Küss mich - stundenlang
Donna Kauffmann
Tiffany 1010 18/1- 2002
Gescannt von suzy_kay
Korrigiert von almut k.
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Küss mich - stundenlang
Donna Kauffmann
Tiffany 1010 18/1- 2002
Gescannt von suzy_kay
Korrigiert von almut k.
PROLOG „Sie kommt nicht! Ich wusste es!" Trevor McQuillen bewegte sich unbehaglich. Es gab nichts Schlimmeres, als mit einer unglücklichen Braut an ihrem Hochzeitstag allein zu sein. Außer vielleicht mit einer weinenden. Als Kates Augen feucht wurden, wusste Trevor, dass er etwas unternehmen musste. „Vielleicht ist sie ja nur aufgehalten worden ..." „Nein, sie ist nicht hier, weil jemand ihr gesagt hat, dass Eric zum Empfang kommen wird. Sie hatte mich gebeten, ihn nicht einzuladen, und ich hatte es ihr versprochen, aber ich musste einfach etwas tun!" Kates Unterlippe zitterte. „Ich möchte, dass sie glücklich ist. Wie ich mit Mike. Vivian und Eric gehören zusammen, und ich dachte, wenn sie erst einmal hier ist, bei einer romantischen Hochzeit..." Kate hielt inne, um Luft zu schnappen. Okay, ermahnte Trevor sich, nur keine Panik. Fünf Minuten, das war alles, worum ihn Mike gebeten hatte. Ihr fünf Minuten Gesellschaft zu leisten, bis ihr Vater kam. In den letzten fünf Jahren hatte Trevor schwierige geheime militärische Operationen in vier verschiedenen Ländern durchgeführt. Da würde er doch wohl mit einer weinenden Frau fertig werden. Also tat er, was Lieutenant Commander Trevor McQuillen am besten konnte: Er analysierte die Lage und übernahm das Kommando: Kate wollte Vivian auf ihrer Hochzeitsparty haben. Und wenn er um die halbe Welt fliegen konnte, um Trauzeuge seines besten Freunds zu sein, konnte Vivian ja wohl das Gleiche für ihre beste Freundin tun. „Wissen Sie, wo sie ist?" Kate, die sich mit einem Papiertaschentuch über die Nase tupfte, fuhr zusammen bei dieser militärisch knappen Frage. „Wo Vivian ist?" Trevor biss die Zähne zusammen und versuchte das nervöse Zucken unter seinem rechten Auge zu beherrschen. In etwas freundlicherem Ton sagte er: „Ja, Ma'am. Wenn Sie mir sagen, wo sie ist, hole ich sie her." „Sie wird zu Hause sein. Ich hatte Tricia gebeten, sie anzurufen, aber sie hat nicht abgenommen." Trevor hatte keine Ahnung, wer Tricia war - vermutlich eine der vielen Brautjungfern, die sich im Nebenraum gerade umzogen. „Aber Sie glauben, sie ist dort?" Kate nickte. „Ich wüsste nicht, wo sie sonst sein sollte." Ihre Augen wurden wieder feucht. „Was habe ich mir bloß dabei gedacht, an meinem Hochzeitstag die Ehestifterin zu spielen?" Trevor fragte sich das Gleiche, aber er hatte keine Zeit mehr zu verlieren. „Ich dachte nur, es wäre so romantisch, wissen Sie." Unter Tränen versuchte sie zu lächeln. „Ich weiß, dass Vivian und Eric sich noch immer lieben. Gibt es eine bessere Gelegenheit, das zu erkennen, als bei einer Hochzeit?" „Aber Sie glauben, sie ist zu Hause?" Trevor flehte sie im Stillen an, sich auf die Lösung und nicht auf das Problem zu konzentrieren. Er hatte zu viele Jahre damit verbracht, Lösungen zu finden. Mit seinem Ausscheiden aus der Armee war diese Art von Tätigkeit anscheinend noch nicht beendet. „Wie weit ist es?" „Fünf, höchstens zehn Minuten." Er reichte ihr sein Taschentuch, da ihr Papiertuch vollkommen zerfleddert war. Er schüttelte den Kopf, als sie es ihm zurückgeben wollte, und zog die Einladung und einen Kugelschreiber aus der Jacketttasche seiner Galauniform. „Adresse?" Kate schien unsicher. „Was ist, wenn sie ...? Ich meine, ich möchte nicht..." „Heute ist Ihr Hochzeitstag, und Sie möchten sie dabeihaben, oder?" Kate nickte. „Wahrscheinlich wird sie sich später ärgern, wenn sie das Fest verpasst, also tun Sie ihr im Grunde nur einen Gefallen. Wenn es Sie beruhigt, sage ich ihr, sie könne gleich nach der Trauung gehen, um diesem ... wie hieß er noch?... nicht zu begegnen." „Eric. Das ist ihr Exmann. Sie haben sich vor anderthalb Jahren scheiden lassen. Aber sie sind beide unglücklich." Trevor reichte Kate den Stift und das Kuvert. Sie lächelte unter Tränen. „Mike hatte Recht. Sie sind ein wahrer Held. Ich bin so froh, dass Sie mir helfen wollen."
Trevor nickte. Als sie ihm das Kuvert zurückgab, sah er sich die Adresse an, um sicherzugehen, dass er wusste, wo es war. Er hatte als Kind in der Gegend gelebt und hatte später hin und wieder seine Großmutter besucht, die dort wohnte. Aber sie war schon vor Jahren gestorben, und sein Dienst bei den Special Forces hatte ihm nicht erlaubt, sehr häufig herzukommen. Aufmunternd nickte er Kate zu. „Bitten Sie den Reverend, uns zwanzig Minuten Zeit zu geben. Bis dahin ist sie hier."
1. KAPITEL
Christy Russel war kein Morgenmensch. Aber sie war auch kein Nachmittags- oder Nachtmensch, denn sie arbeitete in wechselnden Schichten. Sie hatte in letzter Zeit so viele Schichten hintereinander gehabt, dass sie vollkommen den Überblick verloren hatte. Sie wusste nur, dass sie die nächsten zweiundsiebzig Stunden dienstfrei hatte. Kein Pieper, kein Handy, keine Notfälle. Bis Montagnachmittag um vier würde sie keinen Fuß in die Intensivstation des Richmond Gene ral Hospital setzen. Drei Tage frei. Und an diesem ersten Tag wollte sie nur schlafen, schlafen, schlafen. Und das würde sie auch, wenn dieses Klopfen endlich aufhörte. Sie drehte sich auf die andere Seite und zog sich die Decke über den Kopf. Das Klopfen und das Geschrei hörte nicht auf. Aber sie dachte nicht im Traum daran, darauf zu reagieren. Sie hatte frei. Sie war nicht da. Sie ließ sich tiefer ins Land der Träume sinken. Aber die Geräusche folgten ihr. Jemand rief nach Vivian. Ah, dachte sie benommen. Vivian, nicht Christy. Gut. Lächelnd kuschelte sie sich in die Kissen. „Stehen Sie auf, Vivian." Hm. Der Störenfried hatte eine tiefe, sexy Stimme. Chr isty vergrub sich noch tiefer unter Kissen und Decken. Wie mag der Mann sein, dem diese aufregende Stimme gehört? fragte sie sich verträumt. „Sie kommen zu spät zu einer wichtigen Verabredung." Verabredung? Hm ... Sie hätte nichts gegen eine Verabredung mit dem Besitzer dieser Stimme. Seine Stimme klang so real, so nahe. „Komm her", murmelte sie, während sie im Geist die Hand nach ihrem Traummann ausstreckte. „Los, wachen Sie auf!" . Starke Hände. Ja, sie passten gut zu dieser Stimme. Starke, warme Hände. Ein bisschen rau, aber das machte nichts. Es war schon viel zu lange her ... „Vivian, stehen Sie auf!" Sie runzelte die Stirn. „Vivian?" murmelte sie. Warum wollte ihr Traummann Vivian? Das war gar nicht nett. Immerhin war er das Produkt ihrer Fantasie - müsste er da nicht sie wollen? „Vivian." Ihr Traummann wurde dominierender, aber nicht so, wie sie es gern gehabt hätte. „Gehen Sie weg." Es war schlimm genug, dass im wirklichen Leben so gut wie gar nichts mit Männern bei ihr lief, aber sie würde verdammt sein, wenn sie es sich gefallen ließ, dass ihr Fantasiemann eine andere wollte. Und jetzt benutzte dieser Traummann seine schönen, starken Hände, um ihr Decken und Kissen wegzuziehen. Wie gemein von ihm! „In einer Viertelstunde ist die Trauung, und Sie werden Ihre beste Freundin nicht im Stich lassen." „Hm?" Sie hatte keine Ahnung, was für ein verrückter Traum das war, aber allmählich begann sie ihn zu hassen. Sie ließ sich aufs Bett zurückfallen und schwor in Gedanken wieder einmal den Mikrowellen-Enchiladas ab. Zumindest vor dem Schlafengehen. Sie waren eins ihrer Lieblingsgerichte, und sie wollte ihnen natürlich nicht voreilig ganz entsagen. Essen ... Vielleicht sollte sie von Essen träumen ... „O nein, das tun Sie nicht!" erklärte er. Christy wurde wieder hochgezogen. Das müsste aufhören, wirklich. Sie wollte schlafen, verdammt noch mal. Konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Und wer, zum Teufel, war er überhaupt? Sie versuchte, sich zu wehren, aber der Fremde war stärker. „Was soll das? He!" Das letzte Wort kam schon viel klarer, als sie recht unsanft aus ihrem schönen warmen Bett gezogen wurde oder vielmehr aus Vivians schönem warmen Bett. Vielleicht war das der Grund, warum der Traummann Vivian wollte; es war schließlich ihr Bett. Hm ... Christy begann wieder einzunicken. Dann erwachte sie von ihrem eigenen Schrei, als sie merkte, dass sie gleichsam auf den Kopf gestellt wurde. „Was zum ...!" Sie blinzelte wütend und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. „Was tun Sie da?" Diese Frage stellte sie dem harten, breiten Rücken ihres ... Moment mal. Der
Mann war doch nur eine Ausgeburt ihrer Fantasie, oder? Nein, sie schlief wahrscheinlich noch. Na schön, in Zukunft also weder Enchiladas noch gefrorenen Käsekuchen abends. Schade. Aber sie erkannte schne ll, dass ihre Lage nichts mit zu scharfem oder zu süßem Essen zu tun hatte. Denn der warme, muskulöse Arm unter ihren Schenkeln war eindeutig real. Sie begann sich ernsthaft zur Wehr zu setzen, als sie endlich wach genug war, um ihre Lage zu erkennen. „Wer, zum Teufel, sind Sie? Lassen Sie mich herunter!" „Ihre beste Freundin weint sich die Augen aus, an einem Tag, der der schönste ihres Lebens werden sollte, und deshalb werden Sie jetzt Ihre persönlichen Probleme vergessen und zu ihr gehen und sie glücklich machen." Sie waren bereits auf der Treppe, und Christy schlang einen Arm um die Taille des Mannes, damit ihr Kopf nicht gegen seinen Rücken prallte. Sie konnte keinen vernünftigen Gedanken fassen, geschweige denn verstehen, was mit ihr geschah. Aber eins würde sicher helfen. „Lassen Sie mich runter." Der Grobian blieb vollkommen ungerührt von ihrem energischsten Krankenschwesterton. Okay, sagte sie sich. Beruhige dich, wach auf, denk nach. Wovon hat er gesprochen? Von einer Hochzeit. „Oh! Sie meinen bestimmt Kate Winchell." „Nett, dass Sie sich erinnern." Endlich begann sie zwei und zwei zusammenzuzählen. Er hielt sie für Vivian, und Kate hatte ihn geschickt, um ihre Brautjungfer zu holen. Aber bevor sie ihn über seinen Irrtum aufklären konnte, überquerte er mit ihr die Veranda und trug sie zu einer silberfarbenen Limousine. Christy spürte, dass feuchte, warme Luft an ihre nackten Beine streifte. „Warten Sie einen Moment, verdammt noch mal! Ich bin nicht angezogen!" Sie hörte Plastik rascheln. „Ich habe Ihr Kleid. Sie können sich in der Kirche anziehen." „Aber ich bin nicht..." „Sparen Sie sich Ihre Ausreden. Was immer Sie auch sagen wollten, vergessen Sie es für die zwanzig Minuten, die mein Freund benötigt, um die Frau seines Lebens zu heiraten." Der Neandertaler schob ihre Beine und ihre Kehrseite mühelos ein wenig beiseite wie einen Sack Kartoffeln, um besser an die Autotür heranzukommen. „Eine Frau, die offenbar einen lausigen Geschmack hat, wenn es um ihre Freundinnen geht", fügte er angewidert hinzu. „Aber sie verdient eine schöne Hochzeit, und ich werde dafür sorgen, dass sie die auch bekommt." Christy wurde auf dem Beifahrersitz des Wagens abgeladen, ziemlich unsanft, dachte sie und wollte schon eine ätzende Rede vom Stapel lassen, um diesen Höhlenmenschen aufzuklären, den Kate geschickt hatte, um Vivian zu holen. Aber all die giftigen Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, blieben ihr in der Kehle stecken, als sie ihn von vorn sah. Er war der umwerfendste Neandertaler, den sie je gesehen hatte. Seine Augen waren nur Zentimeter von ihren entfernt, als er sich vorbeugte, um ihr den Sicherheitsgurt anzulegen. Sie waren blau. Was für ein Blau! Alle poetischen Worte, die ihr für Augen einfielen, hätten nicht einmal annähernd beschreiben können, wie dieses Blau auf sie wirkte. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Es war besser, nichts zu sagen, bis sie ihre Stimme wieder unter Kontrolle hatte. Nicht, dass die Situation an diesem Punkt noch peinlicher hätte werden können. Ungeschminkt, mit geschwolle nen Augen, zerzaustem Haar ... und in weißer Baumwollunterwäsche. O ja, sie sah aus wie eine richtige Verführerin. Nicht, dass sie den Kerl hätte verführen wollen - aber ihr Körper schien nicht willens, diese Tatsache zu registrieren. Und seine Hände näherten sich ... nun ja, Stellen, an denen sie sich die Hände eines Fremden eigentlich nicht wünschen sollte. Aber sie tat es trotzdem. Sie war ja so müde. Das musste der Grund sein, warum sie bis zur letzten Sekunde wartete, bevor sie seine Hände fortstieß und ihm den Sicherheitsgurt abnahm. Eine Sekunde später, und seine Knöchel hätten ... Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, wo diese Knöchel sie gestreift hätten. Ihre Brustspitzen dachten offenbar schon viel zu sehr daran, so wie sie sich aufgerichtet hatten. „Schnallen Sie sich an!" befahl der Neandertaler und trat zurück, ohne sich bewusst zu sein, wie sehr er ihre Hormone durcheinander gebracht hatte.
Schlafmangel - das allein war der Grund, warum ihre Hormone verrückt spielten. Das, sowie ein praktisch nicht vorhandenes Liebesleben. Eine heikle Mischung, und als sie noch ein wenig mehr von ihrem Entführer zu sehen bekam, als er sich aufrichtete, dachte sie, dass sie ihrem Körper seine Reaktionen wirklich nicht verübeln konnte. Der Neandertaler schloss die Beifahrertür so heftig, dass Christy zusammenzuckte. Ihr Ärger erwachte wieder, und sie runzelte die Stirn, als sie ihn sich mit jener militärischen Präzision bewegen sah, die seine Uniform gewissermaßen überflüssig machte. Aber sie stand ihm verdammt gut, die Uniform. Dabei waren Männer in Uniform nicht einmal unter den Top Ten ihrer nächtlichen Lieblingsfantasien. „Nun, das könnte sich ändern", murmelte sie. Natürlich würde der Mann in Uniform, den sie in ihren Fantasien kreierte, kein rüder Neandertaler sein, der ihre Hormone durcheinander brachte. Obwohl das mit den Hormonen eigentlich in Ordnung war. Und die blauen Augen? Auch gegen die war nichts einzuwenden. Christy kam richtig in Schwung. Wie hatte sie es überhaupt so weit kommen lassen können? Gähnend lehnte sie ihren Kopf an die Nackenstütze. Sie kannte Kate Winchell durch Vivian. Kates Verlobter war Christy einmal bei einem Picknick zur Feier des Vierten Juli begegnet. Er war früher bei den Special Forces gewesen, sie erinnerte sich nicht, in welcher Einheit, aber der Uniform nach zu urteilen war dies hier einer seiner früheren Kameraden. Ihre Lider wurden schwer, ihre Gedanken schweiften wieder ab ins Land der Träume, während sie sich vage fragte, ob sie und ihr blauäugiger Neandertaler sich sympathischer gewesen wären, wenn sie sich bei einem Picknick kennen gelernt hätten. Vielleicht hätte er diese Uniform getragen ... und sie sich später von ihr ausziehen lassen. Irgendwo, wo sie ihr eigenes privates Feuerwerk veranstalten könnten. O ja, das wäre wunderbar ... Sie starb fast vor Schreck, als er einstieg und seine Tür zuknallte. Was ihn direkt neben sie und ihre außer Rand und Band geratenen Hormone brachte. Und neben ihren nur spärlich bekleideten Körper. Sie machte sich ein bisschen kleiner und rückte näher an die Tür heran, als hätte er nicht längst alles von ihr gesehen. Und es machte auch keinen Unterschied, dass ihr Verstand ihr sagte, sie sollte diesen Mann nicht einmal grüßen, so ruppig wie er sie behandelt hatte. Ihr Körper war noch immer bei ihrem Fantasiepicknick und bereitete sich darauf vor, ein Feuerwerk der Leidenschaft zu erleben. Okay, sie hatte zu viele Extraschichten übernommen. Sie hatte Stipendien zurückzuzahlen und besaß eine Eigentumswohnung, deren Renovierung mehr Geld verschlang, als sie in ihren schlimmsten Albträumen erwartet hätte. Sie hatte ihre Prioritäten. Und die schlössen keine Feuerwerke mit Männern ein, ganz gleich, ob mit oder ohne Uniform. Aber ihr Blick glitt trotzdem zu ihm. Über seine kräftigen Oberschenkel unter seiner frisch gebügelten Hose, zu dem gegürteten Jackett über ... nun ja, über Körperpartien, die sie sich gar nicht vorstellen wollte, schließlich war sie auch so schon überreizt genug. Aber sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Nein, sie musste sich auch noch seine Hände ansehen. Sie mochte zwar nie von Männern in Uniform geträumt haben, aber sie hatte eine Vorliebe für schöne Hände. Und seine waren perfekt. Breite Handflächen, langgliedrige Finger, kurze Nägel. Sie wirkten stark und tücht ig, wie sie das lederbezogene Lenkrad umfassten. Genauso würden sie auch ihre Hüften ... Christy versuchte, nicht nervös zu werden und ihre überaktive Vorstellungskraft zu zügeln. Aber vielleicht musste sie ihre Prioritäten einfach nur ein kleines bisschen ändern. Dieser dreiste Kerl hat dich gerade aus dem Bett gerissen! rief sie sich zur Ordnung und richtete den Blick wieder nach vom. Sie hatte kein Recht, von diesem Mann zu träumen. Auch wenn er sie für jemand anderen hielt - Einbruch, Entführung, all das verstieß gegen das Gesetz. Und nur, weil Kate jammerte - dann hätte sie Vivian eben gar nicht erst in diese peinliche Lage bringen sollen! Der Kopfschmerz, den Christy vorher mit Tabletten fast betäubt hatte, schlich sich mit neuer Kraft in ihren Kopf zurück. Sie hätte im Bett sein müssen, statt hier zu sitzen. Was dachte sie sich dabei, sich von diesem Kerl zu einer Hochzeit schleppen zu lassen, zu der sie nicht mal eingeladen war? Sie wandte sich Mr. Neandertaler zu, um ihm genau das zu sagen, entschied sich dann aber ebenso abrupt dagegen. O nein, es gab einen sehr viel besseren Weg, ihm seinen gigantischen
Fauxpas vor Augen zu führen. Sie unterdrückte ein Lächeln, als sie sich in ihrem Sitz
zurücklehnte und beschloss, die kurze Fahrt zur Kirche zu genießen. Er würde noch früh genug
erfahren, dass er die falsche Frau entführt hatte. Sie schloss ihre Augen, als sie sich die Blamage für
ihn vorstellte, wenn sie vor der Kirche hielten und ...
„Du lieber Himmel!" Sie riss die Augen auf.
Er bremste scharf. „Was?"
„Ich bin nicht angezogen!" Was sie bereits wusste. Was sie nicht in Betracht gezogen hatte, war, dass sie zu einer Kirche fuhren, wo alle anderen sehen würden, dass sie nichts als ihre Unterwäsche trug. Nach einem finsteren Blick setzte er seine rasende Fahrt zur Kirche fort. „Wenn Sie wie alle anderen pünktlich hier gewesen wären, hätten Sie das Problem nicht." Christy hatte keine Zeit, ihm das Missverständnis zu erklären. Als Krankenschwester hatte sie mit genügend arroganten Männern zusammengearbeitet. Der Mann neben ihr war sozusagen die militärische Version eines durch und durch von sich überzeugten Arztes. Er hatte den Patienten untersucht und die Diagnose gestellt - und nichts, was eine unbedeutende kleine Krankenschwester zu sagen hatte, würde an der Behandlungsmethode, für die er sich bereits entschlossen hatte, etwas ändern. Also nahm sie erst mal das dringendste Problem in Angriff. „Sie werden mich nicht in diesem Zustand auf der Straße absetzen. Und Sie werden mich auch nicht vor aller Augen in meiner Unterwäsche in die Kirche schleifen." „Dann schlage ich vor, dass Sie Ihren hübschen Po über den Sitz befördern und sich anziehen." Er sah sie nicht einmal an. Und ihren „hübschen Po" auch nicht. Nicht, dass sie das gewollt hätte. „Beeilen Sie sich lieber. In drei Minuten sind wir da." Sie musste sich gewaltig zusammenreißen, um ihm nicht in das viel zu attraktive Gesicht zu schlagen. Du bist Krankenschwester, sagte sie sich. Du verletzt nicht, sondern heilst. In diesem Augenblick hätte sie jedoch liebend gern eine Ausnahme gemacht. Aber da sie vor einer extrem peinlichen Situation stand, verschwendete sie keine Zeit mehr. Sie kletterte über den Sitz und unterdrückte ihre Verlegenheit, als diverse Teile ihres Körpers verschiedenen Teilen seines Körpers viel zu nahe kamen, vor allem seinem Gesicht. Er brauchte nur den Kopf zu wenden und ... Sie machte einen ungraziösen Satz auf den Rücksitz und landete in einer sehr undamenhaften Position. Nicht, dass er das bemerkt hätte, dieser kaltherzige Bastard. Umgekehrt wäre das natürlich anders gewesen. Ihr Puls klopfte wild, und das nicht nur aus Frustration. Sie gab dem Impuls nach, Mr. Neandertaler hinter seinem Rücken die Zunge herauszustrecken, und blickte dann beklommen auf die melonenfarbene Kreation aus Chiffon und Pailletten, die auf dem Rücksitz lag. Was, um Himmels willen, hatte Vivians Freundin sich dabei gedacht? Aber ihr blieb keine andere Wahl, als sich entweder wie eine glasierte Melone anzuziehen oder der Hochzeitsgesellschaft in ihrer Unterwäsche gegenüberzutreten. Eines Tages wirst du darüber lachen, tröstete sie sich, als sie das Kleid aus der Plastiktüte nahm. Aber als sie ihren Größe-zwölf-Körper in Vivians enges Größe-zehn-Kleid zwängte, fiel es ihr zunehmend schwerer zu glauben, dass irgendetwas an diesem Tag sie auch nur im Geringsten amüsieren würde.
2. KAPITEL
Trevor umklammerte das Steuer, als hinge sein Leben davon ab und zwang sich, den Blick auf die Straße zu richten und nicht auf den Rückspiegel und das, was sich auf dem Rücksitz der gemieteten Limousine abspielte. Diese Frau hatte wirklich Kurven über Kurven. Er spürte, wie sich Schweiß auf seiner Stirn bildete, und wusste, dass dies nichts mit der sommerlichen Schwüle zu tun hatte. Was hatte er sich dabei gedacht, sie über den Sitz klettern zu lassen? Sie hatte fast sein Ohr erdrückt mit ... mit Körperteilen, die sein Ohr nicht mehr ... vielleicht überhaupt noch nie gestreift hatten. Nicht, dass er kein abenteuerlustiger Liebhaber war, aber sein Ohr fühlte sich an, als stünde es in Flammen. Gut, dass sie ihn nirgendwo sonst berührt hatte. Er erinnerte sich noch, wie seidig, ihre Haut sich unter seinen Händen angefühlt hatte. Natürlich war er zu beschäftigt gewesen, die heftige Reaktion zu ignorieren, die sie ihn ihm ausgelöst hatte, als er ihren halb nackten, warmen, biegsamen Körper aus dem Bett gezo gen hatte. Sie hatte sich über ihn drapiert wie eine warme Decke. Okay, natürlich war sie da noch halb im Schlaf gewesen, aber seinen Körper kümmerte das nicht! Diese verdammte Kate mit ihrem absurden Wiedervereinigungsplan! Er bog um die Ecke und blickte in den Rückspiegel, als die Kirche in Sicht kam. Er konnte von Glück sagen, dass er den Wagen nicht in den Straßengraben setzte. Ob Vivian überhaupt bewusst war, wie sie in diesem Kleid aussah? Es saß wie eine zweite Haut und hatte ein Dekollete ... Wow! Sie waren unterwegs zu einer Hochzeit, nicht zu Hugh Hefners neuestem Bunny-Casting! Hatte Kate wirklich ihr Okay gegeben zu diesem Kleid? Sollte nicht die Braut der Blickfang einer Hochzeit sein? Denn mit all dieser entblößten Haut vorn und ihrem wohlgeformten Po, der ebenso herausfordernd zur Schau gestellt wurde, würde kein normaler Mann während der Trauung woanders hinsehen. Ihr schulterlanges Haar war ein wüstes Durcheinander aus brünetten Locken, das bei jeder anderen Frau wie ein Rattenest ausgesehen hätte, aber in Verbindung mit ihren vollen Lippen, den schwerlidrigen schokoladebraunen Augen und dem gewagten Kleid sah sie wie die personifizierte Wollust aus. „Ich möchte Ihnen nur sagen, dass Sie drauf und dran sind, den größten Fehler Ihres Lebens zu machen. Und dass ich jeden Augenblick davon genießen werde", sagte sie mit funkelnden Augen und einem Lächeln, das Trevor eine Spur zu selbstgefällig erschien. Na gut, vielleicht war Eric ja klüger, als er gedacht hatte. Vivian beschwor alle möglichen aufreizenden Vergleiche mit einer Katze herauf... einschließlich der scharfen Krallen und Zähne. „Keine Fluchtversuche", warnte er, obwohl sie das in diesem Kleid vermutlich sowieso nicht konnte. Er war nicht mal sicher, dass sie darin gehen konnte. Er hielt vor der Kirche und parkte hinter einer Limousine, deren Heckscheibe das Schild „Frisch vermählt!" zierte. Die Brautjungfern hatten sich wahrscheinlich schon formiert, so dass Vivian sich einfach an den Beginn der Reihe stellen konnte und niemand wissen würde, dass sie zur Teilnahme gezwungen worden war. Von da an konnte Kate dann übernehmen, und er brauchte sich nur noch neben seinen Freund zu stellen. Er sprach ein stummes Gebet für den Haufen Ärger, den Mike gleich ehelichen würde. Und eine stumme Entschuldigung an Eric. Er kannte den Mann nicht, doch er beneidete ihn nicht um das Wiedersehen, das ihm bevorstand. Er ging zur Hintertür des Wagens, aber Vivian hatte sie bereits geöffnet und versuchte, sich hinauszumanövrieren. Das enge Kleid schränkte ihre Bewegungen jedoch so ein, dass es ihr unmöglich sein würde, ohne Hilfe auszusteigen. Er schob ihre Hände fort - zwei Mal - und zog sie aus dem Wagen. „Ich schaffe das schon", stieß sie hervor. „Ja, Ma'am." Sie zog ein Gesicht, und er musste ein Lächeln unterdrücken, als er sie vorsichtig auf ihre wackligen Stilettos stellte. Dabei verrutschte ihr Kleid bis weit über ihre Knie hinauf. Es war vorn so tief ausgeschnitten, dass sie sich nicht vorzubeugen wagte, um den Saum hinabzuzie hen. Mit einem finsteren Blick bedeutete sie ihm, ihr zu helfen. Aus irgendeinem Grund ärgerte ihn ihre stumme Forderung. „Brauchen Sie Hilfe, Ma'am?"
„Ja, und das wissen Sie verdammt gut. Es ist Ihre Schuld, dass ich hier bin, also könnten Sie wenigstens versuchen, dieses grässliche Kleid einigermaßen präsentabel zu machen." Nur Jahre intensiven Trainings bewahrten ihn davor, laut herauszulachen. „Sie haben es also nicht selbst ausgesucht?" Sie bleckte die Zähne zu etwas, was als ein Lächeln durchgehen könnte - bei einem Tiger. „Ziehen Sie den Saum herunter. Bitte." Das letzte Wort klang, als stünde sie unter enormem Druck. Und so eingezwängt, wie ihre Kurven in dem viel zu engen Kleid waren, stimmte das vermutlich auch. „Ja, Ma'am." Er ging vor ihr in die Knie und versuchte, nicht darauf zu achten, wie sich ihre warme, glatte Haut unter seinen Fingerspitzen anfühlte. Sie zuckte zusammen, als er vorsichtig den dünnen Stoff ergriff und daran zog. Wieder zuckte sie zusammen und gab einen merkwürdig erstickten Laut von sich. Er dachte aber nicht im Traum daran, den Kopf zu heben, um zu sehen, was sie hatte. „Halten Sie still. Das Ding gibt nicht nach." Sie kicherte dann und schob schließlich seine Hand fort. „Hören Sie auf, Sie bringen mich noch um." Und da blickte er auf. Ein großer Fehler. „Ver..." Er musste sich räuspern und den Blick von ihrem großzügigen Dekollete abwenden. „Verzeihung?" „Ich bin kitzlig. Und Sie sind schrecklich höflich für einen Kidnapper." Er öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Lassen Sie das Kleid in Ruhe. Es ist ja nicht so, als musste ich es sehr lange tragen." Froh, dass sie es sich anders überlegt hatte, richtete sich Trevor auf und betrachtete sie, hielt es aber für das Beste, auf diese letzte Bemerkung nichts zu entgegnen. Der Mann, der ihr dieses Kleid ausziehen darf, ist ein echter Glückspilz, dachte er. Vorausgesetzt, er fand einen. Weg, ihr freches Mundwerk außer Gefecht zu setzen. „Nun, bringen wir es hinter uns", sagte sie, aber als sie einen Schritt machte, erkannten beide, dass das Kleid nicht so flexibel war. Und auch die bleistiftdünnen Absätze ihrer Pumps nicht, die an ihren Füßen verkeilt zu sein schienen. Trevor seufzte, aber die Zeit drängte, und Mike sorgte sich bestimmt schon um seinen Trauzeugen. Er wagte sich nicht einmal auszudenken, in welchem Zustand Kate war. Also tat er, was er musste. Er hob Vivian auf seine Arme, ignorierte ihren Protest - und ihre Brüste, die aus ihrem Dekollete herauszuquellen drohten - und trug sie die Stufen zur Kirche hinauf. „Das werden Sie bereuen", sagte sie. „Und wenn ich nicht solche Mühe hätte mit dem Atmen, würde ich das vermutlich sehr genießen." Trevor klopfte mit dem Fuß an die Kirchentür und hielt den Blick stur geradeaus gerichtet. Er musste wirklich zu lange in Übersee gewesen sein, denn schon diese leichte Berührung mit Vivian reichte, um ihn froh sein zu lassen, dass ein langes Jackett zu seiner Uniform gehörte. Er stieß noch einmal ein bisschen kräftiger mit dem Fuß gegen die Tür. Endlich öffnete sie sich einen Spaltbreit und gab den Blick frei auf ein Meer aus paillettenbesetzten melonengelben Kleidern und Blumenbouquets. Trevor war versucht, Vivian einfach hineinzuschieben und zu verschwinden, aber da tauchte Kate aus der Menge auf wie ein weißer Chiffon-Schwan. „Dem Himmel sei Dank! Ich hatte schon Angst, meine Ehrenbrautjungfer und Mikes Trauzeuge seien beide verschollen!" rief sie mit an Hysterie grenzender Freude, als sich die Menge teilte, um ihn durchzulassen. Aber ihre Freude verflog im selben Augenblick, als sie die Frau in Trevors Armen sah. „Wer ist das? Christy?" Aus feuchten Augen schaute sie zu ihm auf. „Was haben Sie sich dabei gedacht?" „Christy?" wiederholte Trevor hilflos. Die Frau in seinen Armen schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. „Das bin ich." „Aber ..." Trevor unterdrückte einen Fluch. Normalerweise fiel es ihm nicht schwer, sich zu beherrschen; in seinem Beruf war es schließlich unumgänglich, selbst unter schwierigsten Umständen die Ruhe zu bewahren. Aber seine Spezialausbildung hatte ihn nicht auf neurotische Bräute, verschwundene Brautjungfern ... und Dornröschen vorbereitet. Er kniff die Lippen zusammen und setzte die Frau in seinen Armen ab. „Ich fuhr zu der Adresse,
die Sie angegeben hatten, und holte ..." „Entführte", korrigierte Christy. „Holte die Bewohnerin dort ab, die ich natürlich für Vivian hielt, und brachte sie her, wie Sie verlangt hatten." Kate richtete ihren von Tränen verschleierten Blick auf Christy, die schwankend neben ihm stand. Er streckte die Hand aus, um sie zu stützen, aber ihr finsterer Bück veranlasste ihn, sie rasch wieder zurückzuziehen. Na schön, dann sollten die beiden Frauen eben zusehen, wie sie allein mit der Geschichte fertig wurden. Aber er wusste, dass er nicht so einfach gehen konnte. Er hatte Christy hierher gebracht und sich geweigert, ihre Erklärungen anzuhören. Da war er ihr zumindest schuldig, zu bleiben, bis die Angelegenheit geregelt war. „Warum haben Sie ihm nicht gesagt, dass Sie nicht Vivian sind?" fragte Kate. Christy wollte die Arme verschränken, überlegte es sich dann aber wieder anders, als sie merkte, dass ihre Brüste den Ausschnitt zu sprengen drohten. „Ich habe es versucht, das können Sie mir glauben." Aber Kate war außer sich und schien sie nicht zu hören. „Und warum tragen Sie Vivians Kleid? So kann ich Sie nicht in die Kirche lassen." Trevor musste ein Lächeln unterdrücken, als er Christys aufgebrachte Miene sah. „Oh, ich habe auch nicht die Absicht, diese Kirche zu betreten. Aber Ihr Spürhund ließ mir keine Zeit, mich anzuziehen, bevor er mich aus meinem Bett entführte. Oder vielmehr aus Vivians Bett." Christy machte eine abschätzige Handbewegung, die ihn zwang, sich zu ducken, wenn er nicht getroffen werden wollte. „Und so zog ich an, was da war." „Nun, es tut mir Leid, dass Sie unnötigerweise hierher geschleppt wurden, aber ich hatte keine Ahnung, dass Sie in Vivians Apartment waren. Wo ist Vivian?" Christy zog die Augenbrauen zusammen. „Sie müssen verrückt sein, wenn Sie glauben, das würde ich Ihnen sagen. Wenn sie hier sein wollte, damit Sie in ihrem Leben herumpfuschen können, nachdem Sie geschworen hatten, es nicht zu tun, dann wäre sie jetzt hier. Glauben Sie mir, es ist ihr nicht leicht gefallen, ihr Versprechen nicht einzuhalten, aber als Sie Ihr Wort brachen, sah ich keinen Grund mehr für Vivian, ihres zu halten." Kate trat einen Schritt vor, aber ihr Kleid hinderte sie daran, noch näher zu kommen. „Sie haben ihr von Eric erzählt? Wie haben Sie es herausgefunden?" „Eric schien bedauerlicherweise anzunehmen, ich unterstütze Ihre Pläne, und bat mich, dafür zu sorgen, dass Vivian zu dem Empfang ging. Ich hingegen konnte gut verstehen, dass sie mit der ganzen Sache nichts zu tun haben wollte." Christy beruhigte sic h sofort, als Kate wieder zu weinen begann. Trevor hörte sie einen Seufzer ausstoßen, und zum ersten Mal bemerkte er, wie müde sie wirkte. Er hatte die schwerlidrigen Augen einer Art exotischer Schönheit zugeschrieben, während sie in Wirklichkeit Zeichen einer tiefen Erschöpfung waren. Sie hatte offenbar aus gutem Grund so fest geschlafen. Christy trat schwankend vor und legte eine Hand auf Kates Arm. „Hören Sie, ich weiß, Sie haben es nur gut gemeint", meinte sie freundlich. „Aber Sie hätten sich nicht einmischen dürfen. Es tut mir wirklich Leid. Ich bin sicher, dass Sie die Sache wieder ins Lot bringen können, wenn Sie von Ihrer Hochzeitsreise zurück sind." Sie streichelte Kates Arm und überraschte Trevor mit ihrer Liebenswürdigkeit, wenn man bedachte, wie sie selbst heute behandelt worden war. „Dort drinnen wartet ein Mann auf Sie, der Sie liebt und Sie heiraten möchte", fuhr sie fort. „Nur darum geht es heute. Alles andere können Sie später regeln. Vertrauen Sie mir." Kate zog die Nase hoch. „Glauben Sie, Vivian wird es mir verzeihen?" Christy nickte zuversichtlich und gab ihr einen kleinen Schubs, der sie selbst ins Stolpern brachte, als Kate sich lächelnd von ihr abwandte. Nur Trevors schnelles Eingreifen bewahrte Christy davor, kopfüber auf Kates Schleppe zu stürzen. „Das Missverständnis tut mir wirklich Leid!" rief Kate über ihre Schulter. Christy winkte nur ab, und ihr Lächeln war wie weggewischt, als sie sich Trevor zuwandte.
„Sollten Sie nicht da drinnen an der Seite Ihres Freundes sein?" Sie schaute auf seine Hand auf ihrem Arm, dann in sein Gesicht. „Das war nett, was Sie da gerade für sie getan haben. So viel Liebenswürdigkeit verdiente sie gar nicht, und ich auch nicht. Aber ich würde gern versuchen ..." „Hören Sie, heben Sie sich Ihre Entschuldigungen bis nach der Trauung auf. Sie können zu Kreuze kriechen, wenn Sie mich auf Ihrem Weg zu dem Empfang nach Hause bringen, okay?" Trevor wusste nicht, ob er lachen oder fluchen sollte. Sie hatte die Sache besser gehandhabt, als die meisten Frauen es täten, und obwohl er sich wie ein kompletter Idiot vorkam und auch vorhatte, ihr das zu sagen, hatte er es plötzlich gar nicht eilig, von ihr wegzukommen. „Wo werden Sie sein?" Sie lächelte spöttisch. „An die Wand gelehnt, an der Sie mich abgestellt haben." „Vielleicht könnte ich etwas Passenderes für Sie zum Anziehen finden?" Die im Hintergrund spielende Orgelmusik brach ab, und dann ertönten die ersten Klänge des Hochzeitsmarsches. „Dazu ist keine Zeit mehr", sagte Christy. „Gehen Sie hinein zu Ihrem Freund. Ich komme schon zurecht. Aber falls ich im Stehen eingeschlafen sein sollte, wenn Sie zurückkommen, geschieht es auf Ihre eigene Verantwortung, wenn Sie mich wieder wecken. Und im Moment haben Sie schon genug zu verantworten, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich hoffe, Sie sind im Abbitteleisten genauso gut wie im Kidnappen." „Ich musste noch nie Abbitte leisten, aber ich bin sicher, dass mir etwas einfallen wird." Er half ihr durch das Gedränge der Brautjungfern und führte sie in eine Ecke. „Sind Sie sicher ..." „Bin ich", unterbrach sie ihn, und er sah, dass die Augen ihr schon zufielen. „Und wenn Sie die Schuhe ausziehen? Wäre das nicht..." „Gehen Sie einfach", sagte sie, ohne die Augen noch einmal zu öffnen. Er sollte es tun. Das wusste er. Aber er wollte eigentlich gar nicht gehen. „Christy ..." „Bitte", murmelte sie. Er hatte keine Ahnung, woher der Impuls kam, oder warum er ihm nachgab. Seine Impulse hatten ihm heute schon genug Probleme eingetragen. Und er hatte geglaubt, als Zivilist lebte es sich leichter! Aber er griff bereits nach den losen Haarsträhnen, die ihr auf die Wangen gefallen waren, und strich sie sanft zurück. Sie riss die Augen auf, als sie seine Finger an ihren Wangen spürte. „Was tun Sie?" Und da grinste er. „Mir wünschen, wir wären uns unter anderen Umständen begegnet." Bevor sie noch etwas sagen konnte, was ihn dieses kleine Eingeständnis bereuen lassen würde, salutierte er. „Ich komme so schnell wie möglich wieder", sagte er und verschwand.
3. KAPITEL
Christy versuchte, ein wenig zu dösen, aber es gelang ihr einfach nicht, die unglaublich blauen Augen des Mannes aus ihrem Bewusstsein zu verbannen. Warum hatte er sie auch so berühren müssen? Egal, was ihre Hormone sagten, sie war fest entschlossen, ihn nicht zu mögen. Und so, wie er sie heute schikaniert hatte, dürfte das ja auch nicht allzu schwierig sein. Sie verlagerte ihr Gewicht so gut sie konnte, ohne umzufallen. Das Kleid war eine Zumutung, aber die Schuhe waren die reinsten Folterinstrumente, die dem Marquis de Sade Jubelschreie entlockt hätten. Sie hingegen wollte nur noch weinen. Sie wünschte nun, sie hätte ihm erlaubt, ihr ... Sie kannte nicht einmal seinen Namen! Die Orgel begann wieder zu spielen und ließ sie vor Schreck zusammenfahren. Aber erst als sich die Kirchentür en öffneten, um das frisch verheiratete Paar hinauszulassen, dachte sie an das, was jetzt gesche hen würde. Die Brautjungfern und Trauzeugen würden folgen und dann die Gäste. Und alle würden direkt an ihr vorbeigehen, und sie würde dastehen - in diesem Kleid. Fieberhaft sah sie sich nach einem Versteck um, aber sie wusste, ein Schritt nur, und sie würde stürzen. Warum hatte sie das nicht bedacht, bevor sie sich von dem attraktiven Neandertaler an einer Wand abstellen ließ wie eine Puppe? Jetzt kamen auch schon Kate und Mike aus der Tür. Sie hatten nur Augen füreinander, und obwohl Christy gar nicht hinsah, sondern mit der Wand zu verschmelzen versuchte, wurde ihre Kehle eng vor Rührung. Sie freute sich für sie, genau wie sie sich vor drei Jahren für Vivian gefreut hatte. Und du weißt ja selbst, wo das geendet hat, spottete ihre innere Stimme. Sie hoffte nur, dass Mike die innere Stärke besaß, Kate zu ertragen. Du liebe Güte, dachte sie jetzt schon wie eine zynische alte Jungfer? Dabei war sie erst achtundzwanzig. „Wie kannst du heiraten, wenn du dich nie verabredest?" Diese Worte ihrer Mutter gingen ihr jetzt wieder durch den Kopf. Sie hatte sie nie beachtet, weil sie wusste, ihre Mutter wollte nicht nur, dass sie heiratete, sondern ihr auch Enkelkinder schenkte, und Christy hatte es nicht besonders eilig mit beidem. Wozu auch? Die Leute heirateten nicht nur, sie ließen sich auch scheiden. Oder Vivian jedenfalls. Und wenn es je zwei Menschen gegeben hatte, die füreinander bestimmt gewesen zu sein schienen, dann die beiden. Und trotzdem waren sie unglücklich und allein. Warum sollte sie es also eilig haben, in die Eheschließungsstatistik zu kommen? Sie tat genau das Richtige, konzentrierte sich auf ihr eigenes Leben und ihre Karriere und suchte nicht nach Liebe. „Sind Sie bereit, zu gehen?" Trevors tiefe Stimme ertönte direkt hinter ihrem Ohr, so leise und sexy, dass sie ein wohliges Erschauern bei Christy auslöste. Okay, sie suchte zwar keine Liebe - aber ein bisschen unverbindlicher Sex erschien ihr gar nicht schlecht im Augenblick. Seine Stimme klang so gut. Besser noch als gut. Sie klang wie etwas, das in der Popmusik als Schlafzimmer-Soul bezeichnet wurde. Entsetzt über die Richtung ihrer Gedanken, versteifte sie sich, was sie ihren Halt an der Wand verlieren und gegen seinen schlanken Körper taumeln ließ. Sofort zog Trevor sie an sich, doch anstatt sie wieder aufzurichten, hob er sie auf seine Arme. „Nein!" stieß sie hervor, während sie sich nervös umblickte. Aber die Menge strömte schon durch die Tür, und bevor Christy noch weitere Einwände erheben konnte, trug er sie durch die Eingangshalle. „Danke", sagte sie erleichtert, aber auch ein bisschen atemlos. Letzteres geschah wegen ihres Kleids, das ihr die Luft abschnürte, und nicht weil sie seinen gestählten Körper so dicht an ihrem spürte. Ganz bestimmt nicht. Am Hintereingang setzte Trevor sie ab. „Warten Sie hier." Er war so nahe, sein Körper fühlte sich so herrlich warm an. Sie schwankte ein wenig und sank fast wieder gegen ihn. „Vorsicht" war alles, was er sagte, und dann verschwand er ohne einen weiteren Blick hinter einer weißen Tür. So, dachte sie mit einem Blick auf den nun leeren Platz neben ihr. Offenbar war sie die Einzige,
deren Hormone verrückt spielten. Sie musste vergessen, wie diese blauen Augen sie angesehen hatten, als er gesagt hatte, er wünschte, sie wären sich unter anderen Umständen begegnet. Aber so war es leider nicht. Und selbst wenn sie bereit wäre, ihm zu verzeihen - und sie sagte nicht, dass sie es war - ließ der Mietwagen den Schluss zu, dass er nicht hier lebte. Und er sah wie ein Mann aus, dem es bestimmt war, eine Uniform zu tragen. Menschenleben zu beschützen und die Welt ein bisschen sicherer zu machen. Sie dachte an die Art, wie er sie aus dem Haus gebracht hatte. Ja, er konnte sehr charmant und höflich sein, aber er war ganz ohne Zweifel auch ein Mann, der bekam, was er wollte. Die Tür öffnete sich wieder. Er war wieder da und reichte ihr etwas, das wie ein langes weißes Kleid aussah. „Ein Chorknabengewand", sagte er. „Ich dachte, Sie würden vielleicht gern das Kleid ausziehen, bevor wir gehen." Visionen von ihm, wie er sie auszog, kamen ihr in den Sinn. Sie verdrängte sie und drückte das Gewand an ihre Brust. „Danke." Dann merkte sie, dass sie das Schlimmste noch nicht überstanden hatte. „Hm ... ich glaube, ich brauche Hilfe, um aus diesem Ding herauszukommen." Wo andere Männer unverhohlene Freude gezeigt hätten über die Chance, einer Frau aus ihrem Kleid zu helfen, sah er geradezu verlegen aus. Das machte ihn ihr fast sympathisch. „Es hat Ihnen überhaupt nichts ausgemacht, mich in meiner Unterwäsche aus dem Haus zu tragen", erinnerte sie ihn, obwohl ihre innere Stimme ihr sagte, es sei nicht klug, den Mann zu reizen. „Hat es einen Reißverschluss oder Knöpfe?" fragte er und betrachtete sie, als wäre ihr Kleid eine Art militärische Geheimwaffe. Wenn sie nicht so müde gewesen wäre, hätte sie es vielleicht genossen, ihn ein bisschen schmoren zu lassen. Es war das Mindeste, was er verdiente. „Ich habe es übergestreift." Er starrte sie nur an. Nun war sie diejenige, die sich ein bisschen unbehaglich fühlte. Okay, mehr als nur ein bisschen. Sie stellte sich seine Hände auf ihrem Körper vor, wenn er ihr das Kleid abstreifte. Du bist in einer Kirche, ermahnte sie sich. „Wir sollten uns beeilen. Müssen Sie nicht mit auf die Hochzeitsfotos?" „Sie machen die Aufnahmen bestimmt im Country Club." „Nun, dann bringen wir es hinter uns, damit Sie mich zu Hause absetzen und zum Empfang fahren können." Er ging vor ihr in die Knie, hob die Hände zum Kleidersaum, der noch immer in unordentlichen Falten auf der Mitte ihrer Oberschenkel lag, und ließ sie wieder sinken. „Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll." Christy hob die Arme und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Vielleicht würde ihn ins Schwitzen zu bringen noch lustiger sein, als sie gedacht hatte. „Stellen Sie sich vor, es wäre ein Heftpflaster. Ziehen Sie daran." Da schaute er zu ihr auf, und ihr Herz begann zu rasen. „Halten Sie sich an meinen Schultern fest", befahl er. „Wenn ich es ein bisschen hochschiebe, können Sie es sich vielleicht selbst über den Kopf streifen." Seine Hände auf ihren Schenkeln ... Himmel, das würde sie niemals schaffen, ohne sich zu blamieren. Aber was blieb ihr anderes übrig? „Na gut." Sie atmete tief ein, oder vielmehr so tief, wie das Kleid es ihr erlaubte. „Aber schließen Sie die Augen." Er packte ihr Kleid am Saum und schob es hoch, aber weiter als bis zu ihren Hüften ließ der Stoff sich nicht bewegen. Sie zappelte und wäre fast nach vorn gekippt, und dann hätte er sein Gesicht gepresst an ... nun ja, an etwas, wo kein Mann in sein Gesicht haben sollte in einer Kirche. „Moment!" befahl sie atemlos. „Ziehen Sie mir zuerst die Schuhe aus." Er tat es. Warme Fingerspitzen streiften dabei ihre Haut und lösten ein Prickeln aus, wo ... nun, wo eben noch sein Gesicht gewesen war. Wer hätte gedacht, dass Knöchel erogene Zonen waren? Sie war gefährlich nahe daran, zu stöhnen, als sie seinen warmen Atem auf ihrer Haut spürte. Sie musste ihre Nägel noch tiefer in seine uniformierten Schultern bohren, um sich aufrecht zu halten. „Moment, noch eine Schnalle. So." Vorsichtig richtete er sich auf und schien nicht einmal zu
merken, wie sehr seine Berührungen sie erregt hatten. Sie musste wirklich unbedingt ins Bett. Allein, berichtigte sie sich rasch, als sie dankbar aus den Schuhen stieg. Sie war noch nie so froh gewesen, festen, kalten Boden unter ihren Füßen zu spüren. „Okay, das ist der Plan", sagte sie. „Ich ziehe dieses Gewand über, streife die Träger ab und ziehe das Kleid zur Taille hinab. Dann schiebe ich und Sie ziehen. So musste ich mich doch aus dem Ding herauswinden können, oder?" Trevor wirkte skeptisch. „Entweder das, oder wir zerschneiden das verdammte Ding. Obwohl ich Vivians Kleid lieber nicht zerstören möchte. Vielleicht kann sie es ja noch umtauschen. Lassen Sie es uns versuchen, ja?" „Ja, Ma'am." „Gut. Und hören Sie auf mit diesem ,Ma'am'. Da kommt man sich ja vor wie eine Großmutter." Er grinste, bevor er ihr das Chorgewand über den Kopf zog. „Glauben Sie mir, Sie sind überhaupt nicht wie die Großmütter, die ich kenne. Es ist nur eine Angewohnheit. Beim Militär ist das üblich." Sie sagte lieber nichts, als sie im Schutz des Chorgewands die Träger ihres Kleides abstreifte. Bevor sie das grässliche Ding im Wagen angezogen hatte, hatte sie die Träger ihres Unterhemds abgestreift und sie vorn in das Kleid gesteckt. Aber sie bekam sie jetzt nicht mehr heraus. Sie versuchte, das Oberteil hinabzuziehen, aber während es vorn nachgab - ihre Brüste konnten es kaum erwarten, endlich frei zu sein - verhedderten sich die Seiten- und Rückenteile mit ihrem Hemd. „Soll ich jetzt ziehen?" „Einen Moment noch." Sie zog ein Stück ihres Hemdes hoch und drückte es an ihre Brüste. „Schließen Sie die Augen." Seine Fingerspitzen streiften wieder ihre Schenkel. „Sie sind schon zu", sagte er. Ihre auch, merkte sie. „Bei drei. Eins, zwei ... jetzt!" Sie schob, er zog ... und das Kleid gab nach und fiel zu Boden. Zusammen mit ihrem Slip. „Drehen Sie sich um. Alles andere schaffe ich allein." Sie öffne te die Augen, als er sich aufrichtete, und schnappte nach Luft, weil er ihr plötzlich sehr viel größer vorkam. Das lag daran, dass sie keine Absätze mehr trug. Sie war keine kleine Frau, und es war komisch, sich so ... zierlich vorzukommen. Nun, nicht dass sie sich jemals so bezeichnet hätte, aber vielleicht war das wie alles andere relativ. „Sind Sie okay? Sie sehen ein bisschen erhitzt aus." „Sauerstoffmangel", entgegnete sie knapp, weil sie keine Lust hatte, ihm zu sagen, dass er und nicht das Kleid an diesem kleinen Problem schuld waren. Sie bewegte sich, so dass sie über dem Kleid und ihrem Slip zu stehen kam. „Ich ... äh ..." Verdammt, er hatte wirklich einen durchdringenden Blick. „Könnten Sie sich bitte umdrehen?" Er grinste. „Ja, Ma'am." War diese Uniform gepolstert, oder waren seine Schultern wirklich derart breit? Sie füllten ihr gesamtes Blickfeld aus. Aber sie hatte ihre Hände auf diesen Schultern gehabt. Und nichts von Polstern spüren können. Rasch zog sie ihren Slip an und hob das paillettenbesetzte Kleid und die Schuhe auf. „Ich bin bereit", sagte sie. Er wandte sich zu ihr um, und sie konnte nur noch denken: Und wie. Sie brauchte wirklich dringend Schlaf. Er bot ihr galant den Arm. „Ich habe meinen Wagen bringen lassen. Er steht direkt vor der Tür hier. Ich fahre Sie gleich nach Hause." Sie war nicht sicher, ob es ratsam war, ihn zu berühren. Sie wollte es aber. So sehr, dass sie ihn vorausschickte. „Gehen Sie vor." Er wollte ihr die Beifahrertür öffnen und ihr beim Anlegen des Sicherheitsgurtes helfen, aber sie kam ihm zuvor. Dann zog sie rasch die Tür zu. Es kümmerte sie nicht, wie unhöflich das war. Der Kerl verdient Schlimmeres, sagte sie sich, egal, wie charmant und höflich er jetzt ist. Aber er würde sie nicht noch einmal anfassen. Sie brauchte dringend Schlaf. Das war es, worauf sie sich
konzentrieren musste. Sie legte den Kopf an die Nackenstütze, schloss die Augen und tat, als merkte sie nicht, dass er neben ihr einstieg. „Hören Sie, ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen." „Bringen Sie mich ins Bett, und alles ist verziehen." Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, begriff sie, wie sie klingen mussten. Erschrocken öffnete sie die Augen und richtete sich ein wenig auf. „Ich meinte ..." Er sah sie an und lächelte. „Ich weiß, was Sie meinten." Etwas zu entgegnen hätte es höchstens schlimmer gemacht, und so schwieg sie und legte den Kopf wieder zurück. Zu ihrer Erleichterung schwieg er auf der kurzen Fahrt zu Vivians Haus. Christy war schon beinahe wieder eingenickt, als er in der Einfahrt hielt. „Christy?" Sie unterdrückte ein Gähnen und öffnete die Augen. „Wir sind schon da?" Sie war so müde, dass sie nicht wusste, ob sie es bis ins Bett schaffen würde. Aber das konnte sie ihm natürlich nicht sagen. „Sie wollten doch hierher zurück, oder?" Sie nickte. „Das Parkett in meiner Wohnung wird gerade erneuert, und sie waren noch nicht mit dem Versiegeln fertig, als ich heimkam ... Ich weiß nicht mehr, wann das war. Ich habe den Überblick verloren. Vivian lässt mich vorübergehend hier wohnen." „Sie sind offenbar vollkommen erledigt, und es ist meine Schuld, dass Sie sich nicht ausschlafen konnten. Es tut mir wirklich Leid." Sie lächelte im Stillen. Sie träumte davon, in seinen Armen fortgetragen zu werden ... und er sagte ihr, sie sähe in etwa so verlockend aus wie altes Brot. „Ich weiß, dass Kate sogar die vernünftigste Person zur Verzweiflung bringen kann, wenn sie sich etwas in den Kopf setzt. Sie ist diejenige, die sich entschuldigen müsste. Bei uns allen." „Ich begleite Sie noch hinein." „Nein!" Auf seinen überraschten Blick hin beruhigte sie sich und lächelte. „Ich schaffe es jetzt allein." Sie legte ihre Hand an die Tür. „Wie sind Sie überhaupt hereingekommen? Oder gehört einbrechen zu Ihrer militärischen Ausbildung?" „Die Hintertür war unverschlossen. Sie sollten Ihrer Freundin Vivian sagen, sie sollte etwas vorsichtiger sein." „Sie war ziemlich außer sich, als sie die Flucht ergriff." Christy seufzte. „Ich hoffe, sie ist okay." „Können Sie sie nicht anrufen und ihr sagen, die Luft sei wieder rein?" „Sie ist am See im Ferienhaus ihrer Eltern. Sie wollte übers Wochenende bleiben, und das ist wahrscheinlich auch das Beste. Wenn Eric zu dem Empfang hierher geflogen ist, wird er sicherlich bis morgen bleiben." Und da erklang ein Hupen, und sie sahen einen Wagen in die Einfahrt einbiegen. „Na wunderbar. Und ich dachte, noch schlimmer könnte dieser Tag nicht werden." „Wer ist das?" Ein gut aussehender großer blonder Mann stieg aus dem Wagen, in einem tadellosen dunklen Anzug und mit ebenso tadellos geschnittenem Haar. Mit entschlossener Miene ging er direkt auf das Haus zu. Trevor öffnete bereits die Wagentür. Christy fluchte und stieg zuerst aus. „Warte, Eric!"
4. KAPITEL Eric fuhr herum. „Christy! Versuch ja nicht, mich aufzuhalten. Ich muss mit Vivian reden." Christy stolperte fast über ihre Chorgewand, als sie sich zwischen Eric und ... Sie wusste immer noch nicht, wie ihr Entführer hieß. Sie sah ihn an. „Wie heißen Sie eigentlich?" Er blieb stehen. „Was?" „Wo ist Vivian?" wollte Eric wissen. „Und warum bist du so komisch angezogen?" Sie sah sich zu Eric um. „Das ist eine sehr lange Geschichte. Aber ich ..." „Ich habe Ihnen nicht gesagt, wie ich ...?" Trevor brach lächelnd ab, schüttelte den Kopf und salutierte. „Lieutenant Commander a.D. Trevor McQuillen, zu Ihren Diensten, Madam." „Mich interessiert nicht, wer Sie sind", warf Eric ein. „Nun, das sollte es vielleicht aber", sagte Trevor und schob sich an Christy vorbei, die in letzter Sekunde seinen Arm ergriff. „Moment mal!" rief sie. „Hört auf, ihr beiden!" Sie wandte sich an Trevor. „Danke fürs Nachhausebringen. Sie sollten jetzt zu dem Empfang fahren. Man wird Sie schon vermissen." Dann drehte sie sich zu Eric um, obwohl Trevor keine Anstalten machte, zu gehen. „Vivian ist nicht hier." „Ich war vor der Kirche, als die Hochzeitsgesellschaft herauskam. Sie war nicht dabei. Ich dachte, ich hätte dich gebeten, mir zu helfen und dafür zu sorgen, dass sie hier blieb." „Nein, du hast mir gesagt, was ich tun sollte. Genau wie du Vivian gesagt hast, sie sollte ihre Freunde und Familie verlassen, das Haus verkaufen, das ihr gerade erst gekauft hattet, ihre Arbeit aufgeben und mit dir um die halbe Welt ziehen, weil du ein interessantes Stellenangebot zu haben glaubtest. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was Vivian wollte oder was ihr wichtig war. O nein, du warst ja der Ernährer. Sie glaubte, du würdest sie wie eine Gleichberechtigte behandeln und sie genauso lieben und respektieren wie sie dich. Aber du hast es verdorben. Man sollte also meine n, du hättest inzwischen eingesehen, dass sich nicht alle Leute nach deinen Wünschen richten können." Eric fluchte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Es tut mir Leid." „Ich finde es nicht fair, Christy in diese Geschichte zu verwickeln", wandte Trevor ein. Als die beiden ihm einen ärgerlichen Blick zuwarfen, fügte er rasch hinzu: „Schon gut. Ich wollte ja nur helfen." „Ja, und wir alle wissen, wie erfolgreich Sie als Helfer sind", bemerkte Christy. Trevor lächelte. „Okay, das hatte ich verdient. Aber ob Sie es glauben oder nicht, ich habe viele erfolgreiche Operationen in meinem Berufsleben durchgeführt." „Das hier ist keine militärische Operation, sondern eine Hochzeit." „Ja, und ich habe auch schon gemerkt, dass einige unserer militärischen Führungskräfte von Amerikas Bräuten noch so manches über Strategie lernen könnten." „Sehr witzig." „Ich meinte es ernst." Christy versuchte, nicht zu lächeln. Wenn er nicht gerade arglose Frauen aus ihren Betten zerrte, konnte er wirklich sehr charmant sein. Und gefährlich. Denn kaum ließ ihre Wachsamkeit ein wenig nach, trat er näher. Und sie konnte sich beim besten Willen nicht entsinnen, warum das nicht gut war. Er blieb direkt vor ihr stehen und verstellte ihr den Blick auf alles außer ihm. „Es tut mir wirklich Leid, Christy." „Das sagten Sie bereits." „Vielleicht kann ich es irgendwie wieder gutmachen." Ihr Herz schlug schneller. „Ich ... Sie reisen bestimmt bald wieder ab." Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. „Wer sagt das?" Sie erschauerte vor Vergnügen, als seine Fingerspitzen ihre Wange streiften. „Ihre Uniform. Ihr Mietwagen." „Hören Sie, ich möchte nur wissen, wo meine Frau ist", sagte Eric und trat zwischen sie. „Exfrau", fauchte Christy ihn an und trat dann selbst zurück. Ihre Emotionen begannen verrückt zu
spielen. Sie war zu müde für all das.
Trevor wandte sich ab und manövrierte Eric unauffällig ein paar Schritte weg. „Warum kommen
Sie nicht mit mir zum Empfang? Es ist Kates und Mikes Hochzeitstag. Ich bin sicher, dass Sie mit
Vivian zu einer Einigung kommen werden, wenn das hier vorüber ist."
„Darauf würde ich keine Wette eingehen", sagte Christy aufsässig.
Eric wandte sich ihr zu, obwohl Trevor seinen Arm ergriff. „Bitte sag mir, wo sie ist, Christy. Ich möchte nur mit ihr reden. Wenn sie mir sagt, ich solle verschwinden, tue ich es." „Tja, das dürfte eine lange Reise werden, wenn du sie wieder sehen willst." Erics Augen leuchteten auf, und Christy hätte sich treten können für den Versprecher. „Sie ist zum See gefahren, nicht?" Christy hielt den Mund, aber sie wusste, es war bereits zu spät. Das einzig Gute war, dass Eric noch nie in der Hütte gewesen war. Sie gehörte Vivians Eltern. Sie hatten sie bauen lassen, als Eric und Vivian sich schon getrennt hatten. Vivian war zum See gefahren, weil sie wusste, dass er sie dort nicht erreichen konnte. „Christy ..." „Nun kommen Sie schon, Mann", sagte Trevor. „Lassen Sie uns zu dem Empfang fahren." Eric begann zu widersprechen, überlegte es sich dann aber anders. „Okay, okay." Er entzog Trevor seinen Arm. „Sie haben Recht." Christy wurde sofort misstrauisch. Eric konnte sehr energisch sein. Deshalb war er so erfolgreich in seinem Beruf - und deshalb hatte er in seiner Ehe so kläglich versagt. Es gab Dinge, die sich nicht mit eiserner Entschlossenheit erreichen ließen. „Es tut mir so Leid, dass ich dich damit belästigt habe", sagte Eric. „Aber ... ich bin verzweifelt." So sah er auch aus, musste sie zugeben. Die Qual in seinen Augen war wirklich nicht zu übersehen. Sie zweifelte nicht daran, dass er es bedauerte, Vivian verloren zu haben. Es war das Einzige, worin er je versagt hatte, und es war schlicht inakzeptabel für Eric Swenson, in irgendetwas zu versagen. „Bitte, wenn du mit ihr sprichst, dann sag ihr, dass ich nur eine Chance möchte, mit ihr zu reden und ihr einiges zu erklären. Ich habe mich verändert, Christy." „Das kommt mir nicht so vor", erwiderte sie, aber eher traurig als verärgert. Sie bedauerte beide, aber sie wusste auch, dass ihre Freundin am Boden zerstört gewesen war nach dem Scheitern ihrer Ehe, und sie wollte nicht, dass Vivian noch mehr litt. „Christy, ich ..." „Ich denke, wir sollten gehen", wandte Trevor ein. Eric sah aus, als wolle er widersprechen, aber dann seufzte er und nickte. „Na schön. Es tut mir Leid, Christy", wiederholte er und ging zurück zu seinem Wagen. Sie wandte sich zu Trevor. „Danke." „Er scheint es ehrlich zu meinen. Sind Sie sicher ...?" Er brach ab, als Christy ärgerlich die Arme vor der Brust verschränkte. „Ja, ja, schon gut. Ich glaube, für heute habe ich oft genug ins Fettnäpfchen getreten." Er lachte. „Ich dachte, als Zivilist lebte es sich leichter." „Sie sind nicht mehr beim Militär?" Er nickte. „Die Uniform trage ich nur noch wegen der Hochzeit. Ich bin dabei, nicht weit von hier mein eigenes Sicherheitsunternehmen aufzubauen." „Hier?" Er ging also nicht weg. Christy war nicht sicher, ob sie sich darüber freuen sollte. Obwohl ihr Körper ihr etwas ganz anderes sagte. „Ich habe früher hier gelebt." Trevor sah sich um und seufzte. „Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor." Christy war fasziniert. Er konnte nicht viel älter sein als dreißig, wenn überhaupt, und dennoch sprach er wie ein Mensch, der mehr erlebt hatte als jemand, der doppelt so alt war. Und wenn sie ihn ansah, glaubte sie ihm auch, dass es so war. Trevor wandte sich um, als er Eric seinen Wagen starten hörte. „Ich schätze, ich gehe jetzt besser." „Ja." Sie lächelte und salutierte militärisch. Grinsend erwiderte er den Gruß und öffnete die Wagentür, schien es aber nicht eilig zu haben, einzusteigen.
„Oh, Vivians Kleid!" Es war keine Ausrede, damit er noch ein wenig blieb. Wirklich nicht. Trevor holte die Sachen aus dem Wagen und reichte sie ihr. „Es tut mir ..." „Ich weiß. Sie brauchen sich nicht weiter zu entschuldigen. Gehen Sie lieber, bevor Eric ungeduldig wird." „Ja", sagte er ruhig, seine blauen Augen durchdringend wie Laserstrahlen. Eric setzte zurück und hupte. Christy blickte zu ihm hinüber und dachte wieder, dass er zu schnell aufgab. Aber dann erkannte sie, warum. Verdammt. Eric mochte zwar nicht wissen, wie er zu der Hütte am See kam, aber ... „Was ist?" „Eric. Er gibt nicht so leicht auf. Nicht, wenn er etwas wirklich will. Und er will Vivian." Sie überlegte, ob sie sich rasch umziehen und mit Trevor zu dem Empfang fahren sollte. Aber sie war wie eine wandelnde Tote im Moment. Dann sah sie Trevor an. Hm. Er schuldete ihr noch etwas. „Wenn Sie das mit heute Morgen wieder gutmachen wollen, dann tun Sie mir einen Gefallen und sorgen dafür, dass Kate ihm nicht verrät, wie er zur Hütte am See kommt." „Glauben Sie, nach allem, was geschehen ist, würde sie es ihm sagen?" Christy schaute ihn nur an. „Richtig. Was rede ich? Ich habe Kate gerade erst kennen gelernt, aber ich habe das Gefühl, dass Mikes Leben nie langweilig werden wird." Christy konnte ihm nur zustimmen. „Versprechen Sie mir, dass Sie ihn nicht zum See fahren lassen." „Ich werde mein Bestes tun." Er stieg ein und beugte sich aus dem Fenster. „Vielleicht sollten Sie sie trotzdem anrufen. Für den Fall, dass er es durch jemand anderen herausfindet." Es gab niemand sonst, der die Adresse kannte. Vivian arbeitete mit Christy auf der Intensivstation, und ihr aufreibender Schichtdienst erlaubte es ihnen, unter der Woche zur Hütte hinaufzufahren, was ihren anderen Freundinnen praktisch unmöglich war. Soweit sie wusste, war Kate die einzige andere, die schon einmal dort gewesen war. „Ich kann sie nicht anrufen", sagte Christy. „Es gibt dort oben noch kein Festnetz. Man kann also nur übers Handy telefonieren, und der Empfang ist ziemlich schlecht. Sie wird ihres wahrscheinlich sowieso abstellen. Aber ich werde es versuchen." „Okay." Aber er rührte sich nicht. Und sie auch nicht. Eric hupte wieder, und Christy blickte sich aus schmalen Augen nach ihm um. „Behalten Sie ihn im Auge." Trevor grinste nur und grüß te noch einmal. Erst als er schon abgefahren war, erkannte Christy, dass sie keine Handtasche und folglich auch keinen Schlüssel bei sich hatte. Und Trevor hatte die Hintertür vermutlich abgeschlossen. Großartig. Wirklich großartig. Aber zu müde, um sich darüber aufzuregen, ließ sie das Kleid und die Schuhe in den Schaukelstuhl auf der Veranda fallen und machte es sich in der Hollywoodschaukel gemütlich. Sie würde sich mit dem Problem befassen, wenn sie ein paar Stunden geschlafen hatte. Sie hätte schwören können, sie hätte eben erst die Augen zuge macht, als jemand sie sanft an der Schulter rüttelte. „Christy, ich tue das wirklich nur sehr ungern." „Dann tun Sie es nicht", knurrte sie. Ihr Bett schwankte. Warum schwankte ihr Bett? Sie hatte Halluzinationen, das war es. Träume, ausgelöst durch zu viel Stress und Schlafmangel. Sie versuchte, sich noch tiefer unter die Decken zu kuscheln ... und merkte dann, dass keine Decken da waren. Und auch keine Kissen. „Christy. Es ist wegen Eric. Er ist weg. Und ich glaube nicht, dass er zum Flughafen gefahren ist." An ihren besten Tagen benötigte sie mindestens drei ihrer sechs Wecker, um wach zu werden. Im Moment hätte es eine Atombombe erfordert. „Gehen Sie weg." Trevor rüttelte wieder an ihrer Schulter. „Hören Sie, Chr isty, ich weiß wirklich nicht, wie Eric es herausgefunden hat. Ich habe Kate nicht aus den Augen gelassen, bis sie und Mike zu ihren Flitterwochen aufbrachen. Aber eine der Brautjungfern sagte, sie hätte Eric eilends wegfahren
sehen. Ich wette, er ist auf dem Weg zum See." Das durchdrang den Nebel in ihrem Kopf. „Was? Zum See? Eric?" Sie fuhr auf, stöhnte dann aber und hielt sich ihren Kopf. „Ich bin total erschossen." Dann spürte sie starke Arme um sich und brachte schlicht und einfach nicht die Kraft auf, sich zu wehren. „Kommen Sie. Ich bringe Sie hinein." „Unmöglich. Die Tür ist abgeschlossen." Sie öffnete ein Auge. „Und jemand hat mich meine Handtasche nicht mitnehmen lassen." „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass die Hintertür nicht abgeschlossen war." Am liebsten hätte sie nach ihm geschlagen, aber sie war zu müde, um die Hand zu heben. „Es ist mir alles piepegal", murmelte sie, als er sie um das Haus herum und durch die Küchentür hinein trug. Die Küche nahm sie nur verschwommen wahr, ebenso wie die kurze Diele und die Treppe. „Sie brauchen mir nur zu erklären, wie ich zur Hütte am See komme, dann fahre ich hin", schlug er vor. „Ich weiß, Vivian kennt mich nicht, aber es würde vielleicht helfen, wenn sie noch jemand anderen dort oben hat." Seine Worte waren wie ein samtenes Raunen in ihrem Kopf. „Christy, schlafen Sie mir jetzt nicht ein. Sie müssen mir erklären, wie ich dort hinkomme." Aber dann legte er sie aufs Bett, und das war ein so himmlisches Gefühl, dass sie sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte. „Keine Dreifachschichten mehr", murmelte sie. „Dreifachschichten?" „Es sind einfach zu viele Menschen, die Hilfe brauchen", versuchte sie zu erklären. Die Matratze bewegte sich, als er sich setzte, und Christy rutschte gegen seinen warmen, harten Schenkel. „Sie können gehen", sagte sie. „Kein Problem. Ich bin okay." „Sie müssen mir den Weg erklären." „Was für einen Weg? „Den Weg zu der Hütte." Da erinnerte sie sich. „Vivian!" krächzte sie und versuchte, sich aufzurichten, aber Trevor schob sie sanft zurück. „Sie bleiben hier und schlafen, sobald Sie mir den Weg erklärt haben." Seufzend legte sie sich zurück. Ihre Augen fühlten sich an, als wären sie mit Sand gefüllt, und so hielt sie sie geschlossen, als sie ihm die Adresse gab. „Es ist eine Blockhütte mit einer großen Veranda", schloss sie. „Sie können sie nicht verfehlen." Sie fluchte im Stillen und richtete sich auf. „Aber ich fahre besser mit. Ich ziehe mich nur schnell an." „Das kommt nicht infrage." Er schob sie wieder zurück aufs Bett. „Sie werden noch krank, wenn Sie nicht ein wenig Schlaf bekommen. Ich bin nur zurückgekommen, weil ich dachte, Sie wollten sicher, dass ich etwas unternehme." Er strich ihr sanft das Haar aus dem Gesicht, und sie erschauerte vor Vergnügen. Wenn er sie weiter so streichelte, würde sie glücklich sterben. „Danke, dass Sie hinfahren wollen." „Das ist das Mindeste, was ich tun kann." Sie wollte sagen, sie wüsste noch eine Menge anderer Dinge, die er tun könnte, aber sie alle hatten nichts mit Vivian und Eric zu tun. Sie runzelte die Stirn. „Ich fahre mit", erklärte sie. „Ich sollte bei ihr sein. Es ist alles nur meine Schuld." „Ich wüsste nicht, wieso." Er streichelte sie noch immer. „Ich kann im Wagen schlafen." Sie war ziemlich sicher, dass sie im Moment sogar beim Fallschirmspringen hätte schlafen können. Trevor seufzte. „Warum habe ich die Armee verlassen?" Sie lächelte müde. „Weil Sie vielleicht die Aufregungen der realen Welt vermissten?" „Das muss es sein." Sie schwang die Beine aus dem Bett. „Holen Sie meine Reisetasche aus dem Schrank. Ich habe schon für meinen nächsten Besuch in der Hütte ein paar Sachen gepackt." Trevor seufzte nur ergeben. „Und wo ist Ihre Handtasche?"
„Unten, neben dem Telefon." Mit einer Hand ihre Schulter stützend, richtete er sich auf und hob sie auf die Arme. „Sie sollten wirklich aufhören, das zu tun." Er blickte ihr lächelnd in die Augen. „Die Wahrheit ist, es macht mir Spaß, Sie durch die Gegend zu tragen." Christy schaffte es, zu blinzeln. „Oh, Commander, Sie können einer Frau wirklich den Kopf verdrehen, wenn Sie über sie reden wie über einen Sack Kartoffeln." Er grinste. „Ja, das bin ich. Mr. Romantik." Christy hätte darauf entgegnen können, dass er vor allem Mr. Sexy war, aber das wäre ihm sofort zu Kopf gestiegen. Außerdem war sie momentan nicht in der Verfassung für ein solches Geplänkel. „Lassen Sie mich herunter." „Nein. Ich trage Sie, eine Decke und all diese Kissen hier zum Wagen, und dort werden Sie es sich auf dem Rücksitz bequem machen und versprechen, sich weder zu rühren noch zu reden, bis wir die Hütte erreicht haben." Sie salutierte. „Solange ich im Schlaf nicht rede oder mich umdrehe, dürfte das kein Problem sein, Sir." „Sehr witzig." „Ja, das bin ich. Zum Schreien komisch." Sein Lächeln verblasste. „Vielleicht..." „Vielleicht sollten Sie jetzt endlich meine Reisetasche holen." „Ja." Aber er rührte sich nicht, sondern blickte sie nur forschend an. Ihr Herz schlug schneller. Senkte er wirklich den Kopf? Würde er sie ...? Wollte sie, dass er es tat? Dann streiften seine Lippen ihre Stirn, und ihr Herz begann zu rasen. Die Antwort war Ja, sie wollte, dass er sie küsste. Verzweifelt sogar. Und nicht nur auf die Stirn. „Trevor?" „Hm?" Was für eine aufregende Stimme. Im Stillen verlieh sie ihm den Spitznamen Mr. Samtstimme. „Wir sollten gehen." Bevor ich etwas Dummes tue, wie dich zu bitten, mich zu küssen, fügte sie innerlich hinzu. „Ja. Schließen Sie die Augen." „Was?" „Entspannen Sie sich. Schlafen Sie. Ich wecke Sie, wenn wir da sind. Oder versuche es zumindest." Er schmunzelte. „Ich habe eben einen tiefen Schlaf", sagte sie, schloss aber ihre Augen und legte ihr Gesicht an seine Brust, als er sie die Treppe hinuntertrug. „Wollen Sie mich deswegen verklagen?" Er roch sogar gut. „Es gibt eine Menge Wünsche, die Sie in mir wecken", glaubte sie ihn murmeln zu hören, ehe sein Herzschlag sie einschläferte und sie wieder ins Land der Träume entführte. Und sie war froh darüber. Denn im Land der Träume küsste er sie nicht nur auf die Stirn.
5. KAPITEL
Christy schlief noch immer, als nach dreistündiger Fahrt die Hütte in Sicht kam. Hinter den Bäumen, die die Hütte umgaben, glitzerte der See. Es war eine wundervolle Gegend, abgelegen und friedlich. Trevor hatte die letzten zehn Jahre in abgelegenen, aber nur selten schönen Gegenden verbracht. Er hatte sich nach dem Betrieb, dem Lärm und der Lebensweise einer Stadt zurückgesehnt, weshalb er sich für Richmond entschieden hatte. Aber eine Möglichkeit wie diese hier, der Großstadt zu entfliehen, wäre von Zeit zu Zeit gar nicht so schlecht. Vielleicht war ja er es, der zu wenig schlief? Wie könnte er sich sonst die merkwürdigen Gedanken erklären, die ihm durch den Kopf gingen? Gedanken an ein ungestörtes Wochenende in einer Hütte wie dieser hier ... mit einer Frau wie Christy. Doch sie waren nicht allein. Und dies war keine romantische Eskapade. Und abgesehen davon, dass sie schlief wie eine Tote und ihren Freundinnen gegenüber einen ausgeprägten Beschützerinstinkt demonstrierte, wusste er so gut wie nichts von Christy. Aber er wollte mit ihr allein sein. Um herauszufinden, was für eine Frau sie war. Er bog in die kiesbestreute Einfahrt vor der Hütte ein. Ein kleiner roter Wagen parkte vor der Veranda. Erics blauer Mietwagen stand direkt dahinter. Trevor stellte den Motor ab und blickte über seine Schulter. Christy brauchte mehr als nur drei Stunden Schlaf. Was trieb sie eigentlich dazu, sich derartig zu überarbeiten? Er erinnerte sich an ihre Worte: „Es sind einfach zu viele Menschen, die Hilfe brauchen" und dachte, dass er sie gut verstehen konnte. Vorsichtig öffnete er die Tür, obwohl er vermutlich sogar den Alarm hätte auslösen können, ohne sie zu wecken. Er würde sie weiterschlafen lassen, entschied er. Oder zumindest noch ein paar Minuten. Er wandte sich zum Haus. Wenigstens war kein Geschrei oder das Klirren zerbrechenden Geschirrs zu hören. An der Haustür blieb er stehen. Was sollte er sagen? Warum war er hier und mischte sich in das Leben zweier Menschen ein, die er nicht einmal kannte? „Wie bist du überhaupt hierher gekommen?" Trevor fuhr herum und entdeckte Vivian, oder zumindest nahm er an, dass Vivian die Frau war, die vom Seeufer heraufkam. Aber sie redete nicht mit ihm. Sie hatte ihn noch nicht gesehen. Ihre Frage galt Eric, der mit großen Schritten auf sie zuging. Offenbar war er selbst gerade erst angekommen. „Warum warst du nicht bei der Hochzeit?" entgegnete er. „Ich kann es nicht glauben, dass du Kate im Stich gelassen hast. Das passt gar nicht zu dir." Vivian blieb stehen und verschränkte ihre Arme. „Woher willst du denn wissen, was zu mir passt?" versetzte sie. „Du kennst mich doch nur so, wie du mich sehen wolltest. Aber sieh mal!" Sie breitete weit die Arme aus. „Das bin ich. Eine Frau, der es nicht gefällt, wenn andere sich in ihr Leben einmischen." Da stockten Erics Schritte, als hätte er von dieser Einstellung tatsächlich nie etwas gewusst. Trevor applaudierte Vivian im Stillen. Und wünschte, er wäre nie hierher gekommen. Dies war etwas Privates, was nur die beiden etwas anging. Er überlegte, ob er wieder zurückgehen sollte, aber da hatte Vivian ihn schon entdeckt. Im Stillen fluchte er, lächelte dann aber und winkte. „Hallo. Ich bin Trevor McQuillen, ein Freund von Mike." „Na großartig. Also hat Kate auch ihn mit hineingezogen. Haben Sie Eric hierher gebracht?" Das fängt ja gut an, dachte Trevor schuldbewusst. Aber was hatte er erwartet? „Nein. Tatsächlich versuchte ich sogar zu verhindern, dass er herkam." „Nun, das war ja nett von Mike. Wenigstens er besitzt Verstand." Trevor räusperte sich. „Dafür müssen Sie sich bei Christy bedanken." „Vivian ..." begann Eric. Aber sie ignorierte ihn. „Christy? Was hat sie damit zu tun?" „Das ist eine lange Geschichte." Da trat Eric zwischen sie. „Ich möchte nur eine Chance, mit dir zu reden." Er sah Trevor an.
„Allein." Trevor hätte nichts lieber getan, als wieder zu verschwinden, aber er fand, das musste Vivian entscheiden, und sah sie fragend an. Sie blickte von einem Mann zum anderen und seufzte. „Also gut, dann rede. Aber er bleibt." Erics Augen weiteten sich, aber diesmal gab er klugerweise nach. „Na schön. Aber können wir wenigstens ein bisschen ungestört sein?" Vivian sah Trevor unsicher an, und wieder übernahm er die Kontrolle über eine Situation, in die er sich gar nicht erst hätte verwickeln lassen dürfen. Lächelnd deutete er auf das Seeufer. „Warum bleiben Sie nicht hier und reden? Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mich gern umziehen." Vivian nickte zustimmend und blickte Eric an. „Du hast Zeit, bis er zurückkommt, also fang schon an." „Vivian ..." „Die Uhr tickt." Trevor unterdrückte ein Lächeln, als er zum Wagen zurückging. Er hatte sich gefragt, ob es klug war, die beiden so nahe am Wasser allein zu lassen. Aber falls hier irgendjemand in Gefahr war, war es Eric. Leise öffnete er den Kofferraum und nahm den Seesack heraus, den er im Flugzeug mitgenommen hatte. Der Rest seiner Sachen war vorausgeschickt und eingelagert worden. Er hatte noch keine Wohnung. Mike hatte ihm sein Haus angeboten, solange er auf Hochzeitsreise war, aber Trevor hatte ein Zimmer in einem Hotel gebucht. Mit der nicht allzu großen Abfindung, die er erhalten hatte, hatte er ein Grundstück gepachtet und die sich darauf befindlichen Gebäude seinen Vorstellungen entsprechend renoviert. Zur Not konnte er auch auf dem Gelände wohnen, wenn er nicht sofort eine Wohnung fand. Schließlich würde er dort sowieso den größten Teil seiner Zeit verbringen. Er sah nach Christy, und wieder bekam er ein schlechtes Gewissen, als er sie auf dem schmalen, unbequemen Rücksitz liegen sah. Er fragte sich, ob er sie ins Haus tragen könnte, ohne sie zu wecken. Vivian, sah er, hielt noch immer Distanz zu ihrem Ex, der wild gestikulierend vor ihr auf und ab ging. So wie es aussah, hätte Trevor Christy ruhig auf ihrer Veranda weiterschlafen lassen können. Er glaubte nicht, dass Erics Besuch sehr lange dauern würde. Aber zunächst einmal waren sie jetzt alle hier oben, und die Sonne ging allmählich unter. Wahrscheinlich würden sie über Nacht bleiben müssen. Vorausgesetzt natürlich, Eric hörte auf, sich wie ein Esel zu benehmen. Wenn Vivian Eric nicht über Nacht in ihrem Haus haben wollte, würde Trevor dafür sorgen, dass er ging. Er schwang sich den Seesack über die Schulter und ging zur Veranda, um sich die Hütte anzusehen, bevor er Christy hineinbrachte. Ein weiterer Blick auf den See entlockte ihm ein Lächeln. Nun war es Vivian, die gestikulierend auf und ab marschierte. Wenigstens redeten sie jetzt miteinander. Die Hütte war innen sehr geräumig und gemütlich eingerichtet. Ein großes Panoramafenster bot eine wundervolle Aussicht auf den See. Am anderen Ende des Raumes prangte ein mächtiger steinerner Kamin. Die Luft hier oben war entschieden trockener, und jetzt, wo die Sonne unterging, auch kühler. Vielleicht würden sie später ein Feuer anzünden. Er könnte Christy hereinbringen und sie auf die Couch vor dem Kamin legen ... Lächelnd schüttelte er den Kopf. „Du bist nicht hier, um den Haus mann zu spielen", sagte er sich und machte sich auf die Suche nach dem Bad. Je eher er hier wegkam, desto besser. Als er nach zehn Minuten aus der Hütte kam, hörte er Donnergrollen. „Das fehlte uns gerade noch", murmelte er, während er zu dem sich rasch verfinsternden Himmel aufschaute. Wenn Eric nicht unverzüglich vor die Tür gesetzt wurde, würde niemand mehr irgendwohin fahren, sobald der Himmel seine Schleusen öffnete. „Womit habe ich das verdient? Ich esse mein Gemüse, bezahle pünktlich meine Steuern und helfe sogar alten Damen über die Straße." Oder hätte es getan, wenn es welche gäbe in den Teilen der Welt, in denen er in den letzten Jahren gelebt hatte.
Er blickte sich nach Vivian und Eric um. Sie saßen sich jetzt an einem Gartentisch gegenüber und redeten. Ein bisschen ratlos sah er sich zu seinem Wagen um, in dem Christy noch immer auf dem Rücksitz schlief. Ein dumpfes Geräusch ließ ihn zusammenfahren. Ein Stück Decke, ein zerdrücktes Kissen, gefolgt von einem Nest aus dunklem Haar erhob sich auf dem Rücksitz. Eine Hand tastete nach der Decke und dem Haar, um schließlich ein Gesicht zu enthüllen, das ganz verquollen war vom Schlaf. Sie blinzelte ein paar Mal, gähnte dann und streckte sich genüsslich. Trevors Herz trommelte hart gegen seine Rippen. Das bewirkte sie bei ihm. Selbst erschöpft und verschlafen, bewirkte sie das bei ihm. Er ging zum Wagen und war gespannt auf die bissigen Bemerkungen, die sie von sich geben würde. „Sie haben mich hier eingeschlossen", sagte sie. „Zuerst sperren Sie mich aus Vivians Wohnung aus, dann schließen Sie mich in Ihrem Wagen ein. Was für ein Mensch sind Sie eigentlich?" Ein Mensch, der offensichtlich den Verstand verloren hat, dachte er, drückte auf den Knopf an seinem Schlüsselring und entriegelte die Schlösser. „Erstens habe ich Sie nicht ausgesperrt. Die Hintertür war offen. Und zweitens habe ich Sie nicht in meinem Wagen eingeschlossen, sondern andere Leute ausgeschlossen. Man kann die Türen nämlich auch von innen öffnen", sagte er und grinste über den finsteren Blick, den sie ihm zuwarf. „Haben Sie gut geschlafen?" Sie trat nach der Decke und blies das Haar aus ihrem Gesicht. „Bis auf den Sicherheitsgurt, der gegen meinen Rücken drückte, war es so, als schwebte ich auf einer Wolke." Sie rutschte zum Rand des Sitzes. „Wie lange sind wir schon hier? Haben Sie mit Vivian geredet? Was ist los?" Er hob ihre Reisetasche vom Beifahrersitz, nahm ihr die Decke ab und reichte ihr die Tasche. „Warum gehen Sie nicht hinein und duschen und ziehen sich um? Sie werden sich besser fühlen danach." Da lächelte sie. „Womit Sie sagen wollen, dass ich nicht hübsch und ausgeschlafen aussehe?" Er hätte ihr die Wahrheit sagen können - dass sie trotz ihres verschlafenen Gesichts und ihres wirren Haars sein Herz zum Rasen brachte. Aber das wäre ein taktischer Fehler. Und er hatte an diesem Tag schon mehr davon gemacht, als während seiner gesamten Karriere im Geheimdienst. „Ich sage nur, dass Sie sich besser fühlen werden in Ihren eigenen Sachen. Das Duschen ist natürlich freiwillig." Wieder ertönte Donnergrollen, und sie runzelte die Stirn. Ihm entging auch ihr Erschaudern nicht. Es war inzwischen etwas kühler, aber keineswegs schon kalt. „Sie mögen keine Gewitter?" Sie versuchte nicht einmal, es abzustreiten. „Überhaupt nicht." Diesmal zuckte ein Blitz am Himmel über den hohen Tannen auf, und Christy stürzte mit mehr Energie, als er ihr jemals zugetraut hätte, zur Hütte hinüber. Von dort schaute sie zum See hinunter und entdeckte Vivian und Eric. Sie zögerte, aber ein weiteres Donnergrollen jagte sie ins Haus. „Sagen Sie Vivian, ich komme gleich. Ich kann es nicht glauben, dass Sie mich nicht geweckt haben!" Dann fiel die Tür hinter ihr zu. Und das war gut so, denn so würde sie sich wenigstens nicht darüber ärgern, dass er lachte. „Ich hätte sie wecken sollen, sagt sie. Als ob das so einfach wäre." Aber Donner schien offenbar Wunder zu bewirken. Er fragte sich, ob es nicht einen Wecker gab, der ein Gewitter imitierte. Vivian kam vom See wieder hinauf. Eric folgte ihr ein wenig langsamer und nachdenklicher. „War das Christy?" Trevor nickte. „Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass sie bei Ihnen ist?" Trevor blieb ruhig, trotz ihres Ärgers. Sie sah müde aus, und das mit gutem Grund. „Sie schlief, und Sie sprachen mit Eric." „Schon gut", erwiderte sie seufzend. „Tut mir Leid. Es ist nur ..." Sie rang sich ein Lächeln ab. „Zu sagen, es war ein langer Tag, wird dem irgendwie nicht ganz gerecht." Trevor lächelte. „Ja, Ma'am."
Vivian war eine schlanke Frau mit kurzem rotblondem Haar, sehr hellen blauen Augen und Sommersprossen auf den Wangen. Ihr Lächeln war sympathisch, aber überschattet von der Müdigkeit in ihren Augen. „Ein Gewitter zieht auf, und die sind meistens ziemlich schlimm." Sie nickte zur Tür. „Wir sollten lieber hineingehen." „Christy ist schon nach dem ersten Donnerschlag im Haus verschwunden", sagte er, während er ihr die Tür aufhielt und sich nach Eric umblickte. Aber der ging bereits zu seinem Wagen. „Sie mag keine Gewitter", erwiderte Vivian nur, aber Trevor spürte, dass mehr dahinter steckte. „Wird Eric trotz des aufkommenden Gewitters heimfahren?" fragte er. Sie blickte an ihm vorbei und schüttelte den Kopf. Er hätte nicht sagen können, ob sie unglücklich darüber war oder sich nur in das Unvermeidliche fügte. „Er holt nur seine Tasche. Keiner von uns fährt heute Abend noch irgendwohin. Die Straße den Berg hinunter wird sich in einen reißenden Fluss verwandeln, sobald das Gewitter losbricht. Wenn es schnell genug vorbei ist, wird sie morgen zwar noch schlammig und morastig sein, aber passierbar nach ein paar Stunden Wind und Sonne." Vivian zog die Tür hinter ihnen zu. „Ich denke, es wird jetzt langsam Zeit, dass Sie mir verraten, wer Sie sind und warum Christy in Ihrem Wagen lag und schlief." Sie setzte sich auf einen Hocker an der Bar, die die Küche und den Essbereich trennte, und stützte lächelnd das Kinn auf ihre Hand. Trevor mochte sie. Sie war eine Kämpfernatur und hatte Mut. Er setzte sich neben sie. „Okay. Aber nur, wenn Sie mir erzählen, warum Ihre Freundin Angst vor Gewitter hat." „Warum fragen Sie mich und nicht Christy?" Er grinste. „Weil Sie vermutlich nicht gleich auf mich losgehen werden." Sie lachte. „Sie kennen Christy gut." „N icht wirklich. Ich habe sie erst heute kennen gelernt." Trevor lehnte sich an die Bar. „Aber ich möchte sie besser kennen lernen." Vivian zog ihre Augenbrauen hoch. Ihre blauen Augen funkelten. „Soso. Ich sollte Sie vielleicht warnen, dass Sie mit einem ga nzen Krankenhaus voller Leute, die sie brauchen, konkurrieren werden." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn ganz unverhohlen. „Aber irgendwie habe ich das Gefühl, das wäre kein Hindernis für Sie." „Nein, Ma'am", erwiderte er lächelnd. Er hörte die Dusche rauschen, stellte sich vor, wie Christy aus dem Chorknabengewand stieg, und erkannte, dass er noch nie zuvor in seinem Leben ein solch dringendes Bedürfnis verspürt hatte, zu duschen. Das Gewitter näherte sich. Christy war nackt und keine fünf Meter entfernt von ihm. Vivian sah ihn erwartungsvoll an, und jeden Augenblick konnte ihr Exmann in Gott weiß was für einem Gemütszustand durch die Tür hereinkommen. Und Trevor würde mit allen dreien in dieser Hütte eingeschlossen sein. Die ganze Nacht. Wieder fragte er sich, wie, zum Teufel, er hierher gekommen war. Und wieso er gar nicht so verstimmt darüber war.
6. KAPITEL
Christy stöhnte in nahezu ekstatischem Vergnügen, als das Wasser auf ihren Rücken prasselte. Sie wollte weiterschlafen, doch sie wusste, das würde ihr nicht gelingen bei diesem Gewitter. Sie wusste nun, was sie geweckt hatte. Sie erschauerte unter dem heißen Wasserstrahl und wäre am liebsten geblieben, wo sie war, bis das Gewitter sich verzog. Wenn sie das Wasser laut genug herunterprasseln ließ, würde sie es vielleicht nicht einmal hören. Als hätte der Wettergott sie gehört und würde über sie lachen, erbebten die Wände unter einem weiteren dumpfen Donnerschlag. Und da es nicht gerade das Klügste war, während eines Gewitters unter der Dusche zu stehen, stellte sie das Wasser ab und verließ widerwillig die Kabine. Und dann roch sie das Elixier des Lebens und stöhnte vor Vergnügen. Vivians Vater hatte seine eigene Kaffeemischung, die, wie er behauptete, von den Feen seines Heimatlandes hergestellt wurde. Natürlich konnte der gute Geschmack auch an dem Whiskey liegen, den er hinzuzufügen pflegte. Christy konnte gut einen ordentlichen Schluck davon gebrauchen. Dieser Zaubertrank war es beinahe wert, dem Sturm oder den drei Menschen auf der anderen Seite der Tür gegenüberzutreten. Aber beides zugleich, das war ganz schön heftig. „Na ja, vielleicht lenkt der Sturm in der Hütte mich von dem Sturm dort draußen ab." Rasch zog sie bequeme Shorts und ein Sweatshirt an und versuchte sich einzureden, es kümmere sie nicht, was Trevor über ihr Aussehen dachte. Sie hatte nicht gerade ihre supertollsten Sachen für das Wochenende bei Vivian eingepackt. Nicht, dass sie überhaupt solch supertolle Sachen hätte. Außerdem war sie ziemlich sicher, dass toll auszusehen weitaus mehr erforderte als nur ein kleines Schwarzes. Was zerbrach sie sich überhaupt den Kopf darüber? Äußerlichkeiten hatten sie doch noch nie gekümmert. Wichtig waren nur die inneren Werte einer Frau. Schließlich war sie eine selbstbewusste Frau des neuen Millenniums, nicht wahr? Dann machte sie den Fehler, in den Spiegel zu schauen. Ihre Wangen glühten, ihre Haare klebten an ihrem Kopf, ihre Augenlider waren noch geschwollen. „O ja, du bist die Göttin des neuen Millenniums!" murmelte sie. Nun, Trevor täte gut daran, ihr Inneres zu umarmen, denn ihr Äußeres genügte, um selbst Frankensteins Geschöpf einen Schrecken einzujagen. Die Hand schon auf dem Türknauf, blieb sie stehen. Moment... Sie hegte nicht den Wunsch, von ihm umarmt zu werden, ob nun im übertragenen Sinn oder wirklich. Oder? Er war zu dominant, zu überwältigend ... zu sexy. Seufzend lehnte sie die Stirn gegen die Tür. „Zu sexy" war doch eigentlich etwas Gutes. Was war dann also ihr Problem? Dass gut aussehende Männer ihr gewöhnlich kaum Beachtung schenkten, das war es. Sie war ein bisschen zu groß, ein bisschen zu breit in den Schultern und den Hüften. Und womöglich eine Spur zu eigensinnig und zu selbstbewusst. Sie war mehr der Typ, der hungernde Künstler oder langweilige Büroangestellte anzog. Attraktive Offiziere, die Autorität ausstrahlten, nicht. Solche Männer hatten sich nie für sie interessiert. Aber Trevor hatte ihr in die Augen gesehen, ihr Gesicht berührt und gesagt, er wolle sie besser kennen lernen. Seufzend strich sie mit dem Finger über ihre Wange. Natürlich hatte er in jenem Augenblick auch ihr üppiges Dekollete im Blick gehabt. Vielleicht hatten seine Hormone nur etwas verrückt gespielt. Das kam bei Männern schon mal vor. Und dann dieser Kuss. Er hatte sie auf die Stir n geküsst wie ein Bruder oder guter Freund. Ja, das war mal wieder typisch für sie. Wahrscheinlich betrachtete er sie wie eine Schwester. Oder schlimmer noch, wie einen guten Kumpel. Auch solchen Männern war sie schon begegnet. Zu vielen. Und die meisten von ihnen waren noch immer ihre Freunde. Die ewige große Schwester, das war sie. Sie griff wieder nach dem Türknauf. Sie wollte nicht Trevors große Schwester sein. Oder sein guter Kumpel. Sie wusste zwar nicht, was genau sie für ihn sein wollte, aber sie würde irgendwie schon dafür sorgen, dass er Notiz von ihr nahm. Sie würde nicht zulassen, dass sie als sein „guter Kumpel" endete. Sie strich ihr nasses Haar zurück, straffte ihre Schultern und öffnete die Tür. Ihr großer Auftritt
wurde jedoch verdorben von dem grellsten Blitz, den sie je gesehen hatte. Sie fuhr zusammen und schrie auf, worauf sich alle im Raum verwundert nach ihr umsahen. Sie nahm die Hand von ihrer Brust und versuchte so zu tun, als wäre sie sich der Tatsache, dass sie hätte sterben können, nicht bewusst. Doch das fiel ihr schwer, da sie aus eigener Erfahrung wusste, wie gefährlich Blitze waren. Einer hatte ihre beste Freundin getötet, als sie neun gewesen war. Sie war mit dem Tod und der grausigen Erfahrung, es mit angesehen zu haben, fertig geworden. Aber ihre Angst vor Gewitter hatte sie nie überwinden können. Trevor war aufgesprungen und ging auf sie zu. Sein Blick verriet, dass er verstand. Sie wandte sich zu Vivian. „Du hast es ihm gesagt?" „Er fragte danach", antwortete Vivian achselzuckend. „Ach so, natürlich", sagte Christy und wandte sich dann an Trevor. „Sonst noch etwas, was Sie wissen wollen? Mein Leben ist ja anscheinend ein offenes Buch." „Seien Sie Vivian nicht böse. Ich merkte vorhin, dass Sie beunruhigt waren, und da Ihnen das so gar nicht ähnlich sieht, war ich natürlich neugierig." „Es sah mir nicht ähnlich? Sie kennen mich doch überhaupt nicht." Trevor lächelte. „Ich arbeite daran." Was für ein tolles Lächeln, dachte sie. „Wenn Sie etwas wissen wollen, dann fragen Sie mich, okay?" „Er hielt es für ungefährlicher, mich zu fragen", warf Vivian ein. „Er kennt dich besser, als du glaubst." „Haha. Ihr zwei seid wirklich ungeheuer witzig. Vielleicht sollte ich ins Bad zurückgehen, damit ihr euch weiter über mich lustig machen könnt." „O nein, es macht viel mehr Spaß, wenn du dabei bist." „Du kommst auch noch dran", warnte Christy. „Ich bin immer dran", sagte Vivian lachend. „Der Kaffee ist fertig. Ich habe deinen etwas stärker gemacht angesichts der Wetterlage." „Danke, das ist lieb von dir." Christy nahm den Becher, den Vivian ihr reichte. Sie drehte sich um, sah aber Eric nicht. „Wo ist der Vierte in diesem kleinen Drama?" Vivians Lächeln verblasste, und Christy hätte die Frage gern zurückgenommen, aber wie üblich hatte ihr Mund vor ihrem Verstand agiert. „Er ist in dem anderen Bad." Christy legte eine Hand auf den Arm ihrer Freundin. „Bist du okay? Es tut mir wirklich Leid. Wir haben versucht, ihn aufzuhalten." Ein Funkeln erschien in Vivians blauen Augen. „Das habe ich schon gehört. Ich wette, du sahst besser aus in diesem Kleid als ich." „Niemand kann gut aussehen in diesem Kleid." Beide lachten, verstummten aber, als Eric hereinkam. Er bemühte sich zu lächeln, aber seine Anspannung war ihm deut lich anzumerken. „Ich weiß, wie man sich in Szene setzt, nicht wahr?" Vivian wandte sich ab. Christy war sich nicht sicher, was bisher zwischen den beiden vorgefallen war, aber es war offenbar nicht besonders gut gelaufen. Sie warf Eric einen Blick zu, als Vivian sich auf die andere Seite des Küchentresens zurückzog, aber er hatte nur Augen für seine Exfrau. „Ich glaube, ich habe alles für Spaghetti da", sagte Vivian. „Könntest du einen Salat machen, Christy?" Endlich lächelte sie wieder. „Rein technisch gesehen ist das kein Kochen, also kannst du nicht allzu viel falsch machen." Christy zog eine Grimasse, war aber froh, ihre Freundin so tapfer zu erleben. Sie hatte in den letzten achtzehn Monaten sehr viel durchgemacht und war eine sehr viel stärkere Frau dadurch geworden. Aber im Moment musste sie sich auf einer emotionalen Achterbahn befinden. „Ich mache den Salat", schlug Eric ruhig vor und ging zur anderen Seite der Küchenbar. „Ich habe deine Spaghetti immer sehr gemocht." Christy öffnete schon den Mund, um sein Angebot zurückzuweisen, doch ein Blick von Vivian ließ sie ihn wieder schließen. Na so was! Vielleicht war doch mehr geschehen, als sie gedacht hatte.
„Gut. Das Grünzeug findest du im Gemüsefach", sagte Vivian zu Eric. Sie schob ihm ein Brett, ein paar Tomaten und ein Messer zu. „H ier, die kannst du aufschneiden." Eric lächelte, und diesmal entdeckte Christy wieder jenen jungenhaften Blick in seinen Augen, der immer da zu sein schien, wenn er Vivian ansah. „Bist du sicher, dass du die scharfen Klingen nicht lieber in deiner Nähe behalten willst?" fragte er. Vivian lachte. „Meine Zunge ist scharf genug, oder nicht?" Lächelnd sah Eric zu Trevor. „Wissen Sie, was ich darauf am besten antworte?" Trevor hob die Hände. „Da fragen Sie den Falschen. Ich könnte Sie in einem Stück aus Bosnien herausbringen, aber ich würde keine Wette darauf eingehen, Sie im gleichen Zustand aus dieser Küche herauszuholen." Alle lachten, und Christy sah, dass Vivian sich ein bisschen entspannte. Vielleicht würde der Abend ja doch nicht so unangenehm werden. Wenn sie alle einigermaßen höflich blieben, würde es schon genügen. Donner erschütterte das Haus wieder, und Regen klatschte gegen das große Panoramafenster. Trevor war bei Christy, bevor sie auch nur daran denken konnte, ihre impulsive Reaktion zu tarnen. „Wollen Sie Karten spielen oder Schach, um sich ein bisschen abzulenken?" Seine Stimme war so tief und vibrierend, dass sie eine ganz andere Art von Sturm bei Christy auslöste. Eine ganze Menge anderer Dinge, die er tun könnte, um sie abzulenken, kamen ihr in den Sinn. „Nichts wird mich davon ablenken. Außer vielleicht drei oder vier mehr von diesem Gebräu." Sie nippte an ihrem Irish Coffee. „Dann wäre mir zu schlecht, um mich zu fürchten." „Das mit Ihrer Freundin tut mir Leid", sagte er leise, ohne den Blick von ihren Augen abzuwenden. „Es ist lange her." „Die Zeit heilt nicht alle Wunden." Sie betrachtete ihn nachdenklich. „Das klingt, als sprächen Sie aus eigener Erfahrung." Er sagte nichts, aber das musste er auch nicht. Offensichtlich hatte auch er einiges durchgemacht. „Es ist nur diese dumme Angst", sagte sie und hätte gern gewusst, was er erlebt hatte. Obwohl es sie nichts anging. „Ich habe sogar einen befreundeten Therapeuten dazu konsultiert." Sie zuckte mit den Schultern. „Wir verstehen beide, woher die Angst kommt, und ich weiß, die Chance, dass es noch einmal geschehen könnte, ist gleich null." Sie lachte ein wenig. „Ich meine, ich bin schließlich Krankenschwester. Wir sehen nicht viele Blitzschlagopfer." Wieder zuckte sie die Schultern. „Aber ich komme einfach nicht darüber weg." Blitze zuckten draußen auf, gefolgt von einem lauten Krachen, das sie zusammenfahren ließ. Sie lachte nervös. „Sehen Sie? Mein Verstand weiß, dass ich mich nicht zu fürchten brauche, aber mein Körper will das nicht begreifen. Es ist so dumm." Trevor nahm ihre Hand und zog sie näher. „Nein, das ist es nicht." „Doch. Ich bin eine erwachsene Frau", widersprach sie, plötzlich nervöser wegen des Sturms in seinen blauen Augen als wegen des Gewitters draußen. „Das habe ich schon bemerkt." „Ich, äh... Nun ja." Er grinste. „Ich habe es geschafft. Ich habe Sie zum Schweigen gebracht!" Auch sie rang sich zu einem Lächeln durch. „Ich glaube, ich habe fast die ganze Zeit geschwiegen, die wir zusammen waren." „Nur weil Sie geschlafen haben. Und selbst dann ..." Sie zog die Augenbrauen hoch. „Wollen Sie damit sagen, ich schnarche?" „Schnarchen würde ich das nicht nennen. Im striktesten Sinne dieses Wortes jedenfalls nicht. Es war eher ein leises Schnaufen." „Oh, das beruhigt mich natürlich, vielen Dank. Ich schnarche also nicht, ich schnaufe. Wie ein Elefant." Trevor lachte. „Ich mache einen wirklich guten ersten Eindruck, was?" „Und einen guten zweiten und dritten." Sie lachte auch, und merkte, dass sie sich trotz allem
köstlich amüsierte. „Es muss Ihre militärische Ausbildung sein. Wenn man es beim ersten Mal nicht schafft und so ..." Seine Augen schimmerten in dem nachlassenden Licht. „Ich schaffe es immer. Irgendwann." Christy schluckte, merkte aber, dass ihr Hals wie ausgetrocknet war, und trank einen großen Schluck Kaffee - an dem sie fast erstickte, als der Whiskey ihre Kehle traf. Trevor klopfte ihr auf den Rücken und nahm ihr den Becher ab. „Besser?" Nein, ganz und gar nicht. Aber nicht des Whiskeys wegen, sondern weil ihr plötzlich eine Erkenntnis kam. Sie begehrte Trevor McQuillen. Und falls sie sich nicht völlig täuschte, beruhte das Gefühl auf Gegenseitigkeit. Sie musste jetzt nur aufpassen, dass sie nicht alles verdarb. Die Balken über ihnen wackelten, und sie wackelte mit ihnen. Nur war sie ausnahmsweise in Gedanken einmal nicht bei dem Gewitter. „Christy?" Sie sah ihn an. „Was? Oh, mir geht's gut. Kein Problem." Was sollte sie jetzt tun? Kokett mit ihren Wimpern klimpern? Ihm um den Hals fallen? Denk nach. Wie reagierte sie normale rweise, wenn ein Mann zu erkennen gab, dass er sie wollte? Hm. Das Problem war, sie hatte keinerlei Erfahrungen mit einer Situation wie dieser. Normalerweise sagte ein Mann: „Möchten Sie mit mir ausgehen?" und dann sagte sie entweder Ja oder tat so, als hätte sie nichts gehört. Sollte sie also auf eine Einladung von Trevor warten? Irgendwie schien ihr das nicht das Richtige zu sein für eine selbstbewusste Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Sie war in anderen Gebieten ihres Lebens immer mutig und selbstbewusst gewesen. Aber wenn es um Männer ging ... Nun, jeder hatte eine Achillesferse, oder? Aber bisher hatte sie sich selbstbewusst bei ihm gegeben, da konnte sie doch jetzt keinen Rückzieher machen und sich aufs Abwarten beschränken. Vor allem, da sie gar nicht warten wollte. Wenn Vivian und Eric nicht gewesen wären ... Sie warf ihnen einen Blick zu und sah, dass sie schweigend Seite an Seite arbeiteten, aber weder sie noch Trevor wahrnahmen. Und das war wahrscheinlich gut. „Glauben Sie, sie werden sich versöhnen?" fragte Trevor leise. „Ich weiß nicht, ob das gut für Vivian wäre. Ich weiß, dass Eric es will, und ich will ihm sogar zugestehen, dass er sich bemüht, aber ..." Sie zuckte mit den Schultern und nahm ihm ihren Becher ab. „Ich möchte sie nie wieder derart leiden sehen." „Manchmal muss man Schmerz riskieren, um das Glück zu finden." Sie sah ihn an. „Ich bin mir nicht so sicher, ob die Ehe wirklich solch ein Segen ist." Er blickte sie verwundert an. „Sie kennen keine glücklichen Ehen?" „Eine oder zwei vielleicht, aber selbst bei ihnen erscheint es mir wie ein riskantes Spiel, verstehen Sie?" „Was ist mit Ihren Eltern?" „Meine Mutter und mein Vater waren ziemlich glücklich miteinander. Ich erinnere mich kaum noch an meinen Vater - er starb, als ich noch klein war." „Das tut mir Leid. So früh schon zwei geliebte Menschen zu verlieren, das muss schwer gewesen sein." Sie war für einen Moment verwirrt und erinnerte sich dann, dass er von ihrer verstorbenen Freundin wusste. „Nun, mein Vater war schon seit meiner Geburt sehr krank, so dass wir darauf vorbereitet waren. Soweit das möglich ist." „Ihre Mutter hat also nicht wieder geheiratet?" „O doch. Mehrmals sogar." Nun lächelte sie. „Aber Sie müssten meine Mutter kennen, um zu verstehen, dass ich sie, was die Ehe betrifft, nicht als Vorbild nehmen kann." Nein, Ruby Russell war ein Unikum. „Wenn mein Vater nicht gestorben wäre, wäre sie vielleicht ... konventioneller." Dann lachte sie. „Nein, streichen Sie das. Sie wäre vielleicht mit Dad verheiratet geblieben, aber man hätte ihr nie vorwerfen können, konventionell zu sein." „Das klingt, als wäre sie eine interessante Frau." „Das und mehr - das können Sie mir glauben." Was der Grund war, warum Christy froh war, dass ihre Mutter mit Ehemann Nummer drei vor einigen Jahren nach Palm Beach gezogen und
dort auch nach seinem Tod geblieben war. Aus der Ferne war es schwieriger, sich in das Liebesleben ihrer Tochter einzumischen. „Aber sie ist eine große Befürworterin der Ehe. Sie beherrscht nur selbst die Technik nicht." „Und deshalb können Sie sich nicht vorstellen, dass die Ehe etwas Schönes ist? Und halten das Risiko für zu groß, wenn man ,die Technik' nicht beherrscht, wie Sie es nennen?" Christy lachte. „Wie sind wir überhaupt darauf gekommen? Ich habe das Gefühl, als hätte ich Ihnen in fünf Minuten mein halbes Leben erzählt." „Ich sagte doch schon, ich möchte Sie besser kennen lernen." „Nun, jetzt sind Sie dran. Gehören Sie zu jenen leidenschaftlichen Verfechtern der Ehe, die meinen, Paare müssten unter allen Umständen zusammenbleiben?" „Keineswegs. Aber wenn noch immer etwas von der ursprünglichen Liebe da ist, die die beiden Betroffenen zusammengeführt hat, dann ist es vielleicht noch nicht vorbei." „Sie sprechen aus persönlicher Erfahrung?" „Nein. Ich war hoch nie verheiratet." „Auf wen beziehen Sie sich dann? Sicher nicht auf Vivian und Eric? Es klang so überzeugt, als hätten Sie an ein anderes Beispiel gedacht." Er grinste. „Sie sind nicht gerade schlecht in Verhörtechniken." Christy klimperte mit ihren Wimpern. „Ich stelle hier nur unschuldige Fragen." „Sie und unschuldig? Ha!" „Ich glaube, ich fühle mich gekränkt." „Nein, tun Sie das nicht. Scharfsinnige, aufmerksame Menschen sind viel interessanter als naive und hohlköpfige." Sie nippte an ihrem Kaffee. „Sie machen wunderbare Komplimente." „Ich sage nur, was ich denke." Sie blickte ihn über den Rand des Bechers an. „Lenken Sie nicht vom Thema ab. Wen meinten Sie vorhin? Ihre Eltern?" „Ich sprach von meiner Großmutter. Sie hat mich erzogen. Oder versuchte es zumindest." „Und das heißt?" „Ich habe ihr ganz schön zu schaffen gemacht." Christys Augen weiteten sich in gespielter Überraschung. „Sie? Ich bin schockiert." „Sie kennen mich ja nicht einmal", entgegnete er lachend. Jetzt kam die Millennium-Frau endlich doch zum Vorschein. Christy stellte ihren Becher ab und lächelte Trevor an. „Nun, das kann sich ändern, nicht?"
7. KAPITEL
Trevor blickte in Christys dunkle Augen und fragte sich, wo sie sein ganzes Leben lang gewesen
war. Klug und witzig, scharfsinnig, direkt. Und dennoch verwundbar genug, um seinen
Beschützerinstinkt anzusprechen. „Ich glaube, es ändert sich bereits", sagte er.
„Das Essen ist fertig", kündigte Vivian an.
Christy fuhr zusammen, als hätte sie der Blitz getroffen.
„Danke", sagte sie zu ihm, als sie zur Essecke hinübergingen.
„Wofür?"
Sie lächelte ihn an. „Durch Sie habe das Gewitter ganz vergessen."
Er grinste und zog einen Stuhl für sie heran. „Das können wir jederzeit wiederholen." Sie setzte sich. „Seien Sie vorsichtig mit Ihren Angeboten. Sonst riskieren Sie, um drei Uhr morgens einen Anruf von einer hysterischen Frau zu bekommen, die von Ihnen abgelenkt werden will." Sein ganzer Körper reagierte, obwohl ihm klar war, dass es nicht so provozierend gemeint war, wie es klang. Er beugte sich über ihre Schulter, als er ihren Stuhl heranschob. „Versprochen? Ich werde Ihnen die Nummern meines Festanschlusses, des Handys und des Piepers geben, bevor wir heimfahren." Er fühlte, wie sie erschauerte, und musste sich sehr zusammennehmen, um sie nicht zu berühren. Wie sehr er sich danach sehnte, ihren frechen Mund zu küssen! „Setzen Sie sich", zischte sie. Trevor grinste. Sie war also doch nicht so unerschütterlich, wie sie sich gab. „Salat?" bot Vivian an und reichte ihm die große Holzschüssel. „Danke." Er blickte hinein, dann auf Erics Hände. „Was ist?" Auch Eric schaute auf seine Hände. „Ich wollte nur sichergehen, dass nichts anderes in den Salat geschnipselt wurde." Eric lachte. „Wenn sie mir etwas abschneiden wollte, wären es nicht meine Finger." Trevor verzog das Gesicht, und Vivian und Christy lachten. „Nein", sagte Vivian, noch immer lachend. „Seine Finger waren nie ein Problem. Tatsächlich ..." Sie brach ab und errötete. Eric lächelte, wandte seine Aufmerksamkeit aber klugerweise dem Salat zu und enthielt sich eines Kommentars. Trevor beobachtete Christy, die das Geplänkel aufmerksam verfolgte und sich zu fragen schien, was zwischen Vivian und Eric vorgegangen war. Und obwohl er das Paar nicht kannte, fragte er sich das auch. Keiner der beiden wirkte feindselig. Ganz im Gegenteil sogar. „Nachdenklich?" fragte Trevor leise, als er Christy die Salatsauce reichte. Sie sah ihn an, als wundere sie sich über die Bemerkung. Hielt sie sich für so schwer zu durchschauen? Oder vielleicht war sie es nur nicht gewöhnt, dass jemand sie so genau beobachtete. Er lächelte, als er merkte, dass ihre Gedanken wieder abgeschweift waren. Er schwenkte die Flasche mit dem Dressing vor ihr, und sie lachte verlegen. „He, was flüstert ihr zwei dort drüben?" wollte Vivian wissen. „Miss Russel, wenn Sie etwas zu sagen haben, warum sagen Sie es dann nicht vor der ganzen Klasse?" Christy grinste und warf einen Crouton nach ihr. Vivian duckte sich. „Keine Streitereien in der Cafeteria, oder ich schicke Sie zum Schuldirektor." Christy warf Trevor einen Blick zu, und er musste ein Grinsen unterdrücken. Sie hatte so einen sündigen Ausdruck in ihrem Gesicht. Als habe sie sich vorgestellt, zu ihm geschickt zu werden ... Er hätte gern gewusst, wozu. Aber er erwiderte nur ihren Blick, als wollte er sagen „jederzeit". Er bemerkte, dass sie erschauerte, und hätte sonst was dafür gegeben, jetzt mit ihr allein zu sein. Ihr Blick glitt über seine Hände, und ein Ziehen ging durch seine Lenden. Wollte sie seine Hände auf ihrem Körper spüren? Diesen Wunsch würde er ihr nur zu gern erfüllen. „Erde an Christy." Errötend sah sie Vivian an. „Kann man ohne all diese Unterbrechungen essen?" murmelte sie. „Es kommt nicht oft vor, dass ich etwas zu essen bekomme, das nicht aus der Tiefkühltruhe
stammt." Vivian sah Trevor an. „Ein guter Rat, falls sie je auf die Idee kommen sollte, für Sie zu kochen: Bestellen Sie lieber was in einem Restaurant." Christy hob die Gabel. „Schuldig im Sinne der Anklage. Wenn Gott gewollt hätte, dass ich koche, gäbe es sicher keine Mikrowellenherde und Fertiggerichte." „Ich kann kochen", versicherte ihr Trevor lächelnd. Vivian strahlte. „Gut, dann können Sie sich um das Frühstück kümmern." „Ja, Ma'am", antwortete er und erhob sein Glas zu einem Toast. „Danke für das wunderbare Essen, Vivian und Eric. Und danke für die Gastfreundschaft." Er spürte, wie Christy sich entspannte, als das Gespräch sich nicht mehr nur um sie drehte. „Das Gewitter scheint sich zu verziehen", bemerkte Eric, als sie gegessen hatten. „Es regnet aber noch", fügte Vivian hinzu. „Die Straße wird morgen in einem schlimmen Zustand sein. Apropos morgen, wir müssen uns noch über die Übernachtungsmöglichkeiten einigen." Vivian sah Christy und Trevor dabei an. „Ich kann mit dir im Zimmer deiner Eltern schlafen", sagte Christy rasch. „Eric und Trevor können sich darüber streiten, wer die Couch bekommt und wer das Gästezimmer." Sie sah Trevor an. „Die Couch am Kamin ist größer, aber die andere ist ausklappbar." „Danke", sagte er und verkniff sich ein Lächeln über ihre schnelle Entscheidung, wer wo schlafen würde, damit bloß niemand auf falsche Ideen kam. Niemand sagte noch etwas, und als Christy Vivian und Eric ansah, lächelten sie sie beide an. Und Trevor auch. „Was ist?" fragte sie. „Nichts", erwiderte Vivian mit einem viel sagenden Lächeln und erhob sich, um die Teller abzuräumen. „Möchte jemand noch ein Glas Wein?" Eric schüttelte den Kopf, stand aber auf, um ihr zu helfen. Christy wollte es ihm nachtun, aber Eric schob sie weg. „Ich mache das schon. Warum siehst du nicht mit Trevor nach dem Feuer?" Das heißt, wir sollen verschwinden, dachte Trevor, was er Eric aber nicht verübeln konnte. Vivian war ein aufmerksames Publikum heute Abend, und er würde so viel Zeit mit ihr allein verbringen wollen wie nur möglich. Und da Vivian nichts dagegen zu haben schien, lächelte Trevor und sagte: „Ihr habt gekocht. Lasst mich und Christy aufräumen. Kümmert ihr euch um das Feuer." Christy warf ihm einen Blick zu, aber als sie Vivian ansah, sagte ihre Freundin nichts, und so lächelte sie und sagte: „Ich bin zwar keine gute Köchin, aber abwaschen kann ich so gut wie jeder andere." „Danke, Leute", sagte Vivian und folgte Eric in den Wohnbereich. Christy sah ihnen nach und runzelte die Stirn. „Sie machen nur Feuer", beruhigte Trevor sie. „Ja, genau das beunruhigt mich." Sie sah ihn an. „Und Sie stehen da und schüren die Flammen." „Vivian ist eine erwachsene Frau. Und ich habe sie nicht um Hilfe rufen hören. Tatsächlich schien sie sogar froh über die Gelegenheit, ein bisschen länger mit Eric allein zu sein." Christy sagte nichts mehr; sie drehte sich um und begann den Tisch abzuräumen. Trevor folgte ihr mit einem Stapel Teller in die Küche. „Christy ..." Sie stellte die Salatschüssel in die Spüle und drehte sich zu ihm um. „Ich weiß, dass sie eine erwachsene Frau ist. Aber ich weiß auch, wie charmant Eric sein kann, wenn er will. Sie waren nicht da, als er sie verlassen hat. Aber ich. Sie haben nicht nächtelang mit ihr am Telefon gesessen. Sie haben nicht mit ansehen müssen, wie sie sich bei der Arbeit zusammenriss, um nicht zusammenzubrechen. Monatelang, Trevor. Also erzählen Sie mir nicht, wie wunderbar es wäre, wenn sie sich wieder versöhnen würden." Sie wandte sich ab. Sanft drehte er sie zu sich um und unterdrückte ein Lächeln, als sie seine Hände abschüttelte. „Und hören Sie auf zu grinsen", warnte sie. „Nein, Ma'am." „Das ist nicht lustig. Es ist kein Spiel. Es ist ..." „Ich weiß. Und deshalb würde ich es gar nicht wagen, Ihnen zu sagen, wie hübsch Sie aussehen,
wenn Sie wütend sind." Er hob die Hände, als sie eine Schere ergriff und sie vor ihm zuschnappen ließ. „Sehen Sie? Deshalb habe ich es nicht gesagt." Er legte seine Hand auf ihre und senkte die Schere. „Aber ich sehe, was für eine treue Freundin Sie sind, und dass Vivian sich glücklich schätzen kann, eine so unerschütterliche Unterstützerin zu haben." Er nahm ihr die Schere ab. „Aber Sie wissen auch, dass es letztlich ihre eigene Entscheidung ist." Christy wandte sich ab und drehte den Wasserhahn über der Spüle auf. „Das heißt aber nicht, dass sie mir gefallen muss", murmelte sie. Er stand hinter ihr und dachte, wie gern er sie in die Arme genommen hätte, aber er war nicht sicher, ob sie das jetzt dulden würde. „Ich will nur nicht, dass ihr wehgetan wird", sagte Christy leise. Trevor nahm ein Küchentuch, als sie ihm den ersten tropfend nassen Teller reichte. „Das verstehe ich." „Sie verdient ein bisschen Glück." Ein weiterer Teller wurde ihm in die Hand gedrückt. „Wir alle verdienen ein bisschen Glück. Selbst Eric, nicht?" Da blickte sie sich um und öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen sicherlich, aber die Bewegung ließ ein bisschen Schaum auffliegen, der auf ihrer Nasenspitze landete. „Nun kann ich wohl überhaupt nicht mehr erwarten, ernst genommen zu werden, oder?" sagte sie stattdessen mit einem finsteren Blick auf ihn. Und da konnte er einfach nicht mehr anders. Er ließ das Handtuch sinken und küsste sie. Christy erwiderte den KUSS aber nicht, sondern erstarrte, als hätte sie es nicht kommen sehen. Und das konnte er ihr nicht einmal verübeln, denn ihm ging es nicht anders. Trevor hob den Kopf, und sie sah ihn fragend an. „Du hast Schaum auf der Nase", sagte sie. „Ja, Ma'am", erwiderte er lächelnd. „Warum hast du das getan?" „Weil ich es wissen musste." „Was?" „Wie es ist, deinen unglaublich frechen Mund zu küssen." Das schien sie für einen Augenblick lang zu verblüffen. Gut, dachte er. Vielleicht brauchte sie mehr Leute, die sie verblüfften. Aber er wollte der Einzige sein, der es durch Küssen tat. „Und?" Trevor lachte. „Und ich glaube, ich brauche eine weitere Aufklärungsmission und mehr Informationen, bevor ich meinen Bericht abgeben kann." „Ah." Sie kehrte zu ihrem Geschirr zurück, als wäre nichts gesche hen. Er war baff. Wie schaffte sie das nur? „Was heißt das? Ah, gut? Oder ah, nein danke?" Sie lächelte und reichte ihm noch einen Teller. „Einfach nur ah." Hervorragend. „Christy ..." „Sei still und trockne die Teller ab, Trevor." Er nahm ihr den letzten ab und versuchte zu entscheiden, wie er sich verhalten sollte. Denn er wollte sie wieder küssen, und vor allem wollte er, dass sie den Kuss erwiderte. War er in all den Jahren bei der Armee so wirklichkeitsfremd geworden, dass er vergessen hatte, wie man eine Frau verführte? Christy half ihm, die Teller wegzuräumen, und dann blieben sie ein wenig unsicher in der Küche stehen. „Ich weiß nicht, ob wir sie jetzt stören sollten." Christy warf einen Blick über den Küchentresen. „Sie sitzen auf der Couch vor dem Kamin und reden." Ein bisschen ratlos hockte sie sich mit dem Rücken an die Bar und verschränkte ihre Arme. Trevor setzte sich ihr gegenüber und streckte seine langen Beine aus. „Was ist eigentlich passiert? Zwischen Vivian und Eric, meine ich. Du sagtest, seine Karriere sei ihm wichtiger gewesen." Christy nickte. „Etwa drei Monate nach der Hochzeit wurde Vivian befördert. Eric ist Banker. Sie kauften ein Haus, groß genug für die Familie, die sie in ein paar Jahren gründen wollten. Alles war bestens. Sie schienen einander wirklich zu ergänzen. Alle dachten, alles wäre in Ordnung. Sogar ich." „Wie konnte ihre Ehe dann so schnell zerbrechen?" „Nun, Eric war immer schon ein bisschen dominant, aber Vivian war ihm gewachsen. Das
glaubte ich zumindest. Sie ist sehr humorvoll und konnte ihn mit ihren Scherzen gewöhnlich zu ihrer Denkweise bekehren. Aber im Nachhinein ist uns natürlich allen klar, dass er sich viel öfter als sie durchgesetzt hat." Sie seufzte. „Dann, etwa sechs Monate nach der Hochzeit, bekam er ein Angebot aus Schweden." „Schweden?" „Ja, seine Eltern leben hier, aber seine Großeltern leben noch in Schweden, und sein Großvater macht irgendetwas mit Risikokapitalanlagen. Auf jeden Fall wollten sie, dass Eric und Vivian nach Schweden zogen." „Das ist nichts Ungewöhnliches", sagte Trevor. „Ich meine, in der Armee ziehen die Familien auch sehr häufig um. Den Kindern schadet das nicht." „Dich sehe ich aber keine Frau und kleine Kinder durch die Weltgeschichte schleifen", bemerkte Christy spitz. „Das ist richtig. Es ist nicht für jeden etwas, aber wenn Eric gute Möglichkeiten hatte..." „Vivian hat keinen Armeeangehörigen geheiratet", entgegnete Christy, „also konnte sie das auch nicht kommen sehen. Sie begann ihre Karriere hier. Ihre Familie lebt hier. Sie hatten gerade erst geheiratet und ein Haus gekauft." „Konnte sie als Krankenschwester denn nicht auch in Schweden arbeiten?" „Nein. Sie spricht kein Schwedisch, und sie hätte nicht nur die Sprache lernen, sondern auch ihre Ausbildung noch einmal ganz vorn beginnen müssen. Das Gesundheitswesen in Schweden ist ganz anders organisiert." „Mit einem Wort, Eric bat sie, alles für ihn aufzugeben." Christy nickte. „Genau." „Sie war nicht einmal bereit, es zu versuchen?" „Sie hätte ihren Job hier aufgeben müssen, ohne Garantie, einen neuen zu finden. Das Haus verkaufen. Ihre Familie und Freunde verlassen. Auch für Eric war es ein riskantes Unternehmen, denn es war ja nicht so, dass er in seine Heimat zurückkehren würde. Er hatte seine Großeltern nur ein paar Mal besucht. Er hätte eine gesicherte Existenz aufgegeben, nur weil die Idee ihm interessant erschien. Er verlangte praktisch von ihr, mit ihm von einer Klippe zu springen und das Beste zu hoffen." „Und sie sagte Nein." „Nach einer Menge Tränen und Gewissenskämpfen bat sie ihn, hier zu bleiben, das Leben zu führen, das sie geplant hatten, und zufrieden zu sein, so wie die Dinge waren." „Und er sagte Nein." Sie nickte. „Es erboste ihn, dass sie nicht verstehen konnte, dass seine Wünsche wichtiger waren. Er sagte, es sei die Pflicht einer Ehe frau, die Entscheidungen ihres Mannes zu akzeptieren. Er sei für die finanzielle Unterstützung der Familie zuständig und sie für die emotionale." Trevor lächelte. „Oh, ich kann mir vorstellen, dass das gut angekommen ist." „Allerdings. Vivian ist ziemlich konventionell. Es flößte ihr enorme Schuldgefühle ein, auf ihren eigenen Wünschen zu bestehen und ihm klarzumachen, sie seien genauso wichtig wie seine. Es verletzte sie unendlich, als er beschloss, dieses neue Abenteuer sei ihm wichtiger als sie und ihre Ehe." „Glaubst du wirklich, dass er das dachte?" „Nein. Er dachte, sie würde nachgeben und mitkommen. Und als sie es nicht tat, wurde er wütend und sagte Dinge, die wirklich unverzeihlich waren. Und ich muss zugeben, sie tat es auch. Danach konnte keiner mehr zurück, ohne sein Gesicht zu verlieren." Trevor blickte zum Wohnbereich hinüber. „Es tut mir Leid, dass ich dich in diese Situation gebracht habe." Er streckte einen Fuß aus und berührte damit ihre Wade. „Und ich würde es wirklich gern wieder gutmachen." Christy spannte sich an, aber sie zog ihr Bein nicht weg, sondern lächelte nur spöttisch. „Was ist der übliche Schadenersatz für Kid napping?" Er lachte. „Ich denke, das hängt von dem Entführten ab. Was hältst du von einer persönlichen Gewitter-Hotline für die nächsten ... nun, für so lange, wie du es für richtig hältst?"
Sie sah ihm in die Augen, und er hielt den Atem an. „Das wäre ein guter Anfang." „Ich wüsste noch etwas anderes, was ich tun könnte, um dir meine Reue zu beweisen." Sie schluckte und verschränkte die Arme vor der Brust, was seinen Blick auf ihre harten kleinen Brustspitzen lenkte, die sich unter ihrem Sweatshirt abzeichneten. Und es war überhaupt nicht kalt, wo sie saßen. Was bedeutete, dass sie auf ihn reagierte. „Und was wäre das?" fragte sie heiser. Jetzt oder nie, dachte er und rückte ein wenig näher. „Das." Zärtlich legte er eine Hand an ihre Wange und strich mit den Lippen über ihren Mund. Aber diesmal hatte er nicht vor, der Einzige zu sein, der küsste.
8. KAPITEL
Trevors Lippen waren warm und sanft und fest zugleich. Er schmeckte nach Wein. Es war eine berauschende Mischung, die auf so angenehme Weise ihren Verstand benebelte, dass Christy nicht einmal daran dachte, sich zu wehren. Sie hatte es beim letzten Mal nicht kommen sehen, doch diesmal hatte er keinen Zweifel an seinen Absichten gelassen. Sie erschauerte vor Vergnügen und teilte die Lippen, um seiner Zunge Einlass zu gewähren. Sein Kuss war zunächst sehr sanft und zärtlich, als hätten sie die ganze Nacht Zeit. Sie bog sich ihm entgegen, während seine Zunge ein aufreizendes Spiel mit ihrer begann, schlang ihm die Hände um den Nacken und seufzte, als er seine Finger in ihr Haar schob. Ihr ganzer Körper war wie elektrisiert von seiner Berührung. Ihre Fingerspitzen strichen über seinen Kragen, als er kleine Küsse auf ihr Kinn ha uchte. Sie schob die Finger unter seinen Kragen, streifte seine warme Haut und fragte sich, wie es wäre, ihre Hände über seinen nackten Rücken gleiten zu lassen. Jemand stöhnte. Sie war ziemlich sicher, dass sie es war. Sie nahm ihre Hand von seinem Nacken. „Trevor." Er hob den Kopf. „Ja?" „Wir sitzen auf dem Küchenboden." Und in ein, zwei Minuten würden sie vielleicht nicht einmal mehr sitzen. „Und?" „Und das sollten wir vielleicht besser nicht." Er hob den Kopf und sah sie belustigt und zugleich verlangend an. „Und wo sollten wir dann sein?" erkundigte er sich lächelnd. „Ich ..." Christy lachte. „Ich verweigere die Antwort, da sie mich belasten könnte." Und in Gefahr bringen, in ein paar Minuten splitternackt zu sein, fügte er im Stillen hinzu. Wogegen sie nichts gehabt hätte, wenn nicht noch zwei andere Leute im Raum gewesen wären. Und es war diese Erkenntnis, was sie veranlasste, von ihm wegzurutschen. Er ließ sie los, aber in seinen Augen lag ein Versprechen. „Ich erreiche immer, was ich will. Irgendwann." Es ließ sie erwartungsvoll erschauern. „Diese Antwort gefällt mir", meinte er. „Sie ist so faszinierend wie die Frau, die sie geäußert hat." „Ich fühle mich geschmeichelt." Und ich bin verrückt nach dir, dachte sie, hielt es aber für klüger, es nicht laut zu sagen, weil er das vermutlich sowieso schon wusste. Sie hätte sich am liebsten Luft zugefächelt, so heiß wurde ihr unter seinem Blick. Er richtete sich auf und streckte eine Hand aus, um ihr aufzuhelfen. Sie war nicht sicher, ob sie riskieren sollte, seine Hand zu ergreifen. Weil sie sonst vielleicht etwas wirklich Peinliches tun würde, wie ihn auf den Boden zu ziehen und zu beenden, was sie so bedauerlicherweise unterbrochen hatten. Sie nahm seine Hand, und es war, als berührte sie ein glühendes Brandeisen. Sie ließ seine Hand los, sobald sie stand, und war sicher, dass sich nur deshalb in ihrem Kopf alles drehte, weil sie zu schnell aufgestanden war. „Vorsicht", sagte er und legte seine Hände auf ihre Schultern. Christy wollte sie ergreifen und dort hinlegen, wo sie von ihm berührt werden wollte. Aber vorher musste sie irgendwie ihre Kleider loswerden. Und seine. Sie wandte sich zur Spüle und drehte das Wasser auf. Beruhige dich, ermahnte sie sich. Sonst hält der Mann dich noch für sexbesessen, und das wird ihn abschrecken. Was sie zu ihrem wahren Problem brachte. Natürlich begehrte sie Trevor körperlich. Aber die Wahrheit war, dass sie keine flüchtige Affäre wollte. Nicht mit ihm. Er faszinierte sie wie kein anderer Mann zuvor. Aber wenn sie gleich mit Sex begannen, würden sie einen wichtigen Teil ihrer Beziehung überspringen. Und sie hatte das Gefühl, dass sie ihn unbedingt besser kennen lernen sollte, bevor sie irgendetwas anderes mit ihm tat. Egal, wie sehr er sie körperlich anzog. „Wollt ihr die ganze Nacht in der Küche bleiben?" rief Vivian ihnen zu. „Es ist wunderbar hier am Feuer." Das sind Trevors Hände auch, dachte Christy. „Ja, wir kommen gleich." Trevor griff um sie
herum und stellte das Wasser ab, mit dem sie ihre Wangen hatte kühlen wollen. Obwohl das wahrscheinlich auch nicht viel genützt hätte. Sie wollte sich an ihn lehnen, seinen großen, starken warmen Körper an ihrem Rücken spüren. Er drehte sie langsam um, und nun war sie zwischen ihm und der Spüle gefangen. Sie versuchte, sich zu erinnern, warum es keine gute Idee wäre, direkt mit ihm ins Bett zu gehen. Zum Teufel mit Vivian und Eric. Irgendwie schaffte sie es, ihren Verstand wieder einzuschalten. „Wir sollten ins Wohnzimmer gehen. Sie werden sich schon wundern." „Dann sollten sie sich noch ein bisschen länger wundern", erklärte er und küsste sie von neuem. Christy wusste, sie musste ihn zur Ordnung rufen. Ihm sagen, warum es wichtig war, dass sie einander besser kennen lernten. Aber das erklärte nicht, warum sie sich fühlte, als kenne sie ihn
schon ewig. Und warum es ihr so richtig erschien, von ihm geküsst zu werden. Wir müssen darüber
reden, dachte sie. Und das würden sie auch tun. Nur nicht gerade jetzt.
„Lasst euch nicht stören."
Christy erschrak und zuckte zurück, aber Trevor hob nur langsam seinen Kopf und lächelte Vivian an. „Kein Problem." „Nein, das sehe ich", entgegnete sie schmunzelnd. „Vivian ..." begann Christy. „Ich wollte euch nur sagen, dass ich schlafen gehe." „Aber das Feuer ..." „Brennt noch. Ich dachte, ihr zwei würdet euch vielleicht noch gern etwas davor setzen. Eric nimmt das Gästezimmer. Ist das okay, Trevor?" „Ich kann überall schlafen. Danke, dass ich hier übernachten darf." Vivian lächelte. „Kein Problem." Christy ging zu ihrer Freundin. „Ich komme mit." Vivian wollte jetzt sicher mit ihr reden, und das war schließlich der Grund, warum Christy hierher gekommen war, nicht wahr? „Das ist nicht nötig, Christy, ich ..." Aber sie kannte Vivian zu gut. Natürlich würde es sie nicht stören, wenn ihre Freundin noch etwas am Feuer blieb. Vivian wollte, dass sie einen schönen Abend hatte. Sie war schließlich ihre beste Freundin. Aber Christy sah die Erschöpfung in ihrem Blick, die nichts mit körperlicher Müdigkeit zu tun hatte. „Ich möchte es aber." „Ich kümmere mich um das Feuer", bot Trevor an. „Also gut. Wenn ihr meint." Vivian dankte ihm und ging zum Schlafzimmer. Christy sah sich nach ihm um, hundert Gedanken in ihrem Kopf, die sie aber nicht in Worte kleiden konnte. „Gute Nacht." Es klang irgendwie lahm, wenn es doch so viel mehr zu sagen gab. Aber das würde bis später warten müssen. Vivian ging vor. „Nacht, Christy." Sein Lächeln verriet, dass er verstand, was ihre Sehnsucht nach ihm nur vergrößerte. Der Weg zum Schlafzimmer war der längste ihres Lebens, und sie konnte seinen Blick im Rücken spüren. Ihr Körper empfand ihn wie ein Streicheln ... wie eine intime, zärtliche Liebkosung. Ihre Knie zitterten, als sie die Tür erreichte. Vivian stürzte sich auf Christy, kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Ach du meine Güte", flüsterte Vivian und fächelte sich Luft zu. „Ich schwöre dir, die Luft um euch flimmerte geradezu, so heiß war's zwischen euch." Sie setzte sich im Schneidersitz aufs Bett und klang plötzlich gar nicht mehr so müde. „Erzähl mir alles. Jedes einzelne Detail." Christy lachte ungläubig. „Ich bin nicht hierher gekommen, um über Trevor zu reden." Vermutlich hätte sie wie ein plappernder Idiot geklungen, wenn sie es versucht hätte. „Ich dachte, du wolltest mit mir über dich und Eric reden." Vivian verzog das Gesicht. „Ich bin des Redens müde. Außerdem ist deine Story bestimmt erheblich unterhaltsamer als meine." Sie klopfte auf das Bett. „Komm und erzähl mir alles." Christy setzte sich. „Da gibt es eigentlich gar nicht viel zu erzählen. Ich habe ihn gerade erst kennen gelernt." Vivian lachte. „Ja, ich konnte sehen, dass ihr noch in der Kennenlernphase wart, als ich in
die Küche kam." Auch Christy lachte und zuckte ein wenig verlegen ihre Schultern, was albern war, da sie und Vivian sich immer alles anvertrauten. „Ich kann es nicht erklären. Er ist... nun ja, ein Mann wie er ist mir noch nie begegnet." Vivian rutschte näher. „Das klingt viel versprechend." „Ich weiß nicht, was es ist." „Aber du weißt, was es nicht ist." „Wie meinst du das?" „Wie lange sind wir schon befreundet - vier Jahre? Fünf? Ich kenne dich, und du bist sonst eher zurückhaltend bei Männern." Vivian hatte Recht. „Und? Früher habe ich mich verabredet und meinen Spaß gehabt. Jetzt habe ich eine Arbeit, die mich sehr beansprucht, ein Leben, das mir gefällt, und Freunde. Ich möchte mich nur mit jemandem einlassen, bei dem ich sicher sein kann, dass mehr daraus wird als ein paar Verabredungen." „Genau das meinte ich. Trevor ist jemand, der mehr will als nur ein paar heiße Dates. Und das weißt du, denn sonst hätte ich nicht gesehen, was ich in der Küche sah." Christy wollte widersprechen, zuckte dann aber nur hilflos mit den Schultern. „Mit ihm ist es etwas Besonderes. Ich kann es nicht erklären. Wenn wir miteinander reden, ist es so, als ob wir das schon seit Jahren täten. Ein ganzes Leben lang." Vivian nickte. „Erinnerst du dich, dass du mich mal gefragt hast, ob ich an Seelenverwandtschaft glaube?" „O nein. Trevor mag faszinierend sein und mich interessieren wie noch kein anderer Mann zuvor, aber das hat nichts mit Seelenverwandtschaft zu tun. Außerdem sprachen wir damals, wenn ich mich recht entsinne, über den Mann, der momentan in deinem Gästezimmer schläft." Vivian runzelte die Stirn. „Das stimmt. Ich glaubte, Eric sei mein Seelenverwandter." „Aber er war es nicht." Vivian erwiderte nichts darauf. „Du sagtest damals, du glaubtest nicht an so etwas wie Liebe auf den ersten Blick." Sie musterte ihre Freundin prüfend. „Kannst du mir in die Augen sehen und sagen, du glaubtest das noch immer nicht?" Christy dachte an den Moment in der Kirche, als Trevor gesagt hatte, er wünschte, sie wären sich unter anderen Umständen begegnet. Da war etwas gewesen ... Und dann wieder, als er sie geküsst und sie berührt und angesehen hatte. Sie wusste beim besten Willen nichts auf diese Frage zu erwidern, und so kehrte sie Vivian den Rücken zu. „Tust du es?" „Wenn du mich vor achtzehn Monaten gefragt hättest, als Eric nach Schweden ging, hätte ich geschworen, ich hätte mich geirrt. Weil ein Seelenverwandter seinen eigenen Seelenverwandten nicht so tief verletzen würde. Und hättest du mich gestern gefragt, würde ich wahrscheinlich das Gleiche geantwortet haben." Christy machte große Augen. „Aber heute?" „Aber heute, achtzehn Monate später, tut es vielleicht immer noch so weh, weil die Beziehung von Anfang an so intensiv war. Und deshalb muss das Scheitern dieser Beziehung auch so schmerzen ... vielleicht sogar für immer." Sie sah Christy an, und ihre Augen wurden feucht. „Weil wir wirklich Seelenverwandte sind. Und weil es die einzige Verbindung ist, die wirklich wichtig war. Und ich habe sie zerstört." Vivian begann zu weinen, und Christy nahm sie in die Arme. „Ach, Schätzchen, es tut mir Leid." Sie streichelte ihr Haar. „Es tut mir Leid, ihn nicht davon abgeha lten zu haben, hierher zu kommen. Ich wusste, ich hätte Kate den Hals umdrehen ...“ Vivian wischte sich die Tränen ab. „Nein, nein, das wollte ich damit nicht sagen. Was ich meine, ist, dass es wichtig für mich war, ihn wieder zu sehen und mit ihm zu reden. Ich war unglücklich ohne ihn, Christy." „Du warst auch unglücklich mit ihm", erinnerte Christy ihre Freundin, erschrocken über die Entwicklung. Ein einziges Treffen mit Eric, und Vivian war schon wieder in Tränen aufgelöst. Das konnte doch nicht gut gehe n. „Nur als er ging. Nicht als wir zusammen waren."
„Aber er ist gegangen, Vivian. Oder glaubst du etwa, er verdient eine zweite Chance? Wie könntest du dir sicher sein, dass er seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht wieder vor deine stellen würde?" Vivian putzte sich die Nase. „Ich sage nur, dass ich erwartete, Schmerz, Qual und Zorn zu verspüren, sollte ich ihn jemals wieder sehen, und all das verspürte ich in höchstem Maße." „Du hast das alles schon mal durchlitten. Findest du es richtig, dass er dich zwingt, es noch einmal durchzumachen?" „Das ist es ja gerade. Ich bin es mit meinem Therapeuten durchgegangen, mit dir, mit meinen Eltern, aber nie mit dem einzigen Menschen, mit dem ich mich hätte auseinander setzen müssen." Darin konnte Christy ihr nicht widersprechen. Vivian atmete tief ein und lächelte ein wenig unsicher. „Wir vermissen uns gegenseitig. Inzwischen habe ich eingesehen, dass es damals nicht nur Erics Schuld war. Und ich liebe ihn noch immer." „Warum?" Christy fluchte im Stillen. „Nein, sag nichts. Es macht mich nur wütend, dass er nach fast zwei Jahren einfach hier hereinspazieren kann und du bereit bist, alles zu vergeben und zu vergessen." Nun klang Vivians Stimme scharf. „Das habe ich nicht gesagt. Ich kann es nicht vergessen. Aber vergeben ... nun, vielleicht ist es weniger Vergebung als die Bereitschaft, es noch einmal zu versuchen." „Was zu versuchen?" „Zeit zusammen zu verbringen." Wieder lächelte sie, und diesmal erreichte es ihre Augen. „Herauszufinden, ob wir zusammen unglücklicher sind als während unserer Trennung." Auch Christy bemühte sich, zu lächeln. „Ist es das wert? All das Leid noch einmal zu riskieren?" „Ich leide bereits. Mein Herz tut weh. Ich habe gelernt zu funktionieren und weiterzumachen. Aber wir lieben uns. Vielleicht haben wir nur ein paar dumme Fehler gemacht." „Wir?" Sie nickte. „Ich weiß, Eric hat den Beschluss gefasst, nach Schweden zu gehen. Aber ich war es, der die Scheidung eingereicht hat. Wir haben nie darüber gesprochen. Ich drohte ihm, er ging, und wir trennten uns." „Aber ..." „Und ich weigerte mich, danach mit ihm zu reden. Selbst als er mich später darum bat." „Nachdem es zu spät war", erinnerte Christy sie. Vivian lächelte traurig. „Also sollten wir beide bestraft werden, weil wir zu dumm und eigensinnig waren, um einen anderen Weg zu finden?" Christy seufzte. „Natürlich nicht. Ich ..." „Du willst nur nicht, dass ich verletzt werde, und dafür liebe ich dich. Aber weißt du, ich glaube, diesmal bin ich klüger. Und ich stelle nicht so hohe Forderungen." Christy sagte nichts - sie versuchte immer noch, das zu verarbeiten, was Vivian ihr gesagt hatte. Schließlich verdrehte sie die Augen und lachte trocken. Vivian stieß sie leicht an. „Was ist denn so komisch?" „Nun, nach all dem, was ich über Liebesdramen weiß, denke ich, es wäre vielleicht klüger, den Schaden zu begrenzen, was Trevor angeht, und die Flucht zu ergreifen. Die Liebe ist etwas viel zu Kompliziertes, und die Möglichkeit, Leid und Kummer zu erfahren, viel zu groß." „Ja, aber die wahre Liebe und Zufriedenheit wirst du nie erreichen, wenn du nicht bereit bist, das Risiko von Leid und Kummer einzuge hen." „Und nach all dem, was du durchgemacht hast, denkst du immer noch, es sei die Mühe wert?" Vivians Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln, das einen Hauch von Neid in Christy weckte. „Ja", sagte sie leise. „Ich glaube schon."
9. KAPITEL
Am Montagmorgen betrat Christy das Richmond General Hospital mit dem Gefühl, ihre ganze Welt sei irgendwie aus den Fugen geraten. Wie konnten sich die Dinge in nur zweiundsiebzig Stunden so kolossal verändert haben? Eric und Trevor hatten die Hütte am See gestern Morgen gleich nach dem Frühstück verlassen, während Christy und Vivian geblieben waren. Christy hatte ganz bewusst vermieden, mit Trevor allein zu sein, verwirrt von all den Dingen, die Vivian gesagt hatte, und den Gefühlen, die in ihr erwachten, wenn sie ihn ansah. Oder wenn er sie ansah. Sie hatte die Nacht von Sonntag auf Montag noch in Vivians Wohnung übernachtet. Heute Morgen hatten ihr die Handwerker versichert, sie würden heute Abend mit ihren Böden fertig sein, so dass sie morgen früh nach Dienstende wieder in ihre eigene Wohnung zurückkehren konnte. Vivian und Christy hatten ursprünglich am Montagabend zusammen in der Cafeteria des Krankenhauses essen wollen, aber Vivian hatte Christy eine Nachricht hinterlassen und abgesagt. Eric wolle sie nach Dienstschluss abholen, schrieb sie. Nur um etwas zu essen und ein bisschen zu reden, aber Christy war trotzdem beunruhigt. Vivian arbeitete heute nicht auf der Intensivstation, sondern in der Notaufnahme, so dass Christy sie nicht vor morgen sehen würde. Christy nahm den Aufzug in den zweiten Stock und fragte sich, ob Trevor und sie sich bei einer Verabredung zum Dinner auf Essen und Reden beschränken würden. Es hatte ihr fast körperlich wehgetan, als er gestern Morgen wegfahren war. Warum hatte sie sich den ganzen Morgen von ihm fern gehalten? Nur eine Berührung, ein Kuss. Aber nein, sagte sie sich, Distanz war besser, bis sie wusste, was sie fühlte. Dis tanz hatte sie nun genug, und was hatte sie ihr und ihren verrückt spielenden Hormonen genutzt? Überhaupt nichts. Sie hätte die Gelegenheit beim Schöpf ergreifen sollen, als sie den Mann noch in der Nähe hatte. Dieser Kuss ... Er hatte sie bis in ihre Träume verfolgt, Träume, in denen es keine Unterbrechung durch Vivian gab. Sie seufzte und versuchte, Trevor aus ihren Gedanken zu verbannen - wieder einmal! - als die Tür des Lifts aufglitt. Sie hatte eine zwölfstündige Schicht vor sich und bezweifelte, dass sie störungsfrei verlaufen würde. Sie würde sich auf ihre Arbeit konzentrieren müssen, statt sich vorzustellen, was Trevors Hände mit ihr hätten anstellen können, wenn sie mit ihm im Wohnzimmer am Kamin geblieben wäre. Statt mit Vivian über Seelenverwandte zu reden ... und darüber, dass sie der Liebe eine Chance geben wollte. Liebe? Christy runzelte die Stirn. Was sie hatte, war ein schwerer Fall von Lust. Aber was könnte daraus werden, wenn du ihm eine Chance gäbst? beharrte ihre innere Stimme, als Christy Jolie und Sam begrüßte, die Kollegen, die mit ihr heute Nacht Dienst hatten. Da sie Trevor nicht ihre Telefonnummer gegeben hatte und er sie auch nicht danach gefragt hatte, war es vermutlich sowieso sinnlos, sich über ihn den Kopf zu zerbrechen. Das Gewitter, die gemütliche Hütte, die merkwürdigen Umstände ihrer Bekanntschaft ... mehr war es nicht gewesen. Er baute sich ein völlig neues Leben auf. Er hatte nicht mehr Zeit für sie als sie für ihn. Aber statt sie zu erleichtern, deprimierte der Gedanke sie. Mit einem gezwungen Lächeln wandte sie sich an ihre Kollegen. „Na, meine Damen und Herren, was für Vergnügungen und Exzesse stehen heute Abend auf dem Programm?" „Genau das würden wir gern von dir wissen, Schätzchen", erwiderte Jolie und musterte Christy mit einem viel sagenden Lächeln. „Was soll das heißen?" Christy blickte verdutzt an sich herab. Sie sah nicht anders aus als immer. Ihre Beschäftigung mit einem gewissen ehemaligen Lieutenant Commander stand ihr doch bestimmt nicht im Gesicht geschrieben. „Nur dass jemand Vergnügen und Exzesse am Wochenende gehabt haben muss", sagte Sam und verschränkte grinsend die Arme vor der Brust. Christys Wangen wurden heiß. „Wie kommt ihr denn darauf?" Sie hatte nichts getan. Und selbst wenn, wie hätten die beiden das wissen können? Es sei denn ... „Was hat Vivian euch erzählt?" Sam grinste Jolie an und streckte seine Hand aus. „Fünf Dollar." Jolie ignorierte seine ausgestreckte Hand. „Sag, dass du es nicht getan hast", wandte sie sich an
Christy. „Ich habe auf dich vertraut. Was mehr ist, als ich von diesem Luftikus hier sagen kann." Sam lachte nur. „Ja, für fünf Dollar Vertrauen. Her damit, Schätzchen", sagte er, ihren Tonfall imitierend. Christy sah beide an und schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, wovon ihr sprecht. Ich war übers Wochenende bei Vivian in der Ferienhütte ihrer Eltern." „Mit einem Typ namens Trevor?" warf Jolie ein. Christy öffnete verblüfft den Mund und schloss ihn dann rasch wieder. „Wie ...? Oh, ich bringe Vivian um!" „Wir haben Vivian noch nicht gesehen. Sie ist unten. Aber da ist die Sache mit den Blumen, die vor etwa einer halben Stunde abge geben wurden." „Blumen?" Christy strich ihr Haar zurück. „Was redet ihr da?" Aber ihr Herz klopfte schneller. Sam trat hinter den Rezeptionstresen und zog einen geradezu unanständig großen Blumenstrauß aus einer hohen Vase. Er legte eine Hand an seine Brust, als er ihn Christy überreichte, und las die beiliegende Karte vor. „ ,Es hat nicht nur außerhalb der Hütte gedonnert und geblitzt. Trevor.' " Sam seufzte theatralisch. „All die netten Typen sind Heteros." „Gib her!" Christy nahm ihm die Karte ab und las sie selbst. Trevor hatte sich nicht nur die Zeit genommen, ihr Blumen zu schicken, sondern hatte sie auch selbst ausgesucht. Dennoch hätte sie das nicht so sehr beeindrucken sollen. Es hätte ihr auch kein Lächeln entlocken sollen, oder gar in ihr den Wunsch wecken, durch die Intensivstation zu tanzen. Denn hatte sie nicht eben erst beschlossen, es sei besser, es bei einem interessanten Wochenende zu belassen und ihr normales Leben fortzusetzen? Aber vor lauter Freude wollte sie tatsächlich durch die Gänge tanzen. Es gelang ihr, den Impuls zu unterdrücken, aber nur, weil Jolie und Sam bei ihr waren und sie erwartungsvoll musterten. „Er ist ein Freund von Vivians Freundin Kate. Es gab eine kleine Verwechslung bei ihrer Hochzeit. Es war nett von ihm, Blumen zu schicken." „Mehr als nett", entgegnete Jolie. „Und was war das mit dem Donner und der Hütte? Versuch es gar nicht abzustreiten, Schätzchen, denn als Sam seinen Namen auf der Karte las ... Also dein Gesichtsausdruck vorhin hätte mich fast fünf Dollar gekostet. Er muss was ganz Besonderes gewesen sein, wenn Miss Rührmichnichtan mit ihm zu einer Hütte gefahren ist." „So nennt ihr mich?" fragte Christy und schlug Jolie auf den Arm, als sie nickte. „Seit wann ist mein Liebesleben hier Gesprächsthema?" „Nie", erklärte Sam und grinste dann. „Es ist dein Mangel daran, worüber wir hier reden." „Genau! Warum also dieser blöde Spitzname, wenn die Männer keineswegs bei mir Schlange stehen, um das zu ändern?" „Die Hälfte von ihnen bemerkst du nicht, und die anderen ..." Sam verdrehte die Augen. „Nun, auch die anderen sind nicht alle schwul, falls du verstehst, was ich damit sagen will." Christy verdrehte die Augen und ging zu den Blumen. Sie waren wirklich prachtvoll. „Nur zu eurer Information", sagte sie, „ich habe nicht mit ihm geschlafen." Sie grinste Sam an. „Also bist du fünf Dollar ärmer, Freundchen. Das wird dich lehren, keine Wetten über mein Liebesleben abzuschließen." Er lachte nur. „Warum sollten wir das tun, Schätzchen? Jetzt, wo du endlich einen Typ hast?" Christy zog die Augenbrauen zusammen. „Das sind nur Blumen. Das ist alles. Ich habe ihn gerade erst kennen gelernt." Jolie lachte. „Ach komm, spann uns nicht auf die Folter. Wir verheirateten Frauen brauchen ab und zu ein bisschen Nervenkitzel, falls du verstehst, was ich damit sagen will." „Ja, ich höre, was du sagst", entgegnete Christy trocken. „Und du würdest es mir nicht glauben, wenn ich es dir erzä hlen würde." Sie schob sich an ihr vorbei, um die Krankenakten zu holen. „Oh, jetzt musst du es mir erzählen! Wir gehen heute Abend zusammen essen, und dann will ich alles wissen." Christy grinste. „Ja, und du bezahlst mit Sams fünf Dollar." „Einverstanden", sagte sie und eilte weiter, als sich ihr Pieper meldete. Christy schüttelte den Kopf und überflog die Krankenblätter, um zu sehen, was sie heute Abend in der Intensivstation erwartete. Aber ihr Blick glitt immer wieder zu den Blumen. „Es hat nicht
nur außerhalb der Hütte geblitzt und gedonnert." Ein köstlicher Schauer durchlief sie, und da sie allein war, tanzte sie einen kleinen Twostepp, und machte sich mit einem glücklichen Lächeln an die Arbeit. Trevor betrachtete die elektrischen Leitungen, die er in den verschiedenen Unterrichtsräumen hatte legen lassen. „Ich brauche indirektes Licht und genug Anschlüsse für Videorekorder und ..." „Alles da, Boss", beruhigte ihn Jimmy. Er war gute fünfundzwanzig Jahre älter als Trevor, ruppig, freimütig und war früher selbst Soldat gewesen. Ein Allroundmann, den Trevor über eine Zeitungsannonce gefunden hatte. Er hatte fünf Minuten mit dem ehemaligen Rekrutenausbilder gesprochen und gewusst, dass er den Richtigen gefunden hatte. Jimmy davon zu überzeugen, hatte eine weitere Viertelstunde gedauert. Jimmy, der seit einigen Jahren pensioniert war, suchte eigentlich gar keine Arbeit. Die Anzeige sei die Idee seiner Frau gewesen, erzählte er Trevor; eine Möglichkeit für sie, ihn aus dem Haus zu schaffen. Aus ihrem Haus, wiederholte er verärgert. Als hätte er nicht das verdammte Ding bezahlt und all den anderen Schnickschnack, den sie hatte. Die Tirade ging noch gute zehn Minuten weiter, während Trevor höflich lauschte und die ganze Zeit im Stillen grinste. Jimmy meckerte und klagte gern, aber es war für jeden, der ihm richtig zuhörte, offenkundig, wie sehr er die Frau liebte, für die er all diesen Schnickschnack kaufte. Doch Trevors Geschäftsidee interessierte ihn, und so hatte er schließlich widerwillig den Job akzeptiert. „Ich hab in der Armee genug Leitungen verlegt, um einen ganzen verdammten Kontinent zu beleuchten", brummte Jimmy. „Sie können hier anschließen, was Sie wollen. Kein Problem." Er richtete sich auf und kratzte sich sein spärlicher werdendes Haar. „Wollen Sie immer noch in zwei Wochen mit dem Unterricht beginnen?" „Wäre das ein Problem?" fragte Trevor, in dem sicheren Bewusstsein, dass es ihm ein beleidigtes Knurren des alten Manns einbringen würde. „Nicht auf meiner Seite, Junge. Sie bringen Ihre Tische, Stühle, Matten und was Sie sonst haben herein. Ich kümmere mich um Ihren Strom." „Der Inspektor kommt am Donnerstag." „Ich werd schon fertig mit diesem verdammten Wichtigtuer. Sie sind doch alle bloß ein Haufen ..." Er biss in den unangezündeten Zigarrenstummel, den er immer zwischen den Zähnen hatte, und überließ es Trevor, sich den Rest des Satzes vorzustellen. Er grinste immer noch, als Jimmy wieder an die Arbeit ging. Denn obschon der alte Mann den Job nicht hatte haben wollen, arbeitete er schwerer als drei halb so alte Männer wie er es getan hätten, und verlangte nur sehr wenig. Deshalb nahm Trevor das bisschen Meckern gern in Kauf. Außerdem mochte er Menschen mit Charakter, und Jimmy hatte Wagenladungen davon. „In einer Viertelstunde erwarte ich einen Lkw", sagte er, „und deshalb gehe ich jetzt besser zur Laderampe hinunter. Rufen Sie mich, wenn Sie mich brauchen." „Ich komm sehr gut allein zurecht. Sie brauchen nicht dauernd hinter mir zu stehen." „Ja, Sergeant." Trevor lachte, als er die Treppe hinunterging. „McQuillen Enterprises" bestand aus zwei großen Lagerhäusern aus Wellblech und etwa zehn Morgen teilweise bewaldetem Land, das von einem drei Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben war. Das Ganze lag praktisch mitten in der Wildnis und war Bestandteil eines gescheiterten Industrieprojekts. Bis Richmond fuhr man etwa fünfzehn Minuten mit dem Auto, bis zum Highway etwa zehn, und zum Flughafen brauchte man eine halbe Stunde. Somit war das Gelände gut erreichbar und trotzdem abgelegen genug - was ideal war für seine Bedürfnisse. Trevor hatte eins der Lagerhäuser isoliert, Wände und Decken eingebaut, Wasserrohre und Teppichböden verlegt und mehrere Unterrichtsräume und Büros eingerichtet. Er hatte vor, das Unternehmen nur in der ersten Zeit allein zu betreiben. Er hatte schon mit einigen früheren Kameraden aus dem Geheimdienst gesprochen und war ziemlich sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis einige von ihnen an Bord kamen und aushelfen würden, wenn das Unternehmen expandierte. Und er hatte so ein Gefühl, dass die Nachfrage sich schon sehr bald steigern würde.
Er hatte schon mehrere Anfragen erhalten, die er noch beantworten musste, und würde schon bald viel zu tun haben. Er überquerte den Parkplatz und ging zu dem anderen Lagerhaus. Dieses hatte er spartanischer ausgestattet, mit gepolsterten Böden, einigen gepolsterten Wänden und allen möglichen Arten von Beleuchtung, mit denen sich jede Situation simulieren ließ, in die seine Männer geraten konnten. Helles Tageslicht, Mondlicht, Abenddämmerung, Nebel, ja sogar Scheinwerfer, die auf sie gerichtet wurden. Er hatte auch Pläne für einen Trainingsplatz im Freien und einen Schießstand, aber die würden vorläufig noch etwas warten müssen. Er schob die Tür zum Lagerraum auf und warf einen Blick in das nur schwach beleuchtete Gebäude. Die Bodenpolsterung war drin und die Beleuchtung größtenteils schon installiert. Einige der Geräte waren schon da, aber das meiste musste noch geliefert werden. Gepolsterte Anzüge, Trainingspuppen, harte Plastikmesser, Schlagstöcke. Die Liste war schier endlos. Wenn man Männer in Länder schickte, deren einzige Erfahrung im Aufbau von Polizeitruppen sich auf Militärdiktaturen oder Rebellenregimes gründete, musste man sie auf alle Möglichkeiten vorbereiten. Aus eigener Erfahrung wusste Trevor, dass die meisten dieser Möglichkeiten voraussichtlich eintreten würden. Er würde also die Männer ausbilden, die für den Schutz jener zuständig sein würden, die in diese Länder gingen, um zu unterrichten, aber auch andere, wie leitende Angestellte großer Unternehmen, die keine Ausbildung in Selbstverteidigung besaßen. Das Traurige war, dass es eine so große Nachfrage nach dieser Art von Ausbildung gab. Und wahrscheinlich immer geben würde. Er hatte vor einigen Jahren daran zu arbeiten begonnen, als ihm die Notwendigkeit privater statt militärischer Unternehmen dieser Art bewusst geworden war. Selbst die Armee erkannte das und war mit unter den ersten, die ihm Aufträge versprachen. Also hatte er Berechnungen angestellt, Kontakte aufgenommen, Geldmittel beschafft, seine eigenen Ersparnisse geopfert und den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Er sah den Lkw kommen, der die Stühle, Schreibtische und einige andere Einrichtungsgegenstände, die er bestellt hatte, brachte. Er hatte seine Verpflichtung seinem Land gegenüber erfüllt und war stolz, in der Armee gedient zu haben. Aber er war motivierter und beschwingter als je zuvor angesichts der Aussicht, endlich sein eige ner Herr zu sein. „Hierher", dirigierte er den Laster und schwenkte fröhlich seine Arme. Ja, er war sein eigener Herr. Er war bereit. Christys Gesicht kam ihm in den Sinn, wie es das neuerdings in den merkwürdigsten Momenten tat. Er fragte sich, ob sie die Blumen erhalten hatte, und hoffte, sie gefielen ihr. Und hoffentlich gefiel ihr auch die Karte. „Sir?" Trevor hörte auf mit seiner Träumerei, als er sah, dass der Lkw-Fahrer sich aus dem Fenster lehnte und das Klemmbrett schwenkte. „Entschuldigung", sagte er, nahm das Klemmbrett und setzte seine Unterschrift unter den Lieferschein. „Ich habe tausend Sachen im Kopf." Der Fahrer zuckte nur mit den Schultern und nahm das Klemmbrett zurück. Trevor schüttelte den Kopf und lächelte im Stillen, als er zur Rückseite des Lasters ging, um beim Abladen zu helfen. Hör auf, dich mit Christy Rüssels Leben zu beschäftigen und konzentrier dich lieber auf dein eigenes, sagte er sich. Er hatte zwei Wochen, um die Arbeit von ungefähr zwei Monaten zu tun. Aber er erwartete sechzehn Männer zu seiner ersten Unterrichtsstunde und dachte nicht im Traum daran, den Termin zu verschieben. In vier Monaten würden sie alle in den Kosowo geschickt werden, und nach einer Woche hier bei ihm würden sie erheblich bessere Voraussetzungen mitbringen, um mit dem fertig zu werden, was sie dort vorfinden würden. Denn er wusste aus eigener Erfahrung, was sie dort erwartete. Und das waren weder hübsche Blumen noch romantische Wochenendausflüge. Also war es wohl das Beste, wenn er sich voll und ganz auf seine Arbeit konzentrierte. Die Blumen waren längst verwelkt. Christy wusste, sie müsste sie wegwerfen, aber stattdessen starrte sie sie an und betrachtete dann wieder die Karte, die noch immer zwischen den
vertrockneten Blüten steckte. „So viel zu dem Gewitter", murmelte sie, als sie widerstrebend nach der Vase griff. Das Telefon klingelte und rettete sie wieder einmal. Zumindest schlug ihr Herz diesmal nicht schneller, weil es törichterweise hoffte, eine tiefe Stimme am anderen Ende zu hören. „Hi", sagte Vivian, als Christy sich meldete. „Bist du gerade vom Dienst gekommen? Ich dachte, du hättest heute frei?" „Ich habe eine Vertretung übernommen. Dave und seine Freundin hatten Schwierigkeiten, und deshalb ...'' „Bist du eingesprungen", sagte Vivian. „Wieso überrascht mich das nicht?" „Ich bin ja wohl kaum Mutter Teresa", entgegnete Christy trocken. „Außerdem konnte ich den zusätzlichen Verdienst für meine Renovierung brauchen. Meine Böden sehen fantastisch aus, aber jetzt muss ich die Schränke streichen lassen. Und wenn ich endlich in meiner eigenen Küche sitzen kann, ohne an den Farbdämpfen zu ersticken, werde ich mit den Badezimmern beginnen. Bitte sag mir, dass Avocadogrün verboten worden ist. Ich meine, es ist schlimm genug, dass die Toilette und das Becken wie Babykotze aussehen, aber die Badewanne? Was für ein verdrehtes Hirn mag das für eine gute Idee gehalten haben?" Vivian lachte nur. Sie hatte diese Tirade schon oft gehört, seit Christy vor sechs Monaten in ihre Eigentumswohnung gezogen war. „Du weißt, du liebst diese Altbauwohnung und kannst es kaum erwarten, auch der kleinsten Ecke deinen ganz privaten Touch zu geben." Christy blickte sich um und wurde durchflutet von Besitzerstolz. „Nun, nach dem Apartment, das ich gemietet hatte, wäre ich für alles dankbar. Aber du hast Recht. Diese Wohnung ist etwas ganz Besonderes." Sie hatte zwei Jahre nach der richtigen Wohnung gesucht, und sie hatte sich auch einige angesehen, aber nicht eine einzige lag in ihrer Preisklasse. Dann war ein Apartmenthaus in der Nähe der Innenstadt in Eigentumswohnungen verwandelt worden. Eine ihrer Kolleginnen hatte ihr einen Tipp gegeben, als die Wohnungen verkauft wurden, und sie hatte die Gelegenheit beim Schöpf ergriffen. Und was machte es schon, wenn es ein paar Jahre dauern würde, bis die Wohnung so sein würde, wie Christy sie sich vorstellte? Tatsächlich machte es ihr sogar großen Spaß, ihre Pläne einen nach dem anderen zu verwirklichen. Die zwei Etagen umfassende Loft-Wohnung zu kaufen und ihre gesamten Ersparnisse dafür zu opfern war das Leichteste gewesen. Sie in ein Zuhause zu verwandeln, war schwieriger, aber unendlich lohnend. Sie seufzte, als ihr Blick wieder auf die Blumen fiel. „Du kriegst es schon noch alles geschafft", sagte Vivian, die ihren Seufzer missverstand. „Wir alle wissen, dass Geduld nicht gerade deine Stärke ist." Christy hätte sich das Missverständnis zu Nutze machen und Vivian im Glauben lassen können, sie sei nur ungeduldig wegen der Renovierungsarbeiten, aber ihr war bewusst, dass sie mit jemand reden musste. „Es hat mit der Wohnung nichts zu tun. Es ist wegen Trevor." „Er wird schon anrufen. Ein Mann, der solche Blumen schickt, ruft an." „Das war vor sechs Tagen, Vivian. Die Blumen sind schon welk." „Ach, Schätzchen", sagte Vivian, als sie die Enttäuschung in ihrer Stimme hörte. „Vielleicht hast du Recht, und er weiß bloß nicht, wo er anrufen soll." „Er weiß, wo ich arbeite." „Und er weiß, dass du auf der Intensivstation bist. Vielleicht will er dich nicht stören." Das hatte Christy sich auch schon gesagt, wie jede andere Entschuldigung, die ihr einfiel. „Du weißt, dass es eine Lösung für dieses Problem gibt." „Ich rufe ihn nicht an, Vivian. Außerdem habe ich keine Ahnung, wo er wohnt. Er eröffnet sein eigenes Unternehmen, aber ich weiß nicht, wie es heißt." „Mike wird es wissen. Er und Kate kommen morgen von ihrer Hochzeitsreise zurück." „Nein. Das einzige Gespräch, das du mit Kate führen wirst, wird über ihre Entschuldigungen für ihre Einmischung sein." „Ich bin ihr nicht mehr böse. Wir werden das aber klären", setzte sie hinzu, um Christys Vortrag zu unterbrechen. „Außerdem hättest du Trevor ohne ihre Einmischung erst gar nicht kennen gelernt."
„Allmählich denke ich, dass das besser gewesen wäre. Wenigstens könnte ich dann an meine Arbeit denken und nicht an ..." Als mehrere Sekunden Stille in der Leitung herrschte, lachte Vivian. „Ja, ich bin nicht blind. Ich weiß, woran du denkst. Mir würde es nicht anders gehen. Lass mich Kate nach seiner Nummer fragen." „Ich laufe ihm nicht nach, Vivian. Wenn er mich sehen wollte, würde er mich finden. Er war schließlich beim Geheimdienst. Da würde er doch wohl eine Frau in Richmond finden können. Wenn er wollte." „Du läufst ihm doch nicht nach, wenn du ihn anrufst. Was ist der Unterschied, ob er dich anruft oder du ihn?" „Wenn ein Mann sich um eine Frau bemüht, ist es romantisch. Bei einer Frau wirkt es nur erbärmlich." „Ich kann nicht glauben, dass du das gesagt hast." Christy lachte. „Ich auch nicht. So viel dazu, eine Frau des neuen Millenniums zu sein." „Die was?" „Nichts. Aber ich rufe ihn trotzdem nicht an." „Du sagtest, er ist dabei, sich ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Wahrscheinlich ist er zu beschäftigt. Ein Mann, der Blumen schickt und eine solche Karte würde sich sicher freuen, von der Frau zu hören, der er sie geschickt hat." „Vivian ..." „Christy!" „Also erzähl mir von dem Lunch mit Eric", sagte sie stattdessen. „Das waren fünf Essen in sechs Tagen. Wie lange will er eigentlich noch bleiben?" „Nicht, dass du es eilig hättest, ihn in ein Flugzeug zu verfrachten oder so", entgegnete Vivian lachend. Aber Christy hörte die leise Traurigkeit in ihrer Stimme. „Er fliegt bald wieder, nicht?" fragte sie sanft. „In einer Woche." Christy wusste, dass Vivian und Eric einige sehr wichtige Erkenntnisse in dieser Woche gewonnen hatten - einige reinigend und heilsam, andere schmerzhaft. Aber bis her war es nicht über das Platonische hinausgegangen. Nicht einmal ein Kuss oder auch nur eine Umarmung, hatte Vivian gesagt. Was sie aber nicht gesagt hatte, war, wohin das alles führen sollte, und Christy hatte sie auch nicht bedrängt. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll", murmelte Christy. „Sag, du rufst Trevor an." Christy lachte. „Mensch, man sollte meinen, wenn irgendjemand andere nicht zu einer Beziehung drängen sollte, dann wärst du das!" „Ich tue es, weil mir etwas an dir liegt", erwiderte Vivian lachend. „Und ich habe dir schon mal gesagt, wenn es der Richtige ist, ist es das Risiko auch wert." „Selbst nach dieser Woche denkst du das noch?" „Mehr denn je." Christy wusste nicht, wie sie das verstehen sollte, und hatte Angst zu fragen. „Ich weiß nicht, ob Trevor der Richtige für mich ist." „Nenn mir einen Mann, der, nachdem du ihm ein einziges Mal begegnet warst, deine Gedanken so beherrschte, wie es jetzt Trevor tut." „Okay, okay. Ich verstehe schon, was du meinst. Aber ..." „Aber warum versuchst du nicht, dir Klarheit zu verschaffen? Wie willst du es denn sonst herausfinden?" Christy seufzte. „Wann siehst du Eric wieder?" „Nach Dienstschluss morgen Abend. Ich habe Dienstag frei." „Das klingt, als ..." „... könnte es interessant werden", schloss Vivian. „Ja."
Nach einer kurzen Pause sagte Vivian: „Hör auf, dich um mich zu sorgen, Christy. Ich komme schon zurecht. Ich lerne eine Menge über ihn. Über uns. Aber vor allem lerne ich viel über mich selbst. Wahrscheinlich hört das nie auf." Als Christy daran dachte, wie durcheinander sie diese ganze Woche gewesen war, und das nach einer einzigen Begegnung mit Trevor, musste sie ihrer Freundin zustimmen. „Nein, vermutlich nicht." „Also beschaffe ich dir Trevors Nummer. Und dann kannst du damit tun, was du willst." Vivian legte auf, bevor Christy sie anschreien konnte. Stattdessen legte sie den Hörer auf und griff nach der Vase. Dabei fiel die Karte heraus. Es hat nicht nur außerhalb der Hütte gedonnert und geblitzt. Christy dachte daran, wie Trevor sie angesehen hatte, wie er mit ihr gelacht hatte. Wie er sie geküsst hatte. Er hatte Recht - zwischen ihnen hatte es gedonnert und geblitzt. „So", flüsterte sie, während sie mit dem Kärtchen spielte. „Und was gedenkst du nun zu tun, du Millenniumsfrau?"
10. KAPITEL
Er hätte früher gehen sollen. Der Regen prasselte wie schweres Artilleriefeuer auf das Lagerdach. Trevor hätte gemütlich in seinem Hotelzimmer sitzen können, aber er war geblieben, um noch mehr Trainingsgeräte aufzubauen. Dann war er auf die Idee gekommen, einen der Ledersäcke zu testen, woraus eine Stunde privates Boxtraining geworden war. Nicht, dass er frustriert wäre oder irgend so etwas. O nein, überhaupt nicht. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und versuchte, das Trommeln des Regens auf Metall zu ignorieren. Noch eine Woche, und alles klappte viel besser, als er gehofft hatte. Wie kam es dann, dass er nach einem Achtzehnstundentag, an dem er sich um unzählige Dinge kümmern musste, an nichts anderes denken konnte als an Christy? Er musste sie anrufen. Mit ihr reden. Sich vielleicht sogar mit ihr treffen. Um jenes Wochenende wieder im richtigen Blickwinkel zu sehen. Es war schließlich nur ein Kuss, sagte er sich. Er stützte die Hände in die Hüften, ein feiner Schweißfilm bedeckte sein Gesicht, seine Brust und Arme. Die bloße Vorstellung, Christy wieder zu sehen, sie lachen zu hören, sich an ihrem Lächeln zu erfreuen, trug nicht gerade dazu bei, dass ihm kühler wurde. Er nahm seine Wagenschlüssel und das Hemd, das er vor einer Stunde ausgezogen hatte. Vielleicht würde der Regen auf dem Weg zu seinem Wagen die kalte Dusche sein, die er so dringend benötigte, aber als er durch die Seitentür hinausging und alles abschloss, erkannte er, dass es nur eine einzige Lösung gab für sein Problem. War es zu spät, sie jetzt noch anzurufen? Lautes Donnergrollen erfüllte die Nacht und ließ ihn innehalten, während der Regen ihn durchnässte. Dann öffnete sich der Himmel über ihm, als ein Blitz darüber zuckte. Trevors Gedanken waren sofort bei Christy, als er zu dem gebrauchten Pick-up lief, den er vor zwei Tagen gekauft hatte, und einstieg. Die Fenster beschlugen sofort von der Feuchtigkeit. Wieder donnerte es heftig. Er nahm sein Handy von der Halterung an seinem Gürtel und fuhr los. Es war erst neun. Er wählte die Nummer, die er gespeichert, aber noch nie benutzt hatte. Er saß da, starrte sie an, den Zeigefinger auf der Ruftaste, als es nochmals donnerte. Er wusste nicht einmal, ob Christy heute Nachtdienst hatte. In gewisser Weise hoffte er es. Sie würde das Gewitter im Krankenhaus nicht so sehr hören und zu beschäftigt sein, um groß darauf zu achten. Und falls sie nicht abnahm, konnte er einfach auflegen, und nie mand würde etwas merken. Sein Herz begann in seiner Brust zu hämmern; er wusste, er wollte sie zu Hause ant reffen. Aber als er die Ruftaste gerade drücken wollte, verblüffte ihn der Apparat mit einem Klingeln. Die Nummer des Anrufers erschien auf dem Display. Es war dieselbe, die er beinahe, angerufen hätte. Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Trevors Donner-und-Blitz-AblenkungsService", meldete er sich, beschwingter, als er es seit Tagen war. Christy lachte. Das war alles, was es brauchte, um eine unbändige Erregung in ihm auszulösen. Er begehrte sie. Heute. Morgen. Vielleicht auch übermorgen. Und danach - wer wusste und wen kümmerte es schon, was dann geschehen würde? „Ich habe dir ja gesagt, du solltest vorsichtig mit deinen Angeboten sein", sagte sie. „Und ich sagte dir, dass ich nie Angebote mache, die ich nicht zu erfüllen bereit bin." Er lehnte sich zurück, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass er bis auf die Haut durchnässt war und ein wenig fröstelte in dem kalten Luftstrom des Ventilators. „Hast du Angst vor dem Gewitter?" Eine kurze Pause, dann ein leises Lachen. „Ich bin nicht vollkommen neurotisch." „Wir alle haben unsere Neurosen. Frag mich mal, was ich von Schlangen halte." Sie kicherte, und er konnte beinah spüren, wie sie sich entspannte. „Okay, Indiana Jones, das werde ich tun." Er wechselte das Handy in die andere Hand. „Du rufst also nicht an, weil du ein bisschen ... Ablenkung benötigst?" „Ich, äh ..." Sie lachte. „Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll." „Hast du heute Abend Dienst?" „Nein. Ich habe heute Abend und morgen frei. Ich muss erst Dienstag wieder ins Krankenhaus."
„Möchtest du Gesellschaft?" Die Frage war heraus, bevor er es sich anders überlegen konnte. Aber verdammt, er wollte sie sehen. Sie zu hören reichte nicht. „Wir können uns irgendwo treffen, wenn du möchtest", schlug er vor, während er aber schamlos hoffte, sie würde Nein sagen. Er wollte mit ihr allein sein, sie ganz für sich allein haben. Die Intensität dieses Bedürfnisses hätte ihn abschrecken sollen. Aber die ganze vergangene Woche hatte er Christy nicht in den Hintergrund seines Bewusstseins drängen können. Ganz im Gegenteil sogar. Ein Lachen, und er fühlte sich wie ein Verdurstender nach sechs Tagen in der Wüste. Es machte keinen Sinn, aber das kümmerte ihn in diesem Augenblick nicht. „Ich mag zwar nicht neurotisch sein, aber ic h habe wirklich keine Lust, bei diesem Wetter auszugehen. Möchtest du zu mir kommen? Ich weiß, es ist schon spät", fügte sie hinzu. „Auf einen Kaffee vielleicht?" „Wie der, den Vivian aufbrüht?" „Ja." „Sag mir, wo und wann", erklärte er sofort. „Bestochen mit Irischem Whiskey", lachte sie. „Damit habe ich es noch nie versucht." „Ich komme nicht wegen des Whiskeys." Eine Pause, dann: „Oh." Eine köstliche Spannung erfasste ihn. Er grinste in der Dunkelheit. „Ich mag es, wenn es dir die Sprache verschlägt." „Na ja ... Okay." Er wusste nicht, ob er lachen oder stöhnen sollte. Verdammt, er begehrte sie. „Sag mir die Adresse, Christy." Ihre Stimme klang entschieden rauer, als sie sie ihm nannte. „Denkst du, diesmal wärst du in der Lage, die richtige Frau im richtigen Bett... pardon, Haus, zu finden?" Oh, dieser kleine Versprecher trug nichts dazu bei, den zunehmenden Druck in seinen Lenden zu lindern, der seine Jeans von Sekunde zu Sekunde enger erscheinen ließ. „Ich denke, ich habe es gar nicht schlecht gemacht beim letzten Mal." Darüber lachte sie. „Das denke ich manchmal auch." „Ich bin in zwanzig Minuten da." „Wo hast du eigentlich gesteckt? Vivian hat deine Nummer von Mikes Eltern. Ich wusste nicht, ob ich dich unter der Nummer zu Hause erreiche oder …" „Es ist mein Handy. Das muss genügen, bis ich demnächst meine Festnetzverbindung bekomme. Ich sitze im Wagen vor meinem Lagerhaus." „Dein Lagerhaus? Ich dachte, du wolltest eine Trainingsanlage eröffnen?" „Das tue ich auch. Ich muss dich mal mitnehmen und dir alles zeigen. Es ist noch nicht ganz fertig, aber schon funktionsfähig. Oder wird es sein, wenn nächste Woche mein erster Kurs beginnt." „Nächste Woche? He, du bist aber schnell!" Als er daran dachte, wo sie vor einer Woche in der Küche gelandet waren, konnte er ihr nicht widersprechen. Eine weitere Pause entstand, und er lächelte, weil er wusste, dass sie jetzt das Gleiche dachte. „Wenn ich etwas will, gibt es gewöhnlich nichts, wovon ich mich behindern ließe auf dem Weg dorthin." Christy räusperte sich. „Du hast schwer gearbeitet. Vielleicht hätte ich besser nicht anrufen sollen ..." „Auch du hast schwer gearbeitet." Er hatte bereits einen Gang eingelegt und verließ den Parkplatz, während er sprach. „Ich möchte dich sehen, Christy. Als ich den Donner hörte, wollte ich dich sowieso anrufen." „Dann kommst du also wegen des Gewitters? Das ist nicht nötig, ich ..." „Oh, ich weiß, dass du allein zurechtkommst. Das Gewitter war nur ein Vorwand, zu tun, was ich die ganze Woche versucht habe, nicht zu tun." „Warum hast du versucht, es nicht zu tun?" Er verfluchte sich für diese unbesonnene Bemerkung. „Bei all der Hektik hier dachte ich, ich sollte mich auf meine Arbeit konzentrieren. Das Problem ist, ich kann dich nicht aus meinem
Kopf verbannen."
„Und deshalb möchtest du heute Abend ... was?"
„Heute Abend ... möchte ich etwas in Erfahrung bringen." Er räusperte sich, weil seine Kehle plötzlich eng geworden war. „Herausfinden, ob wir nicht doch ein bisschen Zeit füreinander aufbringen können." Ein langes Schweigen folgte, und er hätte sich ohrfeigen können. Verdammt, es sah ihm überhaupt nicht ähnlich, die Dinge so sehr voranzutreiben, wenn es um Frauen ging. Aber bei Christy hatte er ein Gefühl der Dringlichkeit, das ihm die Zeit, die er nicht mit ihr verbrachte, wie verlorene Zeit erscheinen ließ. „Christy, ich denke ..." „Daran, dass nicht nur die Elemente draußen in Aufruhr sind?" warf sie zaghaft ein. „Ja", bestätigte er rau. Wieder eine Pause, dann: „Das denke ich auch." „Zehn Minuten", versprach er, als ein weiterer Blitz die Nacht erhellte. „Und vergiss den Whiskey." Sie lachte und legte auf. Christy hatte feuchte Hände, und das hatte überhaupt nichts mit dem Gewitter zu tun, das draußen tobte. Sie war selbst viel zu aufgewühlt, um sich darum zu kümmern. Sie hatte angerufen. Er kam vorbei. Vivian würde stolz auf sie sein. Aber was, zum Teufel, sollte sie jetzt tun? Das Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren. Erst da bemerkte sie, dass sie noch ihre Arbeitskleidung trug. Ihr Haar war zurückgesteckt mit Plastikclips, und von dem bisschen Make-up, das sie getragen hatte, war längst nichts mehr zu sehen. Sie zog ein Gesicht, als sie sich in dem kleinen Spiegel in der Diele sah. Offenbar war sie dazu verdammt, nie wirklich gut auszusehen, wenn sie in Trevors Nähe war. Ein Blick auf sie, und er würde um einen Irish Coffee betteln, mit einem doppelten Schuss Whiskey. „Christy?" Donner erschütterte die Fensterscheiben, und Unsicherheit erfasste sie. Er stand direkt auf der anderen Seite dieser Tür. Der Mann, der ihr die Blumen geschickt hatte. Der Mann, von dem sie geträumt hatte. Heiße, unruhige Träume, nach denen sie immer sehr erregt und voller Sehnsucht war. Sie nahm sich vor, Vivian umzubringen. Mit zitternden Fingern nahm sie die Kette ab, schloss die Tür auf und öffnete sie einen Spaltbreit. Allmächtiger, er war sogar noch attraktiver als in ihren Träumen. Das hatte sie gewusst, aber die Art, wie er ihre Tür ausfüllte, mit durchnässter Kleidung, so groß und durch und durch männlich, das war einmalig. Sein kurzes Haar klebte an seinem Kopf, was seine markanten Gesichtszüge noch unterstrich. Und all das machte seine Augen so leuchtend, dass Christy, als sie erst einmal hineingesehen hatte, ihren Blick nicht mehr abwenden konnte. „Hi", gelang es ihr zu sagen. „Hi", sagte er, und auch seine Stimme klang etwas rau. „Du hast mich gefunden." Er grinste, und ihre Knie wurden weich. „Ja, Ma'am." „Ich ... ich hatte noch keine Zeit, mich umzuziehen. Ich habe eine Vertretung übernommen heute und ..." Er lachte und zeigte auf sich selbst. „Ich glaube nicht, dass du dich für dein Aussehen entschuldigen musst." Ja, dachte sie, aber du siehst sexy aus, selbst wenn du pitschnass bist. Dann merkte sie, dass sie vergessen hatte, ihn hereinzubitten. „Komm", sagte sie und öffnete die Tür. Als Trevor eintrat, schien nicht genug Platz für sie beide zu sein. Er blieb stehen, so dass sie zwischen ihm und der Tür eingeklemmt war. „Ich hätte ins Hotel fahren und mich umziehen sollen." Er grinste. „Aber ich hatte es eilig." „Ja ... eilig", wiederho lte sie, ein wenig benommen von seiner Nähe, die es ihm ermöglichte, sie zu berühren. Bitte tu es, flehte sie innerlich. Als hätte er ihre Gedanken erraten, strich er mit dem Finger über ihre Wange, und sie erschauerte.
Ein leiser Seufzer entrang sich ihren Lippen. „Ich habe dich vermisst", sagte Trevor leise. Einen nach der anderen nahm er ihr die Plastikclips aus dem Haar. Dann schob er seine Finger darunter, um es zu lösen, und hielt ihren Kopf, als er seinen senkte. „Ich hätte nicht so lange warten sollen. Jetzt bin ich halb verhungert." Es war besser als jeder Traum, besser sogar noch als der KUSS in Vivians Küche. Sie war hungrig, schrecklich hungrig. Und Trevor auch. Aber er überstürzte nichts, obwohl sie nichts dagegen gehabt hätte. Nein, er küsste sie langsam und unendlich zärtlich, als gedächte er seinen Hunger in einem einzigen endlosen Kuss zu stillen. Sie legte die Hände auf seine Brust, als er sie gegen den Rahmen der Eingangstür drückte. Sein nasses Hemd hätte kalt und klamm sein müssen. Aber das war es nicht. Seine Brust darunter war warm, als Christy sie berührte. „Du solltest diese nassen Sachen ausziehen", bemerkte sie, als er Küsse auf ihr Kinn und ihre Schläfen hauchte. „Das dachte ich gerade auch", erwiderte er und achtete darauf, ihr mit seinem nassen Körper nicht zu nahe zu kommen, was die Atmosphäre zwischen ihnen aber irgendwie nur noch mehr aufheizte. Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen. „Ich könnte mich umziehen gehen." „Ja, das könntest du", pflichtete sie ihm bei und zog ihn in die Wohnung. Er lachte und drückte sie an sich, als er die Tür hinter ihnen zustieß. „Du wirst nass werden." „Das ist mir egal." Aufstöhnend zog er sie noch fester in die Arme. „Christy ..." „Habe ich das wirklich gerade gesagt?" flüsterte sie und begann über sich selbst zu lachen. „Ich glaube, das hast du, ja." Er küsste ihre Nasenspitze, ihre Mundwinkel und dann ihre Lider, als sie die Augen schloss und sich mit einem leisen Seufzer an ihn lehnte. „Müssen wir das hier unterbrechen, um Kaffee zu trinken? " fragte er, seine warmen Lippen dicht an ihrem Ohr. Sie schüttelte den Kopf, weil sie nichts tun wollte, wodurch sie sich auch nur für eine Sekunde von ihm entfernen müsste. Sie öffnete die Augen und suchte seinen Blick. Das Verlangen, das sie darin las, bewirkte, dass sie weiche Knie bekam. Aber die Zärtlichkeit, die auch darin lag, berührte ihr Herz. Wenn sie jetzt Nein sagte, würde er ein Gentleman sein und sie nicht bedrängen. Aber sie dachte gar nicht daran, jetzt einen Rückzieher zu machen, obwohl das, was sie jetzt tun wollte, gegen ihre gewohnte Vorsicht ging. Mit Trevor ... sie konnte es nicht erklären. Erinnerungen an das Gespräch über Seelenverwandte kamen ihr in den Sinn, doch sie schob sie beiseite und ließ sich einfach nur von ihren Gefühlen leiten. „Nein", flüsterte sie. „Den Kaffee können wir auslassen." Seine Augen begannen vor Leidenschaft zu glühen, als sie das sagte. Ihr Herz raste, alles in ihr fieberte ihm entgegen. „Aber ..." Er beugte sich schon wieder vor, um sie zu küssen, hielt dann jedoch noch einmal inne. „Aber?" „Ich möchte ..." Jetzt wurde sie verlegen. Er war wichtig, dieser Schritt, den sie mit ihm tun wollte. Sie konnte das nicht auf die leichte Schulter nehmen, und das müsste sie ihm sagen. Vorher. „Ich begehre dich, Trevor. Mir ist, als könnte ich keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen, bis wir ..." Sie lachte und spürte, dass sie errötete. „Ich weiß", beruhigte er sie lächelnd. „Ich fühle mich genauso." Mit den Fingerspitzen strich er ihr das Haar zurück und umrahmte ihr Gesicht mit seinen großen Händen. „Es ist mehr als das, Christy. Oder könnte es werden." Sie zitterte. „Aber sollte es denn nicht mehr sein, bevor wir ... du weißt schon?" „Ist das wichtig für dich?" „Das sollte es. Aber es ist es nicht. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich normalerweise nicht..." Trevor zog sie an sich, bis ihre Lippen sich fast berührten. „Ich weiß." Dann küsste er sie, und diesmal war noch etwas anderes da, verwoben mit der Leidenschaft und dem Verlangen. Etwas Ehrfurchtvolles. Christy zog an seinem Hemd. „Zieh das aus." Ohne seine Liebkosungen zu unterbrechen, ließ er seine Hände über ihre Schultern gleiten und dann ihre Arme hinunter, bis ihre Hände in seinen lagen. Er legte sie auf die Knöpfe seines Hemdes und murmelte: „Zieh du es mir aus."
Ein lustvoller Schauer überlief Christy bei der Vorstellung, gleich seine nackte Haut unter ihren Fingern zu spüren. Sie war hilflos vor Verlangen, und es dauerte eine Weile, bis sie alle Knöpfe geöffnet hatte. Seine Küsse trugen natürlich auch nicht dazu bei, dass sie besonders zielstrebig vorging. Sie versuchte, ihm das nasse Hemd über die Schultern zu ziehen, aber es blieb an seinen Muskeln kleben, bis Trevor ihr schließlich half. Sie legte die Hände an seine Brust, außer Stande, dem Kontakt mit dieser Wand aus warmer Haut zu widerstehen. Er stöhnte auf und bedeckte ihre Hände mit seinen. „Christy." Mehr brachte er nicht heraus, aber er gab ihre Hände wieder frei und ließ sie ihn berühren, wo sie wollte. Er war schön wie ein junger Gott. Seine Brust war hart, fast wie gemeißelt, seine Muskeln fest. Sie strich mit einem Finger über die Linie feinen Haars, die von seiner Brust zu seinem Bauch hinunterlief, als er plötzlich erschauerte, ihre Hand festhielt und ihrer Entdeckungsreise über dem Bund seiner Jeans ein jähes Ende bereitete. „Jetzt bist du dran." Er ließ ihre Hand los und strich sanft über ihre Taille. Langsam hob er den Saum ihres Tops, und sie streckte die Arme über den Kopf, damit er es ihr ausziehen konnte. Sie fröstelte, und eine leise Unsicherheit beschlich sie, bevor sie sich erinnerte, dass er sie in nicht mehr als einem dünnen Unterhemd gesehen hatte, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Trotzdem, dies war anders. Dies war ... Der Gedanke entglitt ihr, als sein warmer Mund ihre Brustspitze unter ihrem Baumwoll-BH berührte. Ihre Arme waren noch immer über ihrem Kopf, gefangen in den Ärmeln, die Trevor hielt, als er den Kopf senkte und ihre andere Brustspitze zwischen die Lippen nahm. Er stöhnte, oder vielleicht war sie es auch selbst gewesen. Sie wusste nur, dass ihre Beine sie nicht mehr lange aufrecht halten würden, wenn er so weitermachte. Ihre Knie drohten nachzugeben, als er ihr das Top abstreifte, dann die Hände unter ihre Arme legte, um die Träger ihres BHs über ihre Schultern zu streifen, und den weichen Baumwollstoff über ihre Brüste mit den inzwischen gänzlich harten kleinen Spitzen zog. „Trevor", hauchte sie. „Du bist so warm, so weich", murmelte er beinah ehrfürchtig. „Ich kann nicht mehr stehen", gelang es ihr zu sagen. Er lachte und beugte sich vor, um sie auf die Arme zu heben. Das brachte sie in Bewegung. Sie wich zurück, um eine solche Demütigung zu vermeiden. Sie war keine kleine Frau, und sie wie einen Mehlsack über die Schulter zu werfen war etwas ganz anderes, als sie aufzuheben, wenn sie ganz locker und entspannt war. „Huch!" „Tisch, Couch oder Bett?" erkundigte er sich grinsend, als er ihre verblüffte Miene sah. Er war stark - und begierig ... und an ihr würde er seine Begierde stillen. Sie erschauerte vor Entzücken bei dem Gedanken daran, welche Freuden sie erwarteten. „Ins Bett. Oben." Sie versuchte, auf die Treppe zu zeigen, die zum Dachgeschoss hinaufführte. Aber das war nicht leicht, weil er sie gerade ein wenig höher hob, um ihre Brustspitzen küssen zu können. Dieses Stöhnen war entschieden ihres. Das entzückte Lachen kam von ihm. Konnte er die verdammte Treppe denn nicht schneller hinaufsteigen? Draußen wütete der Sturm, aber der in ihr selbst tobende Sturm war im Moment der einzige, der ihre Aufmerksamkeit verlangte. Und der Sturm in Trevor, der seinen blauen Augen dieses geheimnisvolle Glitzern verlieh. Es war dunkel in der Wohnung, nur die Lampe im Wohnzimmer unten spendete ein wenig Licht, aber er fand trotzdem mühelos das Bert. Beide keuchten, mehr aus Verlangen denn Erschöpfung, als er endlich mit ihr zum Bett ging ... aber nur, um sie dort abzulegen und sofort wieder aufzustehen. Bevor Christy ihrer Verwunderung darüber Ausdruck verleihen konnte, sagte er: „Die nassen Jeans." „Oh. Natürlich." Dann beeil dich, und zieh sie aus, verlangte sie im Stillen. Dann erkannte sie, dass sie noch ihre weiße Hose aus der Klinik trug, und streifte sie hastig ab. Es gab ihr etwas zu tun, anstatt ihn anzustarren. Denn ihn so plötzlich nackt zu sehen, erschien ihr zu überwältigend, zu ... Sie riskierte einen Blick. Und konnte nicht mehr aufhören hinzusehen.
Die untere Hälfte seines Körpers war genauso wohlgeformt und muskulös wie der obere Teil von ihm. Er war die absolute Perfektion. Und er würde ihr gehören, ihr allein. Sie wollte die Bänder, die ihre Hose in der Taille hielten, lösen, hielt jedoch abrupt inne. Ja, Trevor hatte sie in ihrer Unterwäsche gesehen, aber zu dem Zeitpunkt hatte er noch nicht mit ihr schlafen wollen. Und jetzt... „Zieh die Hose aus, Christy." „Was?" „Sei so lieb und zieh sie aus." Er trat einen Schritt näher ans Bett. „Oder möchtest du, dass ich es tue?" Es war keine Drohung, sondern ein Angebot. Und er ließ es auch verdammt verlockend klingen. Oh, was für ein Dilemma. Er kniete sich aufs Bett, voll erregt und bereit für sie. „Lass mich deinen Körper sehen." Christy konnte sich ihre plötzliche Verlegenheit nicht erklären. Sie ergab wirklich keinen Sinn, wenn man bedachte, dass er sowieso schon fast alles von ihr gesehen hatte. Aber er war so perfekt, und sie war es nicht. Er legte seine Hände über ihre an den Hosenbändern. „Ich träume von dir, Christy. Von deiner warmen Haut und wie sie sich unter meinen Händen anfühlen würde." Er zog an den Bändern, und sie nahm die Hände weg. Aber als er ihr die Hose herunterschob, blickte er ihr zärtlich in die Augen. „Aber das ist nur ein Teil davon." Er warf ihre Hose weg und richtete sich wieder auf. „Dein Körper ist schön und üppig genug, um mich Stunden, Tage lang erregt zu halten ..." Vorsichtig legte er sich auf sie. Beide stöhnten auf bei dem Kontakt. Aber bevor sie reagieren konnte, sah er ihr in die Augen und sagte: „Dein Lachen zu hören, dein Lächeln zu sehen erregt mich noch viel mehr. Es ist alles an dir, Christy. Du wolltest, dass es mehr ist als körperliche Anziehungskraft." Er schob sich zwischen ihre Schenkel, und sie hob sich ihm bereitwillig entgegen. Langsam drang er in sie ein. „Und das ist es, Christy. Verdammt viel mehr sogar."
11. KAPITEL
Trevor erschauerte vor Glück, als Christy ihn ganz umschloss. Sie konnten nicht mehr zurück, das wussten sie beide, während er sich in ihr zu bewegen begann. Eigentlich hätte ihre innige Verbindung ihm Angst einjagen müssen, denn genau das hatte er so lange Zeit vermieden. Doch jetzt erkannte er, dass er überhaupt nichts vermieden hatte. Es war einfach nicht passiert. Denn wenn es passierte, war kein Entkommen möglich. Christy zog seine Arme um sich, schmiegte sich an ihn, und ihm war, als umarme sie ihn nicht nur körperlich, sondern ließe ihn auch tief in ihr Herz. Es war überwältigend, so als wäre er nun endlich heimgekehrt. Anders konnte er es nicht beschreiben. Er war rund um den Globus gereist und war zu dem einzigen Ort zurückgekehrt, den er als eine Art Zuhause empfand, doch erst jetzt erkannte er, dass „zu Hause" keine geographische Bezeichnung war. Er drang noch tiefer in sie ein und stöhnte vor Entzücken. Christy kam seinen Bewegungen mit einer Leidenschaft entgegen, die seiner um nichts nachstand. „Trevor", keuchte sie. „Ich weiß", sagte er, als sie beide höher und höher schwebten. Christy wand sich unter ihm, ihre hemmungslosen Schreie stachelten seine Lust an. Er wollte ihr sagen, was er fühlte, aber er konnte seine Gefühle jetzt nicht in Worte fassen, und sein Körper begann immer mehr die Kontrolle zu übernehmen. Trevor umfasste ihren Kopf und küsste sie, wie er noch nie eine Frau geküsst hatte. Die Intensität seines Höhepunkts ließ ihn erschauern und entlockte ihm ein langes, raues Aufstöhnen. Aber was ihn noch viel mehr erschütterte, war die instinktive Gewissheit, dass sie die Richtige für ihn war. Zu Hause würde von jetzt an für ihn sein, wo Christy Rüssel war. Noch immer am ganzen Körper zitternd, blickte er sie an, strich ihr das feuchte Haar aus dem Gesicht und streichelte sie, bis sie die Augen öffnete und ihn ansah. Es erfüllte ihn mit Ehrfurcht, dieses Gefühl der absoluten Richtigkeit ihres Zusammenseins. Und es ließ auch nicht nach, nachdem die Bedürfnisse seines Körpers gestillt worden waren. Er öffnete den Mund, um es ihr zu sagen, suchte nach Worten, um es ihr verständlich zu machen ... und begriff, dass er es nicht konnte. Sie wollte mehr, aber was er empfand, war so einzigartig, dass er nicht wusste, ob sie schon bereit dafür war. Er war ja nicht mal sicher, ob er selbst bereit dafür war! Wenn er es ihr zu erklären versuchte, würde sie wahrscheinlich denken, er sei verrückt, und schreiend in die Nacht hinauslaufen. Was taktisch gesehen ein großer Fehler wäre. Nein, er würde es ihr zeigen müssen. Hier in ihrem Bett. Außerhalb des Be tts. Am Morgen, mitten in der Nacht ... und so oft wie möglich auch dazwischen. Bis sie es verstand. Wie er. „Was?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein raues Flüstern. Er streichelte ihre Wange, einerseits unendlich zufrieden und andererseits ganz fiebrig vo r Erwartung dessen, was noch kommen würde. „Wieso was?" fragte er, noch immer mit ihrem weichen Haar spie lend. Sie lächelte und sah träge und zufrieden aus. „Dieses Lächeln auf deinem Gesicht. Es ist irgendwie ... räuberisch." Er grinste und küsste sie. „N un, ich fühle mich auch ein bisschen räuberisch." „Ach ja?" Sie lachte, als er tat, als wolle er sie in ihren Nacken beißen, und seufzte dann, als sein Mund zu jener empfindsamen Stelle an ihrer Schulter glitt. „Wie kannst du ... nachdem wir ..." Der Rest ging in einem lustvollen Stöhnen unter, als seine Lippen ihre vollen Brüste streiften. „Du bist schon wieder ..." Sie atmete scharf ein, als er eine ihrer Brustspitzen zwischen seine Lippen nahm und daran saugte. „Ja", bestätigte er, während er mit seinen glatten, heißen Lippen eine Spur kleiner Küsse über ihren flachen Bauch zog. „Aber du nicht. Beweg dich für mich." Mit seiner Zunge liebkoste er ihren sensibelsten Punkt, und Christy bäumte sich so wild auf vor Lust, dass sie fast vom Bett gefallen wäre. Trevor hielt sie fest und lächelte, als er den Kopf wieder zwischen ihre Beine legte und sie an den Rand der Ekstase trieb ... und dann zum Höhepunkt. Er küsste ihren noch immer bebenden Körper und schloss sie in die Arme. „Jetzt habe ich
genug." Für heute, dachte er und freute sich schon auf den Morgen. Neben ihr aufzuwachen ... Er lächelte bei dem Gedanken, wurde dann aber wieder ernst und fragte sich, ob Christy ihm überhaupt erlauben würde, über Nacht zu bleiben. Ich sollte sie jetzt nicht zu sehr bedrängen, ermahnte er sich. Ein Schritt nach dem anderen. Aber er wollte sich nicht zur Geduld zwingen. Und sie schienen sowieso nicht Schritt für Schritt voranzugehen, sondern eher in Sprüngen und in Sätzen. Was ihm nur recht war. Er würde einfach dafür sorgen müssen, dass sie ihn bat, zu bleiben. Wenn sie die ganze Nacht aufbleiben und reden wollte, um sich von dem Gewitter abzulenken, sollte es ihm recht sein. Es gab viele Dinge, die sie einander zu sagen hatten. Falls sie eine andere Art Zerstreuung wollte - kein Problem. Was immer nötig war, um sie glücklich zu machen. Christy kuschelte sich an seine Brust, legte ein Bein über seins und schlang einen Arm um seine Taille. Er grinste in der Dunkelheit und zog sie an sich. Sie würden miteinander reden müssen, aber im Moment genügte es ihm, sie in den Armen zu halten, während sie einschlief. Das Reden konnte warten. Er zog ihren Kopf unter sein Kinn, als ein Donner das Haus erschütterte und ein Blitz den Raum erhellte. Sie zuckte nicht einmal zusammen. „Träum schön, Christy", flüsterte er. Dann schloss auch er die Augen und überließ sich, ein Lächeln auf den Lippen, dem Schlaf. Etwas kitzelte sie an der Schulter. Christy schob es weg, brummelte etwas und versuchte dann, sich das Kissen über den Kopf zu ziehen. Keine Wecker schrillten, so dass es also noch nicht Zeit war aufzustehen. Aber irgendetwas war mit ihrem Kissen, es bewegte sich nicht. Da sie nicht die Augen öffnen wollte, versuchte sie, sich auf die Seite zu drehen. Etwas Großes, Hartes, Warmes war ihr jedoch im Weg. Sie kniff die Augen zu wegen des hellen Tageslichts und tastete um sich herum. „Guten Morgen." Christy schrie auf. Na schön, es kam zwar nur heraus wie ein ersticktes Krächzen, aber das änderte nichts an dem Adrenalinstoß, der durch ihren Körper ging. Sie versuchte, die Decke zurückzuschlagen und sich aufzusetzen, aber etwas Hartes und sehr Starkes hinderte sie daran. „Christy", sagte dieselbe tiefe Stimme. Und dann folgte ein wunderbarer Kuss auf ihre Schulter. Sie beschloss, nicht gegen dieses warme harte Etwas anzukämpfen, denn es fühlte sich ziemlich gut an. Sie ließ sich in die Kissen zurücksinken und seufzte vor Vergnügen, als die Küsse weitergingen, sich von ihrem Hals zu ihrem Kinn bewegten und dann zu ihrem Ohr läppchen. Sie kuschelte sic h noch fester an das warme Etwas. „Hm", murmelte sie. „Guten Morgen", flüsterte Trevor und strich ihr Haar zurück, um ihren Nacken küssen zu können. Sie rollte sich auf den Bauch und dachte, dass dies wirklich unvergleichlich besser war als ein halbes Dutzend Wecker jeden Morgen. Warum hatte sie nicht schon früher an diese Möglichkeit gedacht? Sie stöhnte, als warme Hände über ihren Rücken glitten, dann wieder hinauf unter ihr Haar. Plötzlich wurde sie wieder auf den Rücken gedreht, und sie riss die Augen auf, als warme Lippen ihre Brüste streiften. Trevor hob den Kopf und lächelte sie an. „Du schmeckst wundervoll am frühen Morgen." „Hm." Sie ließ sich in die Kissen zurücksinken, bewegte sich dann aber sehr schnell, um Trevors Kopf wieder auf ihre Brüste zu ziehen. „Ah", scherzte er. „Du bist sehr mundfaul morgens, aber das machst du mit Körpersprache wieder wert." Sie stieß etwas hervor, das wie „Ja, Sir", klingen sollte. Im selben Augenblick schlössen seine Lippen sich um eine ihrer Brustspitzen, und plötzlich war ihr eine klare Aussprache gar nicht mehr so wichtig. Er rollte sich auf sie, um ihre andere Brustspitze zu liebkosen, und spreizte ihre Beine, als er seine erotische Wecknummer fortsetzte. Er hob den Kopf, und als sie protestierte und nach seinen Hüften griff, sagte er: „Sieh mich an, Christy." Sie öffnete die Augen. „Hi", sagte sie mit einem verschlafenen Lächeln.
Er drang ein klein wenig in sie ein und lächelte. „Hi." „Du wirst beenden, was du angefangen hast, nicht?" fragte sie mit rauer Stimme. „Denn ich bin nicht in der Lage, jemanden umzubringen heute Morgen. Außerdem wird das in meinem Beruf nicht gern gesehen." „Oh, und ob ich es beenden werde. Ich wollte nur sichergehen, dass du auch richtig wach bist." „Ganz und gar", bestätigte sie seufzend. „Ganz und gar hört sich richtig gut an jetzt, nicht?" „So zum Beispiel?" Er drang noch etwas tiefer in sie ein, und sie umklammerte stöhnend seine Hüften. „Zum Beispiel", erwiderte sie trocken. „Ich will mehr." „Mehr?" Er bewegte seine Hüften. „So?" „Nein." Sie schob ein Bein unter seine, und bevor er wusste, wie ihm geschah, drehte sie ihn auf den Rücken und rollte sich auf ihn. Kaum war ihr das gelungen, setzte sie sich rittlings auf seine Schenkel und nahm ihn mit einem lustvollen Stöhnen in sich auf. „So", sagte sie und stützte sich auf seine Schultern. „Ah", sagte er und blickte sie mit funkelnden Augen an. Sie bewegte sich, und er stöhnte auf und schloss die Augen, als sie ihn noch tiefer in sich aufnahm. Trevor zog sie zu sich herab und schob seine Finger in ihr Haar, während er die Lippen auf ihren Mund presste. Es waren leidenschaftliche Küsse, die ihn noch inniger mit ihr vereinten. Sie fühlte sich vollkommen von ihm durchdrungen, geistig, körperlich und seelisch. Und sie wollte nicht, dass es endete. Trevor drückte sie fest an sich, während er fortfuhr, sie mit tiefen, machtvollen Bewegungen zu lieben. Sie ergriff seine Hände und hielt sie auf dem Bett fest, beugte sich vor, um ihn zu küssen, wo sie wollte, wie sie wollte, so lange sie wollte. Sie nahmen Besitz voneinander, leidenschaftlich und begierig, ein köstliches Geben und Nehmen, das sie mit rauschhafter Lust erfüllte. Es war die perfekte Vereinigung, fand Christy. Sie näherte sich dem Gipfel und wünschte, sie könnte den Moment der Erfüllung hinauszögern. Gleichzeitig jedoch sehnte sie sich nach dem intensiven Glücksgefühl, das sie erwartete. „Christy", murmelte Trevor rau. Sie spürte, wie er sich unter ihr anspannte und sich immer schneller, immer heftiger bewegte. „Trevor", sagte sie sanft. Dann küsste sie seinen Mund mit einer Zärtlichkeit, die so gar nicht zu der Wildheit ihres Liebesaktes passte. Trevor erreichte den Höhepunkt im selben Augenblick, als ihre Lippen seinen Mund berührten, und Sekunden später folgte sie ihm auf den Gipfel der Ekstase. Als der Sturm in ihnen abklang, drehte er sich mit ihr auf die Seite und zog sie an sich. „Ich könnte dich stundenlang küssen." „Hast du das denn nicht getan?" entgegnete sie lächelnd. „Es kommt mir vor, als hätte ich gerade erst begonnen." Diese Worte trafen sie mitten ins Herz. Aber das konnte nicht sein, denn das hieße ja, dass sie sich in ihn verliebte. Und dazu war sie noch nicht bereit. Durfte es gar nicht sein, denn es war zu riskant. Flüchtig dachte sie an Vivian und was sie durchmachte. Christy wollte sich nicht über die emotionalen Risiken in einer Liebesbezie hung den Kopf zerbrechen müssen. Und trotzdem, wenn sie in Trevors blaue Augen blickte, dann wollte sie wirklich nirgendwo anders auf diesem Planeten sein. „Ich spüre förmlich, wie sich da oben bei dir die Rädchen drehen", stellte er fest. „Es mag zwar eine Weile dauern, bis ich aufwache, aber wenn ..." Christy hielt inne, um ihn spielerisch anzustoßen, als er die Augen verdrehte. „He", sagte er lachend. „Ich bin nicht derjenige mit einem Dutzend Wecker in seinem Schlafzimmer." „Es sind nur sechs", berichtigte sie ihn spitz. „Und wie ich eben sagte, bevor ich so rüde unterbrochen wurde ..." Sie wurde wieder unterbrochen, diesmal von einem schnellen, tiefen Kuss, der ihr den Atem raubte. „Was sagtest du?"
„Keine Ahnung."
„Es funktioniert immer."
Sie schlug nach ihm, aber er ergriff ihre Hand und zog Christy auf sich. Sie drehte ihn wieder auf den Rücken. Er griff nach einem Kissen, sie griff nach ihm ... und es folgte eine Kissenschlacht, die dafür sorgte, dass sie beide in einem Gewirr von Bettzeug auf dem Boden landeten. Sie mussten beide so sehr lachen, dass sie nicht sprechen konnten. Christy lag hilflos quer über seiner Brust und dachte, dass dies der schönste Morgen ihres Lebens war. Sie war drauf und dran, es ihm zu sagen, verbot es sich dann aber. Solche Erklärungen waren wahrscheinlich keine gute Idee. Noch nicht jedenfalls. Trevor war hier und schien es nicht eilig zu haben, wegzugehen. Für den Moment war das genug. Sie musste es Schritt für Schritt angehen. Wenn sie nur wüsste, wie sie ihrem Herzen die Logik dieses Vorgehens verständlich machen könnte. „Bist du ein Frühstücksmensch?" wollte Trevor wissen, als er sich aus dem Bettzeug befreite. „Normalerweise nicht." „Und heute?" Sie warf ihm einen Blick zu. „Habe ich einen Bärenhunger." Er zwinkerte ihr zu. „Ich meinte Essen." „Darauf auch." Lachend packte er sie und wickelte sie in das Laken, bevor sie ahnte, was er vorhatte, hob sie dann mühelos auf und warf sie auf das Bett. „Dusche oder Bad?" „Das kommt darauf an", gab sie zurück. „Solo oder in Gesellschaft?" „Das kommt darauf an. Frühstück jetzt? Oder Frühstück später?" Sie grinste. „Später. Dusche mit Gesellschaft bitte. Wir würden nicht beide in die Wanne passen." „Ist das eine Herausforderung?" fragte er und beugte sich über sie, trotz seiner Nacktheit gänzlich unbefangen. Was gut ist, dachte sie, da sie gemerkt hatte, dass auch sie ihn völlig unbefangen ansehen konnte, wenn er nackt war. „Könnte sein", erwiderte sie. „Und wenn ich gewinne und wir beide hineinpassen?" „Dann hätten wir beide gewonnen", antwortete sie lachend. „Oder würden die Dienste meiner Kollegen von der Unfallstation benötigen." Er hob sie wieder auf. „Ich glaube, wir schaffen das auch ohne ihre Hilfe." Er trug sie zu dem angrenzenden Badezimmer. „Wann, sagtest du, musst du wieder in der Klinik sein?" „Erst morgen Nachmittag." Er grinste und küsste sie. „Gut. Bis dahin sind wir vielleicht fertig." Er machte die Tür hinter ihnen mit dem Fuß zu.
12. KAPITEL
„Du willst was?" Christy ließ sich fassungslos auf ihren Stuhl in der Cafeteria zurücksinken. „Das kannst du nicht ernst meinen." Vivian lächelte und nickte. „Ich weiß, du verstehst das nicht. Aber ich will es so." „Er hat also gewonnen. Nach all dem, was passiert ist, kommt er für zwei Wochen heim ..." „Er ist schon einen Monat hier. Und es war nicht leicht für ihn, seine Rückkehr zu verschieben. Es hat ihn eine Menge Geld gekostet." „Und dass er ein paar Wochen länger bleibt, macht alles wieder gut?" „Es hat nichts mit wieder gutmachen zu tun. Ich will nicht mehr ohne ihn sein, Christy." Vivian griff nach ihrer Hand. „Ich weiß, du denkst, ich gäbe nach, aber so ist es nicht. Die Dinge haben sich zwischen uns verändert. Wir haben uns verändert." „Du gibst dein Zuhause auf, deine Familie, Freunde und Karriere. Eric bekommt seine Karriere und dich, ohne irgendwas dafür zu opfern. Und das nennst du Veränderung?" „Weil ich jetzt weiß, dass er es wert ist." „Aber du nicht? Warum gibt er nicht seine Karriere auf?" beharrte Christy. „Warum kommt er nicht zu dir zurück?" Vivian schüttelte den Kopf. „Was wir zusammen hatten, war wichtiger als ein Job, oder sogar bei meiner Familie zu bleiben." Sie lächelte. „Nichts für ungut, Christy, aber sosehr ich deine Freundschaft auch zu schätzen weiß, du hältst mich nachts nicht warm. Und so viel meine Familie hier mir auch bedeutet, ich möchte meine eigene gründen. Wenn ich nach Schweden gehen muss, um es zu tun, bin ich bereit, es zu versuchen." Christy lehnte sich zurück. „Es ist dir wirklich ernst damit, nicht wahr?" „Ich liebe ihn. Ich habe die Trennung nie überwunden, und ich möchte ihn nicht noch einmal verlieren. Wenn mich das zu einer rückgratlosen Närrin macht, dann ist das eben nicht zu ändern. Zumindest werde ich eine glückliche rückgratlose Närrin sein." „Du bist nicht rückgratlos. Und ich möchte, dass du glücklich bist", entgegnete Christy leise. „Es ist nur, weil du so viel durchge macht hast und ich Angst habe ..." „Ich weiß", unterbrach Vivian sie sanft. „Und ich kann dir gar nicht sagen, wie viel es mir bedeutet, dass du dich so um mich sorgst." Christys Augen wurden feucht. „Falls es dich beruhigt, wir werden nichts überstürzen von wegen Heirat oder so. Ich habe einer sechsmonatigen Probezeit zugestimmt, und danach werden wir weitersehen." „Sechs Monate?" Christy atmete ein wenig auf. „Ich habe mich hier beurlauben lassen. Eric sagt, ich würde Schweden lieben, und vielleicht tue ich das ja auch. Er hat sich bereits nach den Arbeitsmöglichkeiten für Krankenschwestern erkundigt, und die sind offenbar besser, als ich dachte. Außerdem spricht dort beinahe jeder Englisch. Und sollte es mir nicht gefallen, wird er versuchen, sich wieder hier niederzulassen." Sie griff nach Christys Hand. „Mehr kann ich nicht verlangen. Wir wollen zusammen sein und sind beide bereit, etwas dafür zu tun, statt wegzulaufen, wenn es schwierig wird. Du weißt, wie glücklich wir zusammen waren und wie unglücklich nach unserer Trennung." Christy stand auf und umarmte ihre Freundin. „Ach, Vivian, ich wünsche dir von Herzen, dass es klappt." Sie setzte sich wieder. „Ich bin besorgt, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich dich schon lange nicht mehr so froh und hoffnungsvoll gesehen habe." Sie betupfte ihre feuchten Augen. „Ich kann es fast nicht glauben, dass du weggehen wirst." Sie lachte unter Tränen. „Bei wem soll ich dann über die Arbeit wettern? Wem soll ich all den Klatsch erzählen?" „Man kann auch nach Schweden E-Mails schicken." „Wann fliegst du?" fragte Christy und wischte mit einer Serviette ihre verlaufene Wimperntusche ab. „Vorher muss ich mein Haus vermieten und mich noch um ein paar andere Dinge kümmern. Wie meine Familie zum Beispiel." Christy zog ein Gesicht, drückte aber Vivians Hand. „Ich bin sicher, dass sie dich unterstützen werden, wenn du es ihnen so erklärst wie mir." Wieder umarmte sie ihre Freundin.
„Aber wenn er dir noch einmal wehtut, wird diese Welt nicht groß genug sein für Eric, um sich zu
verstecken."
Vivian lachte. „Ich werde es ihm sagen."
Christy kam ein weiterer Gedanke. „He, ich hätte vielleicht einen Mieter für dich! Bei all den Vorbereitungen für seinen ersten Kurs hat Trevor keine Zeit gehabt, sich nach einer Wohnung umzusehen. Jetzt hat er Anmeldungen für einen weiteren Kurs und hetzt sich ab, um die anderen Unterrichtsräume fertig zu stellen." Vivian zog die Augenbrauen hoch. „Ich dachte, er wäre die meiste Zeit bei dir." Christy gab ihr einen Klaps, konnte aber nicht verhindern, dass ein Grinsen sich auf ihrem Gesicht ausbreitete. „Na ja, es war eben praktisch, das ist alles." „Hm, hm", sagte Vivian mit viel sagendem Blick. „Ich habe gehört, es fördere das Liebesleben, im selben Bett zu schlafen." Sie grinste. „Jetzt kennst du den wahren Grund, warum ich nach Schweden gehe." Beide lachten. „Ich schätze, dann werde ich zur Hochzeit bald wieder zurückflie gen müssen?" scherzte Vivian. „Ihr beide seid ja quasi unzertrennlich, was gar nicht einfach ist bei euren Arbeitszeiten." Christy hob die Hände. „He, wir haben eine Menge Spaß zusammen, aber noch ist es nichts Ernstes." „Ja, klar. Ich habe gesehen, wie ihr euch gegenseitig anseht, Christy. Ihr beide seid das ideale Paar." Christy antwortete nicht sofort. Sie hatte versucht, nicht an die Zukunft zu denken, weil es ihr Angst machte. „Ich genieße die Dinge, wie sie kommen, Vivian. Ich habe keine Zeit, schon irgendwelche Pläne zu schmieden, wie es weitergehen soll." „Du willst nicht daran denken." „Das ist das Gleiche." „Wohl kaum. Ich weiß, wir waren alle sehr beschäftigt mit meinem neuesten Drama, aber ich habe das, was sich zwischen Trevor und dir entwickelt, aufmerksam beobachtet. Du kannst mir nicht erzählen, du seist nicht bis über beide Ohren in den Mann verliebt. Und warum auch nicht? Er ist intelligent, sieht gut aus und weiß, wie er mit dir umgehen muss." Christy reagierte ungehalten. „Umgehen?" Vivian blinzelte nicht einmal. „Genau. Du bist sehr unabhängig, selbstbewusst, hast deine eigenen Vorstellungen. Das schüchtert die meisten Männer ein. Aber nicht Trevor. Der hat dich durchschaut. Er weiß, dass du außen hart und innerlich ganz weich und sanft bist. Und er mag dich, wie du bist." Sie grinste. „Ein schlauer Bursche, finde ich." Dann beugte sie sich vor und flüsterte: „Aber falls es dich beruhigt - du kannst ihn mühelos um den kleinen Finger wickeln." „Wir gehen nur zusammen aus, Vivian", wiederholte Christy stur. „Von mir aus kannst du dir das ruhig weiter einreden. Aber vergiss nicht, dass ich es dir prophezeit habe, wenn er dir einen Antrag macht." Christy lachte verlegen. Ihre Kehle war mit einem Mal wie zugeschnürt. „Ein Antrag?" krächzte sie. „Er ist doch gerade erst hierher gezogen, Vivian, und ist dabei, sein eigenes Unternehmen aufzubauen. Er hat tausend andere Sachen im Kopf. Das Letzte, was er will, ist ..." „Häuslich zu werden? Nein, das klingt nicht so, als wollte er das. Überhaupt nicht." Vivian lachte, wurde aber wieder ernst, weil Christy ihr Lachen nicht erwiderte. „Wovor hast du Angst?" Christy wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, aber sie und Vivian waren immer aufrichtig zueinander gewesen. „Ich habe Angst, dort zu enden, wo du vor achtzehn Monaten warst. Wo meine Mutter alle paar Jahre endet, obwohl ich in ihrem Fall zugeben muss, dass sie gewöhnlich nicht so sehr darunter leidet. Aber irgendwie finde ich das noch schlimmer - nicht einmal zu Beginn genügend Zuneigung zu empfinden, um es schwer zu nehmen, wenn es nicht klappt." „Du meinst, du empfindest schon genug für Trevor, dass es dich traurig machen würde, wenn es mit euch nicht klappt?" Christy wollte ihr widersprechen, seufzte dann aber und gab es auf. „Ja. Sollte ich beschließen, die Beziehung ernst zu nehmen, würde es schmerzen, wenn sie enden würde. Sehr
sogar." Vivian klatschte und lächelte. „Ich wusste es!" „Du hast einen verdrehten Sinn für Humor. Hat dir das schon mal jemand gesagt?" „Verstehst du es denn nicht? Es ist dir jetzt schon ernst damit. Ich wusste es." Sie ergriff Christys Hände. „Das ist etwas Gutes, ob du es glaubst oder nicht." „Ich bin mir nicht so sicher", erwiderte Christy. Vivian warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. „Na gut, dann solltest du ihn vielleicht lieber verschonen und ihn nicht mehr sehen." „Was?" Der Schmerz, der sie erfasste bei der Vorstellung, Trevor nicht mehr zu sehen, hätte ihr Warnung genug sein sollen, dass Vivian Recht hatte. Christy wollte nicht darüber nachdenken. Aber ihre Freundin ließ ihr keine andere Wahl. „Siehst du. Allein die Vorstellung, ihn nicht mehr zu sehen, schmerzt. Du liebst ihn, Christy. Oder bist auf dem Weg dahin. Warum gehst du dann nicht den ganzen Weg und tust es? Genieß es. Das ist nämlich der schönste Teil, du Dummerchen." „Musst du nicht ein Flugzeug nach Schweden nehmen?" murmelte Christy. Vivian ignorierte es. „Das Leben ist voller Fallgruben und Enttäuschungen. Wenn ich eins gelernt habe, dann, dass man sich nicht vor dem Leben verstecken kann, um das Schlechte zu vermeiden, weil man nämlich sonst auch all das Gute verpasst. Also warum sind wir hier? Weil es auch Glück und Freude gibt." „Ich war nicht unglücklich, bevor ich Trevor kennen lernte. Ich habe ein Leben." „Ich weiß. Aber jetzt ist er ein Teil davon. Und du hast gemerkt, dass es sogar noch mehr Glück und Freude bringt, seine Höhen und Tiefen mit jemandem zu teilen." Christy lächelte. „Dafür habe ich dich." Aber Vivian würde es nicht dabei belassen. „O kay, du hast ja Recht. Von dir bekomme ich keinen tollen Sex. Dafür ist er gut." Vivian warf ihr einen Blick zu. „Ist das alles? Guter Sex?" Christy wollte Ja sagen, aber sie konnte Vivian nicht anlügen. „Nein. Es ist mehr als das." „Weißt du, was ich denke?" Christys verkniff sich ein Lächeln. „Nein, Dr. Vivian, aber sagen Sie es ruhig." Vivian lehnte sich zurück und verschränkte ihre Arme. „Ich glaube, du fürchtest dich ganz unbewusst davor, verlassen zu werden. Was in gewisser Weise das war, was dein Dad getan hat, wenn auch nicht absichtlich." Sie hob eine Hand, um Christys Protest abzuwenden. „Lass mich ausreden. Und dann all diese Männer im Leben deiner Mutter. Nicht einer ist noch da." „Mom ist wohl kaum ein gutes Beispiel. Ich meine, selbst wenn sie sie nicht ernst genug nimmt, um ..." „Ich sagte unbewusst. Ich weiß, dass du das alles vom Verstand her sehr wohl begreifst. Aber hier ...", sie tippte auf ihr Herz, „... hier glaubst du, wenn du jemanden nahe genug an dich heranlässt, wird er dich verlassen. Oder wie erklärst du dir sonst, dass jeder Mann, mit dem du ausgehst, mehr ein Freund wird als ein Liebhaber?" „Weil ich keine vollbusige Blondine bin?" „Weil es ungefährlicher ist, einen Freund zu haben als einen Liebhaber. Und das ist zum Teil auch meine Schuld. Ich bin deine beste Freundin, und dass du meine Probleme mit Eric miterlebt hast, hat deine unbewussten Ängste sicher noch verstärkt." „So ein Blödsinn." Vivian stützte die Ellbogen auf den Tisch. „Also gut. Dann sag mir, warum du nicht hin und weg bist vor lauter Freude über Trevor. Was hält dich davon ab, eure Beziehung zu genießen?" Christy wollte ihr in unmissverständlichen Begriffen klarmachen, dass sie vollkommen danebenlag mit ihrer Theorie. Aber sie fand die Worte nicht. „Ich bin nur ... Er ist bloß ..." Sie senkte den Kopf. „Vielleicht hast du ja Recht, und ich bin ein hoffnungsloser Fall." Sie holte tief Luft und blickte auf. „Es beängstigt mich, wie gern ich mit ihm zusammen bin, Vivian. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gespürt. Ich möchte mehr, aber ich habe Angst davor, enttäuscht zu werden." „Weißt du noch, was ich in der Hütte sagte? Du fragtest mich, ob es das Risiko wert ist. Lass mich dich etwas fragen. Würdest du das, was du bereits mit ihm hattest, um der Sicherheit willen
ungesche hen machen wollen, wenn du es könntest?" „Nein", sagte Christy, ohne auch nur eine Sekunde lang zu überlegen. Vivian sah ihre Freundin an. „Dann sorg dich nicht mehr so sehr um die Möglichkeit, zu leiden, dass du all die Freude und das Glück verpasst. Es ist das Risiko wert, Christy." Christy sah zu, wie Trevor seinen Pick-up polierte. Es hatte etwas ungemein Erotisches, einem halb nackten Mann beim Trockenreiben seines Autos zuzusehen. Sie lehnte sich an ihren bereits blank polierten Wagen und nippte an ihrem Mineralwasser. Ihr Körper zuckte, als er langsam mit dem Tuch über das glänzende Metall rieb. O ja, dachte sie, während sie das Spiel seiner Muskeln bewunderte, das würde ich mir liebend gern jede Woche ansehen. Sie dachte, dass sie sogar ihr ganzes Leben damit verbringen könnte. In diesem Augenblick wandte er sich um und ertappte sie dabei, dass sie ihn anstarrte. Er zwinkerte ihr zu und gab ihr mit dem Lappen einen Klaps auf die nackten Waden. „Ich bin fast fertig." „Meinetwegen brauchst du dich nicht zu beeilen." Fragend zog er seine Augenbrauen hoch, erkannte aber schnell, was der Brennpunkt ihres Interesses war. Mit einem anzüglichen Lächeln fuhr er fort, den Wagen zu polieren, aber in so unverhohlen erotischer Manier, dass sie lachen musste. Und spürte, dass es sie erregte. „Es ist das Risiko wert." Vivians Worte kamen ihr wieder in den Sinn, wie fast jeden Tag seit ihrer Unterhaltung vor zwei Wochen. Sie hatte viel darüber nachgedacht und musste zugeben, dass ihre beste Freundin sie möglicherweise besser kannte als sie sich selbst. Aber dass sie sich nun selbst besser verstand, verringerte nicht automatisch ihre Ängste. Weil Vivian nämlich noch in etwas anderem Recht hatte. Christy war dabei, sich in Trevor zu verlieben. Und zwar mit beängstigender Schnelligkeit. Sie wollte das Gefühl nicht abblocken, andererseits jedoch hätte sie die Dinge im Moment am liebsten so belassen, wie sie waren. Wo alles noch Spaß war, aufregend und neu. Wo das Risiko, zurückgewiesen zu werden, noch meilenweit entfernt schien. „Du denkst schon wieder." „Wie dumm von mir", entgegnete sie trocken. „Wenn ich nicht aufpasse, tue ich das von Zeit zu Zeit." Trevor lehnte sich an seinen inzwischen glänzenden Pick-up und betrachtete sie mit diesem irritierenden Blick, den er zuweilen hatte. Ein Blick, der ihr verriet, dass er sie inzwischen sehr gut kannte. Eigentlich hatte sie von Anfang an schon das Gefühl gehabt, dass er sie kannte. Es war, als wären sie zwei Puzzleteile, die endlich zusammengesetzt worden waren und sofort perfekt zusammengepasst hatten. Irgendetwas stimmte nicht mit diesem Bild. So einfach konnte es nicht sein. Oder doch? Er löste sich vom Wagen und kam zu ihr. „Möchtest du darüber reden?" „Worüber?" Christy strich mit den Fingern über seine Brust und hoffte, ihn damit abzulenken. „Über das, was dich beunruhigt. Ist es Vivian? Ich weiß, dass sie nur noch zwei Wochen hier ist, bevor sie weggeht. Wir haben uns über ihr Haus geeinigt. Ist es dir vielleicht nicht recht, dass ich dort einziehe?" „Nein, ich bin froh, dass es sich so ergeben hat. Es ist nicht wegen Vivian", sagte sie. „Ich meine, es stimmt mich traurig, dass sie nach Schweden geht, aber wir haben viel geredet, und ich kann ihre Entscheidung nun verstehen. Sie sieht die Dinge jetzt viel klarer. Ich glaube, beide werden ihrer Beziehung diesmal höchste Priorität einräumen." „Das ist gut", meinte Trevor. „Ich weiß aber, dass es schwer für sie sein muss, wenn seine Karriere eine solch radikale Veränderung von ihr erfordert. Das ist einer der Gründe, warum ich nie eine ernsthafte Beziehung eingangen bin, solange ich in der Armee war." Christy sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. „Und wenn du eine Frau kennen gelernt hättest, mit der es dir ernst gewesen wäre?" Er blickte sie forschend an. „Ich denke, dann hätten wir ein paar schwierige Entscheidungen treffen müssen." „Hättest du die Armee notfalls wegen einer Frau verlassen?"
Trevor lachte, anscheinend überrascht von ihrer Frage. „Ich weiß es nicht. Vielleicht." Er wurde wieder ernst und legte ihr sanft die Hände auf die Schultern. „Die meisten Orte, wo ich war, waren nicht geeignet für Ehefrauen, von Kindern ganz zu schweigen. Und der Risikofaktor war auch recht hoch. Ich habe nie jemanden in diese Lage bringen wollen. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass ich nie versucht war, es zu tun." „War dein Vater auch an solchen Orten? Hast du dich um ihn gesorgt?" „Glücklicherweise nicht. Wir zogen sehr oft um, aber er war schon sehr früh im Kommandostab, so dass also kein direktes Risiko für ihn bestand." „Aber er hat nie wieder geheiratet." „Nein. Hat er nicht." Er betrachtete sie versonnen. „Wie kommst du eigentlich darauf? Was macht dir Sorgen?" Sie schüttelte den Kopf, weil nicht einmal sie selbst es wusste. „Ich schätze, es ist, weil ich so viel über Vivian und Eric nachgedacht habe. Es stimmte mich nachdenklich im Hinblick auf Beziehungen. Ich denke an Kate und Mike an ihrem Hochzeitstag. Wie sie sich ansahen, als sie aus der Kirche kamen. Vivian und Eric sahen auch so aus. Und dann ging alles furchtbar schnell den Bach hinunter." Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, sie arbeiten jetzt daran, aber es ist trotzdem beängstigend, darüber nachzudenken. Und ich glaube, ich denke auch an meine Mutter. Ich frage mich, warum es für sie immer nur entweder Heirat oder Trennung heißt, wenn sie jemanden kennen gelernt hat. Warum kann sie nicht allein leben? Ich finde, es ist absurd, einen anderen Menschen so nah an sich heranzulassen, dass er die Kontrolle über deine Gefühle hat." Christy war nicht sicher, was für eine Antwort sie darauf erwartete. Sie konnte es selbst kaum glauben, dass sie all das sagte. Versuchte sie, Trevor zu schockieren? Ihn abzuschrecken? Sie war nicht sicher, was sie eigentlich bezweckte. Sie wusste nur, dass sie verwirrt war und dass es gut tat, mit ihm darüber zu sprechen. „Wäre allein zu sein denn eine Garantie für das Glück deiner Mut ter?" Oder deins? fügte er im Stillen hinzu. Letzteres hatte er zwar nicht laut gesagt, aber Christy hatte schon verstanden, was er meinte. Für sich selbst konnte sie das nicht beantworten. Vor ein paar Monaten vielleicht noch, aber jetzt nicht mehr. „Sie hat nie wirklich versucht, allein zu leben. Eine Beziehung endet, und schon geht sie auf die Jagd nach der nächsten. Ich schätze, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich mich darüber definieren könnte, ob ich mit jemand zusammen bin oder nicht." Er umfasste ihr Kinn. „Das tust du auch nicht. Du bist nicht deine Mutter. Du bist nicht Vivian oder Kate. Du bist du. Du bist eine intelligente Frau und weißt, was du willst. Was ist es also, was du mir in Wirklichkeit zu sagen versuchst? Dass du mich nicht mehr sehen willst?" Christy erstarrte vor Schreck. „Nein! Nein, überhaupt nicht. Ich schätze, ich beschäftige mich damit, weil ..." Er grinste. „Weil du, als du einen Moment nicht aufgepasst hast, in einer Beziehung gelandet bist, die dir etwas bedeuten könnte?" Er strich ihr über ihre Wangen, über ihre Lippen, und löste ein Zittern in ihr aus. „Du bedeutest mir etwas, Christy. Und wenn du wissen möchtest, ob es etwas Ernstes für mich ist, dann lautet die Antwort: Ja, das ist es." Sie erbebte noch heftiger. Warum musste das alles so kompliziert sein? Warum konnte sie nicht einfach all ihre hart erkämpfte Vorsicht in den Wind schlagen und tun, wonach sie sich sehnte? „Ich will nicht, dass du etwas von dir für mich aufgibst. Deshalb bin ich ja so gern mit dir zusammen - weil du sehr genau weißt, wer du bist, und nicht versuchst, jemand anderer zu sein. Ich möchte mit dir zusammen sein und dich genießen. Ich möchte die Gefühle genießen, die du in mir weckst, möchte die Freude erleben, die wir miteinander haben." „Ich ... ich will das alles auch." Er schob die Finger in ihr Haar. „Dann haben wir ja überhaupt keine Probleme, oder?" Aber selbst als er sie schon küsste und eine wunderbare Wärme sie durchrieselte, hatte Christy dennoch das Gefühl, dass sie irgendwie nur darauf wartete, dass - bildlich gesprochen - der andere Schuh herunterfiel.
13. KAPITEL
Der nächste Schuh fiel ein paar Wochen später herunter. Tatsächlich kam es ihr sogar wie ein ganzer Schrank voller Schuhe vor. Der erste Schuh war Vivians Abreise gewesen. Christy hatte sie sofort schrecklich vermisst, und um sich davon abzulenken, hatte sie Doppelschichten übernommen, wo sie konnte. Sie sagte sich, sie täte es, um die Renovierung ihrer Wohnung zu bezahlen, aber in Wirklichkeit war es Verdrängung. Sie wusste auch, dass sie tief im Innersten Trevor damit auf die Probe stellen wollte. Aber er blieb verständ nisvoll und sehr geduldig. Der zweite Schuh war die Nacht des Unfalls gewesen. Sie war um vier Uhr morgens vom Dienst gekommen und hatte nur noch nach Hause und ins Bett gewollt. Stattdessen war sie die Erste am Schauplatz eines schlimmen Autounfalls. Sie hatte ihn gemeldet und war wieder in den strömenden Regen hinausgeeilt, um zu sehen, ob sie helfen konnte. Die Sanitäter kamen, als sie einen alten Mann beruhigte, der ziemlich schwer verletzt war. Sie übernahmen, aber der alte Mann hörte nicht auf, nach jemandem namens George zu rufen. Christy befürchtete, es könne noch jemand im Wagen gewesen sein, aber wenn, war er jetzt fort. Also hatte sie sich auf die Suche nach George gemacht. Zwanzig Minuten später hatte sie es aufgegeben. Die Unfallopfer waren fortgebracht worden, sie hatte mit der Polizei am Unfallort geredet, und man hatte ihr erlaubt zu gehen. Sie war zu ihrem Wagen zurückgegangen und hatte George gefunden - einen hundertfünfzig Pfund schweren, pitschnassen, schmutzigen, sabbernden Bernhardinermischling, der sie fröhlich auf dem Fahrersitz ihres Wagens erwartete. In ihrer Hast, zu den Unfallopfern zu gelangen, hatte sie die Autotür offen gelassen, was George ganz offenbar als Einladung betrachtet hatte. Er war nicht die ganze Zeit auf dem Fahrersitz gewesen, denn das gesamte Innere des Wagens war bedeckt mit Schlamm, Sabber, Wasser und ... igitt, es schauderte sie bei dem Gedanken, was da sonst noch alles sein mochte. Sie wusste nicht, was sie mit ihm anfangen sollte. Die Feuerwehr und Polizei boten an, ihn ins Tierheim zubringen, aber das wollte Christy ihm nicht antun. Außerdem konnte sie ihn gar nicht dazu bewegen, ihren Wagen zu verlassen. Sie beschloss, ihn zu behalten -für eine Nacht, bis sie mit dem alten Mann reden konnte, wenn sie zum Dienst ging, und er ihr sagte, wo sie den Hund hinbringen sollte. Aber bedauerlicherweise kam der alte Mann nicht durch. Seine letzte Bitte an Christy war, dem Hund ein gutes neues Zuhause zu geben. Ein letzter Wunsch, dem der Anwalt des alten Mannes nur zu gern zustimmte, da es keine lebenden Verwandten gab, die den Hund haben wollten. Trevor war eingesprungen und hatte angeboten, George zu nehmen. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen bei den beiden. Trevor hatte sich immer einen Hund gewünscht. Er hatte George einen riesigen Zwinger gebaut, eine Hütte und wer weiß was sonst noch alles auf seinem Gelände, aber er nahm George natürlich trotzdem abends mit nach Hause. Und „nach Hause" bedeutete fast immer Christys Wohnung. Der dritte Schuh war vor drei Tagen gefallen, als Christy von lautem Gepolter aus ihrem unteren Badezimmer aufgeweckt worden war. Sie war die Treppe hinuntergestolpert und hatte einen alten Mann namens Jimmy vorgefunden, der ihre alte Toilette und ihr altes Waschbecken aus- und neue Teile einbaute. Der hilfreiche, fürsorgliche Trevor hatte wieder zugeschlagen. Aber all das verblasste jedoch neben heute Morgen. Der letzte Schuh traf sie mit der Wucht eines Armeestiefels. Sie hatte in Trevors warmen Armen gelegen und war glücklich über ihren freien Tag gewesen. So glücklich, dass sie sogar den schnarchenden George großzügig übersah. Jimmy würde später kommen, um mit der Reno vierung des oberen Badezimmers zu beginnen. Sie musste zugeben, dass er unten hervorragende Arbeit geleistet hatte und dass Trevor ihr die passenden Kacheln, Becken und so weiter zu einem wirklich guten Preis besorgt hatte. Im Moment hätte sie sogar bereitwillig zugegeben, dass vielleicht ja doch alles gut gehen würde und das Leben wirklich unverschämt perfekt sein konnte. Sie hätte es besser wissen sollen, als auch nur für eine Sekunde lang nicht aufzupassen. „Juhu!"
Christy fuhr erschrocken auf. Nur eine Stimme konnte sie wirkungsvoller wecken als ein Dutzend Wecker. „Oh. Ach du liebe Güte." Trevor murmelte etwas und versuchte, sie wieder an sich zu ziehen. George schnupperte, ohne seine Augen aufzumachen. Christy jedoch blieb sitzen, wacher, als sie ein Recht zu sein hatte an ihrem freien Tag. „Bist du oben, Schatz? In der Klinik sagten sie, es sei dein freier Tag, da dachte ich, ich überrasche dich." Na wunderbar. Christy blieb weder Zeit, zu antworten noch sich anzuziehen. Sie konnte höchstens die Decke unter George wegzie hen, um wenigstens ein Minimum an Anstand zu bewahren, bevor ... „Ach du je!" Christy seufzte. „Hi, Mom." „Was für eine nette Überraschung", kommentierte Trevor hinter ihr. Christy warf ihm einen Blick zu. Er hatte sich auf einen Ellbogen aufgestützt, so unbefangen und gelassen, als begegnete er Ruby Russel in einem schicken Restaurant ... statt splitternackt im Bett ihrer Tochter. Ruby lächelte, denn sie war so leicht nicht zu erschüttern. „Ja, das ist es. Ich glaube nicht, dass wir schon einmal das Vergnügen hatten." Sie warf einen langen Blick auf Christy. „Du hast nichts davon gesagt, dass du einen neuen Verehrer hast." Trevor zog die Brauen hoch. „Du hast deiner Mutter nichts von uns erzählt?" „Na ja, ich..." „Wie lange kennt ihr euch schon?" wollte Ruby wissen. „Kein Wort von mir?" Christy sah von ihrer Mutter zu Trevor und hielt das Laken vor ihre Brust. George hob den Kopf und starrte sie ebenfalls ank lagend an. Na wunderbar. Nicht einmal der Hund kam ihr zu Hilfe. „Ich habe dir das Leben gerettet", erinnerte sie ihn vergeblich. Ihre Mutter und Trevor begannen gleichzeitig zu reden, und George bellte vor Aufregung, bis Christy sie schließlich alle mit einem schrillen Pfeifen unterbrach. „Okay!" Der perfekt geschminkte Mund ihrer Mutter klappte auf und zu. George legte seinen Kopf in ihren Schoß und riss ihr fast das Laken aus der Hand. Trevor starrte sie nur an und wartete. Christy schob den Kopf des Hundes weg und funkelte Trevor, der jetzt ganz offen grinste, wütend an. „Das ist nicht lustig." Dann wandte sie sich zu ihrer Mutter. „Mom, falls es dir nichts ausmacht, unten zu warten, kommen wir gleich hinunter." George wählte diesen Augenblick, um seinen riesigen Körper vom Bett zu wälzen und zu Ruby hinüberzutraben, die zu Christys Verblüffung seinen Kopf streichelte, sich dann abwandte und das große Tier am Halsband nahm. „Komm, mein Hübscher. Du kannst mir helfen, Kaffee zu kochen, während sich diese beiden Turteltauben anziehen." Christy starrte ihnen noch offenen Mundes nach, als sie schon auf der Treppe waren. „Deine Mutter schien ganz gut damit zurechtzukommen. Ich finde sie sehr nett." „Oh, sie kann ein Engel sein, wenn sie will." „Sie mag normalerweise keine Hunde?" Christy schüttelte den Kopf. „Hundehaare und Gesabber passen nicht zu Haute Couture und Diamanten." „Sie versteht sich zu kleiden", bemerkte er. „Ich weiß, was du denkst." Ruby Russel war eine ausgesprochen elegante Frau, die mindestens anderthalb Jahrzehnte jünger aussah, als sie mit ihren zweiundsechzig Jahren war. „Ich komme nach meinem Vater. Bei ihnen war es die klassische Romanze zwischen einem Bauern und einer Aristokratin." Trevor küsste sie. „Und ich habe das Beste von beiden, glaube ich." Bevor sie etwas erwidern konnte, sprang er auf und griff nach seinen Sachen. „Wenn du eine Weile mit ihr allein sein möchtest, gehe ich duschen, joggen oder was auch immer." Christy schüttelte den Kopf. „Ich verstehe es nicht. Das ist nicht normal. Du bist immer so verdammt verständnisvoll. Ich könnte tausend Schichten nacheinander arbeiten, und du würdest mir eine Fußmassage geben, wenn ich heimkomme. Es macht mich wahnsinnig, wie geduldig du
bist, Trevor!" „Na gut. Keine Fußmassagen mehr." Er grinste. „Es sei denn, du bittest mich darum." Sie ließ sich auf das Bett fallen. „Siehst du? Das ist es, was ich meinte. Ich kann dir nicht mal böse sein." Er überraschte sie, indem er sich auf sie warf und sie an Armen und Beinen festhielt. „Du machst mich glücklich, Christy. Du machst, dass ich dich glücklich machen möchte. Verstehst du nicht? Ich liebe dich." „Ja, gut, mir ist egal, was du ... Was hast du gesagt?" Er grinste jetzt. „Ich sagte, ich liebe dich." Er drückte einen KUSS auf ihre Lippen. „Ich wollte es schon tausend Mal sagen, aber ich wollte dich nicht erschrecken." „Aber ..." „Ich bin nicht dumm. Ich weiß, dass du Angst vor dieser Beziehung hast. Sie müsste mich auch ängstigen. Aber das tut sie nicht. Du bist alles, was ich jemals wollte, Christy. Ich habe das Gefühl, dich schon ein Leben lang zu kennen. Vielleicht mehr sogar noch als ein Leben lang. Ich kann es nicht erklären." Er beugte sich vor und küsste ihre Stirn, dann ihre Nasenspitze und ihren Mund. „Aber für mich ist es etwas von Dauer. Solange du mich haben willst. Und ich möchte, dass du mich für sehr, sehr lange Zeit hast." Er wartete, aber sie war vor Überraschung sprachlos. „Nun, das ist ja ungemein beruhigend", sagte er schließlich, mit einer Spur von Gereiztheit in der Stimme. „Aber gewöhn dich daran. Ich liebe dich, Christy." Und wieder küsste er sie, diesmal hart, fast wütend. Sie suchte noch immer nach einer Antwort, als er sich abrupt vom Bett erhob. Er sah verärgert aus, was völlig unverständlich war, nachdem er ihr soeben erst gesagt hatte, er liebe sie. „Du musst dich entscheiden", sagte er knapp. „Bedeutet unsere Beziehung dir genug, um etwas dafür zu tun, oder nicht? Ich bitte dich im Augenblick um keine lebenslange Bindung, obwohl du wissen sollst, dass ich sofort Ja sagen würde. Ich möchte nur wissen, ob es dir wichtig genug ist, um es zu versuchen. Ob ich dir wichtig genug bin." Er wandte sich zum Badezimmer. „Lass uns damit beginnen." „Warte." Sie fand endlich ihre Stimme, aber sie wusste immer noch nicht, was sie sagen sollte. Sie brauchte Zeit. „Wo willst du ..." „Ich gehe joggen", erklärte er und verließ den Raum, ohne ihr auch nur einen weiteren Blick zu gönnen. Christy starrte auf die Tür und begann die ersten Anzeichen von Panik zu verspüren. Sie wusste nicht, ob sie einen Freudentanz aufführen oder etwas gegen diese Tür werfen sollte. Was fiel ihm ein, ihr die Entscheidung über ihre Beziehung zu überlassen? „Wo ist der Süßstoff, Christy?" Sie stöhnte. Trevor hatte das Unmögliche geschafft. Er hatte sie ihre Mutter vorübergehend vergessen lassen. „In der blauen Dose auf dem Kühlschrank!" rief sie auf dem Weg nach unten. Sie hatte gerade die Küche betraten, als Trevor die Treppe hinunterkam und an der Küchentür stehen blieb. Er trug eine alte blaue Trainingshose und ein T-Shirt mit abgeschnittenen Ärmeln. Sie hätte wie eine Vagabundin gewirkt in diesem Outfit. Er hingegen sah fantastisch darin aus. „Schön, Sie kennen zu lernen, Ma'am", sagte er. „Sagen Sie doch Ruby, bitte", erwiderte ihre Mutter lächelnd. „Ruby." Trevor nickte. „Wir haben heute Abend frei, falls Sie uns beim Essen Gesellschaft leisten möchten. Ich weiß nicht, was Sie mögen, aber wir werden schon etwas zusammenzaubern." In offensichtlichem Entzücken über die Einladung blickte Ruby ihre Tochter an, die sich zu einem Lächeln zwang. „Gern", sagte Ruby zu Trevor. „Ich freue mich schon, Sie besser kennen zu lernen." Trevor sah Christy nicht einmal an. „Ich auch, Ruby. Ich auch." Und damit ging er. Ihre Mutter lehnte sich an den Schrank und fächelte sich Luft zu. „Nun, meine Liebe, du magst zwar ein Spätzünder sein, aber wie ich sehe, hat das Warten sich gelohnt." „Mom!" Ruby winkte ab. „Wenn irgendjemand etwas davon versteht, dann ich." Sie schenkte ihnen
beiden eine Tasse Kaffee ein. „Komm, setz dich zu mir, und erzähl mir alles." Christy nahm den Kaffee, blieb aber, wo sie war. Sie musste mit jemandem über diese neueste Wendung ihrer Beziehung mit Trevor sprechen, aber ihre Mutter war der letzte Mensch, mit dem sie darüber reden wollte. Und so sagte sie stattdessen: „Was führt dich in die Stadt?" Ruby liebte nichts mehr, als von ihren neuesten Abenteuern zu erzählen. Und Christy war alles recht, um sich von Trevor abzulenken. Ruby wedelte mit ihrer manikürten Hand. „Keine Ablenkungs manöver. Ich gehe nicht eher, bis du mir alles erzählt hast. Es muss etwas ziemlich Ernstes sein, wenn dieser Mann sich hier heimisch genug fühlt, um mich zum Abendessen einzuladen. Seit wann lebt er bei dir?" Christys Schläfen begannen zu pochen. „Wir gehen nur zusammen aus. Er ..." Ruby schnaubte sehr undamenhaft. „Vergiss nicht, mit wem du sprichst. Ich habe doch mitbekommen, wie er dich ansieht. Und er schien sich sehr zu Hause zu fühlen in deinem Bett." Sie hob den Zeigefinger. „Und obwohl du mir vielleicht nicht alles erzähle n willst..." „Ha, und warum wohl nicht?" Ruby blieb ungerührt von ihrem Sarkasmus. „Ich weiß, dass du nicht mit jemand ins Bett gehst, mit dem es dir nicht wirklich ernst ist. Und du weißt, wie ich über die Ehe denke. Aber ich bin auch tolerant genug, um zu verstehen, wenn ihr nur zusammen leben wollt. Er ist wirklich ..." „Er hat seine eigene Wohnung, Mom", warf Christy ein. „Im Moment wohnt er zwar bei Vivian, aber ..." „Er lebt auch mit Vivian zusammen?" fragte Ruby verblüfft. „Ich kann es nicht glauben, dass du das tolerierst." „Mom, bitte! Vivian ist in Schweden. Bei Eric. Sie hat Trevor nur ihr Haus vermietet." „Also ist sie endlich zur Vernunft gekommen?" Christy starrte ihre Mutter an. „Zur Vernunft gekommen? Ich glaube kaum ..." „Es ist gut, dass sie endlich auf ihr Herz gehört hat. Guck nicht so schockiert. Du hast immer gewusst, dass diese beiden füreinander bestimmt waren." „Aber Eric..." „Wollte seine Karriere und eine Frau, die ihn unterstützte. So sind Männer eben. Aber glaub mir, Schätzchen, sie hätte alles haben können, was sie wollte, wenn sie ihre Karten richtig ausgespielt hätte." „Und Vivians Karriere? Und ihre Wünsche?" Christy hob eine Hand. „Ach, vergiss es. Ich will jetzt nicht darüber diskutieren." „Aber ich. Es wird dich vielleicht überraschen, bei meiner Vorgeschichte mit Männern. Aber warum, glaubst du, war ich es immer, die die Beziehungen beendete? Hm? Weil ich mir nichts gefallen lasse. Und viele Männer meines Alters ... und auch einige, die jünger sind", fügte sie schmunzelnd hinzu, „können das nicht akzeptieren. Was im Grunde nur bedeutet, dass sie nicht die richtigen für mich sind." Sie beugte sich vor. „Sag mir eins. Ist sie Eric nachgelaufen ... oder ist er hierher zurückgekommen, um sie zu holen?" „Er kam zurück, aber ..." „Genau. Sie haben beide Wünsche und Ambitionen, aber das Wichtigste ist, dass sie einander haben. Das haben sie jetzt erkannt und arbeiten daran." „Trotzdem ..." Ruby lächelte nur. „Schätzchen, wenn du den Mann findest, der der Richtige für dich ist und ohne den du nicht mehr leben willst, musst du deine Prioritäten ändern. Eine Karriere ist befriedigend, aber mit jemand alt zu werden, der dich liebt? Der in guten und schlechten Tagen bei dir ist? Der eine Familie mit dir gründen will? Beruflicher Erfolg verblasst daneben, glaub mir." Christy lehnte sich zurück, verblüfft über die Leidenschaft, die sie in der Stimme ihrer Mutter hörte. „Aber ..." „Das war dein Vater für mich", sagte Ruby ruhig. „Und ich habe nie wieder jemanden wie ihn gefunden." Sie starrte in ihre Tasse. „Vielleicht hatte auch ich Angst. Den Mann, den man liebt, langsam sterben zu sehen ..." Sie erschauerte. Christy nahm ihre Hand. „Das hast du mir nie erzählt", sagte sie leise. „Du hattest deinen eigenen Schmerz. Und ich gebe zu, dass ich auf meine eigene Art und Weise
mit dem meinen umgegangen bin. Allein." Ruby hatte Tränen in ihren schönen Augen. „Ich wollte nie wieder einen solchen Schmerz riskieren. Vielleicht habe ich deswegen Männer geheiratet, von denen ich wusste, dass sie sich mir gegenüber nicht lange behaupten würden können." Sie versuchte zu lächeln. „Du weißt schon, Vergnügen ohne Risiko. Aber das ist nicht genug. Das war es für mich nicht, und das sollte es auch für dich nicht sein." Ihre Lippen zitterten, und sie ergriff die Hände ihrer Tochter. „Es ist nicht schön, allein alt zu werden, Christy. Und es ist auch nicht lustig, ständig Abstriche zu machen. Ich will das nicht mehr. Vielleicht ist es zu spät, ich weiß nicht. Aber ich bin nicht mehr bereit, mich mit etwas Zweitklassigem zufrieden zu geben." Christy wusste nicht, was sie sagen sollte. Zum zweiten Mal heute Morgen machte sie das, was ein Mensch, den sie liebte, sagte, sprachlos. „Ich bin nach Richmond zurückgekommen, weil ich bei dir sein möchte. Du bist meine Familie und das Wichtigste für mich. Ich möchte mir hier ein Leben aufbauen, das dich mit einschließt, Christy. Wenn ich das Glück habe, mich zu verlieben, schön. Aber ich weiß, dass du das Wichtigste für mich bist, und deshalb möchte ich bei dir sein. Ich hoffe, das ist okay für dich." Christy sprang auf und umarmte ihre Mutter. „Natürlich ist es okay für mich. Und du bist auch das Wichtigste für mich." Und noch etwas erkannte sie. Sie hatte gedacht, ihre Mutter würde nicht verstehen, was sie durchmachte, aber wahrscheinlich war ihre Mutter genau die richtige Person zum Reden. „Ich muss mit dir reden, Mom. Über Trevor." Die Augen ihrer Mutter wurden feucht. „Ich dachte schon, du würdest nie fragen." „Er ..." Christy schluckte. „Er sagt, er liebt mich." „Aber das ist ja wundervoll!" Christy lächelte. „Ja. Das ist es, schätze ich." „Also was ist das Problem? Er sieht gut aus, und er scheint den Boden unter deinen Füßen anzubeten. Und so wie es aussieht, lebt ihr schon zusammen." Sie blickte auf George. „Und ihr habt sogar schon begonnen, eine Familie zu gründen." Christy zog es vor, das Letztere zu ignorieren. „Es ist nur ... es ging alles so schnell." Ihre Mutter lächelte. „Liebst du ihn?" Christy atmete tief ein. „Als du davon sprachst, zusammen alt zu werden, da wurde mir klar, dass ich das mit keinem anderen könnte als mit ihm." Sie lächelte. „Das kann doch eigentlich nur Liebe sein?" Ihre Mutter strahlte. „Für mich hört es sich jedenfalls so an." Christy nickte. „Gut. Dann muss ich ihm nur noch klarmachen, dass ich weiß, was ich will. Die Frage ist nur, wie?" Ihre Mutter nahm Christys Hand und zog sie mit sich auf die Beine. „Nun, dann fragst du genau die Richtige. Hör zu ..."
14. KAPITEL
Trevor war nicht sicher, was er erwartete, als er zu Christy zurückkam. Er ha tte das Gefühl, sie heute Morgen zu sehr bedrängt zu haben. Aber er liebte sie, verdammt! Und er wollte es ihr sagen können, wann immer ihm danach war - was in letzter Zeit etwa hundert Mal am Tag gewesen war. Und ehrlich gesagt, er konnte es kaum erwarten, es auch von ihr zu hören. Es schockierte ihn, wie sehr er sich das wünschte. An der Tür zu ihrer Wohnung blieb er stehen. Er hoffte, dass ihre Mutter inzwischen gegangen war, weil er jetzt nicht in der Stimmung war, den Gastgeber zu spielen. Er hatte sich beim Joggen auf die Konfrontation mit Christy vorbereitet. Auf die eine oder andere Art würden sie die Sache klären müssen. Heute noch. Als er nach dem Türknauf greifen wollte, schwang die Tür auf, und Ruby trat heraus. „Oh", sagte sie, als sie ihn so erhitzt und verschwitzt vor Christys Tür sah. „Verzeihung, ich wollte Sie nicht erschrecken, Ma'am." Ruby lächelte. „Das haben Sie nicht. Ich war gerade auf dem Weg nach draußen." Sie zog an der Leine, die er erst jetzt in ihrer Hand bemerkte. „Komm, mein Junge." „Gehen Sie mit ihm spazieren?" fragte Trevor überrascht, als George hinter ihr in der Tür erschien. „Seien Sie vorsichtig. Er ist sehr lebhaft und kräftig." Ruby berührte flüchtig Trevors Wange, als er sich vorbeugte, um George zu streicheln. „Keine Sorge", sagte Ruby lächelnd, und Trevor wusste nun, woher Christy ihr Selbstvertrauen hatte. „Ich werde schon mit ihm fertig." Trevor straffte sich und salutierte. „Das glaube ich Ihnen sogar, Ma'am." Ruby imitierte seinen militärisch knappen Gruß und ging durch den Korridor zur Treppe. Als Trevor die Wohnung betrat, runzelte er verwirrt die Stirn. Die Vorhänge im Wohnzimmer waren zugezogen, der Raum erhellt von Dutzenden von Kerzen. Trevor hatte gar nicht gewusst, dass Christy Kerzen mochte. Aber es gab ja immer noch so viel, was er von ihr nicht wusste. Wenn er sie jetzt nur finden würde zwischen all den Schatten und ... Was machten all die Kissen auf dem Boden? „Christy?" Er hörte eine gedämpfte Antwort von irgendwo aus dem Dachgeschoss. „Christy?" „Komm nicht nach oben", rief sie, als er schon an der Treppe war. Er blieb stehen. „Okay." „Warum duschst du nicht?" schlug sie vor. „Ich bin ... Ach, geh einfach duschen, ja?" Sie klang, als wäre sie in Panik. Trevor unterdrückte ein Lächeln. Was heckte sie dort oben aus? „Gut. Kannst du mir ein paar saubere Sachen herunterwerfen?" „Kannst du nicht einfach unter die Dusche gehen? Bitte?" Sie klang verzweifelt. „Wie Sie wünschen, Ma'am." Er hatte sich kaum eingeseift, als es auch schon an der Tür klopfte. „Bist du fertig?" Sie klingt nervös, dachte er. Er konnte nur hoffen, dass es ein gutes Zeichen war. „Trevor?" „Ich komme", sagte er, spülte rasch die Seife ab und band ein Frotteetuch um seine Hüften. Sie öffnete schon die Tür. „Mach die Augen zu", befahl sie, bevor sie das Licht ausschaltete. Er tat, was sie verlangte. „Was hast du vor?" „Dich zu entführen." „Was?" „Sei einfach still und neig den Kopf, damit ich dir die Augen verbinden kann." Er lächelte im Dunkeln und tat ihr den Gefallen. „Darf ich etwas anziehen?" „Ich erinnere mich nicht, diese Möglichkeit gehabt zu haben, als du mich entführt hast." Trevor grinste im Stillen. Sie wollte es ihm heimzahlen? Kein Problem, er war bereit. Tatsächlich fand er die Idee sogar sehr aufregend. „Darf ich fragen, wo du mit mir hin willst?" Sie hantierte mit dem Stoff, schaffte es dann aber, ihn hinter seinem Kopf zu binden. „Nicht weit. Ich schätze, man könnte dies hier mehr eine Geiselnahme nennen."
Er richtete sich auf und war sich bewusst, dass er quasi nackt war und mit verbundenen Augen im Dunkeln stand ... und seine körperliche Erregung von Sekunde zu Sekunde wuchs. „Eine Geiselnahme also, hm?" murmelte er mit rauer Stimme. Sie drehte ihn um, ergriff seine Hände und fesselte sie vor ihm. Es hätte nicht so aufrege nd sein dürfen. Tatsächlich hätte er sogar schwören können, dass er so etwas nicht mochte. Erzähl das deinem Körper, schoss es ihm durch den Kopf. Christy ergriff seine gefesselten Handgelenke und zog ihn aus dem Bad. Die kühlere Luft, die seine Haut jetzt streifte, sensibilisierte ihn nur noch mehr. Er konnte die Kerzen riechen, den dicken Teppich unter seinen Zehen spüren. „Vorsicht", befahl sie. „Es liegen Kissen auf dem Boden." Sie gingen ein paar Schritte weiter, dann blieb sie stehen. „Knie dich hin." „Wie bitte?" Sie zog an seinen Händen. „Tu es einfach, ja?" Er schüttelte den Kopf, tat aber, was sie sagte, und seine Knie versanken in einem großen, weichen Kissen. Er fragte sich, ob sie sehen konnte, wie erregt er war. „Was jetzt?" „Bleib da. Ich komme sofort zurück." Zum ersten Mal begann ihn eine leise Unruhe zu beschleichen. „Christy ...?" Plötzlich war ihr Mund an seinem Ohr, und er spürte die Wärme ihres Körpers hinter sich. „Vertraust du mir, Trevor?" „Absolut." Und er erkannte, dass das die Wahrheit war, und entspannte sich. Oder ein Teil von ihm entspannte sich. Er fühlte ihr Seufzen an seinem Nacken. „Gut, das ist gut." Dann raschelte Stoff, und sie entfernte sich von ihm. Nach einer Minute war sie wieder da. Er hörte Gläser klirren. Wieder raschelte Stoff. Die Kissen bewegten sich an seinen Knien, und er wusste, dass Christy direkt vor ihm war. „Gut", sagte sie, mehr zu sich als ihm. „Fertig." „Christy ..." „Psst. Warte noch einen Moment." Er verbeugte sich und lächelte. „Du willst es gefesselt und mit verbundenen Augen tun? Denn ich muss dir sagen, obwohl ich eigentlich dachte, das gefiele mir nicht... könnte ich mich jetzt damit anfreunden." „Was?" Sie klang nicht verführerisch, sondern ... zerstreut. „Nichts. Tu einfach mit mir, was du willst." „Wenn du mir eine Minute gibst." Sie klang, als stünde sie unter Zeitdruck. Dann hörte er einen leisen Knall, und etwas Kaltes berührte seine Knie. Er hielt den Atem an, aber das Ganze erhöhte seine sinnliche Erregung nur. Was immer sie zu tun versuchte, war ihr offensichtlich wichtig, und deshalb würde er mitspielen. Aber er hatte auch beschlossen, dass es damit enden würde, dass sie sich liebten. Alles andere würde sich dann später finden. „Okay", sagte sie atemlos. „Du kannst jetzt die Augenbinde abnehmen." „Das geht nicht. Meine Hände ..." „Oh! Natürlich. Das hatte ich vergessen. Ich habe sie nur gefesselt, damit du keine Möglichkeit hattest... na ja, mich abzulenken." Christy klang noch immer nervös, aber jetzt hörte er sie auch leise lachen. Wieder klirrte Glas, dann streiften ihre Fingerspitzen seine Handgelenke. Er konnte gar nicht anders, als zu stöhnen. Nur ein bisschen, aber es ließ sie innehalten. „Christy ..." Seine Stimme war jetzt unverkennbar rau. „Nimm die Augenbinde ab", sagte sie mit zitternder Stimme. Er tat es, aber statt ein Meer aus Kissen und endlose Reihen Kerzen zu sehen, hatte er nur Augen für Christy. Sie kniete vor ihm, einge hüllt in irgendetwas, das nahezu transparent und ungeheuer sexy war. „Du siehst bezaubernd aus", sagte er. „Ich ... danke." Sie strich sich übers Haar, das noch genauso zerzaust und sexy war wie beim
Aufwachen heute Morgen. Sie machte große Augen. „Mein Haar! Verflixt, das habe ich ganz vergessen - ich wusste, ich bin kein Typ für ..." „Du bist wunderschön, Christy." Er hatte nie etwas ehrlicher gemeint. „Und es hat nichts damit zu tun, was du anhast, oder deinen wilden Locken, obwohl mir beides sehr gefällt." Da lächelte sie, noch immer verlegen, aber entschlossen, es durchzustehen. Er begriff nun, was der Sinn des Ganzen war. Sie wollte ihm zeigen, dass sie ihn liebte. „Du hättest dir nicht all diese Mühe zu machen brauchen", sagte er. Sie zog ein Gesicht. „Versuch das mal meiner Mutter zu erklären." Trevor lachte. „Das war Rubys Idee?" „Nur die Kissen, Kerzen und das hier." Sie zupfte an ihrem Neglige. „Sie hat nur eine halbe Stunde gebraucht, um das alles aufzutreiben." Sie sah ihn an, und er sah, dass sie zitterte. „Sie glaubt, bedeutungsvolle Momente erforderten einen ebenso bedeutungsvollen Rahmen." Trevor merkte, dass auch er jetzt ein bisschen zitterte. „Und was ist das für ein bedeutungsvoller Moment?" Sag es, Christy, flehte er im Stillen. Sag, dass du mich liebst! Stattdessen griff sie nach den Champagnergläsern und gab ihm eins. „Ich möchte einen Toast ausbringen." „Okay." Er verkniff es sich, sie darauf hinzuweisen, dass es erst zehn Uhr morgens war. „Auf Trevor", begann sie. Der Champagner in ihrem Glas drohte überzuschwappen, so sehr zitterten ihre Hände. Sie trank einen Schluck und lachte. „Uh, das prickelt." Dann räusperte sie sich rasch und begann von neuem. „Der Zufall brachte dich in mein Leben. Von dem Moment an, als du mich buchstäblich aus dem Schlaf gerissen hast, hat mein Leben sich von Grund auf verändert. Du warst nett, geduldig, liebevoll und verständnisvoller, als ich verdiente." Er öffnete den Mund, aber sie bedeutete ihm zu schweigen. „Lass mich weiterreden. Es ist wichtig." Er nickte, denn das war es. „Ich weiß, dass ich nicht immer nett, geduldig oder verständnisvoll war, obwohl du es mehr verdienfest als irgendjemand sonst. Ich glaube, ich hatte einfach Angst. Angst vor den Dingen, die ich fühlte, vor den Wünschen, die du in mir wecktest. Ich war immer entschlossen, niemanden zu brauchen. Erst kürzlich fing ich an zu denken, totale Unabhängigkeit sei vielleicht gar nicht so gut. Dass ich mit dem richtigen Mann gleichzeitig unabhängig sein kann, obwohl ich mich gebunden fühle." Sie stärkte sich mit einem weiteren Schluck Champagner. „Was ich zu sagen versuche, ist, dass ich dich brauc he. Ich brauche dich, wenn ich einen anstrengenden Dienst hinter mir habe. Ich möchte, dass wir für immer und ewig zusammenbleiben. Dass du da bist, um mich zu halten, wenn es draußen donnert und blitzt." Sie atmete tief ein und trank einen weiteren Schluck. „Und ich möchte genauso für dich da sein. Wenn du mir verzeihst, dass ich zu dumm war, um zu sehen, was ich direkt vor Augen hatte, verspreche ich dir, alles in meiner Macht Stehende zu tun, damit wir zusammen glücklich werden." Sie nippte an ihrem Champagner und schien auf ihren Knien zu schwanken, als sie ihn erwartungsvoll ansah. Auch Trevor schwankte ein bisschen, aber es hatte nichts mit Champagner zu tun, da er nicht einmal daran genippt hatte. Er stellte sein Glas weg, nahm Christy auch ihres ab und ergriff dann ihre Hände. Er rieb ihre kalten Finger und sah ihr in die Augen. „Es gibt nur eins, was ich brauche." „Und was ist das?" „Drei Worte. Aus deinem Mund. Die Wahrheit ist, dass ich noch nie in meinem Leben je etwas so sehr gebraucht habe." Ihre Augen weiteten sich, als sie erkannte, worum er sie bat. „Ich kann es nicht glauben, dass ich es nicht gesagt habe!" Christy schloss die Augen. „Ich wusste ja, dass ich es vermasseln würde." Trevor lachte und zog sie in die Arme. „Du hast nichts vermasselt. Und ich bin bereit, dir einen Handel vorzuschlagen." Er drückte sie sanft in die Kissen und war entzückt, als ihr Neglige vorn auseinander glitt. Sein Handtuch war inzwischen auch verschwunden. „Was für einen Handel?" fragte sie und schnappte nach Luft, als er sich zwischen ihre Beine legte. „Du musst mir versprechen, dass du es mir für den Rest meines Lebens täglich sagst." Da entspannte sie sich unter ihm und lächelte. „Was für ein harter Verhandlungspartner du bist!"
„Mehr noch, als du glaubst", stöhnte er und presste sich an sie, um sie den Beweis seiner Begierde spüren zu lassen. „Wenn es dir die Sache leichter macht, sage ich es zuerst", mur melte er. Sie schüttelte den Kopf. „Nein." Sie legte ihre Hände um sein Gesicht. „Ich habe noch nie für jemanden so empfunden wie für dich. Es erschüttert mich, wie sehr ich dich brauche. Aber das macht nichts, weil ich weiß, dass du mich liebst. Ich liebe dich, Trevor McQuillen. Ich liebe dich." Und da drang er in sie ein, hart und schnell, und war entzückt, als sie sich ihm einladend entgegenhob. „Ich liebe dich, Christy", mur melte er rau. Sie brauchten nicht lange, um den Gipfel der Ekstase zu erreichen. Als sie sich danach befriedigt in die Arme sanken, fluchte Christy plötzlich, und Trevor rollte sich mit ihr zur Seite. „Bist du okay? Habe ich dir wehgetan?" „Nein, nein, es ist nur ... Mom wird sehr enttäuscht sein, aber ich war so nervös, dass ich vergaß, dir von den Rosen zu erzählen." „Rosen?" „Ja, Rosenblüten. Während sie die Kerzen aufstellte, habe ich Rosenblüten auf unser Bett gestreut. Sie sagte, es sei sehr romantisch, sich auf Rosenblüten zu lieben, und ich hatte es total vergessen!" Trevor grinste und küsste eine ihrer Brustspitzen. „Ich kann mir nicht vorstellen, was dich abgelenkt haben könnte." „Ich wusste, ich hätte dir die Fesseln nicht abnehmen sollen." „Aber dann könnte ich das hier jetzt nicht tun." Er schob seine Hand zwischen ihre Beine und liebkoste sie. „Da hast du Recht", stimmte sie ihm zu. „Absolut." „Und ich sehe keinen Grund, warum wir nicht auf den Rosenblüten weiterspielen sollten." „Du hast schon wieder Recht." Sie biss ihn spielerisch in die Schulter. „Habe ich dir schon gesagt, dass ich dich liebe?" Da hielt er inne, noch immer nicht gewöhnt, diese Worte von ihr zu hören. „Es ist erstaunlich." „Was?" „Wie glücklich es mich macht, dich das sagen zu hören." Sie lächelte. „Nun, ich werde daran denken, wenn ich unseren nächsten Streit gewinnen will." „Tu das. Und nun zu den Rosenblüten ..." Er stand auf und reichte ihr eine Hand, aber dann warf er sie sich einfach über die Schulter. „Trevor!" lachte sie. „Wenn du nicht aufhörst zu zappeln, können wir ja mal sehen, wie es dir gefällt, gefesselt zu werden." Sie hörte auf zu zappeln ... aber nur eine Sekunde. „Oh", lachte er, nicht allzu schockiert. „So möchtest du also spie len." Er warf sie auf das Bett und rollte sich auf sie, so dass sie unter ihm gefangen war. Beide lachten und waren völlig außer Atem. „Mit dir ist es nie langweilig'." „Ich dachte gerade das Gleiche von dir." In diesem Moment ertönte ein Klopfen an der Eingangstür, dann ein Fluchen, als jemand hereinkam. „Ich kann nichts sehen hier drinnen. Ist der Strom weg oder was? Was sollen all die Kerzen hier?" Christy und Trevor erstarrten. „O nein! Jimmy hatte ich ganz vergessen", sagte sie einen Moment darauf. „Wir haben Strom!" rief Trevor. „Oh." Christy versuchte, nicht zu lachen, aber Trevor schnitt eine Grimasse, und sie musste ihr Gesicht im Kissen verbergen. „Soll ich die Kerzen ausmachen, bevor die ganze Bude abbrennt?" „Ja, tun Sie das bitte", rief Trevor höflich.
„Kein Problem. Ich fange schon mal hier unten an, wenn das in Ordnung ist."
„Okay", rief Trevor und schluckte, als Christy unter die Decke glitt und aufreizende Dinge mit
den Rosenblättern anstellte. „Sie können aber in der nächsten Zeit nicht duschen", rief Jimmy. „Ich muss das Wasser abstellen." „Kein Problem", keuchte Trevor. Christy spähte unter der Decke hervor. „Sagtest du nicht, es sei nie langweilig mit mir?" „Ja, ich glaube schon. Oh, das ist wunderbar ..." Aber bevor sie weitermachen konnte, ertönte ein lautes Bellen unten in der Diele. „George!" riefen Christy und Trevor im Chor. Ein paar Sekunden später sprang der Hund zu ihnen aufs Bett. „Es tut mir so Leid, Schätzchen", rief ihre Mutter atemlos. "Ich hatte das Verdeck heruntergelassen, weil ich dachte, der Wind würde ihm gefallen, aber an der Ampel ist er einfach ausgerissen. Ich musste ihm bis hierher im Wagen folgen." „Wer sind Sie?" blaffte Jimmy. „Ach du meine Güte!" kreischte Ruby. Christy verdrehte die Augen. „Jimmy und meine Mom, das könnte interessant werden. Habe ich dir schon erzählt, dass sie hierher zieht?" „Dann wird's bestimmt nicht langweilig." „Ich weiß nicht, wieso ich dachte, allein zu leben sei besser", bemerkte sie trocken. Trevor zog sie an sich. „Ich auch nicht." „Ich liebe dich", sagte sie und lachte, weil George ihre Gesichter ablecken wollte. „Er will uns zeigen, dass er einverstanden ist." Christy lachte. „Ich glaube, er will sich nur seinen Teil des Betts sichern." Trevor zo g sie auf sich. „So, jetzt hat er mehr Platz. Und ich habe mehr von dir." „Trevor, meine Mutter ist unten." „Sie unterhält sich mit Jimmy." „Nun ... wahrscheinlich hätte niemand was dagegen, wenn wir ..." Sie schnappte nach Luft, als er sich an sie presste, und sagte dann sehr leise: „Ich liebe dich, Trevor McQuillen." In diesem Augenblick begann George zu niesen. „Auch das noch!" schimpfte Christy. „Glaubst du, er ist allergisch gegen Rosen?" „Wo soll ich die Kerzen hinräumen, Christy?" rief Jimmy. „He, Trev, haben Sie noch ein Verlängerungskabel?" Das Telefon klingelte. Als der Anrufbeantworter sich einschaltete, hörten sie eine vertraute Stimme: „Ich bin's, Vivian!" Trevor zog die Decke über ihre Köpfe, um die Welt so weit wie möglich auszusperren. „Willst du mich heiraten, Christy?" „Du machst mir einen Antrag? Jetzt?" „Wenn du mitten in all dem Chaos Ja sagst, weiß ich, dass du mich wirklich haben willst." Sie lächelte. „Ich will dich." Er küsste sie stürmisch. „Wir sollten Vivian fragen, ob wir ihre Hütte für die Flitterwochen haben können." „Wir kämen vielleicht nie zurück." George nieste wieder. „Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen." Christy lachte, und Trevor küsste sie und fragte sich, wie sie darüber denken mochte, diesem Chaos noch ein paar Kinder hinzuzufügen. Jetzt war vielleicht nicht der richtige Moment, es zu erwähnen. Aber er hatte ja gelernt, sich zu gedulden. „Ich liebe dich", flüsterte sie. O ja, er konnte sogar sehr geduldig sein. - ENDE