Im Sommer des Jahres 2057 braut sich tief in der Galaxis die vielleicht größte Bedrohung zusammen, der sich die Menschh...
23 downloads
580 Views
2MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Im Sommer des Jahres 2057 braut sich tief in der Galaxis die vielleicht größte Bedrohung zusammen, der sich die Menschheit in ihrer noch jungen Geschichte als raumfahrende Rasse stellen muß: Unheimliche »Schattenstationen“, die selbst von den Ringraumern aus Mysterious-Produktion kaum zu besiegen sind, schlagen überall und unmotiviert zu. Gleichzeitig bekommt es Ren Dhark mit den Tel zu tun, die er bisher nur als »Schwarze Weiße« kannte. Während er mit der Besatzung der POINT OF verzweifelt nach der verlorengegangenen Position der Erde sucht, schicken ihm die Tel einen Gegner ins Schiff, den offenbar nichts und niemand besiegen kann… Kurt Brand schuf in den Jahren 1966 -1969 zusammen mit einem Team von Co-Autoren die Romanheftserie Ren Dhark, die in den 70er und 80er Jahren ihre zweite und dritte Auflage erlebte. Für diese Buchausgabe ist der SF-Klassiker neu bearbeitet und fortgeschrieben worden, denn in den Tiefen des Kosmos ist das große Rätsel der Mysterious noch immer zu lösen…
Ren Dhark
Sterbende Sterne
Die große SF-Saga von Kurt Brand Band 14
Ein Verzeichnis sämtlicher bisher erschienenen und lieferbaren REN DHARK-Titel und -Produkte finden Sie auf den Seiten 349 und 350.
1. Auflage HJB Verlag & Shop e.K. Postfach 22 01 22 56.544 Neuwied Bestellungen und Abonnements: 02.631-354.832 02.631 -356.100 Buchhaltung: 0 26 31 – 35 48 34 Fax:02.631-356.102 www.ren-dhark.de © REN DHARK: BRAND ERBEN Buchbearbeitung: Heinz Mohlberg Titelbild: Ralph Voltz Druck und Bindung: Westermann Druck Zwickau GmbH © 1999 HJB Verlag Alle Rechte vorbehalten ISBN 3-930.515-24-5 Scanned by Grebo K-Leser John Furrer
Vorwort In den vorangegangenen Bänden 12 uns 13 stand die Eroberung und Erforschung der Sternenbrücke, einer der vielen MysteriousHinterlassenschaften, im Mittelpunkt. Die Entwicklung gipfelte im Durchbruch nach Erron-3, der Ren Dhark Zugang zu einem Mysterious-Archiv in einem anderen Universum verschaffte. Die Folgen dieses Besuches ziehen sich durch das gesamte vorliegende Buch. Und zunehmend gewinnen die Tel, die von den Terranern Schwarze Weiße genannt werden, an Bedeutung. Diese neue Rasse auf der einen Seite und auf der anderen die immer stärker in den Vordergrund rückende Bedrohung durch die Schattenstationen, die gnadenlos überall in der Milchstraße Kampfhandlungen eröffnen, bilden den Hintergrund des neuen Romans. Die Suche nach den Mysterious, die in den vergangenen Bänden stets einen großen Teil der Handlung ausmachte, wird zu Gunsten der Auseinandersetzungen mit diesen neuen Völkern vorübergehend etwas zurückgenommen. Ergänzt werden die actionreichen Abenteuer durch die Erlebnisse von Mark Carrells Cyborgtruppe, die die neu entdeckten Transmitter-Straßen erkundet. Mehr oder weniger unfreiwillige Begleiter sind dabei Manu Tschobe, Jos Aachten van Haag und Chris Shanton samt seinem Robothund Jimmy. Auch auf der Erde nehmen neue Entwicklungen ihren Lauf. Die nicht umgeschalteten Robonen sind nach wie vor aktiv, die terranische Raumfahrtindustrie baut neue, eigene Konstruktionen, und – der Exodus der Menschen ins Weltall beginnt! Neben dem großen Thema – der Suche nach den Mysterious werden diese Ereignisse in den nächsten Büchern immer mehr an Bedeutung gewinnen. Hier kündigen sich spannende Entwicklungen an. An dieser Stelle möchte ich nicht die Gelegenheit verstreichen lassen, Sie auf den in Kürze erscheinenden vierten Ren DharkSonderband aufmerksam zu machen. Unter dem Titel Hexenkessel Erde schildert uns der Verfasser Marten Veit – bekannt u.a. als einer der Autoren von Die Abenteurer – aus der Sicht eines Betroffenen die Ereignisse zur Zeit der GiantInvasion und danach. Weitere Sonderbände sind in der konkreten Planung. Der fünfte Band wird voraussichtlich im Frühjahr 2000 erscheinen. Zum Schluß des Vorwortes die Titel der Originalromane, die mehr oder weniger überarbeitet und teilweise gekürzt in dieses Buch eingeflossen sind: Sterbende Sterne, Die unheimlichen Freunde, Flucht ins Karmin-Universum, Die Zeitlosen, Alarmstufe Null auf Terra, allesamt von Kurt Brand – dem geistigen Vater Ren Dharks – verfaßt. Köln, im Frühsommer 1999 Heinz Mohlberg
Prolog Sommer 2057. Commander Ren Dharks mittlerweile übermächtiger Wunsch, endlich einem lebenden Mysterious gegenüberzutreten, läßt ihn jegliche Vorsicht vergessen. Geradezu besessen von dieser Vorstellung, dringt er mit seinem Ringraumer in ein fremdes Kontinuum ein. Ausgangspunkt ist das Zwitt-System in der von den Schwarzen Weißen eroberten Sternenbrücke. Von dort aus gelangt er nach Erron-3, einem weiteren Stützpunkt der Geheimnisvollen, in dem sie ihr gesamtes Wissen in Mentcapform gespeichert hatten. Dhark stellt schnell fest, daß das Vermächtnis von Erron-3 eher schädlich für die Menschheit und ihre Entwicklung ist. Außer ihm und zwei Begleitern – Dan Riker und Miles Congollon – wird allen Besatzungsmitgliedern die Erinnerung an dieses Wunderwerk genommen. Aber in einer Beziehung ist Erron-3 eine Enttäuschung. Auch hier erfährt der Commander nichts über das Aussehen der von ihm verzweifelt Gesuchten! Als die Terraner schließlich das fremde Kontinuum wieder verlassen können, irrt das Flaggschiff POINT OF orientierungslos durch die Galaxis – an Bord des Ringraumers weiß niemand, ob man sich überhaupt noch in der heimatlichen Milchstraße aufhält. Auf Planet 1 des Zwitt-Systems im Bereich der Sternenbrücke versuchen Arc Doorn und Anja Riker derweil verzweifelt, die Verbindung nach Erron-3 durch den Materiesender wiederherzustellen – vergeblich. Sie können nichts zur Rückkehr von Dhark und Co. beisteuern. Die Schwarzen Weißen sind aus dem Bereich der Sternenbrücke zwar vertrieben – dennoch sinnen sie auf Rache und die Möglichkeit, den Terranern Schaden zufügen zu können. Auf der Erde deutet sich eine Zusammenarbeit zwischen den nicht umgeschalteten Robonen, die weiterhin im Untergrund agieren, und dieser Rasse an. Und die unheimlichen schwarzen Raumschiffe, von denen bislang nur die fragmenthaften Umrisse bekannt sind, greifen in letzter Zeit immer mehr und heftiger an allen Fronten an. Woher diese gnadenlosen Angreifer kommen, die in der Milchstraße scheinbar alle Völker ohne Vorwarnung attackieren, und was der Grund für ihren erbarmungslosen Vernichtungsfeldzug ist – das steht auch weiterhin in den Sternen. Der afrikanische Arzt und Hyperfunkspezialist Manu Tschobe, der GSO-Agent Jos Aachten van Haag und der Ingenieur Chris Shanton in Begleitung seines Robothundes Jimmy haben ein weiteres Rätsel
der Mysterious ans Tageslicht gebracht – die Transmitter-Straßen! Ein Netz von Verbindungen durch die ganze Milchstraße und vielleicht sogar darüber hinaus eröffnet sich auf einmal den Menschen! Gerade also erst hat Terra mit sehr viel Mühe ein kleines Rätsel aus der gigantischen Hinterlassenschaft der Mysterious gelöst, da stellt sich den Verantwortlichen bereits wieder das nächste. Und während es in der Galaxis und auf Terra an allen Ecken und Enden brennt, während sich die Sturmwolken am Firmament der Milchstraße immer mehr verdichten, fehlt ein Mensch…
Ren Dhark
1. Vier Cyborgs ließen ihre Plastiksäcke mit den Ausrüstungsgegenständen fallen, griffen blitzschnell zu ihren Waffen. Sie hörten die gellenden Schreie von zotteligen, riesenhaften Gestalten, die panikartig den Ausgängen zustrebten. Das Feuer vor ihnen mit der flachen Schale, die von einem Dreibein über den züngelnden Flammen gehalten wurde, war das einzige Licht in diesem aus unbearbeiteten Quadern erbauten Raum. Mark Carrell, der als erster die Transmitterkugel verlassen hatte, sprang den dunkelbraunen Gestalten sofort hinterher. Lati Oshuta übernahm die optische Erkundung des Felsenraumes. „Sass, die beiden Eingänge sichern!“ ordnete Holger Alsop an, dessen Stimme kaum verändert klang, obwohl er sein Zweites System eingeschaltet hatte. Ihr erster Versuch, eine unbekannte Transmitter-Straße zu benutzen, hatte in diesem viereckigen rohen Bau mitten in eine Versammlung riesenhafter Gestalten geführt. Mark Carrell sah die letzten Zotteligen den beiden türlosen Ausgängen zulaufen. Niemand von ihnen wagte es, einen Blick hinter sich zu werfen. Er, der Fremde mit seiner unheimlichen Waffe, war ihnen allem Anschein nach zum Alpdruck geworden. Plötzlich gab unter ihm gab der Boden nach – lautlos verschwand er in dem dunklen Loch. Holger Alsop nahm die Bewegung Carrells aus den Augenwinkeln wahr und näherte sich schnell der Öffnung; warf sich dicht vor dem Loch zu Boden. Laut rief er nach Carrell, der sich aber nicht meldete. Kurz entschlossen sprang er wieder auf, schaltete den Scheinwerfer seines Raumanzuges ein und ließ den enggebündelten Strahl in die Tiefe schießen. Sein Zweites System ließ keine Gefühlsregungen zu. Sein auf logischer Basis arbeitendes Programmgehirn nahm sachlich alles auf. Es registrierte fremdartig aussehende Maschinen, verkleidete Aggregate und ein Spiegelsystem, das den Lichtstrahl vielfach zurückwarf. Unbeeindruckt durch diese Blendung, die ihm das Sehvermögen nicht einschränkte, schickte Alsop den Strahl an der Anlage entlang, doch soweit das Licht auch reichte, von Mark Carrell war keine Spur zu entdecken. Sass sicherte die beiden Eingänge und warf einen forschenden Blick nach draußen. Am Himmel stand eine dunkelrote Sonne, aber nicht im Morgen oder im Abend, sondern im Zenit. Im Dämmerlicht war das Flußtal mit seinen steilen Hängen nicht gut zu erkennen. Bram Sass schaltete sein Augensystem auch auf Infrarot und sah die Landschaft plötzlich so gut, als ob sie von einer blendend hellen Sonne beleuchtet würde.
Von den Zotteligen konnte er keine Spur entdecken, aber viele große Tiere näherten sich dem Fluß oder kamen durch die reißende Strömung von der anderen Seite herüber. Sie waren größer als Kühe, jedoch kleiner als Elefanten. Zwei ausgeprägte Höcker an den Seiten, die bei jedem Schritt hin und her schwankten, gaben ihnen ein ungewohntes Aussehen. Plötzlich tauchten aus einer kleinen, aber steil abfallenden Senke die ersten Zotteligen auf. Sie eilten die Steigung empor und rannten mit schwingenden Armen durch die Herde, die von ihnen keine Notiz nahm. Ihr Ziel war der Fluß. Sie wateten ins Wasser, und als es den ersten bis an die dicht behaarte Brust reichte, warfen sie sich hinein, um in starken Schwimmstößen das andere Ufer zu erreichen. Bram Sass konnte zwischen niedrigen Sträuchern nur eine Reihe Löcher im Boden entdecken, die alle von einem flachen Steinwall umgeben waren. Selbst sein Programmgehirn konnte ihm für diese Löcher keine Erklärung geben, bis er die ersten Humanoiden in ihnen verschwinden sah: Sie hatten es mit Höhlenbewohnern dieser unbekannten Welt zu tun. Lati Oshuta schleppte die Plastiksäcke heran und baute sie neben Holger Alsop auf, der den Scheinwerfer seines Raumanzuges abgeschaltet hatte. „Oshuta, seilen Sie mich ab!“ Alsop hatte bereits die Schlinge des Seiles aus einem der Ausrüstungssäcke um seine Hüften gelegt und hing über der Kante. „Fertig!“ sagte Oshuta und ließ das Seil nach. Wenig später hatte Holger Alsop den Boden erreicht. Abermals rief er nach Mark Carrell, und wiederum bekam er von seinem Kameraden keine Antwort. Der Cyborg war und blieb verschwunden. Erneut stach der grelle Strahl des Scheinwerfers durch das Dunkel. Alsop betrachtete die Maschinen in blauer UnitallVerkleidung nur flüchtig. Carrells Schicksal war ihm wichtiger, als herauszufinden, wie einfältige Humanoide dazu gekommen waren, ein grobschlächtiges Gebäude um den Kugeltransmitter zu errichten. Wahrscheinlich hatte sie das rote Flackern in der Schwärze der Kugel dazu veranlaßt und sie glauben lassen, sie sei der Sitz einer Gottheit. Aber warum waren sie dann nicht wie Götter verehrt worden, als sie in die Versammlung der Zotteligen hineingeplatzt waren? Er blickte nach oben. Im Widerschein der Flammen erkannte er Lati Oshuta, der dicht an der Kante stand und zu ihm herabblickte. In jeder Hand hielt der Mann eine Strahlwaffe. „Helmfunk-Verbindung, Oshuta! Sagen Sie auch Sass Bescheid.“ Alsop zog den Klarsichthelm über den Kopf, der sofort halbstabil wurde, als er sich automatisch schloß. Dann schaltete er den Helmfunk ein, wollte mit Oshuta einen Probespruch austauschen, als er mit halb geöffnetem Mund auf die Worte lauschte, die aus dem kleinen Lautsprecher drangen. „Kommen Sie schnell! Schnell…“ Das war einwandfrei Mark Carrells Stimme, der zu größter Eile
drängte. „Ich komme, Carrell!“ rief Alsop zurück, „aber wo kann ich Sie denn finden?“ „In Höhe des Transmitters. Achten Sie aber auf die energetische Sperre, sie hat mir Ärger genug gemacht!“ Ärger? „Ärger?“ fragte Alsop ohne Gemütsbewegung. „Und ob! Schalten Sie Ihr Zweites System ab, Holger, sonst läßt die Sperre Sie nicht durch. Aber kommen Sie doch endlich!“ Alsop mußte Oshuta und Sass informieren. Während er noch mit ihnen sprach, schaltete er auf normal zurück, aber ganz wohl war ihm dabei nicht. Er konnte nicht verstehen, wieso eine energetische Sperre ihn als Mensch passieren ließ, aber einen Cyborg abstoppte. Auswertung der vorhandenen Fakten ergibt mit 75 % Wahrscheinlichkeit: Es wird eine Gehirnstrommessung durchgeführt. Ein Cyborg hat anders verlaufende Schwingungen! Die Ströme eines Terraners entsprechen scheinbar den geforderten Werten! teilte Alsops Programmgehirn nach einer kurzen Berechnungspause lapidar mit. Hastig setzte er sich in Bewegung und lief in die Richtung, die Mark Carrell ihm angegeben hatte. * Unter den Menschen in der POINT OF herrschte eine eigenartige, einmalige Unruhe. Dem letzten war bewußt geworden, daß auch in seiner Erinnerung eine unbekannte Zahl von Stunden fehlte. Einer befragte deswegen den anderen. Niemand konnte eine Erklärung dafür geben, und die drei Männer im Raumer, die in der Lage gewesen wären, die Unruhe zu beseitigen, schwiegen. Erron-3 mußte ein Geheimnis bleiben, das dort gespeicherte Wissen durfte nur langsam und behutsam verwendet werden; die Wunder der Mysterious-Technik mußten verantwortungsvoll verwaltet werden. Nur ein paar Mann hatten kaum Zeit, sich über ihr plötzliches Wissen zu wundern: die Experten der astronomischen und astrophysikalischen Abteilung. „Versuchen Sie herauszufinden, wo in der Galaxis wir uns aufhalten! Stellen Sie aber vorher fest, ob wir tatsächlich auch in unserer Milchstraße sind!“ hatte Ren Dhark ihnen aufgetragen, um wenigstens sie abzulenken. Mehr als zwanzig Mann schufteten. Sie beanspruchten den Checkmaster allein für ihre Aufgaben. Die Proteste der Funk-Z und der beiden Waffensteuerungen verhallten ungehört. Diese Teams hatten zu warten, bis die Experten die vom Commander gestellten Aufgaben gelöst hatten. Das Schiff flog in einem Lichtmonat Abstand an einer Riesensonne vorbei, gegen die Beteigeuze ein Zwerg war, und hielt Kurs auf
einen Stern, der wahrscheinlich Planeten besaß und in 2,4 Lichtjahren Abstand seine Bahn zog. Seit mehreren Stunden steuerte der Ringraumer mit 0,89 Licht diesem Ziel zu. Die Offiziere Falluta und Bebir mühten sich mit der neuen Steuerschalterkombination für das Hy-Kon ab. Der Angriff der Schwarzen Weißen hatte seinen Einsatz zu einer dringenden Notwendigkeit gemacht. „Dhark, woher haben wir dieses Wissen?“ stöhnte Leon Bebir verzweifelt, der sich mit der Bedienung der vierzehn Steuerschalter, die bisher nie benutzt worden waren, schwer tat. „Wie soll ich das wissen, Bebir?“ erwiderte Dhark, den Ahnungslosen mimend. „Erinnern Sie sich, daß sogar der Checkmaster nicht in der Lage ist, zu sagen, was in den letzten Tagen und Stunden mit uns und dem Schiff geschehen ist? Wir müssen mit unserem neuen Wissen eben fertig werden. Ich vermute, daß es mit unserem Aufenthalt in der Sternenbrücke und auf Zwitt zusammenhängt; ich wurde dort ja hypnotisch beeinflußt und als Steuerung mißbraucht; anders kann ich mir dies auch nicht erklären. Vielleicht eine zeitversetzte Hypno-Suggestion?“ „Ja…“, sagte der Zweite sinnierend, und die restlichen Offiziere, die aufmerksam der Debatte gelauscht hatten, nickten zustimmend, „ja, das wäre eine Erklärung, Dhark.“ Dan Riker mischte sich ein. „Ende der Unterhaltung. Los, Bebir, Sie sind an der Reihe. Wiederholen Sie die Aufgabe, die Falluta gerade hinter sich gebracht hat!“ Zu Dhark gewandt flüsterte er: „Gute Idee, Ren, die Ausrede mit der Suggestion, die gibt uns erst mal Luft. Wir lassen dies als mutmaßliche Erklärung verbreiten!“ * In der Funk-Z und den beiden Waffensteuerungen ging es nicht viel anders zu. Die Teams wurden gedrillt! Walt Brugg erklärte erneut, was ,Gringer’ war. „Gringer ist ein Störfeld oder Störraum, der aber nicht auf vierdimensionaler Basis arbeitet, sondern konstantenneutral ist. Dieser Ausdruck bedeutet, daß mit Gringer eine Wirkung erzeugt wird, die wohl von der Existenz der Konstanten weiß, aber ihren physikalischen Zwang mißachtet. Die Konstantenneutralität schafft im Normalraum bis zu einem Durchmesser von 7,2 Lichtjahren eine anomale Wirklichkeit, in der die Naturgesetze nicht aufgehoben worden sind, aber auch nicht mehr jene unerschütterliche Festigkeit haben. Sie bewirkt, daß die Ortungen keine genauen Werte mehr liefern können; sie stört die direkte wie auch indirekte Sicht. Es hilft auch nichts, einen Umweg über den Hyperspace zu machen und mitten in den Störraum einzubrechen. Die Werte, die man mittels des einen wie des anderen Verfahrens erhält, stimmen nicht mehr. Natürlich haben die Anlagen des Schiffes, das den Störraum er-
zeugt, die Möglichkeit einwandfrei zu orten, da uns ja die Mißweisungen, wie ich vorhin demonstrierte, bekannt sind…“ Brugg sah seine Männer an, holte tief Luft und sagte weiter: „Als wir Gringer einsetzten, konnten Sie auf der Bildkugel einen Schleier beobachten, der sich unwahrscheinlich schnell nach allen Seiten ausbreitete. Die Strahlbahnen der Schwarzen Weißen wurden unscharf, und scheinbar verschwanden die Sterne in naher und weiterer Umgebung. Anstelle des Nachtschwarz trat draußen im Raum ein Grau auf. Tatsächlich veränderte sich dort gar nichts. Nur wir sahen es mit unseren Augen so, und die Ortungen der Schwarzen Weißen nahmen es ebenfalls so auf. Ihre Schiffe wurden sozusagen auf allen Augen blind…“ Während Männer, die immer wieder bewiesen hatten, eine gute Auffassungsgabe zu besitzen, langsam aber sicher verzweifelten, weil sie das Neue nur sehr schwer verstehen konnten, raste die POINT OF mit gleichbleibender Geschwindigkeit ihrem Ziel zu. Jens Lionel und seine Kollegen arbeiteten wie Besessene, denn sie wollten so schnell wie möglich dem Commander berichten, wo in der Milchstraße sich der Ringraumer befand. Eine Minute nach der anderen verging. Aus Minuten wurden Stunden, und noch immer zeichnete sich keine Antwort ab. In der Astrophysik war man etwas ruhiger, wenngleich man dort auch mit neuem Wissen arbeitete, und die Unruhe, die nebenan bei den Astronomen herrschte, ließ man gar nicht erst aufkommen. „Lionel, wir haben Sternenkarten mit astrophysikalischen Werten, die alles bisher Geschaffene in den Schatten stellen. Wie sieht’s bei ihnen aus? Sind Sie auch schon so weit, damit wir uns ergänzen können?“ „So gut wie Sie haben wir’s nicht, aber wenn Sie mir wenigstens verraten könnten, was wir auf Grün 56:05,89 vor uns haben“, gab Lionel ungehalten zurück. Der andere wiederholte murmelnd die Koordinaten, ein kurzes Zwiegespräch war zu hören. „In zehn Minuten. Meine Kollegen befassen sich bereits damit. Auf was tippen Sie denn, Lionel?“ Der hatte es sich längst abgewöhnt, Prognosen zu stellen. Wenn er sich nur daran erinnerte, wie winzig das Wissen der Menschheit um die Galaxis gewesen war, obwohl schon terranische Sternenschiffe mit dem Time-Effekt Kurs auf Planeten ferner Systeme genommen hatten, und die damaligen Erkenntnisse mit ihren heutigen verglich, dann mußte er sich immer wieder sagen, daß sie auch heute noch nicht viel wußten. „Ich bin kein Hellseher! Ich bin Astronom. Bitte, reichen Sie mir Ihre Untersuchungsresultate…“ Weiter kam er nicht, denn der andere hatte ihn unterbrochen. „Lionel, wir sind so weit, aber… aber…“ Er rieb sich sein Kinn, wiegte den Kopf und überflog die Folie in seiner Hand noch einmal mit mißtrauischem Blick. „Hm! Das ist ein Ding! Lionel, Sie werden denken, meine Kollegen seien übergeschnappt, und ich… na, ich
glaub’s bald auch. Also, das Ding auf Grün 56:05,89 sind siebzehn Sonnen, die man kurzgeschlossen hat!“ „Bitte?!“ quälte Jens Lionel sich ab und dachte: Die sind tatsächlich übergeschnappt! „Wir können es nicht ändern, aber diese siebzehn Sonnen sind kurzgeschlossen worden! Lionel, kann ich was dafür?!“ In Lionels Gehirnwindungen gab es Alarm! „Was haben Sie plötzlich, Lionel?“ Der dachte an die Sternenbrücke! Der dachte daran, daß acht Sonnen die Energie geliefert hatten, um ein Hy-Kon zu erzeugen. War ihnen in der Sternenbrücke nicht demonstriert worden, daß es sogar Mittel und Wege gab, die Energie von mehreren Sonnen abzurufen und für eigene Zwecke zu verwenden? Konnte es nicht ebenso möglich sein, den energetischen Haushalt von siebzehn Sonnen kurzzuschließen? „Lionel, was haben Sie auf einmal? Gefallen Ihnen diese siebzehn kurzgeschlossenen Sonnen doch?“ kam die drängende Frage. „Ja!“ Und dann sprach er von der Sternenbrücke, doch damit konnte er seinen Kollegen nicht zu Begeisterungsstürmen provozieren. „Alles gut und schön, aber Energie abrufen und Sonnen kurzschließen, Lionel, das ist doch ein himmelweiter Unterschied!“ „Für uns ja! Aber auch für die Mysterious?“ Der Mann in der Astrophysik wollte sich nicht streiten. „Ich lasse Ihnen unsere Unterlagen überspielen. Vergessen Sie aber die Sternenkarten nicht. Wir benötigen sie zwecks Übertragung.“ Der Bildschirm der Bord Verständigung wurde dunkel. Lionel blieb nachdenklich sitzen. Das Objekt auf Grün 56:05,89 war siebenundvierzig Lichtjahre entfernt. Ein Katzensprung – eine relativ kurze Transition. Ob er Ren Dhark darauf aufmerksam machen sollte? Er machte ihn darauf aufmerksam. Dhark sah Dan Riker an. „Siebzehn Sonnen, deren energetischer Haushalt kurzgeschlossen worden ist? Ren, ich kann mir unter einem energetischen Kurzschluß leider nichts Schönes vorstellen.“ Das war der verklausulierte Rat, diese winzige Sternballung in siebenundvierzig Lichtjahren Entfernung nicht anzufliegen. Ren Dhark war hartnäckig. „Schau dir mal die beiden Folien an, Dan!“ Kurz darauf hatte er vergessen, daß er seinem Freund abgeraten hatte, sich den Fall aus der Nähe anzusehen. Die POINT OF ging auf neuen Kurs. Das veränderte Ziel lag auf Grün 56:05,89! Sie flogen siebzehn Sonnen an! Sie flogen auf die Quelle einer starken, aber auch erstaunlich lokal begrenzten Radioemission zu! *
Jos Aachten van Haag betrachtete schon wieder mißtrauisch sein Gesicht. Was war nur damit los? Woher kamen die nicht sichtbaren Spannungen in der Haut und die partiellen Zonen vollkommener Gefühllosigkeit, die aber nie lange anhielten und so schlagartig wieder verschwanden, wie sie aufgetaucht waren? Ich müßte einen Arzt aufsuchen, dachte er, und spielte schon mit dem Gedanken, sich die Medo-Station in der A-01 von innen anzusehen, als Chris Shanton eintrat, um seinen wieder komplett hergestellten Jimmy zu präsentieren. Zeit genug dazu hatte er bis jetzt auf Planet 1 des Zwitt-Systems gehabt. Der Dicke stutzte, als er bemerkte, daß Jos sich hastig von dem Spiegel abwandte. „Jos, stimmt etwas mit Ihrem Gesicht nicht?“ „Wieso, Shanton? Wie kommen Sie darauf?“ „Weil ich mit meinem Gesicht auch nicht mehr zufrieden bin!“ Shanton hatte die gleichen Beschwerden wie van Haag. Plötzlich dämmerte es den beiden. „Das schwarze Zeug, das wir uns ins Gesicht geschmiert haben, um wie ein Schwarzer Weißer auszusehen, Shanton!“ Jimmy spitzte die Ohren, weil er den Fluch, den der Herr und Konstrukteur gerade ausgestoßen hatte, noch nicht kannte. „Nein“, sagte Shanton danach, „nicht in die Medo-Station der A01! Wozu haben wir den Transmitter, Jos? Ab nach Hope, und von dort mit dem nächsten Raumschiff nach Terra, und dann ins BranaTal.“ Er blickte Jos fragend an. „Kommen Sie mit nach Terra über den Transmitterweg nach Hope, Jos?“ „Das wird das beste sein, Shanton. Aber wir sollten einen kurzen Umweg über den Verteiler nehmen und im Beiboot nach der trokkengewordenen Schmiere suchen; dann haben die Ärzte etwas zu analysieren!“ Sie ahnten nicht, wie sehr sie diesen Entschluß noch bereuen würden. * Holger Alsop hatte Mark Carrell erreicht. Zwei Scheinwerferbahnen beleuchteten einen Knochenberg. Knochen von riesenhaften Menschen! Knochen, die schmutziggrau waren, und Knochen, die schon langsam zu Staub zerfielen. Stumm starrten sie das Furchtbare an, aber auch das andere, um das die Knochen aufgeschichtet waren: die Statue eines goldenen Menschen! Wer auf Terra kannte ihn nicht, den Goldenen Menschen von Mirac? Die TV-Stationen hatten tagelang von dieser Entdeckung berichtet.
Im Goldenen Menschen von Mirac sah Terra die Mysterious! Man hatte sich mit fast hypnotischem Zwang eingeredet, so und nicht anders könnten die Geheimnisvollen einmal ausgesehen haben und auf Mirac hatten sie sich dann selbst ein Denkmal gesetzt. Und nun standen Mark Carrell und Holger Alsop in einem Kellergewölbe auf einem unbekannten Planeten und sahen den Goldenen Menschen zum zweitenmal – mit Armen und mit Kopf! Drei Meter hoch war die Plastik. Bis zu den Knien war sie durch die Knochen verdeckt. Aber alles andere bot sich ihren Blicken dar: Die Arme, die sich zum Himmel emporreckten, und der Kopf, der unmißverständlich zu den Sternen hinauf sah. Aber ein Kopf ohne Gesicht! Ein Gesicht, das leer war; nichts anderes als eine leicht gewölbte Fläche. Nicht die kleinste Andeutung von Augen, einer Nase oder einem Mund. Sogar das Kinn war nicht modelliert. Ein Nichts in menschlicher Gestalt! Dennoch ein eindrucksvolles Nichts. Es wurde nicht allein durch den Goldton ausgelöst, sondern durch die Haltung, durch die sich emporreckenden Arme und die leicht gebogenen Hände, als wollten diese zweimal fünf Finger einen Stern umfassen. Langsam wanderten Carrell und Alsop um den Knochenberg herum. Wo auch immer sie diese Relikte grausamer Menschenopfer mit dem Fuß berührten, zerfielen sie zu Staub; die Stätte wurde schon lange nicht mehr benutzt. Unwillkürlich dämpfte Carrell seine Stimme zum Flüstern. „Genau über uns muß sich der Kugeltransmitter befinden.“ Weiter kam er mit seiner Bemerkung nicht, weil Alsop ihn hart angestoßen hatte, und gleichzeitig auf der Stelle herumwirbelte. Beide schalteten blitzschnell auf ihr Zweites System! Keine Sekunde zu früh! Die Scheinwerferstrahlen hatte ihre Bewegungen mitgemacht. Im grellen Lichtkegel standen drei Zottelige, die trotz des Haarvorhanges vor ihren Augen geblendet waren und sich in dieser Lage nicht anders verhielten als Menschen von Terra. Sie hatten die sechsfingrigen Hände hochgerissen und benutzten sie als Schutz gegen die grelle Lichtflut. An ihren Fingern blitzte es auf. Sie trugen Ringe mit großen geschliffenen Steinen! Diese Steine spiegelten das Licht in sattem Grün und weichem Blau wider. Die Füße der Zotteligen waren nicht nackt! Silbergraue, enganliegende Sandalen, die bis zum Ansatz der Waden reichten, umhüllten sie. Langsam ließen die Humanoiden ihre zur Abwehr hochgerissenen Hände sinken. „Abblenden!“ befahl Holger Alsop, und beide schalteten herunter. Die Strahlen blieben, aber ihre Leuchtkraft war auf ein Zehntel der normalen Leistung herabgesetzt worden. Unbeweglich standen die drei fellbedeckten Riesen in dem dunklen Torbogen, dem Ausgang eines unterirdischen Ganges. Zwei Stufen
fehlten bis zum Boden, der mit glattgeschliffenen, aber unregelmäßigen Steinplatten ausgelegt war. „Sicherung, Carrell!“ Holger Alsop trat zur Seite, um seinem Kollegen das Schußfeld nicht einzuengen, und ging dann langsam auf die Fremden zu, die leeren Hände beruhigend erhoben. Verstanden die Bewohner dieses Planeten seine Geste? Er mußte ihr Vertrauen erringen! Unbedingt! Sie reagierten auf seine Geste nicht. Da blieb er stehen, öffnete seinen Klarsichthelm und begann zu sprechen, obwohl ihm klar war, daß sie ihn nicht verstehen konnten. Aber vielleicht nahmen sie den beruhigenden Klang seiner Stimme wahr. Lauschend bewegten die Zotteligen den Kopf. Der in der Mitte stand und einen halben Kopf größer war als seine Begleiter, griff zum rechten Mittelfinger und streifte seinen grün leuchtenden Ring ab. Er hielt ihn mit Daumen und Zeigefinger, drehte ihn im Lichtstrahl hin und her, und legte ihn dann auf die erste Steinplatte vor den beiden Treppenstufen zum Gang. Langsam richtete er sich wieder auf, und nun kam Bewegung in alle drei. Rückwärts gehend, zogen sie sich in den unterirdischen Gang zurück, aber nicht weiter als acht oder neun Meter. Dort blieben sie, von rauhen Quadern umgeben, abwartend stehen. Das Geschenk annehmen! sagte Alsops Programmgehirn. Er trat vor, bückte sich und nahm den Ring auf. Mit dieser Tätigkeit schaltete er bewußt auf Normal zurück, darauf vertrauend, daß Mark Carrell auf dem Zweiten System seine Sicherheit garantierte. Fasziniert betrachtete er das Kleinod. Er hielt einen Ring in Händen, der von einem genialen Künstler geschaffen worden war, denn unbeschreiblich war die Fassung des daumennagelgroßen, wunderbar geschliffenen Steines, der eine etwas längliche Form hatte. Winzige schwarze Steine, die auch das Licht reflektierten, umgaben die Fassung in einer doppelten Reihe. Dahinter wölbte sich in mattem Rosa die ovale Schale, in der alles gebettet lag. Von zwei ziselierten Schenkeln, die allegorische Darstellungen zeigten, wurde sie von beiden Seiten gefaßt. Erstaunlich schwer war dieser Schmuck, der aus einem Material gefertigt war, das Holger Alsop nicht kannte. Prüfend maß er, ob der Ring ihm wenigstens am Daumen passen würde – als er mit den Augenlidern zwinkerte und zugleich den Kopf schüttelte. Hatte der Ring, als er ihn aufhob, nicht einen bedeutend größeren Durchmesser besessen als nun? Oder hatte es an der diffusen Beleuchtung gelegen, daß er sich so verschätzt hatte? Langsam streifte er ihn über den rechten Mittelfinger. Der Ring paßte! Aber er konnte nicht passen, denn die Zotteligen hatten gemäß ihrer Körpergröße zweimal stärkere Finger als er!
Ist das wichtig zu wissen? hörte er in seinem Kopf. Im gleichen Augenblick hatte er wieder auf sein Zweites System geschaltet, um den Schock nicht zum Tragen kommen zu lassen. Mit der nüchternen Seelenlosigkeit seines Programmgehirns betrachtete er nun das Schmuckstück an der rechten Hand. Und nun sah er das Emblem einer Galaxis-Spirale rechts und links vor dem Rand der kleinen ovalen Schale, in welcher der Stein und die Doppelkette gebettet lagen. Ein Ring der Mysterious steckte an seinem Finger! Aber war er über diesen Ring in der Lage, sich telepathisch mit den Bewohnern dieses Planeten zu verständigen? Er warf Mark Carrell einen Blick zu, der nur beobachtend und sichernd unbeweglich auf der Stelle stand. Und Holger Alsop schaltete wieder auf normal zurück. Kannst du mich verstehen? dachte er. Ja, aber warum hatte ich gerade keine Verbindung mit dir? hörte er Antwort und Gegenfrage. Ich wollte nicht! wich Holger Alsop aus. Aber wenn ihr keinen Überfall auf uns plant, dann kommt näher! forderte er sie auf. Nein! vernahm er die Antwort. Uns ist untersagt, den Raum der Gebeine und den Tempel des Strahlenden zu betreten, und nur, wer nicht mehr ist, hat das Recht, vor dem Strahlenden liegen zu dürfen. Alsop mußte Mark Carrell über den Stand der Dinge unterrichten. Er schloß seinen Klarsichthelm wieder und teilte Carrell über Funk in lapidarer Kürze mit, was er bis jetzt erfahren hatte. Kaum war er zu Ende gekommen, als sich Bram Sass, der die beiden Eingänge oben zu sichern hatte, meldete. „Aus den Erdhöhlen auf der anderen Seite des Flusses bekommen wir scheinbar Besuch von mehr als hundert Eingeborenen. Sie ziehen abgedeckte Platten hinter sich her. Was soll getan werden? Sie schocken?“ „Wie weit sind sie noch entfernt, Sass?“ fragte Alsop zurück. „Vierhundert Meter. Bis sie alle durch den Fluß sind, vergehen noch fünf Minuten Normzeit.“ „Die benötigen wir. Wir melden uns gleich wieder.“ Er mußte versuchen, über die drei Eingeborenen zu erfahren, was dieser Aufmarsch oben zu bedeuten hatte. Die Antwort erschütterte ihn. Sie, die Terraner, mit ihrer nackten Haut dem Ebenbild des Goldenen Menschen so ähnlich, waren in den Augen der Blubs die bösen Dämonen, die hinter dem Horizont wohnten und den Sturm erzeugten, die Wasserfluten vom Himmel stürzen ließen und die CarranSeuche den Virdenen schickten. …wir aber wissen, daß ihr nicht hinter dem Horizont wohnt, weil uns angezeigt worden ist, über welchen Weg ihr kamt! Der Eingeborene sprach vom Kugeltransmitter? Nein, wurde der Cyborg in seinen Gedanken unterbrochen, wir
wissen nur aus der Überlieferung, daß durch das Schwarze mit seinem roten Leuchten in der Tiefe einstmals ein Kommen und Gehen war, doch schon seit vielen hundert Umläufen ist das Tor zu den Sternen verschlossen. Bram Sass meldete sich wieder. „Holger, der größte Teil der Eingeborenen hat unser Flußufer erreicht…“ Sage deinen Freunden, sie sollen in den Tempel des Strahlenden hinabsteigen und uns folgen, denn niemals werden die Blubs es wagen, vor ihn zu treten. Die Wand, die euch hindurchließ, würde sie verbrennen! Oshuta und Sass zeigten keine Verwunderung über die Nachricht, die Alsop ihnen durchgab und auch nicht darüber, daß er ihnen befahl, auf normal zurückzuschalten. „Wir kommen!“ Bram Sass und Lati Oshuta folgten unaufgefordert den beiden anderen Cyborgs durch den unterirdischen Gang; die drei Zotteligen gingen vorweg. Holger Alsop erklärte unterwegs seinen Kameraden mit wenigen Worten die verblüffende, aber auch zugleich unerklärliche Wirkung des Ringes an seiner Hand, der allem Anschein nach erst die telepathische Verständigung ermöglichte. Der Gang, über drei Meter hoch, aber nicht besonders breit, war aus großen, kaum bearbeiteten Quadern errichtet, die man ohne Verbindungsmaterial aufeinandergesetzt hatte. Unter dem Gewicht der schweren Brocken war eine Konstruktion errichtet worden, die Jahrtausende überstand, wenn nicht ein Erdbeben alles zusammenstürzen ließ. Der Gang verlief keineswegs geradlinig, hielt aber dennoch die einmal eingeschlagene Richtung bei. Schließlich erreichten sie eine Treppe, die immer breiter wurde, je tiefer sie kamen. Die Dunkelheit, nur durch die Scheinwerferstrahlen aufgehellt, wich allmählich. Blaues Licht strahlte aus den Wänden, und da erst fiel den Terranern auf, daß diese Wände nicht mehr aus aufeinandergeschichteten Quadern bestanden, sondern unitallblau leuchteten. Die leicht flimmernde energetische Sperre erklärte ihnen dann, weshalb sie die Blubs nicht zu fürchten hatten. Ungehindert traten sie hindurch. Außer einem leichten Prickeln verspürten sie nichts, und dann standen alle vier Cyborgs wie angewurzelt. Vor ihnen breitete sich ein kuppelartiger Raum aus, dessen Decke strahlend blaues Licht emittierte. Aber der Blickfang war eine Bildkugel, wie die Cyborgs sie von der POINT OF her kannten, und diese Bildkugel arbeitete! Sie zeigte den Sternenhimmel um diesen unbekannten Planeten, den sie über eine Transmitter-Straße erreicht hatten. Unwahrscheinlich beeindruckend war das Bild, das die mehr als acht Meter messende Kugel zeigte. Sie schwebte frei im Raum, war weder mit der Kuppeldecke, noch mit dem Boden verbunden, und gab dennoch ihr Geheimnis nicht
preis, nach welchem Prinzip sie arbeitete. Du kennst das Auge der Tiefe? vernahm Holger Alsop die Frage in seinem Kopf. Eine Wand war mit Instrumenten übersät, vor der anderen war ein Schaltpult aufgebaut worden, das die Cyborgs magnetisch anzog. Mark Carrell mußte auf sein Zweites System umschalten, denn in seinem normalen Wissen gab es nichts, was ihm diese komplizierte Anlage vertraut machte. Das Material des Sessels paßte sich sofort seiner Figur an, als er darin Platz nahm. Der Sitz war zu klein für die drei zotteligen Riesen, die, je länger die Terraner mit ihnen zusammen waren, mehr und mehr von ihrem fremdartigen Aussehen verloren. Nun zeigte sich, daß Mark Carrell nicht nur der erste Cyborg einer neuen Serie war, sondern daß auch sein Programmgehirn eine höhere Qualitätsstufe aufwies – es war mit den letzten Erkenntnissen terranischer Wissenschaft bestückt und besaß eine wesentlich höhere Speicherkapazität als das der Cyborgs der ersten Generation! Eine kleine, knapp einen halben Meter durchmessende Bildkugel als Kontrollgerät stand, ebenfalls schwebend, über dem Schaltpult. Carrell brachte die Steuerschalter in andere Positionen. Gleichzeitig wechselte die Wiedergabe der Bildkugel. Die leuchtenden Punktquellen der abertausend Sonnen auf schwarzem Untergrund verschwanden. Ein Planet tauchte auf, eine Welt, die im Dämmerlicht lag und von einer dunkelroten Sonne beschienen wurde. Das ist unsere Welt! hörte Holger Alsop sagen, und unverzüglich informierte er Mark Carrell, der gerade versuchte, die nähere Umgebung um den Kugeltransmitter sichtbar werden zu lassen. Er mußte suchen, denn die Anlage, vor der er saß, unterschied sich stark von der in der POINT OF und in den Flash. Da orgelte ein Schrei durch den Kuppelraum. Die Eingeborenen hatten ihn ausgestoßen, und wie Menschen, die sich vor Freude kaum halten konnten, klatschten sie in ihre mächtigen, behaarten Pranken. Auch Bram Sass hatte auf den ersten Blick das Tal mit dem Fluß erkannt, die dunklen Löcher mit den niedrigen Erdwällen zwischen den Sträuchern, und dann sah er die Zotteligen im Halbkreis vor dem quadratischen Bauwerk aus groben Quadern stehen, wo sie unerklärbare Vorbereitungen trafen. Sie prüfen die Windrichtung, um dann das donnernde Feuer zu entfachen, mit dem sie euch aus dem Tempel treiben wollen! verstand Holger Alsop. Ein donnerndes Feuer? fragte er zurück, erhielt aber auf seine Frage keine Antwort. Einer der Eingeborenen beugte sich über Mark Carrell und legte ihm seine behaarte Pranke auf die Schulter. Der Eingeborene betrachtete aufmerksam den Cyborg und dessen Handlungen an dem Schaltpult. „Carrell, er will wissen, welche Positionen die Steuerschalter ein-
nehmen müssen, damit sie die Sterne in der Bildkugel sehen können!“ teilte Alsop den Wunsch des Zotteligen mit. Er wunderte sich nicht über die verblüffende Auffassungsgabe der Eingeborenen. „Laut ihrer Überlieferung war es ihnen bei Todesstrafe untersagt, dieses Schaltpult auch nur zu berühren, aber wir haben es hier scheinbar mit drei Ketzern zu tun, die mit Recht ihre alten Überlieferungen anzweifelten.“ Der angrenzende Raum hinter der Kuppel erklärte endlich, woher diese ,Ketzer’ ihr Wissen bezogen hatten, daß ihr Besuch über eine Transmitter-Straße zu ihnen gekommen war und nicht zu den Dämonen gehörte, die hinter dem Horizont wohnen sollten. Ein ovaler Bildschirm, über dem das Emblem einer Galaxis-Spirale im Goldton leuchtete, war in Tätigkeit und zeigte nicht nur den Transmitter oben im Tempel, sondern auf der linken Seite eine scharfbegrenzte Leuchtbahn, die zwei Punkte miteinander verband. Die Transmitter-Straße vom Verteiler zu dieser Welt! Die größte Überraschung erwartete sie noch. Die drei Eingeborenen führten sie zu ihrem Volk! Stolz nannten sie sich die Barrans – die Klugen – und stolz gingen sie den vier Terranern voraus durch ihre unterirdische Stadt, die nur von den Mysterious erbaut worden sein konnte! Unitall, wohin der Blick fiel; überall das sattsam bekannte, bläuliche Licht. Die Barrans, die ihren Planeten Sero nannten, hatten sich im Verlaufe der Jahrhunderte mit der Stadt und ihrer Technik wenigstens halbwegs vertraut gemacht. So hatten sie ihr Leben, das sie der Überlieferung nach vorher auf der Oberfläche unter einer verlöschenden Sonne geführt hatten, grundlegend verändert. Ihre Zahl gaben sie mit dreißigtausend an, doch die zehnfache Menge hätte in dem großen Komplex unter der Erde auch noch bequem Platz gefunden. Immer wieder wunderte sich Holger Alsop über die Diskrepanz zwischen Aussehen und Wissen der Barrans. Fragen nach den Mysterious, in der Hoffnung, die Überlieferung der Barrans könnte präzise Angaben darüber enthalten, konnten sie aber nicht beantworten. Ja, der Cyborg fand nicht einmal heraus, vor wieviel Jahrhunderten oder Umläufen, nach denen die Eingeborenen rechneten, die Geheimnisvollen verschwunden waren. Mark Carrell erinnerte an die goldene Plastik im Kellergewölbe. Während sie um den Schwebetisch saßen, der zu Ehren der Terraner passend zu deren Größen herabgelassen worden war, berichtete Sarronala von dem, den sie den Strahlenden nannten. „Früher einmal stand er auf Sero, dort, wo die Sternenschiffe ankamen und wieder fortflogen. Als das letzte dann verschwunden war und es auf Sero still wurde und es lange, lange still blieb, wagte es endlich der Große Boridu, in die Stadt einzudringen, welche die Grauen verlassen hatten. Am Eingang traf er auf den Strahlenden, der schon so viele Barrans getötet hatte, die ihm zu nahe gekom-
men waren. Die Grauen waren grausamer als unsere Götter, und wenn ihre Schiffe kamen oder wieder davonflogen, durfte kein Barran in der Nähe sein. „Die Grakos!“ stieß Bram Sass aus, der, seitdem er zum erstenmal von der Überlieferung der Utaren gehört hatte, die Grakos - diese Geißel der Galaxis – nicht mehr vergessen konnte. Die Barrans nannten sie die Grauen, aber wie kamen sie zu dem Namen, wenn sie nie einen einzigen Mysterious zu Gesicht bekommen hatten? Sarronala konnte darauf keine Antwort geben. Zweifelnd sahen sich die Cyborgs an. Was war Wahrheit? Was war Mär? Aber die verlassene Stadt der Mysterious war real. Doch warum war sie auf diesem unbedeutenden Planeten unter einer verlöschenden Sonne angelegt worden? Warum besaß Sero einen Kugeltransmitter? Was gab dieser Welt diese Bedeutung? Die Barrans wußten von keiner technischen Anlage auf ihrer Welt. Sie lebten in der dauernden Angst, die Grauen könnten eines Tages zurückkehren und ein grausames Strafgericht halten, weil sie ihre Stadt im Besitz anderer fänden. Sarronala, die Grauen werden nicht wiederkommen, denn wir Terraner suchen sie schon seit vielen Jahren auf vielen Sternen. Wir glauben nicht mehr daran, daß sie noch leben. Ein Volk der Grauen gibt es nicht mehr. Aber kennt ihr den Ausdruck: Grakos? Das sind doch die Grauen! vernahm Alsop die Stimme Sarronalas in seinem Kopf. * Die POINT OF tastete sich langsam vorwärts, seitdem sie den Emissionsbereich der siebzehn Sonnen erreicht hatte, die alle ihrem gemeinsamen Untergang entgegenjagten. Siebzehn Sonnen waren aus ihrer Bahn gebracht worden. Siebzehn Sonnen rasten einem unsichtbaren Mittelpunkt zu; aber bevor sie ihn erreichten, mußten sie sich wie eine Nova aufblähen und zum alles verschlingenden Moloch werden. Falluta hatte die POINT OF übernommen. Ren Dhark und Dan Riker befanden sich in der astrophysikalischen Abteilung, wo größte Aufregung herrschte, denn zwei Hypothesen waren aufeinandergeprallt, und keine der beiden Parteien wollte einen Schritt von ihrer Annahme abgehen. „Wir haben ein Naturereignis vor uns!“ behauptete die eine, aber zahlenmäßig schwächere Gruppe. „Wir sehen hier das Resultat von wahnsinnig gewordenen Intelligenzen, die verbrecherisch mit siebzehn Sonnen gespielt haben!“ behauptete die zweite Gruppe. Aber noch konnte weder die eine noch die andere Hypothese bestätigt oder entkräftet werden.
Zu weit vom Schauplatz war der Ringraumer entfernt. Das Schiff hielt Kurs auf die Sonne, die innerhalb der kleinen Ballung noch am weitesten draußen stand – ein B-Typ mit einem 5,6fachen Sonnendurchmesser, von strahlend weißer Farbe und ungewöhnlich heiß. „Künstlich aufgeheizt!“ „Unsinn! Was wir sehen, ist ein ganz normaler Prozeß, der durch die Schrumpfung der Ballung ausgelöst worden ist. Vielleicht erinnern Sie sich an ,Brigthons viertes Gesetz’, oder denken Sie an die ,Kossandriner Formel’!“ Sie warfen sich gegenseitig Formeln und Fachausdrücke an den Kopf. Die Stimmung war aufgeheizt. Dan Riker und Ren Dhark schauten sich ratlos an – und schüttelten die Köpfe. Jens Lionel mußte der Unglücksrabe sein, der zum berühmten Funken im Pulverfaß wurde. Ahnungslos schaltete er zur Astro durch und meldete: „Der B-Typ, den wir anfliegen, hat Planeten, aber die sind alle kaputt!“ Das hätte er niemals sagen dürfen! Kaputt! „Woher wollen Sie auf diese Entfernung wissen, daß diese Planeten tatsächlich ,kaputt’ sind, Lionel?“ wurde er empört zurechtgewiesen. „Meine Herren!“ Ren Dhark verschaffte sich Gehör, es wurde ruhiger, die erregten Stimmen verstummten. „Bitte etwas mehr Disziplin. Sie sind doch alle hervorragende Wissenschaftler, respektieren Sie die Meinung des anderen. Ich erwarte im übrigen Ihren Bericht morgen gegen 8 Uhr Normzeit!“ Aber auch am anderen Bordtag gegen 9 Uhr hielt er noch keinen Bericht in Händen. Die astronomische wie die astrophysikalische Abteilung schwiegen sich aus. Falluta, 1. Offizier der POINT OF, war diesen Experten nicht besonders gut gesonnen. „Ich habe ihn schon dreimal angefordert und wurde beim letztenmal angeschnauzt, nicht dauernd zu stören. Lionel hat sich wieder einmal unmöglich benommen!“ Diese ewigen Reibereien zwischen Besatzung und Wissenschaftlern, die nur ihrer Arbeit nachgingen, waren auch auf der POINT OF nicht zu beseitigen. Doch auch an diesem Bordmorgen hörte Dhark darüber hinweg. Streitigkeiten sorgten für Bewegung und frischen Wind und verhinderten den Ausbruch von Muffigkeit an Bord . Er sah wieder auf das Chrono der Zentrale. Halb zehn! Die Herren ließen sich wirklich Zeit; sie brachten nicht einmal eine Entschuldigung dafür zustande, daß sie sich mit ihrem Bericht verspäteten. Leon Bebir im Co-Pilotensitz drehte sich mitsamt seinem Sessel um.
„Für Sie! Die Astro, Dhark.“ „Ja?“ meldete er sich, als er links neben Falluta getreten war und den Bildschirm der Verständigung sehen konnte. „Dhark, wir haben uns bei Lionel entschuldigt. Wir alle. Die drei kümmerlichen Planeten, welche die Sonne vom Typ B besitzt, sind tatsächlich kaputt!“ Dieses Wort tat Ren Dhark in den Ohren weh. „Was heißt das denn, kaputt?“ „Na, eben kaputt! Was denn sonst? Die hat jemand auseinandergebrochen und…“ „Darf ich Sie bitten, endlich Klartext zu reden und mit diesem Unsinn aufzuhören!“ stotterte Dhark, der für einen Augenblick den Überblick verloren hatte. Der Astrophysiker murmelte eine Entschuldigung, er konnte die Verwirrung des Commanders verstehen. „Dhark, diese drei Planeten sind mutwillig durch Intelligenzen zerstört worden, denn wir haben kontinentgroße Bruchstücke im Raum treibend gefunden, die bei etwas Phantasie in die Bruchstellen der Umläufer passen!“ Beide Seiten schwiegen. Der Experte wartete, was der Commander zu sagen hätte, während Dhark versuchte, sich vorzustellen, welche Energien erforderlich waren, aus einem Planeten kontinentgroße Stücke herauszubrechen. Nur zögernd stellte Ren Dhark dann seine Frage: „Können Sie jetzt schon bestimmen, wann dieser Zerstörungsakt stattgefunden hat?“ „Leider nicht. Dafür müßten wir bedeutend näher heran, aber wiederum möchten wir empfehlen, die POINT OF erst einmal zu stoppen. Ehrlich gesagt, wir kommen mit diesen siebzehn Sonnen nicht klar, weil wir nicht erkennen, was man mit ihnen angestellt hat.“ In der Zentrale horchte auch der letzte Mann auf. „Sie sind überzeugt, daß sich diese Sterne nicht normal verhalten? Daß kein natürlicher Prozeß abläuft?“ „Mit hundertprozentiger Sicherheit können wir es nicht behaupten, Dhark, denn was über die Milchstraße wissen wir schon sicher! Aber das Gesamtbild paßt in keine unserer Vorstellungen hinein. Bitte, lassen Sie uns Zeit.“ Er nickte und schaltete wortlos ab. Niemand sah ihm an, welche Sorgen er sich plötzlich machte, und daß sich seine Gedanken mit den Schwarzen Weißen und ihren Doppelkugelraumern beschäftigten. Hatten sie hier ihre Hand im Spiel gehabt? Vielleicht würde es die nahe Zukunft verraten. * Bert Stranger, der Reporter der Terra-Press, war nicht wiederzuerkennen. Der Mann mit der unglücklichen Figur sah nicht mehr lächerlich aus, und die beiden Robonen, die er vor seinem Schocker
hatte, fanden ihn bestimmt nicht lächerlich. „Ich frage nicht noch einmal!“ sagte der kleine Dicke warnend. „Ich habe nun lange genug auf eine Antwort gewartet.“ Sein Paraschocker war auf minimale Dosis geschaltet, er würde nicht paralysieren, sondern nur sehr unangenehme Zuckungen verursachen. Lässig betätigte er den Kontakt. Gemächlich schwenkte der Abstrahlpol auf den zweiten zu, der nun auch in seinem Sessel zusammensackte, die Lippen bewegte, aber kein Wort mehr darüber brachte. In Gedanken hatte Bert Stranger jedesmal bis zehn gezählt, und nun ließ sein Finger den Kontakt wieder in die Ausgangsstellung zurückspringen. Ob die erste Probe ausreichte, diesen verstockten Burschen den Mund zu öffnen? Mitleidlos beobachtete er die Angstgefühle, die sich in ihren Augen widerspiegelten. Borgin brachte nur ein Stöhnen fertig. Marenu starrte dumpf vor sich hin. Ihm machte die schwache Dosis mehr zu schaffen als seinem Partner. Borgin & Co, die unscheinbare Firma, die mit Sensoren handelte und es verstanden hatte, die Hobbygelüste der Menschen anzusprechen. Trotz ihres unscheinbaren Aushängeschildes betrug der letzte Jahresumsatz der Firma über hundert Millionen Dollar. Bert Stranger stand mit dem Rücken zur Tür. Von seinem Platz aus konnte er das ganze Büro übersehen und verhinderte durch seine Position gleichzeitig, daß ein unerwünschter Besucher eintreten konnte. „Okay, dann ist die zweite Behandlung fällig!“ kündigte er kaltschnäuzig an, und wieder krümmte sich sein Zeigefinger. Sie waren zäher, als er erwartet hatte. Sie wanden sich unter dem Strahlbeschuß, dennoch kam kein Wort über ihre blaß gewordenen Lippen. Unwillkürlich drängte sich bei dem Reporter der Verdacht auf, daß sowohl Borgin wie auch Marenu behandelt worden waren – nicht reden konnten! Er erhöhte die Dosis leicht. Gern tat er es nicht, aber in diesem Fall ging es um mehr, als herauszufinden, wer hinter der ,Aktion Mikrosender’ steckte. Er hatte im Laufe seiner Nachforschungen verschiedentlich von einer Verbindung zwischen nicht umgeschalteten Robonen und sogenannten ,Schwarzen Weißen’ gehört. Die letzteren waren ihm immer noch kein Begriff! Und dann waren auch noch die Worte ,Doppelkugelraumer’ und ,Invasion’ gefallen! Es war nicht leicht gewesen, die Verteilerzentrale zu finden, von der aus die Mikrosender weitergeleitet wurden; und es war ihm unmöglich gewesen, herauszufinden, woher diese höllischen Kleinstgeräte kamen. Von diesen Schwarzen Weißen, die mit einigen nicht umgeschalteten Robonen in Verbindung stehen sollten? Die beiden Männer krümmten sich schweißnaß hinter ihrem großen
Schreibtisch in den Sesseln hin und her. Fast hätte Stranger Mitleid an den Tag gelegt. Konnten sie wirklich nicht über die Mikrosender sprechen? Könnte die Spezialbehandlung so nachhaltig sein, daß sie darüber auch trotz ihres Wollens keine Aussage machen konnten? Auf dem Gang hörte Bert Stranger Schritte, die an der Tür, gegen die er gelehnt stand, haltmachten. Jemand wollte eintreten und rüttelte energisch an der blockierten Tür. Der Reporter mußte schnell handeln. Ihm lag nichts daran, in einen Kampf verwickelt zu werden. „Okay!“ sagte er, schaltete seinen Paraschocker hoch und paralysierte die beiden Männer hinter dem Schreibtisch. Gleichzeitig trat er zur Seite und gab die Tür frei, die sofort mit einem lauten Knall aufsprang. Von seinem Schwung vorwärts gerissen stolperte ein Mann in den Raum. Die Strahlwaffe in seiner Hand ließ Bert Stranger blitzschnell handeln. Der Schocker zischte kurz, dann fiel der Fremde wie ein gefällter Baum zu Boden. Der Reporter beugte sich über den Eindringling, der besinnungslos auf dem dicken Teppich lag. Seine Strahlwaffe lag einen halben Meter weiter entfernt. „Was ist denn das für ein Ding?“ murmelte der Reporter, der immer wieder wegen seiner Figur unterschätzt wurde. Er hatte die Waffe an sich genommen und betrachtete sie neugierig von allen Seiten. Solch ein Modell hatte er noch nie gesehen. Vorsichtshalber steckte er die superleichte Waffe ein. Er drehte den Mann, der mit dem Gesicht auf dem Boden lag, um. Quer über das Gesicht verlief ein Riß, durch den es schwarz schimmerte. „Unendliche Milchstraße!“ stieß er aus, als er die schwarze Haut sah. Und dann sagte er gar nichts mehr, als er eine Fleischplastikmaske in der Hand hielt. Vor ihm lag ein Schwarzer, dessen Gesicht aber keinen negroiden Einschlag hatte! Ein Schwarzer Weißer? Stranger wurde abwechselnd kalt und heiß. Er schaltete sein Vipho ein, Hauptfrequenz der GSO, und verlangte nach Bernd Eylers, dem unscheinbar aussehenden Chef der Organisation. Gegen seine Erwartung wurde der Reporter sofort durchgestellt. Bert Stranger liebte das Effektvolle. „Eylers, sehen Sie sich den an!“ und richtete sein Vipho auf den schwarzen Mann am Boden. Hastig gab er durch, was passiert war und wo in Melbourne er sich befand. „Borgin & Co.! Scheinen behandelt zu…“ Bernd Eylers in Alamo Gordo, in der Zentrale der GSO, redete dazwischen. „Ich habe Großalarm ausgelöst, Stranger. In ein paar Minuten…“ Er verstummte. Auch Bert Stranger sagte kein Wort. In den Büros der Firma Borgin & Co. war der Teufel los!
* Ren Dhark war nervös, obwohl er sich alle Mühe gab, es nicht zu zeigen; aber seinem Freund Dan konnte er nichts vormachen. Der beobachtete, wie Ren alle wichtigen Einsatzstellen seines Schiffes kontrollierte. „Clifton, haben Sie Ihr Team auf Mix gedrillt?“ Bud Clifton, der Mann mit dem Kindergesicht, kommentierte leicht genervt: „Dhark, meine Leute träumen schon davon!“ Jean Rochard, Chef der WS-Ost, meinte mit ironischem Unterton: „Wir spielen inzwischen mit allen Mix-Sorten wie vorher mit Dust-, Nadel- und Strich-Punktstrahlen.“ Das hörte sich nicht gut an, das Klima an Bord der POINT OF war gereizt. „Ren, behandle die Leute nicht wie kleine Kinder! Merkst du denn nicht, wie du ihnen mit der ewigen Nachfragerei auf die Nerven gehst? Gönne ihnen mal eine Ruhepause. Du machst es nicht besser, indem du laufend nachfragst“, lenkte Riker den Commander ab, der zu einer gepfefferten Entgegnung anheben wollte. Ich will ihnen doch nur helfen! wollte er Riker sagen, auf dessen Kinn sich der rote Punkt bemerkbar machte, der sich besonders in angespannten Situationen zeigte. „Dan, verzeih’, ich habe für einen Augenblick die Kontrolle verloren. Ja, die Leute sind erschöpft! Bud und Jean, bitte entschuldigen Sie meine Ungeduld!“ Dhark wandte sich von der Bord Verständigung ab und Tino Grappa zu. „Grappa, halten Sie die Ohren steif!“ – mehr sagte er nicht. Ren trat hinter Dan Riker, legte ihm die Hand auf die Schulter und hatte für ihn nur ein Wort übrig: „Danke!“ Dann verließ er die Zentrale und suchte die Funk-Z auf. Glenn Morris und Elis Yogan machten Dienst mit ihren beiden Teams. Walt Brugg und seine Männer nahmen eine Handvoll Schlaf. „Wie sieht es mit Gringer aus, Yogan?“ Der grinste gemütlich. „Ist aber schon komisch, wenn man auf einmal über solch ein Wissen verfügt. Die verdammten Mysterious mit ihren posthypnotischen Instruktionen.“ Dhark atmete erleichtert auf. Auch diese beiden Offiziere nahmen Dans Idee mit der posthypnotischen Suggestion scheinbar als ausreichende Erklärung hin. „Heiliger Strohsack, mit der Funk-Z angreifen… keiner von uns kann das glauben!“ Dhark war wieder an Erron-3 erinnert worden. Erron-3, das Hauptarchiv der Mysterious, in einem blaßblauen Universum versteckt, und dort auf einem Planeten so abgesichert, daß kein Unbefugter das Archiv betreten konnte. Aber wieso waren sie, die Terraner, keine Unbefugten gewesen? Bedeutete dies nicht, daß sich Mysterious und Terraner sehr ähnlich
waren? Aber dann fiel ihm auch schon wieder ein, daß zum Beispiel an Bord des Ringraumers alle möglichen Luftgemische und Gravowerte einzustellen waren. Seine Hypothese fiel in sich zusammen – er kam bei der Lösung einfach keinen Schritt weiter. Im Pilotensessel nahm er wieder Platz. Der Ringraumer hatte sich dem am weitesten draußen stehenden Stern bis auf eine Lichtstunde genähert. Die drei zum Teil zerstörten Planeten waren deutlich in der Bildkugel zu sehen. Der größte davon zeigte starke Beschädigungen, aber auch zwei der gewaltigen kontinentalen Brocken, die gleich eckigen Monden um diesen Umläufer kreisten! „Das ist alles halb so schlimm“, sagte er halblaut. „Es wird dann unvorstellbar, wenn sich herausstellt, daß man diese siebzehn Sonnen verschoben hat, um sie mit ihrem energetischen Haushalt kurzzuschließen!“ Dan Riker hatte ihn verstanden. „Ich habe Angst, daß es stimmt, Ren!“ „Ich auch. Aber wer besitzt diese unvorstellbaren Mittel, um Sonnen aus ihren Bahnen zu reißen?“ Rikers Gesicht drückte Mißbehagen aus. „Die Grakos! Diese Teufelei würde zu ihnen gut passen!“ Ren Dhark war ihm dankbar, daß nicht auch er in den Grakos die Mysterious sah, aber seine Erleichterung erhielt im nächsten Augenblick einen gewaltigen Stoß. Mearn, ein junger Astrophysiker, rief durch. „Dhark, wir haben die erste Altersbestimmung vorliegen, nicht genau, aber in ihrem Wert richtig. Diese drei Planeten wurden vor rund tausend Jahren beschädigt. Der Spuk mit den siebzehn Sonnen hat um die gleiche Zeit eingesetzt. Wir haben nur eine Erklärung: Damals muß irgendwer mit der Raum-Zeit-Struktur manipuliert haben.“ Mit 0,3 Licht näherte sich die POINT OF der äußeren Umlaufbahn des größten der drei Planeten. Der mächtigste kontinentale Brocken von der Größe Nordamerikas und dem Aussehen einer gigantischen Warze stand in 654.000 Kilometern Abstand darüber. Die beiden kleineren waren auf Rot 23 zu sehen und wirkten auf den ersten Blick wie Zwillinge. Die Meere auf der zerstörten Welt waren verdampft, die Reste der Atmosphäre eine angeheizte Gasmischung, deren radioaktive Verseuchung schon vor tausend Jahren die letzte Zelle vernichtet haben mußte. Neben Dhark flackerte eine Alarmkontrolle auf. Tino Grappa hatte Alarm ausgelöst, meldete sich aber nicht mit neuen Ortungswerten. Und das war erregend. Unwillkürlich legte Ren Dhark seine Fingerspitzen auf die Steuerschalter, bereit, in jedem Moment den Sle hochzuschalten, oder von Sle auf Sternensog zu gehen. Gespannt beobachtete er die Instrumente, über die ihm Grappa die von ihm erfaßten Werte herübergab.
Er stutzte. Im Bereich des Mittelpunktes, um den sich alle siebzehn Sonnen bewegten, gab es einen unscharfen Sektor. Ein Gravitationszentrum von unvorstellbarer Stärke? Eine energetische Ballung, die selbst mit den tastenden Hyperstrahlen fertig wurde und sie verfälschte? Dhark bereitete sich auf alles Mögliche vor, doch eine Variante übersah er. Eine Strukturerschütterung dicht hinter dem größten, stark beschädigten Planeten löste Alarm in der POINT OF aus! Im gleichen Moment gab es diesen unscharfen Sektor im Mittelpunkt der siebzehn Sonnen nicht mehr. Bevor die Offiziere im Leitstand erfaßten, was tatsächlich geschehen war, wurde das obere Intervallfeld des Ringraumers durch einen Strahlvolltreffer zum Zusammenbruch gebracht. Belastung des unteren Intervalls: 98,2 Prozent! „Kursänderung!“ schrie Ren Dhark, während er ein halbes Dutzend Steuerschalter in andere Positionen brachte. Beide WS schossen aus allen verfügbaren Antennen. Automatisch hatte die Funk-Z Gringer eingesetzt! Das Aussehen der Bildkugel veränderte sich. Die POINT OF hatte sich eingetarnt! Sternensog! Abrupt der Übergang auf Überlicht! Wie ein Ungeheuer der Urzeit brüllte das Triebwerk des Ringraumers auf. Titanische Kräfte, durch den Brennpunkt erzeugt, schleuderten die POINT OF über Grün 4:75,03 seitlich an der Ballung vorbei. Für Sekunden wurden die Andruckausgleicher weit über ihre maximale Belastung beansprucht, Andruck kam aber trotzdem nicht durch. Siebzehn Sonnen, zu einem kleinen Haufen zusammengefaßt, schienen an der POINT OF vorbeizurasen und immer schneller in die Raumtiefe zu stürzen. Sekunden, die voll unerträglicher Spannung waren, vergingen unendlich langsam. „Commander, man hat über eine Hyperfrequenz eine der Sonnen angezapft und mit Gry 275 hoch 35 versucht, uns in die Hölle zu jagen!“ Dies erklärte den schnellen Zusammenbruch des Intervallfeldes. Nicht in die Ballung einfliegen! Der Checkmaster, das rätselhafte Bordgehirn der POINT OF, hatte zu allen gesprochen. Nicht in die Ballung einfliegen – sie lag schon weit hinter ihnen. Der Sternensog jagte das Schiff mit mehr als tausendfacher Lichtgeschwindigkeit tiefer ins Sternenmeer hinein. Angriff aus Rot! Und aus der gleichen Richtung eine Gefügeerschütterung, die kein Ende nehmen wollte. Der Gegner hatte sie in einer Transition eingeholt, stand weit vor ihnen und eröffnete aus dieser Entfernung, die mit jeder Sekunde
kleiner wurde, sein Vernichtungsfeuer! Die POINT OF schlug zurück. Bud Cliftons Kindergesicht war verzerrt. Er sah sie über seine Zielsteuerung, diese winzigen Punkte, die sich so scharf gegenüber der Schwärze des Weltalls abhoben. Du oder ich! dachte er nur und betätigte die Kontakte. Die in der Unitallhaut liegenden Antennen, die man auf dem Kontrollbildschirm als grafisch gezeichnete Spiralbahnen erkennen konnte, waren wie freistehende Antennen von jeder WS aus durch Veränderung ihrer molekularen Struktur zu richten. Einundzwanzig Antennen konnte Bud Clifton einsetzen gegen mehr als vierzig Schiffe, die der POINT OF feuernd entgegenrasten. Mix! Die neue Waffe – und auch wiederum nicht. Die POINT OF hatte sie schon immer besessen, nur war den Menschen nichts darüber bekannt gewesen. Mix, das die Schirmfelder der Doppelkugelraumer zerfetzte und dabei die fremde Abschirmenergie verwendete, um das erfaßte Schiff zu einer Bombe zu machen. Mix – überlichtschnell – traf gleich dreimal. Der Weltraum hatte vorübergehend drei neue Sonnen, die aber schnell wieder erloschen. Sechzehn Antennen fielen aus. Ren Dhark beanspruchte sie. Er setzte das Hy-Kon ein, die furchtbarste Waffe, über die sein Schiff verfügte. Die dreiundzwanzig halbkugelförmigen Energieerzeuger in der POINT OF heulten auf, ihre Belastung stieg auf über 300 Prozent, sämtliche nicht unmittelbar benötigte Energie wurde abgezogen. Miles Congollon, der Eurasier im Maschinensaal des Ringraumers, betrachtete sorgenvoll seine Anzeigen. Er war bereit, jederzeit Schaltungen vorzunehmen. Hy-Kon, das Ren Dhark zum erstenmal auf dem Planeten Zwitt kennengelernt hatte, als Hypnogewalten ihn zum Checkmaster der Zentrale im Mittelpunkt dieser rätselhaften Welt werden ließen. Das opalisierende Licht tauchte wieder auf. Ebenfalls jener Ring, der sechsfach unterteilt war und den geschlossenen Verband der Angreifer umhüllte. Drei schwache Strukturerschütterungen verrieten, daß der Gegner die riesengroße Gefahr erkannt hatte, in der er sich plötzlich wieder befand. Doch nur diesen paar Raumern gelang die Flucht. Das Hy-Kon schlug zu! Es verschlang das Opalisierende und mehr als vierzig Raumer, die die POINT OF vernichten wollten. Der Weltraum wurde aufgerissen, und dieser Abgrund, aus dem es wahrscheinlich keine Rückkehr mehr gab, verschlang eine Rotte der Schwarzen Weißen. Dhark schaltete wieder von Sternensog auf Sle und nahm seinen Ringraumer auf Gegenkurs. „Jetzt werden sie erst recht alles ver-
suchen, uns den Garaus zu machen; und es wird ihnen gelingen, wenn wir ihnen noch einmal die Möglichkeit geben, die Energie einer Sonne anzuzapfen.“ Dhark war an den Checkmaster getreten und wollte einige Auskünfte haben. Nacheinander bekam er drei Antworten. Grappas Behauptung, die POINT OF sei mit der energetischen Leistung einer Sonne angegriffen worden, stimmte! Die Warnung, nicht in den kleinen Sternhaufen einzufliegen, bestand nach wie vor. Warum? Die dritte Antwort war durch Dharks Frage ausgelöst worden. Die stabilen Bahnen der siebzehn Sonnen sind gestört worden, und es läßt sich nicht mehr rechnerisch erfassen, wann die erste zu einer Nova wird und mit ihrem Ausbruch alle anderen Sterne vernichtet! Der Checkmaster hatte von sterbenden Sternen gesprochen, aber klang durch seine Antwort nicht auch, daß ihm diese SiebzehnerKonstellation bekannt war? Dhark stellte eine vierte Frage. Der Checkmaster zeigte ununterbrochen Grün, dann, nach mehr als einer Minute, warf er eine Folie aus. Verblüfft las der Commander: Die Siebzehner-Konstellation ist als Energiezentrale für den Sektor 35/2 bekannt, aber es ist nicht nur unmöglich, weitere Auskünfte über die Energiezentrale zu liefern, sondern auch Sektor 35/2 kann nicht erklärt werden. Koordinaten über die Position der SiebzehnerKonstellation liegen ebenfalls nicht vor. Ren Dhark ging diese Auskunft nicht aus dem Kopf. „Demnach müßten diese siebzehn Sonnen von den Mysterious auf neue, aber stabile Bahnen gebracht worden sein. Doch nach ihrem Verschwinden aus der Milchstraße haben andere diese Konstruktion so gestört, daß man nun mit einem blitzartigen Untergang rechnen muß. Schön! Aber was heißt Sektor 35/2? Gibt es vielleicht auch die Energiezentrale 35/1 und damit insgesamt siebzig solcher Anlagen in der Galaxis?“ Dan Riker zuckte die Schultern. „Ren, ich denke an etwas anderes. Erinnerst du dich noch, daß unsere POINT OF in der ersten Zeit, als wir kaum in der Lage waren, den Ringraumer richtig zu fliegen, von allen Intelligenzen immer wieder angegriffen wurde? Erst durch die Utaren hörten wir von den Grakos. Und nun haben wir diesen ständigen Ärger mit den Schwarzen Weißen! Drängt sich nicht der Verdacht auf, daß auch sie uns für Grakos halten?“ Ren Dhark winkte ab. Wie oft hatte er schon darüber nachgedacht – und wie oft war er schon bereit gewesen, in den Mysterious auch die Grakos zu sehen; doch dann hatte es hier und da Kleinigkeiten gegeben, die ihn zwangen, sich mit seinem Urteil zurückzuhalten. Erron-3! Riker und er hatten nur einen winzigen Teil des dort gespeicherten
Wissens in sich aufnehmen können, aber wenn sie nicht alles täuschte, dann barg Erron-3 auch all das, was ausreichte, Sonnen neue Bahnen zu geben oder Sonnen gegen andere Sonnen prallen zu lassen! Vor rund 1.000 Jahren – was konnte damals passiert sein, das die Mysterious gezwungen hatte, alles aufzugeben, alles zu verlassen, um es nie mehr zu betreten? Hope, Erron-3 und all die anderen Stützpunkte! Würden die Menschen dieses Rätsel einmal lösen, oder wenigstens auf einem Planeten die naturgetreue Abbildung eines Geheimnisvollen entdecken? Abrupt ließ Ren Dhark die Folie sinken. „Ich zweifele die Aussage des Checkmasters an. Uns hat er gewarnt, in den kleinen Sternhaufen einzufliegen, aber sind die Schiffe der Schwarzen Weißen nicht aus der Ballung gekommen, nachdem wir uns abgesetzt hatten?“ Die POINT OF nahm wieder Kurs auf die sterbenden Sterne! * Holger Alsop strich sich über sein graues, nach hinten gekämmtes Haar, während Sarronala neben ihm stand und sie sich unterhielten. Sowohl der Zottelige als auch Alsop trugen einen der Ringe. Die Barrans hatten sie in einem Gebäude gefunden und eher durch Zufall ihre Eigenschaft entdeckt. Jetzt wurden sie dazu verwendet, bei Verdächtigen Schuld oder Unschuld nachzuweisen. Alsop und Sarronala standen zusammen auf der Spitze eines Hügels, von dem aus man den Tempel der Blubs sehen konnte. Holger Alsop betrachtete ihn unzufrieden. Er sah die Blubs, und er hörte das donnernde Feuer. Über eine Stunde lang beobachtete er, wie die Blubs ihren Tempel mit dem Kugeltransmitter ausräucherten. Es war verblüffend, wie geschickt sie die Qualmwolken in das Innere lenkten. Bald werden sie den Strahlenden sehen, hörte Alsop seinen Begleiter sagen. Sarronala wandte sich ab, er wollte zurück in die unterirdische Stadt. Auf gedankliche Anfragen von Alsop reagierte der Zottelige nicht mehr. Achselzuckend folgte ihm der Cyborg. Eine Stunde später traf er wieder auf Bram Sass, Lati Oshuta und Mark Carrell. Die drängten darauf, über den Kugeltransmitter wieder zu verschwinden. „Mehr als hundert Blubs haben den Tempel besetzt, und die Barrans fürchten nun um die Plastik ihres Strahlenden…“, setzte Alsop an. „… den wir mitnehmen sollten!“ beendete Carrell den Satz. „Nein! Wir dürfen eine Plastik, die von den Barrans verehrt wird, nicht stehlen!“ Vehement stellte sich Alsop gegen Carrells Idee. Seine Entscheidung wurde akzeptiert, aber der Vorschlag, einen Tag verstreichen zu lassen, bis sich die Blubs wieder beruhigt hat-
ten, wurde von den restlichen drei Cyborgs verworfen. Fünf Barrans begleiteten sie. Die Terraner kehrten auf dem Weg zurück, auf dem sie die Stadt erreicht hatten. Als sie die Treppe hinaufgestiegen waren und den Gang erreichten, schalteten die Cyborgs automatisch auf ihr Zweites System. Wie angewurzelt blieben sie stehen. Ihre superempfindsamen Ohren vernahmen Schreien, Brüllen und Heulen. Im Tempel des Strahlenden mußte sich eine Katastrophe abspielen. Vier Cyborgs stürmten voran, an der Spitze Mark Carrell – die Barrans blieben zurück. Im nächsten Moment sahen die Männer zuckendes, dunkelrotes Licht, das von kurzen, grellen Blitzen aufgehellt wurde. Wie auf ein Kommando blieben sie stehen. Der Strahlende, der Goldene Mensch, dessen gigantische Ausgabe auf dem Planeten Mirac als Torso zu sehen war, mordete! Sein nicht modelliertes Gesicht, diese leichte Wölbung ohne die Andeutung eines Kinns, war nichts anderes als ein Abstrahlpol; und über diesen Abstrahlpol verschickte er Blitze, die unter den brüllenden, verzweifelt heulenden Blubs, die flach auf dem Boden lagen, mit tödlicher Kraft einschlugen. Im Raum stank es nach verbranntem Fleisch und versengten Haaren. Der Goldene Mensch war ein Mörder! Holger Alsop riß seinen überschweren Blaster hoch, zielte auf den Hinterkopf der Plastik und sah den hochenergetischen Strahl darauf einschlagen! Er begriff nicht, was er tat! Noch weniger begriff er, daß etwas Ähnliches auf einem anderen Planeten schon einmal getan worden war! Auch er zerfetzte einer in Goldton schimmernden Plastik den Kopf und brannte die zur Decke ausgestreckten Arme bis zu den Ellbogen ab, weil auch sie tödliche Strahlen emittierten! Dann konnte der Goldene Mensch nicht mehr morden! Langsam ließ Alsop seinen Blaster sinken. Neben ihm sagte Bram Sass emotionslos nur ein Wort: „Mirac!“ Sie sahen sich an. In jedem Programmgehirn bewegte sich die gleiche Frage: War der Goldene Mensch auf Mirac auch ein Mörder gewesen, der anfliegende Raumschiffe vernichtete? Hatte die gigantische Plastik auf jener Welt auch die Aufgabe gehabt, gnadenlos zu zerstören, und war sie schließlich deswegen zum Torso geworden, damit sie nicht länger sinnlos vernichten konnte? War der zerstörte Ringraumer, der heute noch in der Nähe der riesigen Statue lag, ein Opfer des Goldenen Menschen geworden? Sein letztes Opfer vielleicht? Die Mysterious – die Grauen – und die Grakos?! Drei verschiedene Namen und doch nur eine Rasse? Oder?
Die wenigen überlebenden Blubs starrten zu ihnen herüber. Panik brach unter den Riesen aus, die an den verkleideten Aggrega-
ten vorbeirannten und in der Dunkelheit verschwanden. Zurück blieben der Torso, eine dunkelrot flammende, dicht vor dem Zu-
sammenbruch stehende energetische Sperre, vier Cyborgs – und die Leichen der Blubs! „Ich habe alles gespeichert!“ sagte Bram Sass und schaltete sein Aufnahmegerät ab. Seine Aufnahmen würden den Experten auf Terra manches Rätsel zu lösen geben. „Sass und Oshuta, sichern!“ schnarrte Mark Carrell, der sich mit Holger Alsop durch einen Blick verständigt hatte. Sie machten sich daran, festzustellen, welcher Zusammenhang zwischen der inzwischen völlig zusammengebrochenen Sperre und dem Goldenen Menschen bestand. Zwei Blaster wurden mit den sterblichen Überresten der Blubs schnell fertig. Im weichen Goldton schimmerte der flache und kaum einen Meter lange Sockel. Ihm ging Alsop zu Leibe. Er schmolz die rechte Ecke ab, und was man auf Mirac im Sockel der großen Plastik nicht entdeckt hatte, fand man hier. Eine Zielsteuerung, wie man sie von der POINT OF her kannte! Mark Carrell war nicht damit zufrieden. Er suchte weiter. Seinen Blaster handhabte er wie ein Chirurg sein Skalpell. Behutsam legte er die Verkleidung noch weiter frei, dann richtete er sich keineswegs überrascht auf und deutete auf den kleinen Taster. „So hatte ich es mir auch vorgestellt, und es stimmt nun auch mit dem überein, was die Überlieferungen der Barrans sagen. Über diesen Taster stellte sich die Plastik automatisch auf jede energetische Sperre in ihrer Nähe ein. Die zum Eingang der unterirdischen Stadt bestehende Sperre wurde wahrscheinlich abgeschaltet, als die Mysterious sie verließen, und ausgerechnet in diesen Raum unter dem Kugeltransmitter, in dem noch zwei energetische Sperren existierten, schafften die Barrans die Plastik. Tausend Jahre stand das Ungeheuer und rührte sich nicht. Heute mußten die rachedurstigen Blubs gleich in Massen hier eindringen und die erste Sperre so hoch belasten, daß der Taster des Strahlenden reagierte; und dann ging das Gemetzel los! Na, ich bin wirklich nicht mehr in der Lage, zu sagen, die Mysterious wären mir noch sympathisch. Pfui Teufel, so eine Mordmaschine hätte ich ihnen nicht zugetraut!“ Ungehindert erreichten sie den Transmitterraum. Das rote Flackern in der Kugel zog sie magnetisch an. Mark Carrell kontrollierte die Einstellung. Von dieser Anlage aus führte der Weg weiter. Niemand von ihnen dachte daran, zu jener Welt zurückzukehren, auf der der Verteiler stand; waren sie doch erst ein kleines Stück über die Transmitter-Straßen der Geheimnisvollen gewandert. Sie packten die Plastiksäcke mit ihrer Ausrüstung, sie schlossen den Klarsichthelm und schalteten den Funk ein. Darin gingen sie gleichzeitig auf die schwarze Kugel zu, in der es rot flackerte. Vier Cyborgs schritten weiter über eine Transmitter-Straße! *
Mehr als zweihundert Polizei-Jetts der Stadt Melbourne gingen plötzlich auf neuen Kurs. In mehr als zweihundert Jetts heulte der Alarm. Die Zentralsteuerung hatte die Fahrzeuge übernommen. Dazwischen rasten ein paar vorbei, die kein Abzeichen trugen, aber mit ihrer hohen Fahrt verrieten, daß sie nicht zum Vergnügen unterwegs waren. „23. Bezirk hermetisch absperren! Keinen Jett ein- oder ausfliegen lassen! Achtung! Achtung! Reporter Bert Stranger befindet sich im Haus 345/4 des 8. Quadrats in höchster Lebensgefahr! Stranger ist über Vipho nicht mehr zu erreichen. Prägen Sie sich Strangers Konterfei ein…“ Im Jett 3/102 der GSO saßen Bullander, Ukasi und Gemry. Sie hatten sich zufällig über dem 23. Bezirk befunden, als sie der Alarm der GSO erreichte. „Runter!“ stieß Bullander aus, und ihr Jett kippte wie ein Stein in die Tiefe. Das Landedach schien ihnen entgegenzurasen, doch ein paar Meter über der stabilen Plastikfläche fing Bullander den Spezialjett ab und setzte ihn weich auf. „Borgin & Co. 18. Stock, 2.306 bis 2.314!“ Das war drei Etagen unter dem Landedach. „Verdammter A-Grav!“ knurrte Ukasi, dem es zu langsam in die Tiefe ging. 18. Stockwerk! Rechts mußten die Räume 2.306 bis 2.314 liegen. Der Lärm, der ihnen entgegenkam, war der sicherste Wegweiser. Drei durchtrainierte GSO-Männer spurteten los. Eine solide verarbeitete Tür flog auf den Gang, dahinter stand eine häßliche Strahlbahn. „Blasterfeuer!“ analysierte Gemry, und auf seinem Gesicht gab es kein eingefrorenes Lächeln mehr. Ein Mann stürzte aus der Türöffnung, sah die drei Beamten heranrasen und wollte auf sie anlegen. Trotz seiner unglaublichen Reaktionsschnelligkeit kam er um den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Er wurde vom sirrenden Schockerstrahl Ukasis niedergemäht. Bullander riskierte nichts. Die kleine schwarze Kugel mit dem Aufschlagzünder flog davon, durch die Türöffnung in den Raum, aus dem der Lärm kam. Blendgranate! Augen zusammenpressen! Wie Torpedos schossen sie in das erste Büro von Borgin & Co. Lautlos sprachen ihre Paraschocker. Das leichte Zischen ging in Stöhnen und wildem Fluchen unter. Vier Mann hielten sich die Augen zu und tappten wie Blinde umher, bevor sie umfielen. Bullander war schon an der nächsten Tür. Sie war verschlossen. Er zerstörte den Verschluß mit einem Blasterschuß und trat die Tür auf. „Nicht!“ brüllte der Athlet auf, der blitzschnell den Mann erkannte,
der ihn bereits im Visier hatte. „GSO!“ Bert Stranger senkte seine Waffe, und auf seinem Gesicht stand jener babyhafte Ausdruck, der schon so viele Menschen zur Verzweiflung getrieben hatte. „Sie sind aber schnell gekommen!“ Er sagte es so, als ob er genau das Gegenteil ausdrücken wollte. Bullander sah rot. Dieser Reporter schien sich so wichtig zu nehmen, daß er eine Abfuhr verdiente. Gleichzeitig fiel ihm aber ein, was für ein Aufwand wegen dieser ,Witzfigur’ betrieben wurde. Besser, ich halte mich zurück, bevor ich noch Ärger mit Eylers bekomme, dachte er und ging sofort zur Tagesordnung über. Kurz danach tauchten Ukasi und Gemry, die den restlichen Widerstand gebrochen hatten, auf. Ihre Spezialviphos schlugen Alarm. Ukasi meldete sich und riß dabei die Augen auf. Der Chef war auf der Phase – Bernd Eylers! „Ja, ist hier…“ „Geben Sie ihm Ihr Vipho!“ Wer um alles in der Welt ist denn dieser Stranger? fragte sich Ukasi in Gedanken und reichte dem Reporter sein Spezialvipho, das er laut unterzeichneter Dienstvorschrift unter keinen Umständen aus der Hand geben sollte. „Eylers, Sie haben mir erstklassige Männer geschickt.“ Augenzwinkernd schaute Stranger zu den GSO-Männern hinüber. „Ja, natürlich sind noch alle da. Sie wollen den Gruppenleiter sprechen? Okay! – Wer von Ihnen ist es denn?“ Bullander ging langsam auf, wer dieser Reporter war; und er war heilfroh, den Kerl nicht zur Schnecke gemacht zu haben. „Ja!“ sagte er viermal hintereinander. „Nein!“ sagte er zum Schluß und gab seinem Kollegen Ukasi das Spezialvipho zurück. Zum erstenmal betrachtete er den Schwarzen, der geschockt am Boden lag. Er sah so menschlich aus und war doch ein Außerirdischer! Er und seine beiden Kollegen sollten sich genau nach Strangers Direktiven richten! Und er sollte Stranger mitteilen, daß der SKreuzer C-089 gleich in Melbourne landen würde, um den Reporter und die gesamte Firma Borgin & Co. mitsamt dem Schwarzen Weißen nach Alamo Gordo zu bringen! Zwei Stunden später saß Stranger dem Chef der GSO gegenüber. Der S-Kreuzer hatte alle Beteiligten nach Alamo Gordo gebracht. Eylers bekam über Vipho gerade die erste Stellungnahme der Ärzte herein. Stranger hörte schweigend zu, von dieser Materie verstand er nichts! „Also verändert?“ vergewisserte sich Eylers noch einmal. „Ja. Ob Robone oder Terraner, alle sind verändert. Wenn es ein Einzelfall wäre, könnte man an eine Mutation glauben, an eine Entartung…“ „Was haben Sie gesagt, Doktor? Eine Entartung des Gehirns…?“ „Ja“, sagte der Arzt nur noch.
Eylers unterbrach die Verbindung. Neue Verbindung mit dem Brana-Tal. „Ich muß Echri Ezbal sprechen, aber sofort!“ Wenige Sekunden später tauchte das durchgeistigte Gesicht Echri Ezbais auf der Scheibe auf. „Ich habe interessante Neuigkeiten für Sie, Ezbal“, begann Bernd Eylers, während Stranger immer noch sein Aufnahmegerät laufen ließ, um jede Geste, jedes Worte zu fixieren. „Wir verfügen über sechzehn entartete Terraner und Robonen, und über einen humanoiden Schwarzen Weißen, dessen Heimat irgendwo in der Galaxis liegt.“ Ezbal sah ihn starr an. Trotz Bart war zu erkennen, wie stark seine Lippen zitterten. „Eylers, Sie haben von Entarteten in Verbindung mit einem Schwarzen Weißen gesprochen, der aus der Galaxis stammt?“ „Ja, Ezbal!“ „Dann bin ich in zehn Minuten über Transmitter bei Ihnen. Großer Himmel, das könnte endlich den Fall mit den beiden entarteten Cyborgs erklären!“ * Die POINT OF flog den kleinen Sternhaufen dieses Mal aus der entgegengesetzten Richtung an, nachdem sie eine kurze Transition durchgeführt hatte. Die Ortung in der Zentrale war durch drei Mann besetzt, und im gesamten Schiff bestand erhöhte Alarmbereitschaft. Das Gebiet um diese siebzehn sterbenden Sonnen war selbst Commander Dhark unheimlich geworden. Ihn störte weniger das Wissen, in einem unbekannten Teil der Milchstraße zu sein, als die Erkenntnis, daß in diesem Sektor die Heimatwelt der Schwarzen Weißen liegen mußte oder zumindest ein wichtiger Stützpunkt. Die Astrophysiker hatten endlich ihren ersten Bericht fertiggestellt. Er war eine einzige Warnung, die Ballung zu meiden, denn bei elf der siebzehn Sonnen stimmte das Druckgleichgewicht nicht mehr, und der katastrophenartige Zusammenbruch wurde nur deswegen aufgehalten, weil die übrigen sechs Sonnen den hohen Energieanforderungen gerecht wurden und ununterbrochen an die elf labilen Sterne Energie lieferten. Die Experten hatten von einem einmaligen Zusammenspiel gesprochen, das leider vor rund tausend Jahren durch schwere Bahnstörungen aus dem Gleichgewicht gebracht worden sei, was nun den Untergang der Ballung über kurz oder lang herbeiführen müsse. Doch wann die Katastrophe einsetzen würde, konnten sie nicht sagen. Zu viele Momente spielten eine Rolle, und die Astrophysiker gaben unumwunden zu, daß ihnen auf diesem Gebiet die Erfahrungen fehlten. Sie sprachen von einem ehemaligen energetischen Wechselspiel, das den Bestand dieser Ballung bis zum Ende des Universums garantiert hätte, wenn nicht durch Manipulationen nun drei der siebzehn Sonnen ihre Energie an Sterne abgäben, die
sie gar nicht benötigten, während vier andere danach hungerten und mit ihrem Druckgleichgewicht immer tiefer in den Minusbereich gerieten. Daran dachte der Commander, während sich die POINT OF erneut diesen sterbenden Sonnen näherte, die übrigens gar nicht anders aussahen als die anderen Sterne ringsum. Nur ein Fachmann konnte auf Grund seiner Untersuchungen erkennen, daß mit dieser kleinen Ballung etwas Ungeheuerliches geschehen war. Vor rund tausend Jahren! Zu der Zeit, in der die Mysterious aus der Milchstraße verschwanden! Hatten sie ihr eigenes Werk zerstört? Oder waren andere Intelligenzen die Zerstörer eines Denkmals geworden, das siebzehnfaches Sonnenformat besessen hatte? Eine weitere Frage war weder von den Astronomen noch von den Astrophysikern beantwortet worden. Sie konnten nicht erklären, wie man die Kraft einer Sonne anzapfte und von ihr einen gelenkten Strahl auf ein Raumschiff abschoß. Nur das eine stand fest, daß ein Intervall der POINT OF von einem Energiestrahl gestreift worden war, der einen Durchmesser von mehr als dreihundert Kilometern gehabt hatte. Dhark hatte ungläubig nachgefragt. War es ein Trost zu hören, daß man Strahlen von diesen gigantischen Dimensionen nur in einer Ballung erzeugen könne, in der es wie hier diese extremen Verhältnisse gab? Die Astros meldeten sich wieder. Ihre Koordinaten wurden gleichzeitig dem Bordgehirn gegeben, und es berechnete schon für alle Fälle den eventuellen neuen Kurs. „Die tiefgelbe Sonne vom Typ dK ist interessant. Nicht nur, weil sie einer der stabilsten Sterne in dem Haufen ist, sondern auch, weil sie sechs Planeten hat. Wir möchten sie als Ziel empfehlen.“ Der Sonnendurchmesser dieses Sterns betrug 0,3, doch seine Masse, in Sonnenmassen berechnet, ergab den phantastischen Wert von 37,4! Ein hübscher Zwerg mit beachtlicher Schwerkraft. Es gehörte zu den seltenen Ausnahmen, daß Sonnen dieser Spektralklasse Planeten besaßen. Das Schiff ging auf den neuen Kurs. Sternensog löste Sle ab, und mit ununterbrochen steigender Beschleunigung raste der Ringraumer im Überlichtbereich auf den tiefgelben Zwerg zu. Die Bereitschaft im Raumer wurde durch Alarmstufe 1 abgelöst. In der Funk-Z zuckte Walt Brugg an der Echokontrolle zusammen. Drei ferne Hypersender, die betriebsbereit waren, hatte er mit seinem Tasteraggregat erfaßt. Glenn Morris mußte ihm helfen. Die beiden Männer hörten nicht mehr, was um sie herum gesagt wurde. Lichtjahrwerte wurden ausgeworfen, und dann lagen die Positionen der unbekannten Sender fest. „Das muß Dhark erfahren!“ bestimmte Brugg. Der Commander lauschte aufmerksam.
„Achtzehn Lichtjahre, die eine Station auf Grün, und die beiden anderen, eine auf Rot, die andere auf Blau, sind sechsundzwanzig Lichtjahre entfernt. Danke, ich werde es nicht vergessen.“ „Ziemlich nah!“ sagte Riker, der mitgehört hatte. sere kurze Transition festgestellt hat.“ Dhark drehte sich nach den Ortungen um. „Grappa, ich vertraue auf Sie!“ Der Mann, dem man nachsagte, mit seinen Ortungen verheiratet zu sein, nickte nur stumm. Der Brennpunkt des Sternensogs schleuderte das Schiff auf sein Ziel zu. In der Bildkugel wurde die Sternkonstellation immer deutlicher. In 2,2 Lichtjahren Abstand passierte die POINT OF eine gelbrote GM-Sonne, die ein Zwilling von Scheat im Pegasus hätte sein können. „Distanz noch elf Lichtstunden!“ meldete Grappa. Dreißig Minuten später ging Ren Dhark auf negative Beschleunigung. An diesem Punkt steckten sie schon vier Lichtjahre tief in der Siebzehner-Konstellation. Durchruf aus der Astroabteilung! „Commander, die elektromagnetischen Werte jagen plötzlich wieder in die Höhe. Wir fliegen in einen Magnetorkan mit extrem hohen Werten hinein!“ „Danke!“ Dhark bemerkte den kritisierenden Blick seines Freundes. „Dan, diesmal verlasse ich mich ausschließlich auf den Checkmaster. Solange er die Kontrolle über das Schiff nicht an sich reißt, haben wir nichts zu befürchten…“ Er hätte mit dieser letzten Behauptung noch ein wenig warten sollen. Mitten im Bereich der sterbenden Sonnen maß Tino Grappa eine Erschütterung des Raum-Zeit-Gefüges an. „Rund zwanzig Raumschiffe sind transitiert!“ Eine weitere Meldung kam nicht. Hatten sie es wieder mit Doppelkugelraumern der Schwarzen Weißen zu tun? Wollten sie erneut versuchen, die POINT OF zu vernichten? Achtundzwanzig Minuten nach der ersten Meldung gab Grappa durch: „Der unbekannte Raumerverband hat die Ballung in einer Transition wieder verlassen. Die Möglichkeit steht noch offen, daß ein Schiff die Transition nicht mitgemacht hat. Leider kann das Zentrum des Sternhaufens nicht exakt abgetastet werden!“ Der Sle löste den Sternensog ab, und der Ringraumer flog mit 0,89 Licht in das System der tiefgelben dK-Sonne ein, die tatsächlich sechs Planeten besaß, von denen vier Jupiterformat hatten, während die beiden Umläufer auf der dritten und vierten Bahn Terra glichen. Nur mit ihren Gravowerten von 1,2 lagen sie etwas hoch. „Vier ist eine Sauerstoffwelt…“ Vier wurde angeflogen, eine im satten Blau schimmernde Kugel, die unter einer dichten Wolkendecke lag. Infrarot riß sie auf. Meere wurden sichtbar, Kontinente, Inseln – eine Welt, die zum
Besuch einlud. „Energieortung spricht an! POINT OF liegt in Fremdortung, aber sie kommt nicht von dem Planeten unter uns… Großer Himmel, der Umläufer hat ja drei Monde!“ Aber künstliche! Es waren gigantische Raumstationen von mehr als fünfzehn Kilometern Durchmesser Dan Riker und Ren Dhark blickten staunend auf die Bildkugel. Beide stellten sich das gleiche vor: Die Feuerkraft dieser drei Satelliten! Die Bildkugel wurde umgeschaltet. Sie griff nach der rechten Station und erfaßte sie mit maximaler Vergrößerung. Eine im matten Silberton schimmernde Kugel drehte sich im Raum. Ihr Abstand zum Planeten betrug 128.000 Kilometer. Weder ein Antennenmast noch die Andeutung einer Schleuse waren zu sehen. Langsam rotierte die Station während ihres Umlaufes. Die Offiziere in der Zentrale glaubten an eine Sinnestäuschung. Ein schwarzer Schatten tauchte auf der Silberkugel auf! Sie hatten sich nicht getäuscht. Dieses Wunderwerk einer unbekannten Technik war schwer beschädigt. Das Loch darin, das sie zuerst nur als Schatten erkannt hatten, war über drei Quadratkilometer groß. Jetzt fielen die ersten Strahlen der dK-Sonne hinein, doch danach vergingen noch zehn Minuten, bis man Einzelheiten im Innern erkennen konnte. Sie blickten auf die Zerstörung. Eine atomare Explosion hatte dort einmal gewütet und mehrere Kilometer tief alles vernichtet, zerfetzt, geschmolzen und zerrissen. Aber dennoch war die POINT OF von diesem Torso geortet worden! Dennoch arbeitete die fünfzehn Kilometer große Kugel, dieser künstliche Mond eines erdähnlichen Planeten in diesem Sektor! In der Funk-Z stieß Walter Brugg einen Fluch aus. „Die zerbeulte Dose hat einen Hyperfunk-Impuls abgestrahlt! Himmel noch mal, und da werden auch schon die drei großen Stationen lebendig! Morris, passen Sie auf!“ Dem jungen Funkspezialisten, der in der Hope-Zeit von Ren Dhark so stark gefördert worden war, weil er ihn als erstklassigen Könner entdeckt hatte, entging kein Blip! Wie ein sensorisch gesteuertes Aggregat arbeitete die Besatzung Hand in Hand. Energieortung auf dem vierten Planeten! Starker Funkverkehr um die Sternenballung herum! Transitionen in relativer Nähe durch starke, unbekannte Raumerverbände! Auf der Welt unter ihnen liefen immer mehr Energieerzeuger an. Doch von diesem Planeten ging kein einziger Spruch in den Raum. Auch schien zwischen ihm und seinen drei Satelliten kein Kontakt zu bestehen.
„Angriff…!“ schrie Ren Dhark auf, als er in der Bildkugel vier gewaltige, grellgrüne Strahlbahnen erkannte, die aber nicht seinem Schiff galten. Alle drei Strahlbahnen schlugen in der zum Teil zerstörten Station 128.000 Kilometer über dem Planeten ein! Eine Welt griff ihre Monde an! Hinter seinen Ortungen rief Grappa verzweifelt: „Ich werde aus diesem Ortungssalat nicht mehr klug! Jetzt hat uns auch der Planet von fünf Stellen erfaßt!“ Aber der Angriff auf die POINT OF blieb aus! Die Raumstation schlug zurück! An acht Stellen eröffnete sie aus unsichtbaren Strahlantennen das Feuer auf den Planeten. Doch der Planet war wie ein Wesen aus Fleisch und Blut auf der Hut. Mit einem einzigen Feuerschlag aus all seinen planetarischen Forts ging er zum Gegenangriff vor. In der Raumschwärze, von einem Gitterwerk teuflisch glühender Energiebahnen aufgerissen, explodierte ein fünfzehn Kilometer durchmessendes Wunderwerk! Für Minuten hatte der vierte Planet einer tiefgelb leuchtenden dKSonne eine zweite, dann verblaßte die Lichtorgie. „Grappa, was war nun wirklich los?“ verlangte Ren Dhark zu wissen, der mit starrem Blick dieses unverständliche Geschehen über die Bildkugel verfolgt hatte. „Sie meinen, was noch los ist! Dhark, es war zuviel. Nur noch der Checkmaster kann dieses Durcheinander entwirren. Bitte, einen Moment Geduld, die Auswertung muß gleich kommen!“ „Stimmt!“ brummte Riker, der über seine Instrumente die Hauptwerte der Ortung abgelesen hatte. „So etwas habe ich noch nicht erlebt, und so exakt wie eben ist unser Standort noch nie verraten worden. Ren, mach dich auf vieles gefaßt, wenn du es nicht vorziehst, aus diesem Bereich zu verschwinden!“ Dhark stellte keine Fragen mehr. Er wartete auf das Resultat des Checkmasters. Immerhin gab ihm die Zerstörung der Raumstation zu denken. „Dhark!“ rief Brugg aufgeregt über die Verständigung. „Wir sollen über einen Peiler landen! Hören Sie sich das einmal an!“ Und er hörte! Er war der einzige, der diese Worte einer unbekannten Sprache verstand. Ihm war sie seit Zwitt nicht mehr unbekannt. Er beherrschte die Sprache der Mysterious! Und diese Aufforderung, die da über die Antennen hereinkam, war unmißverständlich. Landequadrat 67/32c ist frei! Landequadrat 67/32c ist frei! Ununterbrochen strahlte ein Sender auf dem Planeten diesen Ruf ab! Ununterbrochen stand sein Peilstrahl, über den die POINT OF das Landequadrat finden konnte! „Du willst landen, Ren?“ fragte Riker besorgt, nachdem Dhark den Spruch übersetzt hatte. „Wie damals auf Zwitt. Müssen wir nicht? Werden wir noch einmal
eine Gelegenheit finden wie diese?“ „Und an die verräterischen Sprüche der vernichteten Station denkst du gar nicht?“ „Doch, aber auch daran, daß wir das Hy-Kon haben!“ „Ja, das haben wir, und jetzt sage ich es dir, Ren. Ich bin gar nicht glücklich darüber, weil es mir zu unheimlich und auch zu unmenschlich ist. Außerdem hat es den Energiehaushalt der POINT OF ganz schön belastet. Frage mal Miles. Er vermutet irgendwelche Nebenwirkungen, kann sie aber noch nicht beweisen!“ „Wir verdanken dem Hy-Kon unser Leben, und die POINT OF existiert noch, mein Lieber!“ „Aber um welchen Preis? Die Schwarzen Weißen werden immer unsere unerbittlichen Feinde sein. Würdest du mit einem Gegner verhandeln, der dir gleich Hunderte von Raumschiffen vernichtet hat – sie in ein Hyper-Kontinuum schleuderte?“ „Wir haben den Kampf nicht begonnen…“ „Stimmt, aber wir sind den Schwarzen Weißen in die Quere gekommen, die nichts anderes in der Sternenbrücke getan haben als wir auf Hope: die zurückgelassenen Schätze der Mysterious in ihren Besitz zu bringen. Und jeder verteidigt seinen Besitz.“ „Das wäre nur menschlich, ja, Dan!“ Rens Stimme klang bitter. „Doch leider haben wir die Schwarzen Weißen in der Sternenbrücke nur von der unmenschlichen Seite kennengelernt. Nicht in einer einzigen Situation zeigten sie Verhandlungsbereitschaft. Wir müssen uns damit abfinden: Sie sehen uns sehr ähnlich – aber das sind nur Äußerlichkeiten!“ Der Checkmaster hatte das Durcheinander in den Ortungsdaten entwirrt. Im Bereich der sterbenden Sterne sammelten sich drei große Schiffsverbände! Die vernichtete Raumstation hatte jenen drei fernen HyperfunkStationen bis auf die Bogensekunde genau den Standort der POINT OF mitgeteilt! Der Planet unter ihnen hatte den Ringraumer identifiziert und seine Landung genehmigt! Dharks Entschluß stand fest. Die POINT OF stieß zum Planeten hinunter. „Notfalls können wir noch ein Mittel einsetzen – die Zeitverschiebung! Wir haben es gar nicht nötig, jeden Angriff auf unser Schiff mit einem Gegenangriff durch das Hy-Kon zu beantworten!“ beschwichtigte Ren seinen Freund, der mit dem Vorhaben nicht einverstanden war. „Falluta, lösen Sie mich ab!“ konterte Riker. Auf seinem Kinn war der rote Punkt zu erkennen. „Ren, eines Tages – irgendwann einmal – hast du den Bogen überspannt! Wenn du mich brauchst, ich bin in der Messe.“ Stampfende Schrittes verließ er den Leitstand. Sein Platz wurde vom Ersten Offizier der POINT OF, Falluta, eingenommen.
Die Bremskräfte des negativ geschalteten Sle stoppten den Raumer ab, als er in die oberen Luftschichten der unbekannten Welt einbrach. Grappa meldete von der Ortung: „Die drei erfaßten unbekannten Verbände beschleunigen und scheinen ihrem Transitionspunkt entgegenzurasen!“ Ren Dhark hatte nur ein Nicken dafür übrig. Die Wiedergabe der Bildkugel ließ ihn nicht los. Unter ihnen, am Rand einer kleinen Hochebene, auf der anderen Seite von einer ausgedehnten Stadt begrenzt, war der versandete Raumhafen zu erkennen. An einer Stelle gab es kein Erdreich – dort, wo ein rotes, rhythmisch aufleuchtendes Licht das Landequadrat 67/32c kenntlich machte. * Chris Shanton war mit Jimmy zum Beiboot der Schwarzen Weißen gegangen, um nach der eingetrockneten Schmiere zu suchen, die ihm und Jos diese Unpäßlichkeit bereitete. In der Zwischenzeit langweilte sich Jos Aachten van Haag im Verteiler unter der Landepiste und drehte eine Runde nach der anderen um den schwarzen Kugeltransmitter in der großen Grube. Hin und wieder warf er den für ihn nichtssagenden Instrumenten und dem Schaltpult oberflächliche Blicke zu. Plötzlich stutzte er. Unwillkürlich blieb er stehen. Hastig begann er zu zählen. Neun Instrumente, die alle „Null“ angezeigt hatten, leuchteten auf und zeigten sich ständig verändernde Werte. „Was ist denn hier los?“ stieß er aus und sah sich unwillkürlich um, ob er sich immer noch allein im Verteiler aufhielt. Jimmy, der robotische Scotchterrier, sauste in großen Sprüngen heran. Zwischen den Zähnen hielt er das, was einmal eine schwarze Maske gewesen war. Sie bestand aus jenem undefinierbaren Material, das sie in dem Schiff der Schwarzen Weißen gefunden hatten. Schnaufend kam der Diplom-Ingenieur die breite Straße zur Grube hinunter. Von seiner Stirn tropfte der Schweiß. „Mann, ist das draußen eine…“ Da hatte er die neun in Betrieb befindlichen Instrumente gesehen, und übergangslos fragte er verblüfft: „Was ist das denn? Haben Sie hier etwa herumgespielt, Jos?“ Der andere verneinte energisch. „…plötzlich waren die Dinger aktiv. Haben Sie auch keine Ahnung, was das zu bedeuten hat?“ „Leider nein!“ gab Shanton nicht besonders freundlich zur Antwort, schob den GSO-Mann zur Seite und studierte die Schalterstellungen. „Hm…“, brummte der Dicke, strich über seinen Backenbart und brummte noch einmal. „Das könnte…“ Er schwieg unvermittelt, streckte seine Hand aus, zögerte etwas und brachte dann einen Steuerschalter in eine andere Position. Ein Bildschirm flammte auf, dann ein zweiter. Ihnen war wieder einmal ein Blick in unbekannte Sternenregionen gegönnt. Nur konn-
te Shanton damit herzlich wenig anfangen. „Wenn Sie wenigstens ein bißchen von Astronomie verstünden, Jos!“ Jos schwieg. „Da müssen wir wohl…“ „Was müssen wir?“ unterbrach Jos ihn und sein Schweigen erregt. Er ahnte, welchen Plan der Dicke verfolgte. „Was schon? Dieselbe Strecke aktivieren und in die Kugel steigen, um zu sehen, was am anderen Ende der Transmitter-Straße los ist.“ „Sie sind verrückt geworden, Shanton!“ Der Dicke grinste ihn gutmütig an. „Wenn Sie meinen, Jos. Sie können allerdings auch allein zum Transmitter im Dschungel wandern. Jimmy und ich sehen aber nach. Nicht wahr, du prachtvoller Mistköter?“ „Klar, du Dickwanst mit einer trockenen Leber!“ erwiderte der Scotch, dessen neues Synthetikfell glänzte, als ob er gerade einem Hundebad entstiegen sei. Doch vorsichtig, wie ihn sein sensorisches Innenleben hatte werden lassen, verzog er sich gleichzeitig aus der Reichweite der Pranken seines Herrn, der es noch nie gern gehört hatte, wenn man auf seine manchmal doch arg strapazierte Leber anspielte. Jos Aachten van Haag verzog keine Miene über das kurze Zwischenspiel. „Okay, ich mache Ihren Ausflug mit. Einer muß schließlich die Augen offenhalten, damit Ihrem Speckbauch nichts passiert. Vergessen Sie aber nicht, daß wir nichts zu trinken und keine Lebensmittel bei uns haben.“ „Glauben Sie denn, ich wollte die Galaxis umrunden?“ knurrte Shanton, der seine Erleichterung darüber verbarg, daß Jos Aachten van Haag ihn nicht im Stich ließ. „Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe justieren!“ Kurz darauf war er sicher, die richtige Einstellung vorgenommen zu haben. Nebeneinander betraten sie mit Jimmy die schwarze Kugel, und nebeneinander verließen sie irgendwo eine Gegenstation. Wortlos blieben sie stehen. Die Ortungen des Robothundes liefen. Ununterbrochen gab er bekannt, was sein kleiner leistungsfähiger Suprasensor ausgewertet hatte. „Ruhe, du Blechdose auf Pfoten!“ fauchte Shanton sein Erzeugnis an, das beleidigt verstummte. „Sehen Sie einen Cyborg?“ fragte er flüsternd den neben ihm erstarrten Jos Aachten van Haag. „Shanton, in welche Hexenküche haben Sie uns gebracht?“ flüsterte der GSO-Mann fassungslos zurück. Sie standen in schwindelnder Höhe auf einer Galerie. Hinter ihnen befand sich die schwarze Transmitterkugel. Vor ihnen aber breitete sich ein gewaltiges Rührwerk aus, das einige hunderttausend Tonnen einer undefinierbaren Flüssigkeit nicht zur Ruhe kommen ließ. Und diese riesengroße Pfanne aus Unitall lag unter blauem Himmel und war nur durch eine energetische Kuppel geschützt. Mehr als dreißig Meter breit war der waagerecht verlaufende Rand, auf dem sich robotische Konstruktionen bewegten, die von einem verkleide-
ten Gerät zum anderen fuhren, neue Einstellungen daran vornahmen und von den beiden Wesen auf der hohen Galerie keine Notiz nahmen. Jimmy schnüffelte unruhig hin und her. „Shanton, was haben Sie im Verteiler eingeschaltet? Ich frage Sie noch einmal…“ Jos unterbrach seine Frage und deutete schweigend nach rechts. Beide hatten das Tor in der Felswand übersehen. Im hohen Torbogen standen drei Wesen, die sie nur zu gut kannten. „Giants!“ flüsterte Chris Shanton hilflos, und gleichzeitig schoß ihm ein wahnsinniger Verdacht durch den Kopf. Aber er wollte nicht wahrhaben, was er vermutete. Die riesige Pfanne mit der graubraunen Flüssigkeit durfte damit nichts zu tun haben! Das war doch Irrsinn! Und was er sah, war auch nicht real. Höchstens eine Bildprojektion! Mit diesen drei Giants wollte man ihm und Jos einen Schrecken einjagen! Jimmys sensorisches Innenleben war nicht zu erschrecken. Seine Ortungen meldeten ihm die Gefahr. Er öffnete sein Maul und schob seine Zunge mit dem Abstrahlpol auf der Spitze heraus. Dann schoß er so kaltblütig, wie es ihm sein Suprasensor befohlen hatte, nachdem Rückfrage beim Programm erfolgt war. Zwei Giants brachte er zu Boden. Den dritten nicht mehr. Zwischen ihm und ihnen stand plötzlich eine absichernde energetische Wand, an der Jimmys Strahl abprallte. Einen Augenblick später streckten Shanton und Jos die Waffen. Die Zunge des Scotch war nicht mehr zu sehen. Ein blaues Feld hatte sie eingehüllt und nahm ihnen jegliche Bewegungsfreiheit. Aber sie konnten alles sehen und hören, was sich um sie herum abspielte. Durch das Tor im Felsen kamen Giants heran, um sie abzuholen. Sie krümmten ihnen kein Haar. Von Jimmy nahmen sie keine Notiz. Der Hund schien für sie nicht vorhanden zu sein. Störte es sie denn nicht, daß er zwei der ihren niedergestreckt hatte? * Die POINT OF stand auf dem Landequadrat 67/32c. Der Sle arbeitete im Nullbereich; lediglich ein Kommandoimpuls war erforderlich, um die A-Grav-Kräfte des Ringraumers auf hundert Prozent Leistung kommen zu lassen. Ununterbrochen suchten die Ortungen des Schiffes den Bereich der sterbenden Sterne ab. Die drei fremden Raumschiffpulks, die zunächst einem gemeinsamen Transitionspunkt zugejagt waren, hatten sich wieder getrennt und auf verschiedenen Routen Kurs auf drei der siebzehn Sonnen genommen. Die Astrophysiker warnten den Commander.
„Wir können nur ahnen, was man vorhat, Dhark. Aber wenn unsere Ahnungen richtig sind, dann besteht für die gesamte Ballung höchste Gefahr…“ „Mearn, reden Sie nicht um den Brei herum. Heraus mit der Sprache! Was befürchten Sie?“ „Daß es zu einer Sternkatastrophe kommt, die künstlich ausgelöst ist!“ „Das ist unmöglich, Mearn!“ Der Commander wußte nichts anderes zu entgegnen. „Dhark, wenn man plötzlich das Druckgleichgewicht zusammenbrechen läßt, dann tritt die Katastrophe binnen einer Sekunde ein. Dann haben wir es mit einer siebzehnfachen Nova zu tun.“ Dhark hatte seine Fassung wiedergefunden. Er riß die Gesprächsleitung wieder an sich. „Das habe ich schon einmal gehört, Mearn, aber ich habe noch nicht gehört, warum Sie diese Katastrophe gerade jetzt befürchten.“ „Der Kurs der Raumschiffverbände läßt es uns ahnen, Commander. Sie fliegen auf jene Sonnen zu, die von anderen Sternen mit Energie versorgt werden müssen, wenn sie nicht zusammenbrechen sollen.“ Dhark liebte kurze Erklärungen. „Angenommen, Ihre Hypothese stimmt – wieviel Zeit haben wir dann noch? Oder anders gefragt: Wann müssen wir aus diesem Sternhaufen verschwinden?“ „Im gleichen Moment, in dem sich die fremden Pulks durch Transition absetzen.“ „Andere Beobachtungsmöglichkeiten haben wir nicht?“ „Keine! Wenn die zusammenbrechenden Sonnen ihre frei werdenden Energien emittieren, gehen davon leider gut dreißig Prozent direkt in den Hyperspace, und wenn man sich vor Augen hält, daß die in einer Sekunde freiwerdende Energiemenge ziemlich genau jener Menge entspricht, die in einer Milliarde Jahren in einer Sonne frei wird, begreift man, daß diese siebzehn Sterne alle in der gleichen Sekunde untergehen müssen. Bei all unserem Wissen können wir in diesem Fall nicht sagen, ob eine Nova oder eine Supernova entstehen wird.“ „Danke, Mearn.“ Er ging zum Leitstand zurück und teilte seinen Offizieren mit, was er bei den Astros gehört hatte. „Es kommt auf die Sekunde an, aber in erster Linie auf unsere Ortungen. Die POINT OF hat unverzüglich zu starten, wenn die Anzeichen dafür sprechen, daß der Verdacht unserer Wissenschaftler sich bestätigen könnte. Im extremen Fall ist die Zeitverschiebung zu benutzen, die aber nicht über vierundzwanzig Stunden hinausgehen soll. Programmieren Sie den Checkmaster entsprechend. Falluta, Sie übernehmen das Schiff!“ Je länger Ren Dhark sprach, um so unruhiger wurden seine Männer. Deutete der Commander nicht an, daß er die POINT OF verlassen wollte? Kurz darauf erfuhren sie die komplette Wahrheit. „Mit drei Flash werden wir versuchen, uns ein Bild von dieser Welt
zu machen. Funkverkehr mit dem Ringraumer wird nicht bestehen, wohl aber wird bei den Flash der Empfang eingeschaltet sein. Im Notfall sind wir also sofort zu erreichen.“ Knapp eine Viertelstunde später flogen drei Flash aus. Die erfahrensten Piloten hatte Dhark für diesen Einsatz ausgesucht. Dhark flog mit Wonzeff, Mike Doraner beförderte Jektow, und Kranil war Rul Warrens Kopilot. Die POINT OF, der versandete Raumhafen und die verlassene Stadt blieben hinter ihnen zurück. All das interessierte sie nicht. Sie wollten jene gewaltige Anlage besichtigen, die sie auf dem Landekurs in rund 5.000 Kilometern Entfernung bemerkt hatten. In Keilformation jagten die Blitze mit fünffacher Schallgeschwindigkeit über einen langgestreckten Kontinent, überquerten Flüsse, Gebirge und Ebenen. Ununterbrochen lief der Empfang, aber aus dem Ringraumer kam kein Funkspruch. Immer wieder sah Ren Dhark zur Bildprojektion über seinem Kopf hoch. Diese wunderbare Welt und ihre Schönheiten nahm er in sich auf. Einmal dachte er an Dan Riker, der ihn einen Verrückten genannt hatte, als er von seinem Entschluß hörte. Trotzdem hatte er ihm viel Glück gewünscht. Dhark wußte, daß Dan recht hatte mit seinen Vorwürfen. Er, Dhark, war regelrecht süchtig geworden nach der Suche nach den Geheimnisvollen – den Mysterious! Aber hatte er die Vorwürfe nicht überhören müssen! War es nicht auch für alle Terraner zum zwingenden Muß geworden, zu erfahren, warum die Mysterious ein Sternenreich von einem Tag zum anderen aufgegeben hatten? Freiwillig oder gezwungen? Und wenn das letztere der Fall gewesen war, dann mußte Terra wissen, wie diese Gefahr ausgesehen hatte, die vor tausend Jahren eine Rasse mit einer schier unvorstellbaren Hochtechnik vernichten konnte. Waren es die Grakos gewesen? Mit Gewalt schüttelte Dhark diese Gedanken ab. Immer häufiger verband sich seine Vorstellung über die Grakos mit den Mysterious. Er identifizierte sie immer häufiger damit! Überrascht legte er den Kopf noch weiter in den Nacken. „Stoppen, Wonzeff!“ Der Brennkreis unter dem plumpen Flashkörper wurde auf negative Beschleunigung geschaltet. Unter ihnen breitete sich ein Ruinenmeer aus! Bäume und Sträucher wuchsen zwischen den Trümmern. Der Flugsand vieler Jahrhunderte hatte ganze Straßenzüge verschüttet, und Wind und Wetter waren die zerstörerischen Kräfte gewesen, die hohe Bauwerke zum Einsturz gebracht hatten. Dharks Flash zeigte mit der stumpfen Nase nach unten. Sechs spinnbeindünne Ausleger wurden ausgefahren, als er dicht über dem Boden war. Neben ihm landeten Warren und Doraner. Alle stiegen aus, nur Warren blieb bei seinem Flash. Er hatte den
Empfang unter Kontrolle zu halten. „Nein,“ sagte Wonzeff nach ein paar Minuten, als sie nach einem kurzen Gang wieder ihre Blitze erreichten, „das ist niemals eine Stadt der Mysterious gewesen. Hier müssen andere Intelligenzen gehaust haben.“ Um seinen Beinen zusätzlich etwas Bewegung zu verschaffen, trat er hier und da einen kleinen Stein fort. Plötzlich blinkte und blitzte es vor ihm. Ahnungslos bückte er sich. „Was haben Sie da gefunden?“ fragte Ren Dhark. Stumm zeigte ihm Pjetr Wonzeff eine im Goldton schimmernde Plastik von knapp zehn Zentimeter Länge. Eine Nachbildung des Goldenen Menschen auf Mirac. „Hier? Zwischen diesen Ruinen?“ Die Plastik wanderte von Hand zu Hand. Jeder wunderte sich, daß das Gesicht nicht modelliert war, sondern sich nur als glatte, leicht vorspringende Wölbung zeigte. Nicht einmal das Kinn war angedeutet. „Vielleicht sind diese Ruinen aufschlußreicher als die technische Großanlage, die wir besichtigen wollten“, sagte Dhark in Gedanken. Sie schalteten ihre Spezialviphos auf höchste Lautstärke, damit sie unter keinen Umständen Rul Warrens Alarm überhören konnten. Dhark und seine Begleiter näherten sich einer Ruine, die noch vier Stockwerke besaß. Die gemauerte Hausfront war glatt, ohne Fensteröffnungen, aber ungewöhnlich breit und hoch das Tor, das ins Haus führte. Im Halbdunkel schaltete der Commander seinen Scheinwerfer an. Unbeweglich blieb der Lichtkegel auf der Wand stehen. Fünf Menschen betrachteten ein Wandgemälde, das in grünen und gelben Farben gehalten war. Drei Figuren, halb Affe, halb Schildkröte, kämpften mit einer Schlange, die sechs Beinpaare hatte und auf dem Schädel zwei Hörner trug, die in Nadelspitzen ausliefen. Zwei der Figuren hielten sich mit ihren langen Affenarmen an diesen Hörnern fest und versuchten das Ungetüm zu Boden zu reißen, die dritte Figur jedoch hielt etwas in den Händen, das wie eine Strahlwaffe aussah. Kranil machte seine Aufnahmen von diesem einzigartigen Dokument einer unbekannten intelligenten Rasse, die gleich den Schildkröten einen gepanzerten Rücken besaß, auch mit ihrem Kopf an diese terranische Spezies erinnerte, mit dem übrigen Teil des Körperbaus jedoch unwillkürlich an Affen denken ließ. Auffallend die kräftigen Beine, die langen Arme und der leicht geringelte Schwanz. Anstelle eines Fells zeigte bei einer Figur die Brustpartie eine leicht geschuppte Oberfläche, die einem Panzerkleid aus dem Mittelalter ähnelte. Je tiefer sie kamen, desto glatter wurde der Boden. Plötzlich fiel von oben her Licht ein. Dhark und seine Männer betraten einen großen geschlossenen Hof, und als sie nun in die Höhe blickten, sahen sie eine Fensterreihe nach der anderen, und außen an der Mauer die Reste einer Treppe.
Jektow, der etwas zurückgeblieben war, meldete sich durch einen lauten Ruf. Sein Scheinwerferstrahl stieß durch eine Fensteröffnung in einen Raum hinein. Schweigend betrachteten fünf Terraner die Skelette mit dem Panzerschild auf dem Rücken. Sie standen vor Wesen, die ermordet worden waren. Zertrümmerte Schädel, gespaltene Panzerbuckel, gebrochene Gliedmaßen redeten eine unmißverständliche Sprache. „Steigen wir hinein, denn allzu weit dürfen wir uns von den Flash nicht entfernen“, schlug Dhark vor. Dieses Gebäude, das eindeutig Wohnzwecken gedient hatte und nur Fenster zum Innenhof hin hatte, war ein Leichenhaus. In jedem Raum stießen sie auf Skelette, auf zerstörtes Mobiliar und Plunder, dessen Zweck sie nicht verstanden. Die Treppe in den Keller entdeckte Mike Doraner. Er schlug vor, sich unten einmal umzusehen „Aber dabei belassen wir es dann!“ bestimmte Dhark, der von einer unerklärlichen Unruhe befallen worden war. Der Zugang zum Keller mußte erst in den letzten Jahrzehnten wieder erkennbar geworden sein; morsches, teilweise verfaultes Holz ließ darauf schließen. Vorsichtig stiegen die Männer über Steinstufen in die modrig riechende Tiefe. Hier trafen sie auf unzerstörte metallene Behälter, die verschlossen waren und dem einfachen Versuch widerstanden, sie aufzubrechen. Eine abgesperrte Tür hielt sie auf. Pjetr Wonzeff trat sie auf. Knirschend in rostigen Angeln schwang sie zurück Im Lichtkegel sahen sie schon wieder Skelette. Acht Stück. Aber diese zeigten keine Beschädigungen. Sie lagen der Reihe nach am Boden. Vier breite Lagerstätten, deren Bespannung bei der leisesten Berührung zerfiel, drei schrankähnliche Gebilde, deren Türen weit geöffnet waren, neben Dingen des Alltags, die zum größten Teil für die Nahrungsaufnahme bestimmt waren; das war die karge Einrichtung. Schon wollte man sich abwenden, als Ren Dhark etwas unter dem Skelett liegen sah, das dazu nicht paßte. Was er hervorzog, war ein Foliant, dessen Seiten aus einer Metallegierung bestanden. Ahnungslos blätterte er darin herum, während Wonzeff seinen Lichtstrahl auf das graue Werk gerichtet hielt. Zuerst erkannte Dhark die Zeichnungen kaum, weil sie nur in die glatten Flächen eingeritzt waren, doch als er den Band etwas schräg hielt, konnte er jede Einzelheit ausmachen. Der Untergang der Stadt, in deren Ruinen sie sich aufhielten, war hier aufgezeichnet worden. Eine Invasion aus dem Raum hatte stattgefunden; anders war die allegorische Darstellung eines Blitzes nicht zu deuten. Fremde Wesen, als Ungeheuer dargestellt, jagten durch die Straßen der Stadt, trieben in Massen die Einwohner vor sich her oder schlugen sie mit bizarren Waffen nieder.
Dann mußten unsichtbare Kräfte am Werk gewesen sein, die ganze Straßenzüge in Ruinen verwandelten. Von einem Bild zum anderen verlor diese große Ansiedlung ihr freundliches Gesicht. Plötzlich, kaum daß Dhark wiederum eine Seite umgeblättert hatte, ließ er den schweren Band aus Metallseiten sinken. „Nein!“ stieß er aus. „Nein!“ Er nahm er den Folianten langsam wieder hoch und zeigte seinen Begleitern, was ihm diesen starken Schock versetzt hatte. Niemand sprach. Die Zeichnung war ein einziger Aufschrei! Die Zeichnung war der Fluch eines Verzweifelten! Eine gequälte, intelligente Kreatur verdammte die Zerstörer ihrer Stadt und die Mörder der Bewohner! Die Zeichnung zeigte den Sklavenhalter der Galaxis – den Goldenen Menschen! Er war als Ungeheuer dargestellt worden, das die Wesen mit dem Rückenpanzer und den Affenarmen zertrat, dabei aber seine Arme zum Himmel ausstreckte und in seinen Händen eine Sonne hielt. Die flehentlichen Gesten der gemarterten Kreaturen berührten den Goldenen Menschen nicht, der übrigens auch auf dieser Zeichnung kein Gesicht hatte. Wilde Striche quer durch die Zeichnung sprachen noch von der seelischen Erregung, die dem unbekannten Künstler hier den Stichel geführt hatte. Aus ihren Viphos sprang Rul Warrens alarmierender Schrei: „Das Signal von der POINT OF! Das Signal von der POINT OF!“ Fünf Männer rasten die Kellertreppe hinauf, sprangen durch ein Fenster, jagten über den Gang auf die verwehte Straße und hetzten auf ihre Flash zu. Dhark schleuderte den Folianten hinein, folgte ihm in einem Satz und schloß den Einstieg. Aus dem Empfang tönte es ununterbrochen: „Wir starten! Sle und A-Grav auf Maximum geschaltet! Die drei Raumschiffverbände haben…“ Da schlug eine Technik, die vor rund tausend Jahren von ihren Erbauern zurückgelassen worden war, noch einmal zu. Während die Ausleger der Flash eingefahren wurden und die Blitze mit steigender Geschwindigkeit Kurs auf die POINT OF nahmen, fauchten und brüllten die planetarischen Forts dieser Welt auf und stießen ihre titanischen Strahlbahnen in den Himmel hinein. Aber diese Welt war es nicht allein, die zugriff. Die beiden Raumstationen waren zu Ungeheuern geworden, und die Energiebahnen, die sie emittierten, lagen in der gleichen Richtung. Die Planeten im Bereich der sterbenden Sterne waren wach geworden! Viele Planeten! Gemeinsam mußten sie zur gleichen Zeit ihre intakten Strahlgeschützstellungen aktiviert und auch erkannt haben, aus welchen Richtungen ihnen Gefahr drohte! „POINT OF, Grappa, bitte kommen!“ Plötzlich war Dhark klargeworden, weshalb man drei Planeten jener Sonne, die am weite-
sten außerhalb des Haufens lag, zerstört hatte. „Ja?“ Das war Tino Grappas Stimme. „Stimmen die Energiebahnen mit dem letzten Aufenthaltsort der Raumerpulks überein?“„ „Nein, Dhark! Das haben wir zuerst auch gedacht…“ Wütend unterbrach er Grappa. „Was passiert denn im Moment?“ „Das wissen wir nicht. Wir können nicht erkennen, was unter Beschuß genommen wird. Mehr als zwanzig Planeten spielen verrückt, und da, wohin sie schießen, gibt es nichts…“ „Wirklich nicht? Grappa, zeigen Sie, was Sie können! Dort, wo die Strahlen einschlagen, muß es etwas geben. Ich bleibe auf Empfang!“ Grappa dachte nicht an seine neue Aufgabe. „Dhark, kommen Sie schnell! Rasch, sonst ist es zu spät! Falluta benutzt die Zeitverschiebung. Wir springen um eine Stunde zurück! Der Checkmaster führt bereits aus!“ Pjetr Wonzeff und die beiden anderen Flashpiloten hatten mitgehört. Noch schneller als sie handelte Dhark. „Gedankensteuerung meines Flash übernimmt!“ Er mußte sich konzentrieren und durfte jetzt keine einzige Sekunde mehr verlieren. Bevor die POINT OF die ZV benutzte, hatten alle drei Flash in den Depots des Schiffes zu liegen. Das schützende Intervall fiel weg! Die Gedankensteuerung hatte eingegriffen. Das Pfeifen war zu hören! Kamen sie tatsächlich noch rechtzeitig zurück, oder war sein Raumer schon verschwunden, wenn ihre Flash transitierten? „Dhark, in drei Sekunden ist es so weit…“ Da sprangen die Blitze! Nur die Gedankensteuerung konnte einen Sprung mit dieser Millimeterpräzision ausführen! Das Universum riß auseinander! Das Nichts kam von allen Seiten hinein! Unerträgliche Last fiel über die Menschen und schien sie zerdrücken zu wollen. Noch einmal stöhnten sie auf, dann nahm sie die barmherzige Bewußtlosigkeit in ihren Schutz. * Zeitverschiebung! Eingriff in den Ablauf der Zeit! Der Eingriff in den Ablauf der Zeit kann nie über die Lebensspanne des einzelnen Individuums hinausgehen und ist nur in Richtung auf die Vergangenheit möglich! Ren Dhark erwachte wieder aus seiner Bewußtlosigkeit und rieb sich leise stöhnend den schmerzenden Kopf. Neben ihm lagen Wonzeff, Jektow, Doraner und Kranil. Zwischen den beiden vorderen
rechten Auslegern schien Rul Warren zu schlafen. Nun begann auch er leise zu stöhnen Der Commander sah auf sein Chrono. Vor wenigen Augenblicken hatte Wonzeff die kleine Plastik des Goldenen Menschen gefunden und sie herumgereicht. Aber das stimmte laut Angabe seines Chronos nicht. Vierzehn Minuten lang hatte er bewußtlos gelegen. Vor vierzehn Minuten waren sie mit allen drei Flash in den Depots der POINT OF durch Transition gelandet. In derselben Sekunde mußte der Ringraumer eine Zeitverschiebung um eine Stunde vorgenommen haben, und sie waren kraft der Gesetze der ZV wieder hier angekommen. Er raffte sich auf. Allein stürmte er los. Jede Minute war jetzt kostbar, aber auch unersetzlich jener Foliant, der in dem Keller mit den acht Skeletten lag. Ihn mußte er bergen. Erst dann konnten sie zur POINT OF zurückrasen. Jeder Schritt wurde ihm zur Qual. Nur nicht daran denken, daß du schon einmal hier gewesen bist! befahl er sich in Gedanken. Nicht daran denken, daß Falluta die Gesetze der ZV immer noch nicht genügend verstanden hatte, sonst hätte er das Schiff um wenigstens zehn Stunden in der Zeit versetzt. So aber befand es sich ein zweites Mal auf dem Landeplatz 67/32c. Er trat die Tür zum Kellerraum auf, riß den Folianten unter dem Skelett hervor, klemmte ihn sich unter den Arm und rannte mit keuchenden Lungen zurück. Niemand war in der Zwischenzeit erwacht. Die Männer kamen gerade von selber zu sich. Mühsam schleppten sie sich in die Flash. Automatisch schlossen sich die Einstiege und die drei Flash rasten zu ihrem Mutterschiff zurück. Als Ren Dhark in die Zentrale stürmte, sah er seine Offiziere auf dem Boden liegen und die beiden Piloten in ihren Sesseln hängen. Falluta mußte seinen Platz räumen. Dhark schaltete das Triebwerk hoch. Sle kam, und zugleich AGrav. Der Ringraumer hob ab und fuhr seine Teleskopstützen ein. Brüllend wurden die dichten Luftmassen zur Seite gestoßen. Immer größer wurde die Beschleunigung des Schiffes. Intervalle einschalten! Kurs aus dem kleinen Sternhaufen! Ein Blick aufs Chrono der Zentrale. Vor einunddreißig Minuten hatte die ZV um eine Stunde stattgefunden. Neunundzwanzig Minuten verblieben noch, um seinem Schiff und der Besatzung eine günstigere Ausgangsposition zu verschaffen. Denn was in neunundzwanzig Minuten passieren würde, hatte er doch schon einmal erlebt. Er verließ den Pilotensitz, trat an den Checkmaster und programmierte eine Kurztransition, die das Schiff um rund zwanzig Lichtjahre versetzen sollte.
Alles lief routinemäßig ab. Die Intervalle verschwanden, das Pfeifen setzte ein und der Sprung erfolgte. Die Bildkugel arbeitete wieder, und die siebzehn Sonnen standen tief im schwarzen All. Dhark warf einen Blick auf das Chrono. In neun Minuten war die Zeitverschiebung zu Ende. Die ersten Männer wurden wieder wach. Hinter seinem Sessel richtete sich Falluta auf. An den Ortungen stöhnte Tino Grappa. Dan Riker kam wankend in den Leitstand. Sie konnten kaum einen klaren Gedanken fassen. Die Energieortung der POINT OF schlug an. Im Bereich der sterbenden Sterne griffen zahlreiche Planeten in einer gemeinsamen Aktion drei nicht erkennbare Ziele an, während sie drei große Raumerverbände ungehindert ihrem Transitionspunkt entgegenrasen ließen. „Dhark, ich kann auch jetzt nicht feststellen, worauf die planetarischen Forts schießen!“ erklärte Grappa, der mit der Energie- und Massenortung manipulierte und verzweifelte, weil er jene unter Strahlfeuer genommenen Ziele nicht erfassen konnte. Aber die aus allen Geschützen schießenden Planeten feuerten doch nicht ins Leere hinein. „Raumschiffe der Fremden sind in Transition gegangen!“ In Richtung der siebzehn Sonnen wurde es fürchterlich hell. Eine Helligkeit, die sich blitzartig nach allen Seiten ausbreitete und in ihrer Lichtflut Sterne verschwinden ließ. „Energieortung auf Stand-by!“ stieß Grappa hervor. Die Bildkugel minimierte die Lichtflut auf ein erträgliches Maß. „Hyperbereich abschalten?“ fragte Leon Bebir im Co-Sitz. „Dann können wir den Werdegang einer Supernova nicht mehr verfolgen“, widersprach Dhark mit seiner Erklärung. „Eine Supernova?“ „Ja! Die ungewöhnliche Lichtflut beim Ausbruch hat es verraten. Eine Sonne brach eben zusammen und riß sechzehn weitere Sterne mit sich. Sehen Sie sich diese Lichthölle an, die mehr als 10.000mal heller ist als das Aufleuchten einer Nova. Aber warum das alles? Nur um den Versuch zu unternehmen, uns zu vernichten? Oder sind wir mit unserem Erscheinen nur die Initialzündung für ein lange geplantes Vorhaben gewesen?“ „Von wem reden Sie, Commander?“ „Von den Nachfolgern der Grakos. Von den Schwarzen Weißen, die eine Bastion der Mysterious untergehen ließen. Wenn wir nicht aufpassen, dann erlebt die Sternenbrücke über kurz oder lang das gleiche Schicksal – und Terra wird dann auch an die Reihe kommen. Terra…“ Er lauschte dem Wort nach und stellte sich die blaue Erde vor, die er so oft bewundert hatte, wenn er sie aus dem Raum kommend wieder anflog. Terra! Wo im Sternenmeer lag Terra?
2. Arc Doorn verzweifelte. Wer verstand diese Anlage der Mysterious? Selbst ihm waren die vielen Aggregate ein Buch mit sieben Siegeln. „Zwitt“, murmelte er, während seine Hände auf der kühlen Unitallverkleidung lagen und sein Blick die beiden Instrumentenreihen überflog. Arc Doorn achtete nicht auf die Schritte, die hinter seinem Rücken aufklangen. Anja Riker trat neben ihn und legte ihre Hand auf seinen Arm. „Arc, wir haben den Energieausbruch lokalisieren können.“ „Und?“ Der rothaarige Sibirier mit der Boxernase und dem grobporigen Gesicht war wieder einmal ein Musterbeispiel an Gesprächigkeit. Anja Riker hatte die kurze Frage als Aufforderung angesehen, weiterzusprechen. „Wir haben nebenher einige merkwürdige Feststellungen gemacht, Doorn. Es…“ Plötzlich glaubte Arc Doorn allein im großen Raum zu sein. Er nahm die Stimme von Anja Riker, deren Mann zusammen mit der POINT OF verschollen war, nicht mehr wahr. Die beiden Instrumentenreihen sprachen zu ihm, sie gaben sich ihm zu erkennen. Er verstand, was sie anzeigten, und sie lieferten ihm die Hinweise, nach denen er die ganze Zeit über vergebens gesucht hatte. Buchstäblich ließ er sich in den Sessel an der linken Seite fallen. Seine Arme streckten sich, und dann lagen seine Fingerkuppen auf vier Steuerschaltern. Anja Riker, die ihre Verärgerung über Doorns eigentümliches Gebaren gezeigt hatte, blickte ihn jetzt mit immer größer werdendem Staunen an. „Drei steht. Siebzehn kommt! Acht und vier schalten ab! Hauptkontrolle auf sechs. Die letzten Phasen sind drauf. Na, und da haben wir ihn ja!“ Die Verbindung mit Zwitt stand. Im gleichen Moment waren drei Instrumente, die sich bisher nicht gerührt hatten, aktiv geworden. Die Sonnenkorona mit ihren Abermillionen Flächenprojektor-Stationen war keine Sperre mehr. Den Instrumenten nach schien sie nicht einmal zu existieren. Doorn riß triumphierend den Kopf herum. „Und jetzt rufe ich Terra! Jetzt komme ich auch durch die Sternenbrücke! Und Terra wird uns hören!“ Anja fieberte auf einmal wie Arc. Würde es ihm gelingen, die Verbindung mit der Erde herzustellen? „Hier Doorn auf Planet 1 im Zwitt-System! Ich rufe Terra! Bitte kommen! Ich rufe Terra! Bitte kommen!“
Anja Rikers Hände lagen um seine breiten Schultern. „Arc, bitte denken Sie daran, auch nach der POINT OF zu rufen!“ Die Sorge um Dan machte ihr zu schaffen. Sie saß hier in der Sternenbrücke fest und konnte nichts tun! „Terra, bitte kommen! Hier Doorn auf Planet 1 im Zwitt-System.“ Doorn wiederholte ununterbrochen seinen Ruf. Terra mußte ihn hören! Terra mußte antworten! Wenn Terra geantwortet hatte, dann, aber erst dann, wollte er versuchen, mit der verschollenen POINT OF Kontakt zu bekommen. Anja sah die Notwendigkeit der Reihenfolge ein, auch wenn die Ungewißheit um Dans Schicksal ihr fast den Verstand raubte. Ihre Angst war das ungewollte Eingeständnis, daß auch sie, die doch die Mysterious-Mathematik beherrschte, nicht in der Lage war, den Strukturbruch zwischen zwei Kontinua wieder an derselben Stelle entstehen zu lassen, an der die POINT OF in ein anderes Universum eingebrochen war. „Hier Doorn auf Planet 1 im Zwitt-System! Ich rufe Terra! Bitte kommen.“ War die Abschirmung innerhalb der Sternenbrücke absolut? „Ich rufe Terra! Bitte kommen.“ Aber von Terra kam keine Antwort. * In einer Entfernung von 19,74 Lichtjahren verfolgte die Besatzung des Ringraumers, wie siebzehn Sonnen zu einer einzigen Supernova wurden. Sie erlebten mit, daß die unvorstellbaren energetischen Ausbrüche teilweise den Hyperspace benutzten, um das Verderben im zeitlosen Ablauf auch außerhalb der Population auftreten zu lassen. Das Weltall schien zu brennen. Leon Bebir im Co-Sitz hielt den Atem an. Von den Nachfolgern der Grakos hatte der Commander gesprochen? Von den Schwarzen Weißen? Dhark bemerkte den Blick. „Warum starren Sie mich so entgeistert an, Bebir? Glauben Sie nicht, daß Terra auch gefährdet ist?“ Von Terra hatte Dhark auch gesprochen, und von der Sternenbrücke, der das gleiche Schicksal drohen könnte wie diesen siebzehn Sonnen, die sich in Äonen vielleicht wieder zu einem einzigen Stern zusammenfinden würden. Aber das Schicksal der Erde und der Sternenbrücke lag noch in der Zukunft. Gegenwart war die Existenz der Schwarzen Weißen. Nur, wie war der Commander auf den Gedanken gekommen, in ihnen die Nachfolger der Grakos zu sehen? Der Zweite Offizier der POINT OF fragte den Commander. „Habe ich das gesagt, Bebir? Wenn, dann war es nur ein Gedanke, eine Vermutung. Diese Schwarzen Weißen…“ Er verstummte und betrachtete wieder die Bildkugel, die ein Inferno im leeren Raum zeigte. Die siebzehnfache Supernova mit ihrer
unerträglichen Lichtflut wurde nicht dargestellt. „Ich muß immer wieder daran denken, unter welchen Umständen wir seinerzeit auf dem Planeten Hidplace unsere erste Begegnung mit den robotischen Schwarzen Weißen hatten. Sie standen eindeutig auf unserer Seite, die nicht umgeschalteten Robonen bekämpften sie. Ich verstehe den Widerspruch nicht, daß uns diese Rasse jetzt mit nahezu tödlichem Haß verfolgt.“ Tino Grappa unterbrach ihn. Der Ortungsspezialist meldete den Anflug eines Raumschiffes. Die Waffensteuerungen bekamen Grappas Werte. „Feuerbereitschaft besteht!“ kam von den beiden WS zurück. „Okay!“ Dhark dachte nicht daran, Fahrt aufzunehmen. Solange es sich nur um ein Schiff handelte, wurde der Ringraumer leicht mit dem Gegner fertig. „Fremdes Schiff bremst ab, hat gerade Kurskorrektur vorgenommen und wird etwa in 500.000 Kilometern Abstand an uns vorbeifliegen.“ „Immer noch nicht zu erkennen, wie das fremde Schiff aussieht, Grappa?“ Die Überraschung war vollständig! Drei Doppelkugelraumer kamen ein paar tausend Kilometer neben der POINT OF aus der Transition und griffen das Schiff aus allen verfügbaren Strahlantennen an! Das obere Intervall wurde mit achtundneunzig Prozent belastet. Im Schiff fuhren automatisch ein halbes Dutzend M-Konverter an. Das Brummen der Transformer war zu hören. Alarm heulte durch den Ringraumer! Grelle Strahlenbahnen prallten vom Miniweltraum der POINT OF ab. Das Schiff schlug zurück! Mit gewohnter Präzision arbeiteten die beiden Zielsteuerungen. Weder Clifton noch Rochard hatten auf die Feuererlaubnis des Commanders gewartet. Der schaltete den Sle hoch. „An Waffensteuerungen!“ rief er über die Bord Verständigung durch. „Lassen Sie…“ Dhark verstummte. Ein neuer, abermals unerwarteter Zwischenfall hatte sich ereignet. Jenes unbekannte Schiff, das nach Grappas Angaben in einem Abstand von rund einer halben Million Kilometern an der POINT OF vorbeifliegen sollte, griff die drei Schiffe der Schwarzen Weißen an! Die erste winzige Sonne entstand, die zweite, und fast im gleichen Atemzug verkündete das dritte Aufleuchten, daß auch der letzte Gegner vernichtet worden war. Nicht durch die Strahlwaffen der POINT OF! Durch den fremden Raumer, der nach dem dritten Abschuß beschleunigte, dabei den Kurs um hundertachtzig Grad änderte und sich mit hoher Fahrt vom Ringraumer entfernte! Der Spuk hatte keine drei Minuten gedauert. Die POINT OF befand sich wieder allein im leeren Raum zwischen
den Sternen! Mit seinem Sessel drehte sich Dhark nach Grappa um. Der ahnte, was ihm der Commander sagen wollte. „Ich kann den Kahn nicht mehr erfassen, Dhark.“ „Aber wir sehen ihn doch noch in der Bildkugel!“ deutete Dhark auf die Wiedergabe. „Und wenn! Was hilft es, wenn meine Ortungen streiken? MassenEnergie-Distanz und Materieortungen. Hier steht alles auf Null!“ Die Strukturerschütterung, angezeigt durch ein Instrument, war nicht zu übersehen. Das fremde Schiff hatte sich durch Transition abgesetzt! Der unbekannte Freund der Terraner, der unaufgefordert in den Kampf eingegriffen hatte, war spurlos verschwunden. In der Kommandozentrale sah einer den anderen fragend an. Auch Ren Dhark stellte keine Ausnahme dar. Schulterzucken überall. Niemand konnte eine Erklärung geben. Es reichte nicht einmal zu einer vagen Vermutung. „Schade!“ sagte der Commander. „Schade, daß von keinem der drei Schiffe etwas übriggeblieben ist. Zu gern hätte ich mir ein Schiff der Schwarzen Weißen einmal von innen angesehen.“ Seine Offiziere waren weniger neugierig als er. Die meisten dachten an Terra und nur ein paar an die Sternenbrücke. Aber daß sie mitsamt dem Schiff durch einen Materiesender in ein anderes Universum befördert worden waren, wußte niemand mehr. Nach wie vor war unbekannt, wo sich der Ringraumer in der heimatlichen Galaxis aufhielt. Mit der Vermutung der hilflosen Astronomen, weit hinter dem Zentrum der Milchstraße zu stecken, konnte der Commander nicht viel anfangen. Leon Bebir, der die abenteuerliche Zeit auf Hope nicht miterlebt hatte, erinnerte Dhark daran, daß man damals doch auch nicht gewußt habe, wo das Sol-System zu finden sei. „Man kann die damalige Situation nicht mit der heutigen vergleichen. Aber da fällt mir etwas ein, an das ich schon lange nicht mehr gedacht habe.“ Er sah sich nach Falluta um, seinem Ersten. „Übernehmen Sie das Schiff, ich bin gleich wieder zurück.“ Nach einer Stunde war er noch immer nicht wieder im Leitstand. Ren Dhark hielt sich in der astronomischen Abteilung auf. Dort hatte er die Experten mit einem Stoß Folien überrascht. „Sie stammen vom Planeten Mirac. Aus dem Flash, den Riker und ich versteckt im Fels gefunden haben. Schauen Sie sich die Karten genau an. Vielleicht liefern sie uns einen Hinweis, in welcher Region der Milchstraße wir stecken.“ Jens Lionel gab die Karten sofort weiter und sah den Commander etwas mißmutig an. „Warum haben Sie uns die Karten nicht schon längst überreicht. Das hätte uns eine Menge Zeit und Ärger erspart, Dhark!“ Er ließ keinen Zweifel an seinem Unmut. Vom Auswertungstisch kam ein Aufschrei: „Großer Himmel, hier sind ja die siebzehn Sonnen kartographisch erfaßt.“
Hielten sie die Spur in der Hand, die ihnen den Weg nach Terra zeigte? Lakonisch kommentierte Lionel die Entdeckung mit „Das hätten wir schon vor Stunden herausbekommen können!“ und blickte Dhark vorwurfsvoll an. Der drehte sich auf dem Absatz um und verließ kommentarlos die Astroabteilung. * Acht Beamte der GSO schafften einen Schwarzen Weißen, der wohl humanoid, aber kein Mensch der Erde war, per Transmitter in die Cyborg-Station im Brana-Tal. Bernd Eylers und Bert Stranger folgten wenige Minuten später, nachdem gewiß war, daß keiner der sechzehn entarteten Terraner und Robonen entfliehen oder Selbstmord begehen konnte. „Sofort per Transmitter ebenfalls ins Brana-Tal schaffen, wenn die Anweisung kommt. Oberste Sicherheitsstufe!“ Ezbal, der Schöpfer der Cyborgs, erwartete die Ankömmlinge zusammen mit seinem Spezialteam. „Sehen Sie sich diesen Mann an!“ hatte er nur zu den Ärzten gesagt und auf den Schwarzen Weißen gedeutet, der nun nackt auf einem Untersuchungstisch lag und durch energetische Klammern fixiert wurde. „Untersuchen Sie ihn nach der gewohnten Methode.“ Eylers und Stranger betrachteten alles aus der zweiten Reihe. Der Schwarze Weiße wollte sich nicht untersuchen lassen und kämpfte verzweifelt gegen die energetischen Klammern an. Er bäumte sich auf, schrie, brüllte und spie zum Schluß den ihn untersuchenden Arzt an. Eine luftdurchlässige transparente Kapuze machte diesem spukkenden Toben ein Ende. „Ezbal, wir müssen Schichtaufnahmen machen!“ sagte der Arzt, der den Unbekannten als dritter untersucht hatte. Stumm nickend gab Echri Ezbal seine Zustimmung. Das Schichtaufnahmegerät lief. Der Raum wurde verdunkelt, und an der weißen Wand flammte die Projektion auf. Eylers und Stranger glaubten eine terranische Fremdsprache zu hören, als die Diskussion der Mediziner einsetzte. Sie verstanden nur, daß dieser Schwarze Weiße zwei Herzen besaß, zwei komplette, aber auch vollständig voneinander getrennte Kreisläufe, ebenso ein doppeltes Nervensystem. „Wenn der Zahnschmerzen hat, dann hat er sie gleich zweimal!“ spottete Stranger, der am liebsten diese Wissenschaftler aufgefordert hätte, sich so auszudrücken, daß er auch ein wenig verstand. „Die Aufnahmen vom Kleinen und Großen Gehirnstrommuster müssen noch ausgewertet werden, aber man kann jetzt schon sagen, daß sich das Große wesentlich vom Homo sapiens unterscheidet.“
„Bitte spezifischer!“ warf Echri Ezbal ein, der sich beobachtend im Hintergrund hielt und nicht an der Debatte beteiligte. „Wir haben im Akuta-Bereich einen ausgeprägten T-Komplex festgestellt und im Shylo-Lappen einen Strahlungsknoten entdeckt, den wir Menschen nicht besitzen. Hätten wir ihn, bestünde die Menschheit überwiegend aus Genies. Entweder ist dieser Hu-manoide eine Ausnahmeerscheinung innerhalb seiner Rasse und damit ein Genie, oder, falls er zum normalen Durchschnitt gehört, ist diese Rasse genial. Darauf weist der T-Komplex hin.“ Bert Stranger, der schon viele Menschen mit seinem unschuldigen Babyblick zur Raserei gebracht hatte, flüsterte verständnislos zu Eylers: „Eylers, verstehen Sie ein Wort?“ Der schüttelte verneinend den Kopf. „Test des I.Q.!“ Dem Schwarzen Weißen wurde die transparente Kapuze abgenommen. Er hatte es sich in der Zwischenzeit überlegt und verzichtete nun darauf, noch einmal Spuckversuche zu machen. Bert Stranger schob sich leicht nach vorne, um einen direkten Blick auf den Außerirdischen zu haben. Niemand hielt den Reporter zurück. Dieser Fremde von einem anderen Stern interessierte ihn deshalb so stark, weil er trotz seiner schwarzen Hautfarbe wie ein Weißer aussah. Die hohe Stirn, der leichte Wulst in Höhe der Augenbrauen und das gut modellierte Kinn mit den kaum angedeuteten Backenknochen gaben seinem Gesicht einen durchgeistigten Ausdruck. Unter den dunklen, seidig glänzenden Wimpern bewegten sich Augen, die in sattem Samt schimmerten. Je nach Lichteinfall verengten oder erweiterten sich die Pupillen. Die zitternden Nasenflügel einer schlanken Nase und die leicht eingezogenen Lippen verrieten die maßlose Wut des Fremden. Befremdend dagegen war die Tatsache, daß die dunklen Augen keine seelische Regung widerspiegelten. Der Intelligenzquotient sollte festgestellt werden. Ein Arzt legte dazu vier Saugkontakte an. „Test!“ ging der Ruf durch den Untersuchungsraum. Der Hauptschalter wurde auf Ein gelegt. Der Fremde bäumte sich krampfhaft auf, drehte den Kopf zur Seite und stellte das Atmen ein. Entsetzt trat Bert Stranger zurück! Der Schwarze Weiße war tot. Für den Bruchteil einer Sekunde war es im Untersuchungsraum totenstill. Dann jedoch kam Leben in die Mediziner. Sie nahmen den Kampf gegen den Tod auf. Dieser Fremde von einem unbekannten Planeten sollte nicht tot bleiben. Hier und da ging ein Ruf durch den Raum. „Schrittmacher läuft.“ „Massagen auf drei!“ „Sauerstoffversorgung okay.“ „Wo bleibt der Wert von den Ce-Bahnen?“
In diesem Moment war Echri Ezbais Stimme zu hören! „Nein! CeBahnen nicht anmessen! Soll er uns denn endgültig unter den Händen sterben?“ Niemand wagte es, dem Chef der Cyborg-Station zu widersprechen. „Zum Teufel“, flüsterte Stranger dem Leiter der GSO ins Ohr, „wissen Sie, was eine Ce-Bahn ist?“ Der wußte es natürlich auch nicht. Der Sekundenzeiger des Chronos wanderte unermüdlich weiter. Einige Ärzte resignierten. Seit mehr als zehn Minuten wurde der Fremde künstlich mit Sauerstoff versorgt und versuchten zwei Schrittmacher, seine beiden Herzen wieder in Gang zu setzen, aber keines der vielen Instrumente an den Aggregaten zeigte an, daß das Leben wieder zurückkehrte. „Abschalten!“ Niemand schaltete ab. Alle starrten Echri Ezbal an, der dann eigenhändig die Sauerstoffversorgung, die Schrittmacher und die Massagegeräte ausschaltete! „Überprüfung des Shylo-Lappens auf elektrische Kapazität, meine Herren!“ Die anwesenden Ärzte und Eylers und Stranger starrten den greisen Brahmanen ungläubig an. „Jetzt halten die anderen Ezbal für übergeschnappt!“ flüsterte Stranger dem GSO-Chef zu. Zehn Sekunden ließ Echri Ezbal verstreichen. Er, der mit gekreuzten Armen bewegungslos stand, sagte dann: „Meine Herren, wenn Sie das noch nicht begriffen haben: Der Fremde lebt! Dieser Mann wollte uns zwingen, ihn zu töten.“ „Aber…“ „Kein Aber!“ donnerte Ezbais Stimme. „Darf ich Sie auf das ,Giliford-Phänomen’ aufmerksam machen, über das Kollege Gillford vor einigen Monaten referierte?“ Vier Experten beugten sich über den Fremden. Kontakte wurde angebracht, Messungen vorgenommen. Ein Stöhnen ging durch den Raum. „Nun?“ Ezbais Stimme hatte wieder ihre Ruhe ausstrahlende Wirkung. „Wir… Ezbal… wir…“ Der Mediziner an den Kontrollen stotterte. „Ezbal, wir haben es hier mit einem zweiten Giliford-Phänomen zu tun. Sie – Sie hatten recht: Der Fremde lebt.“ „Lassen wir ihm Zeit, bis er sich bequemt, wieder normal zu reagieren. Aber, meine Herren“, und nun schwang leiser Vorwurf mit, „hat Ihnen der Strahlungsknoten im Shylo-Lappen nicht zu denken gegeben? Leider bin ich selbst erst etwas spät stutzig geworden.“ Damit entschuldigte er das Verhalten seiner Mitarbeiter und erntete
deswegen dankbare Blicke. Die sechzehnte Minute brach an, als sich der Schwarze Weiße plötzlich bewegte, die Augen aufschlug und einen Laut über die Lippen brachte, der nichts anderes als ein Fluch sein konnte. Bernd Eylers wandte sich zu dem Reporter. „Stranger, was wollen wir hier? Man wird uns benachrichtigen, wenn man mit diesem Schwarzen Weißen weitergekommen ist. Ich muß nach Alamo Gordo zurück. Vielleicht gelingt es uns doch noch, einen der sechzehn veränderten Robonen zum Sprechen zu bringen.“ „Einverstanden, wenn ich mitkommen darf.“ Der Reporter in ihm war hellwach. „Einverstanden!“ sagte Eylers, der nicht vergessen hatte, was Terra diesem Mann mit der unglücklichen Figur zu verdanken hatte. Allein durch ihn und die Affäre mit den Mikrosendern war endlich Licht in eine Sache gekommen, die lange Zeit unlösbar gewesen war. Echri Ezbal versicherte ihnen, sie sofort unterrichten zu lassen, falls der Fremde freiwillig oder unfreiwillig Aussagen machen würde. Wenig später befanden die beiden ungleichen Männer sich in der Zentrale der GSO in Alamo Gordo. Bei den dort versammelten Gehirnexperten herrschte Ratlosigkeit. Abermals vernahmen Eylers und Stranger nur Ausdrücke aus der medizinischen Terminologie. Der GSO-Chef unterbrach die Debatte mit der Aufforderung, einen Bericht zu geben, den er als medizinischer Laie auch verstehen konnte. „Bitte!“ sagte Professor Dentrola leicht verschnupft, weil er sich durch den Chef der GSO gemaßregelt fühlte. „Wir haben es bei den sechzehn Robonen mit einer neuen Spezies Mensch zu tun, denn unter dem vierten Ventrikel unter dem Kleinhirn befindet sich etwas, das bisher noch bei keinem Menschen gesehen worden ist. Mit ,Gehirnventrikel’ werden vier miteinander verbundene Hohlräume bezeichnet. In dem vierten, der durch dieses, ich möchte sagen, neue Organ nun etwas verkleinert wurde, befindet sich eine Geschwulst, die deshalb bemerkenswert ist, weil sie einen Kern in sich trägt, der eindeutig aus nicht biologischem Material besteht, also ein Fremdkörper ist. Noch können wir nicht sagen, ob diese Geschwulst die entarteten Robonen daran hindert, uns die verlangten Aussagen zu machen.“ Eylers blickte ihn fragend an. Professor Dentrola verstand den Blick. Er schüttelte den Kopf. „Nein, wir können die Geschwulst nicht operativ entfernen. Wir könnten den Robonen nur ein neues Gehirn einsetzen, aber was wäre damit erreicht?“ Eylers, der Mann mit dem Alltagsgesicht, winkte leicht verärgert ab. „Professor, es ist Ihnen doch klar, daß wir unbedingt wissen müssen, welche Verbindungen zwischen den nicht umgeschalteten Robonen und den Schwarzen Weißen bestehen! Wir müssen alles wissen, alles! Wir müssen so schnell wie möglich erfahren, was sich
zwischen den Robonen und dem Vertreter einer uns unbekannten humanoiden Rasse abgespielt hat! Wir müssen restlos alles erfahren! Ich hoffe, daß Sie mich verstanden haben.“ Bert Stranger hörte zum einen Teil interessiert und zum anderen Teil mit immer größer werdender Enttäuschung zu: Dieser Fall war voll dramatischer Effekte, aber er war kein Fall, den er über die Terra-Press publizieren konnte. Wegen Verrats von Staatsgeheimnissen wollte er keinen Prozeß an den Hals bekommen! Eylers und Stranger verließen die Medo-Station. Im A-Grav schwebten sie nach oben. Beide schwiegen, und erst, als sie über den breiten Gang gingen, sagte der Chef der GSO: „Ich habe die Befürchtung, daß wir nichts, aber auch gar nichts erfahren werden.“ „Hm“, brummte der Reporter, „dann wird es wohl das beste sein, sich auf die bösesten Überraschungen in diesem Fall vorzubereiten. “ „Das habe ich schon getan, aber gerade in diesem Fall möchte ich doch einmal unrecht behalten und durch ein positives Ergebnis überrascht werden“, hoffte Eylers. * Jos Aachten van Haags Vermutung, daß sie sich in der Geburtsstätte der Giants aufhielten, war richtig. Das blaue Feld, das sie eingehüllt hatte, war verschwunden. Die Giants, die All-Hüter, die nicht mehr existieren sollten, lebten nicht nur auf diesem unbekannten Planeten, der am Ende einer Transmitter-Straße lag, sondern diese Bio-Roboter, die den Terranern so lange ein Rätsel gewesen waren, stellten hier sogar ihre eigene Rasse her! Der abgebrühte GSO-Mann ließ sich weder durch ihre Sprache, die wie das Zischen von Vipern und Nattern klang, noch durch den Anblick der Raubtierköpfe irritieren, denn er hatte sich fast alle Filme über die All-Hüter angesehen. Aber was war mit den Cyborgs los? Warum standen sie am anderen Rand des felsigen Weges und blickten sie gelassen an? Hatten sie auf ihr Zweites System geschaltet, um weniger angreifbar zu sein? Und wieso trafen sie hier auf die vier Männer? „Die vier haben dafür gesorgt, daß wir hier landeten!“ polterte Shanton los, zog sich die Hose, die der Schwerkraft folgen wollte, wieder hoch – und schnallte den Gürtel enger. „Sehen Sie, Jos, ich habe schon wieder an Gewicht verloren“, meinte er mit Unschuldsmiene zu dem GSO-Spezialisten. Jimmy kommentierte Shantons Mitleidsarie auf seine Weise: „Der Dicke sieht ja geradezu verhungert aus!“ Jos grinste, und auch Shanton konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Ich vermute, die Anzeigen, die wir sahen, bezogen sich auf diese vier Typen, als sie den Transmitter auf diese Station einstellten. Und wir sind dann so blöd, auch noch hierherzukommen, ich…“
„Achtung!“ stieß Jos aus, der plötzlich von drei Giants umringt war. Einer packte ihn an den Schultern und stieß ihn nach links, zu den Cyborgs hinüber. Der GSO-Mann ließ sich gern dazu auffordern, und er nutzte seine Chance. Zischend fuhr er die Cyborgs an: „Können Sie mir einmal sagen, was uns hier erwartet?“ Holger Alsop bewegte kaum seine Lippen, als er sagte: „Nicht sprechen!“ Die Schnauze des Scotchterriers stieß Jos in die Kniekehle. Verärgert drehte er sich um, stieß einen Wutschrei aus. Mit Judogriffen schleuderte er zwei der drei Giants zur Seite und wollte dem Dicken zu Hilfe kommen, der von fünf All-Hütern fortgeschleppt wurde. Da streckte ihn ein Faustschlag Mark Carrells zu Boden. Er sah nicht, daß sich die beiden Giants wieder erhoben und ihn aus ihren Raubtieraugen starr anblickten. Warum greifst du uns an? Verwirrt faßte sich Jos an den Kopf, der ihm von Carrells hartem Schlag schmerzte. Nein, wir sind nicht eure Feinde. Als All-Hüter sind wir niemandes Feind! Zum Teufel, dachte er vollends verwirrt, warum schleppt man denn Shanton fort? Er kommt zurück! Bald! Langsam erhob sich Jos Aachten van Haag und schaute die vier Cyborgs hilfesuchend an. Aber deren Blick glitt an ihm vorbei, als wollten sie mit ihm nichts gemein haben. Auch dein Gesicht ist krank! Selten hatte Jos Aachten van Haag so töricht ausgesehen wie in diesem Moment, als er vergaß, seinen Mund wieder zu schließen. Sein Gesicht war nicht in Ordnung, wie auch das von Chris Shanton nicht. Aber woher wußten es die Giants? Und warum reagierte Jimmy nicht, der doch gesehen hatte, daß man seinen Herrn fortschleppte? Jimmy saß bei Fuß, den Kopf in etwas schräger Haltung, und schaute sich die Giants der Reihe nach an. Zischen klang auf und wurde lauter, doch nur Jos drehte sich, um die Ursache des Geräusches kennenzulernen. Eine Schwebeplatte mit transparenter Kuppel jagte mit hoher Fahrt heran, ging auf Landekurs und hielt dicht vor den Terranern. Wie eine Nuß klappte die Kuppel auf, und fünf Giants in enganliegender Uniform richteten sich auf und blickten zu ihnen herüber. Einsteigen! hieß die Geste, mit der Jos aufgefordert wurde, die Schwebeplatte zu betreten. Geheuer war ihm dabei nicht. Die Cyborgs folgten wie Marionetten und traten wortlos neben ihn. Zwischen seinen Beinen hielt sich Jimmy auf, dessen suprasensorisches Gehirn sich keine Gedanken machte, was in der Zwischenzeit mit seinem Herrn und Erbauer geschehen sein könnte. Weich hob die Schwebeplatte ab, nahm Fahrt auf und zog über
eine felsige Landschaft dahin. Jos Aachten van Haag sah nur hin und wieder ein paar Felszacken, aber nach einem Flug von knapp fünf Minuten waren auch diese nicht mehr zu sehen. Der Himmel war und blieb wolkenlos. Langsam verrann die Zeit, und Jos stellte fest, daß er seine Ungeduld kaum noch zügeln konnte, weil er das Verhalten der Cyborgs nicht verstand. Kurz heulte ein Andruckausgleicher auf, als das giantische Fahrzeug plötzlich aus dem waagerechten Flug in den senkrechten gezwungen worden war und einer Öffnung auf der Planetenoberfläche zustrebte. Die Cyborgs blickten starr geradeaus, die fünf Giants warfen ihnen nicht einen einzigen Blick zu. Über ihnen wurde der Ausschnitt des blauen Himmels immer kleiner. Flogen sie in einer gigantischen Hohlröhre tiefer oder in einen metallverkleideten Schacht ein? Nach einer Weile – Jos hatte keine Ahnung, wie tief sie hinabgeflogen waren – setzte die Schwebeplatte ziemlich hart auf. Jos schaute prüfend um sich. An das dunkelrote Licht musste sich der GSO-Mann erst einmal gewöhnen. Gleich Schatten gingen die fünf Giants an ihm vorbei und verließen die Schwebeplatte. Die Kuppel über ihnen war wieder zurückgeklappt worden, ohne daß er davon etwas bemerkt hatte. Folgen! hörte er den Befehl in seinem Kopf, und automatisch setzte er sich zusammen mit den Cyborgs in Bewegung. Ihr Verhalten machte ihm nun wieder klar, daß sie die schwache Rückschaltungsphase zum Normalgehirn aktiviert hatten, denn im Bereich ihres Zweiten Systems hätten sie die Gedankenimpulse der Giants niemals empfangen können. Zögernd folgte Jos den Männern und blickte sich dabei nach allen Seiten um. Sie befanden sich am Ende einer mehrere hundert Meter durchmessenden Röhre, die in vierzig Metern Höhe über ihnen endete, kuppelförmig dem Boden zustrebte und ein Strahlensystem von Gängen erkennen ließ. Weit voraus gingen die fünf Giants, die sie an diesen Platz gebracht hatten. Sie sahen sich nicht nach den Terranern um und verschwanden nun in einem der vielen Gänge, in dem die Beleuchtung noch schlechter war als in dieser Endstation der Röhre. Die Terraner erreichten den Gang, in dem die fünf Giants verschwunden waren. Mit jedem Schritt, der sie weiter hineinbrachte, wurde es noch dunkler. Plötzlich war der Boden unter Jos’ Füßen nicht mehr fest. Ein Rollband trug ihn und die anderen mit hoher Geschwindigkeit fort. Der GSO-Mann verwünschte seine Bereitschaft, sich auf dieses Transmitterabenteuer eingelassen zu haben, noch mehr aber die vier Cyborgs, aus deren Verhalten er nicht schlau wurde. In der Dunkelheit war ein winziger Punkt zu erkennen, der schnell größer wurde. Licht! Tageslicht? Jos’ Augen bekamen Zeit, sich an die Lichtflut zu gewöhnen. Die
ersten Einzelheiten in der Ferne waren zu erkennen: eine glitzernde Fläche, die Licht nach allen Seiten widerspiegelte. Plötzlich weitete sich der Gang. Das Band stoppte abrupt ab, und dann war der Übergang zum festen Boden kaum festzustellen. Sie hatten den Anfang einer langgestreckten Halle erreicht, die von einem Konkavspiegel beherrscht wurde. Und dieser nach innen gewölbte Spiegel war in abertausend unregelmäßige Felder unterteilt. Die Konstruktion schwebte. An keiner Stelle war sie mit dem Boden, einer Wand oder der Decke verbunden. Das Licht, das sie den Terranern entgegenwarf, weckte bei Jos den Eindruck, auf eine kleine, aber grelle Sonne zuzugehen. Den Cyborgs machte diese Lichtflut nichts aus, weil sie über ihr Zweites System sahen und nicht geblendet werden konnten. Jimmy, der sich dicht bei dem GSO-Mann aufgehalten hatte, sonderte sich unauffällig ab und glitt dicht an der rechten Wand vorbei. Mittels seiner robotischen Initiative hatte er seine Ortung eingeschaltet und führte seinem Suprasensor alle ermittelten Werte zu. Jos, der ihm aus zusammengekniffenen Augen hin und wieder einen Blick zugeworfen hatte, bemerkte nicht, daß der Scotchterrier seine Zunge nur so weit aus dem Maul herausgeschoben hatte, um den Abstrahlpol freizugeben. Die unregelmäßigen Felder des Konkavspiegels veränderten ihre Position. Das Licht wurde nicht mehr wahllos widergespiegelt, sondern genau auf die kleine Gruppe Terraner gerichtet. Voller Entsetzen preßte Jos beide Hände gegen die Augen. Wer von den vier Cyborgs ihn rechts und links am Arm festhielt und führte, vermochte er nicht zu sagen. Warum schließe ich nicht meinen Klarsichthelm, stellte er sich die Frage, aber die Angst, von dem gebündelten Licht für Stunden geblendet zu werden oder Schaden an seinen Augen zu erleiden, lähmte seine Aktivität. Dann glaubte er an Spuk, weil er plötzlich fror. Seine Hände wurden kalt, sein Gesicht; Kälte kroch in den Raumanzug hinein. Ein Frostschauer nach dem anderen schüttelte ihn, und mit jedem weiteren Schritt wurde die Kälte unerträglicher. Die beiden Cyborgs führten ihn mit gleichmäßigem Schritt weiter. Mit ihrem Zweiten System waren sie gegen Kälte bis zu einem bestimmten Punkt unempfindlich. „Meine Hände! Mein Gesicht! Ich erfriere“, stieß er über seine eiskalten Lippen, die wie unter tausend feinen Nadelstichen schmerzten und kaum noch in der Lage waren, klare Worte auszusprechen. „Noch zehn Schritte, und wir sind hier durch!“ hörte er Marc Carrell an seiner linken Seite sagen. Zehn Schritte, die ihm zur Ewigkeit wurden. Zehn Schritte, die ihn noch tiefer in das Kälteinferno führten. In Gedanken zählte er mit. Der zehnte Schritt!
Blindlings stürmte er vorwärts – und taumelte! Eine glühendheiße Hitzewand sprang ihn an. Zur Hölle, fluchte er in Gedanken, wollen diese verdammten Giants uns jetzt rösten? Unerbittlich schleppten ihn die beiden Cyborgs weiter. „Jos, Sie können die Hände herunternehmen, wir sind durch! Um uns herum herrscht normale Temperatur! Der Übergang aus der Kältezone war nur ein Schritt. Atmen Sie tief und ruhig durch, und nehmen Sie die Hände herunter!“ sagte Carrell in beruhigendem Ton. Jos’ Hände sanken herab. Staunend sah er sich um. „Wo sind wir denn?“ Seine Frage hatte Berechtigung. „Das wissen wir auch nicht“, erwiderte Carrell gelassen. „Wir sind durch den Konkavspiegel gegangen, aber seine Rückseite ist hinter uns nicht mehr zu sehen.“ Holger Alsop war auch stehengeblieben. Er interessierte sich für den Boden, auf dem sie standen. „Wir werden bewegt.“ Eine Blechstimme krächzte dazwischen. Jimmy bewies, daß er sein phänomenales Können nicht verloren hatte. „Wir fliegen seit siebzehn Sekunden Normzeit in die Tiefe.“ Jos schaute ungläubig – davon war nichts zu bemerken! „Wir bremsen ab!“ Jimmy wurde gesprächig. „Und wo steckt Shanton?“ fauchte ihn der GSO-Mann an, der nicht vergessen hatte, daß man den Dicken von ihnen getrennt hatte. „Wo schon? In diesem komplizierten Bau.“ Jimmys Antwort befriedigte van Haag keineswegs, aber er hatte auch erkannt, daß es jetzt wenig Sinn hatte, den Robothund zu präziseren Aussagen zu zwingen. Dumpf klang es auf. Der Boden unter den Füßen zitterte kurz. „Wir sind da!“ gab Jimmy bekannt. Beinahe gleichzeitig öffnete sich die linke Wand und gab den Blick in einen Raum frei, der bei Jos Aachten van Haag eine vollkommen menschlich normale Reaktion auslöste. „Nein, das ist nicht real! Das kann nicht sein! Man spiegelt uns etwas vor. Großer Himmel.“ Seine Worte machten auf die vier Cyborgs keinen Eindruck. Ihr Zweites System ließ Emotionen nicht zu, soweit sie nicht Bestandteil ihres Programms waren. Mit der logischen Kälte ihres Zusatzgehirns nahmen sie auf, was sie über das Augensystem ihres zweiten Ichs sahen. Etwas Unglaubliches! * Die Sternenkarte, auf der die siebzehn Sonnen eingetragen waren, half den Männern der POINT OF nicht weiter. Sie umfaßte nur einen
Raum von gut zweitausend Lichtjahren Durchmesser und gab keinen Hinweis darauf, in welcher Region dieser Sektor der Milchstraße lag. Jens Lionel, Teamchef der Astronomen an Bord des Flaggschiffes, zuckte resignierend mit den Schultern und versuchte dabei, Ren Dharks forschenden Blick nicht zu sehen. Der Commander legte ihm die Hand auf die Schulter. „Lionel, es muß eine Möglichkeit geben, das Zentrum der Galaxis zu bestimmen!“ Vorwurfsvoll unterbrach ihn der Experte: „Glauben Sie, wir hätten nicht alles versucht? Aber was hätten Sie mir vor drei Stunden vorgehalten, wenn ich Ihnen hätte sagen müssen, daß wir an drei verschiedenen Stellen das Zentrum vermuten. Und inzwischen haben wir ein viertes Zentrum ausgemacht.“ „Lionel, wenn Sie und Ihre Kollegen uns nicht weiterhelfen können, dann bleibt uns nur eine Möglichkeit offen: so lange zu transitieren, bis wir ein Sternbild entdeckt haben, nach dem wir uns richten können.“ „Das kann Jahre dauern, Dhark!“ „Ich vertraue auf Sie, Lionel!“ umschmeichelte der Commander den Astro-Wissenschaftler. „Sie schaffen es schon“. Dabei war Dhark längst nicht so sicher, wie er sich nach außen gab. Terra! Wo lag Terra? Vor oder hinter den Dunkelwolken, von denen sie umgeben waren? Wo war das Zentrum der Milchstraße zu suchen, das durch einen Hochorkan des elektromagnetischen Feldes zu einer unpassierbaren atomaren Hölle geworden war? Aber atomare Höllen dieser Art hatten Lionel und seine Mitarbeiter gleich an vier Stellen festgestellt. Dagegen war der Untergang der siebzehn Sonnen ein harmloses Feuer. „Lionel, wir müssen uns heute noch entscheiden, wie wir vorgehen müssen. Bitte denken Sie daran.“ Er verließ die astronomische Abteilung und suchte Dan Riker in seiner Kabine auf. Über die Bordverständigung wurde auch Miles Congollon herbeigerufen. Drei Männer, die allein um Erron-3 im blaßblauen Universum wußten, saßen zusammen. Sie hatten jene Mentcap nicht geschluckt, die allen anderen das Wissen um den Materiesender auf Planet 1 im Zwitt-System genommen hatte. „Wir haben im Erron-Archiv etwas übersehen!“ behauptete Dan Riker. „Die Mysterious haben im Blaßblauen das Archiv errichtet. Sie sind also zwischen den beiden Kontinua ständig hin und her geflogen, demnach müssen sie auch die Technik beherrscht haben, zu ihrem Ausgangspunkt in der Milchstraße wieder zurückzufinden.“ „Okay, Dan, das mag durchaus stimmen“. Dharks Stimme klang nervös, die Ungewißheit ihres Aufenthaltsortes zehrte auch an seinen Nerven. „Aber versuche dich in die Lage der Mysterious zu ver-
setzen. Aus einem schwerwiegenden Grund haben sie Erron-3 in einem anderen Universum angelegt. Sie selbst beherrschten die Technik, sich zwischen zwei Kontinua zu bewegen. Lag es da nicht auf der Hand, eine letzte Zusatzsicherung einzubauen, Erron-3 auch dann noch zu schützen, wenn es dennoch von einer anderen Rasse entdeckt worden war? Und diese Sicherung bestand darin, die interkontinuale Technik nicht preiszugeben, so daß das wieder abfliegende fremde Raumschiff unweigerlich in irgendeiner der Milliarden Galaxien rematerialisieren müßte.“ Ruckartig richtete sich Miles Congollon auf. Dan Riker klatschte die flache Hand auf den Schwebetisch. „Das ist doch verrückt! Wir stecken in unserer Galaxis! Die Sternkarte mit den siebzehn Sonnen beweist es!“ „Sie beweist gar nichts, und wenn du vergessen haben solltest, daß unsere Astronomen inzwischen vier Zentren dieser Milchstraße entdeckt haben, so bestärkt mich diese Tatsache in dem Verdacht, uns in einer fremden Galaxis aufzuhalten“, konterte Dhark, der von seiner These überzeugt war. „Und wieso treiben sich hier die Schiffe der Schwarzen Weißen herum, mein Lieber?“ „Weil sie die interkontinuale Raumflugtechnik beherrschen, wir aber nicht!“ Miles Congollon, der manchmal einen melancholischen Eindruck machte, schmunzelte. „Dhark, das klingt einfach zu unwahrscheinlich.“ „Ich sehe nicht wieso, Congollon!“ fauchte Dhark ihn an, der durch seinen scharfen Ton verriet, in welcher Verfassung er sich befand. Congollons Schmunzeln blieb. Er lehnte sich gemütlich zurück, legte das linke Bein über das andere und sagte lässig: „Die Zett-Vau!“ Als ob Ren Dhark und Dan Riker vom Strahl eines Paraschockers getroffen worden wären, so saßen sie dem Chefingenieur der POINT OF gegenüber. „Die Zeitverschiebung!“ flüsterte Dhark mit zuckenden Lippen. „Die Zeitverschiebung.“ „Und ich habe daran auch nicht gedacht“, murmelte Riker, der mit fahrigen Bewegungen über sein Gesicht strich und den Kopf schüttelte. Der Weg von Rikers Kabine zur Kommandozentrale war nicht weit. „Bitte, lassen Sie mich allein am Checkmaster!“ forderte der Commander die drei diensttuenden Offiziere auf. Dhark gab seine Fragen an das Bordgehirn. Die Grünkontrolle leuchtete auf. Die Antwort kam sofort. Ren Dhark preßte die Lippen zusammen, als er die Folie las. Wortlos verließ er den Leitstand. Ohne Kommentar legte er die Antwort des Checkmasters seinem Freund Riker vor.
Der las halblaut: „Zeitverschiebungen sind nur innerhalb des Kontinuums möglich. Jedes Raum-Zeit-Gefüge unterliegt seinen eigenen Zeitgesetzen, und jeder kontinuale Raum ist gegenüber jedem anderen eine unüberwindliche Zeitschranke.“ Miles Congollon winkte ab. Er wollte die enttäuschende Nachricht, die er gerade gehört hatte, nicht extra noch einmal lesen. Riker stützte den Kopf in beide Hände. „Wir können demnach nur Zeitverschiebungen bis zu der Sekunde vornehmen, in der wir aus dem blaßblauen Universum in unser Raum-Zeit-Gefüge zurückkamen?“ „Ja!“ sagte Dhark entmutigt. „Jetzt ist nicht mehr die Geburtsstunde des jüngsten Bordmitgliedes die ZV-Grenze, sondern der Rückkehrmoment in unser Kontinuum. Der Besuch von Erron-3 hat uns viel gekostet. Er kostet uns vielleicht die…“ „Ren, wie ist das mit dem Wegweiser, den du in Ma-Soors Kabine gefunden hast und der uns nach Erron-3 brachte?“ Riker wollte seinen Freund auf anderen Gedanken bringen. Dhark holte das Gerät aus der Tasche und drehte es hin und her. „Ich kann es versuchen. Aber ich habe keine große Hoffnung.“ „Ren, du bist unerträglich. Mußtest du uns eben sagen, daß du den Wegweiser ohne jede Hoffnung einsetzen willst?“ Müde winkte Ren Dhark ab. „Schon gut, Dan. Dieser Wegweiser…“ Den Rest des Satzes sprach er nicht aus. „Es wäre zu schön, wenn er uns den Weg nach Terra zeigen würde, oder wenigstens zum Zwitt-System.“ Die Diskussion wurde durch die Bordverständigung unterbrochen. Elis Yogan aus der Funk-Z meldete nun plötzlich stärker werdenden Hyperfunkverkehr. „Wenn unsere Beobachtungen stimmen, haben wir es mit funkenden Schiffen der Schwarzen Weißen zu tun.“ Yogan wurde vom Ersten Offizier gestört. „Dhark, wir haben ein System ausgemacht, dessen sechster Planet eine Sauerstoffwelt ist.“ „Anfliegen, Falluta. Ich komme gleich hinüber.“ Fünf Minuten später stand er im Leitstand und ließ sich die wichtigsten Angaben über das Planetensystem geben. Die Sauerstoffwelt sollte als Sprungbrett dienen, von dem aus die POINT OF die Suche nach Terra beginnen wollte. Dhark nahm im Co-Sitz Platz und setzte seinen Wegweiser ein. Er gab die Antennenstellung der astronomischen Abteilung bekannt, die ihm binnen weniger Minuten mitteilen konnte, daß die Antenne in den Leerraum zwischen den Galaxien zeigte. Er hatte keine andere Nachricht erwartet. Mit dem Wegweiser kam man nach Erron-3, aber er war nicht in der Lage, ein Raumschiff wieder zum gewünschten Punkt in der heimatlichen Milchstraße zurückzuführen. Kurz dachte er an Arc Doorn und an den Materiesender auf Planet 1. Während er sich noch einmal alle Vorgänge durch den Kopf gehen
ließ, die mit dem Einflug ins blaßblaue Universum in Zusammenhang standen, glaubte er, den Fehler erkannt zu haben, der ihnen unterlaufen war. „Commander“, rief ihn Grappa an, „wir werden von Fremdortung erfaßt!“ „Was?“ „Aus Grün 33:56 und aus Rot 18:04.“ „Und was sagen unsere Ortungen, Grappa?“ „Nichts, Dhark. Das ist das Bestürzende.“ Eins kam zum anderen, aber in keinem Fall war es bisher etwas Gutes gewesen. Verstohlen wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Ich gehöre ins Bett, dachte er erschöpft. Schlafen möchte ich, viele Stunden lang schlafen. Er rief zur Funk-Z durch. Die Echokontrolle sollte eingesetzt werden. Vielleicht traf sie auf den beiden Koordinatenlinien auf Raumschiffe, die dann eine Erklärung für die Fremdortung waren. Elis Yogan meldete Fehlanzeige. Einige Minuten später war alles wieder normal. Dan Riker stand neben Grappa. Er hatte alles aus eigener Sicht miterlebt und konnte zu dem rätselhaften Fall ebensowenig sagen wie der Ortungsexperte. Woher sollten sie auch wissen, daß sie von Erron-3 etwas mitgebracht hatten, das eine deutliche Spur zwischen den Sternen hinterließ? Nur mußte man ein Auge dafür haben, um diese Spur zu sehen. Plötzlich war die Landung auf dem unbekannten Sauerstoffplaneten in Frage gestellt. Ein Schiff im gelandeten Zustand war viel leichter zu vernichten als ein Raumer in der Unendlichkeit zwischen den Sternen. „Ich würde es nicht riskieren, Ren“, sagte Dan Riker. Der sah die geröteten Augen seines ebenfalls übernächtigten Freundes. Dann dachte er an seine Besatzung, die schon seit so vielen Stunden ununterbrochen Dienst gemacht hatte. „Wir landen! Falluta, bringen Sie das Schiff herunter.“ Drei Stunden später setzte die POINT OF mit ausgefahrenen Teleskopbeinen auf. Das Schiff war auf der Nachtseite des Planeten gelandet. Am grünen Himmel standen zwei kleine Monde, und das Sternenmeer der Galaxis war zu sehen. * Leutnant Snubs in der großen To-Funkstation Cent Field zuckte zusammen. Der Frequenztaster zeigte plötzlich Höchstwerte. Automatisch las der Leutnant die Frequenz. In den Hochleistungslautsprechern war aber nur das statische Rauschen zu hören. Rief im Raum ein Schiff nach Terra und kam mit seinem schwachen Sender nicht durch?
Snubs überlegte nicht lange. „Order B-2!“ gab er an die anderen Abteilungen durch und handelte schon. Für außergewöhnliche Fälle mußte er keine Genehmigung einholen. Die große To-Funkantenne mit dem funkelnden Richtkristall schwenkte in andere Position. Die 37.000 Tonnen schwere Konstruktion auf dem Flachdach des To-Funkgebäudes wurde durch AGrav-Kräfte praktisch auf ,Null’ gebracht und war dadurch so leicht wie ein Justiergerät zu handhaben. Snubs hatte plötzlich alle Hände voll zu tun. Dritten und vierten Konverter anfahren. Energie auf Antenne! Sätze Ber und Dor einschalten! Hochleistungsgeräte für einlaufende Sendungen unter zehnmillionstel Watt. To-Justierung A einsetzen. Zwei der großen Suprasensoren traten als Zusatzkontrolle hinzu, und aus den beiden Lautsprechern rauschte weiter die Statik, aber zu verstehen war kein Ton. Leutnant Snubs begann sich unwohl zu fühlen. Warm wurde ihm auch. In seiner Verzweiflung riskierte er das Äußerste: „Den gesamten Empfang der To-Funkstation von Cent Field auf die große Antenne.“ Ein paar tausend Gespräche brachen zusammen. Cent Field war nicht mehr in der Lage, mit einem einzigen Raumer der TF zu sprechen. Hinter Snubs öffnete sich ein Schott, ein wütender Captain trat ein. „Snubs, sind Sie verr…!“ Im nächsten Moment verstanden beide ihre eigenen Worte nicht mehr. Die beiden Lautsprecher versuchten den Posaunen von Jericho Konkurrenz zu machen. Ich rufe Terra! Bitte kommen! Hier Doorn auf Planet 1 im ZwittSystem! Ich rufe Terra! Bitte kommen! Leutnant Snubs fand keine Möglichkeit, sich die Ohren zuzuhalten. Er mußte dieses Höllenspektakel aushallen. Der Captain hatte es leichter. Der war schon wieder draußen und stand halbtaub vor der Tür. Hier konnte er den Funkruf mit präziser Deutlichkeit verstehen. Snubs nahm Schaltungen in einem Tempo vor, wie er es nie für möglich gehalten hatte. Satz Ber ausschalten! Vierten Konverter auch! Und vom Gesamtempfang herunter! Aber aus den beiden Lautsprechern brüllte Doorns Stimme mit unveränderter Stärke. Auch den Satz Dor weg! Snubs begann, nach einer anderen Richtung hin zu verzweifeln. Warum, zum Teufel, konnte er den Höllenspektakel nicht auf ein erträgliches Maß schalten? Er bekam Stielaugen!
Die Sendung kam mit mehr als vier Millionen Kilowatt herein! „So etwas gibt es doch gar nicht!“ brüllte der nun tatsächlich verzweifelte Mann auf. Aber die Kilowattanzeige blieb bei ihrer Angabe. Phase 18 des zweiten Kreises zeigte 150 Grad Celsius an. Dort wollte etwas zu schmoren beginnen. Da hatte Snubs die Idee seines Lebens. Spiegel-Re einschalten. Das war ein Gerät aus der MysteriousTechnik. Begriffen hatte er es nie, und man flüsterte sich in Funkerkreisen zu, daß es auf Terra keinen Menschen geben sollte, der die Funktionsweise dieses Aggregates wirklich verstünde. Spiegel-Re war aktiv! Die Sprechkontrolle zeigte grün. Snubs mußte brüllen und die Lippen fast gegen das Mikro drücken, damit ihn Arc Doorn viele, viele tausend Lichtjahre weit in einem anderen Spiralarm überhaupt verstehen konnte. „Terra ruft Doorn auf Planet 1 im Zwitt-System! Terra ruft Doorn! Bitte kommen! Bitte kommen!“ Die große To-Funkanlage strahlte den Ruf mit mehr als vier Millionen Kilowatt zurück. Diese phantastische Leistung machte der Spiegel-Re möglich. Und dann ging für einen jungen Leutnant der Morgenstern auf. Er legte Doorns Ruf zu Marschall Bulton. Der Captain, der ihm vor wenigen Minuten noch die Hölle heiß machen wollte, gratulierte ihm. Und auch die erfahrensten Funkingenieure klopften ihm anerkennend auf die Schulter. Ein Sender mit vier Millionen Kilowatt? Eigentlich undenkbar, aber hier wurde er ihnen durch das Spiegel-Re vorgeführt. Großer Himmel, über welch einen Sender mußte erst Arc Doorn verfügen? Sie alle hinter Leutnant Snubs hörten mit. Der Sibirier gehörte zur Besatzung der POINT OF. Die hatte innerhalb der TF schon immer eine Sonderstellung inne. Man konnte es aus dem heraushören, was Doorn dem Marschall sagte, und wie er es ihm sagte: „Ja, wo bleiben denn die Kähne? Hier liegt nur ein S-Kreuzer, Marschall. Achtzehn Ringraumer sollen nach Zwitt unterwegs sein? Seit vorgestern? Und wo sind die jetzt, Marschall Bulton?“ Der Choleriker Bulton blieb ruhig. „Doorn, versuchen Sie mit Ihrem Riesensender den Flottenverband anzurufen. Cent Field bleibt auf Empfang.“ Nach zehn Minuten war Doorn wieder zu hören. „Die Schiffe, die laut Ihren Angaben nach Zwitt unterwegs sein sollen, melden sich nicht.“ Bulton überlegte nicht lange. „In einer Stunde ist ein zweiter S-Kreuzerverband aus fünfzig Schiffen nach Zwitt unterwegs. Können Sie mit dem Verband ununterbrochen in Verbindung bleiben?“
„Nein!“ sagte der Sibirier auf Planet 1 im Zwitt-System. „Kann ich nicht. Damit stoße ich die Schwarzen Weißen ja mit der Nase darauf, wo Terra zu suchen ist.“ Plötzlich hatte Bultons Stimme eine andere Klangfarbe. „Doorn“, sagte er schwer atmend, „die GSO hat auf Terra einen Schwarzen Weißen, der mit entarteten Robonen zusammenarbeitete, festgenommen.“ Auf Planet 1 schwieg ein Mann. „Bulton, ich bin nicht der Mann, der große Entscheidungen zu fällen hat, aber wenn das wahr ist, was Sie gesagt haben, dann geht Terra einer gefahrvollen Zeit entgegen. Haben Sie Nachricht vom Commander?“ fuhr der bullige Sibirier nach einer kurzen Pause fort. „Was? Sie wissen nicht, wo der Ringraumer steckt, Doorn?“ „Hätte ich sonst seit Tagen versucht, diesen verdammten Mysterious-Sender in Betrieb zu bekommen?“ „Sie müssen ihn finden, Doorn. Sie mit Ihrem Sender kommen bis ans andere Ende der Galaxis. Doorn, der Commander muß so schnell wie möglich nach Terra zurück.“ „Leichter gesagt als getan. Ich versuche, ihn zu finden. Ich melde mich in genau vier Stunden Normzeit wieder.“ * Im Brana-Tal gab man nicht auf, wenngleich sich von Stunde zu Stunde deutlicher abzeichnete, daß es wahrscheinlich unmöglich war, dem Schwarzen Weißen sein Wissen gewaltsam abzunehmen. Eylers hatte ein paarmal aus Alamo Gordo angefragt und war immer wieder auf später vertröstet worden. Dann hatte ihn der Stab der TF von Doorns Funkspruch unterrichtet. Ren Dhark wieder einmal verschollen! Und achtzehn Ringraumer, die den Befehl hatten, Planet 1 im Zwitt-System anzufliegen, waren dort nicht angekommen. Henner Trawisheim war nicht zu sprechen, er saß seit Stunden mit den Offizieren des Stabes zusammen, um die Verteidigung des SolSystems noch einmal in allen Punkten durchzugehen. Niemand hatte es bisher ausgesprochen, und die Terraner ahnten nichts von der drohenden Gefahr, aber bei der TF war man überzeugt, daß ein Angriff der Schwarzen Weißen bevorstand. Eylers’ Vipho meldete sich. Ein Arzt aus der Medo-Station der GSO blickte ihn unruhig vom Schirm aus an. „Eylers, wir können für das Leben der sechzehn Robonen nicht mehr garantieren. Sie sind irgendwie anders – entartet.“ Dessen Alltagsgesicht wurde starr und seine Stimme leise, fast zu leise. Drohung sprach aus ihr. „Was haben Sie mit den Männern angestellt, Horris?“ „Nichts. Oder doch, wir haben alles versucht, den Verfall aufzuhalten, aber jeder Versuch ist fehlgeschlagen.“
„Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.“ Drei Sperren passierte er, bis er vor den Betten stand, in denen sechzehn entartete Robonen lagen. Unheimlich hatten sie sich verändert. Männer, die vor ein paar Stunden noch jung, gesund und kräftig gewesen waren, sahen nun wie hundertfünfzigjährige Greise aus, die kurz vor dem Sterben stehen. „Hier nicht!“ sagte Horris schnell, als er bemerkte, daß Eylers sprechen wollte. Im Stationszimmer trafen sie neben drei weiteren GSO-Ärzten die beiden Professoren Smith und Bracking an. Die Medo-Station hatte die Experten zu Rate gezogen. „Rätselhaft, Eylers“, erklärte Bracking. „Die Zellen nehmen keinen Sauerstoff mehr auf. Wir haben Echri Ezbal befragt, leider kann er uns auch keine Erklärung geben. Diese sechzehn haben höchstens noch eine Stunde zu leben.“ Er war ein guter Prophet. Achtundfünfzig Minuten nach dieser Angabe waren alle sechzehn tot. Todesursache: Sauerstoffmangel! Die Lungen der entarteten Robonen hatten dem Blutkreislauf keinen Sauerstoff mehr zugeführt. Drei Leichen wurden zur großen Klinik von Alamo Gordo geflogen. Dort sollte die Obduktion die Ursache des unerklärlichen Lungenversagens ans Tageslicht bringen. Bernd Eylers wartete in seinem Büro auf den Befund, als das Brana-Tal ihn anrief. Ezbal sprach mit ihm. „Der Schwarze Weiße ist tot, gestorben am Lungenversagen. Aber wir können den Grund nicht entdecken, Eylers. Wir sind ratlos!“ Die Ärzte in Alamo Gordo, die die Leichen seziert hatten, konnten auch keine Erklärung abgeben. In Bernd Eylers’ Arbeitszimmer brannte weit nach Mitternacht noch das Licht. Der Mann, der für die Sicherheit Terras verantwortlich war, zerbrach sich den Kopf, wie er dieser Aufgabe gerecht werden konnte. Die Spur, die sie in den Händen gehalten hatten, war ihnen wieder entglitten. Dieser Schwarze Weiße, gestorben vor ein paar Stunden im BranaTal in der Cyborg-Station, was hatte er erfahren und was hatte er an sein Volk weitergegeben? Stand die Invasion Terras durch die Doppelkugelraumer der schwarzen humanoiden Rasse dicht bevor? Nicht einmal der Mann, der ständig über die wichtigsten Ereignisse informiert war, konnte darauf eine Antwort geben. * Jos Aachten van Haag und die vier Cyborgs mußten damit fertig werden, die All-Hüter bei der Tätigkeit zu sehen, die genau dem Begriff All-Hüter entsprach.
Sie standen auf einer Galerie in einer Hohlkugel, die in ihren Maßen einem 1.000-Meter-Raumschiff glich. Die Galerie umlief die innere Wandung der Kugel in Höhe des Äquators. Sie war ein geschlossener Ring von mehr als dreißig Metern Breite mit einer niedrigen Brüstung. In unregelmäßigen Abständen war dieses Geländer, das einen ungestörten Blick sowohl nach unten als auch noch oben zuließ, mit Schaltpulten bestückt, hinter denen Giants in scharlachroten Uniformen saßen und keine Notiz von den fünf Terranern nahmen, die sich langsam näherten. Jos’ Blick hatte sich an einem Punkt im Zentrum der Hohlkugel festgebrannt. Fünfhundert Meter von ihm entfernt, auf gleicher Ebene, auf der er sich mit den Cyborgs aufhielt, stand im Zentrum eine kleine, blau leuchtende Kugel, von der Strahlbahnen in gleicher Farbe nach allen Richtungen abgingen. Aber es waren nicht die einzigen Bahnen, die er sah. Viele andere, die kreuz und quer verliefen, durchschnitten die ersten, und jeder Schnitt- und Berührungspunkt war durch einen kugeligen Knoten zusätzlich markiert. Der GSO-Mann hatte die niedrige Brüstung zwischen zwei Schaltpulten erreicht und blickte in die Tiefe. Dort unten stand ein Gitterwerk, ebenso eindrucksvoll und verwirrend wie das über ihm. Doch keine einzige Strahlbahn traf die blauschimmernde, fugenlose Innenseite der riesigen Hohlkugel. Jede endete davor, und ihr Ende war durch einen Knoten gekennzeichnet, der im Gegensatz zu den anderen in rotem Farbton leuchtete. Eine winzige Veränderung in diesem verwirrenden Gitterspiel sich kreuzender Strahlbahnen lenkte seinen Blick nach links. Eine Strahlbahn flackerte in rhythmischem Leuchten grellweiß. Die beiden Knotenpunkte ebenfalls. Und dann entdeckte er, daß dieses Grellweiße von links auf den Mittelpunkt zulief. Jos Aachten van Haag kniff unwillkürlich die Augen zusammen, denn im Bereich der andersfarbigen Strahlbahn war etwas Neues hinzugekommen: leuchtende, scharf abgegrenzte Punkte, die an Sternbilder erinnerten. Er reagierte normal, als er sich hilfesuchend nach den Cyborgs umdrehte, die dicht hinter ihm standen und mit ihrem logischen System dieses grandiose Bild in sich aufnahmen. Marc Carrell, der Cyborg der neuen Serie, schaltete auf normal zurück. Seine Augen hatten den gleichen Ausdruck, der auch bei Jos zu beobachten war. „Einmalig!“ sagte er schwer und legte seine Hand auf die Schulter des GSO-Mannes. „Das ist die Überwachung der TransmitterStraßen! Diese Giants sind wirkliche All-Hüter. Sie hüten das All, durch das die Transmitter-Straßen laufen.“ „So?“ Der mißtrauische GSO-Agent kam bei Jos zum Vorschein. „So einfach soll das alles sein? Wir kommen durch Zufall hier an, man befördert uns in die Tiefe, schickt uns durch einen Konkavspiegel und zeigt uns dann alles mit einer Bereitwilligkeit, die anomal
ist. Oder, Carrell?“ Sein Blick fiel auf Jimmy. Jos griff nach Carrells Arm. „Schauen Sie sich den Köter an.“ Der machte keinen besonders friedfertigen Eindruck. Die Zunge stand starr aus dem Maul, und der gefährliche Abstrahlpol war auf ein Schaltpult gerichtet, an dem drei Giants saßen. „Jimmy, was ist da los?“ Jimmy antwortete nicht. Er handelte nach der Auswertung seines Suprasensors und dessen Speicherteil. Die Robotkonstruktion setzte eiskalt den Blasterstrahl ein! Drei der vier Cyborgs hatten noch auf ihr Zweites System geschaltet. Sie versuchten den Scotch an seinem wahnsinnigen Angriff auf die bewegungslos hinter dem riesigen Schaltpult sitzenden Giants zu hindern. Holger Alsop riß Bram Sass und Lati Oshuta zurück. Jos Aachten van Haag hielt den Atem an. Die drei Giants hinter dem Kommandopult drehten sich ruckartig um. Ihnen galt Jimmys tödlicher Angriff gar nicht, sondern drei Schatten, die im Bruchteil einer Sekunde aus dem Nichts entstanden waren und nun menschenähnliche Umrisse erhielten! Die Cyborgs rissen ihre Blaster hoch! Sie griffen an wie der Robothund. Sie schossen auf Gespenster, wie schon einmal auf Schatten im Industriedom von Hope geschossen worden war. Vernichtet sie! Vernichtet sie! So gellte in Jos’ und Carrells Kopf der telepathische Ruf der Giants. Die Schatten jagten davon. Menschen? Oder schon wieder entartete Cyborgs? Hielten sich Schwarze Weiße unbemerkt in der Kontrolle der Transmitter-Straßen auf, und nur Jimmy mit seinen robotischen Fähigkeiten hatte sie entdeckt, weil er schon einmal im Industriedom mit Schatten seine Erfahrungen gemacht hatte? Blitzschnell war eine energetische Sperrwand vor den fliehenden Schatten, die nach wie vor unter Blasterfeuer lagen, errichtet worden. Sie war keine Sperre! Die Schatten durchbrachen sie! Die Schatten nahmen im Moment des Durchbruches menschliche Formen an, aber sie wurden nicht deutlich genug, um die Terraner erkennen zu lassen, mit wem sie es zu tun hatten. Dann war das Blasterfeuer wirkungslos geworden. Es prallte an der hochenergetischen Sperre wirkungslos ab. Jimmys und die Cyborgs stellten das Feuer ein. Hinter der von Giants errichteten Sperre war der Spuk verschwunden. Wenn er sich genauso verhielt wie die Schatten im Industriedom, dann war er längst wieder ins Nichts zurückgekehrt…
Einer der drei Giants vom Schaltpult kam auf sie zu. Aber hatte der All-Hüter immer noch nicht begriffen, daß die Entdeckung der Gefahr auf Jimmys Konto ging? Er beachtete den Hund nicht, auch nicht die drei Cyborgs, die immer noch ihr Zweites System eingeschaltet hatten, sondern nur Marc Carrell und Jos Aachten van Haag. Wer ist der mit dem kranken Gesicht, Kranker? Auf jede Frage war der GSO-Mann vorbereitet gewesen, aber nicht auf diese. Entgeistert, nicht in der Lage, klar zu denken, starrte er den mehr als zwei Meter fünfzig großen Giant an. Dieser All-Hüter wollte wissen, wer Chris Shanton war, statt eine Erklärung für das dreifache Auftauchen von Schatten, die davongelaufen waren, einzuholen. Jos atmete erst einmal tief durch, setzte zum Sprechen an und wurde sich bewußt, daß dieser Giant aller Wahrscheinlichkeit nach seine Gedanken lesen konnte. Das Raubtiergesicht veränderte sich nicht, als Jos seine Gedanken auf die Antwort konzentrierte. Sie mußte jedoch zur Zufriedenheit des Giants ausgefallen sein, denn die nun folgende Aufforderung war freundlich und klar: Folge mir, damit du auch nicht länger ein Kranker bist! In diesem Moment fühlte Jos wieder die Beschwerden in seinem Gesicht, und ihm, dem sonst so mißtrauischen GSO-Mann, kam es gar nicht in den Sinn, hinter der Aufforderung des Giants eine Falle zu sehen. Erst als Marc Carrell ihn zurückhielt und scharf fragte, wohin er gehe, begriff er, daß dieser keinen der telepathischen Impulse empfangen hatte. „Wahrscheinlich Shanton abholen und mich dabei auskurieren.“ Carrell starrte ihn verblüfft an. „Der Giant hat keine einzige Bemerkung über die drei Schatten gemacht?“ „Keine! Nur von Shanton und mir ist die Rede gewesen.“ „Auskurieren? Sind Sie denn krank? Glauben Sie denn, die Giants könnten Ihnen helfen?“ fragte der Cyborg mit leichtem Spott in der Stimme. „Wir haben Roboter vor uns.“ „Aber verdammt kluge, Carrell, und gerade ich vertraue ihnen. Nur weiß ich nicht, warum.“ Jimmy rührte sich nicht, als er mit dem Giant davonging. Die vier Cyborgs sahen ihm nach. Carrell, der wieder auf sein Zweites System geschaltet hatte, beantwortete Bram Sass’ Frage in gleichmütigem Ton: „Vielleicht sehen wir beide bald wieder. Vielleicht auch nicht.“ Eine Blechstimme tönte dazwischen: „Sie kommen wieder, und dem Dicken geht es prima.“ Jimmy sah sie der Reihe nach an, nickte dann, wie ein Hund nickt, und trollte sich zur Seite. Er wollte freies Schußfeld haben. Sein suprasensorisches Innenleben hatte die drei Schatten, die er nur mit Hilfe seiner Ortungen entdeckt hatte, nicht vergessen. Marc Carrell studierte mit seinen Kameraden wieder das Gewirr der
blauleuchtenden Strahlbahnen mit ihren Knotenpunkten. Eine Transmitter-Straße war nach wie vor in Betrieb. „Könnte der Doppelpunkt über dem linken äußeren Knoten nicht das Col-System sein?“ fragte Lati Oshuta. „Möglich“, erwiderte Holger Alsop. „Vielleicht hat Terra über Hope Spezialisten zu dem Planeten geschickt, der auf dem Grund seines Ozeans eine Raumschiffwerft der Mysterious besitzt.“ Er traf mit seiner Vermutung mitten ins Schwarze. * Dockyard, wie jemand diesen Planeten getauft hatte, von dem man immer noch nicht wußte, wo im Sternenmeer er lag, erlebte eine Experteninvasion. Mehr als dreitausend Ingenieure, Techniker und hochqualifizierte Monteure waren von den Bandstraßenwerften Terras abgezogen, mit drei Ringraumern und einer unwahrscheinlichen technischen Ausrüstung nach Hope geschafft worden und hatten von dort unter Leitung von Manu Tschobe die Transmitter-Straße nach Dockyard benutzt. In einem einzigen Angriff war der wilde Dschungel um die Gegenstation auf Dockyard niedergebrannt worden und damit der Weg zur unterseeischen Werft der Mysterious frei. Das allgemeine Funkverbot zwischen der Expeditionstruppe auf Dockyard und Hope oder der Erde durfte nur im Fall größter Gefahr durchbrochen werden, denn unter allen Umständen sollte die vermutlich exakt arbeitende Hyperfunk-Überwachung der Schwarzen Weißen nicht dahinterkommen, daß Dockyard inzwischen von Terranern besetzt worden war. Zwei Stunden später, nachdem der letzte Mann aus der Transmitterkugel getreten war, lag die galaktische Position Dockyards fest. Eine Meisterleistung der Astronomen. 11.849 Lichtjahre trennten Hope und Dockyard! Die tragbaren Ortungsgeräte meldeten während der gesamten zweistündigen Aktion immer wieder: Fremdortung unbekannter Art. Ursprungsort nicht zu lokalisieren! Diese Meldung war für Manu Tschobe nichts besonderes, hatte dies doch schon Jimmy, der Robothund des Zweizentnermannes Shanton, während ihres ersten Besuches auf Dockyard festgestellt. „Keine Aufregung, Leute, dies ist ganz normal. Wir werden nur abgetastet. Aber die Anlage wird uns als berechtigt anerkennen.“ Tschobe wimmelte die besorgten Hinweise der Ortungsspezialisten ab – ihn störte die immer wiederkehrende Meldung nicht! * Und dann erlitten Tschobe und die Experten einen Schock! Wo Chris Shanton und Manu Tschobe vor nicht allzu langer Zeit auf elf Bandstraßen den endlosen Arbeitstakt der Ringraumerher-
stellung hatten betrachten können, empfing die Männer jetzt nur noch das für Mysterious-Einrichtungen typische blaue Licht, dessen Ursprung nirgends zu erkennen war! Die Druckkörper der kleinen Ringraumer lagen auf dem Boden auf, rings um sie verstreut waren noch nicht eingebaute Aggregate abgestellt! Fünfundachtzig Meter durchmaßen diese Kleinausgaben der POINT OF, und der Durchmesser der Druckkörper belief sich auf rund fünfzehn Meter. Wie die Raumer von innen aussahen, hatten die Männer aber bei dem ersten Besuch der unterirdischen Werft nicht erkennen können. Energetische Felder hatten die offenstehenden Schleusen versperrt! Sie hatten nur festgestellt, daß die fertig montierten Raumer am Ende der Montagestraße in ein Depot geschafft wurden, in dem sie wieder abgewrackt wurden. Unitall, das von Terranern bislang mit keinen Mitteln zu bearbeitende Metall der Mysterious, wurde hier wie Butter auseinandergeschnitten und wieder in Rohmaterial verwandelt. Anschließend begann der Produktionszyklus der Miniringraumer erneut, um irgendwann wieder in diesem Depot zu enden! Und dies wohl schon seit endlosen Zeiten! Jetzt war es ebenso ruhig wie damals, aber jetzt rührte sich nichts mehr! Diplom-Ingenieur Matuko Ikuda, der auf Terra verantwortlich für den Zellenbau der neuen To-Raumer war, blickte den Afrikaner ungläubig an. „Ich kann es nicht glauben, was ist hier passiert! Das ist…!“ Tschobe war fassungslos. Zusammen mit Ikuda ging er an zwei Ringraumerstraßen entlang. Die Männer mußten den herumliegenden Teilen ausweichen. Der Afrikaner erinnerte sich, welchen Eindruck diese Anlage auf ihn, Shanton und Jos machte, als sie sich hier zum erstenmal aufgehalten hatten. Er trat an einen der kleinen Ringraumer heran und versuchte, die Schleuse zu betreten. Vergebens! Damals wie heute verwehrte ein Energiefeld den Zutritt ins Innere, diese Sperre funktionierte nach wie vor. Entmutigt trat der Afrikaner zurück. Überall gingen zwischen den Bandstraßen die Männer umher, versuchten vergeblich, die Raumer zu betreten und spekulierten lauthals über die neue Situation. Spezialisten vermaßen die Anlage und die wie zufällig hingestreut daliegenden Raumer, nahmen alles auf und versuchten sich ein genaues Bild der unterirdischen Werft zu machen. „Wer oder was hat dies alles hier abgeschaltet? Ob es etwas mit den Ortungsmeldungen zu tun hat?“ murmelte Tschobe immer wieder fragend vor sich hin. Der Arzt und Hyperfunkspezialist konnte nicht ahnen, daß er mit
seiner Vermutung auf dem richtigen Weg war. Die Anlage, die bei dem ersten Besuch die Gehirnstrommuster angemessen und gespeichert hatte, stellte bei der Überprüfung der neu eintreffenden Personen Abweichungen von der Norm fest. Cyborgs – das Expeditionskorps hatte zwei Cyborgs mit im Team, die speziell ausgebildet waren in Metallverarbeitungsfragen - wurden von der Überwachungsanlage als nicht berechtigt angesehen. Bis zur Klärung durch die Kommandozentrale schaltete die Überwachungseinheit die Werft auf Wartezustand. Mit typischer Robotgeduld wartete sie auf Antwort der viele tausend Lichtjahre entfernten Zentrale – einer Zentrale, die allerdings seit hunderten von Jahren nicht mehr existierte! Aber die Robotzentrale kannte keine Ungeduld – sie hatte Zeit bis in alle Ewigkeit. Und bis dahin würde die Produktion stillgelegt sein. Abrupt war Matuko Ikuda stehengeblieben. Er hielt den Afrikaner fest. „Wer hat die Mammuts im Industriedom eingeschaltet? Der Commander etwa? Können wir nach belieben ein- und ausschalten? Oder wer sonst? Sind vielleicht irgendwo in der Galaxis jetzt unsere Gesichter auf Bildschirmen zu sehen?“ Ein Schauer fuhr über Ikudas Rücken, und er blickte sich suchend um. Sein Gesicht wirkte auf einmal gehetzt. Tschobe verzog sein Gesicht und blickte Ikuda fest in die Augen. Er konnte die Gefühle des Diplom-Ingenieurs nachvollziehen. Ihm war es oft auch ähnlich ergangen! „Ich könnte Ihnen auch tausend und mehr Fragen von dieser grundsätzlichen Bedeutung stellen, und Sie könnten mir auch auf keine einzige eine plausible Antwort geben. Mann, Matuko, wir wissen doch nicht einmal, ob die Mysterious noch leben oder nicht. Was kennen wir denn von ihnen? Ein paar Sterneninseln, auf denen sie ihre Spuren hinterlassen haben, und wo wir auf ihre Spuren treffen, bleibt uns der Mund vor Staunen offen. Und von ihrer Technik verstehen oder kennen wir doch sowieso nur einen Bruchteil!“ Tschobes Spezialvipho unterbrach das Gespräch. Jon Mikels, ein junger Leutnant der TF, berichtete kurz: „Tschobe, alle Abteilungen liegen still! Wir sind hier überflüssig. Wir bekommen die Produktion bestimmt nicht wieder ins Laufen!“ „Okay, geben Sie Order zur Rückkehr. Bitten Sie Füller, den Sicherheitschef, eine Truppe zusammenzustellen. Sie soll hier die Stellung halten, bis unsere Spezialisten von Terra hier sind. Die sollen sich dann mit der Problematik herumschlagen, warum hier alles abgeschaltet ist!“ ordnete Tschobe kurz an. Sein nachdenklicher Blick streifte den Mann von den japanischen Inseln. „Ich persönlich glaube nicht, daß die sogenannten Experten hier etwas ausrichten können. Können wir denn auf Hope überhaupt nennenswerte Erfolge vorweisen?“ Sieben Stunden später war die Expedition bis auf Füllers Sicherheitstrupp – fünfzig Soldaten – wieder vollständig über den
Kugeltransmitter nach Hope zurückgekehrt. Von dort gingen über To-Funk ein paar hundert geraffte und zerhackte Kurzimpulse nach Alamo Gordo, Terra . Die wichtigsten Klartexte wurden Marschall Bulton vorgelegt. Der stöhnte erleichtert auf, nachdem seine Ordonnanz das Zimmer verlassen hatte. „Schöner Saturn, woher hätte die TF die Mannschaften für diese Schiffe eigentlich nehmen sollen?“ Und dann genehmigte er sich einen dreifachen Drink! * Arc Doorn wurde von dem Ringraumer angerufen, der auf Planet 1 in Wartestellung lag. „Wir haben einen Verband von fünfzig S-Kreuzern im Empfang, und wir…“ „Ich auch!“ knurrte Doorn in seiner gewohnt knappen Art zurück. „Colonel Clark soll sich nach der Landung bei mir melden.“ Er schaltete ab. Die Frau an seiner Seite sah ihn lächelnd an. „Arc, manchmal könnten Sie ruhig einmal etwas gesprächiger sein.“ „Möglich“, brummte er. „Aber wie sieht es mit Ihren Berechnungen aus, Anja? Werden wir es schaffen, den Strukturbruch an der gleichen Stelle wieder entstehen zu lassen, an der die POINT OF über den Materiesender in ein anderes Universum eingebrochen ist?“ Anja Riker, die den mundfaulen Sibirier schon seit ihren gemeinsam erlebten Abenteuern auf Hope gut kannte, zuckte müde die Schultern. Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. „Arc, ich hatte mir zuviel vorgenommen. Seit einer Stunde weiß ich, daß es unmöglich ist, einen Strukturbruch zweier Kontinua an der gleichen Stelle noch einmal entstehen zu lassen.“ Der rothaarige Mann nickte nur. Anja brauchte ihm nicht zu sagen, was das bedeutete. Die POINT OF war in einem anderen Weltall, und es gab keine Rückkehr ins heimatliche Raum-Zeit-Gefüge. „Arc, warum sagen Sie nichts?“ fragte sie ihn, und jetzt schwang wieder Angst in ihrer Stimme mit. Er ging auf ihre Frage nicht ein. „Hoffen wir, daß ich mit dem Planetensender die POINT OF erreiche, wenn es ihr doch noch gelungen ist, wieder zurückzukommen.“ Aber er sagte ihr nicht, daß er schon vor mehr als zwei Stunden den Versuch eingestellt hatte, Kontakt mit dem Ringraumer zu bekommen. „Warum sollte es dem Schiff nicht gelingen, Doorn? Es ist doch auch aus dem Karmin-Universum zurückgekommen.“ Hinausgeworfen worden, dachte Arc da. Vom Nor-ex hinausgeworfen worden. Aber vielleicht kann sich die POINT OF mit Hilfe ihrer To-Funkkanonen den Weg zurück bahnen! „Natürlich“, sagte er, „die POINT OF ist aus dem Karmin ja auch
wieder zurückgekommen, und darum werde ich auf der Frequenz des Schiffes regelmäßig durchrufen!“ Impulsiv umarmte Anja Riker ihn, eine Last fiel von ihr ab. „Arc, Sie sind ein feiner Kerl!“ und dann wirbelte sie hinaus. Und Riker hat in dir eine patente Frau, dachte er, während er ihr bewundernd nachsah, aber dann dachte er an Doris, seine Frau. Glaubte, sie vor sich stehen zu sehen – glaubte, ihre Stimme zu hören – glaubte, die Wärme ihres Körpers zu fühlen. Der bullige Mann mit der Boxernase und dem grobporigen Gesicht, dem man kaum Sensibilität zutraute – er konnte Anja verstehen! Doorn fand übergangslos wieder zurück in die Realität. Die Wirklichkeit um ihn herum war ganz anders: nüchtern, kalt und teilweise fremd. Mysterious-Technik! „Ihr jagt uns ganz hübsch quer durch die Milchstraße. Der Teufel soll euch holen.“ Er hatte sie nicht zum erstenmal verwünscht, die Mysterious, diese Geheimnisvollen, die der Menschheit durch die Begegnung mit ihrer Technik vollkommen neue Akzente gesetzt hatten. Der Weg ins Weltall war erst durch sie, die großen Unbekannten, möglich geworden. Colonel P.S. Clark trat ein. Allein, ohne seine Offiziere. Doch die Begrüßung fiel aus. Die planetengroße Funk- und Empfangsanlage fing den Notruf eines terranischen Schiffes auf. Verstümmelt kam der Ruf herein, als ob der Sender immer wieder ausfiele. Sind von… die meisten… A-096 ist als einziger… SO… dinaten Grün 34:0… Blau 123:55,4… S-Kreuzer… Aus! Kein Empfang mehr auf der Frequenz. Doorn sah die Handknöchel bei P.S. Clark weiß werden. Er ahnte, zu welchem Verband das Schiff gehörte, das SOS gefunkt hatte. „Das war eines der Schiffe, die hier nie eingetroffen sind, Doorn. Ich muß zurück. Bis später.“ Der Colonel hastete hinaus. Doorn folgte ihm langsam. Sein Platz war und blieb auf Planet 1 im Zwitt-System. * Vierundzwanzig Normstunden Ruhe hatten die Körperkräfte der Besatzung wieder regeneriert und auch die Stimmung an Bord der POINT OF gehoben. Die Ortungen, die tief in den Raum griffen, hatten nichts Bemerkenswertes feststellen können. Es war 3:10 Uhr Normzeit, als die POINT OF wieder abhob, zuerst von den A-Grav-Kräften getragen wurde, um in größerer Höhe dann durch den Sle in den freien Raum gerissen zu werden. Langsam versank die Sauerstoffwelt unter ihnen, auf der sie sich 24 Terrastunden lang aufgehalten hatten, ohne allzuviel von dem
stunden lang aufgehalten hatten, ohne allzuviel von dem unbekannten Planeten zu sehen. Die Sle-Leistung schaltete sich automatisch höher und hatte schon 0,6 Licht erreicht, als die Funk-Z Alarm schlug. Walt Brugg hatte keine Sekunde gezögert, als er den plötzlich stark einsetzenden Hyperfunkverkehr feststellte. Noch während er seine Mitteilung durchgab, verkrampften sich die Hände um die Kanten des Oszillo. Er unterbrach seine Durchsage und begann mit einer anderen. „Dhark, das Neue ist wichtiger. Unser Schiff liegt im Funkschatten! Ich versuche gerade, die Echokontrolle einzusetzen, aber damit komme ich auch nicht mehr durch. Wir können keinen Spruch mehr hinausschicken, aber auch keinen einzigen empfangen. An den Geräten der Funk-Z liegt es nicht.“ Tino Grappa, der die Durchsage mitgehört hatte, konnte keine Vorkommnisse melden. Seine Ortungen arbeiteten nach wie vor einwandfrei. Der Commander drehte sich kurz zu seinen Offizieren am Checkmaster um. „Sprungkoordinaten auf Grün 43:50, programmieren Sie eine Transition über 20.000 Lichtjahre. Sprung durch den Checkmaster.“ Die Sle-Leistung stieg auf fünfundneunzig Prozent. Der Brennkreis mit seiner ungeheuren Wirkung beschleunigte die POINT OF immer stärker und jagte sie der Lichtgeschwindigkeit entgegen. „Sprungkoordinaten erstellt! Checkmaster hat Schiff übernommen!“ kam die Meldung an Ren Dhark. Er und Riker hatten bis nach Ende der Transition nichts mehr zu tun. Entspannt saßen sie in ihren Sesseln. Die X-Zeit lief. Ein Routinemanöver auf der POINT OF. Die Intervalle wurden abgeschaltet und das vor jeder Transition zu hörende Pfeifen setzte ein. Sprung! Er war nicht wie auf den erbeuteten Kugelraumern der Giants, wo jede Transition ein nicht unterdrückbares Angstgefühl erzeugte. Das Flaggschiff der TF hatte seine Position innerhalb des Sternenmeers auf Grün 43:50 um 20.000 Lichtjahre verschoben. Die Sterne, die über die wieder arbeitende Bildkugel in die Zentrale leuchteten, verrieten es. Von der Supernova hinter ihnen war keine Spur mehr zu sehen. Das Licht dieses gigantischen Ausbruches brauchte 20.000 Jahre, um in dieser Region vom Sternenuntergang zu berichten. „Na, Brugg, wie sieht es nun bei Ihnen aus?“ fragte Dhark den Funkoffizier. „Alles wieder okay, Dhark. Hoffentlich bleibt es so.“ „Wie soll ich das verstehen, Brugg?“ Walt druckste herum. „Bei uns ist eine Panne passiert, als das Schiff auf dem Sauerstoffplaneten lag. Wie Yogan und auch ich es übersehen konnten, ist mir unbegreiflich. Dhark, die POINT OF hat
von den vierundzwanzig Liegestunden genau zwanzig und eine halbe in einem Funkschatten gelegen.“ „Und das ist weder Ihnen noch Yogan aufgefallen?“ „Wir haben es übersehen. Vielleicht, weil wir zu müde waren.“ „Okay, Walt. Machen Sie sich nicht verrückt, es wird schon nichts geschehen!“ Er wollte abschalten, als er auf dem kleinen Schirm links auf dem Instrumentenpult Bruggs Zusammenzucken bemerkte. „Was gibt es?“ „Dhark, jetzt fliegen wir in einen superstarken Störbereich hinein. Als ob rundherum Quasare ständen.“ Grappa meldete sich nicht. „Brugg, bleiben Sie in der Verbindung, ich schalte die Astronomen dazu.“ Er fragte aber zunächst bei den Astrophysikern an. „Ja, auch eben von uns festgestellt. Es müssen Quasare sein, Dhark, aber es dauert wenigstens noch eine gute halbe Stunde, bis wir klar sehen.“ Dhark drehte sich zum Bordgehirn um. „Meine Herren, Checkmaster zu der Situation befragen!“ Kurz darauf kam das Ergebnis vom Bordgehirn. Erfaßte Daten schließen mit absoluter Sicherheit aus, daß Schiff sich Quasaren nähert, Der superstarke Störbereich, der sogar den Hyperfunk unterbindet, muß einen anderen Ursprung haben. Kontrollen erforderlich! Die Astronomen und Astrophysiker wurden von der Aussage des Checkmasters informiert. Dort stieß die Nachricht zuerst auf Unglauben, aber dann war es der junge Mearn, der Lionel auf einen Fehler aufmerksam machte, der diesem unterlaufen war. Er hatte vergessen, die Hochwerte der elektromagnetischen Störung einzukalkulieren. Als er seine Berechnung neu aufgestellt und durch den Suprasensor hatte überprüfen lassen, lag ein Resultat vor ihm, das ihn zwang, bei den Kollegen der Astrophysik anzurufen. „Wir hatten auch schon festgestellt, daß irgend etwas nicht stimmen konnte“, wurde ihm vorgehalten, „aber daß gerade Ihnen dieser simple Fehler unterlaufen konnte, Lionel!“ Die Rivalität zwischen den beiden Abteilungen kam wieder zum Vorschein. „Ich kann es auch nicht erklären“ erwiderte der gerügte Teamchef erbost, „beim nächsten Mal, wenn Ihnen eine Panne unterläuft, reibe ich Ihnen Ihren Fehler auch unter die Nase. Ende.“ Wütend schaltete er die Verständigung ab, und fragte – wie um sich abzureagieren – seine Kollegen, worauf nun die POINT OF zuflog. „Wenn die Astrophysiker es nicht herausfinden, wie sollen wir…“ Er unterbrach den Kollegen. „Reden Sie keinen Unsinn und verschanzen Sie sich nicht hinter der Astrophysik. An die Arbeit, meine Herren. Alle Messungen noch einmal durchführen, und jedes Resul-
tat gleich dreifach auf seine Richtigkeit kontrollieren. Bitte.“ Die Stimmung in der astronomischen Abteilung war nicht gut. * In rund 6.500 Lichtjahren Entfernung stand ein Pulk aus fünf Doppelkugelraumern – Schiffe der 700-Meter-Klasse – also Giganten im Gegensatz zur POINT OF. Der Verband flog eng gestaffelt in Keilformation. Eigentlich eine Belastung für jeden der fünf Kommandanten, aber weil sie wußten, was diesmal auf dem Spiel stand, hatten sie die Order, die Formation unter keinen Umständen aufzugeben, bisher streng befolgt. Wer Dro Cimc leitete persönlich den Einsatz – etwas, das es seit vielen Umläufen in der Flotte der Schwarzen Weißen, die sich selbst Tel nannten, nicht mehr gegeben hatte. Ein Wer betrat ein Schiff höchstens zur Inspektion, aber er machte keinen Raumflug mit. Darum hatte Dfasl, Kommandant der ZGUTH, geglaubt, degradiert zu werden, als der Wer sein Schiff betrat und ihm kurz erklärte, er übernähme die Kommandogewalt. Erst auf dem Flug in den Sternenraum waren Dfasl und auch die vier anderen Schiffskommandanten über den Zweck des Unternehmens aufgeklärt worden. In seinem Vortrag hatte der Wer unter anderem gesagt: „Wir haben inzwischen eine Erklärung für die Schiffs-Verluste, die unsere stolze Flotte in der letzten Zeit erlitten hat. Jedesmal, wenn die Verbindung zu unseren Schiffen abbrach, stellte die Strukturüberwachung einen Bruch des Kontinuums im Bereich des Kampfes fest. Dieser Ringraumer, den die Terraner – wie sie sich selber bezeichnen – benutzen, muß aus der Fertigung der Rakes stammen, wenngleich dieses Schiff zum Teil mit Waffen bestückt ist, die uns unbekannt sind. Welche Gefahr dieses Schiff darstellt, wird Ihnen begreiflich, wenn Sie sich unsere Verluste in der letzten Zeit vor Augen halten. Aus diesem Grund hat der Vank, nachdem das Unternehmen der siebzehn Sonnen gescheitert ist, einen Plan ausgearbeitet, der zur Vernichtung des Ringraumers führen muß, wenn wir ihn genau befolgen. Ich bin kein Fachmann, der Ihnen die einzelnen Abläufe erklären kann, aber soviel sei Ihnen gesagt, daß dieses Rake-Schiff in eine Falle einfliegen wird, in der ihm auch die Zeitverschiebung nichts mehr hilft. Sollte sie vom Kommandanten des Ringraumers eingesetzt werden, was von unserer Seite erhofft wird, dann beschleunigt er damit den Untergang seines Schiffes. Mehr als siebenhundert Einheiten unserer Flotte sind an diesem Unternehmen beteiligt. Sie und ich haben die Ehre, die Koordinatoren in diesem Fall zu sein. Studieren Sie bitte nachher die schriftlichen Anweisungen, die Ihnen mein Mih überreichen wird, und halten Sie sich immer wieder vor Augen, daß das Rake-Schiff vernichtet werden muß. Zur nächsten Besprechung werde ich Sie zu gegebe-
ner Zeit wieder auf die ZGUTH rufen lassen.“ Noch dreimal nach diesem Vortrag hatte der Wer sie auf die ZGUTH gerufen. Dreimal hatte er die vorzügliche Koordinationsarbeit lobend erwähnt. Nun saßen sie zum vierten Mal in der Brücke Wer Dro Cimc gegenüber. Mitten im Raum, kaum ein paar Meter von ihnen entfernt, stand freischwebend eine Sternenkarte. Ein rötlich leuchtender Punkt, der langsam seine Bahn zog, war der gejagte Ringraumer. Wer Cimc sichtete die letzten Meldungen, während die fünf Kommandanten sich flüsternd unterhielten und der Projektion hin und wieder einen kontrollierenden Blick zuwarfen. Als Dro Cimc den Kopf hob und die Unterlagen zur Seite schob, verstummte das Gespräch. Die drei blau funkelnden Diamanten als Verschluß des körpereng getragenen Tiks blitzten grell auf, als sich der Wer zurücklehnte und seinen Blick von einem zum anderen schweifen ließ. „Wir haben die Transition des Ringraumers verfolgen können und seine Sprungspur sogar im Hyperspace festgestellt. Die Wissenschaftler des Vank bezeichnen es als Novum und haben keine Erklärung dafür. Doch mit diesem Problem haben wir uns nicht zu beschäftigen. Uns genügt es, daß das Schiff eine Spur hinterläßt, die es auch durch Transitionen nicht verwischen kann. Im Laufe der drei letzten Zeiteinheiten war jeder Versuch erfolgreich, die Funkanlage des Ringschiffes lahmzulegen. Jeder Suchruf nach dem Raumer, den man POINT OF nennt, der aus jenem Bereich kam, in dem unsere Station zerstört wurde, konnte abgelenkt werden. Im Augenblick fliegt das Schiff einen Sektor der Galaxis an, der eine Pseudoballung von Quasaren darstellt. Unsere Wissenschaftler haben sich die Mühe gemacht, einen Pseudotyp zu entwickeln, den es in unserer Population nicht geben kann. Nach der logischen Wahrscheinlichkeitsrechnung werden die Terraner die Ballung als Quasarenbereich erkennen und darum so weit hineinfliegen, bis wir unsere Falle zuklappen lassen können. Damit läuft nun der letzte Teil des Planes an. Machen Sie jeden einzelnen Koordinator darauf aufmerksam, daß unter keinen Umständen die kleinste Panne geschehen darf. Die Kommandanten der siebenhundert Einheiten, die auf Qor im gleichen Abstand zum Ringschiff stehen wie wir zu ihm, haben nur die Aufgabe, die Pseudoballung konstant zu halten. Wir allein sind es, die die Falle schließen können. Darum hängt von uns allein der Erfolg des Planes ab.“ Dro Cimc wandte sich der projizierten Sternenkarte zu. Der Wer sprach flüssig und unmißverständlich. Er deutete den Sektor an, in dem die POINT OF untergehen sollte. Er sprach auch über die negative Auswirkung der Zeitverschiebung, wenn der Kommandant des Ringschiffes sie anwenden sollte. Aber fünf Kommandanten starrten ihn verblüfft an, als er sie aufforderte, Fragen zum Problem zu stellen. Auch dieses Einmalige unterstrich, welche immense Bedeutung der Vank ihrem Unternehmen beimaß. Noch nie in der ruhmreichen
Geschichte ihres Volkes waren mehr als siebenhundert Einheiten eingesetzt worden, um ein einziges Schiff, das aus der Produktion der Rakes stammen mußte, zu vernichten. „Wer, wenn das Ringschiff aber transitiert, was passiert dann?“ Dro Cimc blickte auf seinen Zeitmesser. Das Gesicht des schlanken, hageren Mannes, der seine elegante graue Uniform über der Brust glattstrich, zeigte ein hartes Lächeln. „Die POINT OF wird nicht transitieren, weil wir sie daran hindern müssen.“ „Wie können wir das Ringschiff daran hindern, Wer?“ fragte Dfasl, der seinen eigenen Mut nicht verstand, inquisitorische Fragen an Dro Cimc zu stellen. „Durch Q!“ Zwei Wörter, davon war ein Wort nur ein Buchstabe. Über ,Q’ wurde schon seit langem in der Flotte geflüstert, aber es gab keinen Kommandanten, der sagen konnte, auf welcher Basis diese neue Waffe überhaupt wirksam wurde. Unter den fünf Kommandanten brach Schweigen aus. Niemand wagte, eine Erklärung über Q zu verlangen. Q war ein Tabu, und gleich, welche Position einer innehatte: Wer gegen das Tabu verstieß, verwirkte sein Leben. Dfasl durchbrach die Stille, ein Mann, der in zahllosen Einsätzen sein Können bewiesen hatte und dessen Meinung zählte. „Wer, wir behaupten, das Ringschiff würde aus der Produktion der Rakes stammen: Aber dieses Schiff verfügt über eine bislang unbekannte Bewaffnung – die Kampfkraft ist daher schwer einzuschätzen. Angenommen der Fall, die Terraner haben nur die Ringform der Rakes nachgeahmt, ansonsten aber ihre eigene Technik verwendet – kann unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte von uns immer noch behauptet werden, daß wir das Schiff vernichten können?“ In der Brücke hielt sogar der Wer den Atem an. Dfasl hatte die Arbeit des Vank in Zweifel gezogen. Dfasl glaubte nicht an den erfolgreichen Ablauf eines Plans, den Wissenschaftler des Vank unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten ausgearbeitet hatten! Dfasl hatte sich in diesem Moment als Defätist zu erkennen gegeben – und ein defätistischer Kommandant konnte ohne Urteil als Brennmaterial verwendet werden. Der Kodex der Einheiten schrieb es vor. In diesem Punkt war er von unerbittlicher Härte! Die Stimme des Wers hatte metallischen Klang, als er Dfasl schneidend scharf fragte: „Sie zweifeln die Arbeit des Vank an?“ Dfasl richtete sich in seinem Sessel kerzengerade auf. „Nein, Wer. Ich zweifle die Arbeit des Vank und seiner Wissenschaftler nicht an, aber ich habe Sorge, ob der Kluis auch alle Möglichkeiten in seine Wahrscheinlichkeitsrechnung einbezogen hat. Darf ich daran erinnern, daß er schon dreimal versagte: Das erstemal, als wir die Gillir angriffen und ein Drittel der Flotte verloren. Ein zweites Mal, als die verbündeten Xoxu…“
„Genug!“ unterbrach ihn der Wer, dessen Gesicht trotz seiner ansonsten tiefschwarzen Hautfarbe jetzt schmutziggrau aussah. Seine Lippen zitterten, die Nasenflügel bebten, und in seinen grünen Augen stand das Leuchten unkontrollierter Wut. Zum zweitenmal hatte Dfasl einen sehr schweren Verstoß gegen den Kodex der Einheiten begangen, denn man sprach nie über die drei Niederlagen – die einzigen in der Geschichte des Volkes. „Ja, genug, Wer!“ sagte Dfasl, der den Wer trotzig anblickte. „Hoffentlich hat der Kluis auch diese drei Vorkommnisse in seine Wahrscheinlichkeitsrechnung einbezogen. Wenn ja, dann habe ich nichts mehr zu sagen. Dann weiß auch ich, daß wir den Ringraumer der Terraner vernichten werden!“ Hatte der Wer seine letzten Worte gehört? Die übrigen Kommandanten waren nicht dieser Meinung, und jeder von ihnen sah in Gedanken schon, wie Dfasl als Brennmaterial einem Konverter zugeführt wurde. Durch Wer Dro Cimc ging ein Ruck. Er erhob sich. „Warten Sie auf mich!“ Damit stampfte er aus der Brücke. Als er den Funkraum der ZGUTH betrat, wollte ihm der Diensttuende Meldung machen, aber herrisch winkte der Wer ab. „Verschaffen Sie mir eine Blitz Verbindung zum Vank, Region Kluis!“ Er wollte mit der Gehirnzentrale sprechen. Er wollte auch gegen den Kodex der Einheiten verstoßen, wie Dfasl es zu tun gewagt hatte. Wer Dro Cimcs Befehl war gehört worden. Der große Sender stieß über den Hyperspace seinen gerichteten Ruf aus. Ein rechteckiger Bildschirm, dessen Ecken abgerundet waren, flammte auf. Das Symbol des Kluis erschien auf der Scheibe. Der Kontakt zur Gehirnzentrale des Vank stand. Der Wer sprach offen. Je länger er sprach, um so deutlicher fühlte er das Entsetzen, das sich im Funkraum breitmachte. Von allen Seiten wurde er angestarrt. Viele hielten den Atem an, und nicht wenige unter ihnen sahen den Wer schon mit Schimpf und Schande aus den Einheiten ausgestoßen. Unverändert blieb das Symbol des Kluis auf dem Bildschirm, aber die Stimme, die über den zweiten Kanal kam, klirrte wie Eis. Herrisch unterbrach der Wer den unsichtbaren Sprecher. „Hier spricht Wer Cimc! Ich benötige keine dummen Belehrungen. Ich verlange nichts anderes, als daß die Wahrscheinlichkeitsrechnung des Kluis in den von mir vorgetragenen Punkten sofort überprüft wird.“ Hohn klang durch, als die Erwiderung kam: „Wer, Sie scheinen nicht begriffen zu haben, daß Sie mit dem Vankko sprechen.“ Es gab nur drei Vankko, aber es gab rund fünfzig Wer! Und der Vankko im Kluis unterstand direkt dem Vank, er hatte jederzeit Zutritt zu ihm. Ein Wer aber mußte erst um Audienz bitten, die ihm im günstigsten Fall nach einer Zeiteinheit gewährt wurde. Mit einer unheimlichen Ruhe in der Stimme sagte Dro Cimc: „Es ist
mir in diesem Augenblick völlig gleichgültig, mit wem ich spreche, und ich würde auch keine Rücksicht nehmen, meine Forderung in der gleichen Stärke dem Vank vorzutragen. Vankko, ich kenne Ihren Namen nicht, aber ich verlange binnen fünf Brucheinheiten, daß ich Antwort auf meine Fragen erhalte. Des weiteren mache ich Sie darauf aufmerksam, daß der Plan des Vank in der letzten Phase angelaufen ist. Vankko, ich warte nur fünf Brucheinheiten. Warte ich vergeblich, dann breche ich das Unternehmen ab.“ Als er sich umdrehte, blickte er in entsetzte Gesichter. Der Wer hatte dem Vankko gedroht wie noch nie jemand in der Geschichte ihres Volkes! Mußte er jetzt nicht verhaftet werden und als Brennmaterial verwendet werden? Alle warteten auf einen entsprechenden Befehl des Vankko. Dro Cimc verließ mit einem spöttischen Lächeln den Funkraum. * Eine Brucheinheit verging! Die zweite Brucheinheit verging! Im Funkraum wurde die Besatzung drei Brucheinheiten nach Dro Cimcs Ultimatum an den Vankko wie von einer Lähmung befallen. Die selbe Stimme, die noch vor kurzer Zeit im Vollgefühl der Macht dem Wer aus der Gehirnzentrale des Vank entgegengeklungen hatte, verlangte jetzt mit allen unverkennbaren Anzeichen einer Panik, Wer Dro Cimc zu sprechen. „Wo ist er? Warum hat er nicht gewartet? Warum erhalte ich keine Antwort? Ich muß den Wer sprechen. Sofort!“ Der Diensthabende schaltete sofort in die Zentrale zum Wer weiter. Auf dem Bildschirm vor Cimc erschien das Symbol des Kluis. „Wer Cimc, brechen Sie sofort das Unternehmen ab, aber lassen Sie die Pseudoballung bestehen. Der Kluis hat weder unsere Niederlage im Sektor der Diskotr berücksichtigt, noch die Möglichkeit, daß die Terraner ihren Ringraumer wohl nach dem Vorbild der Rakes gebaut, ihn aber mit ihrer eigenen Technik bestückt haben. Wir benötigen eine Zeiteinheit, um die Wahrscheinlichkeitsrechnung neu durchzuführen und den Plan darauf abzustellen.“ Wer Dro Cimc bestätigte die Anweisungen. Die anwesenden Offiziere atmeten erleichtert auf. „Vankko, teilen Sie dem Kommando der Einheiten mit, daß ich Kommandant Dfasl wegen außerordentlicher Verdienste außerhalb der Serie zum Kewir ernannt habe. Ihre neuen Direktiven erwarte ich in einer Zeiteinheit. Das Unternehmen werde ich sofort abbrechen.“ Auf dem Bildschirm verschwand das Symbol des Kluis. Wer Dro Cimc wandte sich ab. Niemand sah, wie heftig seine beiden Herzen schlugen. Die Galgenfrist für Ren Dhark und seine POINT OF war verlängert
worden. * Jos Aachten van Haag sah zwar Chris Shanton, den dicken Diplomingenieur, aber er konnte nicht mit ihm sprechen. Er und der Dicke wurden von den Giants verarztet. Sie behandelten ihre Gesichter. Man hatte Jos ebenso angeschnallt wie den zwei Zentner schweren Mann, der auch auf einem Schwebetisch lag und sich nicht rührte. Von einem Backenbart war nichts mehr zu sehen, den Haarkranz um die Glatze herum gab es auch nicht mehr. Shanton war die sekundären Merkmale seines Geschlechts, auf die er so verbissen stolz gewesen war, in der Welt der All-Hüter losgeworden. Unmerklich fiel Jos in Schlaf. Krachen und Donnern, Beben und Zittern weckten ihn. Als er wieder die Kraft hatte, die Augen zu öffnen, schloß er sie schnell wieder. Die Decke riß auseinander. Der Boden schüttelte sich wie unter einem schweren Erdbeben. Sein Schwebetisch schwankte wie betrunken hin und her, und nur die energetischen Fesseln verhinderten, daß er aus gut anderthalb Metern Höhe zu Boden stürzte. „Zum Teufel, was ist hier los?“ hörte er den orgelnden Baß des Dicken. Giants rannten vorbei, verschwanden. Das Krachen und Donnern nahm an Stärke zu. Scharfe Explosionen klangen auf, und unbeschreibliches Lärmen folgte ihnen. Eine besonders laute Explosion erklang neben dem Kopf des GSOMannes – und dann… …dann war er frei! Die Steuerung seines Schwebetisches war in die Luft geflogen! Er eilte zu Shanton hinüber und schaltete die Steuereinheit aus. „Sie?“ schnaubte der Dicke, als er erkannte, wer ihm die Strahlfesseln löste. „Haben Sie dieses Theater ausgelöst?“ Die Frage des Diplom-Ingenieurs weckte in Jos einen Verdacht. Die drei Schatten. Waren sie die Urheber der Katastrophe? Neben ihm brüllte jemand in Stentorstärke. „Mein Bart! Meine Haare! Ich drehe diesen Vögeln den Hals rum.“ Van Haag hatte keine Zeit, sich beim tobenden Shanton aufzuhalten, der seiner altmodischen Manneszierde nachweinte. Alle Giants verschwanden nach links durch ein Schott, das sich nicht mehr schließen konnte, weil die Wand verzogen war. Jos brüllte den Dicken an. „Können Sie Jimmy heranholen? Ja? Dann schnell. Wir haben drei Schatten hier.“ „Schatten? Welche?“ Shanton schnappte nach Luft. Aber die beiden Schatten gab es doch mit dem Tod der entarteten Cyborgs nicht mehr. „Wieso auf einmal drei?“
Jos verzweifelte. Der Dicke war von einmaliger Begriffsstutzigkeit. „Verflucht, Shanton, schaffen Sie Ihren Köter heran, oder wir gehen alle vor die Hunde.“ Die rechte Wand gab nach, eine Wand aus Metall, aber nicht aus Unitall. Ein paar tausend Tonnen schwer, mehr als drei Meter dick, kippte sie in den Raum hinein, der so etwas wie eine Medo-Station der Giants gewesen war. Jos und Shanton jagten zur linken Seite zurück. Hier deformierte sich die Schottöffnung. „Raus!“ brüllte Shanton, der seine Angst zeigte und den GSO-Mann mit sich riß. Dicht hinter ihnen brach der Boden ein. Er hatte den Aufprall der schweren Wandseite nicht ausgehalten. Beide Männer taten zur gleichen Zeit das gleiche: Sie schlossen ihren Raumhelm blitzschnell. Es war auch nötig, denn vor ihnen schmolzen Aggregate, lagen bewegungslose Giants herum oder verbrannten in den Stichflammen, die aus aufgerissenen Verkleidungen schossen. Shanton manipulierte an seinem kleinen Kommandogerät, mit dem er hin und wieder seiner Robotkonstruktion Befehle erteilte, wenn es dieser angenehm war, ihnen nachzukommen. Van Haag riß seinen Blaster hoch. Links von ihnen mußten sich die Wesen befinden, auf deren Konto diese Verwüstung ging. Dicht neben ihm schlug ein Blasterstrahl ein und verwandelte den Boden in glühendes Gestein. Im gleichen Moment schoß der GSO-Mann auf gut Glück aus seiner Waffe. Die Wand verging, wo der Strahl sie traf. Jos ließ den Strahl nach rechts wandern. Hier war nicht mehr viel zu zerstören. „Worauf schießen Sie denn?“ fragte da Shanton mit Brüllstimme über Helmfunk bei ihm an. „Ich will Schatten…“ Da wurde ein Schatten unter der Blasterenergie sichtbar. Die Umrisse eines Menschen?! Aber sahen die Schwarzen Weißen nicht auch wie Menschen aus, wenn man von ihrer schwarzen Hautfarbe absah? Etwas auf vier Beinen sauste an ihnen vorbei. Jimmy war da. Jimmy mit der Zunge aus der Schnauze, Jimmy, der Robot, schoß mit allen Energiereserven. Abwechselnd mit Blaster und mit Schocker! Er machte den zweiten Schatten sichtbar. Und dann riß es beide Schatten um! Zwei Schatten am Boden! Zwei Schatten, die ihre schattenhaften Glieder verdrehten und verrenkten. Schneller als seine menschlichen Begleiter stand Jimmy bei den Schatten. Der Abstrahlpol pendelte zwischen seinen beiden Opfern, die er nicht aus den Augen ließ, hin und her. Er glich einem Hund, der darauf wartete, seine Beute anzuspringen und zwischen die Fangzähne zu nehmen. „Der dritte scheint nicht in diesem Raum zu sein“, Jos sagte es im
Selbstgespräch. „In Deckung!“ gellte es ihnen über den Helmfunk in den Ohren. Sie warfen sich zu Boden. Dicht über ihrem Rücken zischte ein Blasterstrahl hinweg. Jimmy griff wieder aktiv ein. Aber andere von der anderen Seite auch. Die vier Cyborgs waren aufgetaucht. Der dritte Schatten stand im Blasterfeuer. Auch dieser Schatten ging zu Boden. Blitzschnell waren zwei Zentner Lebendgewicht über ihm, und eine sehnige Faust schlug dorthin, wo normalerweise das Kinn zu sein hatte. Shanton, der danach kniete, rieb sich seine rechte Hand. Aber wieviel menschlich verständliche Freude und Genugtuung lag in seiner Bemerkung, die die anderen über Helmfunk hörten: „Mann, habe ich dem eine gescheuert.“ Plötzlich wimmelte es von Giants. Sie schafften ihre Toten hinaus, als würden sie Unrat forträumen. Von den Schatten auf dem Boden zwischen den immer noch flammenspuckenden, schmelzenden Aggregaten nahmen sie keine Notiz. „Die Giants hat noch nie jemand richtig verstanden“, sagte Shanton unzufrieden und tastete dabei den dritten Schatten ab, dem er den Kinnhaken versetzt hatte. „Aber diesen Burschen hier kann ich fühlen, doch nur als Schatten sehen. Ich habe doch keine verdrehten Augen im Kopf.“ Er blickte auf und sah Holger Alsop an. „Sehen Sie ihn mit dem Zweiten System anders als ich, Alsop?“ „Auch nur als Schatten.“ Jos war mit Bram Sass und Marc Carrell zu den beiden anderen gegangen, die von schweren Trümmerstücken zu Boden gerissen worden waren. „Die sind tot“, sagte Jos Aachten van Haag nach kurzer Untersuchung ungerührt, und wollte noch mehr sagen, als er in seinem Kopf die Frage hörte: Ihr seid weiß, die drei anderen aber sind schwarz. Wißt ihr etwas über sie? Eine Stunde später konnten die Terraner diese Frage der Giants immer noch nicht beantworten, obwohl die drei Schwarzen Weißen, von denen zwei tot waren, ihr Schattendasein aufgegeben hatten. Fünf Giants, die den Terranern dadurch aufgefallen waren, daß sie ständig zusammenblieben, mußten wohl über medizinische Kenntnisse verfügen, denn sie untersuchten den dritten mittels aller möglichen Instrumente. Bram Sass und Lati Oshuta, die als einzige Cyborgs jemals mit Robotern der Schwarzen Weißen zusammengekommen waren, konnten hier auch nicht weiterhelfen. Eigenartig war dazu, daß die Giants nicht einen Versuch unternahmen, mit ihren Besuchern in telepathischen Kontakt zu treten. Plötzlich ging eine starke Veränderung mit dem Schwarzen Weißen auf dem Untersuchungstisch vor sich. Die giantische Fünfergruppe wurde von einer unerklärlichen Aktivität erfaßt. Schlangenzischen
war zu hören. Neue Geräte wurden herangefahren, und als dem Schwarzen Weißen eine Maske über Mund und Nase gestülpt wurde und leises Zischen zu hören war, begriffen die Terraner, daß auch das Leben des dritten Gefangenen gefährdet war. Zehn Minuten später war er tot. Seine Lungen haben sich geweigert, Sauerstoff aufzunehmen! Die Schwarzhäutigen sind anders als ihr. Jeden von euch können wir künstlich mit Sauerstoff versorgen, aber keinen Schwarzhäutigen! „Warum nicht?“ fragte Jos Aachten van Haag. Aber der GSO-Agent erhielt keine Antwort darauf. Die Cyborgs standen nur ruhig daneben und registrierten alles. Kurz darauf führte man die Männer hinaus, nur von einem Giant begleitet. Sie waren wieder ahnungslos, als sich nach einem kurzen Weg über einen hell beleuchteten Gang linker Hand ein Schott öffnete und sie aufgefordert wurden, einzutreten. Beinahe hätten sie gesagt: Wir sind zu Hause. Sie befanden sich in einem Raum, der der Kantine in der Ringraumerhöhle auf Hope glich, nur daß er mit allem nur erdenklichen Luxus ausgestattet war, und fünf Schwebetische, die jeweils von drei Sesseln umstanden wurden, luden sie zum Sitzen ein. „Wenn ich jetzt meinen Cognac Napoleon geliefert bekomme, glaube ich alles“, sagte Chris Shanton leichtsinnig. Er bekam sein Getränk, das wie Cognac Napoleon schmeckte, und die anderen Speisen und Getränke, die sich jeder gewünscht hatte. Danach setzte unter den sechs Männern eine lebhafte Diskussion ein. Besonders Marc Carrell, der Cyborg der neuen Serie, war mit seinem ungewöhnlichen Programmwissen eine außerordentliche Hilfe. „Die Giants sind also eine Schöpfung der Mysterious“, faßte Holger Alsop zusammen. „Auf diesem Planeten erzeugen sich die Roboter selbst, nachdem die Grundmodelle dazu den Auftrag und das Können erhalten hatten. Aber wer waren die Giants, die Terra besetzten, die von einem Cal regiert wurden und dann spurlos verschwanden? Sie nannten sich doch auch die All-Hüter! Und wieso wollten sie nicht wissen, woher sie kamen?“ Chris Shanton, der sich inzwischen damit abgefunden hatte, keinen Backenbart mehr zu haben, schaltete sich ins Gespräch ein. „Unsere Schlußfolgerungen können nicht stimmen. Wozu hätten die Mysterious, die über dieses phantastisch anmutende Transmitter-Straßensystem verfügten, Giants als All-Hüter entwickeln sollen? Das hatten die Geheimnisvollen gar nicht nötig. Und Roboter in dieser anfälligen Form, wie wir sie in den Giants haben, können meines Erachtens keine Entlastung, sondern nur eine Belastung für die Mysterious gewesen sein. Wenn wir von der Überlegung ausgehen, daß die Giants schon existierten, bevor die Mysterious zwischen den Sternen auftauchten, und die Mysterious sie nicht nur duldeten, sondern ihnen bei ihrem Vermehrungsprozeß auch noch
halfen, dann kann zum Schluß im robotischen Unterbewußtsein der Giants – es sei erlaubt, mich so auszudrücken – eine Art Dankbarkeitsgefühl gegenüber den Geheimnisvollen zurückgeblieben sein. Und aus diesem Gefühl der Verpflichtung heraus, das sie dann ihrer Schablone hinzufügten, machten sie sich zu den All-Hütern.“ „Sie haben darüber die Kontrolle der Transmitter-Straßen vergessen, mein lieber, bartloser Shanton!“ warf Jos Aachten van Haag harmlos spottend ein. „Keineswegs!“ grollte der Dicke, der mit der Hand unwillkürlich über sein bartloses Kinn gefahren war. „Denn die Kontrolle der Transmitter-Straßen bekamen die Giants erst nachträglich von den Mysterious zugeteilt, als sich alle schon durch den Zusatz in ihrer robotischen Schablone als All-Hüter fühlten. Nichts weiter als Beschäftigungstherapie der Geheimnisvollen!“ „Und wozu hat dann diese Kantine gedient, Shanton?“ fragte Holger Alsop, der weiter auf sein Zweites System geschaltet hatte und die abenteuerlichen Theorien Shantons analysierte. Er deutete auf die Unitallwand, aus der nach Wunsch die mannigfaltigsten Gerichte und Getränke, die alle auf synthetischer Basis hergestellt waren, auftauchten. Wenn sie auch manchmal nicht ganz den Vorstellungen des Bestellers entsprachen und auch hin und wieder etwas fremdartig im Geschmack waren, so stellten sie doch den verwöhntesten Feinschmecker zufrieden. Haushoch waren sie jenen synthetischen Nahrungsmitteln überlegen, mit denen die Bevölkerung Terras sich zum Teil immer noch zufriedengeben mußte. Shanton zögerte einen Moment mit seiner Antwort, und schon hatte Alsop seine nächste Frage gestellt. „Wir kennen bisher nur ein paar Transmitter-Straßen, höchstens ein Tausendstel von allen. Weshalb sind diese Straßen nicht von den Giants benutzt worden?“ „Das ist doch nackte Hypothese“, fauchte der Dicke, der sich in die Enge getrieben fühlte. „Ich würde mit solchen Bemerkungen vorsichtiger sein. Erinnern wir uns der Giants, die Kugelraumer flogen, und auch daran, daß sie nicht wußten, woher sie kamen. Shanton, solange wir nur über ein Bruchstückwissen verfügen, sollten wir uns jeder Spekulation enthalten.“ Das Schott, durch das sie eingetreten waren, öffnete sich. Zwei Giants in mausgrauer Uniform blieben in der Öffnung stehen. Wollt ihr uns folgen? Sie führten sie zum Kontrollraum der Transmitter-Straßen zurück. Wie angewurzelt blieben die Terraner abermals auf der breiten Galerie stehen. Das Aussehen der Strahlbahnen hatte sich verändert. Sie blickten auf eine phantastische Ausschnittvergrößerung. Zwei Knotenpunkte an den Enden einer Strahlbahn beherrschten das Bild. Doch von beiden Knotenpunkten verliefen viele sehr schwach leuchtende Bahnen in alle Richtungen. Zwei davon waren
aktiv. Im Halbkreis umstanden die Männer das Schaltpult, an dem drei Giants ihren Dienst versahen. Sie nahmen neue Einstellungen vor. Der gewaltige Leerraum der riesigen Hohlkugel wurde verdunkelt. Das Leuchten nahm dementsprechend an Intensität zu. Immer mehr Sterne erschienen auf dem samtschwarzen Hintergrund, und dann stieß Chris Shanton fassungslos aus: „Das Col-System mit seiner Doppelsonne.“ Die beiden weiß leuchtenden Himmelskörper waren deutlich zu erkennen, aber auch die achtzehn Planeten, die ihre Muttergestirne umliefen, und der fünfte Planet, der von den Menschen Hope getauft und mehr als 50.000 Kolonisten für Jahre zur Heimatwelt geworden war. Zu erkennen waren nicht nur seine drei Monde, sondern auch unmißverständliche Anzeigen, daß sich auf ihm das Ende zweier Transmitter-Straßen befand Und die waren nach beiden Richtungen hin aktiv. Ihr beide habt diese Straße benutzt! Der Giant, der rechts neben ihnen stand, sah Shanton und Jos mit unbeweglichem Blick an. Welche denn? wollte Jos Aachten van Haag fragen, als eine dritte Bahn sich veränderte, die von den Männern kaum beachtet worden war. Gleichzeitig wurde im Bereich ihres Endes ein Sternbild sichtbar. Die Sternenbrücke! Von Planet 1 im Zwitt-System führte die Straße über den Abgrund aus Zeit und Raum zu jener Welt, die auf dem Grund ihres Ozeans eine Raumschiffwerft der Mysterious besaß. Und ihr vier seid von dort gekommen! Damit waren die Cyborgs angesprochen worden, und gleichzeitig hatte sich auch eine vierte Strahlbahn verändert. Die Welt der Barrans war sichtbar geworden, eine Welt, die weit außerhalb der anderen Bahnen lag. Aber wir können nicht feststellen, auf welchem Weg die drei Schwarzhäutigen uns erreicht haben! Keiner der Cyborgs hatte auf sein Zweites System geschaltet, jeder wollte die Gedankenimpulse des Giants vernehmen und informiert sein. Chris Shanton und Jos Aachten van Haag hatten eine Ahnung, über welche Straße die Schwarzen Weißen hier eingebrochen waren. Shantons Gedanken wurden aufgefangen, und zugleich kam darauf die Erwiderung: Wir haben aber nur zweimal eine Aktivität dieser Straße beobachtet. Shanton brachte es fertig, sogar ein telepathisches Gespräch zu unterbrechen. Dann gibt es nur eine Erklärung, wenn eure Beobachtungen richtig sind: Die drei Schwarzen Weißen, oder die Schwarzhäutigen, wie ihr sie nennt, haben zusammen mit unseren vier Cyborgs, jedoch von
diesen unbemerkt, die Transmitter-Straße benutzt. Und nicht nur wir, sondern auch sie sind durch den Schweber in diese Anlage gebracht worden. Die anderen Männer vernahmen nur die telepathischen Bemerkungen des Giants, aber nicht die ihrer Freunde. Hastig sagte Shanton ihnen deshalb, was er gerade gedacht hatte. „Kann nicht stimmen“, warf Jos ein. „Jimmy hätte sie entdecken müssen!“ Und er dachte zugleich an dessen erstklassige Ortungsanlage, die ihm der Dicke eingebaut hatte. „Moment!“ polterte Shanton, bückte sich nach Jimmy, öffnete mit schnellem Griff seine Bauchdecke und betätigte einen Schalter. Die Blechstimme des Scotchterriers klang auf. Er gab seine gespeicherten Erkenntnisse ab. Ortungsanlage blockiert. Waffensystem gesperrt. Funksektor lahmgelegt. In dieser Tonart ging es ununterbrochen weiter. Doch dann hatte der Speicherteil etwas anderes auszusagen. Noch vor Passieren des Konkavspiegels wurden die Sperren langsam wieder abgebaut. Seine Individualortung hatte drei Personen erfaßt, die nicht zu erkennen und im nächsten Moment verschwunden waren. Hier auf der Galerie wurden sie zum zweiten Male erfaßt und unter Blasterfeuer genommen. Durch den Beschuß zeigten sie sich als Schatten. Shanton hatte seine Gedanken völlig auf Jimmys Angaben konzentriert. Auch die auf telepathischer Grundlage lauschenden Giants erhielten auf diese Weise sofort alle Informationen. Der Dicke hatte Jimmys Bauchdecke wieder geschlossen und richtete sich auf. „Einen Augenblick keine Störung, meine Herren. Ich möchte den Giants zusätzliche Informationen liefern und zugleich auch eine Reihe von Fragen stellen. Der gesamte Komplex betrifft unseren Zusammenstoß mit den beiden entarteten Cyborgs, den Schwarzen Weißen und der Vernichtung des Doppelkugelraumers.“ Er konzentrierte sich darauf, während er aus zwei Paar Raubtieraugen unverwandt angeblickt wurde. Die sie begleitenden Giants lauschten. Wir kennen keine Schiffe, wie ihr sie gesehen habt! Es wurde immer unwahrscheinlicher. Die Giants kannten auch die Kugelraumer ihrer Artgenossen nicht. Der Cal war ihnen ein unverständlicher Begriff! Schiffe vom Typ des Ringraumers wollten sie noch nie gesehen haben! Und in ihrem Wissen gab es nicht den kleinsten Anhaltspunkt über die Mysterious. „Wie bei den Cal-Giants!“ stellte Alsop fest, der in der Zeit seines Studiums, als er robonische Entwicklungslehre belegte, auch alle Informationen über die Giants gesammelt hatte. Die beiden hellgrauen Raubtierwesen in der mausgrauen Uniform hatten auf die Frage, wer denn die Kantine eingerichtet hätte, nur die lapidare Antwort: Sie war schon immer da! „So kommen wir nicht weiter“, stellte Marc Carrell fest. „Wir selbst
sind keine Experten. Wir sollten so schnell wie möglich Terra unterrichten, und am besten diese beiden Giants bitten, uns zur Erde zu begleiten.“ Die Überraschung ließ nicht auf sich warten. Wie soll das denn geschehen? „Natürlich über die Transmitter-Straßen.“ Sie sind jedem All-Hüter verschlossen! „Sterne und Boliden“, fluchte Jos Aachten van Haag, „jetzt reicht mein Verstand nicht mehr aus, um auch das noch zu begreifen.“ * Durch den SOS-Ruf, der verstümmelt auf Planet 1 aufgefangen worden war, konnte die Position des S-Kreuzers, der sich in Raumnot befand, genau bestimmt werden. Mit höchstzulässiger Beschleunigung hatte Colonel P.S. Clark mit seinem Verband von fünfundvierzig Ringraumern – der Rest blieb als Reserve zurück – das Zwitt-System verlassen, war durch den Strahlenschlauch der Sternenbrücke in den freien Raum gebrochen und transitierte schon zwanzig Minuten nach dem Start von Planet 1. Colonel Clark, der sein Schiff, die QUEEN KELLY, selbst führte, wartete immer ungeduldiger auf die Meldungen. Als sie nicht einliefen, beorderte er C-234, C-235 und C-236, das Gebiet mit höchster Geschwindigkeit zu umfliegen. „Vermeiden Sie aber Transitionen. Wenn es hier nicht geheuer ist, wollen wir andere nicht mit Gewalt auf uns aufmerksam machen.“ Die drei S-Kreuzer setzten sich ab und verschwanden im Dunkel des Raumes. Die übrigen Schiffe suchten nach Plan weiter. Ihre Ortungen stießen tiefer ins All vor. Drei Meteoriten konnten die Spezialisten nur für ein paar Minuten täuschen, dann waren sie als tote Gesteinstrümmer erkannt. P.S. Clark ließ das Resultat der Funkpeilung noch einmal überprüfen und verglich den Standort seiner Schiffe mit den angegebenen Koordinaten. Unzufrieden sagte er zu seinem Kopiloten: „Wir können ein paar tausend Kilometer vom genauen Punkt entfernt sein, aber was spielt das schon für eine Rolle. Zum Donnerwetter, eins der Schiffe…“ „Colonel“, kam der Durchruf aus der Funk-Z, „wir empfangen auf der Spezialviphowelle. Standort des Senders: der zwanzigste Planet. Ein übler Bursche mit einer Schwerkraft von 3,2 Gravos, CyanAtmosphäre.“ „Verraten Sie mir doch bitte auch, wie weit wir von diesem Planeten entfernt sind“, säuselte Clark über die Verständigung und verriet damit, daß seine Stimmung nicht gerade die beste war. „382 Millionen Kilometer.“ „Okay. Verbindung mit C-241 und mit C-246. Ich muß die beiden Kommandanten sprechen.“
Acht Minuten später setzten sich die zwei S-Kreuzer zum zwanzigsten Planeten ab. Auf dem Bildschirm verfolgte Clark, wie die Schiffe schnell kleiner wurden und dann in der Raumtiefe verschwanden. Die ersten Meldungen liefen von den drei Ringraumern ein, die das System vor der äußeren Bahn umrunden sollten. „An Colonel Clark von C-235. Keine Beobachtungen, nur Funk-Z fängt auf der Frequenz der Spezialviphos Blips auf, die vom zwanzigsten Planeten kommen.“ „Die auch“, sagte Clark halblaut und drehte sich mit seinem Sessel um. In der rechten Ecke der Kommandozentrale arbeiteten drei Offiziere am Suprasensor. „Überprüfen Sie doch noch einmal alle Möglichkeiten, aber ganz besonders den Fall einer Fehltransition. Wie sonst sollte der vermißte Verband in diese Ecke der Galaxis kommen.“ Er hatte nicht lange auf die Auswertung zu warten. „Colonel, eine Fehltransition, die den Verband in diesen Sektor gebracht haben könnte, ist völlig ausgeschlossen.“ „Auch bei einem glatten Versagen des Bordsuprasensors?“ wollte Clark wissen, der wie jeder andere S-Kreuzerkommandant bedauerte, daß die erbeuteten Ringraumer keinen Checkmaster besaßen. Deshalb hatte man aus der Not eine Tugend gemacht und allen SSchiffen hochwertige Suprasensoren als Bordgehirne eingebaut. „Dann müßte der Suprasensor schon besoffen gewesen sein.“ „Wie bitte?“ fuhr Clark dazwischen, der die geflüsterte Bemerkung verstanden hatte. „Bei der TF gibt es nichts, was besoffen sein kann! – Wenigstens offiziell“, fügte er dann noch schnell hinzu und grinste leicht. Für sich selber dachte er Oder bei Anordnung! und erinnerte sich dabei an seine Ausbildungszeit in der CallistoAkademie. „Sorry, Colonel“, entschuldigte sich der Oberleutnant, dem die Bemerkung herausgerutscht war, „aber auch ein ,betrunkener’ Suprasensor hätte den Pulk nicht auf diese Position bringen können. Sie liegt allein auf Grün um 123 falsch. Auf Rot kommen wir sogar auf 167. Der Verband kann doch nicht in der Transition eine Drehung um fast 14 Grad gemacht haben.“ „Dann müßte sich jemand einen üblen Scherz erlaubt haben.“ Die Funk-Z war wieder da. „Verbindung mit C-242, Colonel.“ Von diesem S-Kreuzer kam die Meldung: „Wir empfangen die Blips eines Spezialviphos immer deutlicher, aber auf alle Durchrufe haben wir bisher keine Antwort bekommen.“ „Halten Sie höchste Alarmbereitschaft!“ mahnte Clark den Kommandanten der C-242. „Mir gefällt die Sache immer weniger.“ Kurz darauf setzte er einen Lagebericht über To-Funk nach Terra ab. „Wo stecken Sie, Colonel?“ kam vom Stab der TF die Rückfrage. „Sie haben Planet 1 wieder verlassen?“
Verblüfft musterte der Offizier im Funk des Stabes seinen KontrollOszillo. Der zeigte keine Amplitude mehr. Der Kontakt zu Clarks SKreuzern war unterbrochen. * Die Antennen der Ringraumer schossen ununterbrochen Nadelstrahlfeuer. Das Heulen der Aggregate, Konverter und Transformer in den Schiffen wurde lauter. Mit steigender Präzision schossen sich die Offiziere der Waffensteuerungen auf den unheimlichen, hinterlistigen Feind ein. Als Zielpunkte hatten sie nur den Beginn der Kampfstrahlen, die ihnen entgegenschlugen. „Großer Himmel, mit wem haben wir es denn eigentlich zu tun, der uns so nett empfängt?“ rief Clark wütend zu den Ortungen. „Keine Auskunft möglich. Gegner nicht zu erkennen. Ortungsschutz ist nicht zu durchbrechen!“ lautete die militärisch knappe Antwort, in der alles enthalten war. Unwillkürlich mußte P.S. Clark an die Nogk und ihren verzweifelten Kampf gegen einen unsichtbaren Gegner denken, der erst mit Hilfe von Terras Ringraumern hatte entschieden werden können. Hatten sie es jetzt mit dem gleichen Gegner zu tun? „Treffer!“ brüllte der Kommandant der C-247, als nur ein paar tausend Kilometer vor seinem Schiff eine Sonne entstand und innerhalb Sekunden explodierte. Dann ging es Schlag auf Schlag. Die zwölfte Sonne verpuffte. Die dreizehnte war der S-Kreuzer C-249. Er löste sich mit seiner Mannschaft in Atome auf. Von C-241 kam eine Warnung. „Colonel, ein unsichtbarer Raumschiffverband hat den 20. Planeten verlassen und rast Kurs Kampfposition!“ Dann gab die C-241 keine Antwort mehr, und von der C-242 kam nur noch der Anfang eines Notrufes durch, der mitten im Wort abriß. Dreizehn Schiffe hatte Colonel P.S. Clark schon verloren, gegen einen Feind, von dem er nichts wußte! Das untere Intervall der QUEEN KELLY stand nicht mehr, das obere wurde durch Strahlvolltreffer bis dicht vor den Zusammenbruch belastet. Clark schaltete den Sternensog ein. Titanische Kräfte, im Brennpunkt entwickelt, rissen das Schiff aus seiner Position und schleuderten es, während die Andruckausgleicher im Raumer satanisch heulten, dem Inferno entgegen. „Alle Energie auf Antrieb und Intervalle. Waffensteuerung aus!“ Clark setzte alles auf eine Karte! Er trat die Flucht nach vorne an! Der obere Miniweltraum hielt stand, das untere Intervall baute sich wieder auf! Wunderbar gehorchte das Ringschiff jedem Steuerimpuls. Es raste mit Überlicht dem unbarmherzigen Angreifer entgegen. Der Sternensog arbeitete exakt. Die fremden Intelligenzen an Bord der geg-
nerischen Schiffe mußten ihn für einen Selbstmörder halten. Dann drang das Schiff in den Gegner ein! Sternensog aus, auf Sle umschalten! Im Schiffsrumpf tobten die dreiundzwanzig halbkugelförmigen Energieerzeuger. Die Andruckabsorber heulten infernalisch auf! Nur noch 0,15 Lichtgeschwindigkeit, weiter fallend! „Volle Energie auf die Strahlwaffen!“ Die rosafarbenen, überlichtschnellen Nadelstrahlen tobten sich nach allen Seiten aus. Alle Antennen des Ringraumers waren auf Waffe geschaltet worden. Der S-Kreuzer konnte in dieser Lage weder einen Funkspruch auffangen noch abstrahlen. Clarks Augen weiteten sich. Die Bildschirme über dem Instrumentenpult zeigten plötzlich mehr als nur das grelle Feuer der Vernichtungsstrahlen. „Dauerfeuer! Dauerfeuer! Draufhalten!“ Das Unsichtbare wurde sichtbar. Ein Koloß! Ein irrsinniger Gigant – irrsinnig in der Konstruktion. Sie sind schon wieder da! Sie, die den Nogk die Hölle heiß machen wollten! Sie mit ihren Riesenstationen! dachte er und wurde bei jedem Gedanken ruhiger. Die QUEEN KELLY war in einer riesigen Halle abgebremst und zum Stillstand gebracht worden! Sein S-Kreuzer traf mit jedem Schuß! Das Unsichtbare wurde unter diesem Überfluß von Fremdenergie sichtbar! Drei weit vorspringende Galerien, die im glosenden Feuer lagen – Galerien, mit schmalen und langen Vorsprüngen - und diese schmolzen schon. Dazwischen schattengleich hin- und herrasende Flugkörper. Sie zerplatzten wie trockene Erbsen, wenn sie in einen Nadelstrahl gerieten. Alle fünfundvierzig Antennen feuerten ununterbrochen. Nicht eine einzige setzte für eine Sekunde aus. Da kam die NEMESIS! Drei andere S-Kreuzerkommandanten hatten Clarks Himmelfahrtsmanöver nicht übersehen. Sie waren mit ihren Schiffen nachgestoßen. Auch mit Hilfe des Sternensogs und im Schutz ihrer Intervalle! Auf vier S-Schiffen feuerten die Antennen, deren Aufgabe es war, den unmenschlichen Gegner zu vernichten. „Colonel, was sehe ich denn eigentlich?“ rief der Kopilot seinem Kommandanten hilflos zu. „Verraten Sie es mir, und ich wäre glücklich!“ knurrte Clark, der
sich die Augen rieb, weil er dieses Irrsinnige, Verbogene und Verdrehte nicht begreifen konnte. Er mußte an Huxley denken, der mit einer ähnlichen Station als erster seine Erfahrungen gesammelt
hatte. Was hatte er über ihre Größe gesagt? Acht Kilometer Durchmesser? Eine einzige Station? Die Bildschirme schienen auseinanderzufliegen. Sie wurden mit den gleißenden Stichflammen, den tobenden Explosionen und grellen Energieausbrüchen nicht mehr fertig. Rot! Weiß! Weiß! Und wieder Rot! Rot im grellsten Leuchten! Schatten, die riesige Trümmerstücke waren und quer durch das Innere eines verdrehten Giganten flogen. Und dann kippten sieben Steuerschalter im gleichen Moment in andere Positionen. Clark flüchtete! „Absetzen!“ schrie er über To-Funk den Kommandanten der drei anderen S-Kreuzer zu. Hoffentlich hatten sie ihn verstanden. Hoffentlich blieb ihnen noch Zeit, die auseinanderfliegende Hölle zu verlassen! Sie war zu einer Sonne geworden, diese Hölle aus Explosionen, Licht, Energien und Umwandlungsprozessen! Ein Raumer von dreien war ihm gefolgt, die anderen zwei gingen in der künstlichen Sonne, die sich mit rasender Geschwindigkeit aufblähte, unter. Clark hatte keine Zeit, an die vernichteten Schiffe zu denken. Es gab noch eine zweite Riesenstation! Ein Gigant, dessen Ortungsschutz vollständig und dessen Deflektorschirm einzigartig war. Clark brüllte die Namen von drei Kreuzerkommandanten, die ihm bei seinem gewagten Manöver folgen sollten. „Wir folgen!“ kam der To-Funkspruch bei ihm an. Die vier Ringraumer flogen im Schutz ihrer Intervalle in das Fremde ein! Die restlichen Ringraumer nahmen die feindliche Station unter Punktbeschuß. Genau sieben Minuten und drei Sekunden später gab es auch das zweite Monstrum nicht mehr. Die Vernichtung der zweiten Station hatte aber noch einmal fünf SKreuzer gekostet. Insgesamt hatte Clarks Verband zwanzig Ringraumer verloren. Ringraumer, die bislang als fast unschlagbar gegolten hatten, waren von einem unheimlichen Gegner unglaublich schnell und fast chancenlos vernichtet worden! Die TF hatte den größten Verlust erlitten, seitdem die Terranische Flotte mit den neuen Raumern ausgestattet worden war. Colonel P.S. Clark sprach wieder über To-Funk mit dem Stab in Cent Field. Er kam sich nicht als Feldherr vor, der eine Schlacht gewonnen hatte. Es fiel ihm schwer, zu berichten, zwanzig stolze Ringraumer verloren zu haben. Daß er mit seinem Verband dabei zwei gigantische Stationen eines ihnen unbekannten Gegners vernichtet hatte, erfreute ihn unter diesen tragischen Aspekten nicht mehr. „Kommen Sie mit Ihrem Pulk zurück, Colonel. Zurück nach Cent
Field. Larsen und Szardak sind nach Planet 1 unterwegs und werden dort Ihre Aufgabe übernehmen. Der Stab erwartet von Ihnen sofort nach der Landung einen detaillierten Bericht. Marschall Bulton und Henner Trawisheim werden zugegen sein. Ende.“ Clark gab die Order an den Restverband und die in der Sternenbrücke verbliebenen Raumer weiter. Dann sah er seinen Ersten Offizier fragend an. „Ich soll dem Stab vortragen. Was denn? Irgend etwas von schwarzen Stationen? Die erklären mich doch für verrückt! Von der Praxis haben die doch sowieso keine Ahnung. Die suchen doch jetzt nur noch einen Schuldigen! Na, schauen Sie mich nicht so dumm an. Was zum Beispiel würden Sie den klugen Stabsoffizieren erzählen?“ Der zuckte zuerst einmal mit den Schultern, dann sagte er: „Daß wir angegriffen wurden und zurückschossen. Daß Sie dann in so ein großes Ding einflogen, und daß drei andere S-Kreuzer nachkamen. Und daß dann das Ding schließlich auseinanderflog. Und kurz darauf das zweite auch.“ „Das würden Sie dem Stab erzählen, Pentkowski?“ „Was denn sonst, Colonel?“ „Hm“, Clark schüttelte den Kopf und rieb sich das Kinn. „Ich würde so etwas nie zu erzählen wagen. Und nie in dieser Form, denn man beginnt keinen Satz mit ,daß’, und man nennt ein ,Ding’ niemals Ding.“ „Colonel, was war es denn? Sagen Sie es mir doch“, forderte ihn Oberleutnant Pentkowski auf. „Ich? Ich soll es Ihnen sagen? Wieso denn? Ich weiß es doch auch nicht, wie das verdammte Ding ausgesehen hat.“ „Sagten Sie ,Ding’, Colonel?“ fragte Pentkowski und brachte sogar ein vergnügtes Grinsen zustande. Die Antwort, die P.S. Clark seinem Oberleutnant gab, war nicht druckreif. * Kurs und Geschwindigkeit der POINT OF waren unverändert, und das Flaggschiff der TF näherte sich unaufhaltsam dem Zentrum des immer noch nicht erkennbaren Störungsbereiches. Ren Dhark blickte auf sein Chrono. „Ich gebe den Experten noch zehn Minuten, und haben sie mir dann immer noch keine präzisen Angaben zu bieten, dann gehen wir in Transition.“ Er drehte sich zu den Offizieren am Checkmaster um. „Programmieren Sie einen Sprung über 8.000 Lichtjahre. Transitionsrichtung wie gehabt.“ „Du willst also vor und nicht hinter der Dunkelwolke herauskommen, Ren?“ fragte Dan Riker, der die Sternenkarte studierte, die ein Astronomenteam erst vor knapp einer Stunde entwickelt hatte, und auf der alle wichtigen Sterne bis auf 10.000 Lichtjahre erfaßt waren. „Warum läßt du unseren Experten plötzlich keine Zeit, zu untersuchen, ob wir es mit Quasaren oder mit einem anderen
Phänomen zu tun haben? Auf ein paar Stunden mehr oder weniger kommt es doch nicht an.“ Dhark warf seinem Freund einen vielsagenden Blick zu. „Du hast Arc Doorn auf Planet 1 vergessen. Wir haben ihn und seine Assistenten nicht verpflichtet, über unseren Versuch mit dem Materiesender strengstes Stillschweigen zu bewahren. Erfahren unsere Männer davon, dann werden sie sich fragen, wieso sie so etwas Einmaliges vergessen konnten, und was sich dann daraus entwickelt, können wir nicht einmal erraten. Ich bin froh, daß sie die Erklärung mit der angeblich posthypnotischen Beeinflussung als Wahrheit ansehen!“ „Okay. Auch Lügen mit Mentcaps haben kurze Beine. Da, Ren, Lionel will dich sprechen.“ Er deutete auf die kleine Bildscheibe der Verständigung. Der Bordastronom sah unternehmungslustig aus. „Dhark, wir haben es doch mit Quasaren zu tun, auch wenn der Checkmaster hundertmal das Gegenteil behauptet. Dafür haben wir auch eine Erklärung, denn die Quasare, auf die wir zufliegen, dürfte es nach der Meyrinkschen Kette in unserer Galaxis gar nicht geben. Sie sind, wenn ich die Sterne unserer Milchstraße unter dem Begriff Rasse zusammenfassen darf, rassefremd. Wir haben es mit dem hochinteressanten Fall zu tun, auf Quasare gestoßen zu sein, die sich aus dem Verband ihrer Galaxis vor Abermillionen Jahren trennten und dann vor nicht, allzu langer Zeit von unserer Population eingefangen wurden.“ „Haben Sie Ihre Arbeit durch den Checkmaster überprüfen lassen, Lionel?“ Der Glanz in den Augen des anderen verschwand. „Natürlich nicht, denn der Checkmaster wird sagen, wir hätten Unrecht, doch in diesem Fall werden wir keinen Schritt von unseren Erkenntnissen abweichen. Im Gegenteil, ich bin beauftragt, Sie zu…“ Dhark kappte die Verbindung. „Was ist denn ich dich gefahren?“ fragte Dan Riker bestürzt und stellte sofort fest, daß Ren Dhark ihm nicht zuhörte. Er folgte dessen Blick, und im gleichen Augenblick verkrampften sich seine Hände um die Lehnen seines Kopilotensessels. Die Wiedergabe der Bildkugel war von erschreckender Fremdheit. Sie zeigte keine Sterne mehr, aber ein fahles Gelb, das aus allen Richtungen auf die POINT OF zustürzte. „Nottransition!“ befahl Dhark mit klirrender Stimme. Die Gedankensteuerung meldete sich. Transition nicht durchführbar! Größte Gefahr für das Schiff! Schalte auf Sternensog und versuche nächsten Planeten zu erreichen! Ren Dhark glaubte, mit offenen Augen geträumt zu haben. Seine POINT OF befand sich in Gefahr? Mit aller Energie konzentrierte er seine Gedanken: Zeitverschiebung benutzen! Nichts geschah!
Die vermeintlichen Quasare sind keine Quasare, sondern nichts anderes als eine atompische Biegung der Konstanten. Die Zeitverschiebung würde im Bereich der Zeitkonstante zu einem Bruch führen und die POINT OF in eines der Universen schleudern. Kein Mensch in der Zentrale verstand den Ausdruck atompisch, auch Ren Dhark nicht, der seit seinem Erlebnis im Zentrum des Planeten Zwitt des Glaubens gewesen war, die Sprache der Mysterious vollendet zu beherrschen. War dieser Begriff erst von den Mysterious geprägt worden, nachdem sie Erron-3 im blaßblauen Universum angelegt hatten, und nur den Geheimnisvollen in seiner Bedeutung klar, die um das Hauptarchiv wußten? „Sieh dir das an, Ren“, sagte Riker mit heiserer Stimme und leiser, als er sonst gewohnt war zu sprechen. Im fahlen Gelb, das den gesamten Weltraum beherrschte, waren Filamente zu sehen, die aus allen Richtungen kommend, nur ein Ziel hatten: die POINT OF! „Sternensog läuft!“ sagte Ren Dhark, der nun verstand, warum er mit seinem Schiff hatte transitieren wollen. Sein Unterbewußtsein hatte ihn vor diesen vermeintlichen Quasaren gewarnt, nur zu spät hatte er den Warnungen Gehör geschenkt. Die Filamente, Staubfäden einer Blüte ähnlich, vermehrten sich mit rasender Geschwindigkeit. In ihrer langgestreckten Form, an den Rändern leicht verwaschen und übergehend ins fahle Gelb, verbanden sie sich auf dem Weg zu ihrem Ziel mit vielen tausend anderen, wurden zu einem unordentlichen Geflecht, formten sich mehr und mehr zu einem Strick, der aus groben Fasern bestand. Und diese Stricke, vieltausendfach in ihrer Zahl, krümmten sich, wenn sie in die Nähe des Flaggschiffes kamen, und trafen Anstalten, den Ringraumer zu umschnüren. „Grappa?“ Aber der junge Mann aus Mailand, dem man nachsagte, er sei mit seinen Ortungen verheiratet, schüttelte mutlos den Kopf. „Funk-Z?“ „Nichts, Commander! Gar nichts.“ Sein Blick huschte über die Instrumente. Der Sternensog arbeitete noch. Die POINT OF flog im Moment schon mit achtundsechzigfacher Lichtgeschwindigkeit, aber das Tempo der Beschleunigung war anomal niedrig. Dhark drehte den Kopf und sagte seinem Freund: „Sieh dir die Anzeigen an. Sternensog zirka vierzig Prozent unter normaler Leistung. Hoffentlich kann das Schiff seine augenblickliche Geschwindigkeit halten. Dan, weißt du, wie weit wir vom nächsten System entfernt waren?“ „2,1 Lichttage, Ren, ich habe es eben von den Astronomen erfahren.“ Er benötigte keinen Checkmaster, um sich auszurechnen, wann sie frühestens, wenn die derzeitige Überlichtgeschwindigkeit konstant
blieb, das fremde System erreichten. Die zu Stricken sich vereinigenden Filamente schnürten eindeutig das Schiff immer enger ein. Die Hohlröhre, in der die POINT OF flog, verlor zusehends an Durchmesser. Wie groß der in Wirklichkeit war, konnte nicht festgestellt werden, weil erstens die Ortungen versagten und es zweitens im fahlen Gelb keine Vergleichsmöglichkeiten gab. Und welchen Kurs flog das Schiff, das unter dem Kommando des Checkmasters stand? War er beim Ausfall der lebenswichtigen Geräte überhaupt noch in der Lage, jenes unbekannte System zu finden? Die Einschnürung hielt mit der hohen Überlichtgeschwindigkeit des Ringraumers mit. In der Bildkugel sah es so aus, als ob die POINT OF auf der Stelle stände, denn außer der geflochtenen Hohlröhre und dem fahlen Gelb war nichts zu sehen. Mit steigender Sorge betrachtete Ren Dhark das Instrument, das ihm die relative Geschwindigkeit seines Schiffes anzeigte. Es hätte inzwischen mit mehr als hundert Überlicht fliegen müssen, doch nach wie vor stand das Gerät auf der 68er Marke – obwohl der Brennpunkt im Leerraum der Ringröhre eine Leistung entwickelte, welche die POINT OF hätte beschleunigen müssen. Der Checkmaster gab eine Berechnung aus. Er sah ihre einzige kleine Chance in einer Landung auf einem Planeten. Doch würde damit der Angriff auf das Schiff abgeschlagen sein? Daß hier ein groß angelegter Angriff vorlag, war inzwischen nicht mehr in Zweifel zu ziehen. Atompische Biegung der Konstanten. Mit anderen Worten, die Struktur des Raum-Zeit-Gefüges war gesteuert verändert worden. „Atompisch! Atompisch!“ Leise sprach Dhark diese Vokabel vor sich hin. Was bedeutete sie? Was hatte sie im blaßblauen Universum bedeutet, als dort von einer atompischen Wirkung die Rede war? „Ren!“ Riker deutete nur kurz auf die Geschwindigkeitsanzeige. Weitere Worte waren nicht notwendig. Dhark verstand auch so. Die maximale Leistung des Sternensogs reichte nicht mehr aus, die POINT OF auf konstanter Geschwindigkeit zu halten. Sie hatten erst die halbe Strecke zu dem unbekannten System zurückgelegt, aber die Einschnürung war inzwischen so nah herangekommen, daß man die Verflechtung der Filamente in allen Einzelheiten erkennen konnte. Ihr Kern war hellgelb, dünn und langgestreckt, die Ränder aber verwaschen und gingen übergangslos ins fahle Gelb über. Und es war eine tote Farbe, die depressive Wirkung erzeugte, je länger man sie sah. „Dan, wir sind nicht nur in eine Falle hineingeflogen, wir müssen auch unserem unbekannten Gegner die Möglichkeit geliefert haben, diese Falle stellen zu können.“ Dhark stutzte über seine eigene Überlegung, faßte sich an den Kopf und sagte hastig: „Übernimm
das Schiff.“ Er konzentrierte sich auf die wesentlichen Punkte und stellte seine Frage gedanklich an den Checkmaster, unter dessen Kommando das Schiff flog. Die Antwort kam umgehend. Dharks Gesicht war von der Spannung gezeichnet, die ihn beherrschte. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 78,3 Prozent hat die atompische Wirkung, die erzeugt wurde, um Erron-3 zu verlassen, eine Bugwelle in diesem Kontinuum zur Folge, die anderen den Kurs unseres Schiffes verrät. Abrupt ließ Ren Dhark die Hand sinken, in der er die Folie hielt. Er stellte sich einen altmodischen Ozeandampfer vor, der die Wellen des Atlantiks durchpflügte und mit seinem scharfen Bug eine Spur erzeugte, die auch dann noch zu sehen war, wenn das Schiff längst am Horizont verschwunden war. Das gleiche sollte seine POINT OF im Sternenmeer auch ausgelöst haben? Wortlos nahm er wieder in seinem Pilotensessel Platz und reichte Riker die Folie. Die Geschwindigkeit war auf dreiundfünfzigfache Lichtgeschwindigkeit abgesunken. Großer Himmel, fragte sich Dhark ratlos, wodurch lösen wir diese Bugwelle aus? Das Schiff fliegt doch mit dem gleichen Antrieb wie seit Jahr und Tag? Atompisch? Atompisch, zur Hölle, was heißt das nur? Und der Checkmaster konnte oder wollte den Begriff nicht erklären! Die Überlichtgeschwindigkeit betrug inzwischen nur noch achtundvierzig. Das Filamentenflechtwerk hatte sich ihr angepaßt, aber nun war deutlich zu erkennen, daß der Durchmesser dieses gelben Gebildes um ein Drittel zusammengeschrumpft war. „Ob ich das Hy-Kon einsetzen kann?“ Dharks Frage stand im Raum, er allein konnte sie sich beantworten. Wenn er auf einer Seite das fahle Gelb in ein anderes Kontinuum schleudern konnte, und mit ihm einen Teil des Flechtwerkes, dann mußte es seinem Schiff doch möglich sein, innerhalb des gereinigten Bereichs der Falle zu entkommen. Langsam, als ob ihm eine innerliche Stimme davon abraten würde, beugte er sich vor, legte die Fingerkuppen auf die Steuerschalter und konzentrierte sich auf sein Vorhaben. Das Hy-Kon ist gesperrt. Die Gedankensteuerung des Schiffes machte ihm seinen Plan zunichte. „Jetzt können wir nur noch hoffen.“ Der Mann, der die Menschheit zu den Sternen geführt hatte, schüttelte mutlos den Kopf. Er schaltete die Verständigung auf Gesamtbord und redete dann zu allen Menschen im Schiff. Mit schonungsloser Offenheit schilderte er ihre Lage. Er machte darauf aufmerksam, daß die Überlichtgeschwindigkeit unablässig abfiel. „Ob es uns noch gelingt, das in der Nähe liegende System zu er-
reichen und auf einem Planeten zu landen, kann niemand sagen. Wir können weder transitieren, noch unsere Strahlwaffen einsetzen. Ob die Intervalle den Filamenten widerstehen, ist bei der atompischen Biegung der Konstanten zweifelhaft. Vielleicht ist unter einer atompischen Biegung der Konstanten eine gesteuerte Veränderung der Raum-Zeit-Struktur zu verstehen. Sollte das der Fall sein – nur eine Annahme von mir – dann halten wir uns in einem Bereich veränderter physikalischer Gesetze auf, der unser Flaggschiff auflösen wird, sobald unsere Intervalle zusammengebrochen sind. Viel habe ich nicht mehr zu sagen. Ich kann Ihnen auch keine Hoffnung machen. Ich möchte mich aber wenigstens noch bei jedem einzelnen für seine Einsatzbereitschaft bedanken!“ Langsam und mutlos wie selten verließ der Commander die Zentrale. * Wer Dro Cimc war zufrieden. Wunderbar scharf sah er auf dem mittleren Schirm das Ringschiff. Von drei Meßskalen konnte er die Überlichtgeschwindigkeit des Raumers ablesen, aber auch erkennen, welches Ziel das Schiff anfliegen wollte. Der Wer schürzte leicht seine Lippen. Die Terraner würden das nahe System nie erreichen. In eineinhalb Zeiteinheiten war das Schiff vernichtet – wurde es eins mit dem Pseudo-Quasarenbereich. Dro Cimc lachte lautlos, als er sich noch einmal die Falle vorstellte, die sie dieser Point of gestellt hatten. Die Energien von mehr als siebenhundert Schiffen hätten niemals ausgereicht, diese Ballung zu erzeugen, aber sie zusammen waren in der Lage, über den Hyperbereich die Kräfte naher und ferner Sonnen einzusetzen, um die Raum-Zeit-Konstanten gegeneinander so zu belasten, daß jede kurz vor dem Zusammenbruch stand, ohne jedoch ihren endgültigen Kollaps herbeizuführen. Einlaufende Nachrichten bestätigten den berechneten Verlauf der Aktion. Das Ringschiff der Terraner wurde unaufhaltsam langsamer. Der Biegungsraum schnürte sich immer enger um den Raumer. Nur in einer Meldung gab es eine Frage: Warum versucht das Ringschiff keine Transition? Sie hatten durch Q das Mittel, es an einem Sprung zu hindern, aber gerade weil sie Q noch nicht hatten einsetzen brauchen, wurde diese Frage von großer Bedeutung. Und diese Frage, die der Wer ihnen vorgelegt hatte, konnten auch die Experten nicht beantworten. Die Verbindung zum Kluis kam sofort. Der Vankko, mit dem Cimc sprach, war von bestrickender Freundlichkeit. „Wer, ich kann Ihnen die Antwort in viel weniger als einer Brucheinheit liefern. Bitte, warten Sie.“ Wer Dro Cimc konnte warten. Es war ihm sogar ein Vergnügen,
und der Srir schmeckte ihm so gut wie nie. „Wer!“ Die Stimme des Vankko hatte alarmierend geklungen. „Die Terraner haben in einem Punkt mehr gewußt als wir. Der Kluis hat Ihre Frage wie folgt beantwortet: Beim Versuch einer Transition brechen unter den augenblicklichen Verhältnissen die Konstanten zusammen, und das Schiff schleudert sich kraft seiner Sprungenergie selbst in ein anderes Universum! „ Der Wer nickte zufrieden und verfolgte das Bild auf dem mittleren Bildschirm. Deutlich war zu beobachten, wie die Einschnürung des Biegungsraumes, der das gleiche Tempo wie der Ring-raumer hatte, enger und enger wurde. Die zusätzlich herangebrachte Energie von zwei Sonnen war Ursache dieses beschleunigten Ablaufes. Cimc schenkte sich gelassen den dritten Srir ein. Aber plötzlich zitterte seine Hand. Er verschüttete das Getränk und bemerkte es nicht einmal. Vom linken Bildschirm kam das Alarmsymbol. Aber wo blieb die Meldung? Was war bei den Einheiten auf der anderen Seite passiert? Warum rief keines der mehr als siebenhundert Schiffe durch? „Funk, rufen Sie den Einheitsträger an!“ brüllte er über die Verständigung. Knapp kam die Erklärung: „Kontakt mit allen Schiffen abgebrochen.“ „Dann Eckverbindung über den Vank, über den Kluis, über die Zentrale!“ Und nun kam ein Warten, das der Wer kaum ertragen konnte. * Unaufhaltsam wurde die POINT OF langsamer. Es stand fest, daß sie das rettende System nie erreichen würde. „Kontakt!“ meldete Dan Riker, der ununterbrochen die Instrumente beobachtete. Dhark, der nach einer kurzen Erholungspause wieder in die Ringraumerzentrale zurückgekehrt war, nickte. Darauf warteten alle im Schiff. Die Einschnürung hatte Kontakt mit den beiden Intervallen des Ringraumers! Die Belastung schnellte hoch. Das Chrono in der Zentrale zeigte nun 17:56,42 Uhr Normzeit an. Im Schiff blieb es still. Der Checkmaster knauserte mit dem Energieverbrauch. Das Bordgehirn dachte nicht daran, den Miniweltraum über das Sicherheitsmaximum hinaus zu verstärken. „Wie stellen sie das nur an?“ „Wir werden es wohl nie erfahren, Dan. Vielleicht spielt man mit Sonnen. Hat man es uns mit siebzehn Sonnen nicht schon einmal gezeigt? Da, die Belastung ist bei achtzig – und geht langsam höher.“
Alle Sterne waren verschwunden, der Raum sah fahlgelb aus. Der Raumer war buchstäblich von verflochtenen Filamenten eingewickelt. Es konnte nicht mehr lange bis zum Zusammenbruch der Intervalle dauern. Schweigen. In allen Räumen des Ringraumers gaben sich die Männer der Besatzung ihren Erinnerungen hin – niemand hatte mehr Hoffnung. Das Menschliche trat in den Vordergrund, es war in diesen Minuten vor dem Ende das wichtigste. Alles andere zählte nicht mehr. Nur der Checkmaster zeigte unverändert grün. Ob ihm klar war, daß seine Existenz bald auch zu Ende war? Dhark schaute zu Dan hinüber. Ich beneide dich, Dan. Anja wird weinen. Um dich weinen! Er dachte an die anderen Freunde an Bord der POINT OF – wer würde ihnen nachtrauern? In diesem Augenblick verfluchte er sich dafür, daß er sein Privatleben seit Jahren vernachlässigt hatte – um ihn als Privatmensch würde wahrscheinlich niemand eine Träne vergießen! „Ren!“ Riker rüttelte ihn. „Ren, Ren.“ In der Bildkugel waren drei Sterne zu sehen! Sterne! Lichtpunkte! Lichtpunkte auf samtschwarzem Untergrund. Das Schwarze des Weltraums. „Ortung! Ich habe meine Ortung wieder!“ Grappa schrie wie ein Verrückter. Als ob der Blitz in den Raumer eingeschlagen hätte, kam an Bord überall Leben in die Männer. Das fahle Gelb riß auf. Die Filamente mit ihrem Geflecht flogen auseinander. Nur an einer Stelle. „Dhark, Raumschiffe! Raumschiffe! Ganze Flotten! Rot 112 bis Rot 134! Schiffe, tief gestaffelt. Keine zwei Lichtjahre entfernt. Zur Hölle, was stellen sie mit den Sonnen an?“ Grappa schrie die Fragen hinaus, antworten darauf konnte allerdings niemand – zumindest nicht an Bord der POINT OF. Der Riß im Fahlgelben wurde größer. Es brach regelrecht zusammen. Die Filamente begannen sich aufzulösen, als ob sie keine Kraft mehr hätten. Immer mehr Sterne tauchten auf. Ein breites Band war schon zu sehen. Wie herrlich war das Schwarz des Weltalls. Wie herrlich die gestochen scharfen Punkte, nahe und ferne Sonnen! „Angriff! Angriff! Dhark, Angriff! Man haut dazwischen. Und wie!“ Grappas italienisches Temperament brach durch. „Angriff, Grappa? Wer greift an? Können Sie es feststellen?“ „Kann ich nicht, und ist das jetzt so wichtig, Dhark?“ brüllte der junge Mann, dessen Name schon oft der Anlaß für Scherze gewesen war, zurück. „Heiliger Strohsack, wie die Kähne auseinanderfliegen. Wer verfügt über seine solche Feuerkraft? Hat uns etwa die TF in letzter Sekunde gefunden?“ Grappa war ratlos. Das Fahlgelbe verging in allen Richtungen. Das Sternenmeer war
wieder zu sehen. Die Millionen und Abermillionen Sonnen, das breite Band der Galaxis. Und die Filamente besaßen keinen Kern mehr. Weitab vom Schiff jagten sie dem Fahlgelben nach. Die Belastung der Intervalle war wieder auf Null zurückgefallen. Stoppen, dachte Ren Dhark, und noch einmal mit aller Konzentration: Das Schiff stoppen! Doch die Gedankensteuerung reagierte nicht darauf. Statt dessen stieg sprunghaft die Überlichtbeschleunigung des Sternensogs. Nichts mehr nahm dem Brennpunkt die Kraft fort. Groß stand dominierend eine Sonne in der Bildkugel! Das rettende System? Aber warum sollten sie jetzt noch darauf landen, wenn sie wieder transitieren konnten? Die Bugwelle! hörte Dhark in seinem Kopf. Daran hatte er nicht mehr gedacht, an die Spur, die die POINT OF seit Erron-3 hinterließ. „Was ist da drüben los? Was kann dort passiert sein?“ Dan Riker fragte in einem fort, aber auch von seinem Freund erhielt er keine Antwort. Der setzte die Gedankensteuerung ein, um den Erfassungsbereich der Bildkugel zu verändern. Zwei Lichtjahre wurden mühelos übersprungen. Die Armada der Doppelkugelraumer tauchte auf. „Sonne und Sterne“, stöhnte Ren Dhark entsetzt auf, und krallte seine Hände in die Lehnen seines Kontursessels, „was passiert dort?“ Die Offiziere auf der Galerie, Grappa hinter den Ortungen, die Männer am Checkmaster, alle schauten in die Bildkugel über dem Instrumentenpult und konnten nicht fassen, was sich vor ihren Augen abspielte. Die Doppelkugelraumer der Schwarzen Weißen beschossen sich gegenseitig. Jeder war der Feind des anderen! Jeder hatte nur das Bestreben, das andere Schiff zu einer Sonne zu machen. „Das sind viele hundert!“ brachte Falluta über die Lippen. Wer griff dort die Schiffe der Schwarzen Weißen an? Und wer verfügte über die Feuerkraft, so viele Raumer anzugreifen? „Großer Himmel, Ren, ich sehe nur diese Doppelkugel, aber keinen anderen Typ! Mein Gott, das ist der mörderischste Wahnsinn, den ich mir vorstellen kann!“ Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf die Bildkugel, die eine Raumschlacht wiedergab, wie menschliche Phantasie sie sich bisher nicht hatte vorstellen können. Überall flammte es grell leuchtend auf. Schiffe, die als auseinanderplatzende Sonnen vergingen, und mit ihnen ihre Besatzungen – Schwarze Weiße, eine den Terranern ähnliche Rasse. „Sie schießen sich gegenseitig ab“, sagte Dhark verwirrt. „Da! Ganz links in der unteren Hälfte!“ Das Schauspiel war unbegreiflich und unbeschreiblich zugleich! Der von drei Seiten angegriffene Doppelkugelraumer brach auseinander. Zwei Kugeln, teils zerfetzt, torkelten durch den Leerraum,
doch die drei anderen Schiffe gaben nicht auf. Sie setzten den Wracks nach, nahmen die Bruchstücke unter Dauerfeuer. Und dann beschossen die drei Schiffe, die gerade ein viertes vernichtet hatten, sich wieder gegeneinander! Jeder ging auf jeden los! Und kein einziges Schiff schien einen Prallschirm zu besitzen. Anders war die reihenweise Vernichtung von Schiffen nicht zu erklären. „Ein Verband setzt sich ab!“ Aufspringend und auf den Sektor in der Bildkugel deutend, hatte Riker seinen Ausruf getan. Ein Verband aus rund hundert Schiffen raste davon, als ob er die Position der POINT OF erkannt hätte. Wenig später war er in einer Transition verschwunden. „Drei Lichtmonate auf Grün vor uns herausgekommen!“ schnarrte Grappa, der von seinen Ortungen aus das Geschehen in der Bildkugel verfolgt hatte. Umschalten der Bildkugel! Die akute Gefahr für das Flaggschiff der TF bestand schon wieder. Feuerbereitschaft beider Waffensteuerungen. Alarm gellte durch das Schiff. Die Doppelkugelraumer befanden sich wieder im normalen Universum, aber hatten sie nur transitiert, um sich an einer anderen Stelle endgültig zu vernichten? „Dhark, kein einziges Schiff verfügt über einen Schutzschirm! Sie knallen sich wie Tontauben ab.“ Wie Tontauben? „Mein Gott, wer ist für diesen Irrsinn verantwortlich?“ brachte Ren über die Lippen, die blaß geworden waren. Ein dunkler Kreisbogen schob sich über die Bildkugel. Der Checkmaster hatte den Ringraumer zur Landung auf einem Planeten angesetzt. Die Planetenkugel hatte sich in die Bildwiedergabe geschoben, und sie verdeckte nun mehr und mehr das unbeschreibliche Inferno, in das sich die Besatzungen einer fremden Flotte gegenseitig trieben. Die POINT OF brach in die dichteren Luftschichten ein. Der Antrieb, längst von Sternensog auf Sle geschaltet, ging auf negative Beschleunigung. Titanische Kräfte des Brennkreises bremsten das Flaggschiff immer radikaler ab. Höhe 10.500 Meter. Die ersten Analysen und Werte liefen in der Zentrale ein, die einzelnen Abteilungen arbeiten wie gewohnt. Sauerstoffweit, 13.638 Kilometer Durchmesser, 1,31 Gravos, mittlere Temperatur 21,4 Grad Celsius, das war Treibhausklima! Ein Kontinent, viermal so groß wie Eurasien – der Rest Wasser. Ein Kontinent, der an seinen Küsten von einer einzigen, geschlossenen Gebirgskette umgeben war. Berge, die über zwanzigtausend Meter hochragten, aber dazu Täler bildeten, die auffallend geradlinig vom Innern des Kontinents auf die Meeresküste zustrebten. Wald, so weit man sehen konnte. Ein paar kleine, kahle Hochflächen, umspült von Flüssen, denen gegenüber der Amazonas ein
Rinnsal war. „Energieortung schlägt an, Commander! Überall Energiequellen!“ alarmierte Grappa die Männer in der Zentrale. Die beiden Chefs der Waffensteuerungen hatten mitgehört. „Schiff nach wie vor feuerbereit, Dhark!“ meldete Rochard aus der WS-Ost. Der Checkmaster, immer noch Kommandant der POINT OF, fuhr die Teleskopstützen aus. Die größte der kahlen Hochflächen war Landeziel des Schiffes. „Energiequellen, die kreisen, Commander. Ich komme hier nicht mehr klar!“ Dhark und Riker sahen sich fragend an. Sollte sich Grappa nicht präzise ausgedrückt haben? Höhe nur noch 1.200 Meter über dem Landeplatz, als Ren Dhark und Riker sich nach vorn warfen, die Bildkugel anstarrten und den Atem anhielten. „Commander, es werden immer mehr! Immer mehr. Sie kommen nicht heran, sondern sind plötzlich da! Sehen Sie es denn? Ooooh!“ Endlich hatte er erkannt, was Dhark und Riker plötzlich in der Bildkugel sahen: Synties! Diese grauweißen, zwei Meter langen Tropfen mit dem handtellergroßen, leuchtenden Punkt auf der abgerundeten Spitze, der immer ein grünes Licht abstrahlte und nur im kräftigen Blau schimmerte, wenn ein Syntie gerade Energie als Nahrung aufgenommen hatte. Und alle Punkte leuchteten im kräftigen Blau! Das Fahlgelbe war nichts anderes als geballte Energie gewesen, die so stark war, daß sie die Raum-Zeit-Konstanten verbiegen konnte, und die Synties, die den Menschen von der ersten Begegnung an ein Rätsel geblieben waren, ernährten sich von Energie. Sie hatten das Fahlgelbe als Nahrung aufgenommen! „Sie waren es! Sie! Sie! Sie haben das Blutbad unter den Schwarzen Weißen ausgelöst! Sie, die Synties. Die Synties mit ihren hypnotischen Kräften! Großer Himmel!“ flüsterte Dhark leise. Unbeschreibliches Grauen packte ihn. „Sie haben tausendfach gemordet. Die Schwarzen Weißen hatten keine Chance!“ Der Ringraumer setzte auf seinen fünfundvierzig Paar Teleskopstützen auf. Die Bildkugel zeigte unzählige Synties – sonst nichts! Und dann gab es in der POINT OF keinen Menschen, der nicht den Ruf der Tropfen hörte. Hätten wir euch verräterisch im Stich lassen sollen, als es für euch keine Rettung mehr gab? Selten war es in dem Flaggschiff so still gewesen, wie in diesen Sekunden, aber niemand konnte sich über die unmenschliche Hilfsaktion der Synties freuen. Sie, die über ungeheure hypnotische Kräfte verfügten, hätten sie mit ihrem Parakönnen den Kom-
mandanten der Doppelkugelraumer nicht ebenso gut den Befehl geben können, abzudrehen und auf Heimatkurs zu gehen, statt sich gegenseitig zu vernichten? Ren Dhark schüttelte den Kopf. Auch er verstand das Handeln der Tropfen nicht. „Dan“, sagte er schwer, und er rang sich jedes einzelne Wort ab, „wir haben unheimliche Freunde.“
3. Zwischenruf Vom Gipfel ihrer Macht waren sie in die Tiefe gestürzt worden. Sie blickten in einen Abgrund, der kein Ende zu haben schien. Sie sahen ihre Einheiten untergehen, den Stolz ihres Sternenreiches, aber sie sahen einen Untergang, den sie nicht verstehen konnten, weil er ihnen in seiner furchtbaren Dramatik keine Erklärung lieferte. Denn das Schauspiel, das sich auf den großen Bildschirmen abzeichnete, war ohne Kommentar nicht zu verstehen. Leider gab es keinen Kommentator. Nicht eines der über siebenhundert Raumschiffe hatte bisher geantwortet. Sie kannten nur die eine Aufgabe, sich gegenseitig zu vernichten, sie hatten alle nur das eine Ziel, kein Schiff aus diesem Inferno, das sie selbst ausgelöst hatten, entkommen zu lassen. Ihr Handeln war unbegreiflicher als das Tun der Lemminge. Es sah so sinnlos aus, dieses Handeln, und doch hatte es Sinn. Aber um welchen Preis? * Die LUXOR und die ARROW landeten im Zwitt-System auf Planet 1, dicht neben dem S-Kreuzer, der Warteposition bezogen hatte. Anja Riker und Arc Doorn begrüßten Ralf Larsen und Janos Szardak als alte Bekannte. „Also mit einem Materiesender hat das Unglück seinen Anfang genommen“, memorierte Szardak, der sich in dem Zweckraum der Mysterious nicht besonders wohl fühlte und etwas mehr Gemütlichkeit gut vertragen hätte. „Als das Aggregat den Bruch zwischen zwei Kontinua nicht mehr stabil halten konnte, riß auch der Funkkontakt zur POINT OF ab. Und nun, nachdem Sie diesen Planeten als Antenne benutzen, haben Sie auch kein Lebenszeichen vom Flaggschiff aufgefangen. Doorn?“ „Nichts, was jedoch nichts zu bedeuten hat. Wer weiß, wo die POINT OF steckt. Möglich, daß sie mit ihrer Sendeenergie nicht durchkommt, uns aber gehört hat“, erwiderte der Mann mit der Boxernase, der neben Anja Riker saß. „Ich fiel fast aus dem Sessel,
als der Bursche in Cent Field den Spiegel-Re benutzte und mir damit klar machte, mit welcher Energie ich sendete.“ Ralf Larsen unterbrach. „Vom Commander nach wie vor keine Spur. Auch kein eindeutiges Anzeichen, daß sich die POINT OF irgendwo zwischen den Sternen aufhält und verirrt hat.“ „Larsen, das ist von uns nie behauptet worden!“ mischte sich Anja Riker ein, die einen Stoß Folien vor sich liegen hatte und nun eine bestimmte suchte. Er winkte ab. „Ich weiß, ich weiß, Anja. Ich kann Sie auch verstehen, aber wir alle kennen doch auch Dhark. Er spielt nicht mit Sternen und macht daraus keine Novae.“ „Und was wir kurz vor der Landung der beiden Schiffe beobachteten, Larsen?“ ereiferte sie sich. Daß ihre Sorge auch speziell Dan galt, wollte sie nicht so offensichtlich werden lassen. „Liegen die Diagrammwerte nicht auf einer Linie, die auf das Zentrum der Milchstraße zielt?“ Er nahm die Folie noch einmal in die Hand, studierte die Angaben und schüttelte darüber den Kopf. „Wir haben mit den Experten auf Terra gesprochen, Larsen“, erklärte die beste Mysterious-Mathematikerin. „Natürlich gehen deren Meinungen auseinander. Wie könnte es anders sein? Aber einige sehen in diesen winzigen Energieausbrüchen künstlich ausgelöste Reaktionen.“ „Larsen, geben Sie mir noch einmal die Folie!“ verlangte Janos Szardak, der wieder einmal sein Pokergesicht aufgesetzt hatte und nicht erkennen ließ, was er dachte. Nun war die Reihe an ihm, die Angaben zu studieren und noch einmal ganz genau zu prüfen. Und während er die einzelnen Werte sorgfältig las, dachte er daran war, daß sie recht hatte, um das Schicksal der POINT OF zu bangen, denn Ren Dhark hatte mit dem Materiesender zu viel riskiert. Mein Gott, von einem Universum ins andere zufliegen, nur weil man über sporadisches Mentcap-Wissen verfügt, ist mehr als Leichtsinn. Und sich bei diesem Experiment nur auf einen Mann zu verlassen! Er legte die Unterlagen zurück auf den Tisch. „Okay, Doom!“ Szardak war kurz angebunden. „Was sagen Sie zu diesen Werten?“ Doorn konterte zuerst mit einer Gegenfrage. „Sie haben also keine Ähnlichkeit mit der unsichtbaren Station festgestellt, die die Nogk bedrohte?“ „Keine!“ „Ich habe eine Parallele zu einem anderen Vorgang bemerkt.“ Er griff in die Tasche und zog eine Folie hervor. „Dritte Kolonne, zweite Gruppe!“ sagte Doorn in seiner wortkargen Art. „Spektralanalyse.“ Janos Szardak und Ralf Larsen, Weggefährten Ren Dharks auf fast allen seinen Abenteuern, beugten sich über die Folie und verglichen. Anja Riker hatte sich Doorn zugewandt und fragte ihn vorwurfsvoll: „Arc, warum haben Sie mir nichts davon gesagt?“
„Anja, eine einzige Übereinstimmung? Ist das nicht ein bißchen wenig?“ Müde nickte sie zustimmend. Natürlich war eine Ähnlichkeit gar nichts. Zehn Übereinstimmungen waren in diesem Fall noch zu wenig, aber sie hoffte natürlich. „Doorn, was stimmt überein?“ Ehrlich gab er zu, daß er nicht selbst darauf gestoßen war. „Der Suprasensor machte mich darauf aufmerksam. Spektralanalyse der Kampfstrahlen der Doppelkugelraumer. Die Speicherung auf Planet 1 hat die Vorgänge auf dem Planeten Zwitt sehr exakt registriert. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung machte mir aber einen Strich durch meine Hoffnung. Der Wert 1,7 Prozent hört sich nicht gut an. Wenn man zugrunde legt, wie weit wir entfernt sind.“ „Zufall!“ sagte Janos Szardak. „Bis auf die wievielte Stelle hinter dem Komma genau?“ warf Anja Riker erregt ein und streckte bittend ihre Hände nach den beiden Folien aus. Wortlos überreichte Szardak sie ihr. „Dritte“, murmelte sie. Es mußte Zufall sein, aber sie wollte es nicht wahrhaben. „Ich möchte die Aufzeichnungen noch einmal überprüfen, Arc.“ „Bitte, sie sind nebenan gespeichert. Machen Sie sich nur keine falschen Hoffnungen, Anja, denn ich habe mehrmals kontrolliert. Es kommt nichts dabei raus.“ „Ich überprüfe noch einmal!“ rief Anja Riker aus, nahm die beiden Folien in die Hand und verließ den Raum. Niemand sah ihr nach. Niemand nahm das Gespräch wieder auf. Über was sollten sie schon sprechen? Alles endete in einer Sackgasse! Es gab keine Spur, die zur verschollenen POINT OF führte. * Colonel P.S. Clark fand schnell bestätigt, was er vorausgeahnt hatte: Diese Experten im Stab der TF fragten ihm Löcher in den Bauch. Wenn sie wenigstens einen blassen Schimmer vom Raumflug gehabt hätten, hätten sie Fragen anderer Art gestellt. So jedoch konnte er mehr als fünfzig Prozent ihres Wissensdurstes nicht stillen. „Woher soll ich das wissen? Keine Ahnung. Kann ich nicht sagen! Ist mir auch schleierhaft!“ Mit diesen und anderen knappen Bemerkungen mußte er die Fragesteller abspeisen. „Warum ich plötzlich versuchte, in die Station hineinzufliegen, obwohl ich sie nicht sah? Großer Himmel, schöne Sterne, ich weiß es nicht! Haben Sie dies auch die Kommandanten gefragt, die beim Exodus der Nogk die Stationen der Schatten vernichteten? Oder würden Sie das den Commander fragen!?“ P.S. Clark war gereizt. „Aber einen Grund für Ihr Handeln muß es doch gegeben haben,
Colonel!“ bohrte ein junger Leutnant weiter, der sich bislang nur als Schreibtischhengst hervorgetan hatte, und dem Colonel schon mehrmals unangenehm aufgefallen war. „Ein Kommandant handelt doch nicht, ohne seine Entscheidungen durch vorherige Überlegungen überprüft zu haben.“ Da riß Colonel P.S. Clark der berühmte Geduldsfaden. „Ich habe aber ohne vorherige Überlegung gehandelt! Sie haben doch gar keine Ahnung, was es heißt, mitten in einer Schlacht intuitiv handeln zu müssen. Sie sitzen derweil in Büros auf Ihrem Hintern in Sicherheit und stellen anschließend nur dumme Fragen!“ Mit jedem Wort steigerte Clark die Lautstärke seiner Stimme. „Colonel, mäßigen Sie sich!“ Marschall Bulton machte den ersten Einwurf, insgeheim aber bewunderte er Clark, der sich von diesen Schreibtischstrategen nicht einschüchtern ließ. Dadurch fühlte sich Clark noch mehr als bisher zu Unrecht angegriffen. „Marschall, ich habe ein Recht, mich zu verteidigen. Mein Bericht über die Vernichtung der beiden unsichtbaren Stationen liegt Ihnen vor. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Es sei mir noch erlaubt, auf die Speicherungen der Suprasensoren hinzuweisen. Sie werden in ihrer eiskalten Logik auch Auskunft darüber geben, ob ich bei der Führung meines Verbandes Fehler gemacht habe, die ein Colonel nicht machen darf. Wir haben jetzt 23:56 Uhr Normzeit. Vor elf Stunden bin ich mit meinem Verband auf Cent Field gelandet und bin nicht nur elf Stunden ununterbrochen auf den Beinen, sondern vorher auch zweiunddreißig Stunden ununterbrochen im Einsatz gewesen. Nach Paragraph XXXII, Absätze drei und vier ist es verboten, einen Colonel so lange Dienst machen zu lassen. Ich bin übermorgen um 8 Uhr Normzeit wieder zu sprechen.“ Colonel P.S. Clark grüßte seinen Marschall wie ein blutjunger Rekrut, machte auf der Stelle kehrt und verließ den Konferenzraum. Der Marschall der TF mußte ein Grinsen unterdrücken. Clark hatte es den Experten gegeben. Die kannten den Paragraph XXXII des Flottengesetzes nicht, auf den sich der Colonel berufen hatte. Bultons Adjutant hatte inzwischen den entsprechenden Abschnitt aus den Speichern abgerufen. „Bitte, Marschall!“ sagte er eindringlich und deutete auf den Bildschirm vor sich. Gesetze der Terranischen Flotte, Teil eins. Bulton las den Paragraphen XXXII. Er behandelte die Pflichten und Rechte eines Offiziers der Waffensteuerungen. Absätze drei und vier gab es nicht. Colonel Clark hatte sogar seinen Marschall geblufft. „Das dürfte diesen Colonel ein Verfahren kosten“, raunte der Offizier Bulton zu. Der Marschall schüttelte den Kopf. Er wandte sich den restlichen Anwesenden zu. „Eines, meine Herren, ist mir in dieser Nachtsitzung
klargeworden: Sie sind erstklassige Experten, aber der Raumflug mit all seinen Gefahren, mit dem Muß für jeden Kommandanten, sich blitzschnell zu entscheiden, ist Ihnen leider völlig unbekannt. Um in Zukunft zu vermeiden, daß hervorragende Kommandanten sich von Ihnen zu Unrecht angegriffen fühlen, und um zu vermeiden, daß Sie sich ungewollt in diese schlechte Position begeben, werden Sie in wenigen Tagen teamweise einem S-Kreuzer zugeteilt, damit Sie in Zukunft Ihre Fragen aus der Praxis eines Schiffsoffiziers stellen können und nicht vom Grünen Tisch her argumentieren müssen.“ Betretenes Schweigen machte sich breit. Bulton nickte ihnen zu, wandte sich dann an Henner Trawisheim, der seit Stunden kein Wort mehr gesagt hatte, und fragte: „Wollen wir gehen?“ In Bultons Arbeitszimmer nahmen sie kurz Platz. „Colonel Clark gefällt mir“, gab Trawisheim sein Urteil ab. „Er ist ein Mann, der weiß, was er will, und der auch bereit ist, ein Risiko einzugehen. Als er diesen Paragraphen XXXII ausspielte, hätte ich um ein Haar schallend gelacht.“ „Sie wußten, daß er bluffte?“ fragte Bulton erstaunt. „Aber natürlich, denn im Gesetz der Terranischen Flotte gibt es keinen Passus, der die Einsatzzeit eines Colonels festlegt. Er hat bis zum Umfallen auf seinem Posten zu bleiben.“ „Das ist doch Wahnsinn!“ brauste Bulton auf. „Ich widerspreche nicht. Im Krisenfall ist diese Anweisung bestimmt richtig, aber es ist darauf zu achten, daß anschließend alle Besatzungsmitglieder eine entsprechenden Erholungsphase haben. Ich bin Clark dankbar, daß er uns ungewollt auf diese Lücke im Gesetz aufmerksam gemacht hat. Auch ein Soldat ist ein Mensch, und wie jeder hat er ein Recht auf geregelte Arbeitszeit.“ Bulton sah mit grimmigem Blick auf das Chrono seines Arbeitszimmers. „Und was ist mit uns?“ Auch Henner Trawisheim erhob sich, gähnte hinter der vorgehaltenen Hand und meinte: „Hoffentlich gibt uns die nächste Zukunft noch so viel Schlaf wie zur Zeit.“ Schweigend trennten sich die Männer vor den beiden Transmitteranlagen. Die Uhr zeigte 0:48 Uhr Normzeit. * Den Giants waren die Transmitter-Straßen der Mysterious versperrt! Es gab keinen Zweifel daran, denn ein einziges Experiment hatte genügt, es den Terranern zu beweisen. Die Transmitterkugel wurde zu einem undurchdringlichen Hindernis, sobald ein All-Hüter versuchte, sie zu betreten. Nur kurz hatten sie sich an diesem Platz aufgehalten, und gern waren sie der Aufforderung der beiden hellgrauen Raubtierwesen in
ihren mausgrauen Umformen gefolgt, wieder mit dem Schweber zurückzufliegen. Nicht einmal Chris Shanton oder Jos Aachten van Haag hatten daran gedacht, die Transmitter-Straße zu benutzen, um so schnell wie möglich über Hope nach Terra zu kommen. Denn auch sie reizte es, endlich die Fertigungsstätte zu sehen, wo Giants Giants herstellten. Der GSO-Mann war aus unerklärlichem Grund derjenige, der am leichtesten Kontakt zu den All-Hütern fand. Ständig informierte er Shanton und auch die Cyborgs, welche Bedeutung dieses und jenes Aggregat hatte, und wo denn nun endlich der Platz war, an dem Giants als Massenartikel hergestellt wurden. Die gewaltige Wanne unter dem halbkugelförmigen Schutzschirm war nichts anderes als ein Mischwerk, in dem biologisches Material mit anorganischem zu einer Einheit verbunden wurde. Verblüfft hatte selbst der Cyborg Marc Carrell, dessen Programmgehirn über ein unglaubliches Wissenspotential verfügte, zugeben müssen, den Erklärungen des Giants nicht mehr folgen zu können. Damit war gleichzeitig der Beweis angetreten, daß die AllHüter auf einem engbegrenzten biologischen Bereich mehr wußten als die Terraner. Unbegreiflich blieb die Verbindung zwischen biologischem und anorganischem Material. Wie daraus eine aktive Einheit werden konnte, war nicht zu verstehen. Man nahm es einfach hin, daß die Anlage zu der Transmitterkugel keine Verbindung hatte. Eine Antwort auf das Warum zu erhalten, war unmöglich, weil die beiden sie begleitenden Giants dafür auch keine Erklärung kannten. Über Transportbänder in den kilometerlangen Unitallröhren, der einzigen Verbindung zwischen den Zentren der unterirdischen Anlage, kamen sie schnell weiter. Plötzlich bog die Tunnelröhre ab. Sie wurde zu einer Spirale, die sich in gleichmäßigem Gefalle in die Tiefe schraubte. Die auffallend schlechte Beleuchtung veränderte sich. Das typische Blau der Mysterious sprang mit weichen Strahlen aus den Wänden. Mit unverminderter Geschwindigkeit brachte das Band die beiden Giants und die Terraner tiefer nach unten. Von Jimmy war nichts zu sehen. Wie ein richtiger Hund schnüffelte er in allen Ecken herum. Holger Alsop stieß Jos Aachten van Haag an. „Haben die Giants keine Erklärung abgegeben?“ Der GSO-Mann schüttelte den Kopf. „Sie reagieren auf meine in Gedanken gestellten Fragen nicht.“ Unbeweglich standen die hellgrauen Wesen auf dem schnellaufenden Band, den Blick geradeaus gerichtet, als ob die Terraner nicht vorhanden seinen. Hinter ihnen näherte sich ein Geräusch. Jimmy kam in einem tollen Spurt zurück, umkreiste aber jetzt nicht in spielerischem Verhalten seinen Herrn und Konstrukteur, sondern stieß ihm die Schnauze in die linke Kniekehle, daß der Dicke unwillkürlich einknickte und dabei leicht gegen Bram Sass stol-
perte. „Miststück!“ zischte er sein vierbeiniges Spielzeug an. „Vipho einschalten, Dicker!“ konterte Jimmy frech und brachte sich gleichzeitig aus der Reichweite von Shantons Beinen. Verwundert blickte der Zweizentnermann auf sein Vipho. Die anderen folgten seinem Beispiel, denn Jimmy hatte seine Aufforderung laut genug gesagt. Keines der Spezialviphos stand auf Empfang. Alle sechs waren abgeschaltet. „Wann haben wir das denn getan?“ stellte Lati Oshuta erstaunt die Frage, aber niemand dachte daran, ihm darauf zu antworten. „Hallo!“ klang es aus allen Viphos, und auf der kleinen Bildscheibe war ein Gesicht zu sehen, das jeder kannte. „Na, endlich! Ich glaubte schon, die falsche Straße benutzt zu haben.“ Chris Shanton feixte breit über das ganze Gesicht. „Schöner Saturn, Sie haben hier wirklich gefehlt, aber zum Teufel, Tschobe, wo stecken Sie?!“ „Wo schon?“ klang die Gegenfrage auf, „vor dem Transmitter, und ohne die Antwort von Jimmy wäre ich schon wieder verschwunden gewesen. Warum hat es so lange gedauert, bis ich Antwort erhielt?“ Chris Shanton hatte die Rolle des Sprechers übernommen. „Weil unsere Viphos abgeschaltet waren. Und wo wir stecken, Tschobe? Wenn Sie es noch nicht wissen: Bei Ihren Freunden, den Giants.“ Das hatte der Afrikaner tatsächlich nicht gewußt. Sein Gesicht nahm einen törichten Ausdruck an. Er formte seine wulstigen Lippen zu Worten, die aber niemals ausgesprochen werden sollten. Es passierte selten genug, aber im Moment war er sprachlos. Dem Dicken bereitete es diebisches Vergnügen, Manu Tschobe noch mehr zu überraschen. „Wo wir uns im Moment befinden, können uns höchstens die Giants verraten, aber die haben seit gut einer Viertelstunde auf jeden Kontakt mit uns verzichtet. Wir wissen nur das eine von ihnen, daß sie uns die Fertigungszentrale zeigen wollen, in der sie sich selbst herstellen!“ Über die Viphophase war nur Manu Tschobes Gesicht zu sehen, aber kein Ton kam über die Lippen. Dem Afrikaner hatte es erneut die Sprache verschlagen. Marc Carrell, der zwischendurch einige Male auf sein Zweites System geschaltet hatte, um sein umfangreiches Wissen abzurufen, hatte Mitleid mit dem Mann, der der beste terranische Giant-Experte war. „Jos soll versuchen, Kontakt mit unseren beiden Begleitern zu bekommen. Tschobe, gerade Sie müssen das sehen, was für uns alle ein Buch mit sieben Siegeln ist und bleibt. Da, können Sie unsere beiden Begleiter sehen?“ Und er hielt sein Vipho so, daß der Erfassungsbereich auf die beiden All-Hüter gerichtet war. „Giants, Giants!“ kam flüsternd die Stimme des Afrikaners. „Giants! Und jetzt fehlt nur noch der Cal, da…!“
„Irrtum!“ berichtigte ihn nun wieder Chris Shanton. „Diese hier sind andere, nur nennen sie sich auch All-Hüter. Aber von Giants, die unter dem Kommando eines Cal standen, wissen sie nichts. Diese Spezies sind die Hüter der Transmitter-Straßen der Mysterious.“ Ein gurgelnder Ton drang aus den Lautsprechern der Viphos. Dann hatte Manu Tschobe blitzschnell seine Überraschung überwunden. „Jetzt mal langsam, Shanton! Sie haben mich lange genug mit kaum faßbaren Neuigkeiten bombardiert. Ich muß das sehen, was man Ihnen zeigen will. Haben Sie mich verstanden? Ich muß es sehen. Wie Sie die Giants dazu bekommen, mich zu holen, ist Ihre Sache. Aber ahnen Sie wenigstens, was Sie mit diesen All-Hütern entdeckt haben?“ Der Afrikaner hatte den Spieß umgedreht, und Chris Shanton gefiel es nicht, daß nun Manu Tschobe in Rätseln sprach. „Ich verstehe Sie nicht. Tschobe, was meinen Sie mit Ihrer Bemerkung?“ „Fragen stelle jetzt ich. Sie antworten!“ kam es fordernd von Tschobe. Shanton nickte nur vollkommen überrumpelt. „Ja“, sagte er dann zum siebten Mal. „Ja“, sagte er auch, als Tschobe gefragt hatte, ob sie freundlich empfangen worden seien. An Stelle des zehnten ,Ja’ nickte er, fügte aber hastig hinzu: „Daß wir uns hier mit drei Schwarzen Weißen herumgeschlagen haben, wissen Sie wohl nicht.“ „Nein“, erwiderte Tschobe, der aufgehört hatte Fragen zu stellen. Statt dessen gab es nun wieder Antworten. „Wir haben auf Dockyard nur den Verdacht, daß die Schwarzen Weißen einen Kugeltransmitter fortgeschafft haben, denn einer fehlt dort.“ „Und was ist Dockyard?“ So erfuhren vier Cyborgs, Jos und Shanton, daß der Planet, der auf dem Grund seines Ozeans eine Werft der Mysterious verborgen hielt, die jetzt aber wieder vollkommen stillgelegt war, den Namen Dockyard erhalten hatte. Van Haag mischte sich ein. „Die Giants nehmen mit mir keinen Kontakt auf. Aber ich werde es noch einmal versuchen.“ Warum antwortete der Afrikaner nicht? Plötzlich war seine Stimme wieder zu hören. „Der Transmitter arbeitet. Aber er ist auf eine andere Straße eingestellt worden. Ich versuche in Deckung zu gehen, ich schalte ab. Erst will ich erkunden, wer aus der Transmitterkugel herauskommt. Bleiben Sie aber…“ Mitten im Satz hatte Manu Tschobe abgeschaltet. Fragend sahen sich die Männer auf dem Lauf band an, das sie in einer schier unendlichen Spirale unaufhaltsam tiefer führte. Fragend blickten sie zu den hellgrauen Giants hinüber, die unbeweglich standen und von ihnen keine Notiz nahmen. Hilflos zuckte Jos Aachen van Haag mit den Schultern. Auf seine
gedanklichen Anrufe reagierten die beiden All-Hüter nicht. Aber warum hatte Manu Tschobe mitten im Satz abgebrochen? * „Dan“, sagte Ren Dhark schwer, und er rang sich jedes einzelne Wort ab, „wir haben unheimliche Freunde.“ Die Synties! Die Tropfen! Andere hatten sie auch die galaktischen Schiedsrichter genannt! Niemand an Bord der POINT OF konnte dem Verhalten und Handeln der Synties Verständnis entgegenbringen. Für die Tropfen wäre es aufgrund ihrer hypnotischen Kräfte ein leichtes gewesen, die Flotte der Schwarzen Weißen quer durch den Raum bis ans Ende der Galaxis zu jagen. Mußten sie diesen furchtbaren Befehl erteilen und die Schwarzen Weißen zwingen, sich gegenseitig umzubringen, gegenseitig ihre Schiffe zu vernichten? Dan Riker stützte den Kopf in beide Hände. „Sie wollten uns nicht verraten, unsere unheimlichen Freunde. Wir wissen, wer die Schiffe der Schwarzen Weißen vernichtete. Aber sie werden glauben, daß wir es waren! Nach dieser Vernichtungsorgie werden sie uns bis in alle Ewigkeit hassen! Nie werden sie diese Niederlage vergessen. Und es gibt keinen schlimmeren Feind, als den, der haßt. Sie müssen uns hassen, Ren.“ Die Stille in der Kommandozentrale blieb. Grappa wollte eine Meldung abgeben und unterließ es. Die Funk-Z hatte zwei wichtige Beobachtungen mitzuteilen und schwieg dennoch. In der POINT OF breitete sich das Grauen vor den Synties immer weiter aus. Alle Besatzungsmitglieder schüttelten sich, wenn sie sich vorstellten, wie die einzelnen Schiffe der Schwarzen Weißen kämpften, bis sie sich gegenseitig vernichtet hatten. In dem Flaggschiff der TF erstarrten die Menschen. Die Synties meldeten sich wieder. Wer mit der Kraft der Sterne spielt, um Sterne zu vernichten, rechnet auch mit der Gefahr, durch die Sterne vernichtet zu werden! Dieser Trost war zu billig. Er wischte die Tatsache nicht aus, daß ein irrsinniger Hypno-Befehl hunderttausend intelligente Wesen ausgelöscht hatte. Ren Dhark fühlte einen Kloß in seinem Magen, seine Hände waren schweißnaß, das Denken fiel ihm schwer. Müßten wir ihnen dankbar sein? fragte er sich, aber in seinen Gedanken war keine Spur von Dank zu finden. Er fühlte sich ausgebrannt wie noch nie in seinem Leben. „Wir sind doch keine Grakos!“ „Was?“ fragte Dan neben ihm. „Habe ich etwas gesagt, Dan?“ „Du hast von Grakos gesprochen. Sieh mal, sind sie das?“ Er deutete auf die Bildkugel über dem Instrumentenpult und meinte damit
die Tropfen. Diese grauweißen, zwei Meter langen Tropfen zeigten auf der abgerundeten Spitze einen handtellergroßen, im kräftigen Blau leuchtenden Punkt. Satte Synties! Synties, die sich mit Energie vollgesogen hatten, und Synties, die in jeder Atmosphäre ebensogut leben konnten wie im Raum zwischen den Sternen – eine Lebensform, wie sie bizarrer die Phantasie nicht erfinden konnte. Sie trieben langsam dahin. Ein paar tausend. So viele hatten die Terraner selbst über dem Planeten Methan oder Hope im Col-System niemals gesehen. Wir vergessen unsere Freunde nie! Als Grappa den starken Blip auf seinem Oszillo sah, wußte er, was draußen passiert war. Die Synties waren von den Bildschirmen verschwunden. Die Erschütterung des Raumgefüges nur ein paar hundert Meter neben der gelandeten POINT OF verging. Sie war nicht einmal mittelstark gewesen. Ren Dhark zeigte in diesen Minuten, daß er kein eiskalter Erfolgsjäger war. Das, was gerade hinter ihnen lag, den Untergang vor Augen, hatte ihn so stark mitgenommen wie das unmenschliche Eingreifen der Synties. Müde klang seine Stimme. „Wir starten sofort. Hier können wir nicht bleiben.“ Dhark legte seine Fingerkuppen auf die Steuerschalter. Riker wollte ihm mit einer heftigen Bemerkung über die Erschöpfung der Besatzung entgegentreten, als er zufällig seinen Freund anblickte. Ren Dhark war weiß wie Kalk, und er zitterte. Und dann griff Dan Riker zu spät nach ihm. Lautlos brach der Commander der Planeten zusammen. Die Medo-Station bekam Alarm. Auf einer Schwebeliege wurde Dhark hinausgeschafft. Dan Riker schaltete auf Rundumspruch: „Fünf Stunden Ruhepause. Wacheinteilung wie üblich!“ Und während sich die Besatzung der POINT OF zur Ruhe begab, eilte der beste Freund des Commanders in die Medoabteilung. * Der Ringraumer stand auf seinen Teleskopstützen, und A-Grav hatte das Gewicht des Schiffes bis auf ein Bruchteil herabgesetzt. Dennoch waren die breiten Ausleger tief in den Boden gedrungen, bis Fels ihnen Widerstand leisten konnte. Sle lief im Leerlauf. Der Brennkreis war so schwach, daß er nicht zur Wirkung kam. In den fünf Stunden der Ruhepause hatte sich nichts ereignet. Die Mannschaft hatte sich wieder erholt. Dan Riker saß vor der Steuerung und legte seine Fingerkuppen auf die Schalter. Der Checkmas-
ter hatte die Steuerung des Schiffes wieder abgegeben. Die Schalter wechselten die Positionen in ihrer Stellung. Sie fuhr hoch. Der Ringraumer hob ab. Die tief eingesunkenen Aufleger rissen Tonnen Erdreich mit, das in großen Klumpen wieder zu Boden fiel. Die POINT OF, die nun nicht mehr unter dem Kommando des Checkmasters stand, stieg immer schneller. Die beiden Intervalle wurden erstellt, und das Unitallschiff flog wieder im Schutz seiner beiden Mini-Welträume. Sle auf Vollast. A-Grav auch! Der Treibhausplanet versank unter ihnen wie eine Kugel, die schnell kleiner wurde. Die letzten Luftschichten wurden zur Seite geschleudert. Der freie Raum mit seiner Schwärze wartete auf das stolze Schiff. Hinter den Ortungen brach einem jungen Offizier der Schweiß aus. Ihr Schiff wurde geortet! Fünf Doppelkugelraumer, Schiffe der 700-Meter-Klasse, rasten aus dem Raum kommend in Keilformation heran. Abstand 374 Millionen Kilometer! Geschwindigkeit des Pulks 0,35 Licht! Das konnte der rettende Strohhalm sein, wenn Dan Riker auf ein Gefecht mit diesen Giganten verzichtete. Der beugte sich vor und schrie in Richtung Bordsprechanlage: „Nottransition!“ Aber sie erfolgte nicht. Dan Riker glaubte, ein Spukbild zu sehen! Die fünf Doppelkugelraumer wurden angegriffen. „Gefügeerschütterung auf Grün.“ Die Werte kamen nicht mehr. Die Schiffe der Schwarzen Weißen gingen abrupt auf neuen Kurs. „Grappa, können Sie mir denn immer noch nicht sagen, mit wem wir es zu tun haben?“ Tino Grappa war in diesem Augenblick überfordert. Er konnte nicht sprechen, weil er nicht glaubte, was ihm seine Ortungsresultate sagten. Jene Zeit, in der er noch an Wunder geglaubt hatte, war längst vorbei. * Wer Dro Cimc hatte wie ein Verzweifelter gewartet. Die Eckverbindung über den Vank, über den Kluis und über die Zentrale mit den im Einsatz befindlichen Einheiten kam nicht zustande. Die Stimme des Vankko in der Gehirnzentrale des Kluis war kaum zu verstehen. „Cimc, der Vank befiehlt Ihnen…“ Dro Cimc erfuhr den Befehl des Vank nicht. Man hatte erkannt, warum sich mehr als siebenhundert Schiffe nicht mehr meldeten. Man sah das Gemetzel, und man konnte nicht
begreifen. Auch Wer Dro Cimc nicht. Die direkte Verbindung zum Vankko und dem Kluis stand nach wie vor. „Wir haben das Schiff der Terraner unterschätzt, Cimc. Selbst der Kluis hat versagt. Sarapo und Porasa, das Schicksal straft uns hart!“ Dro Cimc konnte die weinerliche Stimme des Vankko nicht länger ertragen. Wütend rief er zurück: „Nicht Sarapo und Porasa haben gestraft! Wir haben uns diese Geschichte eingebrockt. Wir sind erneut durch den Kluis hereingelegt worden! Vankko, alarmieren Sie zehn Einheiten! Unterstellen Sie die Schiffe meinem Kommando. Aber keine R-Schiffe. In einer Zeiteinheit müssen sie gestartet sein. Viel länger kann ich nicht warten, sonst entkommt mir der Ringraumer doch noch.“ Jetzt hatte er gegen ein Tabu verstoßen. Ein Wer konnte niemals einem Vankko einen Befehl erteilen. Nur nach Antrag über den Vank war es möglich, zehn Einheiten in einen nicht vorhergesehenen Einsatz zu schicken. Dem stand wieder gegenüber, daß der Kluis erst befragt werden mußte. Hatte es jemals einen Einsatz ohne Befragung des Kluis gegeben? Aber der Vankko in der Gehirnzentrale hatte jeden Halt verloren, und darum auch nicht Cimcs Verstoß gegen ein Tabu erkannt. „Wir können keine weiteren Einheiten gegen das Ringschiff einsetzen, weil wir damit die Sicherheitsgrenze unterschreiten würden, die der Kluis…“ „Den soll der Haddrada holen!“ brüllte der Wer in der ZGUTH auf und schleuderte den Srir, der ihm eben noch so gut gemundet hatte, in die Ecke. „Ich setze mit meinem Verband dem Raumer der Terraner nach. Richten Sie das unserem Vank aus, Vankko.“ Auf dem Bildschirm verschwand das Symbol des Kluis. Mit einem heftigen Handschlag hatte der Wer die Verbindung unterbrochen, und mit schwerem Schritt stampfte er aus dem Raum, um die Brücke aufzusuchen, in der die Kommandanten ihn erwarteten. Er blieb am Schott stehen, als sei es Zeitverschwendung, Platz zu nehmen. „Der Kluis ist nicht einmal wert, daß er verschrottet wird“, fauchte er unbeherrscht, als wollte er die Kommandanten für das Desaster unter den mehr als siebenhundert stolzen Schiffen verantwortlich machen. „Wir bekommen keine weitere Verstärkung! Aus diesem Grund werden wir ohne jede weitere Unterstützung die Verfolgung des Ringraumers fortsetzen, bis er bei Haddrada ist.“ Dfasl war ganz ruhig, als er den Einwurf machte: „Und wenn uns die POINT OF mit der gleichen Waffe angreift, mit der unsere Einheiten attackiert worden sind?“ Flüchtiges Lachen zog über Dro Cimc’ ausdrucksvolles, dunkles Gesicht. „Das wird nicht passieren, Kewir, weil ich ,Q’ einsetzen werde.“ Q!
Dieser Buchstabe brachte den Warner Dfasl auch nicht zum Schweigen. „Aber warum haben dann die Einheiten Q nicht sofort eingesetzt?“ Schon wieder hatte der neu ernannte Kewir gewagt, eine Frage zu stellen. „Warum? Warum nicht?“ Der Wer streckte die Arme zur Decke aus, als ob er Sarapo herunterholen wollte. „Weil der verdammte Kluis den Einsatz von Q erst in der allerletzten Phase vorgesehen hatte.“ Der Kewir, der seit Beginn dieses Einsatzes schon mehrfach gegen den Kodex der Einheiten verstoßen hatte, ging langsam auf den Wer zu und blieb drei Schritte vor ihm stehen. „Wer, erklären Sie uns Q!“ Vier Kommandanten hielten den Atem an. Dann sahen sie Cimcs Schulterzucken und hörten ihn sagen: „Ich kann Q nicht erklären. Ich weiß nur, daß sich Q an Bord unserer fünf Schiffe befindet, und daß ich jedes Raumschiff damit vernichten kann, wenn ich Q dagegen einsetze.“ „Aber wie denn, Wer?“ „Kommen Sie mit. Ich demonstriere Ihnen Q und seine Wirkungsweise – wenn uns Zeit dafür bleibt.“ Eine Rückfrage an die Ortungen ergab, daß sie in spätestens eineinhalb Zeiteinheiten dem Ringschiff nachsetzen mußten, wenn es ihrem Erfassungsbereich nicht entkommen sollte. Sie eilten zum Tiefdeck der ersten Kugel. Der Wer hob vor einem versiegelten Schott drei Sperren mit tödlicher Wirkung auf, dann zerbrach das glühende Siegel mit dem Symbol des Vank, und das Schott öffnete sich geräuschlos. Der fast leere Raum war in gelbes Licht gebadet. Auf einem mannshohen Sockel lag ein kleiner Behälter, der dreifach versiegelt war. „Das ist Q!“ sagte Wer Dro Cimc mit fester Stimme, streckte den rechten Arm aus, griff zu, zerbrach dabei alle Siegel, und mit der linken Hand öffnete er den Behälter. Fünf Kommandanten umstanden ihn und blickten in den Behälter hinein. Jeder war enttäuscht. Sie sahen nichts anderes als ein simples Steuergerät, das es zu Hunderten auf jedem Doppelkugelraumer gab. Der Wer betätigte einen Schalter. Das gelbe Licht verschwand, an der linken Wandseite tauchte eine Projektion auf und zeigte eine Sonne mit mehr als zehn Planeten. „Ich werde Q am äußeren Planeten demonstrieren.“ Die Stimme Cimcs klirrte. Über Bordsprech gab er den neuen Kurs des in Keilformation fliegenden Verbandes an. Die Schiffe schwenkten auf das neue Ziel ein, erhöhten dabei die Geschwindigkeit und gingen gemeinsam in Kurztransition. Schwer atmend hielten sich die sechs Schwarzen Weißen am Sockel fest. Trotz jahrelangen Trainings bedeutete jeder Sprung eine
extreme Belastung ihres Prim-Systems, und lähmte, wenn auch kurzfristig, ihre Aktivität. Der Wer, Transitionen kaum gewohnt, brauchte länger als die anderen, sich zu erholen. Die Doppelkugelraumer standen im freien Fall. Die Distanz zum Planeten betrug 450 Einheiten. Die riesige Eiskugel glitzerte im Licht der nahen und fernen Sterne. Das Strahlen des Muttergestirns kam so schwach an, daß es nur in der Lage war, den Abklatsch einer Dämmerung zu erzeugen. „Achten Sie auf den äußeren Planeten.“ Der Wer interessierte sich nur für sein Steuergerät, die fünf Kommandanten blickten gespannt zur Projektion. „Q ist im Einsatz!“ informierte sie der Wer. Im gleichen Moment schien die Sicht auf die Eiskugel durch eine Nebelwand behindert zu sein. Der nachtdunkle Weltraum verlor seine Klarheit. Etwas Fremdes befand sich zwischen den Schiffen und der Eiskugel. Bevor sich die fünf Schwarzen Weißen klar wurden, was sie sahen, glaubten sie sich in einem lichtlosen Tunnel zu befinden, der weder Anfang noch Ende hatte. Alles spielte sich so schnell ab, daß sie mit ihren Gedanken und ihrem Auffassungsvermögen nicht in der Lage waren, zu folgen. Der vereiste Planet war verschwunden! Das unbekannte System vor ihnen besaß einen Umläufer weniger. „Das war Q!“ Dro Cimc legte die freie Hand auf den Sockel. „Und dahinter steckt Q!“ „Und wo ist jetzt der Planet?“ Dfasl fragte für alle. „Ich weiß es nicht – wirklich. Ich weiß nur, daß man mit Q jedes Raumschiff verschwinden lassen kann, wie ich diesen Planeten habe verschwinden lassen.“ „Und warum wurde Q nicht sofort gegen das Ringschiff…“ Dfasl unterbrach sich. Er erinnerte sich des Kluis’. Der hatte den Einsatz von Q erst in der letzten Phase des Planes erlaubt, falls die Pseudoballung nicht in der Lage war, die POINT OF zu vernichten. Aber hatte Q eigentlich nicht nur eine Transition des Ringschiffes zu verhindern? Der Kewir erinnerte sich dieses Widerspruches. Dro Cimc schloß das Steuergerät und stellte es wieder auf dem mannshohen Sockel ab. Die Projektion an der linken Wandseite war verschwunden, und gelbes Licht überflutete wieder den Raum im Tiefdeck der rechten Raumerkugel. „Ich habe keine falsche Auskunft gegeben. Q sollte laut Plan eingesetzt werden, falls die POINT OF der Pseudoballung durch einen Sprung entkommen sollte. Das bedeutete aber zugleich, den Einsatz von wenigstens fünf Schiffen, die sich der POINT OF bis auf 450 Einheiten hätten nähern müssen. Durch diesen Einsatz aber wäre die Wirkungsweise von Q den Kommandanten der eingesetzten Schiffe bekannt geworden, und das durfte nach Kluis nur im äußersten Fall geschehen.“
„Wer, kommandieren denn nur Verräter unsere Schiffe?“ fragte Hjpr erbost, dem diese Geheimniskrämerei, die durch den Vank noch gefördert wurde, zuviel geworden war. „Nein, aber wir alle haben uns bis heute vom Kluis kommandieren lassen, und niemand hat gewagt, sich dem entgegenzustemmen. Wenn es uns gelingt, das Schiff der Terraner zu vernichten, haben wir sechs es jetzt in der Hand, den Kluis zu entmachten und den Vank zu zwingen, sich auf seine Aufgaben zu besinnen, die ihm vom Volk gestellt worden sind.“ „Also Revolution, Wer?“ Dfasl fragte ohne Umschweife. „Nein, denn gegen eine Maschine kann man nicht revoltieren, aber man kann sie zerstören. Und der Kluis muß zerstört werden, damit wir uns wieder daran gewöhnen, selbst unsere Entscheidungen zu treffen.“ Dfasl nickte, aber sein Nicken war keine Zustimmung. Er beeilte sich, Wer Dro Cimc aufzuklären, wie er dessen Plan, das große Rechengehirn Kluis zu zerstören, einschätzte. „Wer, Sie haben uns in der Hand. Wir sind Ihnen auf Gedeih und Verderben ausgeliefert, weil Sie uns Q und seine Wirkungsweise gezeigt haben. Wir können gar nichts anderes mehr tun, als Ihren Plan zu unterstützen. Aber ob es ein guter Plan ist, das bezweifle ich.“ „Den Kluis zu zerstören? Haben Sie den idiotischen Plan des Kluis’ vergessen, durch den wir mehr als siebenhundert Schiffe verloren?“ konterte der Wer, der sich plötzlich daran erinnerte, wie wenig Zeit ihnen noch zur Verfügung stand, wenn sie nicht die Spur der POINT OF verlieren wollten. „Wir werden uns später eingehender unterhalten. Begeben Sie sich jetzt wieder auf Ihre Schiffe.“ Während die vier Kommandanten zu ihren Doppelkugelraumern hinüberwechselten, suchten Cimc und Dfasl die Zentrale auf. Die Spur, die die POINT OF hinterlassen hatte, war deutlich zu erkennen. In einem Kristall, der Pyramidenform hatte, kreuzten sich drei Linien in einem Schnittpunkt. Dieser Punkt gab die Position des Ringschiffes an. Ein Ser-Auge, mit einem kleinen Computer gekoppelt, berechnete aus der Position des Schnittpunktes bis auf wenige Einheiten genau den Schiffsstandort. Mit ruhiger Stimme gab der Wer den neuen Kurs an. „Wir müssen so dicht wie möglich neben der POINT OF aus dem Hyperraum herauskommen, um binnen weniger Brucheinheiten angreifen zu können. Dfasl, übernehmen Sie das Kommando. Sie wissen, wo ich zu finden bin.“ Der Kewir nickte. Wer Dro Cimc verließ wieder die Zentrale. Von den anderen vier Schiffen liefen die Klarmeldungen ein. Die Formation begann dem Sprungpunkt entgegenzurasen. Im Tiefdeck nahm Wer Dro Cimc derweil eine Ringschaltung vor. Über sein Steuergerät aktivierte er die Qs in den anderen vier Raumern und schaltete sie auf seine Kommandokonsole um. Eine Leistungssteigerung erzielte er damit nicht, einzig und allein die Reichweite erhöhte sich.
Ein Durchruf störte ihn nur kurz. Der Vankko aus dem Kluis gab ihm den Befehl, sofort den Heimathafen anzufliegen und die Verfolgung der POINT OF aufzugeben. „Dfasl“, sagte er nach kurzem Überlegen, „geben Sie keine Antwort. Haben Sie inzwischen Nachricht von den restlichen Einheiten?“ „Von denen kommen keine mehr, Wer. Wir können nur noch dreiundfünfzig Schiffe feststellen, und die versuchen sich gegenseitig zu zerstören. Aber haben Sie sich schon einmal überlegt, welche furchtbare Waffe die Terraner gegen uns eingesetzt haben könnten?“ „Ja, und darum dürfen wir ihnen keine Zeit lassen, sie auch gegen uns anzuwenden. Der Ringraumer muß verschwunden sein, bevor die Terraner ihre hypnotischen Kräfte spielen lassen können.“ Der Sprung erfolgte, und damit wurde bei jedem Schwarzen Weißen das Prim-System extrem belastet. Auch der Wer im Tiefdeck war nicht in der Lage zu handeln. Ein paar wertvolle Brucheinheiten vergingen ungenutzt, aber dann jubelte Dro Cimc kurz auf. Die Projektion vor der linken Wand zeigte ihm das verhaßte Schiff so nah, wie es von einem Angehörigen der Einheiten in diesem Bereich der Galaxis noch nie gesehen worden war. Q einschalten! kommandierten seine Gedanken, und sicher griffen die Finger seiner rechten Hand zur ersten Einstellung. Dfasls Schrei aus der Zentrale ließ ihn zusammenzucken. „Wer, wir werden angegriffen.“ Der Rest des Satzes ging in einem furchtbaren Getöse unter. Die Zelle der ZGUTH dröhnte wie eine zersprungene Glocke. Und da begann das gigantische Schiff, das aus zwei Kugeln bestand, von denen jede einen Durchmesser von 700 Metern besaß, zu schwanken. Im Raumer aber brüllten die gewaltigen Aggregate auf, heulten die Speicherbänke und tobten die entfesselten Gewalten des Antriebs los. Die Lärmkulisse wurde von einem schrillen, durchdringenden Kreischen übertönt. Wer Dro Cimc verstand, was geschehen war. Der Verband war abrupt auf neuen Kurs gegangen. Seine Projektion vor der linken Wand zeigte es ihm. Immer schneller wanderte der verhaßte Ringraumer aus dem Bild heraus. Doch von der anderen Seite her traten die angreifenden Schiffe ins Bild. „Porasa“, flüsterte der Wer, und noch einmal sagte er: „Porasa!“ * Transition! Zwei S-Kreuzer der TF verschwanden aus dem Raum-Zeit-Gefüge und tauchten nach zeitlosem Ablauf 17.500 Lichtjahre weiter zwischen den Sternen wieder auf. Ralf Larsen und Janos Szardak, auf dem Auswandererschiff GALAXIS Erster und Zweiter Offizier unter Sam Dhark, suchten nun des-
sen Sohn, Ren Dhark – ihren Commander! Die LUXOR, die unter Janos Szardak flog, nahm mit der ARROW kurz Funkkontakt auf. „Nächster Sprung in 17 Minuten, Ralf.“ „Etwas knapp. Die Zeit reicht kaum aus, um die Sternkonstellationen aufzunehmen. Meine Astronomen werden weinen.“ „Meine weinen schon, aber ich kann ihnen nicht helfen. Achtung, Sprungdaten kommen. Bitte um Kontrolle.“ „Ich rufe wieder durch.“ Das Gespräch zwischen den beiden Kommandanten war zu Ende. X-Zeit begann wenig später nach erfolgter Gegenkontrolle durch die ARROW. Die Schiffe rasten der zweiten Transition zu. Janos Szardak drehte sich um. Am Suprasensor standen Arc Doorn und Anja Riker und warteten auf eine Auswertung des Rechengehirns. Anja Field war es, die mit ihrer Hartnäckigkeit den Start der beiden Schiffe durchgesetzt hatte. Nachdem sie alles noch einmal hatte durchrechnen lassen, hatte sie steif und fest behauptet, in einer Entfernung von rund 48.000 Lichtjahren würde die POINT OF von Schiffen der Schwarzen Weißen gejagt. „Die Spektralanalyse beweist es! Hier, das ist die Analyse der Kampfstrahlen, als die Schwarzen Weißen Zwitt überfielen! Und das hier ist die andere. 48.000 Lichtjahre von hier.“ „Ein bißchen weit, um eine exakte Analyse erstellen zu können!“ hatte Ralf Larsen bezweifelt. „Über den Hyperspace?“ hatte Anja ihm mit blitzenden Augen erwidert. „Ralf, die Analyse ist nicht mit unseren Geräten erstellt worden, sondern mit den Aggregaten der Mysterious! Wissen Sie denn überhaupt etwas über die Leistungsfähigkeit der Ortungsanlagen in der Sternenbrücke?“ „Auch die Mysterious waren nicht allmächtig, sonst würde es sie noch geben.“ Larsen fühlte sich nicht wohl bei der Unternehmung. „Und das hier, Ralf?“ Gleichgültig nahm Larsen die Folie in die Hand. Noch eine neue Berechnung, dachte er und überflog die Zeichen und Zahlensymbole. Ahnungslos hatte ihm Arc Doorn über die Schulter gesehen. „Donnerwetter!“ war es ihm über die Lippen gerutscht, und bevor der Colonel begriff, was geschehen war, hatte der Sibirier mit der Folie den Raum schon verlassen. „Larsen, er hat es begriffen!“ hatte ihm Anja Riker triumphierend zugerufen. Larsen, der Mann mit der immer etwas schlecht sitzenden Uniformjacke, war dem Sibirier nachgegangen, aber aus dem wortkargen Mann hatte er nichts herausholen können. Der plagte sich mit der Mysterious-Mathematik ab, die Anja Riker angewandt hatte. Er murmelte mehrfach für Larsen unverständliche Flüche auf rus-
sisch und kämpfte sich langsam durch die Berechnungen. Ihm war dabei heißer und heißer geworden. Anja hatte mit ihrer Nachkontrolle bewiesen, daß er mit den Auswertungen nicht exakt genug verfahren war. Vier gravierende Fehler waren ihm unterlaufen, die das Gesamtresultat zum Teil verfälschten. „Komisch!“ Bis zu diesem Augenblick hatte Ralf Larsen sein Schweigen durchgehalten, nun verlangte er Aufklärung. Doorn gab sie ihm mit einer Frage: „Larsen, können Sie sich vorstellen, daß die POINT OF beim Raumflug eine unverwischbare Spur hinterläßt?“ Larsen war sprachlos! Das Flaggschiff der TF hinterließ eine Spur! Sie veränderte in ihrem Bereich… „Doorn, was verändert sie?“ Niemand hatte es sagen können. Arc Doorn und Anja Riker standen am Suprasensor der LUXOR und versuchten darauf eine Antwort zu finden. Wenigstens eine rechnerische Antwort. Aber der Suprasensor kam mit Rot. Man hatte ihn überfordert. Jene Bereiche der Mysterious-Mathematik, die Anja Riker meisterhaft beherrschte, waren ihm nicht mitgegeben worden. „Immer das gleiche“, sagte die temperamentvolle Frau verärgert. „Vor drei Monaten erst habe ich drei Suprasensoren der neuen Fertigung – Nullmodelle – mit den letzten Erkenntnissen der MMathematik beschickt. Diese sollten auf alle S-Kreuzer überspielt werden. Aber hier ist es offensichtlich nicht gemacht worden. Damit sitzen wir fest.“ Janos Szardak hatte zugehört. „Ich kann es immer noch nicht glauben. Früher hat die POINT OF doch auch keine Spuren hinterlassen. Und wie hat man sich diese Spur vorzustellen, Anja?“ „Ich bin keine Physikerin, Janos, aber ob uns jemand aus dieser Fakultät weiterhelfen könnte, ist fraglich. Schließlich ist die POINT OF in einem anderen Weltraum gewesen.“ „Sie war doch schon im Karmin!“ „Können wir uns vorstellen, welche physikalischen Gesetze in dem Kontinuum herrschten, in das die POINT OF durch den Materiesender befördert wurde? Ich weiß, daß ich jetzt spekuliere, doch der Verdacht liegt auf der Hand, daß durch den Besuch in einem anderen Raum-Zeit-Gefüge mit dem Energiespektrum des Flaggschiffes eine Veränderung vorgegangen ist, die nun diese nicht verwischbare Spur in unserem Weltraum erzeugt.“ „Nonsens, Anja! Die POINT OF fliegt im Schutz ihrer beiden Intervalle!“ „Ja, und Dhark konnte auch die Energiefahnen der Ringraumer trotz Intervallen – orten, die nach dem Angriff auf Terra wieder im All verschwanden. Und die führten ihn letztendlich zur Sternen-
brücke. Außerdem kennen wir bislang nur einen Bruchteil der Geheimnisse dieses Miniaturkontinuums. Aber, Janos, vielleicht haben Sie uns auf eine Spur gebracht. Lassen Sie uns einmal den Fall durchrechnen.“ Sofort kümmerte sie sich um die Eingabe am Suprasensor. In der Kommandozentrale der LUXOR redete man nur noch im Flüsterton. Der nächste Sprung näherte sich der X-Zeit. „Nein“, sagte sie unvermittelt in die Stille hinein und schüttelte den Kopf, „ich komme an einer Stelle nicht weiter. Es sieht so aus, als ob mir eine Formel unbekannt ist. Arc, wissen Sie, was nach der Ghri-3-Spirale im zweiten Satz angewendet werden muß?“ Doorn mußte diese Frage verneinen. X minus Null kam. Zwei S-Kreuzer transitierten. Zwei S-Kreuzer rematerialisierten und standen dicht vor einem Pulk aus fünf Doppelkugelraumern! Alarm gellte durch die Ringschiffe! Die Ortungen erfaßten aber auch die POINT OF! Die beiden besten Schiffskommandanten, über die die TF verfügte, verloren ihre Ruhe nicht. „Angreifen!“ gellte es über die Bordverständigung. Mit Schwarzen Weißen konnte man nicht verhandeln, weil mit ihnen nicht zu verhandeln war! Aus der Tiefe schoß mit wahnwitziger Beschleunigung die POINT OF heran. Abrupt gingen die fünf Schiffe der Schwarzen Weißen auf neuen Kurs: Sie flogen Angriff auf die LUXOR und die ARROW! Anja Riker und Arc Doorn standen hinter Janos Szardak, schauten ihm über die Schulter und starrten auf die Bildschirme. Die ARROW schoß aus allen verfügbaren Antennen! Nun feuerte auch ihr Raumer! Aber aus Blau mischte ein drittes Schiff im Kampf mit: das Flaggschiff der TF! Plötzlich stöhnte der Sibirier auf. Er hielt sich an der Rückenlehne des Kommandantensessels fest. „Was ist das denn? Mit welchen Strahlen schießt Dhark?“ Auch Szardak hatte es bemerkt, und ohne den Kopf zu bewegen, fragte er durch das Toben der Speicherbänke, durch das Rauschen und Prasseln der Transformer im Schiff: „Ist das nicht das Hy-Kon, Doorn?“ „Nie! Nimmer! Großer Himmel, welche neuen Waffen hat die POINT OF nur?“ Die LUXOR wurde im Bereich ihres unteren Intervalls von drei schweren Treffern erwischt. Sprunghaft jagte die Belastungsanzeige hoch, fiel wieder ab, und da gab es im kleinen Pulk der Schwarzen Weißen eine Doppelkugel, die auseinanderbrach und an den beiden unteren Polkappen brannte. Atomare Umwandlung!
Die POINT OF schoß mit Mix-3! Die S-Kreuzer mit Nadel- und Strichpunkt! Das obere Intervall der ARROW brach zusammen. Ralf Larsen fluchte nicht einmal in Gedanken. Er riß sein Schiff aus dem Kurs, unterflog drei Strahlbahnen der Schwarzen Weißen und bekam eine kurze Pause von wenigen Sekunden, die ausreichte, den zusammengebrochenen Schirm um seinen Ringraumer wieder aufzubauen. Die beiden Waffenoffiziere des Flaggschiffes schossen wie auf einem Schießplatz. Der auseinandergebrochene und brennende Doppelkugelraumer interessierte nicht. Die Keilformation der Doppelkugeln löste sich auf. Jedes feindliche Schiff ging auf eigenen Kurs. Janos Szardak hinter seinen Steuerschaltern schnaufte. „Das hätte ich nie getan!“ murmelte er, als sein Chef der Waffensteuerung dieses Manöver auch schon erkannt hatte, blitzschnell alle Antennen in der Unitallhaut auf Nadelstrahl schaltete und damit angriff. Die Distanz schrumpfte zusammen! Näher noch als sie aber war die POINT OF! Arc Doorn zuckte zusammen. „Da!“ schrie er, der sonst nie seine Beherrschung verlor, auf. „Jetzt setzt Dhark das Hy-Kon ein!“ Aber es kam nicht zur Wirkung. Die Schiffe der Schwarzen Weißen drehten ab, ohne sich um ihren auseinandergebrochenen Raumer zu kümmern. In einer Nottransition waren die gigantischen Raumer verschwunden. „Mahlzeit!“ sagte Janos Szardak, drehte sich um, zeigte kein Pokergesicht, sondern lachte Anja Riker unternehmungslustig an und meinte dann: „So, Anja, da wären wir, und in zehn Minuten können Sie Ihren Dan in die Arme nehmen.“ Anja nickte nur ruhig. Die Funkverbindung mit der POINT OF kam zustande, und in der Kommandozentrale des Flaggschiffes vergaß ein Mann vor lauter Erstaunen, seinen Mund zu schließen. „Du?“ sagte er nur und klappte dann seinen Mund zu. „Woher kommst du denn, Anja? Wie konntet ihr uns bloß finden?“ Ralf Larsen schaltete sich ein. „Hallo, Riker! Wir…“ Damit war seine Begrüßung zu Ende. Glenn Morris in der Funk-Z war der Störenfried. „An alle! Starker Hyperfunkverkehr auf den Frequenzen der Schwarzen Weißen. Unsere Echokontrolle hat bis jetzt rund dreihundert Stationen ausgemacht, die sich auf schnellfliegenden Schiffen befinden. Kurs der Schiffe: Unsere Position. Wir müssen uns in Kürze auf eine Massentransition von Doppelkugelraumern gefaßt machen. Ende der Meldung.“ Dan Riker verlor darüber kein Wort. „Szardak, geben Sie uns sofort die Koordinaten von Terra, denn wir haben keine Ahnung, wo wir die Erde zu suchen haben.“ „Kommt sofort, Riker. Geht direkt an den Checkmaster, aber warum ist auf der POINT OF nichts unternommen worden, zu ver-
um ist auf der POINT OF nichts unternommen worden, zu verhindern, daß das Schiff eine unverwischbare Spur hinterläßt?“ Szardak handelte sofort, ohne lange eine Erklärung zu hinterfragen. „Was tun wir?“ Rikers Stimme war von der Erregung verfärbt, klang fremd. „Eine saubere Spur hinterlassen!“ „Szardak, machen Sie uns nicht verrückt. Wir haben genug hinter uns…“ „Das haben wir auf Planet 1 im Zwitt-System bemerkt. Wir haben – vielmehr Doorn hat mit Planet 1 als Antenne die halbe Milchstraße zusammengeschrien und nach der POINT OF gerufen. Haben Sie unsere Rufe nicht empfangen?“ „Wir lagen in einem Funkschatten, den uns die Schwarzen Weißen verschafften, doch zum Wichtigsten zurück: Welcher Art ist die Spur, die unser Schiff hinterläßt?“ Im gleichen Moment, als er diese Frage gestellt hatte, erinnerte er sich an Erron-3, an das blaßblaue Universum, und daran, daß außer Congollon, Dhark und ihm kein Mann der Besatzung eine Erinnerung an das Experiment mit dem Materiesender hatte. Die Katastrophe löste Arc Doorn aus. Gerade der Mann, der nie gern sprach, mußte in diesem Augenblick redselig werden. „Riker, daran rätseln alle herum, aber diese neue, unliebsame Eigenschaft des Raumers muß etwas mit dem Versuch zu tun haben, per Materiesender in ein anderes Raum-Zeit-Gefüge einzudringen.“ Dan Riker ließ sich nichts anmerken. Die Rolle, die ihnen als Wissende aufgezwungen worden war, hatte er weiterzuspielen. Er gab sich völlig ahnungslos, und während er antwortete, stellte er fest, daß auch der letzte Offizier in der Zentrale atemlos zuhörte. „Wir sollen ein Experiment mit einem Materiesender auf Planet 1 gemacht haben, Doorn? Sollte auch das Wissen darum durch die posthypnotische Behandlung ausgelöscht worden sein? Uns fehlt ein Teil der Erinnerung!“ Er starrte Doorn in die Augen, bannte ihn mit seinem Blick. Der Sibirier merkte sofort, daß etwas nicht stimmte – Riker wollte über das Thema nicht reden. Tino Grappa machte der Fortsetzung des Gesprächs ein Ende. Er meldete starke Gefügeerschütterungen auf der anderen Seite des Systems. „Aber wir haben es diesmal nicht mit Doppelkugelraumern zu tun, denn das Bild dieser Antriebsemissionen unterscheidet sich so stark wie zwischen Kugel- und Ringraumer.“ „Und die POINT OF hinterläßt eine prachtvolle Spur!“ stellte Szardak unzufrieden fest. „Zum Teufel, wie sieht unsere Spur denn aus?“ rief Dan Riker ärgerlich über Funk zur LUXOR. Der Mann mit dem Pokergesicht erwiderte gelassen: „Wir wissen es auch nicht, aber wir können die Spur anmessen. Sie ist etwas Neues in unserem Weltraum. Und wenn es wissenschaftlich hun-
dertmal Unsinn ist, was ich jetzt sage: Im dunklen Weltraum läßt die POINT OF eine Lichtspur hinter sich, die nicht vergeht, die auch dann nicht vergeht, wenn das Schiff transitiert.“ „Das ist doch höherer Blödsinn!“ polterte Riker bissig. „Nur stimmt er. Riker, wir wissen doch nicht, was mit dem Flaggschiff…“ Um sie herum wurde es im Raum mit einem Schlag lebhaft! „Sterne und Boliden, das sind ja Xe-Flash!“ rief Tino Grappa hinter seiner Ortungsanlage. „Xe-Flash, wie wir einen in der Sternenbrücke erlebt haben!“ Xe-Flash! Gleichgültig, ob es ein Flash oder ein Xe-Flash war, beide Typen stammten aus der Fertigung der Mysterious! Beide Typen hatten dieselben Eigenschaften! Sie konnten von einem Ringraumer nicht abgeschossen werden, wie sie sich gegenseitig nicht abschießen konnten, weil die kontinuierlich arbeitenden Gedankensteuerungen diese katastrophalen Pannen verhinderten. Aber es gab an Bord der drei Ringraumer keinen Menschen, der nun verhindern konnte, daß die Xe-Flash einflogen! In die Schiffe! Durch den Mini Weltraum! Durch Unitall! Und was ereignete sich dann? Blitzschnell hatte Dan Riker die sich anbahnende Katastrophe erkannt, aber er sah keine Möglichkeit, das Einfliegen der supergroßen Flash zu verhindern! Die beiden anderen Ringraumer konnten sich durch Transition absetzen, aber nicht die POINT OF. Ihre unverwischbare Spur würde die Xe-Flash wie Motten heranbringen, die sich ins Licht stürzen. Und Flash wie Xe-Flash waren in ihren Beschleunigungswerten so gut wie das Flaggschiff. „Clifton! Rochard! Nehmen Sie einen Xe-Flash unter Feuer. Von Mix-1 bis Mix-3 alles versuchen! Verstanden?“ An Bord der beiden S-Kreuzer hatte man Rikers Befehl nicht begriffen. Mix, was war das? Bud Clifton, der Chef der WS-West, schrie über Bordfunk. „Mix unklar! Nicht einzusetzen!“ Großer Himmel, wir müssen Zeit gewinnen! dachte Riker, das ist das wichtigste! Und vielleicht können wir Zeit gewinnen, indem wir auf Überlicht gehen! Er teilte seine Gedanken den beiden Kommandanten der S-Kreuzer mit. „Versuchen wir es!“ gab auch Ralf Larsen von der ARROW durch. Drei Schiffe schalteten auf Sternensog, und der Brennkreis wurde durch den Brennpunkt abgelöst. Titanische Kräfte der MysteriousTechnik schleuderten drei Ringraumer durch die Lichtmauer, wäh-
rend die Männer in den Unitallzellen den Atem anhielten. Würden sie Zeit gewinnen? Würden die Xe-Flash auf dieses Manöver nicht reagieren und zurückbleiben? Innerhalb der letzten zwanzig Sekunden waren es ein paar hundert geworden. Die Schwarzen Weißen mußten in einem Blitzeinsatz eine Armada dieser kleinen Raumfahrzeuge herangebracht haben. Kein Terraner wußte etwas von einem Vankko, der Chef einer Gehirnzentrale der Schwarzen Weißen war und aus eigenem Entschluß, ohne vorher den Vank zu befragen, den Einsatz der Xe-Flash angeordnet hatte, um Dro Cimcs Pulk vor der Vernichtung durch das terranische Flaggschiff zu schützen. „Haben auch auf Sternensog umgeschaltet!“ lautete Grappas knappe Meldung. Es war Energieverschwendung, eine Strahlart auf diese kleinen Raumboote einzusetzen. Die Gedankensteuerung verhinderte auch die gewollte Vernichtung. „Diese Mysterious“, stöhnte Dan Riker ohnmächtig, der ununterbrochen die Werte ablas, die von den Ortungen zu seinem Instrumentenpult kamen. „Szardak, passen Sie auf.“ Zehn Xe-Flash rasten auf die LUXOR zu, wollten einfliegen, durch die Intervalle, durch die Unitallzelle, mitten hinein ins Schiff! Und dann? „Was nützt mir alles Aufpassen, wenn ich nichts tun kann?“ rief Janos Szardak zurück. „Riker, ich habe Alarm für alle gegeben. Die Wanzen müssen wir schon ertragen, aber wer aus den Wanzen aussteigt, wird unter Strahlfeuer genommen! Einen anderen Ausweg… Heiliger Strohsack, da fliegt der erste Xe-Flash schon ein.“ „Szardak, Larsen! Springen! Nottransition für Ihre Schiffe!“ In diesem Augenblick dachte er endlich einmal wieder an seine Frau Anja, die sich auf der LUXOR befand. So nah, und doch unerreichbar fern für ihn. „Wir schlagen uns schon durch.“ „Wir springen nicht, Riker! Wir lassen die POINT OF nicht im Stich! Wir denken nicht daran.“ Ralf Larsen wurde der Mund gestopft! Drei Xe-Flash waren in seine ARROW eingeflogen. Und da bekam auch die POINT OF den unerwünschten Besuch. Gleich in fünffacher Ausführung! Sie durchquerten das Intervall, als ob es gar nicht vorhanden sei. Sie flogen die blauschimmernde Unitallhülle an, und die Bildkugel in der Zentrale zeigte es mit gespenstischer Deutlichkeit. Und dann flogen sie ein! Nebeneinander, in Höhe des dritten Decks! Die ersten Xe-Flash der Schwarzen Weißen, die der Technik der Mysterious entstammten, waren angekommen. *
Sechs Männer und ein Robothund standen an der Stelle, wo Giants Giants herstellten! Giants stellen Giants her! Und das war das Unheimliche an dieser Tatsache! Roboter, die den Auftrag hatten, sich selbst zu erzeugen! Die biologisch-anorganische Masse aus der riesigen Pfanne floß hier in einen Former, der über mehr als zweihundert Zuleitungen verfügte. Ein blauschimmernder, flachgedrückter Kessel, der an einen mißglückten Diskus erinnerte, stand auf meterdicken Unitallpfeilern mitten in der Halle. Im Halbrund verlief in gut zwanzig Metern Höhe eine Galerie, auf der hin und wieder Giants zu sehen waren, die aber von dem ungewohnten Besuch keine Notiz nahmen. Die beiden mausgrau gekleideten Giants führten sie unter dem Kessel hindurch zur anderen Seite der Halle. „Nonsens, als Roboter Kleidung zu tragen“, polterte der kahlköpfige Shanton, der den Verlust seines prächtigen Backenbartes immer noch nicht völlig überwunden hatte. Die biologischen Roboter schenkten Shantons Bemerkung und den leisen Gesprächen der Männer keine Beachtung. Es beunruhigte sie, daß Manu Tschobe beobachtet hatte, wie eine Transmitter-Straße aktiv geworden war, und die Praxis hatte oft bewiesen, daß der Afrikaner ein ausgezeichneter Beobachter war. „Wir müssen abwarten!“ sagte Holger Alsop und warf Jimmy einen anerkennenden Blick zu. „Gut, daß wir Ihren Hund bei uns haben, Shanton.“ In Shantons Augen blitzte es auf. Auch wenn der Dicke es sich selten anmerken ließ, so tat es ihm jedesmal gut, wenn man seine Spielerei lobte. Vorbei an blaublitzenden Stützpfeilern, über ihnen die Unitallwandung des Formerkessels, gelangten sie auf die andere Seite der Halle. Bitte folgen! Nach langer Zeit wieder der erste telepathische Kontakt. Sie traten durch ein Schott und fanden sich in einem Kontrollraum wieder, in dem man über eine Wand von Bildschirmen die Fertigung von Giants in allen Phasen beobachten konnte. Die vier Cyborgs schalteten auf ihr Zweites System. Sie wollten vermeiden, etwas nicht aufzunehmen. Ein normaler Verstand war hier überfordert! Es war deshalb auch kein Wunder, wenn Shanton und der GSO-Mann Jos den vielen einzelnen Phasen keine Aufmerksamkeit mehr schenkten, sondern ihr gesamtes Interesse dem fertigen Produkt zuwandten. Die Hülle, der giant’sche Körper, war bis auf die Gliedmaßen noch offen. Der silbern glänzende Schlangenleib war deutlich zu erkennen, die vielen Verbindungen von ihm zur Innenseite der Hülle und der Kopf mit dem Stirnraum. In dieser Phase der Entwicklung wurde durch einen blitzschnellen
Eingriff, der sich an jedem Produkt wiederholte, das Programmgehirn in den Schlangenkörper eingesetzt. Eine funkelnde Halterung, die nach unten stieß, einen Schlitz in den silbernen Leib machte, darin das Programmgehirn verschwinden ließ und beim Zurückziehen eine wasserklare Flüssigkeit verspritzte, unter der sich der Schlitz narbenlos schloß, waren der Ablauf eines Arbeitstaktes, dem Shanton und Jos atemlos zusahen. „Zwei Komma vier Sekunden“, flüsterte Chris Shanton, der diesen Takt mit seinem Chrono gestoppt hatte. Auf dem energetischen Band wurde der geöffnete Giant um einen halben Meter versetzt. Aktivierung des Schlangenleibes und Abschluß der letzten Vorbereitungen, den Giantkörper zu schließen. Von drei Seiten schoben sich zielsicher und schnell eigenartig geformte Trichter heran. Vom offenstehenden Becken über den Brustkorb bis zum Kopfraum fuhren sie in die Tiefe. Was dann geschah, konnten auch die Cyborgs nicht erkennen. In drei Komma acht Sekunden war auch diese Phase zu Ende. In der nächsten schlossen zwei Druckseiten, die in ihrer Form jeweils ein halbiertes Gegenstück zu einem Giant waren, den leblos liegenden Roboterkörper. Damit war er ans Ende des energetischen Bandes gelangt. Eine Schräge ließ ihn rund zwei Meter tiefer gleiten. Unterwegs auf dieser Rutschpartie wurde der Körper so gedreht, daß der Giant zuerst mit den Füßen den Boden berührte. Kaum war das geschehen, als er sich mit seinen normalen Armen abdrückte, aufstand und dann auf eine Kontrolle zuging, die ihn registrierte. Ein neuer Giant wartete darauf, seine Aufgabe laut Programm zu erfüllen! Ein Wunderwerk robotischer Technik der Mysterious hatte das Licht der Geheimnisvollen erblickt. Es gab wieder einen neuen All-Hüter. Aber wie kamen diese All-Hüter dazu, unbekannten Wesen ihre Geheimnisse zu zeigen? Der Dicke fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, streichelte Jimmy und beugte sich zu ihm nieder. „Na, du Stinker, ist noch alles okay?“ Er, der nicht zuließ, daß man seinem Spielzeug eigenartig klingende Kosenamen zudachte, sprach am liebsten in dieser etwas drastischen Form mit seinem Erzeugnis. „Nein“, sagte die Blechstimme, „hier hat sich in den letzten Minuten viel geändert, aber was soll ich schon sagen, wenn meine Ortungen immer unklarer werden?“ Shanton fragte nicht nach dem Warum. Wenn sein Jimmy so etwas meldete, war Gefahr im Verzug. Unverzüglich unterrichtete er die Cyborgs. Marc Carrells Stimme, die leicht verändert klang, weil er mit seinem Zweiten System sprach, reagierte wie ein Roboter, ohne jedes Anzeichen einer Überraschung oder Besorgnis. Gleich ihm verhielten
sich Oshuta, Sass und Alsop. Jos Achten van Haag stützte seine Hände auf den Kolben der Strahlwaffen ab. Er hatte inzwischen gelernt, auf Jimmys Warnungen zu hören. Sollte es mit Manu Tschobe zusammenhängen? Er rief den Afrikaner über sein Vipho an. Tschobe am Transmitter meldete sich nicht. „Er hat sein Vipho abgeschaltet“, sagte Jos ärgerlich und wurde dann abgelenkt. Einer der beiden Giants setzte sich mit ihm wieder in Verbindung. Wir wollen euch nun noch unser Archiv zeigen. Jos unterrichtete die anderen, doch während er noch sprach, kam eine weitere Mitteilung. Ihr werdet gleich erkennen, wo wir als All-Hüter eingesetzt sind, und es wird euch klar sein, daß es diese All-Hüter nie gegeben hat, von denen ihr uns erzähltet. Sie stritten die Existenz der Giants ab, die unter einem Cal ,gelebt’ hatten! „Das kann ja interessant werden!“ stellte Shanton fest, der durch diese Ankündigung der Giants abgelenkt worden war, und auch Jos Aachten van Haag beging den gleichen Fehler. Nicht aber die Cyborgs, die seit der Warnung durch Jimmy nicht mehr daran dachten, auf normal zurückzuschalten. Jeder von ihnen war zusätzlich bereit, sofort zu phanten, wenn die Lage es erfordern sollte. Zögernd setzten sie sich in Bewegung. Unmerklich blieben sie immer weiter zurück, kaum daß sie die Halle wieder betreten hatten und nun nach links am Kessel vorbeigingen. Als Cyborgs konnten die Raubtierwesen ihre Gedanken weder lesen, noch sich mit ihnen telepathisch in Verbindung setzen. Und die schwache Rückschaltungsphase zwischen Programmgehirn und dem normalen sprach auf dem Parasektor nicht an. Noch einer war zurückgeblieben: Jimmy, der seine Ortungen unklar gemeldet hatte. Sein Suprasensor hatte ihm gesagt, daß Gefahr in der Luft lag. Seine Zunge hing darum aus dem Maul – eine echt aussehende Hundezunge, nur daß sie einen Abstrahlpol besaß, der tödliche Energiebahnen emittieren konnte. Mehrere tausend Meter höher und viele Kilometer entfernt kämpfte ein Afrikaner den Kampf seines Lebens. * Um 0:48 Uhr Normzeit hatten sich Henner Trawisheim und Marschall Bulton vor den beiden Transmittern getrennt. Jeder von ihnen wollte noch eine Handvoll Schlaf nehmen. Sie kamen nicht ins Bett. Ein Funkspruch der A-066 jagte sie zum Stab der TF zurück. S-Kreuzer A-066 ist nicht mehr zu steuern. Nottransition unmöglich. Rasen mit hoher Überlicht an Centauri vorbei auf Sol… Die A-066 meldete sich nicht mehr. Dennoch rief man ununter-
brochen das Schiff über To-Funk an. Zwei große Rechengehirne ermittelten den letzten Standort der A066. 3,6 Lichtjahre war es von der Erde entfernt, als es den unvollständigen Spruch abstrahlte! Demnach konnte der Ringraumer doch nicht an Centauri vorbeifliegen! Das System mußte weit hinter ihm liegen! Als Bulton den Transmitterraum im Stab verließ, prallte er auf dem Gang mit Colonel P.S. Clark zusammen. „Was machen Sie denn hier, Clark? Wollten Sie nicht im Bett liegen?“ „Wenn man mich aus den Federn wirft. Marschall…“ Nebeneinander hasteten sie zum Auswertungsraum. „Was? Man hat Sie…?“. „Mit höchster Dringlichkeitsstufe! Ich sei Experte, und Huxley hätte man auch benachrichtigt.“ Sie sprachen abgehackt, und sie waren ziemlich kurzatmig, als sie den Auswertungsraum betraten. Henner Trawisheim schaute sie kurz an. Sein Gesicht war ernst. Und das wiederum war kein gutes Vorzeichen. „Bitte, Marschall.“ Ihm wurden Strahlungsdiagramme vorgelegt, Endresultate, Kurven und komplizierte Berechnungen, aber auch das Ergebnis der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Ein Major referierte. „Wir haben den Fall der verschwundenen Raumer aufgegriffen, die nie auf Planet 1 im Zwitt-System angekommen sind. Das hier, Marschall, diese beiden Diagramme lassen das Schlimmste befürchten, aber sie könnten auch erklären, warum.“ „Knapper, Major! Was befürchten Sie? Wieder eine unsichtbare Station?“ „Ja!“ Bulton drehte sich zu Trawisheim um. „Was ist Ihre Meinung?“ „Wir sollten Huxley und Clark beauftragen, den Kurs der A-066 anzufliegen und das Schiff zu suchen.“ Das war eine klare Ansicht, aber noch dachte der Marschall nicht daran, einem größeren Verband Startorder zu geben. Suchend sah er sich um. „Kein Experte für Ringraumertriebwerke hier? Ich möchte in fünf Minuten einen hier sehen!“ Ihm war unverständlich, warum die A-066 nicht mehr steuerbar sein sollte. Zwei Experten jagten herein. Bulton verzichtete auf eine zackige Ehrenbezeugung. „Sehen Sie sich das an, und dann möchte ich Ihre Meinung hören, ob der Triebwerksingenieur in der A-066 versagt hat oder nicht.“ Hinter seinem Rücken wurde laut gesprochen. Colonel Huxley und Colonel Clark riefen ihre Stellvertreter auf ihren Kreuzern und ordneten an, die Schiffe startklar zu machen und einen Alarmstart vorzubereiten.
Zum Teufel, dachte Bulton, bekommen wir denn nie mehr Ruhe? Muß denn immer eine Gefahr die andere jagen? Er drehte sich wieder um, begann mit den Fingern zu trommeln, aber damit konnte er die Triebwerksexperten auch nicht zwingen, ihm umgehend ihre Erklärung abzugeben. Sie wollten sichergehen und benutzten den Suprasensor. Der benötigte seine Zeit, um mit der gestellten Aufgabe fertig zu werden. Und in der Zwischenzeit gab die Hyperfunkstation von Cent Field durch, daß sich der SKreuzer A-066 bisher nicht mehr gemeldet habe. Um 1:09 Uhr Normzeit rasten Huxley und Clark in zwei Jetts zu ihren Schiffen. Gleichzeitig hatten achtundvierzig andere Raumer den Startbefehl bekommen. Marschall Bulton wollte Trawisheim zwingen, Terra zu alarmieren, aber der zögerte noch. „Warten wir ab, was Clark und Huxley erreichen, und erinnern Sie sich, daß die Nogk vor ihrem Auszug in einer ähnlichen Lage gewesen sind? Vielleicht ist die Gefahr gar nicht so groß, wie wir sie im Augenblick einschätzen.“ Bulton warf Ren Dharks Stellvertreter einen abschätzenden Blick zu. „Sie sollten diesen Einsatz mal mitmachen, Trawisheim, dann würden Sie anders reden. Ganz anders!“ Er hatte ihm ungeschminkt die Meinung gesagt, denn er hatte nicht vergessen, was ihm die beiden zu Rate gezogenen Triebwerksexperten einstimmig erklärt hatten. ,Nur eine fremde Macht, die der Mysterious-Technik überlegen ist, kann einen Ringraumer auf einen ungewollten Kurs zwingen.’ Und aufgrund der Resultate der Funkortung war die A-066 gegen ihren Willen auf Kurs Sol gebracht worden. Kalt erwiderte Trawisheim dem Marschall: „Ich werde mir Ihren Vorschlag einmal durch den Kopf gehen lassen!“ Er ging. Bulton blieb im Auswertungsraum und wartete darauf, daß der Start des S-Kreuzerverbandes gemeldet wurde. Um 01:46 Uhr Normzeit verließen fünfzig Ringraumer den Hafen von Cent Field. Bis zum Start war von der A-066 nichts mehr zu hören gewesen. * Manu Tschobe hatte sich gerade hinter einen Felsvorsprung zurückgezogen, als er Stimmen hörte. Sie kamen aus der Richtung der schwarzen Transmitterkugel: laute Stimmen. Stimmen von Menschen, die sich absolut sicher fühlten. Aber er verstand sie nicht. Ihre Sprache war ihm fremd. Vorsichtig hob er den Kopf an. Der Spalt in dem Felsvorsprung schenkte ihm kein gutes Sichtfeld. Seine Geduld wurde auf die Probe gestellt, während er immer mehr Stimmen hörte, die sich langsam der Stelle näherten, wo er sich versteckt hatte. Und dann tauchte der erste auf. Ein Schwarzer Weißer!
Hatte er denn etwas anderes erwartet? Er hatte damit gerechnet, und dennoch traf es ihn wie ein Schock. Befanden sich auch Roboter unter ihnen, Maschinenwesen, die sich von ihren Erbauern nur durch das grelle Strahlen der Augen unterschieden, ihnen sonst aber bis ins Detail ähnelten? Dreißig, vierzig, und dann zählte er dreiundvierzig! Er ließ sie vorbeigehen. Alle dreiundvierzig. Und er sah die schweren Ausrüstungsgegenstände, die sie mit sich führten. Strahlwaffen, Gepäckstücke, kleine Schwebeplatten und dann Strahlgeschütze, die von A-Grav gehalten wurden und über einen eigenen Antrieb verfügten. Tschobe brach der Schweiß aus, als er dieses Waffenarsenal betrachtete. Und genau vor seinem Versteck, keine zehn Meter entfernt, versammelten sich dreiundvierzig Schwarze Weiße, als ob sie noch auf etwas Wichtiges warten würden. Drei Humanoide sonderten sich ab. Zwei mit schweren Strahlwaffen in den Händen, der dritte mit einem Aggregat, in dem Tschobe ein Ortungsgerät vermutete. Und diese Vermutung war richtig. Das Ortungsgerät arbeitete. Sie musterten aufmerksam die Anzeigen und hielten ihre Waffen schußbereit. Der links gehende Schwarze Weiße zielte wie zufällig auf den Felsvorsprung. Tschobe, der auch seinen Strahler schußbereit hielt, wagte sich nicht zu rühren. Er wollte sein Leben so teuer wie möglich verkaufen, auch wenn er keine Chance hatte. Der Fremde, der das Ortungsgerät trug, wandte sich an seine Begleiter. Der Afrikaner verstand die Gesten. Der Humanoide hatte nichts Verdächtiges bemerkt. Die beiden Schwarzen Weißen, die ihre Blaster schußbereit gehalten hatten, ließen sie nun langsam sinken. Mit jedem Zentimeter wurde dem Afrikaner wohler ums Herz. Aus der großen Gruppe kam ein lauter, scharfer Ruf. Alle drei gingen zu ihren Gefährten zurück, und Tschobe zog sich tiefer in sein Versteck zurück. Er achtete vorsichtig darauf, keine Geräusche zu verursachen, und wischte sich den Schweiß ab, als er Schritte vernahm, die sich entfernten. Die Waffe in seiner Hand zitterte nun leicht, und er mußte erst ein paarmal tief durchatmen, bis er sich etwas beruhigt hatte. Aber das Problem, wie er diese dreiundvierzig Humanoiden davon abhalten konnte, die Fabrikationsstätte der Giants aufzusuchen, bestand nach wie vor. Ein Gedanke schoß ihm durch den Kopf, eine Erinnerung, die noch ziemlich frisch war. In einer Kette von Bildern stand ihm seine Flucht mit Shanton und Jos aus dem Raumschiff der Schwarzen Weißen vor den Augen. Ich muß es versuchen! sagte er sich, und das war gleichzeitig der Augenblick, in dem er seine Augen schloß und unter Aufbietung aller Energien versuchte, seine Parakräfte freizumachen. Dabei war er sich klar, daß er auf diesem Gebiet kein großer Könner war, denn
auf Terra lebten Menschen, deren hypnotische Kräfte den seinen um ein Vielfaches überlegen waren. Wir gehen über die Transmitter-Straße zurück! Wir gehen über die Transmitter-Straße zurück! Gegen die rauhe, zackige Felswand gelehnt, die Knie leicht angewinkelt und die Hände so stark zusammengepreßt, daß die Handknöchel eine hellgraue Farbe zeigten, dachte er ununterbrochen diesen einen Satz, in den er seine hypnotischen Kräfte hineinzulegen versuchte. Wir gehen über die Transmitter-Straße zurück! Feine Schweißperlen tauchten auf seiner Stirn auf. Seine wulstigen Lippen preßten sich immer mehr zusammen, je länger er sich konzentrierte! Fremd sah er aus, weil die Backenknochen immer stärker hervortraten. Wir gehen über die Transmitter-Straße zurück! Dreiundvierzig Humanoide sollten kraft eines fremden Willens kehrtmachen! Wieviel Zeit seit Beginn seines Versuches verstrichen war, konnte er nicht sagen, ebensowenig bemerkte er, wie er dem Zusammenbruch entgegenraste. Wie ein Blitz kam er, Manu Tschobe sackte zusammen und verlor für einen kurzen Augenblick das Bewußtsein. Als er wieder zu sich kam, war alles um ihn herum still. Habe ich es geschafft? fragte er sich, und noch am ganzen Leib zitternd lauschte er. Langsam richtete er sich auf. Auch in dieser Stellung konnte er nichts hören. Stille umgab ihn, und aus Richtung der Spaltöffnung kam kein Laut. Tschobe wischte sich über die Augen, weil er nicht glauben wollte, was er sah. Aber gerade das hatte er erhofft: Die Schwarzen Weißen waren verschwunden! Alle! Mit ihren Geräten! Durch den Tunnel? Tschobe rannte zum Kugeltransmitter zurück! Er war eingeschaltet! „Nein!“ stieß Tschobe ungläubig aus. Der Einbahnweg des Kugeltransmitters war umgeschaltet worden! Er führte in die Richtung zurück, aus der die Humanoiden gekommen waren! Er begriff es kaum, weil ihm der eigene Erfolg so unglaubwürdig vorkam. „Nein!“ sagte er erneut, und dann gab es für ihn keine andere Aufgabe, als zu versuchen, diese Straße nach beiden Richtungen hin zu blockieren. Es mußte möglich sein! Die Mysterious mußten diese Sicherung eingebaut haben. Aber wo hatte er sie zu suchen? Nach wie vor leuchteten am Schaltpult das Aktivzeichen und die Richtungsanzeige. Die Sternkonstellation auf dem Bildschirm sagte ihm nichts. Er hatte keine Ahnung, wo es dieses Sternbild in der Galaxis gab, aber es war ihm klar, daß die Schwarzen Weißen eine
aufgegebene Station der Mysterious übernommen und dort das Gegenstück zu diesem Kugeltransmitter gefunden hatten. Er fand die Sicherung nicht, die eine Aktivierung dieser bestimmten Transmitter-Straße verhinderte. Da schaltete er sein Vipho ein. Nacheinander rief er die Männer, zuletzt auf anderer Frequenz Jimmy, den Robothund, aber niemand meldete sich. Aus seinem Vipho klang nur das leichte Rauschen der Statik. Er wollte die Transmitter-Straße nach Dockyard umschalten, um von dort weiter nach Hope zu gelangen, nur blieb es beim Wollen. Die Schwarzen Weißen, die sich unter seinem hypnotischen Befehl zurückgezogen hatten, kamen erneut. Die Humanoiden kamen zum zweiten Mal zum Planeten der Giants. * Im dritten Deck der POINT OF war die Hölle los! Fünf Xe-Flash waren eingeflogen und gelandet. Auf zwölf spinnbeindünnen Auslegern, die weit zur Seite gestreckt waren! Hintereinander lagen sie, alle fünf! Blauviolett schimmerte die Oberfläche der unschönen Flashkörper, die die Terraner zum erstenmal auf einem Planeten in der Sternenbrücke gesehen hatten. Maximal zehn Personen konnte jeder Xe-Flash aufnehmen, darum rechneten die Männer, die ihre schweren Strahlwaffen schußbereit hielten und die immer noch geschlossenen Schleusen nicht aus den Augen ließen, mit fünfzig Schwarzen Weißen! Aber die Schleusen der fünf Riesen-Flash blieben geschlossen! Rikers Stimme kam über die Bordverständigung, die auf maximale Lautstärke gestellt worden war. „Achtung, Hinflug von drei Xe-Flash auf Deck 2 und zwei weiteren auf Deck 3!“ Gleichzeitig schoß Riker ein Gedanke durch den Kopf. Einsatz aller Flash, über die die POINT OF noch verfügte. Er rasselte die Namen der Flashpiloten herunter. Rul Warren antwortete für alle. „Okay, Riker, machen wir! Diese verdammten Riesendinger.“ Der Spieß sollte umgedreht werden! Sieben namentlich aufgerufene Flashpiloten rasten zu den Depots und sprangen in ihren Blitz. Sie flogen quer durch die POINT OF, durch Decken und Wände und hinterließen dennoch mit ihrem Brennkreis keine Schmelzspur! Auf Deck fünf schoben sich zwei Flash aus der Wand heraus, hielten genau Kurs auf die uneingeladenen Raumboote der Schwarzen Weißen und flogen in sie hinein. Rul Warren hatte sich den rechten Xe-Flash ausgesucht, Mike Doraner den anderen. Ihr Funk lief. Die Verbindung zur Kommandozentrale stand ununterbrochen. „Riker!“ schrie Warren, „mein Xe-Flash ist leer!“
„Meiner auch!“ meldete sich Doraner. Von den anderen fünf Piloten kamen gleichlautende Meldungen. „Aber die können doch nicht leer sein! Großer Himmel, jetzt wird Deck 1 von sieben Xe-Flash angeflogen!“ Rikers Stimme ließ keine Unruhe durchhören. „Und auf der LUXOR und der ARROW sieht es nicht viel anders aus. Doraner, können Sie aussteigen und den XeFlash mal untersuchen?“ Der meldete: „Ausstieg offen. So, bin draußen – äh, bin aus meinem Flash und stehe im Xe-Flash. Komplizierte Ausdrucksweise.“ „Reden Sie weniger. Schauen Sie nach! Fällt Ihnen etwas Besonderes auf?“ Schweigen von Doraner. Nervenzerreißende Spannung in der POINT OF. Alle hörten mit, jeder fieberte. Die Ungewißheit fraß Kräfte. Was hatten die Schwarzen Weißen mit diesem Einsatz der kleinen Raumboote vor? Endlich meldete sich Mike Doraner. „Ich kann nichts finden. Mein Riesen-Flash ist eine taube Nuß!“ Aus der 005 kam ein Aufschrei. Der Pilot hieß Vultejus, ein erfahrener Flashpilot. „Riker, ich habe in meinem Xe-Flash einen Tankkörper entdeckt, der abbläst.“ „Was denn?“ „Keine Ahnung. Das Gas sieht schmutziggelb aus.“ „An welcher Stelle haben Sie den Tank gefunden, Vultejus?“ „Links von der Schleuse. An diesem Ding, mehr als zwei Kubikmeter Fassungsvermögen, scheint eine Dichtung kaputt zu sein.“ Doraner unterbrach ihn. „Hier gibt es den Tankkörper auch, aber er bläst nicht ab.“ Er war in jedem Xe-Flash zu finden. Die Medo-Station wurde alarmiert. „Wir müssen mit einem heimtückischen Angriff rechnen: Nervengas, Bakterien! Kein Mann darf seinen Klarsichthelm öffnen! Vultejus, fliegen Sie sofort aus. Sie nehmen einen Experten an Bord und fliegen in Ihren Xe-Flash wieder ein.“ Rikers Anweisung war schon überholt. Alle eingeflogenen Raumboote bliesen einen gasförmigen, schmutziggelben Stoff ab. Dan Riker alarmierte die beiden anderen Ringraumer. „Bei uns geht das gleiche Theater los“, sagte Szardak über Funk. „Auch eine Methode, Raumschiffe zu vernichten.“ Aber auch er konnte sich nicht vorstellen, welche Waffe die Schwarzen Weißen gegen sie eingesetzt hatten. Es war keine Analyse des unbekannten schmutziggelben Stoffes erforderlich! Der Stoff zeigte offen seine Wirkung! Er wurde zu Schaum! Zu schmutzigbraunem Schaum, der langsam zu Boden sank, aber sich in seinem Abwärtsschweben nach allen Seiten ausbreitete. Schaum, der feucht war und an den Raumanzügen klebte wie ein
Schmierfilm, nur daß er dabei dicker wurde, sich schlangengleich nach allen Seiten ausbreitete und Kontakt zu den anderen Schaumstücken zu finden suchte, die sich um die Xe-Flash herum entwickelt hatten. „Riker! Riker!“ Über den Helmfunk brüllte ein Mann, um seine Beobachtung mitzuteilen. „Riker, dieses teuflische Gas geht mit Sauerstoff eine Verbindung ein, die wir nicht aufhalten können. Wir müssen das Schiff entlüften! Sofort, oder in weniger als einer Stunde kleben wir wie Rosinen in einem Schaumkuchen. Und der Schaum wird jetzt schon fester! Großer Himmel, was machen wir jetzt?“ Vier weitere Xe-Flash flogen in die POINT OF ein. Ralf Larsen und Janos Szardak konnten von ihren Schiffen nichts anderes berichten. „Alle Schotts schließen! Alle Decks räumen, aber jeder, der mit Schaum behaftet ist, hat zu bleiben! Jeder Offizier ist mir für den Vollzug dieses Befehls verantwortlich!“ Eiskalt klang Dan Rikers Stimme. Er wußte, daß er mit diesem Befehl für manchen Mann das Todesurteil ausgesprochen hatte, aber gab es denn einen anderen Ausweg? Das Schiff entlüften! Das bedeutete, alle Schleusen zu öffnen, den Luftvorrat in den Raum stoßen, dazu aber auch die Luftversorgung abschalten! Und ließen ihnen die Schwarzen Weißen zu diesem Plan Zeit? „Blaster auf den Decks einsetzen! Versuchen…“ Der Dritte Offizier der POINT OF mußte an seinem Platz auf Deck 2 bleiben. In wenigen Minuten würde er durch den Klarsichthelm nichts mehr sehen können, denn dann hatte der Schaum auch diesen Teil seines Raumanzuges erreicht. Er unterbrach Dan Riker. „Zwei Xe-Flash heben ab, fliegen nach 45 und 46 ein. Riker, wenn die uns auch da das Schiff verpesten…“ Es hatte keinen Sinn, alle Schotts zu schließen! Alle Xe-Flash hoben ab, fuhren ihre spinnbeindünnen Teleskopstützen ein und durchstießen die Unitallwände, um die Schaumpest auch in andere Räume zu tragen. Wo sie auftauchten, lösten sie Panik aus. Männer ergriffen vor dem Schaum die Flucht, und dieser braune Höllenstoff, der zuerst nur eine kleine leichte Flocke war, die langsam zu Boden sank, blähte sich ununterbrochen auf, erzeugte in jeder Sekunde Abermillionen klebrige Blasen, die wiederum Abermillionen neue Blasen erzeugten und dabei den Sauerstoff in der POINT OF auffraßen! „Riker, der Dreck kriecht schon in die Entlüftungen!“ gellte die Schreckensnachricht durch das Schiff. Auf Deck 2 stand der Schaum stellenweise schon mehr als einen halben Meter hoch. Wer darin steckte, kam keinen Schritt mehr weiter. Und es gab keinen Mann, der auch nur noch einen Versuch machte, sich daraus zu befreien. Das Braune war schlimmer als der beste Leim, und es wurde dazu auch noch stärker. Der Druck nahm
von allen Seiten zu, und die ersten Gesichter hinter den Klarsichthelmen zeigten in ihrer Verzerrung, welche Qualen die Männer aushalten mußten, die verloren waren. Blaster wurden eingesetzt! Der letzte Versuch diese eingeschlossenen Männer zu retten. Da begann das Satanszeug auch noch zu brennen! Die automatisch arbeitende Löschanlage der POINT OF setzte an den Brandherden sofort ein. Die Düsen verspritzten hochkonzentrierte Chemikalien. Deck 2 wurde zur Hölle, denn der Schaum fraß das Chemikalienkonzentrat, wallte wie dicker Sirup auf, schwappte hoch und hatte in wenigen Sekunden eine fußdicke Schicht über dem Brennenden gebildet, ohne das Feuer darunter zu ersticken. Die Isolation nahm eine grüne Farbe an. Von unten durch hohe Hitzegrade belastet, von oben mit flüssigen Chemikalien versorgt, wuchs sie nach allen Seiten erneut als Schaum, als ob jemand mit einer gigantischen Preßluftleitung einen formlosen Ballon aufblasen würde. Grappa hatte nicht mehr viel zu sagen. „Achtzehn weitere Xe-Flash auf POINT OF im Anflug!“ Bei der LUXOR und der ARROW sah es nicht anders aus. „Sonst keine Schiffe der Schwarzen Weißen zu sehen, Grappa?“ „Nein, Riker.“ Janos Szardak meldete das, worauf jeder in der Kommandozentrale des Flaggschiffes wartete. Ein Xe-Flash war in seinem Leitstand eingeflogen und blies sein Gas ab! „Wir räumen die Zentrale, Riker. Bis dann!“ Damit war die LUXOR ausgefallen! Als Raumschiff zählte sie nicht mehr. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann der S-Kreuzer von einem Doppelkugelraumer der Schwarzen Weißen in eine schnell vergehende Sonne verwandelt wurde. „Szardak!“ Der Mann mit dem Pokergesicht zeigte auch jetzt keine Regung und schaute nur fragend in Richtung Bildschirm. „Janos, grüßen Sie meine Frau! Bitte.“ „Wollen Sie sie noch einmal sprechen, Riker?“ „Ja, großer Himmel, Szardak, nein! Nein! Ich habe keine Zeit dazu! Bleiben Sie in der Zentrale. Räumen Sie sie nicht. Noch nicht. Vielleicht, vielleicht…“ Er sprach nicht aus, was ihm eingefallen war. Beide Hände preßte er gegen sein Gesicht! Es gab doch noch einen Ausweg, auch wenn der Checkmaster schon ein paarmal erklärt hatte, kein Mittel gegen den Schaum zu kennen! Es gab den Ausweg durch die Gedankensteuerung! Xe-Flash waren Konstruktionen der Mysterious, und sie mußten ebenso wie die Flash der POINT OF über die Gedankensteuerung zu kommandieren sein.
Großer Himmel, hilf! dachte Riker und aktivierte seine AlphaRhythmus-Frequenz. Sekunden vergingen. Im Helmfunk waren nur leise Geräusche zu vernehmen. Dan hatte sich nur auf die Frequenz der Zentrale eingeschaltet. Der erste Mann in der POINT OF, der die Veränderung bemerkte, war Tino Grappa. „Ein Xe-Flash fliegt aus! Einer, und zwei andere auch noch…“ Der Exodus nahm seinen Anfang. Die Kommandosteuerung hatte die Programmierung der Xe-Flash durch die Schwarzen Weißen überwältigt! Die Xe-Flash gehorchten nun den Befehlen einer anderen Macht! „Auch auf meinem Schiff geht der Auszug los!“ meldete Ralf Larsen und schüttelte den Kopf. „Aber wie werden wir die Schaumpest wieder los?“ Am schlimmsten war es nach wie vor in der POINT OF. An drei Stellen brannte es im Schiff. An drei Stellen versuchte die Löschanlage immer noch, der Hitze und Flammen Herr zu werden. Sie begriff nicht, daß sie mit ihrem Einsatz alles nur noch schlimmer machte. Die beiden ersten Toten wurden gemeldet. Zwei Männer, die rasend vor Schmerzen ihren Klarsichthelm geöffnet hatten und vor den Augen ihrer hilflosen Kameraden am Schaum erstickt waren. Der letzte Xe-Flash flog aus. Die anderen Raumboote, die laut Programm den Auftrag hatten, in einen der drei Ringraumer einzufliegen, hatten alle kehrtgemacht und verschwanden mit auf Volllast laufendem Sie in der Dunkelheit des Alls. „Wir müssen jedes Schiff entlüften!“ befahl Riker über Funk. Er drehte sich um, warf Grappa einen vielsagenden Blick zu und sagte ihm dann: „Halten Sie die Ohren steif, wenn wir die Intervalle abgeschaltet und alle Schleusen zur Entlüftung geöffnet haben. Lieber einmal wegen Nichts gewarnt, als eine Warnung eine Sekunde zu spät! An alle! Achtung, beide Intervalle werden abgeschaltet, vor den Schleusen die Energiesperren beseitigt, und Warnung an alle, die sich in der Nähe der Schleusen befinden. Der Luftstrom kann so stark werden, daß er Menschen ins All hinaustreibt. An technische Abteilung, bitte um Klarmeldungen!“ Wieder überstürzten sich die Meldungen. Obwohl die Xe-Flash mit ihrem tückischen Gas alle ausgeflogen und verschwunden waren, breitete sich die Schaumflut in den Schiffen immer mehr aus. In der POINT OF kam hinzu, daß zwei Brandherde sich vereinigt hatten und die dritte Stelle von der mehr als vierzig Quadratmeter großen glühenden Fläche nur noch ein paar Schritte getrennt war. Daß die in dem Teufelsstoff festsitzenden Männer noch lebten, verdankten sie dem unvergleichlichen Material, aus dem ihre M-Raumanzüge gemacht worden waren. Sie schützten
sie jedoch nicht vor dem immer stärker werdenden Druck des schmarotzenden Materials, das um so fester wurde, je länger es schon bestand. Auf einigen Decks gab es nur noch die Möglichkeit, von einem Raum zum anderen zu kommen, indem man Schwebeplatten einsetzte, die vorsichtig gesteuert werden mußten, damit auch nicht der leichteste Kontakt mit dem Schaum zustande kam. Die technische Abteilung gab die letzte Klarmeldung durch. „Schleusen werden in zwei Minuten geöffnet.“ Auf der LUXOR und der ARROW waren die gleichen Vorbereitungen im Gang. Als sich das Schott in der Zentrale der POINT OF öffnete, drehte sich niemand um. Ren Dhark stand schon mitten im großen Leitstand, als er bemerkt wurde. Ihm war nicht mehr anzusehen, daß er vor nicht langer Zeit zusammengebrochen war. Die Ärzte hatten ihn mit Hilfe von belebenden Injektionen, verbunden mit einem kurzen Zwangstiefschlaf, wieder voll leistungsfähig gemacht. Aber der Commander hatte auch den Tadel einstecken müssen, nicht noch einmal in dieser Form mit seinen Körperkräften Raubbau zu treiben. Widerspruchslos hatte er ihn hingenommen, weil er wußte, daß die Mediziner recht hatten. Still nahm er neben Riker Platz. Der blickte ihn kurz an, sagte aber nichts. „Klimaanlage liegt still!“ Dan Riker beobachtete das Chrono. Die zweite Minute ging zu Ende. Auf die Sekunde genau öffneten sich die vier Schleusen, und zum erstenmal, seit Menschen mit der POINT OF flogen, wurde das Schiff luftleer. Alle Schotts auf sämtlichen Decks standen offen, nur drei nicht, weil eine dicke Schaumschicht es einfach unmöglich machte, an sie heranzukommen, aber die Techniker hatten über die Entlüftung einen Ausweg gefunden, und auch der Luftvorrat in diesen Räumen wurde in die Leere des Alls gerissen. Alle verfügbaren Chemiker hielten sich in der Nähe des braunen Schaumes auf. Sie achteten nicht darauf, wie der Ringraumer seinen Luftvorrat verlor, sondern beobachteten nur diesen schmarotzenden Stoff, der bis zur letzten Sekunde nichts anderes getan hatte, als sich volumenmäßig zu vervielfachen. Die Druckanzeige raste dem Nullwert entgegen. Weltraumkälte brach in das Schiff ein. Die Chemiker zeigten ihre Ungeduld immer deutlicher. Der Schaum sprach auf den luftleeren Zustand der POINT OF nicht an! Sein Entwicklungsprozeß ging weiter. Mit der gleichen Schnelligkeit wie vorher breitete er sich weiter aus. Riker und Dhark wurden verständigt. „Aber die drei Brandstellen sind gelöscht?“ erkundigte sich Dhark, der wieder das Kommando über den Ringraumer übernommen hatte.
„Nein, Dhark, und wir haben dafür nun auch eine Erklärung. Das Feuer erhält seinen Sauerstoff durch den Schaum.“ „Commander.“ Eine Strukturerschütterung kaum eine Million Kilometer von den hilflosen Raumern entfernt, brachte den Szenenwechsel. Die Schiffe der Schwarzen Weißen waren wieder da. Hatten sie inzwischen erfahren, daß ihre Xe-Flash wieder zurückgeschickt worden waren, oder wollten sie sich mit ihren eigenen Augen überzeugen, daß ihre Aktion erfolgreich abgeschlossen worden war? Mit einigen Steuerimpulsen schloß Ren Dhark die Schleusen wieder. In einem kurzen Spruch unterrichtete er Larsen und Szardak. „Wenn sie uns angreifen, setze ich das Hy-Kon ein.“ Jeder Offizier in der Zentrale nickte. Und dann begann das Warten. Die achtzehn Doppelkugelraumer veränderten ihre Position nicht, obwohl sie mit ihren Ortungen die terranischen Schiffe längst erfaßt hatten. Suchten sie vielleicht ihre eingesetzten Xe-Flash, die nach den Impulsen der Gedankensteuerung davongezogen waren und vielleicht schon im Überlichtbereich durch den Sternenraum jagten? Die Minuten schlichen dahin. Der Zustand in den Schiffen der TF wurde immer katastrophaler. Hinter ihren Klarsichthelmen begannen Männer zu schreien, weil sie den Druck des immer härter werdenden Schaumes um Beine und Körper kaum noch ertragen konnten. Über die stillgelegten A-Gravschächte breitete sich die tückische Masse weiter aus. Innerhalb von drei Minuten wurde die Schicht um einen Zentimeter dicker, und dazu kam der Flächenbrand, der noch heftiger geworden war, als die Luftanlage der POINT OF die Ringzelle wieder mit atembarer Luft zu füllen begann. Dhark wartete, aber seine Sorge konnte er vor den anderen nicht mehr verbergen. „Wer analysiert die Schaumverbindung?“ fragte er einmal kurz. „Ach“, sagte Riker und winkte ab, „drei Labors schlagen sich damit herum, und wir hören von keinem einzigen.“ „Ich hör’ mir mal deren Ergebnisse an, Dan. Übernimm bitte!“ Dhark saß bereits in einer Ecke der Zentrale vor der Bordsprechanlage. „Zwölf Schiffe nehmen Fahrt auf, gab Grappa durch, „aber sie nähern sich uns nicht. Hm“, der junge Mann zögerte, weiterzusprechen. „Ich kann den Positionswechsel nicht verstehen, Riker. Wenn man die einzelnen Schiffe durch eine Linie miteinander verbindet, dann entsteht ein Halbkreis, in dessen Brennpunkt wir liegen könnten, wenn meine Vermutung nicht zu weit hergeholt ist.“ Riker antwortete nicht. Ihm war nicht wohl bei der Vorstellung, daß in relativ kurzer Entfernung achtzehn Doppelkugelraumer lauerten. Seit Erron-3 war ihm das Hy-Kon kein Problem mehr, aber was hatte ihnen das Archiv der Mysterious im blaßblauen Universum eingebracht? Eine Gefahr nach der anderen. Indirekt hatte die verirrte POINT OF den Untergang von siebzehn Sonnen ausgelöst, und
durch ihren Fehlsprung von einem Kontinuum zum anderen waren sie ebenso indirekt an der Vernichtung der feindlichen Flotte mitschuldig geworden, wenngleich sie niemals in der Lage gewesen wären, dem Vorgehen der Synties Einhalt zu gebieten. „Schiffe stehen alle wieder im freien Fall. Auch das letzte hat abgebremst.“ Was braut sich da zusammen? fragte sich Riker. Seine Gedanken machten einen Sprung, und ihm wurde im gleichen Moment siedendheiß, denn erst jetzt wieder hatte er sich erinnert, daß sich seine Frau auf der LUXOR befand. Im Hintergrund beendete Dhark seine Besprechung mit den Chemikern. „Dan, ich…“ Im diesem Moment war auf einem der achtzehn Doppelkugelraumer die Entscheidung gefallen. * Wer Dro Cimc legte einen Hebel um. Der Vankko sah zu. Alle anderen Schwarzen Weißen schwiegen ehrfürchtig. „Wir haben die Terraner in jedem Fall unterschätzt, aber ich glaube nicht, daß wir jetzt schon wieder eine Fehleinschätzung begangen haben.“ Der Vankko blickte den Wer an. „Dazu kann ich nichts sagen, Vankko, aber ich beginne diese Rasse zu bewundern. Wir haben noch nie mit einem so klugen und gefährlichen Gegner gekämpft wie mit ihnen. Dieser eine Ringraumer hat unsere wertvollsten Schiffe vernichtet. Über das Wie brauchen wir uns nicht zu unterhalten, wohl aber über die Tatsache an sich. Und diesen Verlust verdanken wir nur dem Kluis.“ Mit steigender Aufmerksamkeit hatte der Vankko, ein Schwarzer Weißer von erstaunlicher Größe, der alle anderen in der Zentrale des Raumschiffes um Kopfeslänge überragte, zugehört. „Sie mögen den Kluis nicht, Cimc?“ fragte er freundlich, doch der Wer war klug genug, die Falle zu erkennen. Wenn er jetzt die Wahrheit sagte, dann behauptete er gleichzeitig, daß die Tätigkeit eines Vankko beim Kluis vollkommen sinnlos war, und das wiederum wäre ein todeswürdiges Verbrechen gewesen. „Ich mag seine Fehler nicht, Vankko!“ erklärte Dro Cimc, als habe er die Bedeutung der an ihn gerichteten Frage nicht verstanden. „Aber wollen wir uns nicht überzeugen, ob wir nicht abermals ein Opfer unserer Fehleinschätzung geworden sind?“ Er lenkte den Vankko ab, denn was war zur Zeit wichtiger, als zu überprüfen, daß ihr letzter Einsatz erfolgreich war? Drei Diagramme standen klar auf einer Leuchtscheibe. Der Vankko und der Wer verstanden, was sie aussagten. „Wollen Sie noch mehr, Cimc?“ fragte der Vankko mit unverhohlenem Triumph in der Stimme. „Wenn ich nicht auf den Gedanken gekommen wäre, die kleinen Raumboote der Rakes einzu-
setzen, würden wir jetzt immer noch erfolglos hinter diesem Ringschiff, das leider Verstärkung bekommen hat, herjagen.“ Diesmal zögerte der Wer mit der Antwort. Die drei Diagramme gaben eine unmißverständliche Auskunft. Dennoch störte ihn die Tatsache, daß die drei Ringraumer weder einen Angriff starteten, noch versuchten, sich abzusetzen. Sie trieben im freien Fall dahin wie leergebrannte Schiffshüllen, doch daß dieser Eindruck völlig falsch war, verriet ihre Energieortung. Alle Anlagen in den Ringraumern liefen nach wie vor mit unveränderter Leistung. Und das wiederum bedeutete, daß die Schiffe jederzeit transitieren konnten. Aber warum taten sie gar nichts? Was steckte dahinter? Und was hatte das erste Ringschiff getan, als die Pseudoballung sich als Falle gerade schließen wollte? Vom Ringschiff aus war doch der unvorstellbare Befehl an alle Kommandanten der eingesetzten Schiffe ergangen, sich gegenseitig zu vernichten! Wurden sie gleich von einem ähnlichen hypnotischen Befehl erreicht, den zu vollstrecken sie nicht verhindern konnten? Ob der Vankko daran überhaupt ein einziges Mal gedacht hatte? Dro Cimc sprach seine Befürchtung aus. Höhnisch lachte der Vankko auf. „Glauben Sie wirklich, daß ich als Vankko an Bord eines Schiffes gegangen wäre, wenn ich nicht Sicherheitsvorkehrungen getroffen hätte, die mich und alle anderen davor schützen, unter hypnotischen Einfluß zu geraten?“ „Dann bin ich beruhigt, Vankko!“ Doch er log. Er war nicht beruhigt. Im Gegenteil, denn diese drei Terranerschiffe beunruhigten ihn, je länger er sie bekämpfte, und sie zwangen ihm eine immer stärker werdende Achtung ab. „Sehen Sie es nicht, Cimc?!“ Der Vankko riß ihn aus seinen Gedanken. „Jetzt haben wir sie, diese frechen Emporkömmlinge.“ Bestätigend nickte der Wer, aber in Gedanken sagte er: Vankko, ich glaube es erst, wenn wir diese drei Schiffe zerstrahlt haben. * Der braune, knisternde und brennende Schaum löste sich in einer Kettenreaktion von kleinen Explosionen auf! Er vergaste! Er wurde zu grauem Nebel, der wallend am Boden stand und nun langsam nach allen Seiten zu treiben begann. Auf die Öffnungen der Entlüftungen zu! Das unheimliche Element wollte sich endgültig und überall im ganzen Schiff ausbreiten. Nun als Gas, als Nebel. Und in zuckenden Blitzen wurde es ununterbrochen bewegt, und sein Wallen wurde lebhafter und lebhafter. „Zurück!“ gellte es im Helmfunk. Überall im Schiff war man plötzlich auf der Flucht vor dem grauen Gas, und die wenigsten erkannten, daß diesmal der Nebel schneller war als sie.
„Entlüftung ausschalten!“ rief Ren Dhark seinem Freund zu. Das Abschalten der Entlüftung brachte nichts. Der graue Nebel fand seinen Weg durch das Schiff. Irgend etwas trieb ihn vorwärts, und das Unheimliche daran war, daß dieses Gas über Instinkt zu verfügen schien. Der Nebel bewegte sich in Richtung auf den nächsten A-Gravschacht zu, aber als einen Meter hinter dem Ende der Wolke eine Kabinentür geöffnet wurde, machte der Rest blitzschnell kehrt, trennte sich von der Wolke, und bevor es verhindert werden konnte, war der graue Nebel schon in die Kabine eingedrungen. Fassungslos hatten Dhark und Riker diese Meldung vernommen. Instinkt? Nein, das gab es nicht, das konnte es gar nicht geben, aber hier wurde etwas gesteuert. Aus der Ferne, und im gleichen Moment erinnerte sich der Commander der achtzehn Doppelkugelraumer. Er stürmte quer durch die Kommandozentrale, stieß Grappa aus seinem Sessel und nahm hinter den Ortungen Platz! Mentcap-Wissen von Erron-3! Jetzt kam es wieder zum Einsatz, auch wenn Grappa darüber an seinem Verstand zweifeln mußte. Energieortung aus – Distanz stehenlassen! Massenortung auf halbe Leistung, und dann Tredol-Schaltung mit der Energieortung. Feineinstellung! Ren Dhark schaltete so schnell hintereinander, daß Grappa nicht mehr in der Lage war, dem Spiel seiner Finger zu folgen. Ein Oszillo wurde dunkel, und nun der zweite. Die Diagrammscheibe leuchtete grell auf. Dhark ließ sich nicht ablenken, er schaltete wie ein Besessener. „Bifer“, verstand Grappa, aber was Bifer heißen sollte, wußte er nicht. „Jetzt kommt Bifer!“ Achtzehn Blipquellen wurden erfaßt, standen und bewegten sich nicht vom Fleck. Achtzehn leicht pulsierende Punkte, aber ihr Pulsieren ging nicht in die Tiefe des Raumes, sondern zum zehnten Schiff der im Halbkreis stehenden Doppelkugelraumer, und von diesem zehnten Schiff lief ein auf dem Oszillo kaum erkennbarer Blip im Gelbbereich auf die Position der drei terranischen Raumer zu. Der Helmfunk meldete sich. Neue Alarmnachricht aus dem Raumer. Die Temperatur in der POINT OF stieg! Ren Dhark befürchtete plötzlich das Allerschlimmste. Sie hatten ein ,Vario’ an Bord. Die terranische Chemie kannte einige komplizierte Molekülverbindungen, die durch ihre variable Natur so gefährlich waren, daß man mit ihnen nur unter größten Vorsichtsmaßnahmen arbeiten konnte, durfte und mußte. Aber sie hatten ein Vario der Schwarzen Weißen an Bord. „Temperatur jetzt 23,5 Grad Celsius.“ Ren Dhark nahm die Meldungen auf und speicherte sie in seinem Erinnerungsvermögen.
Bifer lief immer noch. Eindeutig kamen Steuerimpulse vom zehnten der achtzehn Doppelkugelraumer, aber wie konnte er diese Impulse umsetzen? Kurz war sein Blick zum Checkmaster. Drei Offiziere daran fingen ihn auf. „Commander, er hat keine Ahnung, was man uns in den Pelz gesetzt hat.“ Auch auf den beiden S-Kreuzern stieg die Temperatur unaufhaltsam. Das war der graue Nebel, dieses höllische Vario. Es verschwand unmerklich im Schiff, wie die Schaummengen auf den Decks und in den Kabinen und A-Gravschächten unter ununterbrochen stattfindenden schwachen Explosionen verschwanden. Aber anstelle des verschwundenen grauen Gases war die erhöhte Temperatur über das Schiff gekommen. Tatsächlich ein variabler Stoff! Da meldete sich Miles Congollon, der Chefingenieur der POINT OF, aus dem Triebwerksraum. „Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich, Dhark?“ Er hatte nicht, dennoch sagte er ja. Miles Congollon war kein Schwätzer, und wie es um die POINT OF stand, brauchte man ihm nicht zu erklären. „Wir haben Ärger mit der Klimaanlage, Dhark. Sie arbeitet zwar im Maximalbereich, aber: Sie heizt das Schiff auf, sie kühlt nicht mehr.“ Er wartete vergeblich auf eine Reaktion. „Dhark, weshalb sagen Sie nichts?“ „Miles, wir haben ein Vario an Bord. Ist Ihnen jetzt alles klar?“ Der Eurasier mit den mandelförmigen Augen überlegte kurz, dann nickte er verstehend: „Und das will uns braten?“ „Ja, es wird uns braten, wenn uns nichts einfällt, unser Gebratenwerden zu verhindern.“ „Ich beginne die Schwarzen Weißen liebzugewinnen!“ erwiderte Miles Congollon sarkastisch. Die Temperatur hatte 26 Grad Celsius erreicht. Fünf Minuten vorher hatte sie 25 Grad betragen. Je höher sie stieg, desto schneller stieg sie auch. Um so schneller nahm der Schaum im Schiff ab, und um so schneller bewegten sich über die Decks die grauen Nebelfetzen, um sich an irgendeiner Stelle in Nichts aufzulösen. Aber dort, wo sie verschwanden, entstanden Hitzezentren, die sich wiederum nach allen Seiten ausbreiteten. Bifer lief immer noch! Plötzlich legte sich eine Hand auf Ren Dharks Schulter. Riker stand hinter ihm. Er hatte das Schiff an Bebir und Falluta abgegeben. „Warum setzt du nicht das Hy-Kon ein, Ren?“ Der winkte müde ab. „Was erreichen wir, wenn wir achtzehn Raumschiffe in ein anderes Universum schleudern? Damit vertreiben wir das Vario auch nicht. Schau dir das an. Bifer zeigt, wie es gesteuert wird. Aber weißt du einen Weg, wie man diesen Vorgang
stoppen kann? Das Vario hat jetzt seinen Rhythmus, und den behält es. Gas aus den Tanks der Xe-Flash, Schaum, Nebel, und nun Hitze. Frage: Wie hoch werden die Temperaturen im Schiff steigen, und wie lange reichen die Luftvorräte für unsere Raumanzüge? Und weil das Vario seinen Rhythmus hat, ist es sinnlos, das Hy-Kon gegen die Schwarzen Weißen einzusetzen.“ „Sollen die wirklich ungestraft zusehen dürfen, wie wir schmoren?“ fragte Riker verbittert. „Ich vernichte nicht sinnlos, Dan, doch warum sollen wir allein das zweifelhafte Vergnügen haben? Wonzeff wird bestimmt gern mit meinem Flash eine Kurztransition zum zehnten Doppelkugelraumer machen und den Schwarzen Weißen ihr Vario servieren. Nein, ich werde selbst hinüberspringen, vielleicht gelingt es mir, mit dieser Drohung die Schwarzen Weißen zu zwingen, das Vario von unseren Schiffen abzurufen.“ „Sonst hast du gar nichts vor?“ fragte Dan Riker bissig, der mit Dharks Idee ganz und gar nicht einverstanden war. „Mußt du wieder den Selbstaufopferer spielen!“ Der Commander gab ihm keine Antwort. Er machte Grappa an den Ortungen wieder Platz, trat an den Checkmaster und ließ sich die Sprungdaten für die Kurztransition zum zehnten Doppelkugelraumer ausrechnen. Die Folie in der Hand, wandte er sich noch einmal an Dan Riker und gab ihm die letzten Anweisungen. „Sollte ich mich nicht melden können, dann bleibt es dir überlassen, was du zu tun hast.“ „Dein Plan ist Irrsinn, Ren!“ fiel Riker seinem Freund aufbrausend ins Wort. „Du bindest uns allen die Hände, denn was zum Teufel sollen wir tun, wenn du auf dem Doppelkugelraumer festsitzt? Dein Vorhaben, die Schwarzen Weißen mit dem Vario unter Druck zu setzen, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.“ Ruhig hielt Dhark ihm vor: „Hast du denn eine andere Idee, die bessere Erfolgsaussichten bietet?“ Dan Riker murmelte etwas, das nicht zu verstehen war. „Also“, sagte Dhark, nickte ihm und seinen Offizieren zu und verließ den Leitstand seines Schiffes. Kurz darauf, als die Temperatur in der POINT OF schon achtundzwanzig Grad Celsius betrug, meldete er sich aus seinem Flash. „Ich habe genug von dem Vario einschweben lassen, Dan, um den Humanoiden eine Freude bereiten zu können. Ich schalte jetzt den To-Funk ein und versuche, mich sofort nach der Transition aus dem Doppelkugelraumer zu melden. Ende, mein Lieber.“ Ein paar Sekunden lang konzentrierte sich Dhark und instruierte die Gedankensteuerung, die sofort übernahm und mit der Ausführung der Befehle begann. To-Funk stand, und die Männer in der Funk-Z warteten ebenso fieberhaft auf seine erste Meldung aus dem feindlichen Schiff wie die Offiziere in der Zentrale. „Transition erfolgt!“ stieß Grappa aus, der auf die schwache Struk-
turerschütterung gewartet hatte. Aber warum meldet sich Ren nicht?“ fragte Dan Riker erregt, als einige Sekunden verstrichen waren und von seinem Freund über ToFunk immer noch nichts zu hören war. Niemand war in der Lage, ihm darauf zu antworten. * Chris Shanton vermißte auf einmal nicht nur Jimmy, sondern auch die vier Cyborgs. Der Dicke, der sich wegen des Verlustes seines Backenbartes wie ein nackter Mann vorkam, machte Jos auf das Verschwinden aufmerksam. „Seit wann?“ „Keine Ahnung. Ich möchte nur wissen, was dem Köter eingefallen ist, sich einfach abzusetzen. Jos, versuchen Sie Kontakt mit den Giants zu bekommen.“ Aber die beiden Giants in ihren mausgrauen Uniformen reagierten nicht. „Dann müssen wir sie stoppen!“ bestimmte Shanton. „Was sollen wir allein in ihrem Archiv?“ Die Giants, die trotz ihrer Größe erstaunlich leicht waren, hielten ihren Schritt an, als kräftige Terranerhände sich um ihre Arme schlossen. Erregt klang ihr Schlangenzischen, und nicht besonders freundlich blickten sie auf die beiden Männer herunter. „Immer noch keine Verbindung?“ fragte Shanton, der sich nicht erklären konnte, warum er plötzlich über das Verschwinden der Cyborgs und seines Jimmys so beunruhigt war. Das Schlangenzischen der Raubtierwesen wurde lauter. Der Gi-ant, den Shanton festhielt, machte mit seinen drei noch verfügbaren Armen den Versuch, die fremde Hand zu entfernen. „Sie werden uns gleich angreifen!“ prophezeite Jos Aachten van Haag und machte sich auf einen Kampf mit ihnen gefaßt. Statt dessen war plötzlich der Kontakt wieder hergestellt. Eure Freunde, die wir manchmal nicht erfassen können, wie auch das laufende Gestell haben sich entfernt. Wir wissen nicht, wohin. Aber das kann uns doch nicht aufhalten. Das klang beruhigend und beunruhigend zugleich. Jos gab seinem Giant den Arm frei, und der Dicke schloß sich ihm sofort an. „Glauben wir es mal, Jos. Eigenartig, daß ich diesen Giants keine Schlechtigkeit zutraue, doch daß sich unsere Cyborgs so einfach abgesetzt haben, gefällt mir nicht.“ Der Dicke zuckte mit den Schultern. Dann mußten sie sich beeilen, um ihre beiden Giants nicht aus den Augen zu verlieren, die im gleichmäßigen Tempo gingen und sich nicht nach ihnen umdrehten. *
Jimmy hatte Manu Tschobes Viphoruf doch gehört, aber keine Antwort gegeben, weil sein Suprasensor es ihm nach der Blitzauswertung untersagt hatte. Und sein kleines, aber leistungsfähiges Rechengehirn hatte ihm weiter den Auftrag erteilt, seinen Erbauer und den GSO-Mann nicht zu unterrichten, weil sie dadurch in Gefahr geraten würden. Aus vier Terranern waren Cyborgs geworden, kaum daß sie Jimmys Mitteilung gehört hatten, und zusammen mit dem Brikett auf Beinen setzten sie sich unbemerkt von Shanton und Jos ab. Kein Giant hielt sie auf. Wahrscheinlich wunderten sie sich nicht einmal darüber, daß diese Fremden so schnell laufen konnten. Die Laufbänder waren ihnen nicht schnell genug, die jämmerliche Beleuchtung in dem Tunnel störte sie nicht. Sie hatten auf Infrarot geschaltet und übersahen selbst die geringste Kleinigkeit nicht. Nach kurzem Lauf erreichten sie ungehindert die gewaltige Röhre und bewegten sich auf den Schweber mit der Halbkuppel zu. Drei Giants, die knapp zwanzig Meter neben ihnen gingen, blickten nicht einmal zu ihnen herüber, als sie einstiegen. Marc Carrell übernahm die Pilotenaufgabe, die anderen hatten nichts weiter zu tun, als zu warten, daß ihr Kollege sie zum Kugeltransmitter brachte. A-Grav und Triebwerk auf Vollast! Wie eine Kugel schoß der Schweber durch die Röhre zur Oberfläche. Kurswechsel! Geradeausflug! „Wir sollten phanten!“ durchbrach Marc Carrell das Schweigen, ohne von den Instrumenten aufzublicken. Es kostete ihn keine Anstrengung, diesen fremdartigen Schwebertyp zu fliegen. Beim ersten Transport hatte er die Tätigkeit der Giants genau verfolgt und allein durch sein Zusehen im Bereich des Zweiten Systems die Beherrschung dieses Fahrzeuges gelernt. Phanten! Im Gegensatz zu Alsop, Sass und Oshuta, die ein Adhesive benutzten, um phanten zu können, war Marc Carrell ein Virenträger. Das Virus, das vom Planeten Bittan im 404-System stammte, wurde durch eine Reizspannung von 0,037 Volt ins Medium gebracht und band im gleichen Moment jede Flüssigkeit und jedes Gasgemisch im menschlichen Körper, ohne das Volumen zu verändern. Trugen die Cyborgs aus der ersten Serie noch ihr Steuergerät auf dem Körper, um sich damit über das Adhesive in den Phantzustand zu versetzen, so war Carrells Gerät, das pannensicher durch das Zweite System ein- und ausgeschaltet wurde, in einer Schnelloperation in den Körper eingesetzt worden. „Ja!“ sagte Bram Sass auf Carrells Vorschlag hin. Die beiden anderen nickten nun gleichmütig. Niemand regte sich auf, daß sich Tschobe nicht mehr gemeldet hatte. Sollte er inzwischen schon tot sein, dann war er eben tot. Für einen Cyborg kein Grund, Bedauern im Bereich seines Zweiten Systems zu empfinden, denn der einzelne hatte ja auch keine Angst, selbst in einem Einsatz zu sterben.
Mit Höchstfahrt jagten sie ihrem Ziel entgegen. „Landung in zehn Sekunden!“ sagte Carrell und schaltete auf negative Beschleunigung. Starke Andruckwerte schlugen durch, die bei den Cyborgs keine Reaktionen auslösten. Nur Jimmy hob den Kopf, riß sein Maul auf und gähnte laut. Der dicke Chris Shanton hatte sich mit seiner Konstruktion wirklich Mühe gemacht und ihm fast alle Eigenheiten eines Hundes mitgegeben. Vor dem Tunnel setzte der Schweber weich auf, die Kuppel wurde geöffnet, und Männer und Robothund verließen ihr Fahrzeug. Die energetische Sperre vor dem Eingang stand. Bram Sass schaltete sie aus. Jimmy raste in die dunkle Röhre hinein. Ihm dichtauf folgten die Cyborgs, die in ihren Händen schwere Strahlwaffen hielten. Da bellte Jimmys Blechstimme auf: „Meine Ortungen werden schon wieder unklar. Vorsicht.“ Alle vier Cyborgs nahmen seine Warnung ernst und mäßigten ihr Tempo. Kurz darauf taten sie keinen Schritt mehr. Mit fast ausdruckslosem Gesicht blickten sie aus dem Tunnel auf eine große Gruppe Schwarzer Weißer, die einen Schwarzen umzingelt hatten, den auch Jimmy kannte. Im Hintergrund der Kugeltransmitter und noch weiter dahinter das gewaltige Loch, in dem unter einer energetischen Halbkugel die Pfanne lag, in der biologisches Material mit anorganischem gemischt wurde. Vier Cyborgs rechneten sich auf logischer Basis ihre Chancen aus. Jimmy dachte nicht daran, sich eine Eskapade zu leisten, denn sein Suprasensor hatte ihn schon gewarnt, kein Risiko einzugehen. Holger Alsop stellte sein Spezialvipho auf maximale Lautstärke. „Tschobe! Einsatz.“ Vier Cyborgs, die ihre Augen auf Tele geschaltet hatten, beobachteten, wie Manu Tschobe überrascht den Kopf leicht zurückwarf. Im nächsten Moment wurden ihm die Arme auf den Rücken gezwungen, ein Fremder riß ihm das Vipho vom Arm, schleuderte es zu Boden und trat darauf herum. Marc Carrell und Holger Alsop standen zusammen. Ihr größtes Interesse galt dem Transmitter, der immer mehr Schwarze Weiße ausspie. „Der muß stillgelegt werden!“ sagte Alsop mit leidenschaftsloser Stimme. „Wir können ihn nicht in die Luft jagen, denn dadurch versperren wir uns den Rückweg.“ Auch Carrell sprach leise, obwohl kaum Gefahr bestand, daß sie in ihrem Tunnelversteck von den anderen gehört werden konnten. Auf der anderen Seite der feuchtnassen Felsröhre, die innen nicht verkleidet war, schaute Bram Sass auf sein tragbares Ortungsgerät. „Totale Abschirmung!“ stellte er nach einigen vergeblichen Versuchen, Daten zu erhalten, fest. Keine Ortung arbeitete in Richtung der Schwarzen Weißen, doch als er mit dem Gerät eine Drehung von
hundertachtzig Grad machte, lieferte es alle gewünschten Werte. Lati Oshuta verzichtete auf Hilfsmittel und setzte nur sein Programmwissen ein. Die beiden überaus kompakt erscheinenden Aggregate von gleichem Aussehen, die rechts und links der Gruppe abgestellt waren, konnten für diesen absoluten Ortungsschutz in Frage kommen. Aber sie zu zerstören erforderte auch, den Prallschirm, unter dem die Humanoiden sich aufhielten, zum Zusammenbruch zu bringen. Jimmy hatte die gleichen Überlegungen angestellt und war ebenfalls zu diesem Resultat gekommen. Das löste einen Impuls in ihm aus, der ihn zum Handeln zwang, und nicht einmal der reaktionsschnellste Cyborg Carrell war in der Lage, den davonjagenden Scotchterrier aufzuhalten, der aus dem Tunnel schoß und wie ein wildgewordener Straßenköter laut zu kläffen begann. Die Fremden hörten ihn nicht. Ihr Prallschirm hielt alle Geräusche ab. Jimmy mußte diese Tatsache auch erkannt haben, denn einen Augenblick später war sein Bellen nicht mehr zu hören. Die ersten Schwarzen Weißen drehten sich nach ihm um. Einige zeigten lachend auf das schwarzfellige Wesen, das im weiten Halbkreis lief und dabei immer schneller wurde. „Tschobe hat ihn gesehen, Carrell!“ „Dann weiß er auch, daß wir nicht weit sind. Alsop, der Hund rennt auf den Transmitter zu.“ Jimmy konnte seine Fähigkeiten ausspielen, weil er von den Schwarzen Weißen nicht ernst genommen wurde. Niemand von ihnen sah noch hinter ihm her. Darauf hatte die Robotkonstruktion gewartet. Sie blieb dicht hinter einer A-Gravplatte, die hochbeladen mit einem Schwarzen Weißen aus dem Kugeltransmitter gekommen war und mit langsamer Fahrt auf die Gruppe zuflog. Stumm verfolgten die Cyborgs das Vorgehen von Shantons genialer Robotkonstruktion. Der Prallschirm der Humanoiden hatte eine Öffnung in Richtung zum Transmitter, die von der A-Gravplatte benutzt wurde, und die auch Jimmys Eingang war. Der Scotchterrier zeigte sich als unwahrscheinlich guter Schauspieler. Aber offenbar hatte er sich über seinen Suprasensor noch nicht die Frage gestellt, ob die Schwarzen Weißen Hunde überhaupt kannten. Die Schnauze dem Boden zugerichtet, wie ein sich langweilender Hund, der nach der Visitenkarte eines Rassegenossen schnuppert, kam er unmerklich der Gruppe näher. Wieder wurde er von einigen gemustert, und da setzte die Robotkonstruktion ihrer schauspielerischen Leistung die Krone auf. Dicht vor den ersten Humanoiden baute Jimmy Männchen! Und dann ließ er sich sogar streicheln, und als eine ausgestreckte Hand ihm nahe kam, gab er Pfötchen. Das gefiel sogar den Schwarzen Weißen, aber einigen Gruppenführern nicht. Die Cyborgs sahen die wild gestikulierenden Fremden, die ihre Leute zur Ordnung rie-
fen. Jimmys Ansehen sank im Kurs. Er trottete weiter, lief mal hierhin, wich Fremden aus, schnupperte an diesem und mal an jenem Gerät und verschwand dann hinter dem kompakten Aggregat, dessen Gegenstück sich auf der anderen Seite der Gruppe befand. Die Gruppe erhielt abermals Verstärkung. Acht Schwarze Weiße verließen dicht hintereinander die Transmitterkugel, aber Jimmy störte es nicht. Er ließ noch einmal seine Augen in alle Richtungen gehen, und dann schoß er über den Abstrahlpol seiner Zunge den ersten Blasterstrahl ab. Keine dreißig Zentimeter vor ihm lag das Ziel, die metallene Verkleidung des Aggregates. „Hervorragend gemacht!“ kommentierte Marc Carrell. Jimmy sauste plötzlich davon! An der Bewegung seiner Schnauze war erkennbar, daß er bellte. Wieder blickte man ihm nach. Fast gleichzeitig schoß ein greller Blitz hoch, und aus einer schwarzen Rauchwolke flogen Trümmerstücke nach allen Seiten und rissen dort, wo sie in der Gruppe einschlugen, Fremde zu Boden. „Und jetzt noch das andere Aggregat.“ Diesmal hatte Bram Sass sich geäußert. Jimmy schaffte es, denn kein einziger Schwarzer Weißer kümmerte sich um ihn. Man bemühte sich um Verletzte und Tote, und man wich dem immer noch Blitze speienden Aggregat aus. „Tschobe ist unverletzt!“ stellte Holger Alsop fest. „Hoffentlich hat er gleich noch einmal Glück.“ Da ging auch schon das zweite Aggregat hoch. Unter den Humanoiden brach Panik aus. Einige warfen sich zu Boden, andere lagen bereits, rührten sich aber nicht mehr. Der Prallschirm war verschwunden, der Ortungsschutz auch. Die Cyborgs hörten die schreienden, fluchenden und stöhnenden Fremden! Manu Tschobe schlug sich gleich mit drei Humanoiden herum, doch den vierten hinter seinem Rücken, der gerade aufgesprungen war, sah er nicht. Der schwere Kolben einer Strahlwaffe riß den Afrikaner zu Boden! Plötzlich sah es so aus, als ob eine unsichtbare Sense zwischen die Schwarzen Weißen fahren würde! Jimmy hatte umgeschaltet und aus seiner Zunge einen Paraschocker gemacht! „Einsatz!“ sagte Marc Carrell mit kalter Stimme und rannte davon, gefolgt von seinen drei Kollegen. Die Paraschocker waren auf Fächerwirkung gestellt, aber der Energieeinsatz pro Schuß auf größte Dosis. Dort, wo zwei schwarze Rauchpilze unter turbulenten Erscheinungen in die Höhe stiegen und Flammenzungen und Blitze immer noch krachend in alle Richtungen schössen, waren mehr als sechzig Humanoide von Panik ergriffen, die immer größer wurde, weil Jimmy als paralysierende Waffe bis jetzt noch nicht erkannt worden war.
Die Superschweren Waffen der Cyborgs griffen nun auch noch ein. Sie benutzten die humanste Waffe, die bei dieser Fächerwirkung nur schocken, aber nicht töten konnte, und wie gefällte Bäume stürzten die Invasoren zu Boden, als habe eine unsichtbare Faust sie mit einem fürchterlichen Schlag niedergestreckt. „Achtung!“ Holger Alsop entdeckte zwei Schwarze Weiße, die hinter einem Stapel Ausrüstungsgerät versteckt lagen. „Rechts vor der Explosionsstelle!“ Lati Oshuta wechselte die Stellung und lief genau in den Schokkerstrahl eines Humanoiden hinein. Als ob gar nichts passiert sei, lief er weiter und erwiderte kaltblütig das Feuer auf den Gegner, der nicht begreifen konnte, warum der andere nicht geschockt zusammenbrach. „Transmitter!“ schrie Marc Carrell als Hinweis. Es war zu spät! Eine kleine Gruppe Schwarzer Weißer, fünf bis sieben Mann stark, die gerade die Kugelanlage verlassen wollte, war wieder im Transmitter verschwunden. Nun waren die Fremden auf dem Planeten, von dem aus sie in diesen Einsatz gegangen waren, gewarnt, daß auf dieser Welt mit Widerstand zu rechnen war. „Feuerschutz!“ stieß Marc Carrell über seine Lippen. Er hatte keine Zeit, langatmige Erklärungen abzugeben. Er rannte los, wurde schneller, schrie nach Jimmy und befahl der Robotkonstruktion, ihm zu folgen. Beide jagten auf den Transmitter zu, der auf beide Richtungen geschaltet war, stürmten in die Kugel hinein und verschwanden darin! Holger Alsop stellte sein Feuer ein. Es gab keinen Widerstand mehr, und Bram Sass und Lati Oshuta hatten auch nichts mehr zu tun, denn auch die Verletzten lagen geschockt am Boden. „Transmitter unter Kontrolle halten!“ ordnete Alsop an, und wortlos setzte sich Bram Sass in Bewegung und ging auf die Anlage zu, deren Gegenstation auf einem ihnen unbekannten Planeten stand. Wankend kam ihm Manu Tschobe entgegen. „Das war im letzten Augenblick!“ sagte er schwerfällig und hielt dann wieder seine Hand gegen die aufgeplatzte Unterlippe, die leicht blutete. „Wir konnten nicht früher eingreifen“, sagte Sass und ließ Tschobe stehen. Mit der Erfahrung eines Experten hatte dieser erkannt, daß der Ladiner phantete, nickte nur und wankte dann weiter auf den Tunnel zu, wo Lati Oshuta stand, der in jeder Hand einen Strahler hielt. „Ich muß mich verarzten“, sprach Tschobe ihn an und ließ sich erschöpft zu Boden sinken. Oshuta reichte ihm wortlos das medizinische Notpäckchen. Er fragte nicht einmal, ob Tschobe leicht oder etwa schwer verletzt sei. Er hatte die Verletzung zur Kenntnis genommen, und damit war dieser Fall für ihn erledigt. Holger Alsop ging zwischen den Bewußtlosen hin und her, sah darunter Verletzte und hatte, nachdem er seinen Kontrollgang beendet hatte, vier tote Fremde gezählt.
Zufällig blickte er zum Transmitter hinüber und sah zusammen mit Bram Sass, wie Jimmy aus der Anlage jagte, seine Läufe mit den ausgefahrenen Krallen gegen den felsigen Boden stemmt, sich abrupt abbremste und herumschleuderte. Dann hörte er ihn mit seiner Blechstimme krächzen: „Marc Carrell hat es erwischt! Los, Sass, wir müssen ihn raushauen. Allein kann ich es nicht.“ Eine Sekunde später verschwanden Bram Sass und Jimmy zusammen in der Transmitterkugel. * Von Colonel Huxley lief in Cent Field ein To-Funkspruch ein. Verband hat Position erreicht, kann aber keine Spur von der A-066 entdecken. Auch Energiefahnen sind nicht festzustellen. Suchen weiter. Colonel Huxley. Zwei Stunden und acht Minuten später kam die zweite Meldung herein: Wir liegen seit einer halben Stunde in Fremdortung, können aber die Quelle der Ortung nicht erkennen. Die Möglichkeit, daß wir es mit einer unsichtbaren gigantischen Station zu tun haben, ist gegeben. Wir melden uns um 10:30 Uhr Normzeit wieder. Colonel Huxley. Um 10:30 Uhr wartete man in der To-Funkstation von Cent Field vergeblich auf Huxley s angekündigte Meldung. Um 11:00 Uhr war sie immer noch nicht eingegangen. Um 12:00 Uhr wurde Marschall Bulton benachrichtigt. Um 12:02 Uhr Normzeit rief man den Verband auf der ausgemachten Hyperfrequenz über To-Funk an. Keiner der fünfzig S-Kreuzer unter Huxley und Clark meldete sich. * Ren Dhark war mit seinem Flash kurz vor dem zehnten Doppelkugelraumer aus der Kurztransition herausgekommen und sofort in den Raumer eingeflogen. Seine Bildprojektion über dem Kopf hatte auf Infrarot geschaltet, und er erkannte, daß er sich in einem großen Depot oder Hangar befand. Mehr begriff er nicht. Er hörte sich noch schreien, aber was er schrie, verstand er nicht mehr. Sein Körper vibrierte! Sein Flash vibrierte. Alles war in Schwingungen versetzt worden, die ihm den Verstand zu nehmen drohten. Er bäumte sich im engen Blitz auf, stieß mit dem Kopf an und empfand nicht einmal diesen Schmerz. Dreimal griffen seine Hände zum Klarsichthelm, dreimal wollten sie ihn aus einer Instinkthandlung heraus öffnen, aber auch beim drittenmal brachte er es nicht fertig.
Das Vibrieren wurde noch unerträglicher. Wie ein Wurm wand sich Ren Dhark, und sein eigenes Stöhnen und Schreien gellte ihm in den Ohren, nur begriff er nicht, daß er es war, der so unkontrolliert schrie. Die Schmerzen kamen von allen Seiten, und sie waren überall. Mit einer unbeschreiblichen Schnelligkeit wurden sie noch stärker, oder wurde Ren Dhark um so schneller schwächer, je länger er diesen Angriff aushallen mußte? Fraß das Vibrieren jede Körperenergie auf? Achtzehn Decks höher, in der anderen Kugel, saß ein Rut hinter seiner Kontrolle und beobachtete mit gespannter Aufmerksamkeit die Instrumente. Ihn hatte die Erfassung genauso erschreckt wie alle anderen im Schiff, die unter dem Brüllen der Alarmglocken zusammengefahren waren. Erfassungsalarm! Ein Beiboot der Rakes, in dem nur ein Terraner sitzen konnte, war in einen Hangar der ZGUTH eingeflogen und gelandet! Es hatte keine Chance gehabt. Die Autoerkennung hatte sofort das artfremde Boot identifiziert und auf eng begrenztem Raum den Erfassungsalarm ausgelöst. Raumsoldaten hatten inzwischen den Kleinraumer umstellt. Schwere Werfer mit einer unvorstellbaren Abgabeleistung wurden herangefahren. Der Erfassungsalarm lief immer noch und hinderte den Insassen des Beibootes an Gegenmaßnahmen! Da fuhr der Rut hinter seiner Kontrolle zusammen. Eine scharfe Stimme rief ihm über die Verständigung zu: „Erfassung sofort abschalten!“ und mit einem Blick hatte der Rut erkannt, wer ihm den Befehl gab: der Vankko! Seine Hände flogen über die Schaltung. Null! Null! Null! Auf Deck 23, Sektor 6, gab es keinen Erfassungsalarm mehr. Was hat das nur zu bedeuten? fragte sich der Rut, der nicht verstand, warum man mit diesem weißen Humanoiden so gnädig verfuhr. * In der Zentrale formulierte Dro Cimc sehr vorsichtig eine Bemerkung. „Ich glaube nicht, daß der Kluis diese Möglichkeit einkalkuliert hat“, und sah dabei nicht den Vankko an. Der Vankko wurde überrumpelt, und bevor er begriff, was er sagte, war ihm schon über die Lippen gekommen: „Nein, er hat schon wieder versagt.“ Ein dünnes Lächeln huschte über Cimcs Gesicht. „Ich hoffe, in Ihnen einen guten Verteidiger zu haben, wenn ich mich nach der Rückkehr vor dem Vank verantworten muß.“ In den dunklen Augen des großen Humanoiden blitzte es auf. „Glauben Sie, mir würde es besser ergehen? Sie wissen doch, daß
ich den Einsatz der Beiboote der Rakes ohne Genehmigung des Vank und der Flotte angeordnet habe. Sie müssen sich schon einen anderen Anwalt aussuchen, der Sie verteidigt.“ Er verstand nicht, warum sich der Wer plötzlich an den Kopf faßte und laut auflachte. „Vankko, wir werden nie vor dem Vank stehen müssen! Das Beiboot der Rakes hat uns das Ree an Bord gebracht.“ Der Vankko hatte Dro Cimcs Worte in ihrer ganzen Bedeutung erfaßt, ging zur Bord Verständigung und schaltete zur Erfassung. „Erfassung sofort abstellen!“ lautete sein ernüchterter Befehl. Dann breitete sich in der Zentrale Schweigen aus. Jeder mußte mit dem Wissen fertig werden, daß sie mit diesem Schiff auf keiner einzigen ihrer Welten jemals landen durften, und jeder hatte sich damit abzufinden, daß es vor dem Ree keine Rettung gab. Mit der Waffe, mit der sie die Schiffe der terranischen Emporkömmlinge zur Vernichtung reif machen wollten, hatten sie die ZGUTH und ihre Besatzung auch zum Untergang verurteilt. „Cimc, geben Sie mir etwas zu trinken.“ Der Vankko forderte nicht, er bat. Was nützte ihm seine Position und was sein Titel? Alle waren zum Tode verurteilt. Alle im Schiff. Auch er, der Vankko! Er trank wie ein Verdurstender, aber seine Hand zitterte nicht, als er das Gefäß zurückgab, und seine Stimme klang wie gewohnt, als er Dro Cimc aufforderte, ihm zu folgen. Sie sprachen nicht miteinander, als sie über das Hauptdeck auf den Schacht zugingen und sich dann in der Minussphäre nach unten gleiten ließen, 47 Decks tiefer. Die Ärzte sahen erstaunt auf, weil sie mit einem Besuch des Vankko im Lazarett nie gerechnet hatten. Aber aus Erstaunen wurde Entsetzen, denn er hatte ihnen gerade erklärt, daß das Ree an Bord sei, und er hatte gefragt, ob es ein Mittel gegen das Ree gebe. „Vankko, es gibt keines!“ Widerspruch kam auf. „Doch, es gibt ein Mittel, wenn das Ree im zweiten Stadium ist, dann kann man es…“ Der Vankko schüttelte den Kopf, und der Mediziner, der wieder Hoffnung geschöpft hatte, verstummte. „Das Ree befindet sich schon im dritten Stadium. Aber es müßte doch zu isolieren sein. Auf Deck 23 ist das Beiboot gelandet. Wenn wir die Decks 20 bis 26 hermetisch absperren.“ „Zu spät, Vankko. Viel zu spät!“ unterbrach ihn der Chem-Mediziner. „Wer, dieses Schiff ist der Impulsgeber, und in der ZGUTH unterliegt das Ree viel stärker den Impulsen als in den Affenschiffen. Außerdem, denken Sie an die Belüftungsanlagen!“ „Vankko, wir haben jetzt schon das Ree auf jedem Deck! Und wenn wir nicht sofort den Impulsgeber ausschalten, dann braten wir schon in einigen Stunden.“ Der Wer wollte Zeit herausschinden, obwohl er wußte, daß dies auch nichts mehr nutzen würde. „Cimc, veranlassen Sie es, und anschließend möchte ich mich mit
dem Insassen des Beibootes unterhalten. Hier! Oder bestehen Bedenken?“ „Nein!“ Dro Cimc eilte zur Verständigung und gab zwei Befehle durch, dann rief er die Funkzentrale an. „Teilen Sie allen Kommandanten mit, daß die ZGUTH zum gesperrten Schiff erklärt worden ist und unter keinen Umständen betreten werden darf.“ Vom Ree sagte er kein Wort. Das war nicht nötig. Die Besatzung würde noch früh genug ihr Todesurteil erfahren. Bewußtlos wurde der Fremde hereingebracht. Der Vankko war überrascht, denn die verblüffende Ähnlichkeit zwischen dem Fremden und seiner Rasse hatte ihn regelrecht bestürzt. In diesem Augenblick erkannte er, daß die wenigen Berichte über die Fremden in der Beschreibung der Wesen alle falsch waren. Neben ihm stand der Wer, der seinen Blick von dem blaßhäutigen Unbekannten nicht losreißen konnte. Den Medizinern des Lazaretts erging es nicht anders. Doch in manchem Blick lag auch Haß, denn dieser Unbekannte einer unbekannten Rasse hatte ihnen den Tod ins Schiff gebracht, das Ree. „Wird es lange dauern, bis er wieder bei Bewußtsein ist?“ wollte der Vankko wissen. Man war ratlos, und die Ratlosigkeit steigerte sich, nachdem es endlich gelungen war, den Klarsichthelm zu öffnen und dem Fremden den Raumanzug auszuziehen. Das blasse Wesen einer fremden Rasse war organisch ganz anders gebaut als sie. „Viel einfacher, aber auch viel anfälliger als wir.“ „Hat ihm der Erfassungsalarm geschadet?“ „Woher sollen wir das wissen, Vankko, denn wir haben noch nie ein uns ähnliches Wesen mit solch einem primitiven Gehirn gesehen und…“ Der Arzt verstummte, denn der Fremde versuchte seine Augen zu öffnen. Leichtes Stöhnen war zu hören, gemurmelte Worte, die niemand verstand, und die auch vom längst herangefahrenen Translator nicht in ihrer Bedeutung erfaßt wurden. Die Hände strichen über die Kleidung, als wollte der Fremde sich vergewissern, angezogen zu sein. „Wollen Sie etwas zu trinken haben?“ Ren Dhark verstand kein Wort. „Ich beherrsche Ihre Sprache nicht, aber es muß eine Möglichkeit geben, uns zu verständigen.“ Ein Mediziner half ihm, als er versuchte, sich aufzurichten, dann hielt er seinen Kopf fest, in dem der Schmerz langsam nachließ. Ein Gefühl, Blei in den Gliedern zu haben, ließ ihn leicht zusammenfallen, aber dann wehrte er ab, als schwarze Hände ihm helfen wollten. Er war angekommen. Aber anders, als er es sich vorgestellt hatte. Wie haben die Schwarzen Weißen es nur fertiggebracht, mich aus dem Flash zu holen, fragte er sich, dann aber erinnerte er sich, daß sie ja auch Beiboote der Mysterious besaßen, die Xe-Flash.
Sein Zustand besserte sich schnell. Er schwang die Beine heranter und setzte sich auf. Das Schwindelgefühl war fast vollständig verschwunden. „Ja“, sagte er und ließ den Blick in die Runde schweifen, „nun lernen wir uns kennen, leider unter unerfreulichen Umständen.“ Er verstummte, weil neben ihm eine leiernde Stimme aufklang. Der Translator begann seine Tätigkeit aufzunehmen. Je länger sie sprachen, um so besser wurde die Übersetzung, aber auch um so schärfer die Unterhaltung. Dhark erfuhr, daß sich die Schwarzen Weißen in ihrer eigenen Sprache Tel nannten Ihre Drohung, ihn an Bord zu halten, konnte ihn nicht erschüttern. Als der Vankko sie abermals erwähnte, winkte er lässig ab. „Sie heizen meine Schiffe auf, und ich hoffe, daß es diesem Schiff nicht besser ergeht. Was soll also Ihre Drohung, mich festzuhalten?“ Dro Cimc stand im Hintergrund und beobachtete nur. Dieser Fremde, der sich Ren Dhark nannte, und den er so erbarmungslos gejagt hatte, faszinierte ihn, weil etwas eigenartig Sicheres von ihm ausging. „Nur eine Sache hat im Augenblick Bedeutung: Mit welchem Mittel bekommen wir das Vario aus unseren Schiffen?“ „Ich muß Ihnen mitteilen, daß es kein Mittel gegen das Vario gibt.“ Der Vankko gab bereitwillig Auskunft, seinen Hochmut hatte er inzwischen vollkommen abgelegt. Ren Dhark zuckte mit keiner Wimper und ruhig erwiderte er: „Das habe ich mir gedacht, deshalb sind Ihre Drohungen auch belanglos. Sie sind genauso zum Untergang verurteilt wie wir. Darf ich Platz nehmen?“ Er fand es lästig, auf dem Schwebetisch zu sitzen, rutschte herunter und ging auf einen Sessel zu, der aus terranischer Produktion hätte stammen können. Seinen zusammengefalteten Raumanzug nahm er mit und legt ihn über die Lehne. Die beiden Strahlwaffen hatte er in den Taschen seiner Uniform verstaut. Dro Cimc, der stille und aufmerksame Beobachter, fragte sich zum x-tenmal in Gedanken, wer dieser Mann in Wirklichkeit war. Ren Dhark achtete nicht auf den Wer. Die Schlüsselfigur für ihn war dieser Vankko. Die anderen Tel zählten nicht. „Sie haben etwas Wichtiges übersehen. In jedem Moment können auf Ihren anderen Schiffen auch Flash einfliegen und das Vario zurückbringen, aber wir haben es gar nicht nötig, zu diesem Mittel zu greifen. Wir besitzen andere und bessere, um Sie vernichten zu können.“ Zum erstenmal wurde dieser Tel, der eine der höchsten Positionen seines Imperiums innehatte, unsicher. Er konnte den Untergang der mehr als siebenhundert Raumschiffe nicht vergessen, und er vergaß auch nicht, daß alle eingesetzten Xe-Flash spurlos im Raum verschwunden waren. Welches Mittel hatte dieser verdammte Weißhäutige im Fall der Xe-Flash angewandt? „Vankko, können Sie sich nicht vorstellen, daß ich freiwillig zu
Ihnen gekommen bin?“ „Um uns das Vario und den Untergang zu bringen!“ zischte der große Tel. „Danke!“ sagte Dhark leicht lächelnd. „Nun weiß ich wirklich, daß es gegen das Vario kein Mittel gibt. Damit entfällt auch für Sie die Notwendigkeit, mich an Bord dieses Schiffes festzuhalten, vorausgesetzt, daß die Logik eines Tel gleich der Logik eines Terraners ist.“ Eine Meldung unterbrach das Gespräch. Aus Deck 23 wurde gemeldet, daß dort die Temperatur ansteigen würde. Das Vario begann nun auch diesen Doppelkugelraumer anzuheizen! Der Translator übersetzte auch den Befehl des Vankko, der seinen siebzehn Schiffen den Auftrag gab, in einer Nottransition zu verschwinden und die Heimathäfen anzufliegen. Den Translator abzuschalten, erübrigte sich, es gab keine Geheimnisse mehr zu bewahren. Sie alle waren dem Untergang geweiht! „Wenn Sie gestatten, werde ich mich auf meinen Raumer zurückziehen, ihre Schiffe treten ja bereits den Rückflug an.“ Dhark erhob sich. Er hatte es eilig, denn je früher er zur POINT OF zurückkam, um so besser war es. Der Vankko starrte ihn schweigend an, aber nicht eine Sekunde lang wich Ren Dhark seinem Blick aus. Beide wußten, daß es vor dem Vario keine Rettung gab. Sie konnten nicht einmal mit ihren verseuchten Schiffen auf einem Planeten landen. Jede Landung war nur ein karger Aufschub, denn das Vario würde bald auch den Planeten aufgeheizt haben. „Wir haben beide verloren“, brachte der Vankko nach einer langen Pause über die Lippen. „Wir beide haben nichts mehr zu gewinnen, aber Sie sollen kein zweites Mal daran zweifeln, daß Ihre Logik gleich der unseren ist. Dhark, Sie können zu Ihrem Schiff zurückfliegen. Cimc, begleiten Sie den Terraner zu seinem Flash.“ Ren Dhark blieb vor ihm stehen und lächelte leicht. „Schade, Vankko, daß wir uns erst im letzten Teil unseres Lebens kennengelernt haben. Schade.“ Barsch erwiderte der Tel: „Ich verstehe Sie nicht. Was wollten Sie damit sagen?“ „Daß ich einen klugen Mann immer bewundere, und Ihre Klugheit haben Sie bewiesen, indem Sie uns beide als die Verlierer hinstellten. Leben Sie wohl. Etwas anderes kann ich Ihnen allen nicht sagen.“ Dhark grüßte militärisch. Der Vankko und die anwesende TelBesatzung erwiderten die Ehrenbezeugung. Wer Dro Cimc führte Dhark hinaus. Eine Verständigungsmöglichkeit zwischen ihnen gab es nicht. Im großen A-Gravschacht schwebten sie nach unten und stiegen auf Deck 23 aus. Von der unwirklichen Größe der Doppelkugelraumer bekam Ren Dhark nun eine Vorstellung, aber auch einen Begriff davon, wieviel Roboter die Tel auf ihren Schiffen eingesetzt hatten. Auf zehn Roboter, die an ihren glühenden Augen zu erkennen waren, kam ein Tel.
Plötzlich wies der Wer nach rechts. Durch ein Schott betraten sie ein Depot, und wieder über einen langen Gang, vorbei an kleinen und großen Ersatzteilen, erreichten sie endlich den Flash. Er stand auf seinen weit gespreizten, spinnbeindünnen Teleskopstützen, und der Einstieg war geöffnet. Ren Dhark legte seinen Raumanzug auf den Sitz, drehte sich nach seinem Begleiter um und dann… …dann traute Dhark seinen Augen nicht. Der Tel schwang sich in den Flash! Der Tel wollte mit ihm den Doppelkugelraumer verlassen! Dem Commander der Planeten fiel die Entscheidung nicht schwer, denn es war doch gleichgültig, wo der einzelne starb, und es spielte auch keine Rolle mehr, ob dieser Tel auf der POINT OF sterben würde oder in diesem Koloß. Er schloß den Einstieg, schaltete den Funk ein und gab durch: „Ich komme jetzt zurück!“ Alles andere überließ er wieder der Gedankensteuerung. Kurz vor der Außenwandung schaltete er den Sle für einen Augenblick aus, um ihn nach dem Verlassen des Tel-Schiffes wieder zu aktivieren. Dhark wollte die Raumerzelle nicht unnötig beschädigen. Knapp dreihundert Kilometer von dem fremden Schiff entfernt, erfolgte der Sprung zum Flaggschiff. Als er im Depot den Flash verließ, schreckte er zusammen. In der POINT OF herrschte Backofenhitze. Das Vario war auf dem besten Weg, alle Menschen im Ringraumer zu braten. Auch der Tel zeigte über die hohe Temperatur Bestürzung. Sollte dieser Mann nichts über den variablen Stoff, in dem teuflische Kräfte steckten, gewußt haben? In der Zentrale löste seine Rückkehr mit einem Schwarzen Weißen keine Überraschung mehr aus. Bei 36 Grad Celsius war dafür kaum noch Spielraum. Ob Dhark wollte oder nicht, er mußte seinen Raumanzug wieder anziehen, denn Verständigung war nur über Helmfunk möglich, obwohl sein Raumanzug durch das Vario ebenfalls aufgeheizt wurde und ihm keinen Schutz mehr vor den unentwegt höhersteigenden Temperaturen bot. ,,Funk-Z, bitte Verbindung mit Larsen und Szardak.“ Dhark hatte nicht lange zu warten. „Auch die Schwarzen Weißen, die Tel, kennen kein Mittel gegen das Vario. Dieser Höllenstoff ist sogar in der Lage, Planeten aufzuheizen. Ob wir noch eine kleine Chance haben, weiß ich nicht, aber uns steht noch ein Fluchtweg offen: das Karmin-Universum!“ Aber wo lag das Karmin und wie war das andere Kontinuum zu erreichen? Ins Karmin zu flüchten, um dort Rettung vor dem Vario zu finden? In einem Universum, in dem das Nor-ex hauste, ein unbegreifliches Energiewesen. Ein Wesen, das intelligent war und eine Ethik besaß, die teilweise mit der terranischen übereinstimmte. „Hat es Sinn, Dhark?“ fragte Larsen zurück.
„Und wenn es keinen Sinn hat, dann haben wir doch den letzten Versuch unternommen. Schalten Sie Ihren Suprasensor mit dem Checkmaster synchron.“ Dan Riker sah seinen Freund wortlos an – Ins Karmin zu flüchten, um dort Rettung vor dem Vario zu finden? Typisch Ren, diese Idee – und schüttelte leicht den Kopf. „Ich verstehe kein Wort“, warf Janos Szardak ein. „Was bedeuten diese Eingabewerte? Glauben Sie, damit ins Karmin zu kommen?“ „Ich glaube es nicht, ich weiß es, Janos. Vertrauen Sie mir und halten mich nicht länger auf. Jedes Schiff nimmt einzeln die Transition vor. Ich schalte jetzt ab und lasse in der POINT OF die X-Zeit laufen. Hals- und Beinbruch.“ Der Commander schaltete ab. Sein Blick galt Riker. „Hast du wenigstens noch einmal ungestört mit Anja reden können, Dan?“ Dessen Antwort war ein Nicken. Dann gab es nichts mehr zu besprechen. Die Flucht ins KarminUniversum war ihre allerletzte Hoffnung, aber wie man in dem fremden Kontinuum das Vario von Bord bekommen konnte, wußte auch Ren Dhark nicht zu sagen. X-Zeit lief. Dhark hatte den Checkmaster programmiert, versehen mit seinem Mentcap-Wissen von Erron-3, das ihm auch den Weg ins Karmin gezeigt hatte. Und dann kam X, während im Schiff die Aggregate brüllten, die Konverter heulten und die Transformer ihr vertrautes Lied anstimmten. Aber kein undefinierbares Pfeifen wie vor jeder Transition war zu hören. X! Modulatives Hy-Kon-Verfahren hatte es Dhark genannt. Mittels des Hy-Kons schleuderte sich das Schiff selbst in ein anderes RaumZeit-Gefüge. Die Menschen an Bord glaubten innerlich zu zerreißen. Unter den Klarsichthelmen gellten die Schreie, und dann kam das Entsetzen über die Bildkugeln herein. Karminrot leuchtender Hintergrund, und die ARROW verbogen wie ein Fragezeichen! Die LUXOR tauchte aus dem Nichts auf, noch fürchterlicher verdreht, und dann sahen die Menschen ihre POINT OF, wie eine schlecht gemalte Acht, die von zitternder Kinderhand gezeichnet worden war. Waren sie tatsächlich im Karmin oder in einem Kontinuum, das in ähnlichem Farbton leuchtete? Da kam eine Meldung durch, mit der auch der Commander nicht gerechnet hatte: „Die Temperatur ist in der letzten Minute um zwei Komma fünf Grad Celsius gestiegen!“ Das Thermometer zeigte 38,5 Grad Celsius!
4. Zwei Männer brachen unter der Hitze fast zusammen. Zwei Männer, deren Raumanzüge nicht mehr kühlten. In ihren Raumanzügen steckte das Vario wie in allen Räumen der POINT OF. Zwei Männer unterschiedlicher Völker, die gemeinsam an den Auswirkungen des Vario litten! Die anderen Besatzungsmitglieder spürten die ununterbrochen ansteigenden Temperaturen nicht, denn noch arbeitete die Klimaanlage in ihren M-Anzügen, wenngleich sie unter der Dauerbelastung langsam dem Maximum ihrer Leistungsfähigkeit zustrebte. Hitze! Vierzig Grad Celsius waren überschritten, und die Klimaanlage des Flaggschiffes, die mit solchen Temperaturen normalerweise keine Probleme hatte, arbeitete in entgegengesetzter Richtung. Statt Kühlung zu bringen, warf sie Hitze ins Schiff. „Miles, können Sie diesen Hochofen nicht endlich stillegen?“ Ren Dhark keuchte es über die Bord-Verständigung und konnte wieder einmal nichts mehr sehen, weil ihm der Schweiß in die Augen gelaufen war. „Ich kann die Klimaanlage nicht abschalten, Dhark. Auch nicht über den Checkmaster. Ich habe alles versucht. Wirklich alles.“ Der Eurasier Congollon, der sein Triebwerk liebte und die Technik des Schiffes wie kein zweiter beherrschte, wünschte sich seine rechte Hand herbei – Arc Doorn. Aber der Sibirier hielt sich auf der LUXOR auf, dem Ringraumer, der in der Bildkugel so unbeschreiblich verdreht zu sehen war. Doch sah die POINT OF viel besser aus, oder die ARROW? „Gut, Congollon. Ende.“ Der Commander schaltete ab und drehte sich um, als sich eine Hand schwer auf seine Schulter legte. Der Tel, der den Doppelkugelraumer verlassen hatte, um auf diesem Sternenboot zu sterben, hatte ihm etwas zu sagen. Nur einer verstand den anderen überhaupt nicht, und der ratekische Translator mußte noch herbeigeschafft werden. Dhark blickte ihn fragend an, und dann schaute er in die Richtung, in die der Tel deutete. Auf die Bildkugel. Die beiden S-Kreuzer entfernten sich vom Flaggschiff mit hoher Fahrt! Was war das schon wieder? „Dhark an Yogan.“ Auf dem kleinen Bildschirm erschien Elis Yogans Gesicht hinter dessen Klarsichthelm. Er verstand den Commander, bevor Dhark auch nur ein Wort gesagt hatte. „Wir beobachten das Absetzen auch, Dhark. Aber die Verbindung ist abgerissen, als wir hier rematerialisierten. Nichts klappt mehr.“ Der Mann im geöffneten Raumanzug nickte müde und schaltete ab. Er erinnerte sich, was ihm die Ärzte der Medo-Station gesagt
hatten: Er solle mit seinen Körperkräften keinen Raubbau mehr treiben! „Zweiundvierzig Komma fünf Grad.“ Die Durchsage ging durch das ganze Schiff. „Der Schaum ist bis auf ein Drittel der Menge abgebaut worden.“ Diese Nachricht interessierte Dhark gar nicht mehr. Seit seinem Gespräch mit dem Vankko wußte er, daß eine Handvoll Schaum ausreichte, um mit der Zeit einen Planeten aufzuheizen. Er wurde nicht nur zu einem sich bis ins Unendliche vermehrenden Parasiten, sondern er besaß auch die Kraft, die Hitzeentwicklung in seinem Bereich bemessen an seiner Vermehrung zu steigern. Nur dadurch war er in der Lage, auch Planeten aufzuheizen und sie für jeden biologischen Organismus unbewohnbar zu machen. „Dreiundvierzig Grad! Luftfeuchtigkeit nimmt ab.“ Neben Dhark bewegte sich der Tel. Er stand zwischen den beiden Pilotensesseln. Ein Fremder unter Terranern, und doch sah er trotz seiner nachtschwarzen Hautfarbe so menschlich aus. Warum ist er mitgekommen? fragte sich Dhark. Um hier zu sterben? Seine Gedanken wurden abgelenkt. In der Bildkugel sah er, daß jeder S-Kreuzer seinen eigenen Kurs einschlug. Dharks Mund war trocken, seine Lippen spröde und gespannt. Die Verbindung zur Messe stand. „Bitte lassen Sie Wasser in die Zentrale bringen!“ Vierundvierzig Grad. Noch waren die Temperaturen nicht lebensbedrohend, solange der Wasserhaushalt des menschlichen Körpers im Gleichgewicht blieb, aber bei einem bestimmten Punkt hörte auch das auf. Dann begannen die Verbrennungen. Und nach den Worten des Vankko sollte das Vario im dritten Stadium Temperaturen von mehr als zwölftausend Grad erzeugen können – auf einem Planeten! Dhark drehte sich ungeduldig samt seinem Sessel um. Wo blieb das Wasser? Alle sahen ihn an. In allen Augen der gleiche Blick, dieser versteckte Vorwurf, den ihm zwar niemand zeigen wollte und den dennnoch jeder zeigte. Er, Ren Dhark, hatte sie in diese Lage gebracht! Er war der Verantwortliche, und jeder erwartete von ihm, daß er sie aus dem Gefahrenbereich herausbrachte. Der junge Offizier mit einem Fünfliterkanister Wasser stürmte herein. Fragend schaute er um sich. „Hier. Der Tel und ich!“ Dhark nahm den Kanister und die Trinkbecher, füllte sie randvoll. Den ersten reichte er dem Tel, der kurz zögerte. Dhark solle auch trinken, gab er diesem durch Gesten zu verstehen. Beide setzten an. Erfrischend rann die kühle Flüssigkeit den Rachen hinunter. Auf beider Gesichter machte sich Erleichterung breit. „Fünfundvierzig Grad.“
Aber es war längst nicht mehr so glühendheiß in der POINT OF wie bei vierzig Grad. Ein halber Liter Wasser hatte es fertiggebracht, sie wieder zu normal denkenden Menschen zu machen. Dhark hatte seine Tatkraft wiedergefunden. „Anfrage an alle wissenschaftlichen Abteilungen! Wo bleiben Ihre Angaben, meine Herren? Wir verfügen doch über Vergleichswerte durch unseren ersten Besuch im Karmin, oder?!“ Der junge Astronom Mearn fürchtete sich nicht, die unangenehme Wahrheit zu sagen. „Commander, leider befinden wir uns nicht im Karmin.“ Er erbrachte auch die Beweise für seine Behauptung. Dhark wollte es nicht glauben. Die Schiffe waren durch das modulative Hy-Kon-Verfahren von einem Kontinuum ins andere befördert worden, und sie konnten bei dieser Energieabgabe nur im KarminUniversum angekommen sein. „Mearn, bleiben Sie in der Verbindung.“ Über den Checkmaster rief er die gespeicherten Daten ab. In der Wartezeit meldete sich Jens Lionel. „Dhark, wir benötigten keine Vergleichswerte bei unserer Überprüfung, weil mir alle physikalischen Daten des Karmins bekannt sind.“ Unmerklich stutzte der Commander, begriff aber im gleichen Moment, woher Lionel seine Sicherheit bezogen hatte. Aus dem Mentcap-Wissen von Erron-3! Während Lionel dozierte, verglich der Commander die Angaben des Astronomen mit der Ausgabe des Checkmasters. Ein Blitz zuckte durch seinen Kopf. In seinen Ohren begann es lauter und lauter zu rauschen, und abwechselnd jagten Hitze- und Kälteschauer durch seinen Körper. Er hörte weder Lionels Stimme, noch las er. Nichts anmerken lassen! sagte er sich in Gedanken. Großer Himmel, nur jetzt nichts anmerken lassen! Ren Dhark stand vor einem Abgrund, und er drohte in die Tiefe zu wirbeln. Von der Hitze im Schiff bemerkte er nichts mehr. Daß die Temperatur auf sechsundvierzig Grad Celsius gestiegen war, nahm er nicht auf. Er hatte versagt -jämmerlich versagt! „Ren, was hast du?“ Er hörte den Freund nicht fragen. In seinen Ohren rauschte es ununterbrochen. Aber hinter seiner Stirn hatte sich eine Hölle an Selbstvorwürfen aufgetan. Das Vario hätte gar nicht mehr an Bord sein dürfen! Das Vario war zu bekämpfen! Und es gab ein Mittel dagegen, aber er hatte es nicht eingesetzt, weil er einfach daran nicht gedacht hatte. Die Zeitverschiebung! Und jetzt befanden sie sich in einem Universum, das nicht das
Karmin war! Er trank erneut, aber die erhoffte Erfrischung durch das kühle Wasser unterblieb! Achtundvierzig Grad im Schiff! Er hatte versagt. Vollkommen. Ihm war ein Fehler unterlaufen, der ihm niemals hätte passieren dürfen, und da bemerkte er, wie fragend ihn Dan Riker und der Tel ansahen. Ahnungslos waren sie und sie sollten es auch erst einmal bleiben. Stand jetzt nicht primär im Vordergrund, wie sein Fehler zu beseitigen war? Die Hitze war kaum noch zu ertragen. Ihm und dem Tel setzte sie ununterbrochen zu. Die anderen bewegten sich noch im Schutz ihres Raumanzuges und hörten nur über den Helmfunk, wie die Temperaturen anstiegen. Was tun, fragte er sich, und er bemerkte, wie die Hitze den Flug seiner Gedanken lähmte. Was tun? * Auf Terra war der erste Probelauf zu Ende. Siebenunddreißig Stunden Normzeit lang hatte ein planetarisches Schutzfeld die Erde umhüllt. Ununterbrochen wurden die Einstellungen und Energieabgaben der Schirmfeldwerfer gemessen. Dieses Geschenk der Nogk an die Terraner sollte Terra Schutz vor den elektromagnetischen Orkanen bieten. Schutz vor den Orkanen, die aus der Galaxis kamen und das Leben der Menschen bedrohten. Den Nogk hatte die eigene Konstruktion nicht helfen können, sie hatten bei ihrem Exodus in Richtung Andromeda im Leerraum zwischen den Galaxien eine neue Heimat gefunden; rund 300.000 Lichtjahre vom Halo der heimatlichen Galaxis entfernt. Um eine rote Riesensonne kreisten siebzehn Planeten, von denen der sechste Verhältnisse aufwies, die den Lebensbedingungen der humanoiden Libellen entsprach. Und während die Milchstraße von einem Strahlenorkan nach dem anderen bedroht wurde, waren in dieser Sternoase die elektromagnetischen Störungen kaum festzustellen. Die Nogk hatten auswandern können, aber die Milliarden Menschen Terras konnten ihren Planeten nicht verlassen. Sie mußten bleiben und die Strahlungsorkane über sich ergehen lassen, auch auf die Gefahr hin, daß in den nächsten Generationen die gesamte Menschheit mutierte. Darum war das Geschenk der Nogk für die Erde buchstäblich die Rettung vor dem Untergang. Und nun war der erste Probelauf zu Ende, die ersten Resultate lagen vor. „Wir dürfen zufrieden sein!“ stellte Shu Benschim fest, der Chef dieses weltumspannenden Projektes war. Seine Gesichtszüge entspannten sich und zeigten plötzlich die Müdigkeit, die er mit seinen Mitarbeitern gemeinsam hatte. „Mit gutem Gewissen können wir der
Regierung in Alamo Gordo melden, daß ab morgen Mitternacht Normzeit die Strahlungsgefahr für Terra gebannt sein wird. Ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit!“ Shu Benschim nahm die Folienmappe an sich, sprach mit seinem Assistenten noch ein paar Worte und erhob sich, um der Regierung vom guten, pannenlosen Ausgang des Unternehmens zu unterrichten! Er sah die Zukunft Terras im rosigsten Licht. * Bentlake! In Bentlake wurden die ersten Ringraumer aus Tofirit hergestellt, Schiffe, die mit einem Durchmesser von vierhundert Metern doppelt so groß waren wie die POINT OF und die erbeuteten S-Kreuzer. Bentlake lag bis zu viertausend Metern unter der Erde und dehnte sich über Tausende von Quadratkilometern aus. Und hier sollte nun der erste Ringraumer der neuen Nullserie ausgestoßen werden. Die wichtigsten TV-Stationen Terras waren anwesend, der Minister für Raumfahrt und sein Kollege, der im technischen Bereich tätig war. Nur Henner Trawisheim und Marschall Bulton hatten im letzten Moment ihr Erscheinen abgesagt. Doch nur wenige Eingeweihte unter den geladenen Gästen wußten davon. Die TERRA erschien! A-Grav ließ den rotfunkelnden Raumer schweben, und vier Pressor-Strahlanlagen schoben das Schiff langsam durch das weit geöffnete, vierteilige Schleusentor nach draußen auf die Plastikbetonpiste, an der sich rechts und links die Menschen versammelt hatten, um diesen historischen Augenblick mitzuerleben. Die Schwebeplatten mit den verschiedenen TV-Teams übertrugen den historischen Augenblick in jeden Haushalt der Erde. Langsam schwebte der große Raumer heran. Unwirklich seine rotfunkelnde Oberfläche, und diese Unwirklichkeit wurde noch durch seinen gewaltigen Durchmesser von vierhundert Metern gesteigert. Ihm gegenüber mußte das Flaggschiff der Terranischen Flotte wie ein Beiboot wirken, aber auch der letzte Mann der Bentlake-Werft wußte, daß die TERRA in ihren Leistungen keinem S-Kreuzer überlegen war, obwohl sie drei Mysterious-Triebwerke an Bord hatte. MTriebwerke gab es genug, und die Menschen hatten es den beiden Experten Ivo Marcus und Raoul Pelletier zu verdanken, die im Industriedom auf Hope durch ihre Versuche am Großtransmitter und an der im Zentrum des Doms schwebenden Ringröhre einen unwahrscheinlichen Segen an M-Fertigprodukten, die über flammende A-Gravbahnen abgeladen wurden, entfesselt hatten. Ihnen war es auch gelungen, diese Anlieferungen wieder zu stoppen, doch die Energiebahnen im Dom und das Summen der Transmittergroßantenne waren geblieben. Terra hatte sofort mehrere Teams eingesetzt, die sich mit dem
Problem zu befassen hatten, wie die Industriegüter an die Oberfläche zu schaffen seien, damit sie durch Kugelraumer zur Erde geflogen werden konnten. Ein Team unter der nichtssagenden Bezeichnung CD hatte die angelieferten Aggregate untersucht und war auf einen Satz Geräte gestoßen, den es in doppelter Ausfertigung auch in der POINT OF gab. Vor dem großen Portal hatten es ein Intervallfeld erzeugt, welches in seinem Durchmesser nach Belieben verändert werden konnte. Mit Hilfe zusätzlicher Pressorstrahlen konnten die angelieferten Maschinen nun innerhalb des Intervalls an die Oberfläche geschafft werden. Die Bentlake-Werft auf Terra wurde mit dem Pilotprojekt beauftragt, Mysteriousaggregate in die Neukonstruktionen aus Tofirit einzubauen! Die TERRA war das erste Erzeugnis. Ein gewaltiger, rotfunkelnder Ring, dessen Röhrendurchmesser neunzig Meter betrug, schwebte lautlos über die Piste. In haushohen Lettern war der Name auf der Zelle angebracht worden. TERRA! Gewaltige A-Grav-Kräfte hoben die Millionen Tonnen Gewicht des Raumers vollkommen auf. Pressorstrahlen schoben den Giganten im Licht der strahlenden Sonne immer höher. Die staunende Menge vor Ort und die Milliarden Zuschauer an den TV-Geräten hielten ergriffen den Atem an! Hier eröffnete sich eine neue Dimension! Die Pressorstrahlen wurden abgeschaltet. Mehr als hundert breite Teleskopstützen schoben sich aus der Zelle, und mit spielerischer Eleganz setzte der Raumer auf. Das Knirschen der Auflegerplatten ging im frenetischen Jubel der Zuschauer unter. Alle warteten jetzt voller Ungeduld den Taufakt ab. Prooth, Minister für Raumflug, machte es kurz. Seine letzten Worte waren: „Viel Glück, TERRA!“ Vom provisorisch errichteten Tower kam die Durchsage: „Start frei!“ Unmerklich hob das Schiff ab und ebenso unmerklich steigerte es seine Beschleunigung. Ruhig stieg es in die Höhe, mit einer beinahe aufreizenden Langsamkeit wurden die mächtigen Teleskopstützen eingefahren, und als sich die Auflegerplatten in ihre Vertiefungen hineinschoben, sah die Ringrohrzelle aus, als ob sie an keiner Stelle eine Fuge oder Naht aufweisen würde. Die TERRA drehte sich, stieg dabei immer höher. Langsam wurde der Raumer kleiner. Vom Tower kamen hin und wieder einige technische Kommentare. „In wenigen Sekunden wird das Schiff sein oberes Intervallfeld einschalten, aber sie werden kaum etwas bemerken können.“ Als winziger Ring, der das Sonnenlicht reflektierte, war das stolze Schiff zu sehen, als es seinen oberen Miniweltraum entwickelte. Und dann funkelte und gleißte es noch einmal in der Höhe, und im näch-
sten Moment war die TERRA mit bloßem Auge nicht mehr zu sehen! Sie hatte ihren Jungfernflug zum rund 30 Lichtjahre entfernten Wega-System angetreten. Erst wenn die umfangreichen Tests aller Art, die insgesamt über eine Woche andauern sollten, zufriedenstellend abgeschlossen waren, konnte die terranische Raumschiffindustrie daran geben, Raumer dieser Kategorie in Serie zu fertigen! Der Tower übertrug das Gespräch mit dem Kommandanten des Schiffes. Seine Stimme klang begeistert. Dann wurde gemeldet, daß sich das Schiff auf dem Flug zum Rand des Sonnensystems befand, die Live-Übertragung wurde beendet. Milliarden Menschen auf der Erde schalteten ihren Bildschirm ab und sahen ab sofort Terras Zukunft im rosigsten Licht! * Colonel P.S. Clark und Colonel Huxley, die beiden Kommandanten, die sich über To-Funk sprachen und sahen, machten beide keine besonders glücklichen Gesichter. To-Funk mit seiner einmaligen Bündelung war immer noch die beste Methode, unbelauscht sprechen zu können, wenn der Standort der Gegenstation bekannt war und man ihn genau justieren konnte. „Hübsch!“ „Mist!“ erwiderte Huxley drastisch. „Und dieser Mist stinkt…“ Fünfzig S-Kreuzer standen im freien Fall. Es bestand nach wie vor höchste Alarmbereitschaft. Die Waffensteuerungen hatten Befehl, sofort das Feuer zu eröffnen, wenn ein Angriff erfolgen sollte. „Clark, und bei Ihrem letzten Einsatz, als Sie den verstümmelten SOS-Ruf auffingen, war wirklich alles ganz anders?“ Clark grinste sarkastisch. „So anders wie bei Ihnen, als Sie den Nogk unter die Arme griffen, und doch möchte ich glauben, daß wir es mit ein und demselben Gegner zu tun haben.“ Damit war für Clark auf der QUEEN KELLY alles Wesentliche gesagt. Sein Blick glitt über die Bildschirme. Sie zeigten den dunklen Weltraum, die nahen und fernen Sonnen, das schimmernde Band der Milchstraße. Bis auf 6,4 Lichtjahre im Umkreis gab es weit und breit keinen einzigen Stern. Weit hinter ihnen lag Centauri. Vor Stunden schon hatten sie den Sektor verlassen, aus dem sich die A066 zum letzten Mal gemeldet hatte. Breitflächig waren sie mit Überlicht geflogen und hatten dabei alle Ortungen spielen lassen, aber von dem vermißten Schiff waren nicht einmal Energiefahnen zu entdecken gewesen. „Clark, Sie sind auf einen gefälschten Notruf hereingefallen.“ „Sie wären an meiner Stelle auch der Dumme gewesen!“ konterte Clark energisch. Huxley war unwillig. Er ärgerte sich, daß er nicht seine FO 1 befehligte, sondern ein für ihn fremdes Schiff flog. „Was wollen wir tun? Die Aktion abbrechen oder weiter suchen?“ Clark versuchte den Colonel abzulenken.
„Vor allen Dingen noch einmal versuchen, mit Cent Field Verbindung zu bekommen. Wir schalten alle To-Funkaggregate auf mein Schiff, und ich rufe mit dieser verstärkten Sendeleistung Terra an. Einverstanden?“ „Okay, ein vernünftiger Vorschlag“, überließ P.S. Clark Colonel Huxley die Initiative. Wenig später stand die Ringschaltung auf die C-550, das Schiff, das unter Huxleys Kommando flog. Aber Terra gab keine Antwort. Dabei lag die Erde, bemessen an der Leistung eines To-Funkgerätes, vor der Haustür. Störungen des elektromagnetischen Feldes in der Milchstraße konnten für diesen fehlgeschlagenen Versuch nicht verantwortlich gemacht werden, denn seit einigen Tagen waren sie merklich schwächer geworden und behinderten den Hyperfunk kaum noch. „Wir müssen irgendwie Kontakt mit Terra aufnehmen. Ich schicke eins meiner Schiffe nach Terra zurück!“ erklärte Huxley. „Diese Methode ist zwar Schwachsinn, aber anders geht es wohl nicht. Wenn Sie eine bessere Lösung wissen?“ „Schicken Sie drei Schiffe zur Erde, nicht eins, Huxley. Eins ist zu wenig!“ schlug ihm Clark vor. „Wir wissen doch beide, daß ein SKreuzer allein gegen die Schattenstationen keine Chance hat. Mein Verband hat bei der letzten Begegnung genügend Lehrgeld gezahlt. Selbst drei sind noch verschwindend wenig!“ Huxley kannte Clarks Bericht und wußte über dessen Verluste. Und er war nicht so stur, daß er nicht auf einen vernünftigen Rat gehört hätte. „Okay, die 560, 561 und 562 nehmen Kurs Terra. Bitte bleiben Sie in der Verbindung.“ „Bildschirm drei!“ war in beiden Leitständen der Ausruf zu hören, der die weiteren Anweisungen unterbrach. Der angesprochene Bildschirm über dem Instrumentenpult zeigte einen Irrläufer – einen Planeten, der ohne Sonne verloren durch die Leere des Alls stürmte! Aber wieso konnte er unbemerkt auftauchen? Es liefen doch alle Ortungen der fünfzig S-Kreuzer, und sie tasteten doch schon seit Stunden auf viele Lichtjahre tief den Weltraum ab, hatten Sonnen mit ihren Planeten erfaßt, sie überprüft und mit dem Katalog verglichen und sie danach aus der Kontrolle wieder entlassen. Dieser Irrläufer hatte von den Ortungen gar nicht übersehen werden können, denn erstens war er mit mehr als 23.000 Kilometern Durchmesser ein ganz hübscher Brocken, und zweitens bewegte er sich mit 1.356 Kilometern in der Sekunde bestürzend schnell. Allein die Distanz- und Massenortungen hätten ihn wegen der beiden letzten Punkte erfassen müssen! „Und 98,4 Gravos hat er auch noch zu bieten!“ Damit hatte Huxley das Gespräch wieder aufgenommen. „Etwas viel für einen Planeten, auch wenn er ein Irrläufer ist.“ „Wie weit entfernt?“ schnaubte Clark in Richtung der Ortungen.
„0,9 Lichttage!“ lautete die Antwort. „Kurs?“ „Von Rot 45:32,09 auf Rot 45:60,00. Läuft ungefähr auf unsere Position.“ „Colonel, er wird schneller“, stotterte der Ortungsoffizier der QUEEN KELLY verblüfft. Ein Planet, der seine Geschwindigkeit steigern konnte, ohne in der Nähe einer Sonne zu sein? Clark brachte ein Stöhnen über die Lippen und dann die Bemerkung: „Es gibt Dinge, die es gar nicht geben darf.“ Aber es gab diesen einsamen Planeten, und er besaß einen Durchmesser von 23.495 Kilometern, seine Schwerkraft betrug 98,4 Gravos, und seine Geschwindigkeit hatte sich binnen einer Minute auf 1.523 Kilometer pro Sekunde erhöht. Er war auf Bildschirm drei deutlich zu sehen. Tele holte ihn über Hyperspace heran und machte seine Oberfläche erkennbar. „Der Irrläufer besitzt Ruinenstädte, aber keine Atmosphäre mehr“, teilte Huxley die neuesten Informationen mit. Die Leute seiner Ortungsanlage arbeiteten schneller. Und dann fluchte der Colonel, denn es durfte bei 98,4 Gravos weder Ruinen geben, noch konnte ein Planet bei diesen Schwerkraftverhältnissen seine Atmosphäre verlieren. Clark gab das Kommando an seinen Kopiloten ab, erhob sich und ging hinüber zu den Ortungen. Mißtrauisch schaute er dem Offizier über die Schulter. Zu frisch waren seine Erinnerungen an den Zusammenstoß mit den Schattenstationen vor nicht allzu langer Zeit. Er machte sich immer noch Vorwürfe wegen der hohen Verluste. „Das habe ich mir gedacht“, murmelte er, als er feststellte, daß alle Taster auf diesen Irrläufer eingestellt waren. „Cooper, schalten Sie sofort wieder auf Rundumortung. Haben Sie denn immer noch nichts gelernt?“ raunzte er den Offizier an. Dieser allein durch die Galaxis rasende Planet, der seine Geschwindigkeit verändern konnte, war unheimlich, aber auch der Raum um die Kreuzer herum mußte unter Kontrolle gehalten werden. Als er wieder Platz nahm, hatte sich auf Schirm drei nichts verändert. Der Planet im Dunkel des Universums zeigte seine zerklüftete Oberfläche, aber auch unverkennbar und deutlich riesige Ruinenstädte. Lachhaft, dachte Clark, und das bei diesen Gravowerten! Die astronomische Abteilung meldete sich. „Colonel, wir haben den Sternkatalog mit Hilfe des Suprasensors durchgemustert. Es hat sich weit und breit in diesem Sektor nie ein Irrläufer befunden!“ „Genau das hatte ich erwartet. Danke, Ende!“ Clark schaltete zu seiner Funk-Z durch. „Noch einmal Durchführung aller Tests. Sie müssen herausfinden, warum wir mit Terra keine Verbindung bekommen, aber ich möchte auf das Resultat Ihrer Nachprüfungen keine Stunden warten! Ende.“
„Waffensteuerung. Halten Sie den Finger am Drücker. Mehr habe ich Ihnen nicht zu sagen.“ Ein kurzer Blick zu Huxley über die To-Verbindung schaffte Übereinstimmung zwischen den beiden Colonels. Clark war nicht nervös, nur wollte er sich nicht überrumpeln lassen. An die reale Existenz des Planeten glaubte er nicht mehr. Es war unmöglich, daß ein Planet einfach aus dem Nichts auftauchen konnte, und weil dieses Auftauchen jeder Logik widersprach, konnte dieser Irrläufer nicht real sein. Man hatte ihnen einen Blickfang vor die Nase gesetzt, um ihre Schiffe dann aus anderer Richtung zu überfallen. Huxley war anderer Ansicht. „Vergessen Sie nicht in Erwägung zu ziehen, daß dieser Irrläufer bis vor wenig mehr als einer halben Stunde unter einem Deflektorschirm gelegen haben kann.“ „Nein, habe ich nicht vergessen, auch nicht diese 98,4 Gravos. Moment, Huxley, meine Funk-Z will mich sprechen.“ Das Gesicht eines jungen Offiziers tauchte auf dem Schirm der Verständigung auf. „Colonel, unsere Anlage ist in Ordnung, Funk wie Empfang. Dennoch muß ein Fehler vorliegen, weil wir keinen einzigen Sender hereinbekommen. Wir haben versucht, Esmaladan anzurufen – keine Reaktion. Die zum Halo hin liegenden großen Stationen anderer Rassen, die wir sonst immer hörten, schweigen, oder wir können sie nicht mehr empfangen. Wir können den Fehler nicht finden, Colonel!“ „Okay, danke!“ Huxley sprach wieder, aber über das erste Wort kam er nicht hinaus. „Stop!“ wurde er von Clark unterbrochen. „Wieso können wir beide uns über To-Funk unterhalten, aber nicht mit Terra? Geben Sie mir eine Antwort darauf, Huxley?“ „Weil wir nur ein paar tausend Kilometer getrennt sind und…“ Da schlug der Gegner zu! Von drei Seiten! Und zugleich von sieben oder acht verschiedenen Positionen! Auf Schirm drei war der Irrläufer nicht mehr zu sehen! Es gab nur noch turmdicke Strahlbahnen, die gegen die Intervalle der S-Kreuzer prallten und sie bis zum Zusammenbruch hinauf belasteten! Die terranischen Raumschiffe waren geködert worden! * Sondersitzung der Regierung in Alamo Gordo! Die Meldung vom erfolgreichen Test des planetarischen Schutzschirmes wurde nicht besprochen, auch der Jungfernflug der TERRA war keine Erwähnung wert. Zur Debatte stand einzig und allein die Frage, ob Terra in Alarmzustand versetzt werden solle oder nicht.
Henner Trawisheim führte im großen Konferenzsaal im Regierungsgebäude den Vorsitz. Marschall Bulton hatte referiert, der Chef der Ast-Stationen sprach noch, als vor Dharks Stellvertreter der Schirm des Standviphos aufflammte und die Meldung darauf erschien: 14:04 Normzeit, verstümmelter To-Funkspruch von der QUEEN KELLY: …griff durch unbek… haben schwer… uste… durch neue Wa… nicht wie lange halten… tz… ark. Unsere Funkortung stellte folgende Position fest. Sie lautet… Trawisheim erhob sich langsam. Der Chef der Ast-Stationen fühlte sich in seinem Vortrag gestört und verstummte. „Man hat uns die Entscheidung abgenommen, meine Herren“, sagte Dharks Stellvertreter ruhig. „Die Schiffe unter den Colonels Huxley und Clark liegen im Kampf mit einem unbekannten Gegner. Soeben hat unsere Station in Cent Field einen verstümmelten ToFunkspruch aufgefangen, der aller Wahrscheinlichkeit noch von der QUEEN KELLY, P.S. Clarks Schiff, ausgestrahlt wurde. Der Kampf spielt sich in einer Entfernung von 4.530 Lichtjahren in Richtung Rot ab. Bulton, mir ist unbegreiflich, wie unser Flottenverband in diesen Abschnitt kommt. Hatten die Schiffe nicht den Auftrag, vor Centauri nach einem havarierten S-Kreuzer zu suchen?“ Bulton glaubte nicht richtig verstanden zu haben. „In welcher Entfernung findet eine Raumschlacht mit unseren Schiffen statt?“ „Sie haben mich verstanden, Bulton. Wie kommen die Schiffskommandanten dazu, einfach ihren Einsatzbefehl zu ändern?“ Eisige Stille im Konferenzsaal. „Trawisheim, nach meinen Erfahrungen ist dieser verstümmelte Funkspruch keinen Schuß Pulver wert! Der Verband sollte vor Centauri nach der A-066 suchen. Nun meldet er sich aus einer Entfernung von 4.530 Lichtjahren und liegt in einem schweren Kampf. Ich glaube nicht an diese Distanz! Und zwar deshalb nicht, weil auch die A-096 einen solchen Notruf absetzte. Als Clark von Planet 1 in der Sternenbrücke aus startend das durch Funkortung bestimmte Gebiet erreichte, war weder von der A-096 noch von den anderen vermißten Schiffen eine Spur zu finden. Und wenn wir zusammensitzen und überlegen, ob Terra in den Alarmzustand versetzt werden soll oder nicht, dann sollten wir unsere Entscheidung nicht auf der Annahme aufbauen, im Augenblick würden fünfzig unserer S-Kreuzer in mehr als 4.000 Lichtjahren auf Leben und Tod kämpfen, sondern unsere Entscheidung danach fällen, daß unsere Schiffe seit vielen Stunden durch Funk nicht mehr zu erreichen sind.“ Ted Bulton, der Mann, der ansonsten leicht zu cholerischen Anfällen neigte, hatte dem Stellvertreter des Commanders gelassen geantwortet, auch wenn er ihn lieber wegen der Kritik an zwei seiner besten Raumschiffkommandanten vor versammelter Mannschaft niedergebrüllt hätte. Gladys wäre stolz auf mich, klopfte sich ein zufriedener Marschall geistig selber auf die Schulter.
Trawisheim zeigte sich von Bultons ruhiger Reaktion nicht überrascht. Forschend fragte er bei dem Marschall nach: „Sie würden also keine weiteren Schiffe für die Suche in Marsch setzen, wenn sich der Verband in vierundzwanzig Stunden nicht gemeldet haben sollte?“ „Nein!“ Bultons Stimme strahlte immer noch Ruhe aus. „Und zwar aus dem Grund, weil ich nicht wüßte, wohin ich Entsatz schicken sollte. Wenn fünfzig S-Kreuzer nicht genügend Kampfkraft haben, was soll dann eine Verstärkung? Außerdem vertraue ich auf die beiden Kommandanten des S-Kreuzerverbandes, die, wie Sie ja wissen, Clark und Huxley heißen. Erst wenn ich von einem dieser Männer einen autorisierten Hilferuf erhalte, werde ich Verstärkung losschießen!“ „Ihr Vertrauen geht zu weit, Bulton.“ Der lachte auf. „Es geht nicht zu weit. Trawisheim, ich habe die Verantwortung für mehr als diese fünfzig S-Kreuzer. Und Sie können mir glauben, diese Entscheidung fällt mir nicht leicht!“ Bulton hatte sich entgegen seiner Absicht wieder in Rage geredet. Seine Gesichtsfarbe hatte ein tiefes Rot angenommen. „Hoffentlich behalten Sie recht, und hoffentlich hat die TF in den nächsten Tagen nicht neben dem Verlust von fünfzig S-Kreuzern auch den Tod dieser beiden Kommandanten zu beklagen“, beharrte Trawisheim weiter auf seiner Sicht der Situation. Marschall Bulton erhob sich. Er packte seine Folien zusammen und legte sie in die Mappe. „Ich bin hier fehl am Platz, im Stab der Flotte habe ich wichtige Entscheidungen zu treffen. Die Flotte hat ja sowieso immer das zu tun, was die Regierung befiehlt. Für Ihre Entscheidung brauchen Sie mich nicht. Vielleicht denken Sie auch einmal daran, daß ich tagtäglich mit solchen Situationen zu tun habe, und mich deshalb nicht nur auf ein maschinelles Programmgehirn verlasse.“ Sein Blick streifte Trawisheim, der vollkommen ruhig den Ausführungen des Chefs der TF folgte. „Ich empfehle mich. Ihre Entscheidung erwarte ich.“ Mit diesen Worten verließ Ted Bulton den Kabinettsaal. Eine halbe Stunde später erreichte ihn die Entscheidung des Kabinetts. Terra wurde nicht in Alarmzustand versetzt, die Bereitschaft der Flotte auch nicht erhöht, sondern nur die Ast-Stationen und ihre Besatzungen lebten plötzlich unter der Alarmstufe 1 und fragten sich wieder einmal, warum es erneut keinen Urlaub gab. Die informierten Ast-Kommandanten dachten anders über den Alarmzustand, denn sie waren darüber unterrichtet worden, gegen welchen Gegner Huxley und Clark zwischen den Sternen kämpften. Und mancher fragte sich: Droht Terra ein Angriff aus dem Raum? Sie sahen die Zukunft der Erde nicht im rosigsten Licht! *
Der Kugeltransmitter spie Bram Sass und Jimmy aus. Blendende Helle empfing sie. Licht, das den Cyborg im Phantzustand nicht blenden konnte und auch die Robotkonstruktion nicht behinderte. Der Gegentransmitter befand sich hinter einem Wasservorhang! Er stand auf nassem, glitschigem Fels, und weit vor der Kante des Felsens kam ein donnernder Wasserfall aus der Höhe herunter, um sich brüllend in die Tiefe zu stürzen. Dreißig, vierzig Meter breit war das Felsband unten diesem grünblau leuchtenden, brüllenden und orgelnden Vorhang. Hundert Meter und mehr lang nach beiden Seiten. Die Luft war von feinem Wasserstaub geschwängert, und die Nässe und die Kühle waren überall. Überall waren aber auch die Schwarzen Weißen, und überall schwebten dicht über der nassen, braunroten Felsterrasse vollbeladene A-Gravplatten. Scheinwerfer, in breiten Ketten dicht übereinander in der Wand installiert, an der in breiten Rinnsalen kleine Bäche herunterstürzten, überschütteten diese wunderbare Kulisse mit weißem, blendendem Licht. Weder Jimmy noch Sass wurden davon beeindruckt. Sie suchten Mark Carrell, der nach den Worten des Robothundes in die Hände der Schwarzen Weißen gefallen war. Bram Sass schoß beidhändig aus seinen Para-Schockern, die er auf Fächer geschaltet hatte. Jimmy, dicht vor der Transmitterkugel, war weniger zurückhaltend und benutzte Blaster. Das Ziel seines Abstrahlpols auf der Zungenspitze war die große Schweberplatte, die mit fremdartigen Aggregaten beladen war. Ein Para-strahl, der ihn mit voller Ladung traf, konnte seinem sensorischen Innenleben nichts anhaben, aber er hatte sich den Schwarzen Weißen gemerkt, der ihn unter Feuer genommen hatte. Von links war der Strahl gekommen! Dort lag jetzt sein Ziel, die Zungenspitze visierte kurz, und dann gab es keinen Schwarzen Weißen mehr, der das Brikett auf Pfoten mit einem Schockerstrahl außer Gefecht setzen wollte. Bram Sass hechtete an Jimmy vorbei in Deckung. Die schwarzen Weißen hatten sich von ihrer Überraschung erholt und gingen mit den radikalsten Mitteln zum Gegenangriff vor. Jimmy ist gut, dachte der Cyborg im Bereich seines Zweiten Systems. Der Robothund hatte gerade wieder mehrere Schwarze Weiße per Schockerstrahl ausgeschaltet, während keine zwanzig Meter weiter ein vollbeladener A-Gravschweber unter grellen Leuchterscheinungen in die Luft flog. Der Scotch heulte nicht auf, als ihm die rechte Vorderpfote weggeschmolzen wurde, sein Sensorleben kannte keine Schmerzen. Der Cyborg, der äußerlich wie ein normaler Mensch aussah, und die robotische Schöpfung eines Ingenieurs schossen, was das Zeug hergab. Verteidigung mit allen Mitteln. Die Luft um sie herum kochte. Ohne sein Zweites System hätte Sass schon längst nicht mehr
atmen können und wäre zusammengebrochen. So aber hatte er sogar noch Zeit, sich zu überlegen, wo der verschwundene Cyborg war: Wo ist Carrell geblieben? Jimmys Ortungen liefen mit maximaler Leistung! Energieortung rechts! Zielerfassung! Umschalten auf Blaster. Ein kleines, schwarzverkapseltes Aggregat ging hoch. Die Explosionswirkung war verheerend. Schwarze Weiße wurden vom Luftdruck fortgeschleudert, und der Robothund sah drei von ihnen über die Kante stürzen. A-Gravplatten kippten um, ihre Ladung flog über den nassen, schmutzigbraunen Felsen. Drei Strahlbahnen schlugen vor und neben ihm ein und verwandelten dort, wo sie einschlugen, den Boden in rotglühende Pfützen aus geschmolzenem Gestein. Die Fremden gingen zum Gegenangriff über und hatten erkannt, welche Gefahr ihnen von diesem wieselflinken Etwas drohte. In der linken Hand eine Blasterwaffe, in der rechten den Schocker, schoß Bram Sass nach beiden Seiten, entlastete Jimmy. Eine Schweberplatte brach zischend und unter Abgabe von ungesteuerten Energiefontänen auseinander. Ihre Ladung wurde vom Explosionsdruck in den grünblauen, donnernden Wasservorhang geschleudert. Sechs oder sieben Schwarze Weiße mußten vor diesem künstlich ausgelösten Vulkan zurückweichen. Der Cyborg zuckte nicht einmal zusammen, als vom Kugeltransmitter her Blasterstrahlen dicht über ihn hinwegzischten und links hinter ihm einschlugen. Vier trockene, harte Detonationen übertönten den mehrere hundert Meter breiten Wasserfall, der von der Kante der Terrasse sechzig oder siebzig Meter entfernt war. Vier Roboter, die bis auf ihre glühenden Augen wie ihre Konstrukteure aussahen, existierten nicht mehr. „Aufpassen, Sass, die setzen jetzt ihre Robots ein!“ Blechern klang die Stimme durch den Kampflärm, und Jimmy legte den Kopf unschuldig zur Seite. Im nächsten Augenblick hatte er wieder umgeschaltet. Parabeschuß! Drei Schwarze Weiße liefen gerade von einer Deckung zur anderen und wollten Bram Sass unter Feuer nehmen. Aber sie hatten nicht mit der Robotkonstruktion gerechnet. Es blieb bei ihrem Vorhaben, bewußtlos fielen sie zu Boden! Bram Sass erkannte plötzlich dicht vor der schwarzen Transmitterkugel Holger Alsop. Er war ihnen gefolgt. Jetzt befanden sich nur noch Lati Oshuta und Manu Tschobe auf der Welt der Giants. Aber von Mark Carrell weit und breit keine Spur! Gemeinsam gingen die zwei Cyborgs und Jimmy gegen die Schwarzen Weißen und ihre Robots vor, die nur an den Augen als solche zu erkennen waren. Ein Pressorgeschütz sollte in Stellung gebracht werden! Sass sprang auf, raste los, schockte zwei Humanoide und ließ einen der humanoid aussehenden Maschinenmenschen explodieren.
Binnen Sekunden kam er, trotz des glitschigen Felsbodens, der stellenweise mit dicken grünlichen Flechten bewachsen war, auf Schußweite heran. Ein schwarzes Etwas überholte ihn: Jimmy! Und Jimmy war noch schneller als der Cyborg. Dann war es um das Pressor-Aggregat geschehen, und um die Schwarzen Weißen, die es zum Einsatz bringen wollten, auch. Einen Augenblick lang wurde die in die Tiefe stürzende Wasserwand im Explosionsbereich nach außen gebogen, und es schien, als ob tobende Massen auseinanderreißen wollten. Im nächsten Moment war alles wieder wie vorher, nur das Strahlgeschütz und die Schwarzen Weißen darum fehlten. Jimmy sicherte; kein Schwarzer Weißer oder ein Roboter zu sehen! Alsop kam heran, auch er konnte niemanden im Nahbereich feststellen. Zusammen rückten sie über die Terrasse nach rechts vor. Dort schien der Wasserfall dünner zu sein als an allen anderen Stellen. Die Hitze, die vom stellenweise noch flüssigen Fels ausging, machte ihnen nichts aus. Dann stießen sie durch wassergesättigte, milchig trübe Schleier. Dicht neben ihnen donnerten die Wassermassen in die Tiefe, so daß sie vom Luftsog gepackt wurden und sich gegen ihn zu stemmen hatten, um nicht über die Kante in den Abgrund gerissen zu werden. Das Licht einer rötlichen Sonne traf sie mit ganzer Kraft. Ein leicht violettgefärbter Himmel, an dem vereinzelt dunkle Wolken von bizarrem Aussehen dahintrieben, stand über ihnen. Wasserdunst ließ sie triefendnaß werden. Mehr als dreihundert Meter hoch über ihnen lag der Anfang des Wasserfalls, und tiefer als tausend Meter lag sein Ende. Felsen, so weit sie sehen konnten. Eine Schlucht, die nach oben immer breiter wurde. Glatte Wände. In Jahrtausenden hatte das Wasser sie poliert. Es gab keine Möglichkeit, hinaufzusteigen. „Wo steckt Carrell?“ Es gab eine Antwort darauf. Die Schwarzen Weißen konnten Mark Carrell durch den Transmitter auf einen anderen Planeten geschickt haben, aber warum hatten sie danach dann sofort wieder die Anlage auf die Welt der Giants eingestellt? „Wir müssen uns die andere Seite auch ansehen!“ schlug Sass vor. „Aber weiterhin phanten!“ bestimmte Alsop, der durch sein Programmgehirn gewarnt worden war, mit maximaler Vorsicht vorzugehen. Der Scotchterrier raste los, nach wie vor hing seine Zunge aus dem Maul, und seine Ortungen arbeiteten im Maximalbereich. Er erreichte die andere Seite, und er konnte dort, wo es scheinbar nicht weiterging, abbiegen! Der Wasserfall sprang an dieser Stelle um zweihundert Meter scharf winklig zurück! Jimmy fuhr seine Krallen aus und bremste scharf ab.
Er dachte mit seinem Suprasensor nicht daran, noch einen Schritt zu tun. Holger Alsop und Bram Sass mußten heran. Sie sollten entscheiden, was getan werden mußte. Ihm war dieser goldene Mensch mit dem gesichtslosen Kopf, der seine Arme zum Himmel reckte, als wolle er nach den Sternen greifen, nicht geheuer. Denn mit seiner Distanzortung erfaßte er ihn, aber mit der Massenenergie- und Materieortung kam er nicht durch. Er kam damit von seinem Platz aus nicht einmal vierzig Meter weiter, aber am Ende der Terrasse, genau 168 Meter entfernt, befand sich die riesige Plastik, deren Füße mit dem rotbraunen Felsen verankert waren. Und weit und breit keine Spur von Mark Carrell! Jimmy schaltete seinen Funk ein und rief Alsop und Sass. * Sie befanden sich nicht im Karmin! Darüber gab es keinen Zweifel. Sie steckten in einem anderen Universum, das seinem Farbton nach dem Karmin ähnelte, und sie befanden sich allem Anschein nach allein in ihm, denn die LUXOR wie auch die ARROW waren nicht mehr zu orten. Die Belastung der beiden Intervalle war gleich Null, und die POINT OF sah nach wie vor wie eine schlecht gemalte Acht aus. Im Raumer sollte sich nichts verändert haben, hatten die Experten behauptet, aber wieso man den Ringraumer so verdreht sehen konnte, vermochten sie nicht zu erklären. Wozu auch, wenn sie in absehbarer Zeit in diesem Schiff sowieso gebraten wurden? Jeder dachte nur noch ununterbrochen an das tückische Vario, das das Schiff immer schneller aufheizte. Die Temperatur im Schiff betrug zweiundfünfzig Komma fünf Grad Celsius! Ren Dhark und der Tel tranken schon wieder. Das längst nicht mehr kühle Naß konnte bei dieser Hitze kaum noch erfrischende Wirkung erzeugen. Über die Bordsprechanlage kam die nächste deprimierende Nachricht aus den Labors des Flaggschiffes. „Dhark, wir haben den Verdacht, daß das Vario nun auch in unseren Raumanzügen steckt.“ Der Commander sagte kein Wort darauf, er wollte die Hiobsbotschaft nicht wahrhaben. Aber hatte ihm der Vankko dieses Ereignis nicht prophezeit? „Commander, waren Sie auf diese Meldung vorbereitet?“ fragte der Wissenschaftler aus den Labors. „Ja, nur wollte ich es nicht glauben, als der Vankko mir dies sagte. Ich war überzeugt, daß die Raumanzüge der Mysterious absolut sicher seien.“ „Wir möchten es auch nicht glauben, aber leider – wir müssen es. Wenn es uns doch nur gelingen würde, das Vario in seinem dritten Stadium zu erfassen. Wir stellen überall nur winzige, aber kalorien-
reiche Hitzezentren fest, doch das Vario selbst ist nicht greifbar.“ „Es gibt doch noch Schaum an Bord“, erinnerte Dhark. „Der hilft uns nicht weiter, auch der Nebel nicht. Beide sind in ihrem Aufbau so grundverschieden wie Schwarz und Weiß. Wir können uns nicht einmal vorstellen, wie die Tel diesen Höllenstoff überhaupt erzeugen konnten, ohne dabei ihre eigene Welt zu verseuchen.“ Was sollte er sagen? Aus Gewohnheit flog sein Blick über die Instrumente und über die Steuerschalter. Er prägte sich alle Werte ein und versuchte eine Berechnung durchzuführen, aber immer wieder kam er an einem bestimmten Punkt nicht weiter. Der Checkmaster zeigte, kaum von ihm befragt, nach wenigen Sekunden Rot. Hatte er ihn mit falschen Daten gespeist? Er überprüfte noch einmal alles. Wieder kam Rot. Für kurze Zeit vergaß Dhark die quälende Hitze, erneut überprüfte der Commander die Anzeigen des Steuerpultes. Eine mußte falsche Werte anzeigen, sonst hätte der Checkmaster seine Berechnung durchgeführt. Er startete den von Bordgehirn kontrollierten Haupttest. Und wieder kam Rot, schon im zweiten Satz. Dhark gab weitere Zusatzparameter ein. Endlich ein Ergebnis! Drei Instrumente lieferten eindeutig vollkommen falsche Werte! „Dan, sieh dir das an!“ Riker beugte sich vor, sagte lange Zeit gar nichts und schüttelte dann verständnislos den Kopf. Auf seinem Kinn wurde der rote Punkt als Zeichen der Erregung sichtbar. Fragend sah er seinen Freund an. „Dan, ich kann beschwören, daß ich nur das modulative Hy-KonVerfahren benutzt habe, um ins Karmin zu kommen.“ „Aber wir sind nicht im Karmin. Wir sind in irgendeinem anderen Kontinuum, Ren. Und diese drei Instrumente mit ihren Wertangaben behaupten, daß du auch dazu noch die Zeitverschiebung benutzt hast! Hy-Kon-Verfahren und ZV…! Das andere ließ er ungesagt. Die Temperatur im Schiff hatte vierundfünfzig Grad Celsius erreicht. Die Hitze näherte sich unaufhaltsam dem Bereich, in dem sie für den Menschen zur tödlichen Gefahr wurde. Schweigend standen der Tel und die restliche Zentralebesatzung hinter den beiden Männern. Gemeinsam verfolgten sie die Diskussion. Der Tel wußte zwar nicht, worum es ging, aber er war ein sehr aufmerksamer Beobachter. Er bildete sich seine eigene Meinung. „Ren, du mußt ZV auch angewandt haben.“ „Habe ich nicht!“ unterbrach er barsch seinen Freund. „Ich weiß, welche Schaltung ich vorgenommen habe. So wie hier.“ Simulator auf plus minus! Dhark konnte jetzt sämtliche Steuervorgänge durchführen, aber
die Flächenprojektoren würden darauf nicht ansprechen. Er setzte das Hy-Kon-Verfahren ein. Grün flammte auf. Er prüfte das modulative Verfahren nun durch. Auch jetzt war Grün zu sehen. „Großer Himmel, Dan!“ Er deutete auf die drei Instrumente, die ihm mit ihren Angaben Kopfschmerzen bereitet hatten. Langsam streckte Dan Riker seine Hand aus. Er zeigte auf ein viertes Instrument rechts am langgestreckten Pult. „Und das hier, Ren? Du hast also doch ZV benutzt!“ Dhark atmete tief durch. Fast trotzig erwiderte er Rikers Beweisführung: „Ich sage es dir zum letzten Male: Ich habe die Zeitverschiebung nicht benutzt. Genügt dir das?“ „Nein!“ Dan Riker schaute seinen verzweifelten Freund ruhig an. „Und das hier?“ Wieder deutete er auf das Instrument rechts am langgestreckten Pult. „Das beweist, daß die Zeitverschiebung benutzt wurde. Wenn nicht durch dich, dann durch das modulative HyKon-Verfahren.“ „Aber wie denn, Dan? Wie, zum Teufel?“ Langsam glaubte Dhark an Rikers Argumentation. Der schlug vor: „Simulator auf Null zwo plus, und dann die ganze Kontrolle noch einmal.“ Erron-Wissen sprach aus ihm, und er wurde von Ren Dhark verstanden. Die Offiziere aber blickten sich gegenseitig hilfesuchend an. Sterne und Boliden! Null zwo plus des Simulators, was sollte mit dieser Einstellung, die sich widersprach, erreicht werden? Da leuchtete eine Kontrolle auf, die noch nie in Tätigkeit getreten war. Im Schiff brannte ein Aggregat durch. Miles Congollon hatte schon durchgeschaltet. „Auf Deck 3 in Raum T-675 geht ein bislang unerforschtes Aggregat hoch, Dhark! Ich habe die energetische Sperre eingeschaltet, damit keine harte Strahlung ins Schiff kommt. Haben Sie eine Erklärung für die Panne?“ „Ich befürchte, ja, aber lassen Sie mir ein paar Minuten Zeit. Ich melde mich.“ In der Funk-Z schlug Glenn Morris nun Alarm, weil die Echokontrolle schlagartig verrückt spielte. Ununterbrochen holte sie die gleichen Daten herein, um sie ebenso ununterbrochen zu annullieren! Hinter seinem Steuerpult im Triebwerksraum wurde Miles Congollon lebhaft. Acht M-Konverter waren grundlos angefahren! Neun Speicherbänke gaben ihre Energie an das Triebwerk ab, das in Nullstellung lief und gar keine benötigte! „Ist denn hier auf einmal der Teufel los?“ fauchte der Chefingenieur unter seinem Klarsichthelm und brachte eine Reihe Steuerschalter in andere Positionen. Deck 3 meldete sich.
„Commander, wir haben hier fallende Temperaturen. Plus sechsundvierzig nur noch. Aber die nur im Bereich vor Raum T-675, in dem ein Aggregat durchbrennt.“ „Setzen Sie sich mit den Labors in Verbindung. Ende!“ Nur mit halbem Ohr hatte Ren Dhark die Nachricht aufgenommen. Er wollte die Kontrolle mittels des Simulators bei Null zwo plus vornehmen. Wieder Grün! Nun Einsatz des modulativen Hy-Kon-Verfahrens! Dann sagten weder er noch Dan Riker ein Wort. Er hatte auch die Zeitverschiebung benutzt, als er mit Hilfe des Hy-Kon-Verfahrens ins Karmin wollte. „Und der Checkmaster hat keinen Einspruch eingelegt?“ Unwillkürlich drehten sich beide nach dem Bordgehirn um. Die Hauptkontrolle daran flammte im Grünlicht! „Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr, Dan!“ gab Ren Dhark zu, und zum erstenmal begann er am übernommenen Erron-Wissen zu zweifeln. Nach dem Inhalt einer Mentcap schloß das modulative Hy-Kon-Verfahren als Methode, von einem Raum-Zeit-Gefüge in das andere Kontinuum hinüberzuwechseln, die gleichzeitige Benutzung der Zeitverschiebung aus. Das Gegenteil war aber der Fall gewesen. „Ren“, Dan legte seinem Freund den Arm auf die Schulter. „Ich muß an die beiden S-Kreuzer denken. Beide Schiffe trieben ab! Nun meine Frage in diesem Zusammenhang: Gibt es Zeitverschiebungen nur in zwei Richtungen, in die Vergangenheit und in die Zukunft, oder gibt es auch Verschiebungen nach rechts und links, oder wie man so etwas bezeichnet?“ „Zeitverschiebung nach rechts oder nach links, Dan?“ „Ich glaube nicht, daß Larsen oder Szardak einen Finger gekrümmt haben, um sich mit ihren Schiffen abzusetzen, aber sie treiben davon. Wenn dieser Vorfall nun mit der Zeitverschiebung zu tun hat, Ren, hm?“ „Nach rechts oder nach links? Nicht in die Vergangenheit oder Zukunft? Klingt das nicht unsinnig, Dan?“ „Wie es klingt, spielt keine Rolle, aber daß mit dieser ZV etwas schief gelaufen ist oder sich anders ausgewirkt als wir ahnen konnten, ist doch durch das Vario bewiesen. Bei normaler Wirkung der Zeitverschiebung hätte es gar nicht mehr an Bord sein dürfen, oder, wenn die Versetzung in die Vergangenheit zeitlich zu kurz war, hätten die Temperaturen im Schiff bei unserem Eintritt in dieses Kontinuum niedriger als im heimatlichen Gefüge sein müssen. Weder das eine noch das andere ist geschehen. Was läßt sich daraus schließen?“ So umfassend das Mentcap-Wissen, das sie im Hauptarchiv auf Erron-3 erhalten hatten, auch war, reichte es dennoch nicht aus, um sich eine Zeitverschiebung zur Seite vorzustellen. Wieder meldete sich der verantwortliche Offizier für Deck 3 und störte die Überlegungen.
„Dhark, auf unserem Deck herrscht jetzt überall eine Temperatur von plus zweiundvierzig. Vor dem energetisch abgesicherten Schott zu Raum T-675 messen wir nur noch neununddreißig Komma fünf! Die Labors haben mich angewiesen, Ihnen davon unter allen Umständen Meldung zu machen.“ „Dan, vergessen wir für den Augenblick die Frage, ob die Zeit sich in mehr als nur zwei Richtungen verschieben konnte. Das Vario hat vor allen anderen Dingen Vorrang.“ Dhark drehte sich zur Bordverständigung. „Bitte die Labors.“ Dort konnte man ihm nur bestätigen, was ihm der Deckoffizier berichtet hatte. Aber man richtete auch eine Frage an den Commander. „Können Sie uns sagen, welchen Zweck das Aggregat hat, das in Raum T-675 durchbrennt?“ „Leider auch nicht. Es gehört zu den Geräten, deren Bedeutung wir nicht kennen, und über die das Mentcap-Archiv auf Hope keine Auskunft gab.“ „Schade, wir hatten schon gehofft, Sie könnten uns weiterhelfen. Wir können uns nicht erklären, warum die Temperaturen auf Deck 3 plötzlich absinken und zugleich auf den übrigen Decks längst nicht mehr in dem Tempo steigen, wie zu erwarten war.“ „Beobachten Sie weiter. Danke.“ Er verließ seinen Pilotensessel und trat an den Checkmaster. Das Bordgehirn war seine einzige Hoffnung. „Commander!“ Die Wissenschaftslabors waren in der Leitung. „Der sich langsam in Nebel auflösende Schaum hat sich in seinem strukturellen Aufbau so stark verändert, daß er kaum wiederzuerkennen ist!“ „Was heißt das?“ mußte Dhark fragen, der mit dieser Aussage nichts anzufangen wußte. „Gerade erhalte ich die Nachricht, daß sich auch der Nebel verändert hat. Und was den Schaum angeht, er wird an den Rändern flüssig und bleibt auch an eingetauchten Gegenständen nicht mehr haften. Wir im Labor haben die gleichen Feststellungen gemacht wie die Wachen vor Ort.“ Was ist geschehen, das diese Veränderung ausgelöst hat? Die ZV kann es nicht gewesen sein. Wir haben keine Verschiebung in die Vergangenheit gemacht, oder sie ist über wenige Sekunden nicht hinausgegangen. Dhark überlegte fieberhaft. Er stand immer noch am Bordgehirn, aber er kam auch jetzt nicht dazu, es zu befragen, weil Walt Brugg die verrücktspielende Echokontrolle nicht länger ertragen konnte. „Commander, unsere Echokontrolle ,dreht durch’, entschuldigen Sie bitte diesen Ausdruck. Ununterbrochen wirft sie dieselben Werte aus und annulliert im gleichen Moment ihre Meßdaten. Das geht schon eine halbe Ewigkeit so.“ „Brugg, was…“ Die POINT OF zitterte – bebte! Und dann lief ein dröhnendes Donnern durch alle Decks, als ob eine gewaltige Explosion stattgefunden
habe. Im gleichen Moment war die Kontrolle, die bisher noch nie in Tätigkeit getreten war, am Instrumentenpult wieder erloschen. „Dhark“, klang Miles Congollons Stimme in der Verständigung und im Helmfunk auf, „das Aggregat in Deck 3, Raum T-675 ist auseinandergeflogen!“ Dhark sah bestürzt aus. „Ich würde ja zu gerne wissen, was uns nun an Bord fehlt. Kein schönes Gefühl, auf diese Weise daran erinnert zu werden, daß wir erst ein Zehntel unseres Schiffes kennen und dennoch damit durch das Sternenmeer kreuzen.“ Congollon war schon wieder zum Alltag übergegangen. Der Chefingenieur schaltete ab. Dhark hatte seine Betroffenheit überwunden. Erleichtert darüber, daß nichts weiter passiert war, gab er die Leitung der POINT OF an seinen Freund ab. Es mußte doch möglich sein, einmal ungestört eine Frage an den Checkmaster zu richten. Unauffällig war Dro Cimc neben ihn getreten und schaute zu, wie Dhark den Anfragetext eingab. Der Commander wollte die Frage nicht gedanklich stellen. Auf die konventionelle Weise hatte er mehr Zeit für die Formulierung. Interessiert schaute der Tel zu. Fast alles, was er gesehen hatte, war ihm unverständlich, aber daß der Terraner dicht davorgestanden hatte, die Beherrschung zu verlieren, war von ihm erkannt worden. Und er – er hätte sie unter diesen Umständen auch verloren. Diese Terraner hatten das Ree an Bord, das Ree, das diesen Raumer bis zur Weißglut aufheizen und von der Besatzung nicht einmal Aschenreste übriglassen würde. Das Bordgehirn stieß die Folie aus. Hastig griff Dhark danach. Eine Zeitverschiebung ist in alle Richtungen mit Ausnahme in die Zukunft möglich. Schweigend reichte er die Folie seinem Freund. Der triumphierte nicht, weil er mit seiner Vermutung recht behalten hatte. Im Gegenteil, er zeigte sich so bestürzt wie Dhark. „Wie hat man sich das vorzustellen?“ Eine Frage, die ohne Antwort bleiben würde. Aber Rikers Gedanken blieben nicht an dieser Frage hängen. Sie machten einen weiten Sprung zur LUXOR, zu seiner Frau Anja, und die nächste Frage stand vor ihm: Werde ich Anja jemals wiedersehen, wenn die LUXOR eine Zeitverschiebung in eine andere Richtung als die POINT OF vorgenommen hat? Während Dan Riker in Gedanken der Erinnerung an Anja nachhing, dachte Dhark jetzt in erster Linie an die Besatzung der beiden SKreuzer, für deren Verschwinden es nun eine Antwort gab. „Commander, wollen Sie sich das Spiel unserer Echokontrolle nicht einmal ansehen?“ lud ihn Walt Brugg ein. Er kam. Und er ging wenig später wieder in den Leitstand zurück. Dhark betrachtete die Bildkugel und dieses vollkommen leere, rot-
leuchtende Universum, das mit seinem Farbton ans Karmin erinnerte. Bloß, sie waren nicht im Karmin! Eine Bordstunde später betrug die Temperatur noch achtunddreißig Grad. Auch der Tel hatte festgestellt, daß es auf diesem Ringraumer längst nicht mehr so heiß war, aber er war ahnungslos, als der Terraner ihn ansah und dabei nur ein Wort sagte: „Ree!“ Dann machte er mit beiden Händen eine Bewegung, als wolle er durch Drehen und Brechen etwas Festes zerstören und begleitete diese Geste abermals mit dem Wort ,Ree’! „Tschko!“ stieß Dro Cimc in seiner Sprache aus. „Tschko!“ Aber der Terraner sagte noch einmal „Ree“ und wiederholte seine deutliche Geste. Da mußte er es glauben! Und die fallenden Temperaturen waren der Beweis für diese Behauptung. „Ree!“ sagte der Wer, und mit beiden Händen machte er die gleiche Geste, die ihm Dhark zweimal gezeigt hatte. „Ree!“ Und zum erstenmal sahen Menschen einen Tel freudig lachen. * Der Gegner hatte seine Taktik geändert. Weder Huxley noch Clark konnten aus ihren Erfahrungen Kapital schlagen! Die C-571 flammte auf und verging als Sonne. Ebenso die C-606. Der S-Kreuzer 504 verschwand mit drei schweren Treffern in den unteren Decks in einer Nottransition. Drei weitere Schiffe meldeten die ersten Einschläge und Verluste an Menschenleben. In den nächsten fünf Minuten des Kampfes hatte der terranische Flottenverband den Verlust von noch weiteren sechs S-Kreuzern hinzunehmen! Der Feind war überall, und seine turmdicken Energiebahnen rissen das dunkle Weltall auf und schufen ein Gitterwerk aus grellen Straßen, die sich über- und unterschnitten. Die unbeschädigten S-Kreuzer kämpften gegen einen unerbittlichen Gegner, der weder zu sehen noch zu erfassen war, und versuchten, die getroffenen S-Kreuzer so gut es ging aus der Schußlinie zu halten. P.S. Clark hatte bereits mehrere Angriffe geflogen, aber den Erfolg, den er sich davon versprochen hatte, nicht erzielt. Er war in keiner gigantischen Station angekommen! Statt dessen war er in ein Strahlfeuer geraten, das zweimal kurz hintereinander den unteren Miniweltraum zum Zusammensturz gebracht hatte. Daß seine QUEEN KELLY noch voll einsatzfähig war, grenzte schon fast an ein Wunder. „Huxley, die Stationen sind nicht da, wo ich sie vermutete.“ Acht titanische Anlagen griffen terranische Kreuzer an. Von drei Seiten. Ein paar hundert Strahlbahnen rissen den nachtschwarzen Weltraum auf. „Ich muß sie kriegen! Ich muß sie kriegen!“ murmelte P.S. Clark in kalter Wut, während die Belastung des oberen Intervalls durch ei-
nen Streifschuß bis auf 98 Prozent hochschnellte. „Huxley, übernehmen Sie meine Gruppe. Ich muß etwas ausprobieren.“ Der To-Funk auf relativ kurze Entfernung klappte noch einwandfrei, und Colonel Clark wartete gar nicht ab, ob sein Kollege ihm noch etwas zu sagen hatte. Er ging mit der QUEEN KELLY auf Überlicht. Damit konnte er den überlichtschnellen Energiebahnen des Feindes nicht ausweichen, aber er machte ihm das Zielen schwerer. Im S-Kreuzer waren alle M-Konverter auf höchste Energieabgabe geschaltet. Alle Antennen auf Nadel! Und die QUEEN KELLY raste auf die Stelle zu, wo aus dem Nichts heraus die Turmstrahlen ihren Anfang hatten! Und sie raste wieder ins Leere. Clark zermarterte sich den Kopf, welchen Trick der Feind benutzte, um seine unsichtbaren Stationen zu schützen! Wo die Strahlen begannen, waren nur Strahlen, aber keine Station, die von innen heraus zu vernichten war! Aber wenn die Strahlbahnen zum Teil auch Fiktion waren, dann mußte sich die Station irgendwo im Bereich der grellen Energiefinger befinden. Colonel Clark brachte sein Schiff auf Gegenkurs! Er flog den Anfang einer Energiebahn an, hinter der sich keine unsichtbare Station befand. Er flog in den turmdicken Strahl hinein, der sein Schiff vernichten mußte, wenn er keine Fiktion war. Alle Antennen seiner QUEEN KELLY feuerten! Nach allen Richtungen. Auch dort, wo kein Gegner stand. Nur so konnte sein Plan Erfolg haben, wenn er überhaupt eine einzige Chance hatte. Die beiden Intervalle wischten den Anfang des Strahls weg, aber die Belastung der beiden Mini-Welträume blieb unverändert niedrig. Die Strahlbahn war also doch Fiktion! „Ich kriege euch, ihr Monster!“ keuchte Clark. Von seiner Lippe tropfte Blut, in der Erregung hatte er sie sich aufgebissen. „Das bin ich meinen Männern schuldig!“ Kurz dachte er an die Männer und Frauen der S-Kreuzer, die bei seiner letzten Begegnung mit den Schattenstationen ihr Grab im All gefunden hatten. Das obere Intervallfeld der QUEEN KELLY brach zusammen, Energiekaskaden hüllten das untere ein, daß man glauben mußte, der Ringraumer würde in Energie gebadet. Kurswechsel, und so abrupt, daß die Andruckausgleicher im Schiff wie die Saurier der Urzeit brüllten. Und feuern nach allen Seiten! Den Sternensog für Sekunden auf Maximum, dann die Kurve und wieder zurück zum fiktiven Anfang des Strahls. Drei glühende, gebündelte Orkane verfehlten die QUEEN KELLY um ein paar Kilometer. Colonel P.S. Clark und sein Kopilot bekamen keine Gelegenheit, aufzublicken. Das obere Intervall stand wieder, der Schutz des Ringraumers war erneut hundertprozentig. Eine Katastrophenmeldung lief ein. Schleuse 3 hatte die Hauptlast eines Volltreffers aushalten müssen
und ließ sich nicht mehr öffnen. Sechs Soldaten waren getötet worden. „Ihr seid nicht umsonst gestorben“, versprach Clark halblaut, „das verspreche ich euch!“ Er raste zum zweitenmal auf den Anfang desselben Strahles zu. Streifschuß! Flammen! Energiebahnen in allen Primärfarben. Hohe Belastungswerte, die aber wieder abfielen, als Clark ein Ausweichmanöver machte. Da war sein Manöver erkannt worden. Gierige Vernichtungsfinger, die das All aufrissen, stießen auf die QUEEN KELLY zu. Fünf Volltreffer belasteten die Intervalle 400 Prozent über normal! Die Schiffszelle dröhnte wie eine gesprungene Glocke! Sternensog auf Maximum! Kurswechsel! P.S. Clark biß die Zähne zusammen. Jetzt oder nie! Die nächsten Sekunden entschieden das Schicksal seines Schiffes. Clark steuerte einen wahnwitzigen Ausweichkurs! Die Flächenprojektoren führten dem Brennpunkt ein Maximum an Energie zu. Die dreiundzwanzig halbkugelförmigen M-Konverter mußten Intervallfeldprojektoren und Antrieb mit ungeheuren Energiemengen beliefern. Die QUEEN KELLY konnte momentan nicht mehr feuern! Im Maschinensaal brüllten die Aggregate wie urzeitliche Ungeheuer. Erneut wurde die QUEEN KELLY von zwei Treffern erwischt. Und wieder Kurswechsel auf Grün! „Colonel, die Andruckausgleicher machen bald nicht mehr mit!“ schrie ihm sein Kopilot zu. Eine Sonne entstand und verging schnell wieder. Die Terranische Flotte hatte das nächste Schiff verloren. Die Andruckausgleicher mußten auseinanderfliegen, wenn der Colonel sie noch lange so belastete. Sie heulten ja auch laut genug, und ihr infernalisches Brüllen war überall zu hören. „Warum haben unsere S-Kreuzer keine Gedankensteuerung?“ Ein Gedanke, den Clark ungewollt in Worte gekleidet hatte. Neuer Anflug! Hinein in den Anfang des Strahls, der gar keiner war, sondern raffinierte Fiktion. Erst vierhunderttausend Kilometer weiter war die Fiktion zu Ende, und dort lag der tatsächliche Anfang. Und dort mußte sich auch diese eine unsichtbare Station befinden, durch die die QUEEN KELLY für den Bruchteil einer Millisekunde schon einmal gerast war, während ihre Antennen nach allen Seiten feuerten. Feuer aus Rot! Vorbei und nicht getroffen! Runter mit dem Sternensog! Sle! Und negative Beschleunigung. Werde langsamer! Nichts anderes dachte P.S. Clark, während Colonel Huxley, der gerade in diesem Augenblick Gelegenheit bekam, sich zu informieren, ob die QUEEN KELLY noch existierte, seinen Kollegen für wahnsinnig geworden hielt, weil das Schiff mit
dieser lebensgefährlich niedrigen Geschwindigkeit flog und zusehends noch langsamer wurde. Wir müssen sie erwischen! Wir müssen! dachte Clark. Und plötzlich war die QUEEN KELLY in der Station. Mittendrin! Und sie feuerte! Und das Unsichtbare war gar nicht mehr unsichtbar! Hier wirkte der absolute Deflektorschirm nicht mehr. Um sie herum brach die Hölle los! Ein Inferno, von Menschen entfesselt, die mit ihrem Raumschiff in einer mehrere Kilometer durchmessenden, unbekannten Station steckten. Sie sahen Schatten davonjagen. Sie sahen skurrile Konstruktionen, die ihnen in ihrer Fremdartigkeit unheimlich wurden, und diese Konstruktionen brachen hier und da schon auseinander. Eine riesige Plattform tauchte auf, ein Wald von Antennen, oder waren es keine Antennen, sondern nur tragende Elemente? Die QUEEN KELLY schoß Dauerfeuer nach allen Seiten. Nur Nadel! Nadel war überlichtschnell und setzte jede Materie in Energie um. Nur beim Unitall hatte sie etwas mehr und länger Arbeit, um diese Umwandlung zu erreichen. Doch diese unheimliche Riesenstation bestand nicht aus Unitall! Feuer einstellen! Sternensog auf Vollast! Raus aus der Riesenstation! Im Ausfliegen brach das unsichtbare Ungeheuer in tausend Stücke auseinander, und die Männer im Leitstand der QUEEN KELLY schlossen vor der Lichtflut geblendet die Augen, weil die Filter der Sichtschirme nicht so schnell hatten reagieren können, wie diese lodernde und sich nach allen Seiten ausbreitende Sonne entstanden war. Clark schaltete auf Flottenrundruf. Er hatte jetzt etwas sehr Wichtiges zu tun: die Kommandanten zu unterrichten, wo diese Stationen zu finden waren, und wie man sie vernichten konnte. Das war eine einmalige Chance! „Clark“, rief Huxley erregt zurück, „wir erweisen uns einen schlechten Dienst, wenn wir alle Stationen zur Explosion bringen. Wir müssen doch endlich mal ihren Aufbau kennenlernen und…“ Eine schnell vergehende, neue Sonne zeugte von einem weiteren Verlust der TF. „Huxley, hier geht es nur noch um unser nacktes Leben, nicht um irgendwelche Studienobjekte. Vernichten Sie diese Bestien, denn sonst… sonst werden Sie vernichtet!“ Clarks Stimme klang verzweifelt. Voller Entsetzen nahm er die Meldung entgegen, dass der Flottenverband nur noch aus dreiundzwanzig S-Kreuzern bestand! „Angriff, Angriff, Männer! Bis zur vollkommenen Vernichtung!“ klang seine Stimme aufpeitschend aus den Lautsprechern der SKreuzer. Und seine QUEEN KELLY raste dem Anfang der nächsten turmdicken Strahlbahn zu. Colonel P.S. Clark war unterwegs, um der zweiten Station ihres mörderischen Gegners den Garaus zu machen!
* Wieder sahen sie das Standbild eines Goldenen Menschen in der Nähe eines Kugeltransmitters. Abermals hatte der Kopf der Plastik kein Gesicht. Alles an ihr war geformt, aber dort, wo man ein profiliertes Gesicht erwartete, gab es nur die leicht nach außen gewölbte Fläche. „Wie auf der Welt der Barrans“, sagte Holger Alsop. „Carrell ist wichtiger!“ erinnerte Bram Sass. „Diese Figur interessiert mich nur am Rande.“ Dabei sah er sich suchend um, gewann aber keine neuen Erkenntnisse. Sass schaltete auf normal und hob damit automatisch seinen Phantzustand auf. Holger Alsop ahmte sein Beispiel nach. Gefahr gab es keine mehr, dazu hatten sie in Jimmy ein vorzüglich funktionierendes Frühwarngerät, dessen Ortungen ununterbrochen liefen und in alle Richtungen stießen. „Noch einmal, Jimmy: Wie verschwand Carrell?“ Die Geduld des Scotchterriers hatte suprasensorische Qualität, und als seine Blechstimme aufklang, war daraus keine Ungeduld zu hören. „Carrell und ich kamen aus dem Transmitter und hatten es sofort mit den Schwarzen Weißen zu tun. Carrell wurde von einem Pressorstrahl erwischt und zur Seite gefegt. Im nächsten Augenblick war er von einer Gruppe Schwarzer umzingelt und wurde entwaffnet. Er hatte keine Chance. Mich deckte man mit Blasterfeuer ein, so daß mir nichts anderes übrigblieb, als mich durch den Transmitter zurückzuziehen.“ Holger Alsop überlegte krampfhaft. Unwillkürlich blickte er wieder den Goldenen Menschen an, und dadurch stellte er sich abermals die Frage, warum man diesem Standbild kein Gesicht gegeben hatte. Die Grauen – die Grakos – die Mysterious! Waren sie ein und dieselbe Rasse? Oder waren die Schwarzen Weißen die Grakos, die im Laufe der Jahrhunderte ihre Mentalität zum Teil verändert hatten? Bram Sass hatte sich nicht ablenken lassen und die Situation überdacht. „Die Schwarzen Weißen müssen durch den Transmitter gekommen sein, nur daß er auf eine andere Straße geschaltet gewesen war. Sie haben hier abgeladen, die Station umgeschaltet und von hier aus ihr Invasionsunternehmen gestartet.“ „Wo befindet sich dann Carrell, Bram, wenn Ihre Vermutung richtig sein sollte? Durch Jimmy wissen wir, daß die Schwarzen Weißen kaum Zeit hatten, den Kugeltransmitter auf eine andere Straße einzustellen. Hier haben wir keinen Ausgang gefunden, und durch den Wasserfall sind sie bestimmt nicht gekommen.“ „Dann müßte er noch hier sein.“ Gemeinsam gingen sie zurück und suchten alle möglichen Ver-
stecke ab. Jimmy humpelte mit seiner zerschossenen Vorderpfote brav neben ihnen her. Aber sie fanden Mark Carrell nicht. Er war und blieb verschwunden. Lebte der Cyborg gar nicht mehr? Hatten ihn die Schwarzen Weißen durch Blasterfeuer vernichtet oder vielleicht in den Wasserfall gestürzt? Jimmys Massenortung schlug an! Der Scotchterrier warf sich herum, und seine Zunge zeigte auf den Transmitter, aber dann senkte sich die Zungenspitze wieder, denn der Mann, der aus dem Aggregat heraustrat, war bekannt. Mark Carrell stand vor ihnen. „In Deckung gehen!“ schrie er sie an und riß die beiden überraschten Männer zu Boden. Sie klatschten in ein kaltes Rinnsal hinein, das über den nassen Felsen der Kante zulief. Gleichzeitig fauchte ein roter Strahl aus dem Kugeltransmitter, und das Krachen, das diesen Ausbruch begleitete, war so stark, daß die Männer minutenlang nichts mehr gehört hätten, wenn sie nicht gleichzeitig mit Carrells Auftauchen wieder auf ihr Zweites System geschaltet hätten. Noch zweimal wiederholte sich der gleiche Vorgang, danach ereignete sich nichts mehr. Mark Carrell erhob sich. Am Kopf trug er eine Verletzung, die unbedingt behandelt werden mußte, aber er achtete nicht darauf. „So“, sagte er durch das Donnern des Wasserfalls, „hierher kommt so schnell kein Schwarzer Weißer mehr, denn die Gegenstation ist eben in die Luft geflogen.“ „Carrell, erzählen Sie! Was ist passiert?“ Holger Alsops Fragen wurden mit der Seelenlosigkeit eines Roboters gestellt. „Glück gehabt!“ erwiderte der Mann, der sein Gesicht jetzt schmerzvoll verzog und die tiefe Platzwunde, die vom Haaransatz bis zur Kinnlade herunterreichte, vorsichtig abtastete. „Nachdem man mich mit dem Pressor sozusagen weggewischt hatte, wurde ich sofort entwaffnet und geschockt. Ich spielte natürlich brav den Paralysierten. Jimmy war ja bereits wieder durch den Transmitter verschwunden. Ich wurde nach ihm zur Anlage geschleppt und konnte glücklicherweise die Schalterstellung aufnehmen, bevor ich hindurchgestoßen wurde. Ich weiß nicht, auf welchem Planeten ich gewesen bin. Aber dort war ich allein. Die Schwarzen Weißen mußten ja annehmen, daß ich für Stunden geschockt war. Als ich mir meinen Transmitter näher ansah, erkannte ich, daß er wieder umgeschaltet worden war. Ich brauchte also nicht zu befürchten, daß mir einige Fremde nachkamen. Und die Zeit, die mir zur Verfügung stand, nutzte ich aus. Material fand ich genügend vor. Nur dauerte es dann etwas länger, bis ich eine kleine Zeitbombe fertiggebastelt hatte. Es war nicht ganz einfach, mit einer fremden Technik zu arbeiten. Ich nahm den Sprengkörper mit in den Transmitter, in der Hoffnung, die richtige Straße geschaltet zu haben, ließ ihn aber vor dem Erfassungszentrum liegen und empfahl mich. Der Rest meiner
Story ist ja bekannt. Von der Anlage auf dem anderen Planeten kann nicht mehr viel übriggeblieben sein.“ Mark Carrell ging hinüber zum Schaltpult. Vergeblich versuchte er, die Station, von der er gerade eben gekommen war, anzusprechen. Von dieser Seite drohte ihnen keine Gefahr mehr! Holger Alsop verarztete jetzt die Wunde seines Kollegen notdürftig, wies ihn aber darauf hin, sich möglichst schnell fachmännisch behandeln zu lassen. „Einverstanden, nur können wir es uns nicht leisten, die geschockten Fremden hier ohne Aufsicht liegen zu lassen. Und was meines Erachtens noch wichtiger ist: Sie müssen mit ihrer gesamten Ausrüstung nach Terra.“ Drei Stunden später machten einige Experten im Industriedom auf Hope große Augen, als der Transmitter bewußtlose Männer ausspie, die schwarzhäutig waren, aber in ihrem Aussehen Weißen glichen. Der Einsatz wurde von der auf Dockyard als Wache zurückgebliebenen Spezialtruppe geleitet. Füller hatte zwanzig Soldaten abgestellt, die zusammen mit den Cyborgs die beiden geschockten Gruppen samt ihrer Ausrüstung in den Industriedom schafften. Zwei Kugelraumer der 400-Meter-Klasse, die Tofirit zur Erde bringen sollten, hatten Platz genug, einundneunzig Humanoide einer unbekannten Rasse mit nach Terra zu nehmen. Durch To-Funk wurden der Stab der TF wie auch die Regierung über die unerwartete Zusatzladung unterrichtet. Die Antwort aus Alamo Gordo war kurz. Sofort mit den Fremden Kurs Terra starten. Order an Mark Carrell, Bericht zu erstatten. Bulton, Marschall. Aber Mark Carrell war nicht zu erreichen. Vier Cyborgs und ein Robothund suchten auf der Welt der Giants den Diplom-Ingenieur Chris Shanton und den GSO-Mann Jos Aachten van Haag. Und sie suchten Giants. * Noch einmal las Ren Dhark die Auskunft des Checkmasters. Eine Zeitverschiebung ist in alle Richtungen mit Ausnahme in die Zukunft möglich! Ziemlich spät fiel ihm der Widerspruch auf, der in dieser Angabe und jener ersten lag, in der das Bordgehirn behauptet hatte: Der Eingriff in den Ablauf der Zeit ist nur in Richtung auf die Vergangenheit möglich! Die eine Behauptung widersprach der anderen. Konnte der Checkmaster sich auch irren? „Was gibt es, Ren?“ fragte Dan Riker, dem Dharks Nachdenklichkeit nicht entgangen war. „Neue Sorgen, was denn anderes? Erinnerst du dich, was das Bordgehirn das erste Mal über die ZV aussagte, und welche Antwort haben wir eben erhalten? Die eine Behauptung widerspricht der
anderen. Eine von beiden muß falsch sein. Frage: welche?“ „Moment!“ Riker trat ans Bordgehirn. Kaum hatte er seine Frage gestellt, als auch schon die Antwort kam. Die Benutzung des Hy-Kon-Verfahrens hebt das erste Gesetz über die Zeitverschiebung auf. Der Checkmaster stieß eine zusätzliche Folie aus. Eine Zeitverschiebung durch die POINT OF ist nicht mehr möglich. Die Explosion auf Deck 3, Raum T-675, hat das dafür erforderliche Gerät zerstört. Die Zerstörung wurde damit eingeleitet, daß dieses Gerät auch die beiden anderen Ringraumer mit seiner Zeitverschiebung erfassen mußte. Dan Rikers Gesicht wurde schmal. Wortlos drückte er seinem Freund beide Folien in die Hand. Ein Traum war zu Ende! ZV gab es nicht mehr! Die Zeitverschiebung war nur mit der POINT OF möglich gewesen. Sie brauchten sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, wieso auch eine Zeitverschiebung in alle Richtungen mit Ausnahme der Zukunft möglich sein sollte. Und Dan Rikers Flüstern war berechtigt, als er fragte: „Ren, welch ein Schiff fliegen wir?“ In letzter Zeit hatte sich immer deutlicher abgezeichnet, daß die POINT OF sich von den erbeuteten Ringraumern durch viele einmalige Neuerungen unterschied. Lag es vielleicht daran, daß die SKreuzer Robotschiffe gewesen waren und das Flaggschiff der TF offensichtlich nur von den Mysterious geflogen werden sollte? Ren Dhark hatte die Frage seines Freundes mit Schulterzucken beantwortet. „Wir können den Fall ZV abschließen.“ „Nein, das können wir noch nicht, Ren! Denke an die beiden SKreuzer! Denke daran, daß jedes Schiff sich in eine andere Richtung absetzte. Dieser Vorgang widerspricht der Checkmaster-Auskunft.“ Der Commander erkannte in diesem Augenblick, was sein Freund ihm sagen wollte. Seine Hand auf dem Arm des anderen, zwang Riker zu schweigen. „Die Auskunft ist richtig, denn wir sind mit unterschiedlicher HyKon-Wirkung von einem Kontinuum ins andere gesprungen. Hätten wir es untereinander abgestimmt, dann wäre auch ZV in ihrer Länge einheitlich gewesen. Daran habe ich nicht gedacht, weil ich nicht wußte, daß das Hy-Kon, wenn man es am eigenen Schiff benutzt, um in ein anderes Raum-Zeit-Gefüge zu gelangen, ganz anders wirkt, als wenn ich es als Waffe gegen fremde Schiffe einsetze. Noch weniger wußte ich, daß dabei automatisch auch die ZV zum Tragen kommt. Jetzt, da es zu spät ist und ich mich intensiv mit diesen Zusammenhängen beschäftigen muß, erkenne ich immer deutlicher, wie eins ins andere greift.“ Das Wissen von Erron-3 sprach aus ihm, aber es war auch ein Wissen, das die POINT OF in diese aussichtslose Lage gebracht hatte.
Ein leeres Universum, das rot leuchtete. Ein Weltraum, in dem zwei Schiffe der TF sich in verschiedene Richtungen abgesetzt hatten. Aber war daran tatsächlich nur die ZV schuld? „Commander, die Temperatur im Schiff beträgt nur noch einunddreißig Grad Celsius. Vom Schaum ist keine Spur mehr festzustellen, aber auf Deck 3 ist der Raum T-675 nicht zu betreten. Messungen haben ergeben, daß in ihm eine Temperatur von 23.670 Grad herrscht.“ Kein Grund zur Besorgnis, denn Unitall besaß einen Schmelzpunkt, der bei 143.750 Grad Celsius lag. Daran bemessen waren die Wände in T-675 nur handwarm. Die Meldung hatte Dhark und Riker auf andere Gedanken gebracht. „Die Klimaanlage müßte inzwischen doch auch wieder einwandfrei arbeiten. Ich rufe mal eben bei Congollon durch, Ren.“ Der Chefingenieur der POINT OF fühlte sich durch den Anruf gestört, Congollon war kurz angebunden. „Die Klimaanlage, Riker? Interessiert mich im Augenblick überhaupt nicht. Ich habe Probleme mit den Flächenprojektoren, die emittieren nicht mehr, sondern sind zu Antennen geworden, die uns etwas ins Schiff bringen, was wir nicht kennen. Und unsere neunmalklugen Wissenschaftler sind auch mal wieder ahnungslos! Ende, verdammt noch mal.“ Der Eurasier im Maschinensaal schnauzte Riker regelrecht an; dann unterbrach er von sich aus die Verbindung. „Mahlzeit!“ sagte Riker, der den leergewordenen Schirm der Bordverständigung anstarrte, verblüfft. Dhark winkte beschwichtigend ab. Laß Miles in Ruhe suchen, das ist wichtiger. „Das Vario verschwindet, und wir wissen nicht, wodurch es zum Verschwinden gebracht worden ist. Etwas anderes kommt herein, und wir wissen nicht, was es ist.“ Er wollte noch mehr sagen, aber die Aufmerksamkeit, die er der Bildkugel schenken mußte, zwang ihn zu schweigen. Die Bildkugel mit einem Durchmesser von 2,68 Metern, die manuell wie über die Alpha-Rhythmus-Frequenz zu steuern war, brachte eine veränderte Wiedergabe des rot leuchtenden Universums. „Dan, werde ich farbenblind?“ Dhark deutete mit einer Handbewegung auf die Bildkugel. In deren Tiefe hatte sich das Aussehen des fremden Raum-ZeitGefüges leicht verändert. Das Rot schien von einem helleren Strahlenfeld überdeckt zu werden. Wie ein Schleier, der unmerklich dichter und damit stabiler wurde. Aber hinter dem Schleier, weit in den Tiefen, verblaßte ebenso unmerklich das leuchtende Rot, während die Ränder der Bildkugel das unbekannte All in dem Farbton zeigten, wie man es seit dem Eintritt zu sehen gewohnt war. Tino Grappa hinter den Ortungen sagte kein Wort. Auch aus der
Funk-Z kam keine Meldung. Niemand im Schiff schien etwas festgestellt zu haben, das wichtig genug war, um es der Zentrale zu melden. Im Triebwerksraum schaltete Miles Congollon die dortige Bildkugel mittels des Alpha-Rhythmus auf maximale Vergrößerung. Auch er hatte die Veränderung entdeckt. Aber trotz der Vergrößerung sah er nicht viel mehr. Der Schleier oder das silberne Strahlenfeld breitete sich langsam, aber beständig aus. Und hinter ihm, unabschätzbar weit, wurde das leuchtende Rot blasser und blasser, als ob dort ein gewaltiges Loch entstehen würde. Als ob durch dieses Loch der fremde Weltraum hereinstürzen wollte. Unwillkürlich mußte er an Erron-3 denken, an diesen Trichter, in den die POINT OF hineingeflogen war, um jene Welt zu erreichen, auf der die Mysterious ihr Hauptarchiv hatten. Zu den Rändern seiner Bildkugel hin blieb das Rot in seinem kräftigen Leuchten. „Verrückt!“ murmelte er, während sein Blick routinemäßig die Ausgangsstufe der Flächenprojektoren kontrollierte. „Mensch, da kommen ja 86 Prozent herein. Zwanzig mehr als vor fünf Minuten.“ Die Flächenprojektoren waren zu Antennen geworden! Sie emittierten keine Energie mehr, um Sle oder Sternensog zu erzeugen, sondern sie nahmen auf. Und sie gaben etwas an das Triebwerk weiter, und dort wurde es zu den Transformern und Speicherbänken geleitet. Natürlich Energie, aber Energie mit welchem Charakter? Seine Gedanken wurden unterbrochen. Vier Instrumente warfen plötzliche Werte aus. Commander Dhark wollte Sie anfahren! Aber Sie kam nicht. Und sein nächster Versuch mit Sternensog mißlang ebenfalls. Nicht einmal das Triebwerk sprang an. Es lief auf Null, und es blieb auf Null. Das kann ja heiter werden, dachte Miles Congollon in einem Anflug von Galgenhumor. Kurz darauf zeigten die vier Instrumente wieder ,Null’ an. Dharks Versuch, seine POINT OF zu beschleunigen, war gescheitert. Es wunderte Congollon, vom Commander keine Anfrage zu erhalten. Aber was hätte er ihm antworten sollen? Eingang hundert Prozent! Congollon verlor langsam die Geduld. Irgend etwas mußten doch die Experten, die er schon vor knapp einer Stunde alarmiert hatte, mittlerweile herausgefunden haben. „Congollon, wir arbeiten hier wie die Kulis. Aber wir können in so kurzer Zeit auch keine Wunder vollbringen. Wir wissen nicht, was ins Schiff hereinkommt. Wir wissen nicht einmal, ob tatsächlich etwas hereinkommt. Lassen Sie uns Zeit!“ Congollon hörte sich kommentarlos den Wortschwall an, denn der
Experte hatte recht. Und dann wollte er sich höflich für die Auskunft bedanken, redete aber plötzlich gegen einen leeren Bildschirm. Schulterzuckend ging sein Blick wieder hinüber zur Bildkugel. Der fremde Weltraum in ihren Tiefen war leer. Sattes Schwarz schien ihn zu verhöhnen. Ein Kern, der nach seinem Rand hin verwaschen aussah und dann unmerklich ins Rote hinüberwechselte. Vor dem Schwarz jedoch breitete sich ein silberhelles Strahlenfeld aus. Schwarz! Silber! Rot! Ein Universum mit drei Ausdrucksformen? Ein Raum-Zeit-Gefüge, das sich selbst dreimal ein verschiedenartiges Aussehen geben konnte? Oder waren sie doch im Karmin gelandet? Ähnliche Fragen stellten sich auch die Männer in der Zentrale. Vom Checkmaster war allerdings keine Antwort zu erwarten. Eindeutig hatte er angegeben, nicht zu wissen, wo sich die POINT OF befand. Riker ging zur Funk-Z, die direkt neben dem Leitstand lag. Glenn Morris und Walt Brugg unterhielten sich leise. Elis Yogan, der am To-Funk saß, schüttelte nur den Kopf, als Riker gefragt hatte: „Nun?“ Es gab nichts zu berichten. Die Echokontrolle warf immer wieder die gleichen Werte aus, um sie im nächsten Moment zu annullieren. Die Bildkugel in der Funk-Z verfügte nur über einen Durchmesser von dreißig Zentimetern, die Wiedergabe war aber ebensogut wie in der Zentrale. Das Rote hatte sie verschlungen. Oder die Zeit? „Was ist das?“ wollte Yogan wissen und deutete auf das silberhelle Strahlenfeld. „Das wissen wir nicht. Das nicht, und auch nicht, ob die beiden SKreuzer noch existieren. Und auch nicht, ob auch bei ihnen an Bord das Vario verschwunden ist. Wir wissen eigentlich überhaupt nichts!“ „Riker!“ Glenn Morris hatte ihn angerufen. „Ja?“ „Eine Frage, die dumm klingt: Wenn drei und drei gleich sechs ist, wieviel machen dann drei und drei und drei?“ Rikers Gesichtsausdruck spiegelte deutlich seine Gedanken wider. Spinnt Morris? Was soll diese Frage? „Riker, hier werden uns die Blips fortgewischt. Erst drei, dann wieder drei, und dann sechs auf einmal. Also drei und drei ergibt sechs. Doch beim nächsten Mal erscheint die Dreier-Kolonne dreimal hintereinander, sie wird dreimal fortgewischt, und danach müßten eigentlich neun Blips auf einmal zu sehen sein, bevor sie auch wieder verschwinden, aber es sind stets acht. Sehen Sie sich das doch einmal an, bitte.“ Riker sah es dreimal hintereinander auf der Scheibe des Oszillos, und erst dann sagte er: „Versuchen Sie doch einmal, wenn diese acht Blips zu sehen sind, den neunten abzustrahlen.“
„Das hätten wir schon getan, wenn etwas aus unseren Antennen ginge, aber die sind verstopft.“ „Machen Sie das Schiff zur Antenne, Morris!“ Ungewollt hatte er von seinem Erron-3-Wissen Gebrauch gemacht. Morris musterte ihn mißtrauisch. „Das Schiff!? Wie soll das denn gehen, Riker?“ Der begriff er, was er gesagt hatte. Doch dann handelte er einfach. Er nahm die Umschaltung vor. Morris war vorsichtig, als er fragte: „Und das soll klappen?“ „Hoffentlich.“ Die Störung kam von Elis Yogan. „Die Echokontrolle liegt still!“ „Endlich!“ meinte Walt Brugg. „Ich konnte es schon nicht mehr sehen.“ Niemand dachte sich etwas dabei, auch Morris nicht, der ziemlich unlustig den To-Funk hochschaltete. Er wartete ab, bis die Dreiergruppe zum drittenmal zu sehen war. Acht Blips tauchten auf dem Oszillo auf. Glenn Morris schickte den neunten Impuls los. „Abgestrahlt!“ sagte Walt Brugg fassungslos. Stumm deutete Morris auf den Oszillo. Neun Amplituden zu drei Dreiergruppen waren zu sehen. Keine acht! Vom Oszillo wanderte der Blick zu Dan Riker. „Woher wissen Sie, wie man aus dem Ringraumer eine einzige ToFunkantenne machen kann, Riker?“ „Ich vermute, das hat mit der posthynoptischen Beeinflussung zu tun. Sie wissen doch, daß wir seit unserem Start von der Sternenbrücke teilweise über unerklärliches Wissen verfügen.“ Riker hatte mal wieder zu dieser Ausrede gegriffen, die mittlerweile im Ringraumer allgemein akzeptiert wurde. Hoffentlich geht das auf Dauer gut. Irgendwann wird sich irgendwer irgendwie versprechen. Und dann geht das Theater erst richtig los. Aber wir können nicht die Wahrheit sagen. Es genügt, daß Miles, Ren und ich über das Hauptarchiv der Mysterious informiert sind. Riker war froh, daß die Besatzung der Funk-Z durch die neue Situation abgelenkt wurde. „Jetzt kommen sie mit Vierergruppen“, stieß Morris aus. Sie? Wer waren sie? Und Morris zählte die Blips, und er addierte die Gruppen. „Vier! Acht! Zwölf. Und natürlich, wie konnte es anders sein: fünfzehn!“ Den sechzehnten Blip strahlte die POINT OF mit ihrer Hülle ab. Die Antwort war sechzehn! Sie hatten geantwortet. Das mußte Dhark sehen. Die Verbindung stand. Hastig berichtete Riker dem Freund, aber Dhark hörte gar nicht zu. „Bitte, komm sofort in die Zentrale zurück.“ „Aber, Ren…“ „Komm sofort, bitte!“ Riker ging zurück in die Zentrale und nahm in seinem Sitz Platz. Der Tel hatte sich in einem weiteren Sessel zu ihnen gesellt, daran
hatte er sich schon gewöhnt. „Ach…“ Interessiert sah er zu, wie Dhark nach den Angaben des Wegweisers, dessen Antenne ausgefahren war, den Steuerschaltern andere Positionen gab. Der Wegweiser, jenes dreimal verfluchte Ding der Mysterious, das Ma-Soor, der letzte Kommandant der Station im Planeten Zwitt, in seiner Kabine hatte liegenlassen, und dem allein sie es zu verdanken hatten, von einer gefährlichen Situation in die andere geraten zu sein. „Dan, wir kommen wieder heraus, wenn es auch schwer ist. Man zeigt uns nur den Weg, wie wir dieses Universum wieder verlassen können, aber keine Möglichkeit, nach den beiden Schiffen zu suchen. Wir stehen vor der Alternative.“ Dhark schaute seinem Freund in die Augen – sein Entschluß war schnell gefaßt. Man brauchte nicht zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen. Es gab nur eine: nach den beiden S-Kreuzern zu suchen. Aber wie? Die POINT OF ließ sich nicht mehr beschleunigen. Und wo? Die Antenne des Wegweisers fuhr ein, und Ren Dhark steckte das Etui wieder in die Tasche. Da legte sich eine Hand auf seine Schulter. Dro Cimc bat in einer unmißverständlichen Geste Ren Dhark, ihm den Wegweiser zu geben. Einen Augenblick zögerte der Commander, und alle möglichen Gedanken, die voller Mißtrauen waren, schossen ihm durch den Kopf. Aber dann stellte er sich unter anderem auch die Frage, was sie denn noch zu verlieren hätten? Der Tel war ebenso wie die Terraner zum Untergang verdammt – und Ren Dhark griff ein zweites Mal in die Tasche, holte den Wegweiser hervor und gab das Gerät dem Schwarzen Weißen. Kannte Wer Dro Cimc den Wegweiser? * „Ist der Spruch nach Terra ‘raus?“ fragte Colonel P.S. Clark, als er den nächsten Angriff flog und die fiktive Strahlbahn genau im unteren Drittel erreichte. „Colonel, Spruch ist um 14:04 Uhr Normzeit abgestrahlt worden. Aber ob wir durchgekommen sind…?“ Clark konnte nicht ahnen, welch eine scharfe Diskussion sein verstümmelt ankommender Funkspruch zwischen Bulton und Trawisheim auslösen würde. Es gab wieder eine blendende Sonne. Huxley war erfolgreich gewesen. Aber auch er hatte zwei Schiffe seines Geschwaders bei dieser Aktion verloren. Clark zog die QUEEN KELLY in eine enge Kurve, die Andruckabsorber der geheimnisvollen Ringraumererbauer wurden spielend mit den Gravowerten fertig.
Sternensog auf Maximalleistung – Anflug – Durchbruch – Feuer aus allen Geschützen! Der unsichtbare Gegner, der sich hinter phantastisch starken Deflektorschirmen versteckte, hatte sich jetzt auf die Taktik der Terraner eingestellt. Er griff in seiner Station die QUEEN KELLY an. Mitten in der Station wurde der S-Kreuzer von turmdicken Energiestrahlen empfangen. Die Intervalle brachen zusammen! Volltreffer in Deck l! Nottransition im letzten Augenblick! Eine Sekunde später und der S-Kreuzer hätte den Einschlag von zwanzig gebündelten, turmdicken Energiestrahlen nicht überstanden. So verpufften sie ins Leere! Im zeitlosen Ablauf verschwand die angeschossene QUEEN KELLY mit brennendem Deck und rematerialisierte zwei Lichtjahre entfernt wieder. Zwei Lichtjahre hinter ihr flog die riesige Station der Fremden unter der gewaltigen Strukturerschütterung, die durch die Freisetzung der Maximalenergie der QUEEN KELLY erzeugt worden war, auseinander und blähte sich zu einer gigantischen, künstlichen Sonne auf, die sechs weitere angreifende Ring-raumer mit in den Untergang riß. Huxley hatte den furchtbaren Verdacht, daß Clark und sein Ringraumer mit dieser Station der Fremden untergegangen waren; die Strukturerschütterung der Nottransition war in dem Kampfgetümmel nicht angemessen worden. „Achtung! Colonel Clark ist gefallen. Ich übernehme das Gesamtkommando! Weiter angreifen wie bisher. Viel Glück, Männer!“ Huxley hatte einen Kloß im Hals, ein Gedanke hämmerte jetzt unablässig hinter seiner Stirn. Clark hatte recht, es geht nur noch um unser nacktes Leben. Tollkühn stürzten sich die verbliebenen S-Kreuzer auf die Schattenstationen, jene rund acht Kilometer durchmessenden, unwirklichen Gebilde. Tollkühn – ohne Rücksicht auf Verluste! Wer auch immer sich in diesen Stationen verbarg – das Grauen mußte über sie kommen. Drei Schiffe der TF gingen noch verloren, vier andere scherten schwerbeschädigt aus, aber dann gab es in diesem Sektor der Milchstraße keine unsichtbaren Stationen mehr, die nur eine Aufgabe zu kennen schienen: erbarmungslos zu vernichten. Der terranische Ringraumerverband hatte die Schlacht gewonnen. Aber um welchen Preis? Gerade einmal sechs Ringraumer von fünfzig hatten das Gemetzel überstanden. Und auch diese S-Kreuzer hatten allesamt Treffer davongetragen. Auch in der QUEEN KELLY kämpften Menschen um ihr Leben. XZeit lief. Die X-Zeit, die der Atombrand den Menschen stellte! Unitall, diese hochkomprimierte Molekularstruktur, wandelte sich in Energie um! „Siebzehn Tote, dreizehn Verletzte, zum Teil schwer, Colonel.“ Mit bleichem Gesicht nahm Clark die Meldung entgegen.
„Funk-Z, SOS abstrahlen. Höchste Sendeleistung. Ununterbrochen.“ Deck 2 meldete sich. „Colonel, wir schaffen es nicht. Wir müssen uns zurückziehen!“ Clark traf seine Entscheidung! „Alle von Bord! Zentrale, Funk-Z und Maschinenraum nur noch Notbesatzung! Alarmorder Caesar! Alarmorder Caesar!“ Die Verwundeten zuerst! Die Toten zurücklassen! Kontrolle aller Decks, ob niemand irgendwo verletzt lag. Der Atombrand hatte schon Deck 2 erreicht. Am Steuerpult fielen immer mehr Instrumente aus, Bildschirme wurden dunkel, die Bordsprechanlage gab ihren Geist auf. In der Funk-Z lief der Dauer-SOS-Spruch mit höchster Sendeleistung. „Colonel, Deck 1 aufgegeben. Deck 2 und 3 geräumt. Haben QUEEN KELLY verlassen!“ Der Zweite Offizier meldete Verzug. Die Funk-Z war da. „Sendeleistung fällt ab.“ Der Chefingenieur meldete sich aus dem Triebwerksraum ab. Die Decks 8, 7 und 6 waren geräumt. Nur noch ein paar Mann hielten sich auf dem Hauptdeck 5 auf. Die Funk-Z meldete sich erneut. „Colonel, ich habe Huxley im Empfang. Er kommt.“ Gleichzeitig kam die Meldung „Alle Mann von Bord, Colonel!“ von seinem ersten Offizier. Großer Saturn, danke! dachte Clark. „Okay, dann raus mit uns!“ rief er zu dem Mann in der Funk-Z. Die r-Warnung meldete sich. Die harte Strahlung hatte einen Grenzwert erreicht, der jedem ungeschützten Menschen den Tod bringen mußte. Erste Explosionen schüttelten das Schiff. Der Boden vibrierte. Gingen schon die Konverter hoch und beschleunigten das Ende des S-Kreuzers? Clark und sein Funker rasten über das Hauptdeck der nächsten Schleuse zu. Umkehren! Hier wütete bereits der Atombrand! Nur noch zu einer Schleuse war der Weg frei! Die beiden Männer liefen um ihr Leben. Das Licht flackerte! Die QUEEN KELLY schüttelte sich wie ein Tier, das in den letzten Todeszuckungen liegt. Eine Luftdruckwelle warf die verzweifelten Männer aus der Bahn. Der Funker prallte rücklings gegen ein Aggregat, mit gebrochenen Augen sank er zu Boden. Clark hatte mehr Glück gehabt. Keuchend raffte er sich wieder auf. Weiter - schneller! Die Schleuse! Ohne anzuhalten, rannte er weiter und sein Schwung trug ihn hinein in den Abgrund zwischen den Sternen mit seinen grausam und kalt funkelnden, stecknadelgroßen Punkten. Clark trieb ab. Antrieb des M-Anzuges auf Maximum! Er wollte nicht in den turbulenten Energiebereich geraten, wenn der S-Kreuzer als künstliche
Sonne seine umgewandelte Materie explosiv in den Raum stieß. Nur fort von dem Schiff, von seiner QUEEN KELLY, die immer greller von innen heraus glühte. Funkpeilung zeigte ihm die Richtung zu den Überlebenden. Da jagte die Lichtmauer auf ihn zu. Licht, das er in diesen Sekunden haßte, weil es tödliche Gefahr in sich barg. Ängstlich hielt er den Atem an. Unwillkürlich zweifelte er an dem Strahlenschutz seines M-Raumanzuges. Er hatte Angst – jämmerliche Todesangst! Da flammten Scheinwerfer auf. Lichtfinger suchten den schwarzen Weltraum ab, in dem hilflose Menschen trieben und eine Sonne so schnell wieder verschwand, wie sie entstanden war. Die C-550 war da, Colonel Huxleys Kommandoschiff, und die C550 begann einen Schiffbrüchigen nach dem anderen aufzunehmen. * Die Farbveränderungen in den Tiefen des roten Universums hatten in der letzten Viertelstunde keine Fortschritte mehr gemacht. Aus der Funk-Z war auch nichts Neues mehr gemeldet worden. Grappa hinter den Ortungen hatte keine Arbeit. Und die Experten im Schiff, die Astronomen und Astrophysiker, hüllten sich in Schweigen. Auch die Kontinuumspezialisten. Nur eines stand fest: daß man sich nicht im Karmin aufhielt. Sie waren zur Untätigkeit verurteilt. Das Schlimmste, was ihnen passieren konnte. Sie waren weder in der Lage, nach den beiden S-Kreuzern zu suchen, noch mit ihnen in Funkverkehr zu treten. Nur diese eigenartige Blip-Angelegenheit war die einzige Aktivvität, und die kam nicht einmal von ihnen. Von wem dann? Ren Dhark zermarterte sich den Kopf. Er wollte nicht wahrhaben, daß sie hilflos waren, er wollte nicht wahrhaben, daß es in diesem Universum Naturgesetze gab, die jedes Handeln dadurch unterbanden, daß sie keinerlei Aktivitäten zur Wirkung kommen ließen. Sein Wissen von Erron-3 half ihm nicht weiter. Selbst der Checkmaster zeigte in dieser Situation seine Grenzen. Was ist zu tun? Was ist zu tun? fragte er sich immer wieder, und am liebsten hätte er die geballten Hände genommen und sie gegen seine Stirn geschlagen, um eine Idee aus dem Unterbewußtsein heraus ins Bewußtsein zu bringen. Eine Idee – die richtige Idee! Zum wievielten Male überflog er die Instrumente? Wie oft schon hatte er das silberhelle Strahlenfeld gemustert, und das Loch, den dunklen Hintergrund in den Tiefen des Raumes? Es mußte etwas zu bedeuten haben, aber bei allen Sternen, was nur? Dhark schloß die Augen und atmete tief durch, versuchte, für einige Momente an nichts mehr zu denken. Er mußte wieder ruhiger
werden, zu sich selbst finden. Nach rund einer Minute kehrte er wieder in die Gegenwart zurück. Sein Blick schweifte durch die Zentrale der POINT OF. Dro Cimc stand zwischen Checkmaster und den Ortungen. Er manipulierte mit dem Wegweiser, dessen Antenne ausgefahren war. Dem Tel mußte dieses Gerät der Mysterious bekannt sein, oder er hatte schon davon gehört, denn eine andere Erklärung konnte es für sein lebhaftes Interesse nicht geben. Dhark drehte sich mit seinem Sessel. Er sah nacheinander seine Offiziere an. Ruhig war deren Blick, in ihnen lagen keine Vorwürfe mehr. Nein, die Blicke drückten eher Hoffnung aus. Hoffnung auf ihn, ihren Commander, der sie schon so oft aus scheinbar ausweglosen Situationen heil herausgeholt hatte. Dhark faßte neuen Mut. Seine Leute vertrauten ihm immer noch, auch wenn er sie manchmal belügen mußte. Er dachte voller Unbehagen an Erron-3. Der Mann mit den weißblonden Haaren, der die Menschheit zu den Sternen geführt hatte, schaltete in den Maschinensaal zu Miles Congollon durch. „Miles, ich komme zu Ihnen hinüber.“ Das Hauptdeck war leer. Als Dhark knapp die Hälfte der Ringröhre durchschritten hatte, senkte sich Deck 4, schnitt Deck 3 und Deck 2 an, um sich schließlich mit Deck 1 zu vereinigen. Leise summend verschwanden die beiden Hälften des Schotts zum Triebwerksraum in der Wand. Sieben Mann hatten hier Dienst. Aber heute lümmelten sie sich herum, weil es in diesem großen Aggregatsaal nur Langeweile gab. Der zweite Sessel neben Miles Congollon war leer. Arc Doorn fehlte. Er hielt sich auf der LUXOR auf, ebenso wie Anja Riker, Dans Frau. Der Chefingenieur sprach nicht, als Dhark neben ihm Platz nahm. Er deutete nicht einmal auf eines der Instrumente. Der Commander benötigte auch keine Erklärung. Auf einen Blick erkannte er, daß die Flächenprojektoren seines Ringraumers zu Antennen geworden waren. Sie nahmen Energie unbekannter Art auf, leiteten sie zum Triebwerk weiter, und von dort landeten sie in den Speicherbänken. „Als ob wir ertobit gewesen wären!“ Miles Congollons erste Bemerkung. Ertobit? Es löste in Dhark das Wort atompisch aus, ein Begriff aus der Sprache der Mysterious, aber zugleich auch der bislang einzige Begriff aus dieser Sprache, die er vollkommen zu beherrschen glaubte, den er nicht verstand. „Ach, Unsinn!“ stieß er ärgerlich aus, weil er bemerkt hatte, daß der Ausdruck atompisch zum Strohhalm werden sollte, an den er sich klammern wollte. Aber Congollon bezog Dharks Worte auf seine Bemerkung.
„Habe ich behauptet, daß wir ertobit sind, Dhark?“ grollte der Mann mit den mandelförmigen Augen und schaute Dhark aus seinen fast wimpernlosen Augen kampflustig an. „Darauf bezog sich mein Ausruf nicht. Ich hatte nur laut gedacht. Was sagen die Experten zu diesem Vorgang?“ „Nichts. Ich hatte schon Krach mit ihnen, weil ich ihnen zu wenig Zeit lassen würde. Aber sie können nichts sagen, weil sie nichts wissen! Sind doch alles nur Nieten!“ übertrug Congollon die Wut über seine eigene Hilflosigkeit auf die Wissenschaftler. Dhark schüttelte den Kopf. Für ihn waren die Experten keine Nieten. Es lag nicht an ihnen, sondern an diesem unbekannten RaumZeit-Gefüge, das seine eigenen Gesetze hatte, und die kannte niemand. „Congollon, haben Sie nicht den Eindruck, unsere POINT OF wäre blockiert?“ „Ich habe gar keinen. Das ist das Allerschlimmste. Ich frage mich nur immer wieder, warum alle Anlagen im Schiff einwandfrei arbeiten.“ „Das tun sie nicht! Weder Sle noch Sternensog lassen sich anfahren. Das Triebwerk läuft auf Null und bleibt trotz aller Kommandoimpulse dabei. Das nennen Sie einwandfreies Arbeiten aller Geräte, Congollon?“ Congollon schaute seinen Commander hilflos an. Er hatte gegrübelt und -zig Versuche angestellt, um sowohl das Triebwerk aus der Null-Lage herauszubekommen als auch die Flächenprojektoren wieder zu dem zu machen, was sie gewesen waren: Abstrahlpole, die entweder Sle oder Sternensog erzeugten. Jeder Versuch war fehlgeschlagen. Jeder Fehlschlag hatte ihm demonstriert, daß sie hilflos waren. „Haben Sie schon einmal an Erron-3 gedacht, Miles?“ Dhark hatte mit dieser Bemerkung bei seinem Ingenieur in ein Wespennest gestoßen. Congollon ließ jetzt einmal richtig Dampf ab. „Einmal, Dhark? Hundertmal, und hundertmal habe ich dieses Archiv der Mysterious verflucht! Wirklich, man hat uns in eine wunderbare Falle gelockt, und als wir ihr dann doch entkamen, sind wir von einer Pleite in die andere gefallen. Manchmal bedauere ich es, daß uns die Synties in letzter Minute vor den Schwarzen Weißen gerettet haben.“ Dhark war von Congollons Ausbruch erschüttert. Dieser Mann hatte keine Hoffnung mehr! Er war es sich und dem Weggefährten aber schuldig, ihn wieder aufzurichten. „Miles, haben Sie Ihr Erron-Wissen eingesetzt?“ „Dhark, es nützt uns hier doch nichts. Haben Sie mit Ihrem denn etwas ausrichten können? Vielleicht hätten wir ein paar hundert Mentcaps mehr schlucken müssen, aber dann möchte ich den Menschen kennenlernen, der dieses Wissen verarbeiten kann, damit er es nach vierzehn Tagen nicht vergessen hat.“ Resigniert gab Dhark auf und verließ den Triebwerksraum. Von
Deck 1 stieg er zu Deck 4 hoch, machte einen kurzen Besuch in der WS-West und verhielt dann seinen Schritt an der Funk-Z. Daß es auf Deck 3 im Raum T-675 immer noch brannte und die Temperatur darin inzwischen auf 22.100 Grad Celsius abgesunken war, beunruhigte ihn nicht, weil er voll und ganz dem Unitall der Mysterious, diesem wunderbaren Kunstprodukt eines verschollenen Volkes, vertraute. Ihn überkam kurz ein Gefühl des Bedauerns, nun die Zeitverschiebung nie mehr benutzen zu können, weil das dafür erforderliche Aggregat in T-675 zerstört worden war. Aber… In diesem Moment hatte er sich eines Gerätes erinnert, das von der gesamten Automatik der POINT OF getrennt, neben der Schleuse 1 in einem Raum als einziges Teil zu finden war: Der Störsender, dem es die POINT OF, als die Besatzung ihr Schiff kaum kannte, zu verdanken hatte, daß sie auf ihren ersten Flügen durch das Sternenmeer nicht vernichtet worden war. Vielleicht war es wenigstens mit diesem Störsender möglich, Funkverkehr im unbekannten Universum aufzunehmen. Wenn auch nur einseitig. Und wenn nur die LUXOR und ARROW diese Störimpulse empfingen und die Besatzungen daraus entnehmen konnten, daß das Flaggschiff noch existierte. Er informierte die Funk-Z, als er in dem Raum stand und dann das Gerät einschaltete. Die Funk-Z war es, die ihm nach wenigen Minuten riet, die Versuche einzustellen, weil keine einzige Amplitude abgestrahlt wurde. Als er die Kommandozentrale wieder betrat, war man dort über seinen erfolglosen Versuch unterrichtet. Die nächste Enttäuschung kam von Dro Cimc. Er gab dem Commander den Wegweiser wieder zurück. Wenn man seine Gesten richtig deutete, dann bedauerte er, nicht helfen zu können. Ein Fall wurde in der POINT OF abgeschlossen. Die Temperaturen im Schiff näherten sich dem Normalwerten. Es sollten nur dann weitere Durchsagen erfolgen, wenn sie wieder ansteigen sollten. Das Vario hatte ausgelebt! Und damit tauchte eine neue Frage auf: War es tatsächlich unumgänglich gewesen, mittels des Hy-KonVerfahrens ein anderes Universum aufzusuchen? Wäre das Vario im heimatlichen Raum-Zeit-Gefüge nicht auch zugrunde gegangen? Ren Dhark grübelte still vor sich hin. Unwillkürlich ruhte sein Blick auf der Bildkugel. Mit seinem Unterbewußtsein nahm er die winzige Veränderung der Wiedergabe auf. Ein kaum feststellbares Pulsieren! Periodische Helligkeitsschwankungen! Mit seinem Chrono stoppte Dhark ab. Jedes Intervall dauerte 10,45 Sekunden Normzeit. Aber diese Helligkeitsschwankungen des silbernen Strahlenfeldes waren nicht das einzig Bemerkenswerte. Das Feld pulsierte auch in
der Größe. Wie ein RR-Lyra-Stern. Erstaunlich diese Schwingungsform, und noch erstaunlicher, daß weder die Astronomen noch die Astrophysiker dieses Phänomen bis jetzt entdeckt hatten. 10,45 Sekunden Dauer hatte jedes Intervall! Unwillkürlich weitete er die Augen, und im gleichen Moment zweifelte er daran, ob das, was er sah, auch real war, denn wie war es möglich, daß er auch noch bemerkte, wie das Strahlenfeld nach innen pulsierte? Er kontrollierte die Instrumente und wartete, bis drei Minuten verstrichen waren, dann erst blickte er ein zweites Mal auf die Bildkugel. Er sah das Phänomen eines pulsierenden Strahlenfeldes abermals! Grappa meldete nichts. Die Funk-Z war still. Dhark rief die Sternexperten an und machte sie auf seine Beobachtungen aufmerksam. „Dhark, wir können nichts feststellen. Sie sind Opfer einer Sinnestäuschung geworden.“ Neben ihm brummte Dan Riker: „Ich sehe auch nichts. Weder Helligkeitsschwankungen noch Pulsieren.“ Unwillkürlich sah der Commander seinen Gast an, und Dhark wurde wiederum enttäuscht. In dem Blick des anderen stand nichts weiter als eine stumme Frage. Er konnte wohl nicht begreifen, warum Dhark schon mehrfach auf die Bildkugel gedeutet hatte. „Zehn Komma vier fünf, murmelte Dhark und suchte in seinem Gedächtnis krampfhaft nach irgend etwas, das mit dieser Zeitspanne eine Einheit, einen Begriff bildete. Nichts – keine einzige Idee! Kurz entschlossen stellte er die Verbindung zu den Mathematikern her. „Was gibt es, das mit einer Periode von 10,45 Sekunden im direkten Zusammenhang steht?“ „Hm?“ Soelln, der Mathematiker mit den vielen Sommersprossen, wiegte nachdenklich den Kopf. „Das ist eine Frage, Dhark, die ich kaum… Moment!“ Sein Gesicht verschwand vom kleinen Bildschirm der Verständigung, und es blieb für längere Zeit verschwunden. Als es wieder auftauchte, funkelten seine Augen. „10,45, aber nicht in Sekunden, sondern in Mikrosekunden ist die Schwingungszeit unseres Triebwerkes im Null-Lauf.“ Jetzt war es Ren Dhark, der „Hm“, sagte. Dahinter verbarg er seine Enttäuschung. Irgendeine andere, aufregendere Antwort hatte er erwartet. Mit der Auskunft des Mathematikers konnte er nichts anfangen. „Danke!“ sagte er dann noch, und nun war es nichts anderes als Intuition, Miles Congollon anzurufen. „Haben Sie etwas im Triebwerk oder den Nebenaggregaten bemerkt, das einen Wert von 10,45 hat?“ Erst als er diese Frage gestellt hatte, wurde ihm bewußt, daß er den Begriff Sekunde oder Mikrosekunde nicht benutzt hatte. „10,45?“ wiederholte Congollon. „Nicht daß ich wüßte. Tut mir leid. Ich hätte gern. Aber zum Teufel, doch! 10,45…“, und dann kam ein schauerlicher Serienfluch in seiner Muttersprache, den Dhark zwar
nicht verstand, aber trotzdem zu interpretieren wußte. „Dhark, die Speicherbänke stehen auf 10,45! Alle, weil sie einfach nicht mehr Fremdenergie aufnehmen. Warum, weshalb, wieso, das weiß natürlich wieder mal keiner. Ich auch nicht.“ Zehn Komma vier fünf! Und kein Mensch wollte in der Bildkugel das sehen, was er sah. Dhark wurde warm, obwohl die Temperatur im Schiff fast wieder normal war. Er stand auf, streifte seinen Raumanzug ab und ließ ihn achtlos zu Boden fallen. Plötzlich war ihm noch ein neuer Gedanke gekommen, und er wollte den letzten Versuch mit der POINT OF machen. Wenn auch dieser mißlang, dann mußte er doch auf den Wegweiser zurückgreifen. Und das hieß, die LUXOR und die ARROW in diesem fremden Universum im Stich zu lassen, wenn ihnen der Durchbruch ins heimatliche Kontinuum gelang. Er würde aber nicht nur zwei Schiffe mitsamt ihrer Besatzung verlieren – nein, dann verlor Dan seine Frau Anja und er vier gute Freunde: Ralf Larsen, Janos Szardak, Arc Doorn und Anja Riker. Er arbeitete mit zehn Komma vier fünf! Aber auch mit Mikrosekunden. Er wußte nicht, ob er Erfolg haben würde, und ob das Triebwerk auf diese Impulse ansprach, noch weniger war ihm klar, ob die Flächenprojektoren Sle oder Sternensog entwickeln würden. Riker, der ihm interessiert zusah, sagte nichts, aber die Haltung, die er in seinem Sitz eingenommen hatte, verriet, daß er darauf vorbereitet war, sofort seine Aufgabe als Kopilot zu übernehmen. Dhark hatte nur noch einen Blick für die Instrumente. Die Belastung der beiden Intervalle lag bei 0,1 Prozent. Unter seinem Fingerdruck schloß der Hauptkontakt. Impuls! Zehn Komma vier fünf Mikrosekunden! Was war gewesen? Hatten die Instrumente Werte angezeigt oder nicht? Noch stellte er sich die Frage, als hinter seinem Rücken Dro Cimc einen Schrei ausstieß. Die Wiedergabe in der Bildkugel hatte sich verändert! Dicht stand die POINT OF vor dem silberhellen Strahlenfeld. Es lag zum Greifen nah vor ihnen. Aber auch erschreckend nah der schwarze, leere Hintergrund, der einem gewaltigen Loch glich. Die Männer im Flaggschiff hielten den Atem an, wo immer es eine Bildkugel gab. Tino Grappa strich verwirrt über seine Stirn, und langsam zweifelte er daran, daß seine Ortungsanlagen wirklich pannensicher waren. Was war eigentlich geschehen? War die POINT OF auf das Strahlenfeld hin versetzt worden, oder hatte sich das Strahlenfeld in einem zeitlosen Ablauf an den Ringraumer herangeschoben? Ren Dharks Gesicht war kantig geworden. Seine Gesichtsmuskeln zuckten, und sie verrieten damit, wie erregt er war.
Er sah nicht mehr das, was ihn auf 10,45 aufmerksam gemacht hatte. Es gab weder die periodische Helligkeitsschwankung des Feldes, noch ein Pulsieren nach innen und außen. Dann glaubte er an eine Störung in seinem Kopf, als er das Zirpen vernahm. Das Zirpen blieb, das unverständliche Zirpen einiger Grillen. Er wollte es fortwischen wie ein Spinnennetz, das dicht vor dem Gesicht hängt, aber er ließ sich nicht entfernen. Dharks Gesicht wurde zur Grimasse, denn das Zirpen breitete sich im gesamten Kopfraum aus. „Hörst du das auch?“ Krächzend klang seine Stimme, kaum noch verständlich. Dan öffnete den Mund, wollte antworten, aber nur unverständliche Laute drangen an Dharks Ohr. Seit wann beherrschte Dan die Grillensprache? Das Zirpen in seinem Kopf wurde immer lauter und dominierender. Dhark hatte das Gefühl, daß sein ganzer Körper anfing zu vibrieren, selber anfing, Zirpgeräusche zu erzeugen. Immer schwerer fiel es ihm, einen klaren Gedanken zu fassen. Verzweifelt drehte er sich nach den anderen Crewmitgliedern um. Dan und der Wer lagen fast in ihren Sesseln, ihre Gesichtszüge waren vollkommen verklärt. Die beiden Männer nahmen nichts mehr von ihrer Umgebung wahr! Auch die anderen Männer in der Zentrale machten einen apathischen Eindruck. Dhark versuchte, über die Bordsprechanlage Kontakt mit anderen Stationen aufzunehmen. Aus den Lautsprechern klang nur das Zirpgeräusch. Es lief dem Commander kalt den Rücken hinunter. Gewaltsam, unter Aufbietung aller Kräfte, stemmte er sich aus seinem Sessel hoch. Schwankend stand er davor und hatte Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten. Er versuchte sich zu konzentrieren, einen bestimmten Punkt zu fixieren. Sein Blick fiel auf die Bildkugel. Ungläubig kniff er die Augen zusammen. In dem silbrigen Feld bildete sich ein schnell wuchernder Auswuchs und formte sich schließlich zu einem einer Hand immer ähnlicher werdenden Ausleger. Und diese Hand griff nach ihm! Sie kam durch die Bildkugel in die POINT OF hinein! Das blaue Licht der Mysterious wurde von dem Silberglanz übertüncht!
„Aaaah!“ Dhark schaffte es für einen kurzen Augenblick, die fremden Geräusche in seinem Kopf durch den Schrei verstummen zu lassen. Aber nur für einen ganz, ganz kurzen Augenblick, dann wa-
ren die Geräusche wieder da – stärker als vorher! Immer plastischer erschien die Hand, die wie die eines Menschen wirkte. Sie hatte ebenfalls fünf Finger. Uralt und trotzdem überaus kraftvoll schien die Hand. Deutlich waren die Adern zu sehen. Die wie von Sonne und Wind ledrig gegerbte Haut spannte etwas über den Knöcheln. Der Zeigefinger machte eine winzige Bewegung. Dhark glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Obwohl er mittlerweile alles nur noch wie durch einen Schleier wahrnahm, sah er deutlich, daß der Zeigefinger ihn zu sich heranlocken wollte. Langsam, das merkwürdige Gebilde nicht aus den Augen lassend, wich er Schritt für Schritt zurück. Er stolperte über seinen am Boden liegenden Raumanzug. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er ihn achtlos dort fallen lassen. Hart schlug er mit dem Kopf auf den Unitallboden. Daß er sich dabei am Hinterkopf eine stark blutende Platzwunde zuzog, bemerkte er nicht. Voller Panik versuchte er, nunmehr rückwärts kriechend, Abstand zwischen sich und die Hand zu bringen. Der Finger versuchte immer noch, ihn zu sich zu locken. Nach einer scheinbar endlos dauernden Zeitspanne stieß Dhark mit dem Rücken gegen das Schott der Zentrale. Zitternd schob er sich am Schott empor, seine Hände tasteten blind nach dem Öffnungskontakt an der Wand. Seine zusammengekniffenen Augen ließ er auf der Geisterhand verweilen, die pendelnd in der Zentrale von rechts nach links ausschlug. So, als suche sie etwas oder jemanden! Endlich! Kontakt! Das Schott öffnete sich leise zischend. Dhark warf sich herum, sprang durch das Schott in den Hauptgang. Blitzschnell hieb er auf den Kontakt, um das Schott wieder zu schließen. Für einen kurzen Augenblick wähnte er sich in Sicherheit. Schwer atmend sank er zu Boden. Die Stimmen in seinem Kopf wurden immer übermächtiger. ,Komm!“ Er glaubte eine Stimme zu hören. „Komm!“ Wie durch einen Schleier erkannte er die Hand, für die das geschlossene Schott kein Hindernis bedeutete. Es sah aus, als ob sich die Struktur des Unitalls um dieses silbrige Etwas herum aufgelöst hätte. Jetzt hatte ihn der Schemen erreicht. Dhark konnte sich nicht mehr bewegen, nicht mehr fliehen! Wohin auch und -ja – warum denn eigentlich? Die Hand berührte ihn, drang in die Brust des Commanders ein. Das Singen in seinem Kopf steigerte sich ins Unermeßliche und… …dann zirpte es nicht mehr. * Es war alles so leicht, so sorgenfrei, so unwirklich. Ren Dhark sah an sich herunter, und er erschrak nicht einmal, als er seinen Körper nur bis zur Gürtellinie erkennen konnte. Und er wunderte sich nicht, daß er in einem silberhellen Strahlenfeld steck-
te. Er senkte seine Arme, doch unterhalb der Gürtellinie verschwanden seine Hände, und er fühlte sie nicht mehr, wie er nicht mehr feststellen konnte, ob er noch Beine besaß. Das alles machte ihm nichts aus. Es kam ihm nicht einmal unnatürlich vor. Langsam trieb er dahin, oder ganz schnell? Jede Vergleichsmöglichkeit fehlte. Tauchte er tiefer ins Silberhelle oder kam das Silberhelle zu ihm empor? Keine Frage. Fragen verlangen Antworten. Er wußte nicht einmal mehr, was Frage und Antwort bedeutete. Gelassen sah er, wie sein Rumpf mehr und mehr verschwand. Mit dem Verschwinden auch jedes Gefühl. Und auch sein Leben?
5. Sternenbrücke! Transmitter-Straßen! Kolonisierung erdähnlicher Planeten. Wer und was waren die Schwarzen Weißen? Terraner gingen den Weg ins Weltall! Manchmal hunderttausend an einem Tag, manchmal waren es ein paar tausend weniger, aber immer mehr Menschen gingen den neuen Weg, und Terra verschwand als blaue Kugel hinter ihnen in der Schwärze des Alls. Fast alle sahen das kalte Funkeln der fernen Sonnen zum erstenmal, und sie erlebten auch erstmalig, daß es etwas anderes war, einen Raumflug zu erleben, als sich ihn über TV-Schirm in die Wohnung tragen zu lassen. Seit das Ringraumergeschwader unter den Colonels Clark und Huxley sozusagen kurz vor der Haustür Terras in einem schweren Gefecht mit den Schattenstationen gelegen hatte, beschleunigte die Auswanderungsbehörde ihre Bemühungen, den Auswandererstrom zu verstärken. Selbst die enorm kampfstarken S-Kreuzergeschwader, deren Kampfkraft bislang höchstens die Nogk etwas entgegenzusetzen hatten, konnten nicht garantieren, einen Angriff auf die Heimatwelt der Menschen vollständig abzuwehren. Dies hatten die letzten Gefechte mit den Schattenstationen gezeigt. Auch Ringraumer waren nicht unbesiegbar! Die Terranische Flotte hatte immense Verluste an Personal und Material hinnehmen müssen. Millionen von bereits lange ausgewählten Menschen verließen auf Abruf nach einem genau ausgearbeiteten Plan ihre Arbeitsplätze und begaben sich zu den Sammelstellen an den Raumhäfen. Persönliche Gegenstände wurden in der ersten Phase nur bis zu einer bestimmten Tonnagezahl mittransportiert. Die restlichen Dinge waren für spätere Flüge eingeplant. Tag und Nacht starteten die Raumer. Die Luft vibrierte, meilenweit waren die Geräusche der anfliegenden und startenden Schiffe zu hören. Die Terranische Flotte mobilisierte ihre letzten Reserven. Selbst die noch nicht komplett umgerüsteten Beuteraumer der Giants waren im Einsatz. Die Eigenproduktion der terranischen Raumfahrtindustrie an Kugelraumern reichte nicht aus – zu groß waren die technologischen Schwierigkeiten. In den letzten Jahren hatte die Industrie kam noch Schritt halten können mit der Entwicklung und den Anforderungen. Beseitigung der Spuren der Giant-Invasion, Umstellung der Produktion von Terra-Standard erst auf Amphiwissen, dann auf das Niveau der Gianttechnik. Und nun hielt auch immer mehr das Wissen der Mysterious Einzug in die Produktionsstätten. Die Industrie kam trotz neuer und revolu-
tionärer Schulungsmaßnahmen kaum noch nach. Diejenigen, die nicht oder noch nicht von der Auswanderungswelle betroffen waren, beobachteten fasziniert vom Rand der Raumhäfen oder über TV die startenden Raumschiffe. Das terranische TV sendete ununterbrochen. Kugelraumer der Planetenklasse mit 400 Metern Durchmesser öffneten ihre scheinbar unersättlich erscheinenden Ladeluken und verschlangen endlose Reihen von Menschen und Material. Oft blieb Gepäck zurück, entweder vergessen oder weil die zulässige Tonnagelast überschritten war. Menschen verließen Freunde – ihre angestammte Heimat, machten sich auf, es ihren Ahnen nachzutun, die einst zu neuen Ufern aufgebrochen waren und diese kolonialisiert hatten. Und Terra machte sich auf, den eigenen Machtbereich zu erweitern, um durch vorgelagerte Welten einen weitgezogenen Verteidigungsring um das solare System zu legen. Auf allen neu besiedelten Planeten war ein schlagkräftiges Raumergeschwader stationiert, und der Ausbau der Verteidigungsanlagen wurde zügig vorangetrieben. Neben den normalen, freiwilligen Auswanderern gab es aber auch viele Menschen, die gezwungenermaßen ihre alte Heimat verlassen mußten. Viele Angehörige der Terranischen Flotte und der Verwaltung waren für den reibungslosen Organisationsablauf auf den neuen Welten dienstverpflichtet worden – sie sollten dort für den Aufbau von Sicherungstruppen sorgen und die Verwaltung übernehmen. Auf ihren Erfahrungsschatz konnte nicht verzichtet werden. Sie hatten dafür zu sorgen, daß diese ungeheuren Massen an Mensch und Material in die richtigen Bahnen gelenkt wurden. Und die Zurückgebliebenen mußten die von den Auswanderern gerissenen Löcher stopfen; mußten Doppelschichten in den Fabriken fahren. Ast-Kommandanten hatten plötzlich einen doppelten Verantwortungsbereich. Patrouillenflüge dauerten länger und erforderten mehr Aufmerksamkeit. Terra hatte sich viel vorgenommen – der Weg ins All sollte endlich im großen Stil vollzogen werden! * Zeus, Blue Star, Wellington und Inka – Planeten, die den Charakter der Erde hatten, aber dennoch fremde Welten waren, sie nahmen Millionen Siedler auf wie ein ausgetrockneter Schwamm das Wasser. Ein Frachter der 400-Meter-Kugelklasse landete auf der einzigen Plastikbetonpiste von Blue Star. Seine großen und kleinen Schleusen waren geöffnet und alle seine Rampen ausgefahren. Menschenmassen schoben sich darüber nach draußen, Materialien auf Schwebeplatten wurden ausgeladen.
Zu Bergen stapelte sich alles. Die Techniker kamen kaum noch mit, wetterfeste Schutzanlagen zu erstellen, denn Blue Star war wie die Erde. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet, und es goß. Auf der Piste standen große Wasserlachen, und vom Kugelrumpf des Frachters ergossen sich rauschende Stur/bäche. Die Menschen, von der Erde her gewohnt, daß die Großraum-Wetterlagen künstlich erzeugt wurden, bekamen ein erstes unverfälschtes Bild von der neuen Wirklichkeit, die für immer ihre Heimatwelt werden sollte Regen. Grauer Himmel! In der Ferne die Silhouetten der ersten Hochbauten. Der erste Schwerpunkt auf Blue Star: Marco, das einmal die Hauptstadt dieser Welt werden sollte. Ein schmales Plastikband führte zur Stadt. Keine sensorisch gesteuerte Schnellstraße. Nur Plastikbeton, der über den Boden gegossen war, knapp zwanzig Meter breit. Viel zu schmal, um den bodengebundenen Verkehr bewältigen zu können. Wohin die Siedler auch sahen: Improvisation. Alles, buchstäblich alles fehlte, was ihnen auf der Erde zum Alltäglichen geworden war. Die Kapazität des Transmitters nach Marco war nicht groß genug, diesen Ansturm an Kolonisten zu bewältigen. Es goß ununterbrochen, und die Menschen standen im Regen und warteten und warteten, um endlich durch die Ringantenne in die Stadt befördert zu werden. Männer begannen zu schimpfen, Frauen sorgten sich um ihre Kinder, Kinder weinten, weil sie durchnäßt waren und froren. Der Wind, der zum Regen gehörte, war kalt. Über Magnetfeldlautsprecher wurden alle zur Ordnung gerufen. Die Stimme klang hart und gebieterisch. Wiederum eine psychologische Fehlleistung des Siedlerkommandos. Viele Menschen empörten sich über den Ton und die Art, wie man mit ihnen sprach. Plötzlich kam Bewegung in die Menge. Erst waren es hundert, in einigen Minuten schon Tausende, die über den aufgeweichten Boden auf die Leitstelle des Siedlerkommandos zuhielten. Die Leitstelle alarmierte den Siedlerschutz. „Wie stellen Sie sich das vor?“ brüllte Yoma, der Chef der Sicherungsgruppe. „Sollen wir die Kolonisten mit Schocker und Blaster empfangen? Jetzt zahlen sich die Zinsen für die Riesenschlamperei aus, über die wir schon seit Tagen meckern. Zur Hölle, wir können Ihnen nicht helfen. Sehen Sie zu, wie Sie die Männer beruhigen!“ Die Leute wollten gar nicht beruhigt werden. Sie wollten nur ein Dach über dem Kopf haben. Auf der Erde hatte man ihnen den Himmel versprochen. Blue Star hatte sie mit einem Wolkenbruch empfangen. Und jetzt standen sie alle schon seit mehr als einer Stunde im Regen, und aus dem Riesenbauch des Frachters schoben sich ununterbrochen weitere Menschen ins Freie.
Dr. Brown, Chef der Leitstelle, befürchtete das Allerschlimmste, als er die aufgebrachte Masse anrücken sah. Er schaltete sein Vipho um und rief die Hauptplanungsstelle in Marco an. Auch dort wollte man ihm die Schuld zuschieben. Brown explodierte. „Haben wir den Plan entwickelt oder die Planungsstelle? Wir denken nicht daran, für Sie die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Sorgen Sie dafür, daß die Leute keinen Grund mehr habe, Amok zu laufen, dann leite ich alles weitere in die Kanäle. Wenn nicht, haben wir hier bald die ersten Opfer. Wollen Sie dafür zur Verantwortung gezogen werden? Ich möchte das nicht!“ Schweres Atmen war zu hören, und auf der Bildscheibe des Gerätes sah Brown, wie sich der verantwortliche Mann in der Planungsstelle über die Stirn wischte. „Wir fliegen sofort achtzehn Schirmfeldwerfer zur Piste. Sie reichen aus, um ein halbkugeliges Prallfeld zwischen Frachter und Transmitter zu erzeugen. In zehn Minuten stehen die Siedler im Trockenen.“ „Na, also, es geht doch. Demnächst weiß ich, an wen ich mich vertrauensvoll mit meinen Wünschen wenden kann!“ Süffisant grinsend schaute Brown sein Gegenüber an. „Ach, Sie können mich…!“ Brown schaltete ab. „Pfui, was für ein ungehobelter Klotz.“ Und dabei lachte er zufrieden. Aus der Ferne jagten die angekündigten Jetts heran, das Heulen der Triebwerke, die auf Höchsttouren liefen, wurde infernalisch. Über den aufgebrachten Siedlern kamen die Jett zum Stillstand. Superphonstarke Lautsprecher traten in Aktion. Die Stimme der psychologisch geschulten Sprecherin schaffte es, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen und den Vorwärtsdrang der Menschenmasse zu stoppen. Ihr Ziel, die Leitstelle des Siedlerkommandos, war plötzlich nicht mehr so wichtig. „Im Augenblick fliegen wir achtzehn Schirmfeldwerfer ein, die zwischen dem Frachter und der Transmitter-Anlage für eine regensichere und wetterfeste Zone sorgen. Bitte verkennen Sie nicht, daß wir alles tun werden, um Sie so schnell wie möglich nach Marco in Ihre Unterkünfte zu bringen. Bleiben Sie bitte besonnen und geben uns etwas Zeit, die leider gemachten Fehler zu beheben. Schauen Sie sich derweil die Projektion unter der Wolkendecke an!“ Im gleichen Moment flammte ein Bild in 3-D auf. Ein Film, der den Menschen zeigte, was in Marco alles getan wurde und wie es auf ihrer neuen Welt in naher Zukunft aussehen sollte. Ruhige Musik untermalte die Vorführung. Dr. Brown stand mit seinen Mitarbeitern am Fenster. Sie beobachteten erleichtert die regungslose Menge, die gespannt zur Wolkendecke hochstarrte. Das Summen eines elektronischen Terminkalenders ließ Brown hochschrecken. In einer Geste, die Hilflosigkeit ausdrückte, nahm er beide Hände hoch. „Großer Himmel, in zehn Minuten landet die COLUMBUS! Mein
Vipho! Schnell, mein Vipho, der Frachter darf jetzt noch nicht landen. Unter keinen Umständen, sonst ist die Katastrophe komplett.“ Drei Tage später, nachdem auf dem Kolonialplaneten die schlimmsten Pannen beseitigt worden waren, konnten Brown und sein Team aufatmen und einmal an Erholung und etwas mehr als eine Mütze voll Schlaf denken. Zu diesem Zeitpunkt jedoch zählte Marco schon mehr als siebenhunderttausend Einwohner. Dann wurden die ersten Familien zu den nächsten drei Schwerpunkten der neuen Heimatwelt geflogen, die nichts anderes als eine einzige riesige Baustelle waren. Terras Bevölkerungsventil hatte sich geöffnet. Die übervölkerte Erde ließ Abermillionen Menschen den Weg ins Weltall gehen. Doch war der Zeitpunkt richtig gewählt worden? Wollte man die Gefahr aus der Galaxis einfach nicht sehen? * Im Brana-Tal gab es einen Pol, der unverändert Ruhe ausstrahlte: Echri Ezbal, der Wissenschaftler, der zur legendären Figur geworden war. Der Zauberer im Brana-Tal, der Wissenschaftler, dem man das Unmögliche auch zutraute. Aber auch einem Echri Ezbal waren Grenzen gesetzt. Einundneunzig Humanoide ließen jede Untersuchung über sich ergehen, sie aßen und tranken und schliefen, aber alle Versuche, mit ihnen ein Gespräch zu eröffnen, waren fehlgeschlagen. Auch die beiden Experimente, die bis hart an die Grenze des Lebens gingen und die gegen Ezbais Willen durchgeführt wurden. Alles erfolglos. Ezbal berichtete Trawisheim persönlich über den erfolglosen Ausgang ihrer Versuche. „Wir kämen vielleicht einen Schritt weiter, wenn einer der vier Cyborgs uns mit seinen Erfahrungen helfen würde.“ „Ezbal, wir haben ihre Spur verloren. Genausowenig wissen wir, wo Shanton und Jos zu suchen sind. Sie sind ebenso verschwunden wie die Giants von ihrem Planeten. Mehr kann ich Ihnen im Augenblick leider nicht mitteilen. Aber zu einem anderen Punkt, Ezbal: Wann können wir mit den nächsten Cyborgs rechnen?“ Der weißhaarige Mediziner, der vor seinem großen Standvipho saß, schüttelte den Kopf. Ruhig blickten seine ausdrucksvollen Augen Ren Dharks Stellvertreter in Alamo Gordo an. „Vor zehn Tagen nicht, Trawisheim. Machen Sie nicht auch den Fehler und denken, im Brana-Tal gebe es eine Cyborg-Fabrik. Jeder, der meine Station als Cyborg verläßt, ist ein Wunder, und wenn ich die Phrase benutzen darf: Wunder dauern auch bei uns etwas länger als die Erledigung der anderen Aufträge.“ „Machen denn wenigstens Ihre Untersuchungen über die Mentcaps der Mysterious Fortschritte?“ Es hörte sich so an, als ob Henner Trawisheim unbedingt wenigstens eine gute Nachricht erhalten wollte.
„Wir kommen seit einem Monat keinen Schritt weiter. Wundern Sie sich darüber, Trawisheim? Ich nicht, und meine Mitarbeiter auch nicht. Man muß sich nur hin und wieder vor Augen halten, was eine Mentcap ist. Eine kleine, winzige Kugel, die sich im Magensaft auflöst und gleichzeitig das in ihr enthaltene Wissen an das Gehirn freigibt. Ein Wissen, das manchmal den Inhalt von drei bis fünf wissenschaftlichen Werken darstellt, und dazu uns bisher unbekanntes Wissen ist. Ja, Trawisheim, wir haben inzwischen herausgefunden, was die Geheimnisvollen mit den einzelnen komplizierten Molekülketten gemacht haben, aber wie sie es fertigbrachten, sie so zu verändern, daß sie dadurch Wissen speichern konnten, ist uns nach wie vor ein Rätsel. Wir haben eine Kette nachverändert und uns bei diesem Versuch genau an das Mysterious-Modell gehalten, doch bei dem Großtest gab es keinen Erfolg. Keiner, der unsere Pille schluckte, erhielt dadurch neues Wissen. Die Mysterious müssen mit ihren Mentcaps noch zusätzlich etwas ganz anderes vorgenommen haben, und damit kommt die neue Frage: Was haben sie damit gemacht? Und das wiederum wissen wir nicht. Es kann Jahre, ja, es kann Jahrzehnte dauern, bis wir das Geheimnis der Mentcaps entschleiert haben.“ „Ich will Sie nicht drängen, Ezbal. Aber bei den vielen negativen Mitteilungen täte eine positive einmal richtig gut. Glauben Sie mir, selbst ich habe manchmal genug. Aber ich möchte Ihnen trotzdem die Schwarzen Weißen noch einmal ans Herz legen. Ihnen darf nichts passieren. Es darf nicht noch einmal eine solche Panne wie mit den letzten Angehörigen dieser Rasse vorkommen.“ „Henner, Sie können mir vertrauen! Denken Sie immer daran, ich weiß sehr genau, wie es in Ihnen aussieht.“ Gelassen blickte der greise Brahmane seinem Geschöpf, dem geistigen Cyborg Henner Trawisheim, über die Viphoverbindung in die Augen. Er strahlte eine unheimlich beruhigende Kraft aus. Trawisheim meinte, dies selbst über die Entfernung von Tausenden von Meilen zu spüren. „Danke, Ezbal, danke.“ * Ren Dhark kam langsam wieder zu sich. Das Zirpen war aus seinem Kopf verschwunden, auch sein sich scheinbar auflösender Körper war wieder vollständig, nicht vergangen zu einem nebligen Etwas. Vorsichtig schaute er um sich, ein schmerzhaftes Stechen am Hinterkopf erinnerte ihn vage an ein Stolpern, Hinfallen, panikartiges Fliehen! Was war passiert und wieso lag er einfach hier vor dem Schott zur Zentrale seines Ringraumers? Dhark stemmte sich hoch, der Boden schien unter seinen Füßen zu schwanken. Er ließ sich erschöpft gegen die Wand sacken. Er benötigte Halt! Rote Schlieren vor seinen Augen machten seine Wahr-
nehmung unklar. Vorsichtig packte er sich in den Nacken. Stechender Schmerz und Nässe! Der Commander zog langsam die Hand zurück und betrachtete verwundert die rote Farbe an ihr. Blut – sein Blut. Torkelnd bewegte er sich auf das Schott zu und betätigte den Öffnungsmechanismus. In der Zentrale agierten die Männer langsam und apathisch, so als ob sie gerade aus einer lang andauernden Narkose zu sich kämen. Die Bildkugel über der langgezogenen Kommandokonsole zeigte das Bild, welches Dhark als letztes in Erinnerung hatte. „Dan“, Dharks Stimme war ein heiseres Flüstern, „Dan, was ist mit uns los?“ Der Commander sackte zusammen und verlor das Bewußtsein. Als er wieder zu sich kam, sah er seinen Freund Dan Riker und den Schwarzen Weißen, der ihm an Bord der POINT OF gefolgt war, neben seinem Pneumosessel stehen. Die beiden Männer machten bereits wieder einen munteren Eindruck. „Maitskill war hier und hat dich verarztet. Du hast eine schmerzhafte Platzwunde, aber keine Gehirnerschütterung. Der Doc wollte dich eigentlich zur Bettruhe verdonnern, aber ich habe ihm klargemacht, daß das in unserer Situation vollkommener Blödsinn wäre.“ „Danke, Dan, ich hätte nicht anders gehandelt.“ Dhark fühlte sich schon wesentlich besser. „Ren, du warst länger bei Bewußtsein, hast du etwas festgestellt?“ Nein, auch Dhark wußte nicht mehr als die anderen Besatzungsmitglieder, auch wenn er scheinbar länger ausgehalten hatte. Aus den Abteilungen kamen die Berichte zusammen. Einhellig war von silbrigen Flächen die Rede, Grillenzirpen hatte sich in den Köpfen breitgemacht, und alle hatten diese Pseudohand mit den Fingern gesehen. Danach setzte bei allen die Erinnerung aus! Dhark schritt zum Checkmaster, dem genialen Bordgehirn der POINT OF. Bislang wußte man immer noch nicht, wie er funktionierte, mancher meinte, irgendwo müsse das Gehirn eines Mysterious verborgen sein. Der Commander konzentrierte sich, stellte seine Anfrage und ging zurück zu seinem Kommandosessel. Der Checkmaster zeigte Rot -jetzt schon die fünfte Minute. Alle Menschen und der Außerirdische in der Zentrale schauten gebannt auf das Rechenwerk einer verschollenen Rasse. Zehnte Minute – immer noch Rot! Fünfzehn Minuten vergingen, dann plötzlich schaltete der Checkmaster auf Grün! Leon Bebir, mit vierunddreißig Jahren der Zweite Offizier der POINT OF, eilte sofort zum Ausgabefach und entnahm die Folie. Während er auf Dhark zuging, überflog er bereits die Antwort des Rechners. Kommentarlos übergab er seinem Commander die Folie.
Die zugriffsberechtigten Daten lassen kein deutbares Ergebnis zu! Dhark runzelte die Stirn. Dan, der ihm über die Schulter geschaut und mitgelesen hatte, polterte sofort los. „Ich weiß doch, weshalb ich diese verdammten Mysterious und ihren Blechkasten sonstwohin wünsche!“ Er machte keinen Hehl daraus, daß er den Geheimnisvollen oft nicht besonders viel Zuneigung entgegenbrachte. „Dan, was soll das heißen, ,zugriffsberechtigte Daten’?“ „Weiß ich nicht, da…“, Rikers Gesicht wurde kreidebleich. Sein Blick hing wie gebannt am Bordchrono. Ren folgte dem Blick seines Freundes, dann wurde auch sein Blick starr. 15. Juli 2057 strahlten ihnen die Ziffern scheinbar höhnisch entgegen. Aber sie waren doch bereits am 08. Juli ins Karmin geflohen! Und jetzt sollten sie sich schon eine ganze Woche hier aufhalten? Hatte etwa die Kombination Hy-Kon und Zeitverschiebung etwas damit zu tun? Was war mit ihnen geschehen, und -wann war es mit ihnen geschehen? Die letzte Erinnerung der Besatzungsmitglieder betraf die scheinbare Auflösung ihrer Körper, und bei allen war eine zeitliche Lücke vorhanden. Was in dieser Woche passiert war – wer konnte es ihnen sagen? Das Silbrige dort draußen im Karmin, auch wenn es jetzt nicht mehr zu sehen war? Oder war die Zeit einfach schneller abgelaufen, und sie hatten es nur nicht bemerkt? Die zugriffsberechtigten Daten lassen kein deutbares Ergebnis zu! „Was meint der Checkmaster damit, Dan?“ Dhark hatte sich in dem mysteriösen Spruch des Bordgehirns festgebissen. „Ren, hast du schon mal daran gedacht, was mit der LUXOR und der ARROW geschehen ist? Ob sie auch diesen Zeitsprung mitgemacht haben? Oder existieren sie eventuell von uns aus gesehen in der Vergangenheit oder vielleicht noch weiter in der Zukunft?“ Aus Dan sprach die Angst – Angst um seine Frau Anja! Und er sprach das aus, was jetzt viele Menschen an Bord des Ringraumers bewegte. Wo und wann waren sie? Dhark war froh über Rikers Frage, sie lenkte ihn von den akuten Fragen ab. Plötzlich stand wieder das Schicksal der verschwundenen Raumer im Vordergrund und wie sie alle zusammen in ihr heimatliches Weltall zurückkehren könnten. „Dan, denk einmal nicht nur an Anja, denk an uns alle. Laß dir doch auch einmal eine goldrichtige Idee einfallen!“ Dhark sprach bewußt provozierend auf seinen Freund ein – ablenken mußte er ihn jetzt. Ihm und allen anderen wieder ein Ziel geben, eine Aufgabe stellen! „Zehn Komma vier fünf.“ „Nein!“ unterbrach Dhark. „Damit können wir nie dieses Universum verlassen. Höchstens mitten ins Strahlenfeld versetzt werden, das bringt uns nichts. Ich möchte nicht noch einmal riskieren, eine Wo-
che zu verlieren. Und wenn ich dann an die Nebenwirkungen denke – dieses Zirpen und die Visionen. Nein, Dan, damit kommen wir nicht weiter. Es muß eine andere Lösung gegen. Und ich weiß, daß es sie gibt.“ Ein junger Assistenzarzt betrat die Zentrale. „Dr. Maitskill bittet Sie alle, diese Tabletten einzunehmen. Sie sollen die Nachwirkungen der Ohnmacht neutralisieren. Gleichzeitig sind sie ein Stärkungsmittel.“ Daß die Tabletten auch gleichzeitig ein leichtes Aufputschmittel und Antidepressiva enthielten, davon sagte der junge Arzt lieber nichts. „Reinders, erwähnen Sie davon um Himmel Willen nichts!“ hatte ihm Maitskill mit auf den Weg gegeben. Blitzschnell wirkte das Mittel. Schon nach kurzer Zeit erschienen die Männer in der Zentrale wesentlich gelöster und schauten optimistischer in die Zukunft. Der Commander sah plötzlich so aus, als ob er gerade von einem langen Urlaub zurückgekommen wäre. Er strahlte eine Energie und Zuversicht aus, die selbst auf Dro Cimc übersprang. Und obwohl dieser Tel, das Wesen einer humanoiden, aber fremden Rasse, nichts von der Unterhaltung verstand, faßte er auch wieder Mut und glaubte daran, bald wieder das heimatliche Universum mit seinen funkelnden Sternen vor sich zu sehen. Dhark überlegte. Das Hy-Kon-Verfahren schied aus. Der Aufenthalt in diesem nicht ausgereiften Universum hatte allen Männern an Bord eine Allergie gegen die Entdeckung weiterer Kontinua verschafft. To-Funk war versucht worden. Sle und Sternensog kamen nicht. A-Grav blieb wirkungslos. Der Checkmaster wurde erneut zu Rate gezogen. Er streikte. Wollte er etwa keine Auskunft geben? Dhark begriff es so wenig wie die anderen. „Hier stimmt etwas nicht. Seitdem wir uns in diesem roten Weltall befinden, werde ich den Eindruck nicht los, daß unser Checkmaster blockiert ist, denn er leistet weniger als ein Suprasensor, und die arbeiten nach wie vor einwandfrei.“ „Und wir wissen bis zur Stunde nicht, wie unser Bordgehirn arbeitet, noch weniger, wie das Zusammenspiel mit der Gedankensteuerung erfolgt“, erklärte Riker unzufrieden, der wieder einmal sein Mißtrauen gegen die Erbauer des Ringraumers artikulieren mußte. Der Commander winkte ab. „Wir müssen unseren Kopf benutzen, unseren Verstand.“ „Dann erkläre mir, was unter einem nicht ausgereiften Kontinuum zu verstehen ist!“ forderte Riker. „Ein Universum, in dem eine Konstante nicht stabil ist, und in diesem hier scheint die Zeitkonstante instabil zu sein oder zumindest variabel – wie sonst kommt es zu dieser verlorenen Woche!
Zufrieden?“ Dhark war es selbst nicht, aber er wollte Riker auch nicht sagen, daß er weiterhin ratlos war. Ren Dhark spielte mit seinem Wegweiser. Hin und wieder warf er der Bildkugel einen Blick zu. Das Strahlenfeld und sein leerer schwarzer Hintergrund hatten sich nicht verändert, nur daß es weder Helligkeitsschwankungen noch ein Pulsieren zeigte. Wir haben etwas übersehen, sagte sich Dhark und ging in Gedanken noch einmal durch, was alles versucht worden war. Riker riß ihn aus seinen Gedanken. „Ren, leide ich an Halluzinationen, oder nimmt das Universum eine andere Farbe an?“ Die Bordverständigung meldete sich. Astronomen und Astrophysiker waren in größter Aufregung. „Wir haben es einwandfrei mit einer Farbverschiebung nach Blau hin zu tun!“ Ein Blick in die Bildkugel bestätigte die Aussagen der Wissenschaftler. Der Raum veränderte sich zum Blau hin. Er ging durch alle Mischfarben, doch das silberhelle Strahlenfeld und der schwarze leere Hintergrund veränderten sich nicht. Das Feld leuchtete immer kräftiger, je blauer seine Umgebung wurde. „Ich bin gespannt, was sich daraus entwickelt“, murmelte Dhark vor sich hin, der wie alle anderen im Schiff durch diesen unerklärlichen Vorgang neue Hoffnungen schöpfte. Es war schon schwierig genug, sich ein Gefüge ohne Sonnen vorzustellen, aber sich plastisch ein pulsierendes Kontinuum auszumalen, das zwischen Rot und Blau wechselte, war fast unmöglich. Darum war in der POINT OF an verschiedenen Stellen die Bemerkung zu hören: „Wenn ich es nicht sähe, ich könnte es nicht glauben.“ Drei Stunden nach Beginn dieses Vorganges hatte sich immer noch nichts im Schiff ereignet. Ren Dhark wie Riker nahmen eine Handvoll Schlaf. Das Schiff war nun in der Obhut von Falluta und Bebir. Dro Cimc bekam eine kleine Kabine zugewiesen. Knapp zwei Stunden später wurde der Commander durch die Bordverständigung aus dem Schlaf gerissen. Die Zentrale forderte ihn an. Kurz darauf stand er zwischen den beiden Pilotensesseln. Die Bildkugel gab ein tintenblaues Universum mit einem silberhellen Strahlenfeld, das sich zu einem Band verbreitert hatte, wieder. Hinter seinen Ortungen hockte Tino Grappa, und seine Augen waren vor Übermüdung rot umrandet. Er hatte keine Meldung abzugeben, wohl aber die Funk-Z. Man hatte Verbindung mit der ARROW, aber der Kontakt war so schwach, daß man trotz Einschaltung der Verstärker kaum ein Wort verstehen konnte. Von der LUXOR nach wie vor keine Spur. „Was macht denn die Echokontrolle?“ verlangte Dhark zu wissen. „Nichts“, antwortete Yogan. „Manchmal meine ich, wir würden uns selbst blockieren.“ Dhark stutzte – sein Unterbewußtsein stellte eine Verbindung zu
einer noch nicht lange zurückliegenden Aussage her. Hatte er das gleiche nicht vom Checkmaster behauptet? Was blockierte was? „Falluta, ich übernehme wieder.“ Der Erste Offizier der POINT OF räumte den Pilotensitz, und der Commander nahm darin Platz. Was blockiert was? fragte er sich. Er versuchte über die Gedankensteuerung, Kontakt mit dem Checkmaster zu erhalten. Sie streikte. Und Sle streikte, weil das Triebwerk aus dem Null-Lauf nicht hochzuschalten war. Sternensog kam deswegen auch nicht. Die Flächenprojektoren waren und blieben Antennen. Alles, was direkt mit dem fremden Universum Kontakt hatte, war umgepolt. Statt Energie zu verbrauchen, erhielt die POINT OF von außen Energie zugeführt. Noch nie war der Unterhalt der Technik im Schiff so billig gewesen. Dhark ging dem Risiko nicht aus dem Weg, sich bei seinen Ingenieuren und Technikern lächerlich zu machen. „Meine Herren“, sagte er ihnen über die Verständigung, „ich habe den Verdacht, daß unser Antrieb durch Umpolung lahm gelegt worden ist. Was kann diese Umpolung ausgelöst haben? Bitte, gehen Sie meiner Frage intensiv nach.“ Er sah keine begeisterten Gesichter. Ungläubigkeit und Skepsis malten sich darauf ab, die Bemerkungen klangen auch nicht ermutigend: „Umpolung? Mehr als unwahrscheinlich. Können wir uns eigentlich nicht vorstellen. Wir werden Ihre Vermutung aber trotzdem einmal nachprüfen, Dhark.“ Dhark sagte nichts dazu. Im Gegenteil, er war froh über die Reaktion. Sie zeigte, daß an Bord noch nicht allen alles gleichgültig war. Inzwischen war der Kontakt mit der ARROW etwas besser geworden. Nun konnte man sich wenigstens schon akustisch verstehen, wenn auch die optische Übertragung immer noch kaum mehr als ein Flackern zustande brachte. Yogan schaltete auf die Zentrale. Larsens Gesicht war auf dem Schirm kaum zu erkennen, die visuelle Verbindung war noch sehr schlecht, aber seine Stimme kam gut herein. „Nein, wir haben keine Ahnung, wo wir uns befinden, noch wo die LUXOR steckt. Wir stehen über der Kante des silberhellen Strahlenfeldes, aber das ist natürlich keine Positionsangabe, mit der man etwas anfangen kann.“ Larsen lieferte eine aktuelle Lagebeschreibung, mit keinem Wort erwähnte er eine Zeitverschiebung oder gar eine fehlerhafte Datumsangabe. Auch kein Wort von Gedächtnislücken oder zirpenden Stimmen. Dhark schaltete sich ein – vielleicht würde Larsen auf Nachfrage etwas dazu aussagen. „Larsen, warum haben Sie sich mit Ihrem Schiff entgegen der
Absprache abgesetzt? Und haben Sie sonst noch irgend welche Merkwürdigkeiten festgestellt?“ Der Commander lauerte geradezu auf die Antworten seines ehemaligen Ersten Offiziers. „Wir sind abgetrieben worden, Dhark. Wir konnten nichts dagegen tun, oder sind Sie vielleicht in der Lage, Sle oder Sternensog einzuschalten? Auf meinem Kahn läuft alles verkehrt herum. Ansonsten keine weiteren neuen Vorkommnisse.“ Nichts… – aber auf der ARROW gab es also die gleichen Erscheinungen: Umpolung der gesamten Triebwerksanlage. Aber eines war schon wieder angeklungen. Gerade hatte Colonel Larsen auch von einer Blockierung gesprochen. „Ralf, gedulden Sie sich bitte einen kurzen Moment, ich habe eine Idee!“ Dhark beugte sich über das Instrumentenpult. Falluta und Bebir sahen nur, wie er eine Schaltung vornahm. Er schaltete beide Intervalle ab! Hinter seinem Rücken schrie Grappa gellend auf. „Meine Ortungen sind wieder da.“ Ralf Larsens Stimme brüllte so laut über die Verständigung in die Zentrale hinein, daß die Männer darin fast taub wurden. Elis Yogan in der Funk-Z wurde über diesen Höllenlärm leichenblaß und schaltete mit beiden Händen zugleich die beiden leistungsfähigsten Verstärker ab. „Heiliger Strohsack!“ sagte er mit zitternden Lippen, und nahm dann dem Empfang der POINT OF auch noch den halben Saft fort. Endlich klang Larsens Stimme wieder normal laut. „Hallo, Dhark, wie lange ist denn Ihr kurzer Moment? Welche Idee haben Sie überhaupt?“ Der Commander hörte ihn, aber er hatte wirklich keine Zeit zu antworten. Alle Steuerschalter in Ausgangsposition. Schalten auf Sle! Sle kam! Die POINT OF beschleunigte in dem nicht ausgereiften Universum, das tintenblau leuchtete. „Zur Hölle!“ Und Ren Dhark, der selten einen Kraftausdruck benutzte, gab sich Bezeichnungen, die nicht besonders gut klangen. „Wir hatten uns selbst alles blockiert, weil wir die Intervalle stehen ließen. Diese Mini-Welträume sind das reinste Gift in diesem Kontinuum. Larsen, hören Sie? Schalten Sie die Intervalle ab, und Ihr Schiff ist wieder ein Raumschiff!“ „Wie bitte? Dhark, was soll das? Ich kann das nicht nachvollziehen.“ Ralf Larsen klang ungläubig. Er traute den Aussagen seines Commanders nicht. „Vertrauen Sie mir, Ralf. Wer kennt schon die physikalischen Gesetze in diesem Kontinuum? Auf jeden Fall sind unsere Intervalle an Umpolung wie Blockierung schuld! Schalten Sie sofort ab.“
Dhark konnte Larsens Zweifel verstehen – seine, Dharks, Schlußfolgerungen waren einfach zu ungewöhnlich! Keine zehn Sekunden später stieß Grappa einen schweren Seufzer aus, der aber keine Qual, sondern Erleichterung ausdrückte. „Ich habe die ARROW in allen Ortungen.“ Dhark beschleunigte mit maximaler Leistung. Die POINT OF jagte durch das tintenblaue Universum los. Das Schiff gehorchte endlich wieder jedem Kommandoimpuls. Aber warum kamen sie dem silberhellen Strahlenfeld nicht näher, auf das sie zuflogen? „Grappa, stimmen Ihre Positionsangaben auch tatsächlich?“ Dhark konnte sie am Pult ablesen, aber er wollte sich doch noch einmal vergewissern, denn allmählich wurde ihm diese Sache unheimlich. Sein Ringraumer flog schon mit 0,3 Licht, aber er war dem Strahlenfeld nicht näher gekommen. „Koordinaten stimmen. Die ARROW fliegt auf uns zu.“ Nach zehn Minuten glaubte er auch daran nicht mehr. Der Abstand zur ARROW hätte laut Distanzortung nur noch 1,32 Lichtjahre betragen müssen, und Larsen, mit dem Dhark ununterbrachen in Verbindung stand, gab dieselbe Distanz durch, aber er wunderte sich auch, warum es ihm nicht gelang, die Kante des Strahlenfeldes hinter sich zu bringen. „Larsen, ich versuche eine Kurztransition. Stoppen Sie Ihren SKreuzer ab.“ Dhark traf alle Vorbereitungen für den Sprung, der ihn bis dicht an den anderen Ringraumer heranbringen sollte, aber als er dem Checkmaster die Sprungdaten abforderte, streikte das Bordgehirn. Höhnisch leuchtete seine Hauptkontrolle in Rot! „Larsen“, Dharks Stimme klang trotzdem weiterhin ruhig, „Transition unmöglich, weil ich vom Bordgehirn keine Sprungkoordinaten erhalte. Bleiben Sie aber trotzdem im freien Fall. Ich schalte auf Überlicht…“ „Okay, Dhark.“ Mit einem leichten Fingerdruck betätigte Commander Dhark die Steuerschalter. Sternensog kam. Die POINT OF wurde vom Brennpunkt im Leerraum der Ringröhre auf Überlicht gerissen. Rasend schnell stieg die Geschwindigkeit. „Na, Grappa?“ „Commander, ich gebe es auf, denn wir kommen dem S-Kreuzer keinen Meter näher. Fast möchte ich meinen, daß hier jemand hundsgemein mit uns spielt.“ Der Zeitpunkt kam, in dem die POINT OF auf die ARROW hätte stoßen müssen, aber sie war so weit von ihr entfernt wie in dem Augenblick, als beide Schiffe Sle eingeschaltet hatten, und ebensoweit von dem Strahlenfeld im tintenblauen Universum entfernt stand das Flaggschiff. Dumpf sagte Ren Dhark: „Ich glaube nun auch, daß uns irgend
jemand böse mitspielt.“ Wer oder was spielt hier mit uns? Und Ren Dhark dachte an das Zirpen und die Stimmen, die er gehört hatte. Dachte daran, daß er bislang fast immer eine rettende Idee gehabt hatte – aber jetzt versagte auch er! * Die Tel gaben das Raumschiff ZGUTH auf. Das Ree hatte die Temperatur auf mehr als siebzig Grad getrieben, und sie stieg unaufhörlich an. Die Raumanzüge konnten die Dauerbelastung nicht mehr aushallen, und die Sauerstoffvorräte gingen zur Neige! Sie waren auf Perta gelandet, einer unbedeutenden Sauerstoffwelt im Bereich des Interessengebietes der Tel. Aber auch ein Planet, der für alle Schiffe gesperrt war. Barodin! Mehr war im Sternenkatalog nicht zu lesen. Mehr brauchte kein Tel zu lesen, denn Barodin war noch schlimmer als das Ree. Barodin war nichts anderes als feinstkörniger Staub. Jedes Staubteilchen war so winzig in seinem Durchmesser, daß es ohne Hilfsmittel nicht zu sehen war. Es löste nicht einmal eine Reizung des Auges aus, wenn es gleich zu einem Dutzend hineinflog. Barodin störte in keiner Beziehung, denn einmal war dieser Staub nicht belästigend, und zweitens gab es auf einen Kubikmeter Luft höchstens acht bis zehn Staubteilchen. Es hatte nur einen Fehler: Es war ein Toxikum, wenn es die Blutbahn eines Tel erreicht hatte. Und es tötete innerhalb von drei bis fünf Wochen. Dabei ließ es sich Zeit, weil es wußte, daß ihm keine Medizin etwas anhaben konnte. Barodin gab es nur auf Perta! Und nun gab es auf Perta auch noch das Ree! Die Tel taumelten von Bord, und ihre Roboter, die den schwarzen Weißen bis auf das Blitzen der Augen glichen, räumten ebenfalls den Raumer. Der Kewir Dfasl verließ die ZGUTH neben dem Vankko. Die Doppelkugel warf einen mächtigen Schatten, der die Hälfte der Talsenke bedeckte. An ihnen vorbei schafften Roboter auf leistungsstarken Schweberplatten Ausrüstungsgegenstände von Bord. Die Tel achteten kaum darauf. Sie stiefelten durch das hohe Gras, hatten die Raumhelme ihrer Anzüge geöffnet und sogen die kühle, würzige Luft des Planeten ein. Jeder atmete tief und anhaltend lang, obwohl jeder wußte, daß mit jedem Atemzug der Tod zu ihm kam. Das Barodin empfing sie! Das Ree hatten sie mitgebracht! Das eine wie das andere war absolut tödlich. Bald würde es im Sternenkatalog nicht mehr heißen: ,Perta, gesperrter Planet – Barodin!’ Statt dessen würde zu lesen sein: ,Perta, gesperrter Planet -
Ree!’ Ein Planet, der durch das Ree bis zum Glühen angeheizt werden würde! Die ZGUTH war nahe des Äquators gelandet. Hier waren die Temperaturen ausgeglichen, und nachts sanken sie nicht unter achtzehn Grad. Zwei breite Bäche, die aus dem niedrigen Gebirge im Osten kamen, stauten sich zu einem kleinen See. Eine leichte Erhebung an der rechter Seite sollte der Platz für das feste Lager werden. Selbst der Vankko war froh, dem Raumschiff mit seinen Höllentemperaturen entkommen zu sein. Über einen kleinen Kluis wurde der Einsatz der Roboter gesteuert. Drei Offiziere und sechs Rut waren mit dieser Aufgabe betraut worden. Alle anderen kümmerten sich um die eigene Ausrüstung. Der Vankko und der Kewir sahen zu, wie drei Sender zu einer Einheit zusammengebaut wurden. In einer halben Zeiteinheit konnten sie dann den Vank und die Flotte unterrichten. Wie der Kluis ihre Botschaft auswertete, war ihnen egal. Perta wurde ihr Grab, und nach ihnen würden die Roboter verrotten oder in der Hitze verbrennen. Am Himmel stand eine kleine, weiße Sonne. Die Wolken hatten einen leichten Stich ins Grüne, aber sie wirkten nicht fremd. Ihre bauschigen Ränder erinnerten die Tel an ihre Heimatwelten. Dort war der Himmel selten wolkenlos, und wenn, dann war das kein gutes Zeichen. Oft konnten die Projektoren, die die GroßraumWetterlage schufen, mit den Naturgewalten nicht fertig werden, und meist geschah es, wenn der Himmel stundenlang ohne Wolkenbildung gewesen war. Wie ein Riese stand die Doppelkugel auf ihren mächtigen Teleskopbeinen. Man hatte A-Grav abgeschaltet, und es war zu sehen, wie sich die breiten Auslegerplatten unaufhaltsam tiefer in den Boden drückten, kein Wunder bei den Abermillionen Tonnen, die auf ihnen lagen. Nach Norden hin stand das Raumschiff schon tiefer, und immer auffälliger krängte es über. In Richtung Norden gab es die wellige Ebene, die von einigen Waldstreifen durchzogen war. Vankko und Kewir hatten auf einem geleerten Metallbehälter Platz genommen. „Vankko, warum ist Dro Cimc mit dem Fremden geflogen?“ Der Schwarze Weiße, der in allem so menschlich wirkte, winkte ab. „Mich interessiert Cimc nicht mehr. Nur die eine Frage hat Berechtigung: Wie lange haben wir zu leben, Dfasl? Im Schiff gab es keine Unterlagen über das Barodin, wie es ja auch keine über das Ree gab. Unsere Chem-Mediziner sind auch rat- und wissenlos. Eine Kontrolle der Medikamente ergab, daß nicht ein Präparat vorhanden ist, das gegen Barodin wirken soll. Ich glaube, der Terraner hat sich nicht auf einen Planeten geflüchtet. Er und seine Mannschaften werden sich wahrscheinlich an Bord zu Tode braten lassen. Sie ha-
ben den Terraner doch auch erlebt, Dfasl. Wie hat er auf Sie gewirkt?“ Vor Dfasls Gesicht erschien eine genaue Abbildung von dem Fremdrassigen, der sich Ren Dhark genannt hatte. „Dieser Terraner war wie der Kluis. Eiskalt, beherrscht, ohne jede Emotion.“ Der Vankko schüttelte den Kopf. „Nein, in meinen Augen war er ein Blender. Ein terranischer Kewir, der das Glück hatte, drei Raumschiffe zu kommandieren.“ Verwundert musterte Dfasl seinen hohen Vorgesetzten. Hatte der Vankko schon alles vergessen, oder wollte er alles vergessen? Dachte er nicht mehr an die vielen hundert Raumschiffe, die sich durch eine Hypno-Waffe der Terraner gegenseitig selbst vernichtet hatten? Hatte der Vankko die Riesenanstrengung vergessen, die man unternommen hatte, um das verhaßte Schiff zu vernichten? Ein Schiff, wie es früher die Rakes geflogen hatten? Um sie herum war es nicht leise. Schwere und schwerste Aggregate wurden zu Boden gelassen. Überall war ein Kommen und Gehen von Schwebeplatten. Überall arbeiteten Roboter, während die Tel sich langweilten und darauf warteten, bis die ersten Bauten zusammengesetzt waren. Im Schiff befand sich niemand mehr. Dort war es für sie, trotz der geöffneten Schleusen, vor Hitze nicht mehr auszuhalten. Nur den Robs machte das Ree nichts aus. Noch nicht. Da schüttelte sich der Boden. Aus den Tiefen kam Brüllen. Ein Knirschen breitete sich aus, ein gemeines, widerlich anzuhörendes Knirschen. Erschrocken drehten sich die Tel herum. Der Vankko und der Kewir waren aufgesprungen. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Jemand hatte im Angesicht des nahenden Todes geglaubt, auf elementare Sicherungsvorkehrungen verzichten zu können. Eine Nachlässigkeit, die unverzeihlich war, wurde zur Katastrophe! Im Sektor Ost waren die Teleskopbeine in einen Hohlraum dicht unter der Oberfläche eingebrochen, und die Stützen an den Rändern rasten nun regelrecht in die Tiefe. Die riesige Doppelkugel neigte sich ihnen gefährlich schnell zu. Die ZGUTH drohte umzustürzen! In Richtung auf das Lager, auf den kleinen See und die beiden Bäche, in Richtung der unersetzlichen Geräte, die von Bord geschafft worden waren! Tel brüllten unter panischem Entsetzen auf. Der Vankko und der Kewir kamen mit ihren Kommandostimmen nicht mehr durch. Und plötzlich verstummten sie. Die ZGUTH stürzte um! Vorn brach sie immer tiefer ein! Im Sektor West rissen die Teleskopbeine mit den schweren Auslegern aus dem Boden! Das Unglück war nicht mehr aufzuhalten. Flucht war die einzige Rettung, und das bedeutete, alles liegenund stehenzulassen.
Da kippte der Doppelkugelriese um! Nicht lautlos, sondern unter einer unbeschreiblichen Geräuschorgie! Ausgefahrene Rampen wurden wie dünnes Blech verbogen. Turmdicke Teleskopbeine knickten wie Streichhölzer zusammen. Tonnenschwere Erdbrocken flogen durch die Luft. Vorn krachte der linke Kugelrumpf gegen den Boden. Der rechte befand sich mit der Polkappe noch in zehn Metern Höhe. Nach allen Seiten rasten die Tel davon. Nur die Robs blieben. Sie kannten keine Gefühle. Sie kannten nur ihr Programm, und dem gehorchten sie. Nicht einer von ihnen drehte sich nach der ZGUTH um. Nicht einer wunderte sich, daß die Rampen zum Teil verbogen waren, zum Teil sinnlos hoch in die Luft ragten. Die Robs steuerten die Schweberplatten an das Raumschiff heran oder verließen es durch die großen Schleusentore. Da war das Schicksal des gigantischen Raumschiffes entschieden! Seine Kippbewegung, die für eine kurze Brucheinheit verhalten zögernd gewesen war, bekam plötzlich Schwung. Die Luft stieß einen eigenartigen, wehleidigen Laut aus. Dann kam ein Fauchen, das in der Tonlage immer höher ging, und dann kam der Doppelrumpf des telschen Schiffes. Der Planet Perta zitterte, als Abermillionen Tonnen Schwermetall aufschlugen. Pertas Oberfläche gab nach. Ein paar tausend Tonnen Geräte und Aggregate verschwanden. Der kleine Stausee war nicht mehr, und zwei breite Bäche hatten kein Bachbett. Roboter waren in den Boden gestampft worden. Der kleine Kluis hatte aufgehört, Kommandoimpulse auszustrahlen, aber auch mehr als dreißig Tel waren der Katastrophe nicht entkommen. Doch sie hatten es überstanden – das Barodin und das Ree. Langsam näherten sich der Vankko und der Kewir dem Wrack. Die anderen standen schon herum. Dfasl setzte einen Fuß auf die Kugel einer Strahlantenne, die sich zu neun Zehnteln in den Boden gebohrt hatte. „Die Götter strafen grausam.“ Der Vankko war Atheist. „Hören Sie mir mit diesen alten Knaben auf, Dfasl. Die beiden Idioten, die bestraft werden müßten, sind Sie und ich. Und sehen Sie sich einmal das Schrottlager an.“ Mit der Hand deutete er in die Runde. Wohin sie sahen, lagen zerstörte Roboter. Nur ein paar irrten ziellos herum. Kein einziger Impuls sagte ihnen, was sie zu tun hatten. Der umgestürzte Schiffsriese zitterte. Grollen kam erneut aus der Tiefe. Entsetzt jagten der Vankko und der Kewir davon. Keinen Augenblick zu früh. Sie hatten mit dem Landeplatz ihres Schiffes ausgesprochenes Pech. Die ZGUTH war am Rand eines unterirdischen Hohlraumes gelandet, der an einer Stelle dem Druck von Abermillionen Tonnen plötzlich nachgegeben hatte. Als Resultat war das Raumschiff gekentert, doch dann hatte der Aufprall eine zweite Katastrophe ein-
geleitet. Die Decke des Hohlraumes mußte an vielen Stellen gerissen sein. In einem Vorgang brach sie zusammen, und mit ihr stürzte die ZGUTH in die Tiefe. Perta schüttelte sich, als ob der Planet auseinanderreißen wollte, und zum Beben kam ein unheimlicher Ton aus der Tiefe. Ein langgezogener Schrei, der in ein Wimmern überging. Die ZGUTH ertrank! Die ZGUTH lief voll Wasser! Die ZGUTH war in einen unterirdischen See gestürzt! Von dem Raumschiff war keine Spur mehr zu sehen! Über Perta stand eine kleine weiße Sonne, und in ein riesengroßes, dunkles Loch flossen die Wasser von zwei breiten, glasklaren Bächen. Tonlos sagte Vankko, nachdem sich sein schnelles Atmen wieder gelegt hatte: „Jetzt brauchen wir uns weder um das Ree, noch um das Barodin Sorgen zu machen. Jetzt wird der Hunger an ihre Stelle treten, und ich glaube, daß es damit schneller geht.“ Der Kewir starrte auf das riesige schwarze Loch, in das sein stolzes Schiff verschwunden war. Er wagte sich nicht bis an den Rand heran. Der Boden zitterte hier und da noch, und in gespenstischer Lautlosigkeit lösten sich an vielen Stellen überhängende Brocken, die dann in die Tiefe stürzten. Doch das Aufklatschen auf der Oberfläche des unterirdischen Sees kam nicht zu ihnen herauf. „Wo-wo sind…?“ Wortlos deutete der Vankko in die Tiefe. Es war ein Wunder, daß sie nicht auch dort unten lagen. „Oder ist es die Strafe der Götter?“ brachte der Kewir über die Lippen. Der Vankko hütete sich, jetzt die Götter mit alten Knaben zu vergleichen. Er zuckte mit den Schultern und atmete dabei laut und tief. Drei bauschige, schwach grünlich aussehende Wolken trieben lautlos am Himmel dahin. Ihnen machte das große schwarze Loch im Boden nichts aus. Langsam verschwanden sie in der Ferne, und mit ihrem Verschwinden ging auch die Hoffnung der zum Tode verurteilten Tel dahin. Perta, der gesperrte Planet. * Ein Weltall spielte mit Raumschiffen aus einem anderen Universum! Aber die Menschen in diesen Raumschiffen gaben nicht auf, sie wollten nach Hause, sie wollten wieder die Sterne ihrer Galaxis sehen, sie hatten genug von diesem nicht ausgereiften Gefüge, das nun tintenblau war und ein silberhelles Strahlenfeld besaß. Larsen meldete sich wieder von seinem S-Kreuzer.
„Dhark, Sie haben bisher mit keinem Wort das Vario erwähnt. Daraus darf ich wohl schließen, daß es auf Ihrem Schiff ebenso verschwunden ist wie auf meinem Kahn?“ Bild und Ton Verständigung waren gut, seitdem die Schiffe ihre Intervalle abgeschaltet hatten. Dhark betrachtete interessiert die automatisch eingeblendete Datumsangabe und die Uhrzeit – dann zuckte er leicht zusammen, hielt für einen kurzen Moment die Luft an. 10. Juli 2057 zeigte das Datum an. Es gab an Bord der ARROW kein Zeitchaos! Deshalb auch keine Bemerkung Larsens in dieser Richtung. Aber bevor Dhark sich weiter auf dieser Phänomen konzentrieren konnte, entschwand es bereits wieder seinem Gedächtnis – trat wieder in den Hintergrund und machte dem aktuellen Geschehen Platz. „Das Vario?“ echote Ren Dhark auf die Frage des Colonels hin und nickte. Er hatte wirklich nicht mehr daran gedacht, auch nicht an die Tatsache, daß es auch auf den beiden S-Kreuzern gewütet hatte. „Ja, Larsen, bei uns ist es verschwunden.“ „Hoffentlich auf der LUXOR auch. Dieses Universum ist ihm wohl nicht bekommen.“ Dhark horchte auf. Von dieser Seite her hatte er den Fall noch gar nicht betrachtet. Dem Vario sollte das tintenblaue Universum nicht bekommen sein? Er betrachtete die Bildkugel und zerbrach sich wieder den Kopf, wie es möglich war, daß sich ein Universum in seinem Aussehen verändern konnte. Eigenartigerweise hatte das Tintenblaue aber keine versteckte Drohung zum Inhalt, und das immer noch in seinem Strahlen kräftiger werdende silberne Feld gab dem Ganzen einen romantischen Anstrich. Unverändert aber blieb die Tatsache, daß sich die POINT OF und Larsens ARROW um keinen Meter näher kamen, obwohl Sie wie Sternensog einwandfrei arbeiten sollten. Gezielte Transitionen waren nicht möglich, weil der Checkmaster in diesem physikalischen Bereich keine Sprungkoordinaten erstellte. Eine Blindtransition wagte der Commander nicht durchzuführen, weil ihm niemand sagen konnte, an welchem Platz der Ringraumer wieder rematerialisieren würde. „Es muß irgendeinen Weg geben, dieses unausgereifte Universum zu verlassen, ich bin mir ganz sicher!“ Dhark hatte diesen Satz vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen von sich gegeben. Sein Gesicht drückte Entschlossenheit aus, er war bereit, alles zu geben! Aber was und wie? Über den Weg war er sich immer noch nicht im Klaren. Dan verstand seinen Freund nicht. „Das wissen wir doch, Ren, du wiederholst dich. Außerdem kommen wir bei allen Versuchen keinen Schritt weiter.“ „Ich glaube, daß es nur an uns liegt, diesen nicht ausgereiften Weltraum wieder zu verlassen.“ Dhark grübelte über diesen Gedan-
kengang nach. „Aber nur mit der LUXOR!“ Die beiden Freunde sahen sich an. Ren Dhark lächelte schwach. Dan Rikers Augen glühten. Er dachte an seine Frau, die sich auf der LUXOR befand, und von diesem S-Kreuzer hatte man kein Lebenszeichen mehr gehört. War die Besatzung durch das Vario der Tel vernichtet worden? „Dan, ist es nicht seltsam, daß Larsen mit keinem Wort etwas zu ihm fehlender Zeit und Grillenzirpen von sich gibt. Ob bei ihm nichts vorgefallen ist? Und ist dir eigentlich schon einmal aufgefallen, daß hier an Bord der POINT OF nach anfänglichem Rätseln dieses Thema plötzlich überhaupt nicht mehr zur Debatte steht! Dan, ich glaube, da steckt noch viel mehr dahinter als wir augenblicklich wissen. Ich würde zu gerne wissen, was wirklich in und mit der verlorenen Zeit geschehen ist.“ Über die Bord Verständigung meldete sich die physikalische Abteilung. Der Kontinuumexperte Fedorewitsch verlangte dringend den Commander zu sprechen. Dharks Erklärung wurde unterbrochen und damit auch wieder einmal sein Wunsch nach weiterer Analyse des Vergangenen. Auch Riker verspürte keinen Bedarf nach weiteren Fragen zu diesem Thema. Der Commander hatte inzwischen die Sichtverbindung freigeschaltet. Ivan Fedorewitsch, ein etwas schmalbrüstiger Mittvierziger mit schütterem Haar, der leicht gefärbte biologische Kontaktlinsen trug, zeigte rotleuchtende Augen. „Commander, Sie haben von Umpolung gesprochen und diese Bemerkung auf die POINT OF bezogen. Ihr Verdacht läßt sich nicht beweisen. Aber von diesem Gedanken ausgehend, habe ich eine Untersuchungsreihe anlaufen lassen. Meine Kollegen und ich sind damit noch nicht zum Ende gekommen, doch jetzt schon zeichnet sich eindeutig ab, daß im Tintenblauen umgepolte Verhältnisse herrschen.“ Ivan Fedorewitsch sprach etwas langatmig, und Ren Dhark war noch nie ein Freund von langatmigen Reden gewesen. „Bitte, Fedorewitsch, kommen Sie zur Sache! Wie haben wir die Umpolung zu verstehen?“ Dhark klang leicht ungeduldig. „Wir haben bis jetzt erst einen Testzweig abschließen können. Aus dem Resultat ergibt sich, daß sich die POINT OF nur durch Transition bewegen läßt. Darunter aber ist zu verstehen, daß es hier die Transition nicht gibt.“ In Dharks Augen blitzte es verärgert auf. Sein Bedarf an Halbwahrheiten war gedeckt, und noch weniger wollte er Unsinn hören. Er fing ja bereits selber schon an, allen möglichen Hirngespinsten nachzulaufen. „Fedorewitsch, darf ich Sie daran erinnern, daß wir…“ Er wurde von dem Redeschwall des Kontinuumexperten bereits im
Ansatz unterbrochen. „Ich weiß, was Sie sagen wollen, Commander, und gerade darum bitte ich Sie, sagen Sie es nicht. Die einzige Möglichkeit in diesem nicht ausgereiften Universum, sich von der Stelle zu bewegen, ist das Verfahren, das wir in unserem RaumZeit-Gefüge als Transitionstechnik bezeichnen. Sle und Sternensog, auch wenn sie scheinbar einwandfrei arbeiten, heben sich in ihrer Wirkung auf, weil die durch die Flächenprojektoren abgestrahlte Energie ohne jeden Verlust augenblicklich zur POINT OF zurückfließt. Dieser Kreislauf erzeugt keine Wirkung, weil es ein in sich vollkommen geschlossener Kreis ist. Allein die Sprungenergie kommt zum Tragen, doch auch die wiederum nur stoßweise.“ Ivan Fedorewitsch redete noch zehn Minuten eindringlich auf den Commander ein. Manchmal fiel es ihm schwer, sich so auszudrücken, daß er auch verstanden werden konnte. Mehrfach hatte Dhark Fragen gestellt, weil er dem Wissenschaftler nicht hatte folgen können. „Wann sind Sie mit Ihrer Untersuchungsreihe fertig, Fedorewitsch?“ Dhark nutzte eine kurze Atempause des Mannes, um das Gespräch vielleicht zu einem baldigen Ende zu bringen. Schulterzucken und eine hilflose Geste mit den Händen. „Das kann ich nicht sagen, Commander. Sechs bis acht Stunden benötigen wir bestimmt noch, wenn nicht mehr.“ „Okay, Fedorewitsch, ich will Sie unter keinen Umständen drängen, zu einem Gesamtresultat zu kommen. Ich weiß, daß Sie und Ihre Kollegen alles Menschenmögliche versuchen. Und ich weiß auch, daß es nichts Schlimmeres für einen Wissenschaftler gibt, als unter Zeitdruck zu stehen. Meistens kommt unter solchen Verhältnissen nicht viel dabei heraus. Schließen Sie mit Ihren Kollegen die Untersuchungsreihe ab, und informieren Sie mich dann.“ Blitzschnell beendete Dhark das Gespräch, froh darüber, dem Redeschwall erst einmal entkommen zu sein. Riker grinste seinen Freund von der Seite her an. „Die Geister, die ich…“, begann er, da winkte Dhark schon lachend ab. „Komm, Dan, ich habe Hunger, und du doch bestimmt auch. Im Augenblick sind wir in der Zentrale entbehrlich.“ Er gab das Kommando über das Flaggschiff an Falluta ab, und Leon Bebir nahm Rikers Platz ein. Es war auch höchste Zeit, die Messe aufzusuchen, um etwas gegen das quälende Hungergefühl zu unternehmen. Dan Riker, sonst immer ein guter Esser, hatte keinen besonders großen Appetit. Die halbe Portion ließ er auf dem Plastikteller stehen. Den Cappucino trank er nicht. Seine Gedanken waren bei seiner Frau, die sich auf der vermißten LUXOR befand. Ren Dhark ahnte die Gedankengänge seine Freundes und tat gar nichts, um ihn in seinen Gedanken zu stören. Er aß langsam sein Cordon bleu und nahm dann den Nachtisch zu sich. Ein doppelter Kognak beschloß das Mittagessen, das beide um sieben Stunden zu spät einnahmen.
„Dan, haben wir der Tatsache zu wenig Bedeutung beigemessen, daß sich die beiden S-Kreuzer gegen ihren Willen von der POINT OF entfernten?“ Riker wurde durch Dharks Frage aus den Gedanken gerissen. „Ich ahne, was du damit sagen willst. Wir entfernen uns doch jetzt nicht mehr von der ARROW, aber wir müßten uns eigentlich ununterbrochen entfernen, wenn sich hier wirklich alles in einem uns unerklärlichen Fluß befände.“ Es war unheimlich schwierig, sich auf das tintenblaue, nicht ausgereifte Universum einzustellen. Hier mußten physikalische Gesetze herrschen, die buchstäblich vieles auf den Kopf stellten. Ivan Fedorewitsch hatte es mit seiner Behauptung deutlich gemacht, daß die Schiffe nur durch die Transitionstechnik zu bewegen seien, aber dann dürfe man sich unter Transition nicht die allgemein gewohnte Fortbewegungsart vorstellen. Was denn? Darauf wußte der Wissenschaftler noch keine Antwort. Er hatte sich hinter seine Untersuchungsreihe verschanzt, die noch nicht zu Ende geführt worden war. „Ren, hast du den Tel hin und wieder beobachtet?“ Überrascht blickte Ren seinen Freund an. „Nein! Warum diese Frage?“ „Ich konnte ihn mehrfach unauffällig beobachten. Cimc scheint etwas zu wissen, aber er wagt nicht, mit seinem Wissen herauszurücken. Es wäre allerdings auch möglich, daß er die Verständigungsschwierigkeiten scheut. Ich wundere mich übrigens, warum wir immer noch nicht den ratekischen Translator in die Zentrale haben schaffen lassen.“ Dhark schüttelte den Kopf über seine Unhöflichkeit dem Schwarzen Weißen gegenüber. „Stimmt, Dan, irgendwie ist dies bei den Ereignissen der letzten Stunden untergegangen. Den Fehler können wir schnell beseitigen, nur kann ich mir schlecht vorstellen, was Cimc wissen sollte.“ „Sei nicht so überheblich, mein Lieber,“ mahnte ihn Riker. „Die Tel kreuzen schon ein paar Jahrhunderte durch den Sternenraum. Daran gemessen halten wir uns erst ein paar Sekunden zwischen den Sonnen auf. Ihre Erfahrungen sind größer, und es wäre doch ein Wunder, wenn es ihnen in all diesen Jahren kein einziges Mal gelungen wäre, in ein fremdes Universum einzubrechen und wieder zurückzukommen.“ Die Bordverständigung in der Messe unterbrach mit dröhnender Durchsage die Diskussion der beiden Freunde: „Commander Dhark, Commander Dhark, sofort in der Zentrale melden! Bitte sofort melden.“ „Ja, hier Dhark. Ich höre.“ Gespannt lauschte auch Dan Riker. Beide hatten sich zum Bildschirm umgedreht, der leicht flackerte und nun Walt Bruggs Gesicht zeigte.
„Dhark, Riker, wir haben Kontakt mit der LUXOR, aber der SKreuzer befindet sich nicht mehr hier. Er steht im Halo vor Spiralarm 1/A und ruft mit Hilfe eines nogkschen Senders durch! Ich stelle um!“ Das war nicht zu fassen! Der S-Kreuzer LUXOR hatte das tintenblaue Universum verlassen und stand im sternenarmen Raum vor der Galaxis und funkte mit einem Sender der Nogk? Janos Szardaks Gesicht war auf dem Schirm sehr gut zu sehen. Die Sendung kam mit Güteklasse 1 herein! Auch das war unverständlich! Oder sollten die Nogk auch einen Materiesender besitzen? Hatten sie mit seiner Hilfe einen doppelten Strukturbruch erzeugt, um durch die labile Zone einen Hyperfunkspruch zu schicken? „Janos, bin ich vielleicht froh, Sie und Ihre Mannschaft gesund zu sehen. Wie haben Sie es geschafft?“ Dhark fiel bei Szardaks Anblick ein Stein vom Herzen. Er hätte es nur schwer verkraften können, den Mann mit dem scheinbar emotionslosen Blick und der künstlichen Nase in Zukunft vermissen zu müssen. „Wir sind geschafft worden, Dhark. Tut mir leid, daß ich Ihnen nichts anderes erzählen kann. Wir wurden bewußtlos und als wir wieder zu uns kamen, standen wir vor 1/A…“ „Und das Vario, Szardak?“ Dhark ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken. „Ist an Bord nicht mehr festzustellen, nachdem es uns den Kahn gut angeheizt hatte. Was sollen wir jetzt tun? Auf Ihr Schiff und die ARROW warten? Übrigens, ist Riker greifbar? Seine Frau möchte mit ihm sprechen.“ Dan konnte sich noch nicht melden. „Seit wann befinden Sie sich wieder im heimatlichen Kontinuum, Janos?“ „Seit gut einer Stunde.“ „Wie schaffen Sie es, mit uns zu sprechen?“ „Darüber haben die Nogk uns keine Auskunft gegeben. Aber sie scheinen das Universum zu kennen, in dem Sie stecken. Anschließend an unser Gespräch wollen sie mit Ihnen reden.“ „Geben Sie mir jetzt bitte die Nogk, Janos.“ Der Bildschirm flackerte. Colonel Szardaks Gesicht verschwand. Sekundenlang blieb die Scheibe leer, doch plötzlich war ein Nogk zu sehen. Das Wesen mit dem Libellenkopf und den Fühlern erschien dem Commander undurchschaubar wie immer. Der Nogk sprach über Translator. So ging keine Zeit verloren. „Commander, der Rat des Imperiums grüßt dich, und er ist erfreut, daß er ein wenig tun kann, um seinen Dank an Terra abzustatten. Durch Janos Szardak haben wir erfahren, wo ihr euch aufhaltet. Darum bittet der Rat des Imperiums, keinen Versuch zu machen, dieses Universum zu verlassen. Wir bereiten einen Weg vor, der es
euch ermöglicht, leicht ins heimatliche Kontinuum zurückzukehren. Aber hütet…“ In Dharks Kopf breitete sich ein Rauschen aus, das sofort jede Wahrnehmung unmöglich machen. Der Commander lauschte in sich hinein. Leise, ganz leise klang das altbekannte Grillenzirpen auf, wurde lauter und überlagerte das Rauschen. Füllte letztendlich den Kopf vollkommen aus und übertünchte alle anderen, eigentlich viel stärkeren Wahrnehmungen. Auch Riker blickte teilnahmslos vor sich hin, die Worte fanden Zugang zu seinen Ohren, aber der Zugang zu seinem Verstand schien blockiert. Alle Männer und Frauen an Bord des terranischen Flaggschiffes befanden sich in einem Zustand der Apathie! „…zurückgeholt!“ Dhark sah wieder klar, für ihn hatte keine Unterbrechung des Gespräches stattgefunden. Er hatte nur verstanden, daß der S-Kreuzer von den Nogk in Sicherheit gebracht worden war. Der Libellenkopf des Nogk bewegte sich nicht. Leicht war das Funkeln der Facettenaugen. Die exotische Mischung zwischen einem Insekt und einem Reptil gab nicht zu erkennen, ob ihm das Verhalten seines Gesprächspartners merkwürdig oder normal vorgekommen war. Und Dhark konnte das Spiel der Fühler auf dem Libellenkopf nicht interpretieren. Vielleicht hätte Huxley, der beste Kenner des Nogk-Volkes und Mitglied des Rates des Imperiums, etwas aus den Bewegungen der vier Fühler deuten können. Aber der befand sich mit dem kläglichen Rest seines Ringraumergeschwaders auf dem Rückflug nach Terra. „Wir holen euch in wenigen Minuten eurer Zeitrechnung zurück. Ich habe meinen Auftrag erfüllt.“ „Stop!“ rief Dhark. „Mit wem habe ich gesprochen?“ Doch der Bildschirm war leer und blieb es auch. Der Nogk war verschwunden. Walt Brugg meldete sich. „Die Funkverbindung sowohl mit der LUXOR wie mit den Nogk ist abgerissen, auch zur ARROW wird sie zusehends schlechter.“ Eine halbe Minute darauf brach sie vollkommen zusammen. Die POINT OF und der S-Kreuzer waren wieder getrennt, die Verbindung ins heimatliche Universum war schon vorher wieder unterbrochen worden. Dhark und Riker hasteten über das Hauptdeck in die Kommandozentrale zurück. Wenn in wenigen Minuten das eintrat, was der Nogk als Sprecher des Rates des Imperiums ihnen mitgeteilt hatte, dann wollten sie an verantwortlicher Stelle im Schiff sitzen. Das Schott zur Zentrale verschwand leise summend in der Wandung. Ren Dhark sah Falluta und Bebir in den beiden Steuersesseln sitzen. Drei Offiziere verrichteten ihren Dienst am Checkmaster. Wer Dro Cimc, der Tel, drehte sich nach ihnen um und schaute die bei-
den Männer fragend an. Aber immer noch bestand keine Möglichkeit einer Verständigung zwischen den Angehörigen der beiden fremdrassigen Völker! Gleichzeitig ertönte von allen Seiten ein Brausen, das heranraste und dabei lauter wurde. Das Brausen wurde von klirrender Kälte begleitet. Beides fraß Licht, denn unaufhörlich wurde es dunkler. Dharks einziger Wunsch war, seine Augen weit aufzureißen, weil er in der Zentrale kaum noch etwas erkennen konnte. Schwankte er oder schwankte der Leitstand? Unwillkürlich streckte er die Arme aus. Er wollte sich festhalten, doch seine Hände griffen ins Leere. Schon verlor er das Gleichgewicht. Daß die anderen bereits am Boden lagen und sich nicht mehr rührten, nahmen seine Sinne nicht mehr wahr. Ich falle! dachte er, aber das Fallen löste kein Erschrecken in ihm aus. Er nahm es als etwas Selbstverständliches hin. Den Aufprall bemerkte er nicht mehr. Er lag neben Dan auf dem Boden, wie jeder in der POINT OF und in der ARROW. * 8:34 Uhr Normzeit. Weisheit an Ren Dhark, Terra! Unsichtbare Stationen haben fast alle Raumhäfen Esmaladans zerstört. Die Weisheit bittet Terra um schnellste Hilfe. Die utarische Flotte ist schon zu zwei Dritteln vernichtet, und es ist ihr in diesem Kampf nicht gelungen, dem Gegner nennenswerte Schäden zuzufügen, oder ihn aufzuhalten. Unser planetarischer Schutzschirm besteht nicht mehr. Alle Städte sind dem unbekannten Gegner schutzlos preisgegeben. Wenn Terra uns nicht hilft, gibt es morgen keine Utaren mehr. Weisheit 8:36 Uhr Normzeit. Funkspruch von Ast-108 an Stab der TF. Seit dreißig Sekunden keinen Funkkontakt mehr mit Ganymed, Pluto und allen Ast-Stationen des Saturn und Neptun. Starke Störungen im Bereich der Ortungen. Physikalische Phänomene sind nicht zu entschlüsseln. Ast-108, Kajus, Major 8:40 Uhr Normzeit. Funkspruch von Dockyard an den Stab der TF. Bei Aufklärungsexpeditionen zwei weitere unterirdische Fabrikationsstätten für Ringraumer gleicher Bauart auf Dockyard entdeckt. Dort ruht ebenfalls die Herstellung. Brauchen dringend zwei Kompanien samt dazugehörigem schweren Gerät zum Sichern der Werften, ansonsten keine Gewährleistung von Abwehr einer möglichen Invasion der Schwarzen Weißen oder anderer Außerirdischer.
Fuller, Sicherheitschef auf Dockyard Er sah nicht nur wie ein Azteke aus, er war einer: Ember To Yukan. Goldbraun seine Haut; das hagere, langgestreckte Gesicht mit der Hakennase und dem schmallippigen Mund war voller Falten. Ganz kurz war sein blauschwarzes Haar geschnitten, das einen scharfen Kontrast zu seinen grauen Augen bildete, deren Pupillen einen Stich ins Rötliche aufwiesen. Ember To Yukan, der Spezialausbilder für alle Männer im BranaTal, die sich freiwillig gemeldet hatten, um Cyborg zu werden. Er machte sie körperlich fit, Hochleistungen zu erbringen. Er war ihr Trainer. Er war der Mann, der sie gnadenlos trimmte und schon im Vorfeld sagen konnte, ob dieser oder jener Kandidat einmal befähigt sein würde, ein Anwärter auf eine Umwandlung zum Cyborg zu sein. Es war kein leichtes Amt, und mehr als einmal hatte er die Last der Verantwortung gespürt. Es gab so viele junge Männer, die voller Hoffnung zu seinem Training kamen, die alle Brücken hinter sich abgebrochen hatten, und die dann, oft schon nach wenigen Tagen, enttäuscht wieder abreisen mußten. Nur die Besten waren dazu auserkoren, vielleicht einmal zu einem Cyborg umgewandelt zu werden, einem Menschen, den eine utopisch lange Lebensspanne erwartete. Und selbst wer unter To Yukans Augen Gnade fand, konnte immer noch bei einem der nächsten Tests ausgemustert werden! Der achtundvierzig Jahre alte Mann, der über Transmitter nach Alamo Gordo gekommen war, um im wissenschaftlichen Forschungszentrum einige unaufschiebbare Dinge zu erledigen, hatte einen Jett benutzt und war zum Raumhafen hinausgeflogen. Er mußte sich noch einmal Cent Field, das ins Riesenhafte gewachsen war, ansehen, und er wollte in rund zwei Stunden im Offizierskasino des Raumhafens, das am anderen Ende lag, eine alte Freundin treffen, die er lange nicht mehr gesehen hatte, an der ihm aber sehr viel lag. Ember To Yukan zog den Jett hoch, programmierte sein Ziel ein und schaltete auf maximale Leistung. Entspannt lehnte sich der Ausbilder zurück. Der Kurs stand auf Ende des Platzes. Vor zwei Jahren konnte man noch von einem Ende zum anderen sehen. Inzwischen mußte man einen Jett zur Verfügung haben, um die Anlage wenigstens in einer Stunde zu umrunden, und dennoch war Cent Field, der zentrale Raumhafen der Erde, immer noch viel zu klein. Die ersten in der Sonne funkelnden Hüllen der eroberten S-Kreuzer tauchten auf. Jeder für sich ein genaues Ebenbild der POINT OF, dem phantastischen Flaggschiff des Commanders. Äußerlich ja, aber das Innenleben dieser Ringraumer glich leider nicht dem der POINT OF! Die S-Kreuzer waren allesamt auf terranische Bedürfnisse umgerüstete Robotkreuzer, die aber trotzdem ein Vielfaches der Kampfkraft eines Kugelraumers hatten.
Die CORLEONE erschien in seinem Blickfeld. Auf einem Kugelraumer gleichen Namens, einem 400 Meter durchmessenden Beuteraumer der Giants, hatte er gedient – zusammen mit seinem Studienkollegen Will Pennstick! Der Aztekennachkomme wußte, daß Pennstick den eigenwilligen Raumernamen bei seinem Kommandoantritt mit übernommen hatte. Blauviolett schimmerte das Unitall, jenes phantastische Kunstprodukt der Mysterious. Der Schriftzug des S-Kreuzers prangte in großen, gelben Lettern. „Jett 34-TT-5, fliegen Sie höher. Dreihundertzehn Meter sind vorgeschrieben, und dabei bitte genau auf Schneise Lombard 65 bleiben!“ Die Stimme aus dem Empfang klang unnachgiebig und streng. Der Tower hatte bemerkt, daß To Yukan mit seinem Jett die Schneise verlassen hatte. Er zog ihn wieder hoch, regulierte den Kurs und raste in gut drei Kilometer Entfernung an der CORLEONE vorbei. Das Ende des Hafens tauchte auf, mit ihm die Silhouette des Kasinos. To Yukan landete im Schatten eines 400 Meter durchmessenden Kreuzers der Planetenklasse, stieg aus und sah sich um. Die Rampe des Kugelraumers war ausgefahren. Zwei Mann schoben davor Wache. Yukan schaute auf seinen Chrono. Er hatte noch neunzig Minuten Zeit bis zu seinem Treffen mit Ellen Cox. Zeit genug für einen kleinen Abstecher. Zeit genug, um mit seinem Freund Will Pennstick kurz auf alte Zeiten und Erlebnisse anzustoßen – die Vergangenheit für einen Moment wieder aufleben zu lassen! Ember hatte es nicht weit zur CORLEONE. Im letzten Landemanöver hatte er dicht über dem Plastikbeton eine scharfe Kurve gezogen und war dadurch bis auf achthundert Meter an den Unitall-Raumer herangekommen. To Yukan, der im Brana-Tal in 3.200 Metern Höhe andere junge Leute fit machte, und dabei nie mehr von ihnen verlangte, als er selbst zu geben vermochte, spurtete los. Zwischen den schweren Teleskopbeinen der 3-034 hindurch, vorbei an den Wachen, die ihm gelangweilt nachsahen. Kaum hatte er den Schatten des Ringraumers verlassen, legte er zwischen den geparkten Schiffen den Kopf in den Nacken und starrte in den Himmel. Woher kam dieses eigenartige Singen? Über ihm war doch etwas?! Aus dem Nichts kam der Kampfstrahl. Von dort, wo nichts war, und dennoch hatte Ember To Yukan dort etwas gesehen. Etwas Riesengroßes mit verschwommenen Umrissen. So groß, daß er daran gezweifelt hätte, wäre der mörderische Kampfstrahl nicht gewesen. Der vom Luftdruck zur Seite gewirbelte Offizier handelte eiskalt. Blitzschnell aktivierte er im Liegen sein Armbandvipho, schaltete auf die allen Viphos einprogrammierte Notfrequenz und brüllte, die tosenden Luftmassen übertönend: „Alarm! Angriff aus dem Raum
über…“ Cent Field wurde angegriffen! Die Erde! * Die Luft brüllte und dröhnte! Zwei S-Kreuzer gingen im vernichtenden Strahlfeuer unter. Der Plastikbeton wurde an vielen Stellen flüssig, und schwarze Wolken stiegen in den klaren Morgen. Für Sekunden sah Ember To Yukan weit im Hintergrund die einmalige Silhouette von Alamo Gordo. Nirgendwo sonst gab es eine zweite Skyline wie diese. Und davor standen die beiden Hochbauten von Cent Field, die dem Hafen sein charakteristisches Merkmal gaben. Die Erde wird angegriffen! dachte To Yukan entsetzt und verstand nicht, weshalb die schweren terranischen Strahlgeschütze die Station hoch am Himmel nicht ihrerseits attackierten. „Hier To Yukan! Hier To Yukan!“ brüllte er in sein Vipho. Robbend hatte er sich hinter die Teleskopstütze eines Ringraumers in Sicherheit gebracht. „Warum greift man die Station über dem Raumhafen nicht an? Warum wird kein einziger Schuß abgegeben? Warum, in drei Teufels Namen…“ „To Yukan, Sie? Hier Rok Nassis!“ Ein Cyborg hatte sich in seinen Ruf eingeschaltet. Einer von denen, die durch ihn im Brana-Tal in Hochform gebracht worden waren. „Nassis, warum wird nicht gefeuert?“ Rok Nassis hatte auf sein Zweites System geschaltet. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, als er fragte: „Sehen Sie denn die Station? Unsere Ortungen können nichts erfassen.“ Ember To Yukan duckte sich tiefer in die Deckung der Teleskopstütze, suchte Schutz vor den alles zur Seite fegenden Luftmassen. Zwischen den krachenden Einschläge der Strahlbahnen und dem Donnern explodierender Raumschiffe versuchte er sich zu orientieren! Auf Cent Field war die Hölle los! „To Yukan, Ihre Positionsangabe, und dann versuchen Sie zu beschreiben, wo Sie das unsichtbare Ding sehen. Schnell, es geht um Sekunden!“ Aber trotz aller Eile hatte die Stimme des Cyborgs unbeeindruckt geklungen. Innerhalb des Zweiten Systems kannte er keine Emotionen. Die CORLEONE startete! Das blauviolette Schiff sprang regelrecht in den Himmel. To Yukan dankte dem Schicksal, daß er noch nicht so nah herangekommen war. Aber dann besann er sich auf seine Aufgabe. Positionsangabe! Er beschrieb, wo er sich aufhielt, stieß die Namen der umliegenden Raumschiffe über seine Lippen. Er robbte vorsichtig nach vorne, um besser in den Himmel starren zu können, und legte sich langgestreckt auf den Rücken.
„Ich versuche nun, die Station so genau wie möglich zu lokalisieren…“ Sie mußten im Stab der TF und in der Waffensteuerung mit seinen ungenauen Angaben fertig werden. Keinen Kilometer entfernt schlug eine Strahlbahn ein. Glühender Plastikbeton spritzte umher und legte neue Brände. Ember To Yukan trug keinen Raumanzug! „To Yukan, rennen Sie um ihr Leben. Denken Sie an die rStrahlung! Los, ins nächste Schiff, wenn es noch geht, sonst werden Sie noch gegrillt!“ Es ging nicht mehr. Die Luft wurde noch zusätzlich von den Triebwerksemissionen der mit Alarmstart abhebenden Raumschiffe aufgeheizt. Ringrau-mer und vereinzelte Kugelraumer schossen mit Maximalbeschleunigung in die Höhe. Yukan stemmte sich hoch. Er rannte um sein Leben! Auf der Flucht vor den r-Strahlen und den dröhnenden Luftmassen, die alles zur Seite fegten! Und noch nie waren ihm fünfhundert Meter bis zum Rand des Raumfeldes so weit vorgekommen wie nun. Vergessen sein Freund Pennstick und seine Freundin Ellen Cox, auf die er sich so gefreut hatte. Hinter ihm versanken stolze Raumschiffe in Flammenorgien oder gingen in wilden Explosionen unter, verseuchten die Atmosphäre. Ember To Yukans Beine stampften wie eine Maschine voran. Ziehende Schmerzen in den Schenkeln und pochendes Seitenstechen mußten ignoriert werden! Jede Verzögerung war tödlich! In diesen Sekunden wäre er gern ein Cyborg gewesen, der sehr viel schneller laufen konnten, wenn er auf sein Zweites System geschaltet hatte. Da griffen endlich die planetarischen Forts ein! Terra schlug zurück! Und die ersten Kampfraumer Terras griffen in den Kampf ein. Geführt wurde der Angriff von Will Pennstick, der mit seiner CORLEONE als erster das freie All erreicht hatte. Und Will Pennstick hatte nicht nur Colonel Clarks Bericht über seinen ersten Kampf mit den unsichtbaren Stationen gelesen, er hatte sich auch lange mit Clark darüber unterhalten. Will Pennstick griff mit Clarks Taktik an! Angriffsordern gab es nicht – jeder Raumerkommandant mußte in dieser Situation auf sich selbst gestellt Entscheidungen treffen! Langsam erst wurden von der Einsatzzentrale der TF, die gut geschützt tief unter der Oberfläche des riesigen Raumhafens lag, die ersten Koordinaten mit den Positionen der Schattenstationen an die nachträglich eingebauten Suprasensoren an Bord der Ringraumer übermittelt! Zwischen 135.000 und 145.000 Kilometern Höhe sollte sich der unsichtbare Feind befinden, wenn auf die ersten Angaben der Einsatzleitung Verlaß war. Zusätzlich wurden den Raumern noch die Daten zugespielt, die Ember To Yukan bei seiner ersten Peilung
ermittelt hatte. „To Yukan, Major? Haben Sie den Namen schon einmal gehört?“ rief ihm der Erste zu. „Natürlich. Wir haben zusammen studiert. Aber was zum Teufel hat der alte Indianer denn auf Cent Field zu suchen?“ beantwortete Pennstick die Frage seines Ersten. Die Strahlbahnen der schweren Geschütze zeichneten ihren Weg ins All. Aber sie trafen nichts! Sie rasten ins Leere. Sie fanden nicht einen superstarken Schutzund Deflektorschirm! Die übermittelten Koordinaten konnten nicht stimmen! Die CORLEONE hatte 0,8 Licht erreicht. Pennstick war bereit, jederzeit Sternensog zu aktivieren. Da wurde der To-Raumer von der unsichtbaren Station angegriffen! Pennstick war der Verzweiflung nahe. Woher kam der Angriff? Wie sollte man sich gegen etwas wehren, das nicht einmal mit den leistungsfähigsten Ortungsanlagen zu entdecken war? Der Major wünschte sich jetzt nichts sehnlicher, als einen Checkmaster an Bord seiner CORLEONE zu haben. Der hätte vielleicht noch etwas ausrichten können in dieser Situation, wo sein Suprasensor vollständig versagte. Aber einen Checkmaster gab es nur an Bord der POINT OF. Doch wo sich das kampfstärkste Raumschiff der Terraner befand, das mochten die Götter wissen - der Stab der TF wußte es jedenfalls nicht. Für die Erde sah es mehr als düster aus. Und nicht nur Pennstick fragte sich: Wo war Ren Dhark, wenn die Menschheit ihn am dringendsten brauchte? Wo war Ren Dhark? REN DHARK Band 15 Das Echo des Alls erscheint Mitte Dezember 1999