C. G. JUNG
SYMBOLIK DES GEISTES Studien über psychische Phänomenologie mit einem Beitrag von Dr. phil. RIWKAH SCHÄRF
RASCHER VERLAG ZURICH
In der Form einzelner Untersuchungen gibt dieses Buch eine Darstellung der psychischen Phänomenologie des Geistes, und zwar zunächst von dessen Erscheinungsweise in Träumen und Märchen sowie in der Alchemie, deren Spekulationen unwillkürlich Psychologie bedeuten. In diesem Gebiete drückt sich der Geist durch naturhafte Symbole aus und läßt noch keine moralische Differenzierung erkennen. Letztere läßt sich hingegen deutlich in der Gestalt des Satans im Alten Testament
verfolgen, dem eine besondere Arbeit gewidmet ist. Ebenso wird die dem Prinzip des Bösen gegenüberstehende, christliche Trinitätssymbolik mit ihrer problematischen Beziehung zum Bösen untersucht. Zum Schluß illustriert die Analyse eines buddhistischen Meditationstextes die östliche Symbolik des Geistes.
Inhaltsangabe:
1. Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen 2. Der Geist Mercurius 3. Die Gestalt des Satans im Alten Testament. Von Riwkah Schärf 4. Versuch zu einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas 5. Zur Psychologie östlicher Meditation RASCHER
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ZÜRICH
Im gleichen Verlag sind erschienen:
C. G.]ung Die psychologische Diagnose des Tatbestandes Eine praktische Anwendung des Assoziationsexperimentes
Psychologische Typen Über die Psychologie des Unbewußten Die Frau in Europa Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten Das Geheimnis der goldenen Blüte Ein chinesisches Lebensbuch Uebersetzt und erläutert von Richard Wilhelm mit einem europäischen Kommentar von C. G. Jung.
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Wirklichkeit der Seele Anwendung und Fortschritte der neueren Psychologie mit Beiträgen von Hugo Rosenthal, Emma Jung, W. M. Kranefeldt.
Psychologie und Religion Erweiterte deutsche Fassung der Terry Lectures, gehalten 1937 an der Yale University. RASCHER
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SYMBOLIK DES GEISTES Studien über psychische Phänomenologie mit einem Beitrag von Dr. phil. RIWKAH SCHÄRF
MCMXLVIII RASCHER
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ZÜRICH
Psychologische Abhandlungen Band VI Herausgegeben von
C. G. JUNG
1.-3. Tausend Nachdruck verboten Alle Rechte, insbesondere die Uebersetzungs· und Senderechte, vorbehalten Copyright 1948 by Rascher & Cie. AG., Verlag, Zürich Verlagsnumroer: 1878
Druck: Tschudi & Co., Glarus Printed in Switzerland
Spiritus enim omnia scrutatur, etiam profunda Dei. I. Cor. II. 10
Vorwort Der vorliegende VI. Band der »Psychologischen Abhandlungen< enthält fünf Aufsätze, die sich mit der Symbolik des Geistes beschäftigen: eine Untersuchung über den Satan im Alten Testament von Dr. phil. R. Schärf und vier Aufsätze aus meiner Feder. Der erste Aufsatz »Zur Phänomenologie des Geistes« gibt einen kurzen Abriß über den Archetypus des »Geistes«, d. h. eine Beschreibung der Art und Weise jener Phantasiegestalten, welche, in Träumen und in Märchen auftretend, die Rolle desjenigen Motives spielen, welches sich so verhält, daß man es als »Geist~ auffassen muß. Ebenso wird an Beispielen erörtert, zu welchen dramatischen Verwicklungen das Auftreten dieses Motives führt. Der zweite Aufsatz schildert, wie der natürliche Typus »Geist< sich in der mittelalterlichen Naturphilosophie der Alchemisten als »Geist Mercurius« ausgewirkt hat. Es ist nämlich, wie an Hand der Originaltexte nachgewiesen wird, eine Geistgestalt entstanden, die in einem charakteristischen Gegensatz zu der zeitgenössischen, christlichen Auffassung des Geistes steht. Der dritte Beitrag, von Dr. R. Schärf, bringt eine Entwicklungsgeschichte des widergöttlichen Geistes, des Satan, wie sie die Texte des Alten Testamentes enthalten. Der vierte Essay, »Versuch zu einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas«, bringt eine kurze Darstellung der Entwicklungsgeschichte der trinitarischen Idee in vor- und nachchristlicher Zeit und sodann eine Zusammenstellung von psychologischen Gesichtspunkten und Ueberlegungen, welche vom Standpunkt der komplexen Psychologie aus für ein verstandesmäßiges Begreifen der Trinitätsidee in VII
Frage kommen. Es ist selbstverständlich, daß bei einer derartigen Erörterung metaphysische Gesichtspunkte außer Betracht fallen, denn innerhalb des Aufgabenkreises einer wissenschaftlichen Psychologie kann eine als »metaphysisch« bezeichnete Vorstellung nur die Bedeutung eines psychischen Phänomens beanspruchen. Ebenso maßt sich die Psychologie keinerlei Kompetenz an, irgend etwas »Metaphysisches<, d. h. über ihren Bereich Hinausgehendes, von ihrem Gegenstande auszusagen. Insofern - und nur insofern- die Trinität nicht nur ein Glaubensgegenstand, sondern darüber hinaus noch eine in den Bereich der Psychologie fallende, menschliche Vorstellung ist, kann sie einer wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen werden. Damit istder Glaubensgegenstand in keinerlei Weise berührt. Der Leser wird wohl daran tun, sich diese Einschränkung des Themas bei der Lektüre stets vor Augen zu halten. Der letzte Beitrag endlich enthält die Darstellung und Analyse eines chinesischen, aber ursprünglich indischen Textes, welcher einen Meditationsweg zur Erlangung der Buddhaschaft beschreibt. Ich habe diesen Aufsatz mit Absicht beigefügt, um meinem Leser, zur Ergänzung des Gemäldes, auch einen östlichen Aspekt desselben zu zeigen. Es bleibt noch übrig, hier einen Irrtum zu berichtigen: In meinem Buch »Die Psychologie der Uebertragung< (Vorrede p. XI) habe ich versprochen, mein neues Werk »Mysterium Coniunctionis« als VI. Band der »Psychologischen Abhandlungen< zu veröffentlichen. Infolge von Krankheiten und andern Ursachen mußte ich meinen Plan ändern und lasse daher die »Symbolik des Geistes< als Band VI erscheinen. Die oben erwähnte Schrift wird erst später zum Druck gelangen. Im
VIII
Juni
1947.
C.G.]unß
Inhalt Seite
I
Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen Vorwort 1. Ueber das Wort :.Geist< 2. Die Selbstdarstellung des Geistes in den Träumen 3. Der Geist im Märchen . 4. Die theriomorphe Symbolik des Geistes im Märchen . Nachtrag 5. Anhang . 6. Schlußwort
3 5 13 17 34 50 52 65
II Der Geist Mercurius I. Teil
Kapitel 1. Das Märchen vom Geist in der Flasche . 2. Erläuterungen zu Wald und Baum > 3. Der Geist in der Flasche > 4. Die Beziehung des Geistes zum Baume . > 5. Das Problem der Freilassung des Mercurius >
71 72 ' 75 79 83
II.Teil Kapitel 1. Vorbemerkungen . 2. Der Mercurius als Quecksilber resp. Wasser > 3. Der Mercurius als Feuer . >
86
90 ' 92
IX
Seite
Kapitel 4. Der Mercurius als Geist und Seele A. Mercurius als Luftgeist B. Mercurius als Seele C. Mercurius als Geist in unkörperlichem, metaphysischem Sinne » 5. Mercurius als Doppelnatur » 6. Mercurius als Einheit und Dreiheit . ?. Die Beziehungen des Mercurius zur Astrolo» gie und zur Archontenlehre . » 8. Mercurius und der Gott Hermes . 9. Der Geist Mercurius als die Arcansuhstanz 10. Zusammenfassung » })
95 96 98 100 103 108 113 120 126 128
III Die Gestalt des Satans im Alten Testament Von Dr.phil. Rirokah Schärf Einleitung
.
1. Fragestellung und Methode
2. Der Stand der Bearbeitung des Problems
I. Der Begriff >Satane und seine Entwicklung im Alten Testament 1. Etymologie des Wortes >Satane: . 2. Der Begriff >Satane: im profanen Bereich 3. Der Begriff des Satans im metaphysischen Bereich
X
153 153 15?
1?5 1?5 185 190
II. Der mal'äk ]ahroe als Satan in der Bileam-Erzählung Nu 22, 22 ff. .
206
1. Vorkommen und theologische Bedeutung des mal'äk ]ahroe im Alten Testament 2. Der mal'äk ]ahroe in Nu 22, 22 ff.
20? 222
Seite
UI. Der Satan als einer der bene ha-'elohlm im HiobBuch (1, 6-12 und 2, 1-7) • 1. Das Alter der Vorstellung . 2. Das Alter des Textes .
229 229 247
3. Vorkommen und Wesen der bene hii-'elöhlm im Alten Testament 4. Der Satan als einer der bene hii-'elohlm im Hiob-Buch (1, 6-12 und 2, 1-7) • 5. Babylonische Züge im Bilde des Hiob-Satans .
274 292
IV. Der Satan als Gegenspieler des mal'ak ]ahme in Sach 3, 1 ff. .
297
V. Der Satan als selbständiger Dämon in 1 Ch 21, 1
307
251
IV Versuch zu einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas Vorbemerkung . I. Vorchristliche Parallelen zur Trinitätsidee . 1. Babylonien 2. Aegypten 3. Griechenland U. Vater, Sohn und Geist UI. Die Symbola . 1. Das Symbolum Apostolicum
323 327 327 331 334 350 361
2. Das Symbolum des Gregorius Thaumaturgus 3. Das Nicaenum .
365 366 368
4. Das Nicaeno-Constantinopolitanum, das Athanasianum und das Lateranense .
369
XI
Seite
IV. Die drei Personen in psychologischer Beleuchtung . 1. Die Hypothese des Archetypus 2. Christus als Archetypus 3. Der Heilige Geist . V. Das Problem des Vierten . 1. Die Idee einer Vierheit 2. Die Psychologie der Quaternität . 3. Allgemeines zur Symbolik
VI. Schlußbetrachtung
373 373 379 386 395 395 417 427 435
V Zur Psychologie östlicher Meditation Zur Psychologie östlicher Meditation .
449
Autoren-, Text- und Sachregister Von Lena Hurroitz-Eisner
Autoren- und Textregister Sachregister
XII
474 481
I
Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen
Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen 1
Vorwort Es gehört zu den unverbrüchlichen Spielregeln der Naturwissenschaft, ihren Gegenstand immer nur insofern als bekannt vorauszusetzen, als die Forschung wissenschaftlich Gültiges über ihn auszusagen weift In diesem Sinne gültig aber ist nur, was durch Tatsachen bewiesen werden kann. Der Gegenstand der Forschung ist die natürliche Erscheinung. In der Psychologie gehört zu den wichtigsten Phänomenen die Aussage, und insbesondere deren formale und inhaltliche Erscheiuungsweise, wobei letzterem Aspekt in Ansehung des Wesens der Psyche wohl die größere Bedeutung zukommt. Die Aufgabe, die sich jeweils zuerst stellt, ist die Beschreibung und Ordnung der Vorkommnisse, sodann folgt die genauere Untersuchung auf die Gesetzmäßigkeit ihres lebendigen Verhaltens. Die Frage nach der Substanz des Beobachteten ist in der Naturwissenschaft nur dort möglich, wo sich ein archimedischer Punkt außerhalb findet. Für die Psyche fehlt ein solcher Standpunkt auflerhalb, weil ja nur die Psyche die Psyche beobachten kann. Infolgedessen ist die Erkenntnis der psychischen Substanz unmöglich, wenigstens für unsere jetzigen Mittel. Damit ist keineswegs ausgeschlossen, daß die Atomphysik der Zukunft uns nicht doch noch den archimedischen Punkt liefern kann. Vorderhand wird aber auch unsere feinste Erklügelung nicht mehr feststellen können, als was sich im Satz ausdrücken läßt: so verhält 1 Diese Schrift ist die Erweiterung eines Vortrages, gehalten an der Eranos-Tagung 1945. Erstmals gedruckt im EranosJahrbuch 1945 unter dem Titel »Zur Psychologie des Geistes«.
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sich die Psyche. Von der Frage nach der Substanz aber wird der ehrliche Forscher höflich oder ehrfurchtsvoll die Finger lassen. Ich glaube, daß es nicht überflüssig ist, meinen Leser um die ebenso notwendige wie freiwillige Selbstbeschränkung der Psychologie wissen zu lassen, damit er nämlich in der Lage ist, den durchaus nicht immer begriffenen phänomenologischen Standpunkt der modernen Psychologie zu verstehen. Dieser Standpunkt schließt das Vorhandensein von Glauben, Ueberzeugung und Gewißheitserlebnissen aller nur möglichen Arten nicht aus, noch bestreitet er deren mögliche Gültigkeit. So groß deren Bedeutung für das individuelle sowohl wie für das kollektive Leben sein mag, so fehlen der Psychologie doch alle Mittel, um deren Gültigkeit in wissenschaftlichem Sinne zu erweisen. Man kann dieses Unvermögen der Wissenschaft beklagen; man befähigt sie aber damit nicht, sich über den eigenen Kopf zu springen.
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1. Ueher das Wort »Geist« Das deutsche Wort »Geist< besitzt einen dermaßen großen Anwendungsbereich, daß es eine gewisse Mühe verursacht, sich zu vergegenwärtigen, was alles damit gemeint ist. Als Geist bezeichnet man jenes Prinzip, das im Gegensatz zur Materie steht. Darunter denkt man sich eine immaterielle Substanz oder Existenz, die auf höchster und universalster Stufe »Gott< genannt wird. Man stellt sich diese immaterielle Substanz auch als Träger des psychischen Phänomens oder gar des Lebens vor. Im Widerspruch zu dieser Auffassung steht der Gegensatz Geist-Natur. Hier ist der Begriff des Geistes auf das Ueber- oder Gegennatürliche eingeschränkt und hat die substantielle Beziehung zu Seele und Leben verloren. Eine ähnliche Einschränkung bedeutet die Auffassung S p i n o z a s , daß der Geist ein Attribut der Einen Substanz sei. Noch weiter geht der Hylozoismus, der den Geist als Eigenschaft des Stoffes versteht. Eine allgemein verbreitete Anschauung faßt den Geist als ein höheres, die Seele aber als ein niedrigeres Tätigkeitsprinzip auf, und umgekehrt gilt bei gewissen Alchemisten der Geist als ligamentum animae et corporis, wobei letzterer offenbar als spiritus vegetativus (der spätere Lebensoder Nervengeist) gedacht ist. Ebenso allgemein ist die Auffassung, daß Geist und Seele wesentlich dasselbe und deshalb nur willkürlich zu trennen seien. Bei W u n d t gilt Geist als »das innere Sein, wenn dabei keinerlei Zusammenhang mit einem äußeren Sein in Rücksicht fällt«. Bei andern wird der Geist auf gewisse psychische Vermögen oder Funktionen oder Eigenschaften be2 Jung: Symbolik des Geistes
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schränkt, wie Denkfähigkeit und Vernunft gegenüber dem mehr »seelischen« Gemüte. Bei diesen bedeutet der Geist die Gesamtheit der Phänomene des rationalen Denkens, resp. des Intellektes, inkl. Wille, Gedächtnis, Phantasie, Gestaltungskraft und durch ideale Motive bedingte Strebungen. Eine weitere Bedeutung von Geist ist die von »Geistreichsein«, worunter ein vielfältiges, reichhaltiges, einfallsreiches, brillantes, witziges und überraschendes Funktionieren des Verstandes gemeint ist. Ferner wird als Geist eine gewisse Einstellung oder deren Prinzip bezeichnet, z. B. man erzieht »im Geiste Pestalozzis«, oder »der Geist von Weimar ist das unvergängliche deutsche Erbe«. Ein Spezialfall ist der Zeitgeist, welcher das Prinzip und Motiv gewisser Auffassungen, Urteile und Handlungen kollektiver Natur darstellt. Es gibt des weiteren einen sogenannten objektiven Geist, unter welchem man den gesamten Bestand menschlicher Kulturschöpfungen insbesondere intellektueller und religiöser Natur versteht. Der Geist, als Einstellung verstanden, hat, wie der Sprachgebrauch zeigt, unverkennbare Neigungen zur Personifikation: Der Geist Pestalozzis kann auch in konkretistischem Sinne dessen Geist, d. h. dessen imago oder Gespenst sein, so wie die Geister von Weimar die persönlichen Geister von Goethe und Schiller sein können, denn Geist heißt immer auch noch der Spuk, d. h. die Seele eines Verstorbenen. Der »kühle Geisterhauch« weist einerseits auf die Urverwandtschaft der ~ux~ mit ~uxpoc; und ~uxoc:, die beide kalt bedeuten, andererseits auf die ursprüngliche Bedeutung von 1weupa., welches nichts anderes als »bewegte Luft« bezeichnet, wie auchanimusund animamit avepoc: (Wind) zu tun haben. Das deutsche Wort »Geist« hat wohl mehr mit Aufschäumendem und Aufbrausendem zu tun, weshalb einerseits eine Verwandtschaft mit Gischt, Giischt, gheest, andererseits mit dem emotionalen aghast nicht
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von der Hand zu weisen ist. Die Emotion wird ja seit Urzeiten als Besessenheit aufgefaßt, und darum sagt man heute noch, von einem Jähzornigen z. B., er sei vom Teufel oder einem bösen Geist besessen oder geritten oder ein solcher sei in ihn gefahren 2 • Wie die Totengeister und -seelen nach alter Anschauung von feinstofflicher Beschaffenheit gleich einem Lufthauch oder einem Rauch sind, bedeutet auch bei den Alchemisten der spiritus eine subtile, volatile, aktive und belebende Essenz, als welche z. B. der Alkohol verstanden wurde, sowie sämtliche Arcansubstanzen. Geist auf dieser Stufe ist Weingeist, Salmiakgeist, Ameisengeist usw. Dieses Viertelhundert von Bedeutungen und Bedeutungsnuancen des Wortes »Geiste: erschwert einerseits dem Psychologen die begriffliche Abgrenzung seines Gegenstandes, andererseits erleichtert es ihm die Aufgabe, seinen Gegenstand zu beschreiben, da die vielen verschiedenen Aspekte ein anschauliches Bild des Phänomens vermitteln. Es handelt sich um einen funktionalen Komplex, der ursprünglich, auf primitiver Stufe, als eine unsichtbare, hauchartige Gegenwart - a presence - empfunden wurde. W i ll i a m J a m e s hat in seinen »Varieties of Religions Experiencec: dieses Urphänomen anschaulich geschildert. Ein allbekanntes Beispiel ist auch der Wind des Pfingstwunders. Für die primitive Erfahrung liegt die Personifikation der unsichtbaren Präsenz als Spuk oder Dämon unmittelbar nahe. Die Seelen oder Geister der Verstorbenen sind dasselbe wie die psychische Tätigkeit des Lebenden; sie setzen dieselbe fort. Die Auffassung, daß die Psyche ein Geist sei, ist damit ohne weiteres gegeben. Wenn daher im Individuum sich etwas Psychisches ereignet, das es als zu ihm selber gehörig empfindet, so ist das 2 Dazu meine Ausführungen in :.Geist und Leben< in: Seelenprobleme der Gegenwart. 1931, p. 369 ff.
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sein eigener Geist. Geschieht ihm aber etwas Psychisches, das ihm fremdartig erscheint, so ist das ein anderer Geist, der vielleicht eine Besessenheit veranlaßt. Der Geist im ersteren Falle entspricht der subjektiven Einstellung, im letzteren der öffentlichen Meinung, dem Zeitgeist oder der ursprünglichen, noch nicht menschlichen, anthropoiden Disposition, die man auch als das Unberou{Jte bezeichnet. Entsprechend der ursprünglichen Windnatur des Geistes ist letzterer stets das aktive, beflügelte und bewegte sowohl wie das belebende, anregende, aufreizende, anfeuernde, inspirierende Wesen. Der Geist ist, modern ausgedrückt, das Dynamische, und darum formiert er den klassischen Gegensatz zum Stoff, nämlich zu dessen Statik, Trägheit und Unbelebtheit. Es ist in letzter Linie der Gegensatz zwischen Leben und Tod. Die spätere Differenzierung dieses Gegensatzes führt zu der eigentlich merkwürdigen Gegenüberstellung von Geist und Natur. Indem der Geist das essentiell Belebte und Belebende ist, kann man die Natur doch nicht als ungeistig oder tot empfinden. Es muß sich also um die (c1.ristliche) Voraussetzung eines Geistes handeln, dessen Leben demjenigen der Natur so sehr überlegen ist, daß letztere sich zu ihm wie Tod verhält. Diese spezielle Entwicklung der Anschauung vom Geiste beruht auf der Erkenntnis, daß die unsichtbare Präsenz des Geistes ein psychisches Phänomen, d. h. der eigene Geist sei, und daß dieser nicht nur aus Lebensaufwallungen, sondern auch aus inhaltlichen Gebilden bestehe. Unter ersteren treten besonders hervor jene Abbilder und Vorbilder, welche das innere Gesichtsfeld erfüllen, und unter letzteren ist es Denken und Vernunft, welche die Bilderwelt ordnen. So hat sich ein U ebergeist dem ursprünglichen, natürlichen Lebensgeist superpaniert und sich zu letzterem sogar als zu etwas bloß Natürlichem in Gegensatz gestellt. Der Uebergei.st wurde zum übernatürlichen und überweltlichen, kosmischen Ordnungsprinzip, 8
und als solchem wurde ihm die Bezeichnung »Gott< gegeben, oder er wurde wenigstens zu einem Attribut der Einen Substanz (wie bei Spin o z a) oder zu einer Person der Gottheit (wie im Christentum). Die entsprechende Entwicklung des Geistes in um-, gekehrter, hylozoistischer Richtung, also a maiori ad minus, fand unter antichristlichem Vorzeichen im Materialismus statt. Voraussetzung zu dieser Rückbildung ist die bis zur ausschließlichen Gewißheit gelangte Identität des Geistes mit psychischen Funktionen, deren Abhängigkeit von Gehirn und Stoffwechsel immer deutlicher wurde. Man mußte der »Einen Substanz« nur noch einen andern Namen geben und sie »Materie« benennen, um den Begriff eines Geistes zu erzeugen, welcher von der Ernährung und der Umwelt unbedingt abhing, und dessen Höchstform der Intellekt, resp. der Verstand war. Damit war die ursprünglich hauchartige Präsenz anscheinend ganz in den Bereich der menschlichen Physiologie geraten, und ein K l a g es konnte seine Anklage gegen den »Geist als Widersacher der Seele« vorbringen. In letzteren Begriff nämlich hatte sich die Urspontaneität des Geistes zurückgezogen, nachdem dieser zum unfreien Attribut des Stoffes herabgesunken war. lrgendwo mußte ja die dem Geiste eigentümliche Qualität des deus ex machina erhalten bleiben - wenn nicht bei ihm, so doch bei seinem ursprünglichen Synonym, der Seele, dem buntschillernden 8 , schmetterlingsartigen Hauchwesen (anima, -.fux~). Wenn schon nicht überall die materialistische Auffassung des Geistes durchdrang, so blieb doch dessen Begriff außerhalb der religiösen Sphäre, im Raume der Bewuf!tseinsphänomene hängen. Geist als »subjektiver Geist< 3 Seele, urgerm. saiwalö, ist vielleicht mit aloJ...o<;; (buntschillernd, bewegt, veränderlich) verwandt. Dieses hat auch die Bedeutung von listig und täuschend, womit die alchemistische Definition der anima als Mercurius eine gewisse W ahrscheinlichkeit erhielte.
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wurde zur Bezeichnung des endopsychischen Phänomens schlechthin, während »objektiver Geist« nicht etwa den Universalgeist oder die Gottheit bedeutete, sondern die Gesamtheit intellektueller Kulturgüter, welche unsere menschlichen Institutionen und den Inhalt unserer Bibliotheken ausmachen. Der Geist hat seine urtümliche Wesenheit, seine Autonomie und Spontaneität in weitestem Umfange eingebüßt, mit der einzigen Ausnahme des religiö~ sen Gebietes, allwo ihm sein Urcharakter wenigstens im Prinzip erhalten blieb. In diesem Resurne ist eine Wesenheit beschrieben, die sich als unmittelbar psychisches Phänomen präsentiert, im Gegensatz zu andern Psychismen, deren Existenz für die naive Anschauung kausal auf physischen Einwirkungen beruht. Eine Beziehung des Geistwesens zu physischen Bedingungen ist nicht ohne weiteres ersichtlich, weshalb dem geistigen Phänomen lmmaterialität zugeschrieben wird und zwar in noch höherem Maße, als dies bei der im engern Sinne seelischen Erscheinung der Fall ist. Letzterer wird nicht nur eine gewisse Abhängigkeit von der Physis, sondern selbst eine gewisse Stofflichkeit zugedacht, wie dies die Idee des subtle body und die chinesische Anschauung von der gui-Seele zeigen. Bei der innigen Verbindung gewisser noch psychischer Vorgänge mit physischen Parallelerscheinungen läßt sich eine totale Unstofflichk~it des Seelischen nicht wohl denken. Im Gegensatz dazu insistiert der consensus omnium auf der lmmaterialität des Geistes, wobei ihm allerdings nicht alle auch eine eigene Substanzialität zubilligen. Es ist aber nicht leicht einzusehen, warum die hypothetische Materie, die heute schon ganz anders aussieht als noch vor dreißig Jahren, allein real sein soll, der Geist aber nicht. Obschon der Begriff der lmmaterialität an sich den der Realität keineswegs ausschließt, so verbindet die laienhafte Anschauung doch stets Wirklichkeit mit Stofflichkeit. Geist und Materie sind wohl Formen eines an sich transzendentalen Seins. So sagen die 10
T antristen z. B. mit ebenso großem Recht, daß der Stoff nichts anderes sei als die Bestimmtheit der Gedanken Gottes. Die einzige unmittelbare Wirklichkeit ist die psychische der Bewußtseinsinhalte, die als geistiger oder materieller Herkunft gewissermaßen etikettiert sind. Dem geistigen Wesen eignet erstens ein spontanes Bewegungs- und Tätigkeitsprinzip, zweitens die Eigenschaft der freien Bilderzeugung jenseits der Sinneswahrnehmung, und drittens die autonome und souveräne Manipulation der Bilder. Dieses Wesen steht dem primitiven Menschen gegenüber, gerät aber mit zunehmender Entwicklung in den Bereich des menschlichen Bewußtseins und wird zu einer Funktion, welche ersterem unterstellt ist, womit sein ursprünglicher Charakter der Autonomie anscheinend verloren geht. Letzterer wird nur noch von den konservativsten Anschauungen, nämlich von den Religionen, festgehalten. Der Herabstieg des Geistes in die Sphäre des menschlichen Bewußtseins drückt sich aus im Mythus vom göttlichen uoüc:, der in die Gefangenschaft der ~uuec: gerät. Dieser Prozeß, der sich über die Jahrtausende erstreckt, ist wohl eine unabwendbare Notwendigkeit, welcher gegenüber die Religionen sich auf verlorenem Posten befänden, wollten sie an den Versuch glauben, die Entwicklung aufhalten zu können. Es ist aber gar nicht deren Aufgabe, wenn sie wohlberaten sind, den unvermeidlichen Gang der Dinge zu hindern, sondern im Gegenteil diesen so zu gestalten, daß er ohne fatale Schädigungen der Seele verlaufen kann. Die Religionen sollen daher immer wieder an den Ursprung und den ursprünglichen Charakter des Geistes erinnern: damit der Mensch nie vergesse, was er in seine Sphäre hineinzieht und womit er sein Bewußtsein erfüllt. Er hat den Geist ja nicht selber erschaffen, sondern dieser macht, daß er erschafft; er gibt ihm den Antrieb und den glücklichen Einfall, die Ausdauer, die Begeisterung und die Inspiration. Aber er dringt so ins menschliche Wesen ein, daß der Mensch in schwerster Ver11
suchung steht, zu glauben, daß er selber der Erschaffer des Geistes sei und daß er ihn habe. In Wirklichkeit aber nimmt das Urphänomen des Geistes den Menschen in Besitz und zwar genau so, wie die physische Welt zwar anscheinend das willfährige Objekt menschlicher Absichten ist, in Wirklichkeit aber die Freiheit des Menschen in tausend Bande schlägt und zur obsedierenden idee-force wird. Der Geist bedroht den naiven Menschen mit Inflation, wofür unsere Zeit wohl die lehrreichsten Beispiele geliefert hat. Die Gefahr wird um so größer, je mehr das äußere Objekt das Interesse fesselt, und je mehr man vergißt, daß mit der Differenzierung unserer Beziehungen zur Natur eine solche der Beziehung zum Geiste Hand in Hand gehen sollte, um das nötige Gleichgewicht zu schaffen. Steht dem äußeren Objekt nicht das innere gegenüber, so entsteht ein hemmungsloser Materialismus, gekoppelt mit wahnhafter Selbstüberhebung oder mit einer Auslöschung der autonomen Persönlichkeit, was sowieso das Ideal des totalen Massenstaates ist. Wie man bemerkt, stimmt der allgemeine moderne Begriff des Geistes schlecht zur christlichen Anschauung, insofern diese den Geist als summum bonum, als Gott selber, auffaßt. Allerdings besteht auch der Begriff eines bösen Geistes. Aber auch damit läßt sich der moderne Geistbegriff nicht zur Deckung bringen, indem letzterer nicht notwendigerweise böse ist; vielmehr muß er moralisch indifferent oder neutral genannt werden. Wenn die Schrift sagt: »Gott ist Geist«, so klingt es wie die Definition einer Substanz oder wie eine Qualifizierung. Dem Teufel aber kommt allem Anschein nach die gleiche Eigentümlichkeit einer geistigen Substanz zu, obschon einer bösen tmd verderbten. Die ursprüngliche Identität der Substanz drückt sich noch im Gedanken des Engelsturzes aus, sowohl wie in der nahen Beziehung von Jahwe und Satan im Alten Testament. Eine Nachwirkung dieser primitiven Beziehung dürfte wohl auch die Bitte des Vaterunser sein: 12
"Führe uns nicht in Versuchung«, wo dies doch das eigentliche Geschäft des Versuchers, des Teufels selber, ist. Damit kommen wir nun zu einer Frage, die wir im bisherigen Verlauf unserer Betrachtung noch gar nicht aufgeworfen haben. Wir haben ja erst die kulturgeschichtlichen und landläufigen Auffassungen, welche aus dem menschlichen Bewußtsein und dessen U eberlegungen hervorgegangen sind, herangezogen, um uns ein Bild von der psychischen Erscheinungsweise des Faktors »Geist« zu machen. Wir haben aber nicht berücksichtigt, daß der Geist kraft seiner ursprünglichen, auch psychologisch nicht zu bezweifelnden Autonomie 4 durchaus in der Lage ist, sich selbst zu offen-
baren.
2. Die Selbstdarstellung des Geistes in den Träumen Die psychische Erscheinung des Geistes weist ohne weiteres darauf hin, daß sie archetypischer Natur ist, d. h. das Phänomen, das man Geist nennt, beruht auf der Existenz eines autonomen Urbildes, das vorbewußt in der Anlage der menschlichen Psyche universell vorhanden ist. Wie in allen ähnlichen Fällen bin ich diesem Problem bei meinen Patienten begegnet, und zwar bei der Erforschung ihrer Träume. Es ist mir zunächst aufgefallen, daß eine gewisse Art von Vaterkomplex einen sozusagen »geistigen« Charakter hat, d. h. vom Bilde des Vaters gehen Aussagen, Handlungen, Tendenzen, Antriebe, Meinungen usw. aus, denen man das Attribut "geistig« wohl nicht verwehren 4 Auch wenn man der Auffassung ist, dafl eine Selbstoffenbarung des Geistes, z. B. eine Geistererscheinung, nichts sei als eine Halluzination, so ist diese dennoch ein spontanes (unserer Willkür nicht unterworfenes) psychisches Geschehen. Es ist auf alle Fälle ein autonomer Komplex, was für unsere Zwecke völlig genügt.
13
kann. Bei Männem führt ein positiver Vaterkomplex nicht selten zu einer gewissen Autoritätsgläubigkeit und zu einer ausgesprochenen Unterwerfungsbereitschaft gegenüber allen geistigen Satzungen und Werten, bei Frauen zu lebhaften geistigen Aspirationen und Interessen. In den Träumen ist es eine Vaterfigur, von der entscheidende Ueberzeugungen, Verbote und Ratschläge ausgehen. Die Unsichtbarkeit dieser Quelle wird oft dadurch betont, daß sie nur aus einer autoritären Stimme besteht, welche endgültige Urteile fällt 5 • Es ist darum meist die Figur eines alten Mannes, welche den Faktor »Geist« symbolisiert. Gelegentlich ist es auch ein »eigentlicher« Geist, nämlich der eines Verstorbenen, der diese Rolle spielt. Seltener sind es groteske, heinzelmännchenartige Figuren oder sprechende und wissende Tiere, welche den Geist bedeuten. Die Zwergformen finden sich, wenigstens nach meiner Erfahrung, hauptsächlich bei Frauen, weshalb es mir als logisch erscheint, wenn B a r l a c h im »Toten Tag« der Mutter die gnomenhafte Figur des »Steißbartes« so zuschreibt, wie Bes der Muttergöttin von Kamak zugeordnet ist. Der Geist kann bei beiden Geschlechtern auch in der Gestalt eines Knaben oder Jünglings auftreten. Bei Frauen entspricht diese Figur einem sogenannten »positiven« Animus, welcher die Möglichkeit einer bewußten geistigen Unternehmung andeutet. Bei Männem ist diese Gestalt nicht so eindeutig. Sie kai:m positiv sein und hat dann die Bedeutung der :.höheren« Persönlichkeit, des Selbst oder des filius regius, wie die Alchemisten ihn auffassen 6 • Er kann aber auch negativ sein und bedeutet dann den infantilen Schatten 7 • In beiden Fällen stellt der Knabe einen gewissen 5 Ein entsprechender Fall ist dargestellt in: Psychologie und Alchemie. 1944, p. 79 ff. 8 Die Vision vom >nackten Knaben< bei Meister Eckh a r t gehört hieher. 7 Ich erinnere an die :.Knaben< in der Novelle von B r u n o G o e t z : Das Reich ohne Raum.
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Geist dar 8 • Greis und Knabe gehören zusammen. Dieses Paar spielt auch in der Alchemie eine beträchtliche Rolle als Symbol des Mercurius. Es ist nie mit hundertprozentiger Sicherheit festzustellen, daß die Geistfiguren der Träume moralisch gut sind. Oefters haben sie alle Anzeichen nicht nur der Zweideutigkeit, sondern auch der Boshaftigkeit. Ich muß aber betonen, daß der große Plan, nach dem das unhewußte Leben der Seele konstruiert ist, sich unserer Einsicht so sehr entzieht, daß wir nie wissen können, welches Böse notwendig ist, um durch Enantiodromie ein Gutes herbeizuziehen, und welches Gute zum Bösen verführen wird. Das »probate spiritus«, das Paulus empfiehlt, kann oft beim besten Willen nichts anderes sein, als ein ebenso vorsichtiges wie geduldiges Abwarten, wie es schließlich herauskommt. Die Gestalt des alten Weisen kann nicht nur in Träumen, sondern auch in den Visionen der Meditation (oder der sogenannten »aktiven Imagination«) so plastisch hervortreten, daß sie, wie dies in Indien gelegentlich der Fall zu sein scheint, die Rolle einesguruübernimmt 9 • Der »alte Weise« erscheint in Träumen als Magier, Arzt, Priester, Lehrer, Professor, Großvater oder als irgendwelche Person, die Autorität besitzt. Der Archetypus des Geistes in Menschen-, Gnomen- oder Tiergestalt tritt jeweils in einer Situation auf, in welcher Einsicht, Verständnis, guter Rat, Entschluß, Plan usw. nötig wären, aber aus eigenen Mitteln nicht hervorgehracht werden können. Der Archetypus 8 Vgl. dazu das >göttliche Kind« in J u n g und K er e n y i : Einführung in das Wesen der Mythologie. 1941, p. 114 ff. 9 Daher die vielen Wundergeschichten der rishis und mahatmas. Ein gebildeter Inder, mit dem ich mich über das Wesen des guru unterhielt, antwortete mir auf meine Frage, wer sein guru gewesen sei: >Das war Sankarächärya (VIII. bis IX. Jahrhundert).< Erstaunt bemerkte ich: >Aber das ist ja der bekannte Kommentator.< Worauf er entgegnete: >Ja, das war er, aber natürlich sein Geist<, wobei ihn meine abendländische Beunruhigung nicht im geringsten störte.
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kompensiert diesen geistigen Mangelzustand durch Inhalte, welche die Lücke ausfüllen. Ein vortreffliches Beispiel ist der Traum vom weißen und schwarzen Magier, welcher die geistigen Schwierigkeiten eines jungen Theologiestudenten zu kompensieren suchte. Ich kenne den Träumer selbst nicht, so daß mein persönlicher Einfluß ausgeschlossen ist. Er träumte, er stehe vor einer erhabenen priesterlichen Gestalt, genannt der »weiße Magier<, obschon er in ein langes schwarzes Gewand gekleidet war. Dieser hatte eben eine längere Rede mit den Worten beendet: »Und dazu brauchen wir die Hilfe des schwarzen Magiers<. Da öffnete sich plötzlich die Tür, und ein anderer alter Mann trat herein, der »schwarze Magier<, der in ein weißes Gewand gekleidet war. Auch er war schön und erhaben. Der schwarze Magier wollte sichtlich zu dem weißen Meister sprechen, aber er zögerte, dies in Gegenwart des Träumers zu tun. Da sagte der weiße Meister zu ihm, auf den Träumer deutend: »Rede, er ist ein Unschuldiger.< Da begann der schwarze Magier eine seltsame Geschichte zu erzählen, wie er die verlorenen Schlüssel des Paradieses gefunden habe und nicht wisse, wie sie zu gebrauchen. Er sei, sagte er, zu dem weißen Magier gekommen, um eine Erklärung des Geheimnisses der Schlüssel zu erhalten. Er erzählte ihm, daß der König des Landes, in welchem er lebte, nach einem passenden Grabmal für sich suchte. Zufällig hätten seine Untertanen einen alten Sarkophag ausgegraben, der die sterblichen Reste einer Jungfrau enthielt. Der König öffnete den Sarkophag, warf die Gebeine weg und ließ den leeren Sarkophag wieder begraben, um ihn für späteren Gebrauch zu verwahren. Aber sobald die Gebeine ans Tageslicht gelangten, verwandelte sich das Wesen, zu dem sie einst gehörten - die Jungfrau nämlich in ein schwarzes Pferd, das in die Wüste entfloh. Der schwarze Magier verfolgte es durch die Wüste und darüber hinaus, und dort fand er nach vielen Wechselfällen und Schwierigkeiten die verlorenen Schlüssel des Paradieses. Damit 16
hörte seine Geschichte auf, und auch der Traum war leider zu Ende. Die Kompensation geschah hier allerdings nicht so, daß dem Träumer das überreicht worden wäre, was ihm als wünschenswert erschien, sondern er wurde mit einem Problem konfrontiert, welches ich oben andeutete, und welches das Leben immer wieder an uns heranbringt, nämlich die Unsicherheit der moralischen Bewertung, das verwirrende Zusammenspielen von Gut und Böse und die unerbittliche Verkettung von Schuld, Leiden und Erlösung. Dieser Weg zur religiösen Urerfahrung ist richtig, aber wie viele können ihn erkennen? Er ist eine leise Stimme und sie klingt von ferne. Sie ist zweideutig, zweifelhaft und dunkel, sie bedeutet Gefahr und Wagnis; ein unsicherer Pfad, den man nur um Gotteswillen gehen kann, ohne Gewißheit und ohne Sanktion.
3. Der Geist im Märchen Ich möchte meinem Leser gerne mehr von modernem Traummaterial vorlegen. Aber ich fürchte, daß der Individualismus der Träume viel zu hohe Anforderungen an die Darstellung erhebt und einen Raum beansprucht, der uns hier nicht zur Verfügung steht. Wir wenden uns darum lieber dem Folklore zu, wo wir den Konfrontationen und Wirrnissen der individuellen Kasuistik enthoben sind und die Variationen des Geistmotives betrachten können, ohne Rücksicht auf mehr oder weniger einmalige individuelle Bedingungen nehmen zu müssen. In Mythen und Märchen wie im Traume sagt die Seele über sich selber aus, und die Archetypen offenbaren sich in ihrem natürlichen Zusammenspiel, als »Gestaltung, Umgestaltung, des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung«. Der Häufigkeit, mit der der Typus des Geistes im Traume als alter Mann auftritt, entspricht ungefähr die17
: jenige im Märchen 10• Der alte Mann erscheint immer dann, wenn der Held sich in einer aussichtslosen und verzweifel' ten Situation befindet, aus der ihn nur gründliche Ueberlegung oder ein glücklicher Einfall befreien kann, also eine :geistige Funktion oder ein endopsychischer Automatismus. ' Da der Held aber aus äußeren und inneren Gründen diese Leistung nicht vollbringen kann, so tritt, den Mangel kompensierend, die nötige Erkenntnis in Form eines personifizierten Gedankens auf, eben in der Gestalt des rat- und hilfenringenden Alten. In einem estnischen Märchen 11 wird z. B. erzählt, wie ein mißhandelter Waisenknabe, dem beim Hüten eine Kuh entlaufen war, aus Furcht vor Strafe nicht mehr nach Hause zurückkehren wollte und auf gut Glück blindlings davonlief. Damit begab er sich in eine hoffnungslose Situation, in der kein Ausweg sichtbar war. Erschöpft fiel er in einen tiefen Schlaf. Als er erwachte, »kam es ihm vor, als ob er etwas Flüssiges im Munde gehabt habe, und er sah einen kleinen alten Mann mit langem, grauem Barte vor sich stehen, der im Begriffe war, den Spund wieder auf sein Milchfäßchen zu setzen. ,Gib mir noch zu trinken!' bat der Knabe. ,Für heute hast du genug', erwiderte der Alte, ,wenn mein Weg mich nicht zufällig hierher geführt hätte, so wäre es sicher dein letzter Schlaf gewesen, denn als ich dich fand, warst du schon halb tot.' Dann befragte der Alte den Knaben, wer er sei und wohin er wolle. Der Knabe erzählte alles, was er erlebt hatte, solange er sich erinnern konnte, bis zu den Schlägen von gestern abend. Da sagte der Alte: ,Mein liebes Kind! Dir ist es nicht besser noch schlimmer ergangen, als so manchen, deren liebe Pfleger und Tröster im Sarge unter der Erde ruhen. Zurückkehren kannst du nicht mehr. Da du einmal fortgegangen bist, so mußt du dir ein neues Glück in der Welt suchen. 10 Das Märchenmaterial, das ich hier benütze, verdanke ich der freundlichen Unterstützung durch Frau H. von Roques und Frl. Dr. M.-L. von Franz. 11 Finnische und estnische Volksmärchen, 1922. N r. 68, p. 208.
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Da ich weder Haus noch Hof, weder Weili noch Kind habe, so kann ich auch nicht weiter für dich sorgen, aber einen guten Rat will ich dir umsonst geben.'« Bis dahin spricht der Alte das aus, was der Knabe, der Held der Erzählung, sich auch hätte denken können. Wenn er dem Drange seines Affektes folgend einfach so ins Blaue davonläuft, so müflte er sich doch zum mindesten überlegen, daß er der Nahrung bedurfte. Sodann wäre es auch nötig gewesen, in einem solchen Moment über seine Lage nachzudenken. Dabei wäre ihm seine ganze bisherige Lebensgeschichte bis in die jüngste Vergangenheit eingefallen, wie das so zu gehen pflegt. Es handelt sich bei einer solchen Anamnese um einen zweckmäßigen Vorgang, welcher daraufzieH, in dem kritischen Moment, der alle geistigen und physischen Kräfte herausfordert, die ganze Persönlichkeit und ihren Besitzstand gewissermaßen zu versammeln, um mit diesen geeinten Kräften das Tor der Zukunft aufzustoßen. Niemand wird ihm dabei helfen, und er wird gänzlich auf sich gestellt sein. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Diese Einsicht wird seinem Handeln die nötige Entschiedenheit geben. Indem ihn der Alte zu dieser Realisierung veranlaßt, nimmt er ihm die Mühe des eigenen Denkens ab. Ja, der Alte ist selber dieses zweckmäßige Nachdenken und Konzentrieren der moralischen und physischen Kräfte, das sich dort, wo ein bewußtes Denken noch nicht oder 1 nicht mehr möglich ist, im außerbewußten psychischen i Raume spontan vollzieht. Der Konzentrierung und Spannung der psychischen Kräfte eignet etwas, das immer wieder wie Magie erscheint; sie entwickeln nämlich eine unerwartete Durchschlagskraft, welche der bewußten Willensleistung oft um ein Vielfaches überlegen ist. Man kann dies experimentell besonders im künstlichen Konzentrationszustand, in der Hypnose, beobachten: ich pflegte in meinen Kursen regelmäßig eine Hysterica von schwächlichem Körperbau im hypnotischen Tiefschlaf mit dem Hinterkopf auf den einen Stuhl und mit den Fersen, wie 19
ein Brett, auf den andern zu legen und sie etwa eine Minute so liegen zu lassen. Ihr Puls erhöhte sich allmählich bis auf 90. Ein kräftiger Turner unter den Studenten versuchte vergeblich, dieses Experiment mit bewußter Willensanstrengung nachzuahmen. Er knickte baldigst mit einem Puls von 120 zusammen. Als der kluge Alte den Jungen soweit versammelt hatte, konnte der gute Rat beginnen, d. h. die Situation erschien nicht mehr aussichtslos. Er riet ihm, ruhig weiter zu wandern, immer nach Osten, wo er nach sieben Jahren den großen Berg erreichen werde, welcher sein Glück bedeute. Das Große und Aufragende des Berges deutet die erwachsene Persönlichkeit an 12 • Aus der versammelten Kraft erwächst Gewißheit und damit die beste Garantie des Erfolges 18• So wird ihm nichts mehr mangeln. »Nimm meinen Brotsack und mein Fäßchen«, sagte der Alte, »du wirst darin täglich soviel Speise und Trank finden, als du bedarfst.« Ebenso gab er ihm ein Klettenblatt, das sich in ein Boot verwandeln konnte, wenn der Knabe über ein Gewässer setzen mußte. Oefters stellt der Alte in den Märchen die Frage nach ~em Wer, Warum, Woher und_ Wohin~', un1 d~m.ii die 12 Der Berg stellt das Ziel der Wanderschaft und des Aufstieges dar, darum bedeutet er psychologisch oft das Selbst. Der J-King beschreibt als Ziel: :.der König stellt ihn dem Westberg vor<. (Hexagramm 17. Sui, dieN achfolge.) Bei H o n o r i u s von Au tun (Spec. de Mysteriis Eccl. Mi g n e : Patr. Lat. vol. CLXXII, p. 345) heißt es: >Montes patriarchae et prophetae sunt.< R ich a r d von S. V i c t o r sagt: >Vis videre Christum ·transfiguratum? Aseende in montem istum, disce cognoscere te ipsum.< (Benjamin minor, Mi g n e : Patr. Lat. vol. CXCVI coll. 53-56.) 13 In dieser Hinsicht ist die Phänomenologie des Yoga besonders hervorzuheben. 14 Hiefür gibt es zahlreiche Beispiele: Spanische und Portugiesische Volksmärchen, 1940, p.158 u. 199. Russische Volksmärchen, 1914, p.149. Märchen aus dem Balkan, 1915, p. 64. Märchen aus Iran, 1939, p. 151. Nordische Volksmärchen, I, 1915, p. 231.
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Selbstbesinnung und Versammlung der moralischen Kräfte in die Wege zu leiten, und noch häufiger verleiht er die , nötigen Zaubermittel 15, d. h. die unerwartete und unwahr\ scheinliehe Erfolgskraft, welche eine Eigentümlichkeit der , geeinten Persönlichkeit im Guten und Bösen darstellt. Aber 1 ebenso unerläßlich scheint die Intervention des Alten, d. h. die spontane Objektivation des Archetypus, zu sein, da der bewußte Wille allein wohl kaum je imstande ist, die Persönlichkeit in dem Maße zu einigen, daß sie aufiergewöhn~ liehe Erfolgskraft erreicht. Dazu bedarf es nicht nur im Märchen, sondern im Leben überhaupt des objektiven Dazwischentretens des Archetypus, welcher das bloß affektive Reagieren durch eine Kette inrierer Konfrontationsund Realisierungsvorgänge stillstellt. Diese lassen das Wer, Wo, Wie, Wozu klar hervortreten und ermöglichen damit die Erkenntnis der momentanen Lage sowohl wie des Zieles. Die dadurch bewirkte Aufklärung und Entwirrung des Schicksalsknäuels hat oft etwas geradezu Zauberhaftes an sich, eine Erfahrung, die dem Psychotherapeuten nicht unbekannt ist. Die Tendenz des Alten, Ueberlegung zu veranlassen, äußert sich auch in der Form der Aufforderung, zuerst einmal »darüber zu schlafen<. So sagt er zu dem Mädchen, das seine verschwundenen Brüder sucht: »Leg dich hin: der Morgen ist klüger als der Abend 10.< Auch durchschaut er die dunkle Lage des in Bedrängnis geratenen Helden 15 Dem Mädchen, das seine Brüder sucht, gibt er einen Knäuel, der zu ihnen hinrollt. (Estnische Volksmärchen, 1922, p. 260.) Dem Prinzen, der das Himmelreich sucht, wird ein Kahn gegeben, der von selber fährt. (Deutsche Märchen seit Grimm, 1912, p. 381 f.) Ein anderes Geschenk ist eine Flöte, die alles tanzen macht (Märchen aus dem Balkan, p. 173), oder die wegeweisende Kugel und der unsichtbarmachende Stock (Nord. Volksmärchen, I, p. 97), oder wunderbare Hunde (I. c., p. 287), oder ein Buch mit geheimer Weisheit (Chines. Volksmärchen, 1913, p. 258). 18 Finnische und estnische Volksmärchen, Nr. 83, p. 260.
3 jung: Symbolik des Geistes
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oder weiß wenigstens jene Informationen zu verschaffen, welche diesem weiterhelfen. Zu letzterem Zwecke bedient er sich gerne der Hilfe der Tiere, insbesondere der Vögel. Dem Prinzen, der den Weg ins Himmelreich sucht, sagt der Einsiedel: »Ich wohne bereits seit dreihundert Jahren hier, aber noch hat mich keiner nach dem Himmelreich gefragt; ich kann es dir nicht sagen, aber droben, im andem Stock des Hauses wohnen allerlei Vögel, die können es dir jedenfalls sagen 17 .< Der Alte weiß, welche Wege zum Ziel führen und zeigt sie dem Helden 18• Er warnt vor kommenden Gefahren und gibt die Mittel, um diesen wirksam zu begegnen. Er belehrt z. B. den Knaben, der das Silberwasser holen will, daR die Quelle von einem Löwen bewacht sei, welcher die trügerische Eigenschaft habe, mit geöffneten Augen zu schlafen, mit geschlossenen Augen aber zu wachen 19 , oder er rät dem Jungen, der zu einer magischen Quelle reiten will, um dort den Heiltrank für den König zu holen, das Wasser nur im Trab zu schöpfen, weil dort Hexen lauern, welche nach allen, die zur Quelle kommen, den Lasso werfen 20 • Er läßt die Prinzessin, die ihren, in einen Werwolf verwandelten Liebsten sucht, ein Feuer machen und einen Kessel mit Teer daraufsetzen. Dann muß sie ihre geliebte weiße Lilie in den kochenden Teer werfen, und als der Werwolf kommt, heißt er sie den Kessel dem Wolfe über den Kopf stülpen, wodurch ihr Liebster entzaubert wird 21 • Gelegentlich zeichnet sich der Alte durch sein -~itisches Urteil aus, wie in jenem 17 Deutsche Märchen seit Grimm, 1912, p. 382. In einem Balkanmärchen (1915, p. 65) ist der Alte ;)Zar aller Vögel«. Dort weiß die Elster Bescheid. Vgl. auch den mysteriösen »Herrn des TaubenschlagS4: in M e y r in k s Novelle: Der weiße Dominikaner. 18 Märchen aus Iran, 1939, p. 152. 19 Spanische und Portugiesische Märchen, 1940, p. 158. 20 l. c., p. 199. 21 Nordische Volksmärchen, I, 231 f.
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kaukasischen Märchen vom jüngsten Prinzen, der dem Vater eine fehlerlose Kirche bauen wollte, um das Reich zu erben. Er baut sie, und niemand kann einen Fehler daran entdecken, aber ein alter Mann erscheint und sagt: »Ach, was sie da für eine schöne Kirche gebaut haben! Nur schade, daß die Grundmauer ein bißchen krumm ist!< Der Prinz läßt die Kirche niederreißen und baut eine neue. Aber auch hier entdeckt der Alte einen Fehler und so zu dreien Malen 22 • ! Der Alte stellt also einerseits Wissen, Erkenntnis, Ueberlegung, Weisheit, Klugheit und Intuition, andererseits aber auch moralische Eigenschaften, wie Wohlwollen und Hilfs•. bereitschaft dar, womit sein »geistiger« Charakter wohl . hinlänglich verdeutlicht sein dürfte. Da der Archetypus ein autonomer Inhalt des Unbewußten ist, so kann das Märchen, das sonst die Archetypen konkretisiert, den Alten im Traum erscheinen lassen und zwar so, wie dies auch in modernen Träumen etwa vorkommt. In einem Balkanmärchen erscheint der Alte dem bedrängten Helden im Traume und gibt ihm guten Rat, wie er die ihm auferlegten, unmöglichen Aufgaben bewältigen könnte 23 • Seine Beziehung zum Unbewui:Hen wird deutlich durch die Bezeichnung als »W aldkönig« in einem russischen Märchen. Als sich der Bauer müde auf einen Baumstumpf niedersetzte, kroch daraus ein kleiner alter Mann hervor, »ganz runzlig war er, und ein grüner Bart hing ihm bis zu den Knien hinab.« »,Wer bist du denn?' fragte der Bauer. ,Ich bin der Waldkönig Och', sagte das Männchen.« Der Bauer verdingte ihm seinen liederlichen Sohn. »Und als der Waldkönig mit diesem fortging, führte er ihn in jene andere Welt unter der Erde und brachte ihn in eine grüne Hütte ... In der Hütte aber war alles grün: die Wände waren grün und die Bänke, Ochs Frau war grün und die Kinder wa22 23
Kaukasische Märchen, 1919, p. 35 f. Balkanmärchen, 1915, p. 217.
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ren grün ... und die W asserweibchen, die bei ihm dienten, die waren so grün wie Rauten.« Sogar das Essen war grün. Der Waldkönig ist hier als ein Vegetations- oder Baumnurnen geschildert, das einerseits im Walde dominiert, andererseits auch - durch die Nixen - Beziehung zum Wasserreich hat, woraus seine Zugehörigkeit zum Unbewußten deutlich zu erkennen ist, insofern letzteres häufig durch Wald sowohl als Wasser ausgedrückt wird. Ebenfalls mit der ZugehÖrigkeit zum Unbewußten hat es zu tun, wenn der Alte als Zroerg erscheint. Im Märchen von der Prinzessin, die ihren Liebsten suchte, heißt es: »Die Nacht kam und die Finsternis, und die Sterne gingen auf und unter, und immer noch saß die Prinzessin auf derselben Stelle und weinte. Wie sie nun in tiefen Gedanken saß, hörte sie eine Stimme grüßen: ,Guten Abend, schöne Jungfrau! Warum sitzest du hier so einsam und traurig?' Da sprang sie hastig auf und war sehr betreten, und das war kein Wunder. Aber als sie sich umsah, stand da nur ein winzig kleines altes Männchen, das nickte ihr zu und sah so herzlich bescheiden aus.« In einem Schweizermärchen begegnet dem Bauernsohn, welcher der Königstochter einen Korb voll Aepfel bringen will, »es chlis isigs Männdli, das frogt-ne, was er do i dem Chratte häig?« An einer andern Stelle hat das »Männdli« »es isigs Chlaidli a« 24 • Unter »isig« ist wohl »eisern« zu verstehen, was wahrscheinlicher sein 'dürfte als »eisig«. In letzterem Fall müßte es wohl heißen »es Chlaidli vo Is«. Es gibt zwar »Eismännchen«, aber auch Erzmännchen, und in einem modernen Traum habe ich sogar ein schwarzes eisernes Männchen gefunden, welches im Momente einer bedeutenden Lebenswendung auftrat, wie in diesem Märchen vom dummen Hans, der im Begriffe war, eine Prinzessin zu heiraten. 24 Es handelt sich um das Märchen vom Vogel Greif, Nr. 84 der Kinder- und Hausmärchen, gesammelt durch die Brüder Grimm. Diederichs, 1912, Bd. II, p. 84 ff. Der Text wimmelt von phonetischen Fehlern.
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In einer modernen Visionl'mserie, in welcher der Typus des alten Weisen mehrfach auftrat, hat dieser das eine Mal normale Größe, als er im Grunde eines Kraters, der von hohen Felswänden umsäumt ist, erscheint, das andere Mal ist er von winziger Gestalt und befindet sich auf dem Gipfel eines Berges, innerhalb einer niederen, steinernen Umfriedung. Dasselbe Motiv findet sich auch in Go e t h es Märchen von der Zwergenprinzessin, deren Wohnraum in einer Schatulle Platz hat 25 • In diesen Zusammenhang gehören das Anthroparion, das Bleimännch~n der Zosimosvision 26, sowie die Erzmännchen der Bergwerke, die kunstfertigen Daktylen der Antike, die homunculi der Alchemisten, die Heinzelmännchen, die schottischen brownies usw. Wie »wirklich< dergleichen Vorstellungen sind, ist mir klar geworden anläßlich eines schweren Bergunglükkes, wo nach der Katastrophe zwei der Teilnehmer bei hellem Tageslicht die Kollektivvision eines Kapuzenmännchens hatten, welches aus den unzugänglichen Schründen des Gletscherabsturzes herauskam und den Gletscher überquerte, was bei den beiden eine förmliche Panik auslöste. , Ich bin öfters Motiven begegnet, welche mir den Eindruck machten, als ob das Unbewußte die Welt des unendlich Kleinen wäre.! Rationalistischerweise könnte man dies aus dem dunkeln Gefühl, es bei solchen Visionen mit etwas Endopsychischem zu tun zu haben, ableiten, indem man daraus den Schluß zieht, das Ding müsse doch sehr klein sein, um im Kopfe Platz zu haben. Ich bin kein Freund solcher »vernünftiger< Mutmaßungen, obschon ich nicht behaupten möchte, daß sie allemal daneben träfen. Wahr' scheinlicher erscheint mir, 'daß die Neigung zum Diminutiv · einerseits und zur übermäßigen Vergrößerung (Riesen!), andererseits mit der merkwürdigen Unsicherheit des RaumG o e t h e : Die neue Melusine. Märchen. Vgl. meinen Aufsatz: >Einige Bemerkungen zu den Visionen des Zosimosc. Eranos-Jahrbuch 1937. 1938, p. 15 ff. 25
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und Zeitbegriffes im Unbewußten zu tun hat 27• Menschliches MaRgefühl, d. h. unser rationaler Begriff von groß und klein, ist ein ausgesprochener Anthropomorphismus, welcher nicht nur im Reiche der physikalischen Erscheinungen, sondern auch in jenen Gebieten des kollektiven · UnbewuRten, welche jenseits der Reichweite des spezifisch Menschlichen liegen, seine Gültigkeit verliert. Der atman ist kleiner als klein und größer als groß, er ist von Daumengröße und »bedeckt doch die Welt allerorten zwei Handbreit hoch«. Und von den Kabiren sagt G o e t h e : »klein an Gestalt, doch groß an Gewalt«. So ist der Archetypus des Weisen zwar winzig klein, beinahe unmerkbar und doch von schicksalsbedingender Kraft, wie man sehen kann, wenn man den Dingen wirklich auf den Grund geht. Die {Archetypen haben diese Eigentümlichkeit gemein mit der Atomwelt, die gerade in unsern Tagen anschaulich be! weist, daR, je tiefer das Experiment des Forschers in die r Welt des allerkleinsten dringt, es um so Verheerenderen ; Energiebeträgen, die dort gebunden liegen, begegnet. DaR aus d_ell! IQei:nsten größte Wirkung hervorg~ltt, ist nicht nur ;)!! physikalischem Gebiete, sondern ~~eh in der psycholo'gisch.en Forschung öfienbar geworden. W'ie ofl-hängfill den kritischen Augenblicken des Lebens cffi einem anscheinenden Nichts ein Alles! In gewissen primitiven Märchen drückt sich die erleuchtende Natur unseres Archetypus dadurch aus, daR der Alte mit der Sonne identifiziert wird. Er bringt einen Feuerbrand mit, den er dazu gebraucht,. um einen Kürbis zu rösten. Als er gegessen hat, nimmt er das Feuer aber wieder mit, was die Menschen veranlaRt, ihm dasselbe zu stehlen 28 • In einem nordamerikanischen Märchen ist der Alte ein Medizinmann, der das Feuer besitzt 28 • Der Geist hat 1
27 In einem sibirischen Märchen (Nr. 13, p. 62) erscheint der Alte als weiße, bis zum Himmel ragende Gestalt. 28 Indianermärchen aus Südamerika, 1920, p. 285. 28 Indianermärchen aus Nordamerika, 1924, p. 74.
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den Aspekt des Feuers, wie wir aus der Sprache des Alten Testamentes und aus der Erzählung des Pfingstwunders wissen. Neben seiner Klugheit, Weisheit und Erkenntnis weist sich der Alte, wie schon erwähnt, auch über den Besitz von moralischen Eigenschaften aus, ja mehr noch: er prüft die moralischen Fähigkeiten der Menschen und macht seine Gaben von dieser Probe abhängig. Ein besonders deutliches Beispiel ist das estnische Märchen von der Stieftochter und der Haustochter. Erstere ist ein Waisenkind, das sich durch Gehorsam und Ordentlichkeif auszeichnet. Die Geschichte beginnt damit, daß ihr der Spinnrocken in den Brunnen fällt. Sie springt ihm nach, ertrinkt aber im Brunnen nicht, kommt ins magische Land und gerät auf die Quest, wo ihr eine Kuh, ein Widder und ein Apfelbaum begegnen, denen sie ihre Wünsche erfüllt. Sie kommt nun zu einer Badestube, in der ein schmutziger alter Mann sitzt und von ihr gewaschen werden will. Es entspinnt sich folgendes Zwiegespräch: Der Alte: >Schönes Mädchen, schönes Mädchen! bad mich, es ist mir zu schwer, so schmutzig zu sein!c: Sie: »Womit soll ich den Ofen heizen?c: :.Sammle Holzpflöcke und Krähenmist und heiz damit.« Sie aber holt Reisig und fragt: »Wo soll ich das Badewasser hernehmen?< Er: »Unter der Korndarre steht eine weiße Stute. Laß sie in den Zuber pissen!« Das Mädchen aber nimmt reines Wasser. >Wo soll ich einen Badequast hernehmen?< »Schneide der weißen Stute den Schwanz ab und mach daraus einen Badequast!c: Sie macht aber einen solchen aus Birkenreisern. »Wo soll ich Seife hernehmen?< »Nimm einen Badstubenstein und scheure mich damit!c: Sie aber holt aus dem Dorf Seife und wäscht damit den Alten. Zum Lohn gibt ihr dieser eine Schachtel voll Gold und Edelsteine. Die Haustochter wird natürlich neidisch, wirft den Spinnrocken in den Brunnen, wo sie den Rocken aber gleich wieder findet. Sie geht trotzdem weiter und macht nun alles das verkehrt, was die Stieftochter richtig gemacht hat. Der Lohn ist dement27
sprechend. Bei der Häufigkeit dieses Motivs erübrigen sich weitere Belege. Die Gestalt des ebenso überlegenen wie hilfreichen Alten legt es nahe, sie mit der Gottheit in irgend eine Beziehung zu bringen. In dem deutschen Märchen vom Soldaten und der schwarzen Prinzessin 30 wird erzählt, wie die verfluchte Prinzessin aus ihrem eisernen Sarg heraus jede Nacht den Soldaten, der am Grab Wache stehen sollte, zu sich holt und auffrißt. Ein Soldat nun, als die Reihe des Wachesteheus an ihn kam, wollte fliehen. »Als es Abend wurde, stahl er sich fort, lief über Berge und Felder und kam auf eine schöne Wiese. Da stand plötzlich ein kleines Männchen mit langem grauem Bart vor ihm, das war aber unser lieber Herrgott, der wollte den Jammer, welchen der Teufel allnächtlich anrichtete, nicht länger mit ansehen. ,Wohin des Wegs?' sprach das Graumännchen, ,darf man nicht mit?' Und weil das Alterehen so treuherzig aussah, erzählte ihm der Soldat, daß er fortgelaufen sei und warum er das getan habe.« Es folgt nun, wie üblich, der gute Rat. In dieser Erzählung wird tatsächlich der Alte mit derselben Naivität für Gott selber erklärt, wie der englische Alchemist S i r J o h n R i p l e y den »alten König« als »antiquus dierum« 31 bezeichnet 32• Wie alle Archetypen einen positiven, günstigen, hellen, nach oben weisenden Charakter haben, so auch einen nach : unten weisenden, teils negativen und ungünstigen, teils bloß chthonischen, aber im weiteren neutralen Aspekt. Davon macht der Archetypus des Geistes keine Ausnahme. Schon seine Zwerggestalt bedeutet einen einschränkenden Diminutiv, ebenso die andeutungsweise Naturhaftigkeit eines Vegetationsnumens, das der Unterwelt entstammt. Als beeinträchtigt, insofern er ein 30 31 32
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Deutsche Märchen seit Grimm, 1912, p. 189 ff. ~Der Alte der Tage.< In der sog. Cantilena.
Auge verloren hat, erscheint der Alte in einem Balkanmärchen. Die »Vilen«, eine Art geflügelter Unholde, haben es ihm ausgestochen, und der Held muß dafür sorgen, daß sie es ihm wieder herstellen. Der Alte hat also einen Teil seines Augenlichtes, d. h. seiner Einsicht und Illumination, an die dämonische Dunkelwelt verloren; er ist von dieser beeinträchtigt und erinnert insofern an das Schicksal des Osiris, der sein eines Auge durch den Anblick eines schwarzen Schweines, nämlich des Seth, verlor, oder an dasjenige W otans, der sein eines Auge an den Brunnen Mimirs opferte. Bezeichnenderweise ist das Reittier des Alten unseres Märchens ein Bock, was darauf hinweist, daß er selber auch eine dunkle Seite besitzt. In einem sibirischen Märchen erscheint der Alte als ein einbeiniger, einhändiger und einäugiger Greis, der mit einem eisernen Stab einen Toten erweckt. Im Verlaufe der Geschichte wird er irrtümlicherweise selber von dem mehrfach Wiederbelebten getötet, der damit auch sein ganzes Glück verscherzt hat. Der Titel des Märchens lautet: »Der einseitige Alte«, und in der Tat bedeutet seine Beeinträchtigung, daß er gewissermaßen nur aus einer Hälfte besteht. Die andere Hälfte ist unsichtbar, tritt aber in der Erzählung als ein Mörder auf, der dem Helden der Geschichte nach dem Leben trachtet. Schließlich gelingt es dem Helden, seinen mehrfachen Mörder zu töten; in der Raserei erschlägt er aber auch den einseitigen Alten, womit die Identität der beiden Getöteten angedeutet ist. Daraus geht die Möglichkeit hervor, daß der 1 Alte auch zugleich sein Gegenteil sein könnte, ein Belebender sowohl als ein Töter - »ad utrumque peritus«, wie es von Hermes heißt 33 • 33 P r u den t i u s : Contra Symmachum. Corp. Script. Eccl. Lat. 71, p. 222. Siehe H u g o Rahne r : Die seelenheilende Blume. Eranos-Jahrb. XII, 1945.
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Unter diesen Umständen dürfte es sich aus heuristischen wie andern Gründen empfehlen, wo immer der Alte »bescheiden< und :.treuherzig< auftritt, die Umgebung sorgfältig abzuleuchten. In unserem ersterwähnten estnischen Märchen vom Verdingknaben, der die Kuh verloren hatte, erhebt sich darum der Verdacht, daß der rechtzeitig zur Stelle befindliche hilfreiche Alte zuvor die Kuh listig zur Seite geschafft hat, um seinem Schützl;ing ein tüchtiges Motiv zum Ausreißen zu verschaffen: Das ist leicht möglich, wie die Alltagserfahrung zeigt, daß das überlegene, aber subliminale Wissen ums Schicksal den ärgerlichen Zwischenfall inszeniert, um den dummen August des Ichbewußtseins ins Bockshorn zu jagen und ihn damit auf seinen eigentlichen Weg zu bringen, den er aus reiner Blödigkeit heraus nie gefunden hätte:\ Hätte unser Waisenknabe geahnt, daß der Alte es war, der ihm die Kuh wegzauberte, so wäre ihm dieser wohl wie ein hämischer Troll oder Teufel vorgekommen. Der Alte hat in der Tat auch einen bösen Aspekt, wie der primitive Medizinmann einerseits der heilende Helfer, andererseits der gefürchtete Giftmischer ist, wie auch das Wort cpdpp.axov Heilmittel sowohl wie Gift bedeutet, und Gift schließlich in Wirklichkeit beides sein kann. So hat der Alte einen zweideutigen, elfischen Charakter, wie die äußerst lehrreiche Gestalt des M er I in, und wie er in gewissen Erscheinungsweisen das Gute selber zu sein scheint, so eignet ihm auch in andern Formen der Aspekt des Bösen. Dann ist er der böse Zauberer, der aus Egoismus Böses um des Bösen willen tut. In einem sibirischen Märchen ist der Alte ein böser Geist, »auf dessen Kopfe zwei Seen waren, in denen zwei Enten schwammen<. Er nährt sich von Menschenfleisch. Die Geschichte erzählt, wie der Held und seine Leute zu einem Fest ins nächste Dorf gehen und ihre Hunde zu Hause lassen. Diese beschließen - nach dem Sprichwort »Wenn die Katze aus 30
dem Haus ist, tanzen die Mäuse« - ebenfalls ein Fest zu veranstalten. Auf dem Höhepunkt desselben stürzen sich alle auf die Fleischvorräte. Als die Leute nach Hause kommen, jagen sie die Hunde hinaus. Diese aber entlaufen in die Wildnis. »Der Schöpfer sprach zu Ememqut, dem Helden der Geschichte: ,Geh mit deiner Frau die Hunde suchen!'« Dieser gerät aber in einen furchtbaren Schneesturm und muß Zuflucht suchen in der Hütte des bösen Geistes. Es folgt darauf das bekannte Motiv des übertölpelten Teufels. »Schöpfer« heißt der Vater des Emenqut. Der Vater des Schöpfers aber heißt »Selbstgeschaffen«, weil er sich selber geschaffen hatte. Obschon es nun nirgends im Märchen heißt, daR der Alte mit seinen zwei Seen auf dem Kopf den Helden und seine Frau zur Stillung seines Hungers hergelockt habe, so steht doch zu vermuten, daß ein besonderer Geist in die Hunde gefahren sei, der sie veranlaßt, wie die Menschen ein Fest zu feiern, um nachher, entgegen ihrer Art, davonzulaufen, weshalb Ememqut sie suchen muß; und daß der Held dann in den Schneesturm gerät, um dem bösen Alten in die Arme zu laufen. Als Ratgeber hilft dabei Schöpfer, der Sohn des Selbstgeschaffenen, mit, wodurch ein Problemknäuel entsteht, dessen Auflösung wir lieber den sibirischen Theologen überlassen wollen. In einem Balkanmärchen gibt der Alte der kinderlosen Zarin einen zauberischen Apfel zu essen, wovon sie schwanger wird und einen Sohn gebiert, dessen Gevatter zu sein der Alte sich ausbedungen hat. Der Junge ist aber ein Teufelskerl, der alle Kinder prügelt und den Hirten das Vieh erschlägt. Zehn Jahre lang hat er keinen Namen erhalten. Der Alte erscheint, sticht ihm ein Messer ins Bein und nennt ihn »Messerprinz<. Der Sohn will nun auf Abenteuer ausziehen, was ihm der. Vater nach langem Zögern schließlich erlaubt. Das Messer, das ihm im Bein steckt, ist seine Lebensbedingung:
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Zieht ein anderer es heraus, so stirbt er, zieht er es selber heraus, so lebt er. Schließlich wird ihm das Messer zum Verhängnis, indem eine alte Hexe es ihm im Schlaf herauszieht. Er stirbt, wird aber durch seine selbsterworbenen Freunde wieder zum Leben gebracht 34 • Hier ist der Alte zwar hilfreich, aber auch der Geber gefährlichen Schicksals, das sich ebensogut zum Bösen hätte wenden können. Das Böse manifestierte sich frühzeitig und deutlich im gewalttätigen Charakter des Jungen. Ebenfalls in einem Balkanmärchen findet sich eine erwähnenswerte Variante unseres Motivs: Ein König sucht seine Schwester, die ein Fremder entführt hat. Auf der Wanderschaft kehrt er in der Hütte einer alten Frau ein, die ihn davor warnt, seine Suche fortzusetzen. Ein mit Früchten beladener Baum, der immer vor .ihm zurückweicht, lockt ihn von der Hütte weg. Als er endlich stehen bleibt, steigt ein Alter aus der Krone herunter. Er bewirtet den König und bringt ihn zu der Burg, wo dessen Schwester als Frau des Alten wohnt. Sie sagt ihrem Bruder, daR ihr Mann ein böser Geist sei, der ihn töten werde. Nach drei Tagen ist der König auch richtig verschwunden. Sein jüngerer Bruder geht nun ebenfalls auf die Suche und tötet den bösen Geist in der Gestalt eines Drachen. Dadurch wird ein schöner, junger Mann entzaubert, der nunmehr die Schwester heiratet. Der zuerst als Baumnurneu erscheinende Alte steht in offenkundiger Beziehung zur Schwester. Er ist ein Mörder. In einer eingeschobenen Episode wird ihm zur Last gelegt, daR er eine ganze Stadt verzaubert habe, indem er sie »eisern« machte, d. h. unbeweglich, starr und verschlossen 35 • Auch hält er die Schwester des Königs gefangen und läRt sie nicht mehr zu ihren Ver34 35
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Märchen aus dem Balkan, 1915, p. 34 ff. l. c., p. 177 ff.
wandten zurückkehren. Damit wird eine Animusbesessenheit der Schwester geschildert. Der Alte ist soweit also aufgefaßt als der Animus der Schwester. Die Art und Weise aber, wie der König in diese Besessenheit einbezogen wird, und die Suche nach der Schwester legen den Gedanken nahe, daß die Schwester für den Bruder Animabedeutung hat. Der schicksalgebende Archetypus hat demnach zuerst die Anima des Königs in Besitz genommen, d. h. er entzieht dem König den Archetypus des Lebens, welcher eben in der Anima personifiziert ist, nötigt ihm dadurch die Quest nach dem verlorenen Lebensreiz, der »schwer erreichbaren Kostbarkeit«, auf und macht ihn damit zum mythischen Helden, d. h. zur höheren Persönlichkeit, die ein Ausdruck seines Selbst ist. Dabei handelt der Alte durchwegs als Bösewicht und muß gewaltsam beseitigt werden, um danach als der Gatte der Schwester-Anima zu erscheinen, recht eigentlich als Seelenbräutigam, der den heiligen Inzest als Symbol der Vereinigung. des Entgegengesetzten und Gleichen feiert. Diese öfters begegnende, kühne Enantiodromie bedeutet nicht nur eine Verjüngung und Wandlung des Alten, sondern läßt auch eine geheime, innere Beziehung des Bösen zum Guten und vice-versa erahnen. In dieser Geschichte sehen wir also den Archetypus des Alten in der Gestalt des Uebeltäters, eingebettet in die Wandlungen und Peripetieen eines Individuationsprozesses, der andeutungsweise bis zum Hieros Garnos reicht. Im vorhin erwähnten russischen Märchen vom Waldkönig erweist sich dieser umgekehrt zunächst als hilfreich und wohltätig, will aber dann seinen Verdingknaben nicht mehr herausgeben, so daß die Hauptereignisse der Erzählung in den mannigfachen Versuchen des Jungen bestehen, den Klauen des Zauberers zu entrinnen. An die Stelle der Quest tritt die Flucht, welche aber die gleichen Verdienste wie tapfer aufgesuchte 33
Abenteuer zu haben scheint, denn am Ende heiratet der Held die Königstochter. Der Zauberer aber muß sich mit der Rolle des betrogenen Teufels begnügen.
4. Die theriomorphe Symbolik des Geistes im Märchen Die Beschreibung unseres Archetypus wäre nicht vollständig, wenn wir nicht noch einer besonderen Erscheinungsweise desselben gedächten, nämlich seiner Tierform. Diese gehört ganz im Allgemeinen zum Theriomorphismus der Götter und Dämonen und hat die gleiche psychologische Bedeutung. Die Tiergestalt zeigt nämlich an, daß die in Frage kommenden Inhalte und Funktionen sich noch im außermenschlichen Bereiche, d. h. in einem Jenseits des menschlichen Bewußtseins befinden, und. daher einerseits am Dämonisch-Uebermenschlichen, andererseits am Tierisch-Untermenschlichen teilhaben. Dabei ist aber in Betracht zu ziehen, daß diese Trennung nur im Raume des Bewußtseins Geltung hat, wo sie einer notwendigen Bedingung des Denkens entspricht. Die Logik sagt: tertium non datur, d. h. wir können uns Gegensätze in ihrem Einssein nicht vorstellen. Die Aufhebung einer trotzdem bestehenden Antinomie kann mit andern Worten für uns nur als Postulat gelten. Für das Unbewußte ist dem aber keineswegs so, indem dessen Inhalte samt und sonders paradox oder antinomisch in sich selber sind, die Kategorie des Seins nicht ausgenommen. Wenn jemand in Unkenntnis der Psychologie des Unbewußten sich von diesem Sachverhalt ein Bild machen will, so sei ihm das Studium der christlichen Mystiker und der indischen Philosophie empfohlen. Dort findet er die deutlichsten Auswirkungen der Antinomik des Unbewußten. 34
Obschon der Alte in unserer bisherigen Betrachtung ein meist menschliches Aussehen und Benehmen zur Schau trägt, so weisen doch seine zauberischen Fähigkeiten einschließlich seiner geistigen Ueberlegenheit auf das Außer- oder Ueber- und Untermenschliche im Guten und Bösen hin. Sein tierischer Aspekt bedeutet weder für de.n Primitiven noch für das Unbewußte eine W ertverminderung, denn in einer gewissen Hinsicht ist das Tier dem Menschen auch überlegen. Es hat sich noch nicht in sein Bewußtsein hineinverirrt und hat jener Macht, aus der es lebt, noch kein eigenwilliges Ich entgegengestellt, sondern erfüllt den Willen, der in ihm waltet, in nahezu vollkommener Weise. Wäre es bewußt, so wäre es frömmer als der Mensch. Die Legende vom Sündenfall enthält eine tiefe Lehre; ist sie doch der Ausdruck eines dunkeln Gefühls, daß die Emanzipation des Ichbewußtseins eine luziferische Tat darstellt. Die menschliche Weltgeschichte besteht von Anfang an in einer Auseinandersetzung des Minderwertigkeitsgefühles mit der Selbstüberhebung. Die Weisheit sucht die Mitte und büßt dieses kühne Unterfangen durch eine mißliche Verwandtschaft mit Dämon und Tier und leidet darum an moralischer Mißdeutbarkeit. Häufig begegnen wir im Märchen dem Motiv der hilfreichen Tiere. Diese benehmen sich menschlich, sprechen menschliche Sprache und zeigen eine Klugheit und ein Wissen, welches demjenigen des Menschen sogar überlegen ist. In diesem Fall kann man wohl mit Berechtigung sagen, daß der Archetypus des Geistes durch eine Tiergestalt ausgedrückt werde. In einem deutschen Märchen 38 wird erzählt, wie ein Junge, der sich auf der Suche nach seiner verschwundenen Prinzessin befindet, 38 >Die Prinzessin auf dem Baum«. Deutsche Märchen seit Grimm, 1912, p. 1 ff.
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einem Wolf begegnet, der zu ihm spricht: »Fürchte dich nicht! Aber sage mir, wohin führt dich dein Weg?« Der Junge erzählt jenem seine Geschichte, worauf der Wolf ihm die magische Gabe, nämlich einige seiner Haare gibt, mit deren Hilfe der Junge ihn jederzeit zu Hilfe rufen könne. Dieses Intermezzo verläuft genau so, wie die Begegnung mit dem hilfreichen Alten. In der gleichen Erzählung tritt auch die andere, nämlich die böse Seite des Archetypus auf. Zur Veranschaulichung will ich das Märchen auszugsweise mitteilen: Wie der Junge im Walde seine Schweine hütet, entdeckt er einen grof!en Baum, dessen Zweige sich in den Wolken verlieren. »Wie mag es wohl sein<, sagt der Junge zu sich, >Wenn du dir von seinem Wipfel aus die Welt beschaust?< Er klettert nun den Baum empor, den ganzen Tag lang, ohne die Aeste zu erreichen. Es wird Abend und er muf! auf einem Aststrunk übernachten. Anderntags kLettert er weiter und langt um Mittag in der Krone an. Erst gegen Abend erreicht er ein Dorf, das in die Aeste hineingebaut ist. Dort wohnen Bauern, die ihn bewirten und ihm Herberge für die Nacht geben. Am Morgen klettert er weiter. Gegen Mittag erreicht er ein Schloß, in welchem eine Jungfrau wohnt. Hier erfährt er, daf! es nicht mehr höher geht. Sie ist eine Königstochter, die von einem bösen Zauberer gefangengehalten wird. Er bleibt nun bei der Prinzessin und darf in alle Zimmer des Schlosses gehen; nur eines hat sie ihm verboten zu betreten. Aber die Neugier ist stärker. Er schlieRt das Zimmer auf und findet darin einen Raben, der mit drei Nägeln an die Wand geheftet ist. Ein Nagel geht durch den Hals, die beiden andern durch die Flügel. Der Rabe klagt über Durst und der Junge, von Mitleid bewegt, gibt ihm Wasser zu trinken. Bei jedem Schluck fällt ein Nagel heraus, und beim dritten ist der Rabe frei und fliegt zum Fenster hinaus. Als die Prinzessin davon hört, ist sie sehr erschrocken und sagt: »Das ist der Teufel gewesen, der mich verzaubert hat. Nun wird's nicht mehr lange währen, so holt er mich nach!« Eines schönen Morgens ist sie in der Tat verschwunden.
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Der Junge geht nun auf die Suche, wo ihm, wie oben geschildert, der Wolf begegnet. In gleicher Weise begegnen ihm auch ein Bär und ein Löwe, von denen er ebenfalls Haare erhält. Außerdem verrät ihm der Löwe, daR die Prinzessin in der Nähe in einem Jägerhaus gefangen sei. Er findet das Haus und die Prinzessin, erfährt aber, daR Flucht unmöglich sei, weil der Jäger einen dreibeinigen Schimmel besitze, der alles wisse und den Jäger unfehlbar warnen würde. Trotzdem v·ersucht der Junge die Flucht, aber vergebens. Der Jäger holt ihn ein, läßt ihn aber, da er ihm als Raben ja einmal das Leben gerettet habe, wieder laufen. Er reitet nun mit der Prinzessin davon. Der Junge aber schleicht sich, als der Jäger in den Wald gegangen war, wieder ins Haus ein und überredet die Prinzessin, dem Jäger das Geheimnis, wie er seinen klugen Schimmel erlangt hätte, abzulocken. Dies gelingt ihr in der Nacht, und der Junge, der sich unter dem Bett versteckt hatte, erfährt, daR etwa eine Stunde vom Jägerhaus eine Hexe wohnt, welche Zauberpferde züchtet. Wer die Fohlen drei Tage lang hüten kann, der darf sich zum Lohn ein Pferd aussuchen. Vorzeiten habe sie auch noch zwölf Lämmer dreingegeben, um damit den Hunger der zwölf Wölfe, die im Wald ums Gehöft wohnen, zu stillen und sie damit abzuhalten, daR sie sich auf einen stürzten. Sie habe ihm aber keine Lämmer gegeben. Die Wölfe hätten ihn nun verfolgt, als er wegritt, und heim Ueberschreiten der Grenze wäre es ihnen noch gelungen, seinem Schimmel wenigstens einen FuR abzureißen. Darum habe er nur drei Beine. Schleunigst sucht nun der Junge die Hexe auf und verdingt sich bei ihr unter der Bedingung, daß sie ihm nicht nur das Pferd gebe, das er selbst wähle, sondern noch zwölf Lämmer obendrein. Sie ist damit einverstanden. Sie befiehlt nun den Fohlen, ihm davonzulaufen. Um ihn einzuschläfern, gibt sie ihm Branntwein mit. Er trinkt ihn, schläft ein, und die Fohlen laufen davon. Am ersten Tag holt er sie mit Hilfe des Wolfes ein, am zweiten hilft ihm der Bär und am dritten Tag der Löwe. Nun darf er sich seinen Lohn aussuchen. Die kleine Tochter der Hexe verrät ihm, welches das Reitpferd der Mutter ist. Das ist natürlich das beste Pferd, auch ein Schimmel. Diesen verlangt er. Kaum geht er aber aus dem Stall hinaus, 4
jung: Symbolik des Geistes
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da bohrt die Hexe dem Schimmel die vier Hufe an und saugt ihm das Mark aus den Knochen. Aus dem Mark bäckt sie einen Kuchen, den sie dem Jungen mit auf die Reise gibt. Das Pferd ist sterbensschwach, aber der Junge gibt ihm den Kuchen zu fressen, worauf es seine frühere Kraft wieder erlangt. Er gelangt unversehrt aus dem Walde heraus, nachdem er die zwölf Wölfe durch die zwölf Lämmer beschwichtigt hat. Er holt die Prinzessin ab und reitet mit ihr weg. Der dreibeinige Schimmel ruft wiederum den Jäger herbei, der den beiden sofort nachsetzt und sie darum rasch einholt, weil der vierbeinig·e Schimmel nicht laufen will. Als nun der Jäger in die Nähe kommt, ruft der vierbeinige dem dreibeinigen Schimmel zu: »Schwesterchen, wirf ihn ab!.: Der Zauberer wird abgeworfen und von den beiden Pferden zertreten. Der Junge setzt nun die Prinzessin auf den dreibeinigen Schimmel, und so reiten die beiden in das Königreich ihres Vaters, wo sie Hochzeit feiern. Der vierbeinige Schimmel bittet den Jungen, beiden Pferden den Kopf abzuschlagen, da sie sonst Unheil über ihn bringen würden. Als er dies tut, verwandeln sich die Pferde in einen stattlichen Prinzen und eine wunderschöne Prinzessin, welche dann nach einiger Zeit »in ihr eigenes Königreich.: ziehen. Sie waren vom Jäger einstmals in Pferde verwandelt worden.
Abgesehen von der theriomorphen Symbolik des Geistes in dieser Erzählung ist die Tatsache besonders interessant, daR die Funktion des Wissens und der Intuition durch ein Reittier dargestellt ist. Damit wird ausgedrückt, daR der Geist auch Besitztum sein kann. So ist der dreibeinige Schimmel Eigentum des dämonischen Jägers, der vierbeinige aber zunächst das der Hexe. Der Geist ist hier zum einen Teil Funktion, die wie eine Sache den Besitzer wechseln kann (Pferd); zum andern Teil aber auch autonomes Subjekt (Zauberer als Besitzer des Pferdes). Indem der Junge den vierbeinigen Schimmel von der Hexe erwirbt, befreit er einen Geist oder ein Denken besonderer Art von der Herrschaft des UnbewufHen. Die Hexe bedeutet 38
hier, wie an andern Orten, eine mater natura, resp. den ursprünglichen, sozusagen >matriarchalenc: Zustand des Unbewußten, wodurch eine psychische Verfassung angezeigt ist, in welcher dem Tinbewußten nur ein schwaches und unselbständiges Bewußtsein gegenübersteht. Der vierbeinige Schimmel erweist sich als dem dreibeinigen überlegen, da er ihm befehlen kann. Da die Quaternität ein Ganzheitssymbol ist und die Ganzheit in der Bilderwelt des Tinbewußten eine beträchtliche Rolle spielt 87, so erscheint der Sieg der Vierbeinigkeit über die Dreibeinigkeif nicht ganz unerwartet. Was soll aber der Gegensatz zwischen Dreiheit und Vierheit bedeuten, resp. was bedeutet die Dreilieit gegenüber der Ganzheit? In der Alchemie heißt dieses Problem das Axiom der Maria und begleitet diese Philosophie durch mehr als ein Jahrtausend, um schließlich im Faust (Kabirenszene) nochmals aufgenommen zu werden. Seine literarisch früheste Fassung findet sich in den Eingangsworten des Timaios 88, an welche G o e t h e wieder erinnert. Bei den Alchemisten können wir es deutlich sehen, wie der Trinität der Gottheit eine untere, chthonische Dreiheit (ähnlich dem dreiköpfigen Teufel bei Dan t e ) entspricht. Diese besteht in einem Prinzip, welches durch seine Symbolik Verwandtschaft mit dem Bösen verrät, obschon es keineswegs feststeht, daß sie nichts als das Böse ausdrücke. Vielmehr weist alles darauf hin, daß das Böse, resp. 37 Hinsichtlich Quaternität muß ich auf meine früheren Arbeiten verweisen, insbesondere auf: Psychologie und Religion (Zürich 1940) und : Psychologie und Alchemie (Zürich 1944). 88 Die älteste, mir bekannte Darstellung des Problems ist diejenige der vier Horussöhne, von denen gelegentlich drei mit Tierköpfen und einer mit einem Menschenkopf dargestellt sind. Chronologisch schließt sich daran die Ezechielvision der vier Gestalten, die dann in den vier Evangelistenattributen wiederkehren. Bekanntlich sind drei tierköpfig und einer hat einen Menschenkopf (der Engel).
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dessen geläufiges Symbol, mit zur Familie jener Figuren gehört, die das Dunkle, Nächtige, Untere, Chthonische beschreiben. Das Untere verhält sich in dieser Symbolik zum Oberen als eine Entsprechung 39 im Gegensatz, d. h. es wird, wie das Obere, als Dreiheit gefaßt. Drei als männliche Zahl ist hier logischerweise dem bösen Jäger zugeordnet, den man (alchemistisch) als untere Dreiheit verstehen könnte. Die Vier dagegen, als weibliche Zahl, ist der Alten zugewiesen. Beide Pferde sind redende und wissende Wundertiere und stellen daher unbewußten Geist dar, der aber in einem Fall dem bösen Zauberer und im andern der Hexe untergeordnet ist. Zwischen der Dreiheit und der Vierheit besteht also zunächst der mann-weibliche Gegensatz, sodann ist die Vierheit ein Ganzheitssymbol, die Dreiheit aber nicht. Dafür bezeichnet letztere, nach Ausweis der Alchemie, eine Gegensätzlichkeit, indem die eine Dreiheit immer auch eine andere voraussetzt, wie das Oben ein Unten, das Helle ein Dunkles, das Gute ein Böses. Gegensatz bedeutet energetisch ein Potential, und wo sich ein Potential findet, da ist die Möglichkeit eines Ablaufes und eines Geschehens, denn die Spannung der Gegensätze strebt nach Ausgleich. Wenn man sich die Vierheit als Quadrat vorstellt und dasselbe durch eine Diagonale in zwei Hälften teilt, so entstehen zwei Dreiecke, deren Spitzen in entgegengesetzter Richtung zeigen. Man könnte daher metaphorisch sagen: wenn man die durch die Vierheit symbolisierte Ganzheit in gleiche Hälften teilt, so entstehen zwei Dreiheiten von entgegengesetzter Richtung. Wie nun diese einfache Ueberlegung die Dreiheit aus der Vierheit ableitet, so erklärt auch der Jäger der gefangenen Prinzessin, daß und wie 39 Nach dem Satz der »Tabula Smaragdina~: :oQuod est inferius, est sicut quod est superius.«
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sein Schimmel aus einem Vierbeiner zu einem Dreibeirrer geworden ist, indem ihm die zwölf Wölfe einen Fuß abgerissen haben. Die Dreibeinigkeit des Schimmels verdankt ihr Dasein also einem Unglücksfall, der sich in jenem Augenblick ereignete, als das Pferd im Begriffe war, das Reich der dunkeln Mutter zu verlassen. In psychologischer Sprache ausgedrückt, würde das heißen, daR, wenn die unbewußte Ganzheit manifest wird, d. h. das Unbewußte verläßt und in die Sphäre des Bewußtseins übertritt, eines von den vieren zurückbleibt, zurückgehalten vom horror vacui des UnbewuRten. Dadurch entsteht eine Dreiheit, welcher, wie wir nicht aus dem Märchen, sondern aus der Symbolgeschichte wissen, eine entgegengesetzte Dreiheit entspricht 40 , d. h. es entsteht ein Konflikt. Auch hier könnte man also mit Sokrates fragen: »Eins, zwei, drei- aber der vierte, mein lieber Timaios, von denen, die gestern die Gäste waren und heute die Gastgeber sind, wo bleibt er uns denn 41 ?< Er blieb im Reiche der dunkeln Mutter, zurückgehalten von der wölfischen Gier des Unbewußten, das nichts aus seinem Bannkreis entlassen möchte, es sei denn, daR ein entsprechendes Opfer dafür gebracht werde. Der Jäger, resp. der alte Zauberer und die Hexe entsprechen den negativen Elternimagines in der magischen Welt des Unbewußten. Der Jäger tritt in der Erzählung zunächst auf in der Gestalt eines schwarzen Raben. Er hat die Prinzessin geraubt und hält sie gefangen. Sie bezeichnet ihn als »Teufel«. Aber merkwürdigerweise ist er selber im einen verbotenen Raum des Schlosses eingesperrt und dort mit drei Nägeln an die Wand geheftet, d. h. soviel wie gekreuzigt. Er ist •o Vgl. Psychologie und Alchemie, p. 163 u. 616, ausführlicher in »Der Geist Mercurius< (Beitrag II dieses Bandes). 41 Diese unerklärte Stelle wollte man einer >neckischen Laune< P I a t o n s zuschreiben.
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gefangen wie jeder Gefangenenwärter, und selber gebannt, wie jeder, der verflucht. Das Gefängnis beider ist ein Zauberschloß im Wipfel eines Riesenbaumes, wohl des Weltbaumes. Die Prinzessin gehört zur lichten Oberwelt in der Sonnennähe. Wenn sie geradezu auf dem Weltenbaum gefangensitzt, so ist sie wohl eine Art von anima mundi, welche in die Macht der Finsternis geraten ist. Dieser Fang scheint aber letzterer auch nicht gut bekommen zu sein, indem nämlich der Räuber gekreuzigt wird und zwar mit drei Nägeln. Die Kreuzigung bedeutet offenkundig eine qualvolle Gebundenheit und Suspension, die Strafe für den Tollkühnen, der sich in die Sphäre des Gegenprinzipes wie ein Prometheus vorgewagt hat. Das hat der Rabe, der mit dem Jäger identisch ist, auch getan, denn er hat aus der lichten Oberwelt eine kostbare Seele gestohlen, und so wird er in der Ober- oder Ueberwelt zur Strafe an die Wand geheftet. Daß es sich hier um eine Spiegelung des christlichen Urbildes im Gegensatz handelt, dürfte wohl unverkennbar sein. Der Retter, der die Menschheitsseele von der Herrschaft des Herrn dieser Welt befreit hat, ist unten in der sublunaren Welt ans Kreuz geheftet, wie der diebische Rabe im himmlischen Wipfel des Weltbaumes für seinen Uebergriff an die Wand genagelt wurde. Das unserm Märchen eigentümliche Instrument der Bannung ist die Dreiheit der Nägel. Wer den Raben gefangensetzte, ist im Märchen nicht gesagt. Es klingt aber, wie wenn es sich um einen Bannspruch im dreieinigen Namen gehandelt hätte. Der Heldenjunge, der den Weltbaum erklettert hat und ins Zauberschloß eingedrungen ist, wo er die Prinzessin befreien soll, darf alle Zimmer betreten, nur eines nicht, nämlich jenes, in dem sich der Rabe befindet 12• 42 In den Grimm sehen Märchen (1912, Bd. I, 256, :.Marienkindc) befindet sich im verbotenen Zimmer die :.Dreieinigkeit«, was mir bemerkenswert erscheint.
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Wie von einem Baum im Paradies nicht gegessen werden soll, so darf auch das eine Zimmer nicht geöffnet werden, infolgedessen es natürlich eben erst recht betreten wird. Nichts wirkt so aufmerksamkeitserregend wie ein Verbot. Es ist sozusagen der sicherste Weg, um den Ungehorsam herauszufordern. Offenbar ist eine geheime Absicht am Werke, nicht so sehr die Prinzessin, als vielmehr den Raben zu befreien. Wie der Held des Raben ansichtig wird, fängt dieser an, jämmerlich zu schreien und über seinen Durst zu klagen 48 , und der Junge, von der Tugend des Mitleids bewogen, Ietzt ihn nicht mit Ysop und Essig, sondern mit erquickendem Wasser, worauf alsbald die drei Nägel herausfallen und der Rabe durchs offene Fenster entfliegt. Damit ist der böse Geist wieder in Freiheit gesetzt, wandelt sich in den Jäger, raubt die Prinzessin zum zweiten Male und sperrt sie dieses Mal auf der Erde in seiner 48 Schon A e l i an (Hist. Anim. 1. 4) berichtet, daß Apollon die Raben zum Durst verurteilt hat, weil ein zum Wasserholen geschickter Rabe zu lange verweilte. Im deutschen Folklore wird gesagt, daß der Rabe im Brachmonat oder August an Durst leiden müsse. Als Grund wird angegeben, daß er allein über Christi Tod nicht betrübt gewesen sei, oder daß er, als Noah ihn ausschickte, nicht zurückkehrte. (Fr. Pan z er in Zeitschr. f. deutsche Mythologie, Bd. II, 171 und Reinhold K ö h l er : Kleinere Schriften zur Märchenforschung, Bd. I, 3.) Zu Rabe als Allegorie des Bösen siehe die erschöpfende Darstellung bei H u g o Rahne r (Eranos-Jahrbuch 1945). Andererseits steht der Rabe in naher Beziehung zu Apollo als ihm geheiligtes Tier; ebenso kommt er auch in der Bibel in positiver Bedeutung vor: Psalm 147,9: »Der dem Getier seine Speise gibt, Den jungen Raben, die zu ihm schreien.< Hiob 38,41: >Wer bereitet dem Raben seine Speise Wenn seine Jungen zu Gott schreien? c Aehnlich Luc. 12, 24. Als eigentliche :.dienstbare Geister« erscheinen sie I Könige 17, 5, wo sie Elias die tägliche Nahrung bringen.
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Jagdhütte em. Die geheime Absicht entschleiert sich zum Teil: die Prinzessin sollte aus der Ueberwelt in die Menschenwelt gebracht werden, was ohne Mithilfe des bösen Geistes und des menschlichen Ungehorsams offenbar nicht möglich war. Da aber auch in der Menschenwelt der Seelenjäger Herr über die Prinzessin ist, so muß der Held aufs neue eingreifen, indem er, wie wir schon erfahren haben, der Hexe den Vierbeiner ablistet und damit die dreibeinige Macht des Zauberers bricht. Die Dreiheit ist es, die den Raben bannt, und die Dreiheit ist zugleich auch die Macht des bösen Geistes. Das sind die beiden Dreiheiten, die entgegengesetzte Richtung haben. In einem ganz andern Bereiche, nämlich in dem der psychologischen Erfahrung, wissen wir, daß drei von den vier Bewußtseinsfunktionen sich differenzieren, d. h. bewußt werden können; eine aber bleibt mit dem Mutterboden, dem Unbewußten, verbunden und wird als die inferiore resp. »minderwertige< Funktion bezei{!hnet. Sie bildet die Achillesferse auch des heroischsten Bewußtseins. lrgendwo ist der Starke schwach, der Gescheite dumm, der Gute schlecht usw., und das Umgekehrte ist auch wahr. Nach unserm Märchen erscheint die Dreiheit als eine verstümmelte Vierheit. Könnte man das eine Bein den drei andern beifügen, so entstünde die Ganzheit. So lautet auch das änigmatische Axiom der Maria: »aus dem dritten wird das Eine (als) Viertes< (ex 'Z"OU rphou 'Z"O SIJ rsraproll), d. h. wohl: wenn aus dem dritten das vierte kommt, so entsteht damit auch zugleich die Einheit. Das eine, verloren gegangene Stück, das sich im Besitze der Wölfe der großen Mutter befindet, ist zwar nur ein Viertel, macht aber mit den drei zusammen jene Ganzheit aus, welche die Trennung und den Konflikt aufhebt. Woher nun aber kommt es, daß das eine Viertel nach der Aussage der Symbolik ebenfalls eine Dreiheit ist?
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Hier läßt uns die Symbolik des Märchens im Stich, und wir sind gezwungen, zu den Tatsachen der Psychologie unsere Zuflucht zu nehmen. Ich habe vorhin gesagt, daß drei Funktionen differenziert. werden können, und nur eine im Banne des Unbewußten verbleibt. Diese Feststellung muß noch präzisiert werden. Erfahrungsgemäß gelingt die Differenzierung nur annähernd bei einer Funktion, welche deshalb als die superiore oder Hauptfunktion bezeichnet wird und neben Extra- und Introversion den Typus der Bewußtseinseinstellung ausmacht. Dieser Funktion stehen eine oder zwei, mehr oder weniger differenzierte, Auxiliärfunktionen zur Seite, welche aber fast nie denselben Grad an Differenzierung, d. h. an willkürlicher Verwendungsfähigkeit erreichen. Sie besitzen daher einen höheren Grad an Spontaneität als .die Hauptfunktion, die sich in hohem Maße als zuverlässig und als unserer Absicht willfährig erweist. Die vierte, inferiore, Funktion dagegen zeigt sich unserm Willen gegenüber als unzugänglich. Bald erscheint sie als Kobold mit neckischen Störungen, bald als dens ex machina. Immer aber kommt und geht sie sua sponte. Aus dieser Darlegung geht hervor, daß auch die differenzierten Funktionen nur zu einem Teil sich von der Verwurzelung im Unbewußten befreit haben, zu einem andern 'feil aber noch im Unbewußten stecken und insoweit unter der Herrschaft des Unbewußten operieren. Den drei differenzierten Funktionen, welche dem Ich zur Verfügung stehen, entsprechen drei unbewußte Anteile, die sich vom Unbewußten noch nicht gelöst haben 44 • Und wie den drei bewußten und differenzierten Funktionsteilen eine vierte, nndifferenzierte Funktion als mehr oder weniger peinlicher Störungsfaktor gegenübersteht, so scheint auch die superiore Funktion dem Unbewußten gegenüber der u In einem nordischen Märchen dargestellt als drei zu erlösende Prinzessinnen, die bis zum Hals in der Erde stecken.
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schlimmste Feind zu sein. Und eine besondere Finesse darf nicht unerwähnt bleiben: wie der Teufel sich gerne in einen Engel des Lichtes verkleidet, so beeinflußt in geheimer und tückischer Weise die inferiore am allermeisten die Hauptfunktion, wie letztere die erstere am meisten unterdrückt 45 • Diese leider etwas abstrakten Ausführungen sind nötig, um die Iisten- und andeutungsreichen Zusammenhänge unseres -wie man so zu sagen pflegt- >kindereinfachen< Märchens einigermaßen aufzuhellen. Die beiden gegensätzlichen Dreiheiten, die eine, welche den Bösen bannt und die andere, welche seine Macht darstellt, entsprechen sozusagen haargenau der funktionalen Struktur unserer bewußten und unhewußten Psyche. Das Märchen als ein spontanes, naives und unreflektiertes Produkt der Seele kann wohl nicht anders als das aussprechen, was eben die Seele ist. Daher nun nicht etwa nur unser Märchen diese strukturellen psychischen Verhältnisse darstellt, sondern noch ungezählte andere Märchen 46 tun dasselbe. Unser Märchen zeigt mit seltener Deutlichkeit einerseits die ganze Gegensätzlichkeit des Geistarchetypus, andererseits das verwirrende Zusammenspiel der Antinomieen auf das eine große Ziel der höheren Bewußtwerdung hin. Der junge Schweinehirt, der aus animalischer Tiefe herauf den Riesenbaum der Welt erklettert und ganz oben in der lichten Ueberwelt seine Jungfrau Anima, die hochgeborene Prinzessin, entdeckt, symboZur Funktionenlehre vgl.: Psychologische Typen, 1922. Für den Laien auf diesem Gebiete möchte ich hier beifügen, daß die Strukturlehre der Psyche nicht etwa aus Märchen und Mythen abgeleitet wurde, sondern auf den Erfahrungen und Beobachtungen in dem Gebiete ärztlich-psychologischer Forschung beruht und erst sekundär ihre Bestätigung durch vergleichende Symbolforschung in Gebieten gefunden hat, die dem Arzte zunächst sehr ferne lagen. 45
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lisiert den Aufstieg des Bewußtseins aus tiernahen Gebieten zu einem aussichtsreichen Höhepunkt, welcher die Vergrößerung des Bewußtseinshorizontes in besonders geeigneter Weise darstellt 47 • Hat das männliche Bewußtsein einmal diese Höhe erreicht, so tritt ihm dort seine weibliche Entsprechung, die Anima, entgegen 48 • Diese ist eine Personifikation des Unbewußten. Die Begegnung zeigt, wie ungeeignet die Bezeichnung des Unbewußten als »Unterbewußtsein« ist. Es ist nicht nur »unter dem Bewußtsein«, sondern auch darüber, ja es ist schon längst darüber, sodaß der Held erst mühsam dazu emporklettern muß. Dieses »oberec Unbewußte ist aber keineswegs ein »Ueberbewußtsein« in dem Sinne, daß der, welcher es erlangt hat, wie unser Held, nun etwa ebenso hoch über dem »Unterbewußtsein« stünde, wie über der Erdoberfläche. Im Gegenteil, er macht die unangenehme Entdeckung, daß seine hohe und lichte Anima, die Prinzessin Seele, dort oben verhext ist und so unfrei wie ein Vogel in einem goldenen Käfig. Er kann sich zwar rühmen, über die Niederungen einer fast animalischen Dutnpfheit emporgediehen zu sein, aber seine Seele ist in der Macht eines bösen Geistes, einer finsteren Vaterimago unterweltlicher Art in Gestalt eines Raben, dieser bekannten theriomorphen Figur des Teufels. Was nützt ihm seine Höhe und der weite Horizont, wenn seine geliebte Seele im Gefängnis schmachtet? Ja, sie macht sogar das Spiel der Unterwelt mit und will den Jungen anscheinend daran hindern, das Geheimnis ihrer Gefangenschaft zu ent47 Es handelt sich um eine typische Enantiodromie: Auf diesem Wege geht es nicht noch höher hinaus, sondern man muß nun auch die andere Seite seines Wesens realisieren und dazu hinuntersteigen. 48 Der Junge fragt sich beim Anblick des großen Baumes: >Wie mag es wohl sein, wenn du dir von seinem Wipfel aus die Welt beschaust? c
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decken, indem sie ihm das Betreten des einen Zimmers verbietet. Heimlich aber führt sie ihn eben durch das Verbot doch dazu hin. Es ist, wie wenn das Unbewußte zwei Hände hätte, wovon die eine immer das Gegenteil der andern tut. Die Prinzessin möchte und möchte nicht befreit sein. Der böse Geist aber hat sich offenbar auch in eine Falle gelockt: er wollte sich eine schöne Seele der lichten Oberwelt rauben, was er als geflügeltes Wesen auch tun konnte, hatte aber nicht damit gerechnet, daß er dadurch selber in die Oberwelt gebannt würde. Er ist zwar ein finsterer Geist, hat aber Sehnsucht nach dem Licht. Das ist seine geheime Rechtfertigung, wie die Bannung die Strafe für den Uebergriff bedeutet. Solange der böse Geist in der Oberwelt gefangen ist, kann auch die Prinzessin nicht auf die Erde hinunter, und der Held bleibt im Paradies verschwunden. Nun begeht er aber die Sünde des Ungehorsams, ermöglicht dadurch das Entkommen des Räubers und verursacht eine nochmalige Entführung der Prinzessin, also eine ganze Reihe schlimmer Folgen. Das Resultat aber ist, daß die Prinzessin auf -die Erde kommt, und daß auch der teuflische Rabe die Menschengestalt des Jägers annimmt. Damit kommt die lichte, überweltliche Anima sowohl, wie das böse Prinzip in Menschennähe, d. h. beide werden in den menschlichen Diminutiv übersetzt und dadurch erreichbar. Das dreibeinige, alleswissende Pferd des Jägers stellt dessen eigentliche Macht dar. Es entspricht den unbewußten Anteilen der differenzierbaren Funktionen 49 • Der Jäger aber personifiziert die inferiore Funk49 Das Allwissen der unbewuf!ten Funktionsanteile ist natürlich eine Uebertreibung. Tatsächlich verfügen diese aber - oder besser gesagt - sind sie beeinflullt von den subliminalen Wahrnehmungen und Erinnerungen sowie den instinktiven, archetypischen Inhalten des Unbewuf!ten. Diese sind es, welche den unbewullten Tätigkeiten Informationen von unerwarteter Richtigkeit vermitteln.
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tion, die auch im Helden als dessen Neugier und Unternehmungslust sichtbar wird. Im weiteren Verlauf gleicht er sich dem Jäger sogar noch mehr an: wie dieser sich sein Roß von der Hexe holt, so unser Held. Aber zum Unterschied von letzterem hat der Jäger es versäumt, zwölf Lämmer zu gleicher Zeit mitzunehmen, um die zwölf Wölfe zu füttern, die ihm dann sein Pferd beschädigen. Er vergaß, den chthonischen Mächten den Trihut zu entrichten, weil er eben nichts ist als ein Räuber. Durch sein Versäumnis aber lernt der Held, daR nur gegen ein Opfer das Unhew~Rte seine Geburten ent]äRt 50• Die Zwölfzahl ist hier wohl ein Zeitsymbol mit der Nebenbedeutung von zwölf Werken (a'I?-Aa) 5\die für das UnhewuRte geleistet werden müssen, ehe man sich davon befreien kann 52 • Der Jäger erscheint wie ein erstmaliger, mißratener Versuch des Helden, mit Raub und Gewalt in den Besitz seiner Seele zu gelangen. Die Erlangung der Seele aber bedeutet in Wirklichkeit ein opus von Geduld, Opferwillen und Hingehung. Indem der Held das vierbeinige Pferd in seinen Besitz bringt, tritt er vollends an Stelle des Jägers und erjagt sich damit auch die Prinzessin. Die Vierheit erweist sich in unserer Erzählung als die größere Macht, denn sie integriert in ihrer Ganzheit jenes Stück, das dieser noch fehlte, um ganz zu sein. Der Archetypus des Geistes ist in diesem - beiläufig gesagt- keineswegs primitiven Märchen theriomorph ausgedrückt als ein System von drei Funktionen, 50 Der Jäger hat seine Rechnung ohne den Wirt gemacht, wie dies meistens geschieht. Man denkt selten oder nie an die Kosten, welche die Tätigkeit des Geistes verursacht. 51 Vgl. Heraklesmythus. 52 Die Alchemisten betonen die lange Dauer des Werkes und sprechen von »longissima via«, :.diuturnitas immensae meditationis« usw. Die Zwölfzahl dürfte mit dem Kirchenjahr, in welchem das Erlösungswerk Christi abläuft, zusammenhängen. Das Lammopfer wird wohl auch aus dieser Quelle stammen.
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welches einer Einheit, dem bösen Geist, untergeordnet ist, so wie eine ungenannte Instanz mitteist einer Dreiheit von Nägeln den Raben gekreuzigt hat. Die in beiden Fällen übergeordnete Einheit entspricht in ersterem Fall der inferioren Funktion, die ·der unbewui.lte Widersacher der Hauptfunktion ist, also dem Jäger; in letzterem Fall der Hauptfunktion, also dem Helden. Held und Jäger gleichen sich schlieRlieh aneinander an, so daR die Funktion des Jägers im Helden aufgeht. Ja, der Held selber steckt schon von Anfang im Jäger drin und veranlaßt diesen, mit allen ihm zu Gebote stehenden unmoralischen Mitteln den Raub der Seele zu vollziehen und sie sozusagen gegen seinen eigenen Willen allmählich dem Helden in die Hand zu spielen. An der Oberfläche herrscht wilder Kampf zwischen beiden, im Hintergrund aber besorgt der eine des andern Geschäft. Die Lösung des Knotens erfolgt in jenem Moment, wo es dem Helden gelingt, die Vierheit zu erobern, d. h. psychologisch: ·die inferiore Funktion in das Dreiersystem aufzunehmen. Damit ist der Konflikt mit einem Schlag beendet, und die Gestalt des Jägers verflüchtigt sich ins Nichts. Nach diesem Sieg setzt der Held seine Prinzessin auf das dreibeinige Pferd und reitet mit ihr in das Königreich ihres Vaters. Sie leitet und personifiziert nunmehr jene Region des Geistes, die zuvor dem bösen Jäger diente. Die Anima ist und bleibt also die Vertreterin jenes Teiles des Unbewui.lten, der nie und nimmer in eine menschlich erreichbare Ganzheit aufgenommen werden kann.
Nachtrag Erst nach Abschluß meines Manuskriptes wurde ich von befreundeter Seite auf eine russische Variante unseres Märchens aufmerksam gemacht. Es hat .den Titel:
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Maria Morewna 53 • Der Held der Geschichte ist kein Schweinehirt, sondern Iwan Zarewitsch. Für die drei hilfreichen Tiere gibt es hier eine interessante Erklärung: sie bilden eine Entsprechung zu den drei Schwestern Iwans und deren Männern, die eigentlich Vögel sind. Die drei Schwestern stellen eine unbewußte Funktionstriade dar, welche mit dem Tier-, resp. geistigen Reich in Beziehung steht. Die Vogelmenschen sind eine Art Engel und betonen die auxiliäre Natur der unbewußten Funktionen. In der Geschichte greifen sie denn auch in jenem entscheidenden Moment rettend ein, wo der Held (unähnlich der deutschen Variante) in die Gewalt des bösen Geistes gerät und von diesem getötet und zerstückelt wird (ein typisches Schicksal des Gottmenschen!) H. Der böse Geist ist ein Greis, oft nackt dargestellt und heißt Koschtschej Bessmertnoi (Koschtschej 55, der Unsterbliche). Die entsprechende Hexe ist die bekannte Baba-Jaga. Die drei hilfreichen Tiere der deutschen Variante sind hier verdoppelt, einmal die Vogelmenschen, sodann der Löwe, der fremde Vogel und die Bienen. Die Prinzessin ist hier die Königin Maria Morewna, eine große Heerführerin, (Maria, die Himmelskönigin, wird im russisch-orthodoxen Hymnus als »Heerführerin« gepriesen!), welche in ihrem Schlosse, im verbotenen Zimmer, den bösen Geist an zwölf Ketten gefesselt hält. Als Iwan dem Alten den Durst stillt, raubt dieser die Königin. Die magischen Reittiere verwandeln sich am Schlusse nicht in Menschen. Das russische Märchen hat einen ausgesprochen primitiveren Charakter. Tochter des Meeres. Der Alte tut die zerstückelte Leiche in ein FaR, das er ins Meer roirft, was an das Schicksal des Osiris (Kopf und Phallus!) erinnert. 55 Von kosth = Knochen und pakosth, kaposth = ekelhaft, schmutzig. 53
H
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5. Anhang Die hier folgenden Ausführungen beanspruchen insofern kein allgemeines Interesse, als sie im wesentlichen technisch sind. Ich wollte sie bei dieser Neuausgabe zuerst unterdrücken, habe mich aber dann anders besonnen und sie in einem Anhang beigefügt. Der nicht speziell psychologisch interessierte Leser kann diesen Abschnitt ruhig überschlagen. Ich habe nämlich im Folgenden das anscheinend abstruse Problem der Drei- und Vierbeinigkeif der magischen Pferde behandelt und dabei meine Ueberlegungen so dargestellt, daR die dabei befolgte Methode sichtbar wird. Dieses psychologische Raisonnement beruht einerseits auf den irrationalen Gegebenheiten des Stoffes, d. h. des Märchens, Mythus oder Traumes, andererseits auf der BewuRtmachung der »latenten« rationalen Beziehungen der Gegebenheiten zueinander. DaR solche Beziehungen überhaupt existieren, ist zunächst eine Hypothese, wie z. B. diejenige, welche besagt, daR Träume einen Sinn haben. Die Wahrheit dieser Annahme steht nicht a priori fest. Ihr Nutzen kann sich nur durch ihre Anwendung ergeben. Es ist darum zunächst abzuwarten, ob ihre methodische Applikation an das irrationale Material eine sinnvolle Deutung desselben ermöglicht. Ihre Anwendung besteht darin, daR dasselbe so angesprochen wird, als ob es einen sinnvollen inneren Zusammenhang besäße. Zu diesem Zwecke bedürfen die meisten Gegebenheiten einer gewissen Amplifikation, d. h. einer gewissen Verdeutlichung, Generalisierung und Annäherung an einen mehr oder weniger allgemeinen Begriff entsprechend der Cardanischen DeutungsregeL So muß z. B. die Dreibeinigkeit, um erkennbar zu werden, zunächst vom Pferde gesondert und ihrem eigenen Prinzip, nämlich der Dreiheit, angenähert werden. Die im Märchen erwähnte Vierbeinigkeit tritt auf der er-
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höhten Stufe des allgemeinen Begriffes ebenfalls in Beziehung zur Dreiheit, woraus sich das Rätsel des Timaios, nämlich das Problem von Drei und Vier, ergibt. Triade und Tetrade stellen archetypische Strukturen dar, welche in der allgemeinen Symbolik eine bedeutende Rolle spielen und gleichermaßen für die Mythenwie für die Traumforschung wichtig sind. Die Erhebung der irrationalen Gegebenheit (nämlich der Drei- und Vierbeinigkeit) auf die Stufe eines allgemeinen Anschauungsbegriffes läßt die universale Bedeutung des Motivs auf der Bildfläche erschein:en und verleiht dem nachdenkenden Verstande den Mut, das Argument ernsthaft in Angriff zu nehmen. Diese Aufgabe involviert eine Reihe von Ueberlegungen und Schlußfolgerungen technischer Natur, die ich dem psychologisch interessierten Leser und insbesondere dem Fachmann nicht vorenthalten möchte, um so weniger als diese Verstandesarbeit für die· Auflösung von Symbolen überhaupt typisch und zum Verständnis der Produkte des Unbewußten unerläßlich ist. Nur auf diese Weise kann der Sinn unbewußter Zusammenhänge aus diesen selber erarbeitet werden, im Gegensatz zu jenen deduktiven Deutungen, die aus einer vorausgesetzten Theorie hervorgehen, wie z. B. die astro- und meteoromythologischen und last not least - die sexualtheoretischen Interpretationen. Das dreibeinige und das vierbeinige Pferd bilden in der Tat eine geheimnisvolle Angelegenheit, welche einer genaueren Untersuchung würdig ist. Die Drei und die Vier erinnern nicht nur an jenes Dilemma der psychologischen Funktionenlehre, sondern auch an jenes Axiom der Maria Prophetissa, das in der Alchemie eine beträchtliche Rolle spielt. Es dürfte sich daher lohnen, etwas näher auf die Bedeutung der beiden Wunderpferde einzutreten. Es scheint mir vor allem beachtenswert, daß der 5 jung: Symbolik des Geistes
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Dreibeiner der Prinzessin einerseits als Reittier zugeordnet, und andererseits selber eine Stute und zugleich eine verzauberte Prinzessin ist. Die Dreiheit verbindet sich hier unzweideutig mit der Weiblichkeit, während sie in der dominierenden religiösen Ansicht des Bewußtseins eine exquisit männliche Angelegenheit darstellt, ganz abgesehen davon, daß drei als ungerade Zahl sowieso männlich ist. Man könnte daher die Dreiheit direkt als ~Männlichkeit< übersetzen, welch letztere in der altägyptischen Drei-Einigkeit von Gott - KaMutef 58 - Pharao noch eindrücklicher ist. Die Dreibeinigkeit als Eigenschaft eines Tieres bedeutet eine dem weiblichen Wesen unbewußt innewohnende Männlichkeit. Bei der wirklichen Frau entspräche ihr der Animus, der, wie das Zauberpferd, ~Geist< darstellt. Bei der Anima hingegen koinzidiert die Dreiheit nicht etwa mit einer christlichen Trinitätsvorstellung, sondern mit dem ~unteren Dreieck<, der inferioren Funktionstriade, welche den sogenannten ~Schatten< ausmacht. Die inferiore Persönlichkeitshälfte ist meistens und größtenteils unbewußt. Sie bedeutet nicht das ganze Unbewußte, sondern nur dessen persönlichen Ausschnitt. Die Anima hingegen, insofern sie vom Schatten unterschieden wird, personifiziert das kollektive Unbewußte. Ist ihr die Dreiheit als Reittier zugeordnet, so will das bedeuten, daß sie den Schatten »reitet<, d. h. sich als Mare 57 zu ihm verhält. In diesem Fall possediert sie den Schatten. Ist sie selber aber das Pferd, so hat sie ihre dominierende Stellung als Personifikation des kollektiven Unbewußten verloren und ist als Reittier von der Prinzessin A, der Gemahlin des 56 Ka-Mutef bedeutet >Stier seiner Mutter<. Siehe H. J ak ob s o h n : Die dogmatische Stellung des Königs in der Theologie der alten Aegypter. Aegypt. Forsch. Herausg. v. A. Scharff, 1939, H. 8, p. 17, 35, 41 ff. 57 Vgl. Wandlungen und Symbole der Libido, p. 243 ff. u. 398.
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Helden, »geritten<, d. h. possediert Sie ist als Prinzessin B, wie das Märchen richtig sagt, in den Dreibeiner verzaubert. Diese etwas verworrene Angelegenheit läRt sich folgendermaßen auflösen: 1. Prinzessin A ist die Anima 58 des Helden. Sie reitet, d. h. possediert den Dreibeiner, den Schatten, d. h. die inferiore Funktionstriade ihres späteren Gemahls. Etwas einfacher ausgedrückt heiRt das, daR sie die inferiore Persönlichkeitshälfte des Helden mit Beschlag belegt hat. Sie hat ihn von seiner schwachen Seite aus erwischt, wie solches im gewöhnlichen Leben häufig der Fall ist, denn, wo man schwach ist, braucht man die Stütze und Ergänzung. An der schwachen Seite des Mannes ist die Frau sogar an der richtigen und sinngemäHen Stelle. So müHte man wohl die Situation formulieren, wenn man den Helden und Prinzessin A als zwei gewöhnliche Personen betrachtete. Da die Geschichte aber wunderbar ist und sich hauptsächlich in der Welt des Magischen abspielt, so ist die Deutung der Prinzessin A als Anima des Helden wohl richtiger. In diesem Fall ist der HeJ.d durch sein Zusammentreffen mit der Anima der profanen Welt entrückt wie Merlin durch seine Fee, d. h. als gewöhnlicher Mensch ist er einer, der, in einem wundersamen Traum gefangen, die Welt nur noch wie durch einen Nebel sieht. 2. Nun kompliziert sich die Sachlage erheblich durch den unerwarteten Umstand, daR der Dreibeiner seinerseits weiblich, d. h. eine Entsprechung der Prinzessin A darstellt. Er ist die Prinzessin B. Diese entspräche in ihrer Pferdegestalt dem Schatten der Prinzessin A (also ihrer inferioren Funktionstriade). Prin58 Dafl sie kein gewöhnliches Mädchen, sondern eine königliche Person und erst noch electa des bösen Geistes ist, beweist ihre nicht menschliche, sondern mythologische Natur. Ich mufl den Begriff der Anima als bekannt voraussetzen.
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zessin B unterscheidet sich aber von Prinzessin A dadurch, daß sie nicht wie diese das Pferd reitet, sondern in diesem enthalten, resp. in dieses verhext und damit unter die Herrschaft einer männlichen Dreiheit geraten ist. Sie ist also von einem Schatten besessen. 3. Die Frage ist nun: von wessen Schatten ist sie besessen? Es kann nicht der Schatten des Helden sein, denn dieser ist schon von seiner (des Helden) Anima in Besitz genommen. Das Märchen gibt uns die Antwort, daß es der Jäger, resp. Zauberer sei, der sie verhext hat. Wie wir gesehen haben, steht der Jäger in einem gewissen Zusammenhang mit dem Helden, indem letztere.r sich allmählich an .dessen Stelle setzt. Man könnte daher auf die Vermutung kommen, daß der Jäger im Grunde genommen nichts anderes sei, als der Schatten des Helden. Dieser Auffassung widerspricht nun aber die Tatsache, daß der Jäger eine bedeutende Macht repräsentiert, die sich nicht nur auf die Anima des Helden, sondern noch viel weiter erstreckt, nämlich auch auf das königliche Bruder-Schwesterpaar, von dessen Existenz der Held und seine Anima keine Ahnung haben, und die auch im Märchen selber sehr unvermittelt erscheinen. Die Macht, welche weiter als der Bannkreis eines Einzelnen reicht, hat überindividuellen Charakter und kann daher nicht mit dem Schatten identifiziert werden, insofern wir diesen als die dunkle Persönlichkeitshälfte des Einzelnen auffassen und ·definieren. Als überindividueller Faktor ist das Numen des Jägers jene Dominante des kollektiven Unbewußten, welche vermöge ·ihrer Charakteristika, wie Jäger, Zauberer, Rabe, Wunderpferd, Kreuzigung resp. Suspension im Wipfel des Weltbaumes 50 insbesondere die germanische Seele an59
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:.Ich weill, wie ich hing am windigen Baum Neun ewige Nächte, Vom Speere verwundet, dem Wodan geweiht:
geht. Der Wiederschein der christlichen Weltanschauung im Meere des Unbewußten nimmt daher folgerichtigerweise die Züge Wotans an 80• Wir stoßen in der Figur des Jägers auf eine imago dei, ein Gottesbild, denn Wotan ist auch ein Wind- und Geistgott, daher ihn die Römer passend als Merkur deuteten. 4. Der Prinz und seine Schwester, Prinzessin B, sind also vom heidnischen Gotte in Besitz genommen und in Pferde verwandelt, d. h .. in die tierische Sphäre hinuntergedrückt worden. Letztere entspricht dem Unbewußten. Die beiden in ihrer eigentlichen Menschengestalt gehörten demnach einmal dem Reiche des kollektiven Bewußtseins an. Wer sind sie aber? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir von der Tatsache ausgehen, daß die beiden unzweifelhaft eine Entsprechung zum Helden und zur Prinzessin A darstellen. Beide stehen mit letzteren auch dadurch in Zusammenhang, daß sie als deren Reittiere dienen, mithin als deren untere, animalische Hälften erscheinen. Das Tier in seiner fast gänzlichen Unbewußtheit ist seit jeher das Symbol jener psychischen Sphäre im Menschen, welche in der Dunkelheit des körperlichen Trieblebens verborgen ist. Der Held reitet auf dem Hengst, der durch die gerade (weibliche) Zahl (4) gekennzeichnet ist; Prinzessin A auf der Stute, welche Ich selber geweiht mir selber, An jenem Baume, der jedem verbirgt, Wo er den Wurzeln entwachsen.< Hävamal Vers 139 ff. 80 Vgl. das von N i e t z s c h e geschilderte Gotteserlebnis in »Klage der Ariadnec:: »- dein Wild nur bin ich, Grausamster Jäger! Deine stolzeste Gefangne, Du Räuber hinter Wolken ... c: Gedichte und Sprüche von Friedrich Nietzsche. 1898, p. 155 ff.
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nur drei Beine (a:lso eine männliche Zahl) hat. Durch diese Zahlen wird es offenbar, daß mit der Verwandlung in die Tiere auch eine gewisse Aenderung im Geschlechtscharakter eingetreten ist: der Hengst hat ein weibliches Attribut, die Stute ein männliches. Dieses Ergebnis wird durch die Psychologie bestätigt: In dem Maße nämlich, in welchem ein Mann vom (kollektiven) Unbewußten überwältigt wird, tritt nicht nur seine Triebsphäre hemmungsloser in Erscheinung, sondern auch ein gewisser weiblicher Charakter, den ich als »Anima« zu bezeichnen vorgeschlagen habe. Gerät dagegen eine Frau unter die Herrschaft des Unbewußten, so tritt die dunklere Seite ihrer weiblichen Natur verbunden mit ausgesprochen männlichen Zügen stärker hervor. Letztere werden unter dem Begriff :.Animus« zusammengeiaßt 61 • 5. Nach der Aussage ·des Märchens ist aber die Tierform des Bruder-Schwesterpaares uneigentlich und verdankt ihr Dasein der zauberischen Einwirkung des heidnischen Jägergottes. Wären sie nichts als Tiere, so könnten wir uns wohl mit obiger Deutung begnügen. Dabei würden wir allerdings die merkwürdige Andeutung der Veränderung im Geschlechtscharakter mit unberechtigtem Stillschweigen übergehen. Der Schimmel ist aber kein gewöhnliches Pferd, sondern ein Wundertier mit übernatürlichen Eigenschaften. Die menschliche Figur, aus der das Tier durch Verzauberung entstanden ist, muß daher ebenfalls den Charakter der Uebernatürlichkeit an sich haben. Das Märchen bemerkt dazu allerdings nichts. Aber wenn unsere Annahme zu Recht besteht, daß die Tierform der beiden dem untermenschliehen Bestandteil des Helden und der Prinzessin ent81 Vgl. dazu E m m a J u n g : >Ein Beitrag zum Problem des Animus<, in: Wirklichkeit der Seele. Psychol. Abh. IV, herausg. von C. G. Jung. 1934, p. 296 ff.
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spricht, dann ergibt es sich, daß die menschliche Form einem übermenschlichen Bestandteil derselben gleichkommt. Die Uebermenschlichkeit des ursprünglichen Schweinehirten offenbart sich darin, daß er zum Helden, d. h. soviel wie zu einem Halbgott wird, indem er nicht bei seinen Schweinen bleibt, sondern den Weltbaum erklettert, wo er beinahe wie Wotan zum Gefangenen desselben wird. Ebenso könnte er sich nicht dem Jäger angleichen, wenn er nicht, wie wir gesehen haben, eine gewisse Aehnlichkeit mit diesem besäße. Gleicherweise bedeutet die Gefangenschaft der Prinzessin A im Wipfel des Weltbaumes eine gewisse Em>ähltheit derselben, und insofern sie das Bett des Jägers teilt, wie das Märchen berichtet, ist sie sogar Gottesbraut. Die außergewöhnlichen, ans V ebermenschliche streifenden Kräfte des Heldentums und der Erwähltheit sind es, welche zwei gewöhnliche Menschenkinder in übermenschliches Schicksal verwickeln. Im profanen Bereich wird dadurch ein Schweinehirt König und eine Prinzessin bekommt einen ihr zusagenden Mann. Da es aber für das Märchen nicht bloß eine profane, sondern auch eine magische Welt gibt, so ist mit dem menschlichen Schicksal noch nicht alles gesagt. Es wird darum nicht unterlassen, auch das anzudeuten, was in der magischen Welt geschieht. Auch dort sind ein Prinz und eine Prinzessin in die Gewalt des bösen Geistes geraten, und dieser selber befindet sich in einer recht übeln Lage, aus der er sich ohne fremde Hilfe nicht mehr befreien kann. Damit ist das menschliche Schicksal, das dem Jungen und der Prinzessin A zustößt, auf der Stufe der magischen Welt parallelisiert. Insofern aber der Jäger als ein heidnisches Gottesbild sich noch über die Welt der Heroen und Göttergeliebten erhebt, so reicht der Parallelismus noch über das bloß Magische hinaus in einen göttlichen und geistigen Bereich, wo der böse Geist, der Teufel oder wenigstens ein Teufel der Ban59
nung durch ein mindestens ebenso oder vielleicht noch mächtigeres Gegenprinzip, ·das durch die drei Nägel angedeutet ist, verfällt. Diese höchste Gegensatzspannung, von welcher das ganze Drama seinen Ausgang nimmt, ist offenbar der Konflikt zwischen der oberen und der unteren Dreiheit, oder weltanschaulich ausgedrückt, zwischen dem christlichen Gott einerseits und dem Teufel, der die Züge Wotans 62 angenommen hat, andererseits. 6. Es scheint, daß wir von dieser höchsten Instanz auszugehen haben, wenn wir das Märchen richtig verstehen wollen, · denn der erste Grund zum Drama besteht in dem allem andern vorausgegangenen Uebergriff des bösen Geistes. Die nächste Folge ist seine Kreuzigung. In seiner qualvollen Lage braucht er fremde Hilfe, die, da sie nicht von oben kommt, nur von unten herbeigerufen werden kann. Ein Hirtenjunge besitzt die ebenso tollkühne wie knabenhafte Unternehmungslust und Neugierde, den Weltbaum zu erklettern. Wäre er heruntergefallen und hätte er sich alle Knochen gebrochen, so hätten die Leute wohl gesagt: welcher böse Geist hat ihm diese Narretel eingegeben, gerade auf ~inen solchen Riesenbaum zu steigen! Und in der Tat hätten sie nicht so unrecht gehabt, denn das war gerade das, was der böse Geist unbedingt brauchte. Die Gefangennahme der Prinzessin A war ein Uebergriff in der profanen Welt, und die Verzauberung des, wie wir vermuten dürfen, halbgöttlichen Bruder-Schwesterpaares war ein ebensolcher in der magischen Welt. Wir wissen es zwar nicht, aber es ist möglich, daß diese Freveltat der Verhexung der Prinzessin A sogar zeitlich voranging. Auf alle Fälle beweisen beide Fälle ein 62 Zur Dreiheit Wotans vgl. Ni n c k : Wodan und Germanischer Schicksalsglaube 1935, p. 142. Sein Pferd wird u. a. auch als dreibeinig bezeichnet.
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Uebergreifen des bösen Geistes in die magische Welt sowohl wie in die profane. Es ist wohl nicht ohne tieferen Sinn, daR der Befreier oder Erlöser gerade ein Schweinehirt ist, wie der verlorene Sohn. Er kommt aus dem Untersten und hat dies gemein mit der seltsamen Erlöservorstellung der Alchemisten. Seine erste Befreiungstat ist die Erlösung des bösen Geistes aus der über diesen verhängten göttlichen Strafe. Von dieser Tat aus, als erster Stufe der Lysis, löst sich die dramatische Verwicklung überhaupt. 7. Die Moral dieser Geschichte ist in der Tat höchst seltsam. Das Ende befriedigt insofern, als der Hirt und die Prinzessin A Hochzeit feiern und zum Königspaare werden. Prinz und Prinzessin B feiern ebenfalls ihre Hochzeit, aber nach archaischer Königsprärogative als Inzest, was einigen AnstoR erregen dürfte, aber als eigentümliche Gepflogenheit in Halbgötterkreisen hingenommen werden muß 63 • Was geschieht aber mit dem bösen Geist, mit dessen Befreiung von gerechter Strafe das ganze Drama angehoben hat? Der böse Jäger wird von den Rossen zertrampelt, was aber dem Geiste vermutlich keinen dauernden Schaden zufügt. Er verschwindet anscheinend spurlos; jedoch nur anscheinend, indem er trotz alledem seine Spur hinterläRt, nämlich ein schwer erkauftes Glück in der profanen sowohl wie in der magischen Welt. Die Vierheit, dargestellt durch den Hirten und Prinzessin A einerseits und Prinz und Prinzessin B andererseits, hat sich wenigstens zur Hälfte geeint und fest verbunden: es stehen 63 Daf! es sich hier um ein Bruder-Schwesterpaar handelt, ist eine Annahme, die sich auf die Tatsache stützt, daf! der Hengst die Stute mit >Schwesterchen< anredet. Das kann einerseits blof!e Redensart sein, andererseits aber meint >Schwesterehen< eben doch Schwester, ob dies nun eigentlich oder uneigentlich sei. Ueberdies spielt der Inzest in der Mythologie sowohl wie in der Alchemie eine bedeutende Rolle.
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sich jetzt zwei Ehepaare gegenüber, die einander zwar parallel, aber sonst voneinander getrennt sind, indem das eine Paar der profanen, das andere der magischen Welt angehört. Trotz dieser unzweifelhaften Trennung bestehen aber, wie wir gesehen haben, geheime psychologische Beziehungen zwischen ihnen, die es uns erlauben, das eine Paar von dem andern abzuleiten. Im Geiste des Märchens gesprochen, welches sein Drama an höchster Stelle beginnen läßt, müßte man sagen, daß die Halbgötterwelt der profanen vorausgehe und diese gewissermaßen aus sich erzeuge, wie erstere als aus der Götterwelt hervorgegangen gedacht werden muß. So aufgefaßt bedeuten Hirt und Prinzessin A nichts anderes als irdische Abbilder von Prinz und Prinzessin B, wie diese ihrerseits wiederum Abkömmlinge göttlicher Vorbilder wären. Vergessen wir nicht, daß zum Jäger die pferdezüchtende Hexe gehört als weibliches Gegenstück, so etwas wie eine alte Epona (die keltische Pferdegöttin). Leider wird nicht berichtet, wie die Verzauberung in Pferde geschah. Daß aber die Hexe dabei ihre Hand im Spiele hatte, geht daraus hervor, daß beide Schimmel aus ihrem Stalle stammen und daher gewissermaßen ihre Erzeugnisse sind. Der Jäger und die Hexe bilden ein Paar, das der Wiederschein eines göttlichen Elternpaares im nächtlich-chthonischen Teil der magischen Welt ist. Das göttliche Paar ist unschwer in der christlichen Zentralvorstellung von sponsus et sponsa, Christus und der bräutlichen Kirche, zu erkennen. Wollte man das Märchen personalistisch erklären, so würde dieser Versuch an der Tatsache scheitern, daß die Archetypen nicht Willkürerfindungen, sondern autonome Elemente der unbewußten Psyche und vor aller Erfindung schon da sind. Sie stellen die unveränderliche Struktur einer psychischen Welt dar, die durch ihre determinierenden Wirkungen auf das Bewußtsein zeigt, daß sie >wirklich< ist. So ist es eine bedeutsame
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psychische Wirklichkeit, dafl dem Menschenpaar 64 ein anderes Paar im Unbewuflten entspricht, wobei letzteres nur anscheinend eine Spiegelung des ersteren ist. Das königliche Paar ist in Wirklichkeit stets und überall a priori, und darum bedeutet das Menschenpaar weit eher eine individuelle, zeitlich-räumliche Konkretisierung des ewigen Urbildes, wenigstens in seiner geistigen Struktur, die dem biologischen Kontinuum aufgeprägt ist. So könnte man wohl sagen, dafl der Schweinehirt eben diesen animalischen Menschen darstellt, dem irgendwo in der Ueberwelt eine Partnerin zugesellt ist. Durch ihre königliche Geburt beweist sie ihren Zusammenhang mit dem a priori existierenden halbgöttlichen Paar. Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, stellt letzteres all das dar, zu dem der Mensch noch werden kann, wenn er nur weit genug am Weltenbaum hinaufklettert 65 • Denn in dem Mafle, als der junge Hirt sich seiner hochgeborenen, weiblichen Hälfte bemächtigt, nähert er sich auch dem halbgöttlichen Paar an und erhebt sich in die Sphäre des Königtums, d.h. der Allgemeingültigkeit. In jenem Zwischenspiel, das sich in der »Chymischen Hochzeit< des C h r i s t i an R o s e n c r e u t z findet, begegnen wir demselben Motiv: Der Königsohn mufl seine königliche Braut zuerst aus der Gewalt eines Mohren befreien, dem sie sich freiwillig als Konkubine zugesellt hat. Der Mohr stellt dort die alchemische Nigredo dar, in welcher die Arcansubstanz verborgen ist; welcher Gedanke eine weitere Parallele unseres Mythologems, 64 Insofern die Anima durch eine menschliche Person ersetzt ist. 65 Der groLle Baum entspricht der arbor philosophica der Alchemie. Die Begegnung des irdischen Menschen mit der aus der Krone herunterkommenden Anima in Melusinengestalt ist z. B. in der Ripley Scroll dargestellt. Siehe: Psychologie und Alchemie, p. 615.
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d. h. psychologisch ausgedrückt, eine weitere Variante dieses Archetypus bildet. Wie die Alchemie, so beschreibt auch unser Märchen jene unbewußten Vorgänge, welche die christliche Bewußtseinslage kompensieren. Es schildert das Wirken eines Geistes, welcher die christlichen Gedanken über die von der kirchlichen Auffassung gesetzten Grenzen weiterspinnt, um eine Antwort zu finden auf jene Fragen, welche weder Mittelalter noch Neuzeit beantworten konnten. Es ist ja nicht schwer zu sehen, daß im Bilde des zweiten königlichen Paares eine Entsprechung zur kirchlichen Vorstellung von Bräutigam und Braut und im Bilde von Jäger und Hexe eine Verzerrung des christlichen Gedankens in der Richtung eines noch bestehenden, unbewußten Wotanismus vorliegt. Daß es sich um ein deutsches Märchen handelt, macht die Sache besonders interessant, insofern derselbe Wotanismus dem Nationalsozialismus psychologisch zu Gevatter gestanden hat 66 • Letzterer hat die Verzerrung nach unten der Welt deutlich vor Augen geführt. Andererseits aber zeigt das Märchen, daß die Erreichung der Totalität im Sinne einer Ganzwerdung des Menschen nur durch die Einbeziehung des dunkeln Geistes möglich ist, ja daß dieser letztere sogar eine causa instrumentalis der erlösenden Individuation darstellt. In völligster Verkehrung dieses nicht nur von der Natur erstrebten, sondern auch von der christlichen Doktrin präfigurierten Zieles der geistigen Entwicklung, hat der Nationalsozialismus die sittliche Autonomie des Menschen zerstört und die widersinnige Totalität des Staates aufgerichtet. Das Märchen hingegen zeigt, wie zu verfahren ist, wenn man die Macht des dunkeln Geistes überwinden will: man muß dessen Methoden gegen ihn selber anwenden; was natürlich nicht ge66
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Vgl. meine »Aufsätze zur Zeitgeschichte<.
schehen kann, wenn jene magische Unterwelt des finstern Jägers unbewußt bleibt und die Besten der Nation lieber Lehr- und Glaubenssätze predigen als die menschliche Seele ernst nehmen.
6. Schlußwort Wenn wir den Geist in seiner archetypischen Form, wie er uns im Märchen und in den Träumen erscheint, betrachten, so ergibt sich ein Bild, das seltsam verschieden ist von der in so viele Bedeutungen aufgespaltenen bewußten Idee des Geistes. Geist ist ursprünglich ein Geist in Menschen- oder Tiergestalt, ein Daimonion, das dem Menschen gegenübertritt. Aber unser Materialläßt bereits Spuren der Bewußtseinserweiterung erkennen, welche allmählich jenes ursprünglich unbewußte Gebiet zu okkupieren beginnt und jene Daimonia zum Teil in Willkürakte verwandelt. Der Mensch erobert sich nicht nur die Natur, sondern auch den Geist, ohne sich zu vergegenwärtigen, was er damit tut. Dem aufgeklärten Verstand erscheint es wie eine Berichtigung, wenn er erkennt, daß das, was er für Geister hielt, des Menschen und schlieRlieh sein eigener Geist ist. All das Uebermenschliche im Guten wie im Bösen, das frühere Zeiten von den Daimonia aussagten, wird wie eine Uebertreibung auf »vernünftiges« Maß reduziert, und damit scheint alles in bester Ordnung zu sein. Aber waren die' übereinstimmenden U eberzeugungen der Vergangenheit wirklich und gewiß nur Uebertreibungen? Waren es keine, so bedeutet die Integration des menschlichen Geistes nichts weniger als eine Dämonisierung desselben, indem übermenschliche Geisteskräfte, die ehedem in der Natur gebunden lagen, in ·das menschliche Wesen hineingenommen werden und diesem eine Macht verleihen, welche die Grenzen des Menschseins in gefährlichster
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Weise in das Unbestimmte hinausverlegen. Ich muß dem aufgeklärten Rationalisten die Frage vorlegen: Hat seine vernünftige Reduktion zu einer wohltätigen Beherrschung der Materie und des Geistes geführt? Er wird stolz auf die Fortschritte der Physik und der Medizin, auf die Befreiung des Geistes von mittelalterlicher Dumpfheit und als wohlmeinender Christ auf die Erlösung von der Dämonenangst hinweisen; Wir fragen aber weiter: Wozu haben alle sonstigen Kulturerrungenschaften geführt? Die furchtbare Antwort liegt vor unsern Augen: Man ist von keiner Angst erlöst, ein finsterer Alpdruck liegt auf der Welt. Die Vernunft hat bis jetzt kläglich versagt, und gerade das, was alle vermeiden wollen, geschieht in schauerlicher Progression. Gewaltiges an Nützlichem hat sich der Mensch errungen, dafür aber hat er auch den Abgrund der Welt aufgerissen, und wo wird er, wo kann er noch halt machen? Man hat nach dem letzten Weltkrieg auf die Vernunft gehofft; man hofft jetzt wieder. Aber schon ist man von den Möglichkeiten der Uranspaltung fasziniert und verspricht sich ein goldenes Zeitalter - beste Gewähr dafür, daß der Greuel der Verwüstung ins Ungemessene wächst. Und wer ist es, deralldies zustandebringt? Es ist der sogenannte harmlose, begabte, erfinderische und 'vernünftige menschliche Geist, der nur leider seiner ihm anhaftenden Dämonie unbewußt ist. Ja, dieser Geist tut alles, um sein eigenes Gesicht nicht sehen zu müssen, und jeder hilft ihm dabei nach Kräften. Nur ja keine Psychologie, denn diese Ausschweifung könnte zur Selbsterkenntnis führen! Dann schon lieber Kriege, an denen jeweils der andere schuld ist, und keiner sieht, daß alle Welt besessen ist, das zu tun, was man flieht und fürchtet. Mir scheint - offen gestanden -, als ob die vergangeneu Zeiten nicht übertrieben, der Geist seine Dämonie nicht abgestreift, und die Menschen vermöge
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ihrer wissenschaftlichen und technischen Entwicklung sich der Gefahr der Besessenheit in zunehmendem Maße ausgeliefert hätten. Wohl ist der Archetypus des Geistes als böser sowohl wie guter Wirkung fähig charakteriesiert, aber es hängt an der freien, d. h. bewußten Entscheidung des Menschen, ob nicht auch das Gute sich noch ins Satanische verkehren soll. Seine schlimmste Sünde ist das Unbewußtsein, aber ihr frönen mit größter Andacht sogar die, welche den Menschen als Lehrer und Vorbild dienen •sollten. Wann kommt endlich die Zeit, wo man den Menschen nicht einfach in barbarischer Weise voraussetzt, sondern allen Ernstes nach Mitteln und Wegen sucht, ihn zu exorzisieren, seiner Besessenheit und Unbewußtheit zu entreißen und dies zur wichtigsten Kulturaufgabe macht? Kann man nicht endlich begreifen, daß alle äußeren Aenderungen und Verbesserungen die innere Natur des Menschen nicht berühren, und daß doch schlieRlieh alles davon abhängt, ob der Mensch, der die Wissenschaft und Technik handhabt, zurechnungsfähig sei oder nicht? Wohl hat das Christentum für uns den Weg geöffnet, aber es ist nicht tief genug unter die Oberfläche gedrungen, wie die Tatsachen beweisen. Welcher Verzweiflung wird es noch bedürfen, um den verantwortlichen Führern der Menschheit soweit die Augen zu öffnen, daß sie sich selber wenigstens der Verführung enthalten können?
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II
Der Geist Mercurius
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Uebersetzung des Motto: »Hermes, Herrscher der Welt, der im Herzen wohnt, Kreis des Mondes, Runder und Viereckiger, Erfinder der Worte der Zunge, Gehorsamer der Gerechtigkeit, Chlamysträger, Beschwingtbeschuhter, der alltönenden Zunge Walter, Prophet den Sterblichen ... c: Papyrus XVII b, (Straßburg) 1179, 1 sqq. P r e i s e n d a n z : Papyri Graecae Magicae, Bd. II, 139.
Der Geist Mercurius 1
I. TEIL Kapitel1 Das Märchen vom Geist in der Flasche Mein Beitrag zu dem Symposium über Hermes besteht in einem Versuche 2 , nachzuweisen, daR der vielfach schillernde und ränkevolle Gott mit dem Untergang der Antike noch längstens nicht gestorben ist, sondern in seltsamer Verhüllung während vieler Jahrhunderte bis in die neuere Zeit weitergelebt und mit seinen täuschenden Künsten und heilbringenden Gaben den Geist des Menschen in Atem gehalten hat. Ja, noch wird den Kindern jenes G r i m m ' sehe Märchen vom »Geist in der Flasche« erzählt, und ewig lebendig, wie die Märchen sind, ist darin auch Quintessenz und tiefster Sinn des hermetischen Mysteriums, wie es unsere späten Tage erreicht hat, erhalten. »Es war einmal«, sagt das Märchen, »ein armer Bauer. Der hatte einen einzigen Sohn, welchen er studieren lassen wollte. Da er ihn aber nur mit einer kleinen Summe auf die Universität schicken konnte, war das Geld bald aufgebraucht, längst bevor die Zeit der 1 Zwei Vorlesungen, gehalten an der Eranos-Tagung 1942. Erstmals gedruckt im Eranos-Jahrbuch 1942. 2 Ich gebe im folgenden nur eine allgemeine Uebersicht über den Mercuriusbegriff der Alchemie und keineswegs etwa eine erschöpfende Darstellung desselben. Dementsprechend handelt es sich bei den Nachweisen ebenfalls nur um Beispiele, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
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Examina erreicht war. So kam der Sohn wieder zurück und half dem Vater bei der Arbeit im Walde. Einstmals während der Mittagsrast schlenderte er im Walde herum und kam zu einer alten mächtigen Eiche. Dort hörte er eine Stimme aus dem Boden, die rief: ,Laß mich heraus, laß mich heraus!' Er grub nach und fand in den Wurzeln des Baumes eine wohlverschlossene Flasche, aus der offenbar die Stimme gekommen war. Er zog den Pfropfen, und da fuhr ein Geist heraus, der bald so groß war wie die halbe Eiche. Dieser Geist sprach zu ihm und sagte: ,Ich war zur Strafe eingeschlossen. Ich hin der großmächtige Mercurius; wer mich losläßt, dem muß ich den Hals brechen.' Das wurde dem jungen Mann unheimlich, und er ersann rasch eine List. Je.der könne behaupten, meinte er, er sei in der Flasche. gewesen, das müsse er doch zuvor beweisen. Zum Beweise fuhr der Geist wieder in die Flasche hinein. Schnell verschloß der Junge die Flasche, und der Geist war wiederum gefangen. Der Geist versprach ihm eine Belohnung, wenn er ihn wieder herausließe. Der Junge ließ ihn daraufhin wieder frei, worauf er von ihm einen Tuchlappen erhielt. Als der Junge die zerbrochene Axt mit dem Lappen bestrich, wurde sie in Silber verwandelt, und er konnte sie für 400 Taler verkaufen. So waren Vater und Sohn aller Sorgen ledig. Der Junge konnte seine Studien fortsetzen, und kraft seines Lappens wurde er nachmals ein berühmter Arzt.«
Kapitel 2
Erläuterungen zu Wald und Baum Welches ist nun die Einsicht, die wir aus dieser Geschichte gewinnen sollen? Bekanntlich können wir Märchen als Phantasieprodukte wie Träume behandeln, in-
dem wir sie als spontane Aussagen des Unbewußten über sich selber auffassen. Wie zu Anfang vieler Träume etwas ausgesagt wird über den Ort der Traumhandlung, so erwähnt auch das Märchen den Wald als den Ort des wunderlichen Geschehens. Der ald als ein ·dunkler und undurchsichtiger Ort ist, wie die Wassertiefe und das Meer, das Behältnis des Unbekannten und Geheimnisvollen. Er ist ein treffendes Gleichnis für das Unbewußte. Unter den vielen Bäumell,d~niebe~~s~IJ.;ai~ den Wald ausmachen, sticht ein Baum wegen seiner Größe besonders hervor. Die Bäume sind, wie die Fische im_Wasser •. die 1~?~-~:ri:EiS"~l! Ill.!J.
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3 Zur Beseeltheit des Baumes vgl. Frazer : The Magie Art, 1911, Vol. II Kap. IX. Bäume sind auch der Wohnort der Totengeister oder sind identisch mit dem Leben eines Neugeborenen. (Letzteres in Fra z er I. c. I, 184.) • Vgl. dazu »Traumsymbole des Individuationsprozesses< in: Psychologie und Alchemie, 1944. Bekanntester Typus ist der Baum im Paradies.
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oder »Blinden« oder denen mit »verbundenen Augen«, wie sie uns in den Illustrationen gewisser alchemistischer Traktate entgegentreten 5 • Es sind die Unerwachten, die ihrer selbst noch unbewuRt sind, d. h. die ihre zukünftige, umfangreichere Persönlichkeit, ihre »Ganzheit« noch nicht integriert haben, oder, in der Sprache der Mystik: es sind diejenigen, die noch >mnerleuchtet« sind. Für unsern Helden birgt der Baum also ein großes Geheimnis 6 • Das Geheimnis ist nicht in der Krone, sondern in den Wurzeln des Baumes versteckt 7 • Da es Persönlichkeit ist oder hat, so besitzt es auch eines der markantesten Zeichen von Persönlichkeit, nämlich Stimme, Sprache und bewußte Absicht: es verlangt, vom Helden befreit zu werden. Es ist also gefangen und eingeschlossen wider eigenen Willen und zwar in der Erde zwischen den Wurzeln des Baumes. Die Wurzeln reichen in die Welt des Unbelebten, ins Mineralreich hinunter. Ins Psychologische übersetzt würde das heißen, daR das Selbst im Körper (=Erde) und zwar in dessen chemischen Elementen wurzle. Was immer diese bemerkenswerte Aussage des Märchens an sich bedeuten mag, sie 5 Mut u s Li b er. Rupellae 167?. Titelblatt: ein Engel weckt den Schlafenden mit der Posaune. S t e f an MicheIs p a c her : Cabala, Spiegel der Kunst und Natur: in Alchimia. 1616: Vor einem Berge mit Tempel der Adepten steht im Vordergrund ein Mann mit verbundenen Augen, während weiter hinten einer einem Fuchs nachjagt, der in einem Loch im Berg verschwindet. Das »hilfreiche Tier< weist den Weg zum Tempel. Der Fuchs oder Hase ist selber der »evasive« Mercurius als Führer ( o(}r;roc:). 6 Ausführliche Belege zum Symbol des Baumes finden sich in: Der philosophische Baum, Verhandl. d. Naturforsch. Ges. in Basel. 1945, LVI, zweiter Teil 411 ff. 7 Dieses Motiv findet sich schon bei den Gnostikern in derselben Bedeutung. Siehe Hip p o I y tos : Elenchos V, 9, 15: Das vielnamige und tausendäugige »Wort Gottes« ist nerborgen in der Wurzel des Alk
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ist keineswegs seltsamer als das Wunder der lebendigen Pflanze, die im unbelebten Erdreich wurzelt. Die Alchemie beschreibt die Elemente (d. h. ihre vier Elemente) als radices (Wurzeln) in Anlehnung an die Empedokleischen fu(wp.am, worin sie auch die Konstituentien ihres bedeutendsten und zentralen Symbols, des Lapis Philosophorum, der das Ziel des Individuationsprozesses darstellt, erblickt 8 • Kapitel 3 Der Geist in der Flasche Das in den Wurzeln verborgene Geheimnis ist ein Geist, der in eine Flasche eingeschlossen worden ist. Er ist nicht natürlicherweise und von vornherein in den Wurzeln verborgen, sondern ist zuvor in eine Flasche gebannt, und diese ist dann versteckt worden. Vermutlich hat ein Zauberer, d. h. ein Alchemist, den Geist gefangen und eingesperrt. Wie wir unten noch sehen werden, ist dieser Geist aber etwas wie das Numen des Baumes, sein spiritus vegetativus, als welcher der Mercurius definiert ist. Als Lebensprinzip des Baumes ist er gewissermaßen die von diesem abstrahierte geistige Quintessenz, die man auch als principium individuationis bezeichnen könnte. Der Baum selber wäre dann die äußerlich sichtbare Erscheinung der Selbstwerdung. Einer ähnlichen Auffassung scheinen die Alchemisten zu sein. So sagt die Au r e I i a 0 c c u I t a : »Die Philosophen haben das Zentrum des Baumes, der mitten im irdischen Paradiese steht, mit größtem Eifer erforscht 9 .« Nach derselben Quelle ist Christus selber dieser Baum 10 •· Vgl. dazu: Psychologie und Alchemie, zweiter Teil. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 568. 10 1. c. p. 543. >(Christus) qui est arbor vitae et spiritualis ac corporalisc etc. 8
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Der Vergleich mit einem Baum findet sich übrigens schon bei Eu 1 o g i u s von A 1 e x an d r i e n {um 600). Er sagt: »Sieh im Vater die Wurzel, im Sohne den Zweig, im Geist die Frucht: denn eine ist die o6aEa in den Drei 11.« Mercurius ist ehenfalls trinus et unus. Ins Psychologische übersetzt würde die Aussage des Märchens lauten: die mercuriale Essenz, d. h. das principium individuationis, würde sich unter natürlichen Umständen frei entfalten, ist aber durch einen äußeren, beabsichtigten Eingriff seiner Freiheit beraubt, künstlicherweise eingesperrt und wie ein böser Geist gebannt worden. {Nur böse Geister nämlich werden gebannt! Die Bosheit des Geistes erweist sich in dessen mörderischer Absicht.) Nehmen wir an, diese vom Märchen postulierte Bosheit des Geistes bestehe zu Recht, dann müssen wir schließen, daß der Meister, der das principium individuationis bannte, wohl eine gute Absicht verfolgt hat. Wer ist nun dieser wohlmeinende Meister, der die Macht hat, das Individuationsprinzip des Menschen in Acht und Bann zu tun? Es kann nur ein Beherrscher der Seelen sein, ·dem solche Macht im geistigen Bereiche zukäme. Noch bei Sc h openhaue r ist das principium individuationis die Quelle des Uehels und erst recht im Buddhismus. Aber auch im Christentum wird die Natur des Menschen mit dem peccatum originale behaftet und durch das Selbstopfer Christi von dieser Makel erlöst. Der »natürliche« Mensch, wie er sich als Gegebenheit vorfindet, ist nicht gut und nicht rein, und sollte er sich per vias naturales entfalten, so würde dabei ein vom Tiere nicht wesentlich verschiedenes Gewächs herauskommen. Die bloße Triebhaftigkeit und die durch kein Schuldbewußtsein getrübte, naive Unhewußtheit des Naturwesens würde vorherrschen, hätte nicht der »Mei11 G. K r ü g er : Das Dogma von der Dreieinigkeit und Gottmenschheit. 1905, p. 207.
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sterc: diesem Treiben dadurch ein Ende gesetzt, daß er die freie Entfaltung des natürlichen Wesens unterbrach, indem er eine Distinktion zwischen »gut« und »böse« einführte und das »Böse« in Acht und Bann erklärte. Da es ohne Schuld kein moralisches und ohne wahrgenommene Unterschiedenheit überhaupt kein Bewußtsein gäbe, so muß man es dem Meister der Seelen wohl zugestehen, daß sein sonderbarer Eingriff hinsichtlich der Entwicklung jeglicher Art von Bewußtsein durchaus förderlich und in diesem Sinne von Gutem war. Laut Aussage unserer Konfession ist Gott selber dieser Meister und Alchemist, welch letzterer ja im Kleinen insofern mit dem Weltschöpfer konkurriert, als er sich bemüht, sein Werk analog dem Schöpfungswerk zu tun und darum seine mikrokosmische Arbeit stets mit dem opus des Weltschöpfers in Vergleich setzP 2 • Nach unserem Märchen ist das natürlich Böse in die »Wurzeln«, d. h. in die Erde, resp. in ·den Körper verbannt. Diese Aussage fällt zusammen mit der historischen Tatsache der Verachtung des Körpers in der allgemeinen christlichen Auffassung, die sich dabei, wie bekannt, um die feineren dogmatischen Unterscheidungen wenig kümmerte 13 • Danach ist nämlich weder der Körper noch die Natur überhaupt schlechthin des Bösen, denn als Werk Gottes oder gar als dessen Erscheinungsweise kann die Natur gar nicht das Böse sein. Dementsprechend ist der böse Geist im Märchen auch der Erde nicht einfach zugeteilt, sondern bloß darin verborgen und zwar in einem besonderen, sicheren Ge12 In den >Dicta Belinic erklärt Mercurius sogar: >Ex me fit panis ex quo venit totus mundus et fabricatur orbis terrae ex misericordia mea, nec deficit, quia donum Dei est.c (Allegoriae sapientum supra librum Turbae. Distinctio XXVIII in Theatr. Chem. 1622, Vol. V, 97.) 13 Vgl. die Lehre vom status iustitiae originalis und vom status naturae integrae.
häuse, so daß er es auch nicht vermöchte, sich frei durch die Erde zu bewegen und sich etwa irgendwo anders als gerade unter der Eiche bemerkbar zu machen. Die Flasche ist ein menschliches Kunstprodukt und bedeutet daher die intellektuelle Absichtlichkeif und Künstlichkeit der Prozedur, welche offenbar eine Isolierung des Geistes gegen das ihn umgebende Medium bezweckt. Die Flasche als vas Hermeticum der Alchemie war »hermetisch< verschlossen (d.h. mit dem Hermeszeichen versiegelt 14), mußte ein vitrum (Glas) und überdies möglichst rund sein, da sie das Weltall, in welchem die Erde. geschaffen wurde, darstellen sollte 15• Das durchsichtige Glas ist etwas wie solides Wasser oder feste Luft, welch letztere beide Synonyme des »Geistes< sind: die alchemische Retorte ist daher gleichbedeutend mit der anima mundi, welche das Weltall umhüllt 18 • C a e s a r v o n Heisterbach (XIII. Jahrh.) erwähnt eine Vision der Seele, in welcher diese als sphärisches Glasgefäß erschien 17• Auch der »geistige< (spiritualis) oder »äthergleiche« (aethereus) Stein der Weisen ist ein köstliches vitrum (gelegentlich als vitrum malleabile, hämmerbares Glas, bezeichnet), welches mit dem Goldglas (aurum vitreum) des himmlischen Jerusalem (Apok. XXI, 21) in Beziehung gesetzt wurde. Es ist bemerkenswert, daß das deutsche Märchen den in die Flasche gebannten Geist mit dem Namen des heidnischen Gottes Mercurius bezeichnet, welcher als mit dem deutschen Nationalgott Wotan identisch empfunVgl. Apok. XX, 3: >et signavit super illum<. >The Fift is of Concord and of Love, Betweene your W arkes and the Spheare above.c No r t o n' s 0 r d in a 11. in Theatr. Chem. Britannicum 1652, Chap. 6. p. 92. 16 Dies ist die alte alchemistische Auffassung. 17 Dialogus Miraculorum ed. Strange. Coloniae 1851, Distinct. I, Chap. XXXII und Distinct. IV, Chap. XXXIV. 14
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den wurde. Die Erwähnung des Mercurius stempelt das Märchen zu einer alchemistischen Vulgärlegende, die einerseits innerhalb der Alchemie die allegorischen Lehrerzählungen derselben als nahe Verwandte besitzt, andererseits zu jener bekannten folkloristischen Gruppe gehört, welche im Motiv des »gebannten Geistes« zentriert. Unser Märchen deutet damit den bösen Geist als einen. heidnischen Gott, welcher unter dem Einfluß des Christentums den Abstieg in die dunkle Unterwelt unternehmen und damit zugleich die moralische Disqualifikation auf sich nehmen mußte. Hermes wird zum Mysteriendämon aller Tenebriones (Dunkelmänner), Wotau zum Wald- und Sturmdämon, Mercurius zur Metallseele, zum Erzmännchen (homunculus), zum Drachen (draco s. serpens mercurialis), zum brüllenden, feurigen Löwen, zum Nachtraben (nycticorax) und schwarzen Adler, welche letztere auch Synonyme des Teufels sind. Der Geist in der Flasche benimmt sich in der Tat wie der Teufel in so vielen andern Märchen: er gibt Reichtum, indem er Unedles in Gold verwandelt, und wird auch betrogen wie dieser.
Kapitel 4 Die Beziehung des Geistes zum Baume Bevor wir jedoch in der Betrachtung des Geistes Mercurius weitergehen, möchte ich die an sich nicht unwichtige Tatsache hervorheben, daß der Ort, an dem er gebannt liegt, nicht irgend einer ist, sondern ein sehr wesentlicher, nämlich unter der Eiche, dem König des Waldes, d. h. psychologisch ausgedrückt, der böse Geist liegt gebannt in den Wurzeln des Selbst, als das im principium individuationis verborgene Geheimnis. Er ist 79
nicht mit dem Baum bzro. dessen Wurzeln identisch, sondern ist künstlicherweise dorthin verbracht worden. Das Märchen gibt uns keinerlei Anlaß zum Gedanken, daß die Eiche, welche ja das Selbst darstellt, etwa aus dem Geist in der Flasche gewachsen wäre, vielmehr könnte man vermuten, daß die schon bestehende Eiche den für ein zu verbergendes Geheimnis passenden Ort darstellt. Ein Schatz z. B. wird gerne dort vergraben, wo. eine äußere Markierung besteht, oder es wird eine solche nachträglich angebracht. Die für solche Gestaltungen vielfach maßgebende Vorlage ist der Paradiesesbaum, welcher auch nicht mit der an ihm erscheinenden Stimme, der Paradiesesschlange, identisch gesetzt wird 18 • Es ist aber dem gegenüber nicht zu übersehen, ·daß dergleichen mythische Motive nicht ohne bedeutende Beziehung zu gewissen seelischen Phänomenen bei Primitiven sind. In diesem Fall besteht eine beträchtliche Analogie mit der primitiven sog. animistischen Tatsache, daß gewisse Bäume den Charakter des Seelisch-Belebten - wir würden sagen - des Persönlichen haben, indem sie Stimme besitzen und den Menschen z. B. Befehle erteilen können. Am a u r y Ta I b o t berichtet einen solchen Fall aus Nigerien 19 , wo ein Ojibaum einen Askari rief, der darauf verzweifelt versuchte, aus der Kaserne auszubrechen und zum Baum zu eilen. Im Verhör gab er an, daß alle, die den Namen des Baumes trügen, von Zeit zu Zeit dessen Stimme hörten. In diesem Fall ist die Stimme mit dem Baum unzroeifelhaft identisch. Unter Berücksichtigung dieser seelischen Phänomene 18 In der Gestalt der Lilith oder Melusine erscheint der Mercurius am Baum z. B. in der Ripley Scroll. In diesen Zusammenhang gehört auch die Hamadryas in der Deutung des sog. Aenigma Bononiense, welches ich unter dem Titel >Das Rätsel von Bologna< in der Festschrift für Dr. A. Oeri 1945 dargestellt habe. 19 In the Shadow of the Bush, 1912, p. 31 f.
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steht daher zu vermuten, daß ursprünglich Baum und Dämon Eines und Dasselbe sind, und daß daher die Trennung derselben ein sekundäres Phänomen, welches einer höheren Kultur- resp. Bewußtseinsstufe entspricht, darstellt. Die ursprüngliche Erscheinung ist eine naturgöttliche, ein tremendum schlechthin und moralisch indifferent; die sekundäre Erscheinung aber macht eine Unterscheidung, welche das Natürliche spaltet und sich eben dadurch als ein höher differenziertes Bewußtsein erweist. Und obendrein fügt sie dazu, vielleicht als tertiäres Phänomen und damit als noch höhere Bewußtseinsstufe, eine moralische Qualifikation, welche die Stimme als die eines gebannten bösen Geistes erklärt. Es ist selbstverständlich, daß diese dritte Stufe charakterisiert ist durch den Glauben an einen :.oberen«, :.guten< Gott, der seinen Widersacher zwar nicht völlig erledigt, aber doch durch Gefangensetzung für einige Zeit unschädlich gemacht hat. (Apok. XX, 1-3.) Da wir auf der gegenwärtigen Bewußtseinsstufe nicht annehmen können, daß es Baumdämonen gibt, so sind wir gezwungen, zu behaupten, der Primitive halluziniere, d. h. er höre sein Unberou{ltes, das sich in den Baum projiziert hat. Besteht diese Aussage zu Recht - und ich wüßte nicht, wie wir es heutzutage anders formulieren könnten -, so hätte ·die oben erwähnte zweite Stufe es fertig gebracht, zwischen dem indifferenten Objekt :.Baum< und dem darein projizierten unbewußten Inhalt zu unterscheiden, womit sie gewissermaßen einen Akt der Aufklärung zustande gebracht hat. Die dritte Stufe sodann greift noch höher, indem sie dem vom Objekt getrennten psychischen Inhalt das Attribut :.böse< zuschreibt. Eine vierte Stufe endlich, nämlich die Stufe unseres heutigen Bewußtseins, geht in der Aufklärung noch weiter, indem sie die objektive Existenz des :.Geistes« leugnet und behauptet, der Primitive habe überhaupt nichts gehört, sondern bloß hal81
luziniert. resp. gemeint, er höre etwas. Damit löst sich das ganze Phänomen in eitel Dunst auf, was den großen Vorteil hat, daß nämlich damit der »böse« Geist in seinem Nichtsein erkannt ist und in einer lächerlichen Versenkung verschwinden kann. Eine fünfte Stufe der Bewußtseinsentwicklung aber, welche sich nolens volens als quintessentialisch vorkommen muß, wundert sich über diesen zyklischen Verlauf vom anfänglichen Wunder bis zur sinnlosen Selbsttäuschung, über diese Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt, und sie fragt, wie jener Knabe, der dem Vater die Geschichte von den 60 Hirschen im Walde vorgelogen hatte: aber was hat denn im Walde so gerauscht? Die fünfte Stufe ist der Meinung, etwas sei doch passiert, und wenn der psychische Inhalt schon nicht der Baum, und kein Geist im Baume und überhaupt kein Geist sei, so sei er doch ein aus dem Unbewußten sich hervordrängendes Phänomen, dem die Existenz nicht abgesprochen werden könne, insofern man gesonnen sei, der Psyche irgendwelche Wirklichkeit beizumessen. Täte man das Letztere nicht, so müßte man die göttliche creatio ex nihilo, die dem modernen V erstand so anstößig erscheint, noch viel weiter ausdehnen, nämlich auf Dampfmaschinen, Explosionsmotoren, Radio und auf sämtliche Bibliotheken der Erde, die allesamt aus unvorstellbar zufälligen Atomkonglomerationen entstanden wären, und damit wäre nichts anderes geschehen, als eine Umbenennung des Schöpfers in Conglomeratio. Die fünfte Stufe nimmt an, daß das Unbewußte eine Existenz sei, die an Wirklichkeit keiner andern nachsteht. Damit wird aber- odioserweise-auch der »Geist« zur Wirklichkeit, und dazu noch der »böse« Geist, und- noch viel schlimmer- die Unterscheidung von »gut« und »böse« ist plötzlich nicht mehr antiquiert, sondern höchst akt~ell und notwendig; der Gipfel aber ist, daß, insofern wir im Umkreis des subjektiven psychischen Er-
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Iebens den bösen Geist etwa nicht nachzuweisen vermöchten, sogar die Bäume oder sonstige passende ·Objekte wieder ernstlich in Frage kämen.
Kapitel 5 Das Problem der Freilassung des Mercurius Wir wollen hier nicht weiter auf die paradoxe Existenz des Unbewuflten eingehen, sondern uns wieder dem Märchen vom Geist in der Flasche zuwenden. Wir haben oben gesehen, daß der Geist Mercurius dem Motiv des »betrogenen Teufels« ähnelt. Die Analogie ist aber nur oberflächlich, denn unähnlich den Gaben des Teufels wird das Gold des Mercurius nicht zu Roßäpfeln, son. dern bleibt gutes Metall, und der Zauberlappen ist am Morgen nicht zu Asche geworden, sondern behält seine Heilkraft. Ebenso ist auch Mercurius nicht um eine Seele, die er etwa rauben wollte, betrogen worden. Er ist nur gewissermaßen zu seiner eigenen besseren Natur »betrogen« resp. umgestimmt worden, indem es dem Jungen gelingt, ihn nochmals in die Flasche zu bannen, um ihm die böse Laune zu vertreiben und ihn kirre zu machen. Mercurius wurde manierlich, gab dem Jungen ein nützliches Lösegeld und wurde dementsprechend freigesetzt. Wir hören nun wohl vom ferneren glücklichen Ergehen des Studenten und späteren Wunderdoktors, aber merkwürdigerweise nichts von den ferneren Taten des freigesetzten Geistes, die uns doch einigermaßen interessieren könnten, in Ansehung all der bedeutungsschweren Zusammenhänge, in die der Mercurius vermöge seiner vielseitigen Assoziationen mitten hinein führt. Was geschieht, wenn dieser HermesMercuri us-W otangeist, ein heidnischer Gott, wieder
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freigelassen wird? Als ein Gott der Zauberer, als ein spiritus vegetativus (Lebensgeist), als ein Sturmdämon wird er sich wohl nicht wieder ins Gefängnis begeben haben, und das Märchen gibt uns keinen Anlaß zu glauben, die Gefangenschaftsepisode habe etwa seine Natur endgültig zum unzweifelhaft Guten verändert. Die avis Hermetis (Vogel des Hermes) ist dem gläsernen Gefängnis entflohen, und damit ist etwas geschehen, das der zünftige Alchemist unter allen Umständen vermeiden wollte. Darum versiegelte er mit magischen Zeichen den Zapfen in der Flasche und setzte sie die längste Zeit auf gelindestes Feuer, damit :.der, der drin ist, nicht herausfliege«. Entkommt er nämlich, so wird das ganze mühselige opus zunichte und muß wieder von vorne angefangen werden. Unser Junge war ein Sonntagskind und vielleicht ein Armer im Geiste, dem ein Stück Himmelreich zufiel in Gestalt der sich beständig selbst erneuernden Tinktur, um derentwillen es heißt, daß das opus »nur einmal vollendet< werden müsse 20 • Aber hätte er den Lappen verloren, so hätte er ihn kein zweites Mal selber hervorbringen können. Von diesem Standpunkt aus gesehen, möchte es scheinen, als ob es einem Meister geglückt wäre, ·den spiritus mercurialis wenigstens einzufangen, und er ihn dann an einem sicheren Orte wie einen Schatz verborgen und vielleicht zu einem zukünftigen Gebrauch aufgehoben hätte. Vielleicht hat er die Gefangenschaft auch ausgedacht, um den »wilden« Mercurius so zu zähmen, daß er ihm als williger »familiaris« (dienstbarer Geist wie Mephisto) gedient hätte. (Der Alchemie sind solche Gedankengänge nicht fremd.) Vielleicht war er sehr unangenehm überrascht, als er wieder zur Eiche kam, zu finden, daß 20 »For he that shall end it once for certeyne, Shall never have neede to begin againe.< No r t o n' s Ordinall in Theatr. Chem. Brit. 1652, Chap. 4, p.48.
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der Vogel ausgeflogen war. In diesem Fall wäre es wohl besser gewesen, er hätte die Flasche nicht so dem Zufall überlassen. Auf alle Fälle muRdas Verfahren des jungen Mannes - so vorteilhaft es für ihn auch ausfiel - als alchemü;tü;ch inkorrekt bezeichnet werden. Abgesehen davon, daR er vielleicht die legitimen Ansprüche eines unbekannten Meisters durch die Freisetzung des Mercurius schädigte, war es ihm auch gänzlich unbewuRt, was für Folgen möglicherweise eintreten konnten, wenn dieser ungebärdige Geist auf die Welt losgelassen wurde. Die Blütezeit der Alchemie war das XVI. und die erste Hälfte des XVII. Jahrhunderts. Damals ist ja einem geistigen Gefäße, welches die Dämonen unbedingt als Gefängnis empfanden, ein Sturmvogel entkommen. Die Alchemisten waren, wie gesagt, nicht fürs Entkommen, sondern fürs Drinbleiben und für innere Umwandlung des Mercurius, denn sie meinten, daR das »Blei« (hier als Arcansubstanz, wie Mercurius), wie »Petasios der Philosoph gesagt« habe, »von solcher Besessenheit ( aaqJ.owm:A:r;~Ea) und Frechheit sei, daR die. welche es erforschen wollen, aus Unwissenheit in Wahnsinn verfallen« 2 1. Dasselbe wird ausgesagt von dem flüchtigen, dem Zugriff stets entwischenden Mercurius, welcher ein wahrer Trickster ist und den Alchemisten zur Verzweiflung treibt 22 •
21 Bei 0 l y m p i o d o r. Be rt h e l o t : Alch. Grecs. li, IV, 43. 22 Vgl. dazu den köstlichen Dialogus Mercurii, Alchymistae et Naturae. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 509 ff.
7 jung: Symbolik des Geistes
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II. TEIL Kapiteli
Vorbemerkungen Der geneigte Leser wird hier mit mir das Bedürfnis empfinden, noch ein Mehreres über den Mercurius zu erfahren und insbesondere darüber, was unsere Altvordern von diesem Geist gemeint und gesagt haben. Ich will daher, diesem Bedürfnis folgend, an Hand von Textzitaten versuchen, ein Bild dieses versatilen und schillernden Gottes zu entwerfen, wie die Meister der königlichen Kunst es vor Augen hatten. Zu diesem Zwecke müssen wir jene abstruse Literatur zu Rate ziehen, welcher es bis jetzt nicht vergönnt gewesen ist, ein adäquates Verständnis bei den Nachfahren zu finden. Es ist natürlicherweise und in erster Linie der Chemiker gewesen, der sich für die Geschichte der Alchemie interessierte. Daß er auf diesem Gebiete zwar eine Geschichte der Kenntnis vieler chemischer Körper und Drogen finden konnte, vermochte nicht, ihn mit der, wie ihm schien, jämmerlichen Magerkeit des Erkenntnisgehaltes auszusöhnen. Er war nicht in der vorteilhaften Lage älterer Autoren, wie S c h m i e d e r , der Möglichkeit der Goldkunst mit hoffnungsvoller Achtung und Sympathie gegenüberzutreten, sondern ärgerte sich an der Futilität der Rezepte und der Schwindelhaftigkeit der alchemistischen Spekulation überhaupt. So mußte ihm die Alchemie als ein über ca. 2000 Jahre sich erstreckender, gigantischer Irrtum vorkommen. Hätte er sich aber einmal die Frage vor-
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gelegt, ob die Chemie ·der Alchemie eigentlich oder uneigentlich sei, d. h. ob es Chemiker waren, oder ob sie bloß einen chemischen Jargon redeten, so wäre in den Texten genügend Anlaß vorhanden gewesen zu einer andern Betrachtungsweise als gerade der chemischen. Für diese andere Linie ist allerdings die wissenschaftliche Ausrüstung des Chemikers ungenügend, denn diese Linie führt über religionshistorische Gebiete. Es ist darum ein Philolog gewesen, dem wir überaus wertvolle und aufschlußreiche Vorarbeit verdanken, nämlich R e i t z e n s t e i n. Er hat den mythologischen, resp. gnostischen Ideengehalt der Alchemie erkannt und das ganze Gebiet damit von einer Seite her aufgeschlossen, welche größte Ji ruchtbarkeit verspricht. Die Alchemie bildete ja ursprünglich, wie ihre ältesten griechischen und chinesischen Texte ausweisen, ein Stück der gnostischen naturphilosophischen Spekulation, die sich auch der praktischen Detailkenntnisse der Goldschmiede, Edelsteinfälscher, Erzschmelzer, Bergleute, Drogenhändler und Apotheker bemächtigte. Im Osten wie im Westen enthält daher die Alchemie als Kernstück die Anthroposlehre der Gnosis und stellt ihrem ganzen Wesen nach eine eigentümliche Erlösungslehre dar. Diese Tatsache mußte dem Chemiker entgehen, trotzdem sie so und so oft in den griechischen, lateini. sehen und ungefähr gleichzeitigen chinesischen Texten deutlich genug ausgesprochen wird. Für unsern naturwissenschaftlich gebildeten oder erkenntniskritischen Verstand ist es allerdings zunächst fast unmöglich, sich wieder zurückzufühlen in jenen frühen geistigEm Zustand der »participation mystique«, der Identität subjektiver und objektiver Gegebenheiten. Hier sind mir die Erkenntnisse der modernen Psychologie sehr zustatten gekommen. Unsere praktischen Erfahrungen am Menschen zeigen immer wieder, daß jede längere Beschäftigung mit einem unbekannten Gegenstand eine
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fast unwiderstehliche Anlockung des UnbewuRten be~ wirkt, sich in die Unbekanntheit des Gegenstandes zu projizieren und die daraus resultierende (präjudizierte) Wahrnehmung und abgeleitete Deutung für objektiv zu halten. Dieses in der praktischen Psychologie, insbesondere in der Psychotherapie alltägliche Phänomen ist zweifellos ein Stück unvollständig überwundener Primitivität. Auf primitiver Stufe nämlich wird das ganze Leben beherrscht durch sog. animistische Voraussetzungen, d. h. Projektionen subjektiver Inhalte in objektive Gegebenheiten (wie z. B. Kar 1 von den S t e i n e n von den Bororos erzählt, daR sie sich für rote Papageien halten, trotzdem sie anerkanntermaßen keine Federn hätten). Auf dieser Stufe ist die alchemistische Annahme, daR ein gewisser Stoff geheime Tugenden besässe, oder daR es irgendwo eine prima materia gäbe, welche Wunder wirke, eine Selbstverständlichkeit. Es ist allerdings keine chemisch faßbare und nicht einmal denkbare Tatsache, aber es ist ein psyclwlogisches Phänomen. Bei der Durchleuchtung der alchemistischen Mentalität hat daher die Psychologie ein gewichtiges Wort mitzureden, denn das, was die Alchemie an absurden Phantastereien hervorgebracht hat wie es dem Chemiker der Fall zu sein scheint - das erkennt der Psycholog ohne allzugroße Schwierigkeiten als psychischen Stoff, welcher als mit chemischen Körpern kontaminiert erscheint. Dieser Stoff entstammt ursprünglich dem UnbewuRten und ist darum identisch mit jenen Phantasiegebilden, die wir auch heute noch bei Gesunden und Kranken, die nie von Alchemie gehört haben, nachweisen können. Genauer bezeichnet ist die Ursprungstelle das kollektive Unberou/lte. Wegen ihres primitiven Projektionscharakters ist uns daher die für den Chemiker so sterile Alchemie eine wahre Fundgrube von Materialien, welche ein überaus lehrreiches Bild der Struktur des UnbewuRten entwerfen. 88
Da ich mich im Folgenden vielfach auf Originaltexte berufen werde, so dürfte es sich empfehlen, einige Worte über die benützte, zum Teil schwer zugängliche Literatur einzuflechten. Ich lasse die wenigen übersetzten chinesischen Texte außer Betracht und erwähne bloß, daR der von R i c h a r d W i I h e I m und mir herausgegebene Text des »Geheimnisses der goldenen Blüte« ein Vertreter dieser Literaturgattung ist. Ebenso fällt das indische sog. »Quecksilbersystem« außer Betracht'. Die westliche Literatur, die ich benützt habe, zerfällt in etwa vier Teile: A. Die alten Autoren. Es handelt sich hauptsächlich um griechische Texte, die von B e r t h e I o t herausgegeben, und sodann um solche, die von den Arabern überliefert sind. Sie wurden ebenfalls von B e r t h e I o t herausgegeben. Sie entstammen ungefähr dem Zeitraum vom I. bis VIII. Jahrh. B. Die alten Lateiner. Darunter stehen an erster Stelle alte lateinische Uebersetzungen aus dem Arabischen (oder Hebräischen?). Nach neueren Untersuchungen scheinen die meisten Texte dieser Art aus der Philosophenschule von Harran, die bis zirka 1050 blühte, zu stammen (woher auch vermutlich das Corpus Hermeticum kommt). Zu dieser Gruppe gehören sodann die sog. Arabizanten, d. h. solche, die zweifelhaft arabischen Ursprungs, aber doch wenigstens als arabisch beeinfluRt erscheinen, wie z. B. die »Summa Perfectionis« des G e b e r oder die Ar ist o t e I es- und A v i c e n n a t r a c tat e. Der entsprechende Zeitraum erstreckt sich etwa vom IX. bis XIII. Jahrh. 1 Vgl. D euRen : Allg. Geschichte der Philosophie, I, 336 ff. Diese unzweifelhaft alchemistische Philosophie gehört zu den ziemlich späten (mittelalterlichen) Upa-Puränas, speziell zum Maheshvarapuräna, also einer Lehre, die sich hauptsächlich um Shiva dreht. Pära-da (das andere Ufer verleihend) bedeutet Quecksilber.
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C. Die neueren Lateiner. Sie stellen das Hauptkontingent dar und erstrecken sich vom XIV. bis XVII. Jahrh. D. Texte in europäischen Landessprachen. XVI. bis XVII. Jahrh. Nach dem XVII. Jahrh. wird der Verfall der Alchemie offenkundig, weshalb ich Texte des XVIII. Jahrh. nur ausnahmsweise benütze.
Kapitel2 Der Mercurius als Quecksilber resp. Wasser Der Mercurius ist zunächst und sozusagen überall verstanden als Hydrargyrum (Hg), engl. mercury, Quecksilber oder argenturn vivum (frz. vif-argent oder argentvive); als solches wird er dann bezeichnet mit »Vulgaris< (gewöhnlich) und »crudus« (roh). In der Regel wird davon ausdrücklich geschieden der »mercurius philosophicus«, eine ausgesprochene Arcansubstanz, die bald als im »mercurius crudus« vorhanden, bald als toto genere davon verschiedene Substanz aufgefaßt wird. Sie ist das eigentliche Objekt ·der Prozedur, nicht das vulgäre Hg. Wegen seines flüssigen Zustandes und seiner Verdampfbarkeit wird Hg auch als Wasser 2 bezeichnet. Eine beliebte Phrase ist: »aqua manus non madefaciens« (Wasser, das die Hände nicht naß macht) 3 • Weitere Bezeichnungen sind »aqua vitae« (Lebenswasser)\ »aqua alba< (weißes Wasser) 5 und »aqua sicca« (trockenes Wasser) 6 • Letztere Bezeichnung ist paradox, Von üamp (Wasser) und aprupor: (Silber). z. B. bei H o g h e I an d e : Theatrum Chemicum, 1602, I, 181. ' Aquarium Sapientum in Musaeum Hermeticum, 1678, p.84, 93. 6 1. c. p. 84. Daher auch lac virginis, nivis, terra alba foliata, magnesia usw. 8 Ho g h e I an d e : Theatr. Chem., 1602, I, 181. 2
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weshalb ich sie als charakteristisch für die Natur des bezeichneten Gegenstandes hervorheben möchte. »Aqua septies distillata< (siebenfach destilliertes Wasser) und »Aqueum subtile« (feines Wässriges) 7 weisen schon deutlich auf den philosophischen Mercur und dessen sublimiertes (»geistiges«) Wesen hhi. Als Wasser schlechthin bezeichnen den Mercurius viele Traktate 8 • Auf die Lehre vom »humidum radicale« (Wurzelfeuchte) weisen die Bezeichnungen »humidum albumc: (weiße Feuchte) 8 , »humiditas maxime permanens incombustibilis et unctuosa« (die am meisten beständige, unverbrennbare und fettige Feuchte) 10, »humiditas radicalisc: 11, oder es heißt, daß Mercurius aus der Feuchte hervorgehe wie ein Dampr (~omit wieder auf seine »geistige« Natur hingewiesen ist) 12 , oder daß er das Wasser regiere 18• Das in den griechischen Texten vielfach -e~wä.liiite Mwp fJe'iov (göttliches Wasser) ist hydrargyrum a. Auf den Mercurius als Arcansubstanz und Goldtinktur weist die Bezeichnung »aqua aurea« 16 oder die Bezeichnung des Wassers als »Mercurii caduceus« (Hermesstab) 16 • 7 8
My I i u s : Philosophia Reformata, 1622, p. 176.
z. B. Novum Lumen in Mus. Herm., 1678, p. 581;
Tractatus .Aureus in Mus. Herm., p. 34; Gloria Mundi in Mus. Herm., p. 250; K h u n rat h: Von Hyiealischen Chaos, 1597, p. 214 usw. 8 Rosarium Philosophorum in Artis Auriferae, 1593, II, p. 376. 10 Tractatus .Aureus in Mus. Herm., p. 39. 11 My I i u s: Phil. Ref., 1622, p. 31. 12 Gloria Mundi in Mus. Herm., p. 244. 13 Mercurius regit aquam. .Aurora Consurgens II, in Art. · Aurif., 1593, I, p. 189. Dieser Text bemerkt, daß Wasser Feuer sei. I. c. p. 212. a B e r t h e I o t : Aichimistes Grecs, IV, VII, 2. 15 B a s i I i u s V a I e n t i n u s : Practica, in Mus. Herm., 1678, p. 404. 16 P h i I a I e t h a : Metallorum Metamorphosis, in Mus. Herm., p. 771 und I n t r o i tu s A p er tu s , I. c. p. 654.
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Kapitel3 Der Mercurius als Feuer Als Feuer schlechthin bezeichnen den Mercurius viele Traktate 17• Er ist ein »elementarisches« Feuer (ignis elementaris) 18 oder »unser natürliches und sicherstes Feuer« (noster naturalis ignis certissimus) 10, womit seine »philosophische« Natur angedeutet wird. Die aqua mercurialis ist sogar ein »göttliches« Feuer 20 • Dieses Feuer ist »stark dampfend« (vaporosus) 21 • Der Mercurius ist überhaupt das einzige Feuer in der ganzen Prozedur 22 • Es ist ein »unsichtbares, im Geheimen wirkendes« Feuer 23 • Ein Text sagt, das »Herz« des Mercurius befinde sich im Nordpol, und er (Mercurius) sei wie Feuer (Nordlicht!) 24 • Der Mercurius ist in der Tat, wie ein anderer Text ausführt, das »universale und funkelnde Feuer des natürlichen Lichtes, welches den himmlischen Geist in sich trägt« 25 • Diese Stelle ist in17 Aurora Co n s ur g e n s I I, in Artis Auriferae, 1593, I, p. 212, D o r n e u s in Theatr. Chem., 1602, I, p. 578, My I i u s : Phil. Ref., 1622, p. 245, Axiom a t a in Theatr. Chem., 1602, I, 152 und 153 etc. 18 V i a V er i t a t i s in Mus. Herrn., p. 200. 10 T r a c t a t u s Au r e u s in Mus. Herrn., p. 39. 20 A qua r. S a p. in Mus. Herrn., p. 91. 21 I. c. p. 90. 22 :.Nullus est ignis in toto opere nisi Mercurius.c: Fons Ch ymicae Phil. in Mus. Herrn., p. 803. 23 >lgnis invisibilis, secreto agens.c Phi I a I e t h a : Metall. Metamorph. in Mus. Herrn., p. 766. 21 >ln polo est cor Mercurii, qui velut est ignis, in quo requies est Domini sui, navigans per mare hoc magnum.c I n t r o i t. Apert. Mus. Herrn., p. 655. Ein etwas dunkler Symbolismus! 25 >Universalis ac scintillans Luminis naturae Ignis est, qui caelestem spiritum in se habet.c: A q u a r i u m S a p i e n t u m in Mus. Herrn., p. 84.
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sofern für die Bedeutung des Mercurius von Belang, als sie ihn mit dem Begriff des Iumen naturae, jener zweiten, mystischen Erkenntnisquelle, neben der der hl. Offenbarung in der Schrift, in Zusammenhang bringt. Damit tritt die antike Rolle des Hermes als Offenbarungsgottes wieder in Erscheinung. Obschon das Iumen naturae als ursprünglich von Gott der Kreatur gegeben nicht widergöttlicher Natur ist, so wurde doch sein Vv esen als abgründig empfunden. Der ignis mercurialis steht nämlich andererseits mit dem Höllenfeuer in Verbindung. Es scheint aber, daR unsere »Philosophen« die Hölle, resp. deren Feuer nicht als absolut auRer- oder widergöttlich verstanden, sondern vielmehr als innergöttliche Anordnung aufgefaRt haben, was auch so sein mu.R, wenn anders Gott als colncidentia oppositorum gelten soll; d. h. der Begriff eines allumfassenden Gottes muR notwendigerweise auch seinen Gegensatz in sich schlieRen, wobei allerdings die Koinzidenz nicht zu radikal ausfallen darf, weil sich ja Gott dann selbst aufhöbe 26 • Der Satz von der Koinzidenz der Gegensätze muR daher noch durch sein Gegenteil vervollständigt werden, um volle Paradoxie und damit psychologische Gültigkeit zu erreichen. Das mercurialische Feuer befindet sich im »Zentrum der Erde«, im Drachenbauch, in flüssigem Zustand. Dazu macht B e n e d i c tu s F i g u I u s den Vers: »Visitir den Centrum in der Erden, Im Globo wird dir das Feuer werden 27 .« 26 Es handelt sich hier um eine rein psychologische Auseinandersetzung, welche menschliche Auffassungen und Aussagen betrifft, und nicht um das unerforschliche Wesen. 27 Benedictus Figulus: Rosarium Novum, 1608, Pars I, p. 71. Dies ist die »domus ignis idem Enoch«. Vgl. dazu: Paracelsica, p. 89, 141.
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In einem andern Traktat heißt es, dieses Feuer sei das »geheime Höllenfeuer, das Weltwunder, die Zusammensetzung der oberen Kräfte im Unteren 28 <. Mercurius, das offenbarende Licht der Natur, ist auch das Höllenfeuer, welches wunderbarerweise nichts anderes ist, als eine Zusammensetzung oder System des Oberen, d. h. der himmlischen, geistigen Kräfte, im Unteren, d. h. im chthonischen Bereiche, also in dieser materiellen Welt, die schon zu Zeiten des hl. Paulus als vom Teufel beherrscht gilt. Das Höllenfeuer, die eigentliche Energie des Bösen, erscheint hier als deutliche Gegensatzentsprechung zum Oberen, Geistigen und Guten, gewissermaßen von wesentlich identischer Substanz. Es kann danach keinen Anstoß mehr erregen, wenn ein anderer Traktat sagt, daß das mercurialische Feuer jenes sei, >in welchem Gott selber in göttlicher Liebe glüht 29<. Wir täuschen uns wohl nicht, wenn wir in solchen eingestreuten Bemerkungen den Hauch echtester Mystik verspüren. Weil nun der Mercurius selber von der Natur des Feuers ist, so tut ihm das Feuer nichts an, er bleibt unverändert darin »in seiner ganzen Substanz 30 «, was für die Salamandersymbolik von Belang ist. Es ist überflüssig zu bemerken, daß Hg sich keineswegs so verhält, sondern in der Hitze verdampft, was den Alchemisten seit alters bekannt war.
28 :.Ignis infernalis secretus ... mundi miraculum, virtutum superiorum in inferioribus systema.c: I n t r o i t. A p e r t. in Mus. Herrn., 1678, p. 654. 28 :.Ignis in quo Deus ipse ardet amore divino.c: GI o ri a Mund i in Mus. Herrn., 1678, p. 246. 30 :.Ipsum enim est, quod ignem superat, et ab igne non superatur: sed in illo amicabiliter requiescit, eo gaudens.c: Ge b e r : Summa perfectionis. Cap. LXIII, ed. 1541, p. 139.
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Kapitel4
Der Mercurius als Geist und Seele Aus dem Inhalt der beiden vorangegangenen Kapitel dürfte einleuchten, daR, wenn Mercurius bloß als Hg verstanden worden wäre, er keinerlei Andersbenennungen bedurft hätte. DaR aber dieses Bedürfnis bestand, was wir bis jetzt an zwei Beispielen gesehen haben, weist unzweideutig darauf hin, daR eine einfache und unmißverständliche Bezeichnung keineswegs genügte, um jenes zu benennen, das die Alchemisten im Auge hatten, wenn sie von Mercurius sprachen. Es war gewiß schon das Quecksilber, aber ein ganz besonderes Quecksilber, >>Unser« Mercurius, jenes Dahinter oder Darin, jenes humidum oder jene Essenz oder jenes Prinzip im Quecksilber, eben jenes Unfaflbare, Faszinierende, Irritierende und Evasive, das eine unbewuflte Projektion an sich hat. Der »philosophische« Mercur, dieser »servus fugitivus« (flüchtiger Sklave) oder »cervus fugitivus« (flüchtiger Hirsch) ist ein bedeutungsschwerer unbewuflter Inhalt, der, wie schon die wenigen Andeutungen in Kapitel 2 und 3 zeigen, sich in eine umfassende psychologische Problematik zu verästeln droht. Der Begriff dehnt s.ich gefährlich aus, und man beginnt zu ahnen, daR man das Ende dieser Ausdehnung noch längst nicht erreicht hat. Wir wollen daher nicht vorschnell auf Grund der wenigen bisherigen Andeutungen den Begriff auf einen bestimmten Sinn festlegen, sondern uns vielmehr vorerst damit begnügen, daR der »philosophische« Mercur, der den Alchemisten als arcane Wandlungssubstanz so besonders am Herzen liegt, offenbar jene Projektion des Unbewuflten darstellt, die jeweils dann eintritt, wenn sich der forschende Verstand bei mangelnder Selbstkritik mit einer unbekannten Größe beschäftigt.
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Wie wir aus emtgen Andeutungen bereits ersehen konnten, ist den Alchemisten die psychische Natur ihrer Arcansubstanz nicht entgangen, ja sie haben sie sogar direkt als »Geist« und »Seele« bezeichnet. Da diese Begriffe aber stets - und dies ganz besonders in früherer Zeit - vieldeutig waren, so müssen wir sie in ihrem alchemistischen Gebrauch mit einiger Umsicht und Kritik behandeln, um mit zureichender Sicherheit feststellen zu können, was jeweils mit den Termini »Spiritus« und »anima« gemeint ist.
A. Mercurius als Luftgeist Hermes als ursprünglicher Windgott und der ihm entsprechende ägyptische Thoth, der die Seelen »atmen macht« 31 sind die Vorlagen für den .alchemistischen Mercurius in seiner Luftgestalt Vielfach gebrauchen die Texte den Terminus nveup.a und spiritus im ursprünglichen konkreten Sinn von »bewegter Luft«. Wenn also der Mercurius im Rosarium Philosophorum (XV. Jahrh.) 32 als »spiritus aereus« (luftig) und als »volans« (fliegend) bezeichnet wird, so will dies zunächst nichts anderes als einen gasförmigen Aggregatzustand bezeichnen, ebenso die Bezeichnung bei H o g h e lande (XVI. Jahrh.) »totus aereus et spiritualis« (gänzlich luftig und geistig) 33 • Aehnliches bedeutet der poetische Ausdruck »serenitas aerea« (luftige Heiterkeit) auf der sog. Ripley Scroll"' und die Aussage beim 31 Diese Eigenschaft des Mercurius wird hervorgehoben von Aurora Co ns ur g ens in Art. Aurif., I, 146 u. 190. »Facit quinto mense spiracula« (er macht [beim Foetus] im fünften Monat die Atemlöcher). 32 R o s. Phi I. in Art. Aurif., II, 252 u. 271. 33 Theatr. Chem., 1602, I, 183. 34 XVI. Jahrhundert. British Museum Ms Additional 10302.
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seihen Autor, daß Mercurius in Wind verwandelt werde 35• Er ist der »Iapis elevatus cum ventoc: (der Stein, der mit dem Wind emporgehoben wird) 38• Die Bezeichnung als »spirituale corpusc: (geistiger Körper) dürfte auch kaum mehr als »Luftc: meinen 37, ebenso die Benennung »Spiritus visibilis, tarnen impalpabilisc: (ein sichtbarer und dennoch nutastbarer Geist) 38, wenn man an die schon erwähnte Dampfnatur des Mercurius denkt. Auch »Spiritus prae cunctis valde purusc: (ein vor allem sehr reiner Geist) 39 dürfte nicht weiter gehen. Etwas zweifelhaft ist die Bezeichnung »incombustibilisc: (unverbrennbar) 40 , insofern diese gerne mit »incorruptibilisc: (unverderblich) als synonym gebraucht wird und dann »ewig« bede'utet, wie wir unten noch sehen werden. Die Körperlichkeit schlechthin hebt der Paracelsusschüler P e n o tu s (XVI. Jahrh.) hervor, indem er vom Mercurius sagt, er sei »nichts anderes als der in der Erde körperlich gemachte Geist der Weltc: u. Dieser Ausdruck zeigt wie nichts anderes die für modernes Denken unfaßliche Kontamination zweier getrennter Welten, nämlich der von Geist und Stoff, denn spiritus mundi ist auch für den mittelalterlichen Menschen der »Weltgeiste:, der die Natur durchwaltet, und nicht bloß ein penetrierendes Gas. Wir befinden uns in derselben Verlegenheit, wenn ein anderer Autor, My I i u s , in seiner »Philosophia Reformata«, den Mercurius als »media substantia« (mittlere Substanz) 42 bezeichnet, offenbar 35
R i p l a e i Opera., 1649, p. 35.
38
T r a c t. A u r. in Mus. Herrn., p. 39. R o s. Phi l. in Art. Aurif., II, p. 282. B a s i l i u s V a l e n t i n u s : Pract. in Mus. Herrn.,
37 38
p. 404. 39 I n t r o i t. A p e r t. in Mus. Herrn., p. 654. 40 R o s. Phi l. in Art. Aurif., II, 252. 41 in Theatr. Che:m,., 1602, I, 681: »Nihil aliud est quarn
spiritus rnundi corporeus in ventre terrae factus.c 42
p.183.
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synonym mit seinem Begriff von :)anima media natura< (Seele als mittlere Natur) 43 , denn für ihn ist Mercurius :~>spiritus et anima corporumc: u.
B. Mercurius als Seele >Seelec: (anima) stellt einen höheren Begriff dar als >Geiste: im Sinne von Luft oder Gas. Auch als »subtle bodyc: oder »Hauchseelec: bedeutet sie etwas Immaterielles oder »Feineres< als bloße Luft. Zudem ist ihre essentielle Eigenschaft das Belebende und Belebtsein. Sie stellt daher gerne das Lebensprinzip dar. Der Mercurius wird oft als »animac: (und daher als Femininum, z. B. als »foeminac: oder »virgoc:) bezeichnet, etwa als »nostra animac: 45 , wobei das >unsere« nicht etwa :mnsere« Psyche bedeuten will, sondern ähnlich wie >aqua nostra, Mercurius noster, corpus nostrum« auf die Arcansubstanz weist. Anima erscheint häufig verbunden und mit spiritus gleichgesetzt 46 • Auch der Geist hat die Lebensqualität der Seele, daher wird Mercurius der »Spiritus vegetativus« (Lebensgeist) 47 oder »Spiritus seminalis« (Samengeist) 48 genannt. Eine eigenartige Bezeichnung findet sich in jener Fälschung des XVIII. Jahrhunderts, welche das geheime Buch des A b r a h a m I e J u i f , 4a 44
P· 19. p. 308.
T r a c t a t u s A u r e u s in Mus. Herm., p. 39. z. B. My I i u s : Phil. Ref., 1622, p. 308: >(Mercurius est) spiritus et anima corporis.< Dasselbe bei L a u r e n t i u s V e n t u r a in Theatr. Chem., 1602, II, p. 332 und im T r a c t a tu s Mi c r e r i s : Theatr. Chem., 1622, V, 104. 47 A e g i d i u s d e V a d i s in Theatr. Chem., 1602, II, p. 119. 48 P h i I a I e t h a : Metall. Metamorph. in Mus. Herm., p. 766. 45
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erwähnt bei Ni c o I a s F I a m e I (XIV. Jahrh.), darstellen soll: nämlich »Spiritus Phytonis« (von cpuw zeugen, cpudn.1 Geschöpf, cpu-rwp Erzeuger und Python, delphische Schlange) geschrieben mit dem Schlangenzeichen --....CL 49 • Stark an Stoffliches streifend, ist die Definition des Mercurius als »belebende Kraft, welche gleichsam wie ein die Welt (zusammenhaltender) Leim ist und zwischen Geist und Körper die Mitte hält« 50 • Diese Auffassung entspricht der Definition des Mercurius bei My I i u s als »anima media natura«. Von hier ist es nur noch ein Schritt zur Gleichsetzung des Mercurius mit der »anima mundi« (Weltseele) überhaupt 5 \ als welche ihn schon A v i c e n n a (Text XII.- XIII. Jahrh. ?) bezeichnet habe. »Es sei dieser der Geist des Herrn, der den Erdkreis erfülle und zu Anfang auf den Wassern schwamm (supernatarit). Sie nennen ihn auch den Geist der Wahrheit, der vor der Welt verborgen ist 52 .« Ein anderer Text sagt, Mercurius sei der »überhimmlische (supracoelestis) Geist, der mit dem Lichte verbunden (maritatus!) sei und mit Rechtanima mundi geheißen werden könne« 53 • Wie aus einer Reihe von Texten hervorgeht, beziehen sich die Alchemisten mit ihrem Begriff der anima mundi auf die Weltseele in P 1 at o n ' s Timaios einerseits, andererseits aber auf den Heiligen Geist (spiritus veritatis), der schon bei der Schöpfung zugegen war und die Rolle des cpu-rwp in hezug auf die Schwängerung der Wasser mit Lehenskeimen gleich wie später auf höherer Stufe bei der ohumhratio Mariae •• R. Abraham i EIe a z a r i s Uraltes Chymisches Werk, 1760, p. 29 ff. »Der Phyton ist das Leben aller Dinge«, p. 34. 50 Ha p e I i u s : Aphorismi Basiliani, in Theatr. Chem., 1613, IV, 368, 3. 51 Verus Hermes, 1620. 52 A qua r. S a p. in Mus. Herrn., p. 85. 53 S t e e b u s : Coeium Sephiroticum, 1679, p. 33.
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erfüllte 54• An anderer Stelle lesen wir, daß »eine Lebenskraft im nichtgewöhnlichen (non vulgaris) Mercur, der gleich wie weißer fester Schnee fliege, wohne. Er sei ein gewisser Geist der makrokosmischen und mikrokosmischen Welt, von dem an zweiter Stelle nach der anima rationalis die Beweglichkeit und Flüssigkeit selbst der menschlichen Natur abhänge« 55 • Der Schnee weist auf den Mercurius depuratus im Zustand der »albedo« (der Weiße, resp. Reinheit vulgo »Geistigkeit«); auch hier begegnen wir wieder der Identität von Geist und Stoff. Bemerkenswert ist die durch die Gegenwart des Mercurius bedingte Zroeiheit der Seele: einerseits die von Gottvater dem Menschen gegebene (unsterbliche} Vernunftseele (anima rationalis}, die diesen von den Tieren unterscheidet, und andererseits die (mercuriale) Lebensseele, die allem Anschein nach mit der inflatio oder inspiratio des Heiligen Geistes zusammenhängt: die psychologische Grundlage der zweierlei Erleuchtungsquellen.
C. Mercurius als Geist in unkörperlichem, metaphysischem Sinne Es bleibt allerdings bei einer großen Anzahl von Stellen durchaus fraglicli, ob mit spiritus (oder esprit, Uebersetzung des Arabischen bei Be r t h e 1 o t) Geist im abstrakten Sinne gemeint ist 56 • Mit einiger Sicherheit ist dies bei Dorne u s (XVI. Jahrh.) der Fall, sagt er doch selber, »daß Mercurius in sich die Eigenschaft S t e e b u s : l. c. p. 39. Ha p e l i u s : Aphor. Basil. in Theatr. Chem., 1613, IV, 368, 2. 56 z. B. bei D j ä b i r in Be r t h e l o t : Chimie au MoyenAge, III, p. 169, R o s. Phi l. in Art. Aurif., II, 339, Ho g h eI an d e in Theatr. Chem., 1602, I, 153, 183. 54
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eines unverderblichen Geistes, der wie die Seele sei, besitze, und der wegen seiner lncorruptibilität intellectualis (also dem mundus intelligibilis angehörig!) genannt werde« 57 • Ein Text nennt ihn ausdrücklich spiritualis et hyperphysicus 58 , und ein anderer sagt, »der Geist (des Mercurius) komme vom Himmel« 59 • Laur e n t i u s V e n tu r a (XVI. Jahrh.) dürfte sich wohl an das »Buch der Tetralogieen« (Platonis Liber Quartorum) und damit an die neuplatonischen Gedankengänge der Schule von Harran anschließen, wenn er den Geist des Mercurius als »sibi omnino similis« (sich selber ganz und gar ähnlich) und als »simplex« (einfach) definiert 60 , denn dieses harranitische Buch erklärt die Arcansubstanz als »res simplex« und setzt sie als identisch mit Gott 6 \ Die älteste Erwähnung des mercurialen n11e'üf1a findet sich in einem Ostaneszitat von beträchtlichem Alter (vorchristliche Datierung nicht ausgeschlossen!), wo es heißt: »Geh zu den Strömungen des Nil und du wirst dort einen Stein finden, der einen Geist hat 62 .« Mercurius wird bei Z o s i m o s als unkörperlich (rlawf1ar:o11r, bei einem andern Autor als aetherisch (ab'Jepm()ec;: n11e'üfla) und als »verständig oder weise geworden« (adJCfJPWll re110flS117J) 64 bezeichnet. In dem sehr alten Traktat »lsis an Horus« (1. Jahrh.) wird das 57 Dorne u s in Theatr. Chem., 1602, I, 4?4. Dasselbe Axiom a t a in Theatr. Chem., 1602, II, 139. 58 T r a c tat u s Au r e u s in Mus. Herrn., p. 11. Hier aus B a s i 1 i u s V a 1 e n t i n u s zitiert. 59 S t e e b u s : Coel. Sephir., 16?9, p. 13?. 60 in Theatr. Chem., 1602, II, 263, 269. 61 P 1 a t o n i s Quart o rum etc. Theatr. Chem., 1622, V, p. 145. 62 B e r t h e 1 o t : Alch. Grecs, III, VI, 5. 63 B e r t h e 1 o t , l. c. III, XXVIII, 5. 6 ' B e r t h e 1 o t , l. c. IV, VII, 2.
8 jung: Symbolik des Geistes
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göttliche Wasser von einem Engel gebracht, ist also offenkundig himmlischen oder dämonischen Ursprungs, indem der »Engelc: (arre:A.oc;) Amnael eine moralisch nicht ganz einwandfreie Figur ist, wie der Text ausweist 85 • Daß für die Alchemisten die mercuriale Areausubstanz eine (mehr oder weniger geheime) Beziehung zur Liebesgöttin hat, war nicht nur den Alten, sondern auch den Neueren bekannt. Im Buche des Kr a t es (ein arabisch überlieferter Alexandriner?) erscheint Aphrodite mit einem Gefäß, dessen Mündung unaufhörlich Quecksilber entströmt 66 , und das zugrundeliegende Mysterium der »Chymischen Hochzeit« des Rosenc r e u t z 67 ist dessen Besuch in der geheimen Kammer der schlafenden Venus. Die Deutung des Mercurius als »Geist« und »Seele« weist trotz des Geist-Körperdilemmas unwiderruflich auf die Tatsache hin, daß die Alchemisten selber ihre Arcansubstanz als etwas empfanden, das wir heute als psychisches Phänomen bezeichnen. Was nämlich immer »Geist« oder »Seele« sonst noch sein mögen, phänomenologisch sind sie »psychische« Gebilde. Die Alchemisten werden es nicht müde, immer wieder auf die psychische Natur ihres Mercurius hinzuweisen. Unsere bisherige Betrachtung hat sich mit den, statistisch wohl häufigsten Synonymen des Mercurius, nämlich Wasser, Feuer, Geist-Seele, beschäftigt, woraus der Schluß möglich wird, daß es sich um einen psychischen Tatbestand handeln muß, welcher die Eigentümlichkeit einer antinomen Benennung besitzt, bzw. letztere fordert. Wasser und Feuer sind klassische Gegensätze und können nur dann als Definitionen einer und derselben Sache taugen, wenn letztere die konträren Eigenschaften des 65 66 67
1616.
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B e r t h e I o t : Aich. Grecs, I, XIII, 3. Be r t h e I o t : Chimie au Moyen-Age, III, 63. C h r i s t i a n R o s e n c r e u t z : Chymische Hochzeit,
Wassers und des Feuers in sich vereinigt. Das Psyclwlogem »Mercurius« muß also essentiell aus einer antinomen Doppelnatur bestehen. Kapitel 5 Mercurius als Doppelnatur Mercurius ist, der Hermestradition entsprechend, vielseitig, wandelbar und täuschend, »varius ille mercurius« (jener wankelmütige Mercurius) sagt D o rn e u s 68 und ein anderer nennt ihn »versipellis« (seine Gestalt verändernd resp. verschmitzt) 69 • Er gilt allgemein als doppelt (duplex) 70 • Es heißt von ihm, er »laufe über den Erdkreis hin und erfreue sich gleichermaßen der Gesellschaft der Guten wie der Bösen« 71 • Er ist die »zwei Drachen« 72 , er ist der »Zwilling« (geminus) 73 , aus »Zwei Naturen« 74 oder »Substanzen« 75 entstanden. Er ist der »gigas geminae substantiae«, wozu der Text erläuternd Matth. 26 setzt 76 • Dieses Kapitel enthält die Abendmahleinsetzung, womit die Christusanalogie deutlich wird. Die beiden Substanzen des Mercurius sind als ungleich, resp. als gegensätzlich gedacht: als der Drache ist er »fliegend und ohne Flügel« 77 , und es heißt von Theatr. Chern., I, 1602, 533. A e g i d i u s d e V a d i s in Theatr. Chern., II, 1602, 118. 70 z. B. A qua r. S a p. in Mus. Herrn., p. 84; B er n a r du s T r e v i s an u s in Theatr. Chern., I, 1602, 787; My l i u s: Phil. Ref. 1622, p. 176 etc. 71 Aurelia Occulta, IV, 1613, p. 574. 72 Brevis Manuductio in Mus. Herrn., p. 788. 73 Ba s i l. Valent.: Pract. in Mus. Herrn., 1678, p. 425. 74 My l i u s : Phil. Ref., p. 18 und Exercitationes in Turbam in Art. Aurif., I, 159, 161. 75 Dorne u s in Theatr. Chern., I, 1602, 475. 76 Aquar. Sap. in Mus. Herrn., 111. 77 Summarium Philosophicum F l a rn e ll i in Mus. Herrn., p. 172 f. 68 69
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ihm in einer Parabel: »Auf diesem Berge liegt ein immer wachender Drache, der 7t:a.llrD(jJ{}a.).p.oc;; (überall mit Augen versehen) genannt wird, denn er ist auf beiden Seiten des Körpers, vorne und hinten, voll Augen und schläft teils mit geschlossenen, teils mit offenen Augen 78 .« Der Mercurius wird unterschieden als »·der gewöhnliche und der philosophische« 79 , er besteht aus »trockenem Erdhaftem und feuchtem Dickflüssigem« so. Zwei Elemente sind in ihm passiv, nämlich Erde und Wasser, und zwei aktiv, nämlich Luft und Feuer s1_ Er ist gut und böse 82 • Eine anschauliche Schilderung entwirft die Aurelia Occulta 83 : »Ich bin der mit Gift durchtränkte Drache, der überall ist, und den man billig erwerben kann. Das, über dem ich ruhe, und das auf mir ruht, wird Jener in mir erfassen, der nach den Regeln der Kunst seine Nachforschungen anstellt. Mein Wasser und Feuer zerstören und setzen zusammen; aus meinem Körper wirst du den grünen und den roten Löwen ausziehen. Aber wenn du mich nicht gerrau kennst, zerstörst du dir die fünf Sinne durch mein Feuer. Ein wachsendes Gift geht aus meiner Nase, das sehr vielen den Tod gebracht hat. Daher sollst du das Grobe vom Feinen mit Kunst trennen, wenn du dich nicht äußerster Armut erfreuen willst. Ich schenke dir die Kräfte des Männlichen und des Weiblichen, sogar auch die des Himmels und der Erde. Mit Mut und 78
Man vergleiche damit die Schlangenvision des I g n a-
t i u s von L o y o I a und das Motiv der Vieläugigkeit, das ich
in: Der Geist der Psychologie (Eranos-J ahrbuch 1946) behandelt habe. 79 Tract. Aur. in Mus. Herrn., 1678, p. 25. 8 ° Consilium Conjugii in Ars. Chemica (XII.-XIV. J ahrh. ?). Ed. 1566, p. 59. 81 Ros. Phil. in Art. Aurif., 1593, II, 208. 82 K h u n r a t h : Hyl. Chaos, 1597, p. 218. 83 Aurelia Occulta P. II in Theatr. Chem. IV, 1613, p. 569.
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Großzügigkeit sind die Mysterien meiner Kunst zu handhaben, wenn du mich durch die Kraft des Feuers 84 überwinden willst, wobei schon sehr viele an Vermögen und Arbeit zu Schaden gekommen sind. Ich bin das Ei der Natur, das nur den Weisen bekannt ist, welche fromm und bescheiden aus mir den Mikrokosmos hervorbringen, welcher von Gott dem Allerhöchsten den Menschen zubereitet ist, aber nur den wenigsten ist er gegeben, während ihn die meisten vergeblich ersehnen: daß sie den Armen aus meinem Schatze Gutes tun um! ihre Seele nicht an das vergängliche Gold hängen. Ich werde von den Philosophen Mercurius genannt; mein Gatte ist das (philosophische) Gold; ich bin der alte Drache, überall auf dem Erdkreis vorhanden, Vater und Mutter, Jüngling und Greis, sehr stark und schwach, Tod und Wiederherstellung, sichtbar und unsichtbar, hart, weich; ich steige in die Erde hinunter und in den Himmel hinauf, ich bin das Oberste und das Unterste, das Leichteste und Schwerste; oft wird in mir die Ordnung der Natur verkehrt, was Farbe, Zahl, Gewicht und Maß anbelangt; ich enthalte das Licht der Natur (naturale Iumen); ich bin dunkel und hell, ich gehe hervor aus Himmel und Erde; ich bin bekannt und existiere doch ganz und gar nicht 85 ; alle Farben leuchten in mir und alle Metalle vermöge der Sonnenstrahlen. Ich bin der Sonnenkarfunkel, die edelste verklärte Erde, durch welche du Kupfer, Eisen, Zinn und Blei in Gold verwandeln kannst.« Um seiner geeinten Doppelnatur willen wird Mercurius als Hermaphrodit bezeichnet. Bald wird sein Körper als weiblich und sein Geist als männlich erklärt, bald umgekehrt. Das Rosarium Philosophorum hat z. B. Ich lese >Vi« statt >vim« des Textes. Nihil omnino existens. Diese Paradoxie erinnert an das entsprechende indische asat (das Nichtseiende). Vgl. Khä.ndogya-Upanishad. Sacred Books of the East, I, 93. 84
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heide Versionen 86 • Als »vulgaris« ist er ein toter männlicher Körper, als >>Unser« Mercurius dagegen weiblich, geistig, lebendig und lehenspendend 87 • Er wird auch als Gatte und Gattin 88 , oder als Braut hzw. Geliebte und Bräutigam hzw. Geliebter bezeichnet 89 • Die konträren Naturen des Mercurius werden oft Mercurius sensu strictiori und Sulphur (Schwefel) genannt, wobei ersterer weiblich, Erde und Eva, letzterer dagegen männlich, Wasser und Adam ist 90 • Bei D o r :n e u s ist er der >>wahre hermaphroditische Adam« 91 und bei K h u n rat h ist er >>aus dem hermaphroditischen Samen des Makrokosmos gezeugt«, als eine »keusche Gehurt aus der hermaphroditischen Materie« 92 (= chaos i. e. prima materia). My I i u s nennt ihn »hermaphroditisches Monstrum« 93 • Als Adam ist er auch der Mikrokosrrws schlechthin, oder gar das »Herz des Mikrokosmos« 9 \ oder er hat diesen gleichsam »in sich, wo auch die vier Elemente und die Quinta Essentia sind, welche sie den Himmel nennen« 95 • Die Bezeichnung »coelum« für den Mercurius stammt nicht etwa vom »firmamentum« des Parace I s u s, sondern findet sich schon bei J o h a n n e s d e R u p es c iss a (XIV. Jahrh.) 96 • Mit »Microcosmus« ist synonym der Ausdruck »homo« für Mercurius, z. B. »der in Art. Aurif. II, 239 und 249. Introit. Apert. in Mus. Herrn., p. 653. 88 Glor. Mundi in Mus. Herrn., p. 250. 89 Aurora Consurgens, Pars I., Kap. XII, Parab. VII. 90 Ru 1 an du s : Lexicon Alchemiae, 1612, p. 47. 91 Theatr. Chem., I, 578. 92 Hyl. Chaos., p. 62. 93 My 1 i u s: Phil. Ref., p.19. 94 Ha p e 1 i u s in Theatr. Chem., 1613, IV, 368. 95 \1 y 1 i u s : 1. c. p. 5. 96 Quintessenz = Himmel. J o a n n e s d e R u p e s c i s s a : La Vertu et la Propriete de la Quinte Essence etc. Lyon, 1581, p. 15. Das )Erz der Philosophen« werde wie der »Himmel«, heif!t es im Tract. Micreris. Theatr. Chem., 1622, V, 112. 86
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philosophische Mensch von zweideutigem Geschlecht« 97 (ambigui sexus). In den sehr alten Dicta Belini (Belinus oder Balinus ist ein verstümmelter Apollonius von Tyana) wird er als »der aus dem Flusse steigende Mensch« 98 bezeichnet in wahrscheinlicher Anlehnung an die Esravision 99 • Im Splendor Solis (XVI. Jahrh.) findet sich eine entsprechende Abbildung 100• Diese Vorstellung dürfte auf den babylonischen Weisheitslehrer 0 an n e s zurückgehen. Die Bezeichnung des Mercurius als der :.hohe Mensch« 101 stimmt daher nicht übel mit dieser Aszendenz. Seine Bezeichnung als Adam und Mikrokosmos findet sich an vielen Orten 102, aber ganz unverblümt nennt ihn die Ab r aha m I e J u i f- Fälschung den Adam Cadmon 103• Da ich bereits andernorts diese unmißverständliche Fortsetzung der gnostischen Anthroposlehre in der Alchemie dargelegt habe 101, erübrigt sich hier ein besonderes Eintreten auf den entsprechenden Aspekt des Mercurius 105• Immerhin muß ich nochKh unra th: Hyl. Chaos, p.195. In Man g e t : Bibliotheca Chemica, 1702, I, 478 b. 99 Kaut z s c h : Apokr. u. Pseudepigr. d. Alten Testamentes. IV. Esra 13, 25, 51. 100 S a l o m o n Tri s m o s in : Splendar Solis, Faksimiledruck, Ms. British Museum, 1582, Parab. IV. 101 Ru land u s: Lex. Alch., 1612, p. 47. 102 z. B. J o h a n n e s D e e in Theatr. Chem., II, 223, und Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 309. 103 Abraham E l e a z a r i s Uralt. Chym. Werk, 1760/11, p. 51. Adam K a d monheißt >Urmensch<. 101 In: Paracelsica, 1942, und: Psychologie und Alchemie, 1944. 105 Gajomard ist ebenfalls eine Art von Vegetationsnurneu wie Mercurius, und wie dieser befruchtet er seine Mutter, die Erde. Der Boden, wo sein Leben zu Ende kam, wurde zu Gold, und, wo seine verschiedenen Glieder sich auflösten, entstanden die verschiedenen Metalle. Siehe A. C h r i s t e n s e n : Les Types du Premier Homme et du Premier Roi dans l'Histoire Legendaire des Iraniens. Arch. d'Etudes Orient. Vol. XIV, p. 26 et 29. 97 98
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mals betonen, daR die Anthroposidee zusammenfällt mit dem psychologischen Begriff des Selbst. Dies geht mit besonderer Evidenz aus der Atman- und Purushalehre hervor, ebenso aus der Alchemie. Ein anderer Aspekt der Gegensätzlichkeit des Mercurius ist die Charakterisierung als »senex« (Greis) 106 und als »puer« (Knabe) 107 • Die archäologisch festgestellte Greisengestalt des Hermes nähert ihn ohne weiteres dem Saturn an, welche Beziehung in der Alchemie eine beträchtliche Rolle spielt (vgl. unten). Mercurius besteht wirklich aus ·den äuRersten Gegensätzen, einerseits ist er unzweifelhaft der Gottheit verwandt, andererseits wird er in den Kloaken gefunden. Bei dem Arabizans R o s in u s (= Zosimos) ist er sogar der »terminus ani« 108 genannt. Im Grollen Bundahisn heiflt es, daR der After des Garodman »wie die Hölle in der Erde« sei 100• Kapitel6
Mercurius als Einheit und Dreiheit Trotz der offenkundigen Doppelheit des Mercurius wird dessen Einheit, besonders in seiner Gestalt als 106 Als »senex draco« bei Ba s i I. V a I e n t in u s inPractica. Mus. Herrn., p. 425. Verus Herrn., 1620, p.15, 16. Mercurius ist hier auch mit dem gnostischen Namen »Vatermutiere bezeichnet. 107 De Arte Chimica in Art. Aurif. I, 581. Als »regius puellus« in Introit. Apert. Mus. Herrn., p. 678, 655 usw. 108 In Art. Aurif. I, 310. Hier ist es der mit dem Mercurius identische Iapis, der so bezeichnet wird. Der Kontext spricht gegen die Lesart »anni«. Die bald darauf folgende Stelle »nascitur in duobus montibus« weist auf Tract. Aristotelis (Theatr. Chem. V., 880 f.), wo der Defaecationsakt beschrieben ist. Vgl. die dementsprechenden Abbildungen im Cod. Rhenovac. zur Aurora Consurgens. 10° Kap. XXVIII. R e i t z e n s t e i n und S c h a e d e r : Stud. z. antik. Syncret. aus Iran u. Griechenland, 1926, p. 119.
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Lapis, betont. Er ist »der Eine in der ganzen Welt« 110 • Die Einheit ist meist zugleich eine Dreiheit in deutlichster Anlehnung an die Trinität, obschon die Dreiheit des Mercurius nicht vom christlichen Dogma herstammt, sondern älteren Datums ist. Triaden finden sich schon im Traktat 11:ep't rlperijr; (Ueber die Kunst) des Z o s im o s i 11• M a r t i a I nennt Hermes »omnia solus et ter unus« (Alles allein und dreimal Einer) i12. In Monakris (Arkadien) wurde ein Hermes tricephalus verehrt. Ebenso gibt es einen gallischen Mercurius Tricephalus i13. Dieser gallische Gott war auch ein Psychopompos. Die Dreiheit hat er überhaupt mit den Unterweltsgöttern gemeinsam, so mit Typhon -r:pwdJp.aror;, Hekate -r:peadJp.aror; und -r:pmpoaw11:or;m und den -r:pe-r:o11:d-r:oper:: mit ihren Schlangenleibern. Letztere sind bei Ci c e r o 115 die drei Söhne des Zeus ßaaeleur;, des »rex antiquissimus« 116 • Sie heißen »Urgroßväter« und sind Windgötter 117 ; offenbar mit der gleichen Logik, mit der bei den Hopi-Indianern die (chthonischen) Schlangen zugleich die himmlischen, regenverkündenden Blitze sind. K h u n rat h nennt ihn »triunus« (dreieiniger) 118 und Ros. Phil. in Art. Aurii. II, 253. Be r t h e I o t : Alch. Grecs, 111, VI, 18: >Die Monade (nnatur) der Zusammensetzung (führt) zur unzertrennbaren Trias und hinwieder (führt) die zusammengesetzte Trias zur auseinandergefallenen Trias und schafft den Kosmos durch das Vorausdenken (7rpOJJOl'f) der erstschaffenden Ursache und den Demiurgen der Schöpfung, weshalb dieser auch -r:peap.ereMar; (dreimal Größter) heißt, da er triadisch das Geschaffene und das Schaffende angeschaut hat«. 112 Reitzenstein : Hellen. Myst. relig. 1910, p. 14. iis S. Reinach : Cultes, Mythes et Religions. 1908, III, 160. m B. Sc h weit z er: Herakles. 1922, p. 84 ff. 116 De Nat. Deor. 3, 21, 53. 118 Es gibt auch einen Zeus triops. 117 R o s c h e r : Lex. V, 1208. 118 Hyl. Chaos. B iij v" und p. 199. 110 11i
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»ternarius« (Dreizahl) 119 • My 1 i u s bildet ihn als dreiköpfige Schlange ab 120• Das_ Aquarium Sapientum sagt, daß er eine »dreieinige, universale Essenz sei, welche Jehova 121 genannt werde. Er sei göttlich und zugleich menschlich« 122 • Man muß aus diesen Hinweisen den Schluß ziehen, daß Mercurius nicht nur eine Entsprechung Christi, sondern auch der dreieinigen Gottheit überhaupt ist. Die Aurelia Occulta nennt ihn »Azoth«, welchen Ausdruck sie folgendermaßen erklärt: »Er (Mercurius) ist nämlich das A und das 0, überall gegenwärtig. Die Philosophen haben mich mit dem Namen Azoth geschmückt, von den Lateinern A und Z gesprochen, von den Griechen a und w, von den Hebräern aleph und tha~. welche Namen die Summe ergeben:
Diese Parallelisierung läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Ebenso unmißverständlich drückt sich der anonyme Kommentator des Tractatus Aureus aus: Aus dem coelum Philosophicum infinita astrorum multitudine exornatum 124 gehen alle Dinge hervor; es ist das verkörperte Schöpferwort, der johanneische Logos, ohne den »nichts gemacht ist, -das gemacht ist«. Der Autor sagt wörtlich: »So ist allen Dingen das Wort der Erneuerung unsichtbar inhärent, was allerdings in den 119
l. c. p. 203.
Phil. Ref., p. 96. Diese eigentümliche Bezeichnung meint den Demiurgen, den saturnischen Jaldabaoth, der mit dem :.Judengottc: in Beziehung stand. 122 In Mus. Herrn., p. 112. 123 Theatr. Chem. IV, 1613, 575. 124 Eod. loc. p. 696. 120
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elementaren und dichten Körpern nicht offenbar ist, wenn sie nicht zur fünften oder himmlischen und astralen Essenz zurückgeführt werden. So ist dieses Wort der Erneuerung jener Same des Versprechens oder der Himmel der Philosophen, der in den unendlichen Lichtern der Gestirne strahlt 125.« Der Mercurius ist der weltgewordene Logos. Die Darstellung dürfte darauf hinweisen, daß er im Grunde genommen mit dem kollektiven Unbewußten identisch ist, denn der Sternhimmel scheint, wie ich in meiner Abhandlung: Der Geist der Psychologie 126, zu zeigen versucht habe, eine Veranschaulichung der eigentümlichen Beschaffenheit des Unbewußten zu se:in. Da Mercurius sehr häufig als »filius« (Sohn) bezeichnet wird, so steht seine vorwiegende Sohnschaft außer Frage 127 • Er verhält sich daher zu Christus wie ein Bruder und zweiter Gottessohn, der aber der Zeit nach als der Aeltere gelten muß und daher der Erstgeborene wäre. Diese Idee weist zurück auf die Vorstellungen der Euchelen bei Mich a e I P s e 11 u s (1050) 128 vom ersten Gottsohn (Satanael) 129 und Christus 125 >Sie omnibus rebus Verbum regenerationis invisibiliter quidem inhaeret; quod tarnen in elementaribus.et crassis corporibus non manifestatur nisi reducantur in essentiam quintam sive coelestem et astralem. Hoc itaque regenerationis Verbum est semen istud promissionis sive caelum philosophicum infinitis astrorum luminibus nitidissimumc etc. Hermet i s Tris m. Tractatus Aureus. c. Schol. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 697. 126 Eranos- Jahrbuch 1946, p. 428 ff. 127 Vgl. z. B. Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 248: :.filius ... coloris coelici« (Zit. aus dem »Secretum« des Ha 1 i). K h u n rat h : Hyl. Chaos: :.filius macrocosmic passim. >Unigenitusc, p.59. P e not u s in Theatr. Chem. I, 1602, 681: »filius hominis, fructus virginisc. 128 De Daemonibus (Mars i 1 i u s Fici n u s interpres). 1497, fol. N VVo. 129 Vgl. hierzu den Bericht über die Bogumilen bei Eut h y m i o s Z i g a d e n o s : Panoplia dogmatica. Patrol. Graec., 130. p. 1290 ff.
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als zweitem 130 • Zugleich aber verhält sich Mercurius nicht nur als Gegenstück oder Widerpart Christi (insofern er »Sohn« ist), sondern auch als Widerpart der Trinität überhaupt, insofern er als (chthonische) Dreieinigkeit aufgefaflt wird. Letzterer Auffassung entsprechend wäre er die eine Hälfte der Gottheit. Er ist zwar die dunkle, chthonische Hälfte, aber nicht das Böse schlechthin, denn er wird »gut und böse« genannt oder ein »System der oberen Kräfte im Unteren«. Er deutet auf jene Doppelfigur hin, welche hinter der Gestalt des Christus und des Diabolus zu stehen scheint, nämlich auf den rätselvollen Lucifer, welcher zugleich ein Attribut des Teufels und Christi ist. Apok. XXII, 16 sagt Jesus von sich selber: »Ego sum radix et genus David, stella splendida et matutina.« Eine mit grofler Häufigkeit von Mercurius ausgesagte Eigentümlichkeit, die ihn unzweifelhaft der Gottheit und zwar dem primitiven Schöpfergott nähert, ist seine Fähigkeit, sich selber zu erzeugen. In dem Traktat der Allegorien über die Turba heiflt es von Mercurius: »Die Mutter hat mich geboren und sie selber wird von mir erzeugt 131.« Ais Drache, d.h. als Ouroboros, schwängert, erzeugt, gebiert, verzehrt und tötet er sich selbst, auch »erhöht er sich durch sich selber«, wie das Rosarium sagt 132, und damit wird das Mysterium des göttlichen Opfertodes paraphrasiert. Man kann in diesem Fall wie 130 Die Doppelheit der Sohnschaft scheint sich schon bei den E bio n ä er n des E p i p h an i u s anzukündigen: »Zwei aber behaupten sie, seien von Gott aus aufgestellt worden, der eine (sei) der Christus, der andere der Teufel«. Panarium. Haer. XXX. (ed 0 eh I er, Kap. XVI.) 131 In Art. Aurif. I, p. 151. Aenigma V. In den »Contes del Graal« des C h r e t i e n d e T r o y es wird dasselbe von Gott ausgesagt: »Ce doint icil glori:eus pere Qui de sa fille fist sa mere.« AI f. H i I k a : Der Percevalroman, 1932, Z. 8299 f. 132 Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 339: »sublimatur per se«.
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in einer Reihe von ähnlichen Andeutungen nicht ohne weiteres annehmen, daR solche Schlußfolgerungen den mittelalterlichen Alchemisten in dem MaRe bewußt gewesen wären, wie sie es etwa uns sind. Aber der Mensch und durch ihn das UnbewuRte sagen ja viel aus, das nicht notwendigerweise in allen seinen lmplikationen bewußt sein muß. Trotz dieser einschränkenden Bemerkung möchte ich aber den Eindruck vermeiden, als ob die Alchemisten sich ihres Denkens ganz und gar unbewuRt gewesen wären. Wie wenig dies der Fall war, dürften die obigen Zitate zur Genüge zeigen. Obschon der Mercurius in sehr vielen Texten als trinus et unus gilt, so hat er doch auch stärksten Anteil an der Quaternität des Lapis, mit dem er im Wesentlichen identisch ist. Er weist also die Züge jener seltsamen Verlegenheit auf, welche das Problem von 3 und 4 darstellt. Es ist das bekannte änigmatische Axiom der Maria Prophetissa. Es gibt einen klassischen Hermes tetracephalus 133 wie einen tricephalus. Der Grundriß des ssabischen Mercurtempels war ein Dreieck in einem Rechteck 134• In den Scholien zum Tract. Aur. ist das Mercursymbol ein Quadrat in einem Dreieck, letzteres von einem Kreis (= Ganzheit) umschlossen 135 • Kapitel 7 Die Beziehungen des Mercurius zur Astrologie und zur Archontenlehre Eine der Wurzeln der eigentümlichen Mercuriusphilosophie liegt wohl unzweifelhaft in der alten Astrologie und in der aus ihr abgeleiteten gnostischen B. Sc h weit z er : Herakles, 1922, p. 84. D. C h wo l so h n : Die Ssabier und der Ssabismus, 1856, Bd. II, p. 367. 135 M a n g e t : Bibl. Chem. I, 409. 133
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Archonten- und Aeonenlehre. Zum Planeten Mercur steht er im Verhältnis der mystischen Identität, die entweder als kaum zu scheidende Kontamination oder wenigstens durch eine Geistidentität vermittelt erscheint. In ersterem Fall ist das Quecksilber einfach der Planet Mercur, wie er in der Erde erscheint (so wie das Gold einfach die Sonne in der Erde ist) 186 ; in letzterem Fall ist es der »Geist« des Quecksilbers, der mit dem entsprechenden Planetengeist identisch ist. Beide Geister, resp. dieser eine Geist wurde personifiziert und z. B. um Beistand angerufen oder als Paredros (spiritus familiaris) zur Dienstleistung magisch hergezwungen. Wir besitzen innerhalb der alchemistischen Tradition noch die entsprechenden Anweisungen zu solchen Prozeduren im harranischen Traktat Clavis maioris sapientiae des A r t e p h i u s 137, welche mit den Beschreibungen der von D o z y- d e Go e j e erwähnten lnvocationen übereinstimmen 138• Ebenso finden sich Andeutungen von solchen Prozeduren im Liber Quariorum 139 • Damit steht die Nachricht in Parallele, wonach Demok r i t o s das Geheimnis der Hieroglyphen vom Genius des Planeten Mercur erhalten habe 140• Der Geist Mercurius erscheint hier in der Rolle des Mystagogen wie im Corpus Hermeticum oder wie in den Träumen des Z o s im o s. Dieselbe Rolle spielt er in der bemerkenswerten Traumvision der Aurelia Occulta, wo er als Anthropos mit der Gestirnskrone erscheint 111 • Als kleiner Stern in 136 Mich a e I M a je r : Circulus physicus quadratus, 1616, p.15 ff. 137 In Theatr. Chem. IV, 1613, 221. 138 M. J. de Goeje in: Actes du VIe Congres Internat. d. Oriental. 1883, p. 341. 139 In Theatr. Chem. V., 1622, 114 ff. 140 B e r t h e I o t : Alch. Grecs, Introd. p. 236. 141 Theatr. Chem. IV, 1613, p. 5?9. Er entspricht der Stella septemplex, die am Schlusse des Werkes erscheint. I. c. p. 5?6: >coquito, donec Stella septemplex appareat per sphaeram cir-
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Sonnennähe ist er das Kind von Sonne und Mond 142 • Er ist aber umgekehrt auch der Erzeuger seiner Eltern, Sonne und Mond 143 , oder, wie der Traktat des W e iPo- Y an g (ca. 142 p. Chr. n.) bemerkt, das Gold habe seine Eigenschaften vom Mercurius 144 • (Wegen der Kontamination ist der astrologische Mythus eben immer auch chemisch gedacht.) Vermöge seiner halbweiblichen Natur wird Mercurius oft mit dem Monde 1M> und der V enus 146 identifiziert. Als seine eigene göttliche Concumcursitando« usw. Vgl. damit die altchristliche Vorstellung von Christus als Reigenführer der Gestirne. 142 Tabula Smaragdina, Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 253 und My I i u s : Phil. Ref. p. 101. 143 Alleg. sup. Libr. Turb. in Art. Aurif. I, 155: »origo solis~. Lauren t. V e n tu r a in Theatr. Chem. II, 1602, 337: »Üritur simul sol cum luna in ventre mercurü.« 144 Isis XVIII, 241. m Epistola ad Hermannum in Theatr. Chem., 1622, V. 893, Gloria Mundi in Mus. Herrn., 224 u. 244. Als Arcansubstanz Magnesia heii!t er luna plena. Ros. Phil. in Art. Aurif. II. 231 und succus lunariae. I. c. p. 211. Er ist vom Monde heruntergefallen. B er t h e I o t : Alch. Grecs, III. V. 9. Das Signum des Mercurius ist :D bei Kr a t es. B er t h e I o t : Chim. au MoyenAge. III, 48. In den griechischen Zauberpapyri wird Hermes als »Kreis des Mondes« angerufen. Preisen da n z : Pap. Graec. Mag. V. 401. 146 Vision des Kr a t es in Be r t h e I o t : Chim. au MoyenAge, III, 63. Als Adam mit Venus (sie!) im Bade. (Ba s i I. V aI e n t. Pract. in Mus. Herrn., p. 424.) Als Sal Veneris, grüner und roter Löwe = Venus (in K h u n rat h : Hyl. Chaos, p. 91 und 104). Körperlicher Mercur = Venus (in Ros. Phil.l. c. p. 239). Die Substanz des Mercurius besteht aus Venus (in My 1 i u s: Phil. Ref., p. 17). Wie seine Mutter Venus die matrix corrupta, ist er als Sohn der puer 1eprosus. (R o s in u s ad Sarratantam in Art. Aurif. I, p. 318.) In den Zauberpapyri ist erwähnt, dai! dem Aphroditetag Hermes zugeordnet ist. (Preisend an z : Pap. Graec. Mag. II, 120.) Die Attribute der Venus sind identisch mit denen des Mercur, nämlich Schwester, Braut, Luft, das Grüne, grüner Löwe, Phoenix bei A I - I r a q i. (Ho I m y a r d : Isis VIII, 419.)
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sors wird er leicht zur Liebesgöttin, wie er als Hermes ithyphallikos ist. Er wird auch als »Virgo castissima« bezeichnet 147• Die Beziehung des Quecksilbers zum Monde, d. h. zum Silber ist augenfällig. Mercurius als der a-rlA.ßwJJ (der Schimmernde oder Strahlende), der wie die Venus am Morgen- oder Abendhimmel in unmittelbarer Sonnennähe erscheint, ist wie diese ein cpwacpopoc;;, lucifer, ein Lichtbringer. Er kündigt, wie der Morgenstern, nur· noch viel unmittelbarer, das kommende Licht an. · Eine für die Deutung des Mercurius vor allem wichtige Beziehung ist die zum Satum. Mercurius als Greis ist mit dem Saturn identisch, wie denn auch vielfach, namentlich bei den Alten, nicht das Quecksilber, sondern das dem Saturn verbundene Blei die prima materia darstellt. Im arabischen Text der Turba 1&8 ist das Quecksilber identisch mit dem »Wasser des Mondes und des Saturn«. In den Dicta Belini sagt Saturn: »Mein Geist ist ·das Wasser, das alle erstarrten Glieder meiner Brüder löst 119.« Es handelt sich um das »ewige Wasser«, welches eben der Mercur ist. R a y m u n d u s L u I I i u s bemerkt, daß »ein gewisses goldfarbenes Oel aus dem philosophischen Blei ausgezogen werde« 150 • Bei K h u n r a t h ist Mercurius das »Salz des Saturn« 151, oder Saturn ist schlechthin der Mercurius. Saturn »s~höpft das ewige -Wasser« 152 • Wie Jener ist auch Saturn ein Hermaphrodit 153• Saturn ist »ein Greis auf einem Berge; in ihm sind die Naturen mit ihrem Korn147 148
149
150 151 152 153
116
Aurelia Occulta. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 545. Turba Philosophorum ed. Ru s k a, p. 204, 5. Art. Aurif. II, 379. I dem Dorne u s in Theatr. Chem., 1602, I, 639. Zit. bei M y I i u s : Phil. Ref., p. 302. Hyl. Chaos, p. 197. Aenigma Philosophorum in Theatr. Chem., 1613, IV, 520. K h u n rat h : Hyl. Chaos, p. 195.
plement verbunden (nämlich die vier Elemente) und all das im Saturn« 154 • Dasselbe wird auch von Mercur ausgesagt. Saturn ist der Vater und Ursprung des Mercur, daher heiRt letzterer »saturnia proles« (Saturnkind) 155 •• Das Quecksilber kommt vom »Herzen des Saturn oder ist der Saturn« 156 , oder aus der Pflanze Saturnia wird »ein helles Wasser« extrahiert: »das vollkommenste Wasser und die Blüte der Welt« 157 • Diese Aussage des Canonicus von Bridlington, S i r G e o r g e R i p l e y , steht in auffälligster Parallele zur gnostischen Lehre, daR Kronos (i. e. Saturn) eine »wasserfarbene ( MadJxpouc;;) Kraft« sei, welche alles zerstört, denn »Wasser ist Zerstörung« 158 • Wie der Planetengeist des Mercur, so ist auch der Geist des Saturn »sehr passend zu diesem Werke« 159 • Bekanntlich ist eine ·der Wandlungsfiguren des Mercur im alchemistischen ProzeR der Löroe, bald grün, bald rot. Diese Wandlung wird von K h u n r a t h als das »Hervorlocken des Löwen aus der Höhle des saturnischen Berges« bezeichnet. Der Löwe ist nämlich seit alters und in erster Linie dem Saturn zugeordnet 160 • Er ist der »Leo de trihu catholica« 161 (eine Paraphrase zu »leo de trihu Juda«, einer Allegoria Christi 162 !). Kh un15• Rh a s i s Epist. in M. M a je r : Symbola Anreae Mensae, 161?, p. 211. Wie Saturn alle Metalle in sich vereinigt, so auch Mercur. l. c. p. 531. 155 My l i u s: Phil. Ref., p. 305. »Saturn's Chyld« in R ip l e y s »Medulla« (Theatr. Chem. Brit., 1652, p. 391). 156 Pan t h e u s : Ars. Transmut. Metall., 1519, fol. 9 ro. 157 R i p l a e i Opp. 1649, p. 31?. 158 Hip p o l y tos : Elenchos V, 16, 2. 159 »Convenientior planetarum huic operi est Saturnus«. Liber Quart. in Theatr. Chem., 1622, V. 142 u. 153. 160 Preller : Griech. Mythologie, 1. Aufl. I, 43. 161 K h u n r a t h : Hyl. Chaos, p. 93. 162 Christus als Löwe im Ancoratus des Epiphanius und als »Löwenkätzcheno: bei S. Gregorius. (In Patrol. Lat. LXXIX, 609.)
9 jung: S1•mbolik des Geistes
11?
rat h nennt Saturn den :.Löw grün unnd roth« 168 • Im Gnostizismus ist Saturn der oberste Archon, der löwenköpfige ]aldabaoth 164 (zu deutsch: :.Kind des Chaos«). Wörtlich das Kind des Chaos, in der Sprache der Alchemie, ist aber Mercur 165• Die Beziehung zu und die Identität mit Saturn ist darum wichtig, weil dieser nicht nur ein maleficus, sondern sogar der Wohnort des Teufels selber ist. Auch als erster Archon und Demiurg hat er vom Gnostizismus her nicht die beste Note. Nach einer kabbalistischen Quelle ist ihm Beelzebub zugeordnet 166• Der Liber Quartorum nennt ihn böse (malus 167), und selbst noch M y I i u s sagt, wenn der Mercurius gereinigt werde, so falle Lucifer aus dem Himmel 168 • Eine zeitgenössische (Anfang des XVII. Jahrh.) handschriftliche Marginalnote zum Terminus sulphur (dem männlichen Prinzip des Mercurius 169) in einem meiner Traktate erklärt diesen als »diabolus«. Wenn Mercurius zwar nicht gerade der Böse selber ist, so enthält er ihn wenigstens, d. h. er ist moralisch indifferent, gut und böse, oder, wie K h u n r a t h sagt, »beneficus cum bonis, maleficus cum malis« 170 (gut mit den Guten, böse mit den Bösen). GeHyl. Chaos., p. 195. Vgl. dazu B o u s s e t : Hauptprobleme der Gnosis, 1907, p. 10, 321, 352. 165 Bezüglich des Saturntages als dem Ende des Schöpfungswerkes verweise ich auf Kap. 10 dieser Untersuchung. 166 Cod. Paris. 2419 fol. 22'7"' zit. Reitzenstein : Poimandres, p. 75. 167 Theatr. Chem. IV, 159. 168 Phil. Ref., p. 18. 169 Sulphur ist :.ignis occultus in Mercurio<. B e r n. T r e v i s. in Theatr. Chem. I, 793. Sulphur ist identisch mit Mercurius: »Mercuriale sulphur sulphureusque Mercurius«. Brev. Manuduct. in Mus. Herrn., p. 788. 170 Darum sollte man, meint Kh., Gott um den spiritus discretionis bitten, damit er einen über die Unterscheidung von Gut und Böse belehre. Hyl. Chaos, p. 186. 163
164
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nauerumschrieben aber ist sein Wesen nur dann, wenn man ihn als einen Prozell auffaßt, der mit dem Bösen beginnt und mit dem Guten endet. Ein etwas klägliches, aber anschauliches Gedicht im Verus Herrnes von 1620 faßt den Prozeß folgendermaßen zusammen 171 : »Ein schwach' Geburt, ein alter Greiss, Mit Zunamen der Draco heiss. Darumb man mich hat eingesperrt, Dass ich ein König geboren werd. Das feurig Schwerdt mich übel plagt, Der Tod mir Fleisch und Bein zernagt. Mein Seel, mein Geist gehn von mir auss, Schwartz stinckend Gifft, ein hesslich Grauss. Gleich wie ein schwarzer Rah ich bin, Solch's ist aller Bosheit G'winn. Ich lig im Staub in Grundes Thai, 0 dass aus Dreyen wird ein Zahl. 0 Seel, o Geist, verlass mich nicht, Daß ich widerschaw Tages Liecht. Und auß mir kom der Friedens Heldt, Den sehen möcht' die ganze Welt.« In diesem Gedicht beschreibt Mercurius seine Verwandlung, welche aber zugleich die mystische Wandlung des Artifex bedeutet 172, denn nicht nur die Gestalt oder das Symbol des Mercurius ist eine Projektion des kollektiven Unbewußten, sondern auch das, was mit Mercurius geschieht. Es ist, wie man aus dem Bis171
P· 16.
Vgl. dazu meine Ausführungen in: Psychologie und Alchemie 1944. 172
119
herigen leicht ersehen mag, die Projektion des Individuationsprozesses, welcher, als ein psychischer Naturvorgang, auch ohne Teilnahme des Bewußtseins verläuft. Nimmt dieses aber daran Teil und zwar mit einigem Verständnis, so geschieht dies immer mit allen Emotionen eines religiösen Erlebnisses oder Erleuchtungsvorganges. Aus dieser Erfahrung stammt die Identifikation des Mercurius mit der Sapientia und dem Heiligen Geiste. Es ist daher zum mindesten sehr wahrscheinlich, daß jene Häresien, die mit den Eucheten, Paulicianern, Bogumilen und Katharern anhoben und das Christentum annähernd im Sinne des Stifters in der Richtung des Parakleten weiterentwickelten, in der Alchemie, teils unbewußt, teils getarnt, ihre Fortsetzung fanden 173 •
KapitelS Mercurius und der Gott Hermes Wir sind schon einer Reihe von alchemistischen Aeußerungen begegnet, welche deutlich dartun, daß der Charakter des klassischen Hermes in der späten Ausgabe des Mercurius mit großer Treue wieder erscheint. Dies ist zum Teil unbewußte Wiederholung, zum Teil spontanes Wiedererlebnis und schließlich auch bewußte Bezugnahme auf den heidnischen Gott. So ist es einem 173 Es wäre z. B. nicht unmöglich, dafl die merkwürdige Bezeichnung der Alchemisten als »les poures hommes evangelisans.: bei J o h a n n e s d e R u p es c i s s a auf die katbarischen perfecti und pauperes Christi zurückginge. La Vertu et la PropriMe de la Quinte Essence, Lyon, 1581, p. 31. Je an d e R oq u e t a i ll a d e lebte etwa in der Mitte des XIV. J ahrh. Er war ein Kritiker von Kirche und Klerus (Fe r g u s o n : Bibi. Chem. II, 305.) Die Katharerprozesse dauerten bis in die Mitte des XIV. J ahrh.
120
Mi c h a e I M a j e r zweifellos bewußt, daß er auf einen OIJr;roc: (wegweisenden Hermes) anspielt, wenn er sagt, er habe auf seiner peregrinatio (mystische Reise der Seele) eine Mercurstatue gefunden, welche den Weg zum Paradiese weise 174 , und auf den Mystagogen, wenn er die Sibylla Erythraea sprechen läßt (vom Mercurius): »Er wird dich zum Zuschauer der Mysterien Gottes (magnalium Dei) und der Geheimnisse der Natur machen 175 .« So wird Mercurius als »divinus Ternarius« zur Offenbarungsquelle göttlicher Geheimnisse ~76 , oder er wird in der Gestalt von Gold als Seele der Arcansubstanz (magnesia) 177, oder als Befruchter der arbor sapientiae aufgefaflt 178• In einem »Epigramma Mercurio philosophico dicatum« 179 wird Mercurius als Götterbote, als Hermencut (Deuter) und als der ägyptische »Theutius« (Thoth) bezeichnet. Ja, Michael M a je r wagt es, ihn mit dem Hermes Kyllenios in Beziehung zu setzen, indem er von ihm sagt: »Arcadius hic iuvenis infidus nimiusque fugax« (dieser treulose und allzu flüchtige arkadische Jüngling) ~80 • In Arkadien befand sich das Heiligtum des Kyllenios, des ithyphallischen Hermes. Die Scholien zum Tractatus Aureus nennen den Mercur direkt den »Cyllenius heros« 181 • Der »infidus nimiusque fugat« könnte auch eine Bezeichnung des Eros sein. Tatsächlich erscheint Mercurius in der »Chymischen Hochzeit« des R o s e n c reut z in der Gestalt des Cupido ~82 , der mit seinem Pfeil die 174
Symbola Aureae Mensae, 1617, p. 592.
~ 75
I. c. p. 600.
Dorne u s in Theatr. Chem. I, 621. ~ 77 K h u n rat h : Hyl. Chaos, p. 233. 178 R i p I a e u s in Theatr. Chem. II, 127. ~ 79 In Mus. Herrn., p. 738. 180 Symb. Aur. Mens., p. 386. ~ 81 Hermet. Trism. Tract. Aur. c. Scholiis Anonymi. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 761. 182 Er ist zugleich auch vorhanden in der Gestalt des (wegweisenden) Knaben und des ~uralten Sohnes der Mutter<. 176
121
Neugier des Adepten Christian anläßlich seines Besuches bei Frau Venus durch eine Verletzung an der Hand bestraft. Der Pfeil ist das dem Mercur zugeschriebene )telum passionis« (Wurfgeschoß der Leidenschaft) 183• Mercurius ist ein )Sagittarius« (Bogenschütze) und zwar einer, der »ohne Bogensehne schießt« und der )auf der Erde nirgends aufzufinden« 18 \ also offenbar als Dämon zu denken ist. Ihm sind in der Symboltabelle des P e n o t u s 186 die Nymphen zugeordnet, was an ·den Hirtengott Pan erinnert. Seine Lascivität wird verdeutlicht durch eine Abbildung im Tripus Sendivogianus 186, wo er auf einem mit Hahn und Henne bespannten Triumphwagen erscheint, und hinter ihm befindet sich ein nacktes, sich umarmendes Liebespaar. Man kann in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen, eher obszönen Konjunktionsdarstellungen erwähnen, um derentwillen öfters alte Drucke wenigstens als Pornographica erhalten geblieben sind. Ebenso gehört in dieses Gebiet des » oxfJJJeor: « (Unterirdischer Hermes) die in Manuskripten vorkommende Darstellung der excretorischen Acte incl. des vomitus 187• Mercurius ist auch die »beständige Cohabitation« 188, wie sie sich in der Shiva-Shaktivorstellung des Tautrismus am reinsten darstellt. Beziehungen der griechischen und arabischen Alchemie zu Indien sind ja nicht unwahrscheinlich. R e i t z e n s t e i n 189 berichtet die Erzählung von Padmanaba aus dem türkiIn der Cantilena Riplaei: Opp. 1649. Introit. Apert. in Mus. Herrn., p. 653. 186 In Theatr. Chem. II, 123. 186 Tripus Chimicus Sendivogianus, 1628. Gespräch vom Mercurius, p. 67. 187 z. B. Cod. Rhenovacensis, Zürich, untl Cod. Vossianus, Leyden. 188 Zu diesem Motiv vgl.: Wandlungen und Symbole der Libido, p. 202 f. 189 Alchem. Lehrerzählungen und Märchen bei den Arabern. 1923. p. 77 f. 183
18'
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sehen Volksbuch von den 40 W eziren, die aus der Mogulzeit stammen könnte. Aber schon in den ersten christlichen Jahrhunderten gab es religiöse indische Einflüsse in Siidmesopotamien und im II. vorchristlichen Jahrhundert buddhistische Klöster in Persien. Im Königstempel (etwa XV. Jahrh.) von Padmanabhapura in Travancore fand ich zwei Reliefdarstellungen eines ganz unindischen geflügelten senex ithyphallicus. In der einen Darstellung steht er bis zum halben Leibe in der Mondschale. (Man denkt hier unwillkürlich an den geflügelten ithyphallischen Greis, der die »blaue« oder »hundeartige« Frau 190 verfolgt, bei den Gnostikern des Hip p o I y tos!) Der Kyllenios erscheint übrigens auch bei Hip p o I y t o s 191 als iden:tisch einerseits mit dem Logos, andererseits mit dem übeln Korybas, dem Phallus und dem demiurgischen Prinzip überhaupt 192 • Zu diesem dunkeln Mercurius gehört der Mutter-Sohninzest 193, welcher historisch auf mandäische Einflüsse zurückgehen könnte: dort bilden Nabu (Mercurius) und Istar (Astarte) eine Syzygie. Astarte ist die Mutterliebesgöttin durch den ganzen vorderen Orient, wo sie auch überall mit dem Inzestmotiv behaftet ist. Nabu ist »der Messias der Lüge«, der wegen seiner Bosheit bestraft und von der Sonne in Gefangenschaft gehalten wird 191• 190 xuavoeeafj oder xuvoeeafj. Hip p o l y t o s : Elenchos V, 20, 6 und 7. ed. Wen d l an d, hat letztere Lesart. Die Aequivalente dieses seltsamen Mythologems in der Alchemie bestätigen beide Möglichkeiten: Hund als Logos, Psychopompos und >filius canis coelici colorisc = Mercurius. 191 Elenchos V, 7, 29. 192 Im Syncretismus der naassenischen Anschauungen tritt ein dem Mercuriusbegriff ähnlicher Versuch zutage, die seelisch erfahrene Paradoxie des Urgrundes zu erfassen und auszudrücken. Ich muß mich hier auf diese Andeutung beschränken. 193 Vgl.: Psychologie und Alchemie, 1944. 191 Vgl. B o u s s e t : Hauptprobt d. Gnosis, p. 43, 55, 142.
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Kein Wunder daher, wenn die Texte immer wieder daran erinnern, daß Mercurius »in sterquiliniis inveniturc: (in Abtrittgruben gefunden), wozu aber ironisch bemerkt wird, »es haben Viele in den Abtrittgruben gewühlt, aber dabei nichts herausgebracht< 195 • Dieser dunkle Mercurius ist wiederum als ein Anfangszustand zu verstehen, wobei das Unterste des Anfangs als ein Symbol des Höchsten aufgefaßt werden muß und - allerdings das Höchste auch als Symbol des Unteren: »Anfang und Ende, Reichen sich die Hände.< Es ist der Ouroboros, ev 1:0 niiv, (das Eine All), die im Prozeß vollzogene Einigung der Gegensätze. P e not u s sagt vom Prozeß 198 : »Mercurius ist von der Natur als Sohn der Natur und als Frucht des Flüssigen gezeugt. Wie aber vom Philosophen der Sohn des Menschen gezeugt und als Frucht der Jungfrau erschaffen wird, so muß er auch von der Erde erhöht und von aller Irdischkeit gereinigt werden, dann steigt er als Ganzes in die Luft auf, welche in Geist verwandelt wird. So erfüllt sich das Wort des Philosophen: ,er steigt von der Erde in ·den Himmel und nimmt die Kraft des Obern und des Untern an sich, und so zieht er die irdische und unreine Natur aus und bekleidet sich mit himmlischer Natur .. .'« Da P e not u s sich hier auf die Tabula Smaragdina bezieht, so muß hervorgehoben werden, daß er in einem wesentlichen Punkt vom Geiste der Tabula abweicht. Er stellt einen Aufstieg des Mercurius dar, welcher ganz der christlichen Wandlung vom hylischen zum pneumatischen Menschen entspricht. In der Tabula heißt es da195 198
124
Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 243. Theatr. Chem., 1602, I, 681.
gegen: »Er steigt von der Erde in den Himmel und wiederum steigt er zur Erde herunter und nimmt die Kraft des Obern und des Untern in sich auf.« Ebenso heißt es: »Seine Kraft ist vollkommen, wenn sie sich der Erde zugewendet hat.« Es handelt sich also keineswegs um einen einsinnigen Aufstieg zum Himmel, sondern, im Gegensatz zum Wege des christlichen Erlösers, der von Oben nach Unten kommt und von da wieder nach Oben zurückkehrt, beginnt der filius macrocosmi seine Laufbahn Unten, steigt nach Oben, und kehrt wieder, mit den Kräften des Obern und Untern vereint, zur Erde zurück. Er macht also die umgekehrte Bewegung und offenbart damit seine Gegennatur zu Christus und den gnostischen Erlösern, hingegen besteht eine gewisse Verwandtschaft mit der basilidanischen Vorstellung von der dritten Sohnschaft Mercurius hat die Kreisnatur des Ouroboros und wird daher durch einen einfachen Kreis (circulus simplex) symbolisiert, dessen Mittelpunkt (punctum medium) er zugleich ist 197 • Daher kann er von sich sagen: »Unum sum et multi in me« (Ich bin Eines und zugleich Viele in mir) 198 • Derselbe Traktat versetzt das Centrum circuli als die Erde in den Menschen und nennt es das »Salz«, auf das Christus hingewiesen habe 199 (»Ihr seid das Salz der Erde«).
107 Tract. Aureus c. Schol. An. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 690 f. 198 Aurelia Occulta. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 575. 1 99 Aur. Occ., I. c. p. 555.
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Kapitel 9 Der Geist Mercurius als die Arcansubstanz Mercurius ist, wie allgemein versichert wird, das Arcanum 200 , die prima materia 20\ der »Vater aller Metalle«: 202 , das uranfängliche Chaos, die Paradieseserde, die »Materie, an der die Natur ein Weniges gearbeitet und die sie dennoch unvollendet gelassen hat« 203 • Er ist aber auch ·die ultima materia, das Ziel ihrer eigenen Wandlung, der Stein 204, die Tinctur, das philosophische Gold, der Karfunkel, der homo philosophicus, der zweite Adam, die Analogia Christi, der König, das Licht der Lichter, der deus terrestris, ja die Gottheit selber oder deren vollwertige Entsprechung. Da ich andernorts über die Synonyme und Bedeutungen des Steins gehandelt habe, will ich hier nicht mehr auf Einzelheiten eintreten. Außer prima materia als dem unteren Anfang· und Iapis als dem höchsten Ziele ist der Mercurius aber auch der dazwischenliegende Proze/l, der überdies von ihm selber vermittelt wird. Er ist »Anfang, Mitte und Ende des Werkes« 205 • Er wird daher als Mediator 206 , Servator 200 Hermet. Trism. Tract. Aur. c. Schol. An. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 689. 201 My 1 i u s : Phil. Ref., p. 179. Tract. Aureus in Mus.
Herrn., p. 25. Be r n. T r e v i s., in Theatr. Chem. I, 1602, 787 usw. 202 Exerc. in Turb. in Art. Aurif. I, 154. 203 Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 231. 20' Lau r. V e n tu r a in Theatr. Chem. II, 263: »1apis benedictus«. Dorne u s in Theatr. Chem. I, 578: :dgneus perfectusque Mercurius«. l. c. 590: »1apis Adamicus fit ex Adamico Mercurio in Evena mu1iere«. Lu 11 i u s : Codicill.: »quaesitum bonum est 1apis noster et Mercurius«. 205 Tract. Aur. I. c. p. 689: »esse principium, medium et finem operis«. 206 Ripley Scroll. Exercit. in Turb. in Art. Aurif. I, 170. R i p 1 e y: Chym. Schriften, 1624, p. 31. Tract. Aur. c. Schol. l. c. p. 691: »mediator pacem faciens inter inimicos«.
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und Salvator bezeichnet. Er ist Mediator wie Hermes. Als »medicina catholica< und »alexipharmakon« ist er der »servator mundi« (Erhalter der Welt). Er ist einerseits der »salvator omnium corporum imperfectorum< (der Heiler aller unvollkommenen Körper) 207, andererseits der »typus incarnationis Christi« (Bild der Fleischwerdung Christi) 208 , »unigenitus« (Eingeborener) und »consubstantialis parenti Hermaphrodito« (von gleicher Substanz, op.oouaeoc; mit dem elterlichen Hermaphroditen) 209 , überhaupt ist er im Makrokosmos (der Natur) in jeder Beziehung das, was Christus im mundus rationalis der göttlichen Offenbarung ist. Aber wie der Satz >Mein Licht übertrifft jedes (andere) Licht« 210 zeigt, geht der Anspruch des Mercurius noch weiter, weshalb ihm die Alchemisten sogar die Qualifikation der Dreieinigkeit gegeben haben 21\ um damit seine völlige Gottentsprechung darzutun. Bekanntlich ist bei D a n t e der Satan tricephalus, daher eine Dreiheit in der Einheit. Satan ist zwar eine Gottentsprechung, aber im Gegensatz. Dies ist nun keineswegs die Auffassung der Alchemisten; sie sehen in Mercurius eine dem Wesen der 207 208
.Aquar. Sap. in Mus. Herm., p. 111. 1. c. P· 118.
K h u n rat h : Hyl. Chaos, p. 59. Septem Tract. Hermet. 1566, Kap. IV, p. 22. Im Ros. Phil. 1. c. p. 381 heißt es: >Ego illumino aerem lumine meo et calefacio terram calore meo, genero et nutrio naturalia, plantas et Iapides, et demo tenebras noctis cum potentia mea, et facio permauere dies seculi, et illumino omnia luminaria lumine meo, et etiam in quibus non est splendor et magnitudo; quae quidem omnia ex meo opere sunt, cum induor vestimentis meis; et qui quaerunt me, faciant pacem inter me et uxorem meam«. Dies ist ein Zitat aus den »Dicta Belini« (abgedruckt in Manget i Bihl. Chem. I, 478, Textvarianten I) Ich habe die Stelle ausführlich erwähnt, um ihres beträchtlichen psychologischen Interesses willen. 211 >Nam in Lapide sunt anima, corpus et spiritus et tarnen unus Lapis.< Exerc. in Turbam. IX. in Art. Aurif. I, 170. 209 210
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Gottheit harmonische Emanation oder Schöpfung derselben. Die Tatsache, daß stets die Fähigkeit zur Selbsterzeugung, Wandlung, Vernichtung und Begattung seiner selbst hervorgehoben wird, steht eigentlich im Widerspruch zur Auffassung, daß er eine creatura sei. Es ist daher nur logisch, wenn dann bei P a r a c e 1 s u s und D o r neu s die Idee ausgesprochen wird, daß die prima materia ein »increatum« (ein Nichterschaffenes), also ein mit Gott koäternes Prinzip sei. Diese Leugnung der creatio ex nihilo koinzidiert mit der Tatsache, daß Gott (Gen. I) die Tehom vorfand, eben jene mütterliche Tiamatwelt, als deren Sohn uns Mercurius entgegentritt 212 • Kapitel 10 Zusammenfassung a) Mercurius be!Jleht aus allen erdenklichen Gegensätzen. Er ist also eine ausgesprochene Zweiheit, die aber stets als Einheit benannt wird, wenn schon ihre vielen inneren Gegensätzlichkeiten in ebenso viele verschiedene und anscheinend selbständige Figuren dra~ matisch auseinandertreten können. b) Er ist physisch und geistig. c) Er ist der Prozeß der Wandlung des Unteren, Physischen in das Obere, Geistige und vice versa. d) Er ist der Teufel, ein wegeweisender Heiland, ein evasiver »irickster« und die Gottheit, roie sie sich in der mütterlichen Natur abbildet. e) Er ist das Spiegelbild eines mit dem opus alchymicum koinzidenten mystischen Erlebnisses des Artifex. f) Als dieses Erlebnis stellt er einerseits das Selb!Jl, andererseits den IndividuatiOnsprozeß und, vermöge der 212
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Vgl. dazu: Psychologie u. Alchemie, p. 437 ff. u. p. 42 f.
Grenzenlosigkeit seiner Bestimmungen, auch das kollektive Unberou/Ue dar 213 • Gewiß war das Goldmachen und überhaupt die Erforschung der chemischen Natur ein großes Anliegen der Alchemie. Ein noch größeres, noch passionierenderes aber scheint- man kann nicht wohl sagen- die :.Erforschung«, sondern vielmehr das Erlebnis des Unberou{lten gewesen zu sein. Daß man diese Seite der Alchemie - die f..Wm:exa - so lange nicht verstanden hat, liegt einzig und allein an dem Umstand, daß man nichts von Psychologie und zwar insbesondere nichts vom überpersönlichen und kollektiven Unbewußten gewußt hat. Solange man von einer psychischen Existenz nichts weiß, so ist sie, wenn sie überhaupt erscheint, projiziert. So fand sich das erste Wissen um seelische Gesetzoder Regelmäßigkeit ausgerechnet in den Sternen und ein weiteres im unbekannten Stoff. Von beiden Erfahrungsgebieten haben sich Wissenschaften abgetrennt, von der Astrologie die Astronomie und von der Alchemie die Chemie. Die eigentümliche Beziehung zwischen astronomischer Zeitbestimmung und Charakter hingegen ist erst in neuester Zeit im Begriffe, sich zu etwas wie wissenschaftlicher Empirie zu formen. Die wirklich wichtigen psychischen Tatbestände können weder mit dem Maßstab, noch mit der Waage oder dem Reagenzglas oder dem Mikroskop festgestellt werden. Sie sind daher (angeblich) unsichtbar, d. h. mit andern Worten, sie müssen den Leuten überlassen werden, die dafür den (inneren) Sinn haben, wie man die Farben den Sehenden und nicht den Blinden zeigen muß. Der Projektionsschatz, der in der Alchemie liegt, ist womöglich noch unbekannter. Zudem hat er einen der näheren Erforschung unerhört abträglichen Nachteil. 213
Daher die Bezeichnung des Mercurius >mare nostrum«.
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Denn, unähnlich den astrologischen Charakterdispositionen, die, wenn negativ, höchstens Einzelnen unangenehm sind, dem Nachbarn aber zur Ergätzung dienen, stellen die alchemistischen Projektionen Kollektivinhalte dar, die in einem peinlichsten Kontrast- oder besser in einem Kompensationsverhältnis zu unsern höchsten rationalen Ueberzeugungen und Werten stehen. Sie geben die seltsamen Antworten der natürlichen Seele auf die von der Ratio übrig gelassenen letzten und äußersten Fragen. Aller Fortschrittlichkeit und sehnliehst gewünschten Zukünftigkeit gegenüber, die aus einer leidvollen Gegenwart befreien soll, weisen sie zurück auf Uraltes, auf jenes in der Ewigkeit abrollende, scheinbar hoffnungslos statische Auf und Ab oder Hin und Wider und auf unsere so innigst geglaubte Welt als kulissenwechselnde Phantasmagorie. Unserm begehrlichen aktiven Leben zeigen sie als Erlösungsziel ein Symbol des Unbelebten, das nicht selber lebt, sondern bloß ist oder >wes!<, und dem das Leben in unerfaßlicher und unermeßlicher Gegensätzlichkeit geschieht. »Seele«, dieses wesenlose Abstraktum unseres rationalen Intellektes, oder >Geist«, diese zweidimensionale Metapher unserer strohdürren philosophischen Dialektik, erscheinen hier in fast stofflicher Plastizität, als beinahe tastbare Hauchkörper, und weigern sich, als auswechselbare Bestandteile unseres rationalen Bewußtseins zu funktionieren. Die Hoffnung auf eine Psychologie ohne Seele wird hier zunichte, und ebenso schwindet unsere Illusion, daß das Unbewußte eben erst entdeckt worden sei: es ist, in eigenartiger Form allerdings, schon an die zweitausend Jahre gewußt worden. Man gebe sich aber keinen Moment der Täuschung hin: so wenig wir die Charakterdispositionen von der astronomischen Zeitbestimmung lösen werden, so wenig werden wir es vermögen, jenen ungebärdigen und evasiven Mercurius von der Autonomie des Stoffes zu 130
lösen. Der Projektion klebt immer etwas vom Projektionsträger an, und wenn wir schon versuchen, das als psychisch Erkannte unserm BewuRfsein zu integrieren und uns dies auch in einem gewissen MaR gelingen wird, so werden wir damit doch etwas vom Weltall und dessen Stofflichkeit integrieren, oder vielmehr werden wir, da der Kosmos so unendlich viel gröBer ist als wir, vom Unbelebten assimiliert. »Transmutemini in vivos lapides philosophicos«, ruft zwar ein Alchemist aus, aber er weiH nicht, wie unendlich langsam ein Stein »west«, d. h. er wünscht es nicht zu wissen, denn er müHte ja, als geschäftiger Europäer, an diesem Wissen zu ersticken glauben. Wem das lumen naturale, welches von den Projektionen der Alchemie ausgeht, zum ernstlichen Problem wird, ·der wird allerdings jenem Autor recht geben, welcher von der durch das Werk erforderten »immensae diuturnitas meditationis« (Langwierigkeit unermeRiicher Meditation) spricht. In diesen Projektionen tritt uns nämlich die Phänomenologie eines »objektiven« Geistes entgegen, einer wahren matrix seelischen Erlebens, deren passendes Symbol darum die Materie ist. Niemals und nirgends hat der Mensch die Materie beherrscht, es sei denn, er habe ihr Verhalten genau beobachtet und ihre Gesetze mit gröRter Aufmerksamkeit erlauscht. Und nur insofern er dies tat, konnte er in eben diesem MaRe sie beherrschen. So verhält es sich auch mit diesem Geiste, den wir heute das UnbewuRte nennen: er ist widerspenstig wie die Materie, geheimnisvoll und evasiv wie diese und gehorcht »Gesetzen«, die uns in ihrer Un- und Uebermenschlichkeit meist wie ein »crimen laesae majestatis humanae« vorkommen. Wenn der Mensch Hand an das opus legt, so wiederholt er, wie die Alchemisten sagen, das Schöpfungswerk Gottes. Dem Ungeformten, dem Chaos der Tiamatwelt entgegenzutreten, ist in der Tat ein U rerlebnis.
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Wie das Psychische in der unmittelbaren Erfahrung uns im lebendigen Stoff und als Eines mit diesem entgegentritt, so ist Mercurius das argenturn vivum. Diebewußte Diskrimination macht und bedeutet zugleich jenen Eingriff, der Körper von Seele trennt und den Geist Mercurius vom Hydrargyrum scheidet, gewissermaßen »auf Flaschen abzieht<, um mit unserm Märchen zu sprechen. Weil aber Seele und Körper trotz künstlicher Trennung im Geheimnis des Lehens geeint sind, so befindet sich der spiritus mercurialis, obschon in die Flasche gebannt, doch in den Wurzeln des Baumes als dessen Quintessenz und lebendiges Numen. In der Sprache der Upanishaden ausgedrückt, ist er der persönliche Atman des Baumes. Isoliert in der Flasche entspricht er dem Ich und damit dem leidvollen principium individuationis (Schopenhauer!), welches nach indischer Auffassung zur Illusion der Einzelexistenz · führt. Ist aber der Mercurius aus der Gefangenschaft befreit, dann hat er den Charakter des überpersönlichen Atman. Damit ist er der eine spiritus vegetativus aller Kreatur, der Hiranyagarbha 21\ der Goldkeim, das überpersönliche Selbst, welches durch den filius macrocosmi, den einen Stein der Weisen (Iapis est unusl), dargestellt wird. Der Liber Definitionum Rosini zitiert einen Spruch des »Malus Philosophus« 215, welcher die psychologische Beziehung des Lapis zum menschlichen Bewußtsein zu formulieren sucht: 211 Vgl. Maiträyana-Brähmana-Upanishad. Sacred Books of the East, XV, 311. Als spiritus vegetativus und Kollektivseele in Vedänta-Sütras, l. c. XXXIV, 173 und XLVIII, 578. 2115 Der Traktat des R o s in u s (Risamüs = Zosimos) ist wohl arabischen Ursprungs. >Malus< könnte ein entstellter >Magus< sein. Von diesem sind in der Liste des Fihrist von I b n AI-Na d im (987) neben Werken des Rimas (Zosimos) zwei Schriften des M a g u s angeführt, wovon die eine betitelt ist: >Das Buch des weisen Magus über die Kunst<. (J. Ru s k a: Turba, p. 272.)
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»Hic Iapis est subtus · te, quantum ad obedientiam; supra te, quoad dominium; ergo a te, quantum ad scientiam; circa te, quantum ad aequales.« (Dieser Stein ist unter dir, so weit es den Gehorsam anbelangt; über dir, was die Herrschaft betrifft; also von dir [abhängig], so weit es die Wissenschaft angeht; um dich herum, sofern die [dir] Gleichen in Betracht kommen.) Auf das Selbst übertragen, würde diese Aussage lauten: Das Selbst ist dir einerseits unterworfen, andererseits beherrscht es dich. Es hängt von deiner Bemühung und Erkenntnis ab und, über dich hinausgreifend, umfaßt es auch alle die, welche dir gleich oder von gleicher Gesinnung sind. Letztere Formulierung scheint die kollektive Natur des Selbst zu betreffen, welche darauf beruht, daß das Selbst einen Inbegriff der Ganzheit menschlicher Persönlichkeit darstellt. Dazu gehört eben per definitionem der Anteil am kollektiven Unbewußten, das, wie die Erfahrung zu beweisen scheint, überall sich selber identisch ist 216 • Das Zusammentreffen des armen Studenten· mit dem in die Flasche gebannten Geist Mercurius beschreibt jenes Abenteuer des Geistes, welches den blinden und unerweckten Menschen befällt. Dieses Motiv liegt auch der Geschichte vom Schweinehirten, der auf den Weltbaum kletterte 217 , zugrunde und bildet überhaupt das Leitmotiv der Alchemie. Es bedeutet eben nichts anderes als den im Unbewußten sich vorbereitenden und nur allmählich ins Bewußtsein übertretenden lndividuationsprozeß. Das in der Alchemie beliebte Symbol desselben ist der Baum, die arbor philosophica, welche sich vom Paradiesesbaum der Erkenntnis herleitet. Hier 216 Vgl. dazu Def. 26 in: Psychologische Typen, p. 629 f. Ferner: Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewuf!ten, p. 203 ff. und: Das Geheimnis der goldenen Blüte, p. 60 ff. 217 Vgl. die Analyse dieses Märchens im I. Beitrag dieses Bandes.
10 jung: Symbolik des Geistes
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wie dort ist es eine dämonische Schlange, resp. ein böser Geist, welcher zur Erkenntnis überredet und anstachelt. Man darf sich bei dieser Vorlage nicht wundern, daß auch der Geist Mercurius zum mindesten ausgiebige Beziehungen nach der dunkeln Seite hin hat. Ist er doch selber zum Teil die Schlangendämonin, die Lilith oder Melusine, auf dem Baum der geheimen Philosophie. Zugleich aber hat er nicht nur Teil am Heiligen Geiste laut Aussage der Alchemie, sondern ist mit diesem sogar identisch. Diese anstößige Paradoxie müssen wir wohl hinnehmen, nachdem wir auf den vorangegangenen Seiten den ambivalenten Archetypus des Geistes kennen gelernt haben. Unser Mercurius ambiguns bestätigt einfach die Regel. Auf alle Fälle ist die Paradoxie nicht schlimmer, als jener launige Einfall des Schöpfers, sein friede- und unschuldsvolles Paradies mit der Gegenwart einer offenbar eher gefährlichen Baumschlange zu beleben, die »zufälligerweise« sich gerade auf jenem Baume befand, wo sich die als »verboten« angekündigten Aepfel befanden. Es ist nicht zu bestreiten, dafl das Märchen sowohl wie die Alchemie den Geist Mercurius in einer vorwiegend ungünstigen Beleuchtung erscheinen lassen, was umso mehr auffällt, als dieser nicht nur den positiven Aspekt einer Beziehung zum Heiligen Geiste, sondern in der Gestalt des Lapis auch zu Christus und als triunus sogar zur Heiligen Dreifaltigkeit hat. Es sieht aus, als ob gerade gegenüber diesen Beziehungen die Dunkelheit und Zweifelhaftigkeit des Mercurius noch unterstrichen wäre, was entschieden gegen die Annahme spricht, dafl die Alchemisten mit ihrem Lapis eigentlich Christus gemeint hätten. Gesetzt der Fall, dafl dem so wäre, warum dann die Umbenennung in Lapis Philosophorum? Der Lapis ist bestenfalls eine correspondentia oder analogia Christi in der physischen Natur. Sein Symbolismus und damit derjenige des Mercurius, wel134
eher die Substanz des Lapis ausmacht, weist, wenn psychologisch betrachtet, auf das Selbst, wie dies auch die symbolische Gestalt des Christus tut 218 • Gegenüber der Reinheit und Eindeutigkeit dieses Symbols erweist sich der Mercurius-Lapis als zweideutig, dunkel, paradox, ja geradezu als heidnisch. Er repräsentiert daher einen Seelenteil, der auf alle Fälle nicht christlich geformt ist und sich daher durch das Symbol »Christus« auf keinerlei Weise ausdrücken läßt. Im Gegenteil weist, wie die obigen Ausführungen zeigen, nicht weniges sogar auf den Teufel, der sich, wie bekannt, bisweilen in einen Engel des Lichts verkleidet. Dadurch wird eigentlich eine Seite des Selbst formuliert, welche abseits steht, naturgebunden und dem christlichen Geiste inadäquat ist. Der Lapis repräsentiert geradezu alles dasjenige, welches aus dem/christlichen Vorbilde eliminiert ist. Da es aber lebendige Wirklichkeit besitzt, meldet es sich eben in der dunkeln hermetischen Symbolik zum Worte. Das paradoxe Wesen des Mercurius schildert einen wichtigen Aspekt des Selbst, nämlich die Tatsache, daß es im Grunde genommen eine complexio oppositorum darstellt und auch gar nichts anderes sein kann, wenn es überhaupt eine Totalität bedeuten soll. Der Mercurius hat als »deus terrestris« etwas an sich von einem »deus absconditus« (verborgenen Gott), welcher einen wesentlichen Teil des psychologischen Selbst bildet, das ja von einem Gottesbild nicht unterschieden werden kann (außer durch undiskutierbaren und unbeweisbaren Glauben). Obschon ich den Lapis als ein die Gegensätze zusammenfassendes Symbol hervorgehoben habe, darf man nicht annehmen, daß dieser nunmehr ein sozusagen vollständigeres Symbol des Selbst sei. Das wäre entschieden unrichtig, denn m Wirklichkeit stellt er ein Bild dar, dessen Gestalt 218
Wozu der IV. Beitrag dieses Bandes zu vergleichen ist.
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und Inhalt vorwiegend vom U nbewußten her bedingt ist. Er tritt uns daher nirgends in fertiger und wohldefinierter Form in den Texten entgegen, sondern man muß sorgfältig alles zusammenlesen, was darin an Andeutungen über vielerlei Arcansubstanzen, über den Mercurius, den W andlungsprozeß und das Endprodukt desselben verstreut liegt. Obschon fast überall vom Lapis in der einen oder andern Form die Rede ist, so findet doch kein wirklicher consensus omnium hinsichtlich seiner Gestalt statt. Fast jeder Autor hat seine besonderen Allegorien, Synonyme und Metaphern. Daran erkennt man deutlich, daß der Stein nicht nur ein Gegenstand allgemeiner Bearbeitung war, sondern, daß er vielmehr eine Geburt des Unbewu.ßten darstellt, welche die Grenzen der Subjektivität nur spurweise überschritten und dadurch wenigstens den vagen Allgemeinbegriff des Lapis Philosophorum erzeugt hat. Gegenüber dieser stets im Halbdunkel mehr oder weniger geheimer Lehren verweilenden Gestalt steht auf der Seite des Bewußtseins der dogmatisch scharf umrissene »Menschensohn:« und Salvator Mundi, Christus, dieser Sol Novus, neben dem die kleineren Gestirne verblassen. Er ist das Bekenntnis der Tageshelle des Bewußtseins und als solches trinitarisch. Seine Formulierung ist in jeder Hinsicht so klar und bestimmt, daß alles, was von ihm verschieden, in zunehmendem Maße nicht nur als minderwertig, sondern auch als verworfen erscheint. Das ist nicht eine Folge der Lehre Christi selber, sondern der Lehre über ihn, insbesondere der durch das Dogma bewirkten kristallenen Klarheit seiner Gestalt. Daher rührt es, daß im ganzen Verlauf der mit der Schöpfung anhebenden Heilsgeschichte noch nie zuvor eine derartige Gegensatzspannung wie diejenige, welche sich zwischen Christus und dem Antichristus resp. dem Satan oder gefallenen Engel erhob, 136
vorgekommen ist. Noch zu Zeiten des Hiob treffen wir den Satan unter den Gottessöhnen an. ))Nun begab es sich eines Tages, daß die Gottessöhne kamen«, heißt es Hiob I, 6, »sich vor den Herrn zu stellen, und es kam auch der Satan in ihrer Mitte.« Dieses Bild eines himmlischen Familientages läßt noch nichts vom neutestamentlichen >"brare aa-raJJii « (Vade Satana) 219 und von dem Drachen, der in der Unterwelt auf 1000 Jahre angekettet wird 220 , ahnen. Es hat den Anschein, als ob die übergroße Lichtfülle einerseits eine umso viel schwärzere Finsternis andererseits erzeugt hätte. Es ist ja auch begreiflich, daß bei der ungemein großen Verbreitung der schwarzen Substanz ein Wesen sine macula peccati fast unmöglich erscheint. Ein liebender Glaube an eine solche Gestalt kann natürlich nicht umhin, sein Haus vom schwarzen Unrat zu reinigen. Aber irgendwo muß sich letzterer aufhäufen, und wo dieser Haufen liegt, da wird auch die gesündeste und schönste Natur von übelm Gestank verpestet. Das Gleichgewicht der Urwelt ist gestört. Es liegt selbstverständlich nicht in meiner Absicht, diese Feststellung in kritisch-tadelndem Tone vorzubringen. Ich bin viel zu sehr nicht nur von der unerbittlichen Logik, sondern auch von der Zweckmäßigkeit dieser Entwicklung überzeugt. Die stärkere Trennung der Gegensätze ist gleichbedeutend mit schärferer Diskrimination, und diese stellt die conditio sine qua non jeder Erweiterung und Intensivierung des Bewußtseins dar. Die fortschreitende Differenzierung des Bewußtseins aber ist der menschlichen Biologie als bedeutsamste Aufgabe gestellt und dementsprechend auch mit den höchsten Prämien, nämlich grenzenloser Fortpflanzung, Ausbreitung und Machtentfaltung, belohnt. Das Bewußtsein ist da219 220
Matth. IV, 10. Apok. XX, 2.
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her, phylogenetisch gesehen, in puncto des Effektes der Lungenatmung und ·der W armblütigkeit an die Seite zu stellen. Die Helligkeitsvergrößerung des Bewußtseins bringt es notwendigerweise mit sich, daR das weniger Helle und weniger Bewußtseinsfähige der Seele in einem solchen MaRe verdunkelt wird, daR früher oder später ein Riß im psychischen System eintritt, der zunächst als solcher allerdings nicht erkannt und darum projiziert wird, d. h. in einer weltanschaulichen Projektion erscheint: nämlich in der Form einer Spaltung zwischen den Mächten des Lichtes und denen der Finsternis. Die Möglichkeit dieser Projektion ist jederzeit durch die zahlreich vorhandenen archaischen Reste ursprünglicher Licht- und Dunkelheitsdämonien gewährleistet. Darum steht wohl auch der althergebrachte persische Dualismus in nicht völlig abgeklärtem MaRe der christlichen Gegensatzspannung zu Gevatter, ohne mit dieser identisch zu sein. Es dürfte darüber kein Zweifel obwalten, daR die moralischen Konsequenzen der christlichen Entwicklung einen ganz erheblichen Fortschritt gegenüber der archaischen Gesetzesreligion Israels darstellen. Das Christentum der synoptischen Evangelien bedeutet zunächst nicht viel mehr als eine innerjüdische Auseinandersetzung, die man mit gutem Rechte der viel frühern buddhistischen Reformation innerhalb des hinduistischen Polytheismus vergleichen kann. Beide Reformationen haben, psychologisch gesehen, eine gewaltige Verstärkung des Bewußtseins im Gefolge. Mit ganz besonderer Deutlichkeit geht dies aus der mäeutischen Methode des Sakyamuni hervor. Aber auch die Logia Jesu lassen diese Tendenz klar erkennen, auch wenn man jenes Logion des Lukasevangeliums, welches die schärfste Formulierung dieser Art darstellt, als apokryph außer Betracht läßt, nämlich: »Wenn du weißt, was du tust, so bist du selig. Wenn du es nicht weißt, 138
bist du verflucht und ein Uebertreter des Gesetzes 221.< Auf alle Fälle ist das Gleichnis vom ungetreuen Haushalter (Luk. XVI) nicht unter die Apokrypha, wo es sich gut ausgenommen hätte, geraten. Der RiR, der durch die Metaphysik geht, kommt langsam zum Bewußtsein als eine Spaltung der menschlichen Seele, und der Kampf des Lichtes gegen die Finsternis verlegt seinen Schauplatz ins Innere derselben. Diese Ueberwanderung ist nicht ganz selbstverständlich, deshalb hat S. I g n a t i u s v o n L o y o l a es für angezeigt erachtet, durch besondere »Exercitia Spiritualia« diesen Kampf dem Gemüte zu veranschaulichen - und dies auf sehr drastische Weise 222 • Diese Bemühungen hatten aus leicht ersichtlichen Gründen einen nur sehr beschränkten Anwendungsbereich. Und so kam es seltsamerweise, daR zu Ende des XIX. Jahrhunderts die Aerzte eingreifen muRten, um den ins Stocken geratenen ProzeR der Bewußtwerdung wieder in Bewegung überzuführen. Von der naturwissenschaftlichen Seite her und einer religiösen Absicht gänzlich unverdächtig hat Fr e u d jene Decke, die ein aufklärerischer Optimismus über die abgründige Dunkelheit menschlicher Natur gebreitet hatte, gelüftet, und seitdem hat die Psychotherapie in dieser oder jener Gestalt nicht mehr gerastet, ein ausgedehntes Gebiet der Dunkelheit zu enthüllen, welches ich als den Schatten des Menschen bezeichnet habe. Aber auch dieser Versuch moderner Wissenschaft vermochte nur Wenigen die Augen zu öffnen. Dafür aber haben die historischen Ereignisse unserer Zeit ein Gemälde der psychischen Wirklichkeit des Menschen mit Feuer und Blut gemalt; ein Bild, das sich nicht mehr auswischen läflt, und ein Anschauungsunterricht, der unvergefllich wäre, wenn - und dies ist die große Frage - der 221 222
Dieses Logion findet sich im Codex Bezae zu Lucas VI, 4. Secunda Hebdomada. De Regno Christi. 139
Mensch, so wie er heute ist, schon die Fähigkeit zu jener Bewußtheit besitzt, die nötig wäre, um mit dem rasenden Tempo des Dämons, der in ihm wohnt, Schritt zu halten oder darauf zu verzichten, seiner Schöpferkraft, soweit sie sich im Aufhau materieller Machtmittel vergeudet, die Zügel schieRen zu lassen! Alle Maßnahmen in dieser Hinsicht erscheinen leider wie blutleere Utopien. Die Gestalt des Logos Christus hat im Menschen die anima rationalis auf eine Bedeutungshöhe gehoben, die unbedenklich ist, solange sie über sich den xupw~, den Herrn der Geister, weiß und ihm unterworfen ist. Die »Vernunft« hat sich aber befreit und sich wortwörtlich zur Herrin aufgeworfen und thronte als Deesse Raison seinerzeit in Notre Dame als ein Vorzeichen künftiger Ereignisse. Unser Bewußtsein ist nicht mehr eingefangen im heiligen Ternenos extramundaner und eschatologischer Bilder. Es hat sich daraus befreien können vermöge einer Kraft, die ihm nicht von oben zuströmte, nicht vermöge eines Iumen de lumine, sondern vermöge eines ungeheuern AnstoRes der Dunkelheit, deren Macht sich steigerte, in dem Maße als das Bewußtsein, sich von der Dunkelheit lösend, ins Licht emporstieg. Nach dem die ganze Natur durchwaltenden Komplementaritätsprinzip hat jede psychische Entwicklung sei sie nun individuell oder kollektiv - ein Optimum, das sich, wenn überschritten, zur Enantiodromie wandelt, d. h. zum Gegenteil führt. Schon während des Aufstieges zur kritischen Höhe machen sich Kompensationstendenzen von Seiten des Unbewuflten bemerkbar, welche aber, wenn das Bewußtsein auf seinem Weg beharrt, in jeglicher Hinsicht verdrängt werden. Das Ideal der Vergeistigung kann U:icht anders, als daR es in den Regungen der Dunkelheit teuflischen Betrug sieht. Die Vernunft muß alles, was ihr entgegensteht oder von ihrem »Gesetze« abweicht, als unvernünftig verdammen. Trotz aller Gegenbeweise darf sich die Mo-
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ral keine Wandlungsfähigkeit zugestehen, denn alles, was mit ihr nicht stimmt, ist unvermeidlicherweise unmoralisch und daher zu unterdrücken. Man kann sich unschwer vorstellen, welche Unmenge von Energien bei solcher Bewußtseinsherrschaft ins Unbewußte abfließen muß. Zögernd, wie im Traum, haben Jahrhunderte introspektiver Ergrübelung allmählich .die Gestalt des Mercurius zusammengesetzt und damit ein Symbol geschaffen, welches sich nach allen Regeln psychologischer Wissenschaft zum Christusbilde kompensatorisch verhält. Es soll nicht an dessen Stelle treten; es ist auch nicht identisch mit demselben, sonst könnte es an dessen Stelle treten. In Erfüllung des Gesetzes der Komplementarität entsteht und durch feinste kompensatorische Abstimmung auf das Christusbild versucht es, über .den Abgrund, der die beiden seelischen Welten trennt, die Brücke zu schlagen. Daß bei Faust nicht vor allem der listenreiche Götterbote, de~ man doch bei den antikischen Neigungen des Autors fast hätte erwarten müssen, sondern ein .dem Namen nach den Abfallgruben mittelalterlichen Zauberwesens entstiegener familiaris als kompensatorische Figur erscheint, beweist, wenn irgend etwas, die eingefleischte Christlichkeit des Goethe'schen Bewußtseins. Dieser Einstellung ist der dunkle Andere stets und überall der Teufel. Der Gefahr dieses Präjudizes entgeht Mercurius nur um Haaresbreite, wie meine obigen Darlegungen zeigen. Aber er entgeht ihr dank dem Umstand, daß er es verschmäht, Opposition a tout prix zu treiben. Sein Name verleiht ihm magischerweise die Möglichkeit, sich trotz aller Ambiguität und Duplizität außerhalb der Spaltung zu halten, denn als antiker und heidnischer Gott besitzt er noch die natürliche Ungeteiltheit, der auch logische und moralische Widersprüche nichts anzuhaben vermögen. Das gibt ihm Unverwundbarkeit und Unzer141
setzbarkeit, eben jene Eigenschaften, welche die Zerrissenheit des Menschen so dringend nötig hätte. Wenn man eine Synopsis sämtlicher Aussagen über und alle bildliehen Darstellungen des alchemistischen Mercur herstellt, so ergibt sich ein auffallender Parallelismus mit den aus andern Quellen stammenden Symbolen des Selbst, worauf ich bereits hingewiesen habe. Man kann nicht wohl anders als den Lapis für einen symbolischen Ausdruck jenes psychologischen Komplexes, den ich als Selbst definiert habe, halten. Ebenso und aus denselben Gründen muß auch die Christusgestalt als Symbol des Selbst angesehen werden. Daraus ergibt sich aber ein anscheinend unlösbarer Widerspruch, ·denn man kann sich zunächst kaum vorstellen, wieso das Unbewuflte von einem und demselben Inhalte, dem vor allem noch der Charakter der Totalität zukommt, zwei ganz verschiedene Bilder entwerfen kann. Gewiß haben an beiden Ideengestalten die Jahrhunderte geistige Arbeit geleistet, weshalb man dazu neigen könnte, anzunehmen, ·daß beide durch den AssimilationsprozeR in hohem Maße anthropomorphisiert worden seien. Für diejenige Anschauung, welche beide Gestalten für Erfindungen des Verstandes hält, ist der Widerspruch daher rasch gelöst; er besteht dann nämlich in nichts anderem als in einer Spiegelung des subjektiven psychischen Zustandes: es ist der Mensch und
sein Schatten. Diese sehr einfache und einleuchtende Lösung beruht nun leider auf Prämissen, welche der Kritik nicht standhalten. Christus sowohl wie der Teufel sind auf archetypische Vorlagen gegründet und infolgedessen nie erfunden, sondern erfahren worden. Sie waren vor aller Erkenntnis schon da 223, und der Verstand hatte 223 Dies geht aus dem allgemein verbreiteten Brudermotiv mit Evidenz hervor.
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nichts anderes mit ihnen zu tun, als sie zu rezipieren und so gut als möglich in seine Weltanschauung einzugliedern. Nur oberflächliche Vernünftelei kann diese fundamentale Tatsache übersehen. Wir sind tatsächlich mit zwei verschiedenen Bildern des Selbst konfrontiert, die, wie es allen Anschein hat, schon in ihrer ursprünglichen Form eine Zweiheit darstellen. Diese ist nicht erfunden, sondern stellt eine autonome Erscheinung dar. Insofern wir natürlicherweise vom Standpunkt des Bewußtseins denken, kommen wir unvermeidlich zum Schluß, daß einzig und allein die Trennung von Bewußtsein und Unbewußtem Ursache dieser Zweiheit sei. Es ist aber eine Erfahrungstatsache, daß es ein vorbewußtes psychisches Funktionieren gibt und dazu dementsprechende autonome Faktoren, eben die Archetypen. Kann man sich zu der Anerkennung der Tatsache durchringen! d11ß die Stimmen und Wahnideen eines Geisteskranken autonom, daß die Phobieen und Obsessionen eines Neurotischen dessen Vernunft und Willen entzogen sind, und daß das Ich keine willkürlichen Träume fabrizieren kann, sondern bloß das träumt, was es muR, dann kann man auch verstehen, daR zuerst die Götter waren und hernach die Theologie. Ja, man muR offenbar noch einen Schritt weiter gehen und annehmen, daR es zuerst eine lichte und eine dämmrige Gestalt gab und erst hernach eine BewuRtseinshelle, die sich von der Nacht mit deren ungewissem Sternenschimmer löste. Wenn also Christus und die dunkle Naturgestalt für die unmittelbare Erfahrung autonome Bilder sind, so sind wir genötigt, unsere rationalistische Kausalreihe umzukehren und diese Gestalten nicht von unseren psychischen Voraussetzungen, sondern vielmehr diese von jenen abzuleiten. Damit ist dem modernen Verstand allerdings etwas viel zugemutet, was aber nichts an der 143
Konsequenz der Hypothese ä:ndert. Von diesem Stand~ punkt aus gesehen, erscheint Christus als der Archetypus des Bewußtseins, Mercurius aber als der des Dubewußten. Als Cupido und Cyllenius ist letzterer der Verführer zur Expansion im Raume ·der Sinneswelt; er ist die »benedicta viriditas« und die »multi flores« des jugendlichen Frühlings, ein täuschender und illusionserregender Gott, von dem es mit Recht heißt: Invenitur in vena Sanguine plena 224 • Er ist ein Hermes Chthonios und Eros zugleich, aus dem aber nach Vollendung des weltlichen Pfades, das »lumen superans omnia lumina«, die »lux moderna« hervorgeht, denn der Lapis ist ja nichts anderes als die im Stoffe verhüllte Lichtgestalt 225 • In diesem Sinne zitiert S. August in u s I, Thess. V, 5: »Ümnes enim vos filii lucis estis, ei f:ilii diei, non sumus nociis ilfque tenebrarum« und unterscheidet zwei Arten von Er• kenntnis, nämlich eine cognitio vespertina und eine cognitio matutina; erstere entspricht der »scientia creaturae«, letztere der »scientia Creatoris« 226 • Wenn wir für »cognitio« Bewußtsein setzen, so würde 'der Gedanke Au g u s t i n s besagen, daR das nur-menschliche und natürliche Bewußtsein sich allmählich, wie gegen Abend, verdunkelt. Aber wie aus dem Abend ein Morgen wird, so entsteht aus dem Dunkel ein neues Licht, :.Er wird in der blutgeschwellten Ader gefunden.« Vgl. das dieturn des 0 s t an e s vom Stein im Nil, der ein Pneuma in sich hat. 226 :>Quoniam scientia creaturae in comparatione scientiae Creatoris quodammodo vesperascit: itemque lucescit et mane fit, cum et ipsa refertur ad laudem dilectionemque Creatoris, nec in noctem vergitur, ubi non Creator creaturae dilectione relinquitur.< De Civitate Dei. Lib. XI, cap. VII. 224 225
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die stella matutina, die Abend- und Morgenstern zugleich ist- Lucifer, der Lichtbringer. Mercurius ist keineswegs der christliche Teufel, welch' letzterer weit eher eine »Verteufelung« eines Lucifer, eben eines Mercurius, darstellt. Dieser ist die schattenhaft angedeutete Urgestalt eines Lichtbringers, der niemals das Licht selber ist, sondern ein qJwaqJopor:, das Iumen naturae, das Licht des Mondes und der Sterne, welche überstrahlt werden durch das neue Morgenlicht, von dem S. A u g u s t i n u s meint, daß es sich nicht zur Nacht wende, wenn der Schöpfer nicht von der Liebe der Kreatur verlassen werde. Aber eben letzteres gehört zu dem Gesetze des Wechsels von Tag und Nacht. Hoelderlin sagt: »Und ihm ähnlich Entreißt das Herz uns eine Gewalt; Denn Opfer will der Himmlischen jedes. Wenn aber eines versäumt ward, Nie hat es Gutes gebracht.« Wenn alle sichtbaren Lichter erloschen sind, dann findet man, nach den Worten Yajiiavalkyas, des Weisen, das Licht des Selbst: »Dann dient er sich selbst (atman) als Licht; denn bei dem Licht des Selbstes (oder der Seele) sitzt er und gehet umher, treibt seine Arbeit und kehret heim 227.« So beginnt auch bei S. August in u s der erste Schöpfungstag mit der »Cognitio sui ipsius« (Selbsterkenntnis) 228 , bei welcher es sich, wenn richtig verstanden, nicht um eine Erkenntnis des Ich, sondern des Selbstes, handelt, nämlich der objektiven ErscheiDeussen: Die Geheimlehre des Veda, 1909, p. 52 ff. De Civitate Dei, 1. c.: »Et hoc cum facit in cognitione sui ipsius, dies unus est.« Vielleicht ist dies die Quelle für die eigentümliche Bezeichnung deslapisals :.filius unius diek 227
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nung dessen, wessen Subjekt das Ich ist 229 • In Uebereinstimmung mit Gen. I folgen die übrigen Tage mit der Erkenntnis des Firmamentes, der Erde, des Meeres, der Pflanzen, der Gestirne, der Wasser- und der Lufttiere, und schlieRlieh der Landtiere und »ipsius hominis«, des Menschen selber, am sechsten Tage. Die cognitio matutina ist die Selbsterkenntnis, die vespertina dagegen die cognitio hominis 230 • So schildert S. Au g u s t in u s , wie die cognitio matutina allmählich altert, indem sie immer weiter und mehr sich in die »zehntausend Dinge« verliert und zum Schlusse endlich beim Menschen anlangt, wo man doch hätte erwarten können, daR dies schon bei der Selbsterkenntnis der Fall gewesen wäre. Wäre dem aber wirklich so, so hätte das Augustirrische Gleichnis seinen Sinn verloren, indem es sich selbst widersprochen hätte. Einen solchen offenkundigen Lapsus darf man einem so genialen Manne nicht zutrauen. Er hat wirklich gemeint, daR Selbsterkenntnis »scientia Creatoris« 231 ist, ein geoffenbartes Morgenlicht nach der Nacht, in welcher das Bewußtsein eingehüllt im Dunkel des Unbewuflten schlief. Die ursprünglich aus 229 »Cum nulla scientia melior sit illa qua cognoscit homo semetipsum, discutiamus cogitationes, locutiones atque opera nostra. Quid enim prodest nobis, si rerum omnium naturas subtiliter investigemus, efficaciter comprehendamus et nosmetipsos non intelligamus.« Lib. de Spir. et Anima LI. Dieses Buch ist ein dem Au g u s tinunter geschobener, sehr viel späterer Traktat. 230 »Quapropter ipsa creaturae cognitio in semetipsa vespera, in Deo erat mane: quia plus videtur ipsa creatura in Deo, quam in se ipsa videatur.« Dial. Quaest. LXV, Quaest. XXVI. 231 Der Liber de Spiritu et Anima millt der Selbsterkenntnis eine sehr hohe Bedeutung zu. Sie ist ihm unerläflliche Bedingung zur Vereinigung mit Gott. So sagt er: »Sunt alii quaerentes Deum per exteriora, deserenfes inferiora sua, quibus Deus inferior est. Redeamus ergo ad nos, ut possimus ascendere ad nos ... In prima ascendimus ab istis exterioribus et inferioribus ad nos. In secundo ascendimus ad cor altum ... In tertio ascensu
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dem ersten Lichte hervorgegangene Erkenntnis wird schließlich und unvermeidlich zur »scientia hominis«, also des Menschen, der sich fragt: »Wer weiß und erkennt denn alles? Das bin doch Ich.« Und das ist die anbrechende Dunkelheit 232 , aus welcher der siebente Tag hervorgeht, der Tag der Ruhe: »Sed requies Dei requiem significat eorum qui requiescunt in Deo 233 .« Der Sabbat ist also der Tag, an welchem der Mensch wiederum in Gott einkehrt und von Neuern das Licht der cognitio matutina empfängt. Dieser Tag hat keinen Abend 2"'. Symbolgeschichtlich dürfte es nicht belanglos sein, daß A u g u s t i n die heidnischen Wochentagsnamen gegenwärtig waren. Die zunehmende Verdunkelung erreicht am 5/6 Tag, dem dies V eneris den Höhepunkt, um am Tage des greisen Saturn in den Lucifer umzuschlagen. Der dies Saturni kündigt das Licht an, welches am Sonntag in voller Kraft erscheint. Wie oben gezeigt, hat Mercurius nicht nur zur Venus, sondern vor allem zum Saturn eine intime Verwandtschaft, als Mercurius ist er juvenis, als Saturn senex. Mir scheint, als ob der Kirchenvater eine große ascendimus ad Deum.« Dieses etwas kühne Programm läflt sich wohl kaum »contemptu nostri« (wie der Liber meint) verwirklichen, denn Mangel an Selbstreslfekt züchtet blofl herrenlose Hunde. Das cor altum ist dailo viergeteilte Mandala, die imago Dei, bzw. das Selbst. Der Liber de Spiritu befindet sich mitten im Strome augustinischer Tradition. So sagt S. A u g u s t i n u s selber: »Noli foras ire, in teipsum redi; in interiore homine habitat veritas: et si tuam naturam mutabilern inveneris, transcende et teipsum. Sed memento, cum te transcendis, ratiocinantem animam te transcendere.« (De vera relig. 72.) 232 »Vespera fit quando sol occidit. Occidit sol ab homine id est lux illa iustitiae, praesentia Dei.« Diese Worte äuflert August in in seiner Betrachtung von »Vespere demorabitur fletus et in matutinum exsultatio«. Enarratio in Ps. XXIX, II, 16. 233 De Civitate Dei, Lib. XI, cap. VIII. Idem: Dial. Quaest. LXV, Quaest. XXVI. 234 »Septimus iste dies non habet vesperam.« Sermo IX, 6.
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Wahrheit ahnend angedeutet hätte, nämlich die, daß jede geistige Wahrheit sich allmählich verdinglicht und Stoff oder Werkzeug in der Hand des Menschen wird. Er kann sich infolgedessen kaum der Einsicht entziehen, daß er der Erkenner, ja sogar ein Schöpfer ist, dem grenzenlose Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Ein solcher Mensch ist im Grunde genommen der Alchemist, aber in viel höherem Maße der Mode~ne. Ein Alchemist konnte noch beten: »Horridas nostrae mentis Purga tenebras.« Der moderne Mensch ist schon dermaßen verdunkelt, daß außer dem Lichte seines Verstarrdes. nichts mehr seine Welt erhellt. »Occasus Christi, passio Christi 235 .« Darum wohl passieren unserer gelohten Kultur die wunderlichsten Dinge, die schon mehr einem Weltuntergang als einer normalen Abenddämmerung gleichen. Mercurius, der zweideutige Gott, kommt als Iumen naturae, als Servator und Salvator nur jenem Verstande zu Hilfe, welcher sich nach dem höchsten Lichte, das die Menschheit je empfangen, ausrichtet und sich nicht, dessen uneingedenk, seiner cognitio vespertina ausschließlich anvertraut. Dann nämlich wird das Iumen naturae zu einem gefährlichen Irrlicht, und der Psychopompos zum diabolischen Verführer. Lucifer, der das Licht bringen könnte, wird zum Geist der Lüge, welcher in unserer Zeit die unerhörtesten Orgien, unterstützt von Presse und Radio, feiert und ungezählte Millionen ins Verderben stürzt. Hermes ist zwar ein Gott der Diebe und Betrüger, aber auch ein Offenbarungsgott und hat einer antiken 235
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Ennarratio in Ps. CIII, Sermo III, 21.
Philosophie seinen Namen gegeben, eben der hermetischen. Aus historischer Rückschau gesehen, war es ein psychologischer Moment höchster Bedeutung, als der Humanist Pa tri t i u s dem Papste Gregor XIV. vorschlug, die hermetische Philosophie an Stelle des Aristoteles in der Kirchenlehre zu setzen. In diesem Augenblick haben sich zwei Welten berührt, die in der Zukunft - aber nach was für Ereignissen! - sich noch werden einigen müssen. Damals war es offenkundig unmöglich. Es bedarf noch einer psychologischen Differenzierung ·der religiösen, wie der wissenschaftlichen Auffassungen, bis eine Vereinigung auch nur einigermassen in die Wege geleitet werden kann.
11 jung: Symbolik des Geistes
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rn Die Gestalt des Satans im Alten Testament
Von Dr. Rirokah Schärf
Man sagt, Gott mangelt nichts, er darf nicht unserer Gaben; Ist's wahr, was will er dann mein armes Herze haben? Angelus Silesius
Die Gestalt des Satans im Alten Testament
Einleitung 1. Fragestellung und Methode In einer Zeit, in der das Böse die Welt verdunkelt hat und mit einer ungeahnten Gewalt sich zu manifestieren vermochte, einer Dynamik, die das apokalyptische Bild der Offenbarung Johannes (20, 2. 3. 7. 8) von dem nach tausendjähriger Gefangenschaft entfesselten Teufel heraufruft und zum adäquaten Ausdruck unmittelbar erlebter Wirklichkeit werden läßt, bekommt die Frage nach Wesen und Ursprung dieser Macht unheimliche Aktualität. In solcher Zeit mag es daher nicht siimlos erscheinen, diesem Bild des Teufels in seine Ursprünge zurück nachzugehen. Dies setzt freilich voraus, daß solche Mythologeme als unmittelbarer Ausdruck seelischer Wirklichkeit aufge~ faßt werden, als Symbole, die rational Tinfaßbares adäquat auszudrücken vermögen. Alle Aussagen über eine solche mythologische Gestalt lassen in der Zusammenschau deren Struktur erkennen und damit den seelischen Inhalt, dessen symbolischer Ausdruck sie ist. Ein solches Verständnis der Mythologeme hat allerdings zur weiteren Voraussetzung, daß die Seele des Menschen ihrem Wesen nach nicht als etwas vom >Veber-Menschlichen« (und damit auch vom >Unter-Menschlichen«) Geschiedenes betrachtet wird, sondern o.ls ein diesen Sphären entsprechendes Organon, das diese nicht-menschlichen, überund unter-menschlichen Mächte in sich enthält. Nicht von Gott und Teufel schlechthin, nicht von ihrem Wesen an sich kann und soll hier also die Rede sein - dies wäre metaphysische Spekulation -, sondern von jenen see153
lischen Inhalten und Erlebnissen des Ueber-Menschlichen in einer religiös schöpferischen Zeit, als deren Ausdruck sie erscheinen. Nicht metaphysische Entitäten also sind Gegenstand der Betrachtung, sondern ihr Bild in der Seele des Menschen - Gott und Teufel als Urbilder, Archetypen der menschlichen Seele. Ich fuße mit dieser Auffassung auf den grundlegenden Ausführungen C. G. J ungs zu dieser Frage. In seiner Einführung zum »Tibetanischen Totenbuch« 1 sagt er hierüber: »Metaphysische Behauptungen sind Aussagen der Seele, und darum sind sie psychologisch. Dem abendländischen Geiste aber erscheint diese selbstverständliche Wahrheit entweder als zu selbstverständlich, indem er aus bekannten Ressentiments heraus der Aufklärung fröhnt, oder als unzulässige Negation der metaphysischen ,Wahrheit'. Ihm klingt das Wort ,psychologisch' immer, wie wenn man gesagt hätte, ,nur psychologisch'. Die ,Seele' erscheint ihm irgendwie als etwas sehr Kleines, Minderwertiges, Persönliches, Subjektives u. dgl. mehr.« Und in »Psychologie und Alchemie« 2 : »Wie man sich das Verhältnis von Gott und Seele vorstellen mag- eines ist sicher: daß die Seele kein Nur sein kann, sondern die Dignität eines Wesens hat, dem es gegeben ist, einer Beziehung zur Gottheit bewußt zu sein. Wenn es auch nur die Beziehung eines Tropfens zum Meere ist; selbst das Meer wäre nicht ohne die Vielheit der Tropfen.... Wie das Auge der Sonne, so entspricht die Seele Gott. ... Es wäre eine Blasphemie, zu behaupten, daß Gott sich überall offenbaren könne, nur gerade nicht in der menschlichen Seele. Ja, die Innigkeit der Beziehung zwischen Gott und Seele schließt jede Minderbewertung der Seele von vornherein aus 3 • Es ist vielleicht zu weit gegangen, von einem Verwandtschaftsverhältnis zu Herausgegeben von W. Y. Eva n s- Wen t z, 1936, S. 18. 1944, s. 22/23. 3 »DaR auch der Teufel Besitz von der Seele nehmen kann, vermindert ihre Bedeutung keineswegs.< (S. 23, Anm. 1.) 1
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sprechen; aber auf alle Fälle muß die Seele eine Beziehungsmöglichkeit, d. h. eine Entsprechung zum Wesen Gottes in sich haben, sonst könnte ein Zusammenhang nie zustande kommen. Diese Entsprechung ist, psychologisch formuliert, der Archetypus des Gottesbildes.< Von dieser Entsprechung allein, so wie sie in den biblischen Texten ihren Ausdruck gefunden hat, soll in dieser Arbeit die Rede sein. Und insofern diese Texte eine Entwicklung der Gottesvorstellung zeigen, darf in diesem Sinne wohl von einem Schicksal Gottes in der menschlichen Seele gesprochen we~den, ohne daß dies als Blasphemie mißverstanden wird. Und wiederum soll in dieser Arbeit, die sich eine wissenschaftliche Aufgabe stellt, die letztlich metaphysische Frage, ob diesem innerseelischen göttlichen EntwicklungsprozeR eine metaphysische Realität entspreche, unberührt bleiben 4 • Solche Sicht bedingt aber unvoreingenommenes Er4 Vielleicht darf aber doch gesagt werden, daß durch die Weite und Tiefe der J u n g sehen . Auffassung von der Seele - sie ist für ihn von >Unerme.lllichem Umfang und .unauslotbarer Tiefec (Psychologie und Alchemie, S. 26) - das alte Problem der Transzendenz und Immanenz von seiner Schärfe verliert, da ja die so verstandene Immanenz die Wirkung, Einprä'gung, oder wie immer man es nennen will, des Ueber-den-Menschen-Hinausgehenden, also des Transzendenten, mitumfa.llt. Das Transzendente begegnet vom eigenen Seelenhintergrunde her. Wie man sich aber auch zum Transzendenzproblem stellen mag - Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung kann jedenfalls nur das Phänomen des Gottesbildes sein, wie es uns aus den Texten entgegentritt. Auch vom transzendentalen Standpunkt aus ist Gott gewissermaßen nur in der Seinsform eines psychischen Inhalts, in der Brechung menschlicher Sicht faßbar. Selbst wenn der Gegensatz zwischen >immanenter< und >transzendenter< Gottesauffassung als wesenhaft und echt betrachtet wird, würde er im wissenschaftlichen Bereich, d. h. in der Ausrichtung auf das Phänomen der Gottesvorstellung, aufgehoben sein. In der dem Menschen faßbaren Gegebenheit des Phänomens überschneiden sich diese beiden Vorstellungsebenen.
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fassen aller Aussagen, die das Phänomen betreffen, mit allen seinen wesensmäßigen ReJationen. Wo die überpersönlichen Inhalte Persönlichkeitsqualität angenommen haben, wie dies im Alten Testament der Fall ist, können sie nur aus der Struktur der Persönlichkeit, aus ihrem ganzen Beziehungsgefüge heraus verstanden werden. Die Figur des Satans, um die es hier geht, kann daher nicht »an sich« erfaßt werden, sondern nur ill' ihrem Bezug zu Gott. Ihr Wesen kann erst erhellen in hezug auf das Wesen Gottes in allen seinen Aspekten. Es reicht zum Beispiel keineswegs aus~ sich mit der Feststellung zu begnügen, daß der Satan in der Hiobgeschichte Gott untergeordnet ist. Das ist ein einziger Aspekt der Beziehung zwischen Gott und Satan im Alten Testament. Diese Aussage bleibt farblos, solange Art und Grad dieser Abhängigkeit, die ihrerseits vom Wesen Gottes und des Satans abhängt, nicht aus dem ganzen biblischen Text herausgearbeitet wird. Als Fragestellung ergibt sich daher: Wie erscheint der Satan im Alten Testament? Wie ist diese Vorstellung entstanden? Und was für eine Bedeutung kommt ihr zu innerhalb der alttestamentlichen Theologie? Methodisch darf deshalb die spätere, außeralttestamentliche Entwicklung des Satans, obwohl sie Anlaß der Untersuchung sein kann, nicht ihr Ausgangspunkt sein. Gewiß gibt der Stoff Antwort, wenn man von »außen«, von andern, zeitlich späteren oder parallelen Sinnzusammenhängen her Fragen an ihn stellt, wie die erwähnte, ob der Satan Gott untergeordnet sei oder nicht, aber sein Wesen erschließt sich nicht aus ihnen. Ich möchte daher versuchen, aus dem Stoff selbst heraus zu fragen, die Aussagen über den Satan gewissermaßen als Mosaiksteine zu betrachten, die sorgfältig zu seinem Bilde zusammengetragen werden müssen. Und jeder gewonnene Wesenszug soll nach seiner Bedeutung im ganzen Stoffbereich untersucht werden. 156
2. Der Stand der Bearbeitung des Problems Der Satan kommt im Alten Testament als ausgeprägte mythologische Persönlichkeit nur an wenigen Stellen vor (Hi 1, 6-12 und 2, 1 ff.; Sach 3, 2 ff. und 2 Ch 21, 1), die - besonders die Hiob-Stellen zahlreiche Kommentatoren gefunden haben. Es wird Aufgabe der Einzeluntersuchung sein, sich auf diese zu beziehen, resp. sich mit ihnen auseinanderzusetzen 5 • Eine monographische Behandlung hat dieses Problem in neuerer Zeit nur in wenigen Schriften gefunden. Als älteres Werk ist vor allem G u s t a v R o s k o ff, »Geschichte des Teufels«, zu nennen 6 • Roskoff widmet dem Satan des Alten Testaments ein Kapitel 7 , das in seiner Geschlossenheit wohl als kleine Monographie gelten kann 8 • Trotz des Eingespanntseins seiner Betrachtung in das umfassende Thema des Dualismus in den Religionen, wird R o s k o f f in mancher Hinsicht doch auch dem Spezifischen des alttestamentlichen Satans gerecht und trägt Bemerkenswertes bei zur Durchdringung des Problems nach der prinzipiellen Seite hin, so wenn er gleich zu Anfang in Hinsicht auf die Gestalt des Satans feststellt, daß das Buch Hiob »in der h~bräischen Anschauung einen bedeutsamen Wendepunkt« aufweise, dessen Wahr5 Auf Vollständigkeit muRte freilich in Anbetracht der Weitschichtigkeit unseres Themas und im Hinblick auf die umfangreiche Literatur zu jedem der berührten exegetischen Probleme verzichtet werden. • 2 Bde., 1869. 7 Bd. I, S. 186-199. 8 R o s k o f f s Werk hat in neuester Zeit in E d w a r d Langton' s Buch: ~Satan, A Portrait. A Study of the Character of Satan through all the Ages« (London 1945) eine moderne Parallele gefunden. Langton bietet in knapper Form einen guten Ueberblick über die Satansvorstellungen im Laufe der Jahrhunderte; im weitgesteckten Rahmen seines Buches nimmt das Alte Testament aber so geringen Raum ein, daß dieser Hinweis in unserem Zusammenhang genügen mag.
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nehmung allein es schon unmöglich mache, >diese Schrift für eine der ältesten der hebräischen Literatur zu halten< 9 • Im Satan von 1 Ch 21 sieht er »die zerstörende Eigenschaft Jahwe's schon von diesem getrennt<, »während sie in den frühern Stellen noch mit ihm identificiert auftritt« 10 • Dementsprechend nimmt er im Gegensatz zu manchen späteren Autoren 11 den wesensmäßigen Unterschied wahr zwischen dem Satan und Azazel einerseits - dem er eine dem Satan-Kapitel vorangehende Untersuchung widmet 12 - und den sedim, se'irim und Lilith anderseits 13 • Letztere sind gespenstische Wesen, wie sie auch bei anderen Völkern eine Rolle spielen, während die Bedeutung des Satans von seiner Beziehung zu Jahwe her zu erfassen gesucht wird. R o s k o f f hält einen persischen Einfluß auf die Satansfigur für möglich, betont aber die wesentlichen Unterschiede derselben gegenüber dem persischen Angromainju. Er sieht den parsistischen Einfluß durch die Suprematie des Jahwismus paralysiert 14• Zeigen sich so bei R o s k o f f schon bedeutende Beiträge zu einer wesensmäßigen Erfassung des alttestamentlichen Satans und seiner Stellung innerhalb des Jahwismus, so fehlen naturgemäß in seiner groß angelegten >Geschichte des Teufels« weitere Aspekte des Satansproblems, die sich nicht unmittelbar auf sein Hauptthema des Dualismus beziehen, so vor allem die Entstehung von Satansbegriff und -vorstellung innerhalb des Alten Testaments, und die entsprechenden exegetischen Einzeluntersuchungen. R o s k o f f begnügt sich 9
R o s k o f f, a. a. 0. S. 186. -
s. 233. 10
1. c.
s.
Zum Problem s. unten,
188.
s. unten, S. 198, Anmerkungen 80 und 81. 12 1. c. s. 17?' ff. 13 1. c. s. 196. 14 1. c. S. 197. Zum Problem des persischen Einflusses s. unten, S. 311 ff. 11
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hier mit der Feststellung, daß im Alten Testament nicht erwähnt werde, »wie der Satan das geworden, was er ist« 15 , während sich dies durch eingehende Untersuchung der vorliegenden Stellen weitgehend erschließen läßt. Sein Verdienst scheint mir daher in erster Linie im Prinzipiellen zu liegen: mit seinem Ausgerichtetsein auf eine wesensmäßige Erfassung der Satansvorstellung innerhalb des Jahwismus, dem Versuch, eine innerjahwistische Entwicklung dieser Figur wahrzunehmen - Azazel als Personifikation der Unreinheit, Satan als Verdächtiger im Hiobbuch, Ankläger und Strafengel in Sach 3 16 - unter gleichzeitiger Berücksichtigung des religionshistorischen Aspektes, ohne ihm einseitig zu verfallen, erscheint uns R o s k o f f , wenn wir auch seine Feststellungen im einzelnen nicht überall als zutreffend erachten 17, als ein Vorläufer einer modernen phänomenologischen Betrachtungsweise, der zu folgen auch das Bestreben der vorliegenden Arbeit sein soll. Hans Du h m dringt in seiner Arbeit »Die bösen Geister im Alten Testament« 18, obwohl er das ganze Material zum gestellten Problem behandelt und einen guten Ueberblick über dasselbe gibt, nicht genügend zur Erfassung des Phänomens »Satan« oder gar des Bösen im Alten Testament durch. Einem wirklichen Sinnverständnis steht schon seine rein äußerliche Klassifikation der Erscheinungen im Wege. Er gruppiert die dämonischen Figuren nach ihrer äußeren Erscheinungsform: theriomorphe, anthropomorphe und solche von undeut1. c. s. 189. 1. c. s. 197. 17 So kann ich z. B. obiger Entwicklungslinie nicht ganz beistimmen. Die Entwicklung der Satansvorstellung beginnt m. E. nicht bei Azazel, sondern im vormythologischen Gebrauch des Satansbegriffs. Ihr Anfang erschließt sich somit nur einer Begriffsanalyse unter Berücksichtigung des ganzen alttestamentlichen Bereichs, die bei R o s k o f f fehlt. 18 Diss. Tübingen 1904. 15 18
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licher Gestalt. Zu letzteren gehört nach ihm der Satan. Dieser hat somit keine Sonderbedeutung. Eine solche von außen herangetragene Fragestellung kann das Wesen der Phänomene nicht erhellen. So kommt D u h ~ denn auch in der Hauptsache zum Schluß, der wenigstens soweit der Satan mitgemeint ist, unzutreffend ist: »Man könnte die gesamten kakodämonistischen Vorstellungen aus dem Alten Testament wegdenken, ohne den Eindruck zu erhalten, daß selbst die alte Volksreligion, geschweige die prophetische, damit in ihrem Charakter wesentlich alteriert wäre 19.« Dieser Schluß bleibt an der äußersten Peripherie des Problemkreises stehen, weil sich aus der Tatsache, daß das Böse im Alten Testament nicht in erster Linie in kakodämonistischen Gestalten ausgedrückt ist, ja gerade erst das wesentliche Problem auftut, roie es sich denn ausdrückt, und was seine Ausdrucksform für das Wesen der alttestamentlichen Religion bedeutet. D u h m hebt als Positivum die Nüchternheit des israelitischen Volkes hervor, das sich im Wesentlichen nicht von kakodämonistischen Vorstellungen anfechten ließ: »Die Religion nicht blo.ß der Propheten, sondern überhaupt des freien Mannes, lebte im nüchternen Lichte des Tages und hatte jene bewußte oder unbewußte sittliche Tendenz, die überhaupt allem Mystischen nur einen geringen Spielraum verstattet 20 .« Und an anderer Stelle: »... aber vor bösartigen Wesen fürchtete sich das alte Bauernvolk, solange es noch ungebrochen war, nicht viel, schrieb vielmehr auch das Unglück in den meisten Fällen dem Zorn seines Gottes zu 21 .« Du h m verkennt aber dabei, daß dies eben nur möglich war, weil dieses Volk das Dämonische in seinem Gott erlebte, nicht weil es die Dämonie in Welt 19 20 21
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I. c. S. 65. I. c. s. 65/66. I. c. s. 65.
und Seele etwa leugnete 22• Du h m bagatellisiert damit das Problem des Dämonischen lediglich zugunsten einer moralisch gewerteten »Nüchternheit«. Hier ist P a u 1 V o 1 z in seiner schönen Arbeit: :.Das Dämonische in J ahwe« 23 viel tiefer in die Problematik eingedrungen. Er stößt in seinen am Bibeltext reich belegten Ausführungen zum Wesentlichen vor: daß Jahwe ein ursprünglich dämonischer Gott ist, befähigt, viele der früher etwa in der Volksvorstellung vorhanden gewesenen Kakodämonen gewissermaßen in sich aufzunehmen. Das Spezifische ist demnach nicht etwa die Abwesenheit des Dämonischen im religiösen Erlebnishereich des, Alten Testaments, sondern die Auffassung des ambivalenten Gottes, der Zusammenschmelzung von Hell und Dunkel, Gut und Böse in die eine Gottpersönlichkeit Der Monotheismus ist seinem Wesen nach daher nicht die Einheit gegenüber der Vielheit als absolutem Gegensatz, sondern die Einheit der Vielheit. Die Vielheit ist darin aufgehoben im folgenschweren Doppelsinn des Wortes: »aufheben« als Ueherwindung und Bewahrung. Die Vorstellung der einen Gottpersönlichkeit ist allerdings die große Leistung des Alten Testaments. Sie hat aber ihr besonderes Schicksal gehabt, mit dem Entstehung und Weiterentwicklung der Satansvorstellung unmittelbar verknüpft sind, wie ich im folgenden aufzuzeigen versuchen möchte. Ein katholisches Gegenstück zur Schrift H a n s 22 Daß er überdies auch die Bedeutung der Kakodämonen unterschätzt, beanstandet mit Recht H. Kau p e I (Die Dämonen des Alten Testaments, S. 23. - Näheres über dieses Buch s. unten, S. 162 f.): Schon vom religions- und kulturgeschichtlichen Standpunkt aus ist daran zu zweifeln, daß die seelische Veranlagung der Jordanbauern anders war. Vor allem zeigen die Verbote von Leviticus bis Chronik das Geg·enteilige. >Es wird an allen diesen Stellen mit starken Neigungen des Volkes gerechnet; man schärft doch belangloser Dinge wegen nicht fort und fort dieselben Gesetze ein.< 23 1924.
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D u h m s liegt vor in H ein r ich K a u p e l , »Die Dämonen des Alten Testaments« 24 • Der Verfasser gewinnt zunächst durch seine prinzipielle Fragestellung nach der inneralttestamentlichen Bedeutung des Satans, die er bewußt einer ausschlieRlieh religionshistorisch orientierten Betrachtungsweise gegenüberstellt. So spricht er von dem auf alttestamentlichem Gebiet noch zäh verwurzelten, fast zum Dogma gewordenen Entwicklungsschema 25 , und an der Schrift H ans Du h m s kritisiert er mit Recht, dafl »VOn einer wirklichen Würdigung des Satansglaubens recht wenig zu finden« sei 26 • In der Folge wird man aber ebenso sehr enttäuscht durch die entgegengesetzte Einseitigkeit, mit der der Verfasser nicht nur den allzu nivellierenden religionsgeschichtlichen Standpunkt verwirft, sondern überhaupt die Annahme einer Entwicklung der in Frage stehenden Satansvorstellung. Er kommt daher zu Ergebnissen, die ebensowenig einer inneren, d. h. aus dem alttestamentlichen Stoff selbst gewonnenen Fragestellung entstammen, wie diejenige Du h m s, nur dafl das »Auflen«, aus dem er an den Stoff herantritt, bei ihm mehr auf dogmatischer Ebene liegen dürfte. So mündet seine Untersuchung in die These: dafl der Satan im Alten Testament bereits derjenige war, der im Neuen Testament begegnet, nur noch nicht so ausgeprägt 27 • Dafl 1930. I. c. S. 7. 26 I. c. s. 7. 27 Siehe S. 99: »Der Verfasser des Buches Job hat diese Stellung des Satans (d. i. als Menschen- und Gottesfeind), die im Neuen Testament nüch schärfer gezeichnet ist, durchaus zum Ausdruck gebracht..: und S. 117: »Für die Identität zwischen dem Versucher der ersten Menschen und dem Satan sind alle Voraussetzungen gegeben..: »In Gn 3 steht nicht Satan, sondern Schlange, nur weil die Schlange allgemeiner bekannt war als verderbendes und verführerisches Wesen..: Wie sehr dieser Auffassung die rationalistische Annahme eines nach Gutdünken verfahrenden "Verfassers.: dieser rein mythologischen Erzählung zugrunde liegt, ist sich K a u p e I 24 25
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er, um solches zu beweisen, oft seltsam mit dem Stoff umspringt, kann nicht verwundern 28 • Trotz des m. E. verfehlten Resultats der K a u p e 1 sehen Untersuchung enthält sie aber wertvolle Einzelbeobachtungen, die im folgenden am gegebenen Ort herangezogen werden sollen. Wertvoll ist auch seine umfängliche Literaturverarbeitung. In An t o n J i r k u s Arbeit >Die Dämonen und ihre Abwehr im Alten Testamente: 29 finden wir den religionsgeschichtlichen und den »absoluten< Standpunkt in unbekümmerter Unverbundenheit beisammen. > Jahwe war zu allen Zeiten immer derselbec:, heißt es S. 22, und >... wir sehen klar und deutlich am Anfang das Wunder, wie gleichsam vom Himmel herab einem kleinen Wüstenvolke ein Gott zuteil wird, der sich dereinst die halbe Welt erobern sollte«. Dämonische Züge in Jahwe werden kategorisch abgelehnt, meist durch recht naive petitio principii, so wenn J i r k u z. B. zu Nu 12, wo Moses' Schwester Mirjam vom Aussatz befallen wird, schreibt: >Jahwe ist es, der ihn hervorruft. Gemeint wird natürlich sein, ,der es zuläßt' 30 .< Auch der Ueberfall auf Mose (Ex 4, 24-26) ist nach Jirku nicht Jahwezuzuschreiben: >Wenn auch in der jetzigen Fassung dieser Erzählung ausdrücklich Jahwe als derjenige bezeichnet wird, der den Mose überfällt und zu töten sucht, so wird doch ursprünglich statt Jahwe dennoch von einem Nachtdämon die Rede gewesen sein 31 .c: Und weiter: »Es kann nicht angenommen werden, daf! von dem Manne, der als erster so voll und ganz J ahwe zum Gotte seines Volkes gemacht hat, wohl nicht bewußt. - Zur Beziehung von Paradiesesschlange und Satan s. unten, S. 202 f. 28 Seine Thesen im Einzelnen s. zu. den entsprechenden Stellen, unten. 29 1912. 30 1. c. s. 48. 31 1. c. s. 31.
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der mit J ahwe sozusagen in täglichem Verkehr stand, dafi von diesem Manne erzählt wurde, dafi ebenderselbe Jahwe ihn zu töten suchte 32 .« Das tiefe Problem der göttlichen Ambivalenz, das in dieser Erzählung erscheint, bleibt der zu engen Sicht J i r k u s verborgen. Dafi Jahw:e überhaupt dämonische Handlungen zugeschrieben werden, geht nach J i r k u darauf zurück, dafi alte Dämonensagen vorlagen, »dem Ueberarbeiter die Existenz anderer Geister neben Jahwe aber unmöglich schien«, und da »wurde in frommem Eifer aus dem Dämon einfach Jahwe gemacht ... « 88 • So »einfache wäre dieser Prozefi aber wohl selbst dann nicht gewesen, wenn es sich wirklich nur um ein bewufites literarisches Unternehmen gehandelt hätte. Wenn Jahwe solche ausgesprochen dämonische Züge »einfach« zugeschrieben werden konnten und dann noch »mit frommem Eifer«, so wäre dies ja wiederum nur Ausdruck der inneren Tatsache, die J i r k u mit seiner Erklärung eben gerade ausscheiden möchte, nämlich: dafi es ertragen wurde, Jahwe mit alten Dämonen zu identifizieren! In denkbar gröfitem Gegensatz zu seiner oben geschilderten »absoluten« Betrachtungsweise steht der krasse Rationalismus, mit dem J i r k u die Entstehurig des Dämonenglaubens erklärt: »Die Schauer der Nacht führten zur Vorstellung von Nachtdämonen 3 \ Erinnerungen an die Zeit des Wüstenlebens 35 zu der von Wüstendämonen. Das plötzliche Auftreten von Krankheiten schuf den Glauben an Krankheitsdämonen, wie der Anblick reißender Tiere den an Tierdämonen 36 .« Der Satan figuriert bei J i r k u unter den Krankheitsdämonen, weil er im Hiobbuch »als Urheber der verschiedenen Krankhei32
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l. c. s. 31. I. c. S. 23. Von J i r k u vorher an Gn 32, 23 ff. exemplifiziert (S. 28). I. c. S. 33, bezieht sich auf Azazel. I. c. S. 96.
ten erscheint, die Hiob befallen« 87 • J i r k u sieht freilich ein: »als bloßen Krankheitsdämon kann man den Satan nicht bezeichnen«. Seine Vermutung: »er scheint mehr ein böser Geist zu sein, der über solche Dämonen besondere Macht hatte«, vermag aber nur zu zeigen, daß J i r k u von seiner Fragestellung her dem Problem der Satansgestalt im Alten Testament nicht wirklich nahezukommen vermag. Auf ganz anderem Boden als die bisher besprochenen Arbeiten bewegt sich AI b er t B r o c k- U t n e in seinem Aufsatz »Der Feind« 38 • Wie der Untertitel: »Die alttestamentliche Satansgestalt im Lichte der sozialen Verhältnisse des nahen Orients« zeigt, sieht er die Wurzeln der Satansvorstellung in der menschlich-sozialen Sphäre. Er geht von jenen alttestamentlichen Texten aus, wo »Satan« unzweifelhaft einen Menschen bezeichnet. B r o c kU t n e s Unternehmen ist aber dadurch präjudiziert, daß er diesen frühen Satanstellen nicht unbefangen nachgeht, sondern den auf die Bedeutung »Ankläger« eingeengten, dem Hiobbuch und Sacharja entnommenen metaphysischen Satansbegriff schon im menschlich-sozialen Bereich nachzuweisen versucht, mit dem Endergebnis, daß der Ankläger-Satan als bestimmter sozialer Menschentypus dann später auf die himmlische Sphäre übertragen worden sei. Die soziale Gegebenheit, die den T ypus des »Satans« hervorbrachte, schildert B r o c k - U t n e folgendermaßen: »Palästina war - mit kurzen Unterbrechungen - im ganzen Altertum ein Staat, um den die Großmächte kämpften. Die palästinensischen Fürsten 37 l. c. S. 49. Im Text ist nur von einer Krankheit die Rede. Die anderen Schläge kommen von Jahwe, nicht vom Satan. s. darüber unten z. St., S. 283 f. 38 In: >Klioc, Beiträge zur alten Geschichte, Bd. 28, 1935. Den Hinweis auf diese Arbeit, wie auch auf weitere, insbesondere in Zeitschriften :.vergrabene« neuere Literatur zu meinem Thema verdanke ich Herrn Prof. W. B a u m g a r t n e r in Basel.
12 Jung: Symbolik des Geistes
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waren abhängig von diesem oder jenem großen König oder standen unter seinem Einfluß, und Ruhe und Glück der Fürsten und ihre Reiche waren in vieler Hinsicht abhängig von der Gunst, die sie bei den großen Königen in Aegypten oder den Ländern am Euphrat erlangen konnten. Einen solchen palästinensischen kleinen Fürsten konnte deshalb großes Unheil treffen, wenn ihn irgendein Gegner von ihm bei dem großen König verleumdete oder anklagte 39 .« B r o c k- U t n e bringt Beispiele hierfür aus den El-Amarna-Briefen 40 • Diese kleinen Fürsten lebten daher ständig in Furcht vor dem >Verleumder«. Durch Verleumdung beim großen König suchte ein Fürst den andern, nach dessen Macht er trachtete, auszuschalten. Nach_ einer phantasievollen Schilderung dieses Verleumders 41 , die er durch keinen Text belegt, wird ihm seine bloße Vermutung so sehr zur Gewißheit, daß B r o c kU t n e unvermittelt feststellt: »Solche Menschen werden vornehmlich ,Satane' genannt.« Ein solcher »Satan« sei Hadad, der nach Aegypten floh und große Gunst bei Pharao erlangte (1 K 11, 14 ff.) und ein zweiter Reson, der später König von Damaskus wurde (1 K 11, 23 ff.). Als dritten nennt er Jerobeam (1 K 11, 26 ff.), der zwar nicht direkt als »Satan« erwähnt werde. Erheben sich schon bei der erstgenannten Stelle Bedenken - ist doch in der Erzählung von Hadad rein nichts von einer verleumderischen Tätigkeit desselben beim Pharao gesagt, sondern lediglich von einer offenen F e i n d s c h a f t dieses Edomiterkönigs gegen Salomo, was doch wohl keinen 39
10
s. 221. s. 221/22.
u >Die Verleumder waren deshalb vielfach ehrgeizige und beredte Edelleute, deren Fähigkeiten hatten ihr Auftreten bei Hofe erleichtert. Es waren hauptsächlich kräftige und mutige Naturen. Man muß sie sich als draufgängerische und kühne Abenteuer-Ritter vorstellen, die mit der Schlauheit auftraten, die die Situation erforderte, und auch mit dem Selbstbewußtsein, wie es ihre adlige Herkunft gebot.< (S. 222.)
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andern Schluß erlaubt, als »Satane: in diesem Sinne aufzufassen, nämlich als Kriegsfeindl - so macht das Beispiel von Reson B r o c k - U t n e s Auffassung vollends unwahrscheinlich. Abgesehen davon, daß nach dem Wortlaut der erwähnten Stelle »Satan« auch hier nichts anderes als »Kriegsfeind« heißen kann 42 , ist noch ein weiterer Umstand zu berücksichtigen: Bevor diese »Satane« gegen Salomo aufstehen, schreibt dieser schon an Hiram, den König von Tyrus (1 K 5, 18): »Nun aber hat mir Jahwe, mein Gott, auf allen Seiten Ruhe gegeben. Kein Widersacher (wörtlich st#än) ist mehr da, kein Mißgeschick.« Auch hier ist wohl deutlich, daß es sich um kriegerische Bedrohung handelt. Zudem aber würde Salomo kaum als Empfehlung bei einem andern König, von dem er etwas will, darauf hinweisen, daß kein »Satan« im Sinne B r o c k - U t n es gegen ihn sei. Dies wäre auch schon darum ein völlig ungeeignetes Argument, weil er es gar nicht wissen konnte. Liegt es im Wesen der Verleumdung, daß sie dem Verleumdeten, wenn überhaupt, erst nachträglich bekannt wird, wie sollte er wissen, ob nicht im gleichen Moment jemand gegen ihn intrigierte? Ebenso unüberzeugend ist die Satan-Interpre42 :.Gott ließ ihm auch einen Widersacher (wörtl. siifiin) erstehen in Reson, dem Sohn Eljadas, der von seinem Herrn Hadad-Eser, dem König von Zoba, weggeflohen war. Der sammelte Männer um sich und wurde Anführer einer Streifschar; dann nahm er Damaskus ein, setzte sich darin fest und wurde König über Damaskus. Und er war Israels Widersacher (siifiin), solange Salomo lebte.« (1 K 11, 23 ff.) - Ich folge bei den Zitaten der Uebersetzung der Zürcher Bibel, mit der durchgehenden Aenderung, daß die Gottesbezeichnung >der Herr« durch den hebräischen Gottesnamen >Jahwec des Originals ersetzt wurde und die Uebersetzung »Engel des Herrn« durch mal'iik ]ahroe. Dies empfiehlt sich in einer Arbeit, wo es um die theologischen Kategorien selber geht, aus Gründen größerer Prägnanz. Weitere gelegentliche Abweichungen von der Zürcher Bibel sind jeweils an Ort und Stelle kenntlich gemacht.
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tation B r o c k - U t n es von 1 S 29, 4. Danach fürchten die Philister, daß sich David bei Saul auf ihre Kosten einschmeicheln würde. Aus der ganzen Vorgeschichte ergibt sich aber, daß sie David, den einstigen Vasallen Sauls, im Kampf gegen diesen nicht für zuverlässig hielten. Er könnte ihnen zum »Feinde« werden, heißt: er könnte zu Saul, ihrem Feinde, überlaufen. Aehnliche Einwände sind gegen die Interpretation der andern Belegstellen durch Brock- U tne zu erheben43 • Abgesehen davon läßt sich eine durchaus wesentliche »Satan«Stelle, nämlich Nu 22, 22, überhaupt nicht ins AnklägerSchema pressen 44 • Ueber die Brücke der Psalmstellen, in denen der Satansbegriff vorkommt (27, 12; 71, 13; 109, 4.20. 29) - B r o c k - U t n e sieht sie als Königspsalmen an 45 - kommt er zum Schluß, »dafl die Satansgestalt ihre Wurzeln in den politischen Verhältnissen und im Kultus der Könige hat«. Der himmlische Satan ist nach B r o c k- U t n e nun einfach ein Abbild des politischen: »Im Laufe der Zeit wurde jedoch Jahve selbst ein großer König. Man stellte sich ihn vor als sitzend im Himmel, umgeben von seinem Hofe von Gottessöhnen, und es wurde natürlich, daß auch dieser Hof seine Satansgestalt erhielt. Und übereinstimmend mit irdischen Verhältnissen dachte man sich diesen Satan an Jahves Hof wie die Satane an irdischen Höfen, nämlich als einen mächtigen Edelmann- in diesem Falle als einen ,Gottessohn' 46 der selbstbewußt und mit Beredsamkeit die Menschen 43
sitna
Esr 4, 6 kann als sehr späte Stelle für B r o c k-
U t n es These nicht als Beweis dienen. Zu 2 S 19, 23 s. unten 186 f.
s.
44 B r o c k - U t n e erwähnt sie wohl, aber ohne darauf zu achten, daß sie seine Theorie in Frage stellt (l. c. S. 227, Anm. 1). 45 Gestützt besonders auf Birkeland, Die Feinde des Individuums in der israelitischen Psalmenliteratur, 1933. ' 6 B r o c k - U t n e verkennt hier gänzlich den mythologischen Hintergrund der ~Gottessöhne«!
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verleumdet 47 .« Sehr dazu angetan, einen Strich durch die Rechnung B r o c k- U t n es zu machen, ist auch die jedem Unvoreingenommenen sich aufdrängende Analogie der Situation im Hiobprolog zu derjenigen von 1 K 22, 19 ff., die B r o c k- U t n e jedoch ignoriert. Sie zeigt nämlich eine »Vorform« des Hiobsatans, die nichts mit Anklägertum zu tun hat. Zu rational leitet B r o c k- U t n e des weiteren die große Bedeutung, die der Satan später erhielt, davon her, dafl er sich als KompromiR zwischen der prophetenbegeisterten Richtung, die alles Gute und Böse von Jahwe herkommend betrachtete, und der primitiven breiten Masse, die alles Böse auf selbständige Dämonen zurückführte, gut eignete. Daß Satan ganz von Jahwe abhängig war, paßte den Monotheisten, die Art seines Funktionierens (»Er fuhr umher und brachte Unheil über Land und Volk« [S. 227]) den Andern! B r o c k - U t n es Arbeit scheint mir prinzipiell bedeutsam zu sein, weil sie Satansbegriff und -vorsteliung von den friihen Texten, d. i. vom menschlichen Bereich her, zu verfolgen unternimmt. M. E. scheitert der Versuch aber daran, dafl ein aus den späteren Texten gewonnenes Kriterium: die Ankläger-Bedeutung des Satans, in die frühen Texte hineinprojiziert wird. Allzu einfach ist auch das Problem des »Umschlags« des Satanbegriffs vom politischen in den himmlischen Bereich behandelt. Mit der Erklärung: »Der Uebergang vom Menschen zum Dämon dürfte dadurch erleichtert worden sein, dafl die kleinen Fürsten in ihrer Wut und Furcht ihre Verleumder als mit dämonischen Zügen ausgestattet betrachteten ... « 48 dreht sich der Verfasser nur im Kreise. Prinzipiell ist aber mit seiner Fragestellung, die vom menschlichen Bereich ausgeht, einer der wesentlichsten 47
48
I. c. S. 225-226. I. c. S. 22?, Anm. 2.
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Punkte der alttestamentlichen Satansproblematik berührt, was dem im Endergebnis m. E. verfehlten Versuch B r o c k - U t n es doch Bedeutung verleiht. Im Ausgangspunkt nahe verwandt mit dem Aufsatz Brock- Utnes ist derjenige Gerhard v. Rads über die alttestamentliche Satansvorstellung 49 • Auch er fixiert den Satansbegriff - von der Wortanalyse herkommend, die die Grundbedeutung »Feind, Widersacher« ergeben hat- im sozialen Bereich, aber nicht wie BrockU t n e in den politischen Verhältnissen, sondern im israelitischen Rechtsleben. Der Satan ist danach im ganz speziellen Sinn Ankläger vor Gericht. Aehnlich wie B r o c k - U t n e seine Verleumdervorstellung schreibt v. Rad den Ankläger-Begriff in der gerichtlichen Ausprägung auch den frühen Satanstellen zu. Israels Feinde haben bei Jahwe eine besondere Funktion. Sie sind Ankläger Israels. »Diese wichtige Vorstellung gibt uns das Recht, die Satane, die J ahwe gegen Salomon erweckt, ... nicht einfach der generellen Grundbedeutung entsprechend als ,Feinde' zu verstehen, sondern auch hier den bestimmten juristischen Sinn zu vermuten: Salomo hat sich nach Meinung des deuteronorniseben Geschichtsschreibers versündigt, und auf diese Schuld beziehen sich nun die Satane, die im Laufe der Regierungszeit dieses Königs aufstehen 50 .< Für die Vorstellung des Feindes als »Ankläger« beruft sich v. Rad auf Ez 21, 28 ff., wo von Nebukadnezar, und 29, 16, wo von den Aegyptern als mazkir 'äro6n (= der, der die Schuld [bei Gott] in Erinnerung bringt) die Rede ist. Abgesehen davon, daß an unseren Stellen nicht mazkir 'ä:roon, sondern säfän steht, und auch sonst für die theologische Problematik, die v. R a d im Auge hat, in diesem einfachen historischen Bericht kein Anhaltspunkt 49 In K i t t e I , Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 1933, s. v. ~uißoA.or:, Bd. 2, S. 71-74. 50 I. c. S. 72.
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zu finden ist, müssen gegen seine Auffassung auch die prinzipiellen Einwände, die gegen B r o c k- U t n e erhoben wurden, geltend gemacht werden: Auch er entnimmt die für ihn mallgebende spezifische Bedeutung des Satansbegriffs dem Hiobprolog, um sie dann dort ebenfalls als bloße Analogie zu den irdischen Verhältnissen erscheinen zu lassen: »Wie das irdische, so kennt auch das himmlische Regiment ein Organ im Hofstaat Gottes, das das Amt eines gerichtlichen Anklägers bekleidet 51 .« Für v. Rad ist der Satan im Hiobbuch »keineswegs ein · dämonisches Wesen; er ist der himmlische Staatsanwalt •.. « 52 • Er sieht sich aber sofort zu Einschränkungen genötigt: »Freilich diese Satansvorstellung bei Hiob enthält implicite doch schon die Elemente, die später die Linie so tief nach unten abgebogen haben 53 .« Und noch weitergehend - unter Hinweis auf die Schicksalsschläge, die der Satan über Hiob bringt - stellt v. Rad fest: »De facto ist er also nicht nur Ankläger, sondern hat Kompetenzen, die über seine juristische Funktion hinausgehen. Und hier ist ein wesentlicher Punkt, an dem die Analogie zu dem irdischen mazkir 'äroön versagt 54.« Um Nu 22, 22 von seiner Auffassung her gerecht zu werden, sieht sich v. Rad zur Annahme gezwungen, der Satan sei vielleicht nicht immer dieselbe Figur gewesen, so daß grundsätzlich jeder der bene hä-'elöhim als Ankläger beordert werden konnte. In Nu 22,22 sei es sogar der Engel Jahwes, der Bileam als Satan begegne. Daß aber die Anklägerauffassung die Situation in der Eileamerzählung überhaupt gar nicht trifft, übersieht v. Rad. Er begibt sich mit ihr, da er den Schwierigkeiten nicht 51
I. c. S. 72.
do. do. - Mir scheinen die dämonischen Elemente im Hiobprolog sehr im Vordergrund zu sein. Siehe darüber unten, 52
53
s.
274ff. 54
do.
1?'1
wie B r o c k - U t n e in dieser Hinsicht einfach aus dem Wege geht, sondern sie berücksichtigt, auf immer unsichereren Boden. Er sieht z. B. den engen inneren Zusammenhang der rüaQ,- Vorstellung in 1 K 22, 19 ff. mit dem Hiobprolog, und stellt fest: ~Die Schwierigkeit besteht darin, daß das so deutliche Grundelement des Verklägers mit dem Verführer so gut wie nichts zu tun hat, ... und es ist möglich, daß man in Israel von einem Widersacher wußte, der sich unter Umständen nicht nur de jure auf die menschliche Sünde bezog, sondern die Bedrohung ihrer ganzen Existenz verkörperte 55 .« 1 Ch 21, 1 müßte v. Rad vollends zur Aufgabe seiner These führen, wenn er das Problem nicht in ein literarisches verflüchtigen würde. »1. Chr. 21 ist aber insofern nicht ohne weiteres ausdeutbar, als der Zusammenhang gar nicht ursprünglich vom Satan gehandelt hat, sondern erst sekundär dieser Begriff aus religiösen Bedenken als Korrektur in den Text hineingekommen ist 56.« Er sieht aber doch selbst in dieser Stelle eine »schwere Paradoxie, die allem Teufelsglauben anhaftet« und anerkennt, daß ~die Korrektur wohl kaum in dieser Weise vollzogen worden wäre, wenn die Vorstellung vom Satan nicht doch eine ziemlich entscheidende Wandlung erfahren hätte« 57 • v. R a d s Grundthese vom Satan als gerichtlichem Ankläger wird somit eigentlich durch seinen eigenen Untersuchungsgang in ihrer Unzulänglichkeit offenbar. Als ob in ihm eine viel tiefere Erfassung des alttestamentlichen Satansproblems bereit gelegen hätte, die aber nicht aus seiner vorliegenden Untersuchung hervorgeht, finden sich bei v. Rad so tieferfaßte Formulierungen wie diese: >Der Satan verkörpert die Bedrohung der Menschen von I. c. S. 73. I. c. S. 73 - M. E. tut sich gerade in diesem Wechsel ein ungewöhnlich interessantes Problem auf. Siehe unten, S. 316 f. 67 I. c. S. 73. 65
66
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Gott her, sei es, daß er der Verkläger ihrer sittlich religiösen Fehlsamkeif ist, sei es als ein im Heilsplan ... festverankertes dämonisch-zerstörerisches Prinzip 58 .c: In die Nähe der beiden letztgenannten Autoren gehören hinsichtlich der Problemstellung auch H. T o r c z y n er s Aufsatz: »Wie Satan in die Welt kam« 59 und Adolphe L o d s' Studie: c: Les origines de la figure de Satan, ses fonctions a la cour celeste »60 • Sie gehen wohl vom mythologischen Bereich aus, stellen aber ebenfalls das Problem des irdischen Vorbildes, resp. der Wurzel der Satansfigur in historisch gegebenen Verhältnissen in den Vordergrund. Da sie jedoch im wesentlichen nur den Hiob-Prolog und Sach 3,1 ff. in Betracht ziehen T o r c z y n e r in ersterem den Ursprung der Satansvorstellung sehend, L o d s eher in Sacharja - gehören sie nicht mehr eigentlich in diese Uebersicht, sondern sollen weiter unten am gegebenen Ort berücksichtigt werden 61 • Erwähnt sei hier nur kurz das Gesamtresultat ihrer Untersuchungen: Tor c z y n er sieht im Satan des HiobBuches einen Geheimboten des göttlichen Hofes, entsprechend den Geheimboten irdischer Könige, die gehen und kommen und über das Treiben der Untertanen berichten 62 • Er gründet seine Anschauung vor allem auf die Ableitung des Nomens sätan vom Verbum süt herumschweifen, worauf weiter unten noch ausführlich eingegangen werden soll 63 • L o d s faßt das Ergebnis seiner Untersuchung folgendermaßen zusammen: » 1• Le
=
I. c. s. 73/74. In: Mitteilungsblätter der Hebräischen Universität Jerusalem, Nr.4, Januar 1938; zwei Jahre vorher schon englisch erschienen in: Expository Times 1936/37, pag. 563 f. 60 In: Melanges Syriens offerts a M. R. Du s sau d, S. 649-660, 1939 erschienen, mir jedoch erst vor kurzem zugänglich geworden. 81 s. unten, S. 181, Anm. 25; S. 295 usw. 82 I. c. s. 16. 81 s. S. 181, Anm. 25. 58
59
1?'3
safän, dans la vision de Zacharie, ne jouait pas le röle
d'avocat general - car l'organisation judiciaire de l'ancien Orient ne paralt pas avoir comporte de magistrat de ce type, - mais d' accusateur occasionnel 64 • - 2" Dans le prologue du poeme de Job, la fonction du säfan est celle d'un agent de la police divine 65 .« Letztere Auffassung vertritt er in ausdrücklicher Anlehnung an den erwähnten Aufsatz Tor c z y n er s , jedoch ohne dessen etymologische Begründung zu übernehmen. Er stellt in der Hauptsache auf historische Parallelen ab, die weiter unten noch zur Sprache kommen sollen 66 • Ueberblicken wir die besprochenen Arbeiten, so darf vielleicht gesagt werden, daß sie im großen und ganzen einseitige Ausgestaltungen prinzipiell wesentlicher Gesichtspunkte darstellen. Es rechtfertigt sich daher vielleicht der Versuch, diese durch das Gesamtphänomen erforderten Blickpunkte in einer Arbeit zu vereinen, resp. das Problem aus ganzheitlich-phänomenologischer Sicht neu zu erfassen, wobei selbstverständlich von den bisherigen Forschungsresultaten als Grundlage ausgegangen werden soll.
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Dagegen unten, S. 293 ff. I. c. S. 660. s. s. 295.
I. Der Begriff »Satan« und seine Entwicklung im Alten Testament 1. Etymologie des Wortes »Satan« In der Welt des Alten Testamentes, wo Namen nicht »Schall und Rauch« sind, sondern magische Kraft haben, gewissermaßen substantiell und somit geradezu identisch mit dem Wesen ihres Trägers sind \ wird es gegeben sein, auch bei der Figur des Satans zunächst nach der Bedeutung seines Namens zu fragen. Der Name »Satan« kommt, wie allgemein angenommen wird 2 , von dem Verbum satan anfeinden, befehden, verfolgen, und dann auch spezieller: ·durch Anklage anfeinden. Demgegenüber findet sich in der »Historischen Grammatik der hebräischen Sprache< von H. Bauer und P. Leander 3 die Ansicht vertreten, das Nomen sei ursprünglich und das Verbum denominiert. Ersteres gehöre zu den Beschreibewörtern auf Suffix -an (>ön). Ger h a r d v. Rad 1 stellt neben diese Ableitung von B a u e r - L e an d e r , auf die er sich bezieht, die andere Möglichkeit einer einfachen Nominalbildung qäfiil, betont aber, daß auch in letzterem Fall das Verbum st#an wohl denominiert sei. Nun ist es Tatsache, daß das Verbum nur fünfmal im Alten
=
1 Vgl. die Namensverleihung an die Dinge der Schöpfung in Gn 1 und 2, wo sie zugleich Wesensverleihung ist. Siehe u. a. auch die Verweigerung der Nam~nsneimung, weil sie dem um den Namen Wissenden Macht über dessen Träger gäbe: Ex 3, 14; Gn 32, 29. · 2 s. vor allem Ge s e Ii i u s - B u h I , Hehr. und aram. Handwörterbuch über das Alte Testament, 1915, und Ludw i g K ö h I e r , Lexikon in veteris testamenti libros, das sich jetzt im Druck befindet, und dessen Manuskript der Verfasser mir gütigst einzusehen erlaubte. 3 1922, s. 500, t. 4 1. c. s. 71.
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Testament vorkommt und zwar durchwegs in den Psalmen, in bezug auf die »Feinde< 6 , also an jüngeren Stellen als das Nomen, was die Annahme, dieses sei ursprünglich und das Verbum von ihm abgeleitet, zu begünstigen scheint. Dagegen spricht aber der Umstand, daR die Nebenform des Verbums sätan: sätam, die sich ebenfalls an fünf Stellen des Alten Testaments findet, neben einer Stelle in den Psalmen 6 und einer im Hiobbuch 7 , dreimal in der Genesis vorkommt 8 , und zwar beim Jahwist und Elohist 9 • 6 Ps. 38, 21: >· •• die mir Gutes mit wider mich sind (jistenüni) .. .< Ps. 71, 13: :.Es müssen zu Schanden men die meiner Seele feind sind (söfne Ps. 109, 4: :.Für meine Liebe
Bösem vergelten, die werden und umkomnafsi) .• •<
befeinden
sie mich
(jiSfenüni) ... <
Ps. 109, 20: :.Das sei der Lohn meiner Feinde (pe'ullat söfnai) •• .<
Ps. 109, 29: :.Meine Widersacher (söfnai) müssen mit Schmach sich bedecken, ... < 8 Ps. 55, 4: :. ... denn sie wälzen Unheil auf mich und befeinden mich grimmig (übe-'af jistemüni).« 7 Hi 16, 9: >Sein Zorn zerriß und befehdete mich ('appö fiiraf roaj-jistemeni) •• .< 8 Gn 27, 41: :.Esau aber ward dem Jakob feind (roajjisföm 'esiiro 'et ja'aqöb), um des Segens willen, mit dem ihn
sein Vater gesegnet hatte.« Gn 49, 23: :.Es reizten i.hn und schossen, es befeindeten ihn Pfeilschützen (roaj-jisfemühü ba'ale l:zi~;lJim); .. .< Gn 50, 15: :.Als nun die Brüder Josephs sahen, daß ihr Vater gestorben war, sprachen sie: Wie? wenn nun Joseph feindselig gegen uns auftritt (lü jisfemenü jösef) und uns all das Böse vergilt, das wir ihm angetan haben?« 0 s. Die Heilige Schrift des Alten Testaments, übersetzt von E. Kaut z s c h, 4. Aufl., hrsg. von A. B er t holet, 1922, zu den Stellen (im folgenden: HSAT 4). - Mit der Prämisse des Denominativs fällt auch der Schluß v. Rads, daß das Wort :.demnach eine Eigenschaft (nicht etwa eine Funktion)« ausdrücke, dahin. Als Beweis für den Funktionscharakter des Wortes scheint mir auch das Nomen sitnii angesehen werden zu dürfen, das kaum anders denn als 'ein
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Diese anscheinend ältere Nebenform gibt auch mehr Anhaltspunkte für die Grundbedeutung des Wortes. Die Bedeutung »feindlich verfolgen«, »nachstellen«, wie sie besonders aus Gn 2'7, 41 und 49, 23 hervorgeht, meinte ursprünglich sehr konkret: nachstellen, im Sinne von: eine Schlinge, eine Falle legen, Fußfesseln anlegen 10• Der einzige alttestamentliche Beleg für diese Grundbedeutung findet sich in Hos 9, 8. Da heißt es {vom Propheten):
pab, jäqös 'al kol deriikäro mastemii be-bet 'elöhiiro »... Schlingen des Vogelstellers findet er auf all seinen Wegen, mastemä im Hause seines Gottes.«
mastemä erscheint also in strenger Parallele zum pab,, dem Netz des Vogelstellers. G u t h e 11 übersetzt es daher in Uebereinstimmung mit Ge s e n i u s 12 mit »Schlingen« 13• Eine Schwierigkeit ergibt sich jedoch dadurch, daß in V. '7 maSfemii ebenfalls vorkommt, und zwar parallel zu 'liroön, was eine übertragene Bedeutung auch .für mastemä nahelegen würde. G u t h e übersetzt es mit Abstraktum der Funktion interpretiert werden kann. Die Belegstelle Gn 26, 21, wo das Wort als ein wohl alter Brunnenname vorkommt, spricht gleichzeitig, da es sich bei ihm wohl eindeutig um eine Ableitung vom Verbum sii.fan handelt, wiederum gegen die Denominativtheorie B a u e r L e anders und v. Rads. Abgesehen von der grammatikalischen Frage läßt sich der funktionelle Charakter des Begriffs aber auch aus der Einzelbetrachtung der fraglichen Stellen belegen. Vgl. unten, S. 208 f. zu Nu 22, 22. 10 Ge s e n i u s , Thesaurus Linguae Hebraeae et Chaldaeae Veteris Testamenti. 1840, Sp. 1327: säfam insidiatus est alicui, hostiliter persecutus est eum.... Origo est in laqueo, vel potius decipulo ferreo ponendo, quo pedes prehendantur, ... < 11 In HSAT•, Bd. II, S. 15. 12 Thesaurus, Sp. 1327: masfemli = compes, decipulum ferreum pedes alicuis prehendens. 18 Ebenso K a r I M a r t i, Das Dodekapropheton, S. 73.
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1'7'7
»Sünde«, ebenso die Zürcher Bibel. Letztere gleicht mit der Uebersetzung »Anfeindung« in V. 8 diesen an V. 7 an. Eine übertragene Bedeutung in V. 8 stört aber die klare Bildparallele. W e ll h a u s e n streicht daher V. 8 1 \ Ge s e n i u s- Buh 1 15 läßt die Frage der Echtheit von V. 8 offen, bemerkt aber, daß ihre Bejahung Streichung von V. 7 bedingen würde. M a r t i 16 vermutet, daß ma.Sfemä in V. 7 nicht ursprünglich ist, mit der sehr guten Begründung, daß masfemli, auch wenn man es als »Anfeindung« faßt, keine gute Parallele zu 'äroön bildet, und es sehr leicht aus V. 8 an Stelle eines ähnlichen Wortes eingedrungen sein kann. Er vermutet dafür l;wtfä'tam 17 • Im Prinzip gleich und mit ähnlicher Konjektur urteilt auch Gut h e 18 , und Ernst Se ll in gibt ebenfalls V. 8 den Echtheitsprimat 19 • M. E. spricht für die Echtheit von V. 8 jedenfalls die in sich geschlossene Bild14 Die kleinen Propheten, 1898. S. 123. Eine eigentliche Begründung fehlt jedoch. Er lehnt die Zurückführung von masiemä auf »Fallstrick.: gemäß Ge s e n i u s, Thesaurus, ausdrücklich ab - wiederum ohne Grundangabe -, hält sich für maStemä an die Uebersetzung »Feindschaft<:, gemäß V. 7, und erklärt es in V. 8 für unverwertbar. Er ergänzt die Lücke durch V. 9 a: »Zu V. 8 gehört noch he'mlqü szl:tetü; denn das kann nach palJ jäkös V. 8 unmöglich anders übersetzt werden als: sie haben ibm eine tiefe Grube gemacht.< 15 1. c. s. v. 16 1. c. s. 73. 17 1. c. S. 73. lJaftä'ä ist in der Tat eine geläufige Parallele zu 'äroi5n; siebe gerade den anschließenden Vers 9 b: »er wird ihrer Verschuldung ('aroöniim) gedenken, wird ihre Sünden (7Jaft'ötäm) heimsuchen.< 18 HSAT\ Bd. II, S. 14, Anm. zu V. 7: »für maStemä (=Anfeindung), wohl aus V. 8 eingedrungen, lies TJatfä'iekii.« 19 Das Zwölfprophetenbucb, 1921, S. 73: »masfemä findet sich nur hier (d. i. V. 7) und V. 8, aber gerade nach der letzteren Stelle kann die Bedeutung Nachstellung, Anfeindung als gesichert gelten, zunächst nach dem Syrischen wohl konkret Fessel, Schlinge.<
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parallele, in der ma§te-mä strukturell unentbehrlich ist, während es in V. "! lose angehängt und für den Sinnzusammenhang nicht unbedingt notwendig erscheint 20 • Eine Stütze erhält diese Annahme durch das syrische sefam Pa. compedivit, vinxit 2 \ worauf auch S e 11 in hinweist 22 , und sufmä = compes, vinculum pedum 23 • Das Arabische kennt nun diese Bedeutung auch für das dem hebräischen sätan entsprechende safana. Es . heißt u. a.: sich einem widersetzen, um einen von einem Vorhaben abzubringen, mit dem Stricke (safn) binden 24 • Ueber die Grundbedeutung der Nebenform sätam und das arabische satana als Parallelform zu säfan läßt sich also für das Verbum säfan erschließen, daR es im ureigentlichsten Sinne eine Verfolgung in Form einer Behinderung im freien Vorwärtsgehen bedeutet, also: hindern, entgegenstehen, vereiteln einer vorhandenen Intention. Am sichtbarsten ist diese ursprüngliche Be20 Es ist in unserem Zusammenhang sehr interessant, daR parallel dem Nomen säfän im Spätjudentum auch maSfemä zu einem Namen des Teufels wurde, so z. B. schon im Buch der Jubiläen (11, 3 f.; 1?, i6; 19, 28; 22, 16 f.). Er ist das monarchische Oberhaupt der bösen Geister und spielt im Wesentlichen die Rolle des alttestamentlichen Sat,ans L: dessen späterer Entwicklung. Siehe Bsu s s et rGr es b wann, Die Religion des Judentums _im spathellenistischen Zeitalter, S. 333. 21 S. G es e n i u s, Thesaurus, s. v.; vgl. auch Thesaurus Syriacus. 22 .S. oben Anm. 19. 23 S. Ge s e n i u s, Thesaurus, auch Thesaurus Syriacus; B rocke 1m an n, Lexicon Syriacum; und Ge s e n i u sBuh 1, 1. c., s. v. masfemä: >Ist es aber V. 8 echt, so liegt eine Ableitung vom syrischen setam Pa. mit Stricken binden ... sehr nahe.« 24 A d o 1 f Wahrmund, Handwörterbuch der arabischen und deutschen Sprache, GieRen 18??. Vgl. auch die Wörterbücher von Lane, Belot, Kazimirski.- Die Vermutung von B a r t h (Etymologische Studien, 1893), säfan komme von safama schmähen, wird schon von G e s e n i u s , Thesaurus, abgelehnt.
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deutung wohl-noch in Nu 22, 22, wo sich der mal'äk ]ahroe Bileam buchstäblich, dessen Intentionen durchkreuzend, in den Weg stellt, le-säfän lo. Die Uebersetzung des Nomens säfän mit >Widersacher< durch die Zürcher Bibel und Luther an den meisten vorkommenden Stellen kommt der ursprünglichen Bedeutung daher wohl am nächsten 25 • H a r r y T o r c z y n e r 25 Eine Reihe älterer Autoren (Herde r, Geist der hebräischen Poesie, II, p. 19; Il g e n, De libro Jobi, p. 125 sqq.; Simonis lex. ed. Eichhorn hv. s. Gesenius, Thesaurus) vertraten die bereits von G e s e n i u s und andern (v. Co e-Il n, Bibi. Theologie I, p. 421, Anm. 35; Hengstenb er g, Christologie 1, 34; s. Thesaurus) widerlegte These, sätan sei von süt = herumschweifen abzuleiten. So z. B. I l g e n, I. c., p. 128; Anm.: >Ex illo circumeundi, cursum per aliquod spatium conficiendi significatu, ortum est novum nomen säfän, et ex hoc verbum siifan.< Daß es sich bei den älteren Autoren bei der These, siifän komme von süt, letztlich um ein theologisches Interesse handelte, geht deutlich aus der Widerlegung Hengstenbergs hervor. Danach (Christologie des Alten Testaments, S. 35/36) versuchten sie geltend zu machen, »daß der Satan des Buches Hiob nicht der Satan der späteren Büch"r sey, vielmehr ein guter, reiner Engel, welcher nur das Amt eines Klägers, Generalfiscals oder Berichterstatters gehabt habe, sich darauf berufend, daß der Ver{asser auch ihn zu den Kindern Gottes zähle, und daß es Unrecht se\ das Gehässige des Amtes auf die Person zu übertragen«. He n gth.n b er g lehnt diese Ableitung aus grammatikalischen Gründen ab, bclmndet aber im Prinzip ebendasselbe theologische Interesse, den Satan als solchen, d. i. als >Widersacher< nicht unter den Engein In dulden. Er macht es sich nur wesentlich leichter, indem er etk.liift; der Satan hätte nie unter den Engeln erscheinen können, das sei nur >poetische Fiktion< und ebensowenig ernst gemeint vom Verfasser des Hiobbuches, wie daß Jahwe es nötig gehabt hätte, einen Menschen durch Satan prüfen zu lassen! - Die. Ableitung des Nomens säfiin von süt findet sich auch bei dem. jüdischen Gelehrten S a m u e I D a v i d L u z z a t t o , Erläuterungen über einen Teil der Propheten und Hagiographen, Lernberg 1876, pag. 197: >iel.älat qeriä'tö siifän mis-süt bä'ä.rel?«· (Ich verdanke diesen Hinweis Herrn Rabb. S. S p e i e r ,
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übersetzt in seiner Bibelübersetzung 26 mit »Widergeist«, was aber m. E. zu sehr bereits von der mythologischen Figur ausgeht, nicht von der ursprünglich noch keineswegs mythologischen, sondern ganz profanen Bedeutung. Es läßt sich nämlich, wie bereits erwähnt, feststellen, daß das Nomen stttän ursprünglich im profanen Bereich zu Hause ist. Es ist in profaner Bedeutung in Tex26
Die Heilige Schrift, neu ins Deutsche übertragen. 193?'.
•• (Fortsetzung)
Zürich.) In neuester Zeit ist diese These von Harry Torc z y n er (Wie Satan in die Welt kam. s. oben, S. 1?'3, Anm. 59) wieder aufgegriffen worden. Seine Begründung vermag aber keineswegs zu überzeugen. U. A. beruft Tor c z y n er sich auf die arabische Form saifän, deren Diphtong der ersten Silbe noch die Zugehörigkeit zu einem Verbum »sehnt« nicht »stn.: zeige. Da das arabische Wort jedoch ein biblisches Lehnwort sein dürfte, wie noch gezeigt werden soll (s. unten, S. 182 ff.), kommt es für die Entstehung des Begriffes nicht in Frage. Tor c z y n er fährt fort: »Dagegen ist es begreiflich, daß die anklagende Tätigkeit des Schatan (Tor z c y n er nimmt s als ursprünglich an und beruft sich auf den Wechsel von s und s innerhalb des Hebräischen und auch zwischen Hebräisch und Arabisch) oder Satan zur Entstehung eines neuen Zeitwortes ,stn' führte, das ,anklagen, befeinden' bedeutet, und von dem sich weiter ein Substantiv ,sitna' Anklage entwickelte.« (S. 1?'.) Diese Erklärung fällt jedoch in sich zusammen angesichts der Tatsache, daß die Ableitung des Nomens sätän von süf und die Auffassung vom Satan als umherschweifendem Boten dem relativ jungen Hiobbuch entnommen ist (auch die sog. Volkserzählung kann nach Ansicht der meisten Forscher nicht über 600 zurückgehen; vgl. hierüber unten, S. 24?' ff.), während das Nomen säfän bereits in wesentlich älteren Texten (s. Nu 22, 22; 1 S 29, 4; 1 K 5, 18; 11, 14. 23) vorkommt. Daß in Hi 2, 1 ev. ein bewußtes Wortspiel mit süt und sätän vorliegt, dem vielleicht sogar eine jener falschen Volksetymologien zugrunde liegen mag, wie sie im Alten Testament nicht selten sind, ist damit nicht in Abrede gestellt. - Wie bereits oben, S. 1?'4 erwähnt, grenzt sich auch A. L o d s, der sich der Auffassung Torc z y n er s vom Hiob-Satan als herumschweifendem göttlichen »Geheimpolizisten.: anschließt, gegen dessen etymologische 13 Jung: Symbolik des Geistes
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ten gebraucht, die älter sind als jene, in denen es den mythologischen Satan bezeichnet. Dieser Tatsache, die sich im Folgenden als von größter theologischer Tragweite herausstellen soll, scheint ein anderes Faktum entgegenzustehen, nämlich, daß das arabische Wort saifän nicht erst im Koran auftaucht als Bezeichnung des Teufels neben »lblis«, sondern schon in vorislamischen Schriften als Synonym des Ausdrucks ginn, und zwar auch im Plural. I g n a z Go 1 d z i h er 27 belegt ginn und saitän in der speziellen Bedeutung des dichterischen Daimonion. F r an z P r re t o r i u s 28 hält es auf Grund dieser Feststellungen für wahrscheinlich, daß der jüdisch-christliche Satan arabischen Ursprungs sei. Er stellt sich damit gegen die Auffassung W e 11 haus e n s 29 , der säifän als christlichen Terminus, welcher aus Abessinien ins Arabische eingedrungen sei, ansieht, und D. H. M ü 11 er s 30 , der das arabische sa#än für eine der Erörterungen ab: »••• sans accepter l'aventureuse hypothese etymologique de M. Torczyner, ... « In seinen diesbezüglichen Ausführungen, die mir erst nach Abschluß dieser Auseinandersetzung mit Tor c z y n er s Hypothese bekannt wurden (s. oben, S. 173, Anm. 60), fand ich meinen Standpunkt aufs schönste bestätigt und noch durch weitere Hinweise gestützt: »Est-il vraisemblable que le verbe säfan, ,s'opposer', et le substantif sifnä, ,opposition', qui sont fort anciennement attestes, par exemple par le nom d'un puits dans le desert (Gen. 26, 20), soient derives d'un substantif designant un agent de police et supposant, par consequent, l'existence d'un Etat centralise et organise? Le rapprocherneut du nom du säfän et du verbe souf ,circuler' dans Job I, 7 peut, s'il est intentionnel, etre un simple jeu de mots par assonance, comme les affectionnaient les auteurs et ecrivains hebreux.« (S. 658/59.) 27 Abhandlungen zur arabischen Philologie. Leiden 1896, S. 106; Die Ginneu der Dichter, in: ZDMG, Bd. 45, S. 685 ff. 28 Aethiopische Etymologien, in: ZDMG, Bd. 61, S. 615-24. 29 Reste arabischen Heidentums 2 (1897) S. 157, Anm. 3. 30 Zur Geschichte der semitischen Zischlaute, S. 10. Diese Arbeit war mir leider nicht zugänglich.
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ältesten Entlehnungen aus dem hebräischen sätän hält. A. S. Tri t t o n 31 erwähnt, daR die arabischen Philologen Shaifan für ein arabisches Wort hielten. Sie leiteten es von der Wurzel sh-t-n ab, einige zogen hingegen die Wurzel sh-y-t vor 32 • Tritt o n hält es jedoch, da die Vorstellung unverkennbar entlehnt sei, für wahrscheinlich, daR das Wort- eine regelrechte arabische Formebenfalls entlehnt sei, und zwar von dem äthiopischen Wort, das seinerseits aus dem Hebräischen abzuleiten ist. sa#än ist auch der Name einer Schlange 33 • Das rein philologische und sprachgeschichtliche Moment scheint für die Lösung dieses Problems nicht auszureichen. M. E. ist die Annahme eines direkten oder über Abessinien erfolgten Eindringens des biblischen Begriffs ins Arabische plausibler als diejenige des umgekehrten Einflusses. Dem steht die Umwandlung des Begriffs, entsprechend den erw·ähnten arabisch-heidnischen Vorstellungen (Plural, Synonym für ginn), nicht im Wege. Der Satan ist in seiner letzten alttestamentlichen und vollends in der christlichen Ausprägung dämonischer Natur und könnte gut von den heidnischen Arabern für ihre - pluralistische- Form des Dämonismus übernommen worden sein. Uebrigens findet sich der Plural von sätän bereits in jüdisch-apokryphen Schriften, wo der Satan Herr eines Geisterheeres ist, also bereits wieder in eine Vielheit aufgespalten erscheint, so z. B. 1 Ren 65, 6 und 40, 7 34 • Angesichts der Tatsache, daR sich im Koran viele Elemente aus den apokryphen Schriften zum Alten und Neuen 31 Artikel »Shaitan<, Encyclopädie des Islam, Bd. IV, S. 308. = Handwörterbuch d. Islam (1941) S. 671 f. 32 Vgl. hiezu auch La n e, An Arabic Lexicon. London 1863-93, s. v.: Einige Grammatiker sahen in shaifan den Typus fai'iil von safana, während andere das j als radikal ansahen, also Typus fa'liin von siifa. 33 V gl. L a n e, I. c., s. v. 34 s. auch Jub 23, 29 und 50, 5; zit. bei BoussetG r e R m a n n , I. c., S. 333.
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Testament finden -so geht z. B. gerade die Iblis-Vorstellung des Koran nicht auf den alttestamentlichen Satan, sondern auf die apokryphen Legenden vom gefallenen Engel zurück 35 - erscheint es mir nicht ausgeschlossen, daß auch die pluralistische Satansvorstellung vom arabischen Heidentum aus dieser Quelle übernommen wurde. Mit der ungeheuren Differenzierung der spätjüdischen Angelologie und Dämonologie erhielt die jüdisch-religiöse Vorstellungswelt einen »polytheistischen< Zug, der sie für den primitiven Dämonismus der vorislamischen Araber leicht resorbierbar gemacht haben mag. Auch der Schlangenname ist vielleicht nicht unbeeinflußt von der schon sehr frühen Gleichsetzung des Satans mit der Paradiesesschlange 36• E n n o Littmann 37 gibt dieser Vermutung positiven Ausdruck: »Satan, der Widersacher, Ankläger ... ist hebräisch; da die arabische Form schaitän, die über das Abessinische entlehnt wurde, auch ,Schlange' bedeutet, so hat man vermutet, daß ,Schlange' die ursprüngliche :ßedeutung von Satan sei, doch wahrscheinlicher haben die Araber in alter Zeit das Wort kennen gelernt, auf Schlangen und Dämonen aller Art angewandt und es erst seit Mohammed wieder in seinem ursprünglichen Sinn gebraucht.« Jettenfalls ist eine umgekehrte Beeinflussung deshalb kaum denkbar, weil dann der Satan im Alten Testament nur als (entlehntes) dämonisches Wesen vorkäme. Die ursprüngliche profane Bedeutung des Satan-Begriffs im Alten Testament bliebe völlig unerklärlich. Dieses inneralttestamentliche Kriterium dürfte angesichts der unsicheren Sachlage auf rein philologischem Gebiet das Problem entscheiden. Der näheren Bedeutung des profanen Begriffs, seinem »Sitz im Leben< - wenn man diesen für die Psalmfor35 Koran, Suren II, 32; VII, 10; XV, 31 f.; XVII, 63; XVII, 48; XX, 115; XXVIII, 74 f. 36 s. Weisheit Salomonis 3, 24. 37 Morgenländische Wörter im Deutschen 2, .1924, S. 31/32.
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schung mit Gewinn verwendeten Ausdruck Gun k e 1 s auch für einen anderen Zusammenhang übernehmen darf - muß daher an Hand dieser Stellen nachgegangen werden, weil wir annehmen dürfen, daß diese Grundbedeutungen im späteren mythologischen Begriff mitschwingen. 2. Der Begriff »Satan« im profanen Bereich 1 S 29, 4 wenden sich die Philisterfürsten gegen ihren König Achis, weil er David in den Kampf gegen Saul mitnehmen will und sagen: David soll »... nicht mit uns in den Kampf ziehen und im Kampf uns zum Widersacher (wörtl. sätan) werdenc:. Ebenfalls in der Bedeutung des Feindes im Kriege erscheint der Begriff im Königsbuch: 1 K 5, 18 sagt Salomo in der Botschaft an Hiram von Tyrus: »Nun aber hat Jahwe, mein Gott, mir auf allen Seiten Ruhe gegeben: Kein Widersacher (siifiin) ist mehr da, kein Mißgeschicke: Dann 1 K 11, 14: »Und Gott ließ Salomo einen Widersacher (Satan) erstehen im Edomiter Hadad aus dem königlichen Geschlechte Edoms.c: Und desgleichen 1 K 11, 23: »Und Gott ließ ihm Reson als Widersacher (säfiin) erstehen.< Von demselben Reson, König von Damaskus, heißt es gleich darauf in V. 25 noch einmal: »Und er war Israels Widersacher (siifiin), solange Salomo lebte.« Immerhin erhält in diesen Stellen des Königsbuches der Begriff m. E. eine vertiefte Nuance, die über die Bedeutung des konkreten Kriegsfeindes hinausführt und die spätere Ausweitung des Begriffes in den metaphysischen Raum hinüber bereits leise anklingen läßt. Dies ist am besten ersichtlich in der erstgenannten Stelle: Der Widersacher bildet den Gegensatz zur Ruhe, zur Ungestörtheit des diesseitigen Lebens, zum Zustand gesicherter, gesättigter Prosperitäf8 8 • Und das Wort safän 38 Vgl. auch K a r I M a r t i, Zwei Studien zu Sacharja, Theol. Stud. u. Kritiken, 1892, S. 217 f., zu diesen Stellen:
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ist in Parallele gesetzt zum >Schicksalsschlage: ( pega' rä') 89• Salomo hat sein Reich befestigt und geht nun daran, den Tempel zu bauen. Kein Feind, kein »Widersacher<, der diese Pläne feindlich durchkreuzen würde, ist in Sicht. Dann aber läßt ihm Gott einen solchen Widersacher erstehen, der ihn während seiner ganzen Lebenszeit nicht mehr losläßt. Gott schickt ihm diesen Widersacher. Der schicksalhafte, metaphysische Hintergrund des noch einen konkreten Menschen bezeichnenden Widersachers wird hier bereits fühlbar. Hinter der profanen Sphäre wetterleuchtet bereits die metaphysische, die in Nu 22, 22 ganz durchbricht. Im gleichen Sinne schillernd ist der Begriff in 2 S 19, 23 gebraucht. Da wendet sich David auf seiner Rückkehr als König nach Jerusalem gegen die Söhne der Zerujah, die ihn verhindern wollen, dem Simei das Leben zu schenken, das dieser durch eine frühere Verfluchung des Königs verwirkt hat: »Was habe ich mit euch zu schaffen, ihr Söhne der Zerujah, daß ihr mir heute zum Satan 40 werdet? c: Hier werden die Zerujah-Söhne zum »Widersacher< einer inneren - positiven - Regung. Die Stelle verleitet zur Annahme, daß hier bereits der Begriff eines inneren Feindes zugrunde liegt, der symbolisch auf die Zerujah-Söhne angewendet wäre. Es ist daher verständlich, daß die Zürcher Bibel hier Satan mit »Versucher« >Darum heißen auch solche, welche sich der ruhigen und ungestörten Regierung und dem friedlichen Verlaufe der Entwicklung eines Staates entgegenstellen, Satan ...:. 39 Diese Verbindung ist anscheinend schon von den Alten nicht für zufällig gehalten worden. Da Iman führt für pega' neben :.Begegnis<, :.Unheile die Bedeutung >böser Dämon« an (Aramäisch-Neuhebräisches Wörterbuch, s. v.). Nach F o erster, Art. (Ja.lp.wJJ in: Kitte I, Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament (S.13), war pega' im tannaitischen Judentum =der Anfallende (selten vorkommend). 40 Die Zürcher Bibel übersetzt >Versucher<. s. dazu das Folgende.
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übersetzt; Lu t her sagt an dieser Stelle »Satan«, womit er sich wohl auf den gleichen Standpunkt stellt, d. h. er dachte schon an die ausgeprägte Satansfigur, die als Bild für die David widersprechenden Männer benützt wäre. Mir scheint aber doch fraglich, ob in diesem relativ alten Text eine solche Deutung und entsprechende Uebersetzung möglich ist, setzt sie doch nicht nur die erst später auftretende Satansfigur voraus, sondern sogar eine noch spätere, über das alte Testament hinausgehende Auffassung des Spätjudentums vom Satan als bösem Trieb je$er hä-rti') in der Seele des Menschen. Könnte nicht doch auch diese Stelle aus der Bedeutung der feindlichen Stellungnahme, des Entgegentretens, Widersprechens, gegen sein Vorhaben, dem Simei Gnade für Recht ergehen zu lassen, angesehen werden? Um so mehr als in 2 S 16, 10, wo David auf der Flucht vor Absalom ist, schon dieselbe Situation gegeben ist. Auch hier wehrt David die Aufforderung der Zerujah-Söhne, den ihn verfluchenden Simei doch zu töten, ab, und zwar mit den Worten: »Was habe ich mit euch zu schaffen, ihr Söhne der Zeruja?«, ohne den Nachsatz von 2 S 19, 23: ))daß ihr mir heute zum Satan werdet«. Er grenzt sich einfach gegen den Standpunkt der Zerujah-Söhne ab und zieht sich in seine Unabhängigkeit, auf seine eigene innere Haltung zurück, die denn auch eine bemerkenswerte menschliche Größe zeigt: ))Laßt ihn fluchen! Wenn Jahwe zu ihm gesagt hat: ,Fluche dem David!', wer darf dann fragen: ,Warum tust du so?' Und David sprach zu Abisai und allen seinen Dienern: Seht, mein eigner leiblicher Sohn stellt mir nach dem Leben; wie viel mehr jetzt der Benjaminit! Laßt ihn fluchen! Jahwe hat ihn geheißen. Vielleicht sieht Jahwe mein Elend an und gibt mir wieder Glück für den Fluch, der mich heute trifft.« Und eindrücklich heif!t es weiter: ))So zog David mit seinen Leuten weiter, während Simei an der Seite des Berges neben ihm herging und in einem fort Verwünschungen ausstieß, 187
Steine nach ihm schleuderte und ihn mit Erde bewarf. Und der König kam mit allem Volk, das bei ihm war, müde an den Jordan, und dort erholte er sich.< Solche Größe ist auch für einen David nicht immer präsente, selbstverständliche Haltung. In ein »normaleres< Rachebedürfnis zurückzufallen, wäre um so eher möglich gewesen, als David in 2 S 19, 23 als wieder in seine Rechte eingesetzter König nach J erusalem zurückkehrte und Simei ihn auf dem Weg um Vergehung seiner Schuld hat. Der Standpunkt der Zerujah-Söhne könnte ihm also diesmal noch eher zur Versuchung werden. Hier verzeiht er auch nicht als demütiger Mensch, der nur noch vor Gott steht, sondern als großmütiger König, der zur Feier seiner Rückkehr Amnestie erteilt: »Was habe ich mit Euch zu schaffen, ihr Söhne der Zerujah, daß ihr mir heute 41 zum Satan werdet? Heute darf niemand iiJ. Israel getötet werden. Weiß ich doch, daß ich heute König über Israel hin! c: Wenn man also m. E. nicht ~n die späte Bedeutung des Satans als »Versucher< denken darf, so geht doch auch diese Stelle insofern über das äußerlich-konkrete Entgegentreten des »Satan< als Feind hinaus, als das Entgegenstehende auf der psychischen Ebene begegnet und mit dem Bild des äußeren Feindes ausgedrückt ist. Der profane Satan-Begriff wird hier zum Bild einer inneren Anfechtung. Ein solches Verständnis setzt aber, wie gesagt, nicht bereits die mythologische Satansfigur voraus 42 • Von mir hervorgehoben. Vgl. auch Henry Preserved Smith, The Book of Samuel (in: The International Critical Commentary), 1912, p. 363 f. :.David again disclaims followhsip with the sons of Zeruiah who would he his adversary, bindering him from doing what he would. To day shall a man be put to death in Israel? Evidently conciliation was to he the order of the day, for the king had the confidence that he was fully restored to his throne. The acclaim of the people has moved him to this generosity.« Und weiter, p. 364: >••• the Philistines contemplated the possihility of David's hecoming a satan, a traitor 41 42
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Etwas ganz anderes ist es, wenn man diese Stelle als profane Parallele zu der am göttlichen Hof spielenden Gerichtsszene in der Sacharja-Vision Kap. 3, 1 ff. in Betracht zieht. Dort ist es gewissermaßen ein Konflikt im göttlichen Bereich, im Himmel: der mal'ak ]ahme verkündet die Gnade und gebietet dem auf Gerechtigkeit pochenden und die Bestrafung des Hohepriesters Josua verlangenden Satan ebenso zu schweigen wie hier David den Zerujah-Söhnen. In diesem Sinne wird auch hier der metaphysische Hintergrund sichtbar. Hinter dem moralischen Konflikt des Menschen steht letztlich der göttliche Konflikt, das Gericht im Himmel. Es ist zugleich ein schönes Beispiel für das, was in der Einleitung über die Relation zwischen Gott und der menschlichen Seele zu sagen versucht worden ist. Was sich in Davids Seele und seiner realen Situation begibt, ist gewissermaßen ein Abbild des im göttlichen Rahmen sich Vollziehenden. Es sind aber noch zwei Ströme, die sich nicht treffen, durch kein Bewußtsein verbunden werden. David erlebt dieses göttliche Drama in sich, wei.fl aber noch nicht um seinen göttlichen Charakter. in the camp: in much the same light David views the sons of Zeruiah here.« - Als profanen Begriff fallt hier das Wort säfän auch Kar I M a r t i, Zwei Studien zu Sacharja (in: Theologische Studien und Kritiken, 1892, S. 218), und Ca s p a r i in seinem Kommentar zu den Samuelbüchern (in: Se ll in- Kommentar, S. 595, Anm. 4). Auch Kau p e I (I. c. S. 123) sieht wohl, daR hier ein menschlicher Feind gemeint ist, versucht aber doch - wenn auch zögernd - den Satan als metaphysische GröRe in diesen alten Text hineinzubringen, wenn er zu obiger Stelle sagt: »Üb man nicht wohl hin und wieder, wenn man einen Feind safan nannte, einen stillschweigenden Vergleich zwischen dem überirdischen Gegner der Menschen wie Gottes und dem gerade gegenüberstehenden Widersacher ziehen wollte?« Dies entspricht seiner allgemeinen Ansicht, die sich aber textlich nicht belegen läRt, der Satan sei schon im Alten Testament Urfeind Gottes und der Menschen (s. auch oben, S. 162 f.).
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3. Der Begriff des Satans im metaphysischen Bereich Die Ebenen treffen sich ein erstes Mal in bedeutsamster Weise in Nu 22, 22. Da ist es nun ein Engel, der als Satan, als Widersacher, dem Menschen Bileam in den Weg tritt. Er ist durchaus noch nicht der Satan als so benannte dämonische Figur, sondern der mal'äk ]ahroe, der Bileam in den Weg tritt, le-safän lö. Satan ist hier lediglich Apposition zu mal'äk ]ahroe: er trat ihm :.als Widersacher« in den Weg. Auf die eigentliche Exegese der Bileam-Stelle in Hinsicht auf die Entwicklung der Satansfigur soll erst weiter unten 43 eingegangen werden. Hier ist lediglich die Feststellung wichtig, daß ein göttliches Wesen dem Menschen als >Widersacher« in den Weg tritt. Das menschliches Planen und Wollen Durchkreuzende kommt aus dem göttlichen Bereich, resp. diese menschlich-diesseitige Erfahrung hat sich im menschlichen Bewußtsein zur metaphysischen Erfahrung ausgeweitet: Der »Widerstande: kommt letztlich von Gott. Noch aber handelt es sich nicht um den Satan als mythologische Person. sätan ist wie in den bisherigen Stellen ein funktioneller Begriff, kein Eigenname. Einen weiteren Schritt in dieser Entwicklung bildet die Erzählung in Hi 1, 6 ff. und 2, 1 ff. Wieder handelt es sich, wie in Nu 22, 22 um den göttlichen Bereich. Auch hier ist der Widersacher ein Engel, einer der bene-hä' elöhim, der Göttersöhne oder Gottwesen. Das Neue ist aber, daß er hier nicht nur Gottes Bote ist, sondern ihm gegenübersteht, in einer dialektischen Beziehung. Hier erst ist er zu einer Person des göttlichen Bereiches geworden, aber auch hier ist er die Personifikation einer göttlichen Funktion. Nicht inhaltlich, jedoch formal, steht es ebenso mit '3
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s.
s.
222 ff.
dem Begriff des Satans in Sach 3, 1 ff. Hier steht wieder der Satan Gott gegenüber, resp. dem mal'äk ]ahroe. Zwei Wesensseiten . Gottes sind somit konfrontiert, nicht aber eine von Jahwe wesenhaft unterschiedene Persönlichkeit mit dem mal'äk ]ahroe. Nur in einer einzigen Stelle des Alten Testaments der jüngsten der genannten- in 1 Ch 21, 1 erscheint das Wort sätän ohne Artikel als Nomen proprium. Da heißt es: »Und Satan trat auf wider Israel und reizte David, Israel zählen zu lassen.« Diese Stelle erhält größtes theologisches Gewicht durch ihre Entsprechung zu 2 S 24. 1, wo es heißt: »Und der Zorn]ahroes entbrannte abermals wider die Israeliten, und er reizte David wider sie, indem er sprach: Geh hin, zähle Israel und Juda.« Hier ist Satan eine selbständige Persönlichkeit, die in einer bestimmten Funktion an Stelle Jahwes tritt 44 • Es ist aus dem bisherigen unschwer zu erkennen, daß es sich um eine Weiterentwicklung der personifizierten Funktion zur Eigenpersönlichkeit »Satane handelt. Theologisch darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß gerade durch den Wechsel der göttlichen Personen deren wesenhafte Identität besonders eindrücklich erhellt. Satan tut nichts anderes, als was an anderer Stelle Gott selber 44 T o r c z y n e r s Uebersetzung (l. c. S. 18): ~Und siehe, es erstand ein Satan gegen Israel, ... « scheint mir deshalb unrichtig zu sein. Die enge Entsprechung zu 1 S 24, 1 verlangt ebenfalls eine bestimmte Persönlichkeit, abgesehen davon, daß in solcher Unbestimmtheit der Satz theologisch in der Luft hängen würde. Wer sollte dieser irgendeine Widersacher aus dem göttlichen Bereiche sein, da ja sonst nirgends von einer Mehrheit solcher Satane die Rede war? Es kann sich doch nur um die allein bisher erwähnte, zur Eigenpersönlichkeit verselbständigte, hypostasierte göttliche Funktion des :.Entgegenstehens« handeln. Ueber die Ansichten von Kaupel und Kugler, wonach es sich nicht um einen Dämon, sondern um einen David feindlichen Menschen handle, der ihn zur Volkszählung reizt, s. unten, S. 310, Anm. 16.
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tut. Darauf soll weiter unten des näheren noch eingegangen werden. Als Ergebnis unserer Untersuchung des Namens >Satan« läßt sich zusammenfassend sagen: »Satan« ist ein funktioneller Begriff, der in der Verbal-Bedeutung »feindlich gegenüberstehen« wurzelt und als nomen appellativum in einigen Stellen in profaner Bedeutung, in anderen, durchwegs jüngeren Texten als mythologische Figur auftritt. Die Brücke zwischen beiden bildet die Numeri-Stelle, wo der Begriff »Satan« im göitlichen Bereich, jedoch noch nicht als mythologische Figur auftritt. Als Nomen proprium eines Gott gegenüberstehenden selbständigen Dämons erscheint der Begriff nur in einer, der jüngsten, Stelle: 1 Ch 21, 1. Daraus kann wohl jetzt schon ein grundlegender Schluß über das Wesen des Satans gezogen werden: er ist kein dämonischer Ueberrest aus vorjahwistischer Zeit, der als solcher neben Jahwe ein mehr oder weniger degradiertes Schattendasein führte. Ein Vergleich mit solchen Ueberresten aus vorjahwistischen Religionen mag dies erhärten: Als erstes springt in die Augen, daß diese mit Eigennamen oder Gattungsbegriffen bezeichnet sind, die größtenteils ihren fremden Ursprung erkennen lassen 45 • Bei Azazel, dem Wüstendämon in Lev 16, der die nächstliegende Analogie zum Satan darstellt, ist die Etymologie unsicher. Die Auffassung der jüdischen Exegeten (Targum, Pseudojonathan, Raschi, Kimchi), wonach Azazel der Name eines Ortes in der Wüste sei, scheidet 45 Auch Kar I M a r ti, Zwei Studien zu Sacharja, in: Theol. Stud. u. Krit. 1892, S. 227, ist der Ansicht, daß der Satan sich auch aus diesem Grunde nicht unter die alten Dämonen reihen läßt; :.denn der Satan nimmt sich unter den Se'irim ..., den Spukgestalten, die überall in der Wüste herumhuschen, eher seltsam aus. In ihrem Kreise ist er nicht nur seiner Art nach, wie er in Sacharja auftritt, sondern auch seinem Namen nach eine fremde Gestalte.
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aus, da die Gegenüberstellung des Namens zu Jahwe offenkundig auf ein personhaftes Wesen hindeutet 46 • Ha n s Du h m 47 erwähnt die mehrfach vertretene 48 Auffassung, es handle sich um eine Ableitung von 'iizal und sei mit )gänzliche Wegschaffung< zu übersetzen. Diese Auffassung fußt auf der Uebersetzung der LXX: 'rmonop:n:alos 49 • Eine ähnliche Etymologie vertritt auch Robert Eis 1 er 50 • Er übersetzt 'azä'zel mit :.der weggehende, abziehende Bock< ('az 'ez), entsprechend der griechischen Uebersetzung des Symmachos: rparor:: 'cmoJ.uop.eJ)or:;;. Dagegen läßt sich prinzipiell einwenden, daß in Lev.16 ja gar nicht der weggeschickte Bock den Namen 'azii'zel trägt, sondern ein Wesen in der Wüste, zu dem der Bock geschickt wird. Entgegen R. E i s 1 e r kommt man m. E. nicht um die Vermutung eines Wüstendämons herum. Einleuchtender und auf Spuren führend, die einen guten Sinnzusammenhang ergeben, scheint mir daher die Ableitung von 'iizäz und 'el, die R os k o ff erwähnt 51 • 'azä'zel hieße dann »der Starke Gottes«. R o s k o f f beruft sich hierfür aufFürs t 52 undDies t e 1 53 , die meh-
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46 s. Benzinger, Art. >Azazel< in Encycl. Biblica; vgl. auch HSAT 4 z. St.; Roskoff, l.c. S. 1?9; Alfred Be r t holet, Leviticus, in: M a r t i-Handkommentar z. A. T. 1901, z. St. 47 l. c. s. 56. 48 u. a. M e r x in Bibi. Lex. I 256 (s. Encycl. Bibi. Art. »Azazelc: S. 395); ferner auch Will i a m Ca l d w e ll, The Doctrine of Satan, in: The Bihlical World 1913, Bd. XLI, p. 30) und George A. Barton, Art. >Demon and Spirits< in: Religion and Ethics. 49 Sie geht nach R o s k o ff, l. c. S. 1?9 auf E w a l d (Kritische Grammatik, S. 243; Ausführliches Lehrbuch der hebräischen Sprache, 6. Aufl. § 18 c) zurück. 50 Arch. f. Religionswissenschaft, Bd. 2?, 1929, S. 1?? ff. 51 l. c. Bd. I, S. 183. 52 Hebr.-Chald. Handwörterbuch, s. v. Azazel. 53 :.Set-Typhon, Asahel und Satan<, in: Zeitschr. f. die histor. Theologie. Jhrg. 1860, II. Heft. - Eingehenderes über diesen Aufsatz s. unten, S. 234 ff.
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rere Beispiele von Götternamen aufführen, welche mit 'aziz gebildet sind. Vor allem gibt es einen phönizischen Gott 'aziz, dem die gewaltsamen Einwirkungen der Sonne zugeschrieben werden 54 • Ferner kommt auch ein Göttername bel-'aziz, Bel der Starke, vor; dann das Promontorium Marti Rusaziz, d. h. rös-'aziz, das »Haupt des Starken<, an der punischen Küste; der Mars zu Edessa heißi"At;d;oc: = der Starke, Gewaltige, u. a. m. B a u d i s s i n 55 hält die Umwandlung eines fremden so benannten Gottes in einen Dämon für möglich. Bei G es e n i u s Buh I findet sich ebenfalls die Vermutung einer Zusammenschmelzung von 'azaz und 'el. Die Bedeutung wird aber als unbekannt bezeichnet 56 • Weitere Literatur findet sich auch im Lexikon K ö hIer s 57, der jedoch keine der von ihm erwähnten Ableitungen für einleuchtend hält. Für unseren Zusammenhang wesentlich ist aber, daß es 54 Dies würde übrigens genügen, um den Wüstencharakter des Azazel zu erklären, ohne direkt auf Seth zurückgreifen zu müssen, dem Sühnopfer dargebracht wurden. Ist es nicht möglich, daß dieser phönizische Gott bereits Züge des Seth in sich aufgenommen hätte, bei der engen Beziehung Aegyptens zu Kanaan in der Amarna-Zeit, zumal für den syrischen Gott Baal-Zaphon auf einer aufgefundenen Stele aus jener Zeit (um 1300) die Bezeichnung Seth-Zaphon belegt ist (s. G. Sei p p e I, Der Typhonmythus, 1939, S. 20)? Jedenfalls läßt eine völlige Beschränkung der Erscheinung auf aegyptischen Einfluß, für die sich R o s k o f f entschließt, den semitischen Namen unerklärt. 55 Studien zur Semitischen Religionsgeschichte, Bd. -I,
s.
141.
56 Auf die dort angeführte weitere Literatur zum Namen Azazel einzugehen würde in unserem Rahmen zu weit führen. 57 Davon sei als prinzipiell von den obigen Auffassungen verschieden nur diejenige H u b e r t Grimm e s (Das Alter des israelitischen Versöhnungstages, in: Archiv f. Religionswissenschaft 14, 1911) erwähnt, wonach :.Azazel< :.der kleine Haarige« heißt, und von einem Wort stamme, das im Aethiopischen als gnezaguez = :.zottiges Vlief!< vorliege.
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sich jedenfalls um einen Dämon fremden Ursprungs handelt, und nach Ansicht der meisten 'azä'zel einen Eigennamen darstellt. Eindeutig ist der babylonische Ursprung bei Lilith (Jes. 34, 14). Gesenius-Buhl und Köhler verweisen auf das akkad. lilu, f. lilitu = böser Dämon 58 • Für Leviathan, das kosmische Drachentier bei Hiob (3, 8) und andernorts 59 gibt K ö h l er neben der Ableitung von hehr. lirojä = gewunden 60 einen Hinweis auf äg. ltn 61 • Behemoth, das nilpferdähnliche Ungetüm Hi 40, 15 wird von Manchen für ägyptisch gehalten. B u d d e 62 vermutet mit S p i e g e l b er g , Ja b l o n s k i s Herleitung des Wortes von äg. p-ehe-mou = »W asserochs« sei die richtige 63 • Andere sind gegen diese Auffassung, so Cheyne 64 und W. Max Müller 65 • 58 Nach L enorm an t (La magie chez les Chaldeens, p. 36; zit. Du h m, l. c. S. 51) bedeutet lil und lilit den Inkubus und Sukkubus, und das Wort geht auf liliitu = hab. >Abend.: zurück. Nach Ge s e n i u s- Buhl wurde Lilith jedoch erst durch Volksetymologie als Nachtdämon aufgefaf!t. Vgl. auch B r u n o M e i Rn er, Babylonien und Assyrien, Bd. II, 1925, S. 201: Lilitu bildet mit Lila und der ~Magd des Lilu (Ardat Lili) eine Trias. »Ursprünglich sind sie wohl Sturmdämonen, die aber aus einer falschen Etymologie heraus schlief!lich als Nachtgespenster angesehen wurden.« so Ps. 74, 14; 104, 26. 60 s. auch Ge s e n i u s - B u h l. Gunkel gibt die Ableitung: Zirojä = Kranz; lirojätän = der Kranzartige, d. h. der Ozean, »der um die Länder seinen Wogengürtel schlingt«. (Schöpfung und Chaos, Göttingen 1895, S. 46.) 61 W. Baumgart n er (Theol. Rundschau 1941, S. 162) erwähnt, daf! sich ltn bereits im U garitischen findet. Vgl. auch G. Sei p p e l, Der Typhonmythus, 1939, S. 137. 62 Hiob, S. 257. 63 Erwähnt in K ö h l e r, Lex. 64 Encycl. Bibl. I, p. 519 f. (zit. B u d d e, l. c. S. 257). 65 Ge s e n i u s- Buh I s. v.
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Für Rahab von akkad. ra'abu, ral}abu, )ungestüm sein< 66 wird von G u n k e 1 67 und anderen babylonischer Ursprung angenommen. Nach Gun k e I ist sie )die Personifikation der tehöm, des Chaos« 68 • Er erwähnt ferner, daß in einer der vielen Varianten des Tiamatmythus Tiamat den Namen ribbu (= ribhu = rahab) trägt, welche Lesung freilich nicht völlig gesichert sei 69 • Ebenso sind die Kerubim wahrscheinlich babylonischen Ursprungs 70 • Nach Ge s e n i u s 71 heißen die Stierkolosse in assyrischen Inschriften aus Susa Karibati, d. h. die Segnenden 72 • In anderen assyrischen Inschriften heißen sie auch kuribi (von der gleichen assyrischen Wurzel karabu = segnen) 73 • Für die Seraphim (Jes. 6, 2.6; wahrscheinlich von akk. sarlipu = anzünden, verbrennen) wird neben der üblichen Zusammenstellung mit Sarrapu-Nergal 74 auch ägyptischer Ursprung geltend gemacht: spätäg. srrf Drache, Greif, Schlange 75 • Fest steht der babylonische Ursprung für die sedim (Dt. 32, 17; Ps. 106, 37). Nach Zimmern u. A. ist es
=
s. Köhler u. Gesenius-Buhl s.v. Schöpfung und Chaos, S. 30 ff. 68 I. c. S. 32. 69 I. c. S. 29. 70 Ge s e n i u s- Buh I u. K ö hIer, Lex. s. v. 71 Hehr. u. aramäisches Wörterbuch, 14. Aufl., erwähnt bei Gunkel, Genesis, zu 3, 24, 4.Aufl. 1917, S.25. 72 Weitere Literatur s. bei Köhler u. GeseniusBuhlL~ . 73 s. R o b e r t H. P f e i ff e r , Journ. of Bibi. Lit. Bd. 41 (1922), s. 249 f. 74 Wogegen Zimmern, KAT 415; s. GeseniusBuhl s. v. 75 Gesenius-Buhl s. v. Nach Spiegelberg (Der aeg. Mythos vom Sonnenauge, 1917, S. 39) von demotisch srrf, aeg. srf = warm sein (K ö hIer s. v.). 66
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wohl entlehnt aus ass. sedu = Stiergott, böser und guter Dämon 76 • Der'Name der se'irim, der Bocksdämonen, ist hebräisch, von sä'ir =der Haarige, Ziegenbock. Sie sind aber durch den Zusammenhang, in dem sie erscheinen; dadurch gekennzeichnet, daß sie zum vornherein und ausschließlich dämonische Wesen bezeichnen. Jes. 13, 21 sind sie tanzende Satyrn; Jes. 34, 14 bevölkern sie die Einöde 77 , in der auch Lilith haust; Lev 17, 7 wird verboten, ihnen zu opfern, und 2 Ch 11, 15 erscheinen sie neben den Kälbern als Standbilder des Götzendienstes J erobeams. B a u d i s s i n 78 vermutet in ihnen daher wohl mit Recht einen »Rest althebräischen Heidenthums«. Alle diese Ueherreste vorjahwistischer Religion sind entweder als solche außerhalb der Jahwereligion stehen geblieben, wie die sedim, se'irim und Lilith, oder sind als Attribute Jahwes in ihn einbezogen worden, wie die Seraphim und Kerubim, die ihn in Jes 6 umstehen 79 oder Behemot und Leviathan, die als Gleichnisse seines Wesens im Buche Hiob (Kap. 40) erscheinen. 76 Nach K ö hIer, Lex. (unter Hinweis auf ZA W 54, 291 f.) von }äsiid, ar. isroadda, schwarz sein. 77 Die Einöde ist schon nach babylonischer Vorstellung Aufenthaltsort der Dämonen. Dies zeigt folgende Beschwörung des bösen Alu (U n g n a d, Die Religion der Babyionier und Assyrer. 1921, S. 290): >Böser Alu, geh' nach der wüsten Stätte!
Deine Wohnung ist eine zerstörte Ruine;« Die gemeinsame Aufzählung wilder Tiere und Dämonen als Bewohner der Einöde bei Jesaja findet, worauf K a u p e I hinweist (I. c. S.10; gegen die Auffassung von W. R. Sm i t h, Religion of the Semites. Deutsch v. S tue b e. 1899, S. 86, der deshalb alle dort genannten Tiere für, Dämonen hält), eine Analogie bei den Arabern, die sich die Ginneu auch sehr enge mit den wilden Tieren verbunden denken. 78 I. c. s. 13?. 79 s. darüber auch unten, S. 259. 14 jung: Symbolik des Geistes
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Eine Ausnahme scheint Azazel zu sein, der in den Kult einbezogen ist und zugleich Jahwe gegenübersteht. Diese dämonische Gestalt erfordert desha1h in unserem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit, weil ihr m. E. nur scheinbares- Jahwe-Gegenüherstehen mehrere Forscher zur Ansicht veranlaßt hat, er sei identisch 80 mit dem alttestamentlichen Satan oder seine Vorform 81 • Abgesehen vom Indiz des Eigennamens, der bei Azazel im Gegensatz zum Satan einen überkommenen Dämon erkennen läßt, zeigt der offenbar alte Ritus 82 bei näherer Betrachtung eine in dieser Frage entscheidende Eigentü~lichkeit: Der Dämon Azazel erscheint nicht als ein 80 G a ll in g , dem sich K a u p e I anschließt (I. c. S. 91) in RGG, 2. Aufl. II, 1928, S. 964: Er ist der Gegenspieler Gottes, eine dem Satan entsprechende Figur. - Bei 0 r i g e n es findet sich schon die Identifikation von Azazel und Satan und Schlange von Gn 3 (s. Ca I d w e ll, I. c.). 81 B e n z i n g e r akzeptiert R e u ß ' Annahme, daß die :.Auffassung von Azazel auf dem Wege liegt, der später zum Satan führt<. Vgl. auch R o s k o f f, I. c. S. 197; s. dazu oben, S. 159, Anm. 17. 82 s. Driver, in: Dictionnary of the Bible, s. v. Asasel; :.No doubt the ritual is a survival from an other stage of popular belief, engrafted on and accomodated to, the sacrificial system of the Hebrews; ... « und in Encycl. Bibi., wo er auf den primitiven Charakter des Ritus aufmerksam macht, zu dem sich im Alten Testament selbst (Lev 14, 4 ff., 49 ff.) und in anderen Ländern viele Analogien finden (unter Hinweis auf Frazer, Golden Bough II, 182 ff.; s. auch H. Grimme, I. c.). Weitere Bestätigungen des hohen Alters des Ritus führt M a x L o ehr an. (Das Ritual von Lev 16. Untersuchungen zum Hexateuchproblem III, in: Schriften der Königsherger Gelehrten Gesellschaft. 1925, S. 11): >Asasel, Zeltheiligtum, vor allem das ,Lager' Israels sind Zeichen, die auf die Zeit vor der Seßhaftwerdung in Kanaan, auf eine Existenz in der Hirtensteppe des südlichsten Palästina hinzudeuten scheinen. Vielleicht ist die Entsendung eines Bockes an Asasel vormosaischer Sühneritus eines der Leastämme, der beim Aufkommen des Jahwismus aus unbekannten Gründen in den Jahwekult aufgenommen wurde.«
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Gegenspieler Jahwes, nicht als eine ihm wirklich gegenüberstehende Macht. Dies geht vor allem daraus hervor, daR es sich in Lev 16 nicht um ein Opfer handelt, worauf schon J u s t i n u s 83 hinweist, R o s k o f f entscheidenden Nachdruck legt 84 und heute die meisten modernen Forscher 85 • R o s k o f f s Auffassung kann m. E. weitgehend gefolgt werden: »Azazel ist keine Macht, zu deren Siihne ein Opfer dargebracht würde, und der Dualismus, der durch ihn sich herausstellt, ist eben nur ein schattenhafter. Er ist nur die Qualifikation der abstrakten Unreinheit gegenüber der absoluten Reinheit Jahwes, er ist nur ein Schattenbild ohne Realität gegenüber der allein realen Macht Jahve's 86 .« Der Azazel-Ritus scheint mir einen einzigartigen Einblick in eine bestimmte Phase der Entstehung des monotheistischen Gottesbegriffes zu bieten, eine »Momentaufnahme« des Verdrängungsprozesses der alten dämonischen Gottheiten. Sie hält gewissermaßen den VerdrängungsprozeR selber fest. Azazel, ursprünglich wohl eine alte dämonische Gottheit 87 , ist nur mehr ein Begriff, der als solcher noch vorhanden, aber weitgehend ausgehöhlt ist. Er ist nur noch Symbol der Oede 88 • Er ist an den Ort verbannt, wo kein Leben mehr ist. Der Gegensatz zur öden Azazel-Wüste ist das »heilige Zelt«, wo der lebenDialog mit Tryphon 40, 4; s. Kau p e 1, l. c. S. 8?. l. c. s. 186. 85 u. a. J. Gutmann, in: Encycl. Judaica, Art. ~Asasel«; Eichrod t, Theologie des Alten Testaments II, S. 120; B. Stad e, Theologie des A. T. I, 1906, S. 188 f.; E. Kaut z s c h, Bibl. Theologie des A. T., 1911, S. 20. 34?; G. H ö 1 scher, Geschichte der israelitisch-jüdischen Religion, 1922, § 9, 9. 86 I. c. S. 186. 87 s. oben, S. 194. 8 s V gl. HSAT • z. St., pag. 185, Anm. c: »In dem Hinschikken des mit der Sünde des Volkes beladenen Asasel (V. 21) kommt lediglich die symbolische Wegschaffung der Sünde und Unreinheit aus dem J ahwe heiligen Lande in den Bereich des Unreinen und Unheiligen in Betracht.< 53 84
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dige Gott wohnt. Dem Werden des heiligen Gottes entspricht auf der menschlichen Ebene die Forderung der Heiligung. Auch innerpsychisch entspricht daher dem göttlichen Geschehen eine Abspaltung. Betrachtet man die menschliche Seite des Ritus psychologisch, so kann der Bock wohl als Symbol der Tierlibido des Menschen gelten. Diese Kraft wird gespalten: es sind zwei Böcke. Einer muß Jahwe geopfert werden, und einer in die Wüste verschwinden. Das Los entscheidet, welcher für Jahwe, welcher für Azazel bestimmt ist. Sie sind also an sich gleich. Dieselbe Triebkraft muß also teils Jahwe geopfert, ge'iveiht werden, teils wird sie weggeschafft Nur ein Teil der Libido wird also sublimiert, der andere wird als Sünde abgestoßen, verdrängt. Die sündige Libido geht zu ihrem »Ursprung« zurück, in die Wüste, d. h. sie versinkt im UnbewufHen, das wegen der Abspaltung »Wüsten«-Charakter hat. Das Unbewußte wird mit der Sünde belastet. So sagt in späterer Zeit, wo Azazel wieder zu dämonischer Geltung gelangt ist, ein Midrasch: »Die Sünden wurden zu Asasel geschickt, damit er sie trage 89 .« Psychologisch geschieht im Azazel-Ritus etwas Aehnliches wie in der Sacharja-Vision vom Weib im Epha (5, 5-11), nur auf anderer Stufe 90 • Hier wie dort wird die Sünde verdrängt und zwar an einen Ort, der mit ihr identifiziert wird: hier in dieser frühen Zeit ist es die Wüste, später ist es das heidnische Babyion 91 • 89 Midrasch Abchir (J alkut Gen. § 44), zit. G r u e nbau m, Beiträge zur vergleichenden Mythologie aus der Hagada, in Zeitschr. der Deutschen Morgenländ. Ges. Bd. XXXI, 18??, S. 226. 00 Den Vergleich zwischen den beiden Stellen ziehen u. a. auch Benzinger, >Azazel« in Encycl. Biblica, S. 395; J. Gutmann, »Asasel« in Encycl. Judaica; Eichrodt, Theologie des A. T., . II, S. 120. 91 L e o n h a r d Rost (Erwägungen zu Sacharjas ?. Nachtgesicht, in ZATW 57/58, 1939-41, S. 224 ff.) bietet eine Studie über den Begriff ris'ä. Obwohl er zugibt, >daR das
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Daß bei Sacharja eine Frau als Verkörperung der Sünde erscheint, scheint mir von unserem Zusammenhang her bedeutsam zu sein: Die Frau ist ihrem Wesen nach der Erde und der Dunkelheit des Unhewußten näher 82 • In der ihrem Wesen nach männlichen Jahwereligion, die gleichsam das Herauswachsen des Bewußtseins aus dem mütterlichen Urschof! der Naturreligionen darstellt man denke an den Symbolgehalt der Sinai-Offenharung nach der Befreiung aus der Knechtschaft Aegyptens 98 seltene ris'ah sonst nur in der weiteren Bedeutung, nicht in der älteren rein forensischen belegt istc: (S. 226), macht er doch letztere für Sach 5, 8 geltend. Danach ist ris'ä das Verdammungsurteil des Exils. Das Fortbestehen des Fluches zeige sich bei Haggai und angedeutet bei Sach 8, 10 ff. im Mißwuchs der Felder. >Das leere Getreidemaß, in dem nun der personifizierte Schuldspruch Platz genommen hat, räumt das Land.c: Der Verdammungsspruch werde in dem den Mißwuchs charakterisierenden leeren Epha nach Babel gebracht, dem Sitz der Bedrückermacht. - Ich kann mich den Ausführungen R o s t s nicht anschließen. Dagegen sprechen vor allem ältere Belege für die Bedeutung :.Frevele: :.Gottlosigkeit.: - s. u. a. Jes 9, 17: :.Denn das Unrecht (riS'ä) brannte wie Feuere, und besonders Ez 18, 27: :.Und wenn der Gottlose sich bekehrt von der Gottlosigkeit (ü-besüb räsä' meriS'ätii), die er getan hat, ... c: - wo eine Uebersetzung im eng·eren forensischen Sinn als :.Schiedsspruche: gar nicht möglich wäre (s. auch den unwittelbar folgenden parallelen Gebrauch von pesa'!). Zu vergleichen ist auch Mal 1, 4, wo Edom das >Land der Ruchlosigkeit< (gebül ris'ä) genannt wird, was zu unserer Stelle, wo die ris' ä nach Babel als ihrem Stammsitz geführt wird, eine sehr nahe Parallele ergibt. Außerdem findet in der These Rosts die Personifikation der ris'ä als Frau keine Erklärung. . 92 Am ausgeprägtesten zeigt dies die chinesische YangYin-Polarität, wie sie z. B. eines der ältesten Bücher, der I Ging, :.Das Buch der Wandlungen« darstellt (Aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von R i c h a r d W i Ihelm, 1924). · 93 In der mehrfach im Alten Testament sich findenden Identifizierung Aegyptens mit Rahab liegt seine symbolisch weibliche Qualität, wogegen die Licht-Theophanie am Sinai 201
und an das Bild des die Rahah überwindenden Jahwe 94 - konnte, ja mußte die Frau zum Symbol der von Jahwe abgesonderten, »sündigen« Libido werden. Ueber die Frau scheint mir, ideengeschichtlich gesehen, auch eine Beziehung zwischen Azazel und Satan schon im Alten Testament angedeutet zu sein, die dann später zur Identifizierung der beiden Figuren in den Apokryphen geführt hat. Wenn es auch falsch ist, genetisch von einer Identität des Satans auch mit der Paradiesesschlange zu sprechen 95 , so besteht zwischen ihnen, wie im weiteren gezeigt werden soll, wesensmäßig durchaus ein Zusammenhang 96 • Wie Eva mit der Schlange gegen Gott paktiert, ebenso zeigt sich Hiobs Frau unbewußt-wesensmäßig auf der Seite des Satans 97 • Erst in einer Zeit, in der der göttliche DifferenzierungsprozeR zu einem Auseinanderfallen der betreffenden göttlichen Wesensseiten geführt hat, was eine Wiederbelebung vorjahwistischer Dämonen in der Gestalt böser und guter Engel bewirkte 98 , die Entwicklung also gewissermaßen in eine neue Polytheisierung des Jahwismus auf höherer Stufe mündete, wurde Azazel zu einem der gefallenen Engel des Henochbuches und auswechselbar mit dem Satan. Derselbe ProzeR zeigt sich in der Erscheinung, daß Mastema aus Hos 9, 7 99 im Buch der Jubiläen zu einem Namen des buchstäblich »Erleuchtung<, Entstehung des Bewußtseins, bedeuten kann. 9 ~ das auf Marduks Kampf mit seiner Mutter Tiamat zurückgeht. 95 s. dazu oben, S. 162, Anm. 22'. 98 s. unten, S. 290. 97 s. unten, S. 269, Anm. 82. 98 Vgl. E r i k S t a v e , U eher den Einfluf! des Parsismus auf das Judentum, Haarlern 1898, S. 269, der davon spricht, daf! in diesen bösen Machtwesen »auch ein Rest der durch die Predigt der Propheten zurückgedrängten Naturreligion freilich unter dem Einfluf! einer andern Religionsanschauung gleichsam zu neuem Leben erweckt wird<. 99 Vgl. zur Wortbedeutung oben, S. 12'2' f.
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Satans wurde 100• Der im Alten Testament nur in verborgenen Beziehungsfäden gegebene Zusammenhang zwischen Satan und Frau einerseits, Azazelritus und Weib im Epha bei Sacharja anderseits, erscheint im Henochbuch ausgebildet: Azazel-Satan verführt die Frauen zur Sünde, indem er sie die Herstellung der Schminke lehrt. Darin ist auch noch in der Parallele zu Gn 6, wo die Gottessöhne sich mit Menschentöchtern verbinden, der Bezug zwischen jenen und Satan - ist er im Hiobbuch doch auch einer der Gottessöhne- mitenthalten 101• Aus alledem dürfte aber erhellen, daß Azazel und Satan, die in nachbiblischer Zeit identifiziert wurden, genetisch nichts miteinander zu tun haben. Azazel zwingt also in der Abgrenzung der Satansgestalt im Alten Testament gegenüber vorjahwistischen dämonischen Gestalten zu keinerlei Einschränkung. Gegenüber allen diesen Ueberresten aus anderen Religionen, denen die obigen Betrachtungen galten, läßt sich in Bezug auf den Satan nun feststellen: 1. Er hat nicht zum vornherein einen Eigennamen, sondern ist mit einem hebräischen nomen appellativum bezeichnet, aus dem dann in der jüngsten Stelle erst ein Eigenname entsteht. Zudem ist es ein nomen appellativum, das nicht an sich dämonische Wesen bezeichnet, wie etwa die sedim, sondern auch im profanen Bereich belegt ist. Im Falle der se'irim, der sprachlich demjenigen des »Satans« insofern gleicht, als auch dieser Begriff teils profan (gewöhnliche Ziegenböcke), teils dämonisch gebraucht wird, fällt der inhaltliche Zusammenhang entscheidend ins Gewicht: die se'irim erscheinen zusammen mit andern vorjahwistischen Dämonen und gehören da100 Um eine solche Entwicklungserscheinung, nicht bloß um eine Mißdeutung des Namens, wie Gunkel annimmt (Art. :.Teufelsglauhe« in RGG 2 Bd. V, S.1062) dürfte es sich hier wohl handeln. 101 Dazu s. unten, S. 251 ff.
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mit zu jenen Erscheinungen, die ausdrücklich im Gegensatz zum Jahwismus stehen und von diesem bekämpft werden. 2. Der Satan ist, im Gegensatz zu den eigentlichen Kakodämonen, in den göttlichen Bereich einbezogen, und im Vergleich mit den mythologischen Gestalten der Seraphim, Kerubim, Leviathan und Behemot ist von ihm zu sagen, daß er nicht wie diese die Naturseite Gottes darstellt 102 - siehe deren Tiergestalt! -, sondern ein geistiger Dämon ·ist, mit dem Gott in dialektischer Auseinandersetzung steht 108 • Er ist eine personifizierte Funktion Gottes, die sich, wie wir sehen werden, schrittweise aus der Gottpersönlichkeit herausentwickelt und loslöst 104 • Damit ist gleichzeitig gesagt, daß er auch nicht einfach eine aus einer fremden Religion übernommene Vorstellung ist. Das schließt die Frage keineswegs aus, ob seinem Bilde Züge fremder Nachbargötter anhaften. Ein solcher Einfluß kann jedoch nur einem innergöttlichen Darüber s. unten, S. 258 f. Die tierischen Attribute (Hörner, 'BocksfüRe, Schwanz) sind ihm erst später »gewachsen<. C. G. Jung schreibt hierüber: »Die Kirche hat die Lehre vom Teufel, eines bösen Prinzips, das man sich gerne bocksbeinig, gehörnt und geschwänzt vorstellt, das Bild eines Halbtiermenschen und chthonischen Gottes, der einem dionysischen Mysterienverein entlaufen zu sein scheint, eines noch bestehenden Bekenners sündhaft-fröhlichen Heidentums. Dieses Bild ist trefflich und charakterisiert genau den nefasten Aspekt des UnbewuRten, dem man nicht beigekommen, und das deshalb noch im ursprünglichen Zustand unbeherrschter Wildheit verharrt.< (Die Psychologie der Uebertragung, 1946, S. 46.) 101 Von hier aus gesehen wird der Grundfehler H a n s Du h m s, den Satan einfach unter die Kakodämonen einzureihen, nochmals in seiner ganzen Tragweite sichtbar. Seine rein äußerliche Klassifikation führt, wie bereits erwähnt, am Wesentlichen ganz vorbei. Der Satan wird dadurch keineswegs als das bedeutende theologische Phänomen erfaRt, das er in Wirklichkeit darstellt. 102
103
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ProzeR innerhalb der Jahwereligion adäquaten Ausdruck verliehen haben. Religiöse Figuren werden nicht einfach übernommen, sondern entsprechen einem Bedürfnis, das noch keinen Ausdruck gefunden hat. Sonst wäre nicht erklärlich, warum solcher Einfluß, etwa der babylonische, nicht schon viel früher und noch viel mehr verfangen haben sollte. Erst als die Figur des Satans reif war, sich aus der Persönlichkeit Gottes herauszulösen, konnten Züge ähnlicher Gestalten der religiösen Umwelt übernommen werden 105 • Dieser Frage soll noch eingehend nachgegangen werden 106 • Zunächst gilt es aber, das aus der Namens- und Begriffsanalyse Gewonnene noch im einzelnen zu erhärten und das Bild des Satans in seinen weiteren Wesenszügen nachzuzeichnen und zu vervollständigen. Als nächstliegende erhebt sich die Frage: in welchen Formen göttlicher Manifestation erscheint der Satan und was bedeuten sie? Wir kehren zur Eileam-Geschichte zurück, als der ersten der alttestamentlichen Stellen, wo die satanische Funktion im göttlichen Bereich erscheint.
105 Vgl. hiezu Ger h a r d v. Rad, Eschatologische Erwägungen zu den Königspsalmen. ZAW 1940/41, S. 219: ~Wenn der J ahwismus ihm ursprünglich Fremdes in seine Anschauungswelt einbezieht, so müssen in ihm selbst die Voraussetzungen dazu gegeben sein.« v. Rad zeigt dies sehr schön an Hand der Königspsalmen, deren entlehnte Form des orientalischen Hofstils Gefäß für einen eigenen Inhalt: das messianische Königtum, wurde. - Vgl. auch F ö r s t e r , Art. oa.Eflml), in: Kitte 1, Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament, S. 16, der auch für die spätere Zeit betont, >daR das Judentum nichts übernommen hat, wofür bei ihm nicht der Boden bereitet war.:. 106 s. unten, S. 292 ff.
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II. Der mal 'äk Jahwe als Satan in der Bileam-Erzählung Nu 22,22 ff. Es wurde bereits im Vorhergehenden auf die Mittelstellung dieser Erzählung in der Entwicklung des SatanBegriffs hingewiesen: sätan ist hier noch nicht Bezeichnung einer mythologischen Person, oder gar Eigenname einer solchen, der Begriff ist aber einer bereits bekannten mythologischen Erscheinung, dem mal'äk I ahroe, als nähere Eigenschaftsbestimmung beigefügt. Der Begriff hat hier durchaus -iind ausschließlich die dem profanen Bereich entnommene Bedeutung: Feind, Widersacher, ohne weitere Differenzierung dieser feindlichen Qualität zu »Ankläger« wie in Hiob und Sacharja, oder »Versucher« wie in 1 Ch 21, 1. Wohl aber - und dies ist das Bemerkenswerte dieser Stelle - begegnet diese dem profanen Bereich bekannte Funktion erstmalig in der göttlichen Sphäre. Nu 22, 22 ist gewissermaßen der Schnittpunkt, wo profanes und göttliches Phänomen sich überschneiden, oder, um ein anderes Bild zu gebrauchen: die Umschlagstelle des profanen Begriffs in den mythologischen. satän, Widersacher, ist hier eine Qua.1itiil des mal'äk Iahroe. Der Uebergang des Satan-Begriffs vom menschlichen in den göttlichen Bereich erscheint also im mal'tik I ahroe. H ans Du h m erwähnt diese Stelle wohl\ jedoch inmitten der »profanen« Beispiele von Salomo und David, ohne Berücksichtigung des bedeutsamen »Szenenwechsels« vom menschlichen in den göttlichen Bereich. Von unserem Blickpunkt aus ist diese Stelle~ jedoch höchst aufschlußreich und bedeutsam. Sie aufe1 egt uns nichts weniger als die Erfassung des Satanbegriffs im Zusammenhang mit demjenigen des mal' äk Jahroe.
1
206
l. c.
s. 16.
1. Vorkommen und theologische Bedeutung des mal'äk Jahwe im Alten Testament mal' ak ist eine auch im Phönizischen 2 vorkommende Nominalbildung von dem im Hebräischen nicht belegbaren Stamm l'ak, arab. la'aka »mit einem Auftrag senden« 3 • mal'tik ]ahme ist also dem Begriff nach »der Gesandte Gottes«. Wesentlich ist für unseren Zusammenhang die Tatsache, dafl er in Funktionen auftritt, die an anderen Stellen, oft sogar in derselben Erzählung, Jahwe selbst übernimmt. Z. B. sagt der mal'ak ]ahme Gn 16, 10 zu Hagar: »Zahlreich will ich machen dein Geschlecht, ••• 4 .« Er spricht hier eine Verheißung aus, wie sie an anderer Stelle (Gn 15, 53) Jahwe selbst ausspricht. Ex 3, 2 erscheint der mal'ak ]ahme dem Mose im Dornbusch, V. 4 ist es aber Jahwe, der aus dem Dornbusch zu Mose redet. In Jakobs Traum (Gn 32, 13) spricht der mal'tik ]ahme seine Identität mit Jahwe geradezu aus: »Ich 5 bin der Gott, der dir zu Beth-El erschienen ist, wo du einen Malstein gesalbt, und wo du mir 6 ein Gelübde getan hast.« Ebenso deutlich identifiziert er sich mit Jahwe in Ri 2, 1-3: »Und der mal'ak ]ahme ... sprach: Ich habe euch aus Aegypten herausgeführt, und in das Land gebracht, das ich euren Vätern zugeschrieben habe, ... « Wie in Ex 13, 21 Jahwe als Wolkensäule vor Israel einherzieht, so tut es Ex 14, 19 der mal'tik ]ahme. Und gleich danach, 2 resp. im Ugaritischen, »einem altkanaanäischen, dem Phönizischen nahestehenden Dialekt des 2. Jahrtausends v. Chr.«. (W. B a um gart n er, Zum Problem des » J ahweEngels«, in: Schweiz. Theol. Umschau, Nr. 5, 14. Jhrg. Okt.
1944). 3 s. Gerhard v. Rad, Artikel 'arreJ.or:, in: Kittel, Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament I, S. 75-79. s. auch Ge s e n i u s- Buh I und K ö hIer, Lex. s. v. • s. auch Gn 21, 18. 5 Von mir hervorgehoben. 6 do.
207
Ex 14, 24 ist es wiederum Jahwe selbst, der um die Zeit der Morgenwache in der Feuer- und Wolkensäule auf das Heer der Aegypter schaut und es verwirrt. Gleiches Verhalten zeigen Jahwe und sein Engel auch an anderen Stellen. Wie in Gn 32, 29 Elohim dem mit ihm kämpfenden Jakob seinen Namen nicht nennen will, und wie Jahwe Mose gegenüber seinen Namen im Geheimnis beläßt: »Ich bin, der ich bin«, so sagt Ri 13, 17-18 der von Manoah nach seinem Namen befragte mal' äk J ahroe: »Warum fragst du nach meinem Namen? Er ist wunderbar.« Und nachdem der mal'äk J ahroe in der Altarflamme entschwunden war, sagt Manoah zu seinem Weibe: »Wir müssen sterben; denn wir haben Gott 7 gesehen.« (Ri 13, 22.) Ebenso fürchtet Gideon (Ri 6, 22) zu sterben, weil er den mal'äk ]ahroe »von Angesicht zu Angesicht« geschaut hat 8 • Die Stelle ist aber noch in weiterem Sinne aufschlußreich hinsichtlich des Wesens des mal' ak J ahroe. Es heißt da: »Als Gideon sah, daß es der mal'äk Jahroe war, sprach er: Wehe, mein Herr, Jahwe, daß ich den mal' ak J ahroe von Angesicht zu Angesicht geschaut habe! Aber Jahwe sprach: Heil dir! Fürchte dich nicht, du wirst nicht sterben.« Aus dieser, wie auch aus den obenerwähnten Stellen geht deutlich hervor, daß der mal'äk ]ahroe mit Jahwe identisch ist; denn nur wenn dem so ist, ist Gideons Angst, sterben zu müssen, begründet. Gleichzeitig unterscheidet ihn aber Gideon von J ahwe. Sein Weheruf darüber, daß er den mal'ak ]ahroe geschaut hat, ist an Jahwe gerichtet. Läßt sich daraus nicht sehr schön entnehmen, daß der mal'äk ]ahroe mit Jahwe identisch und doch wieder nicht Jahwe in seiner umfassenden Ganzheit ist? Er ist Jahwe in einer bestimmten Funktion: als seine Erscheinung. Er von mir hervorgehoben. Vgl. Ex 33, 20, wo Jahwe zu Mose sagt: ~Du kannst mein Angesicht nicht schauen, denn kein Mensch bleibt am Leben, der mich schaut.« 7
8
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ist die dem Menschen zugewandte Seite Jahwes als Hypostase, gewissermaßen seine Beziehungsfunktion 9 • So ist er Jahwe, und doch nur eine Seite, ein Aspekt seines Wesens. Das erklärt, daß er wie Gott selbst auftritt und doch an anderer Stelle deutlich sein Bote ist, wie ja auch sein Name besagt 10 • Was hat dieser eigenartige Sachverhalt zu bedeuten? Diese Frage war schon früh Gegenstand der theologischen Betrachtung. Ueber die älteren Anschauungen (Philo, Kirchenväter usw.) siehe unten (S. 222, Anm. 46). Gun k e I sucht die Schwierigkeit )durch eine religionsgeschichtliche Erwägung zu heben«: »Die ältesten Sagen sprechen sehr unbefangen von Gotteserscheinungen: Jahwe erscheint in Person, man hört seine Schritte, sieht seine Gestalt und vernimmt seine Stimme. Eine spätere Zeit aber würde es als eine Profanation empfinden, wenn man von Jahwe selber so Menschliches berichten würde. Darum erzählt sie, daß nicht Jahwe selbst, sondern ein untergeordnetes göttliches Wesen, sein ,Bote' erschienen sei. Dies Entwicklungsgesetz, daß gewisse Prädikate der Gottheit bei fortschreitender Religion anstößig werden und dann einem niederen göttlichen Wesen 9 Besonders schön geht dies auch aus der erwähnten Stelle Ex 3, 2 und 4 hervor: In V. 2 ist der mal'iik ]ahme der dem Mose erscheinende Jahwe, wie aus V. 4 deutlich zu entnehmen ist. 10 Es wurde schon vermutet, daß das Wort eingentlieh :.Botschaftc, Sendung, heille (so V a t k e, de Wette, Re u ß, Be r t h e a u, W e 11 hausen u. a.; s. Sc h u I t z, Alttestamentliche Theologie, Göttingen 1896, S. 4?6. Vgl. auch A d o I p h e L o d s, L'ange de Jahve et l'äme exterieure, S. 277, BZAW 2?, der außerdem noch P r o c k s c h als Vertreter dieser Ansicht nennt). Dem Sinn nach ist dies nicht von der Hand zu weisen; der mal' iik Jahwe ist gewissermaßen der funktionelle Ausdruck Gottes, der von der menschlichen Seite her als Botschaft aufgenommen wird. Es ist aber kaum anzunehmen, daß eine solche Abstraktion der Vorstellung zugrunde liegt. Dagegen spricht eben gerade ihre Personifikation.
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gegeben werden, spielt auch sonst außerhalb und innerhalb Israels eine große Rolle.... Eben wegen dieser Entstehung aus der Reflexion ist die Gestalt des BotenJahwes ,immer ein wesenloser Schemen geblieben' (Ed. Meyer, Israeliten 216) 11.« Diese Auffassung müßte aber dadurch erhärtet werden können, daß sich der mal'ak ] ahme durchgehend als Interpolation nachweisen ließe, was schwer halten dürfte. G u n k e I gibt selbst zu 12 : »Ganz jung aber ist die so geschaffene Figur des Engels nicht (Hos 12, 5, vgl. auch Gen 24, 7; 48, 16), so daß es jedenfalls nicht angängig ist, mal' äk 16, 7 und in den verwandten Stellen einfach als sekundär aus den Texten zu entfernen, ... « Wir können deshalb in der InterpolationsTheorie keine Lösung des Problems erblicken. In neuester Zeit hat W. B a um g a r t n er der Frage des mal'ak ]ahme in sprachlich-literarischer Hinsicht eine grundlegende Studie gewidmet 13 , die sich prinzipiell in ähnlicher Richtung bewegt, jedoch zu differenzierteren Resultaten kommt. Eine umfassende Untersuchung aller mal' äk ] ahme-Stellen führt ihn zum Ergebnis, daß die Bezeichnung mal' ak]ahme nicht diesen Engel gegen andere abgrenze, sondern lediglich den himmlischen Boten, den Boten J ahwes, gegen den gewöhnlichen Boten, wie aus dem sehr viel häufigeren Profangebrauch von mal'äk 11 Genesis, 4. Aufl. 191?, zu Gn 16, ?, S. 18?. Für diese Auffassung verweist F r i d o I in Stier (Gott und sein Engel im Alten Testament, 1934, S. 6, Anm. 16) auch auf folgende Autoren: S. M. Lagrange in Revue Biblique XII (1903) 212-225; B. Stad e, Biblische Theologie des AT 1/96 ff.; R. K i t t e l , HSA T ~ Bd. I, S. 380, Anm. c zu Ri 6, 11; Fr e y, L'angelologie juive au temps de Jesus-Christ (in: Revue des sciences philosophiques et theologiques [1911], S. 90, Anm. 4) und A. S c h u l z, Das Buch der Richter ... S. 40, zu Ri 6, 11. 12 l. c. 13 Zum Problem des » Jahwe-Engels«, in: Schweiz. Theol. Umschau, N. 5, 14. Jahrg., Okt. 1944.
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im Alten Testament hervorgeht. »M.- J. bezeichnet also nicht einen besonderen Engel im Unterschied von anderen Engeln, sondern den Gottesboten im Unterschied vom gewöhnlichen Boten, somit einfach den Engel. Gerade so wie bet ]ahme, » Jahwes Haus~, womit gelegentlich »das Haus~ oder »mein (dein, sein) Haus~ wechselt, den Tempel im Unterschied zu einem gewöhnlichen Haus meint. Die seit Hieronymus übliche Uehersetzung mit :.Engel Jahwes (Gottes)« ist somit als unrichtig aufzugehen 14 .~ Dem schwerwiegenden Schluß B a um g a r t n er s, daß damit »der Auffassung vom M.- J. als einem qualifizierten Engel der Boden entzogen~ sei 15, kann ich mich jedoch nicht restlos anschließen. Er wäre m. E. nur dann berechtigt, wenn der Begriff allein über die Qualifikation Aufschluß gehen würde. Die Beziehung, in der der mal'äk ] ahme zu J ahwe steht, ist aber ehenfalls ein qualifizierendes Moment; die oben nachgewiesene häufige Erscheinung seiner Identität mit Jahwe scheint mir mit zu seiner Qualifikation zu gehören und von der bloßen Begriffsklärung her nicht verständlich zu sein. Auch B a um g a r t n er hält es wie Gun k e 1 16 für :.verkehrt, in dieser Entwicklung lediglich einen textgeschichtlichen ProzeH zu sehen, wie es gelegentlich geschehen ist, so daß nun einfach überall das mal'äk zu streichen wäre~ 17 • Er unterscheidet zwischen dem Alter der Vorstellung, das durch Hos 12, 5 18 und die Vorliehe des Elohisten für den Engel gewährleistet ist 19 und dem Alter des Wortlautes: »... bei diesem muß mit mancherlei Veränderungen in der schriftlichen Ueherlieferung wie 14
15
I. c. S. 99/100. I. c. S. 100.
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s. oben, S. 210.
17
I. c. S. 101.
18 »Er (d. i. Jakob) rang mit dem Engel (mal'äk) und siegte; ... < 19 I. c. s. 102.
211
auch schon vorher gerechnet werden. So ist dieser mit J ahwe wechselnde Engel gewiß nicht älter, sondern jünger als die sonst in Alt-Israels Glauben vorhandenen ,Engel', d. h. ursprünglich selbständige und dann Jahwe unterstellte Numina verschiedener Herkunft 20 .« Ungeachtet dieser wesentlichen sprachlich-textkritischen Feststellungen B a um g a r t n er s bleibt aber das eigentliche theologische Problem der Identität von J ahwe und seinem mal' äk weiter bestehen. Nach B a um g a r t n er machen sie »alle spekulative Ausdeutung des M.-J. hinfällig«, m. E. aber nicht die phänomenologische Fragestellung: was bedeutet es, daß - früher oder später, sei es in der mündlichen oder erst schriftlichen Ueberlieferung - eine Gleichsetzung von J ahwe mit seinem Engel erfolgte? Ein weiterer Lösungsversuch hinsichtlich des mal' ak ] ahroe-Problems liegt in der Monographie F r i d o li n S t i er s : »Gott und sein Engel im Alten Testament< 21 vor. Das Identitätsproblem reduziert sich ihm zunächst auf eine Stilfrage: Die Engelreden im Alten Testament sind Botenreden wie diejenigen der Propheten, im Gegensatz zu letzteren fehlt ihnen aber die BotenformeL Dafür gibt Stier verschiedene Gründe an 22 : 1. einen psychologischen: Unbewußtes Hinübergleiten des Schriftstellers vom Er-Stil in den Ich-Stil infolge Gewohnheit an die Ichformel, z. B. Dt 29, 6, inmitten der Mose-Rede >Ich bin Jahwe, dein Gott«. Der Verfasser nergaß« einen Augenblick das sprechende Subjekt und geriet (unbewußt) in den Stil der Jahwerede. 2. einen textgeschichtlichen: mal'äk kann vor ursprünglichem >Jahwe« interpoliert sein. 3. einen stilistischen, auf den S t i e r das Hauptgewicht legt: es handelt sich um eine Kurzform des altorientalil. c. s. 102. In: Alttestamentliche 2. Heft. 158 S. 22 l. c. s. 17 ff. 20
21
212
Abhandlungen.
1934,
Bd. 12,
sehen Botenstils. Der Bote spricht, als ob er der Sender der Botschaft wäre. Hierfür gibt S t i er auch außerbiblische Beispiele: Im babylonischen Adapamythos 23 spricht der Bote ohne die Formel »So spricht Anu«. »Da Interpolation selbstverständlich hier nicht in Frage kommt, handelt es sich um eine prägnante Weise, wie der Orientale die Botenrede wiedergeben kann 24 .« Gekürzte Stilisierung der Botenrede zeigt auch das Zwiegespräch zwischen Assurbanipal und Nabu 25 • Ein Priester des Nabu sagt dem König: »Fürchte dich nicht, Assurbanipal! Langes Leben will ich dir geben, guten Odem will ich für deine Seele beordern.« Aus alledem ergibt sich für S t i er, daß der mal'iik ]ahme ein »kreatürlicher« Engel ist, resp. eine »ldentitätsvorstellung völlig ausgeschlossen« sei. Stier übersieht aber zwei wesentliche Faktoren: 1. Das Identitätsproblem kann schon deswegen nicht auf ein biofies stilistisches Problem reduziert werden, weil die Identität sich gar nicht ausschließlich durch Botenreden ausdrückt, sondern auch in Handlungen, die einmal Jahwe, ein anderes Mal sein mal'ak ausführt 26 • 2. Die stilistische Kürzung hat als solche wiederum einen psychologischen Hintergrund. Wenn keine Wesensgleichheit gemeint oder mindestens denkbar wäre, würde doch das Sprachempfinden gerade peinliehst auf Auseinanderhaltung achten. Dasselbe ist von dem von Stier angenommenen Vorstellungswechsel zu sagen 27 • Ein solcher Vorstellungswechsel von Gottes-Ich und Boten-Ich wäre ja nicht möglich, wenn die verwechselten Subjekte nicht wesensmäßig etwas miteinander zu tun 23 Stier verweist auf A. U n g n a d, Die Religion der Babyionier und Assyrer, 1921, S. 128 ff. u. a. (l. c. S. 19, Anm. 37). 24 l. c. 19. 25 H. Pi n c k er t, Hymnen u. Gebete an Nebo, Nr. 2, S. 16 ff.; zit. Stier, l. c. S. 20, Anm. 40. 26 Beispiele s. oben, S. 207 f. 27 s. oben, S. 212.
s.
15
jung: Symbolik des Geistes
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hätten. Das psychologisch Wesentliche ist, daß so verwechselt wird und verwechselt werden kann. Eine Verwechslung ist eine unbewußte Identifizierung. S t i e r übersieht hier außerdem, daß eine solche »Identität« nicht nur beim mal'äk ]ahroe, sondern sogar bei den Propheten, den »Gottesmännernc: vorhanden ist, in dem Sinne, daß sie das Sprachrohr Jahwes sind. Ihre menschliche Individualität ist im Moment der Botschaft gleichsam ausgelöscht. Dies muß entsprechend auch von dem erwähnten Nabu-Priester angenommen werden 28 • 28 Den prinzipiellen Einwand Stiers gegen die >Identitätstheoriec, man dürfe nicht moderne Begriffe an einen alten Stoff herantragen, finde ich an sich durchaus richtig. Er sagt treffend: >Der Historiker sucht sich in die Träger religiöser Vorstellungen verstehend einzufühlen, um ihnen so ihr wahres Meinen abzulauschen. Man darf erst dann abendländisch reden, wenn man morgenländisch gesehen hat. Die ... angeführten Formulierungen zeigen deutlich, wie die griechisch-römische Prägung unseres Denkens und Auffassens gar leicht zur unberufenen Auslegerin wird, die sich ständig zwischen uns und das Wort der Quelle drängen möchte. Die Religionsgeschichte ist eben eine höhere Uebersetzungskunst und wie diese nur dann echt und wahr, wenn sie Nachgestaltung ist.< (S. 7/8.) Eine wesentliche Einschränkung scheint mir jedoch am Platze zu sein: Man muß wohl aus dem Stoff heraus denken, nicht in ihn hinein, aber man kann in der Erfassung eines Stoffes nicht sämtliche Erkenntnismöglichkeiten, die sich aus der seitherigen Kulturentwicklung herauskristallisiert haben, ignorieren. Z. B. archaisches Denken als solches erfassen heißt nicht: selber archaisch denken. Gerade die Distanz ermöglicht erst die Erkenntnis, nicht die Identifizierung mit dem Stoff. In einer tieferen Schicht ist freilich auch der moderne Mensch archaisch, und ohne ein Mitschwingen dieser menschlichen Urerfahrung ist ein lebendiges Nahekommen an den Stoff nicht möglich. Aber unser Stoffverständnis muß notwendigerweise über das Selbstverständnis einer vergangeneu Zeit hinausgehen. Denn ein alter Stoff birgt mehr Sinn als der Zeit seiner Entstehung bewußt war. Können denn wir uns selbst und den geistigen Gehalt unserer Zeit voll erfassen? Wir müssen uns in den Stoff möglichst voraussetzungslos, oder besser: in möglichster Be-
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Religionshistorisch sieht S t i e r den Ursprung des mal'äk ]ahroe im ägyptisch-babylonischen Wesir. Auf die diesbezüglichen Ausführungen S t i e r s näher einzugehen, würde in unserem Zusammenhang zu weit führen. Es sei nur das Endergebnis seiner Untersuchung erwähnt: Er weist auf den babylonischen Nebo und den ägyptischen Thot als himmlische Wesire, entsprechend den irdischen Wesiren hin. Nebo hei1H >nabiu Anuc: = >Verkünder (Herold) Anusc: 29 • Als Herold der Götter führt er den Namen Pap-sukal, d. h. »höchster oder hl. Botec: 80 • Der stereotype Titel Thots ist >Stellvertreter des Rec:. Der Wesir ist also ein stellvertretendes Mittelwesen zwischen Gott und Mensch. Das trifft nach S t i e r auch für den alttestamentlichen mal'äk zu. Aber auch mit dieser religionshistorischen Begründung der mal'äk ]ahroe-ErwuRtheit der eigenen Voraussetzungen, versenken. Wir können aber nicht umhin, den erfaflten Sinngehalt auf der Stufe des Erkenntnisausdrucks wiederzugeben, den die Kultur seither geschaffen hat. Begriffe wie >Hypostase.:, >Manifestation<, >Identität< usw. können daher durchaus legitim für einen alttestamentlichen Sinnzusammenhang verwendet werden, auch wenn sie nicht selbst alttestamentliche Begriffe sind. Eine letzte >objektive Wahrheit< verbürgt auch die phänomenologische Sicht nicht. Sie stellt aber wohl ein Optimum dar. Die objektive Wahrheit ist vielleicht überhaupt ein Grenzbegriff. Der wissenschaftliche Mensch kann sich ihr nur strebend nähern. Dies hängt wohl letztlich damit zusammen, daß das Wesen des Geistes vielschichtig ist, sein Licht sich in vielen Facetten bricht. 29 Jas t r o w, Die Religion Babyloniens und Aegyptens, Bd. I, S. 119, zit. Stier, l. c. S. 135. - Herrn Prof. W. B a u m g a r t n e r , Basel, verdanke ich den Hinweis,. daß diese Uebersetzung äußerst zweifelhaft ist. Erstens heißt es nicht >Verkünder des Anuc, sondern >der von Anu Berufene« und zweitens gibt es noch eine andere Bedeutung von nabü, nämlich >glänzen<, was zum Gott des Planeten Merkur, m:eA.ßwv , sehr gut paßt. (Vgl. P. Jensen, Texte z. assyr.-babylon. Religion. 1915, Keilschrift. Bibliothek, VI, 2, s. 16*. 30 l. c. s. 123.
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scheinung im Alten Testament ist das Identitäts-»gespenst< nicht gebannt. Nebo und Thot sind Götter mit ausgeprägtem Wesen und spezifischer Funktion 31 • Das kann vom mal'ak 1ahroe, wie weiter unten 32 noch gezeigt werden soll, gerade nicht ausgesagt werden. Der mal'iik 1ahroe hat weder einen Eigennamen, noch ist er durch seine Funktion wesensmäßig geprägt. Ist er schon seinem Begriff nach von Jahwe her bestimmt, so hat er auch keine Funktion, die Jahwe an anderen Stellen nicht auch selbst ausübt. Schon diese Tatsache allein sprengt das Bild des Wesirs für den mal'ak 1ahroe. Eine befriedigendere Erklärung des mal'iik 1ahroe hat A d o I p h e L o d s in seinem Aufsatz »L'Ange de Jahve et l'ame exterieure< gegeben 33 • Er hält die Vorstellung für primitiv, was nicht nur durch die Tatsache des weitaus überwiegenden Auftretens des mal'iik 1ahroe in alten Texten durchaus gerechtfertigt erscheint, sondern auch durch die zahlreichen Parallelen primitiver Vorstellungen, die er anführt. Darnach können Elemente einer Person sich von dieser loslösen, ohne dadurch aufzuhören, mit ihr verbunden zu sein, ja sogar ihr Lebensprinzip ausmachen, und ohne daß diese ihrerseits zu sein aufhören würde. Das ist z. B. der Fall während des Schlafes, wo die Seele oder ihr Doppel sich weitweg begeben können 84 • Auch im Alten Testament findet sich diese Vorstellung. So fühlt sich Ezechiel nach Jerusalem getragen, während sein Körper in Tel-Abib liegt. Hierher gehören im weis. oben, Anm. 29. s. s. 221. 33 In: Beihefte zur ZATW 27, S. 265-278. Zur Kategorie der :.Seele auRerhalbc gehören die Engel auch für V an der Lee u w (Art. >Geistere: in RGG, Bd. II, S. 961. Vgl. auch id., Phänomenologie der Religion. 1933, § 16 u. 42, 7. 31 L o d s verweist für diese primitive Auffassung der >ame exterieurec insbesondere auf F r a z er, Golden Bough 3 , II, p. 441-564. 31
33
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teren Sinne auch all die Erzählungen der Mana-geladeneu Gegenstände, wie der Stock Elisas, mit dem sein Diener Gehasi den toten Sohn der Sunamitin wieder zum Leben erwecken soll (2 K 4, 29-31), der Mantel Elias, mit dem Elisa den Jordan durchquert, usw. Eine solche »ame exterieure« ist in primitivster Vorstellung auch der Name. In ihm ist das Wesen. Darum liefert sich aus, wer seinen Namen preisgibt. Das gilt für Menschen wie für Götter. Daher auch hält Jahwe seinen Namen geheim (Ex 20, ?'). L o d s sagt daher: « Transporfez cette notion de psychologie ,primitive' a un etre divin, et vous avez des concepts qui ressembleut fort a celui de mal'äk. » Er beruft sich insbesondere auf Ex 23, 21, wo Jahwe zu Israel sagt: »Siehe, ich sende einen Engel (mal'ak) vor dir her, dich zu behüten auf dem Wege.... Hüte dich vor ihm und höre auf seine Stimme ... denn mein Name ist in ihm.« Der mal'äk ]ahme rückt so in die Nähe der Fravashis der iranischen Religion. « La fravashi du Seigneur est le Seigneur lui-meme; ainsi les epithetes qui appartiennent a Ahura sont attribuees Js 26 a sa fravashi 35 • » Verwandt ist nach L o d s auch die römische Vorstellung vom Genius, den Götter und Menschen haben. Mittels ihres Genius besuchten nach römischer Vorstellung die Götter ihre vielen Heiligtümer, wo man sie anrief. L o d s führt ein Beispiel dafür an: Stace bittet den Hercules, für den ein Tempel errichtet worden war: « Hic ades et genium templum nascentibus infer.« Und er weist darauf hin, daß dieser Zug des römischen Genius auch dem mal' ak ] ahme eignet. Eine seiner Hauptfunktionen ist in der Tat ebenfalls, bei der »Geburt« von Heiligtümern anwesend zu sein (Lachai-Roi, Beerseba, Ophra, und bei Manoah) 36 • 35 N a t h a n S o e d e r b I o m , Les Fravashis, Paris, 1899, p. 56, zit. bei L o d s , I. c. p. 275. 36 Nicht folgen können wir L o d s in seiner Auffassung, daß in historischer Zeit diese Vorstellung zur Lösung zweier
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Eine wesentliche Frage, die sich auftut, und die L o d s in seinem klärenden Aufsatz unberücksichtigt läfit, scheint mir die zu sein: Was bedeutet es theologisch, daß Jahwe als eine Person mit einer »ame exterieure4: vorgestellt wird? Dies ist doch eine außerordentlich wichtige Tatsache. Sie zeigt nämlich den Keim eines Differenzierungsprozesses der Gottpersönlichkeit, der sich im Alten Testament zunehmend entfaltet. Dieser ProzeR ist vorhanden, unabhängig von der historischen Fragestellung, ob die in ihm zutage tretenden hypostasierten Wesensseiten Jahwes »eingeschmolzene« alte Dämonen seien oder nicht. Die Einschmelzung hätte ja auch so geschehen können, daß die Elemente als solche nicht mehr sichtbar wären. DaR sie es sind, gehört zum Phänomen Jahwe, das nicht allein vom religionshistorischen Aspekt aus erfaßt werden kann. Gerade der mal' tik ] ahme scheint mir unmittelbarer Ausdruck einer der Gottpersönlichkeit imbereits theologisch zu nennender Schwierigkeiten ~benützt< wurde: erstens um die Vorstellung des Sinai als Sitz Jahwes mit seinen Manifestationen in Kanaan (Ex 23, 33) zu vereinbaren und später um zu erklären, daf! J ahwe auch außerhalb Palästinas wirken könne. Weitere Vertreter dieser Ansicht sind (zit. bei S t i e r , 1. c. S. 132): E d u a r d M e y er (Die Israeliten und ihre Nachbarstämme, S. 216), für den der mal' ak ] ahroe das Produkt einer naiven Theologie ist, die zwischen J ahwes Gebundenheit an den Sinai und seinem Erscheinen in Kanaan zu vermitteln suchte; er ist nach ihm »immer ein wesenloses Schemen geblieben, das nur als theologische Formel Bedeutung hat, durch die man sich über den Widerspruch zwischen dem religiösen Postulat und der kultischen Praxis hinwegzuhelfen sucht«; B. Stad e (Biblische Theologie des Alten Testaments, S. 97): ~Die Vorstellung, daf! ein von J ahwe gesandter Engel Israel führt, vermittelt zwischen dem alten Glauben, daf! J ahwe auf dem Sinai wohnt und dem Glauben, daf!, wo Israel, da auch J ahwe ist.« R. S m e n d (Lehrbuch der alttestamentlichen Religionsgeschichte, 2. Aufl., 1926); G. West p h a I (J ahwes Wohnstätten nach Anschauung der Hebräer, S. 31), der den mal'ak ]ahroe als einzelnes Wesen gegenüber der volkstümlichen
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manenten Differenzierungstendenz zu sein. Er hat kein eigenes Gepräge, sondern sein Wesen liegt gewissermaßen ganz nur im »Ausdruck-Sein«, als Seinsform J ahwes. Seine Funktionen können daher die verschiedenartigsten sein: Er bringt Offenbarung, Schutz, Bedrohung, alles, was J ahwe auch selber tut. Wo eine Funktion sehr distinkt ist, wird der mal'ak nach ihr benannt: so der mal'ak hammasl),it, der die Zerstörerische Funktion Jahwes verkörpert. Jahwe selbst schlägt um Mitternacht alle Erstgeburt in Aegypten; er spricht aber vom Würgengel, der es tun wird (Ex 12, 23). In 2 S 24, 16 ist es der mal'äk hammasl;ät, der die Pest über das Land bringt. Daß es sich hier um eine weitere Differenzierung der mal' ak ] ahroeVorstellung handelt und nicht um etwas wesensmäßig Verschiedenes 37, geht deutlich aus dieser Stelle hervor, denn im seihen Satz wird der mal' ak ham-masl),it unmittelbar darauf mal' ak ] ahroe genannt. Ebenso ist es der Vorstellung der Mehrheit der Engelswesen ebenfalls für ein Produkt der theologischen Reflexion hält. Die Annahme L o d s ' und der eben erwähnten übrigen Autoren ist aber nicht nur deswegen unwahrscheinlich, weil die mal' äk ] ahroe-Vorstellung zur Behebung der erwähnt,en theologischen Schwierigkeiten gar nicht geeignet gewesen wäre, sondern es ist vor allem zu rationalistisch, anzunehmen, solche Vorstellungen würden bewuf!t zu einem bestimmten Zweck geschaffen. L o d s spricht ausdrücklich von den »createurs de la notion.: (S. 2?8). Gerade was L o d s über den primitiven Charakter dieser Vorstellung ausführt, ist ja Zeugnis dafür, daf! sie einfach da war und ein solches >theologisches Problem« gar nicht aufkommen lief!. Solche Vorstellungen werden nicht vom Menschen »gemacht«, ebensowenig wie die Träume, sondern entstehen in ihm, als Ausdruck seiner inneren Natur. Es dürfte deshalb weniger den alten Hebräern ein Problem gewesen sein, wie Jahwe sowohl auf dem Sinai als auch in Kanaan gewesen sein kann, als ihren modernen, im materialistisch-räumlichen Denken zu sehr befangenen Interpreten! 37 s. D u h m , l. c. S. 14 f.
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mal' ak Jahroe, der in 2 K 19, 35 in einer Nacht 185 000 Assyrer umbringt 38 • Mir scheint, daß die eben erwähnte Stelle 2 S 24, 16 einen Hinweis für diese Differenzierung gibt. Es heißt da: ))Als aber der Engel (mal'ak) seine Hand gegen Jerusalem ausstreckte, um es zu verderben, da reute J ahwe das Unheil, und er sprach zu dem Engel, der unter dem Volke würgte (mal'ak ham-masl),it ba-'am): Genug! Ziehe nun deine Hand zurück! Der mal' ak Jahroe aber befand sich gerade bei der Tenne des Jebusiters Arauna.« Der mal'lik ]ahroe ist also das Ausführungsorgan des göttlichen Willens, die Aktivität Gottes, aber es entsteht gleichsam ein Zwiespalt in Gott, dem ein innerer Umschwung folgt: es gereut ihn sein hartes Urteil. Er ist nicht mehr identisch mit seiner Zerstörerischen Funktion, sondern steht ihr entgegen, indem er dem mal'ak Jahroe Einhalt gebietet. Hier ist bereits eine innere Auseinandersetzung in Gott zu erkennen, wie sie sich in späteren Schriften dann stärker ausprägt. Der mal' lik J ahroe ist, was hier besonders deutlich zutage tritt, kein Wesen mit eigenem Willen. Er wütet automatisch, bis ihm J ahwe Einhalt gebietet. Indem sich Jahwe aber von seiner eigenen Funktion distanziert, wird sie, wenigstens formal, von ihm ,abgelöst wahrnehmbar. Die Funktion als solche wird durch diesen »Riß« sichtbar. Was oben 39 über das Verhältnis dieses immanenten Differenzierungsvorgangs zur historischen Fragestellung gesagt wurde, läßt sich an dieser Stelle gut veranschaulichen: Selbst wenn hinter dem mal'ak ham-masl),it ein alter Pestdämon stünde, der in die Jahwe-Persönlichkeit aufgenommen-wurde, ist dies auf eine ·weise geschehen, die diesen Dämon als unmittelbare Wesensseite Jahwes erscheinen läßt, wie seine Identität mit dem mal'lik ]ahroe bezeugt. Und wesentlich ist, 38 39
220
Vgl. auch
s. 218.
Jes
37, 36.
daß dieser so gut eingeschmolzene alte Dämon in Jahwe als Wesensaspekt roieder sichtbar roird, und damit auch der Differenzierungsprozeß, den die Gottpersönlichkeit durchmacht. Zusammenfassend läßt sich über den mal'äk ]ahroe also sagen: 1. Er ist kein autonomes Wesen mit eigenem Willen. Er ist identisch mit J ahwe resp. mit bestimmt abgegrenzten Wesensseiten und Funktionen Jahwes. »Gott am concreten Orte und in bestimmtem Zeitpunkte wirksam heißt Engel Gottes 40 .« Es eignen ihm also keine eigenen Wesenszüge. Er ist der von der Jahwepersönlichkeit in die Verwirklichung sich loslösende Willensakt Gottes, also Hypostase jeweiliger aktiver Situationen Gottes 41 • 2. Diese im mal"äk ] ahroe zum Ausdruck kommende Aktivität Gottes ist inhaltlich nicht festgelegt. Sie erstreckt sich über den ganzen Wirkungsbereich Gottes und trägt dessen ambivalenten Charakter. 40 s. H i t z i g , zit. in H e r m a n n S c h u l t z , Alttestamentliche Theologie, 1896, S. 4?6. Als derselben Ansicht erwähnt Stier (1. c. S. 4/5) die folgenden Autoren: E. Kaut z s c h, Bibi. Theologie des Alten Testaments, S. 83 ff.: Der mal' i:ik Jahroe ist >eine Erscheinungsform J ahwes selbst, eine vorübergehende Versenkung desselben in Sichtbarkeit, nur insofern von ihm unterschieden, als er nicht die ganze volle Majestät seines Wesens darstellt<. W. B a u d iss in (Kyrios II, S. 681), der in den Engeln bis zum Exil Erscheinungsformen J ahwes sieht; August Knobel (Die Bücher Exodus u. Leviticus, S. 25: »er (der mal'i:ik ]ahroe) ist die Gottheit J ahwes, wiefern sie sich äußert, offenbart und wirkt, wiefern sie in die Erscheinungswelt tritt und da etwas Bestimmtes verrichtet.« - Vgl. auch George Buchanan G r a y , Numbers, in: The International Critical Commentary, 1912, pag. 333: cThe angel of Jahweh, i. e. a temporary appearence of J ahweh in human form.< 41 Als >Hypostase einer besondel'en Seite der Auswirkung des göttlichen Wesens« sieht den »Engel Jahwes« auch Rot h s t ein, Kommentar zum 1. Buch der Chronik, hrsg. von D. J. Hänel, 192?, S.380.
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3. Für Handeln und Reden des mal' äk ] ahme lassen sich, wie wir gesehen haben, Parallelen feststellen, wo Gott selbst dasselbe tut oder sagt; man kann ihn also mit Gott in diesem Handeln und Reden geradezu identisch erklären 42 • 2. Der mal 'äk Jahwe in Nu 22, 22 ff. Ueberblicken wir die oben erwähnten Wesenszüge des mal' äk ] ahme, so sehen wir, daß er in Nu 22, 22 ff. in einer spezifischen, negativen Funktion erscheint: er stellt sich dem Menschen Bileam als Widersacher in den Weg. Das gewonnene Bild vom mal'iik ]ahme erlaubt aber für diese Stelle den unbedenklichen Schluß, daß Gott selbst sich dem Bileam als Widersacher in den Weg stellt. 42 Sc h u I t z, I. c. S. 4?4 bemerkt hiezu: >Das tritt so unzweifelhaft hervor, daß die alte Kirche in diesem Gottesengel gern die Persönlichkeit des Logos, d. h. den sich offenbarenden Gott selbst sah, der hier das Vorbild der ,Menschwerdung' biete , ... < Die Identifikation des mal' iik Jahroe mit dem Logos, dem göttlichen Wort, findet sich schon bei Philo (s. Walte r B a um gart n er, I. c. S. 1, und F. Stier, I. c. S. 1). Justin war der erste, der ihn auf Christus bezog (Dialogus cum Tryphone; s. Stier, I. c. S. 1), welche Gleichsetzung dann Gemeingut der Patristik wurde (die betr. Stellenangaben s. bei Stier, 1. c. S. 1, Anm. 3). Dies ist ein Gedankengang, der für unseren Zusammenhang sich später als nicht unwesentlich erweisen wird. Die Engel, und speziell der Satan, haben m. E. wesentlich mit dem Mythos der Menschwerdung Gottes zu tun. Freilich scheint mir dieser ProzeR eigentlich erst von den Engeln, wie sie im Begriff bene hä-' elöhim gekennzeichnet sind, auszugehen, die gewissermaßen eine Weiterentwicklung dieses Differenzierungsprozesses der Gott-Persönlichkeit darstellen, wie noch zu zeigen sein wird. Der mal' iik Jahroe kann aber als erster Keim dieses Prozesses angesehen werden. - Von außerordentlicher Bedeutung erscheint mir in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß an mehreren Stellen des Alten Testaments die Menschengestalt der Engel ausgedrückt ist: indirekt Ri 6, 11:
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Der Widerspruch, daß Gott Bileam zuerst seine Zustimmung gibt, zu Balak zu gehen, und dann gegen ihn in Zorn entbrennt, als er es tut, läßt sich wohl, wie M o w i n k e I 43 überzeugend dartut, nur durch zwei verschiedene Quellen erklären. Wohl wären auch für eine solche Unberechenbarkeit Gottes Beispiele im Alten Testament zu finden; daß es sich hier aber wirklich um zwei verschiedene Quellen handelt, geht schon daraus hervor, daß Gott zu Bileam V. 32 sagt: »Siehe, ich bin ausgezogen als dein Widersacher; denn du hast die Reise überstürzt, mider meinen Willen.« Was geschieht hier? Der Mensch Bileam tut etwas aus seinem Willen heraus, gegen Gottes Willen, ohne es zu wissen, und da stellt sich ihm Gott in den Weg als Widersacher, als Hindernis für die Durchführung des eigenen menschlichen Willens. Der Mensch >Und es kam der mal'äk ]ahroe und setzte sich unter die Terebinthe«, direkt Jos 5, 13, wo von einem Mann die Rede ist, der J osua mit entblößtem Schwert gegenübersteht und sich in der Folge als >Oberster des Heeres Jahwes< vorstellt. Hierher gehören auch die drei Männer, die Abraham die Geburt Isaaks verkünden (Gn 18, 2 ff.). In Dan 8, 16 hat Gabriel die Erscheinung eines Mannes ( geber ), und eine göttliche Menschenstimme (qöl 'ädäm) befiehlt ihm, dem Menschen Daniel (ben 'ädäm) sein Gesicht zu erklären. Dan 10, 5 und 12, 5 erscheint der Engel wieder als Mann ('fs). (Vgl. J. R o t h s t e in , I. c. S. 382.) In der Kabbalah heißt eine der zehn den Sefiroth (s. unten, S. 302) zugeordneten Engelkategorien: 'zsim, und zwar die unterste, die dem Menschenreich am nächsten steht. - Umgekehrt wirft auch die Tatsache, daß ein Mensch göttlicher mal'äk genannt werden kann, ein inte!'essantes Licht auf die Entstehung des Theologems der Menschwerdung Gottes. Jes 44, 26 und 2 Ch 36, 15. 16 werden Propheten Jahwes seine mal'äkim genannt, und Mal 2, 7 ist vom Priester als mal'äk die Rede. Wahrscheinlich ist auch mal' äki gar nicht der Eigenname des Verfassers des Buches Maleachi, sondern eben die funktionelle Bezeichnung mal' äk. s. HSAT 4 z. St. 43 Der Ursprung der Bileamsage. ZATW 1929/30, S. 233271. Vgl. auch schon H o I z in g e r , Numeri, 1903, S. 104.
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nimmt ihn nicht wahr, aber sein Instinkt, die Eselin 4 \ sieht ihn. Und nun öffnet Gott selbst der Eselin den Mund, damit sie Bileam warne. Die Stelle ist für unseren Zusammenhang bis in jede Einzelheit so bedeutsam, daß sie ganz aufgeführt werden soll: »Nun entblöf!te 45 Jahwe dem Bileam die Augen, daß er den mal'äk ]ahroe auf dem Wege stehen sah, das gezückte Schwert in der Hand. Da verneigte er sich und warf sich auf sein Angesicht. Der mal'äk ]ahroe aber sprach zu ihm: Warum hast du deine Eselin nun schon dreimal geschlagen? Siehe, ich bin ausgezogen, als dein Widersacher; denn du hast die Reise überstürzt wider meinen Willen. Die Eselin nun hat mich gesehen und ist dreimal vor mir ausgewichen. Wenn sie nicht vor mir ausgewichen wäre, so hätte ich dich umgebracht und sie am Leben gelassen.4: Gott tritt hier in seinem Doppelaspekt, dem hilfreichen und dem bedrohlichen, auf. Bedrohlich stellt er sich dem Menschen Bileam in den Weg, bereit, ihn zu töten, wenn er nicht gehorcht, aber hilfreich macht er ihn sehend, damit er gehorchen kann. Gott stellt sich dem
Menschen entgegen, um ihn zu hindern, aber damit dieser an ihm Anstoß nehme, ihn roahr-nehme. Es ist eine tödliche Bedrohung des Menschen, aber mit dem Leben als Ziel, dem auf Gott bezogenen Leben. Der Mensch wird 44 Für das Reittier als Symbol der den Menschen tragenden Instinkte und das hilfreiche Tier als Symbol des Instinktes gibt es in Märchen und Träumen viele Beispiele. Vgl. in unserem Zusammenhang Gunkel, Das Märchen im Alten Testament, 1917, S. 31. 45 Da mir hier der genane Wortsinn bedeutsam erscheint, habe ich ihn an Stelle der im Deutschen besser klingenden Uebersetzung der Zürcher Bibel mit "öffnen« gesetzt. gälä = entblößen, heißt also etwas wegnehmen von den Augen, das die Sicht hinderte, in unserer Stelle: die Sicht auf Gott. Man darf dieses Blindmachende, weil ausdrücklich vom nicht wahrgenommenen göttlichen Willen die Rede ist, wohl im menschlichen Eigenwillen sehen. Vgl. auch Nu 24, 4. 16 und Ps 119, 18, wo das Wort ebenfalls im Sinne der Erschließung der Sicht auf das Göttliche hin gebraucht ist.
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durch Gott buchstäblich beengt auf dem Wege, auf dem ihn sein eigener Wille führt, er ist blind befangen im eigenen Willen, und es braucht einen Erkenntnisakt von Gottes Gnaden - das Oeffnen der Augen - um den Willen Gottes wahrzunehmen. G. West p h a 1 46 macht hier den kriegerischen Charakter des mal' ä.k Jahroe geltend. Er sieht in ihm einen Krieger des himmlischen Heeres ,ähnlich dem sar-$eba']ahroe von Jos 5, 14. Psychologisch würde dies ein Ausdruck des kämpferischen »marsischen« Jahwe sein, der seine Forderungen wie ein >Kriegsfeind« anmeldet, was sich auch mit der profanen Bedeutung des Satan-Begriffs deckt, wie wir oben 47 gesehen haben. In unserem Zusammenhang kommt aber auch noch der Symbolgehalt des Schwertes in Betracht. Das gezogene Schwert scheint mir Symbol der durch den Konflikt von göttlichem und eigenem Willen hervorgerufenen Diskrimination, Entscheidung darzustellen. Es ist Symbol der Erkenntnisfunktion. Das gezückte Schwert erinnert an die >Flamme des zuckenden Schwertes« in Gn 3, 24. Auch dort verkörpert es m. E. - es erscheint dort nicht von einem Engel getragen, sondern wie eine selbständige göttliche Hypostase- den Zustand des diskriminierenden Wissens um Gut und Böse, der den Menschen für immer vom tierhaft-unschuldigen Zustand des Lebens an sich - das Schwert bewacht ja den Baum des Lebens! - trennt. In dieses Paradies kann der Mensch nicht mehr zurück. Sein Wissen um Gut und Böse, manifestiert in der »Flamme des zuckenden Schwertes« trennt ihn davon 48 • Im Zusammenhang mit dem Wissen um Gut 46 l}ebii.' has-siimaim, in: Oriental. Studien II, Festschrift für Theodor Noeldeke, S. 725. 17 S.185 ff. 18 KarIBu d d e (Die biblische Paradiesesgeschichte, 1932, S. 84) sieht in lahat ha-l:tereb ham-mithappel:tet den Blitz. Entsprechend sind für ihn die Kerubim Gewitterwolken. Der
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und Böse erscheint der mal'tik Jahme ja auch ausdrückheb in 2 S 14, 17: (Die Frau von Tekoa sagt:) »Und deine Magd dachte: das Wort meines Herrn, des Königs, wird mir eine Beruhigung sein; denn mein Herr, der König, ist wie der mal'tik Jahme, daß er Gutes und Böses unterscheiden kann.« In Nu 22, 22 ff. geschieht also das Bedeutsame, daß der Widerstand gegen den menschlichen Willen nicht von einem irdischen Feind kommt, wie z. B. in den SalomoKerub mit dem Schwert in der Hand ist nichts anderes als Gewitterwolke und Blitz. Gunkel (Genesis, S. 24 f.) geht über diese im engeren Sinne naturmythologische Auffassung - die schon darum nicht ausreichen kann, weil sie sich nur auf die Keruben-Stellen bezieht, wo diese den Thron J ahwes bilden (1 S 4, 4; Ps 18, 11; Ez 10, 2), nicht aber auf die häufigeren, wo sie bewachende Funktion haben - hinaus (s. aufler Gn 3: Ex 37, 5-9; 1 K 6, 23-27; Ex 28, 16: »Der schirmende Kerub« keriib has-sokek ). Gunkel verweist auf die Allgemeinheit des Motivs der Heiligtumsbewachung: Sphinxe bei den aegyptischen Tempeln und mischgestaltige Wesen am Eingang der babylonischen Tempel. Eine direkte Anlehnung an letztere dürften nach ihm die biblischen Kernben sein. Auch im Flammenschwert sieht er eine solche aus der Fremde übernommene mythologische Vorstellung. Als Parallele erwähnt er die Waberlohe, die Brünhild umgibt und - näherliegend für das Alte Testament - den von T h ur e a u D a n g i n (Revue d'histoire et de Iitterature religieuses I, 146 ff.) mit dem Flammenschwert zusammengebrachten ehernen »Blitz«, den Tiglat-Pileser I an der Stelle einer zerstörten Stadt errichtet hat (Inschr. Tigl.Pil. I KB I, 36 f. Z. 15 ff.). Und auf dem Boden des Alten Testaments selbst: Sach 2, 9, wo Jahwe selbst als Feuermauer das Jerusalem der Zukunft bewacht. Vgl. · auch A. Je r e m i a s, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, 1930, S. 111. Er faflt ]:tereb selbst nicht als Schwert, sondern Waberlohe auf, da es auch Trockenheit und Hitze bedeute. Bei der viel häufigeren Bedeutung »Schwert~ von arab. ]:tarib scharf, J:tarbat Lanze, ]:tarb Krieg, scheint mir dies aber nicht wahrscheinlich, besonders im Hinblick auf die Parallele unserer Stelle Nu 22, 22 ff. wo ebenfalls das Schwert in Verbindung mit einem göttlichen Wesen auftritt. - Den Blitzcharakter macht für
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Stellen, sondern von Gott, d. h. hinter dem, was den menschlichen Willen durchkreuzt, steht göttlicher Wille. Der Widersacher ist Gott. Hier tut sich hinter dem mal' tik Jahwe ein in noch ganz anderer Weise dunkler Aspekt Gottes auf als im mal'äk ham-masl]jt. Es wird ein Anspruch Gottes an den Menschen sichtbar, der sich lebensfeindlich manifestiert, und der den Menschen zwingt, sich diesem scheinbar lebensfeindlichen Willen unterzuordnen. die :.Flamme des zuckenden Schwertes< auch W. Zimmer I i (1. Mose 1-11. Die Urgeschichte, 1943, S. 232 ff.) geltend, denkt jedoch nicht wie B u d d e lediglich an die naturhafte Blitzerscheinung, sondern wie Gun k e I an den mythologisch belegten Schutzcharakter des Feuers oder Blitzes. Die genaueste Parallele für diese Auffassung bringt H. V in c e n t (Revue biblique t. XXXV, 1926, p. 481 ff.) bei (zit. in: Pa u I H um b er t, Etudes sur le recit du Paradis et de la chute dans la Genese, in: Memoires de l'Universite de NeuchiHel 1940, p. 40). Der Kerub entspricht dem mesopotamischen Karibu, das flammende Schwert dem Blitz, der den Zutritt zu einem Ort verbietet und dem lamassu (lal.tmu) gleichkommt. Die beiden Ausdrücke in Gn 3, 24 wären daher die Entsprechung der >inseparables couples: lamasu-Karibu postes en sentineile aux seuils des demeures royales ou divines dans I'antique Mesopotamie<. - Solche mythologische Einordnung eines Motivs genügt aber noch nicht zur Sinnerfassung. Blitz und Flamme sind ihrerseits Symbole geistiger Inhalte. Siehe die häufige Feuersymbolik für J ahwe (Feuersäule Ex 13, 21, die erwähnte Feuermauer in Sach 2, 9 und sein Wort als inneres Feuer bei Jer 20, 9. Siehe auch die Liebe als J ahwe-Flamme, H. L. 8, 6). Und der Blitz ist seinem Wesen nach Symbol plötzlicher Erleuchtung; man denke an den Ausdruck :.Gedankenblitz<. Das flammende Schwert symbolisiert m. E. die diskriminierende Erleuchtung. Sie ist auch psychologisch gesehen die Wächterin des Paradieses. Sie selbst ist es, die die Rückkehr verunmöglicht. Ueberaus interressant scheint mir in unserem Zusammenhang, daf! nach Tabari und anderen Iblis der Hüter des Gartens Eden ist! (s. L e o J u n g, Fallen Angels in J ewish, Christian and Mahommedan Literature, in: Jewish Quarterly Review XV, XVI, Philadelphia 1926, pag. 34.)
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Interessant ist in diesem Zusammenhang eine der Bileam-Sage sehr ähnliche mittelasiatische Erzählung, die G u n k e 1 49 erwähnt. Sie handelt von Täktäbäi Märgän, dessen Pferd jäh zurückspringt, als es den Teufel Ker Jupta erblickt. Der Jüngling fragt das Pferd, da er selbst ·nichts gewahrt, zweimal, was es gesehen habe; dieses antwortet schließlich: »Sieh nach oben, sieh nach unten 50 !« Hinter der engen Beziehung von göttlichem und menschlichem Willen in der Eileam-Erzählung scheint sich mir ein Sinnzusammenhang von allgemein-menschlicher, tiefer Bedeutung aufzutun: Im Widerstand gegen den eigenen Willen erlebt der Mensch eigentlich erst, daß er einen Willen hat. Er wird dadurch aus dem tierischen Bereich in den menschlichen erhoben, d. h. in das Erlebnis individueller Existenz. Der menschliche Wille wird bewußt im Anprall an den göttlichen, im Zusammenstoß mit dem Widersacher. Im lebensbedrohenden göttlichen Widerstand birgt sich also auch ein positiv-zielhafter Aspekt: der Widersacher ist als solcher zugleich Verursacher des individuellen Bewußtseins. Warum muß aber der menschliche Wille im Wahrgenommenwerden durch den Menschen auch schon gebrochen werden, oder um des Gebrochenwerdens willen wahrgenommen werden? Das ist aus unserer Stelle noch nicht sichtbar. Sie läßt nur durchblicken, daß es um ein Lebensproblem, vielleicht um das Lebensproblem des Menschen geht; denn Ungehorsam Bileams hätte seinen Tod zur Folge gehabt. Daß es aber auch für Gott nicht nur gewissermaßen eine Prestige-Frage ist, ob der Mensch gehorcht oder nicht, sondern eine Schicksals frage, läßt sich hier nur erst ahnen. Im weiteren soll es aber noch deutlich werden. Dieser Zu~ 0 Das Märchen im Alten Testament, 1917, p. 31 f., in: Religionsgeschichtliche Volksbücher. II. Reihe, 23./26. Heft; zitiert aus L e o Fr oben i u s, Im Zeitalter des Sonnengottes. s. 133 f. 50 Von mir hervorgehoben.
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sammenhang bildet m. E. die Voraussetzung zur Weiterentwicklung des Widersachers als mythologische Gestalt in jener Erzählung, in der er erstmals als »der Satan« auftritt, und die am meisten über ihn aussagt: die Rahmenerzählung des Hiob-Buches.
111. Der Satan als einer der bene ha-'elöhim im Hiob-Buch (1, 6-12 und 2, 1-?) 1. Das Alter der Vorstellung Am meisten scheint unserer These, daß es sich bei der Figur des Satans um das Ergebnis eines innergöttlichen Entwicklungsprozess~s handelt, gerade jene Stelle im Alten Testament entgegenzustehen, die als einzige dem alttestamentlichen Satan Popularität verschafft hat: die Rahmenerzählung des Hiob-Buches, das sog. Volksbuch Hiob. Im allgemeinen wird die Satansfigur im Hiob-Buch als alte, volkstümliche Dämonenfigur angesehen, so z. B. von Hans Du h m 1 • In dieser Ansicht treffen sich diejenigen, die für die Rahmenerzählung selbst ein hohes Alter annehmen, mit jenen, die für die Erzählung selbst zwar eine jüngere Zeit ansetzen, die Figur des Satans aber als alte Volkstradition betrachten. Die bereits erörterte Tatsache, daß der Satan im Hioh-Buch noch keinen Eigennamen hat, sondern mit einem solchen erst in einemjüngeren Werk, der Chronik, auftritt, fällt in erster Linie schwer gegen die Annahme des Alters dieser Figur ins Gewicht. Zudem kommt ihr eine ganz andere Be1 I. c. S. 17: >Die altertümlichste Form dieses Wesens wird man in dem Satan des Volksbuches von Hiob erkennen müssen.4: H an s D u h m beruft sich dafür auf B er n h a r d D u h m , Das Buch Hiob, S. VII f.
16 jung: Symbolik des Geistes
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deutung zu als den eigentlichen Kakodämonen im Alten Testament, wie wir bereits gesehen haben. Letztere spielen eine periphere Rolle. Sie irrlichtern da und dort herum. Es gibt auch Zeugnisse dafür, daß ihnen in prophetischer Zeit noch geopfert wurde, aber gerade dadurch stehen sie deutlich außerhalb der Jahwereligion 2 • Der Satan im Hiob-Buch aber steht Gott in dialektischer Auseinandersetzung gegenüber. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, daß er Jahwe untergeordnet sei 3 • Aber es wird dabei gänzlich übersehen, welche Macht dieser an Rang Jahwe untergeordnete Dämon hat: vermag er es doch, Jahwe gegen Hiob zu reizen, ihn zu einer folgenschweren Entscheidung zu veranlassen. Jahwe läßt sich mit diesem Dämon immerhin in eine ernste Diskussion ein und läßt sich von ihm beeinflussen. Wohl glaubt er weiter an Hiob, aber liegt nicht - psys. oben, S. 196 f. So z. B. Hans Du h m, l. c. S. 19/20: ~Das Verhältnis des Satans zu Jahve, des ben ha-' elohim zum obersten Gott, läf!t sich etwa vergleichen mit dem Verhältnis zwischen Vasall und Grof!könig. Jahve allein hat die Macht in Händen, ohne seine Einwilligung ist der Satan ohnmächtig.« Er nimmt an, »daf! eine ältere, dem Satan freieren Spielraum gewährende Vorstellung allmählich dem mächtiger werdenden monotheistischen Grundzuge der Jahvereligion sich anpassen muf!te. Als Jahve noch nicht so unbeschränkt Alleinherr war, wird der Satan nach eigenem Belieben sein gefährliches Spiel getrieben haben ... Mehr und mehr aber verlor er seine Unabhängigk,eit. Die Jahvereligion ordnete auch ihn, wie die übrigen Dämonen, dem höchsten Gott unter. Seither muf! er sich darauf beschränken, vor dem obersten Richter den Denunzianten und unter Umständen den Strafvollstrecker zu spielen, um wenigstens auf diesem Wege seine Gelüste zu befriedigen.« Ebenso schr>eibt Gunk e I (Das Märchen im Alten Testament, S. 84): »Diese Gestalt, die vielleicht babylonischen Ursprungs ist, mag ursprünglich ihr wildes Spiel für sich selber getrieben haben, bis sie die Jahwereligion in den Dienst dieses Gottes gestellt hat.« 2
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chologisch gesehen - schon im Eingehen auf diese Wette ein Zugeständnis an den Zweifel des Satans? Wäre er gar nicht am Ausgang dieser Wette interessiert aus einer geheimen Unsicherheit heraus, er würde diese geradezu unmoralische Wette auf Kosten seines Knechtes Hiobwohl ablehnen 4 • Kann man in der Tatsache, daR Jahwe dem Satan die Erlaubnis gibt, Hiob heimzusuchen, wirklich noch einen Ausdruck der Souveränität Gottes sehen? Wohl ist der Satan seinem Rang nach der Diener J ahwes, der nichts aus eigener Machtvollkommenheit heraus tun kann, aber psychologisch gesehen ist er eigentlich der 4 Welche Schwierigkeiten auch heutigen Forschern diese Stelle macht, mag ein Beispiel illustrieren: Be r n h a r d Du h m schreibt hiezu in seinem Hiob-Kommentar, S. 9: :. Wenn es nun aber wirklich anstößig ist, annehmen zu sollen, daß der Autor Hiobs Unglück auf eine Schwäche J ahwes zurückführe, der der ersten besten Verdächtigung Glauben geschenkt hat, so muß man sich wohl den Gedankengang des Verfassers so vorstellen: Jahwe hat zwar für seine Person die Ueberzeugung, daß sein Knecht Hiob von Herz·en und nicht blos aus Eigennutz fromm ist, aber der Satan hat doch darin Recht, daß ein objektiver, entscheidender, auch für Dritte gültiger Beweis dafür bis jetzt noch fehlt. Der Satan (und die von ihm vertretene öffentliche Meinung der niedrig Denkenden) hat ein Recht, eine Probe zu verlangen, bevor auch er es glaubt; und Gottes Gerechtigkeit und Unparteilichkeit nötigt ihn, entgegen seiner Neigung in die Untersuchung zu willigen und seinen Günstling der Tortur preiszugeben. Hiob wird unglücklich, weil Gott gerecht ist, gerecht nämlich auch gegen die Meinung untergeordneter Wesen, die er nicht durch sein überleg·enes Wissen brutal niederschlägt.« Mir scheint diese Erklärung keineswegs geeignet, die Situation zu uetten«. Auch eine solche Konzession an den Satan und »die von ihm vertretene öffentliche Meinung der niedrig Denkenden« würde den Gedanken an Schwäche näher legen als den an Gerechtigkeit, ganz abgesehen davon, daß Du h m s Argumentation vom Stoff nirgends gestützt ist. Wenn Gottes überlegene Gerechtigkeit ihn zum Nachgeben veranlassen würde, wie wäre dann sein Vorwurf an d·en Satan, ihn umsonst verführt zu haben, zu erklären?
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Stärkere. Er ist der Diener, der seinen Herrn zu überreden vermag. Dies geht ganz deutlich aus dem Vorwurf Jahwes gegen ihn in Kap. 2, 3 hervor: :.Und du hast mich gereizt, ihn ohne Ursache zu verderben.< Er wirft dem Satan also vor, ihn zu einer Tat verführt zu haben, die ihn eigentlich gereut - um sich ein weiteres Mal vom Satan zu noch weitergehenden Entschlüssen gegen Hiob »reizen« zu lassen! Hier gerade die Machtvollkommenheit Jahwes sehen zu wollen, ist doch wohl nicht möglich. Ein alter Talmudlehrer scheint mir für die Atmosphäre dieser Erzählung ein feineres Sensorium bewiesen zu haben als jene, die die Bedeutung des Satans in diesem Text bagatellisieren. Zu Kap. 2, 3: :.Du hast mich gegen ihn gereizt, ihn ohne Ursache zu verderben«, macht er die Bemerkung: »Wenn es nicht in der Bibel stände, dürfte man es nicht sagenc:; denn Gott werde dargestellt >wie ein Mensch, der sich vom andern verführen läßtc: 5 • G u n k e I hat diese atmosphärische Gegebenheit wohl ebenfalls wahrgenommen. Er schreibt 6 : >••• diese Wette klingt doch so, wie wenn sie ursprünglich nicht zwischen einem Diener und seinem hoch über ihm stehenden Herrn, sondern vielmehr zwischen Gleichstehenden abgeschlossen worden sei. Dafür spricht auch, daß Jahwe und Satan in der gegenwärtigen Erzählung ohne Beachtung des unermeßlichen Abstandes zwischen einander reden.« Den Grund sieht er darin, daß die Erzählung auf ein altes Märchen zurückgehen mag. :.Solche Worte sind viel besser zu verstehen, wenn sie etwa zwischen dem Schutzgott und dem bösen Dämon des Menschen gewechselt werden.« Daß damit die Antwort auf die Frage nach der theologischen Bedeutung dieser Worte aber auch für Gun k e I nicht gegeben ist, zeigt die Tatsache, daß er 5 Jochanan Bab. Bathra 16a, zit. in: Isaak Wiernik o w s k i, Das Buch Hiob nach der Auffassung des Talmud und Midrasch. Diss. Breslau 1902, S. 36. 8 l. c.S. 85.
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eine weitere Erklärung dafür gibt, die aber unhefrie... digend ist, weil sie bereits voraussetzt, was sie erklären will: »... der Dichter des Hiob mag sie (diese Worte) dann aufgenommen haben, weil er so Satans Frechheit, die sich solche unehrerbietige Sprache gegen den Höchsten erlaubt, schildern konnte.« Warum mußte er denn diese »Frechheit« schildern? Wesentlich ist ja gerade, da.ß sie Raum hat in der Jahwevorstellung, daß dieser freche Satan so zu J ahwe reden darf, d. h. da.ß diese Satansvorstellung theologisch ertragen wird. Der Satan hat hier also im Vergleich mit alten Dämonen im Alten Testament eine ganz wesentliche und neuartige Bedeutung. Auch abgesehen von der sprachlichen Entwicklungslinie und der Tatsache des Herauswachsens der Satansfigur aus dem profanen Bereich kann daher wohl gesagt werden, daß diese innerhalb der J ahwereligion unmöglich alt sein kann 7 • Sie ist ein theologisches Novum, das sich ,nur aus der bereits aufgezeichneten Entwicklung des Gottesbegriffs erklären läßt. Wäre in der Gottesvorstellung keine Wandlung aufgetreten, eine solche Geschichte hätte nicht entstehen können. Mit dem urtümlicheren Jahwebild hätte sie sich einfach nicht vertragen 8 • 7 Schon R o s k o f f (I. c. Bd. I, S. 186) sagt vom Buche Hiob, wie bereits erwähnt (oben S. 157), daß es >in der hebräischen Anschauung einen bedeutsamen Wendepunkte: aufweise - »der althebräische Glaube setzt alle Macht nur in Jahwe< - und sieht darin ein Indiz dafür, daß diese Schrift unmöglich für eine der ältesten der hebräischen Literatur gehalten werden könne. 8 Siehe Am 3, 6: >Geschieht ein Unglück in einer Stadt, und Jahwe hätte es nicht gewirkt?« und sogar noch bei Deuterojesaja (Jes 45, 5-7) heißt es in besonders starker Formulierung: :.Ich, J ahwe, und keiner sonst, der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe, der ich Heil wirke und Unheil schaffe, ich bin's, J ahwe, der dies alles wirkt.« Beweis hiefür ist aber auch gerade die Rioh-Erzählung selbst. Im BewulHsein des frommen Hiob der Rahmenerzählung hat die Satanvorstellung ja noch gar keinen Raum. Er selbst schreibt
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Läßt sich so der Satan innerhalb des Alten Testaments nicht als ein alter Dämon erweisen, so wäre doch unserer Frage nach dem Alter dieser Vorstellung nicht genügend Rechnung getragen, wenn nicht auch der Möglichkeit eines aus dem Vergleich mit außeralttestamentlichen Quellen zu entnehmenden Fremdeinflusses auf ihre Entstehung nachgegangen würde, resp. der Frage, ob sich aus der Phänomenologie des Satans im Alten Testament nicht dessen Verwandtschaft oder sogar Identität mit einer außeralttestamentlichen Gottheit nachweisen lasse. Ein früher Versuch, den alttestamentlichen Satan auf den ägyptischen Seth zurückzuführen - soviel ich sehen konnte, hat er in der moderneren Literatur keine Nachfo]ge gefunden 9 - liegt in der Arbeit Dies t e I s : »Seth-Typhon, Asahel und Satan. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte des Orients« vor 10 • Aus dem reichen, vor allem aus Plutarch geschöpften Material über Seth, das D i es t e I beibringt, sei nur in den Hauptzügen dasjenige erwähnt, was für D i es t e I die von ihm aufgestellte These: Satan der ins Alte Testament übernommene Seth, zu beweisen scheint: Der Gegensatz von Osiris und Seth als wohltätige resp. zerstörerische, ausdörrende Sonne erhält schon sehr früh auch eine politische Ausprägung. Osiris ist der Schutzgott Aegyptens, der Gegensatz Aegyptens ist aber das Ausland, und so erscheint Seth in seiner Hauptstadt als Gott des Auslandes. Er wird als farblos, blaß, gelblich bezeichnet 11 • Mit den farblosen, gelblichen Menschen sind
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das ihn treffende Unheil Jahwe zu. Weiteres über diesen in unserem Zusammenhang entscheidend wichtigen Punkt s. unten, S. 284. 9 Vgl. heute vor allem Gerhard Seippel: Der Typhonmythus, 1939 (s. unten, S. 235, Anm. 14 und S. 237, Anm. 20). 10 In: Zeitschrift für die historische Theologie. Jhrg. 1860, II. Heft, Bd. XXX. 11 P l u t a r c h , De lside et Osiride, Cap. 33.
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aber, nach Dies t e I, auf den Monumenten immer die nördlichen Ausländer gemeint 12 • Dies t e I glaubt nun, die ägyptische Vorstellung des Seth habe die Idee des Satan, so wie er in der ersten Gestalt der Hiobsage aufgetreten sein muR, hervorgerufen. Ein enger geographischer Zusammenhang, der den Uebergang vermittelte, scheint ihm dadurch gegeben, daR das Land Uz des HiobBuches jedenfalls im Süden zu finden sei, die Aegypter aber schon sehr früh auf der sinaitischen Halbinsel, dem Grenzgebiet zwischen Judäa und dem Nillande, Bergbau getrieben hätten, was umfangreiche Ansiedlungen notwendig gemacht habe. Ueberdies sei in späterer Zeit der eigentliche Aufenthalt des Seth selbst sowie seine Verehrung in diese nordöstlichen Marken hin verlegt worden. D i es t e I erwähnt hierzu die mythologischen Züge, daR Seth im sirbonischen See gefesselt gewesen ist 13 und seine Flucht nach Syrien und Palästina 14 • Ebenso leicht scheint D i es t e I die Aehnlichkeit der beiden Figuren zu beweisen zu sein. Aber hier erheben sich Bedenken. Zunächst schränkt er diese Uebereinstimmung auf die Tätigkeit des Satans im Hiob-Buch in der Verursachung der Uebel ein: er nennt alle fünf: Einfall der Sabäer, Gottesfeuer, Einfall der Chaldäer, Wüstenwind, Aussatz. Ohne darauf zu achten, daR die ersten vier Schläge gegen Hiob nicht direkt vom Satan ausgehen, deutet Dies t e I das Gottesfeuer, obwohl er selbst sagt, daR es gemäR den Analogien Nu 16, 35; 1 K 18, 18; 2 K 1, 10 und 12 nur den Blitz meinen kann, unter Berufung l. c. s. 200 ff. H e r o d o t III, 5; zit. D i e s t e l , S. 1?2. 14 Plutarch c. 19,5; zit. Diestel, S. 1?6.- Vgl. auch T h e o d o r Ho p f n er, Plutarch über lsis und Osiris. 1940, Bd. li, S. 143 ff. Hopfner zieht aber aus den semitischen Bezügen Seths, ebensowenig wie G. S e i p p e l (s. oben, S. 234, Anm. 10) die den alttestamentlichen Satan betreffenden Folgerungen Diestel s. 12
13
235
auf E w a I d als ursprünglich »eine aus der Luft kommende plötzliche (?) Schwüle und Hitze« 15 • »Es ist tötende, sengende Gluthitze, welche sehr schnell Menschen und Tiere hinraffen kann. Gerade dies ist das erste hervortretende Merkmal des Seth 16 .« Ein Zweifel über die Herkunft dieses Gottesfeuers von Jahwe, besonders im Hinblick auf die vonDies t e I selbst angeführten Parallelen, ist aber doch wohl kaum möglich. Sodann macht er geltend, daß der Viehstand des Hiob durch räuberische Horden aus Nordosten und Südosten zerstört wurde, also durch Ausländer. Seth aber ist der Gott des feindlichen Auslandes, und zwar gerade auch des Südens und N ordens. Für den Satan als ausdrücklichen Bringer des Aussatzes kann sich D i e s t e I nur auf die sehr allgemeine Aeußerung PI u t a r c h s berufen, wonach Seth der Bringer jeder Hemmung, Störung, Vernichtung sei. D i es t e I s Schluß: »Somit ergibt sich, daß fast sämtliche wesentliche Uebel, die Satan zufügt. auch die Tätigkeit des Seth bilden« 17 , wirkt daher nicht überzeugend. Am deutlichsten erweist sich aber sein Versuch als Fehlgriff, wenn er eine Namensidentität zwischen Seth und Satan konstruiert, »indem der erstere mit sut, sit zusammenhängen könnte« 18 • Wie dies zu safän werden konnte, erklärt Dies t e I damit, »daß man, um jene religiöse Vorstellung zu bezeichnen, auf semitischem Boden auch ein streng semitisches Wort nahm, welches wenigstens eine Lautähnlichkeit zugleich mit treffender Charakteristik darbot« 19 • Nichts ist aber wohl unwahrscheinlicher als dies, daß säfiin lediglich ein willkürlich gewählter, weil ähnlich klingender Deckname für Seth wäre! l. c. do. 17 l. c. 18 do. '" do. 15 16
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s. s.
210. 211.
Nach D i e s t e I wäre diese V ebernahme schon sehr früh erfolgt. Zum mindesten hätte es sich dann wohl um einen unbewußten ProzeR gehandelt. Dagegen spricht aber alles, was wir bisher über den Satan-Begriff und seine Entwicklung eruieren konnten, vor allem eben sein ursprünglich profaner Gebrauch 20 • 20 Und doch erweist sich die Heranziehung der Seihgestalt in unserem Zusammenhang vielleicht nicht als umsonst, sobald man nicht, wie Dies t e I, den EinfluR der Seth-Gestalt auf die Jahwereligion auf den Satan festlegt, sondern die Frage allgemeiner faflt. Und da springt die Parallele zu ]ahroe selbst in die Augen. Dies t e I erwähnt als Seths Tiere neben andern auch Krokodil und Nilpferd (P I u t a r c h , de Is. c. 32, 1. c. S. 169/70). Läflt sich nicht vielleicht hier innerhalb des Jahwismus die Spur Seths finden? Denn als Leviathan lind Behemoth, deren Namen u. a. ja auch als ägyptisch beurteilt wurden (s. oben, S. 195), sind sie in Hi 38 Attribute Jahwes. Aegyptischer EinfluR ist ja im Hiobbuch vielerorts spürbar, weshalb schon ein ägyptischer Verfasser angenommen wurde (s. hierüber G u s t a v H ö I s c h e r, Das Buch Hiob, 1937, S. 7/8. Vgl. auch P a u I H u m b e r t , Recherehes sur les souroes Egyptiennes de la liWirature sapientale d'Israel. 1929, p. 75 ff.). Hier, in diesen beiden mythologischen Gestalten erscheint die wilde Naturseite J ahwes. Interessant ist zudem, daR Behemoth und Leviathan auch mit den mythologischen Meerung'eheuern verwandt sind, und eines von ihnen ~ Rahab -auch direkt als Personifikation Aegyptens erscheint (Jes 30, 7; 51, 9; Ps 87, 4; 89, 11), also als das ungestüme Meer. Mit dem Meer wird aber in Aegypten auch Seth gleichgesetzt. Er ist das Meer, »in welchem sich der Nil (Osiris) bei seinem Ausflusse auflöst und gänzlich verschwindet«. (PI u t a r c h, de Is. c. 32; zit. Dies t e I, l. c. S. 169/170.) Gerhard Sei p p e I (a. a. 0. S. 136) führt einen weiteren interessanten Einzelzug der Uebereinstimmung zwischen Seth und Behemoth (nicht Rahab, wie er annimmt!) in Hiob 40, 15 an: »Seths Knochen sind das Eisen, das das Material der Waffen liefert und symbolisch für Seths kriegerische Kraft zu werten ist. Vom Nilpferd, das J ahwe geschaffen hat ..., heiRt es (a. 0. 40, 15 ff): »Seine Knochen sind Röhren von Erz, seine Gebeine gleichen geschmiedeten Eisenstangen.« Der Satan aber ist nicht die in all diesen Bildern symbolisierte dunkle Naturgewalt selbst, sondern ein geistiges,
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Dies entscheidende Moment macht auch die Möglichkeit eines babylonischen Ursprungs der Satansvorstellung wenigstens für die erste Assimilationsstufe 2 \ d. i. das unbewußte Uebernehmen babylonisch kanaanäischer Vorstellungen nach der Seßhaftwerdung, sehr unwahrscheinlich. Nun ist aber doch zu bedenken, ob es nicht möglich wäre, daß es sich trotzdem beim Satan um eine alte babylonische Vorstellung handeln könnte, die aber erst in der zweiten Phase des babylonischen Einflusses, d. i. nach dem Exil, als adäquater Ausdruck einer inneralttestamentlichen Entwicklung der Gottesvorstellung assimiliert worden wäre. Da drängt sich als scheinbar enge Parallele zum Hiobbuch das babylonische »Lied des leidenden Gerechten« der Betrachtung auf, der sog. babylonische Hiob: Ein leidender König 22 wurde mit Krankheit geschlagen. Er schildert seine Qualen in einem großen Klagelied an die Götter, das dann, nachdem er von seinem Leiden befreit wurde, in eine Lobpreisung des »Herrn der Weisdifferenzierendes Prinzip in Gott, das macht, daR sich Gott dieser eigenen Naturseite bewußt wird. Dies soll aus der weiteren Hiobexegese noch ganz erhellen. Als Ueberwinder der Rahab, des Leviathan und Behemoth, erscheint J ahwe noch mancherorts, auch im Hiobbuch selbst (26, 12; vgl. auch Ps '74, 14; 104, 26; Jes 51, 9), hier aber ist das Ueberwundene zu einer Wesensseite seiner selbst geworden. Er überwindet seine Natur in sich selbst durch sein Wissen um sie. Hierin liegt eine eminente psychologische Wahrheit, die als Mythologem an der Gottpersönlichkeit erlebt wird. Auf anderer Ebene geschieht eine solche Selbstüberwindung J ahwes auch in Sach 3, 1 ff., wie noch zu zeigen sein wird (s. unten, S. 302). 21 Darüber s. unten, S. 255 ff. 22 DaR es sich um einen solchen handelt, nimmt J a s t r o w (Die Religion Babyloniens und Assyriens, Gießen 1912, Bd. 2, S. 106 ff. und speziell S. 121) auf Grund anderer Beispiele von »Königsklagen« an. Ebenso Lande r s d o r f er lEine babyIonische Quelle für das Buch Job? 1911. In: Bibi. Studien, Bd. 16), der den Gründen, die dafür sprechen, ebenfalls im Einzelnen nachgeht (S. 55-59). 238
heit« mündet. Unzweifelhaft ist mit dem in Tafel II erwähnten »Verfolger« ein Krankheitsdämon gemeint 23 • Die sich zunächst erhebende Frage, ob es sich beim HiobBuch und speziell der Figur des Satans um eine unmittel23 J a s t r o w , I. c. S. 128: »Den ganzen Tag verfolgt mich der Verfolger, Inmitten der Nacht läilt er mich nicht aufatmen, Durch EntzweireiBung sind meine Gelenke aufgelöst, ... «
Vgl. auch Landersdorfer, I.c. S. 24; V. 66ff.: :.Den ganzen Tag verfolgte mich der Verfolger. War die Nacht gekommen, lieil er mich nicht aufatmen einen Augenblick, Durch Verstümmelung waren gelöst meine Gelenke, ... « Und ähnlich E b e l in g, in: G r es s man n, Altorientalische Texte zum Alten Testament, S. 276, V. 104: >Den ganzen Tag verfolgt mich der Verfolger, In der Nacht läilt er mich nicht einen Augenblick aufatmen. Durch Hinundherzerren sind meine Sehnen gelöst, Meine Glieder sind zersprengt, bei Seite geschlagen.« Und Tafel IV: Jastrow, l.c. S. 132: >Marduk nahm meinem Verfolger den Hinterhalt weg, sein Versteck umringte er.« Lande r s d o r f er, I. c. S. 28, V. 20: >Marduk hat den Hinterhalt meines Verfolgers in seine Gewalt gebracht, sein Versteck hat er umschlossen.« Ebeling, l.c. S. 280, V. 115: >Marduk nahm weg meines Häschers Versteck, Lieil zurückfallen seinen Klumpen.« Ein Vers, in dem der Krankheitsdämon als >Feind« bezeichnet sein soll, worauf sich H ö l s c her (Das Buch Hiob, Tübingen 1937, S. 3) für seine Auffassung vom babylonischen Ursprung des Hiob-Satans beruft, findet sich von den drei erwähnten Uebersetzungen nur bei J a s t r o w (I. c. S. 131): »Den Feind (?), der mich niedergetreten hat, den Fluch (?) hat er aus meinem Körper entfernt.« Durch die Fragezeichen bezeichnet er seine Uebers.etzung als unsicher. V gl. auch S. 131, Anm. 8: »Meine Uebersetzung dieser Zeile soll natürlich nur als Vorschlag gelten.c
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bare literarische Anlehnung handeln könnte, wird sowohl von J a s t r o w 24 als von L a n d e r s d o r f e r 25 abgelehnt. Letzterer hält dafür, daß »wahrscheinlich in dem einen wie im andern Fall eine mehr oder minder freie Bearbeitung einer Volkserzählung vorliegt, wie man sie in den Literaturen aller Kulturvölker zu Dutzenden findet«. Und sein Schlußresultat lautet: »Es ist kein Grund vorhanden, irgendwelche literarische Abhängigkeit des biblischen B~ches Job von dem babylonischen Lied des leidenden Gerechten, weder eine direkte noch indirekte anzunehmen, da die Aehnlichkeiten, welche beide Texte miteinander aufweisen, sich ebensogut und viel ungezwungener als aus der natürlichen Entwicklung des Erzählungsstoffes entstanden erklären lassen, ihnen zudem eine große Zahl bedeutender Verschiedenheiten gegenübersteht und schließlich auch alle positiven Beweise für eine Abhängigkeit fehlen 26 .« Erwähnen wir :q_och die indische Parallele vom König Hariskandra 27 und das ägyptische »Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele« 2 S, die ebenfalls das Problem des leidenden Gerechten aufwerfen, so bestätigt sich Lande r s d o r f e rs Ansicht, daß es sich um ein typisches Motiv verschiedener Religionen handle. Mit der Allgemeinheit des Grundmotivs der beiden Dichtungen und der Unwahrscheinlichkeit einer direkten literarischen Anlehnung des Hiobbuches an die babylonische Dichtung ist das Problem des babylonischen 24 l. c. S. 133: >Aus der hier gebotenen Darstellung dieser Abteilung der babylonisch-assyrischen Literatur ergibt sich der Schluß, daß von einem direkten Einfluß der babylonischassyrischen Klage- und Bußgebete auf biblische Erzeugnisse nicht die Rede sein kann.« 25 l. c. s. 126. 26 l. c. s. 138. 27 s. unten, S. 245 f. 28 In: A. Erman und F. Krebs, Aus dem Papyrus der königlichen Museen zu Berlin, 1899, S. 54.
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Einflusses aber noch nicht gelöst. Könnte nicht der Krankheitsdämon, auf den im babylonischen Klagelied die Leiden des Königs zurückgeführt werden, eine Vorstellung sein, die während des Exils übernommen wurde und in nachexilischen biblischen Schriften, in unserem Fall im Hiobbuch, ihren Ausdruck gefunden hätte? Krankheit bringt ja auch der Satan über Hiob. Dies hat H o e I s c h e r , wie schon vor ihm H a n s D u h m u. a. zum Schluß veranlaßt, daß der Satan im Hiob eine »Dämonenfigur ist, die als Urheber von allerlei Unglück, vorzüglich Krankheit, gedacht ist« 29 • Schon aus dem bisher sichtbar gewordenen Wesen des Hiob-Satans dürfte jedoch hervorgegangen sein, daR dieser keineswegs ausschließlich oder auch nur in erster Linie ein Krankheitsdämon ist. Zudem scheinen mir aber Erwägungen des inneren Gehalts nicht nur die literarische Abhängigkeit des Hiob-Satans vom babylonischen Klagelied auszuschließen, sondern auch eine tale quale-Uebernahme der »Verfolger«-Vorstellung. Die wesentlichen Unterschiede der beiden Dichtungen hinsichtlich ihrer theologischen Struktur und Atmosphäre können jedoch erst auf dem Hintergrund des vollen Wesensbildes des Hiob-Satans ganz in Erscheinung treten 30 • Hingegen scheint es mir sehr wahrscheinlich, daß der babylonische Krankheitsdämon als Urbild einer einzelnen Wesensseite des HiobSatans, eben, daR er Krankheit bringt, doch in diese Gestalt eingegangen ist. In dieser Hinsicht wird er uns weiter unten noch einmal beschäftigen 31 • Hat unsere Untersuchung ergeben, daß sich der Satan als komplexe Erscheinung auch auf keinen außerbiblisch faßbaren alten Dämon zurückführen läßt, so muR doch noch auf einen ganz andern Aspekt der Frage nach dem Alter der Vorstellung eingegangen werden. Wie La n29 30
31
l. c. s. 2/3. s. unten, S. 292 f.
do.
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d er s d o r f er s Untersuchung üher den >babylonischen Hiob« für das Motiv des leidenden Gerechten dessen Vorhandensein in verschiedenen Religionen nachgewiesen hat, so ist es unverkennbar, daß auch das Motiv der Gotteswette in Mythen und Märchen weit verbreitet ist. Wie bereits erwähnt 32, maclit Gun k e I 33 den Märchencharakter dieser Erzählung geltend 34 • Insbesondere ist August Wünsche in seinem Buch >Der Sagenkreis vom geprellten Teufel« 35 diesem Motiv nachgegangen. Nach ihm ist es aus der zwiefachen Wurzel des altchristlichen Dogmas der Versöhnung- wonach die Ueberwindung des Satans als ein Werk der Ueberlistung durch den Erlöser dargestellt wird 36, resp. dieser durch das Opfer Christi um sein durch die Sünde der ersten Menschen erworbenes Recht auf die Menschen geprellt wird - und anderseits des germanischen Götterglaubens entstanden. Hier waren es ursprünglich die Riesen, die von Göttern überlistet wurden. An ihre Stelle trat dann nach der Christianisierung der Teufel, der in vielen germanischen Sagen wie jene dumm ist. Wie die vielen Geschichten verschiedener Herkunft vom geprellten Teufel zeigen, die W ü n s c h e anführt, ist das Motiv der Wette als ein Messen der Kräfte zwischen göttlichen oder dämonischen Potenzen ein allgemeines 37 , psychologisch gesprochen: s. oben, S. 232. Das Märchen im Alten Testament, S. 85. 34 Vgl. auch Osk. Dähnhardt, Natursagen, Bd. I, 1907, 8.177 ff. und 347 ff. und Joh. Bolte und Georg P o I i v k a , Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Bd. III, 1918 (zu Nr.189: Der Bauer und der Teufel), S. 355 ff. 35 1905. 36 Die verschiedenen Versionen in den neutestamentlichen Apokryphen und bei mehreren Kirchenvätern s.l. c. S. 3-9. 37 W ü n s c h e hält es für einen »Wanderstoff « (Vorwort, o. Seitenzahl), wogegen aber gerade die von ihm angeführten Beispiele sprechen. Denn weder ist ein Einfluß des christlichen Wette-Motivs auf die Entstehung des germani32 33
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ein archetypisches. Was aber könnte es ausdrücken? Mir scheint, es entspricht einer Phase der Bewu1Hseinsentwicklung der Menschheit, in der die Gegensätze auseinandergetreten und als solche sichtbar geworden sind, aber es herrscht noch keine Stabilität. Es ist unsicher, wer stärker ist. Das Gute muß sich gegenüber dem mächtigen Bösen noch als stärker erweisen, das Kluge gegen das Dumme, oder das aus der Unbewu.ßtheit sich herausringende Bewußtsein gegenüber der Dunkelheit des Unbewu.ßten. Dieser letzte Kern kann als gemeinsame Grundlage des germanischen, alttestamentlichen und indischen 88 Wettemotivs gelten. Solche archetypischen Motive erfahren aber kulturhistorisch bedingte Ausgestaltungen, die wesensmäßig weit auseinandergehen können. So z. B. ist in den von W ü n s c h e angeführten germanischen Sagen und Märchen von dem bei seinen Wetten geprellten Teufel dieser meistens dumm und wird durch Klugheit überwunden 89 • Um diesen Gegensatz handelt sehen möglich, noch umgekehrt. Wünsches Arbeit zeigt gerade die Unzulänglichkeit der >Wandertheorie«. >... Bast i ans Völkeridee, die ein selbständiges Entstehen für die legendarischen Erzählungen aus der Gemeinsamkeit der menschlichen Natur fordert«, 1ehnt Wünsche ausdrücklich ab, jedoch ohne Begründung. Die Idee B a s t i an s ist aber seither durch die Archetypenlehre C. G. Jung s längstens bestätigt und von ihm an einer Fülle mythologischen und Traummaterials belegt worden. Die Archetypen sind Ausdruck menschlicher Urerfahrungen, die überall auftreten können. Um einen solchen Archetypus handelt es sich auch beim Motiv der Gotteswette. 38 Denn auch Indien hat seine Wettegeschichte. Siehe darüber unten, S. 245. 39 s. W ü n s c h e, l. c. S. 82: >Daß eine Verwandtschaft zwischen den mythologischen Riesen- und den christlichen Teufelssagen stattfindet, dafür spricht vor allem die Dummheit, die in beiden ein charakteristisches Merkmal bildet. Wie die Riesen bei aller ihrer Stärke und Gewalt plumpe und dumme Wesen sind, die sowohl von den kleinen klugen Zwergen wie von den einsichtigen Göttern überlistet und ge-
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es sich aber z. B. bei Gott und Satan im Hiobbuch keineswegs. Der Satan ist eine eminent geistige Potenz und ein »Gottwesen«, wie noch zu zeigen sein wird. Und auch in der christlichen Ausprägung dieses Motivs in den erwähnten, bei W ü n s c h e aufgeführten Beispielen ist dieses wesentlich verfeinert und vertieft 40 • Ebenso ist vom »köstlichen Humor« des Sagenkreises vom geprellten Teufel, von dem Wünsche spricht 4 \ für mein Gefühl weder in den von Wünsche erwähnten frühchristlichen Ausgestaltungen des Motivs der Teufelswette noch im Hiobbuch etwas zu spüren 42 • Es geht vielmehr um etwas verzweifelt Ernstes, wie oben bereits zu zeigen versucht wurde 43 • Inhaltlich am nächsten kommen der Wette im Hiobbuch zwei Parallelen, die mit dieser auch noch das Motiv der Frömmigkeitsprobe gemeinsam haben: 1. Eine Suaheli-Legende erzählt, daß die Erzengel Gabriel und Michael sich uneinig darüber waren, ob man noch Mitleid bei den Menschen finden könnte. Michael zweifelte daran. Sie stiegen zur Erde herab, Gabriel als Schwerkranker, Michael als Arzt. Er erklärt den teilnehprellt werden, so zeigt sich auch der Teufel gerade in den meisten Sagen, die ihn in Wetten eingehend darstellen, als ein dummes Wesen, das die Tragweite der Wette nicht ermißt und def!halb den kürzeren zieht.4: 40 Der von germanisch-christlichen Teufelssagen wesentlich verschiedene Charakter der Satanswette des Hiob-Buches wird bei Wünsche ungewollt dadurch deutlich, daf! er sie als )kleine Abschweifung« mitten unter jene setzt (S. 82/83). 41 Vorwort. Er erwähnt allerdings, daf! es vor allem die deutschen Sagen sind, die diesen Humor zur Geltung bringen. 42 Auch G u s t a v H ö I s c her, der in seinem HiobKommentar ebenfalls den Humor dieses Motivs betont, dürfte hier weniger von einem unmittelbaren eigenen Gefühlserlebnis bei der Lektüre der Rioh-Erzählung als wie Wünsche vom Eindruck der germanischen Teufelssagen ausgegangen sein, ohne zu merken, daf! hier eine ganz andere Luft weht. 43 s. oben, S. 230 ff.
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menden Bürgern, daß der Kranke nur durch ein Menschenopfer geheilt werden könne. Ein Knabe zeigt sich dazu bereit, und nun ist Michaels Zweifel überwunden 44 • 2. Die indische Erzählung von den Prüfungen und der wunderbaren Geduld des Königs Hariscandra 45 : »In Indras Himmel waren einst die Götter und die heiligen Büßer versammelt. Da entstand ein Streit unter ihnen, ob es einen vollkommen tugendhaften Fürsten auf Erden gebe. Vasischtha behauptete, daß sein Schüler Hariscandra ein solcher sei; Siva aber, der in der Gestalt des Visvamitra zugegen war, entgegnete zornig, daß die Tugend dieses Mannes in einer schweren Prüfung nicht bestehen werde. Die Götter geben ihm den Hariscandra preis und Visvamitra geht ans Werk. Er erweist dem König eine Hilfstat, für die er eine ungeheure Summe Geldes verlangt, und Hariscandra verspricht, sie ihm zu zahlen. Weil er sie immer wieder nicht zahlen kann, kommt er mit seiner Gemahlin in tiefstes Elend; beide geraten schließlich in Sklaverei und der König muß den verachtetsten Dienst, den es gibt, die Leichenbestattung besorgen. Aber er nimmt alles auf sich, um seines Versprechens wil. " s. Pa u I V o I z, Hiob und Weisheit, in: Schriften des Alten Testaments. 1921, S. 9. - Die Legende ist auch ausführlich wiedergegeben bei C a r I Mein h o f, Die Dichtung der Afrikaner. 1911, S. 85 ff. 45 Im Markändeya-Puräna, s. Pa u I V o I z, Hiob und Weisheit, in: Schriften des Alten Testaments, 1921, S. 8/9. Ausführlicher erzählt die Geschichte Konstant in SchI o t tman n (Das Buch Hiob, 1851), auf den sich V o lz beruft; s. auch A. J er e m i a s, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, pag. 328-29 u. a. m. (Vollständigen Nachweis s. bei A d o I p h e L o d s , Recherehes recentes sur le livre de Job, in: Revue d'Histoire et de Philosophie religieuses. 1934, p. 501-33.) - SchI ot t man n (1. c. S. 18) hält aber bei dieser Erzählung einen Einfluß durch christliche Missionare nicht für undenkbar, da die .')zene im Himmel, die an Hiob anklingt, sich nicht in den älteren Versionen findet, nicht einmal in den Puränas, sondern erst in späteren Dramen. 17 Jung: Symbolik des Geistes
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len, denn ,keine höhere Pflicht gibt es für einen Mann, wie die Pflicht zu bewahren das eigene Wort'. Auch er, unterstützt von seiner edlen Gemahlin, besteht die Probe bis zum Schluß, erhält Weib, Kind und Königreich zurück und wird von den Göttern samt seinem Volk in den Himmel erhoben. So wird am Ende, wie die Dichtung sagt, der große Schmerz in die größte Lust verwandelt.« Auftauchen und Ausprägung eines archetypischen Motivs stehen also, wie diese Parallelen veranschaulichen, nicht außerhalb der Historie. Sie sind Ausdruck eines inneren Entwicklungsprozesses, sei es in den Träumen des Einzelnen oder in den mythologischen oder theologischen Vorstellungen eines Volkes. In unserem Falle ist das Mythologem der Gotteswette Ausdruck der Entwicklung der Gottpersönlichkeit Jahwe, was im folgenden noch deutlicher werden soll. Wäre dem nicht so, wie wäre es zu verstehen, daß nicht noch viel mehr Märchen- und Mythengut in die Jahwereligion aufgenommen wurde? Warum wurde z. B. in diesem Lande des Fruchtbarkeitskultes katexochen, wo die Vorstellung des Hieros gamos von Gott und Göttin überaus lebendig war, J ahwe doch nie eine Göttin beigesellt 46 ? Eine solche Uebernahme wäre nicht ertragen worden, weil sie einen Rückfall in eine vorjahwistische Gottesvorstellung dargestellt hätte. Es ist eben ganz wesentlich zwischen der ersten Stufe der Entwicklung, der Zusammenschmelzung vieler guter und böser Dämonen zur Gottpersönlichkeit Jahwe, und späteren Einflüssen der polytheistischen Umgebung zu unterscheiden, die erst infolge einer weiteren Entwicklungsstufe dieser Gottpersönlichkeit möglich wurden, nämlich der Wiederauseinanderfaltung der Einheit in 46 Elephantine kann hier nicht gut als Beispiel gelten, da es sich um eine relativ späte, selbständige Sonderentwicklung eines losgelösten Zweiges des Volksganzen handelt, die als solche allerdings höchst bemerkenswert ist.
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eine Mehrheit 47 • In letzteren Prozefl scheint mir, wie bereits erwähnt, auch die Satansfigur wesentlich zu gehören. Auch wenn es sich um eine alte Dämonenfigur handeln sollte, die auf dieser Stufe wieder lebendig wurde, so wurde sie jedenfalls zu etwas ganz Neuem, Anderem, sobald sie in den Gottesbegriff Aufnahme fand. Das Problem verschiebt sich also vom Alter der Satansvorstellung an sich auf die Frage nach dem Alter ihres Auftretens im Zusammenhang mit Jahwe. Diese Problemstellung ist umso gerechtfertigter, als, wie bereits erwähnt, keinerlei Belege im Alten Testament selbst für die mythologische Satansvorstellung ohne den Jahwebezug zu finden sind. 2. Das Alter des Textes Während die Rahmenerzählung des Hiobbuches infolge ihres volkstümlichen Charakters fast durchwegs als alt betrachtet wird, gibt es jedoch einige Forscher, die daran zu zweifeln begonnen haben. So schreibt H ö 1 s c h er : »Es ist aber kaum angängig, die Niederschrift der Rahmenerzählung deshalb (d. i. wegen der Differenzen zwischen Dichtung und Rahmenerzählung) in eine sehr alte Zeit hinaufzurücken ... Späte Abfassungszeit auch der Rahmenerzählung beweist die Abhängigkeit von P (42, 17) und ein Aramaismus wie qibbel (2, 10)
48 .«
47 Wobei aber die gewonnene Einheit nicht verloren geht, was sich z. B. darin zeigt, daR die Engel Gott untergeordnet sind. 48 H ö I s c her, I. c. S. 5. Er bezieht sich auf K. K a u t z s c h , (Das sogenannte Volksbuch von Hiob Cap. 1; 2; 42, 7-17. 1900), der (S. 24 ff. und 40 ff.) noch weiteren späten Sprachgebrauch nachweist, auf Grund dessen er die Annahme eines ~Volksbuches«, das dem Hiobdichter vorgelegen hätte, für irrig hält. Er ist der Ansicht, daR Dichtung
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Nicht für die ganze Rahmenerzählung, wohl aber für die Satanstücke, ist dieser Ansicht auch E r n s t S e 11 in 49 • Er hält sie für Einschiebsel des Dichters der Hiobdichtung in die Volkssage 50 und verweist insbesondere auf vier gewichtige Punkte, die seine Annahme erhärten: 1. Rein textlich sind die beiden Satanstücke als Einschiebsel denkbar - ohne daß dies als Beweis gelten kann - weil sie aus dem Zusammenhang genommen werden können, ohne daß eine Lücke entsteht. Wesentlich ist S e 11 in aber vor allem, daß 1, 13 unmittelbar an den letzten Vers vor dem Satanstück anschließt, d. h. an 1, 5. Da ist geschildert worden, wie Hiob opfert, auch vorsorglich für die Sünden, die seine Kinder begehen könnten. Und dann geht es unter Auslassung des Satanstückes und Rahmenerzählung aus einer Hand stammen. Letztere mag dem Dichter evtl. als ältere mündliche Tradition bekannt gewesen sein (S. 8'2'). Die Satanstellen hält Kaut z s c h für einen der stärksten Beweisgründe gegen die Annahme der vorexilischen Herkunft des Prologs (S. 58). - Nachexilischen Ursprung des Prologs, in dem der Satan auftritt, nimmt auch Er i k S t a v e (Ueber den Einfluß des Parsismus auf das Judentum, Haarlern 1898, S. 249 und Anm. 1) an, unter Berufung auf E. König, Einleitung in das Alte Testament, 1893, S.410 ff., § 84, 2a.- Vgl. auch W. F. Albright in seiner Rezension über Hölschers Hiob-Kommentar im Journal of Biblical Literature 1938, vol. 57, p. 22'2' f., und J. He mp e l, Die althebräische Literatur, 1930, S. 1'2'6. 49 Das Problem des Hiobbuches. 1919. 50 Vgl. auch Norbert Peters, Das Buch Job. In: Exegetisches Handbuch zum Alten Testament, 1928, S. 49 *. Auch J o h. Lind b l o m hält es für sicher, daß die SatanEpisode in die primitive Erzählung eingefügt wurde, glaubt aber, sie sei dem Dichter der Hiobdichtung schon in die alte Erzählung (in ihrer israelitischen Traditionsform, vgl. unten, S. 280, Anm. 98) eingearbeitet vorgelegen. Er stützt sich auf die Tatsache, daß der Satan im Dialog nicht erwähnt wird, - in Verkennung, wie wir glauben, des 'inneren Zusammenhangs der Satan-Episode der Rahmenerzählung mit dem Problemgehalt des Dialogs (darüber s. unten, S. 282 ff.).
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folgerichtig weiter: >Nun begab es sich eines Tages, daß seine Söhne und Töchter aßen und tranken usw.« 2. Würde die Satanserzählung zur ursprünglichen Volkssage gehören, so müßte der Epilog irgendwie auf die Wette mit dem Satan zurückkommen. Se ll in sagt hierzu: >In der Volkssage wäre es denn doch ein unbedingt erforderliches Moment gewesen, daß Gott diesen für seine unberechtigte Anschwärzung hätte schelten müssen, während es dem Dichter nur auf eine spätere Aufklärung Hiobs ankam 51 .« 3. Der Grund der Einfügung der Satanstücke ist ein theologischer: Der Dichter brauchte sie für seinen Aufbau als unumgänglich notwendigen und jetzt meistens nicht gewürdigten Bestandteil 52 • 4. Der Satan begegnet ausschließlich erst in nachexilischer Zeit, und die Art des Auftretens unter den Engeln deckt sich genau mit der von Sach 3, 1 ff. Die Vorstellung von ihm als Vermittler alles Uebels für die Menschen paßt nicht zu dem altisraelitischen Gedanken, daß schlechthin alles, Gutes wie Böses, von Jahwe getan werde (Amos 3, 6; 2 Sam 24, 1) 53 , und kann kaum in einer alten Volkssage gesucht werden 54 • Wir werden S e ll ins Auffassung erst anläßlich der Textanalyse im einzelnen folgen können. Sie scheint mir dem Tatbestand am meisten gerecht zu werden und durch den Namensfaktor, den Se ll in nicht erwähnt, noch eine Bestärkung zu erfahren. In der theologischen Ausführung des inneren Zusammenhangs von Rahmenerzählung und Dichtung kommt er allerdings zu Schlüssen, denen ich nicht ganz folgen kann: der Satan hat nach ihm die Funk51
52
1. c. do.
s. 23.
53 Am reinsten formuliert Anm. 8. 54 I. c. S. 23.
Jes
45, 7. Vgl. oben, S. 233,
249
tion, Gott gewissermaUen vom Bösen zu entlasten 55 , was m. E. zu einfach gesehen ist 56 • Wesentlich scheint mir an dieser Stelle jedoch Se ll ins prinzipielle Feststellung, daR ein enger Zusammenhang zwischen der Satansfigur der Rahmenerzählung und der theologischen Problematik der Dichtung besteht. Wo dieser von unserem Blickpunkt aus liegt, soll noch erörtert werden. Zusammenfassend läflt sich sagen: Mit Recht wird von den meisten Forschern die Frage nach dem Alter des Textes von derjenigen nach dem Alter der Satansvorstellung getrennt. Es zeigt sich aber die weitere Notwendigkeit, innerhalb der Satansvorstellung eine ältere und jüngere Schicht zu unterscheiden. Die Motivparallelen aus dem Bereich von andern Mythen und Märchen haben uns die Urtümlichkeit der zugrundeliegenden Vorstellung gezeigt 57 • Se ll in schenkt diesem Faktor keine Berücksichtigung. Dafür sehen diejenigen, die das Alter der Vorstellung betonen, darüber hinweg, daR sie nur in ihrer Urform, als Archetypus alt ist, nicht aber in der ganz bestimmten Ausprägung der vorliegenden Erzählung. Sie übersehen damit vollständig das theologische Novum, das dieses archetypische Grundmotiv innerhalb der Jahwereligion darstellt, während Se lli n s Fehler darin liegt, den archetypischen Charakter des Motivs zu übersehen, wie wenn es eine Erfindung des Hiobdichters wäre. Jeder dieser einseitigen Gesichtspunkte vernachlässigt etwas Wesentliches, schwerwiegender allerdings die Anhänger des »alten Dämons«. Eine Kombination dieser beiden Gesichtspunkte scheint mir notwendig zu sein: Die Erzählung ist eine Abwandlung eines alten Grundmotivs des Volksglaubens. Sie ist aber in ihrer gegebenen Ausprägung nicht ein theologisch unbedeutendes Relikt 55 56 57
250
1. c. s. 36. Vgl. unten, S. 22'4 ff. s. oben, S. 241 ff.
dieses von der Jahwereligion überwundenen Volksglaubens, sondern der Spiegel einer wesentlichen Entwicklungsstufe der J ahwereligion. Wir müssen daher fragen: Wie ist nun diese archetypische Dämonenvorstellung in die Jahwereligion »eingebaut«? Schon der Umstand, dafl es sich nicht um irgendeine von Jahwe losgelöste Figur handelt, die ihm von ungefähr entgegentritt, sondern um eine, die einer dem Alten Testament spezifischen Kategorie göttlicher Wesen angehört, zeigt die völlige Umschmelzung und Weiterentwicklung dieser archetypischen Gestalt. Der alttestamentliche Satan gehört nämlich zu den bene hä-' elohim. Er ist ein Engel. Um seine Bedeutung zu verstehen, müssen wir daher zunächst nach dem Wesen der bene ha-' elohim fragen. 3. Vorkommen und Wesen der bene ha-'eloh:lm im Alten Testament Womöglich noch komplexer als das Problem des mal'äk ]ahme ist dasjenige der bene hä-'elohim. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, ihm bis in alle Verzweigungen nachzugehen. Es sollen nur die Bezüge herausgearbeitet werden, die uns für den Satan als einen der bene hä-' elohim im Hiobbuch von Belang zu sein scheinen. Wenden wir uns zunächst dem Begriff als solchem zu. Gunkel erwähnt in seinem Genesis-Kommentar 58 die Möglichkeit, dafl hier ein älterer polytheistischer Sprachgebrauch dahinter steht, wonach es sich im f'igentlichen Sinne um Söhne von Göttern, d. h. von Göttern gezeugte Wesen handelt, gibt aber der andern Auffassung den Vorzug, die vom hebräischen Sprachgebrauch ausgeht, wonach bene ha-'elohim als »zur Kategorie von 'elohim ge58
4. Aufl., 191?', 8.1?'.
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hörende Wesen« aufzufassen sind. B. Du h m nennt den ben hä-'elohim ~ein Einzelwesen der göttlichen Sphäre« 59 • In Verbindung mit einem Gattungsbegriff wird im Hebräischen als Bezeichnung eines Individuums, das zu dieser Gattung gehört, ben verwendet. So heißt 'ädam der Mensch als Gattung, also die Menschheit, ben 'adäm ein Einzelwesen der Gattung Mensch, also: der einzelne Mensch, nicht der Menschensohn. Immerhin bleibt diese sprachliche Gegebenheit selbst ein interessantes Problem. Es ist, als ob dahinter ein urtümliches Bild von der Beziehung der Gattung zum Einzelnen stünde und das ist die Beziehung von Vater und Sohn. Die Gattung erzeugt gewissermaßen das Einzelne. Es ist dahinter eigentlich etwas wie eine substantielle platonische Idee, nur anschaulich personifiziert. Diese personifizierte Gattungsidee manifestiert sich im Einzelwesen, wie der Vater im Sohn. Von seinem so eventuell vorhandenen archetypischen Hintergrund her wird dann die Uebersetzung mit »Sohn« doch wieder sinnvoll. Der Menschensohn ist dann die im einzelnen verwirklichte Idee »Mensch«, der Gottessohn die verwirklichte Manifestation Gottes 60 • Beide B. D u h m , Hiob, pag. 6. Von hier aus gesehen erhält die Auffassung der Paulicianer oder Bogomilen, einer neu-manichäischen Sekte, wonach nicht Christus, sondern der Satan der erstgeborene Sohn Gottes sei, Sinn und Gewicht. E u t h y m i u s Z i g ab e n u s berichtet darüber: :.Dicunt, daemonem, qui a Servatore appellatus est Satanas, Filius esse ipsum quoque Dei Patris et vocari Satanael, et Filio Verbo natu majorem esse, praestantioremque, utpote primogenitum ... < (Panoplia, Tit. 23. S. Mi g n e , Patrologia Graeca, Bd. 130, col. 1290; zit. in der lateinischen Uebersetzung von Du PIes s i s aus Christo p h U Ir ich Hahn, Geschichte der Ketzer im Mittelalter, Bd. I, S. 48, Anm. 1.) Die Auffassung findet sich bereits bei den Ebioniten vorgebildet: :.Duos ut iam dixi, a deo constitutos asserunt, Christum et diabolum.< (E p i p h an i u s , Panarium, c. XXX, hrsg. u. übersetzt von F r an c i s c u s 0 e h I e r, 1859, Bd. I, S. 267.) 59
80
252
Bedeutungen: benals Teil der Gattung und als Sohn eröffnen in unserem Fall interessante theologische Aspekte und schlieRen sich nicht aus, nur ist der Begriff »Sohn« bildhaft und dadurch lebendiger. DaR es sich hinsichtlich dieses Sprachgebrauchs nicht nur bei diesen theologisch markanten Begriffen »Gott« und »Mensch« so verhält, was die Situation weniger schlüssig machen würde, zeigt z. B. noch der Begriff ben bäqlir: ein einzelnes Glied der Herde, oder auch: bene han-nebi'im was nicht »Prophetensöhne« meint, sondern Angehörige einer Prophetengruppe 61 • Es ist also die Bezeichnung eines Gattungsexemplars unter dem Bilde des Sohnes. Die bene hä-' elohim, die Gottessöhne, sind also Gottwesen, »Einzelwesen der göttlichen Sphäre« (B. Du h m), Teile der Gottsubstanz. Gleich wie die mal' äkim kann man sie daher als mythologischen Ausdruck der göttlichen Wesensseiten bezeichnen. Während aber der mal'lik gewissermaßen von Mal zu Mal als Gott selbst in der Ausführung einer intendierten göttlichen Handlung erscheint, sind die bene hli-' elohim immer um Gott. Sie sind gewissermaßen die vorhandene Substanz des innergöttlichen Umfangs, in seine Einzelelemente aufgeteilt. Das wird dadurch ausgedrückt, daR sie Gott als »himmlische Versammlung« umgeben. In ihrem Begriff liegt aber auch zugleich schon ein wesentlicher Unterschied zum mal' lik] ahroe ·angedeutet. Dieser göttliche AufteilungsprozeR schlieRt sich rein sprachlich nicht an den individuellen Gottesnamen Jahwe an, sondern an den schon in seiner sprachlichen Form als ursprünglich pluralistischer Begriff noch erkennbaren Gottesnamen 'elohim. Nirgends ist von bene ]ahroe die Rede. Dies legt die Annahme nahe, daR sich in ihrer Vielheit die ursprüngliche Pluralität des Gottesbegriffes aus61
1 K 20, 35; 2 K 2, 3. 5. 7. 15; 4, 1. 38; 5, 22; 6, 1; 9, 1.-
Ge s e n i u s- Buh I s. v. übersetzt ;)Angehörige der Prophetengenossenschafh; die Zürcher Bibel >Prophetenjünger«.
253
drückt, resp. daR sich hinter ihnen alte vorjahwistische Götter bergen, eine Pluralität von 'elöhim. Das wird durch zwei Parallelstellen aufs schönste bestätigt. Die nächste Brücke bildet Ps 89, 7, wo die Gottessöhne bene 'elim heißen, also Götterwesen oder -söhne, wobei 'elim im Gegensatz zu 'elöhim nur pluralistisch verstanden werden kann. Zudem ist 'el ein alter nordsemitischer Göttername 62 • Dies führt zur weiteren Parallele von Ps 82, wo sie schlechtweg »Götter« - 'elöhim- genannt werden. Gott - 'elöhim - steht in der Gottesversammlung - ba-' adat 'el -, inmitten der Götter- 'elöhim- richtet er. Und im seihen Psalm, V. 6, werden sie auch bene 'eljön genannt, ein Gottesname, der wohl eine alte jerusalemitische Gottheit bezeichnet (s. Gn 14, der Gott von Melchizedek). DaR es sich ursprünglich wohl um alte vorjahwistische Gottheiten handelt, in ihrem Begriffe daher im Gegensatz zu den mal' äkim nicht nur der Differenzierungsprozefl, sondern der ihm vorausgegangene Verschmelzungsvorgang noch sichtbar ist, läßt sich aber noch durch weitere Parallelen erhärten. Die bene hä-' elöhim bilden in ihrer gleichartigen Vielheit das »Heer des Himmels« $ebä' has-sämaim. DaR man diese beiden Begriffe geradezu gleichsetzen kann, geht aus 1 K 22, 19 hervor, wo in der Vision des Micha hen Jimla die göttliche Hofversammlung $ebä' has-sämaim genannt ist, also in der gleichen Situation, wo Hi 1, 6 und 2, 1 von bene hä-'elöhim die Rede ist. DaR dahinter ursprünglich wohl alte Gestirnsgottheiten gestanden haben, geht aus mehreren Stellen hervor, wo von Sonne, Mond und Sternen als dem $ebä' has-sämaim gesprochen wird, das anzubeten der Mensch nicht sich verführen lassen soll 63 • 62 Nähel"es darüber s. bei J u l i a n M o r g e n s t e r n , The Mythological Background of Ps 82, pag. 39, Anm. 22, in: Hebrew Union College Annual. Vol. XIV, Cincinnati 1939. 63 Dt 4, 19; 17, 3; 2 K 17, 16; 21, 3. 5; 23, 4; Zeph 1, 5; Jer 8, 2; 19. 13; Hi 31, 26-28. - Im Zusammenhang mit
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Historisch ist der Prozefl, wie in anderem Zusammenhang bereits erwähnt, wohl so zu denken, daß die Gottgestalt Jahwe eine Vielheit alter Gottheiten, eben all die hypostasierten Naturkräfte in sich aufnahm. Nach diesem ursprünglichen Einschmelzungsprozefl bilden diese Gottwesen aber Elemente einer neuen Struktur und bekommen darin ihren Ort. Die historische Prägung, die einem dem Gottesnamen ]ahroe 11eba'öt hat das 11eba' has-slimaim zu einer Diskussion Anlaß gegeben, die, soweit ich sehen kann, noch nicht zum Abschluß gekommen ist und auch noch nicht zu einer befriedigenden Lösung geführt hat. In einer gründlichen Studie geht G. West p h a I dem Problem nach (11ebli' has-slimaim. In: Oriental. Studien II, Festschrift für Theodor Nöldeke, S. 719-728). Er kommt zum Schluß, daß es sich ursprünglich um ein himmlisches Kriegsheer handelt, das J ahwes Kriege mitkämpft, entsprechend etwa dem »wilden Heer« der deutschen Märchen, an das Gun k e I erinnert. Von diesem himmlischen Kriegsheer hat Jahwe seinen Namen ]ahroe ~ebli'öt. West p h a I stützt seine These hauptsächlich auf Jos·5, 14, wo von dem saqebti' ]ahroe die Rede ist, der als »Oberster des Heeres Jahwes~ Josua als dem Anführer des irdischen Heeres entgegentritt. Erst später wäre dann der terminus ~ebli' ]ahroe für das irdische Heer gebraucht worden. West p h a I weist darauf hin, daß es sich bei jenen Stellen, wo unzweifelhaft das irdische Heer gemeint ist, um solche jüngeren Datums handelt (Ex 7, 4; 12, 17. 41 = P, und Ri 16, 13). Manche Einzelzüge stützen die These West p h a I s, so z. B. das mal}ane 'elöhzm, das Heerlager Gottes, von Gn 32, 3 (Z. B. 32, 2). Auch seine Auffassung von den feurigen Wagen und Rossen des Elisa (2 K 2, 12) in diesem Sinne hat viel für sich. Trotzdem ist mit seiner Lösung des Problems nicht durchzukommen. Ein schwacher Punkt seiner Beweisführung liegt vor allem darin, daR er für die übrigen, nicht kriegerischen Funktionen des ~ebti' has-slimaim keine befriedigende Erklärung weiß: :.Dieser zweifellos in der Periode der Eroberungen entstandene Ausdruck wurde dann den jeweiligen Vorstellungen von der Aufgabe und Tätigkeit der ,himmlischen Heerscharen' angepaßt, so hat das $ebli' has-slimaim in 1 K 22, 19 ff. eine beratende Tätigkeit, später erhielt es die Aufgabe beständigen Lobpreises J ahwes, so Ps 48, 2; 103, 20 ff. Als dann unter Manasse
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alten Bezugssystem entstammt, erhält im neuen Bezugssystem eine neue Färbung oder erfährt eine völlige Umprägung. Gerade heim Beispiel der bene hä-' elöhim resp. des $ebä' has-sämaim zeigt sich dabei die interessante Tatsache, daß Vorstellungen, die durch das ganze Alte Testament hindurch als Götzendienst verpönt sind und bekämpft werden, dann »legalisiert« erscheinen, wenn der babylonisch-assyrische Gestirnsdienst in Juda und Jerusalem eindrang, fand man den alten, an sich ziemlich gegenstandslos gewordenen Ausdruck für geeignet zur Bezeichnung dieses neuen Kultobjektes.« Gerade letzteres scheint mir aber völlig unwahrscheinlich. West p h a I geht nicht genug auf die enge Verbindung der ~ebä' has-sämaim-Vorstellung mit derjenigen der bene hä-'elöhfm ein. Er wird auch dem durchaus überwiegenden Gebrauch von ~ebä' has-sämaim für die Gestirne nicht gerecht. Sein Hinweis darauf, daß das himmlische Heer ursprünglich aus meteorologischen Mächten hervorgegangen sei, resp. die Sterne als Hilfstruppen des Gewittergottes J ahwe erscheinen, wofür er hauptsächlich Ri 5, 20 anführt, wo die Sterne von ihren Bahnen am Himmel aus gegen Sisera kämpfen, reicht keineswegs aus. Die vielen Stellen, die von der Anbetung der Gestirne sprechen, zeigen deutlich, daß es sich um die Vorstellung von den Gestirnen als Götter handelte. Des weiteren fällt eine Textbeobachtung S c h r a d e r s (Der ursprüngliche Sinn des Gottesnamens J ahve Zebaoth. o. J .) schwer gegen die These West p h als ins Gewicht: nämlich daß der Plural sebä'öt nur für irdische Heere gebraucht wird, nie für das hi:m:mlische Heer. Sc h r ad e r hält daher den Gottesnamen Jahroe ~ebä' öt für synonym zum :.Gott der Schlachtenreihe Israels« in 1 S 1'1', 45, zu dem es in ausdrücklicher Parallele steht. Hierauf beruft sich auch E i c h r o d t (Theologie des Alten Testaments, Bd. I, S. 94). Daß es sich ursprünglich um eine Kriegsgottbezeichnung handelt, sieht Eichrod t überdies in dem Umstand bestätigt, daß dieser Beiname J ahwes stets in enger Beziehung zur Lade steht (1 S 4, 3-5. 5 ff.; 2 S 6, 2), die lange Zeit als Kriegspalladium diente. Eichrod t stößt sich aber dar an, daß mit der Kriegsgott-Auffassung der prophetische Sprachgebrauch nicht erklärt ist. Er sieht keine andere Möglichkeit als die Annahme, daß ~ebä'öt gar nicht auf bestimmte Heerscharen hinweist, sondern die Scharen, Massen, Mengen über-
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sie in bestimmten Momenten der jahwistischen Entwicklung, gewissermaßen unbewu.f!t, reibungslos als passendes Bild für einen Vorgang des jahwistischen Entwicklungsprozesses absorbiert werden können. So wird einerseits die Anbetung der Gestirne als Götzendienst verworfen 64 und anderseits wird die Vorstellung des Himmelsheeres schon früh (Jos 5, 14; 1 K 22, 22) resorbiert. Wir dürfen daher wohl füglieh annehmen, daß die Vorstellung des himmlischen Hofstaates und der göttlichen Ratsversammlung nur aufgenommen werden konnte, weil sie als passendes Mythologem für den beginnenden innergöttlichen DifferenzierungsprozeR notwendig war. Sie präsentiert sich gewissermaßen von selbst, aus dem Bereich der init der Seßhaftwerdung in Kanaan unbewußt aufgenommenen babylonisch-kanaanäischen Vorstellungen 65. haupt meint, den Inbegriff aller himmlischen und irdischen Wesen, wie es auch LXX verstanden hat: xupwc:: TWI.I au~.~dp.eOJI.I. Vielleicht liegt in der Tat hier eine Lösung des Problems, besonders im Hinblick auf Gn 2, 1, wo von :.Himmel und Erde und all ihrem Heer« die Rede ist? - L. K ö h I er (Theologie des Alten Testaments, S. 33) entscheidet sich für die Annahme: ]ahroe tjeba:ot heifle: Herr der Sterne, worin eine Absage an die heidnische Vorstellung, dafl die Sterne Götter seien, liege. Diese Auffassung wird aber wiederum der Tatsache, dafl das himmlische Heer nie im Plural erscheint, nicht gerecht. Das Problem scheint also noch ungelöst. 64 Die Stellen s. oben, S. 254, Anm. 63. 65 Eine zweite Schicht der Rezeption bildet dann, wie bereits erwähnt, das babylonische Exil, wobei diese wiederum unbewuflt gedacht werden mufl, angesichts der bewuflt ablehnenden Haltung, gerade in dieser Zeit, gegen die feindlichen Eroberer und ihre Kultur. Dafl eine unbewuflte Infiltration trotzdem stattgefunden hat, beweist am schönsten Ezechiel, der die Säule des inneren Besteheuskampfes der Exilierten war, und dessen Vision, soweit sie eine spontane Manifestation des Unbewuflten ist, durchtränkt ist mit babylonischen Vorstellungen. Solche sind wahrscheinlich der Gotteswagen
25?
So werden die aus dem pluralistischen Gottesbegriff 'elöhim »entstandenen« bene hä-'elöhim nach dem Einschmelzungsprozeß zu Wesensseiten ] ahroes. Die Bedeutung ihres Namens darf daher für diese neue Stufe nicht überwertet werden. Sie sind nicht mehr eine Vielfalt nebeneinanderstehender Naturgewalten, sondern die Naturgewalt in Jahwe, gewissermaßen sein Aspekt der schöpferischen, aber auch Zerstörerischen Natur. Noch deutlicher als das »Heer des Himmels«, dessen urtümlich mythologischer Charakter nicht weiter bildhaft umrissen der Berufungsvision, der Schreiberengel usw. Es sei denn, man folge der m. E. zu rationalistischen Darstellung von L o r e n z D ü r r (Die Stellung des Propheten Ezechiel in der israelitisch-jüdischen Apokalyptik, 1923), dessen Ausführungen auf den Visionscharakter dieser Inhalte so gut wie keine Rücksicht nehmen, sondern sie gewissermaßen als Ausdruck bewußter theologischer Ueberlegung, resp. Uebertragung babylonisch-kultischer Züge auf J ahwe erscheinen lassen, was mir unzutreffend scheint. - Auch die Sacharja-Visionen zeugen davon und vielleicht besonders eindrücklich die babylonischen Vorstellungen im Schöpfungsbericht des Priesterkodex, wo hinter der Tehom. noch die in ihr verborgene Tiamat zu erkennen ist und der aus dem Chaos den Kosmos gestaltende Jahwe an Stelle des die Tiamat überwindenden und in Himmel und Erde zerteilenden Marduk steht. Freilich wird hier auch gerade die Umprägung ins spezifisch J ahwistische besonders deutlich; aber die babylonischen Mythologeme sind als Bilder nicht wegzudenkende Wesensaussagen über den alttestamentlichen Gott. - Auch Zimmern (in: Sc h r ader, Die Keilinschriften und das Alte Testament, 3. Aufl., von H. Zimmern und H. Winckler, 1903, S. 457) unterscheidet übrigens zwei Phasen des babylonischen Einflusses auf den J ahwismus, wenn er die alttestamentliche Vorstellung des Engelheeres auf die babylonische Vorstellung von den >um den obersten Gott teils als Ratsversammlung, teils als Kriegsheer versammelten Igigi (und Anunnaki)< zurückführt und dann hinzufügt: >In späterer Zeit (von Zimmern hervorgehoben), vom Exil an, ist die israelitische Engelsvorstellung allem Anscheine nach von Neuern stark von der babylonischen Mythologie beeinflußt worden.< 258
ist, geht dies aus andern Beispielen hervor. So sind die Seraphim, die in der Theophanie Jesajas (Kap. 6) den göttlichen Thron umgeben, entsprechend den bene hä,eloh'im der erwähnten Stellen, noch als ausgesprochen mythologische Tiergottheiten zu erkennen 66 • Sie gehören buchstäblich mit zum Bilde, zur Erscheinung Gottes, also zu seiner Ganzheit. DaR sie zugleich als Diener um den thronenden König herumstehen, läßt das Hinauswachsen der Gottpersönlichkeit über das Nur-Naturhafte erkennen. Er wird zum heiligen Gott. Aber diese Heiligkeit ist in ihm nicht aus der Natur herausgerissen, sondern wurzelt in ihr. Und die Natur beugt sich vor der Heiligkeit. Man denke an das »Heilig! heilig! heilig!« der Seraphim in der Jesaja-Vision. Das ist historisch die Ueberwindung: der alten Naturgottheiten durch den Geistgott J ahwe, aber es zeigt eben auch die Entwicklung Jahwes vom Naturgott zum heiligen Gott. In der Jesaja-Vision ist diese phänomenologische Ganzheit unübertrefflich ausgedrückt 67 • 66 Ihr Ursprung ist bisher noch nicht mit Sicherheit festgestellt worden. Man neigt aber allgemein zur Annahme, daß es sich um schlangenartige Fabeltiere handelte (s. Ha n s Du h m, I. c. S. 4; Baudiss in, Studien zur semit. Religionsgeschichte. Die Symbolik der Schlange. Bd. I, S. 282; J o h an n es Ni k e I, Die Lehre des Alten Testaments über die Cherubim und Seraphim. 1890, S. 88), worauf der Name slirlif deutet, der vielleicht auf den brennenden Bill des Tieres hinweist. Eine zwingende Analogie bilden aber auch die nel:tliS'im has-seriifim, die Serafen der Wüste (Nu 21, 4-6 und Jes 30, 6, wo von der geflügelten Schlange [slirlif me-'öfefl die Rede ist).- Zum Namen vgl. auch oben, S. 196. 67 Nicht so eng verknüpft wie bei Jesaja 6 und ohne die Vollkommenheit einer echten Vision, die eben alle lebendigparadoxe Einheit adäquat auszudrücken vermag, erscheint dasselbe Phänomen auch im neJ:tustlin, der wohl eine alte Schlangengottheit darstellt. Der Unterschied zur J esaja-Vision ist aber sehr aufschlußreich. Die Legende in 2 K 18, 4, es handle sich um die eherne Schlange Moses', soll ihren Zu-
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Entsprechend bilden die Kerubim in der EzechielVision, um den Thron Gottes gruppiert, resp. ihn tragend, seine lebendige Natur-Geist-Einheit. Sie sind auch die Hüter des Paradieses, des göttlichen Naturbereichs, aus dem die Menschen verstoßen werden. Und in Ps 18, ist der Kerub das Reittier Jahwes: »Er fuhr auf dem Cherub und flog daher und schwebte auf Flügeln des Windes.« Als auf den Keruben thronend erscheint er auch 1 S 4, 4 und 2 S 6, 2. So sind Seraphim und Kerubim ein besonders deutliches Beispiel der zu Wesensseiten J ahwes gewordenen alten Naturgottheiten. Sie erhärten somit durch ihre parallele Funktion unsere Auffassung von dem Jahwe umgebenden »Heer des Himmels« und den zu diesem funktionell in enger Parallele stehenden bene ha-'elohim, um die es uns hier zu tun ist. Stete Umgebung Jahwes zu sein, ist also ein erster Zug, der die bene ha-'elohim vom Begriff des mal'ak unterscheidet. Der mal'ak erscheint fast ausschlieRlieh in der Einzahl. Er ist hauptsächlich, worauf ja schon sein Name hinweist, jeweils ad hoc gesandter Bote Gottes. Es ist zu beobachten, dafl dies auch für fast alle Stellen, wo der Plural auftritt, gilt. Auch in Gn 28, 12 ist von den mal' äkim nicht bildhaft ausgesagt, daR sie Gott umgeben, sammenhang mit Jahwe bestärken. Jahwe sendet die Schlangen und läßt Mose den neJ:tas nel:töset errichten. Daß eine spätere, religiös differenziertere Zeit in dieser Zurückführung des neJ:tustän auf Moses nur eine dünne Bemäntelung eines urtümlichen Schlangenkultes erkannte, beweist Hiskias Kampf gegen ihn. Er läßt den neJ:tuStän zerschlagen, in derselben »Säuberungsaktion«, in der er die Höhenheiligtümer abschafft, die Malsteine zertrümmert und die Ascheren umhaut. Der Bezug dieser alten Schlangengottheit zu Jahwe war zu wenig eng und organisch. Als losgelöster Naturkult wurde er von der entwickelteren Jahwereligion nicht ertragen. Ein Herausfallen der Naturseite in Jahwe und ihre losgelöste Verehrung bedeutete in jener Zeit wirklich eine Regression auf eine frühere Stufe.
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sondern sie sind ebenfalls seine Boten, oder Vorboten: sie steigen die Leiter auf und nieder, dadurch gewissermaßen das Erscheinen Gottes ankündigend. Ganz deutlich ist ihr Botencharakter auch in Ps 78, 49: Jahwe entläHt seinen »Zorn«, »Grimm«, seine »Wut« und »Drangsal< als eine »Rotte verderbender Engel« über Aegypten (mislab,at mal'äke rä'im) 68 • mislab,at, die »Sendung«, verstärkt noch den schon im Begriff des mal'äk liegenden Botencharakter. Ausdrücklich ist er auch in Ps 91, 11 ersichtlich: »Denn seine mal'äkim wird er für dich entbieten 69 .« Nun gibt es aber auch zwei Stellen, die die Annahme einer früheren Berührung oder teilweisen Gleichsetzung der beiden Engelkategorien nahelegen: 1. Der sar $ebä' ]ahroe in Jos 5, 14. Dem Begriff nach gehört er wohl zu den bene hä-'elöhim, in seiner Einzelfunktion erinnert er jedoch auch an den mal'iik]ahroe, durch das Schwert in der Hand an Nu 22, vor allem aber durch die oben festgestellte Identität mit Jahwe, die für den mäl'ak ]ahroe charakteristisch ist; sagt er doch fast mit den gleichen Worten, wie sie Ex 3, 5 J ahwe an Mose richtet, zu Josua: »Ziehe deine Schuhe aus von deinen FüHen; denn die Stätte, da du stehst, ist heilig.< 2. Gn 32, 2, wo von mal'äkim als mab,ane 'elöhim die Rede ist 70 • Aus allen übrigen Stellen lassen sich aber so deutliche unterscheidende Merkmale der beiden Engelbegriffe feststellen, daH diese beiden Stellen nur Beweise einer sich anbahnenden Verschmelzung sein können, die sich in späteren Schriften, wie bereits erwähnt, deutlich vollzogenhat. Nun treten aber auch die bene hä-'elöhim als Boten 88
Uebrigens einer der schönsten Belege für die Engel als und zugleich :.Gesandte< Gottes! Vgl. auch Ps 103, 20 und Ps 104, 4. Vgl. zu den beiden Stellen auch oben, S. 255, Anm.
>Wesensseiten« 89
70
18 jung: Symbolik des Geistes
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auf. So bekommt in der Vision des Micha ben Jimla der »Geist« ja den Auftrag, Ahab zu betören, und auch der Satan des Hiob-Buches hat eine Botenfunktion. Aber gerade an diesen Beispielen wird ein wesentlicher Unterschied sichtbar, der uns wieder auf unsere Hauptspur, den Satan als einen der bene ha-'elöhim zurückführt: auch wenn einer der bene hä-'elöhim oder des $eba' has-sllmaim einen Botendienst übernimmt, ist er nicht wie der mal'ak I ahroe blindes Ausführungsorgan, gewissermaßen der Arm, der Jahwes Tat tut, oder der Mund, der Jahwes Wort redet, sondern er ist personhafter, autonomer, er scheint über einen eigenen Willen zu verfügen. Jahwe hat eine Beziehung zu ihm, redet zu ihm. Das ist beim mal' äk nicht der Fall, außer bei Sacharja, wo der mal'äk Iahroe als angelus interpres mit Gott Frage und Antwort wechselt. Dies ist aber gewissermaßen nur eine Form der Beziehung Gottes auf den Menschen. Auch hier ist der mal'ak I ahroe Bote, das Gespräch zwischen ihm und Gott ist nicht wirklich dialektisch. Dies ist ein subtiler Unterschied, jedoch von weittragender Bedeutung, wie wir noch sehen werden. Der Unterschied wird deutlich, wenn wir die Micha ben Jimla-Vision näher betrachten. Der Text lautet (1 K 22, 19 ff.): >Ich sah Jahwe auf seinem Throne sitzen und das ganze Heer des Himmels neben ihm zur Rechten und zur Linken stehen. Und Jahwe sprach: Wer will Ahab betören, daß er nach Ramoth in Gilead hinaufzieht und dort fällt? Der eine sagte dies, der andere jenes. Da trat der Geist hervor, stellte sich vor Jahwe und sprach: Ich will ihn betören. Jahwe fragt ihn: Womit? Er antwortete: Ich will hingehen und zum Lügengeiste werden im Munde aller seiner Propheten. Er sprach zu ihm: Du magst ihn betören und wirst es auch zustandebringen. Gehe hin und tue also!<
Das Interessante an diesem Gespräch im göttlichen Hofstaat ist, daß deutlich verschiedene Willensstrebungen vorhanden sind. J ahwe will Ahab betören. Er schickt aber 262
nicht einfach einen mal'äk, der es tut, sondern ist gewissermaßen darauf angewiesen, daR einer aus dem Heer des Himmels es übernimmt. Es scheint keine sehr begehrte Aufgabe zu sein; denn »der eine sagte dies, der andere jenes«, d. h. die meisten reden sich heraus 71 • Einer, der »Geist« (ha-rual},) - schon das nomen appellativum zeigt, daR es ein aus der Vielheit herausgehobenes Wesen ist7 2 71 Dies und nicht etwa, daß seitens der bene hä-' elohzm positive Vorschläge gemacht werden, scheint mir aus diesem Satz hervorzugehen; denn auf die bestimmte Frage Gottes kann es nur eine Antwort geben: eine ebenso bestimmte Bereitschaftserklärung, wie sie denn auch tatsächlich im wohl nicht zufälligen Gegensatz zu den unbestimmten Reden der Andern von seiten des >Geistes« erfolgt. 72 Die Auffassung J. Benzingers (Die Bücher der Könige, 1899, S. 124): »Mit diesem Geist, der unter Jahwes Dienern ist, kann nur der Geist gemeint sein, der überhaupt die Propheten beseelt und treibt«, scheint mir zu abstrakt zu sein. Aehnlich äußert sich Kitte I (Die Bücher der Könige, in: Nowack-Handkommentar, 1900, pag. 175): »Der göttliche Geist der Weissagung, der die Profeten erfüllt, wird zur selbständigen Person, ähnlich etwa wie die göttliche Eigenschaft der Weisheit in Prov. 8 zu einer selbständigen Hypostase wird. Wie das göttliche Zorngericht im Würgengel (masJ:tzt) personifiziert erscheint, so hier die göttliche Geistwirkung im ,Geist'.<': Kitte I übersieht immerhin die Personhaftigkeit und Selbständigkeit dieses Geistes nicht. Auf seine distinkte Individualität legt mit Recht J u I i an M o r g e n s t e r n (The mythological Background of Psalm 82, pag. 40, Anm. 25) das Hauptgewicht: »HaruaJ:t, literally, ,the wind'; actually in a number of biblical passages the winds are designated specifically as Yahweh's ,messangers' or ,angels' (cf. Ps 104, 3-4; 148,8; also Ps 18, 11 (= 2 S 22, 11); Job 30, 22). However, since it is clear beyond all question that here haruaJ:t has a certain individuality and personality and is commissioned by Yahweh to perform, not a general and routine service, such as winds might normally be expected to perform, but a very specific and realistic task, it undoubtedly brings out the full implication of the passage to render haruaJ:t he])e, ,the' or better ,a certain spirit'.« - Kau p e I s Argument: »Wäre eine Person gemeint,
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ein ganz spezifisches Element, erklärt sich bereit dazu. Daß es sich aber bei der Frage Gottes nicht etwa nur um eine demokratische Formalität handelt, sondern um ein wirkliches Brauchen des ~Geistes«, geht daraus hervor, daß Jahwe ihm nun nicht einfach den fertig ausgeheckten Auftrag übergibt, sondern der sich freiwillig meldende Bote muß auch den Einfall über das Wie der Durchführung mitbringen. Mir scheint diese Stelle eine außerordentlich interessante Darstellung eines innergöttlichen Konfliktes zu bieten, wie er für unsere mit dem Thema letztlich ins ·Auge gefaßte Entwicklung der alttestamentlichen Gottesvorstellung höchst aufschlußreich ist: Nehmen wir dieses Gespräch im göttlichen Hofstaat als inneres Selbstgespräch Gottes - dies rechtfertigt sich auch durch die Parallele von Gn 1, 26: »Lasset uns Menschen machen nach unserem Bilde«; es wird heute allgemein angenommen, daß hier Gott zu den ihn umgebenden Engeln redet 73 - so muß festgestellt werden, daß Gott in dieser Angelegenheit der Ahabbetörung nicht mit sich eins ist. »Der eine sagte dies, der andere jenes.« Eine Wesensseite m Jahwe will also nicht. Es ist ein Konflikt 74 • so könnte man nicht sagen, daf! der Lügengeist in den Mund gelegt wird.: (l. c. S. 68) darf mit seiDier fatalen Ineinanderschiebung von realer und mythologischer Ebene wohl nur Kuriositätswert beanspruchen. 73 Diese Stelle ist zugleich eine wertvolle Stütze für unsere Auffassung von der Wesensgleichheit Gottes und seiner Engel, resp. der Identität von Teil und Einheit. Einen sehr schöneil Beleg aus Midrasch Gn Rabba VII zu Gn 11, ? führt L e o Jung an (Fallen Angels in Jewish, Christian und Mahommedan Literature, A Study in comparative folk-lore. Jewish Quarterly Review, 1924-25, S. 481): R. Ami sagt: »God took Counsel roith his oron hearf.< 74 Dies hebt J ahwe z. B. über Zeus hinaus, der ein ähnliches Unternehmen völlig unberührt von moralischen Bedenken vollbringt, indem er dem Agamemnon einen Lügentraum schickt, dessen Befolgung die Griechen ins Verderben führt
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Aber der :.Geist« roill und weiß auch wie. Er erscheint wie ein personifizierter böser Einfall Gottes. Die dunkle, dämonische Seite in Gott fängt an, aus der ambivalenten Vermischtheit mit seiner Lichtseite herauszutreten, sich als ein distinkter dunkler :.Geist« zu zeigen. Es ist aber erst ein K()nflikt im »Heer des Himmels«, d. h. zwischen seinen Wesensseiten, nicht ein solcher zwischen ihm als Bewußtsein und einer einzelnen Tendenz in ihm. Diese weitere Stufe ist erst in der Satansvorstellung des HiobBuches erreicht. Da ist ein Wettkampf zwischen Jahwe und dem Satan, und es ist eine verschärfte, dialektische Auseinandersetzung, wirkliche Rede Gottes und Widerrede - des Widersachers. Und der Satan ist gegenüber dem »Geist«, der nur durch seine adhoc-Funktion als Lügengeist näher qualifiziert ist, schon durch seinen bestimmteren Namen, aber auch durch seine Funktion stärker profiliert. Der »Geist« in der Vision Micha ben Jimlas darf aber phänomenologisch als eine direkte Vorstufe der Satanfigur angesehen werden 75 • (Ilias, 2. Gesang, V. 5 ff.). Es hebt ihn auch über sich selbst hinaus, soweit er sonst ganz gleich wie Zeus Vernichtungstaten vollbringt. (Die vielen Beispiele s. bei V o l z , Das Dämonische in J ahwe.) Immerhin muß der Unterschied der Motive gesehen werden: bei Zeus gewissermaßen göttliche, unberechenbare Laune, bei J ahwe der Heilsplan mit Israel. 75 Vgl. auch Julian Morgenstern (1. c. pag. 32: >••• he (d. i. der Satan) represents here (d. i. Hi 1, 6-12 und 2, 1-7 a) a natural development from the figure of harual}, in 1 Ki 22. 19-23.< Einen Entwicklungszusammenhang zwischen den beiden Figuren, in den er auch die Schlange von Gn 3 einbezieht, sieht auch Kittel, Geschichte des Volkes Israel, Bd. III, S. 141. Gegen diese Auffassung äußert sich K a r I M a r t i (Zwei Studien zu Sacharja, S. 230). Seine Beweisführung: der >Geist< in 1 K 22 stehe nicht wie der Satan in Opposition zu J ahwe, geht von der m. E. unrichtigen Annahme aus (Näheres s. unten, S. 298 ff.), der Satan trete erstmals bei Sacharja auf, und vermag die oben vertretene Ansicht daher wohl nicht zu entkräften. Ebensowenig stich-
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Hierher gehört auch der böse Gottesgeist, der Saul befällt, nachdem ihn der (gute) »Geist Gottes« als Charisma verlassen hat. Zwei polar entgegengesetzte Wirkungen Gottes ersetzen einander, dadurch ihre gemeinsame Wurzel, die ambivalente Gottpersönlichkeit, bekundend. Daß der Wechsel dieser beiden Gottesaspekte vom Verhalten des Menschen abhängt, macht die Stelle theologisch besonders bedeutsam. Sie verbindet auch diese Erzählung mit der Hiobgeschichte, wie sich erweisen wird 76 • Nicht als distinkter, von Gott selbst sich abhebender Wille, wohl aber . als eigenmächtig durch ein Tun, das nicht von Gott befohlen, sondern sogar gegen seinen Willen geschieht, erscheinen die bene ha-'elöhim in der fragmentarischen Erzählung von Gn 6, 1-4. Sie sahen, »daß die Töchter der Menschen schön waren, und sie nahmen sie sich zu Weibern, welche sie nur wollten« 77 • Sie stellen haltig ist die ablehnende Stellungnahme K a u p e 1 s (1. c. S. 96, Anm. 1): >Aber wäre hier wirklich der erste Schritt zum Satansglauben getan, so würde man erwarten, daß II. Chr. 17, 22 ff. has-siifiin für hii-rüalJ- eingesetzt hätte.« Eine Verkiennung des Entwicklungszusammenhangs ist es auch, wenn umgekehrt Fr i e d r ich Schwa 11 y (Zur Quellenkritik der historischen Bücher, in: ZAW 1892, S. 159 f.) gestützt auf Stad e (Geschichte des Volkes Israel, Bd. I, S. 531, Anm.1) die unwahrscheinliche Vermutung äuf!ert, daf! statt rüalJ_ in 1 K 22 »Ursprünglich siifiin oder ein wirklicher Engelname Michael oder dgl. dagestanden hat<. 76 Siehe unten, S. 274 ff. 77 Auf Grund dieser Stelle leugnet Kau p e 1 (1. c. S. 136) den Engelcharakter der bene .hii-'elöh'im. Mit diesem terminus seien >die Frommen« gemeint. Diese Auffassung findet sich schon in einer zadokitischen Tradition, die besonders von syrischen Schriftstellern seit Ephl'em verbreitet wurde; danach waren die bene hii-'elöh'im im Henochbuch nicht Engel, sondern Söhne Seths, die wegen ihrer Frömmigkeit »Söhne Gottes« genannt wurden (s. A d o I p h e L o d s , La Chute des Anges, Origine et portee de cette speculation, in: Congres d'Histoire du Christianisme, 1928, S. 32/33). Das Alter dieser Auffassung beweist aber nichts gegen ihre Unwissenschaft-
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also eine selbständige Zielstrebung dar 78 • Sie folgen einem Gelüste, einem Drang zum Menschen hin. Gewissermaßen hinter Gottes Rücken verbinden sie sich mit dem Menschen 79 • lichkeit. Sie ist ein die Erzählung von Gn 6, 1-4 weiterbildender Midrasch, nicht eine wissenschaftliche These. Als solche. V1ertritt sie allerdings auch J. W. R o t h s t e in (Die Bedeutung von Gen 6, 1-4 in der gegenwärtigen Genesis. In: Festschrift Karl Budde, BZAW 2'2', 1920, S. 150 ff), vermag aber nicht zu überzeugen. Neben sonstigen Unwahrscheinlichkeiten seiner Argumentation, auf die einzugehen hier zu weit führen würde, verkennt R o t h s t e i n vor allem den typisch mythologischen Charakter des fraglicheil Fragments, sowie den inneren Bezug der bene hli'elohlm in diesem Text zu anderen Aussagen über diese Engelkategorie. Auch Kau p·e I kann sich schließlich nicht anders helfen, als in Hinsicht auf die Hiobstelle, wo die bene hli-' eloh'im unzweifelhaft Engel sind, einen uneinheitlichen Sprachgebrauch anzunehmen (S. 133). 78 Vgl. auch C. H. T o y, Evil Spirits in the Bible, (in: Journal of Biblical Literature, Vol. IX. 1890, pag. 22): >••• but the ,sons of Elohim' act without reference to the supreme God; ... « Auch T o y sieht in ihrer Selbständigkeit einen Wesensunterschied gegenüber dem mal'lik: :.While the term mal' lik describes those superhuman intelligences who act as agents or representatiV1es of God in his control of affairs, the ,sons of God' are mentioned in other Connections, not so much as ministers, but rather as membres of the divine court, attendants on God yet in a sort independent.« (Von mir hervorgehoben.) 79 Psychologisch gesehen kommt darin ein gewissermaßen noch unbewußtes Drängen Gottes zum Menschen hin zum Ausdruck, was auch in der Vielheit der Engel als Wesensseiten Gottes angedeutet ist. Es ist kein bewußtes Sich-Hinneigen Gottes zum Menschen, wie im späteren Theologem von der Menschwerdung Gottes, sondern ein unbewußtes Getrieben-Sein. Aus der Verbindung geht denn auch nicht, wie im späteren Theologem, ein Gottmensch hervor, sondern Monstren. Als eine Vorform jenes Theolowems darf vom psychologischen Standpunkt aus aber wohl auch diese Stelle beansprucht werden.
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Es wurde oft darauf hingewiesen, es liege eine Unlogik darin, daß Gott nicht, wie zu erwarten wäre, die Engel bestrafe, sondern die Menschen, indem er diesen die Lebensdauer verkürzt so. Vom inneren Zusammenhang her erscheint es mir aber durchaus folgerichtig: eine Seite in Gott will sich dem Menschen einen, eine andere aber will dies durchaus nicht, weil der Mensch dadurch Gott gleich würde. Daher: »Mein Geist soll nicht auf immer im Menschen walten, ... « (Gn 6, 3). Auch dies ist ein schöner Beleg dafür, daß die bene hä-' elohim Geist vom Geiste Gottes sind. Es ist dieselbe Problematik wie in Gn 3, 1, wo eine Seite Gottes, nämlich die dunkle, die Schlange, die Menschen verführen will, daß sie wie Gott sein werden und wissen, was gut und böse ist, die andere aber sie gerade um dessentwillen aus dem Paradiese vertreibt. Die Schlange ist - obwohl der Wortlaut hierzu keine direkte Handhabe bietet - schon sehr früh s\ aus einer richtigen Intuition heraus, mit dem Satan identifiziert worden. Denn indirekte Hinweise dafür ergeben sich aus den alttestamentlichen Satanstellen durchaus. Ein solch indirekter Zusammenhang ist gerade der eben aufgewiesene zwischen Gn 3 und Gn 6, 1-4. Aus ihm ergibt sich auch der weitere von Gn 3 mit dem Satan des Hiob-Buches, der ja auch einer der bene hä-' elohim ist. Der Satan ist, wie die Schlange im Paradies und die bene hä-' elohim in Gn 6, 1 ff., darauf aus, die Beziehung des Menschen zu Gott zu verändern. Gott selbst arbeitet im Alten Testament durch seine dunkle Seite am Menschen als »die Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schaffk Denn obwohl in der Paradiesesgeschichte es der Sündenfall katexochen ist, ist Gott gerade auf diese Sünde des Menschen, zu wissen, was gut und böse ist, ja dann in so Vgl. die Ansicht J u l i an Morgensterns, die Stelle habe ursprünglich von der Bestrafung der Engel berichtet, unten, S. 270 f. s1 Weisheit Salomonis 2, 24.
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der Folge für seine Heilszwecke angewiesen. Im HiobVolksbuch vermag der Satan den Menschen Hiob nicht direkt zu der geplanten Sünde zu verführen, aber in der Hiobdichtung wird Hiob doch bis tief in die ans Blasphemische grenzende Auflehnung gegen Gott hineingerissen - dies übrigens ein weiterer Umstand, neben den bereits erwähnten, der die theologische Zusammengehörigkeit von Satansfigur im Volksbuch und dem Hiob der Dichtung zeigt 82 • Ueberblicken wir dies alles in Hinsicht auf die Wesensbestimmung der bene hä-'elohim, so ergibt sich uns als hervorstechendes Merkmal ihre Zugehörigkeit zu Gott im positiven wie negativen Sinne. Sie gehören zu seinem vollen Wesen, sie bilden seinen Hofstaat. Der Keim eines eigenen Willens ist in ihnen aber sichtbar, ein leiser Riß entsteht in der Gottpersönlichkeit, der alte :.Nähte« auflöst und erkennen läßt, daß diese Einheit bereits aus einer Vielheit entstanden war, resp. hinter der Eigenwilligkeit der bene hä-'elohim der bezwungene Wille alter Götter wieder lebendig wird. Das wird auch deutlich aus der sonst schwer erklärlichen Stelle Jes 24, 21-23, aus der sog. Jesaja-Apokalypse 88 : >An jenem Tage, da wird J ahwe heimsuchen das Heer der Höhe in der Höhe und die Könige der Erde auf der Erde. Die werden zusammengesperrt in die Grube, wie man Gefangene einsperrt, und sie werden verschlossen in den Verschlu.H und nach vielen Tagen zur Strafe gezogen. Der Mond wird erröten 82 Hiobs Frau stellt übrigens den Teil in ihm dar, der dem . Satan verfällt. Sie redet die Worte zu Hiob, die genau den geheimen Intentionen des Satans entsprechen: >Fluche Gott und stirb!< Auch dies ergibt eine auffallende Parallele zur Schlange und Eva in der Paradiesesgeschichte, worauf bereits an anderer Stelle hingewiesen wurde (oben, S. 202). 83 J o h. LindbIom (Die Jesaja-Apokalypse. Lund 1938, S. 84) setzt sie ins 5. J ahrh. v. Chr., B er n h a r d D u h m (Das Buch Jesaja, 1914, S.147/148) ins 2. Jahrh. v. Chr.
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und die Sonne beschämt dastehen; denn König ist der Herr der Heerscharen (Jahroe fiebä'öt) auf dem Berge Zion und zu Jerusalem, und vor seinen Aeltesten ist Herrlichkeit.«
Hier muß wohl beides gesehen werden: die Polemik gegen die alten Gestirnsgötter, zugleich aber die Bestrafung der revolutionären bene hä-' elohim. J o h an n Li n d b I o m hält diese Verse für einen späteren Zusatz innerhalb der Jesaja-Apokalypse. Die Stelle hänge »offenbar mit spätjüdischen angelalogischen und eschatologischen Vorstellungen zusammen. Den besten Kommentar gibt uns das Henochbuch« 8 4. Als Erklärung kann dieser Hinweis auf ein jedenfalls doch noch bedeutend jüngeres Buch aber wohl nicht gelten. Einen sehr interessanten Versuch unternimmt Juli an Morgenstern 85 , Psalm 82 mit unserer Stelle, sowie Gn 6, 1-4 und Jes 14, 13: »Wie bist du zu Boden gefallen, du strahlender Morgenstern!« 86 in unmittelbaren Zusammenhang zu bringen. Sein Resultat ist in Kürze folgendes: Von Ps 82, 6-?': »Wohl habe ich gesprochen: Götter !>eid ihr, ihr alle seid Söhne des Höchsten. Doch wahrlich, wie Menschen sollt ihr sterben, ... «
fällt ein erklärendes Licht auf Gn 6, 4. Es handelt sich um einen Mythos von Engeln, die sich mit Menschentöchtern verbanden und dafür bestraft wurden, und zwar eben dadurch, daß sie von nun an »wie Menschen leben sollten«. Ursprünglich wurden also nach Morgenstern in Gn6, 1-4 nicht die Menschen bestraft, sondern die bene ha84 1. c. S. 27. Er verweist insbesondere auf Hen 90, 24; 88; 91, 15. 54; usw. 85 The Mythological Background of Psalm 82. In: Hebrew Union College Annual. Cincinnati 1939, pag. 29-126. 86 Auch dies ein später eingeschobenes, nicht von Jesaja stammendes Stück. B. D u h m (1. c. S. XIII) setzt es ins 2. bis 1. Jahrh. v. Chr. an, Julian Morgenstern (l.c. pag. 110, Anm. 144) zwischen 486 und 476 v. Chr.
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'elöh'im 87 • Im Nachsatz von Ps 82, 2': »(ihr) sollt stürzen wie einer der Fürsten« wird ein weiterer Mythus sichtbar: derjenige des rebellischen und wegen seiner Rebellion gestürzten helel ben säl},ar 88 , der in Jes 14, 12 ff. als Bild 87 Dafl aber auch die vorliegende Version, resp. die Bestrafung der Menschen, nicht sinnlos ist, versuchte ich oben, S. 268 darzutun. 88 Nach B. Du h m (Jesaja. S. 96) >spielt eine Sternfabel von Merkur mit ein, der mit der Sonne den Himmel ersteigen will, aber (weil er plötzlich unsichtbar wird) zurückgewiesen wird, die griechische Fabel vom Phaeton<. Siehe auch Gunk e I (Schöpfung und Chaos, S. 133/34): »Der Morg,enstern, Sohn der Morgenröte, hat ein eigentümliches Geschick. Hell erstrahlend eilt er am Himmel empor, aber er kommt nicht zur Höhe; die Sonnenstrahlen machen ihn erblassen. Diesen Naturvorgang schildert der Mythus als einen Kampf 'Eljons gegen Helal, der einst zur Höhe des Himmels hinauf wollte, aber zur Unterwelt herab mußte. Ganz ähnlich spricht der griechische Mythus von dem frühen Tode Phaetons, Sohn der Eos; auch Phaeton ist der Morgenstern; cpae{fov ist seiner Wortbedeutung nach mit helel (glän21end) identisch.« Diese sprachliche Ableitung, resp. die Uebersetzung mit »Morgenstern«, hat auch in Hinsicht auf die ganzen Sinnbezüge, in die der Begriff eingebettet ist, mehr für sich als diejenige mit »Mond«, die sich ausschliefllich auf das arabische hiläl = Neumondsichel, stützt. Vgl. Zimmern in Sc h r a der, KAT, S. 565, Anm. 7, unter Hinweis auf W in c k I er, Geschichte Israels II, S. 24; Altoriental. Forschungen II, S. 388; W e ll hausen, Prolegomena, S. 111, Anm. 2. Auch Ge s eu i u s- Buh I schließt sich dieser Vermutung an. Dafl Zimmern sich genötigt sieht, in Jes 14 vielmehr die Altmondsichel anzunehmen, »wobei sowohl der Zusatz ben sal:tar, wie der Gedanke vom Tod Helals sich noch weit besser erklären würde«, zeigt aber gerade eher die Schwierigkeit seiner Auffassung. - W. Baumgart n er (Israelitischgriechische Sagenbeziehungen. In: Schweiz. Archiv für Volkskunde, 1944, S. 11 f.) macht, insbesondere unter Hinweis auf einen analogen nordamerikanischen Mythus auf den allgemeineren Charakter dieses Motivs aufmerksam und hat daher Bedenken gegen eine unmittelbare Gleichsetzung von Helal und Phaeton. Ein ähnlicher Mythus erscheint auch Ez 28, 11-19, ange-
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für den anmaßenden König von Babyion erscheint. Auf einen dieser beiden Mythen oder auf beide zugleich bezieht sich nachMorgensternauch Jes 24, 21-24 89 • wendet auf den König von Tyrus, der dem schützenden Kerub beigesellt, in Eden auf dem Gottesberg war und dann wegen seiner Ueberheblichkeit von Gott auf die Erde gestürzt wurde. - Zur Frage des Ursprungs dieses Mythus sagt Gun k e 1 (Schöpfung und Chaos, S. 134): ~Im Babylonischen ist der Name Helal und der Helal-Mythus einstweilen nicht bezeugt. Damit ist freilich der babylonische Ursprung nicht ausgeschlossen. Wenn babylonisch, würde der Mythus sich wohl auf den Mercur beziehen. Im andern Falle würde man etwa auf phönicische Herkunft raten.« Seither haben die Ausgrabungen von Ras Schamra mehr Licht in das Problem gebracht. J u I i an Morgens t er n erwähnt, daf! die Figur von »Shahar« schon in der mythologischen Literatur von Ugarit als der Sohn von EI und Zwillingsbruder von Shalem erscheint. Er verweist (I. c. pag. 112, Anm. 153) auf den Mythus ~The Birth of the Gracious and Beautiful Gods« 1, 51 in: Mon t g o m er y and Harr i s, The Ras Shamra Mythological Texts, 38, 177, u. a. a. 0. Bei W. Baumgart n er (Ras Schamra und das Alte Testament, in: Theologische Rundschau 1940/41, Heft 3/4, S. 90) findet sich die nähere Angabe, daf! im ugaritischen Pantheon schon im 2. Jahrtausend v. Chr. ein Götterpaar ~Morgenröte« und ~Son nenuntergang« (shr und slm) belegt ist. 89 Ausgehend von B. Du h m s Annahme, daf! J es 24-27 aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. stamme, führt E r i k S t a v e, I. c., S. 191, das Motiv des Engelsturzes auf die persische Anschauung zurück, wonach die bösen Geister am Ende der Weltgeschichte gestürzt werden. Er verweist (S. 176) auf Bundehesh 3, 26 (Sacred Books of the East, Bd. V, S. 19): ~And ninety days and nigths the heavenly angels were contending in the world with the confederate demons of the evil spirit, and hurled them confounded to hell; and the rampart of the sky was formed so that the adversary should not be able to mingle with it.« Ebenso faf!t S t a v e die Stelle Jes 27, 1, wo die Ueberwindung des Leviathan und des Tannin in die Zukunft verlegt erscheint, eschatologisch im parsistischen Sinne auf. Beide Mythologeme, das des Engelsturzes wie das der Ueberwindung des Meerungeheuers, sind aber weit älteren,
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Mo r g e n s t er n s schon durch die umfassende Material- und Literaturverarbeitung ungemein wertvolle Arbeit leidet aber etwas darunter, daR er sehr vieles von diesen Zusammenhängen aus späteren Ausgestaltungen der betreffenden Mythen in den apokryphen Schriften rückerschließt. Immerhin stellt er ausdrücklich fest, »that nowhere in the biblical literatme has Satan come as yet to play the röle which we find attributed to him in the form of the myth recorded in the apocalyptic and N. T. writings, viz. that of the rebellious angel of high rank who seeks to supplant God as the ruler of the universe .... Unquestionably the identification of Satan with Helel ben Shahar took place only after the period of the Chronicler, i. e. speaking gener~lly at some during the third century B. C., and more probably during the second rather than during the first half of the century« 90 • Ursprungs; ersteres, wie wir eben sahen (s. oben, Anm. 88 zu S. 272) im Ugaritischen belegt, letzteres auf den babylonischen Mardukmythos zurückgehend. Im letzteren werden die verschiedenen Schichten der Fremdbeeinflussung biblischer Auffassungen sehr schön sichtbar: In einer späteren Zeit werden die alten, kanaanäisch-babylonischen Mythologeme zum geeigneten Bild des eschatologischen Endkampfes zwischen Gott und Teufel, der seinerseits persisch beeinfluf!t ist. Im neutestamentlichen Satan der }ohannesapokalypse findet sich die Identifikation des Urdrachens mit dem Satan expressis verbis. Der Kampf zwischen Michael und seinen Engeln einerseits und dem Drachen und dessen Engeln anders,eits, endet damit, dafl »der grofle Drache, die alte Schlange, die da heilH Teufel und Satan« (V. 9), auf die Erde geworfen wird - in enger Parallele, wie S t a v e wohl zuzustimmen ist, zum persischen Angromainyu, dem dasselbe geschieht bei seinem miRglückten Versuch, in die nächste Umgebung Ahura Mazdas einzudringen (I. c. S. 199; s. Bundeshesh 3, 10, Sacred Books of the East, Bd. V, pag. 17, zitiert in anderem Zusammenhang unten, S. 315, Anm. 28). Hier, in der }ohannesapokalypse (20, 1-3) findet die in }es 24, 21-23 angedeutete Anschauung ihre volle Ausprägung. 90 I. c. pag. 110.
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In unserem Zusammenhang wesentlich ist, daß die rebellierenden Sterngottheiten eines alten Mythos im Alten Testament zu - eigenwilligen- Wesensseiten der einen Gottpersönlichkeit Jahwe geworden sind. Als einer der bene hä-'elohim ist der alttestamentliche Satan mit dem mythologischen Hintergrund dieser Stellen verbunden. Es ist daher wohl nicht zuviel gesagt, wenn man in ihnen die wirklichen Keimzellen der späteren Vorstellung vom Satan als gefallenen Luzifer 91 sieht. Das »Luziferische« ist, wie aus allem bisher Angeführten schon fühlbar geworden sein mag und im folgenden noch deutlicher zutage treten soll, im Wesen des alttestamentlichen Satans schon angelegt.
4. Der Satan als einer der bene ha-'elohim im Hiob-Buch (1, 6-12 und 2, 1-?) Betrachten wir auf dem Hintergrund des eben gewonnenen Bildes von den bene htt-'elohim die Ausprägung, die diese Vorstellung im Hiob-Buch erhält, so läßt sich unschwer feststellen, daß sie in dieser Erzählung eine weitere Differenzierung erfahren hat. Die bene hä-'elohim sind nicht mehr eine ungeschiedene Vielheit, sondern einer unter ihnen erscheint mit einer speziellen Funktion betraut: der Satan 92 • Nun ist dies schon in 1 K 22 begegnet. Die Uebersetzung von helel ben sal}ar mit »Lucifer« in In der Identifikation des Satans mit dem »Lucifer« von Jes .14 seitens Te r tu ll i ans und G r e gor s des Großen, unter Vergleich mit Luk. 10, 18, steckt daher nur historisch gesehen ein Irrtum; psychologisch ist sie als eine echte Intuition zu werten. 92 Kau p e l s Bemerkung (l. c. S. 96), Hi 1, 6-12 und 2, 1-? erscheine der Satan lediglich unter den Engeln, sei also selbst kein Engel, fällt m. E. als Spitzfindigkeit außer Betracht. Der Auseinandersetzung mit der ebenso unzweifelhaf91
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14, 13 geht auf die Yqlgata zurück. -
Dort handelte es sich aber um einen Auftrag ad hoc, während hier der Satan schon in seinem Namen auf seine Funktion festgelegt erscheint. Das Wesentliche aber ist, dafl sein eigener Wille nicht wie beim ))Geist« in der Vision des Micha ben Jimla nur in der Entscheidung für einen Plan Gottes besteht, sondern darin, dafl er scheinbar dem Willen Gottes entgegensteht. Er diskutiert mit Gott und argumentiert, und seine Argumente verfangen bei Gott. Greifen wir zurück auf das, was sich über die Beziehung der bene ha-' elohim zu Gott ergeben hat, nämten wie peinlichen Tatsache des Vorhandenseins des Satans im göttlichen Hofstaat entgeht der Verfasser durch Flucht in das nichtssagende Argument der »dichterischen Einkleidung«. Sie ist es nach ihm auch Sach 3, 1 ff., die es ermöglicht, »Satan in der Nähe Gottes weilen zu lassen« (S. 100).- Aehnlich i:Jimmt auch Er i k S t a v e (1. c. S. 251) an, der Satan gehöre nicht »in seinem lnnern« den bene ha-' elöh'im an, sondern nur darin, dafl er Gott untertänig und von ihm abhängig sei. - Zu betok an unserer Stelle vgl. demgegenüber Driver und Gray (Job, in: The International Biblical Commentary, pag. 11: »betök is not infrequently tantamount to: (one) of the number of, with others of the same dass. see Gen. 23, 10; 42, 5; Nu. 17, 21; 26, 62; 1 S. 10, 10; Ezk. 29, 12. But as in several of the passages just cited the person or persons in question are peculiar or pre-eminent in the dass to which they are referred, so is the Satan here: he is one of the sons of the gods, or angels, and as such subject to and under the control of Yahweh and incapable of acting beyond the terms of His permission; but there are perhaps germs of the later idea of Satan, the opponent of God, dividing with Hirn the allegiance of men (Wisd. 2, 24), in the freedom with which he here mov,es about in the earth, so that Yahweh asks where he has been (1, 7; 2, 2), in cantrast to the angels who are sent to definite persons and places.« D r i v e r - G r a y kommen also von ganz anderem, sprachlichem Ausgangspunkt zur Feststellung einer gewissen Selbständigkeit des Satans Jahwe gegenüber. M. E. liegt diese allerdings, wie im Vorhergehenden zu zeigen versucht wurde, schon im Charakter der bene hii-'elöhfm. Im Satan hat sich diese Selbständigkeit lediglich zu voller Sichtbarkeit ausgeprägt.
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lieh, daß sie die Vielheit seiner W esensstrebungen sind, die sich als solche zu manifestieren beginnen, so erhebt sich die Frage: Welche Wesensseite Gottes verkörpert der Satan als einer der bene hä-' elöhim? Er ist nicht nur ein wenn auch seiner selbst bewußtes Werkzeug des göttlichen Willens wie der »Geist« in 1 K 22, sondern er verkörpert eine Seite in Jahwe, die wie der »Geist« zu ihm gehört, aber nicht nur im Aufgerufensein sich selbst und Gott bewußt wird, sondern hier ist einer der bene hä' elöhim autonomer geworden, er ist noch individueller ausgeprägt, er ist eine selbst agierende Wesensseite Gottes, die mit seiner Gesamtpersönlichkeit in Konflikt steht und durch deren Willensstrebung Gott in Unruhe versetzt wird. Gott nimmt diese Wesensseite in sich an, er läßt sie sich auswirken, und doch steht er ihr kritisch, ja unsicher gegenüber. Er gibt ihr nach und beschränkt sie zugleich. Das Annehmen dieser Wesensseite liegt vor allem darin, daß dem Satan eine bestimmte Aufgabe zugewiesen ist: er streift auf der Erde umher als »Aufpasser« Gottes über die Menschen 93 • Schon dieses Amt ist aus einem Argwohn geboren, es ist der 'el qannä', der eifersüchtige Gott des Exodus "\ der das Volk, das er sich zum Besitz gewählt hat, eifersüchtig bewacht, ob es ihm so angehört, wie er es verlangt. Doch ist hier eine veränderte, abgründigere Atmosphäre. Während sonst im Alten Testament Gott ungebrochen Frömmigkeit fordert und nur in Zorn entbrennt, wo er sie nicht findet, genügt ihm der Gehorsam Hiobs nicht. Es sitzt ein geheimer Zweifel in ihm, der im Satan, der von ihm abgelösten W esensseite, erst ganz manifest wird. Dieses ganze Beziehungsgefüge als innergöttliches, psychisches Geschehen geht. sehr schön aus Einzelheiten des Textes selbst hervor. So kommt der Satan z. B. nicht etwa von sich aus anklägerisch auf Hiob zu sprechen, sonUeher diese Vorstellung s. unten, S. 293 ff. •• s. Ex 20, 5; 34, 14.
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dern Jahwe provoziert ihn durch eine betonte Hervorhebung von Hiobs Frömmigkeit. Hier zeigt sich der geheime Zweifel Jahwes. Er glaubt an die Frömmigkeit Hiobs und glaubt doch nicht an sie. Denn er hat es nötig, sie sich bestätigen zu lassen. Die Tatsache seiner Frage und ihre provokatorische Form läßt sich auf den Grundsinn reduzieren: Ist Hiob auch wirklich fromm? Und was nun der Satan antwortet, ist wie das Lautwerden des göttlichen Argwohns. Der Satan erscheint hier als der manifestierte Zweifel in Gott. Er entwertet Hiobs Frömmigkeit und bewirkt, daß Gott ihm Hiob ausliefert. Das heißt: Gott ist seinem Zweifel erlegen. Darüber kann nichts hinwegtäuschen. Gewiß ist der Satan insofern nicht autonom, als Gott ihm seine Zustimmung zur Zerstörung von Hiobs Lebensglück gibt. Natürlich wäre es an sich denkbar, daß der Satan auf eigene Faust handeln würde, über Jahwe hinweg. Das hätte aber die völlige Zerreißung der Gottpersönlichkeit bedeutet, ihr völligesAuseinanderfallen. Der Satan hätte auch Hiobs Leben zerstört und damit die Schöpfung Gottes. Mit anderen Worten: der Zweifel Gottes an seiner Schöpfung hätte gesiegt, was sich durch eine Zerstörung der Schöpfung manifestiert und damit- bildlich gesprochen - zu einer Selbstzerstörung Gottes geführt hätte. Daß der alttestamentliche Gott solche Anwandlungen kannte, zeigt die Sintfluterzählung, und daß er sich nicht gegen sie gefeit weiß, auch nach dem Gnadenakt an Noah, in welchem er ja den Keim zur neuen Welt rettet, zeigt der Bund, den er mit N oah abschließt. Er verpflichtet sich, die Menschheit nicht mehr zu vertilgen und setzt ein Zeichen dieses Bundes, auch sich selbst zur Erinnerung! Es heißt ja ausdrücklich: »••• dann will ich des Bundes gedenken, der da besteht zwischen mir und euch und allen lebenden Wesen, und niemals wieder sollen die Wasser zu einer Sintflut werden, die alles Fleisch verderbe. Und wenn der Bogen in den Wolken steht, roill ich ihn ansehen, um des eroigen Bundes zu geden19 jung: Symbolik des Geistes
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ken zwischen Gott und allen lebenden Wesen, die auf Erden sind 95.«
Auch die Versuchung Abrahams gehört hierher. Man muß sich vergegenwärtigen, daß Gott seinen ganzen Heilsplan und damit seine Schöpfung aufs Spiel setzt, um sich der Frömmigkeit Abrahams zu vergewissern; denn Abraham war ja der Heilsträger, mit ihm hatte Gott einen Bund geschlossen (Gn 15), ihm hatte er einen leiblichen Sohn verheißen und Nachkommen, zahllos wie die Sterne. Und Gott besiegelte diesen Bund durch ein archaisches Bundeszeremoniell: Er ging als Feuerfackel zwischen den Hälften getöteter Tiere hindurch, die er Abraham zuvor entzweischneiden hieß; damit unterzog er sich dem Sinn dieser archaischen Handlung: so wie diese Tiere entzweigeschnitten wurden, so soll es mir geschehen, wenn ich den Bund breche. Hier darf wohl füglieh davon gesprochen werden, daß Gott, im Bilde menschlicher Psychologie ausgedrückt, in der er hier symbolisch erscheint, sich mit dem Leben lsaaks selbst aufs Spiel setzte. Hier schon ging der Zweifel Gottes gewissermaßen an die Wurzel seiner eigenen Existenz. Es zeugt wiederum vom religiösen Instinkt älterer Zeit, wenn eine talmudische Le95 Gn 9, 15. 16 (von mir hervorg·ehoben). Daß es sich bei diesem Zeichen wohl eher um den Regenbogen als um die Mondsichel handelt, wie oft als Möglichkeit geltend gemacht wird, scheint mir aus dieser psychologischen Situation hervorzugehen. Der Regenbogen ist ja eine Verbindung von Himmel und Erde, Gott und Mensch. Er ist wirklich ein Symbol der Beziehung, des Bundes. Zudem ist er keine regelmäßige Erscheinung, die sich als solche wenig als Erinnerungszeichen eignen würde; und außerdem erscheint der Regenbogen ge~ wöhnlich nach einem Sturm, also gewissermaßen einer Zornanwandlung Gottes, die die Gefahr der Zerstörung in sich birgt. Da hat Gott das Erinnerungszeichen nötig, an das Versprechen, das er den Menschen gegeben hat! Aber selbst wenn man, wie A. J er e m i a s (Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, 1930, S. 155), annimmt, daß das »Zeichen« ursprünglich die Sichel des Neumondes sei - unter Hinweis
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gende {Synh. 89 b) 96 und schon vor ihr die Jubiläen (Kap. 18) erzählen: der Satan- in den Jubiläen Mastema - hätte Gott zu dieser Prüfung Abrahams verführt 97 • Der innere Zusammenhang mit der Rioherzählung ist evident. Und doch besteht ein wesentlicher Unterschied. Es handelt sich gewissermaßen um verschiedene Stufen, auf die babylonische Vorstellung vom Neumond als Waffe der im Mond sich offenbarenden Gottheit (V i r o ll e a u d , L'Astrologie Chaldeenne, 1905, 2. Suppl. VI, ?: kastu il Sin) und auf die vorislamischen Araber, die von Kuzah sagen, dafl er Pfeile schieflt und nach dem Kampf den Bogen in die W olken aufhängt - interessant ist übrigens in unserem Zusammenhang, dafl nach Tabari (Tafsir) der Bogen Kuzah's später der Bogen Shaitans genannt wurde (Handwörterbuch des Islam, Art. Shaitan, S. 6?1) - wäre der >Kriegszustand< J ahwes gegen seine Schöpfung vorausgesetzt. Er wäre demnach sehr eng mit der Dunkelheit des Neumondes zusammengebracht, was zur Sintflutkatastrophe, die psychologisch als Auslöschung des Bewußtseins angesehen werden kann, gut passen würde; anderseits bliebe dies der einzige >Mondzug« des alttestamentlichen Gottes, dem sonst viel häufiger Feuernatur zugeschrieben wird. Je r e m i a s denkt übrigens an einen schon sehr früh vollzogenen Uebergang der Mond- in die Regenbogenvorstellung. Er hält es für möglich, dafl bereits der Redaktor die Wandlung vom Kriegsbogen in den Regenbogen nach der Sintflut vollzogen hat (S. 156). Wichtig ist vor allem seine Erwähnung, dafl auch die Araber bei dem pfeileschießenden Kuzah nicht mehr an den Mondbogen, sondern an die Iris denken (I. c). Jedenfalls spricht für den Regenbogen auch noch die Tatsache, dafl eine Entsprechung zu dem babylonischen kaStu il Sin im Alten Testament nicht vorkommt, der Neumond heiflt durchgehend ~liides, während sich für den Bogen in den Wolken (qeset be-'änän) eine Parallele in Ez 1, 28 findet, wo es sich unzweifelhaft um den Regenbogen handelt (be-jöm hag-gesem). 96 s. A. K o h u t, Ueber die jüdische Angelologie und Daemonologie in ihrer Abhängigkeit vom Parsismus. 1866. S. 6?. 97 s. Er i k S t a v e, I. c. S. 26?. Ebenso wird in den Jubiläen die Bedrohung des Mose durch Gott (Ex 4, 24-26), die Zauberei der aegyptischen Zauberer, die Verhärtung der Aegypter und die Erschlagung der aegyptischen Erstgeburt auf Mastema zurückgeführt (I. c. Anm. 1).
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verschiedene :.Standorte« Gottes. Bei Abraham handelt es sich, wie bei Noah, um den Anfang des göttlichen Schöpfungs- und Heilsplanes. Es ist gewissermaßen natürlich, daß eine Unsicherheit besteht. Es gibt noch keine Tradition der Jahwezugehörigkeit. Auf dem Hintergrund der Sinaioffenbarung und der Gotteserfahrungen des Volkes in seiner Geschichte bis zur Zeit des Hiobdichters 98 nimmt sich der Zweifel Gottes aber anders aus, zumal Hiob den bisher gültigen Frömmigkeitsanspruch erfüllt. Der Zweifel kann sich daher nicht auf etwas Bestehendes 98 Daß dessen Zeit für die theologische Deutung der Erzählung allein maßgebend sein kann, und nicht die alte Zeit, in die der Hiobdichter die Erzählung verlegt, scheint mir selbstverständlich zu sein. Tor c z y n er s Ansicht, daß es sich um eine Bekehrungsgeschichte handelt, in der sich J ahwe einem »Heiden«, einem Edomiter offenbart (Hiobdichtung und Hiobsage, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, J ahrg. 1925, S. 234-48) scheint mir nicht überzeugend, da gerade in der Rahmenerzählung, die die Hinweise auf Edom und die archaische Zeit (Opfer) enthält, der Gottesname J ahwe erscheint. Außerdem sind die Reden Hiobs so sehr vom Wissen um die ambivalente Gottespersönlichkeit durchsetzt, daß es sich auch rein von der inneren Motivierung her nicht um einen »Neuling« handeln kann. Dazu ist auch sein Gotteserlebnis viel zu differenziert, wie noch zu zeigen sein wird. Etwas Richtiges scheint mir an Tor c z y n er s Ansicht trotzdem zu sein: es handelt sich um eine »Bekehrung« zu einer neuen Haltung Gott gegenüber und damit um eine Wandlung und Weiterentwicklung der Jahwereligion. Was das Verhältnis von israelitischem und edomitischem Traditionsgut in unserer Erzählung betrifft, scheint mir die Auffassung J o h. Lind b l o m s (La composition du livre de Job, Lund 1945), d~e er im Einzelnen belegt (eine Zusammenfassung seiner Textscheidung findet sich S. 29) viel für sich zu haben: »La legende de Job a une origine edomite mais, transmise plus tard en Palestine, elle y fut transformee conformement ä. l'esprit de la religion de Yahve et devint le fonderneut de l'reuvre considerable que nous appelons aujourd'hui le livre de Job. La piece etrangere rec;ut une empreinte israelite. Le cheikh edomite devint un patriarche biblique.\( (S. 6.)
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richten, sondern hängt mit einem Anspruch Gottes zusammen, der erst in dem durch den Satan-Zweifel aul'1gelösten Geschehen sichtbar wird; denn durch das Manifestwerden des göttlichen Zweifels in Satan und dessen Auswirkung auf den Menschen verwandelt sich auch Gott, wie ich noch zeigen möchte. Und um diese Verwandlung geht es. Sie ist die treibende Kraft des Zweifels, sie macht es, daß Gott sich ihm ergibt, ergeben mu{l, um seiner selbst willen. Der Zweifel sitzt hier viel tiefer als in der Geschichte von der Opferung Isaaks. Dort war er gewissermaßen berechtigt. Abraham hatte sich noch nicht erwiesen. Erst nachher sagt Gott: »Lege deine Hand nicht an den Knaben und tue ihm nichts; denn nun meifl ich 99 , daß du Gott fürchtest.« (Gn 22, 12.) Von Hiob weiß er es ja aber eigentlich zum vornherein, daß er ihm gehorsam ist (Hi 1, 8), der Zweifel ist scheinbar nicht begründet, und doch muß sich Gott ihm gewissermaßen schicksalhaft überlassen, um sich zu erfahren. Der Satan ist also der zerstörerische Zweifel in der Gottpersönlichkeit, der aber eine geheimnisvolle existentielle Notwendigkeit hat für Gott und den Menschen und ihre Beziehung zueinander. Daß dies alles, wenn auch noch unbegreiflicherweise geschieht, weil Gott den Menschen braucht, weil es ihn zum Menschen hinzieht, drückt sich in einer tiefen Ahnung Hiobs über diesen Zusammenhang aus, wenn er sagt: »Ach, daf! du mich im Totenreich bärgest, mich verstecktest, bis dein Zorn sich gewendet, ein Ziel mir setztest und dann meiner gedächtest! All meine Dienstzeit wollte ich ausharren, bis daf! meine Ablösung käme. Dann würdest du rufen und ich dir antworten, nach dem Werk deiner Hände sehntest du dich 100.« 99
100
Von mir hervorgehoben. Hi 14, 13-15. Von mir hervorgehoben.
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Se ll in zitiert diese Stelle und spricht von dem »kühnen Gedanken einer Liebessehnsucht Gottes nach dem Frommen« 101 • Dieser »kühne Gedanke« ist aber nicht dem Kopf, sondern dem Herzen entsprungen, ein lebendiges religiöses Erlebnis von tiefstem Gehalt. Welches ist nun die Wandlung, die sich durch den Satan, den aktivierten Zweifel Gottes vollzieht? Dem muß nun an Hand des Textes im einzelnen nachgegangen werden. Hier erweist es sich vollends als Notwendigkeit, Rahmenerzählung und Dichtung als ein Ganzes zu sehen, wie dies bereits erwähnt wurde. Wie lassen sich aber die erheblichen textlichen Schwierigkeiten beseitigen, die dem entgegenstehen? Es wurde in der ansehnlichen HiobLiteratur immer wieder auf die Unstimmigkeiten zwischen Rahmenerzählung und Dichtung hingewiesen, vor allem auf die wesentlichste: daß Hiob, der fromme Dulder der Rahmenerzählung, nicht der aufbegehrerische Hiob der Dichtung sein kann. Wie bereits ausgeführt 102, scheint mir die Auffassung S e 11 ins von der Textlage am meisten für sich zu haben. Darnach wurde vom Hiobdichter eine alte Volkserzählung vom frommen Hiob benützt und mit der Dichtung zusammengearbeitet. Diese Einarbeitung geschah aber nicht in allen Stücken. Die Volkserzählung mit ihrer ganz anderen Pointe ist als ganze stehen gelassen. Kann man nicht annehmen, daß sie dem Dichter vorlag und ihn zu einer Umwandlung gemäß seiner veränderten religiösen Situation inspirierte? S e 11 in nimmt, worauf oben 103 bereits hingewiesen wurde, vor allem an, daß die Satansstücke in Kap.1 und 2 nicht zum ursprünglichen Bestand der Volkserzählung gehören; denn sonst müßte unbedingt der Sieg Gottes über den Satan erwähnt sein. Im Zusammenhang mit der Dichtung ist dieser Umstand aber erklärlich. Der Satan 101 102 103
282
Das Problem des Hiobbuches, S. 9. s. oben, S. 249. s. 248 ff.
ist das auslösende Moment; am Schluß aber handelt es sich längst nicht mehr um ein primitives Entweder-Oder eines Sieges Gottes oder des Satans, sondern es ist durch den Satan etwas Neues entstanden, eine neue Ebene des innergöttlichen und damit auch innermenschlichen Geschehens ist erreicht. Der Satan ist - jetzt vom dargestellten Drama her gesehen - als Figur notwendig, um den das Ganze auslösenden göttlichen Impuls auszudrücken. Liest man, S e ll i n s Ansicht folgend, die Rahmenerzählung ohne Satanstücke, so ergibt sich in der Tat eine geschlossene Erzählung von einem frommen Mann, der heimgesucht wird und doch in seiner Treue zu Gott nicht wankt. Dafür wird er dann von Gott reich belohnt. Eine starke Stütze erhält S e ll i n s Auffassung auch noch dadurch, daß alle bis auf den letzten gegen Hiob gerichteten Schläge von Gott selbst ausgeführt sind. Würde das Satansstück 1, 6-12 zur Volkserzählung gehören, so wäre es sehr auffallend, daß Gott in V. 12 Hiob dem Satan zur Heimsuchung in die Hand gibt, und Satan von ihm weggeht - zum Zerstörungswerk, wie man annehmen müßte, und dann im folgenden mit keinem Wort erwähnt wird, daß der Satan die Schläge gegen Hiob führt. Es sind Menschen, Blitz (Feuer· Gottes!) und Sturm, die das Lebensglück Hiobs vernichten 104• Daß übrigens auch die letzte Plage, der Aussatz Hiobs, die allein vom Satan kommt, ebensogut von Gott stammen könnte, beweisen mehrere Parallelen im Alten Testament: Dieselben bösen Geschwüre erscheinen Ex 9, 8 als eine von Gott durch Mose über die Aegypter verhängte Plage. Und das Wort für Aussatz $ara'at heißt nach Geseni usB u h I geradezu »Schlag«, Geißel Gottes (von $fira', niederschlagen), weil man sich den Aussatz als Strafe Gottes, gleichsam als die Schläge desselben dachte 105 • Auch von 101 105
Vgl. oben, S. 235 f. s. Nu 12, 10: die Bestrafung der Mirjam mit Aussatz. 283
der Pest bezeugen mehrere Stellen, daR Jahwe sie schickt, so Ex 9, 3 (Schlag gegen die Aegypter), Lev 26, 25; Dt. 28, 21 106 • Auch der Epilog ist nach S e ll in 107 sichtlich nachträglich mit der Dichtung verbunden worden. Die drei vom Dichter {2, 11-13) eingeführten Freunde werden 42, 7-9 wieder erwähnt. Aber die >Naht« ist gut wahrnehmbar. Nach Ansicht Se ll ins, die mir einleuchtend erscheint, schlofl in der alten Volkserzählung V. 10 von Kap. 42 unmittelbar an 2, 10: »trotz allem versündigte sich Hioh nicht mit seinen Lippen« an: >Da wandte Gott das Schicksal Hiohs, usw.« Wie diese in sich geschlossene Volkserzählung mit der Dichtung zusammengehracht wurde, ist wohl nicht mehr nachweisbar. S e ll ins Feststellung des inneren Zusammenhangs der Satansvorstellung mit der Dichtung scheint mir jedoch das Wesentliche für unseren Zusammenhang zu sein. Die unvereinbaren Standpunkte von Rahmen und Dichtung und die Tatsache, daR sie ineinandergeschoben und dAch im einzelnen noch kenntlich sind, scheint mir auch gerade den Uehergang von der einen zur andern Haltung auszudrücken: Hioh in der Volkserzählung weifl nichts vom Satan. Er nimmt unproblematisch alle Schläge als von Gott kommend hin. Er findet es sozusagen durchaus in Ordnung, daR Gott ihm alles wegnehmen kann: »Das Gute nehmen wir an von Gott; und das Böse sollen wir nicht annehmen?« (2,9). Nicht so der Hioh der Dichtung. Er lehnt sich auf. Und er erlebt das Auseinanderfallen der beiden Gottesseiten. Gott spaltet sich in ihm. Der Satan zeigt sich ihm nicht als solcher, das ganze Geschehen mit 106 Von diesen Zusammenhängen her gesehen erweist sich die Ansicht S e ll ins , der Satan stelle eine Entlastung Gottes vom Bösen dar, für den . Hiob-Satan jedenfalls als verfrüht. (Vgl. oben, S. 249 f.) 107 l. c. s. 24 f.
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dem Satan spielt sich ja im Himmel ab, im Kreis der bene hä-' elohim. Es ist eine Angelegenheit zwischen göttlichen Wesen, zwischen Gott und Satan. Aber gleichsam der Reflex im menschlichen Bereich ist die Spaltung des Gottesbildes in Hiob: Gott wird nicht mehr unproblematisch in seiner Ambivalenz hingenommen, sondern sie wird Hiob durch sein Erleben als solche offenbar. Sie wird ihm bewußt, so wie auf der himmlischen Ebene Gott sein eigener Zweifel dadurch, daß er ihm gegenübertritt, bewußt wird. Es ist eigentlich ein identisches Geschehen, in göttlicher und menschlicher Manifestation. In äußerster Zuspitzung, in schärfstem Paradox erlebt Hiob die Zweiheit Gottes in der Einheit, das Geschehen in Gott, das sich mythologisch in der Herauslösung der Satansfigur aus dem Bereich der »Gottwesen« vollzogen hat, wenn er sagt (16, 20.21): »Zu Gott blickt tränend auf mein Auge, dafl er Recht schaffe dem Manne gegen Gott 108 .«
Und 1'7, 3: »Lege doch die Bürgschaft für mich bei dir nieder!«
Hiob ist seines »Zeugen im Himmel« gewiß (16, 19) und fühlt zugleich das Unheimliche des göttlichen Zerstörungsdrangs. Er, der Mensch, erinnert Gott daran, daß er mit ihm sein eigenes Schöpfungswerk zerstört (10, 8-9): »Deine Hände haben mich kunstvoll gemacht und gebildet: Danach hast du dich abgewandt und mich vernichtet, Gedenke doch, dafl du wie Ton mich gebildet Und zu Staub willst du mich wieder machen? 109 «
Hiob fühlt das Ungeheuerliche der Situation, und er kann sie nicht mehr annehmen. Er hat nicht mehr die 108 1o9
Von mir hervorgehoben. do.
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Naivität Abrahams, der ohne zu fragen gehorcht. Hiob fühlt sich für sich als Kreatur verantwortlich und fällt Gott in den Arm, der in ihm sein Schöpfungswerk zerstören will. Er hält diesen Aspekt Gottes nicht aus. Er kann es erst, nachdem der innergöttliche Prozeß noch einen Schritt weiter gegangen ist. Man müßte also fragen: Was bewirkte der Satan in Gott? Indem sich Gott seiner dunkeln Seite aus dem Konflikt heraus überläßt, wird sie ihm erst in ihrem Wesen faßbar. Gott erlebt bewußt seine ganze Unberechenbarkeit. Er ist sie nicht nur, er roeiß um sie. Und so, in seiner Ganzheit, will er vom Menschen erkannt werden. So erscheint er Hiob auch in seiner furchtbaren Naturgewalt. Gott erlebt seine dunkle Naturseite in den großen Schlußbildern von Leviathan und Behemoth 110 • Er ist sich seiner Grausamkeit bewußt: »Wird es (das Krokodil) dich lange bitten oder freundlich mit dir reden?«: (40, 22)
Und in ungeheuerlicher Selbstironie fährt er fort: »Wird es einen Vertrag mit dir schlieRen, daf! du es für immer zum Sklaven bekommst?« (40,23)
Hier höhnt der Gott des Bundes den Vertrag. Er ist nicht der Sklave des Menschen, zu dem ihn der Bund macht. Er kann auch anders. Er ist auch der dunkle N aturgott, der alles wieder zerstören kann, was er geschaffen hat. Man könnte einwenden, daß Gott immer schon sich seiner dunkeln Seite bewußt war, droht er doch viele Male mit 110 Auf die lit<erar-kritische Frage, ob diese Gottesreden Einschübe sind oder nicht, möchte ich hier nicht eingehen, da sie mir für den Zusammenhang irrelevant erscheint. Ru d o 1 f 0 t t o (Das Heilige, 11. Aufl. 1923, S. 93) drückt das hier Wesentliche aus, wenn er schreibt: >Man vermeint, daf! die Schilderungen von Nilpferd und Krokodil in 41, 15 ff. später eingeschoben seien. Vielleicht mit Recht. Aber dann ist doch zuzugestehen, daß der Einschiebende die Zielung des ganzen Abschnittes sehr wohl gefühlt hat.<~:
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Zorn und Vernichtung. Und er kennt sogar die Angst vor sich selbst, wenn er Ex 33, 3 zu Mose sagt: »Denn ich will nicht mit euch hinaufziehen, weil ihr ein halsstarriges Volk seid, ich könnte euch sonst unterwegs vertilgen.« V o l z 111 sagt hierzu treffend: » Jahwe will also lieber seinem eigenen dämonischen Wesen aus dem Weg gehen; er ist zwar im Stande, den Anlaß zum Zornausbruch zu meiden, aber über den Ausbruch selbst hat er keine Gewalt.« Hier und an anderen Stellen ist Gottes Unberechenbarkeit aber einfach eine Gegebenheit, kein Problem. In den Gottesreden bei Hiob ist sie Problem, indem Gott bewußt zu ihr steht, zum Dunkeln in sich, und vom Menschen so ertragen sein will. Und Hiob nimmt ihn so an, weil er ihn gesehen hat, Gott ist ihm neu offenbar geworden. Er verlangt nicht mehr sein Recht, er beugt sich dem irrationalen Gott: >Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört; nun aber hat dich mein Auge gesehen ua. Darum widerrufe ich und bereue in Staub und Asche.< (42, 5. 6)
Im Gegensatz zu S e ll in, der m. E. trotz seiner sachlich wichtigen Entdeckungen von theologisch unrichtigen Voraussetzungen ausgeht, die ihn denn auch zu einer Verkennung des Schlusses führen - er hält diese :.Kapitulation« Hiobs für völlig unverständlich nach seiner »Revolution«; der resignierte, alte Hiob-Dichter soll viele Jahre später diese Gottesrede eingeschoben haben 113 sagt R u d o I f 0 t t o sehr Schönes und Tieferfaßtes zu dieser Stelle: »Das ist ein Zeugnis innerlichen UeberführtSeins, nicht aber ohnmächtigen Zusammenbrechens und Entsagens vor bloßer Uebermacht. Es liegt auch keineswegs nur die Stimmung vor, die Paulus gelegentlich in u Das Dämonische in Jahwe, 1924, S. 35. Von mir hervorgehoben. ua Das Problem des Hiobbuches, S. 39.
1
112
28'2'
Röm. 9, 20 anklingen lä1H: Darf denn das Gebilde zum Bildner sagen: ,Warum hast Du mich so gemacht? Hat nicht der Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Teige hier ein Gefäß zur Ehre, dort zur Unehre zu machen?' Man verstünde die Hiobstelle falsch, wenn man sie so deutete. Nicht der Verzicht und die Unmöglichkeit einer Gottesrechtfertigung wird Hi 38 verkündet, sondern gerade eine stichhaltige Gottes-Rechtfertigung soll gegeben werden, und zwar eine solche, die besser ist als die der Freunde Hiobs, und eine solche, die im Stande ist, selbst einen Hiob zu überführen, und nicht nur zu überführen, sondern seine von Zweifeln bedrängte Seele innerliehst zu stillen. Denn in dem seltsamen Erlebnisse, das dem Hiob durch Elohims Offenbarung alsbald zuteil wird, liegt zugleich selber schon eine innere Entspannung seiner Seelenqual und eine Befriedigung. Und diese Befriedigung würde als Lösung des Problems des Hiobbuches ganz allein ausreichen auch ohne Hiobs Wiederherstellung in Kap. 42, die nur ein nachheriges Draufgeld ist auf die eigentliche Zahlung 114.« Worin diese Befriedigung Hiobs aber liegt, ist mir erst durch einen erleuchtenden Hinweis Prof. C. G. Jungs ganz klar geworden: In seiner großen Schlußrede offenbart sich Gott Hiob in seiner ganzen Furchtbarkeit. Es ist, als ob er Hiob sagen würde: Siehst du, so bin ich. Darum habe ich so an dir gehandelt. - Durch das Leiden, das er Hiob aus seiner Natur heraus angetan hat, ist Gott zu dieser Selbsterkenntnis gekommen und gesteht sein Wissen um seine Furchtbarkeit Hiob gewissermaßen ein. Und das ist das Erlösende für den Menschen Hiob. Hier liegt recht eigentlich die Lösung des Hiob-Rätsels, d. h. eine wahrhafte Rechtfertigung für das Schicksal Hiobs, das ohne diesen Hintergrund in seiner Grausamkeit und Ungerechtigkeit offenes Problem bliebe. Hiob wird hier sichtbar als Opfer, 114
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I. c. S. 91/92.
aber auch als Träger des göttlichen Schicksals, und das gibt seinem Leiden Sinn und seiner Seele Befreiung 114". Jahwe hat sich Hiob als ambivalente Gottpersönlichkeit offenbart. Und Hiob hat sich aus. einem gesättigten Dasein in unproblematischer, mit Lebensgütern belohnter Frömmigkeit zu Einem gewandelt, der nicht nur den guten Gott annimmt, sondern auch den dunkeln, und dadurch zu einer viel tieferen Gewißheit kommt: »Ich weiß, daß mein Erlöser lebt« 115 • 0 t t o hat m. E. durchaus recht, wenn er diese durch die Gottesoffenbarung von Kap. 38 bewirkte innere Wandlung Hiobs als letzten Sinn der Dichtung sieht, gegenüber der der Epilog von Kap. 42 ein starker Abfall ist. Der Standort des gewandelten Hiob ist ein völlig anderer als der von Kap. 42. Der Epilog ist die andere Hälfte der Schale, aus der heraus die eigentliche Dichtung mit der Satansvorstellung herauswuchs. Die ursprüngliche Volkserzählung ist aber wirklich nur noch die Schale, die vom N euen abgestreift wird. Fragen wir uns rückblickend nun, welche Rolle der Satan in diesem Wandlungswerk spielte, so stellen wir fest: Er ist durch den Zweifel an Hiob der spiritus. agens dieser Wandlung, er ist aber auch die aus dem Zweifel 114 • Gestützt wird dieser Gedanke auch noch dadurch, dafl Gott sich in seiner Rede als Vereinigung der gegensätzlichen Zweiheit von Leviathan und Behemoth darstellt; denn Leviathan ist ein Seetier, Behemoth ein Landtier. In späteren apokryphen Schriften tritt dieser Gegensatz noch deutlicher zu Tage: Im aethiopischen Henochbuch, Kap. 60, 7-8 (ca. 2. bis 1. Jahrh. v. Chr.) ist vom weiblichen Leviathan des Meeres und dem männlichen Behemoth der Wüste die Rede, die am Ende der Tage zerteilt und den Frommen, gewissermaßen als eucharistische Speise, vorgesetzt werden; ähnlich findet sich dieses Motiv auch in der syrischen Baruchapokalypse, Kap. 29, 4 (ca. 2.-3. Jahrh. n. Chr.). In gewisser Hinsicht stellt das Hiobbuch eine Vorwegnahme des Sinnes dieser Symbolik dar, indem die Integration des Gottes als coincidentia oppositorum auf der Ebene des Beroußtseins Hiobs geschieht. 115 Luther-Bibel.
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Gottes am Menschen entspringende Zerstörerische Aktivität Gottes. Gott zerstört als Satan den Menschen, den er nicht brauchen kann, dem er nicht vertrauen kann, ohne daß gesagt wäre, warum er ihm mißtraut, und wofür er ihn braucht. Dies Warum und Wofür hängt aber wesensmäßig zusammen. Es muß eine göttliche Intention oder Inklination sein, die wohl schon wirksam, aber noch nicht sichtbar ist. Hiob ist am Schluß innerlich »ausgeweitet«, er vermag eine Gotteserfahrung zu fassen, die ihn, wäre er noch der schlichte, unproblematische, fromme Hiob, hätte ihn der Satan nicht zur Auseinandersetzung mit dem deus absconditus getrieben, wohl zersprengt hätte. Man muß daher wohl annehmen, daß es Gott um dieses Erfaßtwerden ging, um dieses Raum-Haben im Menschen. Er will den Menschen offenbar als Träger seiner - der göttlichen - Selbsterkenntnis. Diese hohe Würde des Menschen geht . aus den unausgesprochenen Ansprüchen Gottes an diesen hervor, die ihn zu solch leidenschaftlicher Selbstoffenbarung veranlassen. Die paradoxe Tiefe dieser Gottesrede in Kap. 38 wird erst voll sichtbar, wenn man sieht, daß dieser leidenschaftlich um den Menschen werbende Gott es dadurch tut, daß er dem Menschen seine schlechthinige weltenweite Ueberlegenheit als Naturgewalt schildert. Der Meilsch ist ein Nichts vor dieser gewaltigen Gotteskraft - und doch braucht Gott ihn, damit er um diese Kraft roeiß. Gott braucht den Menschen um der Erkenntnis willen ua. J 116 Vielleicht gehört auch schon jene alte messianische Prophetenstelle, Jes 11, 1-11 in diesen Zusammenhang. Es ist eine Messiasgestalt geschildert, die ausgestattet ist mit geistigen und ethischen Qualitäten. »Auf ihm wird ruhen der Geist Jahwes, der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht Jahwes.« (Jes 11, 2.) »Nichts Böses und nichts Verderbliches wird man tun auf meinem ganzen heiligen Berge; denn voll ist das Land von Erkenntnis ]ahroes, wie von Wassern,
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Im Hiob-Buch ist Gott- psychologisch gesprocheneinen großen Schritt weiter als in der Paradieseserzählung, wo er noch so wenig weiß, warum er den Menschen erschaffen hat, daß er ihn um seines Wissens von Gut und Böse willen von sich stößt. Hier wird etwas fühlbar davon, daß es gerade darum geht, daR der Mensch um Gut und Böse weiß. Hier hat es der Satan bewirkt, dort die Schlange, ebenfalls ein dunkler, »böser« Einfall Gottes 117 • Fragen wir uns, wie die in dieser Erzählung gegebene Funktion des Satans sich mit dem verbinden läßt, was sich hisher über ihn herausstellen ließ, so läßt sich wohl sagen, daß die Funktion des Satans im Hiob-Buch eine Weiterentwicklung dessen ist, was er als funktioneller Begriff aussagt: Hier tritt er als metaphysischer Feind der Lehensruhe und des weltlichen Lebensbehagens in voller Plastizität hervor. Er erscheint als Störung, Behinderung der natürlichen Lebensordnung, und er tritt so dem Menschen in den Weg wie der mal'iik ] ahme als Satan dem Bileam. Während es aber in der Eileam-Erzählung um das Erlebnis des Willensanpralls geht, und um blinden Gehorsam, gewissermaßen um das erste Realisieren, daß Gottes Wille erfüllt werden muß, nicht der eigene, geht es hier um eine aus innerer Einsicht geborene, bewußte Unterwerfung unter Gottes Willen. Der Satan ist hier wahrhaft Luzifer, Lichtbringer. Er bringt dem Menschen das Wissen um Gott, aber- durch Leiden, die er ihm zufügt. Der Satan ist die Not der Welt, durch die der Mensch erst nach Innen getrieben wird, in die »andere Welt«. Der Satan treibt den Menschen erst über sich als Tierwesen, als die das Meer bedecken..: (11, 9.) Ist es nicht gewissermaßen auch göttliche Sehnsucht und Unerlöstheit, die aus ihr spricht? 117 Es wird aber auch deutlich, daf! dieses Wissen nur gepaart mit der Unterwerfung unter Gott fruchtbar ist, sonst wird es zur hybriden »Gottähnlichkeik Hier wird tief bedeutsam, daf! der Satan im Einverständnis mit Gott handelt, nicht »hinter seinem Rücken~ wie die Paradiesesschlange.
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bloßes Naturwesen hinaus. In diesem ganz speziellen Sinne hat vielleicht schon das Gesetz etwas Luziferisch»Satanisches«. Es war gewissermaßen die erste Form, das Volk aus der bloßen Naturhaftigkeit, aus dem Paradies des Tierdaseins zu vertreiben. Es ist durch die SinaiOffenbarung aus der Naturhaftigkeit herausgerissen. Es wurde Eigentum Jahwes; sein Leben gehörte nicht mehr ihm, durfte nicht mehr anonym verlaufen, sondern bekam Sinn und Schicksal. Es wurde geprägt vom Schicksal Gottes. Das Gesetz war gewissermaßen eine notwendige Vorstufe für den Menschen als Gottes Gefäß 118 • Hiob ist der Fromme, der durch Leiden zu einer tieferen Frömmigkeit kommt, die fähig ist, Gott in seiner hell-dunkeln Gewalt zu ertragen und sich ihm hinzugeben.
5. Babylonische Züge im Bilde des Hiob-Satans Nachdem nun versucht wurde, die wesentliche Frage nach der inneralttestamentlichen Bedeutung des Satans zu beantworten, wie sie sich vor allem aus dem Hiob-Text ergab, soll noch festgestellt werden, welche »Fäden« in das »Grundgewebe« eingeschlagen wurden, resp. welche Einzelzüge im Bilde des Hiob-Satans vermutlich oder sicher auf fremden Einfluß zurückzuführen sind. us DaR das Gesetz als Haltung Gott gegenüber auch schon im Alten Testament selbst eine große Vertiefung und Verinnerlichung erfuhr, bezeugt wohl am schönsten Dt. 30, 11-14: »Denn dieses Gesetz, das ich dir heute gebe, ist für dich nicht zu schwer und nicht zu ferne. Nicht im Himmel ist es, daß du sagen könntest: Wer steigt uns in den Himmel hinauf, um es uns zu holen und uns zu verkünden, daß wir darnach tun? Auch nicht jenseits des Meeres ist es, daR du sagen könntest: Wer fährt uns über das Meer, um es uns zu holen und uns zu verkünden, daR wir darnach tun? Sondern ganz nahe ist dir das Wort, in deinem Munde und in deinem Herzen, daR du darnach tun kannst.« (Von mir hervorgehoben.)
292
Wie bereits erwähnt 119, erscheint mir die krankheitsbringende Funktion des Satans als Reminiszenz eines babylonischen Krankheitsdämons. Wie peripher ihre Bedeutung im Gesamtbilde des Hiob-Satans jedoch ist, geht aus dem nun erst ganz vollziehbaren Vergleich mit dem bereits besprochenen »Lied vom leidenden Gerechten« 120 hervor. 1. Der Dämon des babylonischen Liedes ist im Gegensatz zum Hiob-Satan ausschließlich Krankheitsdämon. Der alttestamentliche Satan ist aber, soweit er sich als Krankheitsdämon ansprechen läßt, dies nicht in spezifischer Weise. Diese Funktion verbindet ihn im Gegenteil mit Jahwe selbst. Ich wies bereits darauf hin 121, daß Jahwe andernorts selbst mit Krankheit schlägt.
2. Im babylonischen Gedicht steht dem Krankheitsdämon der gute Gott gegenüber, der jenen überwindet, während im Hiob-Buch der Satan ja mit Gottes Einverständnis handelt! Dieses Uebereinkommen zwischen Gott und Satan als Resultat ihrer Auseinandersetzung ist gegenüber dem babylonischen Dämon das Neue und Wesentliche am Hiob-Satan. Mit seinem Zweifel an Hiob und seiner »Versuchung« Gottes bewegt er sich auf einer psychologischen Ebene, die ihn vom Dämon der babylonischen Dichtung weit abrückt, ja kaum noch mit ihm vergleichen läßt. Das Spezifische des Satans im Hiob-Buch ist seine Beziehung zu Jahwe, sein Ursprung in ihm, der durch die mannigfachen Beispiele identischer Funktionen wie durch seinen bene ha-' elöhim-Charakter nachzuweisen versucht wurde 122• s. oben, S. 241. s. oben, S. 238 ff. 121 s. oben, S. 283 f. 122 Am babylonischen Beispiel wird auch sehr schön deutlich, daß das Moment der Unterordnung des Satans unter Jah110 120
20 Jung: Symbolik des Geistes
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3. Vielleicht der tiefste und wesentlichste Unterschied zwischen den beiden Dichtungen liegt aber darin, daß im babylonischen Lied der König seine Leiden auf diesen »Feind« zurückführt, während Hiob - auf Gott 123 • In der babylonischen Vorstellung reicht der Dualismus von Gott und Dämon in die Sphäre des menschlichen Bewußtseins hinab; im Hiobbuch haben die Gegensätze den Rahmen der einen Gottpersönlichkeit nicht - im Hinblick auf die spätere Entwicklung kann man vielleicht sagen: noch nicht- gesprengt. Dies ist vielleicht das wesentlichste der Indizien gegen die Annahme einer babylonischen »Uebernahme« des alttestamentlichen Satans. Eindeutig babylonischer Herkunft ist jedoch ein anderer Wesenszug des Hiob-Satans, der bei Sacharja dann noch deutlicher hervortritt: sein Anklägercharakter. Für diese Vorstellung ist ein sicherer Nachweis im Babylonischen vorhanden. Der »AnklägeN bildet nach babylonischer Vorstellung den Gegenpol zum Schutzgott. Nach Z im m er n 124 ist die Idee eines speziellen Schutzgottes (il ameli =»Gott des Menschen«) und einer Schutzgöttin (istar ameli =»Göttin des Menschen«) im Babylonischen we, das gemeinhin als spezifisch alttestamentlich angesehen wird, den Satan gerade nicht vom babylonischen Dämon unterscheidet. Denn als Dämon steht auch dieser unter dem Gott. 123 Denselben Unterschied stellt schon M. C. d e Ha r 1 e z, (Satan and Ahriman. Proceedings of the Society of Biblical Archaeology. IX. pag. 369) zwischen dem alHestamentlichen Satan und dem persischen Abriman fest: ,n ne vient a l'esprit de personne, que Satan puisse etre cause de ces maux. Un mazdeen, cependant, ne pouvait hesiter une minnte a attribuer entierement et exclusivement l'origine au mauvais genie. Pour un sectateur de l'Avesta, Angro-Mainyus seul est l'auteur des maux tant moraux que physiques; ... < 124 In: Sc h r a der, Die Keilinschriften und das Alte Testament. Berlin 1903. 3. Aufl. S. 454/455.
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stark ausgebildet. Dieser spezielle Schutzgott und die Schutzgöttin eines Menschen legen bei den großen Göttern Fürbitte ein. Ebenso hat der einzelne einen »Ankläger« (bel dababi) und eine »Anklägerin« (belit dababi), »Verfolger« u. ä. 125 • Im Hiob-Buch handelt es sich mehr um letztere Nuance: »Verfolger«, »Bedränger«, weniger ausgesprochen um den Ankläger, wenn auch sein kontrollierendes Herumschweifen eine solche Tätigkeit impliziert. Ausgesprochen erscheint die Anklägerfunktion dann in Sach 3, 1 ff. Sie geht auf die babylonische, dem irdischen Gerichtsverfahren entnommene Vorstellung zurück, wonach die »Regelung des Verhältnisses zwischen Gott und Menschen völlig in den Formen des ordentlichen Gerichtsverfahrens verläuft, bei dem der Gott der Richter, der Mensch der Rechtsuchende ist« 126 • Bei diesem Gerichtsverfahren zwischen Mensch und Gott erscheint dann der Ankläger. Daß diese spezielle Ausgestaltung einer babylonisch-mythologischen Figur wohl spät im Jahwismus Aufnahme fand, zeigt u. a. auch der Umstand, daß die korrespondierende Vorstellung des babylonischen Schutzgottes im Alten Testament in Form von Schutzengeln ebenfalls erst spät auftritt, nämlich auch erst in Hi 5, 1; 33, 23 und in den Psalmen 34, 8 und 31, 11.
In dieser Zeit, in der der innerjahwistische DifferenzierungsprozeR weiter vorgeschritten war, konnte die Ankläger-Qualität der Satansfigur mühelos resorbiert werden. Der unruhig auf der Erde umherschweifende Bedränger und Verfolger der babylonischen Vorstellung wird 125 1. c. S. 461. Herrn Prof. W. Baumgartner, Basel, verdanke ich den interessanten Hinweis, daß bel dabäbi im Syrischen als Lehnwort zum Ankläger und Feind überhaupt wurde (s. B r o c k e l m a n n , Lexicon Syriacum 2, S. 83 b); ebenso im Mandäischen (s. Nöl d e k e, Mandäische Grammatik 27.
151). 126
I. c. S. 463.
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zum adäquaten Ausdruck der Unruhe, des Argwohns und des Zweifels in Jahwe, wie bereits zu zeigen versucht wurde. Gerade durch diesen babylonischen Zug erfährt also die Figur des Satans eine Erweiterung und Vertiefung, die sie weit über die Bedeutung des babylonischen Krankheitsdämons hinauswachsen läßt. Nicht ausgeschlossen ist es, daß der Anklägercharakter des Satans, besonders in Sacharja 3, 1 ff. auch durch eine Institution des persischen Hofes mitgeprägt wurde, worauf besonders Tor c z y n er 127 und L o d s 128 hinweisen. Da gab es das Land durchstreifende königliche Beamte, :.Augen des Königs« genannt. L o d s macht je- . doch darauf aufmerksam, daß der Ausdruck :.Auge des Königsc: schon in Medien und Aegypten gebraucht wurde 129 • Höchst interessant in unserem Zusammenhang, in dem sich zeigte, daß der alttestamentliche Satan aus einem göttlichen DifferenzierungsprozeR hervorgegangen ist, erscheint mir aber L o d s ' Hinweis, daß der mit :.Auge des Königs« betitelte Beamte auch »le fils« oder »le frere du souverain« genannt wurde. Auch dieser persische Zug im alttestamentlichen Satan wäre aber lediglich als bereitliegendes Symbol für eine bestimmte Phase eben dieses göttlichen Differenzierungsprozesses übernommen worden lao. Zusammenfassend läßt sich wohl sagen: Der wirklich belegbare Fremdeinfluß erweist sich als spät und vermag nicht, den ganzen Komplex der alttestamentlichen Erscheinung des Satans zu erklären. Es handelt sich um Wie Satan in die Welt kam, S. 15. Les Origines de la Figure de Satan etc. S. 656 f. 129 Nach Alex. More t, Histoire de l'Orient, Paris, Presses Universitaires, 1936, II, p. ?60. 130 Zur Frage des eventuellen Ursprungs der alttestamentlichen Satansfigur in der persischen Religion s. ausführlich unten S. 311 ff. 127 128
296
einen organisch zugewachsenen, »ankristallisierten« 131 Zug; die »Entelechie« der ganzen Erscheinung muß aber ganz von der Gottpersönlichkeit Jahwe her erfafH werden. Symbolisch ausgedrückt ist diese Notwendigkeit mit aller Deutlichkeit durch seine bene hä-'elöhim-Qualität, resp. seine Stellung im Himmel als innergöttlichem Bereich.
IV. Der Satan als Gegenspieler des mal 'ak Jahwe in Sach. 3, 1 ff. Im vierten Gesicht des Sacharja erscheint der Satan als Ankläger zur Rechten des Hohepriesters Josua. »Aber der mal'iik ]ahroe sprach zum Satan: Jahwe schelte dich, Satan! Ja, dich schelte Jahwe, der Jerusalem erwählt hat! Ist dieser nicht ein aus dem Feuer gerissenes Scheit? Josua aber hatte schmutzige Kleider an, als er vor dem Engel stand. Der nun hob an und sprach zu den Dienern vor ihm: Tut die schmutzigen Kleider von ihm - und zu ihm sprach er: Siehe, ich habe deine Schuld von dir genommen - und ziehet ihm Feierkleider an ... «
Die historisch bedingten Hintergründe der Vision betont J. W. R o t h s t ein\ Er erwähnt, daß E w a I d die Vision in »einer entweder schon wirklichen oder erst drohenden Anklage beim persischen Hof« veranlaßt sieht. Rot h s t ein selbst sieht im Vorgehen des himmlischen Anklägers eine reale irdische Anklage oder doch verleumderische Nachrede wider Josua widergespiegelt, wobei »das irdische Widerspiel des visionären Vorgangs allerdings in Kausalzusammenhang mit der Denunziation der 131 s.Gerhard v.Rad, Art. iJuifio).oc; in: Kittel, Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament. 1 Die Nachtgesichte des Sacharja, 1910, S. 102 ff.
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jüdischen Gemeinde bei der persischen Behörde< 2 steht. Hierzu möchte ich lediglich prinzipiell bemerken, daß die historische Fragestellung einer Vision gegenüber, sofern man sie als echte Vision betrachtet, wie auch R o t h s t e i n es hier tut 3 , leicht irreführend sein kann. Sie projiziert bewußte Ueberlegung hinein, während die Vision eine spontane Offenbarung von etwas nicht vorher Gewußtem, d. h. von etwas Unbewußtem ist. Das Historische ist lediglich Bild für einen neuen Inhalt, genau wie Träume an sogenannte Tagesereignisse anknüpfen, aber nicht etwa durch sie hervorgerufen sind (denn was würde sonst erklären, warum aus der Vielfalt der Tagesereignisse gerade dieses eine im Traum wieder auftaucha). Es geht daher schon in die Richtung rationalistischer Präjudizierung, von der >geschichtlichen Veranlassung der Vision« zu sprechen, wie Rot h s t ein es tut. Gewiß hängt alles Historische an der · Gestalt des Hohepriesters Josua, aber die ganze Szene legt ihre symbolische Bedeutung nahe, nicht die konkrete. Das Wesen der Vision ist nicht, Abbild einer äußeren, sondern vielmehr einer inneren Situation zu sein. Daß nur von Josua, nicht aber vom Volke ausdrücklich die Rede ist, ist daher noch lange kein Beweis, >daß es sich wirklich nur um ein Zeugnis Jahwes für den Priester Josua persönlich . . . handelt, daß also auch die Anklage, die zurückgewiesen werden soll, nur ihn angeht<, ·wie R o t hs t ein, in Uebereinstimmung mit E w a I d u. A. m. 4 meint, entgegenB a udi ssin G, M art i 6 und N owak 7 •
3
L c. S.10?'. I. c. S. 102.
I
I. C.
2
s. 115.
Geschichte des alttestamentlichen Priestertums, S. 252. 6 Das Dodekapropheton, S. 408. Vgl. auch schon id.: Der Ursprung des Satans, in Theol. Studien und Kritiken, 5
1892, 7
298
s.
210.
Die kleinen Propheten, 1904, S. 353.
Es geht vielmehr, wie mir scheint, um eine neue religiöse Wahrheit, die sich in der politischen Vision ausdrückt. Gewiß wächst sie aus derinnerenZeitsituationherausund ist antwortend auf sie bezogen, aber nicht in dem äußerlichen Sinne, als decke sich der Gehalt der Vision mit Daten des historischen Geschehens. Sonst wäre sie keine echte Vision, sondern bewußt konstruierte Allegorie. Auch Einzelzüge bestätigen übrigens durch ihre Entsprechung zu andern mythischen Stoffen ihren Symbolcharakter. AI fr e d Je r em i as 8 erwähnt zum Motiv des Feierkleides, mit dem Josua angetan werden soll, verschiedene Parallelen: So erscheint der verklagte Adapa im Trauerkleid vor dem Himmelsgott und erhält ein Feierkleid. Der büßende sumerische König in dem Liede )Ich will preisen den Herrn der Weisheit« wird von Engeln gereinigt und durch die Tore der himmlischen Stadt geführt 9 • Der gerettete Gilgamesch wird vom Sintfluthelden auf der Insel der Gemeinschaft der Götter gereinigt, usw. Einen interessanten psychologischen Deutungsversuch zum Satan bei Sacharja macht K a r I M a r t i 10 • Er sieht in ihm einen Träger der Selbstanklagen des Volkes, wie sie sich in jener Zeit vom Rechte aus ergeben mußten. Diese Gestalt »ist das nach außen geworfene Bild der im Inneren gegen Gottes Gnade sich erhebenden Stimme« 11 • M a r t i zeigt hier ein richtiges Gefühl für den geistig-psychologischen Charakter der alttestamentlichen Satansfigur. Er beeinträchtigt aber seine an sich bemerkenswerte psychologische Auffassung dadurch wieder, daß er annimmt, Sacharja habe »diese Gestalt des Satans 8
I. c. S. 738.
Es handelt sich um das oben behandelte Lied des leidenden Gerechten. (H. G r es s man n, AltarientaL Texte zum A. T. 2, S. 278 f.) 10 Zwei Studien zu Sacharja. I. Der Ursprung des Satans. In: Theol. Studien und Kritiken, 1892, S. 207-245. 9
11
I. c. S. 235.
299
selber gebildet«. Dagegen spricht nicht nur die ganze Phänomenologie des Satans, das Eingebettetsein dieser Vorstellung in das ganze Bedeutungsgefüge der alttestamentlich-theologischen Kategorien (Engelcharakter usw.), sondern vor allem die bereits oben erwähnte psychologische Grundtatsache, daß innere Bilder nicht gemacht werden, sondern widerfahren. Sie sind Symbole eines überpersönlichen Geschehens in der Seele des Menschen. So ist der Satan in der Vision Sacharjas nicht, wie M a r t i annimmt, »nichts weiter als der Träger der Anklagen, wie sie sich in jener Zeit vom Rechte aus ergehen mußten« 12 , sondern eine Gestalt im üherpersönlichen, Böttlichen Drama, wie im Nachstehenden deutlich werden soll. Der Satan erscheint hier als Ankläger vor Gericht. Es ist die bereits erwähnte babylonische Gerichtssituation, wo der Ankläger zur Rechten des Angeklagten steht, der Verteidiger zur Linken. Er steht vor dem mal'iik ]ahroe. Denken wir an das über den Satan im Hioh-Buch Ausgesagte, daß er als Herausgehobener unter den bene ha'elöhim erscheint, so haben wir eine Polarität, durch zwei Engelwesen ausgedrückt. Der Satan und· der mal'iik ] ahroe, zwei Engel, zwei Wesensseiten Gottes, kämpfen um den Menschen. Der eine will ihn vernichten, der andere retten. Der Gegensatz ist ausgeprägter als im HiohBuch, wo das Schwanken Jahwes die Grenzen noch verwischt. Wohl ist dort der Gegensatz in der Wette aufrechterhalten, aber nur zum Teil, denn im Grunde genommen hat sich, wie oben dargetan wurde, Gott mit dem Eingehen auf diese Wette auf die Ebene des »Satanischen« Zweifels begehen. Er ist ihm gefolgt. Der Gegensatz ist eigentlich nur noch in der Einschränkung des Satans gewahrt. Dieser darf den Menschen fast vernichten, aber nicht ganz. Hier nun ist der Differenzierungsprozeß weiter gediehen. Der Herauslösung des Satans, der dunkeln 12
300
l. c.
s.
235.
Gottseite, ist die Herauslösung der entsprechenden hellen Gottseite gefolgt. Die beiden Wesensseiten Gottes sind nicht mehr in unberechenbarer Vermischtheit gegeben, sondern als solche sichtbar, und zwar ausgerichtet auf den Menschen. Es ist ein Gericht über den Menschen. Dahinter steht der moralische Anspruch an den Menschen, wie er' sich ja auch im Hiob-Buch als letzte Konsequenz ergeben hat. Von dieser Situation her wird das Wesen beider Seiten bestimmt umrissen. Die eine verlangt Gerechtigkeit, die andere gewährt Gnade. Dies scheint mir eine der ganz großen Wendungen im alttestamentlichen Gottesbegriff zu sein. Der Satan wird zu dem, was vordem positive Eigenschaft Gottes war: zu seiner Gerechtigkeit. Hier wird Gottes Gerechtigkeit buchstäblich »verteufelt« 13 • Sie wird zum Hindernis, wird negativ gewertet, 13 Vgl. A d o l p h e L o d s , Les Origines de la Figure de Satan etc. S. 650: >Le safan represente clone ici la conscience, le droit strict, qui se trouve, dans l'espece, en Opposition avec les desseins misericordieux de Yahve, la justice aux prises avec la gräce« - ein exegetischer Tiefblick, aus dem L o d s jedoch in seiner in erster Linie auf das Historische ausgerichteten Arbeit nicht die Konsequenzen hinsichtlich der theologischen Bedeutung der Satansfigur zieht. Auch Er i k S t a v e (1. c. S. 254) sieht sich eigentlich genötigt,· im Satan »eine Personifikation der Gerechtigkeit d.es heiligen Gottes« zu sehen, kann den Gedanken dann aber doch wieder nicht aufrecht erhalten, weil ihm eine spätere Satansvorstellung in die Quere kommt, nämlich, daR der Satan von Anfang an ~als ein schadenfroher Geist, der eine innere Lust und Freude daran offenbart, deJ;It Menschen Leiden zufügen und sie zur Sünde v·erlocken zu dürfen«, erscheine. Diesen scheinbaren Gegensatz kann S t a v e nicht überbrücken. Ihn überhaupt anzunehmen, führt aber vom Sinn dieser Stelle gerade weg. Schon Diestel (l. c. S. 213) bemerkt, es sei nicht wohlgetan, »dem Riobischen Satan allerlei böse Absichten, Wünsche, Hoffnungen, von denen im Prologe kein Wort steht, unterzuleg·en; man tut dies, um seine Gestalt ungerechtfertigterweise der Anschauung des Neuen Testaments näher zu bringen, und verletzt das Gebot der geschichtlichen Strenge«. Dies läßt sich ohne weiteres auch für
301
weil ein höheres Prinzip gesichtet ist: die Liebe 14• Gewiß ist auch früher schon von der Liebe und dem Erbarmen Gottes die Rede, so Dt 4, 31: »Denn Jahwe, dein Gott, ist ein barmherziger Gott ('el ral:tum): er wird dich nicht verlassen, noch verderben, und er wird des Bundes nicht vergessen, den er deinen Vätern geschworen hat.< Und Ps. 86, 15: »Aber du, o Herr, bist ein barmherziger, gnädiger Gott ('el ral),Üm roe-l:tannün), langmütig und reich an Huld und Treue.« Ferner Jes 54, 10: »Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Gnade (l:tasdi) soll nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, spricht Jahwe, dein Erbarmer (me-ral:tamek).< Und Jer 3, 12: »Ich will nicht finster auf euch blicken;· denn ich bin gütig (l:täsid), spricht Jahwe, ich trage nicht ewiglich nach.< Meist handelt es sich hier aber um Verheißungsaussagen, während wir in unserer Stelle das unmittelbare Geschehnis des barmherzigen Eingreifens J ahwes als bewußte Haltung vor uns haben. Nirgends ist sie so bewußt wie hier, wo sie im Gegensatz steht zu ihrem Gegenpol, zur Gerechtigkeit. Das wird besonders auch aus dem oben zitierten Psalm 86 deutlich, wo die Gerechtigkeit neben die Barmherzigkeit tritt. Im Psalm besteht kein Problem in dieser Hinsicht. Ein solches konnte erst entstehen, nachdem das Dunkle hervorgetreten ist, seinen Gegensatz rufend. Erst hier wird das Negative in der Gerechtigkeit sichtbar. Sie ist nur negativ, wenn sie an Stelle der Liebe steht. Und weil nun die Liebe sichtbar werden kann, wird die Gerechtigkeit das zu überdie Betrachtung des Satan bei Sacharja geltend machen. Das :.Teuflische« liegt hier nicht in einem Gegensatz zur Gerechtigkeit, sondern in ihr selbst. 14 Vgl. auch R o t h s t ein, Kommentar zum 1. Buch der Chronik, S. 380: :.Dem Satan gegenüber, dem Vertreter göttlicher Gerechtigkeit, ... ist der mal'äk ]ahroe der Träger göttlicher Barmherzigkeit und Gnade, . . . er ist die von J ahroes persönlichem Wesen abgelöste und hypostasierte Ausroirkung des Liebesroesens ]ahroes.« (Von mir hervorgehoben.)
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windende Hindernis. Die Gerechtigkeit will den Menschen um seiner Sünde willen bestrafen. Wenn man sich vergegenwärtigt, was es bedeutet hätte, wenn Jahwe dem Satan willfahren hätte, so wird das »Satanische< in ihr begreiflich. S t avesagt mit Recht zu dieser Stelle: :.So ist der Satan hier zum Widersacher Gottes und des ganzen Heilsplanes geworden, .. .« 15 Hier wird noch einmal besonders deutlich, daß er jene Seite Gottes ist, die schon von Abraham die Tötung seines einzigen Sohnes forderte; denn auch dort ist Gott gewissermaßen der Widersacher seiner selbst und seines Heilsplanes. Der Satan in der Sacharja-Vision fordert die gerechte Bestrafung Josuas. Aber der mal'äk ]ahroe rettet das >aus dem Feuer gerissene Scheik Hier ist Jahwe seiner dunkeln Seite Herr geworden. Das scheint mir ein Gedanke zu sein, der den äußersten Rand des Alten Testaments bildet und wohl als die alttestamentliche Voraussetzung für den Liebesgedanken des Neuen Testamentes angesehen werden kann. Aber auch in der jüdischen Weiterentwicklung hat dieser Gedanke eine höchst bedeutsame Ausprägung gefunden: im Sephirothbaum der Kabbala 16 • Da ist die Ganzheit des geistigen Seins in zehn Sphären dargestellt, die gestuft sind als Emanationen Gottes, als Aeste des Lebensbaumes, dessen Wurzeln oben, dessen Krone unten ist. In ihren polaren Entsprechungen drückt sich das Wesen der Welt aus in allen Seinsschichten, von der höchsten bis zur tiefsten. In diesem System nun steht die Gnade, die Liebe (l;wsed) 17 auf der rechten (männlichen) Seite, die GerechI. c. S. 251. Ueber diese Grundvorstellung der Kabbala s. Gerh a r d Sc h o I e m, Art. >Kabbala« in: Encyclopedia Judaica, S. 6?3 ff.; E r n s t M ü 11 e r , Der Sohar und seine Lehre, 1923. S. 16, u. A. m. 17 Ne I so n GI u e c k, Das Wort lJesed im alttestamentlichen Sprachgebrauche als menschliche und göttliche gemein15
16
303
tigkeit oder das Gericht (din) auf der linken (weiblichen). Der Gnade ist das Wasser zugeordnet, der Gerechtigkeit das Feuer. Die strömenden Wasser der Gnade überwinden das fressende Feuer des Gerichts. Der eifernde Gott ist buchstäblich auf die >linke« Seite geraten. Hier tut sich ein tiefer Blick in das Wesen des göttlichen Entwicklungsprozesses auf: Erst in seiner Liebe drückt sich das Männlich-Schöpferische in Gott aus. Seine unberechenbare Emotionalität, sein Zorn, sein Eifern, seine Gerechtigkeit, sind weiblich. Das ist - psychologisch gesprochen - gewissermaßen die weibliche Seite Gottes, die undifferenschaftsgemäße Verhaltungsweise (BZA W 4?, 192?), weist den ursprünglich rechtlichen Charakter von lJ,esed nach. Im Gegensatz zu ralJ,amfm, dem es in späterer (prophetischer) Zeit sehr nahe kommt, >schließt lJ,esed die Idee des Pflichtgemäßen ein, die für ralJ,amfm nicht in Frage kommt< (S. 2?, vgl. auch S. 66). W. F. Loft h o u s e, Hen and Hesed in the Old Testament (in: ZAW 1933, S. 29-35) bestätigt im Großen und Ganzen die Ergebnisse GI u e c k s. Es scheint mir jedoch fraglich, ob GI u e c k für die spätere Entwicklung nicht doch zu sehr an der ursprünglichen Bedeutung haften geblieben ist, ob nicht vielmehr, wenigstens für die lJ,esed Gottes, eine deutliche Weiterentwicklung im Sinne der göttlichen Gnade und Liebe vor sich ging, z. B. gerade in der oben zitierten Stelle Ps 86, 15, wo lJ,esed als Synonym von ralJ,ilm roe-lJ,anniln, 'erek 'appaim erscheint: >Aber du, mein Herr, bist ein barmherziger, gnädiger, Gott, langmütig und reich an Huld und Treue.« Die rein formale Beziehung, die L o f t h o u s e zwischen lJ,esed und ralJ,amfm sieht - >This word signifies yearning Iove; like that of a mother for the habe within her' womb ... But even ralJ,amfm is based on a tie, indeed, the closest imaginable. Here lJ,esed and ralJ,amfm are both in the nature of things.< (pag. 35) - dürfte nicht ausreichen. Man vgl. auch das erwähnte Beispiel von Jer 3, 12, wo Jahwe von sich sagt: >Ich bin lJ,aszdc, wobei die unmittelbare Fortsetzung: >ich trage nicht ewiglich nach« doch wohl als direkte Erklärung des Begriffs lJ,iisfd angesehen werden darf. Sicher aber ist dieser Begriff im späteren Judentum ausgesprochen Ausdruck für Gottes strömende Gnade, wie gerade das Beispiel der Kabbala zeigt.
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ziert und chaotisch ist. Der Geistgott Jahwe hatte sich aus der mütterlichen Urnatur herausgerungen, aus dem Urgrund der heidnischen Naturreligionen. Dadurch ist das W eihliche naturnotwendig ausgeschaltet, um dann aber eben unhewußt und negativ doch in seinem Wesen zu erscheinen. Hier wird von neuem der Zusammenhang zwischen dem Weihlichen und dem Satan sichtbar. Der »Zorn Gottes« in 2 S 24 wird in 1 Ch 21 zum »Satan«. Ebenso wird der »brüllende Löwe« des Alten Testaments als Bild des zornmütigen Gottes (Hos 11, 10; Jer 49, 19) zum Bild des Teufels im Neuen Testament (1. Petr 5, 8). Das Fruchtbare und Weiterführende der Kabbala ist aber, daß diese weihliehe Seite wohl »links« ist 18 , aber doch ihre volle Dignität im geistigen Weltsystem hat. Das W eihliche ist nicht nur überwunden, sondern auch aufgehoben im Sinne des Bewahrtseins, Wesenhaft-Seins. Hier umfaflt Gott seine beiden Seiten, er ist männlich und weiblich. Er ist die coincidentia oppositorum. Bei Sacharja ist diese Ueherwindung der Gerechtigkeit durch die Liehe noch nicht vollzogen. Sie ist gewissermaßen im Vollzug. Die Gerechtigkeit als Potenz ist noch verkörpert in dem als Hindernis gegenüber Gottes Gnade und Güte erscheinenden Satan. Indem der mal' tik ] ahroe ihm widersteht, wird aber der Weg frei für die Liehe Gottes, die sich dem Menschen zuneigt. Es erscheint der Gott, der das »aus dem Feuer gerissene Scheit« retten will, lebendiges Erbarmen hat mit dem von Sünde beschmutzten und von Leiden zerquälten und schon halb verzehrten Volkskörper, der durch den Hohepriester Josua repräsentiert wird. Diesem lebendigen Gefühl wird die dunkle Emotionalität so suspekt und negativ, daR sie als Satan, als negative zerstörerische Macht erscheint. Angesichts dieses höchst bedeutsamen Durchbruchs des göttlichen 18 Vgl. auch die chinesische Symbolik, wo Yang das helle, Yin das dunkle Prinzip ist, Licht und Finsternis, Tag und Nacht, als ewig bewegtes Gleichgewicht der Weltkräfte.
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Einsatzes für den Menschen ist es vielleicht nicht von ungefähr, daß im seihen Kapitel sich ein Hinweis auf den Messias findet: »Höre, Hohepriester Josua! Du und deine Genossen, die vor dir sitzen, ihr seid Männer der Vorbedeutung 19 • Denn siehe, nun will ich meinen ,Spro/l' 19 bringen.« (3,8) Noch in einem andern Sinn ist diese Stelle aber eine Weiterentwicklung der Satansvorstellung im Alten Testament. Wir sahen, daß der Satan das Element des Hindernisses ist, das das weltlich-naturhafte Leben des Menschen stört und behindert, das seinen Willen bricht (Bileam, Hiob), und ihn zur Ergebenheit in Gottes Willen führt. Aber auch diese Funktion erscheint nun begrenzt. Das religiöse Gefühl ist tiefer durchgedrungen: es gibt einen Zustand, wo auch das Leiden nichts mehr nützt ohne göttliche Gnade, wo die Gnade das Werk des Leidens vollenden muß, soll das Gefäß des Göttlichen, der Mensch, nicht zerbrechen. Der Satan ist hier in seiner Hinderungsfunktion, in seiner Brechung des menschlichen -Willens und dessen Wandlung zur Ergebenheit in Gottes Willen an eine Grenze gekommen, wo der Gott zur Erhaltung des Gefäßes eingreifen muß. Der mal'äk ]ahroe rettet das »aus dem Feuer«- aus dem verzehrenden Feuer Jahwes - »gerissene Scheik Der liehende Gott vermag den Menschen vor dem zürnenden Gott zu beschützen. Hiohs Gebet: »Gott, sei du mir Zeuge gegen Gott«, ist hier erfüllt, und damit seine ahnende Gewißheit: »Ich weiß, daß mein Erlöser lebt«. Josua, der Repräsentant des ganzen sündigen Volkes, wird dem Satan nicht mehr ausgeliefert wie Hiob. Heißt das aber nicht auch, daß der Mensch, wenn er die dunkle Seite Gottes gesehen und ertragen hat, ihr nicht mehr in dem Maße ausgeliefert ist?
19
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Von mir hervorgehoben.
V. Der Satan als selbständiger Dämon in 1 Ch 21, 1 In 1 Ch 21,1 heißt es: »Und der Satan trat auf wider Israel und reizte David, Israel zählen zu lassen.« Der Satan erscheint hier als der Anstifter zu einer unfrommen Handlung, deren Wesen zunächst festzustellen ist. DaR das Zählen des Volkes als tabuiert betrachtet wurde, geht schon aus Ex 30, 11-16 hervor. Die Volkszählung wird dort nicht verboten, aber sie wird von Jahwe nur geduldet, wenn sie gleichzeitig wieder gesühnt wird: »Wenn du die Zahl der Israeliten feststellst, derer, die gemustert werden, so soll ein jeder Jahwe ein Lösegeld für sein Leben geben, damit nicht eine Plage über sie komme, wenn man sie mustert.<
An sich ist sie also gegen den göttlichen Willen, ja sogar gewissermaßen eine Todsünde; denn das durch sie verwirkte Leben der Gezählten muß durch ein Lösegeld zurückerworben werden, sonst fallen sie einer Plage anheim, die wie 1 Ch 21, 11-12 zeigt 1, tödlich ist. David kann als Strafe für die Volkszählung wählen: Hungersnot, Zerstörung durch die Feinde oder die Pest. Die Volkszählung muß also eine schwerwiegende Verletzung der göttlichen Macht in sich schließen, die den Zorn Gottes hervorruft. Sie ist ihrem Wesen nach gegen die göttliche Macht gerichtet; denn sie dient menschlichen Zwekken, der Macht eines irdischen Königs. Sie bringt ihm seine Macht zum Bewußtsein, indem sie sie ihm als konkreten, abgeschätzten Wert in die Hand gibt und damit gewissermaßen erst in seinen völligen Besitz. Sie ist gleichsam als Betonung menschlichen Besitzes und menschlichen Ordnens und Planens ein Ungehorsam gegen die Herrschaft Gottes, der mit dem tatsächlichen (wie in 2 S 1
Vgl. 2 S 24, 3. 4.
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24, 3 resp. 1 Ch 21, 1) oder symbolischen Lebensopfer (wie in Ex 30, 11-16) geahndet wird. Diese Wertung der Volkszählung ist alt und findet sich nicht nur in der Bibel. Letztlich geht sie auf eine allgemein primitive Anschauung zurück, wie J. G. Frazer 2 an Hand vieler Beispiele aus Afrika, Amerika und Europa nachweist. So fürchten die Leute im Kongogebiet gezählt zu werden, weil es die Aufmerksamkeit der bösen Geister auf sie ziehen wird 3 • Meist dehnt sich die Scheu vor der Zählung auch auf Kinder \ Vieh 5 und weiteren Besitzstand 6 aus. B e r t h e a u 7 und C u r t i s 8 verweisen auf die von Servius Tullius eingesetzte Iustratio populi Romani, die jedesmal nach Beendigung des Census auf dem Marsfelde 2 Folklore in the Old Testament, Studies in Comparative Religion, Legend and Law. 1919, vol. II, S. 555 ff.: The Sin of a Census. 3 F r a z er erwähnt, daß dort 1908 eine Volkszählung zum Zwecke einer Steuererhebung mit militärischer Gewalt durchgeführt werden mußte: :.The natives would have resisted the officer, but he had to many soldiers with him; and it is not improbable that fights have taken place between whites and blacks in other parts of Africa, not that they resisted the taxation, but they objected to be counted for fear the spirits would hear and kill them.c: (l. c. S. 556.) 4 So gilt es z. B. bei den Bakongo im unteren Kongogebiet als äußerst unglückbringend, wenn eine Frau ihre Kinder eins, zwei, drei usw. zählt; denn die bösen Geister werden es hören und einige von ihnen durch den Tod wegholen. (1. c. s. 556.) 5 Z. B. zählen die Masai in Ostafrika weder Menschen noch Vieh, im Glauben, es verursache den Tod. (l. c. S. 556.) 8 In Oran (Nordafrika) :.the person who counts the measures of grain, should be in a state of ceremonial purity, and instead of counting one, two, three and so on, he says ,In the name of God' for ,oue'; ,two blessings' for ,two'; ,hospitality of the Prophet' for ,three' ... and so on, up to ,twelve', fd'r which the expression is ,the perfection for God'.c: (l. c. S. 558.) 7 Die Bücher der Chronik, Leipzig 1873. 8 The Books of Chronicles. In: The International Critical Commentary, 1910, p. 247.
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vorgenommen wurde 9 • Ueher die Scheu vor der Volkszählung bei heutigen Beduinen berichtet L e o H ä f e I i in seinem Buche »Die Beduinen von Beerseha« ~ 0 : Der Gouverneur von Beerseha 'Aref el-'Aref stellte fest, daß sich im Gerichtsbezirk von Bir es~Seha' bei ?'0 000 Seelen finden: »Einige glauben, es seien mehr als 100 000. Gott weiß, was richtig ist!« H ä f el i bemerkt hierzu: »Allah a'lam hi:;H:;awah oder 'ilm 'ind Allah sind bekannte und oft wi~ derkehrende Formeln, die eine Auseinandersetzung über einen Gegenstand zum Abschluß bringen, bei dem man es als vor Gott unrecht erachtet, den genauen Sachverhalt erforschen zu wollen 11 .« Für den Bereich des Alten Testaments formuliert Kar 1 B u d d e zu unserer Stelle diese primitive Vorstellung trefflich folgendermaßen: »Die Volkszählung ist ein unmittelbares Attentat auf Israel, auf das Lehen der Unterthanen Davids. Denn Jahwe schenkt und nimmt das Lehen; darum leidet er es nicht, daß man ihm die Seelen nachrechnet, und macht, wenn man es thut, einen Strich durch die Rechnung, indem er ein großes Sterben schickt 12.« In unserem Text kommt diese Scheu vor der Volkszählung in Joah zum Ausdruck (1 Ch 21,3)
13 :
»Wollte Jahwe zu seinem Volke noch hundertmal soviel hinzufügen, als ihrer jetzt schon sind, wären sie nicht alle, mein Herr und König, meines Herrn Untertanen? Warum trachtet mein Herr nach so etwas? Warum soll es Israel zur Schuld gereichen?<: 9 Varro, De Re Rustica, II, I. Livius, I. 44, cf. III, 22; Dionysius IV, 22; zit. bei Cu r t i s, I. c. S. 247. 10 Luzern 1938, S. 25. Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Prof. Zimmer I i (Vorlesung über Alttestamentliche Theologie, W. S. 1944/45). 11 Die Bücher Samuel, 1902. 12 I. c. S. 205, Anm. 21. 13 Da in unserem Zusammenhang die Gestalt des Satans im Brennpunkt steht, halte ich mich in der nachstehenden
21 Jung: Symbolik des Geistes
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Spricht daraus nicht dieselbe Haltung wie bei den Beduinen aus Beerseba? 14 David verschließt sich aber dieser aus echter Gottesfurcht kommenden Vorhaltung Joabs. Er folgt der :.satanischen< Eingebung. Seiner Besessenheit folgt nach begangener Tat aber das Schuldbewußtsein und die Reue, die noch vertieft werden angesichts der grausamen Tatsache, daß das Volk für seine, Davids, Schuld büßen muß: >Habe nicht ich befohlen, das Volk zu zählen? Ich bin es, der gesündigt und den Frevel begangen hat; aber was haben diese da, die Herde, getan? Herr, mein Gott, deine Hand schlage mich und meines Vaters Haus, nicht aber dein Volk.c: (1 Ch 21, 17.)
An den so gewandelten David ergeht dann der durch Gad, den Seher, vermittelte Befehl, Jahwe einen Altar zu bauen, aus dem dann später der Tempel entsteht, und zwar an der Stelle, an der Jahwe dem die Pest verbreitenden Engel Einhalt gebot, weil ihn das Unheil reute (21, 16). Wie bei der Sintflut, wie bei Isaaks Opferung und bei der Prüfung Hiobs sehen wir J ahwe auch hier nahe daran, seine Schöpfung wieder zu zerstören. Wieder geht es um eine Prüfung des Heilsträgers, wie in Gn 22, und um eine innere Wandlung wie bei Hiob, wenn diese Erzählung · auch viel primitiver ist, bei weitem nicht in die individuelle Differenzierung und Tiefe der Hiobdichtung hinabreicht. Die Parallele kommt aber auch noch durch die Verschonung des zukünftigen Heilsortes zum Ausdruck: Jerusalem wird im letzten Augenblick vor der Zerstörung bewahrt. Wenn man an die spätere zentrale Bedeutung J erusalems denkt, seinen höchsten Symbolwert bei Ezechiel und dann auch im Christentum, wird einem das GeExegese an den Chroniktext, in welchem allein der Satan erwähnt ist, obwohl der Samueltext älter ist. 1 i s. oben, S. 308. 310
wicht dieser Stelle erst voll bewußt 15 • Mit dem Hiobbuch ist diese Chronikstelle auch spezieller noch dadurch verbunden, daß hier wie dort der Satan der die Zerstörung auslösende Faktor ist. Das Neue in der Chronik ist aber, daß der Satan seines Charakters als Gottesfunktion entkleidet erscheint. Er figuriert nicht mehr, wie im Hiobbuch, im göttlichen Hofstaat, sondern ist eine selbständige, von Gott scheinbar losgelöste Figur geworden, die nicht mehr, wie im Hiobbuch und bei Sacharja in einer dialektischen Auseinandersetzung mit Gott resp. seinem Engel steht. Sprachlich drückt sich diese Entwicklung darin aus, daR safän hier zum Eigennamen geworden ist. Hier ist der göttliche Differenzierungsprozeß, die Herauslösung und Sichtbarwerdung der dunkeln Wesensseite Gottes bis zur vollständigen Ablösung gediehen. Sie ist nun vollends ein »autonomer Komplex«, eine losgelöste Person geworden 16 • 15 Vgl. K a r I B u d d e (Die Bücher Samuei, S. 326) zur entsprechenden Stelle 2 S 24, 16: »Da nun das Heiligtum auf dem Zion endlich das einzige Jahweheiligtum geblieben und in der Ueberzeugung Isra·els das einzige berechtigte geworden ist, das dann in seiner Verklärung und Vergeistigung auch in den Besitz der Christenheit überging und in der neutestamentlichen Apokalypse in die himmlische Welt hinaufgehoben wurde, so muR man unser Stück als eines der wichtigsten des ganzen Alten Testaments bezeichnen.< Vgl. auch Gerh a r d v. Rad (Art. i3uißoJ..or; in: Kitte I, Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 2, S. 73, Anm. 17). 16 Angesichts dieser höchst sinnvollen Zusammenhänge fällt es schwer, für den Versuch F. X. Ku g I er s (Von Mose bis Paulus, Forschungen zur Geschichte Israels, 1922, S. 241 bis 243), im Satan der Chronik einen menschlichen Gegner Davids zu sehen, Verständnis aufzubringen. Seine Argumentation steht aber auch auf so schwachen Füllen, daR sie kaum noch ernst genommen werden kann. Zunächst wird von einer an den Text herangetragenen Gottesauffassung her einfach beschlossen, daR die Versuchung Davids nicht habe von Gott ausgehen können: >Kann aber von ]ahve gesagt werden jäset ,er reizte (David) an'? Gewiß nicht in dem Sinne, daR er als
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Diese Tatsache hat verschiedentlich Anlaß gegeben, an einen persischen Einfluß zu denken. Ger h a r d v. Rad 17 sieht darin eine »innere Verlagerung in der Satansvorstellung, die sich vielleicht auf Grund neueingedrungener iranischer Gedanken« vollzog, er betont aber, daß »keinesfalls die Satansvorstellung als solche von den Persern ,übernommen'« ist 18 • Demgegenüber sieht E r i k S t a v e in seiner Schrift »Ueber den Einfluß des Parsismus auf Urheber der Sünde zu gelten hat ... Deshalb dünkt es mir sehr unwahrscheinlich, daß Jahve als Subjekt gedacht ist.< (S. 242.) Kugle r greift zum Ausweg, ein anderes Subjekt anzunehmen, nämlich- »man~. Also: »Man reizte David an.< Dies, »obschon ,man' meist durch die 3. Plur. masc. und we:p.iger häufig durch die 3. Sing. masc. ausgedrückt wird.:. (I. c.) ~Hiernach wäre David unter dem Einfluß eines schlimmen Beraters gestanden, ... Er hat wahrscheinlich das Volk bei David beschuldigt, daß es seinen Verpflichtungen sich großenteils entziehe, und als sicheres Mittel dagegen allgemeine militärische (!) Erhebungen durchgesetzt. Er ward so zu einem Satan im eigentlichen Sinne des Wortes, einem Ankläger und Bedränger Israels.< (S. 242/43.) Kau p e l hat diese Anschauung Kugle r s übernommen, und steht Kugle r an phantastischer Schilderung dieses menschlichen »Satans« nicht nach: Es handle sich in 1 Ch 21 um einen »unverantwortlichen Intriganten~ (S. 10), einen »dunklen Hintermann<: (S. 108). »Dieser geheime, heimtückische Wühler, gegen dessen Einflüsterungen und Machenschaften selbst J oabs eindringliche Worte beim Könige nichts vermochten, wird in 1 Chr. 21, 1 säfän genannt.< Nach dieser >Erledigung« des Problems stellt Kau p e l dann mit spürbarer Erleichterung fest: »Die Stelle also, die vielen Erklärern den Höhepunkt, oder doch wenigstens einen wesentlichen Fortschritt in der Satansvorstellung des Alten Testaments bedeutet, scheidet für deren Behandlung aus.~ 17 Art. a,d{Jo).oc; in: Kittel, Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 2, S. ?'4. 18 Vgl. auch S cheftel o w i t z, Die altpersische Religion und das Judentum. Gießen 1920, S. 51: »Die Annahme, daß die Juden diese Idee von den Persern übernommen haben, ist unhaltbar.<
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das Judentum« 19 in Angramanyu das Urbild des alttestamentlichen Satans, darin über seinen Vorläufer A I e x a n d e r K o h u t 20 hinausgehend, der den parsistischen Einfluß doch vorwiegend auf den Satan der Apokryphen und des Talmuds einschränkt. Auch S t a v e sieht zwar neben dem angenommenen persischen Einfluß doch auch das immanente Moment; die beiden Gesichtspunkte schließen sich ihm aber noch nicht zu einem einheitlichen Bilde zusammen, sondern bleiben gelegentlich - und dies gerade beim Problem des Ursprungs der Satansfigur in offenem Widerspruch stehen. Neben allen Ergebnissen unserer Untersuchung, die gegen eine » Uebernahme« der Satansfigur sprechen, genügt bei der »persischen« These ein Vergleich der Grundstrukturen der beiden Religionen, um eine solche Uebernahme, mit v. Rad u. A. für ausgeschlossen zu halten. Nimmt man die beiden Figuren, den Satan des Alten Testaments und den Angramanyu der persischen Religion nicht losgelöst, sondern eingebettet in das ganze religiöse Beziehungsgefüge, so zeigt sich ein fundamentaler Unterschied. Auch S t a v e geht davon aus, daß der alttestamentliche Satan nicht von vornherein denselben Charakter hat wie der persische Angramanyu. Dieser ist von Anfang an eine selbständige Größe neben Ahura Mazda. Es besteht in der persischen Religion ein Urgegensatz zwischen Spentamanyu und Angramanyu. Letzterer herrscht wie Ahura Mazda über ein eigenes Reich und steht mit jenem im Kampf. Sie teilen sich auch in die Schöpfung des physischen Alls, indem auch Angramanyu an der Schöpfung teil hat. Er ist der Schöpfer der schädlichen 19 Von der Teyler'schen Theologischen Gesellschaft gekrönte Preisschrift. Haarlern 1898. 20 Ueber die jüdische Angelologie und Dämonologie in ihrer Abhängigkeit vom Parsismus, 1866.
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Insekten undTiere 21 • Yasna 45,2 heißt es: »Ich will reden von den beiden Geistern zu Anfang des Lebens, .. .« 22 ; Yast 13, 76: »... als die beiden Geister- er, der heilige Geist, und er, der böse,- die Schöpfung schufen 23 .« Und in Yasna 30 werden sie Zwillinge genannt: »Die beiden Geister zu Anfang, die sich durch ein Traumgesicht als Zwillingspaar offenbarten, ... 24 « Der Dualismus ist also der Ausgangspunkt der persischen Religion. Der kosmisch-ethische Konflikt scheint das Grunderlebnis der Perser gewesen zu sein, das ihre Religion prägte. Demgegenüber scheint mir, worauf bereits an anderer Stelle hingewiesen wurde 25 , das religionsschöpferische Spezifikum des israelitischen Volkes gerade etwas Gegensätzliches zu sein: die Personalität Gottes, als die die Gegensätzeumfassende und aufhebende Einheit. Von dieser grundsätzlichen Erwägung ausgehend drängt sich einem unvoreingenommenen Beobachter sehr bald die Erkenntnis auf, daR ein EinfluR des AhrimanAngramanyu auf die Satansfigur in eminentem MaRe vorhanden ist, nicht aber auf der Stufe des Alten Testaments, wo der Satan gewissermaßen aus der alttestamentlichen Gottgestalt heraus geboren wird, sondern auf einer weiteren Entwicklungsstufe: der spätjüdisch-christlichen. Erst im Satan als Gegenspieler des Messias im spätjüdischen Schrifttum einerseits, im Neuen Testament anderseits, kann Angramanyu als Urbild des Satans erkannt werden. Hier ist der Satan zu einem selbständigen Prinzip geworden, zur Verkörperung des Bösen als Weltprinzip 21 Vendidad Kap. 1. s. Fr i t z Wo I f f, Avesta, Die heiligen Bücher der Parsen. 1924, S. 317 ff. 22 Christian Barthoiomae, Die Gatha's des Awesta, 1905, S: 69. 23 F r i t z W o I ff , I. c. S. 240. 24 B a r t h o I o m a e , I. c. S. 13. 26 s. oben, S. 161.
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schlechthin. Es ist daher etwas Richtiges daran, wenn Gun k e 126 den alttestamentlichen Satan vollständig vom neutestamentlichen unterschieden wissen will. Er hält die beiden Figuren für unabhängig voneinander, auf verschiedene Ursprünge zurückgehend, wobei letzterer eben dem persischen Einfluß entstamme. In dieser extremen Konsequenz wird diese Ansicht allerdings wieder unrichtig. Es ist wohl unumgänglich, beide Momente, das der Kontinuität und das der Andersheit zu berücksichtigen, was nur mittels des Entwicklungsbegriffs möglich ist. Es wäre doch wohl absurd, für eine Zeit und einen Raum, die vom Jahwismus geprägt sind, anzunehmen, daß eine geistige Konzeption entstehen könnte, die nicht auf diese Prägung bezogen wäre, um so mehr als ja die Namenskontinuität ebenfalls ein - wenn auch nur das äußerlichste - Indiz für die innere Kontinuität der Satansfigur im Alten und Neuen Testament darstellt. Es ergibt sich somit, daß erst eine Differenzierung der Gottpersönlichkeit, die geradezu einem Auseinanderfallen gleichkam, die Voraussetzung bilden konnte für einen tiefergehenden parsistischen Einfluß, also gewissermaßen die Endphase des Auseinanderfaltungsprozesses der alttestamentlichen Gottpersönlichkeit, nicht aber ihr Anfang. Insofern ist vielleicht auch schon für die Chronikstelle ein parsistischer Einfluß, wie ihn auch v. Rad in Betracht zieht, möglich 27 • Ahriman könnte in seiner polaren Gegensätzlichkeit zu Ahura Mazda Vorbild für den sich aus der Gottpersönlichkeit herauslösenden alttestamentlichen Satan gewesen sein. Entscheidend bleibt 26 Art. »Teufelsglaube« in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 5, S. 1063/64. 27 Vgl. auch Kittel (Geschichte des Volkes Israel, III, S. 141), der schon für den Satan bei Sacharja einen persischen EinfluR annimmt, obwohl er »eine selbständige innerjüdische Weiterentwicklung der bisherigen Vorstellungsweise4: nicht für ausgeschlossen hält. M. E. schlieRen sich diese beiden Möglichkeiten nicht aus.
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aber auch hier die immanente Entwicklung als Voraussetzung eines solchen Einflusses. Erst nachdem sich dieser Differenzierungsprozell vollzogen hatte, war der Boden für eine weitergehende persische Beeinflussung gegeben, die denn auch aus den Texten klar hervorgeht 28 • 28 So erscheint Weish. Sal 2, 24 der Satan mit der Paradiesesschlange und dem Tod identisch. Auch das Spätjudentum kennt diese Vorstellung. Im Talmud ist der Satan auch der »Todesengel« (Baha Bathra 16 a, Jer. Sabb. 2, 6 etc. s. S c hefte 1 o w i t z, l. c. S. 56. Anm. 7). Und bei den Rabbinen wird der Teufel auch han-nal:tas haq-qädmon genannt (Web e r , System der altsynagogalen palästinensischen Theologie, S. 211 f. [zit. S t a v e, l. c. S. 266]. - Vgl. auch K o h u t, I. c. S. 66.). (Auf den höchst interessanten Gegensatz zum Adam Kadmon kann hier nicht eingegangen werden.) Diese Züge entsprechen sehr genau dem persischen Ahriman. Mit ihm kommt der Tod in die Welt: :.Und als diese beiden Geister zusammentrafen, da setzten sie fürs erste das Lehen und das Nichtleben fest, .•. « (Yasna 30, 4. Bart h o 1om a e, I. c. S. 14), und im Vendidad, Kap. 1, hat er das stehende Epitheton ~der vielverderblichN (Wo 1 f f, Avesta, S. 317; vgl. Ja me s Darmsteter, The Zend-A vesta, Part I: The Vendidad, Sacred Books of the East, Bd. IV, 1880, pag. 5 ff.: »who is all death«). Ueher seine Schlangengestalt berichtet der Bundehesh, Kap. III, 10/11: »Afterwards, the evil spirit, with the confederate demons, went towards the luminaries and he saw the sky; and he led them up, fraught with malicious intentions. He stood upon one-third of the inside of the sky, and he sprang, like a snake, out of the sky down to the earth « (s. E. W. West: Pahlavi Texts, in: The Sacred Books of the East, V, 1880, pag. 17). Weitere Entsprechungen zwischen Ahriman und dem spätjüdisch-christlichen Satan s. bei S c hefte I owitz, l. c. S. 55 ff.; Stave, I. c. S. 263 ff.; Kohut, l.c. S. 62ff.; Roskoff, l.c. S. 190ff. AufschluRreich ist in unserem Zusammenhang die Tatsache, daR die direkte Uebernahme eines persischen Dämons in der nachexilischen Zeit belegt ist, nicht aber im Satan, sondern im Asmodi des Tohit-Buches, das wahrscheinlich im Perserreich entstanden ist. Und hier ist denn auch typischerweise, wie bei den alten babylonischen Dämonen der Name mitübernommen: Asmodi ist nach Ansicht der meisten der persische Aeshma Däva. Nach AI e x an der K o h u t, (1. c.
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Die Ablösung des Satans von Gott, durch die er von seiner Dunkelheit »gesäubert< wurde, barg ungeheure Konsequenzen. Sie bildete die Voraussetzung für die neutestamentliche Entwicklung des Satans zur Gegenpersönlichkeit Gottes, und zu seiner völligen Abspaltung, wie sie sich im Mythologem des eingesperrten Drachens der Johannesapokalypse ausdrückt. Im Alten Testament als seiner »Geburtsstätte< ist die Gottbezogenheit des Satans aber selbst in der Chronikstelle noch sichtbar. Haben schon die bisherigen Untersuchungen über die chronistische Erzählung den Satan durch die sich aufdrängenden Parallelen wesensmäßig in die nächste Nähe Jahwes gerückt, so wird dieser Zusammenhang durch die entsprechende Stelle 2 S 24, 1 ff. auch noch ausdrücklich auf unerwartet tiefe Weise offenbar. In seiner Selbständigkeit in 1 Ch 21 ist der Satan nicht mehr auf Gott bezogen- weil er mit ihm gleichsam identisch ist. Er tut nämlich genau das, was 2 S 24, 1 Jahwe selbst tut. Dort heißt es: »Und der Zorn Jahroes entbrannte abermals gegen die Israeliten und er reizte David wider sie 29 .« Im Samuelbuch ist es also ganz deutlich Jahwe, der S. 73) heißt Aeshma >der heftig suchende begehrliche Geist<. - So stützt das Beispiel Asmodis für die persische Assimilationsstufe ebenso wie die Kakodämonen des Alten Testaments für die babylonische unsere Auffassung vom alttestamentlichen Satan als innergöttlichem Phänomen. 29 Auf das Problem des literarischen Verhältnisses von 1 Ch 21 und 2 S 24 einzugehen, erübrigt sich wohl in unserem Zusammenhang. Selbst wenn 2 S 24 nicht die Quelle des Chronisten sein sollte, wie dies Rot h s t ein (1. c. S. 285 ff.), J. Benzinger (Die Bücher der Chronik, 1901, S. 62), und in bedingtem Mafl.e auch K. B u d d e (l. c. S. 327) annehmen (gegenteiliger Ansicht ist M. Not h, Ueberlieferungsgeschichtliche Studien I, 1943, p.138. Er vertritt sogar den Standpunkt, daR der Chronist ausschließlich das Samuelbuch in seiner überlieferten Gestalt als Vorlage hatte!), würde dies für die uns hier allein interessierende innere Beziehung der beiden Stellen nichts besagen. Sie stellen zwei Stufen einer theolo-
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den Menschen David selbst zur Sünde wider ihn reizt. Auf diesem Hintergrund der Ambivalenz der Gottpersönlichkeit selbst, die wohl auch als eine weitere ausdrückliche Bestätigung 'der in dieser Arbeit vertretenen .. These, daß der Satan eine Wesensseite Gottes verkörpere, betrachtet werden darf, wird auch die entsprechende innergöttliche Spannung zwischen Jahwe und Satan in der Chronik erst voll sichtbar: Die Volkszählung ist gegen den Willen Jahwes, sie ist hybrider Ungehorsam des Menschen, als Satan führt J ahwe den Menschen aber selber in diese Sünde. Denken wir an die bisher festgestellte Rolle des Satans, so dürfen wir wohl mit Recht auch hier einen göttlichen Zweck der Verführung Davids zur Sünde vermuten. Hatten wir schon für Gn 3 dieselbe Ambivalenz Gottes festgestellt, indem er nicht will, daß die Menschen vom Baume der Erkenntnis essen, damit sie nicht werden wie Gott, und sie durch die Schlange doch dazu verführt, weil er- hier gewissermaßen noch :mnbewußt« - ihr göttliches Wissen um Gut und .Böse doch auch gerade will 80, und ist uns bei Bileam und Hiob der Satan als die Kraft erschienen, die dem Menschen seinen eigenen Wilgiseben Entwicklung dar. Dies anerkennt auch R o t h s t e in, unbeschadet seiner erwähnten Entscheidung im literarischen Problem, in vollem Mafle, wenn er sagt: >Dem in Jahwes innerstem Wesen wider Israel auflodernden und David zur Volkszählung versucherisch anreizenden Zorn entspricht hier der Satan. In ihm ist also der göttliche Zorn gleichsam verkörpert, von Jahwe losgelöst und zu einer selbständigen Persönlichkeit geworden. Es bedurfte diese Loslösung der im Zorn sich auswirkenden Reaktion des heiligen Wesens Gottes wider die Sünde von der göttlichen Persönlichkeit und ihre Hypostasierung in der Gestalt des Satans in der religiösen Vorstellung natürlich eines sich nicht von heute auf morgen vollziehenden, sondern eines sich über eine geraume Zeit erstreckenden Entwicklungsprozesses, ehe es möglich wurde, die alte Erzählung in ihrem Eingang so umzugestalten, wie sie der chronistische Autor uns jetzt darbietet.< (1. c. S. 379/80.) 30 s. oben, S. 290.
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len im Anprall an den göttlichen bewußt macht, indem er ihn bricht, so dürfen wir auch hier als »Sinn der Sünde<~: dasselbe Ziel vermuten. Davids königliche Macht ist durch seine vom Satan bewirkte hybride Schuld sinnfällig dezimiert. Das Bewußtsein hiervon schafft in ihm erst Raum für den göttlichen Willen, macht ihn zum Offenbarungsträger. Der Satan erweist sich hier wirklich als ein »im Heilsplan festverankertes dämonisch-zerstörerisches Prinzip<~:, wie v. Rad in Hinsicht auf 1 Ch 21 treffend formuliert 31 . Selbst der Chronist, der sonst keine großen Hemmungen hat, die Sünden der »guten« Könige wegzuretuschieren (so verschweigt er z. B. völlig die BathSeha-Geschichte32), kann hier nicht umhin, der Sünde Davids und seines emphatischen Schuldbekenntnisses Erwähnung zu tun. Davids Schuldbekenntnis geht Hand in Hand mit dem Einhaltsgebot Jahwes an den Pestengel über Jerusalem. Die Enantiodromie in der menschlichen Seele entspricht derjenigen in der Gottpersönlichkeit Es ist, wie wenn hier ganz keimhaft schon die viel spätere Identifikation der menschlichen Seele mit dem »himmlischen Jerusalem« erscheinen würde. Wurde im mittelalterlichen Christentum das himmlische Jerusalem doch zum Symbol der erlösten Seele, die umgrenzte Stadt zum Symbol der zu sich selbst und damit gleichzeitig zu Gott gelangten Seele. David haut den Altar, aus dem dann der Tempel entstand. Auf der späteren Stufe des Hioh ist es bereits das innerseelische Sich-in-Gott-Finden. Durch David wird Jerusalem zur »Wohnstätte Gottes« (1 Ch 22, 1), bei Hioh ist es die menschliche Seele. Dies aber ist es, was wir in der Hiohexegese bereits als letztes drängendes Ziel der im Satan erscheinenden dämonischen Aktivität Jahwes erkannt haben: die menschliche Seele als »Wohnung« des sich selbst bewußtwerdenden Gottes. 81 82
I. c. S. ?4. Vgl. 2 S 11 mit 1 Ch 20. 319
IV
Versuch zu einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas
Noli foras ire, in teipsum redi; in interiore homine habitat veritas. S. Augustinus: Liber de vera religione
Versuch einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas
Vorbemerkung Die vorliegende Untersuchung ist aus einem Vortrag hervorgegangen, welchen ich an der Eranos-Tagung 1940 gehalten habe. Er ist im Eranos- Jahrbuch 1940/41 unter dem Titel: Zur Psychologie der Trinitätsidee erschienen, und bedeutete nicht mehr als eine Skizze, deren Verbesserungsbedürftigkeit mir von Anfang an klar war. Ich habe es daher als eine sozusagen moralische Verpflichtung empfunden, auf diesen Gegenstand zurückzukommen, um ihm eine seiner Würde und Bedeutung angemessene Behandlung zuteil werden zu lassen. Es ist mir aus einer Reihe von Reaktionen klar geworden, daß sich gelegentlich meine Leser an der psychologischen Erörterung der christlichen Symbole stoßen, auch wenn diese es sorgfältig vermeidet, deren religiösen Wert irgendwie anzutasten. Meine Kritiker hätten wohl gegen die gleiche psychologische Behandlung buddhistischer Symbole, deren Heiligkeit ebenso unzweifelhaft ist, weniger einzuwenden. Jedoch, was dem einen recht ist, soll dem andern billig sein. Ueberdies frage ich mich ernstlich, ob es für die christlichen Symbole nicht viel gefährlicher sei, denkendem Begreifen entzogen und in eine Sphäre unzugänglicher Unbegreiflichkeif entrückt zu sein. Allzuleicht nur werden sie dermaßen entrückt, ·daß ihre Irrationalität zur anstoßerregenden Sinnlosigkeit wird. Der Glaube ist ein
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Charisma, das nicht jedem zuteil wird; dafür hat der Mensch ein Denken, das sich um die höchsten Dinge bemühen kann. P a u l u s vor allem und dann eine Reihe ehrwürdiger Kirchenlehrer 1 standen dem Denken über die Symbolik nicht mit jener ängstlichen Abwehr gegenüber, wie gewisse Moderne. Diese Aengstlichkeit und Besorgnis um die christlichen Symbole ist kein gutes Zeichen. Wenn letztere eine höhere Wahrheit darstellen, woran meine Kritiker doch wohl nicht zweifeln, so kann sich eine Wissenschaft, die sich an deren V erständnis herantastet und dabei unklug verfährt, nur blamieren. Ueberdies habe ich nie die Tendenz, die Bedeutung der Symbole zu entkräften, sondern ich beschäftige mich mit ihnen, weil ich von ihrer psychologischen Gültigkeit überzeugt bin. Der bloß-gläubige und nicht-denkende Mensch vergißt immer, daR er es ist, der sich beständig seinem ureigensten Feinde, dem Zweifel, ausgesetzt sieht; denn wo der Glaube herrscht, da lauert immer der Zweifel. Dem denkenden Menschen dagegen ist der Zweifel willkommen, denn er dient ihm als wertvollste Stufe zu verbesserter Erkenntnis. Leute, die glauben können, sollten etwas duldsamer sein mit ihren Mitmenschen, die bloR zu denken imstande sind. Der Glaube hat ja den Gipfel vorweggenommen, den das Denken in mühsamer Ersteigung zu gewinnen trachtet. Der Gläubige soll seinen habituellen Feind, den Zweifel, nicht auf den Denkenden projizieren und damit dem letzteren Zerstörerische Absichten zumuten. Wenn die Alten nicht gedacht hätten, so besäßen wir überhaupt kein Trinitätsdogma. DaR das Dogma einerseits geglaubt wird und andererseits ein Gegenstand des Nachdenkens ist, beweist seine Lebendigkeit. Darum 1 Ich erwähne von den älteren hauptsächlich CI e m e n s von Alexandrien (t um 216), Origenes (t 253) und P s e u d o- D i o n y s i u s Are o p a g i t a (ca. Ende des V. Jahrh.).
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möge sich der Gläubige freuen, daß auch andere den Berg, auf dem er sitzt, zu erklimmen versuchen. Daß ich gerade das allerheiligste der dogmatischen Symbole, nämlich die Dreieinigkeit, zum Gegenstande einer psychologischen Untersuchung mache, ist ein Unternehmen, dessen Gewagtheit mir bewußt ist. Ich verfüge über kein nennenswertes theologisches Wissen und muß mich daher in dieser Hinsicht auf allgemeine Darstellungen gründen, die jedem Laien zugänglich sind. Da ich aber keinerlei Absichten hege, mich in die Metaphysik der Trinität zu vertiefen, so darf ich mich im Wesentlichen mit der von der Kirche festgelegten Formulierung des Dogmas begnügen, ohne mich mit all den komplizierten metaphysischen Spekulationen, welche die Geschichte um dieses Dogma herum angehäuft hat, auseinandersetzen zu müssen. Für unsere psychologische Erörterung genügt jene umfängliche Fassung, wie sie im Athanasianum vorliegt. Dieses Bekenntnis zeigt mit hinlänglicher Deutlichkeit, was die Kirchenlehre unter Trinität versteht. Immerhin haben sich einige historische Erörterungen für das psychologische V erständnis als unumgänglich erwiesen. Den Hauptgegenstand meiner Bemühung bildet aber eine eingehende Darstellung jener psychologischen Gesichtspunkte, welche mir zu einem Verständnis des Dogmas als eines Symbols im psychologischen Sinne notwendig erschienen. Mein Vorsatz wäre gründliehst mißverstanden, wenn er als ein Versuch, das Dogma in einen Psychologismus aufzulösen, aufgefaßt würde. Symbole, die auf archetypischer Grundlage beruhen, können überhaupt in nichts anderes aufgelöst werden, was jedem geläufig ist, der sich nur einigermaßen in meinen psychologischen Anschauungen auskennt. Es mag Vielen als seltsam vorkommen, daß ein naturwissenschaftlich orientierter Arzt sich gerade mit der Trinität beschäftigt. Wer aber weiß, in wie naher und wie bedeutsamer Beziehung 22
jung: Symbolik des Geistes
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solche Hepr~sentations collectives< mit dem Wohl und Wehe der menschlichen Seele stehen, der wird ohne Schwierigkeit begreifen, daß dem zentralen Symbole des Christentums vor allem eine psychologische Bedeutung zukommen muß, denn ohne diese hätte es überhaupt nie eine allgemeine Bedeutung erlangt, sondern wäre im großen Kuriositätenkabinett geistiger Mißgeburten längst verstaubt und würde das Schicksal der vielarmigen und vielköpfigen Götter Indiens und Griechenlands teilen. Da aber das Dogma in lebendigster Wechselbeziehung zur Seele, aus der es ursprünglich hervorgegangen ist, steht, so sagt es sehr Vieles aus, das ich nachzusagen mich bemühe, allerdings mit dem peinlichen Gefühl, daß meine Uebersetzung noch an vielen Stellen erheblicher Verbesserung bedürftig ist.
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I
Vorchristliche Parallelen zur Trinitätsidee
1.
Babylonien
Wenn ich mich anschicke, von der Trinität, diesem zentralen christlichen Symbol, vom psychologischen Standpunkt aus zu handeln, so geschieht dies mit dem Bewuf!tsein, daf! ich damit ein dem Psychologen anscheinend weit entlegenes Gebiet betrete. Religionen stehen aber, nach meiner Ansicht, mit allem, was sie sind und aussagen, der menschlichen Seele so nahe, daf! am allerwenigsten die Psychologie sie übersehen darf. Eine Anschauung wie die Trinität gehört so sehr zum Gebiete der Theologie, daf! von den profanen Wissenschaften sich heutzutage höchstens noch die Historie mit ihr beschäftigt. Man hat sogar weitgehend aufgehört, über das Dogma zu denken, speziell über einen so unanschaulichen Begriff wie die Trinität. Es gibt eigentlich nur noch wenige Christen - nicht zu reden vom gebildeten Publikum im Allgemeinen - die ernsthaft und im Sinne des Dogmas darüber denken und diesen Begriff für einen möglichen Gegenstand · des Nachdenkens halten. Eineneuere Ausnahme bildet das bedeutsame Werk Ge o r g K ö p g e n s: Die Gnosis des Christentums, 1939, welches trotz bischöflichen Placets leider bald auf den Index geraten ist. Für alle diejenigen, denen es um das Verständnis dogmatischer Vorstellungen zu tun ist, bedeutet K ö p g e n s Schrift recht eigentlich einen Anschauungsunterricht für das Denken im Bannkreis der trinitarischen Symbolik. Göttertriaden kommen schon auf primitiver Stufe vor. Es gibt eine Unzahl von archaischen Triaden in den alten und exotischen Religionen, die ich nicht zu
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erwähnen brauche. Die Anordnung in Triaden ist ein religionsgeschichtlicher Archetypus, an den sich die christliche Dreifaltigkeit wohl ursprünglich anlehnen dürfte. Diese Triaden bestehen nämlich häufig nicht aus drei verschiedenen, von einander unabhängigen göttlichen Personen, sondern es macht sich eine ausgesprochene Tendenz bemerkbar, gewisse Verwandtschaftsheziehungen innerhalb der Triade geltend zu machen. Ich wähle als Beispiel die babylonischen Triaden, deren hauptsächlichste die von Anu, Bel und Ea ist. Ea, die Personifikation des Wissens, ist der Vater Bels (des »Herrn«) als Personifikation der praktischen Tätigkeit 1 • Eine sekundäre, etwas spätere Triade ist die von Sin (Mond), Shamash (Sonne) und Adad (Sturm). Hier ist Adad Sohn des Höchsten, des Anu 2 • Unter Nehukadnezar ist Adad »Herr des Himmels und der Erde«. Diese Andeutung einer Vater-Sohnbeziehung tritt zur Zeit Harnmurabis noch deutlicher hervor: Marduk, Sohn des Ea, wird mit der Macht Bels hetraut 3 , und drängt letzteren in den Hintergrund. Ea ist ein »liebevoller, stolzer Vater, der freiwillig seine Macht und Rechte auf den Sohn überträgt« 4 • Marduk ist ursprünglich ein Sonnengott und führt den Beinamen »der Herr« (Bel) 5 • Er ist ein Mediator zwischen seinem Vater Ea und der Menschheit. Ea erklärt, er wisse nichts, was sein Sohn Marduk nicht auch wisse 6 • Marduk ist, wie sein Kampf gegen die Tiamat zeigt, ein Erlöser. Er ist »der Barmherzige, der es lieht von den Toten zu erwecken, der GroRohrige«, der die Bitten der 1 Siehe M. J a s t r o w : Die Religion Babyloniens und Assyriens. 1905, I, p. 61. 2 p. 102, 143 f. 3 p. 112. • p. 130. 5 p. 112. 8 p. 130. Vergl. Joh. XVI, 15.
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Menschen hört. Er ist ein Helfer und Heiler, ein eigentlicher Heiland. Diese Erlöserlehre hat sich bis über die christliche Aera hinaus auf babylonischem Boden erhalten. Sie lebt fort in der Religion der Mandäer (die noch heute in Mesopotamien existieren) und besonders in deren Erlöserfigur Manda d'hajje oder Hibil Ziva 7 • Als Lichtbringer erscheint er auch bei den Manichäern und zugleich als Welfschöpf er 8 • Wie er, babylonisch, aus Tiamat das Weltall formt, so bildet bei Mani der Urmensch Himmel und Erde aus Haut, Knochen und Exkrementen der Kinder der Finsternis 0 • »Ueberraschend ist die umfassende Beeinflussung der israelitischen religiösen Vorstellungen vom Mardukmythus 10 .« Harnmurabi verehrt, wie es scheint, nur eine Dyas, nämlich Anu und Bel, aber als göttlicher Herrscher gesellt er sich zu ihnen, nämlich als »Verkünder Anus und Bels« 11 und dies zu einer Zeit, in der die Mardukverehrung ihrem Höhepunkt entgegeneilte. Harnmurabi fühlt sich als Gott eines neuen Aeons 12 , nämlich des damals beginnenden Zeitalters des Aries, und der Verdacht ist wohl gerechtfertigt, daß es damals eine Triade Anu - Bel- Harnmurabi wenigstens als sous-entendu gab 13• Andeutung einer andern, innertriadischen Beziehung dürfte die Tatsache sein, daß es eine sekundäre Triade Sin- Shamash-Ishtar gibt. Ishtar tritt hier an die 7 A. Je r e m i a s : Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, 1906, p. 124. 8 Vergl. Joh. I, 3. 9 Keß 1 er : Forsch. über die manich. Rel. 1889, p. 267 ff. 10 R o scher : Lex. II, 2, Sp. 2371 f. woselbst die Literatur. 11 M. Jas t r o w, l. c. p. 139. Vergl. Joh. I, 18. 12 Vergl. damit die christliche Fischsymbolik. 13 >Anu and Bel called me, Hammurabi, the exalted prince, the worshipper of the Gods, to go forth like the sun ... to enlighten the land.c R. F. Ha r p er : The Code of Hammurabi, 1904, p. 3. Hast in g s, X, 392 a.
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Stelle Adads, des Sturmgottes 14 • Sie ist die Mutter der Götter und zugleich die Tochter 15 des Anu sowohl wie des Sin. Die Anrufung der alten großen Triade nimmt bald rein formelhaften Charakter an. Die Triade erweist sich >mehr als theologischer Glaubenssatz denn als eine lebendige Kraft« 16 • Es handelt sich in der Tat um die frühesten Ansätze zu einer Theologie. Anu ist der Herr des Himmels, Bel derjenige des Unteren, nämlich der Erde, Ea ist ebenfalls ein Gott des Unteren, aber mehr der Tiefe, insbesondere der Wassertiefe 17 • Das Wissen, welches Ea personifiziert, stammt damit aus der »Wassertiefe«. Nach einer babylonischen Sage soll Ea das Liehtmesen Uddushu-namir, den Götterboten in der Höllenfahrt der Ishtar, erschaffen haben. Der Name bedeutet: »Sein Licht (oder Aufgang) strahlt 18 .« Je r em i a s bringt ihn mit Gilgamesh, dem mehr als halbgöttlichen Heros, zusammen 19 • Der Götterbote heißt gewöhnlich Girru (sumer.: Gibil), der der Gott des Feuers ist. Als solcher hat er einen ethischen Aspekt, indem er das Böse durch sein reinigendes Feuer vertilgt. Er ist ebenfalls ein Sohn Eas, obschon er andererseits auch als ein Sohn Anus bezeichnet wird. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dafl bei Marduk insofern ebenfalls eine Doppelnatur vorliegt, als er in einem Hymnus »mar mummi«: Sohn des Chaos genannt wird. In demselben Hymnus wird seine Gefährtin Sarpanitu zusammen mit der Gemahlin Eas, der Mutter Marduks, als 11 Vergl. die Anrufung des Heiligen Geistes als >Mutter< in den Thomasacten. Sophia, die häufig den Heiligen Geist darstellt, ist ebenfalls weiblicher Art. 15 Vergl. dazu Maria als Geschöpf und als IJeoroxoc;;. (Gottesgebärerin). 18 J a s t r o w : I. c. p. 141. 17 P· 61. 18 P· 133. 19 J e r e m i a s : I. c. p. 265 f.
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,Silberglänzende< angerufen, worunter wohl V enw, die ,femina alba< zu verstehen ist. In der Alchemie geht die albedo auf den Mond über, welcher in Babyion noch männlich ist 20 • Die Begleiter Mar.duks sind vier Hunde 21 • Die Vier dürfte hier Ganzheitsbedeutung haben, wie bei den vier Söhnen des Horus, den vier Seraphim in der Vision des Ezechiel und den vier Evangelistensymbolen, welch letztere je aus drei Tieren und einem Engel bestehen. 2. Aegypten
Was in der babylonischen Tradition als Andeutung vorhanden ist, hat sich in Aegypten zu völliger Klarheit entwickelt. Ich kann mich in dieser Hinsicht kurz fassen, indem ich in anderem Zusammenhang in einer noch nicht vollendeten Untersuchung über die symbolgeschichtlichen Grundlagen der Alchemie .die ägyptischen Vorbilder der Trinität ausführlicher behandle. Ich will nur hervorheben, daß die ägyptische Theologie vor allem eine Wesenseinheit (Homoousie) zwischen dem Gotte als Vater und als Sohn (dargestellt durch den König) aussagt 22 • Als Dritter kommt dazu der Ka-mutef (= ,Stier seiner Mutter<), welcher nichts anderes als der Ka, die Zeugungskraft des Gottes, ist. In ihr und durch sie sind Vater und Sohn nicht in einer Triade, sondern in einer Dreieinigkeit verbunden. Insofern der 20 Vergl. dazu die Beziehungen der Maria zum Monde. H. Rahne r : Griechische Mythen in christlicher Deutung. 1945, p. 200 ff und Idem: Mysterium Lunae. Zeitschr. f. kath. Theol. 64 (1940), p. 80. 21 Eine mögliche Beziehung zum Totenreich einerseits und zu Nimrod, dem großen Jäger andererseits. Siehe R o s c h e r : Lex. Bd. II, Sp. 2371. 22 H. J a c o b s o h n : Die dogmatische · Stellung des Königs in der Theologie der alten Aegypter. Aeg. Forsch. herausg. v. Alexander Scharff. 1939, H. 8, p. 17.
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Ka-mutef nämlich eine Sonderform des göttlichen Ka darstellt, kann man >geradezu von einer Dreieinigkeit Gott-König-Ka sprechen in dem Sinne, daR der Gott der ,Vater', der König der ,Sohn' und der Ka das schöpferische Bindeglied zwischen ,Vater' und ,Sohn' istc 28 • In seinem Schlußkapitel zieht J a c ob s o h n eine Parallele zwischen der ägyptischen Vorstellung und dem christlichen Credo. Zu jener Stelle des Glaubensbekenntnisses >qui conceptus est de Spiritu Sancto, natus ex Maria virginec zitiert er die Formulierung von Kar l Bart h 21 : >... es gibt wohl eine Einheit von Gott und Mensch; Gott selbst schafft sie ... Sie ist keine andere als seine eigene ewige Einheit als Vater und Sohn. Diese Einheit ist der Heilige Geist.« Als Zeuger entspricht der Heilige Geist dem Ka-mutef, welcher die Einheit von Vater und Sohn bedeutet und gewährleistet. Dazu zitiert Ja c ob s o h n wiederum eine Betrachtung von K. Bart h zu Luc. I, 35 (>Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; daher wird auch das Heilige, das gezeugt wird, Sohn Gottes genannt werden.c:): >Wenn die Bibel vom Heiligen Geist redet, so redet sie von Gott als von der Verbindung von Vater und Sohn, vom vinculum caritatis 26.< Die göttliche Zeugung des Pharao findet durch den Ka-mutef in der menschlichen Königinmutter statt. Diese bleibt aber außerhalb der Trinität wie Maria. Wie P r e i s i g k e nachweist, haben die frühchristlichen Aegypter ihre traditionellen Anschauungen vom Ka ohne weiteres auf den Heiligen Geist übertragen 28 • 23
J a c o b s o h n : I. c. p. 58.
21
1. c. p. 64. K. B a r t h : Credo p. 63.
In: Theologische Existenz heute. Heft 19, p. 26. P r e i s i g k e : Die Gotteskraft der frühchristlichen Zeit. Papyrusinstitut Heidelberg. Schrift 6. (Ebenso Schrift 1: Vom göttlichen Fluidum nach ägyptischer Anschauung. Zit. J a c o b s o h n I. c. p. 65.) 25
2~
332
Dies erklärt auch die sonderbare Tatsache, daß in der koptischen »Pistis Sophia« (3. Jahrhundert) Jesus den Heiligen Geist als Doppelgänger, d. h. als richtigen Ka hat 27 • Das ägyptische Mythologem von der Wesensgleichheit von Vater und Sohn und der Zeugung in der königlichen Mutter reicht bis in die fünfte Dynastie (Mitte des 3. Jahrtausends) hinauf. Von der Geburt des göttlichen Knaben, in welchem sich Horus offenbart, sagt der Gott-Vater: »Er wird ein Königtum der Gnaden in diesem Lande ausüben, denn meine Seele ist in ihm«, und zum Kinde sagt er: »Du bist mein leiblicher Sohn, den ich erzeugte 28 .« »Die Sonne, die er vom Samen seines Vaters in sich trägt, geht neu in ihm auf.« Seine Augen sind Sonne und Mond, die Hornsaugen 29 • Bekanntlich wird ·die Stelle Luc. I, '78 f: »Wegen der mitleidvollen Barmherzigkeit unseres Gottes, womit auf uns strahlen wird (Var. gestrahlt hat) der Aufgang aus der Höhe, zu leuchten denen, die in Finsternis und Todesschatten sitzen«, auf Maleachi 4, 2 bezogen: »Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen, die Heilung birgt unter ihren Flügeln.« Wer denkt hier nicht an die geflügelte Sonnenscheibe Aegyptens? Diese Ideen 30 gingen in den hellenistischen Syncretismus über und wurden durch P h i 1 o und P 1 u t a r c h dem Christentum übermittelt 31• Es ist also keineswegs so, wie auch neuere Theologen gelegentlich behaupten, 27 Pisfis Sophia. Uebers. von C. Sc h m i d t, 1925. 121, 20 ff. p. 89. 28 Hehr. I, 5: ~Du bist mein Sohn, ich habe dich heute gezeugek (Ebenso V, 5.) 29 A. More t : Du caractere religieux de la royaute pharaonique. 1902, II. Zit E d. N o r d e n : Die Geburt des Kindes 1924. p. ?5 f. 30 Weiteres Material zu den heidnischen Quellen bei N i e 1 s e n : Der dreieinige Gott. 1922. 81 Vergl. hiezu Norden 1. c. p. ?? ff.
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daß in der christlichen Anschauungsbildung keine oder nur sehr geringe ägyptische Einflüsse festzustellen seien. Das Gegenteil ist wahr. Es ist ja in der Tat äußerst unwahrscheinlich, daß nur die babylonischen Ideen in Palästina eingedrungen wären, wo doch dieses kleine Zwischenland lange unter ägyptischer Besetzung stand und überdies die engsten kultürlichen Beziehungen zu dem mächtigen Nachbarn hatte, insbesondere seit der Zeit (vor Christi Geburt), wo sich in Alexandrien eine blühende jüdische Kolonie entwickelte. Man begreift es schwer, was die protestantischen Theologen veranlassen könnte, es wenn immer möglich so erscheinen zu lassen, als ob die christliche Ideenwelt einmal plötzlich vom Himmel gefallen wäre, wo doch die katholische Kirche liberal genug ist, den Osiris-Horus-lsismythus, wenigstens in dessen passenden Teilen, als eine Präfiguration der christlichen Heilslegende gelten zu lassen. Der Wahrheitswert und die numinose Kraft eines Mythologems gewinnen doch beträchtlich durch den Nachweis von dessen archetypischem Charakter. Der Archetypus ist ja das quod semper, quod nbique, quod ab omnibus creditur, und sollte er nicht bewußt anerkannt werden, dann erscheint er von hinten »in his wrathful form«, in seiner »zornigen« Gestalt, als »Sohn des Chaos«, als finsterer Uebeltäter, statt eines Heilandes als Antichristus, wie die Gegenwartsgeschichte deutlich demonstriert.
3. Griechenland Zu den vorchristlichen »Quellen« des Trinitätsbegriffes müssen wir auch die mathematisch-philosophischen Spekulationen des griechischen Geistes rechnen. Dieser Geist macht sich bekanntlich schon im Johannes-Evangelium, einer deutlich gnostisch ange-
hauchten Schrift, bemerkbar und später, bei den griechischen Vätern, beginnt er den archetypischen Gehalt · der Offenbarung zu amplifizieren und gnostisch auszudeuten. An der ursprünglichen Gestaltung des griechischen Geistes ist wohl P y t h a g o r a s und seine Schule am allermeisten beteiligt. Da nun die Trinität einen zahlensymbolischen Aspekt hat, so lohnt es sich, im pythagoräischen Zahlensystem der Auffassung der in Betracht kommenden Grundzahlen nachzugehen. Z e 1 1 er 32 schreibt: »Die Einheit ist das Erste, aus dem alle Zahlen entstanden sind, in dem daher auch die entgegengesetzten Eigenschaften der Zahlen, das Ungerade und das Gerade, vereinigt sein sollen. Zwei ist die erste gerade Zahl, drei die erde ungerade und vollkommene, weil in der Dreizahl zuerst Anfang, Mitte und Ende ist 88 .« Die pythagoräischen Auffassungen haben P 1 a t o n beeinflußt, wie aus dessen Timaios zu ersehen ist, und da letztere Schrift auf die philosophischen Spekulationen der Nachwelt einen unabsehbaren EinfluR hatte, so müssen wir uns hier etwas in die Psychologie der Zahlenspekulation vertiefen. Das Eine beansprucht eine Ausnahmestellung, die sich in der mittelalterlichen Naturphilosophie wiederfindet. Das Eine ist für diese noch gar keine Zahl, sondern erst die Zwei 31• Die Zroei ist die erste Zahl und zwar darum, weil mit ihr eine Absonderung und Vermehrung eingetreten ist, auf Grund welcher das Zählen überhaupt erst beginnt. Mit der Zwei tritt neben das Eine ein Anderes, was dermaßen eindrücklich ist, daß das »Andere.« in vielen Sprachen direkt das :.Zweite« bedeutet. Damit verbindet sich gerne die Idee Die Philosophie der Griechen. II. Aufl. 1856, I. T. p. 292. Letzteres nach dem Zeugnis des A r i s t o t e l e s : De coelo I, 1, 268. a. 31 Hiefür scheint M a c r ob i u s die Quelle zu sein (Comm. I, 6, 8). 32 33
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von Rechts und Links afi und bemerkenswerterweise von günstig und ungünstig, ja sogar von Gut und Böse. :.Der Andere« kann >sinistre< Bedeutung haben, oder man fühlt das :.Andere« wenigstens als Entgegengesetztes und Fremdes. Darum, so argumentiert ein mittelalterlicher Alchemist, habe Gott den zweiten Schöpfungstag nicht gelobt, weil an diesem Tage (an einem Montag= dies lunae) der binarius, resp. der Teufel (als Zweizahl, »Zweifler<) entstanden sei. Die Zwei weist auf eine Eins hin, welche sich von dem unzählbaren Einen unterscheidet. Mit der Zwei tritt nämlich aus dem Einen die Eins hervor, welche nichts anderes bedeutet, als das durch die Spaltung geminderte und zur :.Zahl< gewordene Eine. Das »Eine« und das :.Andere< bilden einen Gegensatz, nicht aber Eins und Zwei, denn diese sind einfache Zahlen, welche sich nur durch ihren arithmetischen Wert und sonst durch nichts unterscheiden. Das »Eine« aber versucht sein Eines- und Alleinsein festzuhalten, während das »Andere« strebt, eben ein Anderes gegenüber dem Einen zu sein. Das Eine will das Andere nicht entlassen, weil es sonst seinen Charakter verlöre, und das Andere stößt sich vom Einen ab, um überhaupt zu bestehen. Insofern ergibt sich also zwischen dem Einen und dem Anderen eine Gegensatzspannung. Jede Gegensatzspannung aber drängt zu einem .Ablauf, aus welchem das Dritte entsteht. Im Dritten löst sich die Spannung, indem das verlorene Eine wieder hervortritt. Das absolute Eine ist unzählbar, unbestimmbar und unerkennbar; erst wenn es in der Eins erscheint, wird es erkennbar, denn das zu diesen Akten erforderliche »Andere< fehlt im Zustand des Einen. Die Dreiheit ist also eine Entfaltung .des Einen zur Erkennbarkeit. Drei ist das erkennbar gewordene »Eine<, welches ohne die Auflösung in die GegensätzsG
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Wie die Linksbewegung des >Andern< Tim. 36 C.
lichkeit des >Einen< und des >Andern« in einem jeglicher Bestimmbarkeit baren Zustand verblieben wäre. Diß Drei erscheint daher in der Tat als ein pa!>sendes Synonym für einen EntwicklungsprozeH in der Zeit und bildet somit eine Parallele zur Selbstoffenbarung Gottes als des absoluten Einen in der Entfaltung der Drei. Die Beziehung der Dreiheit zur Einheit kann durch ein gleichseitiges Dreieck 88 ausgedrückt werden: a = b = c, d. h. durch die Identität ·der Drei, wobei in jedem der drei verschieden bezeichneten Winkel jeweils die ganze Dreiheit mitgegeben ist. Diese intellektuelle Idee des gleichseitigen Dreiecks ist eine denkerische Voraussetzung für das logische Bild der Trinität. Unmittelbarer als pythagoräische Zahlendeutung dürfte der geheimnisreiche Timaios als Quelle für trinitarische Vorstellungen im griechischen Geiste in Betracht kommen. Vor allem möchte ich die klassische Ueberlegung Timaios 31 B - 32 A erwähnen: >Daher bildete Gott, als er anfing den Weltkörper zusammenzufügen, ihn aus Feuer und Erde. Zwei Dinge aber lassen sich für sich allein nicht haltbar zusammenfügen; es gehört notwendig dazu ein drittes, ein vermittelndes Band nämlich, welches die Vereinigung beider erst zustande bringen kann. Das schönste aller Bänder aber ist dasjenige, welches die engste Vereinheitlichung des Bandes selbst mit den verbundenen Gegenständen herstellt. Dies aber am besten zu bewirken vermag ihrem Wesen nach die (progressive geometrische) Proportion. Denn wenn von drei Zahlen, seien es nun Produktzahlen oder Quadratzahlen, die mittlere zu der letzten sich so verhält, wie die erste zur mittleren und ebenso wieder die letzte zu der mittleren wie die mittlere zu der ersten, so ergibt 88 Harn a c k (Dogmengeschichte, 1931, Bd. II, p. 303) vergleicht die lateinische Trinitätsauffassung mit dem gleichseitigen Dreieck.
33?'
sich, daß, wenn man die mittlere an die erste und letzte Stelle, die letzte und erste dagegen heide in die Mitte setzt, das Verhältnis immer ganz das nämliche bleibt; bleiben sie aber immer in dem nämlichen Verhältnis zueinander, so bilden sie zusammen eine Einheit.« Die geometrische Reihe oder Progression ist dadurch charakterisiert, daß der Quotient (q) der einanderfolgenden Glieder derselbe bleibt, also z. B. 2 : 1 4 :2 8:4 = 2, algebraisch ausgedrückt: a, aq, aq2 • Die Proportion lautet daher: 2 verhält sich zu 4, wie 4 zu 8, oder a zu aq, wie aq zu aq2 • Diesem Argument folgt nun eine Ueherlegung von psychologisch weittragenden Folgen: Wenn nämlich ein einfacher Gegensatz wie Feuer und Erde durch ein Mittleres (p.Saov) gebunden wird, und wenn diese Verhindung eine (geometrische) Proportion ist, dann hedeutet ein Mittleres, daß es sich bloß um die Vereinigung zweidimensionaler Gebilde handeln kann, indem nämlich die Vereinigung von dreidimensionalen, also körperlichen Gebilden zwei Mittlere erfordert. »Hätte nun der Weltkörper«, heißt es im Timaios, »eine bloße Fläche werden sollen ohne Tiefe, so hätte ein Mittelglied genügt zur Vereinigung seiner selbst mit den beiden andern. Nun sollte er aber körperhaft sein; zur Vereinigung aber von körperhaften Dingen reicht ein Mittelding nie aus, sondern es gehören dazu immer zroei«. Die zweidimensionale Vereinigung ist also noch keine körperhafte Wirklichkeit, sondern als in der dritten Dimension unausgedehnte Fläche nur etwas Gedachtes. Zur körperhaften Wirklichkeit aber braucht es drei Dimensionen und infolgedessen zwei Mittlere. Sir T h o m a s H e a t h 87 faßt dieses Problem in folgende algebraische Formeln:
=
=
87 Greek Mathematics, I, 89, zit. F. Macdon a I d Co r nf o r d: Plato's Cosmology. 1937, p. 47.
338
1. Die Vereinigung in 2 Dimensionen von Erde, bezeichnet als p 2, und Feuer, bezeichnet als q 2 •
p• : p q
=pq
: q•
Wie ersichtlich, ist das psaov einfach p q. 2. Die körperhafte Vereinigung von Erde und Feuer. In diesem Fall repräsentiert die Kubikzahl p 3 die Erde und q 3 das Feuer.
Pa : p•q
= p•q : p
q•
=p
q• : qs
Das einf' psaov ist p 2 q und das andere p q 2 • Ersteres entspricht dem körperhaften Element Wasser und letzteres der Luft. »So stellte denn Gott Wasser und Luft in die Mitte zwischen Feuer und Erde und stellte unter ihnen die Proportion in möglichster Genauigkeit her, so daß, wie sich Feuer zu Luft, so Luft zu Wasser, so Wasser zu Erde verhält. Auf diese Weise formte und fügte er den Weltenbau zusammen zu einem sichtbaren und fühlbaren Ganzen. Und eben deshalb ward der Körper der Welt aus diesen so gearteten und quantitativ eine Vierzahl bildenden ·Eiemeiden nach Maßgabe einer Proportion in sich zusammenstimmend erschaffen, und daher stammt denn auch ihr freundschaftlicher Zusammenhalt: in und mit sich eng vereint kann er durch keine andere Kraft aufgelöst werden als durch die des Urhebers selbst 38 .« Die Vereinigung von einem Gegensatzpaar führt nur zu einer zweidimensionalen Dreiheit p 2 + p q + q 2 • Diese Größe ist als bloße Fläche nicht wirklich, sondern bloß gedacht. Es braucht dagegen zwei Gegensatzpaare, also einen Quaternio {nämlich p 3 + p 2 q + p q' + q 3 ) um die körperhafte Wirklichkeit darzustellen. Hier begegnen wir - allerdings in verdeckter Form - dem in den 38
Timaios 32 BC. 339
Eingangsworten des Timaios angedeuteten Dilemma von Drei und Vier. Die Bedeutsamkeit dieser Anspielung hat Go e t h es Intuition wohl treffend erfaflt, wenn er (Faust li, Kabirenszene) vom vierten Kabiren sagt: »..... . er sei der Rechte, Der für sie alle dächte«, und vom achten, dafl er »im Olymp« zu erfragen sei 39 • Es ist vielleicht bezeichnend, dafl P l a t o n zuerst die Vereinigung der Gegensätze als denkerisches Problem (zweidimensional) darstellt, um dann gewissermaßen einzusehen, dafl damit keine Wirklichkeit erreicht ist. In ersterem Fall handelt es sich um eine in sich gebundene Dreiheit, in letzterem um eine Vierheit. Dieses Dilemma beschäftigte die Alchemie für mehr als ein Jahrtausend, und als »Axiom der Mari a Pro p h et iss a « (der Jüdin oder Koptin), erscheint es in modernen Träumen 40 und tritt auch in der Psychologie auf als der Gegensatz der drei relativ differenzierten Bewufltseinsfunktionen zu der einen undifferenzierten, sog. inferioren oder minderwertigen Funktion, welche undomestiziert, unangepaflt, unkontrolliert, primitiv und irrfolge Kontamination mit dem kollektiven Unbewuflten archaisch-mystisch ist. Sie steht in strengstem Gegensatz zu der am meisten differenzierten Funktion. Wenn z. B. letztere das Denken resp. der Intellekt ist, dann stellt das Gefühl die minderwertige 41 vierte Funktion dar ••. Dem Psychologen und dem Al39 Ausführliche Darstellung in: Psychologie und Alchemie, 1944, p. 216 ff. 40 Wie Psychologie und Alchemie, p. 216 zeigt. 41 Dies natürlich beurteilt vom Standpunkt der meist differenzierten Funktion. 42 Vergl. dazu: Psychologische Typen, p. 646.
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ehemisten (in Go e t h e z. B.) klingen daher die Eingangsworte des Timaios »Eins, zwei, drei - aber der Vierte, mein lieber Timaios, ... Wo bleibt er uns denn?c: vertraut, und er zweifelt nicht daran, daß P I a t o n damit auf etwas Bedeutsames anspielt. Wir sehen hier, daß es sich um das Dilemma des bloßen Gedachtseins und der Wirklichkeit, resp. der Verwirklichung handelt. Das ist in der Tat - gerade für den Philosophen, der kein bloßer Schwätzer ist - ein Problem erster Ordnung und um kein Jota weniger wichtig als das damit aufs Innigste verknüpfte moralische Problem. P I a t o n hat in dieser Hinsicht persönliche Erfahrungen gemacht, welche ihm zeigten, wie schwierig der Schritt vom zweidimensionalen Gedachtsein zur Verwirklichung in der Dreidimensionalität ist 48 • Schon mit seinem philosophisch-politischen Freunde Dionys dem Aeltern, dem sizilianischen Tyrannen, geriet er dermaßen auseinander, daß letzterer ihn als Sklaven verkaufen ließ. Nur ein glücklicher Zufall (Loskauf) bewahrte ihn vor diesem Los. Auch die Versuche bei dem jüngeren Dionys, staatsphilosophische Ideen in die Wirklichkeit überzuführen, schlugen dermaßen fehl, daß P I a t o n von da an auf alle politische Tätigkeit verzichtete. Die Metaphysik erschien ihm darum aussichtsreicher als dieses spröde Diesseits. So lag für ihn persönlich der Nachdruck auf der zweidimensionalen Gedankenwelt und dies besonders bei der Abfassung des Timaios, welcher nach den politischen Enttäuschungen entstand. Er wird allgemein zu den spätesten Werken P I a t o n s gerechnet. Bei dieser Sachlage gewinnen die Eingangsworte, 43
>Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit, Leicht bei einander wohnen die Gedanken. Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.< (S c h i ll er : Wallensteins Tod, I1, 2.)
23 Jung: Symbolik des Geistes
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welche weder einer scherzhaften Laune des Verfassers noch einem hloflen Zufalle ihr Dasein verdanken, einen etwas melancholischen Sinn: Von den Vieren fehlt einer, weil er krank geworden ist. Das heiflt - wenn wir dieses Stück Rahmenerzählung als symbolisch auffassen -, dafl von den Elementen, welche die körperhafte Wirklichkeit zusammensetzen, entweder die Luft oder das Wasser fehlt. In ersterem Falle fehlt die Brücke zum Geist (Feuer), in letzterem zur Stofflichkeit und konkreten Wirklichkeit (Erde). An Geist fehlt es P l at o n nicht, aber an der von ihm ersehnten konkreten Verwirklichung der Ideen. Er mufl sich mit der Harmonie eines schwerelosen Gedankengemäldes und mit der Oberfläche des tiefelosen Papieres begnügen. Der Schritt von Drei zu Vier stöflt auf dem Gedanken fremde und unerwartete Schwere, Trägheit und Beschränkung, die sich weder von »fl~ « 44 noch von »privatio honi« •5 beschwören und vermindern lassen. Selbst des Gottes schönste Schöpfung ist dadurch verdorben, und Faulheit, Dummheit, Bosheit, Ungenügen, Krankheit, Alter, Tod erfüllen den herrlichen Leih des »seligen Gottes« - eine kranke Weltseele - wahrlich ein leidensvoller Anblick, und eben leider ganz und gar nicht so, wie P l a t o n s inneres Auge sie schaute, als er schrieb: »Dieser ganze wohlerwogene Plan, den der von Ewigkeit her seiende Gott für die Schöpfung des Gottes entwarf, der erst ins Dasein treten sollte, brachte es mit sich, dafl der Körper der Welt glatt und eben war, und dafl seine Oberfläche allerseits gleichweit vom Mittelpunkte abstand, ferner, dafl er ein in sich geschlossenes Ganze bildete und, selbst vollkommen, auch aus vollkommenen (unverkürzten) Teilen bestand. Der Seele aber gab er ihren Sitz in der Mitte der Welt,
ov
u Nicht seiend. Abwesenheit des Guten.
45
342
streckte sie durch das Ganze, ja umhüllte den Körper auch noch von außen mit ihr. Und im kreisförmigen Umschwung sich drehend ward er so hingestellt als das eine und ganz auf sich beschränkte Weltall, durch seine Vortrefflichkeit imstande, an dem Umgange mit sich selbst Genüge zu finden und niemandes anderen zu he· dürfen, in ausreichendem Mafle mit sich selbst bekannt und befreundet. Durch Spendung aller dieser Vorzüge erschuf er ihn zu einem seligen Gott.« Diese von Gott erschaffene Welt ist selber ein Gott, ein Sohn des sich selbst offenbarenden Vaters. Die Welt, die also ein Gott ist, hat eine vom Demiurgen geschaffene Seele, die früher da ist, als der Körper (Tim. 34 B). Die Weltseele wurde vom Demiurgen folgendermaßen geschaffen: er machte eine Mischung des Unteilbaren ( dpepsc;) und des Teilbaren ( pepun:o})) und stellte damit eine mittlere (dritte) Wesenheit her. Letztere hatte ein Wesen, das unabhängig vom »Seihen« (ro aoro})) und vom »Anderen« (ro erepo})) war. Zunächst scheint das »Seihe« mit dem Unteilbaren und das »Andere« mit dem Teilbaren zusammenzufallen 46 • Der Text lautet hier: »Aus der unteilbaren und immer gleichen Substanz (Co r n f o r d s »Sameness«) und der körperlich teilbaren andererseits stellte er durch Mischung eine mittlere, dritte Art von Wesenheit her, die hinwiederum ihr eigenes Sein hatte neben dem ,Selbigen' und dem ,Anderen' und demgemäß (xanx moui) bildete 16 T h. Go m p erz (Griechische Denkier, 3. Aufl. 1912 li, 487) spricht von zwei Ursubstanzen, welche die folgenden Namen tragen (im Philebos): »Grenze« und »Unbegrenztes<, das »Selbige« und das >Andere«, das »Unteilbare« und das »Teilbare«, und PI a t o n' s Schüler hätten von der »Einheit« und dem »GroLlen und Kleinen« oder der >Zweiheit« gesprochen. Daraus geht deutlich hervor, dafl auch Go m p erz das »Selbige« und das »Unteilbare« als synonym ansieht, den Widerstand des »Anderen« und damit die fundamentale VierheU der Weltseele übersieht. (Siehe unten.)
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er diese Wesenheit als ein Mittleres zwischen dem Unteilbaren und dem körperlich Teilbaren« {35 A.) 47 • Dann nahm er alle drei und mischte sie wiederum, wobei er »die der Mischung widerstrebende Natur des Anderen gewaltsam mit dem Seibigen vereinigte 48 <~:. »Unter Hinzutritt des Seins« ( ooaia) wurde so »aUS
den Dreien Eines«. Die Weltseele, welche das beherrschende Prinzip der gesamten Physis darstellt, besitzt also eine dreieinige Natur, und, insofern für P 1 a t o n die Welt ein i3dn:epoc; '13-eoc; {ein zweiter Gott) ist, bedeutet die Weltseele ein geoffenbartes oder entfaltetes Gottesbild 49 • Die Schilderung dieser Schöpfungsprozedur ist merk47 Ich benütze hier die deutsche Uebersetzung von 0 t t o A p e 1 t. II. Aufl. 1922 (Bd. 179 der Philosoph. Bibl.) p. 52, Die kritische Stelle lautet im Urtext:
"Tijc: dpepim:ou xa& de&, xadx modx dxouar;c: ooaiac; xa& rijc; ao nept ra ampara r&r1JOf.lSIJ7jC: pep&arijc; rpiroiJ df dp<poZIJ diJ peaqJ (jiJIJexepdaaro ooaiac; e!i3oc;. rijc; ae morou q;uaewc; ao nep& xa& rijc; rou hepou xa& xara m07:a auiJearr;aeiJ diJ peao/ 7:0U re dpepouc; aoriiw xa& rou, xara ra ampara pepwrou . Xat rpia J..aßdw aora oiJra auiJexepdaaro elc; plaiJ ndl)ra li3ea1J" xd. Co r n f o r d (1. c. p. f. übersetzt: »Between the indivisible Existence that is ever in the same state and the divisible Existence that becomes in bodies, he compounded a third form of Existence composed of both. Again in the case of Sameness and in that of Difference, he also on the same principle made a compound intermediate between that kind of them, which is indivisible and the kind that is divisible in bodies. Then taking the three, he blended them all into a unity< etc. " ••• 7:~1J -ßadpou <jJUQ&IJ iJuape&X7:01J OOaaiJ etC: 'WOrCW auiJapporrwiJ ßiq.." Tim. 35 A. 48
49 Vergl. Tim. 37 C. An dieser Stelle ist der erste Gott als >Vateu, und dessen Schöpfung als das Abbild eines Urbildes, eben des »Vaters<, bezeichnet.
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würdig und bedarf einiger Durchleuchtung. Zunächst fällt das doppelte auvexepdaa1:0 (er mischte) auf. Warum sollte die Mischung wiederholt werden, wenn erstens dieselbe bereits aus drei Elementen besteht und das Resultat auch nicht mehr als drei enthält, und wenn zweitens, wie es den Anschein hat, das Unteilbare dem »Selbigen< und das Teilbare dem >Anderen< entspricht? Dieser Anschein täuscht. Bei der ersten Mischung vernehmen wir nichts davon, daß das Teilbare sich etwa gesträubt hätte und deshalb »gewaltsam< mit dem Unteilbaren hätte vereinigt werden müssen. Vielmehr handelt es sich bei den beiden Mischungen um zwei getrennte Gegensatzpaare 50, welche, da sie das Eine zu bilden berufen sind, als in einem Quaternio angeordnet vermutet werden dürfen:
Das Selbige
das Unteilbare - - - - + - - - - - das Teilbare
I das Andere
Unteilbar und Teilbar bilden mit ihrem p.eaov eine einfache Dreiheit, die »ihr eigenes< Sein hat neben dem »Selbigen< und dem »Anderen<. Sie stellt jene Drei dar, 50 Dafür spricht, daß dem ersten Gegensatzpaar ooala (Wesenheit), und dem zweiten cpvaer: (Natur) zugeordnet ist. Wenn man zwischen ooala und cpvaer: die Wahl hat, so dürfte letztere als das Konkretere gelten.
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die dem Gedachtsein entspricht. Damit ist aber noch keine Wirklichkeit geworden. Es bedarf noch einer zweiten Mischung, in welche das >Andere« gewaltsam hineingezwungen wird. Letzteres ist also jenes Vierte, das sich als >Widersacher« auszeichnet und der Harmonie widerstrebt. Mit ihm ist aber (siehe Text) das so sehr ersehnte Sein verbunden 51• Es liegt hier nahe, an jene Ungeduld zu denken, die der Philosoph emp'funden haben muß, als die Wirklichkeit sich seinen Ideen gegenüber so widerspenstig erwies. Der Gedanke, das »Vernünftige« unter Umständen mit Gewalt zu erzwingen, wird seinem Geiste wohl nicht völlig fremd gewesen sein. Unsere Textstelle ist im übrigen nicht sehr einfach. Sie wird auch verschieden übersetzt und noch verschiedener gedeutet. Der für das Verständnis kritische Punkt ist das UUIJSU'r'YJUeiJ eJJ p.suq; 't"OÜ 't"e rlp.epo'ik: >Er erstellte (eine Art der Natur des Seibigen und des Anderen) im Mittleren des Unteilbaren (und des Teilbaren).« Demnach würde das Mittlere des zweiten Gegensatzpaares mit dem Mittleren des ersten koinzidieren. Die Figur, die daraus entsteht, wäre ·demnach eine Quincunx, indem die zwei Gegensatzpaare ein gemeinsames p.SaoJJ oder 't"pl't"oJJ etiJor:: haben:
u >Was sich dem Nichts entgegenstellt, Das Etwas, diese plumpe Welt... < (Faust I.)
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das Unteilbare
das Teilbare
ooalae Wesen
p.saov
1:
pho11 eliJor:
dritte Form
Mittleres
q;uaeer: Naturen
das Andere
das Selbige
Ich stelle hier die vier Hälften der zwei Gegensatzpaare nicht gegen- (wie im vorigen Schema), sondern nebeneinander, um deren Vereinigung in einem Mittleren zu verdeutlichen. An diesem Schema sind drei Elemente zu unterscheiden, nämlich die beiden Gegensatzpaare und ihr gemeinsames Mittleres. Darauf beziehe ich das folgende xae r:pla Aaßwv a.odx ovr:a (:mnd indem er diese drei Existenzen nahm«). Insofern nämlich das Mittlere als r:phov eliJor: (»dritte Form«) bezeichnet wird, darf man annehmen, daß die Gegensätze jeweils erste und zweite Form darstellen, z. B. Unteilbares erste Form; Teilbares zweite Form; das Mittlere die dritte usw. Die Vereinigung in der Quincunx ist insofern sinnvoll, als sie der Vereinigung der vier Elemente in einem Weltkörper entspricht. T h o ma s Ta y l o r sagt in seinem stark vonPro c l u s beeinflußten Timaioskommentar (1804): »For those which are connected with her (viz. anima mundi) essence m
=
=
34?
a following order, proceed from her according to the power of the fourlh term (4), which possesses generative powers; but return to her according to the fifth {9) which reduces them to one« 52 • Eine weitere Bestätigung für die Quaternität von Weltseele und Weltkörper findet sich in dem Berichte des Timaios, daR der Demiurg dieselben in der Form eines X getrennt und wieder verbunden hätte. Ein X in einem Kreis soll nach P o r p h y r i u s bei den Aegyptern die Weltseele bedeuten 53 • Tatsächlich ist dies die Hieroglyphe für Stadt 54• Ich vermute, daR P I a t o hier schon versucht, jene Mandalastruktur hervorzubringen, welche dann im »Kritias« als Hauptstadt der Atlantis erscheint. Man kann in der doppelten Mischung eine Parallele zu den zwei fl.Saa der körperlichen Elemente erblicken {vergl. oben). Co r n f o r d dagegen hält für das Wesentliche .die Andeutung von dreien intermedia, die er als »intermediate Existence«, {ditto) »Sameness« und (ditto) »Difference« bezeichnet 55• Er insistiert hauptsächlich auf dem dreifachen Verfahren und nicht auf den vier Substanzen desselben. Wir begegnen im Mittelalter ebenfalls den quatuor elementa {A, B, C, D) und den tria regimina (drei Verfahren), welche erstere vereinigen, nämlich A-B, B-C und C-D. Unter diesen Umständen entgeht dem Kommentator die Subtilität, 52 Neulich wieder gedruckt in :.The Bollingen Series< Pantheon Books. New-York. P l a t o : The Timaeus and the Critias or Atlanticus. 1944, p. 71. 53 T a y l o r l. c. p. 75. 54 F. L. Griff i t h : A Collection of Hieroglyphs. Archaeol. Survey of Egypt. 1898, p. 34 B. Fig. 142 (4 = Plan of a village with cross streets. 55 C o r n f o r d : l. c. p. 61. Er konstruiert aus Existence, Sameness und Difference jeweils einen Gegensatz vermittelst der Konjektur, daR Unteilbar und Teilbar Attribute jedes der drei Prinzipien seien. Ich weiß nicht, ob der Text diese Operation gewährleistet.
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welche P l a t o n s Anspielung auf die Widerspenstigkeit ues Vierten enthält. Wir wollen nun nicht etwa annehmen, da.ß die aus dem Texte des Timaios abgeleiteten Gedankengänge zugleich auch bewußte Ueberlegungen P l a t o n s gewesen seien. Wir dürfen diesem Denker zwar gewi.ß ein außerordentliches Ma.ß an Genialität zumuten, was aber keineswegs voraussetzt oder einschließt, daR seine Gedanken alle, samt und sonders, bewußt waren. Das Problem des Vierten z. B., welches doch unbedingt zur Ganzheit gehört, ist kaum vollständig zum Bewußtsein gekommen, sonst wäre die Gewaltsamkeit der Lösung in einem harmonischen System viel zu anstößig gewesen. Auch hätte P l a t o n nicht inkonsequenterweise an der konstitutionellen Dreiheit seiner Weltseele festhalten können. Ebenso möchte ich nicht die Behauptung aufstellen, daR er die Eingangsworte des Timaios mit bewußter Beziehung auf die nachfolgende Problematik des widerstrebenden Vierten gewählt habe. Vielmehr deutet alles darauf hin, daR jener selbe unbewu.ßte spiritus rector am Werke war, der den Meister vermochte, zweimal eine Tetralogie (zum Staat und zu Theaetet) zu schreiben, resp. eine solche zu versuchen, wobei aber das vierte Stück beide Male unvollendet blieb 56 • Dieselbe Determinante sorgte auch dafür, daR P l a t o n , in Bestätigung der männlichen Dreizahl seines Gottesbildes, zeitlebens Junggeselle blieb. Je mehr sich die Geschichte der Wende unserer Zeitrechnung nähert, desto abstrakter werden die Götter, d. h. sie spiritualisieren sich. Selbst Jahwe mu.ß sich diese Wandlung gefallen lassen. In der alexandrinischen Philosophie des letzten Jahrhunderts vor Christi Gehurt ändert sich nicht nur sein eigenes Wesen, son56 Vergl. dazu T h. Go m p erz: 3. Aufl. 1912, li, p. 475.
Griechische Denker,
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dern es treten zwei andere göttliche Gestalten in seine Nähe, nämlich der Logos und die Sophia. Sie bilden mit Gott sogar eine Trias 57 , welche eine deutliche Präfiguration der nachchristlichen Trinität darstellt.
II
Vater, Sohn und Geist Ich habe bei den Anschauungen Babyloniens, Aegyptens und des platonischen Geistes etwas länger verweilt, um meinem Leser ein Bild zu vermitteln von jenen Dreiheiten und Einheiten in Zeiten, die z. T. um viele Jahrhunderte dem Christentum vorausgingen. Ob nun diese Ideen jeweils durch Migration und Tradition der Nachzeit überliefert wurden, oder spontan wiedererstunden, ist eine Frage, die wenig bedeuten will. Die Hauptsache ist, dafl sie vorhanden waren, weil sie einstmals dem unbewußten Geiste der Menschheit entsproflten (und zwar nicht nur in Vorderasien!), und daher jederzeit und überall wieder entstehen konnten. Es ist mehr als zweifelhaft, ob jene Väter, welche die Homoousieformel aufstellten, auch nur von ferne die altägyptische Königstheologie kannten. Dennoch ruhten und rasteten sie nicht, bis sie den altägyptischen Archetypus wieder restlos hergestellt hatten. Etwas Aehnliches geschah auf ·der Synode von Ephesus 431 p. Chr. n., in dessen Straßen einst der Preis der großen Diana erschallte, als Maria zur {}eoroxo~ (Gottesgebärerin) erklärt wurde\ Wie wir von E p i p h an i u s erfahren~. gab es sogar eine Sekte, die sog. Collyridianer, in deren L e i s e g a n g : Der Heilige Geist, 1922, p. 86. Hiezu gehört auch die Legende, daf! Maria sich nach dem Tode Christi mit Johannes nach Ephesus begeben hätte, wo sie bis zu ihrem Tode gelebt haben soll. 2 Panarium. Haer. LXXIX. 57
1
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Kultus Maria wie eine antike Göttin verehrt wurde. Dieser Kult hatte sich hauptsächlich in Arabien, Thracien und der Scythia superior verbreitet und fand namentlich unter den Frauen Anklang, was dem Kirchenvater Anlaß gibt, den Weibern . die Leviten zu lesen - »quod genus lubricum et in errorem proclive, ac pusilli admodum et angusti animi esse .solet·d Aus seiner Strafpredigt erkennt man, daß es Priesterinnen gab, die an gewissen Festtagen einen Wagen oder viereckigen Sitz schmückten und mit Linnen deckten, worauf sie ein Gebäck als Opfer an den Namen Mariae legten (d!)a
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Wenn schon der Einfluß P I a t o n s auf die Denker der nachfolgenden Jahrhunderte kaum überschätzt werden kann, so ist doch seine philosophisch .gefaßte Dreiheitsformel keineswegs für die Anfänge des christlichen Trinitätsdogmas verantwortlich zu machen. Hier handelt es sich nämlich nicht um philosophische, d. h. bewußte, sondern um unbewußte archetypische Voraussetzungen. Die platonische Dreiheitsformel widerspricht sogar in einem wesentlichen Punkte der christlichen Trinität, nämlich darin, daß erstere aus einem Gegensatz hervorgeht, während letztere nichts derartiges enthält, sondern im Gegenteil völlig in sich harmonisch ist. Die drei Personen der christlichen Formel sind in einer Art und Weise charakterisiert, die unmöglich aus der platonischen Voraussetzung abgeleitet werden kann, indem die Bezeichnungen >Vater«, >Sohn< und >Heiliger Geist« keineswegs aus der Dreizahl hervorgehen. Die platonische Formel konnte höchstens das Denkgerüst für Inhalte liefern, die aus ganz anderen Quellen stammen. Formal mag die T.rinität platonisch erfaßt werden, inhaltlich aber sind wir auf psychische Gegebenheiten, d. h. auf irrationale, logisch nicht vorauszubestimmende Daten angewiesen. Mit andern Worten: Wir müsssen zwischen der logischen Idee und der psychologischen Wirklichkeit der Trinität unterscheiden. Letztere führt uns direkt zu den viele Jahrhunderte älteren ägyptischen Anschauungen und damit zum Archetypus, zu der eigentlichen und ewigen Daseinsberechtigung der trinitarischen Idee überhaupt zurück. Die psychologische Gegebenheit lautet: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Setzen wir >Vater«, so geht daraus »Sohn< logisch hervor; aber weder aus »Vater« noch aus »Sohn« geht der >Heilige Geist< logisch hervor. Es muß sich hier um eine besondere Gegebenheit handeln, die auf einer andern Voraussetzung beruhen muß. Nach der alten Lehre ist der Heilige
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Geist »vera persona, quae a filio et patre missa est~. Die »processio a patre filioque« ist ein :~>Gehaucht werden« und keine »Zeugung«, wie es beim Sohne der Fall ist. Diese etwas fremdartige Vorstellung entspricht einer noch im Mittelalter vorhandenen Trennung von »Corpus« und »spiramen« (Atmung), wobei unter letzterem etwas mehr als nur »Atem« verstanden war. Damit wurde eigentlich die anima bezeichnet, welche ein Hauchwesen ist, wie auch ihr Name andeutet (anemos = Wind). Dieses Hauchen ist zunächst zwar eine Tätigkeit des Körpers, die aber, als selbständig gedacht, eine Substanz (oder Hypostase) neben dem Körper ist. Damit wird ausgedrückt, daß der Körper lebt, wobei das »Leben« als ein dazukommendes Selbständiges vorgestellt wird, nämlich als eine vom Körper unabhängige Seele. Auf die Trinitätsformel angewendet müßte man also sagen: Vater, Sohn und Leben, das von beiden ausgeht, oder von beiden gelebt wird. Der Heilige Geist als Leben ist ein Begriff, der keineswegs aus der Identität von Vater und Sohn logisch abgeleitet werden kann, sondern vielmehr eine psychologische Idee, d. h. eine auf einer irrationalen Uranschauung beruhende Gegebenheit darstellt. Die Uranschauung ist der Archetypus, der uns am deutlichsten in der ägyptischen Königstheologie entgegentritt. Dort ist es, wie wir gesehen haben, Gott-Vater, Ka-mutef (der Zeuger) und der Sohn. Der Ka ist der Lebensgeist, das dem Menschen oder dem Gotte eigentümliche Lebensprinzip, und kann darum mit Recht als »Seele« oder als geistiger Doppelgänger gedeutet werden. Er ist das »Leben« des Toten und kann daher einerseits mit der Seele, andererseits mit dem »Geiste~. dem »Genius« des Menschen parallelisiert werden. Der Ka-mutef stellt, wie wir gesehen haben, eine Hypostasierung der Zeugungskraft dar •. Der 4 Der Ka der König.e führt sogar einen individuellen Namen. So heißt der :.lebende Ka des Herrn der beiden Länder<:
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Heilige Geist ist ebenfalls eine hypostasierte Lebensund Zeugungskraft 5 • Es handelt sich also bei der christlichen Trinität um eine eigentlich archaische Vorstellung, die aber gerade darum einen so ungewöhnlichen Wert besitzt, weil sie eine hypostasierte, supreme Darstellung des Gedachtseins (zweidimensionale Dreiheit!) bedeutet. Allerdings ist die Form noch konkretistisch, indem der Archetypus durch das Verständnis von »Vater« und »Sohn« dargestellt ist. Wäre es nichts als das, so bestünde der Archetypus aus einer Dyas. Ein Drittes und Verbindendes tritt zwischen »Vater« und »Sohn«, welches Geist und keine menschliche Gestalt ist. Dadurch wird die männliche Beziehung {Vater-Sohn) der Naturordnung, in welcher es auch Mütter und Töchter gibt, enthoben und in einen Raum versetzt, von dem das weibliche Element ausgeschlossen ist: Im alten Aegypten wie im Christentum steht die Gottesgebärerin außerhalb der Trinität. Man vergleiche dazu die brüske Zurückweisung der Mutter an der Hochzeit zu Cana (Joh. II, 4: »Weib, was habe ich mit dir zu schaffen ... «) und im Tempel, wo sie den Zwölfjährigen suchte. {Luc. II, 49: »Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daR ich sein muß in dem, roas meines Vaters ist?«) Wir gehen wohl nicht fehl mit der Annahme, daR dieser besondere Raum, zu dem die VaterSohnbeziehung entrückt wird, jener der primitiven Mysterien, der Männerweihen, ist. Es gibt Stämme, bei denen es den Frauen sogar bei Todesstrafe verboten ist, den Mysterienhandlungen zuzuschauen. Durch die bei Thutmosis III ~der siegreiche Stier, der in Theben glänzt<. E r m a n : Aegypten, 1885, p. 414. 5 Diese Danebenstellung des Geistes findet sich auch im Alten Testament, allerdings mehr in der Form eines »Vermögens« Gottes, denn als Hypostase. Immerhin kommt letzterer der Satz Jes. XLVIII, 16 im Septuagintatext doch recht nahe: "Kupwc: Kupwc: d.nsaretAS!i pe xat TO 'lrli8Vf10. aorov."
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Weihen werden die jungen Männer systematisch ihren Müttern entfremdet und durch Wiedergeburt zu einer Art von Geistern gemacht. Dieser archetypische Gedanke setzt sich im Priesterzölibat bis auf den heutigen Tag fort 0 • Der Denkakt, der in der erhöhten Vater-Sohnbeziehung verborgen ist, besteht in der Herausstellung einer unsichtbaren Gestalt, eines »Geistes<, welcher einen Inbegriff des männlichen Lebens darstellt. Das Leben des Körpers oder eines Menschen wird als etwas gesetzt, das gewissermaßen von diesem verschieden ist. Daraus stammt z. B. die Idee des Ka oder der unsterblichen Seele, die sich vom Körper trennen kann und zu ihrer Existenz auf diesen nicht angewiesen ist. Die Primitiven haben in dieser Hinsicht reich entwickelte Vorstellungen von Seelen, z. B. solchen, die unsterblich sind, anderen, die nur locker mit dem Körper verbunden sind und daher auswandern, in der Nacht verloren gehen, im Traum sich verirren und gefangen werden können, ja sogar von Seelen, die gar nicht im Körper sind und doch zum Menschen gehören, wie die Buschseele, die draußen im Wald in einem Tierkörper lebt. Die Nebeneinandersetzung von Person und Leben ist eine psychologische Leistung, die in erster Linie darauf basiert, daß ein wenig differenzierter Geist, der noch nicht abstrahierend denken kann, unfähig ist, Subsumptionen zu machen. Er kann nur die Eigenschaften, die er an den Dingen wahrnimmt, nebeneinander stellen: z. B. den Menschen und sein Leben, oder seine Krankheit etwa als Dämon - oder seine Gesundheit oder sein Prestige als Mana usw. Dies ist, wie ersichtlich, auch beim ägyptischen Kader Fall. Vater- Sohn- Leben oder Zeugungskraft unter Ausschluß der Gottesgebäre8 Für die griechische Urgeschichte in dieser Beziehung siehe die lehrreiche Darstellung bei J. E. Harr i so n : Themis. 1912, C. I.
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rin bildet die patriarchale Formel, welche schon lange vor der christlichen Aera »in der Luft lag«. Der Vater ist; seiner Definition entsprechend, die prima causa, der creator, ·der Schöpfer, der auctor rerum, der Urheber der Dinge, der auf einer Kulturstufe, die noch nicht reflektiert, eben das Eine schlechthilil sein kann. Aus dem Einen erfolgt das Andere durch Spaltung. Diese Spaltung braucht nicht manifest zu werden, solange sich niemand irgendwie kritisch zum auctor rerum stellt, d. h. solange eine Kultur nicht über diese Einheit reflektiert und das Werk, in dem sich der Schöpfer offenbart, zu kritisieren beginnt. Fern von kritischem Urteil und moralischem Konflikt läßt das menschliche Einheitsgefühl auch die patris auctoritas unangetastet. Ich habe diesen Zustand der ursprünglichen Einheit der Vaterwelt bei einem Negerstamm am Mount Elgon beobachtet. Diese Leute bekannten sich zu der Ueberzeugung, daß der Schöpfer alles gut und schön gemacht habe. Als ich fragte: »Aber die bösen Tiere, die euch das Vieh töten?« Da sagten sie: »Der Löwe ist gut und schön.« Und: »Eure scheußlichen Krankheiten?« Sie sagten: »Du liegst in der Sonne, und es ist schön.« Ich war von diesem Optimismus beeindruckt. Aber - abends um sechs Uhr hörte diese Philosophie plötzlich auf, wie ich bald entdeckte. Von Sonnenuntergang an herrscht eine andere Welt, die dunkle Welt, die Welt des ayik: das ist das Böse, Gefährliche, Angstverursachende. Die optimistische Philosophie hört auf, und es beginnt die Philosophie der Gespensterfurcht und der magischen Gebräuche, die gegen das Uebel schützen sollen. Mit Sonnenaufgang kehrt dann, ohne inneren Widerspruch, der Optimismus wieder. Mensch, Welt und Gottheit sind ursprünglich ein Ganzes, eine durch keine Kritik getrübte Einheit. Das ist die Welt des Vaters einerseits und des Menschen im
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Kindheitszustand andererseits. Trotzdem zwölf von 24 Stunden jeweils im Dunkelglauben und in der Dunkelweit gelebt werden, taucht nie der Zweifel auf, ob Gott nicht auch ein Anderer sei. Die berühmte Frage nach dem Ursprung des U ebels existiert in der Vaterzeit noch nicht. Als prinzipielles Problem der moralischen Gesinnung ist diese Frage eigentlich erst mit dem Christentum aufgekommen. Die Welt des Vaters bezeichnet offenbar eine Zeit, die durch die ursprüngliche Einheit - die schöne oder häßliche oder ängstliche Einheit- mit der ganzen Natur charakterisiert ist. Wenn aber die Frage aufgeworfen wird: »Woher kommt das Uebel, warum ist diese Welt so schlecht und unvollkommen? Warum Krankheiten und sonstige Abscheulichkeiten? Warum muß der Mensch leiden?«, dann fängt die Reflexion an, welche die Offenbarung des Vaters in seinem Werke beurteilt, und damit ist der Zweifel da, der die Zerspaltung der Ureinheit ausdrückt. Man kommt zum Schluß, daR die Schöpfung unvollkommen sei, ja sogar, daR der Schöpfer seiner Aufgabe nicht Genüge getan habe: Die Güte und Macht des Vaters kann nicht das einzige Prinzip der Kosmogonie sein. Daher muß das Eine durch ein Anderes ergänzt werden. Die Welt des Vaters wird damit prinzipiell verändert und abgelöst durch die Welt des Sohnes. Das war nun jene Zeit, wo die griechische Kritik der Welt eingesetzt hat, die Zeit der Gnosis im weitesten Sinne, aus welcher dann eben das Christentum hervorgegangen ist. Der Archetypus des Erlösergottes und des Urmenschen ist uralt. Wir wissen gar nicht, wie alt diese Idee ist. Der Sohn, der geoffenbarte Gott, der als Mensch freiwillig oder unfreiwillig zum Opfer wir.d, damit eine Welt entstehen kann, oder damit die Welt vom Bösen erlöst werde, findet sich schon in der Purusha-Philosophie Indiens, auch in der Vorstellung des Protanthropos Gayomard im Persischen. Gayo24 Jung: Symbolik des Geistes
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mard, als ein Sohn des lichten Gottes, fällt der Finsternis zum Opfer, und aus der Finsternis muß er wieder befreit werden zur Erlösung der Welt. Das ist das Vorbild für die gnostischen Erlöserfiguren und für die Lehre vom menschheitserlösenden Christus. Es ist unschwer zu sehen, daß die Weltanschauung, welche die Frage nach dem Ursprung des Bösen und des Leidens aufwarf, einer anderen Welt entsprach, in der man sich nach Erlösung und nach jener Vollkommenheit sehnte, wo man noch eins war mit dem Vater. Man sehnte sich nach dem Reiche des Vaters zurück, aber es war endgültig verloren, weil eine irreversible Zunahme und Verselbständigung des menschlichen Bewußtseins stattgefunden hatte. Durch diese Veränderung hatte man sich abgesetzt von der Welt des Vaters, und es begann die Welt des Sohnes mit ihrem göttlichen Erlösungsdrama und dessen kultischer Erzählung jener Dinge, die der Gottmensch bei seinem Erdenwandel vollbracht hat 7 • Das Leben des Gottmenschen enthüllt nun Dinge, die im Vater als dem Einen unmöglich erkannt werden konnten. Denn der Vater als das ursprünglich Eine war kein Bestimmtes oder Bestimmbares und konnte im eigentlichen Sinne noch nicht »Vater« heißen oder sein. Durch seine Inkarnation im Sohne aber wird er »Vater« und damit Bestimmtes und Bestimmbares. Durch sein Vater- und Menschwerden offenbart er im menschlichen Bereich das Geheimnis seiner Gottheit. Eine dieser Offenbarungen ist der Heilige Geist, welcher, als vorweltliches Wesen zwar ewig, aber in dieser Welt, gewissermaßen empirisch, erst dann erscheint, wenn Christus den irdischen Schauplatz ver7 Ich verweise hier auf die ausführliche Darstellung des Todes und der Wiedergeburt des göttlichen xoupoc;; bei J. E. H a r r i s o n 1. c.
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lassen hat. Er wird den Jüngern sozusagen das sein, was ihnen Christus zuvor war. Er wird ihnen Machtvoll-. kommenheit verleihen, Werke zu tun, die vielleicht noch gröBer sind als diejenigen des Sohnes (Joh. XIV, 12). Der Heilige Geist ist eine Gestalt, die Christus äquivalent ersetzt und etwa dem entspricht, was Christus vom Vater erhalten hat. Aus dem Vater kommt der Sohn, und beiden gemeinsam ist die Lebenstätigkeit des Heiligen Geistes, der von beiden, nach christlicher Definition, gehaucht wird. Indem der Heilige Geist ein Drittes und Gemeinsames zwischen Vater und Sohn ist, bedeutet er eine Aufhebung der Zweiheit, des »Zweifels« im Sohne. Er ist eigentlich jenes Dritte, das die Dreiheit vollendet und damit wieder die Einheit herstellt. Im Heiligen Geist gipfelt recht eigentlich die Entfaltung des Einen, nachdem dieses als Vater sich dem Sohn entgegengestellt hat. Der Abstieg in den menschlichen Körper bedeutet an sich ein Anderswerden, ein Sich-in-Gegensatz-Setzen zu sich selber. Von diesem Augenblicke an gibt es zwei, das »Eine« und das »Andere«, was eine gewisse Spannung bedeutet 8 • Sie wirkt sich aus im leidensvollen Schicksal des Sohnes 9 und zuletzt im Bekenntnis der Gottverlassenheit (Matth. XXVII, 46). Der Heilige Geist ist zwar der Erzeuger des Sohnes (Matth. I, 18), aber als Paraklet zugleich dessen Hinterlassenschaft. Er führt in Vielen das Erlösungswerk weiter, indem er auf diejenigen sich niederläRt, welche der göttlichen Wahl entsprechen. Damit ist der Paraklet als 8 Das Verhältnis von Vater und Sohn ist eben gerade nicht arithmetisch, indem die beiden, als das »Eine« und das »Andere« noch in dem ursprünglich Einen verbunden sind und sozusagen ewig im Begriffe stehen, zu Zwei zu werden. Daher ist der Sohn vom Vater »ewig« gezeugt und der Opfertod »ewig« präsenter Akt. 9 Vergl. die ndßr; des Dionysos, welche auf griechischem Gebiete die Parallele bilden.
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krönende Figur des Erlösungswerkes einerseits und der .Selbstoffenbarung Gottes andererseits wenigstens angedeutet. Wir können daher sagen, daß der Heilige Geist die Vollendung der Gottheit und des göttlichen Dramas darstellt. Denn unzweifelhaft ist die Trinität eine höhere Form der Gottesvorstellung als die bloße Einheit, indem sie nämlich einem reflektierten, d. h. bewußteren Zustand der Menschheit entspricht. Die hier skizzierte allgemeine trinitarische Idee von einem innergöttlichen LebensprozeR ist, wie wir gesehen haben, zu einem guten Teil schon in vorchristlicher Zeit vorhanden und stellt im Wesentlichen eine Fortsetzung und Differenzierung des ursprünglichen Erneuerungsritus und ·dessen kultischer Legende dar. Wie die Götter dieser Mysterien, so erlöschen auch diese selbst und bilden sich wieder in neuer Gestalt im Laufe der Geschichte. Um die Wende unserer Zeitrechnung war wieder einmal ein solches allgemeines Erlöschen alter Götter im Gange, und zur Heilung fand eine neue Gottesgeburt mit neuen Mysterienemotionen statt. Es ist selbstverständlich, daß irgendwelche bewußte Anlehnung an schon vorhandene Mysterientraditionen die Wiedererneuerung und -gehurt verhindert hätte. Es mußte eine völlig unbezogene und gänzlich unpräjudizierte Offenbarung sein, welche, womöglich ohne irgendwelche Voraussetzungen, ein neues apdJp.evov (kultische Handlung) und eine neue Kultlegende in die Welt setzen konnte. Erst relativ spät nahm man dann die auffallenden Parallelen mit der Legende des Dionysos wahr und erklärte letztere als Teufelswerk. Diese Haltung des frühen Christentums ist durchaus begreiflich: es hat sich ja wirklich in dieser unbewußten Art entwickelt, und überdies bedeutete seine anscheinende Voraussetzungslosigkeit eine conditio sine qua non seiner wirksamen Existenz. Niemand kann die vielfache
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Ueberlegenheit der christlichen Offenbarung gegenüber ihren heidnischen Vorstufen in Zweifel ziehen, weshalb es heutzutage wahrlich überflüssig ist, auf der Voraussetzungs- und Geschichtslosigkeit des Evange· liums zu insistieren angesichts der Erkenntnis, daß es von historischen und psychologischen Voraussetzungen wimmelt.
III. Die Symbola Das trinitarische Erlösungsdrama (und nicht ein intellektueller Begriff desselben) ist in völliger Unbewußtheit seiner Wiedererneuerung in einem neuen Aeon an das Tageslicht der Welt getreten. Von den sogenannten Präfigurationen im Alten Testament gar nicht zu sprechen, gibt es auch im Neuen Testament nicht eine einzige Stelle, an der die Trinität intellektuell faßbar ausgesprochen wäre 1 • Es handelt sich vielmehr in der Hauptsache um dreifache Segensformeln, 1 Das in dieser Hinsicht eine Ausnahme bildende sog. Comma ]oanneum ist eine nachweisbar späte Angelegenheit zweifelhaften Ursprungs. Als ein textus per se dogmaticus und revelatum explicitum wäre er der stärkste Beweis für das Vorkommen der Trinität im Neuen Testament. Es handelt sich um I. Joh. V, ?: »Drei nämlich sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist, das Wasser und das Blut. Und die drei sind eins« (d. h. sie stimmen überein in ihrem Zeugnis, daß Christus »im Wasser und Blut« gekommen ist). Die Vulgata hat hier die späte Einschaltung >Quoniam tres sunt, qui testimonium dant in caelo: Pater, Verbum et Spiritus Sanctus: et hi tres unum sunt<. Es ist zu bemerken, daß im griechischen Text die drei Neutra: 7rl)&Uf-La, BiJmp und alpa von einem plur. masc. gefolgt sind, nämlich "of rpe'ir; elr: 1:0 BI) dael)".
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wie z. B. am Schluß des zweiten Korintherbriefes (II. Kor. XIII, 13: »Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen« 2 ), oder wie am Anfang des ersten Petrusbriefes (1. Petr. I, 1): »... nach der Vorherbestimmung Gottes, des Vaters, in der Heiligung durch den Geist, zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blute Jesu Christi.« (Aehnlich im Judasbrief 21.) Es wird zugunsten der Trinität auch I. Kor. XII, 4-6, angeführt. Hier findet sich aber nur die emphatische Versicherung, daß der Geist Einer sei (ebenso Ephes. IV, 4-6), was mehr eine Abwehrgeste gegen polytheistische oder -dämonische Anwandlungen bedeuten dürfte, als eine Hervorhebung der Dreieinigkeit. Auch der unmittelbar nachapostolischen Zeit sind die triadischen Formeln geläufig; so heißt es z. B. in I. Clem. 46,6 3 : »Wir haben Einen Gott und Einen Christus und Einen Geist.« E p i p h an i u s berichtet sogar, daß Christus seinen Jüngern gelehrt habe, »er sei der Vater, er sei der Sohn, er sei der Heilige Geist« ((})(; aoro'ü /J7jAo'üvror;; roir;; pafJ7Jrair;; dw aodw slvm 1ra.d:pa, rov aorov slvat ufov, rov aorov dvat ärwv nve'üpa) 4 • Diesen Satz entnahm er dem apokryphen Aegypterevangelium, von dem leider nur wenige Bruchstücke erhalten sind. Die Formel ist insofern bedeutsam, als sie 2 Der Taufbefehl :dm Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes« gehört in diese Kategorie. Die Echtheit dieser Stelle ist angezweifelt. Es scheint, daR ursprünglich nur auf den Namen Jesu Christi getauft wurde. Der Taufbefehl kommt bei Marcus und Lucas nicht vor. Vergl. G. K r u e g e r : Das Dogma von der Dreieinigkeit und Gottmenschheit in seiner geschichtlichen Entwicklung. 1905, p. 11. 3 Clemens wird von Irenaeus als der dritte römische Bischof nach Petrus bezeichnet. Die Datierung der Clementinen ist kontrovers. Es scheint, daR sie in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts gehören. 4 Panarium. Haer. LXII, II.
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einen deutlichen Ansatz zu einem (modalistischen) Trinitätsbegriff erkennen läßt 6 • Das Wesentliche besteht nun nicht darin, daß das Neue Testament keine Dreiheitsformel besitzt, sondern darin, daß in ihm die drei Figuren, die in offenkundiger Wechselwirkung stehen, vorkommen, nämlich der Vater, der durch den Heiligen Geist gezeugte Sohn und der Heilige Geist. Segensformeln, feierliche Bedingungen und Attribute (z. B. Trishagion) haben seit Alters den magischen Dreiheitscharakter 8 • Sie beweisen zwar für die Trinität im Neuen Testament nichts; sie sind aber vorhanden und, wie die drei göttlichen Personen, deutliche Anzeichen eines aktiven Archetypus, der unter der Oberfläche operiert und somit Anlaß zu triadischen Bildungen gibt. Diese Entwicklung beweist, daß der trinitarische Archetypus schon im Neuen Testament am Werke ist, denn das Nachfolgende ist in hohem Maße Wirkung des Vorausgehenden. Dieser Satz ist dort in besonderem Maße gültig, wo es, wie bei der Trinität, um die Auswirkung eines unbewußt vorhandenen Inhaltes, eben des Archetypus, geht. Tatsächlich wurden, wie die späteren Glaubensbekenntnisse zeigen, auf den Synoden ·der Väter die Anspielungen der neutestamentlichen Schriften auf die göttliche Dreiheit in durchaus konsequenter Weise wieder bis zur Homoousie durchgeführt, was insofern unbewußterweise geschah, als sich die Väter der ägyptischen Vorlage, welche bereits einmal das Niveau ·des op.oouneor: erreicht hatte, unbewußt waren. Diese Wirkungen auf die Nachwelt waren unvermeidliche Folgen der in der christlichen 5 Die Abfassungszeit dürfte Anfang des 2. Jahrhunderts sein. Henne c k e : Neutestament. Apokr. 2. Aufl. p. 59. 6 Hiezu gehört z. B. die Matth. I, 17 erwähnte Einteilung der Ahnen Christi in 3 X 14 Generationen. Vergl. damit die Rolle der 14 Königsahnen in Aegypten. J a c o b s o n l. c. p. 66 f.
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Urzeit vorhandenen Dreiheitsahnungen und bedeuten nichts anderes als Amplifikationen des konstellierten Archetypus. Insofern diese durchaus naiv und unpräju~ diziert erfolgten, beweisen sie direkt, daR, was das Neue Testament andeutet, tatsächlich, wie auch die Kirche annimmt, die Dreieinigkeit war. Da man nicht wirklich wußte, was sich im »Men~ schensohn< so urplötzlich geoffenhart hatte, sondern nur die vorhandenen Deutungen glaubte, so bedeutet die jahrhundertelange Nachwirkung eigentlich nichts anderes als die allmähliche Entfaltung des Archetypus im Bewußtsein, resp. die Rezeption desselben in den von der Antike gelieferten Begriffsmöglichkeiten 7 • Aus diesem geschichtlichen Echo ist Jenes zu erkennen, welches sich ursprünglich in einer plötzlichen Erleuch~ tung geoffenhart und die Menschen ergriffen hatte, ohne daß diese ihrerseits das, was geschehen war, ge~ nügend begriffen hätten, um es deutlich formulieren zu können. Zu einer Auseinanderfaltung und Formulie~ rung der »geoffenharten< Inhalte brauchte es Zeit und Distanz. Die Ergehnisse dieser Geistestätigkeit schlu~ gen sich nieder in Lehrsätzen, den sog. Dogmata, deren Gesamtheit im sog. Symbolum, dem Glaubensbekenntnis, zusammengefallt wurde. Ein solches Breviarium Fidei führt, von der Psychologie her betrachtet, mit Recht den Namen »Symholum«, denn es ist ein symbolischer Ausdruck, ein anthropomorphes Bild, gesetzt für einen nicht rational zu begründenden und zu deutenden, transzendenten Tatbestand, wobei ich von »transzen~ dent< einen psychologischen Gehrauch mache 8 •
7 Dieser ProzeR beginnt bekanntlich schon im Johannesevangelium. 8 Vergl. dazu: Psychologische Typen, 1921, p. 674 ff.
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1. Das Symbolum Apostolicum Die Versuche zu solchen Zusammenfassungen begannen schon ziemlich früh, wenn man der Tradition trauen darf. St. Am b r o s i u s z. B. berichtet, daß das in der Mailänder Kirche gebräuchliche Taufbekenntnis von den zwölf Aposteln herrühre 9 • Dieses altkirchliche Credo wird als das Symbolum Apostolicum bezeichnet. Es ist vom 4. Jahrhundert an beglaubigt und lautet: >Ich glaube an Gott, Vater, Allmächtigen und an ]esum Christum, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, der geboren roard aus dem Heiligen Geiste und Maria der Jungfrau, unter Pontius Pilatus gekreuzigt und begraben und am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in die Himmel und sitzend zur Rechten des Vaters, von dannen er kommen roird, zu richten die Lebendigen und die Toten, und an den Heiligen Geist, die heilige Kirche, die Sündenvergebung, die Auferstehung des Fleisches.« Dieses Credo bewegt sich eigentlich nocli. ganz auf jenem Niveau, auf dem schon die Evangelien und die Briefe standen: Es gibt drei göttliche Gestalten, die in keinem Widerspruch zum einen Gotte stehen. Die Trinität ist hierin nicht explicite, sondern latent vorhanden, ähnlich wie es im zweiten Clemensbrief von der präexistenten Kirche heißt: »Sie war nämlich geistlich da.« Schon in der Urzeit war es offenkundig, daß Christus als Logos schlechthin Gott selber war (Ev. Joann.). Bei P a u I u s ist er präexistent in Gottesgestalt (Vergl. die berühmte Kenosisstelle Ep. ad. Phil. li: »... der, als er in Gottes Gestalt war, es nicht für einen Raub hielt roie (gleich) Gott zu sein (1:0 elvae !aa iJe~ esse se aequalem Deo). Auch gibt es Stellen in ·den Briefen, wo der Autor Christus und den Heiligen Geist miteinander ver-
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9 Explan. Symb. coll. vett. script. VII, 156. S. A m b r o s i u s starb 397.
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mischt oder wo die Dreie in eins geschaut werden, wie Il. Kor. III, 1?: »Der Herr aber ist der Geist oas xuptor: ro 7r!)€Uf-ld Jarw = Dominus autem Spiritus est). Wenn im folgenden Vers die Rede ist von der »Herrlichkeit des Herrn« (t3b~a xuplou = gloria Domini), so scheint »Herr« zunächst auf Christus zu weisen. Wenn man aber den ganzen Passus Vers ?-18 in Betracht zieht, so bezieht sich die Herrlichkeit ebenso auf Gott; woraus die Promiscuität der drei Gestalten ersichtlich ist. Das ist latente Trinität. 2. Das Symbolum des Gregorius Thaumaturgus Obschon also das Apostolicum die Trinität nicht expressis verbis stipuliert, so ist sie doch schon in der Urzeit »geistlich« da, und es läuft auf eine reine Wortklauberei hinaus, wenn man, wie es vielerorts geschieht, darauf insistiert, daß sie »erst lange nachher erfunden« worden sei. In diesem Zusammenhange muß ich daher jenes Gesicht des G r e g o r i u s T h a um a tu r g u s (210-2?0) erwähnen, in welchem ihm die Beata Virgo Maria und St. Johannes erschienen und ihm ein Symbol um mitteilten, das G r e gor i u s nachher gleich niederschrieb 10 • Es lautet: »Ein Gott, Vater des lebendigen Wortes, (seiner) für sich bestehenden Weisheit und Kraft, (seines) ewigen Abbildes, vollkommener Erzeuger des Vollkommenen, Vater des eingeborenen (einzigartigen) Sohnes. Ein Herr, einziger aus einzigem, Gott aus Gott, Abbild und Ebenbild der Gottheit, wirkendes Wort, den Bestand des Alls umfassende Weisheit, die ganze Schöpfung schaffende Kraft, wahrhaftiger Sohn des wahrhaftigen Vaters, unsichtbarer (Sohn) des unsichtbaren (Vaters), unvergänglicher des unvergänglichen, unsterblicher des un10 Berichtet in der durch S. G r e g o r i u s von Ny s s a verfalHen Biographie.
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sterblichen, ewiger des ewigen. Und ein heiliger Geist, der aus Gott sein Dasein hat und durch den Sohn erschienen ist, Ebenbild des Sohnes, vollkommenes (Ebenbild) des vollkommenen (Vaters), Ursache der lebendigen Dinge, Heiligkeit, Chorführer der Heiligung, in dem erschienen ist Gott der Vater, der über allem und in allem ist, und Gott der Sohn, der durch alles ist. Vollkommene Dreiheit, nicht zertrennt und nicht (einander) fremd an H er~lichkeit und Ewigkeit und Herrschaft 11 .« Dieses trinitarische Credo erlangte bald hohe Autorität, also noch lange vor dem beglaubigten Erscheinen des Apostolicums, das weit weniger explizit ist. G r eg o r i u s war ein Schüler des 0 r i g e n e s bis ca 238. 0 r i g e n es (182-251) verwendet den Begriff der Trinität 12 und denkt darüber, insbesondere macht er sich Gedanken über die sog. olxovop.Ea, die oeconomia oder dispositio, d. h. die Verwaltung oder besser das Walten der Trinität. Er schreibt darüber: »Ich halte dafür, daß Gottvater, der alles enthält, zu jedwedem Wesen gelange, indem er jedem von seinem Sein mitteilt: Er ist es nämlich, der ist. Kleiner jedoch als der Vater, gelangt der Sohn nur bis zum Vernunftgemäßen (rationahilia, dem Geistigen des Menschen). Er ist nämlich hinsichtlich des Vaters an zweiter Stelle. Der noch kleinere Heilige Geist berührt nur die Heiligen. Daraus geht hervor, daß die Macht des Vaters größer ist als die des Sohnes und des Heiligen Geistes; und wiederum größer ist der Wert des Heiligen Geistes als aller andern Heiligen Wesen 13 .« 0 r i g e n es ist sich über das Wesen des Heiligen Geistes nicht im Klaren; so sagt er: »Vom Geiste Gottes also, der über den Wassern schwebte, 11 C. P. Ca spar i: Alte und neue Quellen zur Geschichte des Taufsymbols. 18?9, 10-1?. 12 Der Begriff erscheint zuerst bei T e r t u ll i an (t um
220). 13
De Principiis. Lib. I, Cap. III, 5.
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wie es im Anfang der Erschaffung der Welt geschrieben steht, meine ich, da.f! er kein anderer sei, als der Heilige Geist«; und vorher schreibt er: »In Wahrheit jedoch konnten wir bis jetzt keine Aussage in der Heiligen Schrift finden, durch welche der Heilige Geist als Gemachtes (factura) oder als Schöpfung bezeichnet würde ... 11.<
3. Das Nicaenum Die trinitarische Spekulation war schon längst auf einem Höhepunkt angekommen, als das Concil von Nicaea 325 ein neues Symbol creierte (das sog. Nicaenische Symbol) 15 • Es lautet: »Wir glauben an einen Gott, allmächtigen Vater, Schöpfer aller sichtbaren roie auch unsichtbaren Dinge. Und an einen Herrn, ]esus Christus, den Sohn Gottes, geboren aus dem Vater, eingeboren - das heißt: aus dem Wesen des Vaters ( stammenden) - Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahren Gott aus wahrem Gott geboren, nicht gemacht, desselben W esens (op.oouawc:) mit dem Vater, durch den alle Dinge gemorden sind, die im Himmel sowohl als die auf Erden, der um unser, der Menschen, und um unseres Heiles roillen herabgekommen und Fleisch geworden, Mensch geworden ist, der gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist, aufgefahren in den Himmel, von dannen er kommen wird zu richten Lebendige und Tote. Und an den Heiligen Geist. Die aber, die da sagen: es roar (eine Zeit), da er nicht war, oder, er war nicht, bevor er geboren wurde, oder, er wurde aus Nichtseiendem, oder sagen: er sei aus einer anderen Daseinsform (t5m)aramc:) oder Wesen (obaia), oder, der Sohn Gottes 1. c. III, 3. »Nicaenisch« statt des inkorrekten :.Nicaenisch<. Theologische Zeitschrift, 1946. H. 5. p. 396 f. 14 15
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sei etroas Geschöpfliekes oder Veränderliches oder dem Wechsel Unterworfenes, diese verflucht die allgemeine und apostolische Kirche.« Es scheint, daß es ein spanischer Bischof, Ho s i u s von C o r d ob a, war, der dem Kaiser das entscheidende o,uoouaeoc;' -rg 1rarpl vorschlug. Es ist nicht erst damals entstanden, sondern findet sich schon bei T e r t u ll i a n als unitas substantiae. Der Begriff der Homoousie fand auch im Gnostizismus Verwendung, so bei den Valentinianern des Ir e n a e u s (140-ca. 200), wo die Aeonen als wesenseins mit ihrem Urheber Bythos aufgefaßt sind 18 • Das Interesse dieses Bekenntnisses konzentriert sich auf die Beziehung Vater-Sohn, während der Heilige Geist gerade knapp erwähnt wird. 4. Das Nicaeno-Constantinopolitanum, das Athanasianum und das Lateranense Einen wesentlichen Fortschritt bringt die nächste Formulierung im sog. Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum von 381. Es lautet: »Wir glauben an einen Gott, allmächtigen Vater, Schöpfer Himmels und der Erde, aller sichtbaren roie auch unsichtbaren Dinge. Und an einen Herrn, ]esus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, den aus dem Vater vor allen Weltzeiten geborenen, Licht aus Licht, roahren Gott aus rotihrem Gott, geboren, nicht gemacht, gleichen Wesens mit dem Vater, durch den alle Dinge gervorden sind, der um unser, der Menschen, und um unseres Heiles roillen aus den Himmeln herabgekommen und Fleisch geworden ist aus Heiligem Geist und Maria der Jungfrau und Mensch gervorden ist, gekreuzigt 18 Genauer gesagt besteht die Wesenseinheit darin, daß die Aeonen vom Logos, dieser vom Nous, der unmittelbaren Emanation des Bythos, abstammen. Vergl. Adv. Haer. li, 17, 4. Diese Schrift ist zwischen 180 und 190 entstanden.
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für uns unter Pontius Pilatus und gelitten und begraben und auferstanden am dritten Tage nach den Schriften und aufgefahren in die Himmel, sitzet zur Rechten des Vaters, von dannen er wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu richten Lebendige und Tote, dessen Herrschaft kein Ende ist. Und an den Heiligen Geist, der da Herr ist und lebendig macht, der vom Vater ausgeht, der mit Vater und Sohn zusammen angebetet und verherrlicht wird, der durch die Propheten geredet hat. An eine heilige, katholische und apostolische Kirche. Wir bekennen eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten eine Toten-Auferstehung und das Leben der zukünftigen Weltzeit. Amen.« In diesem Bekenntnis findet der Heilige Geist gebührende Berücksichtigung: er ist »Herr« und wird mit »Vater und Sohn zusammen« verehrt. Er geht aber mir vom Vater aus. Dieser Punkt gab Anlaß zu dem großen Streit um das sog. »filioque«,nämlich um die Frage, ob der Heilige Geist nicht nur vom Vater, sondern auch vom Sohne ausgehe. Um aus der Dreiheit eine völlige Einheit herzustellen, war das filioque ebenso unerläßlich wie die Homoousie. Zunächst hat das fälschlicherweise so bezeichnete Athanasianum 17 die Gleichheit der drei Personen aufs stärkste fixiert. Es hat um seiner Eigenart willen unter den rationalistischen und liberalen Theologen viel Anstoß erregt. Ich gebe zur Probe ein Stück aus dem Anfang: »Dies aber ist der katholische Glaube, daß wir den einen Gott in der Dreiheit und die Dreiheit in der Einheit verehren und nicht die Personen vermengen noch das Wesen zertrennen. Denn eine andere ist die Person des Vaters, eine andere die des Sohnes, eine andere die des Heiligen Geistes, und doch ist des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes eine Gottheit, 17 Nach den Anfangsworten ~Quicumque vult salvus essN heif!t es auch das Symbolum Quicumque. Es geht nicht auf A.thanasius zurück.
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gleiche Herrlichkeit, gleiche eroige Majestät. Welcherlei der Vater ist, solcherlei ist der Sohn, solcherlei auch der Heilige Geist. Ungeschaffen ist der Vater, ungeschaffen der Sohn, ungeschaffen der Heilige Geist. Unermeßlich ist der Vater, unermeßlich der Sohn, unermeßlich der Heilige Geist. Eroig der Vater, eroig der Sohn, eroig der Heilige Geist. Und doch nicht drei Eroige, sondern ein Eroiger, roie es nicht drei Unerschaffene, auch nicht drei Unermeßliche sind, sondern ein Unerschaffener und ein Unermeßlicher. So ist auch der Vater allmächtig, allmächtig der Sohn, allmächtig der Heilige Geist, und sind doch nicht drei Allmächtige, sondern ein Allmächtiger. So ist der Vater Gott, der Sohn Gott, der Heilige Geist Gott; und sind doch nicht drei Götter, sondern es ist ein Gott. So ist der Vater Herr, der Sohn Herr, der Heilige Geist Herr; und sind doch nicht drei Herren, sondern ist ein Herr. Denn gleich roie mir nach christlicher Wahrheit eine jegliche Person für sich als Gott und Herrn bekennen müssen, so können mir in der katholischen Religion nicht von drei Göttern oder drei Herren reden. Der Vater ist von niemandem gemacht, auch nicht geschaffen, noch geboren. Der Sohn ist allein vom Vater, nicht gemacht, auch nicht geschaffen, sondern gezeugt. Der Heilige Geist ist von Vater und Sohn, nicht gemacht, auch nicht geschaffen, noch gezeugt, sondern ausgehend. So ist nun ein Vater, nicht drei Väter, ein Sohn, nicht drei Söhne, ein Heiliger Geist, nicht drei Heilige Geister. Und in dieser Dreiheit ist nichts früher oder später, nichts größer oder kleiner, sondern alle drei Personen sind gleichewig und gleichgroß, so daß also, roie schon oben · gesagt rourde, soroohl die Dreiheit in der Einheit roie die Einheit in der Dreiheit zu verehren ist. Wer also selig werden roill, der muß so von der Dreiheit halten.« Hier ist die Trinität als begriffliches Schema ausbalanciert und völlig entwickelt. Die Homoousie bindet alle Personen gleichermaßen. Eine weitere Differenzierung brachte das Symbolum der Lateransynode von 371
1215. Ich erwähne hier nur den Anfang: »Wir glauben
fest und bekennen einfältig, daß einer allein ist roahrer Gott, eroig und unmeßbar, allmächtig, unveränderlich, unfaßbar und unaussprechlich, Vater und Sohn und Heiliger Geist; drei Personen, aber ein Wesen, Wesenheit oder Natur, durchaus einfach. Der Vater ist von niemandem, der Sohn aber allein vom Vater und der Heilige Geist von beiden gleicher Weise, immer ohne Anfang und Ende: der Vater erzeugt, der Sohn roird geboren und der Heilige Geist geht aus, gleichroesentlich und gleichgestellt, allmächtig und gleicheroig.« In diesem Symbolum wird das »filioque« ausdrücklich in das Bekenntnis aufgenommen und damit dem Heiligen Geist eine ihm besondere Tätigkeit und Bedeutung zugewiesen. Das spätere Tridentinum hat, soweit ich erkennen kann, dem Glaubensbekenntnis nichts mehr hinzugefügt, das für unsere Zwecke von Bedeutung wäre. Bevor ich dieses Kapitel abschließe, mufl ich erwähnen, dafl schon im hochmittelalterlichen »Liber de Spiritu et Anima« 18 ein Versuch zu einer psychologischen Deutung der Trinität unternommen wurde: die Ueberlegung geht von der Annahme aus, dafl man durch Selbsterkenntnis zur Gotteserkenntnis gelangen könne 19• Die Mens rationalis, d. h. der denkende Verstand sei Gott am ähnlichsten, denn er sei »excellenter et proprie ad similitudinem illius facta«. Wenn er seine eigene Gottähnlichkeit erkennt, wird er um so leichter auch seinen Schöpfer erkennen. Und so fängt die Erkenntnis der Trinität an: der Verstand nämlich sieht, wie aus ihm die »Weisheit« (sapientia) hervorgeht und wie er diese 18 Fälschlicherweise S. A u g u s t in zugeschrieben. Vergl. Admonitio zu Lib. de Spir. et An. S. Aug. Opp. Omn. Parisiis 1837, VI, 1138. 19 » ••• quomodo per cognitionem nostri possimus ascendere ad cognitionem ipsius Dei.< S. Aug. Opp. VI, 1194, B.
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liebt. Aus ihm aber und der Weisheit geht die Liebe (amor) hervor, und so erscheinen die Drei im Einen, der Verstand, die Weisheit und die Liebe. Die Weisheit kommt vom Verstande, und aus beiden geht die Liebe hervor. Gott nun ist der Ursprung aller Weisheit. Er entspricht also dem Verstande (vouc;-); die Weisheit, die er selber zeugte, dem Sohne (loroc:); die Liebe aber dem zwischen Vater und Sohn gehauchten Geiste (nve'Ufla) 20 • Die Sapientia Dei wurde vielfach mit dem kosmogonischen Logos und so mit Christus identifiziert. Der mittelalterliche Geist leitet die Struktur der Psyche natürlich von der Trinität ab, während der moderne Standpunkt das Verhältnis umkehrt.
IV
Die drei Personen in psychologischer Beleuchtung 1. Die Hypothese des Archetypus Die Reihenfolge der Symbola illustriert den Werdegang der Trinitätsidee im Laufe der Jahrhunderte. Die Entwicklung hat mit großer Konsequenz alle rationalistischen Abwege entweder vermieden oder mit Erfolg bekämpft, wie z. B. die so plausible arianische Haeresie. Sie hat um die ursprünglichen Dreiheitsandeutungen der Heiligen Schrift ein Ideengerüst aufgerichtet, das für den liberalen V ernünftler eine petra scandali ist. 20 >Et procedit amor ex ipsa (mente) et sapientia sua, quo amat ipsam genitam de se, et in se manentern non dividit a se. Et apparent tria quaedam in uno, mens, sapientia et amor. Et est sapientia de mente, et de mente et sapientia procedit amor; et surgit trinitas, et non recedit unitas: et sunt simul trinitas et unitas. Haec sie in nobis.« :.Qui genuit, Pater est; qui genitus est, Filius est; et qui ab utroque procedit, Spiritus sanctus est.< I. c. p. 1195 A-D.
25 Jung: Symbolik des Geistes
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»Religiöse« Aussagen sind aber im gewöhnlichen Sinne nie vernünftig, denn sie ziehen immer jene andere Welt, jenen mundus archetypus in Betracht, welcher dem gewöhnlichen Verstand, der sich nur mit AeuRerem beschäftigt, unbewuRt ist. So hat die Entwicklung der christlichen Trinitätsidee unbewuRt den in der ägyptischen Königstheologie erstmals erschienenen Archetypus der Homoousie von Vater-Sohn-Ka-mutef wieder ad integrum hergestellt. Nicht daR die ägyptische Vorstellung etwa der Archetypus der christlichen Idee wäre. Der Archetypus an sich ist, wie ich andernorts ausgeführt habe, ein unanschaulicher Faktor, eine Disposition, welche in einem gegebenen Moment der Entwicklung des menschlichen Geistes zu wirken beginnt, indem er das Bewußtseinsmaterial zu bestimmten Figuren anordnet\ nämlich die Göttervorstellungen zu Triaden und Dreieinigkeiten und eine Unzahl von rituellen und magischen Gebräuchen zu Dreifachheiten oder -teilungen, wie Apotropaeismen, Segens- und 1 Ich bin schon des öftern gefragt worden, woher der Archetypus komme, ob er erworben sei oder nicht. Diese Frage läßt sich nicht direkt beantworten. Die Archetypen sind, ihrer Definition entsprechend, Faktoren und Motive, welche psychische Elemente zu gewissen (als archetypisch zu bezeichnenden) Bildern anordnen und zwar in einer Art und Weise, die immer erst aus dem Effekt erkannt werden kann. Sie sind vorbewußt vorhanden und bilden vermutlich die Strukturdominanten der Psyche überhaupt, vergleichbar dem unanschaulichen, potentiellen Vorhandensein des Kristallgitters in der Mutterlauge. Als Bedingungen a priori stellen die Archetypen den psychischen Spezialfall des dem Biologen vertrauten ~pattern of behaviour« dar, welches allen Lebewesen ihre spezifische Art verleiht. Wie die Manifestationen dieses biologischen Grundplanes sich im Laufe der Entwicklung ändern können, so auch die des Archetypus. Empirisch gesehen ist aber der Archetypus innerhalb der Reichweite organischen Lebens überhaupt nie entstanden. Er tritt mit dem Leben auf den Plan.
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Fluchformeln, Lobpreisungen usw. Der Archetypus hat, wo immer er erscheint, vom Unhewußten her zwingenden Charakter, und wo seine Wirkung bewußt wird, ist er durch Numirwsitiit gekennzeichnet. Nie ist es eine bewußte Erklügelung- was man der Trinitätsspekulation oft glaubte vorwerfen zu müssen - sondern alle Streitereien, Sophistereien, Wortklaubereien, Intrigen und Gewalttaten, welche die Geschichte dieses Dogmas bis zum Ueberdruß verunzieren, danken ihre Existenz der zwingenden Numinosität des Archetypus und der unerhörten Schwierigkeit, diesen in die Vernunftwelt des Menschen einzuhauen. Obschon die Kaiser sich aus politischen Absichten des Streites zu ihren Zwecken bemächtigten, so läßt sich dieses sonderbare Stück Geistesgeschichte doch keineswegs aus der Politik ableiten. Ebensowenig kann man sozialökonomische Ursachen dafür verantwortlich machen. Der einzige Grund dazu liegt im Erscheinen der christlichen »Botschaft«, durch welche der abendländische Mensch psychisch revolutioniert wurde. Es war nach Ausweis der Evangelien und insbesondere der paulinischen Briefe das wirkliche und wahrhaftige Erscheinen des Gottmenschen in der menschlichen Alltäglichkeit, begleitet von all den Wunderzeichen, die eines Gottessohnes würdig sind. So dunkel der geschichtliche Kern dieser Erscheinung dem modernen Bedürfnis nach genauer Tatsächlichkeit vorkommen mag, so sicher ist es auch, daß kein ursacheloses Nichts jene gewaltigen psychischen Wirkungen, welche durch die Jahrhunderte anhalten, hervorgerufen hat. Die aus missionarischem Eifer entstandenen Evangelienberichte bilden leider eine denkbar spärliche Quelle für historische Rekonstruktionsversuche. Um so mehr aber sagen sie aus über die psychologischen Reaktionen der damaligen Umwelt. Diese Reaktionen und Aussagen setzen sich fort in der Dogmengeschichte, wo sie immer noch als Wirkung des Heiligen Geistes auf-
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gefaßt werden. Diese Deutung, über deren metaphysische Geltung der Psychologe nichts auszumachen hat, ist von größtem Belang; drückt sie doch die Tatsache aus, daß eine überwiegende Meinung oder Ueberzeugung bestand, nach welcher der eigentliche Operator der Auffassungsbildung nicht der menschliche Intellekt, sondern eine außerbewußte Instanz sei. Diese psychologische .Tatsache darf aus keinen weltanschaulichen Gründen übersehen werden. Aufklärerische Argumente, wie »der Heilige Geist sei eine unbeweisbare Annahme« , sind inkommensurabel mit psychologischen Feststellungen. (Sogar eine Wahnidee ist wirklich, wenn ihr Inhalt auch faktisch unsinnig ist.) Die Psychologie hat es mit psychischen Phänomenen zu tun und nur mit solchen. Diese können auch bloße Aspekte von Erscheinungen sein, welche an sich noch einer Reihe von andern Betrachtungsweisen unterworfen werden können. So will die Behauptung, daß der Heilige Geist ·der Inspirator des Dogmas sei, besagen, daß dieses nicht aus bewußter Ergrübelung und Spekuliererei hervorgehe, sondern durch außerbewußte, ja sogar außermenschliche Quellen motiviert werde. Diese und ähnliche Aussagen erfolgen regelmäßig bei Erlebnissen archetypischen Charakters. Sie sind stets mit dem Gefühl eines präsenten Numens verknüpft. Ein archetypischer Traum z. B. kann das Individuum dermaßen faszinieren, daß es geneigt ist, darin eine Illumination, eine Warnung oder übernatürliche Hilfe zu erblicken. In modernen Zeiten scheuen sich die Leute in der Regel, solche Erfahrungen preiszugeben, womit sie das Vorhandensein einer heiligen Scheu vor dem Numinosen verraten. Wie immer numinose Erfahrungen beschaffen sein mögen, sie haben alle das Gemeinsame, daß sie ihre Quelle in einen außerbewußten _Bezirk verlegen. Die Psychologie gebraucht hiefür, wie bekannt, den Begriff des Unbewußten und zwar speziell den des
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kollektiven Unberoußten im Gegensatz zu dem des persönlichen Unberoußten. Wer ersteren Begriff verwirft und allein letzteren anerkennt, ist zu personalistischen Erklärungen gezwungen. Kollektive und insbesondere manifest archetypische Ideen können aber niemals aus dem persönlichen Besitzstand abgeleitet werden. Wenn sich z. B. der Kommunismus auf Engels, Marx, Lenin u. a. als seine Väter beruft, so weiß er einfach nicht, daß er eine archetypische, in der Primitivität seit uralters vorhandene Gesellschaftsordnung auffrischt, woraus sich übrigens sein »religiöser« und »numinoser« (d. h. fanatischer) Charakter erklärt. Ebenso wenig wußten die Kirchenväter, daß ihre Trinität eine Jahrtausende alte Vorgeschichte hatte. Unzweifelhaft entspricht die Dreieinigkeitslehre ursprünglich einer patriarchalen Gesellschaftsordnung. Dabei ist allerdings nicht festzustellen, ob die soziale Bedingung die Idee hervorgehracht oder umgekehrt die Idee primär die soziale Ordnung revolutioniert hat. Das Phänomen der christlichen Urzeit und die Entstehung des Islam - um nur diese Beispiele zu nennen - zeigen, was Ideen vermögen. Der Laie, der keine Möglichkeiten kennt, das Verhalten autonomer Komplexe zu beobachten, ist meist geneigt, in Uehereinstimmung mit dem allgemeinen penchant, die Herkunft psychischer Inhalte von der Umwelt abzuleiten. Für die Vorstellungsinhalte des Bewußtseins ist diese Erwartung gewiß berechtigt. Danehen aber gibt es noch irrationale, affektive Reaktionen und Impulse zu einer (archetypischen) Anordnung des bewußten Materials, welche vom Dubewußten ausgehen. Je deutlicher dabei der Archetypus hervortritt, desto stärker wirkt sein »fascinosum«, und dementsprechend formuliert ihn die Aussage als »dämonisch« (im Sinne von aalpa)J)) oder »göttlich«. Eine solche Aussage bedeutet Ergriffensein von einem Archetypus. Die der Aussage zugrunde liegenden Vor3?'?'
stellungen sind notwendigerweise anthropomorph und unterscheiden sich dadurch vom anordnenden Archetypus, der an sich unanschaulich, weil unbewußt ist 1 • Sie beweisen aber, daß ein Archetypus aktio geworden ist 3 • So stellt die Geschichte des Trinitätsdogmas das allmähliche Hervortreten eines Archetypus dar, welcher die anthropomorphen Vorstellungen von Vater und Sohn, von Lebendigsein, von verschiedenen Personen usw. zu einer archetypischen, d. h. numinosen Figur anordnet, nämlich zur »allerheiligsten Dreifaltigkeit«. Sie wird von den Zeitgenossen dieser Ereignisse als das aufgefaßt, was die Psychologie als außerbewußte psychische Präsenz bezeichnet. Wenn, wie es hier der Fall war und ist, ein consensus generalis inbetreff einer Idee vorliegt, so darf man von einer kollektiven Präsenz sprechen. Aehnliche Präsenzen sind heutzutage die faschistische und die kommunistische Idee, wobei erstere die Häuptlingsgewalt und letztere die Gütergemeinschaft der primitiven Gesellschaft betont. »Heiligkeit< bedeutet, daß eine Idee oder Sache einen gewissen höchsten Wert besitzt, dessen Gegenwart den Menschen sozusagen zum Verstummen bringt. Heiligkeit ist offenbarend; sie ist die erleuchtende Kraft, welche von der archetypischen Gestalt ausgeht. Der Mensch fühlt sich nie als Subjekt, sondern stets als Objekt solchen Geschehens'. Nicht er nimmt Heiligkeit wahr, sondern diese nimmt ihn gefangen und überwäl2 Vergl. dazu meine Ausführungen in: Der Geist der Psychologie, Eranos- Jahrbuch 1946. 3 Die Aktivierung eines Archetypus beruht höchst wahrscheinlich auf einer Veränderung der Bewußtseinslage, welche eine neue Form der Kompensation verlangt. ' K ö p g e n macht eine treffende Bemerkung (Gnosis des Christentums, 1939, p. 198): >Wenn es so etwas wie eine abendländische Geistesgeschichte gibt, . . . dann müßte sie unter dem Gesichtspunkt stehen: die unter dem EinfluH des
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tigt ihn; nicht er erkennt ihre Offenbarung, sondern diese offenbart sich ihm, ohne da.ß er sich eines adäquaten Verständnisses rühmen könnte. Alles vollzieht sich anscheinend außerhalb seiner Willenssphäre: es sind Inhalte des Unbewu.ßten, mehr kann die Wissenschaft nicht feststellen, denn sie kann nicht mit einem Glauben die ihrem Wesen angemessenen Grenzen überschreiten. 2. Christus als Archetypus
Die Trinität und das innertrinitarische Leben erscheinen als ein in sich geschlossener Kreis eines göttlichen Dramas, an dem der Mensch höchstens als Erleidender Teil hat. Der göttliche LebensprozeR nimmt Besitz vom Menschen und zwingt ihn während 'mehrerer Jahrhunderte zu einer leidenschaftlichen geistigen Beschäftigung mit sonderbaren Problemen, die dem Heutigen reichlich abstrus, wenn nicht gar absurd vorkommen. Man begreift vor allem nicht, was die Trinität für uns praktisch, ethisch oder symbolisch bedeuten soll. Selbst Theologen empfinden die Trinitätsspekulation oft als eine mehr oder weniger überflüssige Begriffsspielerei; es gibt solche, die ganz gerne ohne die Gottheit Christi auskämen, und die Rolle des Heiligen Geistes innerhalb und außerhalb der Trinität bedeutet vollends eine Verlegenheit. D. F. S t r a u .ß sagt über das Symbolum Athanasianum: »Fürwahr, wer das Symbolum Quicumque beschworen hatte, der hatte die Gesetze des menschlichen Denkens abgeschworen.« So kann natürlich nur ein Mensch reden, der nicht mehr unter dem Eindruck der offenbarenden Heiligkeit steht, sondern auf seine eigene geistige Aktivität zurückTrinitätsdogmas erwachende Persönlichkeit des abendländischen Menschen.«
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gefallen ist. Das ist in bezug auf den geoffenbarten Archetypus stets ein unvermeidlicher Rückschritt: die liberale Vermenschlichung Christi geht zurück zur Homoionsie und zum Arianismus, und der moderne Antitrinitarismus hat ein Gottesbild, welches mehr alttestamentlich oder islamisch, als christlich ist. Allerdings, wer mit rationalistischen und intellektualistischen Voraussetzungen, wie ein D. F. S t r a u H , an dieses Problem herangeht, dem müssen die patristischen Diskussionen und Argumentationen geradezu unsinnig erscheinen. Dafl man aber (sogar als Theolog) auf derart inkommensurable Kriterien, wie Vernunft, Logizismus und dergleichen verfallen kann, beweist, dafl es allen geistigen Anstrengungen der Konzilien und der scholastischen Theologie nicht gelungen ist, ein den , Glauben auch nur unterstützendes Verständnis des Dogmas der Nachwelt zu übermitteln. Es blieb nur die Unterwerfung im Glauben unter Verzicht auf das eigene Verstehenwollen. Wie die Erfahrung zeigt, zieht der Glaube oft den Kürzeren und mufl einer Kritik weichen, die dem Gegenstand des Glaubens keineswegs angemessen ist. Solche Kritik gebärdet sich nämlich stets aufklärerisch, d. h. sie verbreitet aufs Neue jene Dunkelheit, welche die Offenbarung mit ihrem Licht zuvor durchdringen wollte: »Et Iux in tenebris lucet, et tenebrae eam non comprehenderunt.« Es kommt dieser Art von Kritik natürlich nicht bei, dafl ihr »way of approach« mit ihrem Gegenstande inkommensurabel ist. Sie meint es mit rationalen Fakten zu tun zu haben und übersieht völlig, dafl es sich um irrationale psychische Phänomene in erster Linie handelt und stets gehandelt hat. Das zeigt sich schon im unhistorischen Charakter der Evangelien, denen es nur daran gelegen ist, die wunderbare Gestalt Christi nach Maßgabe ihres Darstellungsvermögens möglichst eindrücklich zu machen. Das beweist auch schon der 380
älteste literarische Zeuge, nämlich Paulus, welcher den kritischen Ereignissen zeitlich näher als die Apostelschüler stand. Es ist geradezu enttäuschend zu sehen, wie der reale Jesus von Nazareth bei ihm so gar nicht zu Worte kommt. Er ist schon damals (und nicht erst im Johannesevangelium) völlig von metaphysischen Vorstellungen zugedeckt oder durch solche ersetzt: er ist der Herr der Dämonen, der kosmische Heilbringer, der vermittelnde Gottmensch. Die ganze vorchristliche und »gnostische« Theologie des vorderen Orientes (mit einzelnen Wurzeln, die noch viel weiter reichen) rankt sich bereits an ihm empor und verdichtet sich zusehends zu jener dogmatischen Gestalt, die der Historizität überhaupt nicht mehr bedarf. Schon auf sehr früher Stufe also verschwand der wirkliche Mensch Jesus hinter ·den Emotionen und Projektionen seiner näheren und weiteren Umgebung; er wurde sofort und beinahe restlos an die seelischen »Bereitschaftssysteme«, die ihn umgaben, assimiliert und damit in deren archetypisch geformten Ausdruck umgewandelt. Er wurde zu jener kollektiven Gestalt, welche das zeitgenössische Unbewuflte erwartete, und darum fragt man vergeblich, wer und wie er »eigentlich« war. Wäre seine Gestalt nichts als menschlich und historisch getreu, so wäre sie nach aller Wahrscheinlichkeit ebenso unerleuchtend wie die eines Pythagoras, Sokrates oder Apollonius von Tyana. Er wirkte darum offenbarend, weil und insofern er ewiger (und darum unhistorischer) Gott war, und er konnte als solcher nur wirken dank dem consensus generalis der unbewuflten Erwartung. Hätte niemand dem wundertätigen Rabbi aus Galiläa etwas Besonderes angesehen, so hätte die Finsternis gar nicht gemerkt, daß überhaupt. ein Licht geleuchtet hat. Ob er aus eigener Kraft das Licht entzündet hat, oder ob er der war, welcher unter der allgemeinen Lichterwartung als Erleidender zusammenbrach, darüber kann bei dem Mangel 381
an zuverlässiger Nachricht nur der Glaube entscheiden. Auf alle Fälle ist der urkundliche Befund in bezug auf die allgemeine Projektion und Assimilation der Christusgestalt unzweideutig. Die Kooperation des kollektiven Unbewuflten ist aufs reichlichste belegt, denn die religionshistorischen Parallelen sind im Ueberflufl vorhanden. Bei dieser Sachlage mufl man sich daher fragen, was wohl im Menschen durch die »Botschaft« angerührt worden sei, und was aus ihm darauf geantwortet habe? Wenn wir diese psychologische Frage beantworten sollen, so müssen wir einerseits die ganze neutestamentliche Christussymbolik zusammen mit der patristischen Allegorik und der mittelalterlichen Ikonographie, andererseits den Besitzstand der unbewuflten Psyche auf ihren Gehalt an Archetypen untersuchen, um herauszufinden, welcher Typus zur Reaktion gebracht worden ist. Die hauptsächlichsten symbolischen Aussagen über Christus sind zunächst die Attribute des Heldenlebens: unwahrscheinliche Herkunft, göttlicher Vater, gefährdete Geburt, knappe Rettung, frühe Reifung (Heldenwachstum), Mutter- und Todüberwindung, Wundertaten, tragisches, frühes Ende, symbolisch bedeutsame Todesart, postmortale Wirkungen (Erscheinungen, Wunderzeichen etc.). Als Logos, Sohn des Vaters, Rex gloriae, Judex mundi, Redemptor und Salvator ist er selber Gott, eine allumfassende Ganzheit, welche ikonographisch wie die Definition der Gottheit, durch den Kreis 5 , das sog. Mandala ausgedrückt wird: ich erwähne nur die traditionelle Darstellung des Rex gloriae im 5 >Deus est circulus cuius centrum est ubique, circumferentia vero nusquam.« So in der späteren Literatur. In der Form: >Deus est sphaera infinita« etc. soll der Satz aus Liber Hermetis, Liber Trismegisti. Cod. Paris. 6319 und Cod. Vatic. 3060 stammen. Siehe M. B a u m g a r t n e r : Die Philosophie des .Alanus de Insulis. Beitr. z. Gesch. u. Phil. d. Mittel-
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Mandala, begleitet von seiner Quaternität, den vier Evangelistensymbolen (inkl. vier Jahreszeiten, vier Winde, vier Ströme etc.). Eine ähnliche Symbolik ist die Chorbildung der Heiligen, Engel und Aeltesten um Christus (resp. Gott) als Zentrum. Er stellt die Integration der Könige und Propheten des alten Bundes dar. Als Hirt ist er der Führer und der Mittelpunkt der Herde. Er ist der Weinstock, und die ihm anhangen, die Ranken. Sein Leib ist das Brot, das man ißt und sein Blut der Wein, den man trinkt; er ist auch das corpus mysticum, welches von der Gemeinde gebildet wird. Als menschliche Erscheinung ist er Heros und sündenloser Gottmensch, also vollständiger und vollkommener als ·der natürliche Mensch. Er überragt und umfaßt diesen, der sich zu Ihm verhält, wie ein Kind zum Erwachsenen, oder wie ein Tier (Schaf) zum Menschen. Mit solchen Aussagen wird mythologisch innerhalb sowohl wie außerhalb der christlichen Sphäre ein Archetypus beschrieben, welcher sich mehr oder weniger durch dieselbe Symbolik ausdrückt und in den individuellen Träumen vorkommt oder in phantastischen Projektionen (d. h. besondern Uebertragungsformen) auf lebende Menschen (Heldenprojektionen). Der lnhalt solcher Symbolgebilde ist die Vorstellung eines überragenden, umfassenden, vollkommenen oder vollständigen Wesens, welches entweder durch einen Menschen mit heroischen Eigenschaften oder durch ein Tier mit magischen Attributen oder durch ein magisches Gefäß oder eine sonstige »schwer erreichbare Kostbarkeit«, Juwel, Ring, Krone oder direkt- geometrischdurch das Mandala dargestellt wird. Diese archetypialters. Bd. II, H. 4. p. 118. In diesem Zusammenhang darf die Neigung des gnostischen Denkens zur Anordnung im Kreise erwähnt werden: z. B. >Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das W ork Vergl. L e i s e gang : Denkformen, 1928, p. 60 ff.
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sehe Vorstellung entspricht einer als unbewuiHes Bild vorhandenen Ganzheit des Individuums, d. h. des Selbst, welche aber für das Bewußtsein gänzlich unanschaulich ist, und zwar darum, weil zu ihr nicht nur die bewußte, sondern auch die unbewußte Psyche gehört, welch letztere nicht anschaulich ist. Dieser Archetypus des Selbst hat in jeder Seele auf die »Botschaft« geantwortet, sodaß der konkrete Rabbi Jesus in kürzester Frist vom konstellierten Archetypus assimiliert wurde. So verwirklichte Christus die Idee des Selbst 6 • Da man nun aber empirisch nie unterscheiden kann, was ein Symbol des Selbst und was ein Gottesbild ist, so treten diese beiden Ideen trotz aller Unterscheidungsversuche immer wieder vermischt auf, z. B. das Selbst als synonym mit dem inneren Christus johanneischer und paulinischer Prägung, oder Christus als Gott (»dem Vater wesensgleich«) oder der atman als individuelles Selbst und zugleich als Wesen des Kosmos, oder Tao als individueller Zustand und zugleich als korrektes Verhalten der Weltereignisse. Psychologisch beginnt die »göttliche« Domäne unmittelbar jenseits des Bewußtseins, denn dort schon ist der Mensch der Naturordnung auf Gedeih und Verderb preisgegeben. Die ihm von dort entgegentretenden Symbole der Ganzheit benennt er mit Namen, die je nach Zeit und Ort verschieden sind. Psychologisch ist das Selbst ·definiert als die psychische Ganzheit des Menschen. Zum Symbol des Selbst kann alles werden, von dem der Mensch eine umfassendere Ganzheit voraussetzt als von sich selber. Daher besitzt das Symbol des Selbst keineswegs immer jene Ganzheit, welche die psychologische Definition erfor8 G. K ö p g e n (Gnosis des Christentums, 1939, p. 30?) formuliert treffend: »Alles bezieht Jesus auf sein Ich; aber dieses Ich ist nicht das subjektivistische Ego, sondern ein kosmisches Ich.«
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dert, auch die Gestalt Christi nicht, denn dieser fehlt die Nachtseite der seelischen Natur, die Finsternis des Geistes und die Sünde. Ohne Integration des Bösen aber gibt es keine Ganzheit, auch kann es nicht »mit Gewalt in die Mischung gezwungene: werden. So könnte man denn Christus als Symbol dem p.eaov (Mittel) der ersten Mischung der Weltseele vergleichen und damit würde er einer Dreiheit angehören, in welcher das Eine und Unteilbare durch Gott-Vater, das Teilbare aber durch den Heiligen Geist, der sich bekanntlich in viele Feuerzungen aufteilt, dargestellt wird. Damit ist aber laut Timaios noch keine Wirklichkeit erreicht. Es bedarf daher einer zweiten Mischung. Das Ziel der psychologischen Entwicklung ist, wie das der biologischen, die Selbstverwirklichung, resp. die Individuation. Da der Mensch sich nur als ein Ich kennt, und das Selbst als Totalität unbeschreibbar und ununterscheidbar von einem Gottesbild ist, so bedeutet die Selbstverwirklichung in religiös-metaphysischer Sprache die Incamation Gottes. Das ist in der Sohnschaft Christi ausgedrückt. Insofern die Individuation eine heroische oder tragische, d. h. eine schwerste Aufgabe darstellt, bedeutet sie Leiden, eine Passion des Ich, d. h. des empirischen, gewöhnlichen, bisherigen Menschen, dem es zustößt, in einen größeren Umfang aufgenommen und seiner sich frei dünkenden Eigenwilligkeit beraubt zu werden. Er leidet sozusagen an der Vergewaltigung durch das Selbst 7 • Dem gegenüber bedeutet die analoge Passion Christi das Leiden Gottes an der Ungerechtigkeit der Welt und der Finsternis des Menschen. Das menschliche und ·das göttliche Leiden bilden zusammen eine Komplementarität mit kompensierendem Effekt: durch das Symbol kann der Mensch die wirkliche Bedeutung seines Leidens erkennen: er ist 7
Vergl. dazu Jakobs Kampf mit dem Engel an der Furt.
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auf dem Wege zur Verwirklichung seiner Ganzheit, wobei sein Ich infolge der Integration des Unbewußten ins Bewußtsein in den >göttlichen« Bereich tritt. Dort nimmt es Teil am »Leiden Gottes«, dessen Ursache die »Incarnation«, d. h. eben jener seihe Vorgang ist, der auf der menschlichen Seite als Individuation erscheint. Die menschliche Geburt ·des göttlichen Heros schon ist von Mord bedroht; er hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen könnte, und sein Tod ist von grausamer Tragik. Das Selbst ist nicht bloß ein Begriff oder ein logisches Postulat, sondern eine seelische Wirklichkeit, die nur zu einem Teil bewußt ist, im übrigen aber auch das Leben des Unbewußten umgreift und daher unanschaulich und nur durch Symbole ausdrückbar ist. Das Drama des archetypischen Christuslebens beschreibt in symbolischen Bildern die Ereignisse im bewußten und im bewußtseinstranszendenten Leben des Menschen, der von seinem höheren Schicksal gewandelt wird. ~.
Der Heilige Geist
Die psychologische Beziehung des Menschen zu dem innergöttlichen trinitarischen Prozeß ist einerseits durch die menschliche Natur Christi, andererseits durch die von der >Botschaft< vorausgesagte und versprochene Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Menschen und die Einwohnung desselben in den Menschen angedeutet. Das Christusleben ist einesteils nur ein kurzes, historisches Intervall, eine bloße An- und Verkündigung der »Botschaft<, andernteils eine exemplarische Demonstration jener (seelischen) Erlebnisse, welche mit der Gottes- resp. Selbstverwirklichung verbunden sind. Das für den Menschen Allerwesentlichste ist nicht das aeeXJJUfleJJOIJ und das apmflBIJOIJ (das Gezeigte und Getane), sondern das, was nach dem Christusleben
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folgt, nämlich die Ergreifung des Einzelnen durch den Heiligen Geist. Hier gerät man aber in eine große Schwierigkeit: wenn wir nämlich die Lehre vom Heiligen Geist weiter verfolgen (was in der Kirche aus verständlichen Gründen nicht geschehen ist), so kommen wir unweigerlich zum Schlusse: Wenn der Vater im Sohne erschienen ist und mit dem Sohne gemeinsam atmet, und der Sohn diesen Heiligen Geist dem Menschen hinterläßt, so atmet ·der Heilige Geist auch aus dem Menschen und atmet damit zwischen dem Menschen, dem Sohn und dem Vater. Damit ist der Mensch in die Gottessohnschaft gerückt und das Wort Christi: »Ihr seid Götter« erscheint in bedeutsamem Lichte (Joh. X, 34). Die Lehre vom Parakleten, welcher ausdrücklich dem Menschen hinterlassen ist, bedeutet keine geringe Schwierigkeit. Die platonische Dreiheitsformel wäre gewiß das letzte Wort in logischer Hinsicht, aber psychologisch ist sie es ganz und gar nicht, indem nämlich ·die psychologische Gegebenheit sich in störender Weise hineindrängt. Warum in aller Welt hat es nicht geheißen: Vater, Mutter, Sohn? Das wäre doch viel »vernünftigere: oder »natürlicher« als: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Darauf ist aber zu antworten: Es handelt sich eben nicht um eine bloße Naturbedingung, sondern um eine menschliche Reflexion 8 , die sich zur natürlichen Abfolge von Vater-Sohn gesellt. Diese Reflexion ist das vom 8 :.Reflexion« möge nicht als bloßer Denkakt verstanden werden, sondern vielmehr als eine Haltung. Reflexion ist ein Vorbehalt menschlicher Freiheit gegenüber dem Zwang der Naturgesetzlichkeit. Wie das Wort >reflexioc:, nämlich >Zurückbeugungc: besagt, handelt es sich bei der Reflexion um einen geistigen Akt im Gegensinn des Naturablaufes, nämlich um ein Anhalten, Sich-Besinnen, ein Bild-Entwerfen und eine innere Bezugnahme auf und eine Auseinandersetzung mit dem Geschauten. Reflexion ist somit als ein Akt der Beroufltroerdung zu verstehen.
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Natürlichen abstrahierte Leben und dessen eigentümliche Seele, die als Sonderexistenz erkannt wurde: Vater und Sohn sind vereinigt in derselben Seele oder in derselben Zeugungskraft (Ka-mutef) nach altägyptischer Version. Letztere Gestalt ist allbereits dieselbe Hypostasierung eines Attributes, wie das Atmen (spirare) oder Hauchen der Gottheit 9 • Diese psychologische Gegebenheit stört die abstrakte Vollkommenheit der Dreilieitsformel und macht daraus ein logisch nicht mehr faßbares Synthema, in welches in geheimnisvoller und unerwarteter Weise ein wichtiger Geistesvorgang des Menschen hineingebunden ist. Der Heilige Geist als Lebensatem und Liebeshaltung und zugleich als dritte Person mit ihrer Bedeutung von :.Drittem4: und von Gipfelpunkt des trinitarischen Prozesses ist essentiell ein Reflektiertes und als nooumenon Hypostasiertes dem Naturbilde Vater-Sohn hinzugefügt. Es ist in dieser Hinsicht bezeichnend, daß der frühchristliche Gnostizismus diese Schwierigkeit dadurch zu umgehen suchte, daß er den Heiligen Geist als Mutter deutete 10 • Damit wäre es aber einerseits bei dem archaischen Naturbilde, dem Tritheismus und somit auch beim Polytheismus der Vaterwelt geblieben. Es ist ja nichts als natürlich, daß der Vater eine Familie hat, und daß der Sohn den Vater wieder verkörpert. 9 Die spiratio activa ist eine Lebensbetiitigung, ein immanenter Akt von Vater und Sohn; die spiratio passiva dagegen ist eine Eigenschaft des heiligen Geistes. Nach St. T h o m a s geht die Hauchung nicht aus dem Intellekt, sondern aus dem Willen des Vaters und des Sohnes hervor. Inhezug auf den Sohn ist der heilige Geist keine Hauchung, sondern ein Zeugungsakt des Vaters. 10 Siehe Thomasakten (E. Henne c k e : Neutestamentliche Apokryphen. 1924. p. 270): >Komm, Gemeinschaft mit dem Männlichen; Komm, heilige Geistmacht; Komm, Kennerinder Geheimnisse des Auserwählten... Komm heilige Taube, Die du die Zwillingsjungen gebierst; Komm verborgene Mutter... < (Aus einem Eucharistiegebet).
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Dieser Gedankengang entspricht der Vaterwelt vollkommen. Andererseits würde die Mutterdeutung den spezifischen Sinn des Heiligen Geistes auf ein primitives Urbild reduzieren und dadurch gerade das zerstören, was der allerwesentlichste Gehalt der Idee des Heiligen Geistes ist: Er ist nicht nur das dem Vater und Sohn gemeinsame Leben, sondern er ist vom Sohne als Paraklet auch den Menschen hinterlassen, daß er in diesen zeuge und Werke der Gotteskindschaft hervorbringe. Es ist eben gerade von der größten Bedeutung, daß die Idee des Heiligen Geistes kein N aturbild, sondern eine Erkenntnis, ein abstrakter Begriff vom Lebendigsein des Vaters und des Sohnes als dem Dritten zwischen dem Einen und Anderen ist. Das Leben erzeugt aus der Spannung der Zweiheit immer ein Drittes, das als inkommensurabel oder paradox erscheint. Als »tertium« muß also der Heilige Geist inkommensurabel, ja paradox sein. Unähnlich dem Vater und dem Sohne hat er keinen »Namen« und keinen Charakter. Er ist eine Funktion, aber als solche dritte Person der Gottheit. Er ist psychologisch heterogen, indem er logisch aus dem Verhältnis von Vater und Sohn nicht abzuleiten ist, sondern als Vorstellung nur aus der Einschaltung eines menschlichen Reflexionsvorganges zu begreifen ist. Es handelt sich in der Tat um einen »abstrakten« Begriff, indem eine Atmung, die zwei verschieden charakterisierten und gegenseitig nicht auswechselbaren Gestalten gemeinsam ist, kaum als anschaulich gelten kann. Man empfindet daher diese, Zweien gemeinsame, Hauchung als eine künstliche Begriffsbildung, welche aber, wie der altägyPtische Ka-mutef-Begriff dartut, irgendwie zum Wesen der Trinität zu gehören scheint. Trotzdem man wohl nicht umhin kann, in der Setzung dieses Begriffes ein Resultat menschlicher Ueberlegung zu erblicken, so braucht letztere keineswegs ein Bewußtseinsakt gewesen zu sein, sondern er kann ebensogut sein Da26 jung: Symbolik des Geistes
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sein einer )Offenbarung«, d. h. einer unbewußten Reflexion 11 verdanken, also einer autonomen Leistung des Unbewußten, genauer gesagt des Selbst, von dem wir gesagt haben, daß dessen Symbole von Gottesbildern nicht unterschieden werden können. Die religiöse Deutung wird daher auf göttlicher Offenbarung dieser Hypostase insistieren, wogegen die Psychologie nichts einwenden kann. Letztere hält aber an der begrifflichen Natur derselben fest, denn schließlich ist die Trinität auch eine anthropomorphe Gestalt, aus angestrengter Geistesarbeit allmählich hervorgegangen, wenn schon präformiert durch den zeitlosen Archetypus. Dieses Absondern und Erkennen oder Zuerteilen von Eigenschaften ist eine Geistestätigkeit, die, wennschon sie zuerst unbewußt verläuft, doch im weiteren Verlaufe ihrer Ausübung allmählich ins Bewußtsein übertritt. Auf diese Weise wird das, was anfänglich dem Bewußtsein zustößt, später als dessen eigene Tätigkeit integriert. Solange ein geistiger oder überhaupt ein psychischer Vorgang unbewußt ist, steht er unter dem Gesetze archetypischer Dispositionen, welche zum Selbst angeordnet sind. Da letzteres von einem (archetypischen} Gottesbild nicht zu unterscheiden ist, so kann von einer solcheil Anordnung ebensogut gesagt werden, sie sei naturgesetzlich oder sie sei ein göttlicher Willensakt. (Jede metaphysische Aussage ist eo ipso unbeweisbar.} Insofern nun Erkennen und Urteilen eine notwendige Eigenschaft des Bewußtseins darstellen, bewirkt eine gewisse Häufung unbewußter Akte dieser Art 12 eine Verstärkung und Erweiterung des Bewußt11 Zu dieser anscheinenden contradictio in adjecto vergl. meine Ausführungen in: Der Geist der Psychologie. EranosJahrbuch 1946. 12 Das Vorhandensein solcher Vorgänge ergibt sich aus den Trauminhalten.
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seins, wie man bei jeder gründlichen Analyse des Dubewußten leicht feststellen kann. Damit erscheint die Bewußtwerdung des Menschen als das Resultat präformierender, archetypischer Vorgänge oder - metaphysisch ausgedrückt - als ein Teil des göttlichen Lebensprozesses. Mit andern Worten: Gott wird offenbar im menschlichen Reflexionsakt Die Natur dieser Konzeption (Hypostasierung einer Eigenschaft) entspricht der Notwendigkeit des primitiven Denkens, eine annähernd abstrakte Vorstellung dadurch zu erzeugen, daß der abzusondernden Eigenschaft konkrete Sonderexistenz zugedacht wird. So wie der Heilige Geist ein Vermächtnis an den Menschen ist, so ist auch sein Begriff umgekehrt eine Geburt des Menschen und trägt die Züge des menschlichen Erzeugers. Wie Christus die Natur des körperlichen Menschen angenommen hat, so schließt der Heilige Geist unbemerkt den Menschen als geistige Potenz in das trinitarische Geheimnis ein und hebt dadurch die Trinität selber weit über die bloße Naturhaftigkeit der Triade hinaus, und damit über die platonische Dreiheit und ihre Einheit. Damit enthüllt sich die Trinität als ein Symbol, das göttliche und menschliche Wesenheit umgreift. Sie ist, wie K ö p g e n 13 sagt, »nicht nur eine Offenbarung Gottes, sondern auch des Menschen«. In der gnostischen Deutung des Heiligen Geistes als . Mutter liegt insofern ein wahrer Kern, als Maria das Werkzeug der Gottesgeburt war und damit als Mensch in das trinitarische Drama verflochten wurde. Die Gestalt der Gottesmutter kann daher als Symbol der essentiellen Anteilnahme der Menschheit an der Trinität gelten. Die psychologische Berechtigung dieser Annahme beruht auf dem Umstand, daR das Denken, das ursprüng13
G. K ö p g e n : Die Gnosis des Christentums 1939.
p. 194.
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lieh auf der Selbstoffenbarung des Unbewu.flten beruht, als Manifestation einer außerbewußten Instanz empfunden wird. Dem Primitiven stößt das Denken zu, und auch wir empfinden gewisse besonders erleuchtende Einfälle noch als »Einhauchungen« (Inspirationen). Werden aber Gedanken, insbesondere Urteile und Erkenntnisse durch unbewu.flte Tätigkeit dem Bewußtsein übermittelt, so wird hierzu oft merklich der Archetypus einer gewissen weiblichen Gestalt, nämlich der Anima, der Mutter-Geliebten, verwendet. Es erscheint dann, als ob die Inspiration von der Mutter oder der Geliebten, der »femme inspiratrice«, her erfolge. Daher hätte der Heilige Geist Neigung, sein Neutrum (ro 7WeUf.la) gegen ein Femininum umzutauschen. (Uebrigens ist das hebräische Wort für Geist »ruach « überwiegend F emininum.) Heiliger Geist und Logos verschwimmen im gnostischen Begriff der Sophia (Weisheit), wie in der »Sapientia« der mittelalterlichen Naturphilosophie, und von ihr heißt es: »ln gremio matris sedet sapientia patris« 14 • Diese psychologischen Beziehungen haben die Deutung des Heiligen Geistes als Mutter erleichtert, aber sie tragen zum Verständnis der Gestalt des Heiligen Geistes insofern nichts bei, als nicht einzusehen ist, wieso die Mutter das Dritte sein könnte, wo sie doch eher das Zweite wäre. Indem der Heilige Geist eine durch einen Reflexionsvorgang gesetzte Hypostase des »Lebendigen« ist, erscheint er, vermöge seiner ihm eigentümlichen Wesenheit, als ein gesondertes, ja inkommensurables Drittes, welches eben durch seine Eigenart bekundet, daß es weder ein KompromiR noch eine bloß triadische Hinzufügung ist, sondern vielmehr jene logisch nicht zu erwartende Spannungslösung zwischen Vater und Sohn. DaR es nun gerade ein menschlicher Reflexionsvorgang u »Im Schosse der Mutter ruht die Weisheit des Vaters.<
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ist, der irrationalerweise das vereinigende Dritte schafft, beruht auf der Natur des Erlösungsdramas, in welchem die Gottheit in den menschlichen Bereich hinuntersteigt, wodurch der Mensch seinerseits in den Bereich der Gottheit gelangt. Das Denken im Bannkreise der Trinität oder das trinitarische Denken ist insofern der Heilige Geist, als es sich dabei im Prinzip nie um blofle Ergrübelung, sondern um Ausdrucksverleihung an ein unübersehbares seelisches Geschehen handelt. Die darin sich auswirkenden Triebkräfte sind keine bewuflten Motive, sondern entspringen einem historischen Geschehen, das seinerseits in jenen dunkeln, seelischen Voraussetzungen wurzelt, die man kaum besser und kürzer formulieren könnte, als durch »Wandlung vom Vater zum Sohn«, von der Einheit zur Zweiheit, vom unreflektierten Zustand zur .Kritik. Insofern als beim trinitarischen Denken die persönlichen Motive fehlen, und dessen Triebkräfte unpersönlichen, kollektiven seelischen Zuständen entstammen, drückt es eine die persönlichen geistigen Bedürfnisse überragende Notwendigkeit der unberou/lfen Seele aus. Aus dieser ging, unter Beihilfe des menschlichen Denkens, das trinitarische Symbol hervor, welches bestimmt war, der der Zeitenwende entsp~echenden seelischen Wandlung als erlösende Ganzheitsformel zu dienen. Von jeher hat der Mensch die Aeuflerung einer von ihm nicht gewollten und veranlaBten Seelentätigkeit als dämonisch, göttlich oder als »heilig«, heilend und ganzmachend empfunden. In der Tat verhalten sich die Gottesvorstellungen, wie alle dem Unbewuflten entstammenden Bilder, kompensatorisch oder ergänzend zur jeweiligen Gesamtstimmung oder -haltung des Menschen, indem erst durch deren Hinzutreten eine seelische Ganzheit beim Menschen entsteht. Der »Nur-Bewufltseinsmensch«, resp. der »Ichmensch«, ist ein Fragment, insofern er abgesehen vom 393
Unbewuflten zu existieren scheint. Je mehr das Unbewuflte aber abgespalten ist, in desto kräftigeren Gestalten tritt es dann dem Bewußtsein gegenüber; wenn nicht in Form göttlicher Figuren, dann in der ungünstigeren Form der Besessenheitszustände (»Obsessionen«) und morbider Affekt~ 15 • Götter sind Personifikationen unbewuflter Inhalte, denn sie offenbaren sich selbst aus unbewuflter Seelentätigkeit 16 • Von dieser Art war das trinitarische Denken und seine leidenschaftliche Tiefe, welch letztere uns späte Nachfahren in ein naives Erstaunen versetzt. Vorderhand wissen wir nicht mehr oder noch nicht, welche Tiefen der Seele und bis zu 15 Im Abschnitt :.De exorcizandis obsessis a daemonio~ des Römischen Rituals werden die Besessenheitszustände ausdrücklich von Krankheitszuständen geschieden. Es heißt dort, daR der Exorzist jene Zeichen kennen soll, durch welche der Besessene (obsessus) sich von denen unterscheidet, »qui vel atra bile (Melancholie), vel morbo aliquo Iaborant«. Kriterien der Besessenheit sind: :oignota lingua loqui pluribus verbis vel loquentem intelligere; distantia et occulta patefacere; vires supra aetatis seu conditionis naturam ostendere et id genus alia«. Diese Kriterien sind im wesentlichen parapsychischer Natur. Der kirchliche Begriff der Besessenheit ist daher auf höchst seltene Fälle beschränkt, während ich diesen Begriff als Bezeichnung eines häufig vorkommenden psychischen Symptoms in viel weiterem Umfange gebrauche: jeder relativ autonome Komplex, der sich dem bewußten Willen nicht unterwirft, übt proportional seiner Selbständigkeit eine Obsession auf das Bewußtsein aus und beschränkt dessen Freiheit. Zur Frage der kirchlichen Unterscheidung von Krankheit und Obsession vergl. J o s. d e T o n q u e d e c : Les maladies nerveuses ou mentales et les manifestations diaboliques. Paris 1938. 16 Ich begegne immer wieder dem Mißverständnis, daß die psychologische Behandlung oder Erklärung Gott auf nichts als Psychologie reduziere. Es handelt sich aber gar nicht um Gott, sondern um Vorstellungen von Gott, wie ich immer betont habe. Es sind die Menschen, die solche Vorstellungen haben und sich solche Bilder machen, und dergleichen gehört eben zur Psychologie.
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welchem Ausmaße sie durch eine große Zeitenwende aufgewühlt werden. Darum scheint der Heilige Geist ausgeklungen zu sein, ohne daß er jene Antwort, welche seine an die Menschheit gerichtete Frage erforderte, gefunden hätte.
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Das Problem des Vierten 1. Die Idee einer Vierheit Der T i m a i o s , welcher zum erstenmal für das Gottesbild eine philosophische Dreieinigkeitsformel entworfen hat, beginnt mit der ominösen Frage: :.Eins, zwei, drei - aber der Vierte ... wo bleibt er uns ·denn?< Diese Frage nimmt bekanntlich F a u s t in der Kabirenszene auf: >Drei haben wir mitgenommen, Der Vierte wollte nicht kommen; Er sagte, er sei der Rechte, Der für sie alle dächte.« Wenn G o e t h e sagt, daß der Vierte derjenige sei, :.der für sie alle dächte<, haben wir den Verdacht, daß der Vierte das Go e t h es c h e Denken sei 1 • Die Kabiren sind recht eigentlich die geheimen Bildekräfte, die Heinzelmännchen, welche unterirdisch, d. h. subliminal, am Werke sind, uns glückliche »Einfälle< zu verschaffen, aber als Kobolde auch allerhand Schabernack spielen, indem sie einem Namen und Daten, die :.doch auf der Zunge liegen<, vorenthalten und unverwendbar machen. Sie besorgen all das, was das 1
>Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch.<
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Bewußtsein und die diesem disponibeln Funktionen nicht schon vorweggenommen haben. Da diese FlJ.nktionen nur darum vom Bewußtsein angewendet werden können, weil sie angepaßt sind, so folgt daraus, daß die unbewußte und daher autonome Funktion darum nicht vom Bewußtsein verwendet wird oder werden kann, weil sie unangepaßt ist. Man zieht begreiflicherweise . die differenzierten und differenzierbaren Funktionen vor und läßt die sog. minderwertige oder inferiore Funktion in der Ecke stehen oder verdrängt sie gar, weil sie zu peinlich unangepaßt ist. In der Tat hat sie stärkste Neigung, infantil, ordinär, primitiv und archaisch zu sein. Wer etwas auf sich hält, wird sich daher hüten, sich mit derartigem zu blamieren. Eine tiefere Einsicht dagegen kann nicht umhin, gerade in den primitiven und archaischen Momenten der inferioren Funktion bedeutsame symbolische Beziehungen und Bedeutungen zu erkennen und daher die Kabiren nicht als lächerliche Däumlinge zu verspotten, sondern vielmehr deren Schatz an geheimer Weisheit zu ahnen. Wie im ~Faust« der Vierte für alle andern denkt, so ist der Achte sogar »im Olymp zu erfragen«. Go e t h e hat die große Einsicht, seine eigene inferiore Funktion, eben das Denken, nicht zu unterschätzen, obschon sie in der Hand der Kabiren und daher unzweifelhaft mythologisch und archaisch ist. Der Vierte ist trefflich gekennzeichnet: »der Vierte wollte nicht kommen<. Er wollte irgendwo zurück oder unten bleiben 2 • Drei von den vier Orientierungsfunktionen stehen dem Bewußtsein zur Verfügung. Das stimmt mit der psychologischen Erfahrung, daß z. B. ein rationaler Typus, dessen am meisten differenzierte (superiore) Funktion das Denken (im Sinne von »lnte}Jekt«) ist, noch 2 Vergl. dazu die Lehre von der >minderwertigen Funktion< in: Psychologische Typen, 1920, p. 646.
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über eine oder meist zwei Auxiliärfunktionen irrationaler Natur verfügt, nämlich Empfindung (im Sinne von >fonction du reel<) und Intuition (im Sinne von >Wahrnehmung via Unbewußtes<). Seine inferiore Funktion ist dann das Gefühl (die Wertfunktion), welche sich in einem zurückgebliebenen, mit dem Unbewußten kontaminierten Zustand befindet. Es kommt nicht mit und geht oft erstaunlich eigene Wege. Diese eigenartige Spaltung ist, wie es scheint, eine Kulturerrungenschaft und bedeutet bereits eine Befreiung des Bewußtseins von allzu strenger Verhaftung an den Geist der Schwere. Wenn es jene Funktion, die noch unlösbar am Vergangenen und an den bis ins Tierreich zurückgreifenden nächtlichen Wurzeln 3 hinter sich zurücklassen und sogar vergessen kann, so hat es eine neue, nicht ganz illusionäre Freiheit gewonnen, mit beflügeltem Fuße Abgründe zu überspringen. Es kann sich von der Verhaftung an Sinneseindrücke, Emotionen, faszinose Gedanken und Ahnungen durch und in die Abstraktion befreien. Schon gewisse primitive Initiationen unterstreichen die Verwandlung in »Geister« und »Unsichtbare« und bekunden damit die relative Emanzipation des Bewußtseins aus den Fesseln der Nichtunterscheidung. Obschon ein propitiierender Ueberschwang, welcher nicht nur primitive Religionen kennzeichnet, gerne von völliger Verwandlung, von gänz• Vergl. den Hymnus des V a I e n t in u s (ca. 150): :.Ich sinne, wie alles vom Pneuma getragen ist: Fleisch an der Seele hangend, Seele von der Luft emporgehoben, Luft an dem Aether hangend, Früchte, welche die Tiefe trägt, Ein Kind, das aus dem Mutterschosse wächst.c: W. Sc h u I t z : Dokumente der Gnosis, 1910. p. XLVIII. Vergl. auch die rcpoaq;u~r:; -.;.,ux1 des I s i d o r o s : Er nahm an, daß der menschlichen Seele allerhand tierische Eigenschaften als >Zuwüchsec: anhaften-
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licher Erneuerung und Wiedergeburt spricht, so handelt es sich natürlich stets nur um eine relative Aenderung, welche den Zusammenhang mit dem FrühereniL hohem Maße wahrt. Wäre dem nicht so, so müßte jede religiöse Wandlung zu einer völligen Persönlichkeitsspaltung oder einem Erinnerungsverlust führen, was offenkundig nicht der Fall ist. Die Verbindung mit der früheren Einstellung wird dadurch aufrecht erhalten. daß ein: Teil der Persönlichkeit in der vorhergehenden Situation, d. h. in der Unbewußtheit stecken bleibt und von da an den Schatten bildet 4 • Im Bewußtsein macht sich der Ausfall dadurch bemerkbar, daß mindestens eine der vier Orientierungsfunktionen fehlt, und zwar jeweils die Gegenfunktion zur Superioren oder Hauptfunktion. Das »Fehlen< hat nicht immer die Form vollständiger Abwesenheit, d. h. die minderwertige Funktion ist entweder unbewußt oder sie ist bewußt, aber dann ist sie autonom und obsedierend und läßt sich vom Willen keineswegs beeinflussen. Sie hat den »all-or-nonec: Charakter der Instinkte. Obschon die Emanzipation vom Instinkt eine Differenzierung und Erhöhung des Bewußtseins bedeutet, so kommtsie doch nur zustande auf Kosten der unbewußten Funktion, und damit fehlt an der bewußten Orientierung jene Seite, welche von der »minderwertigen< Funktion hätte geliefert werden können. So kommt es, daß Menschen von erstaunlichem Bewußtseinsumfang über sich selber weniger Bescheid wissen als ein unmündiges Kind, und all dies darum: »der Vierte wollte nicht kommen« er blieb unten oder oben im Reiche des Unbewußten. Dem trinitarischen Denken des P I a t o n gegenüber dachte die alte griechische Philosophie quaternarisch. Bei P y t h a g o r a s spielt die große Rolle nicht die ' Vergl. dazu das alchemistische Symbol der umbra solis und die gnostische Idee von Christus natus non sine quadam umbra.
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Dreiheit, sondern die Vierheit, z. B. im sog. pythagoräischen Eid, wo es von der Vierzahl, der Tetraktys heißt, daß »sie die Wurzeln 5 der ewigen Natur habe«. Auch herrschte in der pythagoräischen Schule die Auffassung, daß die Seele nicht ein Dreieck, sondern ein Quadrat sei. Der Ursprung dieser Ansichten liegt irgendwo im Dunkel der Vorgeschichte des hellenischen Geistes. Die Quaternität ist ein Archetypus, der sozusagen universell vorkommt. Sie ist die logische Voraussetzung für jedes Ganzheitsurteil. Wenn man ein solches Urteil fällen will, so muß dieses einen vierfachen Aspekt haben. Wenn man z. B. die Ganzheit des Horizontes bezeichnen will, so nennt man die vier Himmelsrichtungen. Die Dreiheit ist kein natürliches Ordnungsschema, sondern ein künstliches. Darum sind es immer vier Elemente, vier primitive Qualitäten, vier Farben, vier Kasten in Indien, vier Wege im Sinne von geistiger Entwicklung im Buddhismus. Darum gibt es auch vier psychologische Aspekte der psychischen Orientierung, über die hinaus nichts Grundsätzliches mehr auszusagen ist. Wir müssen zur Orientierung eine Funktion haben, welche konstatiert, daß etwas ist, eine zweite, die feststellt, was das ist, eine dritte Funktion, die sagt, ob einem das paßt oder nicht, ob man es annehmen will oder nicht, und eine vierte Funktion, die angibt, woher es kommt und wohin es geht. Darüber hinaus läßt sich nichts mehr sagen. Bei Sc h o p e nhaue r findet sich der Nachweis, daß der Satz vom Grunde eine vierfache Wurzel habe. Dies darum, weil der vierfache Aspekt eben das Minimum der Vollständigkeit eines Urteils darstellt. Die ideale Vollständigkeit ist das Runde, der Kreis, aber seine natürliche minimale Einteilung ist die Vierheit. Wenn nun, was aber nicht der Fall ist, P I a t o n den • Die vier fu((Uf'-a'W. des E m p e d o k l e s.
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Begriff der christlichen Trinität 8 hätte, und darum seine Dreiheit über alles stellte, so müßte man einwenden, daß dies kein Ganzheitsurteil sein könne. Ein notwendiges Viertes wäre ausgelassen; oder, insofern P l a t o n das Dreiseitige für das Schöne und Gute hielte und ihm alle positiven Eigenschaften zuteilen würde, so hätte er ihm das Böse und Unvollkommene aberkannt. Wo ist dieses dann geblieben? Auf diese Frage antwortet die christliche Anschauung, daß das Böse eine privatio boni sei. Diese klassische Formel beraubt das Böse der absoluten Existenz und inacht es zu einem Schatten, der nur eine vom Licht abhängige, relative Existenz hat. Dem Guten dagegen wird Positivität und Substanz zugesprochen. Die psychologische Erfahrung zeigt, daß »Gut< und »Böse< das Gegensatzpaar eines sog. moralischen Urteils ist, welches als solches seinen Ursprung im Menschen hat. Ein Urteil kann bekanntlich nur gefällt werden, wenn sein inhaltliches Gegenstück ebenso real möglich ist. Einem scheinbar Bösen kann nur ein scheinbar Gutes gegenüberstehen, und ein substanzloses Böses kann sich nur von einem ebenso substanzlosen Guten abheben. Ein Seiendes steht zwar einem Nichtseienden gegenüber, aber niemals ein seiendes Gutes einem nichtseienden Bösen, denn letzteres ist eine contradictio in adjecto und formiert gegenüber dem seienden Guten eine Inkommensurabilität; denn ein nichtseiendes (negatives) Böses kann nur einem nichtseienden (negativen) Guten gegenübergestellt werden. Wenn also vom Bösen behauptet wird, es sei eine bloße privatio boni, so wird damit der Gegensatz Gut-Böse schlechthin geleugnet. Aber wie kann man dann überhaupt von »Gut< sprechen, wenn 8 Die Vierheit erscheint bei P I a t o n im Cubus, welcher der Erde zugeteilt ist. L ü B u W e : Frühling und Herbst. (Deutsch von R. Wilhelm, 1928, p. 38) sagt: >Des Himmels Weg ist rund, der Erde Weg ist eckig«.
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es kein )Böse< gibt? Wie von einem »Hell« ohne »Dunkel«, von einem »Üh'en« ohne »Unten«? Es bleibt schon unausweichlich, daß, wenn man dem Guten Substanz zuerteilt, man dem Bösen gegenüber dasselbe tun muß. Hat das Böse keine Substanz, so bleibt das Gute schattenhaft, denn es muß sich nirgends gegen einen substanzhaften Gegner verteidigen, sondern nur gegen einen Schatten, eine bloße privatio bmü. Eine solche Ansicht will schlecht zur beobachtbaren Wirklichkeit passen. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß bei ,dieser Auffassungsbildung apotropäische Tendenzen ihre Hand im Spiele haben, in der begreiflichen Absicht, das peinliche Problem des Bösen so optimistisch wie möglich zu erledigen. Es ist oft geradesogut, daß der Reiter nicht weiß, welcher Gefahr er entronnen ist, als er den gefrorenen See überschritt. Eine andere christliche Feststellung über das Böse besagt, daß es als Teufel oder Lucifer Persönlichkeit und Substanz habe. Es gibt eine Auffassung, welche dem Teufel bloß eine Art boshafter Koboldsnatur zuerkennt und ihn damit zu einem unbedeutenden Häuptling eines unbedeutenden Stammes von Waldschratten und Poltergeistern macht. Eine andere Auffassung gibt ihm mehr Würde, und zwar in dem Grade, in welchem sie ihn mit dem »Uebel« überhaupt identifiziert. Die Frage, inwiefern man das »Uebel.r mit dem »Bösen.r identifizieren darf, ist kontrovers. Die Kirche unterscheidet das physische U ebel vom moralischen. Ersteres könne von der göttlichen Vorsehung gewollt sein (z. B. zur Besserung des Menschen), letzteres hingegen nicht, denn die Sünde könne von Gott nicht einmal als Mittel gewollt sein. Es wird schwer halten, diese kirchliche Ansicht im konkreten Fall zu erwahrheiten, denn psychische und somatische Störungen sind »Uebel« und als Krankheiten moralisch sowohl wie physisch. Jedenfalls gibt es eine Ansicht, welche dafür hält, daß der Teufel zroar geschaf401
fen, aber autonom und eroig sei. Dazu ist er der Widerpart Christi, welcher durch die Infektion der ersten Eltern mit dem peccatum originale die Korruption der Schöpfung einleitete und die Inkarnation Gottes als Rettungswerk nötig machte. Dabei hat der Teufel frei nach eigenem Ermessen gehandelt, wie im Falle Hiobs, wo er sogar Gott zu überreden vermochte. Diese gewaltige Wirksamkeit des Teufels stimmt schlecht zu seiner ihm angedichteten Schattenexistenz als privatio boni, welch letztere, wie gesagt, des Euphemismus verdächtig ist. Der Teufel als autonome und ewige Person entspricht wohl eher seiner Rolle als Widerpart Christi und der psychologischen Wirklichkeit des Bösen. Wenn nun aber der Teufel die Macht hat, den Sinn der Schöpfung Gottes in Frage zu stellen, oder dieselbe gar zu verderben, und Gott ihn an dieser nefasten Tätigkeit nicht hindert, sondern es ganz auf den Entsc:;heid des notorisch dummen, unbewuRten und so leicht zu verführenden Menschen ankommen läßt, so muß der böse Geist trotz aller gegenteiligen Versicherung einen Faktor von geradezu unabsehbarer Potenz darstellen. Auf alle Fälle leuchtet einem der Dualismus der gnostischen Systeme ein, welche der wirklichen Bedeutung des Bösen gerecht zu werden suchen. Auch haben diese Systeme das allererste Verdienst, sich gründlich mit der Frage des rdn'Jev 1:0 xaxlw 7 beschäftigt zu haben. Die biblische Tradition läßt hier vieles im Dunkeln, und daR die alten Theologen es mit der Aufklärung hinsichtlich der Herrschaft des Bösen nicht besonders eilig ·hatten, ist nur zu verständlich. In einem Monotheismus kann nämlich alles Widergöttliche auf nichts anderes zurückgeführt werden, als auf Gott selber. Das ist zum mindesten anstößig und daher zu umgehen. Hier liegt der tiefere Grund, warum der Teufel, diese höchst ein7
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>Woher das Uebel?c:
flußreiche Instanz, im trinitarischen Kosmos keine richtige Unterkunft hat. Es ist nicht auszumachen, in welchem Verhältnis er zur Trinität steht. Als Widerpart Christi müßte er eine äquivalente Gegensatzposition einnehmen und ehenfalls ein »Gottessohn« sein 8 • Das würde direkt zu gewissen gnostischen Ansichten führen, nach denen der Teufel als Satanael 9 der erste Sohn Gottes, Christus aber der zweite war 10 • Eine andere logische Folge wäre die Aufhebung der Trinitätsformel und ihre Ersetzung durch eine Quaternität. Der Gedanke einer Quaternität der göttlichen Prinzipien wurde schon von den Vätern aufs heftigste hekämpft, als nämlich der Versuch gemacht wurde, das Wesen Gottes als Viertes den drei Personen beizuordnen. Dieser Widerstand gegen die Quaternität ist insofern etwas sonderbar, als das zentrale christliche Symbol, das Kreuz, unmißverständlich eine Quaternität ist. Es stellt aber allerdings das Leiden Gottes im unmittelbaren Zusammenstoß mit der Welt dar 11 • Der »Fürst dieser Welt« (princeps huius mundi, Joh. XII, 31. XIV, 30) ist bekanntlich der Teufel, welcher hier den Gottmenschen sogar überwältigt, obschon er damit, wie angenommen wird, seine eigene Niederlage in die Wege leitet und sich sein eigenes Grab gräbt. Christus ist nach alter Auffassung der »Köder am Angelhaken« (Kreuz), 8 Die Untersuchung von Dr. R. Schärf zeigt, daR Satan tatsächlich einer der Gottessöhne, allerdings im alttestamentlichen Sinne, ist. 0 Das Suffix -el bedeutet »Gott.:, also :.Satan-Gott«. 10 Mich a e I P s e ll u s : De Daemonibus, 1492', fol. NV v" ed. M. Ficinus. Siehe auch E p i p h an i u s : Panarium. Haer. XXX. 11 Vergl. dazu die Meditationen Pr z y war a' s über das Kreuz und dessen Verhältnis zu Gott in: Deus Semper Maior. Bd. I Zur altchristlichen Deutung vergl.: Acta S. Joannis, in Henne c k e: Neutestamentliche Apokryphen. p. 12'1.
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mit welchem Gott den >Leviathan« (Teufel) fängt 12 • Es ist daher bemerkenswert, daß das Kreuz, welches eben deu Zusammenstoß Christi mit dem Teufel darstellt und darum genau in der Mitte zwischen Himmel und Hölle errichtet ist, der Quaternität entspricht. Die Ikonologie des Mittelalters hat sich, die Spekulation über die ß.eodxxoc: (Gottesgebärerin) weiterspinnend, durch die Darstellungen der Krönung Mariens ein quaternäres Symbol zurechtgemacht 13 und es sozusagen sachte an die Stelle der Trinität geschoben. Die Assumptio Beatae Mariae Virginis bedeutet eine Aufnahme der Seele Mariens mit dem Körper und ist kirchlich zugelassene Lehre, die aber noch nicht dogmatisch fixiert ist 14• Christus ist zwar auch mit seinem Leibe aufgefahren, jedoch bedeutet dies insofern etwas anderes, als er Gott ist, was von Maria nicht gilt. In ihrem Fall wäre es noch viel mehr ein materieller Leib, nämlich ein zu Raum und Zeit gehöriges Wirklichkeitselement, als bei Christus 15• Seit Timaios bedeutet das Vierte> Verwirklichung« und damit Uebergang in einen 12 Hortus Deliciarum der Herrad von Landsperg. Vergl.: Psychologie und Alchemie, 1944. Abb. 28, p. 117. 13 Psychologie und Alchemie, 1944, p. 287 ff, und Psychologie und Religion, 1940, p. 127 ff. 14 Diese Lehre hat den Zustand der conclusio probabilis überschritten und befindet sich in dem der conclusio certa, welcher nur noch die definitio sollemnis fehlt. Es handelt sich bei der Assumptio um ein sog. revelatum implicitum, d. h. es ist nirgends explicite geoffenbart worden, sondern durch allmähliche Entwicklung als ursprünglicher Inhalt der Offenbarung klar geworden. (Siehe K. W i e d e r k e h r : Die leibliche Aufnahme der allerseligsten Jungfrau Maria in den Himmel. 1927.) Diese Auffassung bedeutet symbolgeschichtlich und psychologisch eine konsequente und logische Wiederherstellung der archetypischen Situation, in welcher der erhöhte Stand Mariae tatsächlich implicite geoffenbart ist und daher im Laufe der Zeit zur conclusio certissima werden muß. 15 Die Entrückung des Leibes Mariae hat zwar prinzipielle Bedeutung, ist aber nicht der erste Fall dieser Art:
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wesentlich anderen Zustand, nämlich in den der weltlichen Stofflichkeit, welche laut autoritärer Aussage dem princeps huius mundi unterworfen ist. Der Stoff ist nämlich der äußerste Gegensatz zum Geiste. Er ist recht eigentlich das Gehäuse des Teufels, welcher seine Hölle und sein Herdfeuer im Innern der Erde hat, während der helle Geist im Aether schwebt, befreit von den Fesseln der Schwere. Die Assumptio Mariae bedeutet nicht nur eine Vorbereitung zur Divinität 18 der Gottesgebärerin, sondern auch zur Quaternität. Zugleich wird der Stoff in den metaphysischen Bereich gerückt und mit ihm das korrumpierende Prinzip der Welt, das Böse. Man kann die Materie als ursprünglich rein und der Reinheit prinzipiell fähig erklären, womit aber die Tatsache, daß der Stoff zum Mindesten die Bestimmtheit der Gedanken Gottes darstellt und damit die Individuation mit allen ihren Folgen ermöglicht, nicht aus dem Wege geräumt ist. Der Widersacher ist daher, durchaus logisch, gewissermaßen als Seele des Stoffes gedacht, denn dieser wie jener stellt jenen Widerstand dar, ohne welchen die relative Autonomie einer Einzelexistenz schlechthin undenkbar ist. Das Anders- und Im-GegensatzWollen charakterisiert den Teufel, wie der Ungehorsam die Ursünde überhaupt. Wie schon gesagt, sind dies die Voraussetzungen für die Schöpfung überhaupt und sollten daher wohl im göttlichen Plan eingetragen und damit in den göttlichen Bereich eingeschlossen sein 17• Henoch und Elias wurden mit ihren Leibern entrückt, ebenso auferstanden viele Heilige aus ihren Gräbern, als Christus starb. 18 Man kann diese als stillschweigende conclusio probabilis auffassen, ebenso die Mariaverehrung als adoratio resp. 1CpOUXU!)Y}aer;. u Aehnlich drückt sich K ö p g e n aus: :.Das Wesen des Teufels ist der Haß gegen Gott; und diesen Haß läßt Gott zu. Zwei Dinge gibt es, die nur eine göttliche Allmacht möglich 22' jung: Symbolik des Geistes
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Die christliche Definition Gottes als summum honum aber schloß den Bösen von vornherein aus, wo er doch alttestamentlich noch einer der Gottessöhne gewesen war. So blieb der Teufel als simia Dei außerhalb der trinitarischen Ordnung und im Gegensatz zu dieser. Der Darstellung des dreieinigen Gottes mit drei Köpfen entsprach eine Tricephalität des Satans, wie sie z. B. bei D an t e erscheint. Damit ist, in Analogie zum Antichristen, eine infernale Antitrinität, eine wahre >>Umbra trinitatis«, angedeutet 18 • Der Teufel ist ohne Zweifel eine miRliehe Gestalt: Er steht irgendwie schief zur christlichen Weltordnung. Deshalb vermindert man seine Bedeutung gerne durch euphemistische Verkleinerung oder gar durch konsequentes Wegsehen von seiner Existenz; eher noch schreibt man ihn auf das Schuldkonto des Menschen; und zwar geschieht dies von Leuten, die gewaltig protestieren würden, wenn der sündige Mensch sich den Ursprung alles Guten ehenfalls zulegen wollte. Ein Blick auf die heiligen Texte aber genügt, um uns die Wichtigkeit des Teufels im göttlichen Erlösungsdrama zu zeigen 19 • Wäre die Macht des Bösen so gering gewesen, wie es gewisse Meinungen wollen erscheinen lassen, so hätte die Welt macht: den Haf! Satans und die Existenz des menschlichen Individuums. Beide sind in ihrem Wesen völlig undurchsichtig. Undurchsichtig ist aber auch ihr Verhältnis zu Gott.> (Gnosis des Christentums, 1939, p. 185.) 18 Wie lebendig eingefleischt dergleichen Vorstellungen sind, zeigt z. B. der Titel eines modernen Buches: T h. S o s n o s k i : Die rote Dreifaltigkeit. Jakobiner und Bolscheviken. Einsiedeln 1931. 19 K ö p g e n s Auffassungen stehen den meinigen in gewisser Hinsicht nicht allzufern. So sagt er z. B., daf! der Satan »gleichsam als Kraft Gottes wirke«. »Im Geheimnis des dreipersönlichen Gottes erschließt sich eine neue göttliche Freiheit in ihren Wesenstiefen, die auch den Gedanken an einen persönlichen Teufel neben und gegen Gott möglich macht.« (Gnosis des Christentums, 1939, p. 186.)
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des Herabkommens der Gottheit selber nicht bedurft, oder es läge dann in der Macht der Menschen, die Welt gut zu machen, was bis jetzt aber noch nicht geschehen ist. Was immer die metaphysische Stellung des Teufels sein mag, in der psychologischen Wirklichkeit bedeutet das Böse eine wirksame, ja sogar bedrohliche Beschränkung des Guten, so daß nicht zu viel gesagt ist, wenn man annimmt, daß in dieser Welt nicht nur Tag und Nacht, sondern auch gut und böse sich mehr oder weniger die Waage halten, und daß dies der Grund sei, warum der Sieg des Guten immer einen besonderen Gnadenakt bedeutet. Wenn wir vom eigenartigen persischen Dualismus absehen, so gibt es in der Frühzeit der geistigen Menschheitsentwicklung noch keinen richtigen Teufel. Im alten Testament gibt es einen Ansatz dazu in der Gestalt Satans. Der eigentliche Teufel aber erscheint erst als Widerpart Christi 20 , und damit wird einerseits die Lichtwelt Gottes und andererseits der Höllenabgrund offenbar. Der Teufel ist autonom, er kann der Herrschaft Gottes nicht unterworfen sein, denn sonst vermöchte er nicht der Widerpart Christi zu sein, sondern wäre nur eine Maschine Gottes. Insofern das Eine, Unbestimmbare sich zur Zweiheit entfaltet, wird es ein Bestimmtes, nämlich dieser Mensch Jesus, der Sohn und der Logos. Diese Aussage ist nur möglich mittels eines Anderen, das nicht Jesus, nicht Sohn oder Logos ist. Der Liebestat im Sohne steht die luciferische Verneinung gegenüber. 20 Da Satan ein Gottessohn ist und Christus ebenfalls, so wird ersichtlich, daR es sich hier um den Archetypus der zwei Brüder, in diesem Fall der feindlichen, handelt. Die alttestamentliche Präfiguration dazu wäre Kain und Abel und deren Opfer. Kain ist luciferisch vermöge seiner rebellischen Fortschrittlichkeit. Abel aber ist der fromme Hirt. Auf alle Fälle hat Jahwe die vegetarische Richtung nicht ermutigt.
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Insofern der Teufel von Gott geschaffen war als ein Engel, der »wie ein Blitz vom Himmel fiele:, ist er ebenfalls aus der Gottheit hervorgegangen und ist zum ,Herrn dieser Weltc: geworden. Es ist auch bezeichnend, daß die Gnostiker ihn bald durch den unvollkommenen Demiurgen, bald· durch den saturnischen Archon, den Jaldabaoth, ausdrückten. Die bildliehen Darstellungen dieses Archon entsprechen in ihren Einzelheiten durchaus denen eines teuflischen Dämons. Er stellte die Macht der Finsternis dar, von welcher die Menschheit zu erlösen der Christus gekommen war. Auch die Archonten sind aus dem Schoße des unerkennbaren Abgrundes hervorgegangen, d. h. aus der gleichen Quelle, aus welcher der gnostische Christus hervorging. Ein mittelalterlicher Denker hat bemerkt, daß, als Gott am zweiten Schöpfungstag die oberen Wasser von den unteren schied, er am Abend nicht sagte, wie an allen andern Tagen, daß es gut war. Und zwar darum nicht, weil Gott am zweiten Tag den Binarius, die Zweizahl, den Ursprung des Bösen, geschaffen hätte 21 • Diese Ueberlegung finden wir ähnlich in einem persischen Bericht wieder, wo der Ursprung Ahrimans auf einen Zweifelsgedanken Ahuramazdas zurückgeführt wird. Ein nicht-trinitarisches Denken kann sich daher der Logik des folgenden Schemas wohl schwerlich entziehen: Pater
Filius
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Diabolus
Siehe: Psychologie und Religion, 1940, p. 110.
Es ist daher nicht merkwürdig, daß wir der Antichristusidee schon so früh begegnen. Sie dürfte einerseits mit der astrologischen Synchronizität des anbrechenden Fischezeitalters, andererseits aber auch mit der zunehmenden Realisierung der durch den Sohn gesetzten Zroeiheit zusammenhängen, welche ihrerseits wieder im Fischsymbol präfiguriert ist: )-( 22 , nämlich in den zwei Fischen, die durch eine commissura verbunden, in entgegengesetzter Richtung sich bewegen 23 • Es wäre verkehrt, hier an irgendwelche kausalistische Konstruktionen zu denken. Es handelt sich vielmehr um vorbewuRte, präformierte Zusammenhänge der Archetypen unter sich, deren Andeutungen man auch bei andern Konstellationen und ganz besonders in der Mythenbildung begegnet. In unserem Diagramm erscheinen Christus und der Teufel als äquivalente Gegensätze, welche durch die ) Widerparü-Idee angedeutet sind. Dieser Gegensatz stellt einen Konflikt zum Aeußersten dar, und damit auch eine säkulare Aufgabe für die Menschheit bis zu dem Zeitpunkt, oder bis zu jener Zeitwende, wo Gut und Böse anfangen sich zu relativieren, sich selbst zu bezweifeln, und wo sich ein Ruf erhebt nach einem »Jenseits von Gut und Böse«. Im christlichen Zeitalter aber, d. h. im Reiche des trinitarischen Denkens, ist eine solche Ueberlegung schlechthin ausgeschlossen; denn der Konflikt ist zu heftig, als daR dem Bösen irgend eine andere logische Relation zur Trinität eingeräumt werden könnte, als die des absoluten Gegensatzes. In einem affektiven Gegensatz, d. h. in einem Konflikt, 22 Astrologische Bezugnahme ist für das Altertum nichts Auf!ergewöhnliches. 23 Dieses ist der Fall im Symbol der Pisces. In der astronomischen Konstellation ist der eine Fisch, der zeitlich ungefähr dem ersten christlichen Jahrtausend entspricht, vertikal, der zweite jedoch horizontal.
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können Thesis und Antithesis nicht zusammen geschaut werden. Das ist erst kühlerer Ueherlegung vom relativen Wert des Guten und vom relativen Unwert des Bösen möglich. Dann allerdings ist es nicht mehr zweifelhaft, daß ein gemeinsames Lehen nicht nur vom Vater und dem lichten Sohne, sondern auch vom Vater und dem dunkeln Geschöpf geatmet wird. Der unsägliche Konflikt, der durch die Zweiheit gesetzt wird, löst sich in einem vierten Prinzip, welches die Einheit des ersten in seiner völligen Entfaltung wieder herstellt. Der Rhythmus ist dann ein Dreischritt, das Symbol aber eine Quaternitiit. Pater
Filius
~ I
V
Diabolus
/
Spiritus
Der religiösen Spekulation ist der zweifache Aspekt des Vaters keineswegs unbekannt 24 • Das zeigt z. B. die Alle21 Die Gegensatznatur Gottes drückt sich auch in seiner Mannweiblichkeit aus. P r i s c i 11 i an u s nennt ihn darum masculofoemina, begründet durch Gen. I, 27.
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gorie des Monoceros, das die Zornmütigkeif Jehovas darstellt. Wie dieses reizbare Tier habe er die Welt in Unordnung gebracht und habe sich erst im Schofle der reinen Jungfrau zur Liebe gewandelt 25 • Lu t her kannte einen deus absconditus. Mord und Totschlag, Krieg, Krankheit und Verbrechen und jegliche Scheußlichkeit fällt in die Einheit der Gottheit. Wenn Gott sein Wesen offenbart und ein Bestimmtes wird, nämlich ein bestimmter Mensch, dann müHten seine Gegensätze auseinanderfallen: Hier das Gute und dort das Böse. So sind die in der Gottheit latenten Gegensätze in der Erzeugung ·des Sohnes auseinandergefallen und haben sich im Gegensatz Christus-Teufel manifestiert. Der persische Gegensatz Ormuzd-Ahriman dürfte dabei als sous-entendu zugrunde gelegen haben. Die Welt des Sohnes ist die Welt des moralischen Zwiespaltes, ohne welchen das menschliche Bewußtsein kaum jenen Fortschritt der geistigen Differenzierung zustande gebracht hätte, den es tatsächlich gemacht hat. DaR man heute von diesem Fortschritt nicht restlos begeistert ist, zeigt sich allbereits an den Zweifelsanfällen des modernen Bewußtseins. Der christliche Mensch ist der moralisch leidende Mensch, der trotz seiner potentiellen Erlöstheit in seinem Leid des Trösters, des Parakleten, bedarf. Der Mensch kann den Konflikt aus eigener Kraft nicht überwinden, wie er ihn ja auch nicht erfunden hat. Er ist auf die göttliche Tröstung und Versöhnung angewiesen, d. h. auf die spontane Offenbarung jenes Geistes, der menschlichem Willen nicht gehorcht, sondern kommt und geht, wie Er will. Jener Geist ist ein autonomes seelisches Geschehen, eine Stillung nach dem Sturm, ein versöhnendes Licht in den Finsternissen des menschlichen Verstandes und die geheime Ordnung unseres 25
Vergl.: Psychologie und Alchemie, 1944 p. 589 ff.
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seelischen Chaos. Der Heilige Geist ist ein Tröster wie der Vater, ein stilles, ewiges und abgründiges Eines, in welchem die Liehe und der Schrecken Gottes zur wortlosen Einheit zusammengeschmolzen sind. Und eben darin wird der V rsinn der noch sinnlosen Vaterwelt im Raume menschlicher Erfahrung und Reflexion wieder hergestellt. Der Heilige Geist ist in einer quaternarischen Anschauung eine Versöhnung der Gegensätze und damit die Antwort auf jenes Leiden in der Gottheit, das Christus personifiziert. · Die pythagoräische Quaternität war noch eine Naturtatsache, eine archetypische Anschauungsform, aber kein moralisches Problem. geschweige denn ein göttliches Drama. Darum ist sü~ ~untergegangene:. Sie war eine bloß natürliche und darum unreflektierte Anschauung des naturgebundenen Geistes. Die Trennung, welche das Christentum zwischen Natur und Geist aufgerissen hat, befähigte den menschlichen Geist nicht nur jenseits der, sondern auch gegen die Natur zu denken und damit seine - ich möchte sagen - göttliche Freiheit zu erweisen. Dieser Aufschwung aus der Dunkelheit der Naturtiefen gipfelt im trinitarischen Denken, das sich in einem platonischen, hyperuranischen Reiche bewegt. Zu Recht oder Unrecht blieb aber die Frage nach dem Vierten bestehen. Er ist nämlich ~unten« gehliehen als häretische Quaternitätsvorstellung oder als naturphilosophische Spekulation der Hermetik. In diesem Zusammenhang möchte ich an den Frankfurter Arzt und Alchemisten G e r a r d u s D o r n e u s erinnern, welcher an der in seiner Kunst seit alters überlieferten Quaternität der Grundprinzipien sowohl wie des Endzieles, des Lapis Philosophorum, Anstoß nahm. Es ist ihm aufgefallen, daß sie eigentlich eine Häresie sei, da doch das weltbeherrschende Prinzip eine Trinität darstelle. Die Quaternität müsse vom .Teufel
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stammen 28 • Die Vier sei nämlich das Doppelte von Zwei, und die Zwei s'ei am zweiten Schöpfungstag geschaffen worden, mit dessen Resultat Gott am Abend offenbar nicht ganz zufrieden gewesen sei. Der Binarius ist der Zwiespaltsteufel und zugleich auch das Weibliche. (Die geraden Zahlen sind im Osten wie im Westen weiblich.) Das Unerfreuliche des zweiten Schöpfungstages bestand darin, daß sich an diesem ominösen Tage, ähnlich wie bei Ahuramazda, ein Zwiespalt in der Natur des Vaters zeigte, aus welchem die Schlange, der >quadricornutus serpens< hervorging, der allsogleich die ihm vermöge des Binarinswesens verwandte Eva verführte. (> Vir a Deo creatur, mulier a simia Dei.<) Der Teufel ist der Affe und nachahmende Schatten Gottes, das aJJ7:lp.'f..lOIJ 11:1JeÜp.a (der nachahmende Geist) im Gnostizismus und in der griechischen Alchemie. Er ist aber der >Herr dieser Welt<, in dessen Schatten der Mensch geboren und von der durch diesen veranlaßten Erbsünde verderblich belastet ist. Christus hat, nach gnostischer Ansicht, den Schatten, mit dem er geboren, von sich abgestoßen und ist ohne Sünde geblieben. Mit seiner Sündlosigkeit bekundet er eigentlich seine Unvermischtheit mit der Dunkelwelt des naturgebundenen Menschen, welche dieser vergeblich abzuschütteln versucht. (>Uns bleibt ein Erdenrest zu tragen peinlich< usw.) Der Zusammenhang mit der Physis, der Stoffwelt und ihrem Verlangen ist die Ursache für die Zwitterstellung des Menschen, der einerseits wohl die Fähigkeit der Erleuchtung hätte, andererseits aber dem Herrn dieser Welt unterworfen ist. (>Ich elender Mensch, wer erlöst mich vom Leibe dieses Todes?«) Christus dagegen lebt vermöge seiner Sündlosigkeit im platonischen Reiche der reinen Idee, wohin nur das 28
Näheres hiezu in: Psychologie und Religion, 1940, p.
110 ff.
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Denken des Menschen gelangen kann, nicht aber er selber in seiner Ganzheit. Der Mensch ist recht eigentlich die Brücke, welche den Abgrund zwischen »dieser Welt«, dem Reiche des dunkeln Tricephalus und der himmlischen Trinität überspannt. Darum gab es immer, auch in der Zeit des unbedingten Trinitätsglaubens, ein Suchen nach dem verlorenen Vierten, von den griechischen Neupythagoräern bis zu Go e t h es Faust. Obschon sich diese Sucher für Christen hielten, waren sie doch Nebenchristen, indem sie ihr Leben einem Opus widmeten, welches die Erlösung jenes serpens quadricornutus, jener in den Stoff verstrickten anima mundi, jenes gefallenen Lucifer, zum Ziele hatte. Was für sie in der Materie verborgen lag, war das Iumen luminum, die sapientia Dei, und ihr Werk war ein »Geschenk des Heiligen Geistes«. Unsere Quaternitätsformel gibt ihrem Anspruch Recht, denn der Heilige Geist als Synthesis des ursprünglich Einen und dann Zerspaltenen, erflieflt aus einer lichten und einer dunkeln Quelle. »Denn an dem Einklang der Weisheit sind beteiligt rechte und linke Kräfte«, heiflt es in den »Erinnerungen des heiligen Johannes«. Es wird dem Leser aufgefallen sein, dafl in unserem Quaternitätsschema zwei Entsprechungen einander durchkreuzen, nämlich einerseits die Gegensatzidentität von Christus und dessen Widerpart, andererseits die Entfaltung der Einheit des Vaters im Vielfachen des Heiligen Geistes. Das auf diese Weise entstehende Kreuz ist das Symbol des menschheitserlösenden Leidens der Gottheit. Dieses Leiden hätte nicht stattfinden und an nichts seine Wirkung dartun können, wenn nicht eine Gott entgegenstehende Macht, eben »diese Welt« und ihr »Herr« vorhanden wären. Das Quaternitätsschema anerkennt dieses Vorhandensein als eine unleugbare Gegebenheit, indem es dem trinitarischen Denken die Fessel der Wirklichkeit dieser Welt anlegt. 414
Die platonische Freiheit des Geistes ermöglicht eben kein Ganzheitsurteil, sondern reißt den lichten Teil des göttlichen Gemäldes von der dunkeln Hälfte los. Diese Freiheit ist zum guten Teil ein Kulturphänomen und die edlere Beschäftigung jenes glücklichen Atheners, dem es beschieden war, kein Helot zu sein. Ueber die Natur sich erheben kann nur der, für den ein anderer die Erdenschwere trägt. Wie hätte wohl P l a t o n philosophiert, wenn er sein eigener Haussklave gewesen wäre? Was hätte der Rabbi Jesus gelehrt, wenn er Frau und Kinder hätte erhalten müssen? Wenn er den Acker, auf dem das Brot wuchs, das er brach, hätte bestellen und den Weinberg, in welchem der Wein reifte, den er spendete, hätte jäten müssen? Zum Bild des Ganzen gehört die dunkle Schwere der Erde. In »dieser Welt« fehlt an keinem Guten ein Böses, an keinem Tag eine Nacht, an keinem Sommer ein Winter. Aber dem Kulturmenschen fehlt vielleicht der Winter, denn er kann sich gegen die Kälte schützen; der Schmutz, denn er kann sich baden; die Sünde, denn er kann sich klugerweise von andern Menschen absondern und dadurch manche böse Gelegenheit vermeiden. Er kann sich gut und rein vorkommen, weil ihn die Not nicht eines andern belehrt. Der Naturmensch dagegen hat eine Ganzheit, die man bewundern könnte. Aber es ist eigentlich nichts Bewundernswertes daran. Es ist die ewige Unbewui!theit, Sumpf und Schmutz. Wenn aber Gott als Mensch geboren werden und die Menschheit in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes sich vereinigen will, so leidet er die furchtbare Qual, die Welt in ihrer Realität tragen zu müssen. Es ist eine Crux, ja er ist sich selber ein Kreuz. Die Welt ist das Leiden Gottes, und jeder einzelne Mensch, der auch nur annähernd seine eigene Ganzheit sein möchte, weiß genau, daR sie eine Kreuztragung bedeutet. Diese Gedanken sind in rührender Schönheit und 415
Einfachheit in jenem Negerfilm Green Fastures ausgedrückt worden: Gott hatte viele Jahre die Welt mit Fluchen, Donnern, Blitzen und Ersäufen regiert, und nie wollte es geraten. Schließlich sah er ein, daß er wohl selber Mensch werden müsse, um an die Wurzel des U ebels zu gelangen. Dieser Mensch gewordene Gott hat, nachdem er das Leid der Welt erfahren, einen Tröster hinterlassen, die dritte Person der Trinität, damit er noch vielen Einzelnen einwohne und zwar solchen, die keineswegs der Prärogative oder der Möglichkeit der Sündlosigkeit sich erfreuen. Im Parakleten nähert sich Gott daher, noch mehr als im Sohne, dem roirklichen Menschen und seiner Finsternis an. Der lichte Gott beschreitet die Brücke Mensch von der Tagseite, der Schatten Gottes aber von der Nachtseite. Wer wird entscheiden in diesem furchtbaren Dilemma, das mit nie gekannten Schauern und Trunkenheiten das armselige Gefäß zu zersprengen droht? Es wird wohl die Offenbarung eines Heiligen Geistes aus dem Menschen selber sein. Wie einst der Mensch aus Gott offenbar wurde, so mag, wenn der Ring sich schließt, Gott auch aus dem Menschen offenbar werden. Da aber in dieser Welt bei jedem Guten ein Böses steht, so wird das antimirnon pneuma im Menschen aus der Einwohnung des Parakleten eine menschliche Selbstvergottung machen und eine Inflation der Selbstanmaßung erzeugen, deren Vorspiel sich im Falle Niet z s c h es schon deut1ich abzeichnete. Je unbewußter sich das religiöse Problem der Zukunft stellt, desto größer ist die Gefahr, daß der Mensch den Gotteskeim in sich zu einer lächerlichen oder dämonischen Selbstaufblähung mißbrauchen wird, anstatt sich bewußt zu bleiben, nicht mehr als der Stall zu sein, in dem der Herr geboren wird. Wir werden auch auf dem höchsten Gipfel nie jenseits von Gut und Böse sein und je mehr wir von der unentwirrbaren Verflechtung von 416
Gut und Böse erfahren, desto unsicherer und verwirrter wird unser moralisches Urteil werden. Dabei wird es gar nichts nützen, das moralische Kriterium zum alten Eisen zu werfen und »neue Tafeln aufzurichten4: (nach bekannten Mustern); denn wie hisher wird sich auch in alle Zukunft hinaus getanes, beabsichtigtes und gedachtes Unrecht an unserer Seele rächen, unbekümmert darum, ob sich die Welt für uns umgedreht hat oder nicht. Unser Wissen um Gut und Böse hat sich mit steigender Erkenntnis und Erfahrung vermindert und wird sich in Zukunft noch viel mehr vermindern, ohne daß wir uns der ethischen Forderung entledigen könnten. In dieser äußersten Unsicherheit bedürfen wir der Erleuchtung aus einem heiligen und ganzmachenden Geiste, der alles andere sein kann, nur nicht gerade unser Verstand.
2. Die Psychologie der Quaternität Man kann, wie ich im vorangegangenen Kapitel gezeigt habe, das Problem des Vierten zu Ende denken, ohne sich der religiösen Sprache dabei entäußern zu müssen. Die Ergänzung der Trinität zu einer Quaternität kann projiziert an metaphysischen Figuren dargestellt werden. Die Darstellung gewinnt dadurch an Plastizität. Diese Aussagen aber können und müssensogar aus wissenschaftlichen Gründen - auf den Menschen und seine Psychologie reduziert werden, denn es sind menschliche Geistesprodukte, denen man keine metaphysische Gültigkeit anmaßen darf. Es sind in erster Linie Projektionen von psychischen Vorgängen, von welchen man allerdings nicht weiß, was sie »an sich« sind, d. h. wenn sie in einem unbewußten, dem Menschen unzugänglichen Bereiche existieren. Jedenfalls darf sie die Wissenschaft nicht behandeln, als ob sie
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etwas anderes als Projektionen wären, sonst gibt sie ihre Selbständigkeit auf. Da es sich nicht um die Phantasien eines Einzelnen handelt, sondern um eine kollektive Erscheinung, wenigstens insoweit die Trinität in Betracht kommt, so muß man annehmen, daß die Entwicklung der Dreieinigkeitsidee einen säkularen Kollektivvorgang darstellt, nämlich eine Bewußt~einsdif ferenzierung, die sich über Jahrtausende erstreckt. Wenn man das Trinitätssymbol psychologisch deuten will, so muß man vom Individuum ausgehen und das Symbol als einen individuellen Ausdruck, z. B. wie eine Traum-vorstellung, ansehen. Dieses Vorgehen ist insofern möglich, als auch eine Kollektivvorstellung einmal von einzelnen Individuen ausgegangen ist und überdies immer nur von Individuen >gehabt« wird. Man kann die Trinität um so leichter wie einen Traum behandeln, als ihr Leben ein Drama darstellt, wie jeder einigermaßen entwickelte Traum. Der Vater bedeutet im allgemeinen den früheren Bewußtseinszustand, in welchem man noch Kind ist, d. h. abhängig von einer bestimmten, vorgefundenen Lebensform, einem Habitus, der Gesetzescharakter hat. Es ist ein hingenommener, unreflektierter Zustand, ein bloßes Wissen um ein Gegebenes ohne intellektuelles oder moralisches Urteil 27 • Dies gilt individuell wie kollektiv. Verschiebt sich der Akzent auf den Sohn, so änderi sich das Bild. Auf individuellem Niveau tritt die Aenderung in der Regel dann ein, wenn der Sohn sich anschickt, an die Stelle des Vaters zu treten. Es kann dies nach archaischem Muster durch einen quasi-Vatermord geschehen, d. h. durch gewaltsame Identifikation mit dem Vater mit nachfolgender Beiseiteschiebung desselben. Das ist aber kein Fortschritt, sondern ein Bei27 Jahwe nähert sich alttestamentlich erst im späten Hiob der moralischen Problematik.
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behalten des ursprünglichen Habitus und daher von keiner Bewußtseinsdifferenzierung gefolgt. Es hat keine Loslösung vom Vater stattgefunden. Die legitime Lösung besteht in einer bewußten Unterscheidung vom Vater und dem von ihm repräsentierten Habitus. Dazu ist ein gewisses MaR an Erkenntnis der eigenen Individualität erforderlich, zu welcher man ohne moralische Entscheidung nicht gelangen und welche man ohne ein gewisses Verständnis des Sinnes nicht festhalten kann 28 • Der Habitus wird ersetzt durch eine bewußt gewählte und erworbene Lebensform. Das durch den »Sohn« charakterisierte Christentum drängt daher den Einzelnen zur Entscheidung und zur Reflexion, was besonders von jenen Kirchenvätern (wie z. B. J u s t i n u s M a r t y r 29 ), welche gegenüber dem Zwang (dvdrx)]) und dem Nichtwissen (arvow) diesman},u}] (das Verstehen) betonten, empfunden wurde. Dieselbe Tendenz manifestiert sich in der neutestamentlichen Auseinandersetzung mit der jüdischen Gesetzesgerechtigkeit, welche ausschlieflIich den Habitus repräsentiert. Die dritte Stufe endlich weist über den »Sohn« hinaus in die Zukunft, auf eine fortdauernde Verwirklichung des »Geistes«, nämlich einer dem »Vater« und dem »Sohne« eigentümlichen Lebendigkeit, welche die 28 G. K ö p g e n (Gnosis des Christentums p. 231) bezeichnet daher mit Recht Jesus als den ersten autonomen Menschen. 29 Apologia li: » ••• ut ne necessitatis et ignorantiae liberi permaneamus, sed delectus et scientiae«. C I e m e n s v o n AI e x an d r i a (Stromat. I, 9) sagt: ~Wie soll nicht die intelligibeln Dinge philosophierend erfassen, wer der Kraft Gottes teilhaftig zu werden verlangt.« li, 4: »Die Erkenntnis also wird gläubig und der Glaube erkenntnismäi!ig nach gegenseitiger göttlicher Folgerichtigkeit.« VII, 10: »(Durch die Gnosis) wird der Glaube vollendet, da durch sie allein der Gläubige vollendet wird.« »Die Erkenntnis aber (ist) eine feste und sichere Erweisung des durch den Glauben Aufgenommenen..:
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nachfolgenden Bewußtseinszustände auf dasselbe Niveau der Selbständigkeit erhebt, wie das des »Vaters< und des »Sohnes«. Diese Erstreckung der filiatio, resp. der Gotteskindschaft auf den Menschen stellt die metaphysische Projektion der psychischen Veränderung dar. Der »Sohn« nämlich ist ein Uebergang, ein intermediärer Zustand, einesteils noch Kind, andernteils schon erwachsen. Der »Sohn« ist vorübergehend, und dank dieser Tatsache sterben die Sohngötter einen frühen Tod. »Sohn« bedeutet den Uebergang von einem dauerhaften Anfangszustand, genannt »Vater« und »auctor rerum«, zu dem eigenen Vater-sein. Letzteres will bedeuten, daß er den zeugenden Geist des Lebens, den er selbst empfangen und aus dem er selber gezeugt wurde, seinen Kindern mitteilen wird. Auf das Niveau des Individuums 'reduziert lautet dieses Symbol folgendermaßen: Der unreflektierte, bloß wahrgenommene Zustand, genannt »Vater«, verwandelt sich in den reflektierten und rationalen Bewußtseinszustand, genannt »Sohn«. Dieser Zustand steht nicht nur im Gegensatz zum immer noch vorhandenen früheren, sondern enthält auch, vermöge seiner rationalen und bewußten Natur, viele Spaltungsmöglichkeiten. Die vermehrte Diskrimination erzeugt Gegensätzlichkeiten, die früher unbewußt waren, jetzt aber unumgänglich sind, da ohne klare Erkenntnis derselben keine wirklichen moralischen Entscheidungen gefällt werden können. Der Zustand des »Sohnes« ist daher ein Konfliktzustand par excellence: die Wahl der möglichen Wege ist von ebensovielen Abwegen bedroht. Die »Freiheit vom Gesetze« bringt eine Verschärfung der Gegensätze, insbesondere des moralischen Gegensatzes. Der Crucifixus zwischen den beiden Schächern ist hiefür ein sprechendes Symbol. Das vorbildhafte Leben des Christus stellt an sich einen Transitus dar und bedeutet daher soviel wie Brücke und Wandlung zu der dritten Phase, wo 420
in einem gewissen Sinne der väterliche Anfangszustand wiederhergestellt roird. Wäre letzterer eine bloRe Wiederholung der ersten Phase, so würden die Errungenschaften der zweiten Phase, nämlich Vernunft und Reflexion verlorengehen und einer erneuerten quasi-BewuRtheit irrationaler und unreflektierter Natur Platz machen. Soll dies nicht geschehen, so müssen die Werte der zweiten Phase festgehalten werden, d. h. Vernunft und Reflexion müssen erhalten bleiben. Das durch die Verselbständigung des Sohnes neu gewonnene BewuRtsein bleibt in der dritten Phase bestehen, muR aber anerkennen, daR nicht es die Quelle der letzthinigen Entscheidungen und der ausschlaggebenden Erkenntnisse, nämlich dessen, was man mit Fug und Recht als rvwacc;: 30 bezeichnen kann, ist, sondern eine als inspirierend zu bezeichnende Instanz, welche in der Projektion »Heiliger Geist« genannt wird. Auf psychologischem Niveau entstammt die :»Inspiration«, d. h. die »Einhauchung«, einer unbewuRten Funktion. Der naiven Einstellung erscheint das Agens der Inspiration als eine »Intelligenz«, welche dem BewuRtsein bei- oder sogar übergeordnet ist; denn nicht selten ist ein Einfall soviel wie ein rettender deus ex machina. Der Fortschritt der dritten Phase bedeutet daher etwas wie eine Anerkennung des UnbewuRten, wenn nicht gar eine Unterordnung unter dasselbe 31. Die Erwachsenheit ist dann erreicht, wenn der Sohn seinen eigenen Kindheitszustand dadurch wieder herstellt, daR er sich einer väterlichen Autorität unterwirft, entweder Gnosis, nicht zu verwechseln mit Gnostizismus! Die Unterwerfung an irgend eine metaphysische Instanz ist, psychologisch gesehen, eine Unterwerfung an das Unbewuf!te. Es gibt keine wissenschaftlichen Kriterien, nach denen sog. metaphysische Faktoren von psychischen unterschieden werden könnten. Das bedeutet aber keineswegs, daf! die Psychologie die Existenz metaphysischer Faktoren leugnet. 30 31
28 jung: Symbolik des Geistes
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in psychologischer Form, oder faktisch, in projizierter Form, indem er z. B. die Autorität der kirchlichen Lehre anerkennt. Diese Autorität kann natürlich auch durch alle möglichen Surrogate ersetzt sein, was nur beweist, daß der Uebergang in die dritte Phase von ungewöhnlichen geistigen Gefahren, welche hauptsächlich in instinktwidrigen, rationalistischen Abwegen hestehen, bedroht ist 32• Es handelt sich bei dieser Wandlung ja nicht darum, daß man ein Kind bleibt, sondern daß ein Erwachsener genügend ehrliche Selbstkritik und Demut aufbringt, um einsehen zu können, wo oder in Beziehung wozu er sich als Kind, d. h. als irrational und unreflektiert Empfangender verhalten muß. Wie der Uehergang von der ersten in die zweite Phase das Opfer der kindlichen Abhängigkeit fordert, so muß beim Uehergang in die dritte Phase die ausschließliche Selbständigkeit aufgegeben werden. Es ist klar, daß es sich bei diesen Veränderungen nicht um Alltäglichkeiten, sondern um schicksalshafte Wandlungen handelt. Dergleichen Uebergänge haben in der Regel numinosen Charakter, d. h. es sind Bekehrungen, Erleuchtungen, Erschütterungen, Schicksalsschläge, religiöse, d. h. mystische Erlebnisse oder Aequivalente solcher. Der moderne Mensch hat entweder dermaßen verworrene Ansichten über ·das »Mystische< oder eine solch rationalistische Angst davor, daß er den .wahren Charakter seines Erlebnisses gegebenenfalls verkennt und dessen Numinosität abwehrt, bzw. verdrängt. Es wird dann als ein unerklärliches, irrationales, ja sogar pathologisches Phänomen gewertet. Derartige Mißdeutungen beruhen immer auf ungenügender Realisierung und mangelhaftem Verständnis der gro32 Die Kirche weiß, daf! die Prüfung der Geister keine einfache Sache ist. Sie kennt die Gefahren der subjektiven Unterwerfung an Gott und behält sich darum das Recht der Gewissenslenkung vor.
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ßen Zusammenhänge, die sich in der Regel erst erhellen, wenn man zu den Daten des Bewußtseins noch diejenigen des Unhewußten hinzunimmt. Ohne letztere bleiben in den Erlebnisreihen eines menschlichen Lebens zu viele unausgefüllte Lücken, und damit zu viele Gelegenheiten zu unzulänglichen Rationalisierungen. Wenn auch nur die leiseste Tendenz zur neurotischen Dissoziation oder ein zur habituellen Unbewußtheit neigendes Phlegma vorhanden ist, dann werden falsche Kausalitäten der Wahrheit bei weitem vorgezogen. Der numinose Charakter solcher Erlebnisse besteht darin, daß man sich davon überroältigt fühlt; ein Zugeständnis, gegen das sich nicht nur der Stolz sträubt, sondern auch die tiefwurzelnde Angst vor einem möglichen Verluste der Suprematie des Bewußtseins, und öfters ist der Stolz nur eine Deckreaktion, welche die Angst verheimlicht. Wie dünn solche Schutzwände sind, zeigt die geradezu erschreckende Suggestibilität, welche den psychischen Massenbewegungen zugrunde liegt, angefangen mit den »ernsten Bibelforschern< unter den einfachen Leuten, dem aus Prestigegründen sogenannten »Üxford (Group) Movement< 33 unter den oberen Klassen, bis zum Nationalsozialismus eines ganzen Volkes - und all dies auf der Suche nach dem ganzmachenden mystischen Erlebnis I Wer nicht versteht, was ihm zustößt, steht immer in der Gefahr, im Uebergangszustande des Sohnes stecken zu bleiben. Das Kriterium der Erwachsenheit besteht nämlich nicht darin, daß man irgendwelchen Sekten, Gruppen oder Völkern angehört, sondern daß man sich dem Geiste der eigenen Selbständigkeit unterwerfen kann. Wie aus dem »Vater< der »Sohn< hervorgeht, so 33 So wurde nämlich ursprünglich die von Oxford ausgehende katholisierende Richtung im anglikanischen Klerus bezeichnet.
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aus dem Sohneszustand der» Vater<, der nun aber eben gerade nicht eine Wiederholung, resp. eine Identifikation mit dem ursprünglichen Vater ist, sondern ein Mensch, in welchem die Lebendigkeit des >Vaters< weiterzeugt Dieser dritte Zustand bedeutet, wie wir bereits sahen, eine Einordnung des Ichbewußtseins in eine übergeordnete Ganzheit, von der man nicht sagen kann >Ich<, sondern die man daher besser mit einem relativ umfänglicheren Wesen veranschaulicht, wobei man sich des unzulänglichen Anthropomorphismus einer derartigen Anschauung stets bewußt bleiben sollte. Diese schwer bestimmbare, aber psychisch erfahrbare Größe bezeichnet die christHebe Sprache als den >Heiligen Geist<, d. h. als den heilenden, ganzmachenden Hauch, dem sie Persönlichkeit vindiziert, was in Anbetracht aller Umstände durchaus angebracht ist. Seit beinahe zwei Jahrtausenden kennt die Geschichte die Gestalt des kosmischen Urmenschen, des "Av1JpaJ11:or;;, dessen Bild in die Anschauung Jahwes sowohl wie in die des Christus eingegangen ist. Die stigmatisierten Heiligen sind anschaulich-konkret zu christifizierten Menschen und damit zu Trägern des Anthroposbildes geworden. Sie sind symbolische Modelle für die Wirkung des Heiligen Geistes auf die Menschen. Der Anthropos ist ein Symbol, welches zu Gunsten einer persönlichen Natur der Ganzheit, eben des Selbstes, spricht. Durchgeht man aber die Reihe der vielen Symbole für das Selbst, so entdeckt man darunter nicht wenige, welche keinen menschlichen Persönlichkeitscharakter erkennen lassen. Ich will hier nicht auf psychologischer Kasuistik insistieren, welche dem Laien sowieso terra incognita ist, sondern kann mich auf ein historisches Material berufen, welches mit wünschenswerter Deutlichkeit dasselbe wie die moderne wissenschaftliche Beobachtung aussagt. Es ist die Symbolik der Alchemie, welche neben der persönlichen Gestalt 424
noch andere, nicht menschliche Formen aufgestellt hat, nämlich geometrische, wie Kugel, Kreis, Quadrat, Oktogon, oder chemisch-physikalische, wie Stein, Rubin, Diamant, Quecksilber, Gold, Wasser, Feuer, Geist (spiritus im Sinne von volatiler Substanz). Diese Symbolwahl treffen wir mehr oder weniger übereinstimmend auch in den modernen Produkten des Unbewußten an 81 • In diesen Zusammenhang gehört die Tatsache, daß es zahlreiche theriomorphe Geistsymbole gibt, zu denen auf christlichem Gebiete u. a. das Lamm (Christus), die Taube (Heiliger Geist) und die Schlange (Satan) gehören. Die Schlange hat als Symbol des gnostischen Nous und des .Agathodaemon pneumatische Bedeutung. (Auch der Teufel ist ein Geist.) Damit wird nun ein nichtmenschlicher Charakter vom Selbst, resp. der Ganzheit ausgesagt, wie dies schon im Pfingstbericht der Fall ist, nach welchem der Geist sich in Form von feurigen Zungen auf die Jünger niedergelassen hat. Von hier aus begreift man einigermaßen die Verlegenheit des 0 r i g e n e s inbezug auf die Natur des Heiligen Geistes. Ebenso wird erklärlich, warum die dritte Person der Trinität keine persönliche Qualifikation besitzt im Gegensatz zu Vater und Sohn 86• )Geiste: ist an sich keine Personenbezeichnung, sondern die qualitative Bestimmung einer Substanz von luftartigem Charakter (n:ve'üpa., spiritus, animus). Wenn immer das Unbewußte, wie im vorliegenden Fall, Aussagen von so weitgespannter Gegensätzlichkeit macht, dann handelt es sich, wie die Erfahrung zeigt, um keine eindeutige Situation. Es bemüht sich sozusagen, einen Tatbestand auszudrücken, für den im Bewußtsein keine Begriffskategorie besteht. Dabei braucht es sich Vergl. dazu: Psychologie und Alchemie, I. Teil. T h o m a s v o n A q u in o : >non habet nomen proprium.< (Summa I. XXXVI sqq.) Ich verdanke diese Notiz dem freundlichen Hinweis von P. Victor White 0. P. 31
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keineswegs um »metaphysische< Inhalte wie im Falle des Heiligen Geistes zu handeln, sondern irgend ein bewußtseinstranszendenter Inhalt, für den keine Apperzeptionsmöglichkeit besteht, kann eine derartige paradoxe oder antinomische Symbolik hervorrufen. Schon der unvermeidliche Doppelaspekt, genannt »der Mensch und sein Schatten«, kann bei einem naiven Bewußtsein, das sich nur auf Schwarz-Weißmalerei versteht, Transzendenz besitzen und infolgedessen eine paradoxe Symbolik produzieren. Wir gehen daher kaum fehl, wenn wir annehmen, daß gerade die eindrucksvolle Gegensätzlichkeit in der Geistsymbolik eine im Heiligen Geiste bestehende complexio oppositorum (Gegensatzvereinigung) beweist. Für etwas derartiges gibt es nun allerdings keine bewußte Begriffskategorie, denn man kann sich unter einer solchen Vereinigung schlechterdings nichts anderes vorstellen als eine »Coincidentia<, ein »Zusammenfallen«, welches die Aufhebung, d. h. die Vernichtung der beiden Hälften bedeuten würde. Die spontane Symbolik der complexio oppositorum weist aber auf das gerade Gegenteil einer Vernichtung hin, indem sie dem Vereinigungsprodukt entweder ewige Dauer, d. h. lnkorruptibilität und unerschütterliche Beständigkeit, oder höchste und unerschöpfliche Wirksamkeit zuschreibt 36• Der Geist als complexio oppositorum hat somit die gleiche Formel wie der» Vater«, der auctor rerum, welchen Ni c o I aus Cu s an u s ebenfalls als Gegensatzvereinigung auffaßt 87 • In der Tat enthält der »Vater< jene Gegensätzlichkeit, die sich in seinem Sohne und 36 Beide Kategorien bilden die bekannten Attribute des Lapis Philosophorum und auch der Symbole des Selbst. Vergl.: Psychologie und Alchemie passim. 37 Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß Cu s a n u s eine sehr andere Gegensätzlichkeit als die psychologische im Auge hat.
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dessen Widerpart auftut. In welchem Mafte der Monotheismus des Alten Testamentes sich genötigt sah, der »Relativität~ des Gottesbegriffes Konzessionen zu machen, zeigt die Untersuchung von R. Schärf in diesem Bande. Das Buch Hiob streift um Haaresbreite jenen Dualismus, der in Persien vor- und nachchristlich zur Blüte gelangte und in verschiedenerlei häretischen Bewegungen auch innerhalb des Christentums auftrat. Es ist daher ohne weiteres ersichtlich, daft, wie oben schon erwähnt, im Heiligen Geiste der Doppelaspekt des »Vaters« wieder erscheint, wodurch ersterer die Bedeutung einer Wiederherstellung des »Vaters« erlangt. Um hiefür eine physikalische Analogie zu gebrauchen, könnte man den Heiligen Geist dem Photonenstrom, der aus der Vernichtung der Materie entsteht, vergleichen und den »Vater« mit jener urzeitliehen Energie, welche zur Bildung von Protonen und Elektronen mit ihren gegensätzlichen Ladungen Anlaft gegeben hat. Es handelt sich, wie der Leser verstehen wird, nicht um eine Erklärung, sondern um eine Analogie, welche darum möglich ist, weil die physikalischen Veranschaulichungen letzten Endes auf denselben archetypischen Grundlagen wie die theologische Spekulation beruhen. Beides ist Psychologie, welche ihrerseits auf derselben archetypischen Grundlage ruht.
3. Allgemeines zur Symbolik Obschon eine direkte Abstammung der christlichen Trinität von der Dreieinigkeit des Timaios sehr unwahrscheinlich ist, so handelt es sich doch um denselben Archetypus. Wenn wir dessen Phänomenologie beschreiben wollen, so dürfen wir nicht davor zurückschrecken, alle gewonnenen Aspekte bei der Herstellung des Gesamtbildes zu berücksichtigen. So müssen 427
wir z. B. jene Tatsache, auf die wir bei der Analyse des Timaios gestoßen sind, nämlich daß die Dreizahl ein Gedachtes darstellt, in das christliche Bild der Trinität eintragen, und, wie dort die zweite Mischung den Widerstand des vierten Ingrediens offenbart, so begegnen wir hier dem Widersacher (Diaholus) als Viertem. Ohne den Vierten gibt es in keinem der beiden Fälle die Wirklichkeit, wie wir sie kennen, ja nicht einmal einen Sinn der Dreiheit, denn ein Gedachtes hat nur Sinn, wenn es sich auf eine mögliche oder aktuelle Wirklichkeit bezieht. Diese Beziehung fehlt dem Trinitätsbegriff so sehr, daß der Mensch von heutzutage ihn allmählich aus den Augen verliert, ohne daß er den Verlust überhaupt bemerkt. Was letzterer aber hedeutet, erkennt man in jenen Fällen, wo sich das Problem der Rekonstruktion stellt, nämlich in allen jenen Fällen, wo eine Dissoziation den bewußten Seelenteil vom unhewußten trennt. Diese Scheidung kann nämlich nur dann aufgehoben werden, wenn es dem Bewußtsein gelingt, Anschauungen zu formulieren, welche die Inhalte des Unhewußten adäquat ausdrükken. Es scheint, als ob die Trinität mit dem inkommensuraheln Vierten eine derartige Anschauung wäre. Als Teil der »Heilslehre« müßte sie ja heilende, ganzmachende Wirkung besitzen. Bei der Integration un.., bewußter Inhalte ins Bewußtsein kommt z. B. der Rückführung der Traumsymbole auf banale Wirklichkeiten eine unzweifelhafte Wichtigkeit zu. In tieferem Sinne und auf längere Sicht genügt dieses Procedere aber nicht, denn es wird der Bedeutung der archetypischen Inhalte nicht gerecht. Diese reichen nämlich in ganz andere Tiefen, als der sog. common sense ahnt. Als allgemeine Bedingungen a priori des seelischen Geschehens überhaupt beanspruchen sie eine Dignität, die von jeher ihren Ausdruck in göttlichen Gestalten gefunden hat. Erst solche Formulierung tut dem unhe-
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wußten Geiste Genüge, Das UnbewuRte ist die ungeschriebene Geschichte des Menschen seit unvordenklichen Zeiten. Die rationale Formel mag dem Heute und der unmittelbaren Vergangenheit genügen, nicht aber dem Menschheitserlebnis als Ganzem. Dieses verlangt die umfassende Anschauung des Mythus, nämlich das Symbol. Fehlt letzteres, so ist die Ganzheit des Menschen im Bewußtsein nicht repräsentiert. Der Mensch bleibt ein mehr oder weniger zufälliges Fragment, ein suggestibles TeilbewuRtsein, ausgeliefert allen utopischen Phantasien, welche den leeren Platz der Ganzheitssymbole usurpieren. Das Symbol kann nicht ein x-beliebiges sein, wie der Rationalismus will glauben machen. Nur das ist ein legitimes Symbol, welches die unveränderlichen Strukturverhältnisse des UnbewuRten ausdrückt und daher allgemeine Zustimmung zu erlangen vermag. So lange es spontan das Phänomen des Glaubens erzeugt, bedarf es keines andern Verständnisses. Wenn aber aus Mangel an Verständnis der Glaube zu versagen beginnt, dann muß man wohl oder übel zum Instrument des Verstehens greifen, will man nicht einen Verlust von unabsehbaren Folgen riskieren. Was - so muß man sich fragen - soll dann an Stelle des Symboles treten? W eiR etwa jemand einen besseren Ausdruck für eine Sache, die überhaupt noch nicht - in unserm modernen Sinne - verstanden worden ist? Die Dreiheits-, Dreieinigkeits- und Vierheitssymbole treten, wie ich in »Psychologie und Alchemie« u. a. a. 0. gezeigt habe, in Träumen relativ häufig auf, woraus ich gelernt habe, daR ·der Trinitätsbegriff auf etwas Erfahrbarem beruht und überhaupt etwas bedeutet. Diese Einsicht konnte ich aus der traditionellen Uebermittlung nicht gewinnen. Wenn es mir also gelungen ist, mir von der Trinität irgend eine faßbare Vorstellung, die auf einer empirischen Wirklichkeit beruht, zu 429
machen, so halfen mir die Träume, das Folklore und die Mythen, in denen diese numerischen Motive vorkommen. In den Träumen erscheinen sie in der Regel spontan, was man schon an ihrem banalen Aeußeren sieht. Es ist daran meist nichts Mythisches oder Märchenhaftes, geschweige denn etwas Religiöses. Es sind drei Männer und eine Frau, die an einem Tische sitzen oder in einem Wagen fahren, oder drei Männer mit einem Hund, ein Jäger mit drei Hunden, drei Hühner in einem Käfig, wobei das Vierte entkommt, etc. Diese Vorkommnisse sind so banal, daß man sie leicht übersieht. Sie wollen zunächst auch gar nichts besonderes besagen, als daß sie sich auf Funktionen und Aspekte der Persönlichkeit beziehen, was man dann feststellen kann, wenn es sich um drei oder vier bekannte und wohl charakterisierte Personen, oder um die vier Grundfarben rot, blau, grün und gelb handelt. Letztere sind nämlich mit ziemlicher Regelmäßigkeit den vier Orientierungsfunktionen des Bewußtseins zugeordnet. Erst die Ueberlegung, daß mit den Vieren auf die Ganzheit der Persönlichkeit angespielt ist, läßt erkennen, daß diese banalen Traummotive sozusagen Schattenbilder bedeutsamerer Dinge sind. Besonders erleuchtend pflegt die vierte Gestalt zu sein: sie ist bald inkompatibel, verwerflich, angsterregend oder sonstwie ungewöhnlich, andersartig im guten wie im bösen Sinne, etwa wie der Däumling neben seinen drei normalen Brüdern. Selbstverständlich kann der Fall auch umgekehrt liegen, daß nämlich die Drei absonderlich sind und der Eine normal. Wer über einige Kenntnis von Märchenstoffen verfügt, weiß, daß der anscheinend enorme Abstand der Trinität von solchen gewöhnlichen Vorkommnissen keineswegs unüberbrückbar ist. Damit soll die Trinität aber nicht auf das Niveau letzterer reduziert sein. Sie stellt im Gegenteil die vollendetste Form des entsprechenden Archetypus dar. Das empi430
rische Material zeigt nur, wie letzterer bis in die kleinsten und unbedeutendsten psychischen Einzelheiten wirkt. Eben aus diesem Grunde ist er wichtig, zunächst allerdings nur als ein Ordnungsschema und als ein Kriterium für die Beschaffenheit einer individuellen Struktur, sodann aber auch als ein Vehikel der Synthese, in welcher der IndividuationsprozeH gipfelt. Dieses Ziel ist durch die Zusammensetzung der Vier symbolisiert, und so ist die Quaternität ein Symbol des Selbst, das in der indischen Philosophie zentrale Bedeutung hat und an der Stelle der Gottheit steht. In der . westlichen Anschauung haben sich im Mittelalter zahlreiche Quatermtäten entwickelt: ich erwähne z. B. nur die Darstellung des Rex gloriae mit den vier Evangelistensymbolen (drei theriomorph und eines menschlich). Im Gnostizismus begegnen wir der göttlichen Gestalt der Barbelo (>Gott ist Vier«). Diese und viele andere ähnliche Beispiele bringen die Vier in nächsten Zusammenhang mit der (entfalteten) Gottheit, woraus eben jene bereits erwähnte Unmöglichkeit entsteht, das Selbst von einem Gottesbild zu unterscheiden. Auf alle Fälle war es mir persönlich unmöglich, ein unterscheidendes Kriterium aufzufinden. Darüber entscheidet allein der Glaube oder ein philosophischer Beschluß, welche beide mit einer empirischen Wissenschaft nichts zu tun haben. Man kann nun den Gottesbildaspekt der Quaternität als eine Spiegelung des Selbst erklären oder umgekehrt, das Selbst als imago Dei in homine. Beides ist psychologisch wahr, da das Selbst, insofern es subjektiv nur als intimste und äußerste Vereinzelung wahrgenommen werden kann, einer Allheit als Hintergrund bedarf, ohne welche es sich als absolut Einzelnes gar nicht realisieren könnte. Genau genommen müßte man das Selbst als den äußersten Gegensatz zu Gott auffassen. Jedoch müßte man mit An g e I u s Si I es i u s sagen: 431
>Er kann ohne mich, ich ohne Ihn nicht sdn.< Trotzdem also das empirische Symbol zwei diametral entgegengesetzte Deutungen erfordert, kann weder die eine noch die andere als gültig bewiesen werden. Das Symbol meint beides und ist daher ein Paradox. Es ist hier nicht der Ort, des näheren zu zeigen, was für eine Rolle diese numerischen Symbole praktisch spielen. Ich muß meinen Leser dafür auf das Traummaterial m >Psychologie und Alchemie<, I. Teil, verweisen. Angesichts der besonderen Bedeutung der Quaternitätssymbolik muß man sich fragen, woher es dann komme, daß das Christentum als eine überaus differenzierte Religionsform gerade auf die archaische Triade zurückgreife, um daraus sein trinitarisches Gottesbild 38 aufzubauen? Mit gleicher Berechtigung muß man auch die Frage aufwerfen (sie ist in der Tat aufgeworfen worden), mit welchem Recht man Christus als ein Symbol des Selbst auffassen dürfe, da doch das Selbst per definitionem aus einer complexio oppositorum bestehe, hingegen der Gestalt Christi die dunkle Seite völlig fehle? (Er ist dogmatisch sine macula peccati.) Beide Fragen berühren dasselbe Problem. Die Antwort auf solche Fragen suche ich immer auf empirischem Gebiet, weshalb ich hier konkrete Tatsachen anführen muß. Es ist die Regel, daß die meisten Symbole, wenn sie nicht gerade menschliche Figuren, sondern von geometrischer oder numerischer Natur sind, Quaternitätscharakter haben. Es gibt aber auch ternarische, bzw. trinitarische Symbole, die nach meiner Erfahrung allerdings relativ seltene Vorkommnisse sind. Fälle dieser Art, die ich genau untersuchte, zeichnen sich durch etwas aus, das man nicht anders denn als >mittelalterliche Psychologie< bezeichnen kann. Es ist 88
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In der griechischen Kirche heißt die Trinität 1:pedc;;.
damit keine Rückständigkeit und überhaupt kein Werturteil gemeint, sondern eine eigentümliche Problematik: es ist in solchen Fällen eine Unbewußtheit und entsprechende Primitivität von so großem Ausmaß vorhanden, daß eine kompensierende Vergeistigung als angezeigt erscheint. Das rettende Symbol ist dann eine Dreiheit, an welcher ·das Vierte und unbedingt zu Verwerfende fehlt. Es ist nach meiner Erfahrung von beträchlicher praktischer Wichtigkeit, daß die Symbole, welche auf die Ganzheit zielen, vom Arzte richtig verstanden werden. Sie bilden nämlich das Hilfsmittel, mit dem sich neurotische Dissoziationen aufheben lassen, indem sie dem Bewußtsein wieder jenen Geist und jene Haltung zuführen, welche seit jeher von der Menschheit als lösend und heilend empfunden wurden. Es sind »representations collectives«, welche von Urzeit an die so nötige Verbindung von Bewußtsein und Unbewußtem ermöglichten. Diese Vereinigung kann weder intellektuell noch bloß praktisch vollzogen werden, weil in ersterem Falle die Instinktsphäre rebelliert, und in letzterem Vernunft und Moral sich sträuben./}ede Dissoziation innerhalb des Gebietes der psych~genen Neurosen beruht auf einem derartigen Gegensatz, welcher nur durch das Symbol geeint werden kann. Zu diesem Zwecke produzieren die Träume Symbole, welche in letzter Linie mit der historisch übermittelten Symbolik ineinsfallen. Solche Traumbilder lassen sich aber nur dann ins Bewußtsein aufnehmen und von Verstand und Gefühl erfassen, wenn das Bewußtsein die zu dieser Aufnahme nötigen Verstandeskategorien und moralischen Gefühle besitzt. Hier hat der Psychotherapeut oft eine Arbeit zu leisten, welche seine Geduld auf die härteste Probe stellt. Die Synthese von Bewußtsein und Unbewußtem kann nur durch eine bewußte Auseinandersetzung mit dem Unbewußten bewerkstelligt 433
werden, und letztere ist nur möglich, wenn man versteht, was das Unbewußte sagt. Bei dieser Auseinandersetzung stoßen wir auf die Symbole, die den Gegenstand meiner Untersuchung bilden, und damit stellen wir auch die verlorengegangene Beziehung zu jenen Anschauungen und Gefühlen, welche eine Zusammenfassung der Persönlichkeit ermöglichen, wieder her. Der Verlust der Gnosis, d. h. der Erkenntnis letzter Dinge, wiegt viel schwerer als man gewöhnlich annimmt. Der Glaube allein wäre ja auch genügend, wenn er nicht ein Charisma wäre, dessen wahrhafter und nicht krampfhafter Besitz eine seltene Sache ist. Wäre dem nicht so, so könnten wir Aerzte uns viel saure Arbeit ersparen. Die Theologie betrachtet unsere Bemühungen in dieser Hinsicht mit mißtrauischen Blicken, aber sie leistet diese so notwendige Arbeit nicht. Sie verkündet die Lehre, die man nicht versteht, und fordert den Glauben, den man nicht aufbringen kann. So stehen die Dinge im protestantischen Bereiche. Subtiler dagegen ist die Lage auf katholischem Gebiete. Dort besteht vor allem der Ritus mit seiner sakralen Handlung, welche das lebendige Geschehen des archetypischen Sinnes veranschaulicht und damit das Unbewußte direkt berührt. Wer könnte sich z. B. dem Eindruck der Messehandlung entziehen, wenn er auch nur mit einem Minimum von Verständnis ihr anwohnt? Sodann hat die katholische Kirche die Institution der Beichte und des »Directeur de conscience«, welche von größter praktischer Bedeutung sind, wenn geeignete Persönlichkeiten diesen Tätigkeiten obliegen. Daß dies nicht immer der Fall ist, bedeutet leider einen ebenso großen Nachteil. Zum Dritten besitzt die katholische Kirche eine reich entwickelte und unverkürzte dogmatische Vorstellungswelt, welche dem Gestaltenreichtum des Unbewußten ein würdiges Gefäß anbietet und damit gewissen lebenswichtigen Wahr-
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heiten, mit denen das Bewußtsein in Verbindung stehen sollte, anschaulichen Ausdruck verleiht. Der Glaube des katholischen Menschen ist nicht besser oder stärker als der des protestantischen. Aber der Mensch, unbekümmert um die Schwäche seines Glaubens, ist durch die katholische Form unbewuRt erfaRt. Darum gleitet er auch, wenn einmal aus der Form gefallen, leicht in einen oft fanatischen Atheismus ab, wie wir dies besonders in romanischen Ländern so oft beobachten.
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Schlußbefrachtung Die Dreiheit entspricht eben vermöge ihres Charakters des Gedachtseins der Notwendigkeit einer geistigen Entwicklung, welche eine Verselbständigung des Gedankens erfordert. Völkergeschichtlich sehen wir diese Bestrebung hauptsächlich in der scholastischen Philosophie am Werke, und sie war die Vorübung, welche das wissenschaftliche. Denken der Moderne überhaupt ermöglicht hat. Auch die Dreiheit ist ein Archetypus, der mit dominierender Kraft eine geistige Entwicklung nicht nur begünstigt, sondern gegebenenfalls auch erzwingt. Sobald aber die Vergeistigung zur gesundheitsschädigenden Einseitigkeit zu werden droht, dann tritt die kompensatorische Bedeutung der Dreiheit unvermeidlicherweise in den Hintergrund. Das Gute wird durch Uebertreibung nicht besser, sondern schlechter, und ein kleines Uebel wird durch Nichtbeachtung und Verdrängung ein groBes. Der Schatten gehört nun einmal zur menschlichen Natur, und nur in der Nacht gibt es keine Schatten. Er ist darum ein Problem. 435
Als psychologisches Symbol bedeutet die Trinität erstens die Homoousie oder Wesenseinheit eines dreiteiligen Prozesses, der als ein im Individuum stattfindender unbewußter Reifungsvorgang anzusprechen ist. Insofern sind die drei Personen Personifikationen der drei Phasen eines regelmäßigen und instinktiven psychischen Geschehens, welches immer die Neigung hat, sich in Form von Mythologemen und rituellen Gebräuchen auszudrücken (wie z. B. Pubertäts- und Männerweihen, Gebräuche bei Geburt, Hochzeit, Krankheit, Krieg und Tod). Mythen sowohl wie Riten haben, wie z. B. die altägyptische Medizin beweist, psychotherapeutische Bedeutung, auch heutzutage noch. Zweitens bedeutet die Trinität einen säkularen Bewußtwerdungsprozeß. Drittens erhebt die Trinität den Anspruch darauf, nicht etwa nur eine Personifikation von psychischen Vorgängen in drei Rollen darzustellen, sondern der eine Gott in drei Personen, die alle die eine göttliche Natur haben, zu sein, indem es in Gott kein Fortschreiten von potentia zu actus, von Möglichkeit zu Wirklichkeit gibt, sondern Gott ist reine Wirklichkeit, actus purus selber. Die drei Personen unterscheiden sich durch die verschiedene Art ihres Ursprungs, ihrer processio (der Sohn vom Vater gezeugt und der Heilige Geist von beiden gehaucht- procedit a patre filioque). Die Homoou- . sie, deren durchgehende Anerkennung so viele Kämpfe erfordert hat, ist psychologisch absolut erforderlich, denn es handelt sich bei der Trinität als psychologischem Symbol um einen WandlungsprozeH einer und derselben Substanz, nämlich der Psyche als Ganzem. Die Wesensgleichheit des Sohnes zusammen mit dem filioque behauptet, daß Christus, der psychologisch als ein Symbol des Selbst angesehen werden muß, und der Heilige Geist, der, wenn dem Menschen gegeben, als das faktische Gewordensein des Selbst zu verstehen ist, 436
beidevondem Wesen(obo"la) des Vaters sind, d. h. also, daR das Selbst ein opoouaeov njJ 1r:a-rpl (ein mit dem Vater Wesensgleiches) darstellt. Diese Formulierung entspricht der psychologischen Feststellung, daR die Symbole des Selbst von einer Gottesimago empirisch nicht unterschieden werden können. Die Psychologie vermag allerdings nicht mehr, als diese Ununterscheidbarkeit festzustellen. Um so bemerkenswerter ist es, daR die »metaphysische« Feststellung erheblich über die psychologische hinausgeht. Ununterscheidbarkeit ist eine bloß negative Konstatierung, welche das Bestehen eines Unterschiedes nicht ausschließt. Vielleicht wird er bloß nicht wahrgenommen. Die dogmatische Aussage dagegen spricht von einer durch den Heiligen Geist vermittelten »Gotteskindschaft«, welche sich von der uflm;r: oder filiatio Christi dem Sinne nach nicht unterscheidet. Daraus geht hervor, wie wichtig es war, daR die Homoousie über die Homoionsie (Wesensähnlichkeit) den Sieg davontrug. Durch den Empfang des Heiligen Geistes tritt nämlich das Selbst des Menschen in ein wesensgleiches Verhältnis zur Gottheit. Wie die Kirchengeschichte ausweist, ist dieser Schluß für den Bestand der Kirche immens gefährlich, was einen wesentlichen Grund dafür bildet, daR die Kirche auf dem weiteren Ausbau der Lehre vom Heiligen Geist nicht insistiert hat. Die weitere Entwicklung würde nämlich im negativen Fall in zersetzende Schismen, im positiven direkt in die Psychologie hineinführen. Ueberdies gibt es mancherlei Gaben des Geistes, die nicht allesamt unbedingt willkommen sind, wie schon Pa u 1u s andeutet. Auch stehen die Geistesgaben (wie z. B. die revelatio), wie T h o m a s v o n A q u i n o erwähnt, in keinem eindeutigen Verhältnis zur moralischen Begabung 1 • Die 1 »St. Thomas emphasizes that prophetic revelation is as such independent of good morals - let alone of personal
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jung: Symbolik des Geistes
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Kirche muR es sich vorbehalten, zu entscheiden, was eine Wirkung des Heiligen Geistes ist und was nicht, womit sie dem Laien eine höchst wesentliche und für ihn nicht unbedingt bekömmliche Entscheidung aus der Hand nimmt. DaR der Geist, wie der Wind, »weht, wo Er will«, haben auch die Reformatoren zu fühlen bekommen. Nicht nur die erste, sondern auch die dritte Person der Gottheit hat den Aspekt des deus absconditus und daher Wirkungen, welche, wie die des Feuers, bald wohltätig, bald verderblich sind, wenn man sie von einem bloß menschlichen Standpunkt aus betrachtet. Auf letzterem aber beruht die Wissenschaft, welche sich nur unter größten Schwierigkeiten an das ihr Wesensfremde heranzutasten vermag. In der umfassenden Formel der Trinität ist die »Schöpfung« d. h. die Materie nicht inbegriffen, wenigstens nicht explicite. Unter diesen Umständen gibt es für letztere nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist sie wirklicli und dann ist sie im göttlichen actus purus eingeschlossen, oder sie ist unwirklich, eine bloße lllusion, weil außerhalb der göttlichen Wirklichkeit. Letzterem Schluß widerspricht aber einesteils die Menschwerdung Gottes und das Erlösungswerk überhaupt, andernteils die Autonomie und Ewigkeit des »Fürsten dieser Welt«, nämlich des Teufels, der nur besiegt, aber keineswegs vernichtet ist und gemäß seiner Ewigkeit nicht vernichtet werden kann. Ist die Wirklichkeit der Weltschöpfung im actus purus eingeschlossen, so befindet sich dort auch der Teufel - q. e. d. Aus dieser Sachlage ergibt sich eine Quaternität, allerdings eine andere als diejenige, welche durch das IV. Laterankonzil anathematisiert wurde. Dort handelte es sich um die Frage, sanctity<. (De ver. XII, 5; 1-II, 172.) Ich entnehme diese Bemerkung einem Aufsatz über :.St. Thomas's Conception of Revelatiom von P. Victor White 0. P. (Oxford). Der Autor hat mir freundliehst sein Ms. zur Verfügung gestellt.
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ob die Wesenheit Gottes neben den drei Personen eine Selbständigkeit beanspruche oder nicht. Hier handelt es sich um die Selbständigkeit jener Kreatur, welcher Autonomie und Ewigkeit zukommt, nämlich um den abgefallenen Engel. Er ist die vierte, widerstrehende Figur in der symbolischen Reihe, deren Intervalle den drei Phasen des trinitarischen Prozesses entsprechen, und, wie im Timaios der Widersacher die zweite Hälfte des zweiten Gegensatzpaares bildet, ohne welche es keine Ganzheit der Weltseele gibt, so tritt auch der Teufel als -ro ev d:rap-rov (das Eine [als) Viertes 2 ) zur Trias, um deren Totalität herzustellen. Wenn man die Trinität als einen ProzeR versteht, wie ich es oben zu tun versuchte, so würde dieser durch das Dazutreten des Vierten fortgesetzt bis zur absoluten Totalität. Durch das Uebergreifen des Heiligen Geistes auf den Menschen wird dieser aber in den göttlichen ProzeR einbezogen und damit auch jenes Prinzip der Vereinzelung und Autonomie gegenüber Gott, welches als gegengöttlicher Wille in Lucifer personifiziert ist. Ohne letzteren aber wäre keine Schöpfung und erst recht keine Heilsgeschichte zustande gekommen. Der Schatten und der Gegenwille sind die unvermeidlichen Bedingungen jeder Verwirklichung. Das Objekt, welches keinen eigenen und unter Umständen seinem Schöpfer entgegengesetzten Willen und keine anderen Eigenschaften als jener hat, besitzt keine unabhängige Existenz, die ethische Entscheidungen fällen könnte. Es ist bestenfalls ein Uhrwerk, das der Schöpfer aufziehen muß, wenn es funktionieren soll. Daher hat Lucifer den Gotteswillen, der nach Weltschöpfung trachtete, wohl am besten verstanden und am getreuesten ausgeführt, indem er sich gegen Gott empörte und damit zum 2
Das Axiom der Maria. Siehe: Psychologie und Alchemie.
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Prinzip einer Kreatur wurde, welche Gott als etwas Anderswollendes gegenübertrat. Weil Gott dieses wollte, so hat er laut Genesis, Kap. III, das Anderswollenkönnen in den Menschen gelegt. Wäre dem nicht so, so hätte er nichts anderes als eine Maschine geschaffen; dann wäre die lncarnation und Welterlösung gar nie in Frage gekommen, und auch die Dreieinigkeit hätte sich nie geoffenbart, denn alles wäre immer nur das Eine gewesen. Die Luciferlegende ist keineswegs ein absurdes Märchen, so wenig wie die Geschichte der Schlange im Paradies; sie ist wie letztere ein »therapeutischer« Mythus. Man empört sich natürlich gegen den Gedanken, daß das Uebel und das Böse in Gott eingeschlossen seien, und meint, daß Gott unmöglich solches wollen könne. Man sollte sich zwar davor hüten, Gottes Allmacht auf Grund eines menschlichen Dafürhaltens beschneiden zu wollen, aber man denkt halt eben so trotz alledem. Es würde sich allerdings nicht darum handeln, alles Böse der Gottheit zuzuschieben. Kraft seiner sittlichen Autonomie darf sich der Mensch einen erklecklichen Anteil aufs eigene Konto schreiben. Das Böse ist relativ, z. T. vermeidbar, z. T. Verhängnis, letzteres so gut wie die Tugend, und oft weiß man nicht, was schlimmer ist. Man denke z. B. an das Schicksal einer Frau, die mit einem anerkannten Heiligen verheiratet ist! Welche Sünden müssen die Kinder begehen, um neben dem überwältigenden Einfluß eines solchen Vaters überhaupt ihr Leben als ihr eigenes empfinden zu können! Das Leben als ein energetischer Prozell bedarf der Gegensätze, ohne welche Energie bekanntlich unmöglich ist. Gut und Böse sind nichts anderes als die moralischen Aspekte dieser natürlichen Gegensätze. Daß wir letztere so fühlen müssen, erschwert die menschliche Existenz um ein Vielfaches. Dieses Leid, das dem Leben unvermeidlich anhaftet, ist nicht zu umgehen. Die Gegensatzspannung, welche 440
Energie ermöglicht, ist ein Weltgesetz, passend ausgedrückt durch das yang und yin der chinesischen Philosophie. Gut und Böse sind Wertgefühle des menschlichen Bereiches, welche wir über diesen hinaus schlechterdings nicht ausdehnen können. Jenseits davon ist es ein Geschehen, das unserem Urteil entzogen ist. Man kann die Gottheit nicht mit menschlichen Attributen einfangen. Wo bleibt übrigens die Gottesfurcht, wenn wir von Ihm nur »Gutes«, d. h. das, was uns als »gut< erscheint, erwarten können? Die ewige Verdammnis sieht doch nicht nach Güte, so wie wir sie verstehen, aus! Obschon Gut und Böse als moralische Werte unerschütterlich sind, so bedürfen sie doch einer gewissen psychologischen Revision. Vieles nämlich, das sich in seiner Auswirkung als abgrundtief böse erweist, stammt keineswegs aus einer entsprechenden Bosheit des Menschen, sondern aus Dummheit und Unbewußtheit. Darum kann auch das sogenannte Gute ganz ähnliche Folgen erzielen. Man denke an die zerrüttenden Wirkungen der Prohibition in Amerika oder an die 100 000 Autodafes in Spanien, welche einem löblichen Seelenrettungseifer entstammten. Eine der stärksten Wurzeln alles Bösen ist die Unbewußtheit, und ich wünschte darum, daß das Logion Jesu: »Wenn Du weißt, was Du tust, so bist Du selig; wenn Du aber nicht weißt, was Du tust, so bist Du verflucht<, noch im Evangelium stünde, auch wenn es nur einmalig beglaubigt ist. Ich möchte es gerne als ein Motto vor eine erneuerte Moral setzen. Der Verlauf des Individuationsprozesses leitet sich regelmäßig ein durch die Bewußtwerdung des »Schattens«, d. h. einer Persönlichkeitskomponente, welche in der Regel negatives Vorzeichen hat. In dieser »inferioren« Persönlichkeit ist alles enthalten, was sich den Gesetzen und Regeln des bewußten Lebens nicht unbedingt ein- und anpassen will. Sie ist aus »Ungehor-
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sam« zusammengesetzt und wird darum nicht nur aus moralischen, sondern auch aus Zweckmässigkeitsgründen verworfen. Eine genauere Untersuchung zeigt, daß darin u. a. mindestens eine Funktion sich findet, welche bei der Bewußtseinsorientierung mitwirken sollte. Sie wirkt zwar mit, allerdings nicht im Sinne bewußter Zweckabsichten, wohl aber im Sinne unbewußter Tendenzen, welche ein anderes Ziel verfolgen. Es ist die vierte, sog. minderwertige Funktion, welche dem Bewußtsein gegenüber autonom ist und sich nicht in den Dienst bewußter Absichten einspannen läßt. Sie liegt jeder neurotischen Dissoziation zugrunde und kann dem Bewußtsein nur angeschlossen werden, wenn die entsprechenden unbewußten Inhalte zu gleicher Zeit bewußt gemacht werden. Diese Integration kann aber nur erfolgen und zu einem nützlichen Ende durchgeführt werden, wenn man die damit verbundenen Tendenzen in gewissem Sinne und Maße und mit der nötigen Kritik anerkennt und deren Verwirklichung ermöglicht. Das führt zu Ungehorsam und Empörung, aber auch zur nötigen Selbständigkeit, ohne welche die Individuation undenkbar ist. Das Anderswollenkönnen muß leider wirklich sein, wenn Ethik überhaupt Sinn haben soll. Wer sich a priori dem Gesetze oder der allgemeinen Erwartung unterwirft, handelt wie der Mann im Gleichnis, der sein Pfund vergräbt. Die Individuation bedeutet eine höchst schwierige Aufgabe: sie ist stets eine Pflichtenkollision, deren Lösung es verlangt, daß man das Anderswollen auch als einen Gotteswillen verstehen kann. Mit bloßen Wörtern und bequemen Selbsttäuschungen kommt man hiebei nicht aus, weil der destruktiven Möglichkeiten zu viele sind. Die beinahe unvermeidliche Gefahr ist das Steckenbleiben im Konflikt und damit in der neurotischen Dissoziation. Hier greift der therapeutische Mythus hilfreich lösend ein, auch wenn keine Spur von bewußtem Verständnis
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desselben vorhanden ist. Die lebhaft empfundene Anwesenheit des Archetypus genügt - hat von jeher genügt - und versagt erst dort, wo die Möglichkeit eines bewußten Verstehens sowohl angezeigt als auch erreichbar ist und darum erreicht werden sollte. Unter solchen Umständen ist das Unbewußtbleiben schlechthin deletär, aber solches geschieht heute der christlichen Zivilisation in weitem Umfang. Schon ist vieles von dem, das die christliche Symbolik lehrte, für eine große Zahl von Menschen verloren, ohne daß man je verstanden hätte, was man verlor. Kultur besteht nicht etwa im Fortschritt als solchem und in verständnisloser Zerstörung des Alten, sondern in der Entwicklung und Verfeinerung einmal gewonnener Güter. Die Religion ist ein >geoffenbarterc: Heilsroeg. Ihre Anschauungen sind Produkte eines vorbewußten Wissens, das sich wie immer und überall in Symbolen ausdrückt. Wenn auch unser Verstand sie nicht erfaßt, so wirken sie doch, weil unser Unbewußtes sie als Ausdrücke universaler psychischer Tatbestände anerkennt. Darum genügt der Glaube- wo er vorhanden ist. Jede Erweiterung und Verstärkung des rationalen Bewußtseins aber führt uns weiter weg von den Quellen der Symbole und verhindert durch dessen Uebermacht das Verständnis letzterer. Das ist die heutige Situation. Man kann das Rad nicht zurückdrehen und das wieder krampfhaft glauben, non dem man weiß, daß es nicht ist«. Man könnte sich aber davon Rechenschaft geben, was die Symbole eigentlich bedeuten. Auf diese Weise können nicht nur unvergleichliche Schätze unserer Kultur erhalten bleiben, sondern wir eröffnen uns auch wieder einen neuen Zugang zu alten Wahrheiten, die wegen der Fremdartigkeit ihrer Symbolik unserer >Vernunft« entschwunden sind. Wie kann ein Mensch Gottes Sohn und von einer Jungfrau geboren sein? Das ist ein Schlag ins Gesicht. Aber hat nicht ein J u s t i -
n u s M a r t y r seinen Zeitgenossen klargemacht, daß auch von ihren Heroen dasselbe gesagt werde, und hat damit bei vielen Gehör gefunden? Das geschah, weil für das damalige Bewußtsein solche Symbole nichts so Unerhörtes waren, wie für uns. Solche Dogmata begegnen heute tauben Ohren, denn nichts in unserer bekannten Welt kommt solchen Behauptungen entgegen. Verstehen wir diese Dinge aber als das, was sie sind, nämlich als Symbole, dann können wir die abgrundtiefe Weisheit dieser Dinge nur bewundern und jener Institution dankbar sein, die sie nicht nur konserviert, sondern auch dogmatisch entwickelt hat. Dem Menschen von heute fehlt das Verstehen, das ihm zum Glauben helfen könnte. Wenn ich hier den Versuch gewagt habe, alte, fremd gewordene Dogmata einer psychologischen Betrachtung zu unterziehen, so geschah dies wahrlich nicht aus eingebildeter Besserwisserei, sondern aus der Ueberzeugung, daß das Dogma, um welches so viele Jahrhunderte gerungen haben, unmöglich eine leere Phantasie sein kann. Dazu lag es mir zu sehr auf der Linie des consensus omnium, nämlich des Archetypus. Erst diese Einsicht hat mir überhaupt eine Beziehung zum Dogma ermöglicht. Als metaphysische »Wahrheit« blieb es mir völlig unzugänglich, und ich darf wohl vermuten, daß ich bei weitem nicht der Einzige bin, dem es so gegangen ist. Die Erkenntnis der universalen archetypischen Grundlagen an sich hat mir den Mut gegeben, das quod semper, quod ubique, quod ab omnibus creditum est, als psychologische Tatsache, die sich weit über den Rahmen des christlichen Bekenntnisses hinaus erstreckt, ins Auge zu fassen und sie als naturwissenschaftliches Objekt, als ein Phänomen schlechthin zu betrachten, was für eine »metaphysische« Bedeutung ihr auch immer zugedacht sein mag. Ich weiß aus Erfah-
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rung, daß letzterer Aspekt niemals auch nur das Geringste zu meinem Glauben oder zu meinem Verständnis beigetragen hat. Er sagte mir schlechthin nichts. Ich mußte mir aber zugeben, daß das Symbolum insofern eine hervorragende Tatsächlichkeit besitzt, als es von ungezählten Millionen während beinahe zwei Jahrtausenden als eine gültige Aussage über jene Dinge, die man nicht mit Augen sehen und mit Händen betasten kann, betrachtet wurde. Diese Tatsache ist zu verstehen, denn von der )>Metaphysik« kennen wir nur das Menschenwerk, wenn uns nicht das so schwer erhältliche Charisma des Glaubens jeglichem Zweifel und damit aller ängstlichen Nachforschung enthebt. Es ist solchen Dingen gefährlich, wenn sie nur Gegenstand des Glaubens sind 3 , denn wo Glaube, da auch Zweifel; und je unmittelbarer und je naiver der Glaube, desto verheerender der Gedanke, wenn er einmal zu dämmern beginnt. Man ist dann sofort viel gescheiter als alle benebelten Köpfe des finstern Mittelalters, und schon ist das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Auf Grund solcher und ähnlicher Ueberlegungen bin ich äußerst vorsichtig in der Behandlung möglicher weiterer, sogenannter metaphysischer Bedeutungen archetypischer Aussagen. Nichts hindert, daß sie letzten Endes bis in den Grund der Welt reichen. Wir allein sind die Dummen, wenn wir nichts davon merken. In Anbetracht dieser Sachlage kann ich mir nicht einbilden, daß mit einer Untersuchung ·des psychologischen Aspektes der Gegenstand archetypischer Aussagen geklärt und erledigt sei. Es kann sich bestenfalls nur um einen mehr oder weniger geglückten oder mißglückten Versuch handeln, dem Verstehen einen gewissen Zugang zu einer uns erreichbaren Seite des Problems zu 3 Ich denke hier an den protestantischen sola fide-Standpunkt.
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eröffnen. Mehr zu erwarten wäre Vermessenheit. Wenn es mir nur gelingt, die Diskussion wachzuhalten, so ist mein Zweck schon mehr als erfüllt. Es scheint mir nämlich, daß die Welt, wenn sie diese archetypischen Aussagen aus ihrem Gesichtskreis verlöre, von einer unsäglichen geistigen und seelischen Verarmung bedroht wäre.
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V
Zur Psychologie östlicher Meditation
Zur Psychologie östlicher Meditation 1
Mein leider so früh verstorbener Freund Heinrich Zimmer hat in seinem Buche »Kunstform und Yoga« 2 die tiefen Zusammenhänge hervorgehoben, welche zwischen der hieratischen Architektur Indiens und dem Yoga bestehen. Wer einmal den Borobudur oder die Stupas von Barhut und Sanchi gesehen hat, der kann sich in der Tat schwer dem Eindruck entziehen, daß hier eine dem Europäer ungewohnte Geisteshaltung und Anschauung am Werke ist, wenn er nicht schon durch tausend andere Eindrücke des indischen Lebens davon belehrt worden ist. In den ungezählten Facetten des überquellenden Reichtums indischer Geistigkeit spiegelt sich eine innere Anschauung der Seele wider, welche dem griechisch geschulten Verstande des Europäers zunächst fremdartig und unzugänglich erscheint. Unser Verstand erschaut die Dinge, unser »Auge trinkt« -um mit Gottfried Keller zu reden- »was die Wimper hält, von dem goldneu Ueberfluß der Welt« und wir schließen aus der Fülle äußerer Eindrücke aufs Innere. Ja, wir leiten sogar dessen Inhalte von Aeußerem ab nach dem Satze: »Nichts ist im Verstande, das nicht vorher in den Sinnen war.« Dieser Satz scheint in Indien keine Geltung zu haben. Indisches Denken und Gestalten erscheint bloß in der Sinnenwelt, läßt sich aber nicht aus dieser ableiten. Trotz aller oftmals aufdringlichen Sinnlichkeit des Ausdruckes ist es doch in seinem eigentlichsten Wesen unsinnlich, um nicht zu sagen, übersinnlich. Es ist nicht die Welt, der Sinne, der 1 Zuerst erschienen in: Mitteilungen der Schweiz. Gesellschaft der Freunde ostasiat. Kultur. V, 1943. 2 Kunstform und Yoga im indischen Kultbild, Berlin 1926.
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Körper, Farben und Töne, nicht menschliche Leidenschaft, welche durch die Gestaltungskraft der indischen Seele in verklärter Gestalt oder in realistischem Pathos wiedergeboren werden, sondern es ist eine Unter- oder Ueberwelt metaphysischer Natur, aus welcher fremde Gestalt in irdisch bekanntes Weltbild durchbricht. Wenn man die ungeheuer eindrucksvollen Götterdarstellungen der südindischen Kathakalitänzer aufmerksam beobachtet, so wird man nicht eine natürliche Geste sehen: Alles ist bizarr unter- und übermenschlich: sie gehen nicht wie Menschen, sondern gleiten, sie denken nicht mit dem Kopf, sondern mit den Händen. Selbst das menschliche Antlitz verschwindet hinter blauemailiierter kunstvoller Maske. Unsere bekannte Welt bietet ,nichts, das sich auch nur im Entferntesten mit dieser grotesken Großartigkeit vergleichen ließe. Man wird durch ·solchen Anblick in einen Traum versetzt, als dem einzigen Orte, an dem einem etwa schon Aehnliches begegnet ist. Es sind aber keine nächtlichen Spukgestalten, die uns im Kathakali oder in ·den Tempelbildern entgegentreten, sondern gespannt dynamische, bis in feinste Einzelheiten gesetzmäßig gebildete oder organisch gewachsene Figuren. Es sind keine Schemen und Abbilder einstmaliger Wirk]ichkeiten, sondern vielmehr Wirklichkeiten, ·die noch nicht waren, potentielle Realitäten, die jeden Moment über die Schwelle des Seins treten können. Wer sich solchen Eindrücken ungeteilten Herzens hingibt, wird bald merken, daß diese Gestalten dem Inder nicht als traumhaft, sondern als wirklich vorkommen, wie sie auch in uns selber mit beinahe erschreckender Lebendigkeit an etwas rühren, wofür wir allerdings keine Sprache haben. Und zugleich merkt man, je tiefer ~an ergriffen ist, daß unsere Sinnenwelt zum Traum wird, und daß man in einer Götterwelt von unmittelbarster Wirklichkeit erroacht.
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Was der Europäer zunächst in Indien sieht, ist äußerlich angeschaute Körperhaftigkeit. Das ist aber nicht Indien, wie es der Inder sieht, das ist nicht seine Wirklichkeit. Wirklichkeit ist, wie das deutsche Wort besagt, das was wirkt. Der Inbegriff des Wirkenden ist für uns mit der Erscheinung der Welt verknüpft, für den Inder dagegen mit der Seele. Welt ist ihm Schein, und seine Realität nähert sich dem, was wir etwa Traum nennen würden. Dieser seltsame Gegensatz zum Westen drückt sich zuallermeist in der religiösen Uebung aus. Wir reden von religiöser Erbauung und Erhebung, Gott ist uns der Herr des Weltalls, wir haben eine Religion der Nächstenliebe, in unsern in die Höhe strebenden Kirchen gibt es einen Hochaltar; Indien dagegen spricht von Dhyana, Meditation und Versenkung, die Gottheit ist im Innern aller Dinge und vor allem im Menschen, man wendet sich vom Aeußern ab zum Innern, in den alten indischen Tempeln ist der Altar2-3m tief in die Erde versenkt, und was wir auf das Schamhafteste verhüllen, ist dem Inder heiligstes Symbol. Wir glauben an das Tun, der Inder an das unbewegte Sein. Unsere religiöse Uebung besteht in Anbetung, Verehrung und Lobpreisung, die wesentlichste Uebung des Inders dagegen ist der Yoga, die Versenkung in einen, wie wir sagen würden, bewußtlosen Zustand, den er aber als höchstes Bewußtsein preist. Der Yoga ist einerseits der sprechendste Ausdruck des indischen Geistes, andererseits das stets gebrauchte Instrument zur Erzeugung eben dieser eigenartigen Geisteshaltung. Was ist nun der Yoga? Das Wort l>yogM bedeutet wörtlich Anjochung, nämlich Disziplinierung der seelischen Triebkräfte, im Sanskrit als klec;as bezeichnet. Die Anjochung bezweckt die Beherrschung jener Kräfte, die den Menschen an die Welt verhaften. In der Sprache Augustins entsprechen die klec;as der superbia 451
und concupiscentia. Es gibt vielerlei verschiedene Formen des Yoga, die aber alle dasselbe Ziel verfolgen. Ich will sie nicht alle aufführen, sondern nur erwähnen, daß es neben rein psychischen Uebungen auch den sog. Hathayoga gibt, der in einer Art Gymnastik besteht, hauptsächlich in Atemübungen und besonderen Körperhaltungen. Ich habe mir nun vorgenommen, in diesem Vortrag einen Yogatext zu schildern, der einen tiefen Einblick in die psychischen Vorgänge des Yoga vermittelt. Es ist dies ein wenig bekannter buddhistischer Text in chinesischer Sprache, welcher aber eine Uebersetzung aus dem ursprünglichen Sanskrit ist. Er stammt aus dem Jahre 424 n. Chr. Sein Name ist Amitayurdhyäna-sfrtra, zu deutsch: Traktat der Amitabha-Meditation 3 • Das besonders in Japan hochgeschätzte Sutra gehört in das Gebiet des sog. theistischen Buddhismus, in welchem sich die Lehre vom Adibuddha, oder Mahabuddha, dem Urbuddha, findet, aus welchem die fünf Dhyanibuddhas oder -Bodhisativas hervorgehen. Einer der Fünf ist Amitabha, der »Buddha der uniergehenden Sonne des unermeßlichen Lichtes«, der Herr von Sukhavati, dem Lande der Glückseligkeit. Er ist der Proteetor unserer gegenwärtigen Weltperiode, wie Cakyamuni, nämlich der historische Buddha, der Lehrer derselben ist. Im Kulte des Amitabha findet bemerkensw~rter weise eine Art Eucharistiefeier mit consecriertem Brot statt. Er wird dargestellt, wie er in der Hand das Gefäß der lebenspendenden Unsterblichkeitsspeise oder des heiligen Wassers hält. Der Text beginnt mit einer Rahmenerzählung, deren Inhalt uns hier nicht weiter interessiert. Ein Kronprinz trachtet seinen Eltern nach dem Leben, und die Königin in ihrer Not ruft Buddhas Hilfe an, der ihr seine beiden 3 Sacred Books of the East, Vol. XLIX, Part II, p. 161 ff. (translated by J. Takakusu). ·
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Schüler, den Maudgalyäyana und den Ananda, schicken möge. Buddha erfüllt ihren Wunsch, und sofort erscheinen ihr die Beiden. Ebenso erscheint Cäkyamuni, der Buddha selber, vor ihren Augen. Er zeigt ihr in der Vision alle zehn Welten, um sie wählen zu lassen, in welcher sie wiedergeboren werden will. Sie wählt das westliche Reich des Amitäbha. Er lehrt sie nun den Yoga, der sie zur Wiedergeburt im Amitäbhareiche befähigen soll. Nach verschiedenen moralischen Vorschriften teilt er ihr folgendes mit: »Du und alle andern Wesen (nämlich die mit derselben Ansicht) sollten es zu ihrem einzigen Ziel machen, eine Wahrnehmung des westlichen Reiches zu erzeugen durch den konzentrierten Gedanken. Du fragst roohl, roie diese Wahrnehmung geschaffen roerden kann. Ich roill es Dir jetzt erklären. Alle Wesen, insofern sie nicht von Geburt an blind sind, haben einen Gesichtssinn und alle sehen die untergehende Sonne. Du solltest Dich in der richtigen Haltung hinsetzen, den Blick nach Westen gerichtet, und dann bereite Deine Gedanken vor für eine konzentrierte Meditation über die Sonne. V eranlasse Dein Berou/ltsein zu einer festen Fixation an die Sonne, so dafl Du eine ungestörte Wahrnehmung derselben hast durch die ausschließliche Konzentration darauf. Schaue auf sie hin, roenn sie im Begriffe ist, unterzugehen, und roenn sie aussieht roie eine aufgehängte Trommel. Nachdem Du so die Sonne gesehen hast, behalte dieses Bild klar und fixiert, gleichgültig, ob Deine Augen offen sind oder geschlossen. Dies ist die Wahrnehmung der Sonne und das ist die erste Meditation.« Wie wir bereits gesehen haben, ist die untergehende Sonne eine Allegorie des Unsterblichkeit spendenden Amitäbha. Der Text fährt fort: »Dann sollst Du die Wahrnehmung des Wassers erschaffen. Blicke auf das klare und reine Wasser und lafl dieses Bild klar und unverändert vor Dir verharren. Erlaube Deinen Gedanken nie, sich zu zerstreuen und verloren zu 30 jung: Symbolik des Geistes
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gehen.« Wie schon erwähnt ist Amitabha auch der Spender des Wassers der Unsterblichkeit. »Nachdem Du so das Wasser gesehen hast, solltest Du die Wahrnehmung des Eises erschaffen. So roie Du es leuchtend und durchsichtig schaust, solltest Du auch die Erscheinung des lapis lazuli imaginieren. Nachdem Du das getan hast, roirst Du den Boden sehen, roie roenn er aus lapis lazuli bestünde, durchsichtig und leuchtend, beides innen und außen. Unter diesem Boden von lapis lazuli roirst Du die goldene Fahne sehen mit den sieben ]uroelen, Diamanten und andern (Edelsteinen), roelche den Boden tragen. Diese Fahne erstreckt sich nach den acht Richtungen des Kompasses, und auf diese Weise sind die acht Ecken der Grundlage vollkommen ausgefüllt. jede Seite der acht Richtungen besteht aus 100 ]uroelen, und jedes ]uroel hat 1000 Strahlen, und jeder Strahl hat 84 000 Farben, roelche, reflektiert auf dem Boden von lapis lazuli, den Anschein haben von 1000 Millionen Sonnen, und es ist schwierig, diese getrennt von einander zu sehen. Ueber die Oberfläche dieses Bodens von lapislazulistrecken sich goldene Taue, die kreuzweise verbunden sind, und die Abteilungen sind gemacht von Schnüren mit jeroeils sieben ]uroelen, und jeder Teil ist klar und deutlich. Wenn diese Wahrnehmung geformt roorden ist, so solltest Du meditieren über ihre Bestandteile, einen nach dem andern. Und mache die Bilder so klar roie möglich, so da{! sie niemals sich auflösen und verloren gehen, gleichgültig ob Deine Augen geschlossen oder offen sind. Mit Ausnahme der Zeit Deines Schlafes solltest Du dieses Bild immer vor Deinem inneren Auge tragen. Einer, der den Zustand dieser Wahrnehmung erreicht hat, von dem roird gesagt, er habe undeutlich das Land des höchsten Glückes gesehen (Sukhavati). Einer, der aber den Zustand von Samadhi erreicht hat, ist imstande, das Land klar und deutlich zu sehen. Dieser Zustand kann nicht ganz erklärt roerden. Dies ist die Wahrnehmung des Landes und dies ist die dritte Medi-
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tation.« Samadhi ist »Eingezogenheit«, d. h. ein Zustand, in welchem aller Weltzusammenhang ins Innere absorbiert ist. Samadhi ist das Achte des achtfachen Pfades. Darauf folgt die Meditation über die Juwelen-Bäume des Amitabha-Landes und dann die Meditation über das Wasser. »Dieses Wasser findet sich in acht Seen. Das Wasser in jedem See besteht aus sieben Juwelen, welche weich und nachgiebig sind. Die Quelle kommt vom König der Juwelen (Cintamani »Wunsch-Perle«) ... In der Mitte jedes Sees sind 60 Millionen Lotusblüten, jede aus sieben Juwelen bestehend. Alle Blüten sind vollkommen rund und genau gleich groß. Das zwischen den Blüten fließende Wasser erzeugt melodische und angenehme Töne, welche alle vollkommenen Tugenden ausdrücken, wie Leiden, Nichtexistenz, Vergänglichkeit und Nichtselbst. Sie drücken auch das Lob der Zeichen der Vollkommenheit aus und der minderen Zeichen von Ausgezeichnetkeif aller Buddhas. Dem König der Juwelen (Cintamani) entfließen die goldfarbenen Strahlen von äußerster Schönheit. Ihr Leuchten verwandelt sich in Vögel, welche die Farben von 100 Juwelen haben. Sie singen harmonische Töne, süß und entzükkend, die Erinnerung an Buddha lobend, ebenso die Erinnerung an das Gesetz und die Erinnerung der Kirche. Das ist die Wahrnehmung des Wassers der acht guten Eigenschaften und das ist die fünfte Meditation.« Ueber die Meditation des Amitabha selber belehrt Buddha die Königin folgendermaßen: »Gestalte die Wahrnehmung einer Lotusblüte auf dem Boden von sieben Juwelen.« Die Blüte besitzt 84 000 Blütenblätter, jedes Blatt 84 000 Adern und jede Ader 84 000 Strahlen, »von denen jeder einzelne klar gesehen werden kann«. »Darauf solltest Du Buddha selbst wahrnehmen. Du fragst roie? jeder Buddha Tathagata (der Vollendete) ist einer, dessen Hauchkörper das Prinzip der Natur ist (Dharmadhatu-kaya, dhatu =Element), sodaß er in das Beroußt455
sein aller Wesen eingehen kann. Deshalb, wenn Du Buddha wahrgenommen hast, dann besitzt in der Tat Dein Bewußtsein jene 32 Zeichen der Vollkommenheit und die 80 kleineren Zeichen der Ausgezeichnetheit, welche Du am Buddha wahrnimmst. Schließlich ist es Dein Bewußtsein, das Buddha wird, oder besser, es ist Dein Bewußtsein, das in der Tat Buddha ist. Der Ozean des wahren und universellen Wissens aller Buddhas hat seine Quelle in unserem eigenen Bewußtsein und Gedanken. Deshalb solltest Du Deinen Gedanken mit einer ungeteilten Aufmerksamkeit auf eine sorgfältige Meditation über jenen Buddha Tathagata, den Arhat, den Heiligen und vollkommen Erleuchteten, richten. Wenn Du die Wahrnehmung dieses Buddha gestaltest, so solltest Du zuerst das Bild dieses Buddha wahrnehmen, gleichgültig ob Deine Augen offen oder geschlossen sind. Schaue ihn an, wie ein Idol in] ambilnada-Gold (Saft des Jambubaumes. Jambunadi = Fluß aus Saft der Jambufrucht, fließt rings um den Meru herum und kehrt wieder zum Baum zurück), das auf der Blüte sitzt. Wenn Du die sitzende Figur gesehen hast, so wird Dein geistiges Gesicht klar werden und Du wirst imstande sein, die Schönheit jenes Buddhalandes klar und deutlich zu sehen. Indem Du diese Dinge siehst, lasse sie klar und fest Dir erscheinen, so deutlich wie die Fläche deiner Hände.« »Wenn Du durch dieses Erlebnis hindurch gehst, so wirst Du zugleich alle Buddhas der 10 Welten sehen. Diejenigen, welche diese Meditation ausgeübt haben, von denen roird gesagt, daß sie die Körper aller Buddhas betrachtet haben. Da sie über den Körper Buddhas meditiert haben, werden sie auch den Geist Buddhas wahrnehmen. Es ist das große Mitleid, welches Buddhas Geist genannt wird. Durch das allumfassende Mitleid geschieht es, daß er alle Wesen annimmt. Diejenigen, welche diese Meditation ausgeübt haben, werden nach ihrem Tode wieder geboren werden in der Gegenwart der Buddhas in einem anderen Leben und werden einen Geist des Verzichtes erreichen, mit dem sie
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allen Folgen begegnen, roelche sich nach diesem ereignen roerden. Darum sollten die, roelche Weisheit besitzen, ihre Gedanken zu einer sorgfältigen Meditation über diesen Buddha Amitayus sammeln.< Von denen, welche diese Meditation ausüben, wird gesagt, daß sie nicht mehr in einem embryonischen Zustand leben, sondern freien Zugang haben werden zu den ausgezeichneten und wunderbaren Ländern der Buddhas. >Wenn Du diese Wahrnehmung erreicht hast, solltest Du Dir ein Bild machen von Dir selber, roie Du geboren roirst in der Welt des höchsten Glückes, in der Region des Westens, und roie Du dort sitzest mit gekreuzten Beinen auf einer Lotusblüte. Dann mache Dir ein Bild davon, roie diese Blüte Dich in sich einschließt und roie sie sich nachher roiederum entfaltet. Wenn sich nämlich die Blüte roieder entfaltet, so ist Dein Körper von 500 farbigen Strahlen umspielt. Deine Augen roerden geöffnet sein, sodaß Du die Buddhas und Bodhisattvas siehst, roie sie den ganzen Himmel erfüllen. Du roirst das Geräusch des Wassers und der Bäume hören, den Gesang der Vögel und die Stimme der vielen Buddhas.< Buddha spricht darauf zu Ananda und Vaidehi (der Königin): »Diejenigen, die wünschen, vermittelst ihrer reinen Gedanken im roestlichen Lande roiedergeboren zu roerden, sollten zuerst über ein Bild des Buddha meditieren, das 16 Ellen hoch ist und auf dem Lotus im Wasser des Sees sitzt. Wie vorher gesagt rourde, ist der roirkliche Körper und sein Maß unbegrenzt und unbegreiflich für den geroöhnlichen Verstand. Aber durch die Wirksamkeit des alten Gebetes dieses Tathagata roerden sicherlich alle, die daran denken und sich seiner erinnern, ihr Ziel erreichen.« Der Text fährt fort: »Als Buddha diese Rede vollendet hatte, da konnte V aidehi, die Königin, zusammen mit ihren 500 Begleiterinnen, geleitet von den Worten Buddhas, den 457
Anblick der weit sich erstreckenden Welt der Glückseligkeit sehen, und sie konnte ebenso den Körper Buddhas und den Körper der beiden Bodhisativas sehen. Ihr Geist war erfüllt mit Freude, sie pries diese, indem sie sagte: ,Niemals habe ich solch ein Wunder gesehen.' Auf der Stelle wurde sie ganz und gar erleuchtet und erreichte den Geist des Verzichtes, nunmehr vorbereitet, alle Folgen zu erdulden, was immer auch diese seien. Ihre 500 Begleiterinnen ebenso erfreuten sich des Gedankens, daß sie nunmehr die höchste vollkommene Erkenntnis erreichten und wünschten in jenem Lande des Buddha wiedergeboren zu werden. Der durch alle Welt Geehrte sagte voraus, daß sie alle in jenem Lande wiedergeboren würden und daß sie imstande sein würden, Samadhi (die übernatürliche Ruhe) der Gegenwart vieler Buddhas zu erreichen.« In einem Exkurs über das Schicksal des Unerleuchteten sagt Buddha, die Yogaübung zusammenfassend: »Aber da er von Schmerzen geplagt ist, so wird er keine Zeit finden, an Buddha zu denken. Ein guter Freund wird dann zu ihm sagen: Auch wenn Du die Erinnerung an Buddha nicht üben kannst, so mögest Du wenigstens den Namen aussprechen: ,Buddha Amifiiyus.' Er möge dies in reiner Gesinnung tun mit konstanter Stimme. Er möge beständig an Buddha denken, bis er zehnmal den Gedanken vollendet hat, indem er wiederholt: .Namo(A)mitayushe Buddhaya' (Verehrung dem Buddha Amitayus). Vermöge des Verdienstes des Aussprechens des Buddhanamens wird er durch jede Wiederholung seine Sünden austilgen, die ihn sonst in Geburt und Tod während 80 Millionen Ka:lpas verwickeln würden. Er wird, wenn er stirbt, einen goldenen Lotus sehen, gleich der Scheibe der Sonne vor seinen Augen, und in einem Augenblick wird er wiedergeboren sein in Sukhavati, der Welt der höchsten Glückseligkeit.« Das sind die wesentlichen, uns hier interessierenden Inhalte der Yogaübung. Der Text zerfällt in 16 Meditationen, von denen ich hier nur Stücke hervorgehoben 458
habe. Sie mögen aber genügen, um die bis Samädhi, der höchsten Entzückung und Erleuchtung, aufsteigende Meditation zu schildern. Die Uebung beginnt mit der Konzentration auf die untergehende Sonne. In südlichen Breiten ist die Strahlungsintensität der untergehenden Sonne noch so stark, dafl einige Augenblicke des Hinsehens genügen, um ein intensives Nachbild zu erzeugen. Man sieht dann, auch mit geschlossenen Augen, die Sonne noch für eine ganze Weile. Bekanntlich besteht eine der hypnotischen Methoden darin, dafl ein glänzender Gegenstand, z. B. ein Diamant oder Krystall, fixiert wird. Man darf vermuten, dafl die Fixierung der Sonne einen ähnlichen hypnotischen Effekt bewirken soll. Allerdings soll es kein einschläfernder Effekt sein, insofern mit der Fixierung auch eine »Meditation« der Sonne verknüpft werden mufl. Meditation ist ein Nachdenken über und ein Sich-Klarmachen, ein Realisieren der Sonne, ihrer Gestalt, ihrer Eigenschaften und Bedeutungen. Da das Runde in den folgenden Stücken eine bedeutsame Rolle spielt, so darf man auch vermuten, dafl die runde Sonnenscheibe als Vorlage zu den nachfolgenden runden Phantasiegebilden dienen soll. Ebenso soll sie vermöge ihres intensiven Lichtes die nachfolgenden strahlenden Visionen vorbereiten. Auf diese Weise soll, wie der Text sagt, »die Wahrnehmung erschaffen« werden. Die nächste Meditation, die des Wassers, stützt sich auf keinen Sinneseindruck mehr, sondern erschafft nun durch aktive Imagination das Bild einer spiegelnden Wasserfläche, die, wie man aus Erfahrung weifl, das Sonnenlicht vollkommen widerspiegelt. Es soll nun vorgestellt werden, dafl ·das Wasser sich in »leuchtendes und durchsichtiges Eis« verwandelt. Durch diese Prozedur wird das immaterielle Licht des Sonnennachbildes in die Materie des Wassers und dieses schließlich in die feste Stofflichkeit des Eises gewandelt. Dadurch
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wird offenbar eine Konkretisierung und Verstofflichung der Vision bezweckt, und damit entsteht eine Materialität der Phantasieschöpfung, welche an die Stelle der physischen Natur, dieser uns bekannten Welt, tritt. Es wird eine andere Wirklichkeit geschaffen gewissermaßen aus seelischem Stoff. Das Eis, das natürlicherweise eine bläuliche Farbe hat, wandelt sich nun zu dem blauen Lapislazuli, zu einem festen steinernen Gebilde, welches seinerseits zu einem >Boden< wird, der allerdings :.leuchtend und durchsichtig< ist. Mit diesem >Boden< ist eine unveränderliche, sozusagen absolut reale Grundlage geschaffen. Dieser blaue, durchsichtige Boden ist wie ein gläserner See, durch dessen durchsichtige Schichten der Blick in die Tiefe dringt. Aus dieser Tiefe leuchtet nun die sog. >goldene Fahne< auf. Es ist hier zu bemerken, daß das Sanskritwort >dhvajac für >Fahne< überhaupt die Bedeutung von >Zeichen< und >Symbol< hat. Man könnte daher ebensogut vom Erscheinen eines >Symboles< reden. Es wird hier klar, daß, indem das Symbol sich >nach den acht Richtungen des Kompaß' < erstreckt, die Grundlage ein achtstrahliges System darstellt. Wie der Text sagt, sind durch die Fahne die >acht Ecken der Grundlage vollkommen ausgefüllt<. Das System leuchtet wie >1000 Millionen Sonnen<. Das leuchtende Sonnennachbild hat also an Strahlungsenergie bedeutend gewonnen und sich zu einer unermeßlichen Leuchtkraft gesteigert. Die eigentümliche Vorstellung von >goldenen Tauen<, die sich wie ein Netz über das System ausbreiten, will vermutlich besagen, daß letzteres zusammengebunden und auf diese Weise befestigt sei, sodaß es nicht mehr auseinanderfallen kann. Leider sagt der Text nirgends etwas über die Möglichkeit eines Versagens der Methode und über die Zerfallserscheinungen, die infolge eines Fehlers eintreten könnten. Derartige Störungen eines imaginativen Prozesses sind aber für den Kenner
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nichts Unerwartetes; sie bilden im Gegenteil ein regelmäßiges Vorkommnis. Es ist daher nicht erstaunlich, dafl in der Yogavision eine Art innerer Verfestigung des Bildes durch goldene Taue vorgesehen ist. Obschon der Text es nicht ausdrücklich erwähnt, ist das achtstrahlige System bereits das Amitabhaland. Darin wachsen wunderbare Bäume, wie sich dies für ein Paradies, das es ist, geziemt. Eine besondere Wichtigkeit kommt dem Wasser des Amitabhalandes zu. Es findet sich, dem Oktogon entsprechend, in der Gestalt von acht Seen. Die Quelle dieses Wassers ist ein zentrales Juwel, Cintamani, die Wunschperle, ein Symbol der l)Schwer erreichbaren Kostbarkeit< 4 und des höchsten Wertes. In der chinesischen Kunst ist es jenes mondartige Gebilde, das häufig mit dem Drachen verbunden erscheint. Die wundersamen »Töne« des Wassers bestehen in zwei Gegensatzpaaren, die dogmatische Grundwahrheiten des Buddhismus ausdrücken, >Leiden und Nichtsein, Vergänglichkeit und Nichtselbst«, was besagen will, dafl alles Sein leidvoll, und alles Ichhafte vergänglich sei. Aus diesen Irrtümern erlöst das Nichtsein und das Nicht-Ich-Sein. Das tönende Wasser ist also etwas wie die Lehre Buddhas überhaupt, ein erlösendes Wasser der Weisheit, eine »aqua doctrinae«, um einen Ausdruck des 0 r i g e n es zu gebrauchen. Die Quelle dieses Wassers, die Perle ohne Gleichen, ist der Tathagata, der Buddha selber. Daher folgt nun die imaginative Rekonstruktion des Buddhabildes, und indem dieser Aufbau vorgenommen wird, ergibt sich die Einsicht, dafl Buddha eigentlich nichts anderes ist, als die in der Meditation tätige Psyche des Yogin, des Meditierenden selber. Aus dem »eigenen Bewußtsein und Gedanken« geht nicht nur die Gestalt des Buddha ~ Jung: Wandlungen und Symbole der Libido, 1912, p. 161 u. a. a. 0.
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hervor, sondern die Seele, die diese Gedankenbilder erzeugt, ist Buddha selber. Die Gestalt des Buddha sitzt im runden Lotus, im Zentrum des oktogonalen Amitabhalandes. Buddha ist ausgezeichnet durch das große Mitleid, mit dem er »alle Wesen annimmt«, also auch den Meditierenden, d. h. das innerste Wesen, welches Buddha ist, tritt in der Vision hervor und offenbart sich als das eigentliche Selbst des Meditierenden. Er erfährt sich selber als das alleinig Seiende, als das höchste Bewußtsein, welches eben Buddha ist. Um zu diesem letzten Ziel zu gelangen, brauchte es den ganzen Weg mühsamer geistiger Rekonstruktionsübung, um vom verblendeten Ichbewußtsein, das die Schuld an der leidvollen Illusion der Welt trägt, loszukommen und an jenen andern seelischen Pol zu gelangen, in welchem die Welt als Illusion aufgehoben ist.
* Unser Text ist insofern kein bloßes literarisches Museumsstück, als er in dieser und in vielen andern Formen in der Seele des Inders lebt und dessen Leben und Denken durchdringt bis in die kleinsten Einzelheiten, die dem Europäer so überaus fremdartig vorkommen. Es ist nicht etwa der Buddhismus, der diese Seele formt und erzieht, sondern der Yoga. Der Buddhismus selber ist eine Geburt aus dem Geiste des Yoga, der älter und universaler ist als die historische Reformation Buddhas. Mit diesem Geiste muß sich derjenige wohl oder übel befreunden, welcher danach strebt, indische Kunst, Philosophie und Ethik von Innen her zu verstehen. Unser gewohntes Verstehen aus dem Aeußeren versagt hier, weil es dem Wesen indischer Geistigkeit hoffnungslos inadäquat ist. Und insbesondere möchte ich warnen vor der so oft versuchten Nachahmung und Anempfindung östlicher Praktiken. 462
Es kommt dabei in der Regel nicht mehr heraus als eine besonders künstliche Verdummung unseres westlichen Verstandes. Ja, wer es fertig brächte, in jeder Hinsicht auf Europa zu verzichten und wirklich auch nichts anderes zu sein als ein Yogin mit allen ethischen und praktischen Konsequenzen und im Lotussitz auf dem Gazellenfell unter .einem staubigen Banyanbaum dahinzuschwinden und seine Tage in namenlosem Nichtsein zu beschließen, einem solchen würde ich es zugestehen müssen, daß er den Yoga auf Indisch verstanden hat. Wer das nicht kann, der soll auch nicht tun, als ob er den Yoga verstünde. Er kann und soll nicht auf seinen westlichen Verstand verzichten, sondern im Gegenteilletzteren anstrengen, um ohne Nachahmung und Anempfindelei in ehrlicher Weise so viel vom Yoga zu verstehen, als unserm Verstande eben möglich ist. Da die Geheimnisse des Yoga dem Inder so viel oder noch mehr bedeuten als uns die Mysterien des christlichen Glaubens, und wir es doch jedem Exoten verwehren würden, unser mysterium fidei lächerlich zu machen, so dürfen auch wir die seltsamen indischen Vorstellungen und Uebungen nicht gering schätzen und für absurden Irrtum halten. Damit würden wir uns nur den Zugang zu einem sinngemäßen Verständnis verbauen. Allerdings haben wir es in Europa schon weit gebracht in dieser Hinsicht, indem uns die geistigen Inhalte des christlichen Dogmas in einem rationalistischen und aufklärerischen Nebel bis zu einem bedenklichen Grade verschwunden sind, und allzuleicht ist es, zu unterschätzen, was man nicht kennt und versteht. Wenn wir überhaupt verstehen wollen, so kann dies nur auf europäische Weise geschehen. Man kann zwar vieles mit dem Herzen verstehen, aber dabei findet es oft der Verstand schwierig, mit der intellektuellen Formulierung nachzukommen und dem Verstandenen den 463
gebührlichen Ausdruck zu geben. Es gibt zwar ein Begreifen mit dem Kopfe und insbesondere mit dem wissenschaftlichen Verstand, wobei aber manchmal das Herz zu kurz kommt. Wir müssen daher bald das Eine, bald das Andere der wohlwollenden Mitarbeit des Publikums überlassen. Versuchen wir es also zunächst mit dem Kopfe, jene verborgene Brücke aufzufinden oder zu bauen, welche vom Yoga zum europäischen Verständnis herüberführen soll. Zu diesem Zwecke müssen wir uns noch einmal die Reihe der bereits besprochenen Symbole vergegenwärtigen, aber diesmal mit Rücksicht auf ihren Sinngehalt. Die Sonne, mit der die Reihe anhebt, ist die Quelle von Wärme und Licht und unzweifelhafter Mittelpunkt unserer sichtbaren Welt. Als Spenderin des Lebens ist sie daher sozusagen immer und überall entweder die Gottheit selber oder wenigstens ein Bild derselben. Selbst in der christlichen Vorstellungswelt ist sie eine beliebte Allegorie Christi. Eine zweite Quelle des Lebens, und dies namentlich in südlichen Ländern, ist das Wasser, das bekanntlich auch in der christlichen Allegorik eine bedeutende Rolle spielt, z. B. in der Gestalt der vier Paradiesesströme und der Quelle, die an der Seite des Tempelberges entsprang. Letztere wurde dem Blute aus der Seitenwunde Christi verglichen. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch an das Gespräch Christi mit der Samariterin am Brunnen und an die Ströme lebendigen Wassers aus dem Leibe Christi (Joh. VII, 38). Eine Meditation über Sonne und Wasser wird unfehlbar solche und ähnliche Bedeutungszusammenhänge evocieren, womit der Meditierende allmählich aus dem Vordergrunde der sichtbaren Erscheinung zum Hintergrund, d. h. zu dem dahinterliegenden geistigen Sinn der Meditationsgegenstände übergeleitet wird. Dadurch wird er in die psychische Sphäre versetzt, wo Sonne und Wasser ihrer physischen Gegenständlich-
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keit entkleidet und damit zu Symbolen seelischer Inhalte werden, nämlich zu Bildern der Lebensquelle in der eigenen Seele. Unser Bewußtsein schafft sich ja nicht selber, sondern es quillt auf aus unbekannter Tiefe. Es erwacht allmählich im Kinde, und es erwacht jeden Morgen aus der Tiefe des Schlafes aus einem unbewußten Zustande. Es ist wie ein Kind, das täglich aus dem mütterlichen Urgrunde des Unhewußten geboren wird. Ja, eine genauere Erforschung des Bewußtseinsprozesses ergibt die Tatsache, daß es nicht nur vom Unbewußten beeinflußt wird, sondern sogar in Form zahlloser spontaner Einfälle überhaupt beständig dem Unbewußten entquillt. Die Meditation der Bedeutung von Sonne und Wasser ist daher etwas wie ein Abstieg zur seelischen Quelle, eben zum Unbewußten selber. Hier liegt nun allerdings ein Unterschied zwischen östlichem und westlichem Geiste vor. Es ist derselbe Unterschied, dem wir schon begegnet sind: es ist der zwischen Hochaltar und Tiefaltar. Der Westen sucht immer Erhebung, der Osten aber Versenkung oder Vertiefung. Die äußere Wirklichkeit mit ihrem Geist der Körperhaftigkeit und Schwere scheint den Europäer viel stärker und schärfer anzupacken als den Inder. Darum sucht Ersterer sich über die Welt zu erheben, Letzterer aber kehrt gern in die mütterlichen Tiefen der Natur zurück. . Wie nun die christliche Kontemplation z. B. in den Exercitia Spiritualia des Hl. lgnatius von Loyola mit allen Sinnen sich bestrebt, die heilige Gestalt so konkret wie möglich zu erfassen, so verfestigt auch der Yogin das Wasser, das er betrachtet, zunächst zu Eis und sodann zu Lapislazuli und schafft dadurch einen festen »Boden<, wie er es nennt. Er schafft seiner Vision sozusagen einen soliden Körper. Damit gibt er dem lnnern, nämlich den Gestalten seiner seelischen Welt, eine konkrete Realität, welche an die Stelle der äußeren
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Welt tritt. Er sieht zwar zunächst nichts als eine spiegelnde blaue Oberfläche, etwa wie die eines Sees oder Meeres, welch letzteres auch in unsern Träumen ein beliebtes Symbol des Unbewußten ist. Denn unter der spiegelnden Wasserfläche bergen sich unbekannte Tiefen, die dunkel und geheimnisvoll sind. Wie der Text sagt, ist der blaue Stein durchsichtig, womit ausgesagt wird, daß der Blick des Meditierenden in die Tiefe des seelischen Geheimnisses einzudringen vermag. Dort erblickt er nun das, was zuvor nicht gesehen werden konnte, d. h. was unbewußt war. Wie Sonne und Wasser die physischen Lebensquellen sind, so drücken sie als Symbole das essentielle Lebensgeheimnis des Unbewußten aus: in der Fahne, d. h. dem Symbol, das der Yogin durch den Lapislazuliboden erblickt, schaut er gewissermaßen eine Gestalt der vordem unsichtbaren und anscheinend gestaltlosen Bewußtseinsquelle. Durch Dhyäna, d. h. Versenkung und Vertiefung der Kontemplation hat das Unbewußte, wie es scheint, Gestalt angenommen. Es ist, wie wenn das Licht des Bewußtseins, das aufgehört hat, Gegenstände der äußeren Sinneswelt zu beleuchten, nunmehr das Dunkel des Unbewußten erleuchtete. Wenn die Sinneswelt und der Gedanke an sie gänzlich ausgelöscht sind, so tritt das Innere deutlicher hervor. Hier überspringt nun der östliche Text ein psychisches Phänomen, das dem Europäer zur Quelle endloser Schwierigkeiten wird. Versucht ein solcher die Vorstellungen der äußeren Welt zu verbannen und seinen Geist von allem Aeußeren zu entleeren, so wird er zunächst zur Beute seiner subjektiven Phantasien, die mit den Inhalten unseres Textes nichts zu tun haben. Phantasien haben keinen guten Ruf, sie sind billig und wertlos und werden daher als nutz- und sinnlos verworfen. Sie sind die kle«;as, jene unordentlichen und chaotischen Triebkräfte, die der Yoga eben »anjochen<
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will. Dasselbe Ziel verfolgen auch die Exercitia Spiritualia, und zwar suchen heide Methoden den Erfolg dadurch zu erreichen, daß sie dem Meditierenden den Gegenstand der Kontemplation vorhalten, indem sie ihm dasjenige Bild zeigen, auf ·das er sich konzentrieren soll, eben um die sog. wertlosen Phantasien auszuschalten. Beide Methoden, sowohl die östliche wie die westliche, versuchen auf direktem Wege zum Ziel zu gelangen. Ich will die Erfolgsmöglichkeiten dort, wo sich die Meditationsübung in einem bedeutsamen kirchlichen Rahmen abspielt, nicht in Frage stellen. Außerhalb eines solchen aber geht die Sache in der Regel nicht, oder sie führt sogar zu deplorahlen Resultaten. Durch die Erhellung des Unbewußten nämlich gerät man zunächst in die Späre des chaotischen persönlichen Unhewußten, in welchem sich alles findet, was man gerne vergißt und was man unter allen Umständen weder sich selber noch einem andern eingestehen und überhaupt nicht für wahr haben möchte. Man glaubt daher am besten weg zu kommen, wenn man möglichst nicht in diese dunkle Ecke schaut. Allerdings, wer so verfährt, der wird auch um diese Ecke nie herumkommen. Keinesfalls wird er auch nur eine Spur von dem erreichen, was der Yoga verspricht. Nur wer diese Dunkelheit durchschreitet, kann hoffen, irgendwie weiter zu kommen. Ich hin darum prinzipiell gegen die kritiklose Uehernahme von Yogapraktiken durch Europäer, denn ich weiß zu genau, daß sie sich damit um ihre dunkle Ecke herumzudrücken hoffen. Ein solches Beginnen ist aber völlig sinn- und wertlos. Hier liegt auch der tiefere Grund, warum wir im Westen (abgesehen von der sehr beschränkten Anwendung der jesuitischen Exercitia) nichts entwickelt haben, das sich mit dem Yoga vergleichen ließe. Wir haben eine abgrundtiefe Scheu vor der Scheußlichkeit unseres persönlichen Unhewußten. Daher zieht es der
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Europäer vor, lieber den Andern zu sagen, wie sie es zu machen hätten. Daß die Besserung des Ganzen beim Einzelnen, ja bei mir selber anfängt, das will uns schon gar nicht in den Kopf. Viele ·denken sogar, es sei krankhaft, einmal ins eigene Innere zu blicken, man werde davon melancholisch, wie mir sogar einmal ein Theologe versicherte. Ich habe vorhin gesagt, es hätte sich bei uns nichts entwickelt, was sich dem Yoga vergleichen ließe. Das ist nicht ganz richtig. Es hat sich bei uns, wie das dem europäischen Präjudiz entspricht, eine ärztliche Psychologie entwickelt, die sich speziell mit den klec;as befaßt. Wir nennen dies die »Psychologie des Unbewußten«. Die von Freud inaugurierte Richtung hat die Bedeutung der menschlichen Schattenseite und ihres Einflusses auf das Bewußtsein erkannt und sich in dieses Problem verwickelt. Diese Psychologie beschäftigt sich ausgerechnet mit dem, was unser Text verschweigt und als erledigt voraussetzt. Der Yoga weiß sehr wohl um die Welt der klec;as, aber die Naturhaftigkeit seiner Religion kennt den moralischen Konflikt nicht, welchen die klec;as für uns bedeuten. Ein ethisches Dilemma trennt uns von unserem Schatten. Der Geist Indiens wächst aus der Natur. Unser Geist steht gegen die Natur. Darum ist uns der Boden aus Lapislazuli undurchsichtig, weil die Frage des Bösen in der Natur zuerst beantwortet werden muß. Diese Frage kann beantwortet werden, aber sicherlich nicht mit seichter rationalistischer Argumentation oder intellektuellem Geschwätz. Die ethische Verantwortung des Einzelnen kann eine gültige Antwort geben. Aber Rezepte oder Lizenzen gibt es nicht, sondern nur Bezahlung bis zum letzten Heller. Dann kann der Boden aus Lapislazuli durchsichtig werden. Unser Sutra setzt also voraus, daß die Schattenwelt unserer persönlichen Phantasien, d. h. des
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persönlichen Unbewußten, durchschritten sei, und fährt nun fort, eine symbolische Gestalt zu schildern, die uns zunächst fremdartig anmutet. Es handelt sich um ein radiäres, »achtteiliges«, geometrisches Gebilde, um eine sog. Ogdoas, eine Achtheit. In der Mitte erscheint ein Lotus, in welchem Buddha sitzt, und das entscheidende Erlebnis ist schließlich die Erkenntnis, daß der Meditierende selber Buddha ist, wodurch der durch die Rahmenerzählung geschürzte Schicksalsknoten als gelöst erscheint. Das konzentrisch gebaute Symbol drückt offenbar höchste Konzentration aus, welche nur dadurch erreicht wird, daß die vorhin geschilderte Abziehung und Ueberleitung des Interesses von den Eindrücken der Sinneswelt und den objektgebundenen Vorstellungen weg und die Zuwendung zum Bewußtseinshintergrund auf die Spitze getrieben wurde. Die Bewußtseinswelt mit ihrer Verhaftung ans Objekt, ja sogar das Zentrum des Bewußtseins, das Ich, erlischt, und dafür erscheint in endloser Steigerung des Glanzes die Amitäbhawelt. Psychologisch heißt dies soviel, als daß hinter oder unter der persönlichen Phantasie- und Triebwelt eine noch tiefere Schicht des Unbewußten erscheint, welche im Gegensatz zur chaotischen Unordnung der kle<;as von höchster Ordnung und Harmonie ist, und im Gegensatz zu deren Vielheit die allumfassende Einheit des »bodhimandala«, des Zauberkreises ·der Erleuchtung, darstellt. Was hat nun unsere Psychologie zu dieser indischen Feststellung eines überpersönlichen, weltumfassenden Unbewußten zu sagen, welches gewissermaßen dann erscheint, wenn die Dunkelheit des persönlichen Unbewußten durchsichtig geworden ist? Unsere moderne Psychologie weiß, daß das persönliche Unbewußte nur eine Oberschicht ist, die auf einem ganz anders gearteten Fundament ruht. Dieses wird als kollektives Unbe31
jung: Symbolik des Geistes
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rou[ltes bezeichnet. Der Grund zu dieser Bezeichnung ist der Umstand, dafl unähnlich dem persönlichen Unbewuflten und dessen rein persönlichen Inhalten die Bilder des tieferen Unbewuflten von ausgesprochen mythologischem Charakter sind. Das will besagen, dafl sie nach Form und Inhalt mit jenen allverbreiteten Urvorstellungen, wie sie den Mythen zu Grunde liegen, übereinstimmen. Sie sind nicht mehr persönlicher, sondern rein überpersönlicher Natur und darum allen Menschen gemeinsam. Darum lassen sie sich auch in allen Mythen und Märchen aller Völker und Zeiten und ebenso bei einzelnen Individuen nachweisen, ohne dafl diese die geringste bewuflte Kenntnis der Mythologie hätten. Unsere abendländische Psychologie ist tatsächlich soweit wie der Yoga, dafl sie nämlich imstande ist, eine tiefere Einheitsschicht des Unbewuflten wissenschaftlich nachzuweisen. Die mythologischen Motive, deren Vorhandensein die Erforschung des Unbewuflten erwiesen hat, bilden zwar an sich eine Vielheit, aber diese gipfelt in einer konzentrischen oder radiären Anordnung, welche recht eigentlich das Zentrum oder das Wesen des kollektiven Unbewuflten ausmacht. Wegen der bemerkenswerten Uebereinstimmung der Einsichten des Yoga mit den Ergebnissen der psychologischen Forschung habe ich für dieses Zentralsymbol den Sanskritterminus »Mandala«, das »Kreis« bedeutet, gewählt. Man wird nun gewiß fragen: aber wie in aller Welt kommt die Wissenschaft auf dergleichen Feststellungen? Dazu gibt es zwei Wege. Der erste ist der historische. Untersuchen wir z. B. die introspektive Methode der mittelalterlichen Naturphilosophie, so sehen wir, dafl sie sich immer wieder des Kreises, und zwar meistens des viergeteilten, zur Symbolisierung des zentralen Prinzips bedient hat und dies in offenkundiger Anlehnung an die kirchliche Quaternitätsallegorik, wie
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sie sich in zahlreichen Darstellungen des rex gloriae mit den vier Evangelisten, den vier Paradiesesströmen, den vier Winden etc. findet. Der zweite Weg ist der empirisch-psychologische. In einem gewissen Stadium der psychischen Behandlung zeichnen die Patienten gelegentlich spontan solche Mandalas, entweder weil sie sie träumen oder weil sie plötzlich das Bedürfnis spüren, ihre seelische Unordnung durch die Darstellung einer geordneten Einheit zu kompensieren. Einen solchen ProzeR hat z. B. auch unser nationaler Heiliger, der selige Bruder Niklaus von der Flüe, durchlaufen, dessen Endzustand man noch im Bilde der Dreifaltigkeitsvision in der Pfarrkirche von Sachsein sehen kann. Er hat seine große Schreckvision, die ihn aufs tiefste erschütterte, mit Hilfe der Kreiszeichnungen im Büchlein eines deutschen Mystikers geordnet 5 • Was aber sagt unsere empirische Psychologie zu dem im Lotus sitzenden Buddha? Folgerichtigerweise müßte ja beim Abendländer Christus in der Mitte des Mandala thronen. Das war, wie schon gesagt, im Mittelalter bei uns auch der Fall. Aber unsere modernen Mandalas, deren spontane Entstehung wir bei zahlreichen Individuen ohne äußere Voraussetzung oder Einmischung beobachten, enthalten keine Christusfigur und noch weniger einen Buddha im Lotussitz. Wohl aber kommt das gleichschenklige Kreuz oder gar eine unverkennbare Andeutung des Svastika nicht selten vor. Ich will diese seltsame Tatsache, die an sich allerdings von höchstem Interesse ist, hier nicht diskutieren 6 • 5 Vgl. P. Alban Stöckli, O.M.Cap.: Die Visionen des Seligen Bruder Klaus, Einsiedeln 1933. J u n g : Bruder Klaus, Neue Schweizer Rundschau 1933,
Heft 4. 6 Der Leser findet die nötigen Angaben in meinem Buch: Psychologie und Religion, 1940.
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Zwischen dem christlichen und dem buddhistischen Mandala besteht ein feiner, aber enormer Unterschied. Der Christ wird in der Kontemplation nie sagen: Ich bin Christus, sondern mit Paulus wird er bekennen: »doch nun nicht ich lebe, sondern Christus lebet in mir«. Unser Sutra aber sagt: Du wirst erkennen, daß du Buddha bist. Im Grunde ist das Bekenntnis identisch, insofern der Buddhist diese Erkenntnis nur erreicht, wenn er »anatman«, d. h. ohne Selbst ist, aber in der Formulierung besteht ein grenzenloser Unterschied: der Christ erreicht sein Ende in Christo, der Buddhist erkennt, daß er Buddha ist. Der Christ kommt eben aus der vergänglichen und ichhaften Bewußtseinswelt, der Buddhist aber ruht noch auf dem ewigen Grunde der inneren Natur, deren Einssein mit der Gottheit oder dem universalen Wesen uns auch in andern indischen Bekenntnissen entgegentritt.
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Autoren-, Text- und Sachregister
Von Lena Hurmitz-Eisner
Autoren- und Textregister Abraham le Juif 98, 107 Aelian 43 48 Albright, W. F. 248 48 Allegoriae Sapientum supra librum Turbae 7712 Allegoriae super librum Turbae 112, 115143 St. Ambrosius 365 Amitäyur-dhyäna-siitra 452 Amos 233 8, 249 Angelus Silesius 151, 431 Aenigma Bononiense 8018 Aenigma Philosophorum 116152 Apelt, 0. 34447 Apokalypse 78, 81, 112, 1372 20 Apollonius v. Tyana 107 Aquarium Sapientum 90\ 9220 25, 9952, 10370 76, 110, 127207 208 Aristoteles 89, 149, 33533 de Arte Chimica 109101 Artephius 114 S. Augustinus 144 ff., 37218 19, 451 Aurelia Occulta 750, 103 71, 104, 110, 114, 116147, 125198 199 Aurora Consurgens 9113, 9217, 9613, 10689, 108108 A vesta 31421 A vicenna 89, 99 Axiomata 9211, 10157 Barlach, E. 14 Barth, Karl 1792\ 332 Bartholomae, Chr. 3142 2 24, 31628
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Barton, G. A. 19348 Barachapokalypse 288114• Basilius Valentinus 911 5, 97 38 , 10158, 10373, 108106, 115146 Bastian, A. 24337 Baudissin, W. W. 194, 197, 221 40, 259 66, 298 Bauer, H. und Leander, P. 175, 172' Baumgartner, M. 382 5 Baumgartner, W. 16538, 195 61, 207 2, 210 ff., 215 29, 2224 2, 27188f., 295125 Belot, J. B. 17924 Benzinger, J. 19346 , 19881, 200 90, 263 72, 31729 Bernardus Trevisanus 10310, 118169, 126201 Bertheau, E. 20910, 308 Berthelot 85 21, 89, 911 4, 10056 , 10162 63 64, 10265 66, 109111, 114140, 115145 146 Bertholet, Alfred 176 9, 193 46 Birkeland, H. 16845 Bolte, Joh. u. Polivka, Georg 242 34 Bousset, W. 118164, 123194 Bousset-Gressmann 1792o, 1833 4 Br·evis Manuductio 10372, 118169 Brock-Utne, Alb. 165 ff., 170 ff. Brockelmann, K. 17923, 29512 5 Budde, Karl195, 225 48 ff.,.309ff., 31729 Bundahisn (Bundehesh) 108, 27289 f., 31628
Caldwell, Will. 193 48 , 19880 Caspari, C. P. 36711 Caspari, D. W. 189 4 2 Cheyne, Th. K. 195 Chretien de Troyes 112131 Christensen, A. 107105 Chronik 157 f., 1612 2, 172, 191 f., 197, 206, 223 42 , 229, 265 75 , 305, 307 ff. Chwolsohn, D. 113134 Cicero 109 Clemens v. Alexandrien 3241, 419 29 Clemensbrief 362, 365 Codex Bezae 13922 1 Codex Rhenovacensis 122187 Codex Vossianus 12218 7 Comma Joanneum 3611 Consilium Conjugii 10480 Cornford, F. Macd. 33837, 343 f., 348 Corpus Hermeticum 89, 114 Curtis, E. L. 308 Cusanus, Nicolaus 426
Dähnhardt, 0. 242 34 Dalman, G. H. 186 39 Daniel 223 42 Dante 39, 127, 406 Darmsteter, J ames 316 28 Dee, J ohn 107102 Demokritos 114 Deussen, P. 891, 145221 Deuteronomium 196, 212, 25463, 284, 292 118 , 302
Dialogus Mercurii 85 22 Dicta Belini 7712, 107, 116, 127210 Diestel, L. 193, 234 ff., 301 13 Djabir 100 56 Dorneus 92 17, 100, 103, 106, ·116 149, 1211 76, 126 20 4, 128, 412 Dozy - de Goeje 114_
Driver, S. R. 198 82 Driver- Gray 2759 2 Duhm, Bernhard 2291, 2314, 252f., 269 83 , 27086 , 27188, 27289 Duhm, Hans 159 ff., 193, 204104, 206, 219 37, 229 f., 241, 259 66 Dürr, Lorenz 258 65
Ebeling, E. 239 23 Eckhart 14 6 Eichrodt, W. 19985, 200 9o, 256 63 Eisler, Roh. 193 El-Amarna-Briefe 166 Empedokles 399 5 Engels, Fr. 377 Epheserbrief 362 Epiphanius 112130 , 117162 , 2526o, 350 f., 362, 40310 Epistola ad Hermannum 115145 Erman, A. 3544 Erman, A. und Krebs, F. 240 28 Esra 107, 16843 Eulogius v. Alexandrien 76 Evangelium 3?5, 380 - Aegypterevangelium 362 Evans-Wentz, W. Y. 1541 Ewald, H. 19349 , 236, 297 Exercitia in Turbam 103 74, 126202 206, 127211
Exodus 163, 1751, 207 ff., 217, 218 36, 219, 226 48 , 255 63 , 261, 276, 279 97 , 283 f., 287, 307 f. Ezechiel 170, 201 91 , 226 48 , 271 88, 275 92 , 279 95
Ferguson, J. 120173 Figulus, Benedictus 93 Flamel, Nicolas 99, 103 77 Fons Chym. Philosophiae 92 22 Foersier, W. 186 39 , 205105 v. Franz, M. L. 1810 Frazer, J. G. 73 3, 198 82, 216 34, 308
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Freud, So 139, 468 Frey, ]o 21011 Frobenius, Leo 22849 Fuerst, ]o 193 Galling, Ko 1988o Geber 89, 9430 Genesis 128, 146, 16227, 16434, 1?51, 1?6fo, 182 25 , 203, 20?fo, 210, 223 42 , 225, 226 48 , 254 ffo, 260 fo, 264, 265 75, 266 fo, 268, 2?0, 2?4 92 , 2?8, 281, 310, 318, 410 24, 440 Gesenius 1??1o, 1?921 23 24 18025 , 196 Gesenius-Buhl 1?52, 1?8, 1?923 , 194 ffo, 20?3, 253 61, 2?1 88 , 283 Gloria Mundi 9iB 12, 94 29, 106 88 , 115145 Glueck, Nelson 30317 de Goeje, Mo J 114138 Goldzieher, Ignaz 182 Gomperz, Tho 34346 , 349 56 Goethe 25 fo, 39, 141, 340 fo, 395 fo, 414 Goetz, Bruno 147 Gray, Go Bo 2214o Green Fastures 416 Gregorius Thaumaturgus 366 fo So Gregorius von Nyssa 11?162, 2? 49 1, 366 10 Gressmann, Ho 239 23 Griffith, Fo L. 34854 Grimm, Brüder 211 5, 22 17, 2424, 28 30, 351, 42 42 , ?1 Grimme, Hubert 19457, 1988 2 Grünbaum, Mo 20089 Gunkel 185, 195 60, 196, 203 1oo, 209 ffo, 22444, 226 48 fo, 228, 230 3, 232, 242, 251, 255 63 , 22'1 88 , 315 Guthe, Ho 1??fo Gutmann, Jo 19985, 200 90 0
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Haefeli, Leo 309 Hahn, C. Uo 2526o Hali 111 127 Hapelius 99 50, 100 55, 106 94 Harlez, Mo C. de 29412 3 Harnack, Ado 33?36 Harper, R. Fo 329 13 Harrison, Jo Eo 355 6, 358 7 Hastings, Jo 32913 Hävamäl 56 59 Heath, Sir Thomas 338 Hebräerbrief 333 28 Heisterbach, Caesar Vo ?8 17 Hempel, Jo 248 47 Hengstenberg, Jo Wo 180 25 Hennecke, Eo 363 5, 38810, 40311, 414 Herroch 183, 202 fo, 2?0, 289114• Herder, Jo Go 18025 Herodot 235 13 Herrad Vo Landsperg 40412 Hieronymus 211 Hilka, Alf. 112131 Hiob 43 43 , 13?, 15?, 159, 164 fo, 169, 1?1 Ho, 1?6, 18025 , 190, 195, 19?, 206, 229 ffo, 23? 20 , 240, 254, 263 72 , 265 75 , 2?4 92 , 281, 283 Ho, 288 ffo, 295, 418 27 42? - bab;lonischer 238 ffo, 242, 293 Ho, 299 Hippolytos ?47, 11?158 , 123 Hitzig, Fo 221 40 de Hoghelande 90 3 6, 96, 100 56 Hohelied 22? 48 Hoelderlin 145 Holmyard, Eo J 115146 Hoelscher, Gustav 199 85, 23? 20, 239 23 , 241, 244 42 , 24? Holzinger, Ho 223 43 Homer 265 74 Honorius Vo Au tun 2012 Hopfner, Theodor 23514 0
Hosea 17?, 202, 210 f., 305 Hosius v. Cordoba 369 Humbert, Paul22? 4s, 23720
S. Ignatius de Loyola 10478 , 139, 465, 462' Ilgen, P. 180 25 Introitus Apertus 92 24, 94 2s, 9?39, 10687, 108107, 122184 Al-Iraqi 115146 Irenaeus 362 3, 369 Isidoros 392'3 Islam 37? Jablonski, P. E. 195 J acobsohn, H. 5456, 3312 2, 332, 363 6 J ames, William 2' J astrow, M. 215 29 , 238 ff., 3281, 329 11 ' 33016 f. J ensen, P. 215 29 Jeremia 222' 48 , 254 63 , 302, 304 f. Jeremias, A. 2264 8, 245 45, 2?89 5 , 299, 329 7, 330 Jesaja 195 ff., 201 91, 212', 220 38 , 223 42 , 233 8, 249, 259, 269 f., 22'2, 22'4 9\ 290116, 302, 354 5 Jirku, Anton 163 ff. J-King 201 2, 10192 Johannes- Apokalypse 153, 22'3 89, 312' - Evangelium 328 6, 329s 11, 334, 354, 359, 36F, 3647, 365, 382', 403, 464 Josua 223 42 , 225, 255 63 , 252', 261 Jubiläen 12'920 , 183 34, 202, 22'9 Judasbrief 362 Jung, C. G. 2'2, 14 5 , 15 8, 25 26 , 3937, 4140, 4645, 5457, 6466, ?34, ?5 8, 10478 , 102'10 4, 111, 119, 122188, 123193, 128212, 133216,
154 f., 204103, 243 37, 288, 34039 40 42, 3648, 3?82, 39011, 3962, 40413, 408 21, 411 25 , 413 26 , 425 34, 426 36, 429, 432, 439 2, 42'15 6 Jung, Emma 58 61 Jung, Leo 22?4s, 26473 Justinus Martyr 199, 222 42 , 419, 443 Kaupel, H. 1612 2, 162, 18942 , 191 44, 19? 77 , 198 80, 19983, 2637 2, 265 75 77, 22'4 92 , 312 16 Kautzsch, E. 10?99 , 1?6 9, 19985 , 22140 , 242' 48 Kazimirski, A. 12'9 24 Kerenyi, K. 15 8 Keßler, W. 3299 Khändogya-Upanishad 10585 Khunrath 91 8, 10482 , 106, 10?97, 109, 11F 27 , 115146, 116 f., 112'16 \ 118, 12F 77 , 122'209 Kimchi, D. 192 Kittel, R. 210 11, 263 72 , 265 75 , 312 17, 315 27 Klages, L. 9 Knobel, August 2214° Köhler, Ludwig 1?52, 194 ff., 192' 76 ' 202' 3, 252' 63 Köhler, Reinhold 43 43 Kohut, A. 22'9 96 , 313, 316 28 Koenig, E. 248 47 Könige 43 43 , 166 f., 169, 12'2, 1812 5, 185, 212', 220, 226 48 , 235, 253 61, 254 f., 252', 259 67 , 262, 265 75 ' 22'4, 22'6, 41928 Koepgen, Georg 322', 32'84, 3846, 39F 3, 40517, 4061 9 Koran 182 ff. Korintherbrief 362, 366 Krates 102, 115145 146 Krueger, G. 2'611, 362 2 Kugler, F. X. 191 44, 311 16
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Lagrange, S. M. 21Ql. 1 Landersdorfer, S. 238 ff., 241 Lane, E. W. 1?924, 1838 2 33 Langton, Edward 15?8 Leeuw, van der, G. 216 83 Leisegang, H. 35057, 383 5 Lenin 37? Lf'normant, Fr. 195 58 Leviticus 161 22, 192 f., 19?, 198s2, 199,284 Liber de Spiritu et Anima 3?2 Lied vom leidenden Gerechten (s. Hiob, babylonischer) Lindblom, Joh. 248 50, 269 83, 2?0, 28098 Littmann, Enno 184 Lods, Adolphe 1?3 f., 1812 5, 20910, 216 ff., 245 45, 266 77, 296, 30F 3 Lofthouse, W. F. 304 Loehr, Max 1988 2 Lü Bu We 400 6 Lucas 43 43, 139, 2?491, 332 f., 354 Luther 180, 18?, 289115, 411 Luzzatto, S. D. 180 25 Macrobius 335 34 Maiträyana-BrähmanaUpanishad 132 214 Majer,Michael114136, 1171u,121 Maleachi 201 9\ 223 42, 333 Malus, Philosophus 132 Mangetus 10? 98, 1131a5, 127210 Markandeya-Puräna 24545 Marsilius Ficinus 111 128 Marti, Karl17?13, 1?8, 185, 18942, 192 45, 265 75, 298 ff. Martial 109 Marx, K. 37? Matthaeus 103, 13?219, 359, 363 6 Meinhof, Carl 245 45 Meißner, Bruno 19558
4?8
Merx, E. 193 48 Meyer, Eduard 21886 Meyrink, G. 2211 Michelspacher, Stefan ?45 Midrash 200, 264 73 Migne, J. P. 2012, 252 60 Montgomery and Harris 2?2 88. Moret, A. 2961 29, 33329 Morgenstern, Julian 254 62 , 263 72, 265 75, 26880, 2?0 ff. Mowinckel, S. 223 Müller, Ernst 303 16 Müller, W. Max 195 Müllers, D. H. 182 Mutus Liber ?45 Mylius 917 11, 9217, 9?, 98 46, 10370 74, 10693 95, 110, 115142 146, 116150, 11?156, 118, 126201 ibn-al-Nadim 132 215 Nielsen, D. 33330 Nietzsche, F. 5?60, 416 Nikel, J ohannes 259 66 Niklaus v. d. Flüe 4?1 Ninck, M. 60 62 Noeldeke, Th. 295125 Norden, Ed. 33329 31 Norton, Th. ?815, 84 2o Noth, M. 31?29 Novum Lumen 91 8 Nowack, W. 298 Numeri 163, 168, 1?1, 17?9, 180 f., 186, 190, 192, 206 ff., 222 ff., 226 48, 235, 259 66, 261, 2?4 92, 283 Oannes 10? Oehler, Th. 252 60 Olympiodorus 85 21 Origenes 19880, 3241, 36?, 425, 461 Ostanes 101, 144225 · Otto, Rudolf 286110, 28? ff.
Pantheus 117156 Panzer, Fr. 43 4 3 Paracelaus 106, 128 Patritius 149 Paulusbriefe 375 Penotus 97, 1111 27 , 122, 124 Peters, Norbert 248 50 Petrushrief 305, 362 Pfeiffer, Roh. H. 196 73 Philaletha 9f16, 92 23, 9848 Philipperbrief 365 Philo 209, 222 42 , 333 Pinckert, H. 213 2 5 Pistis Sophia 333 Plato 41 4\ 99, 335, 340 ff., 352, 387, 391, 398 f., 415 Platonis Liber Quariorum 101 6\ 114, 117159 , 118
du Plessis 252 60 Plutarch 234, 235 14, 236, 237 20 , 333
Porphyrins 348 Praetorius, Franz 182 Preisendanz, K. 70, 115145 146 Preisigke, F. 332 Preller, L. 117160 Priestercodex 247, 2.556 3, 25865 Priscillianus 410 24 Procksch, 0. 20910 Proclus 347 Proverbien 26372 Prudentius 29 3 3 Przywara, E. 403 11 Psalmen 43 43 , 168, 176, 19559, 196, 224 45 , 226 48 , 254 f., 260 f., 263 72 , 270 f., 295,
v. Rad, Gerhard 170 ff., 175 ff., 205 105, 207 3, 297131, 311 15, 312 f., 315, 319 Rahner, Hugo 29 33 , 4343, 33f2o Raschi 192 Raymundus Lullius 116, 126204 Reinach, S. 109113 Reitzenstein 87, 108109, 109112, 118166, 122 Reufl, E. 198 8\ 20910 Rhasis Epist. 117154 Richard v. S. Victor 2012 Richterbuch 207 f., 222 42 , 2556 8 Ripley 28, 63 65 , 80 18, 96, 117, 12F 78 , 122183 , 126 206 Römerbrief 288 v. Roques, H. 181 o Rosarium Philosophorum 91 9 , 9632, 9737 40, 10056, 10481, 105, 107102, 109110, 111 f., 115142 145 146' 124195, 126203' 127210 Roseher 109117, 3291o, 33f21 Rosenkreutz, Christ. 63, 102, 121 Roskoff, Gustav 157 ff., 193, 198 8\ 199, 233 7, 316 28 Rost, Leonh. 200 91 Rothstein-Haenel 221 41 Rothstein, J. W. 223 42 , 26777, 297 f., 302 14, 31729 Rulandus 1069o, 107101
de Rupescissa, Johannes (Jean de Roquetaillade) 106, 120173
Ruska 132 215
302, 304
Psellius, Michael 111, 4031° Pseudo-Dionysius Areopagita 3241
Pseudojonathan 192 Pythagoras 335, 381, 398
Sacharja 157, 159, 165, 173, 191 f., 200 f., 203, 206, 226 48 f., 238 20 , 249, 258, 265 75 , 274 92 , 295 ff. Samuel 168, 181 25 , 185 ff., 219 f., 226 48 , 249, 256 63 ,
189, 262, 191, 260,
479
263 72, 2?492, 305, 30?, 311 15, 31? Schaeder, H. H. 109109 Scharff, A. 33122 Schärf, R. 4038, 42? Scheftelowitz, J. 31218, 316 2 8 Schiller 34143 Schlottmann, Konstantin 245 45 Sehrnieder 86 Scholem, Gerhard 30316 Schopenhauer ?6, 132, 399 Schrader, E. 2566 3, 25865 Schultz, Hermann 2091o, 2214o, 222 42 Schultz, W. 397a Schulz, Alfred 21011 Schwally, Friedr. 266 75 Schweitzer, B. 109114, 11318a Seippel, G. 19454, 195 61, 234 9, 23?20 Sellin, Ernst 1?8f., 18942, 248ff., 282 ff., 28? Septern Tractatus (s. Tract.Aur.) Smend, R. 21836 Smith, Henry Preserved 18842 Smith, W. R. 19711 Soederblom, Nathan 21? 35 Sokrates 41 Sosnoski, Th. 40618 Spiegelberg, W. 195 f. Spinoza 5, 9 Splendor Solis 10? Stade, B. 19985, 21011, 21836, 26675 Stave, Erik 202 98, 2484 7, 2?289, 2?492, 2?9 97, 3011 8, 303, 312 f., 31628 Stebus 99 53, 10054, 10159 v. Den Steinen, Karl 88 Stier, Fridolin 21011, 212 ff., 221 40' 22242 Stöckli, P. Alban 4?1 5 Strauf!, D. F. 3?9 f.
480
Tabari 2?9 96 Tabula Smaragdina 4039, 115142, 124 Talbot, Amaury 80 Talmud 232, 2?8, 31628 Targum 192 Taylor, Thomas 34? f. Tertullian 2?4 91, 36?12, 369 S. Thomas v. Aquin 3889, 425s 5, 43? Thomasacten 33014, 38810 Thureau-Dangin, F. 226 48 Tobit-Buch 31628 Tonquedec, Jos. de 39415 Torczyner, H. 1?3 f., 180 ff., 191 44, 280 98 , 296 Toy, C. H. 26? 78 Tract. Aristotelis 108108 Tractatus Aureus 918 10, 9219, 9(36, 9845, 10168' 10479, 110, 113, 121, 125197 ' 126200 201 205 206, 12?210 Tractatus Micreris 984 6, 10696 Tripus Sendivogianus 122 Trismosin, Salomon 10?100 Tritton, A. S. 183 Turba 116 Ungnad, Artbur 19?77, 213 23 de Vadis, Aegidius 9847, 103 69 Valentinus 39?3 Vatke, W. 20910 Vedänta-Sütras 132214 Ventura, Laurentins 98 46, 101, 115148, 126204 Verus Hermes 99 51, 108106, 119 Via Veritatis 9218 Vincent, H. 22?48 Virolleaud, Ch. 2?895 Volksmärchen 1811, 2014, 2116, 2218 19 20 21, 2322 23' 2627 28 29, 2?, 31 f., 4544
Volz, Paul 161, 245 44 45 , 26574, 28?
Wahrmund, Adolf 1?924 Weber, Otto 316 28 Wei-Po-Yang 115 Weisheit Salomos 18436, 268 8\ 2?4 92 , 31628
Wellhausen, J., 1?8, 182, 2?1 88 Wendland, P. 12319o West, E. W. 31628 Westphal, G. 218 36, 225, 255 63 f. de Wette, W. M. 20910 White, P. Victor 425 35, 438 1 Wiederkehr, K. 40414 Wiernikowski, J. 232 5 Wilhelm, Richard 89, 101 92 ,400 6 Winckler, H. 2?188
Wolff, Fritz 314212 s, 316 28 Wundt, W. 5 Wuensche, Aug. 242 ff. Yajfiavalkya 145 Zeller, Ed. 335 Zephanja 254 63 Zigadenos, Euthymios 11f1 2 9, 252 60
Zimmer, Heinrich 449 Zimmerli, W. 22? 48 , 30910 Zimmern, H. 196, 258 65, 2?188, 294
Zosimos 25, 101, 108 f., 114, 115146, 132
Zürcher Bibel 16?42 , 1?8, 180, 186, 224 45, 253 61
Sachregister Abraham 223 42 , 2?8 ff., 303 Achte, der 396 Achteck 425 Achtheit 454 ff., 460 f., 469 Actus purus 438 Adad 328, 330 Adam 106 f., 115146, 252 - Qadmon 10?, 126, 316 28 Adapamythos 213 Adler ?9 Affe 413 Affekt 394 Aegypten 235, 240, 261, 2?99 7, 331 ff., 348, 352 ff., 3?4, 388 Ahriman 294128 , 314 ff., 408, 411 Ahuramazda 2?3 89, 313, 315, 408, 411, 413
Albedo 100, 331 Alchemie 5, ?, 14, 39 f., 49 52 , 53,
61, 63 65 , 64, ?1 2, ?5, ?9, 85 f., 88, 120, 122, 129, 133, 331, 340, 3984, 412 f., 424
Ambivalenz s. Ambivalenz Gottes, s. Zweiheit »ame exterieure« s. Seele Amitäbha (-weit) 452 ff., 461, 469
Anamnese 19 Andere, das, s. Zweiheit Angromainyu 158, 273 89, 313 f. Anima 6, 9, 33, 46 ff., 54 ff., 636 4 65, 98, 353, 392
-
als Mercurius 9 als media natura 98 f. mundi 42, ?8, 99, 34?, 414 rationalis 100, 140 und kollektives Unbewuf!tes 50, 54, 58
481
Animus 6, 14, 33, 54, 58, 425 Anthroparion 25 Anthropos 87, 107 f., 114, 424 Antichristus 334, 406, 409 - als Sohn des Chaos 334 Antimirnon pneuma 413, 416 Antinomie 34, 46 Antiquus dierum 28 Antitrinitarismus 380 Antitrinität 406 Anu 215, 328 ff. Anus 108 Aphrodite 102, 115 Apollon 43 43 Apotropaeismus 374, 401 Aqua vitae 90 Araber 89, 122189 Arabizanten 89, 108 Arcansubstanz 7, 63, 90, 95 f., 102, 115145, 121, 126 - psychische Natur der 96 Arbor philosophica 74 6 , 133 - sapientiae 121, 318 Archetypus 17, 21, 23, 35, 484 9 , 62, 64, 143 f., 243 37, 246, 252 334, 373 ff., 409, 443 f., 470 - Aktivierung des 363, 378 - Autonomie des 23, 62, 143 - dämonischer oder göttlicher Charakter des 377 - des Geistes s. Geist - des Gottesbildes 155 - des Lebens 33 - Menschen-, Gnomen- und Tiergestalt des 15, 28, 34 - Numinosität des 375, 378 - des Selbst 384 - und Unbewuiltes 23 f., 35 - desaltenWeisen18,21,26,33 Archon 114, 118, 408 Asmodi 31628 Assurbanipal 213 Astrologie 113, 129, 409
482
Atem 353, 388 f. Atheismus 435 Atman 26, 108, 132, 145, 384 Atomphysik 3 Atomwelt 26 Auge 29, 104, 296 Aussage, als psychisches Phaenomen 3, 154 - metaphysische 390 Aussagen der Seele 17, 73, 425 Aussatz 163, 236, 283 Avis Hermetis 84 Axiom der Maria Prophetissa 39, 44, 53, 113, 340, 439 2 Azazel 158 f., 164, 192, 198 ff., 202 f. - Etymologie des Wortes 192 ff. Azoth 110 Babyion 200, 238, 272 f., 292, 327 ff. Babylonisches Exil 257 65 f. Bär 37 Barbelo 431 Baum (s. auch arbor) 32, 42 f., 46 f., 56, 59 f., 63, 132, 303, 455 f. - Numen des Baumes 32 - im Paradies 43, 734, 80, 225, 461 - Sephirothbaum 303 - symbolische Bedeutung des 73, 75, 81 Beelzebub (s. auch Teufel) 118 Behemoth 195, 197, 204, 237 20, 286 ff., 289114" Bel 328 ff. bene hä-'elöhfm 168, 171, 190, 203, 222 42, 251, 260, 262, 266 ff., 285 - Autonomie der 276 - Satan als einer der, s. Satan
bene hä-' elöhfm als W esensseiten Jahwes 258, 269, 276 Berg 20, 25, 116 Bes 14 Besessenheit 7 f., 33, 67, 85, 394 Bewußtwerdung 46, 3878 , 391, 436 Bewußtsein 34, 47, 190, 279 95 , 319, 364, 374, 384, 390, 421, 423, 425, 465 f. - Christus als 136, 144 - Entwicklung des 77, 137 f., 201, 243, 358, 411, 418 - Geist und 11, 265 - individuelles 228 - kollektives 57 - Lapis und 132 f. - und Unbewußtes 39, 41, 243, 390, 433, 465 f. - Yoga und 451, 455 Bewußtseinsfunktionen 44, 340, 396 Bileam 171, 180, 190, 222ff., 228, 291, 318 Binarins 336, 408, 413 Blei 85, 116 Blitz 109, 225 48 f., 235, 283, 408 Blut 3611, 362, 464 Blüte der Welt 117 Bock 29, 193, 197 f., 200, 203 Boden 460, 465, 468 Bodhisattva 452 ff. Bogumilen 1111 29, 120, 252 60 Boot 20 Böse, das (s. auch riS'ä) 15, 32, 39, 48, 77, 81, 112, 118, 153, 159 f., 284106, 314, 330, 356 ff., 385, 405 ff., 440, 468 - als privatio boni 400 ff. Bote 1812 5 , 190, 209 ff., 213, 215, 260 ff., 264, 330 »Botschaft« 375, 382, 384, 386
Braut und Bräutigam 62, 64, 106, 115146 Ernder-Schwesterpaar 32, 56 ff., 60 f. Brudermotiv 111, 142 22 3, 40720 Brünhild 226 48 Brunnen 27 - Mimirs 29 Buddha 452 ff., 461 f., 469, 471 - Urbuddha 452 Buddhismus 76, 138, 399, 461 f. Buschseele 355 Bythos 369 Caduceus 91 Cervus fugitivus 95 Chaos 106, 118, 126, 131, 196, 258 65 Christentum 9, 67, 357, 360, 419, 432 - Urchristentum 377 Christus 115141, 136,359, 3611, 464 - als Anthropos 424 - Archetypus 142, 144, 379 ff. -als Baum 75 - als Erlöser 49 52 , 358 - als Gott 381f., 384, 404 - als Held 382 f. - als Hirt 383 - als Integration d. Könige und Propheten 383 - und Kirche 62 - und Lapis 134 f. - als Logos 365, 382 - als Löwe 117142 - als Mensch 391 - und Mercurius 111 f., 125 ff., 144 Opfer Christi 242 Selbstopfer Christi 76 - als Rex gloriae 382, 431, 471 - als Selbst 135, 142, 384, 432, 436
483
Christus, Sohnschaft Christi 252 60, 385, 387, 407 20 Sündlosigkeit Christi 3984, 413, 432 - und Teufel 112130, 142, 41i - Tod Christi 43 4 3 - als Transitus 420 Wandlung Christi 381 - als Zentrum 383, 471 Chthonios 122, 144 Chymische Hochzeit 102, 121 Cintämani 455, 461 Coelibat 355 cognitio hominis 146 - matutina 144, 146 f. - vespertina 144, 146, 148 Cohabitation, beständige 122 Coincidentia oppositorum, s. Gegensatz Collyridianer 350 Complexio oppositorum, s. Gegensatz Conjunctio oppositorum, s. Gegensatz . consubstantialis 127 Creatio ex nihilo 82, 128 Creator 144, 146, 148, 329, 332, 356 Cubus 400 6 Cupido 121, 144 Dämon 7, 85, 138, 140, 169, 184, 195 f., 198, 218, 233, 241, 250, 294, 381 -im Baum 81 - persischer 316 2 8 Agathodämon 425 Engeldämonen 202 Kakodämonen 160 f., 204, 230, 317 28 Krankheits-, Pestdämon 220, 239, 241, 293, 355 Wüstendämon 193
484
Dämon, Satan als, s. Satan Dämonenangst 66 Däumling, s. Kabiren David 168, 185 ff., 191, 206, 307 f., 317 ff. Demiurg 109111, 110121, 112, 118, 122 f., 134, 343, 348, 408 Denken 38, 391, 414, 435 (s. auch Wirklichkeit und Denken) - quaiernarisches 398 - trinitarisches 398, 409, 412 - nichttrinitarisches 408 - zweidimensionales 341 Diamant 425, 454, 459 Diana 350 Dionysos 3599 , 360 dispositio 367 Dissoziation 423, 428, 433 442 Dogma 136, 364, 376, 380, 437, 444, 463 - als Symbol 325 Doppelgänger 333 - geistiger 353 Drache 32, 79, 103 ff., 108106, 112, 119, 137, 195 f., 273 89 , 317, 461 - Identifikation mit Satan 273 Drei, die 336, 345, 389 - und die Vier 38 ff., 340 f., 349, 395 ff., 398 - und die Vier im Märchen36, 38, 42 ff., 51 ff., 54, 57 f. Dreieck 40, 54, 337 Dreieinigkeit (s. auch Trinität) - im Märchen 42~ 2 - und Triade 331, 374 - altägyptische 54, 331, 350 ff. Dreiheit (s. auch Triade) (s. auch Trinität) - als Archetypus 53, 435 - chthonische 39, 112
Dreiheit und Einheit 44, 109, 119, 127, 337, 344, 359, 3611, 370, 391 - als :)Männlichkeit.: 54 - im Mär·chen 44, 50 - obere u. untere 40, 44, 46, 60 - Symbole der 429, 433 - zweidimensionale 354 Dualismus 138, 157 f., 199, 294, 314, 402, 407, 427 Duplicität, s. Zweiheit Dyas, s. Zweiheit Ea 328, 330 Ebionäer 112 13°, 25260 Ei 105 Eiche 73, 78 ff. • Eine, das (s. auch Einheit) - und das Andere 335 f., 356 f., 359, 407 - als Viertes 439 Einheit 44, 50, 108, 119, 125, 128, 132, 285, 314, 335, 471 - und Dreiheit 344 - der Vaterwelt 356 - und Vielheit 161, 246, 269, 469 Eis 453, 459, 465 'el 254, 276 'elöh'im 251, 253 Elephantine 246 48 Elias 43 43 , 217, 405 15 Elisa 217, 25563 Elternimago 41 Empfindung 397 Emotion 7, 397 Enantiodromie 15, 33, 47 47, 140, 319 Engel (s. auch mal'äk ]ahroe) (s. auch bene hä-'elöh'im) 3938, 51, 102, 184, 211 18 , 247 47 249, 258 65 , 266 77, 267 29, 270, 273 89, 27492 32 Jung: Symbolik des Geistes
Engel, Erzengd 244 - gefallener 184, 202 - Menschengestalt, der 222 42 - Pestengel 310, 319 - als Satan 190 - Schutzengel 295 - als Wesensseiten Gottes 261, 267 79 - Würgengel 219, 263 72 Engelsturz 12, 272 89 'En to pän 124 Ephesus 350 Epona 62 Erbsünde, s. peccatum originale Erde 45 44, 48, 74, 77, 104 f., 106, 107105, 108, 114, 124 f., 146, 201, 330, 342, 400 6, 415, 451 Erkenntnis 3, 18, 21, 390, 417, 420 f., 434, 444, 458, 469 - des HI. Geistes 389 - Gottes 290, 372 - der Trinität 372 Erlöser, s. Salvator Erlösung 61, 414, 438, 440 Eros 121, 144 Erz 106 96 Erzmännchen, s. Zwerg Esau 1768 Eselin Bileams 224 Eucharistie 289114•, 351, 452 Eucheten 111, 120 Eva 106, 126 20 4, 202, 26982 , 413 Evangelisten - Attribute (Symbole) der 39 38 , 331, 383, 431, 471 Fahne, goldene 454, 460, 466 familiaris 84, 114, 141 Farben 430, 454 Faschismus 378 Faust 39, 141, 346 51, 395 f. femina 98
485
femina alba 331 Feuer 26, 911 3, 92 ff., 104 f., 22? 48 , 235 f., 2?8, 2?9 95 , 283, 304, 330, 425 und Wolkensäule 20? f., 22648 - und Erde 33? ff. Feuermauer 226 48 Feuerraub 26 »filioque« 3?0 ff., 436 filius canis 123190 - hominis 111127 , 125, 136 - macrocosmi 111127 , 125, 132 - regius 14 firmamenturn 106, 111, 146 Fisch 32912, 409 Fischezeitalter 409 Flas,che ?5, ?8, 83, 132 Flöte 21 15 Flucht 33, 3? Folklore 1? ff., 430 Frau (s. auch femina) -blaue 123 - und Sünde 201 ff. - und UnbewulHes 201 Fravashi 21? Fuchs ?4 5 Funktion 44 f., 48 f., 50, 53, 340, 396 ff., 421, 430, 442 - geistige 18 - »minderwertige« und Unbewulltes 44 - und Unbewulltes 45, 398 Funktionstriade 51, 54 f. Ganzheit 39 ff., 44, 49 f., 64, 113, 133, 135, 142, 303, 349, 382ff., 393, 414 f., 424 f., 439 - Jahwes 259 f., 286 - Symbole der 383 f., 433 - unbewullte 41 Gayomard 10?105, 35? Gefangenschaft 41 f., 4?, 59 f., ?4, 84, 123, 132, 153
486
Gefäf! 383 Gefühl 39? Gegensatz 8, 34 f., 39, 42, 46, 94, 108, 243, 294, 300, 302, 336, 345 ff., 400, 409, 411, 420, 461 - -paare 102, 33?, 345 ff., 400 -- -spannung 1?, 40, 60, 136, 138, 318, 336, 359, 389, 440 - Coincidentia oppositorum 33, 93, 124, 128, 289114•, 305, 426 - Complexio oppositorum 112, 135, 314, 415, 426, 432 - Conjunctio oppositorum 124 - Conjunctio oppositorum bei Plato 340 Gehorsam 291 Geist 64, 100, 124, 128, 262 f., 2?5, 355 - Autonomie des 11, 13, 38 - Archetypus des 13, 15, 28, 34 f., 46, 49, 65, 6?, 134 - als Attribut der »Einen Substanz« 5, 9 - im Baum ?9 ff. - böser ?, 12, 15, 32, 43 f., 4? f., 50 f., 55 58 , 59 ff., 64 ?6 f., 82, 262, 265 f., 314, 402 - Buddhas 456 - als Daimonio.n 65 - dunkler 64, 265 - als Einstellung 6 - und Feuer 26 -und Gemüt 6 - als Gott 5, 9 - als Intellekt 6, 9 - als ligamentum animae et corporis 5 - im Märchen 3 ff., 1? ff., ?? - und Materie 5, 8, 10, 9?, 100, 131, 342, 405
Geist, :.>objektiver< 6, 10, 131 - »subjektiver.: 9 Phaenomenologie des im Märchen 3 ff. - und Physis 5, 8, 10, 12, 260, 412, 468 - und Psyche 5, 7, 9 f., 13, 95, 102, 130, 373 - Selbstdarstellung des 13 - als Spuk 6 f. - theriomorphe Symbolik des 425 - -im Märchen 15, 34, 38,65 - des Verzichtes 458 - als volatile Substanz 425 -als Wind 7 - »Weltgeist« 97 - Wortbedeutung von 5 ff. - unbewuf!ter 40, 429 - und UnhewuRtes 38 »Geister« 397 Geist, Heiliger 9, 99 f., 120, 134, 314, 332 f., 352 ff., 358, 367, 376, 379, 386 ff., 414, 416 f., 421, 424 f., 436 - Ausgießung des 386 - Autonomie des 411 - als Complexio oppositorum 412, 414, 426 - als Denken 393 - Einwohnung des 386 - als Erkenntnis 389 - als Funktion 389 - als Leben 353 f., 392, 419 - als Mutter 33014, 388, 391 f. - als Schöpfung 368 - Paradoxie des 389 Geschlechtscharakter 58 Gesetz 131, 161 22 , 292, 418 ff., 442, 455 Gibel s. Girru Gideon 208 Gift 30, 104, 119
Gigas s. Riese Gilgamesh 299, 330 Ginn 182 f., 197 77 Girru 330 Glas 78 Gnosis 87, 357, 381, 383 5 , 391, 3984, 402, 408, 419 29, 421, 434 Gnostizismus 118, 369, 388, 413, 431 Gold 79, 105, 107105, 114 f., 126, 425, 454, 456, 458 Gott (s. auch Jahwe) (s. auch 'el, 'eloh!m) 5, 9, 77, 93, 110, 112, 126 ff., 204, 238 20 , 253 ff., 279 95 , 332, 343 f., 391, 408, 451 - als actus purus 436 - Ambivalenz Gottes 161, 163 f., 221, 224, 265 f., 280 98, 285, 289, 292, 318, 410 - - männlich-weibliche 305, 410 24 - als Arcansubstanz 101 - als Archetypus 154 - als Deus absconditus 135, 290, 411, 438 - als Einheit 314 - Emotionalität Gottes 304 f. - Ganzheit Gottes 259, 286 - als Geist 12 - guter 81 - Gerechtigkeit Gottes 301 ff. - heidnischer 57 f., 79, 83, 141 - Incarnation Gottes 385, 402, 440 - Liebe, Gnade Gottes 301 f., 306, 411 - und Mensch 451 - Menschwerdung Gottes 222 42 f., 267 79 , 358, 411, 415, 438 - Paradoxie Gottes 285, 290
487
Gott und Satan 173, 186, 190, 275 - und Teufel 12 f., 60, 153, 273 89 - als Vater 34449 - Vorstellung Gottes 3941 6 - - Entwicklung der 155, 199, 202, 218 ff., 233, 238, 246, 250, 257, 259, 280 98, 281 f., 301, 304, 349, 360, 374, 393 - Wesensseiten Gottes 191, 260, 261 68, 267 79, 274, 301 - als Widersacher 222 ff., 227, - Zorn Gottes (s. auch Engel) 191, 261, 278 95, 287, 304 f., 307, 317 f., 410 Götterbote s. Bote Göttertriaden (s. auch Trias) 327 - ägyptische 374 Götterwelt 450 Gottesbild s. imago dei Gottesbraut 59 Gottesfurcht 441 Gottesgebärerin s. Maria Gottesgeburt 360 Gotteskindschaft 389, 420, 437 Gottessohn 111, 168, 252, 375, 403 Gottessöhne s.bene ha-'elöhim Gottmensch 51, 358, 381 f. - Erscheinen des Gottmenschen 375 Götzendienst 256 f. Greis 14 f., 18 ff., 32, 35, 51, 105, 108, 116, 119, 123, 147 Griechenland 334 ff. Grüne, das 23, 115146, 144 Guru 15 Hadad 166, 185 Haggai 201 91 Haeresie 412, 427 - arianische 351, 373, 380 Hahn und Henne 122
488
Halbgott 59, 62 Harnmurabi 328 f. Hariscandra 240, 245 Hase 74 5 Heer des Himmels 225, 254 ff., 258, 260, 263, 265 Heidentum 197 Heiligung 200, 259 Hekate 109 Held 18, 21 ff., 29 ff., 42 ff~, 47 ff., 55 f., 59 - Geburt und Tod des Helden 386 helel ben sa]Jar 271 ff. Herroch 405 15 Herakles 49 Hermaphroditus 105, 107, 116, 127 Hermeneut 121 Hermes 29, 70, 79, 83, 93, 108, 113, 116, 120 ff., 127, 144, 148 Hermetische Philosophie 148, 412 Herz 92, 106, 117, 146231 Hexe 22, 37 f., 40 f., 44, 49, 51, 62, 64 Hibil Zivä 329 Hieros gamos 33, 246 Himmel105 f., 110, 124 f., 330 Himmelreich 22 Himmelsfarbe 111 127, 123190 Hiob 248 f., 269, 276, 280 ff., 286 ff., 292, 310, 318, 402 Hiobs Frau 202, 2698 2 Hiobs Wandlung 289,310 Hiranyagarbha 132 Hirt 36 f., 47, 59 f., 63 Hochaltar 451, 465 Höhle 117 Hölle 93 f., 108 Homoionsie 351, 380, 437 Homoousie 331, 350, 363, 368 ff., 374, 436 f.
Homunculus 25, 79 Horus 39 38, 331, 333 f. Horusauge 333 humidum radicale 91 Hund 30, 123, 331 Hylozoismus 5, 9 Hypnose 19, 459 Hysterie 19
Jäger 37, 40 ff., 48 ff., 56, 58, 64, 3312 1
J ahwe 158, 168, 187, 198 f., 202, 207 f., 226 48 , 230, 237 20, 249, 269, 293, 297, 317 ff., 349, 418 27, 424
-
lblis 182, 184, 22?48 Ich 35, 424, 469 Ichbewu1Hsein 30, 35, 424, 462, 472
Ilias 264 74 Imagination, aktive 15, 459 Imago 6, 47 - dei 57, 135, 384 f., 390, 431, 437
lncorruptibilitas 101, 426 Increatum 128 Indianer, Hopi 109 Indien 122, 240, 243, 357, 431, 449
Indifferenz, moralische 12, 81, 103 f., 118
Individuation 64, 385 f., 405 IndividuationsprozeR 33, 73, 75, 120, 128, 133, 385 f., 431, 441 Inflation 12, 416 Initiation 397 - Verwandlung in der 397 Inspiration 11, 100, 392, 421 Instanz, außerbewußte 376 Instinkt 224, 398 Intellekt 388 9 , 396 - als Geist 6, 9 Intuition 38, 397 Inzest 33, 61, 123 Iris 279 95 lsaak 310 Ishtar 123, 329 f. Isis 334 Islam 377
als Feuer- und Wolkensäule 207 f.
als dämonischer Gott 160 f., 163 f., 287
- als Geistgott 259 - als Gewittergott 25663 - Haus J ahwes 211 - als König 168 - als Kriegsgott 256 63 - §eba' öt 255 63 - und Satan 12 J ahwismus 158, 204 Jakob 1768, 207, 2111 8, 385 J aldabaoth 110121 , 118, 408 Jehova s. Gott s. Jahwe }erobeam 166, 197 J erusalem 310 - himmlisches 319 Jesus von Nazareth 333, 381, 384, 407, 415
St. J ohannes 366 J osef 1768 Josua (Hohepriester) 261, 297, 303
Jungfrau 16, 36, 124, 411 Jüngling 14, 105, 121, 147 Juwel 454, 461 Ka, Ka-mutef 54, 331 ff., 353, 355, 374, 388 f. Kabbala 118, 223 42 , 303 ff. Kabiren 26, 39, 340, 395 f., 430 Kain und Abel 40? 20 Karfunkel 105, 126 Kathakalitänzer 450 Katharer 120 489
Kerubim 196 f., 204, 225 4 8 ff., 260 Klesha 451, 466, 468 Kleid (Trauer-) 299 Knabe 14 f., 18 ff., 30, 36 ff., 108, 121 182 Kollektivvision 25 Kommunismus 377 f. Kompensation 17, 130, 140 f., 378 3 , 393 Komplementaritätsprinzip 140 f., 385 Komplex 13, 377, 394 Konflikt 60, 189, 264 f., 276, 286, 314, 409, 420, 468 König 32 f., 59, 63, 126, 331 f. - von Babyion 238, 272 - Hariscandra 240, 245 Königin 332 Königspaar 61, 63 f. Konzentration 45·3, 469 Korybas 123 Körper 74, 77 Kostbarkeit, schwer erreichbare 33, 383, 461 Krater 25 Kreis (s. auch Mandala) 113, 125, 382 f., 399, 425 Kreuz 403 f., 414 f., 471 Kreuzigung 41, 50, 56, 60 Krokodil 237 20, 286 Krone 383 Kronos 117 Kugel 2115, 425 Kuzah 279 96 Lac virginis 905 Lamm 425 Lapis lazuli 454, 460, 465 f., 468 Lapis Philosophorum 75, 97, 101, 108108, 109, 113, 126, 127211, 131 f., 134 ff., 142, 144, 412, 425 f.
490
Lapis - aethereus 78 - spiritualis 78 - Paradoxie des 135 Lebensquelle 464 ff. leprosus 115146 Leviathan 195, 197, 204, 237 20 , 272 89 , 286 ff., 289114•, 404 Libido 200, 202 Licht (s. auch lumen naturae) 48, 126 f., 144, 414, 459 Lichtwesen 330 Lilie 22 Lilith 8018, 134, 158, 195, 197 Logos 110 f., 123, 140, 222 42,350, 36916, 373, 392, 407 Lotus 455 ff., 462, 469, 471 Löwe 22, 37, 51, 79,104,11514 6 ,117 >- brüllenderc: 305 Luft 339 lumen naturae 92 ff., 105, 131, 145, 148 luna plena 115146 Luzifer (s. auch Phosphorus) 46, 112, 116, 118, 135, 145, 148, 274, 291 f., 329, 401, 407, 414, 439 f. - als Geist der Lüge 148 Magie 19 Magier 16 Magnesia 90 5, 115145, 121 mal'äk ]ahroe 171, 180, 189 ff., 206 ff., 253, 260 ff., 291, 297 ff. - als Aktivität Gottes 220 f. - als Bote J ahwes 207, 209, 260 ff. - als Erscheinung J ahwes 208 - ham-maslJ,'it 219 f. - Identitätmit Jahwe 207 ff., 211 ff., 220 ff., 261, 264 78 - als Satan 206 ff.
mal' fik ] ahroe
-
als Wesensseite Jahwes 220, 253, 300 f. - als Widersacher 222 ff. Makrokosmos 106, 127 Mana 217, 355 Mandäer 329 Mandä d'hajje 329 Mandala 14723 1, 348, 382 f., 469 f. Manichäer, Mani 329 Männerweihen 354 Manoah 208 Märchen (s. auch Volksmärchen) 17 ff., 46, 52, 59 ff., 1221 89, 224 44, 242 - als Aussagen des Unbewuflten 72 f. - vom Geist in der Flasche 71, 83, 133 - vom Marienkind 42 42 - von der Prinzessin auf dem Baum 351 - von der schwarzen Prinzessin 28 - von der Stieftochter 27 - vom Waldkönig 23, 33 - vom Zarewitsch 51 Marduk 202 94, 239 28 , 2586 5 , 27389, 328 ff. - als Sohn des Chaos 330 Mare 54 Maria 51, 33015, 331 f., 350\ 366 - assumptio Mariae 404 f. - als Gottesgebärerin 33015, 350, 354 f., 391, 404 f. - obumbratio Mariae 99 - und Trinität 354, 391 ma§temfi 177 f., 202, 279 Materia prima 106, 126 Materialismus 9, 12 Materie 5, 9, 413 f., 438, 459 - als Bestimmtheit der Gedanken Gottes 11, 405
Matrix corrupta 115146 mazkzr 'aroön 170
»Media substantia4: 97 Mediator 126 f., 328 Meditation 15, 49 52 , 131, 449 ff., 459 Medizinmann 26, 30 Meer 51, 129213 , 146, 237 20, 466 Melchizedek 254 Melusine 63, 8018, 134 Mensch (s. auch Anthropos) 11 f., 48, 63, 65, 107, 126, 142, 146, 190, 252, 267, 290 f., 300 f., 379 ff., 387, 391, 411, 414, 416, 426, 451 - »Ich-Mensch« 393 - als Tierwesen 291 Menschenpaar 63 »Menschensohn« 364 Mephisto 84 Mercurius 93 , 15, 57, 72, 77 12 , 78, 83 ff., 115 ff., 122 ff., 128 f., 133, 141, 144 f., 148, 215 29 , 271 88 - als Arcansubstanz 91, 126ff. - als Archetypus des Unbewuflten 144 - und die Astrologie 113 - als Doppelnatur 103 ff., 110 - als Einheit u.Dreiheit 108ff. - als Feuer 92 ff. - als Führer 745 - als Geist (metaphysisch) 100 ff. - als Geist und Seele 95 f. - und Hermes 120 ff. - als kollektives Unbewufltes 111 - als Luftgeist 96 f. - als Metallseele 79 - Projektion des kollektiven Unbewuflten 119 - Paradoxie des 90, 105 85, 134
491
Mercurius als Quecksilber resp. Wasser 90 f. - und Teufel 128, 145 - als Triunus 76, 134 Merlin 30, 55 p.eaov, s. Mittler Messe 434 Messer 31 Messias, s. Salvator Metall 105, 107105, 126 Mikrokosmos 106 Mischung 343 ff., 385, 428 Mitleid 456, 462 Mittler 338 f., 345 Mond 115, 123, 145, 254, 269, 271 88, 278 95 f., 328, 331, 333, 336, 461 Monoceros 410 Monotheismus 161, 199, 230 8 , 402, 427 Monstrum 26779 Morgenstern 270 f. Moses 163, 207 ff., 212, 259 67, 261, 279 97, 283, 287 Mutter 112, 115146, 12f18 2, 123, 330, 332, 354, 387 -dunkle 41 - als Erde 107105 - Mercurius al!i 105 - als UnbewuiHes 44 Mysterien 422, 463 · - Gottes 121 - primitive 354 - Wandlung der 360 Mystik 94 Mystische, das 422 Mythologem 153, 351 3 Mythus 11, 17, 46 46, 52, 61 88, 409, 429 f., 436, 440, 470
reconomia 367 Oel116 Offenbarung 93, 219, 288, 335, 358, 360, 379, 390 f., 411, 416, 437 - am Sinai 201, 280, 292 Ogdoas, s. Achtheit Oktogon, s. Achteck Opfer 41, 49, 76, 199, 242, 280 98, 288, 310, 351, 357, 422 Opfertod 112, 3598 Opus 49, 'i"i', 84, 126, 128, 131, 414 Ormuzd, s. Ahuramazda Osiris 29, 51 54, 234, 237 20, 334 Ouroboros 112, 124 f. Ousia, s. Sein Oxford Movement 423
Nabu (Nebo) 123, 213 ff. Namen 208, 217 Nationalsozialismus 64, 423
Padmanaba 122 Padmanabapura 122 Palaestina 165, 334
492
Nebukadnezar 170, 328 Neger 63, 356 nel:mstän, s. Schlange, eherne Nicht-Ich-Sein, das 461 Nicht seiend 10585, 342 Nichtsein, das 461 Nichtselbst 455, 461 Nigredo 63 Nil 101, 144225, 2372o Nilpferd 195, 237 20, 286110 Nimrod 33121 Noah 43 48 , 2'i"i' Nordpol 92 Nous (s. auch Geist) 11, 36916, 373, 425 Numen 212, 375 f., 388, 422 - des Baumes 32, 75, 132 - des Jägers 56 - vegetativum 28, 107105 Nymphen 122
Pan 122 Pantophthalmos 104 Paradies 16, 48, 121, 126, 134, 260, 268, 461
Paradiesesströme 464, 471 Paradoxie 34, 90, 93, 105 85 , 1231 32, 134 f., 172, 285, 290 Paraklet 120, 359, 387, 389, 411, 416
Paredros s. familiaris »Participation mystique« 87 Paulicianer 120, 2526° Paulus 15, 287, 324, 365, 381, 437, 472
Pauperes Christi 120 Peccatum originale 76, 402 Perle s. Cintämani Persien 29412 3, 297, 312 ff., 357, 407, 427
Persönlichkeit, geeinte 21 Pest 219 f., 310, 319 Pfeil 121, 279 95 Pferd 16, 37, 49 f., 53 f., 56 f., 62, 228, 255 63
- dreibeiniges 37, 41, 48, 52 ff. Pfingstwunder 7, 27 Pfingstbericht 425 Phallus 123 Phantasien 460, 466 f. Pharao 54 Phoenix 115146 Phosphorus 116, 145 Photonenstrom 427 Physis 10 f., 344 f., 41~ Phyton 99 Planeten 114 Pneuma 6, 96, 101, 144225, 373, 392, 425
Praesenz, psychische, auf!erbewuf!te 378 - unsichtbare 7 f. Primitivität 88, 433 Primitive 80 f., 216, 355
Principium individuationis 75 f., 79, 132 Prinzessin 22, 36 ff., 40 ff., 44 ff., 54 ff. privatio boni 342 Projektion 95, 131, 138, 381 ff., 417 f., 420 f. Prometheus 42 · Propheten 212, 214, 223 42 - -söhne 253 Proportion 337 ff. Psyche (s. auch Seele) (s. auch Zweiheit d. Psyche) 3 f., 138, 188 f., 200, 278, 375 f., 422, 436, 461, 464 - Autonomie der 411 - bewußte und unbewuf!te 46, 428
- unbewuf!te 62, 384, 393 f. - Wandlung der 436 - Wirklichkeit der 82, 153, 451 Psychische Phaenomene 8, 88, 380
- Substanz 3 Psychologie 88 Psychopompos 109, 123190, 148 Purusha 108, 357 Quadrat, s. Viereck Quaternio 339, 345 Quaternität 49, 383, 395 ff., 403, 405, 412, 414, 438, 470
-
Archetypus der 53, 399 des Lapis 113 Psychologie der 417 ff. pythagoräische 412 als Symbol 410, 429, 432 f. als Symbol der Ganzheit 39 f., 49, 331, 399, 430 - als Symbol des Selbst 431 Quecksilber 89, 102, 114, 116, 132, 425
Quecksilbersystem 89
493
Quelle (s. auch Lebensquelle) 22 Quest 27, 32 ff., 35 ff. Quincunx 346 f. Rabe 36, 41 ff., 47 f. 50, 79, 119
Rahab 196, 201 f., 237 20 Ras Schamra 27288 Rat, der gute 19 f., 23, 28 Reflexion 387 ff., 412, 419 ff. Regenbogen 278 95 Reise, mystische 121 Reittier (s. auch Pferd) 29, 38, 51, 54, 2244 4, 260 -der Hexe 37 Religion 11, 443 Reson 166 f., 185 Rex gloriae 382, 431, 471 Riese 25, 103, 242, 24339 Ring 383
Satan als Ankläger 165 ff., 169 ff., 174, 184, 294 ff., 299 - Archetypus des 154, 250 - und Azazel, s. Azazel - als einer der bene hii-' elöh'im 203, 229 ff., 251, 262, 274 ff., 293, 297, 4038, 406
-
als geistiger Dämon 204 als Krankheitsdämon 164,
-
als selbständiger Dämon 192, 229, 241, 307 ff. als Engel 251, 300 Entstehung des Begriffs 158 f. als Begriff im profanen Bereich 181, 184 ff., 206 als Begriff im metaphysischen Bereich 185, 189 ff.,
239, 241, 296
-
192, 206
riS' ii 200 91 Ritus 198 ff., 434, 436 rüalJ, 172, 392 - hii-rüalJ, 263, 265 75 Rubin 425 Runde, das 78, 399, 459, 462
-
Sagittarius 122 Salamander 94 Salomo 166 f., 170, 185, 206 Salvator 42, 61, 125, 127 f., 136, 148, 306, 314, 328 f., 357, 381 f. Salz 11514 6, 116, 125 Samädhi 454 f., 458 f. Samariterin 464 >Sameness« 343, 348 Sapientia 120, 372 f., 392, 414 Satan (s. auch Teufel) 12, 127, 136 f., 158, 162, 167 ff., 172, 188 f., 192, 198, 202 f., 222 42 ,
-
Etymologie d. Wortes 175 ff. als innerer Feind 186 als Funktion 190 f., 204 als Funktion Gottes 311 und Gott 12, 156, 158, 172 f., .191 ff., 198 f., 230, 244, 273 89, 293
als Gottessohn 252 60 Haß Satans 40617 im Hiobbuch 156, 159, 169, 171, 18025 , 229 ff., 241, 244, 262, 265, 268 f., 289 ff. - Identifikation mit helel ben siihar 273
-
Identifikation mit Luzifer
-
Identifikation mit Tod
274 91 31628
-
407
-
494
als Anfeindung 178, 188
Identität mit Jahwe 317 und mazk'ir 'iiroön 170 f. als Nomen proprium 191, 311
-
als Persönlichkeit 191
Satan in Sacharja 159, 249, 265 75, 297 ff. - als Schlange 184, 202, 268, 31628, 425 - und Shaitan, s. Shaitan - tierische Attribute des 204103 -und Tod 277 - als böser Trieb 187 - als Vielheit 183 - als Wesensseite Gottes 265, 276, 300, 317 f. - als Widersacher 167, 170, 180, 184 f., 190, 206 - als Widersacher Gottes 303 - Entwicklung der Vorstellung 15917, 162, 172, 306, 316 f. Saturn 108, 110121, 116f., 147, 408 - und Teufel 118 Saturnia 117 Saturnkind 117 Satyrn 197 Saul 168, 185, 266 Schatten 14, 54 ff., 139, 142, 398, 400 f., 413, 426, 436, 439 ff., 468 Schimmel, s. Pferd Schlange 80, 99, 10478, 109 f., 134, 16227, 183 f., 196, 19880, 202, 259 66, 265 75, 268, 2698 2, 273 89, 291, 316 28, 318, 413 f., 425 - eherne 259 67 - geflügelte 259 66 Schlüssel des Paradieses 16 Schnee 100 >Schöpfer< (s. auch Creator) 31 Schöpfung 277 f., 285 f., 310, 313, 34449, 357, 402, 405, 438 Schutzgott 294 Schwein, schwarzes 29 Schweinehirt s. Hirt
Schwert 223 42, 224 f., 261 - als Erkenntnisfunktion 225 l}ebä' has-sämaim s. Heer d. Himmels sedim, se'irim 158, 192 45, 196 f., 203 Seele (s. auch Psyche) 9, 17, 47, 49, 154 f., 216, 240, 319, 353, 388 - »ame exterieurec: 218 - Buschseele 355 - Geist und 5, 13, 96, 102, 130, 373 - germanische 56 - gui-Seele 10 - indische 449 ff. - Weltseele 342 Sein, das 344 ff., 451 Selbst 14, 33, 74, 79, 107, 128, 135, 142 f., 145, 14723 1, 384, 386, 390, 424 f., 462 - als Ganzheit 132 f. - als imago dei 431 - Symbol des 2012, 73, 135, 142, 383 f., 390, 424, 426, 436 Selbstbesinnung 21 Selbsterkenntnis 66, 145 f., 290, 372, 419 Selbsterzeugung 31, 112, 115, 128 »Selbstgeschaffen<e 31 Selbstoffenbarung 290, 337, 343, 360, 393 - des Geistes 13 - des Unbewuf!ten 392 Selbstopfer Christi 76 Selbstzerstörung 277 Seraphim 196 f., 204, 260, 331 - als Tiergottheiten 259 Servator 126, 148 Servius Tullius 308 Servus fugitivus 95 Seth 29, 193 53 , 1945 4, 234 ff. Shaitan 2799 5 , 182 Shamash 328 f.
495
Shiva-Shakti 891, 122 Sibylla 121 Sieben 141141, 454 f. »Silherglänzende«, die 331 Silberwasser 22 Sin 328 f. Sinai 21 2' 36 ff. Sintflut 22'2', 310 Sol novus 136 Sohn (s. auch filius) 61, 109, 111, 121 182, 124, 128, 252 f., 296, 328, 332, 343, 350 ff., 352', 402', 418 ff. Sonne 26, 105, 114 f., 194, 234, 254, 22'0, 22'1 88 ' 328, 333, 3984, 452 f., 458 ff., 466 - geflügelte 333 Sophia 33014, 350, 392 Spaltung 138, 284 f., 312', 356 f., 392', 420 Sphinx 226 48 spiratio 3889 Spiritus supracoelestis 99 - vegetativus 5, 2'5, 84, 98, 102'105, 132 Ssabier 113 Stadt 348 Status iustitiae originalis 2'?18 Stercus 108, 124 Stern 254 ff., 252' Sterngottheit 22'4 Stier 196 f., 331, 354 4 Stilbön 116, 21520 Stimme im Baum 80 Stoff, s. Materie Sturm 328 Sturmgott 330 Suaheli 244 Sublimation 124 Substanz 401 - immaterielle 5 - psychische 3 - unteilbare 343
496
subtle body 10, 98 Succus lunariae 1151 45 Sukhävati 452, 454, 458 Sulphur 106, 118 Sünde 200 ff., 203, 268 f., 302', 318 f., 405 Sündenfall 35, 268 Svastika 42'1 Symbol 53, 153, 418 ff., 422' ff., 443 ff., 460 - Auflösung des 53 - Paradoxie des 426, 432 Symbolum 361 ff. - Apostolicum 365 f. - Athanasianum oder Quicumque 325, 369 f., 32'9 - des G!.'egorius Thaumaturgus 366 - Lateranense 32'1 f. - Nicaenum 368 - Nicaeno-Constantinopolitanum 369 f. - Tridentinum 32'2 Synthese 431, 433 Syzygie 123 Tautrismus 11, 122 Tao 384 Taube 38810, 425 Taue, goldene 454, 460 f. Taufe 3622 Taufbekenntnis 365 Tehom, s. Chaos Tempel 211, 319 Ternarius 121 Terra alba foliata 90 5 Tetracephalus 113 Tetraktys, s. Vier Teufel (s. auch lblis) (s. auch Luzifer) (s. auc.h. Satan) 2', 12 f., 28, 30, 36, 41, 59, 2'9, 141, 204103 , 336, 401 ff. 412 - Archetypus des 142
Teufel, Autonomie des 407, 438 - dreiköpfiger 39 - als Engel 408 - als Engel des Lichtes 46, 135 - als Geist 12, 425 - geprellter 34, 83, 242 f. - als Gottessohn 403 - in 1. P·etr. 5, 8 305 - Ker Jupta 228 - als Satanael 403 - als Rabe 47 - als simia Dei 406 - und Trinität 403, 406 - als Widerpart Christi 402 f., 407 T·eufelsglauben 172 - Paradoxie des 172 Theriomorphismus s. Tierform Thot 96, 121, 215 f. Tiamat 128, 131, 196, 20294, 258 65 , 328 f. Tier 14 f., 35, 57 f., 383 - hilfreiches 22, 35, 51, 745 , 224 44 Tiergottheit 259 Tierlibido 200 Tierform 15, 34 f., 47, 58, 204 Tiglat Pileser 226 48 Timaios 39, 53, 335 ff., 348, 385, 395, 404, 427 f., 439 Tinctur 84, 126 Tochter 330 Tod 104, 112, 119, 316 2 8, 420 Totenreich 33921 Transitus 420 ff. Transzendenz 364, 426 - und Immanenz 155 Traum 13 ff., 17, 23, 52, 72 f., 298, 340, 376, 390 12, 418, 450 f. - Verwandlung im 16 Traumsymbole 428 ff., 433 Trias, Archetypus der 328
Trioephalus 39, 109, 113, 127, 406, 414 Trickster 85, 128 Trinität 39, 42, 54, 76, 109 f., 112, 127, 134, 136, 360, 379, 390, 403, 412, 414, 417, 438 - Archetypus der 328, 352, 363, 427 ff. - logische Idee der 337, 352 - Praefiguration der 350, 361 - psychologische Deutung der 372 ff. - psychische Wirklichkeit der 352 - und Triade 427, 432 - als Symbol 418, 429, 436 - als Symbol der Ganzheit 393 - Entwicklung der Vorstellung 373 · Trishagion 363 Tritheismus 388 Tritapatores 109 Tugend 455 Typhon 109, 193 53 U ebermenschlichkeit, U ebernatürlichkeit 65, 153, 450 - im Märchen 58 f. Uebertragnng 383 UnbewuiHe, das 8, 48, 53, 56 f., 88, 130 f., 375, 391, 425, 429, 434 - Archetypus des 144 - Aussagen des 113 - Erlebnis des 129 ~ Integration des 386 - kollektive 340, 382 - kollektive und persönliche 3??, 469 - Kompensationstendenzen des 140
492'
Unbewuf!te, nefaster Aspekt des 204103 - Paradoxie des 34, 123192 - Raum- und Zeitbegriff 1m 25 f. - Selbst und 133 - als Welt des unendlich Kleinen 25 Unbewuf!theit 67, 441 Ungehorsam 43 f., 48, 228, 307, 318, 405, 441 Unigenitus 111127, 127 Unsterblichkeit 452 f. Unterwelt 79, 109 Uranspaltung 66 Urerfahrung, religiöse 17 Urmensch (s. auch Anthropos) 329, 357 Valentinianer 369 varius 103 Vas Hermeticum (s. auch Flasche) 78 Vater 13, 105, 117, 328, 332, 350 ff., 357, 361\ 418, 437 - Doppelaspekt des 427 - als Gegensatzvereinigung 426 - Identifikation mit 418, 424 - Sohn 252, 328, 331, 343, 352 ff., 369, 387 f., 392, 419 f. Vaterkomplex 13 Vatermord 418 Vatermutter 108106 Vaterwelt - Einheit der 356 Venus (s. auch Aphrodite) 115, 122, 147, 331 Verbindung 117 Verbot 36, 43, 48 Verdrängung 200, 396, 422, 435
498
Versenkung 451, 466 versipellis 103 Verwandlung - im Märchen 38, 43, 51, 57 -im Traum 16 - in der Vision 459 Vielheit 255, 267 79, 274, 470 Vier, die (s. auch Quaternität) 38, 44, 49 f., 61, 331, 339 Vierte, der, das 349, 395 f., 404, 412, 417, 439 - als Widersacher 346, 428 Viereck 399, 425 - und Dreieck 40, 113, 399 Vilen 29 Virgo (s. auch Jungfrau) 98, 1111 27, 116 Vision 15, 78, 453, 459, 465 - der Aurelia Occulta 114 - des Ezechiel 331 - - als Manifestation des Unbewuf!ten 257 65 - des Gregorius Thaumaturgus 366 - des lgnatius von Loyola 10478 - des Jesaja 259 - Kollektivvision 25 - des Krates 115146 - des Micha ben J imla 254, 262, 265, 275 -moderne 25 - des Niklaus von Flüe 471 - des Sacharja 200, 258 65 , 297 ff. - Wesen der 298 f. Vliess 194 57 Vogel 22, 24 2 4, 51, 455 Vogelmenschen 51 Volkszählung 307 ff., 318 Vomitus 122 vulgaris 106
Waberlohe 226 48 Wagen 122, 255 63, 257 65 , 351 W aisenknahe 18, 30 Wald 24, 36 - Symbol des 73 ff. Waldkönig 23, 33 Wandlung, mystische 33, 119, 124, 128, 420, 422 - des Menschen 386 - der Psyche 436 »Wandlung vom Vater zum Sohn« 393 Wasser 24, 43, 90, 911 8 , 102, 104, 106, 116, 304, 330, 339, 361\ 425, 452 ff., 459, 466 Wasserfarben 117 Wegeweiser 121, 128 Weibliche, das 413 - und Satan 305 Weise, der alte 15, 17 ff., 25, 27, 35 - der einseitige 29 - der hilfreiche 30, 32, 35 - als Gott 28 - der kritische 22 f. - Doppelaspekt des 30, 35 - als Medizinmann 26, 30 - Wandlung des 33 Weltkörper 337 f., 348 Weltseele (s. auch anima mundi) 342, 348, 385, 439 Wesir 215 Wette 231 f., 242 ff., 246, 249, 300 Widersacher (s. auch mal'iik ]ahroe als -) (s. auch Satan als -) 228, 265, 346 Wiedergeburt 355, 360, 453 Wind 6 ff., 97, 260, 263 72, 353, 471 Windgott 96, 109 Wirklichkeit 10 f., 63, 82, 153,
385 f., 414 f., 436, 438, 451, 460 Wirklichkeit des Bösen 402, 407 - und Denken 338 ff., 346, 414 - empirische 429 - körperhafte 339, 342 - potentielle 450 Wolf 22, 36 f., 41, 44, 49 Wolke 226 48 Wort 3611, 383 5 Wotan 29, 57, 59 f., 64, 78 f., 83 Wurzeln 74 f., 77, 79, 91, 397, 399 Wüste 16, 193, 197, 199 f. - als UnbewuRtes 200 Yang und Yin 101 2 9, 3051 8, 441 Yoga 2013 , 449 ff., 462, 470 - Hathayoga 452 Zahl335 f. Zauberer 30, 33 f., 36, 38, 40, 44, 56, 75, 279 97 Zaubermittel 21 f., 31, 36 f., 83 Zelt, heiliges 19882 , 199 Zentrum 442 - centrum circuli 125 -der Erde 93 Zerstörung 117, 128 Zerstückelung 51 Zerujah 186, 188 f. ZPugung, göttliche, des Pharao 332 Zeugungskraft 388 Zeus 109, 264 74 Zwei, die (s. auch Zweiheit) 335 f. Zweifel 276 ff., 285, 288 f., 296, 300, 357, 359, 408
499
>Zweifler< 336 Zweiheit (Doppelnatur etc.) 110, 112, 128, 143, 330, 359, 407 ff. - des Archetypus 28, 35 - des Archetypus des Geistes 46, 67, 134 - der Geistfiguren 15
Zweiheit Gottes 224 - - Paradoxie der 285 Zweiheit der Psyche 100, 139, 141 Zwerg (s. auch Kabiren) 14 f., 24, 28, 243 89 Zwilling 103, 314, 38810 Zwölf, die 37 f., 49
Errata 8.158, Anm.14, Zeile 2: Statt S. 311 f.: S. 312 ff. S. 172, Anm. 56, Zeile 2: ·Statt S. 316 f.: S. 317 f. S. 173, Anm. 61: Statt S. 295: S. 296. S. 174, Anm. 64: Statt S. 293 ff.: S. 294 ff. S. 174, Anm. 66: Statt S. 295: S. 296. S. 183, Zeile 18: Statt ginn: ginn S. 191, Anm. 44, Z. 2 von unten: Statt S. 310: S. 311. S. 202, Anm. 96: Statt S. 290: S. 291. S. 205, Anm. 105, Zeile 9: Statt oalp.wv: iJalp.wv. S. 209, Zeile 10: · Statt Anm. 46: Anm. 42.
500
S. 215, Anm. 29, Zeile 8: Statt anlßwv: m:llßwv. S. 223, Anm. 42, Zeile 12: Statt S. 302: S. 303. S. 238, Anm. 20, letzte Zeile: Statt S. 302: S. 303. S. 241, Anm. 30: Statt S. 292 f.: S. 293 f. S. 265, Anm. 75, Z. 3 von unten: Statt S. 298 ff.: S. 299 ff. S. 273, Anm. 89, Zeile 1 : Statt Anm. 88 zu S. 272: Anm. 88,' S. 272. S. 273, Anm. 89, Z. 3 von unten: Statt S. 315: S. 316. S. 276, Anm. 93: Statt S. 293: S. 294. S. 296, Anm. 130, Zeile 3: Statt S. 311 ff.: S. 312 ff. S. 310, Anm. 14: Statt S. 308: S. 309.