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Copyright -Hinweis Dr. Judd Biasiotto’s „Stark durch Selbsthypnose“ ist als Paperback mit der ISBN 3980213145 im Novagenics Verlag erschienen. Der Titel ist mittlerweile vergriffen und wird jetzt online neu aufgelegt. Titel der amerikanischen Originalausgabe: Hypnotize Me And Make Me Great, erschienen bei World Class Enterprises Alle Rechte an der deutschen Ausgabe: Novagenics Verlag, 59755 Arnsberg Copyright © Novagenics 1992-2001 Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber und Zitatrechts ist ohne Zustimmung des Verlages strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Zusätzlich gelten die Bestimmungen zum Urheberrechtsschutz und Copyright auf dieser Website.
Höchstleistungen durch Mentales Training „Dein Geist ist ein mächtiges Instrument, viel stärker als Dein Körper. Du kannst Dir kaum vorstellen, wie großartig Du werden kannst, wenn Du erst gelernt hast, ungenutzte mentale Reserven freizusetzen...“ Dr. Judd Biasiotto „Stark durch Selbsthypnose“ beschreibt detailliert die revolutionären Methoden, die Dr. Biasiotto den ersten Platz in der Weltrangliste der American Drug Free Powerlifting Association und mehrere Weltrekorde einbrachten. Zum ersten Mal in deutscher Sprache lernen Sie Schritt für Schritt: Totale Muskelentspannung, Visualisierung, Traum- Training, Starkreden, Modell- Training, Selbsthypnose... Kaum jemand weiß, daß mentale Techniken entscheidenden Anteil hatten am Erfolg vieler berühmter Bodybuilder und Powerlifter. Lesen Sie, was einige der größten Champions über mentales Training gesagt haben: „Der Körper wird erst dann voll auf das Training ansprechen, wenn Sie gelernt haben, auch den Geist zu trainieren...“ Arnold Schwarzenegger in „Das große Bodybuilding Buch“, Heyne Verlag München 1986 „Der Geist kontrolliert alles, wenn es darum geht, harte Muskelmasse aufzubauen. Ihr Erfolg hängt in erster Linie davon ab, wie Sie Ihren Geist programmieren...“ Rich Gaspari in „Flex“ Magazine USA, Juni 1989 „Wenn Sie lernen, die Macht Ihres Geistes richtig einzusetzen, nutzen Sie eine unglaubliche Kraft für Ihre körperliche Entwicklung...“ Tom Platz in “Pro Style Bodybuilding”, Sterling Publishing Co., New York 1985
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Über den Autor Judson L. Biasiotto wurde die Doktorwürde von der University of Georgia verliehen; derzeit ist er Professor für Gesundheits- und Körpererziehung an der Albany State University. Er schreibt für die großen US-Kraftsportzeitschriften, wie POWERLIFTING USA, MUSCLE & FITNESS, NATURAL PHYSIQUE, hat in den vergangenen 24 Jahren 24 Bücher und mehr als 500 Artikel veröffentlicht. Als dynamischer Redner wird er hoch geachtet. Als Sportpsychologe hat Dr. Biasiotto zahlreichen Profi und Amateursportlern bei der Perfektion ihrer mentalen Fähigkeiten geholfen; er selbst ist ein Powerlifter der Spitzenklasse. Sein letzter Weltrekord: Eine Kniebeuge mit 603 Pfund (274 Kilo) bei einem Körpergewicht von 132 Pfund (60 Kilo). Damit stellte er seinen eigenen Weltrekord von 575 Pfund in dieser Gewichtsklasse ein. Diese Leistung, mehr als das 4,5fache des eigenen Körpergewichts, ist an sich schon phantastisch. Doch die Tatsache, daß sie ohne Steroide, trotz zwei entfernter Bandscheiben und einer teilweisen halbseitigen Lähmung des Oberkörpers erzielt wurde, beweist die wahre Klasse dieses Ausnahmeathleten. Dr. Biasiotto hat sich vom aktiven Powerlifting-Wettkampfsport zurückgezogen, belegt aber weiterhin den ersten Platz der Weltrangliste der ADFPA (American Drug Free Powerlifting Association) und Platz drei der Weltrangliste der USPF (United States Powerlifting Federation) in der Gewichtsklasse bis 132 Pfund. Nach einigen Jahren Pause (in denen er trotzdem kein Training hat ausfallen lassen) ist Dr. Biasiotto seit zwei Jahren zum Wettkampfsport zurückgekehrt; er tritt jetzt bei Bodybuildingwettkämpfen gegen weitaus jüngere Athleten an - und schlägt sie auch. In der Gewichtsklasse bis 132 Pfund hat er in den letzten Jahren zahlreiche regionale US-Titel gewonnen, zuletzt die US Southern States Bodybuilding Championchips (Sieger in seiner Gewichtsklasse und Most Muscular Athlete).
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Inhalt: Kapitel 1 - Auf geht’s!
Seite 5
Kapitel 2 - Bring mich ganz groß raus
Seite 7
Kapitel 3 - Schau mir in die Augen
Seite 10
Kapitel 4 - Gedankenspiele Praktische Anwendungen 1. Mono -Ideaismus 2. Das Signal-Phänomen 3. Das Chevreul’sche Pendel 4. Das Handschlingen-Experiment 5. Magnetische Finger 6. Bleierne Arme 7. Der gelähmte Unterkiefer 8. Die Händedruck- Übung
Seite 14
Kapitel 5 - Selbsthypnose
Seite 24
Kapitel 6 - Entspanne Dich! Jacobson’s progressive Entspannungs technik
Seite 28
Kapitel 7 - Traum-Training Anwendung des Traum-Trainings
Seite 35
Kapitel 8 - Weitere Techniken
Seite 40
Was ist aus Mike geworden?
Seite 47
Nachwort
Seite 47
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Kapitel 1 - Auf geht’s! Der Anruf war wie all die anderen. Ich wußte genau, was er wollte - Hypnose. Als ich noch mit den Kansas City Royals und den Pittsburgh Royals arbeitete, erhielt ich wöchentlich zwischen zehn und fünfzehn Anrufe von Sportlern; alle bedrängten mich, sie geistige Kontrolle zu lehren. Seit mein Buc h 2001 - ODYSSEE IM SPORT erschienen war, wurden derartige Anrufe immer häufiger und die Anrufer selbst immer fordernder. Es kam schließlich soweit, daß ich es haßte, den Telefonhörer abzuheben. Auch das Gespräch mit Mike begann in gewohnter Manier: „Judd, hier spricht Mike White. Ich habe gerade Dein Buch 2001 - ODYSSEE IM SPORT gelesen, und ich finde es großartig. Als ich die ersten Seiten gelesen hatte, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen.“ Es ist wirklich nicht einfach, jemanden zurückzuweisen, der einem dermaßen schmeichelt. „Danke“, antwortete ich und versuchte, meiner Stimme einen freundlichen Klang zu verleihen. „Ich weiß Dein Lob zu schätzen.“ „Im Ernst, Judd: Es ist phantastisch. Ich wußte bisher noch nicht, wie wichtig geistige Kontrolle ist. Die Tatsache, daß Du nicht nur Dir selbst, sondern auch anderen beigebracht hast, Pulsfrequenz und Gehirnwellen zu steuern, ist unglaublich. Ehrlich gesagt, hätte ich nie gedacht, daß diese Art Konditionierung überhaupt möglich ist. Dein Buch hat mich von der Kraft des Geistes und der Anwendung mentaler Kontrolle im Sport überzeugt. Ich bin froh, daß Du dieses Wissen weitergegeben hast. Viele andere Sportler sehen das sicher genauso.“ Ich erkannte gleich, daß dieser Anrufer große Lungen haben mußte; er holte nicht einmal Luft, als all die Superlativen aus ihm heraussprudelten. „Eigentlich hat dieses Wissen schon immer existiert“, erklärte ich. „Das einzige, was ich mir zuschreiben kann, ist, daß ich diese Vorstellungen in einem Buch verarbeitet und auf den Sport übertragen habe.“ „Hast Du ein Buch anzubieten, in dem gezeigt wird, wie man das in 2001 beschriebene mentale Training erlernen kann?“ „Im Augenblick nicht, aber ich arbeite daran.“ Das war eigentlich meine Standardantwort. Ich hatte schon so viele ähnliche Anrufe erhalten, daß ich mich aus Gründen der Selbstverteidigung immer wieder darauf zurückzog. „Also Judd, ich habe mir überlegt... (Oh, nein, dachte ich, da haben wir es wieder) ... könntest Du nicht mit mir zusammenarbeiten? Geistige Kont rolle hat Dir so gut geholfen, daß mir der Gedanke kam, Du könntest mich auch hypnotisieren. Ich bin sicher, daß Du mir helfen kannst.“ Bingo! Da war es wieder, das Fazit von etwa 95% dieser Anrufe. Ich hätte jetzt eigentlich routinemäßig antworten müssen, daß ich wirklich gern mit ihm arbeiten würde, aber leider zu viele andere Verpflichtungen hätte. Die meisten Leute würden mir dann, ganz im Sinne der amerikanischen Ethik (Geld), die Bezahlung meiner Dienste anbieten, nicht selten sogar äußerst großzügig bemessen. Ich habe allerdings keine Schwierigkeiten damit: Geld allein hat mich noch nie besonders motiviert. Der Faktor Zeit war für mich stets genauso wichtig. Wenn es darum geht, jemandem geistige Kontrolle zu lehren, bedeutet das automatisch, daß man eine Menge Zeit in diesen Prozeß investieren muß. Als College Professor, Geschäftsmann und Leistungssportler hatte ich keine Zeit zu verschenken oder zu verkaufen; erst recht nicht an einen Fremden. Ich war also kurz davor, Mike die höfliche, aber bestimmte Absage zu erteilen, die ich schon Hunderten vor ihm gegeben hatte, als er mich plötzlich unterbrach. „Judd, Du mußt mir einfach helfen. Ich bin College Student und spiele an meiner Hochschule noch ein Jahr Football. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich es als Profi schaffen könnte, aber mit Deiner Hilfe gäbe es nicht den geringsten Zweifel daran. Ich bin 1,90 groß, wiege 140 Kilo und habe die nötige Kraft und 5
Schnelligkeit. Das einzige, was mir noch fehlt, ist die richtige Einstellung. Ich will nicht einfach nur Profi- Footballspieler werden; ich will der Beste sein, und ich weiß, daß Du mir dabei helfen kannst.“ Er flehte mich geradezu an. „Mike, ich weiß Dein Vertrauen in mich wirklich zu schätzen, aber ich habe nun 'mal nicht die Zeit dafür. Ehrlich! Ich hoffe, Du verstehst mich.“ Er verstand nicht. Unser Gespräch dauerte ungefähr noch eine halbe Ewigkeit, und Mike wurde immer hartnäckiger. Wie auch immer, ich beharrte auf meinem Standpunkt, bis Mike endlich aufgab. Ich muß zugeben, daß ich mich trotz des Lobes und der Komplimente nicht sonderlich gut fühlte, als ich den Hörer auflegte. Es ist niemals einfach, „Nein“ zu sagen, besonders nicht, wenn jemand so offen und ehrlich war wie Mike. Trotzdem hatte ich keine andere Wahl. Wenn ich wieder mit einem Sportler arbeiten würde, hätte ich keinen Augenblick Zeit mehr für mich selbst. Darauf wollte ich mich auf keinen Fall einlassen. Mikes Anruf ging mir aber nicht so schnell aus dem Sinn. Zurückblickend muß ich heute sagen, daß das Gespräch mit ihm (und natürlich alle ähnlichen Anrufe) letztlich den Anstoß gaben, dieses Buch zu schreiben. Es gab offensichtlich großen Bedarf für ein Buch, das Sportlern praktische Tips zur Erlangung geistiger Kontrolle vermittelte. So wie sich die Dinge entwickelten, konnte ich dieses Buch ebenso gut schreiben wie jeder andere - wenn auch nur, um meine Privatsphäre zu schützen. Bereits eine Woche nach Mikes Anruf hatte ich ein Manuskript von sechzig Seiten zusammengestellt. Eines Nachmittags arbeitete ich gerade wieder daran, als es an meiner Haustür läutete. Gutgelaunt öffnete ich die Tür - und wollte zunächst meinen Augen nicht trauen. Vor mir stand das gewaltigste menschliche Wesen, das ich jemals gesehen hatte. In meinen Jahren als Powerlifter habe ich schon eine ga nze Reihe von kräftigen Männern getroffen, aber dieser Kerl war einfach überwältigend. Ich stand nur da und glotzte ihn an. „Hallo, ich bin Mike White. Ich dachte, ich komme besser 'mal vorbei, damit Du mir helfen kannst...“ „Oh, nein...“ „Klar, daß Du jetzt sauer bist, aber ich mußte einfach herkommen. Ich weiß, daß Du mir helfen kannst. Mein ganzes Leben lang habe ich immer nur eines gewollt: Ganz groß herauskommen. Da kann ich doch keine Gelegenheit auslassen, die mich diesem Ziel näher bringt, oder? Mach' Dir mal keine Sorgen, ich bin die Mühe wirklich wert. Außerdem möchte ich Dich gar nicht bitten, direkt mit mir zu arbeiten. Alles was ich will, ist, daß Du mir sagst oder zeigst, wie ich es machen muß. Sag' einfach, ja und ich störe Dich nicht weiter.“ Ich muß gestehen, daß ich zunächst mehr als nur „ein bißchen sauer“ war. Dieser Mensch hatte wirklich Nerven, bei mir zu Hause zu erscheinen, obwohl ich ihn vorher ausdrücklich hatte wissen lassen, daß ich nicht mit ihm arbeiten würde. Ehrlich gesagt, war ich aber nicht sonderlich überrascht. Wenn man schon länger als zehn Jahre mit Amateur und Profisportlern zusammengearbeitet hat, ist man diese Art von Besessenheit gewohnt. In der Tat legen die meisten Athleten ein Verhalten an den Tag, das man am besten als „Gib niemals auf“Einstellung bezeichnen könnte. Sie haben einen beispiellosen Drang zum Erfolg; jedes Hindernis auf diesem Weg wird einfach beiseite geräumt. Obwohl ich Mikes Motive gut verstand, war ich über seinen ungewollten Besuch noch lange nicht erfreut. Andererseits: Was kann man einem 1,90 großen und 140 Kilo schweren Kerl, der den ganzen Sauerstoff im Zimmer verbraucht, schon antworten? Ich sagte das, was wohl jeder vernünftige, 1,63 große und 60 Kilo schwere Mensch auch gesagt hätte: „Komm 'rein und wir unterhalten uns darüber, aber ich verspreche Dir nichts!“ Nach mehrstündiger Diskussion, bei der Mike
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allerdings die meiste Zeit geredet hatte, gab ich schließlich nach. Wir beschlossen, am folgenden Tag mit der ersten Sitzung zu beginnen. Ich war wieder im „Hypnose-Geschäft“.
Kapitel 2 - Bring mich ganz groß raus Am nächsten Morgen war Mike pünktlich zur Stelle. Er trug ein weites, blaues Sweatshirt, Jeans und Sandalen. Er wirkte noch gigantischer als am Tag zuvor. Sogar im Sweatshirt war er furchterregend. Jeder Zentimeter seines Körpers war mit stahlharten Muskeln bepackt. Ich schwöre, der Kerl sah aus, als könne er einen kompletten Appartementkomplex stemmen. Nach wenigen Minuten Smalltalk kam ich auf den Punkt: „Okay Mike, jetzt erzähl mir 'mal, was genau ich für Dich tun soll.“ „Ganz einfach“, antwortete er enthusiastisch. „Ich will, daß Du mich hypnotisierst und ganz groß rausbringst.“ „Ist das alles?“ Ich hatte es schon so oft gehört! „Nun, ich fürchte, das ist nicht so einfach. Falls doch, wäre ich vermutlich Quarterback bei den Pittsburgh Steelers oder Shortstop bei den Kansas City Royals. Tatsache ist, daß Hypnose weder Zauberei ist, noch übernatürliche Kräfte verleiht. Eigentlich ist Hypnose nicht einmal eine Therapie, sondern nur ein Werkzeug. Verstehe mich bitte nicht falsch: Wenn Hypnose richtig angewandt wird, kann sie enorme Resultate hervorbringen. Tatsächlich macht Hypnose bei einigen Sportlern den Unterschied zwischen Mittelmaß und Weltklasse aus. Trotzdem muß ich Dich warnen: Derartige Erfolge durch Hypnose fordern einen hohen Preis. Geistige Kontrolle zu erlangen, ist alles andere als ein Kinderspiel. Es erfordert viel Zeit, einen starken Willen und ungeheure Energie. Wenn Du aber meinen Anweisungen folgst, wirst Du Fortschritte erzielen, wie Du sie Dir heute in Deinen kühnsten Träumen nicht vorstellen kannst. Eines muß Du völlig klar sehen, Mike: Die wahre Last ruht auf Deinen eigenen Schultern. Ich werde Dir einen Zwei-Tageskurs in Selbsthypnose geben, der Dir einen Einblick in das Konzept vermittelt. Den Rest mußt Du Dir selbst erarbeiten, wobei Deine Erfolge mit Hypnose proportional zu Deinen Bemühungen verlaufen werden, das Erlernte praktisch anzuwenden.“ „Also Judd: Einfach ausgedrückt, bedeutet das, Du kannst mich groß rausbringen, wenn ich mich entsprechend bemühe.“ Mike sah mich fragend an. Ich schmunzelte und schüttelte den Kopf. „Ja und nein. Groß ist ein relativer Begriff. Was „groß“ für mich bedeutet, muß nicht „groß“ für Dich sein, und umgekehrt. Hypnose kann Dir nicht zu Fähigkeiten verhelfen, die über Deine physischen und mentalen Anlagen hinausgehen. Sie kann Dich aber so nahe wie möglich an Deine physiologischen und psychologischen Grenzen heranführen. Wenn ein Athlet diese Grenzen erreicht hat, kann man meiner Meinung nach zumindest aus relativer Sicht - sagen, daß er „groß“ ist.“ Dies schien Mike doch Kopfschmerzen zu bereiten. „Meinst Du damit, ich könnte mich mental und physisch extrem weiterentwickeln und dennoch nie ein Champion werden?“ „Leider ja“, erwiderte ich aufrichtig. „Im christlichen Sinne mögen alle Menschen vor Gott gleich sein, aber im physischen Sinn hat er uns nicht alle gleich geschaffen. Ich muß nur ein Profi-Football oder Basketballspiel sehen, um an diese Tatsache erinnert zu werden. Wir sind alle bestimmten genetischen Limits unterworfen. Und leider sind die Grenzen einiger Menschen weiter gesteckt, als die anderer. Daraus ergibt sich, daß einige Sportler niemals Champions werden können, ganz gleich, wie hart sie trainieren und egal wie dicht sie sich ihren physiologischen und psychologischen Grenzen nähern.“ „Du willst mir also sagen, wenn ein Konkurrent die besseren genetischen Anlagen hat, werde ich ihn niemals schlagen?“ Mikes Gesichtsausdruck verriet mir, daß allein der Gedanke daran einen üblen Geschmack in seinem Mund hinterließ.
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„In diesem Fall bist Du sicherlich im Nachteil, und bei gleichen übrigen Voraussetzungen wird er Dich zweifellos schlagen. Allerdings sind die „übrigen Voraussetzungen“ selten gleich. Heutzutage vertrauen die meisten Sportler allein auf ihre physische Stärke, nur wenige nehmen sich die Zeit, auch den Verstand zu trainieren; obwohl der Geist viel stärker ist als der Körper. Der Geist kontrolliert ja den Körper, und nicht umgekehrt. So werden Sportler mit überlegenen körperlichen Fähigkeiten, die ihren Geist vernachlässigen, oft von körperlich unterlegenen Konkurrenten geschlagen, die beides trainiert haben. Daraus läßt sich folgern, daß ohne Berücksichtigung der Qualität der Gene mentales Training auf jeden Fall immense Vorteile verspricht.“ Und so begann Mikes Crashkurs. Ich startete bei ihm wie gewohnt - mit den Grundlagen. Es erstaunt mich immer wieder, wie wenig die Leute über Verhaltenskontrolle und Hypno se wissen. Die Fragen sind stets die gleichen, egal ob Arzt, Anwalt, Sportler oder Stahlarbeiter: Sie alle haben keine Ahnung von den Grundlagen geistiger Kontrolle. Daher beginne ich immer ganz von vorn. Werden nämlich Mißverständnisse und Fehlinterpretationen nicht sofort korrigiert, wird man später im Training garantiert auf Probleme stoßen. Am Anfang wollen die meisten Leute sichergehen, daß sich Zeitaufwand und Mühe, die sie dem Programm widmen müssen, auch auszahlen. Mike war da keine Ausnahme: „Judd, Du weißt, daß ich an das glaube, was Du machst. Andernfalls wäre ich wohl kaum den ganzen Weg hierher gekommen. Aber wird sich die Mühe auch lohnen? Ist das alles so wichtig?“ „Glaube mir, es ist bestimmt die Mühe wert. Wie ich schon sagte, Dein Geist ist ein mächtiges Instrument, viel stärker als Dein Körper. Du kannst Dir kaum vorstellen, wie großartig Du werden kannst, wenn Du erst gelernt hast, ungenutzte geistige Reserven freizusetzen. Ich kenne viele Athleten, die einen gewaltigen Karrieresprung ge macht haben, nachdem sie das Prinzip der geistigen Kontrolle entdeckt hatten. Es ist erstaunlich, manchmal sogar beängstigend, wie Sportler in weniger als einem Jahr aus dem Nichts zur Weltspitze aufsteigen, allein durch die Anwendung geistiger Kontrolle. Ich weiß, daß Dir ein solcher Fortschritt unglaublich erscheinen muß, aber ich habe das schon mehr als einmal erlebt. Ich denke, der größte Fehler eines Athleten liegt darin, seine geistigen Kräfte zu unterschätzen.“ „Leider machen unzählige Sportler gena u das“, fuhr ich fort. „Viele der Athleten, die ich kenne, trainieren drei bis vier Stunden täglich, sechsmal pro Woche. Bei jedem Training fordern sie sich bis zur völligen Erschöpfung. Wenn sie gerade einmal nicht trainieren, reden sie über ihren Sport oder lesen Bücher darüber, wie sie ihre Form noch weiter verbessern können. Sie verbringen Stunden damit, ihren Biorhythmus zu berechnen, um psychologische Höhen und Tiefen voraussagen zu können. Sie rauchen und trinken nicht, verzichten selbst auf Sex, wenn sie das für notwendig halten, nur um physisch in Topform zu kommen. Es kommt aber so gut wie nie vor, daß während der dreißig bis vierzig Stunden pro Woche, in denen diese Athleten mit ihrem Sport beschäftigt sind, den psychologischen Aspekten auch nur eine Stunde gewidmet wird. Abgesehen von den Sportlern, mit denen ich gearbeitet habe, kenne ich nur eine Handvoll anderer Athleten, die die Methoden geistiger Kontrolle wirklich nutzen.“ Mike überdachte, was ich soeben gesagt hatte. „Nun, wenn geistige Kontrolle so wirksam ist, warum wird sie dann nicht von mehr Athleten eingesetzt?“ Ich erklärte ihm, daß es dafür eine ganze Reihe von Gründen gibt. Der Hauptgrund ist wahrscheinlich fehlendes Wissen über Psychologie. Ich glaube, die Ursache dafür liegt in einer Lücke beim konventionellen Training. Viele Trainer und Sportler haben weder Kurse in Psychologie besucht, noch haben sie auf anderem Wege Einblick in diese Wissenschaft erhalten. Folglich basiert das Wissen von Trainern und Athleten über Psychologie und Hypnose überwiegend auf persönlichen Erfahrungen und nichtwissenschaftlichen Quellen. 8
Die Massenmedien greifen überwiegend spektakuläre und sensationelle Randgebiete der Psychologie auf, zum Beispiel ASW (Außersinnliche Wahrnehmung) oder Hexerei. Die wenigen Beiträge, die in Sportzeitschriften erscheinen, bieten in den seltensten Fällen praktikable Lösungen für bestehende Probleme; meistens wecken solche Artikel nur unrealistische Erwartungen, die interessierte Sportler noch weiter entmutigen, wenn sie dann nicht erreicht werden. Wissenschaftliche Zeitschriften und Bücher über Psychologie helfen da auch nicht viel weiter. Obwohl solche Quellen keine methodischen Mängel aufweisen, sind sie doch in einer Sprache verfaßt, die nur ein Akademiker verstehen kann. Ohne Vorbildung in Statistik und Psychologie ist es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, diese Fachterminologie zu verstehen. Mike zog eine Grimasse: „Himmel, ich stelle eine Frage und kriege einen kompletten Vortrag als Antwort; aber trotzdem, nett, daß Du mich darüber aufklärst. Genau deshalb bin ich ja gekommen. Ich will endlich vollständige Antworten. Ich habe auch mit Sportlern gesprochen, die geistige Kontrolle schon einmal ausprobiert haben. Von denen hörte ich aber, daß sich ihre Form dadurch kaum verbessert hat. Vielleicht haben sie etwas falsch gemacht?“ „Das kann viele Gründe haben, Mike: Die Methoden, die Leute, die ihnen geholfen haben, vielleicht die Zeit, die sie dem mentalen Training gewidmet haben“, begann ich zu erläutern. „Ein Problem besteht darin, daß viele Sportler sofort Resultate sehen wollen. Sie hätten am liebsten einen Zaubertrank, der sie über Nacht zum Supermann macht. Ebenso wie unsere ganze Gesellschaft suchen auch Sportler nach Lösungen, die ihnen umgehende Erfüllung ihrer Wünsche versprechen. Deshalb sind jene Medikamente weit verbreitet, die Schmerzen lindern und die Motivation oder sogar die Körperkraft steigern. Unsere Gesellschaft ist auf sofortigen Genuß eingestellt: Fertiggerichte, blitzschnelle Telekommunikation, augenblicklich eingeräumte Kredite und sogar sofortige Zeitlupenwiederholungen. Wenn Du mir nicht glaubst, gehe einfach 'mal nachmittags zu McDonalds und beobachte die Leute in der Warteschlange. Wenn sie länger als eine Minute auf ihr Essen warten müssen, werden Sie schon nervös.“ Nachdem Mike mir durch Kopfnicken angedeutet hatte, daß er meinem Gedankengang folgte, fuhr ich fort. „Daher ist es mehr oder weniger normal, daß viele Sportler diese Einstellung teilen. Sie wollen innerhalb einer Woche ein Champion werden. Wenn das nicht klappt, kommen sie schnell an den Punkt, daß sie entweder aufgeben oder sich nach einer funktionierenden „Sofortlösung“ umsehen. Was man verstehen und akzeptieren muß, ist folgendes: Viele Leute nehmen an, daß auch Hypnose und geistige Kontrolle sofortige Erfolge bringen - doch diese Einstellung ist falsch. Die meisten Athleten, die diese Techniken einsetzen, erwarten unrealistische Resultate. Werden ihre Erwartungen dann nicht erfüllt, geben sie sehr schnell auf und, schlimmer noch, sie erzählen anderen Sportlern, daß diese Methoden nutzlos seien. Glaube mir, das ist kompletter Blödsinn. Geistige Kontrolle hat phänomenale Auswirkungen auf Deine Leistungsfähigkeit, doch Du mußt daran arbeiten. Es wird nicht einfach sein, und Erfolge werden sich nicht über Nacht einstellen, aber wenn Du Dir Mühe gibst, wird es funktionieren. Alles im Leben hat seinen Preis - nichts ist umsonst. Grundsätzlich wird man umso besser, je härter man an etwas arbeitet. Bei der geistigen Kontrolle ist es nicht anders. Wenn Du daran arbeitest, kannst Du enorme mentale Fähigkeiten entwickeln, genauso wie Du durch korrektes Körpertraining sehr stark werden kannst. Viel Geduld und harte Arbeit sind zwingende Voraussetzungen für mentale Kontrolle.“ Mike holte tief Luft und atmete langsam aus. Er schwieg einen Moment lang, dann sagte er: „Ich glaube, ich kann die nötige Geduld aufbringen, aber denkst Du wirklich, daß ich mir mentale Kontrolle selbst beibringen kann?“
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„Es wäre besser, jemanden zur Seite zu haben, der Dir hilft, obwohl die richtige Person nicht immer leicht zu finden ist. Wenn Du keinen guten Psychologen kennst oder dessen Dienste Deine finanziellen Möglichkeiten übersteigen, kannst Du es immer noch allein versuchen. Es wird zwar etwas mehr Aufwand erfordern, aber es ist sicher machbar. Ich habe mir auch das meiste dessen, was ich heute weiß, selbst beigebracht. Ich muß Dich aber gleich warnen, Mike: Wenn Du jetzt noch irgendwelche Vorbehalte hast, sollten wir unsere Zeit nicht verschwenden. Du mußt es nicht nur wollen, Du mußt auch daran glauben.“ „Das tue ich, Judd, ehrlich! Wenn Du denkst, daß ich es schaffen kann, bin ich bereit, mein Bestes zu geben. Womit fangen wir an?“ „Hypnose.“ Ein breites Grinsen erschien in Mikes Gesicht.
Kapitel 3 - Schau mir in die Augen Keine andere Methode geistiger Kontrolle hat im vergangenen Jahrhundert so viel Aufmerksamkeit erfahren wie die Hypnose. Die Auswirkungen von Hypnose auf Kraft, Schmerz, Lern und Erinnerungsvermögen sowie einer Vielzahl weiterer Aspekte sind seither eingehend untersucht worden. Doch trotz langer Jahre wissenschaftlicher Forschung sind die wahren Auswirkungen der Hypnose noch immer nicht geklärt. Der Einsatz von Hypnose im Unterhaltungssektor, auf ungezählten Bühnen und Jahrmärkten, hat wohl zu den meisten Mißverständnissen und Fehleinschätzungen in der Öffentlichkeit geführt. Hypnose wird allgemein als eine Form der Magie oder des Mystizismus angesehen. Aus diesem Grund ist es unerläßlich, daß jemand, der mit Hypnose experimentieren will, so viel wie möglich darüber erfährt. So werden nicht nur falsche Vorstellungen ausgeräumt, sondern auch ein Großteil jener Skepsis, die bei der Anwendung von Hypnose nur stören würde. Wenn jemand erst einmal die einzelnen Schritte verstanden hat, die zu hypnotischer Trance führen und darüber hinaus weiß, was unter Hypnose geschieht, ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Selbstanwendung entschieden größer. Also, was genau ist eigentlich Hypnose? Hypnose ist bisher sehr unterschiedlich definiert worden: Als eine Form des Schlafs, als einzigartiger psychischer Zustand, erhöhte Beeinflußbarkeit, Zustand erhöhter Aufmerksamkeit, Bewußtseins- bzw. Persönlichkeitsspaltung, reines Rollenspiel, eine Form klassischer Konditionierung oder als Zustand überhöhter Empfindsamkeit. Kurz gesagt, es herrscht wenig Einigkeit darüber, was Hypnose ausmacht, und niemand kann konkret sagen, was Hypnose wirklich ist. Es gibt bis heute auch keine Möglichkeit, die physiologischen Abläufe unter Hypnose präzise nachzuweisen oder zu messen. Eine hypnotisierte Person zeigt die gleichen neurophysiologischen Funktionen wie eine Person im Wachstadium. Das Elektroenzephalogramm (erstellt mit einem Gerät zur Messung der Hirnströme) weist Alphawellen auf, typisch für einen Zustand der Entspannung. Atmung, Puls und elektrolytische Hautreaktion sind für gewöhnlich ebenfalls typisch für völlige Entspannung. Trotzdem besteht zwischen Wachstadium und hypnotischer Trance ein himmelweiter Unterschied. Die Tatsache, daß Hypnose weder festgestellt noch gemessen werden kann, ergibt sich ganz einfach daraus, daß derzeit keine Instrumente existieren, mit denen die Unterschiede zwischen diesen zwei Bewußtseinsstadien gemessen werden könnten. Interessanterweise verspüren Leute, die unter dem Einfluß von Hypnose stehen, oft eine leichte Entspannung, verlieren aber so gut wie nie die Kontrolle über ihre Gedanken; trotzdem können sie sich hypnotischen 10
Suggestionen nur in den seltensten Fällen widersetzen. Die Bereitschaft hypnotisierter Personen, selbst bizarren Suggestionen zu folgen, ist wohl das beeindruckendste Merkmal der Hypnose. Ebenso wie alle anderen Sportler vor ihm war auch Mike etwas unsicher durch all die Geschichten, die er über Hypnose gehört hatte. Ich würde selbst gern wissen, was Hypnose eigentlich genau ist. Obwohl ich dieses Phänomen ebenso wenig erklären kann wie andere Wissenschaftler, ist die Wirkung hypnotischer Techniken unbestritten. Man muß nicht unbedingt alle physikalischen Grundlagen der Elektrizität verstehen, um diese zu nutzen. Das gleiche gilt auch für Hypnose. Ich mag vielleicht nicht alles darüber wissen, aber ich weiß sehr wohl, wie man Hypnose gewinnbringend einsetzen kann. „Judd, Du erklärst das alles wunderbar, aber was macht Dich so sicher, daß ich überhaupt hypnotisiert werden kann?“, fragte Mike. „Nun, so sicher bin ich gar nicht, daß Du hypnotisiert werden kannst“, erwiderte ich aufrichtig. Mike ließ sich tief in seinen Sessel sinken. Er dachte jetzt wohl, er hätte eine Menge Zeit und Geld verschwendet, nur um eine unbequeme Wahrheit zu erfahren. „Ich weiß wohl, daß dies eine negative Annäherung an eine positive mentale Technik ist, aber wie ich eingangs schon sagte: Du mußt genau wissen, was Du von Hypnose erwarten kannst. Aus bisher ungeklärten Gründen ist die Empfänglichkeit für Hypnose höchst unterschiedlich. Es kann weder jeder hypnotisiert werden, noch kann jeder, der hypnotisiert wurde, das gleiche Stadium hypnotischer Trance erreichen. Statistisch gesehen, können etwa 80% der Bevölkerung hypnotisiert werden. Ungefähr 20% davon fallen in einen somnambulen, oder besser gesagt, einen extrem tiefen Hypnosezustand. 40% erreichen einen medialen oder durchschnittlichen hypnotischen Zustand, während 20% einen hypnodialen oder leichten Hyp nosezustand erfahren. Die übrigen 20% fallen in einen Zustand tiefer Lethargie, der durch völlige Muskelentspannung gekennzeichnet ist. Die Tatsache, daß individuell unterschiedliche Stadien der Trance erreicht werden, ist nicht so seltsam, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Schließlich ist es nur normal, daß alle Menschen unterschiedlich veranlagt sind.“ Mike suchte jetzt verzweifelt nach Bestätigung. „Gibt es denn gar keine Möglichkeit, festzustellen, ob ich hypnotisiert werden kann oder nicht?“ „Der vermutlich beste Weg, das herauszufinden, ist wohl, Dich tatsächlich zu hypnotisieren. Bis heute hat noch niemand psychologische oder physiologische Merkmale entdeckt, die als sichere Indikatoren für Hypnotisierbarkeit dienen könnten. Es gilt aber als gesichert, daß der Mensch im Alter zwischen sieben und acht Jahren besser hypnotisiert werden kann als zu irgendeiner anderen Zeit seines Lebens. Frauen eignen sich normalerweise besser für Hypnose als Männer, und Drogenabhängige besser als Nichtsüchtige.“ Mike wirkte kaum glücklicher als zuvor. „Na großartig! Was soll ich denn jetzt machen?“ „Reg' Dich nicht auf, Mike. Nach meinen Erfahrungen sind Leute mit einer lebhaften Phantasie die besten Versuchspersonen. Da viele Sportler bereits mentale Techniken wie z.B. Visualisierung einsetzen, die ihrerseits Phantasie und Vorstellungsvermögen stimulieren, sind sie in der Regel auch für Hypnose empfänglicher als andere Menschen. Ebenso sind hochintelligente Leute bessere Versuchspersonen als solche mit weniger Grips. Mike, so schwarz, wie Du denkst, sieht es gar nicht aus.“ „Warum können denn einige Leute absolut nicht hypnotisiert werden?“, bohrte Mike weiter, immer noch so energisch wie bei unserem ersten Gespräch. „Also, noch einmal“, entgegnete ich. „Die Ursachen dafür sind zahlreich. Ein Hauptgrund ist der, daß sich viele Hypnotiseure 11
nicht die Zeit nehmen, ihre Versuchspersonen auf die Hypnose vorzubereiten. Sie holen die Leute einfach in Ihre Praxis und stoßen sie in das Labyrinth der Hypnose. So werden vorhandene Ängste und Skepsis bei der Versuchsperson nicht abgebaut, und die Erfolgsquote ist verständlicherweise sehr niedrig. Deshalb arbeite ich stets mit einer systematischen Annäherung, um jegliche Skepsis von vornherein auszuräumen. Ich nehme mir viel Zeit, die Anwendung von Hypnose und ihren Nutzen zu erläutern. Ebenso verwende ich eine Reihe von Experimenten - ich werde sie später noch genauer erläutern - die das Individuum schrittweise an die Hypnose heranführen. So werden alle Ängste abgebaut und der Kandidat wird optimal vorbereitet.“ Mike entspannte sich zusehends. „Weißt du, Judd, die größte Angst habe ich davor, die Kontrolle über mich zu verlieren, wenn ich hypnotisiert bin. Ich habe gelesen, daß die Regierung schon einmal Versuche angestellt hat, ob Menschen durch Hypnose kontrolliert werden können.“ Was Mike da sagte, war korrekt. Das Experiment, von dem er sprach, lief unter dem Codenamen ARTICOKE und war ein Projekt des amerikanischen Geheimdienstes CIA. ARTICOKE war ein Forschungsprogramm, das Möglichkeiten zur Steuerung menschlichen Verhaltens untersuchen sollte. Leiter dieses Projekts war ein Mann namens Morse Allen, ein leitender Wissenschaftler des CIA mit einer besonderen Vorliebe für Hypnose. Allen war überzeugt davon, daß die Hypnose Gedankenkontrolle und Spionage revolutionieren würde, und er benutzte seine eigenen Leute, um diese Theorie zu beweisen. Morse wählte also junge Beamte des CIA als Versuchspersonen, die zu seiner größten Genugtuung alles taten, was er von ihnen verlangte. Er ließ sie streng geheime Dokumente stehlen und diese an KGB-Agenten als Köder weiterreichen. Er manipulierte seine Versuchspersonen derart, daß sie sich gegenseitig bestahlen und Feuer in Regierungsgebäuden legten. Einen seiner Beamten brachte er gar so weit, daß dieser im Schlafzimmer eines völlig Fremden Meldung machte. Nach Allens Meinung ließen diese Tests keinen Zweifel daran, daß einzelne Personen unter dem Einfluß von Hypnose kompromittiert und erpreßt werden konnten. Am 19. Februar 1954 startete er sein wohl extremstes Hypnose- Experiment: Die Schaffung eines programmierten Killers. Allen wählte seine eigene Sekretärin als Opfer. Zunächst hypnotisierte er die Frau und ließ sie in eine tiefe Trance sinken, um ihr dann mitzuteilen, daß sie so lange schlafen solle, bis sie andere Anweisungen erhielte. Als nächstes hypnotisierte er eine zweite Sekretärin, der er suggerierte, daß sie vor lauter Wut darüber, ihre Freundin nicht aufwecken zu können, diese einfach umbringen würde. Allen lud eine n Revolver mit Platzpatronen und legte die Waffe neben das Bett der Schlafenden. Die zweite Sekretärin begab sich nun in das Zimmer mit der schlafenden Kollegin und versuchte sie aufzuwecken. Als ihr das nicht gelang, nahm sie den Revolver und schoß ihrer schlafenden Freundin in den Kopf, genau wie es ihr zuvor von Allen suggeriert worden war. Natürlich wußte sie nicht, daß die Waffe nur mit Platzpatronen geladen war. Als Allen die „Mörderin“ aus ihrer Trance holte, konnte sich die Frau nicht an den Vorfall erinnern; sie beharrte energisch auf dem Standpunkt, niemals jemanden erschießen zu können. Überdies erklärte sie, ungeheure Angst vor Feuerwaffen zu haben. Diese und ähnliche Geschichten bilden die Basis für Skepsis und Angst vor der Hypnose. Doch es gibt einige wichtige Gesichtspunkte, die die meisten Leute dabei nicht bedenken: Zunächst einmal muß das Verhalten, das in Allens Versuchen demonstriert wurde, nicht unbedingt gegen die moralischen und ethischen Prinzipien der Versuchsperson verstoßen. Im Klartext heißt das, daß die Sekretärin vielleicht tatsächlich fähig war, jemanden zu töten. Wir 12
können nur annehmen, daß sie unter normalen Bedingungen anders handeln würde. Leider besteht heute keine Möglichkeit mehr, dies abschließend zu klären. Darüber hinaus waren Allens Experimente Teile einer Fallstudie; die Ergebnisse können also nicht auf die breite Masse der Bevölkerung übertragen werden. Ebenso gut könnte man behaupten: „Wenn ein einzelner Mensch beim Anblick von Blut ohnmächtig wird, werden alle anderen Menschen beim Anblick von Blut ebenfalls ohnmächtig“. Diese Studie beweist also eher die Ausnahme als die Regel. Ein Großteil der Forschungsergebnisse zum Phänomen Hypnose deutet in die andere Richtung. Während man unter dem Einfluß von Hypnose steht, unternimmt man in der Regel nichts, was gegen eigene moralische und ethische Vorstellungen verstößt. Für einen geistig gesunden Menschen birgt Hypnose praktisch keine Gefahren. Jede negative Beeinflussung kann zudem leicht vermieden werden, wenn man Selbsthypnose anwendet, statt sich hypnotisieren zu lassen. Mikes nächste Frage zeigte mir, daß er immer noch mit den Gefahren der Hypnose beschäftigt war: „Besteht denn nicht die Möglichkeit, daß ich aus der Trance nicht mehr erwache, nachdem ich mich selbst hypnotisiert habe?“ „Die Angst, in einem hypnotischen Trancezustand gefangen zu bleiben, ist völlig unbegründet. Überlege doch 'mal: An einer Selbsthypnose ist allein die Versuchsperson beteiligt. Um aus der Trance herauszukommen, brauchst Du Dir nur selbst zu suggerieren, daß Du aufwachst. Das Schlimmste, was Dir passieren kann, ist, daß Du einfach einschläfst. Aber selbst dann würdest Du nach einem erholsamen Nickerchen wieder aufwachen.“ „O.K. Judd, aber wie werde ich mich fühlen, wenn ich hypnotisiert bin?“ „Es scheint so, als seien die Empfindungen unter Hypnose bei jedem Menschen anders. Einige Leute berichten von einem Gefühl der Schwerelosigkeit, des Herabsinkens und der Dunkelheit; in Einzelfällen kommt es sogar zu einer Loslösung des Geistes vom Körper. Andere Leute wiederum erleben ein prickelndes Gefühl, das den ganzen Körper durchläuft, und berichten von leuchtenden Farbflecken, die vor den Augen tanzen. Die meiste Zeit allerdings erfahren die Versuchspersonen allerdings nur völlige Entspannung. Unter Hypnose registriert man alles, was um einen herum geschieht. So hört man zum Beispiel genau, wenn jemand das Zimmer betritt, worauf man höchstwahrscheinlich aufwachen wird.“ Mikes erstauntem Gesichtsausdruck entnahm ich, daß ihm die Worte fehlten. So fuhr ich einfach fort mit meinen Erklärungen: „Gibt es noch etwas, was Du über Hypnose wissen willst, oder hast Du vielleicht etwas, was ich bisher erzählt habe, nicht verstanden?“ „Ich habe soweit kapiert, was Du gesagt hast. Ich weiß nur nicht, was ich sonst noch fragen könnte. Sollte ich noch etwas wissen?“ „Natürlich gibt es noch viel mehr, was ich Dir gern erzählen würde. Je mehr Du über Hypnose weißt, desto besser. Wir haben nur nicht die Zeit, alles im Einzelnen zu behandeln. Es gibt ja auch eine Menge Literatur über Hypnose. Allerdings glaube ich, daß Du jetzt einen guten Überblick erhalten hast, was Hypnose bei normalen Menschen bewirken kann und was nicht. Mit diesen Informationen solltest Du in der Lage sein, selbst zu entscheiden, ob Du das Lernprogramm für Selbsthypnose beginnen willst oder nicht. Das liegt nun ganz allein bei Dir, Mike.“
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Kapitel 4 – Gedankenspiele Mike hätte am liebsten sofort losgelegt, aber er hatte noch einige Fragen. „Okay, Judd, wenn Du meinst, ich hätte jetzt genug Hintergrundwissen, bin ich bereit für das SelbsthypnoseProgramm. Womit fangen wir an?“ „Erst einmal“, erläuterte ich, „werde ich Dir einige Experimente präsentieren, die Du vor der eigentlichen Selbsthypnose meistern mußt. Die Reihenfolge der Aufgaben ist hierarchisch; Du beginnst mit der leichtesten und arbeitest Dich bis zur schwersten hoch. Obwohl diese Übungen schon in die Selbsthypnose führen, sollen sie vor allem Deine Zuversicht stärken, das Phänomen geistiger Kontrolle beherrschen zu können.“ „Wenn ich nicht mehr mit Dir zusammen bin, kann ich die Übungen dann auch allein durchführen? Wie schwierig sind sie denn?“ „Das Programm ist extra so konstruiert, daß Du - oder jeder andere - es allein durchführen kann. Wir sprechen ja über Selbsthypnose; ich hypnotisiere Dich nicht einfach nur. Wenn Du Dir Mühe gibst und genug Zeit investierst, habe ich keine Zweifel, daß Du diese Übungen meisterst, aber Du mußt es auch selbst wollen. Anfangs werden sie Dir vielleicht kompliziert erscheinen, aber wenn Du gewissenhaft trainierst, wirst Du letztlich Erfolg haben. Wahrscheinlich wird es zunächst nicht ganz einfach sein, sich zu entspannen oder zu konzentrieren; Du wirst vermutlich an Dir selbst zweifeln, doch das ist nicht ungewöhnlich: Alles Neue erscheint anfangs schwer.“ „Das Schöne an diesem Selbsthypnose-Programm ist,“ fuhr ich fort, „daß es Dein Verhalten schrittweise formt, indem kleine Handlungsmuster fortlaufend stärker in Dir verankert werden, um schließlich die erwünschte Reaktion zu erzielen. Mit anderen Worten: Wir verwenden eine Bausteintechnik. Wir fangen unten an, mit leichten Übungen, und bauen auf Deinen Fortschritten weiter auf. Jede gelöste Aufgabe wird Deine Fähigkeiten geistiger Kontrolle verbessern, was wiederum Dein Selbstvertrauen stärkt und die Erfolgschancen bei den nachfolgenden Übungen erhöht.“ Ich merkte, daß Mike jetzt unbedingt beginnen wollte. Wenn die größten Zweifel erst einmal verflogen sind, erscheinen den meisten Leute technische Details weniger wichtig; sie wollen dann schnell zum Kern des Themas vorstoßen. Ich war nun überzeugt, daß Mike ausreichend vorbereitet war und beschloß, keine Zeit zu verlieren. Ich erläuterte ihm also eine Serie von Übungen, die das Fundament der Selbsthypnose bilden sollten.
Praktische Anwendungen 1. Mono Ideaismus Die erste Übung nennt sich „Mono Ideaismus“, was soviel bedeutet wie Einzelvorstellung oder Konzentration auf eine Sache. Sie soll zeigen, wie leicht bewußte Handlungen durch systematisches Denken gehemmt werden können. Du bist bestimmt schon einmal beim Zahnarzt gewesen; somit hast Du auch Bekanntschaft mit Mono Ideaismus gemacht. Ist Dir eigentlich aufgefallen, daß der Schmerz des Bohrens verschwindet, wenn man sich auf einen Gedanken konzentriert? Man fokussiert seinen Geist - bewußt oder unbewußt - auf einen einzigen Reiz oder einen einzigen Gedanken, und alles andere ist wie ausgeblendet. Mit der ersten Übung müssen wir genau dies erreichen. Bei nachlassender Konzentration wirst Du allerdings - anders als beim Zahnarzt - nicht umgehend schmerzhaft bestraft. Wenn man sich fest auf einen Gedanken konzentriert, ist es nahezu unmöglich, eine andere Handlung auszuführen, ohne die Konzentrationsphase zu unterbrechen. Ein Experiment mit dem Namen „Bleistift- Phänomen“ soll dieses Prinzip verdeutlichen: 14
Nehme einen Bleistift und halte ihn am stumpfen Ende, so daß er zwischen Daumen und Zeigefinger baumelt. Dann öffne die Finger und lasse den Stift zu Boden fallen. Der gewollte Akt des Loslassens fällt scheinbar leicht. Nun kommt der schwierige Teil: Wir werden versuchen, diese bewußte Handlung zu hemmen, das heißt, sie zu unterdrücken. Wir blockieren dafür die Nervenbahnen vom Hirn zur Fingermuskulatur, die für die Öffnung der Finger verantwortlich sind. Fasse den Bleistift noch einmal am stumpfen Ende, zwischen Daumen und Zeigefinger, und schau für ein bis zwei Minuten genau auf den Punkt, wo die Finger ihn halten. Dann, während Du fortwährend auf diesen Punkt blickst, konzentrierst Du Dich auf folgende Worte: „Ich kann den Stift fallenlassen!“ Sprich den Satz nicht aus, sondern wiederhole ihn in Gedanken immer wieder. Fahre so fort, ohne in Deiner Konzentration nachzulassen: „Ich kann den Stift fallenlassen.“ Nachdem Du diese Worte zwanzig Sekunden lang wiederholt hast, versuche den Stift wirklich fallenzulassen. Wahrscheinlich wird Dir das nicht sofort gelingen. Um den Stift loslassen zu können, mußt Du eine bewußte Entscheidung treffen, daß sich die Finger öffnen sollen. Dein Geist kann aber keine bewußte, analytische Entscheidung fassen, wenn er noch mit dem Gedanken beschäftigt ist, auf den Du Dich gerade konzentrierst. Daraus folgt also, daß Du nicht allein deshalb etwas bewegst, nur weil Du denkst, Du könntest es tun. Das Fallenlassen des Bleistifts erfordert eine neue Kette von Signalen, die das Nervensystem durchlaufen muß, aber durch den Gedanken „Ich kann den Stift fallenlassen“ gehemmt wird. Der Stift wird nur fallen, wenn Du die vorhandene Signalkette durchbrichst, indem Du bewußt entscheidest, daß Du ihn losläßt. Erst dann werden andere Nervenbahnen aktiviert, die den Befehl an die Fingermuskulatur weiterleiten. Kommen wir zu der Möglichkeit, daß der Stift doch zu Boden gefallen ist. Wenn Du ihn sofort loslassen konntest, kann das nur eine der folgenden Ursachen haben: Du hast Schwierigkeiten, meinen Anweisungen zu folgen; Du bist ein neurologisches Wunder, weil es physiologisch völlig unmöglich ist den Stift fallenzulassen, während Du all Deine mentalen Kräfte auf die Wiederholung des Satzes konzentrierst; Du denkst nicht ununterbrochen an die Worte „Ich kann den Stift fallenlassen“, was wohl der häufigste Grund sein dürfte. Egal, welche Ursache auch immer zutrifft, ein Mißlingen des Experiments bedeutet, daß Du weiter üben mußt. Die nächste Übung sollte nicht angegangen werden, bevor das BleistiftExperiment geklappt hat. Erst nach mehrmaligem Erfolg darfst Du zur nächsten Übung schreiten. Lese die Anweisungen noch einmal durch. Denke daran, Du mußt ohne Unterbrechung an die Worte „Ich kann den Stift fallenlassen“ denken, während Du gleichzeitig versuchst, diese Handlung auszuführen. Solange Deine ganze Aufmerksamkeit auf diesen Satz gelenkt ist, kannst Du den Bleistift einfach nicht loslassen. Ich kann es nicht oft genug betonen: Du darfst die nächste Übung nur dann angehen, wenn Du die erste gemeistert hast. Sollten Zweifel bestehen, ob Du die erste Übung beherrschst oder nicht, wird es höchstwahrscheinlich so sein, daß Du sie noch nicht beherrschst. Wiederhole die Übung so oft, bis wirklich jeder Zweifel ausgeräumt ist und Du den beabsichtigten Erfolg immer wieder erzielen kannst. 2. Das SignalPhänomen Das so genannte SignalPhänomen baut auf dem idiomotorischen Konzept auf. Wenn Dein Gehirn einem Gedanken nachgeht, erzeugt es in den Nervenzellen des Körpers Impulse, die 15
den Muskeln ermöglichen, die entsprechende Handlung auszuführen. Stelle Dir zum Beispiel vor, Du würdest einen Hochsprung ausführen. Dein Körper wird nun genauso programmiert, als wenn Du wirklich springen würdest. Mit anderen Worten: Die Muskeln werden durch die Vorstellung des Sprunges neurologisch ebenso angesprochen, als wäre der Sprung Realität und sie müßten tatsächlich arbeiten. Wir wollen diesen Gedanken einmal weiterspinnen: Stelle Dir vor, daß Du während der Visualisierung des Hochsprungs von jemandem beobachtet wirst. Während Du die mentale Konzeptualisierung durchläufst, wird diese Person keine Muskelbewegungen an Deinen Armen und Beinen wahrnehmen. Würden Deine Extremitäten aber an einen Elektromyographen (EMG - ein Gerät, das die Muskelspannung mißt) angeschlossen, könnte man genau erkennen, welche Muskeln in welcher Phase des visualisierten Sprunges aktiviert werden. Der einzige Unterschied bestände darin, daß die Impulsstärke schwächer wäre als bei einem real ausgeführten Sprung. Nach diesem Prinzip arbeitet auch ein Polygraph. Dieses Gerät, auch „Lügendetektor“ genannt, mißt kleinste Veränderungen der Atmung, der Pulsfrequenz und des elektrischen Widerstandes der Haut, die durch das Gedankenmuster einer an den Apparat angeschlossenen Person verursacht werden. Diese kaum wahrnehmbaren Veränderungen werden elektronisch verstärkt, so daß ein Wissenschaftler sie als Reaktionen auf Fragen bewerten kann. Bei Kontrollfragen ermittelte Reaktionen dienen dabei als Standardwerte. Löst eine Frage bei der Versuchsperson ein Gefühl der Schuld aus, oder hat die Person Kenntnis von einer Situation, nach der gefragt wird, unterscheiden sich die vom Polygraphen gemessenen Werte deutlich von denen der Kontrollfragen. Ist die untersuchte Person dagegen unschuldig oder weiß wirklich nichts über die Situation, nach der gefragt wird, liegen die vom Polygraphen ermittelten Reaktionen nahe an den allgemeinen Standardwerten. Die verbalen Reaktionen - die Worte, die bei diesem Frage und Antwortspiel fallen - werden dabei völlig ignoriert; es werden allein die physiologischen Reaktionen ausgewertet, die durch die Gedanken oder Vorstellungen der Versuchsperson erzeugt werden. Als kleiner Junge habe ich das idiomotorische Konzept oft angewandt, um von meiner Mutter etwas Geld zu erhalten. Ich erzählte ihr, sie könne irgendwo im Zimmer einen Dollar verstecken, den ich binnen fünf Minuten finden würde, indem ich einfach ihre Gedanken läse. Falls mir das nicht gelingen sollte, erklärte ich mich bereit, ihr zwei Dollar zu geben. Meine Schwestern, die meine Fähigkeiten anzweifelten, überredeten unsere Mutter dann, das Spiel zu wagen. Sie begleiteten mich ins Nebenzimmer und verbanden mir die Augen. Als „Blindekuh“ wurde ich in das Zimmer geführt, in dem das Geld versteckt war. Ich ließ Mutter meine Handgelenke umfassen und sagte ihr, sie solle an das Versteck denken. Zur größten Überraschung meiner Familie fand ich das Geld immer innerhalb weniger Sekunden; während Mutter meine Handgelenke hielt, ging ich zielstrebig auf das Versteck zu. Meine Mutter schwörte regelmäßig, sie hätte mich nicht zu dem Versteck geführt. Doch hatte sie stets genau das getan. Obwohl sie dachte, ich hätte sie geführt, war es tatsächlich umgekehrt. Ich habe lediglich die Ak tivität ihrer Fingermuskeln „gelesen“ - eine unwillkürliche Reaktion auf ihre Gedanken. Das Handgelenk ist sehr sensibel; an dieser Stelle kann man selbst geringfügige Bewegungen spüren. Je deutlicher die Aktivität in den Fingerspitzen meiner Mutter war, desto näher war
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ich dem Versteck; ich wurde quasi direkt zum Geld geführt. Diese Technik wird „MuskelLesen“ genannt und ist ganz einfach zu erlernen. Wie schon erwähnt, ist das idiomotorische Konzept die Grundlage der nächsten Übung - des „SignalPhänomens“: Finde zuerst eine bequeme Sitzgelegenheit. Setze Dich so, daß dein Rücken gut abgestützt wird. Deine Füße sollten flach auf dem Boden stehen. Strecke beide Arme auf Schulterhöhe parallel aus, die Hände geöffnet und die Handflächen nach unten. Nun schließe die Augen und stelle Dir vor, ein großer, roter, mit Gas gefüllter Ballon sei an Deinem rechten Handgelenk befestigt. Lasse den Ballon so deutlich wie möglich vor Deinem geistigen Auge erscheinen. Sehe seine Farbe, Größe und Form ebenso wie das Band, mit dem er an Dein rechtes Handgelenk gebunden ist. Der Erfolg dieser Übung hängt vor allem davon ab, wie gut Du den Ballon visualisieren kannst. Wenn Du den Ballon ganz deutlich siehst, möchte ich, daß Du Dir gleichzeitig ein Gewicht von zwei Kilo vorstellst, das mit einem Band an Deinem linken Handgelenk befestigt ist. Ebenso wie den Ballon, mußt Du Dir auch das Gewicht so plastisch wie möglich vorstellen. Versuche, Größe, Form und Farbe zu sehen, ja sogar die Prägung auf der Oberfläche. Die Visualisierung des Gewichts sollte eigentlich keine Schwierigkeiten bereiten, da ich annehme, daß der Großteil der Leser schon Erfahrungen mit Hantelscheiben und Gewichten gesammelt hat. Sobald Du beide Objekte vor Deinem geistigen Auge hast, stelle Dir vor, wie das Gewicht Deinen linken Arm zu Boden zieht und der Ballon den rechten Arm empor. Gleichzeitig suggeriere Dir, daß der linke Arm schwerer und schwerer wird; das Gewicht zieht ihn immer tiefer herunter. Der rechte Arm dagegen wird leichter und leichter, als sei er eine Feder, die keiner Schwerkraft ausgesetzt ist. Der Ballon zieht ihn höher und höher. Wiederhole abwechselnd die Suggestionen für den linken und den rechten Arm. Nachdem Du dieses Bild einige Minuten lang visualisiert hast, öffne die Augen. Du wirst feststellen, daß Deine Hände sich nicht mehr auf gleicher Höhe befinden, der rechte Arm ist höher als der linke. Sollte der umgekehrte Fall eingetreten sein, bist Du zwar eine intellektuelle Niete, die rechts und links nicht unterscheiden kann, trotzdem darf das Experiment als Erfolg verbucht werden. Sollten Deine Hände aber noch in der Ausgangsposition sein, mußt Du weiter üben. Starte dazu von Anfang an. Exakte Visualisierung ist das Wichtigste bei dieser Übung. Solltest Du Schwierigkeiten mit der bildlichen Vorstellung eines oder beider Objekte haben, wäre es nicht schlecht, wenn Du Dir ein Gewicht und einen Ballon besorgen würdest, um mit diesen Objekten vertraut zu werden. Die Fähigkeit zur genauen Visualisierung verbessert sich beträchtlich, wenn man das Objekt, das man später im Geiste sehen möchte, zunächst in der Realität betrachtet. Schau es an, schließe die Augen und versuche, ein Duplikat vor Deinem geistigen Auge erscheinen zu lassen. Dabei solltest Du versuchen, die Visualisierung so realitätsgetreu wie möglich zu gestalten, inklusive aller kleinen Beschädigungen, die das Objekt vielleicht aufweist. Hast Du bei dieser Übung die erwarteten Resultate erzielt, kannst Du zur nächsten übergehen. Warst Du nicht erfolgreich, oder bist Du Dir nicht absolut sicher, das SignalPhänomen zu beherrschen, übe weiter. Denke daran: Der erfolgreiche Abschluß jedes einzelnen Experiments ist die Voraussetzung für das Gelingen des folgenden.
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An dieser Stelle möchte ich auch klarstellen, daß der Erfolg der Übungen auf keinen Fall erzwungen werden kann. Wenn die Instruktionen korrekt befolgt werden, wird sich der gewünschte Effekt ganz von allein einstellen. 3. Das Chevreul'sche Pendel Die Pendelübung ist vermutlich nichts Neues für Dich. Noch in jüngster Vergangenheit war das Pendel in vielen Haushalten ein vertrauter Gegenstand. Als ich noch ein kleiner Junge war, konstruierten beinahe alle Leute aus der Nachbarschaft ein Chevreul'sches Pendel (obgleich sie es nicht so nannten), um Fragen über die Zuk unft zu beantworten. Es ist noch gar nicht so lange her, daß viele Menschen an die übernatürlichen Kräfte des Pendels und der QuijaTafel glaubten und ihr Leben danach ausrichteten. Zurückblickend ist es wirklich erstaunlich, wie viele Menschen ihren gesamten Tagesablauf vom Pendel abhängig machten; manche verließen nicht einmal das Haus, ohne zuvor das Pendel befragt zu haben. Das Chevreul'sche Pendel funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie das Signalphänomen und das idiomotorische Konzept. Solltest Du also einer der vielen abergläubischen Sportler sein die nach einem guten Spiel ihre Socken nicht mehr waschen, muß ich Dich leider enttäuschen: Beim Pendel ist keine Magie im Spiel. Das einzige, über das dieses kleine Werkzeug Aufschluß geben kann, sind die im Unterbewußtsein verborgenen Wünsche. Du mußt Dir zunächst ein Pendel basteln. Das Pendel besteht lediglich aus einem Faden, an dem ein Gewicht hängt. Als Gewicht kann alles Mögliche dienen - ein Senkblei zum Fischen, eine Perle, eine Kugel oder ein Lotblei, wie es die Schreiner benutzen. Sollten Dir diese Utensilien nicht zusagen, kannst Du ebenso gut ein fertiges Pendel im Esoterikladen kaufen oder im Versandhandel bestellen. Dann konstruierst Du eine Antworttafel für das Pendel. Nehme dafür ein Stück weiße Pappe und zeichne einen Kreis darauf; der Durchmesser sollte etwa fünf Zentimeter betragen. Wie beim Ziffernblatt einer Uhr malst Du nun einen zehn Zentimeter langen Strich von zwölf bis sechs Uhr und einen weiteren Strich von drei bis neun Uhr. Der Kreis ist jetzt in vier gleich große Stücke unterteilt. Benenne das Viertel von zwölf bis drei mit „ja“, das von drei bis sechs mit „nein“, das von sechs bis neun mit „ja“, und das von neun bis zwölf mit „nein“. Sind Pendel und Antworttafel fertig gestellt, setze Dich an einen Tisch: Plaziere den linken Unterarm nahe am Rand der Tischplatte. Nun stütze den rechten Ellbogen vor Dich auf den Tisch, so daß der rechte Unterarm sich in fast vertikaler Position befindet. Der rechte Ellbogen sollte sich ein wenig vor dem linken Arm befinden. Halte den Faden des Pendels zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, so daß das Pendel zwei bis drei Zentimeter über der Tafel hängt. Vergewissere Dich, daß Du so bequem wie möglich sitzt; Du mußt einige Minuten in dieser Position verharren. Wenn Du meine Anweisungen richtig befolgt hast, sollte sich das Pendel in einer Linie zu Deiner Körpermitte, und etwa zwei Zentimeter über der Antworttafel befinden. Die Armhaltung muß übrigens nicht genau der beschriebenen Stellung entsprechen; die Übung wird trotzdem gelingen. Halte das Pendel nunmehr mit der linken Hand an, so daß es bewegungslos über der Mitte des Kreises der Antworttafel hängt. Du heftest Deinen Blick jetzt auf die Spitze des Pendels und stellst Dir vor, daß das Pendel in leichten Kreisen schwingt. Zunächst wird die Bewegung nur minimal sein. Wenn das Pendel sich langsam bewegt, wirst Du sehen, daß sich allmählich eine Kreisbewegung entwickelt.
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Zu Anfang kaum wahrnehmbar, wird der Kreis zunehmend größer. Beim ersten Anzeichen einer Bewegung visualisierst Du, wie das Pendel in einer perfekten Kreisbewegung schwingt. Konzentriere Deine Vorstellung darauf, daß der Kreis immer größer und seine Form zunehmend perfekter wird. Je angestrengter Du diese Kreisbewegung visualisierst, desto schneller wird sich das Pendel in der gewünschten Form bewegen. Wundere Dich nicht, wenn anfangs eine zickzack- oder eiförmige Bewegung entsteht. Deine mentale Anstrengung wird Form und Richtung der Bewegung ständig verbessern. Sobald sich das Pendel in einem ordentlichen Kreis bewegt, ändere das Bild vor Deinem geistigen Auge und lasse das Pendel andersherum schwingen. Du wirst vermutlich feststellen, daß das Pendel die kreisende Bewegung beendet und wieder Zickzack- Linien beschreibt. Doch diese Taumelbewegung verwandelt sich immer mehr in einen perfekten Kreis mit umgekehrter Drehrichtung. Nachdem Du diesen Teil des Experiments abgeschlossen hast, visualisierst Du, daß das Pendel auf einer Linie zu Deiner Körpermitte hin und her schwingt. Du wirst feststellen, daß das Pendel bei dieser Vorstellung erst einmal langsamer wird, um sich dann immer mehr Deiner Visualisierung anzupassen. Zuletzt lasse das Pendel von rechts nach links schwingen. Wenn Du alle Bewegungsabläufe und Richtungen beherrschst, bist Du bereit für einige Spielchen, die das idiomotorische Konzept bestätigen und die Geist-Körper Synchronisation verstärken. Halte das Pendel so über die Mitte des Kreises auf der Antworttafel, daß es jedes der Felder erreichen kann. Die Spitze des Pendels sollte über dem Mittelpunkt des Kreises hängen. Denke Dir jetzt Fragen aus, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden können. Scheue nicht davor zurück, auch Fragen zu wählen, die Dich wirklich beschäftigen, etwa: Werde ich die nächste Meisterschaft gewinnen? Werde ich bei Olympia dabei sein? Werde ich mit einer Verletzung zu kämpfen haben? Während Du bewußt oder unbewußt über die jeweiligen Antworten nachdenkst, wird das Pendel langsam über den Antwortfeldern schwingen. Sollten bei dieser Übung Probleme auftreten, kann das verschiedene Ursachen haben. Du mußt verstehen, daß die Bewegungen des Pendels von den Antworten bestimmt wird, die Du Dir vorstellst; je deutlicher diese Bewegung, desto besser beherrschst Du das Pendel. Schwierigkeiten können auftreten, weil Du Deine Fingermuskeln zu stark anspannst oder Deine Vorstellungskraft noch der Verbesserung bedarf.
Erinnere Dich: Die Fähigkeit zu perfekter Visualisierung ist der wichtigste Part des idiomotorischen Konzepts. Zusätzlich mußt Du wissen, daß die „Antworten“, die das Pendel liefert, exakt Deinen eigenen Wünschen entsprechen. Die Bewegung des Pendels wird von Deiner Vorstellungskraft gesteuert. Hier sind keine übernatürlichen oder spirituellen Kräfte am Werk. Die Ergebnisse rühren allein von den Nervenimpulsen her, die durch Deine Gedanken ausgelöst werden. Arbeite die einzelnen Phasen der Pendelübung sorgfältig durch, bis Du sämtliche Bewegungen gemeistert hast. Sollte Dich das Frage-und-Antwort-Spielchen irgendwie faszinieren, verbringe so viel Zeit damit, wie Du möchtest, aber setze bitte kein Geld auf Deine Antworten! Wenn Du die ersten drei Experimente beherrschst, hast Du das idiomotorische und das monoideaistische Konzept erlernt und kannst beide erfolgreich umsetzen. Die beiden folgenden Übungen vertiefen diese Konzepte weiter. 4. Das HandschlingenExperiment Das HandschlingenExperiment erfordert im Gegensatz zur Pendelübung keine Werkzeuge, sondern nur die exakte Visualisierung Deiner Hand, die durch eine Schlinge geführt ist. 19
Diese Übung kann liegend oder sitzend ausgeführt werden: Wir beginnen, indem Du eine Hand so vor Dich hältst, daß Du sie von den Fingernägeln bis zum Handgelenk sehen kannst. Nun spreize die Finger so weit auseinander, wie Du kannst. Stelle Dir ein zur Schlinge gebundenes Seil vor, das um Deine Finger gelegt ist (der Daumen bleibt unbeachtet). Du schließt jetzt die Augen und visualisierst, daß die Schlinge sich langsam immer enger um Deine Finger zusammenzieht. Gleichzeitig wiederho lst Du in Gedanken folgende Suggestion: „Je stärker ich mich gegen die Schlinge wehre, desto enger kommen meine Finger zusammen.“ Sehe die Schlinge deutlich vor Deinem geistigen Auge: Sie zieht sich immer mehr zusammen und die Finger werden zusehends aneinandergepreßt. Wiederhole fortlaufend: „Je stärker ich mich gegen die Schlinge wehre, desto enger kommen meine Finger zusammen.“ Nach einigen Minuten wirst Du merken, daß sich zwei oder mehrere Finger berühren. Wenn das eintritt, suggeriere Dir, daß Du Deine Finger nicht mehr spreizen kannst. Sind Deine Finger schließlich alle ganz eng zusammengeschnürt, beendest Du die Übung, indem Du Dir vorstellst, die Schlinge sei verschwunden, Hand und Finger seien wieder ganz normal. Solltest Du Probleme mit dieser Übung haben, kannst Du die Finger mit der anderen Hand zusammendrücken, um den Druck einer sich zuziehenden Schlinge zu simulieren. Versuche Dich an dieses Gefühl zu erinnern, wenn Du die Übung noch einmal angehst. 5. Magnetische Finger Ein weiterer Schritt auf unserem Weg zu geistiger Kontrolle ist das folgende Experiment; es wird „magnetische Fingerübung“ genannt. Wie schon bei der vorhergehenden Übung ist auch hier ein hohes Maß an Vorstellungskraft gefordert: Suche Dir einen ruhigen Platz. Setze Dic h so, daß die Füße flach auf dem Boden stehen und lege die Hände zusammen. Verschränke bis auf die Zeigefinger alle Finger ineinander. Deine Zeigefinger zeigen gestreckt nach oben und berühren sich innen. Nun hältst Du die Hände etwa dreißig Zentimeter von Deinem Gesicht entfernt; die Spitzen der Zeigefinger sollten sich auf Augenhöhe befinden. Schaue fünfzehn Sekunden lang auf die Fingerspitzen und versuche, an nichts zu denken. Dann schließe die Augen. Ich möchte nun, daß Du Dir vorstellst, Deine Finger seien aus magnetischem Metall; wenn sie auseinander gezogen werden, schnappen sie gleich wieder zusammen. Konzentriere Dich fest auf dieses Bild, halte die Hände aber weiterhin ineinander verschränkt, wenn Du versuchst, Deine Zeigefinger auseinander zu bewegen. Dabei visualisierst Du, daß die magnetische Anziehung immer stärker wird, je enger die Finger zusammenkommen. Sobald sie sich berühren, konzentriere Dich auf die Vorstellung, daß sie umso fester zusammenkleben, je mehr Du versuchst, sie zu trennen. Deine Augen sollten während der gesamten Übung geschlossen bleiben. Reagieren Deine Finger so wie beschrieben, bist Du reif für das „ParalyseExperiment“. Falls nicht, übe erst solange weiter, bis Du die „magnetischen Finger“ sicher beherrschst. Bis hierher haben wir uns in steigenden Schwierigkeitsgraden mit dem idiomotorischen und dem monoideaistischen Konzept befaßt; sie bilden die Grundlage für das gesamte Programm der geistigen Kontrolle. In den nun folgenden Experimenten werden wir versuchen, motorische Bewegungen mit Hilfe dieser Konzepte zu unterdrücken. Das ist nicht so schwierig, wie es zunächst klingen mag.
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6. Bleierne Arme Ebenso wie bei den vorangegangenen Übungen, solltest Du auch hier sichergehen, die Anweisungen verstanden zu haben, bevor Du beginnst. Setze Dich auf einen Stuhl, die Füße flach auf dem Boden. Einen Arm legst Du mit der Handfläche nach unten auf einen Tisch. Schließe die Augen und visualisiere, Dein Arm auf dem Tisch sei aus Blei. Stelle Dir genau vor, wie er aussehen würde, bestände er aus purem Blei. Fühle seine Schwere und Unbeweglichkeit. Dann suggeriere Dir, daß der Arm so schwer ist, daß Du ihn unmöglich anheben kannst. Du mußt Dir fest vorstellen, er wäre völlig leblos; anstelle Deines Armes sei da nur noch schweres, glänzendes Metall. Sobald dies fest in Deinem Hirn verankert ist, möchte ich, daß Du in Gedanken die nun folgende Suggestion sprichst: „Mein Arm wird schwer, sehr schwer... wie Blei... schwerer und schwerer und schwerer... je schwerer mein Arm wird, um so kraftloser fühlt er sich an.“ Wiederhole diese Suggestion wieder und wieder, so oft, bis Dein Arm wirklich so schwer wird, daß Du ihn unmöglich anheben kannst. Wenn Du überzeugt bist, daß die Suggestion wirkt und der Arm wirklich „bleischwer“ geworden ist, versuche ihn anzuheben. Visualisiere aber weiterhin, Dein Arm sei aus Blei und suggeriere Dir nun: „Je mehr ich mich anstrenge, den Arm zu heben, desto schwerer wird er.“ Versuche nie, die Suggestionen zu analysieren; laß alles einfach geschehen. Zudem mußt Du Deine gesamte Aufmerksamkeit auf die Übung richten. Sollten Deine Gedanken trotzdem einmal abschweifen, versuche sofort, andere Bilder aus Deiner Vorstellung zu verdrängen allein der „bleierne Arm“ darf vor Deinem geistigen Auge erscheinen. Sobald Du beginnst, die Suggestion zu analysieren, läßt Deine Konzentration nach! Bedenke, daß Konzentration (oder Mono Ideaismus) in diesem Übungsstadium extrem wichtig ist. Die Wirkung der Suggestionen kann noch verstärkt werden, wenn die zweite Person (Du) statt der ersten (Ich) gewählt wird. So entsteht nämlich eher der Eindruck, Dein Geist gäbe die Suggestion an den Körper weiter. Arbeite an dieser Übung, bis Du wirklich extreme Schwere oder gar Lähmung in Deinem Arm auslösen kannst. Lasse Dich nicht entmutigen, wenn Du bei den ersten Versuchen keinen Erfolg hast. Wie schon bei den anderen Experimenten, benötigst Du auch hier einige Praxis, bis das gewünschte Ziel erreicht wird. Diese Übung kann übrigens auch leichte Müdigkeit oder Entspannung hervorrufen. Erinnere Dich: Wenn das Bewußtsein einen Gedanken formt, reagiert der Körper darauf. Wenn Du also Schwere und Entspannung suggerierst, werden sich diese Gefühle auch auf den Körper übertragen. 7. Der gelähmte Unterkiefer Nun liegen nur noch zwei Experimente vor den ersten SelbsthypnoseÜbungen. Das Erste ist der „gelähmte Unterkiefer“: Lege Dich hin, schließe die Augen, und öffne den Mund soweit, daß die Muskeln, die den Unterkiefer bewegen, völlig entspannt sind. Dann wiederholst Du in Gedanken folgende Suggestion: „Je mehr ich mich anstrenge, den Mund offen zu halten, desto enger kommen meine Kiefer zusammen.“ Visualisiere jetzt, daß Ober und Unterkiefer sich immer mehr nähern. Versuche gleichzeitig mit aller Kraft, den Mund offen zu halten. Bald wirst Du 21
fühlen, daß Deine Zähne sich berühren; wenig später werden sich die Lippen völlig schließen. Dabei solltest Du aber weder die Lippen bewegen, noch schlucken. Sobald die Kiefer völlig geschlossen sind, suggeriere Dir: „Meine Kiefer haften fest aneinander, ganz gleich, wie sehr ich es versuche, ich kann sie nicht auseinander bekommen.“ Wenn Du spürst, daß Ober und Unterkiefer fest geschlossen sind, teste die Suggestion wieder, indem Du versuchst, den Mund zu öffnen. Dabei wiederholst Du in Gedanken beharrlich folgende Aussage: „Je stärker ich mich anstrenge, den Mund zu öffnen, desto mehr schließt er sich.“ Du wirst feststellen, daß genau das passiert: Je größer Deine Anstrengungen, den Mund zu öffnen, desto fester haften die Kiefer aneinander. Dieses Spiel sollte etwa zehn Sekunden dauern. Wenn Du wirklich sicher bist, daß Du die Kiefer nicht mehr voneinander lösen kannst, öffne die Augen und atme tief ein. Entspanne Dich einige Sekunden und öffne dann langsam den Mund. Vielleicht suggerierst Du Dir auch, daß Dein Mund jetzt wieder normal sei. Bei dieser Übung darfst Du nicht hetzen. Lasse Dir genügend Zeit und gehe absolut sicher, daß Du den „gelähmten Unterkiefer“ beherrschst, bevor Du zum „HändedruckExperiment“ übergehst. 8. Die HändedruckÜbung Dies ist das letzte Experiment, bevor wir uns der Selbsthypnose widmen. Bevor Du beginnst, entferne sämtliche Ringe oder ähnlichen Schmuck, damit Du Dich nicht verletzt. Setze Dich an einen Tisch und stelle die Füße flach auf den Boden. Deine Unterarme liegen auf dem Tisch und die Hände sind gefaltet. Nun schließe die Augen und visualisiere, Deine Hände seien mit Superkleber zusammengeklebt. Fühle den Klebstoff zwischen den Handflächen und stelle Dir vor, Deine Hände seien die beiden Hälften einer großen Schraubzwinge. Dabei suggerierst Du folgendes: „Deine Hände und Finger wachsen dichter und dichter zusammen. Deine Finger krallen sich tiefer und tiefer ineinander - Du kannst sie nicht trennen. Je stärker Du es versuchst, desto fester kleben sie zusammen. Der Klebstoff an Deinen Händen verbindet Deine Finger so fest, als würden sie zusammenwachsen. Sie werden eins.“ (Wir gebrauchen bei der Suggestion jetzt die zweite Person - „du“ statt „ich“.) Fahre mit diesen Suggestionen fort, während Du gleichzeitig an der Visualisierung festhältst, Deine Hände, auf denen der Kleber langsam trocknet, seien eine Schraubzwinge. Wenn Du vor Deinem geistigen Auge siehst, daß die Schraubzwinge (Deine Hände) bis zum Anschlag zugezogen ist, teste die Suggestion, wie schon in den vorhergehenden Übungen: Versuche, Deine Hände zu trennen. Dabei redest Du Dir ununterbrochen ein: „Je stärker Du versuchst, die Hände voneinander zu lösen, desto enger wachsen sie zusammen.“ Du wirst feststellen, daß genau das eintritt. Je mehr Mühe Du darauf verwendest, Deine Hände zu trennen, desto dichter werden sie zusammengepreßt. Achte darauf, daß die Augen während der gesamten Übung geschlossen bleiben, und daß sich Deine ganze Aufmerksamkeit auf das Bild Deiner Hände als Schraubzwinge konzentriert. Es ist sehr wichtig, daß Deine Gedanken nicht einen Moment von diesem Konzept abweichen. Wenn Du Dir sicher bist, Deine Hände nicht mehr voneinander lösen zu können, öffne die Augen und atme tief ein. 22
Versuche aber nicht sofort, die Hände voneinander zu lösen. Entspanne Dich erst einmal, und gestatte Deinen Fingern und Händen dann langsam, sich voneinander zu trennen. Arbeite solange an dieser Übung, bis Du sie perfekt beherrschst. Vielleicht besorgst Du Dir auch eine echte Schraubzwinge, die Du eingehend studierst, um sie Dir in Gedanken besser vorstellen zu können. Ich wiederhole noch einmal: Du benutzt bei allen Übungen Einbildungen - mentale Bilder - um eine physiologische Reaktion hervorzurufen. Wenn Du dieses Konzept erfolgreich anwenden kannst, bist Du an der Schwelle, Dich selbst in einen Trancezustand zu versetzen. Bei all diesen Übungen solltest Du die Effektivität der Konditionierung niemals in Frage stellen. Analysen der Übungen lenken nur von den erforderlichen Suggestionen ab. Andererseits kannst Du Deine Fortschritte beschleunigen, indem Du fest daran glaubst, daß jeder neue mentale „Trick“ funktionieren wird. Obwohl ich Mike alle acht Experimente in einer einzigen Sitzung erläuterte, braucht es doch eine gewisse Zeit, bis man sie beherrscht. Wundere Dich also nicht, wenn Du eine ganze Woche benötigst, um nur eine Übung zu meistern. Die folgenden Richtlinien werden Dir helfen, alle Experimente erfolgreich abzuschließen: Richtlinien 1. Entschließe Dich jetzt sofort dazu, alles daran zu setzen, jede einzelne Übung perfekt zu beherrschen, ehe Du zur nächsten übergehst. 2. Verbanne jegliche kritische Bewertung an das Ende einer Sitzung. Gehe die Übungen mit totaler Hingabe und größtmöglichem Selbstvertrauen an: Du weißt, daß Dir alles gelingt, wenn Du nur willst! 3. Wann immer Vorbehalte oder negative Gedanken auftauchen, die Dich am Erfolg der Übungen zweifeln lassen, verwandle diese sofort in positive Gedanken und Selbstbestätigung. Viele Leistungssportler wissen bereits, was sich auch in der Wissenschaft immer klarer abzeichnet: Der menschliche Geist besitzt die sagenhafte Fähigkeit, den Körper so zu lenken, daß er dominierende Gedanken in die Tat umsetzten kann. Du bist wirklich das, was Du zu sein glaubst. Wenn Du an Deinen Erfolg glaubst, hast Du bereits die erste Sprosse auf der Erfolgsleiter erklommen. 4. Nehme Dir fest vor, jeden Tag mindestens eine halbe Stunde für die Weiterentwicklung Deiner mentalen Fertigkeiten zu opfern. Das ist mit Sicherheit erheblich weniger Zeit, als Du für Dein physisches Training aufwendest. 5. Du mußt eine Übung perfekt beherrschen, bevor Du zur nächsten übergehst. Denke in diesem Zusammenhang daran: Erfolg gebiert Erfolg. Jede erfolgreich abgeschlossene Übung stärkt Dein Selbstvertrauen für die nachfolgende. Und noch einmal: Erwarte nicht, die Übungen jeweils in nur einer Sitzung zu meistern. Es wird einige Zeit kosten, doch der Aufwand zahlt sich aus, das verspreche ich Dir. Genau wie beim körperlichen Training wirst Du feststellen, daß es zunehmend einfacher wird, je länger Du Dich der Sache widmest. 6. Für jedes neue Experiment gilt: Lese die Instruktionen so oft, bis Du alles verstanden und die ganze Prozedur verinnerlicht hast.
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Noch eine letzte Mahnung: Du darfst auf keinen Fall versuchen, Erfolg bei den Übungen zu erzwingen. Wenn Du den Anweisungen folgst, wird das wie von selbst geschehen. Tritt der erwartete Effekt nicht ein, hast Du vielleicht die Technik nicht verstanden oder einen anderen Fehler gemacht. Lies die Instruktionen noch einmal aufmerksam durch, und beginne erneut von Anfang an. Mißerfolge liegen nämlich in den allermeisten Fällen nicht in der Unfähigkeit begründet, die Übung zu erlernen, sondern darin, daß Du den Anweisungen nicht korrekt folgst. Genau wie beim körperlichen Training, solltest Du auch für Dein mentales Training einen Zeitplan aufstellen; führe darüber hinaus ein Tagebuch, in das Du Deine Fortschritte einträgs t.
Kapitel 5 - Selbsthypnose Es gibt ungezählte Methoden, mit denen Selbsthypnose induziert werden kann. Fast jedes Buch zu diesem Thema empfiehlt eine andere Technik zur Einleitung der Trance. Zwei Techniken aber versprechen meiner Meinung nach den besten Erfolg: „Schlaf- Suggestion“ und „Objektfixierung“. Ich rate Dir, zunächst mit beiden Techniken zu experimentieren, um dann die für Dich am besten geeignete zu wählen. Es ist eigentlich egal, für welche Methode man sich letztlich entscheidet; beide führen zum gleichen Ergebnis - hypnotische Trance. Um einen Hypnosezustand auszulösen, mußt Du Dir die Induktionstechniken einprägen. Es ist allerdings sinnlos, die Suggestionen nachzuplappern wie ein Papagei; weitaus wichtiger ist das Verständnis der Grund lagen und Techniken. Du darfst die Suggestionen auch nicht laut aussprechen; wie schon bei den vorangegangenen Experimenten sollten Suggestionen „in Gedanken“ formuliert werden. Die Worte müssen als lebendiges Bild vor Deinem geistigen Auge erscheinen. Wenn der Geist diese Botschaften empfängt, reagiert der Körper mit entsprechenden physiologischen Reaktionen. Suggerierst Du also, daß Du Dich entspannst, finden in Deiner Muskulatur tatsächlich Veränderungen statt, die in physiologische Entspannung münden. Ebenso wie zuvor bei den Übungen darfst Du auch hier keine Zeit damit vergeuden, die Suggestionen zu analysieren. Konzentriere Dich auf die Suggestionen und lasse alles andere einfach geschehen. Du mußt bedenken, daß es sich bei der Hypnose um einen systematischen Prozeß handelt. Jeder einzelne Schritt ist wichtig, da er mit den vorhergehenden und nachfolgenden Abschnitten in direkter Beziehung steht. Darüber hinaus gibt es bei den Hypnosetechniken keinen Anlaß zur Eile. Du wirst bald feststellen, daß es vieler Übungsstunden bedarf, um einen Trancezustand herbeizuführen. Andererseits: Je öfter Du übst, desto schneller werden Deine Suggestionen Wirkung zeigen. Bevor Du Dich nun mit den Hypnosetechniken befaßt, solltest Du einen Ort aufsuchen, an dem Du nicht gestört wirst. Es ist ungemein wichtig, jede Ablenkung zu vermeiden. Am besten legst Du den Hörer neben das Telefon und stellst die Türklingel ab. Versuche außerdem, die Sitzungen in eine Tageszeit zu legen, wo möglichst wenig passiert - vielleicht am frühen Nachmittag. Wir befassen uns zunächst mit der SchlafSuggestion: Lege Dich dazu auf ein Bett oder eine Couch, Deine rechte Hand (bei Linkshändern die linke) ruht auf der Brust, die Handfläche nach unten; der andere Arm entspannt an der Seite. Schließe die Augen und entspanne Dich. Nehme Dir die Zeit, alle Aufregungen und Ärgernisse aus Deinem Kopf zu verbannen. Beginne mit der Hypnoseprozedur erst dann, wenn Du Dich völlig entspannt hast. 24
Bist Du soweit, suggeriere Dir folgendes: „Ich fühle mich wunderbar träge und entspannt. In wenigen Sekunden werde ich mich in tiefe hypnotische Trance versetzen. Ich weiß, daß ich dabei weder die Kontrolle über mich selbst, noch über irgendwelche Fähigkeiten verlieren werde. Vielmehr werde ich absolute Kontrolle über mich haben. Ich registriere alles, was um mich herum geschieht. Sollte etwas geschehen, das meine Aufmerksamkeit erfordert, wenn zum Beispiel jemand ins Zimmer kommt, jemand nach mir ruft oder ein Feuer ausbricht, werde ich sofort aufwachen. Sobald ich aufgewacht bin, fühle ich mich erfrischt, entspannt und hellwach. Ich werde jetzt beginnen. Durch diese und ähnliche Übungen will ich ein vollkommener Mensch werden, jemand, der Geist und Körper gemeinsam nutzt.“ Beachte bitte, daß die Worte „aufwachen“, beziehungsweise „hellwach“ den Kern der Sache nicht richtig treffen. Während keiner Phase der Selbsthypnose wirst Du wirklich schlafen. Du befindest Dich lediglich in einem anderen Bewußtseinszustand. Wenn ich erkläre, daß Du „aufwachen“ wirst, heißt das, daß Du zu normalem Bewußtseinszustand und normaler Aufmerksamkeit zurückkehrst, nicht aber, daß Du aus einem Schlaf erwachst. Nun die „partielle Entspannung“. Die besondere Bedeutung dieser Technik werde ich später noch eingehender erläutern. Für den Moment genügt es, wenn Du erfährst, daß partielle Entspannung lediglich eine umfassendere Form der Entspannung ist, bei der einzelne Körperpartien nacheinander entspannt werden. Zuerst konzentrierst Du Dich auf die Stirn. Der Frontalis- Muskel auf der Stirn ist der Schlüsselpunkt für die Lockerung des ganzen Körpers. Während Du Dich auf die Entspannung der Stirnmuskulatur konzentrierst, suggerierst Du: „Alle Anspannung und jeglicher Druck fällt von meiner Stirn ab. Die Muskeln meiner Stirn beginnen sich zu lockern. Ich fühle mich wunderbar träge und entspannt.“ Versuche, Dir bildlich vorzustellen, wie sich die angesprochene Muskulatur entkrampft, schlaff und kraftlos wird. Sobald die Stirn entspannt ist, wendest Du Dich den anderen Gesichtspartien zu. Die Augen bleiben dabei die ganze Zeit geschlossen. Lockere alle Gesichtsmuskeln auf die gleiche Weise. Schon bald ist Dein Gesicht völlig entspannt. Gehe nicht eher zur nächsten Körperpartie über, bevor die Gesichtspartie nicht völlig entkrampft ist. Erst wenn Du Dir dessen absolut sicher bist, verfährst Du ebenso mit der Muskulatur der restlichen Körperpartien. Entspanne nacheinander Hals, Schultern, beide Arme und Hände, Brust, Bauch, Po, beide Oberschenkel und Waden, zuletzt die Füße. Sehe Deinen Körper als weiche, schlaffe Stoffpuppe; völlig kraftlos und total entspannt. Du mußt diese Lockerung so lange üben, bis Du in der Lage bist, einen Zustand völliger Entspannung zu erreichen. Eines muß Dir absolut klar sein: Totale Entspannung ist wichtig, um später in Trance fallen zu können! Gehen wir jetzt davon aus, daß Du totale Entspannung erreicht hast. Jetzt kann es weitergehen. Visualisiere, wie Dein Kopf immer tiefer ins Kopfkissen sinkt. Du fühlst Dich völlig entkrampft. Während Du das Gefühl der Entspannung, vielleicht sogar des Herabsinkens deutlich spürst, wiederhole die dazu passenden Suggestionen: „Ich fühle mich wunderbar locker und entspannt. Mein Kopf sinkt tiefer und tiefer in ein weiches Kissen. Meine Schultern sinken tief in das weiche Bett.“ Als nächstes richtest Du die Aufmerksamkeit auf Deinen Rücken und visualisierst, wie sich das Bett in eine weiche, bauschige Wolke verwandelt, die Dich umhüllt. Stelle Dir vor, was für ein tolles Gefühl es ist, in die Wolke hinunterzusinken; wie Du auf der weichen Substanz schwimmst; wie leicht jeder einzelne Körperteil auf dieser wunderschönen Wolke ruht. Du 25
solltest mittlerweile völlig entspannt sein und die Gefühle des Schwebens oder Treibens vielleicht sogar körperlich wahrnehmen. Nun visualisiere einen Ort, wo Du Dich gern zum Schlafen hinlegen würdest. Das kann ein Strand im Sommer sein, an einem warmen Frühlingstag auf angenehm kühlem Laub im Wald, oder an einem abgeschiedenen, stillen Bergsee. Visualisiere, wie Du Dich dort entspannst und an nichts denk st. Genieße die warmen Sonnenstrahlen, die Dich immer schläfriger werden lassen. Ein Gefühl der Schwerelosigkeit stellt sich ein; es ist Dir nicht mehr möglich, die Augen zu öffnen, selbst wenn Du es wolltest - aber Du willst gar nicht. Eine innere Stimme rät Dir, sich einfach fallenzulassen und in das friedliche Reich erholsamen Schlafs zu begeben. Visualisiere die Szenerie, die Du ausgewählt hast, und wiederhole folgende Suggestion: „Ich werde immer schläfriger; ich bin sehr, sehr müde.“ Stelle Dir vor, wie Du dort liegst und siehst, wie einige weiße Wolken am blauen Himmel vorüberziehen. Die Wolken erscheinen Dir weich und federleicht. Lasse Deinen Geist mit dem Gedanken spielen, wie schön es wäre, jetzt einfach einzuschlafen. Sehe Dich selbst, wie Du daliegst und einen See in der Ferne beobachtest. Seine schimmernde Oberfläche ist spiegelglatt und ruhig, so ruhig und friedlich wie Dein Geist in diesem Augenblick. Du solltest nun sehr entspannt und ziemlich müde sein. Jetzt suggerierst Du Dir, daß die Hand auf Deiner Brust immer leichter wird; so leicht wie eine Feder, die von einer sanften, angenehm kühlen Brise empor getragen wird. Stelle Dir vor, ein Gasballon sei an Deiner Hand befestigt, der sie behutsam nach oben zieht. Du wirst bald spüren, daß Deine Finger sich von der Brust lösen. Während Deine Hand weiter und weiter emporschwebt, suggerierst Du, daß Du immer schläfriger wirst, je höher die Hand nach oben schwebt: „Meine Hand wird leichter und leichter, so leicht, als sei sie eine Feder; schwerelos in der Luft. Sie treibt immer weiter empor. Je leichter sie wird, desto müder werde ich... sehr müde... ich möchte schlafen... tiefer, tiefer Schlaf.“ Sobald Deine Hand sich von der Brust löst (Du darfst sie nicht anheben; wenn alles so läuft, wie es soll, wird sie von allein auf die Suggestionen reagieren), stellst Du Dir vor, daß sie sich auf Dein Gesicht zu bewegt, während Du Dich dabei immer schläfriger fühlst. Visualisiere, wie ein Ballon Deine Hand näher zum Gesicht trägt, während Du zunehmend tiefer in einen Traumzustand sinkst. Suggeriere Dir, daß Du in dem Moment, wo die Hand Dein Gesicht berührt, in einen sehr tiefen Schlaf fallen wirst. Dabei fühlst Du Dich wunderbar glücklich und entspannt. Nach etwa einer Minute kontinuierlicher Konzentration auf diesen Gedanken wird Deine Hand das Gesicht erreicht haben. Sobald sie es berührt, fällst Du in tiefen, herrlichen Schlaf. Lege Deine Hand jetzt zurück auf die Brust. Du bist soeben in die faszinierende Welt hypnotischer Trance entschwebt. Lasse Dich jetzt einfach treiben und genieße die neue Erfahrung völliger Entspannung. An dieser Stelle eine Anmerkung: Es ist nicht ungewöhnlich, bei den ersten Anzeichen erfolgreicher Hypnose Nervosität oder gar Angst zu verspüren. Es könnte sein, daß Du plötzlich aus der Trance aufschreckst, weil Du feststellst, daß Deine Hand den Weg zum Gesicht wie aus eigenem Antrieb macht. An diese Erfahrung muß man sich erst gewöhnen; schließlich lernst Du ja ein vollkommen neues und fremdes Phänomen kennen. Eine solche Reaktion ist ganz normal und wird mit zunehmender Gewöhnung verschwinden. So, nun laß uns die Reise in die Selbsthypnose wieder aufnehmen. 26
Nachdem Du jetzt einen Zustand hypnotischer Trance herbeiführen kannst, wirst Du anschließend lernen, totale Muskelentspannung und TraumTraining anzuwenden. Diese fortgeschrittenen Techniken müssen aber gesondert behandelt werden. Wir werden uns später damit befassen. (Für das Verständnis der einzelnen Techniken ist es übrigens unerläßlich, das ganze Buch zu lesen). Im Augenblick nehmen wir einmal an, Du hättest totale Muskelentspannung und TraumTraining bereits vollzogen und willst nun aus der Trance erwachen. Durch folgende Suggestion kannst Du die Trance aufheben: „Ich werde jetzt aufwachen, indem ich von eins bis fünf zähle. Wenn ich mich das nächste Mal hypnotisiere, wird die ganze Prozedur viel schneller vonstatten gehen, und ich werde in noch tiefere Trance fallen als jetzt. Eins - ich werde langsam wach. Zwei - ich kehre aus einem tiefen Schlaf zurück, fühle mich erfrischt und stark. Drei - ich bin jetzt fast wach. Ich bin glücklich, entspannt und fühle mich wohl. Vier - meine Augen beginnen sich zu regen; gleich bin ich wach. Fünf - meine Augen sind geöffnet; ich fühle mich herrlich entspannt und stark.“ Bist Du wach, bleibe einfach noch etwas liegen und lasse Deine Erfahrungen Revue passieren. Erst dann solltest Du aufstehen und mit dem normalen Tagesablauf fortfahren. Nachdem Du die SchlafSuggestion kennengelernt hast, gehen wir nun zur zweiten Hypnosetechnik über - der ObjektFixierung. Diese Technik ist nicht so entspannend wie die SchlafSuggestion, doch sie ist eine der schnellsten Methoden zur Induzierung hypnotischer Trance. Zunächst benötigst Du ein Objekt, auf das Du Deine Aufmerksamkeit richten kannst. Ein Schlüssel, eine Kerze, eine Münze, oder sogar ein Riß in der Zimmerwand oder decke eignen sich hervorragend dafür. Hast Du Dich für einen Gegenstand entschieden, setze Dich auf einen bequemen Stuhl oder in einen Sessel: Das Objekt sollte sich etwa dreißig Zentimeter vor Dir, und fünfzehn Zentimeter über der Blickachse befinden. Nun mußt Du Dich von allen Gedanken befreien und tief entspannen. Bei der Objektfixierung bleiben die Augen geöffnet; Du mußt den bewußten Gegenstand ununterbrochen ansehe n. Sobald Du Dich entspannt hast, suggerierst Du Dir: „In wenigen Sekunden werde ich mich in tiefe hypnotische Trance versetzen. Ich weiß, daß ich dabei weder die Kontrolle über mich selbst, noch über irgendwelche Fähigkeiten verlieren werde. Vielmehr werde ich absolute Kontrolle über mich haben. Ich registriere alles, was um mich herum geschieht. Sollte etwas passieren, das meine Aufmerksamkeit erfordert, wenn zum Bei spiel jemand ins Zimmer kommt, jemand nach mir ruft oder ein Feuer ausbricht, werde ich sofort aufwachen. Sobald ich aufgewacht bin, fühle ich mich erfrischt, entspannt und hellwach. Ich werde jetzt beginnen. Durch diese und ähnliche Übungen hoffe ich, ein vollkommener Mensch zu werden, jemand, der Geist und Körper gemeinsam nutzt.“ Denke daran, Deinen Blick dabei die ganze Zeit auf das Objekt zu konzentrieren. Während der Prozedur wirst Du zuweilen das Gefühl haben, daß sich der Gegenstand dicht vor Deinen Augen befindet; manchmal wirst Du glauben, er sei verschwunden. Egal, was passiert, fixiere den Blick ununterbrochen auf das Objekt und sei offen für alle Erscheinungen, die dabei auftreten. Starte dann den gleichen Entspannungsprozeß wie bei der Schlafsuggestion. Entspanne nacheinander die Muskulatur der Stirn, des Gesichts, des Halses, der Schultern und so weiter, bis der ganze Körper völlig entspannt ist. Lasse das Objekt dabei nicht aus den Augen. Halte Deinen Blick fest darauf gerichtet, so lange, bis alle anderen optischen Empfindungen 27
verschwunden sind. Wenn Du völlig entspannt bist, schaue tief in den Gegenstand hinein und stelle Dir vor, Dein Körper sei aus Blei. Während Du den Blick nicht von dem Objekt nimmst, suggerierst Du Dir, daß Deine Füße schwer werden, sehr schwer, gerade so, als seien sie aus Blei gegossen: „Ich werde immer träger, entspannter und schläfriger. Die Schwere zieht meine Beine hinauf, sie werden schwerer, und schwerer, und schwerer.“ Versuche das schwere, dickflüssige, silberfarbene Blei zu „sehen“, wie es in Deine Beine sickert. Deine Beine werden so schwer, daß Du sie niemals anheben könntest, selbst wenn Du wolltest. Während nun ein wunderbares Gefühl der Entspannung aufkommt und Du fest daran denkst, wie müde Du bist, fixierst Du Deinen Blick noch immer auf das Objekt. Stelle Dir weiterhin vor, Dein Körper sei aus Blei und so schwer, daß es Dein Vorstellungsvermögen übersteigt. Wende Dich nun Deinem Gesicht und den Augen zu. Suggeriere Dir: „Meine Augenlider werden schwer, sehr schwer. Sie schließen sich immer mehr. Je stärker ich versuche, die Augen offenzuhalten, desto schwerer werden meine Augenlider.“ Fahre so fort. Du bist jetzt wieder in die faszinierende Welt hypnotischer Trance eingetreten; Du solltest nunmehr in der Lage sein, Dich zu entspannen und diese Erfahrung zu genießen. Wie bei der Schlafsuggestion wendest Du jetzt totale Muskelentspannung an und gehst dann über zum TraumTraining. Um aus der Trance zurückzukehren, verwendest Du die Zähltechnik aus der Wecksuggestion. Schlafsuggestion und Objektfixierung dienen dem gleichen Ziel: Du versuchst, Dich in einen hypnotischen Suggestivzustand zu versetzen. Es wird nicht von Dir erwartet, daß Du beide Methoden anwendest, um an dieses Ziel zu gelangen; eine der Techniken ist völlig ausreichend. Im Allgemeinen wird die Schlafsuggestion bevorzugt, da sie eine stärkere und durchdringendere Wirkung hat; sie erfordert aber mehr Zeit und Übung als die Objektfixierung. Entscheidend ist letztlich, welche Technik am besten zu Dir paßt, Dir bequemer und einfacher erscheint. Mit dieser solltest Du arbeiten. Hast Du Selbsthypnose einmal erlernt, ist damit die Voraussetzung zur Kontrolle Deines Verhaltens geschaffen. Wie schon erwähnt, gibt es zwei Techniken, mit denen Du Dein Verhalten quasi programmieren kannst: Totale Muskelentspannung und TraumTraining. Als nächstes werden wir uns diesen mächtigen Werkzeugen geistiger Kontrolle zuwenden.
Kapitel 6 - Entspanne Dich! Nachdem Mike jetzt die Konzepte der Gedankenspiele und die Induktionstechniken kennengelernt hatte, war er soweit, mehr über TME oder totale Muskelentspannung zu erfahren. Die Anwendung der totalen Muskelentspannung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur vollständigen geistigen Kontrolle. Zwischen Entspannung und totaler Muskelentspannung besteht nämlich ein Riesenunterschied. Viele Menschen meinen, totale Entspannung schon bei vielen Gelegenheiten erfahren zu haben. Ich wage aber zu behaupten, daß die Mehrheit dieser Leute niemals wirkliche TME erlebt haben. Der Unterschied besteht in den verschiedenen Niveaus. Entspannung kann durch eine Vielzahl unterschiedlicher Gefühle ausgedrückt werden. TME dagegen ist ein Gefühl völliger Leere; einzigartig in der Art und Weise, wie es empfunden wird. Niemand, der TME einmal wirklich genossen hat, wird dieses Gefühl je wieder vergessen. 28
Hypnose kann die Entspannung unterstützen, aber sie ist keine Garantie für TME. Mit anderen Worten: TME ist nicht abhängig von Hypnose; im Gegensatz zur Hypnose, die vom Grad der Entspannung abhängt. Aus diesem Grund lehre ich meine Schützlinge stets beides; sowohl, wie man einen tiefen Entspannungszustand erreicht, als auch, wie man in Trance fällt. Obwohl TME das Erlernen der Selbsthypnose unterstützt, wende ich diese Technik vor allem an, um Ängste und Beklemmungen auszuräumen. Entspannung und Angst sind gegensätzliche Gefühle; man kann immer nur jeweils eines von beiden erfahren. Es ist absolut unmöglich gleichzeitig entspannt und ängstlich zu sein. Unter TME ist es somit unmöglich, Angst oder die physiologische Erregung, die mit der Angst einhergeht, zu empfinden. Andererseits: Wird ein furchtauslösender Reiz über einen längeren Zeitraum mit TME kombiniert, wird die Versuchsperson allmählich lernen, sich trotz der belastenden Reize zu entspannen. Selbst wenn der Streß der Situation nicht übergroß ist, profitierst Du doch sehr davon, wenn Du Wettkampf oder körperliches Training mental, unter dem Einfluß von TME, visualisierst. Der Grund liegt darin, daß Du schon bald TME und sportliche Leistung miteinander verknüpfen wirst. Auf diese Weise steigen die Chancen enorm, daß Du Dich in Training oder Wettkampf ebenfalls erfolgreich entspannen kannst. Die Fähigkeit, TME während streßauslösender körperlicher Aktivität anzuwenden, wird nicht nur Deine sportliche Leistung steigern. Du erhöhst gleichzeitig auch Deine Energiereserven und wirst so belastbarer. Dies war genau die Art geistiger Kontrolle, die Mike suchte: „Judd, ich habe in 2001 ODYSSEE IM SPORT gelesen, daß Du computergestütztes Biofeedback verwendest, um Dir Entspannung selbst beizubringen. Ist das die einzige Methode?“ „Nein, es gibt viele Methoden, die Du benutzen kannst. Ich habe mit nahezu allen bekannten Techniken experimentiert. Allerdings bevorzuge ich zwei Methoden: Biofeedback und Jacobson's progressive Entspannungstechnik. Ich habe mit beiden Methoden beachtlichen Erfolg gehabt, obwohl ich mich zuletzt mehr auf Biofeedback versteift habe.“ „Was genau ist denn Biofeedback?“, wollte Mike wissen. „Biofeedback ist einfach ein Werkzeug, das Dir sofortige Information über die Funktionen Deines biologischen Systems liefert, etwa über Herzrhythmus, Atmung und Hirnströme. Das geschieht, indem Du mit visuellen oder akustischen Rückmeldungen über das jeweils angeschlossene biologische System konfrontiert wirst. Die Methode basiert auf den Prinzipien normalen Lernverhaltens. Es ist eine bekannte Tatsache, daß man eine Rückmeldung, eben ein „Feedback“ benötigt, um etwas zu lernen. Ohne eine Rückmeldung kann man nichts lernen. Ein Beispiel: Angenommen, Du lernst gerade Basketball spielen. Wenn Dein Wurf zu weit links landet, würdest Du ein visuelles Feedback erfahren, indem Du erkennst, was zu tun ist, um nächstes Mal einen Korb zu erzielen. Ohne diese Rückmeldung wäre es unmöglich zu lernen, wie man in den Korb trifft. Jede Fertigkeit erfordert ein Feedback, sei es einen Basketball zu werfen, einen Baseball zu schlagen oder eine Hantel zu heben.“ Ich machte eine Pause, bevor ich weitersprach, um meinen Worten mehr Wirkung zu verleihen. „Als man die Bedeutung des Feedbacks für den Lernerfolg erkannt hatte, gingen einige Wissenschaftler daran, zu erforschen, ob man auch die inneren Organe durch Feedback kontrollieren kann. Sie konstruierten ein Gerät, das der Versuchsperson ein kontinuierliches visuelles und akustisches Feedback übermittelt. Dieser sogenannte Physiograph ist ein Apparat, der visuelle Rückmeldungen über ein Oszilloskop und akustische über einen Lautsprecher geben kann. Das Oszilloskop ist lediglich ein Bildschirm, auf dem Dein Herzschlag dargestellt wird. Darauf befinden sich Zahlen, die den Bereich von 0 bis 200 in 29
10er-Intervallen abdecken. Versucht man nun, den Puls auf 60 Herzschlägen pro Minute zu halten, können auf beiden Seiten der Zahl „60“ vertikale Linien eingestellt werden. Über eine Elektrode auf der Brust wird die Versuchsperson an das Gerät angeschlossen. Die Schlagfrequenz des Herzens wird in kurzen Abständen gemessen und als kleiner Punkt auf der Skala am Bildschirm angezeigt. Laß uns einmal annehmen, Du wärst an das Gerät angeschlossen, und der Lichtpunkt auf dem Monitor würde bei 72 Schlägen pro Minute verharren, was etwa der durchschnittlichen Pulsfrequenz eines Menschen entspricht. Du bekommst nun, wahrscheinlich zum ersten Mal im Leben, ein biologisches Feedback von Deinem Herzen. Der nun folgende Prozeß wird idiosynchratische Programmierung genannt (keine Sorge, das mußt Du Dir nicht merken; nur ein weiterer Fachausdruck für eine mentale Übung). Dahinter verbirgt sich lediglich, daß Du an etwas denkst, was den Herzschlag beschleunigt oder verlangsamt. Wenn Du zum Beispiel an eine schöne Frau denkst, die mit Dir schlafen möchte, wirst Du feststellen, daß der Lichtpunkt sofort in den 200erBereich wandert. Du wirst schnell begreifen, daß Du auf keinen Fall an schöne Frauen oder andere, Unruhe auslösende Szenen denken darfst, wenn Du Deinen Puls auf 60 Schläge pro Minute beschränken willst. Das andere Extrem wäre wohl, daß Du Dir vorstellst, Du säßest in einer Vorlesung über prähistorische Felsformationen. Der Lichtpunkt würde sich vermutlich dem anderen Ende der Skala zubewegen. Nun laß uns annehmen, Du visualisierst, daß Du in hohem, grünem Gras liegst. Die Sonne scheint, und der Himmel ist voller weicher, weißer Wolken, die träge vorüberziehen. Bei dieser Vorstellung wird der Lichtpunkt auf dem Monitor sich wahrscheinlich zwischen den vertikalen Linien einpendeln - Dein Herz schlägt ruhig 60 Mal pro Minute. Durch dieses Biofeedback könntest Du jetzt lernen, Deinen Herzschlag zu kontrollieren. Mit zunehmender Übung wirst Du feststellen, daß Du das Oszilloskop ruhig ausschalten kannst. Das akustische Feedback des Physiographen reicht völlig aus, um den Puls bei 60 Schlägen pro Minute zu halten. Ohne Dich bewußt anzustrengen, kannst Du nun in diesem Bereich bleiben. Um das Beispiel des Basketballspielers noch einmal zu bemühen: Erinnere Dich, daß für sein Training eine kognitive Lernerfahrung erforderlich war. Das gleiche trifft auch beim Biofeedback zu. Je mehr der Basketballspieler trainiert, desto weniger muß er sich bewußt auf seine Spiel- Aktivitäten konzentrieren. Irgendwann werden seine Fertigkeiten aus dem Rückenmark gesteuert. Die bewußte Steuerung der inneren Organe durch Biofeedback folgt den gleichen Prinzipien wie Basketball spielen oder Rad fahren: Du beherrschst es; Du weißt wie man es anstellen muß, und Du mußt es nicht für jede Anwendung neu lernen.“ Obwohl Mike nur schweigend dasaß, sagte mir sein triumphierender Blick, daß er nicht nur das Prinzip des Biofeedbacks verstanden, sondern auch dessen praktischen Nutzen erfaßt hatte. „Ja, Mike, die Möglichkeiten der Anwendung sind wirklich phantastisch. Wenn Du die Funktionen des autonomen Nervensystems kontrollieren kannst, bist Du in der Lage, Blutdruck, Hirnwellen, Herzschlag, Schlafzyklus und sogar den Verdauungsprozeß zu lenken. Die Bedeutung dieser Kontrollmöglichkeiten für den Sport ist nicht weniger aufregend: Wie wäre es wohl, wenn man die Nacht vor einem wichtigen Wettkampf tief und fest durchschlafen könnte oder fähig wäre, die geballte Kraft der Emotionen zu beliebiger Zeit freizusetzen?“ Mikes Grinsen wurde noch breiter. „Kannst Du eigentlich Gedanken lesen, Judd? Das hört sich so an, als sei Biofeedback die beste Methode, um totale Muskelentspannung zu erreichen, oder?“ Ich nickte zustimmend. „Da könntest Du Recht haben. Vielleicht ist Biofeedback wirklich die richtige Methode für Dich. Glaube aber nicht, daß es leicht zu erlernen ist. Es gibt nur wenige Leute, die die Kontrolle der inneren Organe durch Biofeedback beherrschen. Das hängt wohl damit zusammen, daß es kaum Trainer gibt, die über die nötige Ausrüstung verfügen und diese Technik lehren. Fest steht jedenfalls, daß der Erfolg eines Biofeedbacktrainings in direktem Verhältnis zum Können des Menschen 30
steht, der die technischen Geräte bedient. Ein weiterer wichtiger Faktor“, warnte ich, „ist Zeit. Du kannst Biofeedback nicht über Nacht erlernen. Du brauchst schon für TME mindestens achtzig Minuten pro Tag, und das eine Woche lang.“ Mikes emotioneller Höhenflug war plötzlich zu Ende; sein Grinsen verwandelte sich in eine Grimasse. Ich mußte lachen, beeilte mich aber dann, ihm zu versichern: „Bleib ruhig, Mike, TME ist viel leichter zu lernen als bewußte Darm oder Blasenkontrolle, vorausgesetzt, Du arbeitest mit den richtigen Leuten und der richtigen Ausrüstung.“ Der Riesenkerl sah mich mit gequältem Augenaufschlag an und seufzte: „Also, so gewaltig können die Probleme mit Biofeedback ja auch nicht sein, wenn ich an den Erfolg denke, den Du damit hattest.“ „Da liegst Du ganz richtig, Mike. Allerdings hatte ich Zugang zu einer der modernsten Biofeedback-Anlagen, die zudem nach meinen Anweisungen konstruiert worden ist. Außerdem habe ich viel Zeit darauf verwendet, mich sowohl als Techniker, als auch als Versuchsperson weiterzuentwickeln. Außerdem standen mir mehrere Experten zur Verfügung, die mich bei der Handhabung der Geräte unterstützten. Um ehrlich zu sein, war die Prozedur trotz all der Vorteile sehr zeitaufwendig und ermüdend. Laß Dich aber nicht entmutigen“, schob ich schnell ein, „wie gesagt, wenn Du Dir die Ausrüstung leisten kannst die wirklich ziemlich teuer ist - und die nötige Zeit, Geduld und KnowHow aufbringst, dann ist Biofeedback die beste Methode für Dich.“ Mike atmete langsam aus. Er schien mit meinen Erläuterungen zufrieden zu sein und war bereit, weiterzumachen. „Was ist denn mit der anderen Entspannungstechnik, von der Du gesprochen hast? Kannst Du mir die nicht erläutern?“ „Aber sicher. Diese Methode nennt sich „Jacobson’s progressive Entspannungstechnik“, meiner Meinung nach eine der besten Entspannungstechniken überhaupt. Ich kann sie jedem ohne Einschränkung empfehlen. Man braucht dafür weder erfahrene Helfer, noch eine aufwendige technische Ausrüstung. Ein weiterer Vorteil ist, daß man sie leicht erlernen kann.“ Jetzt war Mike wieder voll bei der Sache. Das war genau das, was er hören wollte. „Bist Du bereit für den nächsten Schritt?“ fragte ich ihn. Er nickte entschlossen und sagte mit fester Stimme: „O.K., schieß' los!“ Jacobson’s progressive Entspannungstechnik Als erstes wirst Du lernen, leichte Kontraktionen der Muskulatur zu erkennen. Suche Dir dafür, wie schon für die anderen Übungen auch, einen Platz, an dem Du nicht gestört wirst: Du legst Dich flach auf den Rücken, die Arme seitlich neben Dir. Die Augen bleiben während der ganzen Übung fest geschlossen. Nach einigen Minuten der Ruhe richtest Du die Aufmerksamkeit auf Deine rechte Hand und beginnst, diese sehr langsam nach hinten zu beugen. Dabei konzentrierst Du Dich darauf, wie sich Dein Handrücken anfühlt. Du wirst eine leichte Kontraktion in den Muskeln des Handrückens bemerken. Sollte im Oberarm ebenfalls ein Kontraktionsgefühl auftreten, bist Du zu eifrig. In diesem Fall legst Du die Hand noch einmal nieder und beginnst nach einer kleinen Pause erneut. Gehe sicher, Daß Du das Gefühl der Muskelanspannung nur im hinteren Teil des Handrückens verspürst. Erhole Dich jeweils kurz zwischen den Versuchen, um Ermüdungserscheinungen zu vermeiden. Noch einmal: Du darfst in diesem Stadium der Übung lediglich eine leichte 31
Muskelanspannung fühlen, wenn Du die Hand nach hinten beugst. Du sollst so lernen, dieses Gefühl zu identifizieren, wann und wo immer es auch auftreten mag. Das ist nicht so einfach, wie es vielleicht klingen mag. Kontraktionsreize sind oft nur schwach und sehr kurz; anfangs sind sie kaum wahrnehmbar. Du solltest Dich deshalb bei dieser Übung nicht beeilen. Nehme Dir Zeit dafür und fahre erst dann fort, wenn Du diesen Reiz sicher erkennen kannst. Das kann unter Umständen einige Stunden der Übung erfordern. Wenn Du sicher bist, das Gefühl der Anspannung erkennen zu können, egal, wo im Körper es auftritt, kannst Du Dich einer anderen Wahrnehmung zuwenden - dem Gefühl der Dehnung: Lege Dich dafür genauso hin wie zuvor, die Arme neben dem Körper. Nach einigen Minuten der Ruhe hebst Du Deinen rechten Unterarm soweit an, daß dieser vertikal nach oben zeigt, während der Ellbogen auf der Unterlage ruht. Jetzt beugst Du die Hand nach hinten, in Richtung der Schulter. Dabei konzentrierst Du Dich auf die Empfindungen im Handrücken. Erkennst Du das Gefühl? Das müßtest Du eigentlich - es ist das Gefühl von Anspannung und Kontraktion. Drehe jetzt das Handgelenk (die Handfläche zeigt zum Oberarm) und versuche, mit den Fingerspitzen die Schulter zu berühren. Verharre in dieser Position. Jetzt solltest Du ein neues Gefühl im Handrücken registrieren, das sich von dem der Kontraktion unterscheidet - Dehnung. Anspannungs- und Dehnungsgefühl haben nur wenig gemein; Du wirst wenig Mühe haben, sie zu unterscheiden. Das heißt aber nicht, daß Du dies ohne Übung lernst, oder besser: Die Wahrscheinlichkeit, daß Du beide Gefühle ohne Training sicher identifizieren kannst, ist recht gering. Du mußt diese Empfindungen immer wieder hervorrufen, um sie präzise im Gedächtnis speichern zu können. Wenn Du fleißig übst, wirst Du Kontraktions- und Dehnungsreize bald in einem Bruchteil der Zeit erkennen, die Du am Anfang dieser Übung benötigt hast. Nachdem Du das „Unerwünschte“ kennengelernt hast, wirst Du nun Anspannung und Dehnung ins Gegenteil verkehren - in einen Zustand, bei dem Du weder Kontraktion noch Dehnung verspürst, oder besser gesagt: Einen Zustand der Entspannung. Das Wichtigste dabei ist, daß es keinerlei Anstrengung bedarf, um Entspannung zu erreichen. Das ist eigentlich das ganze Geheimnis. Weder Arbeit noch Mühe, so als sei die Quelle Deiner Energie versiegt und alle Muskeln hätten sich in Luft aufgelöst. Das Gefühl, das Du letztlich spüren sollst, ist die völlige Abwesenheit von Spannung und Dehnung: Die Arme an den Seiten, legst Du Dich mit geschlossenen Augen hin. Nach einer kurzen Ruhephase richtest Du die Aufmerksamkeit auf die rechte Hand. Wie schon zuvor, beugst Du die Hand nach hinten. Du solltest jetzt in der Lage sein, das Gefühl der Anspannung sofort zu registrieren. Statt abzubrechen, drehe das Handgelenk und beuge die Hand so weit vor, wie Du kannst. Das Gefühl, das Du jetzt verspürst, ist natürlich Dehnung. Verharre nun etwa zwanzig Sekunden in dieser Stellung, dann „schalte Deine Energie ab“. Das bedeutet, daß Du Dich auf der Stelle entspannst. Um zu illustrieren, wie die Anweisung „Energie abschalten“ zu verstehen ist, stelle Dir vor, daß Du all Deine Kraft zusammen nimmst, um einen großen Felsbrocken über die Kante einer steilen Klippe zu rollen. Sobald der Fels hinabgestürzt ist, gibt es keinen Widerstand mehr gegen Deinen Druck; die ganze Anspannung ist augenblicklich verflogen. Genau dieses Gefühl - das „Nichts“, nachdem der Fels hinabgefallen ist - solltest du verspüren, wenn Du die „Energie abschaltest“. Danach läßt Du den Arm wieder herabsinken und konzentrierst Dich auf das Gefühl der Entspannung. 32
Denke daran: Du willst das absolute Nichts, keine Arbeit, keine Mühe, lediglich totale körperliche Entspannung. Entspanne ein paar Minuten lang und versuche es dann noch einmal. Wiederhole diese Übung solange, bis sich das Gefühl tiefer Entspannung tief in Dein Gedächtnis eingeprägt hat. Am Ende solltest Du gelernt haben, diese Empfindung auch ohne vorherige Anspannung oder Dehnung hervorzurufen. Wenn das erreicht ist, können wir die Teile des Puzzles zusammensetzen. Kontraktion, Dehnung und Entspannung sind Bestandteile des Bestrebens völlige physiologische Entspannung zu erreichen. Du mußt zunächst ein ruhiges, gemütliches Zimmer aufsuchen, wo Du mindestens eine Stunde lang ungestört bleiben kannst. Ein nur schwach beleuchteter oder abgedunkelter Raum eignet sich hervorragend für dieses Experiment. Du solltest bequeme Kleidung tragen, die Deine Bewegungsfreiheit nicht einschränkt, vielleicht einen Pyjama oder Jogginganzug: Lege Dich wieder auf den Rücken, die Arme an den Seiten, und halte die Augen geschlossen. Kniekehlen und Kopf sollten jeweils auf einer Nackenrolle oder einem Kissen ruhen; der ganze Körper so bequem wie möglich, und der Kopf auf einer Höhe mit dem Körper liegen. Wenn Du jetzt die Muskeln anspannst, visualisiere, sie seien aus weichem Gummi und so elastisch wie ein Gummiband. Nun stelle Dir vor, sobald Du die Muskeln einzeln entspannst, würde Dein ganzer Körper in einen Zustand totaler Entspannung versinken, selbst wenn Du die Muskeln nicht mehr wahrnimmst. Du solltest Dich jeder Muskelgruppe mindestens zwanzig Sekunden zuwenden. Nachdem Du so einige Minuten geruht hast, richte Deine Aufmerksamkeit auf die Zehen, dort fangen wir an. Rolle die Zehen ein und presse sie fest zusammen. Kommt Dir das Gefühl bekannt vor? Es ist Spannung. Während Du die Zehen in dieser Position hältst, versuche, Dir die Zehenmuskulatur bildlich vorzustellen. Visualisiere, die Muskeln seien elastische Gummibänder. Nun entspannst Du sie langsam. Sehe vor Deinem geistigen Auge, wie die Muskeln immer schlaffer werden, wie alle Energie aus ihnen entweicht. Du suchst das Gefühl der Entspannung, der Leere, des „Nichts“. Als nächstes spreize die Zehen und beuge sie nach oben. Spanne die Muskeln richtig an, so daß Du diese Körperpartie und das Kontraktionsgefühl deutlich spürst... sehr stramm... sehr straff... dann lasse sie los... „Energie aus“. Danach ist die Beinmuskulatur an der Reihe. Strecke die Beine so, daß die Zehen nach vorn zeigen, die Fersen aber auf dem Bett ruhen. Spanne Oberschenkel und Wadenmuskulatur an, so als seien sie straff gespannte Gummiseile. Konzentriere Dich auf die Empfindungen in Deinen Beinen, dann entspanne sie... keine Energie... totale Entspannung... schlaff und locker... leicht und kraftlos. Nun konzentriere Dich auf den Po. Drücke die unteren Oberschenkel fest auf das Kissen, das unter den Kniekehlen plaziert ist, und spanne alle Muskeln des Hinterteils fest an. Konzentriere Dich auf das Gefühl der Anspannung und verweile kurz in dieser Position, bevor Du die Muskulatur langsam lockerst. Denke an das, was wir anstreben: Entspannung das „NullGefühl“. Dann atmest Du tief ein, hältst die Luft an und spannst die Rückenmuskulatur fest an. Konzentriere Dich auf die beteiligten Muskeln und visualisiere, sie seien starke Gummibänder, die immer straffer gezogen werden. Richte Deine ganze Aufmerksamkeit auf 33
das Gefühl der Anspannung, das von den Rückenmuskeln ausgeht. Dann atmest Du langsam aus und entspannst sie. Dabei denkst Du: „Energie aus... alles wird schlaff.“ Mittlerweile sollte Dir das Gefühl totaler Entspannung vertraut sein. Als nächstes sind die Arme an der Reihe. Hebe sie mit gespreizten Fingern in Richtung Zimmerdecke. Drücke sie so fest nach oben, wie Du kannst, und spanne die Armmuskulatur stark an. Dann krümme die Finger zur Faust und presse sie fest zusammen. Visualisiere, wie die Muskeln immer mehr kontrahieren. Nun beuge langsam die Unterarme herunter und führe die Fäuste zu den Schultern. Die Muskeln der Hände und Arme bleiben dabei voll angespannt, während Du gleichzeitig das Bild starker, straff gespannter Gummibänder vor Augen hast und das Gefühl der Anspannung deutlich wahrnimmst. Danach lasse die Arme langsam wieder zu den Seiten herabgleiten... alles wird abgeschaltet ... Leere... das „NullGefühl“. Wir gehen jetzt zum Kopf über. Beuge ihn so vor, daß Dein Kinn die Brust berührt und die Nackenmuskulatur voll angespannt wird. Diese Muskeln befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Nervenbahnen, die vom Gehirn zum Rückenmark verlaufen; ihre Lockerung ist ungeheuer wichtig für die Entspannung des gesamten Körpers. Konzentriere Dich auf die Nackenmuskeln und das Gefühl der Anspannung in ihnen. Dann entspannst Du sie, indem Du den Kopf langsam nach hinten, in eine bequeme Position zurücksinken läßt. Als letztes ist das Gesicht an der Reihe: Presse die Augen fest zusammen, denke an die beteiligten Muskeln der Stirn und Schläfenregion und das Gefühl der Spannung, das von ihnen ausgeht. Entspanne sie dann, um sie in den Zustand der Leere versinken zu lassen. Bearbeite danach die Mundregion. Presse die Lippen zusammen, als würdest Du einen Ballon aufblasen; spanne dabei die Gesichtsmuskulatur fest an. Fühle, wie sich die Muskelstränge enger und enger zusammenziehen und konzentriere Dich auf die Empfindungen, die damit einhergehen. Halte die Anspannung für einen Moment, dann blase die Luft aus. Die Muskeln entspannen sich und werden schlaff. Du verspürst nun auch in dieser Region das Gefühl totaler Entspannung. Schließlich spannst Du die gesamte Körpermuskulatur an: Strecke die Zehen gerade nach vorn und die Arme in die Luft, spanne den Rücken an, setze Dein Kinn auf die Brust und kontrahiere die Muskeln im Gesicht. Spanne alle Muskeln fest an und visualisiere, wie sie sich immer mehr verkürzen. Konzentriere Dich auf die Empfindungen in den einzelnen Körperpartien, dann „schalte Dich komplett aus“. Lasse die Füße erschlaffen, die Arme träge zur Seite und den Kopf zurück ins Kissen sinken. Atme langsam aus. Du sinkst ins Nichts... das „NullGefühl“... völlige physiologische Entspannung. Du mußt Dich solange auf die einzelnen Phasen der Übung konzentrieren, bis Du in der Lage bist, die jeweilige Muskelgruppe völlig zu entspannen. Auch hier gilt übrigens: Geduld ist der Schlüssel zum Erfolg. Hetze also nicht! Natürlich ist auch Jacobson’s progressive Entspannungstechnik nicht über Nacht zu erlernen. Doch eines kann ich Dir versichern: Wenn Du TME einmal beherrschst, bleibt Dir diese Fähigkeit für den Rest Deines Lebens erhalten. Diese Entspannungstechnik kann nicht nur im Sport angewendet werden, sondern in allen angstauslösenden Situationen, die das Leben bereithält. Ganz gleich, welche Technik der Selbsthypnose Du anwenden möchtest, es ist unumgänglich, daß Du zunächst TME beherrschst, bevor Du Dich dem „Traum- Training“ zuwendest. Die Effektivität Deines Programms zur geistigen Kontrolle basiert überwiegend auf TME. Im nächsten Kapitel werden wir visualisierte Szenen aus Deinem Training oder aus Wettkämpfen 34
wiederholt mit TME verknüpfen. Mit der Zeit werden diese visualisierten Szenen tiefe Entspannung auslösen. Und obwohl die Konditionierung nur mit visualisierten Szenen, also allein in der Phantasie erfolgt, ist wissenschaftlich bewiesen, daß sie sich auf die reale körperliche Leistung überträgt.
Kapitel 7 - Traum-Training Sobald Du Selbsthypnose (einen Zustand erhöhter Beeinflußbarkeit) und TME anwenden kannst, bist Du soweit, ein Traum- Training- Intensivprogramm zu starten. „Traum- Training“ heißt lediglich, daß du mental trainierst. Bei dieser Methode ist keinerlei körperliche Aktivität vonnöten, der Athlet visualisiert vielmehr die Fähigkeiten, die er perfektionieren möchte. Wenn Du zum Beispiel Deinen Abschlag beim Golf verbessern willst, legst Du Dich hin, schließt die Augen, hypnotisierst Dich und induzierst TME. Sobald Du völlig entspannt bist, visualisierst Du exakt jeden Muskel, der an der Bewegung beteiligt ist, sowie den gesamten Ablauf eines effektiven Schlages in korrekter Form. Es gibt durchschlagende Gründe für die Effektivität dieser Methode. Zunächst einmal ist es Gehirn und Nervensystem nicht möglich, zwischen realen und imaginären Erfahrungen zu unterscheiden. Wenn Du Dich in Gedanken dabei beobachtest, wie Du den perfekten Schlag ausführst, verarbeitet Dein Geist die Bewegung ebenso, als wenn Du den Schlag wirklich ausführen würdest. Wenn Dein Gehirn überdies ständig die perfekte Ausführung des Schlages erfährt, steigert das Dein Selbstvertrauen ungemein, was sich wiederum auswirken wird, wenn Du diese Fertigkeit real anwendest. Wenn Dein Gehirn einen Gedanken bearbeitet, sendet es Impulse aus, die die Nerven des Körpers anregen, eben diesen Gedanken auszuführen - entsprechend dem Prinzip des idiomotorischen Konzepts. Spielst Du den perfekten Schlag also mental durch, wird die Muskulatur neurologisch genauso programmiert, als wenn Du den Schlag tatsächlich ausgeführt hättest. Man kann daher behaupten, daß Traum-- Training Dich in doppelter Hinsicht konditioniert - geistig und körperlich. Wie wendet man Traum-Training an? Zunächst sind einige Richtlinien zu beachten, damit diese Technik funktioniert. Der Sportler muß unbedingt praktische Vorkenntnisse und Erfahrung mit der Fähigkeit oder Bewegung haben, die durch Traum-Training verbessert werden soll. Es hat sich gezeigt, daß routinierte Sportler größere Erfolge mit dieser Methode erzielen, als Leute, die nur gelegentlich trainieren. Das rührt wahrscheinlich daher, daß erfahrene Athleten ein präziseres Bild vom korrekten Ablauf der Bewegung haben, die sie perfektionieren möchten. Wenn ein Sportler eine Bewegung fehlerhaft visualisiert, programmiert er seinen Geist auf eben diese falsche Ausführung. Der Körper kann ebensogut falsche wie richtige Abläufe erlernen. Deshalb ist es extrem wichtig, daß Du die Biomechanik der Bewegung genau kennst. Ich habe bei meinem Powerlifting- Training keine Mühe gescheut, die korrekten Bewegungsabläufe jeder Disziplin genauestens kennen zu lernen. So stellte ich zum Beispiel mehrere Kameras auf, die meine Versuche aus verschiedenen Winkeln aufnahmen; gleichzeitig konzentrierte ich mich auf die perfekte Ausführung der Bewegung. Dann ließ ich 35
einen Cartoon- Zeichner und einen Biomechanik- Experten jede einzelne Filmaufnahme nachzeichnen. So erhielt ich einen Zeichentrickfilm, der präzise zeigte, wann welche Muskeln im Verlauf der Bewegung aktiviert wurden. Dieser Film war für mein Traum-Training von unschätzbarem Wert, da ich mir den perfekten Ablauf der Bewegung, etwa eine r Kniebeuge, immer wieder ansehen konnte. Die meisten Leser werden aber keine geschulten Helfer zur Seite haben. In diesem Fall hilft auch ein gutes Anatomiebuch weiter. Besorge Dir ein Buch, das präzise Bilder aller Muskeln enthält, die für die anvisierten Fertigkeiten gebraucht werden. Am besten geeignet ist eines, das Muskeleinsatz, Muskelbewegung und Muskelreizung einzeln behandelt. Es erscheint Dir vielleicht nicht unbedingt erforderlich, so viel Zeit und Mühe zu investieren, doch je mehr Du über die Biomechanik der jeweiligen Bewegung weißt, desto effektiver kannst Du Deinen Körper beim Traum-Training programmieren. Ein Hauptaspekt des Traum- Trainings ist die lebendige Visualisierung. Je besser sich der Athlet die Bewegungen vorstellen kann, die er verbessern möchte, desto größer werden seine Erfolge sein. In Bezug auf die Fähigkeit, mentale Bilder zu erschaffen, gibt es allerdings große Unterschiede: Einige Menschen können mental in Farbe, andere lediglich in schwarzweiß „sehen“. Wieder andere behaupten, sie wären nur imstande in Worten, nicht aber in Bildern zu denken. Doch ebenso wie alle anderen erlernbaren Fähigkeiten ist auch die Vorstellungskraft ausbaufähig; je mehr Du übst, desto besser und „echter“ werden die Bilder. Fragt man einen Sportler, ob er gut visualisieren könne, ist die Antwort fast immer ein enthusiastisches „Ja“. Ich wage aber zu behaupten, daß die meisten Athleten keinen blassen Schimmer von korrekter Visualisierung haben. Sie stellen sich wohl die Bewegungen irgendwie vor, doch eher als ein Gemisch von Bildern und Worten. Wenn Du etwas visualisierst, solltest Du aber ein lebendiges Bild vor Augen haben. Du mußt dazu fähig sein, alle Formen, Farben und Empfindungen zu erleben, die mit diesem Bild zusammenhängen. Alles andere ist unzureichend. Visualisierung erfordert harte Arbeit und viel Zeit, doch es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, daß diese Technik Deine sportlichen Leistungen erheblich steigern kann. Du kannst Deine Fähigkeit zur Visualisierung bereits deutlich verbessern, wenn Du mit offenen Augen durchs Leben gehst. Beim Training solltest Du Dir Ablauf und Umgebung so gut wie möglich einprägen. Öffne Dein Bewußtsein für alle Eindrücke um Dich herum Bilder, Geräusche und Gerüche, ja sogar Kratzer auf den Hantelscheiben. Versuche auch, Dir der Gefühle, die Du beim Training empfindest, voll bewußt zu werden. Konzentriere Dich natürlich ebenso auf Deine Stärken: Kraft, Selbstsicherheit und Erfolgserlebnisse sind Gefühle, die unbedingt mental gespeichert werden müssen. Es hilft sehr, wenn Du Erfolgserlebnisse direkt nach ihrem Auftreten noch einmal vor Deinem geistigen Auge Revue passieren läßt. Schließe einfach die Augen und visualisiere die gerade vollzogene sportliche Leistung. Gehe aber sicher, daß Du die Szene wie durch Deine eigenen Augen siehst und nicht als Beobachter. Mein Vater hat mir Visualisierung beigebracht, als ich noch ein kleiner Junge war. Er versuchte, mir bei meinen Aufgaben für den Kunstunterricht zu helfen, indem er mich zum Beispiel einen Apfel oder eine Orange anschauen ließ. Ich mußte mir Farbe, Form und Größe des Objekts genau einprägen. Dann bestand mein Vater darauf, daß ich die Augen schloß und eben diesen Apfel, oder die 36
Orange, vor meinem geistigen Auge sah. Zuerst mußte ich die Umrisse visualisieren, dann die Farbe, und schließlich kleine Details der Oberfläche, bis ich ein exaktes mentales Bild des jeweiligen Gegenstandes erschaffen konnte. Nach einiger Übung war ich in der Lage, das Objekt nicht nur sehr wirklichkeitsgetreu zu „sehen“, sondern auch seine Farbe deutlich zu visualisieren. War ich bei einem Gegenstand perfekt, plazierte mein Vater einen zweiten daneben. So ging es immer weiter, bis ich selbst komplexe Anhäufungen verschiedenster Objekte vor meinem geistigen Auge rekonstruieren konnte. Diese Methode der „kleinen Schritte“ eignet sich ausgezeichnet für alle, die Probleme mit der Visualisierung haben. Noch einige Tips dazu: Versuche stets, Bewegungen und Abläufe wie durch Deine eigenen Augen zu sehen, nicht aber durch die Augen eines Zuschauers. Vermeide also, Dich so zu betrachten, als ständest Du hinter Dir. Spiele vielmehr die aktive Rolle, durchlebe die visualisierte Aktivität und spüre alle damit verbundenen Eindrücke, als würde sie tatsächlich gerade stattfinden. Zudem solltest Du nur realistische Szenen visualisieren. Wenn zum Beispiel dein Maximalgewicht im Bankdrücken 150 Kilo beträgt, solltest Du besser nicht visualisieren, daß Du 300 Kilo stemmst. Es ist entschieden sinnvoller, eine erreichbare Leistung zu visualisieren als eine, die völlig außerhalb Deiner Möglichkeiten liegt. Zu guter Letzt: Visualisiere stets nur positive mentale Bilder. Vermeide also, Dir vorzustellen, wie Du etwas falsch machst; betrachte Dich immer als stark, mächtig und perfekt. Und denke daran: Wie bei jeder anderen Fertigkeit auch, wirst Du von der Visualisierung um so mehr profitieren, je öfter Du übst. Kurz gesagt: Je häufiger Du visualisierst, desto mächtiger wird Deine Vorstellungskraft und ihre Auswirkung auf die sportliche Leistung. Anwendung des Traum- Trainings Nachdem Mike und ich das Konzept des Traum-Trainings besprochen hatten, kamen wir nun zur praktischen Anwendung dieser Technik. „Wie hast Du denn Traum-Training für Dein Powerlifting eingesetzt, Judd?“ Mike wartete gespannt auf meine Antwort. „Zu Wettkampfzeiten habe ich mich jeden Tag der Visualisierung bedient, sowohl zur Vorbereitung auf meine Trainingseinheiten, als auch für den bevorstehenden Wettbewerb. Ich habe mich vor jedem Training hypnotisiert, TME induziert und dann mein volles Trainingsprogramm für diesen Tag mental durchgespielt. Dabei habe ich alles so naturgetreu wie möglich visualisiert: das Sportstudio, die Gewichte und sogar meine Trainingspartner. Ich habe meine Vorstellungskraft derart perfektioniert, daß ich während der Sitzungen sogar die verschiedenen Gerüche des Studios wahrnehmen konnte. Bei dieser mentalen Vorbereitung ließ ich nichts aus; ich habe mir stets das Aufwärmen, das Stretching, das Auflegen der Hantelscheiben und jede einzelne Wiederholung eines jeden Satzes vor Augen geführt. Selbst meine Aufwärmsätze bin ich Wiederholung für Wiederholung durchgegangen. Auf diese Weise habe ich mein tägliches Krafttraining mindestens 50- mal in jeder mentalen Sitzung absolviert. Als ich den Weltrekord in der Kniebeuge brechen wollte, habe ich den geplanten Rekordversuch bei jedem Traum-Training sogar mehr als 500- mal durchgespielt. Bevor ich den Rekord tatsächlich in Angriff nahm, hatte ich diese eine Kniebeuge schätzungsweise über 30.000-mal in Gedanken durchexerziert. Ich weiß, daß Dir diese Zahl extrem hoch erscheinen 37
muß, aber die Visualisierung einer sportlichen Leistung geht viel schneller vonstatten als deren reale physische Ausführung. Glaube mir, Du kannst Deinen Körper durch Visualisierung wesentlich besser auf eine bestimmte Bewegung programmieren, als durch körperliches Training. Noch Fragen, Mike?“ Mike lachte laut heraus. Wir beide wußten: Wenn er einmal zu fragen begann, hörte er so schnell nicht wieder auf. „Nun, wenn Du darauf bestehst...! Wie kann ich das alles für Football einsetzen?“ „Du kannst Traum-Training in jeder Sportart anwenden“, antwortete ich. „Du mußt lediglich bestimmen, welche Fähigkeiten Du weiterentwickeln willst. Dabei mußt Du aber eine präzise Vorstellung der Biomechanik dieser Bewegungen haben. Dann mußt Du alles Schritt für Schritt und absolut detailgetreu visualisieren - so wie ich es gerade erklärt habe. Sehr wichtig ist auch, daß Du in der Visualisierung die Bewegung stets zuversichtlich und entspannt ausführst. So wirst Du einen Assoziations-Reflex zwischen der angestrebten Ausführung und diesen psycho physiologischen Zuständen entwickeln. Oder anders ausgedrückt: Indem Du beim Traum-Training visualisierst, daß Du die Bewegung zuversichtlich und entspannt ausführst, programmierst Du Deinen Körper darauf, sich in der Realität ebenso zu verhalten.“ „Kann Traum- Training nur dazu dienen, meine Leistung in einer bestimmten Bewegung zu verbessern? Es scheint mir gerade so, als könne man Visualisierung auch auf eine Reihe anderer Dinge anwenden.“ Mike war ein guter Schüler, das zeigten mir seine Fragen. Er hatte das Konzept begriffen und suchte nun nach Anwendungen, die über eine Perfektionierung physischer Fähigkeiten hinausgingen. „Da liegst Du ganz richtig; es gibt mehrere Anwendungsbereiche für Traum-Training. Es wird hauptsächlich bei Therapien eingesetzt, die Patienten unempfindlich gegenüber Ängsten und Beklemmungen machen sollen. Eine verbreitete Therapie dieser Art ist „Wolpe's systematische Abhärtungstechnik“. Diese Methode basiert auf dem gleichen Prinzip wie unser Programm der geistigen Kontrolle. Wolpe verknüpft ebenfalls Entspannung mit imaginären Szenen. Während wir aber Entspannung mit sportlicher Leistung verbinden, kombiniert er Entspannung mit angstauslösenden Situationen. Nehmen wir einmal an, ein Patient hat Angst vor der Dunkelheit. Dieser Patient müßte visualisieren, wie er in einer kleinen, stockdunklen Kammer sitzt. Gleichzeitig würden ihm Entspannungstechniken beigebracht. Nach kurzer Zeit wird die Person dann Dunkelheit mit Entspannung assoziieren; die Ängste, die zuvor mit dieser Situation gekoppelt waren, sind damit ausgelöscht. Diese Technik wurde in den letzten zwanzig Jahren häufig angewandt und eingehend wissenschaftlich untersucht. Folglich existiert dazu auch viel mehr Literatur als zum Traum- Training. Der überwiegende Teil dieser wissenschaftlichen Studien kommt übereinstimmend zu dem Schluß, daß die Abhärtungs-, oder besser gesagt, Desensibilisierungstechnik eine gute Methode zur Beseitigung von Ängsten ist. Leider wird sie erst seit kurzer Zeit im Sport eingesetzt, hauptsächlich von Athleten aus dem Ostblock. Nur wenige Sportler im Westen haben die Desensibilisierungstechnik bisher angewandt; die meisten von ihnen wissen nicht einmal, auf welches mächtige Werkzeug sie verzichten.“ Diese Gelegenheit wollte Mike sich natürlich nicht entgehen lassen! „Du wirst mir das doch sicher eingehender erklären, oder?“ fragte er hastig. Ich schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. „Du läßt wohl nie locker, Mike? Selbst wenn ich nicht wollte, Du würdest ja doch keine Ruhe geben“, gab ich grinsend zurück. „Ich halte Wolpe's Technik für eine der besten Methoden zur Beseitigung von Ängsten und Beklemmungen. Ich habe sie schon mit einer ganzen Reihe von Sportlern erfolgreich ausprobiert.“
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Das Programm besteht prinzipiell aus drei Komponenten: Einer Hierarchie der Ängste, Entspannungstraining und der Visualisierung angstauslösender Szenen. Auf die beiden letzten Komponenten bin ich bereits eingegangen, laß uns also mit der Hierarchie der Ängste fortfahren. Unter einer Hierarchie der Ängste versteht man eine Auflistung angsterzeugender Szenen; diese Liste beginnt mit der am wenigsten beängstigenden Situation und endet mit der Situation, die die größte Furcht auslöst. Doch zuerst muß das Problem definiert werden. Laß uns einmal annehmen, Du wärst ein „Place-Kicker“ beim Football, der in jedem Spiel fürchtet, bei seinem Einsatz zu versagen. Immer dann, wenn Du die Nervosität vor dem Schuß verspürst, mußt Du Dir alles merken, was damit zusammenhängt. Du speicherst also exakt, wo auf dem Spielfeld Du dich gerade befindest, was Du tust, wer um Dich herum steht einfach alles, was mit der aktuellen, angstauslösenden Situation zusammenhängt. Du schreibst jede dieser Szenen einzeln nieder, und bewertest sie auf einer Skala von eins bis zehn. Eins steht für die am geringsten belastende Situation; zehn für die subjektiv am schlimmsten empfundene. Nachdem Du alle Angstreize drei Wochen lang no tiert hast, stellst Du solch eine Hierarchie zusammen. Während Du an der Hierarchie arbeitest, lernst Du gleichzeitig, wie man TME herbeiführt. Nachdem Du die Entspannungstechnik erfolgreich anwenden kannst, und die Angst-Hierarchie fertig gestellt ist, beginnt der Hauptteil der Therapie, die Desensibilisierung. Sobald Du eine Situation derart meisterst, gehst Du über zur nächsten in der Hierarchie. Fahre so fort, bis Du Dich wiederholt allen furchtauslösenden Szenen Deiner Hierarchie aussetzen kannst, ohne Angst oder Nervosität zu empfinden. Besonderes Augenmerk solltest Du darauf legen, die Angst produzierenden Reize wirklich so oft zu visualisieren, bis Du selbst beim letzten, ehemals stärksten Reiz keinerlei Furcht mehr empfindest, sondern nur noch ein Gefühl tiefer Entspannung. Wie Du bereits weißt, kann das Gehirn echte und visualisierte Reize nicht unterscheiden. Daher wird eine Gegenkonditionierung auch positive Verhaltensänderungen im „wirklichen Leben“ nach sich ziehen. „Ich habe gehört, daß diese Methode auch angewandt wird, um Alkoholiker von ihrer Sucht zu befreien“, warf Mike ein. „Das ist nicht exakt das gleiche. Bei Alkoholikern wird die so genannte versteckte Sensibilisierung eingesetzt. Man könnte die Prozedur auch als „Ekel- Konditionierungsprogramm“ bezeichnen: ein widerwärtiger Reiz wird mit einer problematischen Verhaltensweise verknüpft. Der Alkoholiker muß sich beispielsweise vorstellen, daß ihm jedes Mal übel wird, wenn er einen Drink nur anrührt. Obwohl diese Therapie im Sport bisher kaum eingesetzt wurde, ist sie doch eine bewährte Hilfe in der Therapie von Verhaltensstörungen wie Alkoholismus oder Drogensucht. Alles, was wir bisher behandelt haben - Hypnose, TME und Traum-Training - sind Bestandteile des Basisprogramms für ein höchst effektives mentales Training. Mit ein wenig Phantasie kannst Du Dir sicher vorstellen, daß diese Art Konditionierung enorme Auswirkungen auf Dein Selbstvertrauen, Deine Motivation, Deine Aggressivität und natürlich auf den Grad Deiner physischen Fähigkeiten haben wird. Doch bevor wir uns trennen, will ich Dir noch einen Einblick in einige andere Techniken geben, die Dich bei Deinem Programm der „geistigen Kontrolle“ unterstützen. Diese Methoden sind mehr auf das körperliche Training zugeschnitten. Trotzdem können einige der Techniken, etwa „mentales Aufputschen“ oder „Starkreden“, auch ergänzend in das Selbsthypnose- Programm eingebunden werden. “ Und so wird die Desensibilisierung durchgeführt: 39
Du suchst einen Ort auf, an dem Du ungestört bist und induzierst totale Muskelentspannung. Sobald Du völlig entspannt bist, visualisierst Du die Situation, die Dich am wenigsten ängstigt, und konzentrierst Dich für circa 15 Sekunden darauf. Solltest Du dabei nervös oder gar ängstlich werden, brichst Du augenblicklich ab und beginnst noch einmal von vorn, indem Du wieder TME induzierst, um die entsprechende Szene dann erneut zu visualisieren. Das führst Du solange durch, bis Du trotz des visualisierten Angstreizes absolut entspannt bleiben kannst.
Kapitel 8 - Weitere Techniken Den größten Teil des mentalen Trainingsprogramms hast Du jetzt kennengelernt, doch einige weiterführende Ansätze und Techniken sollen Dir nicht vorenthalten werden. Sie werden Dir helfen, Deine Träume wahr werden zu lassen und Dir vielleicht sogar neue Ziele vermitteln. Eine gängige Redewendung besagt, ein Sportler sei nur so gut, wie er zu sein glaubt. In der Tat liegt eine gewisse Magie im Selbstvertrauen. Wenn Du fest an Deinen Erfolg glaubst, hast Du eine reelle Chance, wirklich erfolgreich zu werden. Und je fester Du daran glaubst, desto eher verwandeln sich Deine Vorstellungen in selbsterfüllende Prophezeiungen. Die Erfolgsformel lautet schlicht: „Ersinne, glaube und erreiche“. Die meisten Sportler haben keine Schwierigkeiten, sich selbst als erfolgreich und vielleicht sogar „großartig“ zu sehen. Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit als aktiver Powerlifter. Schon zu Beginn meiner Wettkampfkarriere stellte ich mir dauernd vor, wie ich Goldmedaillen errang und Weltrekorde brach. Spektakuläre Phantasien dieser Art bereiteten mir wirklich keine Schwierigkeiten. Doch an derartige Erfolge wirklich zu glauben - das war ein anderes Paar Schuhe, wie man so schön sagt. Es besteht nämlich ein Riesenunterschied zwischen Erfolgsphantasien und dem festen Glauben an den Erfolg. Wenn Du aber erst einmal fest daran glaubst, daß Du Dein Ziel erreichst, ist es schon in Reichweite gerückt - vorausgesetzt natürlich, Du verfügst über das nötige Talent. So simpel sich das auch anhören mag, dieses einfache Prinzip hat bereits Tausende von Leben verändert. Deshalb waren Norman Vincent Peale und Claude Bristol auch so erfolgreich mit ihrem Konzept des positiven Denkens. Sie waren überzeugt davon, daß eine Person das ist, was sie zu sein glaubt. Diese beiden Männer haben das Leben vieler Menschen allein deshalb verändert, daß sie die Leute dazu brachten, an sich selbst zu glauben. Das ganze Geheimnis des Erfolgs liegt demnach darin, glauben zu lernen. Klingt ganz einfach, oder? Ist es aber beileibe nicht. Dieser Glaube erfordert, daß Du Dein Bewußtsein fortwährend mit positiven Gedanken bombardierst, was wiederum viel Zeit, Mühe und KnowHow verlangt. Ein Programm muß her, das alle nur möglichen Zweifel beseitigt. Um das zu erreichen, muß jedes Wort, jeder Gedanke und jede Tat positiver Natur sein. Solltest Du irgendwann etwas Negatives sagen oder tun, muß Du sofort innehalten, den negativen Schritt analysieren und in einen positiven Gedanken umwandeln. Das Erste, was es zu beachten gilt, sind die Worte, die wir gebrauchen. Worte sind Symbole, die Bilder in Deinem Geist erzeugen. Wenn ich etwa das Wort „Stuhl“ ausspreche, denkst Du wohl kaum an die Buchstabenkette S T U H L, sondern zuerst an eine Konstruktion aus Holz oder Metall, die Du als „Stuhl“ kennengelernt hast. Sage ich „Fliege“, stellst Du Dir entweder ein Insekt vor, oder Du interpretierst es als einen Befehl, Deinen Hintern so schnell wie möglich in Bewegung zu setzen. Es kommt ganz auf die Situation an, in der ich das Wort 40
benutze. Das Bewußtsein formt ein Bild davon, und die physiologische Reaktion des Körpers entspricht dieser Vorstellung. Ungezählte Tests mit autogenem Training haben diesen Sachverhalt bewiesen. Wurde den Versuchspersonen zum Be ispiel aufgetragen, zu visualisieren, ihre Gliedmaßen seien schwer, zeigten die Meßergebnisse des Elektromyographen tatsächlich einen Rückgang der Aktivität im Muskelgewebe an. Der umgekehrte Fall trat ein, als sie visualisierten, ihre Gliedmaßen seien leicht. Andere Studien zeigen, daß gewisse Gedanken und Worte Körpertemperatur, Hormonspiegel und Pulsfrequenz zu erhöhen oder zu senken vermögen; die Arterien verengen oder erweitern können. Diese Forschungsergebnisse unterstreichen einerseits, welch starken Einfluß Worte auf die körperliche Leistungsfähigkeit haben, andererseits die Notwendigkeit, sich der Sprache bewußt zu werden, die wir benutzen. Leider wissen nur die wenigsten Trainer und Sportler, daß Worte eine enorme Auswirkung auf das Leistungsvermögen haben. Ich glaube, ich habe noch keinen Wettkampf erlebt, wo nicht mindestens ein Teilnehmer behauptete, er sei müde. Das Schlimme ist, daß viele dieser Sportler nicht die geringste Müdigkeit verspüren, wenn sie eine derartige Aussage machen. Einige Athleten geben Erschöpfung vor, um schon von vornherein eine Entschuldigung für unterdurchschnittliche Leistungen zu präsentieren. Anderen ist es bereits zur schlechten Angewohnheit geworden, ständig zu behaupten, sie seien müde. Was auch immer der Grund für dieses Statement sein mag, seine physischen Auswirkungen sollten nicht unterschätzt werden. Vergesse nie: Der Körper fühlt, was der Geist befiehlt. Wenn Du Dir einredest, Du wärest müde, sendet das Gehirn diese Botschaft an den Körper, der so wirklich müde wird; das wiederum schmälert Deine Leistung in Training und Wettkampf beträchtlich. Es wird Dich interessieren, zu hören, daß Wissenschaftler der Marquette University genau dieses Konzept anwenden, um Patienten mit Schlafproblemen zu kurieren. Im Laufe ihrer Untersuchungen stellte sich heraus, daß die Muskulatur eines Individuums sich allein durch den Gedanken an Müdigkeit physisch und neurologisch entspannt, wodurch wirkliche Müdigkeit herbeigeführt wird, die dann in Schlaf mündet. Etwas anderes, was mir bei vielen Sportlern und Trainern aufgefallen ist, ist der Gebrauch von „positiven Negationen“. Diesen Ausdruck wirst Du in keinem wissenschaftlichen Journal finden; als „positive Negation“ bezeichne ich eine Aussage, die positiv klingt, tatsächlich aber ein negatives Statement beinhaltet. Ein Tennislehrer könnte seinen Schützling zum Beispiel anweisen: „Schlage den Ball nicht ins Netz“. Das klingt nach einem gutgemeinten, positiven Rat, doch was sieht der Tennisspieler in seinem Geist? Er sieht, wie er den Ball ins Netz schlägt. Auch andere Bemerkungen, wie „schlage nicht ins Aus“, „schlage nicht am Ball vorbei“ oder „stolpere nicht“ erzeugen im Gehirn des Sportlers negative Bilder, obwohl sie sich wie positive Anweisungen anhören. Als ich noch ein kleiner Junge war, bekam ich von meiner Mutter fortlaufend positive Negationen verpaßt. Sie gab mir etwa ein großes Glas Milch, mit den Worten: „Paß' schön auf, Juddie, daß Du Deine Milch nicht verschüttest.“ Man konnte darauf wetten, was dann mit schöner Regelmäßigkeit geschah: Schon nach wenigen Schritten hatte ich mich über und über mit Milch bekleckert. Damals hielt ich mich für äußerst ungeschickt; mittlerweile weiß ich, daß meine Mutter lediglich ein schlechter Trainer war.
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Du solltest auch die Wirkung spezieller Worte auf die Konditionierung beachten. Manche Worte lösen positive Vorstellungen aus, andere dagegen garantiert negative. Das beste Beispiel dafür geben die Worte „schwarz“ und „weiß“ ab. Wenn Du eine Sünde begehst, hast Du einen „schwarze n“ Fleck auf der Seele. Sind Dir Deine Sünden vergeben, wird auch die Seele wieder „weiß“ und rein. Die Bösen tragen stets den schwarzen und die Guten den weißen Hut. Schwarze Hexen sind böse; weiße Hexen sind gut. Schwarze Katzen bringen Unglück; weiße Katzen bringen Glück. Sogar Engelstorten sind weiß und Teufelskuchen schwarz. Es ließen sich noch unzählige andere Beispiele finden, doch eines steht fest: „schwarz“ beschreibt fast immer etwas negatives, während „weiß“ für etwas Gutes, etwas Positives steht. So können bestimmte Ausdrücke, obgleich nur „in Gedanken“ benutzt, unbewußt negative Konditionierungen bewirken. Die Wissenschaft nennt diesen Vorgang den „PygmalionEffekt“. Du formst eine Vorstellung von Dir selbst - egal ob positiv oder negativ - und gehst dann unbewußt daran, diese zu verwirklichen. Wie Du siehst, hat bereits die Wahl der Worte beachtlichen Einfluß auf Deine psychische und physische Verfassung. Eine Technik, die Dir hilft, Worte richtig einzusetzen, ist das „Starkreden“. Starkreden erfordert nicht mehr als eine Art Drehbuch oder Manuskript zur Leistungssteigerung. Arbeite einfach ein Skript aus mit Worten, die Dich motivieren und „lebendige“ Bilder in Deinem Gehirn erzeugen. Achte aber sorgfältig darauf, wirklich die Worte und Statements zu benutzen, die die gewünschte, emotionale Reaktion auslösen. Deine Aussagen müssen unbedingt rein positive Vorstellungen auslösen. So formulierst Du statt „schlage den Ball nicht ins Netz“ besser „schlage den Ball übers Netz“. Vermeide unbedingt Worte wie „nicht“, „nein“ oder ähnliche Negierungen. Wähle lieber Worte, die Dich motivieren und emotional stimulieren. Solche Worte werden „Trigger-Worte“ genannt (von engl. trigger - Abzug; Worte, die eine Reaktion auslösen). Ich blättere für meine Skripts immer in Büchern über positives Denken; diese Werke enthalten eine Fülle von Trigger-Worten und positiven Aussagen. Habe ich dann ein Manuskript fertiggestellt, spreche ich es auf Band. So kann ich die Kassette mit positiven Aussagen überall und zu jeder Zeit hören, beim Autofahren ebenso wie in der Badewanne oder im Bett. Starkreden kann auch in Verbindung mit Hypnosetraining verwendet werden. Dafür mußt Du Dich zunächst hypnotisieren, TME herbeiführen, Dein Traum-Training absolvieren und dann das Band einsetzen. Nachdem es abgelaufen ist, weckst Du Dich aus der Trance. Manchmal höre ich meine Kassette vor Wettkämpfen oder vor dem Training, um mich emotional aufzuputschen. Natürlich benutze ich auch viele Worte aus meinem Skript im täglichen Leben. Je mehr positive Statements Du gebrauchst, desto positiver und stärker wirst Du. Eines solltest Du aber wissen: Obwohl man Starkreden immer wieder einsetzen kann, hört man sich ein Skript doch schnell leid, ebenso wie ein Lied, das man zu oft gehört hat. Je häufiger Du etwas hörst, desto mehr schwindet auch Deine Aufmerksamkeit. Es ist daher ratsam, verschiedene Skripts aufzunehmen, die man abwechselnd hört. Genau so ein Manuskript wird auch bei der „psychischen Verstärkung“ eingesetzt. Psychische Verstärkung ist ein intensiveres Programm, das speziell eine bestimmte Verhaltensweise oder Fertigkeit verbessern soll. Wenn ein Athlet zum Beispiel seine Aggressivität steigern möchte, müßten seine Manuskripte so geschrieben sein, um allein diesen einzelnen Aspekt positiv zu beeinflussen. Psychische Verstärkung und Starkreden ist im Prinzip das gleiche. Der 42
Unterschied besteht nur darin, daß bei der psychischen Verstärkung das Augenmerk auf einen bestimmten Aspekt der Leistungsfähigkeit gerichtet wird. Diese Technik ist intensiver und wird auch häufiger verwendet als das Starkreden. Mike hatte geduldig zugehört. Doch kaum hatte ich meine Ausführungen beendet, kam schon die nächste Frage: „Ich habe gehört, daß einige der Sportler, mit denen Du gearbeitet hast, eine Technik verwenden, die sich halluzinogenes Training nennt ". Was hat es damit auf sich?“ „Halluzinogenes Training ist nichts anderes als eine besondere Art der Visualisierung. Diese Technik wird vorwiegend direkt in Training oder Wettkampf eingesetzt. Durch hypnotische Halluzination werden besonders realistische, bildhafte Vorstellungen kreiert. Bei Wettkämpfen habe ich mich zum Beispiel durch ein zuvor konditioniertes Symbol selbst hypnotisiert. Dann visualisierte, oder besser gesagt, projizierte ich unter Hypnose ein Astralwesen, das aus meinem Körper heraustrat. Dieses „Wesen“ war eine exakte Kopie meiner selbst, und ich konnte es in allen Einzelheiten wahrnehmen. Es war wirklich so, als wäre dieses Geistwesen real und nicht nur ein Teil meiner Phantasie. Der Doppelgänger ergriff die Hantelstange und absolvierte etwa eine Kniebeuge wie aus dem Lehrbuch. Nachdem das Astralwesen die Hantel wieder abgelegt hatte, kehrte es in meinen Körper zurück. Erst dann bin ich den Versuch wirklich angegangen. Mittlerweile habe ich diese Visualisierungstechnik derart perfektioniert, daß ich die angerauhte Oberfläche der Hantelstange in meinen Handflächen spüre, wenn das Astralwesen die Stange berührt. Während es das Gewicht hebt, fühle ich, wie meine Muskeln arbeiten ganz so, als würde ich die Last bewegen. War der visualisierte Versuch erfolgreich, bereitet er mir auch in der Realität keine Probleme. Indem ich die halluzinierte Szenerie so lebensnah wahrnehme, erleichtere ich mir die reale Ausführung des Versuchs beträchtlich. Da das Gehirn zwischen Einbildung und Realität nicht unterscheiden kann, programmiere ich es, zu glauben, daß ich das Gewicht wirklich gehoben habe. So steigere ich mein Selbstvertrauen. Gleichzeitig programmiere ich meinen Körper wenn das Hirn annimmt, die Hantel würde wirklich gehoben, werden entsprechende Impulse durch die Nervenbahnen gesandt, die den Körper veranlassen, die Bewegung auszuführen. Es ist aber unbedingt erforderlich, daß der Astralkörper den Versuch in absolut korrekter Form ausführt. Ist das nicht der Fall, programmierst Du Dich falsch und wiederholst dann genau diesen Fehler.“ „Und wenn ich diese Halluzinationen nicht erzeugen kann, Judd?“ „Selbst wenn Dir die Halluzination nicht gelingt, kannst Du Dich trotzdem auf Erfolg programmieren, indem Du Dir die Bewegung einfach so präzise wie möglich vorstellst. Der leistungssteigernde Effekt ist natürlich umso größer, je lebendiger Du visualisierst. Diese Technik wird vor allem in Osteuropa angewandt. Wissenschaftliche Untersuc hungen in Rußland, Deutschland, Frankreich, der Schweiz und der Tschechoslowakei haben gezeigt, daß Visualisierung motorische Leistungen enorm verbessern kann. Alle Sportler, die diese Technik erlernt haben und vor der realen Ausführung der Bewegung einsetzen, erzielen weitaus bessere Leistungen als Athleten, die darauf verzichten. In Osteuropa gehört die hypnotische Halluzination zum Standardrepertoire der Leistungssportler und wird ausgiebig geübt.“ Es schien mir, als sei Mike jetzt etwas verwirrt. „Wo ist denn da der Unterschied zum TraumTraining?“ „Im Prinzip ist es dasselbe. Allerdings gibt es einen Unterschied: Diese Technik wird unmittelbar im körperlichen Training angewandt. Neue Forschungsergebnisse haben gezeigt, daß die Kombination von mentalem und physischem Training effektiver ist, als wenn beides getrennt eingesetzt wird. Wenn Du halluzinogenes Training im Wettkampf nutzen möchtest, mußt Du es auch in einer Wettkampfumgebung üben. Es besteht nämlich ein 43
gewaltiger Unterschied zwischen der Abgeschiedenheit Deines Zimmers und dem lauten, hektischen Treiben in Fitneßstudios oder Wettkampfhallen. Hier kommt das sogenannte Modell- Training ins Spiel.“ Mike lächelte: „Schieß los, was hat es damit auf sich?“ „O.K. Während der Übungssitzungen ist der Sportler keinem psychischen Druck ausgesetzt. Beim Wettkampf dagegen sieht das ganz anders aus: Der Streß ist oft enorm. Die meisten Athleten berücksichtigen den Wettkampfstreß bei ihren mentalen Übungen nicht. Man kann es auch so sehen: Meisterschaften an sich sind ein Lernprozeß; der Sportler lernt dabei, unter Streß zu agieren. Viele Athleten haben aber Schwierigkeiten, sich der Wettkampfsituation anzupassen - sie assoziieren die Szenerie nicht mit optimalen Leistungen, sondern mit Gefühlen von Angst und Versagen. Beim Modell- Training lernt der Sportler, sich dem Wettkampfumfeld anzupassen, indem typische Merkmale dieser Situation in das körperliche Training eingebunden werden. Einfacher ausgedrückt: Gestalte das Training möglichst „wettkampfecht “. Modell- Training ist eine Kombination aus sozialem, psychischem und technischem Streß, die in das körperliche Training integriert wird, um die Wettkampfatmosphäre so gut wie möglich nachzuempfinden. Laß mich als Beispiel einen Individualsport wie Gymnastik anführen. Viele Gymnastiklehrer spielen während des Trainings Zuschauerreaktionen über Lautsprecher ein. Oder das Training wird unterbrochen, damit der Athlet seine Kür vor „fremden“ Zuschauern aufführen kann. Der Sportler wird auf diese Weise auf den Wettkampf und den damit verbundenen Streß vorbereitet. Ich bin sicher, daß Du so etwas auch beim Football schon erlebt hast. Ihr übt doch oft den Zwei- Minuten- Drill, bei dem eine Mannschaft die Spielweise des nächsten Gegners simuliert. Einige Trainer gehen sogar so weit, daß das „gegnerische“ Team die Trikots und Nummern der anderen Mannschaft trägt.“ Ich fuhr mit meinen Ausführungen fort, um die Vorteile dieser Art von Konditionierung hervorzuheben. „Man weiß heute, daß Sportler sich unter diesen Bedingungen viel schneller an das Wettkampfumfeld gewöhnen und bessere Leistungen bringen. Das alte Klischee, daß allein Praxis perfekt macht, ist ziemlich naiv. Die Qualität des Trainings ist weitaus wichtiger als seine Quantität. Wenn Du Dich beim Training nicht bereits auf den Wettkampfstreß vorbereitest, wirst Du später garantiert Probleme bekommen. Ein Wettkampf wird für Dich immer eine beängstigende Erfahrung bleiben. Ohne Modell- Training ist Deine Leistung von vielen Faktoren abhängig; schon der Wettkampfstreß kann Dich derart beeinträchtigen, daß sie nur unterdurchschnittlich ausfällt. Dies wiederum kann dazu führen, daß Du Wettkämpfe nicht mit Spitzenleistungen, sondern mit unbehaglichen Gefühlen assoziierst.“ Mike war überzeugt. „Das ist wirklich faszinierend. So wie Du es erklärst, leuchtet mir die Anwendung des Modell- Trainings im Sport auch ein. Mir ist nur unbegreiflich, warum nicht mehr Trainer die Vorteile dieser Technik nutzen?“ Ich zuckte die Achseln. „Wie gesagt, Mike: Die meisten Trainer haben nicht das nötige Wissen. Ich hoffe wirklich, daß es nicht mehr lange dauert, bis den psychologischen Aspekten des Sports die gleiche Aufmerksamkeit zugestanden wird wie den physiologischen.“ „Ich weiß jetzt schon so viel! Um ehrlich zu sein, ich kann es kaum erwarten, all diese Konzepte anzuwenden.“ „Das glaube ich Dir gern, Mike. Denke aber bloß nicht, daß wir schon das ganze Feld der Sportpsychologie abgehandelt haben. Es gibt noch zahlreiche andere Techniken, die zur Leistungssteigerung eingesetzt werden können. Trotz unserer Unterhaltung bist Du noch lange kein Experte auf diesem Gebiet. Andererseits verfügst Du jetzt über ein solides Basiswissen, worauf Du weiter aufbauen kannst. Viele Sportler vertrauen allein auf ihre physischen Kräfte, doch Du kannst jetzt durch geistiges Training die gewaltigen Kräfte 44
der Psyche nutzen. Denke immer daran, daß Du ein vollkommener Sportler werden willst jemand, der Geist und Körper zur Leistungsoptimierung einsetzt. Wie schon gesagt: Wenn Du die entsprechenden Techniken richtig anwendest, werden sich Deine Leistungen mit Sicherheit spürbar verbessern.“ Mike streckte sich. Sein gigantischer Körper füllte beinahe den ganzen Raum. „Hast Du noch einen Tip auf Lager, bevor ich Dich verlasse?“ „Nun, wenn ich Du wäre, würde ich mich zusätzlich mit intellektuellem Training befassen. Lerne so viel wie möglich über Deinen Sport. Versuche, von nun an mindestens eine halbe Stunde pro Tag dafür aufzubringen. Besuche Vorträge, sehe Dir Filme an, lese - und, vielleicht das Wichtigste: Lerne von anderen Trainern und Sportlern. Intelligenz ist eine Kraft, die außergewöhnliche Leistungen ermöglicht. Je mehr Du über Deinen Körper weißt, Deine psychische Verfassung, Bewegungslehre und aktuelle Trends in Deinem Sport, desto schneller wirst Du Deine Leistung steigern. Die Wissenschaft ist sich in diesem Punkt völlig einig: Sportler, die sich über physiologische, psychologische und mechanische Aspekte ihrer Sportart umfassend informieren, verbessern Ihre Leistungsfähigkeit überdurchschnittlich. Aus diesem Grund ist es in Rußland, Polen, Ungarn, Rumänien und der Tschechoslowakei allgemein üblich, den Athleten jeweils die Bewegungslehre und Theorie ihrer Sportart zu vermitteln. Die Bedeutung dieser Art geistigen Trainings wird in der westlichen Welt leider immer noch unterschätzt.“ Obwohl Mike kaum abwarten konnte, mit seinem Programm zur geistigen Kontrolle zu beginnen, fühlte ich doch, daß Ihm zumute war, als hätte er einen Schluck Wasser aus dem Hydranten genommen. Eines sollte mittlerweile klar geworden sein: Es dauert Wochen und Monate, bis man alle in diesem Buch angeführten Techniken beherrscht. Als ich noch die Baseballer der Kansas City Royals betreute, arbeitete ich mit einem Spieler manchmal fünfzig oder sechzig Stunden an nur einem Problem. Ich konnte gut verstehen, daß Mike von diesem breitgefächerten Intensivkurs etwas überwältigt war. „Weißt Du Judd, ich fühle mich wirklich erschlagen von der Fülle an Informationen. Kannst Du mir nicht eine Zusammenfassung geben, oder vielleicht noch einmal erklären, wie ich beginne?“ „Sicher, Mike. Als erstes schreibst Du alle Ziele nieder, die Du durch das Programm zur geistigen Kontrolle erreichen willst. Du mußt dabei zwischen primären, sekundären und langfristigen Zielen unterscheiden. Langfr istig bedeutet circa ein halbes Jahr oder mehr. Sekundäre Ziele beziehen sich auf einen Zeitraum von etwa einer Woche, und primäre Ziele sind Tagesziele. Die Primärziele sollten Dich zu den Sekundärzielen und die Sekundärziele zu den langfristigen Zielen führen. Du solltest nach folgendem System vorgehen: Notiere die Ziele unter der passenden Überschrift und streiche durch, was Du erreicht hast. So wirst Du ständig an Deine tägliche Routine erinnert; zusätzlich ist diese Methode ein verläßliches Instrument der Verhaltenskontrolle, da Du laufend kleine Veränderungen abhakst, bis das gewünschte Ziel erreicht ist. Stecke Deine Ziele aber nicht so hoch, daß ein Versagen schon vorprogrammiert ist. Wähle vielmehr flexible und realistische Ziele, die der Verbesserung Deiner sportlichen Leistung dienen. Verzichte zunächst darauf, Dich auf das zu konzentrieren, was Du auf mentaler Ebene erreichen willst. Denke stets daran, daß erreichbare Ziele das wesentliche Element einer Erfolgsformel sind. Wer dagegen keiner vo rgegebenen Richtung folgt oder kein Ziel vor Augen hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht weit kommen. Ich habe jedenfalls noch keinen erfolgreichen Athleten getroffen, der nicht genau wußte, was er wollte. Darüber hinaus solltest Du ein Trainingstagebuch führen, in das Du alles einträgst, was dein physisches und mentales Training betrifft. Notiere darin, wann Du trainierst, wo Du trainierst 45
und wie Du Dich vor, während und nach dem Training fühlst. Du solltest außerdem einen Plan für jedes Training ausarbeiten. Auf diese Weise entwickelst Du ein System für Dein mentales und körperliches Training, was wiederum schnellere Erfolge hervorbringt. Als nächstes solltest Du ein umfassendes intellektuelles Trainingsprogramm starten. Lerne, soviel Du kannst über Deinen Geist, Deinen Körper und Deinen Sport. Es ist erwiesen, daß die Wahrscheinlichkeit herausragender Leistungen zunimmt, je mehr ein Athlet über physiologische, psychologische und mechanische Belange seines Sports weiß. In jeder Disziplin verfügen die besseren Sportler auch über ein überdurchschnittliches Fachwissen. Psychische Verstärkung solltest Du so oft wie möglich einsetzen. Verfasse Manuskripte, nehme sie auf Band auf und verwende diese beim Starkreden. Wähle nur solche Worte dafür, die positive mentale Vorstellungen auslösen. Du solltest dabei auch Trigger-Worte nutzen, die gewünschte emotionale Reaktionen bewirken. Hast Du Deine Skripts einmal auf Band aufgenommen, höre sie so oft wie möglich - bombardiere Deinen Geist mit positiven Aussagen. Du weißt nun, welch starke Magie im Glauben liegt. Wenn Du an Dich selbst glaubst, kannst Du erstaunliche Dinge vollbringen. Vergiß nie, daß Deine Gedanken und Taten stets nur positiver Art sein sollten. Praktiziere positive mentale Verstärkung bei jeder Gelegenheit. Ebenso wie die Muskelkraft wächst auch die Kraft des Geistes, je mehr Du sie trainierst. Wende hypnotische Konditionierung an, bevor Du Dich dem körperlichen Training zuwendest. Hypnotisiere Dich, induziere TME und bediene Dich dann des Traum-Trainings, um das bevorstehende physische Training mental durchzuspielen. Zum Ende des Traum-Trainings solltest Du dann zur optimalen emotionalen Vorbereitung Starkreden einsetzen. Willst Du bei Wettkämpfen antreten, bereite Dich mit Modell- Training auf die Atmosphäre vor, die Dich dort erwartet. Vernachlässige darüber aber das halluzinogene Training nicht. Strebe stets danach, Deine mentalen Fähigkeiten auf hohem Niveau zu halten. Nach jeder physischen Trainingseinheit solltest Du alle Übungen und Wiederholungen mit Hilfe hypnotischer Konditionierung Revue passieren lassen. Und noch ein Tip zum Schluß: Es ist von enormer Bedeutung, daß Du dein Umfeld so weit wie möglich kontrollierst. Versuche, die Unterstützung aller Menschen zu gewinnen, mit denen Du täglich in Kontakt kommst. Familienmitglieder, Freunde und Trainingspartner werden so zu einem Eckpfeiler Deines Programms zur geistigen Kontrolle. Überzeuge diese Leute davon, daß Du ihre Hilfe benötigst und bitte sie, Dich bei Deinen Bemühungen weder zu verspotten, noch zu kritisieren. Versuche auch, ihnen beizubringen, positiv auf Dich einzuwirken. Das sollte eigentlich nicht so schwierig sein - die Reaktion anderer wird überwiegend von Deinem eigenen Verhalten bestimmt: Gibst Du Dich positiv, wird auch ihre Reaktion positiv sein. Erkläre ihnen, was Du machst, und warum Du es machst. Vielleicht kannst Du Deinen Trainingspartner dazu bewegen, ebenfalls ein Programm zur geistigen Kontrolle aufzunehmen. Ihr könntet euch dann gegenseitig helfen. Vergesse nie: Eine total positive Umgebung ist eine gesunde Umgebung.“ Damit war Mikes Intensivkurs beendet. Ich war zuversichtlich, daß er nun über das Basiswissen und alle notwendigen Instrumente verfügte, die ihn zu einem vollkommenen Athleten machen würden. Werkzeuge sind allerdings immer nur so gut wie der Handwerker, der sie führt. Wenn man alle in diesem Buch präsentierten Übungen und Techniken als Werkzeuge betrachtet, sind also Hingabe, Fleiß und Aufopfe rung nötig, um aus ihrem Einsatz den größten Nutzen zu ziehen. Meine Aufgabe war jetzt beendet, doch Mike fing gerade erst an...
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Was ist aus Mike geworden? Am Ende seiner Karriere als College-Footballer wurde Mike White von vielen Profi-Teams umworben. Den Cincinnati Bengals gelang es schließlich, ihn unter Vertrag zu nehmen; für zwei Jahre war Mike Starting Tackle dieser Mannschaft. Danach wurde er an die Seattle Seahawks verkauft, wo er weitere drei Jahre spielte, bevor er sich wegen einer Knieverletzung vom aktiven Sport zurückzog. 1982 wurde Mike White eine der größten Ehren zuteil, die ein Profi der Amerikanischen Football- Liga erringen kann: Sein Name erschien auf der Spielerliste des AllAmerican Professional Teams von 1982. Mikes Erfolg war nicht nur das Ergebnis herausragender körperlicher Anlagen, sondern beweist auch die Effizienz von Hypnose und mentalen Konditionierungstechniken im Sport. Mike selbst hat bei den verschiedensten Gelegenheiten betont, daß seine Karriere ohne die in diesem Buch geschilderten Lektionen vermutlich anders verlaufen wäre. Er ist sich völlig sicher: Das hier aufgestellte Programm zur geistigen Kontrolle, kombiniert mit unermüdlicher Eigeninitiative bei der Vervollkommnung der mentalen Techniken, hat einen Großteil zu seinem Erfolg beigetragen. Hätte er sich auch ohne Hypnose und den anderen mentalen Trainingstechniken als Profi bewährt? Wahrscheinlich. Wäre er aber genauso erfolgreich gewesen? Seine Antwort darauf ist ein klares „Nein!“.
Nachwort Dieses Buch wird Dich nicht über Nacht in einen Supermann verwandeln. Es kann auch nicht garantieren, daß Du irgendwann einmal Profisportler wirst. Es wird Dir aber dabei helfen, zu den Obergrenzen Deines mentalen Potentials vorzustoßen - wenn Du Dich an die Richtlinien hältst, die hier aufgezeigt werden. „Stark durch Selbsthypnose“ vermittelt Dir, wie schon zuvor Mike White, eine Methode der Selbsthypnose, die Deine Leistungen im Sportstudio, bei Wettkämpfen, ja sogar im Büro enorm steigern kann. Die in diesem Buch vorgestellten Techniken sind wissenschaftlich fundiert; richtig verstanden und korrekt angewendet, gestatten sie dem Leser, Selbsthypnose zu erlernen und von allen aufgezeigten Vorteilen zu profitieren. Doch ebenso wie bei Mike White liegt der Erfolg dieses Vorhabens allein bei Dir. Viel Glück!
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