= 33,7 m
c)
I",ax
für die Einbauvarian-
!,nax,@=34.4m
Die errechneten Längen sind für den Fall d deutlich größer als bei Lagerung an den Trägerenden: Durch eine optimale Lagerung kann die Beanspruchung des Materials erheblich verringert werden.
16.3 Gültigkeil der Biegespannungsformel, Widerslandsmomente, Beispiele
Beispiel 6:
I
I_"";_ _...1 Ein Träger 1400 mit einem Widerstandsmoment \\Ir = 1460em 3 wird durch die Last F, die über die beiden Räder einer Laufkatze übertragen wird, belastel. Gegeben:
a
a
2
2
V @:'=0
L
a = 0,8111
l= 10m
245
z
Für die ungünstigste Stellung der Laufkatze soll die maximal zulässige Last F berechnet werden, wenn die Spannung (J,,,I = 160 N/mm 2 nicht überschritten werden darf.
a
Ll~ 2
Da der Träger nur durch Einzelkräfte belastet ist, ergibt sich ein stückweise linearer Biegemomentenverlauf mit jeweils einem Knick unter den Kräften ~. Damit kann das größte Biegemoment nttr an einer dieser beiden Stellen auftreten. Seine Größe ist von der Stellung der Laufkatze abhängig. Zur Ermittlung der ungünstigsten Laststellung werden die Lagerkräfte und die Biegemomente an den Stellen Q) und ® in Abhängigkeit von Z ermittelt. Die Ergebnisse sind: F -(2l-2Z-a) 21
rs =
F 21 (2Ha)
F
-(2lz-2Z2 - a z) 21 F - (2lz+al-2Z 2 - 3az - a 2 ) 2l
MM! = FB(l-z-a)
Eine Extremwertbetrachtung für die beiden Funktionen M b.UJ und Mb.flJ liefert: _ 1 a M b.UJ wird maximal für 21 - 4z - a = 0 =} ZI = - - 2/-4z - 3a = 0
Mb,flJ wird maximal für
Die Abbildung 16.23 zeigt die berechneten LaststeIlungen, bei denen das eine bzw. andere Moment am größten wird. Durch Einsetzen der Werte ZI in Mb.UJ bzw. Z2 in Mb,1Z werden diese MaximalweI1e berechnet. Sie sind erwaI1ungsgemäß gleich groß (symmetrisches Problem): F M b.max,tJ) -M b,max,('J) - 2/
(t22
- - al 2
=}
Z2 =
2
4
1
3a
2: - 4
a 4
__LJ__ I
2
2
a
+ -8
)
Die gesuchte maximal zulässige Kraft F wird aus der Bedingung Mh,mal;
=
ten Laststellungen
ermittelt und ergibt sich zu: F,r/ax
=
Mb.max.2
Abbildung 16.23: Die beiden ungünstigs-
CJ'::.u! W x
2· 160..li.,. . 1460· J0 3 mm 3 mm-
2
(5-0,4+08~ )·103 mm
= 10lkN
246
16 Biegung
16.4 Aufgaben
IAufgabe 16.1: I Ein
Biegeträger mit Kreisquerschnitt wird durch eine Einzelkraft F belastet.
Gegeben:
1=3m
1/2
F= 10kN
1/2
er,ul = ISO N/mm 2 nicht überschritten wird. b) Welche prozentuale Materialeinsparung ergibt sich beim Ersetzen des Kreisquerschnitts durch einen Kreisringquerschnitt mit ~ = 0,8 (Innenciurchmesscr/Außendurchmesser)?
a) Man ermittle den erforderlichen Durchmesser da!, so dass eine zulässige Spannung
I
Allfgabe 16.2:
I
I
Für den Biegeträger mit Quadratquerschnitt wähle man die Kantenabmessung so, class bei Belastung durch die Kraft F die zulässige SpaJUlUng er,u' nicht überschritten wird. Anschließend cnnittle man die tatsächlich vorhandene Maximalspannung, wenn zusätzlich das Eigengewicht des Trägers (Dichte p) berücksichtigt wird.
Gegeben:
I = Im
I Aufgabe 16.3:
I
F = I kN
=F=======;;;c====='7.
er,u' = 2ooN/mm 2
F, b,
I Aufgabe 16.4:
(JmlL'C0
Gesucht:
l/2
~
p = 7. 85g/cm 3
!
Ein so gcnannter Träger gleicher Fesligkeil ist so dimensioniel1, dass in jedem Querschnitt die gleiche maximale Spannung er",,,, auftritt. Ein Kragträger mit Rechtcckqucrschnitt (konstantc Breite b) soll durch eine veränderliche Höhe h(z) zum Träger gleicher Biegefestigkeit werden.
Gegeben:
A
1/2
F
h(z)
'--------+----I~ z
h(z).
I
Aus einem kreisrunden Baumstamm mit dem Durchmesser D ist ein Balken mit einem Recbteckquerschnitt h· b so auszuschneiden, dass dieser ein möglichst großes Widerstandsmoment hat. Man ermittle hund b in Abhängigkeit von D.
I
Aufgabe 16.5: I_ _ _ _ _..... Für den skizzierten Biegeträger ermittle man a) Ort und Größe des absolut größten Biegemomcnts
IMbl max •
b) die erforderliche Breite b fLir einen
Rechteckquerschnitt mit h = 2 b. Gegeben:
a =20cm
F=60N
a
a
2a
16.4 Aufgaben
Altfgabe 16.6:
I_.;.;;
247
I
.... Für den skIzzIerten Rahmen berech-
A
ne man
a) die Kantenlänge a des Quadrat-Querschnitts j - I. b) den maximal zulässigen Durchmesser d der Boh-
I
(Jb. :ul
F
Allfgabe l6.7:
= 240 N/mm 2 = 160N
I
B
I
"
M
12
2F
b
so dass die zulässige Spannung (Jb",,1 nicht überschritten wird. Gegeben:
{
--
rung im Schnitt 2 - 2 bei gegebener Kantenlänge des Quadrat-Querschnitts b.
c = 32mm b= 10mm
2c
.
2a
2a
I_.;.;; .... Für den skIZZIerten Rahmen berechne man
'c
F
I
,c
a) den Ort und die Größe des absolut größten
Biegemoments IMblma". b) die maximale Biegespannung im Schnitt c - c. wenn der Träger dOl1 den skizzierten kreuzförmigen Querschnitt hat.
3F
b
b
b
B
Gegeben: F=IOOON; a=87cm; b=3clll
Allfgabe l6.8:
I
I_.;.;; .... Der skIZZIerte Träger 1st aus zwei Norlllprofilen U50 nach DIN 1026 (Querschnittswerte siehe Abbildung 16.24) zusammengeschweißt. Gegeben:
2a
3a
3a
F = 1,5kN ; a = 200lllm
Man ermittle a) den Ort und die Größe des maximalen Biegemoments. b) die maximale Biegespannung für die skizzierte Einbauvariante der Normprofile.
c) Wäre eine um 90° gedrehte Einbauvariante der zusammengeschweißten Normprofi le für die Größe der entstehenden maximalen Biegespannungen günstiger?
b
mm
38 Y b
hAG
e
I"x
Wx
'.\'."
cm 2 7.12
1.37
26,4
10.6
9.12
mm 50
kglm 5.59
Abbildung 16.24: Querschnillswerte für Normprofil USO
3,75
248
16 Biegung
I Aufgabe 16.9:
I
FI
jF 4S" b
b
lF b
:zs: b
,
4a y/,
J b ;;;Y" '?
/.
0 '
0 j
I
molo' _a _
0
'"
~
,0::
0"," ,
_a_
2a
5a
Für den skizzierten Biegeträger berechne man a) den Ort und die Größe des absolut größten Biegemoments IMb!",ax, b) für eine gegebene zulässige Spannung (J,,,I die erforderlichen Querschnittsabmessungen lI"j,® und lI er j,'>J rur die bei den Einbauvarianten (j) und ~. Gegeben:
F = 250N
b = 6cm
(J,,,I =
120N/mm2
Weitcrc Aufgabcn findct llIan im Intcrnct untcr www.TM-aktuell.de. Das ist Ihnen hoffentlich aufgefallen, lieber Leser: Von den 8 Seiten des Abschnitts 16.3 wurden mehr als 6 Seiten für die Beispiele verwendet, und im Abschnitt 16.4 gab es deutlich mehr Übungsaufgaben als in den vorangegangenen Kapiteln. Das hat im Wesentlichen drei Gründe: • Die Biegebeanspruchung ist ein ganz besonders wichtiges Thema der Festigkeitslehre, weil in der Regel durch die Biegemomente sehr große Spannungen hervorgerufen werden. Deshalb beschäftigen sich auch die drei folgenden Kapitel noch mit diesem Thema. • Der in diesem Kapitel behandelte Stoff ist ein besonders typisches (tückisches) Beispiel für die Aussage: "In keinem anderen Fach wird man von der Vorstellung, ctwas verstanden zu haben, so ge- und emtäuscht wie in der Technischen Mechanik, wenn man die recht einfach erscheinende Theorie auf praktische Probleme anwendet." • Im Abschnitt 16.3 wird deutlich, dass man verloren ist, wenn man den Stoff vorangegangener Kapitel nicht beherrscht: Die Themen "Lagerreaktionen" und "Schnittgrößen" (die Themen, die in der Statik erfahrungsgcmäß Schwierigkeiten machen) und "Flächenträgheitsmomente" sind unabdingbare Voraussetzungen fLir die Biegespannungsberechnung. Immer wieder "Sigma gleich M durch W", und doch ist jede Aufgabe anders! Und wenn Sie sich, lieber Leser, gerade auf eine Klausur vorbereiten, in der auch das Thema Biegung ansteht, dann können Sie darauf vertrauen, dass demjenigen, der die Klausur stellt, auch wieder etwas Neues eingefallen ist. Da hilft weder das Lernen von Formeln noch das Einpauken eines Algorithmus. Üben und Aufgaben rechnen (und das immer wieder) ist die einzige empfehlenswerte Strategie. Die vier letzten Aufgaben des Abschnitts 16.4 stammen übrigens aus Klausuren, die die Autoren dieses Buchs ihren Studenten zugemutet haben. Es gibt aber auch eine angenehme Aussage: Wenn man den im Kapitel 16 behandelten Stoff nicht nur verstanden, sondern auch auf wirklich unterschiedliche Probleme erfolgreich angewendet hat. kann man ein positives Fazit der bisherigen Beschäftigung mit der Technischen Mechanik ziehen und darf an die vielen noch folgenden (und ganz gewiss nicht leichteren) TI,emen recht optimistisch herangehen.
17 Verformungen durch Biegemomente 17.1 Differenzialgleichung der Biegelinie Die Theorie der Biegeverformung basiert auf den gleichen Annahmen wie die im Kapitel 16 behandelte Biegespannungsberechnung:
<>
Das Material verformt sich elastisch (Gültigkeit des Hookeschen Gesetzes), die Querschnitte bleiben bci der Verformung ebcn (Gültigkeit dcr Bernoulli-Hypothcse).
<>
Die Theorie wird flir die ,.reine Biegung" (konstantes Biegemoment) formuliert, aber auch auf den allgemeinen Fall (veränderliches Biegemoment) angewendet.
<>
Die Biegcachse (Achse, um die das Bicgcmoment dreht) ist mit einer HauptzentraJachse des Querschnitts identisch.
Unter diesen Voraussetzungen verformt sich ein ursprünglich gerades Element der Länge dz durch ein (konstantes) Bicgcmoment Mb so, dass alle Längsfasern zu konzentrischen Kreisen werden (Abbildung 17.1).
neurrale Faser
dep
dz
Die Schwerpunktfaser (y = 0) wird bei der Verformung ruchl gedehnt (neutrale Faser), deshalb gilt mit dem Krlimmungsradius der neutralen Faser p: eiz = Ipldrp
Abbildung 17.1: Das unverfofl11le Element (links) verformt sich durch Mb: Gerade Fasern werden zu konzenuischen Kreisen (Gültigkeit der Bernoulti-Hypothese)
Eine beliebige Längsfaser im Abstand y vom Schwerpunkt verlängert sich um den Bctrag
(ipl + y) drp und dehnt sich also um
dz =
Ipl drp + ydrp -
ydrp
ydrp
y
dz
Ipldrp
Ipl
eiz = ydrp
E=--=--=-
Aus der Dehnung kann mit dem Hookeschen Gesetz (0), = EE) auf die Spannung in dieser Faser geschlossen werden, die sich andererseits auch nach der Biegespannungsformel t6.3 (Seite 217) aus dem Biegemoment errechnen lässt:
IMbl Y (Jb=--y=EE=EI Ipl
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_17, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
250
17 Verformungen durch Biegemomenle
Die Querschnittskoordinate y hebt sich aus dieser Beziehung heraus, und es ergibt sich der Zusammenhang zwischen Biegemoment und Verformung: I IMbl = El
jpj
~ ist der Betrag der Krümmung einer Kurve:
Die Krümmung der Schwerpunktfaser ist dem Biegemoment proportional. Der Proponionalitätsfaktor EI (Produkt aus Elastizitätsmodul und Flächenträgheitsmoment bezüglich der Biegeachse) wird als Biegesteijigkeit bezeichnet. ullverformter
<> Es wird vereinbart: Als Kurve des durch ein Biegemoment vetformten Trägers wird die verformte neutrale Faser (Biegelillie) angesehen, deren Verschiebung gegenüber der unverformten Lage mit einer Koordinate v (positiv in gleicher Richtung wie die Querschnittskoordinate y) gemessen wird (Abbildung 17.2).
Träger
~
jZ~) Iv
/ verformter Träger
Abbildung 17.2: Biege/illie v(z)
Der mathematiscbe Zusammenhang zwiscben der Funktion v(z) und der (vorzeichenbebafteten) Krümmung der zugehörigen Kurve ist durch I
V"
( 17.1)
P gegeben (siehe .,Mathematik für die Technische Mechanik" unter www.TM-aktuell.de). Das Vorzeichen der Krümmung wird durcb die 2. Ableitung (Änderung des Aostiegs) der Verschiebung v bestimmt. Die Abbildung 17.3 zeigt, dass ein positives Biegemoment eine negative Krümmung hervorruft, was beim Weglassen der Bctragsstriche in der Verfomlungsgleichung auf ein Minuszeichen fuhrt: V"
,
z
(17.2)
[I + (1")212
Für Materialien. die (im elastischen Bereich) sehr große Verformungen zulassen (z. B.: Stab des Stabhochspringers), muSs mit dieser nichtlinearen Differenzialgleichung gerechnet werden.
Abbildung 17.3: VelTingcrung des Tangentcnanstiegs :::} negatjves v" => negative Krümmung
Für die in der technischen Praxis besonders häufig vorkommenden sehr kleinen Verformungen ist insbesondere der Anstieg v' ebenfalls sehr klein, so dass das noch viel kleinere (v'? gegenüber I vernaChlässigt werden kann (noch bei einem Anstieg von 5° ergibt sich mit I + (1")2 = I + (tan 5°)2 = 1,00765 ein Fehler kleiner als I %). Damit erhält man für kleine Verformungen die
Differenzialgleielumg der Biegelillie 2. Ordnullg: EIl''' = -Mb
(17.3)
17.2 Tntegration der Differenzialgleichung
251
Die Biegelinie 2. Ordnung 17.3 iSI eine lineare inhamogene gewöhnliche Differenzialgleichung 2. Ordnung, in der der Koeffizient von v" (Biegesteiflgkeit) und die rechle Seite (Biegemoment) von der Koordinate z abhängig sein können. Zweimaliges Differenzieren von 17.3 führt auf
(Elv")" = -Mb" und mit den aus der Statik (Abschnitt 7.2, Seite 99) bekannten Differenzialbeziehungen 7.1 für die Schnittgrößen bzw. (q ist eine auf den Träger wirkende Linienlast) erhält man (für kleine Verformungen) die
Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung: (Elv")" = q
(17.4)
In der linearen inhomogenen gewöhnlichen Differenzialgleichung 4. Ordnung 17.4 dürfen die Linienlast q und die Biegesteifigkeit EI von der Koordinate z abhängig sein. Für konstante Biegesteifigkeit EI vereinfacht sich diese Differenzialgleichung zur
DifferenziaLgleichung der Biegelinie 4. Ordllung bei kOlls/anter BiegesteiJigkeit: Elv"" = q
( 17.5)
17.2 Integration der Differenzialgleichung Der einfache Aufbau der Differenzialgleichungen der Biegelinie gestattet die Lösung durch direktes (zwei- bzw. viermaliges) [ntegrieren bei der Seiten. Dabei sollte gegebenenfalls ein veränderliches EI auf die rechte Seite gebracht werden. Zu beachten ist, dass jeder Integrationsschritt eine [ntegrationskonstante erzeugt. Die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung 2. Ordnung enthält zwei. die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung 4. Ordnung vier Konstanten, die mit Hilfe von Randbedingullgen bestimmt werden müssen. Die Randbedingungen FLir eine Differenzialgleichung II-ter Ordnung dürfen die Ableitungen der gesuchten Funktion bis zur (n - I)-ten Ordnung enthalten. Beim Arbeiten mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung sind dies Aussagen über die Verschiebung v (Durchbiegung) und den Anstieg der Biegelinie v' (Biegewinkel). beim Arbeiten mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung kommen noch Aussagen über das Biegemoment Mb = -Elv" und die Querkraft FQ = -(Elv")' hinzu. Bei statisch bestimmten Aufgaben stimmt die Anzahl der Randbedingungen mit der Anzahl der [ntegrationskonstanten überein. Zur Bestimmung der [ntegrationskonstanten stehen bei dem nachfolgenden Beispiel I die beiden Verformungsbedingungen
252
17 Verformungen durch Biegemomenle
v(z=I)=O
v'(z = I) = 0
zur Verfügung (eine Einspannung lässt keine Absenknng zn und erzwingt eine horizontale Tangente), mit denen bei Verwendung der Differenzialgleichnng der Bicgelinic 2. Ordnung dic bciden Integrations konstanten ermittelt werden können. Dem Nachteil, bei Verwendung der Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnnng vorab den Biegemomentenverlauf ermitteln zu müssen, steht bei Verwendung der Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung der Nachteil gegenüber, mehr (und vielfach kompliziertere) Randbedingungen zu benötigen. Zwar könnte bei dem folgenden Beispiel I der Integrationsprozess mit der besonders einfachen Differenzialgleichung
Elv"" =0
(keine Linienlast!)
bzw.
v"" =0
sofort gestartet wcrden, für die Bestimmung dcr 4 Integrationskonstanten müssen aber neben den beiden Verformungsbedingungen am rechtcn Rand noch jc cinc Aussagc über das Bicgc1110ment und dic Qucrkraft am linken Rand formuliert werden (Abbildung 17.4):
Mb(Z = 0) = -Elv"(z = 0) = 0
=;.
v"(z = 0) = 0
FQ(z = 0) = -Elvlll(z = 0) = -F
=;.
vlll(z = 0) = EI
F
Abbildung 17.4: Schnitt ,.unendlich nah" bei F
I
Beispiel i: I_"";_ _...1 EIIl Kragträger mit konstanter Blegestelhgkelt EI (Quadratquerschnitt mit der Kantenlänge a) ist am linken Rand durch die Kraft F belastet. Man berechne a) die Biegelinie
Ei z
v(z),
b) die Absenkung des Lastangriffspunktes.
Gegeben: l=lm; F=500N; a=4cm; E=2.1·1Q 5 N/mm 2 .
Mb = -Fz (Abbildung 17.5) startet die Rechnung mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung, die sOfol1 zweimal integriert wird:
a) Mit dem Biegemoment
Elv" = Fz
z
Elv'=~Fz2+CI
Abbildung 17.5:
Elv= ~FZ3+CIZ+C2
M h = -Fz
Aus den beiden Randbedingungen ergeben sich die Bestimmungsgleichungen für die IntegTationskonstantcn Cl und C2:
v (z=l) =0
~F13 +CII +C2 = 0 ,
v'(z=I)=O
~FI2+CI =0
17.2 Tntegration der Differenzialgleichung
253
Die sich daraus ergebenden Konstanten C I =-!FI 2 werden in die Funktion v(z) eingesetzt, und man erhält nach einigen elementaren Umformungen dje Biegelinie:
v(z) = -F/3
6E I
[(Z)3 - 3 -Z+ 2] I
I
b) Zur Ermittlung der Durchbiegung unter der Kmft F wird der Koordinatenwert des Kraftangriffspunktes z = 0 in die Biegelinie eingesetzt, und es entsteht: FI3 vp = v(z = 0) = -
3EI
Mit den gegebenen Zahlenwerten und dem Flächenträgheitsllloment ftir den quadratischen Querschnitt I = ~ (Abschnitt 16.2.2) ergibt sich die Durchbiegung am Angriffspunkt der Kraft F zu Vp = 3, 72mm.
I
Beispiel 2: I'-....;_ _... Ein 40 m langer Stahlträger nut dem Normprofil 1200 nach DIN EN 10024 (früher: DIN 1025-1) ist an beiden Enden gelenkig gelagert und nur durch sein Eigengewicht belastet. Die erforderlichen Parameter sind der Abbildung J6.2l auf Seite 243 (Biegung um die x-Achse) zu entnehmen (Elastizitätsmodul: E = 2, I· lOs N/mm 2 ).
EI
Man berechne die maximale Durchbiegung des Trägers und dic maximale Tangentenneigung (Biegewinkel). Mit der konstanten Linienlast qo kann die Rechnung mit der Differenzialgleichung der Biege!inie 4. Ordnung sofort starten:
Elv"" =qO Das viermalige Integrieren bis zur Durchbiegung v führt Elvfl!
=
Elv" Elv' = Elv
+ CI !QOZ2 + CIZ + i; qoz3 + !CIZ2 + I 4 24 qoz + i; CI Z3 +
ZU
vier Integrationskonstanten:
qoz
C2 C2Z !C2Z
2
+ C3 + C3Z + C4
Zur Bestimmung der Integrationskonstanten sind vier Randbedingungen erforderlich: • An jedem Lager muss die Durchbiegung gleich Null sein (zwei Bedingungen). • An den Trägerenden verschwinden die Biegemomente, wenn dort (wie bei diesem Beispiel) keine äußeren Momente eingeleitet werden (vgl. Abschnitt 7.3, Seite 105), worauS zwei weitere Bedingungen resultieren.
254
17 Verformungen durch Biegemomenle
Aus diesen vier Randbedingungen erhält man die erforderlichen Bestimmungsgleichungen für die Integrationskonstanten:
Mb(z=O) =0 Mb(Z=/)=O
v(z=O) =0
=;.
C4 =0
v"(z=O) =0
=;.
Cz=O
v(z=/)=O
=;.
d4 qO/4 + ~ CII] +Cli = 0
,,"(z=/)=O
=;.
=;.
i
qolZ +
CII
=0
Aus den letzten beiden Gleichungen werden die Konstanten Cl und Cl bestimmt:
CI = -
t qol
d4 qO/3
Cl =
Damit können die Biegelinie und ihre erste Ableitung aufgeschrieben werden:
v(z) = qO/4 [ 24 E I
v'(z) = qO/3
24E I
(~)4 _2 (~)3 +~] I
I
I
[4 (~)3 _6(~)Z + I] I I
Ocr Ort dcr maximalen Durchbicgung ist bci dicser Aufgabe durch die Anschauung gegeben (Trägermitte aus Symmetriegründen). Für eine kompliziertere unsymmetrische Belastung müsste diese Stelle durch die Auswertung von v' = 0 gewonnen werden. Die größten Tangentenneigungen (maximale Biegewinkel) ergeben sich an den Lagern. Wenn diese Aussage nicht (wie bei dieser Aufgabe) aus der Anschauung zu gewinnen ist, müsste v" = 0 ausgewertet werden. Die gesuchlen Maximalwerte sind: 1'",,,,
=
v (z =
D :8~O~41 =
v;""' = v'(z = 0) =
2~o:1
Mit den Zahlenwerten für 1200 (Abbildung 16.21 auf Seite 243) und dcn gegcbenen Werten erhält man: vmax =l,9lm V;nax = 0, 1525 Die Durchbiegung ist recht erheblich wegen der großen Stützlänge vnn 40 m, bei der dieser Träger (Beispiel 5 des Abschnitts 16.3 auf Seite 242) aber auch an der Grenze seiner Tragfähigkeit ist (er erträgt gerade sein Eigengewicht).
c:> Es ist üblich, v' als "Biegewinkel" zu bezeichnen, obwohl die erste Ableitung natürlich der Tangens des Anstiegswinkels der Kurve ist. Bei den im Allgemeinen sehr kleinen Winkeln ist der Untersch.ied gering. Selbst bci dcm außcrgewöhnlich großen Zahlenwert des gerade behandelten Beispiels würden sich aus v' = 0, 1525 exakt 8,74° ergeben, bei Interpretation dcs Anstiegs als Biegewinkel kämc man auf 8,67° (Abweichung ist kleiner als 1%). oe;> Während bei dem Beispiel I wegen des relativ einfach aufzuschreibenden Biegemomenten-
verlaufs die VerwendlLl1g der Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung vorteilhaft ist (man vermeidet so auch die schwierige Formulierung der Querkraft- und MomentenRandbedingungen), ist bei dem Beispiel 2 die Arbeit mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordl1lLl1g empfehlenswel1, zumal die Randbedingungen (v = 0 wld v" = 0 an beiden Rändern) recht einfach zu fornlulieren sind.
17.2 Tntegration der Differenzialgleichung
255
Eine generelle Empfehlung, welche der beiden Differenzialgleichungen der Biegelinie bei beSlimmten Aufgabentypen zu bevorzugen ist, kann kaum gegeben werden. Einzelkräfte als Belastungen erschweren die Formulienll1g der Randbedingungen für die Differenzialgleichung 4. Ordnung, Linienlasten (insbesondere veränderliche Linienlasten) machen das Aufsch.reiben des Biegemomentenverlaufs (für die Differenzialgleich.ung 2. Ordnung) schwieriger. Als Basis für Computerprogramme und die Anwendung numerischer Verfahren bei komplizierteren Aufgaben wird die Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung allgemein bevorzugt, weil der formalere Rech.enprozess der Programmierung entgegenkommt. Wenn der Biegemomentenverlauf nur absch.nittsweise aufgeschrieben werden kann (EinzeIkräfte, Einzelmomente, Zwischenstiitzen, ...), muss für jeden Absch.nitt auch die Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung gesondert formuliert (und integriel1) werden. Entsprechendes gilt bei Verwendung der Differenzialgleich.ung der Biegelinie 4. Ordnung, weil in diesen Fällen Unstetigkeiten in den Ableitungen der Funktion v(z) vorkommen (z. B. ein Querkraftsprung bei Einzelkräften oder Zwischenstützen), über die nicht integriert werden darf. In diesen Fällen erhöht sich natlirlich die Anzahl der Integrationskonstanten, und man muss Randbedingungen auch an den "Bereichsrändem" r0n11ulieren, die häufig nur als so genannte Übergangsbedillgullgen aufgeschrieben werden können. Für das nachfolgende Beispiel 3 wird die Arbeit mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung empfohlen. Da der Momentenverlauf für zwei Abschnitte aufgeschrieben werden muss, ergeben sich vier lntegrationskonstanlen. Neben den beiden Randbedingungen (keine Absellkung an den bciden Lagern A und B) müssen noch zwei Übergangsbedingungen am Kraftangriffspunkt formuliert werden: Die Absenkung am rechten Rand des linken Abschnitts muss gleich der Absenkung am linken Rand des rechten Abschnitts sein. Eine entsprechende Bedingung muss für die Biegewinkel gelten, weil die Biegelillie an dieser Stelle keinen Knick haben darf.
I.
..
.
.
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Für den sk,zzlerten Trager ermIttle man B
A
a) die Biegelinie,
EI
b) Ort und Größe der maximalen Durchbiegung.
Gegeben:
1I3
2113
I. F. EI =konstant .
Zur Bereitstellung der Biegemomenle für die Integration der Differenzialgleichung 2. Ordnung werden die Lagerkräfte benötigt:
FAv = ~ F
FB = ~ F
Für die beiden Trägerbereiche werden die nebenstehend skizzierten Koordinatensysteme definiert. Die Biegemomente werden an den dargestellten Teilsystemen ermittelt und damit die Differenzialgleichungen aufgeschrieben und integriel1:
IF
F'.4H
-IF!~_=====~I ;;'V
z,
z2 F/3
Fe Z2
Mb2(~
2F131
256
17 Verformungen durch Biegemomenle
Mb'
=
Elv( =
1 FZ I -1 FZI
EIl~ = -~
Elv] =
~F(~-Z2)
Mb2 =
Elv;' = -~ F (~-Z2)
Fd+c I
1F(~-Z2)2+C3
Elv2
-18 Fzi +C,ZI +C2
EIl'2 =
-4 F (~- zd +C3Z2 +C4
Zur Bestimmung der vier Integrationskonstanten werden zwei Randbedingungen und zwei Übergangsbedingungen formuliert uud ausgewertet:
VI (ZI
= 0) = 0
VI(Z,=~i)=V2(~2=0)
=}
v~ (ZI = ~ i) =
=}
V
C2 = 0 3 -2:J/ + ~ C,' = -2~3 F/3 +C4 2 F12 I 12 -n + C1_- nF +C3
=}
2(Z2
=
0)
V2(Z2=~)=0
1C3/+C4 = 0
=}
Aus den drei letzten Gleichungen errechnet man: 5 F/ 2 C3 --81 a) Mit den ermittelten Konstanten werden die Biegelinien für beide Bereiche anfgeschrieben:
FI3 [ (ZI ) 3 ZI] VI = 162EI -9 T +8 T FI3 [ V2 = 243EI -27
~ 243EI
(I3 - fZ,)3 -
[27 (Z2)3 -27 I
Z2
IST +5
I
3"
fLir 0 :S Z2 :S
"3' .
]
(~)2 _6 Z2 +4] I
2
fLir O:Sz,:S
I
b) Aus der Anschauung ist klar, dass die größte Durchbiegung im linken Abschnitt liegt. Des-
halb wird die Ableitung der Funktion V, (z) gebildet und zur Ermittlung des Ortes ZI von VI,ma" gleich Null gesetzt:
V',
=
I:;~I [- 27 C/r+ 8]
v~=O V"""
=}
= VI (ZI =
-27zT+8t2=0
z,) =
=}
z,=a'=~161
16 F/3 FP 2187 16EJ = 0,01792
EJ
oe:> Die Überprüfung, ob der errechnete Extremwert ein Minimum oder Maximum ist (mit Hilfe
der zweiten Ableitung) kann man sich ersparen, wenn (wie im vorliegenden Fall) klar ist, welche Form der verfomlte Träger etwa hat. oe;:. Formal ergeben sich für den Ort ZI des Extremwerts von VI zwei Lösungen. Der negative Wert wurde nicht berücksichtigt, weil er nicht im Trägerbereich liegt. Wer seiner Anschauung nicht traut und auch im rechten Bereich nach der gleichen Strategie nach Extremwerten
257
17.3 Rand- und Übergangsbedingungen
für die Durchbiegung sucht, würde dort fonnal zwei Lösungen finden, die beide nicht im Trägerbereich liegen. Generell gilt natürlich: Innerhalb eines interessierenden Bereichs nimmt eine Funktion ihre Extremwerte entweder an Stellen mit verschwindender erster Ahleitung oder an den Rändern des Bereichs an. Q Die in der Statik (Abschnitt 7.1, Seite 95) gegebene Empfehlung, beim Aufschreiben der
Momentenveriäufe sämtliche Koordinatensysteme gleichsinnig zu definieren, findet hier eine weitere Begründung. Die Abbildung 17.6 verdeutlicht, wie bei Nichtbeachtung dieser Empfehlung die Übergangsbedingungen formuliert werden müssen, weil gleiche Tangentenneigungen in den beiden Abschnitten dann unterschiedliches Vorzeichen haben: VI (ZI
v; (ZI
= j/) = V2 (Z2 =!!) = j/) = -v; (Z2 = !l)
I
21/3
Eine ähnliche Fehlerquelle ergibt sich in diesem Fall für die Querkraft-Bedingung an der Übergangsstelle (erforderlich für das Arbeiten mil der Differenzialgleichung 4. Ordnung).
1/3
Abbildung 17.6: Nicht zu empfehlen: Gegenläufige Koordinaten haben unterschiedliche Vorzeichen für den Anstieg zur Folge
17.3 Rand- und Übergangsbedingungen Beim Arbeiten mit der Differenziaigieichullg der Biegelinie 2. Ordnung werden die Integrationskonstanten mit Hilfe von Aussagen über die Verschiebung v und die Ableitung v' (Biegewinkel) bestimmt. Die Abbildung 17.7 zeigt die häufigsten Varianten der Ralldbedingullgell (es sind Aussagen über die Werte von v bzw. Vi möglich) und Übergallgsbedillgungen (es sind nur Aussagen über die Gleichheit von v bzw. Vi an den Übergangsstellen von einem Bereich zum anderen möglich).
2
3
4
mögliche Farnl der Biegelinie
a
b
c
d
Abbildung 17.7: Bei 4 Bereichen müssen 8 bzw. 16 Bedingungen formulicI1 werden
Da die Differenzialgleichungen ftir vier Bereiche aufgeschrieben (und integl;eI1) werden müssen, wurden vier Koordinaten cingefLihrt (aus den bereits im vorigen Abschnitt genannten Gründen
258
17 Verformungen durch Biegemomenle
sind alle z-Koordinaten von links nach rechts gerichtet). Randbedingungen können formuliert werden • am linken Rand des I. Abschnitts (keine Verschiebung v und horizontale Tangente der Biegclinic an der Einspannung A), • am rechten Rand des 3. Abschnitts (v = 0 am Lager B). • am linken Rand des 4. Abschnitts (v = 0 am Lager B). Sie werden ergänzt durch cüe Übergangsbedingungen: • Gleichheit der Verschiebungen v am rechten Rand des I. Abschnitts und linken Rand des 2. Abschnitts und Gleichheit der Biegewinkel an dieser Stelle (Biegelinje hat keinen Knick), • Gleichheit dcr Verschiebungen v am rechten Rand des 2. Abschnitts und linken Rand des 3. Abschnitts (am Gelenk jedoch keine Gleichheit der Biegewinkel), • Gleichheit der Biegewinkel am rechten Rand des 3. Abschnitts und linken Rand des 4. Abschnitts (auch am Lager ergibt sich kein Knick in der Biegelinie). Für die Bestimmung der 8 Integrationskonstanten stehen also 8 Bedingungen zur VerfLigung:
0) = 0
5.)
VI (ZI =
a) = "2(Z2 = 0)
=0) =0
6.)
1"1 (21 =
a)
1.)
"1(ZI =
2.)
1"1(21
=
11'2(22
= 0)
3.) "3(Z3 = c) = 0
7.) V2(Z2 = b) = "3(Z3 = 0)
4.)
8.) vj(Z3 = c) = "~(Z4 = 0)
"4(Z4 =
0) = 0
Beim Arbeiten mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung kommen zu diesen Bedingungen noch Aussagen über die 2. und 3. Ableitung von v hinzu, so dass an Rändern und ÜbergangssIelIen das Gleichgewicht der Schnitlgrößen (Biegemoment und QuerkraJt) mit den äußeren Kräften und Momenten hergestellt wird. Dazu werden Schnitte "unendlich dicht"' neben Rändern und Übergangsstellen betrachtet. Deshalb gehen Linienlasten, die ja bereits von der Differenzialgleichung erfasst werden, in diese Gleichgewichtsbedingungen nicht ein. Die acht so genannten geometrischen Rand· und Übergangsbedingungen, die für das Arbeiten mit der Differenzialgleichung 2. Ordnung aufgeschrieben wurden, werden um noch einmal acht dynamische Rand· und Übergangsbedingungen ergänzt. Folgende Randbedingungen können formuliert werden: • Die Biegemomente sind Null am rechten Rand des 2. Abschnitts und am linken Rand des 3. Abschnitts (Gelenk kann kein Moment übertragen), ebenso am rechten Rand des 4. Ab· schnitts (freier Rand ohne äußeres Moment). • Am rechten Rand des 4. Abschnitts muss die Querkraft mit der Kraft F2 im Gleichgewicht sein (Abbildung 17.8):
Abbildung "unendlich rechten Rand
17.8: dicht"
Schniu 001
259
17.3 Rand- und Übergangsbedingungen
Abbildung 17.9: Schnittstellen liegen "unendlich dicht" neben den Übergangsstellen Aus den in Abbildung 17.9 dargestellten Schnitten der ÜbergangssteJlett lassen sich folgende Übergangsbedingungen ablesen: • Gleichheit der Biegemomente links und rechts von der Kraft PI bzw. links und rechts vom Lagcr B, • Gleichheit der Querkräfte links und rechts vom Gelenk. • Der Querkraftsprung bei PI wird durch die Gleichgewichtsbedingung der Kräfte in vertikaler Richtung beschrieben: PQI (ZI = a) = PI
+ FQ2(Z2 =
'*
0)
-(EI vf()'b~a = FI - (EI v~)'b=o
In dieser allgemeinen Form müssen die Bedingungen formuliert werden, wcnn die Biegesteifigkeit veränderlich ist. Nachfolgend sittd diese für die Arbeit mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung zusätzlich erforderlichen Rand- und Übergangsbedingungen zusammengestellt, wobei vereinfachend angenommen wurde, dass die Biegesteifigkeit über alle Abschnille des Trägers konstant ist, so dass sie aus den meisten Gleichungen verschwindet:
9.) V~(Z2 = b) = 0
13.) V'((ZI = a) = V~(Z2 = 0)
10.) V~(Z3 = 0) = 0
14.) V~(Z3 = c) = V~(Z4 = 0)
11.) V~(Z4 = d) = 0
15.) V~f(Z2 = b) = \'~'(Z3 = 0)
12.)
V~f(Z4 =
d) = -
;~,
16)
V~ff(ZI =
a) = v'{'(Z2 = 0) -
;~
c:> Die Gesamtanzahl der Rand- und Übergangsbedingungen entspricht auch hier der Anzahl der Integrationskonstanten (4·4 = 16), die bei Integration der Differenzialgleichungen für vier Abschnitte entstehen. Man beachte, dass dafür an den Lagern die Querkraft- und Biegemomentbedingungen, in die die Lagerreaktionen eingehen würden. nicht benötigt werden.
c:> Da bei statisch bestimmt gelagerten Trägern die Lagerreaktionen aus Gleichgewichtsbedingungcn bcstimmt wcrden könncn, stehcn mit diescn nicht benutztcn Bcdingungen wirksame Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung. So müssen bei dem betrachteten Beispiel Biegemoment und Querkraft am linken Rand des I. Abschnitts mit den Lagerreaktionen an der EinspannsteIJe im Gleichgewicht sein. Am Lager B muss z. B. gelten: PQ3(Z3 = c) + 1"8 = FQ4(Z4 = 0)
'*
-Elv~'(Z3 = c) + 1"8 = -EI V~'(Z4 = 0)
Eine komplett durchgerechnete Aufgabe mit einer besonders großen Vielfalt an Rand- und Übergangsbedingungen findet man als Beispiel 3 im Abschnitt 17.5 (Scite 265).
260
17 Verformungen durch Biegemomenle
17.4 Einige einfache Biegelinien
VF=
a)
Vi (
=
0) =
I ZI
Fa 2b2 3EIJ Fab(l +b) 6EII
'( _)_ Fab(l+a) Vz zz-b - - 6EII
+I)
2 Fab [( 21 zj ] vI = 6EI 1 b , - abi 2 Vz = Fa b +~) b-Z2 _ (b-Z 2)3] 6EI 0 abi
[(I
a')
Für
a? b:
Fbzj Vmax = 3 Eil
Für
a::;b:
Vmax
~
Iv
I
l/2
=
Fa (b - Z2)3 3EIJ
Vmax
l/2
o::; ZI
FLir
o :5: ~z ::; b
bei
ZI =
bei
2 2 _ JI _0 zz=b- - 3
= VF =
-
::;
a
Z J /z - b -3-
FI 3 48EJ 2
v '( z=O ) =-v '( z=1 ) = Fi -16EI
V
b)
fLir
5'10 /4
---
max-
384EI
v'(z = 0) = -v'(z = I) = qo/3 24EI
014- [z--2 (Z)3 v_-'1- + (Z)4] 24EI I I /
c)
261
17.4 Einige einfache Biegelinien
er: M
d)
v",ax=
~~:2 bei
z=1
(1- '7)
I
,vmax
v z
v'(z=O)= MI 3EI
. •
v'(z=I)=- MI 6EI
v=~~: [z7-3Gr+(f/] ~F
e)
g:r
z
FI v= 6EI
;~~
~
'~
g)
a, t==z
~ ~
Mr::::. ~ ;:>
I
I
, r
I
f'
(/l 14 max V = 30EI
I
11 q,/4
[ q,/ v=120El
3-4,+ er] 7
6EI
z
(/l/3
24EI
4-5,+
zer 7]
v'(,=O) -
v --"'''' - 120El 4
= _ QO/3
V'(Z=O)=-
Q,14 [ V= 120EI
=='z~=====
'~
v'(z = 0)
vnu/x-SEI -QO/4 [
I I ,I r , , , ,
~:rz v
z
v= 24EI
Iv
~
i)
I
= 0) = - 2EI
2-3 7+,C)3]
qO/4
f
1
q,
h)
,,,,
I
, ,
Ffl
v'(z
3[
~
-$
f)
3
FI vmax - 3E!
= _ q,/
3
8EI
11-15,+5,er - er] 7 z
MI 2 vmllX 2E!
2
MI v= 2EI
v'( z=O ) = -MI EI
1-2,+ (Z)2] 7
[
z
262
17 Verformungen durch Biegemomenle
17.5 Statisch unbestimmte Systeme Bei statisch unbestimmten Problemen können Lagerreaktionen und Schnittgrößen nicht allein aus den statischen Gleichgewichlsbedingungen berechnet wcrden. Mit Hilfe von Verformungsbetrachtungen sind aucb diese Aufgaben lösbar, weil für jedes zusätzliche Lager eine weitere Verformungsaussage (Rand- oder Übergangsbedingung) formuliert werden kann. Dies soll am Problem des nachfolgenden Beispiels I (Abbildung 17.10) diskutiert werden. Beim Arbeiten mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung kann der Biegemomentenverlauf zunächst nur mit einer noch unbekannten Lagerreaktion (zum Beispiel der Lagerkraft FB des Lagers B) aufgeschrieben werden (die übrigen Lagerreaktionen müssen gegebenenfalls mit Hilfe der statischen Gleichgewichtsbedingungen eliminiert werden). Nach der Integration der Differenzialgleichung stehen jedoch für die 3 Unbekannten der allgemeinen Lösung (2 1ntegrationskonstantcn und die Lagerkraft) auch 3 Randbedingungen zur Verfügung, so dass auch die unbekannte Lagerkraft (und aus den statischen Gleichgewichtsbedingungen dann auch die übrigen Lagerreaktionen) und die Schnillgrößen berechnet werden können. Beim Arbeiten mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung ist kein prinzipieller Unterschied zum statisch bestimmten Problem zu nennen, weil die Lagerreaktionen ohnehin nicht in die Differenzialgleichung eingehen, so dass man mit vier Randbedingungen auskommt.
Nach dem Bestimmen der Inlegrationskonstanten können die Schnillgrößen nach Mb = -Erv"
FQ = -(Elv")'
und die Lagerreaktionen aus den Gleichgewichtsbedingungen mit den Schnittgrößen an den LagerstelIen bestimmt werden. Beispiel I: I I_"";_ _...1 Für den skizzierten Träger mIt der konstanten
Biegesteifigkeit Er sind die Lagen'eaktionen bei A und B und der Biegemomentenverlauf zu ermitteln. Gegeben:
rpn I
Abbildung 17.10: Einfach statisch
1, qo, EI.
unbestimmter BiegeLräger
Das System ist einfach statisch unbestimmt. Die Lagerreaktionen und der Biegemomentenverlauf können nicht allein aus Gleichgewichtsbeziehungen berechnet werden. Für die erforderlichen Verformungsbetrachtungen wird hier die Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung gewählt (Diskussion der Vor- und Nachteile dieser Wahl siehe oben), mit der die Rechllllng (ohne Vorarbeit) sofort gestartet werden kann: Elv"" =
Elv'" Elv"
Elv' Elv
qo
+ tqOZ2 + i qoz3 + I 4 24 qOZ +
C,
qoz
C,z
t
i
C IZ 2 C ,Z3
+ + +
C2
C2Z
i
C2Z2
+ C3 + C3Z + C4
263
17.5 SLatisch unbeslimmLe Systeme
FEI Abbildung 17.11: Koordinaten und Lagerreaklionen
Die vier Randbedingungen zur Bestimmung der vier Integrationskonstanten (,,Absenkung bei A gleich Null"•••Biegewinkel bei A gleich Null". "Absenkung bei B gleich Null" und .•Bie-
gemoment bei B gleich Null") werden mit Bezug auf das in der Abbildung 17.11 definierte Koordinatensystem formuliert:
v(Z=O)=O
C4 =0
,
v'(z=O)=O
C3 =0
,
d4 qO/4 + i C l / 3 + ~ C2/ 2 =
v(z=l) =0
~ qO/2
v" (z = I) = 0
+
Ci I
+
C2
0
= 0
Die beiden letzten Gleichungen liefern die Integrationskonstanten CI = -
i qol
C2 =
i qO/2
mit denen der Momentenverlauf aufgeschrieben werden kann:
Mb(Z)=-Elv 11
qOl2 [ -4, (Z) 2 +5,-1 Z ] =8
Zur Berechnung der Lagerreaktionen wird zuvor der Querkraftverlauf bereitgestellt: 111 qol ( z ) ( ) FQz=-Elv =8 -8,+5
Aus Glcichgewichtsbetrachtungen an den freigeschnittenen Lagern (Schnitte "unendlich dicht" neben den Lagern, Abbildung 17.12) erhält man mit den bereits ermittelten Funktionen für Biegemoment und Querkraft die gesuchten Lagerreaktionen:
FAv = MA =
FQ(O) =
I
Mb(O) = -"8qOI
FB = -FQ(l) =
MA
5
"8 qol
3
"8 qOI
2
Mb(Oj
~~IC I) J'Q(Oj FAV
Abbildung 17.12: Schniue ..unendlich dicht" an den Lagern
Die Kontrolle des Gleichgewichts am Gesamtsystem zeigt, dass die ermittelten Lagerreaktionen die Gleichgewichtsbedingungen identisch erfüllen. Zur grafischen Darstellung des Biegemomel1lenverlaufs werden markante Stellen (Extremwert und NullstelIen) der Funktion ermittelt. Mb(z) hat einen relativen Extremwert bei = (NullsteIle des Querkraftverlaufs):
f i
264
17 Verformungen durch Biegemomenle
Die Nullstellen im Momentenverlauf ergeben sich als Lösungen einer quadratischen Gleichung:
Zl = I Die grafische Darstellung des Momentenveriaufs zeigt. dass der berechnete relative Extremwert an der Stelle, wo die Querkraft verschwindet, nicht das absolut größte Biegemomenl ist. Dieses liegt an der Einspannstelle.
-/
I /
I
Beispiel 2: I____.....I Für den skizzlCrten statisch unbestimmt gelagerten Träger mit Kastenquerschnitt und konstanter Biegestcifigkeit sind Ort und Größe der maximalen Biege-
I
~ ~'
,
spannung zu bestimmen.
Gegeben:
bl=30mm; b2=40mm; h l =40mm; h2 =50mm; F=4kN; a=500mm.
Obwohl keine Biegeverformungen gefragt sind, ist die Ermittlung von Verformungen nötig, da es sich um ein statisch unbestimmtes System handelt. Die Biegelinien müssen für zwei Bereiche formuliert werden. Weil das Aufschreiben der Biegemomente in diesem Fall relativ einfach ist, wird die Differenzialgleichung 2. Ordnung verwendet. Da das System einfach statisch unbestimmt ist, muss eine unbekannte Lagerreaktion in die Biegemomentenverläufe aufgenommen werden. Dafür bietet sich die Kraft FA an. Mit den gewählten Koordinaten Hir die beiden Bereiche (Abbildung 17.13) werden die beiden Mb-Verläufe formu-
Abbildung 17.13: Koordinalen und
liert, und d.ie Rechnung wird gestartet:
FA
Mbl
= -Fz l
Elv'( =
Mb2 =
FZ 1
+Cj
Elv;
1Fz;
Elvi
~Fzi+clzi +C2
EI/; =
FAz2 - F(a + Z2) (F -FA)Z2 +Fa
E/~
HF -/';,)zi + FaZ2
Elv2
~(F - FA)zi + Fazi +C3Z2 +C4
+ C3
i
Für 5 Unbekannte (4 Integrationskonstanten und FA) werden 5 Randbedingungen formuliert:
=a) = 0
~Fa3+Cla+C2=0
2.) V2(Z2 = 0) = 0
C4 =0
1.)
VI(ZI
I 3 '1I F a2 + C-C
3.) ,I) (ZI = a) = V;(Z2 = 0)
4.) V2(Z2
= b) = 0
5.) V;(Z2 = b) = 0
~(F~FA)b3+iFab2+C3b+C4=0
i (F -
FA )b 2 +Fab+C3 = 0
,
265
17.5 SLatisch unbeslimmLe Systeme
Da ftir die Ermittlung der Biegespannung nur der Momentenverlauf erforderlich ist, der wiederum nur die unbekannte Lagerkraft FA enthält, wird nur diese berechnet: Gleichung 5 wird nach C3 umgestellt und C3 und C. (Gleichung 2) werden in Gleichung 4 eingesetzt. Diese liefert dann:
FA = F
G: + I)
Mit FA sind auch die Momentenverläufe bekannt. Die gesuchte maximale Biegespannung tritt bei konstantem Querschnitt des Trägers am Ort des absolut größten Biegemoments auf. Der Biegemomentenverlauf ist stückweise linear, so dass ftir die Extremwerte nur die Punkte A und Binfrage kommcn. Für die beiden Stellen errechnet man: I
MbA=-Fa
MbB=FAb-F(a+b)="2Fa
Bemerkenswert ist, dass die Abmessung b für den Biegemomentenverlauf (und damit tlir die Biegespannungen) keine Rolle spielt. Mit den Qucrscnnittskennwerten I
1
1=-(b,h~-blhi)=25,67cm' 12 -
W-, =10,27cm 3
=?
..'.2. 2
und dem absolut größten Biegemoment berechnet man die maximale Biegespannung CYb.max
=
Fa
IV =
195 NImm
2
Sie tritt an der Trägeroberkante als Zugspannung und an der Trägerunterkante als Druckspannung im Querschnitt über dem Lager A auf.
I
Beispiel 3: I_"';_ _...1 Für den skIzzierten Träger sollen die Biegelinie, der Biegemomentenverlauf und der Querkraftverlauf berechnet werden. Gegeben: 1I = 1200mm 12 = 1300mm
EIl = 2,5kNm 2
CI
kNm 2
C2
Eh = 5
= 50N/mm = 250N/mm
ql = 1.3 NImm = 5 kNm
CT
F = 800N M=250Nm
Mit diesem Beispiel eines Trägers mit stückweise konstantem Querschnitt und einem Gelenk, der durch ein Lager, Federn und eine Drehfeder gefesselt ist und durch eine Kraft, ein Moment und eine Linienlast bclastet ist, sollen möglichst viele Besonderheiten demonstriert werden. Eine Aufgabe dieser Art analytisch zu lösen, ist hart an der Grenze der Zumutbarkeit. Hier soU die Lösung so weit aufbereitet werden, dass die Auswertung dem Computer übertragen werden kann. Die Differenzialgleichung der Biegelinie muss für zwei Abschnitte formuliert werden. Wegen der nur mit erheblicher Mühe zu formulierenden Momentenverläufe, die außerdem mehrere unbekannte Kräfte enthalten würden. empfiehlt sich das Rechnen mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung, in die die Linienlastverläufe (im linken Bereich gleich Null, im rechten Bereich linear veränderlich) eingesetzt werden. Der auf diese Weise sehr bequeme Start der Rechnung wird mit dem aufwendigeren llltegrationsprozess und der größeren Anzahl zu bestimmender Integrationskonstanten bezahlt.
266
17 Verformungen durch Biegemomenle
Mit den nebenstehend zu sehenden Koordinaten gilt: V~III =
Nil
0
\'2
qI
= --Z2 EI212
Viermaliges Integrieren führt auf die beiden allgemeinen Lösungen: 1
3
I
3
6C1Z,
VI =
q,
5
I
,
I
2
+ 2" C2Z, +C3ZI +C4
IWEhG~+6~~+2"~~+G~+~ Es sind 8 Integralionskonstanten zu bestimmen, für die Aussagen über die Verschiebung, die Ableitung der Verschiebung, das Biegemoment und die Querkraft formuliel1 werden können. Da in die Rand- und Übergangsbcdingungen die Federkräfte und das FedemlOment eingehen, sind die in Abbildung 17.14 zu sehenden SehniLtskizzen hilfreich. Für die Richtungen der anzutragenden Sehnittgrößcn gelten die auf der Seite 97 zu sehenden Der,nilionen, und rur die RiehJung der anzutragenden Federkräfte gilt: Weil positive Verschiebungen nach unten gerichtet sind (Feder wird zusammengedrückt), reagiert die Feder mit einer nach oben gerichteten Kraft. Verdrehwinkel sind in einem solchen System im Uhrzeigersinn positiv (siehe Abbildung 17.14, rechte Skizze). so dass das von der Drehfeder auf den Träger wirkende Momem entgegen dem UIu'zeigersiJul anzutragen ist:
M( ~l'Mb/:I~O}
t
F,)/z,-O} c,v/z,=O}
Abbildung 17.14: An allen Übergangsstellen müssen die Gleichgewichtsbedingungen crftillt sein
Und das sind die 8 Rand- und Übergangsbedingungen:
1.) Mb' (0) = M
=}
-EI, ,1((0) =M
2.) FQI (0) = C, VI (0)
=}
-EI, v'('(O)
=}
v'((IL)
=}
,1;(0) = 0
=}
-EI, v('(IJl + C2V2(0) - F + Ehvz'(O)
3.)
VI
=
c, V, (0)
(I,) = V2(0)
4.) Mb' (L,)
=0
5.) Mb2(0) = 0 6.) FQ' (I,) + C2V2(0) - F - FQ2(O) 7.) v2(12) = 0
8.) Mb2(l2) = CTV~(l2)
=0
=0 =0 ,
267
17.5 SLatisch unbeslimmLe Systeme
Damit kann das folgende Gleichungssystem fonnuliert werden:
0
-Eil
-EIl
0
0 0
13 :.L
12 :.L
2
1I
I
It
I
0
0 0
0 0 0
0 0 0
6
-Eil
0 0
0 0
0 0
0 0
0 0 0
0 0
-I
Eh
0
0 0 0 0
I~
I~
0 -CI
0
0
0
0
0
0
0
0
I
"6 - E/2 /
/2
cr 2-Y
"2
0 0 C2
12
-E/2 - CT /2 -er
M
Ct C2 C3 C, Cs C6 C7 Cs
0
0 0 0 0 F _
,
qlf;~ 120Eh
- 3
~+~ 6 24E/2
Die Lösul1g dieses Gleichungssystems ist (mit einiger Mühe) durchaus noch "von Hmd" möglich. Weil danach die Auswertung der allgemeinen Lösung mit den dann bekannten Integrationskonstanten aber auch recht aufwendig (und natürlich sehr fehleranfällig) ist, kann dieser Weg kaum empfohlen werden. Unter www.TM-aktuell.de findet man deshalb ein Matlab-Script, das das oben zu sehendc Gleichungssystem aufbaut, löst und mit den berechneten Integrationskonstanten die Funktionen fLir die Durchbiegung, das Biegemoment
~&:=;2 o
0.5
1
1.5
2
2.5
BIegemoment
und dic Qucrkraft FQI = -EIl /(' = -E/IC I 2
FOl
= - E h V2111 = - QlZ2 2 2/
C - E12 S
auswertet. Die Abbildung 17.15 zeigt die grafische Darstellung der Funktionen. Natürlich sind auf diesem Wege auch weitere interessierende Ergebnisse ohne Schwierigkeiten zu erlangen (Maximalwerte von Durchbiegung und Biegemoment, Lagerreaktionen, Fedcrkräftc, ...).
l====
-0.5
o
0.5
1
1.5
2
2.5
Querkraft
~I-=:J o
0.5
1.5
2
2.5
Abbildung 17.15: Grafik-Ausgabe des Matlab-ScriplS (Dimensionen: m bzw. kN)
Diese Aufgabe ist allerdings auch Anlass zu einer grundsätzlichen Bemerkung: Auch bei sorgfliltigstem Arbeiten und mit der Unterstützung geeigneter Software bleibt die ReChnung fehleranfällig, schon etwas kompliziertcre Probleme können auf diesem Wege nicht mehr gelöst werden. Deshalb wird diese Aufgabe im Kapitel 18 (Seite 286) noch einmal mit dem Differenzenverfahren geLöst, llnter www.TM-aktuell.de findet man außerdem die Verfofl1lllngsberechnung nach der Methode der finiten Elemente.
268
17 Verformungen durch Biegemomenle
17.6 Superposition Die Differenzialgleichungen der Biegelinie für kleine Durchbiegungen sind linear. Deshalb dürfen Lösungcn von Einzel-Lastfällen zu eincr Gcsamtlösung (glcichzeitigcs Wirken aller Einzel-Lastfalle) überlagert (superponiert) werden. Ncben der Verschiebungsfunktion v dürfen auch deren Ableitungen und damit der Biegewinkel v' und die Schnittgrößen Mb und FO superponiert werden.
I
Beispiel I: I_"";_ _...1 Der skiZZierte Träger mn konstanter Blegestelfigkell ist durch die konstante Linienlast qo und die Einzelkraft F belastet. Man ermittle die Biegelinie. I, F, qa. EI.
Gegeben:
Die Lösung wird entsprechend Abbildung 17.16 aus zwei Lastfallen zusammengesetzt: 2U3
+
r
)<-'<"======'7-A "'-"_2 1
2
>--
2U3
22~
r-ninqo _=1
J.S..
A
22-
Abbildung 17.16: "Lastfall qo" + "Lastfall F" = Gesamt-LaSlfall
Die Biegelinie muss wegen der Einzelkraft in zwei Bereichen formuliert werden, für die die beiden Koordinaten ZI lind Z2 eingeführt wurden, Für den "Lastfall F" kann die Biegelinie fLir die beiden Bereiche direkt der Formelzusammenstellung im Abschnitt 17.4 entnommen werden (Fall a mit a = ~I und b = ~): F/] Vlf'= -.
162EI
3
V2F
.
FI= -
243 EI
[ -9 (ZI)J ZI] +8I I
[(Z2)3 Z2 ] 27 -27 (Z2)2 -6-+4 I
I
I
Der "Lastfall qa" (Fall b im Abschnitt 17.4 mit der Koordinate z) muss nun für die gleichen Koordinaten ZI und Z2 aufgeschrieben werden. Tm linken Bereich mit Z = Zl gilt:
v
I.q
=~[(~)4_2(~)J~] 24 E i l I + I
Im rechten Bereich muss die Koordinate Z durch
2
Z= Z2 + 31
2l!3
l/3
Abbildung 17.17: Ko-
ersetzt werden (Abbildung 17.17), und man erhält:
ordinatentransformation
269
17.6 Superposition
Die Gesamtlösung für die Biegelinie ergibt sich aus der Addition beider Teillösungen:
:s: ~I
+ VI ,q(ZI)
für
O:S: ZI
V2(Z2) = V2.P(Z2) +V2,q(Z2)
für
O:S:z2:s:t l
VI (ZI) = VI.P(ZI)
Besonders sinnvoll kann man die Superposition einzelner Lastf
Lager werden durch (unbekannte) Lagerreaktionen ersetzt, so dass ein statisch bestimmt gelagertes System verbleibt.
c:> Die Verfonnungen an den Punkten, an denen Lager entfernt wurden. werden mit Hilfe der Superposition einzelner Lastfälle aufgeschrieben. Anschließend werden die unbekannten Lagerreaktionen aus Bestimmungsgleichungen ermittelt, die die Verformungen an genau diesen Punkten Null werden lassen.
I
2: [. Beispiel ....1 Für den statIsch unbestimmt gelagerten Träger mJt konstanter Biegesteifigkeit berechne man die Lagerkraft bei A. Gegeben:
IF i
;;;::A
a, b, F.
a
Das Lager A wird durch die (unbekannte) Lagerkraft FA ersetzt. Dann liefert Lastfall e (Formeln im Abschnitt 17.4) an dcr Stclle A eine Durcltbiegllng infolge der Kraft F:
VAF = v(z=a) = F(a+b)3 , 6EI
[2- ~ + a+b
(_a_) a+b
3]
b
~F IF
An der gleichen Stelle ergibt sich (ebenfalls Lastfall e) die OlIreItbiegung infolge der Kraft FA: v
FA b3
VA.FA = - 3EI
A,
JA
Br
jfA
r
" vA,F
V
lfA
~
Die Überlagerung liefert die Gesamt-Durchbiegung an der StelleA, die wegen des Lagers gleich Null sein muss. Dies liefel1 entsprechend
VA.F+VA,f:'=O
~
FA=F(~~+I)
das Ergebnis, das bereits im Abschnitt 17,5 für dieses System (siehe Seite 264) auf anderem Wege gefunden wurde.
270
17 Verformungen durch Biegemomenle
I
q~q2
Beispiel 3: I_ _ _ _...l Der sklzzlCrte Trager mit konstanter BIegesteifigkeit ist durch eine Linienlas! (Trapezlast) belastet. Gegeben:
:o;J 1 r 1 i ! I I
I~
ALB
I, ql , q2·
Man ermittle die vertikalen Lagerkräfte und die Einspannmomente bei A und ß. Der beidseitig eingespannte Träger ist dreifach statisch unbestimmt gelagert. Da aber keine Kräfte in Längsrichtung eingeleitet werden, sind die horizontalen Lagerreaktionen gleich Null, weil (Theorie I. Ordnung) Längskräfte. die durch die Biegung entstehen (der verfomlle Träger ist zwangsläufig länger als der gerade Träger), vernachlässigt werden. Das zu behandelnde Berechnungsmodell muss also an einem Lager eine Längsversctliebung zulassen (Abbildung 17.18) und ist nur noch zweifach statisch unbestimmt. Diese Nachgiebigkeit des Lagers in Längsrichtung kommt bei Biegeproblemen der Praxis der Realität ohnehin meist näher.
q~q2
r-l
,--, A
I 1 i
J
I
'II" B
Abbildung 17.18: Korrektes BerechnungsmodellIlach Theorie I. Ordnung
Zunächst werden die bei den Lagerreaktionen bei A durch Superposition von vier Lastfallen entsprechend Abbildung 17.19 berechnet. Die Summe der VerfomlUngen (Vertikal verschiebung und Biegewinkel), die durch alle Lastfalle bei A hervorgerufen werden, muss gleich Null sein. Mit den Formeln, die im Abschnitt 17.4 zusammengestellt sind, entstehen die beiden folgenden Gleichungen: _ ql14 _ (qZ -ql)14
8EI ql/3
6EI
+
+ 3EI
2EIMAI_
24EI
+
FA/ 3 _ MAlz _ 0
(qz-qIlI 3 _FAlZ
30EI
==:::::::::jl~
q 1Ii:::=1=1=:,:1::::::,::::1
2EI
+
EI-
_~~--r-r""'f, q2 ql
====1' + F'===I
O
Die Lösung des Gleichungssystems liefert: I IZ FAV
= 20 (7ql +3qz)
MA
= 60 (3ql +2qz)
Mit diesen Werten können nun die Lagerreak1ionen bei ß aus den statischen Gleichgewichtsbedingungen berechnet werden, nachdem auch die Einspannung bei B durch zwei Lagerreaktionen ersetzt wurde. Man erhält mit den Definitionen entsprechend nebenstehender Skizze:
I (
FBv = 20 3qj +7qz)
kv MA
+
(=1=====jl~
Abbildung 17.19: Berechnung des Systems durch Überlagerung von vier Laslfällen
17.7 Aufgaben
271
17.7 Aufgaben
I
Allfgabe 17.1: I_.;.;. .... Für den skIzzierten zusammengesetzten Träger sind sämtliche Rand· und Übergangsbedingungen anzugeben, die benötigt werden
IF
qo
t=====;c====EJ=a"",=',,=l :J::.... a
=,==,I==iI~I,==,1 h t
=r
~
c
b
d
a) zur Berechnullg der Biegeliille mit der Differenzialgleichung 2. Ordnung und b) zur Berechnung der Biegelinie mit der Differenzialgleichung 4. Ordnuog.
a, b, c, d. F. EI = konstant.
Gegeben:
I
Allfgabe 17.2: I_ _ _ _ _.... Der skiZZIerte Träger mIt konstanter BIegesteifigkeit ist durch eine konstante Linienlast qO im Bereich B - C belastet. Wie groß muss eine bei A angreifende Kraft F sein, damit die Durchbiegung am Punkt B Null wird? Gegeben:
f=·:====qo=TITH
t
3a
2a
a, qo.
I
Allfgabe 17.3: I_ _ _ _ _.... Ein Blegelräger Ist aus einem Profil U40 nach DIN 1026 und zwei Profilen L20 nach OIN 1028 zusammengeschweißt, bei A starr eingespannt und nur durch sein Eigengewicht belastet (Gewicht des Schweißwerkstoffs ist vemachlässigbar).
A
.
B
~~~~I
I
L20
Man berechne die vertikale Verschiebung des freien Trägerendes. 1= 800111111; E = 2, I . 10 5 N/mm 2 .
Gegeben:
I
~
a mm
y
~e~
~s I x ;::/0
d
x
20
/~~:""7l
!
-
y a
-
2
cm 1,12
kg/111 0,88
e cm 0.60
I.ex cm4
W, cm}
/ 'y cm4
W, cm}
0,39
0.28
0,39
0,28
Abbildung 17.20: Querschnittswerte für Normprofil L20
b
mm 35 Y b
G
A
hAG
e
I,x
Wx
'.\'."
cm 2 6,21
1,33
14,1
7,05
6,68
mm 40
kg/m 4,87
Abbildung 17,21: Querschnillswerte für Normprofil U40
3,08
272
17 Verformungen durch Biegemomenle
I
Aufgabe 17.4: I Für den skizzierten Träger mit konstanter Biegesteifigkeit berechne man die Lagerkräfte bei A, Bund C (Empfehlung: Superposition unter Verwendung der Fonnein aus dem Abschnitt 17.4). Gegeben:
~I , "
I, q, .
I Aufgabe 17.5:
I
Für den zweifach statisch unbestimmt gelagerten Träger mit konstanter Biegesteifigkeit ermittle man
a
a
a) die Biegelinie, b) die Schnittgrößenverläufe (Biegemoment und Querkraft) einschließlich grafischer Darstellung,
c) die Lagerreaktionen bei A, Bund C, d) den Ort und die Größe der maximalen Durchbiegung, e) den Ort und die Größe des absolut größten Biegemoments. Gegeben: a, q, , EI = konstant.
I..
.
Aufgabe 17.6: I Fur den skizzierten Träger mit stückweise konstantem Querschnitt berechne man a) die Biegelinie, b) den Ort und die Größe der maximalen Durchbiegung. c) den Ort und die Größe des maximalen Biegemoments, d) die Federkraft. Gegeben:
= 600mm 12 = 800111111 I,
; EI, ; Elz
= 3.109 Nmm 2 = 8.109 Nmm z
;
q,
; c
= 5,2N/mm = 200N/m111
; F ; M
= 2000N = 106 Nmm
Hinweis: Bei diesem System können die Federkraft und die Schnittgrößenverläufe aus den statischcn Gleichgewichtsbedingungen crmittelt wcrden. Empfchlenswert ist trotzdem das Arbciten mit der Differenzialgleichung der Biegelinie 4 . Ordnung zur Verfomllll1gsberechnung, wobei die Sehnittgrößen als Nebenprodukt anfaHen. Dann steht mit den statischen Gleichgewichtsbedingungen eine ganze Rcihc rccht wirksamer Kontrollcn zur Verfügung, z. B. muss die Qucrkraft am linken Rand der Federkraft entsprechen.
Weitere Aufgaben findet man imlnternet unter www.TM-aktueH.de.
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme Dem aufmerksamen Leser des vorigen Kapitels wird nicht entgangen sein, dass die Differenzialgleichungen der Biegelinie zwar für veränderli-
che Biegesteifigkeit EI formuliert wurden, die behandelten Beispiele aber sämtlich (zumindest stückweise) konstante Biegesteifigkeit voraussetzten. Der Aufwand für die Integration der Differenzialgleichungen hielt sich so in erträglichen Grenzen. Bei praxisnahen Problemen (Abbildung 18,1) ist eine geschlossene Lösung durch Integration der Differenzialgleichungen nicht mehr praktikabel.
L [
.A..
~ I ::J
Abbildung L8,1: Abgesetzte Welle, koni·
sehe Welle
Wegen der Wichtigkeit der Biegebeanspruchung wurden deshalb in der Vergangenheit zahlreiche Verfahren für solche Aufgaben entwickelt (die Verformung abgesetzter Wellen wurde besonders gern grafisch ennittelt, was zwar enonn aufwendig, aber immerhin praktikabel war). Heute sind eigentlich nur noch die Verfahren sinnvoll, bei denen der größte Teil des Aufwands dem Computer übertragen werden kann. Selbst in der relativ kurzen Geschichte der ComputerNutzung für die Berechnung von Mechanik-Problemen gibt es schon Veränderungen: Die ant1inglich (wegen des knappen Speicherplatzes) sehr beliebten Verfahren mit so genannten Übertragullgsmatrizen spielen heute keine Rolle mellr. Die bei den nachfolgend beschriebenen Verfahren kommen der ComputerNutzung in besonderem Maße entgegen. Wie an den behandelten Beispielen deutlich werden wird, ist das Differenzenverfahren sehr gut anwendbar auf Probleme, wie sie in der Abbildung 18.1 skizziert sind. Für biegesteife Rahmenkonsu'uktionen (Abbildung 18.2) ist es weniger geeignet, während die bereits im Kapitel 15 (am Beispiel von Fachwerken) behandelte Methode derfiniten EleIIlenIe gerade auch für solche Aufgaben das geeignete Verfahren ist.
Abbildung 18.2: Biegestei fer Rahmen
18.1 Das Differenzenverfahren Das Differenzenverfahren basiert auf der Idee, die Differenzialquotienten in der Differenzialgleichung und den Randbedingungen eines Randwertproblems durch Differenzenquotienten zu ersetzen. Eigentlich ist es tragisch: Eine der genialsten Leistungen des menschlichen Geistes, der Übergang vom Differenzen- zum Differenzialquotienten, wird dabei (für den Computer) rückgängig gemacht. Die Differenzenquotienten werden für ausgewählte Punkte (SlütZSlellen) aufgeschrieben und bilden ein Gleichungssystem, das die Berechnung der Funktionswerte an diesen StützsteIlen gestat-
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_18, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
274
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
tet. Um den damit unvermeidlich verbundenen Fehler in Grenzen zu halten, müssen die StützsteIlen möglichst nah beieinander liegen, was zwangsläur,g auf ein recht großes Gleichungssystem führt. Praktikabel ist das Verfahren (auch bei Computer-Nutzung) deshalb Ilur/lir lilleare Randwer/probleme, weil dann auch das Gleichungssystcm linear wird. Das DijJerenzellver/ahren überfUhrt ein lineares Randwertproblem (Differenzialgleichung und Randbedingungen) zur Bestimmung einer unbekannten Funktion in ein lineares Gleichungssystem zur Bestimmung der Funktionswerte an bestimmten Punkten.
18.1.1 Differenzenformeln Die Abszisse x wird äquidistant (Abstand h) untcrteilt (Abbildung 18.3). Dann kann der Differenzialquotient als Grenzwert des Differenzenquotienten
IY
I~
dy = y'(x) = lim 6.y = lim y(x+h) - y(x) dx lI.<-o6.x 1.-0 h
Yi+2
an der beliebigen Stützsteile i (bei XI) auf unterschiedliche Art durch Differenzenquotienten angenähelt werden, wobei jeweils der Anstieg der Tangente durch einen Sekantenanstjeg ersetzt wird:
+
--'x i - 1 Xi h
1
h
x
Xi+t
xi
h
xi+Z
h
Abbildung 18.3: Slützstellen
y:~ (~}
Yi+l
y;~ (~}
Yi- Yi-I
-)li
(vorwärts genommene Differenzenformel)
h
(rückwärts genolllmene Differenzenformel)
h
Beide Näherungswel1e sind mit einem Fehler behaftet. der umso kleiner ist, je kleiner h ist. Wenn die zweite Ableitung (Änderung des Anstiegs) im IntervaJl XH ~ x :0: XI+ I das Vorzeichen nicht wechselt, wird eine der beiden Formeln einen etwas zu großen, die andere einen etwas zu kleinen Wert liefern, so dass das arithmetische Millel aus beiden Formeln im Allgemeinen einen besseren Näherungswert liefert. Dieser Mittelwert
y'~ (6.Y) ,
6.x
= I
~
2
(YHl -YI +Yi-Yi ,) =Ylrl-YI-l h h 2h
wird als zentrale Differenzen/armel bezeichnet und kann geometrisch als Anstieg der Sekante vom Punkt i - I zum Punkt i + I gedeutet werden. Auf die gleiche Formel kommt man, wenn man durch die Punkte i-I. i und i + I eine quadratische Parabel legt und deren Anstieg an der Stelle Xi berechnet. Auf analoge Weise können höhere Ableitungen genähert werden, z. B.: y" ,
~
(6.
2y
&2
) = I
~ &
(6.Y) = &
I
~ (YI+I h
h
YI _ YI - Yi-I) h
wobei in der Klammer die Differenz der ersten Ableitungen an den Zwischenpunkten i+V, und
i-V, steht.
275
18.1 Das Dirrerenzenverfahren
Für die Berechnung der Biegelinie mit dem Differenzenverfahren werden die ersten vier Ableitungen benötigt, die nachfolgend zusammengestellt sind.
Zentrale DitTerenzenformeln: / I Yi '" 211 (~Yi-I 11
I
Yi '" 112
(y i-I
+ Yi+l)
- 2Yi + Yi+1
) (18.1)
11/ I ( ) Yi '" 211 3 -Yi-Z+ 2 Yi-1 -2Yi+1 +)'i+Z
Yi/III~~(. ~ 114 Y/ Z -4)'i-1 +6Yi -4Yill +-"i+Z)
18.1.2 Biegelinie bei konstanter Biegesteifigkeit Die Anwendung des Differenzenverfahrens soll zunächst am besonders einfachen (kontrollierbaren) Beispiel demonslI;ert werden. Ausgangspunkt ist immer die Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung, weil dafür nicht vorab der Biegemomentenverlauf ermittelt werden muss und die Behandlung statisch unbestimmter Problcmc keine zusätzlichen Überlegungen erfordert. In der Differenzialgleichung 17.5 1 E/v'/lf = q
wird die 4. Ableitung von v durch die emsprechende Differenzenformel 18.l angenähert. Man erhält die
Dill'erenzengleichung der Biegelinie bei konstanter Biegesteifigkeit: qi l14 vi_Z- 4vi I + 6Vi- 4vill+vHZ=/f/
(18.2)
Auch in dcn Randbcdingungen wcrdcn die Diffcrenzialquoticnten durch die Diffcrcnzenformcln ersetzt. Für die Aussagen über die Schnillgrößen benötigt man die
DifferenzengJeichungen fiir ßiegemoment und Querkraft bei konstanter Biegesteifigkeit: (18.3)
I
Der Mathematiker köonte einwenden. dass dies eigentlich gar keine "richtige Differenzialgleichung", sondem eher eine Inregratiollsaufgabe ist (und noch dazu eine triviale, wenn EI konst:lnt ist, möglichenveise sogar auch noch q), so dass eine numerischc Lösung nicht gerechtfertigt ist. Aber es ist das Randwertproblem. das die Schwicrigkeitcn erzeugt Es wird sich zeigen. dass ge,rade die bei der analytischen Lösung oft sehr lästigen Rand- und Übergangsbe· dingungen bei der Anwendung des Differenzenverfahrens keine nennenswerten Schwierigkeilen bereiten.
276
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
I
I_B_e_is,;,p_ie_I_: F"ur den S k"lZZleJten Trager .. . konstanter B"legesteI_ mit figkeit EI sind die Durchbiegung und die Schnittgrößen nähe-
rungsweise mit dem Differenzenverfahren zu bestimmen und mit den Werten der exakten Lösung zu vergleichen. Gegeben:
a, q 1 , Ei = konstant.
Der Träger wird zunächst (sehr grob) in = 4 äquidistante Abschnitte der Länge h = 1/4 unterteilt (nebenstehende Skizze). IlA
1,
2
h
h
h
I, I I, ,
I
I
I
6
5
4
h
I
8
7
h
h
h
9
h
Für die 5 Punkte 3 ... 7 (Inncnpunktc), für die natürlich dic Differenzialgleichung der Bicgelinie gelten muss, werden ersatzweise die Differenzengleichungen entsprechend 18.2 aufgeschrieben, in dic f1ir die randnahen Punkte zusätzlichc AuGenpunkte eingehen:
;=3:
qO/4
vl~4v2+6v3-4v4+VS= - -
Il~EI
qO/4 Il~EI
QO/4 Il~Ei QO/4 Il~EI ; = 7 : Vs - 4 V6 + 6 V7 - 4 V8
+ V9
QO/4
= --
Il~Ei
In dicscn fünf Differenzcnglcichungcn erscheinen cinschließlich dcr Wertc fiir die Außcnpunktc I, 2, 8 und 9 insgesamt neun Unbekannte. Das Defizit von vier Gleichungen wird genau durch dic Randbedingungen ausgeglichen:
V(z = 0) = 0
~
V3 = 0
~
V3 = 0
v'(z=O)=O
~
v)=O
~
-V2+V4=0
I'Q(z = I) = 0
~
FQ7 = 0
=}
-Vs
+ 2 V6 - 2 V8 + V9
= 0
Mb (z=I)=O =} Mb7=0 ~ V6-2"7+V8=0 Dieses lineare Gleichungssystem (9 Gleichungen mit9 Unbekannten) ließe sich leicht auf weniger Unbekannte reduzieren (V) ist bekannt, V2 wird durch V4 ersetzt usw.). Wenn man es ohnehin mit Hilfc des Computers lösen will, ist dics weder erforderlich noch sinnvoll. Es kommt vielmehr darauf an. das Gleichungssystem f1ir die Computerrechnung in geeigneter Form aufzuschreiben. Aus nachfolgend noch ausführljch diskutierten Gründen werden die beiden Randbedingungen des linken Randes als erste Gleichungen, die Randhcdingungen des rechten Randes als die heiden letzten Gleichungen aufgeschrieben. Aus den Ausdrücken auf den rechten Seiten der Gleichungen wird der gemeinsame Faktor für beliebige Werte dieser Größen gilt.
~ herausgezogen, so dass das Ergebnis der Rechnung
277
18.1 Das Dirrerenzenverfahren
Es ist dagegen nicht sinnvoll, auch noch den Faktor Il~ aus dem Vektor der rechten Seite herauszuziehen, weil IlA ein Verfahrensparameter ist, der das Ergebnis der Rechnung möglichst nicht beeinflussen sollte. Für "A
= 4 ist also folgendes Glcichungssystem mit Il = "A + 5 = 9 Glcichungen zu
°°I -4° ° °° °° °° °° °° -I
°6 -4° °°I °° °° °° ° °° °° 6 -4 ° ° °° ° -4 °6 -4-2 °°° I
I
I -4
6-4
I -4
I
6 -4
I
I
1-4 I
0-1
2
~2
I
lösen:
° °
°° ° ° °°
236
°
°°
I 256 I
256 I
256 I
256 r
I I
<>
Schon bei dieser sehr groben Einteilung des Trägers in vier Abschnitte sind in der Koeffizientenmatrix des Gleichungssystems zahlreiche Nullen zu sehen, und weil auch bei feinerer Diskretisierung in jeder Zeile maximal 5 von Null verschiedene Elemente auftreten können, nimmt der Prozentsatz der Nu.llelemente drastisch zu (und das so genannte FilL-in wird kleiner). Es sind "Dünll besetzte Matrizell" (sparse lIIarrices), für die außerordentlich effektive Lösungsalgorithmen verfLigbar sind. Ab einer gewissen Größenordnung der Matrizen bieten diese Algorithmen auch auf sehr Icistungsfahigen Computern die einzige Chance, die Gleichungssysteme zu lösen.
<>
Hier kommt noch ein weiterer Vorteil hinzu: Die von NuJl verschiedenen Matrixelemente konzentrieren sich in einem rclativ schmalen Band in der Nähe der Hauptdiagonalen. Für diese so genannten Bandll1atrizen (band marrices) stehen besonders effektive Algorithmen zur VerfLigung.
<>
Vorteilhaft ist auch die Regelmäßigkeit dcr Matrix im "Mittelteil", so dass auch sehr große Matrizen mit wenigen Programmieranweisungen aufgebaut werden können. Große Matrizen müssen grundsätzlich "aufgebaut" werden, man kann sie nicht "eingeben" (z. B.: HA =
100
'*
n = 105
'*
105· 105 = I 1025 Wel1e für die Koeffizientenmatrix, unzumutbar!).
Die nebenstehende Lösung des Gleichungssystems ist natürlich cntsprechcnd der sehr groben Einteilung des Trägcrs nur eine relativ grobe Näherung der exakten Lösung. An ihr soll die Berechnung der Schnitlgrößen demonstriert werden. Nach den Formeln 18.3 errechnet man z. B. für den Punkt 3 (Schnittgrößen gleich Lagerreaktionen) das Biegemoment:
EI Mb3=-
=
h2
(V2-2v3+V4)
16EI QO/4 ------r(0,015625+0,015625) EI = -0,5qoL
2
.
VI
V2 V3
0,080078 0,015625
°
0,015625 0,048828 0,089844 0,132813 0,175781 0,220703
278
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
Für das Biegemoment an der Einspannstelle erhält man genauso wie ftir die Querkraft
Ergebnisse, die mit der exakten Lösung übereinstimmen, weil für konstante Linienlast der Biegemomentenverlauf eine quadralische Parabel ist, ftir die die zentralen Differenzenformeln die Differenzialquotienten fehlerfrei ersetzen. Bei diesem Beispiel sind also nur Durchbiegung (Funktion 4. Grades) und Bicgewinkcl (Funktion 3. Gradcs) mit eincm Fchlcr bchaftet, der bci fcincrcr Einteilung des Trägers (größeres "A) kleiner wird. Die Tabelle in Abbildung 18.4 (vgl. www.TM-aktuell.de) zeigt dies für die Absenkung des Trägerendes v(I) und den Biegewinkel ,; (I). der entsprechend 18.1 berechnet wird: Vi (I)
=
1
V;,_2 = 2 h (-V,,-3 + V,,_I) =
IlA
!!..!...- v(I)
Fehler
q~:3 Vi (I)
4 20 50 100 500 Exakt
0,132813 0,125313 0,125050 0,125013 0,125000 0,125000
6,25% 0,25% 0,04% 0,01%
0,171875 0,166875 0,166700 0,166675
0,00%
0,166667 0,166667
"A
2i (-V,,-3 + V,,_I)
(der rechte Randpunkl des Trägers ist jeweils der Punkt 11 - 2). Selbst bei grober Einleilung des Trägers ist die Genauigkeil für praktische Anforderungen mehr als ausreichend.
qol4
Fehler 3,125% 0,125% 0,020% 0,005% 0,000%
Abbildung 18.4: Absenkwlg und Biegewinkel am Trägerende
Andererseits hat die Biegelinie bei diesem einfachen Beispiel einen recht glatten Verlauf (ohne Wendepunkte), der sich besonders gut annähern lässt. Doch selbst bei komplizierteren Verläufen erhält man mitIlA = 100 im Allgemeinen sehr gule Ergebnisse (und es spricht ja nichts dagegen, bei der Computen'echnung IlA = 1000 zu wählen. siehe llinweis unlen). Es soll schon hier daranf hingewiesen werden. wie einfach Variantenreehnungen zu realisieren sind. Der Träger in Abbildung 18.5 ist znsätzlich durch ein Lager am rechten Rand (und damit statisch unbestimmt) gestützt. Bei einer Berechnung mit dem Differenzenverfahren ist (unabhängig von der Fcinheit der Diskretisierung) nur eine einzige Gleichung (die vorletzte) zu ändern. Die Querkraftrandbedingung wird durch folgende Gleichung ersetzt:
V,,-2 =
°
(Tl ist die Anzahl der Gleichungen, n - 2 der Randpunkt).
Abbildung 18.5: Varianlenreehnllngen sind besonders einfach:
Nur eine Gleichung muss geändert werden, um aus dem Träger des Beispiels 1 dieses statisch unbestimmte System zu machen
WWW - Mathematik für die Technische Mechanik - WWW Lineare Cleichllngssystellle auf der Inlernet-Site Mathematik/iir die Technische Mechallik (www.TM-Malhe.de) bietet ausführliche Infonnationen zur Lösung sehr großer Gleichungssysteme, siehe Seite 73.
279
18.1 Das Dirrerenzenverfahren
18.1.3 Biegelinie bei veränderlicher Biegesteifigkeit Die Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung bei veränderlicher Biegesteifigkeit 17,4
[EI(Z) v"(z)]" = q(z) wird in zwci Schrillcn in cinc Differenzcnglcichung übcrfiihrt. Zunächst wird dic 2. Ableitung der eckigen Klammer entsprechend 18.1 ersetzt:
1:2 {[EI
v"L, -2 [Elv"1. + [Elv"1.+,} = q;
Nun werden die 2. Ableitungen in den eckigen Klammern durch die gleiche Differenzenformel ersetzt, wobei beachtet werden muss, dass dies an drei verschiedenen Punkten geschieht und jeweils für diese Punkte die Nachbarpunkte in die Fnrmel eingehen: I
[E1v'l_, '" Eli-I h2 (Vi_2-2v;_1 +v; [Elv"1.
I
'" EI;
~ 11 2
'" EI;+I
-2
I h
(v'f - I -2v'I (v;
+v;,,-Il
-2v;_1 +V;"-2)
Es ergibt sich die Di[[erel/zengleichung der Biegelil/ie bei veräl/derlicher Bieges/eijigkei/:
1;_IV;_2- 2 (1;_1 +1;)v;_1 +(1;-1 +4/i +li+I )V;-2(1i+ I;+I)V;+1 +li+IV;+2
=
q;h4
E'
(18,4)
Bei den Schnillgrößen
Mb(Z) = -EI(z) v"(z) FQ(z) = M~(z) = - [E1(z) v"(z)]' muss nur bei der Querkraft das Ersetzen der Differenzialquotienten in zwei Schritten elfolgen, während sich rur das Biegemoment die gleiche Differenzenformel wie bei konstanter Biegestei· figkeil ergibt. Für die Querkraft errechnel man: 1
v"LI + [EI v"1.+,} -~ { - [Eli- I -.!, (Vi-2 + Vi)] + [Eli"-I ~ (V; 2h hh
FQ; '" - 2 " { - [El =
2Vi_1
2Vi"-l
+ Vi+2)] }
Dies wird nach den Verschiebungen geordnet, und man erhält die Dif[erel/zengleichungen der Schl/itlgrößel/ bei veräl/derlicher Bieges/eijigkei/: Mbi
Eli
= - 2 (Vi-I
"
-
2vj +Vj-J-I)
EI FQi = - 2h J (-1;-1 V;-2 +2/;-1 V;_I - (1;-1 -1;+1) v; - 2/;+1 V;+I +1;+1 Vi+2)
(18.5)
280
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
oe:> In die Differenzengleichungen für die Randpunkte und die Querkraft-Randbedingungen ge-
hen mit li-t bzw. li+t Werte für Punkte ein, die außerhalb des Trägers liegen. Da diese "Außenwerte" durch das Ersetzen der Ableitung der Funktion I(z) durch Differenzenformeln in die Rechnung hineinkommen, sind dafür die Wert.e einzusetzen, die sich bei Erweiterung des Definitionsbereichs der Funktion I(z) über die Randpunkte hinaus ergeben würden. oe:> Wenn bei sprunghafter Änderung der Biegesteifigkeit (z. B. bei abgesetzten Wellen) ein
Punkt des Differenzenschemas direkt auf der SprungsteIle liegt, nimmt man fw· diesen Punkt sinnvollerweise den arithmetischen Mittelwert der Biegesteifigkeiten der beiden Abschnitte (bei feiner Diskretisierung darf man auch einen der beiden Werte nehmen). oe:> Bei veränderlicher Bicgesteifigkeit ist es cmpfehlenswert, ein "Bezugs-Trägheitsmoment"
10 zu definieren und damit die Biegesteifigkeit für alle Punkte in der Form
(18.6)
Eli =)1i Elo
aufzuschreiben. Dann kann Elo aus allen Gleichungen ausgeklammert werden, und die Koeffizientenmatrix des Gleichungssystems bleibt dimensionslos. Ein wesentlicher Grund ftir diese Strategie ist die bei großen Gleichungssystemen wichtige Kondition der Kocffizientenmatrix (siehe www.TM-aktuell.de). Die Kondition würde von den im Allgemeinen stark unterschiedlichen Größenordnungen der Matrixelemente mit dem Eli und den wesentlich kleineren Matrixelementen in den Randbedingungszeilen ungünstig beeinflusst werden. Die typischen Zeilen mit
o
0
I -4
6-4
o
0 ... ,
die bei konstanter Biegesteifigkeit im Mittelleil der Matrix stehen, sind also durch ... 0 0 )1i-1
-2()1i-1 +)1;)
)1i-1 +4)1i+)1i+t
-2()1i+)1i+t)
)1i+1
0 0
...
zu ersetzen. Man sieht, dass der Fall konstanter Biegesteifigkeit (alle)1i = 1) als Sonderfall in den Differenzenformcln für veränderliche Biegesteifigkeit enthalten ist.
'e:> Aucb bei den Zeilen im Gleicbungssystem, die die Randbedingungen beschreiben, sollten die Biegesteifigkeiten entsprechend ersetzt werden. Empfohlen wird also die Verwendung der folgenden
DilTerenzenformeln für die Biegelinie bei veränderlicher ßiegestei.6gkeit: )1i-1Vi-2 -2 (/1i-1 + /1i)Vi-J + (/1i-1 +4/1i + /1i+1 Mbi
qi l14 )v; - 2(/1; + /1i+l) V,+I + /1i+1 V;+2 = - - . Elo
) Elo ( = -1,2 j.L;Vi_1 -2j. Li Vi+/1i l1i+1
Elo FQi = - 211 3 [-/1i-1 Vi-2 + 2 J.Li-1 Vi-I - (/1i-1 - /1i+l) Vi - 2/1i+ I "i+ 1+ /1i+ 1Vi+2]
mit
li
/1; = 10
(/0 ist ein beliebiges Bezugs-Trägheitsmoment). (18.7)
281
18.1 Das Dirrerenzenverfahren
I
Beispiel: I Der skizzierte Träger mit Rechteckquerschnitt (konstante Höhe, linear veränderliche Breite) ist nur durch sein Eigengewicht belastet. Mit dem Differenzenverfahren ist näherungsweise die Durchbiegung zu berechnen.
A = bB , E. Dichte p . bA Die mit einem Breitenverhältnis A = 2 berechneten Werte sollen ausgewertet werden.
bA
Gegeben:
,
Mit der linear veränderlichen Breite
[ bB - bA Z] b(Z)=bA+-/-Z=b A I+(A-l),
h /'
1
z
W
werden auch die Linienlast q(z) = pgftb(z) = qA [I
+ (A -
I)
7]
(Trapezlast, nebenstehende Skizze) und die Biegesteitigkeit E/(z) = E -.!..-ft 3b(z) = E/A [1
12
+ (A -
i):]I
linear veränderlich. Der Wert für die Biegesteifigkeit am linken Rand I 3 E/A = EID = E· 12ft bA
103
3
wird als Bezugsgröße verwendet. In der eckigen Klammer der Formel oben stehen also die für die Formeln 18.7 benötigten /l-Werte, die bei einer Einteilung des Trägers il1l1A Abschnitte und dem Punkt 3 als linkem Randpunkt auch in der Form
J.1; =
[1 +(A _I) i-3] I1A
aufgeschrieben werden körlllen. Damit kann das Gleichungssystem bei entsprechender Unterstützung durch die Software (siehe www.TM-aktuell.de) mit geringem Aufwand erzeugt werden.
Für eine (recht grobe) Einteilung des Trägers in nur "A = 100 Abschnitte (105 Gleichungen) wurden die Ergebnisse ermittelt, von denen nebenstehend eine kleine Auswahl im Vergleich mit der exakten Lösung angegeben ist. Es sind die dimensionslosen Verschiebungen V;, die noch mit dem
"tE,
Faktor der aus den Gleichungen ausgeklammert wurde, multipliziert werden müssen. Die Abweichungen von der exakten Lösung liegen deutlich unter 0,2%, die Ergebnisse können praktisch als exakt angesehen werden. Eine Rechnung mit einer feineren Unterteilung erührigt sich.
i
1 2 3 4 5 13 23 33 43 52 53 54 63 73 83 93 103
Vj
-0.000409445 -0.000204956 0.OOOOOOOOO 0.000204956 0.000409464 0.00 1981580 0.003606643 0.004657002 0005040644 0.004825657 0.004771756 0.004712320 0.003956104 0.002780082 0.00 1502345 0.000447305 0.OOOOOOOOO
Exakt
0.OOOOOOOOO
0.001980908 0.003605449 0.004655431 0.005038842 0.004769868 0.003954281 0.002778476 0.001501113 0.000446607 0.OOOOOOOOO
282
18 Computer·Verfahren für Biegeprobleme
Die Frage, woher denn die Werte der exakten Lösung kommen, ist übrigens durchaus berechtigt. Sie stammen aus der Auswertung der nachfolgend angegebenen exakten Biegelinie 2 , die (unter erheblichem Zeit- und Papieraufwand) durch Integration der Differenzialgleichung ermittelt wurdc. Von einer Nachahmung wird dringend abgeraten, das Nachempfindcn dcr numcrischen Lösung mit dem Differenzenverfahren wird allerdings nachdrücklich empfohlen.
EIA I ( Z)4 I ( Z)3 qAt4 Vexak,(Z) = 72 1-, - 9" 1-, - 36 (I
~12In2)
[j -7
29-361n2 ( Z)2 -2In2) 1-,
+ 72(1
(18.8)
D G t)] Z
+ ( 1+
In
+ 2
18.1.4 Vermeiden von Übergangsbedingungen Bisher wurden nur einfeldrige Träger betrachtet, die in I1A Abschnitte unterteilt wurden. wobei sich 11 = "A + 5 Stützpunkte (einschließlich der vier Außenpunkte) ergaben. Die jeweils zwei Randbcdingungcn wurden für die Randpunkte 3 bzw. 11- 2 fomluliert. Die analytische Lösung (Kapitel 17) wurde immer dann besonders aufwendig. wenn Diskontinuitäten (Unstetigkciten) in der Belastung (Einzel kräfte, Einzelmomente), Lagerung (Zwischenstützen. Federn) oder Biegesteifigkeit (abgesetzte Welle, Gelenk) auftraten. Dann musste "mehrfeldlig" gerechnet werden, wobei an den Übergangsstellen jeweils vier Übergangsbedingungen
fonnuliert werden mussten (vgl. Abschnitt 17.3 und Beispiel 3 im Abschnitt 17.5 auf Seite 265). Gerade für solche Probleme kann das Ditferenzenverfahren eine besondere Stärke ausspielen, indem die Unstetigkeiten auf eine endliche Breite (ein Feld der Schrittweite h) "verschmiert" werden. Nachfolgend werden die wichtigsten "Tricks" dieser Art zusammengestellt: ~
Eine Einzelkraft. die nicht am Trägerrand angreift (und dort über die Querkraft-Randbedingung zu elfassen ist), wird ZU einer Linienlast "verschmiert": Eine am Knoten i angreifende Kraft F; wU'd durch eine Linien]ast "
'" ,
Fj
q, =T, ersetzt (Abbildung 18.6), die mit einer Wirkungsbreite h Ueweils ~ links und rechts vom Punkt i) nur in die Gleichung für den Knoten i eingeht.
i+1
i
h
h
i-I
i+\
i
h
h
Abbildung 18.6: ..Verschmieren" einer Eiuzetkraft
Der Fehler, der dadurch in die Rechnung hineinkommt, ist vernachlässigbar, weil er in der Größenordnung des unvermeidbar beim Differenzenverfatu'en in Kauf genonunenen FehIcrs liegt und mit feinerer Untcl1cilung des Trägers kleiner wird (eigentlich ist ohnehin die Ei nzel kraft eine "künstliche" Größe, die in der Realität immer "verschmiert" angreift). 2Die Möglichkeit des Vergleichs mit einer exakten Lösung ist nalürlich eine seltene Ausnahme. Die exakte Biegetinie wurde hier auch deshalb angegeben. wu zu zeigen. wo man mit dem Versuch einer anaJytischen Lösung landet. wenn man vom Pfad der "akademischen Probleme·' auch nur leicht abweicht.
283
18.1 Das Dirrerenzenverfahren
oe:> Ein Einzelmoment M; am Punkt i wird erfasst, indem es vorher durch ein an den Punkten i-I und i + I angreifendes Kräftepaar ersetzt wird (die gewählten Vorzeichen gelten fUr ein
linksdrehendes Moment):
F:,'_I
Mi = -F:,'+I = 2/1
* - -q '" - -Mi qi-I i+1 - 2h Z
=}
oe:> Eine diskrete Feder am Punkt i bringt dort eine Einzelkraft Fej =
-CjVj
*
=>
qj
=
Fci
h
h i-I
-CjVi
= -/-,-
h
i+l
i
i
ein, Das Minuszeichen ist erforderlich, weil bei nach unten gerichteter positiver Verschiebung die Feder mit einer nach oben gerichteten Kraft (also entgegen der Richtung positiver Kräfte) reagiet1,
ci ~
Abbildung 18.7: Diskrete Feder
Auch diese Kraft wird verschmiert, qi kann allerdings nicht eillfach der rechten Seite der cntsprechcndcn Gleichung zugcschlagcn wcrden, weil dic noch unbekanntc Verschicbung Vi darin enthalten ist. Der von der Feder erzeugte Linienlastanteil wird deshalb als gesondener Anteil in die Differenzengleichung 18.7 eingesetzt (muss dabei mit multiplizien werdcn) und wird dann auf die linke Seite der Gleichung gebracht. Die entstehende Gleichung c;h 3
:;0
!li-I V;-2 -
2 (!li_1
+ p;) V;_I + (Pi-I +4p; + Pi+1 + ) V; E10 - 2 (Pi + Pi+l) Vi+1
+ Pi+1 Vi+2 =
q;h4
E10
zeigt, dass es eine ganz einfache Möglichkeit gibt, eine diskrcle Feder am Punkt i zu reali-
C; ::0
sieren: Zum Hauptdiagonalelement dieser Gleichung wird addiett. Eine andere Möglichkeit der Realisierung von diskreten Federn wird im Abschnitt 19.2.3 vorgestellt. Diese führt auf das gleiche Ergebnis wie die hier demonstrierte Variante. oe:> Eine vorgeschriebene Verschiebung (dem Punkt i wird eine Verschiebung
V, aufgezwungen) wird erfasst, indem im Gleichungssystem die i-tc Gleichung ersetzt wird durch
Vi
=
VI'
oe:> Eine starre Zwischenstütze ist nur ein Sonderfall der vor-
i-I
i
i+1
geschriebenen Verschiebung und wird dementsprechend durch
:is... '7'"
Vi=O
Abbildung 18.8: Zwischenstülzc
erfasst (man beachte die besondere Interpretation dieser Realisierung im Abschnitt 19.2.3). oe:> Ein Gelenk am Punkt i wird berücksichtigt, indem die Biegesteifigkeit für den Punkt i gleich
Null gesetzt wird, realisiert durch p;=O
Natlirlich müsscn (auch bci ansonsten konstanter Bicgcsteifigkeit) bei der Realisierung eines Gelenks durch diesen simplen Trick in jedem Fall die Differenzengleichungen ftir die Biegelinie bei veränderlicher Biegesteifigkeit 18.7 verwendet werden, weil neben der i-ten Glcichung auch jeweils cinc Gleichung davor und danach betroffen sind.
284
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
18.1.5 Einige spezielle Randbedingungen Nachfolgend werden einige typische Randbedingungen zusammengestellt, die gegebenenfalls auch kombiniert werden können.
<>
Am starr eingespannten linken Rand (punkt 3) sind Absenkung und Biegewinkel gleich Null:
V3 =0
,
'*
v) =0
-V2+V4 =0
h
Entsprechend gilt für den starr eingespannten rechten Rand (punkt 11 - 2): v~'_2 = 0
vll -2 = 0
.~
2
Abbildung 18.9: Starre Einspannungen am linken bzw. rechten
-v,,-3 + vn-l = 0
=>
h
Rand
oe:> Bei einem momentenfreien Lager (Fest- oder Loslager) sind Absenkung und Biegemoment gleich Null. Für ein momentenfreies Lager am linken Rand gilt:
V3=0
,
Mb3=0
'*
n-2
3
=:t
~ 4
2
V2-2v3+V4=0
h
n-3 h
h
~
. n-I
h
Entsprechend gilt für das momentenfreie Lager am Abbildung 18.10: Momenlenfreie rechten Rand (Punkt 11 - 2): Lager am linken bzw. rechten Rand vn
2
=0
l
Mb . n- 2 =0 => v,,-3
-2V,,_2+V,,_1
=0.
':> Am linken Rand angreifende Einzelkräfte und Einzelmomente müSsen mit den Sehn ittgrößen am linken Randpunkt 3 im Gleichgewicht sein:
234
h
h
h
5
h
Abbildung 18.11: Einzellasten am linken Rand
MhZ 113 V2- 2 113 V3+113 V4 = EIn -112 V j
<>
+ 2~12 V2 -
2Fh 3 EIn
(112 -!14 )V3 - 2!14 V4 +!14 V5 =
Am rechten Rand angreifende Einzelkräfte und Einzelmomente müssen mit den Schnillgrößen am rechten Randpunkt 11 - 2 im Gleichgewicht sein:
==.M~
n-4 h
n-2 h h
n h
Abbildung 18.12: Einzellasten am rechten Rand J.1n-2 v n-3 - 2J,ln-2 V n-2
-tl n-3 V,,-4 + 2J1n-3 Vn-3 -
(J..ln-3 - J1n-1
+ J.ln-2 vn-1
)V,,-2 - 2 J..l.1I-1 Vn-I
Mh 2 = - E10
+ J111-1 v" =
2Fh 3
---
EIn
285
18.1 Das Dirrerenzenverfahren
Q
Eine Federkraft ist proportional zur Absenkung. Bei einer Feder am linken Rand muss die Querkraft am Randpunkt 3 mit der Federkraft im Gleichgewicht sein:
h
h
h
2
h
3
4
5
ci Abbildung 18.13: Feder am linken Rand
Q
Bci einer Feder am rechten Rand muss die Querkraft am Randpunklll - 2 mit der Federkraft im Gleichgewicht sein: FQ,n-2
Q
+ CVn -2 =
0
h
h
n-4
h
n-2
=}
n
Abbildung 18.14: Feder am rechten Rand
h
Eine Drehfeder erzeugt ein Moment proportional zur ersten Ableitung der Verschiebung. Bei einer Drehfeder am linken Rand muss das Biegemomenl am R3Jldpunkt 3 mit dem Federmoment im Gleichgewicht sein:
(
h
h
3
4
5
ocrQ;t=o=
Abbildung 18.15: Drehfeder am linken Rand
2E~
h gilt bei einer Drehfeder am rechten Rand:
h 2
~h) 1l3+--
Q Entsprechend
h
n-4
V2-
h
2 1l3 V3+ (~h) 1l3--- V4=0 2E~
h
n-2
= .~7"
h
n
Abbildung 18.16: Drehfeder am rechten Rand
Das folgende Beispiel zeigt. wie am linken Rand die Querkraft-Bedingung für die Feder nach Abbildung 18.13 mit dcr Biegemoment-Bcdingung nach Abbildung 18.1 I kombiniert wird.
286
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
I
Beispiel: I_....;_ _ Für den skizzIerten Träger, mit dem im Abschnitt 17.5 die Realisierung unterschiedlicher Rand- und Übergangsbedingungen demonstriert wurde (Seite 266), sollen die Abscnkung des Gelenks und die Kraft in der Feder C2 berechnet werden.
11 = 1200mm 12 = 1300mrn
Eil =2,5kNm 2 Eh =5 kNm 2
..... CI
C2
50 Nimm = 250 Nimm
=
.....
.....
n-2
ic
3
F = 800N
ql = 1,3N/mm = 5 kNm
M = 250Nm
CT
Bei der Einteilung des Trägers in/lA Abschnitte sollte man darauf achten, dass ein Punkt mit dem Gelenk zusammenfallt, was bei den gegebenen Abmessungen bei jedem Vielfachen von 25 garantiert ist. Zunächst wird /lA = 25 gewählt, dann entstehen /l = 30 Gleichungen, die Schrittweite ist h = /J 'JA +h = 100 nun. Die Randpunkte haben die Nummern 3 bzw. /l - 2 = 28, das Gelenk liegt bei Punkt ic = 15. Als Bezugsbiegesteifigkeit wird (willkürlich) EIO = Eil gewählt, dann gilt:
lli=~=1 Ili = 0 lli=~=2
für
i=I ... ic-1
für für
i=ic+I ... TI
i = ic = 15
(i=I ... 14)
(Gelenk) (i=16 ... 30)
Als Linienlasten qi an den Stützpunkten gelten folgende Werte: qi = 0
t
für i = 3 ... ic - I
qi = für i = ic = 15 qi = {/I (i - icJ ~ für i = ic + I ... TI
-
(lastfreier linker Bereich) (verschmierte Einzelhaft) 2 (Dreieckslast im rechten Bereich i = 16 ... 28)
Damit stehen alle Größen für das Aufschreiben der Differenzengleichungen für die Innenpunkte 3 ... 11 - 2 (3 ... 28) nach 18.7 bereit. Abschließend wird das HauptdiagonaJelement der Gleichung für Punkt /lC = 15 (Angriffspunkt der Feder Cl) um cl terung zu Abbildung 18.7 auf Seite 283).
;;'J = 0, I vergrößert (siehe Erläu-
Die 4 Randbedingungsgleichungen können aus dem Katalog dieses Abschnitts (Seiten 284 und 285) zusammengestellt werden. An den Rändern gilt (mit III = 113 = 114 = I, Ill8 = 2): Vl - 2 V3 + V4 = -I V28 =
0
- VI
+ 2 V2 + 0, 04 V3 - 2 V4 + V5 - 4 V28 + 2,1 Vl9 = 0
= 0
J, 9 V27
Es ist also das folgende Gleichungssystem zu lösen, in dem nur die von Null verschiedenen Elemente angegeben sind. Man erkennt den regelmäßigen Aufbau der Koeffizienlenmatrix: Die beiden ersten bzw. letzten Gleichungen repräsentieren die Randbedingungen, ansonsten findet man im oberen Tcil (Ili = I) dic typischcn "I, -4, 6, -4, I "-Gleichungen, im unteren Teil wcgenIli = 2 entsprechend modifizierte Gleichungen. Nur die 3 Gleichungen im Mittelteil weichen wegen des Gelenks und der Feder von den übrigen Gleichungen ab. Die Feinheit der Diskrelisierung (Schrittweite h) stcckt in der rechten Seite in allen Elementen, in der Koeffizieillenmatrix
287
18.1 Das Dirrerenzenverfahren
nur in den vier Elementen, die von den Federn beeinflusst sind. Wenn man also von IlA = 25 auf IlA = 2500 übergeht, sind nur diese Elemente von der Änderung betroffen. Oie neu hinzukommenden Gleichungen haben alle den hier zu sehenden Aufbau: I I -2 -I -2 2 0,04 I I -4 I 6 -4 -4 6 -4 I
VI
-4
VI3
V2 V3 V4
6 -4 1 I -4 5 -2 0 I -2 3, I -4
VI4
2 0 -4 10 -8 2 2 -8 12 -8
VI5 VI6
2
2 -8
VI7
o o
1,9 -4 2, I "A
25 250 2500 Exakt
0 0 0,32 0,004 0,008
0,052
12 -8 2 I
Unter www.TM-aktuell.de findet man ein Matlab-Script, das dieses Gleichungssystem aufbaut und löst. Realisiert wird das natürlich nicht durch den Aufbau einer 30*30Matrix und des entsprechenden Vektors der rechten Seite, sondern für eine beliebige Oiskretisierung 1lA- Tn der nebenstehenden Tabelle sind einige Ergebnisse ZlIsammengestelit.
-I 0 0 0
[Olm] 4,9772 4,9826 4,9826 4.9826
VGeI.nk
Fc2 IN] 1244,3 1245,6 1245,7 1245.7
Schon bei "A = 25 (30 Gleichungen) sind die Ergebnisse ausreichend genau. Bei feinerer Oiskretisierung muss man schon mehr Stellen angeben, als im Ingenieur-Bereich im Allgemeinen sinnvoll sind, um überhaupt Unterschiede zur exakten Lösung zu erkennen.
WWW - Mathematik für die Technische Mechanik - WWW Dijferenzenve1"ahrell auf der Internet-Site Mathematik für die Technische Mechanik (www.TM-Mathe.de) bietet u. a. folgende Informationen:
• • • •
Skript "Das Oifferenzenverfaluen - kurze Einführung-" Einführungsbeispiel mit verschiedenen Strategien zur Lösung des Gleicbungssystems Matlab-Script als Vorlage für unterschiedliche Probleme Zahlreiche Beispiele zu folgenden Themen: Biegeträger, elastisch gebettete Träger, gekrümmte Träger, Biegeschwingungen gerader Träger, Knickstäbe, ...
288
18 Computer·Verfahren für Biegeprobleme
18.2 Der Biegeträger als finites Element Der im Kapitel 15 eingeführte Finite·Elemente·Algorithmus ist dort so allgemein beschrieben worden. dass er auf andere Problemklassen übertragen werden kann. wenn für ein zn definierendes finites Elemcnt der Zusammcnhang zwischen Element-Knotenlasten und ElementKnotenverschiebungen (Element-Steifigkeitsbeziehung) bekannt ist. In den folgcndcn Abschnittcn wcrden finite Elemente für Bicgeträgcr (unter Biegcmoment- und Querkraft-Belastung) und biegesteife Rabrnentragwerke (unter Biegemoment-, Querkraft- und Normalkraft-Belastung) entwickelt. Dabei wird ansschließlich auf die im Kapitel 17 behandelte Theorie der Biegeverformung znrückgegriffen.
18.2.1 Element-Steifigkeitsmatrix für Biegeträger Als finites Element wird ein Biegetrager der Länge I, mit der konstanten Biegesteifigkeit EI, definiert, der an den Knoten I und 2 durch die Element-Knotenlasten VI und MI bzw. V2 und M2 belastet ist (Abbildung 18.17). Die Knotenlasten werden entsprechend den Formalisierungsprinzipien der Finite-ElementeMethode an beiden Knoten mit gleichem Richtungssinn (nach oben bzw. linksdrehend) angetragen. Die Element-Knotenlasten sind nicht unabhängig voneinander (natlirlich müssen die Gleichgewichtsbedingungen am Element erfüllt sein). Sie verformen das Element, die Verformung wird durch die Element-Knotenverformungen Vt, !PI, V2 und f/J2 beschrieben, die mit den gleichen Richtungen wie die ElementKnotenlasten positiv definiert werden.
M,
M,
0=E=le=~
VI
~
_I ~
le
Abbildung 18.17: Finites Element und Knotenverformunge,n
Gesucht ist nun der Zusammenhang zwischen den Element-Knotenlasten und den ElementKnotenverformungen (Element-Steifigkeitsmatrix). Diese Aufgabe wird in zwei Schritten gelöst: Zunächst werden nur Knotenverformungen am Knoten I zugelassen (das Element wird am Knoten 2 eingespannt, Abbildung 18.18), und es wird nach den Belastungen gefragt, die diese Verformungen hervorrufen, anscWießend wird diese Prozedur für den Knoten 2 ausgeführt, um dann schließlich die beiden Falle zu überlagern. a) In der Zusammenstellung wichtiger Grundlastfälle für die
Biegeverformung im Abschnitt 17.4 findet man (Varianten e und i) die Formeln, nach denen die Verformungen VI und !Pt infolgc der Belastungen VI und M I aufgeschrieben werden können (Superposition beider Lastfjlle): VII; Vt
Md;
= 3 EI, - 2EI,
V/i !PI
= - 2 EI,
+
MI/~ EI,
Diese beiden Formeln werden nacb den Belastungen V, und M, umgestellt:
Abbildung
18.18:
mungen am Knoten 1
Verfor·
289
18.2 Der Biegelräger als finites Elemenl
12EI, 6Ele VI = -/-3-vl +rCPI e
-
6EI,
4 EI,
e
e
MI = r V I +-,-CPI
e
Aus Gleichgewichtsbedingungen gewinnt man Kraft und Moment an der Einspannung:
-
-
12EI,
6Ele
,
,
V2 =-V I = --/3-VI-rCPI
b) Auf gleichem Wege werden die Belastungen ermittelt, die die Verformungen des Knotens 2 erzeugen:
,
V2 =
,
M2 = -
12EI, -3-
le 6Ele
6EI,
V2 - - " -
I, 4EI,
- 2 - v2
" I;
'P2
+ - - 'P2 " 6 EI,
, , 12 EIe VI = -V2 = ---V2+ - - 'P2 ,
,
I;
6Ele
A
2EI,
Abbildung 18.19: Verformungen und BelasLUngen am Knoten 2
MI=-V2 /,-M2=- --V2+--'P2
I;
',-
Wenn die für die beiden Fälle a und b berechneten Belastungen gleichzeitig auf das Element aufgebracht werden (Addieren der Kräfte und Momente), dann rufen sie auch die Summe der unter a und b erzeugten Verformungen hervor (Abbildung 18.20):
Abbildung 18.20: Addilion der beiden Verfollllnngsfälle zur Veli'ormung des finilen Elements Die Addition der Knotenbelastungen der bei den Lastfälle entsprechend
VI = VI +VI V2 =
MI=MI+MI
V 2 +V2
M2=M2+ M 2
fuhrt zur Element-Sleifigkeitsbeziehung für den ebenen Biegeträger:
12
VI MI V2 M2
=
(~:),
6',
-12
61 e
VI
4';
-6/,
2/;
CPI
12
-61e
V2
4/;
'P2
symrn.
(18.9)
290
18 Computer·Verfahren für Biegeprobleme
oe:> Damit ist die theoretische Vorarbeit für die Berechnung des geraden Biegeträgers nach der
Finitc-Elemcnte-Methode geleistet. Die Elemente mit zwei Freiheitsgraden pro Knoten (Verschiebung und Biegewinkel) können· wie im Kapitel 15 beschrieben· zu Systemen zusammengcbaut wcrden. Wic im Kapitel 15 crläutcn, werdcn durch den EinspcichcrungsAlgorithmus, der unverändert übernommen werden kann, die Gleichgewichrsbedingungen
erfüllt. Der wesentliche Vorteil der Finite·Elemente·Strategieliegt darin, dass man sie ganz formal auf unterschiedliche Probleme übertragen kann. oe:> Bcim Einspcichcrn der Elcmcnt-StciAgkcitsmatrizcn in die Systcm-
Steifigkeitsmatrix werden jeweils 2*2-Untennatrizen übertragen (wie bei den Fachwerk-Elementen des Abschnitts 15.3). Im Gegensatz zu den Fachwerk-Elementen des Abschnitts 15.3 können mit den durch 18.9 beschriebenen Elementen jedoch nur gerade Biegeträger (fluchtende Elemente, keine Rahmen) berechnet werden.
I
I Beispiel: _ _ _ _ Für den skiZZierten Blegetrager soll die Berechnung der Velformung am Kraftangriffspunkt und des Biegewinkels am rechten Lager nach dem Finite-ElementeAlgorithmus demonstrien werden. Für das Element a sollen die Element-Knotenlasten berechnet werden. Gegeben:
1,2
1,1
[~]
2,1
2,2
V Eh I
Ib
1:
Elb Ib Ela ; Ä. = El =0,25; la; )1= T;, =0,5; F. a
Abbildung 18.21: FEM-Berechnungsmodell: 2 Elemente, 3 Knoten Die Abbildung 18.21 zeigt die Einteilung des Systems in zwei finite Elemente a und b und die drei von den Elementen gelösten Systemknoten I, 11 und lIl, auf die die äußeren Belastungen wirken (gegebene Kraft F und die Lagerreaktionen h MI und FIII ). Die Element-Steifigkeitsmatrizen für die Elemente a und b werden nach 18.9 aufgeschrieben (nebenstehend, bei K,> wurden die gegebenen Werte fur Ä. und )1 bereits eingearbeitet).
12 EI"
61a
-12
61 a
4/;
-61a
21;
12
-61a
Ka=y a
41;
symm.
24 Ela
Kb=y
61a
-24
61 a
21~
-6/"
1a2
24
-6/"
a symm.
2/~
Zur Erinnerung: Wenn die Element-Steifigkeitsmatrizen nach den Regeln aus dem Kapitel 15 in die System-Steifigkeitsmatrix und die äußeren Belastungen in den System-Belaswngsveklor eingespeichel1 werden, dann garantiert die Lösung des so entstehenden Gleichungssystems,
291
18.2 Der Biegelräger als finites Elemenl
• dass die Gleichgewichtsbedingungen an den Systemknoten erfullt sind und • die Knotenverformungen der an einem Knoten zusammenstoßenden Elemente kompatibel sind (die geometrischen Übergangsbedingungen werden erfullt). Die Zuordnung der Elementknoten zu den Systemknoten ist in diesem Fall besonders einfach: Element-Knoten Element a:
(1,2)
Element b:
(I ,2)
... ...
System-Knoten [ I,
...
"1
[11,1111
Die System-SteifigkeilSmatrix hat 6 Zeilen bzw. Spalten (3 Knoten mit je 2 Freiheitsgraden). Sie wird aus den Element-Steifigkeitsmattizen aufgebaut, indem die 2*2Untermatrizen entsprechend Abbildung 18.22 eingespeichert werden. Im Mittelbloek, zu dem beide Elemente einen Anteil liefern (am Knoten 11 stoßen beide Elemente zusammen) werden die Elementanteile addiert. Man erhält schließlich rolgende System-Steifigkeitsbeziehung:
12
61a
-12
41;
-61a
Ela
r
36
a
symm.
61a
21; 0 61;
Koinzidenzmatrix
I Ir] [11 111 fIlfIl
fIlIlI
;f [~] ;f [~b
JII
~
JjJ
b]
~
Abbildung 18.22: Systelll-Stcifigkeitsmatrix: Ziel positionen rur die Element-Steifigkeitsmau;zen
0 0 -24
0 0
V,
F,
!PI
M,
61a
VII
-61a
l(~
!Pli
24
-61a
V/li
F'II
2/;
!Pm
0
=
-F
0
Die äußere Kraft F wurde mit negativem Vorzeichen in den BelaslUngsvektor eingefügt. weil sie entgegen dem rür den Aufbau der Element-Steifigkeitsbeziehung gewählten Richtungssinn wirkt. Auf die Positionen 4 und 6 des Belastungsvektors wurden Nullen gesetzt, weil keine äußeren Momente an den Knoten 11 und 11 fangreifen. In der System-Steifigkeitsbeziehung sind die beiden Kräfte F, und Fm und das Moment M, und die drei gesuchten Knotenverformungen VII, !Pli und !pm unbekannt. Die Gleichungen 1,2 und 5 mit den unbekannten Belastungsgrößen werden zunächst aus dem Gleichungssystem herausgenommen. Gleichzeitig können die entsprechenden Spalten 1.2 und 5 der System-Steifigkeitsmatrix gestrichen werden, die ohnehin keinen Beitrag liefern, weil die zugehörigen Verschiebungsgrößen VI, !P, und V," den Wert Null haben (Einarbeiten der geometrischen Randbedingungen durch ,2eilen-Spalten-Streichen"). Die zu streichenden Zeilen und Spalten sind in der SystemSteifigkeitsbeziehung grau unterlegt. Es verbleibt das folgende Gleichungssystem:
36 VII 6 la VII
+
+
61a !pll/
+
I; !pm
+
2 I; !Pm
FI"!. Ela
o o
292
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
Wenn man die erste Gleichung durch I" und die beiden anderen Gleichungen durch I~ dividiert, findct man I" nur noch bei der Unbekannten VII, so dass man mit der neuen Unbekannten 1/; das GJeichungssystem aJlgemein lösen kann:
[ ::,] [-~~] 36
~I Fl~ o EI" ]
[
Fl,~ I80
EI"
({iJII
Mit dcn nun bekannten Verformungcn können aus dcn drci Gleichungcn, die aus der SystemSteifigkeitsbeziehung zunächst gestrichen wurden, die Lagerreaktionen F J, F III und MJ berechnet werden:
EI"I" [12·0+61,,·0-12· (-IlFl~) +61,,' (-6Fl~)] --= -8F I 80 EI" 180EI" 15 EI" [61,,·0+41,,·0-61,,· (-IIFI~) (-6FI~)] = 10Ff" 3 180EI" +21,,' J80EI" EI" [ -24· (-IIFI~) -61", (-6FI~) F{{{=- - - +24·0-61,,· (36FI;)] --= -7F 11 180E/" 180EI" 180EI" 15 Pt =
-3-
2
MJ=[f
2
Aus den Element-Steifigkeitsbeziehungen SÜld die Eiemem-Knotenbeiastungen fUr jedes Element zu ermitteln, was hier rur das Elemem a gezeigt wird. Die Elemem-Steifigkeitsmatrix wird mit dem Element- Verfonnungsvektor, der mit den bekannten bzw. berechneten Werten VI =
0
,
({iJ =
ll
0
VII = -
FI,;
6Fl;
180EI"
({ill =
-180EI"
bestückt wird, multipliziert: Via
MI" V21, M21,
EI"
r"
12
61"
-12
61"
0
61"
41~
-61"
21,~
0
-12
-61"
12
-61"
-111"
61"
21~
-61"
41~
-6
16 FI~ I 80 EI"
91" -16
F 30
71"
<:> Die Elemem-Knotenbelastungen entsprechen natürlich (mit Ausnahme des Vorzeichens) den Schniltgrößen FQ und Mb. So ist
Z.
B. das gerade berechnete
7 Mz" = 30
FI"
(Momem am Knoten 2 des Elements a) gleich dem Biegemoment an der Kraftangriffsstelle. Mit den errechneten Elemembelastungen VI" und MI" sind die Schnittgrößen am linken Elementrand und damit die Lagerreaktionen an der Einspannung bekannt. Letztere emsprechen erwartungsgemäß genau den oben bereits berechneten Werten für FJ und MI. oe:> Die errechneten Werte ftlr die Verformungen, Lagerreaktionen und Elementbelastungen sind
exakt, weil dic Biegetheorie von der Element-Steifigkeitsmatrix 18.9 exakt erfasst wird.
293
18.2 Der Biegclräger als finites Element
18.2.2 Element-Belastungen (Linienlasten) Die im Abschnitt 18.2.1 hergeleitete Element-Steifigkeitsbeziehung 18.9 gilt für Elemente, in die nur über die Knoten Kräfte eingeleitet werden. Um auch Linienlasten, die ja Element-Belastungen sind, erfassen zu können, wird ein Weg beschritten. der schon im Abschnitt 15.4 zur Erfassung von Temperatur- und AnJangsdehnungen diente: Die Element-Belasrungen werden auf statisch gleichwertige Knotenlasten reduziert, die dann den äußeren Belastungen zugeschlagen werden können. Diese Reduktion soll am Beispiel einer linear veränderlichen Linienlast demonstrielt werden. Ein Element einer Finite-Elemente-Strukrur ist durch eine Trapezlast belastet (Abbildung 18.23). die konsequenterweise in gleicher Richtung wie alle Elementkräfte (nach oben) positiv definiert wird. Das System soll nun wie skizziert durch zwei Systeme ("Beidseitig eingespannter Träger" + "Reduziertes System") so ersetzt werden, dass deren Summe (hinsichtlich der Verfomlllllgen und der Belastungen) mit dem OriginalSystem identisch ist. Der beidseitig eingespannte Träger. der die Linienlast tragen soll, gestattet keine Verformungen an den Knoten. allerdings wirken dort die Lagerreaktionen.
f
Abbildung 18.23: Originalsystem, ersetzt durch zwei Teilsysteme
Wenn die Summe der beiden Ersatzsysteme dem Originalsystem entsprechen soll. müssen die Lagerreaktionen des eingespannten Trägers durch entgegengesetzt gerichtete Belastungen am reduzierten System kompensiert werden. Mit diesen reduzierten Belastungen werden am reduzierten System alle Knotenverformungen korrekt ausgerechnet, weil das zu überlagernde Element ja keine Verformungen an diesen Punklen beiträgt. Den Element-Knotenlasten, die das reduzierte System liefert, sind allerdings für das Element, das die Linienlast trägt, die Lagerreaktionen der Einspannstellen (negative reduzierte Belastungen) zu überlagern. Man ermittelt die reduziet1en Belastungen am beidseitig eingespannten Träger (Abbildnng 18.24) nach der Theorie der Biegeverformung. Für den skizzierten Fall sind es die Ergebnisse des Beispiels 3 im Abschnitt 17.6 (Seite 270):
Abbildung 18.24: "Lagerreaklionen" inrolge Trapezlast
le FI, = 20 (7ql +3qz) (18.10)
le (3ql +7qz ) Fz, = 20
I; (2ql +3qz ) Mz, = - 60
Auf entsprechendem Wege könnte man für andere Element-Belastungen die reduzierten Belastungen ermitteln, im Allgemeinen kommt man aber mit den Formeln 18.10 aus, die als Sondernille die konstante Linienlast und die Dreieckslast enthalten. Für andere Verläufe bevorzugt der Praktiker meist eine stückweise Nähemng der tatsächlichen Belastungsfunktion durch Trapezlasten (Einteilung des Linienlastbereichs in mehrere finite Elemente).
294
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
Die wichtigste Schritte bei der Berücksichtigung von Linienlasten, die am nachfolgenden Beispiel noch einmal demonstriert werden, sind also:
.:> Die auf die Elemente wirkenden Linienlasten werden durch reduzierte Belastungen ersetzt, die als äußere Knotenlasten behandelt werden.
c:> Das System, das dann nur noch durch Einzelkräfte und Einzelmomente an den Knoten belastet ist, liefert bei der Berechnnng nach dem Finite-Elemente-Algorithmus die Knotenverformungen exakt.
e:> Bei der Berechnung der Element-Knotenbelastungen müssen für die Elemente, bei denen Linienlasten ersetzt wurden, die reduzierten Belastungen subtrahiert werden. Für diese Elemente verwendet man die nachfolgende Beziehung 18.11. Erweiterte Element-Steifigkeitsbeziehung für den ebenen Biegeträger: 12
VI M, V2
=
(~:),
61,
~12
61,
VI
F 1r
411
-61,
2(/
(fl,
Mir
12
-61,
V2
F2r
4/;
q>z
M2r
symm.
M2
I
Beispiel: I_____ Flir den Btegetr"ger des Belsptels aus dem vorigen Abschnitt sollen mit der nebenstehend skizzierten Belastung alle Knotenverformungen und die ElementKnotenlasten des Elements CI berechnet werden. Gegeben:
(18.11 )
/
'I' I , , , , 1 , , ,
qo
Elb Ib Ela ; .1..=-=0,25; la; P.=-I =0,5; qo· Ela a
Die Linienlast am Element CI wird nach 18.10 durch reduzierte Belastungen an den Elementknoten ersetzt (negative Vorzeichen, weil die Linienlast in diesem Beispiel nach unten gerichtet ist): F 1ra
I
F2ra
- 2 qol" I
Mim
-M2ra
,
-T2qOI,/
Da die Abmessungen und Biegcsteifigkciten mit denen des Beispiels aus dem vorigen Abschnitt übereinstimmen, können die Elemenl-Sleifigkcilsmarrizcn und die System-Steifigkeitsmarrix ungeändert übernommen werden. Im (nebenstehend zu sehenden) System-Belastungsvektor tauchen nun allerdings die reduzielten Knotenlasten auf den Positionen der Systemknoten I und IJ auf.
~ -1qOla Mj
-12 qOI;,
-1qOla I I';; T2!fO FIII
°
Systcm-Belastuogsvcktor
295
18.2 Der Biegelräger als finites Elemenl
Man beachte, dass am Knoten I die reduzierten Belastungen zusätzlich zu den Lagerreaktionen ri und MI auftauchen. Zwar werden diese Gleichungen bei der Verformungsberechnung zunächst gestrichen, bei einer anschließenden Berechnung der Lagerreaktionen mit diesen Gleichungen müssten dicse Anteilc berücksichtigt werdcn. Nach dem Einarbeiten der geometrischen Randbedingungen durch "Zeilen-Spalten-Streichen" verbleibt ein Gleichungssystcm wie im Beispiel des vorigen Abschnitt, das sich von diesem nur durch die geänderte rechte Seite unterscheidet:
36 VI/
+
6/"VII
I~lpll
+
61" Ipll/
+
I~lpll/
+
21~lpll/
_ qol~
2 EI" qol~ 12EI" 0
Wcnn man wicder die erste Gleichung durch I" und die beiden anderen Gleichungen durch I;; dividiert, findet man I" nur noch bei der Unbekannten VI/, so dass man mit der neuen Unbckannten 7/; das Gleichungssystem allgemein lösen kann: VII
la
-1 ] = [
~
qol~ 36Ela
Die Element-Knotenbelastungen für das Element a müssen hier mit der erweitel1en ElcmentSleifigkeitsbeziehung ermittelt werden. Der Element-Verformungsvektor wird mit den bekannten bzw. berechneten Werten qOI~ V/ = 0 Ipll = 0 VII = - 36EI" bestückt und in die erweiterte Element-Steifigkeitsbeziehung eingesetzt: VI II M!a V 2a
Mz"
EI"
r"
12
61" -12
6/"
0
61"
41~ -61"
21;'
0
12 -61"
-I
-12 -61" 6/"
21;' -61"
41;'
0
-6 qOI~
--36EI"
10
-I"
qOla
31"
qOI"
-6
12
2
12
L"
la
oe:> Hier soll noch einmal auf die konsequent gehandhabte Vorzeichen-Regelung aufmerksam
gemacht werden: Sämtliche Kräfte und Verschiebungen wurden positiv nach oben definiert, die Momente und Winkel sind linksdrehend positiv. Dies gilt für die äußere Belastung der Knoten (Einzel kräfte bzw. -momente) und der Elemente (Linien lasten) ebenso wie für die Ergebnisse (Knotenverformungen, Element-Knotenbelastungen, Lagerreaktionen). Diese Aussage gilt für die Formuliemng der Theorie. Den Progranunierern von FEM-Programmen ist es natürlich freigestellt, für die Eingabe über die Benutzeroberfläche der Software Vorzeichen regelungen zu treffen, die den Konventionen entsprechen, die dem Anwender vertraut sind (z. B. für Biegeträger: Kräfte und Verschiebungen positiv nach unten).
296
18 Computer·Verfahren für Biegeprobleme
18.2.3 Exakte Lösungen, Näherungslösungen Auch wenn es bisher nicht so aussah: Die MeThode der finiTen ElemenTe iST ein Näherungsver· Jahren. Alle Bcispiele il11 Kapitel 15 und im Abschnitt 18.2 lieferten allerdings Ergcbnisse. die im Rahmen der klassischen Theorien (ebene Fachwerke bzw. ebene Biegeträger) exakt waren. Am Biegeträger lässt sich sehr schön demonstrieren, wo die Grenzen für die exakte Lösung sind. Als bei der Herleitung der Element-Stei r>gkeitsbeziehung (Abschnitt 18.2. I) die Frage beantwortet wurde, welche Knotenkräfte die Knotenverformungen Vt,
(18.12) Abbildung 18.25: ::'1
.~,:,ltC:'.1n,,:,lt
v,. 'Pt. V2, 'P2
T-:t~lrl
'>li,:, tl ..., ",,(11_
"0,"," TM Ill.·'
1~tl' <j ...
Statisch unbestimmte gerade Biegetrager (FEM) Knoten, Stabe. Lager, Krane, Raster.
Knoten· Elemente
KncteovetlorlftJl'"lgM
Zeiche""acoo
-~"' ,.
1
110 100
M' F..,... , C"
00
~.I'Il.der,cT·
00
a
. J'
~
,.
"phl • 00
R
I,
------------ --------- -
ph ... r~(RN)·
"'.0><. O.Qe1121:'34 b., >I. ,
~enk'>
;1
E,n.gllbe Knot...
B
11
[ Fenstc<
1
Zetchnoog
O.......
O::POQ
I
wmin" 0
b.i ><- 0
FQ1R·0.5333333 Mb2\. " 0 2333333
F02l· -0.(66666 Mb2R. 0 f02R -·0466666
b.i.- 0
,.!'t
l~reaktionen
I
fI - 05333333
I,
I
1
",.""
ph3" -0.2
MblL'O -0_3 f01L-OS333333 MblR·02333333
<------------- =:=------. ~ jt.4bm.x!"'O 3
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'" • 0
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1
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1
05
... 2 ·0.(611111 phl2 '" 0.0333333
e.",·Nrn
I
I
M1 .0.3 f3-04666666
JFOm.rx["' 0.5333333
Abbildung 18.26: Programm :,Gerade Biegeträger", zu finden unter www.TM-interaktiv.de
297
18.2 Der Biegelräger als finites Elemenl
Wenn sich die Verformungen aller Elemente mit dieser Funktion beschreiben lassen, ist das Ergebnis exakt. Mit dem Programm "Gerade Biegeträger'" (steht unter www.TM-interaktiv.de zur interaktiven Nutzung zur Verfügung) soll demonstriert werden, was zu tun ist (und was von der Software bereits getan werden konnte), um für die Fälle, bei denen sich die Verformung nicht mehr durch die Biegelinie 18.12 beschreiben lässt, eine ausreichende Genauigkeit zu bekommen. Die Abbildung J8.26 zeigt die Berechnung des Biegeträgers aus dem Abschnitt 18.2.1 (Seite 290). Die Ergebnisse sind erwartungsgemäß exakt, weil die Verformung der beiden lastfreien Elemente mit 18.12 beschrieben werden kann. Aus dem gleichen Grund dalf man auch auf die grafische Darstellung der Biegelinie (Verformungen innerhalb der Elemente) und die Angabe der maximalen Durchbiegung vertrauen. Die Aussage des letzten Satzes gilt nicht mehr für das Beispiel aus dem Abschnitt 18.2.2 (Abbildung 18.27), weil bei der Herleitung der reduzierten Lasten, die die Linienlast für die FEM-Reehnung ersetzen, gezeigt wurde, dass dann mit dem FEM-Algorithmus nur noch die Knotenverfonnungen exakt berechnet werden.
Abbildung 18.27: Verformungen des
Aber dieser Mangel kann geheilt werden:
linken Elements können nicht mehr allein nach 18.12 berechnet werden
Das Originalsystem setzt sich nach Abbildung .18.23 auf Seite 293 aus dem reduzierten System und einem beidseitig eingespannten Träger zusammen. Den nach 18.12 berechneten Verformungen innerhalb eines Elements müssen die Verformungen des beidseitig eingespannten Trägers unter der entsprechenden Linienlast überlagert werden. Das Programm "Gerade Biegeträger" unter www.TM-interaktiv.de führt diese Nachbesserung der FEM-Bereehnung automatisch aus, so dass auch die Verformungen von Elementen mit linear veränderljeher Linienlast (Trapezlast) exakt ausgegeben werden. Weil es auch die uJ1terschiedlichsten Lager (einschließlich Feder und Drehfeder) und Gelenke exakt erfasst, liefert sogar das System, dessen Ergebnis in Abbildung J8.28 gezeigt wird, exakte Werte im Sinne der klassischen Biegetheorie. Dies ist für dieses System ausnahmsweise überprüfbar, weil dieser Träger im Abschnitt 17.5 (Seite 265) mit einiger Mühe durch Integration der Biegelinie berechnet wurde. Fazit: Exakt werden folgende Eigenschaften des Biegeträgers erfasst bzw. durch Nachbesserung korrigiert: Stückweise konstante Biegesteifigkeiten, starre Einspannungen. momentenfreie Lager, lineare Federn und Drehfedern, Gelenke, Einzelkräfte, EinzeImomente und linear veränderliche Linienlasten.
~enverfOfIl'oUl'"ol}efl'
v1 • _4 166666 phi1 "Q.04762439 ptQ. -0.0123756 v2 ·4.982'613 phi2-000477601
""
800
1200
1800
vmin • A.1Meee b.i x" 0
24""
'" • 0 phi3--0.011S301
F1 "-208 33333 F2-124S.6532 FJ - 607.6801 M3 - -57650 78
Abbildung 18.28: Biegeträger des Beispiels 3 aus Abschniu 17.5
298
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
Nicht exakt zu erfassen sind kontinuierlich veränderliche Biegesteifigkeiten. Der nur durch sein Eigengewicht belastete Keil (Abbildung 18.29) ist ein Beispiel dafür. Im Abschnitt 18. 1.3 wurde die Biegeverformung mit Hilfe des Differenzenverfahrens berechnet (Seite 281). Dort findet man auch den Grund dafür, warum die FiniteElemente-Methode für solche Aufgaben keine exakten Lösungen liefern kann: Die auf Seite 282 als Funktion 18.8 angegebene exakte Lösung enthält u. a. die Funktion des natürlichen Logarithmus. Obwohl die Biegesteifigkeit nur linear veränderlich ist, darf man formulieren, dass keine für die Finite-Elemente-Theorie praktikable Verformungsfunktion eine solche Biegelinie exakt nachbilden kann. Es gibt auch keine Chance zur Nachbesserung. Aber genau für solche Probleme kann die Methode der finiten Elemente ihre eigentliche Stärke als Näherungsverfahren ausspielen. Für die Biegeträger-Probleme heißt das z. B.: Es wird weiter mit stückweise konstanter Biegesteifigkeit gearbeitet, aber mit möglichst vielen Abschnitten.
Abbildung
18.29:
Kontinuierlich
veränderliche Bicgeslcifigkeit kann nur näherungsweise elfassl werden.
Das Programm "Gerade Biegeträger" unter www.TM-interaktiv.de unterteilt automatisch (der Benutzer merkt es nicht) einen Träger mit kontinuierlich veränderlichem Querschnitt in 500 Elemente mit stückweise konstanter Biegesteifigkeit. Das Ergebnis ftirden keilfönnigen Träger siebt man in Abbildung 18.30: Ein Vergleich mit der exakten Lösung bestätigt alle ausgegebenen Steilen der Ergebnisse, und das gi It auch für Ort und Größe von V max (und wer es nicht glaubt, kann sicb ja mal eine Extremwertberechnung für die Funktion J8.8 antun). Knotenverformungen: v1
= 0
phi1 = 0.02049576 v2 = 0.00476987 phi2 = -0.0056694 v3 = 0 phi3 = 0
o
0.5
Biegelinie
~ vmax = 0.0050405 bei x::: 0.407117
vmin
=0
Lagerreaktionen: F1 = 0.4576583 F3 = 1.0423418 M3 = -0.2090084
bei x = 0
Abbildung 18.30: Kontinuierlich veränderliche Biegesteifigkeit, scheinbar exakte Erge,bnisse
299
18.2 Der Biegclräger als finites Element
18.2.4 Biegesteife Rahmentragwerke Biegesteife Rahmefltragwerke (Abbildung 18.31) bestehen aus geraden Trägern, die an den Ecken biegesteif miteinander verbunden sind, so dass auch Biegemomente übertragen werden können (im Gegensatz zu den Fachwerken. deren Stäbe nur über Gelenke verbunden sind). Für einen einzelnen Träger eines Rahmens können die Biegevelformung und die Längenänderung infolge der Normalkräfte (umer Voraussetzung kleiner Verformungen, Theorie J. Ordnung) unabhängig voneinander berechnet werden (behandelt in den Kapiteln 14 bzw. 17). An den Ecken allerdings werden aus Biegeverformungen des einen Trägers (zumindest teilweise) Längsverformungen des anderen Trägers.
Abbildung 18.31: Rah· men sind an den Ecken l. B.
fest verschweißt, ver-
schraubt, durch Knotell-
bleche versteift. ...
Die Gleichgewichtsbedingungen müssen an den Ecken rur die Normal- und Querkräfte insgesamt erfüllt sein (an einer rechtwinkligen unbelasteten Ecke wird zum Beispiel aus der Querkraft des einen Trägers die Normalkraft des anderen Trägers und umgekehrt). Als finites Elemem wird zunächst ein aus dem Rahmen herausgeschnittener Träger behandelt, der nur durch die Knotenlasten (Kräfte in Längs- und Querrichtung und Momente) belastet ist und dadurch verformt wird. Die Verformung wird durch die KJlotenversehiebungen in Längs- bzw. QuerrichlUng und die Biegewinkel an den Knoten beschrieben. Die Belastungsund Verformungsgrößen an beiden Knoten werden mit gleichen Richtungen positiv definiert.
~
M,
u
~'[u2
MI
-- \l
r~
2
V
VI
Abbildung J8.32: Finites Rah· menelemenL
Der Zusammenhang zwischen den Kräften in Längsrichtung nnd den entsprechenden Knotenverschiebungen ist mit Gleichung 15.3 (Seite 197) für den durch Normalkräfte belasteten Stab gegeben. der Zusammenhang zwischen den Kräften in Querricbttmg und den Momenten einerseits und den zugehörigen Verformungen andererseits wird durch die Elemem-Steifigkeitsmatrix für den Biegeträger 18.9 (Seite 289) hergestellt. Beide Gleichungen werden nun zur ElementSteifigkeitsbeziehung für das Rahmenelement zusammengefasst:
( A;2) e
ÜI
VI Mt Ü2
=
(~:)
0
0
-(An,
0
0
12
61e
0
-12
61e
VI
41i
0
-61e
21;
C:
e
V2 M2 sym1l1.
2 )e
0
0
12
-61e
iil
ii2 V2
41i
'P2
(18.13)
300
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
In der Form 18.13 ist die Element-Steifigkeitsmatrix flir den Fillite-Elemente-Algorithmus nicht brauchbar, da die Knotenkräfte und die Knotenverschiebungen der angrenzenden Elemente andere Richtungen hätten. Diese werden deshalb auf ein für alle Elemente gültiges globales Koordinatensystem transformiert (Abbildung 18.33). Das finite Rahmenelement ist zur xAchsc des globalen Koordinatensystems um dcn Winkcl a gedreht. Momente und Winkel brauchen nicht transformiert zu werden, weil sie um eine Achse senkrecht zur Zeichenebene drehen.
Abbildung
18.33:
Elemcnt-
Knotenlasten, bezogen auf das
globale Koordinatensystem
Die Knotenverschiebungen in Längs- bzw. Querrichtung, wie sie in 18.13 verwendet wurden_ setzen sich aus den Verschiebungen "1 und VI (in Richtung der globalen Koordinatenachsen) folgendermaßen zusammen (Abbildung 18.34): UI =
/licosa+vlsina
VI = -/lI sin a + VI cosa
'PI =
(18.14)
f/ll
Die hier für den Knoten I aufgeschriebenen Transformationen gelten in gleicher Form auch für den Knoten 2.
Abbildung 18.34: Transformation der KnOlenverschiebungen
VI "t2VIC~I:ine< _
Aus der Abbildung 18.35 kann abgelesen werden, wie sich die in Richtung der globalen Koordinatenachsen wirkenden Kräfte VI und Vt aus den in Längs- bzw. Querrichtung des Elements wirkenden Kräften zusammensetzen: Vt =Ülcosa-Vlsina
cx
cx ~
Vt =Ülsina+Vlcosa
UI
sin cx
(18.15)
Abbildung 18.35: Transfor-
MI=M t
mation der Knoten-Belastun-
Auch hier gelten analoge Beziehungen für den Knoten 2.
gen
Diese Transformationsbeziehungen werden genutzt, um aus 18.13 die Element-Steifigkeitsbeziehung für ein Rahmenelement herzuleiten, dessen Belastungs- und Ve,formungsgrößen sich auf das globale Koordinatensystem beziehen. Dies soll hier nur an einer Gleichung exemplarisch dargestellt werden. Nach 18.15 errechnet sich VI aus zwei Anteilen, die sich in den ersten beiden Zeilen von 18.13 finden, wobei die Verschiebungen schließlich noch durch 18.14 ersetzt werden: VI = Üt cosa - VI sina
(~:), (12 VI +6/,'Pt -
=
(Et), (ÜI - ih)cosa -
=
(~A), [(UI cosa + VI sin a) -
-
(~:), [12( -UI sina + VI cosa) + 6/,(. .. ) -
12v2 +6/,ch) sin a
("2cosa + v2sina)lcosa 12 (... ) +6/,(. .. )1 sin a
301
18.2 Der Biegelräger als finites Elemenl
Auf die gleiche Weise entstehen fünf weitere Gleichungen, die mit der für VI entwickelten Gleichung zusammengefasst werden zur
Elemenl-Sleifigkeitsbeziehung für ein Rahmenelement:
VI
,,\
VI
VI
Mt
Vz Vz
=
(~:),
Ktl [ Kfz
Klz Kn
]
'P\
( 18.16)
112
Vz
M2
mit den Untermatrizen -12s2 - ßc 2 -(ß - 12)sc
12s2+ßcZ (ß - 12)sc
12c2+ßs2
K I1 =
[
symm
12s2 + ßc2 (ß - 12)sc 12c2 + ßs2
K22=
[
'!'yrnm.
K 2= ' [
-(ß-12)sc -12c2 -ß s2 61,s
-6l,c
und den Abkürzungen
ß=(A: )e 2
c=cosa, s=sina,
Auch hier werden Elementbelastungen durch äquivalente Knotenlasten ersetzt und den äußeren Belastungen zugeschlagen. Dafür werden folgende Vereinbarungen getroffen:
<>
Für Linienlasten, die senkrecht zum Element wirken, wird cine Vorzeichenregel vereinbart: Bei Fortschreiten vom ersten zum zwciten EJementknoten zeigcn die Pfeilspitzen positiver Linienlasten nach links. Die reduzierten Knotenlasten für eine linear veränderliche Linienlast (Trapezlast) können dann durch Zerlcgung der mit 18.10 gegebenen Belastungen in Komponenten in Richtung der Achsen des globalen Koordinatensystems gewonnen werden.
<>
AnfangsdelUlungen und Temperaturdehnungen werden wie im Abschnill 15.4 durch die KnOlenkräfte 15. IOcrsetzt, die rür das Rahmenelement auf die Positionen der Kräfte gesetzt werden (Abbildung 18.36), Momente entstehen durch diese Belastungen nicht.
= Abbildung 18.36: Rcduzierte Knolenlasten infolge Linienlas!. Temperatur- und Anfangsdebnung
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
302
Die erweiTerre Element-STeifigkeitsbeziehullg jür das Rahmellelemenl kann dann in der Form VI
UI
F1xr
VI
VI
F ly ,
'Pt
MI,
U2
Fix,
V2
V2
F2yr
M2
'P2
M2,
M, U2
=
(~:),
KII
KI2
[ Kf2
K22
]
(18.17)
mit
1
-EA,(a,ßT+€o),cosa- 2~ (7ql +3{I2)sina 1 -EA,(IX,ßT + €o), sina + 2~ (7 ql + 3q2)COS a
IZ 6~ (3ql +2q2) EA,(a,ßT +€o),cosa -
~~ (3q, + 7q2)sina
( 18.18)
. I. (3ql +7q2 ) cosa EA.(a,ßT+€o ),sma+ 20 [2
- 6~ (2clt
+ 3q2)
aufgeschrieben werden. Nach der Ycrformungsberechnung am System können bei dann bekannten Knotenverformungen die Element-Knotenbelastungen nach 18.16 oder 18.17 ermittelt werden, deren Richtungen sicb auf das globale Koordinatensystem beziehen. Deshalb iSI es vielfach wiinschenswert, diese wieder in die "normalen" Schnillgrößen umzuwandeln. Aus der nachfolgenden Skizze abzulesen sind die
Schnittgrößen für ein Rabmenelement: FNI =-U,cosa-Vlsina FQI = -V, sina + VI eosa
Mb' =-M, Fm =
Vzeosa + Vzsin a
FQz =
Uzsina - V2cosa
Mb2 =
Mz
( 18.19)
303
18.2 Der Biegelräger als finites Elemenl
I
Beispiel:
I
F ~
Für den skizzierten Rahmen sind die Verformungsgrößen und die Schnittgrößen an der Kraftangriffsstelle und an der Rahmenecke zu berechnen. Gegeben:
I; F; EI;
ß=
\,
1
~
,,-
-l-
,I
• "\ Ci a '
Ci a
~, 11 iI
11,
A/ z
-1- = 104
;
Cl"
= 45° .
Wegen der Symmetrie (Abmessungen, Lagerung, Belastung) braucht nur eine Hälfte des Rahmens betrachtet zu werden, so dass das System nur in zwei finite Elemente unterteilt werden a muss. Entsprechend Abbildung 18.37 ist eine Syrnmetriehälfte durch die Kraft ~ belastet. Dic geometrischen SymmcttiebcdinJ gungen (verhinderte Verschiebung in horizontaler Richtung und horizontale Tangente der Biegelinie im Symmetrieschniu) werAbbildung 18.37: Berechnungsden durch eine entsprechende Lagerung simuliert. modell: Symmerriehälfte Für die beiden Elemente a und b können die Element-Steifigkeitsmatrizen nach 18.16 mit den folgenden Untermatrizen aufgeschrieben werden:
4994 K
" IL
= [ 5006
5006
4/ z
symm
K IZ ." =
[=~:: 3J21
-4994 -5006 -3
J2/
4994 K22a = [
5006 symm
-3 J21 ] 3J21
5006
-3 J2/]
3J21
K I 2.h=
2/ z
3J21 ] -3 J21 4l z
Beim Aufbau der System-Steifigkeitsmatrix. die die neun Verformungsgrößen an den drei Knoten mit den zugehörigen Belastungsgrößen verknüpfl, werden jeweilS diese 3*3-Untermatrizen eingespeichert, entsprechend der einfachen Topologie des Systems wie nebenstehend angegeben.
Kri,,, EI
/3
KIZ,u
K Z2,a +Kii,h
[
symtll.
K
~2'b
]
KZZ,b
9*9-System-Steitigkeitsmatrix
Fünf Knoteuverformungen sind durch die Lagerung behindert (L1I, 1'1 und ({!I an der Einspannung und L1111 und ({!III im Symmetrieschnitt). Nach Streichen der entsprechenden Zeilen und Spalten I, 2, 3, 7 und 9 (Einarbeiten der geometrischen Randbedingungen durch "Zeilen-SpaltenStreichen") verbleibt das folgende Gleichungssystem (es wurde wieder der auf Seite 292 beschriebene kleine Trick angewendet, der dimensionslose Matrixelemente erzeugt):
304
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
Ull
15006
4994
3V2
0
5018
6-3V2
-12
8
-6
FI 2
0
-
EI
0
rp"
12
symm.
0
1
v"
-0.5
VIII
Für den Vektor der äußeren Knotenbelastungen (rechte Seite des Gleichungssystems) lieferte nur die Kraft ~ am Knoten III einen Anteil (negativ, weil nach unten gerichtet), weil der Knoten 11 unbelastet ist. Die nebenstehend angegebene Lösung zeigt, dass sich die Rahmenecke (im Vergleich zum Kraftangriffspunkt) kaum verschiebt (www.TM-aktuell.de). Dies liegt daran. dass nur durch Längenänderung der Elemente eine Verschiebung dieses Punktes möglich ist, während sich der Kraftangriffspunkt im Wesentlichen infolge der Biegeverformung verschiebt.
UI/
1
v"
0,00009227 -0,00023454
F/2
-0,05027731
EI
-0,06703986
Die Berechnung der Element-KnOlenkräfte soll für das Element b demonstriert werden. Die bereits formulierten Untenmllrizen der Element-Steifigkeitsmatrix und die nun bekannten Knotenverformungen der Knoten 11 und 111 werden in 18. 16 ei ngesetzt:
0 -10000
VI
10000
0
Vt
0
12
61
61
4/ 2
MI
0
EI
r
V2
-10000
V2 M2
0
0.000092271
0 -12
61
-0,000234541
0 -61
21 2
-0,05027731
F/2 -
0
0
10000
0
0
0 -12
-61
0
12
-61
-0,067039861
61
2/ 2
0 -61
41 2
0
0
b
0
0
EI
Dic Element-Knotcnkräftc, die sich aus dieser Matrizenmultiplikation ergeben, stimmen rur das Element b bis auf die Vorzeichen mit den Schnittgrößen an den Elementknoten, die nach 18.19 berechnet werden, überein: V,
0,9227
FNJ
-0,9227
Vt
0,5000
rQt
0,5000
MI
0.19971
Mbt
-0,19971
F
V2
-0,9227
Ff'2
-0,9227
V2
-0,5000
FQ2
0,5000
M2
b
0,30031
M b2
b
0,30031
F
18.3 Aufgaben
305
18.3 Aufgaben
I
Allfgabe 18.1: I_..;..; -" Für den skIzzIerten zweifach statisch unbestimmt gelagerten Träger mit konstanter Biegesteifigkeit EI ist die Ourchbiegung näherungsweise mit dem Oifferenzenverfahren zu bestimmen.
~A
lp
~qr BK
1I4
EI
l!4
C
A
l!2
Gegeben: 1=600null; F=960N; q,=0,8Nlrnm; EI=2·10 7 Nmm 2 . a) Für die modifizierte Aufgabe mit F = 0 (nur Belastung durch Linienlast) sind Ort und Grö-
ße der maximalen Ourchbiegung (Seite 272) zu vergleichen.
Zll
bestimmen und mit den Ergebnissen der Aufgabe 17.5
b) Beide Rechnungen sind mit der Finite-Elemente-Methode zu iiberprüfcn 3 .
I.
..
. . . .
Allfgabe 18.2: I_..;..; -" Fur den skiZZIerten Blegetrager sllld mit Hilfe des Oifferenzenverfahrens die Biegelinie und die Verläufe von Biegemoment und Querkraft zu berechnen. Gegeben:
J"
I, F, I, E = konst.
1 5
I
5
21 K l
5
jF'
I
I
21 5
Für das statisch bestimmte System sind die Sebnittgrößen am mittleren Lager problemlos exakt zu berechnen. Man vergleiche diese Werte mit den Näherungswerten, die das Differenzenverfahren liefert. Oie Absenkungen der Kraftangriffspunkte sind mit der Finite-Elemente-Methode zu überprüfen) .
I Allfgabe 18.3:
I
Für den skizzierten
Biegeträger sind mit Hilfe des Oifferenzenverfahrens die Biegelinie und die Verläufe von Biegemoment und Querkraft zu berecbnen.
-a
Gegeben:
b
C
-
a = 150mm; b = lOOmm; Eil = 3.109 Nmm2 ; CI = 8 kN/mm c=200ml11; d=300mm; Eh=6·109 Nmm2 ; q=0,4kN/mm e = lOOmm; f = 200mm; EI3 = 2· 109Nmm2 ; Cr = 180 kNm Die Ergebnisse sind mit der Finite-Elemente-Methode zu überprüfen] 3
Nurzung eines geeigneten Programms, zu finden z. B. unter www.TM-intcraktiv.de
d
-- e
f
-
F = 12k.N M = 160Nm ql = 20N/mm
18 Computer-Verfahren für Biegeprobleme
306
I Aufgabe 18.4:
I
Die Theorie des idealen Fachwerks (reibungsfreie Gelenke, Stäbe nehmen nur Zug- bzw. Druckkräfte auf) ist mit der (im Allgemeinen realen) Ausflihrung des Tragwerks mit biegesteifen Verbindungen (Knotenbleche) zu vergleichen. Alle Stäbe bzw. Biegeträger haben den gleichen Rechteckquerschnitt mit der Breite b und der Höhe h. 2
7
Fl
I Ö
5
8
3
,
9
10
4
6
7
20
F
9
10 5
2
6
8
F
4 Ö
7
6
5
2
2a
20
20
Gegeben: a=0,5m; F=IOkN: E=2,1.105 N/mm 2 ; b=I,5em; h=2cm. a) Man berechne mit einem geeigneten FEM-Programm4 die Knotenverschiebungcn und dic
Stabkräfte des idealen Fachwerks (linke Skizze). b) Mit einem FEM-Programm, das die Berechnung ebener biegesteifer Rahmentragwerke ge-
stattet4 , berechne man die Knotenverschiebungen und die Schnittgrößen an den Elementknoten des biegcsteifen Tragwerks (rechte Skizze). c) Die für beide Systeme berechneten Knotenverschiebungen und die sich aus den Schnittgrößen ergebenden maximalen Spannungen in den Elementen nach beiden Theorien sind zu vergleichen und zu diskutieren.
I
Aufgabe 18.5: I Ein biegesteifer Rahmen ist durch eine Dreieckslast und zwei konstante Linienlasten belastet. Alle Elemente haben den gleichen Querschnitt.
qo f~m
j,lql
~
EA = 1010N Gegeben: a = 2 m qo = 3 kN/m EI = IO t2 Nmm 2 qt = q2 = I kN/m .
I
d
e
-- , dIll,
,
Fo
e
I
q2
, ", ö
I
~
2a
a) Mit einem FEM-Programm, das die Berechnung ebener biegesteifer Rahmentragwerke ge-
stattet4 , berechne man die Knotenverschiebungen des Rahmens und vergleiche sie mit den Ergebnissen, die man erhält, wenn die Linienlasten durch ihre Resultierenden (rechte Skizze) ersetzt werden. b) Man stelle die ermittelten Schnittgrößen an den Elementknoten des mit e bezeichneten Ele-
ments fiir beide Varianten einander gegenüber. c) Das Gleichgewicht der Lagerreaktionen mit den äußeren Lasten ist zu iiberprüfen.
Weitere Aufgaben findet man im Internet unter www.TM-aktuell.de. 4
Zu finden z. B. unter www.TM-interakliv.de
19 Spezielle Biegeprobleme 19.1 Schiefe Biegung Die im Abschnitt 16.1 hergeleitete Biegespannungsformel 16.4 gilt nur. wenn die Biegeachse (Achse, um die das Biegemoment dreht) eine Hauptzemralachse dcr Querschnittsfläche ist (siehe auch Diskussion im Abschnitt 16.3). Wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, spricht man von schiefer Biegung. Da jede Fläche zwei aufeinander senkrecht stehende Hauptzentralachsen hat (vgl. Abschnitt 16.2.5), kann die Spannungsberechnung bei schiefer Biegung stets auf zwei Hauptachsenfälle reduziert werden, so dass folgendes Vorgehen immer zum Ziel führt:
<>
Das Biegemoment wird in zwei Komponenten in Richtung der Hauptzentralachsen zerlegt. Wenn für alle zu betrachtenden Querschnitte die Hauptzentralachsen die gleiche Lage haben, ist es meist günstiger, bereits die äußere Belastung in diese Richtungen zu zerlegen.
<>
Für beide Hauptaehsenfjl1e werden die Biegespannungen gesondert berechnet und anschließend überlagert.
Es ist im Allgemeinen nicht empfehlenswert, dabei mit den Widerstandsmomemen zu arbeiten, weil für die Überlagerung die Information über die Vorzeichen der Spannungsanteile benötigt wird. Außerdem kann die maximale Biegespannung auch an einem Punkt auftreten, der von der Berechnung mit dem Widerstandsmoment gar nicht erfasst wird. Es ist auch möglich, dass die beiden Widerstandsmomente einen Punkt "elfassen", der gar nicht zum Querschnitt gehört (z. B. beim Kreis).
+
Abbildung .19.1: Definition der Biegemomente in zwei Ebenen
Wie in der Statik vereinbart (Abschnitt 8.4), werden die Biegemomente Mb)' und Mb,. am positiven Schnittufer so angetragen, dass die im Bereich positiver x- bzw. y-Werte liegenden Fasern auf Zug beansprucht werden (Abbildung 19.1). Der Vorteil dieser Vereinbarung, zwei ebene Probleme mit gleicher Definition positiver Momente betrachten zu können, gilt auch für die Biegespannungsbereehnung: Die aus zwei gieiehaJ1igen Formeln zu gewinnenden Spannungsanteile können einfach durch Addition überlagert werden, und man erhält die
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_19, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
19 Spezielle Biegeprobleme
308
ßiegespannungsformel für zweiachsige Biegung (schiefe Biegung) um die Hauptzentralachsen x und y: (19.1)
<>
Die Formel 19.1 gestattet die Berechnung der Biegespannung für jeden Punkt des Querschnitts. Bei Beachtung der Vereinbarung für die Definition positiver Biegemomente ergeben sich automatisch auch die richtigen Vorzeichen für die Spannungswerte.
Die Spannungsfunktion ab(x,y) ist linear in x und y. Man kann sie sich als Ebene veranschaulichen, die die x-y-Ebene (Querschnitts-Ebene) entlang der Geraden M bx
Mb)'
-y+-x= Jx.;c I y)'
0
schneidet. Diese so genannte Spannungs-Null-Linie geht durch den Schwerpunkt des Querschnitts. Die auf ihr liegenden Punkte des Querschnitts sind biegespannungsfrei. Auf einer Seite der Spannungs-Null-Linie liegen die Punkte mit positiver Biegespannung (Zug), auf der anderen Seite die Punkte mit negativer Biegespannung (Druck). Da die Spannungsfunktion durch eine Ebene repräsentiert wird, wachsen die ab-Werte proportional mit dem (senkrechten) Abstand der Querschnittspunkte von der Spannungs-Null-Linie, und es ergibt sich die wichtige Aussage über den Maximalwert der Biegespannung ;n einem Querschnitt: Die absolut größte Biegespannung in einem Querschnitt wirkt i11 dem Punkt mit der größten (senkrechten) Entfernung von der Spannungs-Null-Linie y = _ Ix.x Mb)' x . I})' Mbx
(19.2)
Die Spannungs-Null-Linie ist eine Gerade, die in der Quersehnittstläehe liegt und durch den Flächenschwerpunkt des Querschnitts verläuft.
Die Strategie für die Biegespannungsberechnung (Überlagerung zweier Hauptachsen-Probleme) kann auch auf die Yerformungsbereehnung übertragen werden. Dies führt im Allgemeinen nicht auf eine ebene Biegelinie, so dass sich die einzelnen Punkte des Trägers iJl unterschiedliche Richtungen verschieben. Als Empfehlung gilt für die Verformullgsberechnung bei schiefer Biegung: Alle Belastungen werden so in Komponenten zerlegt, dass sie mit den Hauptachsen des Querschnitts zusammenfallen. Die Yerf0l111ung kann dann durch Überlagerung zweier ebener Biegelinien ermittelt werden. Dabei ergibt sich im Allgemeinen eine räumlich gekrümmte Kurve als resultierende Biegelinie.
309
19.1 Schiefe Biegung
I
Beispiel]: I_"";_ _...1 EIn Kragträger mit Rechteckquerschnitt (Seitenverhältnis: ~ = 2) ist am freien Ende durch eine Einzelkraft F belastet. deren Wirkungslinie durch den Schwerpunkt der Querschninsmiche verläuft (tan a = 2).
x
F
b Abbildung 19.2: Kraft F: Zerlegung in HaupLzemralachsen-Richtungen
Man diskutiere den Spannungs verlauf im Einspannquerschnitt. Die Kraft F wird in zwei Komponenten in Richtung der HauptzentraJachsen zerlegt (Abbildung 19.2). und an der Einspannstelle ergeben sich damit d.ie Extremwerte der Biegemomente Mbx=-Flsina
Mby=-Flcosa
Damit erhält man nach 19.1 folgende Biegespannuugsverteilung im Einspannquerschnitt:
x ) ab = -12FI(Y. - - -sma+ -cosa 2 2
bl1
11
bzw. mit den gegebenen Zahlenwerten: ~2x
ja Drehachse von Mb~ Fl
x
b
Aus ab = 0 ergibt sich die Spannungs-Null-Linie für diesen Querschnitt: 1,2 .y= -x-cota b2
Y=
/
F
I
yl
SpannullgsNull-Linie
Abbildung 19.3: Biegeachse und Spannungs-Null-Linie
(Abbildung 19.3)
sind
im
Allgemeinen nicht identisch
Die Extremwerte der Biegespannung ergeben sich in den Eckpunkten der Rechteckfläche im ersten Quadranten (Druck) und im dritten Quadranten (Zug).
<>
Dieses Beispiel bringt eine wichtige Information: Die Spannungs-Null-Linie steht im Allgemeinennicht senkrecht auf der BelaslUngsebene und ist damit auch nicht mit der Biegeachse (Drehachse des Gesamtbiegemoments Mb = FI in diesem Querschnitt) identisch.
I
Beispiel 2: I_ _ _ _...I Der skIZZIerte Träger mll emem Normprofil (Abmessungen siehe Abbildung 19.4) ist durch die vertikale Kraft F belastet. Gegeben:
F = I kN ; I = I m
B
A
Quer-
2l/3
l/3
schniu
'-30
Man ermittle Ort und Größe der maximalen Biegespannung. Das maximale Biegemoment tritt am Kraftangriffspunkt auf. Mit der Lagerkraft FB (aus dem Momentengleichgewicht um A) erhält man das Biegemoment (Abbildung 19.5): F 2 2 "-8 = "3 =} Mb.,""" = "-8 1 = () FI
3
310
19 Spezielle Biegeprobleme
;Jl
1) ~
\
o'r) "e'r) ., ,-
'12:
lana
oe
°'1
ee
en
oe
1,655
cm 3,86
cm 0,58
cm 0,61
cm 1,39
cm 3,54
\
°1
x
"
x
\
f '
'-30
al
, a
;Jl
Ci
a'l cm 0,87
'u.
cm4 18,1
'n'l
cm 4 1,54
\
Abbildung J9.4: QuerschnilLswerte für Normprofil
~
,- a,
1)
Das Biegemoment Mb,max biegt um die hori-
zonlale x-Achse (senkrechi zur Zeichenebene, Abbildung 19.5), die bei diesem Profil jedoch keine Hauptzentralachse ist. Die in der ProfilTabelle eingetragenen Achsen ~ und lJ sind die M b,max Hauptzentralachsen des Querschnitts. die zum x~Cl=1====~' y-System um den Winkel a gedreht sind. Die Flächenträgheitsmomente und die Abstände zu ausgewählten Eckpunkten können der Tabelle entAbbildung J9.5: Biegemomem in der Lastebene nommen werden.
r:.
FE!
Deshalb wird das Biegemoment in zwei Komponenlen um die Achsen ~ nnd lJ zerlegt (nebenstehende Skizze). Mit 1)
ergibt sich folgende SpanJlUngsverteilung im Querschnitt:
Die maximale Spannung tritt in dem Querschnittspunkt auf. der am weitesten von der SpannungsNull-Linie SpanllungslJ=-'~~ tana· ~=-19,45~ Null-Linie
'nn
entfernt ist (nebenstehende Skizze). Dies sind offensichtlich die Punkte e bzw. e. Mit den auf das ~-lJ-System bezogenen Koordinaten dieser Punkte, die man der Tabelle in Abbildung 19.4 entnimmt, erhält man für die Punkte e bzw. e: (Jb.e
o C::::O~:::I e X._ _---Jl\J
= -176N/mm 2
Es empfiehlt sich. vorsichtshalber auch für die Punkte Man erhält jedoch (wie erwartet) kleinere Werte.
° und ° die Spannungen zu berechnen.
19.1 Schiefe Biegung
311
I
r/j
Beispiel 3: I_"";_ _...1
Der skIZZierte Träger mIt Rechteckquerschnitt trägt Belastungen in zwei unterschiedlichen Lastebenen. Es sind die Richtungen der resultierenden Durchbiegungen am freien Trägerende und in Träger= 2 zu mitte für das Belastungsverhältnis berechnen.
I
'1-
a
Da die bei den Lastebenen senkrecht zu den Hauptzentralachsen des Querschnitts liegen. dUrfen jeweils die Beziehungen der einfachen Biegung verwendet werden. Mit dem nebenstehend skizziel1en Koordinatensystem gelten sowohl rur die x-z-Ebene, in der die Kraft F wirkt, als auch für die y-z-Ebene, in der die Linienlast wirkt, alle Vereinbarungen, die im Kapitel 17 (flir das ebene Biegeproblem) verwendet wurden, so dass die Formeln des Abschnitts 17.4 verwendet werden dUrfen. Zur Unterscheidung werden die Verschiebungen in y-Richtung (wie im Kapitel 17) mit v und die in x-Richtung mit u bezeichnet (nebenstehende Skizze). Die Richtung der durch geometrische Überlagerung zu ermittelnden Gesamtverschiebung wird durch den Winkel a gekennzeichnet. Mit den Flächenträgheitsmomenten (Abschnitt 16.2.2) i xx
2
=3 a
4
I
lyy = (; a
4
errechnet man mit den Formeln der beiden LastHi.lle e bzw.j des Abschnitts 17.4 die Durchbiegungen:
v(z=O)
qol4 -8 Elxx
3 qol4 = -16 Ea 4
17 qOl4
17 qOl4
v(z=Z)=384EI.u
256Ea4
I
Fl 3 Fl 3 - - - = - 2 -4 3Elyy Ea
,"(z=O)
5 FI J
,u(z=~)=~48EI)y
5 Fl J ~8 Ea 4
Die resultierenden Durchbiegungeu an den betrachteten Stellen folgen aus
j(z = 0) = J,,2(0)
+ v2(0)
j
(z = ~)
=
Ju 2 W+ v2 W
und die Richtungen der resultierenden Verschiebungen aus
v(O)
3 qOI
tana, = - - = - - ,,(0) 32 F
v(~) 17 qol tana2= - - = - - u(~) 160 F
Die Vorzeichen der Verschiebungskomponentenlegen eindeutig fest, dass die Winkel, die die Gesamlverschiebungsrichlllng kennzeichnen, jeweils im zweiten Quadranten liegen mUssen. Also ergeben sich folgende Winkel:
Es sind unterschiedliche Verschiebungsrichtungen am fl'eien Trägerende und in der Trägermitte, was nur bei räumlich gekrümmter Biegelinie möglich ist.
19 Spezielle Biegeprobleme
312
19.2 Der elastisch gebettete Träger 19.2.1 Differenzialgleichung für den elastisch gebetteten Träger Ein Träger, der zusätzlich zu seinen Lagern oder ausschließlich auf einem elastischen Untergrund aufliegt. kann nach der Theorie des elastisch gebeIleieIl Trägers berechnet werden. Diese basiert auf der
q(z)
Hypothese von Winkler/Zimmermann:
rrnTTTl
Die elastische Unterlage reagiert mit einem Gegendruck auf den Träger, der der Durchbiegung v proportional ist. Dieser wird über die Trägerbreite zu einer Linienlast
X
;""/7'%7""
z
)I
Der Proportionalitätsfaktor (Belluilgszahl k mit der Dimension N/mm 2 ) wird experimentell ermittelt.
Iv
x
k(z)
p(z) = k(z)v(z) zusam mcngefassl.
E!(z)
~~
z
~ l~
p( z) ~k(z) v( z)
Unter Beibehaltung der Definitionen des Kapitels 17 ftir die Sehnit1größen, die Koordinaten und Durchbiegungen kann die Differenzialgleichung der Biegelinie 4. Ordnung 17.4 um ein zusätzliches Glied (UnjenJast infolge des Bettungsdrucks) ergänzt werden. Die resultierende Unienlast aus der äußeren Belastung q(z) und der entgegengesetzt gerichteten Benungs-LinienJast p(z)
q,e,(Z) = q(z) - p(z) = q(z) - k(z)v(z) wird in J7.4 eingesetzt, und man erhält aus
durch Umordnen die Differenzialgleichung der Biegelinie des elastisch gebetteten Trägers: (19.3)
Die vier Integrationskonstanten, die in der allgemeinen Lösung der Differenzialgleichung 4. Ordnung auftauchen, müssen aus Rand- und Übergangsbedingungen bestimmt werden. Daftir gilt alles, was im Abschnitt 17.3 behandelt wurde. Auch fur die Schnittgrößen gelten weiter die bekannten Beziehungen:
Mb(z) = -E/(z)v"(z)
FQ(z) = -[E!(z)v"(z)]'
313
19.2 Der elastisch gebettete Träger
19.2.2 Lösung der Differenzialgleichung der Biegelinie Die "Gewöhnliche inhomogene lineare Differenzialgleichung 4. Ordnung" 19.3 kann in der Regel nicht geschlossen gelöst werden. Glücklicherweise ist der nachfolgend behandelte Sonderfall "Biegesteifigkeit EI = konstant und Bettungszahl k = konstant" besonders wichtig. Die Differenzialgleicl1Ung kann unter dieser Voraussctzung dmch die Bicgesteiligkeit dividiert werden. es ergibt sich die
Differenzialgleichung der Biegelinie des elastisch gebetteten Trägers mit konstanter ßie· gesteifigkeit und konstanter Bettungszahl: v'''' +k*v=q*
Iuil
k*
=
~ EI
q'( z) = q(z) EI
(19.4)
Dic allgemcinc Lösung diescr linearen Differenzialgleichung setzt sich entsprechend
v(c) = vp<",(z) + Vhom(Z) aus einer beliebigen Pat1ikulärlösung vwm und der allgemeinen Lösung der homogenen Differenzialgleichung V/""n zusammen I. Für die Lösung der homogenen Differenzialgleichung
v"" +k"'v = 0
(19.5)
erhält man mit dem Ansatz v = e A: die charakTerisTische Gleichung
die vier (komplexe) Lösungen für Ä liefert:
Ät.2.3.4
,;;-:-112 . 2 (±I ±I)
= vk'
Man überzeugt sich leicht, dass die Ä- Werte die Dimension ("Länge") -I haben. Es wird deshalb die Abkürzung
eingeführt, und die Lösung der homogenen Differenzialgleichung kann folgendermaßen aufgeschrieben werden: Vhom =
CI e(l+n i
+ C2 e( -I+i)i + C3e(-I-n i
+C4e(l-i)i
In dieser Form der Lösung müssten sich komplexe Integrationskonstanten ergeben, um auf reelle
Ergebnisse für die Durchbiegung zu kommen. Es ist deshalb sinnvolJ. mit Hilfe der bekannten I Hinweis
für Leser. die die Theorie der Lösung solcher Differenz.ialgleichungen noch nicht kennen: Ohne Einbuße des Versländnjsses rur die mechanischen Zusammenhänge darf die Entwicklung bis zum Ergebnjs 19.6 .. überlesen" wer-
den. Flir die Leser, die in der MaLhcmmik dieses Tema schon behandell haben, gil[: Gewöhnliche inhomogene lineare DijJeren:ialgleicfulflgen mit konstal11en KoeJji=ienten sind ein so wichtiges Thema rur Ingenieure und NalUrwissen-
schaftier. dass man die Chance nicht verpa'lsen wJlte. an diesem anschaulichen Beispiel alle Schritte noch einmal nachzuempfinden.
19 Spezielle Biegeprobleme
314
Zusammenhänge ("Euler-Relation") die e-Funktionen durch die trigonometrischen Funktionen zu ersetzen:
. )'
...
.
e('±1 t =e±t e't =e±t
(z z) cosz +isinZ
e(-I±I) t = e± te-li = e±t (cos f - isin
~J
Nach dem Einsetzen dieser Beziehungen in die Lösung der homogenen Differenzialgleichung können die Integrationskonstanten (zum Teil unter Einbeziehung der imaginären Einheit i) zu neuen (reellen) Lntegrationskonstanten zusammengefasst werden: Vloom =e i
(Clcosf+C2sinf) +e- i (C3cosf+C4sinf)
Die neben diesem Lösungsanteil noch erforderliche Partikulärlösung der Differenzialgleichung 19.4 kann nur bei gegebener Funktion ruf die Linienlast q*(z) ermillelt werden. Man überzeugt sich leicht, dass für Potenzfunktionen bis maximal 3. Grades (wegen des Verschwindens der 4. Ableitung) die inhomogene Differenzialgleichung 19.4 von
q*(z)
Vp{/n=~
erfUllt wird. Beide Lösungsanteile werden zusammengefasst zur allgemeinen
Lösung der Differenzialgleichung des elastisch gebetteten Trägers mit konstanter Biegesteitigkeit und konstanter Bettungszahl, belastet mit einer Linienlast, die durch eine Potenzfunktion maximal 3. Grades beschrieben wird:
(19.6)
<>
Die Integrationskonstanten Cl bis C4 werden aus Rand- und Übergangsbedingungen bestimmt. Da alle Definitionen (Koordinatensystem, Verschiebungen, Schnittgrößen) aus dem Kapitel 17 beibehalten wurden, gelten dafUr sämtliche im Abschnitt 17.3 gegebenen Beispiele.
oe:> Man beachte. dass für elastisch gebettete Träger immer eine Verformungsrechnung erfor-
derlich ist, auch wenn nur die Schnittgrößen interessieren (es gibt keine "statisch bestirurnt gelagerten Träger" mit elastischer Bellung).
pr;
\.~:-j
WWW - Mathematik für die Technische Mechanik - WWW Gewöhnliche Differenzialgleichungen auf der lnternet-Site Mathematik für die Technische Mechanik (www.TM-Mathe.de) bietet u. a.:
ftt· ~
Differenzialgleichungen I. Ordnung Lineare Differenzialgleichungen höherer Ordnung Lineare Unabhängigkeit von Funktionen Lösungsstrategie für lineare Differenzialgleichungen mit konstanten Koeffizienten
19.2 Der elastisch gebettete Träger
I Beispiel:
315
I
Für den skizzierten elastisch gebetteten Träger sind der Verlauf der ßiegelinie und der ßiegemomentenverlauf zu bestimmen. EI Gegeben: qo, EI, I, k = 1024 (4 . Es gilt die allgemeine Lösung 19.6 für die Differenzialgleichung der ßiegelinie des elastisch gebetteten Trägers mit konstanter Biegesteifigkeit und konstanter Bettungszahl, die folgenden Randbedingungen angepasst werden muss:
1.) v(O) = 0
2.) v'(O) = 0
3.) v(l) = 0
,
,
4.) Mb(l) = 0
=}
v"(I) = 0
Neben der Verschiebungsfunktion v(z) werden also noch deren I. und 2. Ableitungen benötigt:
v(z) =
~+ei ei [
(Ct cosz +C2sin Z) +e- i (C3COSZ +C4sinZ) ,
v(z) =
,
L
(C, +C2)eosL:+(C2-CI)sinL:
"()
2
• (
v Z = L2ec
z
z] +T e- i [(C4-C3)COSL:z -(C3+ C4) sin L:z]
'
. Z Z) 2 _ t- ( C3S1nL:-C4coSL: . Z Z) -C,SIl1L:+C2COSL: + L2e
Die Verschiebungsfunktion v(z) und ihre Ableitllngen werden in die vier Randbedingungs-Gleichungen eingesetzt, und es ergibt sich ein lineares Gleichungssystem für die vier Integrationskonstanten : I -I
0
[
I I
ei cos t I
~e I
. I $111 [
I
I . I e I sm I e~ t cos
e f cos
t
I
.
f I
e~lsll11
0 I I
.
I
e~lslfiI
' I -e-1cosr
Dies wird mit einem geeigneten Programm gelöst (vgl. www.TM-aktuell.de). Für den gegebenen Zahlenwert erhält man mit I .{k J''kf4 L:=Y4Ei I =Y4Ei=4
.). [ommand Wlndow
~
X -
0.01226725628224 0.01424798813525 -1.01226725628224 -1.03878250069972
folgendes Ergebnis: CI] [0'012267256] qol4 C2 _ 0,014247988 C] -1,012267256 1024 EI [ C4 - I ,03878250 I
.:.l.QI29
File Edit Det!ug Desktop Window Help
»
(nebenstehend das "Command Window" von Matlab mit diesem Ergebnis). Mit den Konstanten kann die Biegelinie aufgeschrieben werden (aus den C; wurde der gemein4
same Faktor I~~~EI ausgeklammert, die Ci sind die dimensionslosen Zahlenwerte), und der Biegemomentenverlauf ergibt sich nach der Formel Mb(Z) = -EII'(z):
19 Spezielle Biegeprobleme
316
Ncbenstehcnd sieht man (Matlab-Grafik) dcn Verlauf der Biegelinie und des Biegemoments. Dargestellt sind d.ie EI dimensionslosen Verschiebungen - - v qo/4 bzw. die dimensionslosen Biegemomentc
Mb QO/2
Die Ergebnisse gelten natürlich entsprechend der ausgeführten Rechnung nur für den vorgegebe-
nen Zahlenwert flir k.
o:r<s:'" :?1 o~p J o
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Biegemomenl
-0 04
o
~--~----,~
0.2
0.4
0.6
0.8
Ocr Zahlenwert für k war erfordcrlich, um in dcr Kocffizicl1lcnmatrix des Gleichungssystcms flir die Bestimmung der Integrationskonstanten für den Quotienten einen Zahlenwert zu erhalten. Die Frage, ob man das Gleichungssystem (immerhin nur vier Gleichungen) nicht allgemein lösen könnte, ist in diesem Fall mit einem ,,.Ja, aber" zu beantworten.
t
Dabei braucht man sich die Lösung des Gleichungssystems "von Hand" nicht anzutun. Programme, die symbolisch rechnen können, liefern durchaus ein korrektes Ergebnis ab (Ergebnisse dieser Al1 siehe www.TM-aktuell.de). Die Ausdrücke für die Konstanten sind aber so kompliziert, dass das eigentliche Ziel solcher Rechnungen, den Einftuss der Parameter auf die Resultate zu erkennen, nur sehr bedingt erreicht wird. Aber es gcht! Folgendc Intcgrationskonstantcn licfcrt z. B. Maplc nach symbolischer Rechnung ab:
[~j] Auch wenn der geübte Rechner hier noch etwas Potenzial zur Vereinfacbung dieser Ausdrücke sieht, kann man aus solchen Fomlel-Monstern doch nichts cntnehmen. Um cs deutlich zu sagen: Symbolische Rechnung kann hier nicht empfohlen werden. GegebenenfaJIs sollte man die Rech11l1llg fUT mehrere unterschiedliche Parameterwerte dW'chführen, so dass man eine Kurvenschar erhält, aus der man den Einftuss der interessierenden Parameter ablesen kann.
19.2 Der elastisch gebettete Träger
317
19.2.3 Lösung mit dem DitTerenzenverfahren Das einfache Beispiel des vorigen Abschnitts hat gezeigt. dass trotz konstanter Biegesteifigkeit und konstanter Bettungszahl dcr Rechcnaufwand bci eincr exaktcn Lösung recht crheblich wird. Deshalb bietet sich schon fLir solche Aufgaben eine numerische Lösung an, die bei kompliziertcrcn Problcmen ohnehin unumgänglich ist. Da sich die Differenzialgleichungen der Biegelinie des elastisch gebetteten Trägers 19.3 bzw. 19.4 nur durch den Bettungsanteil k(z)v(z) von den Differenzialgleichungen der Biegelinie des nicht gebetteten Trägers unterscheiden, für die im Abschnitt 18.1 die Differenzenformeln hergeleitet wurden, müssen die Formeln 18.2 bzw. 18.4 nur um diesen Anteil ergänzt werden. Weil der Bettungsanteil keine Ableitung enthält, wird er am Punkt i einfach zu kiVi, und die m.it t;;. multiplizicrtcn Diffcrenzcnglcichungcn des Abschnitts \8.1 wcrdcn um gcnau cincn Tcrm crgänzt. Differenzenglcichung der Biegelinie des elastisch gebetteten Trägers bei veränderlicher Biegesteifigkeit: li-IVi-2 -2(1i-1 +I;)Vi-1
+ (li-I + 4/i+ 1i+1 + k~4)
-2(1i +Ii.,-I) Vi.,-I +li+I Vi+2 =
qi h4
Vi
( 19.7)
E
Differenzengleichung der ßiegelinie des elastisch gebetteten Trägers bei konstanter ßiegesteifigkeit: V·_2-4v·_I+ I I
<>
(
~0) v·-4v·+I+V·+2=-~0 6+-Ef I I/EI
( 19.8)
Auch in der einfacheren Differenzenformel 19.8 darf die Bettungszahl veränderlich sein (an jedem Punkt i cincn anderen Wcrt habcn). Dics wird in dcn nachfolgenden Überlegungen zu den Übergangsbed.ingungen genutzt.
<>
Für die Berechnung der Biegemomente und Querkräfte gelten für den elastisch gebetteten Träger die gleichen DifferenziaJbeziehungen wie für den Träger ohne elastische Bettung. Deshalb dürfen die Differenzenformeln 18.3 bzw. 18.5 ungeändert übernommen werden.
Rand- und Übergangsbedingungen Die elastische Bettung geht (wie die Linienlasten) nur über die Differenzialgleichung jn die Rcchnung cin. Wcil dic Rand- und Übcrgangsbcdingungen von dcr Bcttung unbcrührt blcibcn, können alle "Tricks" zur Vermeidung von Übergangsbedingungen, die im Abschnitt 18.1.4 beschrieben wurden, und der gesamte Katalog der Randbedingungcn, der im Abschnitt 18.1.5 zusammengestellt wurde, auch für die Lösung der Aufgaben mit elastischer Bettung ungeändert genutzt werden. Weil die elastische Bettung auch über die Trägerlänge (von Punkt zu Punkt) veränderlich sein darf und gegebenenfalls nur für einen einzelnen Punkt gelten kann, bieten sich noch folgende
318
19 Spezielle Biegeproblerne
zusätz.liche Möglichkeiten ftir die Berücksichtigung von linearen Federn, vorgeschriebenen Verschiebungen und Zwischenstützen an, die einerseits eine Bestätigung der Strategien sind, die im Abschnitt 18.1.4 beschrieben wurden, andererseits sogar noch einfacher zu realisieren sind. c~
Federn mit lincarem Federgcsctz können zu einer elastischen Bettuog "verschmiert" werden, die (wie die Linienlast, die eine Einzelkraft ersctzt) nur auf einen Punkt wirkt:
h i-I
h
i
i+1
=
i
c·
k i = --.!..
h
h i-I
i+l
i
.,.
"
k~
t
Ci
h
Abbildung 19.6: .,Verschmieren" einer Feder
Praktischc Realisierung: Das Hauptdiagonalclemcnt der i-ten Gleichung wird vergrößcn um
k;!f = C; tt· Dies entspricbJ der bereits im Abschnitt 18.1.4 beschriebenen Strategie. Q
Eine Zwischenslütze kann als Sonderfall einer "Feder mit unendlicher Steifigkeit" angesehen werden und deshalb besonders bequem durch extreme Vergrößerung des Hauptdiagonalelements der i-ten Gleichung realisien werden (bei Division dieser Gleichung durch ihr Hauptdiagonalelement wird dieses gleich I, und alle übrigen Koeffizienten dieser Gleichung werden näherungsweise Null, was der im Abschnitt 18.1.4 besprochenen Realisierung von Zwischenstützen entspricht). Diese Realisierungsvariante hat den Vorteil, dass nur ein Matrixelemcnt geändcrt werdcn muss. Eventuell im Belastungsvektor (rechte Seite) stehende Größen haben ebenso wenig Einfluss wie die übrigen ElemeJ1le in der Zeile i der Koeffizientenmatrix. Deshalb wird dieSe Möglichkeit. verhinderte Verschiebungen zu simulieren, auch bei der Finite-Elemente-Rechnung bevorzugt, zumal die dOl1 sehr wichtige Symmetrie der Koeffizientenmatrix dadurch nicht gestön wird.
Q
Ein "Riese" aur der HaupldiagonaJcn verhindert die Verschiebung I'i_
Der beschriebene ..Zwischenstützen-Trick" kann für die Realisientng einer vorgeschriebenen Verschiebung (dem Punkl i wird die Verschiebung v,_ aufgezwungen) folgendermaßen modifizien werden: Zusätzlich zu dem extrem großen Wen auf der Hauptdiagonalen wird als rechte Seite das \Iv-fache dieseS Wenes eingesetzt. Es ist evident, dass dann nach einer Division der Gleichung durch ihr Hauptdiagonalelement genau die im Abschnitt 18.1.4 für diesen Fall angegebene Gleichung entsteht.
Generelle Strategie fiir gerade Biegeträger mit und ohne Bettung Dic Diffcrcnzialglcichung der Biegclinic für den elastisch gcbettctcn Trägcr 19.3 unterschcidet sich nur durch das zusätzliche Glied k(z)v(z) von der Biegelinie ohne Bettung 17.4. Dieser kleine Unterschicd fühne zu erheblichem Menraufwand bei der analytischen Lösung (Abschnitt 19.2.2). Bei dcr numerischcn Lösung flihn die Berücksichtigung elastischcr Bettung zu kcinem nenncnswerten Mehraufwand, im Gegenteil: Die elastische Bettung ermöglicht die besonders einfache Realisierung von Federn lll1d Zwischenstützen. Deshalb bietet sich folgende Strategie an: Man verwendet immer die (durch Modifizieren von 18.7 entstehenden)
19.2 Der elastisch gebettete Träger
319
Differenzenformeln für den elastisch gebetteten Träger:
/1i-IVi-2-2(~Li-1 +/1i) Vi-I +
i
4
(/1i-1 +4/1i+/1i+1 + k h Elo
)
Vi
qi h4
-2(/1i+/1i+I)Vi+1 +/1i+I Vi+2 = Elo Mb; = -
~~o (/1j1'j
(19.9)
1 -2/1;Vi+/1iVi+l)
Elo
FQi = - 2h 3 [-/1i-1 Vi-2 + 2/1i-l l'i-1 - (/1i-1 - /1i+1) Vi - 2/1i+1 Vi+1 + ~Li+1 V;+2]
mit
li
/l; = 10
(10 ist ein beliebiges Bezugs-Trägheitsmoment).
Folgendc einhcitliche Strategie für dic Bercchnung geradcr Bicgcträger (mit und ohne Bcttung) nach dem Differenzenverfahren wird empfohlen (unter www.TM-aktuelJ.de findet man zahlreiche Beispiele, die auf diese Weise berechnet wurden):
I wird äquidistant in nA Abschnitte der Breite h = dA so unterteilt, dass alle markanten Punkte (Krafteinleilung, Lager, Gelenke, ...) getroffen werden. Mit Rand- und Außenpunkten entstehen insgesamt" = + 5 StützsteIlen. Der linke Randpunkt des Trägers hat die Nummer 3, der rechte Randpunkt die Nummer 11- 2.
(j) Der Träger mit der Gesamtlänge
"A
@ Es werden 3 Vektoren
qi, ki und mi mit jeweils n Elementen definiert, die zunächst sämtlich
Null gesetzt werden. @
In den Vektor qi werden die von Null abweichenden Linienlastintensitälen qi an den StützsteIlen einschließlich "verschmierter" Einzelkräfte und -momente eingetragen.
@) In den Vektor
ki werden die von Null abweichenden Bettungsziffern ki an den Slülzstellen
einschlicßlich "vcrschmicrtcr" Federn und Zwischenstützen eingctragcn. @
Es wird eine beliebige Bezugs-Biegesteifigkeit Elo gewählt. In den Vektor mi werden die Quotienten EI; /li = Elo eingetragen. EI; ist die Biegesteifigkeit am Punkt i. Fiir die Außenpunkte werden die Werte eingesetzt. die sich bei Fortsetzung des Trägers über die Ränder hinaus ergeben würden. Gelenke werden berücksichtigt, indem für den Gelenkpunkt der Wert 0 eingetragen wird.
+ I Trägerpunkte können damit alle Differenzengleichungen nach 19.9 aufgeschrieben werden.
@ Für die nA
t1J Die vier Randbedingungsgleichungen werden aus dem Katalog des Abschnitts 18.1.5 ergänzt, so dass das Gleichungssystem mit n Gleichungen komplett ist. @ Nach der Lösung des Gleichungssystems sind die Verschiebungen ftir alle Punkte (Biege-
linie) bekannt. Die Schnittgrößen (Biegemoment und Querkraft) können damit nach 19.9 berechnet werden.
19 Spezielle Biegeprobleme
320
I
Beispiel: I_....;.__ Der skIzzIerte Träger mIt stückweise konstantem Querschnitl ist im linken Bereich elastisch gebettet. Es sind die Biegelinie und der Verlauf des Biegemoments zu ermitleln. Speziell sind die Verschicbungcn am Angriffspunkt von F und am rechten Rand sowie die Federkraft zu berechnen. Gegcben:
11 = 12 = 250mm k = 12N/mm2 G)
13 =4oomm; Eil =6.109 Nmm 2 14 = 300 mm; EI2 = 3· 10 10 Nmm 2
;
;
c = 6kN/mm ql = 14 Nimm
F = 2kN M = 240Nm
Der Träger mit der Gesamtlänge 1 = 1200mm wird in "A = 600 Abschnitte der Breite h = .L = 2mm unterteilt. Es entstehen 11 = IlA + 5 = 605 StützsteJlen. Der linke Randpunkt des nA Trägers hat die Nummer 3, der rechte Randpunkt die Nummer 603. Die Kraft F greift am Punkt 128 an. die Feder befindet sich am Punkt 253, die Zwischenstütze am Punk1453.
®... @ Als Bezugs-Biegestcifigkeit wird Elo = Eil geWählt. Die 3 Vektoren qi, ki und lIIi werden folgendermaßen mit den gegebenen Werten bestückt:
qi=
I 2 3
0 0 0
0 0 12
<<<-
0 1000 0
12 12 12
<- 127 <- 128 <- 129
0 0 0,04 0,08
12 3006 0 0
ki=
mi=
I 3 5 5
<-252 <- 253 <- 254 <- 255
7,96 8 8,04
0 1030 0
5 5 5
<- 452 <-453 <- 454
13,96 14 0 0
0 0 0 0
5 5 5 5
<-602 <-603 <-604 <- 605
19.2 Der elastisch gebettete Träger
321
® Damit können alle Differenzengleichungen nach 19.9 aufgeschrieben werden. Man findet unter www.TM-aktuell.de die Realisierung mit einem Matlab-Script. (J)
Die vier Randbedingungsgleichungen werden
aus dem Katalog des Abschnitts 18.1.5 entnommen. Mit den gegebenen Zahlenwerten ergibt sich: "3 =
-"2 +"4 = 5 "6(J2
-5 "601
-
+ 101'602 -
Durchbiegung -O.5,---~-~-~-~-~-----,
0 0
V '" M
0,334 mrn
0.5 O~----=2~OO:--4C:OO-:---:C600~----=80~0:--' 000~----='~2oo
10"603 + 5 "604 = -0,00016 101'604 + 5 "605 = 0
:E;a
® Nach der LöSllOg des GJeichungssystems sind die Verschiebungen für alle Punkte bekannt, und die Schnittgrößenverläufe können berechnet werden. Abbildung 19.7 zeigt die Biegelinie, den Mb-Verlauf und den FQ- Verlauf. Die speziellen Werte, die in der AufgabensteIlung gefordert sind, findet man ebenfalls in der Grafik, die Federkraft wurde aus
Fe =
vF~0.226mm
o
o
200
400
600
800
1000
1200
Ouer1<:rafl
~FLbJJ
-2000
o
200
400
600
800
1000
1200
Abbildung 19.7: Biegelinie, Schniugrößen und spezielle Werte (Differenzenverfahren mit
CV253
"A =
berechnet.
600 Abschnitten)
Die Genauigkeit der Ergebnisse ist schwer abzuschätzen. Man sollte immer mindestens eine zusätzliche Rechnung mil einer anderen Diskrelisierung durchführen. Diese schützt natürlich nicht vor systematischen Fehlern bei der Anwendung des Differenzenverfahrens. 1m folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse einer sehr wirkungsvollen Kontrolle unterzogen.
19.2.4 Lösung mit der Finite-Elemente-Methode Der im Abschnitt 18.2 für den geraden ßiegeträger beschriebene FEM-Algorithmus kann ohne Änderung auf elastisch gebettete Träger übertragen werden, wenn die Element-Steifigkeitsmatrix geeignct erweitert wird. Für deren Hcrlcilung wird das später im Kapitel 33 beschriebene Verfahren empfohlen. Nachfolgend sieht man das Ergebnis.
Elemcl1l-Slcifigkeilsmatrix für den elastisch gebetteten Biegeträger: 12
K, =
(~:),
6/,
-12
6/,
41; -6/,
21;
12 -6/, ~ymm.
41;
156
+ (4~0),
221,
54 -13/,
41; 131,
-3/;
156 -221, symlll.
41;
(19.10)
19 Spezielle Biegeprobleme
322
Die Element-Steifigkeitsmatrix 19.10 wurde mit zwei Summanden aufgeschrieben, um zu verdeullichen, dass der "Nicht-Beltungs-Anleil" mil der Elemenl-Steifigkeilsmalrix des bellungsfreien Biegeträgers (Formel 18.9) übereinstimmt, weil beide mit der gleichen Ansatzfunktion 2 crzcugt wurdcn. Daraus leitet sich cine wichtigc Erkcnntnis ab, weil mit einer Polynomfunktion 3. Grades die Funktion der Biegelinie 19.6 niemals exakt beschrieben werden kann: Die Finite-Elemente-Rechnung liefen für den elastisch geberteten Träger in jedem Fall nur eine Näherungslösung. Ein einziges Element (wie beim Träger ohne Bcrtung) flir einen elastisch gebetteten Bereich liefert deshalb in der Regel nur eine grobe Näherung. Das FEM-Programm zur Berechnung elastisch gebelleter Träger unter www.TM-interaktiv.de berücksichtigt dies, indem es automatisch (der Benutzer merkt eS nicht) die Bereiche mit elastischer Bertung in eine große Anzahl einzclner Elementc zerlegt. Der Ausschnitt des Bildschirm-Schnappschusses 19.9 zeigt mit diesem Programm berechnete Ergebnisse (Beispiel auf Seite 320), die Abbildung 19.8 die Ergcbnisse einer
...J.QJ2'J Eile
f;dit:
Deb.ug Qesktop 'iti"ldow
t1elp
111
~
AbsenkWlg
vF
0.22612
Absenkung
vM
0.33419 313.7879
Federkraft Fe
}
» I
•r
OVR
#.
genaueren Rechnung mit dem Differenzenverfahren.
Abbildung 19.8: Ergebnisse mit dem Dif-
Die Übereinstimmung ist überzeugend.
ferenzenverfahren mit
IlA
= 2400
Knotenver1ormungen:
v1
:E
0
,*,i1 • 0
....2 ·0.2261432 phi2 '" 3.04641 E-4 ....3 a 0.0522648
o
200
400
600
800
1000
1200
",,3 - -6.5658E-4 v4 = 0 phi4 '" 9.18968E-4 vS .. 0.33419046 ,*,i5 : 3.93968E-4
Lagerreaktionen: vm.ilx"'O.3341Q046 b@ix=12OO
vmin '" ·0.0528716 bei x '" 768.2635
8iegemoment
F1 • 788.03204
M" '110881.22 F3 • 31 3.5888 F4· 5009.166
Abbildung 19.9: Berechnungen nach zwei verschiedenen Verfahren mit unterschiedlicher Software s,ind eine sehr überzeugende Bestätigung rur die Richligkeit der Ergebnisse 2Die wichlige Rolle der Ansulzfllnktionen wird im Abschnitt 18.2.3 bese-hriebcn.
19.3 Der gekrümmte Träger
323
19.3 Der gekrümmte Träger Ln diesem Abschnitt werden Träger betrachtet, deren Achse bereits im unbelasteten Zustand eine gekrtimmte Linie ist. Dabei werden folgende Bedingungen vorausgesetzt: • Dcr Träger ist eben gekrümmT. Dcr Krümmungsradius p darf veränderlich sein. • Der Träger ist ausschließlich in der Krümmungsebene belasteT.
t>c===:::::~1 s
• Eine dcr beiden HauptzenTralachsen dcr Trägerqucrschnitte hat die Richtung des Kriimml/ngsradil/s. • Als Trägerachse wird (wie beim geraden Träger) die Verbindungslinie der Schwerpunkte aller Querschnittsflächen angesehen.
19.3.1 Schnittgrößen I.n enger Anlehnung an die Vereinbarungen, die rur den geraden Träger (Kapitel 7) getroffen wurdcn, dcfinicrt man dic ~I
Schnitlgrönen für den gekrümmten Träger: • Die Schnittstelle wird durch eine Koordinate s, die der gekrtimmten Trägerachse folgt, e i egt. Das SI· I· lestge Cllllttu ferau f d er KoorC1ll3-
~
r:
'J-......
tcnseite wird als positivcs Schnittufer, das andere als negatives Schnittufer bezeichnet.
Mb
=-- \\--;F .\~rN s-
.-\:\ Neg'.'i'" Schnluufer
FQ
Positives Schnitlllfer
• Die Bezugsfaser wird immer auf der Außenseite des Trägers angetragen (nicht auf der Seite, auf der der Krümmungsmittelpunkt liegt). • Die Normalkraft FN wird in tangentialer Richtung als Zugkraft angetragen. • Die in radialer Richtung wirkende Querkraft Bezugsfaserseite.
Po
zeigt am positiven Schnittufer zur
• Ein positives Biegemoment Mb wirkt so, dass es die Krümmung vergrößert (und die Bezugsfaserseite auf Zug belastet). Analog zur Vorgehensweise beim geraden Träger werden nun die differenziellen Beziehungen ermittelt, die für die Schnittgrößen des gekrümmten Trägers gelten müssen. Dazu wird ein sehr kleines Element (Länge Lis) aus dem Träger herausgeschnitten (Abbildung 19.10). Die Schnittgrößen verändern vom linken bis zum rechten Schnittufer dieses Elements ihre Größen tU11 !'.FN , !'.PQ bzw. !'.Mb.
19 Spezielle Biegeprobleme
324
Im Gegensatz zum geraden Träger verändern die beiden Kräfte auch ihre Richtungen. so dass in die Kraft-Gleichgewichtsbedingungen am Element jeweils J'N und FQ eingehen. Deshalb wird auch die verteilte äußere Belastung (Linien last) mit zwei Komponenten q, (radial) und q, (tangential) berücksichtigt (man bedenke, dass selbst das Eigengewicht beim gekrümmten Träger nur durch beide Linienlast-Komponenten erfasst werden kann). Zwei Kraft-Glcichgcwichtsbedingungcn und ei-
/',
~
_
/',s
rp:8(S)
Mb
~
N . . ,!I FQ
Mb+/',Mb
p(s)
ps
uS
%w/',~ ,F+/',F Q
Q
I~
ne Momenten-Gleichgewichlsbedingung wer-
Abbildung 19.10: Gleichgewicbt der Schnitlgrö-
den an diesem Element formuliert.
Ben und Linienlasten
Diese fUhren nach dem Grenzübergang As ...... 0 (und damit /';,FN ...... 0, MQ ...... 0 und /';,M" ...... 0) nach etwas mühsamerer Rechnung als beim geraden Träger auf die
dFN(S) = _ FQ(s) _ q,(s) ds p(s)
DifferenzialBeziehungen der Schnittgrößen des gekrümmten Trägers:
<>
dFQ(s) ds
FN(S) _ (s) p(s) q,
dM,,(s) ds
() FQs
(19.11 )
Der Leser, der bei dem (lobenswerten) Versuch, die Rechnung nachzuvollziehen, die zu den Fonnein 19.11 führt, Schwierigkeiten hat, sollte sich noch einmal die im Abschnitt 9.2 vorgeflihrte Herleitung der Fonnel für die Seil haftung ansehen, bei der exakt die gleichen Überlegungen anzustellen waren.
oe:> Der wichtige Sonderfall des Kreisbogenträgers (mit konstantem Krümmungsradius R) ist in den Formeln 19.11 enthalten. Empfehlenswel1 ist, für Kreisbogenträger mit einer Winkelkoordinate rp zu arbeiten, so dass in 19.11 ds durch Rdrp ersetzt werden kann.
Führt man mit den Formeln für den Kreisbogenträger den Grenzübergang R--+oo
Rdrp ...... dl
durch, so ergeben sich die fLir gerade Träger geltenden Beziehungen 7.1.
I I_Beispiel: _ _ _ Em halbkrelSfärmlger Träger Ist durch eme konstante radiale Linienlast belastet. Man ennittle die Lagerreaktionen bei A und B und die Schnittgräßenveriäufe. Gegeben:
R, qo.
19.3 Der gekrümmte Träger
325
Die Resultierende der Linienlast FR kann aus Symmetriegründen nur die in der nebenstehenden Skizze gezeichnete Lage haben. Deshalb gibt es auch keine horizontale Lagerkraftkomponente bei B (die Horizontalkomponenten der Linienlast bilden ein GJeiehgewiehtssystem), und die Vertikalkomponenten der bei den Lagerreaktionen sind gleich groß: I
F8H=O
FAV=F8V=2FR
I
FAV
F8V
Weil für die Berechnung der Schnittgrößen die Resultierende der konstanten Radiallast rur einen beliebigen Öffnungswinkel ip benötigt wird, soll diese zunächst berechnet werden (die Resultierende FR in den Auftagerreaktionen ist dann der Sonderfall für den Öffnungswinkel ip = 71:). Die nebenstehende Skizze zeigt einen Abschnitt des Kreisbogens mit dem Öffnungswinkel ip. An der Stelle ljI wird die Radiallast qo über den differenziell kleinen Winkel dljl zu der gezeichneten Resultierenden
qORdljl zusammengefasst, die in zwei Komponenten bezüglich des xy-Koordinatcnsystcms zcrlcgt wird. Man erhält dic Komponentcn der Gesamt-Resultierenden durch Summation aller unendlich kleinen Teilkomponenten (Integration) über dcn Winkel ip: rp
FRx(ip) = -
J J
qORcosljldljl = -qoRsinip
o
rp
FRy(ip) = -
qoRsinljldljl
qnR(cosip-l)
o Die beiden Komponenten werden zusammengefasst zur Resultierenden einer radial gerichteten konstanten Linienlast über den Winkel ip. die aus Symmetriegründen bei angreifen muss:
t
FR'P = J FL + FJy = qoRJsin 2 ip + (cos ip - I J2 = 2qoRsin ~
<>
Der Betrag der Resultierenden einer komIanten radial gerichteten Linienlast qO (konstante Radiallast) über einen Kreisbogen mit dem Öffnungswinkel ip ergibt sich aus dem Produkt der Linienlastintensität qo und der Sehnenlänge des Kreisbogens.
Für den Spezial fall, der für die Berechnung der Lagerreaktioncn des Beispiels benötigt wird (Halbkreis), ist dies der Durchmesser 2R, und man erhält für die beiden Vertikalkomponenten der Lagerkräfte: Die einfache Formel für die Berechnung der Resultierenden einer konstanten Radiallast wird nun auch für die Ermittlung der Schnittgrößen verwende!. Die Abbildung 19.11 zeigt den Schnitt an
19 Spezielle Biegeproblerne
326
der Stelle, die durch die Koordinate cP gekennzeichnet ist, mit den dort wirkenden Schningrößen, der Resultierendcn der Linienlast und der Vertikal komponente der LageITeaktion bei B.
FN~
Das Momenten-Gleichgewicht um die Schnittstelle
M,,( cp) + qoR2 (1 - coscp) - 2qoR2 sin 2 ~ = 0
\ Mb
führt nach einigen elementaren Umfornlungen auf das überraschende Ergebnis
'P
Mb(CP) =0 Der statisch bestimmt gelagerte Halbkreis unter konstanter Radiallast istmomentenfrei.
'Pi2
\5--R Sill
i
\
I
qoR
Abbildung 19.11: Schniugrößen
Damit erübrigt sich das Aufschreiben der Kraft-Gleichgewichtsbedingungen, denn nach 19.11 ist auch die Querkraft gleich Null, und die Normalkraft muss konstant sein. Da die Normalkraft an den Lagern mit den Vertikalkomponenten der Lagerreaktionen im Gleichgewicht sein muss, gilt also: c;> Die konstante radial gerichtete Linienlast ruft bei diesem Halbkreisträger als einzige Schnitt-
größe eine (konstante) NormaLkraft hervor. Der Träger hat damit für diese Belastung die ideale Fornl einer Stiitzlinie (vgl. Beispiel 2 im Abschnin 11.2 auf Seite 166, wo die Stützlinie für konstante vertikal gerichtete Linienlast berechnet wurde). Aus diesem Beispiel lassen sich folgende Aussagen für einen wichtigen Spezialfall ableiten: Kreisring unler konstanter radialer Linienlast Eine Syrnmetriehälfte eines geschlossenen Kreisrings (Abbildung 19.12, linke Skizze) stUtzt sich auf der anderen HäLfte mit den tangential gerichteten "Lagerreaktionen" qOR ab, die in jedem Schnin die Momentwirkung der äußeren Belastung kompensieren (Skizze 19.11). Abbildung 19.12: Geschlossener und geschlitzter Kreisring Deshalb treten im geschlossenen Kreisring weder Biegemoment noch Querkraft auf, die Normalkraft hat den konstanten Wert FN = -qOR Für den geschlitzten Kreisring (Abbildung 19.12, rechte Skizze) erhält man mit einer Schninskizze wie in Abbildung 19.n (ohne die LageITeaktion) aus Gleichgewichtsbetrachtungen: FN(cp) = -2qoRsin
2
~
Mb(CP) = 2qoR2 sin 2 ~
mit den Maximalwel1en bei cP = n: FN.max = -2qOR
M b . max =
2qoR 2
Beim geschlitzten Kreisring ist eine Hälfte (bei cP = n) an der anderen stalT eingespannt. Dort trin (zusätzlich zur Normalkraft) das geHihrlich große Biegemoment Mb.rnax auf.
19.3 Der gekrümmte Träger
327
19.3.2 Spannungen infolge Biegemoment und Normalkraft Die Schnittgrößen repräsentieren die resultierenden Wirkungen der iiber den Querschnitt veneilten Spannungen. Die Normalkraft und das Biegemoment sind den Wirkungen der Nonnalspannungen äquivalent (wie beim geraden Träger, vgl. Formeln 14.1 und 16.2). FN =
J
a(y) dA
Mb=
A
J
(19.12)
yab(Y)dA
A
In diesen Formeln können bei Giiltigkeit des Hookesehen Gesetzes die Spannungen durch die Dehnungen ersetzt werden. Die folgenden Betrachtungen konzentrieren sich darauf, die Dehnungen beliebiger Fasern des Trägers zu erfassen. Wie beim geraden Träger beginnt die y-Achse im Schwerpunkt des Querschnitts (in der Trägerachse) und zeigt zu der Seite, auf der die Bezugsfaser liegt. Es wird auch fur den gekrümmten Träger die Gültigkeit der Bernoullisehen Hypothese (vgl. Abschnitt 16.1, Seite 216) vorausgesetzt: Die Trägerquerschnitte behalten bei der Verformung ihre ursprünglich ebene Form bei. Dann verformt sich ein aus dem Träger herausgeschnittenes differenziell kleines Element (Abmessung entlang der Trägerachse vor der Vetiormung sei dso) entsprechend Abbildung 19.13.
0/
0
d
ds o
d
~ [J
ds o
~
O'
[J
neutrale Faser
Trageraehse d'f;
duo du
ds o ds(y)
Abb~dung
19.13: Unverformtes Element (links) und verformtes Element
Da es nur auf die relative Verschiebung der einzelnen Punkte zueinander ankommt, wurde zur Vereinfachung der folgenden Überlegungen die Verformung so dargestellt, als hätte sich nur der rechte Querscllllitt gedreht. Die Lage des gedrehten Querschnitts wird durch die Verlängerung der Trägerachse duo und den Winkel dlfl eindeutig beschrieben. Die Verlängerung einer beliebigen Faser im Abstand y von der Trägerachse kann dann durch du = duo + ydlfl = Eodso
+ ydlfl =
Eopdrp
+ ydlfl
ausgedriickt werden, wobei die Verlängerung der Trägerachse durch das Produkt aus ihrer Dehnung fQ und ihrer Ursprungslänge ersetzt wurde. Die Dehnung einer beliebigen Faser ist der Quotient aus ihrer Verlängerung du und i1lfer urspriingliehen Länge, die aus der linken Skizze in Abbildung 19.13 abgelesen wird:
c( ) = Y
..!!.!!.... = ds(y)
+
fopdrp ydlfl = fQ (p + y)drp
+ (dlfl _ drp
Eo
) _y_ P +Y
19 Spezielle Biegeprobleme
328
Damit kann das Hookesche Gesetz
U(Y)=EE(Y)=E[Eo+(~;-Eo)P:Y]
(19.13)
aufgeschrieben werden, das nun zusammen mit den beiden eingangs angegebenen Formeln 19.12 für die Schnittgrößen ein Gleichungssystem für die drei unbekannten Größen u(y), Eo und
%
%
bildet. Da Eo und nicht von der Querschllittskoordinate y abhängig sind, können sie beim Einsetzen von 19.13 in die Schningrößen-Formeln 19.12 vor die Integrale gezogen werden:
+(~;-Eo)! p:ydA]
FN=E[EoA
(19.14)
Mb=E[Eo!YdA+(~;-Eo)!p:ydA]
Drei Integralausdrücke erscheinen in 19.14: Das Integral JA y dA aus der zweiten Gleichung verschwindet, weil eS das statische Moment bezügJich des Schwerpunktes ist (vgl. 16.1). Das Integral in der ersten Gleichung liefe.1 in der Regcl einen negativen Wert, deshalb sctzt man
j A
_Y-
p+y
dA
= -/(A
(19.15)
mit dem dimensionslosen Parameter /(, mit dem sich dann auch das Integral der zweiten Gleichung aufschreiben lässt:
; j p+y A
dA=j(Y-~)dA=jYdA-Pj-Y-dA=/(PA p+y p+y A
A
(19.16)
A
Die Abkürzungen für die Integrale 19.15 und 19.16 werden in die beiden Formeln 19.14 einEo) und Eo berechnet werden können. gesetzt, aus denen danach der Klammerausdruck Die Ergebnisse werden in die Spannungsformel 19.13 eingesetzt, und man erhält nach etwas mlihsamer (aber nicht sChwieriger) Rechnung die Formel tUr die
(% -
Spannungsverteilung im Querschnitt des gekrümmten Trägers:
FN Mb ( 1 + I Y-) u(y)=-+A pA /( P +y
mit
/( =
_.!. j A
_Y- dA
p+y
(19.17)
A
oe:> Die Normalkraft fUhrt zu einer konstanten SpannungsverteiJung wie beim geraden Träger
und könntc (wic don) gcsondcn crfasst und mit dcn Bicgcspannungcn übcrlagert wcrdcn. oe:> Das Biegemoment erzeugt eine nichtlineare Spannungsveneilung über die Querschnittshöhe. Auch bei reiner Biegung (FN = 0) verläuft die Spannungs-Null-Linie nicht durch die
Trägerachse (Schwerpunktachse ist nicht die neutrale Faser). oe:> Flir
p -> 00 geht 19.17 in die Formel für den geraden Träger libero Aus 19.16 ergibt sich:
/(p2A =j pr dA=j r1. dA p +y 1+ p A
A
=}
lim(/(p2A)=jidA=lxx.
p~oo
A
(19.18)
19.3 Der gekrümmte Träger
Beispiel]:
329
I
I_ _ _...... Für spezIelle Quersehmll.sformcn (Rechteck, symmetrisches Trapez, Kreis) eines gekrümmten Trägers sollen die zur Spannungsberechnung erforderlichen K-Werte in Abhängigkeit von ~ berechnet werden. Das Verhältnis ~ mit dem Abstand e vom Flächenschwerpunkt zum lünenrand der Querschnittsfläche kann als Maß für die Stärke der Krümmung des Trägers gedeutet werden.
e=h/2
Tm' 1
h
y
In den Skizzen ist auch jeweils eine Empfehlung angedeutet, wie man das differenziell kleine Flächenelement dA wählen kann, um ein Doppelintegral beim Integrieren über die Querschnittsfläche A zu vemleiden. Für das Rechteck mit dem Flächenelemem dA = bdy erhält man ein in geschlossener Form lösbares Integral: h
2
K=-~f-Y-dA=-~J A. p+y A _~
A
=
~h
In
P-) dy (I--p+y
0--
.0
h
IV"
#~e_ d,/~/ /
= !!...-In
2e
2p
,
dA=b(y) dy y
'" b(y)
(I + b) _1 (I + ~) _ I 1-1!.-
.0
<.
I-!. P
Die Auswertung dieser Formel für unterschiedliche Werte von ~ findet man in der Tabelle in Abbildung 19.14. Für den Trapczquerschnitt wird zunächst der Abstand e des Flächenschwerpunkts vom Innenrand benötigt, der nach den im Abschnitt 4.2 beschriebenen Regeln bereclmet wird:
ii
y
~
h2a+b eTrapez
r
= 3" a+b
b(rp)
~
Auch für das Trapez und den Kreis ergeben sicb Integrale, die in geschlossener Form lösbar sind. Allerdings ist man gut beraten, die Unterstützung durch ein symbolisch rechnendes Programm in Anspruch zu nehmen (oder numerisch zu integrieren). Die komplell.e Rechnung findet man umer www.TM-aktueU.de. die Tabelle in Abbildung 19.14 zeigt eiHige ausgewählte Ergebn.isse.
"e
Rechteck ~=O
Trapez
~
=0,5
~=2
Kreis
0,75
0.5
0,25
0,1
0,05
0,29727 0,38527 0,34272 0,24076 0,20378
0,098612 0,13119 0,11476 0,079710 0,071797
0,021651 0,030118 0,025643 0,017280 0,016133
0,0033535 0.0048553 0.0040335 0,0026436 0.0025126
0,00083460 0,0012286 0,0010101 0,00065446 0,00062594
Abbildung 19."14: K-Werte für Rechteek-, Trapez- und Kreisquerschniue
19 Spezielle Biegeproblerne
330
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Am BeIspiel des Krelsquerschmtts soll der Emfluss der Krümmung des Trägers auf die Spannungen im Querschnitt diskutiert werden. Der skizzierte Träger hat in allen Bereichen den gleichen Kreisquerschnitt mit dem Radius r. Die beiden gekrümmten Bereiche zeigen (maßstäblich) Krtimmungen, die durch f, = 0,1 bzw. f, = 0,5 charakterisiert werden können (fLir Kreisquerschnitr) . t e gl'It' :p= p Weil der Träger nur durch ein äußeres Moment Mo belastet ist, wirkt in allen Querschnitten das gleiche Biegemoment Mb = Mo (Normalund Querkräfte gibt es nicht). Dann kann im geraden Trägerbereich die Spannung an den Querschnittsrändern (vgl. Abschnitt 16.3) nach
Mb
Mo
a b = - = 4 -3
nr berechnet werden. In den gekrünunten TrägeTIeilen gilt 19.17, wobei am Innenrand y = -r und am Außenrand y = r zu setzen ist. Wb
® 2r p~ '-"
--,~0
Man errechnet nach 19.17 ab; für den Innen rand und a/x, für den Außenrand:
Dic Funktionen .1'; und Sa dürfen als Maß für den Einfluss der Krümmung angesehen werden und können mit dem Faktor 4, der für den geraden Träger steht, verglichen werden. Für den Bereich mit schwacher Krümmung erhält man mit
.1';(0, I) = -4,32
und
.1',,(0, I) = 3,72
Werte, die nur wenig « 10%) von den Werten fiir den geraden Träger abweichen. Im Bereich starker Krümmung dagegen sind die Abweichungen der Spannungswerte für den gekrümmten Träger deutlich größer:
.1';(0,5) = -6,46
und
.1',,(0,5) = 2,82
Die an diesem Beispiel gewonnenen Aussagen lassen sich verallgemeinern: Die absolut größte Spannung tritt bei gekrümmten Trägern am Innenrand auf. Als Maß für die Krümmung eines Trägers wird das Verhältnis des Abstands e der 1nnenrandfaser vom Schwerpunkt des Querschnitts zum Krümmungsradius p der Trägerachse definiert. Für schwach gekriimmte Träger (~ « I) sind die Abweichungen der Maximalspannungen gegenüber der Berechnung mit der Formel für den geraden Träger gering. so dass (natürl ich abhängig von den Genauigkeitsforderungen) gegebenenfaJls mit dieser einfacberen Formel gerechnet werden kann. Man beachte jedoch, dass man damit nicht "auf der sicheren Seite" liegt.
19.3 Der gekrümmte Träger
331
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Em Kranhaken mit dem KrümmungsradIUs R 1St eIn typischer Vertreter eines (in der Regel sehr hoch belasteten) stark gekrümmten Trägers. Für den zu untersuchenden Bereich des skizzielten Kranhakens gilt: ~ = 0,5. Es ist zu berechnen, ob ein Kreisquerschnilt oder ein Rechteckquerschnitt mit gleicher Querschnittsfläche (bei gleicher Krümmung ji) günstiger ist. Gegeben:
R = IOcm; F = 25 kN . R
Für den Kreisquerschnitlmit r = e = Scm und der Querschnittsfläche 2 AKreis
=
lCr
entnimmt man der Tabelle in der Abbildung 19.14 auf Seite 329: KKre;s =
F'
0,071797
Für den Recllteckquerschnin mit ~ = e = Scm und damit h = 10cm errechnel sich die Breite (bei gleicher Querschninsfläehe wie für den Kreis) nach ARechteck =
bh =
AKre;.,
b=
=}
lfr2
h
=
lfr
T
= 7, 8S4cm
Auch der K-Wert für das Rechteck wird der Tabelle in der Abbildung 19.14 auf Seite 329 entnommen: KRechteck =
O. 098612
Die Abbildung 19.15 zeigt die Schnittgrößen im gefahrdeten Querschnin (maximale Normalkraft, maximales Biegemoment). Die Gleichgewichtsbedingungen liefern: Mb=-FR
FN=F
Nach 19.17 erhält man die Spannungsverteilung Querschnitt: P ( -1- y- ) er(y)=A K R+y
111
diesem
mit den Maximalwerten an den Rändern bei y = -~ (lnnenrand) bzw. y = ~ (Außenrand). Die folgende Tabelle vergleicht die Spannungen an beiden Rändern für beide Querschnitte:
Kreis: Rechteck:
er [N/mm 2 ] = er [Nimm'] =
Inncnrand 44.33 32,28
r
R
Abbildung 19.15: Schnittgrößen im geHihrdeten Querschnitt
Außenrand -14,78 -10,76
Der Rechteckquerschnitt erweist sich als günstiger als der Kreisquerschnitl. Die Absolutwerte der Spannungen sind am Innenrand wegen der starken Krül1lmwlg deutlich größer als am Außenrand.
19 Spezielle Biegeproblerne
332
19.3.3 Verformungen des Kreisbogenträgers Die Untersuchung der Verformung wird bier auf Kreisbogenrräger bescllränkt. Dann kann • anstelle des veränderlichen Krümmungsradius p des unverformten Trägers der konstante Radius R angenommen werden und • ein beliebiger Punkt der Trägerachse durch eine Winkelkoordinate cp identifiziert werden. Die Abbildung 19.16 zeigt ein aus dem Träger herausgeschnittenes differenziell kleines Element, dessen Krümmungsradius R (des gestrichelt gezeichneten unverformten Elements) sich durch die Verformung auf p ändert. Dabei wird gleichzeitig aus dem Öffnungswinkel dcp der Öffnungswinkel (dcp + dlJl) des verformten Elements, wobei das Ebenbleiben der Querschnitte (Bemoulli-Hypothese) vorausgesetzt wird. Die Trägerachse des unverfoffinen Elements
dSQ =Rdcp dehnt sich bei der Verformung um
eo
d
--
df -dsa = -:----'dsa
d
Diese Formel wird nach der Länge der verformten Trägerachse
df = dsa + eodsa = Rdcp( I +eo)
~
R. "-
R
I
umgestellt, die auch durch den Krümmwlgsradius p der verformten Trägerachse und den geänderten Öffnungswinkel (dcp + dlJl) dargestellt werden kann:
~
ds dS a
,
/
df= p(dcp+dlfl) Gleichsetzen dieser beiden Ausdrücke (und gleichzeitige Division durch dcp) liefert:
R(I+eo)=P(I+~~)
Abbildung 19.16: Unverformtes (gestrichelt gezeichnetes) und verfonntes Element des Kreisbogenlrägers
Der Ausdruck ~: konme im vorigen Abschnitt aus der zweiten Gleichung von 19.14 unter Einbeziehung von 19. J6 ersetzt werden, wobei der dort verwendete Krümmungsradius p durch den Radius des Kreisbogenträgers R ersetzt werden muss. Nach einigen elementaren Umformungen
erhäl t Illan:
P Hierin könnte
eo auch
R
I
1
Mb
+eo
K:R2EA
( 19.19)
noch (wie ~) ersetzt werden, so dass ein Zusammenhang zwischen
p
und den SChnittgrößen entstehen würde. Darauf wird verzichtet, weil für die folgenden Überlegungen ohnehin (wie auch in der Biegetheorie des geraden Trägers, vgl. Abschnitt 17.1) kleine Verformungen voransgesetzt werden. Dann kann wegen eo « I der erste Bntch anf der rechten Seite von 19.19 als Faktor weggelassen werden: I
P
R
(19.20)
19.3 Der gekrümmte Träger
333
Gleichung 19.20 beschreibt die Verfonnung eines Kreisbogenträgers infolge der Biegebelastung, wobei ftir eine sinnvolle praktische Handhabbarkeit der Krümmungsradius des verfonnten Trägers ß noch durch die Verschiebungen der Punkte der Trägerachse ersetzt werden muss. Die Abbildung 19.17 verdeutlicht, dass (im Gegensatz zum geraden Träger) der Verformungszustand stets durch zwei Verschiebungskomponenten beschrieben werden muss (Punkt Ader Trägerachse verschiebt sich nach A'), weil die tangential gerichtete Verschiebung u nicht nur durch die Normalkraft hervorgerufen wird.
verfomlte Trägerachse
~
~
dic Tangentialvcrschicbung u positiv in Richtung größer werdender Winkelkoordinate cp anzunehmen.
A'
~ -1-=ur,v
Es wird vereinbart, • die Punkte der Trägerachse des unverfomlten Kreisbogenträgers durch die Koordinate cp festzulegen, • die RadiaJverscniebung v positiv nach außen (zur Bezugsfaserseite wie beim geradcn Träger) zu richten und
-----
R
"-
A
\
\
--jL--'P---o-- /
Abbildung 19.17: Radialverschiebung v und
Tangentialverschiebung u
In 19.20 wird nun ß durch die Verschiebungskomponenten u und versetzt. Tn dcm (willkürlich in den Mittelpunkt des unverformten Kreisbogenträgers gelegten) x-y-Koordinatensystem kann die Verformungskurve (Lage des beliebigen Punktes A') aus der Skizze abgelesen werden:
x = (R + v)coscp - usin rp )' = (R + v) sincp +ucoscp Dies kann als Parameterdarstellung der Verformungskurve (Parameter ist die Winkelkoordinate rp) aufgefasst werden, für die die Krümmung (reziproker Krümmungsradius) nach 1_ iy-iy -:::: -
P
mit
1
(i 2 + y2) i
._ dx x- -
dcp
._ dy
y- -
dcp
aufgescnrieben werden kann. 1m Zähler dieses Bruchs und innerhalb der Klammer im Nenner entstehen ausschließlich Produkte aus zwei Größen, die jeweils die Dimension einer Länge haben. Alle Produkte aus Verschiebungen und Verschiebungsableitlll1gen (z. B.: u2, v2, uv, uv, ...) können gegenüber den Produkten aus dem Radius R und den Verschiebungen bzw. Verschiebungsableitungen (z. B.: Ru, Rv, Rii, ...) vernachlässigt werden, wobei klar wird, in weichem Sinne der Begriff "kleine Verschiebungen" zu verstehen iSI: Die Verschiebungen müssen klein gegenüber dem Radius des unverformlen Kreisbogemrägers sein. Nach etwas mühsamer (aber nicht schwieriger) Rechnung erhält man mit I I
R
+k(2v+3ü-v) J
[1+~(v+ülF
19 Spezielle Biegeprobleme
334
einen Ausdruck, der wegen der vorausgesetzten Kleinheit der Verschiebungen noch weiter zu vereinfachen ist. Da natürlich rur den Ausdruck im Nenner 2 0= R(v+u)« I gilt, kann die PotenzreihenentwickJung des Nenners ~1 3 3·5 2 (1+0) '=1-2"0+ . 0 -+. 2 4
nach dem linearen Glied abgebrochen werden, und man erhält über
~ "" ~ [1+ ~(2V+3Ii- v)]
[1- ~(v+U)]
durch Ausmultiplizieren bei weiterer Vernachlässigung der oben beschriebenen Versehiebungsprodukte mit I I I
P"" R-
R2(v+v)
einen in den Verschiebungsgrößen linearen Ausdruck für die Krümmung der verformten Trägerachse, der in die Beziehung 19.20 eingesetzt werden kann. Dass in der so entstehenden Differenzialgleichung v+v=- Mb (19.21)
KEA
nur die Radialverschiebung v vorkommt, lässt hoffen, wie beim geraden Träger die VerSChiebung v unabhängig von der Verschiebung u berechnen zu können. Leider bestätigt sich diese Hoffnung nur für wenige Ausnahmen, weil in der Regel über die Randbedingungen eine Kopplung der Verschiebungskomponenten unvermeidlich wird (vgl. nachfolgendes Beispiel). Deshalb muss 19.21 noch um die Differenzialgleichung zur Berechnung der Tangentialverschiebung u ergänzt werden. Die Abbildung 19.18 zeigt ein differenziell kleines Element (Länge der unverformten Trägerachse: Rdrp), dessen Endpunkte A und B nach der Verformung bei A' bzw. B' liegen. Die Trägerachse verlängert sich durch die Radialverschiebung v von Rdrp auf (R + v)drp und durch die Tangentialverschiebungen u bzw. (u + du) um du (der Einfluss von dv kann als klein von höherer Ordnung vernachlässigt werden). Damit kann die Dehnung der Trägerachse aufgeschrieben werden:
Co = (R+v)drp-Rdrp+du = ~(v+ti) Rdrp R
B ~u:;;dU
~;+dV
"
BWu ~ R
d'f!~
A
~ Abbildung 19.18: Verknüpfung der Verscbjebungen u und v
Diese Dehnung kann wieder gleichgesetzt werden mit dem Co, das sich aus der zweiten Formel von 19.14 errechnet, lmd man erhält den gesuchten Zusammenhang von Radialverschiebllng und Schnittgrößen. Gemeinsam mit der bereits für die Radialverschiebungen angegebenen Beziehung hat man damit die Differenzialgleichungen für die Verformungsberechnung des Kreisbogenträgers:
v"+ V = -Mb --
KEA
(19.22)
19.3 Der gekrümmte Träger
335
oe:> In 19.22 gelten für die Winkel koordinate rp, die Tangentialverschiebung 11 und die Radialverschiebung v die Definitionen nach Abbildung 19.17 (Seite 333). Die Schniugrößen müssen
der im Abschnitt 19.3.1 (Seite 323) gegebenen Definition entsprechen. oe:> Der dimensionslose Parameter K (Flächenkennwert für die Querschnittsflächen gekrümmter
Träger) ist in der Beziehung 19.17 (Seite 328) definiert worden. Für einige Querschnitte finden sich K-Werte in der Tabelle des Beispiels I (Seite 329). oe:> Es muss zunächst die Differenzialgleichung rür die Radialverschiebung v gelöst werden, de-
ren allgemeine Lösung danach in die Differenzialgleichung für die Tangentialverschiebung eingesetzt wird, die dann (Umstellung nach li) durch einfaches rntegrieren gelöst werden kann. Füreine Differenzialgleichung 2. Ordnung und eine Differenzialgleichung I. Ordnung sind insgesamt drei Lntegrationskonstanten aus drei Randbedingungen zu bestimmen. oe:> Die allgemeine Lösung der linearen inhomogenen Differenzialgleichung 2. Ordnung für die
Radialverschiebung setzt sich entsprechend v=
V/Will
+ V (Jarl
(19.23)
aus der Lösung der homogenen Differenzialgleichung v + v = 0 und einer beliebigen Pattikulärlösung zusammen. Für den homogenen Lösungsanteil gilt immer:
v/""" = CI COS rp + C2 sin rp
(19.24)
Die Pal1ikulärlösung ist problemabhängig und kann nur bei vorgegcbener Funktion rür die rechte Seite ermiUelt werden, die bei konstantem Querschnitt ausschließlich von der Funktion Mb(rp) bestimmt wird. Ncben einem konstanten Anteil tauchcn dort in der Regel eosund sin-Funktionen auf. Für die ausgesprochen typische Form der rechten Seite der Differenzialgleichung (19.25) f(rp) =a+bsinrp+ccosrp darf als Partikulärlösung immer verwendet werden 3 : v/x
b c 2'rpcosrp+2'rpsinrp
(19.26)
oe:> Bei Trägem mit großem Radius R (im Vergleich mit den Querschnittsabmessungen) kann
mit im Allgemeinen vertrctbarer Genauigkeitscinbuße die Differenzialgleichung fLir dic Radialverschiebung 19.22 unter Benutzung von 19.L8 ersetzt werden durch die Differenzialgleich1lng für den schwach gekrümmten Kreisbogenlräger:
..
Mb R2 EI
v+v= - - -
(19.27)
1n diesem Fall kann das fUr gerade Träger benutzte Flächenträgheitsmoment verwendet werden, wodurch eventuell aufwendige K-Wert-Berechnungen bei komplizierten Querschnitten entfallen. 3Der Leser. der sich in diesem Zweig der Mathematik schon gut auskennt, wird registrieren. dass für die trigonometrischen Funklionen der um den Faktor rp .,erweilcnc Partikuläransalz" verwendet werden muss. weil die Funktionen CQS und sin die homogene Differenzialgleichung crfüHen. Für alle anderen Leser wird die 111lcmet·Ergänzung zum Thema ,.GewÖhnliche Differenzialgleichungen" hilfreich sein. auf die auf Seite 314 verwiesen wird.
19 Spezielle Biegeprobleme
336
I
...
..
Beispiel: I_....;_ _ Der skiZZIerte KreIsbogenträger (RadIus R) wIrd durch zwei Festlager (einfach statisch unbestimmt) gestlitzt. Er hat einen konstanten Kreisquerschnitt mit dem Radius r = 0,05 R. Gegeben:
2F
"" -~~B A
o
R=40cm; F=IOkN; c=2,1·10 5 Nlmm 2
R;,
a) Es sind die Verformungen des gesamten Trägers, speziell die Absenkung des Lastangriffs~ punktes, und die Schnittgrößen FN und Mb am Lastangriffspunkt zu berechnen. b) Welche Abweichungen von den unter a ermittelten Ergebnissen ergeben sich, wenn der Trä~
ger als "schwach gekrümmt" betrachtet wird? Wegen der Symmetrie braucht nur eine Hälfte des Trägers (Abbildung 19.19) berechnet zu wer~ den. Diese Trägerhälfte wird am Kraftangriffspunkt so gclagert, dass die Symmetriebedingungen (horizontale Tangente, keine Verschiebung in horizontaler Richtung) erfiillt sind. In die Schnütgrößen geht zwangsläufig (wegen der sta~ tisch unbestimmten Lagerung) eine der vier Lagerreaktionen ein. Wenn entschieden wird, die Lagerkraft Fe in den Schnittgrößenverläufen zu behalten, sollte das Moment Me durch Fe ausgedrückt werden. Momenten~ Gleichgewicht um den Punkt A liefert : Me=FeR - FR
~~
fl,R , / A
Abbildung 19.19: Symmelrieschnin
Mit der wie skizziert gewählten Koordinate ({I erhält man aus deo Gleichgewichtsbedingungeo am geschnittenen Träger (Kratt-Gleichgewicht in Richtung der Nomlalkraft und MomentenGleichgewicht um die Schnittstelle, Abbildung 19.20): FN = -Fsin ({I- Fccos({l
Mb = -FR( 1- sin({l) + FeRcos({l
Damit können die Differenzialgleichungen 19.22 aufgeschrieben werden:
V+ v = :c:
(1 -
sin ({I-
:c: cos
({I)
tH v = - ; ;
+-
Zunächst muss für die erste Differenzialgleichung eine Partikulärlösung gefunden werden:
Abbildung 19.20: Schniltgrößen
Ein Vergleich der rechten Seite mit Formel 19.25 zeigt, dass sie genau dieser "typischen Form" entspricht. Also wird 19.26 an das aktuelle Problem angepasst, und man hat die Partikulärlösung FR vpart= KcA
(1
Fe.) 1+2:({Icos({l-2F({Isl11({1
die gemeinsam mit der Lösung der homogenen Differenzialgleichung 19.24 die allgemeine Lösung der Differenzialgleichung flir die Radialverschiebung bildet: . ({I + FR v = C, cos({l +C2 S1l1 -
KcA
(I 1+ 2
e.) ({Icos({l- -F({IS1l1({1
2F
Diese wird in die zweite Differenzialgleichung eingesetzt, und eine einfache Integration, die noch eine Integrationskonstante erzeugt, liefert die allgemeine Lösung ftjr die Tangentialverschiebung:
19.3 Der gekrümmte Träger
337
FR u = - EA q> - CI sin q> + Cz cos q> - :E: [q>+
~ (q> -
; ) sin q> +
~ (I +
q>) cosq>] + C3
;
Die beiden allgemeinen Lösungen enthalten insgesamt drei Integratiooskonstanten und die unbekannte Lagerkraft Fe , für deren Bestimmung vier Randbedingungen zur Verfugung stehen:
u(q>=O)=O
,
u(q>=~)=O
,
v(q>=O)=O
,
v(q>=~)=O
Einsetzen der vier Bedingungen io die allgemeinen Lösungen für v und CI=
FR KEA
(I-~n+~-K~) n
4
Cz=-~
liefert:
C3= FR
2 KEA
2
11
KEA
_ 2 Pe= -F
n
a) Dam.it können die Verschlebungsfunktionen aufgeschrieben werden: V=
:E: [I+(I-~n+~-K~+~q»cosq>-G+~q»sinq>]
u = - FR KEA
[(I
+ K)q>-
I
+ (1-
~4 n- K~2 + 2~q»
sinq>+
(1+ ~q» n
cosq>]
Hierin ist A = n? die Querschnittsfläche des Trägers, und aus der Tabelle auf Seite 329 kann K = 0,00062594 für fi = 0,05 entnommen werden. Für die Absenkung des Kraftangriffspunktes errechnet man mit den gegebenen Zahlenwerten: VF
= v(q> =0) =
FR (2 - ~ n+ ~ KEA 4 n
K~) 2
= -0 9419mm '
Die Schnittgrößen an der Kraftangriffsstelle müssen mit den dort wirkenden Lagerreaktionen des "Symmetriesehnitt-Lagers" im Gleichgewicht sein:
2 FN(q> = 0) = -Fe = --F = -6.366kN
n
Mb(q>=O) =
Me= FeR-FR=
(~- J) FR= -1,454kNm
b) Die Rechnung nach der Differenzialgleichung fur den schwach gekrümmten Träger 19.27 unterscheidet sich nur in dem Faktor für das Biegemoment in der Differenzialgleichung für die Radialverschiebung. Dieser (bei diesem Beispiel konstante) Faktor bleibt während der gesamten Rechnung erhalten, so dass nur in den berechneten Funktionen K durch ~ mit
I =
n;
4
ersetzt werden muss:
4
I K
-z
AR
;rrr
=
r2
---t-I = - , =0,000625 nr R 4R-
Der Unterschied ist minimal: Die unter Voraussetzung schwacher Krümmung berechnete Verschiebung unter der Kraft vergrößert sich bei diesem Träger nur auf VF = -0,9426mm (Abweichung< 0, I %). Wenn also der K-Wert nil' den Querschnitt nicht ohnehin zur Verfügung steht, ist fUr schwach gekrümmte Träger eine aufwendige K-Berechnung nicht gerechtfertigt, zumal sich Clir die Schnittgrößen überhaupt keine Unterschiede ergeben.
338
19 Spezielle Biegeprobleme
19.3.4 Numerische Berechnung der Verformungen Das relativ einfache Beispiel des vorigen Abschnitts zeigte, dass die (bei statisch unbestimmten Problemen unumgängliche) Verformungsberechnung für gekrümmte Träger recht aufwendig werden kann. Da die Verformungen durch ein lineares Randwertproblem beschrieben werden, ist es naheliegend, dies mit dem im Abschnitt 18.1 behandelten Differenzenverfahren zu lösen. Mit den zentralen Differenzenformeln 18.1, mit denen in den Differenzialgleichungen 19.22 die Ableitungen näherungsweise ersetzt werden, emstehen die Differenzengleichungen für die Verformungsberechnung des Kreisbogenträgers: Vi
2 Mbi = -h - /(iEAi FNiR+Mbi -Ui_1 +Ui_1 +2/iv, = 2h-'-,,::-,---"":-' EA i
J
+ ( h 2 -2 ) V;+Vi+1
(19.28)
c:> Da mit den Dillerenzenquotiemen Ableitungen nach der Winkelkoordinate
Wlll'-
den, ist die Schrittweite hin 19.28 ebenfalls ein Winkel.
c:> Weil sownhl die Näherungsformel flir die zweite Ableitung (in der ersten Differenzengleichung) als auch die Näherungsformel für die erste Ableitung (in der zweiten Differenzengleichung) jeweils zwei Nachbarpunkte einbeziehen, würden an beiden Trägerrändern je zwei Verschiebungen (li und v) für Außenpunkte in die Rechnung hineinkommen. Da für diese vier zusätzlichen Unbekannten (bei statisch bestimmten Aufgaben) nur drei Randbedingungen als zusätzliche Gleichungen formuliert werden können, würde sich in jedem Fall ein Defizit von einer Gleichung zur Anzahl der Unbekannten ergeben. Von den verschiedenen Möglichkeiten, dieses Defizit zu beheben, (z. B.: Arbeiten mit vorwärts bzw. rückwärts genommenen Differenzenformeln in Randnähe), wird folgende Variante empfohlen: Die Differenzengleichungen für die Tangentialverschiebungen werden nur für jeden zweiten Punkt und nur für die Innenpunkte (nicht für die Randpunkte) formuliert (Abbildung 19.21).
Punkte für "u-Gleichungen" ~ / f
rf
0" ..",.
n,.
Punkte für
"'"
Randpunkt Außenpunkt
"v-Gleichungen"
Abbildung 19.21: Unterschiedliche SLralegien für die Verschiebungen II und v
Dann gehen als unbekannte ,,-Werte gerade die Tangemialverscrnebungen an den Punkten ein, für die keine ..u-Gleichungen" formuliert werden (die Differenzenformel bezieht sich nur auf die Nachbarpunkte), aberu. a. auch die Werte der Randpunkte, für die gegebenenfalls Randbedingungen aufgeschrieben werden müssen. Diese Strategie ist gerechtfertigt, weil die Änderung der Tangemialverscrnebung 1I im AJJgemeinen deutlich geringer ist als die Änderung der Radialverschiebung v, so dass ein gröberes Raster für die Approximation der Ableitungen von 1I ausreichend ist. Die Koeffizientenmatrix des entstehenden linearen Gleichungssystems ist besonders dünn mit von Null verschiedenen Elementen besetzt, weil in jeder Gleichung nur 3 unbekannte Verschiebungen auftauchen.
19.3 Der gekrümmle Träger
339
I
Beispiel: I Die Berechnung der Verformungen mit dem Differenzenverfahren wird an dem bereits im Abschnitt 19.3.3 (Seite 336) exakt gelösten (statisch unbestimmt gelagerten) Halbkreisbogen mit konstantem Kreisquerschnitt mit dem Radius r = 0,05 R demonstriert. Gcgcbcn:
R = 40cm; F = I OkN; E = 2, I . 105 N/mm 2
2F
.
Wie bei der exakten Lösung im vorigen Abschnitt wird nur eine SymmetriehäJfte betrachtet (Abbildung 19.19 auf Seite 336), für die die benötigten Schnitlgrößen in Abhängigkeit von der unbekanntcn Lagerkraft Fe formuliert werden (nebenstehende Skizze): FN = -Fsin rp - Fecosrp Mb = -FR(I-sinrp)
Der Viertelkreis wird in Schrittweite
nA
+ FeRcosrp
= 80 Abschnitte unterteilt, so dass sich die
h=~
160 ergibt. Die Punkte (einschließlich der beiden Außen punkte) werden von I bis 83 nummeriert (Abbildung 19.22).
h~ TI
160 ",_
• 81 82 •. 83
Für die Punkte 2 bis 82 werden die "v-Gleichungen" formuliert (81 Gleichungen), wobei neben den Verschiebungen auch die Unbekannte Fe auf die linke Seite geschrieben wird: 2
V;_I
+(h -2)v;+v;+1
R
Fe + KEA
2
FR
2
h eosrp; = KEA h (l-sinrp;)
\
Abbildung 19.22: Diskrctisierung:
nA
= 80
;=2.3,4, ... ,82
Für die in der Abbildung 19.22 besonders hervorgehobenen Punkte 3,5, ... ,81 werden die "uGleichungen" aufgeschrieben (40 Gleichungen): FR
-11;-1 +11;+1 +
2hv; = -2h EA
; = 3,5,7, ... ,81
Schließlich sind noch die Randbedingungen zu ergänzen (4 Gleichungen): v~=O
=;.
-VI+V3=0
"2 =
0
(horizontale Tangente im Symmetrieschnitt), 1182 =
0
V82
= 0
Dies sind insgesaml125 Gleichungen ftir die 125 Unbekannten ( 1 Wert)
Fe VI, V2, V3, 112, U4, 116,
(83 Werte) ; , "82 (41 Werte) .
, V83
Der Wert fUr den Parameter K = 0,00062594 für ~ = 0,05 wird der Tabelle auf Seite 329 entnommen. Der Zusammenhang zwischen dem Winkel rp; und der Nummerierung der Punkte kann so formuliert werden: 1! rp; = (i -2) 160
340
19 Spezielle Biegeprobleme
Unter www.TM-aktuclJ.de findet man ein Matlab-Script, mit dem das Gleichungssystem aufgebaut und gelöst wird. Es kann mit unterschiedlich feiner Diskretisierung (Anzahl der Abschnitte I1A) arbeiten.
,,
,
,,
, ,
.,,
,
, , , , ,
Die Abbildung 19.23 zeigt die Matlab-Grafik, in der die Verformungen des Halbkreises (stark vergrößert) dargestellt sind.
, ,
,, , , , , ,
.""
-""
'00
""
Abbildung 19.23: Verformung, stark vergrößert
In der Tabelle in Abbildung 19.24 sind einige Ergebnisse für V2 (Absenkung des Lastangriffspunktes), Fe und Me im Vergleich mit dcr exakten Lösung zusammengestellt. Ein Vergleich mit einer exakten Lösung ist aber nur in Ausnahmefallen möglich. Hier gibt es noch die Chance einer Kontrollrechnung mit der Finite-Elemente-Methode: Auch wenn im Abschnitt 18.2.4 nur gerade biege- und dehnsteife Trägerelemente behandelt wurden, kann man ein FEM-Modell, das aus solchen Elementen zusammengesetzt ist, durchaus als Kontrolle fLlr die hier durchgefiihrte Rechnung heranziehen. Der Kreisbogen wird dafür durch ein Polygon ersetzt, das bei einer genügcnden Anzahl von Elcmenten das Verhalten eines gekrümmten Trägers ausreichend genau annähern kann. Über www.TM-aktuell.de erreicht man das Matlab-Interface zum "Finite-Elemente-Baukasten Femset", mit dCIll der ioteressierte Benutzer FEM-Modelle in Matlab beschreiben und mit den verfügbaren FEM-Funktionen berechnen lassen kann. Ein FEM-Modell aus Rahmenelementen mit Knoten, die alle aufeinem Kreis liegen, ist damit ohne nennenswerten Aufwand zu erzeugen. Unter www.TM-aktuell.de findet man auch ein Matlab-Seript für die hier behandelte Aufgabe. In der Tabelle in Abbildung 19.24 sieht man die Ergebnisse von zwei Kontrollrechnungen mit diesem Script. Fazit: Das Differenzenverfahren liefert fast exakte Ergebnisse schon bei I1A = 80. Eine FEMRechnung mit 80 Elementen steht dem kaum nach, obwohl ein ganz anderes Modell (Polygon aus geraden Trägern) berechnet wurde. In bei den Fällen erübrigt sich eine genauere Rechnung.
Exakt
Differenzenverfahren IIA
vF[mmJ Fe [kNJ Me [kNmJ
= = =
-0,9419 6,366 -1,454
= 80
-0,9420 6.367 -1,453
I1A
= 160
-0,9414 6,366 -1,453
FEM-Rechnung 160 Elemente
80 Elemente -0,9450 6.359 -1,457
-0,9451 6,358 -1,457
Abbildung 19.24: Die sicherste Variante zur Bestätigung der Ergebnisse: Berechnung nach verschiedenen Verfahren mit unten;chiedlichen Software· Produkten
19.4 Aufgaben
341
19.4 Aufgaben
~,
I
Altfgabe 19.1: I_ _ _ _ _..... Der skIzzIerte Kragträger mit T -fömligem Querschnitt ist durch zwei Einzelkräfte belastet. Man ermittle Ort und Größe der maximalen Biegespannung. Gegeben:
F, I.
öl
,y I 2
"
I
'"
a
"' I
Cl.
ö
;;:
3a
I
Altfgabe 19.2: I_ _ _ _ _..... EIß B,egeträger mit DreIecksquerschnitt (rechtwinkliges gleichschenkliges Dreieck) ist bei A starr eingespannt und nur durch sein Eigengewicht (Dichte p) belastet. Gegeben:
I = 80cm Cl= 2cm
A
a
p = 7, 85 g/cm 3 E=2, 1·lOs N/mm 2 .
Man ermittle a) die Biegespannungen an den drei Eckpunkten des Einspannquerschnitts, b) die Lage der SpannuJlgs-Null-Linie. c) Größe und Richtung der Gesamtverschiebung des freien Trägerendes.
I
Altfgabe 19.3: I_ _ _ _ _..... Die auf elastIschem Untergrund liegenden Schwellen eines Schienenweges werden wie skizziert über die Schienen durch zwei Kräfte F belastet. I Gegeben: F, EI = konstant, I. Cl = 4: ' Cl)
2 "
,
-a-
EI '>/-/
k
,
~
S /'
;-
-a -
Für die exakte Lösung müsste unter Ausnutzung der Symmetrie die allgemeine Lösung 19.6 der Differenzialgleichung für zwei Bereiche (mit 8 Integrationskonstanten) aufgeschrieben werden. Die erforderlichen Rand- und Übergangsbedingungen für die Berechnung der Integrationskonstanten sind zu formulieren.
b) Mit Hilfe des Differenzenverfahrens sind die Verformung und der BiegemomentenverJauf zu
ermitteln. c) Die unter b ermittelten Ergebnisse sind durch eine FEM-Reehnung mit einem geeigneten
Programm zu bestätigen (siehe z. B. www.TM-interaktiv.de).
342
19 Spezielle Biegeprobleme
I Aufgabe 19.4:
I
Die Ennittlung der größten Beanspruchung in einem Kranhaken (Beispiel 3 im Abschnitt 19.3.2 auf Seite 331) zeigte, dass ein Rechteckquerschnitt günstiger als ein Kreisquerschnitt (bei gleicher Querschnittsfläche) ist. Es ist zu untersuchen, ob auch die Verwendung eines elliptischen Querschnitts anstelle eines Kreisquersehnittes zu einer geringeren Maximalspannung fuhrt, wenn die Querschnittsflächen gleich sind (gleicher Materialeinsatz) und der Krümmungsradius R beibehalten wird. Gegeben:
-0 N
I
,
R, r=0.5R.
a) Man ermittle die I\-Werte für einen elliptischen Querschnitt nach der Formel 19.17 mit Hilfe
eines geeigneten Computerprogramms (vgl. www.TM-aktuell.de) für unterschiedliche Werte a
R'
b) Man berechne das Verhältnis der betragsmäßig größten Biegespannung bei elliptischen Quer-
schnitten zu der betragsmäßig größten Biegespannung bei einem Kreisquerschnitt mit dem gleichen Flächeninhalt für verschiedene Formen der Ellipse = 2; 1,5; 0,5).
(*
IAufgabe 19.5: I Eine Kette besteht wie skizziert aus kreisringförmigen Gliedern. Wegen der doppelten Symmetrie braucht für die Verformungs- und Spannungsberechnung nur ein Viertel eines Gliedes betrachtet zu werden. Die Skizze oben rechts zeigt ein Viertel eines Kettengliedes mit der halben Belastung und den beiden Lagern, die die in Symmetrieschnitten möglichen Verschiebungen zulassen. In die Skizze unten rechts sind die in den Symmetrieschnitten wirkenden Kräfte und Momente eingezeichnet. Da die Kraft-Gleiehgewichtsbedingungen bereits erfüllt sind, bleibt bei zwei unbekannten Momenten nur eine Gleichgcwichtsbedingung: Das Problem ist einfach statisch unbestimmt. Gegeben:
F; R;
r
R = 0,25;
E.
Man berechne mit dem Differenzenverfahren a) die Verformungen eines Kettengliedes infolge der Kraft F, b) den Biegemomentenverlauf und Ort und Größe des absolut größten Biegemoments.
Weitere Aufgaben findet man imlnternet unter www.TM-aktueU.de.
20 Querkraftschub Die Querkraft FQ ist senkrecht zur Trägerlätlgsachse gerichtet. Die in der Querschnittsftäche liegende Kraft ist die Resultierende der Schubspannungen, die in dieser Fläche wirken.
20.1 Ermittlung der Schubspannungen Für die Berechnung der Spannungen, die der Querkraft äquivalent sind, werden folgende Annahmen getroffen:
<> <> <>
Die Querkraft wirkt in Richtung einer Hauptzentralachse des Querschnitts. Es werden nur die Schubspannungskomponenten betrachtet, die einer Querkraft äquivalent sind (gegebenenfalls muss eine zweite Rechnung mit der anderen Querkraft des Querschnitts ausgeführt werden).
Die Schubspannungen, die durch die Querkraft hervorgerufen werden, sind wie die Biegespannungen ab über die Querschniusbreite konstant. Da diese Bedingung im Allgemeinen nicht exakt erflillt ist, werden im Folgenden stets die Mittelwerte der Schubspannung über die Querschnittsbreite berechnet.
dz
-I
-y
-
~_
(J
b
-
Q:~o~~) _____ (Jb
(Jb
Abbildung 20.1: Nomlal- und Schubspannungen.m differenziell kleinen Element
An einem differenziell kleinen Element der Länge dz, das aus dem Träger herausgeschnitten wird (Abbildung 20.1), wirken die Schnittgrößen Mb und FQ . Die durch M" hervorgerufenen Biegespannungen sind über die Höhe (in y-Richtung) linear veränderlich, die Art der Veränderlichkeit der Schubspannungen t:y ist zunächst nicht bekannt (Hinweis zu den Indizes von t: Der erste
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_20, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
344
20 Querkraftschub
Index kennzeichnet die Schnittfiäche durch die Koordinate, die senkrecht zur Fläche gerichtet ist, der zweite Index bestimmt die Richtung der Schubspannung). In der Abbildung 20.1 sieht man, dass aus dem differenziell kleinen Element der Länge dz in vertikaler Richtung noch einmal ein Element mit der Höhe dy herausgeschnitten wird (Abbildung 20.2). Die Spannungen an den Schnittfiächen bdy können zu Kräften zusammengefasst werden (b ist dje Breite des Trägers). Es ist erkennbar, dass an dem Element dz . dy das Momentengleichgewicht (z. B. um den Mittelpunkt) nur erfüllt sein kann, wenn auch in den horizontalen Schnittfiächen Schubspannungen wirken, die nach der getroffenen Vereinbarung mit 'ryo bezeichnet werden. Die Momentwirkungen der Normalspannungen heben sich (bis auf Anteile, dje von höherer Ordnung klein sind) auf, und man erhält fLir das Momentengleichgewicht um den Mittelpunkt des Elements:
Abbildung 20.2: Element dz· dy Alle Abmessungen fallen aus dieser Beziehung heraus, und man erhält als allgemeingültige Aus-
sage das Gesetz der zugeordneten Schubspannungen: (20.1) Die Schubspannungen in zwei senkrecht aufeinander stehenden Schnittllächen sind gleich groß (und entweder beide zur gemeinsamen Kante dieser Schnittflächen gerichtet oder beide von der Kante weggerichtet). Dass Schubspannungen auch in den Längsschnitten eines Biegeträgers auftreten, lässt sich recht gut veranschaulichen (Abbildung 20.3): Werden zwei übereinander liegende Träger auf Biegung belastet, so verschieben sie sich gegeneinander. Wenn sie verbunden werden (Schweißen, Kleben, Nieten, ....), so wird diese Verschiebung durch die in der Verbindung hervorgerufene Schubspannungen verhindert.
Abbildung 20.3: Im kompakten Träger (rechts) verhindern Schubspannungen das Abscheren der Sch.ichten Es soll nun die Schubspannung an einer beliebigen Stelle y des Querschnitts bei z berechnet werden (die Indjzes fllr die Schubspannung werden jetzt weggelassen, weil ohneh.in fUf die beiden betrachteten Schnitte die gleichen Werte gelten). Dazu wird eine differenziell kleine Scheibe des Trägers (Dicke dz) noch einmal in der Höhe y zerschnitten, so dass sie in zwei Teile zerfallt (Abbildung 20.4).
20.1 Enniltlung der Schubspnnnungen
345
.... dz
"
-' Tb dz
Resultierende der Biegespannung
über A infolge bzw.
Tbdz
dz
Abbildung 20.4: Berechnen der Scbubspannungen in Abbängigkeit von y Am unteren Teil wirken in horizontaler Richtung (z-Richtung) die Biegespannungen der anteiligen Fläche Ä und die Schubspannungen der Fläche bdz. Die Biegespannungen werden am linken Schnillufer durch das Moment Mb, am rechten Schnittufer durch (Mb +dMb) hervorgerufen. Die Spannungen infolge Mb heben sich gegenseitig auf, so dass das Gleichgewicht in z-Richtung durch die Resultierende der Schubspannungen T bdz und die Resultierende aus den Nonnalspannungen infolge dMb hergestellt werden muss. Die Spannung infolge dMb an einer beliebigen Stelle y innerhalb Ä en·echnet sich nach der Biegespannungsformel 16.3, wobei Mb durch dMb ersetzt werden muss. Der Querstrich bei y wird verwendet, weil y bereits vergeben ist für die Kennzeichnung des horizontalen Schnitts (y und y zählen beide vom Schwerpunkt der Gesamt-Querschninsfläche positiv nach unten). Die Intey über die Fläche Ä liefen die resultierende Kraft, die der gration dieser Biegespannungen Schubspannung im horizontalen Schnitt das Gleichgewicht hält:
Tbdz=
J
dMb - = dMb ydA -
A
Ixx
Ixx
Das Integral
5., =
J ydA
A
J
ydÄ
A ist das aus dem Abschni1l4.2 als Formel 4.8 bekannte statische Moment der Fläche Ä, das sich hier auf die durch den Schwerpunkt der Gesamt-Querschnittsfläche verlaufende x-Achse (senkrecht zur y-Achse) bezieht. Damit wird aus der Gleichgewichtsbedingung in z-Richtung (nach Division durch bdz):
dM" S,. dz bl.",
T=----
und mit
'!IJf =
FQ (vgl. Abschnitt 7.2) ergibt sich die Formel für die Berechnung der
346
20 Querkraftschub
FQ5x T=--
Schubspannung infolge Querkraftbelastung:
(20.2)
bIll
• FQ(z) ist die Querkraft in der SchnittRäche bei z und (<< das Flächenträgheitsmoment diescr Fläche bczüglich der durch den Flächenschwerpunkt (senkrecht zur FQ-Richtung) verlaufenden Hauptzentralachse x (Biegeachse). • Die Breite des Querschnitts b(y) darf veränderlich sein. Die y-Achse beginnt im Schwerpunkt der QuerschniusRäche und steht senkrecht auf der x-Achse. • Sx(y) ist das statische Moment einer Teilquerschnil1sjläche. die durch die Parallele zur x-Achse bei y vom Gesamtquerschniu abgetrennt wird. SAy) bezieht sich auf die SchwerpUllkrachse des Gesall1fquerschllil1s (x-Achse).
oe:> Wenn die Lage des Schwerpunkts einer der beiden Teil-
querschnittsftächen bekannt ist. kann S,(y) vereinfacht nach berechnet werden (al und a2 sind die Abstände der Schwerpunkte der Teilnächen AI bzw. A2 vom Schwerpunkt der GesamtRäche, Abbildung 20.S). oe:> Die Querschnittskennwerte (5x , b, I"x) sind positiv in
die Schubspannungsformel 20.2 einzusetzen, die Riche tung der Schubspannungen wird ausschließlich durch Abbildung 20.5: Vereinfachte Bedas Vorzeichen der Querkraft FQ bestimmt. rechnung des statischen Moments Sx oe:> Die für einen y-Wert des Querschnitts errechnete Schubspannung gilt jeweils auch für einen Längsschnitt des Trägers (Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen). Beispiel J:
I
I_ _ _ _...I Der skiZZierte Kragtrager mtt Rechteckquerschnitt wird durch die Kraft F belastet. Dann wirkt in allen Querschnittcn die Qucrkrafl
I
'1 F ~~: ~-----I
FQ=F
('.hn)n'~ I~
Die Breite b des Querschnitts ist konstant, und fLir x I das Flächenträgheitsmoment des gesamten Recht~ eckquerschnitts gilt nach der Tabelle im Abschnitt ~ I 16.2.2: bh 3 b Ill = 12 Das statische Moment des schraffierten Teilrechtecks bezüglich der x-Achse errechnet sich aus dem Produkt "Teilftäche . Schwerpunktkoordinate der Teilftäche":
(h )
y+g 5 (y)=b --y = "
2
2
(h- - y2) -b 2
4
2
20.1 Enniulung der Schubspnnnungen
347
Damit erhällman die Schubspannungsverteilung über die Höhe des Rechteckquerschnitts:
r(y)
=
~
2
[I -4 (~)2] !.h
bh
Der quadratische Verlauf (nebenstehende Skizze) hat die Randwerte
r(y=±D =0 und den Maximalwert in der Schwerpunktfaser: r",ax =
r(y = 0)
3 F
= - 2 bh
Diese Schubspannung wirkt nach dem Gesetz der zugeordneten Sehubspannungen aueh in einem Horizontalschnitt des Trägers (Abbildung 20.6). Sie muss besonders dann beachtet werden, wenn dieser Längsschnitt z. B. eine Kleb-, Schweiß- oder Nietver- Abbildung 20.6: Schubspnnnungen in Biegeträgern sind eigentlich bindung ist. nur dadurch gefährlich, weil sie auch in Längsschnitten wirken Falls ein Balken aus mehreren Teilen zusammengesetzt wird, sollte die Fuge nicht in Höhe des Gesamtschwerpunktes der zusammengesetzten Fläche gelegt werden.
I Beispiel 2:
I
8a I
y
IF RA
B2..
cl M
" cl
1/4
""
31/4
1
Gegeben:
F
I
a
I, a.
Ein T-Träger wurde aus zwei Reehleckprofilen so zusammengeschweißt, dass die Naht eine Verbindung über die gesamte Stegbreite a herstellt. Für die in der Skizze angegebene Lagerung und Belastung ist die größte Schubspannung in der Schweißnaht zu ermitteln. Mit den Lagerreaktionen FA =
3
4 Fund
Fß =
4F
ergibt sieh der nebenstehend skizzierte Querkraftverlauf mit der maximalen Querkraft
3
F.Q/lULl'=-F , 4
+
3F/4
- F/4 Abbildung 20.7: Querkraftverlauf
348
20 Querkraftschub
Nach dem im Abschnitt 16.2.6 beschriebenen Algorithmus werden Schwerpunkt (bezogen auf das nebenstehend skizzierte x-yKoordinatensystem) und Flächenträgheitsmoment der Gesamtfläche (bezogen auf das x-y-Koordinatensystem) berechnet:
Y5=2,40
lu= 133,20
<:j
\O~,
o
I
,.,.,<:j
4
,
x
S
'l SStCg
I
Die Schweißnaht liegt also im Abstand
ly.y -.-J
y=0,6a
vom Schwerpunkt der Gesanllfläche, und das in die Formel 20.2 eingehende statische Moment der Teilfläche kann entweder für den Flansch oder den Steg (jeweils bezogen auf die x-Achse) berechnet werden. Für den Steg ergibt sich z. B. folgende Rechnung:
s.,(y = 0,60) = 60 2 (0,60. + 30.) = 21,60. 3 Mit den ermittelten Querschnittswerten, der maximalen Querkraft und der Breite b = 0. an der Nahtstelle erhält man die maximale Schubspannung in der Schweißnaht nach 20.2:
F
'fNaht,max
= 0 1216 2
Sie tritt im Nahtbcreich zwischen dem Lager A und der Kraft F auf. Die Darstellung des Schubspannungsverlaufs in Abbildung 20.8 über die gesamte Höhe des Querschnitts zeigt den für Rechteckquerscnnitte typischen parabolischen Verlauf in beiden Bereichen mit einem relativen Maximum im Schwerpunkt (dort ist das statische Moment der Teilfläche am größten).
1
0.
s
x
IY
U Abbildung
20.8:
Schubspannullgsverlauf
im
Querschnitt mit Unsteligkeitsstelle
Der krasse Spn1l1g an der Übergangsstelle (bedingt durch die sich sprunghaft ändernde Breite) gibt Anlass, die Gültigkeit der Voraussetzungen dieser Berechnung noch einmal zu diskutieren. denn speziell die gleichmäßige Verteilung der Schubspannung über die Querschnittsbreite wird im viel breiteren Flansch in der Nähe der Übergangsstelle nicht realistisch sein. Vielmehr gilt:
c:> Genauere Untersuchungen zeigen, dass bei breiten Trägern die Schubspannungen sich nicht gleiChmäßig über die Breite verteilen. Sie sind am Rand etwas größer als in der Mitte, nach der Formel 20.2 wird ein über die Breite genommener Mittelwert errechnet. Dies hat im Allgemeinen wenig praktische Bedeutung. da bei breiten Trägern die Schubspannungen natürlich entsprechend klein (und damit meist unbedeutend) sind (vgl. das gerade behandelte Beispiel, bei dem die Schubspannungen nur in dem schmalen Steg bedeutsam sind) .
•-:> Eine besondere Betrachtung erfordern die so genannten dünnwandigen offenen Profi le, bei denen (im Gegensatz zum gerade behandelten Beispiel) die "breiten" Querschnittsabschnitte eine sehr kleine Höhe haben (z. B. T -,1- und U-Prolile). Diese werden deshalb im nächsten Abschnitt gesondert behandelt.
349
20.2 Dünnwandige offene Profile, Schubmiuelpunkl
20.2 Dünnwandige offene Profile, Schubmittelpunkt An dem in Abbildung 20.9 skizzierten I-Profil wird gezeigt, dass in den Flanschen auch in vertikalen Längsschnitten aus Gleichgewichtsgründen Schubspannungen wirken miissen. Dazu wird ein differenziell kleines Element (Länge dz) betrachtet, an dessen Schnillufern die Biegespannungen cr bzw. (cr +dcr) wirken (in der Skizze sind die Spannungspfeile nur für die Flansche eingezeichnet, wobei willkürlich angenommen wurde, dass oben eine Druekspannllng und unten eine Zugspannung wirkt).
Abbildung 20.9: Auch im vertikalen Schniu durch einen Flansch wirken Schubspannungen Wenn Streifen der Flansche von dem Element abgeschnitten werden (Abbildung 20.9, rechts), dann wird deutlich, dass in den (vertikalen) Schnitten Schllbspannungen wirken müssen, die mit den dcr-Anteilen der Biegespannllng das Kraft-Gleichgewicht in Träger-Längsricbtung herstellen. Wie bei der Herleitllng der Formel 20.2 im vorigen Abschnitt werden diese Biegespannungsanteile dcr = d~;, Y über die Fläche s'/ integriert und mit der resultierenden Kraft der Schubspannungen in der F1äcbe dz·/ gleichgesetzt. Wenn konstante Schubspannung über die Flanschdicke / vorausgesetzt wird (bei dünnwandigen Profilen natürlich erlaubt), ergibt sich mit FQSx
'l:= -
(20.3)
I/xx
eine Formel, die wie 20.2 aufgebaut ist und mit t die Flanschdicke (anstelle der Querschnittsbreite b) und mit Sx wie die Formel 20.2 das statische Moment der abgeschnittenen Fläche bezüglich der Biegeachse x enthält (Abbildung 20.10).
s I
x
x
I
Abbildung 20.10: Statisches Momcnt flir einen Schnitt eines dünnwandigen Profils
Natürlich wirken Schubspannungen der gleichen Größe (Gesetz der zugeordneten Schubspannungen) auch in den QuerschniusAäehen. Da die Schubspannllngen an den Rändern des Flansches gleich Null sind, werden sie mit wachsender Koordinate s (und damit größer werdendem statischen Moment der TeilAäche) nach innen größer. Ihre Richtung weist an einem Flansch (abhängig davon, ob die Biegespannung im Flansch Zug oder Druck ist) entweder zum Steg hin
20 Querkraftschub
350
oder vom Steg weg, im Steg stimmt die Schubspannungsrichrung mit der Richrung der Querkraft an dem entsprechenden Schnittufer überein. Die Abbildung 20.11 veranschaulicht, wie die Schubspannuogen über die Querschnittsnäehe "fließen". wobei die über bzw. unter den Flanschen und rechts vom Steg angedeuteten Funktionen die Intensität verdeutlichen. Da in die Formeln 20.2 bzw. 20.3 jeweils das statische MomeOl der gesamten Teilfläche eingeht, die durch einen Längsschnitt bei y bzw. s abgetrennt wird, ist klar, dass die Summe der am Steg "zusammenfließenden" Aoteile dem Wert am Anschlusspunkt im Steg eotspriebt. Wegen der vorausgesetzten Dünnwandigkeit sind die an dieser Steile nicht mit der Herleitung übereinstimmenden Voraussetzungen (im Flanschteil über bzw. unter dem Steg schneidet ein vertikaler Schnitt keine Scheibe des Flansches ab) vemaehlässigbar.
I· -
-I
d 11 1
" " I
Ie..
-
---:1
Abbildung 20.11: Schubspannungsfluss
'e:> Für dünnwandige Querschnitte (im betrachteten Beispiel: , ist klein im Vergleich mit Steghöhe und Flanscbbreite) werden nur die Scbubspannungen Ül die Rechnung einbezogen, die parallel zur Profil-Mittellinie gerichtet sind. Für das I·Profil bedeutet dies z. B., dass in den Flanschen keine vertikalen Schubspannungen. wie sie sich nach 20.2 durchaus ergeben würden, berücksichtigt werden. oe:> Da nur die durch die Querkraft hervorgerufenen Schubspannungen betrachtet wurden, müs-
sen sie der eingeleiteten Querkraft äquivalent sein. Für das behandelte Beispiel bedeutet das, dass die Resultierende aus der Schubspannung im Steg die Querkraft ist. Die Schubspannungen in den Flanschen bilden beim I-Profil ein Gleichgewichtssystem, was leider nicht bei allen Profilformen der Fall ist (vgl. nachfolgendes Beispiel). oe:> Für dünnwandige Profile darf auch das Flächemrägheitsmomel1t vereinfacht berechnet wer-
den. Für das I-Profil werden der Anteil des Stegs und für die Flansche nur die "SteinerAnteile" berücksichtigt, weil der ,3-Faktor die Anteile bezüglich der Flansch-Schwerpunktachsen verschwiodend klein macht. Der Praktiker geht häufig noch einen Schritt weiter und bezieht auch den (speziell bei breiten Flanschen deutlich kleineren) Anteil des Stegs nicht mit ein (und liegt damit auf der sicheren Seite): "Bei I·Profilen nehmen die Flansche die Biegung und der Steg die Querkraft auf." Eine nennenswerte Erleichterung bei der Rechnung bringt diese weitere Vereinfachung jedoch nicht und wird deshalb im Folgenden nicht verwendet. b
I
Beispiel: I_ _ _ _ Fiir das sk,zzlene dünnwandige Profil Ist der Verlauf der Schubspannungen infolge einer venikal nach uoten gerichteten Querkraft zu ermitteln. Gegeben:
h. b, (<
20.2 Dünnwandige offene Profile, Schubmiuelpunkl
351
Das Flächenträgheitsmoment der Gesamlfläche wird vereinfacht aufgeschrieben (für die Querriegel werden nur die Steiner-Anteile berücksichtigt):
f",=2/b (
11)2
1113
111 2
2 +\2 = \2 (6b+17)
Es werden die nebenstehend skizzierten Koordinaten s, und S2 verwendet. Die in 20.3 für die beiden Abschnitte eingehenden statischen Momente bezieben sich jeweils auf die Linie x-x und sind für die schraffie,1en Flächen aufzuschreiben:
, s, ,C2:J
~
x
j
t:'
"" ,X
X
X
17
5,,=IS,2 52x = Ib-11 +IS2 2
(h-2 - -S2) 2
1 , = -(bl1+17s, -Si)
2
-
Damit erhält man die Schubspannungsverläufe in den beiden Abschnitten:
Der lineare ,,-Verlauf hat sein Maximum an der Ecke:
'l.m", =
111(6b+l1)
Mit dem gleichen Wert startet der parabolische mum im Symmetrieschnitt hat: '2
'2- Verlauf rur den vertikalen Teil, der sein Maxi-
3FQ(4b+h) .max -- --:'-7:c:--,--.,.+ 2/17(6b+h)
1m unteren Querriegel iSl der Verlauf analog zum oberen Querriegel, allerdings mit entgegengesetzter Richtung, so dass die Sehubspannungen keine horizontal gerichtete resultierende Komponente erzeugen (Abbildung 20.12). Die vertikal gerichtete Resultierende der Sehubspanrepräsentiert) ist nungen (hier ausschließlich durch die Querkrafl FQ selbst, wovon man sich durch Integration des T2- Verlaufs über die Höhe leicht überzeugen kann.
'2
~TI,max
s
Abbildung 20.12: Die Schubspannungen infolge der Querkraft erzeugen in einem UProfil ein Moment um den Schwerpunkl
Die Abbildung 20.12 verdeutlichl allerdings, dass die Schubspannungen ein Moment um den Schwerpunkt des QuerSChnitts hervorrufen. Die Wirkungslinie der Querkraft, die diesen Sehubspannungen äquivalent ist, kann also nicht durch den Schwerpunkt des Querschnitts gehen.
20 Querkraftschub
352
Der Punkt des Querschnitts, durch den die Wirkungslinie der Querkraft tatsächlich verläuft, der so genannte Schubmiuelpunk/ T, kann durch eine Äquivalenzbetrachtung ermittelt werden: Das Moment der Querkraft (um einen beliebigen Punkt der Querschnittsebene) muss gleich dem Moment der aus den Schubspannungen rcsultierenden Kräften sein. A Als Bezugspunkt bietet sich der Punkt A an (Abbildung 20.13), weil nur die Resultierende der Schubspannungen des lmteren I FQ) Querriegels eine Momel1lwirkung um diesen Punkt hat. Diese ist I s T für die linear veränderliche '!I-Funktion leicht zu ermitteln. MoN mentwirkungen aus Schubspannungen und Querkraft sind äqui~ I valent, wenn
I
, I
~
xr
I 3FQb 2 FQXT = -2 '!I pw.' bt h = -6--
b+h
Abbildung 20.l3: Berech-
gilt. Daraus errechnet sich der Abstand des Schubmittelpunkts T von der vertikalen Profil-Mittellinie:
nung des Schubmittclpunk-
(es aus Äquivalenz der Momente um den Punkt A
Aus diesem Beispiel kann man eine allgemein gültige Definition ableitcn: Der Schubmittelpuukt eines Profils ist derjenige Punkt. durch den die WirkungSlinie der Querkraft verläuft. Er ist im AlIgemcinen nicht mit dem Flächcnschwcrpunkt idcntisch Bei symmetrischen Querschnitten liegt der Schubmittelpunkt auf der Symmetrielinie und fällt bei doppelt-symmetrischen Querschnitten mit dem Schwerpunkt zusammen.
<>
Dic Abbildung 20.1.4 zeigt die Konsequenz dieser Erkenntnis: Die äußere Kraft F an dem skizzierten TrägerAbschnitt, die (wie fUr alle Biegeträger-Probleme bisher immer vorausgesetzt) in der Schwerpunkt-Ebene angreift, kann mit den Schnittgrößen nur ein Gleichgewichtssystem bilden, wenn im Schnitt zusätzlich zur Querkraft FQ noch ein um die Träger-Längsachse drehendes Torsionsmoment MI wirkt. Da im folgenden Kapitel gezeigt wird, dass gerade solche dünnwandigen offenen Profile sehr empfindlich gegen Torsionsbelastung sind, ist dies ein höchst unangenehmer Effekt, der möglichst vennieden werden sollte.
F~
Abbildung 20.14: Gleichgewicht kann nur dmch ein zusätzliches Torsionsmoment hergestellt werden
Um für den in Abbildung 20.14 skizzierten Träger Torsionsfreiheit zu garantieren, muss die belastende Krafl F .. neben dem eigentlichen Querschnitt" angreifen, wie es die Abbildung 20.15 zcigt. Die (Querkraft-)Schubspannungen in der Schnittiläche bilden dann mit der äußeren Kraft ein Gleichgewichtssystem.
353
20.2 Dünnwandige offene Profile, Schubmiuelpunkt
'" '"
'" '" '"
I~t I
)
""
"'"
I
Abbildung 20.15: Mit einem (eher zweifelhaften) konstruktiven Trick kann auch der Querschnitt eines offenen dünnwandigen Profils torsionsfrei bleiben
Im Allgemeinen ist ein Konstrukteur gut beraten, wenn er solche Probleme umgeht (Einbau des Profils um 90° gedreht, Verwendung anderer Profile, Zusammensetzen von mehreren Profilen zu symmetrischen Querschnitten, ...).
e:> Bei einigen Profilen ist das Lasteinleitungsproblcm wesentlich einfachcr lösbar, weil der Schubmittelpunkt innerhalb der QuersehnitLsnäche liegt. Aus dem oben demonstrierten Algorithmus zur Ermittlung des Schubmittelpunkts (MomentenÄquivalenz) folgt, dass für die beiden in der Abbildung 20,16 skizzierten Profile die Schubmittelpunkte nur im Schnittpunkt der Profil-Mittellinien liegen können.
'--_--,e
T
Abbildung 20.16: Für T- und L-Profile liegen die Schubminelpunkte im Schnittpunkt der Profil-Miuelliuien
e:> An dieser Stelle fördert es sicher das Verständnis, eine in der Technischen Mechanik übliche (und auch in diesem Buch immer wieder verwendete) Formulierung zu diskutieren: "Die Schnittgräßen rufen im Querschnitt Spannungen hervor", ist eigentlich nicht korrekt. Die Spannungen sind unmittelbare Folge der Verzerrungen, die durch die äußere Belastung verursacht werden. Die SchniLLgrößen sind als Resultierende dieser Spannungen fiktive Größen, die allerdings außerordentlich nützlich auf dem Weg zur Spannungsberechnung sind. Weil der Weg zu den Spannungen in einem Träger fast immer über die Schnittgrößen führt, soll die oben zitierte Formulierung auch weiter gestattet sein.
e:> Als Konsequenz gilt für die Schubspannungsberechnung: Die Querkräfte werden in der Schnilljläche immer so angetragen, dass ihre Wirkungslinien durch den Schubmittelpllnkt gehen (über das Antragen des Torsionsmoments braucht keine Vereinbarung getroffen zu werden, weil Momente auch senkrecht zur Drehachse verschoben werden dürfen). Wenn die G1ciehgewichtsbedingungen auch ein Torsionsmoment liefern, ist neben der Berechnung der Querkraftschubspannungen noch eine SchubspaJltlUngsbcrechnung infolge Torsion (Kapitel 21) erforderlich. Zur Berechnung des Torsionsmoments wird eine MomentenGleichgewichtsbedingung bezüglich einer Achse durch den SehubmiLtelpunkt des Querschnitts empfohlen, in die die Querkräfte nicht eingehen.
354
20 Querkraftschub
20.3 Schubspannungen in Verbindungsmitteln Werden Längsfugen in Trägem durch Verbindungsmittel (Nägel, Niete, Diibel, Bolzen, Schrauben, Schweißnähte ...) iiberbriickt, die ein Verschieben der Trägerteile gegeneinander verhindern, so miissen diese die in der Fuge wirkenden Scbubspannungen aufnehmen. Diese stellen in den meisten Fällen die wesentliche Belastung des Verbindungsmittels dar. Wenn es sich um eine flächenhafte Verbindung handelt (Klebeftäche, Reibschweißftäche, ...), können die zu iibertragenen Schubspannungen wie in einem kompakten Träger berechnet werden. Sind die Trägerteile nur an diskreten Stellen verbunden, so muss die mü einem Vergleichsträger w bcrechncnde Schubspannung auf die (in der Regel kleinere) Scherftäche dcs Verbindungselementes umgerechnet werden. Dieses Vorgehen soll an zwei Beispielen erläutert werden.
I
Beispiel 1: I_"";_ _...1 Der aus zwe, Rechteckquerschnitten zusammengefügte Träger überträgt am Übergang beider Querschnitte eine Schubspannung, die sich für den kompakten Träger für jede Stelle der Fuge nach 20.2 berechnen lässt: 'TFuge
=
'" I'" I'
A
FQSx.Fuge
bI
+
xx
Es wird nun angenommen, dass die beiden Trägerteile nur an sieben äquidistanten Stellen verbunden sind. Dann werdcn die Schubspannungen einer Scherftäche, die man dem "Einzugsbereich" eines Verbindungsmütels zuordnen kann, zu einer Scherkraft zusammenge-
Abbildung 20.17: Velteitung der Sehubspannung auf 7 Scher~ächcn
fasst, wie es die Abbildung 20.17 andeutet. Für den linken Bereich mit konstanter Querkraft (und damit wegen der konstanten geometrischen Paramcter auch mit konstanter Schubspannung) ergibt sich diese Scherkraft aus dcr Multiplikation dcr Schubspannung mit der Scherftächc, im rechten Bereich mit veränderlicher Querkraft (bzw. Schubspannung) muss über die Fläche integriert werden, für die skizzierten Flächen 2 bzw. 6 also z. B.:
Die Schubkräfte ergeben sich vorzeichenbehaftel (die Abbildung 20.17 zeigt die tatsächlichen Richtungen), fiir die Berechnung der Spannungcn ist nur ihr Betrag interessant.
20.3 Schubspannungen in Verbindungsmiueln
355
Bei einem Bolzen pro Feld (Abbildung 20.18 oben) ergibt sich die zu iibertragende Spannung aus dem Quotienten von Scherkraft und Querschnittsftäche des Bolzens: 'fBoh.efl. i
Bolzen
/
IFsil
=
d2
11 4
Wenn die beiden Trägerteile in jedem Feld durch zwei Schweißnähte der Länge lu und der Nahtbreite Go verbunden sind (Abbildung 20.18 unten), iibertragen diese die Schub-
Schweißnähte
, (Länge lo, Breiteao)
spannung '!NlIhl.i =
I
IFsd 210 0 0
Wenn die Schweißnähte auf beiden Seiten iiber die gesamte Trägerlänge (ohne Unterbrechung) ausgefiihrt wären, könnte der Umweg über die Scherkräfte unterbleiben, weil die nach 20.2 berechnete Schubspannung einfach mit dem Verhältnis der fiktiven zur tatsächlichen Scherbreite ,/L multipliziert ~lIo werden könnte.
[Beispiel 2:
2
20.18:
l/3
'Fuge. I = 3
bl"
Verbindung
durch Bolzen bzw. Schweißnähte
~s
.
2l/3
X
~-
Fuge
2 F Sx.Fug,.
3F I
FQ2 =
Abbildung
.
~F
I
In dem außernutlJg belasteten Träger sind die Querkräfte und damit die Schubspannungen in der Fuge links bzw. rechts von der Kraftangriffsstelle jeweils konstant: FQ1 =
(Durchmcsserd )
Ft3 2Ft3
1 F Sx,Fuge
3F
'Fu"e.2 = 3
bl
.cr
Die Schubkräfte in der Fuge dürfen durch Multiplikation der Schubspannungen mit den Scherllächen aufgeschrieben werden:
~uge.2
I 2 Sx.Fugel Fs I = 'Fuge, I - lb = - F -,-'-'-'''-
3
9
I xx
2
2
Sx.Fugel I xx
FS2 = 'Fuge,2 3 lb = SI F
Abbildung 20.19: Velteilte SchubbelaslUng in der Fuge (z.B in einer Klebefläche)
Die Gleichheit der beiden Schubkräfte überrascht nicht, weil sie aus Gleichgewichtsgründen (Abbildung 20.19 unten) unumgänglich ist. Sie bedeutet. dass bei Verbindung durch diskrete Verbindungsmittel in beiden Absehn.itten jeweils die gleiche Anzahl zu verwenden ist, um alle mit der gleichen Schubspannung zu belasten.
20 Querkraftschub
356
20.4 Verformungen durch Querkräfte Im Folgenden werden zunächst die ausschließlich durch Querkriifte erzeuglen Velformungen betrachtet, obwohl natürlich die Querlcraftbelastung eines Trägers immer mit einer Biegemomentbelastung gckoppclt ist. Da wic bei der im Kapitcl 17 behandelten Verformung durch Biegemomente bei vorauszusetzender Kleinheit der Verschiebungen lineare Differenzialbeziehungen entstehen. dürfen die gesondert berechneten Biegemoment- und Querkraftverformungen zur Gesamtverformung addiert werden. Nach dem Hookeschen Gesetz 12.6 wird durch eine Schubspannung r eine Verzerrung hervorgerufen, die durch den Gleitwinkel y = beschrieben wird. Da die Schubspannung über die Trägerhöhe entsprechend 20.2 veränderlich ist, wird auch dieser Gleitwinkel veränderlich, und die ursprünglich geraden Seiten eines aus dem Träger herausgeschnittenen Elements müSsen sich verwölben, wie es die Abbildung 20.20 zeigt (in der Skizze sind die unterschiedlichen Gleitwinkel in Höhe des Schwerpunkts bzw. am oberen Rand angedeutet).
b
dz Abbildung 20.20: Verzerrung eines Elements infolge der mit y veränderlichen Schubspannung (keine Verzen"ung an den Rändern. maximale Verzerrung in der Schwerpunktfaser)
Dicsc Verwölbung kann im Rahmen der Theorie des geraden Trägers nicht berücksichtigt werden (genauere Verfomlungsberechnungen können für praxisnahe Probleme im Allgemeinen nur mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode ausgefUllI1 werden). Es wird deshalb nähenlllgsweise eine mittlere konstante Sehubspannung fangenommen (Abbildung 20.21), die dann einen konstanten Gleitwinkel y über die Quersehnittshöhe erzeugt. So bleiben die Querschnitte auch durch die Sehubspannungsverformung eben. Der durch diese NäherungsanJ1ahme erzeugte Fehler wird weitgehend dureh eine Korrektur der Querschnittsftäehe A ausgeglichen:
_ dz
_
dvs~
-ydz
Abbildung 20.21: NUherungSlmnahme ..MillleTe Schubspannung" - Konstanter Gleitwinkel
Die wirksame 5chubjläche As, auf die die mittlere Schubspannung wirkt. errechnet sich mit einem Korrekturparameter "s, der aus der Bedingung gewonnen wird, dass die bei der Verformung erzeugten Formänderungsenergien des realen bzw. gemittelten Schubspannungszustandes gleich sind. Dies wird im Kapitel 24 behandelt und führt auf folgende Formeln: A
As=lCs
A lCs =""2
in
J52
'A
~ dA b-
(20.4)
Das Trägerelement der Länge dz verformt sich zum Parallelogramm (Abbildung 20.21), wobei die Vertikalverschiebung sich vom linken zum rechten Rand des Elements um dvs = ydz ändert (der Index 5 soll andeuten, dass es sich um reinc 5chubvelformllng ausschließlich durch
20.4 Verformungen durch Querkräfte
357
die Querkraft handelt im Gegensatz zur Biegeveiformullg durch das Biegemoment). Die Verformungsberechnung wird nun besonders cinfach, wenn auch noch angenommen wird, dass die vertikalen Schniuflächen des Elements sich bei der Schubverfonnung nicht drehen, was immer dann der Fall scin wird, wenn dic Schniuflächen dcr Nachbarelememe auch ihrc vcrtikale Richtung behalten. Mit diesen Annahmen erhält man unter Verwendung des Hookeschen Gesetzes und mit 20.4 die Differenzialbeziehung für die VelfOnlllmg info/ge Querkraflbe/aslIlllg
dvs
dZ
_
=
t
y= C =
FQ GAs
=
KsFQ GA
(20.5)
die genau dann gilt (siehe nachfolgende Diskussion), wenn das Produkt GA im Nenner der rechten Seite, die Schubsleifigkeil des Trägers, und der Korrckturparamcter K;s konstant sind. Bei der Integration von 20.5 emsteht eine Integrationskonstante, die durch eine Verschiebungsrandbedingung bestimmt wird.
I
Beispiel 1: I'-"";_ _...J Für den skIzzierten Träger Ist dIe Schubverformung infolge der Querkraftbelastung zu ennittein. Die maximale Absenkung ist mit der durch das Biegemoment hervorgerufenen Biegeverformung zu vergleichen.
Gegeben:
,'.
F~10 ,
.
h I
z -b-
E, G, h, b, /.
Die Querschniuswerte und die Querkraft FQ = F sind konstant, so dass auf der rechten Seite von 20.5 eine Konstante steht. Der )(s- Wert ist nur von der Querschnittsform abhängig. Er wird nach 20.4 berechnet, wobei das Sx unter dem Integral wie in der Formel 20.2 das statische Moment der bei y abgetrennten Teil fläche bezüglich der Schwerpunktachse x ist (nebenstehende Skizze): A
K;s =
dA =bdy
h
f S~
f'
bh I [b( "2" b2 b2 dA = (bh,)2 . A 12 y=_g
'i,.
-
y ) 2"[ ( " 2"
Die Integration von 20.5 liefert damit
6F vs(z) = 5 Gbh Z wobei die Integrationskonstante wegen vs(z = 0) = 0 emnc!. Die Abbildung 20.22 zcigt diese Verformung infolge der Querkraft (Schubverformung).
+Y
)]2
:s
b dy = 6
F~
, /~""
Abbildung 20.22: Verfoll11Ung infolge Querkraflbelastung
Alle Trägerclemente erfahren die glciche VcrLcrrung, die Qucrschnitte bleiben in vertika)cr Lage und stehen also nicht (wie bei der Biegeverfon11ung) senkrecht zur Verforrnungslinie. Der Schubverformung Vs kann nun die Biegeverformung VB zur Gesamtverformung v überlagert werden. Für die Absenkung des Trägerendes z. B. erbält man mit der Biegeverformung, die der Tabelle im Abschnitt 17.4 Zlt entnehmen ist:
20 Querkraftschub
358
Vmax
=
VB.ma.<
+ VS. ma.< =
F/3
3Eb:~
6FI
+ 5Gbh
4Ft
3[
= Ebh3
I
3 E
(h)2]
+ loG I
c:> Der Faktor (~) 2 beim zweiten Summanden in der eckigen Klammer. der die Größenordnung des Schubverformungsameils charakterisiert, macht deutlich, dass dieser für schlanke Träger wesentlich kleiner als der Biegeanteil ist. Diese Aussage gilt allgemein.
c:> Dass die Trägerquerschnitte bei reiner Schubverformung ihre vertikale Lage beibehalten und Vs damit nach 20.5 berechnet werden darf, gi It auch für veränderliche Querkraft. Die Abbildung 20.23 zeigt dafür ein Beispiel. Die Ähnlichkeit von Schubverformungslinie und Biegemomentenverlauf ist durchaus nicht zufallig, denn bei konstantem Querschnin ist die Ableitung der Schubverformung der Querkraft proportional, die andererseits nach 7.1 auch die Ableitung des Biegemoments ist. Das Beispiel verdeutlicht allerdings ein neues Problem:
, , I , I , 1, I , , ,
,qo
~l: +
+ Abbildung 20.23: Die Schubverformung ist bei konstantem Trä.gerquerschnitt proportional zum Biegemomentenverlauf
Es gibt drei Rand- und Übergangsbedingungen (keine Absenkungen an den Lagern, gleiche Absenkungen an der Übergangsstelle), aber bei Integration in zwei Bereichen nur zwei Integrationskonstanten. Wenn man jedoch die Integrationskonstanten aus zwei Bedingungen errechnet hat, ist die dritte Bedingung identisch erfüllt. Das gilt natürlich alles nicht mehr bei veränderlichem Querschnitt, doch bevor man dafür nach (durchaus zu findenden) ReparalUr-Möglichkeiten sucht, sollte man beachten: Wenn die Schubverformungen überhaupt zusätzlich zu den im Allgemeinen deutlich größeren Biegeverformungen berücksichtigt werden sollen, dann sollten bei veränderlichen Querschninen die nachfolgenden Formeln verwendet werden (wegen der geringen praktischen Bedeutung wird auf eine Herleitung hier verzichtet). Differenzialgleichungen für die Berechnung der Gesamtverformung v infolge Biegung und Querkraftschub: Eivi =Mb
(20.6)
• v ist die Gesamt-Durchbiegung unter Wirkung von Mb und FQ ,
• lf! ist der Schrägstellungswinkel der eben bleibenden Querschnitte, die jedoch nicht senkrecht zur verbogenen Trägerachse stehen, so dass die Ableitung von v nicht identisch mit lf! ist.
20.4 Verformungen durch Querkräfte
359
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Für den sk,zzlelten Träger mIt stückweise konstantem Querschnitt kann die Berechnung der Gesamtverfomlung nach 20.6 in folgenden Schritten ablaufen:
KS'
2GA. 2EI
• Für heide Bereiche werden Querkraft- und Biegemomentenverlauf nach den vereinbal1en Regeln formuliert. Damit können die Differenzialgleichungen 20.6 aufgeschrieben werden:
2GA(v',
2 EI"'"
+ '1'1)
F
Ks-2 F
-Ks2
E1'IIz
• Es werden zunächst die beiden .. lI"-Gleichungen" integriert (es entstehen 2 lntegrationskonstantcn). die Ergebnissc werden in die heiden andcrcn Gleichungen cingcsctzt, die nach v' umgestellt und ebenfalls integriert werden. Es entstehen 2 weitere Integrationskonstanten. • Die 4 Integrationskonstanten werden aus folgenden Bedingungen bestimmt:
V,(ZI =0)=0
vz(zz=I)=O
VI(ZI =1)=v2(zz=0)
'1'1 (ZI = I) = 'l'z(zz = 0) (Schrägstellung der Querschnitte an der Übergangsstelle) • N ach etwas mühsanaer Rechnung erhält man:
3 KsF
V,(ZI) = 8GA z,
3
Fl + 24ET
[ZI
41
- (ZI1 )3]
3KSF FP [3+--6 Zz (ZZ)2 (ZZ)3] vzh)=--(t-zz)+-+2-
-
8GA
.
MEI
I
I
I
• Dic ersten Summanden in dcn bciden Formcln sind die Schubverfomlungsameile. Die beiden anderen Summanden (Biegeverformung) würden sich natürlich auch nach der im Kapitel 17 hehandeltcn Theorie der Biegeverformung ergehen. Als Fazit aus den theoretischen Überlegungen und den Ergebnissen der heiden Beispiele bleibt: Q
Die Trägerquerschnitle bleiben auch bei Berücksichtigung der Schubverformung eben, liegcn allerdings nicht mchr senkrccht zur Verformungslinie.
Q Die Schubverformung kann fLir schlanke Träger gegenüher der Biegeverformung im Allgemeinen vernachlässigt werden.
Nur für gedrungene Trägcr (Querschnittshöhe liegt in dcr Größenordnung dcr Trägcrlänge) kann die Schubverformung in die Nähe der Größenordnung der Biegeverformung kommen. Für solche Trägcr liefert 20.6 allerdings nur noch eine Abschätzung der tatsächlichen Werte, weil für gedrungene Träger sowohl die Bernoulli-Hypothese der Biegeverformungstheorie als auch die Annahme der Schubverfolmungstheorie (gemittclte Schubspannungen über die Trägerhöhe) nur noch in grober Näherung erfüllt sind.
20 Querkraftsehub
360
20.5 Aufgaben Aufgabe 20.1:
I
I_...;. ..... Der skizzierte Träger ist aus zwei Balken mit Quadratquerschnitten zusammengeleimt und trägt die konstante Linienlast qo. Man ermittlc Ort und Größe dcr maximalcn Schubspannuog in der Leimfuge. Gegeben:
I
r=r=r=r=J 1
1
a = 4 cm; / = 40cm; qo = 5 kN/m .
Aufgabe 20.2:
I
Ein Trägcr ist wie skizziert aus drei Blechen zusammengeschweißt. Er trägt eine Linienlast (Dreieckslast) und die Kraft F.
Gegeben:
qo
,
2a
qo 1 I
I
, ,
Fj JOOa
F = 20qoa, a, qo.
ö öl
N,
2
ö
3a
Man ermittle
I
a) die absolut größte Querkraft im Träger,
b) 011 und Größe der maximalen Schubspannungen in den Schweißnähten I und 2, wenn als Schweißnahtbreite die Stegbreite a angenommen wird,
c) 011 und Größe der maximalen Sehubspannungen im Träger.
I Aufgabe 20.3:
I
Zwei Träger mit Rechteckquerschnitten liegen übereinander und sind durch 2 Bolzen (Durchmesser d) bzw. 9 Niete verbunden, so dass ein Verschieben der beiden Träger gegeneinander verhindel1 wird. Die zulässige Schubspannung j,11 den Nieten is( 'T;:uf.
Gegeben:
F, h, I. d
1
lI4
1/2
'f:-ul'
a) Man berechne die Schubspannung in den bei-
den Bolzen in Höhe der Trennfuge für die Steilungen/ und 11 der Last F. b) Für die Verbindung der beiden Träger durch neun gleichmäßig verteilte Niete (untere Skizze) berechne man die erforderlichen Nietdurchmesser für die Laststellung 11.
lIlO
Weitere Aufgaben findet man im Internet unter www.TM-aktuell.de.
1110
21 Torsion Das um die Längsachse des Trägers drehende Torsionslllomem Mt ist das resultierende Moment der Schubspannungen, die in der Schnittfläche liegen. Es ist ungleich schwieriger als bei den übrigen Scbnittgrößen. die dem Torsionsmoment äquivalcnte SpanJ1l1ng im Querschnitt zu berechnen. Glücklicherweise gilt das nicht für Stäbe mit Kreis- und Kreisringquerschnitten, die besonders häufig rur die Übertragung von Torsionsmomenten verwendet werden.
21.1 Torsion von Kreis- und Kreisringquerschnitten Die Theorie der Torsion von Kreis- und Kreisringquerschnitten basiert auf folgenden Annahmen:
<>
Die Querschnitte verdrchcn sich wie starrc Scheiben gegeneinander (und bchalten also ihrc ursprüngliche ebene Form).
<>
Das Torsionsmoment Mt ist das resultierende Moment der im Querschnitt rangellrial verlaufendell Schubspannllllgen.
<>
Es gilt das Hookesche Gesetz, = Gy, die Verformungen sind klein.
Als Querschnittskoordinate wird wegen der Rotationssymmetrie nur der Radius r, der einen beliebigen Kreis des Querschnitts kennzcichnet, bcnötigt. Die Verformung wird durch den Verdrehwinkel rp beschrieben, der im gleichen Drehsinn wie das Torsionsmoment MI (am positiven Schnittufer) positiv gezählt wird (Abbildung 21.1).
Abbildung 21.1: Definition von
Die Abbildung 21.2 zeigt eine aus dem Torsionsstab herausgeschnittene unendlich dünne Scheibe (Dicke dz). Auch die äußere Mamelfläche (Zylinder mit dem Radius r) ist eine Schnittfläche. Die Stimflächen (starre Kreisringscheiben) haben sich gegeneinander um den Winkel drp gedreht. Auf der Mamelfläche ist der Gleitwinkel yerkennbar. Weil nur kleine VClformungen zugelassen werden (rany"" y), kann aus dcr Skizze die folgende Beziehung abgelesen werden: ydz=rdrp
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_21, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
z. r. qJ und Mt
Abbildung 21.2: r;, r. r. drp und dz
21 Torsion
362
Daraus ergibt sich mit dem Hookeschen Gesetz der Zusammenhang zwischen dem Verdrehwinkel und der Schubspannung: dep , T=Cr- = Crep
dA
Am differenziell kleinen Flächenelement dA des Querschnitts hat die dort wirkende Schubspannung die Kraftwirkung T dA und damit um den Mittelpunkt die Momentwirkung r-rdA (Abbildung 21.3). Die resultierende Momentwirkung (Integration Uber die Querschnittsftäche A) muss dem Torsionsmoment M, entsprechen: M, =
,,
/0'
dz
TdA / ~
r'
Abbildung
J
I" TI I
21.3:
Mo-
menrwirkung der Schub-
TrdA
spannung 't'
A
Mit dem bereits bekannten Zusammenhang zwischen Schubspannung und Verformung ergibt sich: M, =
J
C r
A
A
mit dem so genannten polaren. FliichenlrägheiIsmoment
I" =
J
2
r dA
(21.1)
A
Die polaren Flächenträgheitsmomente Jassen sich auf recht einfache Weise aus den äquatorialen Flächenträgheitsmomenten lxx und Iyy berechnen. Wegen r2 = x2 +:l (Abbildung 21.4) gilt: I" =
J? A
dA =
J.r'l A
dA
J
+ :l dA =
Iyy
+ Ix.<
I
X
Man beachte, dass diese 1p -Formel zwar allgemein gilt, das polare Flächelllrügheitsmoment aber l7urfür die Torsionsberechnung von Kreis- und Kreisringquerschnillel7 verwendet werden dw[
Aus den nun bekannten Zusammenhängen zwischen Schubspannung und Verdrehwinkel bzw. Torsionsmoment und Verdrehwinkel ergeben sich die folgenden Formeln.
y
0"
A
y
x
Abbildung 21.4: r, x und y
Torsionsscbubspannungen in Kreis- und KreisringquerschnHten:
M,
T= -
r
(21.2)
I"
Differenzialgleichung für den Verdrehwinkel:
CI"
(21.3)
4
Polares Flächenträgheitsmoment für Kreisquerschnitt: Polares Fläcbenträgheitsmoment für Kreisringquerschnitt: 11, =
I" =
1C d 32
3~ (~ -
di)
(21.4) (21.5)
<:> Das Produkt G I" ist die Torsiol7ssleijigkeil des Kreis- bzw. Kreisringquerschnitts. <:> In 21.4 ist d der DW'chmesser des Kreisquerschnitts, in 21.5 sind d; der lnnen- und da der Außendurchmesser des Kreisringquerschnitts.
363
21.1 Torsion von Kreis- lind Kreisringquerschnilten
oe:> Die maximalen Torsionsschubspannungen trelen am Außenrand (r = ~ bzw. r = ~) auf.
Man definiert deshalb (analog zu den Widerstandslllomenten gegen Biegung) als Quotienten des polaren Flächenträgheitslllomentes und des Außenradius die
\Viderstandsmomente gegen Torsion nd3 16
für Kreisquerschnitt:
W,=--
(21.6)
n (4 4) da -d,
fiir Kreisringquerschnitt:
(21.7)
W, = 16d
a
M,
Maximale Torsionsschubspannung im Querschnitt:
(21.8)
'rmax = -
W,
Aus der Differenzialgleichung für den Verdrehwinkel 21.3 ergibt sich für einen wichtigen Sonderfall folgendc ci nfache Formcl.
Relativer Verdrehwinkel zweier Endquerschnitte eines Bereichs der Länge I mit konstantem Torsionsmoment M, und konstanter Torsionssteifigkeit Glp : !l(fJ
Beispiel]:
M, I = GI"
I
I_ _ _ _...I Ein TorSionsstab hat m emem Abschnitt eincn konstanten Kreisquerschnitt (Durchmesser 0) und im zweiten Abschnitt einen Kreisringquerschnitt (Innendurchmesser d;, Außendurchmesser da)' Er ist bei A starr eingespannt und bei B und C durch dic Momente MB bzw. Me bclastct. Gegeben:
(21.9)
A
:1 ~: +M B
d
'öl
.., 'ö,
,3Mc
B
a
C
2a
Im ; d; =20mm ; G=0,808·105 N/mm z ; Me=0,6kNm; 0=60mm; da =40mm. MB = 1,8kNm ; a =
Es sind die maximale Torsionsschubspannung Tmax und die Verdrehwinkel der Querschnitte B und C (reLativ ZUIll Einspannquerschnitt A) zu berechnen. Das Torsionsmoment ist bcreichsweise konstant. Wenn dcr linke Bereich mit dem Index I und der rechte Bereich mit dem Index 2 gekennzeichnet wird, gill: M,I =MB+Me
M,z =Me
Damit könncn nach 21.6 bis 21.8 die maximalen Schubspannungen berechnet werden: 1. Bereich (A ... B):
2. Bcreich (B .. .Cl:
n03
W,I = - 16
w,z _ n (d~ -df) , -
16da
Tl,max = 56,6N/nun
TZ max
z
= 50,9 N/mm z
Die größte Schubspannung tritt im ersten Bereich auf. Da sowohl Torsionsmomente als auch Torsionssleifigkeiten bereichsweise konstant sind, berechnet man die Verdrehwinkel nach 21.9.
21 Torsion
364
Für den Punkt C setzt sich der Verdrehwinkel aus zwei Anteilen (jeweils der relative Verdrehwinkel der Endquerschnitte eines Abschnitts) zusammen:
(Mo+Mc)a32 qJc=({>o+
({>o = 1,34°
= 0,02335
G7I:D4
Mc 2a32
4_ 4) = ({>o+0,06303 = 0,08638 G7I:(
=}
qJc=4,95°
I
Beispiel 2: I_ _ _ _...I Em TorsIOnsfederstab I11Jt dem Durchmesser D soll durch einseitiges Aufbohren (Bohrlochdurchmesser se., = 10° verdreht wird. Gegeben:
I,
Mo = 600 Nm ; D = 20mm ; G = 0,808.105 N/mm 2 1
Gesucht:
D
=350 mm; <1= 10mm
;
.
Bohrlochtiefe I, und die maximale Torsionsschubspannung.
Da sowohl das Torsionsmoll1ent als auch die Torsionssteifigkeit bereichsweise konstant sind, kann der Verdrehwinkel als SUll1me aus zwei Anteilen nach 21.9 aufgeschrieben werden:
({>ge, =
Mo(l-/,)32 G 7I:D4
Mol, 32
+ G7I: (D4 -
<14 )
wird nach der gesuchten Länge umgestellt. Man erhält mit den gegebenen Werten:
l,=(~:-I)(~;:>ges-/)
1,=288mm
=}
Da das Torsionsmoment konstant ist, tritt die größte Schubspannung im Bereich mit dem kleineren Widerstandsmoment auf, und es gilt fUr den rechten Bereich:
Mo 16D
,
'r,ma., = 7I:(D4 _<1 4 ) =407N/mnr c;> Bei gleicher QuerschniusOäche haben Kreisringquerschnitte im Ver-
gleich mit Kreisquerschnitten immer das größere polare Flächenträgheitsmomenl und ein größeres Widerstandsl110ment gegen Torsion.
c:> Natürlich gilt auch flir die durch Torsion hervorgerufenen Spannungen das Gesetz der zugeordneten Schubspannungen 20.1. Das bedeu· tet, dass auch in Längsschnitten eines Torsionsstabes die Sehubspannungen in gleicher Größe wie in den Querschnitten auftreten. Die Abbildung 21.5 zeigt, dass diese Sehubspannungen nur in den Seitenflächen wirken (senkrecht zu den tangential gerichteten Schubspannungen in deo Qllerseluütten). Eine Vorstelluog von diesen Spannungen gewinnt man z. B. beim Tordieren eines Holzstabes mit Abbildung 21,5: Tors;· Kreisquerschnitt, der bei entsprechend hoher Belastung in Längsrich- ons-Schubspannungen in den Längsschniucn tung reißt, weil Holz in Faserrichtung die geringere Festigkeit hat.
365
21.1 Torsion von Kreis- lind Kreisringquerschnilten
oe:> Die Berechnung der Torsionsverformung kann für die weitaus meisten praktisch wichtigen
Fälle mit der Formel 21.9 ausgeführt werden, weil das Torsionsmoment fast immer zumindest bereichsweise konstant ist. Die DifferenziaJbeziehung 21.3 wird allerdings bei stetig veränderlichem Querschnitt benötigt, wobei im Allgemeinen eine (in jedem Fall numerisch) einfach zu lösende Integrationsaufgabe entsteht. oe:> Eine sehr wichtige Aufgabe ist das Dimensionieren von Wellen mit Kreis- oder Kreisring-
querschnitt, die die Antriebsleistung eines Motors auf eine Arbeitsmaschine übenragen und dabei in keinem Betriebszustand eine zulässige Spannung bzw. einen zulässigen Verdrehwinkel überschreiten dürfen. Deshalb wird als Torsionsmoment das größte zu übertragene Moment aus der AntriebsJeisnmg und der Drehzahl aus der Beziehung P = M w (Leislllng = Moment· Winkelgeschwindigkeit) berechnet: p M = -
(21.10)
w
Man beachte, dass das größte Moment nicht unbedingt beim Übertragen der maximalen Leistung auftreten muss. Gegebenenfalls muss man aus der Kennlinie der Antriebsmaschine den Punkt heraussuchen, der dem größten abzugebenden Drehmoment zuzuordnen ist. Die Leistung wird in W (Watt) bzw. kW (Kilowatt) angegeben, definiert als IW = L Nm/s (häufig noch anzutreffen ist die veraltete Leistungsangabe in PS, es gilt: I PS = 0,73550 kW). Anstelle der Winkelgeschwindigkeit w wird häufig die Drehzahl n angegeben (Anzahl der Umdrehungen pro Zeiteinheit, gemessen in min- I ), es gilt der Zusammenhang: w=27r1l Da w üblicherweise in S-I angegeben wird, ist eine Dimensionsumrechnung erforderlich (man hüte sich vor der Anwendung von Praktikerformeln wie "w = 7tn/30", die mit unterschiedlichen Dimensionen arbeiten, es sei denn, man ist ganz sicher, selbst ein Praktiker und sicher im Umgang mit solchen Formeln zu sein).
I
Beispiel 3: I_ _ _ _...I Em Motor liefert sem maxImales Drehmoment bei emer LeIstung von 100 kW und einer Drehzahl von 5000 Umdrehungen pro Minute. Wie groß muss der Durchmesser der ausschließlich auf Torsion beanspruchten Abtriebswelle sein, wenn in ihr eine zulässige Schubspannung von 'zul = 140N/mm2 nicht überschritten werden darf? Das nach 21.10 zu berechnende maximale Drehmoment
P
p
100·103Nm
W
27t1l
27t5OO0~s
M=-=-=
'
=191Nm
wird als Torsionsmoment in die Formel 2l.8 eingesetzt, und mit 21.6 errechnet man den erforderlichen Durchmesser: 16M
d"J = ] - - = 19. I 111m 1r 'rzul
21 Torsion
366
21.2 St.-Venantsche Torsion beliebiger Querschnitte Die für Kreis- und Kreisriugquerschnille getroffene Annahme, dass die Querschnitte bei der Torsionsvcrformung eben bleibcn, kann für andere Querschnillsformcn nicht aufrechterh31ten werden. Im Allgemeinen fUhren die unterschiedlichen Gleitwinkel benachbarter Querschnillselementc dazu, dass sich die Querschnittc bei Torsionsbelastung verwölbell. Unter der Voraussetzung, dass sich die Querschnittsverwölbungen ungehindert ausbilden können, ist die Theorie der so genannten Sr.- Venanrschen Torsion anwendbar. Bei vielen praktischen Problemen ist diese Voraussetzung allerdings nicht erfüllt (eine starre Einspannung eines Trägers lässt z. B. kcine Verwölbung zu). In diesen Fällen licfcrt die St.Venantsche Torsionstheorie vielfach eine gute Näherung. Wenn die durch die behinderte Verwölbung zusätzlich hervorgcrufenen Spannungen nicht vernachlässigt werden dürfen und die Verwölbung durch konstruktive Maßnahmen nicht verhindert werden kann (z. B. bei dünnwandigen Querschnitten), ist nach der (mathematisch wesentlich anspruchsvolleren) Theorie der Wölbkraftrorsiorl zu rechnen, die im Rahmen dieses Buches nicht behandelt wird.
c:> Die St.-Venantsche Torsionstheorie basiert auf dcn Grundannahmcn der linearen Elastizitätsthcorie: Es gilt das Hookeschc Gesctz, und dic Verformungen sind klcin gegenliber den Abmessungen des Bauteils. In allen Abschnitten dieses Kapitels wird die Gliltigkeit der St.Venantschen Torsionstheorie vorausgesetzt. Die wichtigsten Formeln und Differcnzialgleichungen der allgemeinen St.-Venantschen Torsionstheorie werden in diesem Abschnitt (ohne Herleitung) zusammengestellt. Die beiden folgenden Abschnitte behandeln als besonders wichtige Sonderfalle die dünnwandigen Querschnitte. Analog zu den Formeln, die sich für Kreis- und Kreisringquerschnitte ergaben, gelten bei beliebigem Querschnitt die nachfolgenden Beziehungen.
8t.-Venantsehe Torsion Differenzialgleichung für den Verdrehwinkcl: Maximale Torsionsschubspannung im Querschnitt: Relativer Verdrehwinkel zweier Endquerschnitte eines Bereichs der Länge I mit konstantem Torsionsmoment M, und konstanter Torsionssteifigkeit GI,:
GI,cp' =M, M, 't'max= W,
M,I
tlcp= GI,
(21. I I) (21.12)
(21.13)
c:> Die Formeln 21.11 bis 21.13 für die allgemeine St.- Venantsche Torsion unterscheiden sich von den entsprechenden Formeln fiir den Spczialfall "Kreis- und Kreisringquerschnitt" nur dadurch, dass das polare Flächenträgheitsmoment I" durch das Torsionsträgheitsmoment I, ersetzt wird. Das Problem reduziert sich damit allf die (leider nicht triviale) Frage, wie die Querschnittskennwerte I, und W, für beliebige Querschnitte zu ermitteln sind.
21.2 SI.- Venanlsche Torsion beliebiger Querschniue
367
oe:> Die Berechnung der Verteilung der Schubspal1llllngen im Querschnitt ist im Allgemeinen
schwierig, mit Hilfe der nachfolgend angegebenen Beziehungen 21.16 aber durchaus möglich. In der Regel wird die Berechnung der maximalen Schubspannung nach 21.12 genügen. Die mathematische Theorie der St.- Venantschen Torsion basiert auf der Berechnung einer so genannten Torsiol1sjunkliol1 Rand
=
(21.15)
konstant
ergibt. Bei mehreren Rändcm (Flächen mit Ausschnitten) darf
I, = 2
f(
o
o
dA
A
r
(21.16)
- -2 Mt o
r
_ 2 Mt o
'Y -
Nur für sehr wenige Querschnittsformen lassen sich Lösungen der Poissonschen Differenzialgleichung angeben. die die geforderten Randbedingungen erftillen. Man darf es fast als Ironie auffassen, dass es gerade für Kreis und Kreisring, für die die Torsionsaufgabe ohnehin einfach lösbar ist, kein Problem ist (nachfolgendes Beispiel).
I
Beispiel:
I
Es ist zu zeigen, dass die Funktion 2
2
I
o2
I
2
oy2
2
sind konstant und ertlillen die Poissonsche Differenzialgleichung. Einsetzen der Kreisgleichung in
x2 +/ = R2
~
R2
= "4 = konstant
21 Torsion
368
Also ist
=2
I{
J(x ~: +
y
~;)
dA
A
=
Jx + Ji 2
A
dA
dA
= IYJ" + In = I"
A
M{ d
I{ und W, fiir die Formeln 21.11 bis 21.13 für Rechteckquerschllitte: 1{=Clhb 3 , >
(21.17)
W, = c2 hb(CI
und
C2
~
I
CI
0.141 0,208
C2
aus Tabelle)
1,5 0,196 0,231
2 0,229 0,246
4 0,281 0,282
10 0,312 0,312
00
1/3 1/3
c:> Die maximale Schubspannung tritt immer am Außenrand der engsten Querschnittsstelle auf, beim Rechteckquerschnitt also in der Mitte der längeren Seite. L-:> Für sehr schmale Rechtecke
"f
(* --.0) nähern sich die Werte fi"lr c, und C2 immer mehr dem
Wert!, so dass I{ = und W{ = I'~' als Torsionsträgheitsmoment bzw. Torsionswiderstandsmoment für das "unendJich dünne Rechteck" angesehen werden diirfen. Auf diese beiden Formeln wird im Abschnitt 21.3.2 noch einmal zurückgegriffen.
c:> Früher wurden Lösungen für die Torsionsaufgaben vielfach experimentell ermittelt, wobei die Tatsache genutzt wurde, dass die Poissonsche Differenzialgleichung auch andere physikalische Vorgänge beschreibt: Eine ebene Membran mit festgehaltenem Rand. die von einer Seite unter konstanten Druck gesetzt wird, wölbt sich so, dass die Verschiebung w(x,y) der Poissonschen Differenzialgleichung genUgt. Der Anstieg des Membranhügels ist also der Schubspannung in einem elllsprechenden Querschnitt unter Torsionsbelastung proportional ("Seifenhaut-Gleichnis"). Auch die Strömung einer in einem oben offenen Gefjß zirkulierenden Flüssigkeit (das Gefäß habe konstanten QuerSChnitt) wird durch die Poissonsche Differenzialgleichung beschrieben. Dabei ist die Strömungsgeschwindigkeit in einem beliebigen Punkt der Schubspannung in einem tordierten Stab mit gleichem Querschnitt proportional.
369
21.3 SI.- Venanlsche Torsion dünnwandiger Querschnitte
21.3 51.- Venantsche Torsion dünnwandiger Querschnitte Neben den Kreis- und Kreisringquerschnitten gibt es noch eine große Gruppe praktisch sehr wichtiger Querschnitte, fLir die durch (rccht rcstriktiv anmutende, aber gcrechtfertigte) Zllsätzliche Annahmen das SI.- Venantsche Torsionsproblem unter Umgehung der Lösung der Poissonschen Differenzialgleichung 21.14 behandelt werden kann. Es sind die dünnwandigen Prollle (Wandstärken sind wesentlich kleiner als die übrigen Querschnittsabmessungen), für die die Spannungs- und Verformungsberechnung in den beiden folgenden Abschnitten behandelt wird. Dabei muss zwischen geschlossenen Querschnitten (z. B.: Ringquerschnitte, Kastenquerschnitte) und offenen Querschnitten (z. B.: L- und T -Prollle) unterschieden werden.
21.3.1 Dünnwandige geschlossene Querschnitte
o
Es werden dünnwandige geschlossene Querschnitte entsprechend Abbildung 21.6 betrachtet (mathematisch: 2-fach zusammcnhängcnder Bcreich, kompliziertere Profile mit mehr als einer geschlossenen Zeile werden hier nicht behandelt). Die gestrichelt gezeichnete Linie halbiert die Dicker an jeder Stelle.
Abbildung 21.6: Dünnwandige geschlosse· ne Querschnilte, darf veränderlich sein
'es)
Diese Profil-Mittellinie repräsentiert gemeinsam mit der Dicke I(S) die Geometrie des Querschnitts. Die Querschnitts-Koordinate s. die an einem beliebigen Punkt beginnt, folgt der ProfilMittellinie. Die Koordinate, die (in Längsrichtung des Torsionsstabes) die Lage des Querschnitts beschreibt, wird wie bisher mit z bezeichnet. Folgende Annahmen werden fLir die Berechnung der Spannungcn und Verformungcn dünnwandiger geschlosscner Querschnittc getroffen:
<>
Die Dicke I(S) ist klein im Vergleich mit den übrigen Querschnittsabmessungen und verän· dert sich mit S nicht sehr stark.
<>
Die Querschnittsabmessungen sind wie das Torsionsmoment M, in Längsrichtung des Torsionsstabes (z-Richtung) konstant (Hohlzylinder, in den ein Torsionsmoment "ber den Endquerschnitt eingeleitet wird).
<>
Bei der Verformung behalten die Querschnitte ihre ursprüngliche Form, es dürfen allerdings unterschiedliche Verschiebungen der Querschnittspunkte in z-Richtung (QuerschnittsVerwölbungen) auftreten. Abbildung 21.7 zeigt die Lage einiger spezieller Punkte des Querschnitts (A, B, ...) nach der Verformung (A', BI, ). Die Längsverschiebullgen (WA, WB, ) verwölben den Querschnitt, der sich außerdem um den TorS.ionswinkel rp verdreht und in der Draufsicht (aus der z-Richtung) seine ungeänderte Form zeigt.
~
~WA~ A~Y~J
~IVY~ B~
B
WB
Abbildung 21.7: Querschnilte behalten (in der Drauf· sichl) ihre Form, dÜlfen sich aber verwölben
21 Torsion
370
oe:> Die Verwölbung des Querschnitts kann sich frei ausbilden (St.-Venantsche Torsion), so dass
keine Normalspannungen durch die Längsverschiebungen hervorgerufen werden. oe:> Die Schubspannungen sind über die Profildicke konstant.
Der Fehler, der mit der letzten Annahme hingenommen wird, kann am einfachen Beispiel abgeschätzt werden: Für einen dünnwandigen Kreisring mit dem Innen radius ri und dem Außenradius ri + I ergibt die Rechnung nach den Formeln für den Kreisring 21.2 und 21.5 ein Verhältnis der Schubspannungen am Außenrand 'Ca und amlnnenrand 'Ci von ~ = Ei±'. = 1+ 1-. Die Theorie des " r, r, dünnwandigen geschlossenen Querschnitts würde etwa den Mittelwert dieser beiden Spannungen liefern. Wenn I klein gegenüber dem Radins ist, kann dieser Fehler hingenommen werden. Die (über die Dicke I konstanten) Schubspannungen werden zum Schubjluss
T =
(21.18)
'C t
(Dimension: "KraftlLänge") zusammengefasst, der in der Profil-Mittellinie angreift und tangentiaJ zu dieser gerichtet ist. Die Abbildung 21.8 zeigt ein aus dem Torsionsstab herausgeschninenes Element. Nach dem Gesetz der zugeordneten Schubspannungen 20.1 wirkt natürlich auch der SchubOuss in den Längsschnitten in gleicher Größe. Da keine Normalspannungen wirken (spannungsfreies Verwölben, Querschnitte behalten ihre Form), kann das Gleichgewicht am Element nur erfüllt sein, wenn T an allen Elementrändern den gleichen Wert hat:
l'
TI! - _ 1,1' -ci: l' dz Abbildung 21.8: Der Schubftuss T muss (Gleichgewicht) konstant sein
Der Schubftuss T = 'C I infolge Torsion ist in den Querschnitten eines dünnwandigen geschlossenen Profils konstanl. Die resultierende Momentwirkung des gesamten Schubftusses eines Querschnitts muss (bezliglich eines beliebigen Punktes P) dem Torsionsmoment äquivalent seill. Die Abbildung 21.9 zeigt die (differenziell kleine) Kraft T ds, die der Schubtluss an einem Element der Länge ds hervorruft. Sie hat die Momentwirkung r' T ds mit dem Hebelarm r', der senkrecht auf der Tangente an die Profil-Mittellinie Sicht. Das Summieren (Integrieren) aller differenziell kleinen Momente über den Umfang liefe.t die resultierende Momentwirkung des SchubOusses:
M,=
f
Abbildung 21.9: Momentwirkung des Schubnusses
Tr'ds=Tl r'ds
Der Kreis im Integralsymbol deutet ein Umlaufintegral an: Die obere Grenze beschreibt den gleichen Punkt wie die untere Grenze, wobei s sich um die Gesamtlänge der Profll-Minellinie vergrößert hat. T kann vor das Integral gezogen werden, das verbleibende Integral lässt sich sehr schön geometrisch deuten: Die in der Abbildung 2\.9 angedeutete Dreieckstläche dA", = r'!if
371
21.3 SI.- Venanlsche Torsion dünnwandiger Querschnitte
("Grundlinie· Höhe/2") summiert sich mit den anderen differenziell kleinen Dreiecksftächen bei der Integration über den Umfang zur Gesamtftäche Am, die von der Profil-Mittellinie umschlossen wird. Das in der Formel verbliebene Integral liefert also die doppelte Fläche 2A"" und man erhält nach RUOOLF BREOT (1842 - 19(0) eine recht einfache Formel zur Berechnung des Schubflusses in einem dünnwandigen geschlossenen Querschnitt: T=
M,
2A m
(I. Bredtsehe Formel)
(21.19)
Am ist die von der Profil-Mittellinie des Querschnitts eingeschlossene Fläche (in der Skizze schraffiert). Die Schubspannung als Quotient aus Schubftuss und Wanddicke
r(s) = -
T
I (s)
(21.20)
hat ihrcn maximalen Wert an dcr Qucrschnittsstclle mit dcr geringsten Dicke Imin. Die Verzerrungen der Elemente des ausschließlich durch Schubspannungen belasteten Torsionsstabs werden durch die Gleilwinkel y beschrieben, die nach dem Hookeschen Gesetz 12.6 mit den Schubspannungen entsprechend r = Gy verknüpft sind. Um die daraus resultierenden Verfonuungen zu berechnen, wird zunächst am einfachen Beispiel demonstriert, wie aus der GleilUng y die Verdrehung und die Verwölbung der Querschnitte entstehen.
:
Abbi.ldung 21.10: Die konswnle Dicke eines Kreisrings (links) fiihrt zu konsranren Verzerrungen. verän-
derliche Dicke (rechrs) und damit veränderliche Verzerrungen fUhren zu Verwölbungen
Betrachtet wird zunächst eine unendlich dünne Scheibe, die aus einem Torsionsstab mit Kreisringquersclmill kOllstafller Dicke herausgeschnitten wurde (Abbildung 21.10, links). Der über den Umfang konstante Schubftuss ist bei konstanter Dicke einer konstanten Schubspannung äquivalent, die wiederum zu konstanten Gleitwinkeln führt: Die in der Abbildung angedeuteten Rechtecke wcrden zu kongruenten Parallelogrammen VerLeITI, die ohne Verwölbung der Querschnittsftächen auch nach der Verformung zusammenpassen. Bei einem Kreisringquerschllitt mil veränderlicher Dicke (Abbildung 21.10, rechts) entspricht der über den Umfang konstante Schubftuss nach 21.20 einer veränderlichen Schubspannung, die benachbal1e Elemente unterschiedlich verzerrt. Diese können nach der Verformung nur bei gleichzeitiger Verschiebung der Querschnittspunkte in LängsrichtlUlg des Torsionsstabes zusammenpassen: Der Querschnitt verwölbt sich.
372
21 Torsion
Die Gleilung wird entsprechend Abbildung 21.11 in zwei Summanden zerlegt:
Y= Y~+Yw mil den Anteilen Y~ (verursacht die Verdrehung der Querschnitte gegeneinander) und Yw. der zur Verwölbung fühn.
Abbildung 21.11: Gleilungsanteil.e aus Verdrehung und Verwölbung
Die Abbildung 21.12 zeigt den Zusammenhang zwischen y~ und dem Torsionswinkel cp. Zwei benachbane Querschnitte (Abstand dz) verdrehen sich (unter Beibehaltung ihrer Form) gegeneinander um den Winkel dcp. Für die differenziell kleinen Größen (Y~ "" tan y~) liest man ab:
dv
y~=-
dz wobei dv die Verschiebung eines Punktes tangential zur ProfilMittellinie ist. Tatsächlich bewegen sich alle Punkte der ProfilMittellinie bei der Verdrehung auf konzentrischen Kreisen. Ein Punkt A (untercrTeil der Abbildung 21.12) bewegt sich nach A' entlang rdcp, und man liest den Zusammenhang
P
dv = rdcpcos a = r' dcp r'
ab, wobei r' = rcosa der senkrechte Abstand vom Bezugspunkt P zur Tangente an die Profil-Mittellinie ist. Zwischen dem Gleitwinkel-Ameil y~ und dem Torsionswinkel cp besteht also
r*
~~
r' cp'
=
rdrp
r
A
?:. A c<
dv
Abbildung 21.12: Gleitung und Torsionswinkel
der Zusammenhang;
Y~ =
drp C<
.dw
(21.21)
Der Zusammenhang zwischen dem Gleitwinkel-Anteil Yw und der (senkrecht zur Querschnittsftäche gerichteten) Verschiebung w, die die Verwölbung darstellt. kann aus der Abbildung 21.13 abgelesen werden: dw
Yw = ds
(2l.22)
y~
er
s
ds
Abbildung 21.13: Yw und dw
Damit sind bcidc Gleitwinkcl-Antcilc mit dcn cntsprcchcndcn Verschiebungen vcrknüpft. Andcrerseits kann die Gleitung y über das Hookesche Geselz im Zusammenhang mit 21.19 und 21.20 aus dem im Querschnitt wirkenden Torsionsmoment berechnet werden:
Y=
" T M, -G = -Gt =- - = y~ + 1'\, 2A Gt
(21.23)
m
Mit einem kleinen Trick gelingt die Entkopplung der beiden Verschiebungen. Die Beziehung 21.23 wird auf beiden Seiten über den gesamtem Umrang der Profil-Mittellinie inlegrielt (Umlaufintegral). In
1- ds=IY~dS+IYwdS 1 = 1~; = 1 = ~ M, 2 AmGt
wird das letzte Integral
Yw ds
ds
dw
WEND
wANF
=0
373
21.3 SI.- Venanlsche Torsion dünnwandiger Querschnitte
weil Endpunkt und Anfangspunkt beim geschlossenen Profil zusammenfallen, so dass ihre Verschiebungen gleich sind. Es verbleibt M, 2A",G
f
ds = t(s)
f
'I '
Y'I'ds= cp.
r ds=2A m cp
,
wobei alle nicht von s abhängigen Größen vor die Integrale gezogen wurden. Außerdem wurde die bereits bei der HerJeitung der Spannungsformel 21.19 gewonnene Erkenntnis genutzt, dass das Ul11laufintegral über r' gleich der doppelten Fläche ist, die von der Profil-Mittellinie umschlossen wird. Nach Umstellen der Beziehung entsprechend 4A 2
G_'_lI m'=M, d.,"t'
f
,(,)
erkennt man die Ähnlichkeit mit der Gleichung 21.11, die es nahelegt, den Bruch als Torsionsträgheitsmoment I, für den dünnwandigen geschlossenen Querschnitt zu definieren'.
Der Verdrehwinkel eines Torsionsstabes mit dünnwandigem geschlossenen Querschnitt kann nach den Formeln 21.11 bzw. 21.13 berechnet werden. Für das Torsionsträgheitsmoment gilt: ds 1 = 4A~, mit U(s) = (2. Bredtsche Formel) (21.24) -
,
f
U(s)
t (s)
Q Das Umlaufil1legral in 21.24 lässt sich für einen wichtigen Sonderfall recht einfach lösen.
Für Querschnitte mit stückweise konstanter Dicke tl, '2, ... jeweils auf Abschnitten mit den Längen SI, S2, ... gilt (auch bei gekrümmter Profil-Mittellinie): ds SI S2 (21.25) U(s) = -() = - + - + ... . t s tl 12
1
t!t
Wenn cp' = berechnet wurde, kann bei Bedarf auch die Verwölbung des Querschnitts aus 21.23 in Verbindung mit 21.21 und 21.22 ermittelt werden. Man erhält dw(s) ds
M, -cp'r'(s) 2A m GI(S)
bzw. nach integration über s: w(s) =
~] d(S) 2A G I s
- cp'] r'(s) ds+C
(21.26)
m
Die Integrationskonstante in 21.26 kann ermittelt werden, indem für einen beliebigen Punkt s des Querschnitts die Verschiebung w = 0 gesetzt wird. Dann erhält man alle übrigen Verschiebungen w relativ zu der tatsächlichen Verschiebung an dieser Stelle. Man darf natürlich auch w(s = 0) = 0 setzen, so dass die Integrationskonstante verschwindet. Hier soll 21.26 benut.zt werden, um zu untersuchen, unter welchen Bedingungen ein spezieller Querschnitt zu wölbfreier Torsion führt. I
Zwi~chenruf in der Vorlesung: _.Was muss das für ein Mensch sein. der sich solche Formeln ausdenkt?" Antwon:
Rudolf Bredt war ein erfolgreicher Unternehmer. Seine Kranbaufirma bri:lchtc 1876 den weltweit ersten elektrisch betriebenen Kran auf den Markt. Er war ein begnadeleI' Prakliker. der sich auch vor der Theorie nielll scheule.
374
21 Torsion
I
Beispiel: I_....;.__ Für den skIZZierten geschlossenen dünnwandigen einfach-symmetrischen Querschniu mit konstanter Wandstärke I ist die Ahmessung x zu bestimmen, flir die der QuerschniU bei Torsionsbelastung wölbfrei bleibt. Gegeben:
C
-0
a.
,-~
Mit der von der Profil-Miuellinie umschlossenen Fläche
2a
Am = 12a2 + 2ax
,
,,1 B
I cl M
A
2a
und dem Umlaufintegral (für konstante Dicke t: "Umfang/ Dicke")
Urs) =
f'!!'!"- =
. t(s)
2 2 IOa+2J4a +x I
ergibt sich das Torsionsträgheitsmoment
Die Koordinate s soll (wie skizziert) auf der Symmetrielinie stal1en, mit IV = 0 bei s = 0 verschwindet die Integrationskonstante in 21.26, und mit cp' = -t!r, erhält man: IV
2 2 I :I: _ IOa+2J4a +x 2 +2ax) t 4(12a +2ax)2 t
s - M, [
( )- G
2(12a2
J
r' dS]
Da r' (senkrechter Abstand der Punkte der Profil-Mittellinie vom Bezugspunkt P) abschnittsweise konstant ist, liefert auch das Integral über r' eine lineare Abhängigkeit von s. Dieses Integral ist allerdings von der Lage des Bezugspunktes P abhängig, die in vertikaler Richtung (wie skizziert) durch die Strecke y beschrieben werden soll. Die Verschiebung IV ist gleich Null, wenn in der vorstehenden Formel die eckige Klammer verschwindet. Im Bereich von s = 0 bis zum Punkt A ist dies der Fall, wenn
J
r'ds=
12a2+2ax yds=rs= s . 5a+J4a 2 +x2
J
(O:os:02a)
gilt, woraus sich
ergibt. Wegen der bereichsweise linearen Abhängigkeit IV(S) genügt es, flir jeden weiteren Bereich jeweils das Verschwinden vom IV flir nur einen zusätzlichen Punkt zu fordern. Für den Punkt B lautct die Bedingung:
y2a+2a3a= Daraus berechnet man
12a2 +2ax 5a 5a+J4a 2 +x2
375
21.3 SI.- Venantsche Torsion dünnwandiger Querschnitte
und damit
y=2a
Bevor kontrolliert wird, ob sich auch für den Punkt C (und damit auch für den gesamten Bereich IV- Verschiebung ergibt. soU darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Berechnung dcs Integrals iiber r' auch dann geometrisch anschaulich deutbar ist, wcnn sich die Intcgration nicht über den gesamten Umfang erstreckt: Das Ergebnis entspricht der doppelten Fläche, die von einer Linie iiberstrichen wird, die von P zur Profil-Mittellinie gezogen wird und dort über den Integrationsbereich wandert. Von s = 0 bis zum Punkt C iiberstreicht diese Linie gerade die halbe .,Profil-Mittellinien-F1ächc·', so dass das Integral iiber r' gleich der gesamten Fläche A,,, ist. So lässt sich leicht bestätigen, dass auch am Punkt C keine Verschiebung IV auftritt und damit aus Symmetriegriindcn der gesamte Querschnitt wölbfrei ist, wenn (wie oben berechnet) X= 1,5a ist. B-C) keine
<>
Der Bezugspunkt P ist (vgl. die Herleitung der Verformungsbeziehuugen) der Punkt, um dcn sich der Querschnitt drcht (alle Punkte des Qucrschnitts bewegen sich auf konzentrischen Kreisen). Bei wölbfreien Querschnitten wie im gerade behandelten Beispiel bleiben alle Querschnittspunkte bei Drehung um diesen Punkt in der Ebene, in der sie vor der Verformung lagcn. Man bcachte, dass der Punkt P nicht mit dem Schwerpunkt des Qucrschnitts identisch ist.
<>
Man iiberleugt sich leicht. dass fiir das Fiinfeck des behandelten Beispiels bei den Abmessungen, die zu Wölbfreiheit führen, der Punkt P der Mittelpunkt eines Kreises ist, der die Mittellinien aller Geradenstücke tangiert. Es lässt sich zeigen. dass diese Aussage verallgemcinerungsfahig ist:
Diinnwandige geschlossenc Querschnitte mit konstanter Profildicke, deren Mittellinien Kreislangenlen. Polygone darstellen (und damit natürlich auch beliebige Dreiecke, das Quadrat und alle regelmäßigen n-Ecke) sind lVölbjrei.
<>
Dt>D Abbildung 21. 14: Wölbfreie Querschnitte
Für diinnwandige geschlosscne Rcchteckquerschnitte kann auf gleiche Weise wie im gerade behandelten Beispiel gezeigt werden, dass sie sich bei Torsionsbelastung nicht ver· wölben, wenn ihre Abmessungen die Beziehung
erfüllen.
'11
'b
h
b
j
b
Abbildung 21.lS: Dünnwandige geschlossene Rcchteck-Querschnitte könncn wölbfrei sein
21 Torsion
376
21.3.2 Dünnwandige offene Querschnitte Betrachtet wird zunächst ein schmales Rechteck, dessen Breile I deutlich kleiner als seine Höhe s ist (Bezeichnungen [ und s mit Rücksicht auf die anschlicßendc Erweiterung dcr Betrachtungen). Zur Berechnung der Schubspannungen, die einem Torsionsmoment M, in diesem Querschnitt äquivalent sind, werden folgende Annahmen getroffen:
<>
Die Schubspannungen verlaufen parallel zu den Rändern der langen Seiten des Rechtecks, sind über dic Höhe konstam und werden am oberen und unteren Rand innerhalb eines sehr schmalen Bereichs umgelenkt.
r.:> Die Schubspannungen sind über die Breite des Rechtecks linear veränderlich mit gleich großen, entgegengesetzt gerichteten Maximalwerten Diese beiden Al1ilahmen berechtigcn zu der in dcr Abbildung 2U6 skizzierten Modellvorstellung: Die Scbubspannung wird jeweils über die halbe Breite (wie eine Dreieckslast) zum Schubfluss 1
Tm
an den Rändero.
o
T~
,,'
I 2
T
max
t 2
T=4'tl/l ax l
zusammengefasst, der im Abstand ~ von der Mittcllinie wirkt und an den beiden Enden (in gleicher Größe) umgelenkt wird.
.I
Abbildung 21.16: ModelivorSlettllllg vom Schllbflllss in einem schmalen Rechteck
Dic resultierendc Momentwirkung dicses Schubflusses muss dcm Torsionsmoment äquivalent sein:
Das gleiche Ergebnis erhält man, wenn das beschriebene Modell als geschlossenes dünnwandiges Profil betrachtet wird, für das die Formel 21.19 gilt:
Mt
.
= 2A m r =
2
I
I
2'3 t s4" 't'ma.x 1 = '3 'f",ax sl
2
Die sich daraus ergebende Formel für die maximale Schubspannung 'tmllx
=
3~ st 2
=
~
\-\l
r
mit
W,
=
I
,
351 -
findet eine weitere Bestätigung beim Vergleich mit den Formeln für den Rechteckquerschnitt 21.17 aus dem Abschnitt 21.2. Die getroffenen Annahmen für das schmale Rechteck entsprechen dem theoretischen Wert, der sich für das "unendl ich schmale Rechteck" bei exakter Lösung des Randwertproblems für die Torsionsfunktion 21.14 und 2 I.15 ergibt. Deshalb wird auch die flir die Verformwlgsberechnung benötigte Formel fLir das Torsionsträgheitsmoment vom ,.unendlich schmalen Rechteck" übernommen:
21.3 SI.- Venanlsche Torsion dünnwandiger Querschnitte
I, =
377
3I sI 3
Der Fehler, der mit der Anwendung dieser Formeln verbunden ist, ist also umso geringer, je kleiner das Verhältnis ist. Für ~ = 0, I beträgt die Abweichung sowohl für I, als auch rur W, etwa 6 % vom exakten Wert.
i
Für dieses Seitenverbältnis sind in Abbildung 21.17 einige Schubspannungsverläufe der exakten Lösung skizziet1, die die eingangs getroftenen Annahmen bestätigen: Die vertikal gerichtete Schubspannung T;:y folgt über die Breite praktisch exakt einem linearen Verlauf und bleibt über die Höhe (hier dargestellt für den Außenrand) konstant bis auf einen sehr kleinen Bereich am Ende. Sie wird dort umgelenkt, wobei wieder nur in einem sehr schmalen Bereich horizontal gerichtete Schubspannungen T;:x vorhanden sind.
T zy T max
_
T zy T
=1
-
max
I,
1, T zy T zX
T max
=
074 '
I
!~
_Tzx
Abbildung 21.17: Die exakte Lösung für ein schmales Rechteck bestätigt die Modellvorstellung
Die Modellvorstellung, nach der ein schmales Rechteck wie ein dünnwandiger geschlossener Querschnitt betrachtet werden kann, bietet sich geradezu dafür an, auf andere dünnwandige offene Profile ausgedehnt zu werden. Tatsächlich ist es gerechtfertigt, die Formeln für das schmale Rechteck auch auf Profile mit gekrümmter Mittellinie anzuwenden. Die Abbildung 21.18 zeigt einen Querschnitt, dessen Mittellinie ein Kreisbogen ist. Bei einem Radienverhältnis :, = 1,2 entspricht der Öffnungswinkel a = 104,2 0 exakt dem Abmessungsverhältnis ; = 0, I, wobei als Breite I (Profildicke) die Differenz der Radien Ta ~ T; und als "Höhe" s die Länge der Profil-Mittellinie verwendet wird. Für diesen Querschnitt sollen die Ergebnisse, die sich mit den oben angegebenen Formeln ergeben, verguchen werden mit denen, die eine Lösung nach der "exakten" St.-Venantschen Theorie (Gleichungen 21. 14 und 21.15) liefert (diese Lösung ist für den betrachteten Querschnitt nur auf numerischem Wege möglicb und wurde hier mit einem Finite-ElementeProgramm gewonnen, vgl. www.TM-aktuell.de. siehe auch Abbildung 21.22 auf Seite 383). Für das Torsionsträgheitsmoment ergibt sich:
Abbildung 21.18: Gekrümmte Mittellinie
Sl3
Dünnwandiges offenes Profil: exakt:
I,
=:3 = 3,331 4 = 3,121 4
Der Fehler entspricht exakt dem, der sich bei diesem Abmessungsverhältnis auch für das schmale Rechteck ergab. Für die Schubspannung erhält man nach der exakten Theorie unterschiedliche Werte für die beiden Ränder, nach der Theorie des dünnwandigen offenen Querschnitts nur einen Wert für die Maximalspannung:
378
21 Torsion
Dünnwandiges offenes Profil: exakt:
M{ 0,300 3 t M{ = 0,333 3
"max =
"A
r
"8 = 0,309 3M,r
Die Anwendbarkeit der Formeln für das schmale Rechteck auf dünnwandige offene Querschnitte, deren Profil-Mittellinie keine Gerade ist, erstreckt sich natürlich auch auf Profile mit abgewinkelter Mittellinie (z. B. L-Profil). Es ist sogar gerechtfertigt, bei Querschnitten, die aus mehreren dlinnwandigen Abschnitten zusammengesetzt sind, das Torsionsträgheitsmoment /{ (näherungsweise) durch Addition der Anteile aus den einzelnen Abschnitten zu berechnen, und dies gilt auch rur verzweigte Profile (z. B.: T -Profil, I-Profil) und rur Profile mit unterschiedlichen Breiten '; in den einzelnen Abschnitten. Das Torsions- Widerstandsmoment W; zur Berechnung der maximalen Schubspannung ergibt sich dann als Quotient aus /{ und der größten Breite '"w.<'
Für die Berechnung der maximalen Schubspannung und der Verformung in dünnwandigen oll'enen Profilen können die Formeln für die St,-Venantsche Torsion 21.12 und 21.13 verwendet werden mit I
I: Sil;
1, ~ 3 ;
(21.27)
/,
Wt~-
(21.28)
In/ax
Man beachte, dass die maximale Schubspannung (im Gegensatz zum gescWossenen Querschnitt) dort auftritt, wo der Querschnitt seine größte Wanddicke ''1'''' hat. L~
Dlinnwandige offene Querschnitte sind gegen Torsion wesenllieh empfindlicher als geschlossene Querschnitte (vgl. die nachfolgenden Beispiele). Dies ist verständlich, denn die gegenläufigen Sehubfliisse entlang der langen Seiten haben wegen des kleinen Hebelarms nur eine geringe Momentwirkung.
~
Die Formel 21.27 gilt für Querschnitte mit abschnittsweise konstanter Dicke 'I. Für einen Abschnitt i mit veränderlicher Dicke ';(s;) darf der entsprechende Summand aus /{.i=3I
berechnet werden. ~
J
3 t;(s)ds
~(s) Abbildung 21.19: Abschnitt mit kontinuierlich veränderli-
cher Dicke
Natürlich ist die Spannungs- und Verformungsberechnung nach 21.12 und 2l.J3 unter Verwendung der Querschnittswerte für das dünnwandige offene Profil nach 21.27 und 21.28 nur erlaubt, wenn sich die Querschnittsverwölbungen frei ausbilden können. Anderenfalls treten (im Allgemeinen nicht vernachJässigbare) Normalspanl1llngen auf, der Torsionsstab wird steifer, und man muss die (hier nicht behandelte) Theorie der Wölbkrafttorsion bemühen.
379
21.3 SI.- Venanlsche Torsion dünnwandiger Querschnitte
Die Verwölbung eines einzelnen Rechteck-Abschnitts kann wegen der Dünnwandigkeit vernachlässigt werden. Als Verwölbung des dünnwandigen offenen Profils werden die Verschiebungen der Punkle der Projil-Miflellinie senkrechr zur Querschnirrsfläche bezeichne!. Zwei bcnachbarte Querschniltsflächen. dic sich (umcr Beibehaliung ihrcr geometrischcn Form) gegeneinander verdrehen, würden auch die zwischen ihnen liegenden Mittellinienelemente
verzerren. Da aber in der Mittellinie geradc keine Schubspannung (und damit keine Verzerrung) auftritt, weichen die Punkte der Mittellinie so aus (Mittellinie verwölbt sich), dass die Elemente unverzerrt bleiben.
<>
Für einige häufig verwendete offene Profile darf die Theorie der St.- Venantschen Torsion jedoch bedenkenlos verwendet werden: Querschnitte, die aus sternförmig in einem Punkt zusammenlaufenden dUnnen Rechtecken (auch bei unterschiedlichen Wanddickcn) bestehen (und damit sämtliche L- und T -Profile), sind wölbfrei.
Llr4
Abbildung 21.20: Wölbfreie dünnwandige olTene Profile
I
Beispiel I: I_"";_ _...1 Wenn dIe belden nebenstehend skizzIerten dünnwandigen U-Profile (I « a) durch eine Schweißnaht verbunden werden (Fall a), entsteht ein offener Querschnitt, mit zwci Schweißnähten (Fall b) wird der Querschnitt geschlossen.
Im FaJl a errechnet sich die maximale Schubspannung infolge eincs Torsionsmoments M, nach 21.27 und 21.28 zu M,I 3M, 'rmaxa = -
'
I,
= --2 4al
im Fall b ergibt sich nach 2 1.19 und 21.20: T
max.
h -
M,
-
M,
-2A",I-2a2 t
[ a)
al2 , .... 1
]':
b)
00
Das Verhältnis der maximalen Schubspannungen von offenem lUld geschlossenem Querschnitt beträgt in diesem Fall 'rmax,a _ I 5 ~ 'rmax,b , t In der Praxis sieht das z. B. so aus: Ein Normprofil UlOO, das mit einer Höhe h = IOOmm und einer Breile h = 50mm genau dem AbmessungsverhäJtnis dieses Beispiels (mit a = h) entspricht, hat eine Profildicke von t = 8, 5mm. Damit ergäbe sich ein Verhältnis der maximalen Schubspannungen von offencm und geschlossenem Querschnitt von ~""a = 17.6. IfllJ.l.b
<>
Man bcachle, dass wegen des Gesetzes der zugcordnctcn Schubspannungen 20.1 dic Torsionsschubspannungen nicht nur im Querschnitt, sondern auch in Längsschnitten auftreten. Im Bcispiel I wUrden sie also die Schweißnähte in Längsrichtung auf Abscherung beanspruchen.
21 Torsion
380
I
====:::JI-Mt
~-C:I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Ein TorsIonsstab (Länge: I) mIt dünnwandigem Querschnitt ist durch ein konstantes Torsionsmoment M, belastet. Im Fall a ist der Querschnitt ein geschlossener Kreisring, im Fall b ist der Ring in Längsrichtung aufgeschlitzt (die Breite des Schlitzes kann vcrnachlässigt werden). Für ein Abmessungsverhältnis ~ = 8 sind zu berechnen
Mt
" 0 a)
-
. f
a) die maximalen Torsionsschubspannungen,
'~
b) die relativen Verdrehwinkel der Endquerschnitte.
b)
R'-, (
/'
Mit Hilfe der Formeln 21.19, 21.20 und 21.24 für geschlossene dünnwandige ProAle ergibt sich für den FaLl a: M, T M, T = M, 't'mar.a 2 7r R2 27rR2, 2A m I, =
4A~,
4 7r2 R4
- - = 27rR 3 ,
--
111p" =
,
2~R
10/
M,I GI,
M,I
Die maximale Schubspannung und dcr rclativc Vcrdrchwinkel für dcn offcnen Qucrschnitt (Fall b) wird mit den Querschnittswerten nach 21.27 und 21.28 berechnet:
-r
"'ax,
b
-
-
2 3
3
I,
-7rRt
M, W,
3M, 27rR,2
11mb
...
2 3
I, -
W,
-7rR,
,
=
M,I GI,
2
3M,I 2G7rRt 3
Dic Werte, die sich rur das offene ProAI ergeben, sind deutlich größer, wie sich aus 't'max.b = 't"max,a
3!!.. I
mit dem gegebenen Abmessungsverhältnis 't'mm.b 't'f//lLr.a
<>
und
R/' =
= 24
I1lpb
R
2
=3 2 111p" t
8 erkennen lässt: I1lpb =
192
111p"
Dieses Ergebnis ist repräsentativ und zeigt die geringe Tragfähigkeit von dünnwandigen offenen ProAlen. Im Gegensatz zur Biegebeanspruchung, bei der z. B. ein I-ProAI ideal ist. weil der wesentliche Anteil der Querschniustläche möglichst weit von der Biegeachse entfernt liegt, ist ein solehes Profil für die Torsionsbeanspruchung ausgesprochen ungeeignet.
oe;> Wenn Torsionsbeanspruchung für dünnwandige Profile unvermeidbar ist, sollte nach Mög-
lichkeit wcnigstcns cinc geschlosscne Zelle vorhanden sein. Bestcht ein Querschnitt aus ciner solchen geschlossenen Zelle und nicht geschlossenen dünnwandigen Teilquerschniuen, können letztere im Allgemeinen bci dcr Torsionsrechnung vernachlässigt werden. Ein guter Kompromiss ist in der Regel ein KastenproAI, wie es die beiden zusammengeschweißten U-ProfiJe des Beispiels I bilden, das bei sehr günstiger Ausnutzung der Querschniustläche sowohl für Biegung als auch Torsion als steif und fest gclten darf.
381
21.4 Formeln ft.ir die St.- Venantsche Torsion
21.4 Formeln für die 5t.-Venantsche Torsion Für alle behandelten Torsionsprobleme dürfen die Verformungen und die maximalen Schubspannungen nach den auf der Seite 366 zusammengestellten Formeln 21.11 bis 21.13 berechnet werden, wenn man die folgenden Torsionsträgheitsmomente I, und Torsionswiderslandsll1omente W, verwendet:
1rd4 32
Kreis
1,=--
Kreisring I, =
Ellipse
@) ,
,
2a
1rab2 W, = -2-
1ra J bJ I, = a2 + b2
.ol N
1r(d~ -df) 32
(Voraussetzung für W,-Formel: b:S a)
= CI hbJ
I,
Rechteck
mit c, und Dünnwandiger geschlossener Querschnitt
I,
Si
I, ""
Dünnwandiger offener Querschnitt
=
C2
W,
= c2hb2
aus der Tabelle auf Seite 368
4A 2
~
m.it
U(s)
f
U(s) =
ds r(s)
I,
I "
3 L Sir;
Wt~ 'mlL1:
;=1
Abschnitt mit veränderlicher Wanddicke:
1'/=3I
J
liJ (s)ds
.<,
I, =2
Beliebiger Querschnitt
J(x~: +y~;)
dA
A
x
M, d
d 2
d 2
dx2 + d y 2
= I
mit
M, d
'I"'y = 2 - -
-
CPRalld
=
konst.
21 Torsion
382
Im Formelsatz für den beliebigen Querschnill (letzter Eintrag in der Zusammenstellung auf der Seite 381) ergibt sich für einen wichtigen Sonderfall eine Vereinfachung der I,-Formel. Der Integrand kann identisch durch
+ /ep
x aep dx
= a(xep)
ay
+ a(yep)
dx
_ 2 ep
dy
ersetzt werden (man überzeugt sich leicht durch Ausdifferenzieren der rechten Seite). [n
I, = 2
J[
d(Xep) a(yep)] -+- dA - 4
A
dx
dy
J
ep dA
A
kann das erstc Intcgral nach dcm Gaußschcn Intcgralsatz
durch zwei Umlaufintegrale ersetzt wcrdcn (Hinwcis: Der GauBschc [ntegraJsatz gilt auch ftir mehrfach zusammengesetzte Flächen, wenn alle Konturen so durchlaufen werden, dass die Fläche immcr links liegt, Abbildung 21.21). Man erhält: I, = -2
f
yepdx+2
f
xepdy-4
J
Abbildung 21.21: Gaußscher Integralsatz.
Um-
laufsinn bei mehrfach zu-
epdA
sammengesetzter Fläche
A
Da in die beiden Umlaufinlegrale nur die ep- Werte der Ränder eingehen, liefern sie keinen Anteil flir einen Rand mit epRand = O. Wenn es nur genau einen Rand gibt, kann diese Bedingung natürlich die allgemeine Bedingung epR",,,' = konsl. ersetzen, undflir einfach zasamll1et1hängende Querschnilfsjlächell (Flächen ohne Ausschnitte) darf ein vereinfachter Formelsatz für das SI.Venantsche Torsionsproblem verwendet werden:
a 2ep dx2
+
a 2ep y2 = 1
a
mit
epRand = 0
und
I, =
-4[ epdA
(21.29)
A
21.5 Numerische Lösungen Dic Lösung dcs SI.- Vcnantschen Torsionsproblcms nach dcn Fomleln flir dcn beliebigen Querschnitt (Seite 381 bzw. Formelsatz 21.29) gelingt in geschlossener Form nur flir wenige Spezialfalle. Ansonsten ist rnan auf numerische Lösu_ngen angewiesen. Für das schwierigste Problem, die Lösung der Poissonschen Differenzialgleichung, bietet sieh das Differenzenverfahren an, das im Abschnill 18.1 für eindimensionale Probleme besprochen wurde, weil eine Erweiterung auf zweidimensionale Aufgaben ohne Schwierigkeiten möglich ist: Analog zur Einteilung der x-Koordinate in äquidistante Abschnille der Länge h wird auch die y-Koordinate äquidistam mit einer gegebcnenfalls anderen Schrittweite k unterteilt, so dass die x-y-Ebene mit einem Rechteeknetz überzogen wird. Für die Punkte dieses Netzes wird die Differenzialgleichung durch Differenzengleichungen ersetzt, indem die partiellen AbleitlUlgen analog zu den Formeln 18.1 durch Differenzenformeln ersetzt werden. Da Ableitungen in beiden
21.6 Aufgaben
383
Richtungen in der Differenzialgleichung vorkommen, gehen in jede Differenzengleichung auch Nachbarpunkte in x- und y-Richtung cin. Dieses früher sehr beliebte Verfahren wr Lösung der Poissonschen Differenzialgleichung ist bei der Aufstellung der Differenzengleichungen in Randnähe dann recht mühsam, wenn Randpunkte nicht mit den Punkten des rechteckigen Netzes zusammenfallen, was allerdings eher die Regel als die Ausnahme ist. Die ErfLillung der Randbedingungen karm dann nur durch Interpolation erreicht werden, was für jeden Randpunkt eine individuelle Betrachtung erfordert. Deshalb ist das Differenzenverfahren auf diesem Gebiet fast völlig durch die Methode der finiten Elemente verdrängt worden. Mit Dreieckselementen gelingt es immer, beliebige Randkontu-
6
5 4
ren ausreichend genau zu erfassen.
Die für die Anwendung der Finite-ElementeMethode auf das St.-Venantsche Torsionsproblem erforderlichen theoretischen Überlegungen können hier nicht dargestellt werden. Man findet sie unter www.TM-aktuell.de. u. a. mit Demonstration von Beispielen aus diesem Kapitel (Abbildung 21.22 zeigt das Ergebnis einer solchen Rechnung).
3
Tor5; onstragheltsmoment It = 3.1165
2
o o Abbildung
2
21.22:
4
6
Berechnung
von
8
f,
mil
Matlab-Femsel. hier das Beispiel von Seite 377
21.6 Aufgaben
I
.
'.
Au/gabe2].l: I_";';; .....J Der Antnebsmotor emes Ruhrwerks leistet 2 kW bei 100 Umdrehungen pro Minute. Es darf angenommen werden, dass jeweils die Hälfte dieser Leistung an den Punkten 2 bzw. 3 von der ausschließlich auf Torsion beanspruchten Welle an die Flügel des Rührwerks abgegeben wird. Gegeben:
P
2kW " = 100min- 1 ,~" = 130 N/mm 2
, :
I) = 100mm 12 = 100 mm G = 0,8· 105 N/mm 2
3 Hohlwelle
2 Vollwelle
Motor Man berechne a) das Drehmoment des Motors, b) den erforderlichen Durchmesser d flir die Voll welle zwischen und 2 (Ergebnis aufrunden auf volle mm), c) den größtmöglichen Innendurchmesser di für die Hohlwelle zwischen 2 und 3, wellil diese den gleichen Außendurchmesser wie die Welle I ... 2 hat (abrunden auf volle mm), d) den Gesamtverdrehwinkel der Welle I ... 3 mit den unter bund c ermittelten Werten.
384
21 Torsion
I
Aufgabe 21.2: I Die Achse eines Radsatzes muss aus konstruktiven Gründen außemlittig angetrieben werden. Gegeben:
A=
0-12
a) Es ist das Verhältnis der polaren Flächenträgheitsmomente K =
'p
zu berechnen, bei dem an 1'2 beiden Rädern Momente gleicher Größe iibertragen werden. b) Man berechne die erforderlichen Durchmesser in den Bereichen I und 2, wenn folgende Parameter gegeben sind: Mo = I kNm; Je = 2: T,u' = 120N/mm 2
I
Allfgabe 21.3: I_..;..; ..... Man weise nach, dass die Funktion 2 2
a b
(xla2 + i) b2
die Poissonsche Differenzialgleichung 21. 14 und die Randbedingung 21. 15 für einen elliptischen Rand erfLillt und damit die Torsionsfunktion für einen elljptischen Querschnitt darstellt, und leite dann das Torsionsträgheitsmoment I, her, das in der Tabelle auf Seite 381 angegeben ist.
IAufgabe 21.4: I Für die Herstellung eines Torsionsstabcs stchen dünnwandigc L- und U-Profile zur Verfügung. Zur Erhöhung der Torsionsfestigkeit und -steifigkeit könncn zwei L-Profile (Variante a) oder das U-Profil mit einem Deckblech (Variante b) zu einem geschlossenem Kastenprofil verbunden werden. a) Man ermittle, welehe Variante zur Minimierung der Schubspannungen bzw. des Verdrehwinkels günstiger ist. b) Wie groß ist das Verhältnis
'*
der größten Schubspannung TI im offenen U-Profil zu der größten Schubspanl1lLOg TZ im geschlossenen Profil (U-Profil und Deckblech)? Wie groß ist das Verhältnis der relativen Verdrehwinkel ~ zweier Torsionsstäbe mit entsprechenden Querschnitten?
I Aufgabe 21.5:
I
Für den skizzierten einfach symmetrischen Trapezquerschnitt ist die Abmessung bz so zu bestimmen, dass der auf Torsion belastete Qucrschnitt wölbfrei ist. Die Dicke t ist über den gesamten Umfang konstant.
b,
b, Gegeben:
b
l
,
h, t.
22 Zusammengesetzte Beanspruchung In den vorangegangenen Kapiteln wurden die Spannungen in Bauteilen berechnet, bei denen eine Abmessung deutlich größer war als die beiden anderen. Dabei wurde jeweils in nur einer Schnittfläche (z = konstant) die Spannung ermitteli, die sich infolge einer speziellen Schnittgröße ergibt. Natllrlich treten die unterschiedlichen Belastungsarten häufig gekoppelt auf. so ist zum Beispiel eine Biegespannung fast immer mit einer Querkraftbelastung (Schubspannung) verbunden. Außerdem beschränken sich die Spannungen auch bei den einfachen Bauteilen nicht auf eine Schnilltläche. weil Schubspannungen immer in zwei senkrecht aufeinander stehenden Schnittflächen paarweise auftreten. In diesem Kapitel wird deshalb das Problem behandelt, wie ein Spannungszustand (hinsichtlich der Festigkeit des Bauteils) zu beurteilen ist, wenn mehrere Spannungskomponenten gleichzeitig wirken. Da diese Frage gerade auch rur die komplizierteren Berechnungsmodelle der Fcstigkeitslehre bedeutsam ist, sollen diese hier erwähnt werden, auch wenn ihre Berechnung mit Ausnahme weniger Spezialfälle im Rahmen dieses Buches nicht behandelt werden kann.
22.1 Modelle der Festigkeitsberechnung In den Kapiteln 14 bis 21 wurden mit dem Stab, dem Biegeträger und dem Torsionsstab ausschließlich eindimensionale Modelle der Festigkeitsberechnung behandelt (eine Abmessung ist deutlich größer als die beiden anderen).
, I
Die Abbildung 22.1 (Modell: Zwei Deckenträger liegen auf den tragenden Wänden eines Gebäudes) zeigt zwei "eindimensionale" Biegeträgcr zusammen mit zwei "zweidimensio-
nalen" Bauteilen.
q
Abbildung 22.1: Biegeträger und Scheiben
Während bei den eindimensionalen Modellen die beiden anderen Dimensionen durch die QuersChnittsabmessungen repräSentie11 werden, ist bei den zweidimensionalen Modellen. so genannten Flächentragwerken, die Dicke des Bauteils die dritte Dimension. Diese kann (wie die Querschnittsfläche der eindimensionalen Modelle) veränderlich sein und bestimmt gemeinsam mit der Mittelfläche die Geomeuie des zweidimensionalen Modells (die Mitteltläche wird von den Punkten gebildet, die die Dicke an jeder Stelle halbieren).
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_22, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
386
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
Ein ebenes Flächentragwerk, das ausschließlich Belastungen (Einzellasten, LinienJasten) aufnimmt, die in der Millelfläche liegen, wird als Scheibe bezeichnet. Ebene Flächentragwerke, die auch Belastungen (Einzellasten, Linienlasten, Flächenlasten) senkrecht zur Millelfläche aufnchmcn, nennl man Plallel1. Flächentragwerke mit gekrümmter Mittel fläche heißen SchaleIl. Der Behälter in Abbil· dung 22.2 zeigt eine Kombination aus Kreisplatten und Zylinderschale mit einer typischen Belastungs3l1 (Flächenlast), die bei den eindimensionalen Berechnungsmodellen nicht vorkam.
~ ~.~.
........ .. , ., ...
..
~"""""U"'". ~ili'
Abbildung 22.2: Krcisplane und Zylinderschale
Die Theorie der Berechnung von Flächentragwerken basiert auf ebenso sinnvollen (und durch die Praxis bestätigten) Annahmen, wie sie für die eindimensionalen Modelle getroffen wurden, allerdings gelingt nm für relativ wenige geometrische Formen (z. B. Rechteckscheibe, Rechteckplatte, Kreisscheibe lind Kreisplalle, Zylinder-, Kugel- l1nd Kegelschale) eine geschlossene analytische Lösung, meist sogar nur für ganz spezielle Belastung und Lagerung (z. B. für rotationssymmetrische Probleme, vgl. Kapitel 25). Zahlreiche Bauteile entziehen sich jedoch völlig der gerade beschriebenen Klassifizierung (kompakte Körper wie Motorkolben, Maschinenfundamente oder die bizarren Geometrien von Gussgehäusen, ... ). Sie müssen als dreidimensionale Modelle behandelt werden, für die die Berechnung bis auf (kal1m erwähnenswerte) Ausnahmen nur nllmeriseh möglich ist. Dafür stehen heute leistungsfähige Finite-ElementeProgrammsysteme zw' Verfligung, und Hochleistungs-Computer gestatten die Behandlung von Modellen, die das Verhalten der realen Bauteile außerordentlich gut annähern.
Abbildung 22.3: Typi· sches ,,3D-Modell'"
Nicht zu unterschätzen ist jedoch der Aufwand, der mit der Beschreibung des Berechnungsmodells durch Eingabedaten auch dann verbunden ist, wenn komfortable Datengeneratoren verfügbar sind. Die Entscheidung für eine ,,3D-Rechnung" sollte gut überlegt werden. Finite-ElementeBerechnungen von Flächcntragwerken sind dagegen mit vergleichsweise geringem manuellen Aufwand für die Vorarbeiten verbunden. Als Alternative zur numerischen Berechnung bietet sich häufig die experimentelle Spannungsund Verformungsanalyse an, auf die man ohnehjn dann zurückgreifen muss, wenn nicht alle
erforderlichen Eingangsdaten für die Berechnung verfügbar sind, speziell die Belastung (z. B. in dmchströmten oder umströmten Bauteilen, thermische Belastungen, ...) ist häufig nicht mit der gcwünschten Genauigkeit verfügbar. Das Ziel der Festigkeitsrcchnung (ob analytisch odcr numerisch) oder der experimentellen Analyse ist jedoch immer die Ermittlung der Spannungen an verschiedenen Punkten des Bauteils, um sie mit den ertragbaren Spannungen vergleichen zu können (Festigkeitsnachweis, vgl. Kapitel 13).
22.2 Der einachsige SpannungszusLnnd
387
22.2 Der einachsige Spannungszustand Die Normalspannungen (unterschiedlicher Herkunft) in einer Schnittfläche haben die gleiche Richtung und dürfen deshalb durch Addition überlagert werden. Davon wurde bereits bei der Behandlung der Biegung um zwei Achsen (schiefe Biegung) und beim gekrümmten Träger Gebrauch gemacht. Im geraden Träger werden Normalspannungen durcll die Biegemomente und die Normalkraft FN hervorgerufen. Bei Beachtung der für die Schniltgrößen getroffenen Vereinbarungen (Kapitel 7 und Abschnitt 8.4) und der verwendeten Koordinatensysteme gilt
ojx,y) =
FN Mb' MI,,' -+-' Y+-' x A
lxx
(22.1)
lyJ'
Diese Fonncl licfcrt für jedcn Punkt einer Qucrschnittsflächc (vorzeichensicher bei Einhaltung der Vereinbarungen) die aus Biegung und NOffilalkraft resultierende Gesamt-Normalspannung. Der Index z am Symbol flir die Spannung kennzeichnet die Schnittfläche: 0, wirkt in der Fläche z = konstant.
I
Beispiel: I Für den skizzierten Träger mit Quadratquerschnitt soll die Normalspannung in einem beliebigen Querschnitt des vertikalen Abschnitts bestimmt werden. Gegeben:
F, I,
CI, ~
N
Mit den Schniltgrößen FN=F
und
(Bezugsfaser und damit y-Achse wie eingezeichnet) und den Querschnittskennwerten und
I I I I I I I I I I I
A
a
c-~
~~ XI
Fl
L..I l
J
ergibt sich die Spannungsverteilung:
FN Mb F FI F ( 1-12IY) 0,=-+-y=--12-y=a4 a2 A 1.", Cl 2 Cl 2
<>
Die Spannungs-Null-Linie (vgl. Abschnitt 19.1) liegt bei dieser kombinierten Beanspruchung (durch FN und Mb) nicht mehr im Schwerpunkt der Querschniltsfläche.
<>
Man erkennt an dem Ergebnis, dass die Normalspannung infolge FN wesentlich kleiner als die Biegespannung ist. Die maximale Biegespannung 0b,,,,,,x = ~ im Querschnitt (am Rand bei y = -I) hat schon tUr I = ~ den gleichen Betrag wie die Spannung infolge der Normalkraft. Das bedeutet: Eine äußere Kraft in TrägerlängsricblUng ruft schon bei etwas außermittigem Angriffspunkt eine Biegespannung hervor, die größer ist als die Spannung infolge der Normalkraft.
Wenn ein Bauteil ausschließlich durch eine NornzalspClllIulIlg in einer Richwllg beansprucht wird, so spricht man von einem einachsigen Spalll1lmgsZllslalld. Bei einer reinen Biegebeanspruchung
388
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
(ohne Querkraftschub) und Beanspruchung durch eine Normalkraft (wie im gerade behandelten Beispiel) ist diese Voraussetzung erfullt. Am Beispiel eines Zugstabs, dessen Querschnitt durch eine konstante Spannung 0"0 beansprucht ist (Abbildung 22.4), wird deutlich, dass in einem Schnitt, der nicbt senkrecht zur Richtung zu 0"0 liegt, auch Sehubspannungen auftreten. Gleichgcwieht in horizontaler Richtung ist an dem auS dem Stab herausgeschnittenen Keil nur herzustellen, wenn in der schrägen Schnittfläche Aq> neben der Normalspannung O"q> auch eine Schubspannung Tq> wirkt.
uo=F/A o
~ f"II"'I:
u
~
T
?'?
~"'!0UO ~ I u
jF
~I,~II,~,I~~
2tJ I
uoA o
AbbUdung 22.4: Auch beim einachsigen Spannungszustand gibt es Schubspannungen
Die (konstanten) Spannungen in den Schnittflächen Ao bzw. Aq> werden durch Multiplikation mit den Flächen zu Kräften O"oAo bzw. O"q>Aq>. Diese Kräfte müssen die folgenden Gleichgewichtsbedingungen erfüllen: O"q>Aq> -
O"oAocosq> = 0
Tq>Aq> - O"oAo
Mit Ao =
Aq> cos q>
sin q> = 0
ergeben sich daraus die
Spannungen in einem beliebigen Schnitt beim einachsigen Spannungszustand: _
O"q> -
0"0 COS
2
q>
Tq>
=
I
.
2" O"a s1l12q>
(22.2)
oe:> Die Normalspannung wird (wie zu erwanen) am größten für q> = O. [n diesem Schnitt wirkt
keine Schubspannung, und dies ist auch im Folgenden das Kriterium daflir, dass genannte Hallplspannllng ist. L~
0"0
eine so
Bei Materialien, die besonders empfindlich gegen Schubbeanspruchung sind, ist also zu beachten, dass selbst beim einachsigen Spannungszustand, bei dessen Berechnung sich im AJJgemeinen nur eine NormaJspannung ergibt, eine Schubspannung wirkt, die in speziellen Fällen durchaus flir das Versagen eines Bauteils verantwonlich sein kann.
Beim einachsigen Spannungszustand ergibt sich die max imale Schubspannung für q> = 45°. Es ist die so genannte I (22.3) Hallplschubspanllllllg 'rmax = "20"0
Die Fonnein 22.2 und 22.3 gelten für einen beliebigen Punkt des Bauteils und damit auch. wenn die Spannung 0"0 nicht konstant ist (Beispiel: Biegespannung).
389
22.3 Der ebene Spannungszustand
22.3 Der ebene Spannungszustand Der ebene Spannungszustand ist dadurch gekennzeichnet. dass in zwei senkrecht zueinander stehenden Schnitten Normal- und Schubspannungen vorhanden sein können, während in der dritten Richtung keine Spannungen wirken. Dieser Spannungszustand hat besondere praktische Bedeutung. Er ergibt sich zum Beispiel • bei der kombinielten Biegemoment-, Normalkraft-, Querkraft- und Torsionsbeanspruchung der Träger, die in den Kapiteln 14 bis 21 behandelt wurden, • im Inneren von Flächcntragwerken (Abschnitt 22.1), • an den von äußeren Kräften nicht belasteten Oberflächen beliebiger Bauteile. Da an der Oberfläche häufig die größten Spannungen auftreten (vgl. die Biegetheorie), liegt die kritische Spannung auch bei kompakten (schwierig zu berechnenden) Bauteilen meistens in einem Gebiet, in dem ein ebener Spannungszustand vorliegt. Gerade die Oberflächen sind aber für eine experimentelle Spannungsermittlung (Dehnmessstreifen, vgl. Beispiel 2 auf Seite 395) besonders gut zugänglich.
1
1
@ \ dx
yl (Jy
11
j j
t 11' I j
T xy
~ID----~-~1
1=1----
-~
I=:
-- ax
,
-x Abbildung 22.5: Ebener Spannungszu$tand in einem Biegeträger
Der ebene Spannungszustand wird durch drei Spannungen bestimmt: 0:" 0:)' und 'Al" Dabei wurde bereits berücksichtigt, dass die in den beiden Schnittflächen wirkenden Schubspannungen gleich sind (Gesetz der zugeordneten Schubspannungen 20.1). Abbildung 22.5 zeigt ein aus einem Bauteil herausgeschnittenes differenziell kleines Element mit den Abmessungen dx· dy. Die am Element angetragenen Spannungen sind nicht unabhängig voneinander, sie müssen ein Gleichgewichtssystem bilden. Dies wird hier nicht betrachtet, weil die Glcichgcwichtsbcdingungcn in dcr Thcoric dcr Spannungsbcrcchnung bereits berücksichtigt sein müssen (man vergleiche hierzu die Theorie des Querkraftschubes, die das Gleichgewicht mit den Biegespannungen garantiert). Es sind vielmehr folgende Fragen interessant:
CD Das x-y-Koordinatensystem. an dem sich die Richtungen der drei Spannungen 0:,..
und 'x)' orientieren, liegt recht willkürlich so, wie es für die Berechnung dieser Spannungen günstig gewesen sein mag. Wie groß sind die Spannungen in beliebigen Schnitten, die parallel zu einem (um den Winkel cp gedrehten) ~-17-Koordinatensystemliegen?
~
Bei welcher Schnittrichtung treten die maximalen Spannungen auf, wie groß sind die Maximalspannungen?
Zur Beantwortung dieser Fragen wird ein Keil aus dem Element herausgeschnitten, dessen eine Schnittfläche senkrecht zur Koordinatenachse ~ liegt (Abbildung 22.6).
'y
0:,
C"'~·I~ T xy Acosip T xy
A sin
. 91 '(Jy A smip
Abbildung 22.6: Spannungen in einem beliebigen Schnitt
390
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
Wenn diese Schnittfläche mit A bezeichnet wird, haben die zur x- bzw. y-Achse senkrecht stehenden Flächen die Größen Acos cp bzw. A sin cp. In der Abbildung 22.6 sind die aus den Spannungen resultierenden Kräfte an den drei Flächen angetragen, die folgende Gleichgewichtsbedingungen crfLillen müssen:
er~A = er,A cos 2 cp + 1'xyA eos cpsin cp + eryA sin 2 cp + 1',)"A sin cpcos cp 1'~ 'lA = 1',yA cos 2 cp - o:,A eos cpsin cp - 1":rA sin 2 cp + eryA sin cpcos cp
(22.4)
Nach cinigcn elementaren Umformungcn crgcbcn sich dic nachfolgcndcn FOnllCln, dic durch eine Beziehung für er'l ergänzt wurden, die sich aus Gleichgewichtsbetrachtungen an einem Keil mit einer Schnittfläche senkrecht zur 1]-Achse ergibt. Transformation der Spannungen des ebenen Spannungszustandes auf ein gedrehtes Koordinatensystem: er~ =
I
I
I
I
2( O:r+ er)") + 2( erx - ery) cos2cp + 1''Y sin2cp
erry = -(er,+err)--(o:,-err)cos2cp-1'xvsin2cp 2 . 2' . 1'~ ry =
-
I
2(0:, -
(22.5)
.
ery ) slll2cp + 1',ycos 2cp
Der Aufbau dieser Formeln entspricht exakt der StTUktur der Transformationsformeln 16.12 für die Flächemrägheitsmomente (Seite 227). Deshalb können alle dort gewonnenen Aussagen sinngemäß übernommen werden: Es existiert immer ein gegenüber dem x-y-Koordinatensystem um den Winkel
J
(0:, - er,,)2 4
2 + 1',y (22.6)
er,· + ery lJ2 = --2- -
(er, - er,,)2 ? 4' +1")'
erl ist die größte und er2 die kleinste aller Normalspannungen, die sich bezüglich beliebiger Richtungen fLir den belrachteten Punkt finden lassen. Die beiden Hauptspannungsrichlungen stchcn scnkrccht aufeinander. Der Winkel
t'll1
0:"
(22.7)
22.3 Der ebene Spannungszustand
391
oe:> Man beachte: Im Gegensatz zu den Hauptträgheitsmomenten (Abschnitt 16.2.5) können die
beiden Hauptspannungen beliebige Vorzeichen haben. Deshalb ist (J, nicht immer auch die absolut größte Spannung in diesem Punkt. Um Richnmg und Größe der maximalen Scbubspannul1g zu ermitteln, wird die Formel für in 22.5 nach cp abgeleitet und Null gesetzt. Man gewinnt folgende Aussage:
'~I)
Die maximalen Sehubspannungen treten in Schnitten auf, deren Richtungen um 45° zu den Hauptspannungsriehtul1geo gedreht sind. In den Hauprschubspannungsrichrungm
CP. = CPI ± 45° wirken die Hauplschllbspannungell: I
± '2 ((51
't'mm =
AufCHRtSTlAN OTTO MOHR (1835 - 1918) geht die Idee zurück, für die Transformationsgleichungen 22.5 und 22.6 grafische Löslll1gen bereitzustellen: Wenn man aus der ersten und drillen Gleichung in 22.5 den Winkel cP eliminiert (quadrieren und addieren, etwas mühsam, aber machbar), entsteht mit (
2 ( <J, ~ (J),J2 Ux + (Jy ) 2 +, = 4 (J - --2-
2
+ 'x)
(die Indizes ~ und 1) wurden weggelassen) eine Gleiehung, die in einem (J-,Koordinatensystem einen Kreis beschreibt.
(22.8)
- 0'2)
I
T
",
"
Abbildung 22.7: Mohrseher Spannungskreis
Abbildung 22.7 zeigt diesen Mohrschel1 Spallllllilgskreis. Man erkennt, dass er bei einem gegebenen Satz von Spannungen für einen Punkt (Jx, (Jy und r.l)' einfach zu konstruieren ist. Jeder beliebige Durchmesser verbindet zwei Punkte auf dem Kreis, für die die Spannungen für die entsprechende Spannungsrichtung cP abgelesen werden können. Speziell sieht man auf der (J-Achse die beiden Hautspannungen (J, und (J2, der Radius entspricht dem 'max' Dass (Jt und '"'''' um 90° versetzt erscheinen (und nicht um 45°. wie es naeh 22.8 sein muss), deutet darauf hin. dass im Mohrsehen Spannungskreis mit dem doppelten Winkel 2 cP gearbeitet werden muss, was speziell dann zu beachten ist, wenn mau die Spannungen unter einem bestimmten Winkel entnehmen will. Darauf wird hier nicht weiter eingegangen, denn der Mohrsehe Spannungskreis war ein sehr nützliches Werkzeug. als der Ingenieur noch mit dem Rechenschieber arbeitete'. Heute gibt es IDass der Mohrsehe Spanllungskrcis hier erläuten wird. hat neben der TaIS..'l.che. dass Abbildung 22.7 noch einmal recht anschaulich alle wesentlichen Größe,n des ebe.nen Spannungszustands zeigt, auch den Gnll1d, ehr. O. Mohr zu würdigen. auf den z. B. auch ein geniales Verfahren zur grafischen Ennütlung der Durchbiegung einer Welle zurückgeht, das allerdjngs (welch ein Gliick nir alle Srudenten!) überhaupl nicht mehr verwendel wird.
392
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
nalÜrlich keinen Grund mehr, die Auswertungen der Formeln 22.5 bis 22.8 durch das Zeichnen eines Kreises zu realisieren. Es sollen hier noch die Zusammenhänge der Spannungen mit den Dehnungen behandelt werden, weil bei der experimentellen SpannungsanaJyse mittels Dehnmessstreifen primär die Dehnungen als Versuchsergebnisse anfallen, die dann (unter der Voraussetzung elastischer Verformung) über das Hookesche Gesetz in die Spannungen umgerechnet werden können. Dabei ist zu beachten, dass beim ebenen Spannungszustand mit NormaJsparUlungen in zwei Richtungen jede Normalspannung auch die Dehnung in der jeweils dazu senkrechten Richtung beeinflusst (Querkontraktion, vgl. Abschnitt 12.4). Die Dehnung in einer Richtung ergibt sich also beim ebenen Spannungszustand aus der Überlagerung des Anteils aus dcr Spannung in dieser Richtung mit der Querkontraktion aus der anderen Spannung: (22.9) Diese bei den Fom1eln lassen sich nach den Spannungen umstellen und werden ergänzt durch den Zusammenhang zwischen Schubspannung und Gleitung nach 12.6 im Zusammenhang mit 12.7. Dieser Formelsatz wird bezeichnet als Hookesches Gesetz für den ebenen Spannungszustand: E (Jx = - - 2 (Ex + VEy ) I-v E 't ry = G Yrv = I'A"\' . 2(I+v)'
E (J" = - - 2 (E), + VE.,) . I-v
(22.10)
Die Formeln 22.10 gelten für zwei beliebige zueinander senkrechte Richtungen, also auch flir die Hauptspannungsrichtungen, flir die wegen der verschwindenden Schubspannung (und damit auch der Gleitung y,y) die dritte Gleichung entfallt. Durch Einsetzen der Spannungen nach 22.10 in die Transfom1ationsformeln 22.5 erhält man die Formeln für die Transformation der Dehnungen und der Gleitung des ebenen Spannungszustandes auf ein gedrehtes Koordinatensystem:
I I 1 Ei; = 2(Ex +E).) + 2(Ex - Ey) cos2rp + 2 Yxysin 2rp Ery =
~(Ex + Ey) - ~(Ex -
Ey)cos2rp -
(Ex - Ey) sin 2rp
+
~ Yxysin 2rp
(22.11 )
}'xy cos 2rp
Die fonnale Ähnlichkeit dieser Fonnein mit den Transfom1ationsformeln 22.5 gestaltet die Übertragung der Erkenntnisse iiber die Spannungen auf Aussagen über die Dehnung:
22.3 Der ebene Spannungszustand
393
oe:> Es existiert immer ein gegenüber dem x-y-Koordinatensystem um den Winkel CPI gedrehtes
Koordinatensystem mit den Achsen I und 2, für das die Gleitung verschwindet. I und 2 sind die Haupldehmmgsrichtungen, die mit den Hauplspannlll1gsrichtlll1gen identisch sind. Die Haupldehnllngen bcrechnen sich nach
und der Winkel cP, zwischen der x-Achse und der Hauptdehnungsrichtung 1 aus tan CPI =
Yxv.
(22.13)
2(f, - f y )
Diese Formel liefert den gleichen Wert für cP' wie 22.7. Die Hauptspannungen lassen sich über das Hookesche Gesetz 22.10 also auch aus den Hauptdehnungen berechnen.
I
Beispiel]: I_ _ _ _.... Flir den skiZzIerten Kragtragcr 1,.111 veranderlichem Quadrat-Querschnitt wurde (als Beispiel 4 im Abschnitt 16.3 auf Seite 241) berechnet, dass bei z = ~ die maximale Biegespannung auftritt. Für diesen Querschnitt sollen die Hauptspannungen (bei Berücksichtigung der ßiegespannung und der Querkraftschubspannung) ermittelt werden.
Gegeben:
J~-------I" I
-z
öl ~
I
F. a, 1= lOa.
Der Querschnitt bei z = ~ hat die Kantenlänge I ,5a. Mit I (1,5a)4 27 4 I xx = =-a 2 .12 64 ergibt sich die Biegesparumngsverteilung nach 16.3: Mb=-F-
32 Fl 27 a
(Jb= - - -4y
Nach 20.2 (Seite 346) erhält man mit (vgl. Beispiel I im Abschnitt 20.1 auf Seite 346)
_(1,5a)2 _2) 1,5a 4 Y 2
FQ = -F
Sx-
den Verlauf der Querkraftschubspannung r = - 32
!.... (!!.-.a 2 -
27 a 4
16
i)
Zur Erinnerung: Die y-Achse hat ihren Ursprung im Schwerpunkt des Querschnitts und ist nach unten gerichtet, die Biegespannungen wirken senkrecht zum Querschnitt (in z-Richtung), so dass alle Spannungen in der y-z-Ebene zu sehen sind (Abbildung 22,8). Für das betrachtete Beispiel gilt also: (Jy =
0
394
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
ßiegespannung
Schubspannung
Abbildung 22.8: Biegespannungs- und Schubspannungsverteilung über die Querschnittshähe, eine NormaJspannurJg O"y gibt es bei diesem BeispjeJ nicht
Die Abbildung 22.8 zeigt die Spannungsverteilung über die Querschnittshöhe und das Definitionsbild mit den Bezeichnungen, die für die Formeln des ebenen SpannungsZllstands verwendet werden. Die Hauptspamlllngen in einem beliebigen Punkt des Querschnitts (sie sind über die Breile konstant) berechnen sich bei entsprechender Modifizierung der Indizes nach 22.6:
Bei einer Höhe von I, 5a für den betrachteten Querschnitt darf y in dieser Formel Wel1e im Bereich -0, 75a ~ y ~ 0, 75a annehmen. Die folgende Tabelle vergleicht fLir einige Punkte des Querschnitts die Biegespannungen und Querkraftschubspanmlngen mit den Hauptspannungen:
y -0,75a -0,50a -0,25a 0 0,25a 0,50a 0,75a
(Jb
2
8. 889F /a 5, 926F /a 2 2. 963F /a 2 0 -2,963F/a2 -5. 926F/a2 -8,889F/a 2
'l:
(J,
(J2
0 -0,370F/a 2 -0,593F/a2 -0,667 F /a 2 -0,593F/a 2 -0. 370F/a2 0
8,889F /a 2 5, 949F /a 2 3,077 F/a 2 0,667 F/a 2 0,114F/a 2 O,023F /a 2 0
0 -0,023F/a 2 -0, 114F/a 2 -0,667 F /a 2 -3.077 F/a 2 -5,949F/a 2 -8.889 F/ a2
c:> Die Ergebnisse zeigen, dass die Hauptspannung in keinem Punkt größer wird als die maximale Biegespannung. Dieses Ergebnis ist repräsentativ: Im Allgemeinen kann der aus der Querkraft herrührende Spannungsanteil vernachlässigt werden, zumal die Querkraftschubspannungen an den Ptmkten der maximalen Biegespannung (Ober- bzw. Unterkante des Querschnitts) verschwinden.
c:> Die Schubspannung aus der Querkraftbelastung kann allerdings zur Beurteilung der Haltbarkeit von Fligestellen (vg1. Abschnitt 20.3) bedeutsam sein. Die maximale Schubspannung tritt in der Schwerpunktfaser auf. Da dort keine Normalspannungen wirken (ncutrale Faser fur Biegebeanspruchung), verlaufen die beiden Hauptspannungen unter einem Winkel von 45° zur Horizontalen.
~F
----~
[,--
Abbildung 22.9: Hauptspannungen 'Im Punkt der größten
Schubspannung
22.3 Der ebene Spannungszustand
395
Die "reine Schubbelasrung" in der neutralen Faser eines Biegeträgers wird durch eine Zug- und eine Druckspannung repräsentiert. Da diesc beiden Hauptspannungen den gleichen Absolutbetrag haben, können sie (und damit die Schubspannung) gegebenenfalls durch nur eine Dehnungsmessung (z. B. mit einem unter 45° angebrachten Dehnmessstreifcn) ermittelt wcrden.
I
Beispiel 2: I_ _ _ _.... Be, ell1er experimentellen Spannungsanalyse wurden mit der skizzierten Dehnmessstreifen-Rosette die Dehnungen in den beiden senkrecht aufeinander stehenden Richtungen CI und c und die Dehnung in der unter 45° zu a und c geneigten Richtung b gemessen: Ca = 0,70· /0-3; Ch = 0,81 . 10-4 ; ce = 0,27 . /0-3 .
Berechnet werden sollen a) die Größe der Hauptdehnungen CI und c2 und die Richrung der Hauptdehnung CI, b) die Größe der Hauptspannul1gen (Jj lmd (J2, wem1 fur das Material der Elastizitätsmodul E = 2, I . 105 N/mm 2 und die Querkontraktionszahl v = 0,3 angenommen werden dürfen.
Die in dcn Richtungcn CI und c gemesscncn Dchnungen cntsprcchcn den Dehnungcn in x- und y-Richtung (willkürliche Wahl des Koordinatensystems): Cx = 1;" = 0, 70· 10- 3
C)' = Ce = 0, 27 . 10- 3
Zur Berechnung der Hauptdehnungen nach 22.12 fehlt der Gleitwinkel )").. Die beiden ersten Gleichungen 22.11 entbaltenjedoch 1',) und (wie gegeben) drei Dchnungen, so dass die GJcitung berechnet werden kann, wenn Ch z. B. als c~ in Richtung cp = 45° eingesetzt wird: I I c~ = ch =:1 (1;" +ce) +:1 Y,y Daraus errechnet sich
Yxy = 2Ch -Ca -Ce = -0,81.10- 3 und aus 22.12 und 22. I 3 erhält man die Hauptdehnungen und die Hauptdehnungsrichtung I: c,=0,94./O- 3
c2=0,027.1O- 3
Da die Hauptspannungsrichrungen mit den Hauptdehnungsrichtungen übereinstimmen (Abbildung 22.10), könncn die Hauptspannungcn nach dem Hookeschen Gesetz 22.10 aus den Hauptdehnun-
cpl=-31°
'y
gen ermittelt werden:
E
(JI = - - 2 (ct + VC2) = 219N/mm I-v
E
2
,
(J2 = - - 2 (c2 + VCI) = 7 j. 6N/mmI-v
Abbildung 22.10: Richtungen der Hauptspannungen und Hauptdelmungen
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
396
22.4 Der räumliche Spannungszustand Der allgemeine Fall ist der räumliche SpannuTigszlIsrand: In drei aufeinander senkrecht stehenden Schnittflächen wirken • 3 Normalspannungen 0:"
Gy, G,
und
• 6 Schubspannungen 't:ty. 't:rz. 't'Y.h 'fyz •
't"Z.h
't'zy·
Der erste Index kennzeichnet die SchnittfläChe (der Index x steht also z. B. fUr die Schnittfläche x = konstant). der zweite Index bei den Schubspannungen steht für die Richtung innerhalb der Schnittfläche (bei den Normalspannungen erübrigt sich die Richtungsangabe. weil sie immer senkrecht zur Schnittfläche gerichtet sind). Nach dem Gesetz von der Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen 20.1 gilt 't'yz
= Tz)'
so dass der räumliche Spannungszustand durch die Angabe von insgesamt 6 unterschiedlichen Spannungskomponcmcn beschricben wird. Der räumliche 5pannungsZllstand in einem Punkt kann durch die Angabe von sechs Spannungskomponemen (3 Normalspannungen 0:" G,. G, und 3 Schubspannungen 't'xy. ,,,. 't'yz) eindeutig beschrieben werden. Es ergeben sich nun die entsprechenden Probleme, die auf Seite 389 für den ebenen Spannungszustand als Fragen CD und @ formuliert wurden: Wie sieht es bei beliebiger anderer Schnittfläche aus und wo treten die maximalen Spannungen auf? Für den ebenen Spannungszustand konnten die Antworten darauf mit Gleichgewichtsbetrachtungen entsprechend Abbildung 22.6 auf anschaulichem Wege gefunden werden. Weil die Anschauung im dreidimensionalen Fall sehr schnell verloren geht. empfiehlt sich ein eher formaler Weg. Dieser Weg wird zunächst noch e.inmal flir den ebenen Spannungszustand demonstriert. weil er dafür auch anschaulich ist. um ihn dann formal auf den räumlichen Spannungszustand zu übertragen:
• Die Koordinaten x und y werden durch XI und X2 ersetzt, und die Spannungen werden sämtlich nut dem Symbol G bezeichnet. das durch zwei fndizes ergänzt wird: (22.14) • Die Schnittebene in beliebiger Richtung wird durch den (auf ihr senkrecht stehenden) Einheitsvektor e~ beschrie· ben (Abbildung 22.11): e = [cos cp
~
Sill
cp
]
= [cos al ]
cos a2
(22.15)
Ebene
~=
konst.
Abbildung 22.11: Ebener Spannungszusland. Übergang zu neuen Bezeichnungen
397
22.4 Der räumliche Spannungszustand
• Die Spannungen werden in einer (symmetrischen) Spannungsmatrix S zusammengestellt, für die in einer beliebigen Schnittfläche wirkenden Spannungen wird der Spannungsvektor S definiert: S
=
[;~ ]
(22.16)
• Der Spannungsvektor sI; fUr die durch el; definierte Ebene kann dann aus (JII (J12] [cosal] [(JII cosal COSa2 (J12 cos al
sI; =S·el; = [ (J12 (J22
+ (J12COSa2 ]
+ (J22COSa2
(22.17)
berechnet werden. • Die Komponcntcn von sI; in 22.17 bezichen sich noch auf das XI-x2-Systcm. Dic NOllllalspannung (JI; in der Schnittfläche ~ = konstant (in Richtung von el;) kann man mit dem Skalarprodukt aus dem Vektor SI; mit dcm Einheitsvektor el; bercchnen: (JI; = SI; ·el; = (JII cos 2 a,
+ (J12cosal cosa2 + (J22COS 2 a2 + (J'2cosa2cosa,
. (22.18)
Dieses Ergebnis entspricht genau den ersten Formeln in 22.4 bzw. 22.S, die dort anschaulich aus Gleichgewichtsbedingungen gewonnen wurden. • Auch das Hauptspannungsproblemlässt sich sehr elegant lösen: Wenn man die Transformation 22.17 mit einem (zunächst unbekannten) Normalenvektor 11 mit dem Ziel ausführt, dass das Ergebnis ein Vektor Sn ist, der genau die Richtung von 11 hat, dann gibt es ausschließlich eine Normalspannung in der durch 11 definierten Schnittfläche. Das kann so formuliert werden: Sn
=5-11 =
(22.19)
D'1l
• Mit 22.19 ist ein homogenes Gleichungssystem 2 [
(J,~~ (J (J2~~ (J
] [
~~] [~]
(22.20)
entstanden, das nur dann nichttriviale Lösungen (zumindest einer der Werte "I bzw. "2 ist ungleich Null) haben kann, wenn die Koeflizientendeterminante verschwindet:
1
(JII -(J (J12
(J12 1-0 (J22 - (J
=>
(JII-(J)(J22
-(J)-(J~2 =0
(22.21)
Diese quadratische Gleichung liefert mit (J, und (J2 genau die beiden Lösungen 22.6. • Die zu den beiden Hauptspannungen (J, und (J2 gehörenden Richtungen 111 bzw. 1/2 können aus einer (beliebigen) der beiden Gleichungen 22.20 berechnet werden. Weil die Lösungen eines homogenen Gleicbungssystems nllI bis auf einen beliebigen Faktor bestimmbar sind, solltc man 1/, und 112 normieren (zu EinheilsveklOrcn machen). Alle am Beispiel des ebenen Spannungszustandes noch anschaulich nacb.zuempfindenden Beziehungen könncn nun fonnal auf dcn räumlichen Spannungszustand übcrtragcn werdcn. 2 Unter www.TM-Mathe.de findel man eine ausftlhrliche Dar!ltellung des Thema'i ..Homogene Gteichungssystemc". siehe den Hinweis aur Seile 73.
398
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
Räumlicher SpannungsZlIstand:
r:> Die Koordinaten x, y und z werden durch XI, X2 und X3 ersetzt, und die Spannungen werden sämtlich mit dem Symbol (J bezeichnet, das durch zwei Indizes ergänzt wird: eJ" ,
(Jy . (J, , 1:,y • 1:xz ,1:yz
(JI J , (Jn . (J33 , (JJ2 , (J13 ,
=}
(J23 .
(22.22)
c:> Die Schnittebene in beliebiger Richtung wird durch den (auf ihr senkrecht stehenden) Einheitsvektor e~ beschrieben. Die cos a; sind die Richtungskosinusse (Abbildung 8.\ auf Seite 110 zeigt, wie diese gemessen werden):
e~ [~::~~ =
(22.23)
]
COSa3
c:> Die Spannungen werden in einer (symmetrischen) Spannungsmatrix S zusammengestellt, für die in einer beliebigen Schnittfläche wirkenden Spannungen wird der Spannungsvektor s defi niert: (JI J (J12
S= [
L~
(J12
(Jn
(J13] (J23
(J13
(J23
(J33
Der Spannungsvektor s~ für die durch
e~
S=
SI] [ :~
(22.24)
definierte Ebene kann dann aus
s~ =
S· e~
(22.25)
berechnet werden. Den Betrag der Normalspannung (J~ in dieser Schnittebene und den Betrag der resultierenden Schubspannung 1:~ errechnet man dann so:
(J~
=
s~ .e~
1:~
=
Jls~
1
2
- (Jl
c:> Die Hauptspannungen ergeben sich aus der Transformation
S'1l = (J '11,
(22.26)
die auf ein ho-
mogenes Gleichungssystem flihn:
][ ~~] [~ ]
(22.27)
Zu einem räumlichen SpannungsZllstand gehören also drei Hauptspannungen (JI, (J2 und (J3 in drei senkrecht aufeinanderstehenden Ebenen, die schubspannungsfrei sind (zur Lösung von 22.27 siehe nachfolgende Bemerkung). Eine der Hauptspannungen ist die größte, eine andere die kleinste aller Norillalspannungen, die in beliebigen Schnittebenen auftreten können. Die dritte Hauptspannung liegt zwischen den beiden anderen.
c:> Die größten Schubspannungen (Hauplschubspannungen) treten in Ebenen auf, die mitjeweils zwei Hauptspannungsebenen einen Winkel von 45° bilden. Wenn man (wie üblich) die größte Hauptspannung mit (JJ und die kleinste mit (J3 bezeichnet. errechnet sich die maximale Schubspannung nach (22.28)
399
22.5 Festigkeitshypothesen
oe:> Das System 22,27 hat nichttriviale Lösungen, wenn die Koeffizientendeterminante verschwin-
det (die immer existierende "triviale Lösung" 111
= "2 = "3 = 0 ist nicht
0'11-0'
0'12
0'13
0'12
0'22 - 0'
0'23
0'13
0'23
0'33 - 0'
= 0
interessant): (22,29)
Diese Bedingung würde (mit etwas mühsamer Rechnung) auf einc Gleichung 3, Grades führen, aus der man (auch nicht ganz mühelos) drei (reelle) Lösungen errechnet 3 Zu jeder Lösung gehöft ein Nonnalenvcktor, der die Schnittfläche dcfiniert und auch aus 22,27 berechnet werden kann,
22.5 Festigkeitshypothesen Die zulässigen Spannungen werden im Allgemeinen mit Hilfe der Spannungswe11e ennittelt, die durch den Zugversuch (einachsiger Spannungszustand) gewonnen werden (Abschnitt 12,3 und Kapitel 13), Ein Bauteil ist aber in der Regel nicht nur einem einachsigen Spannungszustand unterworfen, so dass die Frage beantwortet werden muss, wie das gleichzeitige Auftreten verschiedener Spannungen (wie zum Beispiel beim ebenen Spannungszustand) beim Vergleich mit einer aus einem recht einfachen Modellversuch gewonnenen Spannung beurteilt werden muss, Naheliegend ist die Berechnung der Hauptspannllngen, um diese einzeln mit der zulässigen Spannung zu vergleichen, Dabei bleibl die Frage offen, welchen Einfluss die gleichzeitige Wirkung der anderen (bcim Zugvcrsuch nicht vorhandencn) Hauptspannungcn hat. Um einen beliebigen Spannungszustand mit dem O',u!. das auf Versuchcn mit einem einachsigen Spannnngszustand basiert, vergleichen zu können, wurden zahlreiche Fes!igkeifShYPofhesel1 entwickelt, die alle der Ermittlung einer so genannten Vergleichsspallllul1g O'v dienen, mit der dann der Spannungsnachweis durchgeftihrt wird, Im Idealfall müsste die Vergleichsspannllng als Repräscntant aller wirkenden Spannungen die Veränderungen des Materialvcrhaltens (insbesondere das Fließen und das Versagen durch Bruch) bei den gleichen Wet1en hervorrufen, bei denen sie bei einem einachsigen Spannllngszustand (Zugversuch) auftreten, Leider gibt es die ideale, für alle Werkstoffe gleichermaßen gültige Festigkeitshypothese nicht. Deshalb werden im Folgenden die drei gebräuchlichsten Hypothesen vorgestellt. Bci mchrachsigen Spannungszuständen wird aus dcn crmittclten Spannungen auf der Basis einer geeigneten Hypothese eine Vergleichsspanl1ul1g O'v berechnet, mit der dann der Spannungsnachweis (22.30) durchgeführt wird, 3 So wird man llatürlich 22.27 nichl lösen, denn diese Form des homogenen Gleichungssystems ist ein so genanntes Spezielles Matri:ßlleigenwenproblem. Daftjr gibt es neben einer ausgefeilten Theorie eine große AnzahlleislUngsfä-
niger Berechnungsverfahren. Ausftihrliche Informationen mit Beispielen findet man auf der Inlernct-Site Marhemalik fiir die Tee/mische Mecluwik (www.TM-Mu(he.de). siehe auch den Hinweis auf Seite 419.
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
400
22.5.1 Normalspannungs- und Schubspannungshypothese Die NormalspannungshYPofhese geht von der Annahme aus, dass "die größte auftretende Normalspannung für cin cvcntucllcs Vcrsagen dcs Matcrials verantwortlich ist". Das Maximum dcr Absolutbeträge der Hauptspannungen ist also die Vergleichsspannung4 der NormaJspannungshypothese (Hypothese der größten Hauptspannung): max(IO"II .
O"V.I =
10"21· 10"31)
:s: 0",,,1
(22.31)
Für den räumlichen Spannungszustand werden O"J, 0"2 und 0"3 aus 22.29 berechnet. Für den ebenen Spannungszustand entfallt 0"3, und die bei den anderen Hauptspannungen berechnet man entsprechend 22.6 aus 0"1.2 =
O"x+ 0")'
--2- ±
J
(O"x - 0")')2
4
2
+ ",)'
(22.32)
Die Normalspannungshypothese wird vornehmlich rür spröde Werkstoffe (z. B. Grauguss) verwendet. Die Schllbsponnllngshypolhese geht von der Annahme aus. dass "die größte auftretende Schubspannung für ein eventuelles Versagen des Materials verantwortlich ist". Also werden die maximalen Schubspannungen (Hauptschubspannungen) des ebenen bzw. räumlichen SpannungsZllstands 22.8 bzw. 22.28 mit der maximalen Schubspannung des einachsigen Spannungszustands, wie er beim Zugversuch entsteht, vergl;chen, Nach 22.3 (Seite 388) gilt für den einachsigen SpannungsZllstand I
!max =
'2 (Jma:r
und daraus folgt die Vergleichsspannung für die Schubspannungshypothese: OV,2 =
2 'tmax :S
(Jztll
(22.33)
Pür den räumlichen Spannungszustand müssen zunächst 0"1, 0"2 und 0"3 aus 22.29 berechnet werden, um dann "mux aus 22.28 zu berechnen, Für den ebenen Spannungszustand kann bei bekannten Hauptspannungen "",ax aus 22.8 berechnet werden. Anderenfalls liefert die Kombination von 22.33 mit 22.8 und 22.6 die Pormel: O"V.2 =
J
(O"x - 0")')2
+ 4 "x~ :s: G,al
(22.34)
Die Schubspannungshypothese liefert für zähe Werkstoffe (z. B. Stahl) recht gute Ergebnisse, wird aber heute nur noch selten verwendet, weil im Allgemeinen mit der nachfolgend behandelten Gestaltänderungshypothese eine noch bessere Annäherung an die Realität erz.ielt wird. 4
Das Symbol für die Vergleichsspannung (jv wird zur Unterscheidung der einzelnen Hypothesen mit einem zusätzlichen Index versehen. Es gilt av, I für die Normalspannungshypolhcse. OV.2 ruf die Schubspannungshypothese und OV.J ruf die G~tah~inderungshypolhese.
22.5 Festigkeitshypothesen
401
22.5.2 Gestaltänderungshypothese Die Geswltänderullgshyporhese geht von der Annahme aus, dass ,.die Materialbeanspruchung ausschließlich durch die Veränderung der Gestalt und nicht durch die Volumenänderung hervorgerufen wird". Hier soll nur die sich nach dieser Theorie ergebende Formel ohne die (etwas aufwendige) Herleirung angegeben werden.
Gestalländerungshypothese: UV,3 =
J~[(UI-U2J2+(U2-U3J2+(U3-UI)2] $ UZ"'
(22.35)
Für den räumlichen Spannungszustand werden UI, U2 und U3 aus 22.29 berechnet. Für den ebenen Spannungszustand entfällt U3 in 22.35, so dass sich folgende Formel ergibt: (22.36) Die Gestaltänderungshypothese ist die für zähe Werkstoffe gegenwärtig am häufigsten verwendete Hypothese. Deshalb soll am Beispiel 22.36 die Betrachtung einiger Spezialfalle auf die Besonderheiten dieser Hypothese aufmerksam machen: oe:> Dcr cinaehsige Spannungszusland mit Ux = Uo,
u, = 0 und
'l:xy =
0 ist in der Gestaltände-
rungshypothese sinnvoll enulalten und fUhrt auf
-ro, Ux = u,. = 0 führt auf UV.3 = V3-ro $ u,"r
oe:> Reine Schubbeanspruchung mit 'l:X)' =
In der Gestaltänderungshypothese steckt also die Annahme ~;:; =
V3 (in der Schubspan-
nungshypothese steckt die Annahme (Ir'''' = 2). Wenn die durch Versuche ermittelten Werte :IIJ deutlich von dieser Annahme abweichen, ist es üblich, die Hypothese mit einem Korrekturfaktor zu verfeinern (vgl. das im nächsten Abschnitt erwähnte Allsrrellgungsverhälrnis). oe:> Gleichmäßiger Zug (ohne Schub) mit Ux =
ery =
Uo (gleiche Zugspannung in zwei senkrecht
aufeinander stehenden Richtungen) führt auf UV,3 = Uo
$
U,",
und wird damit nach der GestaJtänderungshypothese als nicht geHihrlicher flir das Material als eine Zugspannung in nur einer Richtung angesehen. oe:> Dagegen liefert Zug in eiller Richtung und Druck in der dazu senkrechten Richtung nach
der Gestaltänderungshypothese höhere Vergleichsspannungen, was mit der Vorstellung über diese Beanspruchung gut übereinstimmt (die Druckspannung "unterstützt" genau die Verformung, die durch die Querkontraktion infolge der Zugspannung hervorgerufen wird), zum Beispiel erhält man mit Ux = Uo, u, = -0(), 'l:.\}' = 0: erV.3 =
V3ero $
U,",
402
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
22.5.3 Berechnung von Wellen Wellen. die für die Übertragung eines Drehmoments bestimmt sind (Antriebswellen, GetriebeweIlen, ... ), werden fast immer auch auf Bicgung beansprucht. Der mit der Biegebeanspruchung gleichzeitig auftretende Querkraftschub kann im Allgemeinen vernachlässigt werden, zumal die gröflte Schubbelastung aus der Querkraft mit der neutralen Faser der Biegung zusammenfallt. Die NormalsparulUng aus der Biegung und die Schubspannung infolge Torsion bilden den Sonderfall eines ebenen Spannungszustandes, bei dem nur cinc Normalspannung wirkt (Abbildung 22.12). Dementsprechend vereinfachen sich die Fomleln rur die Vergleichsspannungsberechnung. Nach der vorwiegend verwendeten Gestaltänderungshypothese (Wellen werden aus zähem Material gefertigt) ergibt sich aus der Biegespannung ab und der Torsionsschubspannung 'T nach 22.36 die Vergleichsspanl1ung
Abbildung 22.12: Getriebewelle. beansprucht auf Biegung und Torsion
[m vorigen Abschnitt wurdc gczcigt, dass dicse Formcl ein Vcrhältnis dcr zulässigcn Spannungen von ~ = j3 voraussetzt, was bei den dynamisch belasteten Wellen auch durch unterschiedliche Belastungsarten (vgl. Abschnitt 13.1) für die Biege- bzw. Torsionsbelastung gcstört scin kann. Dies kann ausgegLichen werden durch das Anstrengungsverhälmis ao (auch als Korrekturfaktor nach BACH bezcichnet), mit dcm dic Schubspannung in dcr Verglcichsspannungsformcl multipliziert wird:
aV,3
=
Jal+3(ao,,)2
Für Stahl nimmt dieser Korrekturfaktor Werte von ao '" 0,7 (Biegewechselbelastung, Slatische Torsionsbelastung) bis ao '" 1.5 (Torsionswechselbelastung, statische Biegebe!astung) an. Im Allgemeinen ist ao '" I (beide Belastungsarten als Wechselbelastung) ein sinnvoller Wert, zuma! statische Biegebelastung (und damit der größere Wert für ao) bei umlaufenden Wellcn ohnehin nicht gegeben ist. Für Wellen mit Kreis- oder Kreisringquerschninen gibt es auf dem Außenrand immer zwei Punktc, in denen die maximale Biegespannung mit der ebenfalls am Außenrand auftretendenmax;malen Torsionsschubspannung zusammenfällt, so dass die maximale Vergleichsspannung in einem Querschnitt mit Mb MT eJ'b.max
=
Wb
'rr,ma.T
= "'r
berechnet werden kann. Dabei muss das Biegemoment Mb bei einer Belastung in zwei Ebenen stets vorab nach
Mb = JMlx + Mly zum resultierenden Biegemoment zusammengesetzt werden. MT ist das Torsionsmoment, Wb das Widerstandsmoment gegen Biegung, Wr das Widerstandsmoment gegen Torsion.
22.5 Festigkeitshypothesen
403
Bei einem Vergleich der Formeln ftir die Widerstandsmomente 16.18 und 21.6 stellt man fest, dass für den Krcis (und auch ftir den Kreisring) W, = 2Wb
gilt. Wenn dies in die Formcl für die Vergleichsspal1nung cingesetzt wird, erhült man
OV.3 = und daraus ergibt sich eine einfache Vorschrift für die Berechnung von Wellen mit Kreis- oder Kreisringquerschnitt, die auf Biegung und Torsion beansprucht werden: Es wird ein Vergleichsl1lomelll (22.37)
MV.3 = JMf,+O,75(UDM,)2
berechnet, das den gemischten Belastung,fall Biegung-Torsion auf einen (nach der Gestaltünderungshypothese) äquivalenten reinen Biegebelastungsfall reduziert, für den M v,3 OV.3 = Wb :S 0,,,,
(22.38)
gelten muss. Wb ist das Widerslandsmoment gegen Biegung für den Kreis- bzw. Kreisringquerschnitt, UD das oben besprochene Anstrengungsverhältnis.
I Beispiel:
I
Der skizzierte Winkel mit Kreisquerschnill ist so zu dimensionieren, dass in keinem Querschnitt die nach der Gestaltänderungshypothese berechnete Spannung größer ist
als
A
(5zlI/-
Gegeben:
a = 500mm ; 0,,,/ = 200N/mm 2 b= lOOOmm ; F = 2kN
;
Berechnet werden soll der erforderliche Durchmesser du! bei einem Anstrengungsverhältnis UD = I. Der Bereich der Länge a wird nur auf Biegung, der Bereich der Länge b auf Biegung und Torsion beansprucht. Da b größer als a ist, tritt das größte Biegemoment an der Einspannung auf, und der gefahrdetc Querschnitt ist der Einspannquerschnitt. Mit dcn Momenten IMbl = F bund IM, I = Fa ergibt sich das Vergleichsmoment Mv,] = F Jb 2 +0, 75a 2
Mit dem Widerstandstlloment gegen Biegung 16.18 für den Kreisquerschnitt errechnet man:
du! =
J
N'
-32 -F . b2 + -a- =48, I mm Jr (J'zul 4
404
22 Zusammengesetzte Beanspruchung
22.6 Aufgaben I
Aufgabe 22.1:
I
Mit der skizzierten Dehnmessstreifen-Roselte können die Dehnungen in drei Richtungen a, bund c gemessen werden, die jeweils um 60° gegeneinander gedreht sind.
Gegeben:
Ca
I
eb
l
ec
,
60°
c,
60°
E, v. a,
Man enllittle die Formeln, nach denen bei bekannten Dehnungen in den drei Messrichtungen und bekannten Materialkennwerten (Elastizitätsmodul und Querkontraktionszahl) a) die Hauptdehnungen, b) die Hauptspannungen berechnet werden können.
I
Bp
d,
I Aufgabe 22.2: Eine Getriebewelle mit konstantem Durchmesser d ist mit den geradverzahnten Rädern I und 2 besetzt. Zwischen der radialen Zahnkraft F, und der Umfangskraft F;, besteht iiber den Zahneingriffswinkel der Zusammenhang F, = Fu tan a
mit
a
= 20°
Am Amriebsrad 2 wird im Punkt P, das Moment Mo entgegen dem Uhrzeigersinn eingeleitet und am Abtriebs rad I im Punkt PI abgegeben.
A h
d,
;/
a
P2 a
a .,;
.,;
;
.. u \Fr
F
D
Gegeben: dl = 200mm; d2 = lOOmm; a = 500mm; d = 30mm; Mo = 50Nm;
l1() =
I.
Man ermittle
a) die Zahnkräfte Fu ', F", F;,z und F,z, b) die zur Lagerauswahl erforderlichen Lagerkräfte,
c) die Schnittgrößen in der Welle, d) Ort und Größe der maximalen Biegespannung in der Welle, e) Ort und Größe der maximalen Torsionsschubspannung in der Welle, /) Ort und Größe der maximalen VergleichsspanOllJ1g nach den im Abschnitt 22.5 behandelten drei Vergleichsspannungshypothesen. Hinweis: Die Teilaufgaben a, bund c waren bereits Bestandteil der Aufgabe 8.4.
Weitere Aufgaben findet man im lnternet unter www.TM-aktuell.de.
23 Knickung 23.1 Stabilitätsprobleme der Elastostatik Im Abschnitt 10.4 wurdc gezeigt, dass die Gleichgewichtslage eines starren Körpers (alle Gleichgewichtsbedingungen sind erfüllt) instabil sein kann, wenn die Lagerung noch eine Bewegungsmöglichkeit zulässt (z. B. bei Lagerung durch elastische Federn). So ist die vertikale Lage des starrcn Stabes in Abbildung 23,) nur stabil, wenn für die äußere Kraft die Bedingung F< Fk , = cl erfüllt ist (vgl. Beispiel I im Abschnitt 10.4). WerUl die kritische Kraft Fk , liberschritten wird, weicht der Stab seitlich aus.
Abbildung 23.1: Gleichgewichtslage (linke Skizze) wird bei F > Fkr instabil
Flir die Berechnung einer kritischcn Kraft Fk •· muSS die Theorie 2. Ordllung (Gleichgewicht Gm veiform/ell SysTem) bemüht werden. Das gleichc Phänomen kann bci deformicrbaren Stäben auch dann auftreten, wenn die Lager starr sind. Ein auf Druck belasteter Stab weicht bei einer kritischen Belastung seitlich aus (Abbildung 23.2). In dem ursprlinglich nur durch eine Normalkraft (Druckkraft) belasteten Stab entsteht eine Biegebeanspruchung: Der Stab knickt. Das Problem, die kritische Belastung von Knickstäben unter der Voraussetzung elastischen Materialverhaltens zu berechnen, wird in den folgenden Abschnitten behandelt. Die Stabknickung ist das in der Ingenieurpraxis wichtigste Stabilitä/sproblem der Elastostatik. Nachfolgend werdcn noch einige weitere Probleme dieser Art, dic in diesem Buch nicht behandelt werden können, vorgestellt. Beim Drillknicken eines Torsionsstabes geht die ehemals gerade Stabachse bei Erreichen des kritischen Torsionsmomentes in eine räumliche Kurve liber (Abbildung 23.3). Der auf Torsion belastete Stab wird dadurch einer räumlichen Biegebeanspruchung ausgesetzt.
F
EI
Abbildung 23.2: KllickRn eines elastischen Stabes
Mt
~-~~~-~ Abbildung 23.3: DrillknickeIl
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_23, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
23 Knickung
406
F
Abbildung 23.4: Kippen eines Kragträger, Beulen einer Platte und Beulen einer Schale
Wenn sehr schlanke ("brettartige") Träger mj[ stark unterschiedLichen Flächenträgheitslllomenten bczüglich der bciden Hauptachsen um dic Achsc des größercn Flächcnträgheitsmomcnts gebogen werden, kann das so genannte Kippen auftreten. Die Kraft F, die in der Abbildung 23.4 (links) nach der Theorie I. Ordnung nur eine Durchbiegung il1 vertikaler Richtung erzengt, verursacht bei Überschreiten einer kritischen Größe ein horizontales Ausweichen und eine Verdrehung. Aus einer einfachen Biegebeanspruchung wird Biegung um zwei Achsen (schiefe Biegung) und Torsion. Auch bei Flächeo.tragwerken (Beispiele: Rechteckplatte bzw. zylindrischer Behälter, Abbildung 23.4 rechts) können Druckspamlllngen oberhalb einer kritischen Belastung zum seitlichen Ausweichen flihren, so genanntem Beulen. Auch dabei kommt eine Biegebeanspruchung hinzu (aus cincr auf Druck bcanspruchtcn Schcibc wird z. B. cinc auf Bicgung bcanspruchte Platte).
23.2 Stab-Knickung Zur Einführung in die Problematik soll an dem nachfolgenden Beispiel I diese wichtige Aussage demonstriert werden: Biegeträger köllilen auch dann als Tragwerke versagen. wenn die maximaLe Spannung unterhalb der zulässigen Spannung liegt.
I
Beispiel!: I_....;_ _.... Der skIZZIerte Träger Ist durch dw Kraft F belastet. Die vertikale Abmessung 0 sei wesentlich kleiner als der Abstand der bei den Lager A und B. Gegeben:
EI = konstant, F, I, 0 (0
«
I) .
Es soll die Biegeverformung des horizontalen Teils zwischen den Lagern berechnet werden. Aus den statischen Gleichgewichtsbedingungen ergeben sicb die Lagerreaktionen zu
EI
ö'
AA
I
;:;-
J
..- F
FAH
-
FAH
jFAV
F
J;jJ
JFE
-
Z
-~i)Mb
23.2 SLab-Knickung
407
Da die vertikale Komponente FAV der Lagerreaktion bei A (wegen a q: I) deutlich kleiner ist als die Horizontalkomponente, ist es unter Umständen nicht mehr gerechtfertigt, den für die Verformungsberechnung benötigten Biegemomentenverlauf am unverformten System (nach der Theorie I. Ordnung) zu berechnen, weil FAll dann in die Verformungsberechnung gar nicht eingehen würde. Deshalb wird ("vorsichtshalber") Mb(Z) durch eine Gleichgewichtsbetrachtung am verformten System ermittelt (Theorie 2.0rdnung). Natürlich müssten konsequenterweise dann auch die Lagerreaktionen am verformten System berechnet werden, was aber in diesem Fall auf die gleichen Ergebnisse führen würde. Am geschnittenen Teilabschnitt erhält man (mit der noch unbekannten Durchbiegung v an der Stelle z) für den Momentenverlauf: Z
Mb(z) = FAvz+FAN I' = Fa.,+Fv Nach der Theorie I. Ordmmg hätte sich nur der erste Summand für den Biegemomentenveriauf ergeben. Es ist einleuchtend, dass der zweite Summand dann nicht vernachlässigt werden darf, wenn a in der Größenordnung von v liegt. Mit dieser Funktion Mb(Z) erhält man aus der Differenzialgleichung der Biegelinie 17.3 Z
11
Elv =-Mb=-Fa--Fv I für dic Berechnung der Verschiebung v mit v"+!....v=_!....'!:.z
EI EI I eine gewöhnliche inhomogene lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung mit konslan/en KoeJjiziemen (man beachte, dass die Begriffe "Differenzialgleichung 2. Ordnung" und "Theorie 2. Ordnung" nichts miteinander zu tun haben).
Die Lösung dieser Differenzialgleichung ist etwas mühsamer als der einfache Integrationsprozess, der bei Rechnung nach der Theorie I. Ordnung erforderlich ist. Der Leser, der mit der Theorie der Lösung solcher Differenzialgleichungen I noch nicht vertraut ist, darf (ohne die Gefahr. die nachfolgenden Überlegungen nicht zu verstehen) einfach glauben, dass
die allgemeine Lösung dieser Differenzialgleichung ist (der Skeptiker überzeugt sich durch Einsetzen, dass die Lösung die Differenzialgleichung erflillt). Dic Intcgrationskonstanten ergeben sich aus den geometrischen Randbedingungen
v(z = 0) = 0 zu
I
CL =0
v(z=I)=O
a Cl = --,--==-:sin(f{;I)
Hilfreich iSI sicher die Diskussion der Lösung der Differenzialgleichung 19.22. Man beachte besonders den Hinweis auf Seite 314 auf da<; Thema Gewöhnliche DijJerenziolgfeiclwngen auf der Illternel-Silc Malllemarik für die Teclmi!H:he Meclranik (www.TM-Mathe.de).
408
23 Knickung
Damit lautet die gesuchte Durchbiegungsfunktion nach der Theorie 2. Ordnung:
v(z) =
.
sm
(ß)
sin (Jbz) -a7
EIl
Diese Funktion ist in der Auswertung sicher etwas unbequemer als die Lösungsfunktion, die man nach der Theorie I. Ordnung erhält (Fall d im Abschnitt 17.4, wenn fUr das Belastungsmoment M = Fa gesetzt wird). Schon der Nachweis, dass sich für F = 0 (Träger ohne Belastung) flir belicbiges z keine Durchbiegung vergibt, erfordert cine Grenzwertbctrachtung. Allerdings ist die Lösung nach der Theorie 2. Ordnung genauer. Interessant ist, dass die prozentualen Abweichungen der en'echneten Verformungen nach den beiden Theorien (im Gegensatz zum Biegemoment) nicht von der Größe a abhängen, da a in bei den Fällen als linearer Faktor in der Verfonllungsfunktion v(z) steht. Viel wichtiger ist jedoch eine andere Erkennmis, die sich nur mit der 711eorie höherer Ordnung gewinnen lässt: Der Ausdruck im Nenner des ersten Lösungsanteils wird nicht nur dann Null, wenn F = 0 ist, sondern zum Beispiel auch für
Jbl = n Die Kraft, die sich aus dieser Formel zu
n 2 EI
Fk' = - 2 -
I errechnet, wird kritische Belastung genannt, weil sie auch bei beliebig kleinem a zu 'heoretisch ul1e11dlich großen Verschiebungen v führt. L-:> Durch Versuche kann dieses Ergebnis bestätigt werden: Auch der zentrisch belastete Druck-
stab knickt bei dieser Belastung. Eine "beliebig kleine" Abweichung vom Schwerpunkt der Querschnittsjjäche ist bei dcr Lasteinleitung praktisch ohnehin nicht ZU vermeiden.
c:> Die bei dem Beispiel I theorctisch ermittelten "unendlich großcn" Verschiebungen v bei Belastung mit der kritischen Kraft Fk' lassen sich allerdings durch Versuche nicht bestätigen. Es ergeben sich vielmehr auch jenseits dcr kritischen Belastung (im ausgeknicktcn Zustand) Gleichgewichtslagen, die auch mit der Theorie 2.0rdnung nicht zu berechnen sind. Diese geht mit der Verwendung der linearisierten Differenzialgleichung für die Biegelinie 17.3 ja immer noch von kleinen Verformungen aus. Diese Voraussetzung ist im überkritischen Bereich natürlich nicht mehr erfUHt. Hier müsste mit der nichtlinearen Differenzialgleichung der Biegelinie 17.2 gerechnet werden (Theoric 3. Ordnung). Die Theorie 2. Ordnung genügt nur zur Berechnung der (allerdings besonders wichtigen) kritischen Belastung, nicht zur Verformungsberechnung bei kritischer (oder überkritischer) Belastung. Der "Umweg", der im Beispiel I demonstriert wurde, über eine Exzentrizität ader Lasteinleitung (und schließlich das Nullsetzen dieser Exzentrizität) zur kritischen Belastung zu kommen, ist nicht typisch für die Lösung von Stabilitätsproblemen. Vielmehr ist eS üblich. nach der Theorie 2. Ordnung dic Gleichgewichtsbedingungen an cinem System aufzuschreiben, das nach der Theorie I. Ordnung momenten frei wäre. Dies führt auf ein Eigemvertproblem, was aus mathematischer Sicht eine ganz andere Betrachtungsweise darstellt (nachfolgendes Beispiel 2). Beide Wege führen zum gleichen Ergebnis.
409
23.2 SLab-Knickung
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Für den skizzierten Stab ist die kritische Kraft Fkr zu berechnen. Gegeben:
I
F EI -.is: F =:=======::=· ~A
B
EI = konstant, I.
Da die Lagerung einfach statisch unbestimmt ist, muss eine Lagerreaktion im Momentenverlauf verbleiben (gewählt wird dafLir FAV ). Am verformten System (Skizze) erhält man Mb = FAvz+Fv
z
Mb wird in die Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung 17.3 Elv" = -Mb = -FAvz-Fv eingesetzt, die folgendermaßen umgestellt wird:
v" +..2 r v = -FAV -z
mit
EI
,
F
r=EI
Die aJlgemeine Lösung dieser Differenzialgleiehung .
FAv
v = CI cos KZ+C2 sln KZ- EI K2 Z
enthält mit CI, C2 und FAv drei unbekannte Größen, man kann (wie bei statisch unbestimmten Biegeproblemen, vgl. Abschnitt 17.5) Randbedingungen in gleicher Anzahl formulieren:
I'(z = 0) = 0
CI =0 FAVI
I'(z = I) = 0
CI eos KI +C2sin KI- - - 2 = 0 EIK ~V
.
,/(z = I) = 0
-KC I Sm KI + KC2COS KI- - - , = 0 EI K-
Hier zeigt sich nWl der prinzipielle Unterschied zu den bisher behandelten Biegeproblemen: Es ist ein lineares homogenes Gieichullgssyslem' (auf der rechten Seite steht ein Nullvektor)
o cos KI
sin K 1
-KsinKI
KCOS KI
o I
- EI
(23.1 )
K2
I - EI
K2
entstanden, für das folgende Aussage gilt: Ein lineares homogenes Gleichungssystem hat immer die so genanJlte triviale Lösung (hier: CI = C2 = 0, FAI' = 0). Es kann auch nichLtriviale Lösungen haben, wenn seine KoeffizienLendeterminante den Wert Null hat. Die niehtlrivialen Lösungen sind dann allerdings Ilicht eindeutig. 2 Auf der lnternel-Sire MOlhemolik für die Technische Mechanik (www.TM-MaLhe.dc) findet man eine au~ruhrlichc Darstellung des Themas "Homogene Gleichungssysteme'·,
~iehe
den Hinweis auf Seite 73.
23 Knickung
410
Die triviale Lösung ist für die Aufgabe uninteressant, denn sie besagt nur, dass v == 0 (keine Verschiebung senkrecht zur Stabachse) auch eine mögliche (unter Umständen instabile) Lösung ist. Es interessiert gerade der Fall nichttrivia1er Lösungen für C2 und FAv (CI = 0 gilt ohnehin immer), für den v cl 0 (Knicken!) möglich ist. Dic Bcsondcrhcit bestcht darin, dass diese Lösungen nicht eindeutig sind, man kann z, B. (nach der Theorie 2, Ordnung) nicht berechnen, welche Lagerkraft FAv im ausgeknickten Zustand tatsächlich wirkt, man kommt jedoch zu der (wesentlich wichtigeren) Aussage, unter welchen Umständen FAv cl 0 (und damit v cl 0) überhaupt möglich ist. In den Koeffizienten der Matrix des homogenen Gleichungssystems steckt noch die äußere Kraft F (in dem Parameter K), und es werden nun die Werte dieser Kraft berechnet, für die die Determinante der Matrix den Wert Null hat. Die Bedingung
o cos KI
sin KI
-Ksin KI
KCOS KI
o 1 - EI K2 I - EI K2
vereinfacht sich zu der Eigenwengleichung
KI - tan KI = 0 aus der KI (numerisch, siehe www.TM-aktuell.de) berechnet werden kann. Die Eigenwertgleichung hat unendlich viclc Lösungen, von denen nur die kleinste positive interessiert, weil zu ihr der kleinste Wert für die äußere Kraft gehört, bei dcr ein Ausknicken möglich ist (kritische Kraft). Man erhält: 2 EI (KI)n,;n = 4,4934 Fkr = Er Km,n = 20,19 7f
'*
Damit ist das wichtigste Ergebnis erreicht. Man könnte nun durchaus diesen Eigenwert in die Matrix des Gleichungssystems einsetzen und die nichttriviale Lösung (bis auf einen unbestimmten Faktor) berechnen, in die Funktion v einsetzen, um auf diese Weise die Eigen/arm zu bestimmen. Man bekommt so eine Vorstellung von der "Knickfigur", die tatsächliche Größe der Verschiebungen für eine Belastung jenseits der kritischen Kraft kann (wegen des unbestimmten Faktors in der Lösung) mit der Theorie 2. Ordnung nicht berechnet werden.
c:> Die beiden Wege, die in den Beispielen I und 2 zu den kritischen Lastcn führten, liefern identische Ergebnisse (Empfehlung: Man löse zur Übung das Problem des Beispiels I mit a = 0 als Eigcnwerrproblem, wie cs mit dem Beispiel 2 demonstriert wurde). Das Beispiel I würde auch dann noch auf die gleiche kritische Last Fkr führen, wenn der horizontale Trägcrtcil A-B eine zusätzliche Querbelastung tragen würde. Die typischen Einwände gegen die "theoretischen Annahmen" der Stabilitätstheorie (exakt zentrische Einleitung der Kraft, ideal gerader Träger, ... ) sind damit gegenstandslos.
e:> Die Ergebnisse dcr beiden Beispiele lassen einige wichtigc (verallgemeinerungsfahige) Tatsachen erkennen: Die Stablänge 1 vergrößert (quadratisch) die Knickempfindlichkeit, ein großes Flächenträgheitsmoment verringert sie, "lange schlanke Stäbe" sind besonders knickempfindlich. 1m Gegensatz zu dcn bisher angestellten Fesligkeitsumersuchungen kann (im
23.2 Slab-Knickung
411
elastischen Bereich) die Knickgefährdung nicht durch die Verwendung hochfester Materialien verringert werden, denn als Materialeigenschaft geht nur der Elastizitätsmodul in die kritische Kraft ein (und der ist z. B. für alle Stahlsorten annähernd gleich). Die bei den behandelten Beispiele gehören zu den vier für den Praktiker wichtigsten Lagenmgsfallen für Knickstäbe, deren Lösung schon LEONHARD EULER (1707-1783) gefunden hat und die nach ihm im Allgemeinen kurz bezeichnet werden als die vier Euler-Fälle (die angegebenen Knicklasten gelten für konstante Biegesteifigkeit EI):
Fk' =
<>
20,19EI [2
Konstruktionen werden in der Regel nur dann als tragfahig angesehen, wenn die aufgebrachte Last kleiner als die kritische Belastung ist. Im Allgemeinen wird sogar die
Knicksicherheil
Fk , SK = - -
(23.3)
F\·orh
größer gewählt als die übrigen Sicherheitsbeiwerte (zum Beispiel: SK = 2 ... 5).
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 D,e drei Stäbe des skIzzierten Systems haben krelsfönnige Qucrschnitte. Gegeben:
F = 5 kN ; E = 2, I . 105 N/mm 2
a = 20°
;
; I = 300mm
Die Durchmesser sollen so gewählt werden, dass eine zulässige Spannung (J,,,I = 200 N/mnl nicht überschritten wird und außerdem eine Sicherheit gegen Knicken von SK = 3 garantiert ist.
l/2
l/2
~ cx
cx
2
3
F
Die Stabkräfte ergeben sich aus Gleichgewichtsbedingungen ("Rundum-Schnitte" um die Knoten): F
Ft=---
2 tana
Die auf Zug beanspruchten Stäbe 2 und 3 können mit der Forderung (J2.3 = :~:: = sioniert werden, da bei Zugstäben keine Knickgefahr besteht. Es ergibt sich:
(J,,,I
dimen-
23 Knickung
412
d2.3.n!
=2
f1f 2
-nG;:ul
F
=2
:;----,---- = 2 'Ir 0;:/11 sin a
6,82 mm
Für Stab I würde eine entsprechende Rechnung dl = 6.61 mm ergeben. Die vorgegebene Knicksicherheit (Euler-FaJI mit beidseitig gelenkiger Lagerung) erfordert dagegen, wie die folgende Rechnung zeigt, einen größeren Durchmesser des Stabes I, so dass dieser die Dimensionierung bestimmt: 2SK F /2
3
7[
I
Beispiel 4: I_ _ _....I Die belden skIzzierten Fachwerke ulllerschelden sich nur durch den zusätzlichen Stab 8, der im unteren Fachwerk eingezogen ist und den Uutergurt in zwei Stäbe 6 und 7 teilt. Alle Stäbe sollen den gleichen Querschnitt haben. Die Knicksicherheit der Stäbe beider Fachwerke soll untersucht werden.
Gegeben:
F, a.
Da der Stab 8 ein Nullstab ist (vgL Abschnitt 6.4.2, NullstabKriterien auf Seite 82), ergeben sich für beide Fachwerke die gleichen Stabkräfte. Für das Knickproblem sind nur die auf Druck belasteten Stäbe 3, 5 und 6 und 7 mit den Stabkräften F3 =
F., =
-V2F
E tana
=11,6mm.
~F, ,
4
5
d
6
I
mJ:: 6
7
F(, = F7 = -2F
von Bedeutung (zur Berechnung von Fachwerken vgL Abschnitt 6.4). Für die Stäbe 3 und 5 ergibt sich die Knicksicherheit nacb 23.3 in Verbindung mit der zweiten Formel von 23.2: 7[2 EI J2 7[2 EI SU=SK.S= (J2a)2J2F=4 Fa2
Für den Stab 6 im oberen Fachwerk ergibt sich die geringste Knicksicherheit 7[2
EI
1
SK6=(2a)22F
7[2
'8
EI
Fa 2
im unteren Fachwerk dagegen hat der Stab 6 im Vergleich dazu die vied'ache Knicksicherheit: 7[2
EI
SK.6 = SK.7 = a22F =
I
2:
7[2
EI
Fa2
die sogar noch größer ist als die Knicksicherheit der Stäbe 3 und 5. Mit Nullsräbell, die keine Kraft aufnehmen und deshalb extrem materialsparcnd konstruiert werden dürfen, kann die Knicksicherheit in Fachwerken erheblich erhöht (und in der Regel problemlos in den zulässigen Bereich gebracht) werden.
23.2 Stab-Knickung
413
oe:> Für die Fachwerkstäbe in den Beispielen 3 und 4 wurde (entsprechend der üblichen Idea-
lisierung des Fachwerks) der Euler-Fall mit beidseitig gelenkiger Lagerung verwendet. Da Fachwerkknoten in der Regel durch Knotenbleche realisiert werden, liegt man damit auf der sicheren Seitc. oe:> Wenn der Knickstab in eine beliebige Ebene ausweichen kann, ist stets das kleinste Flächen-
trägheitsmoment (Hauptträgheitsmoment 12, vgl. Abschnitt 16.2.5) in die Formeln einzusetzen. Es gibt jedoch auch Lagerungen, bei denen für verschiedene Ebenen unterschiedliche Euler-Fälle gelten. So darf ZLLm Beispiel für ein Pleuel, für das in der Knickebene senkrecht zu Kolbenbolzen und Kurbelwelle die beidseitig gelenkige Lagerung zutrifft, in der anderen Ebene bei relativ breitem Lager auf der Kurbelwelle die günstigere Einspannung angcnommcn werden, so dass cin kleincres Flächenträgheitsmomcnt erfordcrlich ist (PleuelquerschnÜt elliptisch oder als I-Profil). oe:> In Formelsammlungen findet man die Euler-Fälle häufig durch eine einzige Formel
rr:2 EI
Fk ,= - 2 -
(23.4)
lred
mit der reduzierten Knicklänge l"d repräsentiert. Diese hat, wie man sich durch einen Vergleich mit 23.2 überzeugt, für die vier Euler-FäIle die Werte 21, I, 0,71 und ~. oe:> Alle biSherigen Untersuchungen setzten voraus, dass die Knicklast erreicht wird, bevor der
Druckstab dcn linear-elastischen Bereich verlässt. Um dies gleich mit zu überprüfen, ersetzt der Praktiker gern die Berechnung der kritischen Kraft durch die Ermittlung der kririschen S/)(/nnung (Spannung, die beim Erreichen der kritischen Kraft im Stab wirkt)
Fk,
(Jh· = A = mit dem Schlankheirsgrad
A = l..~d
7[2
EI
1;",A
7[2
E
=~
(23.5)
und dem Trägheirsradius
I
Die kritische Spannung darf für die Gültigkeit der Euler-Formeln nicht oberhalb der Proportionalitätsgrenze l(Jpl des Matelials liegen (vgl. Abschnitt 12.3), wobei der Wert im Druckbereich dcs Spannungs-Dchnungs-Diagramms verwcndet werden muss. Wenn in dcr Formcl für die kritische Spannung 23.5 diese dnrch die Proportionalilätsgrenze ersetzt wird, kann man den nur noch von Materialwerten abhängigen Crenzschlankheirsgrad (23.6) berechnen, der die Gühigkeit der Euler-Formeln begrenzt. Beispiel: Für den Stahl S235JR (St37) mit (Jp = 190 N/mm2 und E = 2, I . lOS N/nll11 2 errechnet man .1.Q = 104. Für gedrungenere Stäbe mit kleinerem Schlankheitsgrad gelten die Euler-Formeln nicht. Gegebenenfalls kann mit einem der Verfahren für den nicht-elastischen Bereich gerechnet werden, die hier nicht behandelt werden.
r:> Der Ingenieur in der Praxis muss sich gerade bei Stabilitätsuntersuchungen vielfach an branchentypische Vorschriften halten. Die Berechnungen (auch die dafür zuständigen Normen) basieren allcrdings auf den hier behandeltcn Grundlagcn.
23 Knickung
414
23.3 Differenzialgleichung 4. Ordnung Bei Aufgaben, die auch nur etwas komplizierter sind als die im vorigen Abschnitt behandelten Probleme, kann es lästig sein, den Biegemomelllenveriauf am verformten System aufschreiben zu müssen, der als Voraussetzung für die Benutzung der Differenzialgleichung der Biegelillie 2. Ordnung erforderlich ist. Andererseits sind solche Probleme meist ohnehin nur numerisch lösbar, und es ist wlinschenswert, diese Berecbnungen so stark zu fonnaJisieren, wie es im Abschnitt 18.1 am Beispiel des Biegeträgers mit dem Differenzenverfahren auf der Basis der Differenzialgleichung 4. Ordnung demonstriert wurde. Deshalb wird hier die Differenzialgleichung 4. Ordnung für das Kniekproblelll hergeleitet, wobei auch ein veränderlicher Querschnitt und eine verteilte Längsbelastung Cf, (z. B. das Eigengewicht des Knjckstabs) berücksichtigt werden. Vorab sei noch einmal daran erinnert, dass die Theorie 2. Ordnung, die das Fundament ftir die Stabilitätsuntersuchungen darstellt, wie die Theorie I. Ordnung von sehr kleinen Verformungen ausgeht. Somit dürfen alle geometrischen Vereinfachungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, genutzt werden. Auch der differenzielle Zusammenhang zwischen Biegeverformung und Biegemoment (Differenzialgleichung der Biegelinie 2. Ordnung)
M" = -E/(z) v"(z)
(23.7)
gilt weiterhin. Nur die aus der Statik bekannten Differenzialbeziehungen der Sehnillgrößen 7.1 (Seite 99) müssen modifiziert werden, weil z. B. am verformten System die Querkraft und die Normalkraft nicht mehr unabhängig voneinander sind. Die Abbildung 23.5 zeigt ein aus dem verformten Stab herausgeschnittenes Element mit diesen Schnittgrößen an beiden Schnittufern. Um die Skizze nicht noch mehr zu überladen, wurden die natürlich auch wirkenden Biegemomente nicht eingezeichnet, zumal sich die Beziehung Po _ dM" (23.8) Q- dz die aus der Statik für das unverformte Elemelll bekannt ist (vgl. Abschnitt 7.2), auch am verformten Element ergibt (übrigens auch wie in der Statik aus einer Momentenbeziehung am Elemelll).
Abbildung 23.5: Schnittgrößen FN und FQ am ver· formten Element (Biegemol11ente Mb fehlen in der
Zeichnung)
Das obcre Schnittufer ist zur Vertikalen um den Winkel a geneigt, die Schnittgrößen FN und FQ, die senkrecht bzw. parallel zur Schnittfläche liegen, verändern bis zum anderen Sehnillufer sowohl ihre Größe als auch die Richtung. Deshalb wurden stellvertretend flir die (gestrichelt angedeuteten) Schnittgrößen deren Horizontal- und Vertikalkomponenten FNI1 = FNsina
FNV = FNcosa
FQI1 = FQcosa
FQv = FQsina
und am anderen Schnittufer die "Komponenten plus Zuwächse" angegeben.
23.3 Differenzialgleichung 4. Ordnung
Der Winkel mungen
a
415
ist der Biegewinkel der Verformungslinie, rur den wegen der Kleinheit der Verfordv tana = -:::::::: sina cosa ~ I
dz
gesetzt werden darf. Aus dem Kräfte-Gleichgewicht in horizontaler Richtung
folgt nach Division durch L\.z und dem Grenzübergang L\.z -> 0:
.
~(
..)
d( ...) dz
Ilm--=--
~-o
~z
Werden in diese Gleichung die Beziehungen für FQ und Mb (23.8 und 23.7) eingesetzt, ergibt sich die unlen angegebene Differenzialgleichung 23.10. In das Kräfte-Gleichgewicht am Element in vertikaler Richtung geht ein Anteil aus der Linienlast in Längsrichtung q, ein: q,L\.z+~FNV -~FQv =q,L\.z+~(FNcosa)-~(FQsina)=0
Hier liefert der Grenzübergang (wie oben nach Division durch L\.z unter Ausnutzung der VereinfachllOgen für kleine Verschiebungen):
:z (FN - FQ
~:) =
-q,
Dies ist eine nichtlineare Beziehung (die in FQ enthaltenen Verschiebungsableitungen werden mit der ersten Ableitung der Verschiebung multipliziert), die aber linearisiert werden darf, weil das Produkt aus der Querkraft und dcr (sehr kleincn) Verschiebungsableitung im Vergleich mit der Normalkraft vemachlässigbar ist, und man erhält:
dFN dz = -q,
(23.9)
Mit dieser Beziehung könote die Normalkraft berechnet werden, die darm in die Differenzialgleichung 23.10 einzusetzen ist. Andererseits sagt die Formel 23.9 aus, dass die Nomlalkraft FN am unverformten Stab berechnet werden darf (und bei q, == 0 konstant ist), so dass sicher diese einfachcre Variante vorzuziehen ist.
Differenzialgleichung 4. Ordnung für den Knickstab:
[E/(z) v"(z)]" - [FN(Z) v'(z)]' = 0
(23.10)
Die in 23.10 eingehende Normalkraft FN(z) darf am unverformten Stab ermittelt werden. Für den Spezialfali des Knickstabs mit konstanter Biegesteijigkeitund konstanter Normalkraji vereinfacht sich 23. 10 zu v'lI! - FN v" = 0 (23.11 )
E/
Die Knickprobleme werden sowohl mit 23.10 als auch mit 23.11 durch gewöhnliche lineare
homogene Differenzialgleichungen 4. Ordnung beschrieben.
23 Knickung
416
23.4 Numerische Lösung von Knickproblemen Die analytische Lösung von Knickproblemen gelingt nur für relativ wenige Spezialfalle (und auch dann erzwingt die Eigenwcrlglcichung häufig eine numerische Behandlung, vgl. Beispiel 2 im Abschnitt 23.2). Für die numerische Lösung von Stabilitätsproblemen der Elastostatik sind das Diffcrenzenverfahren und die Methode der finitcn Elemente vorzüglich geeignet. Die Methode der finiten Elemente erfordert einige theoretische Voraussetzungen. die an dieser Stelle noch nicht behandelt worden sind (im Kapitel 33 werden dafür die Grundlagen vermittelt). Deshalb soll hier nur die Lösung der Differenzialgleichung 23.10 mit Hilfe des Differenzenverfahrcns an einem Beispiel demonstriert werdcn. Ocr erste Tcrm in 23.10 ist identisch mit dcr linken Seite dcr Diffcrenzialglcichung der Biegelinie 4. Ordnung des Biegeproblems, wofor im Abschnitt 18.1.3 bereits die Differenzenformel 18.7 angegeben wurde, so dass nur noch die Umwandlung des zweiten Ausdrucks (FN J)' behandelt wcrden muss. Da man davon ausgehen kann, dass dic Normalkraft nicht numerisch nach 23.9 berechnet werden muss, sondern für jeden Punkt des (unvelformten) Knickstabs angegeben werden kann. empfiehlt sich für die Approximation der ersten Ableitungen eine leichte Modifikation der als 18.1 angegebenen Differenzenformel: Es werden jeweils Nachbarpunkte im Abstand der halben Schritlweile links und rechts vom betrachteten Punkt einbezogen, so dass die erste Formel in 18.1 zu
.
i-2
i i-I
i+~
I 2
i h
J
.
i+1
~
.
i+2
Abbildung 23.6: h rür Zwischenpunkre wird. Bei der erforderlichen zweifachen Anwendung dieser Formel liegen die v-Werte dann doch wieder auf dem gewählten Raster mit dem h-Abstand, während die FN" Werte FLir die Zwischenpunkte "i und ,.i + eingehen (Abbildung 23.6). In zwei Schrillen entsteht der Ausdruck, der den zweiten Term in 23.10 annähert:
t"
[FNV']' ""
t"
~ [-(FNJ)i_! +(FNV')i+!] "" ~ [-FN.i ! ~(-Vi_1 +vi)+FN.i+! ~(-Vi+Vi+l)]
Damit und mit dem Ausdruck, der aus Formel 18.7 übernommen wird, kommt man zur Differenzengleichung für den Knickstab:
(23.12) Für den wichtigen Spezial fall konstanter Biegesteifigkeitund konstanter Nonnalkraft vereinfacht sich 23.12 zur
417
23.4 Numerische Lösung von Knickproblemen
Differenzengleichung des Knickstabs für EI = konst. und F N = konst.: FN
Vi-2 -
(
,,2 ) Vi_I + (2 FN ,,2 ) ( FN ,,2 ) 6+ ------eJ Vi - 4 + ----riI Vi+t + Vi+2 = 0
4 + ----riI
(23.13)
Für die Anwendung werden die für die Verformungsberechnung gegebenen Empfehlungen (Seite 319) wie folgt modifiziert:
<>
Ein Knickstab der Länge I wird in /JA äquidistante Abschnitte unterteilt (h = .L). Dabei "A entstehen /JA + l Stülzstellen 0 .. . /JA (Achtung, die hier empfohlene Nummerierung ist anders als bei der Verfonnungsberechnllllg). Die in die DifferenzengleichlUlgen eingehenden Außenpunkte erhalten die Nummern -2, -I, /JA + I, /JA + 2.
<>
Die nil' die Verformungsberechnung benötigten Vektoren qi und ki entfallen. Der Vektor mi (für die J1.i- Werte) wird so verwendet. wie es im Punkt @ auf Seite 319 empfohlen wird.
<>
Da das entstehende Gleichungssystem im Gegensatz zur Verformungsberechnung homogen wird, sollten die Gleichungen als Matrizeneigenwertproblem (vgl. nachfolgendes Beispiel) formuliert werden.
<>
Im Gegensatz zur Verformungsberechnung wird fUr das Knickproblemnicht empfohlen, die Randbedingungen zu den übrigen Differenzengleichungen hinzuzufügen. Vielmehr ist es sinnvoll. die Randbedingungs-Gleichungen zu nutzen, um die Außenpunkte zu eliminieren, weil dann das Eigenwertproblem mit symmetrischen Matrizen formuliert werden kann, was für dessen numerische Auswertung von erheblichem Vorteil ist.
<>
Wenn ein Randpunkt in einern starren Lager gelagert ist (LosJager, Festlager, Einspannung), sollte für diesen Punkt keine Differenzengleichung formuliert werden (seine Verschiebung ist ohnehin bekannt). Es geht dann nur ein Außenpunkt in die Rechnung ein, der mit Hilfe der anderen RandbedjJlgung zu eliminieren ist.
I
Beispiel: I_....1_....1 Der skizzierte Stab mit konstantem Querschnitt ist nur durch sein Eigengewicht belastet. Es soll ermillelt werden, bei weleher kritisclle/J Länge er allein durch die Eigengewichts-Belastung knickt. Gegeben:
EI, Dichte p, Querschnittsfläche A .
r
Iz
EI,
Das Eigengewicht des Stabs bewirkt eine linear veränderliche Normalkraft (muss mit der über der Schnittstelle bei z liegenden Gewichtskraft im Gleichgewicht sein):
/?A
FN = -pgAz
Da die Biegesteifigkeit aber konstant ist. kann die Differenzengleichung
Abbildung 23.7: Stab,
23.12 wenigstens teilweise vereinfacht werden, so dass mit folgender
belaslet durch sein Ei· gengewicht
Gleichung gearbeitet wird:
Vi-2-
(
4+
h-FN.i_~ ? EI
-
)
+ [2( 6+ h
Vi-I
FN.i_~
+ FN.i+~ )J
EI
-
Vi-
(4+ " 2FN.i+~ ) EI - Vi+1 +Vi+2 =0.
23 Knickung
418
In der Abbildung 23.8 ist die gewählte Nummerierung der Punkte angedeutet (die zu eliminierenden Außenpunkte am oberen Rand haben negative Punktnummern bekommen). Die linear veränderliche Normalkraft kann mit der Punktmunmcr formuliert werden. ftir die Zwischenpunkte gilt:
FN,;±j = -pgA
T -2 -1 t 10
T
2
: 34 5
t ,
C±~) h
I ,
(- ) I
Da an den beiden Rändern in v-Richtung unverschiebliehe Lager angebracht sind, werden die Differenzengleichungen nur ftir die Innenpunkte I ... nA - I aufgeschrieben. so dass an jedem Rand nur ein Außenpunkt eingeht (der Punkt -2 am oberen Rand geht also in die Rechnung nicht ein).
,
I
n A
-------------~~-----'
/~
BgAnAh
Abbildung
23,8:
Nummerierung
der
Stützpunkte, linearer Normalkraflverlauf
Die Randbedingungen werden gleich so umgeformt. dass für die verbleibenden Außenpunkte die Vcrschicbungen durch Verschicbungen von Innenpunktcn ersctzt wcrdcn könncn: 1'0=0
MO =0 li liA
0
1'0=
=? =?
=0
MIlI\=O
~
EI
=>
-/z2(VnA-I-2VII/l+VnA+I)=O
V"A+I=-Vnl\-J
Es wird zunächst die sehr grobe Einteilung nA = 4 gewählt, so dass die Differenzengleichungen nur ftir die Punkte I. 2 und 3 aufgeschrieben werden müssen: V_I-
( 4-
3 pgAh3) ( 2 Pg Ah ) 2EI vo+ 6EI
Pg Ah 3 ) 1'0 - ( 4 - 3PgAh3) 1'1 + ( 6 - 4 2EI EI 3 5PgAh3) ( 6 Pg Ah ) 1'1- ( 4- 2EI V2+ 6EI
VI-
v2 -
VJ-
(
4-
3 3 Pg Ah ) 2EI
3 ( 4 - 5 Pg Ah ) 2EI 3 ( 7 Pg Ah ) 4- 2EI
1'2+1'3 =0
I'J
+ 1'4 = 0
1'4+1'5 =0
Die Verschiebungen der beiden Randpunkte 1'0 und 1'4 und der beiden Außenpunkte V-I und 1'5 werden mit Hilfe der Randbedingungen eliminiel1. Es wird die Abkiirzung pgAh J pgA/ 3 pgA/ 3 1(= - - - = - - - = - - EI n{ EI 64EI eingeführt, und es verbleiben drei Gleichungen für die drei Verschiebungen VI, 1'2 und 1'3:
-4+ 1.51( 6-41( -4+2,51(
-4 +12 ,5 I( 5-61(
]
[~~] VJ
[
~
]
(23.14)
0
Es ist wie bei der analytischen Lösung des Beispiels 2 (Seite 409) wieder ein homogenes lineares Gleichungssystem entstanden, das prinzipiell nach der gleichcn Stratcgie gelöst werden
419
23.4 Numerische Lösung von Knickproblemen
könnte ("Koeffizientendeterminante = 0 =;. Gleichung dritten Grades =;. K-Werte für nichttriviale Lösungen"). Dieser Weg wäre jedoch bei einer feineren Diskretisierung nicht mehr praktikabel. Aber das System 23.14 unterscheidet sich in einer wesentlichen Eigenschaft angenehm vom Gleichungssystem 23.1, das bei der analytischen Lösung erzeugt wurde: Beim Differenzenverfahren tritt auch der Eigenwert K nur linear auf, und es können alle Lösungsverfahren verwendet werden, die für Malrizeneigenwertprobleme verfügbar sind. Deshalb sollte 23.14 in der Form des so genannten Allgemeinen Matrizeneigenwerrproblems
(A - KB)x=o aufgeschrieben werden:
( [
_~
-:
I -4
_~]
_ K [ _
5
~,5 - ~,5 -~'5]) [ ~~ ] = [ ~ ]
0
-2.5
6
\13
(23.15)
0
Unter www.TM-aktuell.de findet man die Lösung dieses Malrizeneigenwertproblems mit Mallab. Der kleinste Eigenwert K des Systems 23.15 bestimmt die kritische Länge: K)
3
= 0,2742
h,=
n~ EI pgA
] 64EI KI
=
pgA .0.2742=2,60
]fEI
VPiA
Das Matlab-Script realisiert beliebig feine Diskretisierung nA. Die folgende Tabelle zeigt eiLlige Ergebnisse.
h,
nA = 3
nA = 8
2599\/ pgA EI
2 ) 635\/ pgA Et
1
nA = 100
2 1 648
\I Et
pgA
Exakt
2. 648
\I pgAEt
Dieses Beispiel wurde auch deshalb gewählt, weil es einer analytischen Lösung (gerade noch) zugänglich ist (unter anderem unter Verwendung Besselscher Funktionen für die Lösung der Differenzialgleichung). Der Vergleich mit der exakten Lösung zeigt, dass selbst das Ergebnis für nA = 4 praktischen Anforderungen genügt (aber es gibt natürlich keinen Gmnd, mit dem Computer "vorsichtshalber" nicbt auch noch feiner zu unterteilen).
WWW - Mathematik für die Technische Mechanik - WWW Matrizeneigel/wertprobleme auf der Internet-Site Mathematik/lir die Technische Mechanik (www.TM-Mathe.de) bietet u. a. folgende Themen:
I~
Spezielles und allgemeines Matrizeneigenwertproblem. Eigenwerte und Eigenvektoren Symmetrische Matrizen, positiv definite Matrizen, dünn besetzte Matrizen Überführen des allgemeinen in das spezielle Matrizeneigenwertproblem Vektoriteration, Simultaniteration. inverse Iteration, Rayleighscher Quotient Jacobi-Rotation, Givens-Rotation, Hessenberg-Form, QR-Algorithmus Lösen von Matrizeneigenwertproblemen mit Standard-Software
420
23 Knickung
23.5 Aufgaben I Aufgabe 23.1:
I.
.
..
Em Wandkran a und em Brückenkran b smd durch die Kraft F belastet (Gesamtgewicht der Laufkatze mit angehängter Last), deren Stellung jeweils im Bereich 2a veränderlich ist. Der Stützstab ist für die ungünstigste Laststellung bei vorgegebener Knicksicherheit SK zu dimensionieren. Zu bestimmen ist sein Außendurchmesser Da, wenn ein Rohr mit dem Dw:chmesserverhällllis !ft, = 1,2 verwendet wird.
Gegeben: =20kN ; a = 2m I = 6m h 5m 3 , SK E = 2, I . 105 N/mm 2 .
Aufgabe 23.2:
a
,
F
I
a
a)
fF
~
L
L
L
I
Ein Knickstab ist cntsprcchcnd dcr Abbildung gelagert. Die scharnierartigen Lager können keine Momente um die x-Achse aufnehmen, wirken jedoch in der x-z-Ebene wie Einspannungen. Das linke Lager ist unverschieblich, das rechtc Lager ist in z- Richtung versch ieblich.
Gegeben:
a)
F, I, E, a, R.
Es sollcn die bciden skizzierten Querschninsvarianten untersucht werden. Gesucht ist jeweils die Abmessung b, so dass sich für beide Ebenen die gleiche Knicksicherheit ergibt.
I
AuJgabe 23.3:
b)
;
, "I ,
~" a-
.0
.0
//
ff:,R
'/
I
3a
I
Ein Stab mit Kreisquerschnitt, dessen Durchmesser linear veränderlich ist, wird durch eine Einzelhaft auf Druck beanspnIcht.
Gegeben:
~R
, }i
"ö
I
/
I
.......
..A::'"ö -----_ F , _
d,=1,2d
d, E. I.
Man ermittle a) die kritische Last F" mit dem Differenzenverfahren bei einer Einteilung der Länge I in nA = 4 Abschnitte, b) die Matrizen A und 8 des aligemeiIJeo Matrizeneigenwertproblems (A - ,(8) x = 0 für die Einteilung der Länge I in nA = 8 Abschnitte.
Weitere Aufgaben findet man imlnternet unter www.TM-aktueU.de.
24 Formänderungsenergie Definition: Mechanische Arbeit ist das Produkt des Weges, den der Angriffspunkt einer Kraft F zurücklegt, und der in Wegrichtung wirkenden Komponente dieser Kraft Fs. Weil die Kraft entlang des Weges s veränderlich sein kann, gilt für die Arbeit W folgende Formel: W =
J
Fs ds
(24.1)
.,
Auch bei der Deformation eines elastischen Bauteils leistet eine äußere Kraft eine Arbeit, die nach 24.1 berechnet werden muss, denn aucb diese Kraft wächst entlang des Verformungsweges vom Wert Null auf ihren Endwert.
Abbildung 24.1: Belastung und Entlastung
Die geleistete Arbeit wird im l.nneren des Bauteils als Energie (.,Arbeitsvermögen") gespeichert, die wiederum dafür sorgt. dass ein elastisches Bauteil nach Entlastung wieder seine ursprüngliche Form annimmt (Abbildung 24.1).
24.1 Arbeitssatz Betrachtet wird zunächst der in Abbildung 24.2 skizzierte Zugstab, an dem eine Kraft F vom Anfangswert Null auf ihren Endwert Fo anwächst, entsprechend wächst die Verschicbnng w des Kraftangriffspunktes bis zu ihrem Endwert wo. EA Während des gesamten Vorgangs gilt immer (Formel 14.6 im Abschnitt 14. I) Fl EA w=F=-w EA I dz [dz bis der Endzustand F;,-LJ - F Fol
N
wo= EA
Abbildung 24.2: Äußere und innere Kräfte am Zugstab
erreicht ist. Dabei leistet die äußere Kraft die Arbeit Wo
Wo
W = "
J
w=o
Fdw=
J
w=o
EA
1 EA
I F;}l
l
-wdw=--w5=--=-Fowo l 2 l 2 EA 2
(24.2)
die im Kraft- Verformwlgs-Diagramm (Abbildung 24.4) als Fläche unter der linearen Flll1kLion F(w) veranschaulicht werden kann. Eine entsprechende Formel (mit dem typischen Faktor
!)
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_24, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
422
24 Fonnänderungsenergie
ergibt sich immer dann, wenn ein linearer Zusammenhang zwischen einer Belastungsgröße und
der durch sie an ihrem Angriffspunkt hervorgcrufenen Verformung besteht. Die Arbeit, die beim Spannen einer lioearelastischen Feder mit der Federkonstanten c zu leisten ist (Abbildung 24.3). kann zum Beispiel nach 1 1 2 (24.3) Wa = "2 Foso = "2 cso
F01&IF 1
((~
.(' ~ ~ , ~,s wO'so
berechnet werden, wobei so der Gesamt- Abbildung 24.4: W im a Abbildung 24.3: Spannen einer linear-elaslischen Feder Federweg und Fo der Endwert der Kraft ist. Kraft- Weg-Diagramm Es wird nun FLir den Zugstab der Abbildung 24.2 die Arbeit der inneren Kräfte (Normalkraft FN) berechnet. Das herausgeschnittene differenziell kleine Element mit der Länge dz verlängert sich nach 14.4 um Edz, und weil die Nomlalkraft natürlich auch .,von Null auf ihren Endwert" anwächst, leistet sie am Element die Arbeit ~ FNEdz (die Gesamtverschiebung wurde in der Abbildung 24.2 willkürlich an einem Schnittllfer des Elements angetragen, so dass nur eine Kraft FN Arbeit leistet, bei einer Aufteilung auf beide Schnittufer ändert sich insgesamt nichts). Die gesamte Arbeit der Normalkraft im Stab ergibt sich nach Integration liber die Länge I, und mit FN = Fo flir das betrachtcte Beispicl und E = nach 14.3 erhält man:
f*
I
W;=
J
I
I
"2"NEdz="2
z=O
J E~ I
p,2
I p,2 I
dZ="2 6?A
(24.4)
<:=0
Dies ist exakt der Wert, der sich bereits für die Arbeit der äußeren Kraft (Formel 24.2) ergeben hat: Die Arbeit, die die innere Kraft FN bei der Verformung leistet (Formänderungsarbeit) wird als Formänderungsenergie im verformten System gespeichert, und die an dem einfachen Beispiel gewonnene Erkenntnis gilt allgemein als Arbeitssatz: Die an einem elastischen System von den äußeren Belastungen geleistete Arbeit Wa wird als Formänderungsenergie W; im verformten System gespeichelt, und es gilt:
W;=Wa
(24.S)
Für die Berechnung der Arbeit Wa , die die äußeren Belastungen leisten, können die am Beispiel des Zugstabs gewonnenen Erkenntnisse verallgemeinert werden: Bei linear-elastischem Material (und kleinen Verformungen, so dass der Zusammenhang zwischen Belastung und Verformung auch linear ist) gilt immer Wa = ~ . "Endwert der Belastung" . "Endwert der Verformung". Ist die äußere Belastung ein Moment, wird als Verformungsgröße ein Winkel eingesetzt. Äußere Arbeit infolge einer Kraft bzw. eines Moments:
Wa . M =
I
"2 Mo Cf':>
. (24.6)
423
24.2 Formänderungsenergie für Grundbeanspruchungen
24.2 Formänderungsenergie für Grundbeanspruchungen Für die Grundbeanspruchungsarten der "eindimensionalen Tragwerke" (eine Abmessung ist deutlich größer als die beiden anderen), für die in den Kapiteln 14 bis 21 Spannungs- und Verformungsberechnungen behandelt wurden, werden nachfolgend die Formeln für die Formänderungsenergie ermittelt. Die Abbildung 24.5 zeigt ein differenziell kleines Element mit der Länge dz und der Seitenfläche dA, das in dieser Fläche durch eine Normalspannung a belastet ist (z. B. aus einem ZuglDruck-Stab oder einem Biegeträger herausgeschnitten). Es verlängert sich infolge der Spannung um Edz (vgl. das Einführungsbeispiel im vorigen Abschnitt). Die Spannung wird über die Fläche zu einer Kraft a dA zusammengefasst, die die Fom,änderungsenergie des Elements Kraft· Verschiebung")
"dA
dz
Abbildung 24.5: SpezirJsche Formänderungsenergie
(,.!.
I
[dz infolge
Normalspannung
I
="2 adAEdz ="2 aEdV
dW;.er
liefert (es wurde das Volumen des Elements dV = dA· dz eingesetzt). Nach Division durch dV entsteht die (auf das Volumen bezogene) spezifische Formändertlngsenergie info/ge einer Norma/spannung , dWi . er I I 2 I a2 W. =--=-aE=-EE = - (24.7) ,.er dV 2 2 2 E wobei die beiden Umformungen durch Einsetzen des Hookeschen Gesetzes 1.2.3 entstanden. Auf entsprechendem Wege kommt man zur spezifischen Formänderllngsenergie ;nJo/ge eiller Schubspal1llullg , dWi. T I I _2 I T2 W;.T=d\I="2 TY ="2 Gr ="2 G (24.8) Wenn die zu einer bcstimmten Schnittgröße gchörcnde Spannungsvertcilung in 24.7 bzw. 24.8 eingesetzt wird, erhält man nach Integration über das Vnlumen die gesuchte Formel für die Formänderungsenergie. Für einen ausschließlich durch einc Normalkraft FN beanspruchten Stab ist z. B. die Spannungsverteilung entsprechend 14.2 über den Querschnitt konstant, so dass man mit a = und dV = A dz zur Formel für die Formällderullgsenergie fiir den Zug/Druck-Stab kommt: 2 2 2 I -a dV = -I F A d" = -I F dz (24.9) W = w.' dV = ....!!...!'!.. , . ,.er 2 E 2. EA2 2 EA
'1
j.
I
v
v
I
1
t
I
Für den ausschließlich durch ein Biegemoment Mb beanspruchten Träger wird die Rechnung etwas komplizierter, weil mit der Biegespannungsverteilung ab = ~ y nach 16.3 eine Veränderlichkeit mit y über die Querschnittshöhe zu berücksichtigen ist, so dass das Volumene1ement dV = dA ·dz verwendet werden muss (dA ist ein Flächenelement im Abstand y von der Schwerpunktfaser). Es ergibt sich
Wi
2
j' -'-' M l 2 E%"
= -I
v
.
dA dz
= -I
I
2.
2 _h_ M
E~
(I i ) = -11 -'-'
'A
M2
dA
dz
2
,
E~
dz
(24.10)
424
24 Fonnänderungsenergie
worin berücksichtigt wurde, dass unter dem Integral noch einmal das Flächenträgheitsmoment lxx entsprechend 16.4 entstand. Für die Beanspruchungsarten Torsion und Querkraftschub kommt man durch Einsetzen der Spannungsbeziehungen in die spezifische Formänderungsarbeit und Auswerten der Integrale zu den Formeln, die nachfolgend zusammengestellt wurden. Es sind auch die fLir verschiedene Anwendlmgen wichtigen Abhängigkeiten von den Velfonnungen angegeben. die entstehen, wenn die Sehningrößen durch die entsprechenden Differenzialbeziehungen 14.3 (Normalkraft), 17.3 (Biegemoment), 21.11 (Torsionsmoment) und 20.5 (Querkraft) ersetzt werden: Formänderungsarbeil infolge der Normalkraft FN (w ist die Verschiebung in Längsrichtung, EA die Dehnsteifigkeit):
I Wi=2".
Formänderungsarbeit infolge des Biegemoments Mb (v ist die Biegeverformung senkrecht zur Längsrichtung, EI die Biegesteifigkeit):
W'=2"
Formänderungsarbeit infolge des Torsionsmoments M, (qJ ist der Verdrehwinkel, GI, die Torsion sstei figkei t):
Wi =
I t~dZ=2".j' I
I
J
I
I
I "s -FJ
2.
dz(24.JI)
,,2
dz (24.12)
,2
dz (24.13)
GA
GI, qJ
dz = -I
2.
I
I
I
-GA l's,2 dz Ks (24.14)
Formänderungsarbeit infolge der Federkraft Fe in einer linearen Feder (s ist die Längenänderung der Feder, c die Federsteifigkeit):
Formänderungsarbeit infolge der Stabkraft Fs in einem Fachwerkstab (61 ist die Verlängerung des Stabs, I die Stablänge, EA die konstante Dehnsteifigkeit):
EIl'
JMi
W; = -I
,2
I
I GI, dz = 2"
dul. A die Querschninsftäche und Ks der Korrekturfaktor nach 20.4):
Formänderungsarbeit infolge des Federmoments Me in einer Drehfeder (qJ ist der Verdrehwinkel der Feder, Cr die Drehfedersteifigkeit):
J
I
E;dZ=2"
I
2"I
EAw
I
JMi
Formänderungsarbeit infolge der Querkraft FQ (l's ist die Schubverformung. G der Schubmo-
I
p2
w,. =
I
F}
-- =
2 c
I
M;:
I
2
W, = - - ' = -crqJ
w = ~ Fi 1 = ~ ,
2 EA
(24.15)
2
2 cr
I
,
-cs-
2
EA (61)2
2 I
(24.16)
(24.1 7)
Man beachte den ähnlichen Aufbau, den alle sieben Formeln haben. Bei gleichzeitiger Beanspruchung eines Bauteils durch mehrere Grundbeanspruchungsarten dürfen die Anteile aus 24.11 bis 24.17 addiert werden. Entsprechendes gilt für komplexe Bauteile: Die in den Arbeitssatz 24.5 eingehende Formänderungsenergie W, bezieht sich immer auf das gesamte elastische System, darf aber bereichsweise formuliert und dann addiert werden.
24.3 Salz von
MAXWELL
und
425
BEni
24.3 Satz von MAXWELL und BETT! Betrachtet wird ein durch zwei Einzelkräfte FI und F2 an den Stellen I und 2 belasteter Biegeträger. Sowohl FI als auch F2 haben einen Einfluss auf die Verschiebungen beider Punkte. Diese Einzelanteile können zum Beispiel mit der bekannten Biegelinie aufgeschrieben werden (das in der Abbildung 24.6 skizzierte Beispiel entspricht dem Fall a in der Zusammenstellung des Abschnitts 17.4 auf Seite 260).
'/
!I~
Z
v'I
v 21
t
F2
//
~
v l2
v 22
Abbildung 24.6: Jede Kraft trägt zu jeder Verformung einen ganz bestimmten Anteil bei
Die Versehiebungsanteile können formal so aufgeschrieben werden: V2Z =
an Fz
. (24.18)
Die Faktoren a;j heißen EinJlusslahlen und dürfen als bekannt vorausgesetzt werden. Ihre Indizes deuten eine "Verschiebung an der Stelle i infolge einer Kraft an der Stelle j" an. Die Verschiebungen an den Stellen I und 2 bei gleichzeitiger Wirkung beider Kräfte ergeben sich durch Superposition: VI = all FI +a12F2 V2 = aZI F, +a22F:! (24.19) Um die gesamte äußere Arbeit infolge der Wirkung beider Kräfte F, und Fz korrekt aufzuschreiben, stellt man sich vor, dass sie nacheinander aufgebracht werden. Wird zuerst F I aufgebracht, so ist während des anschließenden Aufbringens von F2 die Kraft F1 schon vorhanden, so dass der zusätzlich durch F2 an der Stelle I erzeugte Verfomlungsweg von FI in voller Größe absolviert wird und fLir diesen Anteil der Faktor! entfallt (zur Erinnerung: Dieser Faktor entstand. wenn die Kraft "von Null auf ihren Endwert anwuchs"). Die von beiden Kräften geleistete Arbeit kann also in der Form I I Wa = 2vII FI + 2V22/'i + Vl2 F I (24.20) aufgeschrieben werden. Bei geänderter Reihenfolge des AufbringeilS (zuerst F2, danach F,) ist die Kraft F2 in voller Größe vorhanden, wenn F, von Null auf den Endwert anwächst: -
1
1
W a = 2V22 F2 + 2v, I F,
+ V21 F2
Natürlich muss der Endzustand von der Reihenfolge des Aufbringens der Kräfte unabhängig sein, so dass Wa = W a gesetzt werden darf. Daraus folgt:
V'2 F,
= V21 F2
=>
a'2 F2 FI = a21 FI F2
=>
al2
= a21
Dieses ebenso wichtige wie bemerkenswerte Ergebnis wurde von JAMES CLERK MAXWELL (1831 - 1879) und ENRtCO BETTt (1823 - 1892) gefunden. Es gilt nicht nur für den betrachteten Biegeträger, sondern für beliebige Systeme der Elastostatik. und der hier fLir Kräfte und Verschiebungen demonstrierte Zusammenhang gilt auch fLir Momente und Verdrehungen. Nach seinen Entdeckem benannt, ist es der
426
24 Fonnänderungsenergie
Reziprozitätssatz von MAXWELL und BETTt: Mit einer Eilljlllsszahl a'j kann die Verformung an einer Stelle i infolge einer Belastung an der Stelle j durch Multipllkation mit dieser Belastuog berechnet werden. Es gilt
(24.2 I)
<>
Das Beispiel in Abbildung 24.7 demonstriel1 die Aussage des Maxwell-Bettischen Satzes: Im links gezeichneten System erzeugt die Kraft F an einer beliebig gewählten Stelle I des vertikalen Trägerteils die Horizontalverschiebung VI. Eine in Richtung dieser Verschiebung wirkende Kraft gleicher Größe (rechtes System) erzeugt ein ganz anderes Verformungsbild (mit wesentlich größeren Verformungen, das unbelastete Horizontalstiick bleibt gerade), aber fiir die an der StelJe 2 gemessene Verformung gilt (dieses und weitere Beispiele findct man unter www.TM-aktuell.de): V2
=
V)
Abbildung 24.7: VI infotge F bei ~ ist gleich V2 infolge F bei (j)
Wenn man in diesem Beispiel die Kraft F durch ein äußeres Moment M ersetzen wiirde, ergäbe sich die gleiche Aussage frjr die Biegewinkel: ~ = qJl.
':> Selbst eine ,.gemischte Aussage" ist möglich: Eine am Punkt 2 angreifende Kraft F möge am Punkt I den Biegewinkel qJ) = ßt2 F hervorrufen. Dann kann die Verschiebung am Punkt 2, die durch ein Moment M am Punkt I hervorgerufen wird, mit der gleichen EinftusszahJ berechnet werden: V2 = ßt2M (ein Beispiel dafiir siehe www.TM-aktuell.de).
<>
Die Aussage 24.21 garantiert auch die Symmetrie der Steifigkeitsmatrizen bei der Methode der finiten Elemente (vgl. Kapitel 15. I und Abschnitt 18.2), denn in den Steifigkeitsmatrizen stehen die (reziproken) Einftusszahlen. Auch die ,.gemischten Aussagen" spiegeln sich in dieser Symmetrie wider.
<>
Um Rechenprogramme ftirelastostatische Probleme (vgl. Abbildung 24.8) einem wirkungsvollen Test zu unterziehen, kann man Systeme mit unterschiedlichen Belastungcn in dcr Form berechnen, dass die Ergebnisse nach 24.2 I kontrolliert werden können (ist auch ein wirkungsvoller Test dafiir, ob man diese Programme richtig bedient). Knotenverschiebgn.: 3
u1 x • 0.0952381 ul y = -0.7943019
14
u2x • -0.0952381 u2y' -0.2900081
9',:----o;:i:----o ~»';;..--~Ö
u3x u3y u4x u4y
= 0.00201 091 • -0.2900081 = 0.00201091 = -0.3133148
Abbildung 24.8: Maxwell-Bctti f1ir Fachwerke (u2y im linken Fachwerk = u3y im rechten Fachwerk, berechnet mü dem Programm ..Slatiscb unbestimmte ebene Fachwerke (FEM)"" unter www.TM-interakljv.de)
427
24.4 Verfahren auf der Basis der Formänderungsenergie
24.4 Verfahren auf der Basis der Formänderungsenergie Neben der Lösung der Differenzialgleichungen (Randwertprobleme), die die Verformungen elastischer Systeme beschreiben (Kapitel 14 bis 21), bieten sich als Alternative zahlreiche Verfahren auf der Basis der Formänderungsenergic an, die in der Mehrzahl der Fälle (insbesondere bei praxisrelevanten Problemen) effektiver, häufig sogar die einzig praktikablen Vert'ahren sind. Die wichtigsten Verfahren werden hier kurz vorgestcllt (und bewertet), cinigen werdcn noch spezielle Abschnitte in diesem Buch gewidmet. Die Verfahren sind für alle Belastungsarten (wie sie z. B. auf der Seite 424 zusammengestellt sind) anwendbar. Hier werden zunächst ausschließlich die Verformungen infolge von Biegemomenten betrachtet.
Arbeitssatz Der Arbeitssatz 24.5 in der schlichten Formulierung Wi = W" eignet sich zur Bcrechnung von Verformungen am Angriffspunkt einer äußeren Last. Die Formänderungsenergie Wi kann (mit gegebenenfalls mehreren Summanden) nach den Formeln 24.1 I bis 24. 17 aufgeschrieben werden (Iüer soll nur 24.12 berücksichtigt werden), für die Arbeit der äußeren Last gilt 24.6.
I
Beispiel I: I_....;_ _.... Für dcn sklZztcrten Trägcr soll dlc Abscnkung griffspunktes berechnet werden.
"F
des Kraftan-
I d
I
I
EI = konstant, F, a.
Gegeben:
Die Skizzc untcn zeigt dic Lagcrreaktioncn und dic Koordinatcn, auf dic sich die Biegemomentenverläufe beziehen: F F
Mbl = -Fz i
MhZ = 3Z2
Mb3 = -3Z3
EI d
N
B
,I
a
Damit kann der Arbeitssatz formuliert werden (auf der linken Seite steht die Arbeit der Kraft F entlang dcs Weges VF, auf der rechten Seite dic Summe der Formänderungsenergien der drei Trägerabschnitte): I
I J" (-FZ I )2
2 FvF =2
EI
~I
=0
I J2"
dZ I + 2
(~Z2)2
I J" (_f Z3 )2
~dZ2+2
~2=0
~,
dZ3
<;3=0
Die Integrale sind problemlos zu berechnen, Umstellen nacb der gesucbten Verschiebung licfert: 2 F a3
F 3
VF = - - -
3 EI
oe:> Da die Schnittgrößen in die Fonnein für die Formänderungscnergie quadratisch eingehen,
spielt ihr Vorzeichen keine Rolle. Deshalb dÜlfen auch die Koordinaten für die einzelnen Abschnitte eines Trägers beliebig gewählt werden (auch z. B. gegenläufig, was bei Anwendung der Differenzialgleichung der Biegelinie zu höchster Aufmerksamkeit gezwungen hätte).
428
24 Fonnänderungsenergie
oe:> Eine Verformung ergibt sich positiv, wenn sie den gleichen Richtungssinn wie die äußere
Belastungsgröße hat. Dies gilt für eine Verschiebung, die am Angriffspunkt einer äußeren Kraft berechnet wird, ebenso wie für eine Verdrehung, die am Angriffspunkt eines äußeren Moments berechnet wird (diese Aussage gilt auch für die beiden folgenden Verfahren). Der Arbeitssatz in der Fassung 24.5 ist für die Mechanik von grundsätzlicher Bedeutung: Die von der äußeren Belastung bei der Verformung geleistete Arbeit bleibt als Energie im verformten System erhalten. Diese Aussage entspricht dem Energiesatz in der Kinetik (Abschnitte 28.4.2 und 29.5.3). Für die Berechnung von Verformungen, wie es im Beispiel I demonstriert wurde, ist der Arbeitssatz in der Fassung 24.5 aus zwei Gründen nur bedingt (bzw. nicht) brauchbar: • Mehrere äußere Belastungen können zwar berücksichtigt werden, weil diese aber mehrere unterschiedliche (unbekannte) Verformungen erzeugen, können diese nicht berechnet werden. • Verformungen an Punkten, an denen keine Einzellast eingeleitet wird, können nicht berechnet werden. Beide Mängel werden gCheilt durch die beidcn nachfolgend beschriebcncn Verfahren, dic unmittelbar auf dem Arbeitssatz basieren.
Satz von
CASTlGLJANO
Betrachtet wird noch einmal der Biegeträger mit zwei Einzeikräften (Abbildung 24.9), für den im Abschnitt 24.3 die Beziehung für die Arbeit der äußeren Kräfte 24.20 hergeleitet wurde. Diese kann mit 24.18 so aufgeschrieben werden: I
z
Wa = 2all FI
I z + 2azz Fz + alz FI Fz
(24.22)
jfl IFz ~ Abbildung 24.9: Biegelräger mit zwei Einzelkräflen
Dic partiellen Ableitungen dieses Ausdrucks I nach FI bzw. F2 ijefern mit d~ 0-- = all FI a~
+ alz Fz
=
VI
d~ 0-- = alz FI a~
+ an Fz
= Vz
genau die Verschiebungen an den Kraftangriffspunktcn I und 2 (vgl. Formeln 24.19). Dieser Zusammenhang, der hier für einen Biegeträger mit zwei Einzelkräften hergeleitet wurde, lässt sich verallgemeinern auf beliebige linear-elastische Systeme. Thre praktische Bedeutung erlangt die auf den italienischen Baumeister ALBERTO CASTIGLIANO (1847-1884) zurückgehende Aussage erst im Zusammenhang mit dem Arbeitssatz 24.5, indem nicht die äußere Arbeit partiell nach einer Belasrungsgröße abgeleitet wird, sondern die über die Schnittgrößen nach den Formeln 24.11 bis 24.17 zu formulierende Formänderungsenergie Wi . I Erinnerung an die Mathematik: Beim Bilden der partiellen Ableitung nach einer Variablen werden alle anderen Größen wie KonSlanten behandelt
429
24.4 Verfahren auf der Basis der Formänderungsenergie
Satz von CASTlGLIANO: Die partielle Ableitung der gesamten Formänderungsenergie Wi , die in einem linearelastischen System gespeichert ist, nach einer äußeren Kraft F ergibt die Verschiebung des Kraftangriffspunktes, dic partielle Ablcitung nach cincm äußeren Momcnt M ergibt den Vcrdrehwinkel am Angriffspunkt des Moments:
oW, <po = oM
(24.23)
c:> Die Quadrate bei den Schnillgrößen in den Formeln für die Formändemngsenergie könnten bci der praktischcn Handhabung (z. B. bei MomcntcnverJäufen, die bereichsweise aufgeschrieben werden müssen) lästig sein. wenn nicht immer die Möglichkeit gegeben wäre, die ,.partielle Ableitung vor der Integration" auszufWll'en. Die partielle Ableitung darf "in das Integral hineingezogen werden, wenn der Integrand stetig ist". Diese Voraussetzung ist allerdings immer erfüllt, denn die (in den Verläufen durchaus vorhandenen) Unstetigkeiten liegen zwangsläufig an den Bereichsgrenzen, weil die Schningrößenverläufe gar nicht anders formuliert werden können. Man berechnet also z. B. die Verformung an der Stelle einer Kraft F, wenn nur Biegemomentanteile berücksichtigt werden, zweckmäßig so:
VF =
oWi 0 {)F = oF
(I J
MI,
2:
EI dz
)
=
IJ
2:
I
0 (MI,)
{)F
EI
I
dz =.
/. Mb oM" EI oF dz.
(24.24)
I
Dabei wurde berücksichtigt, dass nur MI, von F abhängig und bei der Ableitung die "Kettenregcl" zu beachtcn ist Die Lösung des Integrals nach 24.24 ist im Allgemeinen deutlich weniger aufwendig als die Integration über das Quadrat der Schnillgröße. Die mit I symbolisch angedeuteten Integrationsgrenzen sind großzügig zu interpretieren als "über alle Trägerbereiche, die gegebenenfalls auch cinen Rahmen oder ein verzweigtes System bilden können". Das ist in der Regel nur bereichsweise möglich.
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Für den skiZZierten Tniger sollen die Absenkung VF des Kraftangriffspunktes und die Horizontalverschiebung vc des Punkte C berechnet werden.
FI
EI = konstant, F. a.
Gegeben:
-F
Mb2 =
Zl
(f + F;)
{)F
-
OMb2 ZI,
oF
Z2
3'
{)Mb3 {)F
Z3
-3'
V,z, FI Z,-~
ö N
F"
F 3+3
Z2
Die für 24.24 benötigten part.iellen Ableitungen lauten:
{)Mbl _ _
2 301
F;J
EI
Weil am Punkt C kcinc Kraft wirkt, nach dcr partiell abgeleitet werden kann, wird dort eine (später wieder Null zu setzende) Hilfskraft FH eingefiihrt Die Skizze rechts zeigt die Lagerreaktionen und die Koordinaten, auf die sich die Biegemomentenverläufe beziehen:
Mbl =
F 3
{)Mbl _ 0
Z2
{)FH
3'
-
TZ 2
.;,.
430
24 Fonnänderungsenergie
Die Hilfskraft 1"11 hat damit ihre Schuldigkeit getan, sie kann fLir die Berechnung der Verschiebungen Null gesetzt werden. Die konstante Biegesteifigkeit EI wird vor die Integrale gezogen:
Vp
2Fa 3
I = EI
I Vc = EI [
3 EI
J "3 2a I"
:3
J -"3 a
z? Z2
dZ2
Z2=0
+
I"
3
2Fa 3 9 EI
]
2Z3
Z3
dZ3
2:3=0
':> Dass bei dieser Aufgabe in Anlehnung an die Definitionen der Schnittgrößen in der Statik zum Teil mit negativen Biegemomemen gerechnet wurde, ist nicht erforderlich, im Gegenteil: Weil Mb (wie auch die anderen Schnittgrößen) in der Forn!el für die Formänderungsenergie quadriert wird (bzw. mit der eigenen paltiellen Ableitung multipliziert wird), sind für die WaW der Koordinaten und der positiven Richtungen alle Freiheiten gegeben.
Arbeiten mit Einheitslasten 2 Betrachtet wird wieder der Biegeträger mit zwei Einzelkräften (Abbildung 24.10). für den im Abschnitt 24.3 die Beziehung fLir die Arbeit der äußeren Kräfte 24.20 unter der Annahme hergeleitet wurde, dass diese nacheinander aufgebracht wurden (erst 1"" dann 1"2): I I Wo = 2 v" 1", + 2V22 1"2 + V'2 1", (24.25)
Abbildung 24.10: Kräfte werden nacheinander aufgebracht
Diese Arbeit der äußeren Kräfte kann nach dem Arbeitssatz mit der Formänderungsenergie des verformten Trägers gleichgesetzt werden. Wenn nur die Biegeanteile berücksichtigt werden, kann dies in der Form I
I
w;, = 2v " 1", +2V22F2+V\2F,
= W; =
I
2
JM~
EI dz=
I
I
2
J
(Mb
EI
®? dz
I
aufgeschrieben werden. Darin soll Mb
JM~
J
J
I
I
I
--dz+-I EI 2
Mb I --dz+EI 2
2Mb
EI
Der erste Summand auf der linken Seite ist die Arbeit der äußeren Kraft 1"" wenn ansschließlich diese wirken würde, der erste Summand auf der rechten Seite genau die dann entstehende Formänderungsenergie. Beide sind nach dem Arbeitssatz gleich groß. Die gleiche Aussage gilt für 2Die Bezeichnung für die beschriebene S[rategie wird unterschiedlich gehandhabt: Je nach Herlcirung findet man Prillzip der virtuellen Kräfte ebenso wie Arbeitssatz oder auch Mohrsclles Verfahren (nach O. Mohr. der in der Fußnote
auf Seite 391 erwähnt wird). Das Verfahren wird (wie das Verfahren nach Technik behandelt, den Arbeirssalz anzuwenden.
CASTIGLJANO)
hjcr als eine spezielle
431
24.4 Verfahren auf der Basis der Formänderungsenergie
die zweiten Summanden, so dass sich diese vier Anteile aus der Beziehung herausheben, und es verbleibt: M/ßJ MIfiJ VI2F, =
I
.
EI
dz
I
Ein kleiner Trick führt zu ciner weiteren Vereinfachwlg und einer wichtigen Aussage: Die Kraft F, wird durch eine Einheitslast "I" (dimensionslos) ersetzt, so dass auf der linken Seite nur V,2 verbleibt. Dann musS auch MII» durch das Biegemoment ersetzt werden, das durch diese Einbeitslast erzcugt wird. Dieses wird mit Mb bezeichnet: "12 =
dz j .MbMb'lJ EI I
Die Verschiebung "12 ist dic "Verschiebung des Punktes I infolgc einer Kraft am Punkt 2", also die Versclliebung an der Stelle der Einheitslast infolge der übrigen Belastung. Es ist klar, dass dicse Aussagc auch gilt, wenn dic "übrigc" Bclastung nicht nur aus diescr cinen Kraft bestchcn würde. Deshalb wird auf der linken Seite nur "I geschrieben, wenn auf der rechlen Seite MIfiJ durch das Biegemoment Mb infolge aller Lasten (außer der Einheitslast) ersetzt wird: Bei ausschließlicher Berücksichtigung von Biegeanteilen kann die Verschiebung Stcllc I berechnct wcrdcn nach MbMb "I = ------eJ dz j
"1
an emer (24.26)
/
Darin ist Mb dcr Biegcmomcntcnverlauf infolge dcr (Original-)Bclastung des Systcms, Mb der Biegemomentenverlauf infolge ausschließlicher Belastung durch eine (dimensionslose) Einheitslast "I" an der Stelle I in Richtung der zu berechnenden Verschiebung. Q
Wie beim Satz von Castigliano ist eine Modifikation von 24.26 zur Berechnung eines Verdrehwinkels möglich: Anstellc ciner Einheitskraft wird an der imeressierendcn Stellc cin (dimensionsloses) Einheitsmoment aufgebracht, mit dem der Biegemomentenverlauf Mb zu berechnen ist.
Q Auch 24.26 kann sinngemäß erweiten werden, so dass Formänderungsenergien infolge an-
derer Scbnittgrößen berücksichtigt werden. Weil allerdings eine so elegante allgemeingültige Formulierung wie für den Satz von Castigliano mit 24.23 hier nicht möglich ist, wird nachfolgend die Erweiterung von 24.26 auf alle inneren Kräfte angegeben, für die mit den Formeln 24.11 bis 24.17 die Formänderungsenergien beschrieben werden (man erkennt leicht, dass sich alle Anteile mit der gleichen Überlegung herleiten lassen, die hier für den Biegeanteil demonstriert wurde):
,,_jFNFNd EA
1-
/
z+
jMbMb d jMIM ld jf(FQFQd EI z+ GI, z+ S GA z+ I
/
~ Fc;Fci ~ MciMci ~ FsiFsil; f...,-'-'+f..., , '+f..., .. i C i CT,i i EA;
/
(24.27)
Die mit I symbolisch angedeuteten Integrationsgrenzen bedeuten auch hier "über alle Trägerbereiche", das i bei dcn Summenzeichcn bedeutet "übcr alle Federn bzw. Stäbe".
432
24 Fonnänderungsenergie
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Für den skIZzIerten Träger sollen die Absenkung VF des Kraftangriffspunktes und die Horizontalverschiebung Vc des Punktes C berechnet werden (Aufgabe ist identisch mit Beispiel 2).
Gegeben:
IF zJ
F "3 i I I I I
EI = konstant, F, a.
Die mittlere Skizze zeigt die Lagerreaktionen und die Koordinaten, auf die sich die Biegemomentenverläufe für das Originalsystem beziehen:
F
-
2
3
z1
..{'
-3
a
F~
2
3
Z,---1
I
I 3
z,
F
M b3 =
-"3 Z3
Die FLir die Verschiebung des Kraftangriffspunkles erforderlichen M b- Verläufe infolge einer Einheitslast an dieser Stelle sehen genauso aus (allerdings eine I anstelle F). Die Mb-Verläufe Hir die Berechnung der Verschiebung des Punktes C ergeben sich aus der rechten Skizze: _ _ I _ 2 Mbl=Ü Mb2='jZ2 Mb3='jZ3 Damit können die gesuchten Verschiebungen nach 24.26 aufgeschrieben werden. Die konstante Biegesteifigkeit EI wird vor die Integrale gezogen: 2 Fa 3 3 EI
c:> Man erhält (selbstverständlich) die gleichen Ergebnisse wie bei der Berechnung nach dem Satz von Castigliano. Aber auch die Integrale, die zu den Ergebnissen fUhren, sind identisch. Auch wenn sich die beiden Strategien in der Begründung deutlich unterschieden, sieht man doch die enge Verwandtschaft der bcidcn Verfahrcn, dic sich schon in den FOnllCln 24.24 und 24.26 zeigte: Die partielle Ableitung des Biegemoments nach einer Belastungsgröße, die in den Schnittgrößen immer nur als linearer Faktor auftaucht, macht diese zur "Einheitslast I", mit der das Biegemoment Mb erzeugt wird.
c:> Der Hinweis für die Anwendung des Arbeitssatzes und des Satzes von Castigliano, dass die Wahl der Koordinaten und die damit verbundene Festlegung positiver Schnittgrößen bedeulllngsJos ist, weil letztere in den Formeln der Formänderungsenergie quadratisch auftreten, gilt mit einer kleinen Einschränkung auch für das Arbeiten mit Einheitslasten: Die Festlegung kann FLir jeden Integrationsbereich beliebig erfolgen, muss jedoch für das Aufschreiben der Schnlttgrößen für die Originalbelasmng wld der Schnlttgrößen fllr die EinJleitslast gleich sein.
433
24.4 Verfahren auf der Basis der Formänderungsenergie
Die beiden sich aus dem Arbeitssatz ableitenden Strategien zur Berechnung von Verformungen (Satz von Castigliano und das Arbeiten mit Einheitslasten) sind nicht nur verwandt, sondern beinahe identisch. Persönliche Präferenzen mögen entscheiden, ob man lieber die Schnittgrößen einmal berechnet und dann formal partielle Ableitungen bildet oder ob man zwei Schnittgrößenverläufe (aus Originalbelastung und aus Einheitsbelastung) ermittelt. Die Verfahren können deshalb einheitlich bewertet werden: • Die Verfahren sind für dic Bcrechnnng von Verformungen an einzelncn spezicllen Punkten außerordentlich effizient. Der Anwender kann frei entscheiden, welche Einftlisse berücksichtigt werden sollen (z. B.: Biegung mit oder ohne Erfassung der Querkraftanteile odcr spezicll bei Rahmcn Bcrücksichtigung oder Vcrnachlässigung dcr Normalkraft). • Der (vermeintliche) Nachteil (z. B. im Vergleich mit der Verformungsberechnung nuttels Differenzialgleichung der Biegelinie), dass man die Verformung nur an speziellen Punkten erhält. ist (wegen der damit verbundenen Beschränkung des Aufwands) häufig als Vorteil zu sehen, wenn (wie für die Behandlung statisch unbestimmter Probleme) ohnehin nur diese Ergebnisse gefragt sind. • Die für die Berechnung zu lösenden bestimmten Integrale enthalten (bei zunlindest stückweisc konstantcr Bicgcstcifigkcit) nur Funktionen, die problemlos sogar per "Handrcchnung" zu behandeln sind. • Die Universalität der Anwendbarkeit drückt sich besonders in der eleganten Formulierung des Satzes von Castigliano 24.23 aus. Diese Fornleln gelten auch flir linear-eLastische Bauteile, die hier nicht behandelt werden (Platten, Schalen, ... ). Aber natürlich ist auch eine Erweiterung von 24.27 möglich. Aus den genannten Grlinden wurden in der Vcrgangcnheit die etwas aufwendigeren strukturmechanischen Probleme (Fachwerke, statisch unbestimmte Durchlaufträger, biegesteife Rahmen, Bauteile mit gemischter Belastung, ...) vornehmlich mit diesen Verfahren gelöst. Das ist (zumindcst in der technischen Praxis) vorbei. Wenn ein Computerprogramm verfügbar ist, das für beliebig komplizierte Strukturen alle hier beschriebenen Einflüsse exakt erfasst. dann kann die Handrechnung natürlich nicht konkurrieren. Solche Programme sind verfügbar. Das heißt nicht, dass die Verfahren damit überflüssig sind. Für spezielle Probleme ist ihre Anwendung immer noch sinnvoll, deshalb werden in den beiden folgenden Abschnitten auch noch einige Beispiele behandelt. Außerordentlich nützlich können die Verfahren auch zur Verifizierung von Ergebnissen der Computerrechnung sein. Aber: Das Trainieren der Handrechnung mit speziellen Hilfsmitteln (Rechenschemata, Algorithmenblättern) ist nicht mehr zeitgemäß. Und auch die früher sehr bclicbten "Koppeltafeln" zur Auswertung der Integrale haben ausgedient, denn für die Probleme, flir die die Verfahren heute noch angewcndet werden, helfen sie meistens ohnehin nicht. und Integrale sind ja selbst für Taschenrechner kein Problem mehr.
_"'_1""'".:0· 's:J'
:-;. ;....
1·
Abbildung 24.11: .,Koppeltafein" haben ausgedient
434
24 Fonnänderungsenergie
24.5 Statisch bestimmte Probleme Bei der Berechnung statisch bestimmter Probleme sollten folgende Hinweise beachtet werden:
0::> Beim Verfahren von Castigliano ist konsequent auf alle Abhängigkeiten von der Belastungsgröße, nach der abgeleitet wird. zu achten. Insbesondere sollten die Lagerreaktionen, die natürlich auch von der Belastuogsgröße abhängen, (bei statisch bestimmten Systemen) vor der Bildung der partiellen Ableitung ersetzt werden. Für statisch unbestimmte Systeme kann diese Aussage etwas abgeschwächt werden (vgl. folgenden Abschnitt). oe;> Die Bezeichnung der Belastungsgröße. nach der beim Verfahren von Castigliano abgelei-
tet wird, muss eindeutig sein. Wenn z. B. in der AufgabensteIlung mehrere Kräfte mit F bezeichnet sind, ist die Kraft, an deren Angriffspunkt eine Verformung berechnet werden soll, (vor dem Ermitteln von Lagerreaktionen, Schnittgrößen, ...) umzubenennen. Dies darf nach der partiellen Ableitung und damit vor der Integration rückgängig gemacht werden. Bei Nichtbeachtung dieses Hinweises ist das Ergebnis die Summe aller Verformungen unter den Belastungen mit gleichen Bezeichnungen, was im Ausnahmefall allerdings sogar sinnvoll sein kann. Die Beachtung dieses Hinweises kann auch beim Arbeiten mit Einbe.itslasten den Aufwand für das Aufschreiben der unterschiedlichen Schningrößenverläufe verringern.
I
Beispiel 1: I_....;_ _.... EIIl III der HOflzontalebene zweIfach abgewlllkelter Träger mit Kreisquerschnitt (Dw'chmesser cl) ist in allen drei Abschnitten aus gleichem Material mit dem Elastizitätsmodul E und dem Gleitmodul C gefertigt. Gegeben:
F, E, C, a. b, c, cl.
Unter Vernachlässigung des Querkrafteinftusses sollen folgende Verformungsgrößen bestimmt werden: a) Vertikalverschiebung VF des Kraftangriffspunktes am freien Trägerende, b) VerdrehwinkeJ qJFz um die zl-Achse am freien Trägerende.
Folgende Lösungsschritte werden empfohlen: • Fiir das Verfahren von Castigliano wird ein Hilfsmoment MHz zur Bestimmullg des gesuchten Verdrehwinkels eingeflihrt, und die Kraft am freien Trägerende wird in FI umbenannt, um Eindeutigkeit flir die partielle Ableitung zu bekommen (Abbildung 24.12).
~ Flz;~* v~~k/1z~ z3.;rX t
,
,
3
Y2
Y3
M ',-Hz
,
'"'-
Y\
Abbildung 24.12: System für das Arbeiten nach CastigUano
• Bereitstellen der Schnittgrößen (Biegung um die horizontale Achse und Torsion in aJ len drei Abschnitten), beim Verfahren nach Castigliano fur das System der Abbildung 24.12, rur das Arbeiten mit Einheitslasten rur die drei Systeme entsprechend Abbildung 24.13 • Beim Ved'ahren nach Castigliano werden die partiellen Ableitungen der Schnittgrößen nach F\ und MHz gebildet, beim Arbeiten mit Einheitslasten sind die entsprechenden FlLllktionen als Mb; bzw. M,; nach Abbildung 24.13 gegeben.
24.5 Statisch bestimmte Probleme
435
Abbildung 24.13: Systeme für das Arbeiten mit EinheitslasteIl
• Berechnen der Verformungen nach 24.23 unter Ausnutzung von 24.24 (Castigliano) bzw. 24.27 (Arbeiten mit Einheitslasten), wobei die Integration jeweils über alle drei Bereiche zu erstrecken ist. Die Rechnung ist flir beide Verfahren identisch. Um dies zu demonstrieren, wird die Formel für VF nach der Vorschrift von Castigliano aufgeschrieben, die Formel flir ([IFz nach der Vorschrift des Einheitslastverfahrens. Die nachfolgende Tabelle enthält die Schnittgrößenverläufe Mb; und M,; flir die drei Abschnitte und die für die Verfonnungsberechnungen nach Castigliano benötigten partiellen Ableitungen nach F I und MHz, die mit den Mb; bzw. M,; (für das Einheitslastverfahren) identisch sind (die in Klammem bocbgestellten Indizes bei Mb; bzw. M,; deuten an, ob diese Schnittgrößen flir die Berechnung von VF oder ([IFz vorgesehen sind). i
Mb;
dMb; oFI
I
-FtZt
-ZI
0
2 3
-Z2
-I
-FI (c + Z3) - FZ3
-FI~2
-Milz
F I = F , Milz = 0
Mb;
Mt;
-('1',.,)
Mo;
oFI
0
-Milz Ftc
0
-(C+Z3) -(li,.,)
dM,;
dMb; dMHz
-Flb-Mflz
FI
= F . Milz
= 0
dM'i dMHz -I
0
c -b
-I
M("F)
-('1',',)
11
Vor der Integration dürfen F I = F und MHz = 0 gesetzt werden. Man errechnet:
Mli
436
24 Fonnänderungsenergie
I
Beispiel 2: I_ _ _.....I Fur die skIZZierte B,egefeder mit etnem Rechteckquerschnitt konstanter Höhe ( bei linear veränderlicher Breite soll die Absenkung des Kraftangriffspunktes berechnet werden. (, bo, bl , I, F, E.
Gegeben:
KA
-///
~
o
Z
.0, C::=========J~ 1I2 l/2 j.ol 1 [
Mit dem Biegemomemenverlauf für die linke Symmetriehälfte (bezüglich der skizzierten Koordinate z) und seiner partiellen Ableitung nach F bzw. dem Mb infolge einer Einheitslast in Trägermitte
und dem ebenfalls mit
z veränderlichen Flächenträgheitsmomem (3 b(z) I(z) = ~12- =
(3
12
[
Z]
bo+2(b l -bol 7
kann die Formänderungsenergie für eine Hälfte des Trägers aufgeschrieben werden. Für den gesamten Träger gilt dann der doppelte Wert, so dass sich entsprechend 24.24 bzw. 24.27 die Verschiebung VF des Kraftangriffspunktes aus dem folgendcn Integral berechnet:
~
v = 2
F
~
J EI(z)
J EI(z)
Mb(Z) ()Mb(Z) d = 2 ()F Z
z=o
Mb(Z) M ( ) d bZ Z
Z=O
' J % [bo+2(b,-boJil I
=2
,=0
IFz
_l
'2
6FIJ' I
I - z dz
2
Z2
= - -3 dz Et ,=0 Ibo+2(b, -bolz
Die verändcrliche Biegesteifigkeit führt auf ein lntegral, dessen Lösung elwas mehr Mühe bereitet. In diesem Fall findet man die Lösung recht problemlos: VF =
3F 13 2 8Et3bo(ß _1)3 (ß -4ß +3+2Inß)
. ß =b,-
mit
bo
L-:> Die Lösung gilt für jedes sinnvolle Breitenverhältnis ß. Typisch für solche Probleme mit veränderlichem Querschnitt ist jedoch, dass bei ß = I (Träger konstanter Breite) gerade für
den einfachsten Spezialfall, mit dem man die Lösung gem kontrollieren würde, die Formel versagt. Eine Grenzwertbetrachtung entsprechend
durchgeführt nach der aus der Mathematik bekannten Regel von OE L' HOSPITAL, liefert im dritten Versuch das Ergebnis, das als Fall a* im Abschnitt 17.4 angegeben ist: F
vr(ß
t3
= I) = 4Et3bo
F 13
48Elo
bO,3
mit
10
= 12
437
24.6 SLatisch unbeslimmLe Probleme
24.6 Statisch unbestimmte Probleme Systeme sind statisch unbestimmt gelagert, wenn man allein mit den GJeichgewichtsbedingungen die Lagerreaktionen (und damit die Schnittgrößen) nicht berechnen kann. In den Kapiteln 14 bis 21 wurde gezeigt, wie mit Verformungsbetrachtungen auch solche Probleme gelöst werden können (zusätzliche Lager gestatten immer zusätzliche Verformungsaussagen). Da mit den Verfanren auf der Basis der Formänderungsenergie die Verformungen an einzelnen Punkten sehr effektiv berechnet werden können, eignen sich diese Verfahren in besonderem Maße für die Berechnung statisch unbestimmter Systeme. Das nachfolgende Beispiel demonstriert das typische Vorgehen im einfachsten Fall: Das "überzählige" Lager B wird durch eine Kraft (Lagerlaaft FB) ersetzt. Dann kann man die Verschiebung des Kraftangriffspunktes VB berecnnen. Da aber an dieser Stelle gerade keine Verschiebung auftreten kann, liefert die Bedingung VB = 0 eine Bestimmungsgleichung tür die gesuchte Lagerkraft.
I
Beispiel J .. I_....;_ _.... Für das skIZZIerte System mit konstanter BIegesteifigkeit sollen die Lagerreaktionen bei A und 8 sowie die Horizontalverschiebung VH und die Vertikalversehiebung VF des Kraftangriffspunktes ermittelt werden (Normallkraft- und Querkraftanteile dürfen vernachlässigt werden). Gegeben:
EI = konstant, F, a.
Das System ist einfach statisch unbestimmt. Als "Statisch Unbestimmte" wird die Lagerkraft F8 gewählt. Dann dürfen die übrigen Lagerreaktionen in den Biegcmomcnrenverläufen nicht vorkommen.
Da auch die Horizontalverschiebung des Kraftangriffspunktes gesucht ist, wird dort die Hilfskraft FH angebracht3 Die Verschiebungen in Richtung der Kräfte F, FH und F8 werden dann mit Hilfe der partiellen Ableitungen der Formänderungsenergie des Gesamtsystems nach diesen Kräften (Verfahren von Castigliano) berechnet, wobei die Verschiebung am Lager B verhindert ist, so dass diese "Verschiebungsgleichung" zur Bestimmungsgleichung für die Lagerkraft wird. Die Tabelle enthält die Biegemomentenverläufe (bezogen auf die nebenstehend skizzierten Koordinaten) und die benötigten partiellen Ableitungen: i
Mbi
JMbi JFB
JMbi JF
I
FZ 1 FBZ2 FB(2a + Z3) + FHz3 - Fa
0 Z2 2a+Z3
Z,
2 3
0 -a
JMbi JFH 0 0 Z3
310 den Abschnüten 24.4 und 24.5 wurde gezeigt dass das Verfahren von Castigliano und das Eioheilslaslverfahren hinsichtlich StraIegie und Aufwand identisch sind. Deshalb wird in diesem und den folgenden Beispielen nur noch ein Verfahren (Casligliano) demonstriert. Wer lieber zusätz.liche Schningrößenvertäufe (in folge von Einheitslasten) formuliert als partielle Ableiwngen bildet. solltc das Ei,nheitslastverfalu·cn verwenden. Schon die Tabelle. in der dje Schningrößen und ihre partiellen AbleilUngen ZU!'l3mmenge!)teltt werden. bt rur beide Verfahren idenljsch.
438
24 Fonnänderungsenergie
Die Hilfskraft FII darf wieder Null gesetzt werden, und die Lagerkraft 1;8 wird berechnet:
vn=~W;=~{ J2"FnZ~dZ2+ [" aFn EI. ::2=0
[Fn(2a+Z 3 )-Fa](2a+Z3 )dZ3 } =0
=}
Fn=~F. 18
<;3=0
Entsprechend berechnen sich die gesuchten Verschiebungen: VF
=
~~ ;1 =
()W;
VII = -
= ()F/i EI
LL Fz~ \L dZI
J"
[Fn(2a+ z 3) - Fa]( -al dZ3 } =
~~ ~:
3
7 Fa [Fn(2a+Z3) -Fa] <3 dZ3 = - - . 54 EI
<=3=0
Das Minuszeichen im Ergebnis für VII deutet an, dass sich der Punkt entgegen der willkürlichen Annahme des Richtungssülns für die Hilfskraft FII nach links verschiebt. Die noch fehlcnden Lagcrreaktionen bci A wcrdcn aus Gleichgcwichtsbedingungen ermittelt:
5
FAH=-FB=--F 18
FAV=F
J
M A =Fa- Fn 3a =-Fa 6
oe:> Dem Leser, der dieses Beispiel aufmerksam durchgearbeitet hat, wird aufgefallen sein, dass für die Verschiebungsberechnung z. B. die Ableitungen der Momentenverläufe nach F ge-
bildet wurden, ohne die Abhängigkeit der darin noch vorkommenden Lagerreaktion Fn von F zu berücksicht.igen. Dics ist erlaubt, obwohl bei dicsen Abhängigkeitcn W; = J(F, FB(F» = J'(F)
die Ableitung nach F eigentlich entsprechend dJ*
()J
()J dFn
=()F -+ -dF ()F dF
B berechnet werden müsste. Weil der erste Faktor des zweiten Anteils (Ableitung nach der "Statisch Unbestimmten") Null wird, gilt aber:
Die beim Verfahren von Castigliano benötigten Ableitungen der Schnittgrößenverläufe nach Belastungsgrößen (dazu zählen auch die Hilfskräfte bzw. -momente) dürfen bei statiscb unbestimmten Aufgaben gebildet werden, ohnc die Abhängigkeit der "Statisch Unbestimmten" von den Belastungsgrößen zu berücksichtigen. Diese Aussage gilt nur für die gewählten .,Statisch Unbestimmten" (ihre Anzahl muss dem Grad der statischen Unbestimmtheit entsprechen). nicht z. ß. für die übrigen Lagerreaktionen. die vorab aus den Schnittgrößenverläufen (wie bei statisch bestimmten Problemen) eliminiert wcrden sollten. Im folgenden Beispiel wird eine Aussage genutzt, die im Abschnitt 24.5 den Anlass zu der Emp-
fehlung gab, Bclastungsgrößen, nach denen für eine Verformungsberechnung partiell abgeleitet werden soll, eindeutig zu bezeichnen, denn .,wenn die Formänderungsenergie nach einer Be-
lastullgsgröße abgeleitet wird, die mehrfach im System vorkommt, erhält man die SUlllme aller Verformungen der Angriffspunkte". Für einen Spezialfall ist dies sinnvoll:
439
24.6 SLatisch unbeslimmLe Probleme
Ein System sei (unter anderem) durch zwei gleich große, auf gleicher Wirkungslinie liegende, aber entgegengesetzt gerichtete Kräfte F belastet. Dann liefert die partielle Ableitung der Formänderungsenergie nach F die relative Verschiebung der beiden Kraftangriffspunkte (Verringerung bzw. Vergrößerung ihres Abstandes).
I
Beispiel 2: I_ _ _ _.... Für den SkIzzIerten Rahmen, der 10 allen Tellcn die gleiche Biegesteifigkeit hat, soll die relative Verschiebung der bei den Kraftangriffspunkte berechnet werden (Normalkraft- und Querkrafteinftüsse sind zu vernachlässigen). Gegeben:
3a I
j
c:l
F
I
F
c:l
I
j
c:l
EI = konstant, F, a.
c:l
N
Das System ist einfach statisch unbestimmt, als "Statisch Unbestimmte" wird die Horizontalkomponcmc FAH der Lagerkraft bei A gewählt. Dann dürfen die anderen Lagerkräfte in den Momentenverläufen nicht vorkommen.
I
B A
Da es beim Aufschreiben der MvVerläufe bequemer ist, zunächst auch FAV und FBH einfließen zu lassen, werden diese über zwei Gleichgewichlsbedingungen am Gesamtsystem durcb FAH ersetzt. Horizontales Kraft-Gleichgewicht und Momenten-Gleichgewicht um den Punkt B liefern: I
FBH = FAH
FAV = ;;/AH
Diese Beziehungen wären nicht so einfach, wenn man die Kräfte (ftir die Verschiebungsberechnung eines Kraftangriffspunktes) unterschiedlich bezeichnet bätte, weil sic dann aus den Gleichgewichtsbedingungen nicht mehr herausgefallen wären. Die folgende Tabelle emhält die Momentenverläufe ftir die fünf Bereiche, die nur noch Fund die "Statisch Unbestimmte" FAH enthalten.
Mbi
i
JM bi JFA/i
JMhi JF
ZI
2
FM/ZI FMI(2a+zz)+ Fzz
2a+Z2
0 Zz
3
FAH 3a+ F a ~ iFAH Z3
3a-h
a
4
FAH (a + 4) + F 4 FAHZ S
a+4
4
Zs
0
I
5
_2 3 2 2•
F
F 25,
F'"H
124
FaH
I-
Fav
,2,
IFAV
Es wird zunächst die Lagerkraft berechnet, anschließend die gesuchte relative Verschiebung: =;.
-
I
EI
~
JI;
i... H
::,-=0
I·
V_
JMhi Mhi --dZi = 0 JFAH
3 - JWi _ ,.!.., ~ J' M . JMbi d . _ 57 Fa JF - EI i... h, JF z, - 92 EI
f."/ -
1=I::i=O
=;.
29 92
FAll = - - F
440
24 Fonnänderungsenergie
oe:> Die wesentlich mühsamere Berechnung der beiden Verschiebungen der Kraftangriffspunkte liefert 259 Fa3 22 Fa 3 VF.U"h = 276 B VF.ree"'s = - 69 B wobei das Minuszeichen bei VF"'cc!lIs anzeigt, dass die Verschiebung entgegen dem Richtungssinn der rechten Kraft F erfolgt (bcide Kraftangriffspunkte verschieben sich also nach rechts). Der errechnete Wert VF.rel ist die Summe dieser bei den Verschiebungen (und damit die Verkürzung des Abstands der beiden Kraftangriffspunkte).
':> Die Wahl von FAll als "Statisch Unbestimmte" im Beispiel 2 war willkürlich. In diesem PaU hätte auch jede andere Lagen'caktion gewählt wcrden dürfen, wciJ kcine von iJ1I1en aus statischen Gleichgewichtsbedingungen allein zu berechnen ist. Genau diese Voraussetzung muss allerdings erfüllt sein: Als "Statisch Unbestimmte" dürfen nur Kräfte oder Momente gewählt werden, die nicht allein aus statischen Gleichgewichtsbedingungen zu berechnen sind.
F
Das nebenstehend skizzierte Beispiel zeigt die LagelTeaktionen eines einfach statisch unbestimmt gelagerten Rahmens (zwei Pestlager auf gleicher Höhe). FAV und FBV lassen sich aus dem Momenten-Gleichgewicht direkt berechnen. Als "Statisch Unbestimmte" müssen FAN oder F BH gewähJt werden.
Innerlich statisch unbestimmte Systeme Die im Beispiel 2 genutzte Möglichkeit, die relative Verschiebung zweier Punkte zu berechnen, gestattet auch recht anschaulich die Behandlung so genannter innerlich statisch unbestimmter
Systeme. Der in Abbildung 24.14 skizzierte Rahmen ist äußerlich statisch bestimmt gelagert, die Lagcrrcaktioncn bei A und 8 sind aus statischen Gleichgewichtsbedingungen zu berechnen, ebenso die Schnittgrößen in den Stielen A-C und 8-0. Die Schnittgrößenberechnung im geschlossenen Teil des Rahmens (z. B. in einem Schnitt bei dcm belicbig gcwählten Punkt P) ist mit den Hilfsmitteln der Statik allein nicht möglich. Erst durch zwei Schnitte (z. B. bei P und im oberen Querriegel bei Q) würden zwci Teilsysteme entstehen, an denen dann abcr insgcsamt sechs Schnittgrößen anzutragen wären, für die nur drei Gleichgewichtsbedingungen zur Verfügung stehen: Der geschlossene Rahmen ist innerlich dreifach statisch unbestimmt.
Q
rr======;l-
~Ic==p==:::::;DI
F
B
t
A
Abbildung 24.14: Innerlich statisch unbestimmtes System
Die Abbildung 24.15 zeigt den Rahmen, der bei P geschnitten wurde. mit den an beiden Schnittufern angetragcnen Schlüttgrößen (um diese einzeichnen zu können, wurden die Schniltufer, dic am gleichen geometrischcn Punkt liegcn, auseinandcrgezogen).
441
24.6 Statisch unbestimmte Probleme
Wären FNP, FQP und Mp bekannt, könnten alle Schnittgrößenverläufe und damit auch beliebige Verformungsgrößen berechnet werden, natürlich z. B. auch die relative Verschiebung der Kraftangriffspunkte der beiden Kräfte FNP . Da diese aber Null sein muss (der verformte Rahmen würde sonst am Punkt P klaffen), steht mit der Verformungsbedingung eine Bestimmungsgleichung für FNP zur Verfügung. Eine entsprechende Überlegung für FQP und Mp führt zu zwei weiteren Gleichungen:
dW - - ' =0 dFNP
dW - - ' =0 dFQP
Li~4~ F"p JiQp Fa;!
F
j /'ßv
jfA Abbildung 24.15: Ein geschlos-
dW; =0 dMp
sener Rahmen ist dreifach statisch unbestimml
Dies sind die drei Bestimmungsgleichungen für die drei "Statisch Unbestimmten". Es sind innere Kräfte bzw. Momente, die dafür (unter der Voraussetzung, nicht allein durch statisches Gleichgewicht berechenbar zu sein) genauso gewählt werden dürfen wie Lagerreaktionen und aus Gleichungen berechnet werden, wie sie auch fiir die Bestimmung statisch unbestimmter Lagerreaktionen aufgestellt wurden. Man darf sich vom Zwang zur Anschaulichkeit ("verhinderte Verschiebung") lösen und ganz allgemein formulieren: Die partielle Ableitung der gesamten Formänderungsenergie, die in einem linearelastischen System gespeichert ist, nach einer "Statisch Unbestimmten" F Stal. Unh. wird immer Null:
dW;
=0
(24.28)
i) rStar . U"b.
I
Beispiel 3:
I
Für das skizzierte Fachwerk sind die Stabkräfte zu ermitteln. Alle Stäbe haben den gleichen Querschnitt und sind aus dem gleichen Material gefertigt.
Gegeben:
3
F, a.
Wenn die Stäbe I und 3 jeweils als einwertige Lager angesehen werden, verbleiben 6 Stabkräfte und 4 Lagerreaktionen (2 Komponenten am unteren Festlager und die beiden Stabkräfte in den Stäben I und 3) für insgesamt 8 Gleichgewichtsbedingungen an 4 Knoten. Das Fachwerk ist zweifach statisch unbestimmt. Es ist sowohl äußerlich (4 Lagerreaktionen) als auch innerlich statisch unbestimmt (selbst bei bekannten Lagerreaktionen könnten die Stabkräfte nicht aus Gleichgewichtsbedingungen allein berechnet werden).
<:l N
a
a
a
Abbildung 24.16: Fachwerk, innerlich und äußerlich statisch un· bestimmt.
Es werden (willkürlich) die Stabkräfte FS 1 und Fss als "Statisch Unbestimmte" gewählt. Dabei ist es unerheblich, ob FS1 als Lagerkraft des Festlagers ("verhinderte Verschiebung") oder als Stabkraft aufgefasst wird, in jedem Fall muss 24.28 für beide Stabkräfte gelten. Darin ist W; die gesamte Formänderungsenergie in den 8 Stäben des Fachwerks, flir die Formel 24.17 gilt.
442
24 Fonnänderungsenergie
Mit den Stablängen '; errechnet sich W; aus der Summe der in allen Stäben gespeicberten Energien:
s 1'"2, '" Si i Wi = t..--i=1
2EA
Damit werden die beiden Bestimmungsgleichungen 24.28 rur FSI und Fss formuliert:
t
dWi = _1_ Fs; dFs i li = 0 dFsl EA i~1 dFsl
t
dWi = _1_ FSi dFsi li = 0 dFss EA i~1 dFss
Abbildung 24.17: Staliscb bestimmtes Fachwerk
Alle Stabkräftc müsscn (vor dcm Bilden der partiellen Ablcitungen) als Funktioncn der Kraft F und der beiden "Statisch Unbestimmten" FSI und Fss aufgeschricben werden. Dies gelingt an dem in Abbildung 24.17 skizzierten statisch bestimmten Fachwerk (Stäbe I und 8 wurden durch dic Stabkräftc crsetzt) nach den Verfahren des Abschnitts 6.4. Das Ergebnis sicht man in der dritten Spalte der nachfolgenden Tabelle. i
'i
FS i = J(F. FSI ,Fss)
dFsi dFsl
dFsi dFs s
FS i
I
a
FS I
I
0
-0,04301 F
2
2a
3Fs l + ~Fss
3
2
7iO
-0,17886F
3
a
-31'SI
-3
0
0,12903F
4
!1Oa
!1OFs l +Fss
!10
I
-0,21480F
5
V2a
-3V2
6
2a
-3V2Fs1 -lFss !5 -F - 6 FSI - --!L Fss
, -75
-6
-VfO
7
V2a
-3V2Fsl- l/5Fss
-3V2
- /5
8
!1Oa
Fss
0
I
VfO
6 )
0,28818F -0, 59245 F 0,28818F -0,07878F
Mit den partiellen Ableitungen liefert das Einsetzen in die Bestimlllungsgleichungen für FS I und Fss zwei lineare Gleichungcn, aus denen die beiden Unbekannten berechnet werden:
FSI = -0,04301 F
Fss = -0,07878 F
Mit Hilfe der Formeln in der Spalte 3 der oben angegebenen Tabelle lassen sich die übrigen Stabkrärte ermitteln. Die Ergebnisse sind in Spalte 6 der Tabelle zu finden. oe;> Am Ende dieses wichtigen Kapitels über die Formänderungsenergie sind zur richtigen Ein-
ordnung des behandelten Stoffs einige ergänzende Bemerkungen angebracht: Energiemelhoden sind die Basis fast aller modemen Berechnungsverfahren der Technischen Mechanik.
24.7 Aufgaben
443
Die auf der Grundlage der Finite-Elemente-Methode entwickelten Programmsysteme für komplizierte Bauteile (Flächentragwerke, dreidimensionale Strukturen, ... ), die dem Ingenieur heute zur Verfügung stehen, beziehen ihre theoretische Begründung fast ausschließlich aus EnergiemethOden. Da aber ein erfolgreiches Benutzen dieser Programme (anders als in vielen anderen Zweigen der LngenieuTwissenschaft) kaum ohne Kenntnisse über die ange-
wendeten Verfahren möglich ist, ist ein grundlegendes Verständnis für die Energiemethoden außerordentlich wichtig. Aber es gilt natürlich, was auf der Seite 433 formuliert wurde: Wenn ein Computerprogramm für eine Aufgabe zur Verfügung steht und (wie für die lineare Biegetheorie oder die Fachwerkberechnung) bedenkenlos angewendet werden darf (exakte Ergebnisse im Rahmen der verwendeten Theorie), kann ein ,.noch so elegantes Verfahren", wie es die in diesem Kapitel vorgestellten Verfahren zweifelsfrei sind, nicht konkurrieren. Die Autoren dieses Buches gestehen, sämtliche Aufgaben dieses Kapitels "vorsichtshalber" mit einem Finite-Elemente-Programm nachgerechnet zu haben (siehe z. B. Abbildung 24.18).
F$1
:I:l
-0.0430112
FS2 = -0.1788608 FS3=0.12903383 FS4 • -0.214797 FS5 • 0.2881805 FS6' -0.5924512 FS7·0.2861805 FS8' ·0.0787834
Abbildung 24.18: Beispiel 3...vorsicb.lshalber" nachgerechnet mit dem Angebot unter www.TM-interaktiv.de
24.7 Aufgaben I Aufgabe 24.1:
I
Gegeben: EI, I. F, M, q. Gesucht: Lagerkraft FB.
\, 1"II,I,I"q d) /I~==IF===J ...D..... _B -1_ l
I
Aufgabe 24.2: I_.;",; -" Für den skIZZIerten Träger smd alle Lagerreaktionen und die Verschiebung des Lagers B zu berechnen. Gegeben:
EI, I. q.
I
Aufgabe 24.3: I_ _ _ _ _.... Es smd d,e Absenkungen VI und "2 an den Punkten CD lind ~ und der Biegewinkel bei ~ zu berechnen. Gegeben:
EI, I, q.
'
L
EI
_L
B...D.....
444
24 Fonnänderungsenergie
I Aufgabe 24.4:
, b,
,
I
Für einen Kragträger mit konstanter Höhe und linear veränderlicher Breite ist die Absen1.'ung des Kraftangriffspunktes zu berechnen. Es ist zu zeigen, dass das Ergebnis ftir den Sonderfall b, = b2 (Träger mit konstantem Quersch'litt) die Formel enthält, die fUJ V max des Lastfalls e in dcr Zusammenstcllung des Abschnitts 17.4 angegeben ist.
Gegeben:
I
h
I, h, b, , b2, F, Elastizitätsmodul E .
Aufgabe 24.5:
I
d
Für das skizzierte (statisch unbestimmtc) Fachwerk sind sämtliche Stabkräfte zu berechnen. Die Dehnsteifigkeit EA ist für alle Stäbe gleich.
Gegeben:
F, a, EA. 2a
--a-- a --
I
Aufgabe 24.6: I_ _ _ _ _..... Für das System aus zwei Stäben und einer Feder berechne man:
[/2
2a
[/2
a) die Stabkräfte und die Federkraft, b) Hnrizontal- und
Vertikalverschiebungskomponenten des Kraftangri ffspun ktes.
Gegeben:
I
F, I, EA"
Aufgabe 24.7:
EA2=2EA"
EA,
c=4-1
I
Flir den skizzierten Halbrahmen mit der konstanten Biegesteifigkeil EI, dessen Punkte C und D durch eine Feder verbunden sind, berechne man
a) die Kraft Fe in der Feder, b) die relative Verschiebung griffspunkte.
VCD
der beiden Kraftan-
F
C
F
~..o-~I\I\
c d
,
EI
A.
EI EI B
2a
cl Man zeige, dass die berechneten Werte für Fe und VCD dem Federgesetz genügen, und versuche, die Grenzwerte von Fe und VCD fur y ---> 0 und y ---> 00 anschaulich zu deuten. Gegeben:
F, a. EI, Y=
ca 3
EI .
Weitere Aufgaben findet mall im Internet unter www.TM-aktueU.de.
I
I
25 Rotationssymmetrische Modelle Von den im Abschnitt 22.1 vorgestellten Modellen der Festigkeitsberechnung sind bisher ausschließlich die "eindimensionalen Modelle" behandelt worden. In diesem Kapitel werden mit ausgewählten rotationssymmetrischen Berechnungsmodellen einige (einfache, aber flir die Praxis wichtige) Probleme behandelt, die sich nicht eindimensional idealisieren lassen.
25.1 Rotationssymmetrische Scheiben Scheiben sind ebene Flächenrragwerke, die ausschließlich Belastungen aufnehmen, die in ihrer Mittelftäche liegen (vgl. Abschnitt 22.1). Betrachtet werden Kreis- und Kreisringscheiben, die rotationssymmetrisch belastet und gelagert sind. Fiir diesen besonders einfachen Fall kann der Spannungs- und Verformungszustand mit einer Koordinate beschrieben werden (Radius r), es ergibt sich jedoch ein ebener SpannungsZlIstand. Die Dicke 1 der Scheibe darf (mit r) veränderlich sein, Belastungen können am Außen- und lnncnrand cingeleitet werden, außerdem sind Volumenlasten (auf das Volumenelement bezogene verteilte Belastungen) zugelassen. Wegen der vorausgesetzten Rotationssymmetrie können dies praktisch nur die (nach außen gerichteten) Zentrifugalkräfte eincr roticrcndcn Schci be sci n. Die Abbildung 25.1 zeigt eine typische rotationssymmetrische Scheibe. In Abbildung 25.2 ist vergrößert das aus der Scheibe herausgeschnittene Element mit den Ahmessungen rl!.f(I (in Umfangsrichtung) und I:J.r (in radialer Richtung) zu sehen. Es ist durch Radialspannungen G" und Tangentialspannungen GI belastet (Tangentialspannnngen entstehen dadurch, dass sich die "einzclncn Ringc" der Schcibc bci radialer Bclastung aufweiten und dabei ihren Umfang verändern). Schubspannungen treten wegen der Rotationssymmetrie nicht auf. Eine mögliche Volumenlast f (Dimension: Kraft pro Volumen) ist durch die radial gerichteten Pfeile im Elementinneren angedeutet.
t(r)
/
Abbildung 25.1: Rotationssymmetrische Scheibe. auch Belastung und Lagerung sind rotationssymmetrisch
Tangentialspannung (Jt
r
I!.J~"0""; ...
'.//, I!.rp',"
r,' "
" , Volumcll" , last! Radialspannung (Jr
Abbildung 25.2: Belastungen. die am differenziell kleinen Element im Gleichgewicht sein müssen
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_25, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
25 Rotationssymmetrische Modelle
446
Die Spannungen werden durch Multiplikation mit den Schnittflächen und die Volumenlast durch Multiplikation mit dem (angenäherten) Elementvolumen zu Kräften, die am Element eine Gleichgewichtsgruppe bilden müssen:
Fr = (J, t !!.r
Fr = (Jr 1 r !Hf!
F = f1 r!!.
Nur für dic radial gerichtete Kraft ist von einem Schnittufer zum anderen ein Zuwachs !!.Fr zu beriicksichtigen (Rotationssymmetrie!), dieser allerdings repräsentiert sowobJ eine veränderliche Spannung (Jr als auch eine geänderte Schnittfläche (Abbildung 25.3). Das KräfteGleichgewicht in radialer Richtung liefert:
!!.Fr +F-2Fr
- !!.
Sill
2
Abbildung 25.3: Kräfte
=0
am differenziell kleinen
Element Einsetzen der oben angegebenen Ausdrücke für Fr, Fr und F und Division der Gleichung durch !!.
Der Grenzübergang !!.r
-+
0 und !!.
- !!.( ...) d( ... ) "m - - = - M_O!!.r dr
und
1,'", sin~ -_ I 6'1'-0
~
führt nach einigen elementaren Umformungen auf folgende Beziehung: r d
- - ((Jr r) t dr
+ (Jr - (J, + r f
= 0
Da das Kräfte-Gleichgewicht in Umfangsrichtung identisch erfüllt ist, kann dieser Gleichung mit den bei den unbekannten Spannungen keine weitere Gleichgewichtsbedingung hinzugefügt werden. Dies ist typisch für Flächentragwerke: Die Spannungsberechnung für Flächentragwerke ist (bis auf ganz wenige Ausnahmen) stets mit einer Verformungsbetrachtung gekoppelt Diese Aussage gilt (im Gegensatz z. B. zu Biegeträgern) unabhängig von der Lagerung: Flächenrragwerke sind" innerlich statisch ul1bestimmt" (vgl. die Erläuterung dieses Begriffs für Biegeträger auf Seite 440). Die Abbildung 25.4 zeigt (gestrichelt) das verformte Element: Der Öffnungswinkel !!.
_
(u+!!.u) -u
~r_O
ßr
Sr= 11m
du
=~
dr
Abbildung 25.4: Verformtes Element
Die Faser in Umfangsrichtung hat vor der Verformung die Länge r!!.
447
25.1 Rotationssymmelrische Scheiben
EI
=
(I'
+ LI )!HP - rtJ.q> rtJ.q>
LI
=-
r
Diese Beziehung wird nach LI = re, umgestellt und in die Formel für e, eingesetzt, so dass ein Zusammenhang zwischen den beiden Dehnungen entsteht:
e,
d
de,
= -dr (re,) = e, +rdr
Ersetzt man in dieser Beziehung die Dehnungen nach dem Hookesehen Gesetz
e, =
I
E(a, -
va, )
e, =
I
E (a, -
va,)
(25.1)
(vgl. FomJeln 22.9) durch die Spannungen, ergibt sieh eine zweite Gleichung fUr a, und a,. Die bei den Spannungen können also berechnet werden aus den beiden
Differenzialgleichungen für die Spannungen des rotationssymmetrischen ebenen Spannungszustandes: I' d - -(0-,1) + 0-, - 0-, = -rJ I dr (25.2)
~ I +v
Radialverschiebung:
<>
(da,dr _~v da,) +0-,-0-, =0 dr u = re, =
r
E (0-, -
v 0-,)
(25.3)
Die Gleichungen 25.2 sind zwei gewöhnliche lineare gekoppelte Differenzialgleichungen mit veränderlichen Koeffizienten. Ihre allgemeine Lösung enthält zwei Integrationskonstanten, die aus Randbedingungen bestimmt werden müssen. Weil dafür auch Aussagen über die RadialverSChiebung LI gemacht werden können. wurden die Differenzialgleichungen 25.2 um die Formel 25.3 ergänzt. Die Aussagen über die Spannung 0-, und/oder die Radialverschiebung LI mUssen am Innenund Außenrand der Kreisringscheibe formuliert werden (Aussagen über 0-, sind nicht möglich, weil diese Spannung an keiner freien Fläche liegen kann). Bei einer Vollscheibe, die keinen Innenrand hat, wird die fehlende zweite Randbedingung durch die Aussage ersetzt, dass der Verschiebungszustand keine Singularität aufweisen darf. die sich in diesem Fall fUr I' = 0 ergeben wUrdc, und nur vermieden werden kann, wenn eine lntegrationskonstante den Wert 0 annimmt (vgl. die Lösung rur die Scheibe konstanter Dicke 25.6 auf Seite 449, die nur für C2 = 0 sinnvolle Werte liefern kann).
<>
Die allgemeine Lösung von 25.2 kann nur für wenige spezielle Funktionen 1(1'), die die Veränderlichkeit der Scheibendicke bestimmen, berechnet werden (es gelingt z. B. für die recht wichtigen "hyperbolischcn Profilc" mit 1= ;'!c bci bclicbigem c und beliebigem Il). FUr alle denkbaren Funktionen I(r) bieten sich natUrlieh numerische Methoden als Lösungsverfahren an (z. B. das Differenzenverfahren, weil die Differenzialgleichungen linear sind). FUr Scheiben konstanter Dicke wird im folgenden Beispiel die geschlossene Lösung ermittelt.
448
25 Rotationssymmetrische Modelle
I
Beispiel J: I_"";_ _...1 Für eine mtt konstanter Winkeigeschwllldtgkett w umlaufende Kreisscheibe konstanter Dicke 10 sollen die allgemeine Lösung der Differenzialgleichungen 25.2 und die Radialverschiebung u(r) nach 25.3 bereitgestellt werden. Gegeben:
W, 10 = konstant, Dichte
p.
Die an einer rotierenden Masse auftretenden Fliehkräfte berechnen sich aus dem Produkt der Masse, ihrem Abstand vom Drehpunkt und dem Quadrat der Winkelgeschwindigkeit (vgl. Abschnitt 29.2). An dem Volumenelement dV der Scheibe mit der Masse dl1l = PdV im Abstand I' von der Drehachse der Welle wirkt demnach
J dV
2
2
f= rpw 2
= dl1lrw = rw pdV
Dies wiJ'd in die erste Differenzialgleichung 25.2 eingesetzt, aus der sich außerdem die konstante Dicke herauskürzt. Sie wird nach <>I aufgelöst. und
d<>, 2 2 <>I =rd;+<>,+r pw
(25.4)
wird in die zweite Differenzialgleichung 25.2 eingesetzt. Man erhält mit
?
2
d <>,. d<>,. >? dr2 +3r"d;' = -(3+v)pw-
(25.5)
eine lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung mit variablen Koeffizienten für die Radialspannung <>,. Differenzialgleichungen des Typs 25.5 heißen Eulersche Differenzialgleichungen (als Koeffizient steht bei der k-ten Ableitung eine Potenz der unabhängigen Variablen mit dem gleichen Exponenten k). die sich fUr verschiedene Probleme der Technischen Mechanik ergeben. Die allgemeine Lösung der inhomogenen Differenzialgleichung' setzt sich entsprechend
<>,(1') = <>,.pan(r) + <>,. ho", (I') aus einer beliebigen Partikulärlösung <>'.1""'1 und der allgemeinen Lösung der homogenen Differenzialgleichung <>,.hom zusammen. Für die Lösung der homogenen Differenzialgleichung ,2
a;' +3r(1; = 0
fUhrt ein Potenzansatz <>, = CI" zum Ziel. Man erhält die charakteristische Gleichung A(A-l)+3A=0 Diese liefert die Lösungen A, = 0 und A2 = - 2, damit ist <>, = Cl und <>, = C2r- 2 ein Fundamentalsystem für die homogene Differenzialgleichung. Man kann durch Einsetzen leicht bestätigen, dass I
2 2
<>,.pa'I.=-g(3+V)pw I' I Leser,
die mit der Theorie der Lösung von Differenzialgleichungen noch nicht vertraut sind. dürfen die folgenden Pas-
sagen bis zum ErgebnL" 25.6 ohne Einbuße des Verständnisses .. überlesen". Für aUe Jnteressiencn wird die lntemetErgänzung zum Thema .,GewÖhnliche Differenzialgleichungen" hilfreich sein, auf die auf Seite 314 verwiesen wird.
449
25.1 Rotationssymmelrische Scheiben
die inhomogene Differenzialgleichung erfüllt und damit als Partikulärlösung verwendet werden kann (man findet diese Partikulärlösung, indem man z. B. mit dem naheliegenden Ansatz rJ"PW"1. = A? in die Differenzialgleichung hineingeht und den Parameter A bestimmt). Damit kann dic allgemeine Lösung von 25.5 aufgeschrieben werden. Sie wird in 25.4 und 25.3 eingesetzt, und man erhält den Spannungs- und Verschiebungszustand einer Scheibe konstanter Dicke unter Fliehkraftbelastung (allgemeine Lösung): C2
3+V
2 2
rJ
=Cl+----pw ,:J. 8
rJ,
C2 1+ 3 v 2 7 =Cl - r 2 - -S-pW r
r
r
I ~V2
C2
r [
(25.6)
2 2]
U="E Cl(l-v)- r 2 (I+V)--S-pw r
Die allgemeine Lösung 25.6 lllUSS noch den Randbedingungen des aktuellen Problems angepasst werden (Bestimmung der [ntegrationskonstanten Cl und C2 , vgl. nachfolgendes Beispiel).
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 ElI1e mit der WlI1kelgeschwll1dlgkelt w rotierende Krcisscheibe konstanter Dicke /0 ist auf eiJle statTe Nabe aufgeklebt. Es soll untersucht werden, mit welcher Winkelgeschwindigkeit wmax die Scheibe umlaufen darf, so dass in der Klebeverbindung eine zulässige Spannung rJ"" nicbt überschritten wird, und welche Spannungsverteilungen rJ, und rJ, und Radialverschiebung sich bei dieser Winkelgeschwindigkeit in der Scheibe einstellen. Gegeben: r·I = 10cm ., !:JL .' rJ-....u 1= SON/mm 2 '-' ri = 5 p =7,S5g/em 3 ; v =0,3; E= 2, 1.105 N/mm 2
statT
Klebeverbindung
.
Die allgemeine Lösung 25.6 muss folgenden Randbedingungen angepasst werden:
rJ,(r = ra) = 0 u(r = r,) = 0
(keine Belastung am Außenrand), (keine Verschiebung an der starren Nabe).
Die beiden Randbedingungsgleichungen werden aufgeschrieben und jeweils nach CI umgestellt: C2 I + v I +v 2 2 CI = -, - - + - - P w
r;1-v
S
r,
Gleichsetzen liefert eine Bestimmungsgleichung für C2, und man berechnet:
pw2 C2= - -
8
[(3+V)~-(I+V)] (I-v)r~rf ,
(I+V)~+I-V
Bei vorgegebener Winkelgeschwindigkeit könnte mit diesen Konstanten der Spannungs- und Verschiebungszustand nach 25.6 aufgeschrieben werden.
450
25 Rotationssymmetrische Modelle
Die gesuchte maximale Winkelgeschwindigkeit, bei der in der Klebefuge die zulässige Spannung nicht überschritten wird, ergibt sich aus der Grenzbedingung
(JAr = ri)
= Gzu{
Man elTechnet
p(r~-7) [(3+V)~+I-V] und mit den gegebenen Zahlenwerten: w'nm = 260, 34s- l . Die Abbildung 25.5 zeigt die grafische Darstellung der Spannungen und der Radialverschiebung. Es ist ZU erkennen, dass die Randbedingungen und die Grenzbedingung fur die RadialspannuJ1g erflillt siJ1d. Die größte Radialspannung tritt am Innenrand auf. Bei der Tangentialspannung ergibt sich ein Extremwert von 2 G, = 41, 7N/mm bei einem Radius zwischen 217 und 218mm.
CJ r ' CJt 80
U
.. 60
40
\! t/~
~ .;"
"."
-
,
\
': '00
200
300
,.
'
0,04
,
20
~:
....
"
4()()
.
,
0,02
:
.
.
.
:
"
.'
..
.
400
5tlO
,
r 5tlO
r
,
1()()
200
300
Abbildung 25.5: Spannungen und Verschiebungen in einer
rotationssym~
metrischen Scheibe konstanter Dicke unter Fliehkraftbelastung
25.2 Spezielle Anwendungsbeispiele Die im Abschnitt 25.1 flir die rotationssymmetrischen Scheiben entwickelte allgemeine Lösung wird (ZUIll Tcil mil geringfügiger Modifikation) auf einc Reihc praktischer Problcmc angewcndct, von denen hier zwei vorgestellt werden sollen. Das Aufschrumpfen einer Scheibe auf eine Welle oder Hülse kann flir die Scheibe konstanter Dicke ulUniuelbar auf der Basis der Formeln 25.6 behandelt werden. Der Innenradius der Scheibe wird mit einem Untermaß!J.r gefcrtigt. Im einfachsten Fall (Beispiel I) wird angenommen, dass die Scheibe aufgeweitet und auf die als starr angenommene Welle gezogen wird (praktische Realisierung: Erwärmen der Scheibe, Aufbringen auf die Welle, bei der AbkühJung entspricht die Verhinderung des Zusammenziehens auf das Fertigungsmaß der Aufweitung um !J.r).
25.2 Spezielle Anwendungsbeispiele
Beispiel]:
451
I
I_"";_ _...1 EIne KreIsscheibe konstanter DIcke wIrd an Ihrem [nnenrand um den Betrag ßr aufgeweitet. Der Verformungs- und Spannungszustand u(r),
v = 0,3
M = 0,001 ri .
starr
w = 0 müssen den Randbedingungen
Die Gleichungen 25.6 mit
r.
~
u(r = ri) = M
angepasst werden. Daraus errechnen sich die Integrationskonstanten Cz C, = - r~
Cz = -
ME r;
r?
-,--,---,;-,-~-,.---:-
(l-v)1+(I+v)r~
mit denen die gesuchten Funktionen aufgeschrieben werden können:
ßr E ri (r~ )
(r~ ßr E ri 1+-Z ) - (l~v)"f+(I+v)r~ r
,
u(r) = (
)~r"i(r + I + v )z(I-V+(I+V)r~) r ,.
I - v ri
a
Die Vergleichsspannung nach der Gestaltänderungshypothese ergibt sich für den ebenen Spannungszustand (ohne Schubspannung,
Die Abbildung 25.6 zeigt die Funktionen für die gegebenen ZahlenweIte. Man erkennt, dass die bei den Randbedingungen (für u am Innenrand und für
Ja; + <5,2 - arG, Cl [N/mm')
u[mm] 0.10
0.08
0.06
0.04
r[mm]
0,02 ~-c, c-~-2C+OccO~-c:'c30"'O~o oo+C'
Abbildung 25.6: Aufgeschrumpfle Scheibe (Verschiebungen. Spannungen)
452
25 Rotationssymmetrische Modelle
oe:> Mit der Annahme einer starren Welle wie im Beispiel I liegt man hinsichtlich der errech-
neten Spannungen in dcr Scheibe auf dcr sicheren Seite. Andererseits sind die Radialspannungen am Innenrand erwünscht, weil durch sie die Scheibe auf die Welle gepresst wird. Da sich diese Radialspannungcn bci Rotation von Wellc und Schcibe verringern (durch die Zentrifugalkräfte werden die Scheibenpunkte und damit auch der Innenrand nach außen verschoben), ist für diesen Fall eine Berechnung unter zumindest angenäherter Erfassung der Elastizität der WeJle sinnvoll. Eine übliche Näherung basiert auf der Idee. eine Scheibe der Welle mit der gleichen Breite wie die aufzusch.rumpfende Scheibe in die Rechnung einzubeziehen, so dass "eine ringförmige Scheibe der Breite '0 auf eine Voll scheibe der Breite '0 aufgebracht wird" (wird im Beispiel 2 demonstriert),
I
I_"";_ Beispiel_...1 2: D'K .. h'b . Is I Wlf . d au fewe ' "11 Je reJsnngsc el e d es B' eispie vO sc h'b el e g'I' eie her D'Je k'e un d gleichen Materials aufgeschrumpft. Der Außenradius der Vollscheibe und der Innenradius der Kreisringscheibe unterscheiden sich um den im Beispiel I angegebenen Wert !!.r. Berech.net werden sollen die Schrumpfspannung (Js, die nach dem Aufbringen der Kreisringscheibe in der Schrumpffuge zwischen Vollscheibe und Kreisringscheibe wirkt, und die Winkelgeschwindigkcit C!);), bei dcr diese Spannung Null wird, wodurch sich die beiden Scheiben wiedcr voneinander lösen.
Dic allgemeinen Lösungen nach 25.6 für die Kreisringscheibe I und die Vollscheibe 2 enthalten insgesamt drei Integrationskonstanten (für die Vollscheibe gilt C2 = 0, siehe die entsprechende Bemerkung auf der Seite 447). Hier werden nur die Funktionen für (Jr und u angegeben, weil (J, zur Beantwortung der untersuchten Fragen nicht erforderlich ist: Kreisringscheibe:
C2 3+ V 2' (Jrl =C 1 +-;Z--g-PW r 2
r [ C2 I - v 2'] UI=7': CI(i-V)--;z(i+V)--g-PW r
Vollscheibe:
-
(Jr2 =CI -
3+v 2' --pw r g
2 ,] r [I~v U2=7': CI(i -V)--g-PW r2
Folgende Rand- und Übergangsbedingungen sind zu erfüllen: I.) (Jrl (ra) = 0 (freier Außenrand der Kreisringscheibe), 2.) (Jrl (ri) = (Jr2(r,) (Gleichheit dcr beiden Radialspannungen in der Schrumpffuge). 3.) Die Aufweit'Ung des Innenrandes der Kreisringscheibe Uli = UI (r;) und die Zusammendrückung des Außenrandes der Vollscheibe -"2i = -U2 (r;) müssen zusammen das Fehlmaß !!.r ausgleichen (nebenstehende Skizze): !!.r = Ut (r,) -1/2(r,) .
!-
~o:
'., <0
;l
;l,
~.
I
2
I
~
Abbildung 25.7: Ausgleich des Fehlmaßes
25.2 Spezielle Anwendungsbeispiele
453
Aus diesen drei Bedingungen errechnet man (problemlos, Wenn auch etwas mühsam) die drei Integrationskonstanten, mit denen die Fragestellungen der Aufgabe beantwollet werden können. Die Schrumpfspannung (Js ergibt sich zu: (I I US=Ud(r;)=Ur2(r;)=2EMri r3
3+v 11 -?;I) +-S-pw (ra-r 2i )
Die Spannung in der Schrumpffuge der nicht rotierenden Scheiben beträgt
(JS( W = 0) = -93,3 N/mm 2 (im Vergleich zu Us = (Jr(r;) = -135, 5N/mm 2 bei Annahme einer starren Welle im Beispiel I). Die Spannung in der Schrumpffuge wird Null flir ~=600S-1
<>
Bei der Übertragung des Berechnungsmodells des Beispiels 2 auf die Kreisringscheibe, die auf eine Wellc aufgeschrumpft wird, ist zu beachten, dass die Welle tatsächlich steifer ist als eine aus ihr herausgeschnittene Vollscheibe (die Querdehnung kann behindert sein, injedem Fall widersetzen sich auch die Nachbarscheiben der Welle einer Zusammendrückung). Bille genauere Rechnung, die aucb dies berücksichtigt, ist aufwendig, mit den hier vorgestellten Berechnungsmodellen nicht zu realisieren, allerdings für die meisten praktischen Fälle auch nicht erforderlich. Man beachte, dass die Verwendung des Modells des Beispiels I cine zu starre Welle annchmcn würde, so dass die tatsächlichcn Ergebnisse von beiden Berechnungsmodellen eingegrenzt werden.
Dickwandige Rohre, dickwandige zylindrische Behälter Mit nur geringfügiger Modifikation kann die für den ebenen Spannungszustand in einer Scheibe konstanter Dicke entwickelte allgemeine Lösung 25.6 für die Berechnung dickwandiger Rohre und dickwandiger zylindrischer Behälter verwendet werden. Man betrachtet dafür eine von zwei Ebenen senkrecht zur Symmetrieachse des Rohrs bzw. Behälters herausgeschnittene Kreisringscheibe konstanter Dicke. Eine Vereinfachung ergibt sich zunächst dadurch, dass in 25.6 die Winkelgeschwindigkeit W = 0 gesetzt werden darf. Allerdings muss bei einem ebenen Spannungszustand vorausgesetzt werden, dass sich die Verschiebungen senkrecht zur Scheibenfläche frei ausbilden können (infolge der Querkontraktion ändert sich die Scheibendicke durch die Wirkung von Ur und u,), so dass keine Spannungen in dieser Richtung entstehen. Diese Spannungsfreiheit ist natiirlich bei einer Scheibe, die aus dem (zylindrischen) Mittelteil des Behälters in Abbildung 25.8 herausgeschnitten wird, nicht gegeben. Vielmehr rufen dcr auch auf dic Still1ftächen dcs Bchältcrs wirkende Innendruck Zugspannungen und der Außendruck Druekspannungen hervor (angedeutet als U z in der unter dem Behälter gezeichneten Scheibe), deren Auswirkungen auf den Spannungs- und Verformungszustand zu untersuchen sind (das Eigengewicht kann bei den für sehr hohen Druck ausgelegten dickwandigen Behältern vernachlässigt werden).
A
~
/
-
0 /
~
Pi
--
A
:= Pa
B
I,
Abbildung 25.8: Behälter unter Innendruck Pi
und Außendruck Pa
454
25 Rotationssymmetrische Modelle
Mit guter Annäherung an die Realität darf vorausgesetzt werden, dass sich die Spannungen (J, gleichmäßig über die Schnittfläche verteilen. Die Differenz der Kraft P; 1f r?, die der Innendruck auf die innere Stirnftäche ausübt, und der Kraft Pa 1f~, die der Außendruck auf die äußere Stirnfläche ausübt. muss mit der aus (J, resultieren Kraft (J,1f(r~ - r?) im Gleichgewicht sein. Dieses Kraftgleichgewicht in vertikaler Richtung (z. B. am unteren Teil des bei B-B gescilnittenen Behälters) wird durch die Querschnittsfläche A = 1f(~ des Kreisrings dividiert, und man erhält:
rf)
(J.
,
= ,-P,-;fl-,;,..---,-P,"oc..?!,-a r~ -
(25.7)
rf
Diese Spannung wirkt sich natürlich auch auf die Verformungen in der Scheibenebene aus (Querkontraktion), so dass das Hookesehe Gesetz des ebenen Spannungszustands 25. J um einen Anteil zu erweitern ist (dreidimensionaler Spannungszustand):
er
= EI ((Jr -
V
(J, - V(J,)
e,
= EI ((J, -
V(Jr - V (J,)
(25.8)
Wenn nun 25.8 anstelle von 25.1 flir die Herleitung der Beziehungen 25.2 benutzt wird, zeigt sich, dass dies bei (vorausgesetzter) konstanter Spannung (J, gar keine Auswirkungen auf die beiden Spannungs-Differenzialgleichungen hat, nur die Formel für die Radialverschiebung muss korrigiert werden: l/
= re, =
r E ((J, -
V(J,. - v(J,)
(25.9)
Damit gilt für die Spannungen (Jr und (J, die allgemeine Lösung 25.6, die (mit Randbedi ngungen
w = 0) noch den
(J,(r;) = -P; angepasst werden muss. Man erhält schließlich zusammen mit 25.7 die
Spannungsformeln für den dickwandigen Kreiszylinder unter Innen- und Außendruck: (Jr = -
(J,
=
r~ ~ r? [p; /7 (~; - I) + Pa ~ ( I- ~~) ] (25.10)
r~ ~ rf [p; rl (~; + I) - Pa ~ (J + ~~) ]
Die (im Allgemeinen allerdings kaum interessierende) Radialverschiebung Spannungen nach 25.9 berechnet werden.
l/
kann bei bekannten
oe;> Die Formeln 25.7 und 25.10 gelten nur fLir den mittleren zylindrischen Teil eines BehäJters
(in der Abbildung 25.8 etwa durch die Schnitte A-A und B-B angedeutet), weil die in der Herleitung der Formeln vorausgesetzte freie Radialverformung in der Nähe von Behällerboden und -deckel erheblich gestört ist. Diese Formeln sind also nur für eine grob überschlägige Dimensionierung geeignet. Der Ingenieur in der Praxis ist ohnehin gerade beim Sicherheitsnachweis für Druckbehälter im Allgemeinen an branchentypische Vorschriften und Normen (z. B. DIN EN 13480-3) gebunden.
25.3 Dünnwandige Behälter (Membranspannungen)
455
25.3 Dünnwandige Behälter (Membranspannungen) Wenn die Wanddicke eines Behälters oder Rohres gegentiberden anderen Abmessungen klein ist, dann kann die Radjalspannung gegenüber der Tangentialspannullg vernachlässigt nnd letztere als konstant tiber die Dicke angenommen werden. Ein so idealisierter Körper setzt der Verbiegung seiner Wand keinen Widerstand entgegen (Membranspannungszustand). Für einfache geometrische Formen des Behälters können die Spannungen aus einfachen Gleichgewichtsbetrachtungen ermittelt werden. Für den zylindrischen Behälter unter lnnendrnck p mit der k011slanten Wanddickc I und dem mittleren Radius r (Abbildung 25.9) erhält man so die Längsspannungen GI (in Schninen quer zur Zylinderlängsachsc) und G r (in LängSSChnitten). Die resultierende Kraft F2, die auf den Zylinderbnden drückt. berechnet sich unabhängig von dessen geomelJ'ischer Form (Kraft = Druck· ,.projizierte Fläche". die in jedem Fall ein Kreis ist) nach F2 = P TC r 2 (vgl. im Abschnitt 19.3.1, Beispiel I: Resultierende bei konstanter Linienlast am Kreisbogenträger).
Abbildung 25.9: Dünnwandiger zylindrischer BehäJler unter Innendruck p
Die Resultierende der Längsspannung wird wegen der Dünnwandigkeit mit einer vereinfachten Kreisringnäche (Umfang' Dicke) eflllineit und muss mit F2 im Gleichgewicht sein: G/2TCrl=pTCr
2
=:-
pr G/=-
21
Es ist einleuchtend, dass diese Formel auch für einen Kugelbehälter gilt. Die Tangentialspannung G r im Mittelteil des zylindrischen Behälters ergibt sich aus dem Gleichgewicht der resultierenden Kraft FI , berechnet für ein Zylinderstück beliebiger Länge I, mit der Resultierendcn aus der Spannung entlang der beiden Schningeraden. Die einfachen (nur eingeschränkt gültigen) Formeln, die sich auf diesem Weg ergeben, nennt der Praktiker
Kesselformeln für Zylinderbehälter:
pr
pr G/= -
(J(=-
21
1
Kugelbehälter:
pr
(25.11)
(Jt=(Jt=-
21
Q Die eingeschränkte Gültigkeit der Kesselformeln bezieht sich vor allen Dingen auf die nicht
berücksichtigten Biegewirkungen am Zylinderbnden und den unvermeidlichen Biegewirkungen an den Punkten, an dcnen der Behälter gelagen ist. Dagcgen rechtfertigt sich die Vernachlässigung der Radialspannungen, die mit (Jr = - p an der Innenwand ihren Maximalwert hätten: Die beiden anderen Spannungen enthalten jeweils den Faktor f, was zu wescntlich größeren Werte führt.
456
25 Rotationssymmetrisehe Modelle
In diesem Kapitel wurde ein ganz kleiner Einblick in die Berechnung von sehr einfachen Flächentragwerken gegeben. Trotzdem war eS nicht zu vermeiden, dass immer wieder von "recht grober Näherung" oder "eingeschränkter Gültigkeit"' die Rede war. Deshalb bleibt bei der praktischen Anwendung immer ein etwas unangenehmes Gefühl. Eine genauere Berechnung (z. B. die Erfassung der Biegespannungen bei Schalen) ist auf analytischem Wege nur für wenige Ausnahmen und auch dann nur mit erheblichem Aufwand möglich. Deshalb ist die Benutzung eines der viclen Finite-Elcmente-Programme, die auch die Berechnung von (beliebig räumlich gekrümmten) Schalen anbieten, im Allgemeinen eine gute Idee, aber eine deutliche Warnung muss ausgesprochen werden: Man informiere sich genau, welche Eigenschaften die verwendeten Elemente haben. Das ist häufig nicht ganz einfach, denn die Hersteller dieser Programme sind nicht so sehr an skeptischen Anwendern interessiert, und deshalb sind diese Informationen in den Manuals nicht sehr umfangreich. Gerade für die Berechnung von Schalen werden aber sehr gern Elemente benutzt, die nicht (oder kaum) mehr als die Mernbranspannungen elfassen. Diese Bemerkung soll nicht vor der Verwendung dieser Elemente warnen, aber man sollte schon wissen, was man tut, und wer sich bei der Anwendung der Kesselformeln unwohl fühlt, sollte sich nicht von den schönen bunten Grafiken der FEM-Programme eine hohe Genauigkeit suggerieren lassen, wenn nur Membranspannungselemenre verwendet wurden.
25.4 Aufgaben
I
AlIfgabe 25./: I_ _ _ _ _..... Für eine rotierende Vollscheibe konstanter Dicke sind der Spannungs- und Verformungszustand, die Spannungen im Mittelpunkt der Scheibe sowie die maximale Radialverschiebung zu berechnen und die Verläufe grafisch darzustellen. Gegeben: I
~=260s-1; r,,=500mm; p=7.85g/cm 3 ; v=0,3; E=2,1·10 5 N/mm 2 .
Aufgabe 25,2:
I
Eine Buchse wird auf eine starre Welle auf-
geschrumpft. Gegeben: ra = 2r; = 200mm E = 2, I . 105 N/mm 2
v =0,3
P = 7, 85g/cm 3
a) Bei welchem Übermaß der Welle wird im Schrumpfsitz
starr
2
cine Druckspannung von 150 N/mm erzeugt? b) Bei welcher Winkelgeschwindigkeit würde ftirdas unter a ermittelte Übermaß die Schrumpf-
spannung auf 50 N/mm2 abgebaut werden? IAufgabe 25.3:
I
Ein dickwandiger zylindrischer Behälter ist ausschließlich durch den Innendruck p; belastet. Man ermittle die Verläufe der Spannungen er" er, und er, und der Radialverschiebung u in Abhängigkeit vom Radius r (einschließlich grafischer Darstellung). Gegeben: r; = 30cm; ra = 50cm; p; = 6 MPa = 6 N/mm 2
;
v = 0.3; E = 2, I . 105 N/mm 2
.
26 Kinematik des Punktes Die Kinemalik ist die Lehre vom geometrischen und zeitlichen Ablauf von Bewegungen, ohne nach Ursachen (z. B. den Kräften) und Wirkungen zu fragen. Die Kinetik dagegen, die ab Kapitel 28 behandelt wird, untersucht die Wechsel wirkungen zwischen Kräften und den Bewegungen von Massen (der vielfach auch gebräuchliche Begriff Dynamik schließt die Kinetik und die Statik als Lehre vom Gleichgewicht ruhender Körper ein). Dem Prinzip der Darstellung in diesem Buch folgend. stets die einfachen Probleme an den Anfang zu stellen, um dann zu verallgemeinern. wird zunächst die Kinemalik des Punkles behandelt. Dabei braucht man nicht die Vorstellung zu haben, nur den (unendlich kleinen) Punkt zu betrachten. Es wird die Bewegung eines einzelnen Punktes beschrieben, der durchaus zu einem Körper mit endLichen Abmessungen und kompLizierter Struktur gehören darf. Vielfach werden sogar die wesentlichen Aussagen der Bewegung des Gesamtkörpers durch einen Punkt beschrieben (und deshalb können in den Kinematik-Beispielen durchaus Lokomotiven oder gar Planeten auftauchen). Der wesentliche Unterschied der Kinematik des PrUlktes zur Kinematik des Körpers ka.nll daril1 gesehen werden, dass ein Punkt keine Drehbewegung (um seine eigene Achse) ausführen kann (Beispiel: Planetenbahnen können so beschrieben werden, nicht aber die Rotation um eine Achse des Planeten).
26.1 Geradlinige Bewegung des Punktes 26.1.1 Weg, Geschwindigkeit, Beschleunigung Die Bewegung eines Punktes (Abbildung 26.1) entlang einer geraden Linie wird vollständig beschrieben durch die Angabe einer Weg-Zeit-Funktion
s = S(I) Dabei wird die Wegkoordinale s von einem beliebig festzulegenden Anfangspunkt aus gezählt, set) gibt dann die Lage des Punktes zu jedem Zeitpunktl an. Auch der Beginn der Zeitzählung (t = 0) muss eindeutig festgelegt werden. Es ist nicht zwingend (flir die meisten Probleme aber si.nnvoll), die Zeitmessung dann zu beginnen. wenn der Punkt den festgelegten Anfangspunkt der Wegmessung passiert.
Abbildung
26.1:
Bewegung
eines
Punktes auf einer Geraden
Die Geschwindigkeit v ist ein Maß dafür, wie schnell sich die Wegkoordinate s mit der Zeit ände/1. Der Quotient aus dem pro Zeitintervall !!J zuriiekgelegten Weg 6.s = S2 und diesem !!J = t2 -I, wird deshalb als milliere Geschwindigkeit v", im Zeitintervall definiert.
s,
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_26, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
458
26 Kinemalik des Punktes
Analog dazu definiert man als Maß fürdie Geschwindigkeilsänderung die Beschleunigung a: Die Differenz der Geschwindigkeiten Lw = 1'2 - vI am Ende und am Beginn eines Zeitintervalls !!J wird durch !!J dividiert, es ist die mirrlere Beschleunigung a m im Zeitintervall.
Mitllere Geschwindigkeit:
Vm
S2 -SI ös =---=t2-tl !!J
Gm
=---=12 -11 !!J
V2-VI
Milllere Beschleunigung:
ßV
(26.1) (26.2)
Während 26.1 und 26.2 die Mittelwerte über ein endliches Zeitintervall definieren, kommt man mit dem Grenzübergang ß.t
-+
0 zur Geschwindigkeit und zur Beschleunigung zu einem Zeit-
punkt/. .
Dos
ds = - = S(I) ,
Momelltollgeschwilldigkeit:
v = IJm -
Momelltollbeschleunigullg:
Öl' dv (PS a= lim -=-=-=I;(I)=S(I). 2
al ·.0 !!J
aHO !!J
dl
dl
dl
(26.3) (26.4)
e:> Wenn die Weg-Zeit-Funktion S(I) bekannt ist, so ist damit der Bewegungsvorgang vollständig beschrieben. Die Geschwindigkeits-Zeit-Funktion 1'(1) und die Beschleunigungs-ZeitFunktion a(l) erhäJt man durch ein- bzw. zweimalige Differenziation der Weg-Zeit-Funktion nach der Zeit (der Punkt über der Funktion wird als AbJcirungssymbol nach der Zeit I vereinbart).
0::> Bei bekannter Geschwindigkeits-Zeit-Funktion gewinnt man die Weg-Zeir-Funktion durch Integration über die Zeit. Für die Bestimmung der sich dabei ergebenden Integrationskonstanten ist eine zusätzliche Aussage erforderlich (z. B. die Angabe der Wegkoordinate So zu einem bestimmten Zeitpunkt 10).
e:> Bei bekannter Beschleunigungs-Zeit-Funktion (dies ist der typische Fall in der Kinetik) sind zur kompletten Beschreibung der Bewegung noch zwei zusätzliche Angaben erforderlich. Da dies bei den meisten Aufgaben die Aussagen über die Wegkoordinale so und die Geschwindigkeit 1'0 beim Beginn der Betrachtung der Bewegung (Zeitpunkt to) sind, nennt man diese zusätzlichen Aussagen Anjangsbedingungen. Natürlich können diese Zusatzbedingungen sich auf jeden beliebigen Zeitpunkt der Bewegung beziehen, auch auf verschiedene Zeitpunkte für Weg- und Geschwindigkeitsaussage, es können auch zwei Aussagen über die Wegkoordinate zu verschiedenen Zeitpunkten sein.
e:> Empfehlung für die Zahlenrechnung mit unterschiedlichen Dimensionen der einzelnen Größen: Man beziehe die Dimensionen in die Rechnung mit ein, um auf diese Weise Umrechnungen möglichst sicher zu machen. [m nachfolgenden Beispiel I wird z. B. die Sekunde mit s = 3/:00 durch die Stunde ersetzt, die 3600 geht in die Zahlenrechnung ein, die Sehnde s ersetzt die Stunde h in der Dimension des Ergebnisses. oe;> Besonders wichtig bei Aufgaben der Kinematik und Kinetik: Wenn Zahlenwerte ge-
geben sind, dann rechne man bis zu einem bestimmten Punkt ausschließlich mit Formelsymbolen und ab diesem Punkt ausschließlich mit den Zahlenwerten (einschließlich ihrer
459
26.1 Geradlinige Bewegung des Punktes
Dimensionen), weil sonst Verwechselungen nahezu unvermeidlich sind, denn die typischen Formelsymbole (z. B. s für den Weg oder h für eine Höhe) dürfen natürlich nicht mit den Dimensionen (z. B. s für Sekunde und h flir die Stunde) vermischt werden. In diesem Buch wird diese Empfehlung konsequent eingehalten und damit eine doppelte Sicherheit erzeugt, weil Formelsymbole zusätzlich kursiv gesetzt sind (was leider bei der Handrechnung kaum nachzuahmen ist).
I
Beispiel J: I_"";_ _...1 ZWischen den K,lometerstemen 67,5 und 70 zeIgt der Tachometer eines Autos konstant 130 km/h an. Tatsächlich werden für die Strecke 71 s benötigt. Aus den Messwerten ergibt sieb nach 26.1 eine mittlere Geschwindigkeit VOn S2 -St
v'" = - - - = 12 - 1t
70-67,5 km 2,5 km· 3600 - = = 126,76km/h 71 - 0 s 71 h
woraus sich ein relativer Fehler der Tachometeranzeige von 2,56% en-eehnet.
I
Beispiel 1: E·111 Pk W be··· . 18 k'nl Iange S lree ke bCI. konstanter G esc h· . von I_ _ _ _...I notIgt f··ur elOe Will d·Ig keil 90 krn/b eine Fahrzeit von 12 min. Auf der gleichen Strecke fährt ein zweiter Pkw die ersten 9km (halbe Stecke) mit l20km/h und den Rest mit 60km/h, ein dritter Pkw fährt in den ersten 6 Minuten (halbe Zeit, die der erste Pkw für die Gesamtstrecke benötigt) mit 60 km/h und den Rest der Strecke mit 120 km/h. Gibt es Unterschiede in der Gesamtfahrzeit? Berechnung der Gesamtfahrzeiten I ge., für Pkw 2 und Pkw 3:
( 9 9)
Pkw 2:
1.,e.<.2=
Pkw 3:
St = V,I,
120+60
'*
27 . h= 120 h =O,225h=J3,5mm
I ges .3
.\"2
Sxtfs-V]fl
12
1'2
= It + - = It +
.
= 12mm
Q Man beachte, dass der Begriff ,,Mittlere Geschwindigkeil" sich auf eine Mille/werlbildung
über die Zeil bezieht. Im Beispiel 2 hat Pkw 3 Ge 6min mit 60 bzw. 120 km/h) eine mittlere Geschwindigkeit für die Gesamtstrecke VOn 90 km/ho Dagegen hat Pkw 2 Ge 9 km mit 60 bzw. 120 km/h) nur eine mittlere Geschwindigkeit für die Gesamtstrecke von V", = 1~85k~~n = 80km/h.
I
Beispiel 3: I_ _ _ _...I Mit Kurvenschelbengetneben smd fast beheblge Weg-Zeit-Funktionen zu realisieren. Der Endpunkt des skizzierten Stößels bewegt sich nach dem Weg-Zeit-Gesetz 3 S(I) = kt t +k212 +k31
mit
kt = 0,004 m/s 3 k3 = 0, I m/s
+ k.
k2 = -0,04 m/s 2
k. =
0,06m
Damit ist die geradlinige Bewegung vollständig beschrieben. Man berechnet z. B. durch Differenzieren nach der Zeit:
460
26 Kinemalik des Punktes
a(I)= 6k ll+ 2k2
v(I)=3klI2+2kzl+k3
Für jeden Zeitpunkt sind alle Bewegungsgrößen berechenbar, nach I = 4s erhält man z. B.:
S(I = 4s) = 0,076 m
a(1 = 4s) = 0.0 16m/s2
V(I = 4s) = -0,028 m/s
'-:> Interpretation der Vorzeichen: Eine negative Geschwindigkeit besagt, dass die momentane BewegungsrichlUng der Wegkoordinate S entgegel1gesetzt ist. Eine negative Beschleunigung bei positiver Geschwindigkeit bedeutet eine Vcrlangsamung (Verzögerung) der Geschwindigkeit, bei negativer Geschwindigkeit eine Vergrößerung des Absolutbetrags der Geschwindigkeit, im Beispiel bei t = 4 s: "Bewegung nach Links, langsamer werdend". Die Bewegung mil konslanter Geschwindigkeil ist als Sonderfall in der Formel 26.\ enthalten: Wenn der Beginn der Zeitzählung I = 0 mit dem Passieren des Ursprungs der Wegkoordinate zusammenfallt, gelten die einfachen Formeln für die gleichfOnnige Bewegung:
s=
°
vo =
s
=>
I
S
(vo
= VOI
= konstant)
(26.5)
c:> Da der Antrieb von Mechanismen vielfach mit konstanter Geschwindigkeit (oder konstanter Winkelgeschwindigkeit, vgl. Abschnitt 26.2.3) erfolgt, sind die Formeln 26.5 häufig der Einstieg in die Analyse der Bewegung (nachfolgendes Beispiel 4).
I
Beispiel 4: I_"";'_-, Zwei Gleltsteme A und B smd durch eme starre Stange gekoppelt. Der Gleitstein A bewegt sich mit der konstanten Geschwindigkeit VA, Zum Zeitpunkt I = befinden sich die Gleitsteine in der skizzierten Lage.
°
Gegeben:
B
0
a = 4m , b = 3m , VA = 0,8m/s .
Für den Gleitstein B sollen die Funktionen SB(t), VB(I) und aB(I) ermittelt werden. Die untere Skizze zeigt die geometrischen Verhältnisse des Mechanismus zu einem beliebigen Zeitpunkt I.
A
a
Der vom Gleitstein A bis zum Zeitpunkt I zurückgelegte Weg ist nach Formel 26.5: SA = VA l. Für SB liest man aus der Skizze ab:
SB= Ja 2 +b2 -(a-vAI)2 =
Jb2+2avAI-~12
B,o 'V
VB =
aB =
(a-VAI)VA
b
2
+a
2
( Jb2+2aVA1-v~t2)
"V 'I ..-
SA =
Jb2+2avAt-v~12
()
o
2 3 vA
,:
"C/
Durch Differenzieren erhält man die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Gleitsteins B:
vAt ;// -:' Ac)
a
26.1 Geradlinige Bewegung des Punktes
461
Für die Bewegung mil konslanler Beschleunigung können V(I) und S(I) allgemein durch Integration ermittelt werden. Man gewinnt die Formeln rur die gleichfOrmig beschleunigte Bewegung:
a =ao v=ao/+vo I
(26.6)
2
S= 2aOl +VOI+SO Die Integrationskonstanten Vo und so in 26.6 sind interpretierbar: Die Anfangsgeschwindigkei/ Vo ist die Geschwindigkeit zum Beginn der Zeitzählung I = 0 und So ist der Wert, den die Wegkoordinate zu diesem Zeitpunkt hat. Wenn die Bewegung mit kons/alller Beschleunigung ohne Anfangsgesc"windigkei/mi/ der Zei/zählu.ng / = 0 im Koordina/enurspflIng s = 0 beginnt, vereinfachen sich die Formeln 26.6 zu I
v=ClOI
S= 2aOl2
v= J2aos
(26.7)
wobei die letzte dieser drei FOnlleln unmittelbar aus den beiden ersten folgt.
I
Beispiel 5: I_"";_ _...1 In etnem Transportsystem, bestehend aus Vakuumröhren, bewegen sich die Gegenstände über eine vertikale Strecke im freien Fall (ohne Anfangsgeschwindigkeit). Für einen nachfolgenden Sortierprozess wird die Information benötigt, aus welcher horizontalen Zuflihrung sie kommen. Mit einer Lichtschrankenmessung wird die Zeit lAß ermittelt, die sie für das Durchfallen der Strecke SAß benötigen. Nach welcher Formel kann aus lAß und SAß die Höhe " berechnet werden, die der fallende Körper bis zum Erreichen des Punktes A zurückgelegt hat? Der freie Fall o"ne Luftwiders/and ist als Sonderfall mit der Erdbeschleu.nigung g = 9,81 m/s2 in den Fonnein 26.6 und 26.7 enthalten. Für die eingezeichnete Koordinate s kann das Weg-Zeit-Gesetz nach 26.6 mit so = 0 aufgeschrieben werden, wenn die Zeitzählung beim Pass.ieren des Punktes A beginnt: I
2
r:;-::L
-<: D
'A
'"
I
's
vi"
B
s=-gl +vo/ mit vo= y2gh 2 wobei sich die Anfangsgeschwindigkeit vo, die der Körper am Beginn der Messstrecke hat, nach 26.7 errechnet (freier Fall obne Anfangsgescbwindigkeit von der borizontalen Zuführung bis zum Punkt Al. Am Ende der Messstrecke gilt s(/
= lAß) = SAß
~
SAß
2 r:;-::L = 2I gIAß+ y 2gh /Aß
und dll.fch Umstellen nach der gesuchten Höhe" ergibt sich da.ralls t
2) 2
h= ( SAß- 'ig/Aß 2g/1 ß
462
26 Kinemalik des Punktes
26.1.2 Kinematische Diagramme Die grafische Darstellung der Funktionen S(/), V(/) und a(/) liefert einen guten Überblick über den Bewegungsablauf. Da die Geschwindigkeits-Zeit-Funktion durch AbleitlLllg der Funktion S(/) entsteht, sind die Werte der Funktion V(/) proportional zum Tangentenanstieg der Funktion S(/). Eine analoge Aussage gilt für die Funktionen v(t) und a(t). Gelegentlich ist es zweckmäßig, den Weg S als unabhängige Variable zu wählen und zum Beispiel die Geschwindigkeits-Weg-Funktion v(s) darzustellen. Man erhält die Funktion v(s), indem man aus den Funktionen V(I) und S(I) die Zeit eliminiert. Alle genannten grafischen Darstellungen bezeichnet man als kinematische Diagramme.
I
Beispiel: I_...;_ _ Es sollen die kinematischen Diagramme der Funktionen SB(t), VB(t) und aBr,) fliT die Bewegung dcs Gleitstcins B des Beispiels 4 aus dem vorigen Abschnitt für dcn Bercich o::; I ::; II s gezeichnet und diskutie'1 werden. In der Abbildung 26.2 sind die drei Diagramme in einer Skizze zusammengefasst (es wurden die Zahlenwerte der AufgabensteIlung verwendet). Folgende Aussagen lassen sich ablesen: • Die Geschwindigkeit VB hat einen Nulldurchgang zu dem Zeitpunkt, in dem die Wegkoordinate SB ihren größten Wert annimmt. Das ist der obere Umkehrpunkt des Gleitsteins B. Die Umkehrzeit lu kann z. B. aus SAr, = lu) = VA lu =
a
(Gleitstein A hat den Weg a zurückgelegt) berechnet werden: ' u = .!!.... = 5 S. 'A
(,
sAmJ. ",,[m/s]. a,Jm/s']
4
4
6
10
I
[s]
·2 -4
-6
Abbildung 26.2: Kinemalische Diagramme
• Die Beschleunigung aB ist im gesamten Zeit-Bereich negativ (die Wahl der positiven Richtung von SB definiert auch die positiven Richlllngen von VB und aB). Während der Aufwärtsbcwegung kennzeichnet dies die Verzögerung (kleiner werdende GeSChwindigkeit), nach dem Passieren des Umkehrpnnktes die wieder schneller werdende Bewegung (Geschwindigkeit und Beschleunigung sind dann abwärts gerichtet, gleicher Richlllngssinn dieser bei den Größen bedeutet immer, dass sich der Absolutbetrag der Geschwindigkeit vergrößert). • Die Beschleunigung hat zu keinem Zeitpunkt den Wert Null, selbstverständlich auch nicht im Moment des Stillstands im Umkehrpunkt (Beschleunigung gleich Null im Moment des Stillstands würde diesen Zustand andauern lassen). • Geschwindigkeit VB und Beschleunigung aB nehmen gegen Ende des betrachteten Zeitraumes stark zu. Beide Funktionen hätten (theoretisch) an der Stelle einen Pol, an der die Kurve von SB außerhalb des betrachteten Zeitraumes einen Nulldurchgang hat. Der Zeitpunkt I" bei dem dies cintreten würde, kann aus dieser Bedingung crrechnct werden:
SB=Jb2+2avAI,-v~I;=O
=}
I,=1I,25s
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes
463
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes Für die Darstellung der allgemeinen Bewegung eines Punktes (auf einer beliebigen Bahn) bieten sich zwei Möglichkeiten an: a) Die Bewegung erfolgt auf einer vorgeschriebenen Bahn und wird durch Angabe der Funktion 5 = 5(1) beschrieben. Die Wegkoordinate
s folgt dabei allen Krümmungen der Bahn (Abbildung 26.3). Vorteile dieser Darstellungsweise: Es gilt der gesamte (besonders einfache) Formelsatz 26.1 bis 26.7, der flirdie geradlinige Bewegung angegeben wurde, wobei die BeSChleunigung allerdings jeweils nur die tangential zur Bahnkurve gerichtete so genannte Bahnbeschieuniguilg ist.
J
Abbildung 26.3: Die Wegkoordinate s folgt allen
Krümmungen
der Bahn
Nachteile: Die Funktion S(I) enthält keine Tnfomlationen über die Bahnkurve, auch nicht über einen bei einer gekrümmten Bahn immer vorhandenen zusätzlichen Beschleunigungsanteil (Nonnaibeschleulligung). Für viele AufgabensteIlungen ist diese (im Allgemeinen einfachere) Betrachtungsweise ausreicbend (man denke an die "Fahrzenganfgaben" des vorigen Abschnitts, bei denen die Einschränkung auf eine geradlinige Bewegung ohne weiteres fallcngclassen werden kann, s entspricht dabei z. B. der Anzeige des Tageskilometerzählers).
r,
b) Die Beschreibung der Bewegung in einem Koordinatensystem durch einen Ortsveklor desscn Komponenten von der Zeit I abhängig sind, enthält die komplctte Information über die Bahnkurve (die Komponenten des ürtsvektors definieren eine Parameterdarstellung der Bahnkurve) und die Lage des bewegten Punktes auf der Bahnkurve zu jedem beliebigen Zeitpunkt/.
26.2.1 AUgemeine Bewegung in einer Ebene Betrachtet wird zunächst die ebene Bewegung eines Punktes, die in einem kartesiscben Koordinatensystem durch den ürtsvektor
r(l) =
[;~;i]
beschrieben wird (Abbildung 26.4). Gleichwertig damit ist die Angabe der Komponenten von was der Parameterdarstellung der Bahnkurve entspricht:
r,
X=X(I)
Y=Y(I)
'y Bahnkurve
i(t) x Abbildung 26.4: Der Ortsvektor verfolgl die Bahnkufve
Als Maß für die Änderung des ürtsvektors mit der Zeit wird (analog zur Änderung des zurückgelegten Weges pro Zeit. vgl. Abschnitt 26.1.1) der GeschwindigkeilsveklOr definiert. Der Zuwachs des ürtsvektors im Zeitintervall !!J kann als Differenz der benachbarten ürtsvektoren aufgeschrieben werden.
464
26 Kinemalik des Punktes
Entsprechend Abbildung 26.5 gilt:
"':;'(t)
=
[&(t)]
(r+M)-r
=
6,y(t)
Diese Beziehung wird durch 6,1 dividiert. Dann liefert der Grenzübergang !'J -> 0 (und damit & -> 0 und 6,y -> 0) die Definition und die Berechnungsvorschrift für den Geschwindigkeitsvektor:
[6,X(t) ]
_
v=limßr=Lim
",-0!'J
"'-0
!'J 6,y(t)
x Abbildlmg 26.5: "Zuwachs" /:';;
_ = [i(t)]=dr
y(t)
(26.8)
dt
6,/
c:> Die Richtung des Sekantenvektors 6,1' wird beim Grenzübergang zur Tangemenrichtung der Bahnkurve, und damit wird vein tangential ZlIr Bahnkllrve gerichteter Vektor. c:> Der Geschwindigkeitsvektor v(t) ergibt sich durch Ableitung des Ortsvektors nach der Zeit (ein Vektor wird nach einer skalaren Größe differenziert, indem seine Komponenten differenziert werden). Die Angabe eines "mittleren Geschwindigkeitsvektors" (analog Zur mittleren Geschwindigkeit in einem Zeitintervall) ist nicht sinnvoll. Es bleibt noch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Geschwindigkeitsvektor und der sich aus der Ableitung der Wegkoordinate s(t) nach der Zeit ergebenden Bahngeschwindigkeit I'(t) zu klären ("Wie errechnet sich der auf dem Tachometer angezeigte Zahlenwert aus dem Ortsvektor?"). Der Betrag des Zuwachses des Ortsvektors 16,1'1 ist beim Übergang auf ein unendlich kleines Zeitintervall gleich dem Zuwachs der Bogenlänge der Bahnkurve (Abbildung 26.6):
/',sr •
/',r
;»
I
<1,
/',x
Abbildung 26.6: 6i' und 6s
bzw.
Auf der linken Seite dieser Gleichung steht der Betrag des nach der Zeit abgeleiteten Ortsvektors. so dass der gesuchte Zusammenhang gefunden ist. Der Betrag des Geschwindigkeitsvektors (Quadratwurzel aus der Summe der Quadrate seiner Komponenten) ist gleich der Bahngeschwindigkeit I'(t):
_ larl ~ ~ i -+.\'1'=11'1= dt =VI';+l'y=v
(26.9)
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes
465
oe:> Der Geschwindigkeitsvektor muss also immer darstellbar sein als Produkl der (skalaren)
Bahngeschwindigkeit mit einem tangential an die ßahnkurve gerichteten Einheitsvektor:
V(I) = v(t)· e,(t)
(26. LO)
e,
Der Tallgenlel1einheilsveklOr hat die (konstante) Länge I und die (ntit der Zeit 1 veränderliche) Richtung der Tangente an die Bahnkurve. oe:> Durcb bestimmte Integration von 26.9 über die Zeit erhält man den zwischen zwei Zeitpunk-
ten I, und 12 zurückgelegten Weg (Länge SI,2 eines Stücks der Bahnkurve): '2
Jvx +y 2
SI,2=
2 dl
(26.11)
I,
I
jY
Beispiel: I_...;._.... Ein Rad mit dem Radius R roUt (ot\l1e zu gLeiten) mit der konstanten Geschwindigkeit vo auf der Horizontalen. Für einen Punkt A im Abstand a vom Radmittelpunkt sollen die ßahnkurve und die Bahngeschwindigkeit ennittelt werden.
..... R
Das Koordinatensystem wird (wie skizziert) so gelegt, dass sich das Rad zur Zeit 1 = 0 bei x = 0 befindet und der Punkt A senkrecht unter dem Radmittelpunkt liegt.
x
Nach einer Zeit 1 (gestrichelt gezeichnet) hat das Rad nach 26.5 den Weg Vo' zurückgelegt und die gleiche Strecke auf dem Umfang abgewälzt (fett gezeichnet), so dass der Punkt A unter dem eingezeichneten Winkel ("Bogen/Radius") zu finden ist. Für seine Lage zum Zeitpunkt 1 lassen sich die Koordinaten ~I
.
x = vot -11 Sln H
y=
R~a
r,
cos
~t
H
(26.12)
ablesen. Es sind die bei den Komponenten des Ortsvektors der die Bewegung des Punk1es A beschreibt. Seine Bahngeschwindigkeit errechnet sich nach 26.9: v=
vx2+y2 = 1'0
Die Bahnkurve, die durch die Parameterdarstellung 26.12 beschrieben wird, heißt Zykloide (in Abhängigkeit vom AbmessungsverhäJtnis verkürZl, spilz oder verlängert). Animationen rollender Räder, die unterschiedliche ZykJoiden erzeugen, kann man unter www.TM-aktuell.de sehen' .
*
1+ (!'..)2 -2!'..
R
"
R
Zykloide
cos~ R
R&O<~s O&S Kf€l';.&S J 1\'1 Abstand ci@sPunl
Abbildung 26.7: Bildschirm-Sclmappschuss des rollenden Rades mit einem Punkt, der eine verlängerte Zykloide erzeugt
Die Berechnung des vom Punkt A zurückgelegten Weges (Länge der Bahnkurve für eine Umdrehung des Rades) nach 26.11 findet man unter www.TM-Mathe.de (numerische Integration). I Der
Bildschirm-Schnappschuss der Abbildung 26.7 wurde von der Animalion mit einem Maple-Script (im Internet
\lcrrtigbar) erzeugt, das der Student Thomas Dulz geschrieben hat.
466
26 Kinemalik des Punktes
26.2.2 Beschleunigungsvektor, Bahn- und Normalbeschleunigung Als Maß für die Änderung des Geschwindigkeitsvektors mit der Zeit wird der Beschleunigungsvektor ä als Ableitung des Geschwindigkeitsvektors nach der Zeit definiert. Fiir die in einem kartesischen Koordinatensystem beschriebene ebene Bewegung ergibt sich der .Beschleunigungsvektor:
_ dv d d/' d 2/' Cl=-=--=-= dl dl dt dt 2
= [i(t)] = [''x(t)] Vy(t) y(t)
[a,(I)] ay(l)
(26.13)
Da die Geschwindigkeit ein Vektor ist. bei dem sich sowohl der Betrag (Bahngeschwinctigkeit v) als auch die Richtung mit der Zeit ändern können, ergibt sich auch bei konslanter Bahngeschwindigkeil ein Beschleunigungsvektor, wenn die Bewegung nichl geradlinig ist. Dies wird deutlich, wenn man den als Produkt von Bahngeschwinctigkeit und Tangenteneinheitsvektor dargestellten Geschwindigkeitsvektor 26.10 nach der Zeit ableitet. Unter Beachtung der Produktregel erhält man:
_ dl! d _ dV(I) _ de, a= - = - [v(t)·e,(l)] = - - ·e,(t)+v(t)·dt dt dt dt
(26.14)
Der erste Anteil ist die tangential zur Bahnkurve gerichtete Bahnbesch1eunigung (mit dem Betrag, der sich auch nach 26.4 ergeben würde). Zur Interpretation des zweiten Anteils muss vorab untersucht werden, was für ein Vektor der nach der Zeit abgeleitete Tangenteneinheitsvektor ist. Dazu sollen zunächst zwei Spezialfälle betrachtet werden. oe;> Sonderfall: Geradlinige Bewegung
Da der Tangenteneinheitsvektor bei der geradlinigen Bewegung konstant ist, gilt: de, _ _ dv _ _ dt = 0 ~ a = dt . e, = a, . er (ä ist der Nullvektor). Die GesallllbeschJeunigung iSI bei der geradlinigen Bewegung iden-
tisch lIIit der Bahnbescllieunigung. oe:> Sonderfall: Kreisbewegung
Betrachtet werden zwei sehr dicht benachbarte Lagen eines Punktes, der sich auf eil1em Kreis mit dem Radius R bewegt (Abbildung 26.8). Er legt dabei die Strecke t.s = Rl1a zurück, der Tangenteneinheitsvektor ändert seine Richtung um den Winkel l1a: Der Vektor er. I gebt über in den Vektor e,,2, wobei er sich um l1er ändel1. Die Länge des Differenzvektors l1er kann aus dem gleichschenkligen Dreieck abgelesen werden, das er mit den heiden Einheitsvektoren bildet: 11-1 er = 2·l1a s1l1 "" 11 a 1
2
FiiJ den Übergang zum wlendJieh kleinen Winkel entsprechend l1a -; da und damit l1e, -; der liest man aus der Abbildung 26.8 ab:
467
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes
• de, steht senkrecht auf e,. I bzw. e,.2, also senkrecht auf dem Tangenteneinheitsvektor e • de, hat die Länge da,
"
Damit kann de, als Produkt eines Einheitsvektors en (Nomwlelleillheilsveklor, weil er senkrecht auf dem Tangenteneinheitsvektor steht) und seines Betrages da dargestellt werden:
det =da-c"
(e" ist zum Kreismittelpunkt gerichtet). Jetzt kann die Frage beantwortet werden, wie die Ableitung des Tangenteneinheitsvektors nach der Zeit bei der Kreisbewegung zu interpretieren ist (für das differenziell kleine Kreisbogenstück ds wird ds = Rda gesetzt): der dei d s de, dei v -=--=-v=--v=-el/ dl ds dl ds Rda R Wenn dies in 26.14 eingesetzt wird, ergibt sich der
V Abbildung 26.8: Die Ableitung des Tangemeneinheitsvek·
tors nach der Zeit! liefert einen Vektor. der zum Mittelpunkt des Kreises gerichtet ist
-0
Beschleunigungsvektor für die Bewegung eines Punktes auf einer Kreisbahn:
_()
dV(I) _ ()
V2(1) _ ( )
_
_
(26.15) =-d-oet1 +--·enl =o,'e,+all·e" t R c:> Die Tallge11liaibeschleuIliguIlg (Bahnbeschleunigung) a, ist immerdalln vorhanden, wenn die Bahngeschwindigkeit v nicht konstant ist. 01
c:> Die Normaibeschieunigullg an =
v2
R
ist bei der Kreisbewegung immer vorhanden. Sie ist
zum Kreismittelpunkt gerichtet. Für die al/gemeille ebelle Bewegullg eines Punktes (Bewegung auf einer beliebigen ebenen Bahn) führt eine entsprechende Überlegung auf eine ähnliche Beziehung, wobei der (konstante) Radius der Kreisbahn durch den (im Allgemeinen veränderlichen) Krümmungsradius p der Bahnkmve zu ersetzen ist (ds = pda). Dies ist jeweils der Radius des Krümmungskreises eines Kurvenpunktes. Der Krümmungsheis hat mit der Kurve im gemeinsamen Punkt die Koordinaten. die Tangente (Anstieg y') und die 2. Ableitung y" gemeinsam 2 . Beschlennigungsvektor für die Bewegung eines Punktes auf einer ebenen Bahn:
a = ä, +ä" = v·e,(l)
v2 + -. e,,(t) p
2
p
=
(26.16)
I (I +/2)) I = I (x +1)1 I y"
xji - i.y
2Unter dem Slichwofl ..Krümmungskreis. Krümmul.1g~radius" findet mall auf der ImcrnCI-Site www.TM-Mathe.dceine ausflihrliehe
Dar~[ellung
dieses ll1cmas mit Herleitung der Fonnein und einer Animation.
468
26 Kinemalik des Punktes
oe:> Der Beschleunigungsvektor der Bewegung eines Punktes setzt sich aus zwei senkrecht auf-
einander stehenden Komponenten zusammen: Die Bahnbeschleunigung mit dem Betrag a, = v ist wie die Geschwindigkeit tangential zur Bahnkurve gerichtet (Tangentialbeschleu2 nigung), die Normalbeschleunigung mit dem Betrag an = 'i> ist senkrecht dazu zum Krümmungsmittelpunkt der Bahnkurve gerichtet.
'e:> Die Babnbeschleunigung bat den Wert Null, wenn die Bewegung mit konstanter Bahngeschwindigkeit erfolgt. oe:> Die Normalbeschleunigung ist bei Bewegung auf einer beliebigen Bahnkurve nur dann
gleich Null. wenn die Bahn nicht gekrümmt ist (z. B. bei geradliniger Bewegung oder in Wendepunkten). Bei Bewegung eines Punktes auf einer Kreisbahn ist die Normalbeschleunigung stets ungleich Null. oe:> Der Betrag der Gesamtbeschleunigung kann nach
a= Ja? +a~
(26.17)
berechnet werden. Dies ergibt den gleichen Wert wie die Berechnung des Betrages des Beschleunigungsvektors nach 26.13. Die Gesamtbeschleunigung ist stets zur konkaven Seite der Bahn gerichtet (bei verschwindender Normalbeschleunigung tangential zur Bahnkurve).
I
Beispiel: I_....;_ _ EJI1 Gleltstell1 A bewegt sich 0111 konstanter Geschwindigkeit VA auf einer vcrtikalcn Führung. Er nimmt dabei die Stange A-B mit, die durch eine drehbar gelagerte Hülse gleitet. Bci { = 0 nimmt die Stangc eine horizontale Lage
a
Y
B
ein.
Es sollen die Bahnkurve, die Geschwindigkeit und die Beschleunigung des Punktes B ermittelt werden. Gegeben:
a, I,
VA,
1= 3a .
Bezüglich des skizzierten Koordinatensystems wird die Lage des Punktes B durch die Koordinaten XB und YB beschrieben. Mit dem Weg VA { nach 26.5, den der Gleitstein A bis zum Zeitpunkt { zurückgelegt hat, und den gegebenen geometrischen Größen liest man aus nebenstehender Skizze z. B. ab: XB
a
VA
1- ) a
2
- - a -----;>f- x B VA
t
A
+ v~ {2
)a +0 2
B
YB
12
(Strahlen satz). Eine entsprechende Beziehung (ebenfalls nach dem Strahlensalz) findet sich für und damit sind die Komponenten des Ortsvektors von B (Parameterdarstellung der Bahnkurve) bekannt:
YB,
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes
469
Durch Differenzieren nach der Zeit 1 erhält man die Komponenten des Geschwindigkeitsvektors und des Beschleunigungsvektors:
xn
VO x
=
GBx
= VBx =
=
.......
Die Darstellung der Bahnkurve (Abbildung 26.9) zeigt die auf die Länge a bezogenen Koordinaten des Punktes ß für 1= 3a entsprechend
i
XB
a
CI
V11
+# a-
VA 1 (
YB CI
CI
y/a ......... I ......
....... ..
_I
}~~
\
... ............
I
f,
Vl+'4/:-
_
I)
................
x/a \1-0
......... _.....
J
_..........,- -2
/
....... - I
rür eiJJen Bereich der "dimensionslosen Zeit" , = ~ 1 von
2 -<1=-/<+ 2 - - VA CI-
Abbildung 26.9: Bahnkurve
Für den Zeitpunkt / = 0 (horizontale Lage der Stange A-ß) soll versucht werden, die Ergebnjsse anschaulich zu deuten:
VB(I=O)=[/_~
1- Cl]
rB(1 =0) = [ 0
--VA
]
a Der ürtsvektor enthält die Koordinaten des Punktes ß (Lage auf der x-Achse). Die verschwindende Horizontalkomponente der Geschwindigkeit VBx = 0 bestätigt die vertikale Tangente an die Bahnkurve zu djesem Zeitpunkt. Die (positive, also wie ille y-Achse nach oben gerichtete) Geschwindigkeitskomponente VB,• enthält das "Übersctzungsverhältnis" I-a a für die horizontale Lage. Die horizontale Komponente der Beschleunigung aBx kann (weil sie senkrecht zur Bahnkurve gerichtet ist) nur die Normalbeschleunigung sein, die sich auf anderem Wege bestätigen lässt. Nach 26.16 wird der Krümmungsradius der Bahn für 1 = 0 mit den bereits berechneten Größen aufgeschrieben. Bahngeschwinillgkeit und Krümmungsradius liefern dann die NormalbescWeunigung:
P (I = 0) =
1
(P+ ;;2) xy-xy
II
= 1( 1 1-0
n 2
=>
a,,(1 =0) =
V~(I =0)
1
2
( ) = 2" VA PI=O a
Man erhält auf diesem Wege den Betrag der Normalbeschleunigung. der (wie erwartet) in der vektoriellen Darstellung den gleichen Wert hat. Das Minuszeichen dort zeigt an, dass die Normalbeschleunigung zur konkaven Seite der Bahnkurve gerichtet ist.
470
26 Kinemalik des Punktes
26.2.3 Winkelgeschwindigkeit, Winkel beschleunigung Die Bewegung eines Punktes auf einer Kreisbahn ist ein wichtiger Spezialfall der allgemeinen Bewegung des Punktes. Zur Beschreibung der Lage des Punktes auf der Kreisbahn ist die Angabe einer Winkelkoordinate cp(l) meist besser geeignet als die Wegkoordinate S(I) (Abbildung 26.10) und wohl immcr günstiger als dic Beschreibung durch einen Ortsvektor.
y
Wenn R der Radius der Kreisbahn ist. dann gilt
S(I) = "(I)
Rcp(l)
= s(t) = R q,(t)
(26.18)
a,(I) = ,,(t) = Rip(t)
Abbildung 26.10: Wegkoordinate sund Winkelkoordinate q>
Es ist üblich und zweckmäßig, analog zur Winkelkoordinate cp(t) auch eine Winkelgeschwindigkeit und eine Winkeibescl,leanigllllg zur Beschreibung der Bewegung eines Punktes auf der Kreisbahn zu dellnieren: Willkelgeschwindigkeit:
QJ(t) = q,(t)
(26.19)
WiIIkelbesch lellllig/llIg:
a(t) = w(t) = ip(t)
(26.20)
c:> Die Winkelgeschwindigkeit wird üblicherweise in
S-I
angegeben. die Winkelbeschleuni-
gung in S-2. c;> Einc Winkelgeschwindigkeit
QJ
= I S-I bedeutet, dass sich der Winkel in einer Sekunde um
1 rad vergrößert (I rad = I~O
""
57,3°).
c;> In der technischen Praxis wird bei Drehbewegungen gern die Drehzahl
11 (im Allgemeinen: AnzaW der Umdrehungen pro Minute) zur Beschreibung der Geschwindigkeit einer Rotationsbewegung verwendet. Es gilt (I Umdrehung -. Winkel 2n)
QJ
= 2nn
(26.21)
wobei sich QJ mit der gleichen Dimension wie n ergibt (gewarnt wird vor den Fehlerquellen bei Verwendung so genannter .,Praktiker"-Formeln wie QJ = ~~ oder gar QJ "" fb, in denen QJ und n unterschiedliche Dimensionen haben).
c:> Durch die Winkclbcschleunigung (als Maß feir die Änderung der Winkelgeschwindigkeit) wird entsprechend a r = Ra nur die Bahnbeschleunigung (als Maß für die Änderung der Bahngeschwindigkeit) repräsentiert. Natürlich gibt es bei einer Kreisbewegung immer (auch bei konstanter Winkelgeschwindigkeit) eine Normalbeschleunigung ,,2
a" = - = Rw2 R
(26.22)
c;> Für den sehr wichtigen Sonderfall konstanter Winkelgeschwindigkeit berechnet sich der
seit dem Beginn der ZeitzähJung t = 0 zuriickgelegte Winkel cp nach:
cp =
~t
(~= konstant)
(26.23)
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes
471
Während die meisten Menschen eine recht gute Vorstellung von Geschwindigkeiten haben (zumindest in den Größenordnungen, die von Autos erreicht werden), ist die Vorstcllungskraft fur Beschleunigungen im Allgemeinen nicht sehr groß (Autohersteller wissen das und verstecken den Bcgriff der Beschleunigung in einer Geschwindigkeitsaussage: "Beschleunigt von 0 auf 100 km/h in 8,3 s"). Deshalb werden in den Beispielen I bis 4 einige Zahlenwerte berechnet.
I
Beispiel J: I_ _ _ _...I Em Pkw besch1eul1lgt von 0 auf 100 km/h schleunigung?
In
8,3 s. WIe groß 1st die mmlere Be-
Nach 26.2 berechnet man: {Im
V2-V' 100-Okm 100·IOOOm 2 = - - - = - - - -- = - = 3 35m/s 12 - I, 8,3 - 0 h s 8,3 . 3600 S2 '
Dies ist Flir ein anfahrendes Auto ein beachtlicher Wert. Beim freien Fall (ohne Luftwiderstand) allerdings tritt die Beschleunigung g = 9,81 m/s2 auf, ein Wert, der von keinem Pkw erreicht wird (es sei denn, er durchbricht ein Brückengeländer und geht zum freien Fall über).
I
Beispiell: I_ _ _ _...I Em Pkw fahrt nlJt konstanter Geschwmdlgkelt v = 40 km/h eme Kurve nut dem Radius R = 20 m. Wie groß ist die Norrnalbeschleunigung? Nach 26.22 berechnet man: v2 402 (kru)2 402 . 106 m2 2 G n = R = 20 h2 m = 20.36002 m s2 = 6. 173 m/s Auch dieses Ergebnis ist repräsentativ Flir die meisten technischen Bewegungsabläufe: Die Normalbeschleunigungen sind im Allgemeinen deutlich größer als die Bahnbeschleunigungen. Das folgende Beispiel zeigt allerdings eine Ausnahme von dieser Regel. I
Beispiel 3:
I
Bei einem Crash-Test prallt ein Pkw mit 50km/h gegen eine starre Wand. Nach 80 ms sind Fahrzeug und Dummies auf die Geschwindigkeit 0 abgebremst. Wie groß ist die mittlere Beschleunigung während des Aufpralls?
Aus der Geschwindigkeitsdifferenz und der Abbremszeit ergibt sich nach 26.2: Gm
V2 - v I 0 - 50 km = -/2-- .tl- = 0 1 08 - 0 -h s =
50· 103 m 2 008 3600 2 = -173,6m/s ,. s
I
Beispiel 4: I_ _ _ _...I Ein Pkw-Motor läuft mit einer Drehzahlll = 5000 min- I . Wie groß ist die Winkelgeschwindigkeit w? Welche Normalbeschleunigung {In erfahrt ein Punkt auf der Kurbelwelle, der R = 6 cm von der Drehachse entfernt ist? Die Winkelgeschwindigkeit wird nach 26.21 berechnet: I
w=2nn=2n.50oo·- =523,6s- 1 60 s Damit ergibt sich die sehr große Nornlalbeschleunigung flir den Punkt auf der Kurbelwelle: 2 2 CI" = R w = 16449m/s
472
26 Kinemalik des Punktes
26.2.4 Koppelgetriebe Koppelgelriebe wandeln eine vorgegebene (Antriebs-)ßewegung in eine gewünschte Bewegung um. In den weitaus meisten praktischen Fällen ist der Antrieb eine Rotation um einen festen Punkt mit einer Winkelgeschwindigkeit ~. Ein besonders einfacher Fall ist die Schubkurbel 3 , bei der eine kreisförmige Bewegung in eine geradlinige Bewegung umgewandelt wird (Beispiel: Kolbenpumpe), der häufigste Anwendungsfall ist dafür allerdings gerade die in Verbrennungsmotoren realisierte Umwandlung der geradlinigen Bewegung des Kolbens in die Rotation der Kurbelwelle.
I
Beispiel 1: I_ _ _..... Die skiZZierte Schubkurbel (SIChe www.TM-aktuell.de) wird mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ~ angetrieben. Bei r = 0 soll die Kurbel ihre tiefste Stelle einnehmen. Gcsucht sind die Funktionen x(r), v(r) und a(I), die die Lage, die Geschwindigkeit und die Bcschlcunigung des Kolbens beschreiben. Gegeben:
I
Je
Y
,
j
I I
R= 12cm, 1=30cl11. ~=2s-l.
Rechts ist eine ausgelenkte Lage mit den wichtigstcn Abmcssungcn skizziert. Dic Kurbel hat sich entsprechend 26.23 UI11 den Winkel ~r gedreht. Die durch die Koordinatex beschriebene Lage des Kolbens ergibt sich aus der Summe der beiden Katheten zweier rechtwinkliger Dreiecke: X(I) = R COS~I +
)12 - R2 sin
2
~t
Durch Differenzieren dieser Funktion kommt man zu v(t) und a(t):
An dem einfachen Beispiel werden die typischen Probleme der Untersuchung von Koppelgetrieben deutlich, die allerdings bei fast allen kinematischen Problemen ähnlich sind: Die Beziehungen sind hochgradig nichtlinear. Das Differenzieren des Weg-Zeit-Gesetzes mag schon bei diesem Beispiel lästig sein, immerhin konnte man auf diesem Wege v(r) und a(t) ermitteln, weil es möglich war, x(t) als Funktion aufzuschreiben (und gegebenenfalls kann man das Differenzieren einem symbolisch rechnenden Programm übertragen). 3Als BeL«;pie) I wird hier die einfache Schubkurbel behandelt. bei der der Mitlelpunkt der Kurbel auf der Geraden liegt. auf der sich der Kolben bewegt Im Abschniu 27.4 findet mall den allgemeineren Fall der cxzcnlri~hcn Schubkurbel.
473
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes Abbildung 26.11 zeigt die drei kinematischen Diagramme (erzeugt mit Matlab). Es wurden sogar fünf Kurven gezeichnet, V(I) und a(l) wurden zusätzlich durch numerisches Differenzieren gewonnen. Die Deckungsgleichheit der Kurven ist ein ziemlich verlässliches Indiz für die Richtigkeit. Dass zur Kontrolle numerisch (und nicht symbolisch) differenziert wurde. hat einen guten Grund:
X(I)
a(l)
V(I)
"
1[']
Abbildung 26,11: Kinematische Diagramme
Wenn die Aufgaben auch nur unwesentlich komplizierter werden (nachfolgende Beispiele), kann die ßahnkurve nur noch punktweise ermittell werden, so dass ohnehin nur numerisch differenziert werden kann.
I
Beispiel 2: I_....;_ _.... Ewe so genannte Viergelenkkette besteht aus zwci Gliedern AB bzw. CO, die an jewcils einem Endpunkt (A bzw. 0) fixiert sind (je nach ßewegungsmögliehkeit als Kurbeln oder Schwingen bezeichnet) und über den jeweils anderen Punkt über eine Koppel BC verbunden sind. Hier soll das Glied AB als Antrieb betrachtet werden, dessen Lage durch die Angabe eincs Winkel cp bestimmt wird. Gegeben sind die Koordinaten XA und YA des Punktes A im skizzierten Koordinatensystem und die Längen a, bund c der Getriebeglieder, gcsucht sind die Koordinatcn der Punkte B und C in Abhängigkeit von cp.
D Abbildung 26.12: Viergelenkkette
Die Koordinatcn des Punktes B können unmittelbar aus der Abbildung 26.12 abgelesen werden: XB =XA
-acoscp
YB = YA +a sincp
Mit den bekannten Punkten Bund 0 findet man den Punkt C als Schnittpunkt der beiden Kreise um diese Punkte mit den Radien b bzw. c, und damit beginnen die typischen Schwierigkeiten. Die Kreisgleichungen können noch problemlos formuliert werden:
(x-xd+(Y-YB)2 =b2
.;+l =c2
Man stellt eine Gleichung nach Y um, setzt das Ergebnis in die andere ein. und nach etwas mühsamer Rechnung erhält man eine quadratische Gleichung für x:
mit Bci der Lösung diescr Gleichung können folgende Fälle auftreten: • Man erhält zwei reelle Lösungen. Dies sind die x-Werte der Punkte C und dung 26.12), die für die Stellung cp möglich sind.
C (siehe Abbil-
474
26 Kinemalik des Punktes
• Man erhält eine (Doppel-)Lösung. Dann berühren sich die beiden Kreise nur. 8, C und 0 liegen in diesem Fall auf einer Geraden . • Es ergibt sich keine reelle Lösung, die Kreise schneiden sich nicht. Dann hat das Getriebe entweder eine unmögliche Geometrie, oder die durch qJ beschriebene Stellung ist unmöglich. Für den Fall zweier reeller Lösungen XI und X2 müssen noch die zugehörigen y- Werte durch Einsetzen in die Kreisgleichungen ermillelt werden. Wegen der Doppeldeutigkeit der Wurzel erhält man zu jedem x-Wert jeweils zwei y- Werte, die die Kreisgleichung erfüllen. Deshalb müssen die y-Werte für beide Kreisgleichungen berechnet werden, und von den vier Wertepaaren sind die beiden x-y-Paare die Koordinaten der Punkte C und C, die flir beide Kreise gleich sind. Schließlich muss noch entschieden werden, ob die Koordinaten für C oder C verwendet werden sollen. Weil die gesamte beschriebene Rechnung für jede Stellung cp ausgefLihrt werden muss, wird mall den Punkt wählen, der näher an dem entsprechenden Punkt der vorhergehenden Stellung liegt. Für den Sonderfall nur einer reellen Lösung muss speziell überlegt werden, denn aus dieser Spezial lage (8, C und 0 liegen auf einer Geraden) ist die weitere Bewegung in beiden RiChtungen möglich. Man wird dann die Entscheidung so fallen, dass die Bewegungsrichtung beibehalten wird. Das DilenUlla kann so formuliert werden: Der gesamte gerade beschriebene Entscheidungsprozess stellt für die Handrechnung gar kein Problem dar. Man sicht sofort, welche Lösung zu verwenden ist, und es ist auch klar, wie es nach einer Speziallage weitergeht. Bei der Computerrechnung sind aber alle Entscheidungen vorab zu programmieren, was nicht nur recht schwierig ist, es bleibt auch immer aus numerischen Gründen kritisch, denn die SpeziaHagen werden niemals genau getroffen. was häufig zu Überraschungen bei der Fortsetzung der Rechnung führt. Aber natürlich gibt es zur Computerrechnung keine vernünftige Alternative. weil im Allgemeinen njcht nur die Bewegung
der Viergelenkkelle interessiel1, sondern das Bewegungsgesetz von so genannten Koppe/punkten (Punkte, die mit einem Getriebeglied, vorzugsweise der Koppel, starr verbunden sind). Die Abbildung 26.13 zeigt eine Viergelenkkette mit einem Koppelpunkt K, der mit der Koppel 8C starr verbunden ist. Um die (in der Abbildung zu sehende) Koppe/kurve zu ermitteln, müssen vorab die Koordinaten der Punkte 8 und C nach dem oben beschriebenen Algorithmus berechnet werden.
Abbildung 26.13: Kurbelschwin· ge mit Koppelpunkt K
[n Abhängigkeit von den Abmessungen der drei Glieder und der Lage der beiden Lagerpunkte können die beiden gelagerten Glieder in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt sein. Man nennt sie Kurbe/n, wenn sie eine komplelle Kreisbewegung ausführen können, ansonsten Schwingen: oe;> Die Abbildung 26.13 zeigt eine so genannte Kurbe/schwinge, weil die (AnlJ'iebs-)Kurbel
AB bei ihrem kompletten Umlauf eine schwingende Bewegung des Gliedes OC erzeugt (die von den Punkten 8 bzw. C durchlaufenen Bahnen sind in der Abbildung angedeutet).
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes
Abbildung 26.14: Doppelschwinge
475
Abbildung 26.15: Doppelkurbel
oe:> Die Abbildung 26.14 zeigt eine so genannte Doppe/schwinge, weil bei dieser geometrischen
Konfiguration beide gelagerten Glieder nur schwingende Bewegungen ausfUhren können (die von den Gelenken B bzw. C erreichbaren Punkte sind als Bahnkurven eingezeichnet). Dieses Koppelgetriebe, bei der der mit der Koppel BC starr verbundene Punkt K auf der durch Bund C definierten Geraden liegt, ist mit den hier dargestellten Abmessungen ein Beispiel fUr das Erzeugen einer speziell gewUnschten Bahn.kurve. Man erkennt, dass diese in einem gewissen Bereich eine fast ideale horizontale Gerade ist. Das wird fur so genannte Wippkräne ausgenutzt, bei denen die anhängende Last bei Transport in der Horizontalen in diesem Bereich weder gehoben noch gesenkt wird, so dass für diese Bewegung nur eine minimale Antriebsleistung erforderlich ist. oe:> Die Abbildung 26.15 zeigt eine Doppelkurbel, weil beide
gelagerten Glieder eine komplette Kreisbewegung ausfuhren können. An diesem Beispiel wird auch gezeigt, dass dic Bewegung (und damit auch die Bahnkurve eines Koppelpunktes) von der Anfangsstellung abhängig ist. Für die beiden völlig identischen Getriebe sind zwei AnfangsteIlungen möglich (entsprechend der beiden Punkte C und C, wie im Beispiel 2 fiir die allgemeine Viergelenkkette gezeigt), die zu völlig unterschiedlichen Bewegungen fUhren. Man beachte, dass die Antriebskurbel AB in beiden Skizzen exakt die gleiche Lage einnimmt.
25
20
v
.... = ma
25,17
ßahn-
gesch\\ indigJ..eil
d" Koppelpunktes
15
'0
Weil die Ergebnisse für die Bahnkurven (z. B. die Komponenten
XK(CP) und YK(CP) des Ortsvektors rK eines Koppelpunktes) nur puoktweise ermittelt werden können, müssen alle weiteren gewünschten Ergebnisse numerisch berechnet werden. Die Komponenten des Vektors der Bahngeschwindigkeit x und y können nach den im Kapitel 18 auf Seite 275 angegebenen Differenzenformel für die erste Ableitung berechnet werden. Der Betrag der Bahngeschwindigkeit folgt dann aus 26.9.
5
o
Abbildung 26.l6:
VK. I'ma.<. Sge>
Abbildung 26.16 (erzeugt mit Matlab) zeigt die Bahngeschwindigkeit für die Kurbelschwinge nach Abbildung 26.13, die hier fUr den Moment der maximalen Geschwindigkeit des Koppel-
476
26 Kinemalik des Punktes
punktes dargestellt ist. Um den bei einem kompletten Umlauf zurückgelegten Weg zu berechnen, musste nach 26.1 I integriert werden, was natiirlich auch nur numerisch möglich ist. Weil die Bahnkurve punktweise bekannt ist, kaJ1J1 man allerdings auch die Länge des von den Punkten definierten Polygons berechnen. Die Analyse der Bewegung solcher Getriebe birgt eine ganze Reihe von Fehlermöglichkeiten. Für eine besonders wirksame Kontrolle der durchgefUhrten Rechnung bieten sich deshalb Animationen an, bci dcncn man sofort crkcnnt, ob dic gcwünschtc Bcwegung auch berechnct wurdc. Unter www.TM-aktuell.de findet man deshalb auch die "bewegten Bilder" dieser Getriebe. Schon mit Viergclcnkkettcn sind intercssantc und fUr dic technischc Praxis wichtigc Bcwegungcn zu erzeugen (siehe den Wippkranmechanismus in Abbildung 26.14). Wenn an die bewegten Punkte einer Viergclenkkette und/odcr an Koppelpunkte weitere Getriebeglieder angeschlossen werden, sind praktisch beliebige Bewegungen zu realisieren. Allerdings ist die Aufgabe, eine Bewegung mit ganz bestimmten vorgegebencn Eigenschaften zu erzcugen (Cetriebesynthese), sehr schwierig. Nachfolgend wird ein besonders gelungenes Beispicl vorgestellt.
I
BeispieL 3: Der me . der I"an d'ISC Ile K"ILnSt1er T. HEO JANSEN ste I1 t Lau f'masclllen h' her, d'Je SIC . h au f' I_ _ _ _.... 4 zahlreichen Beinen (vom Wind angetrieben) auf Sand sehr geschickt fortbewegen • Dic Abbildung 26,17 zeigt dcn Mechanismus eines Beins eines solchen "Strandbeests" maßstäblich mit den von Jansen gefundenen Abmessungen. Fixpunkte sind die beiden Gelenke 01 und 02. Angetrieben wird der Mechanismus durch Drehung der Kurbel OIA, die gleich zwei Viergelenkketten (01AB02 und 01AC02) bewegt. Von der Schwinge 02B der oberen Kurbelschwinge wird der Koppelpunkt D mitgenommen und dieser und der Punkt C der unteren Kurbelschwinge bestimmen die Lage des Punktes E. Schließlich ist mit dem Glied CE der Punkt F starr verbunden. dessen Bahnkurve die Bewegung des "Fußes" ist. Die Analyse dieses Mechanismus ist mit dem Algorithmus möglich, dcr ausführlich im Bcispicl 2 beschricben wurde, allerdings muss er fiinfmal nacheinander angewendet werden, um die Lage eines Punktes F zu bestimmen.
D
Abbildung 26.17: Mechanismus des Beines eines Strandbeesls
Die Rechnung mit allen Entscheidungen, die am Beispiel 2 beschrieben wurden, ist also etwas aufwendiger. Das Ergebnis findeIman als Animation des in Abbildung 26,17 dargestellten Mechanismus unter www.TM-aktucll.de. Die Bahnkurvc des Punktcs F ist auch in Abbildung 26,17 zu sehen. Man erkennt im unteren Bereich eine fast ideale Gerade. Dies ist der Bereich, in dem sich der Fuß des "Strandbeests" am Boden befindet. 4Der Künstler nennt seine beeindruckenden Werke Srrandbeesfen (..Stranduere"). Ein Besuch der Lnternet-Sile www.~rrandbeesl.comlohnl sich.
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes
Mindestens so wichtig wie die Bahnkurve ist der Geschwindigkeitsverlauf: Der Fuß sollte sich während des Bodenkontakts mit möglichst konstanter Geschwindigkeit bewegen (weil natürlich alles relativ ist, bewegt sieh beim laufenden Strandbeest während des Bodenkontakts des Fußes nicht dieser sondern der gesamte Mechanismus). Während des "Schritts nach vom" (der Fuß ist in der Luft) sollte dagegen die Geschwindigkeit deutlich größer sein.
477
Bahnkurve YF(x) -<;0 -'70
-;;0
-90 L-_ _ -40 -20
~
~
__
~
o
20
_ _---.J 40
Bahngeschwindigkeit vF(x) 150
100
Die Abbildung 26.18 zeigt den Ver50 lauf der Bahngeschwindigkeit des OL-_-~-'--~--~-----' Punktes F während eines komplet-40 -20 0 20 40 ten Umlaufs der Kurbel OIA (ein Abbildung 26.18: Bahnkurve lind Geschwindigkeitsverlauf "Schritt"). Man erkennt, dass die gewünschten Eigenschaften ausgezeichnet erfüllt werden. So richtig lässt sich allerdings die Realisierung der "schreitenden Bewegung" erst beurteilen, wenn man sie als Animation des Mechanismus oder als Teil des sich bewegenden Strandbeests sieht.
26.2.5 Darstellung der Bewegung mit Polarkoordinaten Die Willkürlichkeit, die der Komponentendarstellung eines Vektors bei Wahl eines kartesischen Koordinatensystems mit festen (zeitlich unveränderlichen) Einheitsvektoren und y anhaftet, war der Grund dafür, im Abschnitt 26.2.2 die Beschleunigung in ihre "natürlichen Komponenten" (tangential und normal zur Bahnkurve) zu zerlegen. Bei der Verwendung dieser nalürlichell Koordinalell musste beachtet werden, dass die Einheitsvektoren e, und e" ständig ihre Richtung ändern (zeitabhängig sind), was beim Differenzieren nach der Zeit beachtet werden musste.
e,
Eine ähnliche Situation liegt vor, wenn die Bewegung mit Hilfe von Polarkoordinaten beschrieben wird, was für eine Reihe von Problemen vorteilhaft sein kann. Zur Beschreibung der Lage des bewegten Punktes wird sein Abstand r(t) von einem zu wählenden festen Punkt und der Winkel cp(I) bezüglich einer Bezugsgeraden benutzt (Abbildung 26.19). Mit dem Einheitsvektor e" der stets die Richtung des Ortsvektors hat, kann der Ortsvektor in der Form
r(I) = r(I)e,(I)
(26.24)
e
Bahnkurvc
Abbildung 26. t9: Potarkoordinalen
angegeben werden. Die Koordinate cp(I) steckt bei dieser Darstellung in dem Einheitsvektor e,. Da Gesehwindigkeits- und Beschleunigungsvektor nicht die Richtung von haben. wurde in die Skizze auch gleich der zweite erforderliche Einheitsvektor e~ eingezeichnct.
e,
478
26 Kinemalik des Punktes
Um aus 26.24 zum Geschwindigkeitsvektor zu kommen, muss geklän werden, was aus beim Ableiten nach der Zeit wird. Die Abbildung 26.20 zeigt, wie sich für zwei eng benachbarte Punkte (rp ändert sich um !1rp) der Einheitsvektor e, um !1e, ändert. !1e, steht senkrecht auf e, (und hat damit die Richtung von
e,
c",). Die Länge von !1c, kann für sehr kleine Winkel !1rp (im rechtwinkligen Dreieck mittan!1cp ""!1cp und dem Einheitsvektor als Kathete mit der Länge I) mit!1cp angegeben werden, so dass der Zuwachs von e, als
!1e, = !1cp . e",
Abbildung 26.20: Einheitsvek-
aufgeschrieben werden kann.
toren für Polarkoordinaten
Entsprechend liest man ab, dass die Änderung von e", gerade die entgegengesetzte Richtung von e, hat. die Länge von !1e", kann (wie die Länge von !1e,) als !1cp angenommen werden. und ftir I'.e", gilt also: t.e", = -I'.cp. e, Division durch !1rp und der Grenzübergang!1cp --40 liefern die Ableitungen der Einheitsvektoren nach rp und damit auch nach der Zeit:
de, dcp deI{! dcp
de, dt de", dr
de, dcp drp dt de", drp drp dr
(26.25)
-c,cp
Nun kann der Ortsvektor 26.24 nach der Zeit t abgeleitet werden, und man erhält unter Beachtung von 26.25 Geschwindigkeitsvektor und Beschleunigungsvektor in Polarkoordinaten:
_I) di' _ _ vt =-=r·e,+rcp·el{! alt) =
dt dv -
dt
=
(i'- cpl r) ·e, + (rlp+2rcp)· e",
(26.26)
oe:> Der Sonderfall r = konstant (Kreisbewegung) ist in diesen Formeln enthalten (für die
Kreisbewegung sind Polarkoordinaten die natürlichen Koordinaten). Man erkennt die Bahngeschwindigkeit rcp, die Bahnbeschleunigung rlp und die Normalbeschleunigung rcpl, deren Minuszeichen anzeigt, dass sie dem Einheitsvektor c, entgegengesetzt gerichtet ist. oe:> In Erweiternng der Begriffe für die Kreisbewegung werden auch für die allgemeine Bewe-
gung cp als Winkelgeschwindigkeit und Ip als Winkelbeschleunigung bezeichnet. oe:> Man kann sich eine in kartesischen Koordinaten beschriebene allgemeine Bewegung als
Überlagerung von zwei (rechtwinklig zueinander verlaufenden) geradlinigen Bewegungen vorstellen (wie z. B. bei der Fahrt eines Brückenkrans, bei dem sich gleichzeitig die Laufkatze quer zur Fahrtrichtung bewegt).
479
26.2 Allgemeine Bewegung des Punktes
Analog dazu darf man sich eine mit Polarkoordinaten bescllriebene Bewegung als Überlagerung einer geradlinigen Bewegung und einer Drehbewegung vorstellen (Beispiel: Ein Baukran dreht sich und die Laufkatze bewegt sich nach außen). Dementsprechend findet man in 26.26 den Geschwindigkeitsanteil r und den Beschleunigungsanteil i' der geradlinigen Bewegung und die bereits diskutiel1en Anteile der Kreisbewegung. Eine gewisse Son-
derstellung nimmt der Beschleunigungsanteil 2rq; ein. Für das "Bau kran-Beispiel" würde also neben den bekannten Anteilen noch eine zusätzliche Beschleunigung auch dann auftreten, wenn die Drehbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit q; erfolgt und die Laufkatze sich mit konstanter Geschwindigkeit r nach außen bewegt. Die beschleunigende Wirkung entsteht dadurch, dass sich die Laufkatze in Richtung von Kreisbahnen mit größerem Umfang (und damit größerer Bahngeschwindigkeit) bewegt. Dieser etwas schwierige Sachverhalt wird im Abschnitt 27.2 ausführlicher diskutiert.
I
Beispiel:
I
Für den als Beispiel im Abschnitt 26.2.2 bereits mit kal1esischen Koordinaten untersuchten Mechanismus soll die Bahnkurve in Polarkoordinaten formuliel1 werden. Gegeben:
0,
l,
"A
= konstant.
VA
Wenn die Zeitzählung mit I = 0 in dem Moment beginnt, wenn die Stange A-B die horizontale Lage einnimmt, gilt entsprechend nebenstehender Skizze:
r(l) = ( -
J02+ ";'
cp
vAt
'P
~ t~ '.r'\l~
12
A
"A I
B
r
a
(j,
0/(1) = arctano
Diese Darstellung enthält alle Informationen über den Bewegungsablauf, und es ist im Allgemeinen nicht sinnvoll, nach 26.24 den Ol1svektor mit dem zeitlich veränderlichen Einheitsvektor
e,(I) = [coso/(T)]
SIO 0/(1)
aufzuschreiben, zumal sämtliche Geschwindigkeits- und Beschleunigu.ngsanteile nacb 26.26 durch Differenzieren von r(l) und 0/(1) gewonnen werden können. Man erhält z. B.:
r(l) =
q;(I)
0 2 ,,2
,,2 1
I
A
Va2+V~/2
I
"A
I+~ -;;
;'(1) =
(2 Cl
q;(I)
A 2 2) 3
+VAI
.,
2±
"T (l+~f
Damit kann man sämtliche Geschwindigkeits- wld BeschleuniglUlgsanteile aufschreiben. Sie sind radial gerichtet bzw. senkrecht dazu (nicht normal bzw. tangential zur Bahnkurve).
480
26 Kinemalik des Punktes
26.2.6 Allgemeine Bewegung im Raum
Iz
Wenn die allgemeine Bewegung eines Punktes Im Raum (Abbildung 26.21) analog zur Bewegung in der Ebene (Abschnitt 26.2.1) durch einen ürtsvektor
v
X(/)] 1'(1) =
Y(/)
[ z(t)
beschrieben wird, gelten in sinnvoller Erweiterung die Formeln 26.8 bis 26.14, die hier noch einmal zusammengestellt werden:
V(/) = dl' =
Geschwindigkeitsvektor:
Abbildung 26.21: Ortsvektor und Geschwindigkeitsvektor
[;i;\]
dl
V(I) = lvi = /r2 + y2 +i2
ßahngeschwindigkeit:
(26.27)
i(l)
(26.28)
I,
Länge der ßahnkurve:
SI.2 =
JVx
2 +.'12 +i2 dl
(26.29)
I,
ßeschleunigungsvektor:
(26.30)
Gesamtbeschleunigung:
(26.31)
c:> Auch für die Bewegung im Raum gilt, dass der Geschwindigkeitsvektor in jedem Punkt tangential zur Bahnkurvc gerichtet ist und damit als Produkt aus Bahngeschwindigkeit und Tangenteneinheitsvektor dargestellt werden kann: (26.32)
':> Durch Differenzieren von 26.32 nach der Zeit ergibt sich der Beschleunigungsvektor ~
dv dv ~ de, . ~ = - . er + v· = v· er dl dl dl _ 2 de, . _
a= -
= V e, + v . (I; =
V·
de, ds ds dl
+ v· -
e, +
,,2_
p .e"
(26.33)
mit dcn gleichen Beschlcunigungsanteilcn (Bahnbeschleunigung v und Normalbeschleunigong ~) wie im ebenen Fall. Der Einheitsvektor e" ist der senkrecht zum Tangenteneinheitsvektor gerichtete Haupll1ormalel1veklOr, der zorn Krümmlll1gsmittelplLllkt der Ballllkurve zeigt, p ist der Krümmungsradius.
e,
26.3 Aufgaben
481
e,
e
und n spannen die Schmiegullgsebene der Bahnkurve in dem betrachteten Punkt auf. In ihr liegen der Geschwindigkeitsvektor und beide Beschleunigungsanteile (und damit auch der Vektor der GesamtbeschJeunigung). Es gibt also in jedem Punkt der Bahnkurve eine "bcschleunigungsfrcie" Richtung. Es ist die Richtung des Billormalenvektors eb, der senkrecht zu und n gerichtet ist und mit diesen das begleitende Dreibeill der Bahnkurve bildet.
oe:> Die Einheitsvektoren
e,
e
Wenn also die Beschleunigungswerte bei der räumlichen Bewegung eines Punktes nur für bestimmte Zeitpunkte interessieren, kann die Bewegung jeweils wie eine ebene Bewegung in der Schmiegungsebene des aktuellen Punktes der Bahnkufve betrachtet werden.
26.3 Aufgaben
I
Au/gabe 26.1: I_ _ _ _ _..... Em Formel-I-Rennwagen beschleulllgt (1m Jahr 1993) aus dem Stand auf eme Geschwindigkeit von 100 km/h in 2,6 s. Aus einer Geschwindigkeit von 280 km/h stoppt er bei Vollbremsung nach 15 I,3 m. a) Wie groß ist die mittlere Beschleunigung am in O1/s2 während des Anfahrvorgangs? b) Wie groß ist die mittlere Bremsverzögerung (negative Beschleunigung) bei dem beschriebe-
nen Bremsvorgang"
I
YI
Alt/gabe 26.2: I_ _ _ _ _..... Der Steg emes Planetengelnebes dreht sich mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit Ws und treibt ein Planeten rad, das auf dem feststehenden Sonnenrad abrollt. Die Bewegung des Punktes A im Abstand a vom Mittelpunkt des Planetenrades soll analysiert werden. Gegeben:
R, r
1
Planetenrad
Sonnenrad
x R
a, ws·
a) Zum Zeitpunkt t = 0 befindet sich das Planetenrad in der skizzierten horizontalen Lage. Es ist die Bal1nku.rve des Punktes A in ParameterdarsteUung x(t) und y(t) bezüglich des skjzzierten Koordinatensystems zu ermitteln. b) Für welche Radienverhältnisse in der skizzierten Lage"
fi ist der Punkt A nach einem vollen Umlauf des Steges wieder
c) Man ermittle die Funktionen für die BaJ111geschwindigkeit v(t) und die GesamtbeschJeunigung art).
eI) Mit einer geeigneten Software (www.TM-aktuell.de) stelle man die Bahnkurve des Punktes A für ~ = 2 und ~ = 1.5 grafiscb dar und berechne die Länge des Weges. den der Punkt bei zwei vollen Stegumläufen zurücklegt.
482
I
26 Kinemalik des Punktes
Aufgabe 26.3:
I
a
Ein sternförmiger Mitnehmer rotiert mit der konstanten Winkelgeschwindigkcit ~. Er fUhrt Werkstücke in einer Rinne. Betrachtet werden soll die Bewegung eines Werkstücks im geraden Rinnenabschnitt von A nach B.
A
-s
B
Gegeben: 1= IOcm ; a=6cm; ~=O,3s-' . Man ermittle a) das Bewegungsgesetz
S(I) eines Werkstlicks. wenn es bei I = 0 den PunktA passiert,
b) das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz v(l) und das Beschleunigungs-Zeit-Gesetz a(I).
c) die Zeit lAB. die das Werkstück flir die Bewegung von Abis ß benötigt, VB des Werkstücks, die es bei Punkt ß hat.
d) die Geschwindigkeit
I
Aufgabe 26.4:
I
Eine Kurbel dreht sich mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ~ und nimmt die Stange ;\-B mit. Bei I = 0 befindet sich A im Punkt D.
Gegeben:
a. I, R,
F
B E
~.
Unter Verwendung des skizzierten Koordinatensystems erm.ittle man
a) die Bahnkurve von Bin ParameterdarsteUung
a
X(I)
undy(I). b) die Komponenten
VBx und VBy des Geschwindigkeitsvektors des Punktes Ballgemein. e) die Beträge der Geschwindigkeiten des Punktes B flir Ji = 1,5 und = 2. wenn A sich in E bzw. F befindet.
k
Eine Animation der Bewegung findet man unte,r www.TM-aktuell.de.
I
I Aufgabe 26.5: Ein Zahnrad mit dcm Radius R treibt eine hori-
1"0
;p
zontal geführte Zahnstange nach dem Winkel-Zeit-Gesetz
cp(l) =
R, 1=2R, k"
1"0
~~.:::,;;~~~=(
Man ermittle a) das Bewegungsgesetz y(l) des Gleitsteills G und seillen maximalen Hub Yo, b) die Zeit [, bis zum ersten Erreichen des oberen Totpunktes.
Weitere Aufgaben findet man imlnternet unter www.TM-aktueU.de.
IY 1
27 Kinematik starrer Körper Ein starrer Körper besteht aus einer unendlichen AnzaW von Punkten, die ihre Lage zueinander nicht ändcrn. Für dic weitaus meisten Probleme der Kinematik und Kinetik ist dieses fiktive Gebilde das völlig ausreichende Modell zur Untersuchung von Bewegungsvorgängen (wie in der Statik zur Untersuchung von Gleichgewichtszuständen).
27.1 Die ebene Bewegung des starren Körpers Man könnte die ebene Bewegung des starren Körpers mit den Verfahren aus dem Kapitel 26 (Kinematik des Punktes) beschreiben, wenn man die Bewegung von zwei Punkten des Körpers beschreiben würde. Da der Abstand der Punkte konstant bleibt, genügt jedoch bereits die Angabe der zeitlichen Abhängigkeit • der beiden Koordinaten eines Punktes und einer Koordinate eines zweiten Punktes oder • der beiden Koordinaten eines Punktes und einer zusätzlichen Winkelkoordinate. Der starre (durch keine Bindungen behinderte) Körper iJl der Ebene hat drei Freilzeirsgrade. Seine Lage ist durch die Angabe von drei geeigneten Koordinaten eindeutig bestimmt, seine Bewegung wird durch die zeitliche Abhängigkeit dieser Koordinaten beschrieben.
<>
Durch ZlIsätzliche Bindungen (z. B. an eine vorgeschriebene Bahn) kann die Anzahl der Freiheitsgrade eingeschränkt sein. Für die Probleme der technischen Praxis ist die Bewegung eines Körpers mit nur einem Freiheitsgrad sogar eher die Regel als die Ausnahme.
27.1.1 Reine Rotation Die reine Rotation (ein Punkt des Körpers ist fixiert) ist ein besonders wichtiger Spezialfall der Bewegung eines starren Körpers. Die Bewegung wird mit nur einer Winkelkoordinate komplett beschrieben.
I
Beispiel J: I_"";_ _...1 Der Mitnehmer der skiZZIerten Gabel bewegt SIch mit VA = konstant nach rechts. Zum Zeitpunkt f = 0 sei cp = O. Für die Bewegung der Gabel sollen das Bewegungsgesetz cp(r), die Winkelgeschwindigkeit roc(f) und die Winkelbeschleunigung ac(f) ermittelt werden.
Gegeben:
I,
VA.
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_27, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
484
27 Kinematik starrer Körper
Mit dem Weg VA I nach 26.5, den der Mitnehmer bis zum Zeitpunkt t zurliekgelegt hat, entnimmt man dem nebenstehend skizziel1en rechtwinkligen Dreieck das Bewegungsgesetz: VA t VA t tan
= = ("'f,)2 ,= /2+.;.,2 .
OJc(t)
I
VA
VA /
1+
ac(t) = ciJc(t) =
A
I
Beispie/ 2: I_"";'_....1 E1I1e Kurbel mit dem RadiUS R läuft mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ~ um und nimmt dabei eine Schwinge mit (eine Animation unter www.TM-aktuell.de zeigt die Bewegung dieses Getriebes). Es sollen das Bewegungsgesetz der Schwinge
R sin ~r tan
Rsin"1JI
sin~,
-COS~l
Differenzieren nach der Zeit liefert Winkelgescbwindigkeit und Wi,lkelbeschJelinigung:
. ßcos~t-I ros(t) =
Abbildung 27.1: Kinematische Diagramme
27.1 Die ebene Bewegung des starren Körpers
485
Diese Kontrollmöglichkeit wurde bereits im Beispiel I des Abschnitts 26.2.4 genutzt und ist bei Aurgaben dieser Art immer zu emprehlen: Wenn die grafischen Darstellungen der analytisch erzeugten Ableitungen mit den durch numerisches Differenzieren gewonnenen Kurven deckungsgleich sind, ist das ein vorzügliches Indiz rür die Richtigkeit. Gleichwertig ist natürlich die Benutzung eines Programms, das symboli~ch differenzieren kann.
<>
Der Antrieb mir konstanter Winkelgeschwindigkeit über eine Schwinge. die die Bewegung umwandelt, ist in der technischen Praxis recht häufig anzutreffen. Neben der Möglichkeit, gleichmäßige Drehbewegungen in "Hin-und-Herbewegungen" umzuformen (Werkzeugmaschinen, Schwingtische•...), zeigt das nachfolgende Beispiel eine weitere Variante.
I
Beispiel 3: I_ _ _ _...I Das so genannte Malteserkreuz tst ell1 Mechamsmus, der eine kontinuierliche Drehbewegung in eine periodische (durch Rasten unterbrochene) Drehbewegung umwandelt. Der Mitnehmer der sich mit ~ drehenden Kurbel nimmt nur auf einem Teil seines Weges (während des Eingriffs in einen SChlitz) das Malteserkreuz mit, das sich bei eincm Eingriff um den Winkel 2 q>* weiterdreht. Die Skizze zeigt gerade das Ende eines Eingriffs und den Beginn der Ruhephase (vgl. www.TM-aktuell.de. dort auch als Animation). Während des Eingriffs gilt gcnau das Bewegungsgesetz, das rür die Schwinge des Beispiels 2 hergeleitet wurde. Die kinematischen Diagramme dieses Beispiels zeigten erwartungsgemäß, dass rür den Punkt des größten Ausschlags der Schwinge (Umkehrpunkt ihrer Bewegung) die Winkelgeschwindigkeit Ws gleich Null ist. Wenn nun das Malteserkreuz so konstruiert wird, dass der Austrittspunkt des Mitnehmers aus dem Schlitz (und aus Symmetriegründen damit auch der Eintrittspunkt) mit dem Stillstand des Malteserkreuzes zusammenfallt, dann beginnt dessen Ruhephase genau in dem Moment, in dem es ohnehin keine Winkelgeschwindigkeit hat, so dass es nicht zusätzlich gebremst werden muss (es wird allerdings sicherheitshalber während der Ruhephase vom hinteren Teil des Mitnehmers, der genau in die bogenfötmigen Aussparungen des Malteserkreuzes passt, arretie(1). Aus den für das Beispiel 2 ermittelten Funktionen entnimmt man, dass Ws = 0 wird, wenn R eos~t*=T
ist. R und I sind zum Zeitpunkt (* also Kathete bzw. Hypotenuse eines rechtwinkJigen Dreiecks, der Winkel q>* berechnet sich in diesem rechtwinkligen Dreieck aus
* . R q> = arcs 111 T Während des Mitnehmereingriffs dreht sich das Malteserkreuz um den Winkel 2 q>*. Es ist klar, dass einc volle Umdrehung (360°) ein ganzzahliges Vielfaches von 2q>* sein muss, so dass nur spezielle Abmessungsverhältnissc sinnvoll sind, von denen die nebenstehende Tabelle einige zeigt.
2 q>* 120°
90° 72° 600
R
-
I 0,866 0,707 0,588 0,500
486
27 Kinematik starrer Körper
27.1.2 Translation und Rotation Ein Körper führt eine reine Translation aus. wenn jede beliebige Gerade, die zwei Punkte des starren Körpers verbindet, während der Bewegung ihre Richtung beibehält. Bei einer solchen Bewegung mit zwei Freiheitsgraden bewegen sich alle Punkte des Körpers auf kongruenten Bahnen, so dass die Beschreibung der Bewegung eines Punktes genügt (Kinematik des Punktes, Kapitel 26). Dieser Spezial fall braucht also nicht noch einmal betrachtet zu werden. Man beachte: oe:> Die Bahnen bei der translatorischen Bewegung können beliebige Kurven sein, zum Beispiel
auch Kreise: Die Kabine eines Paternosters fiihrt (zum Glück für verträumte Mitfahrer) während der gesamten Bewegung eine Translation aus, auch in den Umkehrbereicben. in denen sich alle Punkte der Kabine auf Kreisbahnen bewegen. Es ist üblich (nnd meist zweckmäßig), die allgemeine Bewegung als eine Überlagerung einer Translation mit einer Rotation zu beschreiben.
I
Beispiel 1: I_ _ _ _.... Das skizzierte Dreieck bewegt sich aus der Anfangslage ABC in die Endlage A'B'C'. Man kann diese Bewegung zum Beispiel auffassen als eine reine Translation aus ABC nach A' B"C" (alle Punkte bewegen sich auf kongruenten Bahnen) und eine Drehung Ulll den Punkt A'. Bei dieser Betrachtung wurde der Punkt A als Bezugspunkt (zur Beschreibung der Translation und als Zentrum der Rotation) verwendet. Natürlich kann daftir auch jeder andere Punkt benutzt werden. L-:> Die mit dem Beispiel
Ct2~ B I
I
A
\ --~B
Abbildung 27.2: Die Bahnen A-A'. 8-8" und C-C" sind deckungsgleich (auch wenn es nicht so aussieht)
demonstrierte Betrachtungsweise ist selbst dann in vielen Fällen noch sinnvoll, wenn eine Bewegung mit nur einem Freiheitsgrad untersucht wird. Sie ist ftir die Analyse komplizierter Bewegungsabläufe so wichtig, dass sie nachfolgend an zwei einfachen Beispielen noch einmal verdeutlicht werden soll. J
I
Beispiel 2: I_ _ _ _.... ElI1e Walze, dJC auf emer schIefen Ebene eme reine (schlupffreie) Rollbewegung ausfühl1, hat nur einen Freiheitsgrad. Die Translation (beschrieben zum Beispiel durch eine Koordinate x, die die jeweilige Lage des Mittelpunktes angibt) erfolgt auf einer Geraden, und die Drehbewegung ist von der Translation nicht unabhängig, weil die auf dem Umfang abgewälzte Strecke gleich sein muss mit der Strecke, die der Mittelpnnkt zurückgelegt hat. Es gilt die so genannte Rollbedingung:
x = Rrp
Abbildung 27.3: Reines Rollen
(27.1)
Obwohl Translation und Rotation gleichzeitig ablaufen, ist es vielfach zweckmäßig, auch bei der reinen Rollbewegung Translation und Rotation gesondert zu betrachten (Abbildung 27.4).
27.1 Die ebene Bewegung des starren Körpers
487
Aus der Rollbedingung ergibt sich durch Differenziation nach der Zeit der Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit des Mittelpunktes und der Winkelgeschwindigkeit der Rotation:
v=x=RljJ=Rw
Abbildung 27.4: Reines Rollen
=
Translation + Rotation
Man beachte, dass durch Überlagerung der translatorischen und der rotatorischen Geschwindigkeit für jeden Punkt der Walze Belrag und Richtung der Geschwindigkeit bestimmt werden können. So erhält man zum Beispiel für den Punkt C während der Punkt B wegen
<>
VH
vc = v+Rw= 2v = v - R w = 0 momentan in Ruhe ist.
Die Wahl des Mittelpunktes im Beispiel 2 fLir die Beschreibung des Translationsanteils der Bewegung ist willkürlich. Natlirlich kann dafiir jeder beliebige Punkt benutzt werden. Dazu wird das folgende Beispiel betrachtet.
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Die Bewegung elOes bel A drebbar gelagerten Stabes, der sich aus der vertlkalen Lage um den Winkel rp gedreht hat, wird durch Überlagerung einer Translation, bei der der Stab die veltikaJe Lage beibehält, mit einer Rotation beschrieben. Es werden unterschiedliche Punkte (A, B, C) zur Beschreibung der Translation benutzt. Um den gleichen Endzustand der Bewegung zu erreichen, muss der Stab (abhängig vom gewählten Bezugspunkt) unterschiedliche translatorische Wege zurücklegen (fLir den Bezugspunkt C ist der translatorische Weg am größten, bei Wahl des Punktes A ist er Null), während sich der Stab in allen drei betrachteten Varianten immer um den gleichen Winkel drehen muss. Da dies zu jedem Zeitpunkt der Bewegung gilt, ist auch die Ableitung der Winkelkoordinate nach der Zeit unabhängig vom gewählten Bezugspunkt für die Rotation:
A B
fT 1 c
c rp
A
2Y" Xa
C
r
XA~
c
Xc
0
Bia X
eX i e
c
a
Abbildung 27.S: Unterschiedliche Translation. aber der Rotationswinkel cp ist immer gleich
Die Winkelgeschwindigkeit des rotatorischen Anteils der ebenen Bewegung eines starren Körpers ist von der waW des Bezugspnnktes (Drebpunkt für die Rotation) unabhängig. Im Beispiel 3 bietet sich Punkt A als Bezugspunkt an, weil dann kein translatorischer Anteil zu berücksichtigen ist. Es gibt jedoch (in der Kinetik) oft gute Gründe, den Schwerpunkt zu wählen, so dass selbst eine reine Rotation als Kombination aus Translation und Rotation betrachtet wird.
488
27 Kinematik starrer Körper
27.1.3 Der Momentanpol Bei reiner Translation haben alle Punkte des Körpers die gleiche Geschwindigkeit v. Bei reiner Rotation mit der Winkelgeschwindigkeit (f) ist der Drehpunkt in Ruhe, alle anderen Punkte bewegen sicb auf Kreisbahnen um den Drehpunkt mit Bahngeschwindigkeiten
V ror ,
die nach 26.18 entsprechend "mt = r (f) mit der Entfcmung vom Drchpunkt lincar anwachscn.
Abbildung 27.6: Translations- und Rotationsgeschwindigkeilen
Bei gleichzeitiger Translation und Rotation können die Geschwindigkeiten aller Punkte des Körpers aus der Überlagerung der beiden Anteile ermittelt werden (Abbildung 27.6). Es ist einleuchtend, dass es in der Ebene genau einen Punkt geben muss, für den sich die beiden Geschwindigkeitsanteile gerade aufheben. Wenn dieser Punkt als Bezugspunkt für die Bewegung gewählt wird, entfallt also der translatorische Anteil. Zu jedem Zeitpunkt der allgemeinen Bewegung eines starren Körpers in der Ebene kann der Geschwindigkeitszustand wie bei einer (momentanen) reinen Rotation um einen festen Punkt, den so genannten Momentanpol, analysiert werden. oe:> Der Momentanpo! befindet sich in dem betrachteten Augenblick in Ruhe. während alle übri-
gen Punkte des Körpers Rotationen um ihn ausführen. Die Geschwindigkeiten dieser Punkte sind tangential an die (konzenlJischen) Kreise um den Momentanpol gerichtet. 0::> Der Momentanpol liegt in der Bewegungsebene (muss kein Punkt des bewegten Körpers selbst sein). Er ändert im Allgemeinen ständig seine Lage. Er ist im betrachteten Moment geschwindigkeitsfrei, in der Regel aber nicht beschleunigungsfrei. Beispiel]:
I
I_ _ _ _...I Im BeIspiel 2 des von gen Abschmtts wurde herausgefunden, dass der Berührungspunkt zwischen Rad und Unterlage mometHan in Ruhe ist. Dieser Punkt ist der MOlllelJ/anpol M der Bewegung. Die Geschwindigkeit des beliebigen Punktes B des Rades ist dann senkrecht zur Verbindungslinie MB gerichtet. Wenn die Geschwindigkeit VA eines Punktes A des starren Körpers bekannt ist (hier soll es die horizontale GeSChwindigkeit des Radmittelpunktes sein), kann die momentane Winkelgeschwindigkeit (f) des Körpers nach (27.2)
Abbildung
27.7:
schwindigkeiten
Gesind
proportional zum Ab~ stand vom Momenlanpol
berechnet werden (rA ist der Abstand des Punktes A vom Momentanpol M). Da für jeden Punkt des Körpers eine entsprechende Ponnel gilt, kann z. B. für den Punkt B im Abstand rB vom Momentanpol die Geschwindigkeit nach VB = rBill
(27.3)
berechnet werden. Diese am speziellen Beispiel gewonnenen Erkenntnisse gelten allgemein.
489
27.1 Die ebene Bewegung des starren Körpers
Die Geschwindigkeiten zweier Punkte A und B eines starren Körpers verhalten sich wie ihre Abstände vom Momenranpol: (27.4) VB
rB
Die Geschwindigkeiten sind senkrecht zu den Verbindungslinien der PunkteA bzw. B mit dem Momentanpol gerichtet. Diese Aussagen ermöglichen es, die Geschwindigkeiten beliebiger Punkte eines starren Körpers anzugeben, wenn die Lage des Momentanpols und dje Geschwindigkeit eines Punktes bekannt sind. Andererseits kann dic Lagc dcs Momcntanpols auf dcr Gnmdlagc dieser Erkcnntnisse gcfunden werden. Im Allgemcinen kann man die Lage des Momentanpols mit einer der vier folgenden Aussagen finden: Q
Bei reinem Rollen eines starren Körpers (ohne Schlupf) auf einer ruhenden Unterlage ist immer der Berührungspunkt zwischen Körper und Unterlage der Momentanpol (Abbildung 27.8. oben).
Q Wenn die nicht parallelen Geschwindigkeitsrichtullgen zweier
Punkte A und B bekannt sind, findet man den Momentanpol als Schnittpunkt dcr Senkrechtcn zu dicscn Richtungen (Abbildung 27.8, Mitte).
M· B
c:> Bei bekannten parallelen GeschwindigkeitsrichtungeIl zweier Punkte A und B (Abbildung 27.8, untcn) müssen zusätzlich auch Richtungssinn und Größe der Geschwindigkeiten bekannt sein. Der Momentanpol liegt auf der Verbindungsgeraden beider Punkte, die Abstände der Punkte vom Momenranpol sind nach 27.4 proportional zu den Beträgen ihrer Geschwindigkeiten (Strah lensatz-Figur). Q
Abbildung 27.8: Lage des Momentanpols
I
Für die beiden Endpunkte des Pleuels sind die Geschwindigkeitsrichtungen bekannt, da sich der Kolben nur vet1ikal bewegen kann und die Kurbel eine Kreisbewegung (mü tangential gerichteter Geschwindigkeit) ausführt. Der Schnittpunkt der Senkrechten auf die Geschwindigkeitsrichtungen ist der gesuchte Momentanpol M. Die Drehrichtung der Kurbel (hier rechtsdrehend gezeichnct) hat keinen Einfluss auf dic Lage des Momentanpols.
,
.M
Bei parallelen Geschwindigkeiten zweier Punkte mit gleichem Richtungssinn und gleicher Größe liegt der Momentanpol "im Unendlichen" (reine Translation).
Beispiel 2: I_"';'_....1 Für das (schraffiert gezeichnete) Pleuel ell1er Schubkurbel (Animation unter www.TM-aktucll.dc) soll der Momentanpol für die skizzierte Lage bestimmt werden.
/
M
490
27 Kinematik starrer Körper
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Die Koppel BC der skIzzIerten VIergelenkkette führt bei Antrieb durch eines der beiden gelagerten Glieder (z. B. AB) eine relativ komplizierte Bewegung aus (Animation unter www.TMaktuell.de, siehe auch Abschnitt 26.2.4). Für jede Lage findet man den Momentanpol auf der Verlängerungslinie der beiden gelagerten Glieder, weil sich die Punkte Bund C auf Kreisen um A bzw. D mit tangential zu den Kreisen gerichteten Geschwindigkeiten bewegen.
D
B A
c
I
Beispiel 4: I_ _ _ _...I D,e Endpunkte zweIer Seile, die auf unterschiedlichen Radien eine Walze umschlingen. werden wie skizziel1 bewegt. Man findet den Momcntanpol dcr Bewcgung der Walze nach der Strahlensatz-Figur und könnte bei gegebenen Radien rur jeden Punkt der Walze die Geschwindigkeit crmittcln. Der Skizze ist zu entnehmen, dass die Walze eine Linksdrehung ausfiihrt und der Mittelpunkt (mit der eingezeichneten Geschwindigkeit) angehoben wird.
,;
, "
I
Beispiel 5: I_"";_ _...1 DIe Gleltsteme A und B smd durch eme starre Stange gekoppelt. In der skizzierten Stellung bewcgt sich Gleitstein A mit VA. Die Geschwindigkeit VB des Punktes B sowie Richtung und Betrag der Geschwindigkeit Vc des Mittelpunktes C der Stange AB sollen ermittelt werden (Animation unter www.TMaktuell.de). Gegeben:
VA,
B
A
0
a
a = 2b .
Die beiden Senkrechten zu den Geschwindigkeiten in den Punkten A und B schneiden sich im Momentanpol M. Nach 27.4 errechnet man VB a a -
VA
b
=}
VB= -VA =2VA
b
Der Punkt C liegt in der Mitte der Stange. sein Abstand zum Momentanpol ist also gleich der halben Diagonalen: 2 +b2 lJa 2
M.
a Ci Ci
b
b Ci
Wegen der Gleichschenkligkeit von MAC liest man ab: 1T
Ip=--a
2
mit
a
b a
= arctan-
Ip =
63,43 0
27.1 Die ebene Bewegung des starren Körpers
491
27.1.4 Geschwindigkeit und Beschleunigung Entsprechend der Idee. die Bewegung eines starren Körpers durch die Translation eines Punktes des Körpers und eine ROlation um diesen Punkt zu beschreiben, wird dieser ausgewählte Punkt o mit dem Ortsvektor 1'0 verfolgt. Dieser Vektor beschreibt die Translation des Körpers nach den Regeln der Kinematik des Punktes (Kapitel 26). wofiir ein geeignetes raum festes Koordinatensystem verwendet wird (in der Abbildung 27.9 wurde willkürlich ein kartesisches Koordinatensystem eingezeichnet, es könnten z. B. durchaus auch Polarkoordinaten sein).
'y
Für die Beschreibung der ROla/ion um den Punkt 0 werden Polarkoordinaten mit dem Ursprung in 0 geWählt (in der Abbildung 27.9 wurde die Lage eines beliebigen Punktes P des Körpers durch r' und cp festgelegt). Weil für den starren Körper der Abstand r' der Punkte 0 und P konstant bleibt, ist in dem Vektor 1", der die Lage von P relativ zu 0 beschreibt, nur der Einheitsvektor e, von der Zcit abhängig.
p
x Abbildung 27.9: Translation lind Rotation
Für den beliebigen Punkt P des Körpers, dessen Lage im raumfesten Koordinatensystem durch 1'(1) = ro(t)
+ 1"(t) =
ro(t) + r' . e,(t)
(27.5)
beschrieben wird. können der Geschwindigkeitsvektor und der Beschleunigungsvektor durch ein- bzw. zweimaliges Ableiten von 27.5 nach der Zeit ermittelt werden. Mit den Formeln 26.25 für die Ableitlll1g der zeitabhängigen EinJleitsvektoren (Abschnitt 26.2.5) erhält man: _
dr
dro
d1"
dro
,de,
dro
,._
dl
dl d 2 -ro
dr
dt
dl
r eq>
d/ d 2 -ro
dl
dt
v=-=-+-=-+r -=-+r
.....
r,v =
a= -
dl
--+r 2
*.. __
*.
cp'e~+r
dl
cp'e~
*.......
cp- = --+r 2
'"' .2 .....
cp·e~-r
cp ·e,
Die Ableitung des Winkels cp nach der Zeit ist nach 26.19 die Winkelgeschwindigkeit w der Rotation um den Punkt O. Damit crhält man (wegen e~ = e, und er = -en für die Kreisbewegung um den Punkt 0) die Vektoren der Gesamtgeschwindigkeit und Gesamtbeschleunigung eines beliebigen Punktes P des starren Körpers: _
dr
dro = dt dl
v= -
..
dv
a= -
~
+r
(PrO
= -~ 2-
, CJ).
_
_
er =
V(r(/II.~
_
+ Vmt (27.6)
+r
*.....
W· e,
+r
*
2-..... Cl)
eil
_
....
= G"WH. + GI .rol + QIl .rUl
x
<:> Die ebene Bewegung des S/{lrren Körpers wird beschrieben durch die Translation eines beliebigen Bezugspunktes 0, der eine Rotation um den ßezugspwlkt überlagert isl. Die Translalion des Bezugspunktes kann auf einer beliebigen (im Allgemeinen gekrümmten) Bahnkurve
492
27 Kinematik starrer Körper
erfolgen ond wird nach den Regeln der "Kinematik des Ponktes" (Kapitel 26) beschrieben. Die Rotation um den Bezugspunkt erfolgt mit der (im Allgemeinen zeitlich veränderlichen) Winkelgeschwindigkeit w um den Bezugspunkt, wobei jeder Punk! des starren Körpers eine Kreisbewegung um den Bezugspunkt ausfLihn. L-:> Die Geschwindigkeit eines beliebigen Punktes P setzt sieh aus einem translatorischen Anteil Vrra 1/S und dem rotatorischen Anteil VrQr zusammen. Dabei ist
die Bahngeschwindigkeit des Bezugspunktes 0,
V/rans
v"',
=
y' w
die Bahngcsehwindigkeit der Kreisbewegung von P auf einem Kreis mit dem Radius y* um den Bezugspunkt O.
Die beiden Anteile v'",,,s und Vml sind vektoriell P zu überlagern.
Zur
Gesamtgesehwindigkeit v des Punktes
Um die momentane Geschwindigkeit eines Punktes P des starren Körpers zu bestimmen, ist es meist günstiger, als Bezugspunkt 0 den Momentanpol zu wählen, so dass sich für Punkt P nur ein Rotationsanteil ergibt.
Hinweis:
oe:> Die Beschleunigung eines beliebigen Punktes P setzt sich aus einem translatorisehen Anteil aU'I/"S
und dem rotatorisehen Anteil Vml zusammen. Dabei ist die Gesamtbeschleunigung des Bezugspunktes 0, die sich im Allgemeinen nach 26.16 aus der Bahnbesehleunigllllg des Bezugspunktes und seiner Normalbeschleunigung
G,rans
0,.,,,,,,,,
V~ralls
an. trans = -p-
zusammensetzt (p ist der Krümmungsradius der Bahn des Bezugspunktes), die sich im Allgemeinen auch aus zwei Anteilen (a,.rm und G".mI) zusammensetzende Beschleunigung der Kreisbewegung des Punktes P um den Bezugspunkt 0:
a m,
ar,Tm
=
r* 6J
Im allgemeinen Fall ist also die Gesamtbeschleunigung des Punktes P aus vier Anteilen vektoriell zusammenzusetzen.
I
Beispiel 1: I_"";_ _...1 EIIl Planetenrad mit dem RadiUS y rollt auf einem feststehenden Sonnenrad (Radius R) ab. Der Steg dreht sich mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ws. Gegeben:
R
l
r
I
Ws·
Für den Außenpunkt B und den Punkt C (Berührwlgspunkt mit dem Sonnenrad) des Planetenrades sollen die Beträge der Geschwindigkeiten V8 bzw. ve und die Beträge der Gesamtbesehleun.igungen 08 bzw. oe ermittelt werden.
R
Abbildung 27.10: Sonnenrad und Planelenrad
493
27.1 Die ebene Bewegung des starren Körpers
Infolge der Drehbewegung des Steges mit konstanter Winkelgeschwindigkeit bewegt sich der Punkt A, der zum Steg und zum Planetenrad gehört, nach 26.18 mit der Geschwindigkeit
VA = (R+r)ws auf einer Kreisbahn. FÜT die Ermiltlung der Geschwindigkciten der Punkte Bund C werden die beiden Wege a) und b) demonstriert, unter c) werden die Beschleunigungen berechnet:
a) Der Momentanpol Mp des Planetenrades ist der Berührungspunkt C des rollenden Rades mit dem feststehenden Sonnenrad (Abbildung 27.11). Die Gescbwindigkeit des Pu'l1
vB=2vA=2(R+r)ws
vc=O
Die Winkelgeschwindigkeit des Planetenrades errechnet sich nach 27.2:
R) Ws r
VA ( 1+Wl'=-= r
b) Für die Überlagerung einer Translation mit einer Rotation nach 27.6 wird der Mittelpunkt Aals Bczugspunkt gewählt. Allen Punkten des Planetenrades wird die translatorische Geschwindigkeit VA zugeordnet, und der Translation wird die Rotation um den Punkt A mit der Winkelgeschwindigkeit wp überlagert. Die Überlagerung nach 27.6 liefert:
VB = VA +rWp = 2(R+r)ws c) Die Beschleunigungen werden ebenfalls d'lfch Überlagerung nach 27.6 ermittelt. Da die Translation eine Kreisbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ~ ist, gibt es nur eine NormaJbeschleunigung als translatorischen Anteil, der für alle Punkte des Planetenrades in gleichcr Größe und Richtung gilt.
Abbildung 27.11: Momentanpol und Geschwindigkeiten
Abbildung 27.l2: Translation und Rotation
VC=VA-rWp=O an.trans
an .trans ;;:.----'' A---- B
.----c
Translation auf Kreisbahn
Abbildung 27.13: BeschleunigungsanIeile
Auch die Rotation erfolgt mit konstanter Winkelgeschwindigkeit Wp, so dass auch der rotatorische Anteil nur eine Norrnalbeschleunigung liefert, die aber immer vom betrachten Punkt zum Bezugspunkt A gerichtet ist und vom Abstand des Punktes zum Drehpunkt A abhängt. In der Abbildung 27.13 sind die Beschleunigungsanteile in den Punkten Bund C angetragen. Da sie gleich bzw. entgegengesetzt zu den Translationsanteilen gerichtet sind, können sie skalar zusammengefasst werden, und es entsteht:
aB = an,Ir""., +a".rol = (R+r) W§ +rw~ = (3R+2r+ ac = a",lrn"S-a".rOl =
~2) w§
(R+r)w§-rw~= -R (1 +~)
w§
494
27 Kinematik starrer Körper
oe:> Flir die Ermittlung der Geschwindigkeiten erweist sich die Methode, den Momentanpol der
Bewegung zu bestimmen, um dann auf sehr einfache Weise fur alle Punkte zu den gewlinschten Aussagen zu kommen, fast immer als der glinstigere Weg. oe:> Die (hier nicht behandelte) Möglichkeit, die Analyse des Beschleuojgungszustandes mit
Hilfe des Beschlel/nigl/ngspols (punkt, der momentan keine Beschleunigung erfuhrt) durchzufuhren, kann nicht empfohlen werden. Die Betrachtung der Bewegung als Translation (beschrieben durch dje Bewegung eines Punktes) mit überlagerter Rotation ist dafiir im Allgemeinen deutlich übersichtlicher und auch einfacher.
Beispiel 2: I I_"';'_.....1 DIe Achse emes
Rades w,rd mit der konstanten horizontalen Geschwindigkeit "0 geflihrt. Das Rad durchfäh,t eine Bodenwelle, die man im Bereich A ... B als kreisförmig ansehen darf. Beim Passieren des Punktes A sei
C=
O.
Gegeben:
R, r, "0.
Berechnet werden sollen
"s(l) und die Gesamtbeschleunigung (ls(c) des Radmittelpunktes und die Winkelgeschwindigkeit (0(1) sowie die Winkelbeschleunigung a(l) dcs Rades,
a) die Bahngeschwindigkeit
b) für qJ = 45° die Geschwindigkeit Vv lmd die Gesamtbeschleunigung (IV des Punktes D. a) Der Radmittelpunkt bewegt sich auf einer Kreisbahn mit dem Radius R - r. Für diese Bewe-
gung wird das Bewegungsgesetz qJ(l) formuliert, um dann nach 26.18 die Bahngeschwindigkeit und die Bahnhesehleunigung zu berechnen. Nach 26.5 ist 1'01 der bei konstanter Geschwindigkeit 1'0 bis zum Zeitpunkt 1 zurückgelegte (horizontale) Weg, und aus der nebenstehenden Skizze liest man ab (rechtwinkliges Dreieck): "0 t
"0 I
sinqJ = - =} qJ(l) = arcsiJl-R-r R-r Nach 26.18 erhält man die Bahngeschwindigkeit "S =
(R-r)"o (R-r)ep = ----r~=~= J(R - r)2 -"612
und die Bahnbeschleunigung
{I/,s = (R-r)ip(l) = (R-r)
"Öl
,
[(R-r)L"6 12P
Die GesamtbeschleuniguHg berechnet sich nach 26. 17 aus der Bahnbeschleunigung a/.s und der Normalbeschleunigung {ln,S, für die 26.22 gilt:
495
27.1 Die ebene Bewegung des starren Körpers
,
,
as =
a;,s+a~,s =
,
V
a-
f,S
2)2
s + (R-r
[(R- r)L
3
VÖl2P
Der Berührungspunkt zwischen Rad und Boden ist der Momelllanpol der Bewegung des Rades. Der Radmittelpunkt mit der Geschwindigkeit Vs hat vom Momentanpol den Abstand 1', so dass man nach 27.2 die Winkelgeschwindigkeit des Rades erhält:
(R) --1
vs W(I)=-= I'
vo
J(R-r)2 -v612
I'
Die WinkelbescWeuniglUlg des Rades ergibt sich nach 26.20:
a(I)=6J(I)=
-I (-R) [(R-r)2-v6 12 P 3 V 1 0
3
I'
b) Aus dem Bewegungsgesetz cp(l) errechnet sich die Zeit In, nach der ein Winkel von cp = 45° erreicht wird:
R-r Vo
y
R-r J2 Vo
In = - - sin45° = - -
Dies wird in die Formel für Vs eingesetzt, und man erhält die Geschwindigkeit des Mittelpunktes zum Zeitpunkt In. Der Punkt 0 m.it der doppelten Entfernung vom Momelllanpol (nebenstehende Skizze) hat die doppelte Geschwindigkeit:
J2 Vo
VS(IB) =
Vs =
D
/vs,t / s
Vo = 2 J2 vo
=}
Für die Berechnung der Beschleunigung des Punktes 0 wird die Bewegung als Translation des M.ittelpunktes S und Rotation um diesen Punkt betrachtet: Beide Bewegungen liefern je einen Bahnbeschleunigungsanteil a, und einen Normalbeschleunigungsanteil an, so dass sich die Beschleunigung des Punktes 0 aus vier Anteilen zusammensetzt. Die fUr den Punkt S (Bewegung auf einer Kreisbahn mit dem Radius R - 1') geltenden Anteile werden als Translations-Beschleunigung für alle Punkte des Rades (mit Betrag und Richtung) übernommen (nebenstehende Skizze), für die Rotation um diesen Punkt (mit wund a) geiten 26.18 und 26.22.
an,trans
,/at,trans
Aus den vier Beschleunigungsanteilen errechnet sich die Gesamtbeschleunigung für den Punkt 0: 2v2 _ V1(IB) 2 v6 a1,lralls = O"S(tB) = - R 0 Qn,rrans = R _ r = R - r -I'
_
2VÖ
_
_
_
2
-
2V6 r
-I'
ao =
2
an.rol = rW (IB) = -
a,.ro, = ra(IB) = - R -
2 _
2 Vö
' (auraf/s+Ut.ror) +(Un.rra/ls-an,ro,) - R-r
J8-4-;:+ (-;: )2 R
R
496
27 Kinematik starrer Körper
27.2 Ebene Relativbewegung eines Punktes Jede Bewegung kann nur relativ zu einem Bezugssystem beschrieben werden. Bewegt sich das Bezugssystem selbst, so stellt sich die Bewegung relativ zum Bezugssystem bzw. relativ zu einem "festen System" unterschiedlich dar (die Anführungsstriche sollen andeuten, dass es ein solches System eigentlich nicht gibt).
I
Beispiel I: I_ _ _ _...I In emem sIch bewegenden Fahrzeug wird ein Gegenstand senkrecht nach oben geworfen: Die Beobachtcr im Fahrzcug bzw. außcn stehcnde Beobachter (im ruhenden System) sehen unterschiedlichc Bahnkurven (Abbildung 27.14). Ein Punkt auf dem Umfang eincs Rades führt aus der Sicht des Mitfahrers eine Kreisbewegung aus, ftir den ruhenden Beobachter bewegt sich der Punkt auf einer Zykloide (vgl. Beispiel auf Seite 465).
I
I~'
~
\
I
\/
Abbildung 27.14: Bahnkurven aus der Sicht von mitfahrenden und nicht mitfahrenden
Beobachtern
In diesem Abschnitt sollen Problcmc behandelt werden, bci dencn sich cin Punkt relativ zu einem sich ebenfalls bewegenden starren Körper bewegt. Natiirlich kann die Bewegung des Punktes immer mit Bezug auf ein festes Koordinatensystem betrachtet werden. Vielfach ist es jedoch zweckmäßiger, die Führungsbewegung (Bewegung des starren Körpers im festen Koordinatensystem) und die Relativbewegung (des Punktes relativ zum starren Körper) gesondert zu betrachten und die beiden Bewcgungcn anschließcnd zu überlagcrn. Das folgende Bcispiel zcigt, was dabci zu beachten ist.
I
Beispiel 2: I_ _ _ _...I Eme Krclsschclbc rOtlcn mit dcr konstanten Wmkelgcschwindigkeit ~. Zum Zeitpunkt t = 0 beginnt ein Punkt P vom Außenrand aus eine Bcwegung mit konstanter Relativgeschwindigkeil V,-eI radial nach innen.
Gegeben:
R
l
~
1
Vre/'
In einem fcsten (nicht mitrotierenden) Koordinatensystem sollen der Onsvektor, dcr Geschwindigkeitsvektor und der Beschlcunigungsvektor ftir den Punkt P ermittelt werden. Bis zum Zeitpunkt I hat sich die Scheibe nach 26.23 um den Winkel ~I gedreht, der Punkt ist nach 26.5 um vrelt radial nach innen gewandert. Beziiglich des skizzierten (festen) Koordinatensystems wird seine L1ge durch folgenden O,1svektor beschrieben:
r(t) = (R-vrell)
[C~S~I] sm ~I
Die Ableitung des O'1svektors nach der Zeit liefen den Geschwindigkeitsvektor und den BeschIeu nigu ngs vektor:
497
27.2 Ebene Relativbewegung eines Punktes
_
v(I)=(R-"'e/I)~
[-sin~t] cos~t
+
V"I
_ = (R-v'e/I)Wö2 [-COS~I] a(l) . +2",e1~ - sm~1
[-COS~I] . -
[
sm~1
sin~t]
-cos~t
Die Vektoren
er = [ -sin~l] COS~I
und
eil = [-CO.S~I] -sln~1
sind der tangentiale Einheitsvektor bzw. der (nach innen gerichtete) Normalen-Einheitsvektor, so dass die Faktoren vor diesen Vektoren deren Beträge sind. Das Ergebnis gestattet eine anschauliche Interpretation der Geschwindigkeits- und Beschleunigungsan!eile: Der Geschwindigkeitsvektor v setzt sich wie erwartet aus der Führungsgeschwindigkeit mit dem Betrag "f=(R-""lt)~
(Bahngeschwindigkeit des Punktes der rotierenden Scheibe, in dem sich P zur Zeit I gerade befindet) und der Relarivgeschwindigkeit mit dem Betrag V,e/ zusammen. Die nebenstehende Skizze zeigt diese beiden Anteile.
Abbildung
27.15:
Führungsgeschwindigkeit und Relativgeschwindigkeit
Auch bei der Beschleunigung wird der erste Summand des Ergebnisses durch die Führungsbewegung (Drehung der Scheibe) verursacht: Es ist die Normalbeschleunigung der Punkte der Scheibe, die sich auf einer Kreisbahn mit dem Radius (R - "",I) bewegen (dort befindet sich P gerade). Diese so genannte Fiihrungsbeschleunigung af könnte im allgemeinen Fall noch um die Bahnbeschleunigung dieses Punktes ergänzt werden müssen, wenn die Führungsgeschwindigkeit (hier die Winkelgeschwindigkeit ~) nicht konstant ist. Eine im Allgemeinen auch mögliche Relarivbeschleunigung a,.pl kommt im Ergebnis nicht vor, weil die Relativgeschwindigkeit des Punktes P gegenüber der Scheibe konstant ist. Damr tritt ein Beschleunigungsanteil aue der nur in der Kombination der beiden Bewegungen
seine Ursache haben kann, da diese so genannte Coriolisbeschleunigung
ae =2~v,,1 (nach dem französischen Physiker GUSTAVE GAS PARD CORtOLIS, 1792 - 1843) das Produkt der Winkelgeschwindigkeit der Fühnlllgsbewegung und der Relativgeschwindigkeit enthält (ac tritt nicht auf, wenn nicht ~ und "", gleichzeitig vorhanden sind). ln dem betrachteten Beispiel kann die Coriolisbesehleunigung als "Verzögerung" interpretiert werden, die der Punkt P erfahrt, weil er sich aus Bereichen höherer Führungsgeschwindigkeit auf das Niveau geringerer Führungsgeschwindigkeit (kleinerer Radius bei gleicher Winkelgeschwindigkeit ~) begibt. Dementsprechend ist dieser Beschleunigungsanteil in diesem Fall der Fllhrungsgeschwindigkeit entgegengeriehtet (Abbildung 27.(6).
Abbildung 27.16: Führungsbesehleunigung und Coriolisbeschlcunigung
498
27 Kinematik starrer Körper
Das Phänomen der Coriolisbeschleunigung kann mit folgendem Gedanken-Experiment gut veranschaulicht werden: Auf einem Kinder-Karussell, das sich mit der Winkelgeschwindigkeit ~ dreht, seien die Mitfahrerplätze (Pferde, Feuerwehr-Autos, ...) in zwei Reihen angeordnet. Auf dem inneren Kreis mit dem kleineren Radius ri fahren die Kinder mit der Bahngeschwindigkeit Vi = ri~. Die Kinder auf den "Außen-Pferden", die auf einem Kreis mit dem größeren Radius r a angeordnet sind, fahren mit der größeren Geschwindigkeit
Va
= rll~' Der Karussell-Bctreiber,
der während der Fahrt (z. B. zum Kassieren) von einem "Innen-Pferd" zu einem "Außen-Pferd" geht, wird vorher vom Karussell mit Vi bewegt, danach mit Va, wird also schneller. Seine Beschleunigung von Vi auf V" ist die Coriolisbeschleunigung. Aber auch dann, wenn die Relativbewegung nicht in radialer Richtung erfolgt (der KarusseJlBetreiber geht z. B. von einem "Außen-Pferd" zum nächsten), ergibt sich ein entsprechender Beschleunigungsanteil, wie das nachfolgende Beispiel einer Relativbewegung in Umfangsrichtung zeigt.
I_"";_ Beispiel_...1 3: IE·
Pun kt P be wegt SlC . h·In emer . kr· . R·mne mll . ' CJSf··ormJgen dem Radius r auf einer mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ~ rotierenden Scheibe. Die ebenfalls konstante Relativgeschwindigkeit V", habe die gleiche Richtung wie die Führungsgeschwindigkeit In
y
vJ=r~
(Bahngeschwindigkeit des Scheibenpunktes, in dem sich P gerade befindet), so dass sich P mit der konstanten Gesamtgeschwindigkeit v=r~+v",
auf einem Kreis mit dem Radius r bewegt. Dailll erfährt er ausschließlich eine Nonnalbeschleunigung, die nach 26.22 aufgeschrieben werden kann:
Abbildung
27.17:
Relativbewegung
in
Tangentialrichtung
Auch in diesem Fall kommt zur Führungsbeschleunigung aJ (Normalbeschleunigung infolge der Kreisbewegung mit ~) und zur Relativbeschleunigung a,,1 (Normalbeschleunigung infolge der Kreisbewegung mit v",) noch der Anteil derCoriolisbeschleunigung ae (Beschleunigung infolge Überlagerung zweier Kreisbewegungen) hinzu.
r.:> Die Coriolisbeschleunigung des Beispiels 3 hat den gleichen Betrag wie bei der radial gerichteten Relativbewegung im Beispiel 2 und ist wie dort senkrecht zur Relativgeschwindigkeit gerichtet. Man darf also schlussfolgern, dass eine beliebig gerichtete Relativgeschwindigkeit (diese ließe sich in eine tangentiale und eine radiale Komponente zerlegen) eine Coriolisbeschleunigung ae = 2mv,,, hervorruft. die senkrecht zur Relativgeschwindigkeit gerichtet ist.
r.:> Schon bei der Beschreibung der Bewegung eines Punktes mit Polarkoordinaten (Abschnitt 26.2.5) war in der Beschleunigungsformel 26.26 ein Anteil aufgetaucht, der der CorioJisbeschleunigung entsprach, weil man sich eine Bewegung in Polarkoordinaten als Drehung Wl1 den Winkel
499
27.2 Ebene Relativbewegung eines Punktes
Die an den Beispielen 2 und 3 angestellten Überlegungen demonstrierten zwei grundsätzlich unterschiedliche Betrachtungsweisen für die Behandlung der Bewegung eines Punktes relativ zu einem sich ebenfalls bewegenden starren Körper: a) Dic Bcwcgung dcs Punktcs wird mit cinem Ortsvcktor bczüglich cincs fcstcn Koordinatcn-
systems beschrieben. Dann lassen sich Geschwindigkeit und Beschleunigung (bezogen auf das ruhende System) nach den Regeln der Kinematik des Punktes (Kapitel 26) durch Differenzieren ermitteln. Dieser Weg ist in vielen Fällen recht aufwendig. b) Die Führungsbewegung bezüglich eiJles festen Koordinatensystems und die Relativbewe-
gung werden gesondert betrachtet. Dann können die Absolutgeschwindigkeit und die Absolutbeschleunigung (Geschwindigkeit bzw. Beschleunigung bezüglich des ruhenden Systems) durch ÜberlagenlOg ermittelt werden nach folgenden Regeln für die Relativbewegung eines Punktes bezüglich eines starren Körpers in der Ebene:
I"-
x
Absolulbewegung
x Führungsbewegung
+
Relarivbewegung
Die Fiihrungsbewegllng des starren Körpers wird in einern festen Koordinatensystem beschrieben. Für den Punkt des starren Körpers, in dem sich der Punkt P, der die Relativbewegung ausführt. gerade befindet, werden nach den Fonne!n 27.6 die Führungsgeschwindigkeit vf (maximal zwei Anteile) und die Führungsbeschlelllligung iif (maximal vier Anteile) ermittelt. Für die Untersuchung der Reiativbewegllllg des Punktes P daJf man das Führungssystem als in Ruhe befindlich ansehen. Nach den Regeln der Kinematik des Punktes werden die Relativgeschwindigkeit Vre{ und die Reialivbeschlelllligllng are{ (maximal zwei Anteile) ermittelt. Die Absolulgeschwindigkeil (Geschwindigkeit des Punktes P bezüglich des festen Koordinatensystems) ergibt sich durch Addition von Führungs- und Relativgeschwindigkeit: (27.7)
Die Absollllbeschleunigllllg (Beschleunigung des Punktes P bezüglich des festen Koordinatensystems) ergibt sich durch Addition von Führungs-, Relativ- und Coriolisbesehleunigung: (27.8)
Der Vektor der Coriolisbeschlellnigung hat den Betrag (27.9) (Wf ist die Win.kelgeschwindigkeit der Führungsbewegung). Die Richtung von iic findet man durch Drehung des Vektors V'CI um 90° mit dem Drehsinn von wf.
500
27 Kinematik starrer Körper
I
Beispiel 4: I_"";_ _...1 Der Mittelpunkt einer starren Sche,be beweg' sich mit der Winkelgeschwindigkeit ~ und der Winkelbcschleunigung CX() auf einer Kreisbahn mit dem Radius R. Die Scheibe dreht sich um ihren Mittelpunkt mit (01 und al (alle vier Werte beziehen sich auf die "ruhende Welt"). In einer kreisförmigen Rinne (Radius r) bewegt sich relativ zur Scheibe ein Punkt P mit V"I und arel' Zum betrachteten Zeitpunkt hat P den Abstand r" vom Mittelpunkt der Scheibe. Gegeben:
~
1
l1Q.
R
I
(VI·
al,
r*,
Vrel
are!,
1
r.
Bei diesem Beispiel kommen alle Geschwindigkeits- und Beschleunigungsanteile vor, die für den Punkt P überhaupt möglich sind. Die Führungsbewegung, die P e,flihrt, wird als Translation mit dem Scheibenmittelpunkt als Bezugspunkt (Bewegung auf einer Kreisbahn mit dem Radius R) und einer Rotation um diesen Punkt (Radius r') betrachtet. Die Relativbewegung ist eine Bewegung auf einer Kreisbahn mit dem Radius r.
Der translatorische Anteil der Führungsgeschwindigkeit (Bahngeschwindigkeit des Scheibenmittelpunktes) gilt für alle Scheibenpunkte und damit auch rur P (in der Abbildung 27.18 in der linken Skizze gestrichelt angedeutet). Hinzu kommt die Bahngeschwindigkeit der Rotation um den Mittelpunkt. Zusammen mit der Relativgeschwindigkeit muss die Absolutgeschwindigkeit also aus drei Anteilen vektoriell zusammengcsetzt wcrdcn.
o
Abbildung 27.18: Führungsgeschwindigkei[ (Translalion + Rotation) und RelativgeschwindigkeiL
Die Führungsbeschleunigung besteht aus vier Anteilen: Der Bezugspunkt (Scheibenmittelpunkt) crfahrt einc Bahnbeschlcunigung und cinc Normalbeschlcunigung, bcidc gclten auch für P (in dcr linken Skizze der Abbildung 27.19 gestrichelt angedeutet), die Rotation um den Bezugspunkt (Kreisbahn mit dem Radius r') liefert ebenfalls zwei Anteile. Die Relativbewegung (Punkt P auf Krcisbahn mit dem Radius r) stcuen noch cinmal zwei Antcilc bei. gcmcinsam mit dcr Coriolisbeschleunigung (senkrecht zu Vrel, in Drehrichtung von (01 gedreht), setzt sich die Absolutbeschleunigung also aus sieben Anteilen vektoriell zusammcn. a j. t,trans =
R 00
2Ci
a f, n, trans=Rw0
- r"w I2 ja j.n,rot -
aj.t t= r'o l . ,ra
a
=a
<
reU
ret
arel,n
2
a c =2W]Vre i ~
Vrei
= r
Abbildung 27.19: Vier Anteile aus der Führungsbesehleunigung (links), zwei Anteile aus der RelorivbeschJeunigung (Mitte) und die CoriolisbescbJeunigll.og setzen sich zur Absolulbeschleurugung zusammen.
27.3 Bewegung des starren Körpers im Raum
501
27.3 Bewegung des starren Körpers im Raum
'I '2
Die Lage zweier Punkte eines starren Körpers im Raum sei durch die Ortsvektoren und gegeben. Dann sind einerseits die sechs Koordinaten in den beiden Vektoren nicht unabhängig voneinander, weil der feste Abstand der beiden Punkte (27.10) injeder Lage des starren Körpers eingehalten wird. Andererseits ist die Lage des starren Körpers noch nicht eindeutig beschrieben, weil er sich noch um die Verbindungslinie der bciden Punkte drehen kann. Die Lage des starren Körpers im Raum ist also z. B. durch fünf Koordinaten zweier Punkte und eine sechste (Winkel-)Koordinate, die die Drehung um die Verbindungslinie der beiden Punkte beschreibt, eindeutig festgelegt. Al1gemein gilt: Der starre (durch keine Bindungen behinderte) Körper im Raum hat sechs Freiheitsgrade. Seine Lage ist durch die Angabe von sechs geeigneten Koordinaten eindeutig bestimmt (z. B. drei Koordinaten eines Punktes und drei Winkel um drei senkrecht aufeinander stehende Achsen), seine Bewegung wird durch die zeitliche Abhängigkeit der Koordinaten beschrieben. Eine reine Translation eines starren Körpers im Raum ist eine Bewegung mit drei Freiheitsgraden Uede beliebige Gerade, die zwei Punkte des stan'en Körpers verbindet, behält ihre Richtung, aUe Punkte bewegen sich auf kongruenten Bahnen). Die reine Translation wird durch die Bewegung eines einzelnen Punktes eindeutig beschrieben, und es gilt der komplette Formelsatz 26.27 bis 26.31, der für die allgemeine Bewegung des Punktes im Raum bereitgestel1t wurde.
27.3.1 Reine Rotation Wenn ein Punkt 0 des starren Körpers festgehalten wird, kann der Körper nur noch eine reine Rotation ausführen. Zunächst wird angenommen, dass sich al1e Punkte auf Kreisbahnen um eine durch 0 gehende raumfeste Achse bewegen. Die Richtung dieser Achse wird durch einen Einheitsvektor festgelegt. Diese Ro/alion um eine fesle Achse wird also durch den Punkt 0, den Einheitsvektor und eine skalare Winkelgeschwindigkeit W(i) eindeutig beschrieben.
p r"~ .T
.
'v
e",
e",
Abbildung 27.20: Rotation um eine feste Achse
Bahngeschwindigkeit, Tangentialbeschleunigung und Normalbeschleunigung beliebiger Punkte des Körpers können nach 26.18 bis 26.22 ermittelt werden (al1gemeine Bewegung eines Punktes auf einer Kreisbahn), wenn als Radius ihr jeweiliger senkrechter Abstand von der Drehachse eingesetzt wird (Abbildung 27.20). Es ist üblich und zweckmäßig. einen Veklor der Winkelgeschwindigkeil entsprechend
502
27 Kinematik starrer Körper
w(r) = cw· w(r) zu definieren, wobei der Einheitsvektor Cw neben der Drehachse auch noch den Drehsinn nach der "Recbtsschrauben-Regel" festlegt (Daumen in Pfeilrichtung, dann zeigen die gckrümmten Finger die Drehrichtung an). Mit dem Vektor der Winkelgeschwindigkeit kann für einen belicbigen Punkt P des Körpers, der durch einen Vektor I' beschrieben wird, der Geschwindigkeitsvektor nach
v= wx r =
w(r)· ew x r(r)
(27.11)
berechnct werden (I' zeigt von einem beliebigen Punkt 0 der Drehachse zum Punkt P, siehe Abbildung 27.20). Zur Erinnerung: Das Vektorprodukt liefert als Ergebnis wieder einen Vektor, dessen Betrag in diesem Fall wlrl sin a ist (a ist der von rund Cw eingeschlossene Winkel). Da 11'1 sin a gerade der senkrcchtc Abstand r des Punktcs P von der Drehachse ist, hat dcr Ergebnisvcktor ii den Betrag der Bahngeschwindigkeit rw. Außerdem liegt der Ergebnisvektor des Vektorprodukts senkrecht zu beiden Faktoren (und damit zwangsläufig tangential an der Kreisbahn von P). Die Vektoren w , rund ii bilden in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem, so dass die Definition des Drehsinns ftir den Vektor der Winkelgeschwindigkeit und die sich daraus ergebende Richtung dcr Bahngeschwindigkeit "zueinander passen".
e
Die Ableitung von 27.11 nach der Zeit (unter Beachtung der Produktregel) ergibt _ dii () _ _( ) () _ dr(t) C/=-=WI ·ewxrt +WI ·ewx-dl dr In diesem Ausdruck taucht noch einmal die Bahngeschwindigkeit des Punktes P dr dl
_
- = v=
_
_
(() X r
=
() _
W t . ew x
_( ) r 1
auf, und es ergibt sich schließlich der Vektor der Beschleunigung bei Rotatioll eines S/CIrren KÖlpers um eine jesre Achse:
ä = w(t) ·cw x r(r) + w2(t)· Cw x (cw x 1'(1)) = ä, +än
(27.12)
Man erkennt, dass der erste Anteil wie die Geschwindigkeit nach 27.11 tangential zur Bahnkurve von P gerichtet ist (man vergleiche die Diskussion zur Formel für den Geschwindigkeitsvektor). Es ist die Bahnbeschleunigung ä, auf der Kreisbahn mit dem Betrag rW. Das zweifache Vektorprodukt des zweiten Summanden liefert (in der durch die Klammer vorgegebenen Reihenfolge, das Vektorprodukt ist weder kommutativ noch assoziativ) einen Vektor, der zur Drehachse weist. Es ist die Normalbeschleunigung än mit dem Betrag rw 2 Übrigens: Dass die Regeln des Vektorprodukts so hervorragend zu diesem Problem passen (wie z. B. auch schon zur Definition des Momentes. vgl. Abschnitt 8.3.2), ist durchaus kein Zufall. Sie sind vielmehr speziell für die Anwendungen in der Mechanik (und in einigen anderen Gebieten der Physik) so sinnvoll definiert wordcn.
27.3 Bewegung des starren Körpers im Raum
503
Der allgemeine Fall der Rotation liegt vor. wenn nur noch ein Punkt 0 des starren Körpers festgehalten wird, so dass die Drehachse keine raumfeste Lage mehr hat (und selbst eine Rotation um 0 ausfuhrt). Dann wird auch der Einheitsvektor ew(I), der ihre Lage kennzeichnet. zeitabhängig. Die Lage des Punktes P wird durch einen vom Punkt o ausgehenden Vektor r beschrieben. Durch Ableilung von r nach der Zeit, wobei zusätzlich die Zeitabbängigkeit von ew(l) beachtet werden muss, erhält man Geschwindigkeils- und Beschlellnigungsvekror jilr die ROlalion des slarren Körpers um eillenfeSlen PIII,kl:
p
/7'/"... . / 'v
/ Abbildung 27.21: Rotation um einen festen Punkt
v = W x r = (j) . ew x r(l) _ dv de., _ . _ _ 2 _ (_ _) a = - = üJ . - - x r + üJ . ew x r + ()) . ew x ero x r
(27.13)
dl dl Bis auf den ersten Term im Ausdntck für die Beschleunigung, der die Veränderlichkeit der Drehachse kennzeichnet, stehen in 27.13 wieder die bekannten Anteile.
27.3.2 Allgemeine Bewegung Die allgemeine Bewegung des starren Körpers im Raum wird (wie in der Ebene. vgl. Abschnitt 27.1.4) als Translation, die durch die Bewegung eines Bezugspunktes 0 beschrieben wird, mit einer überlagerten Rotation um diesen Punkt aufgefasst. Die Abbildung 27.22 zeigt die beiden Vektoren (Bezeichnungen rur die Vektoren wie im Abschnitt 27.1.4), die mit ihren zeitlich veränderlichen Komponenten die Bewegung beschreiben.
p
/i/"""... . / 'v /
~y x'
Abbildung 27.22: Translation + Rotation um
den Punkt 0
Mit den Formeln für die Bewegung des Punktes im Raum 26.27 bis 26.31 und den im vorigen Abschnitt entwickelten Formeln für die Rotation des starren Körpers um einen Punkt ergeben sich die Beziehungen für die allgemeine Bewegung eines starren Körpers im Raum:
;=;0+7* _ dro _ -.. v= -
+ (j) x r
aro
= -
_-.. + e., xr (j).
dl dl .... d2yo dero ~ ..... ~ a = - 2 - + (j). - - x r + (j). ew x r dl dl
(27.14)
+ (j)
2.... .
....
.,...
e w x (e w x r )
504
27 Kinematik starrer Körper
27.3.3 Relativbewegung eines Punktes Zunächst muss diskutiert werden, welche Konsequenzen der im Abschnitt 27.2 für die ebene Relativbewegung verwendete "Trick", mit zwei unterschiedlichen Koordinatensystemen zu operieren (festes System für die Führungsbewegung und bewegtes System für die Relativbewegung), für das Arbeiten mit Vektoren hat. Der FiihrungsgcschwiJ1digkeit, beschrieben im nthenden Koordinatensystem nach 27.14 durch _ dro _ ~
v=-+wxr
dt (siehe Abbildung 27.22). wird die Relativgeschwindigkeit vre! überlagert, die sich für einen Beobachter im bewegten System als Änderung des Vektors? darstellt: d"r lirel =
------;]I
Der Stern beim Ableitungssymbol deutet an, dass es die "Ableitung im bewegten System" ist, die nicht berücksichtigt, dass sich? auch durch die Bewegung des starren Körpers ändert. Die Absolutgeschwindigkeit kann also entweder nach ...
dro dro d*? + w.... x .,..".... r + Vrel = + w__ x _* r +-dl dt dl oder durch Ableitung des ürtsvektors im ruhenden System _ di'o d?
(27.15)
v= -
v=-+-
dt dt ermittelt werden. Ein Vergleich dieser beiden Formeln liefert mit d?*
d*,'"
-=wxr'+-
(27.16) dt df den allgemeingültigen Zusammenhang der Ableitung eines Vektars nach der Zeit im ruhenden bzw. bewegten Koordinalensyslem, der z. B. auch für die Ableitung von V,'el gilt: dVrei
.........
---;,;( = OJ x v rel
d"'Vref
+ -----;j{
Nach 27.15 kann die Absolulgeschwilldigkeit also durch die einfachere Betrachtung in zwei unterschiedlichen Koordinatensystemen gewonnen werden. Um auch zu einer entsprechenden Formel für die Absolulbesclr/eunigung zu kommen, wird 27.15 nach dcr Zeit abgeleitct: _
dv
d2ro
dw
'"
d2ro = dl 2
+ d1
dw
~ xr
+W
d2ro dt 2
+ d1
x I"
+ OJ x
a = dt = d{'2 + d1 x r
=
=
dw
_
d? dl
+W x _
-
(_ X
OJ x
?
dVre! df
+ d'?)
_
_
d'v",
+ ---;,;( + W X Vre! + -----;j{
-
(w x 1") +
+
2 OJ-
X
äc
Vrel
d'vre!
+-----;j{
+
arel
(27.17)
505
27.3 Bewegung des starren Körpers im Raum
oe:> Die Formel 27.17 bestätigt, dass die Strategie, die für die ebene Bewegung (Abschnitt 27.2)
empfohlen wurde, ungeändert rur die Bewegung im Raum übernommen werden kann: • Die ersten drei Glieder in 27,17 entsprechen exakt der Beschleunigungsformel 27.14. Es ist die Fiihrllngsbeschleunigl/ng des Punktes P des starren Körpers, die ohne Berücksichtigung der Relativbewegung crnlittelt werden kann. • Der letzte Tenn in 27.17 ist die Relativbeschleunigl/ng, betrachtet im bewegteIl Koordillatensystem. Man darf für ihre Berechnung den starren Körper also als momentan in Ruhe befindlich ansehen. • Schließlich ergibt sich als dritter Anteil wie im ebenen Fall die Coriolisbeschlel/nigung, für die folgende Vektorformel gilt: (27.18) oe:> Für die ebene Bewegung, bei der der Vektor der Winkelgeschwindigkeit der Führungsbe-
wegung W konstante Richtung (senkrecht zur Ebene und damit senkrecht zur RelativgesChwindigkeit) hat, ergibt sich auch nach 27.18 der Betrag, den die Formel 27.9 ausweist. Bei der räumlichen Bewegung können wund li,<' einen beliebigen Winkel bilden. Nach der Definition des Vektorprodukts gilt für den Betrag der Coriolisbeschleunigung
Oe
=
2 WVrei sin a
(27.19)
mit dem von den beiden Vektoren eingeschlossenen Winkel a. Die Coriolisbeschleunigung ist gleich Null, wenn wund lirel parallel sind.
I
Beispiel: I_....;_..... E1I1 Pkw auf der Autobahn 111 RIchtung Norden kurz vor Hamburg (etwa 53,SO nördlicher Breite) fahrt mit 200 km/h (kurzzeitig bei sehr schönem Wetter im Sommer um 4:30 Uhr, wenn es schon hell und die Autobahn noch leer ist und eigentlich ohnehin nur wegen dieser Aufgabe). Welcher Coriolisbeschleunigung infolge der Erddrehung ist das Fahrzeug ausgesetzt? Der Vektor der Winkelgeschwindigkeit der Erddrehung Werde und dcr Vcktor der Relativgeschwindigkeit lire! des Fahrzeugs schlicßen den Winkel a = 53.5° ein (Abbildung 27.23). Mit der Drehzahl der Erde "Erde = I d- I (eine Umdrehung pro Tag) und der Winkelgeschwindigkeit W nach 26.21 errechnet man nach 27.19: km 0 Ge = 2 WErde v"eI sin a = 2·2 7r. 200 dh sin 53, 5
= 800n sin53,5°
864~~~ S2 = 0,00650m/s 2
Sie ist nach Westen gerichtet I. Der Fahrer hat sie nicht bemerkt.
i
WErde
~,Vrel Nordpol
" I-Iamburg
~3,SO ) Abbildung 27.23: Die Vektoren WErde und Vrel sehlie· ßen einen Winkel ein, der dem
Breilengrad entspricht
1"W
v
506
27 Kinematik stillTer Körper
27.4 Systeme starrer Körper Der durch keine Bindungen gefesselte starre Körper hat im Raum 6 Freiheitsgrade (vgl. Abschnitt 27.3), in der Ebene 3 Freiheitsgrade (vgl. Abschnitt 27.1). Um seine Lage eindeutig zu beschreiben, sind 6 bzw. 3 geeignete Koordinaten erforderlich. Häufig ist die Bewegungsmöglichkeit des Körpers durch Bindung an vorgeschriebene Bahnen oder Fixierung einzelner Punkte eingeschränkt. So hat z. B. ein Körper mit einem festgehaltenen Punkt in der Ebene noch einen Freiheitsgrad (Drehung), im Raum noch drei Freiheitsgrade (Drehungen um drei Achsen). Bei einem aus verschiedenen starren Körpern bestehenden System slarrer Körper kann jeder einzelne solchen Bindungen unterworfen sein, außerdem können sie untereinander gekoppelt sein. Diese Kopplungen können starr (z. B. Gelenke, starre Seile oder Stäbe) oder nicht starr (z. B. elastische Federn) sein. Kopplungen, die nicht starr sind, schränken die Anzahl der Freiheitsgrade nicht ein, es wirken aber über die Kopplungselemente Kräfte zwischen den Körpern, die bei den Problemen in der Kinetik berücksichtigt werden müssen. Starre Kopplungen (kinemalische Kopp/lingell) schränken die Anzahl der Freiheitsgrade ein, da zwischen den Koordinaten, die die Lage der Körper beschreiben, feste Beziehungen bestehen (Zwangsbedingllngen). Ein sehr häufig auftretendes Problem ist es, die Anzahl der verbleibenden Freiheitsgrade zu ermitteln. Die Anzahl der Koordinaten, die mindestens erforderlich ist, um die Lage eines Systems starrer Körper eindeutig zu beschreiben, entspricht der Anzahl der Freiheitsgrade des Systems. 00:> Häufig ist folgendes Gedankenexperiment recht nützlich: Man behindert nacheinander die
einzelnen Freiheitsgrade der starren Körper des Systems durch Arretieren (entspricht dem Einführen einer notwendigen Koordinate). Wenn das System keine Bewegungsmöglichkeit mehr hat, entspricht die Anzahl der Arretierungen der Anzahl der Freiheitsgrade.
I
Beispiel J: I_ _ _..... Das tn Abbildung 27.24 skizzlerte kinematische Modell eines Satelliten mit "Sonnenpaddeln" besteht aus 5 starren Körpern und hat JO Freiheitsgrade: Die Lage eines Körpers (z. B. des Satellitenkörpers) ist durch die Angabe von 6 Koordinaten eindeutig festgelegt. Nach Fixierung des Satellitenkörpers durch Arretierung dieser 6 Bewegungsmöglichkeiten können die beiden unmittelbar an ihm befestigten Paddel nur noch je eine (von der Lage des Satelliten nnabhängige) Drehbewegung ansfUhren, die durch jeweils eine weitere Koordinate beschrieben wird. Entsprechendes gilt für die Außenpaddel, nachdem auch die Lage der Innenpaddel festgelegt wurde.
Abbildung 27.24: System mit 10 Freiheitsgraden
Zur Beschreibung der Bewegung e.ines Systems starrer Körper (insbesondere in der Kinetik) ist es meist vorteilhaft, eine größere Anzahl von Koordinaten einzufUhren.
27.4 Sysleme Slarrer Körper
507
Fast immer ist man jedoch gezwungen, irgendwann die Anzahl der Koordinaten auf die Anzahl der Freiheitsgrade des Systems zu reduzieren. Dafür müssen die Zwangsbedingungen, die die Koordinaten untereinander verknüpfen, formuliert werden. Zwangsbedingungen sind Gleichungen, die die von den einzelnen Koordinaten anzunehmenden Wcrte auf die geomctrisch verträglichen Möglichkeiten einschränken. Dementsprechend können sie im Allgemeinen aus Geometriebetrachtungen gewonnen werden. Ihre Ableitungen nach der Zeit führen auf die Zwangsbedingungen, die fUr die Geschwindigkeiten und die Beschleunigungen geiten müssen. Vielfach ist es (besonders bei ebener Bewegung) eillfacher, unter Ausnutzung der Eigenschafteu des Momentanpols (vgl. Abschnitt 27.1.3) zunächst die Zwangsbedingungen für die Geschwindigkeiten zu formulieren, um dann durch Integration auf die Bedingungen für die Bewegungskoordinaten zu kommen. Die dabei auftretenden Lntegrationskonstanten werden durch Vergleich der Werte für die einzelnen Koordinaten zu einem speziellen Zeitpunkt bestimmt, was jedoch meist unprobLematisch ist. Da man im Allgemeinen den Koordinatenursprung für jede einzeLne Koordinate willkürlich festlegcn kann, ist es zweckmäßig, foLgende Regel cinzuhalten: Alle Koordinaten, die die Lage eines Systems starrer Körper beschreiben und durch Zwangsbedingungen verknüpft sind, sollten (wenn es irgendwie möglich ist) zum gleichen Zeitpunkt den Wert Null annehmen. An den nachfolgenden Beispielen wird das Aufschreiben der Zwangsbedingungen für typische Fälle dcr tcchnischcn Praxis dcmonstriert.
I
Beispiel 2: I_ _ _ _...I Die skIZZIerte SeI1wll1de mIt Gegengewlcbt wird von dcm Antriebsrad 3 angetrieben. Es darf angenommen werden, dass das SeiL und die Verbindungsstangen zwischen den Körpern I und 2 bzw. 4 und 5 dehnstarr sind und dass sich das SeiL schlupffrei über die Rollen bewegt. Gegeben:
1"2, r3· r4·
Die Körper 2 und 4 fUhren jewcils eine allgemeine Bewegung aus (Translation und Rotation), das Antriebsrad 3 eine reine Rotation, das Gegengewicht 5 und der Körper I jeweils eine reine Translation. [n der Skizze sind dementsprechend 7 Koordinaten eingetragen, die unter den genannten Voraussetzungen natürlich nicbt unabhängig voneinander sind.
Abbildung 27.25: System mit einem Freiheitsgrad
Das System hat nur einen Freiheitsgrad. Bei Vorgabe einer Bewegung (z. B. des Antriebsrades 3) bewegen sich alle anderen Körper zwangsläufig, so dass 6 Zwangsbedingungen fonnuliel1 und die 7 Koordinaten durch eine ersetzt werden können. Als verbleibende Koordinate wird der Winkel Cf>3 des Antriebsrades gewählt.
508
27 Kinematik starrer Körper
Die Zwangsbedingungen werden zunächst tlir die Geschwindigkeiten aufgesellrieben. Die Abbildung 27.26 zeigt die Umfangsgeschwindigkeit des Antriebsrades r3
.
M4~;4 9J r3
x 4 = -2-
r 3 'P3
Abbildung 27.26: Momentanpole und Geschwindigkeiten
1fI2=r2
Entsprechende Überlegungen führen zu den Geschwindigkeiten an der RoJJe 4, die auf dem in Ruhe befindlichen linken Seilstrang rollt. Die Geschwindigkeiten der Mittelpunkte der Rollen 2 bzw. 4 werden auf den Körper I bzw. das Gegengewicht 5 übertragen. Nachfolgend werden die 6 Zwangsbedingungen in der Form zusammengestellt, die alle Geschwindigkeiten durch CP3 ausdrückt: . XI
TJ . .
= -2
1p3
. r3 . X4=-Ip3
2
X2
r3 .
= -1f>3 2
. r3 . 1p4=-1f>3 2~
.
lfI2
r3.
= -2r2 1p3
. r3. x5=-Ip3
2
oe:> Die ZWQngsbedingllngen für die Beschleunigungen haben die gleiche Form ("mit einem
zusätzlichen Punkt über den Koordinaten"). Unter der Voraussetzung, dass alle Koordinaten gleichzeitig Null werden (es braucht nicht unbedingt der Zeitpunkt t = 0 zu sein, ftir den dies gilt, aber meistens ist es sinnvoll, die Zeitzählung zu beginnen, wenn die Koordinaten den Wert NuJJ haben), gelten die für die Geschwindigkeit fomlulierten Bedingungen auch ftir die Koordinaten selbst ("ohne Punkt über den Koordinaten"). oe:> Es ist im Allgemeinen zweckmäßig, die Bewegungskoordinaten so einzuführen, dass alle
gleichzeitig positiv werden. So werden Minuszeichen in Zwangsbedingungen vermieden.
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Das skiZZIerte Planetengetriebe (Umlaufgetriebe, Animation unter www.TM-aktuell.de) kann mit einem Freiheitsgrad oder mit zwei Freiheitsgraden betrieben werden.
Gegeben:
3
12
rl, r2·
Bei feststehendem Gehäuse 3 (Getriebe hat einen Freiheitsgrad) gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Drehzahl des Steges 4 und der Drehzahl des Sonnenrades I.
3
Abbildung 27.27: Planetengetriebe
509
27.4 Sysleme Slarrer Körper
Es wird angenommen, dass der Steg 4 mit der Winkelgeschwindigkeit 014 = 271 114 umläuft. Der sich auf einer Kreisbahn mit dem Radius (rl + r2) bewegende äußere Stegpunkt treibt den Mittelpunkt des Planetenrades 2 mit seiner Bahngeschwindigkeit (rl + r2)0l4. Das Planetenrad kann bei feststehendem Gehäuse nur eine RollM, • bewegung auf dessen Innenverzahnung ausfUhren, der Berührungspunkt ist der Momemanpol M2 fUr die Bewegung des Plane- (rl + r 2 )w4tenrades. Dessen Eingriffspunkt mit dem Sonnenrad I hat diedop- 2(r + r;)w 4 l pelte Geschwindigkeit des Mittelpunktes (doppelte Entfernung MI ,M4 vom Momemanpol, siehe Abbildung 27.28). Diese Geschwindigkeit ist gleichzeitig die Umfangsgeschwindigkeit für das Sonnen- Abbildung 27.28: Feststehendes Gehäuse 3 rad. dessen Winkelgeschwindigkeit sich daraus errechnen Wsst:
.
Oll
=
2(rl +r2)0l4 rl
'*
nl
=2
(
r2)
1+;:;-
M2 •
"4
(r,+ 2r,)wJ _ (r +r,)w4 ~ Wenn auch das Gehäuse drehbar gelagert ist (Getriebe hat l
j
",
~3
zwei Freiheitsgrade), können zwei Drehzahlen vorgegeben VI werden, die sich überlagern (Differenzial) und in dem dritM,. M, ,M4 '-.....tJW4 I ten Getriebeglied eine eindeutige Drehzahl erzeugen. Es wird angenommen, dass der Steg 4 mit der Winkelgeschwindig- Abbildung 27.29: Drehbar gelagerkeit 014 = 271114 umläuft und sich das Gehäuse mit der Win- les Gehäuse kelgeschwindigkeil CO:3 = 271"3 dreht (Abbildung 27.29).
Ir?~~
Dann sind zwei Punkte des Planetenrades 2 zwangsgefühn: Der Eingriffspunkt am Gehäuse muss sich mit der Bahngeschwindigkeit der lnnenverzahnung (rl + 2 r2) CO:3 bewegen, der Mittelpunkt mit der Bahngeschwindigkeil (rl +r2) 0l4, die der Steg ihm aufzwingt. Beide Geschwindigkeiten sind parallel, so dass sich der Momentanpol M2 des Planetenrades 2 nach der Strahlensatzfigur finden ließe (vgl. Abschnitt 27.1.3). Es ist aber nicht erforderlich, die Strecke a, die die Lage von M2 kennzeichnet, zu berechnen, weil man der Skizze auch entnimmt, dass die Geschwindigkeit des Mittelpunktes des Planetenrades das arithmetische Mittel der beiden Geschwindigkeiten an den Eingriffspunkten mit Gehäusezahnkranz und Sonnenrad sein muss:
Mit der berechneten Bahngeschwindigkeit VI des Sonnenrades sind auch dessen Winkelgeschwindigkeit Oll = ~ und natürlich auch seine Drehzahl bekannt. Man errechnet: "I =
2(I + ~~)
114 -
(I + 2~)
"3
Dieses Ergebnis gestattet flir zwei vorgegebene Drehzahlen die Berechnung der Drehzahl des dritten Getriebegliedes. Da alle Winkelgeschwindigkeiten linksdrehend angenommen wurden, müsste eine Rechtsdrehung mit negativem Vorzeichen eingehen. Die willkürliche Annahme, dass die Bahngeschwindigkeit der Innenverzahnung des Gehäuses kleiner als die des äußeren Punktes des Steges ist (und die sich daraus ergebende Lage des Momemanpols cles Planetenracles) hat natürlich keinen Einfluss auf clas Ergebnis.
510
27 Kinematik starrer Körper
I
Beispiel 4: I_"";_ _...1 Der skizzierte Mechanismus (exzentrische Schubkurbel, siehe auch die Animation unter www.TM-aktuell.de) ist ein System aus drei starren Körpern. Die Kurbel dreht sich mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit (q:) und befindet sich zum Zeitpunkt I = 0 in der dargestellten Lage. Gegeben:
R, I, a, (q:).
lY
s
Für den Gleitstein C und den Mittelpunkt 5 der Verbindungsstange sollen die Geschwindigkeits-Zeit-Gesetze VG(I) bzw. VS(I), für die Verbindungsstange auch das Winkelgeschwindigkeits-ZeitGesetz WS(/) ermittelt werden. Die nebenstehende Sk.izzc zeigt das System zum Zeitpunkt I, die Kurbel hat sich nach 26.23 um den Winkel (q:)1 gedreht. Für die Verbindungsstange sind zwei Geschwindigkeitsrichtungen bekannt: Ihr Momentanpol M ist der Schnittpunkt der Senktechten zur Bewegungsrichtung des Punktes C und der Senkrechten zur Bewegungsrichtung des Punktes A, der auf dem Kurbelkreis mit der konstanten Bahngeschwindigkeit R(q:) umläuft (Geschwindigkeit ist tangential zum Kreis mit dem Radius R gerichtet).
'"
~"
M
Im Dreieck ABC errechnet man die Länge lAB und damit im Dreieck ABM den Abstand IAM des Punktes A vom Momentanpol M und die Länge IBM (Abstand des Punktes B von M): IBG=a+Rcos(q:)1
IAB=
J,
lAB IAM=-.--
2
I--I BG
lAB IBM=---
, Sin (q:) I taJl (q:) I Für 1= 0 (und allgemein für (q:)1 = kn, dies sind die horizontalen Lagen der Kurbel) werden IAM und IBM unendlich. Zu diesen Zeitpunkten bewegt sich die Verbindungsstange rein translatorisch ("Momentanpolliegt im Unendlichen"). Für die Verbindungsstange ist die Geschwindigkeit des Punktes A bekannt. Mit dem Abstand dieses Punktes vom MomentanpollAM ergibt sich nach 27.2 ihre Winkelgeschwindigkeit R (q:) R (q:) . w.s(/) = = Sill (q:)1 IAM
lAB
und nach 27.3 die Geschwindigkeit des Punktes C: Vc(l) = (iBM -IBG) Ws =
(~-IBG) tan(q:)1
R(q:) sin (q:)1 = R(q:) (COS(q:)1 _ IBG sin (q:)/) lAB lAB
ist auch die gesuchte Geschwindigkeit des Gleitsteins. Für die Berechnung der Geschwindigkeit des Mittelpunktes vS(I) stehen nun verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. a) Es wird der Abstand des Punktes 5 vom Momentanpol ermittelt (5 liegt in horizontaler Richtung um 11BG und in vertikaler Richtung um lAB von B entfernt, der Abstand von M errechnet sich aus einem rechtwinkligen Dreieck). Dann kann VS(I) wie Vc(l) berechnet werden. Hier sollen zwei andere Möglichkeiten demonstriert werden:
1
27.4 Sysleme Slarrer Körper
511
Ve(l) ist die Geschwindigkeit eines Punktes der VerbindungssUlngc und mit WS(I) ist illre Winkelgeschwindigkeit bekannt. Man kann den damit vollständig beschriebenen Bewegungszustand als Translation mit dem Bezugspunkt G und Rotation Um G ansehen. Die Gescllwindigkeit ve(l) ist dann allen Punkten des Körpers (auch S, sielle Skizze) zuzuordnen, der die Bahngeschwindigkeit der Rotation um G zu überlagern ist (für den Punkt S: "mi = ~ Ws).
b) Mit
Es werden zunächst die Komponenten in horizontaler bzw. vertikaler Richtung aufgeschrieben, aus denen sich dann die Gesamtgeschwindigkeit des Pnnktes S errechnet:
Vx = Vv
.
I. I lAB R~. -ws-=--sm~l 221 2
-wssmß=
I = ve + -wscosß =
2
VS(I) =
VG
I IBc = + -ws2 I
Jv~ + v;
R~
( COSCc\)I- IBC - sin Cc\)l ) 2/AB
.
c) Schließlich kann VSCI) auch nach den Regeln der Kinematik des Punktes (Kapitel 26) ermittell werden. Die Komponenten des ürtsvektors werden in einem geeigneten Koordinatensys-
tem aufgeschrieben. Nach 26.9 ergibt sich dann die Bahngeschwindigkeit. Bezüglich des in der AufgabensteIlung angegebenen Koordinatensystems liest man aus nebenstehender Skizze ab: -xs + a = 2"I IBC
. Cc\)l = 2"I IAB -Ys + R sm
Die Bahnkurve des Punktes S wird also beschrieben durch
YSCI) =
Rsin~l- ~ lAB
A
~ I ~
!
_u_
wot '-... "-0
.;;;
S'
0::
X
s
~I I
B
und das Differenzieren dieser beiden Komponenten des Ortsvektors nach der Zeit ergibt wieder die bereits angegebenen Geschwindigkeitskomponemen Vx und V,.• Typisch für die Analyse der Bewegung von Mechanismen ist. dass die Funktionen ziemlich unbequem in der HandIlabung werden. Der Ehrgeiz, durch "Einsetzen und Vereinfachen" zu möglichst "schönen Endformeln" zu kommen, rächt sich häufig dureIl Rechenfehler. Deshalb sollte man mit einem Funktionensatz arbeiten, wie ihn Abbildung 27.30 Flir das MathematikProgramm Maplc zeigt.
> >
> >
> >
> > > > >
>
comt somt l[BG] l[AB] x[S] y[S] v[X] v[Y] v[S] omega[S] v[G]
:=t -> cos(omega[O]*t); :=t -> sin(omega[O]*t); :=t -> a+R*comt(t); :=t -> sqrt(1-2.l[BG] (t)-2); :=t .> a-l[BG] (t)/2; :=t -> R*somt(t)-l[AB] (t)/2; :=diff(x[S] (t) ,t); :=diff (y [S](t) ,t); :=sqrt(v[X]-2+v[Y]-2); :=t -> R*omega[O]/l[AB] (t)*somt(t); :=t -> R*omega[O]*(comt(t)l[BG] (t)/l[AB] (t)*somt(t»;
Abbildung 27.30: Funktionensatz in Maple
512
27 Kinematik starrer Körper
In einem Pl/nktionensatz enthalten alle Funktionen (neben der unabhängigen Variablen, hier ist das die Zeit I) nur die gegebenen Größen und die vorab definierten Funktionen. Ein MathematikProgramm sollte damit umgehen können und z. B. die so definierten Funktionen auch grafisch darstellen und differenzieren können. Die Abbildung 27.31 zeigt die in der AufgabensteIlung geforderten kinemalischen Diagramme ws(t), VS(I) und vG(I) fur einen vollen Umlauf der Kurbel bei Annahme folgender Abmessungsverhältnjsse:
~ o
=2
~
o
WtnkelgesctJWinllgke l t der VerblndungEstange
G3sctwindlgkea des GleltstSInS
"
t
Y,
"
=4
Zusätzlich ist im rechten unteren Fenster die Bahnkurve des Minelptillktes S der Verbindungsstange dargestellt (siehe auch www.TM-aklUell.de).
•
,
Xs
~5
~ ~ Gesarrtgesch'w noigkeit des ~4
Mittelpunktes: der VerbIndungsstange
,
t
8ahri
."
des
+2 S
-2 D
MUl:l purlkte.,: -Ja \1t'!r -~ s Verb ndungs-;tange
) I
Abbildung 27.31: Kinematische Diagramme und Bahnkurve von S
oe:> Das Beispiel 4 am Ende dieses Kapitels über die Kinematik des starren Körpers soll noch
einmal eine wichtige Tatsache verdeutlichen, die bereits in einem einleitenden Beispiel erläutert und dann immer wieder genutzt wurde: Bei der Bewegung eines starren Körpers hat zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Regel jeder Pnnkt eine andere Geschwindigkeit (Ausnahme ist die reine Translation), es gibt zu einem Zeitpunkt aber immer nur eine Winkelgeschwindigkeit, die für den gesamten Körper gilt. Diese Aussage gilt auch für die Bewegung im Raum, bei der es zu jedem Zeitpunkt nur einen (ftir den gesamten Körper gültigen) Winkelgeschwindjgkeitsvektor gibt. Es ist also nicht sinnvoll, von der "Winkelgeschwindigkeit bezüglich eines Punktes" zu sprechen. Da diese Aussage erfahrungsgemäß dem Anfanger erhebliche Schwierigkeiten bereitet, soll die Starrkörperbewegung der Verbindungsstange. die im Beispiel 4 als "Translation mit dem Bezugspunkt G und Rotation um G" behandelt wurde, noch einmal mit einem anderen Bezugspunkt anal ysiert werden: Die Geschwindigkeit des Punktes A ist bekannt: VA = Rrou ist tangential zum Kurbelkreis gerichtet. Wenn die Bewegung der Verbindungsstange nun als Translation m.it dem Punkt A als Bezugspunkt und Drehung um A betrachtet wird, ist diese Geschwindigkeit allen Punkten (und damit aueh S, siehe Abbildung 27.32) zuzuordnen. Für die Rotation ist aber wieder die gleiche Winkelgeschwindigkeit Ws wie für die Berechnung mit G als Bezugspunkt zu verwenden. Sie erzeugt allerdings eine andere Bahngesehwindigkeit für den Punkt S.
27.5 Aufgaben
513
Das Ergebnis aus der Überlagemng dieser beiden Geschwindigkeiten ist aber unabhängig von dcr Wahl des Bezugspunktes, was hicr nur für die y-Komponente gezeigt werden soll: Der vertikale Anteil der Translation beträgt R~ cos ~I, der Betrag der Bahngeschwindigkeit von S infolge der Rotation um A ist wieder (wie beim Bezugspunkt G) ~ ws, allerdings genau in der entgegengesetzten Richtung. Auch davon geht nur die vertikale Kompo-
RWO Wi A~~;;it
Ws
;ws
nente in vyein:
vy =
B
R~cos~l- ~2 wscosß = R~ (COS~I- 2llBCB sin~l)
(Jo
ß~ ß~
G
Abbildung 27.32: Transla-
A
Dies ist exakt die Formel, die auch bei der Betrachtung mit G als Bezugspunkt gefunden wurde.
tion des Punktes A und Rotation um A
27.5 Aufgaben
I
Au/gabe 27./: l_...;. ..... ElIle große Walze bewegt SIch (reme Rollbewegung ohne Schlupf) auf der Horizomalen und zieht über eine exzentrisch angebrachte Stange einc kleine Walze nach, die ebenfaJls auf einer Horizontalen rollt. Man zeichne ftir den dargcstellten Bcwegungszustand dcn Momcntanpol der Bcwcgung der (schraffiert dargestellten) Verbindungsstange ein.
I
All/gabe 27.2: I_...;. ..... D,e skIzzIerte Walze führt eine reme Rollbewegung aus, die Seile sind starr und laufen ohne Schlupf über die Rollen. Die Masse 4 bewegt sich mit der Geschwindigkeit V4 abwärts. Gcgcben:
R[ = 2r, , rz,
V4.
Man ermittle die Winkelgeschwindigkeit W:1 der Umlenkrolle 2 und die Geschwindigkeit VI des Mittelpunkts der Walze I.
I
All/gabe 27.3: I_...;. ..... Em Kettenfahrzeug bewegt Sich mit der Geschwindigkeit v lind der Beschleunigung
Cl.
Man ermitt-
le die Geschwindigkeiten der Kettenpunkte P" Pz und PJ und die Gesamtbeschleunigung für PI. Gegeben:
v, a, R.
Rwo
" S
R
P,
Kette
514
27 Kinematik starrer Körper
I
Aufgabe 27.4: I In dem skizzierten Mechanismus dreht sich dic Kurbel mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ~. a I Gegeben: R;~; 8.=1,5; 8.=2.
F
E
Man ermittle die Momentanpole der Bewegung der Stange AB für die spezielle Lagen, wenn der Punkt A die Punkte E bzw. F passiert. Für beide Lagen sind mit Hilfe des Momentanpols die Geschwindigkeiten des Punktes B zu berechnen und mit den Ergebnissen der Aufgabe 26.4 zu vergleichen.
a
IAufgabe 27.5: I Bei dem skizzierten
Planetengetriebe treibt der Steg 4 die beiden Planetenräder 2 und 3, die mit dem Sonnenrad I bzw. dem Gehäuse 5 im Eingriff sind (eine Animation findet man unter www.TM-aktuell.de).
Gegeben:
r"
3~ 21 II
r2. rJ.
a) Man ermittle das Drehzahlverhältnis ~ unter n4
der Annahme, dass das Gehäuse 5 festgehalten wird. b) Welche Drehzahl n, hat das Sonnenrad, wenn der Steg mit n4 und das Gehäuse (gleichsinnig) mit 115 gedreht werden?
I Aufgabe 27.6:
5
I
Die Laufkatze eines Drehkrans bewegt sieh mit der konstanten Geschwindigkeit VK nach außen und bebt dabei eine Last mit der konstanten Geschwindigkeit VL an, während sich der Kran mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit W dreht.
Gegeben:
VK
= 0,5 m/s 0,3 m/s
VL =
w = O. I S-l a =4,5m
Für die skizzierte LaststelILmg ermittle man clie resultierende Geschwindigkeit der Last, die Flihrungs- und die Coriolisbeschleunigung (Flihrungsbewegung ist die Drehung des Krans).
Weitere Aufgaben findet man imlnternet unter www.TM-aktueU.de.
28 Kinetik des Massenpunktes Während in der Statik das Gleichgewicht der Kräfte in ruhenden Systemen betrachtet wurde und die Kinematik die Bewegungsabläufe ohne Frage nach ihren Ursachen (Kräfle) untersucht, wird in der Kinetik der Zusammenhang zwischen den kinematischen Größen (Weg, Zeit, Geschwindigkeit, Beschleunigung, ...) und den Kräften behandelt. Die Beschränkung in diesem Kapitel auf den Massenpunkt hat nichts mit der Größe der Abmessungen des Körpers zu tun (vgl. die entsprechende Bemerkung am Anfang des Kapitels 26). Die Abmessungen dürfen allerdings keinen Einfluss auf die zu untersuchende Bewegung haben, und nach den AusfUhrungen in den Kapiteln 26 und 27 ist die Konsequcnz dieser Bcschränkung klar: Ein Massenpunkt kann keine (bzw. nur eine zu vernachlässigende) Rotationsbewegung ausführen.
28.1 Dynamisches Grundgesetz Zu den Axiomen der Statik (Abschnitt J .2), die auch weiterhin gelten, kommt in der Kinetik nur ein weiteres hinzu. Es ist das 2. Newtonsche Gesetz (nach ISAAC NEWTON, 1643 - 1727):
Die zeitliche Änderung der Bewegu/lgsgröße ist der einwirkenden Kraft proportional und geschieht ill Richtung dieser Kraß. Als Bewegungsgröße ist das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit zu verstehen, die zeitliche Änderung ist die erste AbLeitung nach der Zeit t: ~ d (mv) F=--
dt ist das dynamische Grundgesetz mit dem Vektor des Impulses j5 =
(28.1 )
I1Iv.
<>
Das I. Newtonsche Gesetz ist ein Sonderfall des 2. Gesetzes: Die BewegulIgsgröße ä/ldert sich /licht. we/ln keine Kraß auf den Massenpunkl ei/lwirkl. Das 3. Newtonsche Gesetz ist das bereits aus der Statik bekannte Wechselwirkungsgesetz (actio = reactio).
<>
Wenn die Masse m zeitlich unveränderlich ist, vereinfacht sich 28.1 zu
_
dv
F=m-=ma dt ("Kraft = Masse· Beschleunigung").
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_28, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
(28.2)
28 Kinetik des Massenpunktes
516
oe:> Die Gültigkeit von 28.1 und 28.2 ist an zwei Bedingungen geknüpft: Die Geschwindig-
keit muss wesentlich kleiner als die Lichtgeschwindigkeit sein (diese Bedingung ist in der Technischen Mechanik wohl immer erfüllt, anderenfalls ist die Relativitätstheorie zuständig), und das Bezugssystem muss ein Inertialsystem (beschleunigungsfreies System) sein. Da Beschleunigungsfreiheit nur bei Bewegung auf gerader Bahn möglich ist (vgl. Abschnitt 26.2), kann es ein Inertialsystem auf der Erde nicht geben. Für die weitaus meisten technischen Anwendungen darf die Erde jedoch als ruhendes Bezugssystem angesehen werden. oe:> Weil zwei Vektoren nur gIe.ich sein können, wenn jede Komponente des einen Vektors gleich
der entsprechenden Komponente des anderen Vektors ist, stehen 28.1 bzw. 28.2 für drei skalare Gleichungen (für die drei Freiheitsgrade des Massenpunktes im Raum). oe:> Das 2. Newtonsehe Gesetz setzt natürlich voraus, dass die angreifenden Kräfte die BescWeu-
nigungen auch tatsächlich hervorrufen können (und nicht etwa durch Führungen, Lager oder ähnliches auch nur teilweise daran gehindert werden, dazu mehr im Abschnitt 28.2.2). Das nachfolgende Beispiel behandelt einen der wenigen Sonderfalle (schiefer Wurf unter Vernachlässigung von Bewegungswiderständen), für den dies erfüllt ist.
I
Beispiel: I_ _ _ _ EII1 Letchtathlet stößt dIe Kugel w = 22m welt (diese Aufgabe stammt aus der Zelt vor der Einführung der strengen Dopingkontrollen). Unter der Annahme, dass der Luftwiderstand vernachlässigt werden darf und dass die Kugel die Hand in einer Höhe h = 2 m unter einem Winkel zur Horizontalen von a = 44° verlässt. ist ihre Anfangsgeschwindigkeit vo (beim Verlassen der Hand) zu ermitteln. Welche Weite WI würde erzielt werden, wenn mit gleicher Anfangsgeschwindigkeitund bei gleicher Abwurfhöhe unter einem Winkel von al = 45° gestoßen würde, bei welchem Abwurfwinkel ao würde die größte Weite erzielt werden? Während des Fluges wirkt auf dic Kugel nur ihr Eigengewicht I1Ig (senkrecht nach unten). Die Masse m ist konstant, die Flugbahn eine ebene Kurve, so dass 28.2 nur tUr zwei Komponenten aufgeschrieben werden muss. In einem kartesischen Koordinatensystem mit nach oben gerichteter positiver y-Achse gilt also: F=I1IQ
Nach 26.27 und 26.30 ist der Geschwindigkeitsvektor die Ableitung des Ortsvektors und der Beschleunigwlgsvektor die Ableitung des Geschwindigkeitsvektors nach der Zeit. Dieser Weg muss also in umgekehrter Richtung (Integration) beschritten werden, er wird für die einzelnen Komponenten aufgeschrieben: = 0 v" = CI
CI"
CI)'
= -g
v)'
-gt+C3
y
-'igt +C3 t + C4
I
2
Für dic vicr Tntegrationskonstanten müsscn vier Anfangsbedingungen formuliert werdcn. Wenn das Koordinatensystem (willkürlich, siehe Abbildung 28.1) so gelegt wird, dass sich der Abwurfpunkt bei x = 0 und y = h befindet, und die Abwulfgeschwindigkeit in eine horizontale und eine vertikale Komponente zerlegt wird, lauten diese (Zeitzählung beginnt beim Abwurf):
517
28.1 Dynamisches Grundgesetz
'y
vx(t = 0) = vocosa
0) = 0 y(r = 0) = ,. X(I =
V,,(I = 0) = Vo sin a
()(
Mit den daraus berechneten Konstanten
c,
= voeosa
C3=vOsina
erhält man die Komponenten des O'1svektors der Bahnkurve I
x
C. =h
.
w Abbildung 28.1: Anfangsbe-
y = - - g , 2 + Vo r sm a + h dingungen. Wurfweile w 2 die (in Parameterdarstellung) die Flugbahn der Kugel beschreiben. Wenn man die Zeit r aus den bei den Gleichungen eliminiert, wird deutlich, dass es eine Parabel ist (Wurfparabel): I x2 y= --g 2 ? +xtana+" 2 voeos- a x = Vo r eos a
Am Auftreffpunkt ist y = 0 (und x = w): I w2 - - g 2
2
vocos
2
a
+ w tan a +,. = 0
muss zur BeantwOJ1ung der Fragestellungen einmal nach vo und einmal nach w umgestellt werden. Die für die AufgabensteIlung relevanten Ergebnisse sind:
vo=w
g wsin2a + 2heos 2 a
v2 w = ...Q. si.ll2a + 2g 0::> Hier soll auf ein typisches Problem bei der Lösung von Aufgaben aus der Kinetik aufmerk-
sam gemacht werden: Es gibt melu'ere Ergebnisse, von denen nicht alle für die AufgabensteIlung relevant sind. Hier ist es einfach zu übersehen und zu interpretieren: Das mathematische Modell (die Parabel) hat den Definitionsbereich - 0 0 < x < 00 und damit zwei (in diesem Fall reelle) Nullstelien (zwei Ergebnisse für w). Die Nullstelle im negativen Bereich ist hier nicht relevant, aber prinzipiell nicht nur richtig, sondern auch physikalisch möglich, denn die Wurfparabel sieht auch für ein negatives Vo, mit dem man bei der anderen Nullstclle landen würde, nicht anders aus. Bei einem Abwurfwinkel von a = 44° wird die Wurfweite von 22 m bei einer Anfangsgeschwindigkeit von vo = 14,05 m/s erreicht. Mit diesem vo ergibt sich bei al = 45° eine Wurfweite =21,95m.
w,
Die Berechnung des Extremwertes der Funktion w(a) bereitet analytisch schon einige Mühe. Empfohlen wird deshalb die Extremwertberechnung mit einern geeigneten Programm (siehe www.TM-aktuell.de). Man erhält rur ao = 42,41° die Wurfweite wo = 22,03m. Der günstigste Abwurfwinkel zur Erzielung großer Wurfweiten beträgt nur dann 45°, wenn Abwurf- und Auftreffpunkt auf gleicher Höhe liegen.
28 Kinetik des Massenpunktes
518
28.2 Kräfte am Massenpunkt Wie in der Statik ist es sinnvoll, zu unterscheiden zwischen eingeprägten Kräjten (Gewicht, Antriebskräfte, Magnelkräfte, ...) und Reaktionskräjten (Zwangskräfte, die durch Bewegungseinschränkung hervorgerufen werden, z. B.: Kräfte an FüLmlllgen, die Normalkraft zwischen Masse und schicfer Ebene, Lagerreaklionen, Federkräfte, Haftkräfte, ... ). Bei bewegten Massen kommen noch Bewegungswidersfiillde und die so genannten Massenkrüjte hinzu, die in den folgenden beiden Ulllerabschniuen behandeLt werden.
28.2.1 Geschwindigkeitsabhängige Bewegungswiderstände Einem sich mit der Geschwindigkeit v bewegenden Massenpunkt können durch das umgebende Medium oder eine Führung Widerstandskräfte entgegenwirken. Obwohl diese Kräfte von ihrem Charakter her Reaktionskräfte sind, werden sie hier gesondert aufgeführt, denn in der Rechnung müssen sie eher wie die eingeprägten Kräfte behandelt werden. Diese Besonderheit wird noch mehrfach an Beispielen vcrdeutlicht. Dic Erfassung der geschwindigkeitsabhängigen Widcrstandskräfte ist immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden, weil die Kennwerte von zahlreichen Einflüssen abhängen. Hier werden die drei wichtigsten Varianten zur Einbeziehung dieser Kräfte in die Berechnung vorgestellt. Der Widerstand, den die Oberfläche eines Körpers aufbringt, über den eine bewegte Masse gleitet, wird (auch bei einer Schmierschicht zwischen den Flächen) berücksichtigt durch die Coulombsche Reibung (Gleitreibung):
FR = - /l FN sgn v
v (28.3)
D
Die Geschwindigkeit dient nur als Steuergröße für die Richtung der Kraft FR , die inuner der Geschwindigkeit der sich bewegenden Masse entgegengesetzt gerichlet ist.
<:> Ln 28.3 ist FN die Normalkraft (senkrecht zu den sich berührenden Gleitflächen), /l ist der Gleitreibltngskoeffizienr, der vom Material und der Oberflächenbeschaffenheit der Gleitflächen abhängig ist. Da er auch von anderen Größen (Temperatur, Feuchtigkeit, unter Umständen auch von der Größe von FN ) beeinflusst wird, ist eine gewisse Vorsicht geboten. wenn man diesen Kennwert aus Tabellenbüchem entnimmt. Für höhere Genauigkeitsanforderungen an die Rechnung sind gegebenenfalls Vcrsuche zur Ermittlung von JL (möglichst unter Bctriebsbedingllngen) empfehlenswert.
<:> Die sgn-Funktion eignet sich nicht für die analytische Rechnung (bei numerischen Answertungen kann sie durchaus nützlich sein). Dcshalb sollte man die Kraft FR entgegen dcr Gllgen01111nenen Geschwindigkeitsrichtung antragen. Wenn sich die angenommene Richtung
im Verlauf der Rechnung als falsch herausstellt, muSS man die Rechnung mit korrigierter Richlltng wiederholen.
28.2 Kräfte am Massenpunkt
519
oe:> Da die Gleitreibung wie die im Kapitel 9 behandelte Haftung mit dem Namen Coulomb
verbunden ist und das Haftungsgesetz 9.1 sich von 28.3 formal kaum unterscheidet, muss nachdri.icklich auf die Unterschiede aufmerksam gemacht werden: • Der Haftungskoeffizient Ito ist in der Regel größer als der Gleitreibungskoeffizient Jl. • Besonders wichtig ist die Beachtung des unterschiedlichen Charakters der beiden Kräfte. Die Gleitreibungskraft geht in der von 28.3 gegebenen Größe (wie eine eingeprägte Kraft) in das Gleichgewicht der Kräfte ein. Die Haftkraft wird (wie eine Lagerreaktion) aus dem Gleichgewicht der Kräfte berechnet, denn die durch das Haftungsgesetz zu ermittelnde Größe definiert nur das obere Limit (und nicht die tatsächliche Größe) der Haftkraft (vgl. Beispiel I im Abschnitt 9.1 auf Seite 134). Neben der Cou.lombschen Reibung sind noch die beiden folgenden Annahmen für die Berücksichtigung von Bewegungswiderständen in der technischen Praxis gebräuchlich: Eine geschwindigkeitsproportionale Widerstandskraft FWI=-kt v
(28.4)
g.ilt mit häufig ausreichender Annäherung an die Realität für laminare Strömungen (in Medien mit relativ großer Zähigkeit). Der von der Körperform der Masse und dem Medium, in dem sich die Ma se bewegt, abhängige Proportionalitätsfaktor kt wird durch Versuche ermittelt. Eine Widerstandskraft proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit FW 2 = -k2 .,2 sgn v
(28.5)
wird für die Erfassung des Widerstands infolge turbulenter Strömung verwendet. Der ProportionalitätsfaklOr k2 muss dabei sowohl den Reibungswiderstand als auch den Druckwiderstand (infolge des Unterdrucks durch Strömungsablösung und Wirbelbildung) erfassen. oe:> Der lineare Ansatz 28.4, mit dem z. B. die Wirkung von Stoßdämpfern recht gut erfasst wird,
ist llir theoretische Untersuchungen sehr beliebt, weil er auf lineare Differenzialgleichungen führt. In der Schwingungs.lehre werden die unterschiedlichsten Dämpfungsursachen deshalb gem pauschal in dieser Form (oft nur näherungsweise) berücksichtigt. oe:> Der Proportionalitätsfaktor in 28.5 kann in der Form
pA p
k2 =CW -2-
(28.6)
angesetzt werden. In 28.6 ist p die Dichte des umströmenden Mediums, AI' die Projektionsfläche (Schattenfläche) des sich darin bewegenden Körpers und der "cw-Wert" eine dimensionslose Widerstandszahl, die von der Körperform (und in einigen Fällen auch von der Reynold-Zahl, dem Maß fLir die Zähigkeit des um strömenden Mediums) abhängt und durch Versuche ermittelt werden muss, einige Beispiele: Für den langen Kreiszylinder gilt Cw = I, für eine Kreisplatte Cw = I, I I und für eine Kugel in Abhängigkeit von der Reynold-Zahl Cw = 0.09 ... 0,47. Moderne Pkw-Formen liegen im Bereich Cw = 0,3 ... 0,4. oe:> Man beachte, dass mit den mathematischen Modellen für die Bewegungswiderstände 28.3
bis 28.5 die Realität in dcn meisten Fällcn nur unvollkommcn angenähert wird.
28 Kinetik des Massenpunktes
520
28.2.2 Massenkraft, das Prinzip von d' Alembert In dem Beispiel des Abschnitts 28.1 zur Anwendung des dynamischen Grundgesetzes (schiefer Wurf) durfte vorausgesetzt werden, dass alle auf den Körper einwirkenden Kräfte (im Beispiel nur die Gewichtskraft) in Beschleunigungen umgesetzt werden können. Bei geführten Bewegungen und bei geschwiJldigkeitsabhängigen Bewegungswiderständen (Abschnitt 28.2.J) gibt es natürlich Anteile der eingeprägten Kräfte, die sich nicht in Beschleunigungen umsetzen, sondern von den Reaktionskräften bzw. den Widerstandskräften im Gleichgewicht gehalten werden.
I
Beispiel 1: I_ _ _ _...I Die elllgeprägten Kräfte F nnd mg haben unterschiedliche Wirkungen auf die nebenstehend skizziene Masse 111. Bei reibungsfreier Bewegung wirkt die Kraft F beschleunigend auf m. bei reibungsbehafteter Bewegung nur die Differenz zwischen F und der Widerstandskraft. Die Gewichtskraft mg wirkt nicht beschleunigend, da sie mit der Normalkraft (Reaktions kraft der Unterlage) im Gleichgewicht ist. Aus dieser Überlegung resultiert folgende Schlussfolgerung: Man muss bei geführten Massen und auftretenden Bewegungswiderständen in die Formeln des dynamischen Grundgesetzes 28.1 bzw. 28.2 alle eingeprägten Kräfte, die Zwangskräfte und die Bewegungswiderstände einsetzen: (28.7) Diese Vektorgleichung repräsentiert im Fall des betrachteten Beispiels zwei skalare Gleichungen (0" ist die Beschleunigung in horizontaler und 0, in vertikaler Richtung):
F-l'iI-ma" =0 -mg + FN - mo y = 0 Aus der zweiten Gleichung erhält man wegen FN = mg in diesem Fall für die venikale Beschleunigungskomponente 0, = 0 (eingeprägte Kraft II1g erzeugt keine Beschleunigung). Nicht unabsichtlich wurde in der Gleichung 28.7 das Produkt mä auf die linke Seite geschrieben, denn in dieser Form verdeutlicht die Gleichung eine sehr elegante Strategie für das Aufschreiben der Bewegungs-Differenzialgleichungen, das Prinzip von d'Alembert (nach JEAN LE ROND D' ALEMBERT, 1717 - 1783): Der bewegte Körper wird freigeschnitten, es werden angetragen • alle eingeprägten Kräfte, • alle Zwangskräfte (Reaktionskräfte) infolge äußerer Bindungen und Führungen. • die Bewegungswiderstände, • die Massenkräfte -mä (d'Alell1bertsche Kräfte). Danach können die GleichgewichtsbedingungeIl (wie in der Statik) aufgeschrieben werden.
28.2 Kräfte am Massenpunkt
521
oe:> Die Idee der Einführung negativer Massenkräfte gestattet die Behandlung von Problemen
der Kinetik mit den aus der Statik vertrauten Gleichgewichtsbedingungen. Diese Massenkräfte werden hier wie üblich als d'Alembensche Krii(te bezeichnet, obwohl sie erstmals bereits bei JOHANNES KEPLER (15?1 - 1630) auftauchen. oe:> Das Minuszeichen vor der d'Alembertschen Kraf' fordert, dass diese entgegen der positiven
Beschlellnigungsrichtllng angetragen werden muss, was (bei gekrümmter Bahn) sowohl für die Bahnbeschleunigung als auch rur die Normalbeschleunigung (nnd bei Relativbewegung auch nir die Coriolisbeschleunigung) gilt. Die positive Richtung der Bahnbeschleunigung kann selbst bei einfachen Problemen nicht immer vorausgesagt werden (ob sich eine Masse auf der sclliefen Ebene unter Einwirkung einer aufwärts gerichteten Kraft auch aufwärts bewegt, ist vom Anstiegswinkel, der Größe der Kraft und der Größe der Masse abhängig). Die d'Alembertschen Kräjfe für die Bahnbeschleunigungen werden deshalb elItgegen der frei zu wählenden Koordinatenrichtullg angetragell, was automatisch auch bei negativen Beschleunigungen und Richwngsumkehr der Bewegung zu richtigen Ergebnissen fUhrt. oe:> Die Richtung der Massenkraft, die rur die Normalbeschlellnigung angetragen werden muss, ist dagegen eindeutig vorgegeben, weil die Normalbeschleunigung immer zum Krümmungs-
nuttelpunkl der Bahnkurve gerichtet ist: Bei der Bewegung eines Massenpunktes auf einer gekrümmten Balln ist immer eine vom Kriimmllngsmillelpllnkt der Bahnkllrve nach außen gerichtete Massenkrajf infolge der zum Krümmungsmittelpunkt weisenden Normalbeschleunigung 26.15 zu berücksichtigen. Es ist die Zentrifugalkraft (Fliehkraft) v2 malJ=m (28.8) p (p ist der Krümmungsradius und v die Bahngeschwindigkeit). Speziell fur die Bewegung auf einem Kreis mit dem Radius R gilt:
(28.9) Hinweise für das Lösen von Aufgaben: oe:> Es wird eine geeignete Bewegungskoordinate eingeführt, die die Bewegung des Massen-
punkIes verfolgt (z. B. x für eine geradlinige Bewegung bzw. cp für eine Kreisbewegung). Wenn die Aufgabensteilung nichts anderes vorschreibt, sollte die Bewegungskoordinate zum Zeitpunkt / = 0 auch den Wert Null annehmen. oe:> Es wird eine Skizze des von äußeren Bindungen befreiten Massenpunkts (zum beliebigen Zeitpunkt t) angefertigt, in die alle Kräfte eingetragen werden, die auf der Seite 520 in vier
Kategorien eingeteilt wurden (man sollte sich an diese Kategorien halten, um keine Kraft zu vergessen). Wichtig ist dabei die Einhaltung der Vorzeichenregeln (d' Alembertschen Kräfte für BahnbescWeunigungen entgegen der gewäWten Bewegungskoordinate, Bewegungswiderstände zur Geschwindigkeitsrichtung entgegengesetzt), wobei zu beachten ist: Während sich die Rechnung bei Umkehr der BewegungsriChtung fUr die d' Alembertschen Kräfte immer von selbst korrigiert, gilt diese Aussage fLir die Bewegungswiderstände nur dann, wenn mit der (nir die analytische Rechnung ungeeigneten) Signum-Funktion gearbeitet wird.
522
28 Kinetik des Massenpunktes
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Auf einer schiefen Ebene beginnt eine Masse m zum Zeitpunkt 1 = 0 aus der Ruhelage heraus abwärts zu rutschen. Unter Berücksichtigung von Gleitreibung zwischen der Masse und der schiefen Ebene sollen das Weg-Zeit-Gesetz und das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz ermittelt werden. Gegeben:
~
m, a, !J..
Es wird eine x-Koordinate zur Verfolgung der Masse vom Startpunkt der Bewegung aus eingeführt. Die Skizze zeigt die freigeschnittene Masse mit der Gewichtskraft mg (eingeprägte Kraft), der Normalkraft FN (Zwangskraft, die die Masse an ihre Bahn bindet), dem Bewegungswiderstand FR = !LI'/v u.ud der d' Alembertschen Kraft, die entgegen der eingeführtcn Bcwegungskoordinatc angetragen wurde.
m~~ F,;/a~
Die Gleichgewichtsbedingungen in Hangrichtung bzw. senkrecht dazu liefern mit mi+!l FN
-
mgsina = 0
FN-mgcosa=O zwei Gleichungen, aus denen die nicht ioteressierende Kraft FN eliminiert wird. Es verbl.eibt eio Ausdruck fUr die (in diesem Fall konstante) Beschleunigung, der zweimal integriert wird: I
i=(sina-!J.cosa)g=a
i=al+C,
X= 2:aI2+C,I+C2
Für die Berechnung der Integrationskonstanten stehen zwei Anfangsbedingungen zur Verfügung. Es ist typisch, dass eine durch die Problemstellung ("aus der Ruhelage heraus") vorgegeben ist, die andere von der (willkürlichen) Wahl des Koordinatensystems bestimmt wird:
X(I = 0) = 0
=;.
i(I=O)=O
=;.
C2 = 0 C,=O
Damit können die gesuchten Bewegungsgesetze aufgeschrieben werden: I . x(t) = 2: (SIn a - J.lcos a) g 12 i(l) = (sin a - !l eosa) g t r';>
Eigentlich hälle man bei diesem Beispiel noch überprüfen müssen, ob die Bewegung aus der Ruhelage heraus überhaupt begimll. Dazu wäre allerdings die Kenntnis des Haftungskoeffizienten J1D nötig.
e:> Auf jeden Fall muss das Ergebnis mit dem Zusatz gekennzeichnet werden, dass es nur für positive Geschwindigkeit i 2: 0 gilt, weil diese Bedingung bei der Annahme der Richtung der Gleitreibkraft vorausgesetzt wurde. Der Einwand, dass diese Bedingung ja wohl automatisch erfüllt ist, weil eine Masse, die nur durch ihr Eigengewicht belastet ist, aus der Ruhe heraus keine Aufwärtsbewegung beginnen kann, ist fiir die Praxis richtig, die errechneten Bewegungsgesetze lassen dies zu (man setze z. B. die sehr sinnvollen Werte !J. = 0,3 und a = 15° ein, und schon geht es aufwärts). Die Bewegungsgesetze des Beispiels 2 müssen also unbedingt mit dem Zusatz sina 2: !J.cosa versehen werden.
bzw.
tana 2:!J.
28.2 Kräfte am Massenpunkt
523
I
Beispiel 3: I_ _ _ _.... Ein Massenpunkt m wlrd Wte sklzztert In eine halbkreisfönnige Rinne gelegt und ohne Anfangsgeschwindigkeit freigegeben. Das Bewegungsgesetz cp(l) soll a) bei Vernachlässigung der Gleitreibung, b) bei Berücksichtigung der Gleitreibung
zwischen Massenpunklund Rinne berechnet werden. Gegeben:
R = 1m; J1 = 0,05 .
Die untere Skizze zeigt den frei geschnittenen Massenpunkt mit allen wirkenden Kräften. Die Zentrifugalkraft wurde entgegen der (zum Kreismiltelpunkl gerichteten) Normalbeschleunigung angetragen, die d' Alembertsche Kraft infolge der Bahnbeschleunigung entgegen der gewählten Koordinatenrichtung (die positive Richtung von cp gilt natürlich auch für ep und ip). Auch bei Umkehr der Bewegungsrichtung ergeben sich für diese Kräfte die korrekten Richtungen, die für die Reibkraft dnrch Multiplikation mit der sgn-Punktion erreicht werden. Das Kräfte-GleiChgewicht in BahnrichlUng bzw. senkrecht dazu 111 R ip + J1 FN sgn ep - mg cos cp = 0 FN
-
mRep2 -mgsin cp = 0
liefert nach Elimination der Normalkraft FN die Differenzialgleichung
Rip+ J1. (Rep2 + gsin cp) sgn ep - gcoscp = 0 Für die analytische Berechnung müsstc zunächst sgn ep = I gesetzt werden, um die Differenzialgleichung rür die "Bewegung von m nach rechts" zu lösen, nach Enmittlung des Umkehrpunktes (Zeitpunkt, zu dem ep = 0 wird), wäre dann mit neuen Anfangsbedingungen und sgn ep = -I die "Lösung für den Rückweg" zu berechnen, wieder bis zum (Linken) Umkehrpunkt, dann könnte (mit wieder neuen Anfangsbedingungen) wieder die Lösung der ersten Differenzialgleichung (mit sgn ep = I) verwendct werden, wenn cs überhaupt gelingen würde, diese Lösung analytisch zu berechnen. Weil dies aber ohnehin nicht möglich ist, scheidet dieser mühsame Weg aus. Auch die Vereinfachung (Fragestellung a), die sich ergibt, wenn die Gleitreibung vernachlässigt wird, rührt mit
Rip - gcoscp = 0 auf cinc Diffcrcnzialglcichung, dic in gcschlosscncr F0fl11 (zumindcst bei Vcrwcndung dcr elcmentaren Funktionen) nicht lösbar ist.
.-:> Die Bewcgungs-Differenzialgleichungen, die das sehr einfache Beispicl 3 lieferte, charaktcrisiercn das typische Problem bei Aufgabcn der Kinctik. Bis auf wenige "akademische Beispiele" führen sie auf nichtlineare Differenzialgleichungcn, die sich einer geschlossenen Lösung entziehen I. Die Enmittlung der Bewegungsgesetze des Massenpunktes des Beispiels 3 wird deshalb zurückgestel11und am Ende des folgenden Abschnitts 28.3 nachgeliefert. I Der
sich reibungsfrei auf einer Kreisbahn bewegende Massenpunkt entspricht der Bewegung des ,.mathematischen
Pendels", das im Physikulllcrricht im AJJgemeincn auch nur mü der Beschränkung auf ..sehr kleine Ausschläge" behandeh wird.
28 Kinelik des Massenpunktes
524
I
Beispiel 4: I_"";_ _...1 Eine hOrizontale Scheibe dreht sIch mit konstanter Winkelgeschwindigkeit %. In einer radialen Rinne (mit rechteckigem Querschnitt) wird ein Massenpunkt'" im Abstand a vom Mittelpunkt der Scheibe festgehalten und zum Zeitpunkt I = 0 freigelassen. Gegeben: a= Im; R= 10m; %=2s- l ; J.L=0,3. Unter Beriicksichtigung der Gleitreibung zwischen der Masse 111 und der Rinne soll der Zeitpunkt IR ermittelt werden, zu dem der Massenpunkt die Rinne verlässt (die konstante Winkelgeschwin-
digkeit % soll durch dic Bewegung von m nicht beeinflusst wcrdcn). Das Problem wird als Relativbewegung des Punktes mit einer Koordinate x behandelt, die die Bewegung des Massenpunktes in der Rinne verfolgt und die Drehbewegung der Scheibe mitmacht (der Punkt x = 0 soll im Scheibenmittelpunkt liegen). Für eine beliebige Lage des Punktes zeigt die obere Skizze die Beschleunigungen, die sich nach den Regeln der Relativbewegung des Punktes (Abschnitt 27.2) ergeben: Die Führungsbewegung (Drehung der Scheibe mit konstanter Winkelgeschwindigkeit) trägt nur einen Anteil bei (Normalbeschleunigung des Punktes, in dem sich m gerade befindet), die Relativbeschleunigung der geradlinigen Bewegung ist nach außen gerichtet, während die Coriolisbeschleunigung tangentiale Richtung hat (der Vektor der Winkelgeschwindigkeit steht senkrecht auf der Scheibenebene, die Relativgeschwindigkeit ist radial nach außen gerichtet). Die untere Skizze zeigt die Massenkräfte, die nach dem d' Alembel1schen Prinzip gegen die Beschleurtigungsricbtungen angetragen wurden. Glcitreibkräftc treten am Boden der Rinne und an der Seitenfiihrung auf. Sie werden zu einer Kraft FR zusammengefasst, die bei dieser Aufgabe nur nach innen zeigen kann, weil die Relativgeschwindigkeit nach außen gerichtet ist, eine Bewegungsumkehr ist unmöglich. Die Gleichgewichtsbedingungen werden für drei Richtungen formuliert:
Fr;] =l1lg
FN2 =2mx%
mx-mxwJ+J.L(FNI +FN2) =0
Nach Elimination der Normalkräfte erhält man mit
X+2~I%X-wJX=-J.Lg eine lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten, die in geschlossener Form lösbar ist. Die b.eiden Integrationskonstanten der allgemeinen Lösung werden mit den Randbed ingungen
X(I = 0) = a
.:i'(l
=0) =0
bestimmt, die Frage der AufgabensteIlung kann aus dem dann bekannten Bewegungsgesetz der Masse m iiber die Bedinglll1g X(I = IR) = R berechnet werden. Man erhält mit den gegebenen
Zahlenwerten IR = 2,69s (ausführliche Rechnung untcr www.TM-aktuell.de).
28.3 Lösungen flir Bewegungs-Differenzialgleichungen
525
28.3 Lösungen für Bewegungs-Differenzialgleichungen 28.3.1 Problemstellung Das Beispiel 2 des vorigen Abschnitts, das auf eine konstante Beschleunigung ful1l1e, ist ein Vertreter der wenigen "akademischen Beispiele", die problemlos lösbar sind. Dagegen ist das cinfache Bcispicl 3 repräsentativ für viele Problcmc dcr Kinetik: Die Bewegungs-Differenzialgleichungen sind nichtlinear und entziehen sich einer geschlossenen Lösung. Lineare Differenzialgleichungen sind in der Kinetik selten. Wenn sie dann auch noch konstante Koeffizienten haben (wie im Beispiel 4, weil ~ konstant ist), sind sie geschlossen Jösbar2 , Bis auf ganz wenigc Ausnahmen sind die Bewegungs-Differenzialgleichungen der Kinetik nichtlineare Differenzialgleichungen 2. Ordnung, die nur numerisch gelöst werden kÖl1Jlen. Das fLir verschiedene Aufgaben der Festigkeitsberechnung (lineare Randwertprobleme) so erfolgreich verwendete Differenzenverfahren (vorgesteUt im Kapitel 18) scheidet für die Lösung nichtlinearer Differenzialgleichungen aus. Das Ersetzen der Differenzialquotienten durch Differenzenquotienten an einer großen Anzahl ausgewählter Punkte würde auf ein nichtlineares Gleichungssystem und damit in der Regel zu unüberwindlichen Schwierigkeiten führen, Glücklicherweise treten die nichtlinearen Probleme der Kinetik im Allgemeinen als Anfangswertaufgaben 3 auf (an einem bestimmten Punkt, in der Regel am Anfang der Bewegung, sind alle interessierenden Größen bekannt). Für diesen Aufgabentyp stehen leistungsfähige numerische Verfahren zur Verfügung, Der nachfolgend gegebeue kurze Einblick vermittelt nur die nötigsten Erkenntnisse, auf die auch dann nicht verzichtet werden kann, wenn ein fertiges Computerprogramm genutzt werden soll. Die Anfangswertprobleme bestehen aus einer Differenzialgleichung 2. Ordnung und zwei Anfangsbedingungen (bei Systemen mit mehreren Freiheitsgraden sind es mehrere Differenzialgleichungen und eine entsprechend größere Anzahl von Anfangsbedingungen). Umgestellt nach dcr Beschleunigung, sieht das Anfangswertproblem fLir das Beispiel 3 aus dem vorigen Abschnitt so aus:
rp(t=O)=O
rp(t =0) =0
(28.10)
Das Anfangswenproblem für das Beispiel 4 kann so formuIiert werden:
x=
-J.l8 -2)J ~i+ %x
x(t = 0) = a
.«1 =
0) = 0
(28.1 1)
2Man soll ce sich allerdings die geschlossene Lösung unter www.TM-aklllcll.dc einmal anschauen. Die entstehenden Ausdrücke sind für die Handrechnung kaum zumulbar. und nach der Lösung der Differenzialgleichung führt die Frage der Aufgabemtel1ung schließUch auf eine nichtlineare Gleichung. die nur numerisch gelöst werden kann. so dass man durchaus berechtigt fragen darf: .,Warum dann nicht gleich numerisch?" 3Und wenn es einmal keine Anfangswert3ufgabe ist (es soll z. B ein bestimmter Punkt am Ende der Bewegung erreicht we.rden). dann lUlL'\S man doch djc Algorithmen fUr Anfangswcrtprobleme verwenden. die dann ilerativ mehrfach angewendel werden (,,zielschießen·'). bis die vorge~hriebcne Endbedingung erfLilll ist
28 Kinetik des Massenpunktes
526
28.3.2 Numerische Integration von Anfangswertproblemen Die Verfahren für die numerische Integration von AnfangswenprobJemen werden üblicherweise für eine Differenzialgleichung I. Ordnung formuliert4 , weil damit auch der allgemeine Fall abgedeckt wird: Differenzialgleichungen höherer Ordnung (auch DifferenziaJgleichungssysteme) lassen sich immer durch Einfuhren von zusätzlichen Variablen auf ein DlfferenzialgleichuJlgssystcm I. Ordnung überführcn. Der erste Schritt zur numerischen Lösung einer Bewegungs-Differenzialgleichung ist also das Umschreiben auf ein System I. Ordnung. Man fUhrt dazu fUr die erste Ableitung der Variablen (ciJ bzw. x) neue Bezeichnungen ein, sinnvollerweise die Symbole nir die Geschwindigkeiten. Das Anfangswenproblem 28.11 wird also z. B. folgendermaßen formuliert:
x=
x(r = 0) = a
v
v=-iJ.g-2/.l(t~v+coJx
(28.12)
v(r=O)=O
Allgemein sieht ein solches Anfangswertproblem mit zwei Differenzialgleichungen I. Ordnung und den zugehörigen Randbedingungen so aus:
·i:=fl(i.x,v)
X(I = '0) = xo
v=
V(t=IO)=VO
h(l.X, v)
(28.13)
Gesucht sind die Funktionen X(I) und V(I), die die Differenzialgleichungen und die Anfangsbedingungen in 28. J3 erfüllen. Ausgehend vom einzigen Zeitpuokt, für den der gesuchte x- Wert und der gesuchte v-Wert bekannt sind, dem Allfangspunkt ro mit den Werten Xo und vo, sueht man die Werte XI und VI für den Zeitpunkt '1 = 10 +!'J, um anschließend auf gleiche Weise zum nächsten Zeitpunkt zu kommen usw. Dieser Prozess sei bis zum Zeitpunkt I; abgelaufen, Xi und v; sind bekannt. Dann ist das Berechnen von X;+l und V;+I für den Zeitpunktli+1 = I; +!'J der typische Integrationsschritt des Verfahrens, der am Beispiel der ersten Differenzialgleichung in 28.13 demonstriert werden soll: Bcide Seiten der Differenzialgleichung x = fl (I ,X, v) werden über das Zeitintervall !'J integriert: ',+1
IX~
/1+1
.f X(I)dr=.f fl(i,x,v)dt r=tj
'=1, 11+1
[X(I)];:+I =Xi+1 -Xi = .f fl(I,X,V) dl (-=-lj
'i+l
Xi+1 =Xi+.f fl(I,X,v)dl
(28.14)
Abbildung 28.2: Integrationsschriu für x(t)
(=-1 1
4Es gibl auch Formelsätze für Differenzialgleichungen höherer Ordnung (z. B. das. Verfahren von Runge-KUlta-Nyström mr die in der Kinetik typischen Differenzialgleichungen 2. Ordnwlg). die aber im Wesemlichen eine Zus3mmcnfas5>Ullg
der Formeln für die Din"crenzialgleichungen 1. Ordnung sind und keine nennenswerten Vorteile bringen
28.3 Lösungen rur Bewegungs-Differenzialgleichungen
527
Das Integral auf der rechten Seite von 28.14, das den Zuwachs des Funktionswertes vom Punkt i zum Punkt i + I repräsentiert, muss näherungsweise gelöst werden, weil die im Integranden enthaltenen Fuuktionenx(l) und 1'(1) nicht bekannt sind. Die verschiedenen Verfahren der numerischcn Integration von Anfangswcrtproblcmen unterschcidcn sieh im Wcscntlichen in der Art und Qualität, wie dieses Integral angenähert wird. Die gröbste Näherung für das Integral in 28.14 ist die Annahme, der Integrand fl (I,X,V) sei im gesamten lntegrationsintervall li ~ I ~ li+1 konstant und kann durch den Wert fl (li, X;, Vi) am linken Rand des Integrationsintervalls ersetzt werden (li, Xi und Vi sind bekannt). Mit li+1
J
fl(I,X.v)dl '" [lfl(li,Xi,Vi)]:;+' =fl(li,Xi,Vi)(Ii+I-li) =);iill
/=(/
wird aus 28.14 die nach LEONHARD EULER (1707 - 1783) und AUGUSTIN LOUIS CAUCHY (1789 - 1857) benannte Inlegralionsformel von ElIler-Cauchy: (28.15) (die auf gleichem Wege zu gewinnende Fonnel flir Vi+1 wurde in 28.15 ergänzt). Dies ist die einfachste Näherungsfonnel für die numerische Integration eines Aruangswenproblcms, die Lösungcn X(I) und 1'(1) werden durch Polygonzügc approximiert. Die einfachc Berechnungsvorschrift verdeutlicht in besonderer Schärfe das Problem aller Integrationsfonnein fur Anfangswertproblcmc: Die Näherungslösung für das Integral in 28.14 crzcugt einen Fehler (Quadralwfehler), der in die Berechnung von); und v flir den nächsten Integrationsschritt eingeht und dabei einen weiteren Fehler (Sleigllngsfehler) erzeugt. Eine Verbesserung der Näherung für das Integral in 28.14 kann durch das Einbeziehen weiterer Punkte des Integrationsintervalls ill en'eicht werden. Natürlich ist auch das problematisch, denn die Werte für den Integranden können ja nur am linken Rand mit bekannten Größen berechnet werden. Zwischenwerte erfordern vorab die Berechnung der (wieder nur l1äherungsweise zu gewinnenden) Werte von X(I) und 1'(1) an diesen Stellen. Nach eARL RUNGE (1856 - 1927) und MARTIN WILHELM KUTTA (1867 - 1944) ist eine besonders beliebte Verfahrensfamilie benannt, bei denen man mit einem Formelsatz vom Zeitpunkt li zum Zeitpunkt li+1 so gclangt, dass dic Gcnauigkcit dcr Berücksichtigung eincr bestimmtcn Anzahl von Gliedern der Taylorreihen-EntwickJung der Lösung entspricht. Ein Runge-KuttaVerfahren 4. Ordnung, das ftir einen Integrationsschritt vier Funktionswerte berechnet, arbeitet z. B. mit folgendem Fornlelsatz: Xi+1 = xi+~(klx+2k2,+2k3x+k4x) ,li+1 = li+ill,
Viii = Vi+ ~(kl,+2k2,+2k3,+k4') ,
k 1x
=
/1 (tilXj, Vi)
,
kl v
= f2(tilXi: Vi) ,
k2x = fl(li+~,Xi+~k",Vi+~kl') , k2, = h(li+~,Xi+~klx,Vi+~kl'), kJx
=
fl(li+~,Xi+~k2"Vi+~k2') , kJ,
=
h(li+~,Xi+~k2x,Vi+~k2'),
k 4x = f,(li+ill,Xi+illk3."Vi+illkJ,) , k4, = h(li +ill,Xi +illk3x, Vi +illk3,') .
(28.16)
528
28 Kinetik des Massenpunktes
28.3.3 Schrittweiten, Fehler, Kontrollen Die Anzahl der verfügbaren Verfahren fiir die numerische Integration von Anfangswertproblemen ist kaum zu überblicken. Dass dje Formeln wie z. B. der Formelsatz 28.16 etwas unhandlich aussehen, ist unbedeutend, denn eine Handrechnung verbietet sich in der Regel von selbst, zumal leistungsHihige Software-Produkte verfügbar sind. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass mit kleinen Schrittweiten die Genauigkeit verbessert und der Aufwand vergrößert wird 5 Leider gibt es weder das ideale Verfahren noch eine sichere Möglichkeit der Fehlerabschätzung. Bei einem Verfahren 4. Ordnung (Übereinstimmung mit den ersten 5 Gliedern der TaylorreihenEntwicklung) wie 28.16 entsteht in jedem Integrationsschritt ein Fehler in der Größenordnung (1l/)5, der bei genügend kleiner Schrittweite sehr klein ist, andererseits reagiert das Verfahren bei zu großer Schritlweite sehr empfindlich. Es gibt zwei praktikable Strategien. den in einem Schritt erzeugten Fehler abzuschätzen: • Jeder Schritt wird ein zweites Mal mit halber Schrittweite gerechnet. Dann kann einerseits eine Fehlerabschätzung (und eine Korrektur der berechneten Werte) vorgenommen werden, außerdem kann man bei zu großen Abweichungen die Schrillweite verkleinern. • Es wird nach zwei verschiedenen Velfahren gerechnet. Dafür gibt es feinsinnig ausgedachte Strategien, bei denen die für den aktuellen Schritt berechneten Funktionswerte für beide Verfahren genutzt werden können (realisiet1 z. B. in den so genannten "Eingebetteten RungeKutta- Verfahren"). Auch damit kann die Schriltweite gesteuert werden. Aber es bleibt schwierig, besonders FLir den Praktiker. Die Fragen "Wie groß ist eine zu große Abweichung in einem Integrationsschritt?" oder "Wie wirkt sich ein kleiner Fehler bei den ersten Integrationsschrillen auf die Funktionswerte am Ende des gesamten Zeitbereichs aus?" können niCht generell beantwortet werden. Eine Alternative zu den so genannten Eillschritrve(fahrell (Runge-Kutta- Verfahren), bei denen nur die Werte zum Zeitpunktt; als Basis für die Berechnung der Werte zum Zeitpunkt t;+ I benutzt werden, sind die Mehrschrittvetfahren, die durch das Einbeziehen auch vorab berechneter Werte die Genauigkeit steigern. Für diese Verfahren sollte jedoch die Schrillweite möglichst konstant sein, so dass die beschriebenen Strategien FLir die Schrillweitensteuerung ungeeignet sind. Es gibt kaum ein anderes Gebiet der Technischen Mechanik, in dem die mathematischen Hilfsmittel mit so viel Vorsicht zu benutzen sind wie bei der numerischen Lösung von Anfangswet1problemen, zu der es allerdings aueh keine Alternative gibt. Auch die Hinweise in Handbüchern von Mathematik-Software, dass modernste Verfahren eingesetzt werden und dem Anwender dje Wahl einer geeigneten Schrittweite durch integriette automatische Sehrillwcitensteuerung erspa.1 bleibt, sollten auf keinen Fall zur Akzeptanz der errechneten Ergebnisse ohne eigene wirkungsvolle Kontrollmaßnahmen verführen. Zahlreiche Beispiele (www.TM-akmell.de) zeigen, dass die Standard-Einstellungen bei dcn kommerziellen Software-Produkten nicht ausreichen, um Anfangswet1probleme auch üher nur begrenzte Zeitintervalle korrekt zu löscn. 5Auch diese Aussnge ist zu relativieren. denn bei sehr kleinen und damit sehr vielen Schrillen steigt mil der Anzahl der Rechenopcrationen auch die Gefahr der Rundungsfehler.
28.3 Lösungen rur Bewegungs-Differenzialgleichungen
529
I
Beispiel]: I_"';'_....1 Das Beispiel31m Abschnitt 28.2.2 auf Seite 523 (siehe auch nebenstehende Skizze) führte auf das Anfangswertproblem 28.10 (Seile 525). Durch EinfUhren der neuen Variablen w = ep kommt man zu Differenzialgleichungen I.Ordnung:
ep=w W. =
- p
rp(1 = 0) = 0 g .) (2 g cos rp W + Rsm rp sgn w + R
In dieser Form kann es einschlägigen Programmen angeboten werdcn. Abbildung 28.3 zeigt die Lösung der beiden Anfangswertprobleme Flir die in der AufgabensteIlung vorgegebenen Werte (R = I mund p = 0 bzw. P = 0,05) im Zeitbereich O:S t lOs.
:s
ql
•
3
W(I =
0) = 0
(t)
f\ f\
f\
(t)
3.2 3.'
2
3 2.9
0
0
\/ 2
\/
•
11
\1 6
'Pb(t)
8
10
2.8 8.1
8.2
8.3 ro
b
8.5
8.'
(t)
3
In dcn beiden oberen Diagram2 men ist die Funktion rpa(l) bei Vernachlässigung der Gleitreibung (Fragestellung a) zu sehen, darunter sind rpb(l) und 10 -50L--:2- - . - - :6'---:8--.J,O 00 2 • 6 8 Wb(t) bei BerUcksichtigung der Abbildung 28.3: Kinematische Diagramme rur reibungsfreie (oben) Reibung dargestellt. und reibungsbehaftete Bewegung (unten), berechnel mit Mallab
Die Verläufe der Funktionen, die sich ohne Gleitreibung ergeben, zeigen, dass die numerische Rechnung "gesund" ist: Ocr Massenpunkt muss theoretisch immer wieder die Ausgangshöhe erreichen. Der Zoom oben rechts zeigt einerseits, dass das Ergebnis natürlich nur ein Polygonzug ist, andererseits hat der letzte positive Maximalwert fUr rp" im untersuchten Intervall den erwarteten Wert. Die Lösung dieser Aufgabe findet man unter www.TM-aktuell.de. wo auch gezeigt wird, wie Illan durch Vergleich der Funktionswerte am Ende des Zeitbereichs bei Rechnung mit unterschiedlichen Schrillweiten einen rur das Problem angemessenen Wert findel.
!'f#t. -
WWW - Mathematik für die Technische Mechanik - WWW Numerische Illtegration VOll Anfangswertproblemen auf der Internet-Site Malhemntikfür die Technische Mechanik (www.TM-Mathe.de) bietet u. a.:
. 11;
I
'
~;
Skript "Numerisehe Integration von Anfangswertproblemen", Teil I (Grundlagen) Skript "Numerische Integration von Anfangswertproblemen", Teil 2 (Praxis) Demonstration an zahlreicben Beispielen: Schrittweitenwahl, Kopplung in den Besehleunigungsgliedern, "Ereignisse" (Anschlag an Federn, An- und Abschalten von Antriebskräften, plötzliche Änderung der Bewegungswiderstände), Berechnung von Kontrollfllnktionen, Animation des Bewegllngsablaufs, ...
28 Kinetik des Massenpunktes
530
I
I_"";_ Beispiel_...1 2: E'In GI' . eltstem
. (er I ffilt
M asse
In
kTann au feiner ' ' vertl'kaI en F"h u rung rel'b ungs frel
gleiten. Er ist durch eine (lineare) Feder gefesselt, die im entspannten Zustand die Länge b hat. Der Gleitstein wird um xanf ausgelenkt und zum Zeitpunkt t = 0 ohne Anfangsgeschwindigkeit freigelassen. Für das Intcrvall 0::; I Anfangsauslenkungen Xan j.l =
-80.
1
::;
20s sollen die Bewegungsgesctzc x(t) ftir die
a Xan [.2
=
~4,493a
l
Xafl!,3 =
-4,492a
ermittelt werden. Gegeben:
~=I I/1g
b - =4 ; ~=9.8Is2 . a a
Die untere Skizze zeigt die freigeschnittene Masse mit der eingeprägten Kraft I/1g, den Reaktionskräften FN und Fe (Federkraft) und der d' Alembertschen Kraft I/1X, die der Weg-Koordinate x entgegengerichtet ist (kein Bewegungswiderstand, weil reibungsfreie Führung). Die Gleichgewichtsbedingung für die horizontalen Kraftkomponenten wird nicht benötigt, weil die Normalkraft FN nicht gefragt ist und wegen der Vernachlässigung der Gleitreibung in der Gleichgewichtsbedingung für die vertikalen Kraftkomponenten nicht erscheint. Das KräfteGleichgewicht in vertikaler Richtu ng
mx+ F,cosa - mg = 0 enthält die Federkraft, für die nach dem Federgesetz
Fe = c ( ../a2 +x2 - b) eingesetzt werden kann ("Federkonstante . Differenz aus Federlänge und Länge der entspannten Feder", vgl. Abschnitt 10.1). Für die Winkelfunktion liest man aus der Skizze ab: cos a =
x
-,=="" 2 2
Ja
+x
und damit erhält man die (nichtlineare) Bcwegungs-Differenzialgleichung:
mx+c (../a 2 +x2 -b) ~ -mg = 0 va- +x-
Division dieser Gleichung durch mg und Ausklammern des Faktors a, um die gegebenen (dimensionslosen) Größen zu erzeugen, zeigt, dass es sinnvoll ist, auch noch zu einer dimensionslosen Bewegungskoordinate überzugehen. Dafür wird x = gewählt, und nach einigen elementaren Umrechnungen erhält man das (nichtlineare) Anfangswertproblem
*
~x=-g
a
[ 1 -ca -
mg
X an!
x(t = 0) = -
a
(~b) vl+r-a
x ] ../1+x2
. x(T = 0) = 0
28.3 Lösungen rur Bewegungs-Differenzialgleichungen
, , ,
,,
~ ~ ~ ~ ~ Anfangsauslenkung: =-8 a ,,
.,
I
1\ 1\ 1\ 1\
;
,
'0
~
2 t
16
., ·Il
n
16
.,
A
,
,
Anfangsauslenkung: x = - 4,492 a
.,
t
\
i
, Anfangsauslenkung: x :;:: - 4,493 a
Ä
16
.,
531
., Ir
.,
,
t
16
.,
Abbildung 28.4: Die Folgen unterschiedlicher Anfangsbcdingungen Die Abbildung 28.4 zeigt links den Bewegungsablauf für die Anfangsauslenkungxa"J. I = -8a. Es ergibt sich eine ,.fast normale Schwingung", bei der nur die ,.kleinen zacken" im Geschwindigkeitsdiagramm andeuten, dass die Masse sich auf ihrem Weg nach unten und oben am Lager bei stark zusammengedrückter Feder "vorbeidrängeln" muss. Bei einem Fall aus der geringeren Höhe X"oJ.2 = -4,493a gelingt es der Masse gerade noch, am Lager vorbeizukommen (Abbildung 28.4, Mitte). Die Geschwindigkeit wird sowohl bei der Abwärts- als auch bei der Aufwärtsbewegung vorübergehend fast Null. Dies geschieht an dem Punkt der größten Zusammendrückung der Feder (dies ist übrigens - vgl. Kapitel 10 - die instabile statische Gleichgewichtslage der Masse). Bei der nur unwesentlich geringeren Anfangsauslenkung xanJ.} = -4,492a (Abbildung 28.4, rechts) kommt die Masse an diesem Punkt nicht vorbei: Der Punkt der größten Federzusammendrlickung wird zum Umkehrpunkt der Bewegung. Da keine Reibungsverluste berücksichtigt werden, muss die Masse in jedem Fall die Ausgangshöhe immer wieder erreichen. Die grafischen Darstellungen der Funktionen bestätigen das. Dieses Beispiel verdeutLicht mit den völlig unterschiedlichen Bewegungsverläufen bei nur geringfügigen Änderungen der Anfangsbedingungen auch, wie kritisch sich Verfahrensfehler bei der numerischen Integration von Anfangswertproblemen auswirken können, denn in jedem Integrationsschritt haben die (mehr oder weniger fehlerbehafteten) Ergebnisse des vorherigen Schrittes den Charakter von Anfangsbedingungen für die gesamte nachfolgende Rechnung (und das hier behandelte Beispiel liefert bei zu grober Schrittweite tatsächlich falsche Bewegungsverläufe, siehe www.TM-aktueLl.de). Dieses Thema wird deshalb noch mehrmals mit etwas anspruchsvolleren Aufgaben aufgegriffen. Dann wird auch (neben der immer zu empfehlenden Mehrfachrechnung mit unterschiedlichen Schrittweiten) die Mögl.ichkeit diskutiert, "KontroJIfunktionen" zusätzlich zu berechnen (die theoretische Basis dafiir wird im nachfolgenden Abschnitt 28.4 behandelt).
28 Kinetik des Massenpunktes
532
28.4 Integration des dynamischen Grundgesetzes In Abhängigkeit von der Aufgabensteilung kann es zweckmäßig sein, das Prinzip von d' Alembert (Abschllitt 28.2.2) zu nutzen und über die Gleichgelvichrsbedingungen mir allschließender Imegrarion zu den Bewegungsgleichungen zu kommen oder aber einen der in den Abschnitten 28.4.2 und 28.4.3 behandelten Wege der Inregrarioll des dynamischen Grundgesetzes zu wählen. Nachfolgcnd werdell zunächst einige Definitionell wichtiger mechanischer Größen vorangestellt.
28.4.1 Arbeit, Energie, Leistung Mechanische Arbeit (vgl. auch die Definition auf Seite 421) ist das Produ.kt aus dem Weg und der tangential zur Bahnrichtung wirkenden Kraft:
'2
W=
Jz
JF J dr =
Fs ds
(28.17)
·~l
T'
r.:> Das skalare Produkt zwcicr Vcktorcn ist gerade so dcfinicrt, dass cs wr Definition dcs mechanischen Arbeitsbegriffs passt. Dagegen muss in der skalaren Fonn der Gleichung 28.17 für Fs der Betrag der Komponente des Kraftvektors in Richtung der Bahntangente des Weges eingesetzt werden. Die Arbeit W ist eine skalare Größe mit der Dimension "Kraft . Länge" und wird z. B. in Nm ("Newtonmeter") oder J (',Joule") gemessen: INm= IJ
r.:> Erfolgt die Bewegung auf einer Kreisbal1n mit dem Radius R. dann hat die tangential gerichtete Kraftkomponente Fs bezüglich des Mittelpllnktes ein Drehmoment M = FsR und mit ds = Rdrp bzw. Fsds = Fs Rdrp = M drp erhält man die Formel für die Arbeit bei einer Drehbeweg,mg: 'P2
W
=.1
M drp
(28.18)
'P'
Bei dreidimensionalen Problemen ist zu beachten, dass M in 28.18 nur der Betrag der Komponente des Momentvektors parallel zur Drehachse ist. oe:> Arbeit kann immer nur von dcn an einem System angreifenden äußeren Kräften bzw. Mo-
menten geleistet werden (vgl. die im Kapitel 24 angestellten Überlegungen zur Formänderungsarbeit in elastischen Systemen).
I
Beispiel J: I_ _ _.....I EIl1 Waggon Wird mtt ell1er Kraft F = 12kN, dte unter einem Winkel a = 25° angreift, über eine Strecke s = 50 m bewegt. Welche Arbeit wird dabei geleistet.
Da die Kraft konstant ist und nur die Komponente in Wegrichtung Arbeit leistet, errechnet man: W = Fcosa -s = 544kN m = 544kJ
533
28.4 Tntegralion des dynamischen Grundgesetzes
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Es soll die ArbeIt berechnet werden, dIe von der Gewichtskraft einer Masse 111 geleistet wird, die auf einer schiefen Ebene reibungsfrei entlang des Weges s abwärts gleitet und dabei den Höhenunterschied h = h I - h2 überwindet.
Aueh hier leistet nur die in Wegricbtung fallende Komponente der Gewichtskraft mg sin Cl eine Arbeit, und man erhält:
W = mgsinCl's = mgsin Cl ~ = mgh = mg (h1 - 11.2) SIl1 Cl
<:> In das Ergebnis des Beispiels 2 gehen weder die Strecke s noch der Winkel Cl ein. Eine steilere schiefe Ebene und ein kürzerer Weg s würde wie eine flachere schiefe Ebene und ein längerer Weg s dann die gleiche Arbeit der Gewichtskraft liefern, wenn die Höhendifferenzen von Ausgangs- und Endpunkt gleich sind. Es ist klar, dass dies nicht nur fLir die schiefe Ebene (mit einer geradlinigen Wegstrecke) gilt, denn das am Beispiel 2 ermittelte Ergebnis gilt für die geleistete Arbeit der Gewichtskraft entlang einer beliebigen differenziell kleinen Wegstrecke ds und damit auch für das Integral 28.17, mit dem die differenziell kleinen Arbeitsanteile summiert werden. Die Arbeit der Gewichtskraft einer Masse m ist vom Weg unabhängig, in das Ergebnis geht nur die Höhendifferenz 11. = 11., - 11.2 des Anfangs- und Endpunktes der Bewegung ein:
W = mgh = mg (I" - 11.2)
(28.19)
<:> Das Arbeitsvermögen der Gewichtskraft einer Masse
111 (das Potenzial der Gewichtskraft) hängt also ausschließlich von der Höhe h ab, in der sich die Masse über einer willkürlich zu definierenden Bezugsebene befindet. Die Arbeit, die sie bei einer Bewegung bis zum Erreichen dieser Bezugsebene leistet, ist nach 28.19 vom Weg dahin völlig unabhängig. Das Arbeitsvermögen (die Fähigkeit, Arbeit zu leisten) wird als Energie bezeichnet: Eine Masse m in der Höhe 11. über einer Bezugsebene hat die potenzielle Energie
U=mgh
(28.20)
<:> Kräfte, die (wie die Gewichtskraft) ein Potenzial besitzen, so dass die von ihnen geleistete Arbeit nur vom Anfangs- und Endpunkt der Bewegung abhängt (und nicht von dem Weg, der dabei zurückgelegt wird), nennt man konservative Kräfte. Neben der Gewichtskraft ist die Federkraft ein Beispiel daflir: Eine Feder mit der Federkonstanten c hat (vgl. Abschnitt 24.1) die potenzielle Energie U=
I -cs6 2
(28.21 )
(so ist der Federweg, die Verlängerung oder Verkürzung bezüglich der Länge der entspannten Feder).
<:> Arbeit wld Energie sind äquivalente Größen und werden dementsprechend mit den gleichen physikalischen Einheiten gemessen.
534
28 Kinetik des Massenpunktes
Weil in die Arbeit die Zeit, in der sie verrichtet wird, nicht eingeht, definiert man als Maßfiir die pro Zeiteinheit verrichtete Arbeit die
dW P=dr
Leistung:
(28.22)
Für eine in Wegrichlllng konstante Kraft F gilt
ds P=F-=Fv dt
(28.23)
und für eine Drehbewegung mit konstantem Moment M: P=Mw
(28.24)
oe:> Die Leistung ist einc skalare Größe mit der Dimension "ArbeitJZeit", z. B.:
I NmJs
= I J/s = I W
Die Leistungseinheiten W (Watt) und kW (Kilowatt) werden auch häufig als Ws (Wattsekunde) bzw. kWh (KilowattslUnde) für die Arbeit verwendet.
28.4.2 Der Impulssatz Aus dem dynamischen Grundgesetz 28.1 ergibt sich durch bestimmte Integration von
Fdt = d(mv) über die Zeit der Impulssatz: Das Zeitintegral über die Kraftwirkung ergibt die Impulsändcrung.
JF '1
dt = (//lv), -(mv)o =
PI -PO
(28.25)
10
Der Impulssatz 28.25 eignet sich für die Lösung von Problemen, bei denen nach einer Geschwindigkeit bei bekannter Kraftwirkung über die Zeit gefragt wird.
I
Beispiel: I_ _ _ _ Durch EInwIrkung einer konstanten Bremskraft F = 3 kN über ill = 5 s Wird ein Pkw mit der Masse m = 1000 kg, der sich mit v = 150 km/h bewegte, abgebremst. Wie groß ist danach seine Geschwindigkeit v,? Da die Kraft während des Bremszeitraumes konstant ist und der Bewegungsrichtung entgegengesetzt wirkt, folgt aus dem Impulssatz: - F ßf = ,n Ve - m v , F km 3000 N v, = v- -ill = 150- - - - - ·5s = 96km/h m h 1000 kg
Für den einzelnen Massenpunkt hat der LmpuJssatz 28.25 nur untergeordnete Bedeutung. er wird deshalb im Kapitel 30 (Kinetik des Massenpunktsystems) ausfiihrlicher behandelt.
535
28.4 Tntegralion des dynamischen Grundgesetzes
28.4.3 Der Energiesatz Die Integration des dynamischen Grundgesetzes 28.2 iiber den Weg
J72
(Voraussetzung: Masse der linken Seite den
In
J 72
I" d-r =
111
Jcl, '2
dl! dl d-r =
In
dl d-v =
J '2
111
-d-V
V
ist konstant) liefert unter Ausnutzung von 28.17 fLir das Integral auf
Arbeitssatz:
(28.26)
Die von der (tangential an die Bahnkurve gerichteten) äußeren Kraft Ps längs des Weges s geleistete Arbeit ist gleich der Differenz dcr kinetischen Energie des Massenpunktes 111 zwischen Endpunkt und Anfangspunkt der Bewegung. Die kinetische Energie (28.27) ist das Arbeitsvermögen des Massenpunktes digkeit v.
111
infolge seiner Bewegung mit der Geschwin-
Im Abschnill 28.4. I wurdc am Bcispicl der Gcwichtskraft der Massc In gezcigt, dass das Intcgral auf der linken Seite von 28.26 fiir Potenzialkräfte vom Integrationsweg unabhängig ist. Bei ausschließlicher Wirkung der Gewichtskraft dcs Massenpunktes m kann dieses Integral durch 28.19 ersctzt wcrdcn. Aus
folgt mit (28.28) die einfachste Form des Energiescilzes. weil dic Arbeit der äußeren Kraft (Gewichtskraft des Masscnpunktes m) durch Termc in Form der potcnziellen Encrgic des Masscnpunktcs 28.20 ausgedrückt wurde. Mit 28.20 und 28.27 wird aus 28.28 der Energiesatz für die Bewegung eines Massenpunktes: VI
+ TI = V2 + Ti = konstant
(28.29)
Unter der Voraussetzung, dass ausschließlich konservative Kräfte (Potenzialkräfte) auf den Massenpunkt einwirken, ist die Summe aus potenzieller und kinetischer Energie konstant.
28 Kinetik des Massenpunktes
536
oe:> Die Entwicklung des Energiesatzes, die unter ausschließlicher Berücksichtigung der Ge-
wichtskraft für das Integral auf der linken Seite des Arbeitssatzes auf 28.28 fuhrte, würde bei Berücksichtigung anderer Potenz.ialkräfte entsprechend verlaufen, so dass der Energiesatz in der Fassung 28.29 bei Wirkung beliebiger Potenzial kräfte gilt, z. B. auch für Federkräfte. deren potenzielle Energie nach 28.21 einfließen kann. oe:> Bei ausschließlicher Wirkung konservativer Kräfte fließen in die Gleichung des Energiesat-
zes 28.29 nur Zustandsgrößen zweier ausgewählter Zeitpunkte der Bewegung ein (und die Zeit konu11I in dieser Gleichung nicht einmal explizit vor). Der Energiesatz 28.29 vergleicht gewissennaßen zwei "Momentaufnahmen", ohne den Verlauf der Bewegung im Detail zu verfolgen. Er ermöglicht gerade bei komplizierten Bewegungen vielfach einige spezielle Aussagen über das Verhalten des bewegten Massenpunktes. Wenn neben den konservativen noch andere ("nieht-konservative") Kräfte auf den Massenpunkt einwirken (ihre Wirkung kann nicht über die potenzielle Energie e,fasst werden), so muss die von ihnen verrichtete Arbeit über das Arbeitsintegral (linke Seite des Arbeitssatzes) in die EnergiebiJanz einbezogen werden. Nachfolgend wird angenommen, dass die Arbeit dieser Kräfte (Antriebskraft, Gleitreibungskraft, ... ) nach 28. I7 berechnet wird. Wenn mit dem Symbol W die gesamte Arbeit der Nichtpotenzialkräfte erfasst wird, erfahrt der Energiesatz mit diesem Anteil (der linken Seite des Arbeitssatzes) folgende sinnvolle Erweitenmg. Erweiterter Energiesatz für die Bewegung eines Massenpunktes: (28.30) Die Gleichung 28.30 vergleicht zwei Bewegungszustände I und 2 mit den zugehörigen potenziellen Energien VI und V2 und den kinetischen Energien Tt und T2. W ist die während der Bewegung von I nach 2 durch die Nichtpotenzialkräfte verrichtete Arbeit, die uacb 28.17 berechnet werden kann. W enthält positive Ameile, wenn Energie zugeführt wird (Antriebskräfte), und negative Anteile, wenn Energie abgeführt wird (Abtriebskräfte, Reibung).
Empfohlenes Vorgehen bei der Lösung von Problemen mit Hilfe des Energiesatzes: CD Definition der bei den zu betrachtenden Zustände I und 2,
® Festlegen des Null-POTenzials (horizontale Ebene) als Bezugsfläche für die potenzielle Energie der Lage (infolge der Gewichtskraft), @
Aufstellen der Energiebilanz: Summe aus kinetischer und potenzieller Energie im Zustand 1
+ Zugeführte Energie (Antrieb) während der Bewegung von 1 nach 2 Abgeführte Energie während der Bewegung von 1 nach 2 (Abtrieb, Reibung) = Summe aus kinetiscber und potenzieller Energie im Zustand 2
537
28.4 Tntegralion des dynamischen Grundgesetzes
oe:> Aus den Energiebilanz-Gleichungen 28.29 und 28.30 wird deutlich, dass die Höhe, in der das
Null-Potenzial angesiedelt wird, beliebig gewählt werden darf, denn unterschiedliche Höhen resultieren in unterschiedlichen additiven Konstanten, die auf beiden Seiten der Gleichungen in gleicher Größe auftauchen. oe:> Da in die Energiebetrachtungen im Wesentlichen Geschwindigkeiten und Wege eingehen,
liefert der Energiesatz unmittelbar einen Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit des Massenpunktes und seiner Lage (im Unterschied zur Behandlung von Problemen mit dem Prinzip von d' Alembe.t, die primär auf Abhängigkeiten von der Zeit führt). oe:> Natürlich können mit dem Energiesatz nicht nur die Bewegungsgrößen zu speziellen Zeit-
punkten betrachtet werden. Wenn man z. B. den Zustand 2 als den Bewegungszustand zu einem beliebigen Zeitpunkt I ansieht, erhält man ein Bewegungsgesetz, das den Verlauf der Bewegung beschreibt. Es ist eine Geschwindigkeits-Weg-Funktion, die gegebenenfalls durch Differenzieren nach der Zeit in eine Beschleunigungs-Zeit-Funktion umgewandelt werden kann (vgl. nachfolgendes Beispiel 2).
Beispiel}:
I
I_ _ _ _...I E,ne Masse 111 WIrd 111 der Hohe h mlt der Anfangsgeschwindigkeit vo senkrecht nach oben geworfen. Wie groß ist ihre Geschwindigkeit beim Aufprall auf dem Erdboden (Luftwiderstand ist zu vernachlässigen)? Wie ändert sich das Ergebnis, wenn die Masse in beliebiger Richtung abgeworfen wird?
lvo
v /0
CD
Als BewegungsZllstand I wird der Abwurf (Masse hat in der Höhe h die Geschwindigkeit vo) und als Bewegungszustand 2 wird das Auftreffen auf dem Boden definiert. Das Null-Potenzial wird bei 2 angenommen, so dass aus der Energiebilanz nach 28.29 die Aufprallgeschwindigkeit berechnet werden kann: I
2
I
2
IIlgh+2:ftlvO=2:IIlV2
v2 = JvÖ+2gh
(28.31 )
oe:> Die Größe der Aufprallgeschwindigkeit ist von der Abwurfrichtung unabhängig, nicht aber
ihre Richtung, auch nicht die von der Masse während des Flugs erreichte Höhe.
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 E1I1 Massenpunkt m wU'd bel cP = 0 m eme krelsförmige Rinne gelegt und ohne Anfangsgeschwindigkeit freigegeben. Seine Bewegung wird durch die Koordinate cp verfolgt. Unter Vernachlässigung von Reibungscinflüssen 501l1j> in Abhängigkeit von cp ermittelt werden. Die Startposition wird (wie skizziert) als Bewegungszustand I definiert und der beliebige Zeitpunkt, zu dem der Winkel cp erreicht wird, als Zustand 2. Das Null-Potenzial soll mit Zustand I zusammenfallen. Dann lautet die Energiebilanz nach 28.29 mit der Bahngeschwindigkeit RIj>:
0=
-ftlgRSincp+~IIl(Rrp)2
. cp =
~2g· V" R cp S1l1
(28.32)
538
28 Kinetik des Massenpunktes
oe:> Die Null auf der linken Seite in der Energiebilanz 28.32 sagt aus, dass keine kinetische Ener-
gie im Zustand I vorhanden ist, weil die Bewegung ohne Anfangsgeschwindigkeit beginnt, und auch keine potenzielle Energie wegen der Wahl des Null-Potenzials auf dieser Höhe. [m Zustand 2 wird die potenzielle Energie negativ, weil der Massenpunkt unter dem gewählten Null-Potenzialliegl. oe:> Die erstaunlich problemlose Berechnung der Aufprallgeschwindigkeit aus der Energiebilanz
28.31 beim schiefen Wurf und die einfache Bcrechnung der Funktion ep( cp) aus der Bilanz 28.32 stehen im Gegensatz zu den Schwierigkeiten, die mit der Erminlung der Bewegungsgesetze ftir die gleichen Aufgaben (Beispiel im Abschnin28.1 bzw. Beispiel 3 im Abschnitt 28.2.2) verbunden waren. Das mit dem Encrgiesatz für dcn schiefen Wurf mühelos ermiuelte Ergebnis wäre mit Hilfe des Prinzips von d'Alembert nur unter erheblichem Aufwand zu erlangen. Andererseits gibt die Energiebilanz (im Gegensatz zur d' Alembelt-Rechnung) keine Auskünfte llber Wurfweite, Auftreffwinkel und Flugzeiten. oe:> Mit 28.32 ist natürlich auch eine hervorragende Kontrollmöglichkeit (ftir jedes einzelne Wer-
tepaar) der numerisch erminelten Funktionen cp(l) und ep(l) gegeben (siehe Seite 529). oe:> Auch über den Energiesatz kann man zu den zeitabhängigen Funktionen gelangen: Diffe-
renziation von 28.32 auf beiden Seiten nach der Zeit entsprechend .. gcoscp . gcosq>. g q> = q> = - - . - q> = - cosq> RJ2~Sinq> Rq> R fühlt auf die gleiche Differenzialgleichung, die sich auch nach dem Prinzip von d' Alembert ergab (Sei tc 523). Sic ist der Ausgangspunkt für die Berechnung von q>(t) und ep(I). oe:> Ausdlücklieh gewarnt werden muss vor dem (naheliegenden) Versuch, 28.32 direkt nume-
risch lösen zu wollen, denn eigentlich liegt mit
ep = J(I, cp)
=
J~ 2
sin q>
cp(1
= 0) = 0
gcnau das Anfangswcrtproblem 28.13 (mit sogar nur einer Differenzialgleichung) vor, für das im Abschnitt 28.3.2 die numerischen Lösungsmöglichkeiten vorgestellt wurden. Dass sich als Lösung ergibt, darf auch nicht dem numerischen Lösungsverfahren angelastet werden, denn es ist tatsächlich eine Lösung dieses Anfangswertproblems (man überzeugt sich leicht durch Einsetzen). In der Mathematik wird gezeigt, dass die Eindeutigkeit der Lösung des Anfangswertproblems an die Erfüllung der so genannten Lipschilz-Bedil7gul7g (nach RUDOLF Li?SCH (TZ, 1832 - 1903)
Idj~t/l;K
(28.33)
gebunden ist (mit der beliebigen, aber endlichen Lipschitz-Kol7stGl7ten K). Für q> = 0 ist 28.33 aber bei dem betrachteten Anfangswertproblem nicht erfüllt. Dies ist typi.seh flir solche mit dem Energiesatz fomlulierten Anfangswertprobleme.
28.5 Aufgaben
539
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 DIe Walzen emes Walzwerks (Durchmesser d) drehen sich mit der Drehzahl n. Ein Stahlblock mit der Masse m, der das Walzwerk verlässt, kommt auf einer horizontalen Bremsstrecke nach So zur Ruhe. Gegeben:
= 300 min- 1 d = 480 Illm
11
:..
:
"
So = 28m fII
= 500kg
Wie groß ist dcr Gleitreibungskocffizicnll1 auf der Brcmsstrcckc? Wic stark würdc ein masseloser elastischer Puffer (Federzahl c = IOOON/cm) bei s = 20m von dem aufprallenden Stahlblock zusammengedrückt wcrdcn? Bcim Verlasscn dcs Walzwcrkes hat dcr Stahlblock die Umfangsgeschwindigkcit der Walzcn. Seine kinetische Energie (potenzielle Energie braucht nicht berücksichtigt zu werden, weil der Stahlblock sich immer auf gleicher Höhe bewegt) wird um die Reibarbeit vermindert und im Zustand 2 (Ruhe) ist auch keine kinetische Energie mehr vorhanden. Aus der Bilanz nach 28.30 berechnct man mit der Umfangsgeschwindigkeit der Walzen nach 26.18 bis 26.21 und dcr Reibarbeit W = -FR So (konstante Reibkraft infolge konstanter Normalkraft):
~1Il(2rrn~)2-l1f11gS0=0
=}
=}
J1. = (rrdn)2 = 0.103
2gso
.
Wird der Block schon vorher durch die Pufferfeder abgebremst, lautet die Energiebilanz mit der im Zustand 2 Ulll den Federweg x zusammengedrückten Feder, deren potenzielle Energie sich nach 28.21 berechnet:
I,
I
?
"2I1lVj-I1FNs= "2 c x-
x= 28,5cm
Der unwesentliche Anteil der auf dem Federweg noch anfallenden Reibarbeit wurde vernachlässigt, wäre jedoch relativ problemlos durch den Weg s + x (anstelle von s) im Reibarbeitsanteil zu beriicksichtigen.
28.5 Aufgaben
I
Allfgabe 28. J: I_..;.;; .... Em Massenpunkt gleitet reIbungsfrei eme Schanze hinab. Er beginnt die Bewegung in der Höhe hohne Anfangsgeschwindigkeit und verlässt die Schanze aus dem letzten kreisförmigen Teil unter einem Winkel von 45°. Wie groß ist seine Anfangsgeschwindigkeit für den sich anseWießenden schiefen Wurf? Gegeben:
h
=2m;
R
=0,5m .
R
540
28 Kinetik des Massenpunktes
I
Aufgabe 28.2: I Eine Winde zieht mit konstantem Moment Mo eine Masse m eine schiefe Ebene hinauf. Zwischen der Masse lJ1 und der schiefen Ebene ist Gleitreibung mit dem Gleitreibungskoeffizienten ~L zu berücksichtigen. Die Masse der Winde kann vernachlässigt werden. Dic Bewegung beginnt aus der Ruhe heraus. Gegeben:
Mo,
1J1,
~' .•...
""").1.
0:
a, s, R, IJ· .
Wie groß ist die Geschwindigkeit v der Masse m, nachdem sie den Weg
I Aufgabe 28.3:
R
S
ztLrückgelegt bat?
I
Ein Massenpunkt m wird mit der Anfangsgeschwindigkeit vo in eine Kreisbahn mit dem Radius r geschossen.
Gegeben:
m = I kg va = 4 m/s
r
r=lm IJ= 0,2
a) Die Kreisbahn liegt als Rinne in der Horizontalebene. Reibung ist am Boden der Rinne und am Außenrand zu berücksichtigen.
Man ermiule dic grafischcn Darstcllungcn dcr Funktionen tp(l) und Ij>(l) sowie den Winkel tpend und die Zeit tend am Ende der Bewegung.
r
b) Die Kreisbahn liegt in der Vertikalebene. Unter Berücksichti-
gung von Gleitreibung sind die grafischen Darstellungen der Funktionen tp(I), Ij>(t) und dcr Normalkraft FN(t) zu ermitteln.
I Aufgabe 28.4:
I
Eine horizontale Scheibe dreht sich mit der konstanten Winkelgcschwindigkcit ~. In eincr geraden Rinne wird ein Massenpunkt 111 in der skizzierten Lage festgehalten lind zum Zeitpunkt I = 0 freigelassen.
R
a) Bei Vernachlässigung von Reibungseinftüssen ermittle
man für dcn Massenpunkt dic Bewcgungsgcsetze Xrel(t) und x,er(t) bezüglich der mitrotierenden Koordinate Xrel und die horizontale Normalkraftkomponente FN(t), mit der der Massenpunkt seitlich gegen die Führung drückt.
...... Xrel
b) Zu welchem Zeitpunkt
IR vcrlässt dcr Massenpunkt die Rinnc. welche Relativgeschwindigkeit und welche Absolutgeschwindigkeit hat er in diesem Moment?
Gegeben:
a=lOcm;
b=8cm;
R=80cm;
~=1,5s-l;
Wcitere Aufgaben findet man im Internet unter www.TM-aktuell.de.
m=2kg
29 Kinetik starrer Körper Die allgemeine Bewegung eines starren Körpers wird aufgefasst (vgl. Kapitel 27) als Translation, beschrieben durch die Bewegung eines Bezugspunktes. und Rotation aller librigen Körperpunkte um diesen Punkt. Zunächst werden einige wichtige Sonderfälle untersucht.
29.1 Reine Translation Für die translatorische Bewegung (alle Punkte bewegen sich auf kongruenten Bahnen) kann man sich die Masse des Körpers in einem Punkt konzentriert denken und die Gesetze für die Kinetik des Massenpunktes anwenden. Ln den nachfolgenden Abschnitten wird gezeigt, dass der starre Körper, der keinen äußeren Zwängen unterliegt, immer dann wie ein Massenpunkt behandelt werden darf, wenn die Wirkungslinien alLer angreifenden Kräfte dureh den Schwerpunkt des Körpers gehen (und keine Momente angreifen). Man beachte, dass diese Forderung auch die Zwangskräfte (durch Führungen) einschließt, da der auf eine Bahn gezwungene starre Körper unter Umständen auch Rotationen ausführen muss (z. B.: Schienenfahrzeug in der Kurve). Andererseits können Führungen auch eine rein translatorische Bewegung erzwingen (z. B.: Paternoster). Wenn der starre Körper eine rein translatorische Bewegung ausführt, gelten für die kinetischen Untersuchungen die Regeln der Kinerik des Massenpunktes.
29.2 Rotation um eine feste Achse Zunäehst wird der einfachste Fall betrachtet, für den die Bewegung des starren Körpers nicht mehr durch die Bewegung eines einzelnen Punktes beschrieben werden kann: Eine Masse m rotiert um eine feste Achse Z, so dass alle Punkte Kreisbewegungen um diese Aehse ausführen. Ln der Abbildung 29.\ ist cine Ebenc des Körpcrs dargestellt, Z verläuft senkrecht zur Zeichenebene. Es muss (der Querstrich deutet dies an) keine spezielle Achse (z. B. eine Schwerpunktachse) sein.
dmrip
Abbildung 29.1: M:. repräsentiel1311e äußeren Momenlwirkungen
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_29, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
29 Kinelik slarrer Körper
542
Alle Untersuchungen für diesen Fall dürfen zunächst in der Ebene angestellt werden, weil Kraftkomponenten parallel zur Drehachse nur eine Translation in Achsrichtung hervorrufen könnten und die Achse die Momente, die nicht um die Achse drehen, aufnehmen würde. Alle äußeren Kräfte und Momente werden nach den Regeln der Statik (Abschnitt 3.5) ZU einer resultierenden Kraft, deren Wirkungslinie die Drehachse schneidet, und einem resultierenden Moment zusammengefasst. Die resultierende Kraft (in der Abbildung 29.1 durch ihre beiden gestrichelt gezeichneten Komponenten angedeutet) wird von der Drehachse aufgenonunen, so dass nur noch das resultierende Moment M, eine Bewegung hervorrufen kann. Diese soll nun (ausschließlich unter Verwendung der für den Massenpunkt bereits behandelten Hilfsmittel) untersucht werden. Ein beliebiger (differenziell kleiner) Massenpunkt dm im Abstand r von der Drehachse führt eine Kreisbewegung aus mit einer Bahnbeschleunigung nach 26.18 und einer (radial zum Drehpunkt gerichteten) Normalbeschleunigung nach 26.22: a, =rifl Nach dem Prinzip von d' Alembert (Abschnitt 28.2.2) sind also die Massenkräfte dmrifl
und
(den Beschleunigungsrichtungen entgegengesetzt) anzutragen. Auch ihre resultierende Kraft wird (wie die Resultierende der äußeren Kräfte) von dcr Drchachsc aufgcnommen. Die Wirkungslinien der Zentrifugalkräfte dm rq,2 gehen für alle Massenpunkte durch den Drehpunkt, so dass nur die tangential gerichteten Massenkräfte eine Momentwirkung (jeweils mit dem Hebelarm r) haben. Diese Momentwirkungen aller Massenpunkte werden addiert (integriert) und müssen mit dem äußeren Moment Mz im Gleichgewicht sein: (29.1) m
m
Damit ist der Zusammenhang zwischen der äußeren Belastung und der Drehbewegung einer Masse um eine/este Achse bekannt. Der Integralausdruck in 29.1 ist das Massenträgheilsmomellt der Masse m:
J,=./
r
2
dm
(29.2)
m
<>
Analog zur d' Alembertschen Kraft ("Masse . Ballllbeschleunigung", angetragen entgegen der gewählten Bahnkoordinate, vgl. Abschnitt 28.2.2) wird (29.3) ("Massenträgheitsmnment . Winkelbeschleunigung", angetragen entgegen der gewählten Winkelkoordinate) als d'Alembertsches Mamelll bezeichnet. Es repräsentiert die Trägheitswirkung eines Körpers gegen einc Drehbewegung.
543
29.2 Rotation um eine fesle Achse
oe:> Die kinetische Energie einer Masse, die sich um eine feste Achse dreht, berechnet sich auf
der Basis von 28.27 analog zur Herleitung von 29.1 als Summe der kinetischen Energien der differenziell kleinen Massenelemente dm, die sich auf Kreisbahnen mit den Bahngeschwindigkcitcn ,-ciJ bewegcn. Aus
T'or =
J~(rep?
J
~ ep2
dm =
m
2 r dm
m
ergibt sich die kinetische Rota(ionsenergie I
I
.2
T.ror=-J-tn 2-'1' =-hw 2-
2
(29.4)
oe:> Analog zum Impuls mv (vgL Abschnitt 28.1) wird fLjr die Drehbcwegung der Drellimpuls
(auch: Drall) (29.5)
L,=J,w definiert. Damit kann 29.1 auch in der Form
(29.6)
M,=L,
aufgeschrieben werden und ist in dieser Form eine einfache Variante des später noch ausführlicher zu behandelnden Drallsatzes (auch: Impulsmomentensatz):
Die zeitliche Änderung des Dralls ist gleich der Wirkung des resultierenden äußeren Mo· ments. oe:> Man beachte die Analogien, die sich in den Fomle1n für die Translation bzw. Rotation wi-
derspiegelll. Wenn man den
TrallSlatiollsgrößell die RotatiOllsgrößell
s
rp
v w
a a
1/1
J
F M
zuordnet, ergeben sich alle "Rotationsformeln" durch Auslausch der äquivalenten Größen aus den "Translationsformeln", z. B.:
GeschwindigkeitlWinkelgeschwindigkeit BcschIeun igllllglWi nkel besch Icunigung Arbeit Leistung d' Alembertsche Kraft/d' Alembertsches Moment Kinetische Energie Impu Is/Dreh impu Is
Translation
Rotation
v=s a=v
mx
w=ep a=6J JMdrp Mw Jip
~mv2
~JW2
1/1 V
J(i)
J Fsds FII
Die Behandlung der Rotation eines Körpers um eine feste Achse als ebenes Problem (hier ausgeführt unter alleiniger Wirkung des Momcnts M,) ist für die Analysc der Drehbcwcgung ausreichend. Für die in der Praxis besonders wichtige Berechnung der auftretenden Kräfte und Momel1le. speziell in den Lagern, die die Drehachse fixieren, ist eine dreidimellsionale Untersuchung erforderlich.
29 Kinetik starrer Körper
544
Es wird auch weiterhin angenommen, dass der Rotor um die z-Achse rotiert, x-Achse und yAchse eines kartesischen Koordinatensystems liegen also parallel zum Rotorquerschnitt. Die Drehbewegung wird durch die Winkel koordinate qJ (und die Winkelgeschwindigkeit tjJ und die Winkelbeschlcunigung i(!) beschrieben.
Zur Erinnerung: Der Querstrich über den KoordiJlaten bedeutet. dass es (außer der hier gültigen Besonderheit, dass Z mit der Rotationsachse übereinstimmt) ein allgemeines Koordinatensystem ist (der Schwerpunkt des Körpers braucht weder auf der Rotationsachse noch auf einer der Koordinatenachsen zu liegen). Eine andere über dieses Koordinatensystem zu treffende VereinbaJUllg muss bei den nachfolgenden Untersuchungen (und vor allen Dingen bei der Anwendung dcr herzuleitenden Formeln) unbedingt beachtet werden: Das verwendeIe x-y-z-KoordinaTellsyslem iST mil dem ROlOr feST verblllldell, machl also die ROlalionsbewegung mil. Nach dem Freischneiden des Rotors werden sämtliche äußeren Kräfte (einschließlich der Kräfte in den Lagern) zu ei.ner resultierenden Kraft und einem resultierenden Moment zusammengefasst (Abbildung 29.2, untere Skizze).
Abbildung 29.2: Mit dem Rotor rOlierendes x-Y~Z-Koordjnatensystem. auch die äußeren Kräfte und Momente machen die Rotationsbewegung mit
Die Abbildung 29.2 zeigt jeweils die drei Komponenten dieser beiden Größen, die mit den Massenkräften (d' Alembertsehen Kräften) des Rotors ein Gleichgewichtssystem bilden müssen .
•::> Eine erste Konsequenz des mitrotierenden Koordinatensystems wird schon deutlich: Da auch die äußeren Kräfte und Momente auf dieses System bezogen werden müssen, crhält man z. B. bei der Bestimmung der Lagerreaktionen "mitrotierende Lagerkraftkomponenten·'. Dies stellt keinen nennenswerten Nachteil dar. Bei Berücksichtigung des Eigengewichts (und nicht vertikal stehender Rotationsachse) muss allerdings beachtet werden, dass die Richtung dieser Kraft (im Gegensatz zu ihrem Angriffspunkt) natürlich nicht mitrotiert und bezüglich des x-y-z-Koordinatensystcms zeitlich vcränderlich ist. Da alle Punktc des starren Körpers auf ebenen Kreisbahnen um die z-Achse rotieren, sind am differenziell kleinen Massenpunkt dm (wie bereits bei der HerJeitung von 29.1 besprochen) nur die beidenKräfte anzutragen, die die Abbildung 29.3 zeigt. Da keine Massenkräfte in z-Riehtung wirken, wird die äußere Kraft F, nicht weiter betrachtct (wenn cine äußere Kraft F, vorhanden ist, muss sie entweder durch entsprechende Lager abgefangen werden, oder der Rotor bewegt sich translatoriseh in z-Richtung, was hier nicht untersucht wird).
Abbildung 29.3: Massenpunkt dm mit Kräften
Die Massenkräfte dmrtjJ2 und dmri(! werden jeweilS in zwei Komponenten in Richtung der Achsen x bzw. y zerlegt (ii5 ist wie x und y fest mit dem Rotor verbunden) und über den gesamten Rotor addiert (integriert). Sie müssen im Kraftgleichgewicht mit Fx bzw. Fy sein:
29.2 Rotation um eine fesle Achse
545
F,+ j rlp2 cos"lpdm + j riiJsin"lpdm=O m
Fy + j
111
rep2 sin "lpdm-
m
j riiJcos"lpdm=O m
Diese Gleichungen lassen sich mit den aus der Abbildung 29.3 abzulesenden Beziehungen
x= rcos"lp
y=rsin"lp
umfonnen zu
1,,=_ep2 jXdm- iiJ jydm m
111
Fy = _ep2 j ydm+iiJ j xdm m
m
Die Integrale auf den rechten Seiten sind die aus dcr Statik (Berechnung von Schwerpunkten) bekannten statischen Momente der Masse m bezüglich der z-Achse (vgl. Abschnitt 4. I). Mit den Gleichungen 4.3 in der Fonn
jXdm=mxs
j ydm=II1Ys
m
m
(111 - Gesamtmasse des Körpers,
xs. Ys - Schwerpunktkoordinaten) erhält man: Fx = -mxs ep2 - mys iiJ F" = -mys ep2 +mxsiiJ
(29.7)
c:> Die Formeln 29.7 zeigen einen ersten Vorteil des mitrotierenden Koordinatensystems: Die Schwerpunktkoordinaten des starren Körpers xs und Ys sind unveränderliche Größen. Die rechten Seiten von 29.7 sind die durch die Rotation hervorgerufenen Massenkräfte, und man liest aus den Gleichungen ab: Bei der Rotation einer Masse um eine feste Achse treten keine resultierenden Massenkräfte auf, wenn ihr Schwerpunkt mit der Rotationsachse zusammenfällt. Diese Aussage gilt sowohl bei Rotation mit konstanter Winkelgeschwindigkeit als auch bei veränderlicher Winkelgeschwindigkeit (Anfahr- und Bremsvorgänge). Das Momentengleichgewicht um die z-Achse wurde bereits untersucht und lieferte Gleichung 29.1. Die Momenten-Glcichgewichtsbedingungen um die x-Achse und die y-Achse lauten (die Komponenten der differenziell kleinen Massenkräfte haben jeweils den Hebelarm z): Mx -
j zrep2 sin"lpdm+ j zriiJcos"lpdm=O '"
m
My + j zrep2cos"lp dlll + j
'"
'"
zriiJsin"lp dm = 0
546
29 Kinetik starrer Körper
Die gleichen Umfonnungen wie bei den Kraft-Gleichgewichtsbedingungen führen auf:
Mx =
ep2/ zy dlll- ip / m
zx dlll
m
(29.8)
My = _ep2/ zx dlll - ip / zy dlll m
In
Die Integralausdrücke auf den rechten Seiten der Momentengleichungen 29.8 brauchen im Unterschied zu den Kraftgleichungen 29.7 auch dann nicht den Wert Null zu haben, wenn der Schwerpunkt des rotierenden Körpers auf der Rotationsachse liegt. Sie werden als DeviationslIlome/1/e (auch: Zentrijugalmomente)
1:., =
- / xzdm
Jn = - / yzdlll
m
(29.9)
m
in Anlehnung an das ähnliche Tntegral aus der Biegetheorie (vgl. Abschnitt 16.2.1) auch mit einem Minuszeichen definiert und im Abschnitt 29.3.3 ausführlich behandelt. Die Gleichungen 29.8 nennt man in Verbindung mit 29.1 den
Momentensatz für die Rotation einer Masse um eine feste Achse
z:
M y=
+ Jx,
M-,=
J, ip
Mx = - Jy:
(29.10)
x, y und Z sind mitrotierendc
Koordinaten, die äußeren Momente Mx, My und M, beziehcn sich auf dieses Koordinatensystem.
c:> Bei den Beziehungen 29.10 zeigt sich der entscheidende Vorteil des mitrotierenden Koordinatensystems, weil die Deviationsmomcntc sich auch auf dicses System bezichen und damit (wie die Masse, die Schwerpunktkoordinaten und die Massenträgheitsmomente) als Kennwerte des Körpers unveränderliche Größen sind.
c:> Fiir die Analyse der Bewegung ist die dritte Gleichung in 29.10 aLLsreichend. Die Achse ist die feste Rotationsachse, sonst muss sie keine speziellen Bedingungen erfüllen. Die beiden anderen Gleichungen in 29.10 werden im Zusammenhang mit den Gleichungen 29.7 für die Berechnung der äußeren Kräfte (z. B.: Lagerreaktionen) benötigt. c:' Die Rotatioll /Im eille feste Achse ist ein besonders wichtiger Spezial fall der allgemeinen
Bewegung des starrcn Körpers. Trotzdem wird hier auf Beispiele zunächst verzichtct, weil im nachfolgenden Abschnitt erst die Massenträgheitsmomente und die Deviationsmomente ausführlich behandelt wcrden. Den Beispielen zu dem Thema, fLir das in diesem Abschnitt dic theoretischen Grundlagcn gclegt wurden, ist ein eigencr Abschnitt 29.4 gcwidmet.
29.3 Massenträgheitsmol11enle
547
29.3 Massenträgheitsmomente Das Massenträgheitsmoment einer Masse", berechnet sich nach der Formel 29.2. Es wird z. B. mit der Dimension kg em 2 angegeben. Als Maß für die Drehträgheit der Masse bezieht es sich immer auf eine ganz bestimmte Drehachse, so dass zu jeder Angabe eines Massenträgheitsmoments die Angabe der Drehachse gehört. In die Formel 29.2 geht der Abstand der Masseteilchen quadratisch ein, so dass mit der Anordnung von Teilmassen in großem Abstand von der Drehachse ein sehr großes Massenträgheitsmoment erreicht werden kann. Das wird in der technischen Praxis vielfach genutzt (z. B.: Sehwuogräder).
Die formale Ähnlichkeit der Formel 29.2 mit den Formeln rur die Flächenträgheitsmomente 16.9 (Seite 220) hat letzteren zu dem etwas unpassenden Namen verholfen. Viele im Absehnin 16.2 besprochene Eigenschaften der Flächenträgheitsmomente sind übertragbar, z. B. folgt aus der Definition 29.2 für Körper, die sich aus mehreren Teilmassen zusammensetzen: Massenträgheitsmomente, die sich auf gleiche Drehachsen beziehen, dürfen addiert bzw. subtrahiert werden.
29.3.1 Massenträgheitsmomente einfacher Körper Man darf sich vom Massenträgheitsmoment eines Körpers die Modellvorstellullg machen, dass die gesamte Masse in einem (unendlich) dünnen Ring mit dem Radius R konzentriert ist. Das Integral 29.2 degeneriert in diesem Fall zu einem Ergebnis. das man näherungsweise rur sehr dünne Zylinder (z. B.: Wand einer Zentrifuge. Radreifen eines Schienenfahrzeugs) verwenden darf: Js = mR2 • Für alle anderen Körper muss die Massenverteilung berücksichtigt werden.
I
Beispiel 1: I_"";_ _...1 Für elilen dünnen Stab (Masse m, Länge I) darf angenommen werden, dass alle Massenelemente in einem Querschnitt den gleichen Abstand r von der Drehachse haben. Mit dem differenziell kleinen Massenelement (A - Quersehninsfläehe, p - Dichte)
dm = pAdr berecl1l1et man die Massenträgheitsll10mente bezüglich einer Drehachse im Schwerpunkts S I
J
I
!
Js=
r=-
I
?pAdr= 12PAI3=T2mP
(29.11)
~
bzw. einer Drehachse im Endpunkt A: I
JA =
J
r=0
I
3
I
?PAdr='jPAI ='jmI
2
(29.12)
~
\
dm
;.5
~\ ~r
./'dr
dm
548
29 Kinetik starrer Körper
·1
I_B_e_is,;"p_ie_l_l· ... F··ur d·le Berec h nung des M assentrag .. heIlsmoments . . k· _ emes relSZY I·In d· nsc hen K··orpers
(Voll- bzw. Hohlzylinder) bezüglich der Zylinderachse wählt man zweckmäßig als Massenelement dl1l einen unendlich dünnen Hohlzylinder (unterste der drei Skizzen):
dl1l = 2rrrdri p Hinweis: [m allgemeinen Fall ist 29.2 ein Volumenimegral. Durch geschicktes Aufschreiben von dl1l kann daraus ein Flächenintegral oder ein einfaches [ntegral werden. Natürlich müssen alle in dl1l einfließenden Massemeilchen den gleichen Abstand von der Drehachse haben. Für den Hoh[zylinder errechnet man
Js= /
'"
r2 2rrrlpdr=
~rrIP(r~-ri)
r=r,
= rrpl(~
- rT) umgeformt werden
Js = 2:I 111 (ra2? + i)
(29.13)
was mit der Gesamtmasse
111
kann zu:
Mit ri = 0 und ra = R entsteht ein Vollzylinder: I
Js = 2:I1lR2
(29. [4)
Der Hohlzylinder könnte natUrlieh auch als Differenz zweier Vollzylinder angesehen werden, wobei zu beachten ist, dass in den Formeln 29. 1I bis 29.14 das Symbol 111 inliller für die Gesamtmasse des Körpers steht, so dass bei der Differenzbildung zwei unterschiedliche Massen einzusetzen sind (großer Vollzylinder und kleiner Vollzylinder).
Beispiel 3:
I
I_"';_ _...1 Rotoren haben vornehmltch ell1e rotatlonssyrnmetnsche FOnTI. Wenn dtesc durch eine Konturlinie y(x) beschrieben wird (Skizze), kann man sich den Rotor aus unendlich vielen unendlich dUnnen Scheiben zusammengesetzt denken (Scheibendicke jeweils dx, Scheibenradius .0. Eine solche Scheibe hat die Masse dm = p rrT dx und bei Rotation um die x-Achse das Massenträgheitsmoment dmy .
1
Die Summation der differenziell kleinen Trägheitsmomente (Integration von abis b) ergibt eine Formel für das Massenträgheitsmoment eines Rotationskörpers:
'y
dx
y(x)
b
b
JtdX
rr P /-:-:4 trlx=a J:U=2: y dX=2 ·:..:::"b-x~a J y2 dx
a
(29.15)
b
1+-----"-1
x
x=a
wobei die Formel mit der Gesamtmasse des Rotationskörpers 111 durch Einsetzen der Volumenformel fUr Rotationskörper entstand. Aus GrUnden, die im Abschnitt 29.3.3 erläutert werden. wurde in 29.15 ein Doppelindex für die Kennzeichnung der Bezugsachse verwendet. Das gilt auch flir die folgende Zusammenstellung einiger wichtiger Formeln.
29.3 Massenträgheitsmol11enle
549
Die Querstriche über den Koordinaten wurden in der Zusammenstellung weggelassen, weil es nicht mehr beliebige Bezugsachsen, sondern Schwerpunktachsen sind. In diesem Sinne sind es
Massenträgheitsmomente ausgewählter homogener Körper:
Jxx = Jyy = Je.:. =
I
Kreiszylinder:
Ju. = 'iIllR
.52 m R-?
2
I 2 2 J.lX =J)T = T2I1l(3R +1 )
!y Z/§~X
Ti
\0
r
Hohlzylinder:
I
~,
<'
!y
I
c
.-<
Z--1;~
)
J)y =
Quader:
I
b
"a
"
--
h
"
!y ~~
Dünne Rechteckscheibe:
b
Jxx =
I
?
T2/1lI,-
I 2 2 Je.:. = T2I1l(b +h )
" Dünne Kreisscheibe:
I
Ju. = 'i mR
2
2
I2I1l(a +b )
2
I 2 Jxx =JYY =4/1lR
29 Kinetik starrer Körper
550
29.3.2 Der Satz von Steiner Analog zum Steinerschen Satz für Fläcbenträgheilsmomente (Abschnill 16.2.3) gibt cs auch für dic Massemrägheilsmomente eine Formel. mit der bei gegebenem Trägheitsmoment bezüghch einer Schwerpunklachse das Trägheitsmoment für eine parallele Achse zu berechnen ist.
"dm; r' r
Die Achsen x und y gehcn durch den Schwerpunkt des Körpers. Gegeben sind das Massenlrägheitsmoment Js bezüglich einer Achse z senkrecht zu x und y und die Masse des Körpers In, gesucht ist das Massenträgheitsmomem JA rur eine zur Achse z parallele Achse durch den Punkt A im Abstand rs von S. Aus der Abbildung 29.4 kann man die Beziehung
ablesen. Dieser Ausdruck wird in die Formel flir das Trägheitsmoment bezüglich einer Achse durch den Punkt A eingesetzt:
m
x
S
Ys
rs -A
/.
x
Xs /.
Abbildung 29.4: Generelle Vereinbarung: Schwerpunklkoordinaten
r2 = (xS+x)2+(YS+y)2
m
!Y
Y
werden ohne Querstrich (x,y,z). beliebige andere Koordinaten mit Querstrich geschrieben (x,y,Z)
m
= J(>?s+y~)dm+ J(2+l)dm=r~J dm+ J ?dm #1
nl
In
#1
wobei berücksichtigt wurde, dass die statischen Momente
J xdm III
und
J ydm m
die sich auf die Schwerpunktachsen beziehen, verschwinden (vgl. Abschnill 4.1). Es verbleibt die gesuchle Formel, auch für die Massenträgheitsmomenle bezeichnet als Steinerseher Satz: (29.16)
c~
Bei der Anwendung der Formel 29.16 ist zu beachlen, dass A ein beliebiger Punkt ist, während S der Schwerpunkt des Körpers sein muss. Die beiden durch diese Punkte gehenden Achsen, auf die sich JA bzw. Js beziehen, müssen parallel sein. Ihr Abstand ist rs, und mist die Gesamtmasse des Körpers.
oe;> Aus 29.16 folgt, dass das auf eine Schwerpunktachse bezogene Massenträgheitsmoment im-
mer kleiner ist als ein beliebiges Massenträgheitsmoment, das sich auf eine parallele Achse bezieht.
551
29.3 Massenträgheitsmol11enle
·1
I_B_e_is,;"p_ie_I_I· . . AI selsple B' . 1 l'1m Ab sc h JlJtt . 293 .. heltsmomente . d es d"un_ .. 1 wurd en d'Je Massentrag
nen Stabes bezüglich des Schwerpunktes S und des Endpunktes A berechnet. Natürlich lässt sich JA bei bekanntem Js auch nach 29.16 berechnen. Mit dem Abstand ~ des Punktes A vom Schwerpunkt S ergibt der Steinersehe Satz mit
JA =Js+m (
21)2 =
I 1 I 12mI2+4mI2 = 3 ml2
wieder das Ergebnis 29. 12.
I
Beispiel 2: I_ _ _ _.....I Das sk,zzlelte Schwungrad dreht sIch mIt der Drehzahl n. Es soU die kinetische Energie berechnet werden, die in dem sich drehenden Rad gespeichert ist. Gegeben:
bl = 120 b2 = 30 rl = 80 r3 =400 11 = 800
mm mm mm mm min- I
R 1 = 800mm R2 = 750mm r2 = 180mm , p = 7,85g/cm 3 ;
Das Massenträgheitsmoment wird entsprechend Abbildung 29.5 zusammengesetzt aus zwei Hohlzylindern (Kranz mit der Breite b, und Scheibe mit der Breite b2), von denen die vier zylindrischen BohflllJgen (Radius r2) subtrahiert werden.
08 08 o
o 0 o
4
o
SreinerAnteil
Abbildung 29.S: "Kranz" (Hohlzylinder) + ,.Geloch,e Scheibe" (Hohlzylinder) - ,,Ausschnitte" (Zylinder) Die Massenträgheitsmomente entnimmt man der Zusammenstellung auf Seite 549. Nur für die vier Bohrungen sind Steiner-Anteile (Abstand r3 von der Drehachse) zu berücksichtigen: 15
' ='21 JJZKrallz(R 2I + R 22) + '21 InCelocllreSclleibe(R22 + 11)
4 [ '21 mAussch1fitf ~2 + mAl4SSch1fiu r 32]
j 2 2 2 2 1 2 2 2 2 [ 1 2 2 2 2] =2 ~ ( R , +R2 )+ 2 ~(R2+'1)-4, 2prrr2b2/2+prrr2b2rJ • mKrmr:
I/(C,lodurSchl'lhe
'V'
Ausschnitt + Steiner-Anteil
Die kinetische Energie elTechnet sich nach 29.4 in Verbindung mit 26.21:
Tm,
I
= 2Js (2rrn? =
1 238kgm 2 . (800)2 2' 2rr· 60s =
0, 835· 106Nm = 835kJ
29 Kinelik slarrer Körper
552
29.3.3 Deviationsmomente, Hauptachsen Die Definition des Massenträgheitsmoments 29.2 IäsSI entsprechend
J,z=
J
r
2
dm=
111
J
2
x dl1l+
m
J
idm
JII
(Z ist die Rotationsachse) die mathematische Verwandtsebaftmit den Flächenträgheitsmomenten
16.9 erkennen, bei den Deviationsmomenten 29.9 ist die Ähnlichkeit mit 16.9 sogar unmittelbar gcgeben. Ocr Untcrschied besteht im nunmehr dreidimensionalen Integrationsgebiet übcr die Masse gegenüber der zweidimensionalen Fläche bei den Flächenkennwerten der Biegetheorie. Die Fragestellungen, die sich ergeben, sind ebenfalls ähnJich (Achsen fUr minimale und maximale Trägheitsmomente, Transformation von einem Koordinatensystem in ein anderes, ... ), sie werden mit entsprechenden (etwas aufwendigeren) Überlegungen beantwortet, wie sie im Abschnitt 16.2 demonstriert wurdcn. Nachfolgcnd werden die wichtigstcn Aussagen zusammengestellt. Axiale Massenträgheitsmomente:
lxx = Jyy =
J" =
J '" J(Y+z2) '" .! + i)
(y2 +Z2) dm
(Y
dm
(29. I 7)
dm
'" Deviationsmomente (Zentrifugalmomente): Die Definitionen der Massenträgheitsmomente und der Deviationsmomente beziehen sieh auf ein beliebiges kartesisches Koordinatensystem.
lx y =
-
Jx : = -
JyZ = -
J '" J '" J
xydm xzdm
(29. I8)
yz dm
m
c:> Die axialen Massenträgheitsmomente sind Slets positiv, Deviationsmomente können positiv oder negativ scin. oe:> Die Größe der Massenträgheitsmomente und der Deviationsmomente ist von der Lage des
Koordinatenursprungs und den Richtungen der Achsen abhängig. Für jeden Koordinatenursprung gibt es mindestens drei Achsen, für dic die Deviationsmomente Null werden. Es sind die Haupraclzsell für den gewähJten Koordinatenursprung. In Punkten mit genau drei solcber Achsen stehen diese senkrecht aufeinander.
c:> Jede Senkrechte zu einer Symmetrieebene ist Hauptachse.
29.3 Massenträgheitsmol11enle
553
oe:> Ein Hauptac!lscnsystcm ist dadurch gekennzeichnet, dass ein axiales Massenträgheitsmo-
ment ein Maximum und das Massenträgheitsmoment um eine zweite dieser Koordinatenachsen ein Minimum wird. Das Massenträgheitsmoment um die dritte Hauptachse liegt zwischen diesen beiden Wenen. oe:> Hauptachsen im Schwerpunkt des Körpers nennt man Hauptzentralachsen. Schnittlinien
zweier Symmetrieebenen eines Körpers (damit auch jede Rotarjonssymmetrielinie) sind immer Hauptzentralachsen. Wenn das größte und das kleinste Massent]"ägheitsmoment bezüglich der Hauptzentralachsen den gleichen Wen haben (Kugel, Würfel, ...), sind sämtliche Achsen durch den Schwerpunkt Hauptzentralachsen. Häufig lassen sich die Massenträgheitsmomente von Körpern zusammensetzen aus den bekannten Massenträgheitsmomenten von Teilkörpern (in der Regel auf Schwerpunktachsen der Teilkörper bezogen, vgl. Tabelle auf Seite 549). Da sie nur addien bzw. subtrahien werden dürfen, wenn sie sich auf gleiche Achsen beziehen, müssen der Steinersehe Satz (für Parallelverschiebung) und Transformationsformeln für die Drehung des Koordinatensystems benutzt werden. Die folgenden Formeln setzen zunächst voraus, dass keine Drehung der Koordinatensysteme erforderlich ist. In diesem Sinne sind es die Massenträgheitsmomente und Deviationsmomente zusammengesetzter Körper:
Yi I S
Iy
Xi
....
Yi
Z
.-' Xi
E [1", + (YT + zT) mi]
l" =
E [lZZi + (xT + YT) m,]
'0
Zi ~
1:<" =
Zi
i
·i,.... l,,:. =
1:<, = x,y, Z Xi,
Yi,
Zi
(29.19)
E [ln - YiZimi] i E, [lx" -XiZi"'i]
Koordinatensystem für das Trägheitsmoment des Gesamtkörpers, Koordinatensystem im Schwerpunkt Si des i-ten Teilkörpers parallel zum x-y-z-System.
Auch die axialen Massenträgheitsmomente in 29.17 bzw. 29.19 wurden aus formalen Gründen mit zwei Indizes versehen, weil es üblich und sinnvoll ist, sie mit den Deviarjonsmomenten zum Trägheitstellsor zusammenzufassen. Die sechs zu einem speziellen Koordinatensystem gehörenden Wene werden als symmetrische Matrix angeordnet:
hyl. =
ln 1:<" 1:<" J"" [ 1:<, ly:.
(29.20)
29 Kinetik starrer Körper
554
Der Übergang vom beliebigen x-y-z-Koordinatensystem zu einem parallelen x-y-Z-System, dessen Ursprung im Schwerpunkt des Gesamtkörpers liegt, ist dureh den im vorigen Abschnitt behandelten Steinersehen Satz gegeben, der auch schon für das Aufschreiben von 29.19 genutzt wurde. Der Zusammenhang zwischcn dem Trägheitslensor nach 29.20 und einem Trägheitstensor }xYZ' der sich auf das parallele Schwerpunktsystem bezieht, ist unmittelbar aus 29.19 abzulesen ("Körper, der aus nur einem Tcilkörper besteht") als
Steinerscher Satz ftir Massenträgheitsmomente und Deviationsmomente: JxyZ
Jxz ]
=
J\Z
=}.'.,,-m
[y~+z~ -XSYs -XSZS] - -
J zz yl
-xSYs z~+x~ ~xszs
- -
~yszS
-YsZS -2 xs+Ys
(29.21 )
-2
mit den Koordinaten des Gesamtschwerpunkts xs, Ys, zs der Masse m, gemessen im allgemeinen x-)'-z-
Iy
Koordinatensystem.
z
x
"
x "
Man beachte, dass 29.21 in der Form "Übergang vom allgemeinen zum speziellen Koordinatensystem" aufgeschrieben wurde, weil diese Formel vornehmlich so gcbraucht wird (dcshalb das Minuszcichen vor dem "Steiner-Anteil").
Auch die Drehung des Koordinatensystems ist nach den aus der Mathematik bekannten Regeln forrnalisierbar. Der Trägheitstensor nach 29.21 möge für ein x-y-z-Koordinatcnsystem gegeben sein, es sollen die axialen Massenträgheitsmomente und die Deviationsmomente für ein gedrehtes S-1J-(-System bestimmt wcrden (Hinweis: Die nachfolgend angegebenen Transformationsfomleln, hier aufgeschrieben für das Schwerpunkt-Koordinatensystem mit x, y und z, geitcn uneingeschränkt auch für das beliebige x-Y-Z-System). Wenn
z- Achse und der S -Achse,
ßI und
/'1
die Winkel zwischen X-, y- bzw.
a2, ß2 und
~
die Winkcl zwischen X-, y- bzw. z- Achse und der Tl-Achse,
(XI,
a3, ß3 und l'3 die Winkel zwischen X-, y- bzw. z- Achse und der (-Achse sind (Abbildung 29.6 zeigt als Beispiel die Winkel, die die Lage der s-Achse definieren), dann gilt für die Koordinatentransformation
(29.22) mit
cosat cosa2 cosa3 ] C = COSßI cosß2 cosßJ [ COS /'1 COS ~ cos l'3
(C T ist die transponierte Matrix). Damit ergibt sich die
Abbildung 29.6: Winkel, die die Lage der ~ -Achse definieren
29.3 Massenträgheitsmol11enle
555
Transformation der Massellträgheitsmomente und Deviationsmomente bei Drehung des Koordinatensystems: r 1 ~ ~ ~ = C lxv' C (29.23) mit der Transformationsmatrix C nach 29.22 und l,vz nach 29.21 oder auch 29.20. In der Transformationsmatrix C ist jede Spalte ein Einheitsvektor, der die Richtung einer Koordinatenachse des ~-1J-(-Systems im x-y-z-Koordinatensystem hat. Wenn nun eine Transformation 29.23 gefunden werden kann, die lxvz in eine Diagonalmatrix überfUhrt (die auf den Nichtdiagonalpositionen stehenden Deviationsmomente sollen Null werden), dann würden die Spalten dieser speziellen Transformationsmatrix C H die Richtungen der Hauptzentralachsen definieren (bei einem allgemeinen Koordinatensystem die Richtungen der Hauptachsen für den entsprechenden Koordinatenursprung), und die Transformation
1,23 = Cftlxv,CH =
[
JO'
J02
00]
o
0
h
(29.24)
liefert die drei Haupllrägheitsmomentc JI, hund h. Das Finden einer Hauptachsenrransformatioll 29.24 für eine gegebene Matrix lxvz entspricht genau der AufgabensteIlung des speziellen Matrizeneigenwertproblellls
(1.'v'- /(E)x=o
(29.25)
für dessen Lösung die Verwendung eines geeigneten Computerprogramms empfohlen wird (siehe www.TM-aktuell.de l ). Weil man allerdings mit einer 3· 3-Matrix auch noch ohne Computer operieren kann, soll hier kurz eine (für dieses kleine Problem durchaus zumutbare) Lösungsmöglichkeit für die Handrechnung beschrieben werden: 29.25 ist ein homogenes lineares Glcichungssystem (E stcht flir cine Einhcitsmatrix), die drci Eigenwerte /(i, für die es nichuriviaJe Lösungen hat, sind die gesuchten Hauptträgheitsmomente J 1 , hund l). Die zugehörigen (bis auf einen Faktor bestimmbaren) nichttrivialen Lösungsvektoren Xi (Eigenvektoren) sind die Spaltcn dcr gesuchten Transformationsmatrix C (und damit die RichlUngsvektoren der Hauptzentralachsen bzw. Hauptachsen). Da ein homogenes Gleichungssystem nur dann nichttriviale Lösungen haben kann, wenn die Koeffizientendeterminante verschwindet, können aus der Bedingung lxx -
Jxy Jxz
1('
l:ry JyV
-
Jy,
lxz /(
JyZ
= 0
J" - /(
die drei gesuchten /(-Werte berechnet werden (die Entwicklung der Determinante flihrt auf eine Gleichung dritten Grades). Für jeden /(-Wert findet man einen LösungsveklOr des homogenen Gleicbungssystems 29.25. Sinnvoll ist es, diese Lösungsvektoren dUJ'ch ihre Beu'äge zu dividieren, so dass Einheitsvektoren entstehen, deren Komponenten dann die Richtungskosinusse der Hauptzentralachsen (bzw. Hauptachsen) sind. I Man
beachte auch die bciden Hinweise auf die Themen Marrizenreclllllll1g und Marrizeneigenwt:rtprobleme in den
Boxen narden Seilcn199 bzw. 419.
29 Kinetik starrer Körper
556
I
..
..
Beispiel 1: I_"";'_.....1 Fur den sk,zzlerten Krelszyhnder soll der Trägheitstensor bezüglich des eingezeichneten Schwerpunkt-Koordinatensystems ermittelt werden (die (-Achse durchstößt die Stirnflächen jeweils im Abstand a vom Kreismittelpunkt). Gegeben:
111,
a, R=2a, 1=6a.
Da es ein typisches Problem ist. die MassenträgheitsmomelHe und Deviationsmomente für ein Koordinatensystem zu suchen, das gegenüber dem System der Hauptzentralachsen nur um eine Achse gedreht ist (hier: Drehung um die y-Achse um. den Winkel a), soll die Rechnung zunächst allgemein ausgeführt werden. Die Skizze zeigt von den neun Winkeln, die die Transformationsmatrix 29.22 bilden, nur die vier, die von 0° und 90° verschieden sind. Zur Erinnerung: Die Winkel a" ßI und y, zählen von der X-, y- bzw. z-Achse bis zur ~-Achse, entsprechend die Winkel mit den Indizes 2 und 3 bis zur 1]- bzw. (-Achse. Aus der Sk.izze liest man ab:
a, =a ß, =!J; y, = !J;+a
132=0
a3=!J;-a ß3 =!J;
1'2=!J;
1"J=a
a2= !J;
mit den Abkürzungen Ca = cos a und Sa = sin a. Damit erhält man nach 29.23 eine allgemeingültige Beziehung für die Berechnung der Massenträgheits- nnd Deviationsmomente bezüglich eines Koordinatensystems, das sich aus dem System der Hauptzentralachsen durch Drehung um die y-Achse ergibt:
o
(Jxx -
JYJ
o
J,:l SaCa
o
]
.
(29.26)
Jxxs~ + J:.~c~
Für das aktuelle Beispiel sind die Massenträgheitsmomente für die HauptzentraJachsen bekannt. Man entnimmt der Tabelle auf Seite 549 I 2 J., = -mR -2
I 2 2 J.u=Jy,v = T2111(3R +1 )
und errechnet mit den gegebenen Größen:
J~nc, =
[
J~~
J~n J~c,
J~ n J n ') Jnc,
J~c,
Jnc, Jc,c,
]
ma 2 5
[
19 0
3
0 20 0
3 0 IJ
]
29.3 Massenträgheitsmol11enle
557
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Für den aus emem Quader und eInem Würfel zusammengesetzten homogenen Körper sollen
y a
a) alle Komponenten des Trägheitstensors bezüglich des skizzier-
ten Koordinatensystems und b) die Lage der Hauptzentralachsen und die zugehörigen Haupt-
Z
Gegeben:
3a
/'
trägheitsmomente ermittelt werden.
. .....
X
a, Dichte p .
a) Die Massenträgheitsmomente der beiden Teilkörper (jeweils bezogen auf die Teilkörper-
schwerpunkte, der Würfel ist natürlich auch nur ein Sonderfall des Quaders) können der Tabelle auf Seite 549 entnommen werden. Nach 29.19 ist für jeden Summanden (Teilkörper Quader bzw. Würfel) ein Steiner-Anteil zu berücksichtigen, und man berechnet z. S.:
.
Steiner-Anlcil Quader
, [(Z) + (2) 2] l2~[(3a) +a]+~ I
lxx =
J
2
2
3
"'Q!I(/(Ier
a
3a
2
mQmufcr
68 5 =-pa 3
.
Steiner-Anteil Würfel
Bei der Berechnung der Deviationsmomente ist zu beachten. dass die Symmetrieachsen der Teilkörper Hauptzentralachsen sind und nur für den Gesamtkörper infolge der SteinerAnteile in 29.19 Deviationsmomente entstehen, z. B.: Steiner-Anteil Würfel
lx y = -p.60
3
2a a
2Z '--v--'
~
3 a 3a -pa - 2 2
15 4
=--pa
5
Steiner-Anleil Quader
Entsprechend errechnen sich die anderen Elemente des Trägheitstensors. man erhält: -45 320
63
111 ]
63
152
b) Die Schwerpunktberechnung wurde im Kapitel 4 behandelt. Nach 4.4 erhält man: J 2a) 13 I ( 3 a xs= a3 +6a 3 a 'Z+6a' 2 =14a
_ _
I
( 3 3a
Ys = a3 + 6a 3 a· Zs =
2 + 6a
3
a) 9 . Z = 14 a
~a3,+_l6-'--a'3- [a J . (-~) +6a 3 . (- 32°)] "--v---' Gesamt-Volumen
19 14
=--(1
558
29 Kinetik staner Körper Der Trägheitstensor JxyO bezüglich eines Koordinatensystems im Schwerpunkt mit Achsen parallel zum x-y-z-System kann nun nach 29.21 mit den laut AufgabensteIlung a en'echneten Werten und der Gesamtmasse In = 7 Pa 3 aufgeschrieben werden:
-XSYs
-XSZS]
Zs Xs - -Yszs
-Yszs -2 +-2 Xs Ys
-2 +-2
- -
a5 [
P = 42
18 325 -36
289 J8 18
18 ] -36 157
Die Eigenvektoren dieser Matrix J xy , definieren die Richtungen der Hauptzentralachsen des Körpers, die Eigenwerte sind die zugehörigen Hauptträgheitsmomente. Mit einem geeigneten Programm für die Lösung des speziellen Matrizeneigenwertproblems berechnet man (siehe www.TM-aktuell.de):
CII =
0,2953 0,9438 -0, 1485] 0,9420 -0,2618 0,2098 [ -0,1591 0,2018 0,9664
JI23=C~Jx)ZCII=pa5
8,017 0 0] 0 6.854 0 [ o 0 3,486
Die normierten Spalten der Matrix Cf! sind Einheitsvektoren, die die Richtungen der drei Hauptzentralachsen anzeigen. In der durch die Transformation entstehenden Diagonalmatrix J 123 stehen die zugehörigen Hauptträgheitsmomente. Die Abbildung 29.7 zeigt den Einheitsvektor (dritte Spalte der Matrix CH )
"3
-0, 1485] [cosa3 = 0,2098 = COSß3 [ 0,9664 cos 1'3
]
[COS98.50] = cos77.9° cos 14,9°
der die HauptzentraJachse mit dem k.leinsten Hauptträgheitsmoment
h definiert.
= 3,486pa
5
'y
/~./>~,
1'>-
<
- 'ß> €J '~
j "..... ,
'"
S
]/-
/
CXJ-:..A.
.- Z/'P3~'
.-J
.x~
Abbildung 29.7: Die Winkel a3, ß3 und YJ definieren die Richtung der Achse mit dem kleinsten MassenLrägheitSl110ment
oe:> Das kleinste der drei Hauptträgheitsmomente bezüglich der Schwerpunktachsen ist immer
das kleinste Massenträgheitsmoment des Körpers überhaupt (wegen der immer positiven Steiner-Anteile der axialen Massenträgheitsmomente haben alle parallelen Achsen größere Trägheitsmomente). Die in der Abbildung 29.7 eingezeichnete Drehachse ist für diesen Körper also die Achse mit der geringsten Drehträgheit.
.-:> Zur Erinnerung: Nur bei Rotation um eine der drei Hauptzentralachsen (im gerade behandelten Beispiel durch die Spalten der Matrix CH definiert) werden die Lager ausschließlich durch die Gewichtskraft der Masse (und eventuell weitere äußere Kräfte) und nicht durch die Trägheitskräfte der Bewegung belastet.
559
29.4 Beispiele zur Rotation um eine feste Achse
29.4 Beispiele zur Rotation um eine feste Achse 29.4.1 Allgemeine Beispiele
I
Beispiel J: I_ _ _...... Der skizzIerte dünne Stab mit der Masse m wird in der horizontalen Lage gehalten und beginnt nach Durchtrennen des Fadens infolge seines Eigengewichts eine Drehbewegung um den Punkt A. nz
Gegeben:
I
r
l
I.
Gesucht sind das AnfangswertprobJem für die Berechnung des Bewegungsgesetzes cp(t) und die Lagerreaktionen im Lager A unmittelbar nach Durchtrennen des Fadens. Für die Analyse der Bewegung des Stabs genügt die drille Gleichung von 29.10, das Massenträgheitsmoment des dünnen Stabs ist durch die Formel 29.12 gegeben. Das Eigengewicht erzeugt ein Moment um A, das infolge des sich ständig ändernden Hebelarms auch veränderlich ist. Nach den Definitionen der positiven Koordinatenrichtungen, die den Fonnein 29.10 Zllgrunde liegen, ist (bei linksdrehend positivem Winkel cp) das Moment M, linksdrehend positiv einzusetzen. Alls
M,= -mg
/
1 . smcp
/
'/
2
und mit dem Massenträgheitsmomelll nach 29.12 ergibt sich die Bewegungs-Differenzialgleichung: l. I 12 .. . 3g.
-m g
2 Sll1cp = 3 m
cp
=}
cp= - 21 smcp
Mit den Anfangsbedingungen (Start aus der Horizontalen ohne Anfangsgeschwindigkeit) erhält man das Anfangswertproblem
cp..
3g. = -21 smcp
cp (t 0 =)
= '2n
Abbildung 29.8:
111 gerzeugt
ein Moment um A
cp. (t = 0)
=0
Selbst dieses einfache Problem fühl1 auf eine nichtlineare Differenzialgleichung, die nicht in geschlossener Form lösbar ist (Lösung siehe www.TM-aktuell.de). Für den speziellen Zeitpunkt t = 0 kann man jedoch die für die Ermiulung der Lagerreaktionen benötigten Bewegungsgrößen auch ohne Integration des Anfangswertproblems angeben. Die Abbildung 29.9 zeigt die äußeren Kräfte und das Koordinatensystem. Mit den Schwerpunktkoordinaten Xs =
i
Ys =0
j
2 für den Startzeitpunkt und den Bewegungsgrößen
cp(t=O)=O
- -Z
!p(1=0)=~3g 21
y
====~==::::J
~HtFAV
~mg
I
Abbildung 29.9: Lagerreaktionen
errcchnelman aus den Gleichungen 29.7:
3g ) Fy =FAV -mg=m 1 ( -21
2
X-
29 Kinetik starrer Körper
560
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Em Krelszylmder kann um eme vertIkale Achse rotieren, die durch seinen Schwerpunkt geht, aber nicht mit der Zylinderachse übereinstimmt. Er wird durch ein konstantes Moment Mo angetrieben. Gegeben:
-\ t3
m, a, Mo, R = 2a, 1= 6a, h.
Die Abmessungen des Zylinders entsprechen denen des Beispiels I im vOJigen Abschnitt (Seite 556), die Lage der Drehachse entspricht der S-Achse dieses Beispiels.
t3 \
Die Bewegung beginnt aus der Ruhe heraus. Es sollen die zeitabhängigen Lagerreaktionen und die Gesamtzeit 11 berechnet werden, die für die erste volle Umdrehung benötigt wird.
l!!J
Die Analyse der Bewegung ist in diesem Fall einfach. Für die in der Skizze angegebene Koordinate (q> hat den gleichen Drehsinn wie das äußere Moment) und die Anfangsbedingungen
rp(l = 0) = 0
q>(1 =0) =0
(die Bedingung für q> ist willkürlich, die für rp durch die AufgabensteIlung vorgegeben) kann die dritte Gleichung von 29.10 aufgeschrieben und integriert werden:
.. Mo q>=-
=}
I Mo 2 q> = - - I
. Mo q>=-I
2 J" J" J" Die Integrationskonstanten wurden Null wegen der speziellen Anfangsbedingungen. Für J" kann der auf Seite 556 errechnete Wert J;; eingesetzt werden, so dass die Frage nach der Zeit fUr die erste volle Umdrehung bereits zu beantworten ist: r----
11=1(q>=2Jr)=
M
4Jr--"'-= Mo
Ilmaz ~n 4Jr--=5,26a 5Mo Mo
Da die Drehachse durch den Schwerpunkt der rotierenden Masse verläuft, gibt es keine resultierenden Massenkräfte infolge der Bewegung. Aus Gleichgewichtsgründen muss deshalb
FAx = -FBx
FA)' = -FB)'
gelten, und die Gewichtskraft wird von der Vertikalkomponente bei B aufgenommen:
l'iJ, =
mg
Die Momenten-Gleiehgewiehtsbedingungen um die x-Achse und um die yAchse werden von den ersten beiden Gleichungen 29.10 erfüllt. Dabei ist für die Momentwirkung der äußeren Kräfte (L1gerkraftkomponenten, siehe Abbildung 29.10) die Vereinbarung über die DrehrichlUng zu beachten (Momentenpfeile haben den Richtungssinn der x- bzw. y-Achse):
h h .z .. Mx=-FAY'2+FBY'2=-FAyh=-Jyzq> +J."q>
My =
FAx
h
h
'2 - FBx '2 =
FAx h =
.2
Jxz q>
..
+ Jy, q>
Abbildung 29.10: Kräfte alll rotie-
renden Zylinder
29.4 Beispiele zur Rotation um eine feste Achse
561
Massenträgheitsmoment und Deviationsmomente werden von der Rechnung auf Seite 556 übernornmen:
11 2 1--=1rr=-ma -" 5 und man erhält die Lagen'eaktionen:
3 2 1" =1~\ = Sma
I
..
Mo
I
FAy = -Fe, = --1xz l{) = --1xz -
."
FAx=-FBx=
<>
" 1 zz
I
.2
I
-1 I{)
-1
"
,,"
xz
3
Mo
= --11 h
2
(Mo)2 -t
15 Mot 121 ma 2 "
---
1"
Die Komponenten der Lagerreaktionen im gerade behandelten Beispiel beziehen sich auf die Richtungen der x- bzw. y-Achse des Rotors, machen also die Drehbewegung mit und haben damit bezüglich des rotierenden Körpers immer die Richtung der in der Skizze zur Aufgabensteilung eingezeichneten Koordinaten. Man erkennt, dass die x-Komponenten der Lagerreaktionen dem durch die Fliehkräfte erzeugten Moment um die y-Achse entgegenwirken müssen. Dieses Moment, das natürlich auch bei konstanter Drehzahl vorhanden ist, wird bei diesem Beispiel ausschließlich durch die SchiefstelJung der Masse hervorgerufen (der "Rotor ist nicht dynamisch ausgewuchtet", vgl. Abschnitt 29.4.2), und die Vorzeichen der Lagerreaktionen zeigen, dass der Rotor die Tendenz hat, die Schiefstellung zu vergrößern (und dies auch tun würdc, wcnn dic durch die umlaufenden Kräftc erhcblieh belastetcn Lager dies nicht verhindern würden).
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 D,c skIZZIerte Masse Wird von den be,den Stäben CD und ~ gehalten. Infolge eines Bruchs von Stab ~ beginnt die Masse eine Drehbewegung um den Stab CD. Es sonen der Winkel und die Winkelgeschwindigkeit, die die Drehbewegung beschreiben. sowie die Lagerreaktionen bei A und B in Abhängigkeit von der Zeit ermittelt werden.
2a
3a 2
x,
Der komplette Trägheitstensor für diese Masse wurde im Beispiel 2 des vorigen Abschnitts (Seite 557) berechnet. Es wird deshalb auch das dort verwendete Koordinatensystem benutzt, um die benötigten Massenträgheitsmomente und Deviationsmomente übernehmen zu können (Schwerpunkt-Koordinatensystem kann nicht benutzt werden, weil die z-Aehse mit der Drehachse übereinstimmen muss). Die nebenstehende Skizze zeigt die Definition des Drehwinkels (Iinksdrehcnd positiv, passend zum Koordinatensystcm). Er verfolgt die Unterkante der Masse. Das Koordinatensystem fotiert mit, so dass die Schwerpunktkoordinaten unveränderlich sind. Auch die Komponenten der Lagerreaktionen folgen der Drehbewegung, so dass nur das Eigengewicht mg nicht die Richtung der Koordinatenachsen hat und wic skizziert in zwci Komponcnten zerlegt wird.
'y
mg
,x
/f'm g cos'!' mg S1l1'!"
Img
562
29 Kinetik starrer Körper
Das Bewegungsgesetz folgt aus der dritten Gleichung von 29.10. Die äußeren Kräfte (Komponenten des Eigengewichts) drehcn entgegen der positiven
-mgxs sin
y'_3 s
z 1';y
I
!F8y
x =9 sin rp 2a 5a
I
fAx + FBx + IIlg cos
FAx
FAji + Fay - mgsin
; ----:, I
jF8x
y--Zs =9 cos rp
Beim Aufschreiben der restlichen Momentenbeziehungen nach 29.10 ist zu beachten, dass die Schwerpunktkoordinate Zs einen negativen Wert hat:
Abbildung 29.1 1: Eigengewicht und Lagerkraflkomponenten
-FAy ' 2a+ Fay' 5a -lIlgsin
h, cp2 +Jyz ijJ
Diese fünf Gleichungen beschreiben die Bewegung und gestatten die Berechnung der Lagerreaktionen. Vom Beispiel 2 des Abschnitts 29.3.3 (Seite 557) werden iibernommen:
xs
13
= i4 a
38 "3
, 38 21
J,,=-pa 5 =-ma 2
Ys
9
=
14° 37 4
zs = 37 28
19
-i4 a 21 4
3 4
h,=-pa5 =-ma 2 , Jy ,=-pa5 =-ma 2
wobei für die Gesamtmasse m = 7 a 3 p eingesetzt wurde. Damit kann z. B. die BewegungsDifferenzialgleichung folgendermaßen aufgeschrieben werden: 13.
9
-mg ( i4asll1
)
=
38
..
21ma2cp
ijJ = - 3 (J3SinCP+9cosCP) ~ 76 a Zunächst muss diese Differenzialgleichung unter Beachtung der Anfangsbedingungen
Ir
"2
cp(t = 0) = 0
gelöst werden, was nur numerisch gelingt. Die Aufbereitung der Gleichungen für die Computerrechnung soU zum Anlass genommen werden, die (gerade für ctie numerische Rechnung) besondcrs elegante Vcrwendung ausschließlich dimcnsionsloscr Größen zu demonstrieren. Dic Winkelkoordinatc cP ist ohnehin dimensionslos. von den veränderlichen Größen sind nur die Winkelgeschwindigkeit, die Winkelbeschleunigung und die Zeit dimensionsbehaftet. Der Faktor auf der rcchten Scite der Differenzialgleichung gibt dcn Hinweis. dass man mit dcr "dimcnsionslosen Zeit"
563
29.4 Beispiele zur Rotation um eine feste Achse
und den entsprechend umgeschriebenen Ableitungen der Winkel koordinate nach der Zeit
zu einer dimensionslosen Bewegungs-Differenzialgleichung kommen kann (der Strich symbOlisiert die Ableitung nach 't"):
=
1~6 (-I02cos
1~6( I
93
I02sin
F/Jx =
T%( -
94eos
FBy =
I 196 (
94 sin
Der Vorteil der dimensionslosen Rechnung wird deutlich: In den Klammern stehen nur dimensionslose Größen, und natürlich geht man nach Division der vier Gleichungen durch mg auch noch zu dimensionslosen Kräftcn libero Dann fließen weder aktuelle Werte für die Abmessung a noch für die Masse m in die Rechnung ein. Die numerische Berechnung wird "parametrisiert". Die Ergebnisse können dann mit den speziellen Parametern für ein aktuelles Problem multipliziert werden. falls Z. B. für die Kräfte die Aussage nicht ohnehin schon ausreichend ist, dass ,.die maximale Lagerkraftkomponente etwa das 1,4-fache des Eigengewichts ist". Die Abbildung 29,12 (die Berechnung dieses Beispiels mit verschiedenen Programmen findet man un-
ter www.TM-aktuelJ.de) zeigt links die numerisch ermittelten Funktionen
Abbildung 29.12: Kinematische Diagramme und Lagerkrärte
564
29 Kinetik starrer Körper
29.4.2 Auswuchten von Rotoren Rotoren werden im Allgemeinen so ausgelegt, dass die Rotationsachse eine HauptzentraJaehse ist. Wenn dies praktisch exakt zu realisieren sein würde, wäre der Rotor "ideal ausgewuchtet". Die Lager würden dann nicht durch die Massenkräfte ZlIsätzlich belastet werden. Definition: Bringt man an einen ideal ausgewuchteten Rotor im Abstand achse eine Masse m an, dann hat der Rotor die Unwucht
I"
von der Rotations(29.27)
Der so definierte Unwuchtvektol" kennzeichnet die Richtung und mit seinem Betrag auch die Größe der Unwucht. Von einer statischen Unwucht spricht man, wenn die Drehachse parallel zu einer Hauptzentralachse des Rotors liegt. Die Abbildung 29.13 zeigt dafür eine Modellvorstellung: Eine Zusatzmasse wurde am ideal ausgewuchteten Rotor in der zur Rotationsachse senkrechten Schwerpunktebene angebracht. Die Zusatzmasse 111 im Abstand I" von der Drehachse des Rotors mit der Masse M ruft die Unwucht m r hervor und verschiebt den Schwerpunk't und damit die Hauptzentralachse des Rotors um
e=
~
Abbildung 29.13: Modell einer statischen Umv/lchr (wr Berechnung von Schwerpunkten siehe Kapitel 4). Das Produkl aus der Summe der bei den Massen IIlg,s = M +m und dem Abstand e des Gesamtschwerpunkts von der Rotationsachse M +m
(M+m)e= zcigt, dass bei bekannter Gesamtmasse m ges wucht auch nach
(M +m)ml" =1111" M+m und der Exzentrizität des Schwerpunkts
D=
e
die Un-
mge,\·e
berechnet werden kann. Der Begriff "statische Unwucht" besagt, dass sie auch mit den Mitteln der Statik nachweisbar ist: Der nur durch sein Eigengcwicht bclastete Rotor wäre nur im stabilen statischen Gleichgcwicht, wenn der Unwuchtvektor nach unten zeigt, und würde sich selbstständig in diese Lage drehen. Dies ist bei einer "rein dynamischen Unwucbt" nicht der Fall. Die Ab· bildung 29.14 zeigt ein Modell dafür: Dieser Rotor wäre in jeder Lage im statischen Gleichgewicht, aber seine Hauptzentralachse weicht von der Rotationsacbse ab. Der allgemeine Fall liegt vor, wenn in verschiedenen Querschninsebenen des Rotors unterschiedliche Unwuchten existieren.
Abbildung 29.14: ..Rein dynamische Unwuchr"
oe;> Immer dann, wenn die Rotationsachse nicht mit einer Hauptzentralachse des Rotors zusam-
menfallt, spricht man von einer dynamischen Unwucht. In diesem Begriff sind die statische und die rein dynamische Unwucht als Sonderfalle enthalten.
565
29.4 Beispiele zur Rotation um eine feste Achse
Dem Ziel, die dynamische Unwucht eines Rotors zu beseitigen, kommt man durch Klärung folgender Frage sehr nahe: "Wie kann der allgemeine Fall eines Unwuchtzustands durch möglichst wenige Unwuchtvektoren beschrieben werden?" Da die Unwuchtvektoren sich nur durch den skalaren Faktor w2 von den Flichkräftcn unterscheiden, bictct sich folgcndc flir Kräfte erlaubtc Überlegung an: Man zerlegt alle UnwuchtvcklOren in zwei Komponcnten in x- bzw. y-Richtung (naheliegend, aber nicht zwingend, ist die Verwendung kartesischer Koordinaten, es können jedoch zwei beliebige, aber für alle Unwuchtvektoren gleiche Richtungen senkrecht zur Rotationsachse sein, die nicht senkrecht zueinander sein müssen). Dann können alle x-Komponenten nach den Regeln der Zusammenfassung paralleler Kräfte zu einer Unwucht in einer bestimmten Ebene zusammengefasst werden, demcntsprechend dic y-Komponenten, wobei sich im Allgcmeinen cine andcre Ebene für diese Resultierende ergeben wird. Die Richtungen von x und y sind dabei natürlich frei wählbar, bei anderen Richtungen wird sich ein anderes Unwuchtpaar in zwei anderen Ebenen ergeben. Aus dieser Überlegung folgt: Der allgemcine Unwuchtzustand (dynamische Unwucht) ist darstellbar durch zwei Unwuchtvektoren in zwei verschiedcnen (frei wählbaren) Ebenen.
V3
v,
l{4
Vn
VII
V, VI
Damit ist die Möglichkeit des Auswuchtens (Beseitigen der Unwucht) vorgezeichnet: Man bringt in den beidcn Ebenen der resultierenden Unwuchten dic entsprechenden "negativen Unwuchten" (Zusatzmassen gerade auf der entgegengesetzten Seite des Rotors) an. In der Praxis sind dabei meist die bei den Ebenen vorgeschrieben, in denen die "Gegenunwuchten" angebracht werden können (beim Auswuchten von Kraftfahrzeugrädern werden im Allgemeinen Bleigewichte an den Felgenrändern befestigt). Die Aufgabe. einen Unwuchtvektor in einer Ebene durch ein Paar äquivalenter Unwuchtvektoren in zwei parallelen Ebenen zu ersetzen, ist in gleicher Weise wie das statisch äquivalente Ersetzen einer Kraft durch zwei parallele Kräfte zu lösen: Die beiden "Ersatzunwuchten" sind parallel zur "Originalunwucht" und haben gemeinsam gleiche "Kraftwirkung" und "Momentwirkung" bezüglich einer beliebigen Achse wie die OriginaJunwucht (vgl. nachfolgendes Beispicl 2).
c:> Folgende Möglichkeiten werden in der technischen Praxis genutzt, um den Unwuchtzustand eines Rotors auszugleichen: • Man ermittelt (experimentell, eventuell auch durch Rechnung) die tatsächliche Hauptzcntralachse dcs Rotors, markiert sie (z. B. durch Zentricrbohrungen) und passt die Lagerzapfen cntsprechend an (Wuchtzelllrieren). • Dazu alternativ ist die Korrektur der Hauptzentralachse des Rotors, bis sie mit der Rotationsachse übereinstimmt durch Zugabe von Material (z. B. Bleigcwichtc, ...), Weg/whme von Material (Abschleifen, Anbringen von Bohrungen, ...), Verlagern von Material (z. B. durch Verändern der Einschraubtiefe von Schrauben, die in der Konstruktion für diesen Zweck vorgesehcn sind, ...).
566
29 Kinetik starrer Körper
I
Beispiel J: I_"";_ _...1 Eme Sttftwalze besteht aus dem zylIndrischen Grundkörper und vier jeweils um 90° versetzt angebrachten Massen m, deren Schwerpunkte sich im Abstand R von der Walzenachse befinden.
l/3 ' l!3 -" 4 l!3/ ~"\
;" 0
'\
Die vier Unwuchtvektoren in den Ebenen I bis 4 haben alle den gleichen Betrag VI = U2 = VJ = V4 = mR
....
\ 2
Der Unwuchtwstand infolge der Zusatzmassen m soll durch Betrag und Richtung zwcicr Unwuchtvcktoren angegcben wcrdcn, die in den Ebenen I bzw. 4 liegen.
2
4
i
!
IR,
-.
2
3
bei unterschiedlichen Richtungen. Um den Unwuchtzustand nur durch zwei Vektoren in den beiden Ebenen I bzw. 4 beschreiben zu können, müssen zunächst die beiden Vektoren der Ebenen 2 und 3 durch jeweils ein äquivalentes Vektorpaar ersetzt werden. Die Abbildung 29.15 zeigt das ftir die Unwucht U2, die durch die beiden Unwuchten V2.1 (in der Ebene I) und V2.4 (in der Ebene 4) ersetzt wird. Äquivalenz ist gegeben, wenn U2 einerseits und U2, I und V2.4 andererseits gleiche resultiercnde "Kraftwirkung" und gleiche resultierende "Momenlwirkung bezüglich einer beliebigen Achse" haben (vgl. Kapitel 3).
Abbildung 29.15: Ersetzen von Uz durch ein Unwuchtpaar in den Ebenen I und 4
Um eine beliebige vertikale Achse in der Ebene I hat U2, I keine Momentwirkung, die Gleichheit der Momentwirkungen von V2 bzw. V2.4 um eine solche Achse liefert I I I U2 4 1 = U2 - , =} U2 4 = - U2 = - m R
.
3
'
3
3
Die Äquivalenz der Momentwirkungen um eine vertikale Achse in der Ebene 4 ergibt: 2 2 2 U2.I I =U2 ' =} U2.t=3 U2 =3 mR 3 Auf entsprechende Weise wird die Unwucht V3 äquivalent ersetzt: I I 2 2 U31=-U3=-mR U34=-U3=-mR
,
3
3
'
3
3
Die vier Unwuchten in vier Ebenen sind durch sechs Unwuchten in zwei Ebenen ersetzt worden. Inncrhalb der Ebenen werden die jewcils drei Unwuchten (Abbildung29.16) nach dcn "Regeln des Kräfteparallelogramms" zusammengefasst: Vi,,.d = jeu] - U31)2
+ Vi. t =
0, 94311lR
UÜed = j(U4 - V2.4)2 + V},4 = 0, 943mR
at
= 45°
C4 = 225 0
Abbildung 29.16: 6 Unwuchten in 2 Ebenen -... 2 Unwuchten in 2 Ebenen
567
29.4 Beispiele zur Rotation um eine feste Achse
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Mit Hilfe einer AuswuchtmaschJne wurden in den Lagerebenen I und 2 (Abstand I) die Unwuchten Vt und V2 unter den Winkeln al bzw. a2 gemessen. Der Unwuchtzustand soll durch Zusatzmassen und 1Il" in den Ebenen I und 11 ausgeglichen werden. Die Ausgleichsrnassen 1Il, und 111" werden in den Abständen bzw. 1'" von der Drehachse angebracht.
IJ
In,
r,
Gegeben:
Gesucht:
VI, V2, al, a2, a, b, r" r", I. m"
mlJ
l
aj
1
a".
Zunächst werden die gemessenen Unwuchten in zwei zueinander senkrechte Komponenten in Richtung der Koordinaten x und y zerlegt:
VI,x = VI cos a,
VI.y = VI sin a,
V2,x = V2 cos a2
V2,y = V2 sin a2
Es werden nun in den Ebenen I und 11 auchje zwei Unwuchtkomponemen in x- bzw. y-Richtung definiert, die den äquivalenten Unwuchtzustand beschreiben sollen. Wie im Beispiel I wird äquivalente Momentwirkung (hier um vertikale und horizontale Achsen in den Ebenen 1 und Il) gefordert, z. B. kann aus
VI,,,(I-b) -V2."b = V,.,,(I-b-a) (Äquivalenz der Momentwirkungen um eine vertikale Achse in der Ebene 11) die Unwucht V"x berechnet werden, und aus drei weiteren Gleichungen dieser Art errechnet man:
V"y=
VI (1- b) sin al - V2 bsilJa2 (I-b-a)
V _ V2(1-a)sina2-V,asinal ",y(I~b~a) Aus diesen Komponenten ergeben sich die äquivalenten Unwuchten in den Ebenen 1 und 11 und die Winkel, die Ihre Vektoren mit der x-Richtung einschließen:
V, =
j V?x + ur,
tana, = V,.y V'.x Ln welchen Quadranten des Koordinatensystems die Winkel a, und a" liegen, muss über die Vorzeichen der Unwucht komponenten entschieden werden. Der damit auf die Ebenen 1 und 11 reduziel1e Unwuchtzustand kann in diesen Ebenen ausgeglichen werden, indem Zusatzmassen
V,
m,=-
bei
V"
bei
r,
uncl angebracht werclen.
I11JJ=-
r"
568
29 Kinetik starrer Körper
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper Die in den folgenden drei Abschnitten für die ebene Bewegung des starren Körpers herzuleitenden Aussagen beziehen sich auf die im Kapitel 27 behandelte Kinematik dieser Bewegung. Die Grundlagen der Kinetik, die dafür benötigt werden, sind komplett bereits im Kapitel 28 bei der Kinetik des Massenpunkts besprochen worden. Es wird stets die gleiche Strategie sein: Die für den einzelnen Massenpunkt gefundene Gesetzmäßigkeit wird auf die unendlich vielen Massenpunkte des starren Körpers übertragen. die voraussetzungsgemäß untereinander konstante Abstände behalten.
29.5.1 Schwerpunktsatz, Drallsatz Die Bewegung des starren Körpers wird betrachtet als Translation, beschrieben durch die Bewegung eines ausgewählten Bezugspunktes 0, der eine reine Rotation um diesen Punkt überlagert wird (vgl. Abschnitt 27.1). Für einen im ortsfeSten Koordinatensystem durch x und y verfolgten beliebigen Punkt werden zunächst die Beschleunigungsallteile zusammengestellt: Die Beschleunigungskomponenten des Bezugspunktes Xo und.vo (translatorischer Anteil) sind auch dem betrachteten Punkt zuzuordnen (in der Abbildung 29.17 gestrichelt), und die Bewegung des Punktes auf einem Kreis mit dem unveränderlichen Radius r (starrer Körper) steuert zwei weitere Anteile bei, die Bahnbeschleunigung rip und dje Normalbeschleunjgung rfp2
y I
.. ,Yo
CP.
rcp T
!
y
~-
ur Yo
t-l.,--4.
-~I
rr;,2 ~r
X0
\
"
ol/iOL xo tYo
_0
x
x I
xo Abbildung 29.17:
x
Slarrkörper-Bewcgung als
Translation des Punktes 0 und Drehung um 0
Diese vier Beschleunigungsanteile werden zu zwei Komponenten in Richtung der Koordinaten zusammengefasst. Dazu wird noch ein Hilfskoordinatensystem X, Si mit dem Ursprung in 0 eingeführt, das der Bewegung des Punktes 0 folgt, njcht aber die Rotation des Körpers mitmacht. Dementsprechend sind der Winkel ip und auch
x= rcosip
Si=rsinip
veränderlich. Der Winkel ip unterscheidet sich von dem Winkel
x = -"0 - ripsinip - rrp2cosip = -"0 - ipSi - rp2 x .v = );0 + ripeos.p - rrp2 sin ip = );0 + ipx _ rp2 Si
(29.28)
569
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper
Dem fLir den Massenpunkt behandelten Prinzip von d' Alemben (Abschnitt 28.2.2) folgend, werden alle angreifenden äußeren Belastungen (eingeprägte Kräfte. Zwangskräfte, Bewegungswiderstände) und die Massenkräfte (d' Alembensche Kräfte, den gewählten Koordinatenrichtungen cntgegengerichtet) angetragen. In der Abbildung 29,18 sind die äußeren Belastungen durch zwei Kraftkomponenten F, und Fy , deren Wirkungslinien durch den Bezugspunkt o gehen, und das Moment M repräsentiert (eine solehe Zusammenfassung einer beliebigen ebenen Belastung ist nach den Regeln der Statik starrer Körper immer möglich). Stellvertretend für die (unendlich vielen) d' Alembertschen Kräfte der differenziell kleinen Massenpunkte d", wurden für einen Punkt die beiden Komponenten gezeichnet.
y I 'P.
9.ip /
I
xdm
y ----T-
dm
_e
~~-
y
~
~Ydm
M 0 -
y~
o
0
•
Fx
I
I
x i
Xo
X
Abbildung 29.18: Äußere Belaslung und d' Alembertsche Kräfte flir einen Massenpunkt dm
Die Summe (Integral) der Wirkungen der differenziellen Massenkräfte muss mit den äußeren Belastungen F" Fj. und M im Gleichgewicht sein, formuliert werden horizontales und vertikales Kräfte-Gleichgewicht und Momenten-Gleichgewicht bezüglich des Pnnktes 0:
! xd", ! Ydm
~. =
XO! dm- ip
m
111
-I xy d", +I
m
jiX d", =
m
In
m
m
Yo/ dm+ip! xdm-cp2! ydm
m
M=
! ydm- cp2! xdm
-xo
m
m
I y dm +ip Ii dm +cp21 xy d",
111
m
m
m
m
m
m
'"
(29.29)
I xdm+ip I ?d",_cp2! yxdm -xo/ Ydm+yo/ xdm+ipl (?+ildm
+Yo =
m
Die verbleibenden Integrale in 29.29 sind interpretierbar. Es gilt:
! m
dm=m
!(?+il dll1 = ! m
r
2
dm=Jo
(29.30)
In
Für das Massenträgheitsmoment Jo bezüglich einer Achse durch den Punkt 0 (senkrecht zur Zeichenebene) dürfen die im Abschnitt 29.3 für körperfeste Koordinaten ermittelten Formeln verwendet werden, weil sich r (im Gegensatz zu x und YJ während der Bewegung nicht ändert. Die beiden übrigen Integrale in 29.29 sind wieder (wie bei der Rotation um eine feste Achse, vgl. Abschnitt 29.2) die aus der Statik bekannten statischen Momente der Masse, wofÜJ' nach den Fomteln 4.3
570
29 Kinetik starrer Körper
J
i dm.
= miS
J
ydm=mys
(29.31)
m
'"
geschrieben werden kann. wobei zu beachten ist, dass Xs und Ys sich während der Bewegung ändern. so dass nicht die für ein körperfestes Koordinatensystem ermittelten Schwerpunktkoordinaten eingesetzt werden dürfen. Mit 29.30 und 29.31 wird aus 29.29:
Fx =
mxo - mys ii> - m5:s ep2 Fy = myO +mxsii> -mYsep2 M = -mYsxo+lIlxSyo+Joii> Die ersten beiden Gleichungen 29.32 gehen für Xo = 0 und YO =
(29.32)
0 "beinahe" in die Formeln 29.7 über, die für die Rotation um eine feste Achse gefunden wurden. Die Frage, weshalb anstelle von .t und y nicht wie dort ein mitrotierendes x-y-Koordinatensystem verwendet wurde, so dass wie in 29.7 die festen Schwerpunktkoordinaten in den Formeln auftauchen, findet eine recht pragmatische Antwort: Auch die äußeren Kräfte sind jeweils auf das verwendete Koordinatensystem bezogen. "Mitrotierende äußere Kräfte" (z. B. "mitrotierende Lagerreaktionen") sind bei Rotation um eine feste Achse kein nennenswerter Nachteil, bei der allgemeinen ebenen Bewegung würden sie erheblich stören. Sie sind deshalb vermieden worden, zumal die Unbequemlichkeit, die mit den sieb ändernden Scbwerpunktkoordinaten in den Gleichungen 29.32 verbunden ist, dann nicht auftaucht, wenn man den Schwerpunkt S der Masse als Bezugspunkt 0 wählt. Dann gehen die ersten beiden Gleichungen über in den Schwerpunktsatz: Fx = mxs
F, =
myS
(29.33)
Der Schwerpunkt eines Körpers bewegt sich so, als würden alle äußeren Kräfte an ihm angreifen und die Gesamtmasse des KÖlpers in ihm konzentriert sein. 29.33 sagt nichts über eine mögliche Drehung des Körpers. Dies führt zu bemerkenswerten Konsequenzen des Schwerpunktsatzes: oe:> Eine an einem Körper angreifende Kräftegruppe darf beliebig verschoben (nicht gedreht)
werden, ohne dass sich die Bewegung des Schwerpunkts ändert. Die Bewegungen der anderell Körperpllnkte werden natürLich beeinfluss!. oe:> Ein äußeres Moment hat auf die Bewegung des Schwerpunkts allein keinen Einflnss. Das
Gegenargument, dass ein Rad durch das Aufbringen eines Moments zum Rollen (und damit auch zu einer Bewegung seines Schwerpunkts) gebracht wird, ist leicht zu widerlegen: Ein äußeres Moment versetzt ein Rad zunächst nur in Rotation (man denke an die vorn Drehmoment des Motors angetriebenen Räder eines Fahrzeugs auf spiegelblanker Eisfläche). Erst durch die Haftkraft zwischen Rad und Untergrund wird auch der Schwerpunkt des Rades in Bewegung gesetzt. Genau diese Kraft wäre in 29.33 einzusetzen. Auch die dritte Gleichung 29.32 vereinfacht sich erheblich, wenn man als Bezugspunkt 0 den Schwerpunkt S wählt. Da die gleiche Vereinfachung sich auch bei beschleunigungsfreiem Bezugspunkt (xo = 0 und YO = 0) ergibt, formuliert man diesen Spezial fall etwas allgemeiner. Es ist der
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper
571
Drallsatz: (29.34)
Die zeitliche Änderung des Dralls ist gleich der Summe aller angreifenden öußeren Momente. Als Bezugspunkt A sind der Schwerpunkt oder ein beschleunigungsfreier Punkt des Körpers zugelassen.
<>
Die dritte Gleichung von 29.10, mit der die Drehbewegung um eine stane Achse beschrieben wurde, ist der Sonderfall des Drallsatzes 29.34 mit ruhendem Bezugspunkt. Die Gleichgewichtsbedingungen der ebenen Statik 5.1 sind die Sonderfalle von Schwerpunkt- und Drallsatz für den ruhenden Körper (io = 0, .vo = 0, iP = 0).
Schwerpunktsatz und Drallsatz werden im Abschnitt 29.6 und im Kapitel 30 noch einmal mit erweitel1er Gültigkeit behandelt. Für die ebene Bewegung des starren Körpers sind sie die Basis für das Aufschreiben der Bewegungsgleichungen und gestatten, die für den Massenpunkt behandelte Strategie (Abschnitt 28.2.2), Aufgaben der Kinetik formal auf das Formulieren von Gleichgewichtsbedingungen zurückzuführen, auf den starren Körper ZU erweitem.
29.5.2 Das Prinzip von d'Alembert Die Herleitung von Schwerpunkt· und Drallsatz im vorigen Abschnitt erfolgte unter Verwendung der d' Alembertsehen Kräfte für den differenziell kleinen Massenpullkt, deren WirklLng dann summiert (integriert) wurde. Mit dem Schwerpunkt als Bezugspullkt der Bewegung blieben nur zwei Integrale über die Gesamtmasse mit jeweilS vertrauten Größen als Ergebnis übrig: Die Gesamtmasse m darf man sieh laut Schwerpunktsatz "im Schwerpunkt konzentriert" vor· stellen (damit ist für den translatorisehen Anteil die Situation exakt wie beim Massenpunkt), und das Massenträgheitsmoment Js repräsentiert die Trägheitswirkung der Masse gegenüber der Drehbewegung um den Schwerpunkt. Die Konsequenzen für die Erweiterung des Prinzips von d' Alembert, das im Abschnitt 28.2.2 für den Massenpunkt formuliert wurde, sind damit klar: Die d' Alembertschen Kräfte müssen im Schwerpunkt des Körpers (den Richtungen der eingeführten Bewegungskoordinaten entgegengesetzt) angetragen werden und sind zu ergänzen durch das d'Alembertsche Momenr JsiP. das der positiven Drehrichtung der für die Rotationsbewegung eingeführten Koordinate entgegengerichtet ist. Damit kann das kinetische Problem durch das Aufschreiben von Gleichgewichtsbedingungen gelöst werden (wie in der Statik kommt für das ebene Problem eine Momenten-Gleichgewichtsbedingung hinzu). Das d' Alembertsche Prinzip in dieser Fonn gestattet die Analyse von Bewegungsvorgängen auch mit mehreren Freiheitsgraden und die Berechnung der auftretenden Zwangskräfte. bei Systemen starrer Körper einschließlich der Kräfte in den Verbindungsgliedem (sollten diese Kräfte nicht interessieren und nur der Bewegungsablauf analysiert werden, ist für kompliziertere Systeme häufig eine spezielle Fassung des Prinzips von d' Alembert zu bevorzugen, die im Kapitel 33 behandelt wird). Bewährt für die Behandlung von Aufgaben hat sich ein schrittweises Vorgehen entsprechend den nachfolgend gegebenen
572
29 Kinetik starrer Körper
Empfehlungen für das Lösen "on Problemen nach dem Prinzip "on d' Alembert: CD Wahl geeigneter Bewegungskoordinafen: Zweckmäßig ist es, für jede Bewegungsmöglichkeit des starren Körpers eine eigene Koordinate zu wählen (z. B. für das rollende Rad eine Weg- und eine Winkelkoordinate), auch wenn zwischen den eingeführten Koordinaten Zwangsbedingungen zu berücksichtigen sind. Man sollte darauf achten, dass alle gewählten Koordinaten gleichzeitig positiv werden. @ Freischneiden des Sfarren Körpers VOll allen äußerell BindungeIl: Es ist sinnvoll, den (oder
die) Körper in cincr ausgelenktcn Lage (allc Koordinatcn ungleich Null und positi,,) zu skizzieren. Bei Systemen starrer Körper ist es ratsam (und wird zur Vemleidung von Fehlern dringend empfohJen), aucb die Bindungen zwischen den einzelnen Körpern zu schneiden (für komplizierterc Systeme ist gelegentlich das Arbciten mit dem Prinzip von d' Alembert in der Fassung günstiger, die im Kapitel 33 behandelt wird).
® Amragen aller wirkenden Kräfte und Momellle: • Eingeprägte Kräfte ulld Momellle, z. B.: Eigengewicht, Antriebskräfte, Antriebsmomente, ...
• Zwangskräjie und -momellfe, die durch das Freischneiden sichtbar werden: Dies sind die aus der Anwendung des Schnittprinzips in der Statik bekannten Lagerreaktionen, Seilkräfte, Kräfte zwischen den starren Körpern und Führungen, Haftkräfte, ... • Bewegungswidersfällde, z. B.: Gleitreibung, Rollreibung (nicht: Haftkräfte, die zu den Zwangskräften gehören und sich aus den Gleichgewichtsbedingungen ergeben), Luftwiderstand. Bewegungswiderstände sind immer entgegen der tatsächlichen Bewegungsrichtung anzutragen. Wenn diese nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden kann, ist die Rechnung gegebenenfalls mit den korrigielten Richtungen für die Bewegungswiderstände zu wiederholen. • d'Alembertsche Kräfte (im Schwerpunkt) und d'Alemberlsc!le Momente (Massenträgheitsmomeute bezogen auf Schwerpun.ktacbsen), die entgegen den Richtungen der eingeführten Bewegungskoordinaten anzutragen sind. Dabei spielt die tatsächliche Bewegungsrichtung keine Rolle, da sich die Bewegungsgrößen (Bahnbeschleunigung und Geschwindigkeit) mit dem sich ergebenden Vorzeichen auf die gewählten Koordinaten beziehen. Bei der Bewegung des Schwerpunkts auf einer gekrümmten Bahn ist entsprechend 28.8 oder 28.9 die vom Kmmmungsmittelpunkt der Bahn nach außen gerichtete Zentrifugalkraft zu ergänzen, die von der Bewegungsrichtung ohnehin unabhängig ist. @
Aufstellen der Gleichgewichtsbedingungen: Dabei muss der Bezugspunkt für das Momentengleichgewicht natürlich nicht der Schwerpunkt sein. Es ist häufig (wie bei statischen Problemen) vorteilhaft, die Momentenbezugspunkte so zu wählen, dass die für die weitere Rechnung nicht interessierenden Kräfte gar nicht in den Gleichgewichtsbedingungen erscheinen.
® Eillsetzen der kinematischen Zwangsbedingungen in die Gleichgewiclllsbeziehullgen: Die Anzahl der erforderlichen Zwangsbcdingungen entspricht dcr Differcnz der Anzahl der eingeführten Bewegungskoordinaten n und der Anzahl der Freiheitsgrade des Systems, bei einem System mit nur einem Freiheitsgrad müssen also Il - I Zwangsbedingungen berücksichtigt werden. Nach Einsetzen der Zwangsbedingungen in die Gleichgewichtsbeziehungen
573
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper
muss die Anzahl der Unbekannten (Zwangskräfte, Beschleunigungen, Winkelbeschleunigungen) mit der Anzahl der Gleichungen übereinstimmen. Wenn nur nach Zwangskräften oder Beschleunigungen gefragt ist, können diese aus dem entstandenen Gleichungssystem direkt berechnet werden. Wenn nach den Bewegungsgesetzen (Geschwindigkeit-Zeit, Weg-Zeit, Geschwindigkeit-Weg) gefragt ist, müssen zusätzlich noch folgende Schritte abgearbeitet werden:
® Eliminalion der ZwallgskräJte aus den Gleichgewichtsbeziehungen, so dass die Anzahl der verbleibenden Gleichungen der Anzahl der Freiheitsgrade des Systems entspricht. Diese Gleichungen enthalten noch die Bewegungskoordinaten und deren Ableitungen nach der Zeit (Geschwi ndigkeiten, Beschleunigungen). IJ)
Integralion dieser Gleichungen und Ermittlung der dabei anfallenden Integrationskonstanten aus Zusatzbedingungen, z. B. Anfangsbedingungen. Man erhält direkt das GeschwindigkeitsZeit- und das Weg-Zeit-Gesetz, aus denen bei Bedarf auch das Geschwindigkcits-Weg-Gcsctz bestimmt werden kann.
Das schrittweise Vorgehen nach diesen Empfehlungen soll zunächst an einem einfachen Beispiel, das jedoch fasl alle lypischen Probleme zeigl, demonstrie'1 werden. Weilere Beispiele finden sich im Abschnitt 29.5.4.
I Beispiel:
I
Eine zylindrische Walze mit der Masse m beginnt unter Einwirkung einer Kraft F zum Zeitpunkt I = aus der Ruhe heraus eine Bewegung auf einer horizontalen Bahn.
Gegeben:
°
m; F=!mg; a=40'; R=500mm.
a) Welchen Weg hat die Walze nach t = 5 s zurückgelegt und um weI-
chen Winkel hat sie sich gedreht, wenn eine reine Rollbewegung vorausgesetzt werden darf? b) Wie groß muss der Haftungskoeffizienl J10 zwischen Walze und Untergrund mindestens sein, damit sich eine reine Rollbewegung einstellt? c) Wie ändern sich die unter a gefragten Werte, wenn fLir den Haftungskoeffzienten 110 = 0, 12 und den Gleitreibungskoeffizienten J1. = 0, I gilt? a) Als Bewegungskoordinaten werden x (nach rechts positiv) zur Verfolgung des Schwerpunkts und qJ (rechtsdrehend positiv)
rur die Drehbewegung gewählt, beide nehmen gleichzeitig positive Werte an. Die Abbildung 29.19 zeigt den von äußeren Bindungen (Unterlage) freigeschnittenen Körper, angetragen wurden die eingeprägten Kräfte F und das Eigengewicht mg, als Zwangskräfte die Normalkraft FN und die Haftkraft Ffi . Bewegungswiderstände gibt es bei der AufgabensteIlung a nicht, die d' Alembensche Kraft und das d' Alembertsche Moment wurden jeweils entgegen der zugehörigen positiven Koordinatenrichtung eingezeichnet.
x
iIi~ ~X'F
= S!=9 Jsq;
A
FN
_
tF
Abbildung 29.19: schnittenes System
H
Freige-
574
29 Kinetik starrer Körper Da die AufgabensteIlung a nach den Zwangskräften FN und FH nicht fragt, wird (bei Verzicht auf zwei weitere Gleichgewichtsbedingungen) nur die Momenten-Gleichgewichtsbedingung bezliglich des Punktes A aufgeschrieben, in die diese beiden Kräfte nicht eingehen. Mit dem Massenträgheitsmoment fLir den Kreiszylinder Js = ~ mR2 nach 29.14 ergibt sich: I I' Fcosa· R -1/l.i'R -Jsii> = 0 .i'+ -2 Rii> = - cosa I/l
Die kincmatischc Zwangsbedingung qJ = 7i fur die reine Rollbewegung nach 27. I und das Einsetzen des fLir I' gegebenen Wertes fUhren auf: 21' I I I .i' = 3m cosa = :3 g cosa i = :3 glcosa +CI x = (; gl2cos a +CI 1+C2 Die Integration war wegen der konstanten Beschleunigung besonders einfach. aus den Anfangsbedingungen X{I = 0) = 0 (willklirlich) und i{1 = 0) = 0 (AufgabensteIlung) ergeben sich die Integrationskonstanten CI = 0 und Cl = 0, so dass das Bewegungsgesetz I X= _gl2cos a (29.35) 6 gemeinsam mit der kinematischen Zwangsbedingung die ersten Fragen beantworten kann: X{l =
5s) = 31,3m
qJ{1 = 5s) =
x{I=5s) R
= 62,62 = 3588
0
b) Eine reine Rollbewegung stellt sich nur ein, wenn das Coulombsche Haftungsgesetz 9.1 :0: IFlI.maxl = p{J FN erfullt ist. FlI und FN können aus dcn bisher nicht genutzten Kräfte-
11'11 [
Gleichgewichtsbedingungen an der freigeschnittenen Walze berechnet werden:
T
FN=mg-Fsina =mg (I
-~ sina) 2
1
FH = Fcosa -mX = Fcosa-:3 Fcosa = (;mgcosa
<-
Damit errechnet man aus 9. I die Bedingung flir reines Rollen der Walze: WJ
~ 1;:1 =0.188
c) Die Bedingung flir reines Rollen ist mit dem Haftungskoeffizienten, der flir die Aufgaben-
steIlung c gegeben ist, nicht mehr erfüllt. Damit gilt auch die Zwangsbedingung fUr die beiden Bewegungskoordinaten (Rollbedingung) nicht mehr. Die Walze fuhrt eine Bewegung mit zwei Freiheitsgraden aus. An die Stelle der Haftkraft (Zwangskraft) tritt die Gleitreibungskraft (Bewegungswiderstand, Abbildung 29.20), für die nach 28.3 die Formel fUr die Coulombsche Gleitreibung gilt (im Unterschied zur Haftkraft, die aus einer Gleichgewichtsbedingung berechnet wurde). In diesem Fall werden alle drei Gleichgewichtsbedingungen benötigt:
T SC
FN
-
mg + I' sin a = 0
<-
mi-Fcosa+)lFN = 0
Js ii> -)l FN R = 0
Flir das Momenten-Gleichgewicht wurde der Bezugspunkt S gewählt, um gleich zu entkoppelten Beschleunigungsgleichungen zu kommen. Die Normalkraft wird eliminiert, und nach Einsetzen von Js = ~ mR2 und des gegebenen Wertes flir I' verbleiben:
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper
575
x = ~ 8 (cosa+.u sina - 2.u)
Ci>
=.u ~ (2 -
x
Beschleunigung und Winkelbeschleunigung sind konstant und können problemlos integriert werden. Mit den Anfangsbedingungen X(I = 0) = O..1'(1 = 0) = 0, rp(r = 0) = 0, 1'(1 = 0) = 0 werden alle Integrationskonstanten Null, und aus
x=
rp =
I
-
-.u 2
S!=9
=x
.
4: 8 12 (cosa +.u Sill a - 2.u) I
Abbildung geschnitte,ncs
ergeben sich die Antworten auf die Fragestellungen:
X(I = 5s) = 38,6m
FN
(29.36)
-Rg 12 (2 - sm. a)
/F
si.na)
t FR ~I-'FN
29.20:
Frei-
System
mit
Gleitreibung
rp(1 = 5s) = 33,29 = 1907°
oe:> Das Ergebnis des geradc behandelten Beispiels ist im Hinblick auf dcn im folgendcn Ab-
schnitt behandelten Energiesatz interessant: Bei Gleitreibung wird ein Teil der von der Kraft F geleisteten Arbeit als Reibacbeit "verbraucht", die als Wärme abgefuhrt wird (und damit nicht zur Bewegung beiträgt). Trotzdem bewegt sich die rutschende Walze weiter als die Walze bei reiner Rollbewegung. weil sie nur einen geringeren Teil der geleisteten Arbeit in Rotationsenergie umsetzt (sie hat sich dementsprechend auch nur um einen wesentlich kleineren Winkel gedreht). oe:> Und noch einmal der so wichtige Unterschied zwischen Haftung und Gleitreibung:
Das unter a gefundene Bewegungsgesetz 29.35 gilt immer, wenn tatsächlich reines Rollen vorausgesetzt werden dalt', auch dann, wenn man für die Haftkraft einen falschen Richtungssinn angenommen hat. Da diese aus einer Gleichgewichtsbedingung berechnet wird, korrigiert sich ein falscher Richtungssinn über das Vorzeichen des Ergebnisses. Das unter c gefundene Bewegungsgeselz 29.36 gilt nur, wenn der fur die Gleitreibungskraft angenommene RichtwlgssinJl (nach links) richtig ist, weM sich die Walze also tatsächlich nach rcchts bewegt. Dem Ergebnis entnimmt man, dass dies nur erfüllt ist. wenn folgende Bedingung gilt: cos a +
.u sin a - 2.u >
°
.u<2
cosa ~
.
Sill a
(29.37)
Für die Werte der AufgabensteIlung c ist diese Bedingung crfullt, abcr z. B. bei eincm Winkcl a = 85° (bei ansonsten ungeänderten Werten) müsste .u < 0,0868 fur die GÜltigkeit von 29.36 gefordert werden. Im Gegensatz zu der ähnJichen Diskussion nach dem Beispiel 2 im Abschnitt 28.2.2 (Seitc 522) würde bei Nichtcrfüllung von 29.37 die Masse nicht in Ruhe bleiben, sondern eine Rollbewegung beginnen, weil dann die Bedingung für reines Rollen (Fragestcllung b) crfullt ist. Auf keincn Fall abcr würdc sic das tun, was 29.36 dafür ergeben würde. die "sich bei Rechtsdrehung nach links bewegende Walze". oe:> Eigentlich müsste auch noch überprüft werden, ob die Walze nicht "abhebt" (Indikator dafür ist eine negative Normalkraft), was genau dann passiert, wenn die Vertikal komponente von F größer al.s das Eigengewicht der Walze ist. Mit dem Wert F = ~ mg aus der AufgabensteUung
besteht aber in dieser Hinsicht keine Gefahr.
29 Kinetik starrer Körper
576
29.5.3 Energiesatz Die im Abschnitt 28.4.3 demonstrierte Integration des dynamischen Grundgesetzes über den Weg kann auf den starren Körper übel1ragen werden, wenn für die kinetische Energie, die dort für den Massenpunkt definiert wurde, ein entsprechender Ausdruck für die unendlich vielen differenziell klcinen Massenpunkte dm verwendet wird. Die Abbildung 29.21 zeigt den Bezugspunkt 0 des starren Körpers, der sich mit der Geschwindigkeit vo bewegt (gezeiehnct sind die Komponenten .1'0 und yo). Ocr Massenpunkt dm bewegt sich zusätzlich auf einer Kreisbahn um 0 mit der Bahngeschwindigkeit rliJ. Wie bei der Herleitung von Sehwerpunkt- und Drallsatz im Abschnitt 29.5.1 wird wieder ein Hilfskoordinatensystem .i', y mit dem Ursprung in 0 eingeführt. das (wie auch ip) der Bewegung des Punktes 0 folgt, nicht aber die Rotation des Körpers mitmacht. Damit sind die Komponenten der Geschwindigkeit des Massenpunktes dm aus der Skizze ablesbar:
yl
.~Y
0
_-~Idm
Y
k-~' ;.' ,io
I':
y ~
o. (f\ ~~ Xo ri~ I .
Yo
fI X
Bewegung
(29.38)
i
r~
I
Abbildung
x=xo-rcpsinip =xo-CPY y = Yo + rcpcosip = YO + cpx
. y
~.~
o
29.21: als
X
I
-
-j
x
X
+
Starrkörper-
Translation
des
Punktes 0 und Drehung um 0
Nun kann die kinetische Energie für den Massenpunkt dm aufgeschrieben werden, und nach Integration über die gcsamtc Masse m erhält man die gesuchte Formel:
T=
iJ
2
v drn =
iJ
Itl
(.1'2
+ i) dm
1/1
m
I 2 2:vo
Jdm
m
+
m
i J dm cp2
m
1
2:
+ciJ (yo
1'2
m
2
mvo
1
J.\'dm-xo j.Vdm) m
In
.2
+ cp (mxSYO - mysxo)
-JolfJ
+
m
2
wobei wieder 29.30 und 29.31 genutzt wurden, und wie bei der Herleitung von Schwerpunktund Drallsatz im Abschnitt 29.5.1 verschwindet der Ausdruck in der Klammer bei geeigneter Wahl des Bezugspunktes. Kinetische Energie bei der ebenen Bewegung des starren Körpers: •
__
__
1
2
1
·2
j
2
j
T=ltra".,+lmt=2:II1VA+2:JAlfJ =2:mvA+2,JAUJ
2
(29.39)
Die kinetische Energie selzt sich aus einem translatorischen und einem rotatorischen Anteil zusammen. Als Bezugspunkt A sind der Schwerpunkt oder ein momentan in Ruhe befindlicher Punkt des Körpers zugelassen.
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper
577
oe:> Man beachte den feinen (aber nicht ganz unwichtigen) Unterschied in der Gültigkeitsbe-
schränkung FLir den Drallsatz 29.34 und für die Formel der kinetischen Energie 29.39, wenn nicht der Schwerpunkt als Bezugspunkt gewählt wird. Für das Aufschreiben der kinetischen Energie zu cincm bcstimmtcn Zeitpunkt darf auch der Momcmanpol als Bczugspunkt gcwählt werden, während für den DraJlsatz 29.34 ein beschleunigungsfreier Punkt gefordert wird, so dass der Momentanpol in der Regel dafür ausschcidet. oe:> Der im Abschnitt 28.4.3 für den Massenpunkt formulierte Energicsatz 28.30 einschließlich
der für seine Anwendung gegebenen Empfehlungen (Seite 536) können auf die ebene Bewegung des starren Körpers unter Beachtung folgender Besonderheiten übertragen werden: , Die kinetischen Energien TI und T2 der beiden betrachteten Bewegungszustände I und 2 sind nach 29.39 aufzuschreiben. • Die Höhe" (relativ zum Null-Potenzial) in der Formel rur die potenzielle Energie 28.20 bczicht sich bcim statTCn Körpcr auf dcn Schwerpunkt. Bci cincm Systcm aus mchrcren Körpern darf für jeden Körper ein eigenes Null-Potenzial festgelegt werden.
29.5.4 Beispiele Zur Analyse der ebenen Bewegung starrer Körper wurden bisher der ScI,wetptll1ktsatz, der Drallsalz, das Prinzip von d'Alembert lind der Energiesatz behandelt. Für das Lösen von Problemen sind Schwerpunkt- und Drallsatz einerseits und das Prinzip von d' Alembert, wie es im Ahschnitt 29.5.2 dargestellt wurde, gleichwertig. Man darf die gegebenen "Empfehlungen für das Lösen von Problemen nach dcm Prinzip von d' Alembert" (Seite 572) durchaus auch als Stratcgie des möglichst sicheren Anwendens von Schwerpunkt- und Drallsatz ansehen. Der Energiesatz dagegen hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Die folgenden Beispiele sollen auch die Vor- und Nachteile der cinzelnen Verfahren zu vcrdeutlichcn.
I
Beispiel]: I_ _ _ _.... EIIle Kugel mit dem Rad.us r begll1nt 111 der Höhe" aus der Ruhe heraus eine reine Rollbewegung, die im PunktA in eine kreisförmige Loopingbahn mit dem Radius R mündet. Gegeben:
h, r, R.
r
,
t ~A
I
R
a) Wie groß ist die Bahngeschwindigkeit des Kugel-
mittelpunkts in Abhängigkeit von ß? b) Aus welcher Höhe '" muss sie starten, damit sie sich bei ß' = 1200 von der Kreisbahn löst, bei wel-
".<
cber Stat·thöhe e'Teicht sie den höchsten Punkt der Loopinghahn?
~ I W,
V21~
~ 2!ß
,
..:
I
/
R-(R-r)cosß I
, O-POl.
Nur über den Energiesatz ist ein Einstieg in die Lösung zu finden, weil über die Bahnkurve vor dem Eintritt in die Loopingbahn n.ichts bekannt ist. Betrachtet werden (untere Skizze) die Bewegungszustände I (Start) und 2 (durch ß gekennzeichneter Punkt der Loopingbahn). Das
578
29 Kinetik starrer Körper
Null-Potenzial wird (willkürlich) auf dem Niveau des tiefsten Bahnpunktes festgelegt. 1m Zustand I hat die Kugel nur potenzielle Energie (Höhe h über dem Null-Potenzial), im Zustand 2 befindet sie sich in der Höhe R - (R - r) cos ß, ihr Mittelpunkt hat die Geschwindigkeit V2, und sie dreht sich mit der Winkelgeschwindigkeit W:!. Auf dem Weg von I nach 2 wird weder Energie zugeführt (kein Antrieb) noch abgefÜhrt (keine Reibung), so dass die Energiebilanz lautet:
I mgh = mg [R - (R- r)cosßI + 2: mv~
I
+ 2:Jswi
"f
Nach Einsetzen der Zwangsbedingung W:! = (reines Rollen) und des Massenträgheitsmoments rur die Kugel, das man der Tabelle auf Seite 549 entnimmt, kürzt sich In aus der Energiebilanz heraus, die nach V2 aufgelöst werden kann: V2 =
)'70
g[h-R+(R-r)cosßI
Um die Fragestellung b zu beantworten, müssen die wirkenden Kräfte betrachtet werden. Die Abbildung 29.22 zeigt alle Kräfte. die bei Arbeit mit dem Prinzip von d' Alembert anzutragen wären: Eigengewicht (eingeprägte Kraft), Normalkraft und Haftkraft (Zwangskräfte), keine Bewegungswiderstände, d' Alembertsche Kräfte (entgegen der Bahnbeschleunigung des Schwerpunkts und die nach außen gerichtete Zentrifugalkraft) und das d' Alembertsche Moment. Bei der Zentrifugalkraft nach 28.8 ist der Radius R - r der Kreisbahn einzusetzen, auf der sich der Schwerpunkt der Kugel bewegt.
Abbildung 29.22: Freigeschninene Kugel
Wenn die Normalkraft FN negativ wird, löst sich die Kugel von der Führung. Zur Berechnung der Normalkraft genügt die Gleichgewichtsbedingung in radialer Richtung
mv2 FN-mgcosß- _ _ 2 =0 R-r
.
in die neben einer Komponente des Eigengewichts nur die Zentrifugalkraft eingeht, die mit der bereits bekannten Geschwindigkeit aufgeschrieben werden kann, so dass die unbekannten und Winkelbeschleunigung 6>.2) nicht benötigt werBewegungsgrößen (Bahnbeschleunigung den. Einsetzen von V2 und Nullsetzen der Normalkraft liefert die Bestimmungsgleichullg rur den Punkt, bei dem sich die Kugel von der Bahn löst. Diese lässt sich vereinfachen zu
"2
cosß =
_~ h-R 17 R-r
und liefert fur
ß' =
120 0 bzw.
ß"
= I80° (höchster Punkt der Loopingbahn):
1 h' = 20 (37R- 17r)
h" =
I~ (27R- 17r)
ß' die Loopingbahn verlässt, beginnt sie eine freie Bewegung (ohne Zwangskräfte). Ihr Schwerpunkt bewegt sich nach 29.33 wie ein Massenpunkt, so dass die im Beispiel des Abschnitts 28. I rur den schiefen Wurf des Massenpunktes entwickelten Formeln bei einer Anfangsgeschwindigkeit Vo = V2(ß') und einem Abwurfwinkel a = 600 gelten. Da keine äußeren Momente mehr wirken, bleibt nach dem Drallsatz 29.34 die Winkelgeschwindigkeit der Kugel während des Fluges gleich W:!(ß').
oe;> Wenn die Kugel bei
579
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 EIne WInde wIrd mit eInem konstanten Moment Mo angetrieben und zieht über ein (dehnstarres, masseloses) Seil eine Walze auf einer schiefen Ebene aufwälts. Die Bewegung möge zum Zeitpunkt I = 0 aus der Rllhe heraus beginnen. Die Walze führt eine reine RoUbewcgung aus. Gegeben:
/111, 1112,
JSI , JS2, R I , R2, Mo, a.
Der Index S bei den Massenträgheitsmomemen deutet an, dass sie sich jeweils auf den Schwerpunkt beziehen, der bei der Walze mit ihrem Millelpunkt und bei der Winde mit dem Drehpllnkt A ZllsammenfaUt. Es sollen die Beschleunigung des Walzen mittelpunkts und die Kräfte im Seil sowie die Lagerkräfte bei A flir den BewegungsZllstand ermittelt werden. In der Skizze sind die drei gewählten Bewegungskoordinaten eingetragen, mit XI wird die Bewegung des Walzenmittelpunkts verfolgt. Das System hat einen Freiheitsgrad, so dass zwei Zwangsbedingungen formuliert werden können. Für die Walze gilt die Rollbedingung €PI = )t. Ihr Momentanpol ist der Berührungspunkt mit der schiefen Ebene, der obere Punkt, an dem das Seil angreift, hat (wegen der doppelten Entfernung vom Momentanpol) die doppelte Geschwindigkeit des Mittelpunktes 2-'"1. Dies ist dann auch die Geschwindigkeit des Seils und damit die Bahngeschwindigkeit am Außenradius der Winde, für deren Winkelgeschwindigkeit also Ci>2 = ~ gelten muss. Alle Koordinaten sollen bei I = 0 ebenfalls Null sein, so dass die Zwangsbedingüngen in gleicher Form für Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung gelten. Wegen der gesuchten Kräfte wird das Prinzip von d' Alembert benutzt. Die Abbildung 29.23 zeigt die freigeschnittenen Massen mit allen angreifenden Kräften und Momenten. Für fünf unbekannte Kräfte und die llnbekannte BescWeul1igung stehen sechs Gleichgewichtsbedingungen zur Verfügung. Da FH und FN für die Walze nicht gefragt sind, wird nur eine Momemen-Gleichgewichtsbedingung (mit dem Angriffspunkt dieser Kräfte als BeZllgspunkt) für die Walze formuliert, für die Winde werden drei Gleiehgewichtsbedingllngen aufgeschrieben: Fs ·2RI -/1Ixl·RI -JSIi/J1 -/1Ilgsina·RI
Mo -JS2if!2 - Fs' R2 = 0
Abbildung 29.23: Freigesehninene Massen
=0
FAH - Fscosa = 0
I.n den beiden Momenten-Gleichgewichtsbedingungen werden die Winkelbeschleunigungen durch die Beschleunigllng des Wa]zenmittelpunkts ersetzt (Zwangsbedingllllgen), und man erhält mit . 2D ' Js t ) .Xt= rS-Inlgslna ( 1n1+2 R I
22 JS2X .. t =Mo D --rs R2 R2
29 Kinetik starrer Körper
580
zwei Gleichungen für die beiden Unbekannten Ps und XI. Nach Elimination von Ps erhält man
".
2
XI =
. -MoR2 -mi gSll1a
--=--'Js-'----,J'S24- 2 1111+-+ R2I R2
und damit sind auch die gesuchtcn Kräfte bckannt:
Fs .0;>
= -Mo R2
JS2 ..
2 -oXI Ri
PAN
=
Pscos a
PAV
= 11I2g +}"ssina
Das System des Beispiels 2 bewegt sich mit konstanter Beschleunigung, so dass auch das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz und das Weg-Zeit-Gesetz durch Integration problemlos zu bercchnen wären. Ocr Ausdruck fur die Bcschleunigung XI zeigt eincn typischcn Aufbau (Kontroll möglichkeit): Im Nenner stehen (sämtlich positiv) die .,trägen Massen", im Zähler haben die antreibenden Größen (hier: Mo) ein positives und die bremsenden Größen (hier: Eigengewicht der Walze) ein negatives Vorzeichen .
•-:> Wenn nur die BescWeunigung zu ermitteln gewesen wäre, hätte dafür aucb der Energiesatz cffcktiv angcwendet werden könncn: Für beidc Massen werden getrennte Null-Potenziale in Höhe ihrer Schwerpunkte (bei t = 0) festgelegt, so dass im Zustand I (Start der Bewegung) weder potenzielle noch kinetische Energie zu berücksichtigen ist. Auf dem Weg zum Zustand 2 (beliebiger Zeitpunkt i) wird die äußere Arbeit MO({>2 geleistet, im Zustand 2 liegt 1111 um XI sin a über dem Null-Potenzial, und flir beide Massen sind kinetische Energien naeh 29.39 zu berücksichtigen. In der Energiebilanz
MO({>2
"
I
.2
=mlgxl sma+211lIX,
I
.,
I
.2
+ 2Js, <1'1+ 2JS2lf!2
werden die Winkelkoordinate ({>2 und die Winkelgeschwindigkeiten q>1 und li>2 unter Verwendung der Zwangsbedingungen ersetzt. [LI1d man erhält mit
-mlgSina) X, = ~ ( 2 Mo ~ 2
(mi + Js~ +4J~) xi ~
~
primär eine Geschwindigkeits-Weg-Beziehung (typisch bei Anwendung des Energiesatzes). Diese Beziehung wird auf bei den Seiten nacb der Zeit ( abgeleitet:
-1111 gsin a) XI = ~ ( 2 Mo R2 2
(mi + Js~ +4 J~) 21'1 XI R2 RI
Die Geschwindigkeit XI hebt sich heraus, und nach Umstellung erhält man die gleiche Beschleunigung wie nach dem Prinzip von d' Alembert.
c:> Die konstante BescWeunigung führt natürlich dazu, dass die Bewegung des Systems immer sehneller wird. Ursache dafür ist die Annahme eines konstanten Antriebsmoments. Dies ist in der technischen Praxis in der Regel nicht realistisch. Vielmehr geben Motoren ein drehzahlabhängiges Moment ab. der Zusammenhang zwischen Drehmoment und Drehzahl wird als Kennlinie des Antriebs bezeichnet (vgl. folgendes Beispiel).
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper
581
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 EIße Setlwlßde wIrd von eIßem Antrieb mit "fallender Kennlinie" (Amriebsmomem wird bei größerer Drehzahl kleiner) angetrieben. Aus der Ruhe heraus wird ei ne Masse m angehoben (das Seil sei dehnstarr und masselos).
R .... ~ A JM(w)
Für den Anfahrvorgang sollen die Winkelgeschwindigkeit der Winde und das Antriebsmomcnt in Abhängigkeit von der Zeit ermittelt werden.
-.!J.-
MO = 3
Gegeben:
f
= I 5 mR2'
mgR
= 19 62s- 2
R
I
Die Abbildung 29.24 zeigt die freigeschnjttenen Massen mit allen zu Geriicksichtigenden Kräften und Momenten (einschließlich der Kräfte im Lagerzapfen und des Eigengewichts der Winde, die nicht Genötigt werden). Es werden das Momenten-Gleichgewicht an der Winde und das vertikale Kraft-Gleichgewicht für die Masse m formuliert:
M-Js6>-FsR=O
Fs-mg-mv=O
Fs wird eliminiert, und es verbleibt noch eine Gleichung. Mit der Zwangsbedingung w = ii und der gegeGenen Kenl1linienfunktion erhält man: 2
(Js+mR )6>=Mo
[1- (:Y]
-mgR
Dics lässt sich umformen zu:
.
I
w = 1+ -.!J.-
g { Mo mgR
R
Abbildung 29.24: Frei-
ntR2
geschniltene Massen
Diese nichtlineare Differcnzialglcichung lässt sich ausnahmsweise noch geschlossen lösen. Darauf darf man bei praxisnahen Problemen in der Regel nicht hoffen. Kennlinien sind meist gar nicht mit den klassischen Funktionen zu beschreiaen, sondern liegen nur punktweise vor (und man sollte dann ein Programm benutzen, das punktweise definierte Funktionen interpolieren und bei der Lösung des Anfangswertproblems verwenden kann). Die Abbildung 29.25 zeigt die Funktionen w(t) und M'(t) = m~R (für die Lösung mit verschiedenen Programmen siehe www.TM-aktuell.de). co
M'
~
( 16
1
4
8
4
t
Abbildung 29.25: Antrieb mit ,.fallender Kennlinie"
-+
8
\
Geschwindigkeit wächst nicht unbegrenzt
29 Kinelik Slarrer Körper
582
I
Beispiel 4: I_"";_ _...1 ZweI Massen 1/11 und 1/12 können auf emer vertikalen bzw. einer horizontalen Führung reibungsfrei gleiten. Sie sind durch eine starre Stange (Masse I11S und Massenträgheitsmoment Js bezüglich des Schwerpunktes S) gekoppelt. Das gesamte System wird aus der skizzierten Lage ohne Anfangsgeschwindigkeit freigelassen. Für den Bewegungsvorgang sollen die Kräfte in den Bolzen berechnet werden, die die Massen mit der St311ge verbinden. Gegeben:
_ Js I11S [2
~ 12
_1111 --05 I11s'
m2 --2
m, I ~
~\
m,
!I.[ =
I/Is
0
'2
Während sich die Massen m\ und 1112 rein translalOrisch bewegen, fUhrt die St311ge eine allgemeine ebene Bewegung aus. Die Abbildung 29.26 zeigt die gewählten Koordinaten: Der Schwerpunkt der Stange wird durch x und y verfolgt, die Drehung der Stange durch den Winkel !p, fUr die beiden Massen wurden die Koordinaten YI bzw. X2 definiel1. Die Massen werden von den Führungen gelöst, und die Stange wird von den Massen getrennt (Abbildung 29.27).
29 ,43s- 2
s
ly
x
x,
Abbildung 29.26: Koordinaten
Es müssen die eingeprägten Kräfte (Eigengewicht), die durch das Freischneiden sichtbar werdenden Zwangskräfte (Normalkräfte an den Führungen und die Kraftkomponenten in den Verbindungsbolzen) und die d' Alembertschen Kräfte und für die Verbindungsstange das d' Membel1sche Moment angetragen werden. Für die zentralen Kraftsysteme an den Massen 111\ und m2 können jeweils 2 und für die Stange 3 Gleichgewichtsbedingungen formlJlien werden. Da die beiden Normalkräfte nicht interessieren, wird an jeder Masse auf eine Gleichgewichtsbedingung (und damit auf eine Unbekannte) verzichtet, so dass noch 5 Bedingungen aufzuschreiben sind:
->2
Ts S)
F\y-m\g-m\y\ =0 , F2x - m2X2=0, (29.40) -Fty + F2y -l11sg -l11sY = 0 FIx ~ F2x-mSX = 0 Y\ x2 .. FIXZ + F2xY- F\yx- F2y Z -Js!p = 0
Dies sind 5 Gleichungen für4unbekannte Kräfte und die unbekannten Beschleunigungen. Da das System nur einen Freiheitsgrad hat, können alle Beschleunigungen durch eine ausgedrückt werden (Zwangsbedingungen), so dass (wie beim Beispiel 2) die Anzahl der Gleichungcn mit dcr Anzahl der Unbekannten übereinstimmt.
J ..
-----,-~ rp
msx Imsg
3x !F, m,gl Im, y, FN \
F2x
jmsy
!F2y
F2 y l
Y
m 2 x2
F2x ~m2g
IFN2
Abbildung 29.27: Freigescbnitlene Massen
Trotzdem können die gesuchten Kräfte nicht unmittelbar aus diesen Gleichungen berechnet werden, weil die Zwangsbedingungen auch die anderen Bewegungsgrößen enthalten. Aus relativ
583
29.5 Ebene Bewegung starrer Körper
einfachen geometrischen Zusammenhängen für die eingeführten Koordinaten erhält man für die Beschleunigungen wesentlich komplizie.tere Ausdrücke. Es gilt z. B.: I
x =
2 coscp
Y =
I
=}
x= -2 (ipsin cp +
2 sincp
=}
y= 2 (ipcoscp-<):>2sincp)
= / coscp
=}
X2
YI=/sincp
=}
YI=
X2
/
<):>2 eos cp)
/
(29.41)
= -I (ipsincp+<):>2cos cp)
1 (ipcoscp-<):>2sincp)
Auch wenn alle Koordinaten durch eine ersetzt werden (z. B. durch cp), kann diese nicht direkt eliminiert werden. weil sie auch durch ihre beiden Ableitungen nach der Zeit in den Gleichungen vertreten ist. Zuerst muss also das Bewegungsgesetz ermittelt werden, danach erst sind auch die Kräfte berechenbar. Die ersten 4 Gleichgewichtsbedingungen 29.40 können nach den Kräften aufgelöst werden: Fix
= ms·r+m2x2
Fty ="'lg+mIYI F2y = "'sg +msy+ml g+ml YI
F2, = "'2X2
(29.42)
Die Kräfte nach 29.42 werden in die fünfte Gleichung 29.40 eingesetzt, in der auch noch alle Koordinaten mit Hilfe der Zwangsbedingungen 29.41 durch cp ersetzt werden, und man erhält die Bewegungs-Differenzialgleichung I "'2 2 "'I 2 Js ) ( -+2-sin cp+2-cos cp+2--2 ip
2
"'S
~)
+ ("'2 _ Ins Ins
ms /
"'S
<):>2 sin 2 cp + (2
~+ Ins
I) ~ I
cos cp = 0
die natürlich nur numerisch integriert werden kann (siehe www.TM-aktuell.de). Danach können über die Zwangsbedingungen 29.41 auch die anderen Koordinaten und Beschleunigungen berechnet werden und mit diesen dann die gesuchten Kräfte 29.42. Dabei sollte die Integration des Anfangswertproblems gleich mit der Auswertung weiterer Funktionen gekoppelt werelen. Die Grafik zeigt die Bewegungsgesetze für die Stange cp(r) und (j) = <):>(1) und die resultierenden Kräfte in den Bolzen der Massen I und 2. Dargestellt sind die dimensionslosen Kräfte
/".. \ ·1
Q,4
o,a
\
/
·:V w
0,4
I
1,2! 1,6 \ . \
1\\
j'
1,2
Abbildung 29.28: Kinematische Diagramme, Kräfle in den Bolzen
584
29 Kinetik starrer Körper
I F2• =F2- = msg
IIlSg
JF
2
2x
+F 2
2y
'c:> Aufgaben dieser Art können mit dem Energiesatz allein nicht gelöst werden. Dieser eignet sich jedoch sehr gut zur Kontrolle einzelner Ergebnisse. Hier werden als Zustand CD der Start der Bewegung und als Zustand @ die horizontale Lage der Stange betrachtet (Abbildung 29.29). Mit dem Null-Potenzial in Höhe der horizoillalen FUhrung hat das System nur im Zustand CD potenzielle Energie. Im Zustand @ befindet sich Masse 2 im Umkehrpunkt ihrer Bewegung, hat also keine kinetische Energie. Da sich damit auch der Bolzen 2 der Stange in Ruhe befindet, ist er der Momentanpol für die Stange, deren kinetische Energie in der Form hw2 aufgcschrieben werden darf. Dies ist nach 29.39 erlaubt, wenn (mit dem Steinerschen Satz) fUr h = Js + I1lS ~ das Massenträgheitsmoment bezüglich des Momentanpols eingesetzt wird.
r-'
Null-Polenzial -
!
Abbildung 29.29: Null-Potenzial, Bewegungszustände CD und ®
FUJ die Winkelgeschwindigkeit W der Stange llnd die Geschwindigkeit VI der Masse 1111 gilt im Bewegungszustand @dieZwangsbedingung VI = wl, so dass aus der Energiebilanz
I
1111
I
g 3 + I1lS g (5 =
I
-2
I
-2
21111 v I + 2h w
die Winkelgeschwindigkeit W berechnet werden kann:
Dieser Wert stimmt exakt mit dcm Zwischenergebnis überein, das sich für diese spezielle Lage aus der Integration der Bewegungs-Differenzialgleichung ergibt. Die komplette Berechnung einschließlich der Verifizierung der Ergebnisse mit dem Energiesatz findet man unter www.TM-aktuell.de. oe:> Wäre im Beispiel 4 nur die Bewegung zu untersuchen gewesen, hätte sich auch der Energie-
satz angeboten. Man müsste dann als Zustand CD den Start und als Zustand @ eine beliebige (durch die Bewegungskoordinaten definierte) Lage betrachten und dafUr die Energiebilanz aufstellen. 'C:> Anwendbarkeit des Energiesatzes: Am Ende des Abschnitts, in dem an Beispielen die
Vor- und Naehtei le der unterschiedlichen Verfahren demonstriert wurden, muss noch darauf hingewiesen werden, dass der fUf viele Probleme auf recht eiJ1faehe Weise anwendbare Energiesatz sich (im Gegensatz zum Prinzip von d' Alembert, vgl. Beispiel im Abschnitt 29.5.2) nicht fUr Systeme mit mehreren Freiheitsgraden eignet, weil er nur eine Bilanzgleichung liefert. Das Aufschreiben von Bewcgungs-Differenzialgleichungcn aus Energiebetrachtungen für kompliziertcrc Systemc wird im Abschnitt 33.4 gesondcrt bchandelt.
29.6 Räumliche Bewegung starrer Körper
585
29.6 Räumliche Bewegung starrer Körper Die Strategie der Herleitung der Aussagen über die Kinetik der räumlichen Bewegung starrer Körper folgt dem bewähl1en Muster, das bereits fLir die ebene Bewegung im Abschnitt 29.5 verwendet wurde: Die Wir~'lmg der (nnn drei) Komponenten der d' Alembenschen Kraft am unendlich kleinen Masscnpunkt dm wird übcr die gcsamte Massc m summicl1 (integriert) und mit der Wirkung der äußeren Belastung ins Gleichgewicht gebracht. Zur Vereinfachung der Schreibarbeit werden die (in einem raumfesten Koordinatensystem gemessenen) Koordinaten, Geschwindigkeits- und Beschleunigungskomponenten zu Vektoren zusam mengefasst :
1=
[~]
[n
v=
[~]
ä=
Z
(29.43)
XS] =;;;I'[X] = [Ys j Y ZS
In
j
I'
dm = ;;;
Z
S .-0
Ts
x"-
Aucb die Koordinaten des Schwerpunkts der Masse m nach 4.3 werden vektoriell formuliert (Abbildung 29.30):
1s
r dm
y-:---:...
Abbildung 29.30: Vektoren 1 lind 1s
J
(29.44)
rdm=lnrs
? dm
m
'"
29.6.1 Schwerpunktsatz, Drallsatz Gewählt wird ein (zunächst beliebiger) körperfester Bezugspunl't 0, auf den alle angreifenden äußeren Lasten reduziert werden. In der Abbildung 29.31 sind die Komponenten der resultierenden äußeren Lasten angedeutet, die ab sofort durch einen Kraftveklor und cinen Momentveklor repräsentiert werden:
FOX]
Fa = [ Foy
Mo=
Fa:
MOX]
[
(29.45)
M oy Mo:
Z
Die drei Komponenten der d' Alembertschen Kräfte des Massenpunkts dm werden entsprechend 29.43 im Vektor ädm zusammengcfasst. Das Gleichgewicht der äußeren Kräfte mit den über die Gesamtmasse integrierten Massenkräflenliefert unter Berücksichtigung von 29.44:
- J
ädm=
Fo=
m
J
J
111
m
2 2 d 1 d -,dm=-2 dt~
Y
,
x
i~)~~dm t I
4 Ta
O~ oX M
................. 0%
Abbildung 29.31: Kraft- lind Momentvektor (Komponenten)
2 d ?dm=-?(m1s)=mäs ~-
/"
t ..F
-=-~/
(29.46)
Dies entspricht dem schon fUr die ebene Bewegung hergeleiteten Schwerpunktsatz: Auch im Raum bewegt sich der SchwerplLllkt eines Körpers so. als würden alle äußeren Kräfte an i.hm angreifen und die Gesamtmasse des Körpers in ihm konzentriert sein.
29 Kinetik starrer Körper
586
Für das Momenten-Gleichgewicht aller Massenkräfte mit dem Moment der äußeren Belastung wird der Vektor i" (vom Bezugspunkt 0 zum Massenpunkt dm) eingeführt (Abbildung 29.32):
- j_ -dm j_*
Mo =
r x a
dm
dv dt dm
r x
=
l~ :d~r'
(29.47)
m
'"
Mit der Identität
d (~* ~) _ r xv =r dt
-
dv di" dl dt
x"
~
x~+-xv
_0
... /
o
Abbildung 29.32: ..Hebelarm·· i"
(Differenziation eines Produkts) und den aus der Kinematik bekannten Beziehungen 27.14
dr dl
"""'"*
--->
v=
= W x r
""""*
1'0 + W x r
(29.48)
lässt sich 29.47 folgendermaßen umformen:
- j -r x-dm= dv j [d di"] dm Mo= -(r_ xv)--xv dt dt dl m m = :lji"xvdm- j(wxr')x(vo+WXr)dm m
m
= :,/r'xvdm- j(wxf)xvodm- /(wxr)x(wXr)dm m
=d -
m
j -.
dl m
r
Xv-d 11/-
m
j( - -) xVo- d (J)xr
m
m
Das erste Integral wird als Drall (Drehimpuls) der Masse bezüglich des Punktes 0
T..o =
j i" x vdm
(29.49)
m
bezeichnet. im zweiten Lntegral ist nur der mittlere Faktor über das Volumen der Masse veränderlich (das dritte Integral ist bereits verschwunden wegen CX = 0 bei beliebigem Vektor C):
c
Mo = dd7 - ( w x
I
i"
dm)
x vo
(29.50)
Man erkennt, dass sich 29.50 wesentlich vereinfacht, Wenn der Bezugspunkt 0 sich nicht bewegt. Um den von der ebenen Bewegung bekannten besonderen Einnuss des Schwerpunkts zu klären. wird i" entsprechend Abbildung 29.33 ersetzt. Der .,Umweg iiber den Schwerpunkt" Liefert:
Mo =
~:
-
[w x (rOS /dm+ j rs dm)] m
x
Vo
Zl
y
1/1
Der Vektor ros als Verbindung zweier fester Punkte des Körpers durfte vor das Integral gezogen werden, das zweite Integral verschwindet (statisches Moment bezüglich des Schwerpunkts):
x Abbildung 29.33: "i' =
ros + rs
587
29.6 Räumliche Bewegung starrer Körper
- o = -d~ - m (M CJ) dl
X
ros)
X -\'0
(29.51)
Damit wird noch eine zweite Möglichkeit erkennbar, das Momenten-Gleichgewicht des bewegten Körpers im Raum besonders einfach zu formulieren. Es ist der Drallsatz (Momentensatz): (29.52) Die zeitliche Änderung des Dra/ll'eklors enlspricht der Wirkung des resultierenden Momentvekrors aller äußeren Belastllngen. Als Bezugspunkt A sind der beliebig bewegle Schwerpunkt oder ein ruhender Punkt des Körpers zugelassen. Der DraLlvektor in 29.52 wird nach 29.49 berechnet, wobei die Geschwindigkeit nach 29.48 eingesetzt werden kann:
- j -, xvdm=. - f-. x (-vA+Wxr - -') dm=.f-. CII1XVA+ I J-,
LA=
I'
m
I'
I'
I'
m
III
X
(- -') WXr
dm
IJI
Der erste Summand verschwindet in jedem Fall, denn A muss ein ruhender Punkt (VA = ö) oder der Schwerpunkt sein (dann ist das Integral als statisches Moment gleich Null):
LA = Jr'X(Wxr')dm
(29.53)
m
Wenn für? und Wdie KomponelllendarsteLiungen in kartesischen Koordinaten
w,]
w= [::
in 29.53 eingesetzt werden, entstehen beim Ausmultiplizieren der Vektorprodukte genau die Integrale, die im Abschnitt 29.3.3 als axiale Massenträgheitsmomente 29.17 lind Deviationsmomente 29.18 definiert ww-den:
LA
=
LAx'] [J;XWX+J;VWY+J;,w,] [ J;x LAy' = J~.Wx + J Wy + J:,w, = J~y [ LA:' Jx:w, +J"Wy +J"w: J"
7
c:> Man beachte, dass der Drallsatz 29.52 für ein raumfestes Koordinatensystem formuliert wurde, so dass allch die Elemente des Trägheitstensors in 29.54 sich auf dieses System beziehen müssen und nicht einfach aus der üblichen Berechnung im körperfesten Koordinatensystem übernommen werden könncn. Gegebenenfalls kann die Drehung dcs Körpers während der Bewegung iiber die Transfonnation 29.23 erfasst werden. In vielen Fällen ist es jedoch günstiger, mit körperfesten Koordinaten zu arbcitcn. Dics wird im nachfolgcndcn Abschnitt besprochcn.
588
29 Kinetik starrer Körper
29.6.2 Körperfeste Koordinaten, Eulersche Gleichungen, Kreiselbewegung Im Bezugspunkt 0 des bewegten Körpers wird ein kÖlpeljestes c,-ry-t;-Koordillatensysrem definicrt. Die Komponenten dcs Vcktors iiJ werden auf diesc Koordinatcnrichtungcn bczogen, dic Elcmcntc des Träghcitstensors sind bezüglich diescs Systems konstant. Dcr analog zu 29.54 im bewcgten Koordinatensystem aufzuschreibende DraJlvektor
(29.55)
darf natürlich nicht in 29.52 eingesetzt werden, weil sich die Zeitableitung in 29.52 auf das raumfeste Koordinatcnsystem bezieht. Im Abschnitt 27.3.3 wurde der Zusammenhang 27.16 zwischen der Ableitung eines Vektors im ruhenden bzw. bewegten Koordinatensystem hergeleitet, der hier rur die Ableitung des Drallvektors genutzt wird: dLA d*LA _ - = w x LA +-dt dt
(29.56)
Der Stern bcim Ablcitungssymbol, deutet dic ,.Ableitung im bewcgten (körpcrfcstcn) System" an. Mit dicser "Transfornlation der zeitlichcn Ableitung" wird aus 29.52 mit 29.55 dcr Drallsatz bezüglich des bewegten (körperJesten) Systems: -
_
_
d*L A
MA = W X LA +'"dt
_
_
d* iiJ
= W x (J~~r;W)+J~~r;dt
(29.57)
c:> Ocr Vcktor iiJ in 29.57 ist mit seinen Komponenten für das bcwegte System zu formulieren. Er beschreibt natürlich trotzdem die Drehung des Körpers (oder besser: "Drehung des körperfesten Koordinatensystems") gegenüber der ,.ruhenden Umwelt". Wenn man sich für das Arbeiten mit einem körperfesten Koordinatensystem entscheidet, können (und sollten) dessen Achsen natürlich mit den Hauptachsen rur den Punkt A zusammenfallen. Dann wird die Matrix in 29.55 zur Diagonalmatrix m.it den Hauptträgheitsmomenten, die (vgl. Abschnitt 29.3.3) nach 29.24 als lt. hund h bezeichnet wcrden. Dementsprechend sollen auch die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit und des äußeren Momentvektors um diese Achsen die Indizes 1,2 llnd 3 haben. Die Beziehung 29.57 vereinfacht sich erheblich. Man erhält nach Ausführen der Multiplikationen die Komponenten des Momentvektors, nach LEONARD EULER (1707 - 1783) bezeichnet als Eulersche Gleichungen:
M, =l,w,-(h-h)OJzWJ M2 = h~ - (h -li) WJWI M3 =h6JJ-(J1 -h)wl 0Jz
(29.58)
Die Gleichungen gelten fiirein körperJestes Hauptachsensystem, dessen Ursprung im Schwerpunkt oder ü, einem ruhenden Punkt des Körpers Liegt.
589
29.6 Räumliche Bewegung starrer Körper
oe:> Der wesentliche Vorteil des Arbeitens mit körperfesten Koordinaten zeigt sich in den Glei-
chungen 29.58: Die Massenträgheitsmomente sind keine zeitabhängigen Größen. Allerdings beschreiben die Eulerschen Gleichungen nur die Drehbewegung des Körpers um die körperfesten Achsen, deren (sich während der Bewegung ändernde) Lage im Raum kann allein aus diesen Gleichungen nicht berechnet werden. Wenn allerdings die Bewegung der Achsen (z. B. bei Zwangsftihrung) bekannt ist, können die Gleichungen 29.58 recht nützlich sein. oe:> Als Kreisel wird ein starrer Körper bezeichnet. der eine Bewegung um einen festen Punkt
ausführen kann (drei Freiheitsgrade). Die Berechnung von Kreiselbewegungen ist ein typischer Anwendungsfall für die Eulerschen Gleichungen. Für die Beschreibung der Bewegung der (körperfesten) Hauptachsen eines Kreisels sind drei Winkelkoordinaten erforderlich, die (auch auf einen Vorschlag Eulers zurückgehend) entsprechend Abbildung 29.34 definiert werden. Im ruhenden Punkt des Kreisels liegt ein raumfestes x-y-z-Koordinatensystem. Die Neigung der Hauptachse 3 zur der z-Aehse wird durch den Winkel ~ bcschrieben (die Wahl der Hauptachse 3 iSI willkürlich). Die körperfesten Hauptachsen I und 2 behalten ihre rechtwinklige Lage zu 3 natürlich bei, die von I und 2 aufgespannle (körperfesIe) Ebene schneidet die (raumfeste) x-y-Ebene entlang der so genannten Knotenachse.
Z J
'I/J,1;; 2
X
/
<. Knoienachse
Abbildung 29.34: Definition der Eulerschen Winkel
Die Drehung der Knotenachse in der x-y-Ebene wird durch den Winkel V' verfolgt. Da die Hauptachse 3 senkrecht auf der von I und 2 gebildeten Ebene steht, ist auch die KnOlenaehse stels senkrecht zur Hauptachse 3 gerichtet. Die bei den Koordinaten ~ und V' beschreiben die Lage der Hauptachse 3 cindeutig, der Kreisel kann allerdings noch cine Rotation um diese Achse ausführen, die durch eine dritte Koordinate beschrieben wird: Der Winkel
w,
29.35: schwindigkeiten
Abbildung
Winkelge-
Die Winkelgeschwindigkeit q> beschreibt also die Eigendrehung um die Figurenachse. die selbst mit !jt um die raumfeste z-Achse rotiert. Zur Berechnung des Bewegungsgesetzes eines Kreisels, das durch die Funktionen Ort), V'(t) und definicrtcn Winkelgeschwindigkeiten geklärt werden. Die Abbildung 29.35 zeigt. dass q> die Richtung der Hauptachse 3 und damit der Winkelgeschwindigkeit WJ hat. Die Richtung der Knotenachse bestimmt die Richtung VOll 0. die also in der von den Hauptachsen I und 2 aufgespannten Ebene liegt.
29 Kinetik starrer Körper
590
Die nebenstehende Skizze zeigt die von I und 2 aufgespannte Ebene (gesehen aus Hauptachscnrichtung 3). Eine Komponcnte von ß hat die Richtung der Hauptachse I (und damit die Richtung von w,), die andere ist der Hauptachse 2 (und damit W2) entgegengerichtet. Die raumfeste Lage von 1jf führt dazu. dass diese Winkelgeschwindigkeit Komponenten flir alle drei Hauptachsen liefert:
12 1]
1]
COS\?
~
sin \?
Die erste Zerlegung in der von der z-Achse und der Achse 3 aufgespannten Ebene liefert die beiden in Abbildung 29.36 skizzierten Komponenten. Die Komponente in dcr von I und 2 aufgespannlen Ebene bildet mit der Achse I den Winkel (90 0 - rp) und wird noch einmal zerlegt. Insgesamt gilt also:
w,
=
ßcosrp+ IjJsintJsinrp
W:l = -ß sin rp + IjJsin tJcos rp
(29.59) Abbildung 29.36: Zerlegung von 1jt
ci> + IjJcos tJ
W] =
Für die Eulerschen Gleichungen werden noch die Ableitungen nach der Zeit benötigt:
W, =
Öcosrp- ßq)sinrp+ JiisintJsinrp+ 1jfßcostJsinrp + IjJq)SiJltJCOSrp
~ = - Ö sin rp - ßq) cos rp + Jiisin tJ cos rp + 1jfß cos tJ cos!p -1jfq) sin tJ sin!p
6!:J =
(29.60)
ip + Jiicos tJ -1jfß sin tJ
Nach dem Einsetzen von 29.59 und 29.60 in die Eulerschen Gleichungen entsteht ein Differenzialgleichungssystem zweiter Ordnung flir die drei Winkelkoordinaten. Es ist hochgradig nichtlinear und im Allgemeinen nur numerisch lösbar. Erschwerend kommt hinzu, dass die Differenzialgleichungen auch in den zweiten Ableitungen gekoppelt sind2
I
Beispiel: I_____ Em starrer Körper rotiert um seme Hauptachse I mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit w,. Die Punkte A und B der Rotationsachse bewegen sich auf einer horizontalen Krcisbahn mit konstanter Geschwindigkcit, so dass dem rotierenden Körper eine Drehbewegung mit konstaJJler Winkelgeschwindigkeit WF um eine vertikale Achse überlagert wird <-,geführter Kreisel·'). Es soll untersucht werden. welche Momente erforderlich sind, um diese Bewegung hervorzurufen.
I",
Gegeben: Für das mitrotierende Hauptachsensystem gelten die Eulerschen Gleichungen, wenn WF in zwei Komponenten in RiChtung dieser Achsen zerlegt wird. Die nebenstehende Skizze zeigt eine beliebige (durch den Winkel tJ gekennzeichnete) Lage. Man liest ab: W:l =
WF
sin tJ
W] = WF
-....2
COS tJ
2Man beachte hierzu den Hinweis auf Seile 529 auf dieses Thema im lnterneL Das Problem ..Kopplung in den Bcschleunigungsgleidenr' wird ausführlich im Bereich "Mathematik fLir die Technische Mechanik" behandelt
29.6 Räumliche Bewegung starrer Körper
591
Diese Winkelgeschwindigkeitskomponenten sind veränderlich, deshalb ergeben sich auch Winkelbeschleunigungskomponenten. Bei der Ableitung nach der Zeit taucht dabei auch die Ableitung des Winkels ß auf. Weil die Hauptachse I stets in der Horizontalebene bleibt (der EulerWinkel ({J ist immer Null), liefcrt 29.59 dafür ß = Oll. Damit erhält man die Ableitungen von ll>2 und UJ.;:
6>l =
OlF ß cos ß =
OlF Oll cos ß
ci>.J = -OlFß sin ß = -OlFOl[ sin ß
Damit (und mit
w[
= 0) ergcben die Eulerschen Glcichungen die gcsuchten Momente:
-(h-h)Ol~sinßcosß
MI =
M2 =
h OlF Oll COS ß - (h - J]) OlFOlI COS ß
M3 = -hOlFOl] sin ß - (11 - h) OlrOlI sin ß Bemerkenswert ist, dass ein (sich periodisch änderndes) Moment MI erforderlich wäre, wenn Ol[ auch bei zusätzlicher Drehung um eine vertikale Achse konstant bleiben soll. Wird dieses Moment nicht aufgebracht (und praktisch ist dies kaum möglich), dann wäre Ol] nicht konstant. Vor ciner Diskussion dcr andcren Ergebnissc wcrden die mitrotierenden Momente M2 und M3 in ein Moment MF mit vertikaler und ein Moment MN mit horizontaler Drehachse umgerechnet. 'l9
Aus der nebenstehenden Skizze liest man ab:
Mr =M2sinß+M3coSß
MN =M2COSß-M3sinß
Nach dem Einsetzen der berechneten Werte flir M2 und M3 ergibt sich:
MF = (h -h) OlrOl[ sin2ß MN = (h - h) OlFOl[ cos2ß +J[ OlFOl[ Q
MF
31
~ ~JMJ MN
Auch um die vertikale Achse ist ein (praktisch kaum realisierbares) Moment erforderlich, um die Bewegung mit konstanten Winkelgeschwindigkeiten zu erzwingen. Allerdings verschwinden sowohl M, als auch M F, wenn die Massenträgheitsmomente bezüglich der bei den Hauptachsen senkrecht zur Achse I gleich sind.
h gilt, spricht man vom symmetrischen Kreisel (alle Achsen senkrecht zur Rotationsachse sind Hauptachsen). Der symmetrische Kreisel ist ein für die Praxis besonders wichtigcr Sonderfall (rotierende Massen sind häufig sogar rotationssymmetrisch).
Q Wenn h =
Q Das Moment MN verschwindet jedoch auch beim symmetrischen Kreisel nicht. Das verblei-
bende Moment (29.61) muss von den Lagern aufgebracht werden. Bemerkenswert ist, dass es um eine horizontale
Achse dreht: Die Lager müssen vertikal gerichtete Kräfte auf das System aufhringen, damit es sich mit OlF um eine vertikale Achse dreht (der Kreisel reagiert auf das Aufhringen eines Moments mit einer Drehung um eine Achse senkrecht zur Drehachse des Moments). Das Moment 29.6 I kann infolge des Produkts der bei den Winkelgeschwindigkeiten sehr groß werden. Es wird noch intensiver diskutiert, nachdem im folgenden Abschnitt ein allgemeinerer Fall untersucht wurde, der die weitaus meistcn praktisch wichtigen Fälle erfass!.
29 Kinetik starrer Körper
592
29.6.3 Das Kreiselmoment Die folgenden Unrersuchungen beschränken sicb auf den für die technische Praxis besonders wichtigcn symmetrischen Kreisel, für den alle Achscn senkrecht zur Rotationsachse Hauptachsen sind (er braucht nicht rotationssymmetrisch zu sein, zwei Hauptachsen senkrecht zur Rotationsachse mit gleichen Massenträgheitsmomenten garantieren die Erfiillung der genannten Bedingung). Fiir solche Körper bringt das mitrotierende Koordinatensystem keine Vorteile, es ist sogar lästig, weil Winkelgeschwindigkeitsvektoren mit raumJester Richtung «(J)F im Beispiel des vorigcn Abschnitts) auf dic roticrcndcn Aehscn umgerechnct werden miisscn. Ein kleiner Trick hilft: Man wählt ein Koordinatensystem, das die Bewegung des Körpers nur insofern mitmacht. dass der Drallvektor beziiglich dieses Systems konstant bleibt. Die verbleibende Bewegung wird als FührungsbelVegung dem Koordinatensystem überlagert und durch die Formel 29.56 erfasst. Weil die Ableitung des Dral Ivektors sich in dieser Formel auf das bewegte Koordinatensystem bezieht, verschwindet dieser Anteil, wenn der Drallvektor im bewegten Koordinatensystem konstant ist. Der Winkelgeschwindigkeitsvektor im ersten Anteil ist dann nur die iiberlagerte Führungsbewegung (folgendes Beispiel), und der Drallsatz vereinfacht sich zu MA
drA
_
-
= -dl = (J)F X LA
(29.62)
Diese vereinfachte Form darf also angewendet werden, wenn der Drallvektor konstant ist bezüglich des verwendeten Koordinatensystems, das sich selbst jedoch gegenüber einem festen System mit der "Führungs-Winkelgeschwindigkeit" WF dreht.
I
Beispiel: I_ _ _ _ EUl synillletnscher Kretsel rouert rrut der konstanten Wtnkelgeschwindigkeit (J)K in einem Rahmen um seine Hauptzenu'alachse I. Der Rahmen wird mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit WF gedreht. Die Masse des Rahmens soll vernachlässigt werden, um die Wirkung dcs "gcführten Kreisels" zu untersuchen.
Gegeben:
JI,
h
=
h,
WK,
WF·
a.
Die Gesamt-Winkelgeschwindigkeit des Kreisels ergibt bei Überlagerung von WK und WF die beiden Komponenten in Richtung der Achsen I und 3 (Skizze unten rechts): Wt = (J)K
+ WF cos a
W:l =
WF
sin a
•1W F A
I f
I,
~ J"V
J 2 = J,
B'tlJ
Weil Hauptachsen vorausgesetzt werden, kann der Drallvektor wie folgt formuliert werden:
(29.63) Der Bezugspunkt 0 fLir den Drall lo ist der in Ruhe befindliche Punkt des Kreisels (Sehniltpunkt der beiden Drehachsen), es braucht nicht der Schwerpunkt zu sein. Der Drall 29.63 mit konstanten Massenträgheitsmomenten gilt eigentlich nir das mit dem Kreisel bewegte Hauptachsensystem.
593
29.6 Räumliche Bewegung starrer Körper
Da sich aber bei der Drehung um die Achse I die Massenträgheitsmomente des symmetrischen Kreisels nicht ändern, darf das Bezugssystem auch am Rahmen befestigt werden (Abbildung 29.37) und ist dann nur noch der "Führungsdrehung" WF untcrworfen, die in die vereinfachte Form des Drallsatzes 29.62 mit ihren beiden Komponenten eingeht:
M = wp x "4 = =
el
ez
e3
Wp cos a 0 wFsina JI(WK+wpcosa) 0 hWpsina [JIWK+(JI -h)wpcosa]wpsina·e2
(das Vektorprodukt wurde mit Hilfe der Determinanten-Regel aufgelöst).
Abbildung 29.37: Bezugssystem rOliert
mil
dem Rahmen
Der Vektor des äußeren Moments, das die Lager auf den Rahmen aufbringen müssen, steht senkrecht auf bei den WinkelgescbwindigkeitsVektoren. Wenn h nicht wesentlich größer als J, ist, wirkt auf den Rahmen ein rechtsdrehende Moment (Abbildung 29.38). Q Das Ergebnis dieses Beispiels ist auf viele Probleme anwendbar.
Vor der weiteren Diskussion wird es etwas umgeformt:
M= [J1+(JI-h)::cosa] wFwKsina·ez =
[JI+(JI-h)::cosa] WFXWK
Dies ist das Moment, das auf den Rahmen wirkt. Es ist üblich, gerade das entgegengesetzt wirkende Moment. das auf die Lager wirkt, anzugeben (realisiert dureb Vertauschen der Faktoren des Vektorprodukts). Es ist das
Abbildung 29.38: Lagerreaktionen erzeugen das MomenlM
Kreiselmoment:
- K = [J, M
_ X Wp _ + (./1 -h ) WF WK cosa ] WK
(29.64)
Ein symmetrischer Kreisel (Rotor) dreht sich wn seine Hauptzentralachse I mit der Wil,kelgeschwindigkeit WK (.11 ist das Massenträgheitsmoment bezüglich der Achse I, h das Hauptträgheitsmoment einer dazu senkrechten Achse). Der Bewegung des Kreisels wird eine Führungsbewegnng WF überlagert (die Drebachsen von WK und WF schließen den Winkel a ein). Dann müssen die Lager (zusätzlich zu den anderen Belastungen, z. B. das Eigengewicht) das Kreiselmoment 29.64 aufnehmen, dessen Vektor stets senkrecht auf den Drehachsen von WK und WF steht, so dass die Lagerreaktionen mit WF umlaufen. Q
Kreiselmomente können wegen des Produkts zweier Winkelgeschwindigkeiten sehr große Werte annehmen und dürfen im Allgemeinen auch bei relativ geringen Winkelgeschwindigkeiten der Führungsbewegung nicht vernachlässigt werden.
594
29 Kinetik starrer Körper
oe:> In der Maschinendynamik wird häufig nur der erSte Summand von 29.64 berücksichtigt. Dies ist kon'ekt, wenn die Drehachsen von OJK und OJF senkrecht zueinander sind (dann gilt: cos a = 0), aber auch dann gerechtfertigt, wenn OJF wesentlich kleiner als OJK ist. Die
vereinfachtc Formel
MK =
II
WK X WF
(OJF
«
OJK)
(29.65)
darf z. B. verwendet werden, um den Einfiuss der Drehung um eine Querachse eines Flugzeugs beim Start und bei der Landung bzw. um eine vertikale Achse beim Kurvenfiug auf die Lager der Triebwerksturbine zu untersuchen. Auch die Drehungen um die Querachse eines Schiffcs ("Stampfen") auf die Lagerkräftc der (in Längsrichtung liegenden) Antriebswelle werden nach 29.65 erfasst. oe:> Auch für den Sonderfall OJK = 0 kann 29.64 nützlich sein. Die kleine Umformung
MK =
[li +
(li -h) :: cosa] OJKel x WF = [li OJK
+ (11 -h) OJFcosa] el
x WF
I
0J F 1
(ei ist der Einheitsvektor in Richtung der Hauptzentralachse I) gestattet das Nullsetzen von OJK (der Kreisel rotiert nicht mehr), und
I I
/
I
man erhält:
Ms = (11 -h) OJFcosa ·el x WF =
(h -li) OJj,cosasin a, e2
(29.66)
Damit können die Lagerreaktionen von Wellen mit "schief aufgebrachten" Scheiben und Zylindern (Abbildung 29.39) berechnet werden (vgl. Beispiel 2 im Abschnitt 29.4.1 auf Seite 560). Vielfach wird auch der Effekt, der sich durch die schief aufgebrachten Scheiben und Zylinder ergibt, als Kreiselwirkung bezeichnet.
Abbildung 29.39: Schief aufgesetzter Zylinder
Sicher ist es besser, von "dynamischer Unwuchtwirkung" (vgl. Abschnitt 29.4.2) zu sprechen. Leider hat sich der von RICHARD GRAMMEL (1889 - 1964) in seinem grundlegenden Werk über den Kreisel 3 rur den Ausdruck 29.66 vorgeschlagene Begriff Schleudern/omenl nicht durchgesetzt.
I
Beispiel 2: I_ _ _ _...,j In Kollermühlen verstärkt d,e Kre.selwtrkung die Kraft, die der Läufer auf die Mahlplatte aufbringt. Der skizzierte Läufer wird mit der Winkelgeschwindigkeit OJF um eine zentrale Achse bewegt. Er rollt auf einem Kreis mit dem Radius r' = Rcosß + rsinß mit dcr Bahngcschwindigkcit v, so dass sich dcr Läufcr (rcincs Rollen vorausgesetzt) mit der Winkelgeschwindigkeit OJK=
~r =
1 WFt
OJF ('!.cosß+sin ß ) r
um seine eigene Längsachse dreht. Da die beiden Winkelgeschwindigkeiten von gleicher Größenordnung sind, muss das Kreiselmoment nach 29.64 aufgeschrieben werden. Die Skizze unten zeigt die Richtungen der Hauptachsen filr die Hauptträgheitsmomente II und h. 3R. Grammel: Der Kreisel. Verlag Friedrich Vieweg & Sohn Braunschweig. 1920
I
"
WK/
.- ß\ a ,
;
3'
29.7 Aufgaben
595
Mit dem Winkel a = ~ + ß erhält man nach der Definition des Vektorprodukts ein rechtsdrehendes Moment mit dem Betrag
M K = [11 + (11 -1)) :: cosa]
WK
wFsin a = [11
~ cosß +1) sin ß] w~cosß ~K
das (zusätzlich zur Komponente, die das Eigengewicht des Läufers liefert) eine Kraft FN = auf die Mahlplatte aufbringt (senkrecht zur Oberfläche der Mahlplatte).
29.7 Aufgaben
I
Allfgabe 29.1: I_';'; ....1 DlC an cmcm masseloscn SeIL hängende Massc In wlrd zur Zeit t = 0 freigelassen. Bei der Abwärtsbewegung rollt das Seil von der sich reibungsfrei drehenden zylindrischen Rolle (Masse M, Radius R) ab. Gegeben:
M = 20kg;
In
R
--.8...-
M
= 5kg.
a) Man bestimme für die Masse", den nach 5 s zurückgelegten Weg und
ihre Geschwindigkeit zu diesem Zeitplillkt. b) Wie groß ist die Kraft Fs im Seil während der Bewegung"
I
Allfgabe 29.2: I_';'; ....1 Eme Kugel mit der Masse", rollt (ohne zu gleiten) von B (aus der Ruhelage heraus) nach A und dann auf einer schiefen Ebene aufwärts. Gcgebcn:
h = Im;
a = 30 0
;
In
m
B
= I kg.
a) Man ermittle die Zeit, die vom Passieren des Punktes A bis zum Erreichen des höchsten
Punktes auf der schiefen Ebene vergeht. b) Wie groß sind die NormaLkraft FN und die Haftungskraft Fli zwisehen Kugel und seniefer Ebene?
I
Allfgabe 29.3: I_ _ _ _ _.... Em konstantes Antnebsmoment M A an emer ScheIbe Illlt dem auf den Drehpunkt bezogenen Massenträgheitsmoment 1 1 hebt die Massen 1Il2 (zylindrische Rolle) und II1J, die durch einen masselosen starren Stab verbunden sind. Gegeben:
R,
ml
1
Jt=~mlR2, 1Jl2=4rn.1, m3=12ml.
Man ermittle
a) die Beschleunigung aJ der Masse InJ, b) die Kraft Fs im Stab zwisehen den Massen 1Il2 und IIlJ.
c) Wie groß muss das Antriebsmoment MA mindestens sein, damit sieh die Masse "'3 aufwärts bewegt?
29 Kinetik starrer Körper
596
I
Aufgabe 29.4:
I
r
Um das Massenträgheitsmoment Js eines Zahnrades mit dem Radius R zu ermitteln, wird der skizzierte Versuchsaufbau verwendet: Eine Zahnstange mit der Masse wird aus der Ruhe heraus fallengelassen. Sie nimmt bei ihrer Bewegung das Zahnrad und drei zylindrische FühJ'Ungsrollen sChlupffrei mit. Die Führungsrollen haben alle den gleichen Radius und jeweils die Masse m. Die Zeit T, die die Zahnstange für das Durchfallen der Höhe H benötigt, wird gemessen.
m,
Gegeben: R=60mm;
m, =2kg; m=0,4kg; '-!=50ümm; T= 1,5s.
Es sind das Massenträgheitsmoment Js und die Geschwindigkeit Zahnstange am Ende der Messstrecke zu ermitteln. I Aufgabe 29.5:
11m i: : !
der
VEND
! U !
I
Ein Rotor besteht aus einer Welle mit drei zylindrischen Scheiben gleicher Dicke. An der Scheibe .l des ideal ausgewuchteten Rotors müssen nachträglich wie skizziert noch zwei Bohrungen (Durchmesser d) angebracht werden. Durch jeweils eine Zllsätzliche Bohrung gleichen Durchmessers in den Scheiben 2 und 3 soll der ausgewuchtete Zustand des Rotors wieder hergestellt werden. In welchen Abständen (z bzw. (3 von der Drehachse und unter welchen Winkeln (Xz bzw. (X] müssen die Zusatzbohrungen angebracht werden?
Gegeben: R, = 30 mm; Rz = 40 mm; L, = 45 mm; Iz = 90 mm . I Aufgabe 29.6:
I
Ein Quader kann sich um seine untere Flächendiagonale drehen.
Gegeben:
2a
I
!
p, a, Mo.
yt bS
x,
4a
a) Man berechne den Trägheitstensor des Körpers bezüg-
Lich des x-y-Z-Koordinatensystems. b) Es sind das Anfangswel1problem für die Berechnung der Drehbewegung um die z-Achse (aus
der dargestellten Ruhelage heraus) und die Bestimmungsgleichungen für die Lagerreaklionen bei A lind ß (beschrieben durch Komponenten im mitrolierenden x-y-z-Koordinatensystem) zu formulieren. Die Lager haben jeweils den Abstand a von den Eckpunkten des Körpers. c) Mit einem geeigneten Programm ist die numerische Lösung (Bewegungsablauf, Lagerreaklionen) für zwei volle Umdrehungen bei Verwendung des folgenden Parameters zu erzeugen: Mo mga
=~=I 8pga 4
Weitere Aufgaben findet man im Internet unter www.TM-aktueU.de.
30 Kinetik des Massenpunktsystems Ein Massenp"nktsystem setzt sich aus n Masscnpunktcn zusammen, zwischen denen starre oder nicht starre Bindungen bestehen können. Seine Lage kann in jedem Fall durch 3n Koordinaten im Raum eindeutig beschrieben werden. Dic 3n Freihcitsgradc, die das freic Massenpunktsystem hätte, können durch starre Lager und starre (kinematische) Bindungen der Punkte untereinander reduziert werden (Zwangsbedingungen). Auf die einzelnen Punkte können äußere Kräfte (einschließlich der Lagerkräfte) einwirken. Dcr starre Körper (Kapitel 27 und 29) ist ein Sonderfall des Massenpunktsystems mit unendlich vielen unendlich kleinen Massenpunkten, die sämtlich starr miteinander verbunden sind.
30.1 Schwerpunktsatz, Impulssatz, Drallsatz Die Lage der n Massenpunkte wird in einem raumfesten Koordinatensystem beschrieben. Der i-tc Masscnpunkt m; wird vom Ortsvektor vcrfolgt, dic Lagc des gcmcinsamcn Schwcrpunkts
r;
aller Massenpunkte (vgl. Formel 4.1 im Abschnitt 4.1) durch den Vektor
.... J 11 ..... rs= - [mir;
" m=[nJ;
mit
111;=1
(30.1 )
m,.
;=1
Dic auf m; wirkendcn äußeren Kräftc (einschlicßlich dcr Lagcrrcaktionen) werden in einem Vektor zusammengefasst, der nut dem Index i gckcnnzcichnct ist. Die nach dcm Freischneidcn des Massenpunktes sichtbar werdenden inneren Kräfte erhalten zwei Indizes (Abbildung 30.1). Es gilt das Wechselwirkungsgesetz:
zi
m,,..;; f F:.
r
.
y _-:-s ' I/
-----
x
~
r:
'-. s
•
'
(30.2)
m].__ ;:!i.~ F.}l. F.tj , "" '
Nach dem dynamischen Grundgesetz 28.2 muss für jeden Massenpunkt gelten:
Abbildung 30.1: "'j und im Massenpunktsyslem
Fij = __
-
Fji
k.....
d2Pj
Fi + I Fij = mi - I 2 j=1
"'i
i = I. 2.... ,n
ct
(30.3)
(k ist die Anzahl der inneren Bindungen des Massenpunkts m;). Summiel1 man die n Gleichungen 30.3, so heben sich alle inneren Kräfte wegen 30.2 auf, und unter Ausnutzung der Ableitung von 30. I nacb dcr Zeit für die Summe auf der recbten Seite crhält man dell __
Schwerpunktsatz:
FR =
11
__
d2Ps
I Fi = m dti~1
-0-
= mas
(30.4)
Der Schwerpunkt eines Massenp"nktsystems bewegt sich so, als ob in ihm die Gesamtmasse des Systems konzentriert wäre lind als ob alle äußeren Kräjie an ihm angreifen lviirden.
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_30, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
598
30 Kinetik des Massenpunktsyslems
Der Ausdruck auf der rechten Seite von 30.3 ist die Ableitung des Impulses Pi = milli des Massenpunkts mi nach der Zeit (bei vorausgesetzter konstanter Masse mi). Wenn der Gesamtimpuls des Massenpunktsystems als Summe der Impulse der einzelnen Massenpunkte entsprechend P = [Pi definiert wird. kann 30.4 auch in der Form
_ = LFi "_ = -d (" FR Lih ) i-I
dt
i-I
Ur.) =dp-
" ) = -d ( Emj--..!. " = -d ( Lm.jVj dt i~1 dt ,~1 dt
dt
(30.5)
geschrieben werden. Mit der Ableitung von 30.1 nach der Zeit wird daraus der
Impulssatz:
mit
jJ =
E"
trljVj
= m vs
(30.6)
;=1
Die Ableilllng des GesGmtimpulses eines MassenpullktsysTems /lach der Zeit ist gleich der Resultierenden aller äußeren Kräfte. Der Gesamtimpuls kann als Summe der Impulse aller Einzelmassen oder als Produkt aus Gesamtmasse und Geschwindigkeit des Schwerpunktes des Massenpunktsystems gebildet werden. Sonderfall: Ist die Resultierende der äußeren Kräfte gleich Null, dann bleibt der Gesamumpuls eines Massenpunktsystems konstant (ImpulserhaltungssaTZ).
I
Beispiel I: I_"";_ _..1 E1I1 Mcnsch 111 c1l1cm Boot, das sich 111 Ruhc befindet, schlcßt C1l1 Gcschoss (Massc 111 = 50g) mit der Anfangsgeschwindigkeit vo = 800mJs in horizontaler Richtung ab. Mensch, Boot und Gewehr haben die Gesamtmasse M = 150 kg. Unter der Annahmc, dass die Einwirkung äußcrcr Kräfte vernachlässigt wcrdcn darf, kann dic Geschwindigkeit, die dic Masse M unmittelbar nach dem Schuss hat, mit dem Impulscrhaltungssatz bercchnct werden. Vor dcm Schuss ist dcr Gesamtimpuls des Systcms (Mensch, Boot, Gewehr, Geschoss) gleich Null (alles ist in Ruhe), nach dem Schuss tragen sowohl M als auch 111 einen Beitrag zum Gesamtimpuls bei, dessen Summe aber unverändert Null ist: m VM = - M Vo = -0,267m/s 0= mvO+MVM Da die Geschwindigkeit des Geschosses positiv angenommen wurde. bedeutet das negative Vorzeichen für VM, dass sich das Boot in entgegengesetzter Richtung bewegt. Der errechnete Wert ist ci ne gute Näherung für die Anfangsgeschwindigkeit des Bootcs, dic sich naüirlich sehr schnell durch Einwirkung äußerer Kräfte (Bewegungswiderstände) verringert. oe:> Man beachte, dass beim Impulssatz die Wirkungslinie der Resultierenden der äußercn Kräfte
(wie beim Schwerpunktsatz) nicht durch den Schwerpunkt des Massenpunktsystems verlaufen muss, beim Impulserhaltungssatz dürfen die äußeren Kräfte durchaus ein resultierendes Moment haben. Deshalb liefern diese Sätze auch keine Aussage über eine eventuelle Drehung des Massenpunktsystems. Wenn (wie bei der Herleitung des Impulssatzes) der Ausdruck auf der rechten Seite von 30.3 als Ableitung des Impulses Pi = milli des Massenpunkts lI1i nach der Zeit aufgefasst wird, erhält man nach Multiplikation der Gleichung auf beiden Seiten mit T,:
599
30.1 Schwerpunktsatz, Impulssatz, Dralls.tz
rj
- f, rj x fij - = rj X -Id (I11;V;)
x F; + i-
i= 1,2, . .. ,n
ct
)=1
(30.7)
Es werden wieder alle /l Gleichungen 30.7 addiert. Dabei heben sich sämtliche Momentanteile der inneren Kräfte auf, da die Kräfte paarwcise (an untcrschiedlichcn Angriffspunkten, aber auf gleicher Wirkungslinie entgegengesetzt gleich groß) vorhanden sind. Auf der linken Seite entstcht das resultiercndc Moment aller äußercn Kräfte: .... n ..... "d n d (30.8) Mo = Eri x F; = Er; x - (m;vi) = [r; x (miv,)] ;=1 ;=t dt ;=1 dt
E-
Dic Ableitung nach der Zeit auf dcr rechtcn Seite von 30.8 durfte vor das Vektorprodukt gezogcn werden, wcil beim Differenzicren des Produkts
_ ) +r' _ x -d (m'v' _) d [_r' x (rn'v' _ ) I = -M; x (m'v' I I / dl I / , dt 1 I =
-dt
v' X I
(Jn'V' _ ) +r' x -d (m'v' _) I I I dt I I
dcr crstc Summand vcrschwindct (v; und m;v; habcn glciche Richtung). Ocr Ausdruck
Li =ri x (mi Vi)
(30.9)
ist das IrnpI/lsmome/1/ (Drall) des Massenpunktes m; bezüglich dcs festen Koorctinatenursprungs. Dic Summe der Impulsmomente 30.9 aller Massenpunkte ist der Gesamtdrall des Massenpunktsystems, und 30.8 geht damit über in dcn
-
IlIlp/llslllolllente/lsatz (Drallsatz):
dlo
MO=-
dt
mit
" x (m;v,) lo = Er;
(30.10)
;=1
Die Ableifllng des Gesamtdralls eitles Masse/lpI/nktsystems /lach der Zeit ist gleich dem resI/ltierenden äußeren Moment. Sonderfall: Ist das resultierende äußere Moment gleich Null, dann bleibt der Gesamtdrehimpuls eines Masscnpunktsystems konstant (DralierhaltI//lgssarz).
<:> Die formale Übereinstimmung von 30.10 mit dem für den starren Körper gefundenen DraLlsatz 29.52 bestätigt, dass dcr starre Körpcr als Sondcrfall dcs Masscnpunktsystcms angcschen werden darf. Wenn die Summe in 30.10 über "unendlich viele unendlich kleine" Massenpunkte dm erstrcckt wird, entsteht die Integral-Formel 29.49.
<:> Der Drallsatz 30.10 für ein Massenpunktsystem darf also als allgemeine Formulierung angesehen werden (für Massenpunktsysterne und starre Körper). Der Drall setzt sich gegebenenfalls summarisch aus Anteilen (fur Massenpunkte) nach 30.9 und (für starre Körper) nach 29.54 zusammen. Die (praktisch sehr wichtigen) Sonderfälle "Rotation um eine feste Achsc" bzw. "ebene Bewcgung" mit den für dcn starren Körpcr besonders einfachcn Formeln 29.6 bzw. 29.34 sind auch in 30.10 enthaltcn. Für dcn Massenpunkt, der um eine feste Achse rotiert (bzw. eine ebene Rotation um einen festen Punkt ausfUhrt), vereinfacht sich 30.9 Zll
Li =
mir; v.. =
/Hirt ro
(30.11)
<:> Der Drallsatz für das Massenpunktsystem 30.10 gilt für einen festen Bezugspunkt. Es lässt sich zeigen (ist aber praktisch von untcrgeordneter Bedeutung), dass auch der Gesamtschwerpunkt (wie bcim starren Körper) als Bczugspunkt verwendet werden darf.
600
30 Kinetik des Massenpunktsyslems
I
Beispiel 2: I_"";'_....1 Eine zylindnsche Welle 1 (Länge: 2m, Durchmesser: 160 mm) ist mit einer zylindrischen Kupplungsscheibe (Dicke: 30 mm. Durchmesser: 300 mm) stan' verbunden (Dichte des Materials vOn Welle und Kupplungsscheibe: p = 7,85g/cm 3 ).
F
:n
=:~===:.~"U
Ci
2000
JI
30
Die Welle 1 ist zunächst in Ruhe und soU durch eine Kraft F gegen eine mit der Drehzahl = 800 min- I rotierende Welle 11 gedrückt werden, bis beide Wellen gleiche Drehzahl haben. Welle 11 hat einschließlich Kupplungsscheibe die gleichen Abmessungen wie Welle I, ist aber am anderen Ende noch wie skizziert mit einem Schwungrad verbunden (Abmessungen und Material des Schwungrades wie im Beispiel auf Seite 551). Der Kupplungsvorgang geschieht im Leerlauf, so dass keine äußeren Momente auf die Wellen wirken. Es sollen die gemeinsame Drehzahl" der Wellen nach dem Kupplungsvorgang und der prozentuale Energieverlust infolge des Kupplungsvorgangs ermittelt werden.
"1/
Da keine äußeren Momente während des Kupplungsvorgangs wirken, gilt der DrallerhaJrungssatz. Vor dem Kuppeln hat nur die Welle 11 einen Drehimpuls (Drall) und nach dem Kuppeln das Gesamtsystem, das sich dann mit der Drehzahl" dreht, so dass gilt:
JI/ WI/ = (1/ + JI/) W Diese Beziehung wird nach" aufgelöst und dabei beachtet, dass sich JiI aus den Massenträgheitsmomenten von Welle mit Kupplung JW+K und dem Schwungrad Js zusammensetzt und J/ = JW+K gilt: I+....!L JiI JW+K +Js JW+K 11 = - - - 11" = 11" = J "/I J/+JI/ 2JW+K+JS 2+~ Die Größe der Drehzahl nach dem Kuppeln hängt wesentlich vom Massenträgheitsmoment des Schwungrades ab. Ohne Schwungrad würde sich die Drehzahl wegen der Gleichheit beider Weilen halbieren. Mit den gegebenen Abmessungen berechnet man 1 JW+K = I. 197 kgm 2 Js = 238 kgm 2 11 = 796minDer Energieverlust ist die Differenz der kinetischen Energien im System vor bzw. nach dem Kuppeln, so dass ftir den prozentualen Verlust Pv gilt:
pv = =
~JI/(2;rllil)2_~(1{+JiI)(2;r,,)2 1
'2 JiI (2;r 1111)2
(I -~) 1{ +
JiI
100% =
(J/+JI/ ,,2) I ~ - - - , 100% JI/ Il'il
100% = _J_/- 100% = IJ 100% '" 0,5% J/ + JiI 2 + --='-L J W+K
oe;> Die Kupplungskraft F, Einzelheiten des Kuppluogsvorgangs und die Bauart der Kupplung
(z. B.: Reibscheibcn, ruckartiges oder sanftes Kuppeln) gehen in die Berechnung nicht ein, wirken sich weder auf die Drehzahl noch auf den Energieverlust aus. Natürlich haben sie auf die Kupplungszeit und die Beanspmehung der Kupplungselemente einen großen Einfluss. Dies ist typisch: Mit dem Drallerhaltungssatz, dem Impulserhaltungssatz und dem Energiesatz können Aussagen zu Bewegungszuständen gefunden werden, ohne die Übergangsphase analysieren zu müssen.
30.2 Stoß
601
30.2 Stoß Als Stoß wird das Aufeinandertreffen zweier Körper bezeichnet, wobei sich eine Bewegungsänderung ergibt. Die nachfolgend behandelte Theorie basiert auf folgenden Annahmen: • Die Dauer t5 des Stoßvorgangs wld die Deformationen der Körper sind so klein, dass die Lageänderung der Körper während des Stoßvorgangs nicht berücksichtigt werden muss. Die Bewegungen dürfen nach der Theorie der starren Körper analysiert werden. • Die Kräfte an der StoßsteIle sind so groß, dass dagegen die Wirkungen aller übrigen auf die Körper wirkenden Kräfte während des Stoßvorgangs vernachlässigt werden dürfen. Der Berührungspunkt der am Stoß beteiligten Körper wird Stoßpunkt genannt, die durch den Stoßpunkt gehende Gerade senkrecht zur Berührungsebene (Tangentialebene beider Körper) heißt Stoßnonnale (Abbildung 30.2). Liegen die Geschwindigkeiten der Stoßpunkte der beiden Massen unmittelbar vor dem Stoß in Richtung der Stoßnormalen, so ist es ein gerader SIOß, anderenfalls ein schiefer Stoß. Wenn die Schwerpunkte der beiden Massen auf der Stoßnormalen liegen, spricht man von einem zelllrischen Stoß, anderenfalls von einem exzentrischen Stoß.
Stoßnormale
Stoßpunkt
oSI
ßerührungsebene Abbildung 30.2: Definitionen
30.2.1 Der gerade zentrische Stoß Die beiden Massen ml und m2 haben vor dem Stoß die Geschwindigkeiten "1 bzw. "2 (111 > 112), nach dem Stoß die Geschwindigkeiten VI bzw. V2 (Abbildung 30.3). Da äußere Kräfte vernachlässigt werden dürfen und die Kräfte an der Stoßstelle fur das Massensystem innere Kräfte sind, gilt immer der Impulserhaltungssatz:
Abbildung 30.3: Massen und Geschwindigkeilen vor dem Stoß
(30.12) Dicse Gleichung enthält bei bekanntcn Masscn und bekannten Gcschwindigkeitcn vor dem Stoß als Unbekannte die beiden Geschwindigkeiten der Massen nach dem Stoß. Für zwei Sonderfälle lässt sich eine zweite Gleichung aufschreiben:
<>
Beim lIol/kommen plastischen Stoß nimmt man an, dass die bei den Massen sich nach dem Stoß gemeinsam bewegen, und damit gilt: VI = V2.
<>
Beim lIol/komlllen elastischen Stoß wird angenommen, dass sich alle durch den Stoß hervorgerufenen Deformationen elastisch zurückbilden, so dass kein Energieverlust entsteht: 1 ' _ 2 1 _2 2 1 2 Zllli "1 +Z1ll2 "2 = ZII11 "1 + ZIII2V2
Für diese beiden TdeaWilIe können die Geschwindigkeiten VI und V2 aus jeweils zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten errechnet werden. Man erhält folgende
602
30 Kinetik des Massenpunktsyslems
Geschwindigkeiten der Massen nach idealisiertem geraden zentrischen Stoß: Vollkommen plastisch: Vollkommen elastisch:
(30.13)
_
2m2v2+(mt-m2)Vt In, +m2 _ 2mtVt+(m2-mt)v2 v2 = mt +m2 VI =
(30.14)
Für den interessanten Sonderfall gLeicher Massen liefern diese FormeLn mit mt
=
m2 = m:
oe:> Beim vollkommen plaseischen SIOß gleicher Massen bewegen sich diese danach nllt dem
arithmetischen Mittel ihrer Geschwindigkeiten vor dem Stoß: I
VI =V2=2:(Vt+v2) oe:> Beim vollkommen elastischen Stoß gleicher Massen tauschen diese ihre Geschwindigkeiten
aus:
VI = "2
Der vollkommen plastische und der vollkommen elastische Stoß sind die Grenzzustände des realen Stoßvorgangs. Um diesen zu untersuchen, muss der Impulssatz für beide Massen gesondert formuliert werden. Dabei ist zu beachten, dass dann die zwischen den Massen wirkende Stoßkraft F(t) für die einzelne Masse jeweils zur äußeren Kraft wird (Abbildung 30.4). Das Erfassen des realen Ablaufs eines Stoßes ist sehr schwierig. Deshalb basieren die weiteren Überlegungen auf folgender Hypothese über den Stoßvorgang: Während einer Kompressionsperiode (0::; t ::; tK) baut sich die Kraft F(t) von Null bis zu ihrem Maximalwert auf. Zum Zeitpunkt tK bewegen sich die Massen mit der gemeinsamen Geschwindigkeit VK. Ln der so genaMten Restitutionsperiode (tK ::; r ::; es) geht die Kraft F(e) auf den Wert Null zurück. Zum Zeitpunkt 15 ist der Stoßvorgang beende!. Auf der Basis dieser Annahmen werden für beide Massen jeweilS der Impulssatz 28.25 für die Kompressionsphase formuliert:
F(t) ----
O
F(t)
Abbildung 30.4: Stoßkraft F(r) wird zur äußeren Kraft ~
IK
Illt(vK-vtJ=-.! F(t)d1=-IK
cJ:J-0
1ll2(VK- V2) =
1=0
.!
F(t)d1=/K
1=0
Für die Restilutionsphase lauten die Lmpulssätze für die beiden Massen: ts ts
IllI(Vt-VK)=-.! F(r)dt=-JR
1112
(V2 - VK) =
I=IK
Das Verhähnis der Kraflstöße in beiden SIOßperioden wird als Stoßzahl k definiert.
.!
F(t) dt = IR
l=fK
(30.15)
30.2 Stoß
603
Die Stoßzahl k kann experimentell ermittelt werden und wird für die weiteren Betrachtungen als bekannt vorausgesetzt. Damit stehen für fünf Unbekannte (VI, v2, VK, !K, und IR) fünf Gleichungen zur Verfügung, die vier Impulssätze für Kompressions- und Restitutionsphase beider Massen und 30.15. Wcnn vK,!K und IR climiniert wcrdcn, vcrbleiben dic beidcn
Gleichungen für den geraden zentrischen Stoß: (30.16)
<>
Es ist ein positiver Richtungssinn zu definieren, der dann rur alle vier Geschwindigkeiten in den Fonnein 30.16 gilt.
<>
Die crste Gleichung 30.16 ist der Impulserhaltungssatz, die zweite kann als Definitionsgleichung für die Stoßzahl k angesehcn werdcn. Diese nimmt Werte im Bereich
O::;k::;1 an. Mit den Grenzwerten für k sind die beiden Idealfälle des Stoßvorgangs in den allgemeinen Gleichungen 30.16 enthalten:
k=O k=l
VI =V2 VI - \)2 = "2 - vI
(vollkommen plastisch) (vollkommen elastisch)
Währcnd dcr Gesamtimpuls bci eincm Stoßvorgang erhaltcn bleibt, ergibt sich (mit Ausnahmc des vollkommen elastischen Stoßes) ein EnergieverLusf (exakter: Verlust an kinetischer Energie). Aus der Differenz der kinetischen Energien vor und nach dem Stoß !'J.Tkin
I 2 I 2 I -2 I -2 = 21111 VI +211l2V2- 2mt Vt-2m2v2
ergibt sich mit VI und V2 aus 30. I6 nach etwas mühsamer Umformung die Formel für den
Energieverlust heim geraden zentrischen Stoß: I. 2 1111/112 2 Mkin=-(I-k) (VI-1'2) 2 I1lI+fIl2
Beispiel I ..
(30.17)
I
I_ _ _ _...I Zur Ermittlung der Stoßzahl wIrd ein so genannter RiicksprungverslIch ausgeführt: Eine Massc I1lt wird in der Höhe H fallengeJasscn und trifft auf eine ruhende sehr große Masse 11l2. Die von 1111 erreichte Riieksprunghöhe" wird gemessen. Unter der Voraussetzung, dass die Versuchsbedingungen die Vernachlässigung des Luftwiderstands gestalten und die Masse fIl2 als schr groß gegenübcr 1111 angesehen werden darf (fIl2 - ; 00), kann die Stoßzahl k berechnet werden. Aus dem Impulssatz folgt (nach Division durch fIl2) mit 1112 -; 00 und V2 = 0 (Geschwindigkeit vor dem Stoß), dass fIl2 auch nach dem Stoß in Ruhe ist (V2 = 0). Die Auftreffgeschwindigkeit (Geschwindigkeit vor dem Stoß) der Masse 1111 folgt aus dem Energiesatz I 2 IIIlgH = 2111tVI
=;.
~ vI=V2gH
604
30 Kinetik des Massenpunktsyslems
ebenso die Geschwindigkeit nach dem Stoß mit der gemessenen Rücksprunghöhe h: I 2I11vf=m,gh
=>
vl=-J2g/t
Das negative Vorzeichcn für VI muss gcwählt werdcn, weil AuftTeff- und Rücksprunggeschwindigkeit unterschiedliche Richtungen haben. Die Stoßzahl errechnet sich nach 30.16:
-..;2ili-0
k= VI -v2 = VZ-V,
<>
0-J2iFf
=
(h
Vfi
Die Stoßzahl k darf nicht als Materialkonstante angesehen werden. Neben den Materialeigenschaften bei der am Stoß beteiligter Körper ist sie von zahlreichen anderen Einflüssen (Körperformen, Aufprallgeschwindigkeiten. umgebendes Medium) abhängig. so dass für genauere Untersuchungen spezielle Versuche (möglichst realitätsnah) zur Ermittlung von k erforderlich sind.
I
Beispiel 2: I_"';'_.....1 EII1 Fahrzeug I1J.Jt der Masse Inl = 1200 kg fährt auf em stehendes Fahrzeug (Masse 1112 = 1000kg) auf, das mit blockierten Rädern dadurch um die Strecke Sz = 16m verschoben wird. Wie groß war die Auffahrgeschwindigkeit VI, wenn die Stoßzahl k = O. 15 und ein Gleitreibungskoeffizient zwischen Fahrzeug und Straße von }.l = 0,5 angenoI1J.Jnen werden dürfen?
v,
Der Energiesatz für die Bewegung von 1112 nach dem Stoß (Abbildung 30.5, untere Skizze) liefert die Geschwindigkeit vz, die dieses Fahrzeug unn1.ittelbar nach dem Stoß hat: I
2111z v~ -
}.l 1112 gS2 =
0
=>
v, ~ 0
r:o","='-=,------,
Im, m, I ~~=!=~""'-...,-.,--,-...,-( ::««;,
V2 = J2}.lgs2
(/..,'
:~
v,
Für den Stoß gelten die Gleichungen 30.16: VI -V2 k=--VI Nach Elimination der nicht interessierenden Unbekannten VI (Geschwindigkeit von 1111 unmittelbar nach dem Stoß) verbleibt eine Gleichung fLLr VI:
VI=
11l\ +m2 1111
(
I +k
)V2=
In]
1111
(
+m2 1 +k
5,
Abbildung 30.5: Bewegung der -Masse nI2 nach dem Stoß
~
)v2}.lgsz=19,97m1s=7I,9kmlh
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Für verschiedene technologISche Verfahren (Hämmern, SchmIeden, Rammen, ...), bei denen ein Werkzeug (Masse 1111) mit der Geschwindigkeit VI auf ein ruhendes Werkstück (Masse 1112) stößt, ist der mit 30.17 zu berechnende "relative Energieverlust" q; = 6[,::,' ein Maß für die Effektivität des Verfahrens (Tki>l = ol:1111VT ist die kinetische Energie des Werkzeugs 1111 unmittelbar vor dem Stoß, der Querstrich bei q; soll Verwechslungen mit dem in der Umformtechnik anders definierten UmJormgrad cp vorbeugen). Mit V2 = 0 in 30.17 errechnct man:
-cp = tJ. Tki>l T,
= (I _ k 2 )
1112 1111+II1Z
1- k
2
"'l+1 1111
Bcmcrkenswert ist, dass die Geschwindigkeit des Werkzeugs VI in das Ergebnis nicht eingeht. Wenn große Wcrte für q; gewünscht sind (z. B. beim Schmieden), sollte das Verhältnis "'l klein 1112
30.2 Stoß
605
sein (da der Hammer des Schmieds nicht beliebig klein sein kann und das Werkstück vorgegeben ist, muss 1112 durch einen schweren Amboss "künstlich vergrößel1" werden). Dagegen ist die Verwendung eines leichten Hammers der sicherste Weg, den Nagel, der eingeschlagen werden soll, zu vcrbiegen. Die Tatsache, dass es Menschen gibt, die mit jedem Hammer jeden Nagel krumm schlagen, widerspricht dieser Aussage nicht.
30.2.2 Der schiefe zentrische Stoß Bei der Behandlung des schiefen zentrischen Stoßes (Schwerpunkte liegen auf der Stoßnormalen, Geschwindigkeiten vor dem Stoß haben jedoch beliebige Richtungen) wird vorausgesetzt, dass die Oberflächen am Stoßpunkt glatt sind, so dass die Stoßkraft nur in Richtung der Stoßnormalen übertragen werden kann. Die x-Achse eines kartesischen Koordj natensystems wird so gelegt, dass sie mit der Stoßnormalen zusammenfallt (Abbildung 30.6), die Geschwindigkeiten werden jeweils in zwei Komponenten in Richtung der Koordinaten zerlegt. In x-Richtung dürfen wieder die Beziehungcn des geraden zcntrischen Stoßes aufgeschrieben werden. Da keine Kraftkomponente in y-Richtung übertragen wird, gilt für jede Masse der Ij)Jpulserhalnmgssatz für die Impuls-Komponenten in y-Riehtung:
der
11l2 V2,y- m Z V2,y=Ü
J1llvl,y-mIVI,y=O
Abbtidung 30.6: Stoßkrafl hat die Richtung Stoßnorl11alen,
auf
der beide Schwerpunkte liegen
Zusammen mit 30. I6 hat man damit die vier erforderlichen Gleichungen fiir den schiefen zentrischen Stoß: 1111 VI ..\"
+ nlz V2 ... =
Inr Vl,x +m21'2.x
VI . - '02, k ='~ .. V2,..( - VLx
(30. I 8)
Der schiefe Stoß gegen eine starre glatte Wand ist als wichtiger Sonderfall in 30.18 enthalten. Mit V2 = 0 und "'2 ---> ~ ergibt sich:
v)'
=
VX = -k Vx
VJ'
(30. 19)
(Geschwindigkeitskomponente senkrecht zur Stoßnormalen bleibt konstant, Geschwindigkeitskomponente in Richtung der Stoßnormalen wird mit dem Faktor k reduziert und ändert ihre Richtung). Außcrdem entnimmt man der Ahbildung 30.7: vy
_
tana = -
und damit en'echnen sich
vy
tana = - Vx
Vx
a und v aus:
I tana = - tan a k
Abbildung 30.7: SLOß gegen eine starre glatte Wand
(30.20)
30 Kinetik des Massenpunktsyslems
606
I
Beispiel: I_....;__ Ein an einem Faden hängender Massenpunkt 1111 wird ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen und slößt auf einen ruhenden Massenpunkt 1112 (Stoßzahl kj). Die Bewegungen beider Massenpunkte nach dem Stoß sollen analysiert werden (k2 ist die Stoßzahl für den Aufprall der Masse 1112 auf den starren Untergrund). Gegeben:
h = 50 cm
I ~
~m2
,Y,
x,
kl = 0,6
-~-
f1l2
H=30cm; k2=0,5; -=3 J1l1
Die Geschwindigkeit VI der Masse 1111 vor dem Stoß ergibt sich aus dem Energiesatz: I
2
~
=>
I1llgh='2I1lIVI
vI=v
2g h
Aus den Formeln rur den geraden zentrischen Stoß 30.16 werden die Geschwindigkeiten beider Massen nach dem Stoß ermittelt: I-k 1/1/1 !!!.2. VI = -1-+~!'!4""-vl =
VI
-5 =
m,
2
~
I
-SV 2 g h
V2 =kl VI +VI = -VI =
5
2
-..j2gh 5
Dies sind die Anfangsgeschwindigkeiten der Bewegungen beider Massen nach dem Sloß. Die Masse Inl pendelt nach links zurück (VI ist negativ), und die Masse 1112 führt eine Wurtbewegung aus. Diese wird mit den Gleichungen, die das Beispiel auf Seite 516 lieferte. mit a = (horizontale AbwUlfgeschwindigkeil) im xl-YI-Koordinalensystem beschrieben: I g Y, = __ g/2+H => YI = ---=2.
°
2~
2
Die Wurfweite IVI ergibt sich mit YI =
°
tur den Auftreffpunkt:
-R2H_~6 21'2 - -hH -_4-v'hH -_ 30,98cm
IVI -
g
25
5
M
Die Geschwindigkeitskomponenten am Auftreffpunkt berechnen sich entsprechend:
~
• 2 v.=v2=-V2gh '5
/• =
2g
Nach 30.19 crgeben sich daraus die Komponentcn der Anfangsgcschwindigkeit der zweiten Wurtbewegung:
vx• =
vx• = -52
J2ih 2gh
. = '-k2 . v) ) v' =
-21.fiiH 2gH Damit kann das Bewegungsgesetz der zweiten Wurfbewegung aufgeschrieben werden: Y2
v; (
= _*
X2 -
Vx
Daraus errechnet sich z. B. die Wurfweite IV2: IV2 =X2()'2 =0) =
4
Sv'hH =30,98cm
2)
I g 7':"'4<.,....,.. X2 2vxvJ
-
607
30.2 S,oß
30.2.3 Der exzentrische Stoß Da beim exzentrischen Stoß (vgl. dic Definition am Anfang des Abschnitts 30.2) die Stoßnormale nicht durch die Schwerpunkte der beiden Massen verläuft, ergibt sich ftir mindestens einen der beiden Körper ein Moment der Stoßkraft bezüglich seines Schwerpunkts. Dadurch wird zusätzlich zur Translation noch eine Rotation hervorgerufen.
v,
Im allgemeinen Fall bewegen sich die Massen vor dem Stoß mit bzw. V2 (Translationsbewegungen der Schwerpunkte) und (0, bzw. Oll (Winkelgeschwindigkeiten der Rotationen). Nach dem Stoß werden die Bewegungen dann durch die GCSchwiJldigkeiten v" Vz und die Winkelgeschwindigkeiten ill" illz beschrieben. Die Bestimmungsgleichungen für die zusätzlichen Unbekannten liefel1 der Drallsatz (bei rauen Oberflächen kommen gegebenenfalls auch kinematische Zwangsbedingungen llinzu). Wie bcim schiefcn zel1lrischen Stoß werden für die folgcnden Umersuchungen glalle Oberflächen angenommen. es soll auch weiter die Definition der Stoßzahl
k = vl..,' - vz,x V2,x -
(30.21)
Vl,x
gelten (x ist die Richtung der Stoßnormalen): Zähler bzw. Nenner sind die Differenzen der Geschwindigkeitskomponel1len des Stoßpunktes in Richtung der Stoßnormalen vor bzw. nach dem Stoß (Reihenfolge so, dass k positiv wird).
1m RegelfaJJ müssen DralJsatz und lmpulssatz auf jeden Körper eiJ1Zeln 3Jlgewendet werden, so dass dic an dcr StoßsteIle übertragenc Kraft in die Beziehungcn eingeht (die zusätzlichc Gleichung zur Elimination dieser zusätzlichen Unbekannten ist durch 30.21 gegeben). Nur im Ausnahmcfall (nachfolgcndcs Bcispiel I) kann der Drallcrhaltungssatz gcmcinsam für beidc Körper (mit Bezug auf einen gcmeinsamen festen Punkt) aufgeschriebcn werden, so dass die an der Stoßstelle übertragene Kraft als innere Kraft nicht in die Rechnung eingeht. Besondere Bedeutung haben die FäJJe, bei denen mindestens einer der bei den am Stoß beteiligten Körper (drehbar) gelagert ist. Dabei ist zu beachten, dass durch den Stoß auch in den Lagern Kräfte hervorgerufen werden, die nicht gegenüber den Kräften an der StoßsteIle vernachlässigt werden dürfen, weil sie in der gleichen Größenordnung wie diese sind.
I
Beispiel}: I_ _ _ _...I EII1 Massenpunkt stößt gegen ell1en bel A drehbar gelagerten Körper (Masse I1IZ, Massenträgheitsmoment bezüglich des Punktes A: 12A), der sich vor dem Stoß in Ruhe befand. Gesucht sind V, und illz unmillelbar nach dem Stoß. Gegeben:
ml,
In,
VI
I
nl2, J2A,
I, s, k.
Da 1112 vor dem Stoß in Ruhe ist und nach dem Stoß eine reine Drehbewegung mit ill2 ausfülu1 (der Stoßpunkt bewegt sich dann mit der Bahngeschwindigkeit Vz = illzl), gilt
vr-illz'
k = ---'--------'=---
-v,
A
'S
608
30 Kinetik des Massenpunktsyslems
Als zweite Bestimmungsgleichung darf der Drallerhaltungssatz bezüglich des Punktes A aufgeschrieben werden (Gesamtdrall beider Massen vor bzw. nach dem Stoß): 1111 VII = 1111 VII +12;\ (02
Aus diesen beiden Gleichungen errechnet man die Geschwindigkeiten nach dem Stoß: I+k
I -k 12;\ "11 /2
VI
(02 = 1+ 12;\
VI
=
I+
h"
VI
(30.22)
1111/ 2
I11IP
Die für viele Probleme in der technischen Praxis interessante Frage, unter welchen Bedingungen die infolge des Stoßes im Lager A hervorgerufene Kraft Null ist, kann mit folgender Überlegung beantwortet werden: Die Lagerkraft als fur das Massensystem (einzige) äußere Kraft müsste beim Aufschreiben des Impulssatzes mit einem entsprechenden Integralausdruck berücksichtigt werden. Wenn sie Null wird, kann dieser Anteil entfallen, und nur für diesen Fall darf der Impulserhaltungssatz verwendet werden:
Mit den bereits berechneten Werten für VI und higes Ergebnis. Es ist die
(02
ergibt sich daraus ein verallgemeinerungsfä-
I' =
Lage des StojJmittelpunktes:
12;\
(30.23)
11125
Der Stoßmittclpunkt liegt im Abstand /' von dcr Wirkungslinie der Stoßkraft auf einer Senkrechten zur Wirkungslinie, die durch den Schwerpunkt des Körpers geht. In 30.23 sind s der Abstand des Schwerpunkts vom Stoßmittelpunkt, h" das auf den Stoßmittelpunkt bezogene Massenträgheitsmomcnt, 1112 dic Massc dcs Körpers.
c:> Wenn im Beispiel I das Lager A in dem durch 30.23 gegebenen Abstand vom Stoßpunkt liegt, treten in ihm keine Kräfte infolge des Stoßes auf. Bei stoßartig belasteten Bauteilen (Schlagwerke, Typenhebel, ...) sollte diese einfache A11, Lagerbelastungen zu minimieren, unbedingt genutzt werden. Ein Schmied weiß getUhlsmäßig (im wahrsten Sinne des Wortes) sehr genau, wo der Stoßmitteipunkt seines Hammers ist. c-:> Die hohe Geschwindigkeit einer kleinen Masse (Geschoss) kann mit einer Versuchsanordnung nach Beispiel I experimentell ermittelt werden. Der hängende Körper m2 wird so gefertigt. dass 1111 eindringt und stecken bleibt (ideal plastischer Stoß). Man misst den maximalen Winkelausschlag ({>""" der Masse 1112. lhr Schwerpunkt hebt sich also um s( 1 - cos ({>"",x), und man kann mit dem Encrgiesatz
'2/I (02
-2
2A (02 =
(
mgs I - eos CPmax)
ermitteln. Damit ergibt sich aus 30.22 unter Beachtung von k = 0: VI
= (I +
12;\2) / (02 1111/
609
30.2 SIOß
Das nachfolgende Beispiel behandelt den typischen Fall: Der Drallsatz muss für jeden Körper gesondert formuliert werden, weil unterschiedliche Bezugspunkte gewählt werden müssen. Dabei wird der DraJJsatz 30.10 über die gesamte Stoßzeit IS integriert (die unterschiedlichen Verhältnisse in Kompressions- und Restitutionsperiode, die auf die Definition der Stoßzahl führten. werden auch weiterhin über diese erfasst). Für das ebene Problem kann auf eine vektorielle Formulierung verzichtet werden:
.I '5
MO(I) dl =
I.o - Lo
(30.24)
1=0
(der Querstrich kennzeichnet den Wert des Dralls nach dem Stoß). Mo ist das durch die Kraft an der StoßsteIle hervorgerufene Moment bezüglich des Bezugspunktes, wobei über die Stoßzeit IS ein konstanter Hebelarm angenommen werden darf.
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 EIIl be, A drehbar gelagerter Körper I (Massemräghelts-
B
moment bezüglich A: JIA) stößt mit der Winkelgeschwindigkeit Wt auf einen bei B drehbar gelagerten Körper 2 (Massen trägheitsmoment bezüglich B: hn), der sich vor dem Stoß in Ruhe befindet. Gegeben:
WI· JIA·
hn, It , 12, k.
Es sollen die Gleichungen aufgeschrieben werden, mit denen die Winkelgeschwindigkeiten beider Körper unmittelbar nach dem Stoß berechnet werden können. Mit den Geschwindigkeitskomponemen in Richtung der Stoßnormalen VI = 11 WI und V2 = 0 vor dem Stoß und den Werten VI = I, NI bzw. V2 = -12 N2 nach dem Stoß (rechtsdrehende Winkelgeschwindigkeiten sollen für beide Körper positiv sein) gilt nach 30.21:
, B
"P J 1A
F{t) F{t) ---....:
A
'-----~
Abbildung 30.8: Stoßkraft F(I)
Für die beiden Körper werden Gleichungen nach 30.24 mit den Bezugspunkten A bzw. B fonnuliert, in die die Stoßkraft F(I) eingeht (glatte Flächen, F(I) in Stoßnormalen-Richtung): fj ts
.I .I
MA(I) dt
= -11
.I .I
(=0
1=0
's
ts
(=0
Mn (I ) dl
= -12
F(I) dt
= -11 fs = JIA NI
F(I) dt
= -12fs = hn N2
-JIA
WI
(=0
(in bei den Gleichungen wurden rechtsdrehende Winkelgeschwindigkeiten und rechtsdrehende Momente positiv eingesetzt, diese Vereinbarung gilt dann auch für die Ergebnisse). Damit stehen insgesamt drei Gleichungen zur Verfiigung, aus denen nach Elimination des Kraftstoßes fs die bei den Winkelgeschwindigkeiten NI und N2 berechnet werden können.
30 Kinetik des Massenpunktsyslems
610
oe:> Natürlich könnte auch der Kraftstoß fs berechnet werden. Mit dem Impulssatz (je zwei
Gleichungen für die beiden Körper) könnten vier weitere Gleichungen formuliert werden, in die die vier Komponenten der von den Lagern aufzu nehmenden Kraftstöße eingehen, so dass diese berechnet werden könnten. Allerdings sind damit nicht die durch den Stoß hervorgerufenen Kräfte bekannt, so dass diese Berechnung wenig praktisChen Nutzen hat.
30.3 Aufgaben
I
Aufgabe 30.1: I Die Masse 1111 wird in der Höhe hl ohne Anfangsgeschwindigkeit losgelassen, bewegt sich reibungsfrei und stößt bei A auf die ruhende Masse 1112 (Stoßzahl k). Gegeben:
1112
- = 4 ; k=O,S; h1. Inl
Auf welche Höhe h2 gleitet 111 I nach dem Stoß zurück, wie groß ist die Geschwindigkeit von 1112 unmittelbar nach dem Stoß?
A
Allfgabe 30.21 I Der skizzierte Holzhammer besteht aus einem Quader und einem zylindrischen Griff, der als diinner Stab angesehen werden darf. Gegeben:
1111 1112
= 170g ; a = Sem ; = nOg ; b = 14cm ; 1= 30cm .
Wo muss man den Hammer anfassen (Stoßmittelpunkt), damit die Hand beim Schlag möglichst gering belastet wird?
Aufgabe 30.31 I Ein Pendel I besteht aus einem dünnen Stab (Masse 111 I) und einer Kreisscheibe (Masse 1112), das Pendel 2 aus zwei dünnen Stäben (Massebelegung pA). Pendel I wird aus der horizontalen Ruhelage freigegeben und stößt in seiner tiefsten Lage (Stoßzahl k) gegen Pendel 2. Gegeben:
k 1111
= 0,5 = 1112 1111
pA = -
r
/ 1 = 5r = Sr
12
13 = 3 r
r = 0, I L1l
X
=1 .0
=2 Sloßpunkt
a a 2 2
B =2 -
Or~====I=V"q:: A ""
"
"" " """ .> ,
pA
•
Man ermittle a) die Winkelgeschwindigkeit WI des Pendels 1 unmittelbar vor dem Zusammenstoß,
b) die Winkelgeschwindigkeiten WI und W2 der Pendel I und 2 unmittelbar nach dem Stoß, e) den maximalen Pendelausschlag des Pendels I nach dem Stoß.
31 Schwingungen Wenn sich bei einer Bewegung, die durch X(/) beschrieben wird, die Bewegungsrichtung mehrmals ändert (Wechsel des Vorzeichens der Geschwindigkeit x) und X(/) mehrfach den gleichen Wert wieder annimmt, so spricht man von einer Schwingung. Eine Bewegung, die sich regelmäßig nach einer Zeit T wiederholt, so dass
X(I + Tl = X(/) gilt (vgl. Beispiel auf Seite 530), wird periodische Schwingung genannt. Die für eine Schwingungsperiode benötigte Zeit T heißt Schwingungsdauer. Ihr reziproker Wert
J=
I T
(31.1)
ist die SchwingungsJrequenz und gibt die Anzahl der Schwingungen pro Zeiteinheit an. Die Frequenz wird mit der physikalischen Einheit Hz (Herlz) gemessen: IHz=ls-1
31.1 Harmonische Schwingungen Die Masse m in der Abbildung 31,1 ist durch eine lineare Feder mit der Federkonstanten c gefesselt. Sie soll sich auf der Unterlage reibungsfrei bewegen können. Aus der statischen Ruhelage (Feder ist entspannt) wird sie um den Betrag Xo nach rechts verschoben und dann losgelassen. Nach dem Prinzip von d' Alembert wirken in horizontaler Richtung nur die d' Alembertsche Kraft der Masse m und die Rückstellkraft der Feder. Die Kraftgleichgewichtsbedingung in dicser Richtung liefert: (31.2) IIlX+CX=O
~7 m
I Man
X(I = 0) = 0
I
~_x
52- ;;:;Tl: - .. rT:::!lm g l~
IF
N
(31.3)
Die Integrationskonstanten A und 8 ergeben sich aus den Anfangsbedingungen
X(l =0) =Xo
r--, I
~---",,-,_=_",-J_
C
Diese homogene lineare Differenzialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizicnten hat die allgemeine Lösung!
X=ACOS(ß,/)+8sin(ß,/)
,
Abbildung 31.1: Einfaches Feder-Masse-System
A =Xo
8=0
überzeuge sich durch Einsetzen und/oder konsultiere das Thema ..GewÖhnliche Differenzialgleichungen" auf der
Internel-Site Mathematik/Ur die Technische Mechanik (www.TM-Mulhe.de).!liehe Hinweis auf Seite 314.
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_31, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
31 Schwingungen
612
Damit ist das Bewegungsgesetz für die Masse 111 bekannt: x = Xo cas (
fi t)
(31.4)
Da die cos-Funktion die Extremwerte -I und + I annimmt, ist XQ der jeweils größte (positive und negative) Wert, den x während einer Schwingungsperiode annimmt. die Amplitude. Besondere praktische Bedeutung hat das Argument der cos-Funktion: Weil diese Funktion periodisch mit 211: ist, entspricht die Zeit, die bis zum Erreichen dicses Werts vergeht, der Schwingungsdauer T einer Periode, und nach 31.1 ergibt sich die Schwingungsfrequenz:
~ T = 211:
'*
V-;;;
T
'*
= 211: (fji
Vc
f = }", = T
_1-
~
211:V-;;;
(3 I.5)
In der technischen Praxis ist es üblich, mcchanische Schwingungen durch dic Angabe der Kreisfrequenz W =
· If
(31.6)
-
m
zu charaktcrisieren, die sich von dcr Frcqucnz f nur durch den Faktor 211: unterschcidct. Ocr Begriff "Kreisfrequenz" erklärt sich aus folgender Analogie: Ein mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit w auf einer Kreisbahn umlaufender Punkt hat dieselbe "Frequenz" (Anzahl von Umläufen) wie ein Schwinger mil der entsprechenden Krcisfrequenz. Man beachte die Analogie der Zusammenhänge (vgJ. Gleichung 26.21 im Abschnitt 26.2.3):
w=211:f Kreisfrequenz
H
w=211:n
Frequenz
Winkelgeschwindigkeit -
(31. 7) Drehzahl
Schwingungen, die durch eine Differenzialgleichung
m.r+cx=O
.r+w2 x=O
bzw.
(31.8)
beschrieben werden, nennt man harmonische Schwingungen. Ihr Bewegungsgesetz wird durch cos- bzw. sin-Funktioncn beschricbcn. Die allgemcine Lösung von 31.8 ist durch 31.3 gegeben, kann jedoch auch folgendem1aßen aufgeschrieben werden:
X(/) =Ccos(wt - a) Die Lösung 31.9 mit den Integrationskonstanten C und
(31.9)
a ist wegen
Ccos(Wt - a) = Ccosa cos Wt + Csin a sin Wt mit 31.3 identisch. Für die Integrationskonstanten der beiden Lösungen gilt der Zusammenhang: A =Ccosa
B=Csina
Daraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen: ~
Die AnJangsbedingungen haben at~fdie Krei~frequenzder harmonischen Schwingung keinen Einjluss. Wenn der Masse im eingangs behandelten Beispiel neben der Anfangsauslenkung auch noch eine Anfangsgeschwindigkeit erteilt wird, werden beide Integrationskonstanten in 31.3 ungleich Null. Die Überlagerung von cos- und sin-Funktion mit gleicher Kreisfrequenz
613
31.2 Freie ungedämpfte Schwingungen
fUhrt aber entsprechend 31.9 wieder auf eine harmonische Bewegung mit der gleichen Kreisfrequenz. Es ergibt sich allerdings eine vergrößerte Amplitude
W
c= JA2+8 2 oe:> Die Lösung 31.9 hat den Vorteil, dass beide Integrationskonstanten interpretierbar sind.
C
ist die Amplitude der Schwingung und die so genannte Phasenverschiebung ce bestimmt den Zeitpunkt 10, zu dem die Schwingung erstmalig die Amplitude erreicht:
cos(Wlo - ce) =
I
=?
ce
10 = OJ
31.2 Freie ungedämpfte Schwingungen Ein schwingungsfahiges System, das nach einmaligem Anstoß (z. B.: Anfangsauslenkung oder Anfangsgeschwindigkeit) sich selbst überlassen wird (und keinen äußeren "ErregerkräFten" mehr ausgesetzt ist), fUhrt eine freie Schwingung (Eigenschwingung) aus. Fließt während der Bewegung keine Energie ab, ist es einefreie ungedämpfte Schwingung. Wenn bei einem Schwinger mit einem Freiheitsgrad (wie im Beispiel des vorigen Abschnitts) die Riickstellkraft linear von der Bewegungskoordinate abhängt, wird die freie ungedämpfte Schwingung immer durch eine Bewegungs-Differenzialgleichung der Form (31.10) beschrieben, und der Schwinger führt eine harmonische Bewegung aus. Die Kreisfrequenz der Eigenschwingung wird Eigenkreisfrequenz genannt und ist bei linearen Schwingern, die durch eine Differenzialgleichung des Typs 31.10 beschrieben werden, von den Anfangsbedingungen unabhängig (die Beispiele I und 2 im Abschnitt 28.3.3 behandelten dagegen nichtlineare ungedämpfte freie Schwinger, deren Frequenzen von den Anfangsbedingungen abhängig sind). Wenn der tatsächliche Bewegungsveriauf einer linearen Schwingung nicht interessiert (bei den meisten Problemen der technischen Praxis ist dies der Fall), kann auf die Lösung der Differenzialgleichung 3l.LO verzichtet werden, weil die wichtigste Kenngröße. die Eigenkreisfrequenz, direkt aus der Differenzialgleichung ablesbar ist. Auch komplizierte Schwingungsprobleme können häufig mit ausreichender Genauigkeit durch 31.10 beschrieben werden, wenn eine Beschränkung auf kleine Ausschläge (Vermeiden ,.geometrischer Nichtlinearitäten") gereChtfertigt ist und die schwingende Masse von der Federmasse getrennt werden kann. Die berechtigte Frage, was denn "kleine Ausschläge" sind, kann zwar nicht generell beantwoltet werden, zwei Hinweise aber sollen gegeben werden: Sehr viele Schwingungen in der technischen Praxis sind Vibrationen, die man zwar fühlen, aber mit bloßem Auge kaum wahrnehmen kann. Dafür ist die Annahme "kleiner Ausschläge" gewiss gerechtfertigt. Die Aussage "Ausschläge sind klein. wenn sie auf lineare Differenzialgleichungen führen" ist sicher nicht korrekt. Sie würde in diesem Buch deshalb auch nicht zu finden sein. wenn sie nicht doch ein wichtiger Hinweis auf ein pragmatisches Herangehen an komplizierte Probleme wäre.
31 Schwingungen
614
31.2.1 Schwingungen mit kleinen Ausschlägen In diesem Abschnitt werdcn ausschließlich Beispiele demonstriert, die auf Differenzialgleichungen des Typs 31.10 fUhren. Man beachte besonders, welche Idealisierungen (kleine Ausschläge) getroffen werden müssen, damit sich diese linearen Differenzialgleichungen ergeben.
Beispiel I:
I
I_"";_ _...1 EIne zylIndnsche KreIsscheIbe Ist Im Schwerpunkt drehbar gelagert und durch zwei Federn am Rand gefesselt. Für kleine Ausschläge soll die Eigenkrcisfrcquenz dcr Drehschwingung ermittelt wcrdcn. Gegeben:
c m
c, m.
An der freigeschninenen Scheibe werden fLir die gewählte KoordjJ]atenrichtung das d' Alcmbertsche Moment (reinc Drchbewegung, Masscnträgheitsmoment der zylindrischen Scheibe: Js = mrz) und die FederRückstell-Kräfte angetragen. Bei Voraussetzung kleiner Ausschläge dürfen die Federkräfte in Richtung der unbelasteten Feder (tangential an den Kreis) angetragen und ihre Verlängerung näherungsweise durch rq> erfasst werden. Für großc Winkel müsste die Schräglagc dcr verformten Feder durch die genaue Erfassung der Geometrie berücksichtigt werden, was zu nichtlinearen Zusammenhängen fUhren würde.
c
!
Die Bewegungs-Differenzialgleichung ergibt sich aus dem Momemengleichgewicbt um den Lagerpunkt. Die Eigenkreisfrequenz der Schwingung kann direkt abgelesen werden:
z..
I 2
-/I1r q>+2cr<pr=O
=;.
..
4c
=;.
~.
w=2-
In
m
L-:> Für das Aufschreiben der Bewcgungsgleichung dcs freien ungedämpften Schwingers mit
einem Freiheitsgrad (Beispiel I) bietet sich auch der Energiesatz in der Form
U + T = konstant
(31.11)
an. Potenzielle und kinetische Energie werden f"r die beliebige Lage (in Abhängigkeit von der Bewegungskoordinate) formuliert, und die Ableitung von 31. I I nach der Zeit (vgl. nachfolgendes Beispiel 2) führt auf die Bewegungs-Differenzialgleichung 31.10.
I
Beüpiel2: I_ _ _ _...I Ellle Zahnstange der Masse /11 Ist auf zweI Zahnrädern mIt dem Radllls r (Massenträgheitsmomente Js bezüglich der Drehpunkte) gelagert und durch zwei Federn gefesselt. Die Eigenkreisfrequenz des Schwingungssystems (einfaches Modell eines Schwingsiebs) soll ennittell werden. Gegeben:
Cl
m
1
Js
= 3.5mr2 .
Wenn flir die Bewegung von In eine Koordinate x eingefühI1 wird und für die Drehung der Zahnräder jeweils eine Winkelkoordinate
31.2 Freie ungedämpfte Schwingungen
I
2
2 111X +2
615
( 2JscjJ-+2cX I I 2) = konst.
I
?
2
?
2/11x +3,5mr
=}
.;2
r2
+CX
2= konst.
Die Beziehung wird noch vereinfacht und dann nach der Zeit abgeleitet. Aus der Differenzialgleichung des Typs 3) .10 kann die Eigenkreisfrequenz direkt abgelesen werden:
4mx2 +cx2 = konsl.
=}
8mxx+2cx.<=0
x+~x=O 4m
=}
I
=}
Beispiel 3: I_"";_ _...1
An dem skIzzierten einfachen Feder-MasseSchwinger soll der Einfluss des Eigengewichts der Masse auf die Eigenkreisfrequenz untersucht werden. Die Bewegungskoordinate x wird von der statischen Gleichgewichtslage aus gezählt, in der die Feder bereits vorgespannt ist. Die Skizze zeigt alle zu berücksichtigenden Kräftc in dcr beliebigen ausgelenkten Lage, und nach dem Prinzip von d' Alembert liefert die Gleiehgewichtsbedingung in vertikaler Richtung:
x' stal
w=~2V; ~
:r8
C
(x +xstat)
I 1mi
X
fmg
mx+cx+cX-Wat - mg = 0 Wegen cx.,,'" = mg ergibt sich die gleiche Differenzialgleichung wie beim horizontalen FederMasse-Schwinger (Einführungsbeispiel im Abschnitt 31.1): mx+cx = O.
<>
Dic vertikal hängende Masse m schwingt mit der gleichen Eigenkreisfrequenz wie die reibungsfrei gelagerte horizontal schwingende Masse m. Diese exemplarisch gefundene Aussage darf wie folgt verallgemeinert werden: Be;m Aufstellen der Bewegungs-Differenzialgleichung kann die stCllische Vorspm1llung der Feder unberücksichtigt bleiben. wenn gleichzeilig die diese Vorspannung hervarrufende Kraft (hier: Eigengewicht der Masse m) nicht berücksichtigt wird und der Koordinatenursprung mit der statischen Ruhelage zusammenfüllt.
Das Eigengewicht kann selbstverständlich nicht aus der Rechnung herausgelassen werden, wenn es selbst zur Rückstellkraft beiträgt (Rückstellkräfle werden durchaus nicht immer durch Federn hervorgerufen, siehe nachfolgendes Beispiel 4).
I
Beispiel 4: I_"";_ _...1 Belln so genannten mathematischen Pendel (Punktmasse 'Im masselosen Faden) ist die in Bahnrichlung gerichtete Komponente des Eigengewichts die Rlickstellkraft, und man erhält aus dem Kraftgleichgewicht in Bahnrichtung:
~';\I mlrp
I ip + gsinq> = 0
ml ip+mgsin q> = 0
~~ ~
mlrp2
mg
Dies ist eine nichtlineare Differenzialgleichung, deren Lösung zwar einen periodischen Vorgang beschreibt, dessen Frequenz allerdings von den Anfangsbedingungen abhängt. Nur unter der Voraussetzung sehr kleiner PendelausschJäge, fur die sin q> '" q> gesetzt werden darf, ergibt sich eine lineare Differenzialgleichung. aus der die Eigenkreisfrequenz abgelesen werden kann: I ip + gq>
=0
=}
w=
If
616
31 Schwingungen
31.2.2 Elastische Systeme Bei den elastischen Systemen, für die in den Kapiteln 14 bis 24 die Verformungsberechnungen behandelt wurden, ergab sich unter der Voraussetzung kleiner Verformungen stets ein linearer Zusammenhang zwischen den Belastungsgrößen (Kräfte und Momente) und den Verformungsgrößen (Verschiebungen und Verdrehwinkel).
EI ~konst.
l/2
l/2
Abbildung 31.2: Elastische Bauteile als Federn
Für die beiden einfachen elastischen Systeme der Abbildung 31.2 (Zugstab, Biegeträger) soll gezeigt werden, dass dieser Zusammcnhang ftjr einen ausgewählten belasteten Punkt in dcr Form des linearen Federgesetzes aufgeschrieben werden kann. Für den Zugstab ist die benötigte Formelmit 14.6 gegeben, rur den Biegeträger entnimmt man sie der Tabelle auf Seite 260:
/)., =
FI EA
F 13 VF=48EI
=}
EA F = -,-!J.I
= cs!J.I
mit
EA Cs = -1-
=}
48EI F=-,-3-VF=C8VF
mit
48EI c8=-/3-
oe:' Wenn sich an der Stelle, für die der Zusammenhang von Kraft und Verschiebung als Fe-
dergeselz formuliert wurde, eine Masse m befindet und das elastische System als masselos angesehen werden darf, kann das gcsamtc Fcder-Masse-Systcm durch das Modcll dcs einfachen Schwingers aus dem Beispiel 3 im vorigen Abschnitt ersetzt werden, und die Eigenkreisfrcquenz ergibt sich aus ())2 = ;;,.
I
Beispiel 1: I_ _ _ _..... Die skIZZierte BIegefeder (konstante Dicke t, linear veränderliche Breite) trägt eine Masse m. Es soll die Eigcnkreisfrequenz dieses Schwingungssystems ermittelt werden (Biegefeder ist masselos).
Gegeben:
I
1
b, I
1
E
1
~
.0: C=====::::!:=====::01 r
L/2
111.
..0
i
l/2
Im Abschnitt 24.5 (Beispiel 2 auf Seite 436) wurde die Absenkung des Mittelpunktes des Trägers unter einer dort angreifenden Einzelkraft für ein beliebiges Breitenverhältnis ß berechnet, für das hier ß = 2 gesetzt werden muss. Die dort gefundene Formel wird als Federgesetz formuliert: 3FI 3 Ebr 3 VF= 4Ebr 3 (-1+21n2) =} F=3,45-,3-vF=c8vF Die Eigenkreisfrequenz ist die des einfachen Feder-Masse-Schwingers:
()) =
f1
8
-. rn
mit
C8
Ehr3 1
= 3 45-3 '
oe:> Die Federkonstanten, die sieh für den Kraft- Verschiebungs-Zusammenhang ergeben, haben
die Dimension .,Kraft/Länge", der Zusammenhang von Torsionsmoment und Verdrehwinkel wird durch eine Drehfeder-Konstante mit der Dimension "MomentlWinkel" besclu'ieben (folgendes Beispiel).
31.2 Freie ungedämpfte Schwingungen
617
I
Beispiel 2: I_"';'_....1 Die Beziehung 21.13 (Seite 366), mll der der Verdrehwinkel infolge eines Torsionsmoments berechnet wird, liefert:
tIM
t
~ ~
Glt,t
CI, ~ M,=-CP=CTCP I CI, mit der Dreh[eder-Kollstall/ell CT = -1(31.12) M,t CP= CI,
Js • ~ gJs'P
c. T
.
rp
C T
Für die Berechnung der Torsionsschwingungen einer Scheibe mit dem Massenträgheitsmoment Js (bezüglich der vertikalen Achse) kann aus dem Momenten-Gleichgewicht des d' Alembertschen
Moments mit dem Rückstellmoment der Drehfeder die Differenzialgleichung
JSi{>+CTCP=O aufgeschrieben werden, die wieder vom Typ 31.10 ist, so dass unmittelbar die Eigenkreisfrequenz abzu lesen ist: W=
<>
{f;
Die im Abschnitt 10.1 behandelte Möglichkeit, mehrere lineare Federn zu einer äquivalenten Ersatzfeder zusammenzufassen, gestattet es, auch kompliziertere elastische Systeme durch den einfachen Feder-Masse-Sehwinger zu simulieren (folgendes Beispiel).
I
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Eme Masse 111 ,st wie sk,zz,ert über eme Feder (Federkonstante c) an einem elastischen Kreisbogenträger befestigt (I( ist der nach 19.17 auf der Seite 328 definierte Querschnittsparameter für den gekrümmten Träger). Es soll die Eigenkreisfrequenz der Vertikalschwingungen der Masse ermittelt werden (Feder und Kreisbogen sind masselos).
Gegeben:
1Il,
c, R, EA,
Abbildung 31.3: Reihenschaltung zweier Federn
1(.
Im Abschnitt 19.3.3 wurde als Beispiel auf der Seite 336 der mit einer Kraft 2 F belastete Kreisbogenträger behandelt (Kraftangriffspunkt war der Punkt, an dem hier die Feder befestigt ist). Die dort erminelte Kraft-Verformungs-Beziehung wird für cP = 0 (und F anstelle von 2F) als Federgesetz formuliert:
Mit der so definierten Federkonstanten CH wird der Kreisbogenträger durch eine Feder ersetzt, die mit der anderen Feder (Federkonstante c) .,in Reihe geschaltet" ist und mit dieser nach 10.3 zu einer Ersatzfeder (Federkonstante cm ) zusammengefasst wird, so dass sich wieder das Modell des einfachen Feder-Masse-Schwingers (Beispiel 3 im vorigen Abschnitt) ergibt: W=
f-fff -
m
Ir!
mit
I Cers
I
21(EA
I
=;:+ CH
und
CH=
(2-~Jr+~-I(I)R
31 Schwingungen
618
oe:> Bei den bisher behandelten Beispielen wurden masse lose Federn vorausgesetzt. Wenn die
Bewegungs-Differenzialgleichung mit dem Encrgiesatz formuliert wird, kann häufig auf relativ einfache Weise die Wirkung der Federmasse wenigstens näherungsweise erfasst werden, indem sie bei der kinetischen Energie berücksichtigt wird. Die dabei zu treffende Näherullgsannahme wird am nachfolgenden einfachen Beispiel demonstriert.
om
I
Beispiel 4: I_ _ _ _...I Die EIgenkreisfrequenz der Vertlkalschw1l1gung der Masse m soll bei genäherter Berücksichtigung der Masse 1118 des Biegeträgers ermittelt werden. Die Federkonstante ergibt sich aus dem Modell "Kragträger mit Einzelkraft am freien Ende" (Fall e im Abschnitt 17.4 auf Seite 261):
El,m e
z
-
x,
,x
x.l" dm
r
Abbildung 31.4: Masse der Biegefeder wird näherungs weise berücksichtigt
Die Masse 111 bewegt sich mit der Geschwindigkeit X. Es wird angenommen, dass sich das Massenteilchen des Trägers dl11 = 1118 0/' an der Stelle z mit einer GeschwindigkeiU' bewegt, die sich zu x verhält wie die statische Durchbiegung v(z) (infolge F) zur statischen Durchbiegung VF. Die statische Biegelinie v(z) wird ebenfalls der Zusammenstellung auf Seite 261 entnommen, und man katUl mit
die kinetische Energie aufschreiben:
Das Integral
j ~l
,~O
[2-3
7+
mT
3 dz= 1:0
liefert den Faktor, mit dem aus der Masse I11B des Biegeträgers der fiir die Schwingung zu bcrücksichtigende Anteil liIe berechnet wird, und das Gesamtsystem darf wieder durch den einfachen Feder-Masse-Schwinger ersetzt werden: W=
C8
In+ms
mit
3EI
cB =[3
und
_ mß
33 = 1401118
oe:> Die mit dem Beispiel 4 demonstrierte Erfassung der Federmasse ist eine (im Allgemeinen
recht gute) Näherung. Fiir Federn, deren Massenteilchen in Feder-Längsrichtung schwingen (Stab, Schraubenfeder) darf eine lineare Geschwindigkeitsvel1eilung angenommen werden, die auf! me als zusätzlich zu berücksichtigende Masse führt (l11e ist die Federmasse).
3t.2 Freie ungedämpfte Schwingungen
6t9
31.2.3 Nichtlineare Schwingungen Wenn die Bewegungs-Differenzialgleichung, die einen Schwingungsvorgang beschreibt, nichtlinear ist, ist sie bis auf wenige Ausnahmen nur numerisch lösbar (zahlreiche Beispiele hierzu unter www.TM-ak.1"uell.de). Dies kann fast immer nur die Analyse eines ganz speziellen Bewegungsvorgangs sein, weil im Gegensatz zu den linearen Problemen auch bei freien ungedämpften Schwingungen die Bewegungsabläufe (und damit die Eigenfrequenzen) von den Anfangsbedingungen abhängig sind. Dies soll an einem (bereits im Abschnitt 28.3.3 behandelten) relativ einfachen Beispiel verdeutlicht werden.
I
Beispiel:
I
a
Die Masse m bnn auf der vel1ikalen Führung reibungsfrei gleiten, so dass nach einmaliger Auslenkung eine freie ungedämpfte Schwingung mit konstanter Amplitude entsteht. Die Aufgabe wurde im Abschnitt 28.3.3 für verschiedenen Anfangsauslenkungen gelöst. Die Diagramme auf Seite 531 zeigen, dass sich in jedem FaJl eine freie ungedämpfte Schwingung ergibt, allerdings mit stark unterschiedlichen F0l111en und Zeiten, die für eine volle Schwingung benötigt werden (Schwingungsdauer).
I' I 1
I 1
~
Hier wird die Schwingungsdauer T in Abhängigkeit von der Anfangsauslenkung 1!- für die bereits im Abschnitt 28.3.3 benutzten Parameter ~~ = I, ~ = 4 und ~ = 9,81 S-2 berechnet (h ist die Länge der entspannten Feder).
Die nichtJiJleare Differenzialgleichung, die den BeweguJlgsvorgang beschreibt (siehe Seite 530) muss für jede Anfangsauslenkung ~ gesondel1 numerisch integriel1 werden. Die Rechnung kann abgebrochen werden, wenn die Masse wieder die Allsgangslage erreicht hat. Die bis dahin vergangene Zeit ist die Schwingungsdauer T flir die spezielle AJJfangsauslenkung. Das Diagramm in Abbildung 31.5 zeigt die Funktion T(1!-), in dem einige markante Punkte auffallen. Mit den Verfahren, die im Kapitel 10 behandelt wurden, kann man nachweisen, dass für die Masse drei statische Gleichgewichtslagen existieren (bei ~ = -2,76; -0,362; 4,92), von denen eine instabil ist (1!- = -0,362). Bei kleinen Anfangsauslenkungen aus einer stabilen Gleichgewichtslage schwingt die Masse mit einer Schwingungsdauer. die sich mit der Größe der Auslenkung nur unwesentlich ändert.
T
I
- 2,76 - 4,49
4,92 - 0.362
9,22
Abbildung 31.5: Schwingungsdauer in Abhängigkeit von der Anfangsauslenkung
Eine besondere Rolle spielt die instabile statische Gleichgewichtslage, um die keine Schwingung möglich ist. Bei Anfangsauslenkungen mit .~ "" -0,362 entstehen bei nur geringen Abweichungen völlig unterschiedliche Bewegungen. Gleiches gilt für die beiden Punkte bei ~ = -4,49 und ~ = 9,22: Kleine Abweichungen von diesen Anfangsauslenkungen nach oben bzw. unten führen zu völlig anderen Bewegungsgesetzen, abhängig davon, ob sich die Masse bei 1!- "" -0,362 "vorbeidrängeln" kann oder nicht.
620
31 Schwingungen
31.3 Freie gedämpfte Schwingungen Der Idealfall der ungedämpften Schwingung ist praktisch kaum realisierbar. Reibungswiderstände und Dämpfungskräfte (teilweise beabsichtigt, z. B.: Stoßdämpfer) sorgen dafür, dass die Amplituden einer freien Schwingung mit der Zeit kleiner werden. Hier soll nur der Spezialfall geschwindigkeitsproportionaler Dämpfung untersucht werden, bei dem die Widerstandskraft, die der Dämpfer der Bewegung entgegensetzt, nach 28.4 in der Form Fw = -k v mit einer Dälllpfungskollstantell k anzusetzen ist (zur Übereinstimmung dieser Annahme mit dem Verhalten realer Dämpfer beachte man die Bemerkung dazu auf der Seite 519). Die Abbildung 31.6 zeigt den einfachen Schwinger aus Masse, Feder und Dämpfungselement und die freigeschnittene Masse mit d' Alembertscher Kraft, Federkraft und Bewegungswiderstand. Die Koordinate x zählt von der statischen Ruhelage aus (Eigengewicht wurde deshalb nicht angetragen, vgl. Beispiel 3 auf Seite 615). Das Kräfte-Gleichgewicht in vertikaler Richtung liefert mit
mx+kX+cx=O
mx
(31.13)
eine lineare homogene Differenzialgleichung (vg1. Lösung unter www.TM-aklllell.de). die sieb in entsprechender Form auch bei komplizierteren Systemen ergibt, wenn die Masse konstant ist, die Dämpfung linear von der Geschwindigkeit und die RücksteUkräfte linear vom Weg abhängig sind.
c
k
Abbildung 31.6: Einfacher freier gedämpfter Schwinger
Im Folgenden wird die Dämpfungskonstante k durch eine dimensionslose Größe. das so genannte k Lehrsche Dälllpfungslllaß D = -(31.14)
2.;mc
ersetzt (nach ERNST LEH R, 1896 - 1945). Damit geht 31.13 über in
x+2Dw.t+ w 2x = 0
(31.15)
wobei die Abkürzung w für die Eigellkreisfrecluenz der ungedämpften Schwingung entsprechend 31.6 steht. 31.15 ist wieder eine lineare homogene Differenzialgleichung mit konstanten Koeffizienten, deren Lösung aber im Gegensatz zur Lösung von 31.10 in Abhängigkeit von den Parametern ganz unterschiedliche Bewegungen beschreiben kann. Mit dem Exponentialallsatz x = C e).,1 liefert 31.15 eine charakteristische Gleichung, deren Lösungen reell oder komplex sein können:
A2 +2DWA+w 2 =O
=?
At,2=W(-D±JD2=l)
(31.16)
':> Flir D > I (starke Dämpjimg, zwei unterschiedliche reelle Lösungen ftir A) kann die Lösung der Differenzialgleichung 31.15 in der Form x = CI
e).,,1
+C2 e).," = e- owl (CI eWJO'-II + C2 e- wJO'-")
aufgeschrieben werden. Der Faktor vor der Klammer sorgt daftir. dass sich x asymptotisch dem Wert Null nähert. Entsprechendes gilt für D = I (aperiodischer Grellzfall, reelle Doppellösung für A) mit der Lösung von 31.15:
31.3 Freie gediimpfle Schwingungen
621
x = CI eI.l +C21eA1 = e-OOOl (CI +C21) Beide Bewegungen (manchmal erwünscht, z. B. als Zeigerbewegungen in Messinstrumenten) sind keine Schwingungsvorgänge und werden hier Ilicht weiter betrachtet. Q Nur fur den Fall D< I (schwache Dämpfung, zwei konjugiert komplexe Lösungen fur ,1.)
ergibt sich eine Schwingung (i ist die imaginäre Einheit, es wird die so genannte EulerRclation eil = cosz + i sin z verwendet, der letzte Schritt entspricht der bereits für die harmonische Schwingung im Abschnitt 31.1 vorgenommenen Umformung):
x
= CI eA"
+C2eA"
= e-DOOI (CI eOOiJ,-02 , +C2e-wiJI-o' ') = e- DW1
(CI eiWD ' +C2e-iWol)
= e-DOOI [CI (eos ClJot + i sin ClJot) + C2( cos Wol - i sin Wo I) I (31.17) = e- DW1 (AI COSWol +A2sinwol) = Ce-OOOI eos(Wf)1 - a) Aus dem Bewegungsgesetz für die freie gedämpfte Schwingung 31.17 liest man ab:
Auch das (geschwindigkeilsproporlional) gedämpfte Schwingllllgss)'siem schwingl mil kOIlstanter Eigenjrequellz. Die EigenkreisfreqlleJlz der gedämpfteIl Schwingung
Wo=w)I-D2
mit
w-
ff· -
(31.18)
m
ist kleiner als die Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers, die Schwingungsdauer Tf) = ~~ dementsprechend größer. Die Abbildung 3J.7 zeigt eine durch 31.17 beschriebene Bewegung. Analytisch lässt sich leicht bestätigen, was die Kurven erkennen lassen: Das Weg-Zeit-Geselz X(/) der Schwingung wird von zwei Funktionen Xo
= Ce-Dw!
und
.tu = _Ce-DCO!
"eingehüllt". Die Schnittpunkte dieser bei den "Einhüllenden" mit X(I) liegen an den StelIcn, an dencn dic cos-Funktion in 31.17 ihre Extremwerte annimmt. Dies sind nicht die Punkte, an denen die gedämpfte Schwingung ihre Amplilllden hat. Q
6,-----------------, x Gedämpfte Schwingung 4
2
0 -2 ·Untere Einhüllende"
-4 _6L--~--~--~--~-__J
o
2
4
6
8
10
Abbildung 31.7: X(/) bei schwacher Dämpfung
Die Schwingungsdauer To kann gemessen werden zwischen zwei aufeinander folgenden Amplituden gleichen Vorzeichens oder zwischen zwei benachbarten Schnittpunkten einer Einhüllenden mit der Funktion X(/) oder zwischen zwei aufeinander folgenden gleiehgerichtcten Null-Durchgängen (z. B. von negativen zu positiven x-Werten).
622 oe;'
31 Schwingungen Die Ableitung der Funktion x(r) nach der Zeit liefert das GeschwindigkeitsZeit-Gesetz x(r) der Schwingung. Beide Funktionen können als Parameterdarstellung einer Funktion x(x) angesehen werden, der so genannten Phasellkurve ("Darstellung in der Phasenebene"), deren geometrische Gestalt allein schon wichtige Eigenschaften der Schwingung charakterisiert.
10~--------------~
Darstellung in der Phasenebene 5
o -5
x
-1~4L.--_-::-2---:0--~2:----4:---':..J6
Abbildung 31.8: Pbasenkurve -'(x)
Während Phasenkurven für ungedämpfte Schwingungen stets geschlossen sind, zeigt die Abbildung 31.8 den typischen spiralförmigen VerlauffUr die gedämpfte Schwingung, deren Weg-Zeit-Gesetzx(r) in Abbildung 31.7 dargestellt ist. ,;, Das Verhältnis zweier Schwingungsausschläge x im zeitlichen Abstand einer Schwingungsdauer (z. B. das Vcrllältnis der Amplituden zweier aufeinander folgender Perioden) ist konstant, wie sich mit 31.17 bestätigen lässt:
q=
x(r)
2,D
Ce-OW1cos(roor-a)
=
= e;;::Dl' = konstant
Ce OW(I+TD)COS[roo(r + 0)) - a] x(r + To ) Der natürliche Logarithmus von q wird als logarirhmisches Dekremellf /\ bezeichnet und steht mit dem Dämpfungsmaß 0 in folgendem Zusammenhang:
/\ = In q =
2rrD
/\
=;.
D = r.;==;;=C==o7i 2
(31.19)
VI-D2 V4rr +/\2 Wenn also z. B. die Amplitudengröße experimentell ermittelt werden kann, ist es möglich, aus dem Verhältnis der Amplituden zweier aufeinander folgender Perioden das Lehrsehe Dämpfungsmaß nach 31.19 zu bestimmen.
I
Beispiel: I_ _ _ _ Um ellle Vorstellung vom ElI1ftuss der DämpflLOg auf dIe Elgenkre,sfrequenz zu geben, soll angenommen werden, dass bei einem Schwingungsvorgang die Amplituden injeder Periode auf die Hälfte des Wertes der vorhergehenden Periode zurückgehen. Dann erhält man mit q = 0'5 = 2 ein logarithmisches Dekrement von /\ = 0,693 und das Dämpfungsmaß 0 = 0,110. Nach 3 J.] 8 errechnet sich die Eigenkreisfrequenz
roo =
(t)
)1-D2 =O,994ro
Bei q = 2 verringert sich die Amplitude recht schnell. Die Schwingung ist nach wenigen Perioden praktisch abgeklungen. Trotzdem ist der Einfluss dieser (relativ starken) Dämpfung auf die Eigenkreisfrequenz des Schwingers außerordentlich gering, und die Aussage dieses Beispiels darf als wichtigste Erkenntnis aus den Betrachtungen in diesem Abschnitt gelten: Wenn nur die Eigenkreisfrequenz des freien gedämpften Schwingers interessiert, ist dafür mit der Eigenkreisfrequenz ro des ungcdämpften Schwingers im Allgemeinen eine sehr gute Näherung gegeben. Nur bei sehr starker Dämpfung muss das Lehrsehe Dämpfungsmaß (gegebenenfalls experimentell) erminelt und roo nach (31.18) berechnet werden.
623
31.4 Erzwungene Schwingungen
31.4 Erzwungene Schwingungen Im Gegensatz zu den freien Schwingungen, bei denen die Bewegung nur durch die Anfangsbedingungen (Anfangsauslenkung, Anfangsgeschwindigkeit) verursacht wird, ist eine Schwingungsbewegung, die durch ständige Einwirkung einer zeitlich veränderlichen Kraft erzeugt wird, eine erzwungene Schwingung. Von besonderer praktischer Bedeutung sind harmonisch veränderliche Erregerkräfte der Foml F(I) = FocosQ/ (Abbildung 31.9), wobei Q die Erregerkreisfrequenz ist.
·'-r- - - ~-r-'T 1:2] k _c---'---'.,--l-L_
Cx
1
ki;!
Abbildung 31.9: Harmonisch erregter Schwinger mit Dämpfung Aus der Schnittskizze liest man die Bewegungs-Differenzialgleichung ab2: (31.20)
mx+kx+cx = FOCOSQI
31.4.1 Schwingungen mit harmonischer Erregung der Masse Mit den bereits verwendeten Symbolen (w fLir die Eigenkreisfrequenz der ungedämpften freien Schwingung und dem Lehrschen Dämpfungsmaß D) wird aus 31.20:
w2
x+2Dwx+w2 x=Fo-cosQt
(31.21)
c Die Lösung der inhomogenen linearen Differenzialgleichung setzt sich aus der Lösung X/10m der zugehörigen homogenen Differenzialgleichung und einer Partikulärlösung xI"''' zusammen:
x=
X/101ft
(31.22)
+xpar(
Für Xhom kann die Lösung 31.17 der Differenzialgleichung 31.15 übernommen werden, rur das Suchcn nach einer Partikulärlösung wird dcr Ansatz XI"'''
(31.23)
= A COS(QI- cp)
in 31.21 eingesetzt. Man erhält nach kurzer ReChnung: FOW2
(
)
--c- - A Q2 coscp + 2A DwQsin cp +Aw2 COS cp cosQt
+ (-A Q2 sin cp -2A DwQcoscp +A w 2 sin cp) sinQt =
0
Diese Gleichung kann für beliebiges t nur erfüllt sein, wenn jede Klammer auf der linken Seite einzeln verschwindet. Nullsetzen der zweiten Klammer liefert: tan cp
2DwQ Q2
= w2 _
2D§
= 1 _ (§) 2
(31.24)
2Das Stichwon ..Erzwungene Schwingung" untcr www.TM-Mathe.de fUhn zu einer Seite. auf dcr die Lösung von 31.20 als typisches Beispiel einer gewöhnlichen Differenzialgleichung ausfUhrlich demon~lriert wird.
624
31 Schwingungen
Das Nullsetzen der ersten Klammer führt nach Einsetzen von 31.24 und einigen elementarmathematischen Umformungen (sin- und cos-Funktioncn werden durch tan ersctzt) auf:
Fo
A = -
c
I
J[
I-
(~)2r
+402
(m
(31.25)
2
Damit ist die Lösung von 31.21 komplett. Beide Lösungsanteile enthalten dic cos-Funktion, so dass man sich dic Bewegung als Überlagerung zweicr SChwingungen vorstellen darf. Während der Anteil Xhom
= C e -DoJl cos ( ())Dt
-
a)
nach 31.17 wegen der Exponentialfunktion mit negativem Exponenten mit der Zeit immer kleiner wird, ist die Partikulärlösung 31.23 eine cos-Funktion mit der konstanten Amplitude 31.25. Die Abbildung 31.10 zeigt dies für zwei typische Fälle: Sowohl für w > n (obere Kurve) als auch für w < n (untere Kurve) erkennt man das Abklingen dcr Eigcnschwingung infolgc dcr Dämpfung, und nach einer gewissen Zeit schwingt die Masse mit der Erregerkreisfrequcnz n und dcr Amplitudc A.
Abbildung 31.10: Eigenschwingungen klingen infolge der Dämpfung in jedem Fall ab
Nach einer bestimmten Einschwingzcit schwingt der durch die harmonisch veränderliche Krati F(t) = Focosili erregte gedämpfte Schwinger nach einem Bewegungsgesetz, das nur noch durch die Partikulärlösung der Bewegungs-Differenzialgleichung bestimmt wird. Dicse heißt deshalb stationäre Lösung FO
x" = .)(1 _ ,.,2)(;+402 1)2
COS(nl-
cp)
(31.26)
mit dem Abslimmllngsverhälmis 1) =
~
w-
mit
Q)
~
V~
(31.27)
das als Quotient von Erregerkreisfrequenz n und Eigenkreisfrequenz w des ungedämpften Schwingers definiert wird. Die Schwingung im stationären Zustand ufo/gt mit der Erregerkreisfrequenz n. Die Phasenverschiebung cp in 31.26 berechnet sich aus
2D1)
tan cp = I _
,.,2
(31.28)
D ist das Lehrsehe Dämpfungsmaß nach 31.14.
c:> Der Ausdruck vor der eos-Funktion in 31.26 ist die Amplitude der Schwingung. Die Amplitude der stationären Schwingung ist konstant. Im Zähler des Bruchs, der die Größe der
625
31.4 Erzwungene Schwingungen
Amplitude bestimmt, steht mit Xsrat;sch = I'f die Auslenkung der Feder unter einer konstanten statischen Last Fo. Für sehr kleine Erregerkreisfrequenzen wird der Nenner des Bruchs näherungsweise 1, und die Schwingungsamplitude entspricht etwa der statischen Auslenkung.
<>
Für beliebige Erregerkreisfrequenz Q (bzw. ein beliebiges Abstimmungsverhältnis 1)) wird die Ändenmg der Amplitude im Verhältnis zur statischen Auslenkung durch die VergriißerungsJunktion
V
(31.29)
beschrieben. Aus der Abbildung 31.11, die die Funktion V (I)) für verschiedene Dämpfungswerte zeigt, können folgende Erkenntnisse abgelesen werden:
D-G,J
,
,
-D':".2
:
.... - ]-
······2· ...... J
L
,._,
! ..
4
1 V(I)) = )(1-1)2)2+4D21)2
:
!"D-
I f,
.............
~.~~ / .....
. 0-0,707J
...
'
I)
Abbildung 31.11: Vergrößerungsfunktion
<>
Bei sehr kleiner Dämpfung nimmt die Vergrößerungsfunktion in der Nähe von I) = 1 sehr groBe Werte an (für D = hat sie bei I) = I eine Po Istelle). Eine Erregung mir einer Kreisfrequenz Q, die der EigenkreisJrequenz W des ungedämpJten Schwingers entspricht, Jührt bei kleiner DämpJung zu sehr großen. Amplituden (Resonanz).
<>
Für I) > 1 streben die Vergrößerungsfunktionen gegen den Wert Null. Bei überkritischer Erregung mit Q > W (Q = w wird als kritische ErregerkreisJrequenz bezeichnet) sind die Amplituden deutlich geringer als im unterkritischen Bereich Q < w.
<>
Die relativen Maxima der Vergrößerungsfunktionen liegen stets vor dem Punkt I) = I. Bei Dämpfungen oberhalb D = ~ = 0,7071 treten keine Maxima in der Nähe der Resonanzsteile mehr auf.
<>
Die Phasenverschiebung ({J, die nach 31.28 berechnet werden kann, ist wie folgt ZU interpretieren: Maxima, Minima und Nullstellen der Erregerkraft fallen mit den entsprechenden Punkten des Bewegungsgesetzes des Schwingers 31.26 zeitlich nicht zusammen. Bei sehr kleiner Dämpfung ist ({J im unrerkritischen Bereich annähernd Null, die Bewegung erfolgt phasengleich zur Erregung. Im überkritischen Bereich gilt wegen des negativen Nenners von 31.28 bei kleiner Dämpfung ({J "" Je, und die Bewegungsrichtung des Schwingers ist stets der Richlllng der Erregerkraft entgegengerichtet. Für ' 1 = I (Resonanzfall) gilt immer: ({J =
°
l
...l
==t~;;S;==~=l
..... D,,:,O, J ····i(·=: .. ·=:···.;::··:; . ..
·:···········i
..
_p.~~'.!'!?~.__ ...-+- ..
i
i
!
··-f
~
.
~
.
··f·_····_·j..·_·..·..i..···... I
.. ~
+.......;.,tj. ....
.
~
J
Abbildung 31.12: Phasenverschiebung
Die Abbildung 31.12 zeigt die Phasenverschiebung in Abhängigkeit vom Abstimmungsverhältnis für verschiedene Dämpfungen.
626
31 Schwingungen
31.4.2 Erregung über Feder und Dämpfer Unabhängig davon, ob eiHe Schwingl1J1g erwüHscht ist (z. B.: Schwingsieb) oder ,ücht (z. B.: Kraftfahrzeug), ist es meist sinnvoll, die En'egung über eine Feder oder einen Dämpfer in das System einzuleiten. Dabei darf häufig angenommen werden, dass sich ein Punkt (der Feder oder des Dämpfers) nach einem vorgegebencn (harmonischen) Bewegungsgesctz bewegt. Betrachtet wird zunächst das Masse-Feder-Dämpfer-System der Abbildung 31.L3, bei dem der Fcder-Fußpunkt nach dem angcgebcnen Weg-Zeit-Gesetz bewcgt wird. Dementsprechend nimmt die Masse über die Feder eine Kraft auf, die der Änderung der Federlänge (Differenz aus Weg dcs Feder-Fußpunktes und dem Weg x, den 111 zurückgelegt hat) propOltional ist. Das vertikale Gleichgewicht aller Kräfte 111 X
+ kX ~ c(xocosQr -x) =
0
liefert nach Umstellen, Division durch m und Einführen der bekannten Abkürzungen mit (31.30) eine Differenzialgleichung der Form 31.21, so dass nach Einführen von xo = alle im vorigen Abschnitt ermittelten Ergebnisse und die getroffenen Aussagen gelten.
!f
Abbildung 31.L3: Schwinger mit FederFußpunkt-Erregung
Für den Schwillger. dessen Feder-Fußpunkt dem Bewegungsgesetz ist, gilt die stationäre Lösung
Xc
= xocos Qt ul1tenvotfen
x" = xo V (1)) cos(Q r - lp)
(31.31)
mit der Phasenverschiebung lp nach 31.28 und der Vergrößerungsfunktion V nach 31.29. Wenn der FujJpullkt des Dämpfers einer harmonischen Bewegung folgen muss (Abbildung 31.14), erhält man über mx-k(xo-x)+cx=O die Bewegungs-Differenzialgleichung
lmx
1 k~ C
x+2Dwi+ w 2 x = -2Dl)XO w2 sinQr
IX
I
x D= xocosOt
für die auf dem gleichen Wege, der im Abschnitt 31.4.1 zur Lösung der Differenzialgleichung 31.21 flihrte, eine Partikulärlösung gefunden wird.
DI I
cx
k(i D x)
Abbildung 31.14: Schwinger Dämpfer-Fußpunkl-Erregung
mit
Man erhält für den Schwinger. dessell Dämpfer-Fußp'lllkt dem Bewegullgsgesetz Xo = xocosQ/ llnrenvOIfen ist, die stationäre Lösung X"
= -2Dl) xo V(I)) sin(Q/ -
lp) = -Xo VO(I)) sin{Q/
~
lp)
(31.32)
mit der Phasenverschiebung lp, die wieder nach 31.28 berechnet werden kann, und der Vergrößerungsfunktion Vo , die sich mit 31.29 berechnen lässt:
VO(I)) = 2DI)V(I))
(31.33)
627
31.4 Erzwungene Schwingungen
Wenn sowohl Feder-Fußpunkt als auch Dämpfer-Fußpunkt dem gleichen harmonischen Bcwegungsgesetz unterworfcn werden (so gcnanllte StÜlzenerregung mit xs = xocosQt, Abbildung 31.15) kann die Lösung dafür wegen der Linearität der Bewegungs-Differenzialgleichungen durch Überlagerung von 31.31 und 31.32 gewonnen werden:
I 1X s
(31.34)
x" =xoV(1)) [cos(Qt-rp)-2D1) sin(Qt-rp))
xs=xocos[]t
Nach etwas mühsamer (aber nicht schwieriger) Rechnung ergibt sich auch für 31.34 die Form des Bewegungsgesetzes, aus dem die Amplitude und die Phasenverschiebung abgelesen werden können: XII
Abbildung 31.15: Stützenerregung
=xoJI +4D21)2 V(1))cos(Qt - tp) =xoVS(1))cos(Qt - tp)
(31.35)
mit der Vergrößerungsfunktionfür die Stützenerregung
JI
Vs (1)) = +4D21)2V(1)) (31.36) Während für alle übrigen betrachteten Fälle die Phasenverschiebung nach 31.28 berechnet wird, ergibt sich ein davon abweichender Wert für die Phasenverschiebung tp bei der Stiitzenerregul1g: 201)3 _ tanrp= 1-1)2+402 1)2
(31.37)
Für die Feder-Fltßpunkt-En'egung sind die VergrößerungsfunkIionen identisch mit den Funktionen V(1)) für die harmonische Erregung (Abschnitt 31.4.1, Abbildung 31.11), in den Abbil· dungen 31.l6 und 31.l7 sieht man die Vergrößerungsfunktionen für die Dämpfer-FußpunktErregung bzw. die Stützenerregung. Q Bei Schwingungserregung über den Dämpfer haben alle Vergrößerungsfunktionen ihr Ma-
ximum VO,mo.< = I bei 1) = I. Die Masse schwingt in keinem Fall mit einer Amplitude, die größer als die Erregeramplitude ist. Q Bei den Vergrößerungsfunktionen der Stützenerregung fallt der Punkt I) = V2 auf: Bei ciner
Erregerkleisfrequenz, die der V2-fachen Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers entspricht, schwingt dic Masse unabhängig von der Größe der Dämpfung mit der gleichen Amplitude wie die bewegte Stütze.
~-··f···,
~
.-
.
.,.
·
V,+
i
IM'b iD'o
'
i
j
.
·+··
!
..
L
.
...• 1
... --
.. ,
·
-
· . .........
..... 4+· ..
.l
··iH·HC::-- 1'0,1
+ + / +·1
. ,+
,.,·······.··
t"r.!-\\+ •
L
JI \I. ~-o" ?--.<'\ ,
.... J
2
D-0.7071
i.....
1J 1
Abbildung 31.16: Dämpfer-Fußpunkt·Erregung
Abhi_ldung 31.17: Stützenen·egung
628
31 Schwingungen
oe:> Der stützenerregte Schwinger ist auch ein geeignetes Modell, um die Wirkung von Schwill'
gUllgsisolierullgell zu analysieren. Man geht davon aus, dass eine Arbeitsmaschine (z. B. infolge einer Unwucht, siehe folgenden Abschnitt) eine Schwingungsbewegung Xs erzeugt, die über Feder und Dämpfer auf das Fundament übertragen wird (man denke sich die Abbildung 31.15 auf der Seite 627 um 1800 gedreht, In ist dann die Fundamentmasse). Dann kann man Vs als "Durchlässigkeit der Isolierung"' interpretieren und dem Diagramm der Abbildung 31.17 entnehmen, dass Schwingungsisolierung erst für 1) > j2 möglich ist. Die Arbeitsmaschine sollte möglichst m.it einer Winkelgeschwindigkeit Q > j2 Q) beuieben werden. Bemerkenswert ist, dass im Bereich 1') > j2 ein kleinerer Dämpfungswert vorteilhafter ist. Andererseits darf D nicht zu klein sein, um die Schwingungen in der Nähe von 1') = I nicht zu groß werden zu lassen (immerhin muss auch dieser Bereich beim Hochlaufen und beim Abbremsen der Arbeitsmaschine durchfahren werden).
31.4.3 Unwuchterregullg Der in der Praxis häufigste Fall ist die Ullwuchterregullg eines Schwingers: Eine mit der Winkelgeschwindigkeit Q umlaufende Unwucht 111,,1' erregt das System in vertikaler Richtung mit der Komponente der Fliehkraft
F(t) =
111" r Q2 cosQt
c
Die Masse In soll die (im Allgemeinen wesentlich kleinere) Unwuchtmasse mit einschließen. Dann kann die Differenzialgleichung rur die harmonische Erregung 31.20 aufgeschrieben werden mit
k
Ot
_ Q2 _ In ll r Q2 _ 1111/ r 2 Fa-Inur ---111 ---c1')
m
In
und durch emsprechende Modifizierung von 31.26 erhält man die stationäre Lösung für den unwuchterregten Schwinger: l11
ur
?
1111/
x" = - 1 ' ) ' V (1') ) cos(Qt- cp) = 11l
m
r
Abbildung 31.18: Erregung durch umlaufende Unwucht
Vu (1')) cos(Qt- cp)
mit der Vergrößerullgsfullktioll für die Umvuchterregung Vu(1')) =r)2 V (1')) (31.39) wobei cp wieder nach 31.28 und V (1')) nach 3 I.29 berechnet werden können. Für die Unwuchterregung ist der Begriff der statischen Auslenkung nicht sinnvoll, weil erst durch die mit Q kreisende Unwucht eine Erregerkraft entsteht. Als Bezugsgröße bei der Definition der Vergrößerungsfunktion wird deshalb das Verhältnis aus der Unwucht l11 ur und der schwingenden Masse 111 gewählt.
0-0
,
(3 I.38)
;
··1 ....·'
; ...
. 4+· . ;...... ··1/>11 .. .1
... J
Abbildung 31.19: Unwuchterregung
629
31.4 Erzwungene Schwingungen
Die Abbildung 31.19 zeigt die Vergrößerungs funktionen VU(I)) für einige ausgewählte Dämpfungen. Auf folgende Besonderheiten soll aufmerksam gemacht werden: (I) > I) nähern sich die Werte aller Vergrößerungsfunktionen Vu dem Wel1 I: Für hohe Erregerfrequenzen sind die Amplituden der unwuchterregten Schwingung von der Erregerfrequenz und der Dämpfung nahezu unabhängig.
e:> Im überkritischen Bereich
fi
e:> Für Dämpfungswerte 0 < = 0,7071 haben die Kurven ein Maximum, das im Unterschied zu allen übrigen betrachteten Erregungen rechts von der Stelle I) = 1 bei 1
(31.40) JI -20 2 liegt. Die zugehörige Erregerkreisfrequenz ist weder mit der Eigenkreisfrequenz des gedämpftcn noch mit der des ungedämpften Schwingers identisch, l)"ulX liegt aber für kleine Dämpfungswerte sehr nahe bei I (Erregerkreisfrequenz gleich Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers). I)max
=
Die wichtigste Erkenntnis aus allen Untersuchungen in den Abschnitten 31.4.1 bis 31.4.3 ist: Bei jeder Art von Erregungjührr eine Erregerkreisjrequenz, die sich nur wenig von der Eigenkreisjrequenz des ungedälllpjlell Schwingers unterscheidet. zu besonders großen Amplituden der erzwungenen Schwingung.
31.4.4 Biegekritische Drehzahlen Eng verwandt mit dcm Problcm der erzwungenen Schwingungcn ist das Phä-
_ v~
nomen, dass sich rotierende Wellen bei bestimmten Drehzahlen sehr stark verfornlen. Betrachtet wird zunächst eine elastische (masselose) Welle. auf der eine Masse 111 befestigt ist. Es wird angenommen, dass der Schwerpunkt S der Masse nicht exakt auf der Wellenachse liegt (Exzentrizität e). Bei Rotation mit dcr Winkelgeschwindigkeit n belastet die Masse m die Welle infolge der Exzentrizität mit einer Fliehkraft, die zur Verformung der Welle führt, und S bewegl sich schließlich auf einem Kreis mit dem Radius (e + v). Die Fliehkraft beträgt nach 28.9 dann m(e + v)n2 und muss von der Welle aufgenommen werden. Wenn die Welle als Biegefeder aufgefasst wird, kann ihre Reaktionskraft als CeV angesetzt werden mit der Biegefederzahl ce, deren Ermittlung im Abschnitt 31.2.2 behandelt wurde. Aus dem Gleichgewicht der beiden Kräfte crrechnet man die Durchbiegung v: m Q2 2
m(e+v)n =cev
'*
v=e------,-'" ce ~ 17l n 2
m
I
t0
Abbildung 31.20: Exzentrizität und
Durchbiegung
Weil (siehe auch Abschnitt 31.2.2) für die Eigenkreisfrequenz dcr ungedämpften Schwingung des Biegefeder-Masse-Systems w2 = 'if.- bzw. Ce = mw 2 gilt, ergibt sich:
v=e
mn 2 1)2 =e--=eVB(I)) 2 2 111 w -mn I _1)2
31 Schwingungen
630
Die Masse m ruhrt natürlich gar keine Schwingung aus (sondern eine Kreisbcwcgung), auch die Biegefeder (Welle) hat bei konstantem Q eine konstante Verformung. Trotzdem ergab sich für die Durchbiegung eine Formel, die die" Vergrößerung von c" kennzeichnet, und die Vergrößerungsfunktion VB entspricht genau der Funktion Vu entsprechend 31.39 Flir dic unwuchtcrrcgtc Schwingung ohnc Dämpfung. Das Verhältnis von Erregerkreisfrequenz und der Eigenkreisfrequenz der Biegeschwingung wurde wie bei dcn crzwungcncn Schwingungcn mit 1) bezcichnet.
2
v v-8 C Q
'I = -
'"
2 - 1
-2 -3
I I I I I I I I I
Abbildung 31.21: Biegekrilische Drehzahl
Aus der Abbildung 31.21 mit der Funktion VB( 1) entnimmt man. dass fUr 1) = I die Verformung der Welle ,.kritische WeIte" annehmen würde. Wenn die Winkelgeschwindigkeit Q der Welle gleich ihrer Biegeeigenkreisfrequenz w ist, rotiert sie mit der biegekritischen Drehzalll 1 nhü = 2: = 2 Jr (31.41)
~
oe;> Die Exzentrizität kann beliebig klein sein. Auch bei der ideal ausgewuchteten Welle fLihrt die
geringste (unvermeidJiche) Störung bei kritiscber Drehzahl zu sehr großen Verformungen. oe:> Die vernachlässigten (meist ohnchin unbedeutenden) DämpfungscinOüsse würden das Er-
gebnis im Allgemeinen nur geringfügig beeinflussen, fUhren aber immerhin dazu, dass die Verformungen der Welle endlich bleiben, so dass ein kurzzeitiges Arbeiten im kritischen Bereich (beim Hochfahren bzw. Abbremsen) zu keinen Schäden führen muss. Die vernachlässigte Wellenmassc kann gegebenenfalls näherungsweise bei der Bercchnung der Biegecigenkreisfrequenz berücksichtigt werden, wie es im Beispiel 4 des Abschnitts 31.2.2 (Seite 618) demonstriert wurde.
> I) wird die Vergrößerungsfunktion VB negativ (im Gegensatz zur ansonsten identiscben Vergrößerungsfunktion Vu des unwuchterregten Schwingers, bei dem sich allerdings der gleiche Effekt durch die Phasenverschiebung ({J = Jr äußert). Die Verschiebung v und die Exzentrizität e haben entgegengesetzte Richtungen, und bei großen Drchzahlen wird v "" -e, so dass die Exzentrizität ausgeglichen wird. Diesen Effekt nenm man SelbstzellIrierllng. Es ist also sinnvoll, Wellen so auszulegen, dass sie im überkritischen Bereich arbeiten, der kritische Bereich sollte möglichst schnell durchfahren werden.
oe:> Im überkritischen Bereich (1)
oe;> Die Herleitung der Formel 31.41 wurde mit einer vertikal angeordneten Welle (Abbildung
31.20) durchgeführt. um den EinOuss des Gewichtskraft der Masse auf die Weilenverfor-
mung auszuschalten. Wic bei den Eigenschwingungen (vgl. Bcispiel 3 im Abschnitt 31.2.1 auf Seite 615) ist das Eigengewicht in jeder Lage mit der statischen Verformung der Biegefeder im Gleichgewicht und hat auf die kritische Drehzahl keinen Ein.nuss. so dass 31.41 auch fUr die horizontal liegende Welle gilt.
31.5 Aufgaben
631
oe:> Dass die Gewichtskraft der Masse (und damit die statische Durchbiegung der Welle) auf
die Größe der kritischen Drehzahl keinen Einfluss hat, wird auch deshalb besonders belDnt, weil in vielen Büchern die kritische Drehzahl (durchaus korrekt) mit Hilfe der statischen Durchbiegung Ye infolge der Gewichtskraft mg der Masse berechnet wird. Das Fcdcrgesctz mg = CB Ye kann nach CB umgestellt und in 31.41 eingesetzt werden. Man erhält 1 ",,;/ = 2 7r
I!i
(31.42)
mit der Erdbeschleunigung g und der statischen Durchbicgung Ye der horizontal liegendcn Welle unter der Gewichtskraft der Masse. Häufig findet man auch die For299 ~ mel "kd/ = VVG =, die (durch Einsetzen des Zahlenwertes für die ErdbescWeunigung) aus 31.42 hervorgeht und ",,;/ in min I liefcrt, wenn man Ye in cm (') einsetzt.
,6;
7
Bl=m===A7
CB
-:r
I mg
..zs:1<.:;::~o===='fT===::::::::==-:=·;;::<s.." -
~
V
e 1_
-
Abbildung 31.22: Ye iSI die Basis einer beliebten "Praktikerformel"
Weil vor der Verwendung solcher Formeln eigentlich gar nicht oft genug gewarnt werden kann, ist sie hier im Text auch besonders klein gedruckt.
31.5 Aufgaben
I
Altfgabe 31.1: I_ _ _ _ _...1 ElJ1e Masse m Ist ZWIschen zweI masselosen Biegefedern gelagert. Gegeben:
m, 12. Eh, II =212, EIl = 16Eh·
Man ermittle die Eigenkreisfrequenz der Vertikalschwingung der Masse m.
I
Altfgabe 31.2: I_ _ _ _ _ _...1 ZweI mitelllander Im Eingnff stehendc Zahnräder mit den Massenträgheitsmomenten JI bzw. Jz sind in ihren Schwerpunktachsen gelagert und an zwei Federn gefesselt. Für Drehschwingungen mit kleinen Ausschlägen ist die Eigenkreisfrequenz w zu ermitteln. Gegeben:
R I = 3rl = 2r2. Jz = ~JI
I
, C2
= 2cI .
Altfgabe 31.3: I_ _ _ _ _...1 Auf eme durch eme Feder gefesselte Krelssche.be (Masse m) sollen symmetrisch zum Drehpunkt zwei dünnc Stäbe (jeweils Länge I und Masse ms) so aufgeklebt werden. dass sich dadurch die Eigenkreisfrequenz der Drehschwingungen mit kleinen Ausschlägen halbiert. Man ermittle xs. Gcgeben:
I =4R,
ms
ms
c
632
31 Schwingungen
I
Aufgabe 31.4: I_.;.;; .... Der Schwinger wird aus der statischen Ruhelage ausgelenkt und ohne Anfangsgeschwindigkeit freigelassen. Man berechne die Zeit, nach der erstmals eine Amplitude kleiner als 6% der Anfangsauslenkung auftritt, und die Anzahl der vollen Schwingungen, die bis zu diescm Zeitpunkt ausgeführt wurden.
starr,
zylindrische
.E5J::tQ reibungsfreies Gleiten
reines Rollen
Gegeben: m=400kg; C= 104N/cm; k=60Ns/cm. I Aufgabe 31.5:
I.
Die Motoren (Masse M) sind auf Trägcm (Biegcstcifigkcit EI) gelagert. Die Trägermassen können vernach-
lässigt werden.
a)
Ic)
1
MD
E1
EI
DM
1/2
EI
1i..
:D.....",
QM
112
d)
1/2
Gegeben: 1=lm; M = 10OOkg; EI =4,5·106 Nm 2
b)
EI
I
~
112
QM
1/2
1/2
.
a) Man ermittle die kritischen Winkelgeschwindigkeiten Qk, der Motoranker, die mit den Ei-
genkreisfrequenzeo der BiegeschwingoJlgen übereinstimmen. b) Wie groß müssen die Biegesteifigkeiten der Träger m.indestens sein. damit die Motoren im
stationären Betrieb bei einer Drehzahl I Aufgabe 31.6:
11
= looom;n- I imunterkritischen Bereich arbeiten?
I
Ei n Schwi ngsieb soll von zwei gegenläufig umlaufenden Unwuchten (Drehzahl: 11 = looomin- I ) in Resonanz betrieben werden. Man ermittle a) dic Größe dcr Fcderzahl c dcr Stützfedem ohne Bcrücksichtigung der Dämpfung,
b) die Dämpfungszahl k von zusätzlich einzubauenden Dämpfungselementen, so dass die stationäre Schwingungsamplitude des Siebs durch den Wert Vu = 3 der Vergrößerungsfunktion für dic Unwuchtencgung bei einer Abstimmung 1) = I bcschrieben wird.
Gegeben:
m = 500kg (Summe der Massen von Sieb, Siebgutund Unwuchten); = 50 kg (Masse einer von zwei zylindrischen Lagerrollen).
111,
I Aufgabe 31.7:
I
Auf einer Welle mit der Masse mw ist zusätzlich eine Einzelmasse m befestigt.
Gegeben: 1 = Im; mw = I kg;
III
= 10kg; EI = 2,5.10 8 Nmm 2
2113
1/3
.
Man ermittle die kritische Drehzahl "k'il bei Vernachlässigung und die kritische Drchzahl nk,;1 bei näherungsweiser Berücksichtigung von IIlw.
Weitere Aufgaben findet man imlnternet unter www.TM-aktueU.de.
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden Für die eindeutige Beschreibung der Lage eines Systems mit f Freiheitsgraden werden f voneinander unabhängige Koordinaten benötigt. Zur Berechnung der Bewegungsgesetze ist dementsprechend ein System von Differenzialgleichungen zu lösen, das z. B. nach dem Prinzip von d' Alembert aufgeschrieben werden kann. Dabei kann man weiter gcnau nach den Empfehlungen verfahren, die im Abschnitt 29.5.2 formuliert wurden. Bei /1 eingeführten Bewegungskoordinaten findet man jedoch nur /1- f Zwangsbedingungen, so dass in den f Bewegungs-Differenzialgleichungen f Koordinaten verbleiben.
Der Energiesatz, der stets nur eine Energiebilanz-Gleichung liefert, genügt allein znm Aufstellen der Differenzialgleichungen für ein System mit mehreren Freiheitsgraden nicht. Im Abschnitt 33.4 wird ein Verfahren behandelt, das auch bei mehr als einem Freiheitsgrad die Differenzialgleichungen aus Energiebetrachtungen herleitet. Vornehmlich für lineare Systeme, deren Bewegung durch lineare Differenzialgleichungen beschrieben werden, können wesentliche verallgemeinerungsfahige Erkenntnisse gewonnen wer-
den. Dieses Kapitel beschränkt sich auf solche Probleme. einige nichtlineare Systeme mit mehreren Freiheitsgraden werden im Kapitel 33 behandelt.
32.1 Freie ungedämpfte Schwingungen Am einfachen Beispiel sollen zunächst die Probleme diskutiert werden, die für die Behandlnng von Systemen mit mehreren Freiheitsgraden typisch sind.
I
Beispiel: I Eine lineare Schwingerkette besteht wie skizziert aus drei Federn und zwei Massen, die sich auf der Unterlage reibungsfrei bewegen können. Gegeben:
ml· 1»2,
Cl
1
C2, (.'3·
In der Skizze der in ausgelenkter Lage freigeschnittenen Massen wmde die Bewegungskoordinate Xz (willkürlich) größer als XI angenollUnen, so dass die mittlere Feder verlängert wird und Zugkräfte auf beide Massen aufbringt. Das Gleichgewicht der Federkräfte mit den d'Alembcrtschen Kräftcnliefert das Diffcrenzialglcichungssystem
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_32, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
634
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
1111 X, +CIX, -C2(X2 -XI) =0
(32.1)
1112X2 +C3X2 +C2 (X2 -XI) = 0
Wenn in das lineare homogenen Differenzialgleichungssystem der Lösungsansatz
XI =AICOS(COI+
X2 =A2COS(COI+
(32.2)
eingesetzt wird, heben sich die cos-Anteile heraus, und es verbleibt:
(CI+C2-IIIIC02)AI-
C2
A2=0
AI + (C2+CJ-1II2 C02 )A2=0
-C2
(32.3)
Dicscs lineare homogene Gleichungssystem fLir die Ansatzparameter A, und A2 kann (neben der trivialen Lösung AI = A2 = 0, die den Ruhezustand beschreibt und hier nicht interessiert) nur dann nichtlriviale Lösungen haben, wenn seine Koeffizientendeterminante verschwindet: c, +C2 -1111 co2 -C2 (32.4) =0 -C2 C2 + C3 - 1112 co2 fuhrt auf eine quadratische Gleichung fur co 2 :
111 I 1112 co + [(C, + C2) 1112 + (C2 + C3) 111 d co2 + (C I + C2)( C2 + C3) - C1 = 0 4
(32.5)
hat dic beiden Lösungen:
2 (C, +C2)1112 + (C2+CJ)1II1 CO I 2 = -'--'---"''--0-=----'--'=-------'-'--'-',
2ml1Jl2
±
[(cl +C2) 1112 + (C2+CJ)III,]2 + C1-(CI +C2)(C2+C3) 2ml1112
(32.6)
mln!2
Mit den beiden Wel1en co, und CO:! können also nach 32.2 zwei linear unabhängige Partikulärlösungen von 32.1 aufgeschrieben werden, die wegen der Linearität der Differenzialgleichungen summiert werden dü,fen. In
X, = A 11 cos( COI 1+
(32.7)
sind die Koeffizienten Aij nicht unabhängig voneinander, weil sowohl All und A2' als auch A 12 und An das homogene Gleichungssystem 32.3 erfullen müssen. Aus der ersten der beiden Gleichungen 32.3 folgt z. B. I 2 (32.8) A2j = - (CI +C2 -1111 COj)Alj = ILjAI) C2 lLUd man erhält schließJjch als allgemeine Lösung von 32.1:
XI =
A,ICOS(CO,I+
AI2COS(CO:!I+'P2)
(32.9)
X2 = PI AI ICOS(CO,I +
mit den [ntegrationskonstanten A IJ. A12,
32.1 Freie ungedämpfte Schwingungen
635
oe:> Es lassen sich immer Anfangsbedingungen finden, ftir die einer der bei den Faktoren der
cos-Funktionen Null wird (z. B.: Auslenkungen, die sich um den Faktor )11 bzw. )12 unterscheiden und keine Anfangsgeschwindigkeiten). Dann schwingen beide Massen mit der gleichen Eigenkreisfrequenz (01 bzw. Ul2, ihre Amplituden unterscheiden sich bei diesen Eigenschwingungen um die Faktoren)11 bzw. 112, die so genannten Modalkoejfizienten. oe:> Bei beliebigen Anfangsbedingungen sind die Bewegungsgesetze der beiden Massen entspre-
chend 32.9 Überlagerungen der beiden Eigenschwingungen. oe:> Mit dem Vietaschen Wurzelsatz bestätigt man, dass die Lösungen 32.6 der Gleichung 32.5
immer positiv und damit (01 und Ul2 für jede Parameterkombination reell sind. Am vereinfachten Modell (Abbildung 32.1) sollen die Aussagen veranschaulicht werden. Gleichzeitig wird demonstriert, wie der Lösungsweg 32.1 bis 32.7 mit Hilfe der Matrizenschreibweise formalisiel1 werden kann. Das Differenzialgleichungssystem 32.1 wird zu:
[m ° 0] [~I] + [2C-c -c] 2c m
x2
Abbildung 32.1: Vereinfachtes Modell der Schwingerkette mit
[XI] [0]°
1Il]
=
ffl2
=
In
und CI = C2 = C3 =
Mi+Kx=o
c
(32.10)
X2
Der Lösungsansatz entsprechend 32.2
XI] = [X2
[AI] cos(wr +Ip) A2
x =a cos(Wt + Ip)
(32.11)
fUhrt analog zu 32.3 auf das allgemeine Malrizeneigenwerrproblem
_(02 [m 0]) [A I] [0] ([-c2c -c] 2c ° m A2 °
(32.12)
FUr diesen einfachen Fall kann 32.12 als homogenes Gleichungssystem aufgefasst werden, aus dem die Eigenkreisfrequenzen und die Modalkoeffizienten berechnet werden können, wie es mit 32.4 bis 32.8 demonstriert wurde. Man erhält: (01
= V~ ~
Ul2
= J3!:"111
)11 = I
112 =-1
(32.13)
oe:> Auch fUr (beliebig kompliziel1e) lineare ungedämpfte Schwingungssysteme entsteht ein Matri zene igenwertprob Iem
(K
_(02 M
)a
=0
(32.14)
mit der SreifigkeilSlnatrix K und der Massel/matrix M. Beide Matrizen sind symmetrisch (und die sich ergebenden Werte tUr (02 damit garantiert nicht negativ). FUr die Lösung von 32.14 stehen leistungst:ihige Programme bereit (siehe www.TM-Mathe.de l ). so dass die wesentliche Arbeit m.it dem Aufstellen des Djfferenzialgleichungssystems 32.10 erledigt ist, weil daraus die Matrizen Kund M unmittelbar abgelesen werden können. I Man
beachte auch die bciden Hinweise auf die Themen Marrizenreclllllll1g und Marrizeneigenwt:rtprobleme in den
Boxen narden Seilen 199 bzw. 419.
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
636
oe:> Programme zur Lösung von 32.14 liefern als Ergebnis einen Vektor w, der die Eigenkreisfre-
quenzen enthält, und eine Modalma/rix A, die (spaltenweise) die zugehöligen Eigenvek/oren enthält. Wie die Modalkoeffizienten, die nach 32.8 nur die Verhältnisse der Schwingungsausschläge für die einzelnen Freiheitsgrade kennzeichnen (die tatsächlichen Ausschläge hängen von den Anfangsbedingungen ab), sind die EigenveklOren in der Modalmatrix auch nur bis auf beliebige Faktoren bestimmbar. Um zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen, ist es üblich, die Eigenvektoren zu normieren (jeder Vektor wird durch seinen Betrag dividiert und auf diese Weise zum EinheitsveklOr). Das Ergebnis von 32.12 ergibt sich dann in der Form:
w=[:]
[5s]/f
I
A=J2
[I 1] I-I
(32.15)
Der Faktor vor dcr Modalmatrix sorgt ausschließlich für die Normierung dcr Spaltcn. Die erste Spalte von A (Eigenvektor zur Eigenschwingung mit w,) zeigt wie der Modalkoeffizient 111 in 32.13, dass beide Massen mit gleicher Amplitude in die gleiche Richtung schwingen, der zweiten Spalte entnimmt man, dass bei einer Schwingung mit der Eigenkreisfrequenz Wz die Massen sich stets entgegengesetzt (aber auch mit gleicher Amplitude) bewegen. Bei den weitaus meisten Problemen der technischen Praxis sind die aus der Lösung 32.15 zu gewinnenden Erkenntnisse ausreichend. Wenn tatsächlich der Schwingungsveriauf für vorgegebene Anfangsbedingungen interessiel1, können die Bewegungsgesetze in sinnvoller Erweiterung
von 32.9 aufgeschrieben werden. Gltnstiger ist es. bei einer größeren AnzaW von Freiheitsgraden auch dafür die übersichtliche Form der Matrizenschreibweise zu nutzen. Schließlich kann natürlich auch ein lineares Schwingungsproblem als Anfangswertproblem numerisch integriert werden. Die Abbildung 32.2 zeigt die Bewegungen der beiden Massen bei unterschiedlichen Anfangsauslenkungen (jeweils ohne Anfangsgeschwindigkeiten). Bei beliebiger Anfangsauslenkung (links, nur eine Masse wurde ausgelenkt) ergibt sich eine Überlagerung aus beiden Eigenschwingungen. Bei Anfangsauslenkungen propoltional zum 2. Eigenvektor (rechts, gleiche Anfangsauslenkungen für beide Massen in entgegengesetzten Richtungen) schwingen die Massen mit der 2. Eigenkreisfrequenz.
X
Xl,a
1,0A
4
4
~
04 {\l\sAt
VV ·4
V
V
-4
v
f\
8~ {t VV VV
4
A'
1/\ A4 ·4 V
s t
v
v
v
v
A
A
A
A
Xlo
XI"
4
4
\
A
A A
4 -4 V
I
t
8
V
V
V
Abbildung 32.2: Bcwegungsgesctze für die Schwingerkcttc (Abbildung 32.1) bei beliebiger Anfangsauslenkung beider Massen (links) bzw. Anfangsauslenkungen proportional zum 2. Eigenvektor (rechts)
637
32.2 Torsionsschwingungen
32.2 Torsionsschwingungen Betrachtet wird zunächst eine elastische (masselose) Welle mit Kreis- oder Kreisringquerschnilt und der Torsionssteifigkeit GI", auf der zwei Scheiben mil den Massenträgheitsmomenlen
h befestigt sind (Abbildulig 32.3). Das System hat zwei Freiheitsgrade, denn infolge der Elastizität der Welle können die beiden Verdrehwinkel qJI und fJJ2 unterschiedlich groß sein.
JI bzw.
Abbildung 32.3: Einfacher Torsionsschwinger
Die rechte Skizze zeigt die freigeschnittenen Scheiben mit den d' Alembertschen Momenten (den gewählten Koordinatenrichtungen entgegengerichtet) und den von der Torsionsfeder (Welle) erzeugten Momenten, wobei (willkürlich) angenommen wu.rde, dass fJJ2 größer als qJI ist. Für die Torsionsfederzahl gilt nach 31.12: CT = ~. Aus dem Momentengleichgewichtum dic Wcllenachse für beide Scheiben ergibt sich das Differenzialgleichungssystem
das wic das Systcm 32.1 im vorigen Abschnitt mit einem zu 32.2 analogcn Ansatz
behandelt werden kann, und die Rechnung wie dort liefe.1 wieder ein homogenes Gleichungssystem, dessen Koeffizientendeterminante für nichttriviale Lösungen verschwinden muss:
=0
Die Determinante liefert eine quadratische Gleichung, die zwei Lösungen hat:
Wz= Eine Eigenkreisfrequenz WI = 0 ist typisch für Systeme, für die eine Starrkörperbewegung möglich ist. Im vorliegenden Fall kann sich die Welle ohne elastische Verformung drehen, beide Scheiben drehen sich dabei um gleiche Winkel. Dies ist keine SChwingnng (bzw. eine "Schwingung mit der Eigenkreisfrequenz Null"). oe:> Für die Behandlung komplizierterer Systeme (nachfnlgendes Beispiel) empfiehlt sich die
Formulierung des Differenzialgleichungssystems in Matrizenschreibweise. aus dem ein allgemeines Matrizeneigenwertproblem abgelesen werden kann, das mit Hilfe des Computers gelöst werden sollte.
638
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
I
I_B_e'..;·SP..;i_el_: _
F"ur (as I S k"JZZlerte G ' be mlt . f"un t' ( starren ) R"aetne
dern und drei (masselosen) Torsionsfedern (Wellenabschnitle) soll das Matrizeneigenwertproblem rUr die Berechnung der Eigenkreisfrequenzen der Torsionsschwingungen formuliert werden. Es darf vorausgesetzt werden, dass die beiden Zahnräder mit den Massenträgheitsmomenten hund und den Teilkreisradien r2 und r3 spielfrei miteinander kämmen.
h
Gegeben:
h
11
h
CI2
C34 =2C12
r2
r3 =0,8rz
= 21 1
15=0, 81 1;
=1,2JI
C45 = I.SclZ
Für alle Räder werden Winkelkoordinaten mit gleichem positiven Drehsinn definiert (Abbildung 32.4). Dann gilt für die Räder 2 und 3 rz
cpz = -
r3
1/'3
(entgegengesetzter Drehsinn).
Abbildung 32.4: Definition von Kräften, Momeillen und Koordinaten
Die Kraft FZ3 ist die tangentiale (ein Drehmoment bewirkende) Komponente der Kraft, die beim Freischneiden der beiden Räder 2 und 3 sichtbar wird. Beim Antragen der von den Torsionsfedern erzeugten Momente wurde (willkiirlich) angenommen, dass sich jeweils am rechten Rad der größere Verdrehwinkel eingestellt hat. Momenten-Gleichgewicht an den fUnf Rädern liefert: 1 1 i(>1-CIZ(CPZ-ipl)
Jz i(>z +CIZ (cpz h if>3 - C34 (ip4 -
=0
+ FZ3 rz ip3) + FZ3 r3
= 0
ipl)
(*) (*)
= 0
14 i(>4 +C34 (ip4 - ip3) -C45 (ip5 - ip4) = 0
1, if>s + C45 (ip, - ip4)
= 0
Die beiden mit (*) gekennzeichneten Gleichungen werden bei gleichzeitiger Elimination von FZ3 zu einer Gleichung zusammengefasst, und in allen Gleichungen wird die Koordinate cPz durch cPz = -1/'3;; ersetzt. Die verbleibenden vier Differenzialgleichungen
,
o o o
h(;;f+h 0 0
o o
0
i(>1
0
if>3
!P4 if>s
('12 :.1
CIZ
+
'2
CIZ
o o
(;;r +C34
o
0
-C34
0
~C34
o
zeigen in der Kurzform der Matrixschreibweise wieder die bekannte Form Mip+Kip=o
o o o o
639
32.2 Torsionsschwingungen
aus dem das Matrizeneigenwertproblem abzulesen ist:
(K -w 2 M)a
=0
mit den symmetrischen Matrizen 2 Kund M. Mit den speziellen Werten der Aufgabensteilung sieht das Matrizeneigenwertproblem so alls:
0,8
(
0,8
0
0
2,64 -2
0
0
-2
0
0
3,5 -1,5 -1,5
0
-A
1,5
Schon dieses System kann man (praktisch) nicht mehr wie ein homogenes Gleichungssystem behandeln, und man sollte unbedingt die Hilfe des Computers in Anspruch nehmen, weil auch die vielen leistungsHihigen Verfahren zur Lösung von Matrizeneigenwertproblemen für die Handrechnung unzumutbar sind. Das Matrizeneigenwertproblem liefert die vier Eigenwerte, die in dem BildschirmSchnappschuss (Abbildung 32.5, "Command Window" von Matlab, vgl. auch www.TM-aktuell.de) zusammen mit den Eigenvektorcn zu sehen sind.
o 2,48 0
0
0
0
0
0
0
0
0,6
0
0 0,8
)"~"
1l1it
A= ~W2 Cl2
-0.0000 0.9700 1. 6394 7.1635
I
Eigenvektor:en
0.3763 -0.4704 -0.4704 -0.4704
0.7821 -0.0293 0.3094 0.6410
0.4963 0.3966 -0.0842 -0.6701
0.0200 0.1543 -1. 1587 O.4108~
! • Abbildung 32.5: Lösung mit Matlab
<>
Da das System eine Starrkörperbewegung zulässt, wird ein A-Wert (und damit ein w-Wert) gleich Null. Der zugehörige I. Eigenvektor kennzeichnet die Starrkörperdrehung: Die Komponetllen flir die Räder 3, 4 und 5 haben gleiche Werte, der Wert tlir Rad I entspricht diesen Werten unter BeaChtung des Überserzungsverhältmsses vom unteren zum oberen Wellenstrang (Zwangsbedingung zwischen CP2 und 'P3).
<>
Es ergeben sich also drei Eigenkreisfrequenzen für die Torsionsschwingungen des Systems, deren kleinste den Wert (Oll/i"
=
Amin Cl2 -
JI
= 0 985 N-I 2 1
JI hat. Der 2. Eigenvektor zeigt, dass sich die Räder 4 und 5 gegen die Drehrichtung von Rad 3 drehen. Zwischen Rad 3 und 4 liegt für diese Eigenschwingung ein Schwingllngsknolen. 2Die Symmetrieeigenschaft (für alle Elemente einer Matrix A gilt aij = aji) ist eine sehr wichtige Eigenschaft bei Matrizeneigenwenproblemen. Einerseits sind die Lösungsverfabren deutlich einfacher lind numerisch stabiler. andererseits garantieren symmcuische Matrizen, dass alle Eigenwcl1e reell sind. Die Matrizen, die bei Schwingungsproblemen, wie sie hier behandeli werden. entstehen. sind außerdem posiliv definit und haben deshalb garantiert keine. negaliven Eigenwerte. AusfUbrliche lnformationen zu diesen Problemen fllldct man auf der Inlernet-Site ..Mathematik für die Technische Mechanik" (www.TM-Mathe.de. siehe Hinweis in den Boxen auf den Seiten 199 bzw. 419)
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
640
32.3 Eigenschwingungen linear-elastischer Systeme Betrachtet werden in diesem Abschnitt Systeme, bei denen die zu berücksichtigenden Massen an bestimmten Punkten konzentriert und durch (masselose) elastische Elemcnte (Federn) verknüpft sind (Abbildung 32.6). Es brauchen keine Punktrnassen zu sein (Drehträgheit kann durch die Massenträgheitsmomentc berücksichtigt werden). Wenn kleine Vcrformungen (kleine Schwingungsausschläge) und linear-elastisches Materialverhalten (Gültigkeit des Hookeschen Gesetzes) vorausgesetzt werden dürfen, führt die Untersuchung des Eigenschwingungsverhaltens auch bei kompl izicrtcrcn Systemen auf ein Matrizeneigenwertproblem, wie es sich bereits in den Abschnitten 32.1 und 32.2 ergab.
, Abbildung 32.6: Massen. verbunden durch elastische Etemente
Dämpfung wird vernachlässigt, weil dies bei der Ermittlung der Eigenfrequenzcn ohnehin fast immcr gcrcchtfertigt ist (vgJ. das Beispiel auf Seite 622). Das Vorgehen wird am einfachen Bcispiel demonstriert:
I
Beispiel: I_....;__ Em (masseloser) B,egeträger (konstante Bwgestelfigkeit E f) ist mit zwei Einzelmassen besetzt (Drehträgheit soll vernachlässigt werden).
Gegeben:
l. EI,
tnl , 1112
=
m,
m,
--Ä-"
•
EI
•
l/4
im, .
Es sollen die Eigenkreisfrequenzen der Vertikalschwingungen der Massen untersucht werden, wobei der Träger auf Biegung beansprucht wird (Biegeschwingungen). Die Bewegung der beiden Massen wird mit den Koordinaten VI und V2 verfolgt. Die Abbildung 32.7 zeigt sie in ausgelenkter Lage, frei geschnitten vom Biegeträger (Schnittkräfte F, und F2 werden sichtbar), die d' Alembertschen Kräfte sind den gewählten Koordinateruichtungen entgegengerichtet. Aus dem KräfteGleichgewicht ergibt sich:
F,
+111, V, =0
F2+1112V2 =0
~
IF, IF,
m1i\
IF,
7r
•t
(32.16)
Der Zusammenhang zwischen den Kräften Ft und F2, die auf den Bicgcträgcr wirken, und dcn dadurch hcrvorgcrufcnen Verschiebungen VI und V2 kann mit einem geeigneten Verfahren aus der
Festigkeitslehre fonnuliert werden (Biegelinie, Prinzip von Castigliano, Finite-Elemente-Methode, ...). Für das einfache Beispiel liefert die Tabel1e auf Seite 260 die benötigten Fornleln:
V,
=
3/ 3 119/ 3 256EI FI + 10368EI F2 = alIF,
119/ 3 v2 = L0368 EI FI
+
Abbildung 32.7: Massen und Federn werden getrennt
+ Cl:'2 F2
4/ 3 243EJ F2 = a12 F, + Cl:22 F2
(32.17)
(man erkennt die im Abschnitt 24.3 besprochene Symmetrie der Einftusszahlen Cl:U). Einsetzen der nach den Kräften umgestellten G1eichgewichtsbedingungen 32.16 in 32.17 liefert:
641
32.3 Eigenschwingungen linear-elastischer Systeme
Dies stellt in der Form (32.18) wieder ein Differenzialgleichullgssystem vom Typ 32.10 dar. Man beachte, dass die erste Matrix im Gegensatz zu allen bisher behandelten Problemen nicht symmetrisch ist, was allerdings durch Multiplikation der zweiten Gleichung mit dem Faktor ~ leicht zu beheben ist. Das einfache System ist (wie das Beispiel des Abschnitts 32.1) der "Handrechnullg" noch zugänglich. Man erhält z. B. die beiden Eigenkreisfrequenzen COI
= 7,397
{!!; 1111 !
--3
I
U>2 = 24,45
{!!; 1111 !
(32.19)
--3
I
Die Abbildung 32,8 zeigt die zugehörigen Eigenschwingungsformen, die aus den Modalkoeffizienten oder den Eigenvektoren abzulesen sind.
<>
Abbildung 32.8: Eigenschwingungsformen
Bei komplizierteren Problemen ist es ratsam, den Algorithmus zur Formulierung des Differenzialgleichullgssystems zu formalisieren. Dies soll an dem behandelten Beispiel nach einer geringfügigen Modifikation des Lösungsweges noch diskutiert werden.
Alternativ zu der oben ausgeflihrten Rechnung werden zunächst die beiden Beziehungen 32.17 nach den Kräften umgestellt. Man erhält: Fl
lX:l2
= alllX:l2 -
F2 =
-a12
2 vI a l2
2 vI
all an - a l2
+
+
-a12
= kll vI + k l 2 v2
2 v2
all an - a l2
all ?
all an - a l2
(32.20) v2 =k12VI +k22 V2
Dies wird in 32.16 eingesetzt, und man erhält mit
0] [VI] + [kllkl2 k12] [VI]v2 [0]°
1111 [ o I1lz
v2
Mv+Kv=o
(32.21 )
kZ2
ein Differenzialgleichungssystem, das die gleichen Ergebnisse liefert wie 32.18. Die Vorteile dieses Wcges, der (zumindest rür das behandelte Beispiel) etwas umständlicher erscheint, werden erst bei komplizierteren Problemen deutlich:
<>
Das aus 32.21 abzulesende Matrizeneigenwertproblem
( K - co2 M ) a =
0
(32.22)
hat symmctrische Matrizen, und die Masselll11alrix M ist eine Diagonalmatrix (beides ist vorteilhaft für die numerische Lösung, siehe Fußnote auf Seite 639). Auf der Hauptdiagonalen stehen die zu den VerschiebllOgen in v gehörenden Massen, bei Winkel koordinaten die Massenträgheitsmomente.
642
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
oe:> Die Matrix K verknüpft entsprechend 32.20 die Verschiebungen mit den Kräften:
f=Kv
(32.23)
K ist die Steijigkeitsmatrix des elastischen Systems. Damit ist der Weg vorgezeichnet, der zum Matrizeneigenwertproblem 32.22 für komplizierte elastische Systeme füh'1: Mit Hilfe des Finite-Elemente-Algorithmus (rur Biegeträger und biegesteife ebene Rahmen siehe Abschnitt 18.2) wird die System-Steifigkeitsmatrix K erzeugt. Zu jedem Freiheitsgrad (Verschiebung, Verdrehung) wird in der Massenmatrix M eine Masse bzw. ein Massenträgheitsmoment auf der Hauptdiagonalen platziert. Massenmatrix mit dem FEM.Algorithmus
1. Eigenschwingungs/orm
Das oben geschilderte Vorgehen setzt voraus. dass die Federelemente (Biegeträger) als masselos angenommen werdeo dürfen. Wenn ein Rahmen gar keine Einzelmassen trägt, die Biegeträger selbst die gesamte oder den wesentlichen Teil der schwingenden Masse ausmachen, ist diese Strategie unbefriedigend.
6
Die Finite-Elemente-MetllOde bietet die Möglichkeit, mit Hilfe der Ansatzfunktionen für die Verformung, die ja auch die Bewegung während des Schwingungsvorgangs beschreiben, die verteilte Masse sinnvoll auf Einzelmassen und Massenträgheitsmomente in den Knoten zu reduzieren. Diese Strategie hat gewisse Ähnlichkeiten mit der Reduzierung verteilter Belastungen (Li nienlasten) auf Knotenlasten (Abschnitt 18.2.2). Darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden, und es wird auf die unten angegebene Internet-Ergänzung zu diesem Thema verwiesen.
o
Die Abbildung 32.9 zeigt die mit Matlab-Femset berechneten Schwingungsformen, die zu den beiden kleinsten Eigenfrequenzen gehören, für einen Rahmen, dessen Masse sich ausschließlich verteilt in den Biegeträgern befindet.
o
4
2
-2
o
2
4
6
2. Eigenschwingungs/orm 6 4
2
-2
0
2
4
6
Abbildung 32.9: Eigenschwingungsformen ei.nes Rahmens
WWW - Ergänzung - Vert.iefung - WWW Eigensc/zwingllilgellmit der Finite-Elemente-Methode unter www.TM-aktuell.de bietet u. a. Informationen zu folgenden Themen: FEM-Grundgleichungen (Eigenschwingungen elastischer Systeme), Steifigkeits- und Massenmatrix (verteilte Masse. Einzelmassen). Berücksichtigung verhinderter Verschiebungen, Lösung des allgemeinen symmetrischen Matrizeneigenwertproblems, Realisierung der Berechnung mit Matlab-Femset, Eigenfrequenzen, Eigenschwingungsformen, Beispiele....
643
32.4 Biegekritische Drehzahlen
32.4 Biegekritische Drehzahlen Das Phänomen der biegekritischen Drehzahl, das im Abschnill 31.4.4 für eine Welle mit einer Masse behandelt wurde, soll hier zunächst am speziellen Beispiel (Abbildung 32.10) untersucht werden. Die mit der Winkelgeschwindigkeit Q rotierende (masselose) Welle ist mit zwei Massen In I und 1n2 besetzt. Es wird vereinfachend angenommen, dass beide MasSen in der gleichen Ebene mit Exzentrizitäten el bzw. e2 montiert sind (es wird sich herausstellen, dass dadurch die Allgemeingültigkeit der zn gewinnenden Aussagen nicht beeinträchtigt wird). lnfolge dcr Exzentrizitätcn treten bei der Rotation Flichkräfte auf, die die Welle verformen. so dass die Schwerpunkte SI und 52 sich schließlich auf Kreisen mit den Radien (ei + VI) bzw. (e2 + 1'2) bewegen lind die Massen die Fliehkräfte Inl (ei + VI).Q2 bzw. 1n2(e2 + V2)Q2 auf die Welle aufbringen. Der Zusanunenhang dieser Kräfte mit den Verschiebungen VI und 1'2 kann z. B. nach 32.20 aufgeschrieben werden (die kij ermillelt man mit einem geeigneten Verfahren der Festigkeitslehre): 1111 (ei
+ VI )Q2 =
k 11
Abbildung 32.10: Welle. besetzl mit
zwei Einzel massen
VI +k12V2
Das Gleichungssystem wird geordnet: (kll -1/11 Q2) 1'1 kl2
VI
+ kl2 1'2 = Q2 + (k22 -11l2 ) 1'2 =
I/ll el Q2 1/12 e2 Q2
Die Verformungen VI und 1'2. die aus diesem linearen Gleichungssystem zu berechnen sind. können (bei beliebig kleinen Exzentrizitäten) sehr groß werden, wenn die Koef!1zientendetenninante sehr klein ist, lind für (32.24) wachsen sie (beim ungedämpften System) über alle Maßen. 32.24 ist die Bedingungsgleichung für die Berechnung der kritischen Winkelgeschwindigkeiten Qkriro Bei einem Vergleich mit der Bedingungsgleiehllng 32.22 für die Bestimmung der Eigenkreisfrequenzen w des durch 32.21 beschriebenen Systems zeigt sich. dass für 32.22 formal die gleiche Determinantenbedingung für die Berechnung der w-Werte formuliert werden könnte. Diese Erkenntnis lässt sich natürlich verallgemei nem: Die Biegeeigenkreisfrequenzen Wi einer mit 11 Massen besetzten (masselosen) Welle entsprechen den kritischen Winkelgeschwindigkeiten bei der Rotation der Welle. Es ergeben sich Il biegekri tische Drchzah len: Wi
nkri1.i=
2n
i=1.2, ....
11
(32.25)
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
644
32.5 Zwangsschwingungen, Schwingungstilgung Für dic Untcrsuchung Iincarcr SchwiJlgungssystcmc mit mchrcrcn Frcihcitsgradcn. dic cincr harmonisch veränderlichen äußeren Einflussgröße (Krafterregung, Unwuchterregung, ... ) unterworfen sind, lasscn sich viclc Erkcnntnisse (auch hinsichtlich dcr mathcmatischcn Bchandlung) vom Schwingcr mit cinem Frcihcitsgrad übertragcn, wobei als wcsentlichcr Unterschied bcacbtct wcrdcn muSS: An dic Stcllc cincr Diffcrcnzialglcichung tritt cin Diffcrcnzialglcichungssystcm, das lineare Schwingungssystem mit 11 Freihcitsgradcn besitzt n Eigenkreisfrcquenzen.
c:> Die allgemeine Lösung eines linearen Differenzialgleichungssystems setzt sich aus der Lösung dcs zugchörigcn homogcncn Systcms und cincr PaJ1ikulärlösung ZUSaJllllJcn. Dic homogcnc Lösung cnthält dic harmonischcn Funktioncn mit den Argumcnten (Oil, wobei dic (Oi dic Eigcnkrcisfrcqucnzcn dcs Systcms sind (dic Lösung dcs homogcncn Diffcrcnzialglcichungssystems beschreibt dic EigenschwiJJgungen des Schwingungssystems).
c:> Fiir den gedämpften Schwinger klingen die homogenen Lösungen (Eigenschwingungen) auch bei klcincn Dämpfungcn mit der Zeit ab. Dic Eigcnkrcisfrcqucnzcn dcs gcdämpftcn Systems unterscheiden sich (Voraussetzung: Dämpfung ist nicht extrcm groß) nur unwcsentlich von denen des ungedämpften Systems, so dass bei ihrer Ermittlung in der Regel auf die Berücksichtigung der Dämpfung verzichtet werden kann.
L:> Nur für dic Bcschrcibung von Anlaufvorgängcn (auch Abbrcmscn oder Auslaufen) einer Anlagc wird dic allgemeinc Lösung des Systcms dcr Bewegungsdiffcrcnzialglcichungcn benötigt. Zur Analyse solcher Vorgänge ist trotz analytischer Lösungsmöglichkeit eine numcrischc Bchandlung mcist bcqucmcr (www.TM-aklllcll.dc). Von besondcrcm Intcrcssc sind dic stationärcn Zwangsschwingungcn (Daucrschwingungcn), dic sich nach dem Abklingen der Eigenschwingungen einstellen. Auch die Erkenntnisse, die dafür beim Schwingcr mit cincm Frcihcitsgrad gewonncn wurden, könncn sinngcmäß auf ein Systcm mit mehreren Frciheitsgraden übcrtragen werden:
c:> Eine Erregung mit eincr Erregerkrcisfrcquenz, dic in der Nähe eincr Eigcnkreisfrequcnz liegt, fUhrt zu großen Schwingungsausschlägcn. Bei jeder Eigenkreisfrequenz (Q = (Oi, 1, ...• 11) liegt eine Resonanzstelle. Beim ungedämpften System streben die Amplitudcn der stationärcn Schwingung bci Resonanz gcgen unendlich. Dämpfungen rcduzicren die Amplituden, auch bei Resonanz blciben dic Schwingungsausschlägc cndlich.
i =
Es gibt jcdoch noch ein sehr wichtiges Phänomen, für das es bei den Systemen mit einem Freihcitsgrad kcin cntsprcchcndcs Beispicl gcbcn kann: In Abhängigkcit von dcn Parametcrn (Massen, Federn, Dämpfer, ...) können die Amplituden der einzelnen Massen stark unterschiedlich sein. Dics kann bei gecignetcr Auslegung dcs schwingungsfahigcn Systcms mit Vorteil genutzt werden. Die Berechnung der Zwangsschwingungen linearer Schwingungssysteme soll hier nur am nachfolgenden einfachen Beispiel demonstriert werden, an dem allerdings der für die technische Praxis wichtigste Effekt gczcigt werden kann.
645
32.5 Zwangsschwingungen, Schwingungslilgung
Beispiel]:
I
I_"";_ _...1 Die Masse m I des skIZZIerten Zwel-MassenSchwingers ist der hannonisch veränderlichen Erregerkraft FocosQlt unterworfen. Die Massen bewegen sich reibungsfrei auf der Unterlage, Dämpfung ist zu vernachlässigen. Gegeben:
fHJ
1n2, Cl
1
Cl , Fo·
1
Es sollen die Amplituden der stationären Schwingungen beider Massen in Abhängigkeit von der Erregerkreisfrequenz Q, ermittelt werden. Die Abbildung 32.11 zeigt die gewählten Bewegungskoordinaten und die an den freigeschnittenen Massen in horizontaler Richtung wirkenden Kräfte. Glcichgewicht liefert:
m, X, +('1 X, -
(xz -XI) = FocosQlt +('z (xz -XI) = 0
tr/zxz
C2
Abbildung 32.11: Freigeschnillene Massen
Da nur das stationäre Schwingungsverhalten untersucht werden soll, wird für das inhomogene Differenzialgleichungssystem nur eine Partikulärtösung gesucht. Wenn der Ansatz
X, = 8 1cosQ,1 Xz = 8zcosQlt (passend zur rechten Seite) in die Differenzialgleichungen eingesetzt wird, ergibt sich über [(CI +cz
-mi
Qf)81 -ez8z -Fo] cosQl1 = 0
[-cz 81 + (cz -l1Iz Qf) 8z] cosQl1
= 0
(Gleichungen können für beliebiges 1 nur erfüllt sein, wenn die Inhalte der eckigen Klammern verschwinden) das lineare Gleichungssystem flir die Berechnung der Amplituden 8 1 und 8z: CI+Cl
_Qz
1111
[
_El.
I
El._ QZ "'I
_El.
1112
1112
I
J[;~J
[~J
=>
Ab=/
(32.26)
Es wird mit Hilfe der Cramerschen Regel gelöst: Fo _iiiI
B
I-
(El.
1112-
QZ) I
det(A)
fi) El. B-~
z - del(A)
(32.27)
Im Nenner der Ergebnisse steht jeweils mit CI+e,
det(A) =
""
I
_Qz
_El...
I
(32.28)
"'2
die Koeffiziemendetern1iname der Matrix Ades Gleichungssystems 32.26, die genau flir die QI-Werte Null wird, die den Eigenkrcisfrequenzen der freien Schwingungen des Systems entsprechen, weil eine Gleichung der Form 32.28 sich auch als Bestimmungsgleichung für die Eigenkreisfrequenzen ergibt. Man vergleiche das Beispiel im Abschnitt 32.1, für das mit CJ = 0 das hier betrachtete Schwingungssystem entsteht, Gleichung 32.5 wird zu
646
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
4
W -
CI C2 0 -+C2 - + C2) - w2 +--=
(CI
Inl
1112
(32.29)
I1II'l12
und diese Gleichung, aus der w[ und Wz berechnet werden können, zeigt, dass die Nenner in 32.27 für QI = w[ und QI = Wz den Wert Null haben, und nach dem Vietaschen Wurzelsatz kann 32.28 deshalb in der Form
wi)
w?)
(Qf det(A) = (Qf aufgeschrieben werden. Damit erhält man flir die Amplituden nach 32.27: (01. _ Q2) I (Qf - w?) (Qf - wi) fi
'"I
BI =
01. (Qf - ~f) (~f - wi) fi
In"
B2 =
(32.30)
Aus diesem Ergebnis lässt sich ein bemerkenswenes Phänomen ablesen: Während die Masse "'2, auf die die E[Tegerkraft nur mittelbar (von der Masse Inl iiber die zwischengeschaltete Feder) wirkt. bei jeder Parameterkombination Schwingungen mit der Amplitude B2 ausführt, bleibt die Masse I/ll bei Q2[ = fl/, 01. in Ruhe. Diesen Effekt nennt man SchwillgllUgslilgllllg:
Die stationäre Zwangssehwingung einer hamlOnisch mit der Erregerkreisfrequenz QI erregten Masse I/l[ kann durch Anbringen eines zusätzlichen Schwingers (Tiigers) unterdrückt (,.getilgt") werden, Bedingung für die Tilgung der Schwingung von Inl ist:
m,
bleibt in Ruhe
Erregerkreisfrecluenz = Eigenkreisfrequenz des Tilgers. 0::> Man beachte, dass die Eigenkreisfrequenz w des Tilgers so anzusetzen ist, als wäre er ein selbstständiger Schwinger. Es gilt w2 = ;;;, so dass die beiden Parameter C2 und 1112 flir die Auslegung des Tilgers zur Verfligung stehen. Bei QI = w wird die Schwingung der Masse 111 [ getilgt, unabhängig von ihrer Größe und unabhängig von der Federzahl CI . oe;> Schwingungstilgung3 ist selbst dann möglich, wenn ein Schwinger (Masse Inl, Federzahl
mit einer Erregerkreisfrequenz Q[ erregt wird. die seiner Eigenkreisfrequenz entspricht (Resonanz). Dann muss ein Tilger angekoppelt werden. dessen Eigenkreisfrequenz ebenfalls der Erregerkreisfrequenz Q[ entspricht. Das entstehende System mit zwei Freiheitsgraden hat zwei Eigenkreisfrequenzen, die sich VOll Q[ unterscheiden, bei Erregung mit Q[ bleibt die Masse 111, in Ruhe (nachfolgendes Beispiel).
CI)
0::> Das Phänomen der Schwingungstilgung wurde hier mit einer harmonischen Erregerkraft an
einem dämpfungsfreien System demonstriert. Die gewonnenen Erkenntnisse (insbesondere die Tatsache, dass ftir die Schwingungstilgung die Eigenkreisfrequenz des Tilgers mit der 3 Schwinguogsti.lgung wird in der technischen Praxis in den verschicden~ten Bereichen genulzt. z. B. bei Kraftfahrteugen zur Verminderung der Karosseneschwingullgcn, in der Antriebstechnik, wo vornehmlich Torsionsschwingungen
gelilgt werden. aber auch im Bauwesen (speziell für Stücken). Der spektakulär!:ltc Tilger ist sicher die pendelnd aufgehängte Riescnkugel im J 0 \-Tower in Taipeh (Höhe: 509 m). der in einem der obersten Stockwerke als Erdbebcn~chu[z dient. Einige Links zu interessanten Anwendungcn findct man unter www.TM-3ktuelJ.de.
647
32.5 Zwangsschwingungen, Schwingungstilgung
Erregerkreisfrequenz übereinstimmen muss) lassen sich jedoch auf den (praktisch besonders wichtigen) Schwinger mit Unwuchten'egung übertragen.
<>
Die Dämpfungsfreiheit ist praktisch natürl ich nicht realisierbar. Dies hat den Vorteil, dass die Eigenschwingung in jedcm Fall abklingt und nur die stationäre Schwingung betrachtet werden muss. Für gedämpfte Schwinger bleibt jedoch auch im stationären Zustand immer eine Restschwingung. Wenn Schwingungen getilgt werden sollen, sollte die Dämpfung also möglichst klein sein. Bezüglich der unvermeidlichen RestSChwingungen bei vorhandener Dämpfung beachte man die Ergebnisse der Aufgabe 32.3.
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Der skIzzIerte Schwmger (Masse ml, Federzahl CI) wird mit der Erregerkreisfrequenz 0 I erregt. Für den Fall
0 1=
(C1
V;;;
(Resonanz) wachsen die Ausschläge über alle Maßen. Es soll ein Tilger (Masse IIlTg = tml, Federzahl CTR) angebracht werden, der genau die Resonanzfrequenz tilgt. Dies wird erreicht, wenn folgende Bedingung gilt: C1J-rg =
J~,~g =~
I~,~g ,~II
=}
=}
"5 CI
CTg =
Die beiden Eigenkreisfrequenzen des Schwingungssystems aus Masse m I und Tilger mTg werden nach 32.29 berechnet. Man erhält: WI
= 0,80 I Wr R
Wz = I. 248 C1J-rg
Damit können die Amplituden nach 32.30 aufgeschrieben werden. Die Grafik in der Abbildung 32,12 (siehe auch www.TM-aktuell.de) zeigt sie in der dimensionslosen Form .<:L In]
BI
BI =
~
=
(c,I:i - A2)
2 (2 OJf
~'I
W Tg
(Of-wf)(Of-wj) E1..~
B? = 82 = 1/11 m2 lJl (Of-Wf)(Of-wj)
c,
g -
rr
A')
1- 0
~l.T
(1)2-0.8012)(1)2-1,248 2)
(Of-Wf)(Of-wj) 4
=
=
(f)T,;
(Oi-Wf)(Of-wj)
I
(1) L O,8Q12)(1) L l,248 2)
In diesen Formeln wurde T/ = ~",n gesetzt, so dass der Tilgungspunkt bei 1) = I liegt. '8
s,
0.1
I:
o,~
0.6
Alnplituden der Masse ml
,.
0.'
.,
..
Ar'tl,Jlituden
des TIlgen.
Abbildung 32.12: Ampliluden des Schwingers und des Tilgers
,.
648
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
32.6 Kontinuierliche Massebelegung, unendlich viele Freiheitsgrade Obwohl in der Realität die Masse immer über das gesamte schwingende System verteilt ist, sind die bisher getroffenen Annahmen diskreter Massen und masseloser Federn für zahlreiche Praxisprobleme ausreichend. Wenn jedoch der wcsentliche Tcil der schwingenden Massc nicht an bestimmten Punkten konzentriert ist (z. B. in langen Antriebswellen), sollte diese kontinuierliche Massebelegllng für die Berechnung (z. B. der kritischen Drehzahlen) berücksichtigt werden. Wenn jedes der unendlich vielen Masseteilchen als schwingende Masse angesehen werden soll, hat so ein Berechnungsmodell natürlich "unendlich viele Freiheitsgrade" und damit auch "unendlich viele Eigenfrequenzen", von denen allerdings nur wenige (in der Regel die kleinsten) von Intercsse sind. Excmplarisch für Schwingcr mit unendlich viclen Freiheitsgradcn werden hier die Biegeschwingungen des geraden Trägers behandelt.
32.6.1 ßiegeschwingungen gerader Träger Betrachtet werden gerade biegesteife Träger, die kontinuierlich mit Masse belegt sind (pA - Masse pro Länge). Bei Biegeschwingungcn bewegen sich die Massenteile senkrecht zur Trägerachse, wie es die Abbildung 32.13 andeutet.
F=; Iv
EI,pA
2.
Abbildung 32.13: Biegeschwinger
lm Abschnitt 17.1 wurde die Differellzialgleiehung vierter Ordnung für die Biegeverformung gerader Träger (Elv")" = q hcrgeleitet, die sich auf die im Kapitel 7.1 definierten Schnittgrößen bezieht. Eine positive Linienlast q ist nach unten gerichtet. Als einzige Belastung des schwingenden Trägers tritt die d' Alembcrtsche Kraft pAdz;;am differcnziell klcincn Massctcilchcn auf (Abbildung 32.14), die entgegen der positiven Richtung FLir die Verschiebung v angetragen werden muss. Es ist damit eine negative Linienlast (Kraft pro Länge dz) q = -pA;;, und man erhält dic Differenzialgleichung
(Elv")" = -pA;;
.
(32.31 )
t pAdzv
(tOD dz Abbildung 32.14: d' AlembeT1sche Kraft
Dies ist eine partielle Differenzialgleichung FLir die Funktion v(z, I), die Striche bedeuten Ableitungen nach der Koordinate z, die Punkte Ableitungen nach der Zeit l. Mit dem so genannten Bemolillischen Prodllktansalz für die gesuchte Funktion
V(Z,I) =2(z)T(I)
(32.32)
(die beiden Funktionen 2 bzw. T sind jeweils nur von einer der beiden unabhängigen Variablen abhängig) gelingt es, die partielle Differenzialgleichung in zwei gewöhnliche Differenzialgleichungen zu überführen. Einsetzen dieses Ansatzes in 32.31 liefert:
(EI 2")" T = -pA 2 t
=}
t ( E/2")" = -- = k pA 2 T
(32.33)
32.6 Kontinuierliche Massebelegung, unendlich viele Freiheitsgrade
649
Es wurden alle von z abhängigen Funktionen (das können auch die Biegesteifigkeit EI und die Massebelegung pA sein) auf einer Seite der Gleichung und alle von I abhängigen Funktionen auf der anderen Seite zusammengefasst. Dann können die Gesamtausdrücke auf beiden Seiten von keiner dcr beidcn unabhängigcn Variablcn abhängig scin. Sic wurdcn dcshalb glcich einer Konstanten k gesetzt. mit der nun zwei gewöhnliche Differenzialgleichungen formuliert werden. Dic einfachere der bei den f + k T = 0 ist die bekannte Differenzialgleichung der freien ungedämpften Schwingung 31.10 (Seite 613), und damit ist klar. dass die Konstante k das Quadrat der Eigenkreisfrequenz einer harmonischen Schwingung ist: k = w2 . Von lmeresse ist also vornehmlich dieses w und eventuell die zugehörige Schwingungsform. Bcides kann aus der anderen gcwöhnlichen Differenzialgleichung berechnet werdcn:
( EI Z")" pAZ
-'---,--:::'- = k =
?
w-
'*
(EI Z")" - w2 pA Z = 0
(32.34)
32.34 ist eine homogene Differenzialgleichung 4. Ordnung für die Schwingungsform Z, die unter Beachtung der Randbedingungen (lineares Randwertproblem) gelöst werden muss.
32.6.2 Analytische Lösung für Träger mit konstantem Querschnitt Wenn sowohl die Biegesteifigkeit EI als auch die Massebelegung pA konstant sind, vereinfacht sich 32.34 zu: 2 4 Z'''' _ w2 pA Z = 0 Z"" _ A Z = 0 mit A4 = pA w /4 (32.35) EI /4 EI Zur Vereinfachung wurde die Abkürzung A eingeführt, wobei / eine beliebig zu wählende Bezugslänge ist, die dafUr sorgt, dass A dimensionslos wird.
'*
Die gewöhnliche lineare homogene Differenzialgleichung 4. Ordnung 32.35 gleicht bis auf das Vorzeichen der Differenzialgleichung 19.5 (Seite 313), deren Lösung dort ausführlich demonstriert wird. Der gleiche Weg führt fLir 32.35 auf die allgemeine Lösung Z=CICOS(A
n
+C2s in
(An +C3cosh (Al) +C4 sinh (A D
(32.36)
Die Integrationskonstanten in 32.36 müssen aus Randbedingungen bestimmt werden. Es ergibt sich ein homogenes Gleichungssystem, das nur dann nichttriviale Lösungen haben kann, wenn seine Koeffizientendeterminante verschwindet. Diese Bedingung führt auf eine Bestimmungsgleichung fUr A, aus der die (unendlich vielen) Werte A; bestimmt werden können, aus denen die Eigenkreisfrequenzen
.~ Al {Ei /2 VPA
w, -
(32.37)
berechnet werden. Zu jeder Eigenfrequenz gehört eine Eigenschwingungsform, die allerdings nur bis auf einen beliebigen Faktor bestimmt werden kann. Praktisch kann man so vorgehen: Man Setzt in das homogene Gleichungssystem für die lntegrationskonstanten den zur Eigenschwingungsform gehörenden A;-Wert cin und ordnet eincr belicbigcn (allerdings nicht von vornherein verschwindenden) Integrationskonstanten den Wert I zu, um dann aus dem um eine Gleichung reduzierten System die anderen Integrationskonstanten zu bestimmen. Damit ist dann die Schwingungsform Z;(z) bis auf einen beliebigen Faktor bekannt.
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
650
·1
I_B_e_is,;"p_ie_'_l· ... F"ur den Sk"lZzlerten Trager .. . d d'Je drel. kl elnsten . _ sm Eigenkreisfrequenzen der Biegeschwingungen und die zuge-
f=":'"=z======},:L EI,pA IV
hörigen Schwingungsfofmen zu ermitteln.
Gegeben:
EI=3000Nm 2
:
I
pA=3kg/m; 1=lm.
Die aUgemeine Lösung für die Schwingungsform 32.36 muss folgenden Randbedingungen angepasst werden:
1.)
v(z=O)=O
=;.
Z(z= 0) =0 ,
2.)
v'(z=O)=O
=;.
Z'(z=O) =0
3.)
v(z = I) = 0
=;.
Z(z=I)=O
=;.
ZI/(z=I)=O
Mh(Z = I) = -Elvl/(z = I) = 0
4.)
Es werden also auch die ersten beiden Ableitungen der Funktion Z(z) benötigt:
Z' = Zl/ =
~
[-CI sin ( A
~:
[-CI cos (A
D
D
D
D]
D
D
D
D]
+ C2 cos (A -C2s in (A
+ C3 sinh (A
+C3coS h (A
+ C4cosh ( A +C4sinh (A
(32.38)
Die vier Randbedingungen ergeben folgcndc vier Gleichungen:
1.)
CI+C3=0
=;.
C3=-CI
2.)
C2+C4 =0
=;.
C4 = -C2
3.)
CICOSA+C2sinA+C3coshA+C4sinhA =0
4.)
-CI COSA - C2 sin A + C3 cosh A + C4 sinh A = 0
,
Die beiden ersten Gleichungen können genutzt werden, um die Anzahl der Unbekannten auf zwei zu reduzieren, so dass folgendes Gleichungssystem verbleibt: COSA -COShA [ - cOsA - cosh A
sinA -sinhA ] [CI] [0] -sinA-sinhA C2 - 0
Dieses homogene Gleichungssystem kann nur nichllriviale Lösungen haben, wenn die Koeffizientendeterminante verschwindet (COSA - COShA) (- sinA - sinhA) - (-COSA - coshA)(sinA - sinhA) = 0 Nach einigen elementaren Umformungen erhält man die Gleichlmg
f(A) = sinA cosh A - COSA sinhA = 0
(32.39)
die nur numerisch gelöst werden kann. Die drei kleinsten (positiven) Werte. die diese Gleichung erfüllen, sind: A3 = 10,21 Daraus errechnet man die Eigenkreisfrequenzen: (01=487,6s- 1
roz=1580s- 1
651
32.6 Kontinuierliche Massebelegung, unendlich viele Freiheitsgrade
Zur Berechnung der Schwingungsformen Z(z) wird (willkürlich) die Konstante CI = I gesetzt. Dann erhält man C3 = - I und cosA -coshA C2 = -
. h'
.,
SIOI\.-S1l1
C4 = -C2
I\.
so dass sich die zum Eigenwert Ai gehörende Schwingungsform folgendermaßen darstellen lässt:
(z) . (
[. Zi(Z) = cos (A; -Z) - cosh (Z) Ai - - COSAi-coshA; . . Sill Ai - - smh Ai-Z)] I
l
I
sm Ai - smh Ai
Die Abbildung 32.15 zeigt die grafische Darstellung der Schwingungsformen zu den ersten drei Eigenwerten.
I
J=S; ';?] 1. EIgenschwingungsform
Wenn - wie flir die Lösung dieses Problems und ähnlicher Aufgaben - die nu melische Berechnung am Ende doch nicht zu vermeiden ist, sollte man sich fragen, wann man zur numerischen Berechnung übergehen sollte. Natürlich kann man bereits für die Lösung der Differenzialgleichung ein numerisches Verfahren verwenden. Wenn der Trägerquerschnitt nicht konstant ist, wird dies in der Regel die einzige praktikable Möglichkeit sein.
o
0.2
0.4
0.6
0.8
2. Eigenschwingungsform
_: o
0.2
0.4
0.6
Q8
1
0.8
1
3. Ejgenschwingungsform
_: o
0.2
0.4
0.6
Abbildung 32.15: Eigenschwingungsfomlen
Aber für den Träger mit konstantem Querschnitt ist die analytische Lösung die im Sinne des Berechnungsmodells exakte Lösung auch dann noch, wenn zum Schluss die Lösung der Eigenwertgleichung nur numerisch gelingt, denn man kann die Eigenwerte aus dieser ..exakten" Gleichung beliebig genau bestimmen. Und genau aus diesem Grund bietet es sich an, mit der Numerik schon etwas früher einzusteigen, an einem Punkt. an dem die Vorteile der .,exakten" Lösung erhalten bleiben, aber der aufwendige (und damit fehleranf:illige) Teil der Handrechnung deutlich reduziert werden kann. Dieser Punkt ist bei diesem Beispiel erreicht, wenn man das homogene Gleichungssystem für die Berechnung der Integrationskonstanten aufgestellt haI, denn dann kann man ohne Verlust der Genauigkeit der Rechnung ftir das Suchen der NullsteIlen die Bedingung "Koeffiziel1lendeterminante gleich Null" schon numerisch realisieren. Und wenn man sich dazu entschließt, sollte man konsequent se;'l und mit eier numerischen Rechnung schon unmittelbar nach dem Aufschreiben der Gleichungen starten (ohne den Versuch, einige ..einfach" zu eliminierende Unbekannte vorab zu entfernen). Im betrachteten Beispiel wäre dies das Gleichungssystem mit vier Gleichungen, das sich aus den Randbedingungen ergibt: I
0
I
0
CI
0
0
C2
0
sinA coshA sinhA
C3
0
-cosA -sinA coshA sinhA
C4
0
0 cosA
=}
Ac=o
652
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
Die EigenwertgJeichung lautet dann
f(A)=det(A)=O
,
die sich von 32.39 dadurch unterscheidet, dass bei der numerischen Lösung für jede Funktionswertberechnung f(A) eine Determinante berechnet werden muss, was bei Nutzung einer geeigneten Software keinen nennenswerten Unterschied bedeutet. Die Berechnung mit bei den Varianten und eine große Anzahl von Vergleichsrechnungen mit verschiedenen Näherungsverfahren (Differenzenverfahren. Methode der finiten Elemente, ...) und verschiedenen Software-Produkten findet man unter www.TM-aktuell.de.
I
Beispiel 2: I_ _ _.....I Für den skizzlelten Blegescbwinger ist das homogene Gleichungssystem zu formulieren, mit dem die Eigenfrequenzen und die Eigenschwingungsformen berechnet werden können.
F=:Z"':I======E;;;==:;Z;'"2===E=]=A:::::J 'T .p I
!V
l/2
V2
l/2
..j...
EI, pA, /.
Gegeben:
Es muss in zwei Abschnitten gearbeitet werden (die nachfolgend verwendeten Koordinaten sind im Bild der AufgabensteUung zu sehen). Die auf die beiden Abschnitte bezogenen Lösungen (als "beliebige Bezugslänge" wird /' = gewählt) ZI = CI
COS (
A
Z2 = Cs cos ( ).
*)
i
+ C2 sin ().
~)
+ C6 sin ( ).
~: ) + C3 cosh (). ~: )
F)
+ C7 cosh ().
+ C4 sinh ().
~:)
~:) + Cs sinh (A ~:)
enthalten acht Integrationskonstanten und müssen folgenden Rand- und Übergangsbedingungen angepasst werden:
1.)
VI(ZI =0)=0
=}
ZI(ZI =0)=0
2.)
v~ (ZI
= 0) = 0
=}
Z;(ZI = 0) =0
3.)
VI(ZI =/*)=0
=}
Z,(ZI =/*)=0
4.)
'/1 (ZI = I') = !z(Z2 = 0)
=}
Z; (ZI = I') = ~(zz = 0)
5.)
Mbl (ZI = /*) = MbZ(zz = 0)
=}
Z;'(ZI = /') = Z!j(zz = 0)
6.)
"2(Z2 = 0) = 0
=}
7.)
MbZ (Z2 = /*) = 0 FQ2(zz = /*) = 0
=}
8.)
=}
,
Z2(Z2 = 0) = 0 Z~(Z2
= /*) = 0
Zr(Z2 = /*) = 0
Zusätzlich zu den heiden ersten Ableitungen von Z (Gleichungen 32.38) wird hier flir die Querkraft-Randbedingung im rechten Bereich noch die dritte Ableitung benötigt: Z"' =
~:
[CI sill ().
D
-Czcos ().
D
+C3s inh ().
D
+C4eosh
(A D]
(3240)
32.7 Aufgaben
653
Einsetzen der allgemeinen Lösungen 21 (zJl bzw. Z2(Z2) und deren Ableitungen in die Randund Übergangsbedingungen liefert das homogene Gleichungssystem rur die acht Integrationskonstanten :
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
cos}.
sin}. cash}. sinh}.
0
0
0
0
-sin}.
cos}. sinh}. cash}.
0
-1
0
-cos}. -sin}. cosh}. sinh}.
I
0
-I
I
0
0
0
0
-I
CI C2 C3 C4
0
Cs
0
0
C6 C7 Cg
0
0
0
0
0
0
0
0
0
-cos}. -sin}. cash}. sinhA
0
0
0
0
sinA -cosA sinhA coshA
0 0 0
0 0
Dieses Gleichungssystem kann wieder nur dann nichttriviale Lösungen haben, wenn seine Koefhzientendeterminallle verschwindet. Diese Bedingung gestattet die Berechnung der (unendlich vielen) Eigenwerte Ai und die Berechnung der zugehörigen Schwingungsformen. Die komplette Berechnung findet man unter www.TM-aktuell.de.
WWW - Ergänzung - Vertiefung - WWW Biegeschwillgullgell gerader Träger mil kontilluierlicher Massebelegullg unter www.TM-aktuell.de bietet Informationen zu folgenden Themen: Theoretische Gnllldlagen verschiedener Verfahren (Skript), Möglichkeiten der analytischen Lösung in Kombination mit numerischer Auswertung, Näherungslösung mit dem Differenzcnvcrfahrcn, Näherungslösung mit der Methode der finiten Elemente, Näherungslösung mit dem Verfahren von Ritz, Näherung des kleinsten Eigenwertes mit dem Rayleighsehen Quotienten.
32.7 Aufgaben
I
[.Alt/gabe 32.1: ..... EIIl masseloser Träger mll der konstanten Biegesteifigkeit EI ist mit zwei Massen gleicher Größe m besetzt. Gegeben:
m, EI, I.
Man ermittle die beiden Eigenkreisfrequenzen für die Biegeschwingungen des Systems.
EI
m
m
JF=='10)==O "j
l/2
654
I
32 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden
Aufgabe 32.2:
I
Eine Anlage A wird von einem Motor mit dem Massenträgheilsmoment JI angetrieben. h, h und J4 sind die Massenträgheilsmomente des Verzweigungsgetriebes, J5 das Massenträgheilsmoment des Lüftersystems.
Das Massenlrägheitsmoment JA der anzutreibenden Anlage ist wesentlich größer als die anderen Drehmassen, so dass das Antriebssystem bezüglich seiner Drehschwingungen als an der Anlage A starr eingespannt betrachtet werden darf. Man ermittle
~;\.\;'Y A 'l!!,J; JA
a)
b) für den Anllieb mit Lüftersystem das Matrizeneigen-
Gegeben:
Glp
Aufgabe 32.3:
I_";';
,
b)
,1\01
)\01
•
~ 1
\0) •
weJ1problem, aus dem die Eigenkreisfrequenzen der Torsionsschwingungen berechnet werden könnten.
~,
'Ir ----'-L--...,I ~ J s
a) für den Antrieb ohne Lüftersystem die Eigenkreisfre-
quenzen der Torsionsschwingungen,
<::,1
1111
,jl'2 l!!,J
11
I, JI, h=!JI, h=J4=2JI, Js=IOJI, ~=5, ~=2.
I
.....1 Ein mit der Drehzahl" betriebener Mo-
tor ist auf einem elastisch und gedämpft abgestützten Kastenfundament befestigt. Die durch die Motorunwucht U = lI1"e verursachte Fliehkraft wird in horizontaler Richnmg durch die Führung des Fundaments aufgenommen. Die vertikale Komponente kann zu störenden Vertikal schwingungen des MotorFundament-Blockes führen, wenn die Erregerkreisfrequenz in der Nähe der Eigenkreisfrequenz des erregten Systems liegt. Deshalb soll ein Tilger im Inneren des Fundaments diese Bewegung tilgen. Gegeben:
111M II1Tg
= 50kg = 75 kg
: II1p : 111" e
= IOOkg = 0, I kgcm
; e ; k
= 2,6 .105 Nlm = 3,75· 103 kg/s
e/2
: "
k
= 400min- 1
a) Man berechne die Federzahl
;
CTg für den Schwingungstilger (eTg soll die resultierende Federzahl der parallel geschalteten Federn zwischen Fundament und Tilger sein). b) Durch numerische Integration der Bewegungs-Differenzialgleichungen ist der Einschwingvorgang zu analysieren: Man ermittle die Bewegung des Motor-Fundament-Blocks ohne Tilger und mit dem dimensionierten Tilger die Bewegungen von Motor-Fundament-Block und Tilger (T = O... 1,5 s). Anfangsgeschwindigkeiten und -auslenkungen sollen gleich Null angenommen werden.
Weitere Aufgaben findet man imlnternet unter www.TM-aktueU.de.
33 Prinzipien der Mechanik Die Technische Mechanik kann vollständig auf wenigen Axiomen (mathematisch nicht beweisbarcn, aber empirisch gcsichcl1cn und experimentell nachprüfbarcn Aussagen) aufgebaut wcrden. Auf den Axiomen der Statik (Abschnitt 1.2) und dem 2. Newtonschen Axiom (Abschnitt 28. I) ruht das gesamte Gebäude der Klassischen Mechanik. Als Prinzipien der Mechanik werden Aussagen bezeichnet, die die klassischen Axiome ersetzen können. Sie haben damit selbst axiomatischen Charakter, könnten anstelle der klassischen Axiome die Grundlage der Mechanik sein, sie erweitern jedoch das Gebiet der Klassischen Mechanik nicht. Natürlich dürfen die Prinzipien auch nicht im Widerspruch zu den klassischen Axiomen stehen. Sie sind wechselseitig auseinander herleitbar. Mit diesen Querverbindungen zwischen den klassischen Axiomen und den Prinzipien der Mechanik befasst sich die Analytische Meclwnik, die darüber hinaus fUr spezielle Problemstellungen handliche Regeln fLiT die mathematische Formulierung bereitstellt. In diesem Kapitel werden die Prinzipien behandelt, die für wichtige spezielle Probleme erhebliche Vorteile gegenüber der Anwendung der klassischen Axiome bieten.
33.1 Prinzip der virtuellen Arbeit Im Abschnitt 28.4 wurde die Arbeit als Produkt aus einer Verschiebung d1 und der in Richtung der Verschiebung wirkenden Kraftkomponente definiert. Um den Arbeitsbegriff auch auf Probleme der Statik anwenden zu können, bei denen bekanntlich keine Verschiebungen auftreten, werden virTuelle Verschiebungen 81 mit folgenden Eigenschaften deuniert: • Virtuelle (denkbare, nicht notwendigerweise tatsächlich auftretende) Verschiebungen bzw. Verdrehungen sind infinitesimal klein und können wie Differenziale behandelt werden . • Virtuelle Verschiebungen bzw. Verdrehungen müssen mit den geometrischen Bindungen des Systems venräglich sein. Die virtuelle Arbeit einer Kraft ist das skalare Produkt aus der Kraft und der virtuellen Verschiebung des Kraftangriffspunktes, analog dazu wird auch die virtuelle Arbeit eines MolIlelllS definiel1:
(33.1 ) Virtuelle Verschiebungen bzw. Verdrehungen sind nur möglich, wenn das System mindestens einen Freiheitsgrad an. Bei statisch fixierten Systemen hilft das Lösen von Bindungen (und Ersetzen durch Kräfte bzw. Momente).
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_33, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
33 Prinzipien der Mechanik
656
I
Beispiel J: I_"";'_....1 Das Loslager bel B wIrd durch die Kraft Fa ersetzt. Der (damit nur teilweise von äußeren Bindungen gelöste) Träger kann sich dann um den Punkt A drehen, eingezeichnet ist die viltuelle Verdrehung ocp. Weil diese infinitesimal klein ist, dürfen die virtuellen Verschiebungen der Kraftangriffspunkte in der Form "ocp bzw. locp aufgeschrieben werden, und die von den beiden Kräften geleistete virtuelle Arbeit beträgt:
oW =
Fal
ocp -
..L5.....
A
B:..J:::,....
a
~ ft
"'
;;. "
F "ocp = (Fal- F
. F O_'r",--_j
,
a 0'" r
'10 mr
t Fn
a)ocp
(Minuszeichen, weil die virtuelle Versch.iebung des Angriffspunktes von F dem Richtungssinn der Kraft entgegengesetzt ist). [n der Klammer steht exakt das Momentengleichgewicht um den Punkt A, das nach den Regeln der Statik Null ist, so dass sich für die virtuelle Arbeit oW = 0 ergibt. Diese am speziellen Beispiel demonstriette Aussage ist umkehrbar und verallgemeinerungsHihig und wird bezeichnet als
Prinzip der virtuellen Arbeit: Ein mechanisches System befindet sich im Gleichgewicht, wenn bei einer virtuellen Verschiebung oder Verdrehung aus der Gleichgewichtslage heraus die dabei von den äußeren Kräften und Momenten geleistete virtuelle Arbeit verschwindet: (33.2)
<>
Das Prinzip der virtuellen Arbeit ist gleichwertig mit dem Gleichgewichtsaxiom der Statik und könnte an dessen Stelle die Grundlage sein, auf der die Statik aufbaut.
oe;> Man beachte, dass in 33.2 nur die äußeren Belastungen eiJlgehetl. Zwangskräfte (im Beispiel I die Lagerreaktionen bei A) sind keinen viItuelien Verschiebungen ausgesetzt und
leisten dementsprechend keine virtuelle Arbeit. Genau dies ist der VOlteil (speziell für kompliziettere Systeme) bei der Anweudung des Prinzips der virtuellen Arbeit: Man löst uur so viele Bindungen (im Beispiel I das Lager B), wie für das Aufschreiben der Gleichungen für die gesuchten Größen erforderlich ist. Diesem VOlteil steht der Nachteil gegenüber, gegebenenfalls komplizierte kinematische Überlegungen anstellen zu müssen. Diese können häufig anschaulich unter Beachlllng der Regeln für die "Kinematik starrer Körper" (Kapitel 27) oder formal gewonnen werden, was nachfolgend beschrieben wird. Die Lage eines starren Systems mit f Freiheitsgraden kann immer durch f voneinander unabhängige (generalisierte) Koordinaten q] .... ,qJ eindeutig beschrieben werden. Häufig bietet sich folgender Weg für das Aufschreiben der virtuelleu Verschiebung 01' eines Kraftangriffspunktes an: Die Komponenten des ürtsvektors 1', der die Lage des Kraftangriffspunktes in einem festen Koordinatensystem beschreibt, werden in Abhängigkeit von den generalisierten Koordinaten formuliert. Weil eine virtuelle Verschiebung wie ein Differenzial behandelt werden darf, ergibt sich 01' dann formal nach:
657
33.1 Prinzip der virtuellen Arbeit
7 = r(q, ,q2, ... ,qJ)
d7
d7
dr
07 = -0- oq, + -0- Oq2 + ... + -0- oqJ aq, aq2 aqJ
=?
(33.3)
Man beachte, dass die generalisierten Koordinaten q; voneinander unabhängig sein müssen (bci einem System m.it einem Freiheitsgrad gibt es deshalb nur eine Koordinate qt), dementsprechend sind auch beliebige (voneinander unabhängige) virtuelle Verschiebungen oq; möglich. Die virtuelle Arbeit kann schließlich immer in folgender Form aufgeschrieben werden: oW
= (.. .)oq, + (.. . )0(/2 + .. + (.. .)oqJ = 0
(33.4)
Da die oq; beliebige Werte annehmen können. ist die Gleichung 33.4 nur erfüllt, wenn jede Klammer flir sich Null wird. Dies liefert f Bestimmungsgleichungen für f unbekannten Größen.
I
Beispiel 2: I_ _ _ _.... ElI1e Walze auf der schIefen Ebene wtfd über ein starres Seil von einem Gegengewicht im Gleichgewicht gehalten. Gegeben:
1111, 11'l2,
R1 ,
rl,
a.
Die Größe der Masse m3 soll so bestimmt werden. dass das System im Gleichgewicht ist. Das System hat einen Freiheitsgrad, so dass alle Verschiebungen durch eine Koordinate ausgedrückt werden können. Die kinematischen Zusrunmenhänge sind mit Hilfe der Momentanpole M, und M2 (Abbildung 33.1) der Bewegungen von Walze bzw. Rolle recht einfach zu analysieren (vgl. Abschnitt 27.1.3): Wenn der Masse 1113 die virtuelle Verschiebung OX3 erteilt wird, bewegt sich auch der Mittelpunkt der Rolle 1112 um diese Strecke. Das Seil muss die doppelte Strecke zurücklegen und bringt die virtuelle Verschiebung 20X3 auf die Walze 1Il, auf, deren Miuelpunktverschiebung sich aus der skizzierten Strahlensatzfigur ergibt:
~
_R_t_ =? OXt = ~ OX3 2e5x3 R, ~" R t ~ 'I Während sich die Gewichtskräfte 11128 und 11138 jeweils um OX3 bewegen, wirkt von der Gewichtskraft mt8 nur die Komponente parallel zur schiefen Ebene nl'8sin a in Richtung von OXt, wegen des entgegengesetzten Richtungssinns wird dieser Arbeitsanteilnegativ, und das Prinzip der virtuellen Arbeit liefert:
2
cx,l
Abbildung 33.1: Zusammenhänge der virtuellen Verschiebungen mit Hilfe der Momcnranpole MI und M2
oW = nl380X3 +11128 OX] -"'t 80X, sin a = ("'38 +11128 - 111, 8
~ sin a) R,-"
e5x3 = 0
Die virtuelle Arbeit kann für beliebige virtuelle Verschiebung nur Null sein, wenn der Ausdruck in der KlrullJner verschwindet. Das System ist im Gleichgewicht für 1113
= 2ml
N,
- - - sina R, - t l
11'l2
658
33 Prinzipien der Mechanik
oe:> Das Beispiel 2 verdeutlichte, wann die Anwendung des Prinzips der virtuellen Arbeit einen
Vorteil bringt. Weil das System nicht freigeschnitten werden musste, gingen die Zwangskräfte (Normalkraft und Haftkraft zwischen Walze und schiefer Ebene, Seilkraft, ...) in die Rechnung nicht ein. Das äußere Gleichgewicht von Systemen starrer Körper konnte auf diese Weise recht einfach analysiert werden. Wenn auch die Zwangskräfte interessieren, sollte man Gleichgewichtsbetrachtungen vorliehen.
I
Beispiel 3: I_"";'_.....1 ZweI Stäbe mIt den Längen 11 und 12, deren Eigengewicht zu vemaehlässigen ist, sind wie skizziert gelagert und durch die Gewichtskräfte der Massen mn und me belastet.
Y, t\
a
I
..c:
12 = 2,5; ~ -I I = I', //ln = 0,5 . ·1 I tne Es soll der Winkel a ermittelt werden, für den das System im Gleichgewicht ist.
,
l
A
x
Gegeben:
Das System hat einen Freiheitsgrad, seine Lage ist durch die Angabe einer Koordinate (Winkel
a) eindeutig bestimmt. Es wird eine virtuelle Verdrehung 8a aufgebracht und zunächst untersucht, welche virtuellen Verschiebungen sich dadurch für die Kraftangriffspunkte Bund C einstellen. Wegen der etwas komplizie'teren kinematischen Zusammenhänge werden die Ortsvektoren rn( a) bzw. rc( a) zu beiden Punkten in einem (willkürlich definierten) Koordinatensystem aufgeschrieben, 8rn und 8re ergeben sich dann jeweils nach 33.3:
re=
<_ drB < urB= -ua= da
8a
_ [-li
8re =
sina]
11 cosa
8a
Auf diesem formalen Weg ergeben sich auch die richtigen Vorzeichen der virtuellen Verschiebungen, deshalb ist es konsequent, die Kräfte ebenfalls als Vektoren bezüglich der gewählten Koordinaten aufzuschreiben. Mit
__ [-mng]
Fn -
o
Fe =
[
0
-//leg
]
und
8w = Fn · 8rn + Fe· 8 re
liefert das Prinzip der virtuellen Arbeit: < uW=
{
I' -'-.(hy=+=/I,=si=na=,)=,I,=co=s=a] -meg/1cosa} 8a=0 -/IIng [ -Isma-
JI? - (11+11 sina)2
Nullsetzen der geschweiften Klammer führt nach einigen elementaren Umformungen auf
659
33.2 Prinzip der virtuellen Arbeit für Potenzialkräfle, Stabilität des Gleichgewichts
-1=0
Mit den gegebenen Zahlenwerten liefert ein geeignetes Programm für diese transzendente Gleichung im Bereich 0° ::: a ::: 360° die beiden Lösungen (vgl. www.TM-aktuell.de): at = 46,35°
a2 =
242,92°
c:> Die im Abschnitt 10.4 bei der Beurteilung von Gleichgewichtslagen gewonnenen Erkenntnisse lassen vermuten, dass nicht beide errechneten Gleichgewichtslagen stabil sind. Die Möglicbkeit, auch die Stabilität von Gleichgewichtslagel1 mit dem Prinzip der virtuellen Arbeit zu beurteilen, wird im folgenden Abschnitt behandelt.
33.2 Prinzip der virtuellen Arbeit für Potenzialkräfte, Stabilität des Gleichgewichts Für konservative Kräfte (Potenzial kräfte, z. B.: Gewichtskraft, Federkraft) ist die Arbeit, die bei einer Bewegung von einem Punkt I zu einem Punkt 2 geleistet wird, nur von der Lage dieser Punkte abhängig (und nicht vom Weg, der dabei zurückgelegt wird). Wenn die Masse m (mit der Gewichtskraft Fe = mg, Abbildung 33.2) eine virtuelle Verschiebung von I nach 2 erfahrt, ist die geleistete Arbeit der Gewichtskraft nur von der Höhendifferenz i5r abhängig und errechnet sich zu
Abbildung 33.2: Kräfte
ist
die
Für konservative
potenzielle
Energie
nur vom Anfangs- und Endpunkt des
zurückgelegten Weges abhängig
i5w = -Fe i5r = -mg i5r
(Minuszeichen, weil die angenommene aufwärts gerichtete Wegrichtung der Krafttichtung entgegengesetzt ist). Im Abschnitt 28.4.1 wurde mit Formel 28.20 die potenzielle Energie (das Potenzial) für die Gewichtskraft einer Masse eingeführt. Mit dem (willkürlich) auf die Höhe des Punktes 1 gelegten Null-Potenzial kann man damit der virtuellen Verschiebung einen Zuwachs an potenzieller Energie von i5U = mgi5r zuordnen. Es gilt also
i5w = -i5u
(33.5)
und dieser für die Gewichtskraft gefundene Zusammenhang gilt auch für andere Potenzialkräfte (z. B. tür Federkräfte, deren potenzielle Energie sich nach 28.21 berechnet). Wenn ein System ausschließlich durch Potenzialkräfte belastet ist, kann das Prinzip der virtuellen Arbeit 33.2 also auch mit der potenziellen Energie formuliert werden:
i5U = 0
(33.6)
660
33 Prinzipien der Mechanik
Zunächst werden Systeme mit nur einem Freiheitsgrad betrachtet, deren Lage sich eindeutig in Abhängigkeit von einer Koordinate q beschreiben lässt. Dann kann die potenzielle Energie in der Form U(q) aufgeschrieben werden, und weil die virtuellen Größen wie Differenziale behandelt werden dürfen, folgt aus 33.6 unter Beachtung, dass diese Bedingung für eine beliebige virtuelle Verschiebung oq emillt sein muss: dU oU = -oq=O dq
dU =0 dq
Die Abbildung 33.3 verdeutlicht die mit 33.7 gefundene Aussage: Gleichgewicht ist möglich. wenn die potenzielle Energie (bei beliebiger Lage des Null-Potenzials) ein relatives Extremum hat, und man erkennt, dass die Gleichgewichtslage für ein relatives Minimum stabil (Lagen 2 und 4) und für ein relatives Maximum instabil ist (Lagen I, 3 und 5).
(33.7)
~ 12~
4
5
, .
Abbildung 33.3: Stabile und instabile Gleichgewichtslagen
Weil das Vorzeichen der 2. Ableitung einer Funktion die Information liefert, ob ein Extremwert ein Minimulll oder Maximum ist, steht ein Kriterium zur Verfügung für die Beurteilung von Gleichgewichtslagen konservaliver Systeme mit einem Freiheitsgrad: Die Funktion U(q) (potenzielle Energie in Abhängigkeit von der Koordinate q, die die Lage des Systems eindeutig beschreibt) hat für Gleichgewichtslagen eine horizontale Tangente, ihre erste Ableitung nach q muss entsprechend 33.7 verschwinden. Die Gleichgewiehtslage ist d2 U
stabil für
-->0 d q2
(33.8)
instabil für
--<0
d2 U d(P
(33.9)
c:> Wenn auch die zweite Ableitung von U(q) verschwindet, müssen gegebenenfalls noch die höheren Ableitungen untersucht werden. Ist die erste nicht verschwindende Ableitung ungerade (z. B.: UIII # 0), dann hat U(q) an dieser Stelle einen Sattelpunkt. Dieser Gleichgewichtszustand heißt indifferent. Ist die erste nicht verschwindende Ableitung gerade, dann liegt ein relatives ExtTemum vor, das nach dem Vorzeichen dieser Ableitung in entsprechender Modifikation der Bedingungen 33.8 und 33.9 beurteilt werden kann. oe;> Für ein System mit mehreren Freiheitsgraden gilt U = U(ql,q2 .... ,qj). Die Aussagen
der Bedingungen 33.7 bis 33.9 dürfen sinngemäß durch die entsprechenden mathematischen Aussagen fiir die Berechnung und Beurteilung von Extremwerten fLjr Funktionen mit mehreren unabhängigen Variablen ersetzt werden, z. B.: Das System kann nur im Gleichgewicht sein, wenn alle partiellen Ableitungen von U nach den generalisierten Koordinaten qi verschwinden.
33.2 Prinzip der virluellen Arbeit für Potenzialkräfle, Stabililät des Gleichgewichls
Beispiel]:
661
I
I_"";_ _...1 Für das Betsptel 3 aus dem vongen Abschnitt (Seite 658) soll die Stabilität der beiden Gleichgewichtslagen untersucht werden. Der in der Abbildung 33.4 gestrichelt gezeichncten Lage wird (willkürlich) die potenzielle Energie Null zugeordnet. In einer beliebigen (durch den Winkel a beschriebenen) Lage ist die Masse mc dann um Vc angehoben (positive potenzielle Energie) und die Masse 1n8 um V8 abgesenkt (negative potenziclle Energie).
Abbildung 33.4: Die gestrichell dargestellle Lage wird als Null-POlenzial definiert
Aus rein geometrischen Überlegungen (es müssen nur einige rechtwinklige Dreiecke betrachtet werden) liest man aus Abbildung 33.4 ab: vc=/lsina VB = It
+ Vii - h2 -
CI COS a
+ Jli - (h + II sin a)2 )
Die potenzielle Energie kann damit folgendermaßen aufgcschrieben werden:
U(a) = II1cgvc -II1Bgv8 InB sina--
=II1Cgll {
rne
[
1+
Ableiten nach a und Nullsetzen dieses Ausdrucks (es genügt der Inhalt der geschweiften Klammer) entsprechend 33.7 fuhrt auf die gleiche Beziehung (Seite 659), aus der bereits im Beispiel 3 des vorigen Abschnitts die Gleicbgewichtslagen berechnet wurden. Bilden der zweiten Ableitungen und Einsetzen der Winkel, fLir die Gleichgewicht möglich ist, ergibt nach 33.8 bzw. 33.9 die Aussagen zur Stabilität. Da das Bilden der Ableitungen etwas lästig ist (und die Gleichung fur die Gleichgewichtslagen ohnehin nur numerisch lösbar ist), liegt es nahe, U(a) direkt numerisch auszuwerten. Die Grafik (siehe www.TM-aktuell.de) in der Abbildung 33.5 zeigt die Funktion V = -'L., und ihre relativen ExIJ/(g 1 trema tur die auch im vorigen Abschnitt verwendeten Parameter.
05
U
Of--+---"-"'------t-----T1 46,35"
-0.5
-, -1.5
_
L-_~_~_~_~_~_~
_"___'
o 50 100 150 200 250 300 350 Abbildung 33.5: Die Lagen der Extremwerte der Funktion V( a) werden numerisch bestimmt
Es ergeben sich exakt die gleichen Werte al und a2, die sich auch im Beispiel 3 des vorigen Abschnitts als Gleichgewichtslagen ergaben, hier allerdings mit den wichtigen Zusatzinformationen: Das relative Maximum bei al = 46,35° weist diese Gleichgewichtslage als instabil aus, während das relative Minimum bei a2 = 242,92° auf einc stabile Gleichgewichtslage hinwcist.
662
33 Prinzipien der Mechanik
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Für den drehbar gelagerten Stab mIt der Masse m, der in eine nicht vorgespannte Feder der Länge 10 eingehängt wird, wurden bereits im Abschnitt 10.3 die vier möglichen Gleichgewichtslagen berechnet. Mit einem kleinen Trick konnte im Beispiel 2 des Abschnitts 10.4 anschaulich gezeigt werden, dass nur zwei Gleichgewichtslagen stabil sind. Die Ergebnisse (Gleichgewichtslagen und ihre Stabilität) sollen hier noch einmal durch eine Analyse der potenziellen Energie bestätigt werden.
C
A
~ ~
I 0 ~
m
Null·Polenzial
Das Null-Potenzial wird so gelegt, dass der horizontal liegende Stab keine potenzielle Energie hat (in dieser Lage ist auch in der Feder keine Energie gespeichert). In der durch den Winkel ß gekennzeichneten Lage gilt dann für die po-
A
ß,
Lcnziellc Energie
V = -mg
~ sinß + ~ c [ J(Lsinß +/0)2 + (L -/cosß)2 -/af
wobei in der eckigen Klammer die Differenz aus der Federlänge und der Länge der ungedehnten Feder steht. Der Ausdruck wird so umgeformt, dass die Suche der relativen Extremwerte wieder mit einem dimensionslosen Ausdnlck erfolgen kann:
V(ß)=mg~21f -sinß+~ mg
[
Auch wenn man das bei Aufgaben dieser Art etwas lästige Bilden der Ableitungen einem symbolisch rechnenden Programm übertragen kann (siehe www.TM-aktuell.de). muss die nachfolgende Nullstellensnche doch numerisch erfolgcn, so dass man die relativen Extremwerte von V(ß) auch direkt Ill1J11erisch suchen kann.
2
~
.
~
(smß+T) +(I-cosß)Z-T
2} 1] =mg 2 V(ß)
2r--~--~-~--~-~--~-~~
u
1.5
0.5 28,4"
0 270° 304,90
173,7"
-0.5
0
50
'00
150
200
250
300
ß 350
Abbildung 33.6: Die Lagen der Extremwerte der Funktion U(ß) werden numerisch besljmmt
Die Grafik in der Abbildung 33.6 zeigt die Funktion V und ihre relativen Extrema für die bereits im Abschnitt 10.3 verwendeten Parameter I~~ = 1 und
9 = I.
Die kleinen Bildchen lll1terhalb der Funktion V zcigen die 4 Gleichgewichtslagen, von denen nur die beiden Lagen 1301 = 28,4 und 1303 = 270 0 (relative Minima der Funktion V) stabil sind. Q
33.2 Prinzip der virtuellen Arbeit für Potenzialkräfle, Stabilität des Gleichgewichts
663
Alle bisherigen Beispiele in diesem Kapitel haben Systeme mit einem Freiheitsgrad behandelt. Um zu zeigen, dass das Prinzip der vi'1uellen Arbeit auch auf Systcme mit mehreren Freiheitsgraden angewendet werden kann, wird nachfolgend ein (akademisches) Beispiel mit 2 Freiheitsgradcn konstruicrt, das geradc noch einfach genug ist, um dic dabei auftretenden Probleme mit erträglichem Aufwand zu verdeutlichen.
I
Beispiel 3: I'-....;_ _.. Es sollcn dte Gletchgewlchtslagen en11Juelt werden, die die beiden skizzierten Stäbe (Massen ml und 11l2, Längen It und (2) einnehmen können. Dabei soll auch die Stabilität der einzelnen Gleichgewichtslagen untersucht werden.
G
Der rechte Stab ist in einem Gleitstein G gelagert, der sich in einer vcrtikalcn Führung reibungsfrci bewegen kann und mit ciner Masse I1lJ belastet ist. Die Führung selbst kann sich horizontal bewegen und ist dnrch die Masse 1114 belastet. Gegeben:
ml,
m2,
I1lJ,
m4, II , 12·
Betrachtet wird der in Abbildung 33.7 skizzierte Stabzwei schlag, auf den im Punkt G die beiden Gewichtskräfte der Massen I1lJ und m4 wirken. Als Null-Potenzial wird (willkürlich) die horizontal geweckte Lage der bciden Stäbe (und die dazu gehörenden Lagen der Massen mJ und m4) fcstgelegt. Die allgemeine Lage soll durch die bei den Winkel
Null-Potenzial
Abbildung 33.7: Definition des NullPotenzials und der allgemeinen Lage
Dann gibt es ausschließlich negative Anteile für die potenzielle Energie des Systems: U =-mlg± COS
~ Sin
- mJg(lt COS
~U
a
=
(~l1ltg+11I2g+I/IJg) II sin
dU
d
(~m2g+I1lJg) l2cos
aus denen die Winkel berechnet werden können, für die Gleichgewicht möglich ist: - J1J 4
tan
m
I1lJ
+ T + 1112
tan
!!!f + In) m4
(33.10)
Das Verschwinden der ersten Ableitungen nach
33 Prinzipien der Mechanik
664
a2u. _ a2u_ alpr alpi
( a2u )2 >0 alpt al(J2
(33.11)
für die aus den notwendigen Bedingungen errechneten Welle gilt. Es ist ein
a2 u2 > 0 -a
Minimum flir
und ein
Maximum für
lp,
aa2 u2 < 0
(33. I2)
lp,
Für das aktuelle Beispiel errechnet man: 2
a . lp, alpru = ('"2 111 ,g+ 11I2g + "'3g ) I ,cos lp, - 11I4gl, sm a2 u
-alpi
-
(~1Il2g + 11I3g)
{2 SiJll(J2
-11I4g 12 cosl(J2
a2 u
- 0 Da die gemischte zweite Ableitung verschwindet, entscheiden hier ausschließlich die Vorzeichen der zweiten Ableitungen nach lp, bzw. l(J2 über die Stabilität der Gleichgewichtslagen.
alpt al(J2
Die numerische AusweItung soll für die folgenden speziellen Welle erfolgen: m2
= In]
Jn4
= 2m]
1113
= 0
.
Dies entspricht der vereinfachten Fragestellung: In weleher Lage kann ein StabzweiscWag ausschließlich durch eine am freien Ende horizontal (nach links) gerichtete Kraft im Gleichgewicht gehalten werden (Abbildung 33.8)? Bemerkenswert ist, dass über die Längen der Stäbe keine Angaben erforderLich sind, weil sie in die Ergebnisse nicht eingehen. Aus 33.10 berechnet man mit den speziellen Werten: 4 I tan lp, = - tan l(J2 = -
3
4
c_
Abbildung 33.8: Kann eine horizontale Kraft bei G dem Stabzweischlag das Gleichgewicht halten?
Es ergeben sich jeweils 2 Winkel, so dass man insgesamt vier Lösungen erhält, flir die in der folgenden Tabelle die zweiten Ableitungen der Funktion U ausgewcnct werden:
a)
b) c)
d) Von
lp,
l(J2
-53.1° -53.1 0 126,9° 126,9°
-166° 14.00 -166° 14,0°
den
vier
a2u alpr
a2u alpi
>0 >0 <0 <0
>0 <0 >0 <0
33. I I erfüllt, nach 33. 12-+ Minimum 33.1 I nicht crflillt -+ Sattel punkt 33.1 I nicht erfullt -+ Sattelpunkt 33.11 erflillt, nach 33. 12-+ Maximum
Wer-
tepaaren für lp, Und~)r / l(J2 eJfüllt also nur ~ eins die Kriterien für stabiles Gleichgewicht (Abbildung 33.9).
b) ~C)~)-
Abbildung 33.9: Nur fur den Fall {/ ist die Gleichgewichtslage stabil
665
33.3 Prinzip von eI' Alembert in eier Fassung von Lagrange
33.3 Prinzip von d'Alembert in der Fassung von Lagrange Mit dem in den Abschnitten 28.2.2 und 29.5.2 behandelten Prinzip von d' Alembert ist es möglich, durch Einführen von Kräften und Momenten, die die Trägheit der bewegten Massen berücksichtigen, die Bewegungsgleichungen für kinetische Probleme durch Aufschreiben von Gleichgewichtsbedingungen (wie in der Statik) zu gewinnen. Es erweist sich als besonders effektiv, wenn auch die Zwangskräfte (Kräfte an Führungen) zu ermitteln sind. Wenn allerdings nur die Bewegungsgesetze gesucht sind, kann das Einbeziehen und anschließende Eliminieren der Zwangskräfte ausgesprochen lästig sein. Für diesen Fall bietet sich eine Kombination des Prinzips von d'Alembert mit dem Prinzip der virtuellen Arbeiten an. Betrachtet wird zunächst ein Massenpunkt 111, auf den eingeprägte Kräfte, Zwangskräfte und die d' Alembertsche Kraft m5 (keine Bewegungswiderstände wie Gleitreibung usw.) wirken. Beim Aufbringen einer virtuellen Verschiebung ör, die mit den Zwangsfüh.rungen verträglich sein muss, leisten die (senkrecht zu den Führungen gerichteten) Zwangskräfte 1z keine vi.tuelle Arbeit: (33.13) Das Prinzip von d' Alembert 28.7 geht nach Multiplikation mit der virtuellen Verschiebung öl' und bei Beachtung von 33.13 in die auf JOSEPH Lauts COMTE OE LAGRANGE (1736 - 1813) zurückgehende Fassung über:
öW = (1,-m5)ör=0
(33.14)
Ein Massenpunkt bewegt sich stets so, dass bei einer (mit den Zwangs!iihrungen verTräglichen) virtuellen Verschiebung die Summe der von den eingeprägten Kräften und den d'AlemberTschen Kräftell geleisteten Arbeit verschwindet.
e:> Die Zwangskräfte erscheinen in dieser Fassung des d' Alembertschen Prinzips nicbt. Die Gleichung 33.14 führt unmittelbar zu einer Bewegungs-Differenzialgleichung.
e:> Für ein System von Massenpllnklen mil s/Orren Bindungen untereinander modifiziert sich 33.14 zu
öW =
}JF;" -
111; 5;) ör;
= 0
(33.15)
;
weil auch die Kräfte in den starren Verbindungen keinen Beitrag zur virtuellen Arbeit leisten, da sie paarweise mit entgegengesetzten Richtungen auftreten und den gleichen virtuellen Verschiebungen ausgesetzt sind. Man beachte, dass diese Aussage bei nicht-starren Verbindungen (z. B. Federn) nicht gilt, weil die Endpunkte der Verbindungsglieder unterschiedliche virtuelle Verschiebungen erfahren.
e:> Die Aussagen 33.14 und 33.15 können sinngemäß auf starre Körper erweitert werden. Zu den d' Alembertschen Kräften kommen die d' Alembertschen Momente hinzu, auch eingeprägte Momente sind zulässig, und die virtuelle Arbeit dieser Momente errechnet sich durch MuJLiplikation mit virtuellen Verdrehungen, so dass Illan 33.14 bzw. 33.15 analog zu Gleichung 33.2 erweitern darf.
666
33 Prinzipien der Mechanik
I
Beispiel J: I_"";_ _...1 Em Hubwerk wIrd durch das konstante Moment Mo angetneben. Es soll d,e BesChleunigung ermittelt werden, mit der die Masse m angehoben wird.
Gegeben:
Mo, Js, . JS2, " , '2, R2, m.
Das System hat eincn Freihcitsgrad. Die virtuellen Verdrehungcn der Scheiben OCPI bzw. otf>2 und die virtuelle Verschiebung OX der Masse m sind durch folgende Zwangsbedingungen verknüpft: x 1 tf>2 = ~ otf>2 = -ox R2 R2 ~
~
~
CPI=-tf>2=--x ~ OCPI=--OX. 'I 'I R2 "R2 Aus der virtuellen Arbeit des Moments Mo, der Kraft mg und der d' Alembertschen Momentc sowie der d' Alembertschen Kraft oW = (Mo - JS'!P, )OcpI - JS2 i/J2 Otf>2 + (-mg - mx) ox = 0 folgt nach Einsetzen der Zwangsbedingungen
~ -JS2 x, [( Mo-Jsl ~).') 'I R2 "R2 R'i.
+ (-mg-mx)]
ox = 0
Für beliebige virtuelle Verschiebung ox muss die eckige Klammer verschwinden. Daraus errechnet sich die Beschleunigung
(Mo '2 -mg', R2)" R2 x = mrf R~ +Js10 +JS2 ..
'f
oe:> Die Vorzeichenregel beim Aufschreiben der virtuellen Arbeit iSI einfach: Eingeprägte Kräf-
te und Momente (im Beispiel mg und Mo) licfem positivc Anteile, wenn sie in Richtung der virtuellen Verschiebungen bzw. virtuellen Verdrehungen wirken. Die d' Alembertschen Kräfte und Momente gehen immcr mit negativem Vorzeichen ein. oe:> Der Versuch, das Beispiel I durch Freischneiden der drei Massen. Antragen aller Kräfte und
Momente nnd Aufschreiben der Gleichgewichtsbedingungen zu lösen (vgl. die Empfehlungen für das Lösen von Problemen nach dem Prinzip von d' Alembert im Abschnitt 29.5.2), würde auf Schwierigkeiten stoßen. Die Kräfte im Übertragungsglied von der unteren zur oberen Scheibe (Seil, Flachriemcn, Zahn riemen, Kette, ...) lassen sich allein aus den Gleichgewichtsbedingungen nicht berechnen. Es sind (vielfach nur experimentell zu ermittelnde) Zusatzannahmen über das Kraftverhältnis in dcn beidcn Trums zu lJ'effen, gegcbcnenfalls ist eine Vorspannung zu berücksichtigen. Wie der Energiesatz (vgl. Abschnitt 29.5.3) gestaltet das Prinzip von d' Alembert in der Lagrangeschcn Fassung das Aufschreiben von Bewcgungs-Differcnzialgleichungen auch ohlle Kenntnis der inneren Kräftc. Im Gegensatz zum Energiesatz beschränkt sich die Anwendbarkeit des Prinzips von d' Alembert jedoch nicht auf Problemc mit eincm Freihcitsgrad. oe;> Bei Systemen mit f Freiheitsgraden können die Ortsvektoren
ri bzw. die virtuellen Verschiebungen Ori (gegebene'lfalls auch vü1uelle Verdrehungen) in Abhängigkeit von f generalisierten Koordinatcn q" q2, . ... q! aufgeschrieben werden, und 33.15 kann in die Form
667
33.3 Prinzip von eI' Alembert in eier Fassung von Lagrange
oW = ( ... ) oq\
+ (...) Oq2 + ... + (...)OClf =
0
(33.16)
gebracht werden. Da die 8q; beliebige (voneinander unabhängige) Werte annehmen können, ist Gleichung 33.16 nur erfüllbar, wenn jede Klammer für sich Null wird. Man erhält Bewegungs-Differenzialgleichungen flir die f Freiheitsgrade (nachfolgendes Beispiel).
.r
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 FÜr eIße Laufkatze mJl angehängter Last darf als eIßfaches Berechnungsmodell das skizzierte System mit zwei Massenpunkten IIIK und IIIL und einem masselosen dehnstan'en Seil der Länge I verwendet werden. Es sollen die Bewegungs-Differenzialgleichungen rür dieses System mit zwei Freiheitsgraden formuliert werden. Als generalisierte Koordinaten werden XK (horizolltale Bewegung der Laufkatzc) und ip (Pcndclwinkel der Last) vcrwcndet. Bci Systemcn mit mehreren Freiheitsgraden empfiehlt sich das Aufschreiben der Ortsvektoren bezÜglich eines festen Koordinatensystems (in Abhängigkeit von den generalisierten Koordinaten), um dann fOnllal zu Beschleunigungen und virtuellen Verschicbungen zu kommcn:
h = [X; ]
=?
oh =
[~] OXK
äK =
~;:ZK = [.~ ] ~-+-<>-+-,-
h= [XK+lsinip] Icosip
=?
x
oh= [I] OXK+ [ ICOSip] Oip 0 -Isinip
2 ä = d h = [XK _11jJ2 sin ip + I iP eos ip] L dr 2 -/1jJ2cos ip -I iPsin ip
y
Mit diesen Vektoren liefert 33.15 nach Einsetzen und Sortieren: !Tl it
=?
[-
(IllK
+ IIlL)XK -IIlL 1iPcos ip + IIlL 11jJ2 sin ip] OXK
+ [-IIILIXKCOSip-IIILI2iP-IIlLglsinip] Oip = 0 FÜr beliebige OXK und Oip kann diese Gleichung nur erfüllt sein, wenn beide eckigen Klammern einzeln verschwinden: XdlllK +md + iPmL I cosip = mL lljJ2 sin ip XKCOSip +iPl =-gsinip Dieses hochgradig nichtlineare Differenzialgleichungssystem ist sogar in den Beschleunigungsgliedern gekoppelt und für beliebige Anfangsbedingungen nur numerisch lösbar. 1m Abschnitt 33.4.3 wird es (mit zusätzlichen Kräften) noch einmal aufgegriffen und im Kapitel 35 gelöst.
<>
Das Prinzip von d' Alembert in der Lagrangeschen Fassung ist bei Systemen starrer Körper, die untereinander durch starre Verbindungsglieder gekoppelt sind, besonders effektiv, FÜr die Berücksichtigung elastischer Verbindungsglieder (Federn) wird auf das im folgenden Abschnitt vorgestcllte Verfahren verwiesen.
668
33 Prinzipien der Mechanik
33.4 Lagrangesehe Bewegungsgleichungen Betrachtet wird zunächst ein System mit n Massenpunkten 1Il;, deren Lagen in einem kartesischen Koordinatensystem durch die ürtsvektoren r; beschrieben werden. Die Punkte sind untereinander durch starre oder nicht-starre Bindungen gekoppelt. Das Massenpunktsystem möge f Freiheitsgrade haben, so dass seinc Lagc eindeutig durch f (voneinander unabhängige) generalisierte Koordinaten qj beschrieben werden kann. Unter der Voraussetzung, dass die nicht-starren Bindungen aufgetrennt werden, so dass die in ihnen wirkenden Kräfte als äußere Kräfte behandelt werden dürfen, gilt das Prinzip von d' Alembert 33.15: n
oW =
[U';" ;=1
n - l I l j ii j )orj
=
n
[1;"
i=1
;=1
Die ürtsvektoren
(33.17)
or; - [I/ljiij orj = oW, - oW", = 0
r; können in Abhängigkeit von den generaljsierten Koordinaten in der Form (33.18)
aufgeschrieben werden, und für die virtuellen Verschiebungen gilt entsprechend 33.3: _ drj or; = "". oq] uq]
drj
drj
uqj
aqf
~
+ ... +"". oqj + ... +"". uqf
(33.19)
33.4.1 Generalisierte Kräfte, Potenzialkräfte Der erste Term in 33.17, dje virtuelle Arbeit der eingeprägten Kräfte, lässt sich mit 33.19 folgendermaßen umformen:
f oqf=[Qjoqj
= mil
arj [r;"-d 11
Qj =
i=1
j=]
.....
(33.20)
q)
Die virtuelle Arbeit oW, kann also aus dem Produkt der eingeprägten Kräfte mit den virtuellen Verschiebungen der Kraftangriffspunkte orj oder dem Produkt aus den nach 33.20 zu berechnenden Qj und den virtuellen Verschjebungen oqj berechnet werden. Man nennt deshalb die Qj generalisierte Kriifte. Wenn die eingeprägten Kräfte ausschließlich Potenzial kräfte sind, kann die virtuelle Arbeit oW, entsprechend 33.5 durch -oU ersetzt werden: dU dU dU oW, = -oU = -"". oq] - ... -"". oqj - ... -"". oqf aq, aqj aqf
(33.21 )
669
33.4 L1grangesche Bewegungsgleichungen
und der Vergleich mit der Herleitung von 33.20 zeigt, dass die generalisierten Kräfte sich in diesem Fall recht einfach aus der potenziellen Energie berechnen lassen:
oU
Q) -- -oqj -
(33.22)
Wenn nur ein Tcil der eingcprägten Kräfte Potenzial kräfte sind, sollten diese durch 33.22 erfasst und nur für die Nicht-Potenzialkräfte sollte 33.20 benutzt werden. Dabei ist es möglich, dass eine generalisierte Kraft aus bciden Quellen Anteile bezieht.
33.4.2 Virtuelle Arbeit der Massenkräfte Der zweite Term in 33.17, die virtuelle Arbeit der Massenkräfte, lässt sich mit 33.19 folgendermaßen umformen: n _ _ n _ orj 8Wm = LmjQ j 8rj = LlI1jQj B 8q1 + ... + ~ 8qj + ... + B 8qf j~1 j=J q1 q) qf (33.23) n ( f oi' ) f n or
(o,j
= [
j~1
nljäj
L-'. oq}
j~1 oq)
O,j)
L Lm;iij oq) oqj
=
_I.
j=1 j=1
Es soll nun gezeigt werden, wie 8Wm mit der kinetischen Energie des Massenpunktsystems
"(j
2 I 2 I 2) I" 2 2 2 I" -2 -lI1jVx +-mjvy +-mjV, = -2 Lmj (vx+vy+vJ = - Lmjvj 2 2 2 j~1 2j~1 zusammcnhängt. Für die Geschwindigkeitsvektorcn der Massenpunkte gilt mit 33.18:
T= L
j~1
_
(33.24)
O'j.
drj orj . O'i . (33.25) = -0 q1 +"'+-0 qj+ .. ·+-o qf dl q1 qj qf Die Ableitungen der generalisierten Koordinaten nach der Zeit qj sind die generalisierten Ceschwindigkeiten. Nachfolgend wird die partielle Ableitwlg von Vj nach qj benötigt. Es gilt Vj= -
O'j
OVi (33.26) oqj oC/j weil die ül1svektoren'j nicht von den generalisierten GeSChwindigkeiten abhängig sind. -
Mit den partiellen Ableitungen der kinetischen Energie 33.24 nach qj bzw. qj oT " _ OVi oT" _ OVj " _ - = Lmjv;- . = EfUjV;-. = [ l n j V j oqj i~1 oqj oqj j=l oqj j~1 oqj
O'j
und der nochmaligen Differenziation des zweiten Ausdrucks nach der Zeit
(o,j) = [fn;Q;-+ " _ori [m;v;OVi
" dVi ori " _ d -d (OT) - . = [111;--+ [m;v;- -
dl oqj i~J dl oqj j~1 ist folgender Zusammenhang zu erkennen:
dl
oqj
n
j=1
d (OT) oT n _ O'i - . --=L.miQj<11 oqj oC/j i~1 oqj
oqj
j~1
_
oqj
(33.27)
Der Ausdruck auf der rechten Seite entspricht exakt der inneren Summe in 33.23, kann dort eingesetzt werden. und der Zusammenhang von 8Wm und kinetischer Energic ist gefunden.
670
33 Prinzipien der Mechanik
33.4.3 Lagrangesehe Gleichungen 2. Art In 33.17 können die virtuelle Arbeit der eingeprägten Kräfte nach 33.20 durch J
oWe =
L Qj oC/}
rniL
j=1
und die virtuelle Arbeit der Massenkräfte nach 33.23 in Verbindung mit 33.27 durch oW", =
ot oC/} = LI [ddt (OT) OT] LJ"LII/;a; oe'. ~ - a-: oqj 1.,
J~I ,~t
J~I
IJ
qJ
ersetzt werden. Man erhält: oW = oWe-ow,,, =
LI {Qj- [d-dt (OT) - . -OT] - }oqj=O oqj oqj
j~t
(33.28)
Da die J vil1uellen Verschiebungen oqj unabhängig voneinander sind (System hat J Freiheitsgrade), kann 33.28 nur erfLillt sein, wenn die geschweifte Klammer für jeden Summanden einzeln verschwindet. Die entstehenden Beziehungen heißen
Lagrangesche Gleichungen 2. Art: d dt
(OT) oT oi/} - oC/} = Qj
j= 1.2, .... /
(33.29)
.
Die J Gleichungen gelten fur ein System mit J Freiheitsgraden, dessen Lage durch genau / generalisierte Koordinaten beschrieben wird. T ist die kinetische Energie des Gesamtsystems, die generalisierten Kräfte Qj können nach 33.20 aus den eingeprägten Kräften und den Ortsvektoren ihrer Angriffspunkte oder bei Potenzialkräften aus der potenziellen Energie nach 33.22 berechnet werden. Wenn ausschließlich Potenzialkräfle wirken. kann 33.22 in 33.29 eingesetzt werden:
~ dt
(OT) _oT + oU =0 oi/}
oqj
=}
oqj
~ dt
(O(T-U)) _o(T-V) =0 oi/}
oqj
Die potenzielle Energie durfte auch il11 ersten Term in die Ableitung hineingezogen werden, weil sie nicht von den generalisierten Geschwindigkeiten Cij abhängt und deshalb bei der partiellen Ableitung ohnehin keinen Anteil liefert. Für die damit in beiden Ausdrucken stehende Energiedifferenz wird ein neuer Begriff eingefühl1.
Lagrangesche Gleichungen 2. Art für konservative Systeme:
d(OL) oL_ O oin - oqj -
dt
mit der Lagrangeschell Funktion
L=T-U
j= 1.2, ... ,/
(33.30)
(33.31)
33.4 L1grangesche Bewegungsgleichungen
671
oe:> Man beachte, dass bei der Herleitung der Lagrangeschen Gleichungen 2. Art konsequent
die Verwendung generalisierter Koordinaten vorausgesetzt wurde (diese dürfen nicht über Zwangsbedingungen voneinander abhängig sein). Die Lagrangesche Funktion L(qj,{/j) darf also z. B. beim Einsetzcn in 33.30 nur noch diese Koordinaten enthalten. oe:> Die Lagrangeschen Gleichungen 2. Art 33.29 und 33.30 wurden hier für Massenpunktsys-
teme hergeleitet, gelten aber auch für Systeme starrer Körper. Dann sind unter den generalisierten Koordinaten im Allgemeinen auch Winkel, so dass 33.20 und 33.22 generalisierte Momente liefern. In die kinetische Energie fließen auch die rotatorischen Anteile ein.
r;
oe:> Vereinfachend wurde bei der Herleitung angenommen, dass die Ortsvektoren entsprechcnd 33.18 nicht auch cxplizit von dcr Zeit t abhängig sind (natürlich sind sie von t ab-
hängig über die zeitabhängigen generalisierten Koordinaten). Berücksichtigung auch einer expliziten Zeitabhängigkeit führt allerdings ebenfalls auf die Gleichungen 33.29 und 33.30, so dass diese Beziehungen auch für diesen Spezialfall gelten. oe:> Erinnerung an die Differenziationsregcln: Partielle Ableitungen nach einer Variablen wer-
den gebildet, indem alle übrigen Größen als Konstanten betrachtet werden. Beim Bilden der partiellen Ableitung nach qj ist also auch i/j wie eine Konstante zu behandeln (und umgekchrt). Im Gegcnsatz dazu bczieht sich die Ableitung nach der Zeit in den Lagrangeschen Gleichungen 2. Art auf alle zeitabhängigen Größen. oe:> Wenn nicht alle eingeprägten Kräfte Potenzialkräfte sind, kann auch mit einer Kombination
von 33.30 und 33.29 gearbeitet werden. Die Potenzialkräfte werden ['tber die Lagrangesche Funktion erfasst, und für die Nicht-Potenzialkräfte werden generalisierte Kräfte nach 33.20 berechnet, die entsprechend 33.29 einIließen.
I
Beispiel J: I_ _ _...... Für das BeIspIel von SeHe 530 (nebenstehende Skizze) soll die Bewegungs-Differenzialgleichung mit Hilfe der Lagrangeschen Gleichung bcstätigt werden. Mit dem Null-Potenzial bei x = 0 könncn die Energien so aufgeschrieben werden: I T='2m,;2
a -----
I (~ U=-mgx+'2c va 2 +x2 -b )2
(in der Klammer steht die Differenz der aktuellen Federlänge und der Länge der entspannten Feder b). Für die Lagrangesche Funktion
1
)2
1. I (~ L = T - U = '2m.r +mgx- '2c va" +x"-b
werden die benötigten Ableitungen gebildet:
~~ =mx
=*
:r C~) =mx
~~ =mg-c (va2+x2-b) ~
Einsetzen der Ableitungen in 33.30 liefert die gleiche Differenzialgleichung, die auf Seite 530 mit dem Prinzip von d' Alembert hergeleitet wurde:
mx+c (va2+x2-b)
x
Ja2+X2
-mg=O
672
33 Prinzipien der Mechanik
I
Beispiel 2: I_ _ _..... Für em Doppclpcndel sollen die BewegungsDifferenzialgleichungen der freien Schwingungen hergeleitet werden. Die Massenträgheitsmomente der beiden Pendel beziehen sich jeweils auf die Schwerpunkte. Gegeben:
ml
l
m21 JSI ) JS2, SI , $2,
LI .
Ein Doppel pendel hat zwei Freiheitsgrade. Als generalisierte Koordinaten eignen sich die beiden Winkel
'2
\
A
~
~
~
ml'
J
SI
\
m,.
S2 \.
Js ;
0
~
'" x
AO '1'1
__ [Slsin
"{I S,
Durch Differenzieren der beiden ürtsvektoren nach der Zeit erhält man die Geschwindigkeitsvektoren:
Yl
Go
i,
'1'2.....\ S,
VI = d'l = [v I X ] = [ SI
Mit den Geschwindigkeits-Komponenten können die Quadrate der Bahngeschwindigkeiten der Schwerpunkte aufgeschrieben werden: 2222·22
vI = vlx + Vly = SI
+SI2·2·2
2·2
= SI
2 + V2y 2 = (I' )2 . sm '
Damit kann die kinetische Energie des Gesamtsystems aufgeschrieben werden: T=
I
21111
2
I
.2
VI +2Jsl
I
2
I
.2
+ 21112V2+ 2 Jsz1fJ2
Für das Aufschreiben der potenziellen Energie wird das Null-PotenziaJ (willkürlich) auf die Höhe des Punktes A gelegt, so dass beide Anteile negativ werden:
Da nur Potenzialkräfte wirken, wird für 33.30 die Lagrangesehe Funktion formuliert: 2.2 1 ·2 " 1 L= 7 -U = 2mlsl
33.4 L1grangesche Bewegungsgleichungen
673
Das sich damit ergebende Differenzialgleichungssystem sieht in geordneter Form so aus:
SI)2 J51 1n2] [( -I 1 + -lni/f + -"'I
ifli + [m2 - -S2 I1
"'I
= - "'2
COS(lpl - 2)
S2
] ifI2 2) -
"', I, -m252 - eos(lpl [Inl I1
2) ].. Ipl
(~ + 1n2) ! I1
Inl
S2
g .
I1
sin Ipl (33.32)
+ [ln2 - (S2)2 - + -JS2] 2.. =
"" I, 1n,/f "'2 S2 . 2 . - - cp, sm( CPI - 2) -
"'I
I,
"'2
-
"'I
- - sm 2 11 I 1
<>
Als Ergebnis des Beispiels 2 ist ein Differenzialgleichungssystem entstanden, das aus der Sicht der Mathematik so ziemlich alle denkbaren unangenehmen Eigenschaften hat: Es ist inhomogen, hochgradig nichtlinear und in den Gliedern der höchsten Ableitungen (Beschleunigungen) gekoppelt (beide Beschleunigungen in beiden Differenzialgleichungen), und die Kopplungskoefftzienten sind von den gesuchten Funktionen abhängig (Beispiel 3 zeigl mit "Ereignissen" noch eine weitere Unannehmlichkeit). Dies ist bei praxisrelevanten Problemen leider eher Regel als Ausnahme. Eine Lösung ist nur numerisch möglich und findet sich im Kapite) 35.
<>
Das Beispiel 2 zeigt auch, dass bei Problemen dieser Art praktisch nur der hier demonstrierte Weg mit einiger Sicherheit zu korrekten Differenzialgleichungen führt. Es ist zwar möglich, nach den im Abschnitt 29.5.2 gegebenen Empfehlungen mit dem Prinzip von d' Alembert zu arbeiten (Freischneiden und Gleichgewicht), die Chance, damit korrekte Differenzialgleichungen zu erzeugen, ist allerdings vergleichsweise gering.
674
33 Prinzipien der Mechanik
I
a
Beispiel 3: I_"";_ _...1 Etne Laufkatze (Masse II1K) trägt eine Last (Masse einschließlich Anhängevorrichtung: InL, Massenlrägheitsrnomenl beziigIich des Schwerpunktes S: h). In der skizzierten Ruhelage beginnt für eine kurze Zeit!J./ die konstante Antriebskraft Fo zu wirken, die danach wieder abgeschaltet wird. Nach dem Zurücklegen der Strecke a SIÖßt die Laufkatze auf einen elastischcn Puffcr (Federzahl cl.
Die Besonderheit dieser Aufgabe besteht in dem Eintreten von "Ereignissen" (Abschalten der Antriebskraft, Zu- und Abschalten einer Feder). Man erfasst sie, indem an die Stelle der Kraft Fo die zeitabhängige Kraft F, tritt und die Federkonstante c durch Cr ersetzt wird: für für
/
< !J./ Cr
/2:!J.t
=
{O C
fur
x
für
x2:a
X
Die Bewegung soll durch die beiden generalisierten Koordinaten x und rp beschrieben werden (Abbildung 33.10). Während die Federkraft als Potenzialkraft in die potenzielle Energie einfließt, iSI die Antriebskraft als generalisierte Kraft zu behandeln. Weil sie unveränderlich die Richtung und den Richtungssinn von x hat, muss bei Verwendung von 33.30 nur die oauf der rechten Seite durch F, ersetzt werden.
J:::::i:L
X
O-Pet.
I !y
r
rp
ls
rs ,S
Abbildung 33.10: Koordinalen, Null·Polenzial
Während dic Laufkatzc wie ein Massenpunkt mit der Koordinate x verfolgt wcrden kann, wird flir die Beschreibung der Lage des Schwerpunkts der pendelnden Last der ürtsveklOr rs eingeführt. Seine Ableitung nach der Zeit ist der Geschwindigkeitsvektor des Punktes S:
_rs = [x+lssinrp]
vs = drs
Iscos rp
d/
Aus den beiden Komponenten von berechnct werden:
v~ = v~x + "~y = =
vs
=
[v sx ] vsy
=
[X+ISep~OSrp] -Is rp Stn rp
kann der Betrag der Bahngesehwindigkeit des Punktes S
+ I~ ep2 cos2 rp + 2ls x ep cos rp + l~ ep2 sin2 q> 2- + I~ ep2 + 2/sxepcos rp
..(.2
Damit kann man die gesamtc kinetische Energie des Systems (Translation der Masse 111, Translation der Masse II1L mit der Bahngesehwindigkeit ihres Sehwerpunkts "s und Rotation von II1L um S) folgendermaßen aufschreiben:
T=
I '2I1lKx2
I
I
+ '2 II1L (.r2 +l~ ep2 + 2/sxepcosq» + '2 hep2
675
33.4 L1grangesche Bewegungsgleichungen
Die potenzielle Energie setzt sich aus Energie der Lage von mL und der Energie in der Feder zusammen. Mit dem Null-Potenzial nach Abbildung 33.10 erhält man: 1
?
U = -IIlLglscosip + '2 C, (x - a)In die beiden Lagrangesehen Gleichungen
:!.- (dL)
dl
di
_ dL = Qx dx
:!.- (dL)
dr
dep
_ dL =0 dip
geht neben den Ableitungen der Lagrangeschen Funktion L noch die generalisierte Kraft Qx = F, ein. Aus I
L = T - U = '2I1lK.r2 +
I
'2l1ld.? + 11 ep2 + 2lsiepcosip) +
I
'2JL ep2 +mLglscos ip -
1
'2 c, (x- a)2
errechnet man die benötigten Ableitungen:
dL di =IIlKi+mLi+mL1sepcOSip
,
~ (~~) =II1KX+I1lLX+IIlLIsif>coSip-I1lLlsep2sinip dL dx =
-C,
(x-a)
dL dep =mLI1ep+mLlsicosip+hep
d(dL) 12 .. I" dep =mLsip+mL sxcoSip-mL I'" sXipS1l1ip+ J" Lip
dt
dL = -mLI ' . siepSlI1ip-ml glssll1ip vip -
0-
Das sich damit ergebende Differenzialgleichungssystem sieht in geordneter Form so aus:
(mK + mc)x + (I11L Iscos ip) if> = I11L Is ep2 sin ip - C, (x - a) + F, (mLlscos ip)x+ (I11L 11
+ Jc) if> =
(33.33)
-mal5sin ip
Auch wenn dieses Differenzialgleichungssystem nicht ganz so kompliziert aussieht wie das System 33.32 für das Doppelpendel (Beispiel 2), so hat eS aus mathematischer Sicht doch alle dort aufgelisteten unangenehmen Eigenschaften. Hinzu kommen ein zeilabhängiges Ereignis (Fr wird plötzlich Null bei t = fit) und mehrere wegabhängige Ereignisse (Anschlagen an die Feder, Lösen von der Feder). Da das System aber ohnehin nur numerisch lösbar ist, machen diese zusätzlichen Schwierigkeiten die Lösung nur unwesentlich komplizierter. Die numerische Lösung der DifferenziaJgleichungssysteme 33.32 und 33.33 ist zwar fnrmal nicht sehr schwierig, die Bewertung der Ergebnisse ist allerdings nicht ganz einfach. Die Lösungen für die Beispiele 2 und 3 aus diesem Abschnitt werden deshalb in das Kapitel
35 .. Verifizieren von Computerrechnungen" verschoben. weil dort diskutiert werden kann. ob damit auch die Richtigkeit der Differenzialgleichungen zu bestätigen ist.
676
33 Prinzipien der Mechanik
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials Betrachtet werden in diesem Abschnitt linear-elastische Strukturen, die sich unter der Einwirkung äußerer Belastungen verformen.
I
Beispiel J: I_ _ _...... Nach dem Im Abschnitt 33.2 behandelten Prinzip der virtuellen Arbeit für Potenzial kräfte kann die Federverlängerung s infolge des Einhängens der Masse m aus der potenziellen Energie
O-Pot.
F
l U = -mgs+ 2" cs2
Abbildung 33.11: Elastische Verformung einer Feder
nach 33.7 berechnet werden:
mg dU =0 s=-mg+cs=O ds c Im Folgenden soLI nur die Formänderungsenergie Wi in den elastischen Bauteilen durch die potenzielle Energie erfasst werden (im Beispiel I die Formänderungsenergie der Feder s2), während die Arbeit der äußeren Kräfte (im Beispiel I die Gewichtskraft mg, in der Abbildung 33.11 die Kraft F in der rechten Skizze) gesondert als W" eingeht.
tC
Im Abschnitt 33.2 wurde gezeigt, dass für die virtuelle Arbeit einer Potenzialkraft DW und dem durch die gleiche virtuelle VerSChiebung erzeugten Zuwachs an potenzieller Energie DU entsprechend Gleichung 33.5 der Zusaounenhang DW = -DU besteht. Daraus leitete sich die Beziehung 33.6 ab: DU = O. Diese kann, wenn nur ein Teil der Belastung über die potenzie))e Energie erfasst wird, zu D(U - W) = 0 modifiziert werden. Mit der gerade erwähnten gesonderten Elfassung von Wi und W" muss also (33.34) D(W,-Wa)=O
tC
gelten. Man überzeugt sich leicht, dass fiir das Beispiel mit Wi = S2 und ':Va = mgs bzw. Wo = Fs die folgende Bedingung zu dem bekannten Ergebnis flir die Verlängerung s der Feder fLihrt: d(Wi-Wo) =0 ds
=?
~ (~cs2-FS) =cs-F=O ds
2
=?
s= ':'.c
Die Beziehung 33.34 ist eine Erweiterung des im Abschnin 33.2 behandelten Prinzips der virtuellen Arbeit. Für die Differenz in der Klammer wird der Begriff elastisches Potenzial n verwendet, und die im Abschnitt 33.2 gewonnene Erkenntnis, dass bei einer stabilen Gleichgewichtslage die potenzielle Energie ein relatives Minimum hat, lässt sieh erweitern zum Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials:
n=
Wi -
w"
=?
Minimum
(33.35)
Darin ist Wi die in dem elastischen System gespeiehe.1e Formänderungsenergie, Wo ist die EndlVertarbeit der äußeren Kräfte.
677
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials
oe:> Die virtuelle Arbeit einer äußeren Kraft ergibt sich nach 33.2 aus dem Produkt der Kraft und
der virtuellen Verschiebung. Deshalb ist W" auch in 33.35 als Produkt "Kraft· Verschiebung" zu bilden (vgl. das Einflihrungsbeispiel: Wa = mgs bzw. Wa = Fs). Man beachte unbedingt:
Die Endwertarbeit Wa ist nicht identisch mit der im Kapitel 24 eingeführten Arbeit der äußeren Kräfte Wa• Während w" die "tatsächlich zu leistende Arbeir' ist (vgl. Arbeitssatz 24.5: W; = W,,), ist W" so zu bilden. als hätte die Kraft entlang des gesamten Verfonllungsweges bereits ihre volle Größe (deshalb der Begriff "Endwertarbeir'). ZwangskräJre (LageITeaktionen) sind keinen virtuellcn Verschiebungen ausgcsetzt (vgl. Abschnitt 33.1) und liefern keinen Beitrag zu W". oe:> Die Formänderungscncrgie W; kann mit den im Abschnitt 24.2 für die Grundbeanspru-
chungsarten hergeleiteten Formeln (Zusammenstellung auf Seite 424) aufgeschrieben werden, in denen die Schnlttgrößen mit den in den Kapiteln 17 bis 21 elltwickelten Zusammenhängen durch die Verformungen ersetzt wurden.
I
Beispiel 2; I_ _ _ _...I Für emen Kragträger Inlt emer Kraft F am freien Ende beträgt die Endwertarbeit W" = Fv(l), und mit der Formänderungsenergie für den Biegeträger nach 24.12 liefert 33.35:
() n=2'1 J,,2 Elv dz-Fvl
~
Minimum.
(33.36)
tu
FI
/EI
-lC~=rV(Z=I) v(z)
I-----"--~
I
oe:> Man beachte, dass damit für die Verformungsberechnung für ein elastischcs Bauteil eine
Formulierung gegeben ist, die sich von den bisher behandelten mathematischen Modellen wesentlich unterscheidct. Wällfcnd bei den in den Kapiteln 17 bis 21 behandelten RandweItproblemen (z. B.: Differenzialgleichung dcr Biegelinie einschließlich der Randbedingungen) eine Funktion gesucht war, die die Differenzialgleichung und die Randbedingungcn erfüllt, wird bei der Benutzung des Prinzips vom Minimum des elastischen Potenzials eine Funktion gesucht, die einenlntegralausdruck minimiert. Dic Bedingung der Verträglichkeit virtueller Verschiebungen mit den geometrischen Bindungen (Abschnitt 33.1) überträgt sich sinngemäß auf die Funktionen, die zur Konkurrenz bei der Suche nach dem Minimum des elastischen Potenzials zugelassen sind: Die Funktionen, die die Verformungen eines Bauteils beschreiben, müssen die geometrischen Randbedingungen erfüllen. Nur unter diesen so genannten (zulässigen) Vergleichsfunk/ionell dürfen diejenigen gesucht werden, für die das elastische Potenzial nach 33.35 zum Minimum wird.
n
oe:> Bemerkenswert ist, dass sich die Anforderungen an die Vergleichsfunktionen auf die Er-
füllung der geomelrischen Ralldbedillgullgell bescllfänken (für ein Biegeproblem sind das die Aussagen über v und v'). Natürlich muss die Lösung auch die so genannten dynamischen
678
33 Prinzipien der Mechanik
Randbedillglillgell erfüllen (bei Biegeproblemen die Aussagen über Biegemoment und Querkraft). Dies braucht jcdoch nicht als gesonderte Forderung formuliert zu werden, weil sich das Minimum des clastischen Potenzials nur für diese Funktionen einstellen kann.
e:> Die Frage, wie man (unter den im Allgemeinen unendlich vielen zulässigen Vergleichsfunktionen) die Funktion herausfinden kann, die für einen vorgegebenen Tntegralausdruck einen Extremwert liefert, ist Gegenstand eines speziellen Zweiges der Mathematik. In der Variarionsrechnllng werden einerseits die Zusammenhänge zwischen den Variarionsproblemell (Imegralausdruck soll extrem werden) und den zugehörigen Randwertproblemen untersucht, andererseits werden sehr leistungsfahige Näherungsvelfahren für die Variationsprobleme bereitgestellt I. Die Überlegungen des nachfolgenden Beispiels bereiten auf das im näehstcn Abschnitt zu behandelndc Vcrfahren vor.
I
Beispiel 3: I_ ....._....1 MIt den Im KapItel 17 beschnebenen Verfahren (Differenzialgleichungen der Biegelinie) ermittelt man für den Kragträger des Beispiels 2 unter dcr Voraussetzung konstanter Biegesteifigkeit EI die "exakte" Lösung:
Vexa!,(Z) =
:~: [3
m2- m3]
Wenn diese Funktion in den Ausdruck für
J n"'in="2(E!)2 2 2 EI F /
I
(33.37)
n (Formel 33.36) eingesetzt wird, erhält man mit 2 3 3 (Z)2 FI F / I-i d z -F 3EI =-6EI
:~O
einen WCJ1, der von keiner zulässigcn Vergleichsfwlktion unterboten wcrden kaflll. Dies soll mit einer Funktion demonstriert werden: Die Funktion VI (z) = az4 z. B. mit zunächst belicbigem Faktor a crfüllt die beiden geometrischen Randbedingungen VI (0) = 0 und 1"1 (0) = 0 und ist damit als Vergleichsfunktion zulässig. Mit VI ergibt sich I
nj
EIJ (12az 2 )2 dz- Fal 4 ="2
72 Ela 2 / 5 -Fal 4 = 5"
z=O
und
nl
ist bei beliebigem a größer als n",ü" wie folgende Extremwertbetrachtung beweist:
anl =0
aa
5F
a=--144EIl
5 F2 l 3 288EI
----
Der errechnete Wert (nicht sein Betrag) ist auch für das optimale a größer als n",in. I Dir
wiC'htigstc Strategie in der Variationsrechnung zum Auffinden der Funktion. für die das VariationsprobJcm den Extremwert lalsächlich aoojrnnll. i!>l die Überfiihrung in ein Randwenproblem. Für das Problem 33.36 wäre dies die Differenzialgleichung der Biegelillie mit den zugehörigen Ralldbedingungcn. Gennu die<;c Strategie ist aber rur de,n Ingenieur in der Regel nicht interessant. weil er dann gleich das Randwertproblem fonnuliercn k
679
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials
33.5.1 Das Verfahren von Ritz Das im Beispiel 3 des vorigen Abschnitts demonstrierte Vorgehen, eine Vergleichsfunktion mit einem zunächst unbestimmten Ansatzparameter zu wählen, um diesen dann so zu bestimmen, dass zwar im Allgemeinen nicht Tl",;,,, aber immerhin der für diese Vergleichsfunktion kleinste mögliche Wert für das elastische Potenzial erreicht wird, ist auch die Grundidee eines sehr effektiven Näherungsverfahrens. Es ist das nach WALTER RITZ (1878 - 1909) benannte
VerfahreIl
VOll
Ritz:
Pür ein (eindimensionales) Variationsproblem, das in der aJlgemeinen Porm J {v(zn
=>
(33.38)
Extremum
gegeben sei, ist die Punktion v(z) gesucht, die diese Bedingung erfüllt. J ist im AJlgemeinen ein Jntegralausdruek, der v(z) und deren Ableitungen enthält (z. B. das elastische Potenzial Tl). Für die Funktion v(z) wird ein Ansatz mit Koeffizienten G; in der Form
Vergleiclrsjill1ktionel1 v;(z) und unbestimmten
11
n
v(z) = [G; Vi(Z)
(33.39)
i=l
gewählt (Ritz-AnsGtz). Dabei muss jede Funktion V; die wesentlichen Randbedingungen errullen (für Biegeprobleme sind das die geometrischen Randbedingllngen). Die G; werden danach so bestimmt, dass J den rur den Ansatz 33.39 möglichen minimalen Wert annimmt. Die dafür notwendigen Bedingungen
dJ =0 dG;
(33.40)
i = 11 2 1 . " , Il
bilden ein lineares Gleichungssystem mit n Gleichungen für die n Koeffizienten
G;.
Die Strategie der Realisierung dieses universell anwendbaren Verfallrens (auch für mehrdimensionale Probleme) wird zunäcbst noch einmal an dem sehr einfachen Beispiel aus dem vorigen Abschnitt demonstriert.
Beispiel]:
I
I_ _ _ _.... Mit den dreI Funktionen
die einzeln die geometrischen Randbedingungen
v(z = 0) = 0
v'(z=O) =0
für den skizzierten Kragträger e,füllen und damit als Vergleiellsfunktionen zulässig sind, wird der Ritz-Ansatz
gebildet. Für J wird das elastisclle Potenzial (vgl. Beispiel 2 im vorigen Abschnitt) mit vformuliert, und 33.40 liefert die BestirnmllngsgJeichungen für die Koeffizienten Gi:
680
33 Prinzipien der Mechanik
J=
n=
i
/
j El'v,,2 dz - Fv(l)
~
Minimum
,=0 /
on =0
j
oa;
z=O
Elv" ov" dz- F ov(l) = 0 oa; oa;
Mit
(lv" oa2 =6z
,
können die drei Bestimmungsgleichungen flir al, a2 und a3 aufgeschrieben werden: /
on
--0'
oal -
.
EI j(2a l +6a2Z +12a3Z2 ). 2
dz-FP=O
Z=O /
EI j(2a l +6a 2Z +12a3Z2 ). 6z dz-F/3=0
,
z=O /
EI j(2al+6a2Z+12a3Z2).12z2dZ-FI4=0 Z~O
Nach der Integration erhält man ein lineares Gleichungssystem mit folgender Lösung:
[: I~; 1:;:] [:~] 8
181
1~412
a3
= [:]
I
~:
FI 2EI
a3 =0
(11=--
.
Damit liefen das Ritz-Verfahren mit den gewählten Ansatzfunktionen dieses Ergebnis:
3 _ FI 2 F 3 F/ [ (Z)2 V(Z) = 2EI Z - 6EI Z = 6EI 3 7
- (Z)3] 7
r.:> Die "Näherungslösung"' ist in diesem Fall mit der exakten Lösung identisch. Es gilt generell: Wenn im Ritz-Ansatz v(z) (zufällig) die exakte Lösung enthalten ist, liefen das Verfahren die Koeffizienten ai so, dass v(z) zur exakten Lösung wird. r.:> Die Qualität der Näherungslösung wird wesentlich dadurch bestimmt, wie gut mit den Ansatzfunktionen Vi(Z) die tatsächliche (das elastische Potenzial minimierende) Lösungsfunktion anzunähern ist. Die Wahrscheinlichkeit, eine gute Näherung zu ermöglichen, erhöht sich natürlich mit einer größeren Anzahl von Ansatzfunktionen. Sollten völlig untaugliche Vergleichsfunktionen darunter sein, dann werden sie vom Verfahren ohnehin herausgefilten (a3 = 0 im gerade behandelten Beispiel sorgt dafür, dass die Ansatzfllnktion V3(Z) = Z4 keinen Anteil zur Lösung beiträgt).
681
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials
Das elastische Potenzial n, das in 33.35 als Differenz von Wi und Wa definiert wurde und beim Verfahren von Ritz entsprechend 33.38 für die Funktion J steht, muss für ein beliebiges System natürlich mit allen Formänderungsenergien für Wi und der Endwertarbeit aller äußeren Kräfte für Wa aufgeschrieben werden. Dies soll hier exemplarisch für Biegeträger formuliert werden, bei denen außer der Formänderungsenergie, dje jm verformten Träger steckt, auch noch Beilräge
von elastischen Lagern (Federn mit der Federzahl c, Drehfedern mit der Drehfederzahl CT) zu berücksichtigen sind. Belastet werden Biegeträger durch Einzelkräfte, Einzelmomente und Linienlasten (Abbildung 33.12 zeigt einen Biegeträger mit diesen Lagern und Lasten).
~
cr
F
ql
==~~=:::;o:==~======:::;;:==~ ----=!: ,
"
~ Cz
El( z)
v
Abbildung 33.12: Biegeträger mit elastischen Lagern
Elastisches Potellzial fiir eillell Biegeträger mit Ullielliasl, Eillzelkräflell IIl1d Eillzelmomelltell, der elaslisch allf Federn IIl1d Drehfedern gelagerl isl: D=-I
2
J I
I '\' 2 I '\' ,2 EIl' ,,2 dZ+-L.CkVk+-L.Cr.,Vk 2, 2,
J
'\'
'\' '
qvdz-L.FkVk-L.MkVk k
I
. (33.41)
k
Vk und Vk' sind die Durchbiegungen bzw. Biegewinkel an den Angriffspunkten von Lasten bzw. Federn.
c:> Für das zentrale Problem bei der Benutzung des Ritzsehen Verfahrens, geeignete Ansatzfunktionen zu finden, bieten sich folgendc Möglichkeiten an: • Mit Polynom funktionen lasscn ich immer Ansätze finden, die die geometrischen Randbedingungen erfüllen. Für diese Funktionen sind die Integrale (zumindest bei konstanter Biegesteifigkeit) geschlossen lösbar. Unter www.TM-aklllell.de findct man zahlreiche Beispiele, die mit dieser Strategie gelöst werden. • Im Abschnitt 33.5.4 wird mit bereichsweise formulierten Ansatzfunktionen eine besonders leislungsfahige Variante behandelt. • Oft bietet sich eine recht pragmatische (und schnellc) Lösung an: Man entnimmt Formelsammlungen oder Taschenbüchern die Lösung von Problemen mit gleichen geometrischen Randbedingungen (bei belicbigen Belastungen, Steifigkeitcn, ... ) und hat damit zulässige Vergleichsfunktionen. Dies demonstriert das nachfolgende Beispiel.
I
I-=B'--e-=-is-p-=-ie-=I-=2': F" d
k"
_ _ _ _~ _ur cn S IZZlerten
B'
..
. I'
"
legetrager mIt Inear veran-
derlicher Linienlast und linear veränderlicher Biegesteifigkeil
q(z) = qA
(I + D
EI(z) = EIA
(I + 7)
soLI eine grobe Nähernngslösung mit einem nur eingliedrigen Ritz-Ansatz für die Biegeverformung bestimmt werden. Gegeben: I,
qA,
EIA
·
q(z)
fITmTTJ
",A
-
z
El(z)
I
B
682
33 Prinzipien der Mechanik
Die Aufgabe entspricht dem Keil unter EigengewichtsbelaslUng, für den auf Seite 282 die exakte Lösung angegeben ist, so dass ein Genauigkeitsvergleich möglich sein wird. Das elastische Potenzial wird entsprechend 33.41 mit zwei Anteilen aufgeschrieben (Formänderungsenergie des verformten Trägers und Endwel1arbeit der Linienlast):
n= ~
I
J
I
EI(z) v "2(z) dz -
,~O
J
q(z) v(z) dz
Minimum
=;.
(33.42)
,~O
in einem Taschenbuch2 findet man die Lösung für das nachstehend skizzierte Problem mit konstanter Biegesteifigkcil und konstanter Linicnlasl (aber den gleichen Randbedingungen wie rur das Problem der AufgabensteIlung): I
II
I
, r
_v(z)=-qO/4 [z--3 (Z)3 (Z)4] - +2-
EI o B
48 E10
I
I
/
Abbildung 33.13: Biegclinie flir konstante Biegesteifigkeit Elo und konstante Linienlast qo
Diese Funktion ist also als Vergleichsfunktion zulässig (es genügt selbstverständlich der Ausdruck in der eck.igen Klammer). Da nur ein eingliedriger Ritz-Ansatz verwendet werden soll, kann dieser folgendermaßen formuliert werden:
[7-
v=alvl=al
3
(7)3 +2Gr]
Werden v = al VI und v" = al VI" in die Formel für das elastische Potenzial 33.42 eingesetzt, liefert die Minimalbedingung: I
dn =0 dal I
J q(z) VI (z) dz Z~O
al = -:','---'-------
J EI(z) VI ,,2(Z) dz
al
I
J
EI(z) VI ,,2(Z) dz -
z=O
I3q A l
J
q(z) VI (z) dz = 0
;:=0
4
684EIA
4
=;.
V=
13qA/
648EIA
[~/ -3 (~/)3
+2 (~/)4]
<:=0
Die nebenstehende Abbildung zeigt die Näherungsfunk.'1ion im Vergleich mit der exaktell Lösung (dargestellt sind die dimensionslosen VerschiebunEI gen v· = ~,. V). ObwoW nur qA mit einem eingliedrigen RitzAnsatz gerechnet wurde, ist das Ergebnis recht gut.
Durchbiegung
v·
z exakt
6 OL----~O.c-2----O~.4------cOL.6---c-----cOL.8---'---J
2Z. 8.: Dubbel. Taschenbuch rur den Ma~hü)enbau, aber auch in vielen anderen Büchern und Formelsammlungen.
683
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials
33.5.2 Randwertproblem und Variationsproblem Tm Beispiel 2 des vorigen Abschnitts wurde mit 33.42 das Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials für den durch eine Linienlast belasteten Biegeträger angegeben. Das so formulierte Variationsproblem ist dem Randwertproblem gleichwertig, Zu dem nach 17.4 die Differenzialgleichung (33.43) [E/(z)v"(Z)]" = q(z) und dic Randbedingungen gehören. Wenn auch diskrete Belastungen (Einzelkräfte, Einzelmomente) und elastische Lager vorhanden sind. die beim Randwertproblem über die Randbedingungen einfließen. muss das Variationsproblem entsprechend 33.41 formuliert werden. Zu allen mit 33.43 zu formulierenden Randwertproblemen existiel~ also ein äquivalentes Variationsproblem 33.41. Entsprechende Analogien zu einem äquivalenten Variationsproblem lassen sich für alle Randwertprobleme finden. die in den Kapiteln 14 bis 23 und im Abschnitt 32.6 behandelt wurden. Mit den Mitteln der Variationsrechnung, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, lässt sich diese Zuordnung auch formal-mathematisch nachweisen: Zu einem Randwertproblem, das mit einer Differenzialgleichung des Typs
[11 (z)v"(z)]/I
~
[h(z)v'(z)]' +f3(z)v(z) = r(z)
(33.44)
formuliert werden kann. gehört das äquivalente Variationsproblem
2:1
J[1 v I
,,2
+
f 2V ,2 +]v f 2 - 2 rv] d z+Wi • -W" - *
.. MinImum
=}
(33.45)
f
W/ und W; sind diskrete Anteile, die beim Randwertproblem über die Randbedingungen erfasst werden. Bei elastostatisehen Problemen fließt über W/ die Formänderungsenergie disist die Endwertarbeit, die von äußercn Einzelkräftcn bzw. -momcntcn kreter Federn ein, geleistet wird (vgl. Erläuterungen auf Seite 681):
W,;
*
Wi =
" ,2 2:I "L,c, vk2 + 2:IL,CT.k vk k
k
W; = Il'kV!+ IM,v,' ,
oe:> Man erkennt, dass 33.43 ein Sonderfall von 33.44 für 12 r = q entsteht aus 33.45 das Variationsproblem 33.42.
(33.46)
k
= 0 und h = 0 ist. Mit It = EI
und
oe:> Auch die Differenzialgleichung der Biegelinie des elastisch gebetteten Trägers 19.3, die Dif-
ferenzialgleichung für den Torsionswinkel 21.11, die Differenzialgleichung für den Knickstab 23.10 (siehe auch www.TM-aktuell.de) und die Differenzialgleichung für den Biegeschwinger 32.34 sind Sonderfälle von 33.44, so dass man mit 33.45 zum jeweils zugehörigen Variationsproblem kommt.
W,;
Die Endwertarbeit ist dabei nur für Belastungen zu ergänzen, die nicht schon über die Differenzialgleichung einfließen. Beim nur durch Kräfte in Stablängsrichtung belasteten Knickstab zum Beispiel werden diese durch die Normalkraft erfasst. die in 33.44 in der Funktion 12 stcckt und über diese in das Variationsproblem einfließt.
684
33 Prinzipien der Mechanik
I
Beispiel J: I_"";'_....1 Em Stab mit konstantem Querschnitt Ist nur durch sem Eigengewicht belastet (vgl. Beispiel auf Seite 417). Seine kritische Länge soll näherungsweise mit dem Verfahren von Ritz berechnet werden. Gegeben:
Zl
l
EI, Dichte p , Querschniusftäche A .
Zur Differenzialgleichung flir den Knickstab [EI(z) v"(z)]" - [FN(z) v'(z)]' = 0 (siehe Seite 415) gehört nach 33.45 das äquivalente Variationsproblem
EI, pA
I
ll=
iJ
[EI(z),,1/2(Z)+FN(z)v'2(Z)] dz
=}
Minimum
=~O
mit der Normalkraft FN, für die bei Eigengewichtsbelastung bezüglich der skizzierten Koordinate
FN = -pgAz einzusetzen ist. Für den einfachen Lagerungsfall lassen sich problemlos Vergleichsfunktionen für das Ritzsche Verfahren finden. Man überzeugt sich leicht, dass z. B. Vt = Z (1-
z)
und
V2 =
Z2 (1- z?
jeweils die geometrischen Randbedingungen 1/(0) = 0 und 1/(1) = 0 erfüllen. Nach dem Einsetzen des zweigliedrigen Ritz-Ansatzes
in das Variationsproblem liefern die beiden Minimalbedingungen: I
J [EI(al I/~' +a2"2)v'( -pgAz(ol"~ +a2v2)I/'I] dz=O =~O
I
J
[EI(C/i
,,~' +Cll 1/2) "2 -
p gA «al"~ +a2 "2) 1/2] dz = 0
=~O
Nach dem Berechnen der Integrale ergibt sich mÜ
[4~p~~it ~l~~~;;~i;]
[:J
[~]
=}
4~p~~( ~1~~B;i~i;
=0
ein homogenes lineares Gleichungssystem für die Ansatzparameter 01 und Cl2, das (wie angedeutet) nur dann nichttriviale Lösungen haben kann. wenn seine Koeffizientendeterminame verschwindet. Dicse Bedingung führt auf eine quadratische Gleichung
A2 -360A+6720=O deren kleinere Lösung
A.,,,,,, =
3
mit
A = pgAl
EI
19,75 die gesuchte kritische Länge liefert:
hr=
J
Am'''~=2,70« EI pgA pgA
weicht nur ctwa 2, I% vorn exakten Wert ab (vgl. Ergebnis dcr Rechnung auf Seite 419).
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials
685
I
Beispiel 2: I_"";_ _...1 Zur DifferenzIalgleIchung für d,e BIegeschwingungen von Trägern mit kontinuierlicher Massebelegung [EI(z)Z"(z)]" - OJ2 pA(z)Z(z) = 0 (siehe Seite 649) soll nach 33.45 das äquivalente Varialionsproblem fonnuliert werden.
Abbildung 33.14: Biegeschwinger
Wenn (wie in Abbildung 33.14 angedeutet) Federn mit den Federsteifigkeiten Cb Drehfedern mit den Steifigkeiten CT.k und Einzelmassen Mk berücksichtigt werden (auf Punkte wirkende Federn und Punktmassen gehen bei der Lösung mit Hilfe der Differenzialgleichung über Randund Übergangsbedingungen ein), lautet das Varialionsproblem:
n=~J(EIZ"2_OJ2PAZ2) dz f
(33.47)
2 + -I " t...CkZk2 + -1" t...CT.kZk,2 - -1"" OJ- t...MkZk
2 k
2 k
k
2
'*
Minimum.
An diesem Beispiel soll gezeigt werden, wie das Velfahren von Ritz formalisiert werden kann. Es wird ein Ansatz mit n Vergleiehsfunktionen entsprechend Il
Z(z) = Lai Zi(Z)
(33.48)
i=]
gewählt, mit dem n Minimalbedingungen
dn =0
(33.49)
i= 1,2, ... ,n
da;
formuliert werden. Die Rechnung, die im Beispiel I für zwei spezielle Ansatzfunktionen ausgeführt wurde, führt hier (mit durchaus erträglichem Aufwand) auf analoge Weise für n allgemeine Funktionen Zi auf das allgemeine Matrizeneigenwel1problem
(
k ll k l 2
kill
k12 k22
k2n
kin
k2n
rnll
_ OJ2
knn
""2
1111 n
ml2 "'22
1112"
ml n
m nn
Jn2n
]
a,
0
a2
0
a ll
mit
kij = /EIZ/'Z/' dz+ LCkZ/.kZj.k+ LCT.kZ:,kZj.k { k k und
"';j = J pAZ;Zj dz+ LMkZ;,kZj.k {
(33.50)
0 0 (33.51 )
(33.52)
k
Weil sowohl die Berechnung der Matrixelemente kij und In;j nach 33.51 bzw. 33.52 als auch die Lösung des allgemeinen Matrizeneigenwertproblems 33.50 einem Mathematik-Programm übertragen werclen kann, beschränkt sich der Aufwand im Wesentlichen auf die Bereitstellung der Ansatzfunktionen 33.48. Unter www.TM-aktuell.defindetmanmehrereBeispiele.clie auf diese Weise mit Polynomansätzen gelöst wlLfden. Die Anzahl der Eigenwerte (Eigenkreisfrequenzen), die man erhält, entspricht der Anzahl n der verwendeten Ansatzfunktinnen.
686
33 Prinzipien der Mechanik
Sonderfall: Rayleighscher Quotient Wenn fLir die Näherungslösung des Variationsproblems 33.47 ein Ritzscher Ansatz mit nur einer Ansatzfunktion entsprechend 2(z) = a Z(z) (33.53) verwendet wird, degeneriert das allgemeine Matrizeneigenwertproblem 33.50 fur die Bestimmung der Ansatzparameter zu einer Gleichung:
(k - W? m)a = 0 mit
k=jE,z"2dz+Lqzl+LcTkz~2 {
k
und
(33.54)
m=jPAz2dz+LMkZI
k
{ k
Daraus lässt sich eine Näherungsformel für das Quadrat der kleinsten Eigenkreisfrequenz erzeugen, der so genannte Rayleighsche Quotient:
f EIZ,,2 dz+ [qZI + [CTkZ[2 W?
I
f
k
(33.55)
k
pAz2 dz+ [MkZl
{
k
Damit kann in der Regel nur eine recht grobe Näherung erzielt werden, es sei denn, die gewählte Ansatzfunktion ist der Eigenschwingungsform sehr ähnlich (nachfolgendes Beispiel).
I
I Beispiel 3: _ _ _ _.... Für den skIZZIerten Träger mit konstanter BIegesteifigkeit Elund konstanter Massebelegung pA ist die kleinste Eigenkreisfrequenz der Biegeschwingungen näherungsweise mit Hilfe des Rayleighsehe Quotienten zu bestimmen und mit der exakten Lösung (siehe Seite 650) zu vergleichen. Gegeben:
EI = 3000Nm 2
;
F=:"'=;======1-2. IZ EI, pA -, I
pA = 3kg/m; / = Im.
Bei Verwendung einer beliebigen Ansatzfunktion Z, die die geometrischen Randbedingungen erfUlIt, ist das Ergebnis erwartungsgemäß sehr ungenau. So erfüllt die Funktion Z = Z3 - / Z2 zum Beispiel, wie man sich leicht überzeugt, die geometrischen Randbedingungen, doch 33.55 liefert damit den unbrauchbaren Wert WI =648, IS-I (zum Vergleich: W'.exakt =487,6s- I ). Ein wesentlich besseres Ergebnis darf man erwarten, wenn man eine elastostatisehe Biegelinie als Ansatzfunktion verwendet. Es bielet sich natürlich an, die Biegelinie für einen Träger mit konstanter Linienlast zu verwenden (Abbildung 33.15, vgl. Beispiel auf Seite 262):
v(z) =
4~O::o [2 Gf -5 G/ +3 Gfj
Als Ansatzfunktion muss nur der Inhalt der eckigen Klammer verwendet werden. Mit
~o IV
EI
O
-,-
I Abbildung 33.15: Biegelräger
erhält man die ausgezeichnete Näherung W, = 488,6s- l , und dass auch dieser Wert über dem exakten Wel1 liegt, ist kein Zufall: Alle mit dem Verfahren von Ritz und dem Rayleighschen Quotienten berechneten Frequenzen nähern den exakten Wert "von oben".
687
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials
33.5.3 Verfahren von Ritz mit bereichsweise geltenden Ansatzfunktionen Die Genauigkeit einer Näherungslösung nach dem Verfahren von Ritz ist wesentlich davon abhängig, ob die gewählten Ansatzfunktionen Aexibel genug sind, die exakte Lösung möglichst gut nachzubilden. Dieses Ziel kann erreicht werden durch • Verwendung einer großen Anzahl von Ansalzfunktionen oder • Aufschreiben der Ansatzfunktionen für Teilbereiche bei möglichst großer Anzahl von Bereichen (die Lösung wird "stückweise angenähert"). Bei dieser Variante muss natürlich auch die Einschränkung der Auswahlmöglichkeiten (Abschnitt 33.5.1) beachtet werden: Die Ansatzfunktionen für das Verfahren von Ritz müssen den Kriterien für zulässige Vergleichsfunktionen genügen ("geometrisch zulässig" sein). Der Biegeträger in Ab-
bildung 33.16 zeigt das noch einmal: Zulässige Verg Iei chsfu nktionen erfüllen die geometrischen Rand- und Übergangsbedingungen.
'==='====II~ ~~
.ls:.F==''='==''=='=='
Abbildung 33,16: Zulässige Vergleiehsfunklion (links) ulld ullzulässige Vergleichsfunktionen (rechts)
Für Biegeprobleme bedeutet das: "Stetigkeit der Biegelinie und ihrer ersten Ableitung" (kein "Sprung", kein "Knick"). Das nachfolgende Beispiel demonstriert das Aufschreiben der Ansatzfunktionen für zwei Tei lbereiche, wobei zunächst die geometrische Kompatibilität an den Lagern und der Übergangsstelle hergestellt werden muss.
I
I Beispiel: Für den skizzierten Träger mit konstanter Bicgesteifigkeit soll die Durchbiegung näherungsweise nach dem Verfahren von Ritz berechnet werden, indem für die beiden Bereiche jeweils eine Ansatzfunktion dritten Grades verwendct wi.rd. Gegeben:
I"
IF
EI, F, qB.
EI
Die 8 Parameter der beiden Ansatzfunktionen -
VI
t""'''''1
=ao+aIZI +a2ZI2 +a3Z13
"2 =
Go +GI Z2 +G2Z~ +G3Z~
müssen zunächst für die geometrische Kompatibilität sorgen, die bei Erfüllung folgender geometrischer Randund Übergangsbedingungen gegeben ist:
VI (ZI
= 0) = 0
ao =0
VI (ZI = I,) = V2(Z2 = 0)
a I I, + a2 (f + a) I; = Go
VI'(~I =
aJ + la2/, + 3a)/; = GI
I,) = V2'(Z2 = 0)
V2 (Z2 = I, ) = 0 V2'(Z2 =1,) =0
GO+GI/,+G2/;+G3/; GI
+2G2/,+3G3/; =0
=
0
qB
688
33 Prinzipien der Mechanik
Nach Erfüllung dieser fLinf Rand- und Übergangsbedingungen bleiben von den acht Ansatzparametern drei unbestimmt. Als verbleibende Parameter werden aa, al und al gewählt, weil sich deren geometrische lnterpretierbarkeit als Vorteil erweisen wird: ao ist die Verschiebung in Trägermilte (wegen V2(Z2 = 0) = ao), al und al sind die Biegewinkel VI' am linken Lager bzw. V2' in der TrägermiLte. Dafür werden
rpl
al =
ao = V2
al = rpz
gesetzt, die übrigen Ansatzparameter können mit den Rand- und Übergangsbedingungen durch diese drei Größen ersetzt werden, und m,m erhält (nach etwas mühsamer Rechnung) die beiden Ansatzfunktionen mit insgesamt nur noch drei freien Parametern:
VI =
rpl (ZI
-2 ~: + ~D (3 ;i -2 ;1) +V2
+rpz (-
~: +~) = rplgl + v2g2+rpzg3
(
z~ + 2 '3 Z~) V2 ( I - 3 2'
Z~) = + rpz Z2 - 2 -z~ + 2' v282 + rpz 83 ~ ~ 4 ~ (für die Klammern stehen die Abkürzungen gl, g2, ...). Das Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials muss mit den Anteilen aus beiden Bereichen aufgeschrieben werden: V2 =
f -
1 2 .
n =-
~
;l~
f-
~
Elvi ,,2 d ZI+-I 2
~
J -
Elv2 ,,2 dZ2-
Q~
Minimum
q2v2dZ2-Fv2
.
~~
mit q2 = qB Z2. Die Minimalbedingungen I,
an = 0 arpl
an = 0
an = 0
a"2 arpz liefern schließlich ein lineares Gleichungssystem für die Ansatzparameter:
[
kll
kl2
kl2
k22
:~~] [:~] [:~]
kl3 k23 k33
rpz
/,
kl j
mit
b3
ZI
J
Elgl" g/' dZ I
(j
=
1.2,3)
=-0
Je
11'
k;j =
J
=
EI g;" g/' dZI
ZI=O
+
J
El"g;"8/' dZ2
(i,}=2,3)
'::2=0
f"
b2=.
Z2=0
Q282dz2+F
b}=
.//~
Q283dz2
Z2=0
Das Erzeugen dieses Gleichungssystems war nicht schwierig, ist allerdings etwas aufwendig, und dieser Algorithmus ist deshalb für die Handrechnung nicht zu empfehlen. Man erkennt jedoch einen bemerkenswert formalen Aufbau der Integrale, die die Koeffizienten des Gleichungssystems bilden. Die Vermutung liegt nahe (und wird sich als richtig erweisen), dass sich das Aufschreiben der Integrale auch bei komplizierteren Problemen formalisieren lässt. Die Matrix ist symmetrisch, es gehen Abmessungen und Steifigkeiten ein (..Steifigkeitsmatrix"), die Belastungen stehen im Vektor der rechten Seite ("Belastungsvektor"). die Verwandtschaft mit der Finite-Elemente-Methode wird deutlich.
689
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials
33.5.4 Verfahren von Ritz und Finite-Elemente-Methode Das im vorigen Abschnitt demonstrierte Aufschreiben von Ritz-Ansätzen, die nur jeweils flir einen Bereich gelten, bietet sich als genereU anwendbare Strategie in dem Sinne an, dass ein für einen Bereich geltender Ansatz auch für eine größere Anzahl anderer Bereiche verwendet wird. Behandelt wird exemplarisch der durch eine Linienlast belastete Biegeträger, ftir den das Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials auf das Variationsproblem 33.42 führt. Die Durchbiegung soll mit dem Ritzsehen Verfahren berechnet werden, wobei bereichsweise Ansatzfunktionen 3. Grades verwendet werden. Betrachtet wird zunächst ein beliebiger Bereich e mit den Endpunkten i und j, der Länge le und einer eigenen Bereichskoordinate Ze (Abbildung 33,17). Die Biegesteifigkeit Ele(ze) und die Linienlast qe(z.) werden als bekannt vorausgesetzt. Bezogen auf die bereichseigene Koordinate werden die vier Ansatzparameter einer aJlgemeinen
1
,,,
Li . i
I
~
\
=1I0+1I1
=
0)
= V; ,
1
I
i
j
k
~
f q e (ze) j
i
Ele(ze)' l,
v,
,
'P,
Ze+a2Z;+a3Z;
(33.56)
durch die VerformungsgröBen V;, rp;, Vj und rpj an den Punkten i bzw. j ersetzt (vgl. das Beispiel im vorigen Abschnitt). Aus den vier Bedingungen
ve(Ze
,
I
e
Funktion dritten Grades
ve(Ze)
1
I
ve'(Ze = 0) = rp; , ve(z.
=
le)
3e
Vj
'Pj
ve( ze)
Abbildung 33.17: Ein beliebiger Bereich e aus einem System
= Vj ,
ve'(z. = le)
= rpj
(33.57)
werden (mit erträglicher Mühe) "O, "1, 1I2 und "3 berechnet und in 33.56 eingesetzt:
(33.58) Dieser Verschiebungsansatz für den Bereich e wird nun (bezogen auf die jeweils bereichseigene Koordinate) mit den gleichen Funktioncn für alle Bereiche verwendet, wobei als Ansatzparameter jeweils die Verformungsgrößen des entsprechenden Bereichs gewählt werden, für den Nachbarbereich f mit den Endpunkten j und k also zum Beispiel:
Da für den Bereich
f
dann automatisch die sinngemäß modifizierten Bedingungen 33.57
gelten, ist gesichert, dass sich an den Bereichsgrenzen (hier: Punkt j) zweier benachbarter Bereiche (hier: Bereiche e und f) gleiche Verformungsgrößen (hier: Vj und rpj) einstellen. Dies soll als besonders wichtige Erkenntnis feslgehalten werden:
690
33 Prinzipien der Mechanik
Durch die Wahl der Verformungsgrößen an den Endpunkten als Ansatzparameter für die bereichsweise geltcnden Ansatzfunktionen wird automatisch die innere geometri ehe Verträglichkeit der verformten Struktur garantiert. ,~
Die Einschränkung dieser Aussage auf die "innere" geometrische Verträglichkeit ist erforderlich, weil z. B. die Verformungsbehinderung "von außen" (durch Lager) noch nicht berücksichtigt ist. Man sollte sich die geometrischen Randbedingungen infolge der Lager dadurch erfüllt denken, dass die entsprechenden Verformungsgrößen VL bzw. ipL den Wert Null haben, und Teile der Ansatzfunktionen entfallen.
Das elastische Potenzial wird mit diesen Ansatzfunktionen für das gesamte System (Summe über alle Bereiche) aufgeschrieben:
n=
IJ'
... + -
2
I/
EI,(z, )-1I2() v, z, dz, + -
2.
EIJ ()-1I2() zJ vJ zJ dZJ + ...
1/
ft'
... -J
Cf,(Ze)V,(z,) dz, -
(33.59)
J
=>
CfJ(zJ)liJ(zJ) dZJ -...
Minimum
If
le
n wird minimal, wenn die partiellen Ableitungen nach sämtlichen Ansatzparametern VI, ipl, •.. , verschwinden. Dabei liefern immer nur wenige Integrale einen Beitrag, für die partiellen Ableitungen nach Vj und ipj zum Beispiel sind es nur die in 33.59 angedeuteten vier Integrale, weil Vj und
Vi,
Da außerdem in allen Integralen gleichartige Funktionen stehen, ist es SilUlVOII, zunächst die Frage zu untersuchen, welchen Anteil ein Bereich zu den Minimalbedingungen liefeil, um danach die Anteile der (beiden) Bereiche zu den Minimalbedingungen des Grenzpunktes zusammenzusetzen. Zum Beispiel kann aus der partiellen Ableitung des Potenzials n nach Vj
J
EI, V,"
g~ dZe
+/
I"
EIJ
v/' g'( dZJ -
I[
.I
Cf,g3 dz, -
Ir
.I
CfJ g, dZJ = 0
I/
der "Bereich-e-Anteil" separiert werden:
J
EI, ve"
g~ dl~ -
4
.I
Cf, g3 dl-e = 0
~
Nach Einsetzen der kompletten Ansatzfunktion 33.58 kann dieser Anteil in der Form
Vi
J g~ JEI,g~2 EI,g'(
+Vj
dZe +
le
JEI,g~g~ JEI,g~g~ .I
dz, +
Je
dZe
I,.
dZe -
le
Q,g3 dZe = 0
I..
aufgeschrieben werden. und aus den partiellen Ableitungen nach den drei anderen Ansatzparametern. für die der Bereich e Beiträge liefert, resultieren entsprechende Beziehungen:
691
33.5 Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials
k(e). (e). Je) . f(e) - 0 k (e). 11 v,+ 12 !p,+k 13 v)+k I4 !p)- I -
k(e) v. + ~(e) fn. + k(e) v. + k(e) fn. - j(e) - 0 31
I
"'32
33
't'1
3
34 'f'J
J
-
(33.60)
,
(e) v· + k(e) fn· + k(e) v· + k(e) fn. _ j.(e) - 0 k41 I 42 't'1 43 ) 44 't' ) 4mit
k(e) = JE i(' ~lIIn
N gn Nd Ze gJll
I,
Entsprechende Beziehungen sind fLir alle Bereiche aufzuschreiben, wobei sich die Integrale, die die k~~,~-Werte liefern. nur durch die Funktionen für die Biegesteifigkeit unterscheiden, in den Integralen fllr die f,~~) -Werte ist jeweils die Funktion für die Linien!ast des aktuellen Bereichs einzusetzen. Im betrachteten Beispiel würde der "Bereich-f-Anteil" der partiellen Ableitung nach vi formal den gleichen Aufbau haben wie die erste Zeile in 33.60:
~ ~
Jn =0 dVi
k(J)v.+k(J)fn.+k(J)v +k(J)fn -f(fJ-O 11)
12
'1')
13
k
14
1
'1'<
-
Dieser Anteil des Bereichs f wird mit dem entsprechenden "Bereich-e-Antei['" dieser partiellen Ableitung aus der 3. Zeile in 33.60 zu einer komp/ellell Minima/bedingung zusammengesetzt:
lei (el (k(e) k31 vi+ k 32 !Pi + 33
+ (kr,{ + kg»)
+ k(J)) 11
vi (33.61)
!Pi + k\{l Vk + k\{) !Pk - fiel - f,(Jl =
0
Eine entsprechende Gleichung ergibt sich am Punkt j für die partielle Ableitung von n nach !Pi' Auch an jedem anderen Punkt entstehen zwei Gleichungen dieser Art, die ein lineares Gleichungssystem bilden. Zur Formalisierung dieses Prozesses empfiehlt es sich, 33.60 in Matrixform aufzuschreiben:
klei 11
k(e)
k(el 12
k(e)
k(ej '3
k(e j
klei 14
k(e)
21
22
23
24
k(e)
k(e)
klei
k(e)
33
34
k(e)
k(e)
43
44
31
32
klei
k(el
41
42
Vi
fiel
0
!Pi
fiel
0
vi
fiel
0
!Pi
f1 e)
0
J =J
mit
k(e) 1II/l =
und
e 111 )
EIegm8n N "d l.e
I,
i
(33.62)
qe8m d Ze
I,
Und mit 33.61 und 33.62 wird deutlich, dass der Ritz-Algorithmus, wie er in diesem Abschnitt beschrieben wurde, nicht nur ÄhnJichkeiten mit der Finite-Elemente-Methode hat, sondern mit dieser identisch ist: • Der in diesem Abschnitt verwendete Begriff "Bereich" kann durch .,Element" ersetzt werden, die "Verbindungspunkte" der Bereiche sollte man als "Knoten" bezeichnen.
692
33 Prinzipien der Mechanik
o
Die Beziehung 33.62 ist eine Elemelll-Steifigkeitsbeziehung, wie sie im Abschnitt 18.2 fUr den Biegeträger hergeleitet wurde. Dazu gibt es nachfolgend noch einige Erläuterungen.
o
Der Algorithmus zur Herstellung der kompletten Minimalbedingungen (mit 33.61 für eine Gleichung angedeutet), kann durch die "Einspeicherungsvorschrift" fUr den Aufuau von System-Steifigkeitsbeziehungen aus Element-Steifigkeitsbeziehungen (im Kapitel 15 ausführlich beschrieben) ersetzt werden. Auch die in der Finite-Elemente-Methode Ubliche Strategie. die äußeren geometrischen Bedingungen (verhinderte Verschiebungen) erst nachträglich (in der System-Steifigkeitsbeziehung) zu beriicksichtigen, kann Ubernommen werden.
Bei einem Vergleich der Elemem-Steifigkeitsbeziehung 33.62 m.it der entsprechenden Beziehung fUr ein Biegeträger-E1ement 18.11 fallen zwei formale Unterschiede auf: o
Während 18.11 nur für konstante Biegesleifigkeit gilt. darf EI, in 33.62 veränderlich sein. Dass 33.62 mit 18.11 identisch ist, wenn die Biegesteifigkeit als konstant angenommen (und vor die Integrale gezogen) werden darf, soll exemplarisch an einem Matrixelement gezeigt werden. Mit m = n = I errechnet man nach 33.62 z. B. das Matrixelement k\~):
Dies ist genau der Wert fLir k\~) aus 18.11. Die f,~~) -Werte, die sich nach 33.62 ergeben, entsprechen den reduzierten Knotenlasten in 18.11. FUr linear veränderliche Linienlasl erhält man auch hier die im Abschnitt 18.2.2 auf aJlderem Wege erhaltenen Formeln 18.10. o
Die in der Element-Steifigkeitsbeziehung 18.11 auf der linken Seite stehendeo ElementKnotenlasten tauchen als innere Kräfte bzw. Momente des Systems in der nach dem Ritzsehen Verfahren gefundenen Formulierung gar nicht auf. Die Vorschrift zum Aufuau der System-Steifigkeitsbeziehung. die im Kapitel 15 hergeleitet wurde, basiert auf dem Gleichgewicht dieser Element-Knotenlasten mit den äußeren Knotenlasten. Bemerkenswert ist, dass mit dem Ritzsehen Verfahren auf anderem Weg der gleiche Algorithmus fiir den Aufbau der System-Beziehungen gefunden wird.
WWW - Ergänzung - Vertiefung - WWW Verfahren von Ritz unter www.TM-aktuell.de bietet u. a. Informationen zu folgenden Themen: Verfahren von Ritz für gerade Biegeträger, veränderliche Biegesteifigkeit. Linienlasten, Einzelkräfle, Einzelmomente, Federn, Dreh federn , Verfahren von Ritz fUr Knickstäbe, Verfahren von Ritz ftir Biegeschwingungen gerader Träger, Näherungslösung mit Hilfe des Rayleighschen Quotienten.
33.6 Aufgaben
693
33.6 Aufgaben
I
Au/gabe 33.1: l_ _ _ _ _.....1 Für den skiZZIerten Gerber-Träger (vgl. Beispiel auf Seite 64) ist die Lagerkraft Fe mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Arbeit zu berechnen (man ersetze nur das Lager B durch eine Kraft und bringe eine virtuelle Verschiebung in Rjchtung dieser Kraft auf). Gegeben:
*
~
_2a
~'...t:.... B 2f. __a_I,5a_2,5a -I ~
F.
I
Aufgabe 33.2: I_ _ _ _ _.....1 Für den durch zweI Federn 111 ell1er Führung gehaltenen GJeitstein (vgl. Aufgabe 10.3 auf Seite 156) ermittle man für die folgenden Parameterkombinationen durch grafische Darstellung der potenziellen Energie des Systems in Abhängigkeit von der Lage des Gleitsteins die Gleichgewichtslagen und entscheide über deren Stabilität. Die obere Skizze zeigt die Federn im unbelasteten Zustand, nicht die Gleichgewichtslage des Systems. Für das Aufschreiben der potenziellen Energie verwende man die in der unteren Skizze angedeutete Koordinate x.
a)
0.!J. mg = I
b)
0.!J. mg -- 0 , 9.!J.. mg = I
!J. 1 -- I
l
c)
0.!J. = 5 9.!J.. = 5 !J. = J mg 'mg '/2
'
' l9.!J.. 1 I-g0 - "!J. 2 -1
I
2
ce = 60° , ce = 45° , ce = 45° .
c,
m~ ~
c,
x
I
Au/gabe 33.3: I_ _ _ _ _.....1
Eine zylindrIsche Walze (Masse m, Massenträgheitsmoment bezüglich des Schwerpunkts Js) ist durch eine lineare Feder gefesselt und wird auf einer schiefen Ebene durch einen Haltefaden in Ruhe gehalten. In dieser Lage ist die Feder der Lange b entspannt. Nach Durchtrennen des Haltefadens beginnt die Walze eine reine Rollbewegung auf der schiefen Ebene. Gegeben:
c, b, ce,
Hahcfadcn
-....x
1JI.
Die Bewegung der Walze soll mit ciner Koordinate x beschrieben werden, die die Lage des Mittelpunktes der Walze verfolgt. parallel zur schiefen Ebene gerichtet ist und ih.ren Ursprung in der skizzierten Ruhelage des Systems hat. Es ist dje Bewegungs-DifferellZiaJgleiehung aufzustellen (Verwendung der Lagrangesehen Gleichung 2. Art) .
694
I
33 Prinzipien der Mechanik
Aufgabe 33.4:
I
Das Pendeln der Last einer auf der Kranbahn stehenden Laufkatze regt gleichzeitig Biegeschwingungen der elastischen Kranbahn an. Die Bewegung des Systems kann durch das angegebene Berechnungsmodell erfasst werdcn. Gegeben sind die Federzahl c der als Biegeträger idealisiet1en Kranbahn flir die jeweilige Katzstellung, die Pendellange I der L~st, die Masse In I der Laufkatze einschließlich der anteilig mitschwingenden Trägermasse. die Lastmasse m2.
Q
.~
J
0
eS
x,
Q Ji.,
-"-
'I' I
~
m2
Cl
Abbildung 33.18: Originalsysteme (links) und das zugehörige Berechnungsmodell (rechts)
Man ermittle die Bewegungs-Differenzialgleichungen (Verwendung der Lagrangesehen Gleichungen 2. Art) für das System mit zwei Freiheitsgraden. Die Koordinate x zählt von der statischen Gleichgewichtslage aus. I Aufgabe 33.5:
I
Für die skizzierte Biegefeder mit einem Rechtcckqucrschnitt konstanter Höhe t bei linear veränderlicher Breite soll näherungswcise die Biegclinie mit dem Verfahren von Ritz mit einem eingliedrigen Ansatz berechnet werden. Gegeben:
EJ(z)
Fj
KA -/
z
o
.c: cC=====::::=====:=J-' [/2
/, ba, bl , I, F, E.
..0I
[/2
Man verwende als Ritz-Ansatz die Funktion der Biegelinie für den Träger mit konstantem Querschnitt (Tabelle auf Seite 260) und vergleiche die Näherungslösung für die Absenkung des Kraftangriffspunktes mit der exakten Lösung (Beispiel auf Seite 436) für folgende Breitenverhältnisse: ~=I; 1,2; 1,5;2.
IAufgabe 33.6: I Eine
Einzelmasse M ist wie skizziert auf einem Biegeträger befestigt.
Gegeben:
M, I, pA = k~ .
r==EJ"",,'P=A~OM)=====cl
4/
1/2
1/2
~ -r-
a) Die kleinstc Eigenkreistfequcnz der Biegeschwingungen soll mit Hilfe des Raylcighschen
Quotienten berechnet werden bei Näherung der Verformung durch die Funktion der Biegelinie unter konstanter Linienlast (Fall b auf Seite 260) flir die Parameter k = 0 (Vernachlässigung der Trägermasse), k = I (Trägennasse in der Größenordnung der Einzelmasse) und k = 10 (Trägermasse dominierend). b) Der Fall k = 0 (Vernachlässigung der Trägermasse) soll überprüft werden mit der Näherungsreehnung, die im Abschnitt 31.2.2 vorgestellt wurde.
Weitere Aufgaben findet man imlnternet unter www.TM-aktueU.de.
34 Methode der finiten Elemente Wcil dic Mcthodc dcr finitcn Elcmente hcute sicher das am mcisten bcnutzte Verfahren zur Lösung naturwisscnschaftlichcr und technischer Probleme ist. wurde sie in diesem Buch mehrfach im Zusammcnhang mit dcn jewcils bchandeltcn Thcmcn vorgcstcllt. Aber dic Grundlagen der Technischcn Mechanik sind nur cin ganz kleincr Ausschnitt aus dcr Anwcndungspalctte für dieses Verfahren. Deshalb soll hier noch einmal eine Zusammenfassung präsentiert werden, die sieh natürlich aneh auf (allerdings anspnlehsvoUere) Probleme der Technischen Mechanik beschränkt. Dabei wird eincrseits das Zicl vcrfolgt, die Leistungsfähigkcit des Vcd'ahrens gerade für die kompliziertcren praxisnahen Aufgaben zu verdeutlichen, andcrerseits aber auch auf die Gefahren und Grenzen bei der Benutznng der vertUgbaren (außerordentlich leistungsHihigen kommcrzicllen) Sofware-Produkte hinzuwciscn. Im Folgendcn wird vorausgcsetzt, dass dcr Lescr sich zumindcsttcilweisc mit den im Kapitel 15 und dcn Abschnittcn 18.2, J 9.2.4 und 33.5.4 gcgcbencn Einführungcn bcfasst hat, andcrcnfalls wird bci den cntsprcchenden Vcrweiscn cin "Zurückblättcm" empfohlen.
34.1 Zugang zur Theorie Man kann sich der Methode der finiten Elemente auf zwei recht unterschiedlichen Wegen nähern, und aus historischcr Sicht (siehc dic cinführcndcn Bcmerkungcn zum Kapitcl 15.1) hat es einigc lahrlchntc gcdaucrt, bis man mcrktc, dass bcidc Wcge zum glcichcn Zicl führcn: (j)
Man ermittelt Lösungcn für die Elcmcntc und sctzt dic ElcmcntJösungcn zu Systcmlösungcn zusammcn, indcm in jcdem Schritt dic Anfordcrungcn an die Lösung bcachtct wcrden (Gleichgewicht, Kompatibilität, Elastizitätsgesetz, ...). Dieser Weg ist im Kapitel 15 und im Absehnitt 18.2 bcschritten worden. Er flihrte jewcils auf ein lincares Gleichungssystcm fur dic Verformungen an speziellen Punkten (Knoten).
@
Man betrachtet zunächst das Gesamtsystem und macht cinen Ansatz für die zu bercchnende Funktion (bei elastostatischen Problemen z. B. für die Verformung), der noch zu bestimmende Freiwerte enthält. Für den Ansatz werden allerdings viele (nur bereichsweise "in einem Element" geltende) Funktionen verwendet, und als Freiwerte nimmt man die Funktionswerte an den Übcrgangsstellcn (Knotcn). Dadurch wird dic Kompatibilität gewährlcistct. Schlicßlich werden die Freiwerte so bestimmt, dass der Ansatz mit den berechneten Freiwerten die Anforderungen an eine Lösung erfüllt oder besonders gut annähert. Dieser Weg wurde im Abschnitt 33.5.4 untcr Nutzung cincs Minimalprinzips dcmonstricrt.
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_34, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
696
34 Methode der finiten Elemente
Der Weg CD (häufig als .,strukturdynamischer·' Zugang bezeichnet) hat den Vorteil, dass man jederzeit die Konsequenzen der einzelnen Schritte verfolgen kann. Weg (2J ist zweifellos aus mathematiscber Sicht eleganter und wird deshalb von Mathematikern und Physikern bevorzugt (auch dcshalb, wcil er nicht beim physikalischen Modell, sondern erst beim mathcmatischen Modell ansetzt, vgl. hierzu die AusfUhrungen im Abschnill 15.5) 1. Ingenieure favorisieren im Allgemeinen Weg CD, vornehmlich aus dem Grunde, weil man die vielen möglichen Zusatzbedingungen mit stets plausiblen Begründungcn realisieren kann, z. B. unterschiedliche Modelle in einem System (Stäbe, Biegeträger, Torsionsstäbe, Scheiben, Platten, Schalen, ...), alle denkbaren Lagervarianten einschließlich Federn und Drehfedern, Gelenke, Schamiere, ... Im Abschnitt 18.2.3 wurde am Beispiel des Biegeträgcrs gezeigt, wie auf diesem Wege auch wesentliche "Nachbesserungen" reabsiert werden können. Der Weg (2J ist nicht beschränkt auf Probleme, für die (wie im Abschnitt 33.5.4) ein ExtremaIprinzip existiert. Dieser Weg lässt sich ebenso elegant realisieren mit Differenzialgleichungen und den zugehörigen Randbedingungen als Ausgangspunkt. Die theoretische Basis dafür liefert die so genannte Me/hode der gewichte/eil Residuell. Darauf wird hier nicht eingegangen, weil für die weitaus meisten Probleme der Technischen Mechanik ein Extremalprinzip verfligbar ist. Für die komplizierteren (zwei- und dreidimensionalen) Probleme kann als theoretischer Zugang zur Methode der finiten Elememe eine Kombination der Wege CD und (2J empfohlen werden: Man startet mit dem mathematischen Modell (z. B.: Extremalprinzip), wählt geeignete (bereichsweise geltende) Ansatzfunktionen mit geeigneten Freiwerten (z. B.: Knotenverformungen) und kommt über die Extremalbedingungen zu den GleiChungen für die Freiwerte, wie es im Abschnitt 33.5.4 flir den Biegeträger bis zur Beziehung 33.61 demonstriert wurde. Dann geht man allerdings noch einen (eigentlich auf diesem Wege nicht erforderlichen) Schrill weiter, und schreibt eine "Elementbeziehung" auf (im Abschniu 33.5.4 ist dies die Gleichung 33.62). Und weil innere Kräfte bzw. Momente des Systems bei diesem Weg gar nicht auftauchen, sollte man an dicscm Punkt (bei Problemcn dcr Tcchnischcn Mcchanik) an den Wcg (j) anknüpfcn. Für das Beispiel im Abschnitt 33.5.4 bedeutet dies, dass die Element-Beziehung, die in der Formulierung 33.62 nur der "ElemenLanLeil zur SysLem-Beziehung" ist, zur "echten" ElemenL-Steifigkeitsbeziehung gemacht wird: Der Nullvektor auf der rechten Seite wird durch den "Vektor der Elcmcm-Knmcnlastcn" ersctzt, so dass dic "erwciterte ElcmcnL-Steifigkeitsbezichung" cmstcht, wie sie sich für das Biegeträger-Element nach Weg CD mit 18.11 ergab. Dies ist deshalb empfehlenswert, weil bei Problemen der Technischen Mechanik die inneren Belastungen (SchnittgröBen, Stabkräfte, Spannungen) meistens die wichtigeren Ergebnisse sind. Gemeinsam ist beiden Wegcn (ncbcn dcm Ziel) das Arbeiten mit Ansatzfunktionen, und genau die sind der Schlüssel zum Erfolg oder Misserfolg der Rechnung: Kann mit den verwendeten Ansätzen die exakte Lösung ausreichend genau beschrieben werden? Diesc Frage steht deshalb bei den nachfolgenden Betrachtungen im Mittelpunkt. Der folgende Satz kann eigentlich gar nicht oft genug wiederholt werden: IDie Autoren haben häufig registrieren müssen. dass es erhebliche Verständigungsschwierigkeilen gab (vornehmlich
zwischen tngenicurcn einerseits und Mathematikern und Physikern andererseits). obwohl über den gleichen Gegens.tand geredet wurde, und hoffen, dass
die~
mit den
Au~ruhrungen
hier etwas abgebaut werden können.
697
34.1 Zugang zur Theorie
Die Methode der finiten Elemente ist ein Näherungsverfahren. Die zahlreich verfügbaren leistungsstarken und benutzerfreundlichen Computerprogramme verleiten dazu, das Verständnis fLir die durchzuführende Berechnung durch das Erlernen der Bedienung einer Benutzerobernäehe eines Programms zu erSetzen. Das ist außerordentlich geHihrlieh. Es ist möglich, mit korrekt arbeitenden Finite-Elemente-Programmen beliebigen Unsinn auszurechnen (und in schönen bunten Grafiken zu präsentieren). Die Gefahr des blinden Programm-Vertrauens wurde möglicherweise mit einigen Beispielen in diesem Buch noch vergrößert, weil diese zu Problemklassen gehören, bei denen die Finite-Elemente-Methode die gleichen "exakten" Ergebnisse wie die üblicherweise verwendete Theorie liefert. Die nachfolgenden Erläuterungen sollen deshalb auch ein Geflihl daflir vermitteln, wann man den Ergebnissen vertrauen kann und wann Skepsis geboten ist. Im Absclulill 22.1 wurde erläutert, dass für viele Probleme der Praxis die .,eindimensionalen" Modelle (z. B.: Stab, Biegeträger) nicht ausreichend sind. Für zweidimensionale Bauteile (Scheiben, Platten. Schalen) gibt es zwar ausgezeichnete mathematische Modelle (DifferenziaJgleichungen, Variationsprobleme), die sich aber einer analytischen LÖSWlg (bis auf wenige "akademische" SpezialfaJle) entziehen. Dies gilt in noch schärferer Form für dreidimensionale Modelle. Aber genau für diese Problemklassen kann die FiniteElemente-Methode ihre ganze Stärke ausspielen, und genau für diese Problemklassen gilt die oben ausgesprochene Warnung. Die Abbildung 34.1 zeigt ein dreidimensionales finites Element, das in fast allen großen FEMProgrammsystemen verfügbar ist. Es hat gekrümmte Flächen und Kanten, so dass man mit solchen Elementen annähernd beliebig komplizierte dreidimensionale Bauteile nachbilden kann (was will man mehr?). Der Benutzer eines FEM-Programmsystems wird viele Gemeinsamkeiten des 3D-Elements mit den in den Kapiteln 15 und 18 behandelten einfachen Elementen bemerken:
lz
x Abbildung 34.1: Finites Element mit 20 Knoten (60 Freiheitsgrade)
Es hat Knoten (20, bei den einfachen Elementen will'en es nur 2), dem Element sind die Materialeigenschaften zugeordnet, seine Geometrie definiert sich über die Knotenkoordinaten, es wird mit seinen Nachbarelementen über die Knoten verbunden. Die sehr aufwendige und komplizierte Berechnung der Element-Steifigkeitsbeziehung (die Steifigkeitsmatrix, die auch I:tierdie Knotenverschiebungen mit den Knotenkräften verknüpft, hat 60 Zeilen bzw. Spalten) braucht den Programmbenutzer so wenig zu interessieren wie bei der Verwendung eines Stab- oder BiegeträgerElements. Aber es gibt auch gravierende Unterschiede, so bildet z. B. die Element-Steifigkeitsbeziehung des 3D-Elements die zugrunde liegende Theorie (z. B. die Elastizitätstheorie isotroper Materialien) nur näherungsweise ab. Dies sollte der Benutzer eines Programmsystems wissen und auch beachten. Im folgenden Abschnitt werden die Konsequenzen am wesentlich einfacheren zweidimensionalen Beispiel beschrieben.
698
34 Methode der finiten Elemente
34.2 Ein- bzw. zweidimensionale FEM-Modelle Das einfachste zweidimensionale Modell ist die Scheibe (flächenhaftes ebenes dünnwandiges Gebilde, das nur in seiner Ebene belastet ist). An den beiden nachfolgend skizzierten einfachen Beispielen soll der Unterschied beim Erzeugen eines Finite-Elemente-Berechnungsmodells für den biege- und dehnsteifen Rahmen bzw. eine ebene Scheibe demonstriert werden.
-
~
:~ Abbildung 34.2: Ebener Rahmen
"""""'"
Abbildung 34.3: Konsole (ebene Scheibe)
Eine Analyse der beiden Modelle der Abbildungen 34.2 und 34.3 aus der Sicht des BerechnungsIngenieurs, der mit "klassischen Berechnungsverfahren" arbeitet, liefert folgendes Ergebnis: • Das skizziel1e Rahmentragwerk kann nach der klassischen Biegetbeorie (Kapitel 16, 17 und 24) berechnet werden (Verformungen, Sehnittgrößen, Spannungen), "im Prinzip". Der Einfluss der Dehnung infolge der Normalkräfte kann sicher mit gutem Gewissen vemachlässigt werden. Aber: Kein nut normaler Vernunft ausgestatteter Ingenieur würde sich die Mühsal der "Handrechnung" heute noch antun (das Tragwerk ist immerhin achtfach statisch unbesti m111t). • Die Konsole kann nach der Theorie der ebenen Scheiben behandelt werden. Eine analytische Lösung des Problems der einseitig eingespannten und krummlinig berandeten Scheibe ist jedoch unmöglich. Bei der Allwendung der J<'iuite-Elemellte-Methode auf beide Probleme gibt es (neben vielen Gemeinsamkeiten) ähnliche Unterschiede in der Beurteilung der zu erwartenden Ergebnisse: • FEM-Programme können die Theorie der biege- und dehnsteifen Träger exakt erfassen. Bei Benutzung des Programms "Biege- und dehnsteife ebene Rahmen" z. B., das unter www.TM-intemktiv.dezur intemktiven Nutzung zur Verfügung steht, erhält man die Ergebnisse, die sich nach der Handrechnung ergeben würden, wenn die Handrechnung für das Problem fehlerfrei gelänge, was allerdings eher unwahrscheinlich ist. • Die Scheiben-Theorie kann auch von der Finite-Elemente-Methode nur approximiert werden. Man kann dem Ergebnis der Scheiben-Theorie möglicherweise sehr nahe kommen (man weiß allerdings nie genau, wie nahe, denn eine analytische Lösung ist mit Ausnahme sehr weniger "akademischer" Probleme unmöglich), schließlich entscheidet der betriebene Aufwand weitgehend darüber, wie gut das Ergebnis ist. Der erforderliche Aufwand und die zu erwartende Qualität des Ergebnisses sind eng verknUpft mit dem Problem, das zu berechnende System in finite Elemente zu unterteilen.
699
34.2 Ein- bzw. zweidimensionale FEM-Modelle
34.2.1 Elementauswahl, Vernetzung Die beiden betrachteten Beispiele (Abbildungen 34.2 und 34.3) unterscheiden sich ganz erheblich voneinander in der Strategie der Einteilung der Systeme in finite Elemente: • Für den biege- und dehnsteifen Rahmen bietet sich eine "natiirliche" Einteilung geradezu an, die auf ein System mit 7 Elementen führt, die an 6 Knoten miteinander verbunden sind (Abbildung 34.4). Da die "klassische Theorie" von der Finite-ElementeMethode fiir den Elemenllyp "Rahmenelement" nach 18.16 exakt erfasst wird, gibt es keinen Grund, einen anderen Elemenllyp oder eine andere Elementeinteilung zu wählen, denn die "Elementlösungen" basieren auf den Annahmen der klassischen Biegetheorie.
". 6
rEM-ß.... r'.:~hnungsmodcll mit 7 Elemenll'Tl
6
und 6 KnotCtl
Abbildung 34.4: Nur diese Elementeinteilung flir den Rahmen ist sinnvoll
• Ganz anders muss für das Scheibenproblem überlegt werden: Da in jedem Fall auch die Elementlösungen zwangsläufig Näherungen sind, trifft man schon mit der Auswahl geeigneter Elemente eine wichtige Vorentscheidung ftir die Qualität der Ergebnisse, so dass hier sowohl Elementauswahl als auch die Einteilung des Systems in Elemente entscheidend sind.
Iy
Iy
I (~'\:
I{ -
x
l~l __ x
x
Abbildung 34.5: Scheibenelemel1le mit 6. 12 bzw. 16 Freiheitsgraden Die Abbildung 34.5 zcigt drei gebräuchliche Scheibenelemente mit 3, 6 bzw. 8 Knoten. Nur über diese Knoten haben sie mit den Nachbarelementen Kontakt und können, wie in der Abbildung angedeutet, zwei Kraftkomponenten an den Knoten übertragen. Die Knotenverschiebungen (Anzahl und Richtungen stimmen mit den Knotenkräften überein) sind die Freiwerte für den Verschiebungsansatz, so dass die skizzierten Elemente 6, 12 bzw. 16 Freiheitsgrade haben. Wie später noch demonstriert werden wird, ist das einfache Element mit nur 6 Freiheitsgraden wenig empfehlenswert, weil damit nur bei einer sehr großen Elementanzahl brauchbare Näherungen erreicht werden können. Eine wesentlich bessere Näherung darf man mit dem Dreieckselement mit 6 Knoten erwarten Oeweils zusätzliche Knoten in den Seitenmillen). Die ohnehin schon sehr gute Anpassungsmöglichkeit von Dreieckselementen auch an kompliziertere Konturen kann noch dadurch erhöht werden, dass (wie skizziert) ein Elemenlmit gekrümmten Kanten verwendet wird. Mit 12 Freiheitsgraden kann der Verschiebungszustand wesentlich besser elfasst werden.
700
34 Methode der finiten Elemente
Ähnliche Aussagen gelten für das in der Abbildung 34.S skizzierte Viereckselement. Es sind natürlich auch Elemente mit noch größerer Knotenanzahl denkbar, die bei den Elemente mit 12 bzw. 16 Freiheitsgraden haben sich allerdings in der Praxis als besonders günstiger Kompromiss zwischen gewünschter Genauigkeit und erforderlichem Aufwand erwiesen. Die Abbildung 34.6 zeigt eine Einteilung der Konsole in II Seehs-Knoten-Dreieekselemente (flir zwei- und dreidimensionale Systeme wird die Element-Einteilung als Vernelzung bezeichnet). Es ergeben sich 32 Knoten (bei 2 Freiheitsgraden pro Knoten entsteht eil] Gleichungssystem mit 64 Gleichungen). Die Frage, ob eine solebe Eintcilung ausreiehcnd fein ist, kann allgemein nicht beantwortet werden. Der Praktiker, der nicht bereits durch zahlreiche Finite-Elemente-Berechnungen ausreichende Erfahrungen gesammelt hat, kommt nicht umhin, gegebenenfalls mehrere Rechnungen mit unterschiedlich feiner Vernetzung durchzuführen. Allgemein gilt: In Bereichen mit starker Änderung der Spannungen (speziell z. B. in der Nähe von Kerben, wo Spannungsspitzen zu erwarten sind) muss eine besonders feine Vernetzung gewählt werden.
Abbildung 34.6: Vemetzung der Konsole
Speziell für das betrachtete Problem gilt: Auch bei sehr bescheidenen Anforderungen an die Genauigkeit der Ergebnisse ist die skizzierte Vernetzung wesentlich zu grob. Die sinnvolle Einteilung eines Systems in finite Elemente (Vernetzung) ist außerordentlich schwierig und verlangt Erfahrung. Man lasse sich nicht täuschen von Aussagen über "Datengenerator-Programme", die das angeblich automatisch (das allerdings können sie tatsächlich) und damit auch immer sinnvoll erledigen. 1m Gegensatz dazu kann man bei der Elementeinteilung für Probleme, deren "klassische Theorie" von der Finite-Elemente-Methode exakt erfasst wird (z. B.: Fachwerke oder biege-, dehn- lmd torsionssteife Rahmen) praktisch nichts falsch machen. Problematisch ist die (aus kommerziellen Gründen durchaus verständliche) Tendenz der Anbieter großer (und zweifclsfrei außerordentlich leistungsfähiger) FEM-Programmsysteme, die Probleme der Elementauswahl und Vernetzung hinter komfonablen Benutzeroberflächen zu verstecken. Die Aussage "Automatische Netzgenerierung unter Verwendung leistungsfahiger Elemente" darf nicht dazu verleiten, Netz und Elemente nicht zu hinterfragen. Eine Aussage über die Anzahl der Elemente (mit einer möglichst beeindruckenden Zahl) ist ohne die Kenntnis des Elemenltyps nicht ausreichend (siehe Beispiel I auf Seite 705) und sagt auch noch nichts über die Qualität des Netzes, denn viel wichtiger ist die Antwort auf die Frage, ob der automatisch arbeitende Netzgenerator die kritischen Bereiche Überhaupt erkannt (und entsprechende Netzverfeinerungen vorgesehen) hat.
34.2 Ein- bzw. zweidimensionale FEM-Modelle
701
34.2.2 Reduktion der Elementlasten, Realisierung der Lagerung Belastungen dürfen am Finite-Elemente-Modell nur an den Knoten angreifen. Auch bei der Reduktion der an den Elementen angreifenden Lasten auf statisch äquivalente Knotenlasten verhalten sich die Elementtypen unterschiedlich:
<>
1m Abschnitt 18.2.2 wurde gezeigt, dass es für biegesteife gerade Träger möglich ist, Linienlasten so durch statisch äquivalente Knotenlasten (Kräfte und Momente) zu ersetzen. dass sich für alle Knoten des Systems der unverfalschte Yerformungszustand ergibt. Für die Elemente, flir die eine solche Reduktion von Elementlasten vorgenommen wurde, können im Inneren des Elements der Verformungszustand und die Schnittgrößen so "repariert" werden, dass sich aHe Werte exakt ergeben. Die Abbildung 34.7 zeigt den Rahmen der Abbildung 34.2 nach dem Ersetzen der am Element 2 angreifenden Linienlast durch äquivalente Knotenlasten. Der Benutzer eines FEM-Progr= bemerkt davon im Allgemeinen nichts. denn er kann die Linienlasten direkt eingeben, Reduktion und "Rückrechnung mit den erforderlichen Reparaturen" wcrdcn vom Programm crlcdigt. Die Tatsache, dass auch Lager nur an den Knotcn zugelassen sind, hat für den biegesteifen Rahmen keine Konsequenzen: Wo ein Lager ist, wird ein Knoten platziert.
<>
Das Ersetzen der auf die Scheibenelemente wirkenden Lasten durch Knotenlasten (im Beispiel der Konsole nach Abbildung 34.3: Linienlasten. aber es könnte z. B. mit dem Eigengcwicht auch cine über das Elcmcnt verteilte Last sein) ist mit einem Fehler in der gleichen Größenordnung behaftet, wie er durch dic Approximation dcs Ycrschicbungsfeldes im Elementinneren entsteht. Praktisch sind die Auswirkungen meist unbedeutend, außerdem überblickt der Anwender. ob z. B. (wie in der Abbildung 34.8 skizzicrt) beim Ersetzen einer Linienlast durch Einzellasten das Modell überhaupt nennenswert verfalseht wird.
Abbildung 34.7: Reduktion verteilter Lasten auf Knotenlasten und Realisierung der Lagerung ruh· ren zu keinem Genauigkeitsverlust
5 6
7 8
FEM-Berechnungsmodell Abbildung 34.8: Verteilte Belaslungen und die Lagcmng können bei zwei- und dreidimensionalen Modellen nur näherungsweise erfasst werden.
Auch die tatsächliche Lagerung der Scheibe kann natürlich nur approximiert werden. Die Abbildnng 34,8 zeigt, wie der eingespannte Rand durch Festlager für alle auf dem Rand liegenden Knoten angenähert werden muss.
702
34 Methode der finiten Elemente
34.2.3 Die E1ement-Steifigkeitsmatrix Das Bereitstellen der Element-Steitigkeitsmatrix und des Vektors der reduzierten Elementlasten ist die entscheidende Vorarbeit für die Behandlung einer Aufgabenklasse mit der FiniteElemente-Methode. Diese Vorarbeit muss nur einmal geleistet werden (z. B. vor dem Schreiben eines Computerprogramms, nicht von dem Benutzer des Programms). Was dcr Anwender von Finite-Elemente-Computerprogrammen unbedingt wissen sollte, sind die Eigenschaften der verwendeten finiten Elemente und die Näherungsannahmen. die bei der Herleitung der ElementStcifigkcitsbezichung getroffen wurden. Die unterschiedlichen Schlussfolgcrungen, die bei einbzw. zweidimensionalen Problemen zu ziehen sind, sollen am ebenen Rahmenelement und dem einfachsten ebenen Scheibenelement (Dreieck mit 6 Freiheitsgraden) erläutel1 werden:
<>
Für das ebene Rahmenelement wurde die Element-Steifigkeitsbeziehung im AbschniIl18.2.4 hergeleitet. Mit Formel 18.16 ergab sich eine Elemenl-Steifigkeitsmatrix mit 6 Zeilen bzw. Spalten (2 Knoten mit je 3 Freiheitsgraden: Verschiebungen 1/; und V; und Verdrehwinkel tp;). Beim Einsatz dieses Elements ist die Kompatibilität der Verformungen mit den Nachbarelementen automatisch garantiert, weil diese an den Knoten die gleichen Verformungen erfaluen.
oe:> Auch das einfache Scheibenelement hat6 Freiheitsgrade (3 Knoten mit je 2 Freiheitsgraden: Vcrschiebungcn l/; und v;). Damit ist zunächst nurdic Kompatibilität der Vcrschicbungcn mit
den Nachbarelementen an den Knoten garantiert. aber natürlich müssen alle Punkte einer Elementkante die gleichen Verformungen wie die Punkte der Elementkante des Nachbarelements haben, um ein Auseinanderklaffen oder Überlappen zu vermeiden. Dafür muss durch gceignctc Vcrschicbungsansätzc benachbarter Elemente gcsorgt werden. Für den Verschiebungszustand innerhalb des Scbeibenelemems muss eine Näherungsannahme getJ"Offen werden. Für die beiden Verschiebungskomponenten I/(x,y) und v(x.y) müssen zwei Funktionen angesetzt werden, die beim ebenen Problem von zwei Koordinaten abhängen. ÜbIicherweise werden algebraische Funktionen benutzt, bei eiJlem Element mit 6 FreiJleitsgraden kann nur ein Ansatz mit 6 Freiwcrtcn verwendct wcrden. Da keinc Koordinatcnrichtung bevorzugt werden soll, sind dies also 3 Terme flir jede Verschiebungskomponente:
I/(X,y) = ao +a, x+a2Y
v(x,y) = bo + b, x + b2Y
(34.1 )
Wie man mit diesem Ansatz zu der auf der Seite 703 angegebenen Element-Steitigkeitsmatrix 34.2 kommt, braucht den Benutzer eines FEM-Programms nicht zu interessieren. Für Interessenten sei angemerkt, dass der eleganteste Weg der im AbschniIl33.5.4 am Beispiel des Biegeträgers beschriebene Algorithmus ist, der mit der Ansatzfwlktion 33.56 startet, die das Pendant zu 34.1 ist. Auch für das Scheibenproblem existiert ein Variationsproblem, das mit dem Verfahren von Ritz schließlich zur Element-Steifigkeitsbeziehung führt. Aber die Konsequenzen, die in diesem einfachen Fall sehr deutlich sind, müssen vom Benutzer eines FEM-Programms beachtet wcrden: oe;> Ein ,.exaktes Ergebnis" ist nur zu erwarten. wenn sich die Verschiebungen tatsächlich nur
nach einer linearen Funktion ändern. Das ist z. B. für den einfachen Zug- oder Druckstab mit konstanter Normalkraft der Fall (siehe Beispiel auf Seite 708).
34.2 Ein- bzw. zweidimensionale FEM-Modelle
703
oe:> Die Verzerrungen (Dehnungen, Gleitung) berechnen sich auch beim zweidimensionalen
Problem aus den Ableitungen der Verschiebungen (wie z. B beim Zugstab nach Formel 14.3). Wenn die Verschiebungen im Element sich nach einer linearen Funktion ändern, könncn die Vcrzerrungcn und die zu ihnen (nach dcm Hookcschen Gcsetz) proportionalen Spannungen im Element nur konstant sein. Die Beziehung 34.3 bestätigt dies und macht deutlich, wie kritisch die Verwcndung eines solchen Elements ist. oe:> Durch einfache gcometrische Überlegungen kann nachgewiesen werden, dass die Gleichheit
der Knotenverschiebungen benachbarter Elemente mit dem Verschiebungsansatz 34.1 zu kompatiblen Verschiebungen entlang der gesamten gemeinsamen Elementkante fUhrt.
Elcmcnl-Slcifigkcilsbczichung für das Drci-Knolcn-Schcibcnclcmcnt: I
VI
111
VI V2 =
V2
(4IAI(~I-V2))e [
V3
VI
K II
K I2
K]3
K T12
K 22
K 23
Kr3
K33
Kr3
]
VJ -X31 )'21)
Xi}
= Xi
-Xj
E - Elastizitätsmodul, 1- Scheibendicke, KII =
K 22 =
V'x32
+ Y32
(V'+V)X32Y32 ]
symm.
+ V ,2 X32 Y32
V,x2 +)'2 31 31
(v' + V)X31 YI3
[
[
2 x 31
symm.
[
K12 =
2
2 V " Xii +Y21 K33 =
(34.2)
V2 U3
')j~
+
X2 21
=Yi - Yj
Querkontraktionszahl, v'
+ )'32Y13 + V'X31)'32
V' X32XI3 [ VX32)'31
V' X32X21
]
K]3=
2 v'y31
(V'+V)X2IYI2 ]
symm.
.vi}
v -
K2J =
+v'Y21 2
+ )'32Y21
[ VX32)'12 + V'X21)'23 V' X21 XI3 + )'21 YI3 [
.
VX31 )'21 + V'X21)'31
[:: ] 't'xy
v),
+ VX31)'32 X32X]3 + V'Y32Y13
]
V· XJ2)'J2 + VX21Y23 ] X32X21
+ V'Y32Y21
V'X31Y21 + VX21Y31 ] X21XI3 + V'Y21YI3 111
)'23 2A(I-v 2 )
=!(1 -
V'X32)'31
Spannungen im Element: E
x
2
V3
= ! (X21 Y31
mit A
"2
[ ";"
V x32
VX32 X32
Y31 VY31
vXIJ xI3
V*Y23 V*X13 V'Y31
YI2 VYI2 V"'X21
~, ]
vX21
V*YI2
vI 112
(34.3)
V2
U3 V3
Dass die Element-Steifigkeitsmatrix 34.2 direkt mit Fomleln fUr jedes einzelne Matrixelement angegeben werden kann, ist bei zweidimensionalen Problemen eine seltene Ausnahme. Die Formeln fur das (ansonsten nicht zu empfehlende) Drei-Knoten-Element wurden hier angegeben, um die Gemeinsamkeiten der beiden betrachteten Problemklassen zu zeigen:
704
34 Methode der finiten Elemente
• Die Elemenl-Steifigkeilsmalrix 18.16 für das Rahmenelement wird vollständig beschrieben durch die Knotenkoordinaten, die Querschniltsfläche. das Flächenlrägheitsmoment (geometrische Größen) und den Elastizitätsmodul (Materialeigenschaft). • Die Elemenl-Sleifigkeilsmatrix für das Scheibenelement 34.2 wird vollständig beschrieben durch die Knotenkoordinaten, die Scheibendicke (geometrische Größen), den Elastizitätsmodul und die Querkonlraktionszahl (Malerialeigenschaften). Die gravierenden Unterschiede der beiden betrachteten Problemklassen sind: • Mit der Element-Sleifigkeitsbeziehung 18.16 wird die Biegetheorie für gerade Träger exakt abgcbildel. Dic Ergcbnissc sind im Rahmcn dicser Thcorie exakt. • Mit der Element-Sleifigkeitsbeziehung 34.2 für das Drei-Knoten-Scheibenelement wird die Theorie der ebenen Scheiben nur (in diesem Fall sogar nur sehr grob) angenähert. Diese Aussagc konnte an diesem einfachen Element sehr schön verdeullicbt werden und wird mit dem Beispiel I auf Seite 705 bestätigt. Diese Überlegungen sollen zum Vergleich nun feir ein "besseres" Elemcnt angestelll werden. Für das in Abbildung 34.9 noch einmal skizzierte Element mit 6 Knoten und 12 Freiheilsgraden könnte in einem kartesischen Koordinatensystem ein Verschiehungsansatz der Form
u(x,y) = 00 +01 x+a2y+032 +04xy+osi
, (34.4)
v(x,y) = bo +b l x+b2Y+b3X2 +b4Xy+bsi verwendet werden (auch hier wurde der Ansatz so aufgeschrieben, dass keine Richtung bevorzugt wird).
jy
x Abbildung 34.9: Scheiben-Drei· eckselemenlmil6 Knoten (12 Freiheitsgrade)
Es braucht den Programmbenutzer weniger zu interessieren, dass wahrscheinlich keine kartesischen Koordinaten für die Ansatzfunktionen 34.4 verwendet wurden (ganz bestinulll nicht, wenn das Element gekrümmte Ränder hat) und wie die Koordinatcntransformationcn mit den von ihm einzugebenden Knotenkoordinaten ausgeführt werden. Dass ftir die Berechnung der ElementSteifigkeitsmalrix numerisch integriert werden muss (üblicherweise werden die Gauß-Formeln dafür verwendel), ist für den Benutzer nur beiläufig von Interesse, weil dadurch eine (allerdings meist unbedeutende) Fehlerquelle gegeben ist. Auch die Implementierungsprobleme sind natürlich Sache des Programmierers (die Element-Sleifigkeitsmalrix kann nichl mehr "mit Formeln" für die einzelnen Matrixelemente aufgeschrieben werden), aber das Folgende sollte man wissen: Wenn sich die Verschiebungen im Element nach einer quadratischen Funktion ändern, können sich die Verzerrungen und die zu ihnen (nach dem Hookeschen Gesetz) proportionalen Spannungen im Element nach einer linearen Funktion ändern. Das ist natürlich wesentlich besser
als bei dem Element mit nur 6 Freiheitsgraden (mit konslanten Spannungen im Element), aber auch nicht mehr als z. B. nach der Bernoullischen Biegetheorie als Änderung über die Querschniltshöhe angenommen wird. Für höhcre Genauigkeitsforderungen (und die Behandlung der gedrungenen Konsole, die im vorigen Abschnilt besprochen wurde, als Kragträger nach der Biegetheorie wäre z. B. sicher eine sehr grobe Näherungsannahme) ist also auch bei Verwendung des Sechs-Knoten-Elements eine ausreichend feine Vernetzung erforderlich, um die komplizierteren Spannungsverläufe elemenlweise durch lineare Verläufe brauchbar anzunähern.
34.3 Weitere Elemennypen, Testrechnungen
705
34.3 Weitere Elementtypen, Testrechnungen Nachfolgend werden einige weitere Elemente vorgestellt, die ganz unterschiedlichen Elementklassen zuzuordnen sind. Das Ziel ist einerseits, die LeistungsHihigkeit des Verfahrens zu demonstrieren, andererseits auf die Probleme hinzuweisen, die mit dem Näherungscharakter der Finite-Elemente-Methode verbunden sind. Außerdem gilt: Wenn man zum ersten Mal ein Finite-Elemente-Programmsystem benutzt (oder sich mit einem neuen System auseinandersetzen muss), sollte man vorab mindestens eine Testrechnung mit einer kleinen Aufgabe ausführen, deren Ergebnis man kennt. Das erste Beispiel eignet sich sicher dafür, weil das Erzeugen des Netzes besonders einfach ist und weil die Schlussfolgerungen, die am zweidimensionalen Problem gezogen werden können, auf die sehr ähnlichen (wenn auch deutlich aufwendigeren) dreidimensionalen Probleme übertragen werden können.
34.3.1 Scheibenelement mit 16 Freiheitsgraden Zunächst werden Vergleichsrechnungen zur Scheibentheorie mit dem einfachen Dreieckselementnach Formel 34.2 und dem in Abbildung 34.10 dargestellten Viereckselement vorgestellt. Das Viereckselement hat 8 Knoten und damit 16 Freiheitsgrade, so dass für den Verschiebungsansatz für jede Richtung noch zwei zusätzlich Funktionen im Vergleich zum Ansatz für das Dreieckselement 34.4 hinzukommen. Auf die (mathematisch interessante. aber nicht ganz anspruchslose) Hcrlcitung der Elcmcnt-Steifigkeitsbeziehung für das Element mit gekrümmten Rändern kann hier nicht eingegangen werden. Für den Anwender i.nteressiert ohnehin nur die Leistungsfähigkeit des Elements.
I
J !I
_~/--
I ~ 1 ~'. 7
6I
•
I
J 4~---1
2- -
8
x
Abbildung 34.10: Scheiben-Vierecksetement mit t6 Freiheitsgraden
I
I Beispiel: Für die skizzierten "biegeträger-ähnlichen" Systeme sind nach der Scheibentheorie die Verformungen und die Spannungen zu berechnen. Die Dicke I, der Elastizitätsmodul E und die Querkontraktionszahl v sind jeweils rür die gesamte Scheibe konstant. Gegeben: P=200N; I =200mm; h=20mm; I =5mm; E=2,1·lOs N/mm2 ; v=0,3_ Mit einem geeigneten FEM-Programm 2 sollen Berechnungen mit unterschiedlichen Elementlypen und Vernetzungen ausgeführt werden. Ausgewählte Ergebnisse (Vertikalverschiebung des Kraftangriffspunktes und die jeweils absolut größte Normalspannung in horizontaler Richtung) sind für die verschiedenen Rechnungen untereinander und mit den Ergebnissen der Biegetheorie zu vergleichen.
a)
---------Ft ~ j
b)
1
I_F t
_
l'
~------------
~l
....,,-
2Die hier angegebenen Ergebnisse wurden mit Programmen berechneL die mit dem .• Finite-Elcmcnte-Baukaslerro Femsei
erzeugt wurden. sie.he informationen in der Box auf Seile 714. Für das Beispiel 1 findet
mall
unte.r www.TM-
akwel1.de auch die ausfUhrlieh kommentierte Berechnung mir einem kommerziellen System (Ansys).
706
34 Methode der finiten Elemente
Nachfolgend sind die Ergebnisse für zwei Elemennypen (Drei-Knoten-Dreieck und Acht-KnotenViereck) zusammengestellt: Fall a) ElementTyp J
'-?--t
/ '( 4(_8___
/~,
2
Anzahl der Elemente
Anzahl dcr Knotcn
Ix2=2 2 x 10 =20 4 x 30 = 120 2x2=4 4x 10=40 8 x 30 = 240 10 x 80 = 800
13 85 429 6 33 155 486
Biegetheorie
Fall b)
VF
(Jx.mux
VF
Cf.r.ma.x
[mm]
[N/mm2 ]
[rom]
[N/mm 2 ]
0,709 0,764 0,767 0,027 0,283 0,602 0,691 0,762
104 124 132 2,99 45,0 97,4 113 120
0,0410 0,0491 0,0495 0,00024 0,0186 0,0388 0,0445 0,0476
-20,5 -31, I -35,8 -0,43 -10,4 -24.4 -30,4 -30
Theoretisch müssten die Ergebnisse nach der Scheibentheorie aus folgenden Gründen besser sein als nach der Theorie des Biegeträgers: • Die Scheibentbeorie unterliegt nicht der "Bemoulli-Annahme" der Biegetheorie vom Ebenblciben der Querschnitte. • Die Lasteinleitung kann tatsächlich dort crfolgen, wo die Last wirkt. In der Biegetheorie steckt z. B. immer die stillschweigende Annahme, dass EinzelJasten in den Querschnitt entsprechend der Querkraftverteilung über die Höhe eingeleitet werden. • Eine entsprechende Aussage gilt für die Lagerung, und an einer Einspannung z. B. (FaJl a) setzt die Biegetheorie voraus, dass sich Vertikaldehnungen ungestört einstellen können. Praktisch kann aber nach der Scheibentheorie nur eine Näherungslösung erzeugt werden. Bei einer groben Näherung werden die Ergebnisse der Biegetbeorie die Realität sicher besser annähern, wcnn man allerdings den (unbekannten) theoretischen Lösungen mit der Finite-ElementeMethode sehr nahe kommt, sind diese Ergebnisse zu bevorzugen. Die berechneten Ergebnisse zeigen das: Bei einer groben Einteilung des Systems in finite Elemente erhlillman eine entsprechend grobe Näherung der Realität, und die klassische Biegetheorie liefert bessere Ergebnisse. Bei feiner werdender Vemetzung sind die Ergebnisse der Finite-Elemente-Methode den Ergebnissen der Bicgcthcoric übcrlegen. 2 Acht-Knoten-Elemente Die Ergebnisse für das Acht-KnotenViereckselement bestätigen diese Aussage. Während die extrem grobe Einteilung in nur 2 Elemente immerhin schon Ergebnisse liefert. die in der zu erwartenden Größen120 Acht-Knoten-Elemente ordnung liegen, sind die Ergebnisse mit 20 Elementen brauchbar und genügen bei 120 Elementen auch gehobenen Ansprüchen (Abbildung 34.1.1 zeigt zwei Netze). Abbildung 34.11: Netze mit Acht-Knoten-Elemellten
34.3 Weitere Elemenllypen, Testrechnungen
707
Es ist übrigens kein Zufall, dass die berechneten Verschiebungen mit feiner werdender Vernetzung immer größer werden. Dies ist mit dem im Abschnitt 33.5 behandelten Prinzip vom Minimum des elastischen Potenzials zu erk.lären: Die zur Konkurrenz zugelassenen Vergleichsfunktionen werden mit feincrer Vernetzung immer anpassungsfahiger an die (unbekannte) Lösungsfunktion, mit der sich tatsächlich das Minimum des elastischen Potenzials ergeben würde, weil die elementweise aufwschreibenden Ansatzfunktionen natürlich beliebige Funktionen bei kleiner werdenden Elementen besser approximieren können. Interessant ist der Einfluss der starren Einspannung, der sich erst bei noch wesentlich feinerer Vernetzung deutlich zeigt. Während sich der Wert für die Verschiebung unter der Kraft nicht mehr ändert (und sehr nah beim Wert der Biegetheorie liegt), steigen
ElementTyp
Anzahl der Elemente 480 1 1920 7680 Biegetheorie
)_1
.I~ , .L.
die maximalen Spannungen in x-Richtung
(die "Biegespannungen") noch deutlich an.
1
VF
<J'X,IIUU
[mm] 0,768 0,768 0,768 0,762
lN/mm 2 ] 141 160 185 120
Abbildung 34.12: Fein vernetzter Kragträger (Fall a)
Ursache daflir sind die an der Einspannstelle verhinderten Vertikalverschiebungen, die an den kritischen Stellen (oberer und unterer Rand) zu erheblichcn Zwängen führen, die von der Theorie des Biegerrägers nicht erfasst werden. Wenn man bei der Vergleichsrechnung "dem Biegerräger entgegenkommen wollte", müssten für die Scheibe am linken Rand nur die Horizontalverschiebungen verhindert werden (und nur z. B. für den mitlleren Punkt auch die Vertikalverschiebung). Dann könnten sich auch (wie in der Theorie der Biegeträger angcnommen) an der Einspannstelle die Vertikalverschiebungen ohne Zwang einstellen. Eine solche Rechnung liefert dann dort auch für die Spannungen fast genau die Werte des Biegeträgers. Ganz anders ist die Silllation mit den 3-Knoten-Elementen (zur Erinnerung: Linear veränderlicher Verschiebungsansatz, deshalb konstante Spannungen in einem Element). Die Einteilung in nur4 Elemente (Abbildung 34.13) kann natürlich kein vernünftiges Ergebnis liefern (gef:ihrlich ist aber, dass das Verfahren überhaupt ein Ergebnis liefert). Doch auch bei feiner werdender Vernetzung steigt die Genauigkeit nur sehr langsam. Die Ergebnisse mit einer Einteilung in 40 Elemente sind immer noch unbrauchbar. Selbst mit 800 Elementen ist das Resultat noch sehr unbefriedigend und hat nicht annähernd die Qualität, die mit dem Acht-KnotenElement schon bei einer Einteilung in 20 Elemente erreicht wird. Man bedenke, dass bei der 8oo-Elemente-Rechnung immerhin 486 Knoten berücksichtigt werden, so dass ein Gleichungssystem mit 972 Unbekannten gelöst werden lllUSS.
4Drei-Knoten-Elemente 5
3 3
2
2
4
4
•
Abbildung 34.13: Unbrauchbares Netz 40 Drei-Knoten-Elemente
!
800 Drei-Knoten-Elemente
Abbildung 34.14: Netze mit Drei-Knoten-Elementen
708
34 Methode der finiten Elemente
Das Fazit dieser Rechnungen lautet: Selbst eine sehr feine Vernetzung kann bei Verwendung ungeeigneter Elemente zu äußerst ungenauen bis unbrauchbaren Ergebnissen führen. Q
Das hier am zweidimensionalen Modell demonstriel1e Problem gilt in ganz ähnlicher Weise auch für dreidimensionale Elemente. Recht beliebt sind für 3D-Modelle wegen der Möglichkeit, annähernd beliebige geometrische Formen sehr gut nach bi Iden zu können, die TetraederElemente. Das einfachste Element dieses Typs hat vier Knoten mit je 3 Freiheitsgraden, so dass für die 3 Richtungen jeweils ein viergliedriger Ansatz für die Verschiebungsfunktion verwendet werden kann. Das bedeutet: Nur lineare Glieder im Versch.iebungsansatz, konstante Verzerrungen und damit konstante Spannungen im Element. Dieses Element verlangt ähnlich feine Vemetzungen wie das Drei-Knoten-Element bei der Berechnung von Scheibenproblemen.
Eindrücklich gewarnt werden muss vor der Versuchung, ein möglichst feines Netz (mit einfachen Elementen) zu erzeugen, mit dem eine hohe Qualität der Rechnung suggeriert werden soll. Das Beispiel zeigte, dass die Verwendung geeigneter Elementtypen ein mindestens ebenso wichtiges Kriterium für die Beurteilung einer Rechnung isl. denn Verifizieren kann man die Ergebnisse vieler Finite-Elemente-Berechnungen seh.r häufig nich.1. gerade weil Probleme gelöst werden können, die sich einer Lösung mit anderen Verfahren entziehen. Und weil nach den vielen positiven Aussagen über die Finite-Elemente-Methode das gerade behandelte Beispiel möglicherweise abschreckend wirkte, soll hier noch einmal betont werden: Die Methode der finiten Elemente ist ein außerordentlich leistungsHihiges (und für zahlreiche Probleme das einzige praktikable) Verfah.ren. Komfortable FEM-Programmsysteme sind unverzichtbare Hilfsmittel für den Ingenieur. Aber: Der Anwender sollte wissen, was er tut! Abschließend soll zur "Ehrenrettung" des Drei-Knoten-Elements (immerhin begann die Erfolgsstory der Finite-Elemente-Methode mit diesem Element) darauf verwiesen werden, dass auch das einfachste Element gute Ergebnisse abliefert fLIr Modelle, die es ausreichend genau annähern kann.
Abbildung 34.15: Mit dem Modelt des .. klassischen Zugstabs·' ist auch das Drei-Knoten-Elcment nicht überfordert
Das in Abbildung 34.15 zu sehende Netz mit 4 Elementen, das im behandelten Beispiel geradezu absurd falsche Ergebnisse lieferte, kann die skizzierte Zugbelastung exakt umsetzen: Weil sich für den Zugstab (vg1. Kapitel 14) linear veränderliche Verschiebungen und konstante Spannungen ergeben, sind die Ergebnisse der Finite-Elemente-Berechnung auch bei Verwendung des Drei-Knoten-Elements exakt. Aber auch diese Aussage gilt nur, wenn sich (wie beim einfachen Zugstab) die Querkontraktion ungehindert ausbilden kann. Deshalb ist in Abbildung 34.15 eines der beiden Lager ein Loslager (vgl. Diskussion über die stane Einspannung des BiegetTägers).
709
34.3 Weilere Elemennypen, Teslrechnungen
34.3.2 Konische Welle Die Elememsteifigkeitsbeziehung 33.62 für den Biegeträger kann eine veränderliche Biegesteifigkeit elfassen. Dies soll hier genutzt werden, um ein Element ftir die Berechnung von konischen Wellen zu entwickeln. Abbildung 34.16 zeigt, wie sich der Durchmesser von einem Elemenlrand zum anderen linear von dl auf d2 ändert. Mit der Formel für das Flächenträgheitsmoment ftir einen Kreisquerschnitt (Seite 222) kann die von Ze abhiingige Biegesteifigkeil so formuliert werden: 7r
7r
64
64
Ze
4
4 Ele(Ze)=E-de(z,,)=Edl+(dz-d l )- ] [
'e
.
Abbildung 34.16: Biegelräger mit linear veränderlichem Durchmesser
In die Fom,eln der Matrixelemente der Elementsteifigkeilsmatrix gehen neben Ele(Ze) noch die zweiten Ableitungen der Ansatzfunktionen 33.58 ein:
I/()
gl Ze =
-TJ6 + 12~Ze
'I() 4 Ze gz Zr = -t;+6!J;
Ze
I/() 2 Ze g4 Ze = --I +6-/2
1/
g3(Z~) =
6
-,2 'e
-12-/3 e
e
e
Damit können die Tntegrale für die Matrixelemente der Elementsleifigkeitsmalrix I,
J
kJ\~), =
Ele(Z,) g;;, (z,)g;;(z,)
dz~
:.e=o aufgeschrieben und geschlossen gelöst werden. Dies ist etwas mühsam (flir das einfache Problem aber durchaus nicht schwierig) und wird deshalb im Allgemeinen numerisch erledigt. Dafür werden bevorzugt die Quadraturformein von Gauß (nach eARL FRIEDRtCH GAUSS, 1777 - 1855) verwendet, bei denen nc (nicht äquidistante) StützsteUen im Integrationsbereich (Gauß-Punk/e) so liegen, dass ein Polynom (2nc - I)-ten Grades exakt integriert wird 3 Im Allgemeinen ist die Genauigkeit der Gauß-Formel für "c = 3 ausreichend, die ein Integral folgendermaßen nähert: 1
3
J
I(z) dz '"
::=0
~ E w;I(zi)
mit (34.5)
1=1
SI23=-JI, O.
JI
• wl.2.3 =
585 9
9' 9'
Damit ergeben sich die Matrixelemente der Elementsteifigkeilsmalrix aus folgender Summe:
f . - (Zi )gm Zi
(e) /e k11111 ~ 2" i.... wj Eie
1/ (
)
gn1/( Zj )
mit
(34.6)
i-I
3 Unter www.TM-nkruell.defindetman (Stichwort "Gauß-lntcgr
710
34 Methode der finiten Elemente
I
Beispiel: I_....;__ Für die skizzierte kOnische Welle, bei der sich der Durchmesser in zwei Abschnitten jeweils linear ändert, ist die Durchbiegung (Elastizitätsmodul: E = 2. I . 105 N/mm 2 ) zu berechnen. Der Einfluss der Feinheit der Vernetzung auf die Ergebnisse ist zu untersuchen. Die "natürliche" Einteilung des Systems in 5 Elemente (Abbildung 34.17, obere Skizze), die sich mit der Verfügbarkeit eines Elements mit veränderlichem Querschnitt} anbietet, liefert nur eine Nähemngslösung, weil die verwendeten Ansatzfunktionen die komplizierten Funktionen, mit denen eine Biegelinie bei veränderlichem Querschnitt beschrieben wird, nicht exakt nachbilden können. Für den Vergleich werden dic Durchbiegungen an den vier Übergangsstellen von jeweils konstantem zu veränderlichem Querschnitt gewählt (in der mittleren Skizze der Abbildung 34.17 sind das die Knoten 2, 3, 4 und 5). Die nebenstehend zu sehende Zusammenstellung listet die Ergebnisse für drei Rechnungen. Man sieht, dass sich bei einer Einteilung der beiden konischen Wellenabschnitte in jeweils 8 Elemente (insgesamt 19 Elemente, Abbildung 34.17, untere Skizze) die Ergebnisse nicht unwesentlich ändern.
t
!
I
4000N
~ A~/~'-~HEE------,.,/---'1s 100 --I
250
f-.I
4/./
250
1
! ~ I
100 e----
5
4
10\ 07"
2
4 10
2
2
400
~~-I----1------I
2
10
5 18
11
6 19
19 20
Abbildung 34.17: Einteilung der Welle in 5 bzw. 19 Elememe
5 Elemente Vi [mm] 2 2,6243 3 5,3599 4 6,2512 2,9708 5 i
2000N
19 Elemente Vi [mm] i 2 2,8191 5,5266 10 I1 6,4244 3,1985 19
35 Elemente i Vi [mm] 2 2,8192 5,5267 18 19 6,4245 3,1986 35
Abbildung 34.18: Rechnung mit konischen Elementen
Bei noch feinerer Einteilung (jeweils nur die konischen Abschnitte, die 3 Abschnitte mit konstantem Querschniu werden von der Element-Steifigkeitsmatrix exakt abgebildet) in insgesamt 35 Elemente sind die Ergebnisse praktisch exakt (die entsprechend der jeweils feineren Elementeinteilung ausgewiesenen Knolennummern in einer Zeile beziehen sich immer auf den gleichen PUllkt der Welle). Es bietet sich an, die Ergebnisse mit einer Vergleichsrechnung mit dem einfachen BiegeträgerElement mit konstantem Querschnitt zu überprüfen, weil die Ergebnisse zumindest in gleicher Größenordnung zu erwarten sind. Als Durchmesser des Querschnitts wird z. B. für jedes Element der "mittlere Durchmesser" angenommen. JDas konische Biegclräger-Elcmenl ist so. wie es allf Seile 709 beschrieben wird. im .,Finite-Elemente-Baukasten" Fe"L~et "crfiigbar. siehe informationen in der Box auf Seile 714. Die Be.rcchnungen für das Beispiel wurden mit Matlab-Femsel am.geführt, siehe www.TM-akluell.de.
34.3 Weitere Elemennypen, Testrechnungen
711
Die nebenstehend zu sehende Zusammenstellung zeigt die Ergebnisse fur zwei Rechnungen, wobei bei der Rechnung mit 5 Elementen für die konischen Wellenabschnitle 35 mm als mitllere Durchmesser angesetzt wurden, bei der 19-Elemente-Rechnung eine entsprechend feine Änderung von Element zu Element. Während die 5-Elemente-Rechnung doch erhebliche Abweichungen von der Rechnung mit ,.besseren Elementen" zeigt. ist die 19-Elemente-Rechnung überraschend genau.
5 Elcmente Vi [mm] i 2,4929 2 5,9390 3 4 7.0830 2,5524 5
19 Elementc i Vi [mm] 2 2,8119 10 5,5434 11 6,4490 3,1873 19
Abbildung 34.19: Rechnung mit Elementen mit konstantem Querschnill
In diesem Fall überwiegt eindeutig die Feinheit der Elementeinteilung gegenüber dem qualitativ besseren Element bei der Annäherung an die exakte Lösung, so dass sieb bei noch feinerer Unterteilung eine gleichwertige Qualität der Ergebnisse ergibt. Genau mit dieser Strategie arbeitet das unter www.TM-interaktiv.de zu findende Programm "Gerade Biegeträger": Es verwendet nur das einfache Biegeträger-Element (mit konstantem Querschnitt), unterteilt aber Träger mit kontinuierlich veränderlicher Biegesteifigkeit automatisch (der Benutzer merkt davon nichts) in 500 Elemente. Abbildung 34.20 zeigt einen Ausschnitl aus der Ergebnis-Grafik für das hier behandelte Beispiel. Obwohl die Darstellung (entsprechend der Eingabe durch den Benutzer) nur 5 Elemente zeigt (und auch nur die Ergebnisse für die 6 Knoten ausgibt), wurde die Rechnung mit einer so feinen Elementeinteilung ausgeführt, dass die ausgegebenen Verformungen als exakt angesehen werden dürfen. 1m Unterschied zu den zwei- und dreidimensionalen Aufgaben ist es bei eindimensionalen Problcmen weitgehend unbedenklich, einfache finite Elemente zu verwenden und die gewünschte Genauigkeit durch eine große Elementanzahl zu realisieren. Auch die von der Software automatisch erzeugten "Netzverfcinerungen" sind in der Regel problemlos zu akzeptieren, weil die entsprechenden Bereiche zweifelsfrei erkannt werden können.
Knotenverforl1'lUl'l'Jen:
'1'1 .. 0 phl1 =0.0314071
v2 =2.8191853 phi2 .. 0.02176135 . . . 3 .. 5.5267696
o
200
400
phi3 '" 0.00594283 v4 .. 6 4245462
BOO
phi4" 0.00104133
....5 .. 3.1985958 phiS '" -00262903 ".6 .. 0 phiS .. -0.0348337
vm.llX '" (IA4E!17Q7 bei x= 043.1;15605
"min= 0
b.d)(= 0
Abbildung 34.20: Berechnung mit dem Programm ,.Gerade Biegeträger" (www.TM-interaktiv.de): Der Benutzer beschreibt 5 Elemente. für die interne Berechnung werden 500 Elemente verwende!.
712
34 Methode der finiten Elemente
34.3.3 8t.-Venantsche Torsion Im Kapitel 21 wurde gezeigt, dass im Rahmen der Sr.- Venantschen Torsionstheorie das Torsions-
trägheitsmoment eines beliebigen einfach zusammenhängenden Querschnitts nach 21.29 (Seite 382) berechnet werden kann: (j2
(]2
- + -dy= 2 dx2
1
mit
0
und
/, = -4
J
(34.7)
A
Nur für sehr wenige Querschnitte lässt sich dieses Problem geschlossen lösen. Eine Näherungslösung mit der Methode der finiten Elemente unterscheidet sich deutlich von allen bisher in diesem Buch behandelten Aufgaben: oe:> Es ist (von diesem Startpunkt aus) ein rein mathematisches Problem (Lösung der Pois-
sonschen Differenzialgleichung), die Begriffe "Kraft". "Verschiebung", "Stei figkeitsmatrix" verlieren hier ihre Bedeutung. Sie werden aber (üblicherweise) weiter verwendet. Es gibt kein Pendant zu den Element-Knotenlasten (und auch nicht zu den Schnittgrößen). Diese Aufgabe eignet sich deshalb hervorragend zur Demonstration des am Anfang dieses Kapitels (Seite 695) als Zugang@ zur Firüte-Elemente-Theorie beschriebenen Weges. In der Variationsrechnung wird gezeigt, dass zu 34.7 folgendes Variationsproblem äquivalent ist: (34.8) Es wird ein Dreieckselement mit 6 Knoten verwendet (Abbildung 34.21). Dies ist einerseits einfach genug, um das Vorgehen zu demonstrieren, andererseits auch bei kompliziert berandeter Fläche anpassungsfähig genug. Die Knoten haben einen Freiheitsgrad (Funktionswert
Iy
Abbildung 34.21: DreieckseJement für die St.-
Venantscbe Torsion
Der gesamte Weg vom Variationsproblem 34.8 über den Ritz-Ansatz und die Minimalbedingungen entspricht aber ansonsten dem im Abschnitt 33.5.4 für den Biegeträger demonstrierten Weg. Schließlich entsteht eine der Element-Beziehung 33.62 entsprechende Gleichung: (34.9) Mit den Abkürzungen Xij =Xj -Xj hll
=X~2+Y~3
ht="JI+"12
Y;j = Y; -Yj
"12 = X13 x 32 + Y31 )'23 "2="12+"22
"22 =
xh + Y~3
2A = x21 Y31 -x31 Y21
34.3 Weilere Elemennypen, Testrechnungen
713
ergibt sich folgende Elementbeziehung:
~"II ~i;l112
!"22
!6 h*1
~ "12
0
!IZ; 6 _
j "12
-32 I'2"
0
-~h*
1(!li + "22)
~ ("i +/Ii)
-~
!z*I
0
0
0
<1>?
0
0
3 1
-1,," 3 I
<1>:J
0
0
-34 ""I
-1"i
~h" 3 -
0
1(!li + "22)
0
3
1(hi +/122)
symmetrisch
A
+-3
0
Der Aufbau der System-Beziehung (lineares Gleichungssystem) erfolgt exakt nach dem bekannten Algorithmus (ausfuhrlich beschrieben im Kapitel 15) mit der Vereinfachung, dass die ,.rechte Seite" des Gleichungssystcms nur aus den Anteilen dcr ,.reduzierten Knotenlasten"!e,,.d gebildet wird (,.externe Knotenlasten" gibt es nicht). Um die Randbedingung
berechnet wird (ausführliche Darstellung siehe www.TM-aktueII.de). Das Element ist in Femsel verftigbar (siehe Box auf Seite 714). Damit wurde auch das folgende Beispiel herechnet. I Beispiel:
I
F··ur einen . Rec h tee kquersc h· .. . h··J·" mtt IllJt eInem Seltenver a tms b = 2·Ist das Torsions-Trägheitsmoment zu berechnen. Der Einfluss der Feinheit des FiniteElemente-Netzes auf die Genauigkeit des Ergebnisses ist zu untersuchen. Die Tabelle zeigt einigc Ergebnisse für unterschiedlich feine Vernetzung (ein Matlab-Script, mit dem die Rechnungen nachvollzogen werden können, findet man unter www.TM-aktueII.de):
I,
!lb 3
~ ~
0,2139
0.2246
I I 0,2283
0,2286
400 Elemente
6400 Elemente
0,2287
0,2287
Mit recht grobem Netz erziclt man schon brauchbare Ergebnisse (man bedcnke, dass das Nctz mit 8 Elementen nur einen einzigen Funktionswert
34 Methode der finiten Elemente
714
WWW-Ergänzung-Vertiefung-WWW
ra,
,.....
Finite.Elemente.Methode umer www.TM-aklUell.de bietet u. a. folgende Themen: "Die Gnmdgleichungen der Finite·Elemente-Methode (FEM)" enthält eine ausführliche Beschreibung der allgemeinen theoretischen Grundlagen für elastostatische Probleme und Eigenschwingungsberechnungen, jeweils mit einem Beispiel. Matlab-Felllset ist ein Interface zu den Algorithmen der Finite-Elemente-Methode. Es bietet die MögLidlkeit, mit Matlab FEM-Rechnungen auszuführen und gestattet Einblicke in die programminterne Realisierung des Verfabrens. Femset ist ein Finite-Elemente-"Baukasten" mit den zentralen Bausteinen für FiniteElemente-Programme (Quelleode in C, Basic und Fortran). Zahlreiche komplett durchgerechnete Beispiele dienen als Muster für die Behandlung ähnlicher Aufgaben. viele Aufgaben werden zum Vergleich auch mit anderen Berechnungsverfahren behandelt.
34.4 Aufgaben
I
Aufgabe 34.1: I Der skizzierte Fachwerkstab wird definiert durch die jeweils drei Koordinaten seiner Endpunkte und seine Dehnsteifigkeit EA. Es ist die Element-Steifigkeitsmatrix zu ermitteln, die die sechs skizzierten Knotenkräfte mit den in gleiche Richtungen zeigenden Knotenverschiebungen verknüpft.
lz
Hinweis: Man folge dem Algoritbmus, mit dem im Abschnitt 15.3 die Element-Steifigkeitsmatrix für das zweidimensionale Fachwerk-Element er.oeugt wurde. Für die Transformation der Stabkraft und der in Stablängsrichtung definierten Verschiebungen auf das skizzierte Koordinatensystem wird das Arbeiten mit Richtungskosinussen empfohlen (Abschnitt 8.1).
I
Aufgabe 34.2: I_ _ _ _ _.... Für einen elastisch gebetteten Biegeträger ist die Element-Steifigkeitsbeziehung zu ermineln. Hinweis: Man folge dem Algorithmus, mit dem im Abschnitt 33.5.4 die Elemem-Steifigkeitsbeziehung für den Biegeträger ohne Bettung erzeugt wurde und verwende auch die dort benutzten Ansatzfunktionen 33.58. Das zur Differenzialgleichung für den elastisch gebetteten Träger 19.3 äquivalente Variationsproblem kann über die Beziehungen 33.44 und 33.45 formuliert werden.
i
'l'i
,~
::'e
iJ.{ze)
35 Verifizieren von Computerrechnungen .,Warum muss ich das denn alles lernen, wenn es dafür so komfortable Computerprogamme gibt?". Auch wenn diese Frage bereits an mehreren Stellen in diesem Buch beantwortet wurde, der Hauptgrund wird durch die Überschrift dieses Kapitels gegeben. Dem fatalen Trend, Berechnungen mit Hilfe des Computers eher zu glauben als der "Handreehnung", folgen glücklicherweise diejenigen am ehesten nicht mehr, die die Berechnungen selbst durchführen, spätestens dann, wenn sie die Folgen falscher Ergebnisse selbst zu verantwol1en haben. Aber bei der Verteidigung der gewonnenen Ergebnisse verzichtet trotzdem kaum jemand auf den Verweis auf das "bekannte und bewährte Programm", mit dem sie gewonnen wurden. Das Problem, ein (auf welchem Wege auch immer gewonnenes) Ergebnis einer Berechnung zu verifizieren, ist schwierig und mit letzter Konsequenz wohl genauso unmöglich wie der Nachweis, dass ein Rechenprogramm korrekt arbeitet. Gerade den mit Computerprogrammen ermittelten Ergebnissen sollte Skepsis entgegengebracht werden, weil einige zusätzliche Fehlerquellen bei der Nutzung von Programmen hinzukoJl1Jllen:
c:> Computerprogramme können fehlerhaft sein (und sind es in der Regel auch). Da die groben Fehler im AJJgemeinen in der Testphase bemerk! werden, sind es gerade die speziellen Probleme, die bei einem auch über lange Zeit zuverlässig arbeitenden Programm plötzlich zu einem Fehler führen, der sich im "günstigen Fall" durch einen "Programm-Absturz" oder ein eindeutig unsinniges Ergebnis äußert, im wcsemlieh häufigeren ungünstigen Fall aber beim Benutzer keine Skepsis gegenüber dem ermittelten Ergebnis hervorruft. Übligens: Viele Anwender wären entsetzt, wenn sie wüssten, wie viele Fehler in ihren Programmen den Software-Herstellern selbst bekannt sind. Diese Fehler werden nicbt beseitigt, weil natürlich jede Programm-Änderung (auch und gerade die Fehlerbeseitigung) Ursache für neue Fehler sein kann. Außerdem ist die Suche nach Fehler-Ursachen außerordentlich mühselig und könnte mit Erfolg meist nur von den PrograJl1Jll-Emwicklern erLedigt werden, die schon längst an einem anderen Projekt arbeiten, wenn ein Fehler bekannt wird. Und noch eine Bemerkung, die auch hin und wieder als kleiner Trost gelten darf: Der gefürchtete (aber jedem Computer-Benutzer vertraute) .,Programm-Absturz·· ist immer ein Fehler der Software-Entwickler und nicht etwa ein Fehler des Anwenders (ein Programmierer hat für eine - offensichtlich nicht unrealistische - Situation keine adäquate Reaktion des Programms vorgesehen).
c:> Man kann das falsche Programm einsetzen. Wer einen biegesteifen Rahmen m.it einem Fachwerk-Programm berechnet (und wenn man Pech hat, stürzt das Programm nicht ab) und sich freut, dass keine Biegemomente (und damit auch nicht die gefährlichen Biegespannungen) hervorgerufen werden, darf das falsche Ergebnis natürlich nicht dem Programm anlasten.
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1_35, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
716
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
oe:> Man kann auch ein zum Problem passendes und richtig rechnendes Programm falsch be-
dienen, indem man ihm falschc Eingabedatcn anbietet. Die hierbei wohl häufigsten Fehler bei Ingenieur-Problemen sind falsche Dimensionen für richtige Zahlenwerte. Viele Programme schreiben die Dimensionen der Eingabewerle fest vor oder gestatten dem Benutzer die Einstellung. Daran muss man sich dann natürlich konsequent halten. Häufiger ist der Fall, dass keine Vorschriften über die Dimensionen für die Eingabewerte getroffen werden, die berechneten Ergebnisse orientieren sich dann an den gewählten Dimensionen. In diesem Fall ist noch größere Konsequenz erforderlich: Wenn zum Beispiel mund kN für Abmessungen und Kräfte gewählt werden, dann muss der Elastizitätsmodul in der Dimension kN/m 2 eingegeben werden, Biegemomente als Ergebnis würden man in diesem Fall in kNm erhalten (im Allgemeinen ist der Maschinenbauer mit der Wahl "mm und N" gut beraten, der Bauingenieur mag "m und kN" bevorzugen). Aber neben der Fehlerquelle "Dimensionen" kann der Benutzer durch Fehleingaben, häufiger jedoch durch Missverständnisse, unklare Benutzerführung, unzureichende Programmbeschreibung usw. noch beliebig viele Fehler produzieren, die vom Programm nicht bemerkt werden können, so dass dieses ein völlig falsches Ergebnis liefen, das sich mit schönen larbigen Grafiken so elegant wie ein richtiges Resultat präsentiert.
35.1 Allgemeine Empfehlungen Mit der zu benutzenden Software sollte man vertraut sein. Dieser Idealzustand ist schon deshalb bestenfalls vorübergehend erreichbar, weil eiJle neue Version sich gern auch mit geänderter Benutzer-Schnittstelle präsentiert. Auf keinen Fall sollte man ein aktuell anstehendes Problem gleich mit einer bisher nicht genutzten Software angehen, ohne nicht vorher damit eine Aufgabe mit bekanntem Ergebnis gelöst zu haben. Für die Ei",u·beitung in eine neue Software (oder eine neue Version einer bekannten Software) ist das Lesen von Handbüchern nur bedingt zu empfehlen (für die junge Generation von ComputerBenutzern ist dieser Hinweis überflüssig, man liest ohnehin keine Handbücher und hat auch eine starke Abneigung gegen die Benutzung der Hilfe-Funktion). Es gibt nur eine Empfehlung: Man benutze die Software. Hilfreich kann ein "TutoriaJ" sein (man wird "Kliek für Klick'· durch die Lösung eines einfachen Problems geführt). Wenn dies nicht verfügbar ist, versuche man es mit einer einfachen selbst geWählten Aufgabe mit bekannter Lösung, und wenn man dann doch irgendwann nicht weiter kommt, kann man immer noch die Hilfe-Funktion oder das Internet befragen r . Das in ein Computerprogramm eingegebene Berechnungsmodell soille in jedem Fall einer genauen Kontrolle unterworfen werden. Das mühsame Vergleichen vieler Zahlenwerte wird von I
Die Autoren dieses Buchs gehören zwar noch der Generation an. die H~ndblicher gelesen und auch manchmal die Hilfe-Funktioll benutz! haL, aber sie hüten ~ich davor, die jüngere Generation zu kritisieren. die mit Fragen sofon ins Internet gehL. Gerade dann. wenn man meint. ein Programm müsse doch wohl eine bestimmte Funktion ganz
bestimmt anbieten. mall fLOde! sie 11m nicht. stellt man fest, dass es anderen auch schon so gegangen ist und irgend wer Rat wusste.
35.1 Allgemeine Empfehlungen
717
guten Rechenprogrammen durch entsprechend aufbereitete Listen unterstützt, besonders effektiv sind Kontrollen mit grafischer Unterstützung (Vorsicht, die Grafik zeigt vieles, aber nicht alles: Grobe Fehler bei Abmessungen sieht man in grafischen Darstellungen im Allgemeinen sofort, aber ein falscher Elastizitätsmodul ist meist auf diescm Wege nicht zu finden). Ergebnisse, die mit Computerprogrammen ermittelt worden sind. sollten unbedingt einer sehr skeptischen Kontrolle unterzogen werdcn. Dazu kann man z. B. CD die zu erwartenden Ergebnisse vorher abschätzen und die errechneten Ergebnisse mit den Schätzungen vcrglcichen (für den uncrfahrcncn Anwcndcr mcist schwicrig), immerhin hat man meistens eine recht gute (qualitative) Vorstellung eines sich einstellenden Verformungszustands bzw. eines zu erwartenden Bewegungsverlaufs, @ die Erfüllung der Gleichgewichtsbedingungen an Teilsystemen und am Gesamtsystem
(unter Einbeziehung von vorgegebenen und berechneten Kräften) überprüfen,
® auf die Einhaltung physikalischer Gesetzmäßigkeiten achten (Biegemoment am Trägerrand gleich Null, wenn von außen kein Moment eingeleitet wird, Querkraftverlauf in unbelastetcn Abschnitten konstant, Nullstcllen dcr Qucrkraft, wcnn Biegcmoment eincn Extremwert hat, Nullstab-Kriterien bei Fachwerken auswerten, berechnete Geschwindigkeiten solltcn deutlich kleincr als die Lichtgcschwindigkeit sein, Temperaturen nicht wesentlich unter -273°C liegen ... ),
® Kontrollrechnungen mit vereinfachten (überprütbaren) Modellen durchführen, @ Berechnungen nach verschiedenen Verfahren (mit unterschiedlichen Rechenprogram-
men) ausführen, im Idealfall mit eincm mathematischen Modell und zusätzlich mit einem Programm. dem das physikalische Modell beschrieben werden kann,
® untersuchen, ob nicht wenigstens Teilergebnisse mit erträglichem Aufwand nachgerechnet werden können, (f)
zusätzliche Kontrollfunktionen (spcziell bei der Integration von BcwcgungsDifferenzialgleichungen) berechnen lassen, wenn man ihren Verlauf (zumindest qualitativ) voraussagen kann,
® bei Finite-Elemente-Berechnungen mehrere Rechnungen mit unterschiedlicher Vernetzung und/oder unterschicdlichen Elemenuypen durchführen,
® bei Diskretisierungsverfahren (Differenzenverfahren, numerische Lösung von Anfangswertproblemen) mehrfach mituntcrschicdlich feiner Schrittweite rechncn. Die Nummerierung der vorstehenden Aufzählung dicnt ausschließlich dazu, im nachfolgenden Text darauf verweisen zu könncn (ist lliso kein "Ranking"). Eine Bemerkung zu den mit Hilfe von numerischen (Nähel'llngs-)Verfahren ermittelten Ergebnissen muss noch ergänzt werden: Die Lösungen sind im Allgemeinen Näherungen der auf analytischem Wcge (wenn überhaupt möglich) zu berechnenden Wcrtc. Dies ist kein prinzipieller Mangel der numerischen Methoden (und deshalb werden für alle Lösungswege die gleichen Prüfkriterien verwendet), denn auch die "exakten" Lösungen sind natürlich nur "exllkt bezüglich des verwendeten mllthematischen Modells".
718
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Zum Beispiel wird für eine nach der Biegetheorie ermittelten analytischen Lösung für die Durchbiegung einer Welle vorausgesetzt, dass • die Verformungen "klein" sind, • die Querschnittsabmessungen klein gegenüber den Längenabmessungen sind, • die Schubverformungen vernachlässigt werden dürfen, • das Materialverhalten ideal-elastisch ist (Gültigkeit des Hookeschen Gesetzes), • die Querschnitte bei der Verformung eben bleiben, • Einzelkräfte punktförmig angreifen und entsprechend der Querkraftverteilung in die Querschnitte eingelcitet werdcn, • die punktförmig wirkenden Lager starr und in der neutralen Faser angebracht sind, • der an einer starren Einspannung liegende Querschnitt sich in seiner Fläche ungehindert verformen kann,
• die in die Rechnung einfließenden Werte (Belastungen, Abmessungen, Malerialeigenschaften) korrekt sind. Meistens sind auf diesem Weg wesentlich mehr Unsicherheiten in die Rechnung eingeflossen als selbst durch ein grobes Näherungsverfahren hinzukommen können. Der Ingenieur weiß das und betrachtet auch analytisch gewonnene Ergebnisse mit der gebührenden Skepsis (und darf darallf hoffen, dass alle Unwägbarkeiten z. B. durch den Sicherheitsbeiwert aufgefangen werden). Sehr viele Probleme der technischen Praxis führen (auf der Basis unterschiedlicher Verfahren) auf die Lösung eines sehr großen linearen Gleichungssystems. Bei der Finite-ElementeMethode oder dem Differenzenverfahren gilt die Aussage: "Je feiner die Diskretisiefllng, desto größer das Gleichungssystem, desto besser die Ergebnisse". Weil sich die Rechenzeiten mit modernen Computern auch bei sehr großen Gleichungssystemen in erträglichen Grenzen halten, wird gern nach dem Motto "Viel ist besser" verfahren, das prinzipiell nicht falsch ist, aber ein zusätzliches Problem erzeugen kann: Wegen der begrenzten Stellenanzahl, mit der im Computer gerechnet wird, sind alle Operationen zwangsläufig mit Rundungsfehlern behaftet. Diese können sich durchaus so akkumulieren, dass das Ergebnis ungenau bis unbrauchbar wird 2 Die Maßnahmen zur Verifizierung von Computerrechnungen lassen sich nur schwer kategorisieren (für viele Probleme sind auch mehrere Maßnahmen empfehlenswert). Deshalb werden im folgenden Abschnitt Beispiele vorgestellt, an denen die gegebenen Empfehlungen demonstriert werden. Die Auswahl der Beispiele verfolgt einen weiteren Zweck: Es soll gezeigt werden, dass auf der Basis der Grundlagen der Technischen Mechanik, die in diesem Buch behandelt wurden, bei Benutzung des Computers auch anspruchsvollere "nicht-akademische" Probleme gelöst werden können. Die Aufgaben sollen den Übergang zu den (im Allgemeinen deutlich kompliziel1eren) Problemen der technischen Praxis markieren.
2ZUdiesem ThemJ gibt es im Bereich Mar/u:maJikjürdie Technüdu:, Mechanik (www.TM-Malhc.dc)eineausruhrlich Betrachtung mir mehreren Bei~pielen. siehe Box auf Seite 73.
35.2 Beispiele
719
35.2 Beispiele Beispiel]
I
(Statik-Problem, Kontrollen flach den Empfehlungen
"I I
Eine Dachkonstruktion wird für die statische Berechnung wie skizziert modelliert als System aus vier starren Körpern, die untereinander durch Gelenke und zwei einander kreuzende Seile verbunden sind. Es sind die Lager-, Gelenk- und Seilkräfte zu berechnen.
ö
I
'" I a a a a a a a a a a
Gegeben: Vor der Berechnung: Nach Empfehlung I]) (Seite 717) kann zwar kein Einzelergebnis vorausgesagt werden, aber ganz sicher werden die Summe der Horizontalkomponenten der beiden Lagerkräfte gleich Fr und die Summe ihrer Vertikalkomponenten gleich F2 + F) sein. Lösung des Problems: Das System ist statisch bestimmt. Es ist in zwei Festlagern gelagert, so dass die Lagerreaktionen aus den Gleichgewichtsbedingungen am Gesamtsystem nicht berechnet werden können. Deshalb werden die vier starren Körper nach den Regeln der Statik freigeschnitten, und die Kräfte an den Schnittstellen werden angetragen (Abbildung 35.1). An jedem Teilsystem wirken fünf unbekannte Kräfte. Viel-
!X
leicht könnte man mit einigen
spitzfindigen (und damit fehleranfalligen) Überlegungen .,das große Gleichungssyslem" vermeiden, aber das ist nicht ratsam, im Gegenteil: Man sollte das Gleichungssystem für die Berechnung mit dem Computer aufbereiten und deshalb die jeweils einfachsten Gleicbgewichtsbedülgungeo formulieren.
J
Abbildung 35.1: Vier Teilsystcme mit Schnittkräften
Dies sind für jedes Teilsystem das Kraft-Gleichgewicht in horizontaler und das Kraft-Gleichgewicht in vertikaler Richtung, außerdem eine Momenten-Gleichgewichtsbedingung, für die jeweils als Bezugspunkt der Seilbefestigungspunkt gewählt wird, so dass die schräg angreifenden
720
35 Verifizieren von CompUlcrrcchnungcn
Sei Ikräfte darin nicht erscheinen. Die 12 Gleichgewichtsbedingungen werden in Matrixforrn zusammengefasst:
c -s 0 0 0 0
0
0 0
ol'
S
0
0
0 0
0
0
(5+~) I
0
I -~
a
0 -I 0 0
-I
0
0-1
0
0
0
0
0
0
FS 1
-F,
0
0
0
0
0
0
FSl
0
0
0
0
0
0
0
FAll
F, (5+~-~)
0
FAV
0
0
FCH
F2
0
Fcv
F2
0
0
FOH
0
I
0
0
0
0-2
0
0-1
0
0 0 0
0 0 0
-c
0
0
0
0
0-1
S
0
0
0
0
0
0-1
0
0
0
Fov
F3
0
0
0
0
0
0
0-1
0-2
0
0
hH
-F3
o -c o -s
0
0
0
0
0
o -I
I
0
FEV
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
FeH Fev
0
0
0-1 0 f _I _(Hf) -I
0 mit
0
0
"
5
c=cosa=
)25+W
0
z
" s= sina =
und
0 f a
)25+
(~)2
Um den Einfluss von Belastungen und Abmessungen sichtbar werden zu lassen, ist es naheliegend, das Gleichungssystem symbolisch lösen zu lassen. Dies gelingt durchaus auch noch für dieses System mit 12 Gleichungen. Nachstehend sieht man das von Maple abgeliefe'le Ergebnis (symbolische und numerische Berechnung mit den gegebenen zahlenwerten): F,
j~~~~)2 (-9~F, +36F2+68F3)
5.9276
FSl
V2fiP (9~F,+44f2+12F3)
4,2704
FAH
i [(~-8)F,+4F2+4F3]
0.7500
1- (-3 ~a F, + 32 F?-
1,5500
FAv
40
16f3)
FClI
Jh [(9-4~) ~FI -4 (9+4~) F2 -4 (17+4~) F3]
-8.5625
Fcv
Tk (3~F, -92F2+4F3)
-0,3875
FOH
-s1 [~~ F, +4 (5 +~) Fz +4 (5+~) F3]
-12.7500
Fov
sb (-3~FI + 12f2-4F3)
-0,2250
FEH
-Jh [(9+4~) ~FI +4 (11 +4~) F2+4 (H4~) F3]
FEV
,~ (3~F,-12F2+84F3)
Fell
-i (~FI + 4F2+4F3)
FBv
-lö
(3 ~ F, +8F2 + 24F3)
-6,9375 1.6125 -2,7500 2,4500
F.
35.2 Beispiele
721
Ergebnis verifizieren:
<>
Die Kontrolle des Kraftgleichgewichts am Gesamtsystem ist einfach. Ohne Rechnung erkennt man, dass die äußeren Kräfte mit den Lagerkraftkomponenten im Gleichgewicht sind.
<>
Wenn bei der Vorbereitung der Computerrechnung das Aufschreiben möglichst einfacher Gleichgewichtsbedingungen empfohlen wird, gilt für die KOlllrollbedingungen gerade das Gegenteil: Beim Formulieren des Momenten-Gleichgewichts der äußeren Kräfte sollte man einen Bezugspunkt wählen, für den alle Kräfte Anteile liefern, hier z. B. den Punkt C.
<>
Die Gleichgewichtsbedingungen am Gesamtsystem können auch als zusätzliche Gleichungen dem auf Seite 720 formulierten Gleichungssystem hinzugefügt werden. Dann entsteht ein System mit 15 Gleichungen für nur 12 Unbekannte. Weil mit 12 Unbekannten im Allgemeinen 15 Gleichungen nicht erfüllt werden können, kann nur naeh den Regeln der Ausgleiehsrechnung eine "bestmögliche Lösung" berechnet werden. Diese muss in diesem Fall (alle Gleichgewichtsbedingungen müssen erfullt sein, auch die äußeren) mit der Lösung des Systems mit 12 Unbekannten identisch sein. Dies ist eine effektive Kontrollmöglichkeit, wei I die den beiden Lösungsverfahren zugrunde liegende Theorien unterschiedlich sind 3
<>
Eine besonders bequeme (und besonders wirkungsvolle) KontrolJe kann mit einem Programm erreicht werden, dem ein physikalisches Modell beschrieben wird. Abbildung 35.2 zeigt ein Fachwerk, das als statisch gleichwertiges Ersatzsystcm nach den im Abschnitt 6.4.4 beschriebenen Regeln gebildet wurde (um die Ähnlichkeit mit dem Originalsystem zu verdeutlichen, wurden mehr Stäbe als erforderlich eingebaut). Dieses Ersatzsystem kann z. B. mit dem Programm "Statisch bestimmte ebene Fachwerke" (zu finden unter www.TM-interaktiv.de) berechnet werden.
Abbildung 35.2: Ersatzsystem (Fachwerk)
Stabkräfle.
FS19., 22804193 FS20 .. -4.9744962 FS21 '" _6 1654926 fS22 .. 2.7624807 fS23 .. 5.9276101 14 FS24 .. 4.2704288 Lagerreaktiorten:
Der Ausschnitt aus dem Ergebnis-Bildschirm (Abbildung 35.3) zeigt, dass die Ergebnisse für die Lagerreaktionen und die Seilkräfte beStätigt werden.
F1x '"' 075 F1y : 1.55 F14x" -2.75
F14y" 2.45
Abbildung 35.3: Eine Kontroltrechnung mit dem Programm "St.atisch bestimmte ebene Fachwerke" (www.TM·interaktiv.de) bestätigt die Ergebnisse
3Diese Möglichkeit wird für das hier behandelte Problem unter wwwTM-akrucll.dc mit Matlab demonstriert. Zur Theorie der Lösung übcrbeslimmter Gleichungssysleme (Ausglcichsrechmlng) findet man Informationen im Bereich MCI(hematikfiirdie Teclmische Mechanik (www.TM-Malhe.de). siehe Box auf Seile 73
722
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Bei~piel2
(3D-Fachwerk, Kontrollen nach den Empfehlungen CD. ®,~, @ und ® von Seite 717)
Die Daten des Berechnungsmodells für das nebenstehend skizzierte dreidimensionale Fachwerk (215 Stäbe. 71 Knoten) findet man unter www.TM-aktuell.dc. Dort wird auch die Berechnung aller Knotenverschiebungen und Stabkräfte mit einem geeigneten Progranun demonstriert. Weil eine Aufgabe dieser Art nur mit einem Programm berechnet werden kann, dem das physikalische Modell über Daten formal beschrieben wird (und dessen mathematischer Hintergrund den Benutzer nicht zu imeressieren braucht), ist das Verifizieren von Ergebnissen besonders wichtig. um die Gefahr von Fehlbedienungen oder Eingabe falscher Daten möglichst gering zu halten. Ergcbnis vcrifizicrcn:
c:> Dem Verformungsbild (Abbildung 35.4) kann man nur emnehmcn, dass cs qualitativ in dieser Form zu erwarten ist.
c:> Obwohl das System hochgradig statisch unbestimmt ist, lassen sich bei dcn Stabkräften durchaus Ergebnisse verifizieren, denn der Ausleger, der durch die beiden Sei le gehalten wird, ist als ebenes Gelenksystem statisch bestimmt, so dass der Kraft-
fluss von Monlageungenauigkeilen nicht nennenswert beeinflusst wird. Mit den bei den Kräften F = IOkN errechnete das Programm die Seilkräfte F 1S2 = 38,33 kN bzw. FIs? = 6,734kN.
Abbildung 35.4: Verformtes System
Knoten
x[m]
y[m]
zlmJ
37 46 47 60 62 69
I I 2 9 10 15 16
-I 0 -2 0
4
7t
Abbildung 35.5: Seitenansicht des Auslegers mit den Seilen
-I
S 0 I
0
0
I
-I
0
723
35.2 Beispiele
Die Abbildung 35.5 zeigt, dass der Ausleger als ebenes System betrachtet werden kann, das über die Seile in den Knoten 46 und 37 befestigt und im Knoten 47 gelenkig gelagert ist. Dei beiden Teile des Auslegers sind im Knoten 62 durch ein Gelenk verbunden. Mit einem Schnitt durch Knoten 62 und Seil 182 entsteht ein freics System, an dem die Seilkraft FI82 berechnet werden kann. Anschließend kann mit einem Schnitt durch Knoten 47 und beide Seile die andere Seilkraft berechnet werden. Dies ist durchaus "von Hand" möglich. Bequcmer ist natürlich die Kontrollrechnung mit einem Programm zur Berechnung ebener Fachwerke. Abbildung 35.6 zeigt die Berechnung der beiden Seilkräfte, wobei ein minimales ebenes Fachwerk modellicrt wurde.
Stabkrätte:
FS1 • ·37.142357 FS2· ·3.4832847 FS3 • 4.0406103 FS4. ·20 FS5 • -14.568627 FS6.28284271 FS7 =6.73419 FS8 • 38.332592
Abbildung 35.6: Seilkraftberechnung mit dem Programm ..Statisch best.immte ebene Fachwerke" (www.TM-interakliv.de) unter Ver-
wendung eines Minimalmodells
Q Eine Reihe von Stäben werden als Nullstäbe ausgewiesen, die nach den Regeln der Statik
bestätigt werden können: Der Stab 159 in der Nähe der Spitze des Turms (Abbildung 35.7, links) hat einen gemeinsamen Knoten mit den Stäben) 56, 157 und 164. Diese drei Stäbe liegen aber alle in einer Ebenc, so dass keine Kraftkomponente senkrccht zu dicser Ebene aufgenommen werden kann. Eine Stabkraft aus Stab 159 könnte nicht weitergeleitet werden, so dass er ein Nullstab sein muss. Mit einer ähnlichen Überlegung kann der Nullstab bestätigt werden, der in dem Ausschnitt aus dem Turm (Abbildung 35:7, rechts) zu sehen ist. Er ist an einem Ende an dem Knoten befestigt. an dem das untere Seil hängt. An seinem anderen Knoten ist er mit vier weiteren Stäben verbunden, die aber alle in einer Ebene liegen, so dass der fünfte Stab keine Kraft übertragen kann.
Abbildung 35.7: Nullsläbe an der Spitze des Turms und '1111 unteren Seil
724
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Beispiel 3 (Biegeträger, Kontrollen nach den EmpreWunge,u CD, (2). @, @, @ und ® von Seite 717)
3qo,
Für den skizzierten Biegeträger sollen die Durchbiegung, der Biegemomenlenverlauf und der Querkraft verlauf berechnet werden. Gegeben:
"' A
,,,, B
0
C
a
a = 220mm; d = 270mm; qo = 1Nimm b= 800nlln; e = 290mm; F = 2kN J
D
-c
b
,
EI
E
F
FJ
,7qo
e
d
F2
,
G
f
1= 20000mm 4 E = 2, [ . [05 N/mm 2 ;
c=210mm; J=310mm; F2=lkN Die Abbildung 35.8 zeigt die Ergebnisse der Berechnung mit einem Programm, das auf der Basis des im Abschnitt 18.2 beschriebenen Verfahrens arbeitet. Ergebnisse verifizieren:
c:> Die Verschiebungen können direkt nur qualitativ liberprüft werden, das sich einstellende Verformungsbild emspricht aber den Erwartungen (Null- Verschiebungen an den Lagern, horizontale Tangente an der Einspannung, Knick in der Biegelinie am Gelenk).
lA~· ~-=1 0
400
010
1200
2000
1600
BI~$/.lIoi.
~ ...m"" '" 4.831'5804
~
bot. KM< 2100
~
ttmil'l" ·1.8W2174 be" X" 1230
Knolerrverlorl"rlUl'lgert
'"
• 0
phi1" 0 ." • 0 pN2 .. 0.00361707
v3 .. 0
V
~ \O?" ~
jMbm,xj" 310000
FQ2L-19S7.7639
.,,4 .. -1.8992174
fQ2R· -2042.2361 f\olJJL .. -, 01250 FQ3L • 482 14285
ptj4 .. 0 00593496 .,,5 .. -0.6733538 pt1i5 .. O.OC117S065
~~ JFOmaxJ" 2042.2'301
hollJR- 0 fQ3R .. 482 14255
phi6 .. 0.00795877 .,,7 = ...8315864
fQ4L = 48214285
phi?" 0.01939925
'\J7 Lagerrel'JldlOl'1en·
LF
""tJ2R-·,D1250
"" • 0
b
Qu*lkra'ft
fIotJ1L -140397.23 FQ1L ·.1914 5078 1vI:l1 R .. ·280794.47 FQ1R ••1914.5Q78 1\oIJ21. -280794.47
ptli1- -0 0107313 ptlI4 .. .(J 0082001
Bi*g*mom*nl
1\
SChniltgr'Öß.en:
~L"O
"'I:J4R .. 1JQ17857 fQ4R" 482 14265 "b5L .. 13017657 fQ5L .. _15178572 td:JSR .. -31 0000 fQ5R - -1517.8572 td:J6L - .31 0000 fQ6L -1000 ..... ·0 fOElR -1000
f1 .. -19145078 M1 .. -140397.23 f2" 38722717 F3 .. 2524.379 f6 .. 2517.8572
Abbildung 35.8: Berechnung mit dem Programm ,.Gerade Biegeträger" (www.TM·interaktiv.de)
725
35.2 Beispiele
oe:> Die Schningrößen sind bei den meisten Verfahren (z. B.: Differenzenverfahren, FEM) ..se-
kundäre Ergebnisse", die aus den primär ermittelten Ve,formungen berechnet werden. Ihre Kontrolle ist damit auch immer eine indirekte Kontrolle der berechneten Verschiebungen. Bei dem behandelten Problem können alle Schnittgrößen und Lagerreaktionen im rechten Teil DEFG des Trägers mit den Mitteln der Statik überprüft werden: Nach einem Schnin am Gelenk D können mit Hilfe der drei verfügbaren Gleichgewichtsbedingungen am rechten Teil die beiden Gelenkkräfte und die Lagerkrafl bei F (und damit natürlich auch alle Schnittgrößen in diesem Bereich) berechnet werden. Weil das im Abschnin 18.2 beschriebene Finite-Elemente-Modell für den geraden Biegeträger die Biegetheorie exakt abbildei, müssen alle angegebenen Ergebnisse in diesem Rahmen ebenfalls exakt sind. oe:> Die Gleichgewichtsbedingungen am Gesamtsystem (äußere Lasten müssen mit den Lager-
reaktionen im Gleichgewicht sein) sollten immer überprüft werden. Und wenn z. B. das Momenten-Gleichgewicht um den Punkt A
3qob (a+
n
+4qo ~ (a + 2 b) +F, (a+b+c+d) + Fl (a+b+c+d +e+ f) 3 +MA - FBa- Fc{a+b) - FF(a+b+ c+d +e) = 0
erfüllt ist, dann ist das deshalb eine sehr wirksame Kontrolle, weil sowohl die Belastung als auch die Abmessungen in diese Gleichung einnießen. oe:> Die wirksamste Kontrolle ist jedoch das Berechnen nach zwei unterschiedlichen Verfahren mit verschiedenen Programmen. Die Abbildung 35.9 zeigt die Ergebnisse, die mit dem Differenzenverfahren ermittelt wurden (siehe www.TM-aktuell.de). In der Tabelle sind einige
Vergleichswerte zu den exakten Werten der Berechnung mit dem Programm "Biegeträger" aufgefLihrt. Man erkennt, dass die mit einer Einteilung des Trägers in 2100 Abschnitte ermittelten Ergebnisse keine nennenswerten Abweichungen zeigen. Natürlich wurde auch die Empfehlung ® auf Seite 717 beachtet und mit verschieden feiner Diskretisierung gerechnet. Schon die Einteilung des Trägers in 210 Abschnitte brachte Ergebnisse, die sich von der feineren Unterteilung um weniger als 1,5% unterschieden. Punkt A
6 C 0
Lager· bzw.
Biege·
Absenkung
Gelenk-
moment
v lmmj
kraft [N]
Mb [Nml
- t914.5 3869.2 2517.4 482.1
t40.39 - 280.79 - 101.25 0.00 130,18 - 310.00 0.00
E
F G
2517.9
0.0000 0.0000 0.0000 1,8992 0.6734 0.0000 4.8316
Durchbiegung
o
500
1000
1500
2000
Jrz==s=\J o
500
o
500
1000 Ouerkraft
1000
1500
2000
1500
2000
Abbildung 35.9: Berechnung mit dem Differenzenverfahren (2100 Abschnitte)
726
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Beispiel 4 (Rahmentragwerk, Kontrollen nach den
EmpreWunge,u CD und (2) von Seile 717) 4
Der skizzierte ebene Rahmen besteht aus biege- und dehnsteifen geraden Trägern, die starr miteinander verbunden sind. Zu berechnen sind a) die Verformungen (Verschiebun-
gen und Biegewinkel aller Knoten), b) die Schnittgrößenverläufe (Bie-
gemoment, Querkraft, Normalkraft).
x
Daten des Berechnungsmodells: • KnOlenkoordinaten bezüglich des x-y-Systems im linken unteren Knoten findet man in der nebenstehenden Tabelle.
Knoten
x [mm]
J
0
0
• Knotenlasten: F4 = 100kN; M6 = 200kNIll; M7 = 200kNm.
2
0
3000
• Konstante Linienlast zwischen Knoten 4 und 5 mit der Intensität q4 = qs = 25 kN/m, linear veränderliche Linienlast zwischen den Knoten I und 3 mit ql = 30kN/Ill und q3 = 10kN/m,
3
0
6000
4
0
9000
5
4500
9000
• Für alle Träger gilt: Elastizitätsmodul E = 200000N/mm ; Querschnittsfläche A = 10000mm 2 ; Flächenträgheitsmolllent 1= 108 mm 4 .
6
4500
6000
7
4500
3000
8
4500
0
• Lagerung: Festlager (beide Verschiebungen verhindert) am Knoten I, starre Einspannungen (beide Verschiebungen und Verdrehung verhindert) an den Knoten 8 und 11.
9
9000
6000
10
9000
3000
1I
9000
0
2
Die Berechnung kann zum Beispiel durchgeftihrt werden m.it dem Programm "Biege- und dehnsteife ebene Rahmen" (www.TM-interaktiv.de). Ergebnisse verifizieren:
c:> Dem Verformungsbild (Abbildung 35.10) kann man nur entnehmen. dass es qualitativ in dieser Form zu erwarten ist (die Verformungen sind stark vergrößert dargestellt). Weil die Biegeverformungen gegenüber den Verformungen durch Nomlalkräfte deutlich überwiegen, gibt es in vertikaler Richtung nur lokal am oberen Element sichtbare Durchbiegungen,
y[mm]
I~I~,
tt
W
i
11 1 m
Abbildung 35.'10: Verformtes System
35.2 Beispiele Q
727
Die Schnittgrößen und die Lagerreaktionen bieten eine umfangreiche Möglichkeit zur Kontrolle der Ergebnisse. Natürlich mUSS das Gleichgewicht der äußeren Lastcn mit dcn Lagcrreaktionen erfüllt sein. Hier soll nur die besonders einfach zu überprüfende Bedingung "Summe aller Vcrti kal kräfte" bestätigt werden: Die konstante Linienlast zwischen den Knoten 4 und 5 hat die Resultierende
Lagerrealdlonen:
F1X' -43443.434 Fl Y• 3399289 F8x = -110493.43 F8y= -11656.662 M8 ·1 695513E8 Fll x • -6606313 Fllp 90163 77 M11 • 1 245546E8
Abbildung 35.11: Lagerreaktionen (Dimensionen: N bzw. Nmm) FR = '15 (X5 -X4) = 1I2500N
(nach unten gerichtet). Die Summe der Vertikal.komponenten der Lagerreaklionen liefert (positiv nach oben) den gleichcn Wcrt:
F1y + Fs y + FII)'+ Q
= 33992,89N -
Weil weitere Gleichgewichtskontrollen etwas mühsam sind, ist die Überprüfung der Gleichgewichtsbedingungen an einem Ersatzsystem eine mögliche Alternative. z. B. so: Man ersetzt die Lager an den Knoten I, 8 und I I durch die berechneten Lagerreaktionen und lagert das System statisch bcstimmt mit eincm Loslager (anstelle der Kraft F4 ) und cinem Festlager am Knoten 9 (Abbildung 35.12). Die Berechnung der Lagerreaktionen für dieses Ersatzsystem muss dann den Wert für F4 am Loslager und zwei Nullkomponenten für das Festlager crgeben.
I I 656.66N +90163, 77N
= 112500N
'-l!--tli,....--
10
~
Kl'lotaro1: XII: 0.0. '1"'0.0. Fx.·43443.434. Fy.J3gg2.W Khotarl 2' x .. 0 0, '! .. 3000.0 KMte1l3: )(=0.0. y=ooooO Knoten 4
lIl" 0.0, Y '" QOOJ.O, Losloilger (vx vt!lhindllrt)
Knoten 5: )( .. 4500.0. yoe gOOO.O
Knotu.15: x .. 4500.0, Y" eooo.O. 1oA" 2.0E8 Knoten Knoterl Knoten Knoten
7: x .. 4&10.0, Y" 3000.0. M" 2.0e8 8' )(:: 4600.0, y" 0.0, Fx:: .1104Q3 43, g" X" QOOO.O, Y" 6000.0, Fesll.ger 10 x = QOOO.O. '1= 300C1 0
r,:: -11656.662.
M'" 1.6Q5613Ea
Knlltaro 11: X" QOOO.O. '1·0.0. fx· ·06003.13, Fy· Q0103.77 , I.d -
1.2415~46ES
Abbildung 35.12: Stalisch bestimmt gelagenes Ersatzsystem
728
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
BeispielS
B
(Ebene Scheibe, Kontrollen nach den Empfehlungen ® und ® von Seile 717)
I
A
F
.<: N
Eine doppeltsymmetrische ebene Rechteck-Scheibe mit kreisförmigcm Ausschnitt ist wie skizziel1 bclastet.
0
F Dicke t
2b
Zu berechnen sind
a) die Änderung des Lochdurchmessers in horizontaler und vertikaler Richtung, b) der Verlauf der Normalspannung in einem SChllitt AB.
Gegeben:
b=150mm; 11= loomm; v=O,3; E=2,1·105 N/mm 2 R = 50 mm; {= 5 mm .
;
F=20kN;
Für die Lösung bietet sich die Finite-Elemente-Methode (fast alternativ los) an. Die nachfolgend beschriebene Lösung wurde mit Matlab-Fcmset erzeugt (siehc www.TM-aktuell.de). Wegen dcr doppelten Symmetrie braucht nur ein Viertel der Scheibe betrachtet zu werden. Die Abbildung 35.13 zeigt das mit dcr Kraft ~ bclastcte Tcilsystcm mit sehr grober Vernetzung, UI11 die Lagerung der Symmetrieschnitte zu verdeutlichen: Alle Knoten sind frei verschieblich in Richtung des Symmetrieschnitts, senkrecht dazu sind die Verschiebungen verhindert. Weil ein recht gutes Element verwendet wird (siehe Abschnitt 34.3.1), liefert selbst diese grobe Vernetzung schon Ergebnissc brauchbarer Qualität. Dic ncbcnstchcnde Tabelle zcigt die Ergebnisse ftir verschieden feine Vernelzung (!!.d,. ist die Vergrößerung des vertikalen Lochdurchmessers. das Minuszeichen bei der Veränderung des horizontalen Durchmessers !!.dh zeigt eine Verkleinerung an).
F/2
Abbildung 35.13: Viertelscheibe, halbe Last und Symmctrieschnitt-Lagerungen
Ele-
Kno-
!"J.d1,
!'J.d"
mcnte
ten
lmm]
lmmJ
(JtA
aLB
lN/mm 2 J
tN/mm 2 J
15
62
0.0451
-0,0632
-117,3
8,20
80
277
0.0460
-0,0641
-115,7
8,31
1500
4661
0,0460
-0,0641
-115,3
6,82
6000
18321
0,0463
-0,0641
-115.3
6.75
Ergebnisse bei Verwendung eines Acht-Knoten-Elements
Die Ergebnisse bei einer Vernetzung mit 80 Acht-Knoten-Elementen genügen den normalen Anforderungen an dic Genauigkcit. Die extrem feincn Vernetzungen mit 1500 bzw. 6000 Elementen zeigen nur noch sehr kleine Abweichungen. Die Abbildungen 35.14 und 35.15 zeigen die gesuchten Ergebnisse für die Vernetzung mit 80 Elementen. Ergebnisse verilizieren:
c:> Ein wesentlicher Schritt zur Verilizierung der Ergebnisse ist bereits mit der Mehrfachrechnung mit verschieden feiner Vernetzung erledigt.
35.2 Beispiele
729
Abbildung 35.15: ax - Verlauf im Symmetrieschnitl
Abbildung 35.14: Verformtes System
<>
Die Kraft F erzeugt bei der Durchleitung durch den Schnitt AB eine mittlere Spannung Cfx = -2(1'~R)( = -40N/mm 2, die einer resultierenden Normalkraft von FN = ~ = 10000N entspricht. Diese Normalkraft müsste sich auch ergeben, wenn man die tatsächliche Spannungsvelteilung über die SehniLLiläehe integriert: h
FN =
J
Uxl
dy
y=R
Mit den punktweise an den Knoten anfallenden Spannungswerten kann nur numerisch integriert werden. wobei eine einfache Inlegrationsformel für diese Kontrollrechnung natürlich ausreichend ist. Mit der Trapczregel errechnet man z. B. bei der EinteiJung der Scheibe in 80 Elemente (17 Knoten im Schnitt AB) FN = -9914N, bei Vernetzung mit 6000 Elementen (121 Knoten im SehnillAB) FN = -9999N.
<>
Die nebenstehende Tabelle zeigt die Ergebnisse einiger Kontrollrechnungen mit anderen Elementtypen (AbbiJdungen 35.16 und 35.17 zeigen jeweils ein Netz). Auch wenn diese Elemente nicht so leistungsfähig sind, ergeben diese Rechnungen doch eine weitere Bestätigung der mit dem besseren Element erzielten Ergebnisse.
Abbildung 35.16: 375 Vier-Knoten-Elemente
Ele-
Ele-
menttyp
mente
0 Q
tJ.d. [mm]
[Nimm']
375
0,0456
-116,7
6000
0.0460
-115.8
750
0,0454
-105,7
12000
0,0460
-113,0
<JI".A
Komrollrechnungen
Abbildung 35,17: 750 Drei-Knoten-Elemente
730
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Beispiel 6 (Ebene Scheibe, Kontrollen nach den
EmpreWunge,u CD, (2). ® und ® von SeHe 7 J7)
Eine Wand mit 2 Ausschnitten ist wie skizziert gelagen und an ihrem oberen Rand durch eine Kraft F = qob belastet, die als konstante Linienlast aufgebracht wird.
{J
Es sind die Verformungen und Spannungen der als ebene Scheibe zu modellierenden Wand zu bercchnen.
[}~<
Dicke t ";/
4a b
Gegeben:
b=4 m; 0=0,25m; v=0,16 h = 2,75 m; t = 0.2 m.
E=3·107 kN/m 2
F = 500kN;
Vor der Berechnung: Es ist kaum möglich, nach Empfehlung CD (Seite 717) ein Einzelergebnis abzuschätzen, es sei denn, man ist ein erfahrener Spezialist in der Berechnung solcher Wände, Aber es ist zu erwarten, dass in einem horizontalen Schnitt unmittelbar unter der oberen Kante die mittlere Normalspannung GM = = -625 kN/m 2 noch ziemlich gleichmäßig verteilt ist. Dies wird nach der Rechnung kontrolliert.
-ft
Lösung des Problems: Natürlich bietet sich auch hier die Finite-Elemente-Methode (fast alternativlos) an. Die Lösung wW'de mit Matlab-Fcmset erzcugt (siche www.TM-aktuell.dc). wird hicr aber nicht näher behandelt, weil nur die Verifizierung der Ergebnisse besprochen werden soll. Die Abbildung 35.18 zeigt das verformte System mit cincm Finitc-Elemente-Modell mit Viereckselementen mit 8 Knoten (insgesamt 1699 Knoten am System). Auffällig ist die unterschiedliche Größe der Pfeile rur die Belastung. Das ist korrekt. Dargestellt sind die reduzierten Knotenlasten, die die Linienlast am oberen Rand ersetzen, Mit den Ansatzfunktionen für das Aeht-Knoten·Element ergeben sich für konstante Randlasten rur die mittleren Randpunkte wesentlich größere reduzierte Knotenlasten als für die Eckpunkte, Der Punkt P (Mittelpunkt des unteren Rands) dient als Referenzpunkt für die Kontrollen.
p
Abbildung 35..18: Verformtes FEM·Modell mit
504 Elementen. P - Referenzpunkt fUr Kontrollen
35.2 Beispiele
731
Ergebnisse verifizieren:
<>
Das in der Abbildung 35.18 zu sehende Verformungsbild (mit stark vergrößerten Verformungen) erscheint plausibel.
<>
Entsprechend Empfehlung ® von Seite 717 wurden drei Berechnungen mit unterschiedlich feiner Vernetzung durcbgefüh.rt. Die nebenstehende Tabelle zeigt die berechneten Werte für den Referenzpunkt P: Vertikalverschiebung Vp und Normalspannung ux,p. Dic Spannungswerte zeigen bei feinerer Vernetlllng nur sehr geringe Änderungen.
<>
Die Annahme, dass in der Nähe des oberen Scheibemandes die Spannung uy in einem horizontalen Schnitt noch. recht gleichmäßig verteilt ist, wird durch Abbildung 35.19 bestätigt. Die zusätzlich eingetragene horizontale Linie der zu erwartenden mittleren Spannung UM = -625 kN!m 2 lässt erkennen, dass das vertikale Gleichgewicht mit der äußeren Belastung erfüllt ist.
Ete-
Kno-
"p
(J).,p
menle
ten
[mm]
[N/m' I
504
t699
-0227
3032
20t6
6423
-0.242
3049
8064
24943
-0.256
3062
Ergebnisse von drei Rechnungen mit unterschiedlich feiner VemclZung
Abbildung 35.19: Spannungen Ci." in einem horizontalen Schnitt sehr nah beim oberen Rand
In Abbildung 35.]9 deutet sich aber schon an, dass die Spannungen über den Ausschnitten kleiner werden, weil die Belastung in Richtung auf die Lagerung natürlieb nur über die vertikalen Stege abgetragen werden kann.
<>
111~1 I~ ..
~l . ..
Die Abbildung 35.20 zeigt den Spannungsverlauf dicht über den beiden Ausschnitten mit deutlich erhöhten Werten an den Rändern und in der Mitte. Aber auch hier muss das vertikale Gleichgewicht erfüllt sein. Die numerische Integration der Spannungen über die Schnittfläche bestätigt das:
, H· .wu
"l
-
~
b
Fy =
Ju
y u!x=-500kN
=0
<>
Im Bereich der Ausschnitte sind die Spannungen natürlich wesentlich größer als UM (nebenstehendes Bild), aufgrund der Lagerung rechts größer als links. Aber auch hier liefert die Integration über die (deutlich kleinere) Schnittfläche als resultierende Schnittkraft den Wert F" = - 500 kN.
Abbildung 35.20: Spannungen O'y in einem borizontalen Schnitt dicht oberhalb der Ausschnitte
,
,"
~
,, , "
, ",
~~ :-n-
," " ,
~ ~M 11I ~
0'
Y
732
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Es sollte vermerkt werden, dass alle bisherigen Kontrollen der Lösung dieses Beispiels die Konsistenz der Ergebnisse überprüfte. Systematische Fehler können dabei unbemerkt bleiben. Die Eingabe eines falschen Elastizitätsmoduls bleibt z. B. unbemerkt, wenn dies nicht zu völlig unsinnigen Verfomlungcn führt. Weil der unerfahrene Anwender eines Programms keine Vorstellung von den zu erwartenden Größenordnungen der Ergebnisse hat, ist eine Berechnung nach einem anderen Verfahren auf der Basis einer anderen Theorie auch dann angebracht, wenn man dafür ein Modell verwendet, mit dem man zwar nicht die Ergebnisse kontrollieren, immerhin aber ihre Größenordnung überprüfen kann: oe;> Die Scheibe soll als Rahmentragwerk be-
rechnet werden. Die Abbildung 35.21 zeigt vier horizontal liegende biegc- und dehnsteife Träger, die über drei vertikale Stiele an den Verbindungsstellen biegesteif verbunden sind. Die horizontal liegenden Träger haben Rechteckquerschnitte mit der Breite I (Dicke der Scheibe) und der Höhe 3a, die vertikalen Stiele haben bei gleicher Breite die Höhe 2a.
EI,. EA, Ei,. EA,
Mit der Querschnittsfläche A, = 2al flir einen Stiel ergeben sich die Dehnsteifigkeit
Abbildung 35.21: Rahmen'ragwerk als (sehr grobes) Ersatzmodell für die Scheibe
= E· 2al = 3· 106kN
EA,
und die Biegesteifigkeit
EI,
b-2a
=E.I(~;)
3
=6,25-104 kNm 2
Auf entsprechendem Wege berechnen sich die Steifigkeiten der horizontalen Träger: EA2 = 4.5· 106 kN Eh = 2, 11· IO s kNm 2 Das Programm "Biege- und dehnsteife ebene Rahmen" (www.TM-interaktiv.de) liefert die nachstehend zu sehenden Ergebnisse. Das Verformungsbild ähnelt Abbildung 35.18, die Vertikalverschiebung Vs liegt in der Größenordnung des für die Scheibe berechneten Wertes Vp. Aus den Schnillgrößen FN und Mb errechnet man flir diesen Punkt eine Normalspannung 0:, = 4082 kN/m 2 , die auch die Größenordnung der Scheiben berechnung bestätigt.
,---.
pi;'; bläh" ,-
EJement 4:
,
3
~\
v5x" 8.S8208E-6 vSy .. _1 3552E-4 phiS .. 7178Q3E·5
'1'6x·1.167121;-5 v6y" 0 phi6 .. 8.58735E-S ~
fN5 .13.901344
fOS .. _143 7629 ~5·7.81204
, ~
~
9
FN6 ... 13901344 7
!=
f06;·1437629 ~ .. -68.95085
35.2 Beispiele
733
Beispiel 7 (Nichtlineare gedämpfte Schwingung. Kontrollen nach
den EmpCcbJungen CD.@, ([) und ® von Seite 7J7)
Eine Masse m ist wie skizziert durch zwei Federn gefesselt (Federkonstante jeweils c, Längen der entspannten Federn jeweils b). Sie kann in der vertikalen Führung reibungsfrei gleiten, ihre Bewegung wird jedoch geschwindigkeitsproportional gedämpft (Dämpfungskonstante k). Die Masse wird um
xanf
ausgelenkt und zum Zeitpunkt
tanf
= 0 ohne Anfangsgeschwindigkeit
freigelassen.
Gegeben:
b a
mg = 0,01 ca
- = 1,2
k =-:;=0,1 v mc
xallf Xanj= - -
a
= 2,5
Vor der Berechnung:
Infolge der Dämpfung wird die Masse m einer Ruhelage zustreben, in der die statischen Gleichgewichtsbedingungen erfüllt sein müssen. Weil der geschwindigkeitsproportionale Dämpfer dann nicht mehr wirkt, müssen die beiden Federkräfte mit der Gewichtskraft der Masse im Gleichgewicht sein (Abbildung 35.22). Für Gleichgewicht in vertikaler Richtung muss gelten: mit
mg+2Fc.osinu =0
Fc.o=c
(J 6+ X
a2
-
b)
x
oI
()(
a
Abbildung 35.22: wicht der Elldlage
Gleichge-
sin u = ----,=x~o~=
und
JXÖ+ a2
Nach einigen elementaren Umformungen ergibt sich die Bestimmungsgleichung für xo: _1Il_g ca
+ 2io
(I _~ 1 ) = 0
mit
_
xo
xO=a
a JI+i6
Diese Gleichung hat drei Lösungen (siehe wwwTM-aktuel1.de): iO,1 =0,6465
iO.2 = 0,0250
iO.3 = -0,6793
Mit den in den Abschnitten 10.4 bzw. 33.2 behandelten Verfahren lässt sich zeigen, dass die Gleichgewichtslageio.2 instabil ist, so dass nurxo.1 oderio.3 als Endlagen der Bewegung infrage kommen. Dies wird nach der Berechnung kontrolliert. Lösung des Problems: Nach dem Prinzip von d' Alembert (Abschnitt 28.2.2) muss die d' Alembertsche Kraft mX mit der Gewichtskraft, den heiden Federkräften und der Dämpfungskraft ki im Gleichgewicht sein:
mX+ki+mg+2Fc sinu=0
mit
F".=c(Jx2 +a 2
-b)
lmd
sinu=
dw
734
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Weil alle Parameter in dimensionsloser Form gegeben sind, empfiehlt sich eine komplett dimensionslose Rechnung. Mit der bereits für die Bestimmung der Gleichgewichtslage verwendeten dimensionslosen Koordinate x = ~ und der dimensionslosen Zeit c d 2x m d7: 2
d2x
-=Q--
dl 2
kann schließlich folgendes Anfangswertproblem formuliert werden:
x"= __k_x'_2 (VI+X2_~)
.;mc
x( 7: = 0) =
a
xanf
a
x
mg
Vl+x 2
x' (7: = 0) = v( 7: = 0) = 0
(der Strich steht für die Ableitung nach der dimensionsloseIl Zeit Die Differenzialgleichung ist hochgradig nichtlinear und kann nur numerisch gelöst werden. Abbildung 35.23 zeigt die kinematischen Diagramme, die mit dem Standard-Sol ver von Matlab mit automatischer Schrittweitensteuerung für den Bereich 0 :S 7: :S 100 erzeugt wurden. Ergebnisse verifizieren (ausführlich unter www.TM-aktuell.de):
<>
Die Diagramme bestätigen, dass die Endlage der Masse die stabile Gleichgewichtslage XO,3 = -0,6793 ist.
oe:> Auch bei Nutzung eines Algorithmus mit
automatischer Schrittweitensteuerung sollte in jedem Fall mehrfach mit unterschiedlichen Schrittweiten gerechnet werden (dafür ist in Matlab ein spezieller Steuerparameter vorgesehen). Als Indiz für ausreichend kleine Schrittweitcn dient der Vergleich der Werte für x und v am Ende des Integrationsintervalls.
<>
ca
7:).
Weg-Zeit-Diagramm:
:E o
20 40 60 80 Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm:
J 100
:~---------, o
20
40
60
80
I
100
Geschwindigkelts-Weg-Diagramm:
:~v~ ~ ~~
__
-2 L--~--==== -3 -2 -1 0
X =~---.:J
2
3
Abbildung 35.23: Kinematische Diagramme
Weil sich am Ende des lntegrationsintervalls die Masse bereits der Ruhelage annähert, ist in diesem Fall das letztgenannte Kriterium nur bedingt aussagefahig. Deshalb empfiehlt sich entsprechend Empfehlung @ von Seite 717 eine Kontrollrechnung mit einem vereinfachten Berechnungsmodell, in diesem Fall bietet sich die Abschaltung der Dämpfung an. Die Abbildung 35.24 zeigt x( 7:) für das ungedämpfte System mit den erwarteten gleichbleibenden Amplituden. Der Zoom in die Spitze der letzten Schwingung im Intervall macht deutlich, dass tatsächlich die Anfangsauslenkung exakt wieder eneieht wird.
35.2 Beispiele
735
4
oe:> Weil fUr das ungedämpf-
te System die Gesamtenergie erhalten bleiben muss, wird zur weiteren Komrolle ei ne "Energieku rve" aus den berechneten Koordinaten und Geschwindigkeiten ermittelt.
2.52 r : : : - - - - - - - - - ,
X
x
2
2.5
0
2.48
-2 -4
L-
1-'--" 100
-.,.,-
0
50
2.46
1
97.3
97.4
97.5
97.6
97.7
Abbildung 35.24; Ungedämpfte Schwingung
Für das betrachtete System (ohne Dämpfung) errechnet sich die Gesamtenergie aus der potenziellen Energie der schwingenden Masse, aus ihrer kinetischen Energie und der potenziellen Energie in den Federn. Man bestätigt leicht, dass mit den Parametern der Aufgabe zu jedem Zeitpunkt die "dimensionslose Energie" wie folgt aufgeschrieben werden kann: -
T
I
mg
b
2 + )1+1'--T=-=-1'+-v ( ca 2 ca 2 a)
Die Abbildung 35.25 zeigt, dass sich für diese Funktion der erwartete konstante Verlauf ergibt, der die "Gesundheit" der Rechnung bestätigt.
1
2
3r=----------, T 2
\
2,252800
Gesamtenergie ist konstant (ungedämpfte SchWingUng)
2,252798 T
o0!----:2Q:::----:4:;'0--:60:::----:.:;,0-':-!,00
0
20
40
60
80
Abbildung 35.25; Ge,amlenergie (ungedämpftes System)
Allerdings zeigt der "sehr scharfe Zoom" für die Achse, auf der die dimensionslose Energie eingetragen ist, dass es doch (in diesem Fall natürlich unwesentlicbe) Änderungen gibt. Warum eine genaue Konn'olle der berechneten Werte erforderlich ist, wird mit den Grafiken in der Abbildung 35.26 deutlich, die zwei Berechnungen für das (gedämpfte) Original system zeigen: Bei einer geringen Änderung der Anfangsauslenkung (von x"''! = 2,5 auf x"''! = 2,490, linke Grafik) ergibt sich eine andere Endlage. Für die Anfangsauslenkung x"''! = 2.491 macht die rechte Grafik deutlich. woran dies liegt: Die Masse kommt bei dem Versuch, die instabile statische GleichgewichtSlage 1'0.2 = 0,0250 zu überwinden, fast zur Ruhe, "schafft es ein letztes Mal" (rechte Grafik) bzw. "schafft es nicht" (linke Grafik). Tn solchen Situationen führen kleinste Verfahrensfehler zu grundlegend falschen Ergebnissen im weiteren Verlauf. 4
X
4
2
2
0
0 ~nfan~sauSlenkung:
-2
X :: anf
-4
0
x
Gedämpfte Schwingung
20
40
Gedämpfte
~nfan~sauSlenkung:
-2
,490
X
60
80
=
,491
40
60
anf
t
'00
-4
Schwingung
0
20
t
60
Abbildung 35.26: Kleine Änderungen mil großen Auswirkungen
100
736
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Beispiel 8 (Doppelpendei, System mit 2 Freiheitsgraden, Kontrollen nach deo Empfehlungen (ID, (]) und ® von Seite 717)
Ein Doppelpendel wird definiert durch die bei den Pendelmassen IIlI llnd 1n2, die auf die jeweiligen Schwerpunkte bezogenen Massenträgheitsmomente JSI und JS2, die Schwerpunklabslände von den Drehpunkten SI und S2 und den Abstand 11 der beiden Drehpunkte voneinander. Die Bewegung soll durch die Funktionen 11'1 (I) und lI'2(t) beschrieben werden, die fLir das Zeitintervall O:S 1 :S lOs zu berechnen sind. Gegeben:
1n2
-
I
= I ;
12'
Inl
I
I
I
12'
2'
2'
JS2
-Iz 1111 'I
Die gegebenen Werte gelten fUr zwei schlanke Stäbe gleicher Masse und gleicher Länge. Sie sollen aus der nebenstehend skizzierten Anfangslage ohne Anfangsgesehwindigkeiten freigelassen werden. so dass folgende Anfangsbedingungen gelten: 71:
A~=====Ii
q,1(t =0) =0
II'I(t =0) =2 11'2(1 = 0) = 0
fiJ2(t =0) =0
Lösung des Problems: Das Differenzialgleichungssystem, das die Bewegung dieses Systems mit 2 Freiheitsgraden beschreibt, wurde im Abschnitt 33.4.3 hergeleitet (Gleichungen 33.32 auf Seite 673). Zur Vorbereitung der numerischen Lösung werden die beiden neuen Variablen (V, und CU2 eingeführt:
61, =
lPl
Damit wird aus den beiden Differenzialgleichungen 2. Ordnung 33.32 ein System von 4 Differenzialgleichungen I. Ordnung, das in Kurzform so formuliert werden kann:
q,1 fiJ2
0
(VI
0
CU2
0
0
0
0
q,1 fiJ2
=}
(VI
CU2
allw, +a,zWz = b,
0 0
all
a,z
W,
b,
al2COl +a22CÖ2 =h
0 0
(112
a22
Wz
b2
mit
all
=
(r (r
JSI 1Il2 +--+-
S,
-
1I
1112
S2
Inl
I,
a22=-
1111
Inll?
-
JS2
+-~
m,
I?
Jn252
al2 = -
Inl
=}
- cos( 11'1 -11'2) 1I
Mx=r
737
35.2 Beispiele
und
Das Anfangswertproblem wird durch die Matrix M und den Vektor r in Verbindung mit den 4 Anfangsbedingungen vollständig beschrieben und kann z. B. Matlab in dieser Form angeboten werden.
Abbildung 35.27: Funktionen 'PI (I) und 'I'2(r) für ein Doppelpendel
In der Abbildung 35.27 sind die Funktionen zu schen, dic sich aus dcr numcrischcn Lösung dieses Anfangswertproblems ergeben. Die recht bizarren Funktionsverläufe spiegeln den tatsächlich außerordentlich komplizierten Bewegungsablauf eines solchen Doppelpendels wider. Während das obere Pendel eine recht unregelmäßige Schwingung ausfUhrt, beginnt das untere Pendel mit einem ..Salto", dem bald darauf ein ..Salto rückwärts'· folgt. Unter www.TM-aktuell.de kann man eine Animation dieser Bewegung sehen.
Ergebnisse verifizieren: Obwohl nur über einen relativ kleinen Zeitbereich integriert wird, muss das Ergebnis mit der gebotenen Skepsis betrachtet werden. Deshalb wird hier auch der (häufig unvermeidliche) erste Fehlversuch der Rechnung vorgestellt.
r:> Der Empfehlung
@ von Seite 717 folgend, wird nach zwei verschiedenen Verfahren integriert. Unter www.TM-aktuell.de wird auch die zusätzliche Empfehlung ..mit verschiedenen Programmen·' berücksichtigt, hier werden nur die mit Matlab geWOJ1Jlenen Ergebnisse vorgestellt. um beide in einer Grafik erfassen zu können. Mit folgenden Verfahren wurde gerechnet:
• Der Matlab-Standard-Solver ode45 (ode steht fUr ..Ordinary Differential Equation") arbeitet mit Formclsätzen 4. und 5. Ordnung. Bei diesem so genannten Dormand-PrinceVerfahren werden die beiden Ergebnisse am Ende eines jeden Integrationsschrittes verglichen und dje Differenz zur automatischen Steuerung der Schrittweite verwendet (siehe Abschnitt 28.3.3).
738
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
• Die Kontrollrechnung wurde mit dem klassischen Rungc-Kutta-Verfahren 4. Ordnung entsprechend Fornlelsatz 28.16 (Seite 527) durchgefLihrt. Der erste Versuch wurde mit den StandardEinstellungen von Matlab gestartet. Die automatische Schrittweitensteuerung ergab 457 Schritte. Die Runge-Kutta-Rechnung wurde mit der gleichen Anzahl von Schritten ausgeführt. Abbildung 35.28 zeigt das Ergebnis für f{>2 (1) (Bewegung des unteren Pendels): Für 1 > 2s gehen die Kurven weit auseinander. Beide sind falsch.
20r--~--~-~--~-~
'1'2 10
AK4
o -10
ode45
-20
__
_ 3 0 L - _ ~ _ ~
__
~ _ ~
o 2 4 6 8 10 Abbildung 35.28: Matlab-Standard-Solver
(ode45) und Runge-Kulta 4. Ordnung (RK4)
c:> Die Mehrfachrechnung mit unterschiedlichen Schrittweiten ist bei Problemen dieser Art unumgänglich (auch bei Programmen, die die Schrittweite selbst optimieren bzw. mit variablen Schrittweiten rechnen, wenn diese Programme Optionen für die Strategie anbieten, mit der dies realisiert wird). Eine besonders einfache Möglichkeit, die Ergebnisse der Berechnungen mit unterschiedlichen Schrittweiten zu vergleichen, um schließlich die ausreichend feine Diskretisierung zu identifizieren, ist der Vergleich von Funktionswerten am Ende des Zeitintervalls. Die nebenstehende Tabelle zeigt dies am Beispiel des Endwerts f/>2(r = lOs) für das untere Pendel. Bei etwa 8000 Zeitschritten darf man also dem Ergebnis vertrauen.
schrine
OOe45 cp,(t ~ lOs)
RK4 cp,(r ~ tOs)
457
- t8.880
t2,441
2021
- 0.666
t,693
40t7
1,768
1.775
8017
1.777
t,777
Zeit~
Endlagen des unteren Pendels
Beim Vergleich der beiden verwendeten Verfahren muss zur "Ehrenrettung" des DormandPrince-Algorithmus vernlerkt werden, dass er natürlich qualitativ besser ist als das klassische Runge-Kutta- Verfahren 4. Ordnung, auch wenn die Ergebnisse in der Tabelle nicht so aussehen. Matlab liefert standardmäßig bei diesem Verfahren für jeden Integrationsschritt 4 Ergebnisse. die Zwischen werte werden durch lnterpolatioo ermittelt. Bei der Angabe der Zeitschritte sind also nur ein Viertel dieser Anzahl als rntegrationsschritte ausgeführt worden.
c:> Wenn die Möglichkeit besteht, eine Kontrollfunktion zu erzeugen, sollte man dies unbedingt tun. Da das behandelte Doppelpendel ein konservatives System ist. muss die Gesamtenergie konstant sein (und zu jedem Zeitpunkt den Wert der potenziellen Energie beim Start der Bewegung haben). Diese etwas aufwendige Kontrolle ist natürlich sehr wirkungsvoll (und ist in gewissen Grenzen auch eine Kontrolle des Berechnungsmodells). Auf Seite 672 findet man die Beziehungen für die potenzielle und die kinetische Energie während der Bewegung (Null-Potenzial auf der Höhe des Aufhängepunktes A). Mit einigen elementaren Umformungen lässt sich daraus die ,.dimensionslose Gesamtenergie" formulieren:
739
35.2 Beispiele
Dieser komplizierte Ausdruck muss flir jeden Satz der Bewegungsgrößen ipl, 'P2, NI und W2 eines beliebigen Zeitpunkts t den gleichen Wert ergeben. Es ist die Gesamtenergie, die bereits am Anfang der Bewegung (als potenzielle Energie) vorhanden ist: To =
-11I2g52
'*
-
Ta
m2"2
mlg/l
Inlll
To = - - = - - -
I =--
2
Die Abbildung 35,29 zeigt die Funktion
T ges für unterschiedlich feine Schrittweiten. Die Kurve für 457 Zeitschritte bestätigt die bereits auf anderem Wege erkannte Unbrauchbarkeit dieser Ergebnisse. Sie startet mit dem erwarteten Wert To = -0,5, entfernt sich dann aber immer mehr von diesem Sollwert. Deutlich besser, aber immer noch unbefriedigend ist der Kurvenverlauf für 2021 Zeitschritte. Erst bei 80 I 7 Zeitschritten kann man im Verlauf von Tges(t) die erwartete horizontale Gerade sehen, wenn man den extremen Zoom der vertikalen Achse berücksichtigt. An die ,.zacken" im Kurvenverlauf muss man sich gewöhnen. Auch bei deutlich mehr Zeitschritten werden sie nicht verschwinden, wenn man es dem verwendeten Programm gestaltet, den Maßstab auf der Tgrs-Aehse automatisch zu wählen.
Abbildung 35.29: Die Gesamtenergie weichl auch bei kleinen Schriuweiten noch vom Sollwert ab
0.1 Die Abweichung der Tgr.,(t)-Kurve vom T 8017 Zeitschritte Sollwert erinnert daran, dass die Berech-,.., ". nung immer mit einem NäherungsverIn diesem Maßstab zeigt der -0.2 Energieverlauf die erwartete -0.3 fahren erfolgt. Wenn man allerdings dahOOzootate linie ~ -0.' für sorgt, dass die Grafi k in jedem Fall -0.' I [sI auf der Ordinate auch den Wert T ges = 0 zeigt, sieht die Kurve so aus, wie man sie Abbildung 35.30: Es iSI alles eine Sache des Maßstabs erwartet (Abbildung 35.30).
740
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Kontrollrechnung mit Simulink: Simulink ist eine Ergänzungssoftware zu Matlab, die fLir Komrollrechnungen von Bewegungssimulationen besonders interessant ist, weil der Benutzer mit Simulink ganz anders korrespondiert als mit den meisten anderen Softwarepaketen. In einem grafischen Editor werden die Differenzialgleichungssysteme als Signalflusspläne modelliert. Dafür stellt Simulink einen umfangreichen Katalog von Schaltblöckcn zur Verfügung, zwischen denen der Signal fluss vom Benutzer durch Verbindungslinien festgelegt wird. Das Anfangswertproblem kann Simulink als Differenzialgleichungssystem 2. Ordnung mit den zugehörigen Anfangsbedingungen angeboten werden. Für das Doppelpendel-Problem sehen die für die Simulink-Berechnung vorbereiteten Diffenzialgleichungen 33.32 (Seite 673) so aus:
..
h
..
.-:b2::...-_a-.: 12::. .CpC-'I-·
-aI2if>l
!PI = --'----'-=-'-..:. all
tp),=-
a22
mit den Abkürzungen all, a 12, a22, bl und b2, die bereits auf den Seiten 736 und 737 definiert wurden. Natürlich sollen auch die Problemparameter der AufgabensteIlung und die Anfangsbedingungen von Seite 736 verwendet werden. Auch die Kontrollfunktion ("dimensionslose Gesamtenergie", Formel auf Seite 739) soll von Simulink gezeichnet werden. Die Abbildung 35.31 zeigt das Sinllliink-Blockschaltbild rur das Anfangswertproblem. Unter www.TM-aktuell.de findet man die komplette Simulink-Rechnung mit detaillierter Beschreibung dcr einzclnen Teile des Blockschaltbilds. Für den Leser, dem diese Beschreibung eines Anfangswertproblems VÖllig neu ist, folgen hjer einige erklärende Bemerkungen: • Die Zahlenwerte für die gegebenen Größen werden über das Command Window eingegeben, z. B., wie am unteren Rand des Blockschaltbilds empfohlen. durch Kopiereu der dort gelisteten Werte. • Links werden die beiden Beschleunigungen hineingeführt (wo die herkommen, wird nachfolgend erläutert). Sie werden jeweils durch zwei Integratoren geschickt: Der erste Integrator (phi Ipp->phi IP bzw. phi2pp->phi2p) macht aus den Beschleunigungen Geschwindigkeiten, nach Durchlaufen des zweiten Integrators (phi I p->phil bzw. phi2p->phi2) sind die Funktionen !PI (t) und tp), (t) entstanden. Diese sind bereits das Ziel der Berechnungen und werden deshalb sofort den "Scope"-Blöcken mit den Bezeichnungen phi I(t) bzw. phi2(t) zugeführt, die die Funktionen grafisch darstellen. • Die Integratoren benötigen für ihre Arbeit jeweils die zugehörige Anfangsbedingung, die nach Doppelkliek auf einen Integrator über ein Dialogfeld eingegeben wird. • Alle Ausgangswerte der Integratoren werden abgezweigt und in einen "Mux-Block" gesteckt, der daraus einen Vektor 11 zusammensetzt, der dann am Ausgang dieses Blocks verfügbar ist. Damit stehen (neben den Parametern. ilie die AufgabensteIlung vorgibt) die Variablen bereit, mit denen alle Ausdrücke, die die Differenzialgleichungen definieren, gebildet werden können. Entsprechend der Reihenfolge am Eingang des "Mux-Blocks" sind die Werte dann im Vektor 11 positioniert und können als Variablen u(l), ... , u(4) angesprochen werden, was in diesem Fall den Werten von !PI (t), tp),(t), rot (I) und W2(t) entspricht.
35.2 Beispiele
741
1/(51 "2+Jl +mcin) .lall -m dm'SZ' u(4)"2'sln(u{l )·u~»)-(Sl +m cm)'ocJ'sln(u(l »)
H--------,
b1
a12'phi'2pp
mrin's2'cos(u{1 )..u(2)
man' s2' u(3Y'2'sln(u(1 )-tJ(2)-m OOl's2' g~ sln(u(2)}
b2
o 5' ($1 "2+Jl +mdm)' u(3)"2Jgdl'+O 5' (m (im' s2"2+-'2)' u(4)"2/gCl+m dm' 52"CO$(u(1 )-tJIZ!)' u\.3Y u(4)igtl,s1+m li1l )'cos Kontroillunkfun Tges
% Parame1er In das Command WlnlbN !
/a22
mdm ::: 1 •Jl ::: 1112 •J2:r. 1(12 ,51 :: 0_5 • s2:: 0 5 , gdl::: 9.81 , '10 SlrnUlalkJn!Sb,rt starel die Berechnung
Abbildung 35.31: Simulink-Blockschaltbild für das Doppelpendel-Problem • Mit den Variablen u(I), ... , u(4) und den gegebenen Größen können in so genannten "Function-Blocks", hier bezeichnet als "bi", "aI2'", "b2"und "Kontrollfunktion Tges", die für die Definition der Differenzialgleichungen benötigten Ausdrücke formuliert werden (bei einem Klick auf einen "Function Block" öffnet sich ein Dialog-Fenster, in das der Ausdruck eingetragen werden kann). • Die WeiterverarbeilUng erfolgt in "Product-Blocks" (die kleinen Quadrate mit dem Kreuz), "Surn-Blocks" (die kleinen Kreisc mit dcn Symbolen + und -) und "Gain-Blocks" (Drciecke, die die Multiplikation mit dem reziproken Wert eines Ausdrucks erzeugen), so dass schließlich die links in das Schema eingeführten Beschleunigungsgrößen entstehen. Die Rechnung bestätigt die auf anderem Wege gewonnenen Ergebnisse (Abbildung 35.32), die Funktion TRes(t) signalisiert auch hier, dass immer Vorsicht geboten ist. Eine Wertung der Simulink-Software findet man nach einem weiteren Beispiel, das damit gelöst wurde, auf der Seite 746.
e
Iii P ß[Ji' A
~
rnI
...mJ~
e
» •
Abbildung 35.32: Simulink-Ergebnisse '1'2(1) und Tg,,(I) für das Doppelpendel
742
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Beispiel 9 (Laufkatze lIlit Last, System mit 2 Freiheitsgraden, Berücksichtigung von Ereignissen, Kontrollen nach den Empfehlungen
Für die skizzierte laufKatze wurden im Abschnitt 33.4.3 (Beispiel 3 auf Seite 674) die Bewegungs-Differenzialgleichungen hergeleitet. Hier soll die (unter www.TM-aktuell.de zu findende) Berechllung verifizien werden. Gegeben:
fI1K fI1L
.FO "irkl kUI7.Zl:itig vont=O ... !':.t
$
= 100 kg; h = 400 kgm 2 ; ls = 4m = 500 kg; c = 200 000 N/m ; ill=ls
Fo=2oo0N Sm.
a =
Lösung des Problems: Das Diffcrenzialgicichungssystem 33.33 (Seite 675) beschreibt die Bewegung dieses Systems mit 2 Freiheitsgraden mit den Koordinaten x (Bewegung der LaufKatze) und q> (Pendel bewegung der Last). Zur Vorbereitung der numerischen Lösung werden die beiden neuen Variablen v und weingeführt:
V=X
w=1jJ
V=X
=>
61=ii>
Damit kann das Anfangswenproblem so formulie.t werden:
x=
J
0
0
0
i
v
0
I
0
0
ljJ
w
a" v+a'261 = b,
0
0
all
al2
V
b,
a'2,;+a2261 = b2
0
0
al2
a22
61
b2
v
ljJ=w
=>
CI" =mK+mL
für Anfangsbedingungen:
t
b2 = -mL/;ils sinq>
< 61
t?:. 61
X(I = 0) = 0,
Mx=r
an =mL I1+h
CI'2 =mLlscosq>
b, =IIlL1sw2sinq>-ct(x-a)+F, fUr
=>
CI
=
0
flir
x< a
{ c für
x?:. a
q>(1 = 0) = 0,
v(t = 0) = 0,
w(t = 0) = 0
Wie dieses Anfangswe.tproblem der für die Lösung verwendeten Software vermittelt wird, wie speziell die beiden zeit- bzw. wegabhängigen Ereignisse zu realisieren sind (Matlab bietet dafUr eine spezielle "Event-Strategie"), soll hier nicht diskutien werden (man findet alles ausführlich kommentien unter www.TM-aktuell.de). Die Abbildung 35.33 zeigt den Verlauf der Bewegungskoordinaten x(t) und q>(t) flir die Laufkatze bzw. die Last. Die laufKatze bewegt sieh erwartungsgemäß zunächst nach rechts und tritt nach etwa t = 4s den RUckweg an. Die Last schwingt nach dem Start der Bewegung relativ weit aus. lUTI dann auf dem RUckweg eine recht regelmäßige Schwingung auszuflillIen. Es lohnt sich, speziell das Weg-Zeit-Gesetz flir die Laufkatze etwas genauer zu analysieren.
35.2 Beispiele 10
743
<[mi
5 0.5
0 -5
o
-10 -15 -20
-0.5
Laufkatze 1[5]
-25 L - _ ~ _ ~_ _~_~='--" o 2 4 6 8 10
-1
Last 1[51
L-_~_~ _ _~_~_---.J
0
2
4
6
8
10
Abbildung 35.33: Funktionen xiI) und 'P([) flir die Laufkatze mit pendelnder Last
Die Abbildung 35.34 zeigt einen Zoom in das Bewegungsgesetz der Laufkatze. Bevor sie ihren Riickwcg antritt, gibt es insgesamt fünfmal eine Umkehr der Bewegungsrichtung, erstmals kurz nach dem Abschalten der Antriebskraft deutlich vor dem Erreichen der Feder. 6r---~---~---~--~----,
Es folgt aber unmittelbar eine weitere Umkehr (wie die erste ohne äußere Krafteinwirkung). so dass es doch zum Anschlag an die Feder kommt. Nach dem (ersten) Kontakt mit der Feder gibt es eine weitere (die dritte) Umkehr der Bewegungsrichtung ohne äußere Krafteinwirkung, so dass es zu einem zweiten Anschlag an die Feder kommt, der dann eine recht gleichmäßig verlau-
fende Bewegung (Riiekweg) einleitet.
x[m)
Umkehr der Bewegungsrichtung nach Kontakt mit der Feder
5r--------~----/T---__I 4
3 Umkehr der Bewegungsrichlung ohne äußere Krafteinwirkung
2
Abschalten der Kraft nach t=1s
o I[sl
-'OL-----'IL---~2---~3---~4----'--'-'5
Abbildung 35.34: Bewegung der Laufkalze
Ergebnisse verifizieren:
<>
Der Empfehlung @ von Seite 717 folgend, wurde nach zwei verschiedenen Verfahren integrien. Unter www.TM-aktuell.de wird auch die ZlIsätzliche Empfehlung "mit verschiedenen Programmen" beriicksichtigt. Die Übereinstimmung der Ergebnisse ist ein wichtiges Indiz fiir ihre Richtigkeit. Die Mehrfachrechnung mit unterschiedlichen Schrittweiten ist bei Problemen dieser An zwingend. Die Ergebnisse für unterschiedliche Schrittweiten werden zunächst durch den Vergleich der Funktionswerte .für x und 'P am Ende des ZeitintervaJls bewertet (nebenstehende Tabelle ftir die Rechnung mit dem Matlab-Standard-Solver ode45). Bei etwa 8000 Zeitschritten darf man den Ergebnissen vertrauen.
Zeitschritte
X(I
~
tOs)
'I'(I~ lOs)
477
- 24.71
0.1716
2021
·24.76
0.1447
4017
- 24,78
0,1450
8017
·24.73
0.1456
744
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
oe:> Die Bewegung der Laufkatze mit mehrfachem Wechsel der Bewegungsrichtung ist schwer
vorstellbar und kann nur durch die Interaktion zwischen Laufkatze und schwingender Last erklärt werden. Weil es nicht gerade einfach ist, dies aus den Diagrammen herauszulesen, ist eine Animation der Bewegung sehr hilfreich. Generell erhält man durch Animationen eine gute Vorstellung davon, ob die berechneten Beweguogsabläufe plausibel sind. Unter www.TM-aktuell.de kann man sich die Bewegung ansehen und sehr schön erkennen. wie die pendelnde Last die Laufkatze beeinflusst. Abbildung 35.35 zeigt einige Bilder aus dem Zeitbereich, in dem nach Abschalten der Kraft die Laufkatze zum ersten Mal (ohne äußeren Einfluss) ihre BewegungsrichlUng ändel1.
Abbildung 35.35: Einige Schnappschüsse aus der Animation (Zeitbereich: 1 "" 0, 7s ... 2, 5s) r------.,
oe:> Es bietet sich an, die Energiekurve als Kontrollfunktion parallel zur nu-
j 0 I o~rot. ~~
merischen Integration der Bewegungs-Differenzialgleichungen zu ermitteln. Die kinetische Energie wurde bereits für die Aufstellung der Differenzialgleichungen benötigt (Seite 675). Die potenzielle Energie soll auch nur rur das bewegte System berücksichtigt werden (während des Kontakts mit der Feder ist auch in dieser potenzielle Energie gespeichert). Mit dem Null-Potenzial entsprechend Abbildung 35.36 gilt dann fur die Gesamtenergie: I
I
I
'2 mK v2 + '2ltldv2 + 11 ui + 2lsvwcosrp) + '2Jr.w 2 -
T8,., =
s Abbildung 35.36: Null,Polenzial
mLglseosrp
Die Abbildung 35.37 zeigt die Funktion T8,..(I). Erst bei 8000 Zeitschritten hat die Kurve rur I > I s den zu erwartenden horizontalen Verlauf. Die beiden "Zacken" kennzeichnen die vorübergehende Abgabe von Energie an die Feder. x 10
4
O,----~---~---~---r---___,
T,..[Nm)
-0.5 Kontakt mit der Feder
~
-1
i
-1.5
-2~ o
i
Potenzielle Energie der Last im Ruhezustand
2
4
6
1[5)
8
Abbildung 35.37: Gesamtcnergie im bewegten System
10
35.2 Beispiele
745
Die Energiefunklion startet mit dem Wert für die potenzielle Energie der Last im Ruhezustand TK,,(I =0) = -I1ILgls= -19620Nm Die Arbeit der konstanten Kraft Fo auf dem Weg von x = 0 bis x, = x(r = I s) = 3,662 m erhöht die Energie im bewegten System auf den Endwert
Tge,(t=O)+Fox, = -12296Nm Genau dieser Wert stellt sich ein. Kontrollrechnung mit Simulink:
Zur Matlab-Ergänzungssoftware Simulink wurden beim Doppelpendel-Beispiel (Seite 740) einige Erklärungen gegeben und das dort berechnete Problem recht ausführlich erläutert. Die Differenzialgleiehungen für die Bereehnung der Bewegung der Laufkatze 33.33 (Seite 675) können Simulink iJ1 folgender Form angeboren werden: ..
X
b,
-a,zii>
= -'----'.:.-'all
.. bZ- a '2 x qJ = -=------"'a22
mit den Abkürzungen all, a,Z, aZ2, b, und b2, die bereits auf der Seite 742 definiert wurden. Natürlieb sollen auch die dort angegebenen Problempararneter der ALLfgabensteliung und die Anfangsbcdingungen verwendet werden. Aueh die Kontrollfunktion für die Gesamtenergie (Formel auf Seite 744) soll von Simulink gezeichnet werden. Die sprunghaften Änderungen der Parameter für ftir
t
Fr
und CI entsprechend
< !'J.T
t? I'H
CI
=
{O C
ftir
x< a
für
x? a
werden folgendermaßen realisiert: • Die Änderung der Kraft f~ erfolgt zu einem vorab bekannten Zeitpunkt. Sie wird mit der in Simulink verftigbaren Sprungfunktion ("Step"), die genau daflir vorgesehen ist, realisiert. • Die Änderung der Federkraft cI(x-a) erfolgt in Abhängigheit vom Weg x, der erst berechnet werden muss. Deshalb wiJ·d mit Hilfe der Signum-Funktion ein Ausdruck konstruiert, der für x< a den Wert 0 ergibt, ftir x> a den Wert I. Es ist offensichtlich, dass der Ausdruek [I +sgn(x-a)]·0,5 genau diese Bedingungen erfüllt (dass dieser Ausdruck den Wert 0,5 liefert. wenn exakt x = a gilt, hat keine Bedeutung, weil dann die Federkraft selbst den Wert 0 hat). Er wird mit der Federkraft c(x - a) multipliziert. Unter www.TM-aktuell.de findet man die komplette SimuJin.k-Rechnung mit dem Bloekschaltbild und detaillierter Beschreibung.
746
35 Verifizieren von Compulerrechnungen
Die Abbildung 35.38 zeigt die Ergebnisse der Simulink-Rechnung (Bewegungsgesetz X(/) der LaufKatze, Kontrollfunktion Tg,,(/)), die die auf anderem Weg berechneten Ergebnisse bestätigen.
€t ~
Ip ß
ji)
A
.=lgJ29 ~~ » ~
»
r Abbildung 35.38: Simulink-Ergebnisse X(I) und Tg,,(t) für die Laufkatze
Abschließende Bemerkungen zum Verifizieren der Lösungen von Bewegungs-Differenzialgleichungen, speziell zu Simulink: Die typischen Bewegungs-Differenzialgleichungen (bzw. Differenzialgleichungssysteme) der Technischen Mechanik sind hochgradig nichtlinear und nur numerisch lösbar. Die bereits auf der Seite 528 zu findende Aussage. dass es ..kaum ein anderes Gebiet gibt. in dem die mathematischen Hilfsmittel mit so viel Vorsicht zu benutzen sind", haben die Beispiele 7 bis 9 in diesem Kapitel nachdrücklich bestätigt. Also: Verifizieren mit allen verfügbaren Verfahren und Kontrollmöglichkeiten! Weil es zur numerischen Lösung keine Alternative gibt (die früher durchaus mögliche Behandlung mit elektronischen Analogrechnern ist heute nicht mehr konkurrenzfahig), ist noch ein Wort zu Simulink :mgebracht: Simulink versteckt die Numerik hinter einer BenutzerSchnittstelle. die eher an Regelkreise (bzw. Analogrechner) erinnert. Aber es wird numerisch integriert, das muss der Anwender unbedingt wissen, weil dadurch alle Unwägbarkeiten der numerischen Integration (ohne Einschränkungen) zu beachten sind. Man kann (und sollte) sich das bei Simulink über den Menüpunkt "Configuration Parameters" einmal ansehen, um u. a. Auskunft über das verwendete lntegrationsverfahren zu bekommen: Standard-Sol ver ist mit ode45 (Dormand-Prince- Verfahren) genau das Verfahren, das in Matlab generell als erste Empfehlung gUt (vgJ. Bemerkung auf Seite 737). Damit gilt auch für Simulink grundsätzlich der Zwang zu Mehrfach-Berechnungen mit unterschiedlichen Schrillweiten, unterschiedlichen Verfahren usw. Man sollte sich auch nicht davon täuschen lassen, dass z. B. beim Doppelpendel-Problem die Matlab-Standard-EinstelJungen zu fehlerhaften Ergebnissen führten (siehe Seite 738). die Simulink-Berechnung mit den Standard-Einstellungen jedoch korrekte Ergebnisse erzeugte (Seite 741). Weil das benutzte mathematische Verfahren von Sinllilink vor dem Benutzer .,versteckt" wird, haben die Matlab-Entwickler vorsichtshalber schärfere Standard-Einstellungen für die automatische Schrittweitensteuerung vorgesehen.
Sachwortverzeichnis
Abgeführte Energie, 536 Abscheren. 344 Absolutbeschleunigung, 499, 504 Absolutbewegung, 499 Absolutgeschwindigkeit, 499,504 AbstinUllUngsverhältnis, 624 Abtrieb, 536 Abwurfrichtung, 537 Achslast, 65 Acht-Knoten-Element, 705 Allgcmeine Bewegung, 503 Allgemeines ebenes Kraftsystem, 17 Allgemeines Matrizeneigenwertproblem, 635 Allgemeines räumliches Kraftsystem, 119 Amplitude, 612 Analytische Mechanik. 655 Anfangsbedingung, 458, 522, 573 Anfangsdehnung, 193, 207 Anfangswenaufgaben, 525 Anfangswertproblem, 717 Angriffspunkt, 2 Anhänger, 65, 66 Animation, 465. 744 Ansatzfunktion, 681, 696, 702 Anstrengungsverhältnis, 40 1,402 Antrieb, 536 Antriebskräfte, 572 Antriebskurbel, 475 Antriebsleistung, 365 Antriebssystem, 654 Antriebswelle, 402 Anziehungskraft, I Aperiodischer Grenzfall, 620 Äquatoriale Flächenträgheitsmomente, 220
Äquivalenz, 24, 126 Arbeit, 421, 532, 543 Arbeit der Gewichtskraft, 533 Arbeitsmaschine, 628 Arbeitssatz, 421, 427, 535 Arbeitsvermögen, 533 Außendruck, 453 Aufschrumpfen, 450 Ausgleichsrechnung, 79 Ausschnitte, 230 AusschnittRäche, 34 Auswuchten. 564 Axiale Flächenträgheitsmomente, 220 Axiale Massenträgheitsmomente. 552 Axiom, 655 Axiome der Statik, 3 Bahnbeschleunigung, 463, 466, 480.521 Bahngeschwindigkeit, 480 Bahnkurve,465,480 Bandbremse. 140 Bandmatrix, 199, 277 Baukran. 479 Baustahl, 170 Beanspruchung, 173 Beanspruchungsarten, 167 Begleitendes Dreibein. 481 Behälter, 453 Belastungsarten, 174 Belastungsebene, 309 Benutzer-Schnittstelle, 716 Bemouillischer Produktansatz, 648 Bernou 11 i-Hypothese. 216. 249 Beschleunigung, 457, 491, 543 BeschieunigungspoJ,494
J. Dankert, H. Dankert, Technische Mechanik, DOI 10.1007/978-3-8348-9840-1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
748 Besehleunigungsvektor, 466, 480 Besselsehe Funktionen, 419 Bestimmtes Integral, 42 Beton, 167 Betti,425 Bettung, 312 Bettungszahl, 3 I2 Beulen, 406 Bewegung, 457 Bewegung im Raum, 480, 50 I Bewegungs- Di fferenziaJgleichungen, 633
Sachwortverzeichnis
Binormalenvektor, 48 I Blecb, I 12 Blindstäbe, 82 Blockschaltbild, 740 Bolzen, 354 Brückenkran, 420 Bredtsche Formel, 371, 373 Bruchlastwechselzahl, 175 Bruehspannung, 171 525,
Bewegungsgröße, 515
Bewegungskoordinate, 572 Bewegungswiderstände, 518, 520, 572 Bezugs-Trägheitsmoment, 280 Bezugsfaser, 94, J29, 216. 323 Bezugssystem, 496 Biegeachse, 217, 239, 249, 309 Biegebeansprucbung, 167,248 Biegefeder, 436, 616 Biegekrilische Drehzahl, 629, 643 Biegelinie, 249 Differenzenverfahren, 275, 317 elastisch gebetteter Träger, 3 I2 Formelzusammenste)Jung, 260 mit veränderlicher Biegesteifigkeit, 280 numerische Lösungen, 724 schicfe Biegung, 308 Biegelinie 2, Ordnung, 250 Biegelinie 4. Ordnung, 25 I Biegcmoment,93, 129, 2 I5 Extremwerte, 101 gekrümmter Träger, 323 Biegemomentenverlauf, 724
biegeschlaff, 157 Biegeschwingung, 640, 648, 685 Biegespannung, 215,239 Biegespannungsformel, 2 I7,238,308 Biegesteifigkeit, 250 Biegeträgcr, 288, 724 Biegewinkel, 251, 254 Biegung, 215 Bilanzgleichung, 584
Castigliano, 428 Charakteristische Gleichung, 313, 448 Computer- Verfahren, 273 Computerrecbnungen, 715 Coriolisbeschleunigung, 497, 505, 521, 524 CouJomb, 133 CouJombsche Reibung, 5J 8 Courant, 195 Crash-Test, 47 I Cremona-Plan,82 CIV-Wcrt, 5 I 9 Dachkonstruktion, 7 I9 d' AJembertsche Kraft, 520, 543, 733 d' Alembertsches Moment, 542, 543 Dämpfer-Fußpunkt-Erregung, 626 Dämpfung, 733 Dämpfungskonstante, 620 Dauerfestigkeit, 175 Dauerfestigkcitsschaubild, 176 Dcckenträger, 385 Dehnmcssstreifen, 395, 404 dchnstarr, 157 Dehnsteifigkeit, 184 Dehnung, 168, 183 Determinante, 555 Determinaotenregel, J24 Deviationsmomeni, 2 I7, 220, 546, 552 Diagonalmatrix, 555 Dickwandige Rohre, 453 Differenzenformel, 274, 280, 319 Differenzengleichung gekrümmter Träger, 338 Knickstab, 4 I7
749
Sachwortverzeichnis
Differenzengleichung der Biegelinie, 275 Differenzenquotient, 274 Differenzenverfahren, 273, 317, 416, 725 Differenzial, 509 Differenzialgleichungen, 447 Differenzialgleichungssystem, 526, 633 Differenzielle Zusammenhänge, 99 Dimensionen, 458 Dirnensionierung, 167, 173 Dimensionslose Rechnung, 734 Dimensions.lose Zeit, 562 Direkte Verfahren, 678 Diskretisierungsved'ahren, 717 Doppel.kurbel. 475 Doppelpendei, 672, 736 Doppelschwinge, 475 Doppel-T-Profil. 349 Doppel-T-Träger, 224, 242 Dormand-Prince-Verfahren, 737 Drall,543,586 Drallerhaltungssatz, 599, 608 Drallsatz, 568,571,585,597,607 Drehachse, 120. 542 Drehfeder, 143,285 Drehfeder-Konstante,616 Drehfederzahl, J44 Drehimpuls, 543, 586 Drehmoment, 365 Drehsinn, 23, 121 Drehung des Koordinatensystems, 227, 554 Drehzahl,470 Drci-Knotcn-Element, 703 Dreieck, 33, 222 Dreieckselemenl, 699 Dreieckslast, 44 Dreigelenksysteme, 69 Drillknicken, 405 Druck, 43, 183 Druckbeanspruchung, 167 Drucksrab, 408 Dünn besetzte Matrizen, 277 Dünne Kreisscheibe, 549 Dünne Rechteckscheibe, 549 Dünner Stab, 547, 559
Dünner Zylinder, 547 Dünnwandige Behälter, 455 Dünnwandige offene Profile, 349 Dünnwandige Querschnitte, 369 Durchbiegung, 724 Durchlässigkeit, 628 Durchlaufträger, 433 Dyname, 126 Dynamik, 457 Dynamische Belastung, 174 DynamisChe Randbedingung, 258, 677 Dynamische Unwucht, 564 Dynamisches Grundgesetz, 515 Ebene Bewegung, 568 Ebene Scheibe, 728, 730 Ebener Spannungszustand, 389, 445 Ebenes zentrales Kraftsystem, 9 Eigenform, 410 Eigengewicht, 43, 414, 417, 615 Eigenkreisfrequenz, 613 Eigenschwingung, 613, 635 Eigenvektor, 555, 636 Eigenwert, 410, 555 Eigenwertgleichung, 410 Eigenwertproblem, 408 Einachsiger Spannungszustand, 387 Einftusszahl, 425, 640 Eingebettete Runge-Kutta-Verfahren, 528 Eingeprägte Kräfte. 520, 572 Einhüllende, 621 Einheitslast, 430 Einheitsmatrix, 555 Einheitsvektor, 555 Einschrittvelfahren,528 Einspannmoment. 51 EinspanJlung, 51 Einspeichern, 201 Einspeicherungsvorschrift, 692 Einwertiges Lager, 49 Elastische Bettung, 312 Elastische Lager, 143 Elastische Systeme, 616 Elastischer Stoß, 602
750
Elastisches Potenzial, 676 Elastizitätsgrenze, 171 Elastizitätsmodul, 171 Element-Belastungen, 293 Element-Kraftvektor, 197 Element-Steifigkeitsbeziehung, 197, 289, 692, 703 Elemelll-Steifigkeitsmatrix, 197, 288, 321, 702 Element- Verschiebungsvektor, 197 Elementknoten, 198 ElementJösung, 695 Elementtypen, 705 Endwertarbeit, 676 Energie, 421, 532, 533 Energiebilanz, 537 Energiekurve, 735, 744 Energiemethoden, 442 Energiesatz, 535, 576, 614, 633 Energieverlust, 600, 603 Erdbeschleunigung, I Erddrehung, 505 Erdmasse, 2 Ereignis (Event), 674, 742 Erregerkraft, 623 Erregerkreisfrequenz, 623, 644 Ersatzfeder, 144, 617 Ersatzfederzahl, 144 Erweiterter Energiesatz, 536 Erzwungene Schwingungen, 623 Euler, 41 J Euler-Cauchy-Verfahren, 527 Euler-Fälle,411 Euler-Relation, 314, 621 Eulersche Differenzialgleichung, 448 Eulersche Gleichungen, 588 Eulersche Winkel, 589 Euronorm, 17 I Event-Strategie, 742 Excel, 35, 114 Experimentelle Schwerpunktermittlung, 37 Extremalprinzip, 696 Extremwert, 517, 661 Exzentrische Schubkurbel, 510
Sachwortverzeichnis
Exzentrischer Stoß, 60 I, 607 Exzentri zität, 408, 629 Fachwerk, 80, 412, 441, 722 Berechnungsverfahren, 82 Computerrechnung, 85 einfacher Aufbau, 80 ideales, 80 nicht einfacher Autbau, 81 räumliches, I 15 statische Bestimmtheit, 80, 115 Fachwerk-Elemente, 203 Fallende Kennlinie, 581 Feder, 143, 283, 318, 422 Feder-Fußpunkt-Erregung,626 Federenergie, 533 Federgesetz, 143,616 Federkonstante, 616 Federkraft, 143 Federmasse, 618 Federweg, 143 FederzahJ, 143 Fehlerabschätzung, 528 Fehlmaß, 188, 192 FEM-Modell,698 FEM-Programme,210 Femset, 714 Fertigungsungenauigkeiten, 54, 193 Feste Achse, 501, 541,559 Festigkeitshypothesen, 399 Festigkeitslehre, 167 Festigkeitsnachweis, 173 Festlager, 50 Figurenachse, 589 FiIl-in,277 Finite Elemente, 695 Finite-Elemente-Algorithmus, 197 Finite-Elemente-Berechnungen, 717 Finite-Elemente-Methode, 195, 695, 730 Flächenlast, 43, 386 Flächenmomente, 220 Flächenschwerpunkt. 31 Begrenzung durch zwei Funktionen, 41 Computer- Verfahren, 38
Sachwortverzeichnis
Dreieck, 33 Excel,35 Krcisabschnitt, 33 Kreissektor, 33 Online-Berechnung, 35. 46 Polygon, 38 Polygon mit Ausschnitten, 40 Polygon mit Matlab, 40 Programm, 35 rechtwinkliges Dreieck, 32 Flächenträgheitsmoment, 217, 220, 227, 346 Online-Berechnung, 234 Polygonzug, 235 Flächcntragwerke, 385, 445 Flansch, 349 Fließgrenze, 171 Fliehkraft, 448, 521, 629 Fliehkraftbelastung, 449 Flugbahn, 517 Formänderungsenergie, 421, 676 Formelsatz, lJ 3, 149 Formzah I, I77 Freie Schwingung, 613, 633 Freier Fall, 461 Freier Vektor, 122 Freiheitsgrad, 49, 483, 506, 633 Freischneiden, 6, 572 Frciwerte, 695 Frequenz, 61 1 Fuge, 347, 354 Fügestelle, 394 Flihrungsbeschleunigung, 497, 505 FlihnllJgsbewegung, 499, 524, 592 Führungsgeschwindigkeit, 497, 504 Fundament, 654 Fundamentalsystem, 448 Fundamentmasse, 628 Funktionensatz, 51 I Gaßner-Kurve, 181 Gaußscher Integralsatz, 382 Gedämpfte Schwingung. 620, 733 Geführter Kreisel, 590 Gegengewicht, 507
751 Gekrümmte Träger, 323 Gelenk, 62, 283 Gelenkiges Lager, 50 Gelenkkraftkomponcnte,63 Gelenksysteme, 63 Generalisielte Koordinaten, 656, 668 Generalisierte Kräfte. 668 Geometrie-Information, 87 Geometrische Randbedingung, 258, 677 Gerader Stoß, 60 I Geradlinige Bewegung. 457, 466 Gerber-Träger, 62 Gesamtbeschleunigung, 480, 491 Gesamtgeschwindigkeit, 491 Gesamtverformung, 358 Geschlitzter Kreisring, 326 Geschlossene Querschnitte. 369 Geschoss, 608 Geschwindigkeit, 457, 491, 543 Geschwindigkeitsvektor. 463, 480 Gestaltänderungshypothese, 401,451 Gestaltfestigkeit, 177 Getriebe, 638 Getriebegehäuse, I 19 Getriebeglied, 473 Getriebesynthese, 476 Getriebewelle, 402 Gewöhnliche Differenzialgleiehung, 3 j 4 Gewichtskraft, 1, 533 Givens-Rotation,419 Gleichförmige Bewegung, 460 Gleichgewicht, 4, 200, 656 ebenes Kraftsystem, 47 räumliche Probleme, 126 zentrales ebenes Kraftsystem, 13 Gleichgewichtsbedingungen, 13,47, 110, 126 Gleichgewichtslage, 148, 660, 733 Gleichungssystem, 73 liberbestimmtes. 79 Gleitlager, 51 Gleitmodul, 172 Gleitreibung, 134,518,572 GleilreibungskocfftzieDl.518 Gleitstein. 460, 468. 530
752
Gleirung, 169 Gleitwinkel, 169, 361 Grafische Lösungen, I I Grauguss, 400 Gravitationsgesetz, I Gravitationskonstante, I Gravitationskraft, I Grenzschlankheitsgrad, 413 Grenzschwingspielzahl, 176 Grenzwertbetrachtung, 436 Gripzange, 67, 71,78 Grundbeanspruchungsarten, 423 Haftkraft, 133, 572 Haftung, 133 Haftungskoeffiziel1l, 134, 519 Haigh-Diagramm, 177 Halbkreis, 224, 233 Hämmern, 604 Handbremse, 65 Harmonische Erregung, 623 Hannoniscbe Schwingung, 61 I Hauptachse, 552 Hauptachsensystem, 553 HauptachsentraJ1sformation. 555 Hauptdehnung, 393 Hauptdehnungslichtung. 393 Hauptnormalenvektor. 480 Hauptschubspannung, 388, 391, 398 Hauptschubspannungsrichtung, 391 Hauptspannung, 388, 390, 398, 398 Hauptspannungsrichtung, 390 Hauptträgheilsmoment, 227 Hauptzentralachse, 217, 227. 307, 555 Hebelarm, 23, 123 Hcrtz, 61 I Hessenberg-Fonn, 419 Hilfsmomenl,434 Hohlquerschnitte, 224 Hohlzylinder, 549 Homogene Differenzialgleichung, 415, 448 Homogenes Gleichungssystem, 398, 409. 555,634 Hookesches Gesetz, 1.72, 392
Sachwortverzeichnis
Horizontalschnitt, 347 Horizontalzug, 159 Hubwerk, 666 Hülsc,50 Hyperbolisches Profil, 447 Ideales Fachwerk, 80 Impuls, 515, 543 Impulserhaltungssatz, 598, 60 1,608 Impu Issalz, 534, 597 lnclifferentes Gleichgewicht, 660 Inertialsystem, 516 Innendruck, 453 innerlich statisch unbestimmt, 440. 446 Instabiles Gleichgewicht, 151, 619 Integral
bestimmtes, 42 exakte Lösung, 42 numerische Lösung, 42 Il1legrationskonstante, 251 Integrationsschritt, 526 Integrator, 740 Jacobi-Rotation, 4 I9 Joule, 532 Kaltverfestigung, 17 I kappa-Wert, 328 Kardanwelle. 67 Karussell (Relativbewegung), 498 Kasten-Profil, 224 Kastenquerschnitte, 369 Kelvin, 188 Kcnnlinic, 365, 581 Kerbwirkung, 177 Kerbwirkungszahl, 177, 179 Kesselformeln, 455 Kette, 342 Kettenlinie, 157. 159 Kilometerstein, 459 Kilowatt, 534 Kilowattstunde, 534 Kiuematik,457 Kinematik starrer Körper, 483
753
Sachwortverzeichnis
Kinematische Diagramme, 462, 473, 484, 512 Kinematische Kopplung, 506 Kinetik, 457, 515, 515 Kinetik starrer Körper, 541 Kinetische Energie, 535, 543, 576 Kippen, 406 Klassieren, 180 Klassierungsverfahren, 180 Klassische Mechanik, 655 Klebeftäche, 354 Klebeverbindllng, 449 Kleine Ausschläge, 614 Knickempfindlichkeit, 410 Knickfigllf,410 Knicksicherheit, 411 Knickung, 168,405 Knoten, 80, 195 Knotenachse, 589 Knotenblech, 80 Knotenschnjttverfahren, 81 Koeffizientendetemlinante, 399,409,634 Koeffizientenmalrix,73, 199 Koinzidenzmatrix, 210 Kolben, 472, 489 Kolbenbolzen, 413 Kollermiihlen, 594 Kompatibilität, 200, 695 Kompatibilitätsbedingung, 191, 198 Komponenten, 25 Kondition (Matrix), 280 Konische Welle, 709 Konservative Kräfte, 533, 535, 659 Konservative Systeme, 670 Konsole, 698 Kontinuierliche Massebelegung, 648 Kontrollfllnktion, 738, 744 Kontrollrechnungen, 717 Koordinalenlransfoml
Körperfeste Koordinaten, 588 Korrektllrfaktor nach Bach, 402 Korrekturpararneter KS, 357 Kraft. I Kraft- Verformungs-Diagramm, 421 Krafteck, 10,12,109 Krafteck, geschlossenes, 13 räumliches, 109 Kräftepaar, 20 Kräfteparallelogramm, 4 Kraftschraube, 126 KraflSystem, allgemeines ebenes, 17 allgemeines räumliches, 119 ebenes zentrales, 9 räumliches zentrales. 109 Kraftzerlegung, 9 Kran, 56 Kranhaken, 331, 342 Kreis, 222, 239 Kreisabschnitt, 33, 222 Kreisbewegung, 466 Kreisbogenträger, 324, 332 Kreiselbewegung, 588 Kreiselrnoment, 592 Kreisfrequenz, 612 Kreisgleichung, 473 Kreisqllerschnitt, 329 Kreisring, 240, 326 Kreisringquerschnitt, 361 Kreisringscheibe, 445 Kreisscheibe, 549 Kreissektor, 33, 222 Kreistangenten-Polygone,375 Kreiszylinder, 549, 556, 560 Kritische Belastung, 408 Kritische Drehzahl, 648 Kritische Kraft, 151 Kritische Spanl1ung, 413 Krummlinig berandete Flächen, 237 Kriimmung, 250 Krümmungsmittelpunkt, 480, 521 Kriimmllngsradius, 323, 467
754 Kugel, 549 Kugelbehälter, 455 Kupplung, 67, 600 Kurbelschwinge, 474 Kurbel, 473 Kurbelwelle, 413 Kurvenftug, 594 Kurvenscheibengetriebe, 459 Lager, 49 Wertigkeit, 49 Lagerreaktionen, 49,572 Lagemng, statisch bestinunt, 52 Lagemng, statisch unbestimmt, 53, 146 Lagrange, 665 Lagrangesehe Bewegungsgleichungen, 668 Länge der Bahnkurve, 480 Längenänderung, 184 Lasteinleitung, 169 Lasteinleitungsproblem, 353 Lastwechselzahl, 175 Laufkatze, 245, 667, 674, 742 Lebensdauer, 179 Lebensdauerabschätzung, 181 Lel1rsches Dämpfungsmaß, 620 Leichtbau, 89 Leistung. 365, 532, 534, 543 Lichtgeschwindigkeit, 516 Lineare Federn, 143 Lineare Unabhängigkeit, 314 Lineares Gleichungssystem, 48, 73, 718 Fehlersuche, 78 Kontrolle, 78 Lösbarkeit, 78 Linearisierung, 192 Linienftüchtigkeit. 3 Linienlast, 43 Eigengewicht, 43 Linienlasten, 293 Linienschwerpunkt, 36 Halbkreis, 37 Kreis, 36 Kreisbogen, 36 symmellische Kurve, 36
Sachwortverzeichnis
Lipschitz-Bedingung,538 Logarithmisches Dekrement, 622 Loopingbahn, 577 Loslager, 50 Malteserkreuz, 485 Maple, 77, 118,150, 154,316,511 Maschinendynamik, 594 Masse, I Massenkraft, 520 Massenmatrix, 635, 641, 642 Massenpunkt, 515 Massenpunktsystem, 597 Massenträgheitsmoment, 542, 547, 637,736 Materialkennwerte, 167 Mathematisches Modell, 210 Mathematisches Pendel, 523, 615 Matlab, 118,212,315,340 Matlab-Femset, 383, 714 Matlab-Script, 287 Matrix-Formulierung, 73 Matrizeneigenwertproblem, 399, 419, 555, 639 Matrizenrechnung, 199 Maxwell. 425 Mechanische Arbeit, 421 Mega-Pascal, 169 Mel1rschrittverfahren, 528 Membran, 368 Membranspannung, 455 Methode der finiten Elemente, 195. 695 Methode der gewichteten Residuen, 696 Methoden zur Dimensionierung, 167 Miner-Regel, 181 Mitrotierende Koordinaten, 546 Mittelspannung, 175 Mittlere Beschleunigung, 458 Mittlere Geschwindigkeit, 458 Mittlere Schubspannung, 356 Modalkoef1izient, 635, 641 Modalmauix, 636 Modell,210 Mohrseher Spannungskreis, 391 Mohrsches Verfahren, 430
S3chwortverLeichnis
Moment, 20. 119 resultierendes, 21 119 statisches, 32 Momentanbeschleunigung, 458 Momentangeschwindigkeil, 458 Momentanpol, 488, 577 MomentenparaJlelogramm, 122 Momentensatz, 546 MomentveklOr, 124, 532 Motorunwucht, 654 MS-Excel,35, 114. 232 Mux-Block.740 ach besserung der FEM-Berechnung, 297 äherungslösungen. 296 egatives Schnittufer, 93 ennspannung, 177 etzgenericrung, 700 Neutrale Faser, 217 Newton, I Newtonmeter, 532 Newtonsches Gesetz, 515 Nichtlineare Schwingung, 619, 733 Niehtpotenzialkräfle,536 Nichttriviale Lösung, 409, 634 Niete, 354 Normalbeschleunigung, 463, 466, 480. 521 omlaleneinheitsvektor.467 ormalkrafl. 93. 183,323 onnalspannung, 169.183 ormalspannungshypothese,400 Normierung. 636 Normkollektiv, 180 Nonnprofil, 241, 243. 247. 271, 310 Null-Potenzial, 536, 660 Nullstab, 82, 412, 723 Numerische Berechnung. 338 Numerische Illlegration, 42 Anfangswertprobleme, 526 Numerische Lösung. 382 Numerisches Differenzieren. 473, 484 ode45,737 Offener Querschnitt, 376
755 Online-Berechnung,233 Ortsvektor, 463, 480, 597 Palmgren-Miner, 181 Parallele Kräfte, 19 Parallelschaltung, 144 Parameterdar teilung, 463 Paramctrisicrung, 75 Partielle Ableitung, 429, 671 PartikulärJÖsung. 314, 335, 448, 634 Pascal, 169 Paternoster, 486 Pendel, 615 Periodische Schwingung, 611 Phasenkurve, 622 Phasenverschiebung. 613, 624 Physikalisches Modell, 210 Planetengetriebe, 481, 508 Planetenrad,492 Plastischer Stoß, 602 Platte, 386 Pleuel, 413, 489 Poissonsche Differenzialgleichung, 367, 383 Poissonsche Z.~hl, 172 Polares Flächelllrägheitsmoment. 362 Polarkoordinaten, 477 Polygonzug. 235 Polynomfunktion, 681 Positives Schnittufer, 93, 129 Potenzansatz, 448 Potenzial. 659 Potenzialkräfte. 535, 659, 668 Potenzielle Energie. 533 Prinzip der virtuellen Arbeit. 655 Prinzip der virtuellen Kräfte, 430 Prinzip von d' Alembert, 520. 571, 633, 665 Prinzip von SI. Venant, J70 Prinzipien der Mechanik, 655 Produktans3tz, 648 Profil-Mittellinie. 369 Programm-Absturz, 715 Projektionsfläche. 519 Proportionalitätsgrenze. 170. 413 PS, 365
756 psi, 169 Puffer, 674 QR-Algorithmus, 419 Quader, 549 Quadrmurfehler, 527 Quasiebene Probleme. 112 Querdehnung, 172 Querkontraktion, 172,453 Querkontraktionszah I, 172 Querkraft, 93, 129, 323, 346 Querkraftschub, 343 Querkraftverformung, 356 Querkraftverl auf, 724 QuerriegeJ, 440 Querschnittsverwölbungen, 366 Radialverschiebung, 334. 334. 447 Radsatz, 384 Rahmen, 439, 698, 726 Rahmenschwingung, 642 Rahmentragwerk, 299, 732 Rammen. 604 Rand- und Übergangsbedingungen, 358 Randbedingung, 198,251,257,284 Randwertproblem, 274, 683 Ratio. 175 Rauigkeit, 134 Räumliche Bewegung, 585 Räumliche Fachwerke, 115 Räumliche Probleme, 109 Räumlicher Spannungszustand, 396 Rayleighscher Quotient, 419, 686 Rechte-Faust-Regel, 122 Rechteck, 222, 239 Rechteckquerschnitt, 329, 368 Recbteekseheibe, 549 Rechtssehrauben-Regel, 122,502 Rechtssystem, 129 Reduktion der Elementlasten, 701 Reduzierte ElementJasten, 197 Reduzierte KniekJänge. 4 J3 Reduziertes System, 293 Regel von de I'Hospital, 436
Sachwortverzeichnis
Reguläre Matrix, 78 Reihenschaltung, 617 Reißlänge, J71 Reibpaarung, 134 ReibsehweißAäche,354 Reibung, 536 Reihenschaltung, 144 Rein dynamische Unwucht, 564 Reine Biegung, 215 Reine Translation, 541 Reines Rollen. 574 Relativbeschleunigung, 497, 505 Relativbewegung, 496, 499, 504, 524 Relative Verschiebung, 439 Relativgeschwindigkeit, 497, 504 Resonanz, 625,632, 644 Resultierende, 9, 17,25, 109 Resultierendes Moment, 21 Reynold-Zahl,519 Reziprozitätssatz, 426 Richtungskosinus, 110,398,555 Richtungssinn, 2,4 Ringquerschniue, 369 Riuerschnit1, 83 Ritz-Ansatz, 679 Rollbedingung, 486 Rotation, 470, 483. 501, 541, 559 Rotationscncrgie, 543 Rotationsformeln, 543 Rotationskörper, 548 Rotationssymmetrische Scheiben, 445 Rotor, 544, 564, 593 Rücksprungversuch, 603 Rückstellkraft, 615 Rührwerk, 383 Rundstab, 242 Rundumschnitt, 81 Rundungsfehler, 718 Runge-Kutta- Verfahren, 527, 738 Satellit, 506 Sauelpunkt. 664 Schale, 386 SchattenAäche, 519
757
Sachwortverzeichnis
Scheibe, 386,445, 698, 728,730 Scheibenelement, 699, 703 Scberbeanspruchung, 168 Scherfläche. 354 Scherkraft, 354 Scherspannung, 169 Schiefc Biegung, 307 Schiefe Ebene, 133 Schiefer Stoß, 60 I, 605 Schiefer Wurf, 516, 537 Schiefslellung, 561 Schienenfahrwerke, 66 Schienenweg, 341 Schlankheitsgrad, 413 Schleudermomenl, 594 Schlusslinie, 12 Schmieden, 604 Schmiegungsebene, 481 Schnittgrößen, 93, 97, 129,323 Ableitungen, 99 Schnittgrößenverläufe, 96, 726 Schnittkräfte, 5 Schnittprinzip, 5, 60 Schnittskizze, 52, 60 Sehnittufer, 5, 93, 97, 129 Schrauben, 354 Schraubenfeder, 143 Schraubenzieher, 22 Schrittweite, 528 Schrittweitensteuerung, 528, 734 Schrumpfsilz, 456 Schrumpfspannung, 452 Schubbeanspruchung, 168 Schubfluss, 370, 376 Schubkurbei, 472, 489, 5 I0 Schubmittelpunkt, 349, 352 Schubspannung, 169, 343, 361, 362 Schubspannungsformel, 346 Schubspannungshypothese, 400 Schubsteifigkeil. 357 Schubvenormung,356 Schwach gekrümmler Träger, 330 Schwache Dämpfung. 621 Schweißnahl, 347, 354, 379
Schwellende Belastung, 175 Schwellfestigkeit, 176 Schwerpunkt, 29 Dreieck,33 Kegel,31 Keil, 31 Körper, 30 Kreisabschnitt, 33 Kreissektor, 33 Kugelabschnitt, 31 rechtwinkliges Dreieck. 32 Schwerpunktermittlung Auswiegen, 38 experimentell, 37 Schwerpunktsatz, 568, 570, 585, 597 Schwinge. 473, 484 Schwingerkette, 633 Schwingsieb, 6J4, 632 Schwingung, 61J, 733 Schwingungsdauer, 6JJ, 621 Schwingungsisolierung, 628 Schwingungsknoten, 639 Schwiogungsperiode, 61 I Schwingungstilgung, 644 Schwungrad, 55J, 600 Secbs-Knoteo-Element,704 Seifenhaut-Gleichnis, 368 Seil, 49, 70, 72, 183 flacher Durchhang, 163 konstante Linienlast, 163 Seileckvenahren, 18 Seilhaftung, 137 Seil kraft, 70,572 Seillinie, 159 Seilstatik, 157 Seilwinde, 507 Selbstzentrierung, 630 sgn-Funktion,518 SI-Konvention, 169 Sicherheilsfaktor, 174 Simulink, 740, 746 Simultaniteration, 419 Singuläre Matrix, 78 Singularität, 447
758 Skalare Größe, 2 Skalarprodukt, 125,532 Smith-Diagramm, 176 Sonnenpaddel, 506 Sonnenrad, 481, 492 Spannung, 168, 183, 327 Spannungs-Dehnungs-Diagramm, 170 Spannungs-Null-Linie, 308 Spannungskollektiv, 179 Spannungsmatrix, 398 Spal1nungsvektor, 398 Sparse matrices, 277 Spezielles Matrizeneigenwertproblem, 399 Spezifische Formänderungsenergie. 423 Sprungfunktion, 745 Stab. 49, 70, 183 Stab-Knickung, 406 Stabe lemente, 196 Stabile Gleichgewichtslage, 733 Stabiles Gleiehgewieht, 151 Stabilität, 659 Stabilitätsproblem, 405 Stabkraft, 70 Stampfen, 594 Stanzvorgang, 36 Stark gektiill1J1Jter Träger, 330 Starke Dämpfung, 620 Starre Einspannung, 51 Starrer Körper, 3, 483 Starrkörperbewegung, 53, 637 Statik, Axiome, 3 Grundlagen, I Stationäre Lösung, 624 Statisch bestimmte Probleme, 434 Statisch bestimmte Systeme, 61 Statiseh unbestimmte Probleme, 186,437 Statisch unbestimmte Systeme, 262 Statische Auslenkung, 615 Statische Belastung, 174 Statische Bestimmtheit, 52 Statische Unwucht, 564 Statisches Moment, 32, 346 Steife Feder, 145
Sachwortverzeichnis
Steifigkeitsmatrix, 197,635,642,702 Steigungsfehler, 527 Steinerscher Satz, 223, 550,554 Stiftwalze, 566 Störung (Gleiehgewicht), 151 Stoß,601 Stoßdämpfer, 519, 620 Stoßmittelpunkt, 608 Stoßoormale, 60 I Stoßpunkt, 601 Stoßzahl,602 Strahlensatz, 468 Strandbeest, 476 Streekenlast,43 Streckgrenze, 171 Strukturdynamik, 696 Stützenerregung, 627 Stützlinie, 157, 166 StützsteIlen, 273 Summenhäufigkeitskurve, 180 Superposition, 268 St.-Venantsche Torsion, 366, 381,712 Symbolische Mathematik, 42 Symbolische Rechnung, 75,316 Symmetrieeigenschaft, 639 Symmetriesehnill,728 Symmetriseher Kreisel, 591 System-Kraftvektor, 199 Syslem-Steifigkeitsbeziehung, 198, 692 System-Steifigkeitsmatrix. 199 Systeme starrer Körper, 61, 506 Systemknoten, 198 Systemlösung, 695 Tabellen kalku lationsprogramm, 233 Tabellenrechnung, 34, 231 Tangenteneinheitsvektor, 465, 480 Tangentialbesehleunigung, 467 TangentiaJdehnung, 446 Tangentialverschiebung, 334 Teilflächen, 230 Teilschädigungsquotienl, 181 Temperatur, 188 Temperaturausdehnungskoeffizient, 188
Sachwonverteichnis
Temperalurdehnung, 188,207 Temperaturdifferenz, 211 Tcmpcraturspannung, 188 Thcorie I. Ordnung, 146 Thcorie 2. Ordnung, 152,405 Thcoric 3. Ordnung, 153 Tilger, 646. 654 Topologie. 210 Topologie-lnformation, 87 Torsion, 361, 405 Torsionsbean pruchung, 168 Torsionsfcder. 143. 144, 637 Torsionsfederstab, 364 Torsionsfrciheit,352 Torsionsfunktion, 367 Torsionsmoment, 129,361 Torsionsschubspannung, 362, 366 Torsionsschwingung, 637, 654 Torsionsstab, 144 Torsionsstci r,gkcil, 362, 366, 637 Torsionsträghcilsmoment, 366, 376, 381 Torsionswidcrst3ndsmomcm, 381 T-ProOl,225 Träger gleicher Festigkeit, 246 Trägerachse, 323 Trägheitsradiu ,413 Trägheitstensor, 553 Translation, 486 Translationsformeln, 543 Trapezlast, 44 Trapezquerschnilt, 329 Traverse, 66 Trennbnlch. 174 Triviale Lösung, 409 Tnlm, 666 T-Trägcr, 240 Turbinenschallfcl,237 Überbestimmtes Gleichungssystem. 79 Übergangsbedingung, 255. 257. 282, 317 Überkritischer Bereich, 629 Übermaß, J92. 456 Übenragungsmatrizen. 273 Umformgrad, 604
759
Umlallfgetriebe.508 Umlaufintegral, 370, 382 Ungcdämpfte Schwingung, 613 Umcrmaß,450 Unwuchterregung, 628 nwuchtvcktor, 564 -Pror,I, 247. 350 Varianten rechnung, 202 Variationsproblcm,679 Variationsrechnung, 678 Vektor der Winkelgeschwindigkeil, 501 Vektoriteration. 4 J9 Vektorprodul.'t, 124, 502 Verbindungsmillei, 354 Verdrchwinkel, 143,361,366 Verfahrcn von Castigliano, 428 Vcrfahren von Ritz, 679. 689 Verfahren von Runge-Kulta, 527, 738 Verformllngsbedingung, 147, 187 Verformllngsberechnung, 308 Vergleicbsfllnktion, 677 Vergleichsmoment, 403 Vergleichsspannung, 399 VcrgrößerungsflLnk.tion, 625 Vcrir,zieren. 46, 88, 715 Verlängerung, 184 VernelZlIng, 699 Verschiebungsansatz, 704 Verschmieren. 282, 318 Ver elZungsmoment, 24, J23 Vertcilte Elelllenliasten. 208 Verwölbung. 356, 366, 370, 379 Verzerrung, 168 Verzögerung, 460 Viereckselelllent, 700 Viergelenkkelle. 473. 490 Virtuelle Arbeit. 655, 669 Virtuelle Verschiebung. 655 Voll cbeibe. 447. 456 Vollzylinder, 548 Volulllenlast. 43, 445 Vorgeschriebene Verschiebung. 283, 318 Vorspannllng, 192,615
760 Walze, 573 Wälzlager, 5 I Walzwerk, 539 Wandkran, 420 Wärmedehnung, 189 Watt, 365, 365, 534 Wattsekunde, 534 Wechselbelastung, 175 Wechselfestigkeit, 176 Wechselwirkungsgesetz, 4 Weg, 457 Weiche Feder, 148 Welle, 365, 402, 637 WelJenbereci1nung, 402 Wendepunkt, 468 Werkstoffkunde. 167 Wertigkeit Lager, 49 Widerstandsfähigkeit, l73 Widerstandsmomenl, 218, 238, 363 Winde, 579 Winkel beschleunigung, 470, 543 Winkelgeschwindigkeit, 470, 487, 512, 543 Winkler/Zimmermann, 3 l2 Wippkran,475 Wirksame Schubfiäche, 356 Wöhlerkurve, 175 Wölbfreiheit, 374, 379, 384 Wölbkrafnorsion, 366 Wuchtzentrieren, 565 Wurfparabel, 5 I7 WYSIWYG, 213, 233
Sachwortverzeichnis
Zahlenrechnung, 458 Zange, 71 Zeilen-Spalten-Streichen, 201, 206 Zeitfestigkeit, 179 ZeitintervalJ,526 Zentrale Differenzenformcln, 275 Zcnlricrbohrung, 565 Zentrifugalkraft, 445, 521 Zentrifugalmomcnt, 546, 552, 552 Zentrischer Stoß, 60 I Zerreißmaschinc, 170 Zerrüttung, 175 Zug, 183 Zugbeanspruchung, 167 Zugcfiihrte Energie, 536 Zugeordnete Schubspannungen, 344 Zuggcschirr, 67 Zugstab, 42 I Zugversuch, 170, 399 Zulässige Spannung, 173 Zusammengesetzte Beanspruchung, 385 Zusammengesetzte Flächen, 224 Zusatzknotenkräfte, 208 Zwangsbedingung, 506, 572, 633 Zwangskräfte, 518, 572, 656, 665 Zwangsschwingung, 644
Zwciwertigcs Lager, 50 Zwischenstütze, 283, 318 Zykloide, 465 Zylinder, 549, 560 Zylindrische Behäller, 453, 455