wird schließlich nicht erwartet, dass sie nach Ruhm streben. Vermutlich werde ich dort also glücklich sein.« Die beiden schauten durch ein Bullauge hinaus. »Herr Jobber«, sagte Pepsi, »glaubt Ihr, dass die Schlacht gefährlich werden wird?« »Und ob. Der böse Lord Tyrannosaurus ist der Kopf aller, die gegen die Jobber opponieren. Außerdem hat er ein gigantisches Heer aufgestellt.« »Lord Tyrannosaurus?« »Ja. Er war nämlich auch mal Jobber. Aber ich glaube, es fiel ihm schwer, mit seinem Nachnamen die Jobber-Akademie zu besuchen. Manche haben ihn aufgezogen, und so hat er schließlich beschlossen, zur Schwarzen Seite überzulaufen.« »Ist er sehr mächtig?« »Boah – und wie! Aber Jodella ist ja bei uns. Er ist ein großer Meister der Jobber-Künste. Außerdem ist auch Anni Skyquaker da. Er ist vielleicht etwas jung, aber seine Begabung ist geradezu phänomenal. In Sachen Trotteligkeit und kreativer Klamauk ist er einsame Spitze, und mit dem Gummiknüppel macht ihm so leicht keiner was vor.« »Er hat mir nämlich«, sagte Pepsi, die nicht genau wusste, ob sie diese Tatsache enthüllen sollte, »seine Liebe gestanden.« »Was hat er?«, sagte Opi und grinste überrascht. »Au weia. Wann?« »Heute früh. Er hat ein Gedicht für mich geschrieben.« »Ein Jobber soll sich eigentlich nicht in solche… Leidenschaften verstricken«, sagte Opi. »Was habt Ihr daraufhin erwidert?« »Ich habe gesagt, ich fühle mich zwar geschmeichelt, empfände jedoch hinsichtlich seiner Person anders. Er ist doch noch ein Junge.« »Eben«, sagte Opi zustimmend. »Obwohl er eines Tages erwachsen sein wird. Und dann wird er zu den mächtigsten Jobbern der Galaxis gehören.« »Irgendwann«, sagte Pepsi Africola und nickte.
2 In dem dieser Teil wird das Abenteuer ziemlich schnell zum Abschluss gebracht. Man gesteht mir nämlich nur so und so viele Seiten zu. Um die Kosten niedrig zu halten, hat man mir erzählt. Banausen!
Gastritis war eine öde Welt aus rotem Gestein. An der Oberfläche gab es jede Menge Höhlen, Spalten und Risse. Dort hatten die Tron-Krieger mit Unterstützung der geflügelten Einheimischen in einem riesigen Krater eine gewaltige Roboterarmee erschaffen. Diese wie menschengroße Schnaken geformten Lebewesen galten als wild und gewalttätig. Deswegen wurde auf dem Planeten unheimlich gedroschen. Leider fehlt mir der Platz, diese spannenden Kämpfe (siehe oben) ausführlich zu beschreiben. Doch so viel sei gesagt: Man haute sich, wo es nur ging. Gigantische Raumschiffe düsten im Tiefflug über den Boden und feuerten Lasersalven ab. Kleine wespenartige Schiffe, die arabesken Flugrouten folgten, lieferten sich mit anderen wespenartigen Schiffen Luftkämpfe. Viele tausend Infanteristen – einige davon Klone, andere Roboter – prügelten sich wie die Kesselflicker. Die Kämpfe erzeugten schwarze Wolken, die von einem Horizont zum anderen reichten. Ganz nebenbei nahmen die Schnaken Opi, Anni und Pepsi Africola auf dem Schlachtfeld gefangen und brachten sie in eine riesige Arena, in der Gladiatorenkämpfe stattfanden. Dort wollte man das Trio auf Geheiß des finsteren Lord Tyrannosaurus töten. Man wählte eine ziemlich wirkungslose Exekutionsmethode: Statt ihnen einfach den Kopf abzuschneiden oder sie mit Gewehren zu erschießen, band man sie an Pfähle und ließ riesige Reptilien in die Arena, die sie verspeisen sollten. Annis prächtige Begabung war bei diesen Biester mehr als nötig. Er konnte sich zufällig von seinen Fesseln befreien und gab sich alle Mühe, Pepsi zu helfen. Doch bevor er sie erreichte, lief er unvorsichtigerweise gegen den Pfahl, an den man ihn zuvor gefesselt hatte – und zwar so heftig, dass dieser umkippte. An der oberen Seite des am Boden liegenden Pfahls ragte in einem rechten Winkel ein Rundholz hervor. Das Riesen-
reptil, das Anni am nächsten war und sich auf dessen hingestreckten Leib zupirschte, trat mit der Vorderpfote auf das hochragende Rundholz, sodass der Pfahl nach oben schoss – ungefähr so wie eine Harke im Garten – und das Ungeheuer bewusstlos schlug. Dem zweiten und dritten Ungeheuer passierte genau das Gleiche. In diesem Moment traf das Jobber-Heer ein und rettete unsere Freunde. Es war wirklich kaum zu glauben. Nachdem seine Streitkräfte den Kampf in der Arena verloren hatten, schwang Tyrannosaurus sich auf sein Schwebefahrrad und düste in die Wüste hinaus. Opi, Pepsi, Anni und Pappér-LaPapp bestiegen ein Schwebemotorrad und jagten hinter ihm her. Sie fegten unter dem Himmel daher. Tyrannosaurus flog in eine Grotte, und seine Verfolger verfolgten ihn. In der Grotte begegneten sie dem aristokratischen Lord des Bösen, der offenbar Schwierigkeiten hatte, von seinem Schwebefahrrad abzusteigen. »Ich glaube«, sagte er zu seinen Verfolgern, »mein Stiefel hat sich im Steigbügel verfangen.« »Ihr seid nun unser Gefangener, böser Tyrannosaurus«, sagte Opi. Er trat vor und streckte sein Neonschwert kampfbereit vor. »Na schön«, erwiderte Tyrannosaurus seufzend. »Das Spiel ist aus. Jetzt hat's mich erwischt. Lest mir meine Rechte vor. Ich ergebe mich.« Anni befreite Tyrannosaurus' Stiefel aus dem Steigbügel, und Opi passte ihm ein paar Kraftfeld-Handschellen an. »Ihr werdet für Eure Bosheiten bezahlen, Tyrannosaurus«, gab Opi bekannt. »Dessen bin ich mir sicher«, erwiderte Tyrannosaurus gelassen. »Obwohl das, was Ihr böse nennt, mir wie der richtige Weg erscheint.« »Pah!«, höhnte Opi. »Pah!«, höhnte Anni. »Ihr beiden lebt nach der Moral des Jobber-Ordens«, sagte Tyrannosaurus. »Aber wenn man – wie ich – die wahre Natur des Kosmos durchschaut hat, erscheint einem ein solcher Kodex irgendwie… un-
maßgeblich. Ihr wisst doch, was ich meine, Pappér-LaPapp, nicht wahr?« Der Ratsherr, der bisher im Dunkeln gestanden hatte, trat vor. »Ja, hallo erst mal.« Ein ziemlich unbehagliches Schweigen senkte sich über die Gruppe. »So«, sagte Tyrannosaurus nach einer Weile, »dann blüht mir also der Karzer, was?« »Ich fürchte, ja«, sagte Pappér-LaPapp. »Ihr habt Euch gegen die Galaktische Bundesvereinigung verschworen. Ihr und Eure mysteriöse Tron-Krieger-Organisation.« Wieder brach Schweigen aus. »Nicht wahr«, sagte Pappér-LaPapp. »Das habt ihr doch?« »Hab ich«, stimmte Tyrannosaurus ihm zu. Wieder eine Pause. Sie dehnte sich aus, schnurrte wieder zusammen und wurde noch unbehaglicher. »Das Wetter auf diesem Planeten…«, begann Opi. »Ich habe eine Frage«, sagte Pepsi im gleichen Augenblick. Beide brachen ab. »Nach Euch«, sagte Pepsi. »Nein, nein, Ihr zuerst«, beharrte Opi mit einem gezwungenen Lächeln. »Tja«, sagte Pepsi, »ich hab mich nur gefragt…« Alle schauten sie an. Etwas eingeschüchtert zog sie den Kopf ein. »Was«, fragte Tyrannosaurus, »habt Ihr Euch gefragt?« »Ich habe nur eine dumme Frage«, sagte Pepsi und errötete leicht. »Ich habe mich gefragt, warum sich Eure mysteriöse Organisation Tron-Krieger nennt.« Alle schauten Tyrannosaurus an. »Das ist überhaupt keine dumme Frage«, erwiderte er umgänglich. »Es ist eine sehr gute Frage. Ich weiß nur nicht genau, ob Ihr die Antwort darauf wirklich hören wollt.« »Tja, nun, da ich nun schon mal gefragt habe…«, sagte Pepsi.
Tyrannosaurus schaute langsam von einem zum anderen. »Ich werde diese Frage gern beantworten«, sagte er. »Doch ich muss euch warnen. Die Antwort wird alles für euch verändern.« »Rekapitulieren wir doch mal«, sagte Opi und trat vor. »Ihr behauptet, dass sich unser gesamtes Bild des Kosmos ändert, wenn Ihr uns ehrlich sagt, warum Eure Bande sich so und so nennt?« »Ja«, sagte Tyrannosaurus leise. »Na, dann mal los«, sagte Opi und grinste ungläubig. »Ich kann's kaum erwarten, das zu hören, was Ihr uns zu sagen habt.« Tyrannosaurus schwieg mehrere Minuten lang. Schließlich sagte er: »Ihr erinnert euch natürlich alle an Tron, nicht wahr? Das visuelle Kunstwerk?« »Aus dem zwanzigsten Jahrhundert?«, stellte Pepsi klar. »Natürlich. Wir haben es in der Schule gelernt. Es ist ein großer cineastischer Klassiker.« »Dann wisst Ihr auch noch, worum es da geht?« »Ja.« »Tja«, sagte Tyrannosaurus. »Tja.« Er schwieg eine weitere Minute. Als er wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme irgendwie anders. Sie pulsierte fast vor Bedeutung. Sein Tonfall war fast hypnotisch. »Schaut Euch die Galaxis an, in der wir leben«, sagte er und wandte sich an sein kleines Publikum. »Schaut sie Euch einfach an. Kommt sie euch echt vor? Natürlich nicht.« »Was meint Ihr damit?«, fragte Anni. »Was ich damit meine? Na, hört mal. Das ist doch wohl offensichtlich. Ihr kennt doch die Klassiker der alten Erdkultur? Natürlich kennt Ihr sie. Wir kennen sie alle. Es sind die Meisterwerke, die unsere Ausbildung krönen, die Wortkunst und die visuelle Kunst des Goldenen Zeitalters, des zwanzigsten Jahrhunderts.« Niemand erkannte, was dies mit irgendetwas anderem zu tun haben sollte. Nach einer langen Pause sagte Pepsi: »Natürlich.« »Ihr kennt die Bond-Filme und die Werbung für Dosenobst, und am besten kennt Ihr die Star Treks und Dunes, die Science Fiction?«
»Natürlich«, sagte Opi. »Wir sind schließlich allesamt kultivierte Menschen, denen man die Klassiker nahe gebracht hat.« »Nun, dann müsst Ihr auch die Matrix-Filme kennen.« »Natürlich.« »Sie sind der Schlüssel – zur wahren Natur dieser so genannten Wirklichkeit.« »Ich verstehe nicht, worauf Ihr anspielen wollt…« »Ach, nein? Obwohl es so offensichtlich ist? Obwohl es so offensichtlich ist, dass die so genannte Welt, die wir bewohnen, in der wir herumlaufen und einander anrempeln, nichts anderes ist als ein Zitatenragout aus den Werken der Science Fiction? Nehmt Euch aus den vielen Welten in unserer Galaxis eine beliebige heraus. Der Metroplanet stammt aus Asimovs Foundation-Zyklus. Tätowiermir ist aus Herberts Wüstenplanet geklaut. Meine Wenigkeit zitiert – ohne dass es ihr bewusst ist – aus Per Anhalter durch die Galaxis. Diese Raumschiffe haben genau die gleichen Umrisse wie die aus Babylon 5. Diese Nichtmenschen sehen genauso aus wie die aus Predator. Gibt es in unserer Welt irgendwas, das es in der Science Fiction nicht schon zuvor gegeben hat? Ja, einige Dinge gibt es. Doch haben diese Dinge ihren Ursprung in unserem Kosmos? Nein, sie haben ihren Ursprung nicht in unserem Kosmos: Man hat sie aus einem weiteren Sortiment von Kunstwerken aus dem Goldenen Zeitalter geklaut: von Monty Python, aus Slapstickkomödien, von Benny Hill. Sonst noch was? Nein – sonst nichts mehr. Alles in unserer Welt stammt aus einer dieser Quellen. Unsere Welt ist ein ScienceFiction-Klischee, verändert durch das Komikempfinden des zwanzigsten Jahrhunderts. Fällt Euch das nicht auf?« Niemand sagte etwas. »Vermutlich«, fuhr Tyrannosaurus fort, »hat eben diese Vertrautheit einen Schleier über Eure Augen und Hirne gelegt. Unsere Nase klebt so fest an der Zitaten- und Anspielungs-Leinwand, dass wir nicht mehr erkennen, womit wir es zu tun haben. Doch was es ist, ist unausweichlich. Wir können uns der Wahrheit nicht verschließen.« »Welcher Wahrheit?«, fragte Opi.
»Dass wir in einer künstlichen Wirklichkeit leben; in einer Scheinwelt, die aus Versatzstücken der Science Fiction des zwanzigsten Jahrhunderts besteht und hier und da mit Komödiengags gepfeffert wurde.« »Das ist doch absurd«, schrie Opi. »Wirklich, mein wackerer Jobber? Ich glaube es nicht. Pappér-LaPapp weiß, dass ich die Wahrheit sage. Er kennt mich seit langer Zeit.« Alle schauten Pappér-LaPapp an. »Ich fürchte, er hat Recht«, sagte der Ratsherr leise. »Tyrannosaurus ist ziemlich korrekt. Unsere Welt ist eine vielschichtige Illusion, eine detaillierte programmierte Wirklichkeit.« »Mir scheint, unser Bewusstsein ist in dieser Realität aus zweiter Hand gefangen«, sagte Tyrannosaurus. »Wie bei Philip K. Dick oder in Matrix befinden wir uns körperlich anderswo. Nur unser Geist stromert durch diese Scheingalaxis. Und diese nur in der Fantasie existierende Welt – die so viele von uns für echt halten –, diese programmierte Welt ist offenbar von jemandem konstruiert und zusammengeflickt worden, der eine Vorliebe für Science Fiction und die Komödien des zwanzigsten Jahrhundert hat. Dieser Programmierer hat, ohne sich weitere Gedanken zu machen, nur das verarbeitet, was er – oder sie? – kennt und mag.« »Aber – warum?«, fragte Pepsi mit qualvoll klingender Stimme. »Ja«, sagte Tyrannosaurus. »Das ist in der Tat die relevanteste Frage. Es ist außerdem die Frage, die man am schwierigsten adäquat beantworten kann. Wir wissen von unserem Programmierer – nennen wir ihn doch mal so, obwohl er vielleicht auch unser Gefängniswärter ist –, dass er H. Beam Pipers Der kleine Fuzzy gelesen hat, dass er 2001 – Odyssee im Weltraum und Metropolis gesehen hat. Wir wissen, dass ihm Der Wüstenplanet, Asimov und E. E. ›Doc‹ Smiths interplanetare Superwaffen gefallen. All dies können wir aus dem Kosmos folgern, in dem wir uns aufhalten – diese Galaxis, in der jedes SF-Klischee antanzt, um eine strukturierte Realität zu ergeben. Doch eines können wir nicht folgern: Warum? Was haben wir getan, dass wir in dieser Wirklichkeit gefangen sind?« Tyrannosaurus zuckte die Achseln. »Wisst Ihr es vielleicht, Ratsherr Pappér-LaPapp? Ich muss gestehen, dass ich es nicht weiß.«
»Eines weiß ich«, sagte Pappér-LaPapp leise. »Ich weiß, dass kein normales Lebewesen die Chance hat, dieses mysteriöse Rätsel zu lösen. Aber ich frage mich ständig, ob vielleicht ein Lebewesen, das irgendwo ganz oben steht…« »Ein sehr mächtiges Wesen«, stimmte Tyrannosaurus ihm zu. »Das mächtigste Wesen in diesem künstlichen Kosmos – etwa ein Präsident oder Imperator… Ich frage mich, ob es einem solchen Wesen vielleicht nicht eher gebührt, diese große Wahrheit aufzudecken?« »Verstehe«, sagte Opi und wandte sich an Tyrannosaurus. »Seid Ihr deswegen zur Schwarzen Seite gewechselt? Wolltet Ihr deswegen um jeden Preis so viel Macht an Euch reißen?« »Ob das der Grund war?«, sagte Tyrannosaurus lässig. »Vielleicht war es so. Man kann es nicht genau sagen. Ich glaube, meine ursprüngliche Bekehrung zur Schwarzen Seite der Pracht begründete sich auf meine Erkenntnis, dass ich im Inneren dieser Scheinwelt gefangen war. Damals hatte ich das Gefühl – ich habe es übrigens noch immer –, dass ich mich dieser Heuchelei wenigstens entgegenstellen könnte. Um sie zu bekämpfen, um zu versuchen, sie zu kaputtzumachen, um sie zu vernichten. Was hätte ich sonst tun sollen? Mit ihr zusammenarbeiten? Mich ihr duckmäuserisch unterwerfen, während der geheimnisvolle Programmierer uns wie Marionetten hin und her schubst? Nein! Ich weigere mich.« »Andererseits«, nahm Pepsi den Faden auf, »haben sich Eure Versuche, die künstliche Wirklichkeit zu vernichten, tatsächlich nur auf die Lebewesen ausgewirkt, die in ihr gefangen sind. Ihr habt nicht dem Gefüge dieses imaginären Kosmos geschadet, sondern den in ihm gefangenen Wesen.« »Das«, sagte Tyrannosaurus, »ist tatsächlich ein Problem. Nun, ich habe mich ergeben. Meine spezielle Rebellion hat geendet. Vielleicht sind alle Revolten von Anfang an zum Scheitern verurteilt; jede Revolte muss enden.« »Wenn das, was Ihr sagt, wahr ist«, sagte Opi, der noch immer mit dieser Vorstellung rang, »müssen wir die Bevölkerung der Galaxis alarmieren.«
»Müssen wir das? Vermutlich ja. Ich glaube aber, dass Ihr feststellen werdet, dass es sie nicht schert. Solange sie so weitermachen können wie bisher – leben, lieben, auf Partys gehen –, sind sie glücklich. Warum sollte es ihnen etwas ausmachen, ob der Hintergrund ihres Lebens eine echte oder simulierte Wirklichkeit ist?« In diesem Moment rief jemand vom Höhleneingang her: »Tyrannosaurus!« Es war Meister Jodella. »Gefunden ich Euch habe! Eure Rebellion enden wird!« »Moment«, rief Opi. »Es ist alles in Ordnung, Meister Jodella. Er hat sich uns ergeb…« Doch Jodella, der Jodel-ähiti schrie, nahm ihn nicht wahr. Es schien, als könne er Opis Worte nicht hören. Wie ein Terrier sprang die winzige grüne Gestalt durch die Luft. Jodellas Neonschwert blitzte hell; mit einem Hieb brach er die Leuchtstoffröhre am Steinboden der Grotte ab, dann sprang der Jobber-Meister mit einer flüssigen Bewegung auf und trennte Tyrannosaurus' Kopf mit dem gezackten Ende von seinem Hals. Der Schädel fiel wie ein Fußball auf den Boden – wenn auch wie ein unregelmäßig geformter, mit einem knochigen Kern und mit Flüssigkeit gefüllt. »Meister!«, rief Opi. »Er hatte sich doch schon ergeben!« »Er hatte?«, sagte Jodella. »Er hatte? Je oh. Na, nichts macht.« Er schlenderte aus der Grotte ins Freie und piff Yankee Doodle Dandy – allerdings rückwärts.
3 Auf dem Planeten Ja!Buh! Ratsherr Pappér-LaPapp und Pepsi Africola schlenderten auf Ja!Buh! an dem türkisfarbenen See entlang. In der Ferne versuchte Anni Skyquaker flache Kieselsteine über das ruhige Gewässer zu werfen. »Es ist nur schwer zu akzeptieren«, sagte Pepsi gerade, »dass alles, was uns so wirklich erscheint, nichts anderes sein soll als eine ausgetüftelte Computersimulation der Wirklichkeit.« »Ich fürchte, es ist so, meine Liebe«, sagte Pappér-LaPapp. »Aber ich fühle mich so herabgewürdigt… als würde mein Leben gar nicht zählen.« »So solltet Ihr Euch nicht fühlen, mein braves Mädchen. Vor seinem glücklosen Abgang machte Tyrannosaurus eine sehr wichtige Bemerkung. Unser Bewusstsein zählt, nicht die Welt, in der wir leben. Unsere Gedanken zählen, unsere Hoffnungen, Träume, Liebe und Leidenschaften. Wir haben das gleiche Bewusstsein.« »Wahrscheinlich ist es so«, erwiderte Pepsi. »Wir müssen wohl so weiterleben wie bisher. Doch trotzdem geht mir die Frage nicht aus dem Kopf: Warum?« »Ja, warum«, sagte Pappér-LaPapp zustimmend. »Warum ist eine sehr gute Frage.« Sie kamen zu einer marmornen Bank. »Wollen wir uns hinsetzen?« »Ja.« Eine Weile saßen die beiden nur so da, atmeten die Luft ein, die, obwohl nicht real, auf ihrer Zunge noch immer kühl und köstlich schmeckte, und bewunderten die Aussicht, die, obwohl künstlich erzeugt, noch immer schön war. Das Plop-plop-plop der Kieselsteine, die Anni ins Wasser warf, war gerade eben noch hörbar. »Ihr seid wohl ungebunden, nicht wahr?«, fragte Pappér-LaPapp kurz und leise. »Ihr habt keine Partner? Freunde? Freundinnen? Oder andere von Bedeutung?«
»Ich würde sagen, das geht Euch eigentlich nichts an«, erwiderte Pepsi mit einem freundlichen Lächeln. »Nein, eigentlich nicht«, gab der Ratsherr zu. Er schaute theatralisch zum Seeufer. »Es ist halt nur so: Ich weiß zufällig, dass der junge Skyquaker eine… Wie drückt man es am besten aus?… eine gewisse zärtliche Leidenschaft für Euch entwickelt hat.« Pepsi Africola errötete wider Willen. »Ich weiß«, sagte sie. »Er hat mir gesagt, dass er in mich verknallt ist. Es ist mir irgendwie unangenehm.« »Ihr erwidert seine Gefühle nicht?« »Anni sieht zwar gut aus, und es ist ganz vergnüglich, ihn um sich zu haben«, sagte Pepsi. »Auch seine prächtigen Fähigkeiten sind beeindruckend. Und unterhaltsam. Aber – ob ich ihn liebe? Er ist einfach zu jung. Wer weiß, vielleicht in fünf Jahren. Oder zehn.« »Tja«, sagte Pappér-LaPapp glatt. »Ich habe Euch vielleicht etwas in Aussicht zu stellen. Ein geschäftliches Angebot. Ich möchte, dass Ihr genau darüber nachdenkt, bevor Ihr antwortet. Und bevor ich irgendwas sage, möchte ich eins klarstellen: Ich habe die Absicht, in Kürze die mächtigste Einzelperson der Galaxis zu werden. Und ich habe die Absicht, den jungen Skyquaker zu meinem Stellvertreter zu machen.« Pepsi Africola hielt den Atem an. Kälte schien sich über die Szenerie zu senken. »Das«, sagte sie, »ist wirklich eine überraschende Neuigkeit.« Pappér-LaPapp machte eine wegwerfende Handbewegung und rückte seinen Bowlerhut gerade. »Ihr wisst, dass ich nicht bloß prahle. Ich sage die reine Wahrheit. Es ist unausweichlich. Den Rat habe ich schon in der Hand.« »Dafür würdet Ihr eine sehr große Hand brauchen!«, witzelte Pepsi in einem Versuch, ihre Laune zu heben. »Nicht unbedingt eine große Hand«, sagte Pappér-LaPapp finster, »sondern eine große Handfläche.« Pepsi bemühte sich kurz zu eruieren, was er damit meinte, doch es gelang ihr nicht. »Gestattet mir, meine Liebe«, fuhr Pappér-LaPapp fort, »dass ich Euch einige bittere Wahrheiten erzähle. So wie es aussieht, werde ich bald der mächtigste Mann im Kosmos sein – und Anni Skyquaker der
zweitmächtigste. Würde eine junge Frau meinen Stellvertreter ehelichen, käme sie in eine Position von gewaltigem Einfluss. Sie wäre dem Zentrum der Macht sehr nahe. Sie wäre vielleicht sogar« – und nun wurde Pappér-LaPapps Stimme noch leiser – »in einer Position, in der sie mehr über dieses auf Science Fiction basierende Universum herausbekommen könnte, in dem wir gefangen sind… und vielleicht sogar einen Weg hinaus finden…« Eine Weile waren Pepsis Augen wegen der geschilderten Möglichkeiten sehr groß, obwohl ihr Instinkt ihr abriet. »Wie ich sehe, seid Ihr interessiert, meine Liebe«, sagte PappérLaPapp und stand auf. »Ich sehe es an Euren Augen. Ich bitte Euch nur, dass Ihr darüber nachdenkt. Und vergesst eines nicht: Obwohl ihr den jungen Anni im Moment vielleicht noch nicht anziehend findet, sagt man im Allgemeinen, dass Macht ein sehr wirkungsvolles Aphrodisiakum ist. Und er wird sehr bald sehr mächtig sein.« »Ich verstehe nicht«, sagte Pepsi. »Was habt Ihr davon?« »Was ich davon habe? Ich habe davon, dass mein mächtiger junger Stellvertreter glücklich ist. Ich werde zu ihm sagen: ›Du möchtest Pepsi Africola haben? Ich werde dir Pepsi Africola beschaffen.‹ Ich werde ihn somit mit meiner Kommandogewalt beeindrucken und aus Dankbarkeit an mich binden. Das habe ich davon. Lebt wohl, meine Liebe. Ach – da fällt mir noch was ein.« Pepsi wurde schwindelig. »Was denn?« »Die Liste der SF-Klassiker, aus denen man diese gewaltige und verzwickte Simulation zusammengeschustert hat – wisst Ihr noch? Der Wüstenplanet, der Foundation-Zyklus, Tron, Per Anhalter durch die Galaxis…« »Ich hab's nicht vergessen«, sagte Pepsi. »Es gibt da noch eine SF-Erzählung, die Tyrannosaurus nicht erwähnt hat. Sie ist tatsächlich die wichtigste von allen. Und zwar deswegen, weil sie die Grundlage für alle anderen liefert.« »Wie heißt sie?«
»Die letzte Grenze«* sagte Pappér-LaPapp und lächelte, als hätte er gerade einen Witz erzählt. »Ich fürchte, ich habe sie nicht gelesen«, sagte Pepsi Africola. »Ihr habt sie nicht gelesen? Wie schade. Sie erhellt die Umstände nämlich sehr. Lebt wohl, meine Liebe.«
Von Norman Spinrad; in: Wolfgang Jeschke (Hrsg.), Die letzte Grenze, München 1985
*
Dritte Episode Die Rache der Rückkehr des Sohnes der Siff reitet wieder: Die nächste Generation – die Anfangsjahre
Lord Tyrannosaurus ist tot, die Tron-Krieger sind unter Kontrolle gebracht. Und doch breitet sich die Schwarze Seite der Pracht – jene abscheuliche Perversion der Jobber-Prinzipien, die man nur als ›Siff‹ kennt – tentakelartig durch die Galaxis aus. Auf tausend Welten werden schwarze Untaten geplant und begangen. Niemand weiß, wo das Zentrum dieser finsteren Macht sein könnte. Es ist ein Rätsel. Du weißt natürlich, wer der geheime Lord der Siff ist: Es ist ganz offensichtlich Pappér-LaPapp. Doch du hast den Vorteil dessen, der im Nachhinein immer schlauer ist, nicht wahr? Ja, ja, Anni Skyquaker wird zu Schwarz Vater. Und, ja, Ratsherr Pappér-LaPapp wird zum Herrscher des Reiches und zur Verkörperung des Bösen und so weiter. Was ich damit sagen will: Damals haben die Menschen es nicht erkannt. Andererseits gab es in der letzten Episode die überraschende Enthüllung, dass die gesamte Galaxis eigentlich nicht real, sondern eher eine Scheinwelt im Stil von Matrix ist, zusammengebraut von Gott weiß welchen Zitaten aus der Science Fiction des zwanzigsten Jahrhunderts, aus Gott weiß was für einem Grund. Das kam unerwartet, was? Meine Güte! Glaubst du, dass gerade diese spezielle Offenbarung irgendwelche Auswirkungen auf die nächste Episode hat? Na, was glaubste?
»Du bist ganz schön dick geworden«, sagte Anni Skyquaker, als er Arm in Arm mit seiner Gattin, der wunderschönen, zu einer üppigen Frau herangereiften Pepsi Africola spazieren ging. Sie schlenderten an einer Marmorpalisade, an einem türkisfarbenen See und an rot und gelb blühenden Blüten der Rhinodendronbüsche auf dem Gartenplaneten Ja!Buh! vorbei. »Wie bitte?«, erwiderte Pepsi. »Ganz schön«, sagte Anni und schaute aufs Wasser, »dick biste geworden.« »Anni«, erwiderte Pepsi. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich offen mit dir rede.« »Was meinst du damit?« »Ich bin schwanger, Anni.« »Mann!« »Ja, so ist es. Genau genommen bin ich jetzt seit achteinhalb Monaten schwanger.« »Ist das gut?« »Ähm… Ich glaube schon.« »Stimmt. Wirst du wieder gesund?« »Gesund? Anni, du verstehst wohl nicht… Schwangerschaft ist ein Zustand, bei dem sich im weiblichen Uterus ein Kind entwickelt.« »Mann! Kann ich jetzt gehen und an der Paravideogame-Konsole spielen? Bitte!« »Warte mal, Anni. Es ist wichtig. Du weißt doch, was passiert, wenn eine Schwangerschaft vorbei ist?«
»Ich hab doch nur das eine Spiel dabei: Brian Lara Croft IV. Es ist eine Kombination aus Cricket-Simulator und Zombie-Abschießen und spielt in einer alten Pyramide. Es ist echt famos.« »Hör mal, ich möchte nur, dass du dich in dieser Sache eine Minute lang wie ein Erwachsener aufführst. Wenn das Kind geboren ist, werden wir beide uns um es kümmern müssen: Es erziehen. Das ist eine große Verantwortung…« »In Ordnung, in Ordnung«, sagte Anni Skyquaker und riss sich vom Arm seiner Gattin los. »Jetzt muss aber damit auch mal Schluss sein. Ich werde dir helfen, das blöde Kind zu erziehen. Kann ich jetzt gehen und das Paravideo spielen?« »Na schön. Gib mir zuerst einen Kuss…« Doch Anni war schon fortgelaufen. Pepsi Africola schaute, eine Mischung aus Zuneigung und Wut im Gesicht, hinter ihm her. Da tauchte hinter dem Rhinodendronbusch eine vertraute Gestalt auf: Opi-Jan Knofi. Er trat neben die junge Frau. »Ist er weg?« »Er geht in einer computererzeugten künstlichen Realität ein paar Zombies killen«, sagte Pepsi seufzend. »Manchmal wünsche ich mir, er wäre ein wenig erwachsener geworden.« »Tja«, sagte Opi und legte einen Arm um Pepsis Taille. »Wenn er ganz in diese Vid-Realität abtaucht, haben wir wenigstens etwas Zeit füreinander…« Später lagen Pepsi und Opi in einer weißen Marmorkammer mit einem breiten Flügelfenster, das auf ein breites, von der Sonne beschienenes Feld aus Federgras hinausschaute, auf einem großen Bett. Vorhänge aus weißem Samit bauschten sich wie Quallen vor dem offenen Fenster. Aus einem verborgenen Lautsprecher ertönte beruhigende Lautenmusik. »Es stinkt mir«, sagte Opi, »dass du ihn geheiratet hast. Es stinkt mir, dass du nicht mich heiraten kannst.« »Ich weiß«, sagte Pepsi. »Du brauchst aber nicht eifersüchtig zu sein. Er ist auf seine Weise ganz lieb; aber er ist nur ein Kind. Er ist kein Erwachsener wie du. Aber man darf auch die andere Seite nicht vergessen.
Er ist Anni – er ist Pappér-LaPapps Lieblingsschüler, und wenn Pappér-LaPapp die Herrschaft über den Senat an sich reißt – und das soll offenbar schon am nächsten Donnerstag der Fall sein –, ist er sein Stellvertreter. Ich bin seine Frau, du bist sein Freund. Dann haben wir jede Menge Gelegenheit, Einfluss zu nehmen. Und auf dieser Ebene bedeutet Einfluss Macht. Andererseits bist du da – und so sehr ich dich auch liebe, Opi, du bist ein Junior-Jobber, der sich hauptsächlich mit Kram und Firlefanz abgeben muss. Der größte Teil des Rates misstraut dir, weil dein Akzent ständig zwischen Dortmund und Wuppertal hin und her hüpft. Und ich bin nur eine von vielen Beamtinnen und stamme von einem ländlichen Hinterwäldlerplaneten. Ohne dieses Standbein wären wir nie in der Position, in der wir jetzt sind. Wenn wir miteinander verheiratet wären, wären wir zu einem Leben in Armut verurteilt, ohne Zugang zu den Korridoren der Macht. So ist es besser.« »Dein Ehemann hat ständig Wutanfälle«, sagte Opi. »Er mag zwar nur ein Kind sein, aber er ist größer, muskulöser und beträchtlich weniger arthritisch als ich… Wenn er von uns erfährt…« »Wird er aber nicht.« »Und wenn doch?« »Wird er nicht«, sagte Pepsi bestimmt. »Wir müssen eben dafür sorgen, dass er es nie erfährt. Verstehst du?« »Tja, ich werd's ihm jedenfalls nicht sagen.« »Und auch sonst niemand.« »Nein, auch sonst niemand.« »Versprochen?« Opi seufzte. »Das Versprechen eines Jobbers ist eine wundervolle Sache, Pepsi. Wenn ich etwas verspreche, kann ich mein Versprechen niemals brechen.« Pepsi schaute ihn ernst an. »Und«, fügte Opi hinzu, »ich verspreche es.« »Gut«, sagte sie und drängte ihren schwangeren, aber noch immer höchst begehrenswerten Leib an ihn.
Später, als sie einander zum zweiten Mal an diesem Nachmittag in den Armen lagen, sagte Pepsi: »Wie eigenartig.« »Was denn?« »All das«, sagte sie und blickte zum Fenster hin. »Was denn – die Vorhänge?« »Ich meine den ganzen Kosmos. Sich vorzustellen, dass alles nur eine Metapher ist – eine ausgetüftelte Scheinwirklichkeit. Es wirkt doch alles so echt.« »Es ist echt. Für uns ist es echt, und nur darauf kommt es an. Außerdem vergisst du etwas: Das Bewusstsein innerhalb dieser Scheinwirklichkeit ist reales Bewusstsein. Wir sind echt – unsere Gedanken, unsere Träume, unsere Liebe, unsere Sehnsüchte. All das ist echt. Wie sagte doch einst ein großer Philosoph? Cogito ergo sum. Ich denke, also kann ich zusammenzählen. Und ich denke, dass wir zusammen etwas Besonderes ergeben, egal in welcher Umgebung wir uns auch befinden. Man muss sich an das Wichtige halten.« »Das glaube ich auch«, sagte Pepsi und hielt sich an etwas Wichtigem fest. »Doch gerade deswegen müssen wir an die Spitze gelangen – oder zumindest in die Nähe der Spitze der Machtstrukturen. Wir müssen in eine Position gelangen, in der wir alles über diese Science-FictionScheinwirklichkeit in Erfahrung bringen können. Wir müssen rauskriegen, ob wir aus ihr aussteigen können…« »An meinem momentanen Standort«, seufzte Opi, »ist das Bleiben aber sehr verlockend…« Tage vergingen. Eines Tages fiel eine Fähre des Rates, in dem sich der Ratsherr befand, durch den vollkommen blauen Himmel. Nachdem sie gelandet war, bahnte er sich über die Marmortreppe einen Weg in den Palast. »Guten Tag, junger Jobber«, sagte Ratsherr Pappér-LaPapp, als er durch den Türrahmen in Anni Skyquakers Heidenlärm-Raum trat. »Mann! Hallo!«, sagte Anni und sprang vom Boden auf, wo er bäuchlings gelegen und Zombie-Murksen gespielt hatte. »Wie wunderbar, Euch zu sehen!«
»Wie du wohl weißt, junger Anni, betrachte ich mich als deinen Gönner.« »Ich werde immer unglaublich dankbar für alles sein, was Ihr für mich getan habt, Sir«, sprudelte Anni hervor. »Wärt Ihr nicht gewesen, wäre ich wohl nie fähig gewesen, meine geliebte Frau zu heiraten oder so viel Macht und Respekt anzuhäufen.« »Wir helfen uns gegenseitig, mein Freund. Wir helfen uns gegenseitig. Ich zehre von deinen prächtigen Kräften, und du bist ein ausgezeichneter Stellvertreter. Zusammen sind wir ein Team.« »Es ist wahnsinnig nett von Euch, das zu sagen«, sagte Anni strahlend. »Und es stimmt. Ich habe Africola gerade gesehen. Sie spazierte über die Marmorpromenade.« »Ist sie nicht wundervoll?«, sagte Anni. »Ich bin so froh, dass ich sie habe. Und ich weiß, dass ich all dies nur Euch verdanke, Sir.« »Außerdem höre ich, dass du bald Vater wirst?« »Stimmt. Die Taster sagen, dass es ein Junge ist. Ich habe schon einen Namen für ihn ausgesucht: Luke. Was haltet Ihr davon?« »Ich halte Luke für einen wundervollen Namen. Aber eigentlich wollte ich mich über etwas anderes unterhalten. Du weißt doch, dass ich am kommenden Donnerstag…« Annis Grinsen wurde noch breiter. Er zwinkerte Pappér-LaPapp vertraulich zu und tippte mit einem langen Finger auf seinen Nasenrücken. »Das reicht, Sir«, sagte er. »Ich weiß Bescheid. Ich werde dort sein, Sir. An Eurer Seite.« »Ja«, sagte der Ratsherr. »Tja, ohne dramatisch werden zu wollen… Wir wissen beide, dass ich an diesem Tag das Ratsprotokoll dazu nutzen werde, um mich zum Herrscher auf Lebenszeit zu erklären und meine Gegenspieler einknasten lasse. Und du wirst mein Stellvertreter sein. Gefällt dir das? Der zweite Mann in der gesamten Galaxis?« »Ja, Sir!«, strahlte Anni. »Ich kann's kaum noch erwarten!« »Nun, es gibt noch ein letztes Stück in diesem politischen Puzzle, das ich dir erklären muss. Setz dich hin, mein lieber Junge, dann erzähle ich es dir.«
Anni nahm Platz. Pappér-LaPapp ließ sich ebenfalls in einem Sessel nieder. »Ich nehme doch an«, sagte der Ratsherr, »dass du schon mal von der Schwarzen Seite der Pracht gehört hast? Von den Siff-Lords?« »Jawohl, Sir«, sagte Anni, wobei sich seine Stirn missbilligend runzelte. »Abscheuliche Kerle.« »So lautet das allgemeine Vorurteil«, sagte Pappér-LaPapp zustimmend. »Was also würdest du empfinden, wenn ich dir sagen würde, dass ich in Wirklichkeit einer der ihren wäre? Dass ich sogar der Chefarchitekt der Macht der Siff bin?« »Um ehrlich zu sein, dann wäre ich aber schwer von den Socken, Sir«, sagte Anni und schaute gleichzeitig verwirrt und verdutzt drein – eine Mischung aus Emotionen, die nur wenige Mienen ausdrücken können, die Anni Skyquaker aber so leicht fiel wie nur was. »Ich möchte dir etwas über die Schwarze Seite erzählen, mein Junge«, sagte Pappér-LaPapp. »Nachdem ich dir die Natur der Dinge erläutert habe, magst du entscheiden, auf welcher der beiden Seiten man weiterkommt. Doch zuerst musst du meinen wahren Namen erfahren: Ich heiße Schwarz Charlie…« Er redete weiter. Und während er redete, wurden Anni Skyquakers Augen immer größer. Danach änderten sich die Dinge. Pepsi Africola bemerkte natürlich, dass ihr junger Gatte immer schwarzer wurde. Es war, als sei er aus einem sonnigen in einen finsteren Teil seiner ausgedehnten Jugend umgezogen. Er trug nur noch schwarze Kleidung und schlich die ganze Zeit in seinem Zimmer herum. Wenn die Hauptzofe – die Keflapodin Psoriasis – einen Versuch machte, einzutreten um die Bettlaken zu wechseln und ein wenig sauber zu machen, scheuchte Anni sie hinaus. Dann stand der große Donnerstag an. Anni begab sich mit PappérLaPapp an Bord einer Fähre und flog zum Metroplaneten, um seinem Gönner zu helfen, die Macht im Rat an sich zu reißen. Als er fort war, hatte Psoriasis endlich eine Chance, sein Zimmer aufzuräumen. Und als sie dies tat, stieß sie auf Annis Tagebuch. Natürlich
blätterte sie es durch. Zwanzig Minuten später stand sie mit einem besorgten Gesichtsausdruck vor ihrer Herrin. »Euer Gatte«, sagte sie, »ist zur Schwarzen Seite übergelaufen. Es steht in seinem Tagebuch.« »Nein!«, rief Pepsi. »Zeig's mir.« Freitag, der 13. Bin aufgestanden. Hab Crunchies gefuttert. Hab endlich den Griffwechsel von G-Dur zu as-Moll auf der altarianischen Elektrolaute hingekriegt. Hab festgelegt, wie ich mich als Lord der Siff nennen werde. Da ich bald Vater bin, werde ich mich Schwarz Vater nennen. Ich glaube, der Name hat einen guten Klang. Alle bösen Lords der Siff müssen als Vornamen Schwarz wählen. Eigentlich halte ich es für ganz ausgezeichnet, und außerdem ist es ein besserer Name als Anni, der meiner Meinung nach eher so was wie ein Mädchenname ist. Ratsherr Pappér-LaPapp hat mir erzählt, Opi-Jan und Pepsi werden sich nie der Schwarzen Seite anschließen. Deswegen müssen sie zur Gefängniswelt geschickt werden, vielleicht auch exekutiert, aber das klären wir irgendwann später. Vor einer Woche hätte mich das noch gestört, besonders bei Pepsi, denn die ist schrecklich nett. Aber sie ist so dick geworden – na schön, schwanger, aber wo ist da der Unterschied? –, dass sie mir jetzt eigentlich nicht mehr so gut gefällt. Und außerdem: Wenn man einmal auf der Schwarzen Seite steht, kann man sich nicht mehr von bloßen persönlichen oder gefühlsmäßigen Zusammenhängen beeinflussen lassen; das hat jedenfalls mein Kumpel PappérLaPapp gesagt. »Großer Thog!«, rief Pepsi. »Das müssen wir sofort Opi-Jan Knofi erzählen!« Weit fort, auf dem Metroplaneten, lief der Staatsstreich ganz nach Plan. Sämtliche Widersacher des Ratsherrn Pappér-LaPapp – inzwischen Kanzler Pappér-LaPapp – waren auf die Gefängniswelt deportiert worden. Ein Versuch, den neuen Herrscher festzunehmen, ein verzweifelter letzter Versuch der scheidenden Ratsherren, wurde durch eine blendende Vorführung prächtigen Klamauks von Pappér-LaPapps jungem Genossen verhindert, der sämtliche Ratswachen mit einem Teller voller Schinkenbrote, einem Sessel und einem Bleistift bewusstlos schlug.
Am Freitag hatte der neue Herrscher seine Vasallen in allen Machtpositionen des Metroplaneten untergebracht und flog mit Skyquaker nach Ja!Buh! zurück. »Nun müssen wir mit deiner Gattin fertig werden, mein Freund«, gab Pappér-LaPapp bekannt. »Man kann ihr nämlich nicht trauen.« »Es ist zwar schade«, sagte Skyquaker, »aber ich nehme an, so spielt das Leben nun mal.« »Ja, das Leben. Ich schlage vor, wir verbannen sie auf die Gefängniswelt XII. Opi-Jan Knofi können wir zur Gefängniswelt III schicken. Dort ist es zwar weniger angenehm, doch er ist ein Jobber-Ritter, also müsste er die nötigen Utensilien haben, um mit den dortigen Härten fertig zu werden.« »Könnte ich Pepsi wohl hin und wieder besuchen?«, fragte Skyquaker vorsichtig. »Mein lieber junger Lehrling«, sagte Pappér-LaPapp ernst. »Hast du vergessen, was wir besprochen haben? Ich hoffe doch, du lässt nicht zu, dass rührselige Gefühle dich beeinflussen? Die Schwarze Seite kann sich keine Sentimentalitäten leisten.« »Ihr habt natürlich Recht«, sagte Skyquaker leise. »Nein, ich halte es für besser, wenn du sie nicht besuchst. Es sei denn natürlich, dass sie ihre Ansichten ändert und sich bereit erklärt, auf die Schwarze Seite zu wechseln. Aber ich glaube nicht, dass wir damit rechnen sollten. Wir wissen beide, wie unwahrscheinlich es ist.« »Aber«, sagte Anni. »Das Kind. Mein Sohn…« »Ich werde mich um das Kind kümmern«, hauchte Pappér-LaPapp. »Überlass seine Erziehung mir.« »Aber«, sagte Anni. »Er ist doch noch immer mein Kind.« »Na schön«, sagte Pappér-LaPapp und schaute nun ein wenig sauer drein. »Willst du dir wirklich ein Balg aufhalsen, das nachts gestillt wird, dem man die Windeln wechseln muss, das Magenzwicken hat und einen voll kotzt, von der übrigen Erzieherei ganz zu schweigen?« Anni überlegte. »Ich schätze nicht«, sagte er zögerlich.
»Würdest du nicht lieber deine Abschusstechnik beim Zombies metzeln im Zombie-Zoo perfektionieren? Die Schwarze Seite praktizieren? Es gibt da einen Trick, den ich dir beibringen kann. Er wird dich befähigen, die Gurgel eines Menschen zu zermalmen, ohne ihn auch nur anzufassen! Das wird dir gefallen.« Das klang natürlich viel mehr nach produktivem Zeittotschlagen. »Boah«, sagte Anni. »Das klingt wirklich interessanter als Windeln wechseln.« »Wenn der kleine Luke erwachsen ist, werdet ihr wieder zueinander finden«, versprach Pappér-LaPapp. »Das garantiere ich. Und wenn er ausgewachsen ist, prophezeie ich, dass er sich zu uns auf die Schwarze Seite der Pracht gesellen wird. Dann werden du, er und ich die Galaxis als Triumvirat beherrschen.« »Als was?« »Das ist ein aus drei Parteien bestehendes Machtgebilde.« »Famos! Kann ich jetzt gehen und auf meiner altarianischen Laute spielen? Ich habe heute mit der Post ein Death-Metal-Songbuch und eine CD zum Mitsingen gekriegt.« »Hau schon ab.« Anni Skyquaker eilte in sein Gemach. Pappér-LaPapp saß da und schaute durch das Aussichtsfenster auf die verwischten Sterne, die die topologischen Unmöglichkeiten des Hyperraumfluges dehnten. Sein Blick schien alles in sich aufzunehmen, als bestünde die Möglichkeit, dass all dies einst sein privater Besitz sein würde: Als könne er sich all dies in die Tasche stecken. Ob es daran lag, dass seine Tasche so groß war oder weil das ganze simulierte TrowUniversum so klein war, blieb unklar. Kurz darauf schlüpfte das Raumschiff aus dem Hyperraum und ging um Ja!Buh! in eine Kreisbahn. »Wir müssen jetzt gehen«, beharrte Opi zum siebzehnten Mal. »Dein Gatte und der neue Herrscher können jeden Moment zurückkehren.« »Ich kann jetzt nicht gehen«, keuchte Pepsi. »Zufällig bin ich nämlich mitten in der Arbeit. Gaaahhhh!«
»Presst, Herrin«, sagte Psoriasis. »Presst!« »Ich prrrreeessse ddddooochchch«, erwiderte Pepsi. Opi ging in der Geburtskammer auf und ab. »Wir können es uns nicht leisten zu warten«, murmelte er. Die kepflapodische Zofe murmelte verärgert: »Meine Herrin wird mehrere Wochen brauchen, bevor sie einen Raumflug durchstehen kann. Der Hyperraumschock würde sie töten.« »Wochen?«, stöhnte Opi. »Das ist ja schrecklich! Pappér-LaPapp und dein Gatte werden in einigen Stunden hier sein. Was können wir tun?« Pepsi hatte zwischen den Wehen einen ruhigen Punkt erreicht. Sie schnaufte laut, und Psoriasis wischte ihr den Schweiß von der Stirn. »Der Zeitpunkt ist ungünstig«, stimmte sie ihm zu. »Wenn die Wehen noch ein paar Tage gewartet hätten, wären wir sauber davongekommen. Doch so wie die Dinge jetzt liegen, weiß ich auch nicht mehr, was wir machen könnten.« »Vergiss uns«, sagte Opi. »Was wird aus unserem Sohn? Wir können nicht zulassen, dass er in die Hände der Siff-Lords fällt.« »Du könntest ihn mitnehmen«, sagte Pepsi leise. »Wenn er geboren ist. Nimm ihn und einen Milch-Synthetisierer, einen Windelfabrikator und verschwinde. Du kannst gehen, ich aber nicht.« »Ich soll dich verlassen?«, schrie Opi. »Niemals!« »Denk geradeaus«, sagte Pepsi. »So bist du mit dem Kleinen in Sicherheit. Du kannst weit weg gehen – du kannst den Widerstand gegen die Neue Weltordnung organisieren.« »Und was wird aus dir? Und außerdem… Wenn dein Gatte sieht, dass sein Kind fort ist, wird er den ganzen Kosmos durchsuchen, um es zu finden.« »Vielleicht hast du Recht«, sagte Pepsi ärgerlich. »Es ist doch nur ein… Araaagh! Ggnnnngh!« Psoriasis beugte sich über ihre Herrin und bemühte sich, den Schmerz ihrer Wehen zu lindern.
»Entschuldige, Krätze«, sagte Opi, »aber ich muss es fragen: Was ist das für eine große unansehnliche Geschwulst an deinem Hinterkopf, zwischen den beiden Tentakeln?« »Ist das die richtige Zeit«, keuchte Pepsi mit großen Augen, »für solche Fragen? Gggggg.« »Das?«, erwiderte Psoriasis. Sie griff sich mit der linken Hand an den Hinterkopf, während sie mit der rechten den Schweiß vom Gesicht ihrer Herrin abwischte. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Ich glaube, eine Tochter.« »Eine Tochter? Soll das heißen, da wächst dein Kind heran?« »Klar. So gebären wir Keflapoden unsere Kinder. Wenn Ihr mich fragt, ist es eine viel logischere Methode als die verrückte menschliche mit all dem Blut und dieser Presserei. Nein, danke. Bei uns wachsen die neuen Kinder am Hinterkopf heran. Wenn es reif ist, fällt es ab.« »Und dann?« Die Keflapodin lachte. »Weiß ich nicht. Ist mir auch wurscht. Wir verlassen sie, damit sie für sich selbst sorgen.« »Gleich nach der Geburt!« »Ja, das ist die keflapodische Methode.« »Liebling«, sagte Opi und ergriff Pepsis Hand. »Ich glaube, ich habe eine Idee…« Die letzte Silbe seines letzten Wortes verwandelte sich in den Schrei »Aaaargh!«, als Pepsi, deren Körper nun von einer neuen Wehe geschüttelt wurde, seine Hand so fest drückte, dass seine Knöchel brachen. Nachdem das Schiff auf der Gemeindelandebahn von Ja!Buh! aufgesetzt hatte, ließ der neue Herrscher Anni Skyquaker in seiner Kabine zurück und machte sich allein auf den Weg zum Palast. Sein Gang wurde o-beinig, sein Gehstock bog sich in seiner rechten Hand. Als er ans Haupttor kam, vollführte er eine rasche Bewegung – er machte einen seitlichen Sprung in die Luft, als drehe er sich auf der rechten Hand, die auf dem Griff seines Gehstocks lag – und ließ flugs seine Fersen aneinander knallen, bevor er wieder auf den Beinen landete und seinen Weg fortsetzte.
Er durchschritt das Palasttor, ging die breite Treppe hinauf und begab sich in Pepsis Gemächer. Sie saß auf dem Bett und wiegte ein kleines Kind in den Armen. »Pappér-LaPapp!«, rief sie mit einer Stimme, die nicht allzu erfreut klang. Er hatte sich einen kleinen Schnauzbart wachsen lassen. »Was macht Ihr hier?« »Ich wollte Euch nur mal besuchen, meine Liebe«, sagte PappérLaPapp schleimig. »Habt Ihr was dagegen, wenn ich mich hinsetze?« »Lieber nicht«, erwiderte Pepsi. »Ich kenne Eure wahren Motive, Pappér-LaPapp. Ich weiß, dass Ihr Euch mit den Kräften der Finsternis eingelassen habt. Ich weiß, dass Ihr zu den Siff gehört, dass Ihr die Kontrolle über den Rat an Euch gerissen habt und möglicherweise ein böser Tyrann werden werdet, der den Versuch machen wird, die Jobber ganz und gar aus dem Kosmos zu tilgen.« »Ihr scheint ja eine Menge zu wissen«, sagte Pappér-LaPapp höflich. »Und ich glaube, ich setze mich trotzdem hin, ungeachtet Eurer Ungastlichkeit.« »Damit kommt Ihr nicht durch«, sagte Pepsi erhitzt. »Mit dem Hinsetzen? Oder mit dem finsteren Plan, die Macht an mich zu reißen? Das Letztere ist mir bereits gelungen, meine Liebe. Es bedeutet, dass ich als mächtigste Einzelperson der Galaxis, mit jedem Sessel, auf den meines Auges Blick fällt, tun kann, was mir beliebt.« »Ich weiß, dass Ihr meinen Gatten überredet habt, sich der Schwarzen Seite der Pracht anzuschließen!«, rief Pepsi aus. »Er ist zu jung und zu hitzköpfig, um klar zu denken. Er ist nur ein Grashalm, der sich im Windhauch wiegt. Ihr habt ihn verführt!« »Ja, in einem rein politischen Sinne. Aber mein Benehmen lässt zu wünschen übrig – ich habe Euch ja noch gar nicht zur Geburt Eures Kindes gratuliert!« Im Nu war er wieder aufgestanden und stand neben ihrem Bett. »Ein wunderschönes Kind. Oh! Ist es ein Mädchen?« »Richtig«, sagte Pepsi trotzig. »Aber die Taster haben doch einen Jungen erkannt…« »Die Taster haben sich geirrt.«
Pappér-LaPapp schaute Pepsi fest an. »Ach so. Anni hat nämlich mit einem Sohn gerechnet. Er hat schon einen Namen für ihn ausgesucht. Nicht, dass es mich irgendwie stört oder so. Er wird das Kind ja ohnehin nie zu Gesicht bekommen…« »Ihr Ungeheuer!« »Ja. Klein-Anni ist nämlich prächtig begabt und wird mir bei meiner Eroberung der Galaxis ein lebenswichtiger Verbündeter sein. Aber er ist, wie Ihr sagt, hitzköpfig, unstet und leicht abzulenken. Ich werde ein kleines Druckmittel brauchen, um ihn zu zwingen, mir treu ergeben zu sein. Ihr und Euer Kind seid dazu sehr gut geeignet. Während wir uns hier unterhalten, landet meine Leibgarde gerade im Hof. Sie werden Euch und Eure Tochter in Kürze zu einem bestimmten Gefängnisplaneten bringen. Seid unbesorgt, denn man wird sich bestens um Euch kümmern. Der Planet ist ziemlich geräumig und die Unterkünfte gut geschützt. Ihr bekommt alle Nahrung und Unterhaltung, die Ihr braucht. Ihr könnt sogar Euren Droiden mitnehmen, damit Ihr Gesellschaft habt. Und Trostpausen.« »Ihr wollt mich nur wegschließen!«, schrie Pepsi aufgebracht. »Ich werde niemals nachgeben! Ich werde in der Gefangenschaft verwelken und sterben…« »Vielleicht wird es in ein paar Jahren dazu kommen, meine Liebe«, sagte Pappér-LaPapp lässig. »Aber es spielt kaum eine Rolle. Die Roboter auf dem Gefängnisplaneten können das Kind aufziehen – und es kommt schließlich nur auf das Kind an. Solange Anni weiß, dass ich die Kontrolle über das Kind habe, wird er nie wagen, mich zu hintergehen. Und deswegen wird es Euch und Eurem Balg nie erlaubt sein zu entwischen – bevor Schnuckilein in Euren Armen gänzlich erwachsen ist.« »Wie ich sehe, habt Ihr Euch einen Schnauzbart wachsen lassen«, sagte Pepsi ergrimmt. »Es sieht so aus, als hättet ihr dabei Adolf Hitler imitiert. Wie passend!« »Ihr bellt den absolut falschen Baum an, meine Liebe«, erwiderte Pappér-LaPapp höflich.
Als sein Raumschiff durch die Kompliziertheiten des Super-Superraums fegte, wiegte Opi-Jan Knofi seinen Sohn in den Armen. Er war nach Tätowiermir unterwegs, wo er ein Adoptivelternpaar ausgemacht hatte. Er hatte zwar zuerst daran gedacht, das Kind selbst aufzuziehen, doch dann war ihm klar geworden, dass ihm dies zu anstrengend wäre. Nein, es war besser, wenn er den Jungen den Svennsons übergab, die in der Wildnis der Außenbezirke einer Sackgassenstadt auf einer wirtschaftlich am unteren Ende der Skala angesiedelten Welt lebten. Opi hatte beschlossen, in ihrer Nähe zu bleiben. Vielleicht konnte er sich eine Art Einsiedelei basteln, um die Dinge im Auge zu behalten – zumindest für die nächste Zeit. Wenn die noch verbliebenen Angehörigen des JobberOrdens die Bedrohung durch die Macht der Siff beseitigt hatten – und Opi war sich ganz sicher, dass der Sieg bald kommen würde –, wollte er wieder in voller Größe in der Galaxis auftauchen. Doch bis dahin musste er sich verdünnisieren. Hoffentlich brauchte er nur zu warten, bis Pepsi die Flucht gelang und sie sich auf Tätowiermir zu ihm gesellte. Er war sicher, dass ihr eine Flucht aus Pappér-LaPapps Fängen gelingen würde. Er wusste zwar nicht genau wie, aber sie würde bestimmt einen Weg finden… »Ihr seid die Verkörperung des Bösen!«, rief Pepsi. »Ganz im Gegenteil, meine Liebe«, sagte Pappér-LaPapp leise. »Ich bin gar nicht böse. Ich will Euch sagen, warum ich nicht böse bin. Ich werde es Euch erzählen, wie zuvor schon Anni – was ihn überzeugt hat, auf meine Seite überzutreten. Anni Skyquaker ist vielleicht noch jung, aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck.« »Das habe ich früher auch immer geglaubt«, erwiderte Pepsi. »Bis ich erfuhr, dass er auf Eurer Seite steht.« »Aber er ist auf meiner Seite, weil er sie für die richtige hält. Er weiß nun, was ich weiß. Er kennt das Geheimnis des Kosmos.« »Das Geheimnis!«, höhnte Pepsi. »Was soll das für ein Geheimnis sein?« »Ihr wisst natürlich, dass unser Leben eigentlich gar kein Leben ist; kein echtes Leben jedenfalls. Dass wir in einer Metapher leben; in einer
Metapher, die der Science Fiction des zwanzigsten Jahrhunderts entnommen wurde. Könnt Ihr mir folgen?« »Ihr vergesset wohl, dass ich dabei war«, sagte Pepsi, »als Tyrannosaurus uns alles erzählt hat.« »Sobald uns bewusst wird, dass wir in einer Scheinwelt leben, ist es nur natürlich, dass wir uns fragen, was sich außerhalb dieser Scheinwelt befindet. Tyrannosaurus nahm an, es müsse einen Programmierer geben; und dass unser Bewusstsein absichtlich an diesen Ort verpflanzt wurde. Doch die Wahrheit sieht… etwas anders aus.« »Ihr habt einst die Erzählung Die letzte Grenze erwähnt«, sagte Pepsi und verstummte. »Ihr habt die Geschichte noch immer nicht gelesen, nicht wahr, meine Liebe? Nun, ich habe es nicht anders erwartet. Obwohl sie Eure Augen hätte öffnen können. Es liegt in unserer Natur, dass wir uns der Wahrheit widersetzen. Unser Bewusstsein sehnt sich danach, an die Welt zu glauben, in der wir leben. Selbst wenn wir wissen, dass unsere Welt tatsächlich nur eine Metapher für etwas anderes ist, fahren wir damit fort, das Offensichtliche zu übersehen.« »Das Offensichtliche?« »Ich bitte Euch, meine Liebe. Schaut Euch die Fakten an. Schaut Euch die Indizien an. In der Galaxis gibt es Ordnung und Unordnung. Diese beiden Dinge stehen miteinander in einem Konflikt. Es gibt Autorität und jene, die sie bekämpfen, die sich dem Rock'n'Roll, dem Exzess, dem Genuss hingeben.« »Was meint Ihr mit Indizien?« »Worin zeigt sich die Ordnung? In Polizeikreuzern der FresszellenKlasse. In der Eliminierung freier Radikale. In weißen Blutkörperchen. Und worin zeigt sich die Unordnung?« Er schien auf Pepsis Antwort zu warten. »Ich weiß nicht«, sagte sie schließlich. »In der Krankheit. Jeder Gegner der Ordnung bringt eine andere Krankheit zum Ausdruck. Der eine Rebell verkörpert die Lepra. Der gichtige alte Knabe ist die Arthritis. Der picklige junge Rabauke ist die Akne. Diese Staatsfeinde verkörpern in unterschiedlichem Ausmaß
Astigmatismus, Grippe, Krebs, Zwergenwuchs, Aphasie. Da haben wir ein Wesen, dessen gesamte Existenz von Ganzkörperbehaarung bestimmt wird. Gibt es in dieser Bewegung irgendein Lebewesen, das nicht irgendeine Krankheit verkörpert? Die Jobber sind ein Inbegriff der Krankheit: Eine Gruppe, deren Anführer buchstäblich nicht mehr ist als eine neunzig Zentimeter große Masse belebter Trägheit.« »Jodella…«, keuchte Pepsi. »Habt Ihr Euch gewundert, wieso er genau in dem Moment auftauchte, als Tyrannosaurus uns die wahre Beschaffenheit des Kosmos erklärte? Wieso kam er ausgerechnet in diesem Moment, um ihn für immer zum Schweigen zu bringen? Er kam, weil er nicht will, dass wir die wahre Natur der Dinge begreifen.« »Aber die Jobber…«, sagte Pepsi verständnislos. »Die ganze Jobber-Bewegung ist fäkaler Abfall. Die innere Gesundheit eines Körpers besteht aus Ordnung, Gleichgewicht und Harmonie. Krankheit hingegen ist Klamauk, Katastrophe; Zellen, die mit anderen Zellen kollidieren, versagende Organe. Die ganze so genannte Pracht.« »Aber der Jobber-Orden hat dem Kosmos Frieden beschert.« »Den Frieden eines Koma-Opfers. Der Jobber-Orden ist das Problem, nicht die Heilung. Die Heilung, so wenig Euch die Tatsache auch gefällt, ist die andere Seite.« Pappér-LaPapp schüttelte den Kopf. »Die Menschen sind so kurzsichtig! Ihr wisst, dass der Kosmos, in dem Ihr lebt, eher eine Metapher ist als eine Wirklichkeit. Doch Ihr fragt euch nicht, wofür diese Metapher steht. Die Antwort ist offensichtlich, sobald man sie einmal gedacht hat. Dieser Kosmos, dieses Universum, ist ein Körper. Dieser Körper ist ein Schlachtfeld zwischen Krankheit und Gesundheit. Dieser Körper ist tatsächlich fast tot – die Jobber haben die Dinge so lange beherrscht, dass der kosmische Korpus sich an der Schwelle zum Tod befindet. Und die schreckliche Wahrheit lautet: Sobald er stirbt, sterben wir alle mit ihm, denn er ist der Horizont unseres ganzen Seins. Die Infektion hat sich von einer Zelle zur anderen ausgebreitet, von einer Welt zur anderen, bis die Krankheit fast überall ist. Fast, aber noch nicht ganz. Weil ein anderes Agens eingeführt wurde; ein Drogencocktail, würden wir vielleicht sagen; eine Macht, die die allgegenwärtige Infektion bedroht. Ihr nennt sie die Schwarze Seite, aber sie ist da, um zu retten, zu heilen.«
»Das ganze Universum?«, sagte Pepsi. »Ein einzelnes Lebewesen? Und wir sind die Innereien? Das ist doch… unfassbar.« »Dieser Kampf zwischen den Mächten der Ordnung und der Pracht ist kein ethisches Schlachtfeld, meine Liebe. Es ist etwas viel Unkomplizierteres. Es ist der Kampf zwischen gesund und krank. Die eine Seite raucht, trinkt, feiert Partys und betreibt ungeschützten Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern. Es bereitet Vergnügen, klar, aber es führt auch zum Tod. Gesund zu leben, macht weniger Spaß: Es bedeutet Ordnung, Disziplin, Routine, Salat essen, die Treppe statt den Aufzug nehmen. Es bringt weniger Vergnügen. Aber es ist Leben.« »Ich weiß nicht«, sagte Pepsi, »was ich sagen soll.« »Ich erwarte auch nicht, dass Ihr etwas sagt, meine Liebe. Ich erwarte nicht, dass Ihr Eure Freunde verratet. Ihr habt Euch nicht ausgesucht, ein Bazillus zu sein, ebenso wenig wie ich mir ausgesucht habe, ein Antikörper zu sein. Es ist nun mal so. Doch nun, da ich die Herrschaft an mich gerissen habe, werde ich weiße Blutkörperchen produzieren und die Infektion an allen Fronten bekämpfen. Ich werde den Körper regenerieren, damit er gesundet. Und obwohl Ihr nicht anders könnt, als gegen mich zu opponieren, müsst Ihr darum beten, dass ich Erfolg habe. Denn wenn ich versage, stirbt der gesamte Kosmos – und mit ihm jedes in ihm enthaltene Bewusstsein.« »Aber die Science Fiction… die Komödien des zwanzigsten Jahrhunderts…« »Die Dinge, die unserem kosmischen Körper wichtig sind. Die formende Kraft seines – oder ihres – Geistes. Es ist bloß die metaphorische Grammatik der Gedanken unseres kosmischen Körpers; die Grammatik, die unsere Existenz bestimmt.« Pepsi Africola stierte in den Raum hinein. Sie gab sich alle Mühe, Pappér-LaPapp nicht zu glauben, aber irgendwie gelang es ihr nicht. Sie spürte die Wahrheit seiner Worte; sie standen mit etwas im Einklang, das sie schon immer gewusst hatte. »Das war eine lange Rede für mich«, krächzte Pappér-LaPapp. »Ich habe fast keine Stimme mehr – bald wird sie ganz und gar versagen. Das ist der Preis, den ich für meine neue Stellung bezahlen muss. Ich ringe mit ansteckenden Agenzien, und das verursacht mir eine furchtbar
wunde Kehle. Aber nun versteht Ihr, warum Euer Gatte meinte, er hätte keine andere Wahl als sich der Schwarzen Seite anzuschließen. Im Gegensatz zu Euch hat er den Agenzien der Krankheit gegenüber keine Skrupel.« »Da muss man eine Menge verdauen«, sagte Pepsi mit verschüchtert klingender Stimme. »Und schließlich erfährt man ja nicht jeden Tag das Geheimnis des Kosmos.« »Das kann man wohl sagen.« »Aber warum kämpfen? Warum das Töten und Unterdrücken von Lebewesen?«, fragte Pepsi. »Warum kann man den Bürgern des Kosmos die wahre Natur der Wirklichkeit nicht einfach erklären?« »Die Masse würde es nicht akzeptieren. Die Masse lebt in der Logik der Metapher, also muss sie auch von innen her mit der Logik der Metapher bekämpft werden. Wie sollte man es sonst machen? Würde ich Eurem stattlichen Jobber-Freund Knofi sagen, dass er in Wirklichkeit die Manifestation der Arthritis ist, die auf die Gelenke eines kosmischen Lebewesens einwirkt… Glaubt Ihr wirklich, er würde einfach sagen: Wie schrecklich, muss ich mich jetzt hinlegen und sterben? Natürlich nicht. Es liegt nicht in der Natur der Elemente der Krankheit, einfach aufzugeben. Ich fürchte, man muss sie aktiv schlagen. Und Ihr, meine Liebe: Ihr müsst wählen, ob Ihr die Absicht habt, Eurer Kleinen die Wahrheit zu sagen oder sie in Unwissenheit zu halten. Sie wird nämlich aufwachsen, um eine Krankheit zu verkörpern. Wenn Ihr sie also zwingt, die Wahrheit zu akzeptieren, könnte es ihre Identität aushöhlen und sie vernichten. Doch nachdem Ihr nun alles wisst, könnt Ihr die Wahrheit vor ihr verbergen?« Pappér-LaPapp stand auf. »Lebt wohl, meine Liebe. Tut mir Leid, aber ich muss Euch sagen, dass wir uns nicht wieder sehen werden.«
Koda »Oh, Herr«, sagte Schwarz Anni, als er sich den schwarzen Helm über den Schädel stülpte. »Glaubt Ihr, wir können die Inkursion… die Infektion besiegen? Können wir den kosmischen Körper retten?« »Natürlich können wir es, mein junger Freund«, flüsterte PappérLaPapp. Seine Stimme war nun fast gänzlich weg, seine Kehle fühlte sich wund und heiser an. Seine Worte klangen wie Papier, das über Papier gleitet. »Natürlich können wir es. Mit dir an meiner Seite können wir die Kräfte der Gegeninfektion organisieren und den kosmischen Körper von der Krankheit befreien.« »Verzeihung«, sagte Skyquaker. »Das hab ich nicht ganz mitgekriegt… Ihr sprecht so leise.« »Ich weiß«, keuchte Pappér-LaPapp. »Bald werde ich überhaupt keine Stimme mehr haben. Dann werde ich eine andere Methode entwickeln, um mich mit dir zu verständigen. Doch lass uns nun an die Arbeit gehen, mein junger Lehrling.« »Ich bin zuversichtlich«, murmelte Skyquaker und richtete seine Maske. »Moment«, sagte er. »Der Kunststoff dämpft meine Worte.« Er fummelte am Nackenteil des Helms herum und fand den Verstärkerknopf. »AH!«, sagte er schließlich, »SO IST ES BESSER. UND JETZT… AH, JA, HERR: ICH BIN ZUVERSICHTLICH, DASS WIR DIE KRÄFTE DER INFEKTION SCHLAGEN WERDEN.« »Das müssen wir auch«, sagte Pappér-LaPapp. »Sonst erkrankt der kosmische Körper und stirbt. Wir brauchen einen koordinierten und zentralisierten Angriff. Aber hab keine Angst, junger Freund. Ich beabsichtige, ein starker Führer zu sein und euch lange zu leiten.« »WIE BITTE?«, fragte Skyquaker.
»Ach ja. Ich schreib es auf.« Pappér-LaPapp zog ein Stück wieder beschreibbaren Kunststoffs aus einer Schublade und kritzelte darauf:
Er grinste. Dann drehte er das Plastik um.