Geshe Rabten: Stufen des Bewußtseins
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Geshe Rabten: Stufen des Bewußtseins
Der vorliegende Text ist die Niederschrift eines Wochenendseminars, das der ehrwürdige Geshe Rabten im Oktober 1983 in Basel hielt und das von Helmut Gassner aus dem Tibetischen ins Deutsche übersetzt wurde.
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Geshe Rabten: Stufen des Bewußtseins
Wahrnehmung und allgemeine Funktionsweise des Geistes Ich freue mich sehr, Sie heute alle hier begrüßen zu dürfen und wünsche Ihnen viele Taschideleg. In diesen zwei Tagen sollen Unterweisungen über die Anschauung des Buddhismus, besonders in bezug auf den Geist des Menschen, gegeben werden. Wir werden zwei Tage lang dieses Gebäude benützen, und es wäre erfreulich, wenn wir als Resultat alle ein gewisses Verständnis des Gesagten mitnehmen könnten. Viele von Ihnen haben sicher schon einige Kenntnis der Gedanken, die den Buddhismus prägen. Für Sie ist es empfehlenswert, die Unterweisungen der nächsten zwei Tage Ihrem bisherigen Verständnis hinzuzufügen und sie als Belebung und Erweiterung zu verwenden. Sicher gibt es auch viele unter Ihnen, die bisher kein besonderes Interesse an diesen Gedanken hatten und lediglich gekommen sind, um einmal zu sehen, was hier vor sich geht und gesagt wird. Auch das ist ein guter Grund hierherzukommen, und ich _______________________________________________________________ 2
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schlage Ihnen vor, daß Sie gut zuhören und sich Gedanken darüber machen, was für Wirkungen solche Anschauungen haben, wenn man sie sich aneignet; und daß Sie sich überlegen, was Ihnen diese Gedanken in der Zukunft geben können, wenn Sie in schwierige Situationen geraten. Wenn Sie in ein großes Einkaufszentrum gehen, betrachten Sie die verschiedenen Angebote und überlegen sich, was Ihnen nützlich sein könnte und was nicht, und kaufen dann das, was Ihnen am nützlichsten erscheint. Mit der gleichen Einstellung können Sie sich hier ebenfalls erst einmal alles anhören und sich überlegen, was nützlich sein könnte, und dann das, was Ihnen nützlich erscheint, auch wirklich anwenden. Im Buddhismus wird ein Verständnis der Natur und Funktionsweise des Geistes als ein grundlegendes Wissen betrachtet. Sich ein solches Verständnis anzueignen wird ebenfalls als sehr wichtig gesehen, denn ganz gleich, ob man einer bestimmten Religion folgt oder nicht, ganz gleich, worüber man sich auch unterhält, das, was man letztlich sucht, hat immer eine Beziehung zum eigenen Geist. Deshalb ist ein Verständnis der _______________________________________________________________ 3
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Eigenschaften des Geistes so wichtig. Die folgenden Erklärungen beschreiben zwar Gedanken und Anschauungen, die aus dem Buddhismus stammen, sind aber für alle zugänglich und nützlich; nicht nur für Personen, die eine Religion anwenden wollen, oder Personen, die den Buddhismus kennenlernen wollen, sondern für alle, die die unangenehmen Eigenschaften des Geistes überwinden möchten. Viele unter Ihnen würden vielleicht auch gerne etwas über die Eigenart des Buddhismus in bezug auf seine Philosophie und das Verhalten, das er vorschreibt, erfahren. Das Verhalten im Buddhismus hat zwei Merkmale. Das eine ist die Schadlosigkeit, das Vermeiden des Zuleidetuns, das Nichtdurchführen des Anderen-etwas-zuleideTuns. Diese Schadlosigkeit erstreckt sich dabei nicht nur auf Menschen, sondern auf sämtliche fühlenden Wesen. Das zweite Merkmal ist das Hilfeleisten, das Dem-anderen-von-Nutzen-Sein auf der Grundlage der Schadlosigkeit. Eine Person, die den Buddhismus anwenden möchte, wird diese beiden Merkmale des _______________________________________________________________ 4
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Verhaltens befolgen, wobei es von den Fähigkeiten des einzelnen abhängt, in welchem Ausmaß das erreicht wird. Wenn wir also jemanden treffen, der vorgibt, Buddhist zu sein, dessen Verhalten aber nicht diesen beiden Merkmalen entspricht, dann ist das ein Fehler dieser Person. Es ist nicht als Mangel an den grundlegenden Merkmalen buddhistischen Verhaltens zu sehen. Das trifft auch auf andere Religionen zu. Ein gemeinsames Merkmal der Religionen ist es, daß sie die Notwendigkeit einer Lebensführung zeigen, die durch Zuneigung zum anderen, durch Helfen und Dienen gekennzeichnet ist. Das heißt aber nicht, daß alle, die sich zu dieser Religion bekennen, auch einem solchen Leben folgen oder folgen können. Das besondere Merkmal des Buddhismus in bezug auf die Anschauung ist die Abhängigkeit. Es gibt viele Anschauungen im Buddhismus, aber das grundlegendste und bezeichnendste Merkmal aller dieser Anschauungen ist die Abhängigkeit. Diese Abhängigkeit wird in verschiedener Subtilität, in gröberer, feinerer und so weiter beschrieben. Die letztliche und subtilste Abhängigkeit wird in der Anschauung dargelegt, daß die Dinge in _______________________________________________________________ 5
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Abhängigkeit vom erfassenden und benennenden Bewußtsein existieren. Ganz gleich, um was für ein Wesen es sich handelt, ob Mensch oder Tier, alle haben das eine Merkmal, daß ihr Geist einerseits von dem Wunsch nach Angenehmem, nach Wohlbehagen, nach erfreulichen Dingen geprägt ist, und andererseits von dem Wunsch, alles Unangenehme, Unansehnliche und Unbequeme von sich zu weisen. Das bezieht sich nicht nur auf den Sehsinn, sondern auf alle Sinne. Bezüglich jedes Sinnes gibt es Dinge, die ein Wesen als angenehm empfindet, und solche, die es als unangenehm empfindet. Wir wissen sicher aus eigener Erfahrung, daß es Dinge gibt, die wir sehr gerne sehen, an denen wir uns nicht sattsehen können; oder auch Dinge, die wir sehr gerne hören, so daß wir selbst andere Arbeiten unterbrechen, um ihnen zuzuhören. Ebenfalls gibt es Dinge, denen wir aus dem Weg gehen, die wir nicht sehen möchten, die wir nicht hören möchten, mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Das alles muß nicht erst mit komplizierter Logik bewiesen werden, denn diese Dinge sind uns aus unserer eigenen Erfahrung sehr klar. _______________________________________________________________ 6
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Ob es sich nun um etwas handelt, das uns angenehm ist, oder um etwas, das uns unangenehm ist, immer erscheint es uns so, als ob es von seiner eigenen Seite her bestünde. Das Unangenehme erscheint uns als ein externes, konkretes, unangenehmes Objekt, und das Angenehme ebenso. Wenn Sie sich zum Beispiel an jemanden erinnern, den Sie nicht mögen, und Ihnen diese Vorstellung in den Sinn kommt, dann ist sie begleitet von der Auffassung, daß dieser Mensch aus sich heraus, in sich selbst als etwas Unangenehmes und Schlechtes existiert. Eine solche Auffassung der äußeren Wirklichkeit haben wir, auf sie vertrauen wir vollständig, und wir richten unsere ganze Handlungsweise danach. Wir handeln in vollem Vertrauen darauf, daß die äußeren Dinge in ihrer Natur genauso unangenehm oder angenehm sind, wie sie uns erscheinen. Wenn wir jedoch wirklich nachdenken und den Sachverhalt genau untersuchen, können wir feststellen, daß uns die Dinge zwar als schön und wüst, als angenehm und unangenehm erscheinen, so als ob diese Eigenschaften in den Objekten selbst vorhanden wären; genauere Überlegungen _______________________________________________________________ 7
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jedoch machen deutlich, daß diese Eigenschaften hauptsächlich vom eigenen Geist produziert werden. Es sind Eigenschaften, die der Geist macht und dann als Eigenschaften der Objekte empfindet. Der Geist benimmt sich so, daß er etwas Unangenehmes als im Objekt selbst vorhanden empfindet und aufgrund dieser Einstellung handelt. Das gleiche gilt für angenehme Dinge. Der Geist erstellt die Grundlage dafür, daß er das Objekt so erfährt, als ob es in sich angenehm wäre. Am deutlichsten können Sie das mit einem Gemälde als Objekt feststellen. Dem einen wird es ganz besonders gut gefallen, und er wird sogar ein großes Vermögen auf den Tisch legen, um es zu besitzen. Dem anderen ist schon der Anblick dieses Gemäldes so unangenehm, daß er, ganz abgesehen davon, daß er es nicht besitzen möchte, nicht einmal den Gedanken hat, es auch nur einen Augenblick länger anzusehen. Daß dasselbe Objekt von einer Person als besonders attraktiv betrachtet werden kann und von einer anderen als abschreckend und unangenehm, macht deutlich, daß diese Eigenschaft der Schönheit oder Häßlichkeit nicht im Objekt selbst vorhanden ist, sondern daß es eine «Wendung» des Geistes der _______________________________________________________________ 8
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einzelnen Personen ist, die diese Wahrnehmung des Objektes als schön oder häßlich hervorruft. Fragt man nun, wem man vertrauen kann, dem, der das Bild schön findet, oder dem, der es häßlich findet, wird der eine eine ganze Reihe von Begründungen aufzählen können, weshalb das Bild sehr schön und wertvoll ist, und der andere, weshalb das Bild nichts wert und häßlich ist. Deshalb kann man sich weder auf den einen noch auf den anderen verlassen, sondern muß als Wertung die individuelle Empfindung des einzelnen akzeptieren. Eine ähnliche Unterscheidung kann auch in bezug auf ein Objekt und nur einen wahrnehmenden Menschen auftreten. Wenn man eine Person, die einem besonders lieb ist, sieht oder nur hört, empfindet man große Freude und Zuneigung. Wenn andere von dieser Person gut sprechen, erfüllt einen das mit Freude. Kurze Zeit später kann durch eine Veränderung in diesem Objekt oder in der eigenen Einstellung das Gegenteil eintreten, so daß allein der Anblick dieser Person unangenehme Empfindungen hervorruft, und daß, wenn von dieser Person gesprochen wird, _______________________________________________________________ 9
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Abneigung und Ärger auftreten. Das Objekt ist dasselbe, der Wahrnehmende ist derselbe, die Reaktionen sind entgegengesetzt. Daß eine Person ein Objekt so unterschiedlich empfinden und wahrnehmen kann, macht deutlich, daß diese Eigenschaften nicht im Objekt selbst vorhanden sind, sondern daß sie in Verbindung mit dem Wahrnehmenden auftreten. Wenn die Eigenschaften des Guten oder des Bösen im Objekt selbst oder in der Person selbst unabhängig vorhanden wären, müßte das gleiche Objekt immer gleich erscheinen, immer gleich wahrgenommen werden. Ganz allgemein betrachtet muß deshalb deutlich gemacht werden, daß Eigenschaften wie Unangenehm und Angenehm, Schön und Häßlich nicht im Objekt innewohnend sind, sondern daß diese Erfahrungen von der Betrachtungsweise des Beobachters abhängen. Selbstverständlich gibt es Dinge, die als schlecht zu bezeichnen sind, und solche, die als gut zu bezeichnen sind. In Abhängigkeit von klaren, unwiderlegbaren Begründungen kann deutlich _______________________________________________________________ 10
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gemacht werden, ob etwas gut oder schlecht ist; aber dabei ist nicht die Wahrnehmung des Beobachters das Kriterium, sondern die korrekte Begründung. Diese Tatsache sollte man nicht einfach feststellen, sondern man sollte sich diese Erkenntnis zu eigen machen, und die Dinge anders in Angriff nehmen, als man es bisher getan hat. Bisher hat man sich vollständig auf die Wahrheit der eigenen Beurteilung verlassen, darauf, wie einem selbst die Dinge erscheinen, und in vollem Vertrauen auf das eigene Urteil große Dinge unternommen. Es sollte einem deutlich werden, daß das Gut- oder Schlechtsein eines Objektes in großem Maß vom Beobachter abhängt, und aus dieser Einstellung heraus sollte man nicht wie bisher blindlings vorgehen, ohne weiter darüber nachzudenken. Selbst innerhalb der kurzen Zeit eines Tages kann uns das gleiche Objekt als angenehm und unangenehm erscheinen. Sicher tragen auch gewisse Umstände zu dieser Veränderung der Wahrnehmung bei, aber der prinzipielle Faktor ist die Art und Weise, wie der eigene Geist auf das Objekt ausgerichtet ist. _______________________________________________________________ 11
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Das war lediglich eine kurze Beschreibung in bezug auf ein begrenztes Gebiet. Man kann diese Überlegung aber auch wesentlich erweitern. Wenn man sie auf die Welten bezieht, in denen Wesen leben, kann man von reinen und unreinen Welten sprechen. Die unreinen Welten oder Bereiche des Lebens werden als unrein erfahren, weil der Geist ungezähmt und unrein ist. Unter dem Einfluß eines unreinen Geistes sind die Handlungen von Geist, Rede und Körper ebenfalls unrein. Als Resultat unreiner Handlungen erfährt man dann seine Umgebung als unrein und nimmt Objekte als unreine Objekte wahr. Die reinen Bereiche werden dadurch erfahren, daß der Geist gezähmt und von Fehlern befreit wird. Körper und Rede sind hauptsächlich vom Geist abhängig. Durch Bereinigung des Geistes werden die Handlungen der drei Tore Körper, Rede und Geist bereinigt, und damit erfährt das Individuum seine Umgebung, die das Resultat seiner Handlungen ist, ebenfalls als etwas Reines und Perfektes. Wenn man seinen Ausblick erweitert, wird deut_______________________________________________________________ 12
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lich, daß in erster Linie der Geist und seine Einstellung für unser Wahrnehmen verantwortlich sind. Wenn man seinen Ausblick auf kleinere Aspekte des Daseins bezieht, wird ebenfalls deutlich, daß die Unterscheidung von Gut und Böse, von Falsch und Richtig immer in erster Linie vom Geist des Beobachters beeinflußt ist und von ihm abhängt. Wenn Sie diese Überlegung auf einen kurzen Zeitraum, zum Beispiel nur auf das Frühstück beziehen, wird Ihnen deutlich, daß das Frühstück gut schmeckt und Sie fröhlich sind, wenn sie während des Frühstücks angenehmen Gedanken folgen. Wenn Sie stattdessen während des Frühstücks ständig an Probleme denken und Schwierigkeiten wälzen, dann wird es eine unangenehme Zeit sein, und auch das Essen wird nicht gut schmecken. Da viele von Ihnen diese Dinge aus eigener Erfahrung gut kennen, ist es nicht notwendig, sie genauer zu begründen. Sie können selbst beurteilen, ob diese Überlegungen korrekt sind, ob sie nützlich sind, ob sie angewendet werden sollten oder nicht. Dadurch, daß Ihnen diese _______________________________________________________________ 13
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Überlegungen zur Verfügung stehen, können Sie von einem Tag zum anderen Ihr gewohntes Verhalten ändern oder es lassen, wie es ist, ganz nach Belieben. Wir sind alle Wesen, die Leid vermeiden möchten und Glück suchen. Wenn uns deutlich wird, daß das Erfahren von Leid und Glück hauptsächlich auf den eigenen Geist zurückzuführen ist, erkennt man die konkrete und erstrangige Notwendigkeit, den eigenen Geist zu verändern und zu verbessern. So wird jemand, der eine Religion akzeptiert und anwenden möchte, selbstverständlich von der Notwendigkeit einer Entwicklung und positiven Beeinflussung des Geistes überzeugt sein. Aber auch jemand, der nichts von Religion wissen möchte, kann sich darüber klar werden, daß er Glück sucht und Leid vermeiden möchte, und kann selbstverständlich nachvollziehen, daß dieses Ziel nur erreicht werden kann, indem man die Wurzel beeinflußt, nämlich den Geist. Wie der Geist im einzelnen verändert und verbessert werden kann, ist nicht so schnell zu erfassen. Aber da jede Person über die Erfahrung ihres _______________________________________________________________ 14
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eigenen Geistes verfügt und sich das Gesagte überlegen kann, wird man leicht zu einem Verständnis gewisser Möglichkeiten kommen, die eine positive Beeinflussung und Entwicklung des Geistes erlauben. Wo befindet sich nun dieser Geist, der die Grundlage aller Empfindungen und die Wurzel des Erfahrens von Glück und Leid ist? Dieser Geist befindet sich in jedem einzelnen Wesen. Der Geist ist nicht außerhalb des Wesens, wie zum Beispiel als Anhängsel außerhalb des Körpers. Auch hat jedes Wesen seinen eigenen, unabhängigen Geist; es gibt keinen «gemeinsamen» Geist, der allen eigen ist, der wie ein zentrales Organ, an dem jeder etwas teilhat, außerhalb aller Wesen existiert. Das ist nicht der Fall. Der Geist des einzelnen befindet sich in jedem einzelnen selbst. Was ist nun dieser Geist? Einerseits ist der Geist leicht zu verstehen. Wenn wir denken, «ich gehe heute dahin, ich mache das, ich gehe auf den Berg», dann ist das, was denkt und diese Gedanken durchführt, als Geist zu bezeichnen. Im Moment hören Sie alle den Ausführungen zu, _______________________________________________________________ 15
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und deshalb treten in Ihnen im Moment auch ähnliche Gedanken auf. Im allgemeinen jedoch sind die Gedanken einer Person spezifisch für diese Person und haben nichts mit den Gedanken einer anderen Person zu tun. Wenn es einen gemeinsamen Geist gäbe, der alles Denken durchführt, dann müßten alle Menschen zum gleichen Zeitpunkt die gleichen Gedanken haben, und das ist nicht der Fall. Der Geist jedes einzelnen ist ein individueller Geist, der keine Verbindung mit dem Geist eines anderen Wesens besitzt. Da es so grundlegend wichtig ist, die Natur und Funktionsweise des Geistes zu verstehen, befassen sich damit auch hier im Westen entsprechend viele Leute. Diese verschiedenen Bemühungen, die Eigenarten des Geistes zu erkennen, führen zu den unterschiedlichsten Auffassungen und Beschreibungen des Geistes. Da viele von Ihnen Bücher lesen, kennen Sie sicher die Vielfalt der Meinungen über den Geist, und Sie werden auch erkannt haben, daß hinter den Ausführungen mancher Bücher ein wirkliches Verständnis der Natur des Geistes steht, während es bei anderen Büchern fehlt.
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Ich selbst werde die Natur des Geistes entsprechend der Philosophie des Buddhismus beschreiben. Der Geist ist ein Phänomen, das sich in jedem einzelnen befindet. Der Geist ist frei von Materie und besitzt keine materiellen Eigenschaften. Wenn man den Körper vom Kopf bis zu den Zehen untersucht, wird man kein materielles Teil finden, von dem gesagt werden könnte, daß es der Geist ist. So ist der Geist zwar ein Phänomen, das frei von jeglicher materieller Natur ist, ähnlich wie der leere Raum, aber im Gegensatz zum leeren Raum ist der Geist kein unveränderliches Phänomen, sondern ein ständig wechselndes, veränderliches Phänomen. Wenn Sie zum Beispiel einen Fluß betrachten, können Sie feststellen, daß er zwar ständig vorhanden ist, aber auch einer ständigen Veränderung unterliegt. Ähnlich verhält es sich mit dem Geist. Die Kontinuität des Geistes ist ständig vorhanden, gleichzeitig unterliegt der Geist aber einer ständigen Veränderung.
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Der Geist ist also ein Phänomen, das frei von Materie ist, einer ständigen Veränderung unterliegt und eine fortlaufende Kontinuität hat. Zudem hat der Geist die Eigenschaft, Objekte, die ihm erscheinen, zu erfassen, in Besitz zu nehmen und wahrzunehmen, ganz gleich, ob es sich bei diesen Objekten um etwas Richtiges oder Falsches, um etwas Vorhandenes oder um etwas Projiziertes handelt. Denken Sie zum Beispiel nur an Ihren Wagen, der irgendwo draußen steht, oder an irgendwelche Gegenstände in Ihrem Haushalt. Sobald Sie den Geist auf eines dieser Objekte richten, nimmt der Geist das Objekt in Besitz, er erfaßt es. Zudem ist der Geist ein Phänomen, das einem äußerst starken Wechsel unterliegt, das sehr leicht verändert werden kann. Wenn zum Beispiel ein Mensch etwas Angenehmes hört, nur ein angenehmes Wort, ist sein Geist in einem freudigen Zustand. Wenn er im nächsten Moment etwas Unangenehmes hört, kann sein Geist schon einen bedrückten Zustand annehmen. So schnell und leicht ist der Geist zu verändern.
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Der Geist ist also einerseits durch äußere Einflüsse leicht zu verändern und unterliegt durch diese äußeren Einflüsse auch einem ständigen Wechsel. Andererseits ist der Geist von den eigenen Gedanken, die in ihm auftreten, abhängig und verändert in Abhängigkeit von diesen Gedanken seinen Zustand. Wie schnell sich der Geist verändern kann, sieht man zum Beispiel an einer Person, die in einem entspannten Zustand ist, dann ein, zwei böse Worte hört und sofort einen entsprechend bösen Gesichtsausdruck zeigt. Wo befindet sich nun der Geist, der diese Eigenschaften hat? Es wurde zuvor erwähnt, daß der Geist frei von sämtlichen materiellen Aspekten ist. Das trifft zwar zu, aber dennoch existiert der Geist in Abhängigkeit vom materiellen Körper. Der Geist ist mit dem Körper verbunden und von ihm abhängig, aber in seiner Natur dennoch frei von jeder materiellen Eigenschaft. Der Geruch einer Medizin ist zum Beispiel nicht die Medizin selbst, aber der Geruch der Medizin existiert in Abhängigkeit von der Medizin oder in enger Verbindung mit der Medizin selbst. _______________________________________________________________ 19
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Der Körper ist von vielen subtilen Kanälen durchzogen. Der Geist existiert in diesen subtilen Kanälen, und ist von einer Natur mit subtilen Energien, die die verschiedenen Geistesaspekte ständig begleiten. Das ist im allgemeinen der Fall; im besonderen jedoch haben diese subtilen Kanäle Zentren, Punkte, die zentrale Stellen für die Aktivitäten des Geistes darstellen. Diese zentralen Stellen sind zum Beispiel das Herz und die subtilen Kanäle im Gehirn. Durch Verändern der Behausung eines Objektes kann auch das, was in der Behausung ist, beeinflußt werden, das heißt, daß durch eine Beeinflussung dieser subtilen Kanäle auch der Geist, der in diesen Kanälen vorhanden ist, beeinflußt werden kann. Das ist aber keine Begründung für die Annahme, der Geist sei ein Ding, das in seiner Natur mit materiellen Aspekten behaftet ist. Die Natur des Geistes selbst ist Klarsein und Erfassen. Das sind die beiden Merkmale des Geistes. Dieser so beschriebene Geist besitzt eine große Zahl verschiedener Eigenschaften und Aspekte. _______________________________________________________________ 20
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Bestimmte Teile des Geistes haben eine besondere Verbindung mit dem Sehorgan und ermöglichen so das Sehen. Diese Aspekte des Geistes werden Gesichtssinn genannt. Andere Teile des Geistes haben eine besondere Verbindung mit dem Gehörorgan, und diese Teile werden Gehörsinn genannt und erlauben das Hören verschiedener Laute. Das gleiche trifft auf sämtliche anderen Sinne zu. Die physischen Organe wie das Sehorgan, das Gehörorgan und so weiter, diese materiellen Dinge besitzen eine enge Verbindung mit dem Geist. Das, was tatsächlich wahrnimmt und erfaßt, ist aber der Geist und nicht das physische Organ. Ein Beispiel, das dies verdeutlichen kann, ist das Sehen mit Hilfe einer Brille. Es ist jedoch zu bemerken, daß dieses Beispiel nicht in allen Punkten der beschriebenen Analogie entspricht. So könnte man sagen, daß jemand, der eine starke Brille benötigt, ohne Brille kaum sieht, aber mit der Brille klar sehen kann. Das, was ihm das klare Sehen ermöglicht, ist die Brille. Aber es wird niemand sagen, daß die Brille sieht; das, was sieht, ist der Gesichtssinn. Entsprechend hat das _______________________________________________________________ 21
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physische Organ zwar die Aufgabe, das Sehen zu ermöglichen, ähnlich wie die Brille, aber es ist nicht das eigentliche wahrnehmende Organ. Im tiefen Schlaf zum Beispiel sind die äußeren Sinne zurückgezogen, das heißt, die Teile des Geistes, die dem Erfassen der äußeren Umwelt dienen, sind absorbiert und führen ihre Funktion nicht aus. Im tiefen Schlaf sind die physischen Organe zwar vollständig vorhanden, aber es tritt keine Wahrnehmung der äußeren Erscheinungen auf. Eine weitere Funktion des Geistes ist das Denken an die Zukunft und das Erinnern der Vergangenheit, das Überlegen, Pläneschmieden und so weiter. Der Teil des Geistes, der diese Funktionen übernimmt, wird als Denksinn oder sechster Sinn bezeichnet. Während Sie diesen Erklärungen zuhören, ist es empfehlenswert, die Beschreibungen auf sich selbst zu beziehen und sich darüber klarzuwerden, daß diese Dinge bei der eigenen Wahrnehmung von Objekten vor sich gehen. Im Moment zum Beispiel sehen und hören Sie den Vortragenden. _______________________________________________________________ 22
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Das, was tatsächlich wahrnimmt, sind der Gesichtssinn und der Gehörsinn. Es sind diese Aspekte des Geistes selbst, die wahrnehmen, und nicht die physischen Organe. Indem man das Gesagte so auf die eigene Situation bezieht, entsteht sofort ein Verstehen und Benützen des Gehörten. Wenn eines dieser physischen Organe, sei es das visuelle Organ oder das Gehörorgan, einen großen Schaden erleidet, kann das entsprechende Organ seine Fähigkeit verlieren, als Basis für die Wahrnehmung zu dienen. Damit ist die Wahrnehmung der entsprechenden Sinnesobjekte gestört. Das, was in uns denkt und die Arbeit des Überlegens übernimmt, ist der Denksinn, der ebenfalls viele verschiedene Aspekte hat. In Abhängigkeit von bestimmten äußeren Einflüssen können spontan bestimmte Teile des Denksinns deutlich zum Vorschein kommen. Der Denksinn hat viele fehlerhafte Aspekte. Wenn diese Aspekte die Oberhand gewinnen und das Handeln beeinflussen, werden viele falsche Dinge getan, die für die Unannehmlichkeiten und Leiden, _______________________________________________________________ 23
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die wir erfahren, verantwortlich sind. Es gibt auch korrekte, positive Aspekte des Denksinns. Wenn diese das Denken und somit das Handeln bestimmen, sind die Gedanken korrekt, die durchgeführten Handlungen entsprechend und die Resultate positiv und angenehm. Im allgemeinen sind wir uns jedoch dieser Eigenschaft unseres Geistes nicht bewußt. Ganz gleich, was uns widerfährt, sei es angenehm oder unangenehm, wir empfinden immer nur das eine: Er ist es oder das ist es, das hat es verursacht. Wir richten unsere Aufmerksamkeit nach außen auf etwas ganz Bestimmtes, von dem wir überzeugt sind, daß es für unsere gegenwärtige Empfindung verantwortlich ist. Uns ist nicht klar, daß zur Wahrnehmung mehrere Dinge notwendig sind, nämlich einerseits die äußeren Umstände und andererseits die inneren Ursachen. Die inneren Ursachen erfassen wir nicht; sie sind uns nicht bewußt, und deshalb richten wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf die äußeren Umstände, die die entsprechenden Erfahrungen auslösen, und machen sie allein für unsere Erfahrungen verantwortlich.
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Es gibt gewisse Faktoren, die im Geist von Zeit zu Zeit auftreten, wie Begierde, Haß, Eifersucht, Neid, Geiz und so weiter. Wenn solche Neigungen im Geist vorhanden sind, verursachen sie eine Betrübtheit des eigenen Geistes und machen auch diejenigen unglücklich, die mit einem zu tun haben. Diese Aspekte des Geistes nennt man Faktoren des Geistes. Sie entstehen aus dem zentralen Geist. Im allgemeinen ist uns nicht bewußt, wie diese Faktoren entstehen und unsere Handlungen bestimmen. Wenn wir mit einem Objekt der Abneigung in Berührung kommen, entsteht in uns Ärger gegenüber diesem Objekt. Unter dem Einfluß der Wut handeln wir dann unfreiwillig, und am Ende stellen wir oft fest, daß wir etwas getan haben, das uns eigentlich sehr leid tut, aber nicht mehr geändert werden kann. Die inneren Vorgänge, die zum Entstehen der unangenehmen Situationen geführt haben, sind uns meistens nicht bewußt. Wenn wir zum Beispiel zu Hause in einen Familienstreit verwickelt sind, streiten wir über alles, was uns in den Sinn kommt und denken nicht _______________________________________________________________ 25
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darüber nach, daß dieser Streit in Abhängigkeit von den Faktoren unseres Geistes, die ihn letztlich produzieren, zustande kommt. Wenn Streit entsteht, verhält es sich in Wirklichkeit so, daß die Person, auf die man wütend ist, einen Umstand darstellt, der in einem das Entstehen des Faktors Wut bewirkt. Dieser Faktor entspringt dem zentralen Geist und beeinflußt den eigenen Geist so, daß er einen zum Streiten führt und durch den Ausdruck des eigenen Geisteszustandes den Geisteszustand des anderen ebenfalls bedrückt. Aus dem zentralen Geist entsteht der Faktor Wut, und seine Kraft steigert sich im Verlauf der Beschäftigung mit dem Objekt der Abneigung. In dem Maß, in dem die Kraft dieses Faktors zunimmt, steigert sich auch die Bedrücktheit, die Traurigkeit oder das unangenehme Empfinden des eigenen Geistes. Gegen unseren Willen verursacht dieser Geistesfaktor in uns Traurigkeit, Bedrücktheit und Unbehagen. Wenn man die Freiheit darüber hätte, in einem Geisteszustand des Unbehagens oder des _______________________________________________________________ 26
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Wohlbehagens zu sein, würde man sicherlich den behaglichen Geisteszustand wählen. Das Auftreten des Geistesfaktors Wut zum Beispiel verursacht jedoch unweigerlich eine Empfindung des Unbehagens. Wir empfinden nicht viel anderes, als daß wir wütend auf das Objekt der Wut sind, auf die Person, die uns unangenehm erscheint. Als erstes verursacht jedoch das Auftreten dieses Geistesfaktors Wut, daß einem Ruhe und Friede des Geistes geraubt werden, daß diese zerstört werden. Weiter verursacht das Auftreten des Faktors Wut in einem, daß das Objekt, die Person, die einem unangenehm erscheint, in einer Art und Weise erfaßt wird, die der Wirklichkeit nicht mehr entspricht. Ganz gleich, ob das Objekt angenehm oder unangenehm ist, das Auftreten der Wut im eigenen Geist verursacht ein Erfassen dieses Objektes als etwas ganz besonders Unangenehmes, ganz besonders Negatives. Wenn der Faktor Wut im Geist vorhanden ist, wird auf das Objekt eine zusätzliche Negativität projiziert. Der Geisteszustand in diesem Augenblick ist ein fehlerhafter, getäuschter Geisteszustand, weil er _______________________________________________________________ 27
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das Objekt nicht so erfaßt, wie es wirklich ist, sondern auf das Objekt eine im Objekt nicht vorhandene Negativität projiziert. Wenn die Kraft der Wut weiter steigt, verliert man die Kontrolle über den eigenen Körper. Es entsteht eine Erweiterung des Oberkörpers, ein Brennen der Augen, ein Schmerzen im Kopf und überhöhter Blutdruck; das heißt, das Auftreten dieses Geistesfaktors macht einem recht zu schaffen, macht einem das Leben in jeder Hinsicht ganz unfreiwillig schwer. Wenn die Kraft der Wut noch weiter steigt, führt das zu verbalen Äußerungen, so daß man dem Gegenüber alles Unangenehme und erdenklich Schlechte ins Gesicht sagt oder den Worten sogar körperlichen Nachdruck verleiht. Man sieht nur noch, daß man mit dem anderen in einen heftigen Streit verwickelt ist. In Wirklichkeit jedoch hat folgendes stattgefunden: Der Mensch hat seine Freiheit verloren, hat die Gewalt über sich verloren; der zentrale Geist hat ebenfalls seine Macht verloren, und die ganze Macht liegt in den Händen des Geistesfaktors Wut. Welche negativen Konsequenzen und Auswirkungen das Auftreten dieser Faktoren hat, kennen wir wohl zu gut aus _______________________________________________________________ 28
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unserer eigenen Erfahrung. Auch Begierde ist ein Geistesfaktor, der fehlerhaft und negativ ist. Es ist vielleicht angebracht, diesen Faktor in seiner Funktionsweise etwas genauer zu beschreiben, denn oft ist uns nicht deutlich, was unter Begierde verstanden wird und was ihre negativen Konsequenzen sind. Begierde kann alles mögliche als Objekt haben, nicht nur Menschen, sondern auch verschiedene Dinge wie Besitz, das eigene Land und vieles andere. Dieser Geistesfaktor entsteht, wenn der Geist mit einem Objekt der Begierde in Berührung kommt. Der Geist erfaßt das Objekt, und aus dem zentralen Geist steigt der Faktor Begierde auf, ähnlich wie Wellen aus dem Meer. Im Gegensatz zur Wut jedoch hat die Begierde die Eigenschaft, nicht sofort bei ihrem Auftreten Leid zu verursachen. Im Gegenteil, Begierde bewirkt, daß das Objekt als etwas Angenehmes gesehen wird, und so können angenehme Empfindungen mit dem Auftreten dieses Geistesfaktors verbunden sein.
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Diese angenehme Empfindung scheint aber nur auf den ersten Blick angenehm. Wenn man den Geist genauer beobachtet und untersucht, kann man feststellen, daß im Gegensatz zum Geisteszustand vor dem Auftreten der Begierde, als der Geist noch klar, ruhig und ungestört war, der Zustand des Geistes nach dem Auftreten der Begierde getrübt ist, seine Klarheit und Ruhe verloren hat. Das Auftreten der Begierde hat die Wirkung, eine zusätzliche Attraktivität und Begehrenswertheit in das Objekt zu projizieren. Wenn das Objekt der Begierde zum Beispiel ein Mensch ist, wird die Begierde das erfaßte Objekt in einer besonderen Attraktivität erscheinen lassen, ganz gleich, ob es attraktiv ist oder nicht. Wenn die Begierde stärker wird, hat sie die gleiche Wirkung, wie es zuvor für die Wut beschrieben wurde. Begierde raubt dem Geist die Freiheit und führt alle möglichen Handlungen von Rede und Körper herbei, die dann zu allen erdenklichen und unerdenklichen Komplikationen führen können. Sobald Wut auftritt, zerstört sie den Frieden und die Ruhe des Geistes und verursacht unangenehme _______________________________________________________________ 30
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Empfindungen. Deshalb ist es relativ leicht, Wut als etwas Negatives zu erkennen und den Wunsch zu entwickeln, diesen Geistesfaktor nicht aufkommen zu lassen. Bei der Begierde ist das wesentlich schwieriger, weil die anfänglichen, sie begleitenden Empfindungen angenehm erscheinen und die negativen Konsequenzen des Auftretens von Begierde nur schwer wirklich erkannt werden können. Dadurch ist es wesentlich schwieriger, den Wunsch zu entwickeln, Begierde zu überwinden. Für viele ist es auch schwer, Begierde von Erbarmen zu unterscheiden. Wenn davon gesprochen wird, daß man Begierde beseitigen sollte, entsteht die Meinung, Mitgefühl und Erbarmen seien ebenfalls negative Geistesfaktoren. Oder wenn umgekehrt von der Notwendigkeit einer Förderung von Mitgefühl und Erbarmen gesprochen wird, machen manche Leute den Fehler, Begierde ebenfalls zu stärken. Die beiden Faktoren Erbarmen und Begierde haben insofern eines gemeinsam, als sie beide eine Zuneigung zum Objekt mit sich bringen. Das ist jedoch ihr einziges gemeinsames Merkmal. Sonst unterscheiden sie sich sehr deutlich, zum Beispiel _______________________________________________________________ 31
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insofern, als Begierde ständig eine Projektion zusätzlicher positiver Eigenschaften auf das Objekt enthält und deshalb ein getäuschter, fehlerhafter Geisteszustand ist, während Erbarmen und Mitgefühl das Objekt immer als solches in seiner eigentlichen Art und Weise erkennen. Wenn das Objekt in einem erbärmlichen Zustand ist, erfaßt Erbarmen das Objekt als etwas Erbärmliches und täuscht sich nicht in seinem Objekt; es projiziert keine Eigenschaften auf das Objekt, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind. Erbarmen ist dadurch geprägt, daß es lediglich den Wunsch beinhaltet, dem anderen von Nutzen zu sein, und in jedem Fall eine Benützung des Objektes für eigene Vorteile ausschließt. Begierde ist dagegen vor allem dadurch gekennzeichnet, daß sie ihr Objekt in erster Linie als ein Mittel zur Befriedigung der eigenen Gelüste sieht. Wenn man deshalb Erbarmen und Begierde vergleicht, sieht man, daß auch in dieser Beziehung Erbarmen ein aufrichtiger, korrekter Geisteszustand ist, während Begierde wie ein Betrüger ist. Betrachtet man Erbarmen und Begierde in bezug auf die Resultate, die sie hervorbringen, kann man _______________________________________________________________ 32
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sehen, daß Erbarmen letztlich immer das Wohlergehen sowohl der anderen als auch der eigenen Person mit sich bringt, während Begierde einem selbst und den anderen Beteiligten letztlich immer Unannehmlichkeiten bringt. Zweifellos wird es für uns oft sehr schwer sein, unsere Empfindungen der Zuneigung, vor allem gegenüber Familienmitgliedern, gegenüber den eigenen Kindern und so weiter, richtig einzuordnen. Um die eigenen Empfindungen der Zuneigung richtig einstufen zu können, müßte man sich überlegen, ob diese Empfindungen der Zuneigung vor allem dann stark und fest sind, wenn das Objekt in seinem besten Zustand ist, attraktiv und problemlos, und ob diese Empfindungen stark abnehmen, sobald im Objekt unangenehme Veränderungen auftreten oder es seine Attraktivität etwas verliert. Wenn sich die zuneigenden Gefühle so verhalten, dann ist das ein deutliches Zeichen, daß es sich dabei um Begierde und nicht um Erbarmen handelt. Werden jedoch die eigenen Empfindungen der Zuneigung stärker und tiefer, wenn das Objekt in einen erbärmlichen Zustand gerät, wenn es in _______________________________________________________________ 33
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Schwierigkeiten gerät oder seine frühere Attraktivität verloren hat, dann ist das ein deutliches Zeichen dafür, daß die früheren Empfindungen Erbarmen waren. Da diese Empfindungen eigene Empfindungen im eigenen Geist sind, liegt es an einem selbst zu unterscheiden, um welche Art es sich handelt; von außen ist das nicht erkennbar. Ein weiterer uns sehr bekannter Geistesfaktor ist die Eifersucht. Eifersucht ist dann am Werk, wenn wir sehen, daß ein anderer Erfolg hat, daß es einem anderen gut geht und uns das Glück des anderen beißt. Die Falschheit der Eifersucht kann leicht daran erkannt werden, daß man zufrieden und glücklich ist, wenn es einem selbst gut geht; je besser es einem geht, je mehr Erfolg man hat, um so angenehmer ist es einem. Daß einem Erfolg und Glück anderer weh tun, ist ein deutliches Zeichen dafür, daß Eifersucht ein falscher, betrügerischer, fehlerhafter Geisteszustand ist. Es gibt noch eine Unzahl weiterer fehlerhafter Faktoren des Geistes. Da die drei eben erwähnten uns am bekanntesten sein dürften, wurden sie ausführlicher beschrieben. _______________________________________________________________ 34
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Eine weitere Anschauung des Buddhismus ist, daß jede Person die Dinge, die sie tut, selbst tut, das heißt, zuerst hat man den Gedanken, etwas zu tun, und dann führt man die Handlung aus. Beim Ausführen einer Handlung, das heißt, auch beim Ausführen eines entsprechenden Gedankens, wird im Geist ein Potential hinterlassen, das die Fähigkeit hat, bei seiner Reifung Wohlbehagen oder Unbehagen zu produzieren. Es wird oft von Karma gesprochen. Dieser Begriff ist Ihnen sicher geläufig. Karma bezieht sich auf nichts anderes als auf Handlungen von Geist, Rede oder Körper. Wenn ein Gedanke gedacht wird, zum Beispiel ein negativer Gedanke, stellt dieser Gedanke eine Handlung dar, die als negatives Karma zu bezeichnen ist, das bei seiner Auswirkung negative Resultate mit sich bringt. Wenn eine verbale Handlung durchgeführt wird, stellt diese Handlung ein sogenanntes verbales Karma dar. Das gleiche trifft auf physische Handlungen zu. Sobald eine physische Handlung durchgeführt worden ist, stellt diese Handlung ein Potential dar, das gewisse Wirkungen mit sich bringt, und das wird als physisches Karma _______________________________________________________________ 35
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bezeichnet. Diese Potentiale werden auf dem Geisteskontinuum hinterlegt. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die äußeren Umstände entsprechend sind, führt das Reifen negativer Potentiale zur Erfahrung von Leid. In welcher Weise die unangenehmen Empfindungen und die verschiedenen Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben, entstehen, ist uns nicht bewußt, und deshalb empfinden wir die äußeren Umstände als allein verantwortlich für unsere Probleme. Wir reagieren entsprechend heftig darauf, gehen gegen sie an, streiten und machen die Schwierigkeiten meistens noch viel schlimmer, als sie am Anfang vielleicht waren. Andere Faktoren des Geistes wie zum Beispiel Mitgefühl, Erbarmen, reine Liebe und Geduld sind ebenfalls Faktoren des Geistes, die aus dem zentralen Geist entstehen. Es sind positive oder heilsame Aspekte des Geistes. Wenn ein solcher Faktor entstanden ist, verursacht er eine Zuneigung, ein Mitfühlen mit dem Objekt, mit dem anderen. Das Auftreten eines solchen Geistesfaktors verursacht Ruhe und Frieden und ein Gefühl des Wohlbehagens. Eine Steigerung _______________________________________________________________ 36
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dieses positiven Geistesfaktors führt dann dazu, daß dem anderen ein Ausdruck des Helfens und der Zuneigung entgegengebracht wird, was den Geist des anderen ebenfalls beschwichtigt. Wenn notwendig und wenn die positive Einstellung eine entsprechende Kraft erreicht hat, wird das zu verbalen und physischen Handlungen führen, die dem anderen dienen und ihm eine Hilfe sind. Das Auftreten solcher positiver Geistesfaktoren verursacht augenblicklich eine Beruhigung des Geistes aller Beteiligten. Man selbst empfindet tiefe Zufriedenheit, weil man dem anderen von Nutzen war. Der andere, dem geholfen wurde, empfindet ebenfalls die Genugtuung, daß ihm jemand unter die Arme gegriffen hat. Ähnliche Auswirkungen hat zum Beispiel auch der Geistesfaktor Geduld. Wenn Geduld fehlt, reagiert man auf Angriffe heftig und bösartig. Welche Folgen das hat, ist uns sicher bekannt. Wenn man dagegen ungestört bleibt, der Geist ruhig und entspannt ist, wird die Wut im anderen gedämpft. Es entsteht kein Streit; es entsteht Ruhe und Frieden auf beiden Seiten, was für einen selbst und den anderen auf die Dauer von wirklichem Gewinn _______________________________________________________________ 37
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ist. Das sind alles Dinge, die uns aus eigener Erfahrung bekannt sind, und kaum jemand wird die Richtigkeit des eben Gesagten bezweifeln und nach langen Begründungen fragen. So entstehen in uns zwei Arten von Faktoren des Geistes, positive und negative. Die einen verursachen nichts als Schwierigkeiten und Unbehagen, während die anderen zu einem positiven Weg führen. Es liegt an einem, sich zwischen diesen beiden zu entscheiden. Wenn man die Funktionsweise des Geistes gut versteht, Erfahrung im Umgang mit dem eigenen Geist gewinnt und dabei einen gewissen Erfolg erlangt hat, ist das für einen selbst der beste Gewinn sowohl in Zeiten, in denen es einem gut geht, weil man dann mit diesen Fähigkeiten ohnehin fröhlich und unbelastet zurechtkommt, aber auch in Zeiten, wo Schwierigkeiten auf einen warten, wo es mühsam ist, mit sich und der Umgebung zurechtzukommen. Diese Fähigkeiten erlauben es einem, Ruhe und Frieden des Geistes ungestört zu bewahren und auf die äußeren _______________________________________________________________ 38
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Situationen richtig zu reagieren. Wenn einem dagegen die Fähigkeit fehlt, mit dem eigenen Geist umzugehen und seine Funktionsweise zu verstehen, wird man in Zeiten, in denen es einem gut geht, kein Maß kennen und vor Übermut kaum zurechtkommen, während man in Zeiten, wo es einem schlecht geht, wo man mit dem eigenen Leid und den eigenen Schwierigkeiten nicht zurechtkommt, den Mut verliert und keinen Ausweg weiß. Im eigenen Geist entstehen zwei Arten von Einstellungen: friedliche, ruhige, und grobe, rauhe. In dem Maß, in dem die grobe und rauhe Seite des Geistes stärker ist, wird man mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wird man Mühe haben, mit seinem Leben zurechtzukommen. Die eigene Einstellung ist dann fehlerhaft und getäuscht, und so können die angegangenen Arbeiten nicht zum Erfolg führen. Wenn dagegen die ruhige und gezähmte Seite des Geistes die Oberhand hat, führt das dazu, daß der eigene Geist unter Kontrolle steht, daß die Handlungen korrekt und fein sind, daß man selbst _______________________________________________________________ 39
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in einem friedlichen und entspannten Zustand lebt und Ruhe und Frieden um sich verbreitet, was es einem erlaubt, bis zum Ende des Lebens angenehm zu existieren. Heutzutage fürchtet man sich sehr vor möglichen Kriegen und Zerstörungen. Eine solche Gefahr und Angst sind verbreitet, weil diejenigen, die die Macht haben, Ereignisse zu steuern, die grobe und ungezügelte Seite in ihrem Geist überhandnehmen lassen und dadurch in sich selbst und in ihrer ganzen Umgebung eine Atmosphäre des Unbehagens und der Angst hervorrufen. Das Beruhigen und Beseitigen von Angst und Unbehagen, sei es auf der Ebene der ganzen Welt oder auf der Ebene der eigenen Familie, kann nur auf der Basis der Besänftigung des wilden Geistes erreicht werden. Ohne die rohe Seite des Geistes zu überwältigen, ist es kaum möglich, die Auswirkungen des unbesänftigten Geistes zu beseitigen. Erkennt man diese zwei unterschiedlichen Aspekte des Geistes, den ungezügelten groben und den ruhigen besänftigten Geist und die Auswirkungen dieser beiden, kommt einem sicher leicht der _______________________________________________________________ 40
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Gedanke, daß es wohl weise wäre, die negative Seite zu besänftigen und die positive Seite weiter zu stärken. Wenn man die positiven und negativen Seiten des eigenen Geistes beeinflussen will, muß man das selbst tun, oder kann man sich dabei auf eine äußere Kraft verlassen? Die Antwort lautet, daß es zweifellos Hilfe von außen gibt, aber daß die eigentliche Arbeit von einem selbst geleistet werden muß. Es ist zwar notwendig und möglich, sich an jemanden zu wenden, der einem bei diesen Bemühungen hilft, aber es liegt an einem selbst, die positiven Aspekte des Geistes zu steigern und die negativen zu besänftigen. Sicher haben wir schon die Erfahrung gemacht, daß sich die Schwierigkeiten um uns beruhigen und sich die Wildheit in unserem Geist legt, wenn wir vorsichtig sind und achtsam handeln und wenn wir unseren Geist entspannt und ruhig in einer positiven Weise führen. Wenn wir dagegen nichts tun, unserem gewohnten wilden Lebenslauf folgen, entsteht durch die äußeren Einflüsse kaum eine Veränderung in uns.
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Wenn man glaubt, daß ohne eigene Bemühungen, nur durch äußere Einflüsse, irgend etwas erreicht werden könnte, müßte man sich überlegen, daß seit der Geburt bis jetzt auf diese Weise nichts zustande gekommen ist und daß die Wahrscheinlichkeit, daß sich bis zum Ende des Lebens ohne eigenes Zutun etwas zum Besseren wenden wird, sehr gering ist. Da es nun an einem selbst liegt, die negativen Aspekte des Geistes zu überwinden und positive zu entwickeln, stellt sich die Frage, wo man die Methoden finden kann, um eine solche Aufgabe zu bewältigen? Ist das Wissen für eine solche Veränderung in der Wissenschaft zu finden? Die Methoden und Anweisungen, wie man positive, friedliche Eigenschaften des Geistes entwickelt und negative überwindet, sind im Dharma zu finden. In den uns üblicherweise bekannten Wissenschaften werden wir kaum auf dieses Wissen stoßen. Das ist durchaus nachvollziehbar. Daß der große Fortschritt der Wissenschaft keine Beruhigung des Geistes der Menschen herbeigeführt hat, sondern daß Angst und Unsicherheit gestiegen sind, können wir mit unseren eigenen Augen deutlich erkennen.
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Die Grundbedeutung des Sanskritwortes Dharma, das oft als Religion übersetzt wird, ist «herausheben, aus Leid heraushalten». Damit werden Wissen und Methoden beschrieben, die ein Heraushalten aus Leid, ein Zurückhalten vor Leid bewirken. Solche Methoden werden als Dharma bezeichnet. Dharma ist also nicht das Tragen einer ausgefallenen Kleidung oder das Gehen in einer ausgefallenen Art und Weise, sondern ein Wissen, das es im eigenen Geist zu entwickeln und anzuwenden gilt, um ihn zu besänftigen. Wenn zum Beispiel jemand sagt, er halte nichts von Religion, aber ein Leben führt, das von Zuneigung zu anderen geprägt ist, in dem er anderen hilft, wo immer sie in Not sind, und einen friedlichen, ruhigen Geist hütet, dann ist diese Person ein wirklicher Anwender von Religion, ganz gleich, ob sie sich dazu bekennt oder nicht. Wenn dagegen jemand behauptet, ein religiöser Mensch zu sein, zum Beispiel seit dem zehnten oder dritten Lebensjahr Buddhist zu sein, aber einer Lebensweise folgt, in der er kaum etwas _______________________________________________________________ 43
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anderes tut, als anderen mit Rede und Körper Leid zuzufügen, dann mag sich diese Person zwar als Buddhist bezeichnen, aber sie folgt einem Verhalten, das gänzlich dem Verhalten, wie es im Dharma beschrieben wird, widerspricht. Die Anschauung einer Person ist ihre Überzeugung; die Lebensweise einer Person ist die eigentliche Anwendung ihrer Überzeugung. Damit wird deutlich, daß die Anwendung das Wesentliche, das Wichtigere ist. Wenn jemand ernsthaft daran denkt, die negativen Aspekte seines Geistes zu überwinden und positive zu entwickeln, dann ist der einzige Weg dazu, das Wissen und die Methoden des Dharma anzuwenden und zum Erreichen des gewünschten Zieles einzusetzen. Wie muß man das Wissen des Dharma verwenden? Man muß es in erster Linie auf den eigenen Geist anwenden und durch die Anwendung auf den eigenen Geist entsprechende Auswirkungen auf das Verhalten der eigenen Rede und des eigenen Körpers herbeiführen. Es gibt verschiedene feine und gröbere Zustände _______________________________________________________________ 44
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des Geistes, die man in diesen Bemühungen benützen kann. Je subtiler ein Geisteszustand ist, den man in seinen Bemühungen zur Verbesserung des Geistes anwendet, um so wirksamer werden diese Bemühungen sein. Aus diesem Grund werden in den weiteren Ausführungen die feineren und gröberen Geisteszustände beschrieben. Es werden Funktionsweise und Verwendungsmöglichkeiten des Geistes im wachen Zustand besprochen, ebenso die Eigenschaften des Geistes im Schlaf und im Traum in Verbindung mit einer Beschreibung, wie diese Zustände benützt werden können. Es gibt eine gewisse Notwendigkeit, die subtileren Geisteszustände in der Anwendung von Dharma zu benützen: einerseits wegen ihrer besonderen Eigenschaften, andererseits um alle verfügbare Zeit des Lebens auszunützen, also auch die Zeit, während der sich der Geist in solchen Zuständen befindet. Eine Aufforderung, die Methoden des Dharma anzuwenden, hat nicht zum Ziel, mehr Anhänger zu gewinnen. Vielmehr liegt der Grund darin, daß wir alle Leid vermeiden möchten und Angenehmes suchen und die besten Methoden, um dies zu ereichen, uns im Dharma zur Verfügung stehen. Es _______________________________________________________________ 45
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ist besonders wichtig, Methoden zu kennen, die es einem erlauben, geistiges Leid zu beseitigen und geistiges Wohlergehen zu erlangen, denn geistiges Befinden ist wesentlich stärker als physisches Befinden. Wenn man den Geist mit dem Wasser eines Meeres vergleicht, kann man die verschiedenen positiven und negativen Zustände, die im Geist auftreten, mit Wellen vergleichen, die durch den Umstand des Windes aus dem Wasser des Meeres emporsteigen. Die positiven und negativen Geistesfaktoren steigen in ähnlicher Weise durch Umstände aus dem zentralen Geist auf. Ähnlich wie der Umstand des Windes aus dem Wasser des Meeres Wellen emporhebt, so verursachen die äußeren Umstände der Objekte, die wir mit unseren Sinnen erfassen, das Entstehen der verschiedensten Faktoren aus dem zentralen Geist. Einige Geistesfaktoren wurden bereits erwähnt; unter ihnen negative Faktoren wie Begierde, Anhaftung, Eifersucht, Wut und so weiter und positive Faktoren wie Erbarmen, reine Liebe und Geduld. Ein genaues Verständnis der Funktionsweise und Natur der Geistesfaktoren und _______________________________________________________________ 46
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des zentralen Geistes zu gewinnen braucht einige Zeit. Bisher habe ich versucht, einen Überblick über die Eigenschaften des Geistes und deren Entstehung zu geben. Wenn zum Beispiel der Geist einer Person auf das Mikrophon gerichtet ist und dieses Mikrophon erfaßt, sind sechs verschiedene Faktoren des Geistes daran beteiligt, diese Aufgabe zu bewerkstelligen. Im allgemeinen ist uns nicht bewußt, daß verschiedene Faktoren des Geistes mitwirken, um etwas zu erfassen. Das einzige, was uns in den Sinn kommt, ist die Tatsache, daß wir mit unserem Geist ein bestimmtes Objekt erfassen. Wenn unsere Wahrnehmung also zum Beispiel eine Distel erfaßt, ist ein Teil des Geistes damit beschäftigt, das erscheinende Objekt zu erfassen; ein weiterer Teil verursacht das Streben des Geistes zu diesem Objekt; ein anderer Teil bewirkt ein Interesse am Objekt, bewirkt die Beschäftigung des Geistes mit dem Objekt; ein weiterer Teil ist sich des Objektes bewußt und sorgt dafür, daß das Objekt in Erinnerung bleibt und nicht vergessen wird; ein anderer Teil des Geistes bewirkt ein Richten auf das Objekt und sorgt dafür, daß der _______________________________________________________________ 47
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Geist einen oder mehrere Augenblicke ganz auf das Objekt gerichtet bleibt; wiederum ein anderer Teil untersucht das Objekt, vielleicht auch nur in geringem Maße. Beim Erfassen eines Objektes ist immer eine gewisse Untersuchung oder Überlegung bezüglich des Objektes vorhanden. Der erste aus diesen sechs Teilen des Geistes, die mit der Wahrnehmung der Distel beschäftigt sind, ist der zentrale Geist, der das Objekt in Besitz nimmt, und die nächsten fünf, die erwähnt wurden, sind Geistesfaktoren. Bei jeder Wahrnehmung, bei jedem Erfassen eines Objektes, sind diese sechs Teile des Geistes vorhanden und damit beschäftigt, die Wahrnehmung zustande zu bringen. Man sieht leicht, daß es nicht einfach ist, diese sechs verschiedenen Teile des Geistes wirklich auseinanderzuhalten und ihr Auftreten zu erkennen. Aber sie sind immer vorhanden, und wenn nur einer dieser sechs Teile fehlt, kommt die Wahrnehmung nicht zustande. Man kann diese Funktionsweise vielleicht mit dem Funktionieren eines Büros vergleichen, in dem es _______________________________________________________________ 48
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einen Chef und fünf Angestellte gibt, von denen jeder seine ganz bestimmte Aufgabe hat. Wenn nur eine dieser sechs Personen ihre Aufgabe nicht erfüllt, kann das Büro nicht funktionieren. Das eigentliche Ziel unserer Beschäftigung mit dem Geist wie auch des Benützens gröberer und subtilerer Geisteszustände ist es, das Wissen des Dharma mit unserem Geist zu verbinden und dadurch eine Stärkung der positiven Eigenschaften des Geistes und eine Abschwächung der negativen zu erlangen. Je subtiler der Geisteszustand, der dieses Wissen des Dharma anwendet, um so wirksamer ist die Beschäftigung mit diesen Methoden. Es wurde von den fünf Sinnen gesprochen, dem Gesichtssinn, Gehörsinn und so weiter, die uns ja im allgemeinen bekannt sind. Zudem wurde auch vom sechsten Sinn, dem sogenannten Denksinn gesprochen. Vergleicht man die Feinheit dieser sechs Sinne und deren Wirksamkeit, so sieht man, daß die äußeren fünf Sinne, die mit den physischen Organen verbunden sind, gröbere Teile des Geistes sind und ihre Wirksamkeit schwächer ist, während der Denksinn ein subtilerer Teil des Geistes ist, _______________________________________________________________ 49
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dessen Wirksamkeit im Vergleich zu den anderen fünf Sinnen stärker ist. Daß die äußeren Sinne wie zum Beispiel der Gesichtssinn, nicht besonders stark sind, kann man leicht daran erkennen, daß diese Sinne ihr Objekt erfahren, wenn sie mit dem Objekt in Berührung kommen, ohne daß vom Wahrnehmenden eine besondere Anstrengung erforderlich ist. Eine Verstärkung oder Abschwächung der Kraft der äußeren Sinne wird durch den Denksinn hervorgerufen. Wenn zum Beispiel der Gesichtssinn ein Objekt wahrnimmt und vom Denksinn Unterstützung erhält, ist die Wahrnehmung des Gesichtssinns stark, und er kann das Objekt in klarer Weise erfassen. Ohne Unterstützung durch den Denksinn dagegen ist die Wahrnehmung des Objektes durch den Gesichtssinn allein nur schwach. Wenn Sie zum Beispiel Ihre Augen auf ein Bild gerichtet haben, aber Ihre Aufmerksamkeit auf ein Musikstück gerichtet ist, ist der Gehörsinn mit der Wahrnehmung des Klanges beschäftigt, während der Gesichtssinn auf das Bild gerichtet ist. Ihre Aufmerksamkeit ist aber ganz auf den Klang des _______________________________________________________________ 50
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Konzertes gerichtet, und so werden Sie sich später an das, was Sie mit dem Gehörsinn wahrgenommen haben, noch klar erinnern, während die Wahrnehmung des Bildes, die gleichzeitig über den Gesichtssinn auftrat, nicht mehr klar in Erinnerung sein wird. Es kann sogar sein, daß Sie nicht einmal recht wissen, was Sie mit den Augen gesehen haben.
Ein ähnliches Beispiel, das die Wirksamkeit des Denksinns bezüglich der Klarheit der Wahrnehmung der anderen fünf Sinne deutlich macht, wäre der umgekehrte Fall: Wenn Sie ein Bild aufmerksam studieren und Ihre Aufmerksamkeit auf die Einzelheiten des Bildes gerichtet ist, werden Sie im Hintergrund vielleicht Gespräche vernehmen; aber da Ihre Aufmerksamkeit nicht darauf gerichtet ist, sondern lediglich auf das wahrgenommene Bild, werden Sie sich des Inhalts dieser Gespräche nicht bewußt sein. Sie haben mit Ihrem Gehörsinn zwar Laute wahrgenommen, aber dadurch, daß die Aufmerksamkeit dem Gesichtssinn zugeordnet war, den Inhalt dieser Gespräche nicht festhalten können. _______________________________________________________________ 51
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In bezug auf den Denksinn kann man eine weitere Unterteilung machen. Es gibt Zustände des Denksinns, wo man lediglich einen Gedanken hat, «ja, das dürfte wohl so sein»; und andere Zustände des Denksinns, wo man durch klare Überlegungen einen Sachverhalt als solchen erkennt und zu einer festen Überzeugung gelangt, daß etwas so ist oder daß es nicht so ist. Vergleicht man diese beiden Zustände des Denksinns, den einen, der einen Sachverhalt lediglich akzeptiert, und den, der einen Sachverhalt mit klaren Begründungen als solchen erkennt, so ist der zweite, der auf der klaren Begründung beruht, ein stabilerer, stärkerer und subtilerer Geisteszustand als der erste. Die Zustände des Denksinns, die lediglich eine Annahme oder ein Akzeptieren eines Sachverhalts ohne klare Begründung darstellen, sind nicht sehr stabil. Sie sind ähnlich wie eine Fahne am Fahnenmast; sobald der Wind in einer Richtung weht, gehen die Gedanken in die gleiche Richtung, und wenn der Wind sich dreht, verändern sich die Auffassungen ebenfalls. Wenn dagegen ein Zustand des Denksinns einen _______________________________________________________________ 52
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Sachverhalt auf der Grundlage von Begründungen erkennt, dann können andere sagen, was sie wollen, die Auffassung wird nicht ins Wanken geraten, weil klare Begründungen zur Verfügung stehen, die die eigene Anschauung erhärten. Solche Geisteszustände sind nicht leicht beeinflußbar und nicht leicht umzuwerfen. Aus dem bisher Gesagten sollten wir folgende Punkte verstanden haben: • Das Wissen des Dharma wird angewendet, indem man es mit dem eigenen Geist in Verbindung bringt. • Aus den verschiedenen Funktionen des Geistes ist es der Denksinn, der Dharma anwendet, und nicht die mit den physischen Organen verbundenen äußeren Sinne. • Ein Anwenden des Dharma bedeutet nicht lediglich ein Akzeptieren des Gesagten, sondern ein Verbinden mit dem eigenen Geist aufgrund von Überlegungen mit klaren Begründungen.
Aber nicht nur in bezug auf Dharma haben diese Gedanken eine Bedeutung. Bei allem, was wir unternehmen, sollten wir die stärkeren und _______________________________________________________________ 53
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subtileren Geisteszustände verwenden, das heißt, den Denksinn, und unter den verschiedenen Zuständen des Denksinns diejenigen, die auf klaren Begründungen beruhen. Wenn man bei allem, was man unternimmt, zuerst den Denksinn in Verbindung mit Begründungen benützt, werden die eigenen Bemühungen sicher das bestmögliche Resultat bringen, und selbst wenn man Schwierigkeiten hat, wird man bezüglich eines Entschlusses keine Reue empfinden. Die Funktion des Denksinns, die auf Begründungen beruht, kann in verschiedene Klassen unterteilt werden. Diese Unterteilung beruht auf der Unterteilung der Objekte, die dem Denksinn erscheinen. Diese Objekte haben unterschiedliche Feinheit; es gibt gröbere, feinere und subtilste Objekte. Für die Wahrnehmung dieser verschiedenen Objekte ist es notwendig, unterschiedlich subtile Zustände des Denksinns einzusetzen und unterschiedlich subtile Begründungen zur Erkenntnis dieser Tatsachen zu verwenden. Was hindert uns daran, diese Funktion des Denksinns wirksam einzusetzen? Es sind hauptsächlich _______________________________________________________________ 54
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die anderen fünf Sinne, die in Verbindung mit den physischen Organen funktionieren. Diese fünf äußeren Sinne sind zwar schwächer als der Denksinn, aber da sie ständig mit äußeren Objekten in Verbindung sind, lenken sie den Denksinn auf diese Objekte ab und verhindern dadurch den konzentrierten Einsatz der Fähigkeiten des Denksinns. Wenn zum Beispiel jemand mit einer komplizierten Maschine arbeiten muß, wird er das an einem Ort tun, wo er nicht abgelenkt wird. Dann kann er sich auf die Arbeit konzentrieren und seinen Denksinn ganz auf das Objekt richten. Seine Aufgabe wird dadurch leichter, schneller und besser erfüllt sein als in jeder anderen Situation. Wenn er dagegen diese Aufgabe in einer Umgebung durchführen möchte, wo viele Ablenkungen wie laute Musik und so weiter vorhanden sind, wird der Denksinn ständig auf die Wahrnehmungen der anderen Sinne abgelenkt sein, und somit wird die volle Kraft des Denksinns nicht zur Verfügung stehen. Wenn die fünf äußeren Sinne beansprucht werden, ist die Kraft des Denksinns auf diese äußeren Sinne _______________________________________________________________ 55
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verteilt und kann nicht gleichzeitig für konzentriertes Denken benützt werden. Wenn dagegen die Ablenkungen durch die fünf äußeren Sinne abgeschwächt werden oder nicht mehr vorhanden sind, dann kann der Denksinn seine volle Kraft für gezielte Arbeiten und Objekte einsetzen. Zuvor wurde erwähnt, daß die negativen Faktoren den Geist stören und ihm seine Kraft nehmen. Betrachten Sie das nicht einfach als eine Aussage, sondern verwenden Sie die Fähigkeit Ihres Denksinns, um diese Bemerkung mit Beispielen und Begründungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Wenn sich daraus Fragen und Antworten ergeben, sollte man sie mit weiteren Begründungen erhärten oder widerlegen und so diese Aussage durch eine Kette von Gedanken auf ihre Richtigkeit untersuchen. Wenn man so vorgeht, gewinnt man ein klares Verständnis und unumstößliche Anschauungen. Bisher wurden Erklärungen über verschiedene Geisteszustände im wachen Zustand gegeben, und es wurde beschrieben, wie wir diese einsetzen können. Es wurde auch von der unterschiedlichen Feinheit des Geistes im Wachzustand, Traum und _______________________________________________________________ 56
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Schlaf gesprochen. Nun soll beschrieben werden, wie diese Zustände benützt werden können.
Der Zustand des Geistes im Schlaf Bezüglich der Natur des Geistes wurde dessen klare und erfassende Eigenschaft erwähnt. Diese grundlegende Natur des Geistes bleibt zwar immer die gleiche, aber die unterschiedlichen Zustände, die in diesem Geist auftreten, können auf verschiedene Weise benützt werden. Wenn wir die subtileren Zustände des Denksinns im Zusammenhang mit klaren Überlegungen und Begründungen verwenden, können unsere Bemühungen im Dharma sehr erfolgreich sein und zu großen Fortschritten führen. Auch in weltlichen Belangen können wir wertvolle Ziele erlangen, wenn wir diese Fähigkeit des Geistes einsetzen. In jedem Land gibt es bedeutende Persönlichkeiten, die uns Vorbilder sind. Die Gemälde hier im Raum stellen vermutlich auch solch bedeutende Personen dar. Wenn wir an solche Leute denken, haben wir manchmal den Eindruck, sie seien von anderer Art; als könnten wir uns nie mit ihnen _______________________________________________________________ 57
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messen und müßten unweigerlich unter ihnen stehen. In Wirklichkeit jedoch sind wir und diese Personen insofern genau gleich, als wir Menschen sind und einen Geist besitzen, der sämtliche Eigenschaften und Faktoren hat, wie sie bisher erklärt wurden. Woher kommt dann der Unterschied zwischen uns und diesen Leuten? Der Unterschied entstand lediglich dadurch, daß sie die subtileren Zustände des Denksinns auf komplizierte und subtile Gebiete gerichtet und sich bemüht haben, mit klaren Begründungen ein genaues Verständnis der Zusammenhänge zu erlangen. Das hat ihnen ihre besondere Stellung gebracht. Wir dagegen sind nicht so weit gekommen, weil wir unserem Denken Grenzen gesetzt und uns mit einem engeren Bereich der Gedanken zufriedengegeben haben, ähnlich wie jemand, der seinen Wagen einfach nicht über die Stadtgrenze hinausfährt. Unsere Grenzen haben wir uns selbst gesetzt, denn niemand kann einem von außen oder durch äußere Gewalt verbieten, den eigenen Geist zu benutzen und mit klaren Begründungen über schwierigere und subtile Objekte nachzudenken. Selbst wenn _______________________________________________________________ 58
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jemand einem das Denken verbieten würde, ist das nicht möglich, denn gedacht wird mit dem Geist, nicht mit dem Körper. Man kann den Geist für die unterschiedlichsten Dinge benutzen. Auch wenn man ihn nicht mit dem Dharma in Verbindung bringt, kann man dadurch, daß man die geistigen Fähigkeiten benutzt, an einen Punkt kommen, wo man auch schwer zu bewältigende weltliche Dinge durch die Kraft des eigenen Geistes überwinden kann, ohne durch äußere Umstände ins Ungleichgewicht zu geraten. Normalerweise denken wir nicht daran. Wir verbringen einen Tag nach dem anderen, ohne uns große Gedanken zu machen. Wir können unseren Geist verwenden, und es ist auch ratsam, seine Fähigkeiten auszunützen. Nun, wann hat man das zu tun? Aus der ganzen Lebensspanne, die uns zur Verfügung steht, müssen wir bereits die Hälfte abziehen, weil wir sie verschlafen. Es ist sehr schwierig, im Schlaf die subtileren Fähigkeiten des Geistes zu verwenden. Betrachtet man den Rest des Tages, das heißt, die Zeit, die man nicht mit Schlafen verbringt, unterteilt sie in Morgen, Nachmittag und Abend _______________________________________________________________ 59
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und überlegt sich, ob man während einer dieser Zeiten den Geist für etwas verwendet, das einem befähigt, grundlegende Schwierigkeiten zu überwinden, die in der weiten Zukunft auf einen zukommen können, sehen wir, daß wir die subtileren Fähigkeiten des Geistes kaum je benützen, sondern die Zeit ständig mit kleineren Aufgaben vergehen lassen. Jemand, der sich keine Gedanken darüber macht, ob er die Fähigkeiten des Geistes benutzt oder nicht, wird sein Leben ohnehin vergehen lassen, ohne die feineren Möglichkeiten des Geistes jemals genutzt zu haben. Aber auch jemand, der sich grundsätzlich für die subtileren Fähigkeiten des Geistes interessiert, wird feststellen müssen, daß er diese Fähigkeiten nur ganz selten und nur für kurze Zeit in Anspruch nimmt. Wir sind Menschen, die denken können, und zudem Erwachsene und keine Kinder. Also stehen uns die Fähigkeiten des Denksinns zur vollen Verfügung. Deshalb ist es wichtig, daß wir uns überlegen, wie wir unser Leben verbracht haben und wie wir es in Zukunft verbringen möchten. Wir sollten uns bewußt werden, daß wir wahrscheinlich _______________________________________________________________ 60
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nur während eines kleinen Teils der Zeitspanne unseres Lebens die besten und stärksten Fähigkeiten unseres Geistes verwendet haben. Wenn wir den Rest unseres Lebens in der gleichen Weise verbringen, verschwenden wir die wertvolle Zeit des Lebens, und es wird der letzte Tag kommen, ohne daß wir die positiven Fähigkeiten des Geistes jemals ernsthaft benutzt haben. Um dem vorzubeugen, ist es ratsam, sich einen neuen Lebensstil zuzulegen, in dem man bestimmte Zeiten den Notwendigkeiten dieses Lebens widmet und bestimmte Zeiten mit einer ernsthaften Anwendung der subtilen und starken Fähigkeiten des Geistes verbringt, um etwas von bleibendem Wert zu gewinnen. Die subtilen und starken Fähigkeiten des Geistes können am besten in einer Schulung des Geistes oder in der Meditation eingesetzt werden. Um eine ernsthafte Schulung des Geistes zu erreichen, ist es notwendig, zuerst genau zu verstehen, mit welchen einwandfrei begründeten Überlegungen der Geist zu führen ist. Erst wenn man sich dieses Wissen angeeignet hat, ist es sinnvoll, sich zur Meditation hinzusetzen und es in intensiver geistiger Arbeit _______________________________________________________________ 61
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anzuwenden. In der Meditation bemüht man sich zuerst, die Störungen durch die fünf äußeren Sinne zu unterbinden, danach die Störungen durch die Ablenkungen des Denksinns. Dann hat man einen ungestörten, klaren Geist zur Verfügung, das heißt den Denksinn in einer subtilen Form, ungestört von den Einflüssen und Ablenkungen der anderen fünf Sinne. Wenn man mit diesem klaren und subtilen Denksinn die Überlegungen und das Wissen, das man sich zuvor angeeignet hat, benutzt, können sehr wirkungsvolle Resultate erzielt werden. Jemand, der seine Zeit mit einer ernsthaften Anwendung des Dharma verbringen möchte und das Wachsein dazu benutzt, den Denksinn in einen klaren Zustand zu bringen, frei von Störungen durch die äußeren fünf Sinne und frei von Ablenkungen, mag dann auch die Zeit des Schlafens und die Zeit des Träumens in der Anwendung des Dharma verbringen. Dadurch gelingt es, das erworbene Wissen vierundzwanzig Stunden am Tag anzuwenden, ein ganzes Leben lang. Den Schlaf zu benützen, ist aus zwei Gründen er_______________________________________________________________ 62
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strebenswert. Der erste Grund ist für einen Anwender des Dharma die Überlegung, daß dadurch die Zeit des Schlafes nicht verschwendet wird; der zweite Grund, daß der Geisteszustand im Schlaf viel subtiler ist als im wachen Zustand. Manche Leute verstehen recht gut, daß der Zustand des Geistes im Schlaf subtiler ist als im Wachzustand; für andere mag das schwieriger sein, vor allem, wenn sie jede Nacht die Erfahrung machen, daß alles einfach ausgelöscht ist, sobald der Kopf auf dem Kopfkissen liegt, und sie nichts mehr wissen, bis sie am Morgen wieder aufwachen. Schlaf ist ebenfalls ein Geisteszustand. Zuerst ist der Wachzustand vorhanden, dann folgt der Geisteszustand des Schlafes, und danach folgt der Geisteszustand des Traumes. Der Traum kann erst nach dem Schlaf auftreten. Nach dem Traum kann dann wieder der wache Geisteszustand auftreten. Was ist nun Schlaf? Schlaf tritt auf, wenn man sich hinlegt; abgesehen von den Menschen, die auch im Stehen schlafen. Wenn man entspannt oder müde ist, kann also Schlaf eintreten. Was dabei geschieht, ist, daß der Geistesfaktor Schlaf _______________________________________________________________ 63
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aufsteigt, die Oberhand gewinnt und bewirkt, daß die fünf äußeren Sinne im zentralen Geist absorbiert werden und ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen. Es gibt auch eine andere Möglichkeit, den Geistesfaktor Schlaf zum Auftreten zu bringen, und zwar dadurch, daß man sich zur Meditation hinsetzt, dann einen trüben Geist bekommt, der immer dumpfer wird, bis der Geistesfaktor Schlaf die Oberhand gewonnen hat. Sobald man bei der Meditation anfängt zu gähnen, heißt das, daß man den Schlaf eingeladen hat.
Schlaf ist also ein Geistesfaktor, dessen Funktion es ist, die fünf Sinne aufzulösen und zurückzurufen. Dadurch ist Schlaf auch ein Geisteszustand, der weder von den fünf Sinnen noch von Vorstellungen gestört werden kann. Wenn es einem also gelänge, diesen Geisteszustand bewußt zu benutzen, hätte man einen äußerst subtilen, wirksamen und ungestörten Teil des Geistes zur Verfügung, mit dem man sehr wirksam Aufgaben in der Anwendung des Dharma angehen könnte. _______________________________________________________________ 64
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Was muß einem gelingen, um diesen Geisteszustand Schlaf benutzen zu können? Man muß im Schlaf diesen Zustand als solchen erkennen, das heißt, man muß sich im Schlaf des Schlafes bewußt werden. Solange man sich des Schlafes nicht bewußt ist und somit diesen Geisteszustand nicht erkennt, kommt man nicht auf die Idee, ihn zu benutzen, und hat damit auch keine Möglichkeit, ihn zu benutzen. Wenn man davon spricht, daß man den Schlaf als solchen erkennen muß, heißt das, daß der Schlafende sich während des Schlafes bewußt sein muß, daß er jetzt schläft. Lediglich zu wissen, daß man bald einschlafen wird, oder am Morgen, wenn man aufgewacht ist, zu erkennen, daß man geschlafen hat, nützt nichts. Es ist notwendig, sich während des Schlafens bewußt zu sein, daß jetzt der Geisteszustand Schlaf aufgetreten ist und daß man diesen Zustand jetzt auf verschiedene Art und Weise benutzen kann. Es ist uns sicher klar, daß das für uns äußerst schwierig ist, denn sobald unser Kopf auf dem Kopfkissen liegt und wir eingeschlafen sind, ist _______________________________________________________________ 65
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außer einer großen Dunkelheit nichts mehr da. Aber es ist möglich, sich in Methoden zu üben, die es erlauben, den Schlaf als solchen zu erkennen und sich im Schlaf des Schlafes bewußt zu werden. Diese Methoden sind im wachen Zustand, das heißt, vor dem Einschlafen anzuwenden. Wenn es einem einmal gelungen ist, sich des Schlafes bewußt zu werden und den Geistesfaktor Schlaf zu benutzen, dann ist es für diese Person ein Gewinn, möglichst viel zu schlafen; das heißt, vom frühen Abend bis spät am Morgen im Schlaf zu verharren. Für jemanden, der sich um die Fähigkeit der Bewußtheit des Schlafes bemüht, ist es unumgänglich, sich weiter zu schulen, um auch ein Verständnis der Leerheit zu gewinnen. Der subtile Geisteszustand im Schlaf kann dann für das Untersuchen und Erfassen der Leerheit, des Schunyata, benutzt werden. Durch ein Erkennen dieser Wirklichkeit während des Schlafes werden die Handlungen des Tages noch wesentlich wirksamer und erfolgreicher sein. Im allgemeinen ist es für jüngere Leute leichter, _______________________________________________________________ 66
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viel zu schlafen. Leute unter fünfzig schlafen mehr und länger als Leute über fünfzig. In fortgeschrittenem Mittelalter wird es schwieriger, länger zu schlafen, weil von den vier Elementen des Körpers das Element der subtilen Energien eine gewisse Dominanz erlangt. Wenn die subtilen Energien stark werden, ist es schwer zu schlafen. Auch Nervosität ist das Resultat einer Verstärkung der subtilen Energien. Wenn man sehr nervös ist, ist es ebenfalls schwierig einzuschlafen. Im Alter zwischen sechzehn und fünfzig Jahren sind von den verschiedenen Körpersäften die gallischen Stoffe am stärksten, und diese dominieren den Schlaf. In dem Lebensabschnitt bis zu sechzehn Jahren sind die schleimigen Körpersäfte am stärksten, und das bewirkt eine Verringerung der Kraft der subtilen Energien. Für uns ist der Zeitraum des Schlafes eine Zeit, in der wir keinerlei Gewalt über uns haben, das heißt, es erscheint uns nichts als Dunkelheit und Unklarheit, und erst im Traum werden bestimmte Erscheinungen wieder klarer. Jeder Teil des Geistes, jeder Geisteszustand, ist von einer subtilen Energie begleitet, die ständig mit _______________________________________________________________ 67
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diesem Geisteszustand in Verbindung ist und nie von ihm getrennt werden kann. Man könnte es mit einem Pferd und seinem Reiter vergleichen. Wenn ein berittener Mensch etwas unternimmt, sind seine Handlungen die Handlungen des Menschen, aber die Fortbewegung von einem Ort zum anderen wird durch das Pferd ermöglicht. Ähnlich ist es bei der Funktionsweise des Geistes. Das Erfassen, Erkennen und Wahrnehmen des Objektes ist die Aktivität des Geistes; daß der Geist auf das Objekt gerichtet wird, zu dem Objekt gelangt, das ist die Aktivität der subtilen Energie, die mit diesem Geist verbunden ist. Im schlafenden Zustand sind andere Geisteszustände absorbiert; sie sind nicht vorhanden. Der Geisteszustand Schlaf und die ihn begleitenden subtilen Energien sind dominant. Wenn nun im Zustand des Schlafes die subtile Energie, die den Geistesfaktor Schlaf begleitet, etwas an Kraft verliert, steigt der Geisteszustand Traum auf. Solange der Geistesfaktor Schlaf dominiert, haben wir keinerlei Bewußtheit; wir sind uns dessen, was geschieht, nicht bewußt; es ist nur Dunkelheit und Unklarheit vorhanden. Wenn dann die Geisteszustände des Traumes auftreten, sind diese _______________________________________________________________ 68
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nicht so stark und subtil wie der Geistesfaktor Schlaf, aber immer noch viel subtiler und stärker als die Geisteszustände, die im wachen Zustand auftreten.
Der Zustand des Geistes im Traum Wie kann es sein, daß im Traum verschiedene Dinge wie Formen und Klänge wahrgenommen werden, wo doch gesagt wurde, daß im schlafenden und träumenden Zustand die fünf Sinne absorbiert sind und ihre Aufgaben nicht erfüllen. Dazu ist zu sagen, daß man im Traum nicht mit den Augen wahrnimmt, sondern daß die Erscheinungen, die im Traum auftreten, durch den Denksinn erfaßt werden. Es sind also nicht die äußeren Sinne wie der Gesichtssinn, Gehörsinn und so weiter, die die Traumbilder erfassen. Im Traum sieht man zum Beispiel einen anderen Menschen; man hört, man antwortet, man rennt davon, man läuft jemandem nach; das alles sind getäuschte Wahrnehmungen, Erscheinungen des Denksinns; es sind keine Wahrnehmungen der äußeren fünf Sinne. Außerdem weiß man ja, daß _______________________________________________________________ 69
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man im Traum, auch wenn man noch so schnell davonläuft, eigentlich im Bett liegt. Und wenn man im Traum ein Kilo Gold gefunden hat und sich schrecklich darüber freut, muß man am nächsten Tag trotzdem wieder mit leeren Taschen zur Arbeit gehen. Es gibt verschiedene Träume. Es ist möglich, daß manche Träume eine gewisse Andeutung zukünftiger Ereignisse darstellen. Solche Träume sind allerdings sehr selten. Eine andere Art von Traum wird dadurch hervorgerufen, daß Wesen einen beeinflussen und einem Schaden zufügen, oder daß helfende Kräfte positive Zeichen und Eindrücke setzen, die zu entsprechenden Träumen führen. Die meisten Träume werden jedoch lediglich durch die Handlungen und Eindrücke des Tages hervorgerufen und sind eine Spiegelung dieser Ereignisse. Die vielen verschiedenen äußeren Eindrücke und unsere inneren Gedanken liefern die Ursachen und den Stoff für unsere Träume. Während des Traumes sind wir uns jedoch nicht bewußt, daß wir träumen. Wenn wir im Traum mit jemandem sprechen, erscheint es uns so, als ob wir _______________________________________________________________ 70
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tatsächlich mit dieser Person sprechen. Oder wenn uns jemand angreift, empfinden wir das als einen wirklichen Angriff. Solange wir träumen, ist uns nicht bewußt, daß es sich lediglich um einen Traum handelt. Die verschiedenen Geisteszustände im Traum, die die unterschiedlichen Erscheinungen erfassen, sind falsche, unrichtige Wahrnehmungen. Diese Erscheinungen des Traumes sind zwar tatsächlich vorhanden, aber wir machen den Fehler, die Trugbilder des Traumes für die Wirklichkeit zu halten. Wenn man in einem Traum zum Beispiel Angst vor der Polizei hat, die einem nachstellt oder eine Strafe auferlegt, dann ist die Frage, ob diese Erscheinung der Polizei existiert. Die Antwort ist ja, die Erscheinung existiert. Wie ist das zu verstehen? In Abhängigkeit von geistigen Eindrücken und dem Geisteszustand im Traum entsteht diese Erscheinung. Der Geisteszustand des Traumes erfaßt diese Erscheinung, und somit ist diese Erscheinung existent. Fragt man sich weiter, ob diese Erscheinung der Polizei auch wirklich die Polizei ist, lautet die Antwort nein. Die Erscheinung der Polizei ist lediglich _______________________________________________________________ 71
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ein Trugbild, ein Traumbild; es ist nicht in Wirklichkeit die Polizei. Das trifft auf alle Erscheinungen des Traumes zu. Alles, was im Traum wahrgenommen wird, existiert lediglich als Erscheinung, ist ein Trugbild und entspricht nicht der Wirklichkeit, obwohl wir es im Traum als Wirklichkeit erfahren. Es wurde erwähnt, daß der Zustand des Geistes im Traum subtiler und stärker ist als im wachen Zustand. Die Stärke des Geisteszustands Traum läßt sich leicht daran erkennen, daß jemand nach einem Alptraum mit wildem Herzklopfen und in Schweiß gebadet aufwacht. Es sind die Geisteszustände im Traum, die den Schweißausbruch und das Herzklopfen verursachen. Ein anderes deutliches Zeichen für die Kraft dieses Geisteszustandes findet man bei Menschen, die sich intensiv mit der Anwendung von Dharma beschäftigen und im Traum manchmal verschiedene Aspekte und Erscheinungen des Dharma erfahren. Das kann bewirken, daß man auch nach dem Erwachen von den Erscheinungen des Traumes noch tief beeindruckt ist. Wenn man _______________________________________________________________ 72
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in der Nacht zum Beispiel vom eigenen Meister oder von anderen Aspekten des Dharma geträumt hat und am nächsten Tag ohne ersichtlichen Grund besonders fröhlich ist, kann dies durchaus als Zeichen für einen guten Traum gewertet werden. Träumt man jedoch und ist am nächsten Morgen ohne ersichtlichen Grund bedrückt und traurig, kann das eine gewisse negative Auswirkung des Traumes sein, muß aber nicht in jedem Fall so gewertet werden. Man kann den Zustand des Geistes im Traum auf verschiedene Weise für die Anwendung des Dharma benützen. In den Erklärungen über die Leerheit wird oft die Analogie des Traumbildes verwendet. Die Erfahrungen des Traumes sind Erscheinungen, die während des Traumes für wahr gehalten werden, aber in Wirklichkeit nicht so sind, wie man sie im Traum erfährt. Vielmehr sind sie leer oder frei von der Wirklichkeit, die man dem Trugbild im Traum zuordnet. Wir schlafen und träumen und sind im Traum eigentlich wie Verrückte, die im allgemeinen auch nicht der Meinung sind, daß ihnen etwas fehlt, sondern fest davon überzeugt sind, daß alles, was sie denken und sehen, der Wirklichkeit entspricht. Im _______________________________________________________________ 73
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Traum ergeht es uns ganz ähnlich. Alles, was uns erscheint und auf uns zukommt, erfahren wir als wahr und sind fest davon überzeugt, daß alles auch so ist, wie wir es erleben. Wenn man den Zustand des Geistes im Traum benutzen möchte, ist es, wie bereits erklärt, notwendig, sich während des Traumes bewußt zu werden, daß man träumt. Man muß erkennen, daß der Geisteszustand des Traumes aufgetreten ist. So wie man während des Schlafes erkennen muß, daß man schläft, muß man sich während des Traumes des Träumens bewußt sein. Man muß erkennen, daß man jetzt träumt, daß die Dinge, die einem erscheinen, Trugbilder des Traumes sind. Es gibt Menschen, die im Traum träumen, daß sie träumen, aber das ist damit nicht gemeint. Wie muß man nun vorgehen, um den Zustand des Traumes wirklich zu benützen? Erstens ist es wichtig, die verschiedenen Punkte des Dharma genau zu studieren. Am besten wäre es, wenn man ein Verständnis der Leerheit oder anderer wichtiger Punkte des Dharma gewinnen könnte; sich dann darin zu schulen, den Traum als solchen zu erkennen, sich im Traum des Traumes bewußt _______________________________________________________________ 74
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zu werden, und dann mit dieser Bewußtheit den Geistesfaktor Traum auf die Erkenntnisse des Dharma, zum Beispiel auf die Leerheit anzuwenden. Wenn jemand einen Klumpen Gold findet und nicht erkennt, daß es sich um Gold handelt, wird er ihn für wertlos halten und wieder wegwerfen. Erkennt er aber, daß er Gold gefunden hat, wird er es für die unterschiedlichsten Dinge benützen. Der Zustand des Geistes im Traum läßt sich mit diesem Goldklumpen vergleichen. Solange es nicht gelingt, sich während des Traumes bewußt zu werden, ist man wie jemand, der einen Klumpen Gold besitzt, aber nicht weiß, daß es sich um Gold handelt. Wenn man die Fähigkeit erlangt hat, sich im Traum des Träumens bewußt zu werden, ist das, als hätte man erkannt, daß es sich bei dem Klumpen um Gold handelt, und dann kann dieser Geisteszustand des Traumes benutzt werden, um große Ziele zu erreichen. Die Fähigkeit, sich des Traumes bewußt zu werden, ist die Grundlage, auf der ein sogenannter Traumkörper entwickelt werden kann. Wenn man einmal in der Lage ist, sich des Traumes bewußt zu _______________________________________________________________ 75
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werden, während des Traumes klar wahrzunehmen, zu erkennen und zu denken, dann kann man den Traumzustand verwenden, um einen Traumkörper zu nehmen. Manchen Menschen ist es möglich, durch Übung einen solchen Traumkörper zu entwickeln und dann zu benutzen; andere besitzen diese Fähigkeit von Natur aus. Der Traumkörper erlaubt es einem, den gewöhnlichen Körper im Bett zurückzulassen und sich mit dem Traumkörper an beliebige Orte zu bewegen, und zwar ohne materielle Hindernisse. In diesem Zustand ist man in der Lage, alles mögliche zu tun; man kann Opfergaben darbringen und vieles mehr. Manche Menschen nachtwandeln gern, aber nachts aufzustehen und umherzugehen, ohne sich dessen bewußt zu sein, hat nichts mit dem Traumkörper zu tun. Ein Traumkörper ist kein Fleisch- und Knochenkörper, sondern besteht ganz aus subtilen Energien und erfährt deshalb keinerlei materielle Hindernisse. Manche Menschen besitzen diese Fähigkeit von Natur aus. In Indien besuchte mich ein Herr und erzählte, er habe nachts manchmal das Gefühl, als trete er durch den Scheitel aus seinem Körper aus, um nach England zu gehen und alles _______________________________________________________________ 76
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mögliche zu tun, und beim Zurückkommen trete er wieder durch den Scheitel in seinen Körper ein. Dann sei er wieder da, wo er hingehöre. Ich weiß nicht, ob die Geschichte dieses Herrn wahr ist. Wenn sie jedoch wahr ist, entspricht seine Beschreibung den Möglichkeiten und Erfahrungen des Traumkörpers. Es gibt also die Möglichkeit, den Geist in jedem Zustand, sei es im wachen Zustand, im Schlaf oder im Traum, für heilsame Dinge zu verwenden. Sich im Traum des Traumes bewußt zu werden und einen Traumkörper zu nehmen erlaubt es einem, Dharma in vielfältiger Weise wirksam anzuwenden. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb man sich darum bemühen mag. Früher oder später wird man sterben und in den Zwischenzustand eintreten. Der Zwischenzustand ist dem Traum recht ähnlich, und die Fähigkeit, sich im Traum des Traumes bewußt zu werden, hilft zu diesem Zeitpunkt, sich des Zwischenzustandes bewußt zu werden, was einen außergewöhnlichen Gewinn darstellt.
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Ahnlich wie auf den wachen Zustand der Schlaf folgt und auf den Schlaf der Traum, so folgt auf das Leben der Tod und nach dem Tod der Zwischenzustand. Der Traum ist ein eigenartiger Zustand, in dem alles Erdenkliche und Unerdenkliche wahrgenommen und erfahren wird. Ähnlich ist es im Zwischenzustand, dem Bardo. Der Zwischenzustand ist ebenfalls ein Zustand, in dem der Geist alle möglichen Erscheinungen wahrnimmt, die nicht der Wirklichkeit entsprechen, die sehr verworren sein können, ganz ähnlich wie Träume. Der Bardokörper, der im Zwischenzustand angenommen wird, ist wie der Traumkörper ein Körper, der aus subtilen Energien besteht. Wenn uns im Traum erschreckende Dinge erscheinen, laufen wir davon, haben Angst und reagieren heftig darauf, obwohl es unnötig ist, weil die Erscheinungen lediglich Trugbilder sind. Ähnlich ist es im Zwischenzustand. Auch dort erscheinen einem die schrecklichsten Dinge, die alle nur Trugbilder sind, aber dennoch reagiert man darauf, als. ob alles wahr wäre. Wenn man während des Lebens die Fähigkeit erlangt hat, sich im Traum des Traumes bewußt zu werden, und in der Lage ist, einen _______________________________________________________________ 78
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Traumkörper zu nehmen, verfügt man über eine ausgezeichnete Grundlage, um während des Zwischenzustandes zu erkennen, daß man einen Bardokörper hat und sich im Bardo befindet. Man erkennt die eigene Lage, reagiert richtig und wird von diesen Erscheinungen nicht erschreckt. Die meisten unserer Träume sind jedoch nichts anderes als ein Erwachen der Eindrücke, die durch unsere täglichen Beschäftigungen gesetzt worden sind. Tagsüber beschäftigen wir uns mit allen möglichen Dingen, und diese Beschäftigungen hinterlassen Eindrücke im Geist, die dann während des Traumes hochkommen, ihre Resultate erzeugen und die uns bekannten vielfältigen, verworrenen Erscheinungen produzieren. Wenn man sich tagsüber intensiv mit Dharma beschäftigt, über die Erklärungen des Dharma nachdenkt, den Geist damit verbindet und sich Studien oder anderen Aktivitäten des Dharma widmet, und wenn man vor dem Einschlafen die Gedanken wieder vollständig darauf richtet, bildet das die Grundlage dafür, daß während des Traumes ebenfalls Gedanken des Dharma aufsteigen können. _______________________________________________________________ 79
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Diese Wirkung ist uns vielleicht bekannt. Wenn wir tagsüber ständig nur an ein bestimmtes Objekt oder an Objekte unserer Begierde denken und auch beim Einschlafen nichts anderes im Sinn haben, werden wir sicher davon träumen. Denken wir dagegen den ganzen Tag über nur an einen Menschen, der uns ärgert oder uns etwas zuleide getan hat, und hegen womöglich beim Einschlafen immer noch Groll gegen ihn, dann werden wir sicher auch von ihm träumen. Selbstverständlich steht es jedem Menschen frei, seine Zeit und seine Möglichkeiten so zu verwenden, wie er es möchte. Wenn sich aber jemand entschließt, seine Zeit hauptsächlich für die Anwendung von Dharma zu verwenden und sein Verständnis zu erweitern, ist das ein ausgezeichneter Entschluß, denn im Augenblick verbringen wir den größten Teil unserer Zeit mit allen möglichen anderen Dingen, die von keinerlei bleibendem Wert sind. Um Wissen zu erlangen, müssen wir in die Schule gehen und etwas lernen. Um den Zustand des Geistes im Schlaf und im Traum verwenden zu _______________________________________________________________ 80
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können, ist es ebenfalls notwendig, zuerst genau zu lernen, wie diese Geisteszustände benützt werden können. Wenn jemand den Geist untertags für heilsame Dinge verwendet und den Schlaf in gleicher Weise verwenden möchte, ist es notwendig, den «Schlaf zu fangen», das heißt, sich im Schlaf des Schlafes bewußt zu werden.
Einige Methoden der Anwendung Um den Schlaf als solchen erkennen zu können, wird ein Anwender des Dharma sich vor dem Einschlafen den eigenen Meister auf dem Scheitel vorstellen, in der Vorstellung Opfergaben darbringen und den Meister bitten, ihm zu helfen, den Schlaf als solchen zu erkennen. Jemand, der diesen Bemühungen ernsthaft folgt, wird als Vorbereitung dem Meister seine Bitten vortragen, das heißt, er wird in der Vorstellung den Meister um seinen Segen bitten; darum, daß er ihm helfen möge, sich während des Schlafes des Schlafes bewußt zu werden und, wenn dies gelingt, daß der Schlaf tief und lang sein möge. Manche Menschen haben es nicht nötig, ihren Meister um dergleichen zu bitten, denn sobald sie den Kopf aufs _______________________________________________________________ 81
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Kopfkissen legen, versinken sie in einen so tiefen und langen Schlaf, daß sie morgens sogar zu spät ins Büro kommen. Wichtig ist auch, daß man sich vor dem Einschlafen ganz fest vornimmt, den Schlaf als solchen erkennen zu wollen. Durch diesen Vorsatz wird ein hilfreiches Zeichen gesetzt. Wenn man dann eingeschlafen ist und sich in tiefem Schlaf befindet, ist es sehr, sehr schwer, sich des Schlafes bewußt zu werden. Aber es gibt Phasen, in denen der Schlaf wesentlich leichter ist, und in solchen Augenblicken ist es möglich, einen Teil des Geistes frei zu machen, um den Geist zu beobachten, um zu erkennen, daß man schläft. Eine Methode, die hilft, nur leicht zu schlafen und dann den Schlaf als solchen erkennen zu können, besteht darin, daß man sich beim Einschlafen im Halszentrum auf der Höhe des Adamsapfels einen kleinen roten Punkt vorstellt. Wenn man mit dieser Vorstellung einschläft, wird der Schlaf weniger tief sein, und man hat eine bessere Möglichkeit, den Schlaf zu erkennen. Selbstverständlich wird man keinen Erfolg haben, wenn man diese Methode nur _______________________________________________________________ 82
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einmal anwendet. Man sollte sich monatelang darin bemühen und daran gewöhnen, denn dadurch, daß man sich schult, kann man etwas erreichen, und auch diese Fähigkeiten lassen sich schulen. Während des Schlafes dominiert der Geistesfaktor Schlaf, aber mit Hilfe solcher Bemühungen erlangt man die Fähigkeit, einen anderen Teil des Geistes frei zu machen, der dann den Schlaf erfaßt und erkennt, daß es sich um Schlaf handelt. Gelingt es einem schließlich, den Schlaf als solchen zu erkennen, muß man sich bemühen, ihn zu vertiefen und zu verlängern, denn je tiefer der Schlaf, desto subtiler ist der Geisteszustand und desto größer seine Kraft. Je länger man diesen Zustand aufrechterhalten kann, desto länger kann man ihn gezielt einsetzen. Wie schon zuvor erwähnt, hat der subtile Geisteszustand Schlaf die besondere Eigenschaft, daß die fünf äußeren Sinne absorbiert sind und somit keine störenden Gedanken auftreten. Es gibt verschiedene Mittel, um einen tieferen, längeren Schlaf zu bewirken. Fette Nahrung bei_______________________________________________________________ 83
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spielsweise bewirkt ein Abschwächen der subtilen Energien, und ein Abschwächen der subtilen Energien verursacht einen tiefen Schlaf. Eine andere Möglichkeit ist, sich warm zuzudecken, denn wenn man warm schläft, wird der Schlaf ebenfalls tiefer und länger. Allerdings darf es nicht zu warm sein, denn zu große Wärme weckt einen wieder auf. Oder man kann den Schlaf für ein, zwei Tage aussetzen, nachts Spazierengehen und sich beschäftigen, um wach zu bleiben. Legt man sich danach hin, um zu schlafen, ist der Schlaf sehr, sehr tief. Wenn es einem einmal gelungen ist, sich des Schlafes bewußt zu werden, dann hat man ihn in der Hand und kann ihn benützen, wofür man möchte. Und wenn man die Möglichkeit hat, den Schlaf zu benützen, dann ist es auch erstrebenswert, möglichst tief und lang zu schlafen. Das Werkzeug, mit dem man arbeitet, ist der Geist oder Objektbesitzer, wie er auch genannt wird. Das Objekt, auf das man dieses Werkzeug richten muß, sind die verschiedenen subtilen Punkte des Dharma. Deshalb ist es notwendig, daß man die feinen Punkte des Dharma wie zum Beispiel die Leerheit _______________________________________________________________ 84
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verstehen lernt, und dann den Zustand des Geistes im Schlaf auf diese Punkte richtet. Nur so entsteht ein wirklicher Nutzen daraus. Bemüht man sich nur darum, den Schlaf zu erkennen, aber nie, die verschiedenen Punkte des Dharma zu verstehen, wird man eines Tages vielleicht den Pfeil besitzen, aber kein Ziel haben, auf das man den Pfeil schießen könnte. Man kann auch bestimmte Vorstellungen durchführen, um den Schlaf tief und lang zu machen. Nachdem man sich hingelegt hat, stellt man sich vor dem Einschlafen im Herzzentrum einen schwarzen Tropfen vor. Das Herzzentrum befindet sich zwischen den beiden Brustwarzen, etwas vor der Wirbelsäule. Stellt man sich hier vor dem Einschlafen einen schwarzen Tropfen vor, wird der Schlaf dadurch wesentlich tiefer. Möchte man den Traum als solchen erkennen und benützen, trifft man ähnliche Vorbereitungen. Man stellt sich vor dem Einschlafen den eigenen Meister auf dem Scheitel vor und bittet ihn um Unterstützung und um seinen Segen für die Bemühungen, den Traum als solchen zu erkennen. Weiter bittet man ihn um einen möglichst leichten Schlaf, denn _______________________________________________________________ 85
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wenn der Schlaf tief ist, treten keine Träume auf, und wenn man den Traum benützen möchte, ist es wichtig, daß der Geisteszustand Traum entsteht. Deshalb bittet man um einen möglichst leichten Schlaf und darum, möglichst lange zu träumen, um sich im Traum des Träumens bewußt werden zu können. Es wurde erwähnt, daß man, um tief zu schlafen, im Herzzentrum einen schwarzen Tropfen visualisiert. Nun, um einen leichten Schlaf herbeizuführen, kann man sich im Halszentrum einen roten Tropfen vorstellen und mit dieser Vorstellung einschlafen. Weiter sollte man den festen Vorsatz fassen, während des Traumes den Traum als solchen zu erkennen, das heißt, sich während des Auftretens des Traumes dessen bewußt zu werden. Mit einer solchen Absicht versucht man einzuschlafen. Wie wirkungsvoll diese Vorsätze vor dem Einschlafen sein können, sieht man leicht daran, daß allein schon der feste Vorsatz, zum Beispiel am folgenden Morgen um halb vier aufzustehen, bewirken kann, daß man etwa um diese Zeit aufwacht, ohne den Wecker gestellt zu haben. _______________________________________________________________ 86
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Eine weitere Hilfe, um den Traum als solchen zu erkennen, ist, sich untertags alles, was man sieht und wahrnimmt, als Traum vorzustellen; ständig die Vorstellung zu schaffen, daß alles, was man sieht und hört, Traum sei. Solche Gedanken, eine solche Gewöhnung wird ebenfalls als geeignetes Hilfsmittel beschrieben, um sich während des Traumes des Träumens bewußt werden zu können. Für jemanden, der nicht arbeitet und keine Aufgaben hat, der seine Zeit in einem Zimmer oder in einer Klause verbringen kann, sind das sehr geeignete Anweisungen, aber für jemanden, der arbeiten muß und vielleicht viel Auto fährt, ist es nicht sehr empfehlenswert, eine feste Überzeugung zu gewinnen, daß alles, was er sieht, nur Traum ist. Er wird sich sonst nicht mehr besonders bemühen, und wenn man sich nicht mehr anstrengt, um das zu erreichen, was man anstrebt, wird man nicht mehr tun, was notwendig ist, um das Ersehnte zu erlangen. Und wenn man mit der Überzeugung Auto fährt, daß alles, was man sieht, nur Traum ist, dann ist man ernsthaft in Gefahr. Wenn man sich lediglich denkt, «ja, jetzt tue ich _______________________________________________________________ 87
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einmal so, als ob alles nur Traum sei, aber ich weiß ja, daß es kein Traum ist», dann nützt das auch nichts. Diese Fähigkeit ist das Ergebnis jahrelanger Übung und Anstrengung. Eines Tages ist es einem dann möglich, einen Aspekt des Geistes zu entwickeln, der den Zustand Traum während seines Auftretens beobachten kann. Das waren ganz kurze Erklärungen über den Schlaf und über den Traum. Wenn Sie Interesse daran haben und diese Dinge genauer studieren möchten, ist es ratsam, einem weiteren Studium zu folgen. Zusammenfassend jedoch möchte ich erwähnen: Wir sollten uns bewußt werden, daß wir Menschen sind und menschliche Fähigkeiten besitzen. Wir haben einen menschlichen Geist, der sich durch besondere Fähigkeiten zum Beispiel vom Geist der Tiere unterscheidet. Wir haben einen Geist, der uns erlaubt, ganz besondere Dinge zu tun und ganz besondere Gedanken durchzuführen, und so ist es sicher notwendig, diese besonderen Fähigkeiten des Geistes auch zu benützen. Am besten ist es, seine Fähigkeiten zum Wohl sämtlicher Wesen, seien es Tiere oder Menschen, einzusetzen. Ob im Dharma oder in weltlichen _______________________________________________________________ 88
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Belangen – immer wird es als hervorragend und erstrebenswert erachtet, für das Wohl der anderen zu arbeiten; und wenn für das Wohl der anderen, dann für eine möglichst große Zahl. Wenn einem das nicht möglich ist, sollte man seine menschlichen Möglichkeiten wenigstens dazu verwenden, daß man die Fähigkeit erlangt, Schwierigkeiten selbst zu bewältigen und sein Leben so zu verbringen, daß man zum Zeitpunkt des Todes, der ganz sicher kommt, zufrieden sein kann mit dem, was man während des Lebens getan hat; daß man zufrieden sein kann mit der Art, wie man seine menschlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten benutzt hat. Dieses Ziel kann man erreichen, wenn man das Wissen, das im Dharma vorhanden ist, mit dem eigenen Geist verbindet. Das führt einerseits ganz sicher dazu, daß man die Schwierigkeiten des Lebens selbst meistern kann und nicht von ihnen überwältigt wird, und es führt ebenfalls dazu, daß man am Ende des Lebens mit Ruhe und Genugtuung auf das vergangene Leben blicken kann und leichten Herzens stirbt.
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Man mag zum gegenwärtigen Zeitpunkt vielleicht entspannt und ruhig sein, aber wenn man in dem Moment, wo Schwierigkeiten auftreten, selbst keinen Rat mehr weiß, sich an andere wenden muß, die entweder auch keinen Rat wissen oder einem etwas sagen, das nicht der Wirklichkeit entspricht, dann ist man in einer erbärmlichen Lage. Im Moment besitzen wir einen gesunden Körper und einen gesunden Geist; das heißt, wir sind wie eine betriebsbereite Maschine, die wir jetzt auch benützen müssen, denn sie wird eines Tages ganz sicher genau so defekt sein wie andere Maschinen. Einzelne Teile werden unbrauchbar werden, und dann funktioniert sie nicht mehr. Dann ist es zu spät, irgend ewas damit zu machen. Deshalb sollte man den gegenwärtigen Moment, die gegenwärtigen Möglichkeiten ausnützen, um das zu tun, was wirklich erstrebenswert ist.
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