Thomas Friedli Technologiemanagement
Thomas Friedli
Technologiemanagement Modelle zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit
Mit 155 Abbildungen
13
Professor Dr. Thomas Friedli Transferzentrum für Technologiemanagement Universität St. Gallen Dufourstr. 40 A 9000 St. Gallen Switzerland
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isbn 10 3-540-23442-x Berlin Heidelberg New York isbn 13 978-3-540-23442-5 Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. din, vdi, vde) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Umschlaggestaltung: medionet AG, Berlin Satz: Digitale Druckvorlage des Autors Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Für Damaris
Vorwort
„Wer aufhört besser sein zu wollen, hat aufgehört gut zu sein!“ Oliver Cromwell
Vorliegendes Buch ist das Ergebnis meiner Habilitation an der Universität St. Gallen. Die Zeichen für die produzierende Industrie Westeuropas stehen auf Sturm! Stellenabbau folgt Stellenabbau, Abwanderungsdrohung folgt Abwanderungsdrohung! Management gegen Gewerkschaften, Regierungen gegen Wettbewerbskommissionen, Belegschaften gegen das Management und umgekehrt! Es scheint an der Zeit zu sein, sich auf die eigentliche Aufgabe der Unternehmensführung zurückzubesinnen, die Erhaltung der Wettbewerbs- und Lebensfähigkeit über längere Zeit! Dazu vonnöten ist nicht die Kopie von Rezepten, das Verfolgen von wenig erfolgversprechenden Kostenführerschaftsstrategien oder der Ruf nach einem neuen Protektionismus! Die produzierende Industrie braucht die Rückbesinnung auf die eigenen Stärken und die konsequente Multiplikation dieser Stärken im Rahmen eines integrierten Managementkonzepts! Aufbauend auf den St. Galler Grundlagen von Ulrich und Bleicher habe ich versucht, deren Grundgedanken auf die aktuelle Situation der produzierenden Industrie zu übertragen und dieser nicht ein weiteres Rezept, sondern einen Rahmen zur Verfügung zu stellen, der als Leerstellengerüst für die eigene Positionierung und Weiterentwicklung dient! Dieses Buch beschreibt sowohl den Rahmen als auch die Hintergründe und theoretischen Grundlagen. Die Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von produzierenden Unternehmen hat in den vergangenen sieben Jahren dazu beigetragen, dieses Buch entstehen zu lassen, ihnen allen gilt mein besonderer Dank. Durch die Möglichkeit Projekte bis zur Umsetzung begleiten zu dürfen, hat die Theorie die Reflexion erfahren, derer sie bedarf, um nicht Gefahr zu laufen, sich im nutzenfreien Raum zu bewegen. Damit wird auch das Versprechen der Betriebswirtschaftslehre, eine angewandte Wissenschaft zu sein, eingelöst. Entlang des Rahmens wurden ausserdem viele Methoden des modernen Technologiemanagements eingeordnet, die damit eine Struktur und eine Instrumentalisierung erfahren. Es ist meine Überzeugung, dass das Technologiemanagement die Betriebswirtschaftslehre der Zukunft ist. Ohne ein Grundverständnis für das Potenzial und den Einsatz
VIII
Vorwort
von Technologien wird der Manager von morgen vor kaum lösbaren Problemen stehen. Moderne Technologien erweitern unseren Möglichkeitsraum, machen Produkte, Prozesse und Organisationsformen wettbewerbsfähiger, erfordern aber auch einen Blick für die betriebswirtschaftlich sinnvollen Anwendungskontexte. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle meinem akademischen Lehrer, Prof. Dr. Günther Schuh, der mich seit unserem ersten Zusammentreffen im Rahmen einer Grundstufenveranstaltung der Universität St. Gallen über zehn Jahre hinweg gefördert und wesentliche Impulse für die hier vorliegende Habilitation geleistet hat. Ihm und Herrn Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. (mult.) Prof. E.h. Engelbert Westkämper sowie Herrn Prof. Dr. Dr. habil. Dr. h.c. Horst Wildemann danke ich für die Übernahme der Gutachten. Ebenfalls danken möchte ich den vielen Kollegen und Kolleginnen des Instituts für Technologiemanagement, die auf die eine oder andere Weise zur Habilitation beigetragen haben. Namentlich erwähnt seien an dieser Stelle Dr. Markus Dierkes, mit dem ich immer wieder herausfordernde Diskussionen führen durfte, Dr. Michael Kurr, der insbesondere für den Bereich des Kooperationsmanagements viele Inhalte mitgestaltete und auch im Rahmen verschiedener Projekte wesentlich zum hier beschriebenen strategischen Managementverständnis beigetragen hat, Dr. Jann Dietrich und Dr. Heiko Gebauer, die unseren Ansatz zum Management industrieller Dienstleistungen wesentlich geprägt haben sowie Stephan Billinger und Michael Kickuth, die unermüdlich dazu beigetragen haben unser Prozessmanagement-Know-how weiter zu vertiefen. Dank gebührt auch meinen Direktorenkollegen vom Institut für Technologiemanagement, Prof. Dr. Fritz Fahrni, Prof. Dr. Elgar Fleisch sowie Prof. Dr. Oliver Gassmann, die mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite standen sowie dem Vorstand der betriebswirtschaftlichen Abteilung der Universität St. Gallen, Prof. Dr. Thomas Bieger und dem Rektor der Universität, Prof. Dr. Peter Gomez, die für Fragen ständig ansprechbar waren. Wesentlich zur der jetzt vorliegenden Form des Buches haben ausserdem meine Sekretärin Helene Tuffli sowie, was die Bilder betrifft, Fabia Hild und Christoph Müller beigetragen. Ganz besonders danken möchte ich meiner Frau Damaris, die sich – trotz der Erfahrung mit der Dissertationserstellung – auf dieses ungleich grössere Projekt eingelassen und mich während der ganzen Zeit vorbehaltlos unterstützt hat. Ihr ist auch diese Habilitation gewidmet. St. Gallen, im März 2005
Thomas Friedli
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................ XIII 1 Einleitung................................................................................................ 1 1.1 Drei Beispiele ................................................................................ 10 1.2 Fragestellung Strategisches Produktionsmanagement................... 11 1.2.1 Grenzen existierender Modelle............................................... 11 1.2.2 Das heutige Umfeld produzierender Unternehmen ................ 15 1.3 Zielsetzung und Forschungsfrage .................................................. 20 1.4 Aufbau der Arbeit .......................................................................... 22 1.5 Wissenschaftstheoretischer Bezugsrahmen ................................... 24 1.6 Forschungskonzeption ................................................................... 30 1.7 Forschungslücken .......................................................................... 35 1.8 Zusammenfassung ......................................................................... 36 2 Ausgewählte theoretische Grundlagen .............................................. 39 2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze................................................. 44 2.1.1 Theorien des Wandels ............................................................ 44 2.1.2 Strategisches Management ..................................................... 51 2.2 Organisationstheoretische Ansätze ................................................ 73 2.2.1 Kontingenz-Ansätze (situative Ansätze) ................................ 74 2.2.2 Ökonomische Ansätze ............................................................ 76 2.2.3 Zusammenfassung .................................................................. 82 2.3 Ansätze aus dem Technologiemanagement................................... 83 2.4 Soziologischer Exkurs – Giddens Strukturationstheorie .............. 85 2.5 Interdisziplinäre Ansätze ............................................................... 88 2.5.1 Systemtheorie und St. Galler Schule ...................................... 88 2.5.2 Theorie komplexer adaptiver Systeme ................................... 92 2.5.3 „The science of the artificial” nach Simon ............................. 98 2.5.4 Zusammenfassung ................................................................ 101 2.6 Substrat für eine eklektische Theorie .......................................... 101 2.7 Abgeleitete Anforderungen an den Gestaltungsrahmen .............. 103
X
Inhaltsverzeichnis
3 Strategisches Produktionsmanagement ........................................... 105 3.1 Einführung ................................................................................... 106 3.2 Strategische Flexibilität ............................................................... 123 3.2.1 Strategische Flexibilität – (Un-)Verständnis ........................ 124 3.2.2 Bezugsrahmen zur strategischen Flexibilität ........................ 131 3.3 Historischer Rückblick ................................................................ 137 3.3.1 Die Entwicklung der produzierenden Industrie.................... 137 3.3.2 Die Flexibilität der Unternehmen ......................................... 154 3.4 Notwendige Flexibilität – Antizipative Positionierung ............... 157 3.5 Zusammenfassung und Anforderungen ....................................... 166 4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen..................................................................................... 169 4.1 Die fraktale Fabrik ...................................................................... 169 4.2 Die virtuelle Fabrik...................................................................... 171 4.2.1 Virtualität und Virtualitätsverständnis.................................. 171 4.2.2 Das Konzept der Virtuellen Fabrik Euregio Bodensee ........ 174 4.2.3 Das Kooperationsnetzwerk: stabile Plattform für die flexible Leistungserstellung............................................................ 176 4.3 Die wandlungsfähige und die mobile Fabrik .............................. 187 4.4 Fabrik 1999 ................................................................................. 189 4.5 Anforderungen an das Konzept ................................................... 191 5 Zusammenfassung der Anforderungen ........................................... 193 5.1 Zusammenfassende Darstellung der Anforderungen aus Kapitel 2.4 ............................................................................ 193 5.2 Übergeordnete Anforderungen .................................................... 195 5.3 Anforderungen an Aktivitäts-Fragestellungen ............................ 196 5.4 Anforderungen an strukturelle Fragestellung .............................. 197 5.5 Anforderungen an Verhaltensfragestellungen ............................. 198 6 Konzept strategisches Produktionsmanagement ............................ 199 6.1 Modell versus Rahmen ................................................................ 200 6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen ....................................... 202 6.2.1 Leistungsumfang .................................................................. 208 6.2.2 Ressourcen............................................................................ 212 6.2.3 Organisation ......................................................................... 217 6.2.4 Human Resources ................................................................. 222 6.2.5 Nutzung und Interpretation des Rasters................................ 225 6.3 Flexibles und statisches Unternehmen......................................... 231 6.4 Der Strategie-Audit...................................................................... 234 6.5 Integrierter Planungs- und Führungsprozess .............................. 240
Inhaltsverzeichnis
XI
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten ........................................ 242 6.6.1 Quadrant Leistungsumfang................................................... 243 6.6.2 Quadrant Ressourcen............................................................ 254 6.6.3 Quadrant Organisation.......................................................... 281 6.6.4 Quadrant Human Resources ................................................. 292 6.6.5 Zusammenfassung ................................................................ 306 6.7 Zusammenfassung ....................................................................... 328 7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement............................. 329 7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement ..................................... 329 7.1.1 Quadrant „Leistungsumfang“ ............................................... 336 7.1.2 Quadrant „Methode“............................................................. 339 7.1.3 Quadrant „Organisation“ ...................................................... 342 7.1.4 Quadrant „Human Resources“.............................................. 343 7.1.5 Der Produzent und der produzierende Dienstleister ............. 346 7.1.6 Eine Dienstleistungsentwicklungsmethode .......................... 347 7.2 Integriertes Kooperationsmanagement ........................................ 358 7.2.1 Quadrant „Kooperationsart“ ................................................. 360 7.2.2 Quadrant „Methode“............................................................. 365 7.2.3 Quadrant „Organisation“ ...................................................... 370 7.2.4 Quadrant „Human Resources“.............................................. 375 7.2.5 Der Produzent und der kooperierende Produzent ................. 381 7.2.6 Eine Kooperationsmanagement-Methode ............................ 382 8 Zusammenfassung und Ausblick...................................................... 407 8.1 Diskussion der Resultate und Anforderungen ............................. 407 8.1.1 Erfüllung der übergeordneten Anforderungen...................... 408 8.1.2 Erfüllung der aktivitätsbezogenen Anforderungen............... 409 8.1.3 Erfüllung der strukturellen Anforderungen .......................... 409 8.1.4 Erfüllung der verhaltensbezogenen Anforderungen ............. 410 8.1.5 Zusammenfassung ................................................................ 410 8.2 Beitrag zur Praxis ........................................................................ 411 8.2.1 Das neue Paradigma der Produktion..................................... 411 8.2.2 Industriepolitische Überlegungen......................................... 412 8.2.3 Beitrag zur Theorie............................................................... 417 Anhang.................................................................................................... 419 Literaturverzeichnis .............................................................................. 427 Sachverzeichnis ...................................................................................... 457
Abkürzungsverzeichnis
AG AMT Art. Aufl. BMW BPR bzgl. bzw. CAD CAM C-Commerce CEO CRM DA DFMA d.h. DL DMNC E-Commerce EDI e.g. ERP et al. etc. EU f. F&E ff. FFS FMEA FMS FMT G.I.E. GmbH
Aktiengesellschaft Advanced Manufacturing Technology Artikel Auflage Bayerische Motorenwerke Business Process Reengineering bezüglich beziehungsweise Computer Aided Design Computer Aided Manufacturing Collaborative Commerce Chief Executive Officer Customer Relationship Management DaimlerChrysler Aerospace Design for Manufacturing and Assembly das heisst Dienstleistung Decentralized Multinational Corporation Electronic Commerce Electronic Data Interchange exempli gratia (zum Beispiel) Enterprise Resource Planning et alii (und andere) et cetera (und so weiter) Europäische Union folgende Seite Forschung&Entwicklung fortfolgende Seiten Flexible Fertigungssysteme Failure Mode and Effect Analysis Flexible Manufacturing Systems Flexible Manufacturing Technology Groupement d’Intérêt Economique Gesellschaft mit beschränkter Haftung
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Abkürzungsverzeichnis
GMN HBR HR Hrsg. HSG i.Allg. i.Bes. ICT IDL i.e.S. IKT IO IPD i.S. IT ITEM-HSG IuK i.w.S. Jh. JIT KMU Koop. KTI M-Form MFS Mgt. Mio. Mrd. NAM NC N-Form NIH NPD NPV Nr. NUP OBM OEM o.S. o.V.
General Management Navigator Harvard Business Review Human Resources Herausgeber Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen im Besonderen Information and Communication Technology Industrielle Dienstleistung im engeren Sinne Informations- und Kommunikationstechnologie Industrial Organization Integrated Product Development im Sinne Informationstechnologie Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen Informations- und Kommunikationstechnologie im weiteren Sinne Jahrhundert Just in Time Kleines und Mittleres Unternehmen Kooperation Kommission für Technologie und Innovation Multidivisional Form Magna Steyr Fahrzeugtechnik Management Millionen Milliarden National Association of Manufacturers Numerical Controlled Networked Form Not-Invented-Here New Product Development Net Present Value Nummer Nutzenpotenzial Original Brand Manufacturer Original Equipment Manufacturer ohne Seitenangabe ohne Verfasserangabe
Abkürzungsverzeichnis
PARTS PM PPS Prod. U'g. QFD QM QR R&D RFID ROCE ROI RWTH S. SCM SE SEP SGMK SQK strat. SWA/SRA TECTEM TEKABO TM TQM u.Ä. u.Ä.m. U’g-entw. UMC usw. v.a. VDMA VF vgl. VMEA VW WZL z.B. ZSB z.T.
XV
Player, Added Value, Rules, Tactics, Scope Produktionsmanagement Produktionsplanung und -steuerung Produzierendes Unternehmen Quality Function Deployment Qualitätsmanagement Quick Response Research & Development Radio Frequency Identification Return on Capital Employed Return on Investment Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Seite Supply Chain Management Simultaneous Engineering Strategische Erfolgsposition St. Galler Management Konzept Statistische Qualitätskontrolle strategisch Scheibenwaschanlage/Scheinwerferreinigungsanlage Transferzentrum für Technologiemanagement Technologiekapazitätenbörse Technologiemanagement Total Quality Management und Ähnliche und Ähnliche mehr Unternehmungsentwicklung United Microelectronics Corporation und so weiter vor allem Verband Deutscher Anlagen- und Maschinenbauer Virtuelle Fabrik vergleiche Variant Mode and Effect Analysis Volkswagen Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre zum Beispiel Zusammenbauteil zum Teil
1 Einleitung
„Only Manufacturing can provide employment opportunities of quality, scope and number ... The service sector can only survive if there is a productive manufacturing sector to serve.“ Akio Morita „Production per se adds very little value in the eyes of the customer.“ Kenichi Ohmae „Mein lieber Fabrikplaner, mach eine Fabrik, die heute Uhren und morgen Autos bauen kann, die jeden Tag andere Stückzahlen produziert, die aufblasbar und transportabel ist.“ Professor Helmut Schulte
Das strategische Produktionsmanagement, verstanden als das allgemeine Management produzierender Unternehmen, steht heute unter dem Eindruck vielfältiger Herausforderungen. Die abnehmenden Beschäftigtenzahlen 1 in der produzierenden Industrie verleiten dazu, auch deren Bedeutung zu negieren.2 Insbesondere auch deshalb, weil die Produktivitätssteigerung, die die Produktion in jüngerer Vergangenheit erlebt hat, dazu führte, dass andere Bereiche, z.B. der Finanzsektor, anteilmässig mehr zum Bruttosozialprodukt entwickelter Volkswirtschaften beitragen.
Jasinowski (2003), S. 50 spricht von zwei Millionen Fertigungsjobs, die in den letzten zwei Jahren in den USA verloren gingen. 2 Vgl. dazu auch The Economist (2001). 1
2
1 Einleitung
35 30
Fertigung in OECD Ländern % of GPD
20
% of employment
%
25
15 10 1960 1965 1970 1973 1975 1980 1985 1990 1995 Jahr
Abb. 1.1 Abnahme der Beschäftigten in der produzierenden Industrie 3
Im Zusammenhang mit dieser Situation wird auch von der „Deindustrialisierung des Westens“ 4 gesprochen. Dies täuscht aber darüber hinweg, dass an der produzierenden Industrie eine Vielzahl anderer auch servicebezogener Jobs hängen. Die National Association of Manufacturers (NAM) in den Vereinigten Staaten spricht z.B. von neun Millionen Jobs in anderen Sektoren, die an den 16,5 Millionen Jobs in der Fertigung hängen.5 Cohen und Zysman z.B. kommentieren mit Blick auf die abnehmende Konkurrenzfähigkeit der produzierenden Industrie der USA: „Lose manufacturing, and you will lose services.“ 6 und weisen darauf hin, dass nicht einfach ein Shift von „sunset“ zu „sunrise“-Industrien vollzogen werden kann, was oft in Argumentationen in Bezug auf die Zukunft der Industrie in Westeuropa zu hören ist.7 Reich hält denn auch mit Bezug auf die USA fest, dass „The apparent choice between „smokestack America“ and „high-technology America” is a false one. There are no „sunset“ industries, just as there are no „sunrise“ industries.“ 8 Nemetz und Fry formulieren mit Bezug auf Merchant folgendermassen: „Much has been written in the past few years about the erosion of manufacturing's share of the U.S. economy. Analysis of these trends might lead to the mistaken conclusion that manufacturing is a dying enterprise better left to developing nations where unskilled labor is The Economist (1998a). Evans (2002), S. 80 verwendet auch den Begriff der „hollowed-out“ economy. Vgl. auch Czinkota (2003), S. 50 der von einem Transfer hin zu den Entwicklungsländern spricht. 5 Vgl. Jasinowski (2003), S. 50. 6 Cohen/Zysman (1988), S. 99. 7 Dazu gehört auch die oft verwendete Unterscheidung in Denk- und Werkplatz. 8 Reich (1986), S. 7. 3 4
1 Einleitung
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abundant and plant and equipment are unspoiled by years of use. The fault in this argument lies with the fact that manufacturing represents the real wealth-producing activity of a nation that supports a high standard of living.” 9 Wie Pisano und Wheelwright ausserdem anführen, ist ein langfristiger Wettbewerbsvorteil einfacher über Innovationen im Herstellungsprozess als über Produktinnovationen erzielbar.10 Chandler seinerseits weist auf die Bedeutung der Produktion im Zusammenhang mit dem Entstehen der integrierten Grossunternehmen hin: „It was the investment in the new and improved processes of production – not the innovation, that initially lowered costs and increased productivity. It was the investment, not the innovation, that transformed the structure of industries and affected the performance to national economies.” 11 Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Wettbewerbsfähigkeit der produzierenden Industrie entwickelter Volkswirtschaften. Diese Industrie ist heute dadurch gekennzeichnet, dass unter dem Eindruck eines immer globaleren Wettbewerbs und einer vorher in dem Ausmass nicht bekannten Dynamik mehr und mehr Unternehmen Fertigungstiefen durch Verlagerungen ins Ausland oder Auslagerung immer grösserer Umfänge auf Lieferanten 12 systematisch reduzieren, respektive ehemals stolze Industrieunternehmen sogar ums Überleben kämpfen oder Tausende von Arbeitsplätzen abbauen müssen.13 Ein Blick auf die Textilindustrie, der Branche von der im 18. Jahrhundert die industrielle Revolution ausging, zeigt in welchem Ausmass diese Verlagerung bereits stattgefunden hat (Abb. 1.2).
Nemetz/Fry (1988), S. 627. Pisano/Wheelwright (1995), Seite 97. 11 Chandler (1990), S. 63. 12 Pisano und Wheelwright (1995), S. 93f. stellen einen solchen Trend, insbesondere auch für High-Tech Unternehmen fest und weisen auf die damit verbundenen Gefahren hin. 13 Dazu gehören z.B. alleine in der Schweiz ABB, Alstom, Ascom, Sulzer, Georg Fischer inklusive der Tochter Agie Charmilles, etc. Vgl. zur Situation auch The Economist (2003), S. 63. 9 10
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Textilproduktion (%-uale Fertigungsanteile) 0
5
10
15
20
China USA Indien Pakistan Taiwan
1975
Südkorea
1997
Japan Frühere Sowjetunion Italien Indonesien Quelle:
Textiles Intelligence
Abb. 1.2 Verlagerungen in der Textilindustrie 14
Die Zeiten, in denen wirtschaftlicher Erfolg mit Fertigung gleichgesetzt wurde, sind vorbei.15 Nach wie vor sind etablierte Industrieunternehmen durch eher auf Stabilität ausgelegte von einem mechanistischen Verständnis 16 geprägten Produktionssysteme gekennzeichnet, deren Grundlagen z.T. noch aus der Zeit der Massenproduktion stammen.17 In Zusammenhang mit dem Scheitern vieler Initiativen zur Einführung von fortgeschrittenen Fertigungstechnologien merken Zammuto und O´Connor an: „In other words, the pattern suggests that the majority of manufacturing organizations, parThe Economist (1998a). Zu der These einer Renaissance der Textilindustrie in Europa vgl. Friedli et al. (2003). 15 The Economist (1998a): „For most of today's rich countries, there was indeed a period when economic success was synonymous with manufacturing.” 16 Skinner, einer der Vordenker eines strategischen Produktionsmanagements, hält 1992 in einem Leserbrief fest, dass das Problem sei, dass die Produktion immer noch wie 1950 und 1960 gemanagt werde. Vgl. auch Skinner (1992), S. 142f., Gharajedaghi und Ackoff (1984), S. 290. 17 Sanchez (1997), S. 71 kommentiert: „As organizations try to prepare for futures with significant uncertainties, they are finding that many traditional management concepts that have helped to achieve organizational success in stable environments do not effectively prepare organizations for an increasingly dynamic and uncertain future.“ 14
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ticularly in the United States and Europe, have mechanistic structures that impede the implementation of AMTs and that many, as a result, experience implementation failure.“ 18 Trotz verschiedenen theoretischen und praktischen Beiträgen, die von einer „second industrial divide“ 19 respektive einer dynamischen Produktionstheorie 20 oder dem neuen Paradigma der „strategisch flexiblen Produktion“ 21 gesprochen haben, ist eine Umorientierung im grösseren Stile bis anhin nicht feststellbar. Die Anstrengungen gehen grösstenteils dahin, Fixkosten zu reduzieren, sich auf Kostenführerschaftsstrategien einzulassen und an anderer Stelle erfolgreiche Konzepte kopieren zu versuchen.22 Die kritische Reflexion auf die Anwendungsvoraussetzungen solcher Konzepte bleibt meist aus.23 Die Abstimmung der Produktion mit der Gesamtunternehmensstrategie findet nur in Ausnahmefällen statt. Das Management produzierender Unternehmen steht heute vor einem eigentlichen Paradigmenwechsel 24, der durch einen zunehmenden industriellen Imperialismus, eine Rückbesinnung auf differenzierende Faktoren sowie einen starken Ausbau industrieller Dienstleistungen gekennzeichnet ist. Die Produktion wird dabei innerhalb dieses Paradigmas eine andere Rolle spielen als heute und auch eine andere Industriepolitik als die gängige erfordern. Konzepte zum strategischen Produktionsmanagement werden grösstenteils als Partialmodelle allgemeiner Unternehmensführungskonzepte entwickelt, was eine Abstimmung mit der Gesamtunternehmensausrichtung wiederum erschwert.25 Ackoff z.B. kritisiert die Anwendung von analytischen Methoden zur Lösung komplexer Probleme scharf: „Therefore when a research-oriented planner decomposes a mess by analysis, and models its parts, he loses the essential properties of both the whole and its parts. As a result, what he takes to be hard problems are really soft fictions of his imagination, abstractions only loosly related to
Zammuto/O´Connor (1992), S. 717. Vgl. Piore/Sabel (1984). 20 Vgl. Katzy (1998). 21 Spina et al. (1996). 22 Vgl. z.B. Reich (1986), S. 6 und Hayes und Pisano (1994), S. 77: „How can a company expect to achieve any sort of competitive advantage if its only goal is to be „as good as” its toughest competitors?” 23 Skinner (1992), S. 143: „We are sheeplike in copying whatever is currently popular with energetic consultants or inhouse specialists.” 24 Vgl. zum Begriff Kuhn (1967). 25 Vgl. z.B. Schuh (1996), der es offensichtlich aus diesem Grund bei der Einführung einer produktionsspezifischen strategischen und operativen Ebene belässt und nicht auch noch die normative Ebene produktionsspezifisch auszudrücken versucht. 18 19
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reality.“ 26 „Because messes (komplexe Probleme in sozialen Systemen) are systems of problems, the sum of the optimal solutions to each component problem taken separately is not an optimal solution to the mess.“ 27 Partialmodelle werden der Komplexität 28 des Betrachtungsobjekts nicht gerecht. Auf der anderen Seite ist eine zunehmende Dynamisierung des Umfelds produzierender Unternehmen festzustellen, was den Druck auf eine Wandlungsfähigkeit des Unternehmens 29 erhöht. Dynamik im Umfeld setzt Flexibilität im Unternehmen voraus, um erfolgreich bestehen zu können. Diese notwendige Flexibilität aber lässt sich ohne ein tragfähiges Konzept, das über Modelle bis zu den im Einsatz stehenden Systemen situationsund zeitgerecht verfeinert werden kann, nicht erzielen. Hier leistet diese Arbeit ihren Beitrag, indem sie genau ein solches Denkraster zur Verfügung stellt. Im Gegensatz zu Modellen aus der Tradition der „harten Modellierung“ ist dieses Raster „soft modelling“-Ansätzen zuzuordnen.30 Obwohl weitgehende Einigkeit darüber besteht, dass sowohl ein strategisches Technologiemanagement wie ein strategisches Produktionsmanagement als Bestandteile der allgemeinen Unternehmensführung zu verstehen sind, wurde bis anhin kein wirklich integrierender Ansatz vorgestellt.31 Nach Ansicht des Autors müssen und dürfen aber technologische und produktionsspezifische Fragestellungen nicht in Partialmodellen behandelt werden, weil ansonsten die Gesamtzusammenhänge ausgeblendet werden.32 Es muss vielmehr gelingen, systematisch sicherzustellen, dass technologische und produktionsspezifische Fragestellungen Eingang in die allgemeinen
Ackhoff (1981) S. 357. Ebenda, S. 100. 28 Medd (2001), S. 55 versteht Komplexität z.B. so, dass diese auf „the impossibility of connecting all elements together, the impossibility of complete observation and representation“ hinweist. 29 Vgl. zum Begriff Wandlungsfähigkeit Abschn. 4.3. 30 Zur Unterscheidung vgl. Checkland (1985), S. 765. 31 Vgl. z.B. Badawy (1998), ausserdem hält Scott (2001), S. 15 basierend auf einer empirischen Erhebung fest, dass die Verbindung der Technologieplanung mit der übergeordneten Strategieplanung zu den grössten Problemen im Technologiemanagement gehört. 32 Bleicher (1996), S. 1–11f. nimmt als Ausgangspunkt für sein Konzept „integriertes Management“ die Grundannahme, dass „...die Gestaltung und Lenkung einer zukunftsführenden Unternehmensentwicklung eines ganzheitlichen Konzeptes bedarf, will man nicht in den häufigen Fehler verfallen zu versuchen, mit isolierten Teillösungen die wachsende Komplexität und Dynamik der unternehmerischen Herausforderung zu beherrschen“. 26 27
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Strategiediskussionen finden.33 Die Herausforderung für technologieintensive Unternehmen im Allgemeinen und produzierende Unternehmen im Besonderen ist darin zu sehen, dass diese Strategiediskussionen nicht unabhängig von bestehenden Investitionen und Kompetenzen geführt werden können. Es sind gezielt Möglichkeiten zu suchen, in einem dynamischer gewordenen Umfeld, sowohl „Einzigartigkeiten“ zu multiplizieren, wie auch Risiken zu reduzieren und in der Lage zu sein, Opportunitäten zeitgerecht adressieren zu können.34 Mit anderen Worten, das produzierende Unternehmen von heute braucht gleichzeitig Flexibilität und Fokus, was das Management vor besondere Herausforderungen stellt. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass in einem dynamischer werdenden Umfeld, neben einer ausgeprägten Innovationsfähigkeit, insbesondere zwei Ansätze Beiträge zu einer Flexibilisierung des produzierenden Unternehmens zu leisten vermögen. Einerseits die systematische und professionelle Berücksichtigung von Kooperationspotenzialen auf einer globalen Ebene und andererseits die Professionalisierung des Managements industrieller Dienstleistungen. Die Auseinandersetzung mit Flexibilität ist für die produzierende Industrie kein neues Thema. Lange Zeit war die Diskussion aber durch einen ausschliesslichen Fokus auf innerbetriebliche Flexibilität geprägt und erst die jüngere Vergangenheit hat das Feld für überbetriebliche Betrachtungen geöffnet.35 Neben der überbetrieblichen Flexibilität spielt zunehmend auch das professionelle Management industrieller Dienstleistungen in vielen Unternehmen eine entscheidende Rolle.36 Einerseits wird durch die Intensivierung des direkten Kundenkontakts die Kundenbindung gestärkt und die Voraussetzung geschaffen, latente Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen, um die Treffsicherheit von Innovationen zu erhöhen. Andererseits kann über industrielle Dienstleistungen auch eine Vielzahl anderer Nutzenpotenziale adressiert werden (Abb. 1.3), die dem Unternehmen zusätzliche Flexibilität verschaffen. Prof. Hans Ulrich hält dazu fest: „Eine Managementlehre, die sich erst dann mit technischen Innovationen befasst, wenn sie in der Praxis des Managements bereits zu konkreten Problemen geführt haben, steht in Gefahr stets zu spät zu kommen und sich mangels ausreichender theoretischer Kenntnisse in der Bedeutung und im grundlegenden Charakter solcher Entwicklungen zu irren.“ 34 Vgl. auch Schuh (2002b), der von einer eigentlichen „Marktleistungs-Doppelstrategie“ spricht. 35 Vgl. dazu Schuh (1997), Schuh et al. (1998a), Millarg (1998), Scholz (1997), Byrne et al. (1993), Davidow/Malone (1992), Sydow (1992) und auch Sanchez (1997), der von der Nutzung interner und externer Quellen von Ressourcen und Fähigkeiten zur Steigerung der strategischen Flexibilität spricht. 36 Vgl. z.B. Belz et al. (1997); Gebauer (1994); Schuh/Friedli/Gebauer (2004); Wiendahl/Hernandez (2000b). 33
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1 Einleitung
1. 1. AkquisitionsAkquisitionspotenzial potenzial 9. 9. BeschäftigungsBeschäftigungspotenzial potenzial
8. 8. Imagepotenzial Imagepotenzial
2. 2. DifferenzierungsDifferenzierungspotenzial potenzial
Nutzenpotenziale Industrieller Dienstleistungen
7. 7. InformationsInformationspotenzial potenzial 6. 6. DiversifikationsDiversifikationspotenzial potenzial
3. 3. Diffusionspotenzial Diffusionspotenzial
4. 4. Ertragspotenzial Ertragspotenzial
5. 5. KundenbindungsKundenbindungspotenzial potenzial
Abb. 1.3 Nutzenpotenziale Industrieller Dienstleistungen 37
Das strategische Management produzierender Unternehmen muss zur Sicherstellung der „Lebensfähigkeit“ 38 zwei Perspektiven einnehmen. Sowohl die gezielte Multiplikation von Potenzialen als auch das systematische Adressieren von Opportunitäten sind zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit unerlässlich. Diese Arbeit zeigt, wie von einem Konzept „strategisches Produktionsmanagement“ ausgehend, Instrumente und Ansätze identifiziert werden können, um die strategische Flexibilität und die „Zielsicherheit“ eines produzierenden Unternehmens zu erhöhen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Erhaltung respektive zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtunternehmens zu leisten. Bewusst soll dabei Abstand genommen werden von Modernisierungsstrategien, die ohne vorherige Problemidentifikation, die Lösung in der Unterstützung der Unternehmen bei der Akquisition neuester Technologien sehen.39 Der Beitrag zur Wissenschaft ist in der Bereicherung der gängigen Konzepte zur strategischen Unternehmensführung um bis anhin nicht verfolgte Sanche (2002), S. 29 angelehnt an Baumbach (1998). Vgl. zum Begriff Beer (1979) und Abschn. 3.2.2. 39 Vgl. dazu für die USA Best/Forrant (2000), S. 211 oder Cohen und Zysman (1988), S. 102: „The introduction of expensive new machines does not guarantee major productivity improvements, ...“. 37 38
1 Einleitung
9
Perspektiven zu sehen. Insbesondere wird in Zusammenhang mit der feststellbaren Dynamisierung des Umfeldes,40 der Flexibilitätsbegriff 41 aus verschiedenen theoretischen Perspektiven beleuchtet und in einer für das Untersuchungsobjekt „produzierendes Unternehmen im heutigen Umfeld“ angepassten Weise systematisiert. Die oft eingeschränkte auf einen betrieblichen Bereich, respektive eine betriebliche Funktion konzentrierte Betrachtungsweise wird dabei zu Gunsten eines ganzheitlichen Blicks auf die Unternehmung aufgegeben. Abgeleitet aus einem allgemeinen Bezugsrahmen zum Management produzierender Unternehmen wird der Begriff der strategischen Flexibilität geklärt und insbesondere Kooperationen, Industrielle Dienstleistungen sowie ein systematisches Innovationsmanagement als adäquate Mittel zur Steigerung der Überlebensfähigkeit produzierender Unternehmen dargestellt. Damit werden diese drei Gestaltungsbereiche aus einer instrumentellen Perspektive heraus erklärt. Daneben werden andere Ansätze aus dem Bereich des Managements produzierender Unternehmen ebenfalls in den bereitgestellten Bezugsrahmen eingeordnet und dieser damit zu einem umfassenden Orientierungsraster gemacht, das es erlaubt, kontextabhängig sinnvolle Anwendungen der diskutierten Ansätze zu ermöglichen. Die Integration von technologischen Betrachtungsweisen und Methoden in die allgemeine Unternehmensführung ist für die immer technologischer werdende Welt bereits jetzt unabdingbar.42 Die Arbeit stellt basierend auf dem Gesamtkonzept sowohl Erklärungs- und Entscheidungsmodelle wie auch Gestaltungsansätze zur Verfügung. Auf der theoretischen Ebene wird auf Grund der Komplexität des Betrachtungsobjekts ein eklektischer Ansatz gewählt. Das heisst es wird bewusst das Untersuchungsobjekt „produzierendes Unternehmen“ aus verschiedenen theoretischen Richtungen betrachtet, um die relevanten Bausteine eines strategischen Produktionsmanagement-Konzepts ableiten zu können. Dieses Konzept versteht sich in der Folge als „Mid-Range“-Konstrukt zwischen Theorie und Praxis. Das Ganze wird methodisch eingebettet in die Strukturationstheorie von Giddens, die die Wechselwirkungen zwischen Strukturen und Interaktionen ins Zentrum ihrer Betrachtungen stellt. Damit wird bewusst eine Methode aus der Soziologie für die Betriebswirtschaft fruchtbar gemacht. Ausserdem baut die Arbeit auf der forschungsmethodiScholz (1997), Bleicher (1992). Der Begriff an sich ist alles andere als klar definiert, insbesondere in Bezug auf die Flexibilität eines Produktionssystems werden darunter ganz unterschiedliche Verständnisse subsumiert. Vgl. z.B. Upton (1995), S. 75f. und Slack (1987), S. 35 sowie Abschn. 3.2. 42 Badawy (1998), S. 94: „Global competitive strategies are increasingly becoming technology-driven.“ 40 41
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1 Einleitung
schen Orientierung von Ulrich auf und macht Anleihen im Action Research.43 Aus Sicht der Praxis erlauben die vorgestellten Gestaltungsmodelle die Ableitung realitätsnaher Modelle. Die Art und Weise der Ableitung, d.h. der partizipative Diskurs, führt ausserdem dazu, dass die Modelle auch gelebt werden. In diesem Einleitungskapitel werden, ausgehend von der Problemstellung, die Ziele der Arbeit und die Forschungsfrage abgeleitet, anschliessend wird der Aufbau erläutert. Am Ende des Kapitels werden der wissenschaftstheoretische Bezugsrahmen vorgestellt und die Forschungskonzeption transparent gemacht.
1.1 Drei Beispiele Ein europäisches Unternehmen der Textilindustrie mit grossem Bekanntheitsgrad im Wäschebereich, das im Vergleich mit anderen Konkurrenten nach wie vor über Vollstufigkeit, d.h. über die Kontrolle der Wertschöpfungskette vom Faden bis zum fertigen Wäschestück verfügt, entscheidet sich nach längeren strategischen Diskussionen dazu, die Prozesse so weit zu flexibilisieren, dass neben dem Kerngeschäft (Wäsche), auch die Vorstufe Stoffmarkt sowie der Full Service Markt (Produktion von Wäsche für andere Markenanbieter unter deren Label) bearbeitet werden können. Dies bedeutet eine gezielte Erweiterung des strategischen Optionsraums des Unternehmens. Ein auf seine Unabhängigkeit stolzer First Tier Zulieferer in der Automobilindustrie entscheidet sich, in verschiedensten Bereichen zur Sicherung seiner strategischen Position in den bearbeiteten Teilmärkten mit anderen Zulieferern, darunter auch Konkurrenten, zusammenzuarbeiten, um Opportunitäten im Bedarfsfall systematisch ausschöpfen zu können. Das heisst die eigenen Kompetenzen beschränken die adressierbaren Opportunitäten nicht länger. Ein Unternehmen aus dem Anlagenbau für Halbleiterproduktion entscheidet sich für einen bewussten Ausbau und eine systematische Professionalisierung des Managements industrieller Dienstleistungen, um damit 43
Action Research wird der Besonderheit der Sozialwissenschaften, denen die Betriebswirtschaftslehre zuzurechnen ist, im besonderen Ausmasse gerecht. Giddens (1997), S. 406 hält zu den Sozialwissenschaften fest: „In den Sozialwissenschaften ist die Praxis das Objekt der Theorie. Die Theorie auf diesem Gebiet verändert ihr eigenes Objekt.“ Ein Ansatz wie Action Research, der die Teilnahme des Forschers in den untersuchten Prozessen vorsieht, akzeptiert diese Besonderheit und macht sie sich gleichzeitig zu Nutzen.
1.2 Fragestellung Strategisches Produktionsmanagement
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einerseits die Volatilität des Kerngeschäfts etwas aufzufangen und andererseits in der Lage zu sein, die Kundenbindung systematisch zu erhöhen und auch latente Kundenbedürfnisse frühzeitig zu erfassen. Diesen Beispielen ist gemeinsam, dass die Entscheide alle in den letzten drei Jahren gefallen sind und dass das Resultat dieser Entscheide eine deutliche Steigerung der strategischen Flexibilität der Unternehmen war.
1.2 Fragestellung Strategisches Produktionsmanagement „The enigma was that it (Anmerkung des Verfassers: die Produktion) was out of the mainstream of communication and management of the enterprise, yet its impact on the enterprise was as pronounced as ever – if not more – in the new competitive world.“ Wickham Skinner 1985
1.2.1 Grenzen existierender Modelle Im Angesicht steigender Dynamik 44, intensivierten Wettbewerbs und komplexer gewordener Umfelder stossen immer mehr produzierende Unternehmen entwickelter Volkswirtschaften an ihre Grenzen.45 Seit längerem zeichnet sich ab, dass früher erfolgreiche Modelle des Wirtschaftens heute an Grenzen stossen. Piore und Sabel z.B. weisen bereits 1984 auf die Grenzen des dazumal noch dominierenden Modells der Massenproduktion hin: „Our claim is that the present deterioation in economic performance results from the limits of the model of industrial development that is founded on mass production: ...“ 46. Dies hing insbesondere auch damit zusammen, dass frühere traditionelle Management-Denker, wie Fayol, Follet, Taylor oder Weber, Ungewissheit in ihren Ansätzen durch einen geschlossenen System-Ansatz praktisch ausgeblendet haben. Direkt machte sich dies in einer wenig ausgeprägten Flexibilität der Massen-ProduktionsVgl. z.B. Bleicher (1995), S. 24, der bereits 1992 feststellt, dass unsere gegenwärtige Zeit „... durch eine zunehmende Verunsicherung der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung“ gekennzeichnet ist und dass Volatility (die zunehmende Schwankungsbreite vor allem ökonomischer Grössen) und Instability, den kritischen Zustand der Umwelt, dem sich das Management stellen muss, kennzeichnen. 45 Vgl. z.B. Spath et al. (2000), S. 29. 46 Piore/Sabel (1984). 44
12
1 Einleitung
Unternehmen bemerkbar, was solange kein Problem war, wie man sich in einem stabilen Umfeld befand, respektive es gelang, Absatz und Produktion zu stabilisieren. Auf diesen Zusammenhang weisen auch Abernathy und Wayne in ihrem Beitrag von 1974 „Limits of the learning curve“ 47 hin. Eine Vielzahl weiterer Autoren hat in der Folge auf die Grenzen des Massenproduktionsmodells in einem dynamischeren Umfeld aufmerksam gemacht.48 Die produzierende Industrie hat als Konsequenz verschiedene Anstrengungen unternommen, die Flexibilität zu erhöhen. Existierende Ansätze bleiben aber weitgehend auf die Betrachtung einzelner Bereiche beschränkt oder konzentrieren sich auf innerbetriebliche Flexibilisierungsansätze bis hin zu mobilen Fabriken.49 Jüngere Publikationen, die sich mit überbetrieblicher Vernetzung bis hin zur Virtuellen Organisation auseinandersetzen,50 sind vorwiegend mit den Eigenschaften der entstehenden Netzwerke und weniger mit dem Beitrag, den diese Netzwerke zur Erhöhung der strategischen Flexibilität eines jeden Unternehmens leisten, beschäftigt. Eine Ausnahme bildet dabei Sydow, der bewusst die einzelwirtschaftliche Perspektive bei seiner Diskussion des Begriffs der strategischen Flexibilität beibehält.51 Eine ganzheitliche Betrachtung des Managements produzierender Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung von Flexibilität steht bis anhin aus. Unbestritten ist, dass in einem dynamischer werdenden Umfeld strategische Flexibilität zu den dominierenden Herausforderungen für produzierende Unternehmen gehört und Flexibilität gerade für Unternehmen in Westeuropa und den USA zur Überlebensfrage wird.52 Traditionell konzentrierte sich das Management von produzierenden Unternehmen auf zwei grundsätzliche Aufgabenstellungen. Einerseits muss ein Absatz erzielt, respektive gesichert werden (Marktseite), andererseits muss dieser Absatz mit einem möglichst geringen Ressourceneinsatz 47
48
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50 51
52
Vgl. Abernathy/Wayne (1974), vgl. zu den Grenzen auch Abernathy et al. (1981). Vgl. z.B. Cohen/Zysman (1988), Skinner (1988), Hayes/Pisano (1994), Hayes/Abernathy (1980). Vgl. z.B. Suarez/Cusumano/Fine (1995), Gerwin (1993), Aaker/Mascarenhas (1984), Upton (1997), Wiendahl/Hernandez (2000b), Wiendahl/Worbs (2000). Byrne et al. (1993), Scholz (1997), Schuh et al. (1998a), Picot et al. (1998). Vgl. Sydow (1992), S. 110: „Im Folgenden wird gezeigt, wie gerade durch Aufgabe eines Teils dieser Handlungsautonomie die – wie ich es nenne – strategische Flexibilität gesteigert werden kann. Ungeachtet anderer Interessen an Flexibilität und Flexibilisierung (...) wird dabei weiterhin von einer einzelwirtschaftlichen Perspektive ausgegangen.“ Vgl. dazu z.B. Wiendahl (2000a), der von Wandelbarkeit spricht und Upton (1997).
1.2 Fragestellung Strategisches Produktionsmanagement
13
erzielbar sein (Leistungserstellungsseite). Chandler in der Beschreibung des Entstehens des modernen Grossunternehmens ab 1850 stellt denn auch Investitionen in Distribution und Produktion als zentral für den Erfolg des Massenproduktionsmodells heraus.53 Auf stabilen von Verkäufern geprägten Märkten liess sich eine einzuhaltende Flexibilität ohne Schwierigkeiten planen. Das dynamischer werdende Umfeld sorgte aber dafür, dass die Volatilität der Märkte mit der zur Verfügung stehenden Flexibilität nicht mehr bewältigbar war. Mehr und mehr resultierten Marktbedürfnisse und Nachfragesituationen, die mit der vorgehaltenen Kapazität (respektive Kompetenz) nicht länger wettbewerbsfähig adressiert werden konnten (Abb. 1.4). Die Betrachtung der Markt- (respektive Absatz-) und der Erstellungsseite ist für ein produzierendes Unternehmen nach wie vor zweckmässig und entspricht der Unterscheidung anderer Autoren. Ansoff z.B. spricht von externer und interner Flexibilität,54 Aaker erwähnt als Ansätze, um mit Unsicherheit umzugehen, Diversifikation (marktseitig) sowie Investitionen in unterausgelastete Assets und Reduktion von Spezialisierung (ressourcenseitig) 55, während sich die von Gerwin identifizierten Flexibilitätsdimensionen 56 als allgemeine Ansätze auf Umfeldsicherheiten antworten zu können verstehen, sich aber grösstenteils der internen Perspektive zuordnen lassen. Die bewusste Berücksichtigung der Flexibilität auf der Absatzseite entspricht einem proaktiven Ansatz. Flexibilitätspotenziale, die intern bereitgestellt werden, helfen auf unerwartete Entwicklungen wettbewerbsfähig reagieren zu können. Natürlich schafft eine hohe erstellungsseitige Flexibilität aber auch Chancen, schnell am Markt zu sein.
53
54 55 56
Vgl. Chandler (1977) und (1990). Als drittes Element führt er die Professionalisierung des Management ins Feld. Die „invisible Hand“ des Markts wird durch die „visible hand“ des Managers in der Koordination ökonomischer Aktivitäten abgelöst. Vgl. Ansoff (1975). Vgl. Aaker/Mascarenhas (1984). Vgl. Gerwin (1993), der folgende Kategorien identifiziert: Mix flexibility, changeover flexibility, modification flexibility, volume flexibility, rerouting flexibility und specification flexibility. Ähnliche Kategorien führt Lau (1996) an.
14
1 Einleitung
Marktbedarf - morgen Marktbedarf - gestern -
bewegtes Ziel
aktueller Bedarf
geplanter Bedarf
nte pla ät ge xibilit Fle
Investitionsentscheid - gestern -
Abb. 1.4 Dynamisierung des Umfelds 57
Es erscheint als folgerichtig, dass Flexibilität für produzierende Unternehmen heute mehr denn je entscheidend ist. Flexibilität ist eine Antwort auf Umweltunsicherheiten.58 Diese sind heute vielfältiger und unberechenbarer in ihrer Natur.59 Nichtsdestotrotz ist die explizite Auseinandersetzung mit dem Flexibilitätsthema bis jetzt nicht auf breiter Front in Ansätzen zum Management produzierender Unternehmen vertreten. Dies hängt insbesondere auch mit dem Potenzialcharakter von Flexibilität sowie daraus resultierenden Problemen bei der Messbarkeit der Resultate zusammen. Dazu kommt, dass zwischen den verschiedenen Kategorien von Flexibilität einerseits sowie Flexibilität und anderen strategischen Zielen des Unternehmens andererseits Trade-offs bestehen können. In der Folge wird das Umfeld produzierender Unternehmen näher beschrieben und wesentliche Charakteristika produzierender Unternehmen werden kurz dargestellt. Daraus werden die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Management produzierender Unternehmen zusammengefasst und in Bezug zur strategischen Flexibilität gesetzt sowie die Forschungsfrage abgeleitet.
Schuh et al. (1998), S. 14. Gerwin (1993). 59 Vgl. Bleicher (1992), Hitt (1998), D’Aveni (1995), Illinith et al. (1996), Bettis/Hitt (1995). 57 58
1.2 Fragestellung Strategisches Produktionsmanagement
15
1.2.2 Das heutige Umfeld produzierender Unternehmen • Positionierungsdefizit, Differenzierungskrise Das Denken in der produzierenden Industrie ist tendenziell ein reaktives und auslastungsorientiertes. Eine aktuelle Befragung 60 zum Zustand der produzierenden Zulieferindustrie in der Schweiz bestätigt diese Einschätzung eindrücklich. Gegen 80% der antwortenden Unternehmen sehen keine Beeinflussungsmöglichkeiten von Industrieentwicklungen. Unsere Projekte haben des Weiteren gezeigt, dass auch Unternehmen, die eine Strategie entwickeln, diese im Tagesgeschäft oft nicht umsetzen. Ausserdem besteht in vielen Branchen die Gefahr, dass man versucht, sich durch Preissenkungen mehr Aufträge zu sichern. In der Summe führt dies oft zu für die ganze Branche schädlichen Preiskämpfen, insbesondere bei wenig preiselastischen Märkten. In der gleichen Befragung schätzen über 85% der Zulieferer den Preis als Wettbewerbsmittel von eher hoher bis sehr hoher Bedeutung ein. Oft werden denn auch den Entscheidungen Kostenführerschaftsüberlegungen zu Grunde gelegt. Gerade für produzierende Unternehmen mit Standort Westeuropa ist eine solche Strategie bei den international gesehen hohen Personalkosten aber kaum erfolgreich verfolgbar. Eine Auswertung der Befragung nach Merkmalen erfolgreicher Unternehmen (definiert über eine überdurchschnittliche Umsatzrendite) zeigt denn auch, dass erfolgreiche Unternehmen insbesondere „ausgeprägtere Wettbewerbsvorteile“, bessere Kernprozessbeherrschung sowie eine geringere Ersetzbarkeit beim Kunden auszeichnen. Differenzierungsstrategien sind Kostenführerschaftsstrategien überlegen.61 Die Tatsache, dass in vielen reifen Branchen, diese Differenzierung keine rein technologische mehr sein kann,62 erschwert aber die Suche nach Erfolgspositionen nicht unerheblich.63 Es kommt erschwerend dazu, dass Unternehmen heute oft „schlanker“ sind als früher, damit stehen weniger Ressourcen für die Entwicklung zur Verfügung. Die notwendige frühe Festlegung auf eini-
Vgl. Friedli/Knecht (2002). Schuh (2002a). 62 In reifen Branchen trifft man oft auf „disruptive Technologies“, d.h. dass eine Differenzierung in der Technologie nur mit einem extrem hohen Aufwand erzielbar ist und diese Differenzierung vom Kunden kaum wahrgenommen wird (Christensen et al. 2001). 63 Espejo et al. (1996), S. 13 sprechen davon, dass obwohl das Thema „Identität“ in der heutigen Landschaft ein beherrschendes ist, dieses ein grosses Defizit in der Praxis darstellt: „Few have a clear picture of their identity“. 60 61
16
1 Einleitung
ge wenige Ideen bei noch grosser Unsicherheit führt fast zwangsläufig zu unternehmerischen Fehlentscheidungen.64 • Fixkostenproblematik, das Dilemma der produzierenden Industrie Produzierende Unternehmen weisen typischerweise einen hohen Fixkostenanteil auf. Die hohe Kapitalbindung 65 im Anlagevermögen führt oft zu Amortisationszeiten von 10, 15 Jahren und mehr. Um diese Investitionen zu amortisieren, sind konstant hohe Auslastungen der Betriebsmittel notwendig. Die Nutzung hoch effizienter Transferstrassen z.B. stellt dann ein Problem dar, wenn sich der Markt in eine andere Richtung entwickelt. Die Transferstrassen können nur mit Schwierigkeiten für andere Zwecke genutzt werden. Aber auch Investitionen in flexible Fertigungssysteme (FFS) führen in vielen Fällen zu abnehmender und nicht zunehmender Flexibilität.66 Die im Vergleich zu „Einzweck-Maschinen“ dazu kommende Erhöhung der Fixkosten schränkt die Flexibilität zusätzlich ein, da eine gewisse Auslastung gefahren werden muss, um ausreichend Deckungsbeiträge zu erarbeiten. Wenn nun in einem dynamischen Markt die Absatzentwicklung ausserhalb der Prognosen liegt, gerät das Unternehmen zwangsläufig in erhebliche Schwierigkeiten.67 • Bewertungsproblem Viele produzierende Unternehmen sind heute von Banken und Aktienmärkten abhängig. Die Beurteilungskriterien, die angelegt werden, um zu entscheiden, ob ein produzierendes Unternehmen noch kreditwürdig ist, sind dabei oft zu einfach. Gerade Kennzahlen wie der Return on Capital Employed (ROCE) führen dazu, dass suboptimale Entscheidungen getroffen werden. Die Kennzahl lässt sich nur über die Erhöhung des Returns oder die Reduktion des Kapitals steigern. Da je nach der wirtschaftlichen Situation die Reduktion des Kapitals oft einfacher zu erzielen ist, als eine Erhöhung des Returns, werden Unternehmen zu Entscheidungen gedrängt, systematisch ihre Fertigungstiefen zu reduzieVgl. Brandenburg (2002), S. 2f. Erschwerend kommt dazu, dass die Kundenanforderungen trotz steigender Produktqualität immer weiter zunehmen. Dies hat eine Studie von Deloitte Comsulting bei über 900 produzierenden Unternehmen gezeigt. (übernommen aus dem Economist (1998b). 65 Das gebundene Kapital kann durchaus zur Belastung werden: „Large asset bases increasingly tie a manufacturer to obsolete strategies, allowing innovative competitors to swarm in.“ (Wise/Baumgartner 1999, S. 136). 66 Jaikumar (1986), S. 69 drückt das folgendermassen aus: „With few exceptions, the flexible manufacturing installed in the United States show an astonishing lack of flexibility.“ 67 Verschärft wird dieses Problem durch abnehmende product cycle times, sprich höhere Innovationsraten (vgl. Boutellier et al. 1999, S. 17). 64
1.2 Fragestellung Strategisches Produktionsmanagement
17
ren.68 Diese Reduktion geht oft einher mit dem Verlust von z.T. wettbewerbskritischen Ressourcen.69 Dazu kommt, dass auch die in den produzierenden Unternehmen im Einsatz stehenden Investitionsrechnungs- respektive Kostenrechungssysteme die Realität oft nur ungenügend abbilden.70 • Globalisierungsproblem Die zunehmend globaler werdende Konkurrenz macht vielen Unternehmen zu schaffen. Der starke Druck auf die Kosten führt unter anderem zu eindimensionalen Verlagerungsentscheidungen, oft mit schwerwiegenden Einschränkungen der betrieblichen Flexibilität und nicht beabsichtigten Effekten, wie dem damit verbundenen Abbröckeln der regionalen Lieferantenbasis, was solche Entscheide nur schwer reversibel macht.71 Auf der anderen Seite entstehen Wachstumsmärkte, die mit Kapazitäten vor Ort bedient werden müssen, dazu gehört z.B. China. Die mit einer zunehmend globalen Tätigkeit verbundene Dezentralisierung 72 erhöht die Komplexität für das Management der produzierenden Betriebe. • Einsatz und Auswirkung IT – Move to the middle 73 Die moderne Informationstechnologie nimmt heute die Rolle ein, die der Telegraf und die Eisenbahn beim Entstehen der modernen Grossunternehmen gespielt hatten.74 Die Informationstechnologie revolutioniert die Wirtschaft. Koordinationskosten werden niedriger, ohne dass dabei
Aktuelle Diskussionen stellen eine Konzentration auf Kernkompetenzen und eine damit verbundene Reduktion der Fertigungstiefe als Leitsätze in den Raum. Eine aktuelle Erhebung des Fraunhoferinstituts für Deutschland zeigt aber, dass geringere Eigenleistungsanteile eher nachteilige Konsequenzen haben und zwar in Bezug auf Umsatzrenditen und Durchlaufzeiten (ISI 2003). 69 Christensen et al. (2001) führen dies insbesondere für reife Märkte aus, in denen technologische Differenzierungen kaum mehr möglich sind und sich die Wettbewerbsvorteile in der Wertschöpfungskette nach hinten verlagert haben. 70 Vgl. z.B. Kaplan (1983). 71 Vgl. z.B. für die produzierende Industrie Deutschlands ISI (1996), S. 8: „Als Nachteil der Auslagerungsstrategie erweist sich jedoch, dass die betroffenen Betriebe aufgrund der zunehmenden Schnittstellen weniger flexibel auf Kundenaufträge reagieren können. Zudem besteht die Gefahr durch Auslagerung von Produktionsbereichen Know-how einzubüssen. 72 Vgl. z.B. Wiendahl/Hernandez (2000b), S. 2. 73 Mit „Move to the middle“ wird die Tendenz angesprochen, Organisationslösungen zwischen (in der Mitte) Markt- und hierarchischen Lösungen zu bevorzugen. 74 Vgl. Chandler (1977), S. 79ff. 68
18
1 Einleitung
die Transaktionskosten merklich steigen würden.75 Dies bedeutet, dass vertikale Integrations- respektive reine Marktlösungen zugunsten von Kooperationslösungen an Bedeutung verlieren. Die Informationstechnologie ist heute für die produzierende Industrie Ermöglicher und Herausforderung zugleich. Die z.B. in der Automobilindustrie vermehrt eingesetzten elektronischen Marktplätze lösen dementsprechend nicht nur Freude, sondern auch Ängste bei produzierenden Lieferanten aus.76 • Trade-offs in der produzierenden Industrie Die produzierende Industrie ist klassisch durch eine Vielzahl von Tradeoffs in den Zielsetzungen gekennzeichnet, die die Komplexität der Entscheidungsfindung regelmässig erhöhen. Skinner führt das Beispiel an, dass ein Produktionssystem ähnlich wie ein Haus oder ein Auto so entworfen werden kann, dass es einige Aufgaben gut erfüllt aber nur auf Kosten anderer Aufgaben.77 Zu diesen Trade-offs gehören: Flexibilität versus Produktivität, Standardisierung versus kundenorientierte Produktion, hohe Auslastung versus Durchlaufzeit-Minimierung, etc.78 Auch wenn immer wieder nach Wegen gesucht wird, diese Trade-offs aufzulösen, sind bis heute nur Erleichterungen erzielbar. Die Einführung von fortschrittlichen Fertigungstechnologien z.B. zeigt gemischte Resultate, was die Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Produktionssystems z.B. im Bereich Produktivität und insbesondere Flexibilität betrifft (vgl. Abschn. 6.5.2). • Technologische Lösungsansätze/Rezepte im Vordergrund Viele gerade auch staatlich finanzierte Programme zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren sich einseitig darauf, die Adoption von moderner Technologie in der Branche zu fördern.79 Nur selten ist das Hauptproblem der Unternehmen aber tatsächlich ein technologisches.80
Vgl. Clemons et al. (1993). Vgl. o.V. (2002). 77 Vgl. Skinner (1969). 78 Vgl. insbesondere auch Skinner (1974). Diese grundsätzlichen Trade-offs konnten auch durch Ansätze wie „Mass Customization“ (Pine II, 1993) nur reduziert, aber nicht eliminiert werden. 79 Vgl. Best/Forrant (2000). 80 Vgl. Cohen/Zysman (1988), die als Hauptproblem die Organisation der Produktion und den Einbezug der Mitarbeiter identifizieren. Ähnlich auch verschiedene Beiträge, die sich mit der Einführung von Advanced Manufacturing Technology beschäftigen, vgl. dazu auch Abschn. 6.5.2. 75 76
1.2 Fragestellung Strategisches Produktionsmanagement
19
• Zusammenfassung Abbildung 1.5 zeigt die wesentlichen Charakteristika produzierender Unternehmen nochmals im Überblick. Während auf der einen Seite ein grosser Veränderungsdruck auf den produzierenden Unternehmen lastet, hervorgebracht durch die volatilen Märkte und den Globalisierungsdruck sowie auch die Möglichkeiten, die sich aus neuen Technologien insbesondere der modernen Informationsund Kommunikationstechnologie ergeben, wirken sich auf der anderen Seite verschiedene Restriktionen hemmend auf den Wandel aus. Dazu gehören Aspekte, wie Abhängigkeit von Banken- und Kapitalmarktbewertungen, etablierte Routinen, bestehende Fähigkeiten und Investitionen, Positionierungsdefizite und die hohe Komplexität des produzierenden Unternehmens, die sich in verschiedenen Trade-offs und hohen Fixkosten äussert. Das Management produzierender Unternehmen wird damit zu einem Management des Spannungsfeldes zwischen Fokus und Flexibilität und erfordert einen ganzheitlichen Bezugsrahmen, der es erlaubt, die wesentlichen Gestaltungsdimensionen von produzierenden Unternehmen integriert und simultan zu betrachten und sich damit bewusst von analytischen Ansätzen 81, die das Ganze als Summe der Eigenschaften einzelner Teile verstehen, abzugrenzen.82
Ackoff (1979a), S. 99 weist darauf hin, dass Manager nicht mit voneinander unabhängigen Problemen konfrontiert sind, sondern mit „dynamic situations that consist of complex systems of changing problems that interact with each other.“ Dies verunmöglicht eine analytische Zerlegung dieser Situationen! 82 Insbesondere Ackoff weist auf das Ungenügen traditionell analytischer Planungsansätze hin, die wenig mit der betrachteten Realität zu tun haben. Vgl. Ackoff (1979a,b und 1981) und Gharajedaghi/Ackoff (1984). 81
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1 Einleitung „Neue Mittel“ • IT • Neue Produktionstechnologien • ...
Restriktionen • Trade-offs • Fixkosten • Positionierungsdefizit • Routinen • Bewertungsproblem
Wandel
Druck • Volatile Märkte • Globalisierung
Abb. 1.5 Charakteristika produzierender Unternehmen
1.3 Zielsetzung und Forschungsfrage Ziel der Arbeit ist es, aus den dargelegten Gründen ein Konzept für das strategische Produktionsmanagement zu entwickeln, das die kurz beschriebenen Herausforderungen aufgreift und die Ableitung unternehmensspezifischer Lösungsansätze erlaubt. Insbesondere sollen dabei in den zentralen Handlungsfeldern Gestaltungsempfehlungen zur Steigerung der Überlebensfähigkeit der produzierenden Industrie entwickelter Volkswirtschaften abgeleitet werden. Diese Zielsetzung führt zur Forschungsfrage „Wie ist ein Konzept zur ganzheitlichen Betrachtung des strategischen Produktionsmanagements auszugestalten“ und lässt sich in vier Unterfragen aufteilen (Abb. 1.6).
1.3 Zielsetzung und Forschungsfrage
21
Wie Wieist istein einKonzept Konzept „Strategisches „Strategisches Produktionsmanagement“ Produktionsmanagement“ auszugestalten? auszugestalten?
Anforderungen an produzierende Unternehmen
Grundmodule eines Strategischen Produktionsmanagements
Umsetzung des Konzeptes
Gestaltungsempfehlungen in den zentralen Handlungsfeldern
Abb. 1.6 Forschungsfrage
Die Frage nach Konzepten für produzierende Unternehmen wird bis anhin nicht in grosser Breite diskutiert. In einer umfassenden Literaturrecherche über „manufacturing strategy“ weisen Dangayach und Desmukh z.B. nach, dass „although Manufacturing Strategy concept was given by Skinner very early (...) research in manufacturing strategy only gained momentum after 1990, since only 45 (17.3 percent) articles are reported in the above refereed journals till 1990, and the remaining 215 (62.7 percent) articles are reported after 1990.“ 83 Von diesen erwähnten Veröffentlichungen sind insgesamt nur drei, d.h. ein Prozent, konzeptioneller Natur.84 Die Gestaltungsmodelle sollen als Leerstellengerüste verstanden werden, die erst durch Diskussionen zwischen Verantwortlichen und Beteiligten zu einem individuellen Modell für das spezifische Unternehmen werden. Als Managementsysteme 0. Ordnung 85 leiten sie den Diskussionsprozess an. Es soll damit bewusst eine Ablehnung von Methoden vorgenommen werden, die durch ein technokratisches Machbarkeitsdenken geprägt sind. In der Regel geben diese eine Anzahl sequenziell aufeinander folgender Dangayach/Deshmukh (2001), S. 906. Vgl. Ebenda, S. 905. 85 Vgl. dazu Zimmermann (1995), S. 49f. 83 84
22
1 Einleitung
Schritte vor, deren Einhaltung eine erfolgreiche Einführung sicherstellen soll. In der Sprache von Michael Porter werden damit Rahmen („Frameworks“) und nicht Modelle im engeren Sinne („Models“) zur Verfügung gestellt (vgl. dazu auch weiter hinten, Abschn. 6.1).86
1.4 Aufbau der Arbeit Die Arbeit ist in acht Kapitel unterteilt. Nach der Vorstellung der Problemstellung, der Zielsetzung und des Aufbaus der Arbeit wird im weiteren Verlauf von Kap. 1 die Forschungskonzeption erläutert. Das Kapitel schliesst mit der Zusammenfassung der Problemstellung eines produzierenden Unternehmens in einem dynamischer werdenden Umfeld. Kapitel 2 beschreibt und bewertet verschiedene Management- und Organisationstheorien. Zentral ist dabei immer der potenzielle Beitrag der Theorie zur oben skizzierten Problemstellung. Im Rahmen dieser Diskussion werden aus den Theorien erste Anforderungen an ein Konzept „Strategisches Produktionsmanagement“ abgeleitet. Kapitel 3 setzt sich detailliert mit den Herausforderungen produzierender Unternehmen auseinander. Zentraler Gegenstand ist dabei die Auseinandersetzung mit den Spannungsfeldern zwischen Stabilität und Dynamik, Flexibilität und Fokussierung, Kernkompetenzen und Kernrigiditäten unter anderem in einem historischen Rückblick. Diese Diskussion wird durch eine vertiefte Betrachtung der „strategischen Flexibilität in der produzierenden Industrie“ abgerundet. Kapitel 4 beschreibt aktuelle Ansätze zum strategischen Management produzierender Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung der beschriebenen Charakteristika sowie der Überlegungen aus Kap. 3. Kapitel 5 fasst die bis dahin gemachten Aussagen zu Anforderungen an ein strategisches Produktionsmanagementkonzept zusammen. Kapitel 6 beschreibt einen integrierenden konzeptionellen Rahmen sowie Bausteine und Gestaltungsdimensionen eines strategischen Produktionsmanagements. Abgerundet wird das Kapitel durch die Beschreibung von Ansätzen, die es erlauben, die strategische Flexibilität eines produzierenden Unternehmens zu steigern. Das Kapitel schliesst mit der Ableitung dreier umfassender Ansätze (Innovationsmanagement, Dienstleistungsund Kooperationsmanagement) zur Erhöhung der Flexibilität und beschreibt das Innovationsmanagement detaillierter.
86
Vgl. Porter (1991), S. 97f.
1.4 Aufbau der Arbeit
23
Kapitel 7 leitet Gestaltungsempfehlungen für die zwei Ansätze Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement ab. Kapitel 8 diskutiert inwieweit das entwickelte Konzept die vorher abgeleiteten Anforderungen erfüllt, beschreibt den Beitrag der Arbeit zu Theorie und Praxis und macht Vorschläge zur Ausgestaltung einer wirkungsvollen Industriepolitik. Abbildung 1.7. verdeutlicht diesen Aufbau. Kapitel 1 Problemstellung Zielsetzung Kapitel 2 Theorien
Kapitel 3 Kapitel 4
Strategisches Produktionsmgt.
Ansätze zum Mgt. Prod. U‘g Kapitel 5 Anforderungen an strat. PM Kapitel 6 Konzept strateg. PM Kapitel 7 Integriertes Koop.und DL.-Mgt. Kapitel 8 Zusammenfassung Schlussfolgerungen
Abb. 1.7 Aufbau der Arbeit
Im Rahmen der Ausführungen fliessen die verschiedenen Erfahrungen aus Projekten und Studien in Form von „anecdotical evidences“ direkt ein und dienen an der jeweiligen Stelle zur Verdeutlichung des Sachverhalts. Solche Stellen sind im Text jeweils grau unterlegt. Ein Überblick über die verschiedenen Fälle ist in diesem Kapitel zu finden (1.6), eine Vertiefung im Anhang.
24
1 Einleitung
1.5 Wissenschaftstheoretischer Bezugsrahmen „Without theory, we make endless forays into uncharted badlands. With theory, we can separate fundamental characteristics from fascinating idioncrasies and incidental features. Theory supplies landmarks and guideposts, and we begin to know what to observe and where to act.“ 87 „The scientist can no more act like a machine than a machine can act like a scientist.“ 88
Das Verständnis der Betriebswirtschaftslehre als angewandte Sozialwissenschaft ist Basis dieser Arbeit 89 Die Betriebswirtschaftslehre wird dabei als Führungs- oder Managementlehre aufgefasst, die sich mit den Problemen der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung zweckgerichteter sozialer Systeme befasst.90 Hierbei wird die Komplexität des sozialen Systems Unternehmung anerkannt und der Standpunkt einer totalen Beherrschbarkeit aufgegeben.91 Damit wird gleichzeitig ein ausschliesslicher Gebrauch von Methoden, die naturwissenschaftlichen Kriterien Stand halten, abgelehnt.92 Checkland hält fest, dass diejenigen Disziplinen, die sich mit Interventionen in sozialen Systemen auseinander setzen, alle eine höhere Komplexität zu vergegenwärtigen haben, als dies bei den Naturwissenschaftern der Fall ist: „All face more complex situation than that facing the natural scientist, who plays his game against nature's unchanging phenomena; ...“ 93 Im Gegensatz dazu verändert sich das soziale System dauernd. Keynes hat bereits 1938 darauf hingewiesen, dass Versuche die Wirtschaftswissen.
Holland (1995), S. 5. Ackoff (1979), S. 103. 89 Hill/ Ulrich (1979), S. 163f. Checkland (1985), S. 757 hält ausserdem fest: „In any subject concerned with rational intervention in human affairs, theory must lead to practice; but practice is the source of theory: neither theory nor practice is prime.“ 90 Vgl. Ulrich (1984), S. 168, in diesem Sinne wird die Betriebswirtschaftslehre häufig auch als „systemorientierte Managementlehre“ bezeichnet. 91 Vgl. Ulrich (1984), S. 176; Raffée (1989), S. 35. 92 Giddens (1997), S. 46 führt z.B. aus: „Es gibt in den Sozialwissenschaften keine allgemein gültigen Gesetze und es wird nie welche geben – …“ 93 Checkland (1985), S. 757. Diese Position wird auch durch Vertreter neuerer Ansätze, wie z.B. denjenigen aus dem Bereich der „Science of complexity“ gestützt. Medd (2001), S. 52f. hält z.B. fest: „there is a claim that social systems differ from physical systems because in social systems, perturbations may come from within the system itself.“ (Vergleiche zur „Science of complexity“ auch Abschn. 2.5.2). 87 88
1.5 Wissenschaftstheoretischer Bezugsrahmen
25
schaften (Economics) zu einer Pseudonaturwissenschaft zu machen, nicht funktionieren können: „It seems to me that economics is a branch of logic, a way of thinking; and that you do not repel sufficiently firmly attempts ... to turn it into a pseudo-natural science ... Economics is a science of thinking in terms of models joined to the art of choosing models which are relevant to the contemporary world. It is compelled to be this, because, unlike the typical natural science, the material to which it is applied is, in too many respects, not homogeneous through time“.94 Oder wie Giddends es formuliert: „Der zentrale Punkt ist, dass die Reflexion über soziale Prozesse (...) in das Universum der Ereignisse, die sie beschreibt, fortwährend eintritt, ... Derartige Phänomene existieren in der Welt der unbelebten Natur nicht; sie ist indifferent gegenüber dem, was Menschen über sie zu wissen behaupten.“ 95 Der für den Forschungsprozess relevante Ausgangspunkt synthetisiert gegenwärtige Probleme in der Praxis mit Fragenkomplexen neuer Forschungsfelder im Bereich des integrierten Managements produzierender Unternehmen, strategischer Flexibilität im dynamischen Umfeld, dem Management von Kooperationen sowie dem Management Industrieller Dienstleistungen. Hierbei wird der von Ulrich postulierten Aufgabe der Wissenschaft im Kontext komplexer sozioökonomischer Systeme gefolgt, den Entwurf von Gestaltungsmodellen für die Veränderung der sozialen Wirklichkeit in der Praxis zu realisieren. Das Erkenntnisziel sind Gestaltungsansätze zur Veränderung der sozialen Wirklichkeit als Lösungsbeiträge für die identifizierten Praxisprobleme, die in Richtung der quasi als Leitbild konzipierten zukunftsweisenden flexibilitätssteigernden Organisationsformen produzierender Unternehmen in einem dynamischer werdenden Umfeld zeigen.96 Die Motivation für diese Arbeit basiert auf den Problemen in der Praxis und hat im Sinne von Ulrich zum Ziel, Wissen zur Lösung von Praxisproblemen zu generieren.97 Die Konkretisierung und Aufarbeitung des Forschungsgegenstands stellt jedoch gerade Verknüpfungspfade zwischen Praxisproblemen und neuen Forschungsfeldern in den Vordergrund. Hiermit soll verdeutlicht werden, dass die bestehende Realität lediglich Ausgangspunkt für die Untersuchung möglicher zukünftiger Realitäten im Forschungsprozess sein kann.98 Letzterer wird damit als ein iterativer Lernprozess verstanden, der die Gewinnung von systematischem ErfahrungsKeynes (1938) zitiert aus Checkland (1985), S. 766. Giddens (1997), S. 47. 96 Vgl. Ulrich (1984), S.180. 97 Vgl. Ulrich (1991), S. 9. 98 Vgl. Ulrich (1984), S. 179. 94 95
26
1 Einleitung
wissen mit einer kreativen Umsetzung in theoretischen Aussagen synthetisiert. Hierbei stellt der Ansatz der qualitativen Sozialforschung den methodologischen Zugang zum Forschungsbereich dar.99 Wo dies adäquat erscheint, wird auch Rückgriff auf zur Verfügung stehende empirische Forschungsergebnisse gemacht. Darin manifestiert sich das Verständnis des Autors, dass es keine quantitative Forschung ohne qualitative gibt und sich die beiden Ansätze nicht widersprechen, sondern ergänzen. Dies entspricht auch dem Verständnis von Autoren wie Gharajedaghi und Ackoff, die als Antwort auf das Versagen der klassischen Operational Research Ansätze in der Praxis einen „Social System Model“-Ansatz entwerfen, der sich dadurch auszeichnet, dass er eine Kombination von synthetischem und analytischem Denken darstellt.100 Ebenfalls in diese Kategorie gehören Checkland, der die „Soft System Methodology“ einführt, die harte Systemansätze mit umfasst, aber das naturwissenschaftliche Ableiten von Lösungen ablehnt: „Hence the soft tradition regards system models as models relevant to arguing about the world, not models of the world; this leads to learning, replacing, optimizing or satisficing, this tradition talks the language of issues and accomodations rather than solutions.“ 101 und auch Giddens, der keinen notwendigen Gegensatz zwischen qualitativen und quantitativen Verfahren sieht und feststellt: „Alle so genannten quantitativen Daten erweisen sich bei sorgfältiger Betrachtung als Bestandteile qualitativer – d.h. kontextuell lokalisierter und indexikalischer – Interpretationen, die situierte Forscher, Kodierer, Regierungsbeamte und andere Personen herstellen.“ 102 Forschungsmethodisch beruht diese Arbeit vorwiegend auf einem Action Research Ansatz. Dieser sei im Weiteren näher spezifiziert: Checkland und Holwell halten fest: „The process of knowledge acquisition which has the strongest truth claim in the research progress of natural science, is based on testing hypotheses to destruction. But the application of this process to phenomena beyond those, for which it was developed, namely, the natural regularities of the physical universe, is problematical. For research into social phenomena there is increasing interest in “action research” in various forms. In this process the researcher enters a realworld situation and aims both to improve it and to acquire knowledge.” 103 Es wird oft ein Gegensatz von positivistischen Forschungsansätzen, die auf Wertfreiheit, Logik und Empirie ausgelegt sind und den Action ReVgl. Mayring (1996), S. 9. Vgl. Gharajedaghi/Ackoff (1984). 101 Checkland (1985), S. 765. 102 Giddens (1997), S. 390. 103 Checkland und Holwell (1998), S. 9. 99
100
1.5 Wissenschaftstheoretischer Bezugsrahmen
27
search Ansätzen gesehen.104 Wie im oben stehenden Zitat festgehalten, stossen die auf naturwissenschaftlichen Anwendungen beruhenden positivistischen Ansätze in der Realität sozialer Systeme an Grenzen und laufen in Gefahr für die Praxis irrelevant zu sein.105 Für die klassische Disziplin des Operational Research hat Ackoff eine solche Irrelevanz bereits 1979 festgestellt. Zurückgeführt hat er dies darauf, dass die jeweiligen Kurse an den Universitäten von Akademikern gehalten wurden, die nie mit der Praxis zu tun hatten und dass die Treffen und Journals von Abstraktionen geprägt waren, die mit der Realität nichts zu tun hatten.106 Dies wurde in Bezug auf die Managementforschung auch von Charavarthy und Doz aufgegriffen, die für eine Forschung plädierten, die multi-disziplinäre Teamarbeit, einen Fokus auf Strategieprozesse und eine „Action-ResearchOrientierung“ umfassen soll.107 Der Begriff „Action Research“ wurde bereits 1946 von Kurt Lewin in die Diskussion eingebracht und bezeichnete einen Forschungsansatz, der die Theoriebildung mit dem Wandel des betrachteten sozialen Systems verbindet. Dies ist auch mit der Überzeugung von Checkland kompatibel, der festhält: „In any subject concerned with rational intervention in human affairs, theory must lead to practice; but practice is the source of theory: neither theory nor practice is prime.“ 108 Und auch Charles Taylor hält fest: „In den Sozialwissenschaften ist die Praxis das Objekt der Theorie. Die Theorie auf diesem Gebiet verändert ihr eigenes Objekt.“ 109 Auf der Basis des naturwissenschaftlichen Forschungsansatzes entwickeln Checkland/Holwell 110 ein Metamodell der wissenschaftlichen Forschung und identifizieren darin drei Hauptelemente. Die „Area of concern“ (A) bezeichnet den Gegenstandsbereich der Forschung, z.B. die Ausdehnung von Metallen bei Erwärmung. Ein „Framework of Ideas“ (F) formuliert die konkreten Fragen bzw. Ideen in Zusammenhang mit A, wie z.B. die Hypothese, dass die Ausdehnung von Metallen bei Erwärmung unabhängig von der Legierung des Metalls ist. Die Ideen F werden Ackoff (1979a), S. 102 kritisiert stark die Objektivitätskriterien, die in den positivistischen Ansätzen gestellt werden. 105 Susman/Evered (1978), S. 582 halten dazu fest: „Many of the findings in our scholary management journals are only remotely related to the real world of practicing managers and to the actual issues with which members of organizations are concerned, especially when the research has been carried out by the most rigorous methods of the prevailing conception of science.“ 106 Vgl. Ackoff (1979a), S. 94. 107 Vgl. Chakravarthy/Doz (1992), S. 9f. 108 Checkland (1985), S. 757. 109 Taylor (1983), S.74 zitiert aus Giddens (1997), S. 406. 110 Vgl. Checkland/Howell (1998) und auch Checkland (1985) bzw. Checkland/ Scholes (1991). 104
28
1 Einleitung
in einer Methode M (z.B. Computersimulation) verwendet, um neue Erkenntnisse über A zu gewinnen, die einerseits das Wissen über A und auch M erweitern und andererseits zu neuen Ideen im Sinne von F führen (vgl. Abb. 1.8).
M Methodology
F Framework of Ideas
Learning about F, M, A
A Area of Application
Abb. 1.8 Die Komponenten des Action Research 111
Die Forderung nach der aktiven Teilnahme des Forschers am Experiment bzw. die Nicht-Wiederholbarkeit von manchen sozialwissenschaftlichen Fragestellungen verlangen nach einer Adaption von F, M und A und führen zur Aktionsforschung. Fleisch 112 merkt dazu an, dass der Einbezug des Wissenschafters in das Experiment und die laufende Weiterentwicklung der untersuchten sozialen Systeme Aktionsforschung für einen ständigen unkontrollierten Wandel von F, M und A anfällig machen. Nur das vorausgehende explizite Definieren von F, M und A erlauben es dem Forscher, die intellektuelle Orientierung bzw. sein Verhalten in der volatilen Umgebung zu wahren bzw. nach wohl strukturierter Reflexion geordnet weiterzuentwickeln. Als wichtigstes Merkmal wissenschaftlicher Aktionsforschung definieren Checkland und Holwell daher die ex ante Beschreibung der Elemente F, M und 111 112
Hindle et al (1995), S. 455. Vgl. dazu Fleisch (2001), S. 191.
1.5 Wissenschaftstheoretischer Bezugsrahmen
29
A.113 Nur so kann sich Aktionsforschung vom Erzählen von Anekdoten oder Novellen unterscheiden.114 In diesem Sinne wird der Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit die Konkretisierung von F, M und A, wie sie zu Beginn des Forschungsvorhabens bestand, im Rahmen von Checkland dargestellt (Abb. 1.9). F
Framework of Ideas
Systemtheorie Ökonomische Ansätze Organisationstheorien Ansätze aus dem Technologiemanagement
M
Methodology Fokusprojekte zu ausgewählten Themen Workshops, Interviews, Diskussionen Empirische Fundierung von Fragestellungen Auswertung, Reflexion von Workshops Deskresearch und Synthetisierung
Learning about F, M, A
A Mgt. des produzierenden Unternehmens in seiner Umwelt
Abb. 1.9 Konkretisierung des Forschungsansatzes im Rahmen von Checkland
Die gewählte Problemsituation in der realen Welt ist das produzierende Unternehmen in seinem Umfeld. Die Charakterisierung der sich dabei stellenden Herausforderungen wurde unter 1.2.2 kurz erläutert. Ansätze, um mit Teilaspekten diese Herausforderungen umzugehen, existieren sowohl auf theoretischer wie auf praktischer Ebene. Einige dieser Ansätze sind unter F (Framework of Ideas) aufgezählt. In den Kap. 2 und 4 wird der potenzielle Beitrag, den diese zur Klärung der Fragestellung leisten können, beschrieben. Diese Frameworks wurden in der Folge in Projekten mit Industrieunternehmen auf konkrete Fragestellungen angewendet. Die Reflexion führte zu neuen respektive veränderten Methoden. Eine darüber hinausgehende Reflexion synthetisierte die Erkenntnisse aus den einzelnen 113 114
Checkland/Holwell (1998), S. 14. Checkland/Holwell (1998) formulieren eine gedankliche Skala zur Rigorosität von Aussagen, deren beiden Enden die naturwissenschaftliche Methode bzw. das Erzählen von Anekdoten bilden.
30
1 Einleitung
Industrieprojekten zu einem konzeptionellen Rahmen zum Management der beschriebenen Herausforderungen im Allgemeinen (neuer Framework of Ideas, vgl. Kap. 6). In Abschn. 1.6 werden die verwerteten Projekte und sonstigen Aktivitäten, die zu diesem Ansatz beigetragen haben, kurz beschrieben. Zusammenfassend kann der Vorteil von Action Research Ansätzen in den folgenden Punkten gesehen werden, die sich, wie Susman und Evered darlegen, auch als Antwort auf die Defizite der positivistischen Forschungsansätze verstehen lassen: 115 • Zukunftsorientierung. Durch die explizite Auseinandersetzung mit Praxisproblemen ist Action Research darauf ausgerichtet, ein Bild von einer erstrebenswerten Zukunft zu zeichnen. • Zusammenarbeitsorientiert. Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis ist ein essentielles Merkmal von Action Research. Dies erlaubt es, dass die Interessen beider Seiten in den Prozess einfliessen. • Der Action Research Prozess impliziert die Weiterentwicklung des Systems. Das System wird im Prozess dazu befähigt, sich über einen Zyklus von Diagnose, Aktionsplanung, Aktion, Evaluation und gezieltes Lernen weiterzuentwickeln. • Generiert Theorien, die in konkreten Handlungen begründet sind. • Action Research ist situativ und agnostisch.
1.6 Forschungskonzeption Das dem Forschungsvorhaben zu Grunde liegende Verständnis des Autors ist massgeblich durch die Arbeit in Forschungsprojekten mit Industriepartnern geprägt worden. Insbesondere sind Projekte und Studien zu folgenden Fragestellungen eingeflossen (vgl. auch Tabellen 1.1–1.4): • Prozessmanagement (Motion, Teleflow, zahlreiche Kleinprojekte) • Kooperationsmanagement (Virtuelle Fabrik, SAG, C-Commerce, ApoKop) • Management industrieller Dienstleistungen (Zoom, Cindi, Design, Kid, Fit for Service) • Strategisches Management produzierender Unternehmen (Scope, Strategie Supply AG, Textil AG) 115
Vgl. Susman/Evered (1978), S. 589f.
1.6 Forschungskonzeption
31
• Benchmarkingprojekte: Kooperationen erfolgreich managen, Kommerzialisierung industrieller Dienstleistungen • Situation produzierender Unternehmen im heutigen Umfeld (Studie „Zulieferindustrie Schweiz“, Befragung Produktionsverlagerungen, Projekt X-Form). Die Ergebnisse aus den Hauptprojekten wurden ausserdem im Bereich des Dienstleistungsmanagements in Arbeitskreisen mit weiteren Industriepartnern diskutiert und reflektiert (vgl. Tabellen 1.1–1.4). Nicht aufgeführt sind an dieser Stelle diverse Kleinprojekte mit Einzelunternehmen, die dazu dienten, Erkenntnisse aus grösseren Projekten zu vertiefen und Methoden zu verfeinern. Eine Kurzbeschreibung der hier erwähnten Projekte, Befragungen und Arbeitskreise mit Zielsetzung, Vorgehen und erzielten Resultaten findet sich im Anhang. Bei sämtlichen der erwähnten Projekte war der Autor entweder als Projektleiter oder Projektmitarbeiter persönlich beteiligt. Ausserdem haben den Autor verschiedene Lehr- und Vortragsveranstaltungen für die bestehenden Probleme in der Praxis sensibilisiert. Als weiterer Baustein des Vorverständnisses sind zahlreiche Expertengespräche zu werten, die einerseits im Rahmen eines Vorprojektes zum Vorhaben „Virtualisierung von Grossunternehmen“ stattgefunden haben, andererseits bereits seit 1995 im Zuge der Recherchen für die eigene Diplomarbeit zum Thema F&E-Kooperationen respektive für die Dissertation zum Thema „Architektur von Kooperationen“ geführt wurden. „Gemäss des Ansatzes der Aktionsforschung werden die im Forschungsprozess generierten Ergebnisse direkt in die Praxis umgesetzt. Die reale Welt der Unternehmung wird nicht nur interpretiert, sondern durch den Forscher verändert oder erst erschaffen.“ 116 Durch den Aktionsforschungsansatz während der Umsetzung in den Projekten und den Schwierigkeiten, die damit verbunden waren, konnten wichtige Praxisprobleme bearbeitet und Forschungslücken aufgezeigt werden.
116
Vgl. Mayring (1996), S. 36, Neuberger (1995), S. 59.
32
1 Einleitung
MOTION Teleflow VF ApoKop C-Commerce SAG Strategie Supply AG Textil AG Scope ZOOM Cindi Design KID FFS Total Unternehmen
X X
(X) X X X X X
6 7 25 10 4 4 3 1 4 3 3 8 7 7 92
X (X) X X X
X X X X X X X
Dauer (Monate)
Anzahl Industriepartner
Projekt
Strategisches Management
Umfeld
Prozessmanagement
Themen
Dienstleistungsmanagement
Kooperationsmanagement
Tabelle 1.1 Empirische Quellen – Forschungsprojekte
36 36 36 24 24 12 12 18 15 18 12 15 12 18
Dauer (Monate)
X
4
6
X-Form
X
12
4
Zulieferindustrie CH Total Unternehmen
X
337 117 353
6
Projekt
117
Prozessmanagement
Verlagerungen Rückverlagerungen
Umfeld
Anzahl Industriepartner
Strategisches Management
Dienstleistungsmanagement
Themen
Kooperationsmanagement
Tabelle 1.2 Empirische Quellen – Befragungen/Interviews
Rücklauf an ausgewerteten Fragebögen von 1.881 angefragten Unternehmen, d.h. Rücklaufquote entsprach 19,8 %.
1.6 Forschungskonzeption
33
X
Kooperationen erfolgreich managen Total Unternehmen
X
Dauer (Monate)
Kommerzialisierung von Dienstleistungen
Anzahl Industriepartner
Kooperationsmanagement
Prozessmanagement
Umfeld
Projekt
Dienstleistungsmanagement
Themen
Strategisches Management
Tabelle 1.3 Empirische Quellen – Benchmarking-Projekte
42 118
6
38 119 80
6
Design KID FFS Total Unternehmen
X X X
Dauer (Monate)
Anzahl Industriepartner
Dienstleistungsmanagement
Kooperationsmanagement
Prozessmanagement
Projekt
Umfeld
Themen
Strategisches Management
Tabelle 1.4 Empirische Quellen – Arbeitskreise
6 4 9 19
Der Forschungsprozess dieser Arbeit wird als ein von theoretischen Absichten geleiteter, auf systematischem Erfahrungswissen basierender, iterativer Lernprozess begriffen, der sowohl die Gewinnung von Erfahrungswissen als auch seine kreative Umsetzung in theoretische Aussagen problematisiert (vgl. Abb. 1.10). Anstelle der Prüfung von Hypothesen werden theoretisch geleitete Fragen an die Realität zum wissenschaftlichen 118
119
Rücklauf von 162 platzierten Fragebögen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 26 %. Rücklauf von 136 platzierten Fragebögen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 29,6 %.
6 6 6
34
1 Einleitung
Fortschrittsmedium erklärt.120 Den Ausgangspunkt der Forschung bilden die hierbei identifizierten Praxisprobleme und das Ziel der Praxisveränderung. Die gewonnenen Erkenntnisse werden kritisch reflektiert, um zu einer Differenzierung, einer Abstraktion, einem Perspektivenwechsel, etc. zu gelangen. Das theoretische Verständnis wird in einem offenen Interaktionsprozess mit der Praxis entwickelt. Neues theoretisches Verständnis führt zu neuen Fragen an die Realität.121 Der Forschungsprozess wird deshalb bei der Veröffentlichung einer Arbeit meist pragmatisch eingefroren.122 Daneben wurden auch Methoden der qualitativen Sozialforschung in die Forschungskonzeption integriert: • Desk Research zu den Fragestellungen, • Diskussionen mit verschiedenen Anspruchsgruppen, die dem Autor als „Lernarenen” dazu dienten, Gestaltungsansätze kritisch zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Die Ergebnisse dienten als Basis für eine ausführliche interpretative Auswertung. Abbildung 1.10 fasst die Aussagen nochmals zusammen. Da zur Beantwortung der gestellten Frage bisher noch kein interdisziplinärer Ansatz zur Konzeptionalisierung, Beschreibung, Erklärung und Gestaltung der produzierenden Unternehmen vor dem Hintergrund eines dynamischer werdenden Umfelds besteht, wurde der Weg einer explorativen Studie mittels Case Studies 123 gewählt.
Vgl. Kubicek (1977), S. 14. Kubicek bezeichnet die „Prüfung tendenziell beliebiger Hypothesen“ als „Umweg des wissenschaftlichen Fortschritts“. Das Bestreben, durch Fragen an die Realität und die theoretische Verarbeitung des dadurch gewonnenen Erfahrungswissens zu weiteren Fragen vorzustossen, wird auch „iterative Heuristik“ genannt. 121 Vgl. Kubizec (1977), S. 13ff. 122 Vgl. Kubizec (1977), S. 28, zur Abschlussproblematik des Forschungsprozesses. 123 Yin (1988), S. 18 erklärt den Einsatz von „Case Studies“ insbesondere bei sog. Wie und Warum-Fragen als geeignet. 120
1.7 Forschungslücken
35
Fragen Fragenan an die dieRealität Realität
Probleme Problemeder der Praxis Praxis
Literaturanalyse Literaturanalyse
Theoretisches Theoretisches (Vor-)Verständnis (Vor-)Verständnis
Fallstudien Fallstudien weitere weitereInterviews Interviews
Erste Erste Interviews Interviews
Phänomene Phänomeneder der Praxis Praxis
Differenzierung, Differenzierung, Abstraktion Abstraktion
Kritische Kritische Reflexion Reflexion
Abb. 1.10 Forschungsprozess 124
1.7 Forschungslücken Zusammenfassend seien hier nochmals die identifizierten Forschungslücken aufgezählt, denen sich diese Arbeit annimmt: • Es existiert kein einheitliches Verständnis für den Begriff des „strategischen Produktionsmanagements“. Tendenziell wird darunter eher, wenn überhaupt, die strategieorientierte Ausrichtung der Produktion verstanden. Ein ganzheitliches Verständnis, das die isolierte Betrachtung von Charakteristika produzierender Unternehmen aufgibt und diese in einen allgemeineren Rahmen zum Management produzierender Unternehmen einfliessen lässt, steht aus. • Verschiedenste Ansätze aus dem Bereich des Produktions- und Technologiemanagement werden oft als ausserhalb der Strategie stehend diskutiert.125 124
125
Friedli (2000), S. 10 in Anlehnung an Baumbach (1998), S. 15, Kubicek (1977), S. 14, Tomczak (1992), S. 84. Vgl. auch Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 510: „Because these fields (management of R&D, product and process development, technology transfer, intellec-
36
1 Einleitung
• Es existiert, wie Untersuchungen und eine Analyse der relevanten Literatur zeigen, kein einheitliches Verständnis darüber, was der Begriff „strategische Flexibilität“ insbesondere für produzierende Unternehmen überhaupt umfasst. Weder wird der Flexibilitätsbegriff in einem einheitlichen Verständnis verwendet, noch wird eine ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens zur Steigerung der Flexibilität herangezogen. • Kooperationen und industrielle Dienstleistungen werden vor allem als eigenständige Themen analysiert und beschrieben, nicht als Mittel zum Erreichen übergeordneter Ziele, insbesondere in einem turbulenten Umfeld. Der Nachweis, dass sich beide Ansätze (neben einem systematischen Innovationsmanagement) v.a. dazu eignen, die strategische Flexibilität eines Unternehmens zu erhöhen und damit verschiedene Schwierigkeiten im Management produzierender Unternehmen zu adressieren, würde sowohl Praxis wie Forschung zu zielgeleiteteren Aktivitäten in diesen Bereichen motivieren. Die Verfolgung von sowohl Kooperations- wie auch Dienstleistungsmanagement-Ansätzen ist, wie Untersuchungen zeigen, mit einer Vielzahl auch divergierender Ziele verbunden. Weder Praxis noch Theorie scheint sich dessen in vollem Umfange bewusst zu sein. • Die konsequente Betrachtung der Anwendungsvoraussetzungen der verschiedenen Ansätze stellt eine beträchtliche Abweichung sonst festzustellender Tendenzen, Methoden und Konzepte vorschnell zu neuen Paradigmen zu erheben, dar. • Das Fruchtbarmachen einer etablierten Theorie aus der Soziologie (Strukturationstheorie von Giddens als übergeordneter Rahmen) stellt eine bewusste Anerkennung der Betriebswirtschaftslehre als gesellschaftlich relevante Disziplin dar.
1.8 Zusammenfassung In der Einführung wurde gezeigt, dass das Untersuchungsobjekt, das produzierende Unternehmen in seinem Umfeld, insbesondere in den entwickelten Volkswirtschaften, unter grossem Veränderungsdruck steht. Das strategische Produktionsmanagement, verstanden als das allgemeine Management eines produzierenden Unternehmens, muss dazu in der Lage tual property, manufacturing, human resources, and organizational learning) are often viewed as outside the traditional boundaries of strategy, much of this research has not been incorporated into existing economic approaches to strategy issues.“
1.8 Zusammenfassung
37
sein, den notwendigen Wandel zu initiieren und zu begleiten. Dazu sind aber tragfähige Modelle notwendig, die es erlauben, fundiert in die Praxis umsetzbare Entscheide zu fällen und umzusetzen. Hier leistet diese Arbeit ihren Beitrag.
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
„... das Verständnis der komplexen Wirklichkeit erfordert eine Befassung „with process and content, statics and dynamics, constraints and inspiration, the cognitive and collective, the planned and the learned, the economic and the political.“ 1
Die in Kap. 1 abgeleitete Forschungsfrage wirft einerseits strategische, andererseits organisatorische und kulturelle Fragestellungen auf. Eine Vielzahl von Theorien beschäftigt sich mit optimalen Strategien und Organisationsstrukturen für und von Unternehmen. Ziel dieses Kapitels ist es, die Leistungsfähigkeit ausgewählter Theorien in Hinblick darauf, einen Beitrag zur integrierten Gestaltung eines produzierenden Unternehmens in einem dynamischer werdenden Umfeld leisten zu können, zu beurteilen und diese Beiträge direkt abzuleiten.2 Zu diesen Zwecken werden sowohl die Hauptströmungen des strategischen Managements, die gebräuchlichen Organisationstheorien, ökonomische Theorien als auch ausgewählte Ansätze des Technologiemanagements und eine soziologische Theorie, die Strukturationstheorie von Giddens, betrachtet. Doz und Prahalad haben bei ihrem Versuch, ein neues Paradigma in der Erforschung von Diversifizierten Multinationalen Unternehmen (DMNCs) abzuleiten, verschiedene Überlegungen angeführt, die mit der hier angewendeten Vorgehensweise übereinstimmen. Die zentralen Punkte aus diesen Überlegungen seien deshalb an dieser Stelle kurz ausgeführt.3 Ihr Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Forschung bezüglich DMNCs basierend auf unterschiedlichen Paradigmen 4 erfolgt. Aus der Analyse verschiedener Organisationstheorien und
Sydow (1992), S.9 zitiert Mintzberg (1990), S. 208f. Die Folge dieses Ansatzes ist, dass die Beschreibung und Diskussion dieser Ansätze sehr unterschiedlich ausführlich ist. Während nämlich einige Ansätze recht unmittelbar zur Aufgabenstellung beitragen, können andere bereits nach kurzer Reflexion verworfen werden. 3 Vgl. dazu Doz/Prahalad (1991). 4 Doz/Prahalad (1991), S. 148: „An implicit recognition of the complexity of the phenomenon under scrutiny – complex organizations – is the fact that there is no dominant paradigm that is used to study it.“ 1 2
40
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
deren Beiträgen zur Erforschung von DMNCs leiten sie folgende Erkenntnisse ab:5 • Die meisten Theorien sind relativ schwach in der Operationalisierung der Theorien in einen Rahmen oder in ein Modell. Es fehlen damit „Mid-Range“ Konstrukte, die das Verhalten der Unternehmen abbilden und damit zwischen den Theorien und beschreibenden Analysen einen Bezug herstellen könnten. • Prozessfragestellungen wie z.B. Schlüssel-Management-Prozesse werden durch die meisten Theorien nicht adressiert. Der Abstraktionsgrad der Theorien ist in der Regel zu hoch. • Wandelprozesse werden kaum berücksichtigt, da die meisten Organisationstheorien statisch angelegt sind. • Die falsche Dichotomie von Prozess und Kontext wird von den meisten Theorien nicht überwunden und • eventuell kulturell bedingte Annahmen werden als allgemein gültig angesehen. Doz und Prahalad halten zusammenfassend fest, dass es einer „MidRange“-Theorie bedarf, die Konstrukte und Rahmen hervorbringt und die nützlichen Theorien zur Beleuchtung des Themas mit den oft konzeptionell und theoretisch ungenügenden beschreibenden Analysen zu verbinden vermag.6 In Bezug auf das Betrachtungsobjekt dieser Arbeit, das produzierende Unternehmen, wird genau dies angestrebt. Der in Kap. 6 vorgestellte Rahmen adressiert die von Doz und Prahalad für DMNCs aufgeworfenen Fragestellungen für das produzierende Unternehmen. Abbildung 2.1 zeigt dies schematisch auf. Existierende Theorien und Phänomene der Praxis werden so analysiert und verdichtet, dass sich ein Gestaltungsrahmen ergibt, der die fundierte Ableitung von Massnahmen für produzierende Unternehmen bezogen auf das von ihnen wahrgenommene relevante Umfeld erlaubt.
5 6
Ebenda, S. 156ff. Ebenda, S. 157.
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen 41
Theorie 1 Theorie
Theorie 3
Theorie ... Theorie 4
Theorie 2
Mid-Range-Konzept Relevantes Unternehmensumfeld
Praxis-Anwendung
Abb. 2.1 „Mid-Range“-Konzepte zur „Operationalisierung“ von Theorien
Es wird hier Sydow folgend bewusst Abstand genommen von einer Management- und Organisationsforschung, die vor dem Hintergrund eines bestimmten theoretischen Ansatzes erfolgt.7 Das heisst es werden verschiedene theoretische Ansätze zur Beschreibung, Erklärung und Gestaltung resultierender Organisationsformen herbeigezogen. Mit anderen Worten wird in dieser Arbeit ein eklektischer Ansatz 8 vertreten. Ackoff stellt z.B. fest, dass „Subjects, disciplines, and professions are categories that are useful in filing scientific knowledge and in dividing the labour involved in its pursuit, but they are nothing more than this. Nature and the world are not organized as science and universities are. There are no physical, chemical, biological, psychological, sociological or even Operational Research problems. These are names of different points of view, different aspects of the same reality, not different kinds of reality.“ 9 Ähnlich argumentieren auch Gioia und Pitre, die die Komplexität der Organisation als Hauptargument für eine multiparadigmatische Perspektive anführen: „By now, however, the field recognizes that the use of any single research
7
8 9
Vgl. Sydow (1992), S. 7ff., auch Guillén (1994) zeigt auf, dass Modelle wie Lean Production und TQM eklektische Elemente aufweisen. Auch Giddens (1997), S. 35 plädiert für einen Eklektizismus. Ackoff (1979), S. 101.
42
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
paradigm produces too narrow a view to reflect the multifaceted nature of organizational reality.“ 10 Sie übernehmen wie auch Sydow 11 in seinen Ausführungen den Ordnungsrahmen von Burrell und Morgan 12 zur Diskussion der vier vorherrschenden Paradigmen in der Organisationslehre (Abb. 2.2).
Wandel
radikalhumanistisch
radikalstrukturalistisch
Stabilität
interpretativ
funktionalistisch
Subjektivismus
Objektivismus
Abb. 2.2 Ordnungsrahmen nach Burrel und Morgan 13
Während die oberen zwei Paradigmen auf radikalen Wandel und das Überwerfen einer bestehenden sozialen Ordnung abstellen, sind die unteren zwei Paradigmen auf Stabilität ausgelegt. Der Grossteil der organisationstheoretischen Ansätze ist dem funktionalistischen Paradigma zuzuordnen.14 Dieses Paradigma stösst insbesondere an Grenzen, wenn es darum geht psychologische und soziale Faktoren der Organisation einzubeziehen: „The study of phenomena such as sensemaking, meaning construction, power, and conflict becomes very awkward to handle using any immutable
Gioia/Pitre (1990), S. 584. Vgl. Sydow (1992), S. 224ff. 12 Burrel/Morgan (1979), S. 30. 13 Vgl. in ähnlicher Form Sydow (1992), S. 225 und Gioia/Pitre (1990), S. 584. 14 Vgl. Gioia/Pitre (1990), S. 586. Sie definieren das funktionalistische Paradigma folgendermassen (Ebenda, S. 585): „... the functionalist paradigm is characterized by an objectivist view of the organizational world with an orientation toward stability or maintenance of the status quo ...“ 10 11
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen 43
objectivist framework.“ 15 Hauptmotivation eines multi-paradigmatischen respektive eklektischen Ansatzes ist es ein vollständigeres Bild eines Betrachtungsgegenstandes zu erfassen respektive zu gestalten, als es mit der eingeengten Perspektive aus einer Theoriesicht möglich wäre.16 Um die Forschungsfrage aus Kap. 1 beantworten zu können, erscheint es zweckmässig, sich – die Komplexität einer Organisation anerkennend 17 – nicht auf eine Theorie und auch nicht auf ein Paradigma zu konzentrieren, sondern zu versuchen, aus einer Metaparadigma-Sichtweise 18 auf die Organisation zu schauen, ohne allerdings dem Glauben zu verfallen, dass sich die verschiedenen Sichtweisen, die auf unterschiedlichen Annahmen beruhen, integrieren lassen. Es geht vielmehr darum, das Thema in der Komplexität, die es aufweist, erfassen zu können und dieser Komplexität in der Folge einen geeigneten Gestaltungsansatz gegenüberzustellen, der sich zur Abbildung der unterschiedlichen Ansätze eignet, ohne die darin inhärenten Spannungen und Gegensätze auflösen zu wollen.19 Wenig relevant im Zusammenhang mit dieser Arbeit sind die radikalen Ansätze, da die Forschungsfrage darauf ausgerichtet ist, die Überlebensfähigkeit des betrachteten Unternehmens zu steigern und nicht eine soziale Ordnung umzustossen. Pascale bei einer Betrachtung der Unternehmensorganisation aus der Perspektive der Komplexitätswissenschaft (science of complexity) hält ausserdem fest, dass „Nothing novel can emerge from systems with high degrees of order and stability – .... On the other hand, complete chaotic systems, such as stampedes, riots, rage, or the early years of the French Revolution, are too formless to coalesce.“ 20 Folglich geht es
Ebenda, S. 587. Goia und Pitre (1990), S. 587 kommentieren: „Given our multiparadigm perspective we believe it would be useful for theory building to be viewed not as a search for the truth, but as more of a search for comprehensiveness stemming from different world views.“ 17 Diese Komplexität wird z.B. von Dooley und Van de Ven (1999), S. 359 folgendermassen beschrieben: „However, organizations are complex systems. Starting conditions for the organizational system being studied may be uncertain, and the organizational system may never settle down to a stable or quasi equilibrium.“ 18 Vgl. Goia/Pitre (1990). 19 Poole und Van den Van (1989), S. 562 halten fest: „Most contemporary theory construction methodologies attempt to build internally consistent theories of limited scope. Relative little attention has been paid to the opportunities offered by tensions, oppositions, and contradictions among explanations of the same phenomenon.“ 20 Pascale (1999), S. 91. 15 16
44
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
insbesondere darum, Ansätze zu betrachten, die den zwei unteren Paradigmata zuzuordnen sind. Der Reihe nach werden die folgenden Theorien einer näheren Betrachtung unterzogen: • • • • •
Theorieansätze im strategischen Management, Organisationstheoretische Ansätze, Ansätze aus dem Technologiemanagement i.e.S., Strukturationstheorie von Giddens, Interdisziplinäre Ansätze.
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze Friedli z.T. basierend auf Mintzberg hat dargelegt, dass ein Grossteil der herkömmlich verwendeten strategischen Planungsansätze der heutigen Dynamik nicht gerecht zu werden vermögen.21 Ackoff hat dies bei seiner Kritik der traditionellen Operations Research Ansätze bereits 1979 konstatiert: „The structure and the parameters of problematic situations continuously change, particularly in turbulent environments. Because optimal solutions are very seldom made adaptive to such changes, their optimality is generally of short duration.“ 22 Eingeführt wird die Betrachtung durch die Darstellung grundsätzlicher Modelle des Wandels, danach werden die klassischen Vertreter des strategischen Managements kurz vorgestellt. 2.1.1 Theorien des Wandels 2.1.1.1 Lebenszyklusorientierte Ansätze Lebenszyklusorientierte Ansätze versuchen die Entwicklung von Organisationen, Produkten, Organismen, Systemen, etc. in sequenziell aufeinander folgende Phasen aufzuspalten. Vertreter dieses Ansatzes sind im Bereich der Unternehmensentwicklung z.B. Greiner 23 und Bleicher.24 Greiner Vgl. Friedli (2000), S. 91ff. und Mintzberg (1994), S. 107–114, der das Versagen vor allem auf drei Falschannahmen zurückführt: Die Annahme der Voraussagbarkeit, die Annahme der Ablösung (d.h. Strategien sind objektiv und können vom Manager selbst entkoppelt werden) sowie die Annahme der Formalisierbarkeit. 22 Ackoff (1979a), S. 98. 23 Vgl. dazu Greiner (1972). 24 Vgl. dazu Bleicher (1995), S. 346ff. 21
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
45
beschreibt bereits 1972 fünf idealtypische Wachstumsphasen eines Unternehmens. Gemäss Greiner sind die evolutionären Phasen durch einen Managementstil, die revolutionären Phasen (Krise am Ende der evolutionären Phasen) durch ein Managementproblem gekennzeichnet (vgl. Abb. 2.3).25 Phase 1 Phase 1
gross
Phase 2 Phase 2
Phase 3 Phase 3
Phase 4 Phase 4
Phase 5 Phase 5 ?Krise
Evolutionäre Phasen Evolutionäre Phasen Revolutionäre Phasen Revolutionäre Phasen BürokratieKrise
KontrollKrise
Grösse der Organisation
Wachstum durch Kollaboration
AutonomieKrise
klein
Wachstum durch Koordination
Wachstum durch Delegation
FührungsKrise
Wachstum durch Führung Wachstum durch Kreativität
Alter der Organisation jung
Abb. 2.3 Die fünf Phasen des Wachstums
Die einzelnen Phasen sind:26 − − − − −
25 26
die Kreativitätsphase, die Führungsphase, die Delegationsphase, die Koordinationsphase sowie die Kollaborationsphase.
Vgl. Greiner (1972), S. 41. Vgl. Ebenda, S. 41ff.
reif
46
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
Die dazu gehörigen Krisen sind eine Führungskrise, eine Autonomiekrise, eine Kontrollkrise, eine Bürokratiekrise sowie die ?-Krise. Das „?“ soll ausdrücken, dass die Natur dieser Krise nicht klar ist. Aus dieser Darstellung zieht Greiner folgende Implikationen:27 • Manager sollten wissen in welcher Phase der Entwicklung sie stehen. Damit sind sie fähig zu erkennen, wann die Zeit für Veränderungen gekommen ist. Es ist gemäss Greiner auch gefährlich, Phasen auszulassen oder Revolutionen zu vermeiden versuchen. • Lösungen haben eine begrenzte Reichweite. Lösungen, die zur Meisterung der Krise in der vorangehenden Phase noch adäquat waren, können in der nächsten bereits nicht mehr funktionieren. • Lösungen bergen neue Probleme in sich. Manager versagen oft darin zu erkennen, dass organisatorische Lösungen Probleme in der Zukunft erzeugen können. Greiner geht in seiner Darstellung davon aus, dass die Entwicklung einer Organisation weitgehend durch die Historie der Organisation bestimmt wird. Der Wandel folgt vorbestimmten Phasen und ist einer immanenten Logik unterzogen. Bleicher beschreibt das Konzept eines idealtypischen Verlaufs der Unternehmensentwicklung. Er gliedert diese Entwicklung in die folgenden Phasen: I. Innere Unternehmensentwicklung: 1. Pionierphase, 2. Markterschliessungsphase und 3. Diversifikationsphase. II. Äussere Unternehmensentwicklung: 4. Akquisitionsphase und 5. Kooperationsphase. III. Innere und äussere Unternehmungsentwicklung: 6. Restrukturierungsphase. Jede der Phasen stellt das Management vor arteigene Probleme und am Ende jeder dieser Phasen stellen sich typische Schwellenprobleme, die bei mangelnder Gestaltung des Übergangs Krisensituationen ergeben können. Bleicher gibt in der Folge Hinweise zum normativen, strategischen und operativen Management in den geschilderten idealtypischen Phasen und 27
Vgl. Greiner (1972), S. 44f.
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
47
entwickelt Anforderungen an ein dynamisches Management. Darin hält er unter anderem fest, • dass Phasen einer Unternehmensentwicklung unterschiedliche Anforderungen an Strategien, Strukturen und Kulturen stellen. Diese muss ein dynamisches Management frühzeitig erkennen und in verändernde Massnahmen umsetzen und • dass die Übergänge zwischen den Phasen einer Unternehmensentwicklung Krisenpotenziale darstellen, wenn sie durch die Art des Managements und sein Verhalten nicht ausgegliedert werden. Auch Bleicher geht also von sequenziell aufeinander folgenden Phasen der Entwicklung aus und leitet darauf basierend seine Empfehlungen für das Management ab. Dieses, hier an zwei weit verbreiteten Ansätzen exemplarisch dargestellte Verständnis, das durch sequenziell zwingend zu durchlaufende Phasen gekennzeichnet ist, prägt eine Vielzahl von Ansätzen zur Unternehmensentwicklung und -modellierung.28 2.1.1.2 Teleologische Theorien Die teleologische Theorie geht von der philosophischen Position aus, dass ein Zweck respektive ein Ziel der finale Grund für eine Entwicklung ist.29 Die meisten Modelle im Bereich der strategischen Planung basieren auf diesem Modell.30 Die Vertreter dieses Ansatzes betrachten Entwicklung als repetitiven Prozess der Zielformulierung, Implementierung, Evaluation und Modifikation der Ziele. In einem teleologischen Prozess gibt es nicht notwendigerweise vordefinierte Rollen, sequenziell aufeinander folgende Schritte oder eine vorgegebene Richtung. Der Fokus liegt auf den Voraussetzungen, um die Ziele erreichen zu können, d.h. Funktionen, die erfüllt werden oder Komponenten, die erstellt werden müssen, um den gewünschten Endzustand zu erreichen. Obwohl dieser Ansatz die Zielgerichtetheit der Akteure als Motoren für die Entwicklung betont, anerkennt er auch Grenzen. Das Umfeld der Organisation und die vorhandenen Ressourcen begrenzen die Möglichkeiten.
Van de Ven/Poole (1995), S. 513ff. merken an: „Next to teleology, life cycle theory is perhaps the most common explanation of development in the management literature.“ 29 Van de Ven/Poole (1995), S. 516: „According to teleology, development of an organizational entity proceeds toward a goal or an end state.“ 30 Ebenda, S. 516. 28
48
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
2.1.1.3 Dialektische Theorie 31 Die dialektische Theorie beschreibt Stabilität und Wandel in Bezug auf das Machtgleichgewicht zwischen einander gegenüberstehenden Entitäten. Wandel tritt dann auf, wenn sich gegenüberstehende Kräfte genug Macht gewinnen, um den Status Quo herauszufordern. Das Ergebnis dieses Prozesses kann eine Synthese aus den Positionen sein, die keiner der Grundpositionen mehr entspricht. Denkbar sind dabei sowohl Win-win- als auch Win-lose-Ergebnisse. 2.1.1.4 Evolutionstheorie 32 Evolutionärer Wandel lässt sich durch einen kontinuierlichen Kreislauf von Variation, Selektion und Retention beschreiben. Unter Variation versteht man dabei das Entstehen neuer Organisationsformen, oftmals unter der Annahme von Zufall. Selektion passiert vor allem durch den Wettbewerb um knappe Ressourcen und die Wahl derjenigen, die den besten Fit mit der Umwelt aufweisen. Retention schliesslich beinhaltet Kräfte, die sicherstellen, dass gewisse organisatorische Formen beibehalten werden. 2.1.1.5 Zusammenfassung 33 Abbildung 2.4 zeigt eine Einordnung der vier Basistheorien anhand der Unterscheidungskriterien: Zyklus des Wandels, unterschiedliche Auslöser des Wandels (Motoren), Betrachtungsobjekt sowie Modus des Wandels. 1. Zyklen und Motoren des Wandels Im Lebenszyklusmodell wird der Wandel als notwendiger Weg durch eine Reihe von Phasen angesehen. Eine Art von logischem Programm beschreibt die spezifischen Inhalte dieser Phasen. Das teleologische Modell betrachtet Wandel als Zyklus der Zielformulierung, Implementation, Evaluation und Modifikation. Die Sequenz entsteht durch zielgerichtete soziale Konstruktion zwischen Individuen in den jeweiligen Entitäten. Das dialektische Modell sieht am Anfang des Wandelzyklus Konflikte zwischen Entitäten. Thesen und Antithesen treffen aufeinander und bringen eine Synthese hervor, die die These für den nächsten Zyklus wird. Vgl. Ebenda, S. 515ff. Vgl. Ebenda, S. 517ff. 33 Vgl. dazu auch Friedli (2000), S. 110f., der die Anwendbarkeit auf Kooperationen diskutiert. 31 32
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
49
Das evolutionäre Modell besteht aus einer sich wiederholenden Sequenz von Variation, Selektion und Retention innerhalb einer bestimmten Population. Die Konkurrenz um knappe Ressourcen innerhalb dieser Population generiert diesen Zyklus. 2. Betrachtungsobjekt Beim Betrachtungsobjekt wird unterschieden, ob sich der Wandelprozess auf eine einzelne organisatorische Entität bezieht oder ob es um die Interaktionen zwischen zwei oder mehr Entitäten geht. Die evolutionäre und die dialektische Theorie befassen sich mit dem Wechselspiel mehrerer Entitäten. Die Lebenszyklustheorie und die teleologische Theorie dagegen fokussieren auf eine einzelne Entität. Die Lebenszyklustheorie erklärt Entwicklung als eine Funktion von Potenzialen, die innerhalb der Entität immanent sind. Die teleologische Theorie basiert nur auf dem Ziel einer einzelnen Entität, um Entwicklung zu erklären. Eine teleologische Theorie kann dann als Erklärung für die Entwicklung mehrerer Entitäten verwendet werden, wenn die Entitäten zu einem Konsens finden, als einzelne Entität zu funktionieren. 3. Modus des Wandels Die Unterscheidung nach dem Modus des Wandels beruht darauf, ob die Sequenz des Wandels a priori durch deterministische oder wahrscheinlichkeitsbasierte Regeln beschrieben wird oder ob sich die Entwicklung im Laufe des Wandelprozesses ergibt. Die beschreibenden Theorien kanalisieren die Entwicklung in eine vorgegebene Richtung. Typischerweise entwickeln sich die Formen inkremental in voraussehbarer Weise weiter. Die konstruktiven Theorien generieren auch unvorhersehbare, neue Organisationsformen. Diese Organisationsformen sind rückwirkend oft unvorhersehbare und diskontinuierliche Abweichungen von der Vergangenheit. Die konstruktiven Methoden produzieren neue Aktionsroutinen, die eine Neuausprägung der Entität hervorbringen können oder eben auch nicht. (Vgl. Abb. 2.4). Die beschriebenen vier Typen des Wandels sind Idealformen. In Praxisbeispielen kommen sie oft gemischt vor.34 In Bezug auf die eingangs geschilderten Bewertungskriterien sind insbesondere die Lebenszykluskonzepte nur bedingt geeignet, die Anforderungen, die ein dynamisches Umfeld an das produzierende Unternehmen stellt, adäquat abzubilden.
34
Vgl. Ebenda, S. 524.
50
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
Gemäss Van De Ven und Poole müssten für die Anwendbarkeit von Lifecycletheorien folgende Voraussetzungen gegeben sein: 35 • Eine einzelne Entität, die den Wandelprozess durchläuft und dabei ihre Identität erhält; • diese durchläuft Phasen, die sich über Funktionen definieren lassen und • es existiert ein Programm, eine Routine oder ein Code, der die Entwicklungsphase determiniert und den Durchgang durch die Phasen regelt. Evolution Multiple Entitäten
Variation
Dialektik Selektion
Retention
These Konflikt
Synthese
Antithese
Betrachtungsobjekt
Populations-Knappheit Umweltauslese Wettbewerb
Pluralismus Konfrontation Konflikt
Lebenszyklus
Teleologie
Stufe 4: Beendigung
Stufe 3: Ernte
Unzufriedenheit Stufe 1: Start -up
Stufe 2: Wachstum
Einzelne Entität
Ziele setzen
Immanentes Programm Regulierung Compliant Adaptation
beschreibend
Suche, interagiere
Ziele im plementieren
Zielgerichtetes Vorgehen Soziale Konstruktion Konsens
Modus des Wandels
konstruktiv
Abb. 2.4 Prozesstheorien organisatorischer Entwicklung und Wandels 36
Die Anforderungen, die ein dynamisches Umfeld stellt, verunmöglichen das Zugrundelegen eines sequenziell zu durchlaufenden Phasenmodells. Die drei anderen Theorien des Wandels hingegen können zur Beschreibung und Gestaltung der Entwicklung des produzierenden Unternehmens verwendet werden. Das evolutorische Modell spiegelt die notwendige Anpassung an Umfeldentwicklungen, das dialektische den Umgang mit Widersprüchen und Spannungsreihen und das teleologische den notwendigen Prozess der Zielfestlegung und Zielverfolgung wider.
35 36
Vgl. Ebenda, S. 525. Vgl. Van De Ven/Poole (1995), S. 520.
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
51
Es lassen sich die folgenden Anforderungen an die zu entwickelnde „MidRange“ Theorie ableiten: • Berücksichtigung einer eingeschränkten Plan- und Machbarkeit. • Anpassung an und Umgang mit dynamischen Umfeldern sowie konstruktiver Umgang mit Widersprüchen und Spannungsreihen. • Ziele und Zielsetzungsprozesse als richtungweisendes Element. 2.1.2 Strategisches Management An dieser Stelle werden kurz die Hauptströmungen des strategischen Managements beschrieben. In der Tradition des Managements wird vielfach der Anspruch erhoben, dass Strategien zeitlich vorgelagert entwickelt und danach gemäss den formulierten Zielen umgesetzt werden können.37 Oft wird erst später festgestellt, dass die Strategie mit der Realität nicht mehr viel zu tun hat und von der Organisation auch nicht verinnerlicht wurde. Insbesondere erscheint es als wichtig auch die in Kap. 1 dargestellte erhöhte Umfelddynamik in den Strategie-Entwicklungsund Implementierungsprozessen zu berücksichtigen. Deshalb wird neben den klassischen Hauptströmungen auch ein jüngerer dynamischer Ansatz vorgestellt, der General Management Navigator. 1950 wurde der Strategiebegriff erstmals in den Kursen der Harvard Business School eingeführt. Die theoretischen Grundlagen zur Disziplin des strategischen Managements lieferte dabei die Arbeit eines Autorenkreises um Andrews, der mit „The concept of corporate strategy“ die Fundamente für diese Disziplin legte.38 Im Zentrum standen (und stehen bis heute) Überlegungen zu Strategien, die sich mit dem Aufbau, dem Erhalt und der Verteidigung von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen befassen.39 Unter einer Vielzahl von Theorien haben sich einige Forschungsströmungen durchgesetzt, die in dominanter Weise Grundlage für viele weitere Forschungsanstrengungen im Bereich des strategischen Managements wurden. Der Ansatz, der in den vergangenen Jahrzehnten wohl die grösste Popularität genoss, ist der auf dem Structure-Conduct-Performance-Schema aufbauende Ansatz der Competitive Strategy mit Bain 40 und Porter 41 als Stellvertretend dafür vgl. Ansoff (1965), Kreikebaum (1996) oder Welge/AlLaham (1992). 38 Andrews (1987). 39 Vgl. z.B. Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 509: „The fundamental question in the field of strategic management is how firms achieve and sustain competitive advantage.“ 40 Bain (1956). 37
52
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
zentrale Vertreter.42 Während dieser Ansatz die externen Einflüsse und Rahmenbedingungen, wie etwa die existierende Branchenstruktur, als die relevanten Determinanten der Strategieentwicklung identifizierte,43 formierten sich mit Selznick 44 und Penrose 45 etwa zeitgleich die frühen Vertreter der resource-based view. Diese Perspektive stellte die unternehmensinternen Fähigkeiten und Ressourcen in den Mittelpunkt der Strategieentwicklung.46 Sie blieb zur Zeit ihrer Entstehung allerdings weitgehend unbeachtet und wurde erst Jahrzehnte später durch Wernerfelt erneut aufgegriffen.47 Zu einer ernsthaften Konkurrenz der outside-in Perspektive wurde die inside-out Strömung aber endgültig Anfang der 90er Jahre mit dem Konzept der Kernkompetenzen, wie es Prahalad und Hamel 48 entwickelten.49 Während für die eine Perspektive eine günstige Positionierung innerhalb einer definierten Branchenstruktur als Quelle von Wettbewerbsvorteilen 50 gilt, so sind es für die andere Perspektive die spezifischen unternehmenseigenen Ressourcen und Fähigkeiten.51 Der ressourcenorientierte Ansatz geht von unvollkommenen Faktormärkten aus, d.h. dass Ressourcen nicht als beliebig zukaufbar, transferierbar oder imitierbar angesehen werden, sondern ihre Eigenschaften vor allem durch die Einbettung in ihren spezifischen Unternehmenskontext erhalten. Die Übertragung von Ressourcen Porter (1980, 1985). Collis/Montgomery (1995), S. 121. 43 ... daher auch als „outside-in“ Perspektive bezeichnet ... . 44 Selznick (1957). 45 Penrose (1959). 46 ... daher auch als „inside-out“ Perspektive bezeichnet ... . 47 Wernerfelt (1984). 48 Prahalad/Hamel (1990). 49 Collis/Montgomery (1995), S. 118f. legen dar, dass dies seinerzeit eine Abkehr vom Denken in Produkt-Markt-Kombinationen hin zu einer verstärkten Berücksichtigung unternehmungsinterner Faktoren bedeutete. 50 Porter stellt allerdings auch die Suche nach Quellen von Wettbewerbsvorteilen entlang seiner Value Chain als weiteren zentralen Baustein seines Ansatzes dar (vgl. z.B. Porter 1985). Damit geht sein Betrachtungsobjekt über die reine Analyse der Branche bzw. der Industrie hinaus. In einer späteren Veröffentlichung, Porter (1991), S. 107, weist er ausserdem darauf hin, dass viel diskutierte Unterschiede zwischen resource-based und industry-structure-view seines Erachtens übertrieben dargestellt werden. 51 Unterdessen wurde ein eher breites Verständnis von Ressourcen entwickelt. Nicht nur materielle, finanzielle oder „Human Assets“ werden darunter subsumiert, sondern auch weiche Faktoren wie Know-how, Unternehmensimage, Kultur oder die Lernbereitschaft der Mitarbeiter (Wernerfelt 1984, S. 172, Barney 1986, S. 656ff., Binder/Kantowsky 1996, S. 28). 41 42
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
53
ist gemäss diesem Verständnis schwer und höchstens mit zeitlicher Verzögerung zu erreichen 52 und stellt damit eine wichtige Quelle für Wettbewerbsvorteile dar. Beide Ansätze übersehen nach Auffassung von Dyer und Singh, dass auch der Wettbewerb seinen Charakter verändert hat und Unternehmen immer seltener alleine operieren können. Der Erfolg und Misserfolg von Unternehmen hängt stärker denn je vom Wertschöpfungsnetzwerk ab, in das sie jeweils eingebettet sind.53 So schreiben sie: 54 „Although these two perspectives have contributed greatly to our understanding of how firms achieve above-normal returns, they overlook the important fact that the (dis)advantages of an individual firm are often linked to the (dis)advantages of the network of relationships in which the firm is embedded.“ Als Konsequenz schlagen sie als dritte Perspektive die „relational view“ vor, welche spezifische unternehmensübergreifende Verbindungen als Quelle von Wettbewerbsvorteilen identifiziert. Als Brücke zwischen marktfokussierten und ressourcenbasierten Ansätzen kann der potenzialorientierte Ansatz verstanden werden. Im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Ansätzen liegt der Ursprung im deutschsprachigen Raum. Gälweiler beschrieb den Begriff der Erfolgspotenziale als Vorsteuergrösse für den Unternehmenserfolg.55 Aus diesem Ansatz heraus entstanden verschiedene Argumentationsformen, die sich mehr oder weniger an der Systemgrenze zwischen Unternehmen und Umwelt orientieren 56 und damit gedanklich die drei vorher erwähnten Ansätze mit umfassen können. Aus verschiedenen Gründen drängt es sich auf, drei der angesprochenen Ansätze vertiefter zu betrachten, nämlich den Kernkompetenzansatz von Prahalad/Hamel und Hamel als aktuelle Ausprägung der resource-based view, die aus einer Wahrnehmung eines dynamischeren Umfelds entstanden ist, den Potenzialansatz, weil er sich als Vermittler zwischen Markt und Ressourcensicht versteht und damit beide für das produzierende Unternehmen relevante Perspektiven beleuchtet sowie die relational view, da sie ebenfalls als umfassendere Betrachtung entwickelt und auf Basis der höheren Anforderungen eines dynamischen und globalen Umfeldes entstanden ist.
Vgl. Binder/Kantowsky (1996), S. 30. Vgl. hierzu auch Gomes-Casseres (1994). 54 Dyer/Singh (1998), S. 660. 55 Gälweiler (1986), Gälweiler (1987), S. 373. 56 Binder/Kantowsky (1996), S. 21. 52 53
54
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
2.1.2.1 Kernkompetenzansatz Als Derivat des ressourcenorientierten Ansatzes 57 wurde der Kernkompetenzansatz von Prahalad und Hamel 58 entwickelt. In seinen Grundzügen ist er den resource-based Ansätzen zuzurechnen. Populär wurde er als die zunehmende Umweltdynamik, der internationalere Wettbewerb, die gestiegene Komplexität der angebotenen Leistungen und ähnliche Einflüsse mehr ein Überdenken des klassischen Portfoliomanagements, als expliziertem Ausdruck des Denkens in tradierten Produkt-Markt-Kombinationen, notwendig erscheinen liessen. Um dem schnelllebigen Wettbewerb der Endprodukte ein Stück weit zu entgehen, rückte der Ansatz das strategische Denken auf die Stufe der Kompetenzen des Unternehmens und damit auf eine den Endprodukten und Leistungen vorgelagerte Stufe.59 Der zusätzliche Nutzenbeitrag, den Prahalad und Hamel in die Diskussion einbrachten, ist vor allem in der pragmatischen Anwendungsorientierung sowie der Dynamisierung des Ansatzes zu sehen.60 Vor dem Hintergrund der lange Zeit dominierenden market-based Perspektive ist vor allem auch ihre Forderung an das Management zu verstehen, sich nicht länger mit bestehenden Branchendefinitionen und Marktabgrenzungen selbst zu beschränken, sondern ihren unternehmerischen Handlungsfreiraum voll zu nutzen.61 Prahalad und Hamel bauen in ihrem Konzept eine Begriffshierarchie von Kernkompetenzen, Kern- und Endprodukten auf. Die Kernkompetenzen fliessen dabei in Kernprodukte ein, an denen nach ihrem Verständnis die Geschäftseinheiten ausgerichtet sein sollten, die darauf aufbauend ein ganzes Bündel an Endprodukten vermarkten. Die systematische Kompetenzentwicklung wird gemäss diesem Ansatz zur Kernaufgabe des strategischen Managements.62 Kernkompetenzen eines Unternehmens zeichnen sich durch wenigstens drei Kriterien aus.63 Erstens muss eine Kernkompetenz potenziellen Zugang zu einer ganzen Reihe an Märkten eröffnen (1), d.h. auch weiteren, bisher nicht bedienten oder noch inexistenten Märkten. Als Nächstes muss sie einen wesentlichen Beitrag zum durch den Kunden wahrgenommenen
Rasche (1994), S. 91f. Prahalad/Hamel (1990). 59 Prahalad/Hamel (1990), S. 82ff. 60 Rumelt (1994), S. XVIf. 61 Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass Porter selbst keinen Gegensatz zwischen der resource-based view und seinem Industrial Organizations Ansatz erkennt, respektive diesen für überholt und auf andere Ansätze bezogen hält. 62 Rüegg-Stürm (2002 ), S. 45. 63 Prahalad/Hamel (1990), S. 83f. 57 58
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
55
Nutzen des Endprodukts beitragen (2) und drittens darf eine Kernkompetenz durch den Wettbewerb nur schwer zu imitieren sein (3). Kernkompetenzen sind somit einzigartige Fähigkeiten eines Unternehmens, die es aus Sicht der Kunden erlauben, im Vergleich zum Wettbewerb überlegene Produkte und Dienstleistungen anzubieten und damit nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen.64 Dieses Konzept nehmen Prahalad und Hamel zum Anlass, die klassische Organisation anhand strategischer Geschäftseinheiten (SBU) in Frage zu stellen. Sie empfehlen, die Organisation gemäss des Kompetenzbaums anhand der Kernprodukte und -fähigkeiten auszurichten, was weit reichende Konsequenzen für die Organisation und ein Umdenken im Management mit sich bringt.65 Ihr vierstufiges Konzept zum Management von Kernkompetenzen besteht dabei aus „selecting“, „building“, „deploying“ und „protecting core competencies“,66 wobei die einzelnen Aufgaben und konkreten Handlungsschritte für das Management allerdings eher vage und unverbindlich bleiben.67 Als Konsequenz sind folgende Punkte aus der Diskussion festzuhalten: • Die Ressourcenausstattung ist für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ein bedeutender Faktor. • Die Produkt-/Markt-Festlegung ist nicht die einzige Strategieentscheidung. • Die Kenntnis der Kernkompetenzen ist für das Management eines Unternehmens wichtig. 2.1.2.2 Die relationale Perspektive 68 Obgleich sich die relationale Perspektive im Prinzip als fehlende Ergänzung zu den beiden bisherigen Perspektiven versteht, so ist sie gedanklich doch eher komplementär zum ressourcenorientierten Ansatz zu sehen. Dyer und Singh bringen auf der Suche nach den Quellen der Wettbewerbsfähigkeit erstmals auf konzeptioneller Ebene explizit kooperationsspezifische Aspekte in die Diskussion des strategischen Managements ein. Sie argumentieren, dass es künftig wichtiger werden wird, auch unternehmensübergreifende Beziehungen als Untersuchungseinheit zu begreifen,69 um Wettbewerbsvorteile analysieren und verstehen zu können. In Bogner/Thomas (1994). Prahalad/Hamel (1990), S. 86. 66 Hamel (1994), S. 25ff. 67 Binder/Kantowsky (1996), S. 41. 68 Dyer/Singh (1998). 69 Dyer/Singh (1998), S. 661. Diese Notwendigkeit wird auch von anderen Autoren so gesehen. Vgl. hierzu auch Anderson (1990), Gomes-Casseres (1994). 64 65
56
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
diesem ersten integrierten Konzept für einen relationalen Ansatz identifizieren sie vier mögliche Quellen solch kooperativer Wettbewerbsvorteile.70 Diese sind: 1) relation-specific assets, 2) knowledge-sharing routines, 3) complementary resources and capabilities und 4) effective governance. Ferner analysieren sie für jeden der vier Punkte zwei wesentliche Wirkungsmechanismen, die für das im Vergleich zum Wettbewerb bessere Ergebnis verantwortlich sein sollen („subprocesses facilitating relational rents“). Abbildung 2.5 veranschaulicht das in dieser Art aufgebaute Konzept. Die Vorteile durch spezifische Anlagen und Investitionen (relationspecific assets) werden nach ihrer Auffassung vor allem über geringere Kosten in der Wertschöpfungskette, stärkere Produktdifferenzierung, weniger Fehler und schnellere Produktentwicklungszyklen realisiert.71 Zwei Mechanismen können dabei diese Vorteile forcieren. Zum einen werden Partner eher in spezifische Anlagen investieren, wenn durch geeignete Mechanismen 72 ein effektiver und längerer Schutz vor opportunistischem Verhalten des Partners gewährleistet ist 73 und damit zusammenhängend ein ausreichender Zeitraum zur Amortisation der Investitionen zur Verfügung steht. Zum anderen wird auch ein zu erwartendes höheres Transaktionsvolumen zwischen den Partnern zu einer grösseren Investitionsbereitschaft führen.
Es gab auch früher schon Untersuchungen, die sich explizit mit den Wettbewerbsvorteilen befassten, die Unternehmen aus ihren Kooperationen generierten. Jedoch tendierten sie i.d.R. dazu, auf nutzenstiftende Einzelaspekte, wie z.B. Lernmechanismen, geringere Transaktionskosten oder auch das Poolen von Ressourcen zu fokussieren (siehe z.B. Dore 1983, Dyer 1996, Hamel 1991, Larson 1992, Powell et al. 1996 und Teece 1987). 71 Dyer/Singh (1998), S. 664. 72 Dies kann ein längerfristiger Vertrag mit entsprechenden Zusicherungen o.Ä. sein. 73 Williamson (1975). 70
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze Subprocesses facilitating relational rents
Determinants of relational rents
1.
2.
3.
4.
Relation-specific assets
Knowledge-sharing routines
Complementary resources and capabilities
Effective governance
57
1a.
Duration of safeguards
1b.
Volume of interfirm transactions
2a.
Partner-specific absorptive capacity
2b.
Incentives to encourage transparency and discourage free riding
3a.
Ability to identify and evaluate potential complementaries
3b.
Role of organizational complementarities to access benefits of strategic resource complementarities
4a.
Ability to employ self-enforcement rather than third-party enforcement governance mechanisms
4b.
Ability to employ informal versus formal self-enforcement governance mechanisms
Abb. 2.5 Determinanten unternehmensübergreifender Wettbewerbsvorteile 74
Zur Nutzung des Wissenspotenzials innerhalb der Kooperation wird vor allem die Fähigkeit benötigt, Wissen zu transferieren, zu rekombinieren und spezielles Wissen zu generieren. „Knowledge sharing routines“ sind regelmässige Interaktionen zwischen den Firmen, die genau dies ermöglichen.75 Verstärkt wird dieser Effekt durch die Fähigkeit der Unternehmen, den Wert neuer, externer Informationen zu erkennen und entsprechend nutzbringend anzuwenden (absorptive capacity).76 Weiterhin tragen Anreizsysteme, die Offenheit, Transparenz und gegenseitige Unterstützung fördern, zum effektiven Wissenstransfer bei.77 Komplementäre Ressourcen und Fähigkeiten (complementary resources and capabilities) erwirtschaften, sofern sie in geeigneter Form gemeinsam
Dyer/Singh (1998), S. 663. Grant (1996). 76 Cohen/Levinthal (1990). 77 Dyer/Singh (1998), S. 666. Dies können z.B. ausgetauschte Anteile oder vertragliche Vereinbarungen sein, welche die Interessen der Partner aneinander ausrichten und damit den Wissenstransfer fördern (Kogut 1988, Mowery et al. 1996). 74 75
58
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
genutzt werden, einen höheren Ertrag, als die Summe der Einzelerträge.78 Dieser synergetische Effekt entsteht dadurch, dass die kombinierten Ressourcen wertvoller, seltener und schwieriger imitierbar werden, als sie es in nicht kombinierter Form waren. Unterstützt wird dieser Effekt zunächst durch die Fähigkeit der Unternehmen, Komplementoren überhaupt identifizieren und richtig beurteilen zu können. Neben diesen vorwiegend strategischen Fragestellungen müssen die organisatorischen Voraussetzungen geeignet sein, um den gewünschten synergetischen Effekt auch zu realisieren. Dies hängt vor allem von der Kompatibilität der (potenziellen) Partner in Sachen Entscheidungsprozesse, Informations- und Kontrollsysteme sowie Kultur ab.79 Eine gewisse Nähe zur Relational View haben Ansätze, die heute unter dem Stichwort Netzwerktheorie diskutiert werden und sich explizit mit Fragen von Kooperationen und Allianzen beschäftigen: Gemäss Klein unterscheidet die Literatur in Summe drei unterschiedliche Ansätze zur Positionierung von Netzwerken: 80 Netzwerke als Hybridform im Sinne von Williamson,81 Netzwerke als eigenständige Organisationsform im Sinne von z.B. Powell 82 und Netzwerke als dialektische Synthese im Sinne von z.B. Richardson.83 In einer konsolidierten Form beschreibt Klein Unternehmensnetzwerke als einen Verbund selbständiger, aber interdependenter Unternehmen, die wirtschaftliche Austauschbeziehungen pflegen. Diese Beziehungen weisen kooperative wie kompetitive Charakteristika auf, sind flexibel, verfügen über eine relativ hohe Organisiertheit und umfassen auch soziale Dimensionen.84 Mit dieser Definition ist allerdings noch nicht viel ausgesagt über die organisatorische Ausgestaltung solcher Netzwerke. So weisen Child und Faulkner darauf hin, dass die Organisation kooperativer Aktivitäten ein breites Spektrum umfassen kann.85 Eine extreme Ausprägung ist die Allianz, die durch einen Partner dominiert wird und insofern mehr oder weniger gemäss den hierarchischen Vorgaben einer „konventionellen“ Organisation strukturiert ist. Killing hat in einer Joint Venture Studie gezeigt, dass dieses „dominante Partner“-Modell mit einer überlegenen ökonomischen Performance verknüpft ist und daher die Empfehlung ausgegeben, Dyer/Singh (1998), S. 666f. Doz (1996 ), Kanter (1994). 80 Klein (1996), S. 89ff., zitiert aus Fleisch (2001), S. 71f. 81 Williamson (1991). 82 Powell (1990). 83 Richardson (1972). 84 Klein (1996), S. 88. 85 Child/Faulkner (1998), S. 38. 78 79
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
59
dieses Modell möglichst immer anzuwenden.86 Dem halten Child und Faulkner allerdings entgegen, dass es sich dabei im Prinzip um kein wirklich kooperatives Modell handelt und man dadurch auf mögliche Beiträge des nicht dominierenden Partners ungewollt verzichtet. Das „idealtypische“ Netzwerkmodell findet sich auf der anderen Seite des Spektrums, welches die kollaborierenden 87 Partner als durch eine Vielzahl an lateralen Verbindungen und Austauschbeziehungen verknüpft ansieht.88 Faulkner präzisiert diese Auffassung, indem er dem Begriff Netzwerk eine ganz bestimmte Kooperationsform zuordnet, die durch ein hohes Mass an gegenseitigem Interesse, eine aktive Teilnahme aller beteiligten Partner und eine offene Kommunikation geprägt ist.89 Vor allem diese Variante ermöglicht die Ausbildung reichhaltiger Kommunikationskanäle und Interdependenzen, wie sie nicht ohne weiteres durch ein formales Organigramm o.Ä. abgebildet werden könnten. In Übereinstimmung mit weiteren Autoren schlägt Fleisch für die Klassifizierung solcher Netzwerkbeziehungen eine Dreiteilung in interne, stabile und dynamische Netzwerke vor.90 Unterschieden werden diese Netzwerke anhand einer Reihe von Attributen. Diese sind der Zweck des Netzwerks, das Mass an vertikaler Integration, der Zeitrahmen und die Wiederholwahrscheinlichkeit der Transaktionen, die Art der Kommunikation sowie die Organisationsprinzipien.91 Folgende Punkte bleiben festzuhalten: • Kooperationen (überbetriebliche Aspekte) sind ein wichtiger Bestandteil neuerer Strategie-Diskussionen. • Es ist eine hohe Komplexität und Vielfalt an existierenden Kooperationsformen und Theorien festzustellen; als Konsequenz ist ein strukturierter Ansatz zum Kooperationsmanagement erforderlich.
Killing (1982). Das Wort Kollaboration betont an dieser Stelle die Existenz kooperativer und kompetitiver Elemente. 88 Nohria (1992). 89 Faulkner (1995). 90 Vgl. Fleisch (2001), S. 74ff. sowie die dort referenzierte Literatur: Snow et al. (1992), Miles/Snow (1986), Snow/Thomas (1993) sowie für ähnliche Aufteilungen Picot (1996), S. 14, Pribilla et al. (1996) und Bleicher (1994). 91 Vgl. hierzu auch Alstyne (1997). 86 87
60
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
2.1.2.3 Potenzialorientiertes Management Die Entwicklung potenzialorientierter Ansätze geht auf Gälweiler zurück, der als Erster den Begriff der strategischen Erfolgpotenziale geprägt hat.92 Gälweiler versteht Erfolgspotenziale als Vorsteuergrösse des Unternehmenserfolgs.93 Die Idee des potenzialorientierten Managements hat sich unterdessen als pragmatisches Konzept und Baustein einer zu den USamerikanischen Ansätzen alternativen Philosophie des strategischen Managements wie auch als Gegenstand der deskriptiven Theoriebildung etabliert.94 Grundgedanke des potenzialorientierten Managements ist die Schaffung von Voraussetzungen, um in einer Umwelt zunehmender Unsicherheit und Komplexität weiterhin agieren zu können. Erfolgspotenziale ergeben sich dabei aus der Gegenüberstellung von Konstellationen des Marktes bzw. der Umwelt und den inneren Faktoren einer Unternehmung, zunächst aber ohne sich dabei grundsätzlich von Produkt-Markt-Kombinationen lösen zu können.95 Aus dieser Vorstellung heraus werden die wechselseitigen Abhängigkeiten von Umwelt und Unternehmen deutlich, die den potenzialorientierten Managementansatz zu einem Ansatz werden lassen, der die Fähigkeit mitbringt, die übrigen Perspektiven in seinem Gedankenmodell zu integrieren.96 Aufbauend auf diesen Gemeinsamkeiten haben sich eine Reihe unterschiedlicher Ansätze entwickelt. Zu nennen sind hier exemplarisch das originäre Konzept der Erfolgspotenziale nach Gälweiler, das KompassKonzept von Krüger und Schwarz, das Konzept der Leistungspotenziale nach Stalk et al. sowie das integrativ-strategische Management nach Scholz.97 Bleicher (1999), S. 458. Er versteht darunter „ ... das gesamte Gefüge aller produkt- und marktspezifischen erfolgsrelevanten Voraussetzungen, die spätestens dann bestehen müssen, wenn es um die Erfolgsrealisierung geht.“ (Gälweiler 1987, S. 26) 94 Wolfrum (1993), S. 28f. 95 Binder/Kantowsky (1996), S. 43. 96 Es wurde bereits weiter vorne darauf hingewiesen (Fussnote 50), dass die Einordnung von Resource-based und Industry-based Ansätzen als zwei gegensätzliche Pole bei näherer Betrachtung kaum aufrechterhalten werden kann. Nichtsdestotrotz legen die Ansätze einen Fokus auf eine bestimmte Betrachtungsweise. Dies wird im potenzialorientierten Ansatz durch einen gleichberechtigten Blick überwunden. 97 Vgl. Gälweiler (1987), Krüger/Schwarz (1990), Stalk et al. (1993), Scholz (1987). Für einen kurzen Abriss über die potenzialorientierten Konzepte sei an dieser Stelle auf die Arbeit von Binder und Kantowsky verwiesen (Binder/Kantowsky 1996, S. 46ff.). 92 93
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
61
Im Weiteren wird der St. Galler Ansatz der Strategischen Erfolgspositionen von Pümpin ausführlicher dargestellt. Er unterscheidet sich von den früheren Ansätzen durch die Loslösung von der Ausrichtung auf ProduktMarkt-Kombinationen. Das Konzept der Strategischen Erfolgspositionen nach Pümpin 98 Beim Konzept der Strategischen Erfolgspositionen (SEP) handelt es sich um ein über mehrere Stufen hinweg ausdifferenziertes Begriffssystem, welches in seinen Grundgedanken denjenigen von Gälweiler folgt. Wie Pümpin betont, war seine erste Publikation zum Konzept der SEP im Jahre 1981 schwergewichtig noch ein produkt-/marktbezogener, wettbewerbsstrategischer Ansatz, der die Wechselbeziehungen zwischen Unternehmen, Absatzmarkt und Konkurrenten im Visier hatte.99 Auf Basis einer Untersuchung stellte Pümpin gegen Ende der 80er Jahre aber fest, dass die Erfolge überdurchschnittlicher Unternehmen vor dem Hintergrund zusehends gesättigter Märkte nicht mehr ausschliesslich mit der Verfolgung reiner Produkt-/Marktstrategien zu erklären waren. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte er 1989 sein „Dynamik-Prinzip“, welches erstmalig explizit strategische Schwerpunkte in nicht marktbezogenen Bereichen zuliess.100 Die neuen Erkenntnisse integrierte er 1992 in das Konzept der SEP, welches durch eine verstärkte Fokussierung auf Fähigkeiten und Ressourcen die bis damals allgemein üblichen Produkt-Markt-Kombination aufgibt, über das Konzept der Nutzenpotenziale aber dennoch die Brücke zur Unternehmensumwelt schlägt. Der Leitgedanke, der das strategische Konzept trägt, ist der einer systematischen Dynamisierung des Unternehmens, um den Herausforderungen, wie Zunahme der Turbulenz, gesättigte Märkte und zunehmende Reife von Unternehmen 101 künftig gerecht werden zu können. Im Folgenden werden die Grundzüge und Kernbegriffe dieses potenzialorientierten Ansatzes vorgestellt. Nutzenpotenziale Der integrierende Brückenschlag im strategischen Management gelingt in dem Konzept von Pümpin vor allem über die Konstruktion einer normativen Ebene mit entsprechenden, dort verankerten, Erfolgspotenzialen. Diese Erfolgspotenziale „ ... entstehen durch die Erfüllung von Forderungen Vgl. Pümpin (1992a, b). Vgl. Pümpin (1992b), S. 14. 100 Vgl. Pümpin (1992a). 101 Reife Unternehmen werden durch Pümpin kritisch beurteilt, da sie häufig an einer Vielzahl von reifen, stagnierenden und althergebrachten Traditionen festhalten und damit zusehends anfälliger werden für dynamische Umfeldentwicklungen (vgl. Pümpin 1992b, S. 15f.). 98 99
62
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
von Bezugsgruppen nach Stiftung eines Nutzens durch die Unternehmung im Laufe der Zeit.“ 102 Sie stellen somit eine normativ zu interpretierende umweltbezogene Leistung der Unternehmung dar. „Als ein Nutzenpotenzial ist eine in der Umwelt, im Markt oder im Unternehmen latent oder effektiv vorhandene Konstellation zu bezeichnen, die durch Aktivitäten des Unternehmens zum Vorteil aller Bezugsgruppen erschlossen werden kann.“ 103 Die Definition macht zweierlei sichtbar. Zum einen setzt eine Nutzenstiftung für die Bezugsgruppen eine bestimmte günstige Konstellation voraus. Eine solche Konstellation kann sich dabei im Unternehmen selbst befinden (z.B. bezogen auf die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten), im Markt bzw. der Branche oder im sonstigen Unternehmensumfeld (z.B. im Staat, auf dem Arbeitsmarkt, bei den Shareholdern etc.). Hiermit wird im Vergleich zur Outside-in-Perspektive ein grösseres Betätigungsfeld für das Unternehmen erschlossen, welches mehr Opportunitäten beinhaltet. Zum anderen kann das Nutzenpotenzial auf Basis der Aktivitäten des Unternehmens adressiert werden, d.h. durch eine zielgerichtete Aktivierung der Fähigkeiten und Ressourcen.104 Nutzenpotenziale sind darüber hinaus unterschiedlich attraktiv. So gibt es z.B. offensichtliche Nutzenpotenziale. Diese sind aber aufgrund ihrer Eigenschaft der Offensichtlichkeit i.d.R. wenig attraktiv, da sie mit Sicherheit bereits von anderen Firmen erkannt und erschlossen worden sind. Diese Eigenschaft trifft heute auf viele Marktpotenziale zu. Dies erklärt auch einen Teil der heute beobachtbaren Konzentrations- und Verdrängungsprozesse in vielen etablierten Branchen.105 Andere Nutzenpotenziale hingegen sind unauffälliger und somit eher latent vorhanden. Sie entstehen immer wieder durch neue Entwicklungen und Veränderungen in der UmBleicher (1999), S. 460. Pümpin (1992a), S. 47. 104 An dieser Definition wird die gedankliche und konzeptionelle Loslösung von den üblichen Produkt-Markt-Kombinationen nochmals deutlich. Der Bezug zu den Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens liefert nachher die Überleitung zum Begriff der Strategischen Erfolgpotenziale. 105 Bronder (1992), S. 56f. schreibt hierzu: „Das am häufigsten ausgeschöpfte Nutzenpotenzial ist sicherlich das Marktpotenzial. (...) Allerdings gehen viele Wettbewerber bei der Ausschöpfung des Marktpotenzials die gleichen Wege, wodurch es in vielen Branchen zu einer hohen Wettbewerbsintensität kommt. Gehen diese gleichgerichteten strategischen Verhaltensweisen mit Sättigungserscheinungen einher, dann ist oft eine Abnahme der Nutzenstiftung zu verzeichnen.“ 102 103
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
63
welt, im Markt oder im eigenen Unternehmen.106 Solche latenten und im Entstehen begriffene Nutzenpotenziale zu finden und zu adressieren, sollte somit das vordringliche Ziel des strategischen Managements sein. Nutzenpotenziale bestehen ausserdem nicht für immer, sondern durchlaufen einen Lebenszyklus. Nutzenpotenziale sind auf Ungleichgewichtszustände im dynamischen Beziehungsgeflecht von Umwelt, Markt und Unternehmen zurückzuführen. Derartige Zustände sind grundsätzlich von begrenzter Dauer und somit Gegenstand ständiger, evolutorischer Veränderung (Entstehung, Wachstum, Reife, Niedergang).107 Dieses Modell ist als idealtypisch zu verstehen, da es Nutzenpotenziale gibt, die nach ihrer Entdeckung niemals in eine Wachstums- und Reifephase gelangen, oder auch solche, die sehr lange Reifephasen aufweisen.108 In der Regel ist es aber so, dass junge Nutzenpotenziale auch die entsprechend attraktiveren sind und das grössere Gewinnpotenzial mitbringen, obgleich ihre anfängliche Ausschöpfung mit Vorleistungen des Unternehmens verbunden sein kann. Besonders erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie es immer wieder schaffen, junge Nutzenpotenziale, auch ausserhalb der üblichen Produkt-Markt-Kombinationen, zu entdecken und diese frühzeitig auszuschöpfen. Aufgrund der steigenden Dynamik und der kürzer werdenden Zykluszeiten wird in Folge die permanente Suche nach immer neuen Nutzenpotenzialen zu einer der zentralen Managementaufgaben.109 Strategische Erfolgspositionen Strategische Erfolgspositionen sind das auf die Ressourcen und Fähigkeiten eines Unternehmens bezogene Konstrukt dieses integrierenden Managementansatzes. Durch sie ist es möglich, attraktive Nutzenpotenziale zum Wohle der Bezugsgruppen des Unternehmens auszuschöpfen. Die Attraktivität des Nutzenpotenzials stellt hierbei eine wesentliche Voraussetzung für den Unternehmenserfolg dar.110 Für die tatsächliche Erschliessung von attraktiven Nutzenpotenzialen ist es notwendig, die hierfür erforderlichen,
Vgl. Pümpin (1992a), S. 55. Bleicher (1999), S. 473. 108 Pümpin (1992a), S. 56f. führt an dieser Stelle das Beispiel Aspirin an, das als Pulver bereits seit 1900 angeboten wird und über dessen therapeutische Wirkungen auch heute noch immer neue Erkenntnisse gewonnen werden. 109 Pümpin (1992b), S. 27. 110 Würde sich ein Unternehmen nur auf reife oder gar niedergehende Potenziale konzentrieren, käme das einer Stagnation des Unternehmens gleich (Pümpin 1992b, S. 28). 106 107
64
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
dem Wettbewerb überlegenen Fähigkeiten aufzubauen. Pümpin definiert strategische Erfolgspositionen folgendermassen: 111 „Strategische Erfolgspositionen sind die für eine erfolgreiche Erschliessung eines Nutzenpotenzials erforderlichen Fähigkeiten des Unternehmens, die es ihm erlauben, längerfristig überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen.“
normativ
NUP
strategisch operativ
Managementdimension
Strategische Erfolgspositionen sind somit zielgerichtet und relativ zum Wettbewerb gebündelte Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens, an denen sich die Effektivität der Umsetzung normativer Vorgaben und die Effizienz ihrer operativen Umsetzung widerspiegelt.112 Sie haben folglich eine Brückenfunktion zwischen dem von Fähigkeiten und Ressourcen getragenen Leistungsspektrum eines Unternehmens und der damit einhergehenden potenziellen Nutzenstiftung für die Bezugsgruppen inne. Abbildung 2.6 macht diese Brückenfunktion deutlich. Ferner wird veranschaulicht, dass die auf Nutzenpotenziale ausgerichtete Bündelung besonderer Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens zum Besetzen von strategischen Erfolgspositionen führen kann und damit zu längerfristig überdurchschnittlichen Unternehmensergebnissen.
P SE Fähigkeiten Ressourcen Unternehmung
Markt
Umwelt
Systembezug
Abb. 2.6 Brückenfunktion strategischer Erfolgspositionen 113
Pümpin (1992b), S. 28. Bleicher (1999), S. 462. 113 in Anlehnung an Binder/Kantowsky (1996), S. 67. 111 112
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
65
Schuhs Ansatz generischer Strategien im Informationszeitalter Schuh entwickelt den Ansatz von Pümpin in der Folge weiter. Basierend auf den Überlegungen von Pümpin zu strategischen Erfolgspositionen leitete er aus zahlreichen selbst durchgeführten Fallstudien die zentralen, immer wieder auftauchenden SEPs im heutigen Umfeld ab. Die Grundidee des Ansatzes ist, sich durch Einzigartigkeiten einem unmittelbaren Preiskampf zu entziehen, d.h. sich nicht auf eine mit Standort Westeuropa wenig Erfolg versprechende Kostenführerschaftsstrategie festzulegen.114 Eine Strategie, die das Erreichen einer langfristig Erfolg versprechenden Unternehmenspositionierung zum Ziel hat, sollte für den proaktiven Aufbau verteidigbarer strategischer Erfolgspositionen (SEP) sorgen. Typischerweise sind es jeweils zwei strategische Erfolgspositionen, die eine Wettbewerbsarena charakterisieren. Schuh erwähnt, dass z.B. eine hervorragende Fertigungskompetenz alleine zur Differenzierung meist nicht ausreicht.115 Schuh leitet insgesamt vier heute relevante SEPs und darauf aufbauend sechs Grundstrategien ab. Die SEPs sind: Produktsign/Produkttechnologie, Marke/Image/Marktzugang, Prozesskettenbeherrschung und Produktion/Prozesstechnologien. Die Strategien, die sich aus der Kombination von je zwei dieser SEPs ableiten lassen sind (Abb. 2.7).116 Marke/ Image/ Marktzugang
lig O
ol op r ve Le e ag
Produktion/ Prozesstechnologie
ntio va no In
Technology-Leverage
Design
Lateral
Abb. 2.7 Referenzstrategien im Internet-Zeitalter
Vgl. Schuh (2002a), S. 24f. Ebenda, S. 26f. 116 Schuh (2002a), S. 27ff. 114 115
Marktführer
Produktdesign/ Produkttechnologie
Prozesskettenbeherrschung
66
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
• Designstrategie: Unverwechselbare Produkte und „First mover“Vorteile zeichnen diese Strategie aus. Innovationen sind das Ergebnis gezielter Investitionen und konsequenter (Weiter-)entwicklung. • Oligopol-Strategie: Hervorragender Marktzugang bzw. exzellente Markenidentität verbunden mit guter Technologie- bzw. Prozessbeherrschung, die nach einiger Zeit aber keine technologische oder prozedural signifikante Differenzierung mehr erlaubt, führt typischerweise zu Konsolidierungsprozessen und Verdrängungswettbewerb. Die wenigen verbleibenden grossen Anbieter sollten sinnvollerweise auf gegenseitige Verdrängungsversuche verzichten. • Marktführer Strategie: Beruht ähnlich der Oligopol-Strategie auf einem hervorragenden Marktzugang und/oder einer starken Marke. Hier wird allerdings der signifikant höchste Marktanteil angestrebt, um durch Marktdominanz bzw. Marktbeherrschung weit überdurchschnittliche Volumina und damit Skaleneffekte in der Prozesskette zu erschliessen, die an die Kunden weitergegeben werden können. • Technology-Leverage-Strategie: In sehr transparenten oder überschaubaren Märkten, häufig bei Halbfabrikaten, d.h. Zwischenstufen der Wertschöpfungskette macht es oft Sinn produkt- oder produktionsseitige Einzigartigkeiten durch Ergänzung vor- oder insbesondere nachgelagerter Wertschöpfungsstufen zu verstärken (Technology-Leveraging). Hierzu sind auch Wertschöpfungspartnerschaften wie Branchen oder Cluster oder Genossenschaften geeignet. • Innovation-Leverage-Strategie: Wenn Produktinnovationen in hoher Kadenz das signifikanteste Differenzierungsmerkmal ausmachen oder in einer produktseitig wenig differenzierten Wettbewerbsarena einzelne Innovationen auch Newcomern sofort zum Durchbruch verhelfen würden, bietet sich diese Strategie an. Schüssel zum Erfolg bei dieser Strategie ist, dass zu vernünftigen Konditionen Leistungs- und Lieferverfügbarkeit gewährleistet werden und somit schnellstmögliche Technologiewechsel möglich sind. • Laterale Strategie: Eine hohe Problemlösungskompetenz im Kontext individueller Fragestellungen kombiniert mit einzelnen überdurchschnittlichen eigenen technologischen Fähigkeiten sind die notwendigen Voraussetzungen zur Verfolgung einer lateralen Strategie. Die unternehmensinterne und/oder regionale Bündelung teils konkurrierender Ressourcen und Anbieter ermöglichen dabei eine aussergewöhnlich hohe Verfügbarkeit der „best of breed“, d.h. der Klassenbesten je Wertschöpfungsstufe. Schuh schliesst seinen Beitrag mit einem Ausblick auf neue Kollaborationsformen, die vor dem Hintergrund von Technologie-Leverage-, Inno-
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
67
vations-Leverage- oder lateralen Strategien eine besondere Bedeutung für die produzierenden Unternehmen erlangen werden.117 Aus der Betrachtung der potenzialorientierten Ansätze lassen sich folgende Konsequenzen für den zu entwickelnden Rahmen ableiten: • Weg von einer ausschliesslichen Betrachtung von Produkt-/Markt-Kombinationen. • Dynamische Ansätze berücksichtigen die abnehmende Attraktivität von Nutzenpotenzialen über die Zeit. • Integrierende Ansätze zwischen Markt- und Ressourenbetrachtung notwendig. • Einzigartigkeit als Differenzierungsnotwendigkeit an Standorten in entwickelten Volkswirtschaften. • Kostenführerschaftsstrategien sind kaum Erfolg versprechend. 2.1.2.4 Dynamisierung des Managements – Der General Management Navigator Müller-Stewens und Lechner gehen bei der Vorstellung ihres General Management Navigator von den aktuellen Herausforderungen der strategischen Unternehmensführung aus.118 Als eines der grundlegendsten Probleme betrachten sie, dass Unternehmen die Zukunft nicht vorhersehen können. Aber nicht nur die Prognose der Zukunft ist ein Problem, sondern auch, dass in der Gegenwart die Vielfalt der Ereignisse so gross ist, dass es unmöglich ist, den Überblick zu behalten. Dazu kommt das so genannte Phänomen der Mehrdeutigkeit, d.h. die objektiv auftretende Problematik kann aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich wahrgenommen werden. Trotzdem müssen Entscheidungen gefällt und Handlungen ausgeführt werden. Als brauchbare Basis für solche Entscheidungen betrachten Müller-Stewens und Lechner konzeptionelle Raster. Sie definieren konzeptionelle Raster als „private Weltsicht, die Menschen im Laufe ihres Lebens entwickeln, und anhand derer sie die wahrgenommenen Ereignisse ordnen, deuten, bewerten und darauf aufbauend handeln.“ 119 Konzeptionelle Raster selektieren und reduzieren dadurch Mehrdeutigkeit, Komplexität und Unsicherheit. In der Folge entwickeln die Autoren ein konzeptionelles Raster für die strategische Unternehmensführung. Dabei handelt es sich um ein Modell der Transformation von Unternehmen und Umwelt. Vgl. Ebenda, S. 30f. Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2001), S. 13ff. 119 Ebenda, S. 14. 117 118
68
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
Das Handlungssystem eines Unternehmens 120 Das Handlungssystem eines Unternehmens ist ein Interaktionsgefüge zwischen dem Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen. Aus Sicht des Unternehmens ist innerhalb dieses Systems eine möglichst vorteilhafte Position anzustreben, d.h. die Handlungsmöglichkeiten des Unternehmens sollten möglichst gross sein. Ein Unternehmen schöpft prinzipiell Handlungsmöglichkeiten aus seinen Fähigkeiten. Diesen Fähigkeiten sind durch die organisationale Umwelt Grenzen gesetzt. Die gezielte Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten i.S. einer Veränderung des Unternehmens ist eine der Aufgaben strategischer Unternehmensführung. Das Handlungssystem eines Unternehmens ist in Abb. 2.8 vereinfacht dargestellt. Die Grenzen der Unternehmung werden durch die Fähigkeiten des Unternehmens einerseits und den Einfluss der Bezugsgruppen andererseits beeinflusst. Die Auswahl der relevanten Umwelt ist bereits Bestandteil der strategischen Unternehmensführung, weil dadurch Entscheide determiniert werden. Wahrgenommene Wahrgenommene Umwelt Umwelt Relevantes Relevantes Umfeld Umfeld
Unternehmen
Abb. 2.8 Das Handlungssystem eines Unternehmens 121
120 121
Vgl. Müller-Stewens/Lechner (1998), S. 9ff. Ebenda, S. 11, vereinfacht.
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
69
Das Transformationskonzept Unter Transformationskonzept verstehen Müller-Stewens und Lechner einen aktiven, zielgerichteten Gestaltungsversuch des Handlungssystems durch die strategische Unternehmensführung. Das Transformationskonzept setzt sich aus Strategie- und Wandelarbeit zusammen. Strategiearbeit ist dabei die Arbeit an der vorteilhaften Positionierung des Unternehmens gegenüber den Bezugsgruppen im Handlungssystem. Die Wandelarbeit umfasst die erforderlichen Veränderungen der organisationalen Fähigkeiten. Ausgehend von Ist-Aufnahmen des Handlungssystems versucht die Transformationsarbeit das Handlungssystem nach Massgabe von Zielvorstellungen zu entwickeln. Da die Entwicklung von Unternehmen und ihrer Umwelt nur begrenzt gestaltbar ist, werden diese Ziele nie vollständig erreicht werden können. Relevantes Umfeld
1
Relevantes Umfeld
Unternehmen
Unternehmen 2
IstAufnahme (1)
Zielvorstellung
IstAufnahme (2)
Zeit
1 2
Nicht beeinflussbare Entwicklungskräfte Transformationsarbeit
Abb. 2.9 Entwicklung eines Handlungssystems im Zeitablauf 122
Der General Management Navigator stellt ein Moderationskonzept zur Verfügung. Dieses Konzept strukturiert die strategische Führung. Neben Funktionen als Moderationsinstrument, heuristisches Problemraster, Generator von Optionen, Vermittler eines integrierten Verständnisses von Strategie- und Wandelfragen kann der General Management Navigator auch 122
Müller-Stewens/Lechner (1998), S. 19.
70
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
als konkreter Gestaltungsprozess verstanden werden.123 Als Gestaltungsprozess zeichnet er die Arbeitsschritte beteiligter Führungskräfte nach und begleitet die Gestaltung prozessual und inhaltlich. Die Arbeitsfelder 1 und 2 umfassen die vorher erwähnte Strategiearbeit, die in eine inhaltliche (was) und eine prozessuale (wie) Komponente zerlegt wurde. Die Arbeitsfelder 3 und 4 beschäftigen sich mit der Wandelarbeit und dies ebenfalls aufgeteilt in einen inhaltlichen und einen prozessualen Teil. Arbeitsfeld 1
Entwicklung
Projektarbeit
Arbeitsfeld 2
Positionierungsarbeit Performance
Prozess
Inhalt
Wie?
Was?
Messung Wertschöpfungsarbeit
Dramaturgiearbeit Arbeitsfeld 4
Arbeitsfeld 3
Veränderung
Abb. 2.10 Der General Management Navigator 124
In der Strategiearbeit wird die konzeptionelle Positionierung des Unternehmens entworfen. Die Wandelarbeit setzt sich mit der Frage auseinander, wie diese Positionierung am besten im Unternehmen umgesetzt werden kann. Die beiden Arbeitsbereiche sind nicht als zeitlich getrennt voneinander zu verstehen. Es handelt sich dabei um einen mehrfachen Iterationsprozess. Damit unterscheidet sich dieses Konzept von der weiter vorne beschriebenen traditionellen strategischen Planung erheblich. Vom sequenziellen Abarbeiten von Planungsschritten wird bewusst abgegangen und die Strategie- und Wandelarbeit wird integriert und nicht getrennt betrach123 124
Vgl. Ebenda, S. 31. Müller-Stewens/Lechner (1998), S. 28.
2.1 Planungs- und Gestaltungsansätze
71
tet, unter Berücksichtigung auch sich ausserhalb des Einflussbereichs des Unternehmens entwickelnder Veränderungen. Dem oben dargestellten Transformationszirkel liegt ein Verständnis der begrenzten Gestaltbarkeit zugrunde, er fokussiert auf die Ansatzpunkte, an denen eine aktive Gestaltung ansetzen kann. Die zentralen Arbeitsbereiche der einzelnen Felder sind: • Projektarbeit: Im Feld Projektarbeit setzt man sich mit der Frage auseinander wie die Strategie- und Wandelarbeit ablaufen soll. Wie ist das Team zusammenzusetzen, was für Arbeitsschritte sind durchzuführen, wann fällt welcher Schritt an, was für Ressourcen sind dazu erforderlich, etc. • Positionierungsarbeit: In der Positionierungsarbeit gilt es, die Positionierung gegenüber den Anspruchsgruppen festzulegen. Als Erstes muss dazu Klarheit über die Ist-Situation des Unternehmens gewonnen werden. • Wertschöpfungsarbeit: In der Wertschöpfungsarbeit werden notwendige Veränderungen, die sich aus der Positionierungsarbeit ergeben haben, abgeleitet. • Dramaturgiearbeit: In der Dramaturgiearbeit geht es darum, die Veränderungsmassnahmen in die Organisation hineinzubringen. Müller-Stewens und Lechner sprechen von „orchestrieren“.125 Als Ergebnis des Durchdenkens dieses konzeptionellen Rasters resultiert ein „Drehbuch für den Wandel“.126 Zusammenfassend ergibt sich daraus folgendes: Notwendigkeit der Integration von Strategie- und Wandelfragen. 2.1.2.5 Zusammenfassende Bewertung und Einordnung der Ansätze Die vorgestellten Strategie-Ansätze betrachten das Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven und erlauben es damit ein ganzheitlicheres Bild und verschiedene Dimensionen desselben Objekts zu identifizieren. Gerade die neueren Ansätze gehen in Richtung einer vermehrten Integration und Dynamisierung. Dabei werden sowohl Gegensätze zwischen marktgetriebenen und ressourcengetriebenen wie auch zwischen Strategie- und 125 126
Ebenda, S. 29. Ebenda, S. 30.
72
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
Wandelarbeit aufgelöst und überwunden. Als besonders relevant für die Anforderungen an den in Kap. 6 zu entwickelnden Raster haben sich die in Abb. 2.11 dargestellten Punke ergeben, die sich jeweils auch aus den Besonderheiten des Betrachtungsobjekts „produzierendes Unternehmen in seinem Umfeld“ begründen lassen. Es konnte auch gezeigt werden, dass einige existierende Theorien auf Annahmen beruhen, z.B. bzgl. Plan- und Machbarkeit, die so im heutigen Umfeld nicht haltbar sind. Ausserdem steht oft genau eine Variante der vorgestellten Theorien des Wandels (vgl. 2.1.1) zur Beschreibung und Erklärung von Veränderung im Vordergrund. Die adäquate Form des Wandels ist aber kontextabhängig. Eine Theorie, die sich rein auf z.B. die am weitesten verbreitete Lebenszyklustheorie konzentriert, wird in einem dynamischeren Umfeld an Grenzen stossen. Ansatz
KernkompetenzAnsatz
Potenzialorientiertes strategisches Management
Relational View
General Management Navigator
Für produzierendes Unternehmen relevant
Begründung aus Spezifika und Umfeld
Einzigartigkeiten
Differenzierungskrise
Betrachtung von Ressourcen Gebundene Investitionen, und Markt Dynamik
Betrachtung über Unternehmensgrenze hinweg
Steigende Anforderungen, notwendige Spezialisierung
Dynamische Betrachtung, begrenzte Machbarkeit Integration Strategie- und Wandelbarkeit
Komplexität und Dynamik des Umfeldes
Abb. 2.11 Relevante Aspekte der strategischen Ansätze
Keiner dieser Ansätze ist explizit auf einen bestimmten Motor des Wandels fixiert. Zu den auszulösenden Wandelprozessen wird in den ersten drei Ansätzen kaum Stellung genommen. Sie stellen vor allem den konzeptionellen Teil der Ableitung einer sinnvollen Positionierung dar und sind damit am ehesten einem teleologischen Verständnis zuzuordnen. Der Ansatz des General Management Navigator anerkennt die Notwendigkeit Strategie und Implementierung zu verbinden und spricht vom „orchestrieren des Wandels“, geht dabei aber von einer begrenzten Machbarkeit aus.
2.2 Organisationstheoretische Ansätze
73
Er ist vor allem teleologisch getrieben, ist aber auch in der Lage dialektische und evolutorische Prozesse zu berücksichtigen.
2.2 Organisationstheoretische Ansätze Es existiert eine Vielzahl von Organisationstheorien.127 Organisationstheorien sind in der Regel darauf ausgelegt, optimale Organisationsformen für jeweils spezifische Umfelder abzuleiten.128 Für unsere Zielsetzung, d.h. eine Orientierungshilfe für das Management produzierender Unternehmen in Abhängigkeit von seinem Umfeld zu leisten, ist dies zu wenig. Gerade in einem dynamischer werdenden Umfeld muss die statische Betrachtung eines Augenblicks abgelöst werden durch einen Ansatz, der neben dem Ableiten einer adäquaten Organisation auch in der Lage ist Transformationspfade bei notwendig werdenden Anpassungen abzuleiten. Diskutiert werden an dieser Stelle die weit verbreiteten Kontingenzansätze sowie verschiedene ökonomische Ansätze. Nicht näher betrachtet werden Theorien, die entweder an anderer Stelle besprochen, deren Kernthesen in andere Theorien eingeflossen sind oder Theorien, die für den Betrachtungszusammenhang nicht relevant sind. Dazu gehören die Bürokratietheorie von Weber,129 der Taylorismus,130 der property rights Ansatz,131 die Human Re-
Vgl. z.B. Kieser (1993), S. 1ff. Auch wenn Kieser (1993), S. 1 anführt, dass diese vor allem auf Erklären und Verstehen angelegt sind, erscheint der Gestaltungsanspruch für eine Organisationstheorie aus unserer Perspektive der zentralere zu sein. Kieser erwähnt diesen Punkt als ableitbaren Aspekt. 129 Die Bürokratisierung von Organisationen ist einer der zentralen Punkte, die es gerade in produzierenden Unternehmen, die aufgrund der hohen Investitionen in Produktionsanlagen auf eine hohe Auslastung und Effizienz in stabilen Umfeldern angewiesen sind, zu berücksichtigen gilt. Vgl. dazu z.B. Weber (1972). 130 Der Taylorismus wird als Paradigma der Massenproduktion in Kap. 2 bei der Diskussion der historischen Entwicklung des produzierenden Unternehmens besprochen. Die hohe Arbeitsteiligkeit und die Möglichkeit auf wenig geschulte Mitarbeiter zurückgreifen zu können, ist ausserdem Gegenstand der Diskussion des Idealprofils eines produzierenden Unternehmens im stabilen Umfeld in Kap. 6. Vgl. z.B. Taylor (1911). 131 Im Zentrum der Theorie steht die Institution des Verfügungsrechts. Der Property-rights-Ansatz gehört zu den weiter hinten beschriebenen neo-institutionellen Ansätzen und wurde vor allem durch die Transaktionskostentheorie und die Principal-Agent-Theorie weiterentwickelt (Kieser 1993, S. 203). Diese Weiterentwicklungen sind hinten beschrieben. 127 128
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2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
lations-Bewegung,132 die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie,133 die Resource-dependence 134 sowie evolutionstheoretische 135 und interpretative 136 Ansätze. 2.2.1 Kontingenz-Ansätze (situative Ansätze) Kontingenz-Ansätze werden in der Literatur oft von paradigmatischen Ansätzen unterschieden.137 Die paradigmatischen Ansätze, die i.d.R. ein allgemein gültiges Best-Practice-Modell des Unternehmens beschreiben, werden in dieser Arbeit nicht unter den theoretischen Ansätzen diskutiert, sondern entweder in Kap. 3 bei der Betrachtung der historischen Entwicklung der produzierenden Industrie aufgeführt oder in Kap. 4 bei der Beschreibung existierender Ansätze zum Management produzierender Unternehmen besprochen. Kontingenzansätze konzentrieren sich auf die Organisationsstruktur. Sie gehen davon aus, dass Unternehmen, um effizient zu sein, sich an jeweilige Situationen anpassen müssen. Damit gibt es Der Human-Relations-Ansatz beleuchtet vor allem die Einbettung des Menschen in den Arbeitsprozess (Kieser 1993) und stellte eine Alternative zu den tayloristisch geprägten Arbeitsstrukturen dar. Wegweisend für den Ansatz waren die sog. Hawthorne-Studien. Insgesamt wurden in den Jahren von 1924– 1933 sechs davon durchgeführt. Vgl. Roethlisberger und Dickson (1939) und Whitehead (1938). Die Diskussion dazu verlief in der Folge höchst kontrovers. Sonnenfeld (1985), S. 111 führt dies vor allem auf Missverständnisse zurück. 133 Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie kann für sich beanspruchen wesentliche Aspekte der Entscheidungsfindung in die Organisationstheorie eingebracht zu haben. Vgl. dazu Barnard (1938), Simon (1976), March und Simon (1958), Cyert und March (1963). 134 Nach der Theorie der Ressourcenabhängigkeit versuchen Unternehmen, Unsicherheiten in ihrer Umwelt durch den Aufbau dauerhafter Beziehungen zu überwinden. Diese Fragestellungen werden auch im Relational View Ansatz von Dyer und Singh berücksichtigt und deshalb an dieser Stelle nicht näher diskutiert. Vgl. dazu (Child/Faulkner 1998). 135 Der St. Galler Ansatz als eine Ausprägung einer evolutionstheorischen Organisationstheorie wird weiter hinten unter den interdisziplinären Ansätzen diskutiert. 136 Die interpretativen Ansätze sind schwierig zu vereinheitlichen. Es handelt sich um eine Reihe von einzelnen, sozialwissenschaftlich geprägten Theorieversuchen. Die interpretative Theorieperspektive konzentriert sich in ihrem wissenschaftlichen Grundverständnis auf die subjektiven Wahrnehmungen und Deutungen der sozialen Akteure und in ihrem Gesellschaftsverständnis auf soziale Ordnung, Stabilität und Integration (vgl. Kieser 1993, S. 278ff.). In dieser Arbeit wird weiter hinten der Ansatz von Giddens näher beschrieben. 137 Vgl. Spina (1998). 132
2.2 Organisationstheoretische Ansätze
75
keine universell effizienten Strukturen, sondern diese müssen an die jeweilige Situation angepasst werden.138 Drazin und Van de Ven halten dazu fest: „All these models share in common an underlying premise that context and structure must somehow fit together if the organization is to perform well.“ 139 Ginsberg und Venkatraman führen die Popularität des Ansatzes 140 teilweise auf die fundamentale Annahme zurück, dass „there is no one best way to organize, and that any one way of organizing is not equally effective under all conditions.“141 Das Hauptthema in einem Kontingenzansatz ist somit „Fit“: The key concept in an contingent proposition is fit ...“ 142. Die Grundannahmen des Kontingenzansatzes sind folgende: 143 Die formale Organisationsstruktur hat einen starken Einfluss auf die Effizienz einer Organisation. Es gibt jedoch keine universell effizienten Organisationsstrukturen. Um effizient zu sein, müssen Organisationen ihre Strukturen an ihre jeweiligen Situationen anpassen. Kontingenzansätze und deren empirische Überprüfung erlauben es, Organisationsstrukturen zu erklären, zu prognostizieren und Gestaltungsempfehlungen abzuleiten. An den Kontingenzansätzen wurde auch massive Kritik geübt, insbesondere, weil verschiedene Annahmen nicht zu halten sind; dazu gehören z.B.: 1. Die Situation determiniert die Organisationsstruktur, was in der Konsequenz heissen würde, dass es jeweils nur eine richtige Strukturform für die Anforderungen, die durch die situativen Faktoren gestellt werden, gibt, dass die Organisation auf diese Faktoren keinen Einfluss nehmen kann und dass für die Organisation ein bestimmtes Mass an Rationalität verbindlich ist.144 2. Die Prozesse, durch welche die Struktur an die Situation angepasst wird, werden im Kontingenzansatz ausgeblendet. 3. Die Ausübung von Herrschaft in Organisationen wird durch den Ansatz verschleiert. 4. Der Ansatz propagiert eine konservative Organisationsgestaltung, da bestenfalls Lösungen erfasst werden, die die Gestalter bis anhin gefunden haben.
Vgl. auch Kieser (1993), S. 161. Drazin/Van de Ven (1985), S. 514. 140 Sydow (1992), S. 214, stellt z.B. fest, dass die meisten empirischen Untersuchungen auf der Grundlage eines kontingenztheoretischen Bezugsrahmens durchgeführt werden, auch wenn dieser nicht in jedem Fall expliziert wird. 141 Galbraith (1973) zitiert aus Ginsberg/Venkatraman (1985), S. 421. 142 Drazin/Van de Ven (1985), S. 515. 143 Vgl. Kieser (1993), S. 161. 144 Vgl. Kieser (1993), S. 178. 138 139
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2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
5. Organisationsstrukturen lassen sich nicht „objektiv“, d.h. unabhängig von Wahrnehmungen, Intentionen und Handlungen der Organisationsmitglieder konzipieren und erfassen. Verschiedene Weiterentwicklungen haben versucht einen Teil dieser Schwächen zu beseitigen. Es gilt aber grundsätzlich, was Sydow festhält, nämlich dass „es sich bei ihr (der Kontingenztheorie) um einen Ansatz handelt, der beliebig inhaltlich ausgefüllt werden kann“.145 Das heisst, dass auch eine Erweiterung um weitere Kontingenzen, die für das jeweils betrachtete Untersuchungsobjekt relevant sind, jederzeit möglich ist. Zusammenfassend ist für die Ableitung des Managementrahmens für produzierende Unternehmen relevant, dass: Organisationsstrukturen umfeldkontingent sind, d.h. keine universellen Best Practice Lösungen existieren; daraus folgt, dass eine Analyse des Umfelds der Bereitstellung einer Lösung vorausgehen muss.
2.2.2 Ökonomische Ansätze Die Berücksichtigung ökonomischer Ansätze drängt sich an dieser Stelle auf, weil diese mehr und mehr Eingang in die strategische Managementforschung finden.146 Auf der einen Seite können die weiter vorne dargestellten Ansätze der Industry Structure View und der Resource-based View als Anwendungen von ökonomischem Denken auf die Strategielehre verstanden werden. Auf der anderen Seite wendeten Akademiker ab den 80er Jahren immer mehr ökonomische Theorien an.147 Unter anderem 148 hing dies auch mit dem sich verändernden Charakter ökonomischer Theorien zusammen. Das neoklassische ökonomische Modell des Unternehmens in einer Welt ohne Geheimnisse, ohne Friktionen und Unsicherheit sowie oh-
Sydow (1992), S. 215. So halten Rumelt/Schendel und Teece in ihrer Einführung zur Spezialausgabe des SMJ „Strategic Management and Economics“ fest: „As never before academics have adopted the language and logic of economics“ (Rumelt et al. 1991, S. 5–29). 147 Vgl. Ebenda, S. 8. 148 Rumelt et al. führen fünf Gründe für die zunehmende Nutzung ökonomischer Theorien auf, nämlich: Das Bedürfnis Leistungsunterschiede der Unternehmen zu erklären, die Erfahrungskurve, die Problematik anhaltender Gewinne, der sich verändernde Charakter der Ökonomie sowie das sich verändernde Klima in Business Schools (Rumelt et al., S. 9). 145 146
2.2 Organisationstheoretische Ansätze
77
ne dynamische Dimension verlor zunehmend an Bedeutung.149 In jüngerer Vergangenheit wurde dieses Bild ergänzt um Begriffe wie Unsicherheit, Informations-Asymmetrien, eingeschränkte Rationalität, Opportunismus und spezifische Assets. Darauf basierend bildeten sich neue Untertheorien heraus, die in der Folge für unseren Betrachtungsgegenstand näher analysiert werden. Es handelt sich um die Transaktionskostentheorie, die Principal Agent Theorie und die Spieltheorie. Ökonomischen Theorieansätzen ist gemeinsam, dass sie Kostenund/oder Ertragsvorteile alternativer Organisationsformen in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Die neue Institutionenökonomik beschäftigt sich mit zwei Grundfragestellungen.150 1. Welche (alternativen) Institutionen haben bei welchen Arten von Koordinationsproblemen des ökonomischen Austausches die relativ geringsten Kosten und die grösste Effizienz zur Folge? 2. Wie wirken sich Koordinationsprobleme, die Kosten und die Effizienz von Austauschbeziehungen auf die Gestaltung und den Wandel von Institutionen aus? Die Ansätze entwickeln in der Regel Erklärungsmuster, die auf vier Komponenten beruhen: Institution, Austausch, Kosten und Effizienz. Die verschiedenen Ansätze unterscheiden sich in der Spezifizierung der genannten Grundfragestellung und ihrer Variablen.151 2.2.2.1 Transaktionskostentheorie „Within strategic Management, transaction cost economics is the ground where economic thinking, strategy, and organizational theory meet.“ 152 Analyseeinheit des Transaktionskostenansatzes ist die Transaktion. Diese umfasst den Prozess der Anbahnung, Vereinbarung, Kontrolle und unter Umständen Anpassung eines Leistungsaustausches, der dem eigentlichen physischen Leistungsaustausch logisch meist auch zeitlich vorausgeht.153 Grundannahme der Transaktionskostentheorie ist, dass Unternehmen die Wahl haben zwischen marktlicher und hierarchischer Koordination ihrer geschäftlichen Transaktionen. Bei der Koordination dieser Transaktionen „That such a theory, so obviously divorced from the most elementary conditions of real firms, should continue to be taught in most business schools as the „theory of the firm“ is a truly amazing victory of doctrine over reality“ (Ebenda, S. 13). 150 Vgl. Kieser (1993), S. 194. 151 Vgl. Kieser (1993), S. 194. 152 Vgl. Rumelt et al. (1991), S. 14. 153 Vgl. Picot (1982), S. 269 und Sydow (1992), S. 130. 149
78
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
fallen Informations- und Kommunikationskosten für Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und Anpassung des Leistungsaustauschs an,154 die je nach den Rahmenbedingungen der Transaktion unterschiedlich hoch sind. Den Schwerpunkt der Betrachtung bilden hierbei die Massnahmen, die notwendig sind, um die Transaktionen für die Unternehmen ausreichend sicher durchführen zu können. Unternehmen können aufbauend hierauf ihre Entscheidung, ob sie eine Leistung hierarchisch integrieren oder auf einem entsprechenden Markt beziehen wollen, vor allem auf Basis dieser Kosteneffizienz treffen. Nach Williamson sind hierbei insbesondere fünf Faktoren entscheidungsrelevant, gegen die die Transaktion abgesichert werden muss: 155 1) Opportunismus, 2) begrenzte Rationalität (bounded rationality), 3) geringe Anzahl (small numbers), 4) Unsicherheit und Komplexität sowie 5) Informationsasymmetrien (information impactedness). Je nach Ausprägung dieser Faktoren kann die Abwicklung entsprechender Transaktionen über einen Marktmechanismus fragwürdig, eine Integration hingegen ratsam erscheinen. So argumentiert Williamson z.B. für den Fall, dass zwei oder mehr Beteiligte regelmässig unter a) einer begrenzten Anzahl möglicher Transaktionspartner (limited numbers), b) unsicheren und/oder komplexen Marktsituationen und c) einer ungleichmässigen Verteilung von für die Transaktion relevanten Informationen miteinander handeln, es für den hierdurch tendenziell „benachteiligten“ Marktteilnehmer ratsam sein könnte, die entsprechende Transaktion zu internalisieren und damit unter den direkten Einflussbereich seines Managements zu bringen. Ein durch Williamson etwas später in die Diskussion eingebrachter Aspekt ist der Grad der „asset specificity“.156 Hierbei handelt es sich um dauerhafte Investitionen von Unternehmen, die zur Unterstützung spezifischer, zumeist bilateraler Transaktionen getätigt werden und die nicht (oder nur unter erheblichem Aufwand) für andere Zwecke zur Verfügung stehen. Durch diese Art der Investitionen entsteht für die beteiligten Transaktionspartner eine gewisse Abhängigkeit. Es sind, vor allem im Falle einseitiger Investitionen, entsprechende Massnahmen vertraglicher und/oder organisatorischer Art zu treffen, die die entsprechenden Investoren gegen oben genannte Aspekte zu schützen vermögen.157
Fleisch (2001), S. 62. Williamson (1975). 156 Williamson (1985). 157 Vgl. hierzu auch Dyer/Singh (1998), die in diesem Zusammenhang von „dedicated assets“ sprechen und in diesen Assets einen der vier Haupttreiber relationaler, d.h. überbetrieblich erwirtschafteter Profite sehen. 154 155
2.2 Organisationstheoretische Ansätze
79
Bei der Wahl des geeigneten Koordinationsmechanismus sollte gemäss Williamson somit auch die „asset specificity“ eine entscheidende Rolle spielen. So ist ein geringes Mass an notwendiger Spezifität neben weiteren Aspekten, wie Einmaligkeit der Transaktion, kurzer zeitlicher Horizont, geringer Grad an Unsicherheit u.Ä., ein weiteres wichtiges Indiz dafür, dass die entsprechende Transaktion über einen offenen Markt mit ausreichender Sicherheit für die Beteiligten abgewickelt werden kann. Entsprechend umgekehrte Eigenschaften würden für eine Internalisierung der Transaktion in die Sicherheit hierarchischer Strukturen des Unternehmens sprechen.158 Zwischen diesen beiden Extrempositionen wird im Rahmen der Transaktionskostentheorie der Raum für Kooperationen und kooperative Arrangements eröffnet, die das beschriebene Spannungsfeld zwischen Markt und Hierarchie ausfüllen. Der Transaktionskostenansatz bezieht damit im Gegensatz zu anderen Organisationstheorien auch die Organisation zwischenbetrieblicher Beziehungen gleichberechtigt mit ein. Nichtsdestotrotz ist der Transaktionskostenansatz massiv kritisiert worden, da er nur ein sehr begrenztes Bild der Realität wiedergibt und verschiedenste Aspekte wie Machtverteilung, etc. vernachlässigt.159 2.2.2.2 Principal Agent Theorie Die Prinzipal Agent Theorie beschäftigt sich im Kern mit der Frage, wie der „Prinzipal“ sicherstellen kann, dass sein „Agent“ die ihm gesteckten Ziele und Aufgaben auch erfüllt. Hierbei stehen die Mechanismen im Vordergrund, die das eigennützige und opportunistische Verhalten des Agenten 160 limitieren, wie z.B. verschiedene Kontroll- und Anreizsysteme.161 Eisenhardt identifiziert in ihrem Beitrag den Vertrag zwischen dem Prinzipal und seinem Agenten als eigentliches Analyseobjekt im Rahmen der Theorie.162 Sie betont, dass der Theorie einige Annahmen zugrunde liegen bzgl. der Beschaffenheit des menschlichen Verhaltens, welches opporIn Anlehnung an Williamson beschreibt Powell (1990), S. 296 diesen Zusammenhang. 159 Sydow (1992), S. 145ff. widmet der Kritik am Transaktionskostenansatz 23 Seiten und stellt das Kapitel insgesamt unter den Titel: „Theoretische Einfalt“. Doz und Prahalad (1991), S. 148 kommentieren folgendermassen: „Transaction cost analysis, by its very assumptions about human beings and organizations, prohibits itself from addressing managerial issues.“ 160 Welches dem Agenten im Rahmen der Theorie grundsätzlich unterstellt wird. 161 Vgl. Arrow (1985), Barney (1986), Eisenhardt (1989). 162 Eisenhardt (1989). 158
80
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
tunistisch, eigennützig, risikoavers und begrenzt rational ist, von Organisationen, die einen inhärenten Zielkonflikt zwischen ihren Mitgliedern aufweisen und von Information, die asymmetrisch zwischen dem Prinzipal und seinem Agenten verteilt ist.163 Ferner wird Effizienz als Bewertungskriterium herangezogen und Information als ein kaufbares Gut angesehen. Es wird somit unterstellt, dass der Prinzipal durch das Aufwenden grösserer Summen an Geld bessere Informationen über die Tätigkeit und Performance seines Agenten erhalten kann. Unter den gegebenen Annahmen liegt der Fokus der Theorie darauf, einen möglichst effizienten Vertrag zu generieren, der die Koordination der Beziehung zwischen dem Prinzipal und seinem Agenten erlaubt. Standardmechanismen sind hierbei die Schaffung einer gemeinsamen Werteund Normenbasis, die systematische Reduktion von Informationsasymmetrien, die Nutzung von Anreiz- und Sanktionssystemen 164 sowie Interessenangleichung.165 Die grosse Bedeutung von Informationen für die Kontrollfähigkeit des Prinzipals im Rahmen der Theorie richtet ferner die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung entsprechender Systeme, die den Prinzipal mit adäquaten Informationen versorgen können. 2.2.2.3 Spieltheorie Die Spieltheorie beschäftigt sich mit Analysen und Vorhersagen möglicher Ergebnisse so genannter Spiele. Diese Spiele sind soziale Situationen mit zwei oder mehr Involvierten (Spielern), deren Interessen verknüpft und voneinander abhängig sind und die eine strategische Entscheidung zu treffen haben. Es wird hierbei von rationalen Spielern ausgegangen, die sich alle dieser Interdependenzen bewusst sind und dieses Wissen entsprechend in ihre Entscheidungen einfliessen lassen.166 Die Spieltheorie untersucht die Strategien, die die Spieler wählen und die Effekte, die diese Entscheidungen auf das Ergebnis haben. Die Spiele können in unterschiedlicher Komplexität durchgeführt werden. Variieren können hierbei die Anzahl der Teilnehmer (2 bis n Personen), deren Strategien (Kooperation, Defektion), die Informationen, zu denen sie Zugang haben (perfekt oder imperfekt, vollständig oder unvoll163
164
165 166
Es wird dem Agenten ein Informationsvorsprung bezogen auf die zu erfüllende Aufgabe unterstellt, weshalb er überhaupt mit der Aufgabe durch den Prinzipal betraut wird. Unterschiedliche Anreize kann schon die Art des Vertrags selbst bieten. So kann man z.B. zwischen verhaltens- und ergebnisorientierten Verträgen unterscheiden (Child/Faulkner 1998, S. 23). Girschik (2002), S. 41. Vgl. hierzu Zagare (1984), S. 7 und Holler/Illing (1996), S. 1.
2.2 Organisationstheoretische Ansätze
81
ständig), die Dauer des Spiels und ob die Spieler kommunizieren dürfen (Versprechungen und Zusicherungen geben oder Drohungen aussprechen). Ökonomische Bedeutung erlangte die Spieltheorie vor allem im Zusammenhang mit Verhandlungsproblemen,167 bei denen es darum geht, eine abgestimmte kooperative Strategie festzulegen. Bei der Lösung des Problems steht im Zentrum, eine für alle Beteiligten als fair empfundene Regel zur Aufteilung eines zu erwartenden Kooperationsgewinns zu ermitteln.168 Der sehr häufig in der Ökonomie betrachtete Fall ist das 2-Personen-/2Strategien-Verhandlungsproblem oder auch Gefangenendilemma genannt.169 In dieser Konstellation haben beide Akteure die Wahl zwischen einer Kooperations- und einer Defektionsstrategie. Das eigentliche Dilemma besteht darin, dass die beidseitige Entscheidung zur Kooperation zwar den Gemeinnutzen erhöhen würde, aber nicht in dem selben Umfang wie eine Defektion den eigenen Individualnutzen, sofern sich nur der andere für die Kooperation entscheidet. Wenn beide die Defektionsstrategie wählen, verlieren auch beide, aber nicht im selben Umfang wie derjenige, der kooperiert, wenn der andere nicht kooperiert. In einem solchen Fall gewinnt der eine Akteur das Maximale auf Kosten des anderen. Egal also, was ein Akteur vom anderen erwartet, sich opportunistisch zu verhalten ist für den Einzelnen immer die geeignete Antwort, zumindest wenn er den „worst case“ für sich selbst verhindern möchte.170 Axelrod hat allerdings festgestellt, dass sich bei mehrfacher Wiederholung des Spiels kooperative Verhaltensweisen dennoch durchsetzen können.171 Ein wichtiger Aspekt, der bei der Anwendung der Spieltheorie auf Verhandlungssituationen berücksichtigt werden sollte, ist der der InformatiWährend die Prinzipal Agent Theorie das Ergebnis von Verhandlungen als zentrales Analyseobjekt hat (nämlich den Vertrag und die darin zu fixierenden Mechanismen), fokussiert die Spieltheorie auf die unterschiedlichen Strategien während der Verhandlungsphase, d.h. auf den Prozess, der zu einem Vertrag führt. 168 Hartmann-Wendels (1993), Sp. 4533. 169 Luce/Raiffa (1957), S. 94f. 170 Darum wird die Defektionsstrategie in dieser Konstellation auch als dominante Strategie bezeichnet (Kay 1993, S. 28). 171 In einem seiner Experimente hat Axelrod mehrfach das Gefangenendilemma in einem Computer-Turnier simuliert. Die Gewinnerstrategie war „Tit-for-tat“ von Anatol Rapoport. Sie hatte zwei Regeln: 1) beim ersten Mal kooperieren und 2) danach immer das tun, was der andere in der Runde davor tat. Der Erfolg dieser Strategie zeigt, dass sich bei mehrfach wiederholten Transaktionen kooperatives Verhalten zum Vorteil der Beteiligten fast automatisch entwickelt. Vgl. hierzu auch Axelrod (1984, 1997a), Child/Faulkner (1998), S. 28 und Schenk (1995), S. 30ff. 167
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2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
onsverteilung. Holler und Illing unterscheiden in diesem Kontext zwischen gemeinsamen Wissen,172 imperfekter Information und unvollständiger Information.173 Unter gemeinsamen Wissen versteht man die Informationen, die allen gleichermassen zur Verfügung stehen und von denen jeder weiss, dass sie allen zur Verfügung stehen. Sobald manche Spieler bestimmte Handlungen ihrer Mitspieler nicht beobachten können, liegt ein Zustand imperfekter Information vor. Von unvollständiger Information spricht man, wenn den Spielern nicht alle Charakteristika ihrer Mitspieler bekannt sind.174 Solche Informationsasymmetrien beeinflussen die Strategiewahl der Beteiligten erheblich und sollten daher entsprechend Berücksichtigung finden.175 Die ökonomischen Ansätze insgesamt können Hinweise geben zu: • Effizienz- und Koordinationsfragestellungen, • sinnvollen Unternehmensgrössen sowie • Verhaltensstrategien und Verhaltensweisen. 2.2.3 Zusammenfassung Auch an dieser Stelle seien die Beiträge zusammengefasst, die die kurz erläuterten Theorien zum Verständnis und zur Gestaltung des produzierenden Unternehmens leisten können (Abb. 2.12). Ansatz
Kontingenzansätze
Ökonomische Ansätze
Für produzierendes Unternehmen relevant
Begründung aus Spezifika und Umfeld
Betrachtung von Leistung Umfeld und Struktur des Unternehmens.
Differenzierungskrise
Effizienz- und Koordinationsfragestellungen, Unternehmensgrössen
Gebundene Investitionen, Dynamik
Abb. 2.12 Relevante Aspekte der organisationstheoretischen Ansätze
Vgl. hierzu auch Aumann (1976). Holler/Illing (1996), S. 42ff. 174 Die beiden Informationszustände kann man zusammenfassend auch als Informationsasymmetrie bezeichnen, was in der Praxis als Normalfall angesehen werden muss. 175 Girschik (2002), S. 43. 172 173
2.3 Ansätze aus dem Technologiemanagement
83
2.3 Ansätze aus dem Technologiemanagement In der Folge werden einige Ansätze aus dem Bereich des Technologiemanagements vorgestellt. Dies vor dem Hintergrund, dass das Technologiemanagement sich traditionell mit einer hohen Dynamik auseinander setzen muss. Aus der besonderen Betrachtungsperspektive technologieintensiver Unternehmen ergeben sich verschiedene Herausforderungen im heutigen Umfeld, die durch die noch junge Disziplin des Technologiemanagements bearbeitet werden. Boutellier et al. haben diese Herausforderungen folgendermassen gesehen: 176 • Herausforderung der Organisation internationaler Forschung, • Standortentscheide für F&E, • Umgang / Erkennen globaler Standards und dominanter Designs. Um mit diesen Herausforderungen umzugehen, skizzieren sie unter anderem Ansätze zur Sicherstellung einer stärker ausgebauten Marktsegmentierung und von mehr Kundenfokus; zur Reduktion von Produktentwicklungszeiten, zum Management und zur Konzentration auf Kernkompetenzen, zur frühen Lieferantenintegration, zu F&E-Kooperationen sowie zum Multiprojektmanagement. An dieser Stelle sei nicht auf die Details dieser Konzepte eingegangen. Diese werden zum Teil in Kap. 6 bei der Darstellung von geeigneten Methoden zur Erhöhung der Flexibilität eines produzierenden Unternehmens wieder aufgegriffen. Interessant an dieser Stelle erscheint, dass in diesem Bereich, der wie erwähnt durch eine hohe Dynamik und Komplexität gekennzeichnet ist, ein Mix von proaktiven und reaktiven Ansätzen angewendet wird, um damit umzugehen. Die nähere Anbindung von Kunden z.B. erhöht proaktiv die Treffsicherheit von Innovationen und reduziert damit das Risiko. Die frühe Einbindung von Lieferanten erlaubt es dem Unternehmen bei aufgetretenen Schwierigkeiten schneller zu reagieren, etc. Etwas ausführlicher sei an dieser Stelle auf die Struktur eingegangen, die Boutellier et al. für die F&E-Organisation skizzieren (Abb. 2.13).177
176 177
Vgl. Boutellier et al. (1999), Kapitel I und II. Boutellier et al. (1999), S. 73ff.
84
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
Informelle Verbindungen und Netzwerke
Projekte und Prozesse
Hierarchien und Funktionen
Regional und Gesetzliche
Abb. 2.13 Vier Ebenen der Strukturierung in internationalen F&E Organisationen
Die Ebene der Funktionen und Hierarchien ist wichtig, um den Status Quo aufrechtzuerhalten und die Routineprozesse zu verbessern. Die geographische Verteilung (Standorte, legale und gesetzliche Struktur) ist einerseits die Basis für transorganisationale Prozesse, andererseits aber auch eine Quelle für verschiedenste Barrieren. Die Nachteile dieser zwei Ebenen sollen durch eine adäquate Strukturierung der anderen zwei Ebenen behoben werden. Die Projekt- und Prozessstruktur ist definiert als die Summe aller Unternehmensmechanismen und -prozeduren, die nicht in der allgemeinen hierarchischen Struktur abgebildet sind. Diese Ebene beeinflusst damit die vierte Ebene, diejenige der informellen Beziehungen und Netzwerke. In der Summe ergibt sich das Bild einer komplexen Organisation, die sowohl mit Effizienz wie mit Effektivitätskriterien umgehen kann. Das Modell zeichnet sich dadurch aus, dass die vorhandene Komplexität auch abgebildet wird und nicht aus Vereinfachungszwecken auf einige wenige Kriterien reduziert wird. Zusammenfassend lässt sich daraus ableiten: Zur Bewältigung komplexer Aufgabenstellungen sind entsprechend komplexe Modelle notwendig, die die relevanten Dimensionen abbilden.
2.4 Soziologischer Exkurs – Giddens Strukturationstheorie
85
2.4 Soziologischer Exkurs – Giddens Strukturationstheorie 178 Giddens entwickelte seine Theorie der Strukturierung in bewusster Abkehr von entweder stark subjektivistischen oder einseitig objektivistischen Theorien. Giddens betont, dass „Handeln nicht einfach auf Struktur und umgekehrt Struktur nicht einfach auf Handeln zu reduzieren“ 179 sei, d.h. der Dualismus von Objektivismus und Subjektivismus muss überwunden werden, dies leistet die in der Folge kurz beschriebene Theorie. Im Kern der Theorie der Strukturierung stehen die Begriffe „Struktur“, „System“ und „Dualität von Struktur“. Struktur als rekursiv organisierte Menge von Regeln und Ressourcen ist ausserhalb von Raum und Zeit, ausser in ihren Realisierungen und Koordination als Erinnerungsspuren, und ist durch eine Abwesenheit des Subjekts charakterisiert. Die sozialen Systeme, in denen Struktur rekursiv einbegriffen ist, umfassen demgegenüber die situierten Aktivitäten handelnder Menschen, die über Raum und Zeit reproduziert werden. Die Strukturierung sozialer Systeme zu analysieren bedeutet, zu untersuchen, wie diese in Interaktionszusammenhängen produziert und reproduziert werden; solche Systeme gründen in den bewusst vollzogenen Handlungen situierter Akteure, die sich in den jeweiligen Handlungskontexten jeweils auf Regeln und Ressourcen 180 beziehen. Entscheidend für den Begriff der Strukturierung ist das Theorem der Dualität von Struktur. Gemäss dem Dualitätsbegriff sind Strukturmomente sozialer Systeme sowohl Medium wie Ergebnis der Praktiken, die sie rekursiv organisieren.181 Strukturen stehen damit nicht ausserhalb des Individuums, sondern sind in Form von Erinnerungsspuren und in sozialen Praktiken verwirklicht eher etwas Inwendiges. Struktur darf ausserdem gemäss Giddens nicht mit Zwang gleichgesetzt werden: Sie schränkt Handeln nicht nur ein, sondern ermöglicht es auch.182
Vgl. dazu insbesondere Giddens (1984, 1997) und Sydow/Windeler (2002) für eine Übertragung auf die Netzwerkanalyse. 179 Giddens (1997), S. 358. 180 Giddens (1997) unterscheidet dabei allokative von autoritativen Ressourcen. Beide sind an der Generierung von Macht beteiligt. Allokative Ressourcen sind jedoch materielle Ressourcen, die sich aus der Herrschaft des Menschen über die Natur ableiten, autoritative sind nicht materielle Ressourcen, die sich aus dem Vermögen, die Aktivitäten menschlicher Wesen verfügbar zu machen, herleiten. 181 Giddens (1997), S. 77. 182 Giddens (1997), S. 78. 178
86
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
In der Verknüpfung der Struktur mit dem Handeln liegt das Besondere der Giddenschen Theorie der Strukturierung. Hierbei werden die vermittelnden Modalitäten: „Interpretatives Schema, Fazilität und Norm“ zwischen Struktur und Handeln bzw. Interaktion eingesetzt (Abb. 2.14). Struktur
Modalität
Interaktion
Signifikation
Interpretatives Schema
Kommunikation
Herrschaft
Legitimation
Fazilität
Norm
Macht
Sanktion
Abb. 2.14 Die Dimension der Dualität von Struktur 183
Mit dem Begriff der Modalität zielt Giddens auf die grundlegenden Dimensionen der Dualität von Struktur, wie sie in Interaktionen zur Geltung kommen; es geht darum, die Bewusstheit der Akteure mit den strukturellen Momenten sozialer Systeme zu vermitteln. Akteure beziehen sich auf diese Modalitäten in der Reproduktion der Interaktionssysteme und, im selben Zug, rekonstruieren sie deren Strukturmomente. Strukturen haben bei Giddens zwei Dimensionen: Auf der einen Seite dienen sie der Bedeutungskonstitution, auf der anderen Seite auch der Sanktionierung sozialer Handlungen. Die Kommunikation vom Sinn der Interaktion – dies sollte betont werden – ist nur analystisch vom Wirken normativer Sanktionen trennbar.184 Wie Staber und Sydow bemerken, kann Giddens Theorie als MetaTheorie genutzt werden, die andere Theorien integriert.185 Wie Abb. 2.14 zeigt, ist dabei nicht nur die erwähnte Integration von Strukturen und Aktivitäten respektive Verhalten, sondern auch die Integration einer normativen Ebene (Legitimation) mit Herrschaftsstrukturen beinhaltet. Die normativen Elemente verleihen dabei Macht und Effizienz erst die Bedeutung. Ebenda, S. 81 und Dierkes (2001), S. 139. Giddens (1997), S. 81. 185 Vgl. Staber/Sydow (2002), S. 413: „If structuration theory is used as a metatheory, reconstructing and integrating useful concepts from other theories around the main thrust of structuration, it can help to understand social structures and processes at both the organizational and the interorganizational level.“ 183 184
2.4 Soziologischer Exkurs – Giddens Strukturationstheorie
87
Strukturen beeinflussen das Handeln, Lenken, Deuten und Sanktionieren; auf der anderen Seite werden die Strukturen genau durch dieses von ihnen beeinflusste Handeln gefestigt oder verändert. Giddens bemüht sich auch darum, sozialen Wandel beschreiben zu können.186 Zur Kategorisierung schlägt er vier Dimensionen vor (Abb. 2.15).187
Anfang Anfang
Impuls Impuls
Verlaufsbahn Verlaufsbahn
Form Form Abb. 2.15 Dimensionen des Wandels
Der Begriff der Form umschreibt die Intensität und Extension des Wandels. Eine Anzahl relativ schneller Veränderungen bringt einen Entwicklungsimpuls hervor, wobei die Entwicklung nur möglich wird, wenn zu Beginn bestimmte institutionelle Veränderungen stattgefunden haben. Der Impuls bezieht sich auf die Geschwindigkeit, mit der sich der Wandel in Beziehung zu spezifischen Formen der episodischen Charakterisierung 188 vollzieht, während Verlaufsbahn die Richtung des Wandels angibt. Damit spricht Giddens direkt auch Fragen der Stabilität und Erhaltung an. Durch die dauernde Reproduktion der Struktur entsteht auch Stabilität. Es braucht zur Veränderung entweder strukturelle Widersprüche oder Ereignisse und Beziehungen, die das Wissen und die Reflexivität der handelnden Menschen erhöhen.189 Giddens lehnt ein evolutionäres Modell der Geschichte der Menschheit und damit zwangsläufig auch von Organisationen ab.190 Er hält fest, dass Vgl. Ebenda, S. 281ff. Vgl. Giddens (1997), S. 301f. 188 Giddens versteht unter Episode eine Reihe von Handlungen oder Ereignissen mit einem angebbaren Anfang und Ende (Giddens 1997, S. 301). 189 Vgl. dazu auch Staber/Sydow (2002), S. 412. 190 Vgl. Giddens (1997), S. 292. 186 187
88
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
„... sich für die Erklärung sozialen Wandels kein einziger und überlegener Mechanismus festmachen lässt: ...“ 191 Zusammenfassend kann Giddens und dessen Strukturationstheorie mit der bewussten Anerkennung der Dualität von Struktur und Handeln als Basistheorie gesehen werden, die die Notwendigkeit einer integrativen Betrachtung von Aktivitäten/Verhalten innerhalb eines Unternehmens und den Strukturen sowie das Zusammenspiel von normativen Elementen und Herrschaft deutlich macht. Integrative Betrachtung von Aktivitäten/Verhalten und Strukturen sowie von normativen Aspekten und Macht i.S. von Ressourcenverfügbarkeit.
2.5 Interdisziplinäre Ansätze 2.5.1 Systemtheorie und St. Galler Schule Unternehmen werden in dieser Arbeit als evolvierende komplexe Organisationen verstanden. Komplex in diesem Zusammenhang bedeutet, dass das System aus einer Vielzahl von unabhängigen miteinander über eine Vielzahl verschiedener Kanäle agierender Agenten besteht.192 Das Verständnis von Organisationen als evolvierende Systeme ist unter anderem der St. Galler Schule Eigen, die im Folgenden näher beschrieben wird.193 Ausgangsbasis des St. Galler Ansatzes ist das Konzept einer „spontanen Ordnung“.194 Diese spontane Ordnung beruht auf Verhaltensregeln, die ihrerseits als das allmählich gewachsene Ergebnis eines Evolutionsprozesses zu verstehen sind. Systemtheorie 195 und Kybernetik sind wichtige Grundpfeiler der St. Galler Schule. Das Systemdenken basiert auf folgenden Erkenntnissen:196
Vgl. Ebenda, S. 300. Vgl. z.B. Waldrop (1992), S. 11; Axelrod (1997a), S. 3; Holland (1995), S. 6. 193 Vgl. Kieser (1993), S. 268ff. 194 Hayek (1980), S. 57ff. 195 Mandel/Schwaninger et al. zitiert aus Schwaninger (1998), S. 3 definieren ein System folgenderweise: „A system is a family of relationships, ... between its members acting as a whole.“ 196 Vgl. Schwaninger (1998), S. 4. 191 192
2.5 Interdisziplinäre Ansätze
89
• Das Ganze und die Teile: Das Ganze ist nicht gleich der Summe der Teile. • Vernetztheit: Komplexe Systeme sind vernetzte, dynamische Ganzheiten. • Das System und seine Umwelt: Offene Systeme sind jeweils mit ihrer Umwelt vernetzt und tauschen mit dieser Materie, Energie und Information aus. • Komplexität: Das Verhalten komplexer Systeme lässt sich nicht im Einzelnen vorhersehen, aber beeinflussen. • Ordnung: Komplexe Systeme weisen erkennbare Ordnungsmuster auf, die (mit-) gestaltet werden können. • Lenkung: Lenkung (Steuerung, Regelung) hält ein System unter Kontrolle. • Entwicklung: Soziale Systeme können lernen und sich qualitativ entwickeln. Die systemtheoretisch-kybernetische Perspektive geht von der grundlegenden Gegebenheit der Komplexität aus. Die Komplexität sozialer Systeme ergibt sich aus Konnektivität und dynamischer Interaktion ihrer Komponenten. Ausgedrückt wird die Komplexität in der Kybernetik durch die Varietät, d.h. die Anzahl möglicher Zustände eines Systems. Im übertragenen Sinne steht Varietät auch für Begriffe, wie Verhaltensrepertoire, -spielraum oder -möglichkeiten. Gemäss Ashbys „law of requisite variety“ 197 ist die Varietät des Systems so zu halten, dass die bewältigbare Komplexität nicht unnötig eingeschränkt wird.
197
Ashby (1964), S. 206f.: „Only variety can destroy variety.“
90
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
Umwelt
Verstärkung
Organisation
Dämpfung
Abb. 2.16 Ungleichgewicht der Varietäten im Management 198
Gemäss Schwaninger stehen im Normalfall Organisationen Situationen gegenüber, deren potenzielle Varietät viel grösser ist als die eigene.199 Ziel des Managements muss es sein, dafür zu sorgen, dass nicht alle möglichen, sondern nur wünschenswerte Zustände auftreten. Dafür bieten sich zwei Möglichkeiten an: Dämpfung und Verstärkung (vgl. Abb. 2.16). Über Dämpfung und Verstärkung können die Varietäten der interagierenden Systeme ausbalanciert werden. Zum Dämpfen oder zum Verstärken bieten sich vielfältige Arten und Möglichkeiten an.200 Unter anderem gehört auch das Bilden und Verwenden von Modellen dazu. Die kurze Darstellung zeigt, dass selbstorganisierende Prozesse in der St. Galler Schule unverzichtbarer Bestandteil wirksamen Managements sind. Durch Selbstorganisation wird eine systeminterne Komplexitätsabsorption erreicht, die es der Lenkungseinheit erlaubt, sich auf die Bewältigung der residualen Varietät zu beschränken, d.h. auf den Anteil, der durch das Objektsystem selbst nicht bewältigt werden kann. Für Manager wird als Konsequenz abgeleitet, dass sie das System mit Respekt und Zurückhaltung behandeln. Nach Malik/Probst 201 muss sich Schwaninger (1998), S. 7; Espejo et al. (1995), S. 61. Vgl. Schwaninger (1998), S. 5ff. 200 Vgl. für eine Übersicht Ebenda, S. 8f. 201 zitiert nach Kieser (1993), S. 269. 198 199
2.5 Interdisziplinäre Ansätze
91
das Management „... unter Verzicht auf ein aktivistisches Eingreifen in die innere Funktion der Unternehmung darauf beschränken, günstige Voraussetzungen zu kultivieren und als Katalysator die Selbstentfaltung bestimmter wünschbarer Ergebnisse und Eigenschaften ... (zu) unterstützen.“ Aufgabe des Managers wird es damit, Strukturen als Instrument zu sehen, um Sinn zu reflektieren und sinnvolle Prozesse zu erleichtern. Damit wird im Gegensatz zu den meisten anderen organisationstheoretischen Ansätzen bewusst vom Glauben an eine Machbarkeit, eine planmässige Realisierbarkeit von Intentionen abgewichen. Intentionale Eingriffe sind nur Variationen. Nicht die Gestalter, sondern die Auslese durch die Umwelt entscheidet darüber, welche organisatorischen Variationen von Nutzen sind und überleben. Eine Ausprägung des systemtheoretischen Denkens für das Management ist das St. Galler Managementkonzept, das von Bleicher entwickelt wurde (Abb. 2.17). Bleicher ist insbesondere um Integration bemüht. Sowohl die normative, die strategische und die operative Managementebene in einem Unternehmen sollten aufeinander abgestimmt sein, wie auch die Aktivitäten, die Strukturen und das Verhalten der Organisationsangehörigen. Damit orientiert er sich am Ganzen und nicht an einzelnen herausgebrochenen Teilen und erkennt auch das Zusammenspiel, sprich die Interaktion, zwischen Strukturen und Verhalten sowie daraus resultierenden Aktivitäten an. Der Ansatz weist also eine gewisse Nähe zu den Erkenntnissen von Giddens auf, wobei dieser das evolutorische Verständnis der Unternehmensentwicklung ablehnen würde. Zusammenfassend: • Notwendigerweise sind Aktivitäten, Strukturen und Verhalten zu integrieren. • Dasselbe gilt für normative, strategische und operative Ebene.
92
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen MANAGEMENT PHILOSOPHIE
NORMATIVES MANAGEMENT UNTERNEHMENSVERFASSUNG
UNTERNEHMENSPOLITIK
UNTERNEHMENSKULTUR
MISSIONEN STRATEGISCHES MANAGEMENT ORGANISATIONSSTRUKTUREN MANAGEMENTSYSTEME
PROGRAMME
PROBLEM-VERHALTEN
OPERATIVES MANAGEMENT ORGANISATORISCHE PROZESSE DISPOSITIONSSYSTEME
AUFTRÄGE
STRUKTUREN
LEISTUNGS- UND KOOPERATIONSVERHALTEN
VERHALTEN AKTIVITÄTEN UNTERNEHMUNGSENTWICKLUNG
Abb. 2.17 Das St. Galler Management Konzept 202
2.5.2 Theorie komplexer adaptiver Systeme „Complexity makes the strategic challenge more understandable and the task of strategic renewal more accessible.“ 203
Die Theorie komplexer adaptiver Systeme ist keine speziell auf eine einzelne Wissenschaftsdisziplin bezogene Theorie. Sie befasst sich allgemein mit komplexen adaptiven Systemen.204 Die Theorie ist ein zentraler Bestandteil dessen, was heute unter dem Titel „Complexity Science“ diskuBleicher (1995), S. 77. Pascale (1999), S. 86. 204 Die Theorie komplexer adaptiver Systeme darf auch nicht der Biologie zugeordnet werden, auch wenn Vertreter, wie z.B. Kauffmann, aus der Biologie stammen bzw. die Theorie gern auch auf biologische Fragestellungen anwenden. 202 203
2.5 Interdisziplinäre Ansätze
93
tiert wird. Ihre Vertreter verstehen diese als neues Paradigma, das die weiter vorne beschriebenen eher auf Ursache, Wirkungs- und Gleichgewichtsdenken beruhenden Ansätze ablösen respektive ergänzen wird: „… a fundamental challenge to the traditional linear programme in science as a whole and its ideas of certainty and randomness.“ 205 Damit eine Entität als komplexes adaptives System verstanden werden kann, ist zu zeigen, dass es die folgenden vier Eigenschaften aufweist.206 1. Komplexe adaptive Systeme bestehen aus einer Vielzahl von Agenten 207 (Akteuren), die parallel zueinander handeln und keiner hierarchischen Kontrolle unterworfen sind. Auf Unternehmen trifft dies zu. In der Regel existiert zwar eine Unternehmenshierarchie, von hierarchischer Kontrolle kann jedoch kaum gesprochen werden, da die Unternehmensmitglieder zu komplex sind, um direkt und berechenbar auf irgendein Ziel ausgerichtet werden zu können.208 2. Die Elemente und Relationen komplexer adaptiver Systeme verändern sich permanent auf vielfältige Art und Weise. Dies ist in jedem Unternehmen der Fall. Basierend auf den Umfeld- sowie internen Entwicklungen und Veränderungen (z.B. Strategieentwicklung), werden Strukturen, Aktivitäten und damit auch das Verhalten der Organisationsmitglieder einer ständigen Veränderung unterzogen.209 Cilliers hält z.B. fest, dass „... no organization can be understood independently of its context.“ 210 3. Komplexe adaptive Systeme sind dem zweiten thermodynamischen Gesetz unterworfen. Das heisst, dass sie nach einer Erhöhung ihrer Entropie streben. Sie benötigen die permanente Energiezufuhr von aussen, um am Leben zu bleiben. Das heisst, Unternehmen bedürfen der laufenden Ressourcenzufuhr von aussen, um ihre Wertschöpfungsprozesse am Laufen und die beteiligten Byrne (1997), S. 1 zitiert aus Med (2001), S. 45 und auch Beinhocker (1997), S. 32 spricht von einem Nachteil traditionellerer Ansätze, die z.T. auf mathematischen Modellen beruhen: „No matter how elegant or rigorous the model is, if the assumptions do not reflect the real world, the answer will be irrelevant.“ 206 Vgl. zu den folgenden vier Punkten Pascale (1996), S. 84. 207 Vgl. Kauffmann (2000), S. 49ff. für eine Kennzeichnung der Merkmale eines Agenten aus Sicht der Komplexitätstheorie. 208 Andere Autoren verwenden das Kriterium „hierarchische Kontrolle“ ausserdem nicht zur Abgrenzung von komplexen adaptiven Systemen, vgl. z.B. Cilliers (2000), S. 24. 209 Vgl. ergänzend Ulrich (1994), Fine (1998), S. 43ff., Kunz (2002), S. 1 und Slywotzki (1996), S. 38ff. 210 Chilier (2000), S. 25. 205
94
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
Akteure im Unternehmen zu halten. Beide Aspekte – Wertschöpfung und Akteure – prägen die Identität des Unternehmens massgeblich. Nach Beer ist es die Identitätserhaltung, die ein lebendiges System kennzeichnet.211 Insofern kann ein Unternehmen tatsächlich nur am Leben bleiben, wenn es permanent aus der Umwelt mit benötigten Ressourcen versorgt wird. 4. Wesentliche Eigenschaft für die Adaptivität komplexer Systeme ist die Fähigkeit des Erkennens von Mustern im Sinne einer geeigneten Anpassung an Umweltänderungen. Dies darf jedoch nicht im Sinne verstanden werden, dass eine zentrale Instanz mit der Fähigkeit zur zielgerichteten Erkenntnisgewinnung ausgestattet sein muss. Es genügt, wenn eine zielgerichtete Anpassung über den Selektionsmechanismus und über evtl. bestehende Interaktionsregeln erfolgt.212 In Unternehmen ist dies gegeben. Neben der Wirksamkeit des marktlichen Selektionsmechanismus „Wettbewerb“ tragen hier auch die Intelligenz der Handelnden und Interaktionen im Rahmen von Messen, Tagungen u.a. zur Erkennung und koordinierten Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen bei. Infolge des Vorliegens dieser vier Eigenschaften ist die Theorie komplexer adaptiver Systeme für das Management von Unternehmen von Relevanz. Daher sollen einige zentrale Eigenschaften komplexer adaptiver Systeme kurz dargestellt werden. Ko-Evolution Jeder Agent eines adaptiven komplexen Systems sucht für sich nach einer Existenznische im Gesamtsystem. Die „Fitness“, die Überlebenschancen des einzelnen Agenten, hängen dabei nicht nur von ihm selbst, sondern auch von den anderen Agenten im System ab. Die Weiterentwicklungen eines Agenten löst bei den mit ihm interagierenden Akteuren ebenfalls eine Weiterentwicklung aus. Letztere wirkt sich wieder auf den erstgenannten Agenten aus usw.213 Dies gilt natürlich sowohl für die Agenten im Un-
211
212
213
Vgl. Beer (1979) zitiert aus Schwaninger/Friedli (2002), S. 60. Identität darf dabei nicht als statische Erhaltung einer Konfiguration missverstanden werden. Schwaninger/Friedli (2002), S. 61 weisen darauf hin, dass lebensfähige Systeme auch die Möglichkeit besitzen, die eigene Identität (im statischen Sinne) bei Bedarf zu ändern („Viability beyond Survival“). Vgl. die Beispiele für die Adaptionsfähigkeit von Bakterien und Vögeln bei Pascale (1999), S. 85 und Brown/Eisenhardt (1998), S. 19. Vgl. Kauffmann (1995b), S. 215ff. und (1995a), S. 125 sowie Beinhocker (1997), S. 115.
2.5 Interdisziplinäre Ansätze
95
ternehmen wie auch für das Unternehmen insgesamt als Agent in einem umfassenderen Wertschöpfungssystem.214 Konsequenz für die strategische Positionierung des Unternehmens ist es, dass die Positionierung den Charakter eines permanenten Evolutionsprozesses hat.215 Bei der Gestaltung einer Wertschöpfungsposition empfiehlt es sich zudem auch die vermutlichen Reaktionen anderer Akteure im Wertschöpfungsnetz einzubeziehen. Dissipative Gleichgewichte Wie aus der Bezeichnung zu entnehmen, zeigen komplexe adaptive Systeme ein hoch komplexes Systemverhalten, das jedoch oftmals zur Herausbildung sog. dissipativer Gleichgewichte, d.h. dynamischer Verhaltensmuster, führt (z.B. Wasserstrudel).216 Punctuated Equilibrium In komplexen adaptiven Systemen bestehen dissipative Gleichgewichte nur vorübergehend. Von Zeit zu Zeit kommt es zu weit reichenden Turbulenzen im Systemverhalten (z.B. die sog. kambrische Explosion in der Biologie 217 oder der Gründerboom rund um die New Economy). Bak zeigt mit seinen Untersuchungen zur sog. „self-organised criticality“, dass solche Diskontinuitäten auch durch kleine Ursachen ausgelöst werden können, aber einem bestimmten Muster (sog. „Power Law Distribution“) folgen. Im Laufe dieser Umbrüche bildet sich dann ein neues vorübergehend stabiles Entwicklungsmuster heraus.218 Für die strategische Positionierung bedeutet dies, dass aus aktuellen Mustern nicht mit Sicherheit auf deren Fortbestand geschlossen werden kann.219 Unternehmen stehen vor der Herausforderung, mit den unterschiedlichen Anforderungen stabiler und turbulenter Phasen umgehen zu können.220
Die Anwendbarkeit auf Wertschöpfungssysteme hat Knecht (2003) aufgezeigt. Vgl. Beinhocker (1997), S. 115 und Ebenda (1999), S. 99. 216 Vgl. Nicolis/Prigogine (1987), S. 20ff., Brown/Eisenhardt (1998), S. 29 sowie Kauffmann (1995b), S. 71ff. 217 Vgl. Kaufmann (1995b), S. 199ff. 218 Vgl. Bak (1996), S. 1ff. und 27ff., Beinhocker (1997), S. 114f. sowie Kauffmann (1995b), S. 191ff. Die Relevanz für ökonomische Entwicklungen bestätigt Arthur (1990), S. 94. 219 Vgl. Beinhocker (1999), S. 97. 220 Knecht (2003), S. 61 kritisiert stark die Gegenposition, die Child/Faulkner (1998), S. 346 einnehmen. 214 215
96
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
„Edge of Chaos“ Die durchschnittlichen Überlebenschancen der Agenten in komplexen adaptiven Systemen ist maximal, wenn sich das System an der sog. „Edge of Chaos“ befindet. Die Edge of Chaos bezeichnet dabei ein Systemverhalten, das zwischen Ordnung und Chaos liegt, wobei die genaue Lage von Fall zu Fall variieren kann (vgl. Abb. 2.18).221 hoch
D urchschnittliche Lebensfähig keit der A genten
G enau e Form un d Lag e kann variie ren
niedrig stabil: O rd nung
E dge o f C h aos
instabil: C ha os
A rt des System verhaltens lang sam er, inkrem ete ller W an del
schn eller, rad ikale r W andel
Abb. 2.18 Die „Edge of Chaos“ 222
Grundlage für diese Aussage sind Computer-Simulationen von Kauffmann zur Ko-Evolution interagierender komplexer, adaptiver Systeme.223 Eine erste empirische Bestätigung ergibt sich aus der Übereinstimmung bzw. Harmonisierbarkeit mit Beobachtungen zur Verteilung von „Extinction Events“ 224 bei Organismen und Artefakten (wie Unternehmen).225 Die Akzeptanz dieser theoretischen Aussagen im betriebswirtschaftlichen Kontext wird zudem durch eine Reihe von Buchveröffentlichungen 226 und Artikel 227 dokumentiert, die alle das Konzept der „Edge of Chaos“ verwenden Vgl. Kauffmann (1995b), S. 228ff. und (2000), S. 165ff. sowie Pascale (1999), S. 85, Beinhocker (1997), S. 116. Für eine intuitive Erklärung dieses Phänomens vgl. Kauffmann (1995b), S. 234f. (für den Kontext S. 163ff. und 224ff.). 222 In Anlehnung an Beinhocker (1997), S. 116. Vgl. auch Kauffmann (1995b), S. 229. 223 Vgl. Kauffmann (1995b), S. 224ff. 224 Lawinenartige Systemänderungen, die mit der Auslöschung einer grösseren Zahl von Agenten einhergehen. 225 Vgl. Kauffmann (1995b), S. 235ff. und Bak (1996), S. 165f. 226 Vgl. Brown/Eisenhardt (1998), S. 11ff., Kelly (1998), S. 113 und 116, Stacey (1997), S. 65. 227 Vgl. Pascale (1999), S. 85 und 91f., Beinhocker (1997), S. 116f., Eisenhardt/Martin (2000), S. 1113f. 221
2.5 Interdisziplinäre Ansätze
97
bzw. die Gültigkeit der auf sie bezogenen Aussagen anhand von Fallbeispielen bestätigen. Pascale hält z.B. fest, dass „nothing novel can emerge from systems with high degrees of order and stability – .... On the other hand, complete chaotic systems, such as stampedes, riots, rage, or the early years of the French Revolution, are too formless to coalesce.“ 228 Beinhocker diskutiert dies aus Sicht eines Agenten (z.B. eines Unternehmens, das als Ganzes als Agent verstanden wird) und präzisiert bezüglich der Veränderung: „Being at the edge of chaos does not mean pursuing a moderate level of change, but something more subtle. At the edge of chaos, one is simultaneously conservative and radical.“ 229 Beschränkte Rationalität Vince und Kauffmann haben Simulationen mit Agenten durchgeführt, die auf Basis von Theorien über das Verhalten der anderen Agenten eigennutzorientiert handeln.230 Sie konnten zeigen, dass diese Agenten in komplexen adaptiven Systemen die handlungsleitenden Theorien nur bis zu einer bestimmten Komplexität entwickeln bzw. nicht alle verfügbaren (Vergangenheits-) Informationen nutzen. Nachdem sie auf Basis dieser Theorien agieren, zeigen sie notwendigerweise beschränkt rationales Verhalten.231 Damit geht einher, dass sie sich als Zielsatisfizierer verhalten.232 Die Theorie der komplexen adaptiven Systeme gibt Hinweise darauf, was für einen Grad an Flexibilität ein Unternehmen anstreben sollte, um seine längerfristige Lebensfähigkeit aufrechtzuerhalten. Sowohl zu viel wie zu wenig Flexibilität gefährdet dieses Ziel. Ausserdem stellt der Ansatz eine bewusste Abkehr von traditionellen Ansätzen dar: „... it enables a move away from reductionist and teleological explanations of system dynamics.“ 233 Auf der anderen Seite sollte man sich auch der Grenzen dieser Theorie gerade im Vergleich mit klassischen Ansätzen bewusst sein. Bereitgestellt werden durch die Theorie generelle Richtlinien aber keine präzisen Voraussagen: „What does this amount to in practice? It means that we have to make decisions without having a model or a method that can predict the exact outcome of those decisions. A theory of complexity cannot provide us with a method to predict the effects of our decisions, nor with a way to predict the future behavior of the system under considera-
Pascale (1999), S. 91. Beinhocker (1997), S. 35. 230 Dies bezieht sich nicht nur auf Menschen, sondern (mehr oder weniger stark) auch auf andere Organismen. 231 Vgl. Kauffmann (2000), S. 219ff. 232 Vgl. Simon (1996), S. 28f. und die dort zitierte Literatur. 233 Med (2001), S. 46. 228 229
98
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
tion.“ 234 Diese Schwäche ist aber gleichzeitig die Stärke des Ansatzes: „An awareness of the contingency and provisionality of things is far better than a false sense of security.“ 235 Cilliers führt dann auch weiter aus, dass Modellierung und Berechnung absolut notwendig seien, man sich aber bewusst sein muss, dass dies nie ausreichend sein wird. Basierend auf den Überlegungen bezüglich komplexer adaptiver Systeme gelingt es dann z.B. Beinhocker 236, sog. robuste Strategien für Unternehmen zu konzeptionalisieren, die sich dadurch auszeichnen, dass sie keine Fähigkeit voraussetzen, die wahrscheinlichsten oder unwahrscheinlichsten Ergebnisse vorherzusagen. Zusammenfassend lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten: • Notwendiger Umgang mit Phasen der Stabilität und des Wandels. • „Edge of Chaos“ als Position mit den durchschnittlich grössten Überlebenschancen. 2.5.3 „The science of the artificial” nach Simon Um bewährte Theorien aus verwandten Bereichen nicht zu vernachlässigen, wird an dieser Stelle das Designverständnis von Herbert A. Simon kurz beschrieben. Bei der Gestaltung von Unternehmen, handelt es sich um das Design eines künstlichen Artefakts. Theorien zum Design solcher Artefakte existieren wenige. Eine Ausnahme stellt Simons „Science of the artificial“ 237 dar. Seine Designtheorie umfasst neben anderen Punkten: 238 • eine Interface-Theorie, • die Unterscheidung zwischen befriedigenden und optimalen Lösungen sowie • Bemerkungen zur Architektur der Komplexität. Der Interface-Begriff Simon stellt den Interface-Begriff ins Zentrum seiner Theorie: „The artificial world is centered precisely on this interface between the inner and the outer environments; it is concerned with attaining goals by adapting the former to the latter.“ 239 Das künstliche Artefakt kann also als Interface zwischen dem „Inneren“ (d.h. der Organisation, der inneren Struktur des Artefakts selbst) und einem Äusseren (d.h. der Umgebung, in der es opeCilliers (2000), S. 28. Ebenda, S. 29f. 236 Vgl. Beinhocker (1997, 1999). 237 Vgl. Simon (1996). 238 Vgl. als Übersicht Simon (1996), S. 134f. 239 Simon (1996), S. 113. 234 235
2.5 Interdisziplinäre Ansätze
99
riert) verstanden werden. Nach Simon wird das Artefakt seinen intendierten Zweck erfüllen, wenn die innere Struktur der äusseren Umgebung angepasst ist und umgekehrt.240 Eine solche Betrachtung entspricht auch den Grundannahmen der Kybernetiker 241 und insbesondere der Aussage von Ashby, dass nur Komplexität Komplexität bewältigen kann,242 d.h. die Struktur, die in einer Umwelt überleben will, muss zur Regelung die gleiche Komplexität aufweisen wie die relevante Aussenwelt. Durch die Beschreibung des Interface zwischen Innerem und Äusserem kann weitgehend von der detaillierten Beschreibung und des Verständnisses der inneren Struktur aber ebenso der äusseren Umgebung abstrahiert werden: „We might look toward a science of the artificial that would depend on the relative simplicity of the interface as its primary source of abstraction and generality.“ 243 Das Zugrundelegen einer Interface-Theorie hat gerade für die Unternehmensgestaltung verschiedene Vorteile: • Die Komplexität der Gestaltungsaufgabe wird reduziert. Es gibt eine Vielzahl verschiedener denkbarer Lösungen (in der inneren Struktur), um eine Aufgabe zu erfüllen. Durch das Zugrundelegen der InterfaceBeschreibungen wird davon abstrahiert. Interessieren tut das „Was“, das „Wie“ bleibt offen. • Damit kann die innere Funktionsweise weiter optimiert werden, ohne dass die Wechselwirkungen mit anderen Komponenten des Gesamtsystems berücksichtigt werden müssen. • Die Theorie zwingt dazu, sich im Vorfeld auf die relevanten Umweltaspekte zu fokussieren. Die Gesamtkomplexität der Umwelt ist sowieso nicht fass- und abbildbar. Damit wird die Umweltinformation direkt gefiltert.244 • Interface-Beschreibungen ermöglichen den Austausch von Komponenten und Modulen, ohne das ganze System neu konzipieren zu müssen. Das neu hinzukommende Modul muss in der Schnittstelle einfach die gleichen Leistungen erbringen wie das wegfallende. Optimale und befriedigende Lösungen Simon argumentiert, dass wir uns oft damit zufrieden geben müssen, unsere Designziele nur teilweise erfüllen zu können, dies weil innere Eigenschaften, d.h. Begrenzungen, Restriktionen, etc., durchscheinen können: „That is that the behaviour of the system will only partly respond to the Vgl. Simon (1996), S. 6. Kybernetik ist die Lehre von der effektiven Organisation (vgl. 2.1.2). 242 Vgl. 2.1.2. 243 Simon (1996), S. 9. 244 Vgl. dazu auch 2.1.2.1. 240 241
100
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
task environment; partly it will respond to the limiting properties of the inner system.“ 245 Dazu kommt, dass Modelle natürlich immer nur Abstraktionen der Realität sind und somit basierend auf diesen Modellen nicht alle möglichen Zustände optimal modelliert werden können: „Because realworld optimization, with or without computers, is impossible, the real economic actor is in fact a satisficer, a person who accepts „good enough“ alternatives, not because less is preferred to more but because there is no choice.“ 246 Es bleibt festzuhalten, dass aus genannten Gründen bei Designprozessen keine optimalen, sondern befriedigende Lösungen im Vordergrund stehen. Diese Tatsache legitimiert eine Konzentration der Gestaltungsanstrengungen auf die Suche nach solchen befriedigenden Lösungen unter Verzicht auf unter grossem Zeitaufwand erfolgenden, alle Parameter berücksichtigen wollenden, komplexen Modellentwürfen. Die Architektur der Komplexität: Hierarchische Systeme Weiterer zentraler Punkt in Simons Theorie ist die Architektur der Komplexität. Simon versteht unter einem komplexen System, ein System, das aus einer grossen Anzahl Teile mit vielfältigen Interaktionen besteht.247 Eine Definition, die auf ein Unternehmen zweifellos anwendbar ist. Simon unterscheidet in diesen hierarchischen Systemen Interaktionen zwischen Subsystemen und innerhalb der Subsysteme selbst. Er kommt zum Schluss, dass sich diese Systeme als in die Subsysteme zerlegbar beschreiben lassen, da die Interaktionen zwischen den Subsystemen eher schwach sind („nearly decomposable systems“ 248), d.h. in einer Kurzfristbetrachtung kann das Verhalten der einzelnen Komponenten als nahezu unabhängig von demjenigen anderer Komponenten betrachtet werden. In einer Langfristbetrachtung hängt das Verhalten nur in einer aggregierten Weise von demjenigen der anderen Komponenten ab.249 Simon leitet daraus den Effekt ab, dass durch diese Art der Betrachtung die hohe Dynamik innerhalb von Komponenten von der niedrigeren Dynamik betreffend die Interaktionen zwischen Komponenten getrennt werden kann.250 Simon (1996), S. 12. Simon (1996), S. 29. 247 Vgl. Simon (1996), S. 184f. 248 Simon (1996), S. 197. 249 Vgl. Simon (1996), S. 198. 250 Vgl. Simon (1996), S. 204, ähnliche Überlegungen finden sich heute in der Produktentwicklung, wo versucht wird, durch Plattformen niedrige und höhere Dynamiken zu trennen. 245 246
2.6 Substrat für eine eklektische Theorie
101
Zusammenfassend lässt sich das Design einer komplexen Struktur so gestalten, dass die betrachteten Systeme entsprechend der zu erzielenden Funktion in halb-unabhängige Komponenten zerlegt werden. Das Design jeder einzelnen Komponente kann in der Folge unabhängig vom Design der anderen Komponenten vorgenommen werden. Damit ergeben sich aus Simons Darstellungen folgende Punkte: • Fokussierung auf relevante Umweltaspekte notwendig. • Befriedigende Lösungen anstelle optimaler anstreben. • Verschiedene Lösungen für interne Strukturdetails denkbar. 2.5.4 Zusammenfassung Abbildung 2.19 zeigt die relevanten Aspekte der integrierenden Theorien nochmals zusammengefasst. Für produzierendes Unternehmen relevant
Begründung aus Spezifika und Umfeld
St.Galler Schule
Integration Aktivitäten, Strukturen, Verhalten
Komplexität und Dynamik
Komplexe, adaptive Systeme
Stabilität und Wandel, „Edge of Chaos“
Komplexität und Dynamik
Simon Designtheorie
Fokus auf relevante Umwelt, Befriedigende Lösungen, Verschiedene Lösungen für interne Strukturaufgabe
Komplexität und Dynamik
Ansatz
Abb. 2.19 Relevante Aspekte der integrierenden Perspektiven
2.6 Substrat für eine eklektische Theorie Eine kurze Beurteilung der beschriebenen Theorien in Hinblick auf ihren Beitrag zu der aufgeworfenen komplexen Fragestellung zeigt, dass sich die weiter hinten beschriebenen interdisziplinären Ansätze prinzipiell besser eignen, um für das Betrachtungsobjekt, das produzierende Unternehmen in seinem Umfeld, handlungsleitende Antworten zu geben. Andererseits verstehen sich diese Ansätze nicht als ausschliessend, sondern als integrierend. Da sich Teilfragestellungen der Unternehmen mit einem Blick aus
102
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
einer ausgewählten Perspektive zielführender beantworten lassen, drängt es sich auf, nicht eine Auswahl aus den Methoden zu treffen, sondern diese abhängig von der Fragestellung gezielt zu verwenden. Die potenziellen Beiträge seien an dieser Stelle nochmals kurz zusammengefasst. Abbildung 2.20 zeigt die Einordnung der diskutierten Ansätze in das zu Beginn des Kapitels vorgestellte Ordnungsraster von Burell und Morgan. Dargestellt wird nur die untere Hälfte, da die radikalen Ansätze für unsere Zwecke weiter vorne bereits ausgeschlossen wurden. Die Einordnung soll auch eine relative Beurteilung des Ausmasses zeigen, indem die Theorien dafür geeignet sind, auch Wandel zu unterstützen, respektive objektivistische und subjektivistische Sichtweisen beinhalten. Wandel
komplexe adaptive Systeme
Relational View
Technologiemanagement
Kontingenzansätze Market-based View
StrukturationsTheorie Resource-based View
Systemtheorie, GMN, potenzialor. Mgt.
Einzigartigkeiten
Ökonomische Ansätze
Stabilität Subjektivismus
Science of the artificial
Objektivismus
Abb. 2.20 Zuordnung zu den Paradigmata
Integrierende Ansätze zwischen dem funktionalen und dem interpretativen Paradigma sind: • die komplexen adaptiven Systeme, durch den bewussten Einbezug der einzelnen Agenten in einem System und der Berücksichtigung der Komplexität sozialer Systeme, • die Ansätze des Technologiemanagements, die dadurch, dass sie meist mit einer hohen Dynamik und unscharf definierten Aufgabenstellungen umgehen müssen, Menschen zwingend mit einbeziehen müssen und als
2.7 Abgeleitete Anforderungen an den Gestaltungsrahmen
103
Lieferanten für Innovation ebenso zwingend mit Wandelprozessen beschäftigt sind, • die Strukturationstheorie von Giddens, die explizit als Interaktionstheorie zwischen Strukturen und Verhalten aufgestellt wurde, sowie • die Ansätze aus dem Umfeld des St. Galler Systemdenkens. Die anderen Ansätze sind dem funktionalistischen Paradigma zuzuordnen. Bei der Einordnung wurde berücksichtigt inwiefern die Ansätze eher auf den Markt schauen oder eher die Ressourcen als zentrales Planungsobjekt betrachten. Den ressourcenorientierten Ansätzen wurde in der Einordnung weniger Dynamik unterstellt, da die Historie und die bestehenden Kompetenzen den Blickwinkel doch beträchtlich einengen können.251 Bei den ökonomischen Ansätzen wurde berücksichtigt, dass die neueren davon den Menschen expliziter einbeziehen als dies früher der Fall war. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels werden auf Basis der Theorien erste Anforderungen an den in Kap. 6 zu entwickelnden Gestaltungsrahmen abgeleitet. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass der Gestaltungsrahmen als „Mid-Range“-Theorie auch in der Lage ist, verschiedene Perspektiven zu integrieren und die wesentlichen Aspekte des Managements produzierender Unternehmen abdecken kann.
2.7 Abgeleitete Anforderungen an den Gestaltungsrahmen Es bleibt festzuhalten, dass keine der betrachteten Theorien einen Rahmen zur Verfügung stellt, der es erlauben würde i.S. von Doz und Prahalad zwischen Theorie und relevanten Managementfragestellungen zu vermitteln und die verschiedenen Theoriesichten zu integrieren. Am nächsten an diese Vorstellung heran kommen die integrierenden Ansätze, die jedoch eine Konkretisierung in dem Sinne erfahren sollten, dass die Spezifika des produzierenden Unternehmens (vgl. dazu Kap. 3 und die dort abgeleiteten Anforderungen) direkter adressiert und damit operationalisiert werden.
251
Vgl. z.B. Leonard-Barton (1992), die davon spricht, dass in dynamischen Umfeldern, Kernkompetenzen zu Kernrigiditäten werden, Teece (1984) spricht von der eingeschränkten strategischen Wahl durch ein begrenztes Set an verfügbaren Routinen, Harrigan (1980) und Caves und Porter (1976) sehen neben Eintrittsbarrieren auch Austrittsbarrieren und bereits früher halten Utterback und Abernathy (1975) fest, dass hohe Produktivität oft mit einer eingeschränkten Flexibilität einhergeht.
104
2 Ausgewählte theoretische Grundlagen
Die in Kap. 1 gestellte Forschungsfrage bedingt auf Grund der Komplexität, die dadurch aufgeworfen wird, eine Betrachtung des Untersuchungsobjekts „produzierendes Unternehmen in seinem Umfeld“ aus verschiedenen Theorieperspektiven. Es lassen sich aus den verschiedenen diskutierten Theorien zusammenfassend folgende Anforderungen an einen solchen Rahmen zum strategischen Management produzierender Unternehmen ableiten: • Berücksichtigung (Integration) von Aktivitäten, Strukturen und Verhalten, • Berücksichtigung von Markt und Ressourcen, • Berücksichtigung des Unternehmensumfelds, • Berücksichtigung überbetrieblicher Ansätze, • Berücksichtigung von Phasen zwischen Turbulenz und Statik („edge of chaos“), • Berücksichtigung einer begrenzten Gestaltbarkeit sozialer Systeme, • Ablehnung streng naturwissenschaftlich abgeleiteter Ursache-Wirkungsbeziehungen, • Berücksichtigung ökonomischer Kosten-Nutzen Überlegungen, • Betrachtung robuster und dynamischer Strategien.
3 Strategisches Produktionsmanagement
„As the prima facie credibility of strategy as commitment fades in the face of increasing future uncertainties, the appeal – and appropriateness – of the alternative logic of strategy as strategic flexibility increases.“ 1 „When companies fail to recognize the relationship between manufacturing strategy and corporate strategy, they may become saddled with non-competitive production systems, which are expensive and time consuming. In the current competitive scenario, manufacturing strategy assumes a significant importance and calls for serious research attention.“ 2 „The European company that expects to survive into the next century with over-engineered products, an abundance of highly-skilled and high-priced labor, and the old mentality will be put under severe pressure.“ 3
In diesem Kapitel wird der Begriff des strategischen Produktionsmanagements weiter geklärt. Basierend auf diesem Verständnis werden die zentralen Fragestellungen eines strategischen Produktionsmanagements in der heutigen Zeit herausgearbeitet und gezeigt, dass sich die Frage nach einer „strategischen Flexibilität“ bei produzierenden Unternehmen immer dringender stellt. Daran wird eine historische Betrachtung der produzierenden Industrie unter besonderer Berücksichtigung von Flexibilität angeschlossen.
Sanchez (1997), S. 91. Dangayach/Deshmukh (2001), S. 884. 3 Schmenner (1997), S. 110. 1 2
106
3 Strategisches Produktionsmanagement
3.1 Einführung „The current confusion over how to organize technologies, markets, and hierarchies is evidence of the breakdown of crucial yet poorly understood elements in the familiar system of economic development. And whenever the familiar suddenly becomes mysterious, it is because assumptions have ceased to hold.“ 4
Produktion ist eine Grundlage menschlicher Aktivität. Um die Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen, werden natürliche Ressourcen durch Produktionsprozesse in nützliche Produkte transformiert.5 Diese Transformation wird durch Produktionssysteme vorgenommen, die innerhalb von Unternehmen angesiedelt sind.6 Das produzierende Unternehmen ist ein Unternehmen, das über ein solches Produktionssystem verfügt. Die produzierende Industrie ist die Gesamtheit der Unternehmen, die dieser Definition genügen. Aufgrund divergierender Auffassungen über den Inhalt der Produktion und die damit zusammenhängenden Führungsaufgaben existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen des Begriffs Produktionsmanagement.7 Der Zusammenhang zwischen strategischen Fragestellungen und Fertigungsaspekten wurde erst in jüngerer Vergangenheit systematischer betrachtet.8 Skinner gilt als Pionier in dieser Frage. Gemäss ihm geht es bei Piore/Sabel (1984), S. 14. Vgl. Zelenovic (1982), S. 319. 6 Die Systemgrenze wird hier bei der legalen Entität eines Unternehmens gezogen. Natürlich kann man aber im Fall überbetrieblicher Zusammenarbeit das Produktionssystem auch weiter fassen. 7 In Bezug auf den Begriff „Produktion“ kann auf Spur (1998), S. 1, referenziert werden, der festhält: „Technik bezweckt eine gegenständliche Verwirklichung schöpferischer Vorstellungsprozesse. Das Ergebnis dieser Verwirklichung ist das Erzeugnis, ist das durch Kunstfertigkeit des Menschen Erzeugte. Wir nennen diesen Vorgang auch Produktion und bezeichnen das Erzeugte selbst als Produkt.“ Swamidass und Newell (1987), S. 509 stellen folgende Arbeitsdefinition auf: „..., manufacturing strategy is viewed as the effective use of manufacturing strengths as a competitive weapon for the achievement of business and corporate goals. Manufacturing strategy reflects the goals and strategies of the business and enables the manufacturing function to contribute to the long-term competitiveness and performance of the business.“ 8 Stark getrieben auch von praktischen Herausforderungen: „Interest in manufacturing strategy is growing as many industries search for practical solutions to increasing environmental change and competitive pressure.“ (Nemetz/Fry 1988, S. 628). 4 5
3.1 Einführung
107
der Fertigungsstrategie darum, gewisse Eigenschaften der Produktion als „competitive weapons“ einzusetzen.9 Woodward zeigte, dass es einen systematischen Zusammenhang zwischen Produktionstechnologien, Organisationsstrukturen und Managementcharakteristiken in einem Unternehmen gibt.10 Grosse Erachtung erlangten aber erst später Hayes und Wheelwright mit der Darstellung eines dynamischen Rahmens, der die Produkt- und Marktentwicklung eines Unternehmens in einen Zusammenhang zu den Fertigungstechnologien setzte.11 Ihre Darstellung beruht auf klassischen Trade-off Überlegungen zwischen Effizienz und Flexibilität einer Produktion. Mit dem Aufkommen von fortschrittlicheren Fertigungstechnologien,12 die gewisse klassische Trade-offs in der Produktion abschwächten, erlangte die Produktion neue Bedeutung in Bezug auf die Gesamtstrategie des Unternehmens.13 Das heutige Verständnis bezüglich (strategischem) Produktionsmanagement liegt je nach Autor weit auseinander und reicht von einer ausschliesslichen Betrachtung der Produktionsplanung und -steuerung bis hin zu einem umfassenden Verständnis von Produktionsmanagement als Lenkung, Gestaltung und Entwicklung des gesamten produzierenden Unternehmens.14 Die enge Sicht, konzentriert auf die betriebliche Funktion Produktion, wird durch den Economist folgendermassen beschrieben: „Manufacturing used to be pretty simple. The factory manager or the production director rarely had to think about suppliers or customers. All he did was to make sure that his machinery was producing widgets at the maximum hourly rate. Once he had worked out how to stick to that „standard rate“ of production, he could sit back and relax.“ 15 In Anlehnung und Erweiterung an das von Spur eingebrachte Verständnis des Begriffs „Technologiemanagement“ 16, soll hier unter ProduktionsmanageSkinner (1969) beschreibt einen Top Down Ansatz, der es erlaubt die Fertigung auf die Strategie auszurichten, so dass „the company will have an important addition to its arsenal of competitive weapon.“ (S. 145). 10 Vgl. Woodward (1965), Kotha (1995), S. 22. 11 Vgl. Hayes und Wheelwright (1979a, b). 12 Vgl. dazu auch Abschn. 6.5.2. 13 Vgl. z.B. Goldhar/Jelinek (1985), S. 104: „Changes in fundamental assumptions such as these (die neuen CIM Technologien) go well beyond changing the attitudes of manufacturing managers. These are strategic issues, affecting all functions and the very mission of the firm.“ 14 Vgl. dazu auch Hungenberg/Schuh/Warnecke (1996), S. 5–34ff. 15 The Economist (1998b). 16 Spur (1998), S. 108: „Technologiemanagement ist so gesehen mehr als eine Managementlehre für Ingenieure, es ist eine Führungslehre für alle, die eine Verantwortung für die Entwicklung und Anwendung von Technik tragen.“ und Badawy (1998), S. 95 definiert: „The concept of Technology Management is 9
108
3 Strategisches Produktionsmanagement
ment das allgemeine Management eines produzierenden Unternehmens verstanden werden. Es soll damit bewusst Abstand genommen werden von Ansätzen, die strategisches Produktionsmanagement alleine auf eine strategieorientierte Ausrichtung der Produktion reduzieren, respektive die Produktion nur als Belastung betrachten.17 Das Thema „Manufacturing Strategy“ ist ein eher junges in der Management-Literatur. Swamidas und Newell halten 1984 fest, dass „The phenomenon of manufacturing strategy is only beginning to be understood.“ 18 und obwohl es immer wieder einzelne Vertreter gab, die Produktionsaspekte zentraler betrachteten,19 wird die Produktion eher selten als wettbewerbsentscheidend beurteilt und geführt respektive wird das Thema Produktionsmanagement und Produktionsstrategie tendenziell als funktionale Teilstrategie gesehen.20 Von diesen Ansichten wird hier bewusst Abstand genommen. Bleicher wies in seinem Buch „Das Konzept integriertes Management“ bereits 1992 darauf hin, dass eine Vielzahl der Herausforderungen in der Integration der verschiedenen Ebenen und Gestaltungsfelder eines Unternehmens bestehen.21 Diesem Integrationsaspekt soll in der Folge besondere Beachtung geschenkt werden. Wie bereits in Kap. 1 ausgeführt, kann aber eine solche Integration nicht über die Entwicklung von funktionalen Strategien oder die Verwendung von immer mehr Partial-Modellen erfolgen. Die Ausblendung des Gesamten durch die reduktionistische Betrachtung von einzelnen Funktionen wird der Komplexität des Betrachtungsobjekts „produzierenquite broad since it covers not only R&D, but also the management of product, process, and information technologies. The management of technology is thus the practice of integrating technology strategy with business strategy in the company.“ 17 Vgl. z.B. Skinner (1969), S. 136f., der vom „Millstone effect“ spricht: „When companies fail to recognize the relationship between manufacturing decisions and corporate strategy, they may become saddled with seriously noncompetitive production systems which are expensive and time-consuming to change.“ 18 Swamidass/Newell (1984), S. 510. 19 Vgl. z.B. Skinner (1969, 1978), Wheelwright (1978, 1984), Miller (1981), Buffa (1984) oder Hayes/Wheelwright (1984). 20 Pilkington (1998), S. 31 führt dies auch auf die verbreitete Meinung zurück, dass es eine „Best Practice“ für Produktion gibt, was eine Abstimmung mit der Unternehmensstrategie überflüssig machen würde. 21 Vgl. Bleicher (1995), S. 33: „Notwendig wird ein umfassendes systemisches Denken, das ein gedankliches Wechselspiel zwischen Teil und Ganzheit, das Einordnen von Teilerkenntnissen in Gesamtkonzepte, sowie ein wechselseitiges Denken auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen erlaubt.“ und auch Bleicher (1996), S. 1–11f.
3.1 Einführung
109
des Unternehmen“ nicht gerecht. Das produzierende Unternehmen muss als gesamtes betrachtet werden, um zu verhindern, dass eine Reihe von Suboptima abgeleitet werden und das Gesamtverständnis dabei verloren geht.22 Dies geht auch über das Verständnis von Autoren wie Wheelwright hinaus, der 1984 festgehalten hat: „On the empirical front, competitive events in several world-wide manufacturing industries ... have highlighted the dangers of viewing the manufacturing function as „neutral“ and the benefits of recognizing its potential in positively supporting business and corporate strategy.“ 23 Meines Erachtens geht diese Ansicht noch zu wenig weit, da die Produktion nicht alleine eine auf strategische Anforderungen reagierende Funktion ist, sondern durch ihre Charakteristika, den Optionsraum eines Unternehmens im Wesentlichen, wenn nicht entscheidendem Masse determiniert. Ein gutes Beispiel dafür ist die kürzlich in der Presse beschriebene aktuelle Situation von Fiat Auto. Durch die Ausstattung auf der Ressourcenseite war und ist der Handlungsspielraum des Unternehmens empfindlich eingeschränkt.24 Es kann deshalb kaum eine Strategiefestlegung für ein produzierendes Unternehmen geben, die nicht bestehende Produktionsmöglichkeiten respektive -restriktionen mitberücksichtigt. Die Herausforderung, vor der das Management produzierender Unternehmen steht, ist damit eine zweigeteilte. Auf der einen Seite steht der Druck auf das Unternehmen mit der Dynamik des Umfeldes Schritt zu halten, auf der anderen Seite steht die Notwendigkeit, bestehende Investitionen bei der Festlegung der Positionierung mit zu berücksichtigen, respektive bei Neuinvestitionen auch die damit verbundenen zukünftigen Einschränkungen 25 zu beachten.26 Für das strategische ProduktionsmanaPilkington (1998), S. 40, macht darauf aufmerksam, dass eine nähere Betrachtung der Erfahrungen mit „Lean Manufacturing“ die Schlussfolgerung unterstützt, dass die Produktion mit der Geschäftsstrategie integriert werden muss und dass dieser Schluss oft vernachlässigt wurde. 23 Wheelwright (1984), S. 77. 24 Fiat Auto wies im Oktober 2002 Fertigungskapazitäten auf, die nach Schätzungen ungefähr doppelt so hoch wie benötigt waren. Dies schränkte den Handlungsspielraum des Unternehmens empfindlich ein (vgl. Economist 2002, S. 69). 25 Verschiedene Autoren sehen eine Pfadabhängigkeit bei der Weiterentwicklung von Fertigungskompetenzen (vgl. z.B. Safizadeh/Ritzman/Mallick 2000 oder auch Teece et al. 1997). 26 Investitionen in Produktionskapazitäten respektive in technologische Kompetenzen werden in der Regel als Eintrittsbarrieren diskutiert (Porter 1985), vereinzelt aber auch als „Exit Barrieren“ (Harrigan 1980, Caves und Porter 1977) oder Kernfähigkeiten werden als „Kern-Rigiditäten“ thematisiert (LeonardBarton 1992). 22
110
3 Strategisches Produktionsmanagement
gement bedeutet dies, dass diesen und anderen Spannungsfeldern besondere Beachtung zu schenken ist. Spannungsfelder im Management produzierender Unternehmen In diesem Abschnitt wird das Untersuchungsobjekt „produzierendes Unternehmen“ näher beschrieben. Dazu werden die Charakteristika aus Abschn. 1.2.2 nochmals aufgegriffen und vertieft. Insbesondere wird den klassischen Spannungsfeldern, die durch ein Management zu überwinden sind, besondere Beachtung geschenkt. Bei allen Anstrengungen, die in der Vergangenheit unternommen wurden, kann eine Vielzahl dieser Spannungsfelder nach wie vor als nicht aufgelöst betrachtet werden. In jedem Unternehmen müssen folgerichtig „competitive priorities“ 27 gesetzt werden, um Entscheidungen im Sinne des Gesamtunternehmens überhaupt treffen zu können.28 Angesprochen werden an dieser Stelle nicht die auf oberster Ebene adressierbaren klassischen Zielgrössen der Unternehmen, wie Kosten, Qualität, Zeit und Liefertreue, sondern die diese Grössen determinierenden Merkmale. • Notwendige Kontinuität versus geforderte Dynamik Schuh weist in einem Beitrag von 1995 auf die Notwendigkeit stabiler Produktionsprogramme hin.29 Eine Vielzahl anderer Autoren hat den Standpunkt eingenommen, dass Fokus und Konzentration in Zusammenhang mit den damit verbundenen Investitionen immer auch die Gefahr in sich birgt, den Herausforderungen des dynamischen Umfelds nicht gewachsen zu sein.30 Dazu stellvertretend vgl. Volberda: „In the new mode of hypercompetition, therefore, rents do not derive from specialized routines but from adaptive capability.“ 31 Gerade die fixkostenintensive Produktion erzwingt eine konstante AusWheelwright (1984), S. 80f. Zu den klassischen „Trade-off“-Grössen gehören Kosten, Qualität, Flexibilität und Liefertreue. Zuerst wurde das Konzept von Skinner 1969 positioniert. Es existieren empirische Studien, die das Vorhandensein von Trade-offs bestätigen, aber auch solche, die keinen statistischen Nachweis dafür finden konnten. Am Ende des Abschnitts wird zu diesen widersprüchlichen Ergebnissen Stellung genommen. 29 Vgl. Schuh (1995), S. 432: „Bestehen bleibt, trotz aller Erfolge bei der Flexibilisierung der Produktion, der Grundsatz, dass eine Produktionsstätte Kontinuität braucht, d.h. stabile Produktionsprogramme, um effizient arbeiten zu können.“ 30 Vgl. auch Fussnote 26 und Teece (1984), der von einer eingeschränkten strategischen Wahl durch ein begrenztes Set an verfügbaren Routinen spricht oder Utterback und Abernathy (1975), die festhalten, dass hohe Produktivität oft mit einer eingeschränkten Flexibilität einhergeht. 31 Volberda (1996), S. 360. 27 28
3.1 Einführung
111
lastung, was in der Vergangenheit und z.T. auch heute noch zu einem starken Auslastungsdenken an der Unternehmensspitze führt. Strategien werden teilweise nicht auf Basis einer klaren Mission für das Unternehmen abgeleitet, sondern durch nicht ausgelastete Kapazitäten determiniert. Dies macht unmöglich, dass das Unternehmen im Markt einheitlich wahrgenommen wird. Einer der Hauptgründe, wieso die Supply AG 32 im Jahr 2002 eine Neuerarbeitung von Missionen und Strategien einleitete, war, dass man durch ein starkes Auslastungsdenken, geprägt durch teure Lackieranlagen, keine einheitliche Wahrnehmung im Markt mehr hatte. Die Aktivitäten wurden durch eine Betrachtung der aktuellen Kapazitätsauslastung gesteuert. Von einer geklärten Mission und Strategie versprach man sich auch mehr Sicherheit für das Management. Schuh et al. sprechen von einer eigentlichen Fixkostenfalle in der Produktion und zitieren eine Studie, laut der bereits 1992 39 % der befragten Unternehmen der Investitionsgüterindustie einen höheren Fix- als Variablen-Kostenanteil auswiesen.33 Der Abbau von Fixkosten ist zudem oft auch noch durch politische Hürden erschwert. Jones z.B. führt das Beispiel von VW in Wolfsburg an, wo der Einfluss der Gewerkschaften einen Abbau zu Gunsten effizienterer und kleinerer Produktionswerke erschwerte.34 • Geforderte Kundenindividualität versus Zwang zur Standardisierung 35 Die Sättigung in den meisten traditionellen Absatzmärkten verschärft den Wettbewerb, begleitet von grossen Überkapazitäten. Der Trend zur Globalisierung dieser Märkte verstärkt die Konkurrenzsituation. Als Folge der steigenden Wettbewerbsintensität hat eine kontinuierliche Veränderung des Marktverständnisses vom Anbieter- zum Käufermarkt stattgefunden. Damit hat sich ein Wandel weg vom quantitativen hin zum qualitativen Marktwachstum vollzogen. Nicht mehr Mengen- 36, sondern Variantenwachstum 37 ist das Kennzeichen solcher Märkte. DaVgl. Kurzbeschreibung des Projekts im Anhang. Schuh et al. (1998a) S. 14. 34 Vgl. Jones (1994), S. 148. 35 Vgl. dazu insbesondere auch Schuh/Schwenk (2001). 36 Die „Vielzahl“ erfasst die Komplexität, die auf das Konto einer schwer überschaubaren Anzahl von Elementen geht. Weiter ist damit die „Grösse“ eines Systems gemeint, mit den nicht weiter erklärungsbedürftigen Massgrössen: Menge, Volumen, Häufigkeit, Länge, usw. 37 Die „Vielfalt“ bringt die Verschiedenartigkeit in einem System zum Ausdruck. Die Diversität der Elemente (Typen, Modelle) lässt sich mit Hilfe von Dispersionskennzahlen (Varianz, Diversifikations-Kennzahl) operationalisieren. 32 33
112
3 Strategisches Produktionsmanagement
mit verspricht man sich eine höhere Kundennähe. Ausgehend von einem ursprünglich einfachen Produktprogramm und damit auch einer überschaubaren Anzahl unterschiedlicher Unternehmensprozesse hat sich infolge der zunehmenden Marktsättigung und des verschärften Verdrängungswettbewerbes die produkt- und prozessseitige Vielfalt drastisch erhöht (Abb. 3.1).38 Die steigende Prozesskomplexität führt aber, unter anderem auf Grund der hohen Anzahl funktionsorientierter Schnittstellen zu intransparenten Abläufen, zu mangelnder Flexibilität und zu exponentiell wachsenden Kosten. Stückzahl/ Baureihen/ aktive Teilenummer
1‘551
68‘000
Aktive Teile 75‘000
60‘516 55‘000 Typen/Modelle 13 1‘104 10 7
8
905
Verkaufte Maschinen 925 pro Jahr
222 138 91
1992
1993
1994
Verkaufte Maschinen 71 pro Modell
1995
Zeit
Legende: Baureihen Stückzahlentwicklung Gesamtstückzahl/Baureihe Aktive Teilenummern
Abb. 3.1 Vielfaltsentwicklung im Anlagenbau
Die Zunahme der Variantenvielfalt bezieht sich nicht nur auf die Ebene der End-Produktvarianten, sondern zeigt sich besonders augenfällig auch auf Baugruppen- und Teileebene. So finden sich beispielsweise über 150 verschiedene Ausführungsvarianten der Türverkleidung beim Audi A8. Die Problematik einer hohen Vielfalt auf dieser Ebene zeigt sich auch dadurch, das z. T. 50 % der Teilenummern für Sonderausstattungen benötigt werden, die unter Umständen jahrzehntelang auch als Ersatzteile vorgehalten werden müssen.39 Der Druck auf der Kostenseite
38 39
Vgl. Schuh (1995), S. 436. Vgl. Kaiser (1995), S. 22.
3.1 Einführung
113
andererseits verlangt zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit nach einer weitergehenden Standardisierung. • Notwendige Amortisationszeiten versus kürzer werdende Produktlebenszyklen Die hohen Investitionen, nicht nur in die Fertigung, sondern auch in die Entwicklung neuer Produkte erfordern ausserdem, dass Produkte lang genug am Markt bleiben, um diese Kosten amortisieren zu können. Abnehmende Produktlebenszyklen 40 und die sich verändernden Marktbedürfnisse erhöhen das unternehmerische Risiko bei Investitionen in Produktionsmittel und Produktentwicklung. Ein aktuelles Beispiel für damit verbundene Risiken sind die Investitionen, die im Jahr 2000 von der Mikron Gruppe in den dazumal boomenden Telekomsektor getätigt wurden.41 Am 23. Januar 2001 wurde der erste Restrukturierungsplan bekannt gegeben, der einen umfassenden Abbau der Kapazitäten in Europa vorsah. 2001 wurde ein Verlust von 127,3 Millionen CHF erzielt, 88 Millionen davon waren Goodwill Abschreibungen, weitere 33 Millionen Restrukturierungskosten. Am 6. Dezember 2002 wurde als Massnahme, um die Schulden zu reduzieren, der Verkauf des in einem schwierigen Umfeld knapp an der Gewinnschwelle operierenden Sondermaschinenbaubereichs angekündigt. Zu diesem Verkauf kam es aber nie, da potenzielle Interessenten angesichts der Situation des Gesamtkonzerns Angebote unterbreiteten, die mit dem Wert dieses Bereichs nichts zu tun hatten. Alleine die Verkaufsankündigung führte aber dazu, dass Kunden aufgrund der Unsicherheit über die zukünftige Eignerstruktur Neukäufe hinausschoben oder bei Konkurrenten tätigten. Am 18. Juni 2003 wurde schliesslich ein umfassender Restrukturierungsplan von der Generalversammlung gutgeheissen, der einen Vgl. z.B. Goldman et al. (1995), S. 3. Dazu abweichend Boutellier et al. (1999). Insgesamt scheint aber offensichtlich zu sein, dass die Absatzvolumina einer einzelnen Produktgeneration eher sinken und damit die Amortisation von Entwicklungsaufwendungen, etc. schwieriger wird. Ebenfalls von abnehmenden Produktlebenszyklen gehen Pisano/Wheelwright (1995), S. 96, Kotha (1995), S. 21 sowie die dort angeführten Sanchez (1995), Stalk/Hout (1990) sowie Wheelwright/Clark (1992c) aus. 41 In einer Presseerklärung vom 22.2.2000 steht unter anderem: „As a result of this cumulative combined effect, the infocom market, with its annual growth rate of around 50%, is becoming one of the major driving forces of the Mikron Group.“ Ausserdem werden bedeutende Ausweitungen der Produktionskapazitäten bekannt gegeben (Tonsberg in Norwegen 8'000 m2, Verdopplung der Kapazitäten in Karlskoga Südschweden, Steigerung der Kapazitäten in Malaysia und China). 40
114
3 Strategisches Produktionsmanagement
Kapitalschnitt von 50 CHF auf 0,1 CHF pro Aktie und eine Neukapitalzufuhr von 100 Millionen CHF vorsah. Das Beispiel zeigt die Problematik der Investitionskosten bei produzierenden Unternehmen in der aktuellen Marktdynamik, wobei hier nicht die eigentlichen Produktlebenszyklen, sondern der Lebenszyklus der Gesamtbranche für die Entwicklungen verantwortlich war. An dieser Stelle liesse sich auch die Automobilindustrie anführen. Wheelwright und Clark beschreiben z.B., dass sich die Grundplattform des Chevrolet Impala Mitte der 60er Jahre noch 1,5 Millionen mal verkaufen liess, während 1989, vom meistverkauften Auto in den USA, dem Honda Accord, nur noch 380.000 Stück abgesetzt werden konnten. Eine weitere feststellbare Reaktion auf diese Situation ist das Vermeiden des Aufbaus einer eigenen Fertigung oder zumindest die Minimierung eigener Fertigungskapazitäten.42 • Geforderte Reaktionszeiten versus abnehmende Fertigungstiefen Kunden sind nur in Ausnahmefällen oder bei speziellen Produkten bereit auf die Lieferung des Produkts zu warten. Die Reaktionszeit der produzierenden Unternehmen wird aber z.B. dadurch eingeschränkt, dass die Fertigungstiefen tendenziell im Sinken begriffen sind und global verteilt produziert wird.43 Ein gutes Beispiel dafür ist die Textilindustrie, in der die neuen Anforderungen der Kunden, z.B. in kurzer Zeit massgenaue Textilien (z.B. Jeans) zu Massenproduktionspreisen beziehen zu können sowie die Forderung der Händler nach schnellen Nachlieferungen (quick response) dazu führen, dass Niedriglohn-Produktionsstandorte in China und Indien zu weit weg liegen, um den Markt in den USA und Europa genügend schnell beliefern zu können. Die Textil AG hat bei der Reorganisation und Neu-Definition ihrer Prozesse explizit einen neuen Prozess „Quick Response“ geschaffen und modelliert, der quer zu allen anderen Prozessen verläuft und sicherstellt, dass vorher definierte Produkte schneller geliefert werden können.
Pisano/Wheelwright (1995), S. 93: „Indeed, a trend in an increasing number of high-tech industries is for companies to outsource manufacturing completely to third-party contractors or joint-venture partners.“ Pisano und Wheelwright weisen in der Folge aber auf die negativen Folgen einer solchen Entscheidung hin, die sie insbesondere darin begründet sehen, dass die Abstimmung respektive Integration von Entwicklung und Fertigung in einer solchen Situation kaum mehr geleistet werden kann. 43 Wobei sich durchaus eine differenzierte Betrachtung aufdrängt. Vgl. dazu auch die Diskussion in Abschn. 6.5.2.5. 42
3.1 Einführung
115
• Geforderte Sortimentsbreite versus Konzentration auf Kernkompetenzen Die Nachfrage des Kunden nach One-stop-Lösungen, respektive nach einer vollständigen und zeitgerechten Erfüllung seiner Bedürfnisse, stellt das produzierende Unternehmen vor eine weitere Herausforderung, insbesondere da die zunehmenden Anforderungen immer mehr Spezialwissen erfordern und die Unternehmen dazu zwingen, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren. Die entstehenden Geschäftsmodelle in diesem Zusammenhang werden unter den Stichworten Solution Provider, Komplettanbieter, Total Management Systems Provider 44 etc. diskutiert. Dies stellt insbesondere Anforderungen an die Integrations- und Kooperationsfähigkeit der produzierenden Unternehmen, öffnet aber auch die Möglichkeit für neue Geschäftsmodelle mit einer ausgeprägten Differenzierungschance. Die Textil AG nutzt z.B. ihre Fähigkeiten, die sie in ihrem Kerngeschäftsbereich, dem Wäschemarkt, aufgebaut hat, um interessierten „Markenartiklern“, die bis anhin nicht in diesem Markt tätig sind, ein vollständiges Service Paket zu liefern. Dieses Paket beginnt mit der „Übersetzung“ der jeweiligen Markenidentität in spezifische Wäscheprodukte, umfasst aber auch Logistik und Flächenbewirtschaftung. • Das Polylemma der Produktionsplanung Auch die Produktionsplanung an sich wird immer wieder vor dem Hintergrund divergierender Zielsetzungen diskutiert. Da ein Unternehmen nur begrenzte Ressourcen besitzt, ist von einem ständigen Wettbewerb der Aufträge um Kapazitäten auszugehen. Daraus ergibt sich der in Abb. 3.2 dargestellte Zielkonflikt.
44
Vgl. dazu Bleicher (1997, 1999b), der vom Wettbewerb durch Systemführerschaft spricht.
116
3 Strategisches Produktionsmanagement
Hohe Auslastung
Kurze Lieferzeit
Hohe Wirtschaftlichkeit
Hohe Liefertreue
Marktziele
Niedrige Bestände
Betriebsziele
Abb. 3.2 Das Polylemma der Produktionsplanung und -steuerung 45
Aus Kundensicht besteht der Wunsch nach kurzen Lieferzeiten und hoher Liefertreue, d.h. nach schneller Verfügbarkeit der Produkte. Bereits zwischen kurzer Lieferzeit und hoher Liefertreue kann aber ein Zielkonflikt auftreten, da ein Unternehmen z.B. bei hoher Grundauslastung eine kurze Lieferzeit nur durch das Zurückstellen anderer Aufträge erreichen kann, was die Liefertreue dieser Aufträge gefährdet. Zudem muss sich alles in einem wirtschaftlich vertretbaren Mass abspielen. Aus Sicht des Unternehmens sind auf Grund der hohen Fixkosten hohe Auslastungen unabdingbar. Dies sollte aber gleichzeitig mit möglichst geringen Beständen erreicht werden, um die Kosten des Umlaufkapitals in Grenzen zu halten. Zwischen diesen Zielsetzungen besteht ein weiterer Zielkonflikt. Gleichzeitig stehen die Betriebsziele in Konflikt mit den Marktzielen, was die Komplexität des Managements produzierender Unternehmen nochmals erhöht. Fast alle der erwähnten Spannungsfelder adressieren Gegensätze zwischen extern definierten Anforderungen (Dynamik, Kundenindividualität, kürzere Produktlebenszyklen, kurze Reaktionszeiten, Sortimentsbreite, Individualisierung, hohe Liefertreue, kurze Lieferzeiten) und internen Erfordernissen (Amortisationszeiten, Standardisierung, Fertigungstiefen, Konzentration auf Kernkompetenzen, hohe Auslastung, niedrige Bestände). In 45
Wiendahl (1996), S. 14-2.
3.1 Einführung
117
verkürzter Darstellung können folgende Spannungsfelder den weiteren Überlegungen zu Grunde gelegt werden (Abb. 3.3).
Auslastung
Spezialisiert
Agil
Verfügbarkeit Abb. 3.3 Das Polylemma des produzierenden Unternehmens
Dieses Spannungsfeld muss das erfolgreich produzierende Unternehmen heute meistern. Es muss einerseits zur Differenzierung Einzigartigkeiten aufweisen (spezialisiert, fokussiert), aber auch in der Lage sein, auf dynamische Entwicklungen reagieren zu können, ohne dies über das Vorhalten von Überkapazitäten erkaufen zu müssen (agil).46 Andererseits muss es auf der Ressourcenseite eine hohe Auslastung anstreben, um die Fixkosten zu decken (Auslastung), wie aber auch eine hohe Verfügbarkeit gewährleisten, um entstehende Opportunitäten adressieren und Kundenanforderungen wie kurze Lieferzeiten, etc. erfüllen zu können.
46
Vgl. zum Thema „Agilität“ auch die Überlegungen von Schuh/Friedli (1999) zum Konzept der Virtuellen Fabrik.
118
3 Strategisches Produktionsmanagement
Potenzielle Technoligien, Leistungsumfänge
Strategisch sinnvoll
In der Konsequenz heisst dies, dass beim Management des produzierenden Unternehmens sowohl der Ressourcen- 47 (internen Perspektive) wie auch der Marktseite (externen Perspektive) systematisch Beachtung geschenkt werden muss.48 Abbildung 3.4 stellt dies exemplarisch dar.
Markt- und Visionsbezug z.T. latente Bedürfnisse
Operativ machbar
Technologieinvestition Leistungsumfang
Mission, Strategie
Potenzialbezug
Abb. 3.4 Markt- und Potenzialorientierung 49
Spezifisch für das technologieintensive Unternehmen mit beträchtlichen Investitionen in Produktionskapazitäten 50, ist die Tatsache, dass bei strateAuch Transaktionskostentheoretiker wie Williamson sind in jüngerer Vergangenheit dazu übergegangen, die Spezifika der betrachteten Unternehmen, also auch Routinen und Ressourcenausstattung in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Vgl. Madhok (2002), S. 543. 48 Betont wird diese Sicht unter anderem auch in der Literatur, die die dynamische Entwicklung von Fähigkeiten ins Zentrum der Betrachtung stellt: „A major argument of this strand of research is that operations decisions not only affect current capabilities, but also set the framework for development of capabilities in the future.“ (Safizadeh/Ritzman/Mallick 2000, S. 122). 49 Basierend auf dieser schematischen Darstellung wurde das Vorgehen für die Strategieentwicklung bei der Supply AG strukturiert. Vgl. dazu die Beschreibung des Strategie-Audits in Abschn. 6.3 sowie die Kurzbeschreibung des Projekts im Anhang. 50 Der Kapitaleinsatz ist bei keiner anderen betrieblichen Funktion so hoch wie in Fertigung und Montage. 47
3.1 Einführung
119
gischen Festlegungen nicht von der Ressourcenseite abstrahiert werden kann.51 Schuh stellt dies als herausragendes Merkmal des produzierenden Unternehmens dar: „Einerseits sind produktionsorientierte Managementkonzepte an die Starrheit oder Kontinuität des Systems Produktion gebunden. Andererseits müssen sie mit der Dynamik des Marktes Schritt halten.“ 52 Basierend auf den bis jetzt gemachten Überlegungen lassen sich als grundsätzliche Dimensionen für eine Typologie produzierender Unternehmen eine Ressourcenplanungsachse sowie eine Positionierungsachse ableiten. Die Ressourcenplanungsachse wird in den Extrema dadurch bestimmt, ob die Zielsetzung Verfügbarkeit oder Auslastung 53 der Ressource ist. Damit wird gleichzeitig auch der duale Charakter von Ressourcen adressiert. Auf der einen Seite stehen Ressourcen, die den aktuellen Einkommensfluss sicherstellen, auf der anderen Seite Ressourcen, die den Raum neuer Optionen öffnen respektive auch einschränken.54 Aktuell „einkommensgenerierende“ Ressourcen müssen optimal genutzt werden (Auslastung), optionsgenerierende Ressourcen sollten zur richtigen Zeit verfügbar sein (Verfügbarkeit). Die Positionierungsachse unterscheidet das Verständnis der Produktion als Profit Center (entspricht spezialisiert in Abb. 3.3 und drückt auch aus, dass die Nutzung von Skaleneffekten in einer solchen Produktion im Vordergrund steht, da sich die Wirtschaftlichkeit der spezialisierten Maschinen kaum anders steuern lässt) und Produktion als Service Center (agil in Abb. 3.3 drückt aus, dass in diesem Fall die Nutzung von „Economies of Scope“, d.h. das Einbringen von multipel einsetzbaren Ressourcen auch in andere Anwendungen und Wertschöpfungsketten im Vordergrund steht. Die Produktion selbst wird zum Produkt 55). Trägt man diese zwei Achsen gegeneinander ab, ergeben sich vier Felder (Abb. 3.5).
In der Praxis ist oft eine Dominanz der Ressourcenseite feststellbar. Kurzfristige Auslastungsstrategien dominieren zukunftsorientierte Ausrichtungen der Unternehmen. 52 Schuh (1996), S. 5–35. 53 Hohe Kapazitätsauslastung ist eine klassische Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit. Chandler (1990), S. 128 sieht die Konzentration von Andrew Carnegie auf eine hohe Kapazitätsauslastung als wichtigsten Grund für dessen seinerzeitigen Erfolg in der Stahlindustrie an. 54 Bowman/Hurry (1993), S. 773: „Organizational Investments provide current returns and cash flow, on the one hand, and they open up options on the other.“ 55 Beispiel dafür wäre der Automobilzulieferer Magna-Steyr Fahrzeugtechnik (MFS), der seine Produktionsleistung am Markt an verschiedene OEMs wie BMW oder Volvo gleichzeitig verkauft. 51
120
3 Strategisches Produktionsmanagement Profit Center
Service Center Produktionspositionierung
Auslastung
Auslastungsoptimierer
Designer
Prozessspezialist
LösungsProvider
Verfügbarkeit
Ressourcenplanung
Abb. 3.5 Typologie produzierender Unternehmen
Die vier Felder seien in der Folge kurz beschrieben: • Der Auslastungsoptimierer Der Auslastungsoptimierer definiert sich über die von ihm produzierten Produkte. Diese bietet er am Markt an. Die Produktion ist als Profit Center organisiert und verfügt über die Minimal-Ressourcen, die zu Erstellung eben dieser Produkte benötigt werden. Ziel ist eine möglichst hohe Auslastung der eingesetzten Ressourcen, um zu konkurrenzfähigen Preisen am Markt zu sein. Seine Produktionslinien sind auf ausgewählte Produkte spezialisiert. • Der Prozessspezialist Der Prozessspezialist verkauft wie der Auslastungsoptimierer schwergewichtig Produkte. Seine Ressourcenplanung ist aber auf Verfügbarkeit ausgerichtet. Dementsprechend hält er eine Maximalkapazität vor, um diese Verfügbarkeit auch gewährleisten zu können. Dies äussert sich in redundanten Produktionslinien für ausgewählte Produkte. Er differenziert sich im Markt über hohe Liefertreue. Seine ProzessmanagementFähigkeiten nutzt er, um über eine optimal konfigurierte Supply Chain Liefertermine konsequent einhalten zu können. Wie der Auslastungsoptimierer zielt der Prozessspezialist auf die Nutzung von Skaleneffekten. • Der Designer Der Designer ist ein Produktions-, nicht „nur“ ein Produktanbieter. Wie der Auslastungsoptimierer strebt er eine hohe Auslastung seiner Ressourcen an. Dies erreicht er durch die gezielte Akquisition von Kunden,
3.1 Einführung
121
deren Bedürfnisse er in Produktionsleistungen übersetzt. Sein Verständnis für die Kundensituation und die Übersetzung dieser Bedürfnisse in Produktionsleistungen differenzieren ihn im Markt. Neben flexiblen Mehr-Produktlinien verfügt er über Ausweichkapazitäten in Lieferantennetzwerken. Im Vordergrund steht die Nutzung von „Economies of Scope“. • Der Lösungs-Provider Der Lösungs-Provider ist wie der Designer ein Produktionsanbieter. Sein Ziel ist es, eine hohe Verfügbarkeit von Produktionsleistungen zu gewährleisten. Dazu greift er auf ein Netzwerk an Kapazitäten zurück, das er im Bedarfsfall aktivieren kann, um die notwendigen Kapazitäten bereitstellen zu können. Dies erfolgt ohne das interne Vorhalten von Überkapazitäten und erfordert ausgeprägte Koordinationsfähigkeiten sowie hoch kompetente Mitarbeiter. Auf der Maschinen-Seite verfügt der Lösungs-Provider über universelle voll flexible Produktionslinien. Die Typologie wird in der Folge dazu genutzt, im Rahmen des in Abschn. 6.3 beschriebenen Strategie-Audits Grundpositionierungen diskutieren zu können und damit erste Hinweise über das Ausmass der benötigten strategischen Flexibilität zu gewinnen. Es wird später noch gezeigt werden, dass die strategische Flexibilität in der Reihenfolge Auslastungs-Optimierer, Prozess-Spezialist, Designer, Lösungs-Provider steigt und diese damit für verschiedene Umfelder unterschiedlich geeignet sind (vgl. dazu Abschn. 6.2.5). Verschiedene Studien haben argumentiert, dass Trade-offs heute keine Bedeutung mehr haben, sei es aus der Notwendigkeit heraus in allen Dimensionen besser zu werden, oder weil neue Technologien diese Tradeoffs zum Teil auflösen 56 respektive, dass die „competitive priorities“ sich in einer logischen Reihenfolge ablösen. Eine gewisse Bekanntheit hat in diesem Zusammenhang das „Sand Cone Model“ von Ferdows und De Meyer erlangt, dass die Reihenfolge Qualität–Liefertreue–Kosten und Flexibilität postuliert.57 Skinner plädiert in einer späten Veröffentlichung dafür, dass sein Originalkonzept überinterpretiert wurde, dass zwar in technologischen Systemen nach wie vor Trade-offs inhärent wären, dass diese aber durch Fortschritte in der Technik natürlich aufgeweicht würden.58 Boyer und Lewis stellen in einer empirischen Untersuchung fest, dass Unternehmen nach wie vor strategische Prioritäten setzen und damit von TraVgl. Boyer/Lewis (2001) und die dort angeführten Studien. Vgl. Ferdows/De Meyer (1989); in einer späteren Veröffentlichung wird hingegen Flexibilität vor Kosten gesetzt (Ferdows/De Meyer, 1990). 58 Vgl. Skinner (1996). 56 57
122
3 Strategisches Produktionsmanagement
de-offs auszugehen scheinen. Sie weisen gleichzeitig aber auf die Schwierigkeiten in der Messung und die Unterschiede in der Wahrnehmung hin, die sie auf verschiedenen Hierarchieebenen in den Unternehmen angetroffen haben. Ausserdem stellen sie ebenfalls fest, dass Unternehmen zunehmend alle vier klassischen Zielgrössen als vital für den Unternehmenserfolg erachten.59 Safizadeh, Ritzman und Mallick kamen in ihrer empirischen Studie zum Ergebnis, dass sich gerade bei der Wahl der anfänglichen Ausrichtung eines produzierenden Unternehmens sehr wohl Trade-offs ergeben und sich aufbauend darauf die Fähigkeitenentwicklung eines Unternehmens begründen lassen.60 Bei zunehmend dynamischeren Umfeldern 61 wird Flexibilität zur wichtigen Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmen.62 Das Streben nach Flexibilität gilt schon lange als wesentliche Aufgabe produzierender Betriebe.63 In der Vergangenheit haben sich diese Bemühungen im Wesentlichen auf Produktionstechnologien und -strukturen konzentriert, später versuchte man die Fertigung flexibler zu gestalten und in jüngerer Vergangenheit bemüht man sich, innerbetrieblich und überbetrieblich Flexibilisierungspotenziale zu identifizieren. Es bleibt aber festzuhalten, dass die verfolgten Ansätze in dynamischeren Umfeldern mehrheitlich reaktiv und adaptiv 64 sind.65 Der Begriff Flexibilität im AllVgl. Boyer/Lewis (2001), S. 18, auch Upton (1995) scheint bei seinen Überlegungen zur Flexibilität von Produktionsunternehmen davon auszugehen, dass Trade-offs existieren. 60 Vgl. Safizadeh/Ritzman/Mallick (2000), S. 121. 61 Wovon, wie bereits in Kap. 1 angesprochen, eine Vielzahl an Autoren ausgeht. Vgl. z.B. Spath et al. (1997), S. 28 und Staber/Sydow (2002), S. 408. 62 Auch Hamel/Välikangas (2003), S.53 sehen eine veränderte Situation zu früher: „The fact that success has become less persistent strongly suggests that momentum is not the force it once was“ und „in the past, executives had the luxury of assuming that business models were more or less immortal ... today getting different is the imperative.“ 63 Vgl. Schuh (1996), S. 5-35f. und Goldmann et al. haben 1994, S. XIX in ihrer Einführung zu „Agile Competitors and Virtual Organizations“ z.B. festgehalten: „To succeed in such an environment (einem dynamischen) companies must learn to thrive on change and uncertainty, not merely to cope with them.“ Sanchez (1997), S. 71 stellt fest, dass sich strategische Flexibilität insbesondere als Vorbereitung für unsichere Zeiten eignet, in denen tradtionelle Ansätze an Grenzen stossen. Upton (1995), S. 74 kommentiert: „..., companies are increasingly concentrating on flexibility as a way to achieve new forms of competitive advantage.” 64 Adaption wird von Staber und Sydow (2002) im Vergleich mit „adaptive capacity“ diskutiert. Adaption zeichnet sich durch eine reaktive Anpassung der Organisation an das aktuelle Umfeld aus, was die Möglichkeit einer weiteren dy59
3.2 Strategische Flexibilität
123
gemeinen und strategische Flexibilität im Besonderen ist aber alles andere als klar definiert.66 Da Flexibilität gerade aber in einem immer dynamischer werdenden Umfeld, verbunden mit grösseren Unsicherheiten, unabdingbar ist,67 muss der Begriff so weit systematisiert werden, dass er operationalisierbar wird. Die Schwierigkeiten in der Umsetzung von Konzepten zur Steigerung der Flexibilität 68 stammen denn auch nicht zuletzt von einem fehlenden Verständnis für Flexibilität. Im folgenden Abschnitt wird deshalb der Begriff der strategischen Flexibilität geklärt.
3.2 Strategische Flexibilität „In turbulent environments, however, the goal of strategy becomes strategic flexibility.“ 69 „... the traditional strategic management objective of choosing a single „best“ plan of action is likely to be an unrealistic objective in an uncertain environment.“ 70
Strategische Flexibilität wird normalerweise als eine adaptive Antwort auf Unsicherheiten verstanden.71 Andere Autoren führen aber auch eine proaktive Seite ins Feld. Gerwin z.B. entwickelt einen Rahmen, der vier verschiedene Strategien 72 und deren Auswirkungen auf die Flexibilität beschreibt, die z.T. auch einen proaktiven Charakter haben. Im Folgenden soll zuerst aufgezeigt werden, wie unterschiedlich das Flexibilitätsdenken respektive das Verständnis für Flexibilität ist. Darauf aufbauend soll ein generischer Rahmen zur strategischen Flexibilität entwickelt werden, der auf ein ganzheitliches Verständnis von Flexibilität abstellt. Der hier entwinamischen Entwicklung nicht berücksichtigt. „Adaptive Capacity“ hingegen ist auch dazu geeignet, Opportunitäten adressieren zu können. 65 Staber/Sydow (2002), S. 408: „The conventional approach to management in such environments is reactive and adaptionist.“ 66 Upton (1995), S. 76: „Flexibility means different things to different people“. 67 Vgl. Nemetz/Fry (1988), S. 629 und ähnlich auch Swamidass/Newell (1987), S. 521 sowie Kotha (1995), S. 21. 68 Upton (1995), S. 74: „Having acknowledged the importance of flexibility, managers in industry after industry are finding it frustratingly difficult to improve.“ 69 Hayes/Pisano (1994), S. 78. 70 Sanchez (1997), S. 73. 71 Vgl. Gupta/Goyal (1989) zitiert aus Gerwin (1993), S. 396. 72 Die vier Strategien sind Adaptation, Redefinition, Banking und Reduction (Gerwin 1993, S. 397).
124
3 Strategisches Produktionsmanagement
ckelte Rahmen wird in der Folge dazu dienen, wesentliche Gestaltungsanforderungen für ein Leerstellengerüst, das in der Lage ist, das Management bei der Beantwortung der Frage, was bei einer Flexibilisierung des Unternehmens zu berücksichtigen ist, zu unterstützen. In Kap. 6 werden diese Anforderungen zusammen mit den bisherigen Ausführungen zu einem „Konzept strategisches Produktionsmanagement“ zusammengesetzt. 3.2.1 Strategische Flexibilität – (Un-)Verständnis Untersuchungen zeigen, dass der Begriff „Flexibilität“ insbesondere in Bezug auf produzierende Unternehmen im Allgemeinen und zur Produktion im Speziellen zu den am wenigsten verstandenen Zielen eines Unternehmens gehört: „Yet for all its new found popularity, flexibility seems to be the least understood of manufacturing objectives; the very word flexibility is used by different managers to mean different things.“ 73 Evans hält fest, dass der Begriff im Wesentlichen auf ein klassisches strategisches Prinzip zurückgeht: „It enables a course of action to be modified in accordance with an encountered situation which may capriciously deviate from prior anticipations.“ 74 Er führt in der Folge eine ganze Reihe früher Vorläufer auf, die auf dieses Prinzip Bezug genommen haben. Von Militärstrategen 75 über Ökonomen bis hin zu Systemanalysten und Entscheidungstheoretikern.76 Bei dieser Breite der Anwendung erstaunt es nicht, dass sich kein einheitliches Verständnis herausbilden konnte. Slack stellt bezogen auf produzierende Unternehmen vier verschiedene Verständnisse des Begriffs dar (Abb. 3.6).
Slack (1987), S. 35. Hart (1937) zitiert aus Evans (1991), S. 69. 75 Napoleon wird z.B. mit dem Ausspruch zitiert: „Ich habe stets zwei Sehnen auf meinem Bogen!“ und noch heute ist eines der wichtigsten Beurteilungskriterien, ob ein militärischer Entschluss brauchbar ist, das Kriterium „Freiheit des Handelns“, was nichts anderes bedeutet, als dass bei einer anderen als der vorausgesehenen Entwicklung der Situation eine Reaktion noch möglich sein sollte. 76 Vgl. Evans (1991), S. 72f. 73 74
3.2 Strategische Flexibilität
125
Flexibility of the total manufacturing system Flexibility of the individual, structural and infrastructural resources
Technology Flexibility
Labour Flexibility
Infrastructure Flexibility
Abb. 3.6 Flexibilitätsverständnisse nach Slack 77
In der Darstellung von Slack kommt ein eher defensives Verständnis des Begriffs zum Ausdruck. Folgerichtig konzentriert er sich auf die Ressourcenseite des Unternehmens und damit stark auf die Reaktionsfähigkeit. In Richtung eines umfassenderen Verständnisses geht hingegen die Betrachtung der Flexibilität des „Gesamtsystems Fertigung“ anstelle einer Betrachtung einzelner Elemente, wie Arbeit, Technologie oder Infrastruktur. Meinem Verständnis von strategischem Produktionsmanagement folgend, müsste allerdings der ausschliessliche Fokus auf die Produktion fallen gelassen und die Flexibilität der kompletten Potenzialseite ins Zentrum der Betrachtung gerückt werden. Das heisst die Flexibilität des Produktionssystems wird ein Bestandteil der Total-Flexibilität. In einer Befragung von Managern in zehn verschiedenen Unternehmen stellte Slack fest, dass die wenigsten Flexibilität in Bezug auf das GesamtFertigungssystem verstanden, sondern – abhängig davon aus welchen Bereichen sie kamen – Flexibilität eingeengt auf den für sie relevanten Bereich interpretierten und Flexibilität als Schlüssel zu ihren jeweils spezifischen Problemen definierten.78 In dieser Wahrnehmung wurden folgende Probleme durch Flexibilitätssteigerungen adressiert: 77 78
Slack (1987), S. 37. Vgl. Ebenda, S. 36ff.
126
3 Strategisches Produktionsmanagement
• Beschaffungsseite: unzuverlässige Teileversorgung, lange Reaktionszeiten der Lieferanten, Arbeitsmarktknappheiten bezüglich spezieller Fähigkeiten • Fertigungsseite: lange Umrüstzeiten, Nachfrageschwankungen zwischen Produktgruppen • Marktseite: Kundenforderung nach kurzen Lieferzeiten, Wettbewerber, die kundenspezifische Produkte anbieten, lange Produktentwicklungszeiten. Nicht nur die adressierten Probleme sind dabei unterschiedlich, sondern auch die durch die erhöhte Flexibilität zu durchführenden Verbesserungen. Auf der Beschaffungsseite steht die Reduktion der Abhängigkeit im Vordergrund 79, auf der Fertigungsseite geht es vorrangig um die Erhöhung der Produktivität und auf der Marktseite wird die Verfügbarkeit über die Erhöhung der Flexibilität adressiert. Slack führt in der Folge weiter aus, dass die unterschiedlichen Arten von Flexibilitäten, die in den verschiedenen Unternehmen besondere Beachtung finden, vor allem durch zwei Faktoren bestimmt werden:80 Die Varianten von Produkten, Prozessen und Aktivitäten, mit denen das Unternehmen umzugehen hat, sowie die Fähigkeit des Unternehmens die Unsicherheit, unter der es operiert, vorauszusagen. Die Literatur macht eine Reihe weiterer Differenzierungen bezüglich Flexibilitätsarten.81 Eine systematische Aufarbeitung verschiedenster verwandter Begriffe und Konzepte findet sich bei Evans.82 Da sich in dieser Darstellung viele in jüngerer Vergangenheit intensiv diskutierte Konzepte und Begriffe finden, sei ein Teil seiner Darstellung hier wiedergegeben. Evans analysiert die Begriffe „Adaptability“, „Agility“, „Corrigibility“, „Elasticity“, „Hedging“, „Liquidity“, „Malleability“, „Plasticity“, „Pliability“, „Resilience“, „Robustness“ und „Versality“ nach derer primärer respektive sekundärer Bedeutung. Die Bedeutungen, die er unterscheidet, sind „bei Druck nachgiebig“, „Kapazität für neue Lagen“ und „Empfänglichkeit für Modifikationen“. Aus seiner Analyse leitet er zwei miteinander verbundene Dimensionen der strategischen Flexibilität ab, eine zeitliche und eine willentliche. Daraus konstruiert er einen konzeptionellen Rahmen (Abb. 3.7). Dies stellt z.B. in der Automobilindustrie ein typisches Ziel der OEMs dar. Für kritische Komponenten und Teile wird in der Regel mehr als ein Lieferant aufgebaut, um nicht in die ausschliessliche Abhängigkeit von einem Lieferanten zu geraten. 80 Vgl. Slack (1987), S. 41f. 81 Vgl. z.B. Zelenovic (1982), Buzacott (1982), Gerwin (1993), Slack (1987), Adler (1988) etc. 82 Vgl. Evans (1991), S. 69ff. 79
3.2 Strategische Flexibilität
Ex Ante
Ex Post
127
zeitlich
offensiv
defensiv
willentlich
Abb. 3.7 Konzeptioneller Rahmen zur strategischen Flexibilität nach Evans 83
In diesen Rahmen lassen sich die verschiedenen von Evans analysierten Begriffe einordnen. Für die weiteren Ausführungen interessant ist die aus der Analyse der Begriffe abgeleitete Erkenntnis, dass sich sowohl defensive wie offensive und ex ante (proaktive) wie auch ex post (reaktive) Verständnisse des Begriffs unterscheiden lassen. Der später abgeleitete Rahmen sollte folglich in der Lage sein, ebenfalls diese Spannbreite an möglichen Verhaltensweisen abzudecken. Dies ist insbesondere deshalb eine Herausforderung, als dass herkömmliche Theorien und Ansätze eher reaktiv sind und eine Anpassung an bestehende Kontingenzen als Hauptziel adressieren.84 Die meisten Ansätze zum Umgang mit Flexibilität betreffen nur partielle, eng definierte Bereiche oder beschränken sich auf die Ressourcenseite und blenden die Marktseite damit aus.85 Es macht durchaus Sinn, Marktund Ressourcenflexibilität im selben Bezugsrahmen zusammenzufassen. Evans (1991), S. 76. Vgl. dazu insbesondere Staber/Sydow (2002), S. 410. 85 Zumindest die direkte Berücksichtigung. Indirekt kann natürlich durch das Schaffen von ressourcenseitiger Flexibilität auch ein breiteres Marktspektrum bearbeitet werden. Dies ist aber nicht dasselbe, wie wenn durch die bewusste Bearbeitung anderer als der Stammmärkte die Verletzlichkeit des Gesamtunternehmens systematisch reduziert wird. Sydow (1992), S. 115 adressiert zwar diesen Aspekt, in dem er eine breiter gefasste Definition des Begriffs „Strategische Flexibilität“ verwendet. 83 84
128
3 Strategisches Produktionsmanagement
Absatzseitige Flexibilität
Die beiden Seiten können einerseits nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, da der Entscheid über die relevanten Märkte auch einen Teil des relevanten Umfeldes definiert und damit ein Entscheidungsfaktor für die notwendige Ressourcenflexibilität ist, respektive im Umkehrschluss die Ressourcenflexibilität bestimmt, welche Marktflexibilität überhaupt adressiert werden kann, andererseits sollten beide Seiten systematisch analysiert werden. In Erweiterung des Ansatzes von Slack wird dementsprechend die Darstellung in Abb. 3.8 vorgeschlagen: Product Flexibility
Labour Flexibility
Distribution Channel Flexibility
Flexibility of the individual, structural and infrastructural resources Flexibility of the market side Flexibility of the firm
Erstellungsseitige Flexibilität
Flexibility of the resource side Flexibility of the individual, structural and infrastructural resources Technology Flexibility
Labour Flexibility
Infrastructure Flexibility
Abb. 3.8 Unternehmensflexibilität
Abbildung 3.8 dehnt den Flexibilitätsbegriff auf das gesamte Unternehmen aus. Damit wird es möglich einen Bezug zu Autoren zu schaffen, die den Flexibilitätsbegriff nicht rein von der Produktion her kommend definieren.86 Ausserdem kann das produzierende Unternehmen in dieser Darstellung sowohl in Richtung proaktive (marktseitig) und potenzialorientierte (ressourcenseitig) Ansätze analysiert werden.87 Diese Betrachtungsweise findet sich z.B. auch bei Chandler wieder, der in seiner Geschichte der 86 87
Vgl. dazu z.B. Ansoff (1975). Staber und Sydow (2002), S. 409 sprechen davon, dass Ansätze zum Management in turbulenten Umfeldern in proaktive und reaktive zu unterscheiden sind.
3.2 Strategische Flexibilität
129
Entstehung der integrierten Grossunternehmen Investitionen in Distribution (Markt) und Produktion (Ressourcen) als entscheidend für den Erfolg ableitete und auch Schuh spricht als Ansatz für den Umgang mit neuen Umfeldern (unter anderem Markt) von der Notwendigkeit stabiler Produktionsprogramme (Ressourcenseite). Hitt et al. definieren „Strategische Flexibilität“ als: „… the capability of the firm to proact or respond quickly to changing competitive conditions and thereby develop and/or maintain competitive advantage.“ 88 Dies entspricht auch dem gemeinsamen Nenner, den Evans herausarbeitet: „Central to the notion is the capability to generate variety so that options are available to do things differently or do something else if need arises.“ 89 Eine ähnliche Definition findet sich bei Aaker und Mascarenhas.90 Zentral ist allen diesen Autoren, dass sie die Anpassung an Umfeldanforderungen nicht als optimalen Endzustand betrachten, sondern als dynamischen Prozess, der Optionen offen lässt.91 Dies beinhaltet in meiner Wahrnehmung folgendes: 92 1. Wettbewerbsvorteile: Das Unternehmen muss in der Lage sein, Wettbewerbsvorteile permanent in seinem Umfeld identifizieren, die Konsequenzen daraus für die Organisation ableiten und gezielt adressieren zu können (Analysefähigkeit). 2. Einzigartigkeit: Wettbewerbsvorteile setzen klare Strategien und Positionierungen voraus: Das Unternehmen muss sich dementsprechend über etwas differenzieren, d.h. einzigartig 93 sein (Strategieentwicklungs- und -implementationsfähigkeit in einem dynamischen Sinn). 3. Veränderung: Zusätzlich muss das Unternehmen über Ansätze verfügen, um Veränderungen rasch umsetzen zu können. Dies heisst, dass in die Organisation Hitt et al. (1998), S. 26. Evans (1991), S. 74. 90 Vgl. Aaker/Mascarenhas (1984), S. 74: „Strategic Flexibility may be defined as the ability of the organization to adopt to substantial, uncertain, and fastoccuring (...) environmental changes that have a meaningful impact on the organization’s performance.“ 91 Vgl. dazu insbesondere auch das Konzept der „adaptive capacity“, das Staber und Sydow (2002) beschreiben. 92 Vgl. Friedli (2003) und Friedli/Schuh (2003). 93 Teece/Pisano/Shuen (1997) zitieren Learned et al. (1969) mit der Aussage: „that the real key to a company´s success or even to its future development lies in its ability to find or create a competence that is truly distinctive.“ 88 89
130
3 Strategisches Produktionsmanagement
Flexibilität eingebaut sein muss. Nach der vorgestellten Betrachtungsweise kann dies sowohl eine erstellungsseitige als auch eine marktseitige Flexibilität sein. Dieser Punkt beinhaltet auch das proaktive Adressieren von Nutzenpotenzialen 94 ((Re-)Aktionsfähigkeit). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eine Organisation dem aktuellen Umfeld zu gut angepasst sein kann und sich damit die Chance auf Veränderungen mit Veränderungen zu (re-)agieren verbaut.95 4. Wettbewerbsfähigkeit: Bedeutet, dass diese Flexibilität nicht beliebig viel kosten darf. Das heisst, Flexibilität darf nicht mit Redundanzen respektive Überkapazitäten „erkauft“ werden 96 und Flexibilität ist kein Ziel per se, sondern ein Mittel, um höhere Ziele wie Lebensfähigkeit 97 zu unterstützen. Es muss ein Mass an Flexibilität gefunden werden, dass die Vor- und Nachteile 98 ausbalancieren hilft. Auf diesen Punkt wird in Abschn. 3.4 nochmals eingegangen. 5. Dynamik: An die Stelle einer einmaligen Momentbetrachtung muss die Institutionalisierung einer dynamischen Betrachtungsweise treten.99 Beinhocker erwähnt z.B. eine Studie, die basierend auf der Untersuchung der Performance von 400 Unternehmen zum Schluss kommt, dass sich längerfristig überdurchschnittliche Leistung nicht auf einen konstanten Wettbewerbsvorteil zurückführen lässt, sondern auf die kontinuierliche Entdeckung und Entwicklung neuer Quellen des Wettbewerbsvorteils.100 Staber und Sydow halten dazu, basierend auf den Forschungen von Ar-
Zum Begriff des Nutzenpotenzials vgl. Pümpin (1992a,b) und Abschn. 2.1.2.3. Staber/Sydow (2002), S. 409: „And adaptionist approaches in general have been criticized for ignoring, or at least downplaying, the possibility that organizations can be too well adapted.“ 96 Vielfach wird Flexibilität mit „organizational slack“ in Zusammenhang gebracht: „Slack is the cushion of actual or potential resources which allows an organization to adapt successfully to internal pressures for adjustment or external pressures for change in policy, as well as to initiate changes in strategy with respect to the external environment.“ (Bourgeois 1981, S. 30). 97 Vgl. Beer (1979), der damit die Fähigkeit der Aufrechterhaltung einer gegebenen Identität durch eine Organisation bezeichnet. 98 Vgl. dazu auch Staber/Sydow (2002), S. 413f., die basierend auf Nohria und Gulati (1996) auch möglicherweise nachteilige Auswirkungen auf die Innovation beschreiben. 99 Vgl. zu diesem Punkt auch Teece et al. (1997), die von „dynamic capabilities“ sprechen. 100 Beinhocker (1997), S. 35. 94 95
3.2 Strategische Flexibilität
131
gyris und Schön 101 fest, dass dies ein sog. „Double-Loop Learning“ bedingt, das auch die vorherrschenden Ziele und Ideologien hinterfragt und neue Regeln und Methoden der Entscheidungsfindung festlegt. Dies im Gegensatz zum „Single-Loop Learning“, das die Ziele als gesetzt annimmt.102 Der Begriff Flexibilität indiziert eine (Re-)Aktionsfähigkeit. Damit eine Veränderung eintreten kann, ist es unabdingbar, dass ein beschriebener Zustand besteht. Diesen Zustand will ich als Positionierung bezeichnen. Diese Positionierung adressiert bestimmte Absatzziele und erfordert eine Leistungsbereitschaft zur Erfüllung dieser Ziele. In Summe soll dadurch eine repetitive Besetzung von Wettbewerbsvorteilen ermöglicht werden. 3.2.2 Bezugsrahmen zur strategischen Flexibilität „...; behind much of the perceived confusion surrounding manufacturing flexibility is the lack of any model or framework which links the various types of flexibility ...“ 103
Flexibilität ist ein Erfordernis aus Umfeldunsicherheiten. Das Varietätsgesetz von Ashby „Nur Varietät kann Varietät absorbieren“ 104 drückt aus, dass ein System, welches ein anderes lenken soll, ein mindestens genauso grosses Verhaltensrepertoire aufweisen muss, wie das zu steuernde System. Der technische Fortschritt auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien, insbesondere der Digitalisierung der Medien, zieht seit einiger Zeit eine grundlegende Transformation der Strukturen von Organisationen und ganzen Branchen nach sich. Die „digitale Wirtschaft“ verlangt und ermöglicht: − nachfrageseitig eine bisher nicht gekannte Transparenz der Angebote und − angebotsseitig eine neue Dimension der Flexibilitäten und Anpassungsfähigkeiten.105 Schwaninger und Friedli haben in ihrer Diskussion virtueller Organisationen darauf hingewiesen, dass ein alleiniges Abstellen auf Flexibilität als Organisationsziel mit Gefahren verbunden ist. So kann der oft mit ModuVgl. Argyris/Schön (1978). Vgl. Staber/Sydow (2002), S. 410. 103 Slack (1987), S. 43. 104 Ashby (1964). 105 Vgl. Schwaninger/Friedli (2002), S. 58. 101 102
132
3 Strategisches Produktionsmanagement
larisierung und Flexibilisierung verbundene Opportunismus den Aufbau langfristig erforderlicher Potenziale behindern. An die Stelle einer ausschliesslichen Betrachtung technisch und organisatorisch realisierbarer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sollte als Konsequenz eine explizite Berücksichtigung von Organisationszielen höherer Ordnung wie Lebensfähigkeit und Entwicklung treten.106 Unter Lebensfähigkeit wird hier die Fähigkeit der Aufrechterhaltung einer gegebenen Identität durch eine Organisation verstanden.107 Flexibilität wird also nicht als Selbstzweck betrachtet, sondern als Ansatz zur Erreichung übergeordneter Ziele.108 Der notwendige Grad der Flexibilität muss sich aus der jeweils spezifischen Unternehmenssituation ableiten lassen.109 Mit einer solchen Art der Betrachtung soll einerseits das unreflektierte 110 Übertragen von Ansätzen, die in gewissen Unternehmen erfolgreich waren, auf das eigene Unternehmen verhindert werden, andererseits soll sichergestellt werden, dass übergeordnete langfristige Ziele nicht kurzfristigem Opportunitätsdenken geopfert werden. Als Drittes wird damit bewusst eine von klassischen Kontingenzansätzen und industrieökonomischen Betrachtungen abweichende Position eingenommen und dem Unternehmen eine „strategische Wahl“, mit der Umfelder auch beeinflusst werden können, eingeräumt. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass unter Flexibilität keinesfalls die Aufgabe einer eigenen Identität zu verstehen ist. Im Gegenteil, zentraler Bestandteil des Ansatzes ist das Verständnis für die eigenen Stärken und die bewusste Nutzung dieser Stärken in der Adressierung auftretender Opportunitäten. Ohne eine solche Fähigkeit würde das Unternehmen die Chance auf eine längerfristige Differenzierung gegenüber der Konkurrenz verlieren. Teece et al. halten in ihrem Konzept der „Dynamic Capabilities“ denn auch fest, dass der Flexibilität auch Grenzen gesetzt werden, z.B. durch frühere Investitionsentscheide.111 Das Management des UnternehVgl. Ebenda, S. 59f. Vgl. Beer (1979). 108 Auch Evans (1991), S. 85 folgt dieser Auffassung: „However, strategic flexibility is not an end in itself.“ 109 So genügte z.B. dem integrierten Unternehmen Ford um 1915 eine relativ geringe Flexibilität zur Sicherung der Überlebensfähigkeit. Es konnte mit einem Standardprodukt seinen Markt repetitiv adressieren. 110 Unreflektiert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Anwendungsvoraussetzungen nicht analysiert werden, um diese der eigenen Situation gegenüberzustellen. 111 Teece et al. (1997), S. 515: „At any given point in time, firms must follow a certain trajectory or path of competence development. This path not only defines what choices are open to the firm today, but it also puts bounds around what its internal repertoire is likely to be in the future. Thus, firms, at various 106 107
3.2 Strategische Flexibilität
133
mens wird dabei zu einem Management des Spannungsfeldes zwischen Fokus und Flexibilität.112 Sanchez definiert strategische Flexibilität als: „... the condition of having strategic options that are created through combined effects of an organization’s coordination flexibility in acquiring and using flexible resources.“ 113 In dieser Definition wird eine weitere Schwierigkeit im Umgang mit Flexibilität deutlich. Flexibilität entsteht durch ein abgestimmtes Zusammenspiel verschiedener Fähigkeiten. Es genügt nicht über eine flexible Ressource, z.B. in Form eines flexiblen Fertigungssystems zu verfügen, um bereits „strategische Flexibilität“ zu beanspruchen.114 Erst durch die notwendigen koordinatorischen und organisatorischen Fähigkeiten wird strategische Flexibilität erreicht. Sanchez unterscheidet folgerichtig Ressourcenflexibilität von Koordinationsflexibilität. Ressourcenflexibilität betrachtet er in Bezug auf folgende Dimensionen: • Die Spannbreite alternativer Verwendungen einer Ressource in Entwicklung, Fertigung und Distribution. • Die Kosten und Schwierigkeiten, um von einem spezifischen Einsatz einer Ressource auf einen alternativen Einsatz zu wechseln. • Der Zeitbedarf, der für diese Umstellung erforderlich ist.115 Das heisst. in der Konsequenz, dass die Gesamtflexibilität einer Organisation durch die unflexibelste Ressource, die zur Ausführung einer spezifischen Aktion notwendig ist, limitiert wird. Eine Organisation zeichnet sich dadurch aus, dass sie dazu geeignet ist, Tätigkeiten koordiniert abzuwickeln. In Bezug auf strategische Flexibilität ist es nicht nur erforderlich über potenziell flexible Ressourcen zu verfügen, sondern die Organisation muss auch in der Lage sein, diese Ressourcen bei Bedarf neu ausrichten respektive überhaupt einsetzen, d.h. neu koordinieren zu können. Sanchez spricht in diesem Zusammenhang von
points in time, make longterm, quasi-irreversible commitments to certain domains of competence.“ 112 Damit wird auch der Argumentation von Espejo et al. (1996), S. 14 gefolgt: „For such proactive adaptation, especially, an organization needs long term goals that establish for it a direction and priorities of action.“ 113 Sanchez (1997), S. 71f. 114 Cohen und Zysman z.B. stellen die Organisation vor die Technologie: „Flexibility rests on organization. The same machines can support rigid or flexible automation depending on their configuration.“ (1998), S. 100. 115 Vgl. Sanchez (1997), S. 73–74.
134
3 Strategisches Produktionsmanagement
Koordinationsflexibilität.116 Diese weist ihm gemäss ebenfalls drei Dimensionen auf: • Die Fähigkeit die Ziele festzulegen, zu deren Unterstützung die Ressourcen der Organisation eingesetzt werden (Beispiel: Festlegung der Produkte). • Die Fähigkeit notwendige Ressourcen zur Erreichung dieser Ziele identifizieren und so konfigurieren zu können, dass die angestrebten Ziele auch erreicht werden können sowie • Die Zuteilung der verfügbaren Ressourcen zu den avisierten Zielen.117 Diese Fähigkeit wird durch die am wenigsten flexible Fähigkeit einer Organisation zur Neudefinition des Einsatzes von Ressourcen, zur Rekonfiguration von Ressourcen-Ketten und zur Nutzung der Ressourcen in alternativen Systemen und Prozessen eingeschränkt.118 Die bis jetzt gemachten Ausführungen lassen sich in einen Bezugsrahmen zur strategischen Flexibilität zusammenfassen (Abb. 3.9).
Es besteht eine gewisse Nähe des Begriffs zum Verständnis von Teece et al. (1997), S. 516 von Dynamic Capabilities: „We define dynamic capabilities as the firm´s ability to integrate, build, and reconfigure internal and external competences to address rapidly changing environments. Dynamic capabilities thus reflect an organization´s ability to achieve new and innovative forms of competitive advantage given path dependencies and market positions.“ 117 Vgl. Ebenda, S. 75. 118 Schuh weist im Zusammenhang von Collaborative Manufacturing auf die Bedeutung des In- und Outsourcing von Produktionsleistungen hin. Dies entspricht einem Training der Koordinationsflexibilität, da die Organisation dazu gezwungen wird, ihre Ressourcen auch in anderen Anwendungszusammenhängen als den gewohnten einzusetzen (vgl. Schuh 2002b). Auch der weiter vorn beschriebene Lösungs-Provider (vgl. Abb. 3.5) trainiert seine Koordinationsflexibilität durch ein ausgebautes Kapazitäts- und Kompetenzmanagement. 116
3.2 Strategische Flexibilität
135
Strategische Strategische Flexibilität Flexibilität
AbsatzAbsatzseitige seitige Flexibilität Flexibilität Positionierung Positionierung KoordinationsKoordinationsflexibilität flexibilität Ressourcenseitige Ressourcenseitige Flexibilität Flexibilität
Lebensfähigkeit, Lebensfähigkeit, Viability Viability
Relevantes RelevantesUmfeld Umfeld
Abb. 3.9 Bezugsrahmen zur strategischen Flexibilität
Zusammenfassend verdeutlicht Abb. 3.9 folgende Punkte: • Strategische Flexibilität ist ein Instrument zur Verfolgung übergeordneter Ziele wie Lebens- und Entwicklungsfähigkeit und kein absolutes Ziel für sich. Damit ist immer eine situative Beurteilung des relevanten Unternehmensumfeldes notwendig, um abzuleiten, wie viel Flexibilität sinnvoll ist. • Als Konsequenz wird das relevante Unternehmensumfeld ebenfalls als konstituierender Bestandteil des Rahmens einbezogen. • Der Komplexität des Begriffs wird insofern Rechnung getragen, als dass drei Flexibilitätskategorien unterschieden werden, die aber immer im Zusammenspiel betrachtet werden müssen: Ressourcenflexibilität, marktseitige Flexibilität sowie Koordinationsflexibilität. • Flexibilität ist die Bereitschaft auf Änderungen mit Änderungen zu (re)agieren. Um eine Veränderung herbeizuführen, ist die Kenntnis der Ausgangssituation notwendig, d.h. die Positionierung des Unternehmens gehört ebenfalls zu den Bestandteilen des Bezugsrahmens und ist bestimmend für die von Sanchez aufgeführte notwendige Koordinationsflexibilität. • Der Rahmen integriert die von Evans (vgl. weiter vorn und insbesondere Abb. 3.7) aufgeführte zeitliche und willentliche Dimension, indem er es zulässt, sowohl offensive und defensive wie auch ex ante und ex post Ansätze festzulegen.
136
3 Strategisches Produktionsmanagement
Legende:
Stoff
Konfektion
OBM
Kerngeschäft Service AG Stoff AG
Retail
PE Service AG 1-Saison Mehr-Saison DL Auftrag Produktentwicklung Stoff
Produktentwicklung
Hauptprozesse
Eigen (Markt) Auftrag (Kunde)
Produktentwicklung Kern 1-Saison Mehr-Saison
Auftragsabwicklung Stoff
Auftragsabw . Konfektion Vororder Dienstleistung
Vororder Vom Lager Dienstleistung
Auftragsabwicklung Kern Vororder Vom Lager Fertigwaren
Leistungserstellung
Stoffstufenprozess Hawa Stoff
Auftragsabwicklung Service
Konfektionsprozess
Vororder Vom Lager Fertigwaren
Support & Management (S&M) Prozesse Mgmt . & Support
Kapazitätssicherung (KS) - Gruppe Marktkommunikation (MK) - Kern Marktkommunikation (MK) & Kooperation - Service
Marktkommunikation (MK) - Stoff
Abb. 3.10 Prozessarchitektur des Gesamtunternehmens Textil AG mit Geschäftsfeldern
Das Beispiel der Textil AG soll an dieser Stelle kurz verdeutlichen, was mit den Begriffen des Rasters gemeint ist. Die Textil AG ist ein europäischer Player im Wäschemarkt mit einer exzellenten Marke im Mittelpreissegment. Der Markt wird aber zunehmend enger, ein Wachstum ist kaum möglich, so dass eine neue Positionierung angestrebt werden muss. Zu diesem Zweck segmentiert die Textil AG die Wertschöpfungskette in Teile und analysiert die dadurch eventuell zu adressierenden Märkte. Als Ergebnis werden vorerst zwei neue Geschäftsfelder definiert, die das Angebot der Textil AG abrunden (Abb. 3.10). Neben dem Kerngeschäft entsteht so die Stoff AG, die darauf ausgerichtet ist, konfektionierte und nicht konfektionierte Stoffe frei im Markt zu verkaufen. Die Service AG als zweites neues Geschäftsfeld verkauft als Dienstleister die Kompetenzen der Textil AG an andere Markenhersteller, die an einer „Brand Extension“ in den Wäschemarkt interessiert sind. Das Markenimage eines Kunden wird in Wäscheprodukte „übersetzt“. Die Produktion wird von der Textil AG übernommen (respektive koordiniert) und das Label des Kunden auf das fertige Produkt aufgenäht. Die Textil AG übernimmt je nach Bedarf auch die Bewirtschaftung des „Point of Sales“ für den Kunden. Über das klare Bekenntnis zur Position im Wäschemarkt wird damit die absatzseitige Flexibilität sowohl nach hinten wie nach vorn in der Wert-
3.3 Historischer Rückblick
137
schöpfungskette ausgebaut. Auf der Ressourcenseite schafft man eine entsprechende Fähigkeit durch eine prozessorientierte Reorganisation, die zu flexibel kombinierbaren Prozessmodulen führen wird. Die Koordinationsflexibilität wird unter anderem durch ein neu einzuführendes spezifisch auf die neuen Bedürfnisse ausgerichtetes ERP-System sichergestellt. Ausserdem werden auch entsprechende neue Managementpositionen für den Stoff- und den Service-Bereich geschaffen. Insgesamt resultiert eine deutlich höhere strategische Flexibilität, die darauf zielt, die Lebensfähigkeit des Unternehmens auch in der Zukunft zu sichern.
3.3 Historischer Rückblick 3.3.1 Die Entwicklung der produzierenden Industrie „The idea of the Industrial Revolution is one of the few items in the private language of economic historians which has passed into common parlance.“ 119
Verschiedene Autoren konzentrieren sich auf unterschiedliche Betrachtungsschwerpunkte bei ihrer Wiedergabe der Geschichte der produzierenden Industrie. Einem Teil der Autoren ist gemeinsam, dass sie auf entscheidende Veränderungszeiträume, die als industrielle Revolutionen bezeichnet werden, abstellen.120 Cameron hält z.B. fest, dass: „according to the standard or traditional interpretation, the industrialization of Europe and the world began with an „industrial revolution“ in England (or Great Britain) which other nations subsequently imitated.“ 121 Daneben gibt es aber auch eine wachsende Anzahl kritischer Darstellungen, die nicht Revolutionen, sondern graduelle Übergänge als bezeichnend für die Industrialisierung sehen.122 Berg und Hudson beginnen ihre Rehabilitation der industriellen Revolution mit der Feststellung: „The historiography of the industrial revolution Coleman (1956), S. 1. Vgl. z.B. Warnecke (1996), Landes (1969), Pollard (1981). 121 Cameron (1985), S. 1. 122 Vgl. z.B. Cameron (1985) und für einen Überblick Cannadine (1984). Spur (1998), S. 1 spricht für beide Positionen, wenn er festhält: „Die technologische Industrialisierung unserer Wirtschaft hat tiefgreifende Veränderungen ausgelöst. Sie hat das Leben der Menschen so grundlegend beeinflusst, dass sie retrospektiv als industrielle Revolution beschrieben wurde. Diese Entwicklung ist jedoch über mehrere Generationen verlaufend eher als Evolution zu deuten. Dennoch sind Phasensprünge erkennbar. 119 120
138
3 Strategisches Produktionsmanagement
in England has moved away from viewing the late eighteenth and early nineteenth centuries as a unique turning point in economic and social development.“ 123 Bei den Autoren, die über industrielle Revolutionen schreiben, sind erhebliche Unterschiede in den Zeitpunkten respektive Zeiträumen festzustellen, ausserdem gibt es länderspezifische Festlegungen. Der Ausgangspunkt wird in der Regel aber im England des 18. und frühen 19. Jahrhunderts gesehen. Uneins ist man sich darüber, ob man in diesem Zusammenhang von einem einheitlichen Muster der Industrialisierung sprechen kann. Cameron z.B. weist darauf hin, dass in jeder Region Europas verschiedene Bedingungen herrschten, die verschiedene Muster der Industrialisierung hervorbrachten: „The customary depiction of an „industrial revolution“ in Great Britain and its repetition in continental Europe and elsewhere distorts the historical record. It also conceals the distinctive varieties of industrialization, and ignores the ingenuity and achievements of the men and women who contributed to it.“ 124 Die wesentlichen Determinanten der Industrialisierung sind in seinem Verständnis Kohle und Humankapital. Auf das ausgeprägte Humankapital führt Cameron z.B. die Industrialisierung der Schweiz zurück: „Switzerland, possessing no natural resources to speak of ..., relied to an even greater extent than the others (vier weitere kleinere Länder, deren Industrialisierung voranschritt) on the ingenuity of its entrepreneurs and the skills of its labour force.“ 125 Im Kontext dieser Arbeit geht es darum, Veränderungen vor dem Hintergrund veränderter Flexibilitätsanforderungen zu erfassen und den Zusammenhang zur Einführung neuer Technologien und Strukturen, i.S. von Organisationsformen, festzustellen. Vor diesem Hintergrund sind die klassischen Darstellungen der industriellen Revolutionen höchst hilfreich, unabhängig davon, ob sie sich auch in makroökonomischen Grössen respektive branchenspezifischen Wachstumsziffern kenntlich machen. Berg und Hudson heben hervor, dass zumindest die Zeitgenossen wenig Zweifel daran hatten, dass tatsächlich massive Veränderungen stattfanden. Sie zitieren dabei unter anderem Patrick Colquhoun: „It is impossible to contemplate the progress of manufacturers in Great Britain within the last thirty years without wonder and astonishment. Its rapidity, particularly since the com123 124
125
Berg/Hudson (1992), S. 24. Cameron (1985), S. 23 und Jones (1994), S. 140 erwähnen eine Studie von Marshall, die zum Schluss kam, dass während England die Pionierrolle in der industriellen Revolution einnahm, die deutsche Stärke von der systematischen Anwendung der Wissenschaft auf die Industrie resultierte und die Amerikaner sich durch eine konsequente Anwendung von Massenproduktionstechniken auszeichneten. Ebenda, S. 19f.
3.3 Historischer Rückblick
139
mencement of the French revolutionary war, exceeds all credibility.“ 126 Das subjektive Empfinden einer revolutionären Veränderung wirkt auf jeden Fall bereits handlungsleitend in Bezug auf die Entscheidungen in den produzierenden Unternehmen. Die uneinheitliche Darstellung und Wahrnehmung zeigt sich in der Folge aber auch in der Anzahl der industriellen Revolutionen, die von den verschiedenen Autoren beschrieben werden. Warnecke beschreibt für Deutschland z.B. drei Revolutionen (Abb. 3.11). 1
2 GWH/a
3 TDM/(c*a)
2.5
BIT/Cent
25 1000
Jährliche Energieproduktion
1
in Deutschland 1870-1960
Industrialisierung
1. Industrielle Revolution
(nach: Fucks)
2.0
20 1
durchschnittliches jährliches
2
3
1. Weltkrieg
Prokopfeinkommen in Deutschland
100
2
inflationsbereinigt
1.5
15
(nach: Miegel)
Rationalisierung
2. Industrielle Revolution
2. Weltkrieg Anstieg der Wirtschaftlichkeit
3
von Informationsspeichern
1.0
10
(nach: Queisser)
10
Informatisierung
3. Industr. Revol. 5
0.5
1 1800
1825
1850
1875
1900
1925
1950
1975
2000
Abb. 3.11 Industrieentwicklung im Überblick 127
Seine erste industrielle Revolution ist dabei mit der klassischen industriellen Revolution gleichzusetzen, die üblicherweise mit dem Ersetzen von Muskelkraft durch Maschinen beschrieben wird und mit dem Rückgang klassischer handwerklicher aber auch landwirtschaftlicher Tätigkeiten verbunden war.128 Coleman weist aber auch auf die Eingeschränktheit
Berg/Hudson (1992), S. 26. Schiele (1991) übernommen aus Warnecke (1996), S. 36. 128 Dabei wird oft übersehen, dass die handwerkliche Arbeit nicht einfach verschwand, sondern neben den mechanisierten Tätigkeiten bestehen blieb. Berg/Hudson 1992, S. 31, und Piore/Sabel (1984) beschreiben, dass das eine 126 127
140
3 Strategisches Produktionsmanagement
einer solchen Sichtweise hin: „..., it is entirely misleading to represent the classical industrial revolution as the replacement of muscles by machines. This popular view almost certainly stems from an over-emphasis upon mechanisation of textile manufacture. ... But the major innovations in, for example, the iron, steel and chemical industries between 1760 and 1860 were not of this nature at all, and even the steam engine itself often replaced not human muscles, but water power or wind power.“ 129 Die zweite industrielle Revolution von Warnecke hängt mit der zunehmenden Rationalisierung und Arbeitsteilung in den produzierenden Unternehmen zusammen, die einfache Arbeitsplätze für die frei werdende Bevölkerung aus den landwirtschaftlichen und handwerklichen Bereichen schuf. Automatisierung, übergreifende Prozessketten und das Fliessband, das Ford 1917 in seiner River Rouge Fabrik einsetzte, waren kennzeichnend für diesen Prozess. In der klassischen Literatur wird diese Revolution vorwiegend mit der ersten zusammen diskutiert. Die dritte Revolution von Warnecke schliesslich beschreibt die „Steigerung der Produktivität durch die Vervielfachung und Beschleunigung der mentalen Leistungsfähigkeit des Menschen mit Hilfe von elektronischen Rechenanlagen und Speichern.“ 130 In etwa entspricht dies der von einigen klassischen Autoren vertretenen zweiten industriellen Revolution: „The modern industrial revolution is similarly bound to devalue the human brain at least in its simple and more routine decisions.“ 131 Spur greift bei der Darstellung der für ihn zentralen Entwicklungsphasen industrieller Arbeitskultur in etwa auf dieselbe Unterscheidung zurück (Abb. 3.12).
das andere zum Teil sogar bedingte, z.B. bei der Herstellung der Werkzeuge für die Massenproduktionsmaschinen. 129 Coleman (1956), S. 17. 130 Warnecke (1996), S. 34. 131 Coleman (1956), S. 17.
3.3 Historischer Rückblick
1. Phase Energietechnik Kraftmaschinen Mechanisierung Aufbruch Kraftorientierung Konzentrierung Orientierung Erfahrung Mut
1800
2. Phase Arbeitstechnik Arbeitsmaschinen Produktivität Verdichtung Zeitorientierung Rationalisierung Zentralisierung Schulung Macht
1900
141
3. Phase Informationstechnik Informationsmaschinen Optimierung Entfaltung Wissensorientierung Systematisierung Globalisierung Bildung Kompetenz
2000
Abb. 3.12 Entwicklungsphasen industrieller Arbeitskultur 132
Mit diesen Entwicklungen war naturgegebenerweise auch eine zunehmende „Verwissenschaftlichung“ der Technik verbunden: „Als nützliche Künste einst beschrieben, benötigen die technischen Disziplinen heute neben Kreativität auch die ordnende Systematik wissenschaftlicher Forschung.“ 133 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das einschneidende Erlebnis im Zusammenhang mit industriellen Revolutionen die Mechanisierung war. Alle folgenden Ereignisse machen Gebrauch von den dadurch entstehenden Möglichkeiten und treiben Prozessrationalisierung und -automatisierung weiter. Die aktuelle Herausforderung wird vor allem in der zunehmenden Globalisierung und der steigenden Bedeutung immaterieller Produktionsprozesse gesehen. Die Hauptereignisse innerhalb dieser Entwicklung seien in der Folge detaillierter beschrieben:
132 133
Spur (1998), S. 10. Ebenda, S. 10.
142
3 Strategisches Produktionsmanagement
Spezialisierung und Effizienz – Der Weg zur Massenproduktion 134 „Whereas the worker had once defined the product, the product now defined the worker.“ 135
Vor 1840 war die produzierende Industrie in den USA weitgehend durch 1- bis 3-Mann-Betriebe gekennzeichnet, die Produktion oft als Nebenerwerb zu einer bäuerlichen Tätigkeit betrieben: „In farming, lumbering, mining, manufacturing and construction the enterprise remained small and personal. In nearly all cases it was a family affair.“ 136 Limitierende Faktoren beim Wachstum der Unternehmen waren vor allem technologische Restriktionen, insbesondere die Energieversorgung beschränkte den Output und machte somit grössere Einheiten zur Koordination der Aktivitäten überflüssig. Die geringe Grösse der Unternehmen zwang diese zum Erstellen umfangreicherer Leistungen intensiv zu kooperieren. In verschiedenen Regionen entstanden so Kooperationssysteme, die heute neu entwickelten Ansätzen zur Produktion in Netzwerken in verschiedensten Punkten ähnlich waren.137 Fabriken, wie sie später für die Massenproduktion kennzeichnend wurden, gab es nur in Ausnahmefällen.138 Wachsender Nachfrage wurde vor 1840 mit dem so genannten „Putting-Out“-System 139 begegnet. Das heisst, ein Händler oder ein Handwerker kaufte die benötigten Rohstoffe in grosser Menge ein, verteilte sie an Heimarbeiter und koordinierte deren Arbeit. Das Ende dieses Systems kam mit verbesserten Maschinen 140 und der Erfindung der Dampfmaschine 141, die einerseits auf Eingeführt wurde der Begriff von Henry Ford in einem Enzyklopädie-Artikel im Jahre 1925. 135 Piore/Sabel (1984), S. 23. 136 Chandler (1977), S. 50. 137 Vgl. dazu insbesondere Piore/Sabel (1984), S. 32, die dauernd ändernden Muster verschiedener Zusammenarbeiten, die sie beschreiben, sind in verschiedenen Teilen dem Konzept der Virtuellen Fabrik (Schuh/Friedli 1999) ähnlich. 138 Insbesondere in der Textilindustrie, die auf Wasserenergie basierte sowie in der Rüstungsindustrie (Waffenproduzenten), die durch die Armee eine stabile Nachfrage gesichert hatte, gab es bereits vor 1840 Beispiele grosser Unternehmen (vgl. Chandler 1997, S. 51). 139 Vgl. Ebenda, S. 53ff. 140 Getrieben wurde diese Entwicklung insbesondere durch die Verknappung von Holz als Brenn- und Konstruktionsmaterial. Dies führte zum Einsatz von Steinkohle und Eisen als Werkstoff. Durch die besseren mechanischen Eigenschaften von Eisen entstand ein Bedarf nach Verfahren, Maschinen und Werkzeugen, die der Forderung nach wirtschaftlicher Fertigung und grösstmöglicher Präzision der Erzeugnisse genügten (Warnecke 1996, S. 28). 141 Durch James Watt 1776. 134
3.3 Historischer Rückblick
143
Grund der notwendigen Investitionen und andererseits auf Grund der zentralen Energieversorgung die Fabriken hervorbrachten. Die ökonomischen Grundlagen für den Einsatz dieser Maschinen wurden hingegen bereits früher gelegt. Bahnbrechend waren dabei die Arbeiten von Adam Smith, der seine Darstellungen auf die Beobachtung einer dadurch berühmt gewordenen Nadelfabrik in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts abstützte.142 Arbeitsteilung und der vermehrte Einsatz von Maschinen waren dabei kennzeichnend. Aber auch Smith stellte bereits um diese Zeit als limitierenden Faktor die Grösse des Marktes fest: „As it is the power of exchanging that gives occasion to the division of labour, so the extent of this division must always be limited by the extent of that power, or, in other words, by the extent of the market. When the market is very small, no person can have any encouragement to dedicate himself entirely to one employment, ....“. 143 Piore und Sabel weisen auf einen weiteren gewichtigen Nachteil der weitgehenden Arbeitsteilung und Spezialisierung hin: „The increase in efficiency did, however, have a cost in increased rigidity: the more tasks were subdivided and connected in a precise sequence, the more difficult it became for the network as a whole to produce anything but pins.“ 144 Der Einsatz automatisierter Maschinen verschärfte diese Situation noch mehr, die Rigidität der Produktionsunternehmen wurde dadurch deutlich erhöht. Das Massenproduktionsparadigma setzte sich trotzdem mehr und mehr gegenüber den traditionellen Mustern der Handarbeit durch: „Although craft production persisted here (Anmerkung des Verfassers: in einigen „industrial districts“) – as it did even in the heartlands of mass production – it was a discredited paradigm. As a model it was invisible – a practice without a name, by definition incoherent. In this void, industrialization became synonymous with mass production, and the mass production paradigm became self evident truth.“ 145 Insbesondere die Namen von Taylor, Ford und Sloan waren mit der Weiterentwicklung und Durchsetzung dieses Paradigmas verbunden. Tay„But in the way in which this business is now carried on, not only the whole work is a peculiar trade, but is divided in a number of branches, of which the greater part are likewise peculiar trades. One man draws out the wire, another straights it, a third cuts it, a fourth points it, a fifth grinds it at the top for receiving the head, ... and the important business of making a pin is, in this manner, divided in about eighteen distinct operations, which in some manufacturies, are all performed by distinct hands, ...“ (Smith 2000, S. 4f.). 143 Smith (2000), S. 19. 144 Piore/Sabel (1984), S. 22. 145 Piore/Sabel (1984), S. 48. 142
144
3 Strategisches Produktionsmanagement
lor gilt als Begründer des „Scientific Management.” 146 Ford schuf den Höhepunkt mit seinem zur Legende gewordenen Ford T: „When in 1913, Ford´s Model T rolled out of his Highland Park, Michigan, plant, it was the culmination of a century´s experience with mass production: the machinery for making the parts was so precise that no hand-finishing was necessary, yet it was so easy to operate that workers just off the farm could run it; and the final assembly of the product – paced by an endless circulating chain that moved the work in progress from one station to another – required no more traditional craft skill than the operation of the automatic equipment that the engineers privately called farm tools.“ 147 Das Hauptelement der Massenproduktion war dabei aber nicht das Fliessband, sondern die vollständige und passgenaue Austauschbarkeit der Bauteile und die Einfachheit des Zusammenbaus. Diese Neuerungen machten das Fliessband erst möglich.148 Daneben schuf Ford auch den „austauschbaren“ Arbeiter. Die Idee der Arbeitsteilung wurde bis zu ihrem äussersten Extrem getrieben. Der Montagearbeiter an Fords Massenproduktionsband hatte nur eine Aufgabe, z.B. zwei Muttern auf zwei Schrauben zu setzen oder ein Rad an jedes Auto zu montieren. Er verstand auch nicht, was die Arbeiter rechts und links von ihm taten. Vorarbeiter, Industrial- und Fertigungs-Engineers erledigten die Denkarbeit.149 Bis zum Jahre 1915 hatte Ford ausserdem praktisch alle Zukaufteile integriert, d.h. er produzierte praktisch alles selbst, angefangen vom Rohmaterial.150 Die Maschinen, die Ford einsetzte, waren hoch spezialisiert.
Taylor gilt bei verschiedenen Autoren als derjenige, der den grössten individuellen Beitrag zur Entwicklung des Managementdenkens und zur Managementpraxis überhaupt geleistet hat (vgl. Cossette 2002, S. 168). Zu den Hauptbestandteilen der Arbeiten von Taylor gehören Zeitstudien, Anreiz-Löhne und Standard-Kosten (vgl. z.B. Fleischmann 1999, S. 597). 147 Piore/Sabel (1984), S. 20. 148 Womack/Jones/Roos (1991), S. 31. 149 Der spätere prominentere Einbezug des Mitarbeiters und die Berücksichtigung seiner Arbeitsumgebung kam mit der Human Relations Bewegung, die insbesondere durch Mayo geprägt wurde (vgl. z.B. Mayo 1930, S, 176: „We cannot make individuals stupid; we may make them dissatisfied, psychoneurotic, or restless. It is urgently necessary that industry should give as much attention to human as it has to material inquiry.“). 150 Womack/Jones/Roos (1991), S. 37f. Dazu gehörten auch eigene Kautschukanlagen in Brasilien, Erzgruben in Minnesota sowie Schiffe für den Transport von Eisenerz und Kohle durch die grossen Seen zur River Rouge Anlage sowie eine eigene Eisenbahn (ebenda, S. 43). 146
3.3 Historischer Rückblick
145
Sloan führte vor allem auf der Managementseite einige wegweisende Neuerungen ein. Er schuf dezentralisierte Bereiche, die von einer kleinen Unternehmenszentrale aus objektiv nach den Zahlen geleitet wurden. Damit beseitigte er die letzten Probleme, die der Ausbreitung der Massenproduktion im Wege standen. Um 1955 war die Massenproduktion schliesslich in vielen Ländern zum Allgemeingut geworden. Lean Manufacturing Die von Womack, Jones und Roos 1990 mit ihrem Buch „Die zweite Revolution in der Automobilindustrie“ 151 ausgelöste Bewegung des Lean Manufacturing gehört bis heute zu den wichtigsten im Bereich der Organisation der Produktion. Der Ausgangspunkt für die Studie, die zur Beschreibung des Lean Manufacturing Ansatzes führte, war die Feststellung, dass die japanische Industrie die amerikanische in vielen Bereichen überholt hatte.152 Dies gab den Anstoss zu einer ausführlicheren Studie, die als „the most comprehensive industrial benchmarking exercise ever undertaken“ 153 gilt. Japan wurde mit dieser Studie zur globalen Benchmark für die Automobilproduktion, auch wenn sich zeigte, dass es auch erfolgreiche Unternehmen in Westeuropa und den USA gab und die Autoren darauf hinwiesen, dass es falsch sei „lean“ mit japanisch und Massenproduktion mit westlich gleichzusetzen.154 Die Studie zeigte insbesondere, dass nicht technologische, sondern vor allem organisatorische und kulturelle 155 Unterschiede mit den Leistungsdifferenzen zwischen den betrachteten Fabriken korreliert sind.156 Lean Manufacturing kann als Kombination von Prinzipien der Handwerksarbeit und der Massenproduktion verstanden werden: 157 „Toyota was the great innovator here, taking the minds+hands philosophy of the craftsWomack/Jones/Roos (1990, 1991). Eine ganze Reihe von Studien belegte diesen Vorsprung, vgl. z.B. Abernathy et al. (1983); Altshuler et al. (1984). 153 Jones (1994), S. 141. 154 Womack/Jones/Roos (1991): „Wir müssen aufhören japanisch mit schlanker Produktion und westlich mit Massenproduktion gleichzusetzen.“ Krafcik (1988), S. 41 spricht von einem Mythos, den es auszuräumen gilt. Pilkington (1998), S. 33 stellt fest, dass die Untersuchung stark von Toyota geprägt wurde. 155 Damit sind unternehmenskulturelle Unterschiede, nicht solche zwischen verschiedenen Nationalitäten gemeint. 156 Krafcik (1988), S. 42: „We have found overwhelming evidence that high technology is often not the solution to poor manufacturing performance if the technology is employed without a suitable production management policy.“ 157 Womack/Jones/Roos (1990, 1991), Krafcik (1988), Jones (1994). 151 152
146
3 Strategisches Produktionsmanagement
men era, merging it with the work standardization and assembly line of the Fordist systems, and adding the glue of Teamwork for good measure“ 158. Lean Manufacturing stellte insbesondere höhere Anforderungen an die Mitarbeiter, die fähig sein mussten auf Veränderungen in der Produktion flexibler zu reagieren. Lean Manufacturing umfasst die Abstimmung von Human Resources, Technologie und Strategie, was von westlichen Produzenten lange nicht verstanden wurde, aber durch die Studie ebenfalls gezeigt werden konnte.159 Die Erkenntnis, dass eine neue Form der Prozessorganisation das Herz des „Lean Manufacturing“ bildete, löste später auch die Welle des „Business Process Engineering” 160 aus: „Central to this new concept of management is its focus on the stream of activities that add value to the product, what might be called a value stream. The objective is to make this flow as smooth and uninterrupted as possible and to ruthlessly eliminate all activities that stem the flow or do not add value.“ 161 Jones fasst Lean Production in drei Prinzipien zusammen: 162 • Integration jedes Schrittes des Fertigungsprozesses, um einen nahtlosen Fluss der Teile sicherzustellen. Dies umfasst auch die Abschaffung von Puffer-Lagern und Sicherheitsbeständen. • Anwendung einer Pull-Steuerung. Die Kundenbestellungen stossen den Prozess an, keine Produktion auf Lager.163 • Maximierung der Auslastung des gesamten Prozesses (nicht einer isolierten Maschine) durch die Beseitigung aller zufälligen Störungen und Schwankungen. Dies umfasst auch Konzepte der präventiven Wartung und Qualitätsmanagementmethoden wie Poka Yoke, etc. Zusätzlich ist die Betrachtung der Zulieferkette zu erwähnen. Bei der schlanken Produktion werden die First Tier Zulieferer bereits in die Produktentwicklung integriert, während sie in der Massenproduktion fertige Zeichnungen erhalten. Ausserdem wird das innerbetriebliche KanbanSystem auch auf die Lieferanten ausgeweitet, sodass die Zulieferungen Just-in-Time erfolgen können. Um das Gesamtsystem nicht zu gefährden, Krafcik (1988), S. 43. Interessant war z.B. der Vergleich von hoch automatisierten neueren Werken von GM mit dem Joint Venture von GM und Toyota (NUMMI). Obwohl weniger automatisiert, waren die Leistungswerte von NUMMI in Bezug auf Produktivität und Qualität deutlich besser (Krafcik 1988, S. 45). Später hielt auch Pilkington (1998), S. 32 fest, dass ein Verständnis von Lean Manufacturing als JIT und TQM zu kurz greift. 160 Vgl. dazu z.B. Hammer/Champy (1993). 161 Jones (1994), S. 143. 162 Vgl. Jones (1994), S. 144. 163 Zentraler Bestandteil ist das Kanban-System, vgl. Pilkington (1998), S. 35. 158 159
3.3 Historischer Rückblick
147
bemühen sich die Hersteller im schlanken System ausserdem um eine Produktionsglättung, da zwar eine hohe Produktmix-, aber eine nur geringe Volumenflexibilität besteht. Diese Glättung kommt auch den Zulieferanten zugute, die Maschinen und Beschäftigte besser nutzen können.164 Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Konzepts ist die ständige Verbesserung sowie Teamverantwortlichkeiten: „These teams recombine the key skills separated out to specialist departments and relate them to the day to day process knowledge of the operators. Team members need to learn a whole new set of process, problem solving and team working skills perfected by the Japanese. Specialist departments and functions do not disappear but act as centres of expertise supporting the process teams.“ 165 Zentral bei diesem Konzept ist die integrative Betrachtung des Gesamtsystems. Womack und Jones sprachen dann 1996 auch von Unternehmen, die diese Integration nicht verstanden haben: „When we looked more closely, we found plenty of just-in time delivery systems that involved nothing more than the relocation of inventories from the company we were visiting to the next company upstream. In offices and plants, we found unlinked islands of lean operating techniques“ und „... – they had stumbled when it came to putting them all together into a coherent business system.“ Konsequenterweise weiteten die Autoren ihr Konzept auch zunehmend aus, sprachen in der Folge von „Lean Thinking“ 166 und verstanden darunter die Optimierung eines gesamten Wertschöpfungsstromes über Unternehmensgrenzen hinweg, d.h. die überbetriebliche Anwendung von LeanManagement-Ansätzen.167 Die Flexibilität des Systems war auch dadurch bedingt, dass es gelang schnelle Werkzeugwechsel zu perfektionieren. Toyota war unter anderem darauf angewiesen, da es in kleineren Stückzahlen als die amerikanische Konkurrenz produzierte und so die teuren Werkzeuge, z.B. die herkömmlichen Presswerke, nicht konkurrenzfähig auslasten hätte können. Diese Flexibilität erforderte aber auch hoch qualifizierte und hoch motivierte Mitarbeiter.168 Womack/Jones/Roos (1991), S. 158f. Jones (1994), S. 145. 166 Vgl. Womack/Jones (1994). 167 Vgl. Womack/Jones (1994), wobei auch in der ursprünglichen Studie der Lieferantenintegration durch die japanischen Hersteller besondere Beachtung geschenkt wurde (vgl. Womack/Jones/Roos 1991, S. 145ff.) 168 Vgl. Womack/Jones/Roos (1991), S. 57f. Oft angeführtes Beispiel für die höhere Verantwortung der Mitarbeiter ist auch, dass jeder Mitarbeiter das Montageband anhalten kann, wenn ein Problem auftaucht. In der Folge wird systematisch die Ursache für das Problem gesucht und beseitigt. 164 165
148
3 Strategisches Produktionsmanagement
Bezogen auf die Flexibilität lässt sich weiter konstatieren, dass gesetzte Grenzen bestehen: „Flexibility – as compared with the twentiethcentury American corporation – is their salient feature: the capacity continually to reshape the productive process through the rearrangement of its components. But they are also specialized in that the set of possible arrangements is bounded and the aim of redeployment limited.“ 169 Mit anderen Worten ist die Koordinationsflexibilität im Sinne von Sanchez (vgl. 3.2.2) eingeschränkt. Lean Manufacturing war ein entscheidender Schritt hin zu mehr Flexibilität in der Produktion. Nichtsdestotrotz wurde die notwendige Abstimmung der Produktionsflexibilität mit Markterfordernissen sowie Unternehmensstrategie und -positionierung nur selten in der ganzen Bedeutung erkannt. Ausserdem wurde das Konzept allzu oft ohne ein Hinterfragen der Anwendungsvoraussetzungen in andere Branchen kopiert. Es gilt, was Burges festhält, dass „Despite the ability of lean production to cope with lower volume and higher variety than traditional mass production it is still basically a system developed for high volume/low variety environments.“ 170 Die Grenzen zeigen sich deutlich bei hoher Umfelddynamik: „..., the limitations of lean can be reduced to two primary elements: inability to deal with turbulent and consistent change; and the pursuit of perfection to the extent that any scope for flexibility has been eliminated. Lean depends on a stable environment in which to maximise efficiencies of scale.“ 171 Ein Versuch, auch mit grösserer Variantenvielfalt zu tiefen Preisen produzieren zu können, stellte das im nächsten Abschnitt vorgestellte Konzept der „Mass Customization“ dar. Mass Customization zur Überwindung klassischer Trade-offs Verschiedene Publikationen stellen die Mass Customization als Gegensatz zur Massenproduktion dar 172 oder heben den Unterschied zu einem „Continuous Improvement“ hervor.173 Kotha hingegen stellt ein Unternehmen
Ebenda, S. 269. Burges (1994), S. 24. 171 McCurry/McIvor (2002), S. 81. 172 Pine II (1993), S. 264: „ ... the system of Mass Production that made America great has become outmoded and is no longer effective. Worse, it is detrimental to the companies that practice it, to their workers and to America ... But a new frontier in business competition, the paradigm of Mass Customization, is at hand ... The time has shift to Mass Customization.“ und Piller/Ihl (2002), S. 14. 173 Pine II et al. (1993), S. 109: „Continuous improvement and mass customization require very different organizational structures, values, management roles and systems, learning methods, and ways of relating to customers.“ 169 170
3.3 Historischer Rückblick
149
vor, das gerade aus der Interaktion zwischen einem Mass Customization und einem Mass Production Bereich einen Wettbewerbsvorteil erzielt.174 Im Zentrum der Mass Customization Bestrebungen steht der Versuch, individualisierte Produkte zu massenproduktions-ähnlichen Preisen anbieten zu können.175 Damit wird die Aufhebung eines klassischen Trade-offs, desjenigen zwischen Kostenführerschaft und Differenzierung, angesprochen.176 Levering spricht denn auch von einer hybriden Wettbewerbsstrategie.177 Piller und Ihl definieren: „Mass Customization (...) soll im Folgenden die Produktion von Gütern und Leistungen für einen (relativ) grossen Absatzmarkt bezeichnen, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen. Die Produkte und Leistungen können dabei auch langfristig zu Preisen angeboten werden, die der Zahlungsbereitschaft von Käufern vergleichbarer massenhafter Standardprodukte entsprechen,178 ...“ 179. Die Definition weist bereits auch auf die Grenzen von Mass Customization hin. Es ist kein Zufall, dass die ersten Beispiele aus dem Bereich von Konsumgütern stammen. Es gibt Märkte, die keine Differenzierung der Produkte verlangen.180 Nicht zuletzt die mit der Einführung von Mass Customization verbundenen Kosten 181 und die Komplexität bei der Einführung verlangen eine genaue Prüfung,182 ob dieses Konzept für das jeweilige Unternehmen Sinn macht. Für eine steigende Zahl von Forschern ist aber gerade Mass Customization ein Mittel zur ErKotha (1995). Vgl. z.B. auch Gilmore/Pine (1997). 176 Obwohl zahlreiche Fallbeispiele beschrieben sind, die die Spitzenleistung erfolgreicher Mass Customizer belegen sollen, sind in jüngerer Vergangenheit Zweifel aufgekommen, ob die Mass Customization tatsächlich die Ursache für den Erfolg ist. Piller/Ihl (2002), S. 18 halten denn auch fest, dass die Praxis nach anfänglich positiver Reaktion eher zurückhaltend geworden ist. Dies ist aber wahrscheinlich auf die Komplexität, die mit einer Einführung verbunden ist, zurückzuführen. 177 Vgl. Levering (2003), S. 145. 178 Die Originaldefinition von Pine II (1993), spricht von einem „angemessenem Preis“. 179 Piller/Ihl (2002), S. 16. 180 Pine II et al. (1993), S. 114 führen z.B. Commodity Märkte für Öl, Gas und Weizen an. 181 Piller/Ihl (2002), S. 20 unterscheiden z.B. Produktionskosten und Koordinationskosten, die mit der Einführung von Mass Customization verbunden sind. 182 Levering (2003), S. 172f. stellt z.B. basierend auf den Profilen Bleichers (1992) ein strategisches Programm für Mass Customization vor, das darauf beruht, dass die Gestaltungsfelder Organisation, Wettbewerbsstrategie, Produktstruktur und Marktbearbeitung integriert, d.h. aufeinander abgestimmt angegangen werden. 174 175
150
3 Strategisches Produktionsmanagement
langung strategischer Flexibilität.183 Mass Customization basiert auf einem System, dass das flexible Kombinieren von Prozessmodulen zu einer individualisierten Lösung erlaubt. Damit stehen im Gegensatz zur Massenproduktion nicht die Economies of Scale, sondern die Economies of Scope im Vordergrund.184 Folgende Grundvoraussetzungen sind zu schaffen, um erfolgreich eine Mass Customization Strategie verfolgen zu können: 185 • Zeitverzugslos: Die Prozesse eines Mass Customization Unternehmens müssen so schnell wie möglich zusammmenkonfiguriert werden können.186 • Kosten: Über die Initialinvestitionen hinaus sollte das Mass Customization System so wenig wie möglich zu den Fertigungskosten beitragen. Aus diesem Grund sollten z.B. bereits bestehende Kundendaten systematisch genutzt werden. • Nahtlos: Schnittstellen i.S. von Bruchstellen im jeweils betrachteten Prozess sollten vermieden werden. • Friktionslos: Die zur Abarbeitung eines kundenspezifischen Auftrages zusammengesetzten Teams müssen in der Lage sein, sofort ohne Friktionen zu funktionieren. Dies unterscheidet die Mass Customization Organisation von Continuous Improvement Organisationen, die darauf ausgerichtet sind, Verbesserungspotenziale durch enge Teamarbeit zu identifizieren.187 Kennzeichnend ist insgesamt, dass der klassische Trade-off zwischen Flexibilität und Effizienz nicht komplett aufgehoben, sondern durch verschiedene Massnahmen abgeschwächt wird. Dennoch gilt, dass die Flexibilität im Vergleich mit einer traditionellen Einzelfertigung eingeschränkt ist. Wie Piller und Ihl festhalten, erfolgt die Individualisierung der ProdukVgl. Kotha (1995), S. 22. Pine II (1993), S.43. Vgl. zum Thema Economies of Scope auch Golhar/Jelinek (1983). 185 Vgl. Pine II et al. (1993), S. 115. 186 Pine II et al (1993), S. 115 halten dazu fest: „To achieve successful mass customization, managers need first to turn their processes into modules. Second, they need to create an architecture for linking them that will permit them to integrate rapidly in the best combination or sequence required to tailor products or services.“ 187 Pine II et al. (1993), S. 115: „The need to create instant teams for every customer in a dynamic network leaves no time for the kind of extensive team building that goes on in continuous-improvement organizations.“ 183 184
3.3 Historischer Rückblick
151
te „an einigen (für den Kunden relevanten) Komponenten innerhalb genau definierter Ausmasse bzw. Anpassungsschritte. Ziel ist es, individuelle Leistungen mit stabilen Prozessen in Fertigung und Vertrieb zu erstellen.“ 188 Weiterer zentraler Punkt für eine erfolgreiche Einführung von Mass Customization ist die Einbindung des Kunden.189 Durch die Integration der Kunden in die Leistungserstellung werden neue Ertragspotenziale geschaffen, z.B. durch die Verringerung von Unsicherheit und eine dadurch erzielbare Verbesserung der Absatzplanung und damit auch der Flexibilität. Einen besonderen Ansatz in diesem Zusammenhang beschreibt Kotha, der am Beispiel eines japanischen Fahrradherstellers aufzeigt, wie sich Mass Customization und Mass Production im selben Unternehmen gleichzeitig verfolgen lassen. Die Kundeninformationen, die der Mass Customization Bereich sammeln kann, werden dabei zur Verbesserung der Treffsicherheit des Massenproduktion-Bereichs genutzt.190 Zum anderen bestehen Kostensenkungspotenziale durch das so genannte Made-to-order Prinzip.191 Fraglich ist allerdings, welche Märkte sowie welcher Anteil von identifizierten Märkten überhaupt auf eine Individualisierung ansprechen.192 In der neueren Literatur wird zusätzlich zwischen „hard customization“ und „soft customization“ unterschieden. Bei einer „Hard Customization“ beruht die Individualisierung auf der Fertigung, während bei einer „Soft Customization“ ein Standardprodukt durch das Angebot von zusätzlichen Dienstleistungen individualisiert wird.193 Um das Gesamtsystem „Mass Customization“ zum Funktionieren zu bringen, ist ausserdem der Übersetzung der Kundenbedürfnisse in Produktspezifikationen Beachtung zu schenken. Dazu werden zunehmend so genannte Konfiguratoren eingesetzt, die den Kunden in einfachen Schritten
Piller/Ihl (2002), S. 17. Pine II et al. (1993), S. 118: „The capability to codesign and even coproduce products with customers provides mass customizers with the capability to capture valuable new knowledge.“ Der Kunde soll dabei nicht an den Anbieter gefesselt werden, sondern durch das Stiften eines einzigartigen Nutzens dem Unternehmen treu bleiben (vgl. Piller/Ihl 2002, S. 22). 190 Vgl. Kotha (1995), S. 33f.: „It is because of this interaction that some redundancy actually benefits the firm by enabling it to achieve its goal of growing the larger high-end mass-production segment based on ideas generated from the mass-custom segment.“ 191 Vgl. Piller/Ihl (2002), S. 21. 192 Respektive bereit sind, für die Individualisierung zu bezahlen. Zu einer Diskussion bzgl. dieser Punkte vgl. Piller/Ihl (2002), S. 19ff. 193 Vgl. Piller/Ihl (2002), S. 22. 188 189
152
3 Strategisches Produktionsmanagement
durch die Individualisierungsmöglichkeiten leiten und gleichzeitig die Herstellbarkeit der gewünschten Variante prüfen. Als wesentliche Absatz-Leistung eines „Mass Customizers“ ist nicht das individuelle Produkt selbst, sondern die „Bereitstellung eines Leistungspotenzials, auf dessen Basis durch Integration des Abnehmers eine individuelle Leistung konfiguriert wird“, zu sehen.194 Deshalb sind die kommunikatorischen Vorgänge im Kundenkontakt oft wichtiger als die technischen. Levering skizziert in der Folge eine Weiterentwicklung der Mass Customization zur Mass Innovation, die sich dadurch auszeichnet, dass neben der Änderungsrate der Produkte nun auch diejenige der Prozesse hoch ist.195 Auf der Produktseite sieht Levering dies durch Plattformkonzepte erzielbar, die es erlauben, stabilere Plattformen durch inkrementelle Innovationen 196 zu innovieren. Auf der Prozessseite bleibt er einen Lösungsansatz schuldig. Denkbar ist aber auch hier eine geeignete Prozessmodularisierung und Prozessdifferenzierung, die es erlaubt, mit verschiedenen Innovationsgeschwindigkeiten zu arbeiten. Agile Manufacturing im dynamischen Umfeld Goldman et al. entwickeln das Konzept der agilen Fertigung.197 Als Antwort auf eine Anfrage des Kongresses, die Antworten darauf verlangte, wie die amerikanische produzierende Industrie international wieder wettbewerbsfähig werden kann, wurde zuerst ein Bericht erstellt.198 Der Bericht beschrieb neue Anforderungen an die Unternehmen, um auch längerfristig wettbewerbsfähig zu werden respektive zu bleiben: „Future competitive battles, the report concluded, would require that companies be able to develop short-lifetime, easily customizable, information-rich products and services targeted at niche markets, and to do much more quickly and much less expensively than was possible under the mass-production-based system.“ 199 Die Antwort auf diese Herausforderungen war für die Autoren das agile Unternehmen.
Piller/Ihl (2002), S. 29. Vgl. Levering (2003), S. 176ff. 196 Vgl. dazu auch Wheelwright und Clark (1992c). 197 Vgl. Goldman et al. (1995). 198 Publiziert im Frühjahr 1991 durch das Iacocca Institute: 21st Century Manufacturing Enterprise Strategy: An Industry-Led View. 199 Goldman et al. (1995), S. XXII. 194 195
3.3 Historischer Rückblick
153
Wie bei anderen Konzepten gilt auch hier, dass der Begriffsinhalt von Agilität alles andere als klar ist und durch die parallele Aufnahme des Themas in der Praxis und der Wissenschaft weiter verbreitert wurde.200 Der Unterschied zur schlanken Produktion wird in der Regel darin gesehen, dass die schlanke Produktion eine Ansammlung operativer Techniken ist, die es erlaubt, die bestehenden Ressourcen optimaler zu nutzen. Agilität auf der anderen Seite ist eine Gesamtstrategie, die auch über die Unternehmensgrenzen hinweg Ressourcen nutzt.201 Gunasekaran liefert folgende Definition der agilen Fertigung: „Agile manufacturing can be defined as the capability to survive and prosper in an competitive environment of continuous and unpredictable change by reacting quickly and effectively to changing markets, driven by customerdesigned products and services.“ 202 Basierend darauf leitet er vier Dimensionen für die weitere Konkretisierung ab und entwickelt ein konzeptionelles Modell, dem sich verschiedene existierende Methoden und Ansätze zuordnen lassen, die in der Lage sind, den Weg zur Agilität zu unterstützen. Die vier Dimensionen sind 1) Wertbasierte Verrechnungen, die den Kundennutzen erhöhen, 2) Kooperationen, 3) Organisationale Beherrschung von Wandel und Unsicherheit sowie 4) Investitionen, die in der Lage sind, den Einfluss von Mensch und Informationen auf das Unternehmen systematisch zu steigern. Zum konzeptionellen Rahmen mit eingeordneten Ansätzen vgl. Abb. 3.13). Die agile Produktion stellt den vorläufigen Endpunkt einer Entwicklung produzierender Unternehmen auf der Suche nach mehr Flexibilität in einem dynamischer werdenden Umfeld dar. Die virtuelle Fabrik, die eine Zeit lang als flexibelste Form der Produktion diskutiert wurde, wird an dieser Stelle nicht als eigenständiges Organisationskonzept ausgeführt, da in den meisten Fällen eine virtuelle Fabrik als Zusatz zu herkömmlichen Organisationsformen konzipiert wird. Als solches ist sie auch Bestandteil des oben dargestellten agilen Produktionsrahmens. Wegen der unbestrittenen Bedeutung für die Erhöhung der Flexibilität wird die virtuelle Fabrik aber im nächsten Kapitel (vgl. 4.2) bei der Darstellung in jüngerer Vergangenheit diskutierter Produktionskonzepte kurz vorgestellt.
Vgl. z.B. auch Sanchez/Nagi (2001), S. 3561: „While agility means different things to different enterprises under different contexts, ...“ 201 Vgl. z.B. Sanchez/Nagi (2001), S. 3562. 202 Gunasekaran (1998), S. 1223. 200
154
3 Strategisches Produktionsmanagement Value-based Pricing Strategies
Co-operation
Quality, Delivery, Price, Customer Focus, JIT, ABC, CAD/CAM, TQM, Partnership, Multiple Markets Niche
1
Multimedia, Internet, EDI, CAD/CAM, EC, Incentive, Education and Training
2
Knowledge Workers, Skills in IT, Language Skills, Team Work, Incentive Scheme, CAD/CAM
Agile Manufacturing Systems
3 1) Virtual Enterprise, Integrated Product/Production/ Business Information System 2) Physically distributed Manufacturing, Strategic Alliances 3) Rapid Partnership Formation, Reengineering 4) Rapid Prototyping, Electronic Commerce, Performance Measures
Investments in People and Information
3 Matrix Structure, Adaptability, BPR, Partnership, Leadership, Employee Empowerment
Organizational Changes
Abb. 3.13 konzeptioneller Rahmen zur Agilität 203
3.3.2 Die Flexibilität der Unternehmen Die Organisation der produzierenden Unternehmen war durch das hin und her zwischen Zentralismus und dezentralen Lösungen sowie durch ständige Veränderungen der Flexibilität gekennzeichnet. Insbesondere hing dies mit den notwendigen Interaktionen mit dem jeweiligen Unternehmensumfeld zusammen. Wenig stabile Umfelder, wie vor der Erfindung der Dampfmaschine als man z.B. von Wasserenergie abhängig war, riefen flexible Organisationsformen hervor, wie sie sich in verschiedenen Industrial Districts herausbildeten.204 Stabile Umfelder erforderten in der Regel keine flexiblen Organisationen. Im Gegenteil, in stabilen Umfeldern drängt sich die Einführung von Routinen und Spezialisierung sowie hierarchisch strukturierte Unternehmen auf, wie die Massenproduktionszeit es vor-
203 204
Gunasekaran (1998), S. 1233. Gekennzeichnet sind diese Districts durch drei Merkmale: Sie produzierten ein grosses Produkt-Sortiment für die hoch differenzierten regionalen Märkte, sie nutzten dabei zunehmend produktivere und breit anwendbare Technologien und sie schufen regionale Institutionen zum Ausgleich von Kooperation und Wettbewerb (vgl. Piore/Sabel 1984, S. 129).
3.3 Historischer Rückblick
155
machte.205 Verschiedene Mechanismen sorgten dafür, dass das Umfeld der Massenproduktionsunternehmen auch über längere Zeit stabil blieb. Dazu gehörten z.B. die Kontrolle des Absatzes über Marketingmassnahmen und der Beschaffung über langfristige Verträge, Kartelle und Gewerkschaftseinbindung.206 Die zunehmende Dynamisierung des Umfelds produzierender Unternehmen führte dazu, dass die hierarchisch organisierten, auf die Absorption von Unsicherheit ausgerichteten Unternehmen zunehmend an ihre Grenzen stiessen. Die Suche nach flexibleren Organisationsformen war die Konsequenz.207 Die Ermöglichung neuer Koordinationsformen durch die Entwicklung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie führte aber auch zu neuen Möglichkeiten der Organisation. Ähnlich wie seinerzeit Telegraph und Eisenbahn die Organisation der Unternehmen entscheidend beeinflusste, waren es diesmal die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie und insbesondere die Verbreitung des Internets, die eine massive Veränderung auslösten. Neben Netzwerkorganisationen wird in diesem Zusammenhang insbesondere der weiter vorne beschriebene Ansatz der Mass Customization als Konsequenz genannt. Rückblickend ist es immer eine Technologie, ein Ansatz zur Sicherung der Stabilität der Umfelder respektive ein Ansatz zur internen Bereitstellung von Potenzialen, die für die Herausbildung dominierender Organisationsformen verantwortlich zeichnen. Dies sei in Abb. 3.14 in vereinfachter Form nochmals dargestellt. Das Paradigma 1 „Handwerksparadigma“ ist in der Abbildung oben links abgebildet. Das Umfeld der produzierenden Unternehmen erlaubte es nicht im grossen Stil zu produzieren. Weder war die Energieversorgung ausreichend stabil (Wind- und Wasserenergie), die technologischen Entwicklungen (Werkzeugmaschinen, etc.) genügend weit fortgeschritten, noch waren die Mittel für ein Management grosser Unternehmen vorhanden. Ausnahmen gab es zuerst in Bereichen, die durch einen stabilen Absatzmarkt (Militär) oder durch eine konstante Energieversorgung gekennzeichnet waren (Textilunternehmen).
Vgl. dazu unter anderen Nonaka/Takeuchi (1995) und Fukuyama/Shulsky (1997). 206 Nemetz und Fry (1988), S. 629 kommentieren: „In the words of Henry Mintzberg, mass production organizations had no choice but to stabilize their environments.“ 207 Der Reihe nach waren dies die M-Form Organisation, die Matrix-Organisation, die N-Form, zunehmende Überlagerungen tradierter Organisationsformen mit Projektorganisationen und Netzwerken sowie Virtuelle Unternehmen. (Vgl. dazu auch Roventa 1991 und Friedli 2000, S. 36). 205
156
3 Strategisches Produktionsmanagement
Das Paradigma 2, das „Massenproduktionsparadigma“, wurde durch die konstante Energieversorgung durch Dampfmaschinen sowie neue Management- und Transportmittel (Eisenbahn, Telegraph) ermöglicht. Durch gezielte Massnahmen wurden sowohl der Absatz- wie der Versorgungsmarkt stabilisiert. Das Paradigma 3 „Das flexible Unternehmen“ kombiniert verschiedene Eigenschaften der zwei anderen Paradigmen. Ermöglicht wird es insbesondere durch die Entwicklungen in der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie, die die teilweise Entspannung verschiedener klassischer Trade-offs mit sich bringt. Die wesentlichen Charakteristika dieser Paradigmen wurden weiter vorne im historischen Rückblick kurz skizziert. An dieser Stelle sei auf das Zusammenspiel der drei Paradigmen hingewiesen. Unzuverlässige Energieversorgung Maschinenbau in den Anfängen
Flexibilität
Intelligenz des Einzelnen
Multifunktionalität
Flexibilität Economies of Scope Produktion Kooperationsals Kunst systeme Dezentral
Globalisierung Fluktuationen IKT
Spezialisierung und Multifunktionalität Intelligenz des Flexibilität, Systems und Produktivität des Produkts Economies of Scale und Scope Netzwerkunternehmen
Bis 1850
Dezentral, Zentral
Produktion als Kunst und Wissenschaft
ab 1990 Spezialisierung
ab 1850 Dampfmaschine Telegraph Eisenbahn
Stabilität Intelligenz der Produktivität Maschine Economies of Scale Hierarchische Produktion Grossunternehmen als Wissenschaft Zentral
Produktivität Abb. 3.14 Paradigmen im Wandel der Zeit
Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass die dominierenden Paradigmen der jeweiligen Zeit nicht exklusiv vertreten waren und vertreten sind, sondern immer auch neben und miteinander existierten. Die Aussage, dass ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat, heisst in der Konsequenz, dass eine neue dominierende Form der Organisation und Funkti-
3.4 Notwendige Flexibilität – Antizipative Positionierung
157
onslogik produzierender Unternehmen in den Vordergrund trat, nicht aber, dass das alte Paradigma vollständig abgelöst wurde. Piore und Sabel zeigen z.B. auf, wie das neue Massenproduktionsparadigma in seiner Funktion auf das alte Handwerksparadigma angewiesen war.208 So waren z.B. die Werkzeugmaschinen, die für die Produktion der Massengüter benötigt wurden, alles Sonderanfertigungen, die nach dem alten Paradigma produziert wurden. Dasselbe gilt für das neue Paradigma des flexiblen Unternehmens. Abhängig von den konkreten Umfeldbedingungen der produzierenden Unternehmen machen die „alten Paradigmata“ für einzelne Unternehmen mehr Sinn. Befindet sich ein produzierendes Unternehmen z.B. nach wie vor in einem stabilen Umfeld mit voraus planbaren Schwankungen, ist es nicht auf dieselbe Flexibilität angewiesen, wie ein Unternehmen in einem stark schwankenden Umfeld.
3.4 Notwendige Flexibilität – Antizipative Positionierung Ein Leitbild zur Unternehmenspositionierung, das die gemachten Ausführungen aufgreift und systematisch die erkennbaren für das Unternehmen relevanten Unsicherheiten bzgl. der Entwicklung des Unternehmensumfelds berücksichtigt, wurde von Friedli und Knecht beschrieben 209 und von Knecht weiterentwickelt.210 Der entstandene Rahmen eignet sich, die Situation seines eigenen Unternehmens in Abhängigkeit von der wahrgenommenen Umfelddynamik sowohl im Ist- wie im Soll-Zustand zu diskutieren und Konsequenzen für das Unternehmen in Bezug auf die vom Umfeld geforderte Flexibilität abzuleiten. In diesem Sinne kann diese Analyse eine sinnvolle Ergänzung des Strategie-Audit Prozesses eines produzierenden Unternehmens sein und wird deshalb in Kap. 6 als Analysetool in diesem Zusammenhang nochmals diskutiert. Zur näheren Beschreibung der Umfeldunsicherheit stellt Knecht auf Courtneys Beschreibung der Restunsicherheit 211 sowie Gerwins Unsicherheitsdimensionen 212 ab und definiert das erkennbare Verhaltensrepertoire des Umfelds als: „... die Zahl ausreichend wahrscheinlicher, lenkungsrelevanter Entwicklungen seiner Zustandsmerkmale.“ 213 Nach verschiedenen Vgl. Piore und Sabel (1984). Vgl. Friedli/Knecht (2002b). 210 Knecht (2003). 211 Also jener Unsicherheit, die auch nach Analysen noch bleibt (Courtney 2001, S. 20ff.) 212 Vgl. Gerwin (1993), S. 398 ff. 213 Vgl. Knecht (2003), S. 110 ff. 208 209
158
3 Strategisches Produktionsmanagement
Erwägungen leitet er folgende grundsätzlichen Kategorien der Unsicherheit ab, die die insgesamt vorhandene Restunsicherheit im Umfeld bestimmen: 214 Typen
Quelle
Dimensionen
beschaffungsseitiger Teil des Wertschöpfungsnetzes
absatzseitiger Teil des Wertschöpfungsnetzes
unternehmensinterne Wertschöpfungsaktivitäten
qualitativ I (Makro-Ebene)
prinzipielle Verfügbarkeit von Input-Gütern
qualitativ II (Mikro-Ebene)
Charakteristika der Repetierfaktoren
quantitativ
beschaffbare Volumina der Inputgüter
zeitbezogen
Beschaffungszeitraum
Lebensdauer von Maschinen/ Fluktuation
Länge des Produktlebenszyklus
sonstige
weitere beschaffungsbezogene Unsicherheiten
weitere produktionsbezogene Unsicherheiten
weitere absatzbezogene Unsicherheiten
meta
Personal-/ Maschinenverfügbarkeit (Ausfälle) für bestimmte
Produktarten
Marktakzeptanz von Produktarten
Varianten
(nachgefragte) spezifische Produkteigenschaften
Mengen
Aggregierte Nachfrage
Veränderung dieser Unsicherheiten
Abb. 3.15 Systematisierung von Unsicherheiten
Es ist dabei zu berücksichtigen, dass Knecht als Betrachtungsobjekt das gesamte Wertschöpfungsnetz wählt. Dieser Umfeldunsicherheit steht die Flexibilität des Unternehmens gegenüber. Diese lässt sich nicht allein über die Zahl möglicher Verhaltensoptionen beschreiben, sondern ist wie vorne erwähnt auch von der Koordinationsflexibilität abhängig, oder wie Knecht ins Felde führt, von der Geschwindigkeit mit der Verhaltensoptionen gewechselt bzw. gewählt und realisiert werden können.215 Analog zu den Unsicherheiten lassen sich Flexibilitätsarten ableiten: 216 Übersetzt in Abb. 3.16 heisst dies, dass ein intelligent positioniertes Unternehmen für jede Art erkennbarer Unsicherheiten bzgl. der Umfeldentwicklung über ein ausreichendes Mass an entsprechender Flexibilität verfügt, d.h. über der Diagonalen liegt. Darunter wird von „Gambling“ gesprochen.
Vgl. Knecht (2003), S. 113. Vgl. Knecht (2003), S. 114. 216 Knecht (2003), S. 115. 214 215
3.4 Notwendige Flexibilität – Antizipative Positionierung Arten der Flexibilität
Bezugspunkt
Dimensionen
Beschaffungsseitiger Teil des Wertschöpfungsnetzes
qualitativ I (Makro-Ebene)
Flexibilität bzgl. nutzbarer Beschaffungsquellen/Inputs
qualitativ II (Mikro-Ebene)
Flexibilität bzgl. verarbeitbarer Inputvarianten
quantitativ
beschaffungsvolumenbezogene Flexibilität
zeitbezogen
Flexibilität bzgl. bewältigbarer Lieferfristen
sonstige
sonstige beschaffungsbezogene Flexibilität
meta
unternehmensinterne Wertschöpfungsaktivitäten
Flexibilität beim Ersatz ... von Mitarbeitern und Maschinen bzgl.
159
Absatzseitiger Teil des Wertschöpfungsnetzes
Art
produktmixbezogene Flexibilität
Variante
variantenbezogene Flexibilität
Menge
absatzvolumenbezogene Flexibilität
Häufigkeit, Flexibilität bzgl. Erneuerung Dauer, zeitdes Produktprogramms licher Vorlauf sonstige produktionsbezogene Flexibilität
sonstige absatzbezogene Flexibilität
· Flexibilität in Bezug auf Flexibilitätsanpassungen
Abb. 3.16 Systematik der Flexibilitätsarten
Damit wird angedeutet, dass ein Überleben des Unternehmens mit einer geringeren Flexibilität als für die relevante Umfeldunsicherheit adäquat wäre, nicht unmöglich, aber doch eher zufällig ist. Die konventionelle Art von Unternehmen auf Umfelddynamik passiv zu reagieren, führt tendenziell dazu, dass Unternehmen sich eher zu stark für den momentan optimalen Fit entscheiden, oder wie Staber und Sydow es ausdrücken: „In practice, most organizations are adaptionist in their structures and behaviors. If given a choice between two organizational arrangements, one of which was better adapted to existing circumstances than the other, few managers would prefer the less well-adapted form.“ 217 Das heisst in der Konsequenz, dass eine situativ perfekte Anpassung an das Umfeld zu einer Gefährdung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit führen kann, oder wie es wiederum Staber und Sydow ausdrücken: „The more perfectly adapted the organization is to a given environmental state, the more disastrous may be an even minor change in that state.“ 218 Es darf daraus aber nicht gefolgert werden, dass Flexibilität immer die Lösung ist. Sowohl Aaker 219 als auch Slack 220 weisen auch auf die Kosten hin, die mit Flexibilität verbunden sind.
Staber/Sydow (2002), S. 409. Ebenda, S. 411. 219 „Usually a cost is associated with developing flexibility that is not used“ (Aaker/Mascarenhas 1984, S. 80). 220 „Flexibility costs money.“ (Slack 1987, S. 43). 217 218
160
3 Strategisches Produktionsmanagement
Knecht weist auf flexibilitätsbedingte Nachteile sowohl innerhalb eines Unternehmensbereiches als auch bereichsübergreifend hin.221 Eine Steigerung der Flexibilität innerhalb eines Unternehmensbereichs ist nicht in jedem Fall und in beliebigem Ausmass vorteilhaft. Dies kann für alle Flexibilitätsarten in Abb. 3.16 gezeigt werden. Volumenflexibilität kann innerhalb eines Unternehmensbereichs offensichtlich nicht durch das Teilen von Potenzialen (zwischen verschiedenen Bereichen) erzielt werden. Nachfrageschwankungen, die innerhalb des Bereichs bewältigt werden sollen, müssen daher durch das Vorhalten entsprechender Potenziale (z.B. Produktionskapazitäten) abgefangen werden können. Die notwendige Absicherung gegen Volumenunsicherheiten ist dabei bereits kostenintensiv. Um so mehr führt unnötige Flexibilität, z.B. in Form überdimensionierter, ungenutzter Kapazitäten, zu Kostennachteilen. Dies gilt analog für die Flexibilität bzgl. der Erneuerung des Produktprogramms und die (quantitative und zeitbezogene) Flexibilität beim Ersatz von Mitarbeitern und Maschinen. Sie erfordern direkt oder indirekt die Bereitstellung von zumindest zeitweise nicht benötigten Kapazitäten (Leistungsentwicklung sowie im zweiten Fall auch Leistungserstellung).222
Sehr hoch
wegen prinzipiell begrenzter Variabilität des Unternehmens nicht realisierbar
Flexibilität des Unternehmens
Po Int si elli tio g ni en er te un g
Verzetteln
Gambling
Sehr gering Sehr gering
Erkennbare, relevante Unsicherheit bzgl. Umfeldentwicklung
Abb. 3.17 Leitbild der antizipativen Positionierung
221 222
Vgl. Knecht (2003), S. 117 ff. Vgl. dazu allgemein Aaker/Mascarenhas (1984), S. 76.
Sehr hoch
3.4 Notwendige Flexibilität – Antizipative Positionierung
161
Die qualitative Flexibilität eines Unternehmensbereichs auf der Absatzseite ist im Vergleich zu der des Gesamtunternehmens deutlich eingeschränkt. Auch die Flexibilität bzgl. der herstellbaren Varianten kann sich ab einem gewissen Punkt negativ auf den Gesamtnutzen des Unternehmensbereichs (des Gesamtunternehmens) auswirken. Eine über die vom Markt entsprechend honorierte hinausgehende Leistungs- und Variantenvielfalt führt dazu, dass entstehende Komplexitätskosten nicht durch parallele Nutzen- bzw. Preissteigerungen gedeckt sind (vgl. Abb. 3.18).223
Kosten/Nutzen der Vielfalt Produktdifferenzierung
Kosten Nutzen
Maximaler Nutzenüberschuss
Kostensenkung Vopt.
Abb. 3.18 Kosten/Nutzen-Wirkung der Variantenvielfalt 224
223 224
Vgl. Schuh/Schwenk (2001), S. 17 ff. Schuh/Schwenk (2001), S. 24.
Vielfalt
162
3 Strategisches Produktionsmanagement
Generell kann das Streben nach einer über das notwendige Mass hinausgehenden qualitativen Flexibilität zu höheren Kosten infolge Verlust bzw. Nicht-Ausschöpfen von Economies of Scale oder Lernkurveneffekten führen.225 Dieses Argument wird auch von Staber und Sydow unterstützt, die auf Weick 226 referenzierend zur folgenden Aussage kommen: „Or an organization with adaptive capacity may never see the future, if it is outcompeted by rivals who are better adapted to the current state. Organizations that hedge against a long-term fit may not survive when competing with those that have a better momentary fit.“ 227 Dies ist auch für die Beschaffungsseite relevant. Das Offenhalten verschiedener Beschaffungsquellen für gleiche Bedarfe erhöht typischerweise den Beschaffungsaufwand. Des Weiteren sind Lieferanten wie in diesem Fall weniger bereit, effizienzsteigernde Investitionen in die Austauschbeziehung zu tätigen (z.B. Beteiligung in Leistungsentwicklung oder EDIAnbindung). Nicht zuletzt muss bei Aufteilung des Bedarfs auf verschiedene Beschaffungsquellen oftmals auf Preisnachlässe (Mengen-, Treuerabatte bzw. Boni) sowie auf die ausschliessliche Beschaffung beim günstigsten Anbieter verzichtet werden. Flexibilität bzgl. der Art bzw. Variante (z.B. Qualität) der verwendeten Inputs verursacht spätestens dann zusätzliche Kosten, wenn mit der Einbringung verschiedener Inputs Prozessanpassungen notwendig sind. Dies ist aber erst jenseits eines gewissen Toleranzbereichs zu erwarten. Flexibilität bzgl. beschaffbarer Volumina und Lieferfristen erfordert höhere Lagerbestände (beim Zulieferer bzw. im eigenen Unternehmensbereich) oder Reservekapazitäten (beim Zulieferer). Diese sind mit entsprechenden Kosten verbunden.228 Im Ergebnis zeigen sich also innerhalb des einzelnen Unternehmensbereichs negative Auswirkungen, die die Lebensfähigkeit mindern, wenn die Flexibilität ein gewisses Mass übersteigt. Ausserdem tendieren Manager
225
Vgl. Skinner (1969), S. 140f., Hayes/Wheelwright (1979a), S. 138f. und Gerwin (1993), S. 402 sowie für ein Beispiel Hayes/Wheelwright (1979b), S. 129f. Zu Eco-
nomies of Scale, Economies of Scope und Lernkurveneffekten vgl. grundlegend Scherer/Ross (1990), S. 97ff. 226 Vgl. Weick (1979), S. 135–136. 227 Staber/Sydow (2002), S. 411. 228 So haben Just in Time- oder Just in Sequence-Konzepte nach Erfahrungen aus der Projektarbeit am ITEM-HSG vielfach lediglich zur Verschiebung der Lagerbestände vom Endprodukthersteller zum Zulieferer geführt.
3.4 Notwendige Flexibilität – Antizipative Positionierung
163
dazu, Investitionen, die sich nicht unmittelbar auf der Ertragsseite bemerkbar machen, eher zu vermeiden.229 Verhaltensmöglichkeiten, die mehrere Unternehmensbereiche desselben Unternehmens betreffen, sind notwendigerweise auf Ebene des Gesamtunternehmens bzw. eines übergeordneten Unternehmensbereichs angesiedelt. Zu den Verhaltensmöglichkeiten gehören beispielsweise: • Austausch finanzieller Mittel zwischen den Unternehmensbereichen: Dies geschieht in der kurzfristigen Variante im Rahmen des Cash Management durch Pooling, Netting und Devisen-Netting.230 Langfristig erfolgt der Finanzmitteltransfer im Rahmen der Investitionsplanung des Gesamtunternehmens.231 • Verschiebung von Produktionskapazitäten zwischen den verschiedenen Bereichen des Unternehmens. • Möglichkeit zur Nutzung von Kernkompetenzen für verschiedene Bereiche des Unternehmens.232 • „Schirm“ einer einheitlichen (Dach-)Marke, die in verschiedenen Unternehmensbereichen nutzbar ist.233 Die auf Ebene des Gesamtunternehmens realisierbare Flexibilität wird durch die Zahl und die Ähnlichkeit der Unternehmensbereiche beeinflusst: • Die Ähnlichkeit der Unternehmensbereiche hat Einfluss auf Umfang und Qualität der zwischen zwei Unternehmensbereichen (allgemeiner: Teilmengen von Bereichen) bestehenden Möglichkeiten zum Austausch bzw. Teilen von Potenzialen. Beispielsweise besteht für Bereiche mit eng verwandten Produktionsprozessen prinzipiell die Möglichkeit, bei Nachfragespitzen auf Restkapazitäten der anderen Bereiche zurückzu-
Staber/Sydow (2002), S. 409 führen für den Fall des Aufbaus einer „adaptive capacity“, was erhöhter Flexibilität entsprechen würde, an, dass: „The problem is that adaptive capacity is characterized by considerable ambiguity and complexity, with contradictions that are difficult to manage and with payoffs that are rarely immediate.“ 230 Bei Pooling, Netting und Devisen-Netting stehen die liquiden Mittel eines Unternehmensbereichs dem gesamten Unternehmen zur Verfügung. Die Erfolgszurechnung wird durch eine zweite Rechnung bzw. periodische Verrechnungen gesichert. Vgl. ausführlicher Perridon/Steiner (1995), S.145f. 231 Vgl. Arbeitskreis „Finanzierung“ (1994), S. 901ff. und Müller-Stewens/Lechner (2001), S. 226 ff., für einen Überblick über die hierfür entwickelten Portfolio-Konzepte. 232 Vgl. Prahalad/Hamel (1990), S. 89f. 233 Vgl. Hamel/Prahalad (1994), S. 251ff. 229
164
3 Strategisches Produktionsmanagement
greifen. Bei stark unterschiedlichen Produktionsweisen sind diese dagegen nicht bzw. nicht im gleichen Umfang wechselseitig nutzbar. • Die Zahl der Unternehmensbereiche bestimmt wiederum (nicht zuletzt aufgrund der Gesetzmässigkeiten der Kombinatorik) die Anzahl derart möglicher Kooperationen zwischen zwei oder mehreren Unternehmensbereichen. So sind (bei gleicher Kapazität je Bereich des Unternehmens) die Möglichkeiten zum Ausgleich von Lastspitzen bei drei Unternehmensbereichen grösser als bei zwei. Auf den ersten Blick wirkt eine generelle Erhöhung der Flexibilität auf Gesamtunternehmensebene – auch über das notwendige Mass hinaus – vorteilhaft. Die beabsichtigte flexibilisierende Wirkung tritt jedoch nur ein, wenn zwischen den Unternehmensbereichen eine entsprechende Abstimmung stattfindet. Diese Koordination hat jedoch unerwünschte Nebeneffekte: Beispielsweise reduziert Hierarchiebildung die Flexibilität durch die Tendenz zu langen und bürokratischen Entscheidungswegen.234 Aber auch sonst verursacht die steigende Komplexität Koordinations- und Kompromisskosten,235 die neben der Nutzenstiftung auch die Reaktionsgeschwindigkeit 236 negativ beeinflussen. Ein breit diversifiziertes Bereichsspektrum steht zudem im Konflikt mit dem strategischen „Prinzip der Konzentration der Kräfte“ 237. Dies äussert sich an verschiedenen miteinander verknüpften Punkten: • Die Möglichkeit zur Konzentration auf wenige Kernkompetenzen wird kleiner. • Die begrenzte Managementkapazität bereitet Probleme. Zunächst mag das Management noch von der Möglichkeit profitieren, in einem Bereich des Unternehmens Gelerntes auf andere Bereiche übertragen zu können. Mit zunehmender Anzahl und Heterogenität der Unternehmensbereiche treten jedoch immer weniger neue Möglichkeiten zur Übertragung von Gelerntem auf.
Vgl. Krüger (1997), S. 160f. Vgl. Schuh/Schwenk (2001), S. 20 und Lehmann (1993), S. 99f. 236 Die Reaktionsgeschwindigkeit ist nach dem hier vertretenen Verständnis eine Dimension der Flexibilität. Vergleiche auch den Begriff der Koordinationsflexibilität weiter vorne. 237 Vgl. Von Clausewitz (2001), S. 94f. für die Wurzeln und Pümpin (1992b), S. 37 als Beispiel für die Anwendung in der Strategielehre. 234 235
3.4 Notwendige Flexibilität – Antizipative Positionierung
165
Zugleich sinkt sowohl der Zeitanteil, den das Management den einzelnen Bereichen widmen kann 238 als auch die Qualität der Managemententscheidungen.239 • Die mit zunehmender Anzahl Bereiche abnehmende Abhängigkeit von einzelnen Märkten führt dazu, dass diese nicht mit der gleichen Konsequenz bearbeitet werden wie bei Konzentration auf einen oder wenige Bereiche.240 Die zentrale Führung des zunehmend komplexen Unternehmens macht zudem den Aufbau umfangreicher Managementsysteme und eine zentrale Administration notwendig.241 Mit zunehmender Anzahl Unternehmensbereiche bzw. dem Versuch, eine immer grösser werdende Anzahl von Synergiepotenzialen zu erschliessen, treten also vermehrt negative Effekte bzgl. der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auf. Bei zunehmender Flexibilität treten also jenseits einer (im Einzelfall zu bestimmenden) Toleranzgrenze unerwünschte Wirkungen auf, die die Wettbewerbsfähigkeit bzw. die Fähigkeit zur Nutzenstiftung schmälern – ganz gleich ob die Flexibilität bereichsübergreifend oder innerhalb eines einzelnen Unternehmensbereichs sichergestellt wird. Sofern erkennbare Unsicherheit bzgl. der Entwicklung des Unternehmensumfeldes eine erhöhte Flexibilität erfordert, ist eine Abwägung der positiven (bessere Steuerungsfähigkeit) und negativen (geringere Wettbewerbsfähigkeit) Flexibilitätswirkungen vorzunehmen. Deutlich klarer ist jedoch der Fall, wenn ein Unternehmen erheblich mehr Flexibilität aufweist als es aufgrund der erkennbaren Unsicherheit benötigt: Hier wirkt sich die überschüssige Flexibilität nicht mehr positiv auf die Steuerungsfähigkeit aus,242 dafür aber negativ auf die Fähigkeit zur Nutzenstiftung. Im Eine personelle Erweiterung der Unternehmensleitung ist aus Sicht der Gruppenpsychologie angesichts begrenzter menschlicher Fähigkeiten zur intensiven Interaktion begrenzt (vgl. zu Einflussfaktoren auf mögliche Gruppengrössen Von Rosenstiel (1993), S. 329ff.). 239 Vgl. Grundy (1995), S. 77. 240 Vgl. die Argumentation für das Beispiel Polaroid bei Dixit/Nalebuff (1991), S. 154. 241 So belastet beispielsweise das Headquarter eines diversifizierten Unternehmens nach einer Untersuchung von Bergsma den Nutzen der Aktionäre (als eine der internen Anspruchsgruppen) ungefähr in Höhe von zwei Prozent der Marktkapitalisierung des Unternehmens. Vgl. Lehmann (1993), S. 98. 242 Dies gilt zumindest für die erkennbaren Unsicherheiten. Die Möglichkeit bzw. der Nutzen einer Flexibilisierung in Bezug auf nicht erkennbare Unsicherheiten ist sehr fragwürdig. Es liegt schliesslich in der Natur der Flexibilität, dass sie in 238
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3 Strategisches Produktionsmanagement
Ergebnis wird die Lebensfähigkeit – unnötigerweise – reduziert. Der Übergang ist allerdings auch hier fliessend. In Abb. 3.17 zeigt sich dies folgendermassen: Eine Positionierung im oberen linken Teil ist entweder nicht möglich oder führt zu einer Verzettelung, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens einschränkt. Es resultiert das Leitbild einer Positionierung des Unternehmens im Spannungsfeld zwischen bewusstem Eingehen von erkennbaren Risiken (zwecks Entdeckung von Nutzenpotenzialen und Ermöglichung sinnvoller Flexibilität) und der Begrenzung solcher Risiken. Die angestrebte Konstellation stellt in diesem Sinne ein Gleichgewicht von stabilisierenden und dynamisierenden Effekten dar. Das sich ergebende Leitbild wird von Knecht als antizipative Positionierung bezeichnet, weil es dem Ziel entspricht, die Unternehmensflexibilität auf antizipierbare Unsicherheiten (Risiken) auszurichten. Das heisst, Risiken sollen nicht grundsätzlich vermieden werden. Vielmehr soll antizipierten Unsicherheiten bzgl. der Entwicklung des Umfeldes durch das Vorhalten einer entsprechenden (d.h. auch: nicht überzogenen) marktbezogenen Flexibilität begegnet werden. In diesem Zusammenhang soll zudem darauf hingewiesen werden, dass das Leitbild der antizipativen Positionierung nur auf die als wahrscheinlich erkannten Unsicherheiten abstellt. In Bezug auf nicht erkannte Unsicherheiten fehlen die Möglichkeiten zur zielgerichteten Vorhaltung von Flexibilität. Dementsprechend kann es auch bei antizipativer Positionierung des Unternehmens zu überraschenden Veränderungslawinen kommen, die ggf. die Existenz des Unternehmens bedrohen. Dies ist allerdings kein Argument gegen das hier vorgestellte Leitbild, sondern steht im Einklang mit dem Konzept des Punctuated Equilibrium (vgl. Abschn. 2.5.2). Eine antizipative Positionierung maximiert gerade bei Berücksichtigung solcher temporärer Turbulenzen die Chancen für die Fortexistenz.243
3.5 Zusammenfassung und Anforderungen In diesem Kapitel wurde gezeigt, dass die Charakteristika des produzierenden Unternehmens und dort insbesondere die inhärenten Spannungsfelder sowie ein dynamischer werdendes Umfeld die Anforderungen an das Bezug auf bestimmte Unsicherheiten besteht. Sind diese aber nicht erkennbar, kann auch keine sinnvolle, d.h. zielgerichtete Flexibilitätsvorhaltung stattfinden. 243 Dies resultiert aus der Lage an der Edge of Chaos, die die Häufigkeit des Auftretens solcher Veränderungslawinen reduziert. Vgl. auch Abschn. 2.5.2 sowie Kauffmann (1995b), S. 233.
3.5 Zusammenfassung und Anforderungen
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Management eines produzierenden Unternehmens deutlich erhöht haben. Es konnte ausserdem gezeigt werden, dass sich das Management des produzierenden Unternehmens zunehmend in Richtung eines Managements von Flexibilitäten verschiebt. Ein Rahmen zur Betrachtung der Flexibilität wurde dazu entworfen und in den Zusammenhängen dargestellt. Die Anforderungen, die sich aus den verschiedenen Perspektiven, die in diesem Kapitel eingenommen wurden, an ein Konzept „Strategisches Produktionsmanagement“ ableiten lassen, sind die folgenden: • Darstellung der zentralen Spannungsfelder auf Markt und Ressourcenseite zur diskursiven Auflösung (Auslastung–Verfügbarkeit; Spezialisierung–Agilität). • Berücksichtigung der strategischen Flexibilität im dargestellten umfassenden Verständnis als zentrale Strategiegrösse im heutigen Umfeld. • Berücksichtigung des jeweils individuellen Unternehmensumfeldes zwingend notwendig. • Grenzen einer „bezahlbaren Flexibilität“, d.h. Flexibilität nicht als Selbstzweck. • Aufrechterhaltung der Identität muss auch unter der Primässe einer höheren Flexibilität zwingend möglich bleiben. • Einordnung bestehender Ansätze und identifizierbarer typischer Muster sowie der entwickelten Typologie muss möglich sein. • Das zu entwickelnde konzeptionelle Raster muss eine Gesamtsystembetrachtung zulassen. Insbesondere die historische Betrachtung hat deutlich gemacht, dass immer erst Gesamtsystembetrachtungen die beabsichtigte Wirkung hervorgebracht haben. Mit Gesamtsystem ist der Zusammenhang von Strategien, Strukturen, Technologien und Menschen angesprochen. Zentrales Kriterium muss folgerichtig die Integration dieser zentralen Gestaltungsdimensionen sein.
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
Während dem historischen Rückblick vorbehalten war, die dominierenden und in grösserer Breite sowohl in Theorie wie Praxis verbreiteten Konzepte zu diskutieren, sollen in diesem Kapitel in jüngerer Zeit in die Diskussion eingebrachte Organisationskonzepte kurz dargestellt und diskutiert werden. Insbesondere geht es um Ansätze, die gezielt für produzierende Unternehmen entwickelt worden sind. Im Einzelnen wird an dieser Stelle auf die fraktale, die virtuelle, die mobile sowie die wandelbare Fabrik eingegangen. Allesamt Ansätze, die eher im deutschen Sprachraum entstanden sind und auch dort grössere Verbreitung erfahren haben. Am Ende steht die Beschreibung einer Vision von Drucker, der bereits 1990 die postmoderne Fabrik skizziert hat, eine Vision, die heute in weiten Teilen realisiert ist, wenn auch nicht unbedingt in der dort dargestellten Kombination von Konzepten.
4.1 Die fraktale Fabrik 1 Die fraktale Fabrik wurde durch die Übertragung von in der Natur existierenden Phänomenen entworfen.2 Sie versteht sich als integrierender Ansatz. Ein Fraktal ist gemäss Warnecke als „selbständig agierende Unternehmenseinheit definiert, deren Ziele und Leistungen eindeutig beschreibbar sind“.3 Diese Fraktale sind selbstähnlich, selbst organisierend, dynamisch und vital. Die Fraktale stehen zueinander in einer Dienstleistungsbeziehung, müssen sich aber sowohl im internen wie im externen Wettbewerb behaupten, da es jedem Fraktal offen steht, alternative Beziehungen einzugehen. Die von Warnecke beschriebenen Prinzipien und Methoden der fraktalen Fabrik sind in Abb. 4.1 4 zusammengefasst. Die fraktale FabAls Grundlage vgl. insbesondere Warnecke (1996). Vgl. Tharumarajah/Wells/Nemes (1998), S. 4. 3 Warnecke (1996), S. 141. 4 Warnecke (1996), S. 236. 1 2
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4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
rik ist eher, trotz verschiedener Praxisbeispiele, als idealtypisches Konzept zu sehen, das höchstens in Ansätzen in der Praxis vorzufinden ist. Warnecke selber weist darauf hin: „... Elemente der fraktalen Fabrik befinden sich isoliert bereits im betrieblichen Einsatz. Als Beispiele sind insbesondere das Bilden von Geschäftseinheiten, das Orientieren an Geschäftsprozessen, die Strukturierung in Fertigungssegmente oder Fertigungszellen sowie der Trend zur Gruppenarbeit zu nennen.“ 5 • Selbstorganisation • Selbstähnliche Zielrichtungen • Transparenz von Abläufen und Zustandsgrössen • Motivation als zentraler Gestaltungsgrundsatz • Kooperation statt Konfrontation • Verinnerlichung von Zielen • Qualitätsbewusstsein als Selbstverständnis • Keine Wettbewerbsgrenze an der Unternehmensgrenze
• Schaffung von Begegnungsräumen mit Freiheitsgraden • Dynamische Organisationsstrukturen (Evolution) • Selbstoptimierung • Beschreibung von Abläufen und Abbildung von Zuständen • Bedarfsgerechter Ressourceneinsatz • Bedarfsgerechte Kommunikation • Unternehmerisches Verständnis, Denken und Handeln aller Mitarbeiter • Motivationsregelkreis
Abb. 4.1 Prinzipien und Methoden in der fraktalen Fabrik
Zusätzlich zu diesen oben genannten Kriterien müssen die Fraktale als kohärentes Ganzes funktionieren.6 Damit zeigt sich auch eine Verwandtschaft des Konzeptes zu Teilaspekten, die von Drucker als Merkmale der Fabrik 1999, der postmodernen Fabrik, gesehen wurden (vgl. dazu 4.4). Gewisse Gemeinsamkeiten bestehen ausserdem zu den in jüngerer Vergangenheit diskutierten Konzepten des „holonic“ und „bionic“ Manufacturing. Ziel aller drei Konzepte ist es, flexible Fertigungssysteme zu entwerfen.7 Ebenda, S. 236f. Vgl. z.B. Tharumarajah/Wells/Nemes (1998), S. 2. 7 Ebenda, S. 3 und auch Ryu/Jung (2002), S. 1, heben dies hervor: „Manufacturing Systems have to be flexible, reconfigurable, adaptable, and reliable. The fractal manufacturing system is one of the new manufacturing paradigms for this purpose.“ 5 6
4.2 Die virtuelle Fabrik
171
Alle Konzepte schlagen dabei autonome, verteilte und anpassungsfähige Systeme vor. Um die Anpassung auch sicherzustellen, ist jedoch eine ständige Beurteilung des Umfeldes notwendig, um die dynamische Anpassung zu ermöglichen. Bis anhin finden sich erst vom Konzept der fraktalen Fabrik umfassendere Versuche und Anwendungen (wobei, wie oben erwähnt, meist zu Teilaspekten). Aus diesem Grund wurde dieses Konzept hier ausführlicher beschrieben als „holonic“ und „bionic“ Manufacturing.
4.2 Die virtuelle Fabrik 4.2.1 Virtualität und Virtualitätsverständnis Das Verständnis von Virtualität ist vielfältig. Virtualität, virtuelle Organisationen, virtuelle Unternehmen, je nach Autor wird darunter etwas ganz anderes verstanden.8 Teilweise liegt dies darin begründet, dass es eine Zeit lang – insbesondere vor dem „Crash“ der Internetwerte an den Börsen von 2001 – modern und werbewirksam war Mitglied einer virtuellen Organisation zu sein. Einerseits wurde dadurch die Akzeptanz virtueller Organisationen in der Praxis erhöht, andererseits aber auch der Begriffsinhalt zunehmend ausgehöhlt, was zu bedauern ist. Es können umfassendere und eingeengtere Verständnisse von Virtualität identifiziert werden.9 Verschiedene Vertreter versuchten die Trennschärfe des Begriffes zu erhöhen, um der Virtualität das Schicksal vergleichbarer Modeworte, wie BPR (Hammer und Champy 1993), Lean Production (Ohno 1993), Benchmarking (Camp 1994), zu ersparen.10 Wüthrich et al. grenzen in ihrer Definition die virtuelle Organisation von virtuellen Produkten und virtuellen Netzwerken ab und damit das betriebswirtschaftliche vom mittelbar und unmittelbar technisch/physikalischen Verständnis.11 Sie verstehen unter virtuellen Organisationen „temporäre Netzwerkverbünde zur Erbringung einer bestimmten wirtschaftlichen Leistung unter Nutzung informationstechnischer Möglichkeiten“. Mit dieser Definition befinden sie sich in der Nachbarschaft der Definition von Byrne et al., die mit einem Artikel in Vgl. z.B. Appel/Behr (1996), S. 8: „In the discussion of new forms of organisations there is a considerable disagreement regarding the understanding of Virtual Organisations.“ 9 Umfassend ist z.B. das Verständnis von Virtualität bei Müller-Stewens (1997a, b). Unter dem Begriff „Virtualisierung einer Organisation“ fasst er deren Flexibilisierung mittels interorganisatorischer Wertschöpfungspartner zusammen. 10 Vgl. z.B. Scholz (1997). 11 Vgl. Wüthrich et al. (1997), S. 46. 8
172
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
der „Business Week“ den Grundstein 12 für die intensive Diskussion von virtuellen Organisationen legten. Die Definition von Byrne et al. lautet: „The virtual Corporation is a temporary network of independent companies – suppliers, customers, even erstwhile rivals – linked by information to share skills, costs and access to one another markets. It will neither have central office nor organisation chart. It will have no hierarchy, no vertical integration. Instead proponents say this new, evolving corporate model will be fluid and flexible – a group of collaborators that quickly unite to exploit a specific opportunity ....“.13 Diese Definition ist idealtypisch.14 Es existieren unseres Wissens keine virtuellen Organisationen, die nicht doch eine gewisse Hierarchie benötigen. Schuh definiert seine virtuelle Fabrik als „ ... einen Zusammenschluss rechtlich bzw. wirtschaftlich unabhängiger Unternehmen und/oder Unternehmensbereiche mit dem Ziel, gemeinsam die erforderlichen Voraussetzungen aufzubauen, um Marktchancen mit einem kleinen Zeitfenster schnell und effizient identifizieren und kooperativ erschliessen zu können, die ein einzelnes Unternehmen nicht oder nur weniger gewinnbringend realisieren kann.“ 15 Zusätzlich zu den anderen Definitionen kommt hier das bewusste Schaffen von Voraussetzungen zur Ausschöpfung der Opportunität als konstituierendes Element der Definition hinzu. Auffällig ist, dass in der Literatur mit wenigen Ausnahmen virtuelle Organisationen als eigenständige Konstrukte behandelt werden.16 Dieses Verständnis der virtuellen Organisationen kann als institutionelles Verständnis bezeichnet werden. Die Erfahrung aus zahlreichen Projekten zeigt aber, dass Virtualität am Erfolg versprechendsten als Zusatzkonzept zu bestehenden Organisationsstrukturen eingesetzt wird.17 Man könnte von einem Obwohl es bereits früher Beschreibungen desselben Phänomens unter anderem Namen gab. Johnston und Lawrence (1988), S. 94, sprechen von „Value-Adding Partnerships“ und definieren diese als: „... a set of independent companies that work closely together to manage the flow of goods and services along the entire value chain.” 13 Byrne/Brandt/Port (1993), S. 37. 14 In einer umfassenden Kritik verschiedener Ansätze der „Neuen Dezentralisation“, unter anderem der Virtuellen Organisation, spricht Drumm (1996), S. 19, vom „altbekannten Widerspruch zwischen beratungsinduzierten Visionen und der Realität“; in dieser Terminologie sind ein Grossteil der Definitionen zu virtuellen Unternehmen in die erste Kategorie einzuteilen. 15 Schuh et al. (1998a), S. 64. 16 Vgl. z.B. Linden (1997). 17 Bullinger et al. (1995) z.B. fassen virtuelle Unternehmen als speziellen Typus unternehmensübergreifender Koordination auf. 12
4.2 Die virtuelle Fabrik
173
instrumentellen Verständnis sprechen. Als Instrument eingesetzt, vermögen die virtualisierten Teile des Unternehmens vor allem eines: Sie erhöhen die Varietät des Unternehmens, sodass eine grössere Komplexität bewältigt werden kann. Herkömmliche Kooperationen absorbieren meist viel Managementkapazität, kommen erst nach langwierigen Verhandlungsprozessen in eine wertschöpfende Phase und bergen im Betrieb ein immenses Konfliktpotenzial zwischen den beteiligten Partnern in sich. Obwohl allgemein gebräuchliche Definitionen 18 von Unternehmenskooperationen davon ausgehen, dass ein gemeinsames Ziel besteht, ist dies oft nicht der Fall. Viele Unternehmenskooperationen scheitern gerade daran, dass Einzelziele einander widersprechen und der Hauptfokus der beteiligten Partner in der Regel darin liegt, unter einem Minimum des eigenen Ressourceneinsatzes ein Maximum an Nutzen für das eigene Unternehmen zu generieren. Aus Gesamtkooperationsperspektive resultieren daraus suboptimale Lösungen. Das Dilemma besteht darin, dass die Strategie des Nichtkooperierens aus Einzelunternehmensperspektive durchaus als rational zu bezeichnen ist, was spieltheoretische Betrachtungen zeigen.19 Die Fähigkeit anstehende Entscheidungen aus einer übergeordneten Kooperationsperspektive zu betrachten ist eher gering ausgeprägt. Vor allem wenn keine ausreichende Vertrauensbasis besteht, ist die Bereitschaft der Unternehmen gering, mittels positiver Vorleistungen Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. Es dominiert die Angst davor ausgenutzt zu werden. Daran haben auch neuere auf spieltheoretischen Überlegungen basierende Veröffentlichungen, die postulieren, dass der wahre Egoist kooperiert, bis anhin nichts ändern können.20
Eine solche ist z.B.: „Von Kooperieren (Zusammenarbeiten) sprechen wir dann, wenn selbständige Personen und/oder Organisationen aufgrund gemeinsamer Zwecke durch Verhandlung und Abmachung über die Erfüllung von Teilaufgaben der Beteiligten bestimmen“ (Schwarz 1978, S. 116). 19 Vgl. z.B. Axelrod (1984), Teichert (1994), S. 67–80, Kösel (1992), S. 44–66, Bierhoff (1991), S. 21–38. 20 Vgl. Wedekind/Camenzind-Künzli (1993), S. 46–47. 18
174
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
4.2.2 Das Konzept der Virtuellen Fabrik Euregio Bodensee 21 Zunehmend ist heute die Geschwindigkeit, mit der Unternehmen auf die Entwicklung ihres Umfeldes reagieren können, von entscheidender Bedeutung, um im Wettbewerb von morgen noch dabei zu sein. Der traditionelle Weg der Kooperationsanbahnung über langwierige Partnersuche und komplexe Anbahnungsprozesse ist vor diesem Hintergrund ungeeignet. Die virtuelle Fabrik geht das Problem aus einer anderen Richtung an. Unter dem Fokus der heute notwendigen Geschwindigkeit ist es unabdingbar, dass die Zeit, um operativ zu funktionieren, verkürzt werden kann. Deshalb wird, bevor es zu den realen Kooperationen zwischen den Partnerunternehmen kommt, in einer stabilen Plattform 22 ein Vertrauensverhältnis etabliert und damit in das Kooperationspotenzial investiert. Abbildung 4.2 zeigt die Unterschiede zwischen herkömmlichen Kooperationen und der Zusammenarbeit in der virtuellen Fabrik auf. traditionell
Virtuelle Fabrik Kundenbedürfnis
Kundenbedürfnis
1.
bekannt, identifiziert
2. Positionierung von Leistungen/Produkten
Partnersuche/Integration der Kooperationspartner
2. aufzubauendes Vertrauensverhältnis
aufgebaut, vorbereitet
1. etabliertes Vertrauensverhältnis
Abb. 4.2 Wege der Kooperationsanbahnung
Vgl. auch Schuh et al. (1998a), Schuh (1999). Im angelsächsischen Raum existiert der Begriff „Virtual Factory“. Upton und McAfee beschreiben z.B. in einem HBR Artikel von 1996, die „real virtual factory“. Goldman, Nagel und Price verwenden den Begriff im Zusammenhang mit ihrem Konzept des „agile manufacturing“ (vgl. auch Abschn. 3.3.1). 22 Anfängliche Definitionen von virtuellen Organisationen, wie z.B. Byrne et al. (1993), schienen davon auszugehen, dass die Formierung zu virtuellen Organisationen rein opportunistisch ohne etabliertes „Vertrauensverhältnis“ erfolgen kann. Neuere Veröffentlichungen und auch Forschungsprojekte arbeiten aber unterdessen fast durchgängig mit einer stabilen Plattform, vgl. z.B. auch Franke (2002), S. 25. 21
4.2 Die virtuelle Fabrik
175
Virtuelle Fabriken sind zeitlich begrenzte Kooperationen mehrerer, rechtlich unabhängiger, realer Fabriken oder Unternehmensbereiche mit dem Ziel, ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung zu erstellen. Jedes Unternehmen bringt dabei nur die Aktivitäten in eine virtuelle Fabrik ein, die es besser als andere beherrscht. Um die Voraussetzungen für den raschen auftragsbezogenen Aufbau von virtuellen Fabriken zu schaffen, sind gewisse Vorleistungen notwendig. Das Konzept der virtuellen Fabrik fokussiert auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen, die den Kooperationsprozess soweit vorzeichnen, dass ad hoc effiziente Kooperationen (aktivierte Netzwerke) aufgebaut werden können. Gleichzeitig ermöglicht es die situationsspezifische Ausgestaltung dieser aktivierten Netzwerke. Das Konzept „Virtuelle Fabrik“ versteht sich damit als ein Zusatzkonzept für Unternehmungen der produzierenden Industrie. Das Konzept der virtuellen Fabrik umfasst die in Abb. 4.3 genannten Bausteine.
Abb. 4.3 Konzeptbausteine der virtuellen Fabrik
• Kooperationsnetzwerk: Das Kooperationsnetzwerk besteht aus rechtlich bzw. wirtschaftlich selbständigen Unternehmungen, die in regionaler Nähe angesiedelt sind. Jedes Mitglied („Partnerunternehmung“) bringt herausragende Kompetenzen in das Netzwerk ein.
176
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
• Wirkprinzipien: Die Wirkprinzipien umfassen Spielregeln der Kooperation, Mechanismen, Rollen und Aufgaben in der virtuellen Fabrik. Durch die Selbstverpflichtung aller Partnerunternehmungen des Kooperationsnetzwerks auf die Wirkprinzipien sind die Handlungen der Partner beim schnellen Aufbau einer Kooperation einschätzbar und aufeinander abgestimmt. • Dynamische Produktion: Mit der dynamischen Produktion ist die aus dem Netzwerk konfigurierte Kooperation gemeint, mit der eine Opportunität, eine Marktchance ausgeschöpft wird. Die Leistungserstellung kann sich dabei in unterschiedlichsten kooperativen Formen vollziehen, je nachdem, welche Anforderungen marktseitig gestellt werden. Bei „einfachen“ Aufträgen kann beispielsweise der Weg über bilaterale Kooperationen, bei komplexen Einmalaufträgen über dynamische Netzwerke, bei komplexen Serienprodukten mit grossem Marktpotenzial über stabilere Kooperationsformen gegangen werden. 4.2.3 Das Kooperationsnetzwerk: stabile Plattform für die flexible Leistungserstellung Um für ein Kundenbedürfnis eine schnelle, opportunitätsgetriebene Bildung einer Kooperation zu ermöglichen, müssen einige Voraussetzungen im stabilen Kooperationsnetzwerk der virtuellen Fabrik geschaffen werden. Die wichtigste Aufgabe des Netzwerkes ist der Aufbau partnerschaftlicher Beziehungen zwischen den Unternehmen. Die stabile Plattform bildet eine Wandel-, Kommunikations- und Lernarena, die es erlaubt zu gemeinsamen Vorstellungen über Ziele und Weg der virtuellen Fabrik zu kommen. Der Begriff der stabilen Plattform bezieht sich darauf, dass die Plattform sich über längere Zeit aus den gleichen Partnern zusammensetzt. Innerhalb der stabilen Plattform gelten ausserdem klar festgelegte Spielregeln für die operativen Austauschprozesse. In der Plattform selbst wird keine physische Wertschöpfung erbracht. Zwei Hauptfunktionen der Plattform sind zu unterscheiden. Einerseits bildet die Plattform eine auch physisch wahrnehmbare Klammer um die Partnerunternehmen herum. Infrastrukturelle Voraussetzungen, z.B. im Bereich des Einsatzes von Informations- und Telekommunikationstechnologien, werden darin ebenso vereinbart und durchgesetzt wie die bereits erwähnten schriftlich fixierten Spielregeln. Neben diesen fass- und modellierbaren Prozessen laufen andererseits Prozesse ab, die für den Erfolg einer virtuellen Fabrik nicht minder bedeutend sind als die erwähnten Infrastrukturprozesse.
4.2 Die virtuelle Fabrik
177
Als Ort der Begegnung und des Austausches sorgt die stabile Plattform für das Entstehen einer von Vertrauen geprägten ureigenen Netzwerkkultur. Die Vertreter der einzelnen Unternehmen kommen im Rahmen dieser Plattform auch physisch zusammen, erarbeiten gemeinsam in partizipativen Prozessen Lösungen für auftretende Probleme und tauschen Erfahrungen in den verschiedensten Bereichen miteinander aus. Im Laufe dieser Prozesse entstehen gemeinsame mentale Modelle, die die Kommunikation erleichtern. Die Partnerunternehmen werden nicht einfach als anonyme Gebilde mit einem definierten In- und Output wahrgenommen, sondern werden mit einem bekannten Gesicht in Zusammenhang gebracht. Einmal etabliert, ermöglicht die Plattform den raschen Aufbau von auftragsbezogenen Kooperationen. Die stabile Plattform ist verantwortlich für: 23 • die Exzellenz und Zusammensetzung der im Kooperationsnetzwerk verfügbaren Kompetenzen, • die Förderung der Kooperationsfähigkeit der beteiligten Netzwerkpartner und • die Optimierung der Prozesse zur schnellen Konfigurierung aktivierter Netzwerke. Damit ermöglicht die stabile Kooperationsplattform den flexiblen Zugriff auf Fremdkompetenzen und -kapazitäten im Netzwerk. Strukturelle, kulturelle und aktivitätsbasierte Aspekte bilden hierbei den „Leim“, der die Plattform zusammenhält: • Die „strukturellen“ Aspekte betreffen vor allem die verbindlich in Spielregeln der Kooperation festgeschriebenen Wirkprinzipien sowie die IKT-gestützte Infrastruktur des Netzwerkes. Beispielsweise wurden Spielregeln zu den Themengebieten Qualität, Auftragsausschreibung und Offerterstellung im Netzwerk, Auftragskalkulation, Recht und Aufnahmebedingungen, etc. erarbeitet. Spielregeln sorgen für ein einheitliches Kooperationsverständnis und erleichtern damit die Zusammenarbeit der Netzwerkpartner. Sie besitzen allgemeinen Charakter (sind nicht auftragsspezifisch definiert) und sind knapp und verständlich gehalten. Da eine unternehmensübergreifende Organisationsstruktur im Kooperationsnetzwerk der virtuellen Fabrik fehlt, werden Spielregeln als Richtlinien für ein gemeinsam akzeptiertes Handeln im Netz verstanden.
23
Vgl. dazu auch Schuh/Dierkes/Friedli (1998).
178
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
• Eine geeignete Informations- und Kommunikationsinfrastruktur ist „Enabler“ für den Erfolg der virtuellen Fabrik. In den virtuellen Fabriken Euregio Bodensee und Nordwestschweiz werden beispielsweise traditionelle Informations- und Kommunikationstechnologien (Telefon, Fax) mit modernen internetbasierten Tools kombiniert. Als Hilfsmittel wurde ausserdem die Technologiekapazitätenbörse (TEKABO) entwickelt, die in strukturierter Form die Technologien und Kompetenzen der Netzwerkpartner abbildet. Grundsätzlich gilt das Prinzip: Einfache und direkte Kommunikation zwischen den Partnerunternehmungen. • Im Bereich der „Aktivitäten“, die im Kooperationsnetzwerk der virtuellen Fabrik stattfinden, ist insbesondere der Prozess des Aufbaus oder der Konfiguration der aktivierten Netzwerke, das Management des Kooperationsnetzwerkes sowie die Vermarktung von Netzwerkkompetenzen herauszustellen. • Beispielsweise ist es bedeutend, dass die beteiligten Partnerfirmen die Prozesse zum Aufbau von Kooperationen kennen und die Rollenverteilungen beherrschen und verstehen. Für diese prozessorientierte Rollenverteilung wurden Richtlinien entwickelt, die in den Phasen der Anbahnung, Abwicklung und Auflösung einer Kooperation spezifische Aufgabenpakete und Verantwortlichkeiten fixieren. • Die „kulturellen“ Aspekte betreffen das Verhalten der beteiligten Netzwerkpartner, das für den Kooperationserfolg entscheidend ist. • Neben den Anforderungen, die an die Netzwerkpartner der virtuellen Fabrik gestellt werden, bildet eine mit der Zeit aufgebaute Vertrauenskultur die Grundlage für die schnelle und effiziente überbetriebliche Zusammenarbeit, sowohl für den kurzfristigen gegenseitigen Kapazitätsaustausch als auch für das gemeinsame Erschliessen neuer Geschäfte. Das Vertrauen ermöglicht auch eine einfachere Auflösung auftragsspezifisch gebildeter Kooperationen: Im Wissen auf neue Kooperationen innerhalb der virtuellen Fabriken bleibt das partnerschaftliche Verhältnis der Unternehmen auch nach Auftragsabschluss erhalten. • Eine kontinuierliche Pflege der geschilderten Voraussetzungen im Kooperationsnetzwerk ist damit von allen Partnern sicherzustellen, um auch längerfristig einen Nutzen aus gemeinsamen Aktionen ziehen zu können. Neben den weiter vorn beschriebenen Bestandteilen stabile Plattform, virtuelle Fabriken und Wirkprinzipien sind es insbesondere die verschiedenen Managementrollen, die sich im Laufe des dreijährigen Aktionsforschungsprojektes als konstituierend für eine Virtuelle Fabrik erwiesen haben. Die einzelnen Rollen sind in Abb. 4.4 dargestellt.
4.2 Die virtuelle Fabrik Broker: - Akquisition von Aufträgen - Vertrieb der Netzkompetenzen
Leistungsmanager: - Zusammenführung und Konfiguration der Leistungen - Kommunikation mit Kunden
Auftragsmanager: - Auftragsabwicklung - Engineering - Projektmanagement
In-/Outsourcingmanager: (je Partnerunternehmen) - Koordination - Kommunikation mit Leistungs- und Auftragsmanager
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Auditor: - Interner und externer Revisor - Beratung und Prüfung von Projekten
Netzwerk-Coach: -Aufbau und Pflege des Netzwerkes - Akquisition Partner - Konfliktmanagement - Netzwerkmarketing
Abb. 4.4 Aufgaben und Rollen im Netzwerk
Diese sechs Dienstleistungsprofile sind nicht so zu verstehen, dass jede Rolle durch eine andere Person besetzt sein muss oder dass es sich bei diesen Rollen um Vollzeitbeschäftigungen handelt. Es kann durchaus sein, dass dieselbe Person mehrere der genannten Rollen in sich vereint. Entscheidend ist jedoch, dass beim Design der Kooperationsplattform jede dieser Funktionen berücksichtigt wird. Der Broker: Akquisition von Aufträgen Der Broker betreibt das Marketing für das Firmennetzwerk und den „Vertrieb“ für mögliche virtuelle Fabriken. Der Broker ist der unternehmerisch Verantwortliche und die Triebfeder der Gründungsphase einer virtuellen Fabrik, indem er neue Projekte und Produkte akquiriert. Er ist der Mittler zwischen dem Kunden und der Realisierung dessen Wunsches. Professionelles und intensiviertes Marketing für Leistungssysteme 24 sowie die zielstrebige Akquisition von Aufträgen helfen dem Netzwerk neue Märkte zu erschliessen. Mit der Rolle des Brokers wird den KMUs im Netzwerk Zugriff auf eine professionelle Marketing-Kompetenz gegeben, was die Möglichkeiten dieser Unternehmen bisher überstiegen hat.
24
zum Begriff des Leistungssystems vgl. z.B. Belz et al. (1991).
180
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
Der Leistungsmanager Der Leistungsmanager baut das Wissen über verfügbare Technologien im Netzwerk auf und stellt dieses zur Verfügung. Er führt die Leistungsklärung für Aufträge und Produkte durch und konfiguriert die Leistung der Netzwerkpartner. Er ist in der Lage die technologischen Anforderungen zu bewerten. Über die Definition der „nackten“ Produktionsaufgabe hinaus bestimmt er die für den Auftrag notwendigen Dienstleistungen. Der Auftragsmanager Der Auftragsmanager ist der Leiter der jeweiligen virtuellen Fabrik. Er führt das Projektmanagement und tauscht die Partner aus, die Leistungen nicht oder nicht zur rechten Zeit erbringen. Der Auftragsmanager ist der eigentliche Projektmanager. Er übernimmt die Kommunikation zu den einzelnen In-/Outsourcing Managern bei den an der Leistungserstellung beteiligten Unternehmen. Er steht für die Produkt- und Lieferqualität sowie die termingerechte Ablieferung beim Kunden ein. Der In-/Outsourcing Manager Der In-/Outsourcing Manager bietet die Kompetenzen seines spezifischen Unternehmens, die Ressourcen und Technologien zur Nutzung im Netzwerk an. Er ist der Ansprechpartner im Unternehmen für den Broker und den Auftragsmanager. Sie entscheiden aufgrund ihrer Kapazitätslage und ihres Know-hows über die Abgabe von Offerten und koordinieren nachher die Einsteuerung der Netzaufträge in ihrem Betrieb. Der In-/Outsourcing Manager vertritt die Interessen seines Unternehmens, sorgt für die Termineinhaltung und hilft bei der Leistungsklärung. Der Netzwerkcoach Der Netzwerkcoach ist für die Pflege und Entwicklung des Beziehungsmanagements im Netzwerk verantwortlich. Dem Aufbau und der Pflege der Beziehungen zwischen den Netzwerkpartnern kommt entscheidende Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um ein Kultivieren einer spontanen Ordnung im Hayekschen Sinne.25 Weiterer zentraler Bestandteil dieser Rolle ist die Verantwortung für die infrastrukturellen Voraussetzungen, um die Kommunikation und die Zusammenarbeit im Netzwerk zu unterstützen. Grundsatz dabei ist, dass sowohl Regelungen wie InfrastrukturKomponenten möglichst schlank gestaltet werden. Es wird bewusst Platz gelassen für selbstorganisatorische Prozesse, welche erfahrungsgemäss zu einem viel höheren Commitment der Partner zum Netz führen.
25
Vgl. Hayek (1980), S. 57 ff. Hayeks Konzept einer spontanen Ordnung ist auch zentrale Ausgangsbasis der St. Galler Schule.
4.2 Die virtuelle Fabrik
181
Der Auditor Der Auditor ist eine neutrale Instanz im Netzwerk. Er prüft die Abwicklung der Bildung, des operativen Betreibens und der Wiederauflösung einer virtuellen Fabrik und stellt durch seine vermittelnde Funktion die Einhaltung der Spielregeln sicher. Ausserdem dient er als interne Revisionsstelle. Auf der Ebene Infrastrukturentwicklung wurden ebenfalls zahlreiche Erfahrungen gesammelt, dazu gehören auch Erfahrungen zur Bedeutung der Informationstechnologie, die in verschiedenen Definitionen als konstitutierendes Element für eine virtuelle Organisation angesehen wird.26 • IT ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel aber nicht der entscheidende Faktor zur Ermöglichung virtueller Organisationen. Die IT bietet die Möglichkeit, Abläufe zu vereinfachen und zu beschleunigen. Klassische Trade-offs in den „Economics of information“, wie z.B. derjenige zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite werden zunehmend aufgeweicht.27 Die heute in der Diskussion stehenden „lebendigen“ Informationsträger 28, die sich dadurch auszeichnen, dass sie interaktiv, ortslos und multimedial sind, tragen dazu bei, dass neue Lösungen in der Vernetzung von Wissen, Personen und Maschinen möglich werden und dies zu tragbaren Kosten. Picot et al. halten fest, dass das Streben nach innovativen Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Lösungen einerseits und dem richtigen „organizational fit“ andererseits der Schlüssel zur Überwindung der Leistungsgrenzen der Organisation ist. Einerseits sind damit die traditionellen Grenzen einer Unternehmung angesprochen, wie geographische Beschränkungen, Entfernungen, Geschwindigkeit und Arbeitszeit, andererseits aber auch die Bewusstseinsgrenzen der Mitarbeiter in der Organisation. Eine Unterstützung und Förderung der Vision des anpassungsfähigen und flexiblen Unternehmens lässt sich durch die ständig wachsenden Potenziale der IKT 29 zweifellos realisieren, aber die Wirkung darf nicht überschätzt werden. Es ist unbestritten, dass die IKT neue Lösungsräume öffnet, die Praxis hat aber gezeigt, dass für das effektive Funktionieren der überbetrieblichen Zusammenarbeit nicht die Möglichkeiten der IKT entscheidend sind, sondern das Vertrauen zwischen den beteiligten Partnern. Dieses entwickelt sich Vgl. z.B. Wüthrich et al. (1997), die virtuelle Organisationen als „temporäre Netzwerkverbünde, zur Erbringung einer bestimmten wirtschaftlichen Leistung, unter Nutzung informationstechnischer Möglichkeiten“ definieren. 27 Vgl. dazu z.B. Evans/Wurster (1997), die bereits das Ende von „Channels and hierarchies“ durch diese Trade-off-Aufweichung prognostizieren. 28 Vgl. z.B. Schmid (1997). 29 Picot et al. (1998). 26
182
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
aber nicht auf elektronischem Weg, sondern im Face-to-Face-Kontakt. In der virtuellen Fabrik wurden die Erfolge dadurch möglich, dass in einem partizipativem Ansatz grosse Teile des jetzt bestehenden Konzeptes in Arbeitskreisen erarbeitet und weiterentwickelt wurden. Die Partner kennen sich und vertrauen einander, weil sie gemeinsam an der Erreichung der Vision der virtuellen Fabrik gearbeitet haben. • Stabilität als Voraussetzung für Identifikation mit einer Organisation: Es hat sich im bisherigen Projektverlauf deutlich gezeigt, dass der Mitarbeiter eine Stabilität irgendeiner Art braucht. Es muss in seinem Arbeitsablauf eine Konstante geben, mit der er sich identifizieren kann. Das völlig fluide, ständig wechselnde Bild einer idealtypisch konfigurierten Virtualität bietet nur den wenigsten das Umfeld, in dem sie sich entfalten können. In der virtuellen Fabrik bildet auf der einen Seite die stabile Plattform den Identifikationspunkt für die jeweils beteiligten Mitarbeiter, man ist stolz darauf einen Auftrag in der virtuellen Fabrik Euregio Bodensee abwickeln zu können, auf der anderen Seite gibt es in jedem Unternehmen nach wie vor die eigene Identität und Strategie. • Branchenübergreifendes Benchmarking: Durch die enge Zusammenarbeit in der stabilen Plattform lernen die Partner voneinander. Erfahrungen werden darüber ausgetauscht, wie man was am besten macht, etc. Die kleineren Unternehmen haben ihre Scheu vor den grossen Partnern abgelegt und rufen auch mal an, wenn sie glauben, dass sie sich dort einen wertvollen Input abholen können. Der Einblick darin wie auch in anderen Branchen gewisse Dinge angegangen werden, hat vielen Partnern geholfen, eine gewisse Betriebsblindheit zu überwinden. Auf der Abwicklungsebene war man ebenfalls in der Lage, verschiedenste Erfahrungen zu sammeln: • Ein Auftragsabwicklungsprozess wurde gemeinsam entworfen und verschiedene Male durchgespielt. Ein Beispiel für den konkreten Ablauf sei in der Folge dargestellt: 30 Die Firma Siemens Electrocom 31 (SEC), Weltmarktführer im Bereich von Postsortiermaschinen, braucht möglichst schnell und kostengünstig ein neues Modul, um Briefe mit ungewöhnlichem Format auszusortieren.
Dieser Ablauf wurde auch verfilmt und im ZDF Wirtschaftsmagazin WISO am 08.09.1997 ausgestrahlt. 31 Siemens Electrocom wurde im Jahr 2001 neu firmiert und tritt unterdessen unter Siemens Dematic AG, Postal Automation am Markt auf. 30
4.2 Die virtuelle Fabrik
183
Das Modul verlangt die Kombination verschiedenster Kompetenzen. Es besteht aus Elektronikteilen für die Steuerung, aus Kleinteilen, die Kompetenzen im Bereich der Feinmechanik erfordern sowie aus einem Gehäuse aus Stahlblech. Am Ende müssen die Einzelteile noch sachgerecht montiert werden. SEC wendet sich deshalb nicht an ein Einzelunternehmen, sondern tritt an die Broker der „Virtuellen Fabrik Euregio Bodensee“ heran. Aufmerksam auf die virtuelle Fabrik wurde SEC durch vielfältige Berichterstattungen in den Medien sowie durch einen Flyer, der in der letzten Woche bei ihnen eingetroffen ist. Ausserdem kennt man die virtuelle Fabrik in der Region. Ein Broker der virtuellen Fabrik bespricht mit Siemens Electrocom die Anforderungen, die an das Produkt gestellt werden. Zur genauen Spezifikation der Kundenanforderungen kann der Broker auf Standardformulare zurückgreifen. Innerhalb einer Stunde kommt er so zu allen Daten, die die virtuelle Fabrik zur Weiterbearbeitung der Anfrage benötigt (Abb. 4.5). B.
A.
Allgemeine Informationen zum Auftrag
Wurden vom Kunden ja -> bei wem nein zusätzliche Offerten eingeholt? Erstellt am: Verwendungszweck des Konsumgut Produktes / Dienstleistung Produktionsgut Militärischesprodukt
Leistungsklärung
Objekt
Endprodukt
Kunde Charakter des Auftrages
Vollständigkeit
Änderungsstabilität
Allgemein DIN/ISO Normen
Prototyp Vorserie Serie
Wahrscheinlichkeit dass der Auftrag kommt
Geometrieübernahme / Schnittstellen
Chancen auf ein Wiederholauftrag
Auflistung notwendiger Zulieferer inkl. Empfehlung für Kaufteile
Kann eine Wertanalyse durchgeführt werden?
ja -> welche Teile
nein
kommen in Frage
Offertabgabetermin
Entscheidungszeitpunkt Liefertermin Lieferfolge / Stückzahl
Mengengerüst
C. Stückzahlen / Einheiten / Staffelung
Ansprechpartner
Name / Funktion / Tel
Zahlungsmodalitäten
Zielpreis / Währung / Fristen
Transportlogistik
Verpackung / Sicherung
Informationen zum Kunden
Status des Kunden
Reparatur- und Serviceleistungen
Produzent / Fertiger Makler Zwischenhändler
Rahmenbedingungen
Politische / Konkurrenzverhalten / Patente / Betriebsgeheimnisse / etc.
Vergabe des Auftrages
Wer ist Entscheidungsträger?
Generalunternehmer Konsument
Was war die Motivation der Offertanfrage in der VF?
Lieferung (z.B. Franco Werk)
Besondere Qualitätsanforderungen / Restriktionen
Baugruppe Anlage Dienstleistung
Für Serienprodukt Für Ersatzteil
Einmaliger Auftrag
Produktionsvolumen (Menge / Umsatz pro Jahr)
Fertigungsrichtlinien / Spezifikationen
Terminsituation
Einzelteil
Â
Broker Unterlagenstand
Strategische Ausrichtung des Kunden
Finanzielle Kriterien
kapazitives Outsourcing Technisches Outsourcing Ist der Kunde solvent? Wie ist die Zahlungsmoral des Kunden?
Abb. 4.5 „Broker-Formulare“
Ausrichtung Ö kurzfristig Ausrichtung Ö mittelfristig Ausrichtung Ö langfristig bestehen Kooperationsabsichten
184
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
Das erste Formular dient der Leistungsklärung. Entlang dieses Formulars prüft der Broker die Vollständigkeit der Unterlagen, nimmt Termine und Mengen auf, legt einen spezifischen Ansprechpartner beim Kunden fest und vereinbart Zahlungsmodalitäten, Anlieferungs- und Servicepunkte. Das zweite Formular umfasst allgemeine Informationen wie den Verwendungszweck des Produktes oder den Charakter des Auftrags (einmaliger Auftrag, Prototyp etc.). Mit dem dritten Formular werden ergänzende Informationen zum Kunden erfasst. Der Broker beurteilt dort unter anderem die strategische Ausrichtung des Kunden, was wichtige Rückschlüsse auf die „Qualität“ der im Entstehen begriffenen Kundenbeziehung zulässt. Nach dieser Grobklärung des Auftrags beurteilt der Broker, ob er einen Auftragsmanager hinzuziehen soll. Dazu teilt er die Anfragen in Kapazitäts- und in Kompetenzaufträge auf. Kapazitätsaufträge umfassen wenige Einzelteile, sind äusserst preis-sensitiv und zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich aus weitgehend fungiblen, d.h. austauschbaren Leistungen zusammensetzen. Bei so genannten Kompetenzaufträgen, die preis- und knowhow-sensitiv sind, ist eine vermehrte Koordination der Teilleistungen erforderlich. Die Leistungsbeiträge der Partner sind weniger standardisierbar. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Kompetenzauftrag handelt, schaltet der Broker einen Auftragsmanager ein, d.h., er schreibt den Auftrag erstmal als Ganzes und nicht in Modulen aus. Zur Ausschreibung verwendet er das Intranet der virtuellen Fabrik, das den 25 Partnerunternehmen ein geschlossenes Kommunikationsforum liefert. Bereits eine Stunde später meldet die Pantec Engineering ihr Interesse in diesem Fall als Auftragsmanager zu fungieren. Die Pantec hat ihre Kompetenzen im Bereich des Engineering und in der Montage von Elektronikteilen. Der Broker stimmt sich mit der Pantec ab und weiter geht es. Das verlangte Produkt wird von der Pantec in Einzelleistungen zerlegt, diese werden wiederum über das Intranet ausgeschrieben. In diesem Fall gliedert sich das Gesamtangebot in vier Einzelaufträge auf: Das Engineering und die Montage der Elektronikbauteile, das Fräsen der Aluminiumteile, das Laserschneiden der Verschalungsstahlbleche sowie die Gesamtmontage. Nun werden die In-/Outsourcing Manager der Partnerunternehmen aktiv. Innerhalb von Stunden treffen die Angebote auf die Nachfrage beim Broker ein. Die verschiedenen Partnerunternehmen entscheiden aufgrund ihrer Kapazitätsauslastung sowie ihrer Kernkompetenzen, ob der Auftrag für sie in Frage kommt und geben bei positiver Beurteilung ihr Angebot direkt wieder über das Intranet zurück. Bei ihrer Kalkulation berücksichtigen sie, dass ihnen die Koordinationsleistungen, die sie bei ihren Eigenprodukten sonst übernehmen, weitgehend abgenommen werden. Deshalb kalkulieren sie mit einem tieferen Gemeinkostensatz.
4.2 Die virtuelle Fabrik
185
Beim Auftragsmanager laufen die Angebote wieder zusammen. Dieser wählt sich die attraktivsten (die mit dem besten Kosten-/Leistungsverhältnis) aus. Die Einzelofferten der Unternehmen Pantec, Alwo, Unima und OMB werden ausgewählt und zu einem Gesamtangebot zusammengefügt. Der Auftragsmanager schlägt die in einer Spielregel festgelegte Marge darauf und beurteilt die Konkurrenzfähigkeit des Angebots. Er kommt zum Schluss, dass ein konkurrenzfähiges Angebot vorliegt und leitet dieses unmittelbar an Siemens Electrocom weiter. Seit der Anfrage sind 12 Stunden vergangen. Die virtuelle Fabrik erhält den Zuschlag. Ihr Angebot war das kostengünstigste und das am schnellsten verfügbare. Vier Unternehmen hat der Broker mit dem Auftragsmanager zusammen in diesem Fall zu einer schlagkräftigen virtuellen Fabrik zusammengeführt. Das 21-Mann-Unternehmen Pantec, das 19 Mann starke Unternehmen Alwo, die Firma Unima mit 30 Mitarbeitern sowie als grösstes Unternehmen die Firma OMB mit 92 Mann. Die einzelnen Leiter In-/Outsourcing der Unternehmen kennen sich bereits seit Jahren. Sie haben zusammen unter Leitung des Institutes für Technologiemanagement das Konzept der virtuellen Fabrik in diversen Arbeitskreisen mitentwickelt. Sie vertrauen sich. Unter der Koordination des Auftragsmanagers beginnt die operative Phase. Die Pantec ist für die reibungslose Zusammenführung der einzelnen Leistungen sowie für die Kommunikation mit Siemens bei allfälligen Rückfragen verantwortlich. Ausserdem übernimmt die Firma Pantec die Montage der Elektronikteile. Die Firma Alwo, ein Spezialist für Feinmechanik, fräst die Kleinteile aus Aluminium. Die Firma Unima schliesslich schneidet per Laser die Stahlbleche für das Gehäuse des Moduls. Bereits ist alles fertig. In Abstimmung mit dem Auftragsmanager werden die einzelnen Komponenten bei der OMB angeliefert, diese setzt die Module zusammen und liefert sie termingerecht bei Siemens Electrocom in Konstanz ab. Keine der Firmen hätte den Auftrag allein erledigen können. In einer weitgehend sich selbst organisierenden Koordination ist es gelungen, das gewünschte Produkt in kürzester Zeit und zu konkurrenzfähigen Kosten herzustellen. Die SEC musste nur einmal ein Gespräch mit einem Broker führen und konnte als Nächstes das fertige Produkt entgegennehmen. Die einzelnen beteiligten Partner haben ihr Know-how und ihre Kapazität in einen weiteren nur durch die virtuelle Fabrik abwickelbaren Auftrag einbringen können. • Besonderer Nutzen für den Kunden wird geschaffen, wenn Schnelligkeit und Problemlösungsfähigkeit über eine Schnittstelle gefordert wird: Die Stärken der virtuellen Fabrik liegen nicht in den Bereichen in denen sie
186
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
in direkter Konkurrenz zu etablierten Wettbewerbern steht. Das auf ein bestimmtes Produkt spezialisierte Unternehmen wird dieses Produkt sicherlich effizienter, billiger und schneller herstellen als dies die virtuelle Fabrik tun könnte. Die Erfahrung zeigt, dass die virtuelle Fabrik ihre Stärken in zwei Bereichen ausspielen kann. Entweder geht es darum kurzfristig Kapazitätsengpässe einer der Partner auszugleichen, dies kann zu Preisen wenig über den Deckungsbeiträgen erfolgen, was die VF hoch konkurrenzfähig macht. Der andere Bereich, in dem die VF ihre Stärken ausspielen kann, ist dort, wo schnelle Problemlösungen für Kunden gefragt sind, die sich aus der Bündelung von Kompetenzen verschiedener Unternehmen zusammensetzen. Die virtuelle Fabrik nimmt in diesen Bereichen dem Kunden einen grossen Teil seiner Komplexität ab. Für den Kunden entfällt die Suche nach verschiedenen Unternehmen. Er spricht nur mit dem Broker respektive einem der Partner der virtuellen Fabrik und der Rest wird geregelt. • Zusätzliche Kapazitätsauslastung auch aus branchenfremden Bereichen: Fast alle Partner im Netzwerk konnten ihre Kapazitätsauslastung durch die Zusammenarbeit in der virtuellen Fabrik verbessern. Die Partner kennen die Kompetenzen untereinander und greifen bei Bedarf auf Kapazitäten der anderen zurück oder geben Kapazitäten ins Netz ab. Die virtuelle Fabrik wurde 1995 unter den Eindrücken eines turbulenter werdenden Umfeldes konzipiert. Sie ist als Zusatzkonzept zu sehen, das den produzierenden Unternehmen mehr Spielraum bei der Verfolgung ihrer Strategien geben kann. Insgesamt stellt sie eine Form der Agilität dar wie sie unter den historischen Beispielen geschildert wurde. Es ist zu berücksichtigen, dass sich das Konzept auf die Ausgestaltung des notwendigen Netzwerkes an Unternehmen konzentriert. Das einzelne Unternehmen mit seiner Strategie in seinem spezifischen Umfeld steht nicht im Zentrum der Betrachtung. Damit wird ein wichtiges Hilfsmittel geschaffen, das aber der Einordnung in die jeweiligen Unternehmensstrategien bedarf.
4.3 Die wandlungsfähige und die mobile Fabrik
187
4.3 Die wandlungsfähige und die mobile Fabrik 32 Basierend auf den Veränderungen im Umfeld der produzierenden Unternehmen leitet Wiendahl umfassende Anforderungen an die produzierenden Unternehmen ab: „Die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Produktion sind vielfältig und lassen sich umschreiben mit der Notwendigkeit nach einer Hochleistungsorganisation und -logistik mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitern zur Beherrschung einer maximalen Variantenvielfalt. Flexibilität beim Einsatz von Ressourcen und in der Nutzung von Fertigungstechnologien mit Rüstzeit „Null“ bei einer Fehlerquote von „Null“ vervollständigen die Anforderungen an die Produktion.“ 33 Zentrale Fähigkeit eines Unternehmens, das diese Anforderungen erfüllen soll, ist neben Innovationskraft und Lerngeschwindigkeit die „Wandlungsfähigkeit“. Bezogen auf die Fabrik definiert Wiendahl die Wandlungsfähigkeit folgendermassen: 34 „Wandlungsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Fabrik reaktiv oder proaktiv Veränderungen der Wandlungsobjekte auf allen Strukturebenen bei geringem Aufwand durchführen zu können.“ 35 Dem entgegen steht die Wandlungsträgheit, die gemäss Wiendahl durch ausgeprägtes Sicherheitsdenken, komplexe Strukturen, eine fehlende Entwicklungsplanung und eine mangelnde Marktausrichtung verursacht wird. Verschärft wird das Ganze durch aufwändige sequenzielle Planungsmethoden und -werkzeuge, die zu langsam sind und zudem einen Einmalcharakter der Planung implizieren.36
Vgl. zu den Grundlagen insbesondere Wiendahl/Hernandez (2000a, b) und zur mobilen Fabrik Wiendahl/Worbs (2000). 33 Wiendahl/Hernandez (2000b), S. 2f. 34 Wiendahl/Hernandez (2000a), S. 14, Meier (2003), S. 153f., wertet verschiedene Begriffsverständnisse aus und kommt auf die folgende Definition: „... die Fähigkeit ..., mit der es dem Unternehmen gelingt, sich auf innere und äussere Veränderungen innerhalb kürzester Zeit und mit maximaler Wirtschaftlichkeit einzustellen. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Veränderungen innerhalb oder ausserhalb eines ursprünglich eingeplanten „Flexibilitäts“-Korridors befinden. Das Vorgehen kann dabei reaktiv oder proaktiv sein.“ 35 Spath et al. (2002) skizzieren ebenfalls ein Konzept für Wandelbarkeit, das durch die Bausteine Wandlungsfähigkeit, Entwicklungsfähigkeit, Turbulenzfähigkeit, Vorausschau, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit gekennzeichnet ist. Reinhart et al. (2002) stellt den Einsatz von Ablaufsimulationen als rechnerbasiertes Planungswerkzeug zur Unterstützung von Wandelbarkeit in der Fabrikplanung in den Vordergrund. 36 Wiendahl/Hernandez (2000b), S. 4. 32
188
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
Basierend auf seinen Überlegungen identifiziert Wiendahl in der Folge vier Handlungsfelder: 37 • Markt, Produkt (Dienstleistungsorientierung, Kundenindividualität, Problemlösungsorientierung) • Prozesse, Technik (Flexibilität, Adaptionsfähigkeit, Mobilität) • Logistik, Organisation (Prozessorientierung, Wandlungsfähigkeit, Netzwerkfähigkeit) • Mensch, Personal (Veränderungsbereitschaft, Kooperationsbereitschaft, Lernfähigkeit) Als Bausteine der Wandelbarkeit identifiziert Wiendahl basierend darauf eine marktorientierte Produktausrichtung, Humanzentrierung, anforderungsgerechte Logistikstrategien, anforderungsgerechte Produktionsstrukturen und -layouts, zukunftsrobuste Techniken und Technologien sowie adaptive Gebäude.38 Das Thema adaptive Gebäude sei an dieser Stelle etwas näher ausgeführt, da es wohl den grössten Neuigkeitsgehalt in Vergleich mit anderen Konzepten beinhaltet, die im Normalfall eine Flexibilität oder Wandelbarkeit nicht bis auf die Ebene der Gebäude herunterbrechen.39 Die Idee adaptiver Gebäude ist es, eine „schnelle und aufwandsarme Erweiterung- bzw. Reduzierbarkeit zur Veränderung von Produktionsflächen zu ermöglichen“ 40. Dies bedeutet weitgehende Nutzungsneutralität auf der einen Seite und zum anderen eine Veränderungsfähigkeit der Fabrikbauten in der Grösse und Verbindung zu anderen Einheiten.41 Das verwendete Prinzip heisst „plug&produce“ und basiert auf mobilen Ressourcen. In der Summe soll das Konzept es ermöglichen, dass die Fabrik- respektive die Produktionsstruktur die Fähigkeit zur einfachen Integration neuer Produkte bzw. neuer Bauteile ermöglichen und zugleich lebenszyklusbedingte Mengenschwankungen erlauben. Am Ende der EntVgl. Ebenda, S. 4. Vgl. Ebenda, S. 6f. 39 Wie Wiendahl/Hernandez (2000a) ausführt, ist im Normalfall die Flexibilität einer Fabrikstruktur durch einen definierten Handlungsspielraum zur Veränderung gekennzeichnet, der lediglich eine elastische Anpassung ohne substantielle Strukturveränderung ermöglicht. Auch Spath et al. (2002), S. 29, weisen auf das Versagen klassischer Fabrikplanung in turbulenten Umfeldern hin. 40 Wiendahl (2000b), S. 6. 41 Interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist der 0.5 Tier Supplier Magna Steyr Fahrzeugtechnik (MSF), der in der Lage ist, parallel in der gleichen Fabrik Automodelle für verschiedene Produzenten herzustellen, vgl. dazu o.V. (2003). 37 38
4.4 Fabrik 1999
189
wicklung stehen mobile Fabriken, die es zukünftig erlauben, aufwandsarm an den Standorten, wo aktuell benötigt, die notwendigen Produktionsressourcen aufzustellen und nach Beendigung des Auftrages an einen anderen Standort zu verschieben. Gerade in Industrien, die durch ModellLebenszyklen gekennzeichnet sind, wie die Automobilindustrie, kann sich ein solches Konzept auszahlen. Insbesondere wird damit die klassische Problematik aufgelöst, die darin besteht, dass die Lebenszyklen von Fabriken, Produkten und Prozessen unterschiedlich lang sind. In der Vision von Wiendahl 42 werden wiederverwendbare Mehrzweckfabriken vernetzt mit mobilen Einzweckfabriken.
4.4 Fabrik 1999 43 Die postmoderne Fabrik, respektive die Fabrik 1999, wurde 1990 von Drucker als Vision für die Fabrik der Zukunft skizziert. Gemäss Drucker wird diese auf vier Bausteinen und vor allem auf konzeptionellen und nicht auf technischen Verbesserungen beruhen: „Its essence will not be mechanical, though there will be plenty of machines. Its essence will be conceptual ...“ 44. Vier konzeptionelle Bausteine geben der postmodernen Fabrik ihr Gesicht: 1. Statistische Qualitätskontrolle (SQK) Gemäss Drucker steht dabei aber nicht die Auswirkung auf die Qualität in der Produktion im Vordergrund, sondern die Auswirkungen, die die Einführung dieses Tools auf die soziale Organisation der Produktion respektive des Unternehmens mit sich bringt: „Generally, it is considered as production tool. Actually its greatest impact is on the factory's social organization.“ 45 Was Drucker damit meint, ist, dass sich die Verantwortung durch die Einführung der SQK zunehmend auf den Maschinenbediener verlagert, der die Feedbacks aus des Qualitätsmessung direkt wieder einfliessen lassen muss und die Anzahl an indirekten Mitarbeitern massgeblich reduziert wird. Ausserdem führt er weiter aus, dass in SQK Scientific Management Ansätze mit Human Relations Ansätzen zusammengeführt werden.
Vgl. Wiendahl/Hernandez (2000a), S. 9. Vgl. dazu Drucker (1990). 44 Ebenda, S. 94. 45 Ebenda, S. 95. 42 43
190
4 Neuere Ansätze zum Management produzierender Unternehmen
2. Neue Kostenrechnungsansätze (manufacturing accounting) Drucker hält fest, dass die traditionell in der Produktion eingesetzten Kostenrechnungsmethoden auf den Begebenheiten der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts beruhen, als der grösste Teil der Kosten durch direkte Arbeit verursacht wurde. In den heutigen Zeiten, in denen selbst bei noch arbeitsintensiven Branchen dieser Anteil an den Gesamtkosten kaum mehr als 25 % beträgt, braucht es andere Ansätze. Ausserdem betrachten die traditionellen Ansätze kaum die Kosten der „NichtProduktion“ und die Auswirkungen von Verbesserungen in der Produktion auf andere Bereiche des Unternehmens. Drucker plädiert für ein System, das auf Zeit basiert und nicht auf Arbeitskosten: „Labor costs are clearly the wrong unit of measurement in manufacturing. But – and this is a new insight – so are all the other elements of production. The new measurement unit has to be time. ... The only thing that is both variable and controllable is how much time a given process takes. And benefit is whatever reduces that time.“ 46 Das neue Accounting soll es ermöglichen, die Auswirkungen von Veränderungen in der Produktion auf das Gesamtgeschäft zu messen. Im Vordergrund steht also, dass Entscheide in der Produktion nicht länger als isolierte Entscheide gesehen werden: „On way or another, the new accounting will force managers, both inside and outside the plant, to make manufacturing decisions as business decisions.“ 47 3. Die Produktion selbst wird modular organisiert sein Um die Vorteile von Standardisierung und Flexibilität zu kombinieren, wird eine modulare Prozessorganisation die neue dominierende Organisationsform sein. Die Module werden sich selbst steuern, aber im Sinne des gesamten Prozesses. Dies erfordert eine ausbaute Kommunikation zwischen den verschiedenen Modulen, die Fabrik selbst wird damit zum Informationsnetzwerk. 4. Systemansatz Mit Systemansatz spricht Drucker einen Punkt an, der dem heutigen Verständnis eines professionellen Supply Chain Managements ähnelt. Die Fabrik wird als ein Bestandteil des gesamten Fertigungsstroms vom Endkunden bis zum Lieferanten gesehen. Die Organisation erfolgt vom Endkunden her nach hinten: „... the plant no longer functions as a stepby-step process that begins at the receiving dock and ends when finished goods move into the shipping room. Instead the plant must be redesigned from the end backwards and managed as an integrated flow.“ 48 Ebenda, S. 98. Ebenda, S. 98. 48 Ebenda, S. 100. 46 47
4.5 Anforderungen an das Konzept
191
Drucker geht auch hier wie bei SQK davon aus, dass die grösste Auswirkung des Systemansatzes nicht die Prozessveränderung sein wird, sondern sozial-ökonomische Auswirkungen wichtiger sein werden. Insbesondere werden funktionale Manager damit zu „Business Managers“. Die vier Bausteine von Drucker haben eine Gemeinsamkeit, alle basieren auf der Annahme, dass der Fertigungsprozess mehr ist als die Summe seiner Teile und auch so geführt werden sollte. Im Vordergrund steht die integrative Betrachtung verschiedener oft isoliert behandelter Teile: „And every manufacturing manager will be responsible for integrating people, materials, machines and time. Thus every manufacturing manager ten years hence will have to learn and practice a discipline that integrates engineering, management of people, and business economics into the manufacturing process.“ 49
4.5 Anforderungen an das Konzept Auch aus dieser kurzen Vorstellung neuerer Managementansätze, die nicht bereits in Kap. 3 diskutiert wurden, lassen sich Anforderungen an das in Kap. 6 zu entwickelnde „Konzept strategisches Produktionsmanagement“ ableiten. Im Einzelnen sind dies die folgenden: • Einsatz von Modularisierung zur Erreichung einer höheren Flexibilität, • Einsatz von Kooperationen zur Reduktion von Risiko und zum Schaffen von Neugeschäften, • professioneller Aufbau der Kooperation notwendig, ohne Systematik/ Methodik kaum mach- und beherrschbar, • Berücksichtigung neuerer Ansätze zur Wandelbarkeit und Mobilität, auch global, sowie • Integration von Maschinen, Material, Menschen und Zeit. Im nächsten Kapitel werden diese Anforderungen mit den bereits vorher abgeleiteten zusammengeführt.
49
Ebenda, S. 102.
5 Zusammenfassung der Anforderungen
Kapitel 5 dient dazu die Vielzahl der Informationen aus den vorangegangenen Kapiteln in Form von Anforderungen an ein Konzept „Strategisches Produktionsmanagement“ zu verdichten und zusammenzufassen. Diese Anforderungen dienen in Kap. 6 als Ausgangspunkt, um relevante Gestaltungsdimensionen mit den dazugehörigen Ausprägungen ableiten zu können. Die Anforderungen werden dabei Bleicher folgend nach Strukturen, Aktivitäten und Verhalten gegliedert.1 Damit wird auch ein Brückenschlag zu Giddens (vgl. Abschn. 2.4) möglich, dessen Strukturationstheorie ebenfalls eine Verbindung dieser Dimensionen nahe legt. Zumindest implizit tauchen diese Kategorien auch in anderen Ansätzen auf. So wurden im von Wiendahl entwickelten Konzept der wandelbaren Fabrik (vgl. Abschn. 4.3) die vier Gestaltungsfelder Markt/Produkt, Prozesse/Technik, Mensch/Personal sowie Logistik/Organisation verwendet.2 Markt/Produkt adressiert dabei die Aktivitätenebene, Prozesse/Technik sowie Logistik/Organisation schwergewichtig die Strukturebene, auch wenn dort ebenfalls aktivitätsbezogene Interpretationen denkbar wären, und das Mensch/Personal-Feld ist klar der Verhaltensebene zuzuordnen.
5.1 Zusammenfassende Darstellung der Anforderungen aus Abschn. 2.4 An dieser Stelle werden zuerst die Anforderungen, die aus den Überlegungen der jeweiligen Kapitel abgeleitet und dort jeweils zusammenfassend an den Schluss des Kapitels gestellt wurden, nochmals in der Gesamtheit im Überblick dargestellt (Abb. 5.1).
Vgl. Bleicher (1995), S. 75: Die bleicherschen Dimensionen sollen die Integration zwischen konzeptionell-gestalterischem Wollen und Umsetzung des Erstrebten durch Leistung und Kooperation problematisieren. 2 Vgl. Wiendahl/Hernandez (2000b), S. 4. 1
194
5 Zusammenfassung der Anforderungen
Mid-Range Konstrukt Kapitel 2 Theoretische Grundlagen -Integration Aktivitäten, Strukturen, Verhalten -Berücksichtigung Markt und Ressourcen -Berücksichtigung des Unternehmensumfelds -Berücksichtigung Kooperationen -Berücksichtigung der „Edge of Chaos“ -Berücksichtigung einer begrenzten Machbarkeit -Ablehnung strenger Kausalbeziehungen -Berücksichtigung von Kosten und Effizienz Kriterien -Berücksichtigung robuster und dynamischer Strategien
Kapitel 3 Strateg. Produktionsmgt.
Kapitel 4 Ausgewählte Grundlagen
-Abbildung zentraler Spannungsfelder (Auslastung - Verfügbarkeit; Spezialisierung - Agilität) -Strategische Flexibilität als zentrale Steuergrösse -Berücksichtigung der individuellen Umfelder notwendig -Flexiblität nicht als Selbstzweck -Steuerung nach übergeordneten Grössen, wie Lebensfähigkeit -Einordnung von typischen Mustern und Fällen muss möglich sein -Betrachtung des Gesamtsystems notwendig
-Modulare Prozessorganisation zur Flexibilisierung -Kooperationen zur Risiko-Reduktion und zum Schaffen von Neugeschäften -Professioneller Aufbau des Kooperationsmgt. -Umgang mit globalen Ansätzen zu Wandelbarkeit und Mobilität -Integration von Maschinen, Material, Mensch und Zeit
Abb. 5.1 Anforderungen aus Kap. 2–4 im Überblick
Zuoberst steht das Ziel ein Mid-Range-Konstrukt i.S. der Ausführungen in Abschn. 2.1 zu entwickeln. Dies adressiert die gerade für das Produktionsmanagement relevante, in Kap. 1 identifizierte Forschungslücke, dass Ansätze entweder zu theoretisch, i.S. von kaum operationalisierbar sind, oder dann ohne genügende Reflexion und Theorieunterstützung aus dem „Bauch“ heraus entwickelt werden. Die oben dargestellten Anforderungen werden in der Folge danach strukturiert, inwieweit es sich um allgemeine, übergreifende Anforderungen handelt (5.2), respektive die Anforderungen direkt aktivitätsbezogenen (5.3), strukturellen (5.4) oder verhaltensbezogenen (5.5) Erfordernissen zugeordnet werden können. Beim Grad der angestrebten Integration ist diese Zuordnung nicht immer eindeutig. Es wird hier aber der Ansatz verfolgt, die Zuordnung auf Basis der höchsten Korrelation mit dem jeweiligen Strukturierungsfeld zu tätigen.
5.2 Übergeordnete Anforderungen
195
5.2 Übergeordnete Anforderungen Als erste übergeordnete Anforderung ist insbesondere die aus den Überlegungen in allen Kapiteln abzuleitende Forderung nach einer Integration der verschiedenen Gestaltungsdimensionen zu nennen. 1.
2.
3.
4.
3
Anforderung: Integration. Als Zweites lassen sich immer wiederkehrende Gestaltungsfelder identifizieren. Sowohl Bleicher als auch Drucker und Giddens erwähnen Aktivitäten, welche zu den Marktaktivitäten des Unternehmens führen, Strukturen, welche diese Aktivitäten (unter-)stützen sowie das Verhalten, welches diese Aktivitäten prägt. Diese Grundstruktur an Gestaltungsfeldern wurde bereits in der Einleitung als geeignete Strukturierungshilfe identifiziert und hier zu Grunde gelegt. Basierend auf den Überlegungen soll eine Integration zwischen den Aktivitäten des Unternehmens, der unterstützenden Struktur sowie dem Verhalten der Organisationsmitglieder, die die Aktivitäten tragen, angestrebt werden. Bleicher weist darauf hin, dass die Unternehmensführung ihr Gestaltungsobjekt ganzheitlich, d.h. sowohl in den ökonomischen als auch sozialen Dimensionen zu sehen hat und dass strategische Vorhaben nur zum Erfolg führen, wenn sie durch den Einbezug „weicher“ Faktoren in Form des Problemverhaltens der Träger des Managements ergänzt werden.3 Anforderung: Abbildung von Aktivitäten, Strukturen und Verhalten. Als Drittes drängt sich die Berücksichtigung eines irgendwie gearteten Umgangs mit der steigenden Dynamik und Komplexität der Umfelder auf. Anforderung: Umgang mit respektive Adressierung von dynamischen Umfeldern. Insbesondere die Betrachtung bestehender Lücken und die Zielsetzung dieser Arbeit lässt die Anforderung als nahe liegend erscheinen, dass ein Mid-Range-Konstrukt zwischen Theorie und Praxis entstehen sollte. Dies wurde weiter oben bereits begründet und in Kap. 2, Abb. 2.1 ausführlicher diskutiert. Anforderung: Schaffung eines Mid-Range-Konstrukts. Des Weiteren wird die Anforderung gestellt, der betrieblichen Wirklichkeit insofern gerecht zu werden, als dass ein uneingeschränktes Plan- und Machbarkeitsdenken und ein damit einhergehendes kausales Ursache-Wirkungsdenken abgelehnt wird.
Ebenda, S. 199.
196
5.
6.
7.
8.
5 Zusammenfassung der Anforderungen
Anforderung: Anerkennung eingeschränkter Plan- und Machbarkeit in komplexen sozio-ökonomischen Umfeldern. Die Komplexität der Aufgabenstellung anerkennend, sollte das zu Grunde gelegte Modell diese Komplexität auch abbilden und nicht aus Gründen falsch verstandener Vereinfachung zu stark reduziert werden. Anforderung: angemessene Komplexität. Als siebente, zentrale Anforderung, die über alle Gestaltungsfelder hinweg betrachtet wird, kommt der Umgang mit Spannungsfeldern i.S. von Trade-offs dazu. Diese wurden in Abschn. 3.1.1 zu den zwei aggregierten Trade-offs Auslastung vs. Verfügbarkeit und Spezialisierung vs. Agilität verdichtet. Anforderung: Umgang mit zentralen Spannungsfeldern möglich. Selbstverständlich zeigt sich die Eignung des entwickelten Rahmens dann, wenn sich bestehende Gestaltungsansätze und typische Muster des Verhaltens produzierender Unternehmen darin einordnen lassen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist die Ableitung von Handlungsempfehlungen für die produzierenden Unternehmen nicht möglich. Ableitung von Handlungsempfehlungen für produzierende Unternehmen möglich.
5.3 Anforderungen an Aktivitäts-Fragestellungen Ausgangspunkt für die Aktivitäten des produzierenden Unternehmens müssen aus klaren Analysen abgeleitete Ziele sein. Ansonsten ist ein Fokus zur Aufrechterhaltung einer wahrnehmbaren Identität nicht erzielbar. 9.
Positionierung und Ziele als Ausgangspunkt für die Aktivitäten notwendig. Wie ebenfalls in allen Kapiteln gezeigt, ist es für das produzierende Unternehmen unabdingbar, Ressourcenausstattung und Markt bei der Strategieentwicklung zu berücksichtigen. 10. Berücksichtigung der Markt- und der Ressourcenseite. Um ökonomisch rationale Entscheidungen in Bezug auf Effektivität, Effizienz und Koordination und Arbeitsteilung im Allgemeinen treffen zu können, ist die Kenntnis der eigenen Stärken/Differenzierung unabdingbar. 11. Kenntnis eigener Stärken/Schwächen zentral. Im heutigen Umfeld drängt sich ein Ansatz auf, der die Dynamik anerkennt und die Strategieentwicklung nicht als einmaligen Prozess sieht.
5.4 Anforderungen an strukturelle Fragestellung
197
12. Strategieentwicklung und -überprüfung als Daueraufgabe. Die beste Strategie bringt nichts, wenn sie anschliessend nicht auch in die Organisation Eingang findet und dort in den täglichen Aktivitäten gelebt wird. 13. Integration von Strategie- und Wandelfragestellungen. Der Zwang zur Veränderung bei gleichzeitigem Druck auf Beständigkeit lässt eine Positionierung in der Gegend der „edge of chaos“ als sinnvoll erscheinen. 14. Wettbewerbsfähige Positionierung an der „edge of chaos“. Die Unmöglichkeit, die gesamte Komplexität der Fragen, die sich produzierenden Unternehmen in einem dynamischen Umfeld stellen, erfassen und optimale Antworten darauf finden zu können, lässt es als sinnvoll erscheinen, befriedigende anstelle von optimalen Lösungen anzustreben. 15. Anstreben von befriedigenden anstelle von optimalen Lösungen. Die Diskussion in Kap. 3 zum strategischen Produktionsmanagement hat deutlich gemacht, dass die Berücksichtigung von strategischer Flexibilität als zentrale Strategiegrösse in einem dynamischen Umfeld unerlässlich ist. 16. Berücksichtigung „strategischer Flexibilität“ als zentrale Strategiegrösse im dynamischen Umfeld. Wie ebenfalls dargelegt wurde, ist Flexibilität aber kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Unterstützung höherer Werte wie Lebensfähigkeit. 17. Berücksichtigung höherer Werte wie Lebensfähigkeit.
5.4 Anforderungen an strukturelle Fragestellung Die Grenzen struktureller Lösungen sind heute nicht mehr die eigenen Unternehmensgrenzen. Der mögliche Lösungsraum ist deutlich weiter zu fassen. 18. Kooperationen als Erweiterung des Möglichkeitsraums. Es gibt keine einfach übertragbaren „Best-Practice“-Lösungen, d.h., situative Ableitungen einer adäquaten Lösung müssen möglich sein. 19. Der verwendete Rahmen muss es erlauben, den „Fit“ mit dem individuellen Umfeld zu überprüfen und Abweichungen feststellen zu können. Aus der ökonomischen Betrachtung sollten sich auch Antworten auf die sinnvolle Fertigungstiefe und -breite finden lassen.
198
5 Zusammenfassung der Anforderungen
20. Unterstützung bei der Suche nach adäquater Fertigungstiefe und -breite. Das produzierende Unternehmen braucht Stabilität und Dynamik auf seinem Weg in die Zukunft. Das Management wird zum Management des Spannungsfeldes zwischen Fokus und Flexibilität. 21. Management von Fokus und Flexibilität möglich. Modulare Prozessorganisationen als Möglichkeit, Flexibilität und Standardisierung zu vereinen. 22. Modularisierung und Prozessorientierung als struktureller Flexibilisierungsansatz. Die Koordination der wirtschaftlichen Aktivitäten ist heute nicht mehr an nationale Grenzen gebunden. 23. Berücksichtigung einer globalen Arbeitsteilung.
5.5 Anforderungen an Verhaltens-Fragestellungen Neben der unter den allgemeinen Anforderungen aufgeworfenen Forderung nach einer Integration der Verhaltensaspekte mit Aktivitäts- und Strukturfragestellungen, drängt sich an dieser Stelle auch die Forderung nach einer Unterstützung von Stabilität und Wandel durch das Verhalten und die Qualifikation der Organisationsmitglieder als zentrale Anforderung auf, die auch der zu entwickelnde Rahmen abbilden sollte. 24. Unterstützung von Stabilität und Wandel. 25. Qualifikation und Lernen als zentrale Parameter. In der Zusammenfassung in Kap. 8 wird darauf zurückgekommen, inwieweit der im nächsten Kapitel, aufbauend auf diesen Anforderungen, skizzierte Rahmen tatsächlich in der Lage ist, die 25 abgeleiteten Anforderungen zu adressieren.
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
„The need to inform practice has demanded that strategy researchers ... pursue the building of frameworks rather than restrict research only on theories that can be formally modelled.“ 1
In diesem Kapitel werden die bis anhin gemachten Ausführungen in einen Rahmen „Strategisches Produktionsmanagement“ zusammengefasst. Der Rahmen dient dazu, abhängig vom jeweiligen Umfeld des produzierenden Unternehmens, eine adäquate Positionierung anzustreben und Managern eine Orientierungshilfe für die Führung des produzierenden Unternehmens im relevanten Umfeld zu geben.2 Die verwendeten Gestaltungsdimensionen werden aus den bisher gemachten Ausführungen abgeleitet, d.h. insbesondere aus den in Kap. 5 zusammengefassten Anforderungen. Entscheidend ist, dass diese jeweils nicht isoliert betrachtet werden, sondern die gegenseitige Abstimmung ins Zentrum der Betrachtung gestellt wird.3 Für jedes der aufgeworfenen Handlungsfelder des Rahmens wird in der Folge beschrieben, was beachtet werden muss, um angestrebte Positionierungen auch erreichen zu können, d.h. die aufgeworfenen Handlungsfelder auch zielgerichtet zu bearbeiten. Es findet eine bewusste Kombination von Beschreibungs- mit Gestaltungsansätzen statt, da die Identifikation eines Handlungsschwerpunkts alleine nicht ausreicht, wenn man die allen Orga1 2
3
Porter (1991), S. 98. Der Raster ist damit eine Strukturierungs- und Orientierungshilfe für Manager. Es ist dem Autor bewusst, dass eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg des Unternehmens der Manager selbst ist. Da aber bei der Nutzung des Rasters der/die Manager mit ihren persönlichen Eigenschaften und Führungsstilen feststehen und als Konstante zu sehen sind, werden keine expliziten Managementrollen oder Führungsstile in die Gestaltungsempfehlungen aufgenommen. Dies soll bewusst eine Schwachstelle überwinden helfen, die Skinner (1992), S. 143, für die US Industrie konstatiert: „Problem-centered field research demonstrates now that the single most common problem that devastates competitive performance in U.S. manufacturing is that of non-focused, internally incongruent manufacturing systems.“
200
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
nisationen inhärente Inertia 4 berücksichtigt. Ackoff z.B. zitiert, um dies zu demonstrieren, einen amerikanischen Komiker, der beobachtete, „that whereas there are an infinite number of reasons for not changing something, there is only one reason for changing it: that doing so is right – but this, he added, is very difficult to prove. No proof is required for leaving things as they are.“ 5 Ein Teil der jeweils quadrant-spezifischen Ansätze zur Veränderung wird direkt in Kap. 6 beschrieben. Diejenigen Ansätze, die einen Querschnittcharakter haben, i.S., dass es sich um Ansätze handelt, die in allen Quadranten eine Rolle spielen, werden im Falle des Innovationsmanagements am Ende von Kap. 6 diskutiert. Die Ansätze zum Kooperations- und Dienstleistungsmanagement, die bis anhin nicht zu den Standardansätzen zur Erhöhung der Flexibilität von Unternehmen gehören und deshalb einer ausführlicheren Betrachtung unterzogen werden, werden in Kap. 7 vertieft. Der hier entwickelte Rahmen wird damit zu einem von Doz und Prahalad geforderten Mid-Range-Konstrukt, das erlaubt relevante Teile von Theorien zu integrieren und in die Praxis umzusetzen (vgl. Kap. 2, Abb. 2.1).
6.1 Modell versus Rahmen Michael Porter stellt in seinem Beitrag von 1991 zwei grundsätzliche Arten der Theoriebildung einander gegenüber: „..., there is a fundamental question about the approach to theory building that will most advance both knowledge and practice.“ 6 Er grenzt dabei die Variante Modelle, die stark rigide (sprich mathematisch) formuliert sind und für einige Schlüsselvariablen die Zusammenhänge ableiten, von Rahmen ab, die eine Vielzahl von Variablen umfassen und mehr Komplexität abbilden. Ein Rahmen stellt vor allem die für die Situation relevanten Variablen dar und macht klar, welche Fragen gestellt werden müssen. Der Rahmen erfordert aber Antworten des jeweiligen Nutzers, um zu operationalisierbaren Aussagen für das Unternehmen zu kommen. Die klassische Betrachtungsweise, die historisch aus der Zeit der ersten industriellen Revolution kommt und davon ausgeht, dass durch Analyse und Reduktionismus ein System beherrscht werden kann, wird hier ersetzt durch eine vorherige Betrachtung des Gesamtsystems: „Such (systems thinking) thinking has produced the doctrine of expansionism which in contrast to reductionism, asserts, first, that ultimate understanding of anything is an ideal that can never be attained but Vgl. dazu z.B. Hannan und Freeman (1984), S. 149. Ackoff (1979b), S. 189. 6 Porter (1991), S. 97. 4 5
6.1 Modell versus Rahmen
201
can be continuously approached; and, second, that understanding, in contrast to knowledge, flows from larger to smaller systems; not, as analysis assumes from smaller to larger.“ 7 Damit werden auch Partial-Modelle als Ausgangspunkt der Optimierungsanstrengungen für ein System verworfen.8 Bereits die optimale Lösung eines Modells ist nicht die optimale Lösung des betrachteten Problems, solange dieses Modell nicht eine 100 %ige Repräsentation des Problems darstellt.9 Noch weniger kann die Lösung für ein Partial-Modell aus Gesamt-System Sicht eine optimale Lösung darstellen. Diese Art des Denkens prägte auch die St. Galler Schule wie in Abschn. 2.5.2 dargelegt. Im Zentrum steht das Finden eines möglichst optimalen Fits zwischen verschiedenen Ausprägungen ausgewählter Gestaltungs-Dimensionen. Eine grundlegende Diskussion zu sog. „FitAnsätzen“ findet sich bei Drazin und Van de Ven.10 Von den dort diskutierten Modellen entspricht der System-Ansatz am besten dem hier angestrebten Ziel. Dieser sei an dieser Stelle deshalb kurz ausgeführt. Der System-Ansatz geht davon aus, dass das Verständnis für „Kontext-Struktur-Unternehmensergebnis“-Zusammenhänge nur voranschreiten kann, wenn gleichzeitig die vielen Abhängigkeiten, strukturellen Alternativen und Ergebniskriterien, die ganzheitlich betrachtet werden müssen, um die Organisation zu verstehen, adressiert werden.11 Bestandteil der Ansätze ist das Konzept der Equifinalität: „Most recently, the systems approach has begun to incorporate the general systems theory concept of equifinality by interpreting fit as feasible sets of equally effective alternative designs, with each design internally consistent in its structural pattern and with each set matched to a configuration of contingencies facing the organization.“ 12 Zusammenfassend steht das Unternehmen vor zwei Entscheidungen: (1) Dasjenige organisatorische Muster zu wählen, das am besten zu den Umfeldabhängigkeiten passt, mit denen sich das Unternehmen konfrontiert sieht und (2) Strukturen und Prozesse zu entwickeln, die intern konsistent sind.13 Daraus leitet sich die Aufgabe ab, dasjenige Set an Strukturdimensionen Ackoff (1979a), S. 95f. Dies hebt auch Sadler (1978), S. 1 hervor: „More importantly, however, we need some unifying concepts which enable us to relate different aspects of change together and make sense of the whole.“ Und Drucker (1990) sieht das Entscheidende an seinem Vorschlag einer postmodernen Fabrik darin, dass die von ihm vorgeschlagenen Konzepte alle das Ganze und nicht die einzelnen Teile in den Vordergrund stellen. 9 Vgl. Ackoff (1979a), S. 97. 10 Vgl. Drazin/Van de Ven (1985). 11 Vgl. Ebenda, S. 519. 12 Ebenda, S. 520. 13 Ebenda, S. 521. 7 8
202
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
und Prozessen abzuleiten, das in verschiedenen Kontexten erfolgreich ist und zu verstehen, welche Muster organisationaler Strukturen und Prozesse intern konsistent oder inkonsistent sind.14 Zur Beantwortung dieser Fragen sollen die folgenden Ausführungen Hinweise geben. In Abschn. 6.2 werden die Anforderungen aus Kap. 5 in strategische Gestaltungsdimensionen übersetzt. Abschnitt 6.3 entwickelt in der Folge einen Gestaltungsrahmen, der die relevanten Dimensionen so abbildet, dass ein Fit respektive MissFit direkt erkennbar wird. Die Umfeldabhängigkeit auf die das Raster ausgerichtet ist, ist der Grad an Umfeld-Dynamik, dem die Organisation gegenübersteht. Folgerichtig sind die Positionen im Raster ein Mass für die Flexibilität, die das Unternehmen aufweist respektive aufweisen sollte. Mit der Ausrichtung auf eine, wenn auch stark aggregierte Umfeldvariabel wird den Erkenntnissen von Child gefolgt, der feststellte, dass erfolgreiche Unternehmen Strukturen aufweisen, die auf eine Umfeldabhängigkeit ausgerichtet sind, Während weniger erfolgreiche Unternehmen versuchten, ihre Strukturen auf verschiedene Abhängigkeiten auszurichten.15
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen In den vorangegangenen Kapiteln wurden aus Theorien, Historie und Problembeschreibungen verschiedene Anforderungen an ein integriertes Konzept „Strategisches Produktionsmanagement“ abgeleitet und in Kap. 5 zusammengefasst. Diese Anforderungen werden in der Folge wieder zu Gestaltungs-Dimensionen und -feldern zusammengesetzt. Das Raster soll helfen, Methoden und Ansätze zum Management produzierender Unternehmen aus dem Blick auf das Gesamtunternehmen abzuleiten und einzusetzen und sich nicht in Teiloptimierungen zu verlieren, die im Gesamtzusammenhang suboptimal und mit anderen Aktivitäten nicht abgestimmt sind. Gerade bei produzierenden respektive technologieintensiven Unternehmen ist die Gefahr eine einseitig technologieorientierte Perspektive einzunehmen und Investitionen in Technologien als Allheilmittel anzuse-
14
15
Gerade mit Bezug auf produzierende Unternehmen ist ein solches Vorgehen nicht selbstverständlich. Die Disziplin war und ist immer wieder durch ein Glauben an allgemein gültige „Best-Practice“-Lösungen geprägt worden. Vgl. z.B. Pilkington (1998), S. 31. Vgl. Child (1975) und (1977) übernommen aus Drazin/Van de Ven (1985), S. 521.
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
203
hen relativ gross.16 Pilkington hat darauf hingewiesen, dass einige der weit verbreiteten Techniken im Produktionsmanagement den Mangel aufweisen, nicht mit dem generellen Geschäftsmodell abgestimmt zu sein. Diese „conceptual separation“ soll hier aufgehoben werden.17 Die übergeordneten Anforderungen aus Abschn. 5.2 sollen durch die Art des verwendeten Modells adressiert werden. Es ist – angelehnt an Bleicher – als „Leerstellengerüst für ganzheitliches und sinnvolles“ 18 konzipiert und weist den Charakter eines Kontingenzmodells auf. Die relevante Umfeldgrösse, nach der gesteuert wird, ist die wahrnehmbare Umfelddynamik; diese bestimmt das notwendige Mass an „strategischer Flexibilität“ i.S. der Diskussion in Abschn. 3.2. Aus den Anforderungen, die sich direkt auf die einzelnen Gestaltungsfelder Aktivitäten, Strukturen und Verhalten beziehen (vgl. Abschn. 5.3– 5.5) 19 sowie den vier von Bleicher aufgeworfenen Prinzipien, welche das Denken und Handeln von Führungskräften bei der Konkretisierung normativer Vorgaben leiten: 20 − Suche nach zweckgerichteten Strategien, − relative Positionierung der eigenen Aktivitäten gegenüber Wettbewerb und Umwelt, − Konzentration der Kräfte und − Entwicklung zukunftsweisender Erfolgspotenziale lassen sich auf einer aggregierten Ebene folgende Grundsatzfragen ableiten: 1. Auf Aktivitätsebene – Leistungsumfang Mit welchem Leistungsumfang sind welche Märkte zu adressieren und wie stelle ich sicher, abhängig von der Stabilität des Umfelds, einen befriedigenden Grad an Flexibilität aufzuweisen? Bis zu welchem Grad ist es notwendig respektive sinnvoll, den Kunden in den Prozess der Leistungsentwicklung zu integrieren? Wie ist der Charakter der Unternehmensressourcen bzgl. deren poten-
Burges (1994), S. 29 macht darauf aufmerksam, dass „In contrast to technology, business processes and organizational structures have been insufficiently emphasized as potential drivers of performance improvement.“ 17 Pilkington (1998), S. 31. 18 Bleicher (1995), S. 57. 19 Eine detaillierte Diskussion, inwiefern durch den hier vorgestellten Konzeptentwurf die abgeleiteten Anforderungen tatsächlich adressiert werden, wird in der Zusammenfassung in Kap. 8 geführt. 20 Vgl. Bleicher (1995), S. 201. 16
204
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
zieller Flexibilität; wie flexibel kann deren Einsatz gesteuert werden und wie eng respektive breit werden diese Ressourcen eingesetzt? 2. Auf Strukturseite – Organisation Nach was für einem Prinzip wird die interne Struktur gestaltet? Soll diese darauf ausgelegt sein, vor allem wiederkehrende Aktivitäten repetitiv zu beherrschen, d.h. möglichst Unsicherheit zu reduzieren oder soll die Organisation Spielraum für das Erkennen von auch unerwarteten Ereignissen lassen? Wird extern auf klassische Beziehungen, die über den Markt geregelt werden, zurückgegriffen oder wird auch auf kooperative Konstellationen zur Koordination der Aktivitäten abgestellt? 3. Auf Verhaltensseite Wie hoch ist das benötigte/eingesetzte durchschnittliche Qualifikationsniveau und wie systematisch erfolgt die Personalentwicklung? Diese Grundsatzfragen, die nur im Zusammenhang beantwortet werden können, werden jeweils in einem Quadranten als Spannungsreihen dargestellt. Um der Anforderung gerecht zu werden, sowohl Markt- wie Ressourcenseite in der Ableitung der sinnvollen Positionierung zu berücksichtigen, werden die Aktivitäten in zwei Quadranten abgebildet (Leistungsumfang und Ressourcen) (vgl. Abb. 6.1). Im Unterschied zu Bleicher wird hier nicht der Ansatz gewählt Aktivitäten, Strukturen und Verhalten je in einem, respektive im Fall der Strukturen in zwei separaten Managementprofilen abzubilden, sondern die Fragestellung soweit zu fokussieren (aggregieren), dass die relevanten Fragestellungen in einem integrierten Profil abgebildet werden können. Dies bedeutet, dass für die operative Umsetzung der strategischen Vorgaben in der Folge mehr Spielraum besteht, im Umkehrschluss aber auch detailliertere operative Planungsschritte notwendig sind, um die abgeleiteten Positionierungen auch umzusetzen. Diese Tatsache wird in der Folge dadurch adressiert, dass der Aufbau des weiter hinten vorgestellten Strategie-Audits so gewählt ist, dass eine ganze Reihe von Detailanalysen durchgeführt werden müssen, um die Positionen im Quadranten auch begründen zu können. Nach der strategischen Festlegung der Soll-Position kann in der Folge wieder auf die Analyseergebnisse zurückgegriffen werden, um ein fundiertes weiteres Vorgehen festzulegen. Zur Unterstützung der Festlegung konkreter Planungsschritte werden weiter hinten zusätzlich geeignete Methoden beschrieben, um den Übergang von Innen- zu Aussenpositionen zu unterstützen. Insgesamt besteht der vorgeschlagene Raster aus vier Quadranten, die die Ableitung möglicher Antworten auf die vorgängig beschriebenen Fragen unterstützen. Die jeweiligen inneren und äusseren Extrempositionen lassen sich zu zwei idealtypischen Mustern verbinden. Die Innenposition beschreibt die
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
205
Erfolg versprechenden Ausprägungen für ein produzierendes Unternehmen, das in einem stabilen Umfeld operieren kann und sich dank Konzentration auf die auch längerfristig konstanten strategischen Erfolgspositionen von der Konkurrenz abhebt. Die Aussenposition beschreibt hingegen Ausprägungen, die einem produzierenden Unternehmen in einem dynamischeren Umfeld trotz gebundener Investitionen in Produktionskapazitäten, etc. erlauben, sich durch eine ausgebaute strategische Flexibilität i.S. des in Kap. 3 beschriebenen Begriffes immer wieder neu zu positionieren. Dies bedeutet nicht, dass über dauernde Positionierungsveränderungen die Identität des Unternehmens verloren geht, die Kenntnis und Verstärkung der eigenen Stärken ist ebenso zentral wie die Bereitschaft auf Veränderungen mit Veränderungen reagieren zu können. Fokus und Flexibilität werden parallel angestrebt.
Leistungsumfang
Ausrichtung
Einsatz
Ressourcen
Flexibles Unternehmen
Aktivitäten Statisches Unternehmen
Adressierte Kundenbedürfnisse
Charakter Interne Struktur
Personalentwicklung
HR
Qualifikationsniveau
Verhalten
Externe Struktur
Organisation
Strukturen
Abb. 6.1 Gestaltungsfelder „Strategisches Produktionsmanagement“
Es ist festzuhalten, dass Innen- und Aussenposition nicht wertend zu verstehen sind. Es ist kontextabhängig, welches Ausmass der Ausprägung für ein Unternehmen Sinn macht. Ebenso zentral ist die Aussage, dass sich, um zu einer integrativen Lösung zu kommen, die verschiedenen Ausprägungen auf demselben Radius befinden sollten, da sich die einzelnen
206
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Dimensionen gegenseitig unterstützen. Dies wird später noch ausführlicher beschrieben (vgl. 6.2.5). Der Zusammenhang mit dem in Kap. 3 abgeleiteten Rahmen zur strategischen Flexibilität ist in Abb. 6.2 dargestellt.
Leistungsumfang
Strategische Strategische Flexibilität Flexibilität AbsatzAbsatzseitige seitige Flexibilität Flexibilität Positionierung Positionierung
Ausrichtung
Adressierte Kundenbedürfnisse
Charakter Interne Struktur
Personalentwicklung
KoordinationsKoordinationsflexibilität flexibilität Ressourcenseitige Ressourcenseitige Flexibilität Flexibilität
Ressourcen Einsatz
Lebensfähigkeit, Lebensfähigkeit, Viability Viability
Qualifikationsniveau HR
Externe Struktur Organisation
Relevantes RelevantesUmfeld Umfeld
Abb. 6.2 Zusammenhang Bezugsrahmen zur strategischen Flexibilität mit dem Konzeptrahmen strategisches Produktionsmanagement
Beide Rahmen sind in das relevante Umfeld eingebettet. Die wettbewerbsfähige Positionierung im Bezugsrahmen zur strategischen Flexibilität spiegelt sich in den Spannungsreihen zum anzubietenden Leistungsumfang wider. Dieser determiniert einerseits die notwendige Flexibilität in den anderen Quadranten, ist aber andererseits auch limitiert durch die dort bestehende Flexibilität. Das System der Flexibilität bestehend aus marktseitiger, ressourcenseitiger und koordinierender Flexibilität wird folgerichtig über alle Quadranten adressiert, wobei von innen nach aussen die strategische Flexibilität zunimmt. Die marktseitige Flexibilität spiegelt sich insbesondere im Leistungsumfangs-Quadranten, die ressourcenseitige Flexibilität im Ressourcen- und Human Resources-Quadranten und die Koordinationsflexibilität im Organisations-Quadranten. Damit wird es möglich, abhängig von der notwendigen Flexibilität, integrierte Lösungen für das produzierende Unternehmen abzuleiten und in der Folge anzustreben.
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
207
Der Raster greift mit seinen verschiedenen Quadranten auch Überlegungen von Woodward 21 auf, die in einer klassischen Studie 1965 aufzeigte, dass Technologie mit der Organisation interagiert und auch Ghani und Jayabalan greifen bei ihrer Betrachtung der Einführung von fortschrittlichen Fertigungstechnologien auf einen Rahmen zurück, der neben einer technologischen Ebene, die Organisation, die kulturelle Seite sowie das Produkt als Schnittstelle zur Umwelt betrachtet (Abb. 6.3).22 Ähnlich argumentieren auch Beatty und Gordon, die bei der Einführung von CAD/CAM Systemen drei Arten von Hürden identifizieren, nämlich strukturelle, humane und technische.23 Technologiewandel (AMT)
Technologie 22
33 Veränderung der Struktur
Sich verändernde Marktbedürfnisse
Produkt 11 22 33 44 55
11
Struktur
Widerstand gegen technischen Wandel Wandel in Produktdesign und Fertigung
55
Angestellte
44
Wandel bei Jobs und Aufgaben Wandel in Fertigungsprozessen Wandel in Produkten
Veränderungen im Wissen, Fähigkeiten und Einstellung
Abb. 6.3 Rahmen des technologischen Wandels
Im Allgemeinen zeigt sich, dass gerade in technologieintensiven respektive produzierenden Unternehmen eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit nicht einfach durch die Auswahl einer fortgeschrittenen Fertigungstechnologie erreicht werden kann, d.h. im vorgestellten Raster durch eine Massnahme, die auf die Veränderung der Position im RessourcenQuadranten ausgerichtet ist. Die Einführung von Technologien im Unter-
Woodward (1965) zitiert aus Nemetz/Fry (1988), S. 627. Vgl. Ghani/Jayabalan (2000), S. 4. 23 Vgl. Beatty/Gordon (1988), S. 25. 21 22
208
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
nehmen erfordert die Berücksichtigung strategischer, organisationaler und kultureller Aspekte.24 In der Folge werden die einzelnen Quadranten des Konzepts mit den dazugehörigen Dimensionen und den Extrem-Ausprägungen näher beschrieben. 6.2.1 Leistungsumfang In einer Zeit, in der sich ein Grossteil der produzierenden Unternehmen Westeuropas nur noch mit grosser Anstrengung technologisch differenzieren kann und zudem die durch verbesserte Informationsmittel wie Internet, etc. verstärkt vorhandene Informationstransparenz weltweite Vergleiche erlaubt, ist das reine Produkt zur Differenzierung nur noch in Ausnahmefällen geeignet.25 Natürlich existieren nach wie vor Nischen, in denen dies der Fall ist, aber eine Abrundung des Leistungsumfangs in Richtung komplettere Lösungen, die zudem die Kundenbedürfnisse zielsicherer treffen, wird in einem dynamischeren Umfeld immer wichtiger. Abbildung 6.4 zeigt die relevanten Dimensionen sowie die jeweils extremen Ausprägungen, die den Quadranten Leistungsumfang aufspannen. Die eine Spannungsreihe wird durch die Art der adressierten Kundenbedürfnisse aufgespannt. Ein Unternehmen in einem stabilen Umfeld kann sich darauf konzentrieren einmal identifizierte Kundenbedürfnisse repetitiv zu adressieren. Der Markt besteht und kann durch Continuous Improvement Anstrengungen auch gehalten werden. Der Definition der Spezifikationen wird ein fiktiver Durchschnittskunde 26 zugrunde gelegt.
Vgl. dazu besonders auch Zammuto/O´Connor (1992). Vgl. zu dieser Quasi-Homogenisierung von Sachleistungen (Forschner 1989, S. 149), z.B. Davidow/Uttal (1989), S. 24, Singh (1990), S. 193ff., Masing (1991), S. 191. 26 Vgl. Goldman et al. (1995), S. 5f.: „As purveyors of standardized, uniform goods and services, mass-production-era competitors relied on market surveys that created an abstraction: The „average“ or „typical“ customer. Individuality that was more than skin deep could not be accommodated in a mass-production competitive environment.“ 24 25
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
209
Ausrichtung Lösungen Flexibles Unternehmen
Adressierte Kundenbedürfnisse
Statisches Unternehmen
Latente und segmentspezifische
Produkte
StandardKunde
Abb. 6.4 Dimensionen im Quadranten Leistungsumfang
In einem dynamischeren Umfeld mit sich rasch ändernden oder neu hinzukommenden Kundenbedürfnissen und z.T. rasch innovierenden Konkurrenten ist es hingegen erforderlich, nicht nur momentan feststellbare Bedürfnisse zu Grunde zu legen, sondern fähig zu sein, Kunden zu überraschen, indem auch latente 27, aktuell noch nicht geäusserte Bedürfnisse durch die Leistungen des Unternehmens adressiert werden.28 Im bekannten Kano-Modell 29 (Abb. 6.5) sprechen wir in diesem Zusammenhang von Begeisterungsqualität.
27
28
29
Gemäss Ulrich/Epinger (1995), zitiert aus Kärkkäinen (2001), S. 393 sind darunter „...needs that many customers recognize as important in the final product but do not or are not able to articulate in advance“ zu verstehen. Wiendahl/Hernandez (2000b), S. 4, sprechen für das wandelbare Unternehmen (vgl. Abschn. 4.3) von der Notwendigkeit Markt und Kundenbedürfnisse besser zu verstehen. Boutellier et al. (1999), S. 16f. sprechen von mehr Marktsegmentierung und Kundenfokus als einer der feststellbaren Trends in der Forschung und Entwicklung. Kärkkäinen et al. (2001), S. 391, sprechen von der Erfüllung nicht ausgesprochener Bedürfnisse. Für eine detailliertere Beschreibung des Modells von Kano vgl. Kano et al. (1984), S. 39–48 und Kano (1995).
210
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement Kundenzufriedenheit
Begeisterungsqualität
Erfüllungsgrad Leistungsqualität
Grundqualität
Abb. 6.5 Das Kano-Modell
Einerseits wird durch dieses Vorgehen die Zielgenauigkeit der Innovationen 30 erhöht und damit die Abhängigkeit des Unternehmens durch eine ausgebaute Kundenbeziehung reduziert. In Abschn. 3.3.1 wurde im Zusammenhang mit der Beschreibung der Mass Customization bereits auf die Potenziale hingewiesen, die in der engeren Einbindung des Kunden in die Leistungserstellung liegen. Piller und Ihl sprechen in diesem Zusammenhang von „Economics of Interaction“, die einerseits auf dem Make-to-order-Prinzip und den damit verbundenen Einsparungen im Lagerbereich beruhen, sich andererseits aber auch auf die Nutzung der aggregierten Information über verschiedene Kunden bei der Neuproduktentwicklung respektive Produktpflege beziehen.31 Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass es nicht darum geht die Technologie als Quelle von innovativen, erfolgreichen Produkten auszuschliessen, im
Brandenburg (2002), S. 1ff., hält fest, dass einerseits Innovationen notwendig sind, um sich einen Wettbewerbsvorteil im heutigen Umfeld zu sichern, die Situation aber andererseits dadurch gekennzeichnet ist, dass die Ideenauswahl in vielen Unternehmen auf „subjektiven Präferenzen und zufälligen Kenntnissen Einzelner beruht.“ 31 Vgl. Piller/Ihl (2002), S. 23. 30
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
211
Gegenteil, es ist aber entscheidend, dass ein neues Produkt Kundenbedürfnisse adressiert.32 Die zweite Spannungsreihe im Bereich Leistungsumfang wird durch die Ausrichtung der Leistungserstellung des Unternehmens aufgespannt. Auf der Innenposition konzentriert sich das Unternehmen auf das Produkt und die Produkteigenschaften. Der Anwendungskontext spielt nur insofern eine Rolle, wie er in die Definition der Entwicklungsspezifikationen eingeflossen ist. Auf der anderen Seite ist das Produkt nur ein Bestandteil einer umfassenderen Lösung. Lösung in diesem Zusammenhang bedeutet, dass das Unternehmen ausgehend vom Anwendungskontext des Produktes eine umfassende Leistung bietet, die den Kunden direkt in seinen Prozessen unterstützt.33 Am Beispiel eines Sondermaschinenbauers erläutert, bedeutet dies z.B., dass sich dieser nicht ausschliesslich darauf konzentriert, einem Kunden eine hochvolumenfähige Maschine zu liefern, sondern sich in dessen Situation versetzt und verschiedene mögliche Schwierigkeiten ab Einsatz der neuen Maschine antizipiert. Dies führte z.B. in der Folge dazu, dass der Produktionshochlauf bei den Kunden als absolut erfolgskritisch für diesen identifiziert wurde und eine Dienstleistung „Ramp-Up-Support“ als unterstützende Massnahme für die Gesamtlösung entwickelt und separat angeboten wurde. Es besteht eine gewisse Nähe dieses Quadranten zu Bleichers Produktprogrammstrategie-Festlegung 34, in der er standardisierte und individualisierte Problemlösungen einem engen oder breiten Leistungsangebot gegenübergestellt hat. Neu in der hier dargestellten Version ist, dass nicht die Sortimentsbreite für den Umfang des Leistungsangebots bestimmend ist, sondern die Erweiterung um Dienstleistungen oder ergänzende Kompetenzen anderer Unternehmen. Die Spannungsreihe „individualisierte“ versus „standardisierte“ Problemlösungen von Bleicher findet sich hier auf der anderen Achse wieder, die die Adressierung von Kundenbedürfnissen direkt anspricht.
Yang et al. (2003), S. 83, kommentieren folgendermassen: „Although high technology or any creative idea may be a key to the success of a product, one must take into consideration customers’ exact requirements.“ 33 Wiendahl/Hernandez (2000b), S. 4, sprechen davon, dass komplette, kundenindividuelle System- und Problemlösungen zum Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen führen. 34 Vgl. Bleicher (1995), S. 211ff. 32
212
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Verzichtet wurde auf die Festlegung einer Wettbewerbsstrategie im Sinne Pionier versus Konformist 35, da dieser Entscheid als Konsequenz aus Mission und Strategie-Audit leicht abgeleitet werden kann. Die Bleichersche Unterscheidung der Aktivitätsstrategien entlang der Achsen Wertschöpfungsstrategie (Autarkie versus Verbund) und Rationalisierungsstrategie (Kosten- versus Nutzenbezug) wurde hier nicht als eigener Quadrant gewählt. Die dahinter stehende Denkweise ist aber in den Gesamtraster eingeflossen. Die Autarkie versus Verbundfrage findet sich explizit im Quadranten Organisation und die Frage nach der Art der Rationalisierungsstrategie lässt sich wiederum aus der Positionierung ableiten. 6.2.2 Ressourcen Existierende aber auch zukünftig benötigte Ressourcen spielen im produzierenden Unternehmen eine entscheidende Rolle. Immer kürzer werdende Amortisationszeiten sowie die Tatsache, dass die Ressourcen sowohl Leistungen ermöglichen, aber auch den potenziellen Möglichkeitsraum, den ein Unternehmen adressieren kann zumindest kurz- und mittelfristig einschränken,36 erfordern eine systematische Berücksichtigung dieser Dimension in den Strategie-Diskussionen produzierender Unternehmen. Aus nahe liegenden Gründen sollte zwischen Neu-Investitionen in Ressourcen und Optimierung des Einsatzes von Ressourcen unterschieden werden. Insbesondere bei produzierenden Unternehmen, die einer immer grösseren Dynamik ausgesetzt sind, muss auch der Options-Charakter von Investitionen eine gewisse Beachtung finden. Gerade die mit Flexibilität oft in Zusammenhang gebrachten fortschrittlichen Fertigungstechnologien erfordern hohe Investitionen, die sich rein auf Basis einer konventionellen Investitionsrechnung kaum rechtfertigen lassen. Insbesondere werden durch traditionelle Investitionsrechnungen Verbesserungen der Durchlaufzeiten, der Flexibilität 37, der Arbeitsmoral, etc. kaum bewertet.38 Es finden sich denn auch diverse Autoren, die zur Bewertung von Investitionen Anleihen in den Optionstheorien der Finanzwissenschaften machen.39 BowVgl. Bleicher (1995), S. 215ff. Vgl. z.B. Teece et al. (1997), S. 515. 37 Insbesondere in Hinblick auf die Flexibilität ergeben sich Schwierigkeiten in der Messung, vgl. z.B. Upton (1995), S. 76: „..., because flexibility is not easy to measure, improvement in flexibility is also difficult to measure.“ 38 Vgl. z.B. Drucker (1990), Kaplan (1983, 1984, 1986a, b.) 39 Vgl. z.B. auch Kurr (2003), S. 102ff. oder Lei/Hitt/Goldhar (1996), S. 505: „... that investment in AMT is akin to an investment in a strategic option, that expands the firm’s strategic flexibility.“ 35 36
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
213
man und Hurry z.B. zeigen eine eigentliche Optionskette auf, die von noch nicht erkannten Optionen („Shadow Options“) über „Real Options“ bis zu realisierten Optionen reicht. Daraus leiten sie ab, dass es sinnvoll ist zuerst kleine Investitionen in Optionen zu tätigen, um diese dann zum richtigen Zeitpunkt über eine grosse Investition zu realisieren.40 Ebenfalls im Fokus der Betrachtung stehen an dieser Stelle ganze Fabriken. Abbildung 6.6 zeigt die relevanten Dimensionen sowie die Extremausprägungen auf, die den Quadranten aufspannen. Einsatz Multiple Wertschöpfungsketten
Eigene Wertschöpfungskette
Flexibles Unternehmen
Statisches Unternehmen
Charakter Single-use
Multiple-use
Abb. 6.6 Dimensionen im Quadranten Ressourcen
Die Dimension „Einsatz“ ist direkt vom Risiko abhängig, Ressourcen nicht auszulasten respektive Opportunitäten im Markt auf Grund nicht vorhandener Ressourcen nicht adressieren zu können. Das eher statische Unternehmen, das sich auch durch eine hohe Planbarkeit des Ressourceneinsatzes auszeichnet respektive durch wenige flankierende Massnahmen einen stabilen Absatzmarkt 41 sicherstellen kann, wird seine Ressourcen
40 41
Vgl. Bowman/Hurry (1993), S. 767f. Historisch finden sich im Zusammenhang mit dem amerikanischen MassenProduktionssystem eine Vielzahl von Mechanismen, die darauf ausgerichtet waren, die Absatzseite zu stabilisieren, z.B. wurden die auch in einem stabileren Umfeld nicht auszuschliessenden Störungen dadurch in bewältigbaren Ausmassen gehalten, dass man nur für die voraussehbar eintretende Nachfrage Kapazi-
214
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
ausschliesslich in seiner eigenen Wertschöpfungskette einsetzen, die daraufhin konzipiert ist, hoch effizient die definierte Marktleistung des Unternehmens zu erbringen. In einem dynamischeren Umfeld besteht zunehmend die Gefahr, dass sich existierende Ressourcen nicht ansprechend auslasten lassen. Die Dynamik des Marktes erschwert es, getätigte Investitionen auch wirklich zu amortisieren.42 Eine Risikoreduktionsstrategie i.S. von Schuh 43 zielt folgerichtig darauf ab, dieses Problem insofern zu adressieren, als dass einerseits gezielt Anwendungsmöglichkeiten für die spezialisierten Ressourcen in anderen Wertschöpfungsketten gesucht werden und andererseits bei Bedarf gezielt auf produktive Kapazitäten anderer Produzenten zurückgegriffen wird, um in der Lage zu sein, bei begrenztem Risiko erfolgreich den eigenen Verpflichtungen nachkommen zu können, aber auch neue Opportunitäten bei kurzen „windows of opportunity“ adressieren zu können (Optionscharakter). Ein Beispiel dafür stellt die Supply AG dar, die einen Geschäftsbereich aufweist, der über einen Mix von Anwendungen für verschiedenste Branchen systematisch eine Risikominderung sucht. Die Dimension „Charakter“ 44 unterscheidet die Ressourcen in den Extremas darin, ob sich die Ressourcen in verschiedenen Anwendungskontexten wirtschaftlich sinnvoll einsetzen lassen oder ob sie darauf ausgelegt sind eine Anwendung repetitiv hoch effizient zu unterstützen.45 Während die vorher beschriebene Achse vorwiegend eine kapazitative Aufgabenstellung beschrieben hat, geht es hier um das gezielte Kompetenzmanagetäten aufbaute und den Rest an kleinere wenig mächtige Produzenten auslagerte. (Piore and Sable 1984, S. 77). 42 Verschiedene Autoren sprechen auch vom „sunk cost“ Charakter der Investitionen, vgl. Lei/Hit/Goldhar (1986), S. 506 und Kaplan (1984). 43 Vgl. Schuh (2002b). 44 Mit dieser Dimension wird vor allem das grundsätzliche Potenzial für Flexibilität angesprochen und damit der Argumentation von Upton (1995), S. 76, gefolgt, dass die aktuellen Produktionsergebnisse (z.B. die produzierten Produkte) nicht notwendigerweise die Flexibilität widerspiegeln. 45 Sanchez (1997), S. 77ff., unterscheidet z.B. drei verschiedene Arten, wie man die strategische Flexibilität des Unternehmens durch Ressourcen Akkumulation steigern kann: 1) Aufbau von Lagern an qualitativ gleichartigen Ressourcen, 2) Entwicklung neuer spezialisierter Ressourcen und 3) Aufbau von Lagern oder des Zugriffs auf flexible multiple-use Ressourcen. An dieser Stelle wird vor allem die Idee multipel einsetzbarer Ressourcen weiterverfolgt.
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
215
ment, d.h. nicht die Auslastung von Ressourcen steht im Vordergrund, sondern die gezielte Multiplikation von Kompetenzen i.S. eines „Technology Leveraging“ 46. Der systematische Auf- und Ausbau von multipel nutzbaren Ressourcen führt zu einer Stärkung der vorhandenen Fähigkeiten durch die damit erzielbaren kombinierten Scale- und Scope-Effekte.47 Erfolgskritisch ist dabei die Fähigkeit Kontexte identifizieren zu können, in denen durch die Kombination mit Kompetenzen anderer Marktplayer (seien dies Lieferanten, Konkurrenten oder Kunden) 48 höherwertige Lösungen für den Kunden entstehen. Schuh hat die durch diesen Quadranten aufgespannten Dimensionen in einer Matrix dargestellt und zur Klärung verschiedene existierende Formen der Zusammenarbeit eingeordnet (Abb. 6.7). Unten links steht dabei die Produktion als Cost Center, was sie in vielen Unternehmen nach wie vor darstellt. Da ein Cost Center sich per Definition nicht unternehmerisch, i.S. von profitabwerfend bewähren muss, werden nur marginale Anstrengungen unternommen, Risiken zu reduzieren (sprich die kapazitative Auslastung zu optimieren) oder ein gezieltes Vervielfältigen der differenzierenden Kompetenzen zu bewerkstelligen (Kompetenzmanagement). Oben rechts ordnet Schuh geführte virtuelle Fabriken respektive fokale Netzwerke ein, die auf der einen Seite sowohl das Flexiblitätspotenzial aufweisen, auf der anderen Seite über eine direktere Führung als in einem partizipativen Netzwerk auch über eine ausgeprägte Koordinationsflexibilität verfügen. Die Diskussionen bzgl. der Flexibilität von Ressourcen machen heute auch vor ganzen Gebäuden nicht halt. Bezogen darauf zeigt sich der Trend, diese multifunktionaler und adaptiver zu machen bis hin zu wandelbaren und mobilen Fabriken.49
Vgl. dazu auch Schuh (2002a), S. 28f., und Schuh (2001), S. 482ff. Sanchez (1997), S. 80, hält fest, dass insbesondere in Umfeldern, in denen sich nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Produkt- und Technologiekonzepte schnell ändern, der Zugriff auf komplementäre Ressourcen bei gleichzeitiger Minimierung der internen Ressourcen Erfolg versprechend ist. Dies bedingt aber auch eine ausgebaute Koordinationsflexibilität (vgl. Abschn. 3.2.2). Zu Scale und Scope vgl. auch Chandler (1990), S. 17. 48 In diesem Zusammenhang spielt auch der Begriff des „collaborative manufacturing“ eine Rolle. Schuh hat dazu gezeigt, dass die deutschsprachige Bedeutung des Begriffes Kollaboration („Zusammenarbeit mit dem Feind“) hier durchaus angebracht ist, da die Zusammenarbeit mit herkömmlichen Konkurrenten in diesem Zusammenhang kein Tabu darstellt. Vgl. Schuh (2002b). 49 Vgl. dazu auch Abschn. 4.3. 46 47
216
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Zentral zu berücksichtigen sind unter dem Ressourcenaspekt auch die Potenziale, die durch neue Technologien ermöglicht werden. In Bezug auf produzierende Unternehmen spielen insbesondere fortgeschrittene Fertigungstechnologien eine entscheidende Rolle.50 Ebenfalls unter diesem Quadranten sind Fragen des Standortes der Ressourcen zu thematisieren, was bei der zunehmenden Globalisierung eine immer zentralere Entscheidung darstellt. Eine ähnliche Darstellung findet sich bei Bleicher, der in seinem strategischen Programm einen Ressourcenstrategie-Quadranten entwickelt und diesen durch die Achsen Leistungsspektrum (spezialisiert versus universell) und Einsatzspektrum (starr versus flexibel) aufspannen lässt.51 Kapazitätsmanagement
Kapazitätenbörse, Marktplatz
Branchen Cluster, Genossenschaft
ProduktionsProfit Center
(partizipative) Virtuelle Fabriken, Produktionsdienstleister
Cost Center
Entwicklungspartnerschaften, Wissensnetzwerke
geführte Virtuelle Fabriken, Fokale Netzwerke
Konsortien, Argen
Strategische Allianzen, Zuliefernetzwerke
Kompetenzmanagement
Abb. 6.7 Kapazitäts- und Kompetenzmanagement 52
Hayes und Jaikumar (1988), S. 77, merken dazu an: „Fortunately, manufacturing managers have new resources with which to respond to these challenges – a set of technologies that are collectively referred to as programmable automation.“ 51 Vgl. Bleicher (1995), S. 223f. 52 Schuh et al. (1998a), S. 51, für die grundsätzliche Darstellung und Schuh (2002b) für die Erweiterung. 50
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
217
6.2.3 Organisation Während sich die bisherigen Ausführungen weitgehend mit strategischen Fragestellungen auf der Aktivitätsseite des produzierenden Unternehmens auseinander setzten, müssen diese Aktivitäten, um eine entsprechende Wirkung zu entfalten, auch entsprechend strukturell unterstützt werden.53 Die Organisation produzierender Unternehmen stellt heute eine zunehmend komplexere Fragestellung dar. Bleicher entwirft in seinem Konzept integriertes Management, neben der eigentlichen Organisationsstruktur, auch ein dazugehöriges Managementsystem. Dieser Versuch wird in dieser Arbeit nicht unternommen. Die Begründung dafür, dass ein solcher Quadrant nicht explizit in die Arbeit eingeflossen ist, ist darin zu sehen, dass in der Regel eine Positionierung in einem der in dieser Arbeit verwendeten Quadranten das Ergebnis einer moderierten Sitzung mit dem Top Management des Unternehmens darstellt. Da die Vorstellungen und das Führungsverständnis des Managements das Ergebnis dieser Positionierung weitgehend vorbestimmen, fliessen diese Aspekte indirekt ein. Bei einer bewussten Berücksichtigung würde man in Gefahr laufen, „sozial erwünschte“ 54 Antworten zu bekommen. Ein Blick auf das in Abb. 6.12 abgebildete Profil der Supply AG soll diese Argumentation kurz verdeutlichen. Die Abbildung zeigt eine Organisation, die sich schwergewichtig auf Innen- bis Mittelpositionen befindet, abgesehen von einer begründeten Ausnahme im HR-Quadranten. Der vorherrschende Führungsstil des Managements kann mit eher zentralistisch und statusbezogen bezeichnet werden. Ein Resultat dieses Führungsverständnisses ist die starke Innenorientierung. Das heisst, ohne dass das Management sich zum Managementsystem explizit äussern muss, wird dieses durch die Ist-Positionierung sichtbar gemacht. In der Analyse und Diskussion der Positionierung kommt man in der Folge zwangsläufig auf den Punkt zu sprechen. Abbildung 6.8 zeigt die relevanten Dimensionen mit den Extrempositionen, die den Quadranten Organisation aufspannen.
53
54
Bleicher (1995), S. 229: „Die strategischen Absichten einer Unternehmung müssen durch eine ihnen entsprechende Gestaltung der Organisation unterstützt werden.“ Vgl. Kromrey (1994), S. 269ff., zu Besonderheiten im Antwortverhalten.
218
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement Hierarchisch
Prozessorientiert
Markt
Interne Struktur
Statisches Unternehmen
Kooperation
Flexibles Unternehmen
Externe Struktur Abb. 6.8 Dimensionen im Quadranten Organisation
Die klassische Fragestellung im Bereich Organisation ist diejenige nach der adäquaten internen Struktur eines Unternehmens. Hier werden als mögliche Extrempositionen die hierarchische von einer prozessorientierten Struktur unterschieden. In Bereichen, in denen Wissen weitgehend routinisierbar und explizit gemacht ist, sind Hierarchien nach wie vor die effizienteste Organisationsform.55 Hierarchisch funktional organisierte Unternehmen sind stark darauf ausgerichtet Unsicherheit zu absorbieren. Die notwendigen Denkvorgänge werden im Vorfeld geleistet und münden in eine Organisation, die sicherstellt, hoch arbeitsteilig repetitiv die gleichen Ergebnisse zu erzielen. Die ausgeprägtesten Formen dieser Organisation sind mit den Namen Ford und Taylor verbunden, aber auch Chandler stellt diese Art der Organisation als Vorbild für erfolgreiche Unternehmen dar.56 Insbesondere in Ausnahmefällen und bei rasch auftretenden Veränderungen kommen solche Organisationsformen an Grenzen. Auf der einen Seite sind hierarchisch organisierte Unternehmen oft auch mit massiven, zentralisierten Investitionen verbunden, auf der anderen Seite besteht wenig Flexibilität zu reagieren, da oft auch der Gesamtzusammenhang der einzelnen Aktivitäten nur von wenigen verstanden wird. Eine Umorientierung kann dementsprechend nur über längere Zeit erfolgen.
55 56
Vgl. Nonaka/Takeuchi (1995), S. 162f. und Fukuyama/Shulsky (1997), S. X. Vgl. z.B. Chandler (1977, 1991).
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
219
Auf der anderen Seite steht das Extrema der prozessorientierten modularisierten Organisation 57, die sich dadurch auszeichnet, dass sie nicht entlang von Spezialisierungen innerhalb der Organisation strukturiert ist, sondern verrichtungsorientiert entlang der Hauptprozesse, die zur Sicherstellung der Marktleistung eines Unternehmens notwendig sind. Es wird dabei angestrebt, dass der Gesamtzusammenhang der einzelnen Aktivitäten jedem einzelnen Beteiligten auch bewusst ist. Damit wird es möglich in Ausnahmesituationen unter Berücksichtigung des grösseren Zusammenhangs entscheiden zu können. Die Modularisierung schliesslich soll ermöglichen, dass Prozessteile auch in andere Kontexte eingebracht werden können. Beispiel dafür ist die Textil AG, ein führender Hersteller von Unterwäsche, der sich neu so aufstellt, dass er, ohne Prozessredundanzen aufbauen zu müssen, auch in der Lage ist Geschäftsfelder in vor- und nachgelagerten Bereichen zu bedienen. Dies gilt einerseits für die Anschlussfähigkeit an andere Unternehmen aber auch für die Kombinierbarkeit dezentraler sich z.T. im Ausland befindlicher Produktionsteile. Die externe Struktur wird durch die Extrema „Markt“ und „Kooperation“ aufgespannt. Marktlösung in diesem Zusammenhang heisst, dass Zulieferumfänge über klassische Abnehmer-Lieferanten-Beziehungen zu Marktpreisen bezogen werden. Es finden keine darüber hinausgehenden partnerschaftlichen Interaktionen statt. Kooperationen bedeutet, dass die Beziehungen zu Playern, die für die Marktleistung ergänzende Produkte und Dienstleistungen liefern, partnerschaftlich ausgestaltet und geführt werden. Kooperationen werden immer mehr als Notwendigkeit gesehen.58 Insbesondere dadurch bedingt, dass das heutige Umfeld sowohl Spezialisierung wie auch Gesamtlösungen erfordert. Die dadurch bedingte Abstimmung von Teil-Leistungen verschiedener Markteilnehmer kann fast nur partnerschaftlich erreicht werden. Dazu kommen die heute zu Verfügung stehenden Informations- und Kommunikationstechnologie-Lösungen, die den Raum auch ökonomisch sinnvoller Kooperationsansätze deutlich erweitert haben.59 In diesem Zusammenhang werden auch immer mehr Kooperationstypologien erarbeitet, die es den Unternehmen ermöglichen, den nicht zu unterschätzenden Aufwand für Sanchez (1997), S. 82, fasst aus der Literatur Argumente zusammen „... that modularity in product and process architectures greatly facilitates the creation and realization of strategic flexibility by an organization.“ 58 Dies zeigen auch die Resultate des durch das TECTEM durchgeführten Konsortialbenchmarkings KEMA, vgl. Kurzbeschreibung im Anhang. 59 Vgl. dazu auch Abschn. 7.2. 57
220
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
den Aufbau und das Management einer Kooperation abschätzen zu können. Ein Beispiel einer derartigen Praxis-Typologie ist in Abb. 6.9 dargestellt.
commercial partnership
A F
(help the customer) - bring potential endcustomers - bring potential investments - bring market intelligence
commercial + technical partnership
commercial + techno development + technical partnership
B
E new generation product
(help the customer) - bring design partners - bring testing and packaging partners - bring design-IP partners
C commercial + technical + techno development + investment (JV)
D Abb. 6.9 Beispiel einer Kooperationstypologie
Abhängig von der Intensität und Komplexität unterscheidet UMC, einer der grössten Contract Manufacturer im Halbleiterbereich weltweit, sechs verschiedene Typen der Zusammenarbeit. Die Einordnung eines Kooperationsvorhabens bestimmt in der Folge Ressourcenzuordnung und Standardisierbarkeit des Falles. Ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit von Kooperationen gerade für Unternehmen, die auf eine höhere Flexibilität angewiesen sind, beschrei-
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
221
ben Nemetz und Fry mit Bezug auf das Lieferantenmanagement: 60 „Interdependence with suppliers can become extremely high when suppliers must react with flexibility. New relationships and data transfer techniques must be developed with suppliers, particularly if they become captive and are selected on the basis of delivery and responsiveness rather than cost alone“ und auch Sanchez weist in seinem Beitrag zur strategischen Flexibilität darauf hin, dass für die Dynamik von dauerndem Kompetenzaufbau und -nutzung auf interne wie auf externe Quellen für Ressourcen und Fähigkeiten zurückgegriffen werden sollte.61 Mit Blick auf Bleicher wird hier mit der externen Achse sein „Autarkie versus Verbund“-Thema aus den strategischen Programmen aufgegriffen. Die andere Achse findet sich bei Bleicher explizit in seinem Organisationsquadranten, und zwar im Feld Regelungscharakter, das in die Achsen Zeithorizont der Strukturierung (auf Dauer versus auf Zeit) und Regulierungsgrad (programmierte Einzelregelung versus zweckbezogene Rahmenregelung) unterschieden wird,62 aber auch im Feld Konfiguration der Organisationsstruktur, das durch die Achsen Inhalt der Konfiguration (monolithisch versus prozessorientiert) und Form der Konfiguration (steil versus flach) aufgespannt wird.63 Die zwei anderen Quadranten von Bleicher, „Strukturierungsrichtung“ und „Element- und Beziehungsgestaltung“, finden sich aus verschiedenen Gründen nicht explizit wieder. Die Extrempositionen im Quadranten „Element- und Beziehungsorientierung“ 64 werden in Hinblick auf die Flexibilität der Unternehmung nicht als zwingend eingeschätzt. Zudem lassen sich Teile davon eindeutig der Ausprägung hierarchisch oder prozessorientiert zuordnen. Bezüglich des Quadranten „Strukturierungsrichtung“ 65, der eine Selbst- von einer Fremdorganisation unterscheidet, wird die Ansicht vertreten, dass sowohl die flexible Organisation von heute wie auch ein klassischer Produzent im stabilen Umfeld darauf angewiesen ist, eine Kombination zwischen diesen scheinbaren Gegensätzen zu finden. Ein Ansatz, der dies berücksichtigt, wird weiter hinten vorgestellt (vgl. Abb. 6.42).
Nemetz/Fry (1988), S. 633. Vgl. Sanchez (1997), S. 77. 62 Bleicher (1995), S. 240ff. 63 Ebenda, S. 242ff. 64 Vgl. Bleicher (1995), S. 239. 65 Ebenda, S. 245. 60 61
222
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
6.2.4 Human Resources „Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Fortschritt heutzutage nicht durch das einzelne Genie, sondern durch die gemeinsame Anstrengung bewirkt wird. In meinen Augen sind es die vielen raubeinigen, allnächtlich mit ihren Transportern über Englands Strassen donnernden Lastwagenfahrer, die unser technisches Zeitalter ausmachen. Und es sind die Fliegersoldaten, die Mechaniker, die die Luft beherrschen werden, nicht die Mollisons und Orlebars (zwei renommierte Piloten). Das Genie stösst auf neues Terrain vor, aber das gemeine Volk besetzt es und ergreift von ihm Besitz.“ T. E. Lawrence 1935 66 „The success of any organization relative to its competitors will become more and more a function of its ability to plan and execute a human resource strategy that is more effective than that of its competitors.“ 67
Der vierte Quadrant beschäftigt sich mit der in der „Wissensgesellschaft“ immer mehr in den Vordergrund tretenden Ressource, dem Menschen und der Qualifikation, die er in das Unternehmen einbringt.68 Neben der strukturellen Unterstützung der Aktivitäten ist es auch unerlässlich, dass das Wissen innerhalb der Organisation dafür ausreicht, die angestrebten Vorhaben entsprechend professionell ausführen zu können. Youndt et al. halten z.B. fest, dass sich gerade in fortschrittlichen produzierenden Unternehmen die Frage nach Wert und Management des Humankapitals in besonderer Weise stellt 69 und dass „ ... if a firm wants to successfully pursue a flexibility strategy, they must develop and maintain a highly skilled, technologically competent, and adaptable workforce that can deal with nonroutine and exceptional circumstances requiring creativity and initiative.“ 70 Snell et al. stellen die Transformation des Humankapitals im Vergleich mit Veränderungen im physischen Kapital als mindestens genau so wichtig, wenn nicht wichtiger dar, um die neuen Systeme auch adäquat betreiben zu können.71 Damit wird als dritte zentrale Fragestellung diejenige des Verhaltens der Organisationsmitglieder aufgeworfen. Die Mitarbeiter in einem Unternehmen ermöglichen zugleich die Umsetzung von StraZitiert aus Wilson (2001), S. 646. R. G. Roberts zitiert aus Bleicher (1995), S. 282. 68 Spur (1998), S. 148 hält fest, dass die Bedeutung von Wissen als Erfolgsfaktor heute unbestritten ist. Hinweis auf Drucker Knowledgeworker, etc. 69 Youndt et al. (1996), S. 836. 70 Ebenda, S. 845. 71 Vgl. Snell et al. (2000), S. 446. 66 67
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
223
tegien, stellen aber oft auch eine Restriktion für den möglichen Lösungsraum dar. Abbildung 6.10 zeigt die relevanten Dimensionen mit den Extremausprägungen, die den Quadranten Human Resources aufspannen.
Personalentwicklung
zufällig
systematisch
niedrig Statisches Unternehmen
Flexibles Unternehmen
hoch
QualifikationsNiveau Abb. 6.10 Dimensionen im Quadranten „Human Resources“
Die eine Achse wird dabei durch das in der Organisation durchschnittlich vorhandene Qualifikationsniveau aufgespannt. Peter F. Drucker führt z.B. den Sieg der USA im zweiten Weltkrieg darauf zurück, dass durch die Arbeiten, insbesondere von Taylor, ein Produktionssystem und Methoden vorhanden waren, die es erlaubten mit wenig geschulten Mitarbeitern repetitiv Produkte in derselben Qualität hoch effizient hervorzubringen.72 Der Economist beschreibt in einer Sonderausgabe zur Fertigung als besondere Charakteristik, dass „Best of all, in some ways, manufacturing was for long a source of reasonably reliable and well paid jobs for young men with plenty of muscle and little else.“ 73 In einem dynamischeren Umfeld mit zum Teil rasch wechselnden Aufgabenstellungen muss hingegen auch die Flexibilität der eingesetzten Human Resources entsprechend ausgestaltet sein. Dies erfordert oft multifunktional einsetzbare Mitarbeiter. Die Schwierigkeiten bei Umstellungen des Produktionssystems im klassischen 72 73
Vgl. Drucker (1993). The Economist (1998a).
224
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
amerikanischen Massen-Produktions-Modell beschreiben z.B. Piore und Sabel.74 Wie sich das Anforderungsprofil für die Mitarbeiter auch durch die eingesetzte Technologie wieder verändern kann, stellen Nemetz und Fry dar: 75 „With the replacement of the unskilled assembly line worker by new flexible technologies (e.g. robots), production work will probably not be routine and repetitive but, instead, more craft-like, technical, or professional.“ Dies erfordert auch eine adäquate dauernde Weiterentwicklung des einzelnen Mitarbeiters. Die zweite Achse wird durch die Art respektive die Einstellung des Unternehmens zur Personalentwicklung aufgespannt. Zammuto und O´Connor legen dar, dass Weiterbildungsprogramme die primären Mechanismen innerhalb eines Unternehmens darstellen, um Organisationsmitglieder für neue Werte zu „resozialisieren“. Ausserdem signalisieren sie den Wunsch der Organisation, Mitarbeiter auf breiterer Basis zu involvieren und das reziproke Commitment zu grösserer Wohlfahrt der Mitarbeiter.76 In stabilen Umfeldern sind nur punktuell Weiterqualifikationsaktivitäten notwendig, z.B. wenn eine neue Maschine oder ein neues Informationssystem eingeführt wird. Diese Weiterbildung wird ad hoc bei Bedarf geplant und durchgeführt, ansonsten findet die Weiterbildung der Mitarbeiter ausschliesslich durch ihre tägliche Tätigkeit statt. In einem dynamischeren Umfeld hingegen muss konstant die Frage gestellt werden, welche Fähigkeiten für die Zukunft notwendig sein könnten und wie diese am besten in die Organisation hineingebracht werden. Jeder Mitarbeiter muss entsprechend in Hinblick auf zukünftig mögliche Tätigkeiten beurteilt und systematisch darauf vorbereitet werden. Während Bleicher im Konzept zum Thema Verhalten auf der strategischen Ebene eine wieder auf vier Quadranten basierende, verschiedenste Facetten adressierende Betrachtungsweise wählt,77 wurde hier bewusst auf die grundsätzliche Einstellung des Unternehmens zum Thema Qualifikationsbedarf und Personalentwicklung abgestellt. Diese Grundeinstellung prägt in der Folge die Art des Human Resource Managements im Unternehmen und beeinflusst die von Bleicher genannten Aspekte, wie Entwick-
Piore und Sabel (1984), S. 115: „But the more narrowly jobs and seniority districts are defined, the more bargaining is required to shift workers from location to location when production is reorganized, and the more likely it is that disadvantaged workers will try to redress their situation through grievances – thus setting the rule-making machinery in motion again.“ 75 Nemetz/Fry (1988), S. 634. 76 Vgl. Zammuto/O´Connor (1992), S. 713. 77 Vgl. dazu Bleicher (1995), S. 282 ff. 74
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
225
lungsziele, Rollenverhalten, Verhaltensbegründung und Verhaltensentwicklung. 6.2.5 Nutzung und Interpretation des Rasters Wie in der Einführung bereits angedeutet, lässt sich dieses Raster nicht als Allheil-Mittel verstehen oder einsetzen. Es setzt ausgeprägte AnalyseFähigkeiten voraus und nimmt den Unternehmen die klassischen Aufgaben einer strategischen Planung nicht ab. Das Raster hilft aber die relevanten Dimensionen eines strategischen Entscheides für ein produzierendes Unternehmen strukturiert zu diskutieren und in der Folge zu einem gemeinsamen Verständnis über die jetzige und zukünftige Ausrichtung des Unternehmens zu kommen. Insbesondere wird der „Flexibilität“ besonderes Gewicht beigemessen, indem sich das Ausmass der notwendigen, aktuellen oder angestrebten Flexibilität am Abstand der Positionierung vom Mittelpunkt des Rasters direkt ablesen lässt. Damit wird der für produzierende Unternehmen zunehmend notwendig werdenden Auseinandersetzung mit einem dynamischen, sich rasch verändernden Umfeld Rechnung getragen. Die notwendigen Diskussionen werden sinnvollerweise auf Geschäftsleitungsebene geführt und, wo möglich respektive notwendig, durch einen externen Moderator begleitet. In der Folge wird als möglicher strukturierter Weg hin zu einem begründeten Positionierungsentscheid eine Form eines Strategie-Audits dargestellt und auf die wesentlichen Komponenten zurückgeführt, die geklärt sein müssen, um zu tragfähigen und kommunizierbaren Entscheidungen über die Ausrichtung des Unternehmens zu kommen. Da jede Bewertung immer auch subjektive Komponente aufweist, ist es unterlässlich, dass sich die getroffenen Entscheide aus verschiedenen Analysen ableiten lassen. Damit wird verhindert, dass jede Vorgabe immer wieder hinterfragt wird und die Grundlage dafür gelegt, den Entscheid auch in der Organisation abzustützen und verankern zu können. Zur Verdeutlichung werden an dieser Stelle zuerst die in der Typologie in Abb. 3.4 abgeleiteten Unternehmenstypen eingeordnet (Abb. 6.11) und danach ein konkretes Beispiel, die Supply AG, beschrieben.
226
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Leistungsumfang
Ausrichtung
Ressourcen
Einsatz
Aktivitäten Adressierte Kundenbedürfnisse Personalentwicklung
Charakter Interne Struktur
Lösungs-Provider Designer Prozess-Spezialist Auslastungs-Optimierer
HR
Qualifikationsniveau
Verhalten
Externe Struktur
Organisation
Strukturen
Abb. 6.11 Unternehmenstypen im Vergleich
Die vier dargestellten Profile zeichnen sich dadurch aus, dass sie alle – mit Ausnahme des Auslastungs-Optimierers – über ein höheres Ausmass an Flexibilität verfügen als es der klassische Produzent (Innenposition) tun würde. Bezüglich Fit zeigt sich, dass der Solution Provider ein „rundum harmonisches“ Profil aufweist. Dies hängt damit zusammen, dass die dargestellten Profile unterschiedlich stark auf die bestehenden Ressourcen und deren Auslastung Rücksicht nehmen (müssen). Im Einzelnen: • Der Auslastungs-Optimierer Ist vor allem ein Produktanbieter, der die Optimierung der Auslastung und die Nutzung von Skaleneffekten ins Zentrum seiner Anstrengungen stellt. Er basiert auf spezialisierten Ressourcen ähnlicher Qualität, d.h. er muss nicht über eine ausgeprägte Koordinationsflexibilität verfügen, sondern kann die Ressourcen in „gewohnter“ Weise einsetzen. Seine interne Struktur ist in der Regel hierarchisch und arbeitsteilig organisiert. Das Qualifikationsniveau der Mitarbeiter ist auf routinemässig wiederkehrende Tätigkeiten hin optimiert. Geringe Schwankungen in der Auslastung kann er durch die Nutzung von Lieferantenkapazitäten ausgleichen, deshalb ist die externe Struktur im geringen Masse in Richtung kooperative Lösung ausgeprägt. • Der Prozess-Spezialist Identifiziert sich ebenfalls vorwiegend über seine Produkte. Im Unterschied zum Auslastungs-Optimierer differenziert er sich aber nicht primär über tiefe Kosten, sondern über die Koordination der Supply Chain und ein exzellentes Prozessmanagement. Zusammen mit dem Vorhalten der maximal notwendigen Kapazität gewährleistet er damit eine hohe Verfügbarkeit seiner Leistungen. Mit diesen zusätzlichen Anforderun-
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
227
gen ist es notwendig, die interne Struktur flexibler zu gestalten sowie die Kooperationsmanagement-Fähigkeit weiter auszubauen. Damit einher geht auch eine höhere Anforderung an die eingesetzten Mitarbeiter, die entsprechend durch eine systematischere Personalentwicklung unterstützt werden müssen. • Der Designer Der Designer ist nicht mehr vor allem Produktanbieter, sondern auch Produktionsdienstleister. Damit muss er in der Lage sein, Kunden auch zu überraschen und latente Bedürfnisse zu identifizieren. Er strebt an, seine Angebote durch Dienstleistungen abzurunden. Das Ziel des Designers ist es, seine vorhandenen Ressourcen möglichst hoch auszulasten, was ein ausgeprägtes Kapazitätsmanagement erfordert. Gleichzeitig muss er aber als Anbieter von Produktionsleistungen, die z.T. auch in andere Anwendungen eingehen, im ausgeprägteren Masse über ein Kompetenzmanagement verfügen. Insgesamt ist dazu eine modularisiertere, prozessorientiertere interne Struktur notwendig und nach extern werden Kooperationen gegenüber reinen Marktlösungen präferiert. Die Anforderungen an die Mitarbeiter sind in diesem Fall als deutlich höher einzuschätzen als beim Prozess-Spezialisten. • Der Lösungs-Provider Der Lösungs-Provider versteht sich ebenfalls nicht als reiner Produktanbieter. Er ist vor allem bestrebt, seinen Kunden eine hohe Verfügbarkeit an Lösungen zu garantieren. Dazu ist er darauf angewiesen, Kapazitäten und Kompetenzen professionell managen zu können. Dies erfordert eine hoch ausgeprägte Koordinationsflexibilität. Die interne Struktur muss ebenfalls hoch flexibel und in verschiedensten Kontexten anschlussfähig sein. Modularisierung und Prozessorientierung sind dabei unabdingbar. Um als Lösungs-Provider erfolgreich zu sein, sind hoch qualifizierte Mitarbeiter auf allen Stufen erforderlich, die systematisch weiterentwickelt werden müssen. Während sich die Unternehmenstypen Auslastungs-Optimierer, ProzessSpezialist und Designer in der Unternehmenspraxis verbreitet finden lassen, ist der Lösungs-Provider noch eine Ausnahme-Erscheinung. Dies hängt damit zusammen, dass der Lösungs-Provider eine integrierte Verschiebung des Ist-Profils eines klassischen Produzenten in allen Dimensionen erfordert, was gleichzeitig kaum möglich ist. Die erst genannten Unternehmenstypen können deshalb auch als Zwischentypen auf einem Transformationspfad verstanden werden, dessen Endpunkt der LösungsProvider darstellt. Es ist aber nochmals darauf hinzuweisen, dass immer in Abhängigkeit vom Umfeld zu entscheiden ist, welche Ausprägung adäquat ist.
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6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Nahe an das Profil des Lösungs-Providers heran kommt die Textil AG in der geplanten Neupositionierung mit verschiedenen Geschäftsfeldern. Die Service AG, eines dieser Geschäftsfelder, ist darauf ausgerichtet, die (auch latenten) Bedürfnisse eines Kunden in Produkte zu übersetzen und ihm das komplette Angebot inklusive Unterstützung am Point of Sales zu liefern. Dazu müssen die Entwickler der Textil AG eine hohe Flexibilität aufweisen und auch Fremdprodukte – basierend auf anderen als den gewohnten Bedürfnissen – entwerfen können. Dieses Modell ist nur durch eine modulare Prozessorganisation über das Gesamtunternehmen realisierbar. Dazu gehört auch das Zurückgreifen auf Fremdproduktionskapazitäten. Die Auslastung der eigenen Kapazitäten wird dadurch optimiert, dass Produktions-Vorstufen auch der Konkurrenz angeboten werden. Die Belegschaft muss dazu ein hohes Qualifikationsprofil aufweisen und permanent weitergebildet werden. Dazu wurde das Konzept einer Textil AG Akademie entworfen. Zur weiteren Konkretisierung wurden die Ausprägungen der Dimensionen der Supply AG in Abb. 6.12 eingezeichnet. Leistungsumfang
Ausrichtung
Einsatz
Ressourcen
Aktivitäten Adressierte Kundenbedürfnisse
Charakter Interne Struktur
Personalentwicklung
HR
Qualifikationsniveau
Verhalten
Externe Struktur
Organisation
Strukturen
Abb. 6.12 Beispiel Supply AG
Die Supply AG ist ein höchst erfolgreiches Unternehmen, das aber auf Grund einer immer dynamischeren Umfeldentwicklung zunehmend auch seine Grenzen spürt.
6.2 Ableitung der Gestaltungsdimensionen
229
Das Profil zeigt folgendes: • Die Positionen sind nicht konsistent rund um den Mittelpunkt angelegt. Dies kann zum Beispiel ein Ausdruck davon sein, dass als Reaktion auf die Umfeldentwicklungen bereits in verschiedenen Feldern Massnahmen zur Flexibilisierung gestartet wurden, die Abstimmung zwischen den Feldern aber noch nicht erfolgt ist. • Im Bereich adressierte Kundenbedürfnisse und Ausrichtung finden wir eher Innenpositionen vor. Dies bedeutet, dass man sich vorwiegend darauf konzentriert hat, vom Kunden definierte Anforderungen zuverlässig zu erfüllen und erst in Ansätzen darüber nachdenkt, was man als Lösungs-Provider in diesem Markt anbieten müsste. Dies deckt sich auch mit der Wahrnehmung des Unternehmens aus Kundensicht. Das Unternehmen wird als zuverlässig und stabil, aber als wenig innovativ angeschaut. • In der Ressourcenperspektive wird sichtbar, dass die Ressourcen weitgehend zu Eigenzwecken und in der eigenen Wertschöpfungskette eingesetzt werden, trotz nicht unerheblicher Investitionen in einzelnen Stufen in der Wertschöpfungskette, die eine hohe Auslastung erfordern würden. Der Charakter der Ressourcen ist zwar nicht ausschliesslich auf einen Zweck ausgerichtet, nichtsdestotrotz werden aber nicht systematisch sinnvolle Anwendungen für ein gezieltes Technologie-Leveraging identifiziert. Die gemeinsame Betrachtung der zwei Aktivitäts-Quadranten zeichnet ein Bild eines klassischen Zulieferers, der eher auf Anforderungen des Marktes und der grossen Kunden reagiert, als sich proaktiv positioniert und versucht seine Risiken zu reduzieren respektive den Return auf seinen produktiven Investitionen durch ein Leveraging zu erhöhen. Die StrategieDiskussion war in der Vergangenheit folgerichtig durch ein ausgeprägtes Auslastungsdenken bestimmt und Massnahmen wurden vor allem eingeleitet, wenn die Auslastung wichtiger Werke unter ein bestimmtes Mass fiel. • In der internen Struktur hat man verschiedene Anstrengungen unternommen, klare Prozesse zu definieren und auch kommunizierbar zu machen. Dies als eine Folge immer komplexer werdender Vorgänge, die nicht mehr durch vordefinierte Routinen bewältigt werden konnten. Um dies zusätzlich zu unterstreichen, wurde auch eine eigene Hauptabteilung für komplexere Projekte gegründet. Die bestehenden Organisationsbereiche spiegeln aber mehr das historische Wachstum des Unternehmens wider als eine aus der Strategie abgeleitete zukunftsfähige Struktur. Die externe Struktur ist vorrangig auf Marktlösungen ausgelegt. Kooperationen wurden bis vor kurzem aus Unabhängigkeitsüberle-
230
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
gungen abgelehnt. Einzelne Versuche wurden in Bereichen gestartet, in denen der Kunde eine Kooperation verschiedener Lieferanten forderte. Dies geschah aber wenig systematisch. • Im Bereich Human Resources wird im Vergleich der Dimensionen eine ausgeprägte Aussenposition erreicht. Dies hängt damit zusammen, dass der Standort des Unternehmens, der im Vergleich zu verschiedenen nationalen Grossstädten deutlich weniger attraktiv ist, das Unternehmen dazu zwingt, die Attraktivität durch andere Massnahmen zu steigern. Die Dichte an Leuten mit Universitätsabschluss ist zunehmend. Die Entwicklungsmöglichkeiten werden vom Einstieg her vorgezeichnet und systematisch begleitet. In der Summe lässt sich das Profil so interpretieren, dass – um die Zukunft des Unternehmens in einem dynamischeren Umfeld sicherzustellen – insbesondere die Positionen im Bereich Leistungsumfang und Ressourcen geklärt und systematisch angegangen werden müssen. Als Folge muss auch die interne Struktur in Richtung einer optimaleren Unterstützung weiter nach aussen entwickelt werden. Die Dimension externe Struktur muss so weit entwickelt werden, dass Kooperationen als vollwertige Möglichkeit der Leistungserstellung mitberücksichtigt werden. Der Quadrant Human Resources wird so belassen wie er ist. Es bleibt festzuhalten, dass es auch möglich respektive argumentierbar ist, wenn man in einzelnen Quadranten Extrempositionen einnimmt, die sich in der Folge in den anderen Ausprägungen nicht widerspiegeln. Dies muss aber auf jeden Fall über Spezifika des betrachteten Unternehmens begründbar sein. Im oben beschriebenen Fall würde sich z.B. die Human Resources Position auch im stabilen Umfeld nicht zwingend nach innen verlagern lassen, weil man den Standortnachteil irgendwie kompensieren muss. Bevor in der Folge ein möglicher Weg zur systematischen Ableitung der sinnvollen Position aufgezeigt wird, sollen zur Verdeutlichung der bisherigen Argumentation die Aussen- und die Innenposition unter den Bezeichnungen „flexibles“ respektive „statisches“ Unternehmen kurz beschrieben werden.
6.3 Flexibles und statisches Unternehmen Das flexible Unternehmen bietet Kunden Lösungen an, d.h. es ist in der Lage, die Situation des Kunden zu verstehen und spezifisch für diese Situation Gesamtangebote zu knüpfen, die die eigene Marktleistung als Kern
6.3 Flexibles und statisches Unternehmen
231
beinhalten, aber deutlich umfassender sind. Damit wird es erstens möglich, länger andauernde Kundenbeziehungen aufzubauen und zweitens durch den deutlich intensiveren und permanenteren Kundenkontakt in die Lage versetzt zu werden, latente Kundenbedürfnisse zu identifizieren, diese in die Weiterentwicklung und Neuentwicklungen des Unternehmens einfliessen zu lassen und damit zielsichere Leistungen auf den Markt zu bringen. Das Anbieten von Lösungen, d.h. eines Paketes von Produkten und Dienstleistungen, macht das Unternehmen ausserdem deutlich weniger konjunkturanfällig. Dienstleistungen, insbesondere Wartungs- und Beratungsleistungen (z.B. Applikationswechsel bei einer Hochvolumenmaschine), werden auch bei rückläufiger Konjunktur benötigt. Risiko mindern ... ... heisst:
Vervielfachen
- teilen - ausweichen „fremde“ Wertschöpfungsketten
Insourcing
Leveraging der Technologierendite
Risikominderung
Leveraging
Eigenkapazitäten
Einzigartigkeit
Abb. 6.13 Marketingleistungs-Doppelstrategie
Die verschiedenen Ressourcen i.S. von Maschinen, Leuten, aber auch deren Kombination zu Fähigkeiten etc., werden zur Optimierung der Auslastungen nicht nur in der eigenen Wertschöpfungskette eingesetzt, sondern es wird ein gezieltes In- und Outsourcing zur Sicherstellung einer konstant hohen Auslastung betrieben. Auf der anderen Seite sucht das flexible Unternehmen permanent nach Möglichkeiten, eine höhere Rendite aus seinen Einzigartigkeiten zu erzielen und, in Kombination mit herausragenden Kompetenzen anderer Unternehmen, z.T. ganz andere Kundensegmente mit höherwertigen Leistungen zu überraschen. Schuh spricht in diesem Zusammenhang bezogen auf die Produktion von einer Marktleistungs-Doppelstrategie (Abb. 6.13).78
78
Vgl. Schuh (2002b).
232
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
normativ
Definitionen NUP
strategisch operativ
Managementdimension
Auf der Organisationsseite ist das flexible Unternehmen modular prozessorientiert strukturiert, was es ihm erlaubt, verschiedene Geschäftsfelder mit ähnlich hoher Effizienz und Effektivität adressieren zu können. Ausserdem wird zur Abrundung des eigenen Angebots systematisch auf Kooperationen zurückgegriffen. Diese stellen eine Erweiterung des Möglichkeitsraums des flexiblen Unternehmens dar. Kurr greift z.B. um diesen Aspekt zu systematisieren auf den potenzialorientierten Ansatz von Pümpin 79 respektive dessen Erweiterung durch Binder und Kantowsky 80 zurück und führt den Begriff des Kooperationspotenzials ein, das sich als weiterer Produktionsfaktor des produzierenden Unternehmens verstehen lässt (Abb. 6.14).81
SE
Fähigkeiten
P
Kooperationspotenziale
Ressourcen Unternehmung
Markt
Umwelt
Systembezug
SEP-Set • Ein SEP-Set ist ein Bündel von besonderen Fähigkeiten und Ressourcen (SEP), welches zur Erschliessung eines bestimmten, attraktiven Nutzenpotenzials notwendig ist. Kooperationspotenziale • Kooperationspotenziale sind die besonderen Fähigkeiten und Ressourcen, die einem einzelnen Unternehmen zu einem SEP-Set fehlen.
Abb. 6.14 Kooperationspotenziale in der Systematik des potenzialorientierten Ansatzes
Auf die Gesamtsystematik des potenzialorientierten Ansatzes wurde in Abschn. 2.1.2.3 eingegangen. Als Abrundung und zur notwendigen Umsetzung der Aktivitäten in den unterstützenden Strukturen verfügt das flexible Unternehmen über eine hoch qualifizierte Belegschaft, die sowohl ein Gesamtverständnis des Unternehmens und des Unternehmenkontextes mitbringen, aber auch über spezialisiertes Wissen verfügen. Dieser Ressource wird durch eine systematische Weiterentwicklung, die einerseits strategisch abgeleitet wird und andererseits die jeweiligen Interessen der Mitarbeiter miteinbezieht, beVgl. Pümpin (1992a, b). Vgl. Binder und Kantowsky (1996). 81 Kurr (2004). 79 80
6.3 Flexibles und statisches Unternehmen
233
sonders Rechnung getragen. Dadurch wird auch die Bindung der Mitarbeiter in einer Zeit erhöht, die eher durch opportunistisches denn verpflichtendes Verhalten geprägt ist. In der Summe zeichnet sich das flexible Unternehmen durch ein hohes Ausmass an strategischer Flexibilität im Sinne der Darstellung in Abschn. 3.2 aus. Das statische Unternehmen auf der anderen Seite identifiziert sich weitgehend mit seinen eigenen Produkten. Der Leistungsumfang geht folgerichtig nur wenig darüber hinaus. Dienstleistungen werden rein produktunterstützend erbracht, d.h. in Bereichen, in denen sie vom Kunden gefordert sind und direkt die Funktionalität des Produktes ermöglichen (z.B. Montage und Inbetriebnahme-Dienstleistungen). Ein über die Ableitung von Kundenanforderungen hinausgehendes Denken in der Wertschöpfungskette des Kunden bleibt aus. Der Fokus der Entwicklungsanstrengungen liegt auf der Perfektionierung des Produktes und dessen Weiterentwicklung in technischer Hinsicht. Der Kundenkontakt ist weitgehend auf den Verkauf und allfällige Reparaturen beschränkt, sodass eine vertiefte Kundenbeziehung kaum aufgebaut werden kann. Die eingesetzten Ressourcen sind für den alleinigen Einsatz in der eigenen Wertschöpfung bestimmt, was bei konjunkturellen Schwankungen zu erheblichen Problemen und oft auch zu Stellenabbau führt. Damit geht auch Know-how verloren, das später nur unter erheblichen Schwierigkeiten wieder aufgebaut werden kann. Ein Leveraging der Einzigartigkeiten ist ebenfalls kaum ein Thema. Das statische Unternehmen konzentriert sich auf seine herkömmlichen Einsatzgebiete. In einem stabilen Umfeld sind die damit einhergehenden Investitionsrisiken beherrschbar. Schwierig wird es in dynamischeren Umfeldern. Das statische Unternehmen ist typischerweise hierarchisch organisiert. Spezialisierte in Funktionen gegliederte Stellen führen vordefinierte Tätigkeiten repetitiv aus. Auf Kooperationen wird nicht oder nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen. Notwendige Zukaufteile werden auf dem Markt beschafft. Die Beschaffung und der Einbau von das eigene Angebot abrundenden Leistungen horizontaler Marktspieler stehen nicht im Fokus der Betrachtung. Die starke Spezialisierung und Arbeitsteilung mit klaren Vorschriften erlaubt es, auch mit weniger qualifizierten Mitarbeitern erfolgreich am Markt bestehen zu können. Die Aus- und Weiterbildung erfolgt weitgehend on the job. In der Summe ist das statische Unternehmen durch eine hoch effiziente, arbeitsteilige Organisation gekennzeichnet, die es erlaubt, gleichartige Marktleistungen repetitiv mit wenig qualifizierten Mitarbeitern am Markt anzubieten. In einem planbaren, wenig dynamischen Umfeld ist dies ein Erfolgsrezept. Dies zeigen auch die historischen Beispiele erfolgreicher
234
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Massenproduktions-Unternehmen, wie sie z.B. von Chandler beschrieben wurden,82 eindrücklich auf.
6.4 Der Strategie-Audit Der Strategie-Audit ist der Einstieg in den Raster; er dient dazu, einerseits das Umfeld des Unternehmens transparenter werden zu lassen und andererseits darauf basierend die sinnvollste Positionierung für ein produzierendes Unternehmen ableiten zu können respektive, wie es der Begriff aussagt, eine definierte Strategie (implizit oder explizit) zu verifizieren und gegebenenfalls zu modifizieren. Für das produzierende Unternehmen gilt es dabei, eine Marktbeurteilung durchzuführen, ohne die eingesetzten produktiven Ressourcen, die unter Umständen den Möglichkeitsraum des produzierenden Unternehmens eingrenzen, zu negieren (vgl. zu den zwei Perspektiven Abb. 3.4). Aus diesen Perspektiven lassen sich Missionen ableiten respektive verifizieren. In Anlehnung an die vorher gemachten Ausführungen wird als zentrale Analyse-Einheit der erste Quadrant des vorgestellten Rasters definiert, d.h. der Leistungsumfang (vgl. Abb. 6.15). Die strategisch festgelegten Leistungsumfänge können als Brücke zwischen der Mission eines Unternehmens und den zur Erstellung notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen gesehen werden. Da wie festgestellt für das produzierende Unternehmen beide, sowohl die Missions-Perspektive, die tendenziell auf den Markt zielt und die Fähigkeitenbetrachtung relevant ist, drängt sich der Leistungsumfang als zentrale Analyseeinheit auf. Daraus lässt sich in der Folge die notwendige strukturelle Unterstützung ableiten. Um das Ergebnis argumentierbar zu machen, ist es notwendig eine nachvollziehbare Systematik anzuwenden und die Zwischenergebnisse aus dem Umfeld des Unternehmens respektive der Beurteilung der vorhandenen Fähigkeiten begründen zu können. Eine weitere Beurteilungsgrundlage muss in unserem Zusammenhang die Einschätzung bezüglich der Dynamik des Umfeldes des betreffenden Unternehmens sein. Die Wahrnehmung einer höheren Dynamik wird sich unter anderem darin zeigen, dass mehr Ziele formuliert werden; das Unternehmen in einem stabilen Umfeld hingegen kann sich auf wenige Ziele konzentrieren.83
82 83
Vgl. Chandler (1977, 1990, 1991). Vgl. dazu auch Bourgeois (1985), S. 553.
6.4 Der Strategie-Audit
235
Mission
Zentrale AnalyseEinheit!
Leistungsumfänge
Fähigkeiten
Organisation
Abb. 6.15 Wahl der zentralen Analyse-Einheit
Abbildung 6.16 zeigt schematisch dargestellt mögliche methodische Schritte zur systematischen Festlegung eines sinnvollen Leistungsumfangs in einem gewissen Umfeld auf. Zentral sind dabei nicht die angewendeten Methoden, diese sind beliebig erweiter- respektive substituierbar, zentral sind die Ergebnisse, die jeweils durch die Anwendung erzielt werden und sich in anderen Vorgehensweisen in ähnlicher Form auch wieder finden sollten. Dementsprechend wird die Erklärung von Abb. 6.16 entlang den zu erzielenden Resultaten und nicht entlang der eingesetzten Methoden strukturiert.
236
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
1)
G esam tsys tem
2)
Inte gra tion der funk tionalen Komp one nten
3)
Erw eitertes Bauteil mit Zusa tzfunktion en
4)
Status Quo -Le istun g Rehau
5)
Ba ute il
1
Funktionen:
Leistungsumfang pro Betrachtungsebene (1-5) definieren Bauteile:
Bauteile :
Bewertung der Leistungsumfänge Strategisch sinnvoll
Potentie lle Leistungsum fäng e
VISION
Prüfung der Leistungsumfänge hinsichtlich Visions-Konformität Play ers
Added Value
? Own Role::
?
Marketi ng planning in the civi l aircraft market for subassemblies
PARTS-Analyse pro Leistungsumfang
2
? Project acquisition ? Production of semi fin ished extru sion s and their machining & su rfa ce treatme nt ? Lead function for defined programs
?
Competitors: ? OEM and su bcontractors (eg: Dasa, Alen ia, Fokker, Saab) ? Compensatio n agreements with othe r co untries
Rules
Takin g o ver com plex ? processes from custo mers, reducing his production ? depth: ? Cost reduction due to smalle r in fra structure ? Reductcion of work/material in process ? ? JIT del ive ri es of the requi red quantitie s on time (elimination of la rg e ? buffe r stocks) ? Reduction of in ventories ? Rapid ada ption for new situations ? Potenti al to man ufacture small volume or custom- ? tailored solutions Simplifying lo gisti cs ? * 1 co ntact person only for the cutomer
The co llab oration within AGS is le gally bi nding through contracts. Customer app ro val procedures have to be considered. The requi red qua lity systems have to be in pl ace. Transparent co st calculations. C ustomers often hide the „real“ costs; hence internal benchmarking resu lts n price pressure Watch out not to be relegated as „pea k“ su pport su pplier. The so lutio nis to be found in gaining /obtainin g the transfer of know-how. (ex. Bosch ABS, Recaro seats, etc.)
Tactics
Scope
? Resistan ce from the ? Limitations for custo mer’s machine AL AG: ? C apacity limits for shops to outso urce extrusions and thei r (Red uce worries about added value processes. job security th rough: ? N o assembl y ca pability. ? Integrate ITEM/CIM in the in ital project phase.. ? D etect and se lect market ni ches and provide a to tal so lutio n to customers. ? Estab lish a marketing co ncept & marketing plan. ? C ommon/united market app ro ach and co mmunicatio n (AGS). ? D emonstrate fle xibi lity of AGS to al re ady well establi shed customers.
Potentielle L eistungsumfänge
3
? C apacities.
? Limitations for AGS:
? C apita l basis/ Warranty/Liabil ity ? Limited capacities for large projects ? R isk-Sharing-Projects in $xxx-millio ns ? Legal form of AGS ? Future l egal ch anges to a LTD-comp any of its own. ? Expa nsion of AGS thou gh othe r partne rs in Switzerland (no many pote ntial ca ndida tes).
Markt- und Visionsbezu g
SEP
... ??
Fähigkeiten: Leistu ng sentwicklu ng Leistungserstellung
Bewertung aus externer und interner Sichtweise Leistungsumfang
O perativ machbar
„Optimaler“ Leistungsumfang XY F ähigke ite nb ezu g
Missionsfindung
4
Abb. 6.16 Mögliche methodische Bestandteile Strategie-Audit
1. Klärung des Betrachtungsobjektes, eindeutige Definition der zu bewertenden Leistungsumfänge In vielen Unternehmen ist festzustellen, dass oft beträchtliche Verständnisunterschiede auch bei gebräuchlichen Begriffen bestehen. Dies führt dazu, dass in der Folge Meinungsdifferenzen auftreten, die nicht in der Sache, aber in unterschiedlichen Begriffsverständnissen begründet liegen. Es ist deshalb unterlässlich, dass einige Zeit darauf verwendet wird, die in der Folge systematisch zu bewertenden Leistungsumfänge auf eine Art zu beschreiben, die die Begriffe für alle am Strategie-Audit Beteiligten einheitlich verständlich machen. In oben stehender Abbildung wurde dafür eine eher technische Betrachtungsweise gewählt. Die Leistungsumfänge wurden aus zwei Perspektiven beschrieben, aus einer funktionalen, d.h. die verschiedenen Funktionen, die innerhalb eines Gesamtsystems zu erfüllen sind, wurden der Reihe nach aufgelistet. Dies wurde ergänzt um eine Aufzählung der verschiedenen Komponenten, die diese Funktionen erbringen. Diese Darstellung erlaubte es, aktuelle Lieferumfänge des eigenen Unternehmens im Markt klar zu kennzeichnen. Die Darstellung ist ausserdem dazu geeignet, verschiedene strategische Optionen im Leistungsumfang aufzuzeigen. Die Extrema sind dabei die Lieferung des gesamten Systems inklusive aller begleitenden Dienstleistungen sowie die Konzentration auf die Lieferung von
6.4 Der Strategie-Audit
237
Einzelteilen. Es ist vom jeweiligen Markt abhängig, wieviel Zwischenstufen sinnvollerweise bewertet werden sollten. Es drängt sich aber auf, nicht nur vom Status Quo nach oben zu gehen, also in Richtung Systemlieferant, sondern auch den Schritt nach unten, d.h. die Konzentration auf einzelne Komponenten und Teile zu bewerten, um nicht die Entscheidung vorwegzunehmen. An dieser Stelle kann auch die Typologie aus Kap. 3 (vgl. Abb. 3.5) herangezogen werden, um mögliche Positionierungsvarianten zu diskutieren. Während die Diskussion über mögliche Leistungsumfänge, die Übersetzung der sinnvollsten Varianten in eine entsprechende Rolle erst noch erfordert, erlaubt das Heranziehen der Typologie ein schnelleres Vorgehen, wobei zum Einsatz der Typologie die vier Felder bei den Beteiligten auf Akzeptanz stossen müssen. 2. Klärung des Umfeldes, in dem die Leistungsumfänge angeboten werden Um bei der späteren Gesamtbewertung auf Basis des Marktes argumentieren zu können, wird für jeden betrachteten Leistungsumfang eine sog. PARTS-Analyse durchgeführt.84 Dabei werden innerhalb des Spielfeldes, das der jeweilige zu bewertende Leistungsumfang aufspannt, die jeweiligen Marktspieler unterschieden in Kunden, Konkurrenten, Lieferanten, Komplementoren und das jeweilige Unternehmen selbst analysiert (Player) und daraus die jeweiligen Added Values, die gültigen Regeln (Rules), die beobachtbaren Verhaltensweisen (Tactics) und die Grenzen des Spielfeldes (Scope) skizziert und argumentiert. Die Anfangsbuchstaben der jeweiligen Analyse-Einheiten geben der Methode ihren Namen. Es handelt sich dabei um eine spieltheoretische Erweiterung einer klassischen 5-Forces Analyse nach Porter.85 Der Aufwand für die Erstellung einer solchen Analyse ist nicht zu unterschätzen, oft müssen gerade zur Fundierung der Aussagen über die anderen Marktplayer Informationen erst noch beschafft werden, um überhaupt Aussagen machen zu können, die sich auch zu Konsequenzen in Hinblick auf den Leistungsumfang und das eigene Unternehmen verdichten lassen. 3. Klärung der für ein Erfolg versprechendes Anbieten notwendigen Erfolgspositionen und Fähigkeiten Um in der Folge auch in der Lage zu sein, von den Fähigkeiten her argumentieren zu können, werden für jeden Leistungsumfang auf Basis der Marktanalysen die sog. Strategischen Erfolgspositionen (SEP) bestimmt und bis zu Fähigkeiten heruntergebrochen. Eine strategische Er-
Vgl. dazu Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 81ff. und Brandenburger/Nalebuff (1995), S. 59ff. 85 Vgl. dazu z.B. Porter (1985), S. 4ff. 84
238
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
folgsposition ist nach Pümpin 86, wie in Abschn. 2.1.2.3 beschrieben, „eine bewusst geschaffene Voraussetzung, die es einem Unternehmen erlaubt im Vergleich zur Konkurrenz auch längerfristig überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen.“ In diesem Schritt geht es darum, solche Voraussetzungen zuerst einmal vom Markt her, d.h. unabhängig von den spezifischen Fähigkeiten des Unternehmens, zu identifizieren. Im Folge-Schritt wird die Frage gestellt, was für Fähigkeiten erforderlich sind, um diese Position auch wirklich besetzen zu können und wer von den Konkurrenten eventuell in einer besseren Ausgangsposition ist oder diese SEP aktuell sogar bereits besetzt. Die Gegenüberstellung mit den vorhandenen Fähigkeiten erlaubt es dem Unternehmen in der Folge, einerseits den Aufwand für den Aufbau der SEP und damit auch für den Einstieg in den Markt für diesen Leistungsumfang abzuschätzen, andererseits aber auch zu fundierten Einschätzungen bezüglich der Ressourcenseite zu kommen. Einen Wettbewerbsvorteil ergibt sich insbesondere dann, wenn zur Besetzung dieser Erfolgspositionen bereits auf bestehende strategische Erfolgspotenziale zurückgegriffen werden kann. Da diese die Kernfähigkeiten des Unternehmens beschreiben, bilden sie die Voraussetzung für den Erfolg.87 4. Bewertung der verschiedenen Leistungsumfänge Der abschliessende Schritt stellt eine Bewertung der Leistungsumfänge aus externer (Abb. 6.17) und interner (Abb. 6.18) Perspektive dar. Das abgebildete Beispiel zeigt auch, dass die zu Grunde gelegten Bewertungskriterien immer Spezifika des betrachteten Unternehmens und dessen Umfeld reflektieren und nicht allgemein gültig festgelegt werden können. Aus externer Perspektive fallen z.B. folgende Punkte auf: • Punkt 2: subjektive Wertschöpfung Dieser Punkt liegt darin begründet, dass es im betrachteten Markt (Automobilzulieferer-OEM) in verschiedenen Bereichen um Personen geht und sich Abnahme-Entscheide nicht nur rein rational begründen lassen. Dies soll mit dem zusätzlichen Bewertungskriterium adressiert werden. • Punkt 6: Konformität mit OEM-Strategie Da der Automobilzulieferbereich nach wie vor stark durch die OEMs geprägt ist, würde das Angebot eines Leistungsumfangs, der aktuellen Vergabegrundlagen der OEMs diametral widerspricht, wenig Erfolg versprechend sein. Aus interner Perspektive sind insbesondere die Punkte 20–24 zu erwähnen, die in diesem Fall als Vorgabe des Unternehmensbesitzers bereits 86 87
Vgl. Pümpin (11992a, b). Vgl. Bleicher (1995), S. 208.
6.4 Der Strategie-Audit
239
im Vorfeld in die gesamte Strategie-Diskussion eingeflossen sind und deshalb in der Bewertung besondere Beachtung fanden. interne externe Sicht Sicht Gew.
Bewertung 1
1
Kundennutzen (addedvalue)
x
negativer Einfluss
x
sehr hoch
hoch
mittel
4
subjektive Wertschätzung Kommunikationsaufwand Nachfrageerwartung (im Vergleich zum Status Quo)
x
Wettbewerbssituation
x
niedriger Wettbewerbsnachteil
gleich intensiver Wettbewerb
höher
5
x
keine Konformität
x
niedriger gleich Aufbau von starken Aufbau von Abhängigkeiten Abhängigkeiten
Marktbezug
3
Konformität mit OEMStrategie Renditeerwartung im Vgl. zur bestehenden UR
6 7 8
Umfeldbezug
9
Ergebnis geänderter Positionierung Technologiepotenzial
2
gering
3
mittel hoch vernachlässigbarer Einfluss positiver Einfluss
2
x
2
Entwicklungstechn.
x x
verdrängte 0.5 Technologie verdrängte 0.5 Technologie
gering
viel höher nachhaltige Wettbewerbsvorteil Differenzierung umfassende Konformität mit geringe Konformität hohe Konformität allen OEMs
Basistechnologie
höher Aufbau von Abhängigkeiten für andere Schlüsseltechnologie Schlüsseltechnologie
viel höher Aufbau von starken Abhängigkeiten für andere Schrittmachertechnologie Schrittmachertechnologie bekannt stark positive Beeinflussung
x
Fertigungstechn.
4 sehr hoch stark positiver Einfluss
Basistechnologie
Beschaffungsmarkt/ Lieferanten (Rohstoffe, 10 Bauteile)
x
11 Einfluss von Trends
x
nicht bekannt starke negative Beeinflussung
teilweise bekannt negative Beeinflussung
fast vollständig bekannt positive Beeinflussung
x
kaum umsetzbar (weder allein noch mit Unterstützung)
über externe Unterstützung (z.B. Kooperation, Akquisition) vielleicht umsetzbar
über externe Unterstützung (z.B. Kooperation, Akquisition) gut im Alleingang umsetzbar umsetzbar
12 Umsetzbarkeit
Abb. 6.17 Bewertung aus der externen Perspektive 88
Um das Resultat möglichst breit abzustützen und mögliche Differenzen in der Einschätzung ausdiskutieren zu lassen, kann die Bewertung z.B. in verschiedenen Gruppen unabhängig voneinander gemacht werden. Die Gruppenresultate werden in der Folge übereinander gelegt und grosse Abweichungen in der Bewertung in der Gesamtgruppe diskutiert. Die jeweiligen Gruppensprecher müssen dabei ihre Bewertung aus den Resultaten der PARTS- oder der SEP-Analyse begründen und in den spezifischen Unternehmenskontext stellen. Als Ergebnis der Bewertung gibt es einen für das Unternehmen prioritär anzustrebenden Leistungsumfang. Das Ausmass der Entfernung dieses Umfangs vom Status quo erlaubt einen Rückschluss darüber, inwiefern das Umfeld flexiblere Konzepte erfordert. Um die Konsistenz dieser strategischen Betrachtung zu prüfen, kann in der Folge eine qualitative Beurteilung der erforderlichen Flexibilität mit Hilfe des in Abschn. 3.4 vorgestellten Rasters der „wettbewerbsfähigen Positionierung“ vorgenommen werden. Ergibt sich auch da, dass die aktuelle Position des Unternehmens unterhalb der Diagonale liegt, wird eine Flexibilisierung prinzipiell unterstützt respektive bestätigt.
88
In Anlehnung an Brandenburg (2002), S. A-35 mit unternehmensspezifischen Anpassungen.
240
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Vision
Orgabezug
Fertigungsbezug
Entwicklungsbezug
interne externe Sicht Sicht Gew.
2
Bewertung 1
2
3
muss aufgebaut werden
weitgehend teilweise vorhanden vorhanden
4 vollständig vorhanden
13 Entwicklungskompetenz
x
14 Entwicklungskapazität
x
keine Kapazität
Kapazität knapp
ausreichend Kapazität
Synergien in der 15 Entwicklung
x
nicht nutzbar
teilweise nutzbar
weitgehend nutzbar vollständig nutzbar
16 Fertigungskompetenz
x
muss aufgebaut werden
Kapazitätsüberschuss
17 Fertigungskapazität
x
keine Kapazität
weitgehend teilweise vorhanden vorhanden ausreichend Kapazität knapp Kapazität
vollständig vorhanden Kapazitätsüberschuss
Synergien in der 18 Fertigung
x
nicht nutzbar
teilweise nutzbar
weitgehend nutzbar vollständig nutzbar
Eignung bestehender 19 Organisation
x
ungeeignet
bedingt geeignet
mit Modifikationen geeignet
gut geeignet
20 1/3 Regel
x
wirkt entgegen
neutral
unterstützt
unterstützt stark
21 Unabhängigkeit (Viability)
x
wirkt entgegen
neutral
unterstützt
unterstützt stark
22 Wettbewerbsfähigkeit
x
wirkt entgegen
neutral
unterstützt
unterstützt stark
23 angemessene UR
x
wirkt entgegen
neutral
unterstützt
unterstützt stark
24 Vorbildfunktion
x
wirkt entgegen
neutral
unterstützt
unterstützt stark
Abb. 6.18 Bewertung aus der internen Perspektive 89
Um in der Folge in der Lage zu sein, basierend auf diese Einschätzung des Flexibilitätsbedürfnisses, die korrespondierenden Positionen sämtlicher Quadranten des Rasters professionell adressieren zu können, sind weitere Ansätze im Unternehmen anzuwenden. Im Sinne eines Überblicks wird deshalb nach der Beschreibung eines integrierten Planungs- und Führungsprozesses im darauf folgenden Abschnitt für jeden Quadranten aufgezeigt, was für Ansätze für eine Flexibilisierung des Unternehmens, sprich eine Bewegung in Richtung einer weiter aussen liegenden Position, sinnvoll sein könnten. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend zu verstehen.
6.5 Integrierter Planungs- und Führungsprozess 90 Der integrierte Planungs- und Führungsprozess erlaubt eine regelmässige Überprüfung und Anpassung der Strategie. Der Planungsteil des integrierten Planungs- und Führungsprozesses gliedert sich in zwei Teile, die strategische und operative Planung (vgl. Abb. 6.19). 89
90
In Anlehnung an Brandenburg (2002), S. A-34 mit unternehmensspezifischen Anpassungen. Die folgende Darstellung orientiert sich weitgehend am Vorgehen der GPS Schuh & Co. GmbH, die einen solchen Prozess bei diversen Unternehmen der produzierenden Industrie eingeführt hat. Zu einer Beschreibung aus Beratersicht vgl. z.B. Schittny (2002a, 2002b).
6.5 Integrierter Planungs- und Führungsprozess
241
(Futura I)
Strategische Planung
Vorschlag für Eckwerte
Festlegung der Eckwerte (Futura II)
Operative Planung
Freigabe der Planung
Zielvereinbarungen
BudgetPräsentation
Abb. 6.19 Der Planungs- und Führungsprozess
Der strategische Planungsworkshop, Futura 1, ist vergleichbar mit dem oben vorgestellten Strategie-Audit. Im Vordergrund steht die Entwicklung respektive die Überprüfung des strategischen Programms. Dies wird basierend auf Positionierungsüberlegungen gemacht, wie sie z.B. mit der PARTS-Analyse oder einer klassischen 5-forces-Analyse nach Porter abgeleitet werden können. Im Vordergrund stehen qualitative Überlegungen und Aussagen inklusive der Definition von Projekten und ersten Überlegungen zu verfügbaren und notwendigen Ressourcen. Um die Aussagen breit abzustützen und zu einem gemeinsamen Verständnis über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens zu kommen, wird der Futura 1 Workshop mit Vertretern aller Funktionen und der relevanten Vertriebseinheiten durchgeführt. Als Output des Workshops werden zu erreichende und in der Folge weiter zu operationalisierende und überprüfende Eckdaten abgeleitet. Anlässlich der sog. Eckdatensitzung (vgl. Abb. 6.20) werden die Strategie und die daraus resultierenden Eckdaten für die operative Planung mit der Gesamtgeschäftsleitung abgestimmt. Die Eckdatensitzung ist das Ve-
242
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
hikel, um das strategisch Wünschbare mit dem finanziell und operativ Machbaren abzugleichen.
Führung regelmässig monatlich
Planung regelmässig pro Jahr Managementbewertung
strategische Planung Futura I Bewertung und Steuerung
Soll =D Ist
Eckdatenvereinbarung
Korrekturmassnahmen
operative Planung Futura II
Zielvereinbarung
April
Juli
Sept.
monatlich
Abb. 6.20 Eckdatensitzung
Der erste Teil der operativen Planung beinhaltet die üblichen, weit verbreiteten Kostenstellen- und Kostenträgerplanungen. Im zweiten Teil, dem operativen Planungsworkshop Futura II, wird die Bottom-Up-Detailplanung in Hinblick auf die Erreichung der vereinbarten Eckdaten diskutiert und verabschiedet. Differenzen zu den vereinbarten Eckdaten müssen anlässlich dieser Sitzung nachvollziehbar begründet werden. Ergänzt wird das Ganze um einen unterjährigen Führungsprozess, der sich aus monatlichen Soll-Ist-Analysen (inkl. Korrekturmassnahmen und Aktionen) sowie der Mitarbeiterbeurteilung am Ende des Geschäftsjahrs zusammensetzt. Die Ziele werden dabei qualitativ und quantitativ aus strategischer und operativer Planung bis auf die einzelnen Funktionen heruntergebrochen. Die umfassende Involvierung aller Führungskräfte in diesem Prozess stellt ein hohes Commitment sicher.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
243
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten Der folgende Abschnitt dient dazu, Hinweise dafür zu geben, mit welcher methodischen Unterstützung und welchen Ansätzen der Weg von einer Innen- auf eine Aussenposition in den verschiedenen Quadranten unterstützt werden kann. Einzelne der erwähnten Methoden werden jeweils vertiefter beschrieben, um ein Verständnis für die flexibilisierende Wirkung zu schaffen. Zentral ist aber wiederum nicht die konkrete Methode, sondern sind die Ziele, die damit adressiert werden. Andere Methoden, die Ähnliches leisten, können selbstverständlich auch zum Einsatz kommen. Damit wird auch bewusst kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Kapitel 7 vertieft zwei zentrale Ansätze mit Auswirkungen über alle Quadranten hinweg, die Systematisierung des Kooperations- und des Dienstleistungsmanagements zu eigentlichen integrierten Entscheidungsmodellen und beleuchtet dabei auch kritische Punkte. Der dritte umfassendere Ansatz, das integrierte Innovationsmanagement, wird als besser bekannter Ansatz zur Steigerung der Flexibilität noch am Ende dieses Kapitels behandelt. 6.6.1 Quadrant Leistungsumfang Im Quadranten Leistungsumfang ist auf dem Weg zum flexiblen Unternehmen das Erreichen verschiedener Zielsetzungen methodisch zu unterstützen. Die Ableitung einer sinnvollen Positionierung abhängig vom Umfeld wurde mit dem Strategie-Audit im vorherigen Kapitel bereits beschrieben. Um in der Lage zu sein, auch latente und segmentspezifische Kundenbedürfnisse 91 mit den eigenen Leistungen adressieren zu können, müssen geeignete Methoden bereitgestellt werden, die einerseits eine systematische Kundensegmentierung ermöglichen und andererseits dem Unternehmen dazu verhelfen, auch beim Kunden nicht nur explizit vorhandene Bedürfnisse eruieren zu können. Im Vordergrund steht die Fähigkeit, in den frühen Phasen der Produktentstehung erfolgreich agieren zu können. Um den Leistungsumfang professionell und Erfolg versprechend ausweiten zu können, braucht es ausserdem eine Fähigkeit, in Kundenprozessen zu denken sowie die Bereitschaft, Unternehmenshürden bei der Festlegung des anzubietenden Leistungsumfangs fallen zu lassen und Kooperationspotenziale gleichberechtigt in die Überlegungen miteinzubeziehen. Ein systematisches Kooperationsmanagement hilft einem bei letzterem, ein professio91
Boutellier et al. (1999), S. 16f., sprechen von einem Trend hin zu mehr Marktsegmentierung und Kundenfokus.
244
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
nelles Dienstleistungsmanagement kann sowohl dabei helfen, latente Kundenbedürfnisse zu erfassen wie auch die Lösungsqualität der Unternehmensleistung zu erhöhen. Da diese zwei umfassenderen Ansätze in allen Quadranten bei der Flexibilisierung eine Rolle spielen, werden zum Abschluss dieses Kapitels nur einige Ausführungen dazu gemacht und eine Vertiefung im nächsten Kapitel angeschlossen. An dieser Stelle seien deshalb nur einige ergänzenden Methoden aufgeführt: Ausrichtung Lösungen Flexibles Unternehmen
• Professionalisierung des Managements Industrieller Dienstleistungen • Einsatz systematischer Methoden zur Erfassung von Kundenbedürfnissen pro Kundensegment • Systematischer Einbezug von Kooperationspotenzialen • Strategie-Audits • Qualitätsmanagement • Variant Mode and Effect Analysis
Produkte
Statisches Unternehmen
Adressierte Kundenbedürfnisse
Latente und segmentspezifische
StandardKunde
Abb. 6.21 Methoden und Ansätze im Quadranten Leistungsumfang
6.6.1.1 Aktuelle Ansätze des Innovationsmanagements in den frühen Phasen und Methoden zum Erfassen (latenter) Bedürfnisse Die klassischen Innovationsprozesse vernachlässigen alle das sog. „Fuzzy Front End“ 92 des Innovationsprozesses, welches noch vor der Ideenfindung beginnt und bis zur Entscheidung für eine oder mehrere Ideen reicht.93 Die „Fuzzy-Front-End“-Phase ist im Gegensatz zur Entwicklungsphase dyna-
Als Fuzzy wird es bezeichnet, weil die in diesem Kontext ablaufenden Aktivitäten bis anhin kaum strukturiert sind. Reinertsen (1999), S. 25 hält z.B. fest: „... – the so called fuzzy front end – is often lengthy, typically poorly understood, and usually full of opportunities for improvement.“ Vgl. dazu z.B. auch Rice et al. (2001), Dooley et al. (2002) oder Kim/Wilemon (2002). 93 Vgl. Brandenburg (2002), S. 14f. 92
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
245
misch, nicht routinisierbar und ungewiss.94 Das systematischere Managen dieser Phase würde helfen, spätere teure Veränderungen zu verhindern und die Zielsicherheit der Produkte zu erhöhen.95 Das wichtigste Ziel dieser Phase ist es, die Anforderungen des späteren Entwicklungsprojektes zu verstehen sowie ein klar definiertes Produktkonzept hervorzubringen.96 Die Grundproblematik der Produktentwicklung beschreiben von Hippel und Thomke folgendermassen: „In a nutshell, product development is often difficult because the „need“ information (what the customer wants) resides with the customer, and the „solution“ information (how to satisfy those needs) lies with the manufacturer.“ 97 Es existieren verschiedene Methoden, um die Zielgenauigkeit von Innovationen zu erhöhen. Ein wesentlicher Ansatz ist der unmittelbarere Einbezug des Kunden in den Innovationsprozess.98 Caterpillar, z.B. bei seinem Turnaround Mitte der 90er Jahre, sensibilisierte seine Entwicklungsingenieure dafür, Kunden bei der Anwendung der Produkte zu beobachten.99 Entscheidend ist dabei aber, in der Lage zu sein, über die direkt artikulierten Bedürfnisse des Kunden hinauszugehen. Chandy und Tellis sprechen von einem Fokus auf „zukünftige Märkte“ und meinen damit „... the extent to which a firm emphasizes future customers and competitors relative to current customers and competitors.“ 100 Dazu gehört, gemäss den Autoren, ein gewisser Wille zur Kannibalisierung. Das Management dieses Prozesses stellt in der Konsequenz hohe Anforderungen an das Unternehmen, um die organisationale Inertia zu überwinden.101 Zu den klassischen Methoden die Zielgenauigkeit der InnoVgl. Kim/Wilemon (2002), S. 270. Kärkkäinen et al. (2001), S. 391: „According to several studies, product development projects based on carefully defined customer needs are more likely to succeed than those based on new technological opportunities.“ 96 Ebenda, S. 271. 97 Von Hippel/Thomke (2002), S. 76. 98 Obwohl dies auch kritisch diskutiert wird, insbesondere vor dem Hintergrund auch radikale Innovationen hervorbringen zu können. Chandy und Tellis (1998), S. 479 stellen z.B. fest, dass „... the literature seems to suggest that radically innovative firms must ignore their customers“. Kärkkäinen et al. (2001), S. 393 führen an: „It is often claimed that the customer is the best expert of his needs. However, customers are not able to or will not always tell about their needs directly.“ 99 The Economist (1998c) beschreibt dies folgendermassen: „Engineers go out to building sites around the world to stand and stare at customers using their products, to see if they can work out ways to improve them.“ 100 Chandy/Tellis (1998), S. 479. 101 Gemäss Adams et al. (1998) zitiert aus Kärkkäinen (2001), S. 394: „... some important barriers affecting the learning about market needs are concerned with 94
95
246
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
vation an einer frühen Stelle im Prozess zu erhöhen und das „Fuzzy Front End“ besser zu managen, gehören Kreativitätstechniken, die es z.B. erlauben an Stelle der Lösung, das Bedürfnis zu erkennen und in Kundenprozessen zu denken respektive diese zu hinterfragen.102 Quality Function Deployment (QFD), welches zwar nicht direkt bei der Identifikation der Bedürfnisse hilft, aber ein geeignetes Mittel ist, um Kundenbedürfnisse aus der Sprache der Kunden in Produktspezifikation zu übersetzen, kann zur Schärfung des Produktkonzeptes entscheidend beitragen. Ebenfalls zu einer Schärfung und früheren Klärung kritischer Punkte tragen heutige Methoden des „Rapid Prototyping“ 103 bei. Zukunftsorientierte Methoden, wie Roadmapping, Szenario Management,104 Lebenszyklusmodelle und Portfolio-Analysen helfen bei der Evaluation zukünftiger Bedürfnisse. Der Miteinbezug von latenten oder auch zukünftigen Bedürfnissen ist deshalb entscheidend, weil das alleinige Abstellen auf direkt identifizierbare Kundenbedürfnisse zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit in einem dynamischeren Umfeld führen kann,105 zumal gerade die traditionell eingesetzten Methoden der Marketing Forschung dadurch gekennzeichnet sind, dass sie sich auf Kunden beziehen, die im Zentrum des anvisierten Marktes stehen und in der Regel nur Bedürfnisse erfassen, die Problemfindung aber der Fertigung überlassen.106 Ein Teil der hier erwähnten Methoden wird unter dem Quadranten Ressourcen nochmals aufgegriffen und dort näher erläutert. An dieser Stelle sei QFD detaillierter beschrieben, da es, wie viele Methoden, die aus dem Bereich des Qualitätsmanagements kommen, insbesondere die Kommunikation über verschiedene Funktionen im Unternehmen hinweg unterstützt.
the tendency in organizations to rely on established understandings about what is important in product development and the utilization of market information only if it conforms to prior expectations.“ 102 Kärkkäinen et al. (2001), S. 395. 103 Vgl. z.B. Gunasekaran (1998), S. 131, der Rapid Prototyping im Kontext der agilen Produktion beschreibt. Entscheidend ist, dass der Prototyp, dadurch dass er kritische Charakteristika bereits früh darstellt, zu Kommunikation und zur Klärung des Produktkonzeptes verwendet werden kann. 104 Brandenburg (2002), S. 25f., hält als Kritik an der Szenario-Technik fest, dass die Philosophie der multiplen Zukunft in der Regel dazu führt, dass kaum eindeutige Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können. Ausserdem werden keine Hilfsmittel angeboten, die eine systematische Ableitung von Innovationsideen aus den Zukunftsbildern unterstützen würden. 105 Vgl. z.B. Christensen (1997). 106 Vgl. Lilien et al. (2002), S. 1043.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
247
Quality Function Deployment (QFD) Unter dem Begriff Quality Function Deployment (QFD) werden Werkzeuge und Methoden zusammengefasst, die helfen, im Rahmen der Qualitätsplanung Kundenbedürfnisse in anbietbare Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen. QFD wurde ursprünglich in den 70er Jahren bei Mitsubishi in Japan entwickelt und stellt sicher, dass die Stimme des Kunden sowohl in der Marketing-, F&E-, Engineering- und Fertigungsstufe des Entwicklungsprozesses Eingang findet.107 Zentrales Instrument des QFD ist das sog. House of Quality. Dieses lässt sich schrittweise auf den ganzen Entwicklungsprozess ausdehnen (Abb. 6.22).108 Gemäss Seghezzi lässt sich das House of Quality jeweils in zehn Schritten durchlaufen.109 Im ersten Schritt werden die Kundenanforderungen in der Sprache des Kunden erhoben und im zweiten Schritt gewichtet. Der dritte Schritt umfasst die Bewertung bestehender Produkte des Unternehmens und der Konkurrenz bezüglich der festgelegten Kundenanforderungen. Im vierten Schritt werden die Kundenanforderungen in technische Produktmerkmale übersetzt, diesmal in der Sprache des Herstellers. Im fünften Schritt werden die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen technischen Merkmalen und den Kundenbedürfnissen in eine Einflussmatrix eingetragen. Dieser Schritt ist von besonderer Bedeutung, da er die rationale Grundlage für die Diskussion zwischen den verschiedenen Interessengruppen aus F&E, Marketing und Produktion darstellt. Im sechsten Schritt wird die Bedeutung der technischen Merkmale erarbeitet, um anschliessend im siebten Schritt eine Bewertung bestehender Produkte aus dem eigenen Angebot und dem Angebot der Konkurrenz vorzunehmen. Der achte Schritt umfasst ein Abschätzen der Schwierigkeit einer technischen Realisierung. Schritt neun beschäftigt sich mit der Festlegung der Zielgrössen für die Neuentwicklung und der abschliessende Schritt 10 dient der Erbauung des Daches des Hauses, d.h., die Korrelationen zwischen den technischen Merkmalen werden als Grundlage für die weitere Arbeit der technischen Mitarbeiter eingetragen.
Vgl. Yang et al. (2003), S. 84. Klein (1999), S. 74. 109 Vgl. Seghezzi (2003), S. 321 ff. 107 108
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement Produktplanung
Baugruppen- und Teileplanung Prozessplanung
Prozessmerkmale
Erfüllungsgrad
Zielgrössen
Herstell- und Prüfwareneingang
Designmerkmale
Zielgrössen
Fertigungs- und Prüfplanung
Designmerkmale Qualitätsmerkmale
Konkurrenzfähigkeit
Kundenanforderungen
Qualitätsmerkmale
Zielgrössen
Prozessmerkmale
248
Zielgrössen Umsetzungscontrolling
Abb. 6.22 QFD Teilschritte
Ein Beispiel eines House of Quality mit den nummerierten Schritten findet sich in Abb. 6.23).110 Zusammenfassend stellt QFD ein Instrument zur strukturierten Diskussion in einem überfunktionalen Team dar und gewährleistet, dass die Kundenbedürfnisse in die Entwicklung einfliessen. Damit wird die funktionsübergreifende Kommunikation erleichtert und der spätere Abstimmungsund Planungsaufwand verringert. In der Regel treten auch kürzere Entwicklungszeiten, verringerte Qualitätskosten sowie eine Steigerung der Kundenzufriedenheit auf.111 Wichtig ist auch das Hineinversetzen in den Kunden und die Übernahme seiner Sprache am Beginn der Entwicklung. Es kann damit gelingen, relativ früh zur Klärung des „Fuzzy Front End“ beizutragen. QFD wird verschiedentlich kritisiert wegen dem strikten Abstellen auf den Kunden als Quelle für die Weiterentwicklungen. In diesem Sinne gilt es sicherzustellen, dass sich die Eingang findenden Kundenbedürfnisse nicht allein auf die Befragung bestehender Kunden beziehen, sondern auch Lead-User-Konzepte 112, Fokus Gruppen, Tiefeninterviews und Ähnliches zur Erhebung der Bedürfnisse eingesetzt werden.
Seghezzi (2003), S. 322. Vgl. zum Nutzen von QFD z.B. auch Schröder/Zenz (1996), Spalte 1709. 112 Lead-User-Konzepte versuchen z.B. auch ähnlich gelagerte Fälle aus anderen Märkten zu berücksichtigen, vgl. z.B. Lilien et al. (2002), S. 1042. 110 111
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten Korrelationsmatrix + positiv - negativ
10b
4
66
2
2
4
4
1
2
3
9
15 21
9
3
23 13 22
6
in % 10 12 17
7
2
19 10 18
5
Technischer besser Wettbewerbsvergleich schlechter Technische Bedeutung
abs.
Kundenvergleich schlechter
asphärich
1
Schwierigkeitsgrad
besser
Reflexionsgrad
Oberfläche
Steifigkeit 2
4
Zielgrössen
77
3
3 3
4
99
88
2
55
–
blendet nicht
2
getönt
3
1 1
< 60 %
4
hält lange
3
–
vibriert nicht
3
< 2 dB
3
< 2 dB
5
ist leise
1
6W
sieht gut aus
33
3 3
–
5
kein Leck
2
funktioniert gut
+
Motorgeräusch
g un ht ic
kein toter Winkel
Windgeräusch
ew
Kundenanforderungen
Motorleistung
G
11
farbig
22
wasserdicht
44
Bevorzugte Variationsrichtung Maximum neutral Minimum
10a
–
= Reihenfolge der Schritte Qualitätsmerkmale
xx
249
Konkurrenzvergleich - aus Kundensicht - aus technischer Sicht Produkt A Produkt B
Abb. 6.23 House of Quality für einen Aussenspiegel
6.6.1.2 Komplexitäts- und Variantenmanagement Die Gefahr, die bei einer strikten Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse besteht, ist dass jede Entwicklung und jegliche Aktivität kundenindividuell ausgestaltet wird. Dies würde unternehmensintern eine Komplexität generieren, die weder finanzier- noch bewältigbar wäre. Ein professionelles Komplexitäts- und Variantenmanagement kann dem entgegenwirken. Schuh und Schwenk definieren die Begriffe folgendermassen: 113 Komplexitätsmanagement „umfasst die Gestaltung, Steuerung und Entwicklung der Vielfalt des Leistungsspektrums (Produkte, Prozesse und Ressourcen) im Unternehmen. Durch die Verstärkung und Dämpfung der Komplexität wird die Fähigkeit angestrebt, die Vielfalt in allen Wertschöpfungsstufen so zu beherrschen, dass ein maximaler Beitrag zum Kundennutzen bei gleichzeitig hoher Wirtschaftlichkeit des Leistungserstellers erzielt werden kann“ und 113
Schuh/Schwenk (2001), S. 44f.
250
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Variantenmanagement „umfasst die Entwicklung, Gestaltung und Strukturierung von Produkten und Dienstleistungen bzw. Produktsortimenten im Unternehmen. Dadurch wird angestrebt, die vom Produkt ausgehende Komplexität (Anzahl Teile, Komponenten, Varianten, usw.) wie auch die auf das Produkt einwirkende Komplexität (Marktdiversifikation, Produktionsabläufe, usw.) mittels geeigneter Instrumente zu bewältigen.“ Zur Bewältigung dieser Aufgabe entwickeln die Autoren einen auf dem St. Galler Management Konzept beruhenden integrierten Ansatz und stellen eine Vielzahl an Ansätzen und Instrumenten zur Verfügung. Dazu gehören unter anderem Produktstrukturierung (Modularisierung, Paketisierung, Baukasten- und Baureihenbildung), vielfaltsorientierte Produktprogrammplanung, Variant Mode and Effects Analysis (VMEA) sowie verschiedene Bewertungsinstrumente wie z.B. die Ressourcenorientierte Prozesskostenrechnung (RPK). Wegen ihrer Bedeutung und des Querschnittcharakters sei an dieser Stelle die VMEA ausführlicher dargestellt; zur Anwendung der anderen Instrumente und weiteren Ausführungen zum Thema sei an dieser Stelle auf das Original verwiesen. Die VMEA ist eine systematische Vorgehensweise, die sowohl die technische als auch die kostenmässige Beherrschung der Variantenvielfalt sicherstellt (Abb. 6.24). Zu ihrer Durchführung werden die Unternehmensbereiche Produktprogrammplanung, Produktentwicklung, Produktion und Vertrieb frühzeitig miteinbezogen. Die VMEA umfasst folgende vier Arbeitsschritte: 114 1. Marktorientierte Ermittlung und Gestaltung der Produktfunktionen In der Produktprogrammplanung werden zunächst in Zusammenarbeit mit Marketing und Vertrieb die geforderten Produktfunktionen in Abhängigkeit des vom Markt akzeptierten Preises definiert. Relevant ist hierbei nicht mehr die Frage, was ein Produkt kosten wird, sondern was es kosten darf. Im Rahmen des Zielkostenmanagements (Target Costing) werden die Darfkosten ermittelt. 2. Ableiten von Gestaltungsalternativen Die Kombinierbarkeit der Produktfunktionen muss bereits im Planungsstadium optimiert und festgelegt werden (Komplexitätskosten). Die Kombination der Funktionen und die konstruktive Realisierung der Funktionen wird mittels einer Strukturierungshilfe, der „Merkmals- und Kombinationsmatrix“ 115 abgebildet und mit dem Variantenbaum® 116 siin Anlehnung an Schuh/Jonas (1997), S. 14. Vgl. dazu Schuh/Schwenk (2001), S. 115f. 116 Vgl. dazu Schuh/Schwenk (2001), S. 129ff. 114 115
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
251
muliert. Auf diese Weise lassen sich die Variantentreiber auf Baugruppen- und Bauteile-Ebene ermitteln. 3. Bewerten der alternativen Lösungen Neben der technischen Realisierbarkeit von Gestaltungsalternativen müssen die Mehr- bzw. Minderkosten gegeneinander abgewogen werden. Mehrkosten entstehen z.B. durch die Verwendung von multifunktionalen Bauteilen (Schnittstellenproblematik bei der Modularisierung). Dies bedeutet höhere Entwicklungs- und Fertigungskosten, die allerdings z.T. durch Volumeneffekte (Economies of scale) kompensiert werden können. Kosteneinsparungen können insbesondere bei den variantenabhängigen Kosten (Komplexitätskosten) ausgemacht werden. Zur vergleichenden Bewertung planspielerisch ermittelter Gestaltungsszenarien wird die Ressourcenorientierte Prozesskostenrechnung (RPK) eingesetzt. Dies ermöglicht den variantenabhängigen Wertverzehr aller Unternehmensressourcen zu berücksichtigen. 4. Schlanker Vertrieb für komplexe Produkte Der Vertrieb als direkte Schnittstelle zum Kunden hat aufgrund der hohen Variantenvielfalt das Problem, dass die Auftragsklärung, d.h. der Konfigurationsvorgang komplexer Produkte zu lange dauert oder die Qualität der Konfiguration von der Erfahrung der durchführenden Person stark abhängig ist. Die Folge ist, der Vertriebsmitarbeiter berücksichtigt nicht mehr alle möglichen Lösungen, da er das Angebot nicht mehr versteht und der Kundennutzen nimmt dementsprechend ab. Ein zweites, häufig zu beobachtendes Problem stellt die mangelnde Kommunikation zwischen Vertrieb, Technik und Produktion dar. Dies kann dazu führen, dass der Vertrieb Kundenlösungen verkauft, die entweder technisch (noch) nicht realisierbar sind oder nicht Bestandteil des momentanen Produktionsprogramms sind.
252
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Kunde/Markt
VMEA Produktprogrammentwicklung
Produktentwicklung
Produktion
Vertrieb
Technische Beherrschung der Produkt-Vielfalt Funktionen definieren
Vielfaltsorientierte Produktgestaltung
Kombinatorik festlegen
Optimierung der Montagereihenfolge
Exoten vermeiden (durch vorgeplante Produkte)
Kostenbeherrschung der Produkt-Vielfalt Zielkosten festlegen
Bewertung von Gestaltungsalternativen
Bewertung von alternativen Produktionstechniken
Effiziente Auftragsabwicklung
Abb. 6.24 Variant Mode und Effects Analysis (VMEA) zur Beherrschung der Produkt-Vielfalt 117
Der hauptsächliche Nutzen der VMEA liegt darin, dass die systematische Aufbereitung der Vielfaltsinformationen und die grafische Darstellung der Variantenentwicklung die notwendige Kommunikation zwischen den VMEA beteiligten Bereichen: Marketing/Vertrieb, Entwicklung/Konstruktion, Arbeitsvorbereitung/Produktion und Kostenplanung/Controlling unterstützt. Dadurch ist die Variantenvielfalt für zukünftige Produkte genau bekannt und unnötige Sicherheitsreserven hinsichtlich Leistung und Flexibilität der Anlagen können z.B. vermieden werden. 6.6.1.3 Integriertes Qualitätsmanagement Qualitätsmanagement, richtig verstanden, weist einen Querschnittcharakter über die gesamte Organisation auf, sei aber trotzdem an dieser Stelle kurz besprochen, da das sichtbare Ergebnis eines funktionierenden Qualitätsmanagements wiederum die Leistung des Unternehmens ist. Das Qualitätsmanagement hat historisch eine Entwicklung erlebt von einem Verständnis, das rein auf das Produkt bezogen war und vor allem technisch festgesetzte Spezifikationen umfasste, hin zu einem umfassenden Verständnis, das ganze Unternehmen einbeziehend und an Kundenbedürfnissen gemessen. Seghezzi hat sein Konzept „integriertes Qualitätsmanage117
Vgl. dazu Schuh/Schwenk (2001), S. 129ff.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
253
ment“ an das St. Galler Management Konzept angelehnt.118 Dieses Konzept bietet einen Integrationsrahmen, durch den Qualität und Qualitätsmanagement in die allgemeine Unternehmensführung eingebettet werden (Abb. 6.25) 119 120. MANAGEMENT PHILOSOPHIE NORMATIVES MANAGEMENT QUALITÄTSVERFASSUNG
QUALITÄTSKULTUR
QUALITÄTSPOLITIK
QUALITY POLICY DEPLOYMENT
STRATEGISCHES MANAGEMENT QUALITÄTSMGMTSTRUKTUREN QUALITÄTSMGMTSYSTEME
QUALITÄTSSTRATEGIE
QUALITÄTSBEZOGENE VERHALTENS ENTWICKLUNG
QUALITÄTSPLANUNG
OPERATIVES MANAGEMENT QUALITÄTSSICHERUNG
QUALITÄTSLENKUNG
STRUKTUREN
QUALITÄTSVERBESSERUNG
VERHALTEN AKTIVITÄTEN
(UNTERNEHMUNGSENTWICKLUNG) ENTWICKLUNG DER QUALITÄTS-FÄHIGKEIT
Abb. 6.25 Konzept integriertes Qualitätsmanagement
Vgl. Seghezzi (2003). Ebenda, S. 7. 120 Zu den Details vgl. Seghezzi (2003). 118 119
254
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
6.6.2 Quadrant Ressourcen Einsatz Multiple Wertschöpfungsketten
Flexibles Unternehmen
Eigene Wertschöpfungskette
Statisches Unternehmen
• Systematisierung und Professionalisierung des Kooperationsmanagements • Einsatz von Technology-Roadmapping und ausgewählten Technologie-Portfolios • Kernkompetenzbestimmungs-Methoden • Gezielter Einsatz von PARTS- und ähnlichen Analysen • Einsatz von modernen Fertigungstechnologien • Optimierung von Fertigungstiefe und -breite • Global verteilte Produktion
Charakter Single-use
Multiple-use
Abb. 6.26 Methoden und Ansätze im Quadranten Ressourcen
Dieser Quadrant hat zwei Schwergewichte. Auf der einen Seite fliessen hier klassische Überlegungen des Produktions- und Technologiemanagements bezüglich Kernkompetenzen, Fertigungs-, Produkttechnologie etc. ein, andererseits spielt ein ausgebautes, kooperatives und globales Kapazitäts- und Kompetenzmanagement eine entscheidende Rolle. Ohne Systematiken und Methoden, die die Bewertung von Investitionen ermöglichen respektive die Zeit bis zur Einführung verkürzen und das Commitment der Organisation über die Funktionen hinweg sicherstellen, ist eine Flexibilisierung nicht erreichbar. An dieser Stelle werden die Methoden des Technology Roadmapping, Technologie Portfolios, Kernkompetenzbestimmungsmethoden, die PARTS-Methode, die in Abschnitt 6.4 bereits kurz vorgestellt wurde, sowie eine Methode zur Optimierung von Fertigungstiefe und -breite beschrieben. Auf die Ausführungen zum Kooperationsmanagement sei wiederum auf die Zusammenfassung sowie Kap. 7 verwiesen. Der Abschnitt schliesst mit einigen Betrachtungen zum Thema globale Produktion, da dies mit dem Management der Ressourcen einiges zu tun hat. Das Thema wandelbare bis hin zu mobilen Fabrikstrukturen wurde in Abschn. 4.3 und 4.4 ausgeführt und wird hier nicht mehr weiter vertieft. Dass die durchgängige Berücksichtigung multifunktionaler Ressourcen aber den Rückgriff auf solche von Wiendahl prominent vertretenen Gestaltungskonzepte notwendig macht, ist unbestritten. Es ist aber ebenso unbestritten, dass dies nur bei Neuinvestitionen umfassend berück-
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
255
sichtigt werden kann. Ein weiterer Beleg dafür, dass die Bereiche Optimierung des Einsatzes bestehender Ressourcen und Neuinvestitionen getrennt betrachtet werden sollten. 6.6.2.1 Fertigungstechnologien Unter fortschrittlichen Fertigungstechnologien versteht man heute „a family of technologies that include computer-assisted design and engineering systems, materials resource planning systems, automated materials handling systems, robotics, computer numerically controlled machines, flexible manufacturing systems, and computer-integrated manufacturing systems. ... the common element among these technologies is the use of computers to store and manipulate data.“ 121. Diese Fertigungstechnologien 122 spielen gerade in Bezug auf die Flexibilität 123 eines produzierenden Unternehmens eine entscheidende Rolle. Verschiedene Autoren, wie z.B. Jelinek und Goldhar sowie Meredith 124 vertreten die Ansicht, dass durch Technologien, wie CAD, CAM, FMS, etc. die Fabrik als Hürde auf dem Weg zu Varianten und Flexibilität weggefallen ist.125 Insbesondere unter dem Stichwort der „mass customization“ 126 wurde das Wegfallen klassischer Trade-offs in der Produktion durch den Einsatz fortschrittlicher Fertigungstechnologien diskutiert. Nur, wie bereits in Kap. 3 diskutiert, ist die Gesamtflexibilität nicht ausschliesslich von der Flexibilität der eingesetzten Maschinen abhängig: „Flexible automation may have fundamentally altered the economies of manufacturing, but it is by no means a panacea for achieving flexibility.“ 127 Die Literatur ist sich aber nichtsdestotrotz einig, dass die Entwicklung neuer Fertigungstechnologien verschiedene Gesetzmässigkeiten in der Produktion entscheidend verändert haben. Es gibt Zammuto/O´Connor (1992), S. 701. In der englischsprachigen Literatur werden diese unter dem Begriff Advanced Manufacturing Technologies (AMT) diskutiert. 123 Zammuto/O´Connor (1992); S. 701: „However, AMTs differ from earlier technologies in their capacity to increase organizational flexibility because they are programmable ...“ 124 Vgl. Jelinek/Goldhar (1984), Meredith (1987). 125 Vgl. Kotha (1995), S. 21. 126 Vgl. zum Begriff Abschn. 3.3.1. 127 Kotha (1995), S. 23, und auch Zammuto und O´Connor (1992), S. 702, stellen fest: „However, the literature shows that organizations are more likely to experience productivity improvements rather than gains in flexibility.“ Ähnlich Jaikumar (1986), S. 71, und Drucker (1990), S. 99, zeigt insbesondere am Beispiel von GM auf, dass Investitionen in Automatisierung nicht unbedingt Nutzen bringen müssen. 121 122
256
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
aber zahlreiche Beispiele dafür, dass dieses Potenzial nicht oder nur ungenügend genutzt wird. Ghani und Jayabalan schildern z.B. die bescheidenen Verbesserungen, die in Indien durch den Einsatz fortschrittlicher Fertigungstechnologie erzielt wurden.128 Zurückgeführt wird dies vor allem auf die ungenügende Berücksichtigung struktureller und kultureller Aspekte 129 sowie Schwierigkeiten in der Adaptions- und Implementationsphase im Allgemeinen.130 In der Folge seien zuerst die Entstehung und der State of the Art im Bereich moderner Fertigungstechnologien und die Konsequenzen daraus bezüglich Flexibilität und Strategie beschrieben, bevor verschiedene andere klassische Methoden des Technologiemanagements dargestellt werden, die an dieser Stelle den Weg nach aussen im Quadranten erleichtern können. Die Entwicklung in Richtung moderne Fertigungstechnologien setzte in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts mit einer durch die US Air Force finanzierten Entwicklung von Numerical Controlled (NC) Werkzeugmaschinen ein.131 Die bisher vom Maschinisten eingebrachten Fertigkeiten wurden, vereinfacht gesagt, expliziert und auf einer Lochpapierkarte gespeichert. Diese Karte steuerte die Bewegungen der Maschine. Mit der Zeit wurde die Computer Hardware immer kleiner und billiger, die Steuerungstheorien wurden fundierter und die Maschinenkonzepte wurden komplexer. In Summe ergab sich eine Verschiebung der Intelligenz (Abb. 6.27). Vor der ersten industriellen Revolution basierte die Steuerung der Fertigung und damit die Intelligenz noch allein auf dem Handwerker. Ein Teil dieser Intelligenz floss in die Konzeption der ersten Maschinen ein. Die Automatisierung sorgte in der Folge dafür, dass sich die SteuerungsIntelligenz von der Hardware weg zur Software hin bewegte.132 Heute werden neue Steuerungskonzepte diskutiert, bei denen die Produktion nicht Ghani/Jayabalan (2000), S. 1: „Despite the claims that attractive benefits can accrue through the use of AMT in manufacturing firms, only modest benefits are reported.“ 129 Vgl. z.B. Ghani/Jayabalan (2000), Barton/Krauss (1985), Wilkinson (1989), Bessant (1991), Milkman/Pullman (1991), S. 702f. 130 Zammuto und O´Connor (1992) und ähnlich auch Leonard-Barton/Kraus (1985). 131 Vgl. Goldhar/Jelinek (1985), S. 96. 132 Upton (1995), S. 79, führt aber aus, dass dieses „Soft“ in Software auch falsch verstanden wurde: „Soft implies easily changeable or malleable. Experience shows that manufacturing-integration software is often anything but. As one manager pointed out, „I’d be better off with a flame cutter and a hacksaw that I would with a team of software engineers. At least I’d be able to see what was taking so long to change.“ 128
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
257
mehr hierarchisch-deterministisch gesteuert wird, sondern direkt über das zu bearbeitende Produkt. Die Steuerinformation wird dann z.B. in einem RFID-Tag gespeichert und per Funk an die Maschine übertragen.133 Stückkosten Handwerker
Maschine (Hardware)
ComputerProgramm (Software) Einzelnes Werkstück (Mikro Chip)
Stück
Abb. 6.27 Verschiebung der Intelligenz in der Fertigungssteuerung
Der Einfluss moderner Fertigungstechnologien auf die Produktion und den Produktionsstandort in entwickelten Volkswirtschaften wurde verschiedentlich diskutiert. Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass gerade im Zusammenhang mit erhöhten Kundenanforderungen an die Response-Time der Unternehmen 134 die zur Verfügung stehenden Technolo133
134
Vgl. Finkenzeller (2002), S. 398ff. In Bezug auf die industrielle Fertigung erwähnt er explizit (S. 400): „Durch den Einsatz von beschreib- und auslesbaren Datenträgern eröffnet sich die Möglichkeit, eine Anlage dezentral, also weitgehend unabhängig vom zentralen Prozessrechner zu steuern. Jedes Objekt führt einen kompletten Datensatz über seine Identität, seinen augenblicklichen Zustand, seine Vorgeschichte und Zukunft selbst mit sich – Material und Datenfluss werden somit miteinander koordiniert.“ Vgl. zum Thema Quick Response z.B. The Economist (1998a), anders lautend Hunter/Valentino (1995), S. 30, die festhalten: „It is ten years since quick response (QR) was formulated as an improved way of conducting business in the US textile/apparel pipeline. Since then, it has been a topic of great interest to the trade; articles have been written, seminars conducted, and talks given, but very little has been achieved.“
258
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
gien die Voraussetzung dafür sind, Produktion an Standorten entwickelter Volkswirtschaften zu neuer Gunst zu verhelfen.135 Der Hauptvorteil von modernen Fertigungstechnologien ist darin zu sehen, dass Automatisierung ohne eine damit verbundene Fixierung der Fertigungsorganisation erreichbar ist: „The primary advantage of this computer-based technology is that it makes automation programmable rather than fixed.“ 136 Nemetz und Fry stellen die Hypothese auf, dass die modernen Fertigungstechnologien zu Organisationsformen des produzierenden Unternehmens führen, die eine Synthese sich vorher ausschliessender spezifischer Organisationsformen darstellen und zwar der klassischen Massenproduktion, der kundenspezifischen Sonderfertigung sowie der herkömmlichen Flussproduktion in der chemischen oder ölverarbeitenden Industrie.137 Im klassischen Massenproduktionsunternehmen ist die Fertigung zwar eine Schlüsselfunktion, aber ihr Einfluss auf Gesamtunternehmensebene ist beschränkt. Der Technologieeinsatz ist insbesondere darauf ausgerichtet, die Prozesseffizienz zu steigern. Dies führte zu einer bürokratischen auf Standardisierung ausgerichteten Organisation.138 Organisationen, die moderne Fertigungstechnologien einsetzen, erfordern und fördern zur Ausschöpfung des Potenzials hingegen eine andere Art der Organisation, die eher organisch denn mechanistisch gestaltet ist.139 Der enge Bezug zu den anderen Quadranten des Rasters wird an dieser Stelle besonders deutlich. Der Einsatz einer flexiblen Technologie (Quadrant Ressourcen) ermöglicht Flexibilität. Um diese aber auch wirklich nutzen zu können, braucht es eine entsprechende Qualifikation und Weiterbildungskonzeption 140 (Quadrant Human Resources 141); ausserdem ist die entsprechende strukturelle Vgl. z.B. Nemetz/Fry (1988), S. 627: US manufacturing has not been untouched by the fair-reaching effects of computer technology, and the information age could be ushering in an new era of manufacturing prosperity“ und Friedli et al. (2003). 136 Nemetz/Fry (1988), S. 627. 137 Vgl. Nemetz/Fry (1988), S. 628f. 138 Nemetz/Fry (1988), S. 630: „The machine bureaucracy depended primarily on the standardization of its operating work processes for coordination. Thus, standardization was the critical element for controlling uncertainty within these organizations.“ 139 Vgl. zu dieser Unterscheidung Mintzberg (1983). 140 Pine II et al. (1993), S. 110 beschreiben z.B. den gescheiterten Versuch von Toyota, nach den Erfolgen in Lean Manufacturing, auch Mass Customization erfolgreich einzuführen und dies in derselben Organisation. Vgl. auch Argote et al. (1983). 141 Gerade in Bezug auf die notwendige Qualifikation innerhalb einer AMTProduktion gibt es allerdings widersprüchliche Erkenntnisse. Auf der einen Sei135
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
259
Unterstützung zu schaffen (Quadrant Organisation) und auch eine kontinuierliche Produktentwicklung (Quadrant Leistungsumfang) spielt dabei eine Rolle: „Relative to mass production organizations, high-performing FMT organizations should place greater emphasis on both product and process innovation as their primary distinctive competence for gaining competitive advantage.“ 142 Die Komplexität, die mit der Einführung von AMT verbunden ist, legt es nahe, deren Einsatz genau zu durchdenken und die Einführung sorgfältig zu planen. Die Schwierigkeit ist insbesondere darin zu sehen, dass alles mathematisch präzis beschrieben sein muss und das Gesamtsystem insgesamt anfälliger auf Störungen reagiert. Insbesondere auch, weil keine Korrektur durch einen direkt involvierten Mitarbeiter möglich wird: „Without machine operators physically handling parts, there is no one to realign them in a fixture, tweak cutting tools, or compensate for small machining or operational errors, and nobody to inspect parts for holes, cracks, or other materials defects.“ 143 Insbesondere gilt es auch, die im Einsatz stehenden Investitionsrechnungssysteme im Hinblick darauf zu überprüfen, ob sie in der Lage sind, solch komplexe Entscheidungen adäquat zu unterstützen. Ein Grossteil der verschiedenen Studien, die sich mit dem Einsatz von AMT beschäftigen, deuten darauf hin, dass die Organisation eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Ausschöpfung des Potenzials der Technologien spielen 144 und dass ein Teil der Erfolge, die AMT zugeschrieben wird, mehr mit den organisatorischen Veränderungen als mit den technischen Möglichkeiten zu tun haben: „These organic structures appear to be the key to gaining AMT’s flexibility benefits. Research findings suggest that the relationship between organization structure and AMT te wird davon ausgegangen, dass die Anforderungen an das übrig bleibende Personal durchaus steigen und darauf mit entsprechenden Konzepten auf der Personal-Gewinnungs und -Entwicklungsseite reagiert werden muss (so z.B. Zammuto/O´Connor 1992, Snell/Dean (1992), Helfgott (1988), Schmenner (1988), Wilkinson (1983)). Auf der anderen Seite wird mit abnehmenden Anforderungen argumentiert (Majchrzak 1986). Im Zusammenhang mit einer angestrebten Erhöhung der Flexibilität, die neben reinen physischen Tätigkeiten, ein Verständnis für das Gesamtsystem verlangt, wird hier die erste Position vertreten. Insbesondere auch weil in diesen Systemen oft unerwartete und schwierig zu diagnostizierende Probleme auftreten (Cavestro 1989, Perrow 1984). 142 Nemetz/Fry (1988), S. 635. 143 Hayes/Jaikumar (1988), S. 78. 144 Vgl. zu diesem Punkt auch Upton (1995), der in einer Studie in der PapierIndustrie zeigt, dass Fabriken mit einem höheren CIM-Einsatz einen kleineren Produktumfang anbieten konnten und zudem längere Produktwechselzeiten aufwiesen. Er kommt zum Schluss, dass Leute in Bezug auf die Flexibilität wichtiger sind als Maschinen: „People count more than machines.“
260
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
benefit may be misstated because some studies show that the benefits ascribed to AMT are as much an outcome of flexible structures as of AMTs.“ 145 Hayes und Jaikumar weisen folgerichtig darauf hin, dass es nicht darum gehen kann, dasselbe wie vorher einfach mit anderen Mitteln zu tun 146 und folgern, dass, um das Maximum aus der Technologie herauszuholen, ein erheblicher Organisationsaufwand notwendig ist: „You have to organize for it.“ 147 Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Einführung flexibler Organisationsformen mit höheren Initialkosten verbunden ist, als wenn man die herkömmliche Organisationsstruktur belässt.148 Das Unternehmen, das nach wie vor in einem relativ stabilen Umfeld produziert und nicht notwendigerweise eine hohe Flexibilität braucht, sollte sich Alternativen dazu überlegen.149 6.6.2.2 Roadmapping Die Bewertung von Technologien spielt auf der Ressourcenseite eine besondere Rolle. Kurr hält fest, dass die schnelle Evolution fast aller technischen Systeme zu erheblichen Problemen führt und zwar nicht nur in Bezug auf die Entwicklung, sondern auch in Bezug auf die richtige Bewertung und die Auswahl.150 Unter Roadmapping versteht man ein strategisches Analyseverfahren, mit dem die Entwicklungspfade von Produkten und Technologien in die Zukunft hinein prognostiziert, analysiert und visualisiert werden. Ziel des
Zammuto/O´Connor (1992), S. 708, und auch Kotha (1995), S. 24, weisen darauf hin, dass Technologie alleine ungenügend ist. Der Economist (2001) folgt dieser Darstellung, indem er feststellt, dass die Produktivitätsfortschritte in der Fertigung vor allem von neuen Konzepten, nicht neuen Technologien stammen. 146 Hayes/Jaikumar (1988), S. 77. 147 Upton (1995), S. 75 schreibt den grössten Anteil an der Flexibilitätssteigerung den Mitarbeitern und Managern zu und hält die Infrastruktur an sich in dieser Frage für sekundär. 148 Zammuto/O´Connor (1992), S. 710: „Employing a flexibility-oriented design strategy does have costs compared to the control-oriented approach. 149 Zammuto und O’Connor (1992), S. 722 kommentieren: „The practical implication is that managers in control-oriented organizations (d.h. mechanistisch strukturierten) should carefully assess why they are considering adopting an AMT. If they are interested only in productivity gains, or if they want the flexibility benefits, but estimate that the cultural and structural changes needed to enhance flexibility are unlikely, they may be better off adapting dedicated or fixed-cycle automation hardware instead of AMT. 150 Vgl. Kurr (2003), S. 55. 145
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
261
Roadmapping ist es, die zukünftigen Entwicklungen in einem Handlungsfeld vorauszusagen und zu bewerten.151 Eine Produkt-Technologie-Roadmap ist in drei Hauptteile organisiert: Markt, Produkt und Technologie, ein vierter Teil leitet den Aktions-Plan für das Unternehmen ab.152 Die Marktsicht des Unternehmens wird aus der Strategiediskussion zum angestrebten Leistungsumfang (Quadrant Leistungsumfang) abgeleitet. Produkt- und Technologie-Roadmap werden in der Regel integriert dargestellt, wobei noch danach unterschieden wird, ob Primär- 153 oder Sekundär-Technologien 154 oder beide betrachtet werden. Im deutschsprachigen Raum wird die integrative Darstellung von Produkt- und Sekundärtechnologie-Roadmap auch als Technologiekalender 155 bezeichnet. Für den Primärtechnologiebereich wurde eine ähnliche Darstellung angeregt und als Funktionskalender bezeichnet.156 Für das hier verfolgte Ziel, den Weg des produzierenden Unternehmens zu mehr Flexibilität zu unterstützen, ist eine weitere Ausweitung denkbar. Neben der technologischen Umsetzung von Produkteigenschaften sollte auch die technologische Unterstützung von „Lösungen“ im vorne beschriebenen Sinne unterstützt werden, d.h., auch bereits die ProduktRoadmap ist deutlich weiter zu verstehen als im herkömmlichen Sinn. Ausserdem ist die Bewertungsseite so weit auszubauen, dass sowohl der Einsatz der Technologien in verschiedenen Produkten mitbewertet wie auch die Möglichkeit einer Kooperationslösung einbezogen wird. In Anlehnung und Erweiterung von Brandenburg 157 stellen Abb. 6.29 und 6.30 diese Variante dar. Die „Innovation Roadmap“ stellt eine systematische Gegenüberstellung von prognostizierten Marktentwicklungen und identifizierten InnovationsBrandenburg (2002), S. 26. Vgl. Albright/Kappel (2003), S. 31ff., andere Autoren schliessen auch eine sog. F&E-Roadmap an (vgl. z.B. Specht et al. 2000, S. 45 übernommen aus Brandenburg 2002, S. 27). 153 Primärtechnologien werden auch Produkttechnologien genannt und sind solche, welche „unmittelbar eine oder mehrere Funktionen eines Systems erweitern oder verbessern, wenn sie auf Komponenten oder Bauteilebene eingeführt werden. Sie sind produktseitig die Basis für ein vom Kunden wahrgenommenes Differenzierungsmerkmal.“ (Kurr 2003, S. 57). 154 Sekundärtechnologien sind solche, die eine Realisation der primären Technologien ermöglichen; dazu gehören Prozess-Technologien, Methoden & Werkzeuge sowie auch Management und Organisation (Kurr 2003, S. 57f.). 155 Vgl. Westkämper (1987), Eversheim et al. (1996, 1997). 156 Vgl. Eversheim (2001). 157 Vgl. Brandenburg (2002), S. 112f. 151 152
262
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
aufgaben mit Lösungsideen dar und erlaubt die priorisierte Zuordnung von Ressourcen zu den anstehenden Herausforderungen. Die Ableitung der Zukunftsbilder kann dabei entlang einer strukturierten Diskussion erfolgen. In der Regel werden dazu aber auch existierende Studien ausgewertet oder Expertengespräche geführt. Im Rahmen des C-Commerce-Projekts 158 wurden auf Basis verschiedener Analysen unternehmensindividuell zentrale Trends identifiziert, die man im Auge behalten muss, und verschiedene Ausprägungen für die Zukunft zusammengesetzt. Abbildung 6.28 zeigt eine mögliche Zukunftslandschaft am Beispiel der Kunststoff AG. Faktoren Staatliche Direktiven
Aufkommen neuer Technologien/ Alternativen
Global Economy
Mass Customization
OEM Lieferantenstategie
Stärkere Eingriffe
„bahnbrechende“ Erfindung
Weltwirtschaftskrise
Losgrössen werden weiterhin kleiner
Verlängerte Werkbank
Szenarien Maximum
Bandbreite
PositivSzenario Minimum
Erhalt des Status Quo
evolutorisch
Weltwirtschaftsboom
Status Quo
Weitere Stärkung von Entwicklungspartnerschaften
Abb. 6.28 Beispiel Zukunftsbild
Als Zweites stellt sich die Frage, was für Produkttechnologie- respektive Dienstleistungsprozess-Innovationen auf das Unternehmen zukommen werden. In der „Innovation Roadmap“ lassen sich diese Innovationen direkt den Zukunftsprojektionen zuordnen, was eine zeitliche Priorisierung erlaubt (vgl. Abb. 6.29).
158
Vgl. dazu die Kurzbeschreibung im Anhang.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
263
MARKT
Zukunftswichtung
Zukunftsprojektion ZP III Zukunftsprojektion ZP II
LI Z
LI Y Zukunftsprojektion ZP I Innovationsaufgabe IA II LI Z Problemidee z Innovationsaufgabe IA I LI X Problemidee x
Zeit
Problemidee y
kurzfristig
mittelfristig
langfristig
Lösungsidee LI X zu IA I und ZP II Technologiepotenzial
Technologie / DL
Lösungsidee x + Problemidee x
U P ZS
Problemidee y
- Lösungsidee x konzeptionell ausarbeiten (Produkt-, DL-Konzept) - Anforderungsdetaillierung für Problemidee y - Lösungsideenfindung für Problemidee y
Lösungsidee LI Y zu ZP I und ZP II Lösungsidee x + Problemidee x
ZS ZS
- Ideendetaillierung - Marktstudie zu Problemidee y
Lösungsidee LI Z zu IA II Problemidee z
K - Lösungsideenfindung Legende U: Umsetzen P: Prüfen ZS: Zurückstellen
x, y, z: Zählindex Problem- bzw. Lösungsidee X, Y, Z: Zählindex Produktidee bzw. Innovationspotenzial I, II, III: Zählindex Innovationsaufgabe bzw. Zukunftsprojektion
DL: Dienstleistung K: Kooperationspotenzial prüfen
Abb. 6.29 Innovation-Roadmap (angepasst)
Der Technologie-/DL-Prozess-Kalender stellt eine weitere Konkretisierung in Richtung Umsetzung dar. Er erlaubt es, in Hinblick auf die spätere Erbringung der Lösung, direkt Prozesstechnologien respektive Dienstleistungserbringungsprozesse zuzuordnen bzw. notwendige Neuentwicklungen darzustellen und wiederum zu priorisieren (vgl. Abb. 6.30).
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement Produktbezogene F&E erforderlich (Schnittstelle, Gestalt, ...) Partialbauweise
Lösung x
264
Integralbauweise
60.000
80.000
110.000
120.000
Bauteil B(x)
Lösung x
PRODUKT
Dienstleistung A(x)
F&E
2%
Bauteil B2(x)
Bauteil C(x)
Bauteil D1(x)
Bauteil D(x)
Bauteil D2(x)
TECHNOLOGIE
Dienstleistung E(x) ZEIT
kurzfristig
mittelfristig
U
17%
15%
8%
langfristig
Erbringung I (Technologie, DL-Prozess
Priorität
HK-Anteil
DL A(x)
2005 TEK ...
ZS
Bauteil B2(x)
WBH-Kosten
WV
Bauteil E(y)
Stückzahl ↑
P
F&E
Bauteil D1(x) Erbringung II
ZS
Längentoleranz
...
Bauteil A(y) Bauteil D2(x)
ZS
Prognostizierter Zeitpunkt des möglichen Technologieeinsatzes Technologieeinsatz erst langfristig möglich, Voraussetzung dafür ist eigene Technologie-F&E, da sonst keine Entwicklung forciert wird DL Prozess beschrieben Gemäß Bearbeitungsparameter „Priorität" werden unternehmensindividuelle Aktivitäten abgeleitet (Innovationsplanung, Prototypenbau,...)
Legende HK: Herstellkosten TEK: Technologieeinsatzkriterium (x); (y): zugehörig zu Produkt x, y P: Prüfen
ZS: Zurückstellen U: Umsetzen WBH: Wärmebehandlung F&E: Forschung und Entwicklung
Abb. 6.30 Technologie-/DL-Prozess Kalender (angepasst)
Insgesamt leistet die Methode eine systematische Priorisierung der Innovationsaktivitäten eines Unternehmens und stellt gleichzeitig eine Berücksichtigung von „Technology Push“- und marktgetriebenen Aktivitäten sicher. Auf Basis der Methode können Investitionen zukunftsgerichtet freigegeben werden. 6.6.2.3 Technologie-Portfolios Weitere wichtige Hilfsmittel, die eine strukturierte Diskussion über Technologieinvestitionen erlauben, sind die verbreiteten Technologie-Portfolios. Ausgangspunkt eines Portfolios sind die Erfolgsfaktoren eines Un-
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
265
ternehmens. Dabei kann es sich um umfeld- oder unternehmensbezogene Erfolgsfaktoren handeln. Kennzeichen eines Portfolios ist es, dass diese Erfolgsfaktoren auf zwei Dimensionen verdichtet werden. In den meisten Fällen ist dabei eine Dimension durch das Unternehmen selbst direkt beeinflussbar, während die andere auf den Markt ausgerichtet ist.159 Beide Dimensionen werden mit Hilfe von Subkriterien operationalisiert. Um die direkte Ableitung von Konsequenzen zu ermöglichen, werden in der Regel verschiedenen Flächen im Portfolio sog. Normstrategien zugeordnet. Über die Darstellung der Technologien als Kreis anstelle von Punkten kann auch noch eine dritte entscheidungsrelevante Dimension eingeführt werden, z.B. F&E-Aufwendungen des letzten Jahres. Abbildung 6.31 zeigt ein Beispiel für ein Technologie-Portfolio nach Pfeiffer.160 Technologie-Potenzial Relevanz Investieren
hoch
Technologie-Attraktivität
Technologie-Bedarf Relevanz
Selektieren
mittel
gering
Desinvestieren
gering
mittel
hoch
Ressourcenstärke
Finanzstärke
Know-how-Stärke
Abb. 6.31 Technologie-Portfolio nach Pfeiffer
Mit der Dimension Ressourcenstärke wird der durch das Unternehmen gestaltbare technologische und wirtschaftliche Beherrschungsgrad eines 159 160
Vgl. dazu z.B. Horvàth (1996), S. 8–60f. Vgl. dazu z.B. Pfeiffer/Weiss (1995), S. 674–676, weit verbreitete Technologie-Portfolios sind daneben diejenigen von McKinsey, ADL oder Booz, Allen&Hamilton. Es kann sich ausserdem auch aufdrängen, abhängig von der aktuellen Situation, eigene Kriterien für die Portfolios zu entwerfen, die die aktuelle Aufgabenstellung besser reflektieren.
266
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Technologiefeldes im Vergleich zu den wichtigsten Konkurrenten erfasst. Die Technologieattraktivität spiegelt die technologischen und wirtschaftlichen Vorteile wider, die bei der Ausschöpfung des Technologiefeldes erzielbar wären. Die drei Normstrategien Investieren, Selektieren und Desinvestieren geben einen groben Handlungshinweis vor. TechnologiePortfolios können sich – ähnlich wie das House of Quality – als strukturierte Diskussionshilfe eignen, die auch eine Verständigung über die Funktionen hinweg ermöglichen. Verschiedentlich wurden sie auch auf Grund der Verdichtung auf zwei Dimensionen sowie der nicht zu vermeidenden Subjektivität, die in die Bewertungen miteinfliesst, kritisiert.161 Es bleibt unbestritten, dass Technologie-Portfolios wichtige Hilfsmittel für Investitionsentscheidungen sein können, indem sie eine grobe Richtung vorgeben. Sie bedürfen aber der gezielten Ergänzung um umfassende Technologiebewertungen sowie Kreativität, um eine Technologiestrategie fundieren zu können. 6.6.2.4 Kernkompetenz-Methoden und PARTS-Analyse 162 Um gezielt Einzigartigkeiten multiplizieren zu können, ist es notwendig, einen Überblick über die eigenen Stärken und Schwächen zu gewinnen. Dieser Punkt wurde auch im Zusammenhang mit der Diskussion der „strategischen Flexibilität“ in Kap. 3 diskutiert. Die Kenntnis der Ausgangssituation ist eine Notwendigkeit, um den Handlungsbedarf für die Zukunft abschätzen zu können. An dieser Stelle sei zuerst eine Methode zur Identifikation von Kernkompetenzen vorgestellt, die im Rahmen verschiedener Projekte erprobt wurde. Daran anschliessend werden die Hintergründe der PARTS-Analyse geschildert, die es erlaubt ein Unternehmen in seinem Umfeld zu analysieren. Zur Identifikation von Kernkompetenzen können z.B. entlang der Wertschöpfungskette (Value Chain) von Porter 163 Stärken und Schwächen des Unternehmens abgefragt werden. Von Seite des Unternehmens ist dabei vorzugsweise ein interdisziplinäres Team beizuziehen, das alle Bereiche des Unternehmens repräsentiert. Auf diese Weise können Differenzen in der Wahrnehmung direkt erfasst und diskutiert werden. Die Stärken werden in der Folge vom gleichen Team gewichtet. Das Resultat dieses Teilschritts sind die – nach Meinung der Unternehmensvertreter – fünf bis zehn bedeutendsten Stärken des Unternehmens.
Vgl. dazu z.B. Gerpott (1999), S. 160ff. Vgl. dazu auch Friedli (2000), S. 159f. 163 Vgl. dazu Porter (1985), S. 33ff. 161 162
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
267
Danach werden die Unternehmensvertreter nach den Produkten (Produktgruppen) mit der grössten strategischen Bedeutung in ihrem Unternehmen gefragt. Wiederum wird eine Gewichtung und eine Konzentration auf die drei wichtigsten vorgenommen. Anschliessend müssen die Unternehmensvertreter angeben, welche Fähigkeiten, ihrer Meinung nach, für den Erfolg der strategisch wichtigen Produkte verantwortlich sind. Das Resultat ist eine Sammlung von Fähigkeiten, die mit den vorher mehr intuitiv ermittelten Stärken abgeglichen werden können. Abschliessend wird anhand von Kriterien für Kernkompetenzen 164 diskutiert, ob die Sammlung an Kompetenzen unter diesem Begriff geführt werden kann. Gemäss Prahald und Hamel gibt es wenig Unternehmen, die in der Lage sind, mehr als 5–6 Kompetenzen wirklich so weit zu entwickeln, d.h., die Anzahl der genannten Kompetenzen sollte auch kritisch hinterfragt werden.165 Die Methode ermöglicht eine schnelle und doch durch die Betrachtung aus zwei verschiedenen Perspektiven fundierte Analyse der Kernkompetenzen der jeweiligen Unternehmen.
Frage 1
Stärken
Auswertung KernkompetenzKriterien
Frage 2
Gewichtung
Schwächen
Strategisch wichtige Produktgruppen Frage 3
Ergebnis B
Frage 4
Fähigkeiten
PG1
PG2
PG3
Ergebnis C
Ergebnis A
Frage 5
Abb. 6.32 Stärken-/Schwächenanalyse
Dieser Schritt kann zur weiteren Schärfung der Situation des Unternehmens mit der unter 6.4 beschriebenen PARTS-Analyse von Nalebuff und
Prahalad und Hamel (1990), S. 83f. erwähnen drei Tests, die mindestens durchgeführt werden sollten, um abzuklären, ob eine wirkliche Kernkompetenz vorliegt: 1) Bietet die Kompetenz Zugang zu mehreren Märkten? 2) Trägt sie signifikant zum wahrgenommenen Kundennutzen bei und 3) ist sie schwierig zu imitieren? 165 Prahalad/Hamel (1990), S. 84. 164
268
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Brandenburger 166 kombiniert werden. An dieser Stelle sei ein Beispiel aus dem Projekt mit der Supply AG zur Verdeutlichung angeführt. Besonderheiten in diesem Fall sind, dass Abb. 6.33 die Ergebnisse der gesamten Analyse direkt konsolidiert in einer Abbildung darstellt. Scope: Extrudate für Industrieanwendungen Rules: Entwicklungskompetenz / Engineering
Rules: Technikorientierter Markt
Heizschrankhersteller XYZ
Nolte
Steelcase
Wirtschaftlichkeit / Kosten
Nobilia
Wertnetz
Player
SIK-Extrudate (Sealings, Schläuche) Know-how und Engineering; individuelle Kundenlösung gem. Lastenheft
Lieferanten RohstoffLieferanten XYZ
Wertnetz Players Added Value
Komplementäre
Substituteure
Added Value
Technischer Handel
Rules: Zertifizierung ISO 9001, Audit-Vorgaben
Endverbraucher (Direktvertrieb)
Thermopla ste (PVC, PUR, TPE)
XYZ
Rules: Marktpräsenz durch proaktives Relationship Management
Kunden
Rules: Produktqualität/Liefersicherheit/Zuverlässigkeit
Abb. 6.33 Beispiel einer PARTS-Analyse (1)
Abbildung 6.34 stellt eine gewisse Weiterentwicklung dar, indem die Tactics aus der PARTS-Analyse zuerst aus der Historie und der aktuellen Verhaltensweise der Supply AG heraus kurz beschrieben werden, um danach Ansätze für eine neue Taktik zu finden, die hilft, die anvisierten Ziele zu erreichen.
166
Vgl. Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 81ff.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
Konfektionäre
Handelswarenlieferanten
RohstoffLieferanten
hersteller
Heizschrank-
Hersteller von
zulieferer
Abgasleitunge n Heiß- und Kaltgerätehersteller
Lieferanten Automobil-
hersteller
Laborgeräte-
Maschinen- und Anlagenbau
Technischer Handel
Kunden Sonderanwednugen
Viton
Komplementäre Metalle
Silikon
Thermoplaste
Substituteure Gummi
Tactics Extern
269
Intern Supply AG Tactics old
Supply AG Tactics new
Abb. 6.34 Beispiel einer PARTS-Analyse (2)
6.6.2.5 Fertigungstiefe und Fertigungsbreite Eine der klassischen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Management produzierender Unternehmen ist diejenige nach der sinnvollen Fertigungsbreite und -tiefe. Insbesondere mit Bezug auf die Flexibilitätsunterstützung ist diese Frage nicht einfach zu beantworten. Schuh schlägt als Methode die Beurteilung von Kernkomponenten, Kernprozessen (Fertigungstiefe) und Kerntechnologien (Fertigungsbreite) vor.167 Die potenziellen Kernkomponenten lassen sich aus dem im Strategie-Audit abgeleiteten Leistungsumfang ableiten, neben physischen Komponenten, die im Ansatz von Schuh im Vordergrund stehen, sollten dabei aber auch Dienstleistungsmodule in die Beurteilung Eingang finden. Abbildung 6.35. zeigt die Einordnung verschiedener Komponenten in ein Portfolio, das direkt die Einschätzung erlaubt, ob es sich um eine Kernkomponente handelt oder nicht. In die Beurteilung fliessen einerseits das eigene Know-how in Bezug auf die betrachtete Komponente und das Zulieferpotenzial ein, andererseits wird beurteilt, wie hoch der Umsatzanteil der Komponente ist und ob Eigenproduktion oder Fremdbezug kostengünstiger ist. Unseres Erachtens sollte als weiteres Kriterium noch betrachtet werden, inwiefern die betrachtete Komponente einen direkt wahrnehmbaren Kundennutzen zu stiften vermag. 167
Vgl. Schuh (2003).
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
4
hoch mittel niedrig
eigenes Know-How
270
5
6 3
2
Kriterium
Konstruktion
Herstellung
eigenes Know-how
12 7 1
9
hoch mittel niedrig Zulieferpotenzial
Umsatzanteil
2
3
12
1
Zulieferpotenzial Kostenanteil absolut/relativ
282.700 € / 0.6%
Kostenvergleich (extern/intern)
5.530 € / 4.103 = 1,2
interne Wertschöpfung (%)
63,2
Umsatztrend kurz-mittel-langfristig 5 Auftragsmix (%)
0.8
Komponente Nr. 5 Ausprägung
1
1.2
Neuauftrag
Folgeänderungsauftrag
88
12
Kosten extern/intern x : Komponente Nr. X
Nicht-Kernkomponente
Abb. 6.35 Beurteilung von Kernkomponenten
Die zur Erstellung einer Kernkomponente notwendigen Prozesse und Technologien können gemäss Abb. 6.36 weiter beurteilt werden. An dieser Stelle wird die Frage nach der strategischen und der wirtschaftlichen Wertschöpfung gestellt. Basierend auf der Einordnung können in der Folge vier Normstrategien abgeleitet werden. Neben dem klassischen Outsourcing findet sich auch ein Insourcing als strategisch sinnvolle Variante. Mit einer Beurteilung in dieser Art wird die Grundlage geschaffen, auch die Konsequenzen einer Auslagerung an Auslandstandorte ganzheitlich abschätzen zu können. Die Berücksichtigung der zunehmenden Produktionsfähigkeiten in Niedrigkostenländern wird auch deshalb wichtiger werden, weil tendenziell die zur Verfügung stehenden ProduktionsArbeiter zahlenmässig am Zurückgehen sind. Es zeichnet sich ein industrieller Imperialismus ab, der dadurch gekennzeichnet ist, dass Industrieunternehmen in entwickelten Ländern Fähigkeiten entwickeln Produktionspartner in Entwicklungsländern zu identifizieren, aufzubauen, d.h. zu befähigen und nach Ablauf der wirtschaftlich sinnvollen Nutzung dieser Kapazitäten die Partnerschaft auch wieder zu beenden. Um in der Lage zu sein, Produktionsleistungen auch fundiert beurteilen zu können, wird aber am Heimstandort selbst eine Kernproduktion in einer gewissen Grössenordnung aufrechterhalten werden. Nicht zuletzt um die Nähe zu und die Integration mit der Entwicklung sicherzustellen.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten Entscheidungsparameter für die Potenzialabschätzung
Quantitatives Modell
• Kundeneinfluss
• Kosten
• Technologieinnovation
• Anlagen
• Wettbewerbsposition
• Einnahmen
• kompetente Lieferanten
• Wettbewerbsfähige Kostenstruktur
• Architektur
Hoch
strategische Wertschöpfung
Qualitatives Modell
Wirtschaftliche Wertschöpfung (werksstrategische Relevanz)
Interpretation von strategischen und wirtschaftlichen Aspekten
Synthese
Strategische Wertschöpfung (Wettbewerbsrelevanz)
271
Leverage
Insource
Outsource
Harvest
niedrig Niedrig (negativ)
Hoch (positiv)
wirtschaftliche Wertschöpfung
Abb. 6.36 Potenzialabschätzung
6.6.2.6 Globale Produktionsnetzwerke – Industrieller Imperialismus 168 „In the global enterprise, the bonds between company and country – between them and us – are rapidly eroding. Instead we are witnessing the creation of a purer form of capitalism, practised globally by managers who are more distant, more economically driven – in essence more coldly rational in their decisions, having shed the old affiliation with people and place.“ 169
Bis anhin wurde – ausser am Ende des letzten Abschnitts – noch wenig ausgesagt über den Standort der produktiven Ressourcen eines Unternehmens. Sinkende Transportkosten, neue Technologien sowie abnehmende Handelsbarrieren haben die Betrachtung von Auslandproduktionsstandorten praktisch zur Notwendigkeit gemacht.170 Schmenner stellt die Prognose
Neben Verlagerungen werden auch Dezentralisierung und Neugründungen im Bereich der Standortplanung unterschieden. Verlagerung und Dezentralisierung werden hier zusammen betrachtet. Neugründungen sind der seltenste Planungsfall und stehen nicht im Fokus der Betrachtung (vgl. dazu z.B. Eversheim 1996, S. 9–40ff.). 169 Reich (1991), S. 77, aktuelles Beispiel in der Schweiz ist der Entscheid des Traditions-Küchengeräte-Herstellers Zyliss, der seine Produktion komplett nach China verlagern will. 170 Vgl. z.B. Schmenner (1997), S. 112, und Reich (1986), S. 6: „Cargo ships, container ships, satellite communication technologies, and other innovations in transportation and communications enabled that old process of mass produc168
272
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
auf, dass: „In the future, more European plants will be located (or kept in operation) with costs in mind, be they labor costs (or unionization), access to suppliers, or access to other company-owned plants that either feed the plant or are fed by it.“ 171 Reich stellt fest, dass die Mobilität der wesentlichen Produktionsfaktoren, abgesehen vom Mensch, in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist.172 Dies heisst aber noch nicht, dass die Bedeutung eines Produktionsstandortes in den entwickelten Ländern dadurch abnimmt, obwohl dies das übliche Verständnis ist. Ferdows hält dazu fest: „First a common view is that manufacturing investment in the industrialized nations is declining and shifting to the developing countries. This is not true. Investment in manufacturing in both industrialized and developing nations is increasing and, in absolute value, there is a lot more investment in industrialized countries than in developing countries.“ 173 Eine kürzlich durchgeführte Studie zeigt z.B. für den Produktionsstandort Deutschland, dass die Quote der im Ausland produzierenden Unternehmen von 16 % bei Kleinunternehmen über rund 50 % bei den mittleren bis hin zu 85 % bei den Grossunternehmen reicht. 174 Wie in Kap. 1 bereits in der Einführung erwähnt ist eine der intensivsten Diskussionen heute diejenige über den Erhalt eines Produktionsstandortes in den entwickelten Volkswirtschaften. Ferdows beschreibt in einem kürzlich erschienenen Artikel das Bild einer neuen Weltordnung für die Produktion. Auf der einen Seite sieht er dabei neue Möglichkeiten, insbesondere durch moderne Fabrikkonzepte, die es erlauben, auch an Niedriglohn-Produktionsstandorten hohe Qualitätsstandards einzuhalten sowie wegfallende respektive abnehmende Handelsbarrieren.175 Auf der anderen Seite weist er aber auch auf eine Schwachstelle des dauernden Suchen 176 des nächsten NiedrigkostenStandorts hin: „But in the pursuit of low-cost suppliers and subcontractors in far corners of the world, two things have suffered as geographical, organizational, cultural and political distances among factories have intion to be fragmented and parcelled out around the globe to wherever various facets of it could be done most efficiently.“ 171 Schmenner (1997), S. 113. 172 Reich (1986), S. 8: „Right now we are living in a world in which all the major factors of production – money, technology, and the latest up-to-date equipment – are circling the globe at an extraordinarily rapid pace. There is only one factor of production that is relatively immobile internationally. ... That one factor of production is our people ...“ 173 Ferdows (1997), S. 102. 174 Vgl. Kinkel/Erceg/Lay (2003), S. 3. 175 Vgl. Ferdows (2003), S. 29. 176 Zumal die gerade „günstigsten“ Standorte dauernd wechseln, vgl. z.B. Schmenner (1997), S. 112.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
273
creased: The ability to mass customize and the ability to respond quickly to unforeseen changes in the market.“ 177 Diese durch einseitig kostenbedingte Verlagerungen 178 auftretenden flexibilitätsreduzierenden Effekte werden auch durch andere Autoren und Studien belegt. Kinkel z.B. konnte für Deutschland zeigen, dass diejenigen produzierenden Unternehmen, die Teile ihrer Fertigung ins Ausland verlagert hatten, eine durchschnittlich um 32 % höhere Durchlaufzeit aufwiesen als dies Betriebe mit rein inländischer Produktion taten.179 Insbesondere vor dem Hintergrund steigender Kundenanforderungen in Hinblick auf Geschwindigkeit und Betreuung der Kunden über den Verkauf hinweg ist die Produktionsstandortentscheidung sorgfältig abzuwägen. Czinkota gibt z.B. zu bedenken: „When a manufacturing sector disappears domestically, it leaves behind a void that goes beyond lost jobs. Replacement parts suddenly become unavailable or much more expensive. Product re-orders, now filled abroad, take weeks rather than days. Some crucial input components to other manufacturing processes may be lost or delayed, slowing down the production of related products.“ 180 Es ist aus diesem Grund unerlässlich, dass der Standortentscheidung detaillierte Analysen vorausgehen.181 Beispiel dafür, dass man sich aus Flexibilitätsgründen sowie wegen neuer Kundenanforderungen zunehmend darauf besinnt, Strategien zu entwickeln, die Europa als Produktionsstandort für bestimmte Geschäftsfelder respektive Geschäftsmodelle wieder in den Mittelpunkt rücken, zeigen sich gerade auch in der in Kap. 1 als Beispiel für die Abwanderung der produzierenden Industrie beschriebenen Textilindustrie. Die Textil AG Ebenda, S. 29. Es ist auffallend, dass diese Kriterien, wenn überhaupt, erst in jüngerer Vergangenheit in Standortplanungen einfliessen. Auch detailliert beschriebene, systematische Vorgehensweisen, wie z.B. von Eversheim (1996), beziehen Flexibilitätsverluste nicht in die Bewertung ein. 178 Schmenner (1979), S. 126, kommentiert bereits damals: „Often a consultant is brought in or a management team assembled with the sole purpose of sourcing the South or the Far East, Mexico or Puerto Rico, for low-wage, low-cost, lowtax sites so that plant location can contribute to the „bottom line“. This mode of thinking invites disaster, as numerous companies have found out.“ 179 Vgl. Kinkel (1996), S. 5 und auch Nedess/Barck (1998) präsentieren eine Studie, die vor allem auch auf die Nachteile der Verlagerungsentscheide aufmerksam macht, S. 3: „Durch die Überbetonung der Lohnkostenunterschiede wird den Erfolgsfaktoren Qualität und Zeit in der Regel nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen.“ 180 Czinotka (2003), S. 53. 181 Schmenner (1979), S. 131, weist ebenfalls darauf hin, dass Verlagerungsentscheide auch intangible Faktoren berücksichtigen müssten, insbesondere wenn der Entscheid von der sonstigen Lokalisierungsstrategie abweicht. 177
274
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
z.B. produziert teilweise in Tschechien und Deutschland, um die Lieferzeiten der Konkurrenz in Zukunft unterbieten zu können (vgl. dazu auch die Projektbeschreibung im Anhang). Andererseits werden grosse Teile des Sortiments aber aus Fernost beschafft. Die zunehmenden Fertigungskompetenzen in Ländern wie China oder Indien ermöglichen eine neue Art der globalen Arbeitsteilung. Für die sich aktuell in der Planung befindliche Produktionsstruktur ist die gesetzte Prämisse, dass das Kapitalrisiko möglichst tief gehalten werden soll, d.h. dass Partnerunternehmen für die Produktion global identifiziert werden müssen. Auf deren Kapazitäten wird im Bedarfsfall zurückgegriffen. Das Aufrechterhalten einer eigenen Produktion ist allerdings vor dem Hintergrund der Innovationsfähigkeit und der oft notwendigen Geschwindigkeit unabdingbar. Es zeichnet sich jedoch auf der ganzen Breite ab, dass die Produktionen in Westeuropa mehr und mehr mit weniger Personal wird auskommen müssen respektive auch auskommen wird. Die Produktion an den westlichen Standorten ist bereits personalärmer als in den sich entwickelnden Ländern. Dieser Trend wird noch zunehmen. Unten beschriebenes Beispiel zeigt, wie über eine Neupositionierung und konsequentes Umsetzen einer Strategie auch mit dem Produktionsstandort Schweiz erfolgreich operiert werden kann. Die Spinnerei Bühler 182 in Sennhof in der Schweiz kämpft seit Jahren erfolgreich von ihrem Produktionsstandort im Hochpreisland Schweiz aus gegen die Konkurrenz aus Indien oder Pakistan. Die Personalkosten von 25–30 % werden über hohe Qualität, Topservice und eine ideenreiche Sortimentsgestaltung kompensiert. Während man vor zehn Jahren nur ein Standardprodukt anbot, macht dieses heute noch 56 % des Umsatzes aus. Den Rest erwirtschaftet man mit Spezialgarnen, z.B. für Damenunterwäsche oder Bettwäsche. Um den Kunden in seinem Geschäft weiter zu unterstützen, etablierte man eigene Markennamen für die neuen Garne, die gegenüber dem Endkunden ebenfalls positioniert werden (z.B. Swiss Cotton Organic, Swiss Cotton Premium). Im Gegensatz zu anderen europäischen Textillieferanten versucht Bühler seinen Vorteil mit dem nahen Standort an den europäischen Hauptabsatzmärkten auch effektiv über die Geschwindigkeit auszunutzen. Offertanfragen werden innerhalb von sechs Stunden beantwortet und nach Auftragserteilung wird die erste Tonne Garn normalerweise innerhalb von drei Wochen ausgeliefert. Die Anlagen des Unternehmens werden im Vierschichtbetrieb betrieben.
182
Vgl. dazu Tages-Anzeiger (2003), S. 14.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
275
Es gibt neben Kostengründen auch andere Motive für eine Auslandproduktion. Nach wie vor gewichten zwar gemäss der bereits oben erwähnten Studie von Kinkel et al. 65 % der deutschen Betriebe mit Auslandproduktion den Kostenfaktor als einen von drei Hauptfaktoren. Mit knappem Abstand folgt aber bereits das Motiv der Markterschliessung (60 %) und an dritter Stelle folgt der Zwang in der Nähe der Grosskunden zu produzieren (34 %). Ebenfalls noch erwähnt werden Steuern/Abgaben/Subventionen (21 %), Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal (17 %), Koordinations-/Kommunikations-/Transportkosten (16%), Präsenz der Konkurrenz (16 %), Local Content (15 %), Kapazitätsengpässe (12 %), Infrastruktur (9 %), Technologieerschliessung (8 %) sowie Währungsausgleich (6 %).183 Bezeichnenderweise wird Flexibilität nicht als Motiv genannt, was den eher flexibilitätsreduzierenden Charakter einer Auslandverlagerung unterstreicht. Nichtsdestotrotz sind in einer globalen Welt Markterschliessungssowie Local Content Gründe natürlich Motive, die ein produzierendes Unternehmen bei den Entscheidungen bezüglich seiner Produktionsstandorte nicht ausser Acht lassen kann. Ferdows erwähnt sechs Motivkategorien für die Auslandproduktion: Regierungspolitik, Markt, Fähigkeiten/Wissen, Risiko, Wettbewerb und Produktions-/Logistikkosten.184 Er hält dazu fest, dass nur in einem Fall die Produktion tatsächlich abwandert: „Among the six, only when access to low production costs is the prime motivation, is the company moving its production abroad; in all other cases, investment in a foreign factory is essentially enhancing the position and long term viability of the factory at home.“ 185 Damit stellt sich automatisch die Frage danach, was in einer verteilten Produktionsumgebung an welchem Standort produziert werden sollte. Eine Frage, die auch direkt mit industriepolitischen Fragestellungen zusammenhängt. Auf die Industriepolitik wird im Abschlusskapitel dieser Arbeit nochmals eingegangen. Dass sich insbesondere in Bezug auf die Flexibilität Nachteile ergeben können, scheint sich auch darin zu zeigen, dass die Quote von Produktionsrückverlagern zu Produktionsverlagern steigt. War diese im Jahre 1997 1:6,5 und im Jahr 1999 1:4, so bewegte sie sich im Jahre 2001 um 1:3.186 Dies hängt wahrscheinlich nicht nur mit der abnehmenden Welle der Verlagerungen zusammen, sondern auch mit den Schwierigkeiten, erhöhte Kundenanforderungen mit Auslandproduktionsstandorten zu adressieren. Dazu kommt, dass, wie später noch gezeigt wird, die Nähe der Produktion zur Entwicklung sowohl unter Qualitäts- wie unter Geschwindigkeitsgesichtspunkten Vgl. Kinkel/Jung Erceg/Lay (2003), S. 5. Vgl. Ferdows (1997), S. 108. 185 Ebenda, S. 107f. 186 Kinkel/Jung Erceq/Lay (2001), S. 6. 183 184
276
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
entscheidend ist (vgl. dazu 6.6.5.1.5). Eine Beobachtung, die auch von Czinkota unterstützt wird: „However when production is removed from its primary market, such rapid response to market demands may well be dulled, which can lead to a decline in manufacturing competitiveness.“ 187 Die Studie von Kinkel et al. vermochte auch zu zeigen, dass eine Verlagerung ins Ausland nicht unbedingt abnehmende Beschäftigtenzahlen am Heimatstandort bedeutet. Im Gegenteil, es liessen sich positive Effekte nachweisen. Dies könnte bedeuten, dass sich durch das bewusste Nutzen und Positionieren ausländischer Produktionsstandorte die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens insgesamt steigern lässt. Dies passt zum Verständnis von Ferdows, der unterstreicht, dass Kosten nur ein Faktor des Standortentscheides sind, dass aber Zugang zu Märkten, bessere Bedienung der weltweiten Kunden, präventive Abwehr von Konkurrenten, Zusammenarbeit mit hoch qualifizierten Lieferanten, etc. viel entscheidender sind 188 und damit die Auslandproduktion als Ergänzung und nicht als Substitut zur Produktion im eigenen Land gesehen werden sollte.189 Eine bewährte Methode zur Standortplanung ist in Abb. 6.37 abgebildet.190 Entscheidend ist es, dass die gewählten Kriterien einen ganzheitlichen Entscheid unterstützen, der sowohl Kosten- wie längerfristige Potenzial- und Wettbewerbsfähigkeitskriterien widerspiegelt. Die Planung erfolgt vom Groben ins Detail. Die Bewertung in der Endauswahl erfolgt in der Regel unter Zuhilfenahme einer Nutzwertanalyse. Es ist wichtig, dass sich der Entscheid nicht allein auf Kosten abstützt. Schmenner kommentiert: „It is important to evaluate these costs, but they seldom tell the complete story nor do they sometimes differ significant enough to make a location choice strictly on their merits.“ 191 Die Diskussion muss also zwingend um qualitative und intangible Faktoren ergänzt werden.
Czinkota (2003), S. 52 und auch Ferdows (1997b), S. 75 stellt fest, dass „ ... the pressure to transfer ideas from development to production ever more quickly and efficiently is pushing companies to forge a close working relationship between those two functions.“ 188 Czinkota (2003), S. 52 führt als negatives Beispiel, auf Kotabe (1999) referenzierend, die Outsourcing Netzwerke der US Unternehmen an: „He (Kotabe) found that U.S. companies gradually severed their value chain and, in search of cost efficiency, have willingly increased their dependence on foreign suppliers for components and finished products that have become technologically more sophisticated.“ 189 Vgl. Ferdows (1997), S. 102. 190 Eversheim (1996), S. 9–44. 191 Schmenner (1979), S. 132. 187
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
Standorte
Ordnungssystem
Unternehmensziele
277
Standortfaktoren Beschreibung der Standortanforderungen MindestFestforderung forderung >S* <S* global regional lokal S* = Schwellenwert
Standortbeschreibung lokale Standortfaktoren regionale Standortfaktoren
Grobauswahl Standort A F1 X X
X
F2 X X X F3 X X
X
globale Standortfaktoren
Standort B F1 X X
X
Standort C F1
F2 X X X
F2 X
F3 X X
F3
X
X X
X
Endauswahl Bewertungsverfahren Nutzwertanalyse Abnehmer Zulieferer 2
W1 W2 W3 W4 W5
G1 G2 G3 G4 G5
E1 E2 E3 E4 E5
N1 N2 N3 N4 N5
Standort Zulieferer 1Transportkostenoptimierung
Rangfolge 1. Standort A 432 Pkt. 2. Standort ... B... 408 Pkt.
optimaler Standort
Abb. 6.37 Vorgehen Standortplanung
Die Wahrnehmung der sich entwickelnden Länder als bewusste Erweiterung des Optionsraums eines produzierenden Unternehmens Westeuropas führt zu einer Art „imperialen Industrialismus“, d.h. es wird zunehmend zu den wichtigsten Fähigkeiten eines produzierenden Unternehmens gehören, die Länder mit Potenzial für die Produktion zu identifizieren, sie in kurzer Zeit zur Produktion zu befähigen 192 und das ganze so „kapitalarm“ zu gestalten, dass nach Auslauf der wirtschaftlich sinnvollen Zeit der Standort wieder gewechselt werden kann. Im Vorfeld muss auf Basis des zu adressierenden Marktes abgeleitet werden, was weiterhin aus Flexibilitäts- und Wettbewerbsfähigkeitsgründen am nationalen Standort produziert werden sollte und was man problemlos auch im Ausland produzieren kann. Gerade die höheren Kundenanforderungen der letzten Jahre haben bei multinationalen Unternehmen zu einem Umdenken geführt: „ ... the increasing sophistication of manufacturing and product development and the growing importance of having world-class suppliers are causing more multinationals to place less emphasis on low wages when they are choosing foreign manufacturing sites.“ 193 Es besteht hier ein enger Bezug zur Fertigungstiefenoptimierung. Die langfristige Bindung von Kapital an AuslandproDieser Punkt ist nicht zu unterschätzen, da auch ein Informationsaustausch institutionalisiert werden muss, um eine angepasste Produktion zu ermöglichen, vgl. dazu auch Galbraith (1990), S. 59. 193 Ferdows (1997b), S. 74. 192
278
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
duktionsstandorten wird aber vermieden werden. Galbraith führt diese Entwicklung vor allem bei High-Technology-Unternehmen auf das schwierigere Umfeld zurück, das immer mehr Investitionen in F&E erfordert, aber es kaum zulässt Geld zu verdienen, das sich wieder investieren lässt. „Confronted with such unprecedented technological and competitive pressures, an increasing number of technology based corporations are rethinking their manufacturing strategy and moving toward smaller, mobile, more efficient geographically decentralized facilities.“ 194 Die verschiedenen Standorte, die zur Produktion dienen, werden dabei nicht mehr als kaum veränderbare fixe Assets angeschaut, aber als variable aktuelle Standorte, die bei Bedarf angepasst, verschoben oder auch aufgegeben werden können.195 Reich skizziert das Bild eines globalen Managers, der vielversprechende Opportunitäten überall adressieren kann: „The emerging global manager invests in the most promising opportunities and abandons or sells off underperforming assets – no matter how long they have been part of the corporate family or where they may be located.“ 196 Zwei aktuelle Beispiele aus der Schweizer Industrie sollen dies verdeutlichen: Die Schweizer Industriegesellschaft (SIG) aus Schaffhausen hat auf ihrem Weg zum fokussierten Verpackungskonzern in den letzten Jahren bewusst auch Traditionsgeschäftsbereiche verkauft. So wurde z.B. das Kleinwaffengeschäft, das seit 1860 zum Konzern gehörte, im Jahre 2000 verkauft. Der Traditions-Kochtopfhersteller SIGG wurde vom Detailhändler Coop angefragt, ob er für eine Sonderverkaufsaktion mehrere tausend Kochtöpfe liefern könnte. SIGG war nicht in der Lage diese Anfrage aus der eigenen Produktion zu bedienen. Deshalb wurde auf freie Kapazitäten in China zurückgegriffen, wo die Kochtöpfe unter Anleitung von SIGG nun für Coop produziert werden. Das Abstützen auf „Third-party“-Unternehmen in der globalen Produktion ist in verschiedenen Branchen bereits weit verbreitet. Die Textilindustrie gehört hier sicher zu den Vorreitern, aber auch für die Elektronikproduktion ist das Zurückgreifen auf Dienstleister nichts Ungewöhnliches. Zur Entscheidungsunterstützung schlägt Ferdows eine einfache Matrix vor, Galbraith (1990), S. 56. Rifkin (2001), S. 41 zitiert die zwei Harvard Professoren Stan Davis und Christopher Meyer mit folgender Aussage: „Capital as inventory of capacity must give way to „just-in-time“ capital as access to the use of capacity“ und „use it, don't own it.“ 196 Reich (1991), S. 78. 194 195
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
279
Strategic Importance of production and logistics
die strategische Bedeutung und Komplexität von Produktion und Logistik einander gegenüberstellt (Abb. 6.38).197
high
low
Manage (but need not own)
Must manage (and often own)
Can rely on third parties
Indeterminate
standard
proprietary
Complexity of production and logistics processes Abb. 6.38 Einfacher Entscheidungsrahmen „Verteilte Produktion“
Interessant ist der Ansatz, die Komplexität der Logistik direkt mit in die Produktionskomplexitätsbeurteilung zu inkludieren. Dieser Aspekt ging in der Vergangenheit bei einseitig kostenorientierten Standortverlagerungsentscheiden oft vergessen. Ferdows unterscheidet verschiedene Rollen von ausländischen Produktionsstandorten (Abb. 6.39).
197
Ferdows (2003), S. 33.
280
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Lead Site Competence
Contributor Source Server
Offshore
Access to low-cost production
Outpost
Access to skills and knowledge
Proximity to Market
Strategic Reason for the Site Abb. 6.39 Rolle von Auslandproduktionsstandorten 198
Die oben dargestellten Rollen seien an dieser Stelle kurz erläutert.199 Eine Offshore Factory wird für die Niedrigkostenproduktion von spezifischen Teilen eingesetzt, die in der Folge exportiert und weiter bearbeitet und verkauft werden. Investitionen in technische oder managerielle Ressourcen werden minimiert. Eine Source Factory wird ebenfalls mit dem Ziel von niedrigeren Kosten zu profitieren etabliert. Die strategische Rolle ist aber breiter als bei der Offshore Factory. Die Manager verfügen über mehr Spielraum und können auch Lieferanten auswählen. Die Fähigkeiten in der Produktion des betrachteten Teiles sind vergleichbar mit denjenigen der besten Fabrik im Netzwerk. Standorte für Source Factories müssen neben tiefen Lohnkosten über eine ausgebaute Infrastruktur und eine gut ausgebildete Belegschaft verfügen. Die Server Factory bedient einen spezifischen regionalen oder nationalen Markt. Sie ermöglicht das Überwinden von Zöllen und Steuern etc. Die
198 199
Ferdows (1997), S. 77. Ebenda, S. 76.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
281
Server Factory verfügt über leicht höhere Spielräume für Entscheide als die Offshore Factory. Die Contributor Factory ist ebenfalls auf eine Region konzentriert, verfügt aber über mehr Entscheidungsspielraum im Bereich Produkt- und Prozessentwicklung sowie Lieferantenauswahl und Lieferantenentwicklung. Es besteht eine Wettbewerbsbeziehung mit den anderen Fabriken des Netzwerkes was die Entwicklung neuer Prozesstechnologien betrifft. Die Outpost Factory ist vor allem darauf ausgerichtet Informationen zu sammeln. Sie wird in einer Region angesiedelt, in der fortschrittliche Lieferanten, Wettbewerber, Research Labs oder Lead Customers anzutreffen sind. Da auch hier Produktion stattfindet, haben praktisch alle Outpost Factories noch eine zweite strategische Rolle. Die Lead Factory entwickelt neue Prozesse, Produkte und Technologien für das Gesamtunternehmen. Neben der Sammlung von Informationen steht deren Transformation in Erfolg versprechende Produkte und Prozesse im Vordergrund. Die Manager haben weitgehende Kompetenzen. Die Festlegung, welche Rolle ein Auslandsproduktionsstandort, sei es ein eigener oder ein fremder, innerhalb des Produktionsnetzwerkes spielen soll sowie die gezielte Befähigung dieses Standortes für diese Rolle wird zur Kernaufgabe des Managements des produzierenden Unternehmens in der Welt des industriellen Imperialismus. 6.6.3 Quadrant Organisation Neben der externen Perspektive, die sich schwergewichtig mit Kooperationen auseinander setzt, steht hier insbesondere die prozessorientierte Reorganisation im Vordergrund. Das integrierte Kooperationsmanagement wird schwergewichtig in Kap. 7 beschrieben. Auf „New Product Development“ (NPD)-Prozesse inklusive Projektmanagement wird im Zusammenhang mit der Beschreibung des integrierten Innovationsmanagements am Ende dieses Kapitels (vgl. 6.6.5.1) nochmals zurückgekommen. QFD wurde bereits weiter vorne beschrieben (vgl. 6.6.1.1). Die Gemeinsamkeiten dieser hier angeführten Methoden, wie auch von Simultaneous Engineering (SE), Failure Mode and Effect Analysis (FMEA) oder Design for manufacturing and assembly (DFMA) sind darin zu sehen, dass organisatorisch/strukturell ein Begegnungsraum über Funktionen hinweg geschaffen wird. Marketingleute, Entwickler, Fertigungsspezialisten, etc. werden durch organisatorische Vorgaben dazu „gezwungen“ sich gemeinsam mit einer Fragestellung auseinander zu setzen. Dies schafft ein Verständnis für die anderen Tätigkeiten im Unternehmen und erlaubt es, auch bei neuen Anforderungen rasch und richtig zu reagieren. Eine eingeengte Sicht auf
282
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
die eigene Aufgabe und Funktion wird damit vermieden. An dieser Stelle werden in der Folge einige Grundüberlegungen sowie eine Methode zur prozessorientierten Reorganisation, d.h. den Weg von einer nach Funktionen gegliederten hierarchischen Organisation hin zu einer nach Abläufen gegliederten prozessorientierten Organisation 200 vorgestellt. Für weitergehende Ausführungen, insbesondere auch zu den anderen aufgeführten Methoden, sei auf die entsprechende Literatur verwiesen. Hierarchisch
Prozessorientiert
Interne Struktur
Markt Statisches Unternehmen
• Prozessorientierte Reorganisation • Professionalisierung des Kooperationsmanagements • Projektmanagement • NPD-Prozesse • SE, QFD, etc.
Flexibles Unternehmen
Kooperation
Externe Struktur
Abb. 6.40 Ansätze und Methoden im Quadranten Organisation
Seit den 90er Jahren werden zahlreiche Ansätze zur prozessorientierten Reorganisation unter verschiedensten Begriffen diskutiert.201 Auf die Bedeutung einer modularen Prozessarchitektur für das Konzept der Mass
200
201
Es bleibt aber festzuhalten, dass es so etwas wie eine ausschliesslich prozessorientierte Organisation nicht gibt. Die meisten Prozessorganisationen weisen einen Matrix-Charakter auf. In einer prozessorientierten Organisation gibt aber der Prozess die Prioritäten vor. Vgl. zu dieser Thematik auch Hammer/Stanton (1999). Vgl. Hammer/Champy (1993), die von Business Reengineering sprechen; Johansson et al., die von Business Process Reengineering sprechen; Davenport (1993), der von Process Innovation spricht; Schuh et al. (1995), die den Begriff „Prozessmanagement“ verwenden, etc.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
283
Customization wurde unter Abschn. 3.3.1 hingewiesen.202 Es besteht ausserdem ein Zusammenhang der internen Organisationsachse mit der externen und zwar insofern als dass die Beherrschung und ein ausgeprägtes Verständnis für die internen Prozesse eine Grundvoraussetzung für die überbetriebliche Zusammenarbeit ist. Die Bedeutung der Prozessorientierung im Zusammenhang mit einer Flexibilisierung ist darin zu sehen, dass diese hilft, den Blick vom Tagesjob weg und hin zu Gesamtzusammenhängen zu richten. Nicht mehr länger steht eine Vielzahl operativer Inseln 203 einer Lösung, die für den GesamtProzess optimal wäre, im Wege. Das Verständnis für den Gesamtzusammenhang erlaubt es ausserdem, die eigenen Tätigkeiten schneller in veränderten respektiv neuen Prozess-Zusammenhängen einsetzen zu können. Um eine Prozessorientierung in ein Unternehmen hereinzubringen, braucht es eine Methode, die die dazu notwendige Veränderung begleitet und ein prozessorientiertes Denken auf allen Ebenen durchgängig unterstützt. Womit sich die Unternehmen in der Regel schwer tun, ist die eigentliche Umsetzung der Konzepte. Drei Hauptfehler in der Vorbereitung der Umsetzung können identifiziert werden: 204 • Eine klare Orientierung an der Unternehmensstrategie fehlt. Ohne explizite Ausrichtung an der Unternehmensstrategie verkommt das Reorganisations-Projekt zur reinen Bekämpfung der operativ dringlichsten Probleme. • Zu oft wird noch versucht ein neues Konzept der Belegschaft Top Down aufzuoktroyieren. Dies führt dazu, dass das Konzept zwar vordergründig akzeptiert wird, dass aber nach wie vor nach den bewährten selbst erlernten Regeln gearbeitet wird. Es entstehen damit zwei Realitäten im Unternehmen. • Es gibt kein systematisches Projektmarketing. Das Projektmarketing hat die gesamte Belegschaft einzubeziehen. Eine Informationspolitik, die sich auf die am Projekt direkt Beteiligten konzentriert, führt dazu, dass sich der Rest der Belegschaft ihre eigenen Gedanken zum Projekt und zu möglichen Konsequenzen macht. Die dabei entstehenden Gerüchte können sich negativ auf das Betriebsklima und damit auf die Umsetzung auswirken. Und auch Drucker (1990) schlägt als eines von vier Elementen seiner postmodernen Fabrik 1999 eine „Flottillen-Organisation“ vor, die auf Modulen basiert (vgl. auch Abschn. 4.4). 203 Die operativen Inseln entstehen dadurch, dass eine funktional ausgerichtete, arbeitsteilige Aufbaustruktur von Hierarchien überlagert wird (vgl. dazu Müller 1999, S. 23, und die dort zitierte Literatur). 204 Vgl. dazu insbesondere Schuh et al. (1999). 202
284
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Bei der eigentlichen Umsetzung ist zudem der zielgerichteten Steuerung im Sinne eines Umsetzungscontrollings 205 Beachtung zu schenken. Ein Ansatz, der diese potenziellen Schwachstellen adressiert, wurde vom Institut für Technologiemanagement im Rahmen des EU-geförderten Projektes „MOTION“ entwickelt.206 MOTION sichert die Umsetzung durch einen durchgängig partizipativen Ansatz. Im Folgenden wird der Gesamtrahmen der sog. „Motion Navigator“ kurz vorgestellt, danach werden zwei Bausteine aus dem MOTION Instrumentarium herausgegriffen, die explizit auf die erfolgreiche Umsetzung zielen: • Die partizipative Prozessanalyse und Gestaltung; • Die überlappende Projektorganisation und das Projektmarketing. MOTION verbindet die Stärken verschiedener Reorganisations-Ansätze und gewährleistet durch die Integration partizipativ-operativer und strategisch-hierarchischer Elemente einen ganzheitlichen und durchgängigen Ansatz. Aufgrund der Durchgängigkeit des Konzeptes, das von der Strategieentwicklung bis zur praktischen Umsetzung und zum Umsetzungscontrolling aufeinander abgestimmte Methodenbausteine einsetzt, werden Probleme bei der Umsetzung strategischer Zielsetzungen in operative Gestaltungsmassnahmen vermieden.
Handlungsebenen
z
Führungsebene
z
Unternehmensstrategie Leitbild
strategische Ebene
down Down-Up
Konzentration auf Kernprozesse
up Prozessebene
operative Ebene z
Massnahmen zur Prozessoptimierung gering
Umsetzungsstärke
hoch
Abb. 6.41 Das down-up Prinzip von MOTION
Das Down-up-Prinzip im Sinne einer Integration strategischer Ziele der Unternehmensleitung (top-down) und der Erarbeitung operativer Prozess205 206
Vgl. dazu insbesondere Tockenbürger (2000). Vgl. dazu die Kurzbeschreibung im Anhang.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
285
verbesserungen durch die betroffenen Mitarbeiter (bottom-up) stellt die Grundlage für das Vorgehen nach dem MOTION-Konzept dar. Das Downup-Prinzip gewährleistet, dass sowohl die Geschäftsleitung intensiv den Wandel vorantreibt als auch die Ideen und Vorstellungen der Mitarbeiter unmittelbar in das Projekt einfliessen (Abb. 6.41). Der MOTION-Navigator (Abb. 6.42) garantiert ein strukturiertes Vorgehen und bereitet so den Weg für ein erfolgreiches ReorganisationsProjekt. Gestaltung
Analyse Strategieaudit
Prozessanalyse
Kernprozessidentifikation
Projektorganisation
Prozessstrategien
Transformation
Prozessoptimierung
Schulung
Abb. 6.42 Der MOTION-Navigator
Die Bausteine Strategie-Audit, Kernprozessidentifikation und Prozessanalyse dienen der Analyse der Ausgangssituation und ermöglichen die gezielte Ableitung des Handlungsbedarfs. Im Strategie-Audit wird zuerst die strategische Orientierung des Unternehmens in Hinblick auf Konsistenz und Zukunftsgerichtetheit überprüft. Das zentrale Ergebnis aus dem Strategie-Audit für die prozessorientierte Reorganisation sind die für die Zukunft entscheidenden Strategischen Erfolgspositionen (SEP) 207 (vgl. den als Beispiel beschriebenen Strategie-Audit in Abschn. 6.4, der als Ausgangspunkt für die prozessorientierte Reorganisation verwendet werden kann). Im Falle eines Textilmaschinenbauers ergab die Analyse der SEPs, dass das Wettbewerbsumfeld sich basierend auf den abzuschätzenden Marktentwicklungen stark verändern wird. Bisher waren Innovationsfähigkeit und Qualität der Produkte die entscheidenden Faktoren im Wettbewerb gewesen, zukünftig zeichnete sich eine steigende Bedeutung von Kosten (SEP: Skaleneffekte) und Kundennähe ab. In beiden Bereichen gab es aktuell besser aufgestellte Konkurrenten. Deutlich wurde aber auch, dass in
207
Vgl. zum Begriff die Ausführungen zum potenzialorientierten Management nach Pümpin in Abschn. 2.1.2.3.
286
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Bezug auf die Innovationsfähigkeit ein Konkurrent des Unternehmens besser positioniert war.
Prozesseffektivität
Anschliessend werden die wettbewerbsentscheidenden Prozesse nach Effektivitäts- und Effizienzkriterien in ein Prozessportfolio eingeordnet und auf ihren SEP-Bezug überprüft. Dies dient der strategieorientierten Priorisierung der Unternehmensprozesse (vgl. Abb. 6.43). Basierend darauf können in der Folge Prozessstrategien abgeleitet werden.
IBN
Basisentwicklung
Montage Legende:
After Sales Service Marketing
Teilefertigung
Vertrieb
Beschaff. mgmt.
Auftragsabwicklung Auftragsengineering
Skaleneffekte
Kundennähe Prozesseffizienz
Abb. 6.43 Prozessportfolio und Prozessstrategien eines Maschinenbauers
Das Prozessportfolio erlaubt eine duale Bewertung der Prozesse nach den Kriterien Effektivität, d.h. inwieweit trägt der Prozess zum wahrgenommenen Kundennutzen bei und Effizienz, d.h. mit welchem Ressourceneinsatz wird das Prozessergebnis erzielt im Vergleich zur Konkurrenz.208 Im Prozessportfolio wird der Bezug zu den zukünftig wichtigen SEPs dadurch dargestellt, dass die Prozesse auf ihren Beitrag zur Unterstützung dieser SEPs geprüft werden. 208
Ist die Prozesseffizienz besser als diejenige des bedeutendsten Konkurrenten, so liegt der Prozess rechts von der Mittellinie. Dasselbe gilt für die Prozesseffektivität auf der vertikalen Achse. Vgl. zum Thema Prozessportfolio insbesondere Müller (1999), S. 77f. u. 110ff.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
287
In Abb. 6.43 zeigt sich z.B., dass für die SEP Kundennähe insbesondere die Prozesse Auftragsabwicklung, Vertrieb, Auftragsengineering, After Sales Service und Marketing bedeutsam sind. Die Grösse der Kreise ist ein Hinweis auf die Bedeutung des Prozesses ausgedrückt durch die mit der Erbringung verbundenen Kosten oder des durch den Prozess generierten Umsatzes. Die Diskussion des Portfolios erlaubt es nun, eine Priorisierung vorzunehmen und für die wichtigsten Prozesse die Veränderungsrichtung abzutragen. Der Vertriebsprozess z.B. soll gemäss der Darstellung in der Effektivität optimiert werden, da man in Bezug auf dieses Kriterium im Vergleich zur Konkurrenz Nachholbedarf aufweist. In der anschliessenden 209 Prozessanalyse werden die bedeutenden Prozesse aufgenommen und dargestellt. Dies garantiert eine Konzentration der Kräfte auf die entscheidenden Prozesse unter gleichzeitig effektiver Nutzung vorhandener Ressourcen. In der Phase der Prozessoptimierung werden die Prozesse anschliessend schwachstellenorientiert um- sowie, basierend auf den Vorgaben der Prozessstrategien, ausgestaltet.210 Die Aufnahme eines Prozesses erfolgt durch Befragungen der am Prozess beteiligten Mitarbeiter sowie unter Umständen durch die Verfolgung exemplarischer Aufträge mit Laufkarten, auf denen jeder Teilprozess notiert wird. Die Prozesse werden softwareunterstützt dokumentiert und die Analyseergebnisse von den betroffenen Mitarbeitern kontrolliert und allenfalls korrigiert. Um sicherzustellen, dass der modellierte Prozess dem mentalen Bild des Mitarbeiters entspricht, wird er direkt während des Interviews dokumentiert und mit einem Beamer an die Wand gegenüber dem Interviewten projiziert. Damit wird sofort ersichtlich, ob die Dokumentation die Aussagen des Interviewpartners korrekt wiedergibt. Die verschiedenen Teilprozesse aus den geführten Interviews werden danach zu einem Gesamtprozess zusammengesetzt. Dieser Gesamtprozessplan stellt die Grundlage für den anschliessenden Schwachstellenworkshop dar, dem alle Interviewpartner sowie allenfalls andere betroffene Mitarbeiter beiwohnen. In der Praxis wird mit der Prozessanalyse oft parallel zur Strategiediskussion angefangen, um nicht in Zeitprobleme zu kommen. Das Problem, dass man zu diesem frühen Zeitpunkt im Projekt die Priorisierung noch nicht durchführen kann, löst man so, dass man sich zuerst auf die Prozesse konzentriert, die auch intuitiv von Bedeutung für das Unternehmen sind. 210 Vgl. dazu z.B. Schuh (1998). 209
288
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Anlässlich des Schwachstellenworkshops stellt jeweils der Mitarbeiter, auf Grundlage dessen Interviews ein Teilprozess erstellt wurde, genau diesen Prozess vor. Der Prozess wird wiederum für alle Teilnehmer sichtbar an die Wand projiziert. An dieser Stelle kann damit einerseits nochmals eine Verifikation erfolgen, ob die tatsächlichen Abläufe dokumentiert wurden, indem nun alle Anwesenden den vorgestellten Prozess an ihren Erfahrungen spiegeln können. Andererseits wird für alle transparent wie der Gesamtprozess aussieht, was mit Zwischenergebnissen passiert und wo Schwachstellen im Prozess bestehen. Identifizierte Schwachstellen werden direkt in eine Excel-Tabelle geschrieben, die ebenfalls an die Wand projiziert ist. Der entscheidende Vorteil des geschilderten Vorgehens ist die hohe Transparenz und die direkte Einbindung der betroffenen Mitarbeiter in die Prozessveränderungen. Zudem setzt man bei bekannten Abläufen an, d.h. man schafft ein Problembewusstsein i.S. einer gewissen Betroffenheit, die es ermöglicht, konstruktiv auf Verbesserungen hin zu arbeiten. Das Protokoll des Workshops wird an alle Beteiligten sowie weitere Schlüsselmitarbeiter verteilt, um einen breit abgestützten Konsens über die Schwachstellen zu erzielen. In einem darauf folgenden Workshop wird dann entlang der Schwachstellen nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht und gleichzeitig werden die Konsequenzen aus der Prozessstrategie auf die Ausgestaltung des Prozesses heruntergebrochen. Ergebnis dieses Workshops sind identifizierte Handlungsfelder mit Verantwortlichen und Terminvorgaben. Wichtig im Ablauf ist eine einfache und problemlos nachvollziehbare Visualisierung der Prozesse. Innerhalb des MOTION-Projektes wurde ein bestehendes Tool, das an der RWTH Aachen 211 entwickelt wurde, zu diesem Zweck weiterentwickelt. Dieses gewährleistet die schnelle und verständliche Visualisierung der Prozesse und unterstützt die Darstellung der verknüpften Organisationseinheiten. Während andere Darstellungsformen ihren Schwerpunkt bei der Abbildung auf die direkten Tätigkeiten legen, wird hier auch eine Darstellung der indirekten Prozesse ermöglicht. Damit werden vor allem die unproduktiven Totzeiten der Auftragsabwicklung transparent gemacht, die allgemein als Liege- und Wartezeiten beschrieben werden. Sie machen, je nach Unternehmen, über 80 % der gesamten Durchlaufzeit aus. Eine weitere Stärke ist, dass sich Unklarheiten im Pro211
Am Lehrstuhl für Produktionssystematik des Laboratoriums für Werkzeugmaschinen (WZL), der dazumal unter Leitung von Prof. Eversheim stand.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
289
zess, die zu Rückfragen bei vorgelagerten Stellen führen, direkt als Rückschleifen darstellen lassen, so dass auch diese sofort transparent werden. In Summe werden folgende Vorteile erzielt: • Die Ineffizienz von Unternehmensprozessen wird bildlich unmittelbar hervorgehoben und für jedermann erkennbar. • Schwachstellen in den Abläufen werden systematisch und miteinander aufgedeckt und das Potenzial von Veränderungen gemeinsam (akzeptanzfördernd) abgeschätzt. • Die gemeinsame Diskussion entlang des Gesamtprozesses führt zu einem einheitlichen Verständnis des Prozesses und zu einem geteilten mentalen Modell. • Der Prozessplan ist ein Hilfsmittel, die „Variantenvielfalt” der Prozessabwicklung auf ein notwendiges Mass reduzieren zu können. • Die Prozesssichtweise gewährleistet neben der Beurteilung von Einzelmassnahmen (z.B. durch Simulation) immer die gesamthafte Betrachtung der Massnahmen, da sie den kompletten Unternehmensprozess in die Bewertung einbezieht. Die Transformation hin zum prozessorientierten Unternehmen beginnt mit dem Projektstart und endet mit Abschluss der definierten Umsetzungseinzelprojekte. Gestützt wird die Transformationsphase durch eine adäquate Projektorganisation, die sich leicht in die neu gestaltete Prozessorganisation des täglichen Geschäfts überführen lässt. Der Schulung und Vorbereitung der Mitarbeiter ist dabei besondere Beachtung zu schenken. Die Projektorganisation nach MOTION sieht die Bildung von vier verschiedenen Arten von Teams vor, die über einzelne Mitglieder überlappend verknüpft sind. Dadurch wird eine durchgängige Koordination der Umsetzung erreicht. Für jeden identifizierten und zu optimierenden Prozess wird ein Prozessteam festgelegt, das funktionsübergreifend zusammengesetzt ist. Im Laufe des Projektes kann es sein, dass gewisse Punkte einer vertieften Analyse bedürfen. Dafür werden Analyseteams ausgeschieden, die aus Spezialisten für das jeweilige Problem zusammengesetzt sind. Die Mitglieder der Geschäftsleitung und der Projektleiter bilden zusammen das Strategieteam. Die Koordination mit den einzelnen Prozessteams wird über den Steuerkreis gewährleistet, in dem sich Vertreter aus allen Teams wieder finden (Abb. 6.44).
290
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Analyseteam
Prozessteam SteuerStrategieteam
ProzessProzess-team team
Analyseteam
kreis
ProzessProzessteam team Analyseteam
Abb. 6.44 Projektorganisation
MOTION strebt bewusst an, eine Vielzahl von Mitarbeitern in den Veränderungsprozess miteinzubeziehen. Die von der Veränderung Betroffenen werden zu Beteiligten gemacht und werden somit zu Mitgestaltern ihrer betrieblichen Zukunft. Natürlich ist es unmöglich, sämtliche Mitarbeiter direkt in die Prozessanalyse und -optimierung einzubeziehen. Deshalb ist der Auswahl der Teammitglieder besondere Beachtung zu schenken und das Projektmarketing von Anfang an mit zu planen. Im Projekt mit der Textil AG (vgl. Anhang) wurde ein internes Kernteam eingesetzt, das sich mit Unterstützung durch das Institut für Technologiemanagement zu 100 % für das Projekt engagierte. Das Team bestand aus drei langjährigen Mitarbeitern, die in den verschiedensten Funktionen im Unternehmen gearbeitet hatten, einer Vertreterin des grössten ausländischen Produktionsstandorts sowie zwei aufstrebenden jungen Mitarbeiterinnen mit Potenzial für Führungsaufgaben. Das Projektmarketing richtet sich explizit an die ganze Belegschaft eines Unternehmens. Das Projekt ist mit allen Zielsetzungen in geeigneter Form im Unternehmen bekannt zu machen. Projektfortschritte, aber auch Rückschritte sind permanent offen zu legen. Erfahrungsgemäss wird sonst eine Realität konstruiert, die mit den wirklichen Zielsetzungen nichts zu tun hat und das Projekt zum Scheitern bringen kann. Die geeignete Form der Kommunikation ist unternehmensindividuell. Während in einigen Unternehmen eine Kommunikation über das firmeneigene Intranet geeignet
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
291
ist, wird dies in anderen Unternehmen von den Mitarbeitern zur Informationsgewinnung nicht genutzt. Unternehmen, die mit MOTION gearbeitet haben, setzten unter anderem gut platzierte Informationswände ein oder führten regelmässige UpdateMeetings für alle Interessenten durch. Gute Möglichkeiten zur Kommunikation bietet auch eine unternehmenseigene Informationszeitschrift. Folgende Punkte sind im Zusammenhang mit der Umsetzungsstärke des Projektes wichtig: • Die Gesamtgeschäftsleitung erarbeitet/überprüft die Strategie partizipativ. Es entsteht ein gemeinsames mentales Modell und ein Team von Promotoren. • Das Ziel des Projektes wird an die Strategie gekoppelt. Zukunftsorientierung ersetzt operative Flickarbeiten und Symptombekämpfung. • Der Einbezug der Wettbewerber in die Analyse weitet den Fokus aus und kann den Handlungsbedarf für den Wandel eindringlich dokumentieren. • In der Folge werden die strategischen Ziele operationalisiert, damit werden sie für die Belegschaft verständlich und erreichbar. • Über die ineinander greifende Teamstruktur schafft MOTION die Voraussetzung für die effiziente und koordinierte, immer an den strategischen Vorgaben orientierte Prozessanalyse. Diese wird dazu genutzt, über alle Mitarbeiter hinweg ein gemeinsames mentales Modell der betrachteten Prozesse entstehen zu lassen, damit entspricht dieser Schritt auf der operativen Ebene der Schaffung eines gemeinsamen Geschäftsverständnisses auf der strategischen Ebene wie es im Strategie-Audit erreicht wird. Das so entstehende mentale Modell ist wiederum die Grundlage dafür, dass es gelingt, die Projektarena in die Alltagsarena zu überführen,212 d.h. die in der Prozessanalyse- und Prozessoptimierungsphase ablaufenden gruppendynamischen Prozesse führen zu einem durchgängigen Denken in Prozessen, was sich nach Abschluss des Projektes in der täglichen Arbeit zeigt und den nachhaltigen Erfolg des Projektes sicherstellt. MOTION stellt einen integrierten und ganzheitlichen Rahmen zur Durchführung eines beherrschten und zielorientierten Veränderungsprozesses dar. Dabei geht es nicht um die isolierte Realisierung von Einzelmassnahmen, sondern um die Durchgängigkeit von der Strategie bis zur Prozessgestaltung sowie die Schaffung der notwendigen Strukturen und einer Vertrauenskultur trotz Veränderung. 212
Vgl. Buschor (1996), S. 161ff.
292
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Die prozessorientierte Reorganisation der Textil AG erfolgte mit dem Hauptziel einer strategischen Flexibilisierung. Zu diesem Zweck mussten traditionelle, festgefahrene in hierarchischen Strukturen eingebundene Abläufe zuerst aufgebrochen und in einen Gesamtzusammenhang gebracht werden. Der nächste Schritt war danach das Schaffen einer tragfähigen Prozessarchitektur mit zum Teil generischen Prozessmodulen, die in verschiedenen Geschäftsfeldern und Kontexten effizient eingesetzt werden konnten. Die Grundarchitektur wurde in Kap. 3 bereits dargestellt (vgl. Abb. 3.10).
6.6.4 Quadrant Human Resources systematisch
Personalentwicklung
zufällig niedrig Statisches Unternehmen
• Einführung eines integrierten Personalmanagement-Ansatzes Personalmanagement-Ansatzes • Gezielte Weiterqualifikationsmassnahmen • „Learning organization“ • Benchmarking Flexibles Unternehmen
hoch
QualifikationsNiveau
Abb. 6.45 Ansätze und Methoden im Quadranten Human Resources
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
293
„Traditionally production has been characterised by a culture which emphasises things like stability, bureaucratic procedure („doing things by the book“), specialisation and division of responsibility, and so on – what Burns and Stalker called mechanistic“ in their pioneering studies.“ 213
Eine Unternehmenskultur basiert auf den geteilten Werten und Ansichten der Organisationsmitglieder 214 und manifestiert sich in den Zielen, die eine Organisation verfolgt und den Mitteln, die sie zur Erreichung dieser Ziele einsetzt. Die Einstellung zu den Mitarbeitern, der Umgang mit ihnen sowie der Bezug zu Strategie, Ressourcen und Organisation sei hier unter dem Gesichtspunkt der Erhöhung der Flexibilität näher beleuchtet. Wie unter 6.6.2.1 beschrieben, spielt die Berücksichtigung der durch die Strategie und auch die eingesetzten Technologien gestellten Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter für den Erfolg der Implementation eine entscheidende Rolle. Während Ansätze, die unter dem Stichwort „Taylorismus“ diskutiert werden und die von einer starken Kontroll-Mentalität ausgehen, geringe Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter stellen, sind produzierende Unternehmen, die eine erhöhte Flexibilität anstreben, auch auf eine erhöhte Flexibilität im Einsatz der Mitarbeiter und damit verbunden auf eine höhere Qualifikation angewiesen.215 Mitarbeiter müssen, um solchen Anforderungen gewachsen zu sein, mehrere Tätigkeiten ausführen können,216 und zwar auf Grund der Verschiedenheit der Aufgaben, die sie ausführen müssen. Ausserdem sollten sie auf Grund der Komplexität der Aufgaben über gut ausgeprägte analytische Fähigkeiten verfügen.217 Damit findet in einer historischen Betrachtung eine Umkehr statt, nicht mehr ein „Deskilling“ der Mitarbeiter, um die Kosten zu senken, steht im Vordergrund, sondern eine bewusste Höherqualifikation, um den Anforderungen dynamischer Umfelder und komplexerer Produktionssysteme überhaupt gewachsen zu sein.218 Bessant/Lamming (1987), S. 360. Vgl. Hofstede et al. (1990), Sales/Mirvis (1984), Schwartz/Davis (1981). 215 Zammuto und O´Connor (1992) schildern einige der Probleme, die damit verbunden sind, wenn Organisationen zwar flexible Fertigungstechnologien einführen, aber an einer Kontroll-Philosophie festhalten. 216 Verschiedene Unternehmen haben in jüngerer Vergangenheit Team- und Gruppenarbeitskonzepte eingeführt, die dies voraussetzen. 217 Vgl. Zammuto/O´Connor (1992), S. 708. 218 Vgl. z.B. Snell et al. (2000), S. 446, die beschreiben, wie die Anreize früher da waren, um eine eigentliche Taktik des „Deskilling“ zu betreiben. Dies gilt im dynamischeren Umfeld nicht mehr: „ ... more advanced systems require a set of complementary practices for upskilling the workforce ...“. 213 214
294
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Entscheidend ist es auch, dass über die Funktionen hinweg Kommunikation stattfindet. Dies wird auf der organisatorischen Seite, wie unter 6.3.3 beschrieben, durch Methoden wie QFD, FMEA, DFMA, SE etc. unterstützt, erfordert aber auch die notwendige Einsicht der Mitarbeiter in die Sinnhaftigkeit dieser Kommunikation. Zur Klärung des Begriffes integriertes Personalmanagement werden einige Grundüberlegungen dargestellt sowie der Ansatz von Hilb 219 detaillierter beleuchtet. Einige Grundüberlegungen zum Thema Management von Entwicklern/Technikern runden das Ganze ab. Mit Hinweisen zum Thema „Learning Organization“ und Konsortial-Benchmarking schliesst dieser Teil. Auch hier sei aber zur Vertiefung auf die relevante Literatur verwiesen. 6.6.4.1 Integriertes Personalmanagement Für ein produzierendes Unternehmen in einem dynamischen Umfeld ist einer der Erfolgsfaktoren ein Commitment zu den Mitarbeitern sowie eine Sicht auf die Mitarbeiter, die diese als Aktiven sieht, die weiterentwickelt werden sollen und müssen und nicht einfach als ersetzbare Bestandteile des Produktionsprozesses: „The size of the initial investment and ongoing training costs suggests that organizations ... need to view their employees as assets to be developed rather than as easily replaced components of the production process.“ 220 Hilb 221 orientiert sich bei seinem integrierten Konzept an den generischen Teilfunktionen des Personalmanagements, die langfristig und nachhaltig das Unternehmensgeschehen zu prägen vermögen (Abb. 6.46). Mit der Personalgewinnung werden diejenigen Personen ausgewählt, die den Anforderungen, die auf sie im Rahmen ihrer Tätigkeit zukommen, am besten entsprechen. Die Leistung, die sie in der Folge erbringen, wird durch die Personalbeurteilung erfasst und bewertet. Damit erhält man auf der einen Seite eine Informationsgrundlage für die Entlohnung und Anreizgestaltung, auf der anderen Seite können aus der Beurteilung gezielte Entwicklungsmassnahmen für den Mitarbeiter abgeleitet werden. Hilb ergänzt dieses Modell um die Ausrichtung an einer integrierenden Unternehmensvision.
Vgl. Hilb (1998). Zammuto/O´Connor (1992), S. 720. 221 Vgl. Hilb (1998). 219 220
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
295
PersonalHonorierung
PersonalGewinnung
Leistung
PersonalBeurteilung
PersonalBeurteilung
Abb. 6.46 Integrationsmodell nach Devanna et al. 222
Es entsteht sein „Kreislaufkonzept des visionsorientierten und integrierten Personalmanagements“.223 Das Konzept ist in Abb. 6.47 in angepasster Form dargestellt. PersonalGewinnung
PersonalHonorierung
Vision
PersonalHonorierung
PersonalHonorierung
Abb. 6.47 Kreislaufkonzept nach Hilb (angepasst)
Die Vision respektive die konkretere Mission bildet dabei die wichtigste Grundlage für das Personalmanagement. Damit wird ermöglicht, dass auch das Personalmanagement im Sinne des Gesamtunternehmens und unter Vgl. Devanna/Fombrun/Tichy (1984), S. 41, übernommen aus Hilb (1998), S. 14. 223 Hilb (1998), S. 19. 222
296
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Berücksichtigung einer ganzheitlichen Sicht ausgerichtet ist. Die vier vorne kurz beschriebenen generischen Teilfunktionen bilden einen zusammenhängenden Kreislauf. Im Einzelnen bedeutet eine Integration der vier Teilfunktionen das Folgende: 224 Bereits bei der Personal-Gewinnung 225 wird das Potenzial der Bewerber 226 überprüft, um eine spätere Entwicklungsfähigkeit, falls diese erforderlich sein sollte, sicherzustellen. Die regelmässig stattfindende PersonalBeurteilung erfolgt nach den gleichen stellen- und rollenspezifischen Kriterien wie die Gewinnung. Die Folgemassnahmen, d.h. die Personal-Honorierung sowie die Personal-Entwicklung 227 bauen auf den Ergebnissen der Personal-Beurteilung auf. Der Personal-Beurteilung kommt in zweierlei Hinsicht eine entscheidende Bedeutung in diesem Kreislauf zu. Richtig durchgeführt trägt sie einerseits zur Motivation der Mitarbeiter bei, die gerade in einem dynamischen Umfeld mit wechselnden Aufgabenstellungen unerlässlich ist; andererseits bildet sie die Grundlage für eine systematische Ableitung der weiteren Entwicklungsmassnahmen. Die Zusammenhänge sind in Abb. 6.48 dargestellt. Kritisch bei der Personal-Honorierung ist, dass es darum geht sicherzustellen, dass eine umfassende Verteilungsgerechtigkeit geschaffen wird, d.h. die Mitarbeiter müssen transparent nachvollziehen können, wieso sie mit was für ihre Leistungen entschädigt werden. Hilb formuliert als Ziel, dass jeder Mitarbeiter das Gefühl haben soll, intern (d.h. anforderungs-, leistungs- und sozialgerecht), extern (marktgerecht) sowie unternehmenserfolgsgerecht honoriert zu werden.228 Diese drei Dimensionen können Vgl. Hilb (1998), S. 57. Hilb (1998), S. 63 unterscheidet die folgenden Schritte der Personal-Gewinnung: Personal-Bedarfsermittlung, Personal-Werbung, Personal-Auswahl, Personal-Anstellung sowie Personal-Einführung. 226 Dazu sollte man sich bewusst sein, dass eine spätere Beeinflussbarkeit je nach Art der Kompetenz höchst unterschiedlich ist und damit einzelne Kompetenzen für die Potenzialbeurteilung wichtiger sind als andere. Besonderer Bedeutung kommt vor allem der Persönlichkeits- und der Sozial-Kompetenz zu. Führungsund Fachkompetenzen hingegen lassen sich besser beeinflussen (vgl. dazu auch Hilb 1998, S. 140). 227 Upton (1995), S. 84, weist auf die zentrale Bedeutung der Ausbildung für das Erreichen einer „operativen Flexibilität“ hin. Neben der Vermittlung von benötigten Fähigkeiten und Kenntnissen sieht er darin eine Möglichkeit, die „this is the way we´ve always done it“-Mentalität abzubauen und den Mitarbeitern auch Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten zu vermitteln. 228 Hilb (1998), S. 97ff. 224 225
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
297
nicht immer miteinander in Einklang gebracht werden, was die Schwierigkeit bei dieser personellen Teilfunktion deutlich macht. Hilb spricht deshalb auch vom „magischen Dreieck“ der Verteilungsgerechtigkeit.229 Die Personalentwicklung schliesslich wird umso wichtiger je stärker der Wandel im Umfeld ist. Für weitere Ausführungen, insbesondere auch zu Instrumenten des Personalmanagements, sei an dieser Stelle auf die detaillierten Darstellungen bei Hilb verwiesen. 1 Motivation des Mitarbeiters (Wollen)
2
x
Fähigkeiten des Mitarbeiters (Können)
3
+
4
Lebens- und Arbeitssituation des Mitarbeiters (Dürfen)
=
Arbeitsleistung des Mitarbeiters
5 360°-Leistungs-Beurteilung
Verhaltenstraining
Entwicklung der Fähigkeiten
Belohnung (immateriell + materiell)
6 Arbeitszufriedenheit des Mitarbeiters
Abb. 6.48 Kreislaufkonzept der Personalbeurteilung 230
In der Folge werden im Rahmen dieses Abschnitts noch einige Gedanken zum Personalmanagement von „Technikern“ dargestellt, was sich sowohl in Theorie wie in Praxis als entscheidende Fragestellung gerade für
Beispiele für die Konflikte, die sich ergeben können, sind z.B. die InformatikerLöhne, die im Hype des Internetzeitalters vor allem durch die externe Personalmarktsituation determiniert wurden, um überhaupt Informatiker zu gewinnen. Diese Honorierung konnte aus der internen Perspektive, aus Sicht der Anforderungs- und Leistungsgerechtigkeit, kaum nachvollzogen werden. Wie schwierig sich oft auch die Kommunikation im Bereich der Personal-Honorierung gestaltet, zeigt sich regelmässig nach Bekanntgabe der Löhne oder Abgangsentschädigungen von Top-Managern. 230 Hilb (1998), S. 79. 229
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6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
technologieintensive und produzierende Unternehmen herauskristallisiert hat. Personalmanagement für „Techniker“ 231 Die Supply AG strukturiert alle ihre Bereiche um. Ziel ist insbesondere, intern eine sog. funktionale Integration anzustreben, d.h. die bisher strikte Trennung zwischen Technikerkarrieren und kaufmännischen Karrieren bis hin zur Unternehmensspitze 232 zu Gunsten einer Führung mit gesamtunternehmerischer Verantwortung aufzugeben und gleichzeitig auch im operativen Geschäft Techniker und Kaufleute in gemeinsamen, marktorientierten Teams zusammenzuführen. Dies stellt einen extremen Bruch mit der Historie dar und führte in der Folge im Übergang auch zu diversen Ressentiments insbesondere seitens der Techniker, die glauben an Bedeutung zu verlieren. Techniker müssen auf Grund ihrer Besonderheiten anders geführt werden als Mitarbeiter in anderen Funktionen des Unternehmens. Badawy z.B. beschreibt folgendes „typisches Profil“ eines F&E-Mitarbeiters:233 • Technical professionals are well educated and usually hold advanced academic degrees and other professional credentials. • They display a high degree of creativity, intelligence, and capacity for learning. • They thrive on intellectually challenging assignments. • They seek individual autonomy and flexibility as important elements of an organization´s general work climate. • They value their freedom in pursuing intellectual research streams and lines of inquiry. • They have a high degree of curiosity with a deep desire in learning and acquiring knowledge for its own sake. • They have strong personalities and individualized ways of thinking and value systems. • They have a high propensity for risk-taking, experimentation, and trying new approaches to known phenomena.
Natürlich verändert sich nicht nur das Verständnis und das Management des Technikers, sondern auch die Rolle des Managers im Allgemeinen. Einen Überblick über aktuelle Herausforderungen auf diesem Weg beschreiben z.B. Allred/Snow/Miles (1996). 232 Das Unternehmen wird von einem technischen und einem kaufmännischen Leiter geführt. 233 Badawy (1998), S. 98. 231
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
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Die Anforderungen an die Techniker verschieben sich, wenn sich das Umfeld verändert. Produktentwicklung in dynamischeren und wettbewerbsintensiveren Umfeldern erfordert zwangsläufig, wie weiter hinten bei der Darstellung des integrierten Innovationsmanagements (vgl. 6.6.5.1) beschrieben, den Rückgriff auf funktionsübergreifende eng koordinierte Teams. Als Zielsetzung für diese Teams werden klassische technische Festlegungen durch Prozessziele abgelöst.234 Damit verschieben sich auch die Anforderungen an Ausbildung und Entwicklung der Techniker in den Unternehmen. „Techniker“ sind auf der einen Seite extrem wertvoll für technisch orientierte Unternehmen, auf der anderen Seite aber auch nicht einfach zu managen.235 Die Individualziele eines hoch qualifizierten Technikers sind nicht immer kompatibel mit den Unternehmenszielen 236 und verschiedene Untersuchungen zeigen, dass dies durch die Grundausbildung der Techniker, die oft universitär erfolgt, noch akzentuiert wird. Die Karriereinteressen von vielen F&E Mitarbeitern sind verbunden mit herausfordernder Arbeit, neuem Wissen und neuen Fertigkeiten sowie einem Gefühl der persönlichen Befriedigung.237 In der klassischen Organisation wurde deshalb oft auch ein sog. „Dual Ladder“ System etabliert, das hoch qualifizierten Technikern die Möglichkeit geben sollte, in der Organisation nach oben zu steigen, ohne die Tätigkeit in der Technik aufgeben zu müssen. Der Schwerpunkt lag aber durchgängig auf technischer Spezialisierung und der Erreichung technisch definierter Ziele.238 Studien zeigten denn auch, dass zumindest eine starke Minderheit der Techniker eine KarVgl. dazu insbesondere Cordero (1999), S. 63. Badawy (1998), S. 98 hält z.B. fest: „Technical professionals represent the core competence of a technology-based organization. The organization is driven by the talents, skills, and expertise of its knowledge workers. It is these workers who create the inventions and innovations in products and processes that change the industry. As technologies change, technology-based firms are challenged to continually maintain, develop, and expand their knowledge of workers´ talents and skills.“ 236 Katz/Tushman (1990), S. 353 halten dazu fest: „Organizations employing many professionals are faced with the dilemma of establishing reward systems that are both stimulating to the professional and productive for the organization. This problem stems from the notion that specialist groups bring to the organization a set of attitudes and career aspirations that are in conflict with the organization's work requirements and career paths.“ 237 Vgl. Cordero (1999), S. 64. 238 Die Organisation der Technik in rein technischen Funktionen bietet den Vorteil, dass die Mitarbeiter einfacher mit neueren Entwicklungen „up-to-date“ bleiben. Auf der anderen Seite werden dadurch aber auch Trennungen geschaffen. (vgl. dazu Katz/Allen 1985, S. 67). 234 235
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6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
riere allein in der Technik gegenüber einer Management-Karriere bevorzugte.239 Ausserdem konnten Katz und Allen zeigen, dass diejenigen, die eine technische Karriere bevorzugten, auch eine Vorliebe für mehr konzeptionelles Denken hatten und sich am liebsten mit Themen auseinander setzten, die für ihre technische Disziplin und weniger für ihr Unternehmen von Bedeutung waren. Weiter gehörten ein gewisser Spielraum und Unabhängigkeit sowie das Bedürfnis nicht unbedingt zusammenarbeiten zu müssen zu ihren Präferenzen.240 Das Dual Ladder System wurde verschiedentlich kritisiert, da es die Unterschiede zwischen Mitarbeitern in der Organisation noch akzentuierte. Einerseits zwischen Technikern und NichtTechnikern, andererseits aber auch zwischen Technikern mit PhD und solchen ohne.241 Dieses Schaffen von Gegensätzen zwischen Mitarbeitergruppen, die in einem dynamischen Umfeld zwingend miteinander interagieren müssen, um erfolgreich zu sein, kann aus der Perspektive des flexiblen Unternehmens nicht zielführend sein. Neuere Ansätze versuchen auch Managementaspekte bereits auf Universitätsstufe in die Ausbildung hereinzubringen und Kurse anzubieten, die auch von Technikern verlangen Prozessziele zu erreichen, was die Zusammenarbeit mit Kollegen aus Marketing, Produktion etc. erfordert.242 243 Die Förderung eines Denkens in Prozesszielen steigert direkt den Nutzen für das Unternehmen in einem flexibleren Umfeld, das darauf angewiesen ist, Entwicklungszeiten zu verkürzen und die Treffsicherheit der Produkte zu erhöhen. Es ist aber zu bedenken, dass dieses Denken durch eine ganze Reihe anderer integrierter Massnahmen gefördert werden muss und wahrscheinlich niemals vollumfänglich implementiert werden kann, da gerade bei hoch qualifizierten Mitarbeitern die Sozialisation von der Universität her lange nachwirkt.244 Vgl. z.B. Katz/Allen (1991), S. 352, die eine frühere Studie zitieren, die eine Minderheit von 21,5 % ergab. 240 Vgl. Katz/Allen (1991), S. 355. 241 Katz/Allen (1991), S. 355: „A real danger exists in that the PhDs are much more likely to be promoted onto the technical ladder where their academic values may be reinforced. As a result they may not become adequately socialized into the goals necessary to keep the firm in business.“ 242 Die Universität St. Gallen hat die Bedeutung von Technologiemanagement seit langem erkannt und bietet für ihre Wirtschaftsstudenten seit Jahren eine Vertiefung in Technologiemanagement an. Ausserdem wird ab 2004 ein Executive MBA für Technologiemanager in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen angeboten. 243 Cordero (1999), S. 65. 244 Insbesondere Mitarbeiter mit einem PhD Abschluss messen wirtschaftlichem Erfolg weniger Bedeutung zu. Vgl. dazu Katz/Allen (1991), S. 352ff., und Katz/Tushman (1990), S. 353ff. 239
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
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Die grösste Herausforderung ist, dass es Unternehmen oft nicht gelingt, die Techniker weiter zu fördern, wenn ein gewisses Niveau erreicht wurde. Dies beeinträchtigt aber in ausgeprägtem Masse deren Einsatzbereitschaft: „For most R&D professionals, working at job assignments lacking challenging job responsibility means no career development, and, therefore, reaching a career plateau. Plateau R&D professionals have been found to be less satisfied with their careers and financial progress; and to experience more boredom, work shorter hours, perform at lower levels, and be less involved in their work than non-plateaued R&D professionals.“ 245 Genau diese Situation sollte durch das Dual Ladder System verhindert werden, indem Fortschrittsmöglichkeiten aufgebaut wurden, ohne dass ein Wechsel ins Management notwendig wurde.246 Die „typische“ Denkweise eines F&E Mitarbeiters wird durch ein Zitat von Katz und Allen gut wiedergegeben: „To have my ability recognized rather than my authority is fare more rewarding.“ 247 Eine Bemerkung, die sich mit den Erfahrungen aus den Strategie- und Strukturdiskussionen bei der Supply AG deckt: Als sich in den Workshops zur Festlegung einer neuen strategiegerechten Struktur für die Supply AG immer deutlicher herauskristallisierte, dass die Zeiten mit einer Doppelspitze bestehend aus einem Techniker und einem Kaufmann zu Ende gehen, entstanden starke Ressentiments von Seiten der Technik, die offensichtlich für sich in einer solchen Organisation deutlich weniger Möglichkeiten sah. Argumentiert wurde dabei so, dass in einer solchen Organisation ein Grossteil der Techniker früher oder später das Unternehmen verlassen würde. Die Frage, die sich im System mit einer „technical ladder“ regelmässig stellt ist, ob es jeweils ausreichend Möglichkeiten für jeden Einzelnen schafft. Das Zugrundelegen eines prozessorientieren Denkens würde die verfügbaren Möglichkeiten deutlich erweitern. Nicht nur würden dadurch mehr Herausforderungen im technischen Bereich geboten, sondern es würde auch eine viel breitere Palette an Möglichkeiten offen stehen. Verschiedene Untersuchungen haben auch gezeigt, dass die Einführung einer speziellen technischen Karriere die Isolation von anderen Funktionen eher gefördert hat. Ein Effekt, der im dynamischeren Umfeld natürlich unerwünscht
Cordero (1999), S. 67. Katz/Tushman (1990), S. 353. 247 Zitiert aus Katz/Tushman (1990), S. 353. 245 246
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6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
ist.248 Der Fokus auf individuelle Leistungen, Hierarchie und technische Spezialisierung verträgt sich schlecht mit den heute geforderten Prozessergebnissen. Eine bewusste Förderung von Teamarbeit, Vielfältigkeit im Job und Empowerment würde den Bedürfnissen eines flexiblen Unternehmens deutlich besser entgegenkommen. Als Zusammenfassung seien hier die Unterschiede zwischen einem prozessorientierten und einem technischen Management der F&E-Spezialisten nochmals in Tabellenform dargestellt (Abb. 6.49). Das flexible Unternehmen wird das prozessorientierte Verständnis fördern müssen. Developing the Knowledge and Skills of R&D Professionals to Achieve: Differences in:
Knowledge and Skills
Technical Outcomes in Technical Groups:
Traditional Specialized Technical
Career Opportunities Traditional Technical Education Specialized Training Specialized Technical Challenging Assignments Specialized Technical Management Practices Traditional Leadership Command and Control Performance Appraisals Technical Hierarchy Reward Structure Technical Information Sharing Technical Career Ladders Tall Carreer Paths Rigid Culture Traditional Values Individual Work Hierarchy Technical Specialization Beliefs Promotional Advancement Development Inside R&D
Process Outcomes in Cross-functional Teams:
Process Interpersonal Management Cross-functional Process-oriented Process-oriented Process-oriented Process-oriented Process-oriented Coaching Team members and Customers Process-oriented Process-oriented Flat Flexible Process-oriented Teamwork Empowerment Occupational Diversity Horizontal Development Development Inside and Outside R&D
Abb. 6.49 Differenzen bei der Entwicklung von Fähigkeiten im F&E Bereich 249
Für das konkrete Management wurden unter anderem auch MatrixStrukturen vorgeschlagen. Studien dazu haben in der Folge gezeigt, dass diejenigen Unternehmen am besten abgeschnitten haben, bei denen Projekt- und Funktionsmanager klare, getrennte Verantwortlichkeiten hatten: „Project performance is higher when project manager are seen as having relatively more influence within the organization and functional managers are seen as having relatively more influence over the technical content of what goes into the project. Performance is lowest when functional managCordero (1999), S. 68: „This career ladder has stressed its isolation from other functions, including the management function, by emulating academic work conditions.“ 249 Cordero (1999), S. 72. 248
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
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ers are seen as dominant in both of these areas.“ 250 Zusammenfassend zeigen sowohl verschiedene Praxisprojekte wie die Theorie, dass gerade Unternehmen, die nach mehr Flexibilität streben, Wege finden müssen, Techniker schneller in der Organisation zu „sozialisieren“ und dazu zu bringen, mehr in kommerziellen als in wissenschaftlichen Dimensionen zu denken. Es sind aber dennoch nach wie vor Voraussetzungen zu schaffen, hoch qualifizierten Technikern auch ein von der Aufgabenstellung her herausforderndes Umfeld zu bieten. Dazu ist ein integrierter Ansatz, wie der vorne von Hilb beschriebene, notwendig. Die oft anzutreffende Meinung, dass Personalauswahl und Personalentwicklung als sich substituierende HR Ansätze angeschaut werden können, wird hier nicht vertreten. Auch Snell et al. kommen in ihrer Studie zu diesem Schluss.251 6.6.4.2 Überlegungen zur „Learning Organization“ Weiterhin können in diesem Quadranten Ansätze fruchtbar gemacht werden, die unter dem Begriff „Learning Organisation“ diskutiert werden.252 Garvin definiert z.B.: „A learning organization is an organization skilled at creating, acquiring, and transferring knowledge, and at modifying its behavior to reflect new knowledge and insights.“ 253 Die Schwierigkeit liegt dabei oft nicht im Erwerb respektive im Schaffen von neuem Wissen, sondern darin, das erworbene Wissen auch wirklich zur Anwendung zu bringen.254 Unter anderem diskutiert Garvin in seinem Artikel auch das Thema Benchmarking. Benchmarking kann für ein Unternehmen eine gute Möglichkeit sein einen Überblick über den State-of-the-Art zu einem gewissen Themenbereich zu erlangen. Die Gefahr ist aber auch hier, dass in der Folge keine Anstrengung unternommen wird, um das erworbene Wissen auch wirklich auf die eigene Situation zu transferieren. Garvin hält richtigerweise fest, dass „Benchmarking is not industrial tourism.“ 255 An dieser Stelle sei eine Methode dargestellt, die am Institut für TechnologieKatz/Allen (1985), S. 81, konnten ausserdem auch zeigen, dass nicht gemeinsame Verantwortlichkeiten und gegenseitiges Gleichgewicht in der Matrix erfolgsentscheidend sind, sondern eine explizite Rollenzuteilung (Ebenda, S. 84). 251 Vgl. Snell et al. (2000), S. 461. 252 Vgl. Senge (1990), Nonaka/Takeuchi (1995). 253 Garvin (1993), S. 80. 254 Ein Punkt, der auch von Spur (1998), S. 148 festgehalten wird: „Auf diesem Gebiet (Wissensmanagement) besteht bei vielen Unternehmen noch ein hoher Bedarf an methodischer und organisatorischer Weiterentwicklung zur Optimierung der Wissens- und Informationsbeschaffung und vor allem bei der sich anschliessenden zielgerichteten Wissensumsetzung.“ 255 Garvin (1993), S. 86. 250
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management entwickelt und in diversen Benchmarkings bereits eingesetzt wurde.256 6.6.4.3 Konsortial-Benchmarking Benchmarking gilt gerade im Zusammenhang mit Wissensmanagement als einer der effektivsten Wege, um externes und zudem in höchstem Masse praxisorientiertes Wissen rasch in das eigene Unternehmen einzubringen.257 Interessant daran ist insbesondere, dass bei einem richtig strukturierten Benchmarking-Prozess nicht nur Fragen nach dem Was, sondern auch nach dem Warum und Wie beantwortet werden und damit der Anwendungskontext einer bewussten Reflexion unterworfen werden kann. Benchmarking kann auch direkt zur Mitarbeitermotivation beitragen, indem es ein gemeinsames Verständnis über die erfolgversprechenden nächsten Schritte für die Organisation schafft. Kick-off-Meeting Kick-off-Meeting 1 Tag 1 Tag Screening 3Screening Monate 3 Monate
Fragestellung definieren, Prioritäten setzen Fragenbogen entwickeln, potenzielle BM-Partner finden, Daten aufbereiten, Zwischenbericht
Review-Meeting Review-Meeting 1 Tag 1 Tag
Benchmarking-Partner auswählen
Firmenbesuche Firmenbesuche 3 Monate 3 Monate
Firmenbesuche durchführen, Daten auswerten/ analysieren, Besuchsberichte, Zusammenfassung
Abschlusskonferenz Abschlusskonferenz 1 Tag 1 Tag
Resultate präsentieren, Start der Implementierungsphase
Abb. 6.50 Fünf-Schritte Benchmarking Methode des TECTEM 258
Abbildung 6.50 zeigt eine am Transferzentrum für Technologiemanagement (TECTEM) des Instituts für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen entwickelte Methode zur Durchführung von KonsortialBenchmarking-Projekten. Die Erfahrung in zahlreichen Benchmarkings Vgl. dazu auch Fahrni/Völker/Bodmer (2002). Vgl. z.B. Fahrni/Völker/Bodmer (2002), S. 3. 258 Vgl. Fahrni/Völker/Bodmer (2002), S. 22. 256 257
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hat gezeigt, dass ein erfolgreiches Benchmarking in jedem Unternehmen einer detaillierten Vor- und bewussten Nachbereitung bedarf. Eine reine Konsumhaltung zeitigt keine umsetzbaren Ergebnisse. Im ersten Schritt des Projektes trifft sich das an der Thematik interessierte Konsortium zu einem ganztägigen Workshop. In diesem Workshop wird der Fokus des Benchmarking-Projektes festgelegt. Ein wichtiger Teil ist ausserdem die Priorisierung der diversen Fragestellungen. Dies ist deshalb erforderlich, da während der Durchführung in der Regel Ressourcenengpässe auftreten. Um dennoch zu breit akzeptierten Resultaten zu kommen, ist es unerlässlich auf eine gemeinsam festgelegte Priorisierung zurückgreifen zu können. Ausserdem wird eine Kriterienliste zur Auswahl von Benchmarking-Partnern sowie eine Sammlung möglicher Benchmarking-Partner erstellt. Der zweite Schritt steht im Zeichen der Identifikation von Benchmarking-Partnern. Zuerst wird die Liste aus Workshop 1 erweitert. Dazu wird in der Regel auf Datenbanken, Internetrecherchen und Expertennetzwerke zurückgegriffen. Es hat sich gezeigt, dass für ein branchenübergreifendes Benchmarking zwischen 100 und 200 Unternehmen auf die ScreeningListe gesetzt werden sollten. Entscheidend ist dabei, dass nur Unternehmen Eingang in die Listen finden, bei denen die Informationsrecherche begründbare Hinweise ergeben hat, dass es sich um ein „successful practice Unternehmen“ handeln könnte. Bei den identifizierten Unternehmen wird in der Folge ein mit Hilfe der Kriterienliste aus Workshop 1 erstellter Fragebogen platziert. Falls notwendig respektive sinnvoll, werden weitere Informationen von potenziellen Benchmarking-Partnern eingeholt. Die erzielten Resultate werden aufbereitet und als Input für Schritt 3 genommen. Im dritten Schritt werden an einem Review-Meeting vom Projektteam zirka fünf bis sieben Benchmarking-Partner ausgewählt. Die Auswahl erfolgt basierend auf den priorisierten Fragestellungen und der Kriterienliste aus Schritt 1. Im vierten Schritt werden die ausgewählten Benchmarking-Partner schliesslich vor Ort besucht. Für diese Besuche werden am besten ausgewählte weitere Mitarbeiter aus den Unternehmen mitgenommen. Anlässlich von explizit auf die interessierenden Fragestellungen hin organisierten Besuchen erfolgt die dichteste Informationsübertragung. Nach Abschluss jeden Besuchs wird ein Besuchsbericht erstellt, Successful Practices identifiziert und die Übertragbarkeit auf das eigene Unternehmen überprüft. Im fünften Schritt, anlässlich des Abschlussworkshops, werden eine GAP-Analyse durchgeführt, Quick Hits identifiziert und auch längerfristige Verbesserungsprojekte definiert.
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6.6.5 Zusammenfassung Es zeigt sich, dass einzelne der verschiedenen Ansätze in fast allen Quadranten relevant sind, dazu gehören die Systematisierung und Professionalisierung des Dienstleistungs- wie auch des Kooperationsmanagements sowie ein integriertes Innovationsmanagement.259 Alle drei spielen für die Zukunft der produzierenden Industrie mit Standort in den entwickelten Ländern eine entscheidende Rolle. Sie ermöglichen auf der einen Seite neue Differenzierung und verstärkte Kundenbindung (Innovations- und Dienstleistungsmanagement) und bieten auf der anderen Seite die Möglichkeit, den Kunden mit kompletten Angeboten zu überraschen und diese Leistungen mit beschränktem Risiko erstellen zu können (Kooperationsmanagement). Schuh hat bereits vor Jahren die Zukunft der produzierenden Industrie dreigestaltig gesehen: einzigartigkeitsorientiert 260, dienstleistend und kooperativ (Abb. 6.51).
Einzigartigkeitsorientiert Risikomindernd Kollaborierend Agil Vervielfachend
Dienstleistend
Abb. 6.51 Die Zukunft der produzierenden Industrie 261
Der Einzigartigkeit wird insofern Rechnung getragen, als dass die im Quadranten Ressourcen eingesetzten Methoden darauf ausgerichtet sind, systematisch Einzigartigkeiten zu identifizieren und zu leveragen sowie Wheelwright/Clark (1992a), S. 29: „In a competitive environment that is global, intense, and dynamic, developing new products and processes is increasingly a focal point of competition.“ 260 Auch Cooper und Kleinschmidt (1993), S. 20, stellen fest: „... The number one success factor is a unique superior product – a differentiated product that delivers unique benefits and superior value to the customer.“ 261 Schuh (2002b). 259
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
307
durch eine hier anschliessende Darstellung eines integrierten Innovationsmanagements. Einige Grundüberlegungen zu Kooperations- und Dienstleistungsmanagement seien danach an dieser Stelle noch angeführt, bevor im nächsten Kapitel eigentliche Gestaltungsmodelle dazu vorgestellt werden. 6.6.5.1 Integriertes Innovationsmanagement Auf das Innovationsmanagement in der Frühphase wurde unter 6.6.1.1 bereits eingegangen. Innovation spielt in einem dynamischen Umfeld eine entscheidende Rolle. Im ersten Quadranten ermöglicht ein professionelles und systematisiertes Innovationsmanagement erst die Adressierung eines weiter aussen liegenden Leistungsumfangs; der Bezug zur Ressourcenseite wurde oben bereits dargestellt. Um in der Logik der hier eingenommenen Position bezüglich integriertem Vorgehen zu bleiben, werden hier ebenfalls die wesentlichen Fragestellungen zum Innovationsmanagement in einem Raster dargestellt und entlang von Aktivitäten, Strukturen und Verhalten integriert betrachtet. 6.6.5.1.1 Überblick Die Anforderungen, die heute an ein Innovationsmanagement gestellt werden, erfordern auch in diesem Bereich ein abgestimmtes, integriertes Vorgehen.262 Die Herausforderung dabei ist, dass verschiedene, kaum mit einander vereinbare Zielsetzungen, wie Kosten, Qualität und Zeit gleichzeitig verfolgt werden müssen: „Rapid high quality, on target product development is central to competition in industries ranging from consumer packaged goods to electronics, from appliances to pharmaceuticals, and from automobiles to steel.“ 263 Nur über eine integrierte Vorgehensweise bei den Entwicklungen kann auch die Entwicklungszeit verkürzt werden, was in einem Umfeld mit höherer Dynamik unabdingbar ist, um die Treffsicherheit der Produkte zu erhöhen und die zur Verfügung stehende Amortisationszeit zu verlängern.264
Gerwin und Barrowman (2002), S. 938 sprechen von dem Paradigma für Neuproduktentwicklung und erwähnen die Performance-Unterschiede einer integrierten zu einer nicht integrierten Vorgehensweise. 263 Wheelwright/Clark (1994), S. 32. 264 Wheelwright/Clark (1992a), S. 29 meinen dazu: „In a competitive environment that is global intense, and dynamic, developing new products and processes is increasingly a focal point of competition. Firms that get to market faster and more efficiently with products that are well matched to the needs and expectations of target customers create significant competitive leverage, ...“ Ger262
308
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Der Aspekt der Zielsicherheit wurde bereits unter 6.6.1.1 angesprochen. Es genügt nicht schnell und reaktionsfähig zu sein, sondern auch die Marktbedürfnisse müssen getroffen werden.265 Wheelwright und Clark zeigten auf, dass ein sechs Monate Vorsprung bei der Produkteinführung den dreifachen Ertrag mit einer Produktgeneration bringen kann (Abb. 6.52).266 Kumulativer Ertrag über den Produktlebenszyklus (relativ zum Branchendurchschnitt)
3X
2X
1X
6 Monate Vorsprung
0
6 Monate Verzug
Zeit (Markteinführung rel. zur Konkurrenz) (Monate)
Abb. 6.52 Der Einfluss des Markteinführungszeitpunkts auf die Erträge
Abbildung 6.53 knüpft an die bisher gemachten Überlegungen insofern an, als dass der Ausgangspunkt für die Systematisierung des Innovationsmanagements die Ergebnisse aus dem Strategie-Audit respektive der ausgefüllte Raster „Strategisches Produktionsmanagement“ bilden. Die Analyse des anzustrebenden Leistungsumfangs zusammen mit der Umfeldanalyse erlaubt es, die Art der zu erfüllenden Innovationsaufgaben abzuleiten. Diese müssen in der Folge als Gesamtes beurteilt werden (Quadrant Innovationsportfolio). Der zweite Quadrant adressiert die Frage nach der Quelle der Idee auf der einen und dem Ressourceneinsatz in der Projektdefinitionsphase auf der anderen Seite. Der dritte Quadrant setzt sich mit Fragen der Führung der Innovationsprojekte auseinander und beantwortet win/Barrowman (2002), S. 939 weisen auf die Bedeutung einer integrierten Vorgehensweise hin. 265 Ebenda, S. 31: „Being fast and efficient is essential but not enough. The product and processes a firm introduces must also meet demands in the market for value, reliability, and distinctive performance.“ 266 Wheelwright/Clark (1992a), S. 41.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
309
Fragen zum sinnvollsten Prozess. Der HR-Quadrant schliesslich beschäftigt sich mit dem Integrationsgrad verschiedener Funktionen für die Entwicklung und setzt sich mit der Kommunikation auseinander.
Innovationsportfolio
Strategiebezug
Ideenquelle
Projektdefinition
Aktivitäten Ressourceneinsatz in Projektdefinitionsphase
Projektmanagement
Projektführung
Kommunikation
HR
Integration
Prozess
Verhalten
Organisation
Strukturen
Abb. 6.53 Integriertes Innovationsmanagement
6.6.5.1.2 Quadrant „Innovationsportfolio“ Der Quadrant Innovationsportfolio beschäftigt sich mit dem Gesamtmanagement von Innovationsprojekten. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Ressourcenzuteilung auf der einen Seite und die Definition von Innovationsprojekten auf der anderen Seite in Abstimmung mit der Gesamtstrategie des Unternehmens erfolgen und wie ausgewogen sich das Gesamtportfolio des Unternehmens darstellt. Die unterschiedlichen Arten von denkbaren Entwicklungsprojekten machen es für das flexible Unternehmen notwendig, einen sinnvollen Mix zu definieren und in der Folge auch zu gewährleisten. Wheelwright und Clark unterscheiden z.B. fünf verschiedene Arten von Entwicklungsprojekten, nämlich: Derivative Entwicklungen, Plattformentwicklungen, DurchbruchEntwicklungen sowie Forschung und Vorentwicklung (Abb. 6.55).267
267
Vgl. Wheelwright/Clark (1992b), S. 74.
310
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Abb. 6.54 Quadrant „Innovationsportfolio“
1
Forschung Forschungund und Voraus-/WeiterVoraus-/Weiterentwicklung entwicklung
Prozessbezogene Veränderungen
Produktbezogene Änderungen Neues Kernprodukt Produkt der Folgegeneration
2
Neuer Kernprozess
Abstimmung/ Anpassung; Punktuelle Folgegenera- Verbesserung inkrementale tionsprozess in einz. Bereiche Entwicklung
Durchbruch
3 Plattform- bzw. Folgegeneration
Ergänzung der Produktfamilie Ergänzung und Verbesserung
4 Derivate/Folgeprodukte (Optimierte, angepasste Ausführungen; Mischformen; Billigversionen)
Abb. 6.55 Arten von Entwicklungsprojekten
Forschungs- respektive Vorentwicklungsprojekte dienen dem Schaffen, der Erprobung und des Tests von Know-how und Know-why, was eventuell später kommerzialisiert werden kann. Die anderen drei Arten von Entwicklungsprojekten sind direkt kommerzielle Entwicklungen mit unter-
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
311
schiedlichem Innovationsgrad. Die Einordnung von geplanten und laufenden Entwicklungsprojekten in diese Darstellung erlaubt einem Unternehmen bereits eine Abschätzung darüber, wie sinnvoll die Vorhaben sind. Zeigt sich z.B., dass ein Projekt extrem viele Ressourcen erfordert, aber nur zu einer inkrementalen Verbesserung des Produktes führt, ist dieses Projekt kaum sinnvoll. Die sinnvolle Anzahl von Projekten pro Kategorie ist wiederum abhängig vom jeweiligen Umfeld des betrachteten Unternehmens. In der Regel drängt es sich aber auf, den Grossteil der F&ERessourcen auf Plattformentwicklungen zu verwenden. Die Verwendung eines aggregierten Projektplans dieser Art ist ausserdem dazu geeignet, Entwickler fähigkeitsbezogen den Projekten zuzuordnen. So halten Wheelwright und Clark fest, dass ein wenig erfahrener Ingenieur sich sinnvollerweise zuerst eher mit derivativen Entwicklungen beschäftigt, während der erfahrene Kollege besser geeignet sein kann für Durchbruchprojekte. Insgesamt hilft ein aggregierter Plan Richtung und Klarheit zu schaffen. Es steht eine Vielzahl an verschiedenen Portfolios zur Verfügung, die bei Auswahl und Priorisierung von Projekten Hilfestellung leisten können. Portfoliomanagement ist in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten Senior Management Funktionen geworden.268 Cooper, Edgett und Kleinschmidt definieren Portfoliomanagement als: „... a dynamic decision process, whereby a business's list of active new product (and R&D) projects is constantly updated and revised. In this process, new projects are evaluated, selected and prioritized; existing projects may be accelerated, killed or deprioritized; and resources are allocated and re-allocated to the active projects.“ 269 Die gemäss der Studie von Cooper, Edgett und Kleinschmidt am häufigsten verwendeten Portfolios sind in unten stehender Abbildung aufgeführt.270 Es lassen sich diverse andere Dimensionen denken entlang derer die Projekte beurteilt werden können. Entscheidend ist, dass die Achsen unternehmensspezifisch gewählt werden und ein Commitment seitens der Mitarbeiter dazu besteht. Erfolgreiche Unternehmen setzen in der Regel mehr als ein Portfolio ein, um einen Entscheid zu fällen.271 Das zweite Extrema auf der Projektmanagement Achse „Mikromanagement“ beschreibt ein Unternehmen, das Projektideen isoliert, d.h. nicht im Zusammenhang mit anderen vorgesehenen oder laufenden Projekten beurteilt. Für ein Unternehmen in einem relativ stabilen Umfeld mit klar definierten, eher inkrementalen Verbesserungen ist dies durchaus ausreichend, da die geringe Vgl. Cooper/Edgett/Kleinschmidt (2001), S. 361. Ebenda, S. 362. 270 Vgl. Ebenda, S. 373. 271 Cooper/Edgett/Kleinschmidt (2001), S. 376. 268 269
312
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Anzahl an grösseren Entwicklungsvorhaben zusätzliche Instrumente zum Innovationsmanagement in diesem Bereich nicht zwingend erfordert. Die zweite Achse in diesem Quadranten adressiert den Strategiebezug. Das Unternehmen im dynamischen Umfeld ist darauf angewiesen, dass die Entwicklungsvorhaben permanent mit der verfolgten Strategie abgeglichen und daraus abgeleitet werden. Beim Unternehmen im stabileren Umfeld drängt sich eine bewusste Berücksichtigung wiederum nicht auf. Das konstantere Umfeld sowie die längerfristig valable Strategie stellt bereits sicher, dass die Zielsetzungen implizit in die Vorhaben einfliessen. Insgesamt zeichnet sich das flexible Unternehmen in diesem Quadranten dadurch aus, dass sämtliche Entwicklungsvorhaben aus der strategischen Diskussion heraus systematisch abgeleitet werden und in einem Gesamtzusammenhang, einem Projektportfolio, beurteilt werden, um eine möglichst angepasste Ressourcenzuteilung zu gewährleisten. Das klassische produzierende Unternehmen im stabilen Umfeld hingegen wird eher implizit die Strategie in die Auswahl einfliessen lassen und einmal betrachtete Projekte nicht mit dem Gesamtportfolio abgleichen. Type of chart
Axis
Axis
1
Risk Vs. Reward
Reward: NPV, IRR, benefits after years of launch; market value
Probability of success (technical, commercial)
2
Newness
Technical newness
Market newness
3
Ease vs. Attractiveness
Technical feasibility
Market attractiveness (growth potential, consumer appeal, general attractiveness, life cycle)
4
Strengths vs. Attractiveness
Competitive position (strengths)
Attractiveness (market growth, technical maturity, years to implementation)
5
Cost vs. Timing
Cost to implement
Time to impact
6
Strategic vs. Benefit
Strategic focus or fit
Business Intent, NPV, financial fit, attractiveness
7
Cost vs. Benefit
Cumulative reward
Cumulative development costs
Rank
Abb. 6.56 Portfolio Typen mit höchster Verbreitung
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
313
6.6.5.1.3 Quadrant „Projektdefinition“ Verschiedene Studien zeigen, dass der eigentlichen Vorphase vor der Entwicklung eine grosse Bedeutung zukommt.272 Insbesondere stellt sich die Frage nach der Quelle der Innovation und inwieweit es gelingt, das Vorhaben in einer möglichst frühen Phase scharf zu definieren. IdeenQuelle Marktgetrieben
Flexibles Unternehmen
Produzent
Inside-Out
Ressourceneinsatz in Definitionsphase Niedrig
Hoch
Abb. 6.57 Quadrant „Projektdefinition“
Die Ideenachse wird in die Extrema marktgetrieben und inside-out unterschieden. Cooper und Kleinschmidt stellten in einer Studie fest, dass eine starke Marktorientierung entscheidend zum Markterfolg von Unternehmen beiträgt.273 Die Vorteile eines solchen Ansatzes sowie einige Ansätze zum Sicherstellen des Einbezugs des Kunden respektive des Marktes wurden weiter vorne bereits dargestellt (vgl. 6.6.1.1). Während das flexible Unternehmen auf eine Ausrichtung auf latente und explizite Kundenbedürfnisse angewiesen ist, operiert der Produzent im stabileren Umfeld mit einem fiktiven Durchschnittskunden. Die Produktverbesserun272 273
Vgl. z.B. Cooper/Kleinschmidt (1993), S. 22. Cooper/Kleinschmidt (1993), S. 21. Wobei dies nicht heisst, dass der Anstoss für die marktorientierte Idee nicht von der Technologie her kommen kann. Eine Untersuchung von Cooper und Kleinschmidt aus dem Jahr 1995 zeigte z.B. auch, dass die meisten betrachteten Projekte nicht klar einem market-pull oder einem technology-push zugeordnet werden konnten, sondern irgendwo dazwischen lagen (Cooper/Kleinschmidt 1995, S. 330f.).
314
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
gen werden damit schwergewichtig durch technische Möglichkeiten und weniger durch erhobene Bedürfnisse angestossen. Die Achse Ressourceneinsatz in der Projektdefinitionsphase ist in den Extrema in niedrig und hoch unterschieden. Verschiedene Studien zeigen, dass sich erfolgreiche Unternehmen von anderen im Innovationsbereich vor allem dadurch unterscheiden, dass es ihnen gelingt, ein Projekt früh scharf zu definieren.274 Cooper und Kleinschmidt konnten eine Reihe von Vorteilen bei früh, ausreichend definierten Projekten feststellen: „Projects that had sharp product definition far outperformed that that lacked definition: they boasted higher profitability ratings and success rates; they were more likely to be technical successes; they had a greater impact on the company, they were more likely to be done on time and on schedule; and they achieved a higher market share.“ 275 Dies erfordert aber den Einsatz von hoch qualifizierten Ressourcen in genügender Anzahl bereits in der Phase bevor die eigentliche Entwicklung beginnt. Dies drängt sich insbesondere beim flexiblen Unternehmen auf. Der klassische Produzent wird von vornherein mit klarer definierten Projekten beschäftigt sein, was mit einem moderateren Ressourceneinsatz bewältigbar ist. Zusammenfassend zeichnet sich das flexible Unternehmen in diesem Quadranten dadurch aus, dass es mit Anstössen vom Markt und von den Kunden her arbeitet (dabei auch latente Bedürfnisse erfasst) und in den frühen Phasen des Entwicklungsprojekts, in der Projektdefinition, bereits genügend Ressourcen einsetzt, um mit einer „scharfen“ Projektdefinition in die eigentliche Entwicklungsarbeit einsteigen zu können. Der klassische Produzent auf der anderen Seite arbeitet tendenziell mit technischen Verbesserungsideen und setzt das Gros seiner Ressourcen ein, wenn ein Entwicklungsprojekt freigegeben wurde. 6.6.5.1.4 Quadrant „Organisation“ Dieser Quadrant greift zwei Fragestellungen zentral auf. Einerseits das Gewicht des Projektleiters und andererseits die Frage nach dem verwendeten Prozess in der Produktentwicklung. Auf der Projektführungsachse stellt sich die Frage nach den Kompetenzen des Projektleiters. Die Extrema werden dabei durch eine rein funktionale Teamstruktur mit keinem übergeordneten oder einem rein koordinierenden „niedrigkarätigem“ Projektleiter und durch eine Organisation, die fähig ist abhängig von der konkreten Aufgabe, die ganze Palette von funktional bis autonom anzuwenden, aufgespannt. Bezüglich des verwendeten
274 275
Vgl. z.B. Cooper/Kleinschmidt (1993), S. 22. Cooper/Kleinschmidt (1995), S. 329.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
315
Entwicklungsprozesses werden die klassischen meilensteinorientierten von neueren Stage-Gate Prozessen unterschieden.
Abb. 6.58 Quadrant „Organisation“
Bezüglich der Projektführungsachse kann auf die Differenzierung von Clark und Wheelwright zurückgegriffen werden, die festhalten, dass sich heavy-weight Teams gerade in rasch ändernden Umfeldern aufdrängen.276 Sie unterscheiden in ihren Untersuchungen insgesamt vier Arten von Entwicklungsteams. Diese seien an dieser Stelle kurz beschrieben (Abb. 6.59) 277: • Die funktionale Teamstruktur In der traditionellen funktionalen Organisation sind Leute nach ihrer Spezialisierung in Gruppen zusammengefasst und arbeiten unter der Leitung eines ebenfalls spezialisierten Senior Managers. Die Koordination erfolgt über das Festlegen von detaillierten Spezifikationen zu Beginn und durch gelegentliche Meetings, in denen funktionenübergreifende Themen besprochen werden. Ein Entwicklungsprojekt wird so
Clark/Wheelwright (1992), S. 9f. und auch Cooper/Kleinschmidt (1993), S. 23 betonen, dass es entscheidend ist, Ansätze zu finden, die eine interfunktionale Integration ermöglichen. 277 Clark/Wheelwright (1992), S. 10ff. 276
316
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
geführt, dass die Verantwortlichkeiten sequenziell wechseln.278 Ein solcher Ansatz funktioniert nur dann reibungslos, wenn alle Aufgaben und benötigten Ressourcen, die ein Entwicklungsprojekt in sich birgt, zu Beginn bereits bekannt sind und dementsprechend verteilt werden können. Dies ist leider in den meisten Projekten nicht der Fall. • Das niedrigkarätige Team Auch in dieser Projektform bleiben die Mitarbeiter den funktionalen Managern unterstellt, aber jede Funktion bezeichnet einen Verbindungsmitarbeiter, der die Funktion in einem Koordinationsgremium vertreten soll. Koordiniert wird das Ganze durch einen „niedrigkarätigen Projektleiter“. Niedrigkarätig in diesem Zusammenhang bedeutet, dass es sich um keinen Senior Manager handelt. Der niedrigkarätige Projektleiter hat üblicherweise nur geringen Einfluss im Unternehmen und die Ressourcen bleiben unter der Führung der Funktionen. • Das hochkarätige Team In diesem Fall hat der Projektleiter direkten Zugriff auf die benötigten Ressourcen. In der Regel handelt es sich um einen Senior Manager, der oft sogar höher eingestuft ist als die funktionalen Manager.279 • Das autonome Team Die Mitglieder eines autonomen Teams werden formell diesem Team zugeteilt und auch örtlich zusammengelegt. Der Projektleiter ist ein hochkarätiger und hat volle Kontrolle über die zugeteilten Ressourcen. Das autonome Team kann auch eigene Regeln und Praktiken für seine Arbeit entwickeln, dies bedeutet, dass es nicht den üblichen Vorgehensweisen in der Organisation unterworfen ist. Die Hauptstärke dieses Ansatzes ist die Konzentration der Kräfte auf das eine Projekt.280 Die hohe Autonomie birgt aber auch gewisse Gefahren in sich. Während sich kleinere inkrementale Entwicklungen durchaus in funktionalen oder niedrigkarätigen Teams bewältigen lassen, ist es für umfassendere Entwicklungsaufgaben unerlässlich, dass ein hochkarätiges oder sogar ein autonomes Team gewählt wird. Insbesondere gilt es auch, Pro-
Clark Wheelwright (1992), S. 10: „Over time, primary responsibility for the project passes sequentially – although often not smoothly – from one function to the next, a transfer frequently termed „throwing it over the wall.“ 279 Cooper/Kleinschmidt (1993), S. 23, konnten zeigen, dass Entwicklungsprojekte erfolgreicher sind, wenn sie durch einen starken Projektleiter geführt werden. 280 Clark/Wheelwright (1992), S. 14: „Everything the individual team members and the team leader do is concentrated on making the project successful.“ 278
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
317
dukt- und Prozessentwicklung eng aufeinander abzustimmen.281 Das flexible Unternehmen muss in der Lage sein, den Projektorganisationsansatz den Anforderungen der Aufgabe anzupassen. Das produzierende Unternehmen in einem stabilen Umfeld wird für die im Vordergrund stehenden inkrementalen Anpassungen an den Produkten in der Regel mit einem funktionalen Approach auskommen. Das niedrigkarätige Team
Das funktionale Team FL FL: Funktionsleiter PL: Projektleiter V: Verbindungsperson
FL
F&E
FL
FL P
M
Projektbeteiligte auf Arbeitsebene
Haupteinflussbereich des PL
FL
FL
F&E
P
M
V
V
V
PL
Das autonome Team Das hochkarätige Team FL
FL FL
F&E
FL P
Markt
FL
F&E
FL P
M
M
PL
Markt Konzept
V
V
Konzept
V V
V
V
Abb. 6.59 Vier Arten von Entwicklungsteams
Auf der Prozessachse drängen sich für die oft komplexeren Entwicklungsprojekte bei flexiblen Unternehmen Stage-Gate Prozesse auf. Diese helfen einen Produktentwicklungsprozess zu strukturieren.282 Es handelt sich dabei um einen zwar formalen aber nicht rigiden ProjektmanagementProzess. Die einzelnen Phasen sind multifunktional und multidisziplinär. Gates sind Entscheidungspunkte, die die einzelnen Phasen trennen. Die Entscheidungspunkte geben Möglichkeiten zur Review des Gesamtprozesses. Sie werden darüber definiert, was der Verantwortliche erfüllen muss, damit der Prozess in die nächste Phase geht. Gates erlauben auch Parallelisierung und Rekombination der Phasen sowie die Anpassung an neue Anforderungen. An den Entscheidungspunkten werden sowohl das ProjektPisano/Wheelwright (1995), S. 95 zeigen für die High-Tech Industrien auf, wie wichtig die Herstellungsprozesse sind, auch wenn diese gerade in diesen Branchen oft zu Gunsten der Produktinnovation vernachlässigt werden. 282 Vgl. z.B. Cooper/Kleinschmidt (1991) und O'Connor (1994). 281
318
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
team wie auch das Top-Management in die Entscheidung miteingebunden. Im Bereich der Produktentwicklung zeigt sich, dass Stage-Gate-Prozesse vor allem Kommunikation, Koordination und Verständnis verbessern.283 Abbildung 6.60 zeigt einen typischen Stage-Gate-Prozess schematisch auf. Hervorgehoben sind ausserdem die am Gate zu treffenden Entscheidungen respektive die durchzuführenden Bewertungen.284 Projects are assessed relative to other projects and on their impact on the total portfolio A Go vs. Hold decision is made
Projects are assessed on their own merits A pass vs. Kill decision is made Pass/Kill
Initial Screen
Idea
Ideation
Gate 1
Second Screen
Stage 1
Preliminary Investigation
Gate 2
Prioritization
Decision on business case
Stage 2
Stage 3
Gate 3
Detailed Investigation (build business case)
Post-development review
Development
Gate 4
PrePost commercialization implementbusiness analysis ation review Stage 4
Testing & Validation
Gate 5
Stage 5
Full production & market launch
Abb. 6.60 Typischer Stage-Gate Prozess
Klassische Meilenstein-Projektpläne haben den Nachteil, dass Meilensteine meist zeitlich und nicht inhaltlich definiert sind. Aus diesem Grund können Entscheidungen dort oft „vermieden“ werden. Bei einem relativ klar definierten Projekt mit überschaubarem Neuentwicklungsrisiko ist dies nicht weiter problematisch. Bei einer komplexeren Neuentwicklung aber können dadurch, dass kritische Fragen nicht zeitgerecht gestellt und beantwortet werden, Projekte aus „dem Ruder“ laufen und hohe Folgekosten verursachen. Bei der Art der Entwicklungsprojekte, die beim klassischen Produzenten im Vordergrund stehen, ist aber in der Regel das Risiko begrenzt und eine Meilensteinplanung ausreichend. Cooper/Kleinschmidt (1993), S. 25f. zählen folgende Verbesserungen auf: Verbesserte Teamarbeit, weniger Nacharbeit, höhere Erfolgsquoten, frühere Fehleridentifikation, bessere Lancierung der Produkte im Markt sowie kürzere Produktentwicklungszeiten. 284 Vgl. dazu Cooper/Edget/Kleinschmidt (2002) und Cooper/Kleinschmidt (1991, 1993). 283
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
319
Zusammenfassend wird das flexible Unternehmen in diesem Quadranten durch einen Projektführungsansatz gekennzeichnet, der sich dadurch auszeichnet, dass abhängig von den Anforderungen des Projektes die ganze Bandbreite von funktionalen bis zu autonomen Teams zur Verfügung gestellt werden kann. Zur Bewältigung der Komplexität wird im Projektmanagement auf einen Stage-Gate Prozess zurückgegriffen, der jederzeit auch den Abbruch des Projektes erlaubt. Der klassische Produzent auf der anderen Seite operiert schwergewichtig mit funktionalen Teams. Unter Umständen setzt er als koordinierende Instanz einen niedrigkarätigen Projektleiter ein. Der adäquate Prozess für die anstehenden Entwicklungsaufgaben ist ein klassischer Meilensteinprozess, der das Projekt insbesondere zeitlich determiniert. 6.6.5.1.5 Quadrant „Human Resources“ In diesem Quadranten wird einerseits die Kommunikation in den verschiedenen Projekten adressiert, andererseits geht es um die Frage der „Crossfunktionalen“ Integration. Wheelwright und Clark halten für die Produktentwicklung fest, dass „competitive advantage results in large part from the way work gets done during the process of development. Especially important is the way in which engineering (both design and manufacturing process) and marketing combine technical detail – specific dimensions, parts parameters, materials and components – into a coherent whole that more than meets customer expectations, even when such expectations are difficult to identify.“ 285 Diese geforderte Integrationsleistung 286 wird zentral über die beiden Achsen in diesem Quadranten angesprochen. Auf der Kommunikationsachse 287 wird zwischen den Extrema angepasste und Batch-Kommunikation unterschieden. Damit wird auf eine Unterteilung der Kommunikation nach Wheelwright und Clark referenziert.288 Diese unterscheiden vier Modi der Kommunikation, die in der Folge kurz beschrieben werden (vgl. Abb. 6.62).
Wheelwright/Clark (1994), S. 33. Wheelwright/Clark (1992a), S. 33: „The extent to which problem solving is integrated in product and process development shows up most forcibly in relationships between individuals or engineering groups where the output of one is the input for the other.“ 287 Wheelwright/Clark (1994), S. 39, halten fest: „Communication that is rich, bilateral and intense is an important, even essential, element of integrated problem solving.“ 288 Vgl. dazu z.B. Wheelwright/Clark (1994), S. 37ff. 285 286
320
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Abb. 6.61 Quadrant „Human Resources“
Im ersten Fall findet eine serielle Kommunikation statt, d.h. die nachgelagerte Gruppe wartet mit dem Start ihrer Arbeit bis das vorgelagerte Team seine Arbeit abgeschlossen hat. Das fertig gestellte Design wird in der Folge in einer Einmal-Kommunikation übermittelt. Dies führt dazu, dass keine integrierte Problemlösung resultieren kann. Der zweite Fall wird „Frühbeginn mit wenig Sinn“ genannt, d.h. es findet zwar eine zeitliche Überschneidung der Aktivitäten der verschiedenen Teams statt, aber die Kommunikation bleibt eine Batch-Kommunikation. Dies tritt oft dann auf, wenn die nachgelagerten Teams eine enge Deadline gesetzt bekommen, die sie ohne einen frühen Beginn nicht einhalten können. Dadurch, dass aber im Ungewissen mit der Arbeit begonnen wird und die weiter zu verarbeitenden Resultate oft zu Überraschungen führen, kann das Ergebnis dieses Vorgehens auch ein längerer Gesamtentwicklungsprozess sein. Diese Arten der Kommunikation können bei kleineren Entwicklungsvorhaben, die exakt definiert sind, durchaus ausreichend sein. Insbesondere kann dort auch mit geringerem Risiko mit der Arbeit in den nachgelagerten Bereichen ohne Interaktion angefangen werden, da sich die Überraschungen in Grenzen halten werden. Im dritten Fall, der frühen Einbindung, tritt das erste Mal wirkliche Integration auf. Es findet eine Zweiweg-Kommunikation statt noch bevor die Arbeit des vorgelagerten Teams abgeschlossen ist. Die wirkliche Engineering-Arbeit für das nachgelagerte Team wird aber erst gestartet, wenn das vorgelagerte Team seine Arbeit abgeschlossen hat. Die Vorteile liegen auf
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
321
der Hand, die spezifischen Inputs des nachgelagerten Teams, z.B. bezüglich des notwendigen Fertigungsprozesses, fliessen einerseits bereits in das Design des Produktes ein und andererseits ist dem nachgelagerten Team beim Start seiner Arbeit viel klarer, was die Ziele sind, die das vorgelagerte Team mit seinem Design adressieren wollte. Der vierte Modus, die integrierte Problemlösung, sieht vor, dass die Arbeit des nachgelagerten Teams auf Basis der Interaktion mit dem vorgelagerten Team bereits gestartet wird, bevor die Vorarbeiten abgeschlossen sind. Damit verändert sich auch der Inhalt der Kommunikation, da jetzt von Seite des nachgelagerten Bereiches nicht „nur“ Erfahrungswissen einfliesst, sondern aktuelle Erfahrungen: „Whereas in mode three the content of feedback from downstream engineers had to rely on past practice, theoretical knowledge and engineering judgement, under integrated problem solving that feedback will also reflect actual practice in attempting to implement the upstream design.“ 289 Das vierte Muster, das eine wirkliche Integration darstellt, stellt auch besondere Anforderungen an die beteiligten Mitarbeiter. Die Bereitschaft im Sinne des Gesamtprojektes noch nicht vollständig gesicherte Informationen und Erkenntnisse weiterzugeben, respektive auf Basis dieser Erkenntnisse mit der Arbeit zu beginnen, muss in vielen Organisationen unter den Entwicklern zuerst geschaffen werden.290 Im engen Zusammenhang mit der Kommunikationsachse steht die Integrationsachse. Es hat sich gezeigt, dass integrierte Teams, die über die Funktionen hinweg zusammengesetzt sind, den Erfolg eines Entwicklungsprojektes positiv beeinflussen.291 Damit wird sichergestellt, dass z.B. die Anforderungen der Produktion früh in das Projekt einfliessen, auf der anderen Seite die Produktion aber auch die Überlegungen und Zielsetzungen der Entwickler kennt, was die Qualität der Lösungen im Allgemeinen positiv beeinflusst. Ausserdem hat das „cross-funktionale“ Team eine durchgängige Verantwortung, was Entscheidungen im Sinne des Gesamtprojektes und nicht im Sinne der aktuell mit den Aufgaben betrauten Funktion fördert. Für den klassischen Produzenten drängt sich eine solche Integration nicht zwangsläufig auf. Der Aufwand für die Verbesserungen im Bereich der Kommunikation ist durch die Art der dort im Vordergrund stehenden Entwicklungsprojekte kaum gerechtfertigt.
Wheelwright/Clark (1994), S. 39. Vgl. zu diesen kulturellen Hintergründen z.B. Wheelwright/Clark (1992a), S. 37f. 291 Vgl. z.B. Cooper/Kleinschmidt (1993), S. 23. 289 290
322
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement vorgelagert
Schubweise Kommunikation, punktueller Übergang
vorgelagert
vorgelagert
Modus 1: sequenziell / schubweise
Schubweise Kommunikation, punktueller Übergang
nachgelagert
Modus 3: Frühe Einbindung
Modus 2: “Frühbeginn mit wenig Sinn” nachgelagert
vorgelagert
Modus 4: Integrierte Problemlösung
intensive Kommunikation
intensive Kommunikation
nachgelagert
nachgelagert
Phase der Entwicklungsaktivität Kommunikation im Vorfeld der Ing.-Tätigkeit Wissen über Entwurf spärliche Kommunikation vielfältige Kommunikation
Abb. 6.62 Vier Modi der Kommunikation 292
Zusammenfassend zeichnet sich das flexible Unternehmen in diesem Quadranten durch den Einsatz von über die Funktionen hinweg zusammengesetzten Teams mit durchgängiger Ergebnisverantwortung aus. Der gestiegenen Kommunikationsanforderung wird mit integrierten Kommunikations-Modi begegnet. Der klassische Produzent auf der anderen Seite wird mit einem funktionalen Ansatz auskommen und damit folgerichtig auch die Kommunikation eher in einem Batch-Verfahren steuern. 6.6.5.1.6 Zusammenfassung Das flexible Unternehmen ist auf eine professionelle Ausgestaltung des Innovationsmanagements angewiesen. Die Entwicklungsaufgaben, die sich stellen, sind oft komplex, müssen schnell bewältigt werden und dennoch die Bedürfnisse genau treffen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich die Innovationsaufgaben in einem strategisch gewichteten Gesamtzusammenhang zu beurteilen und in der Folge sicherzustellen, dass die Projekte in den frühen Phasen ausreichend genau definiert werden und auf Marktbedürfnisse ausgerichtet sind. Um das Projekt zu realisieren, ist eine an das Vorhaben angepasste Projektstruktur vonnöten, die von funktional bis hin zu autonomen Teams reichen kann. Das flexible Unternehmen nutzt in der Regel einen Stage-Gate-Prozess im Entwicklungsbereich. Die verwendeten Kommunikationsmodi fördern das Verständnis und die Interaktion über die Funktionen hinweg, was durch die Verwendung interfunktionaler Teams zusätzlich unterstützt wird. Damit sind die Voraussetzungen gelegt, um zum Fast-Cycle Competitor im Verständnis von Wheelwright und 292
Wheelwright/Clark (1994), S. 38.
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
323
Clark zu werden. Dieser zeichnet sich – neben einer hohen Integrationsfähigkeit über die Funktionen hinweg – durch klare Zielsetzungen, einen Fokus auf die Time to market, hohe Qualität in den Prototypen und starke Führung aus.293 Diese Fähigkeiten versetzen ihn in die Lage, seine Wettbewerbsposition noch auszubauen. Der hier skizzierte Rahmen soll helfen, über eine Integration verschiedener Ansätze, eine solche Position auch erreichen zu können und über den gezielten Ausbau des Innovationsmanagements die pro-aktive Seite einer strategischen Flexibilität i.S. von Abschn. 3.2 zu adressieren. Im Gegensatz dazu bewegt sich der klassische Produzent in einem stabilen Umfeld, das ihm erlaubt, seine Entwicklungen gezielter zu planen und nicht dieselbe Geschwindigkeit erfordert. Aus diesem Grund kann er mit eher inkrementalen Verbesserungen arbeiten, die durch einen Rückgriff auf die Spezialisten in den Funktionen bewältigbar sind. Er muss die höhere Komplexität nicht bewältigen, die mit der Verwendung höher integrierter Ansätze in Kauf genommen werden muss. 6.6.5.2 Integriertes Kooperationsmanagement 294 Das Management von Kooperationen, insbesondere auch im Zusammenhang mit der sich abzeichnenden Ausweitung der Nutzung von global verteilten Produktionsstandorten, wird zu einer der entscheidendsten Fähigkeiten der Zukunft. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass sich in der Produktion an den Standorten der entwickelten Länder eine Personalknappheit ergeben wird. In der Konsequenz heisst dies, dass neue Formen der Arbeitsteilung Fuss greifen müssen. Daneben drängen sich Kooperationen als Mittel zur Flexibilisierung in allen anderen Quadranten des Konzepts auf. Der zunehmenden Bedeutung von Kooperationen 295 steht aber eine hohe Misserfolgsquote gegenüber.296 Kooperationen weisen gegenüber Einzelunternehmen gewisse Besonderheiten auf, die das Management erschweren (Abb. 6.63).297
Vgl. Wheelwright/Clark (1992), S. 38. Vgl. dazu auch Schuh/Friedli (2003), S. 8f., Friedli/Schuh (2003) und Friedli (2000), S. 46ff. 295 Diese Bedeutungszunahme ist nicht nur theoretisch ableitbar. Dyer et al. (2001) sprechen davon, dass die Top 500 der amerikanischen Unternehmen durchschnittlich 60 bedeutende strategische Allianzen managen. 296 Vgl. z.B. Spekman et al. (2000). 297 Vgl. auch Friedli (2000). 293 294
324
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Unklare, unvollständige Zieldefinition Konflikte Beharrung und Anpassung
Restriktionen
Ausgangskonfiguration
Kooperation
Disfunktionales und funktionales Lernen
Verschiedene Systeme
Initiales Misstrauen
Prozesse anstelle von Resultaten Abb. 6.63 Besonderheiten von Kooperationen
Zu Beginn einer Kooperation stellt man oft unvollständige und unklare Zieldefinitionen der einzelnen Partner fest. Der Klärung der Strategie und der Positionen wird deshalb in der Literatur und in der Praxis grosse Bedeutung zugemessen. Die angewandten Verfahren greifen in der Regel aber zu kurz und täuschen nur Klarheit vor. Vor allem bei Partnern, die das erste Mal in der geplanten Zusammensetzung zusammenarbeiten, werden Bedenken vorherrschen, die „wirklichen“ Ziele offen zu legen respektive den von anderen geäusserten Zielen Glauben zu schenken. In Kooperationen trifft man sowohl auf beharrende als auch auf anpassende Kräfte.298 Einzelunternehmen bringen ihre Routinen, ihre in den alten Strukturen verankerten Prinzipien und Funktionsweisen mit in die Kooperation ein. Es liegt in der Natur des Menschen, lieber in Bekanntem und Vertrautem zu arbeiten als sich mit Neuem auseinanderzusetzen; dadurch entsteht ein Spannungsfeld, dem Beachtung zu schenken ist. Man stellt ausserdem fest, dass trotz theoretischer Synergiepotenziale, nur ein Bruchteil dieser Potenziale auch wirklich in Effizienzvorteile umgesetzt 298
Vgl. Doz (1996) und Hannan/Freeman (1984).
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
325
werden kann. Insbesondere, wenn von Anfang an an Projekten gearbeitet wird, die hoch interdependent sind (systemische Innovationen 299), ohne dass eine ausreichende Vertrauensbasis geschaffen wurde, wird es nicht gelingen, die verschiedenen Systeme innerhalb der Kooperation zu einem neuen, für die entsprechende Aufgabe optimalen System zu vereinen. Die einzelnen Partner werden i.d.R. ihre eigene Arbeitsweise auf die Partnerorganisation projizieren und in ihren Erwartungen enttäuscht werden. Immer wenn neu mit Partnern zusammengearbeitet wird, besteht keine Vertrauensbasis. In dieser Situation werden auf Basis kleiner Ereignisse sofort Rückschlüsse gezogen, die für die Kooperation höchst disfunktional sein können. Obwohl es immer wieder versucht wird, kann eine Kooperation nicht durch zu erwartende Resultate charakterisiert werden, da diese kaum vo-raus bestimmbar sind. Die Kooperation basiert auf den Prozessen, die darin ablaufen.300 Dies sind einerseits wertschöpfende Prozesse wie die Leistungserstellung an sich, aber auch soziale Prozesse, die die Art der Zusammenarbeit determinieren.301 Eine Kooperation wird durch Lernprozesse geprägt. Annahmen werden im Laufe der Prozesse geprüft, als richtig befunden oder eventuell angepasst. Disfunktional ist das Lernen dann, wenn die Beurteilung der Leistung des Kooperationspartners durchgehend negativ ausfällt. In so einem Fall lernt der enttäuschte Kooperationspartner nicht zu kooperieren, sondern wird alle Schnittstellen auf ein Minimum zu reduzieren versuchen. Die Bedeutung der Ausgangskonfiguration einer Kooperation wird im Allgemeinen in der Literatur überschätzt. Einzelne Autoren scheinen der Meinung zu sein, dass die richtige Wahl der Partner – der richtige Fit – sowie eine klare gemeinsame Strategie die Kooperation bereits zum Erfolg macht.302 Damit wird der Prozesscharakter der Kooperation ausgeblendet. Eine Kooperation kann in kurzer Zeit ihren Charakter völlig verändern. Es ist auch möglich, dass durch die Zusammenarbeit an konkreten Aufträgen Bedürfnisse aufkommen, die in der Grundkonfiguration nie vorgesehen waren. Falls es gelingt, funktionales Lernen zu fördern, wird sich die Form der Kooperation im weiteren Verlauf immer mehr von der Ausgangskonfiguration weg bewegen. Vgl. dazu auch Chesborough/Teece (1996). Vgl. Kanter (1994), die als eine von drei fundamentalen Eigenschaften von Allianzen die Veränderung über die Zeit ansieht. 301 Dieser Punkt sollte aber keinesfalls in die Richtung interpretiert werden, dass für Kooperationen keine Ziele gesetzt werden sollten. Ziele sind für die Aufrechterhaltung der Motivation unerlässlich. Man sollte sich aber bewusst sein, dass sich im Laufe der Zusammenarbeit die Ziele verändern können. 302 Vgl. dazu z.B. Bronder/Pritzl (1991,1992). 299 300
326
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
Einer der am meisten bestimmenden Faktoren in Kooperationen sind Restriktionen. Restriktionen stammen dabei aus verschiedensten Quellen. In Kooperationen sind die auftretenden Restriktionen viel dimensionaler als im Einzelunternehmen. Neben innerbetriebliche Faktoren treten die in die Zusammenarbeit eingebrachten z.T. sich grundsätzlich widersprechenden Vorstellungen, strategischen Ausrichtungen, versteckten (hidden agendas) und offenen Absichten der Einzelunternehmen. Diese Restriktionen verhindern in der Regel das Entstehen der rationalsten und ökonomisch sinnvollsten Organisation der Kooperation. Der Aufbau einer Kooperation ist weitgehend ein Management der diversen Restriktionen aus den einzelnen Unternehmen und Unternehmensumfeldern. Als letzte wichtige Besonderheit kommt die Vielzahl potenzieller Konflikte dazu. Tröndle identifiziert fünf mögliche Arten, nämlich Ziel- und Beurteilungs-, Kompetenz- und Durchsetzungs- sowie Verteilungskonflikte.303 Daneben treten auch Machtkonflikte auf, und zwar sowohl innerhalb eines einzelnen Unternehmens als auch innerhalb der Kooperation. Die kurze Aufzählung der Besonderheiten von Kooperationen lässt unmittelbar einsichtig werden, dass sich die Herausforderungen des Managements von Kooperationen kaum auf einer rein technischen Ebene bewältigen lassen. Dieses Management erfordert das schrittweise Schaffen von Voraussetzungen, um überhaupt kooperieren zu können. In Summe handelt es sich um eine hoch komplexe Managementaufgabe, die sich vor allem mit der in Kooperationen inhärenten Dynamik auseinander setzen muss. Dieser Herausforderung muss ein Ansatz zur Professionalisierung des Kooperationsmanagements begegnen. 6.6.5.3 Integriertes Dienstleistungsmanagement 304 Auch das Management industrieller Dienstleistungen 305 stellt verschiedene Herausforderungen für das Management dar. Der Weg vom Produzenten hin zum produzierenden Dienstleister ist nicht ohne Gefahren begehbar (Abb. 6.64). 303
Vgl. Tröndle (1987), S. 83.
Vgl. dazu auch Schuh/Friedli/Gebauer (2004). 305 Unter industriellen Dienstleistungen wird mit Sanche (2002), S. 28 folgendes verstanden: „Industrielle Dienstleistungen sind die von einem Investitionsgüterhersteller angebotenen Leistungsfähigkeiten, die direkt an externe Faktoren (d.h. seinen Kunden oder deren Objekten) mit dem Ziel erbracht werden, an ihnen gewollte Wirkungen (Veränderungen oder Erhaltung bestehender Zustände) zu erreichen. Als industrielle Primär- oder Sekundärdienstleistungen stehen sie in einem indirekten oder direkten Zusammenhang mit der Vermarktung der investiven Sachleistung.“ 304
Profitabilität, Marge
6.6 Entwicklungspfade in den Quadranten
+
Physisches Physisches (Kern-)Produkt (Kern-)Produkt
327
Integriertes Dienstleistungsmanagement
Summe Summe Zeit
-
Dienstleistung Dienstleistung
Dienstleistungswüste
Dienstleistungsdschungel
Dienstleistungsgarten
Abb. 6.64 Von der Dienstleistungswüste in den Dienstleistungsgarten
Die Gefahr eines unprofessionellen und wenig systematischen Ausbaus des Dienstleistungsmanagements ist hier abgebildet. Der Ausbau von Dienstleistungen, ohne ein im Auge behalten der damit verbundenen Kosten oder reine Absichtserklärungen, ohne das Bereitstellen der dafür notwendigen Ressourcen, führen zwangsläufig in den sog. Dienstleistungsdschungel.306 Die Margen aus dem Kerngeschäft sind unterdessen in vielen Märkten typischerweise im Sinken begriffen.307 Dienstleistungen sollen diese Margenerosion aufhalten helfen. Durch das wenig professionelle Anbieten aber ist der eigentliche Wert der Dienstleistung weder dem Kunden noch der eigenen Belegschaft bewusst. Zudem ist der industrielle Kunde sich oft gewöhnt, für Dienstleistungen nichts zu bezahlen. In der Summe führt dies zu einer geringen Verrechenbarkeit der erbrachten Dienstleistungen und zu einer zusätzlichen Be- statt Entlastung der Gesamtmarge des Unternehmens. Dieser Situation soll durch einen integrierten Dienstleistungsmanagementansatz begegnet werden. Insbesondere, da sich abzeichnet, dass Dienstleistungen ein immer wichtigerer Bestandteil Vgl. dazu Gebauer (2004), Friedli/Gebauer (2004), Schuh/Friedli/Gebauer (2004). 307 Singh (1990), S. 193 kommentiert z.B. „Faced with diminishing returns on resources applied to gain significant advantages in technology, costs, promotion, or sales channels in today's crowded industrial markets, industrial markets may find the best returns on resources applied to gaining an edge in service to forge ahead of the competition.“ 306
328
6 Konzept strategisches Produktionsmanagement
einer Gesamtlösung werden: „... now the relationship between goods and services is being reversed. An increasing number of business literally give away their products for free in the hopes of entering into long-term service relationships with clients.“ 308 Rifkin geht soweit, die Produkte in der Zukunft nur noch als „Container“ zu sehen, die platziert werden, um Dienstleistungen zu verkaufen.309
6.7 Zusammenfassung „Winners in the global marketplace have been firms that can demonstrate timely responsiveness and rapid and flexible product innovation, coupled with the management capability to effectively coordinate and redeploy internal and external competences.“ 310
In diesem Kapitel wurden die bisherigen Ausführungen aus der Historie des produzierenden Unternehmens, aus theoretischer und praktischer Sicht, in einem Konzeptrahmen „strategisches Produktionsmanagement“ gebracht. Dieser Rahmen dient produzierenden Unternehmen dazu, sich selbst – abhängig von einer angestrebten respektive erforderlichen Flexibilität – zu positionieren und in der Folge ein Soll-Profil abzuleiten. Im Zentrum der Anstrengung stand dabei das Vorgeben eines integrierten Vorgehens. Aktivitäten, Strukturen und Verhalten müssen gleichzeitig betrachtet werden, um zu verhindern, dass nur suboptimale Lösungen generiert werden. Um dem Praktiker auch auf der instrumentellen Seite Orientierung zu geben, wurden in der Folge für jeden betrachteten Quadranten Ansätze und Methoden identifiziert, die eine Verschiebung in Richtung der Aussenposition unterstützen. Als Ansätze mit einem Querschnittcharakter wurden dabei das integrierte Innovations-, Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement identifiziert. Ein Ansatz für ein integriertes Innovationsmanagement wurde direkt beschrieben. Die Themen Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement werden in Kap. 7 vertieft.
Rifkin (2001), S. 5 zitiert in diesem Zusammenhang auch Tapscott mit der Aussage: „No matter how good your product, you are only eighteen months away from failure.“ (Ebenda, S. 21), vgl. zur Untermauerung dieser Aussagen auch die Ausführungen von Wise/Baumgartner (1999). 309 Vgl. Rifkin (2001), S. 85. 310 Teece/Pisano/Shuen (1997), S. 515. 308
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Kapitel 7 stellt integrierte Ansätze für das Dienstleistungs- und das Kooperationsmanagement in einem produzierenden Unternehmen vor, die dazu geeignet sind, die Unternehmen auf dem Weg von einer auf einen stabilen Markt ausgerichteten Strategie und Umsetzung zu einer in einem dynamischen Umfeld adäquaten Ausrichtung zu unterstützen.
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement Wie in Kap. 6 gezeigt wurde, kann ein ausgebautes professionalisiertes Dienstleistungsmanagement den Produzenten in einem dynamischen Umfeld in verschiedener Hinsicht unterstützen. Insbesondere wenn man davon ausgeht, dass zunehmend grössere Umfänge der Produktion in einer globalen Arbeitsteilung an verschiedensten Standorten gefertigt werden, wird der bisherige Randbereich der industriellen Dienstleistungen eine ganz andere Rolle als bis anhin spielen und zum wesentlichen Differenzierungsfaktor im globalen Wettbewerb werden. Die Potenziale, die heute durch Dienstleistungen adressiert werden sollen, sind vielfältig. Sie wurden bereits in Kap. 1 kurz dargestellt und seien an dieser Stelle näher erläutert (vgl. Abb. 1.1) 1: • Akquisitionspotenzial Dienstleistungen können in Pre-Sales-Phasen ein Zusatzargument sein, um den potenziellen Kunden dazu zu bringen das Produkt zu bestellen. Vor allem in reifen Märkten, in denen die technologische Differenzierung immer weniger ein Kauf-Kriterium respektive kaum mehr vorhanden ist, kann ein überzeugendes Dienstleistungsangebot den Ausschlag zu Gunsten eines bestimmten Anbieters geben. • Differenzierungspotenzial Dienstleistungen können wesentlich zur Differenzierung eines Unter1
Vgl. Sanche (2002), S. 29ff., die sich in ihrer zusammenfassenden Darstellung auf die Arbeit von Baumbach (1998), S. 31ff. stützt.
330
•
•
•
•
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
nehmens im Vergleich mit dem Wettbewerb beitragen. Kunden verlangen immer mehr nach Lösungen und weniger nach Produkten. Die gezielte Ergänzung eines Produktes um Dienstleistungen, die den Wert dieses Produktes in Richtung Lösung weiterentwickeln, kann damit ein wesentlicher Erfolgsfaktor sein. Diffusionspotenzial Dienstleistungen können auch eine Plattform sein, um in neue Märkte und Anwendungen zu diversifizieren. Durch ein ausgebautes professionalisiertes Dienstleistungsmanagement ist der Kundenkontakt permanenter als wenn die Kundenbeziehung „nur“ durch den unregelmässigen Verkauf eines Produktes gekennzeichnet ist. Durch den permanenten Kontakt im Dienstleistungsbereich können sich auch neue Opportunitäten in anderen Bereichen ergeben respektive können sich über das Vertrauen, das durch die Dienstleistung aufgebaut wird, durchaus auch Chancen für die Diffusion weiterer Produkte ergeben. Ertragspotenzial Auf Grund der in vielen reifen Märkten abnehmenden Margen im Neuproduktbereich, gehen viele Anstrengungen im Dienstleistungsbereich dahin, diese Margenerosion durch höhere Erträge im Dienstleistungsgeschäft zu kompensieren. Abbildung 7.1 zeigt die Renditen im Dienstleistungs- und im Neumaschinengeschäft anhand einer Studie des Verbands Deutscher Anlagen- und Maschinenbauer (VDMA) im Vergleich. Auch wenn die Renditen im Dienstleistungsbereich oft dadurch positiv beeinflusst werden, dass das traditionell hochmargige Ersatzteilgeschäft in der Regel unter dem Dienstleistungsbereich subsumiert wird, zeigt die Darstellung eindrücklich die dramatische Lage im Neumaschinengeschäft. Kundenbindungspotenzial Dienstleistungen haben das Potenzial den Kundenkontakt zu intensivieren. Auch in Zeiten der Rezession oder wenn lange Zeit keine Ersatzinvestitionen anstehen, benötigen viele Produkte intensive Betreuung. Wird dies vom Unternehmen erkannt und dazu genutzt, die Beziehung zum Kunden systematisch zu vertiefen und auszubauen, verbessert man damit auch seine Position bei Neukäufen. Diversifikationspotenzial Dienstleistungen können unter Umständen einen solchen Umfang in Relation zum Gesamtumsatz eines Unternehmens einnehmen, dass sie als eigentliche Diversifikation gesehen werden können. Es gibt Unternehmen, die durch die Umsätze im Dienstleistungsbereich auch lang anhaltende Einbrüche im Kernproduktgeschäft verkraften können.
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement Rendite im Neumaschinenumsatz
Rendite im Dienstleistungsumsatz
331
Rendite am Gesamtumsatz
>20%
+/- 1%
3%
Abb. 7.1 Renditen im Vergleich 2
• Informationspotenzial Durch den engen Kontakt zum Kunden beim Erbringen von Dienstleistungen wird es möglich, gezielt Informationen über die konkreten Anwendungskontexte der Produkte und die Kundenbedürfnisse zu sammeln. Diese Informationen fliessen in der Folge in das Design der neuen Produkte und Dienstleistungen ein und erhöhen die Zielsicherheit der Innovationsprojekte. • Imagepotenzial Eine Vielzahl von Unternehmen versucht über den Ausbau der Dienstleistungen eine Neupositionierung als Dienstleister oder als Problemlöser anzustreben und zu kommunizieren. Das neu geschaffene Image kann wiederum zur Differenzierung beitragen. • Beschäftigungspotenzial Der Dienstleistungsbereich kann sowohl innerhalb eines Unternehmens für eine gewisse Konstanz oder sogar Erhöhung der Beschäftigten sorgen wie auch insgesamt volkswirtschaftlich die Beschäftigtenzahl auf einem gewissen Niveau halten.3 Es ist offensichtlich, dass diese Potenziale nicht alle gleichzeitig adressiert werden können, sondern dass es von der konkreten Situation des produzierenden Unternehmens und von dessen Strategie abhängt, was mit dem Dienstleistungsgeschäft prioritär erreicht werden soll respektive erreicht werden muss. Trotz aller positiven Punkte, die sich für den Ausbau 2 3
VDMA zitiert aus Demuss/Spath (2001), S. 68. Wise/Baumgartner (1999), S. 134, heben insbesondere die antizyklische Wirkung von Dienstleistungen hervor: „And because they tend to provide steady service-revenue streams, they´re often countercyclical. Clearly, in manufacturing today, the real money lies downstream, not in the production function.“
332
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
von Dienstleistungen finden lassen, ist noch nicht spürbar, dass die Potenziale, die von den produzierenden Unternehmen adressiert werden, auch wirklich ausgeschöpft werden. Im Gegenteil, der Dienstleistungsbereich ist in schwierigeren Zeiten oft wieder der erste, der Ressourcen einsparen muss. Die Komponenten AG führte im Rahmen des Projekts „DESIGN“ die Funktion eines Dienstleistungsmanagers ein. Als nach einigen Monaten die erwarteten Ergebnisse noch nicht im beabsichtigten Umfang eingetreten waren, wurde der Dienstleistungsmanager in der Folge entlassen und die Stelle nicht mehr besetzt. Die Deckungsbeiträge, die aus dem Dienstleistungsbereich kommen, sind oft negativ. Die Unternehmen setzen zwar Ziele und Vorgaben, widmen dem Thema aber vergleichsweise wenig Ressourcen. Insgesamt wird kein professionelles Vorgehen gewählt, was zu einer Verschlechterung der Situation führen kann. Dieses Phänomen wurde in Abb. 6.64 unter dem Titel „Dienstleistungsdschungel“ 4 dargestellt. Die linke Seite in Abb. 6.64 kennzeichnet die Situation wie sie für produzierende Unternehmen lange Zeit kennzeichnend war. Das Unternehmen identifizierte sich nur mit dem Produkt, das es herstellte und auslieferte. Dienstleistungen waren ein notwendiges Übel und wurden dort erbracht, wo sie erbracht werden mussten, um die Funktionalität des Produktes aufrechtzuerhalten. Der Umfang rechtfertigte keine besondere Anstrengungen, um die Kosten der Dienstleistungen zu erfassen, Dienstleistungen zu verrechnen oder das Management der Dienstleistungen zu professionalisieren. Finanziert wurden sie über die Marge auf dem Kernprodukt, die so hoch war, dass sie ausreichte, damit das Unternehmen nicht in die Verlustzone rutschte.5 Die Mitte der Abb. 6.64 kennzeichnet, was passieren kann, wenn ein Unternehmen versucht, die einbrechenden Gewinne beim Neuverkauf seiner Produkte durch einen Ausbau der Dienstleistungspalette aufzufangen, sich aber nicht um die notwendigen Voraussetzungen in Bezug auf Systematisierung und Professionalisierung des Geschäftes kümmert. Die Konsequenz aus diesem Ansatz ist, dass vor allem die Kosten im Dienstleistungsbereich steigen, diesem Anstieg aber kein entsprechender Nutzen gegenübersteht. Es gelingt weder die eigene Belegschaft noch die Kunden vom Wert der Dienstleistungen zu überzeugen. Dies kann dazu führen, 4 5
Vgl. Gebauer (2004), S. 8, Friedli/Dietrich/Gebauer (2001), S. 37ff. Wise und Baumgartner (1999) geben in einem vielbeachteten Artikel den produzierenden Unternehmen den Rat, sich in der Wertschöpfungskette nach vorn in die Richtung des Kunden zu entwickeln, um die ertragsreicheren ServiceGeschäfte abwickeln zu können, weisen aber auch auf die Schwierigkeiten hin.
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
333
dass das gesamte Unternehmen in die Verlustzone rutscht. Es ist unabdingbar, dass sich ein produzierendes Unternehmen vor einem unreflektierten Ausbau der Dienstleistungen die Frage stellt, ob dies in der konkreten Situation überhaupt angebracht ist. Alleine die Suche nach mehr Flexibilität kann dabei noch nicht den Anstoss für den sofortigen Ausbau des Dienstleistungsgeschäfts bringen. Die Flexibilität erhöht sich nur bei einem erfolgversprechenden und professionellen Ausbau des Dienstleistungsbereichs, was die Überlegungen zum Dienstleistungsdschungel gezeigt haben. Deshalb ist die Begründung fundierter zu liefern. Eine Zusammenstellung möglicher Gründe, die für oder gegen den Ausbau des Dienstleistungsbereichs sprechen können, ist in Abb. 7.2 dargestellt.6
• • • • •
Unternehmen
Kunden
Hohe installierte Basis Sinkende Margen der Kernprodukte Volatiles Produktgeschäft Kürzere Amortisationszeiten Marktmacht
• • • •
Outsourcing-Trend des Kunden Know-how Defizite des Kunden Kostendruck Steigende Kundenbedürfnisse
Konkurrenten • Homogenisierung des Produktgeschäfts • Reife der Industrie • Dienstleistungsangebot der Konkurrenz
Abb. 7.2 Gründe für den Ausbau des Angebots an industriellen Dienstleistungen
Für einen Ausbau sprechen aus Unternehmenssicht eine hohe installierte Basis im Feld, sinkende Margen und eine spürbare Volatilität im Kerngeschäft, abnehmende Amortisationszeiten durch kürzer werdende Produktlebenszyklen sowie bestehende Marktmacht. Abgesehen von der Marktmacht und der hohen installierten Basis, die als begünstigende Faktoren zu sehen sind, handelt es sich um Situationen, die eine Erhöhung der Flexibilität respektive eine Verminderung der Abhängigkeit vom reinen Produktgeschäft fordern. Bezogen auf den Markt spielen insbesondere die Kunden eine entscheidende Rolle. Steigen deren Outsourcing-Anstrengungen und die Bedürfnisse und ist bei ihnen gleichzeitig ein Know-how-Defizit be6
Zusammengestellt aus Belz et al. (1997), Wise/Baumgartner (1999), Oliva/Kallenberg (2002), Simon (1993), Engelhardt/Reckenfeldbäumer (1999), Corsten (1997).
334
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
züglich des Unterhalts der Produkte vorhanden, erhöhen sich die Chancen im grossen Umfang Dienstleistungen anbieten zu können. Bezogen auf die Konkurrenz spielt die Reife der Industrie, die Vergleichbarkeit der Produkte sowie das Dienstleistungsangebot im Markt eine entscheidende Rolle. Um das Dienstleistungsmanagement erfolgversprechend angehen zu können, brauchen produzierende Unternehmen einen integrierten Ansatz. Dienstleistungen können nicht durch isolierte Anstrengungen nutzbringend gemanagt werden. Ein solcher integrierter Ansatz sei in der Folge kurz dargestellt. Den Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen bildet dabei die festgelegte Positionierung für das Gesamtunternehmen, das durch Strategie-Audit und Positionierung im in Kap. 6 vorgestellten Raster beschrieben ist. Viele Dienstleistungsinitiativen leiden darunter, dass sie nicht aus der Gesamtpositionierung abgeleitet wurden. Ein Indiz dafür ist, dass viele so genannte Dienstleistungsoffensiven weit hinter den beabsichtigten Zielen zurückbleiben. Ein Unternehmen, das festgestellt hat, dass es sich über Lösungen und die Adressierung von auch latenten Bedürfnissen positionieren will, wird einen wesentlichen Anteil der Lösung in Form von industriellen Dienstleistungen anbieten müssen. Einerseits um wirklich mehr als ein Produktverkäufer zu sein, andererseits aber auch, um sich einen permanenten Kundenkontakt zu sichern. Ein Unternehmen, das zum Schluss gekommen ist, dass es sich nach wie vor vor allem über das Produkt differenzieren kann und einen einigermassen stabilen Absatzmarkt aufweist, wird den Dienstleistungsbereich nicht im gleichen Ausmasse ausbauen. Die Leuchten AG positionierte sich in ihrer Aussendarstellung ganz klar als Anbieter von Beleuchtungslösungen, die insbesondere auch eigentliche Licht-Erlebnisse schaffen sollten. Ein Grossteil der Belegschaft sah sich aber nach wie vor als Leuchtenanbieter. Das Gros der Marge wurde ebenfalls über den Verkauf der Leuchten erzielt. Die Dienstleistungsumsätze spielten wenig bis gar keine Rolle. Es stellte sich deshalb die Frage, ob man auf einen Teil der Marge auf den Leuchten verzichten sollte und anstatt dessen die Transparenz der Dienstleistung nach innen und aussen durch eine direkte Verrechnung erhöhen sollte. Diese Massnahme unterstützt sowohl gegen intern wie extern die Wahrnehmung von Dienstleistungen als wesentlichen Bestandteil einer Gesamtlösung und befreit die Dienstleistungen vom Ruf des „Kostenträgers“, dem keine Erträge gegenüberstehen. Ohne vorherige Klärung auf Ebene der Gesamtstrategie können solche Entscheide aber nicht getroffen werden. Um ein Dienstleistungsmanagement, das wie dargestellt für das flexible Unternehmen im dynamischer werdenden Umfeld unerlässlich ist, profes-
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
335
sionell abwickeln zu können, sind neben den zu definierenden Aktivitäten wiederum strukturelle Fragen sowie verhaltensspezifische Aspekte zur Verankerung des Ganzen in der Organisation zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck wurden die zentralen Dimensionen eines übergreifenden Dienstleistungsmanagement entlang von Spannungsreihen strukturiert, die in der Folge kurz beschrieben werden (Abb. 7.3).7 Die Darstellung ist nicht wertend zu verstehen. Die anzustrebende Position hängt vom Umfeld und von der angestrebten Strategie des Unternehmens ab. Im Bereich des Leistungsumfangs stellt sich die Frage nach dem Angebotsschwerpunkt des Unternehmens, d.h. nach der Art von Dienstleistungen und nach der Einbindung des Kunden in den Prozess der Dienstleistungserbringung. Die Parallelen zum Leistungsumfangsquadranten im Konzept strategisches Produktionsmanagement sind unübersehbar. Nur dass in diesem Fall die Achsen noch dienstleistungsspezifischer gewählt wurden. Bezüglich der eingesetzten Methode stellt sich die Frage nach der Quelle für neue Dienstleistungen und wie systematisch der Entwicklungsprozess strukturiert ist. Auf der organisatorischen Ebene ist eine Entscheidung bezüglich des Autonomiegrades des Dienstleistungsbereichs zu fällen und die Zielvorgaben sind anreizverträglich zu setzen. Der letzte Quadrant beschreibt den kulturellen Aspekt des Dienstleistungsmanagements, der hier in verkürzter Form über die Kommunikationsachsen nach intern und extern abgebildet ist.
7
Die Dimensionen wurden im Rahmen eines Benchmarking-Projektes erhoben und im Rahmen vertiefender Industrieprojekte überprüft und ergänzt. Als geeignet erwies sich in diesem Fall das bi-polare Vorgehen (Gebauer 2004), d.h. die erfolgreichen Unternehmen aus dem Benchmarking-Projekt wurden mit den am Anfang stehenden Unternehmen verglichen, die sich an den Industrieprojekten beteiligten. Es finden sich unterdessen auch vertiefendere Darstellungen, z.B. in Gebauer (2004) sowie in Schuh/Friedli/Gebauer (2004). Zur Frage von kundenunterstützenden Dienstleistungen vgl. insbesondere Dietrich (2004). Die Grundüberlegungen sind jedoch in allen Fällen dieselben.
336
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Leistungsumfang Leistungsumfang
Angebotsschwerpunkt
Quelle der Innovation
Methode Methode
Aktivitäten Rolle des Kunden
Entwicklungsprozess Autonomiegrad
Externe Kommunikation
HR HR
Interne Kommunikation
Verhalten
Zielvorgaben
Organisation Organisation
Strukturen
Abb. 7.3 Integriertes Dienstleistungsmanagement
In der Folge werden die einzelnen Quadranten des Rasters näher beschrieben und am Ende nochmals im Gesamtzusammenhang dargestellt. Die Aussenposition beschreibt die für ein flexibles Unternehmen notwendige professionelle Ausprägung eines Dienstleistungsmanagements, das die Abhängigkeit des Produzenten vom Erfolg seines Kernprodukts auf der einen Seite reduziert und auf der anderen Seite die Erfolgschancen dieser Produkte erhöht. Die Innenposition beschreibt die Ausprägungen für einen klassischen Produzenten. Den Abschluss bildet die Kurzvorstellung einer durchgängigen Methodik zur Dienstleistungsentwicklung von der Ideenfindung bis hin zum Implementationsplan. Diese wurde im Rahmen eines zweijährigen Forschungsprojektes am Institut für Technologiemanagement entwickelt.8 7.1.1 Quadrant „Leistungsumfang“ Leistungsumfang bezieht sich an dieser Stelle explizit auf den Bereich der Dienstleistungen. Um Dienstleistungen im grösseren Umfang erfolgversprechend einsetzen zu können, muss einerseits eine Differenzierung gegenüber der Konkurrenz erreicht werden und andererseits muss die Rolle
8
Vgl. dazu im Anhang das Forschungsprojekt DESIGN.
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
337
des Kunden geklärt sein. Diese zwei Punkte werden im untenstehenden Quadranten aufgegriffen.
Abb. 7.4 Quadrant „Leistungsumfang“
Die eine Achse wird durch den Angebotsschwerpunkt der Dienstleistung aufgespannt. Produktunterstützende Dienstleistungen sind dabei Dienstleistungen, die direkt zur Erstellung respektive zum Betrieb des Kernproduktes notwendig sind.9 Kundenunterstützende Dienstleistungen werden hingegen direkt am Kunden, und zwar zur Unterstützung ihrer Aktivitäten und Geschäftsziele, und nicht an den gelieferten Sachgütern erbracht. Mathieu definiert kundenunterstützende Dienstleistungen folgendermassen: „... a service which supports the clients action in relation to the suppliers product.“ 10 Dietrich grenzt in seiner Arbeit die Unterschiede zwischen produkt- und kundenunterstützenden Dienstleistungen folgendermassen ab: 11
Vgl. dazu auch Schuh/Friedli/Gebauer (2004) und die dort angeführte Literatur. In manchen Quellen wird als Zwischenform noch die prozessunterstützende Dienstleistung abgegrenzt. Solche Dienstleistungen beziehen sich auf die Optimierung des Einsatzes eines Produktes über den Lebenszyklus hinweg. In unserem Verständnis gehen prozessunterstützende Dienstleistungen bereits stark in Richtung Kundenunterstützung, sodass wir keine weitere Abgrenzung vornehmen. 10 Mathieu (2001), S. 40. 11 Dietrich (2004), S. 41 (angepasst). 9
338
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Produktunterstützende Dienstleistungen
Kundenunterstützende Dienstleistungen
Sachgut
Person
Grad der persönlichen Interaktion
gering-mittel
mittel-hoch
Integration des Kunden in Produktionsprozess
gering
mittel-hoch
Individualisierungsgrad der DL
gering-mittel
hoch
Know-how Gap zw. Kunde und Anbieter
mittel
hoch
Dominierende ZielVariable
Funktionstüchtigkeit Sachgut
Interaktive Problemlösung
DL Merkmale Direktes DL-Objekt
Abb. 7.5 Kundenunterstützende vs. produktunterstützende Dienstleistungen
Dietrich führt im Weiteren aus, dass sich die kundenunterstützenden Dienstleistungen generell dadurch auszeichnen, dass durch sie problemspezifische Know-how-Defizite oder -Unsicherheiten auf Seite des Kunden reduziert werden sollen. Der Kunde wird damit automatisch in den Dienstleistungsprozess miteinbezogen. Als Beispiele für solche Dienstleistungen führt er kundenspezifische Engineeringleistungen, Wertanalysen, Prototyping, Beratungsleistungen und auch Finanzierungsleistungen an.12 Sowohl der Interaktionsgrad wie auch das Vertrauen, das der Kunde in den Anbieter setzt, muss deutlich höher ausgeprägt sein als bei den produktunterstützenden Dienstleistungen.13 Der klassische Produzent im stabilen Umfeld hat keinen Anlass sich in die Geschäftsaktivitäten und die Situation des Kunden weiter einzudenken als er braucht, um die wichtigsten Produktspezifikationen festlegen zu können. Er wird sich in der Folge auf Dienstleistungen konzentrieren, die er erbringen muss, um sein Produkt möglichst reibungslos zum Laufen zu bringen, d.h. auf produktunterstützende Dienstleistungen. Weder wird er versuchen, sich über Dienstleistungen zu differenzieren, noch die, die er erbringt, gesondert zu verrechnen 12 13
Ebenda, S. 41. Wise/Baumgartner (1999), S. 135, stellen bereits für alle produzierenden Unternehmen das Postulat auf, dass sie sich in die Kunden hineinversetzen müssen.
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
339
respektive zu vermarkten. Der flexible Produzent hingegen wird versuchen sich im dynamischen Umfeld auf verschiedene Weise zu behaupten. Auf der einen Seite kann er sich über Dienstleistungen, die ihn direkt mit dem Geschäft des Kunden verbinden und von diesem Vertrauen erfordern, vom Wettbewerb differenzieren und sich für Folgeaufträge in eine gute Position bringen. Auf der anderen Seite wird er die kundenunterstützenden Dienstleistungen auch bewusst vermarkten und verrechnen. Damit baut er neben dem Produktgeschäft eine weitere Umsatzquelle auf, die helfen kann starke Schwankungen im Stammgeschäft abzufedern. Die zweite Achse adressiert die Rolle, die der Kunde bei der Dienstleistungserbringung spielt. Dies wurde in Teilen bereits angesprochen. Der klassische Produzent hat kein grosses Interesse daran, seine Komplexität durch den Einbezug des Kunden in die Dienstleistungserbringung weiter zu erhöhen. Ausserdem drängt sich dies bei produktunterstützenden Dienstleistungen auch nur bedingt auf, da die notwendigen Dienstleistungen zur Sicherstellung der Funktionalität des Produktes wie Montage und Inbetriebnahme kaum eine Integration des Kunden erfordern. Der Produzent im dynamischeren Umfeld ist jedoch darauf angewiesen, den Kunden näher an sich zu binden und ihn durch seine Leistungen auch zu überraschen. Diese Kundennähe kann er nur über Interaktion und Integration erreichen. Dieser Punkt wurde in Abschn. 6.6.1.1 bei der Adressierung latenter Bedürfnisse bereits angesprochen. 7.1.2 Quadrant „Methode“ Viele Dienstleistungsinitiativen scheitern daran, dass keine wirkliche Systematik besteht, sondern nur eine Absichtserklärung, mit Dienstleistungen Geld zu verdienen oder sich über Dienstleistungen zu differenzieren. Diese Ausgangslage führt in der Folge rasch dazu, dass ein unreflektierter Ausbau von Dienstleistungen beginnt, der nicht selten im vorne beschriebenen Dienstleistungsdschungel endet. Die Industrial Services AG ist ein Maschinenbauunternehmen mit ca. 2.500 Mitarbeitern und gehört zu den Marktführern für Maschinen zur Oberflächenbehandlung. Die Produkte der Industrial Services AG sind im oberen Preissegment positioniert. Die Industrial Services AG vertreibt ihre Maschinen weltweit und ist auf den wichtigsten internationalen Märkten mit eigenen Niederlassungen vertreten. Weitere Märkte werden indirekt über Handelsvertretungen bearbeitet. Die Industrial Services AG ist einem intensiven internationalen Wettbewerb ausgesetzt. So konnten insbesondere asiatische Hersteller den technologischen Vorsprung der Industrial Services AG kompensieren. Eine technische Differenzierung zwischen den
340
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
führenden Anbietern im Markt ist daher nur noch in sehr engen Grenzen möglich. Hingegen gelingt der Industrial Services AG eine deutliche Differenzierung – insbesondere gegenüber den asiatischen Konkurrenten – über ein umfangreiches Angebot an industriellen Dienstleistungen. Das Angebot der Dienstleistungen fördert zudem das Image der Industrial Services AG als äusserst kundenorientiertes Unternehmen. Das aktuelle Dienstleistungsprogramm ist gekennzeichnet durch ein breites Produktespektrum historisch gewachsener Dienstleistungen, das mittlerweile eine enorme Variantenvielfalt aufweist. Dabei ist das Dienstleistungsangebot nicht auf spezifische Kundengruppen ausgerichtet, was dazu führt, dass bis heute wesentliche Bestandteile des Dienstleistungsangebots den Kunden unbekannt sind. Dazu gehören insbesondere auch kostspielige Pre-SalesDienstleistungen. Viele der tatsächlich angebotenen Dienstleistungen sind weder in der aktuellen Verkaufsdokumentation noch in der internen Dokumentation der Industrial Services AG aufgeführt. Auch in diesem Quadranten ist die Innen- oder Aussenposition nicht wertend zu verstehen. Ein klassischer Produzent, bei dem Dienstleistungen eine untergeordnete Rolle spielen, würde durch das systematische Bereitstellen und Nutzen einer Methode zur Dienstleistungsentwicklung ein Overengineering betreiben, dem kein wirklicher Nutzen gegenübersteht. Der Produzent im dynamischeren Umfeld hingegen, für den die Dienstleistungen eine wichtige Ergänzung darstellen, ist darauf angewiesen, Methoden zur Verfügung zu haben, die eine zielgerichtete Entwicklung garantieren. Es wird bewusst nicht von Standardisierungsgrad, sondern von Systematisierungsgrad gesprochen, da die Tatsache, dass die Dienstleistungserbringung oft in Interaktion mit dem Kunden stattfindet, eine durchgängige Standardisierung verhindert. Eine Methode, die weitgehend systematisiert ist, wird weiter hinten detaillierter beschrieben. Die zweite Achse adressiert die Quelle für Dienstleistungsinnovationen. Verschiedene unserer Projekte haben gezeigt, dass es gerade im Dienstleistungsbereich nicht unüblich ist, neue Dienstleistungen basierend auf Technologien und anderen vorhandenen Fähigkeiten zu entwickeln, ohne sich zu überlegen, ob diese auch wirklich ein Bedürfnis im Markt adressieren respektive ein Kunde bereit sein wird, die angebotene Leistung auch nachzufragen oder dafür zu bezahlen. Wenn Dienstleistungen sowieso keine prominente Rolle einnehmen, wie beim klassischen Produzenten, fällt dies nicht ins Gewicht. Falls die Dienstleistungen aber eine neue Rolle als Differenzierungsfaktor und/oder als Umsatzträger übernehmen sollen, ist eine solche Dienstleistungsentwicklung zum Scheitern verurteilt. Es drängt sich auf,
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
341
vermehrt von den Kunden und Kundenprozessen her Dienstleistungen zu entwickeln.
Abb. 7.6 Quadrant „Methode“
Ein grosser Maschinenbaukonzern entschloss sich dazu, basierend auf seiner profunden Kenntnis der Produktionsumgebungen seiner Kunden, eine neue Dienstleistung „Produktionsoptimierung“ zu entwickeln und anzubieten. Nach der Entwicklung liess sich das Produkt aber nicht verkaufen. Eine Umfrage zeigte in der Folge, dass der Kunde aus Abhängigkeitsüberlegungen den Bezug dieser Dienstleistung von diesem Anbieter ausschloss. Zitat eines Produktionsleiters des Kunden: „Wenn sie uns die Produktion optimieren wollen, sollen sie uns doch gleich kaufen!“ Ein grösseres Unternehmen aus der Pharmabranche entschloss sich eine Softwarelösung zu entwickeln und, darauf basierend, eine Dienstleistung anzubieten, die es seinen Kunden erlauben sollte, gewisse Analyse-Daten ihrer Anlagen direkt über eine Vernetzung mit anderen Kunden über eine grössere Grundgesamtheit abzugleichen. Die Dienstleistung wurde nie im Markt eingeführt, da sich kein wirkliches Bedürfnis dafür identifizieren liess. Ein Sondermaschinenbauer überlegte sich Teleservice-Dienstleistungen für seine Kunden anzubieten. Er scheiterte daran, dass die Kunden kein Interesse daran hatten, dem Maschinenbauer Einblick in die Betriebsparame-
342
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
ter ihrer Maschinen zu gewähren, weil sie befürchteten, dass diese Daten an die Konkurrenz abfliessen könnten. Die kurzen Beispiele zeigen, dass eine Orientierung am Kunden bei der Dienstleistungsentwicklung unerlässlich ist. 7.1.3 Quadrant „Organisation“ Wesentlich bei der Professionalisierung des Dienstleistungsmanagements ist, dass die operativen Einheiten, in denen die eigentliche Dienstleistungserstellung erfolgt, im Rahmen flacherer Hierarchien eine Aufwertung erfahren. Da Dienstleistungen in hohem Masse individuelle Leistungen darstellen, erscheint es als folgerichtig, dass die Dienstleistungsersteller bzw. die Mitarbeiter im Kundenkontakt als weitgehend autonome Manager agieren können. Sie übernehmen damit einhergehende Führungs- und Koordinationsaufgaben.14 Verschiedene Leitungsfunktionen werden somit stärker auf die Mitarbeiter übertragen. Im Gegenzug dazu kommt es zu einer Forcierung der Coaching- und Unterstützungsfunktion auf der Ebene des Managements.15 Diese Fragestellung wird durch die Autonomiegrad-Achse in Abb. 7.7 adressiert. Die strukturellen Massnahmen in Richtung der flacheren Hierarchien, erhöhte Führungsspanne sowie die veränderten Handlungskompetenzen im Kundenkontakt sollten notwendigerweise durch eine Anpassung des Führungssystems flankiert werden, was durch die ZielvorgabenAchse abgebildet wird. Zur Steuerung der komplexen Veränderungen bedarf es eines effizienten Führungssystems, dessen Ziele den Anforderungen des Auf- und Ausbaus der Dienstleistungen gerecht werden. Die Zielfestlegung von Dienstleistungsunternehmen weist in der Regel keine wesentlichen Besonderheiten gegenüber Investitionsgüterunternehmen auf. Beim vermehrten Auf- und Ausbau von Dienstleistungen im Zuge der Transformation verändert sich jedoch die Bedeutung einzelner Ziele.16 So spielen beispielsweise kundenund mitarbeiterorientierte Ziele eine zunehmend bedeutendere Rolle auf dem Weg zum produzierenden Dienstleister. Die zunehmende Bedeutung der mitarbeiterorientierten Ziele, wie Mitarbeiterzufriedenheit, Mitarbeitermotivation, Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern, Mitarbeiterakzeptanz und Mitarbeiterbindung begründet sich durch die steigende Interaktivität 14 15
16
Vgl. Maier/Wolfrum (1998), S. 371. Vgl. Wohlgemuth (1989), S. 349, Schlesinger/Heskett (1991), S. 78, Bowen/Lawler (1998), S. 1039f. Vgl. Oliva/Kallenberg (2002).
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
343
zwischen Kunden und Unternehmen beim Auf- und Ausbau der Dienstleistungen sowie den daraus resultierenden Zusammenhängen zwischen Personalmotivation, Dienstleistungsqualität, Kundenzufriedenheit und ökonomischen Erfolg der Transformation.17 Die Grundlage der verstärkten Fokussierung auf mitarbeitergerichtete Ziele ist somit die Annahme, dass zufriedene Mitarbeiter die Basis für den Aufbau von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung durch Dienstleistungen sind. Dies beeinflusst letztendlich auch den Erfolg der Transformation vom Produzenten zum Dienstleister. Für den klassischen Produzenten drängt es, sich weder auf den Autonomiegrad und die unternehmerische Verantwortung des Dienstleistungsbereichs zu erhöhen noch über eine multidimensionale Zielsetzung der Vielfältigkeit von Dienstleistungen gerecht zu werden.
Abb. 7.7 Quadrant „Organisation“
7.1.4 Quadrant „Human Resources“ Es wurde in Kap. 6 bereits festgehalten, dass eine Flexibilisierung des Unternehmens eine Höherqualifikation der Mitarbeiter erfordert. Die Umsetzung dieses Gedankens auf das Dienstleistungsmanagement soll an dieser Stelle als Verdeutlichung dienen. Das „Verkaufen“ von Dienstleistungen 17
Vgl. Meffert/Bruhn (2000), S. 151.
344
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
und das Management des Dienstleistungsbereichs als Profit-Center erfordert eine andere Mentalität als das Erbringen von Dienstleistungen im Bedarfsfall beim Kunden als Garantie- oder als kaum „bepreiste Leistung“.18 Dabei gilt es nicht nur den Kunden davon zu überzeugen, dass die Dienstleistung den Preis wert ist, sondern auch innerbetrieblich ist Überzeugungsarbeit zu leisten. Im Rahmen unserer Projekte haben wir immer wieder festgestellt, dass gerade die innerbetriebliche Kommunikation oft vernachlässigt wird, was sich spätestens dann nachteilig bemerkbar macht, wenn die Sprache des Service-Technikers vor Ort mit der allgemeinen Unternehmenskommunikation nicht Schritt hält respektive dieser sogar widerspricht. Während das Management der Grossanlagenbau AG das eigene Unternehmen als Dienstleister sah und dies auch so in Richtung der Kunden über die allgemeine Kommunikation in den Vordergrund hob, sah es bei den sich zum Teil seit 30 Jahren im Unternehmen befindlichen ServiceMitarbeitern anders aus. Diese verstanden sich als Techniker, die Kunden helfen, Störungen bei den Anlagen zu beheben. Diese Dienstleistung sahen sie als notwendigen und dazugehörigen Teil eines Maschinenverkaufs, aber keinesfalls als eigenständiges, verrechenbares Produkt an. Die Telekom AG stellte sich in ihrer Aussenpräsentation als Lösungsanbieter für Unternehmen dar. Als in einem Workshop die Frage aufkam, was eine Lösung überhaupt sei, erhielten wir gleichviel verschiedene Antworten wie Personen im Raum waren. Der Lösungscharakter war ausserdem nur schwierig erkennbar, da sich die Kommunikation entlang technischer Besonderheiten ausrichtete. Aus diesem Grund müssen Dienstleistungen respektive deren Bedeutung Bestandteil der internen Schulungen 19 sowie weiterer geeigneter Kommunikationskanäle, wie Hauszeitschriften, Betriebsversammlungen, etc. werden. Folgerichtig wird dieser Quadrant durch die Achsen interne und externe Kommunikation aufgezogen.
18
19
Sanche (2002), S. 3, erwähnt als ein typisches Problemfeld beim Management industrieller Dienstleistungen folgerichtig auch das Vorherrschen einer Produktstatt einer Dienstleistungskultur. Es ist oft festzustellen, dass Unternehmen Dienstleistungen anbieten ohne ihre Mitarbeiter für die Erbringung dieser Dienstleistungen entsprechend zu qualifizieren. In der Konsequenz können die Dienstleistungen bei einer Nachfrage gar nicht oder nur in unzureichender Qualität erbracht werden (Sanche 2002, S. 3).
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
345
Abb. 7.8 Quadrant „Human Resources“
Die interne Kommunikationsachse unterscheidet, ob die Kommunikation in Richtung der Mitarbeiter z.B. in Form interner Schulungen, etc. rein technologieorientiert erfolgt oder ob auch den Kundenprozessen Platz eingeräumt wird und direkt daran aufgezeigt wird, wie die verschiedenen Dienstleistungen einen Mehrwert in diesen Kundenprozessen schaffen. Die Bedeutung dieser Achse wird daran ersichtlich, dass empirische Studien immer wieder belegen, dass mangelhaftes Personalverhalten zu Kundenunzufriedenheit bis hin zum Wechsel zur Konkurrenz führen kann.20 Mitarbeiter müssen über die interne Kommunikation und Schulung dazu befähigt werden den Erklärungswettbewerb gegenüber den Kunden zu bewältigen. Es geht darum, mittels der internen Kommunikation das Selbstbild des Unternehmens zielgerichtet zu beeinflussen. Im Bereich der Dienstleistungserstellung beeinflusst auch die Kommunikation zwischen Mitarbeitern das Ergebnis erheblich. Als Instrumente zur Verbesserung dieser Dialoge drängen sich Mittel, wie Abteilungsbesprechungen, Teamgespräche, Besprechungen zwischen einzelnen Mitarbeitern, Projektsitzungen oder Qualitätszirkel auf.21 Die externe Kommunikationsachse unterscheidet in lösungs- und produktbezogen. Produktbezogen würde bedeuten, dass dem Kunden vor allem die letzten Neuerungen der Produkte näher gebracht werden. Eine löVgl. dazu z.B. Richardson/Robinson (1986), Bowers/Martin/Luker (1990), S. 58, Sanche (2002), S. 134. 21 Vgl. dazu Gebauer (2004), S. 214. 20
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7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
sungsbezogene Kommunikation zum Kunden hin stellt nicht das zu verkaufende Produkt ins Zentrum, sondern die Gesamtlösung integriert in den Kundenprozess. Aufgrund der Immaterialität von Dienstleistungen sind die Mitarbeiter gezwungen, Leistungen zu explizieren und mittels eines Leistungsversprechens zu garantieren. Gebauer hält fest, dass insbesondere folgende Punkte Beachtung finden sollten, um den besonderen Anforderungen der Dienstleistungskommunikation gerecht zu werden: 22 • Ausrichtung der Kommunikation am Prozess. Während beim klassischen Produzenten das Produkt als Integrationspunkt dient, verlagert sich beim produzierenden Dienstleister dieser Integrationspunkt auf Prozesse und Personen (Mitarbeiter). Ansatzpunkte, um Hinweise für die Kommunikation zu finden, bietet der Prozess der Dienstleistungserbringung, der z.B. die Identifikation von Kundenkontaktpunkten erlaubt und damit eine gezielte Steuerung der Kommunikation an diesen Punkten ermöglicht.23 Weitere wichtige Prozesse sind der Nutzungsprozess des Kunden respektive dessen zentrale Geschäftsprozesse. • Befähigung der Mitarbeiter zur intensiven Vermarktung der Dienstleistungen. Dieser Punkt wurde unter der internen Kommunikation bereits beschrieben, findet sich aber auch an dieser Stelle, da die Befähigung der Mitarbeiter die externe Kommunikation erst ermöglicht und mit der allgemeinen Unternehmenskommunikation konsistent macht. • Interne Kommunikation der Dienstleistungen. Auch auf diesen Punkt wurde weiter vorne kurz eingegangen. Die interne Kommunikation geht, richtig verstanden, deutlich über die Befähigung der direkt beteiligten Mitarbeiter hinaus. Mittelfristig soll darüber eine Bewusstseinsveränderung in Richtung einer Dienstleistungskultur erreicht werden.24 7.1.5 Der Produzent und der produzierende Dienstleister Die Innen- und die Aussenposition ergeben zwei Ideal-Profile, dasjenige des klassischen Produzenten und dasjenige des produzierenden Dienstleisters. Diese seien als Zusammenfassung näher beschrieben. Vgl. Gebauer (2004), S. 209ff. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Service Blueprinting“, vgl. z.B. Shostack (1992), S. 79ff. und Kingman-Brundage (1989), S. 31f. 24 Zu den kulturellen Aspekten des Dienstleistungsmanagements in einem produzierenden Unternehmen vgl. insbesondere Friedli/Gebauer (2004). 22 23
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
347
7.1.5.1 Der Produzent Unter Produzenten versteht man Unternehmen, welche sich vorwiegend auf ihr Produktgeschäft konzentrieren. Dienstleistungen werden nur beiläufig angeboten und als „add-on“ betrachtet. Produzenten sind dann erfolgreich, wenn der Markt nur Produkte nachfragt und die Kaufentscheidungen innerhalb des Marktes im Wesentlichen von Produktmerkmalen und der Lieferfähigkeit abhängen sowie eine relativ stabile Nachfrage besteht. Aufgrund der Wettbewerbsvorteile beim Produktgeschäft (z.B. technologische Differenzierung oder Kostenvorteile) ist es dem Produzenten möglich, attraktive Margen zu erzielen. Diese Margen decken auch die Kosten der wenigen Dienstleistungen, welche zusätzlich angeboten werden. 7.1.5.2 Der produzierende Dienstleister Der produzierende Dienstleister baut Lösungen zum Kerngeschäft aus. Das Produkt wird zur Kundenbindung genutzt, wobei die Differenzierung im Markt durch kundenindividuelle Problemlösungen erfolgt. Diese Problemlösungen werden nicht mehr als Produkt, sondern als Dienstleistung verkauft. Die angebotenen Dienstleistungen und deren Erbringung sind eng mit den Wertschöpfungsprozessen beim Kunden verknüpft. 7.1.6 Eine Dienstleistungsentwicklungsmethode Sobald Dienstleistungen eine gewisse Bedeutung für das Unternehmen erlangt haben, respektive eine grössere Bedeutung einnehmen sollen, müssen auch die Methoden zum Management dieser Dienstleistungen systematisiert und professionalisiert werden. In diesem Zusammenhang sei im Folgenden eine Dienstleistungsentwicklungsmethode vorgestellt. 7.1.6.1 Überblick Zur Systematisierung des Entwicklungsprozesses kann z.B. die am Institut für Technologiemanagement erarbeitete Vorgehensweise zur Entwicklung von industriellen Dienstleistungen angewendet werden. Der vorgeschlagene Entwicklungsprozess beinhaltet verschiedene generische Phasen, welche sich aus den generellen Entwicklungsphasen eines „normalen“ Produktentwicklungsprojektes ableiten lassen. Dieser Entwicklungsprozess entstand in Zusammenarbeit mit den im Projekt „DESIGN“ 25 beteiligten 25
Vgl. dazu die Kurzbeschreibung im Anhang.
348
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Unternehmen und wurde in zahlreichen Industrieprojekten erprobt. Die Entwicklungsmethodik lässt sich grob in vier Phasen aufteilen: Ideengenerierung und -bewertung, Grobkonzepterstellung und -bewertung sowie Festlegung des Detailkonzeptes für die Dienstleistung und Marktumsetzung. Das Ergebnis der Dienstleistungsentwicklung ist ein DienstleistungsDetailkonzept, vergleichbar mit einem erweiterten Business Plan, welches die Leistungsinhalte, -prozesse und -voraussetzungen umfassend definiert und zugleich die nötigen Umsetzungsschritte für eine erfolgreiche Dienstleistungserbringung beschreibt. Die einzelnen Phasen sind in Abb. 7.9 veranschaulicht.
DLIdeen
• Ideenfindung • Ideenbewertung • Ideenselektion
DLGrobkonzept
• Konzept Erarbeitung • Bewertung • Selektion
DLDetailkonzept
• Verfeinerung • Bewertung • Selektion
DLMarkteinführung
• Markttest • Marktumsetzung • Markteinführung
Abb. 7.9 Systematischer Dienstleistungsentwicklungsprozess
Dienstleistungsentwicklung beginnt mit der Identifikation von Kundenbedürfnissen. Bevor die systematische Methode zur Umsetzung dieser Kundenbedürfnisse in konkrete Dienstleistungsprodukte vorgestellt wird, sei deshalb an dieser Stelle nochmals darauf eingegangen.26 Um Dienstleistungen auf Basis von Kundenbedürfnissen entwickeln zu können, müssen diese so konkret wie möglich identifiziert werden. Zur konkreten Identifikation drängt es sich auf einer gewissen Systematik zu folgen. Diese sollte zumindest die folgenden Punkte umfassen: • Segmentierung der Märkte/Kunden, • Identifikation der und Verständnis für die Aktivitäten des Kunden entlang der Kundenprozesse sowie • die Identifikation von Kundenbedürfnissen entlang der Kundenprozesse respektive der einzelnen Aktivitäten. Diese Systematik ermöglicht es, nicht nur oberflächliche Kundenbedürfnisse zu erfassen, sondern diese im Anwendungskontext zu durchdrin-
26
Diese Darstellung folgt in weiten Teilen Schuh/Friedli/Gebauer (2004).
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
349
gen. Sie fördert insgesamt das Eindenken in die Situation des Kunden und erhöht das Bewusstsein für die eigentliche Kundensituation. Im ersten Schritt findet eine Marktsegmentierung statt. Diese Marktsegmentierung kann als Vorbereitungsphase angesehen werden, in der die betrachteten und näher analysierten Marktsegmente aufbereitet und genauer definiert werden. Anschliessend werden für die einzelnen Marktsegmente mittels eines Brainstormings die Aktivitäten des Kunden identifiziert. Auf der Basis dieser einzelnen Aktivitäten können abgrenzbare Kundenprozesse definiert werden. Zur Identifizierung der Aktivitäten und Kundenprozesse empfiehlt es sich, sich am Produktlebenszyklus von der Produktauslieferung über die Produktnutzung bis zum Nutzungsende zu orientieren. Innerhalb der Kundenprozesse werden in der Folge die Kundenbedürfnisse herausgearbeitet. Hierbei kann als Denkraster die Konzeptionalisierung in Problemlösungsbedürfnisse, funktionale Bedürfnisse, emotionale Bedürfnisse und Erfolgsbedürfnisse dienen.27 Die identifizierten Kundenbedürfnisse eignen sich im Anschluss daran als Ausgangspunkt für die Ideenfindung. Empfehlenswert ist dabei die Anwendung der Mindmap-Methode, bei der man das Kundenbedürfnis in die Mitte des Mindmaps stellt. Davon ausgehend werden verschiedene „Äste“ mit Dienstleistungsideen gebildet, welche das Kundenbedürfnis adressieren. In Abb. 7.10 ist illustriert, wie für das Kundenbedürfnis „Informationsbeschaffung“ verschiedene Ideen herausgearbeitet wurden. Das Bedürfnis „Informationsbeschaffung“ wurde im Rahmen der Produktnutzung als ein zentrales Kundenanliegen identifiziert. Die Dienstleistungsideen können anschliessend in drei Kategorien eingeordnet werden, Dienstleistungen, die • bisherige Leistungen des Kunden ersetzen, • bisherige Leistungen anderer Dienstleister übernehmen oder • grundsätzlich neue Dienstleistungen.
27
Die Problemlösungsbedürfnisse beziehen sich auf den Beitrag der Dienstleistungen zur Problemlösung. Erfolgsbedürfnisse betreffen Kundenkennzahlen, wie Up-time oder Yield und unterstützen die Nutzenargumentation von Dienstleistungen. Die emotionalen Bedürfnisse betreffen die weichen Faktoren beim Kunden. Vgl. Egli/Stutz (1989), S. 48f; Schauenburg (1993), S. 95f, Belz/ Schuh/Groos/Reinecke (1997), S. 73f.
350
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement Sofortantworten auf Fragen
Soft-/Hardware Updates
FAQ / Lösungen
Permanent aufdatiertes Wissen Datenbanken
Informationsbeschaffung Identifikation der wichtigen Fragen Rechtzeitige Aufdatierung neuer Informationen
Markttransparenz Wissenschaftliche Informationen Veränderungen der Standards, Werte Veränderung der Zielgrössen Konkurrenzanalyse
Nützliche Informationen
Rechtliche Aspekte
IT
On-line Dokumentation Richtige Information zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, für betroffene Personen Reduktion der Papierausgaben Standardformate E-Mail für Reklamationen
Abb. 7.10 Bedürfnis und Dienstleistungsideen
Neben den Kundenbedürfnissen, welche sich unmittelbar aus den einzelnen Kundenprozessen ergeben, sollten auch die generellen Kundenbedürfnisse hinterfragt werden. Stellt sich z.B. heraus, dass diese für alle Kundensegmente dieselben sind, drängt sich ein Hinterfragen der vorgenommenen Segmentierungen auf. Das Denken in Kundenprozessen und -bedürfnissen stärkt die Kundenorientierung in der Dienstleistungsentwicklung. Damit die Kundenorientierung auch konstant zum Tragen kommt, müssen die Kundenprozesse und -bedürfnisse kontinuierlich analysiert werden. Hierbei gilt, dass man Bestehendes nutzen sollte, z.B. indem bereits im Rahmen der Dienstleistungserbringung neue Dienstleistungsideen aufgenommen werden. Gerade bei der Erstellung der Dienstleistung, bei der ein enger und direkter Kundenkontakt besteht, ergeben sich zahlreiche Informationen über Kundenwünsche und -probleme (zum Teil auch „latenter Art“). Diese Informationen sollten nach Möglichkeit kanalisiert und gebündelt in den Dienstleistungsentwicklungsprozess zurückfliessen. Dies bedarf natürlich auch einer gewissen Sensibilität der Mitarbeiter, um Kundeninformationen erfassen und neue Dienstleistungsideen daraus ableiten zu können. Neben neuen Ideen für Dienstleistungen, resultieren aus einer derartigen Vorgehensweise ebenfalls Ideen für neue Produkte oder Produktverbesserungen. Gerade bei Service-Technikern zeigt sich in der Praxis eine starke Zurückhaltung, systematisch Beobachtungen, die sie bei den Kunden machen, weiterzugeben. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass sie dies nicht als ihren Job ansehen. Andererseits schreibt nicht jeder Service-Techniker gern Berichte. Dazu kommt, dass in vielen Unternehmen zwar ServiceRapporte erstellt werden müssen, die Kommentare darauf aber oft nicht
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
351
weiterverarbeitet werden. Dadurch entsteht bei den Service-Technikern der Eindruck, dass ihre Inputs sowieso nicht gefragt sind. 7.1.6.2 Ideenfindung und Ideenbewertung In der Phase der Ideenfindung werden gezielt Ideen für neue Dienstleistungen identifiziert. Als Quelle für die Ideen kann unter anderem auf den identifizierten Kundenprozessen und Kundenproblemen aufgebaut werden. Als Methoden zur Aufnahme weiterer Ideen können systematische Reklamationsanalysen, Kundenbefragungen, Kreativworkshops mit den Mitarbeitern im Kundenkontakt oder Lead-User-Konzepte verwendet werden. Zusätzlich dazu können auch Konkurrenzanalysen, Benchmarking-Ergebnisse, identifizierte strategische Erfolgspositionen sowie neue Technologien als Ausgangspunkt für neue Dienstleistungen genutzt werden.28 Am schnellsten umsetzbar für die Ideenfindung haben sich in verschiedenen Projekten die Methoden der Reklamationsanalyse und die Auswertungen von Kundenkontakten erwiesen. Bei den Mitarbeitern im Kundenkontakt besteht die Herausforderung darin, diese dazu zu motivieren, entsprechende Ideen in das Unternehmen einzubringen. In der Praxis trifft man häufig an, dass gute Ideen „versanden“. Weiterhin sind Mitarbeiter aufgrund der Erfahrung, dass ihre Feedbacks wenig bis keine Wirkung haben, zum Teil nicht gewillt, Ideen überhaupt noch zu kommunizieren. Diese Effekte verstärken sich häufig gegenseitig und hemmen innovative Ideen. Das Dilemma hierbei besteht darin, dass diese innovativen Ideen zwingend notwendig sind, um die bestehenden Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern und Impulse für neue, erfolgversprechende Dienstleistungen zu erhalten. Um Mitarbeiter zu motivieren, Ideen in die Organisation hineinzutragen, können monetäre und nicht-monetäre Anreize im Unternehmen geschaffen werden (z.B. Belohnung für jede Idee oder jede als gut bewertete Idee, Auszeichnungen wie innovativster Mitarbeiter des Monats etc). Viel wichtiger als die monetären und nicht-monetären Ansätze sind schnelle Feedbacks zu den eingebrachten Ideen an die Mitarbeiter. Diese Feedbacks zeigen den Mitarbeitern, dass ihre Inputs bearbeitet werden und bei entsprechender Eignung zu Verbesserungen oder neuen Dienstleistungen führen. Zur Strukturierung des Feedbacks empfiehlt es sich, in kurz- und langfristige Feedbacks zu unterscheiden. Das kurzfristige Feedback zeigt dem Mitarbeiter, dass die Idee bearbeitet wird. Das langfristige Feedback beinhaltet die erfolgten Veränderungen oder Verbesserungen bzw. die Angabe der Gründe, welche einer Umsetzung der Idee entgegenstanden. Zu28
In Anlehnung an Meyer/Blümelhuber (1998), S. 813ff.
352
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
sammengefasst erscheint es wichtig, dass zur Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen Flusses an Ideen Anreizsysteme und Feedbackprozesse im Unternehmen etabliert und gelebt werden. Nur so ist es möglich, die bestehenden Informationen der Mitarbeiter im Kundenkontakt zu nutzen. Die sich hieraus ergebenden Ideen werden anschliessend gezielt bewertet und selektiert. Zur Bewertung der einzelnen Ideen kann z.B. das in Abb. 7.11 abgebildete Schema verwendet werden). Ausgangspunkt der Bewertung bildet dabei die Idee (Spalte Nummer 3). Um sich davon zu lösen und die Anwendungszusammenhänge zu verstehen, werden in einem ersten Schritt die Situationen beim Kunden identifiziert, in denen er ein Bedürfnis nach der skizzierten Dienstleistung hat. Basierend darauf werden die konkreten Bedürfnisse in der skizzierten Situation aufgelistet. Unter Umständen gehen diese über den ursprünglich anvisierten Bereich hinaus. Entscheidend ist aber, dass es gelingt, sich in den Kunden hineinzudenken. Im dritten Schritt ergänzt man die bis anhin noch grobe Idee um eine genauere Beschreibung. Unter Umständen gelingt es in diesem Schritt bereits so genannte Basis-Dienstleistungen, die in allen skizzierten Situationen relevant sind, von Zusatz-Dienstleistungen, die in einer spezifischen Situation wichtig sind, zu unterscheiden und damit eine Grundlage für eine Dienstleistungsmodularisierung zu legen.29 Die fünf rechten Spalten repräsentieren Kriterien für eine Nutzwertanalyse. Für die jeweiligen Kriterien existieren entsprechende Ausprägungen. In Abhängigkeit davon, welche der Ausprägungen für die Dienstleistungsidee zutreffen, ergeben sich verschiedene Nutzwerte für die Dienstleistungen. Mögliche Bewertungskriterien sind die vorhandene Unternehmenskompetenz, die Bedeutung der Dienstleistung für den Kunden, das Marktpotenzial und die Verrechenbarkeit. Im Falle der Unternehmenskompetenz ergibt sich ein hoher Nutzwert, wenn die für die Dienstleistungserstellung notwendigen Kompetenzen vorhanden sind, vom Kunden nachgefragt und auch wahrgenommen werden. Es hat sich gezeigt, dass die dreistufige Frage an dieser Stelle durchaus gerechtfertigt ist. Insbesondere das Kriterium „Kunde fragt Dienstleistungen auch wirklich nach“ ist keine Selbstverständlichkeit. In einem unserer Projekte im Gesundheitswesen, in dem es unter anderem darum geht, Apotheken als Drehscheibe für Gesundheit zu positionieren,30 zeigt es sich, dass es einen nicht unerheblichen Kommunikationsaufwand braucht, um die Apothekenkompetenz in diesem Bereich Zu solchen und anderen Gestaltungsfragen im Bereich Dienstleistungen vgl. insbesondere Speth (2001). 30 Vgl. das Projekt ApoKop im Anhang. 29
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
353
wahrnehmbar zu machen, werden doch Apotheken nach wie vor schwergewichtig mit Krankheit in Zusammenhang gebracht. Bei der Bedeutung, dem Marktpotenzial und der Verrechenbarkeit nimmt der Nutzwert tendenziell zu je höher diese Kriterien ausgeprägt sind.
Situation des Kunden
Kundenbedürfnisse
Dienstleistungsidee
• Merkmale
UnternehmensKompetenz
• Vom Kunden wahrgenommen • Vorhanden • Nicht nachgefragt
Bedeutung für den Kunden
• Hoch • Mittel • Niedrig
MarktPotenzial
• Hoch • Mittel • Niedrig
Verrechenbarkeit
• Hoch • Mittel • Niedrig
Abb. 7.11 Ideen-Bewertung
7.1.6.3 Das Dienstleistungsgrobkonzept Für diejenigen Ideen, welche entsprechend positiv bewertet wurden bzw. über einen hohen Nutzwert verfügen, können anschliessend Grobkonzepte erarbeitet werden. Organisatorisch empfiehlt es sich, ab diesem Zeitpunkt ein Projekt anzustossen und einen Projektverantwortlichen zu definieren. Der Projektverantwortliche initiiert die Erstellung der Grob- und Detailkonzepte. Das Grobkonzept dient einer konkreteren Beschreibung der Dienstleistungsidee. Hierbei werden Punkte, wie Ziele der Dienstleistung, Konformität der Dienstleistung mit der Unternehmensstrategie, Kundennutzen, Dienstleistungsergebnis, Dienstleistungsprozess, Dienstleistungsmarketing, notwendige Voraussetzungen und Restriktionen, Profitabilität, der Entwicklungsplan und die möglichen Risiken beschrieben. Diese Beschreibung gemäss Abb. 7.12 führt zu Erkenntnissen, in welchen Bereichen noch vertiefender Handlungsbedarf existiert und trägt zur Klärung der bis anhin nur als Idee skizzierten Dienstleistung bereits in diesem frühen Stadium bei.
354
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
A) Zusammenfassung a) Zusammenfassung b) DL-Ziel DL-Ziel c) Kundenbedürfnisse und Chancen B) Stategie a) Strategiekonformität b) Fit mit gesetzten Entwicklungszielen c) Strategische Signifikanz d) Synergien e) „Cross Impact“ (Investitionsgut, DL) f) „Cross-Selling“-Chancen
F) DL-Marketing a) Zielgruppen, Kundensegmente b) Schlüsselmärkte c) Konkurrenzsituation (Investitionsgut, DL) d) Verrechnungsmodell e) Vermarktung, Promotion f) Vertrieb G) Voraussetzungen, Restriktionen a) Machbarkeit b) Voraussetzungen c) Restriktionen (rechtliche, andere)
C) Kundennutzen a) Kundennutzen „Unique Selling SellingPosition“ Position“ b) „Unique
H) Grobe Abschätzung, Profitabilität a) Entwicklungskosten, Investitionen b) Erbringungskosten, Verkaufspreis c) Umsatzprognose
D) DL-Beschreibung a) Kernleistung b) Leistungsstandards c) Leistungslevel, -varianten d) Involvierte Abt., Geschäftseinheit
I) Entwicklungsplan a) Zeitlicher Umsetzungsplan b) Meilensteine, Einführungszeitpunkt c) Ressourcenplan
E) DL-Prozess a) Grober Prozessplan b) Verantwortlichkeiten c) Ausführung
J) Risiken a) Produktrisiken b) Projektrisiken c) Marktrisiken, Wettbewerbsrisiken d) Andere
Abb. 7.12 Dienstleistungsgrobkonzept
Als in dieser Hinsicht besonders hilfreich hat sich das grobe Mapping der Dienstleistungsidee als konkreter Prozess erwiesen. Sobald die mit der Dienstleistungserbringung in Zusammenhang stehenden Aktivitäten aufgelistet sind, ist dem ganzen Team klar, wie weit reichend die skizzierte Idee ist. Es wird deshalb empfohlen mit diesem Schritt zu beginnen und darauf aufbauend Ziele, etc. zu diskutieren. Anschliessend findet wiederum eine Bewertung statt, welche dazu dient, die besten Grobkonzepte herauszufiltern. Als Bewertungskriterien empfehlen sich hierbei Punkte, wie Eignung und Abdeckung der Kunden- und Marktbedürfnisse, Verrechenbarkeit, Cross-Selling-Möglichkeiten, Differenzierungspotenzial etc. Bei der Auswahl der Kriterien ist darauf zu achten, dass sowohl die Unternehmens-, die Kunden- sowie die Wettbewerbsperspektive entsprechend abgedeckt werden. Die Bewertung der Grob-Konzepte erfolgt im Team in einem zweistufigen Prozess. Zuerst füllt jedes der Teammitglieder ein Bewertungsformular selbständig aus. Danach erfolgt ein Vergleich der Bewertungen (vgl. Abb. 7.13).
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement
355
Dienstleistungs-Grobkonzept DL-Bewertung pro Teammitglied
DL-Bewertung pro
Zusammenfassung der Zusammenfassung der Einzelbewertungen Einzelbewertungen Analyse DL-Bewertungsergebnisse
Analyse DL -
1. Analyse und Diskussion stark divergierender Einzelbewertungen 2. Bei Bedarf: Anpassung von Einzelbewertungen 3. Bei Bedarf: Anpassung DL-Grobkonzept
3. Bei Bedarf: Anpassung -Grobkonzept DL
4. Analyse, Vergleich von verschiedenen Grobkonzept -Bewertungen
-
5. Auswahl des vorliegenden DL-Grobkonzeptes zur Weiterentwicklung
Abb. 7.13 Vorgehen „Bewertung Grobkonzept“
Einerseits wird dabei jeweils der Durchschnittswert der Bewertungen erhoben. Andererseits werden diejenigen Punkte, die grosse Unterschiede in der Beurteilung durch die Teilnehmer aufweisen, gesondert nochmals diskutiert. Grosse Bewertungsunterschiede weisen meist auf ein noch bestehendes, unterschiedliches Verständnis der Dienstleistung hin. Die folgenden zwei Abbildungen zeigen exemplarisch mögliche Bewertungspunkte auf. Im DESIGN-Projekt wurde eine Excel-Tabelle entwickelt, um eine direkte Bewertung im Workshop durchführen zu können. Diejenigen Grobkonzepte, welche für eine Weiterverfolgung attraktiv erscheinen, werden in Detailkonzepten weiter ausgearbeitet. Unter Umständen kann der Detaillierungsgrad des Grobkonzeptes aber auch bereits zur Umsetzung ausreichen.
356
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
1 ala Sk
-5
Skala 1 - 3
Durchschnitt Gesamtbewertung
1 ala Sk
-5
Durchschnitt Gesamtbewertung
Abb. 7.14 Bewertungsformular (Beispiel)
7.1.6.4 Dienstleistungsdetailkonzepte Das Detailkonzept dient insbesondere der weiteren Konkretisierung der drei Dimensionen Dienstleistungsergebnis, -prozess und -ressourcen. Innerhalb dieser Dimensionen sind die in Abb. 7.15 illustrierten Punkte inhaltlich auszufüllen.
7.1 Integriertes Dienstleistungsmanagement DL-Prozess
DL-Ressourcen DL-Ressourcen
Human Human DLResource Resource Resource Kunden- Resource Prozess ProzessAuswahl Auswahl Entwickl. Entwickl. Retention Retention Schulung DLDLDLKundenKundenKontaktDokumentation Dokumentation Prozess KontaktHuman DLPunkte Resource Hilfs- Resource Interner Tools Motivation DLMotivation DLMarketing Kooperation Prozess externe Partner
g ge eP Pl la an n
DLAusprägung/ DL-Levels
Ch C ha an n
ion en Erfo lgsp os it
Stra te g isc h e
Ku n den -Bed ürfn
isse
(S E P)
DL-Ergebnis DL-Ergebnis
357
Qualit Qualitätstandards, ätsstandards, -Controlling, Controlling Kostentransparenz, Verrechnungsmodell Kostentransparenz, Verrechnungsmodell Risiko-Abschätzung Risiko -Abschätzung Organisation,DL Organisation, --Kultur, Kultur, DL Interne Interne Kommunikation Kommunikation
Strategische Einbettung
DL-Ziele
Value Added für fürKunden Kunden
Abb. 7.15 Inhalte Detail-Konzept
So sollten beispielsweise im Rahmen des Dienstleistungsergebnisses die Punkte Dienstleistungs-Ausprägung bzw. -Levels, -Dokumentation und -Marketing durch das Entwicklungsteam definiert werden. Dimensionsübergreifend sind die folgenden Punkte zu beantworten: • Wie sieht das konkrete Verrechnungsmodell aus? • Welche Risiken existieren bei der Dienstleistung? • Können Qualitätsstandards definiert werden? Der Rahmen des Dienstleistungskonzeptes ist dabei so auszugestalten, dass den besonderen Merkmalen von Dienstleistungen, wie Integration des Kunden im Erbringungsprozess, Immaterialität und Gleichzeitigkeit der Dienstleistungserbringung durch den Anbieter und Konsumation durch den Kunden besonders Rechnung getragen werden kann. Insgesamt sind die aufgeführten Punkte in den einzelnen Grob- und Detailkonzepten als gedanklicher Rahmen und als Checkliste zu verstehen. Eventuell ergeben sich über diese Checkliste hinaus unternehmensspezifische Punkte, welche zur Ausformulierung eines Grob- bzw. Detailkonzeptes notwendig sind. Ähnliches gilt auch für die Bewertungskriterien bei den einzelnen Phasen. Sie sollen ebenfalls als mögliche Anhaltspunkte verstanden werden, welche unternehmensspezifisch angepasst werden können. Die Detail-Konzeption wird durch Formulare unterstützt. Auch wenn die Dienstleistung kundenorientiert und systematisch entwickelt wurde, können gewisse Akzeptanzprobleme im Markt 31 auftreten. 31
Im Rahmen des DESIGN-Projektes am ITEM-HSG und bei einem Individualprojekt mit einer Bank im B2B-Geschäft wurden Telefoninterviews und persön-
358
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Aus diesem Grund empfiehlt es sich, das Detailkonzept bezüglich Kundenakzeptanz und Vermarktungsfähigkeit zu testen. Ähnlich einem neu entwickelten Produkt sollte auch hier eine gewisse Erprobungsphase durchlaufen werden. Die Informationen aus der Erprobungsphase fliessen anschliessend in die weitere Umsetzung der Markteinführung ein. Zu diesem Zweck kann beispielsweise eine Marktanalyse durchgeführt werden, mit deren Hilfe die Kundenakzeptanz erhoben wird. Die Erhebung der Akzeptanz ist teilweise kritisch, da Kunden Dienstleistungen häufig skeptisch gegenüberstehen und daher angeben, dass sie nicht bereit sind für neue Dienstleistungen etwas zu bezahlen. Empfehlenswert sind deshalb Tiefeninterviews mit ausgewählten Kunden, in denen Punkte wie Akzeptanz und Verrechenbarkeit indirekt angesprochen und mit dem Kunden diskutiert werden.32 Die entwickelte Vorgehensweise – Ideengenerierung, Grobkonzept, Detailkonzept und Markteinführung – ermöglicht es Dienstleistungsideen effektiv und effizient in vermarktungsfähige Dienstleistungsprodukte umzuwandeln.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement Um ein Kooperationsmanagement, das für das flexible Unternehmen im dynamischer werdenden Umfeld unerlässlich ist, professionell abwickeln zu können, sind wiederum neben den zu definierenden Aktivitäten wieder strukturelle Fragen sowie verhaltensspezifische Aspekte zur Verankerung des Ganzen in der Organisation zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck wurden die zentralen Dimensionen eines übergreifenden Kooperationsmanagements entlang von Spannungsreihen strukturiert, die in der Folge kurz beschrieben werden (Abb. 7.16).
liche Befragungen durchgeführt. Hierbei zeigte sich, dass trotz systematischer Ideenfindung und strukturierter Dienstleistungsentwicklung relativ hohe Akzeptanzprobleme im Markt auftreten können. 32 Vgl. Simon (1992), S. 196f.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement Austausch- Quelle der objekt Kooperation
Kooperationsart
359
Methode Methode
Aktivitäten Bereich
Strukturierungsgrad
KonfliktManagement
HR HR
Autonomiegrad
Projekt- Führung management
Verhalten
Organisation Organisatio Organisation
Strukturen
Abb. 7.16 Integriertes Kooperationsmanagement
Im Bereich der Aktivitäten stellt sich grundsätzlich die Frage nach der Art der Kooperationen, die durch das aufzubauende, professionelle Kooperationsmanagement abgedeckt werden sollen. Dies bestimmt die Komplexität, die bewältigt werden muss. Für die Methode an sich ist die Frage relevant, woher die Ideen für Kooperationen stammen und wie strukturiert das Management von der Identifikation von Kooperationspotenzialen bis hin zu den laufenden Operations erfolgt. Im Bereich der Organisation geht es um die Einbindung des Kooperationsmanagements in die Organisation sowie die Führung der betrachteten Kooperation. Auf Verhaltensebene stellen sich Fragen des Projekt- sowie des Konfliktmanagements. In der Folge werden die einzelnen Quadranten des Rasters näher beschrieben und am Ende nochmals im Gesamtzusammenhang dargestellt. Die Aussenposition beschreibt die für ein flexibles Unternehmen notwendige Ausprägung eines Kooperationsmanagements. Die Innenposition beschreibt die Ausprägungen für einen klassischen nur ad hoc kooperierenden Produzenten. Den Abschluss dieses Teils bildet die Kurzvorstellung einer durchgängigen Methodik von der Potenzial-Identifikation bis hin zur Kooperation, die im Rahmen eines zweijährigen Forschungsprojektes am Institut für Tech-
360
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
nologiemanagement entwickelt und im Rahmen eines internationalen Benchmarking überprüft wurde.33 7.2.1 Quadrant „Kooperationsart“ Der Begriff Kooperation ist höchst unscharf definiert und sagt wenig über die Komplexität einer Kooperation aus. Friedli führt dazu z.B. aus: „Es existieren zahlreiche Versuche den Begriff der Kooperation zu definieren. Die verschiedenen Definitionen unterscheiden sich in ihrer Reichweite und dadurch, dass einzelne Autoren auf eine eigentliche Definition verzichten und stattdessen die für eine Kooperation konstitutiven Merkmale auflisten. Auster z.B. verwendet aus dieser Problematik heraus den Begriff „Linkages“: „Linkage is a neutral term that conotes nothing about the nature of the relationship between the firms involved, except that they are connected.“ 34. Schwarz definiert nach eingehender Analyse bestehender Definitionen die Kooperation prozessual: „Von Kooperieren (Zusammenarbeiten) sprechen wir dann, wenn selbständige Personen und/oder Organisationen aufgrund gemeinsamer Zwecke durch Verhandlung und Abmachung über die Erfüllung von Teilaufgaben der Beteiligten bestimmen.“ 35 Fraglich bei dieser Definition ist, ob der gemeinsame Zweck, das gemeinsame Ziel für das Vorliegen einer Kooperation gegeben sein muss. Verschiedene Beispiele zeigen, dass die in Kooperationen engagierten Unternehmen durchaus auch verschiedene Ziele verfolgen.36 Eine Gemeinsamkeit liegt allerdings darin begründet, dass die Kooperation von den Beteiligten als geeignetes Mittel zum Erreichen dieser Ziele angesehen wird. Düttmann definiert: „Die wirtschaftliche Kooperation ist die bewusste, zwischenbetriebliche und freiwillige Zusammenarbeit selbständiger Unternehmen mit der Absicht, ohne Aufgabe der grundsätzlichen unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, in bestimmten betrieblichen Teilbereichen
Vgl. dazu insbesondere Kurr (2004). Das Forschungsprojekt lief unter dem Titel „C-Commerce“, das Benchmarking-Projekt unter dem Namen „Kooperationen erfolgreich managen (KEMA)“, vgl. dazu die Kurzbeschreibungen im Anhang. 34 Auster (1987), S. 3. 35 Schwarz (1978), S. 116. 36 Vgl. z.B. Reich/Mankin (1986) und die dort aufgeführten Beispiele, Auster (1987), S. 4: „In reality goals may range from shared, to mixed, to conflicting and the underlying nature of these relationships may range from cooperative to exploitive.“ und Hamel (1991), S. 86: „Though not always readily admitting it, several partners clearly regarded their alliances as transitional devices where the primary objective was internalization of partner skills.“ 33
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
361
gemeinsame wirtschaftliche Ziele zu realisieren.“ 37 Bei dieser Definition ist einzuwenden, dass auch die wirtschaftlichen Ziele nicht dieselben sein müssen. Es stellt sich ausserdem die Frage, was unter freiwillig zu verstehen ist. Oft ist der wirtschaftliche Zwang zur Kooperation so gross, dass im eigentlichen Sinne des Wortes nicht mehr von freiwillig gesprochen werden kann.“ 38 Aus diesen Gründen basiert Friedli in der Folge auf der weniger einengenden Definition von Rotering, der unter Kooperation versteht „die auf stillschweigender oder vertraglicher Vereinbarung beruhende Zusammenarbeit zwischen rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen durch Funktionsabstimmung und -übertragung auf einen Kooperationspartner im wirtschaftlichen Bereich.“ 39 In Abb. 6.63 wurden Spezifika von Kooperationen dargestellt, die dazu führen, dass Kooperationsmanagement komplexer ist als das Management von Einzelunternehmen. Nur spielen die Spezifika je nach der Art der angestrebten Form eine prominentere oder weniger prominente Rolle. Aus diesem Grunde ist es wichtig, vor Beginn der Kooperation abschätzen zu können, mit was für einem Typ von Kooperation man es zu tun hat. Eine Analyse verschiedener Kooperationen zeigt, dass die Komplexität und die Anfälligkeit für ein Scheitern vor allem dann steigt, wenn für einen oder alle Kooperationspartner geschäftserfolgskritische Bereiche durch die Kooperation betroffen sind.40 Eher unkritisch sind dagegen Zusammenarbeiten einzuschätzen, die sich „nur“ mit Risikoreduktionsüberlegungen durch das Teilen von Kapazitäten beschäftigen. Ausserdem hängt die Komplexität auch unmittelbar damit zusammen, welche Funktionen des Unternehmens in die Kooperation eingebunden werden. So wird in der Regel eine Forschungs- & Entwicklungskooperation deutlich vorsichtiger angegangen als eine Produktionskooperation. Diesen Überlegungen liegt der in Abb. 7.17 dargestellte Quadrant zu Grunde. Die eine Achse wird durch den Einsatzschwerpunkt der Kooperationen des Unternehmens aufgespannt. Während der klassische Produzent, wenn er kooperieren muss, dies tendenziell auf die Nutzung von bestehenden Lieferantenbeziehungen als „verlängerte Werkbank“ beschränkt, sprich Kapazitäten nutzt, die kein besonderes Know-how verlangen und sich darüber eine gewisse Flexibilität verschafft, ist das flexible Unternehmen, dass Lösungen erzeugen muss, die oft auch Know-how erfordern, das es Düttmann (1989), S. 73. Friedli (2000), S. 11f. 39 Rotering (1990), S. 41. 40 Es wurden dazu sowohl in der Literatur beschriebene gescheiterte und erfolgreiche Kooperationen wie auch Ergebnisse eines Benchmarking-Projektes sowie eigene Kooperationsmanagementprojekte ausgewertet. 37 38
362
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
nicht bereits aufweist, darauf angewiesen, systematisch sowohl Kapazitätswie Kompetenzmanagement zu betreiben. Schuh et al. führen dazu aus:41 „Mit dem Kapazitätsmanagement bezwecken Unternehmen eine bessere kapazitative Auslastung ihrer vorhandenen Ressourcen zu erzielen. ... Mit dem Kompetenzmanagement bezwecken Unternehmen bei einer Kooperation mit anderen Unternehmen einerseits die Auslagerung von Ressourcen, in denen andere Unternehmen kompetenter sind oder die zur Konzentration der eigenen Kräfte auf die Kompetenzen aufgegeben werden, und andererseits den Zugriff auf Kompetenzen in Bereichen, die im eigenen Unternehmen nicht vorhanden sind.“
Abb. 7.17 Quadrant „Kooperationsart“
Abbildung 7.18 zeigt die Effekte in vereinfachter Form auf, die mit Kapazitäts- und Kompetenzmanagement erzielt werden können.
41
Schuh et al. (1998a), S. 49ff.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
Problemfelder:
Zusatzgeschäfte
Kapazitätsschwankungen
Out
Volatilität der Kundenbedürfnisse
at Ums
neue Geschäfte
z
100% In
Stammgeschäft
Handlungsoptionen:
363
Stammgeschäft
Zeit
Kapazitätsmanagement
Kompetenzmanagement
Abb. 7.18 Kapazitäts- und Kompetenzmanagement 42
Durch die überbetriebliche Zusammenarbeit können einerseits mengenmässige Marktschwankungen aufgefangen werden (Kapazitätsmanagement) und andererseits über die Kombination verschiedener Kompetenzen für das Unternehmen neue Geschäfte generiert werden (Kompetenzmanagement). Zentral ist hier die Idee, nicht nur regionale Nischen für Kooperationen zu suchen, wie sie in Kap. 4 am Beispiel der virtuellen Fabrik beschrieben wurden, sondern auf einer globalen Ebene nutzbare Kapazitäten und Kompetenzen zu identifizieren und in der Folge die Partner zu befähigen, sich nahtlos in die Gesamtleistung des Unternehmens einzuordnen. Die Firma Bayer z.B. betreibt in einem bestimmten Bereich ein Produktions-Joint Venture zusammen mit dem Konkurrenten DuPont. Die Zusammenarbeit ist auf die Herstellung des Rohstoffes beschränkt. Über diese Kooperation gelingt es die notwendigen Kapazitäten, die es braucht, um konkurrenzfähig produzieren zu können, auch auszulasten und damit die jeweiligen Risiken zu senken (Kapazitätsmanagement).43 Die Firma Weidmann als innovativer Polymerspezialist hingegen kooperiert bei der Herstellung einer Einstiegsleiste für die Automobilindustrie mit einem Blechspezialisten zusammen. Jeder bringt die jeweiligen Kernkompetenzen in die Zusammenarbeit ein. Es entsteht ein für den Kunden höherwertiges Produkt, da es durch die enge Zusammenarbeit in weni-
42 43
Schuh et al. (1998b), S. 50. Der Fall wurde von Bayer anlässlich eines Besuches im Rahmen des Benchmarking-Projektes KEMA (vgl. Anhang) geschildert.
364
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
ger Arbeitsgängen erstellt werden kann. Die Einstiegsleiste ist in Abb. 7.19 dargestellt. Scuff Plate Client • DaimlerChrysler Job requirements • Accommoding the A, B, C, trim pillars • Integrating an inox scuff plate Quality Features • Body tolerances accommodated • 3-D shape of the integrated seals Innovations • Complex geometry • Structural parts and sealing lips produced fully automatically in one cycle • Welding of the inox plate
Abb. 7.19 Kooperationsprojekt „Einstiegleiste 44
Die zweite Achse im Quadranten stellt auf die Zusammenarbeitsbereiche ab. In der einen Ausprägung ist die Zusammenarbeit auf Bereiche beschränkt, die für das kooperierende Unternehmen Standardaufgaben umfassen, die nicht oder nur wenig zur Differenzierung im Markt beitragen. Das andere Extrem stellt die Zusammenarbeit in wettbewerbsdifferenzierenden Bereichen dar. Die Fälle Weidmann und Bayer lassen sich auch entlang dieser Achse einordnen. Das Produktions-Joint Venture von Bayer stellt eine Commodity her, die von anderen Wettbewerbern ebenso erbracht werden könnte. Es besteht keine Gefahr eines ungewollten Know-how-Abflusses. Bei der Zusammenarbeit von Weidmann mit dem Blechspezialisten hingegen erfordert die Kooperation auch den gegenseitigen Austausch von Wissen aus wettbewerbskritischen Bereichen, was die Komplexität der Zusammenarbeit in der Regel erhöht. Das flexible Unternehmen muss auch in diesem Gestaltungsfeld Aussenpositionen anstreben, d.h. über das Kooperationsmanagement sowohl versuchen Risiken zu reduzieren (Kapazitätsmanagement) wie auch neue Geschäfte über höherwertige Lösungen zu generieren (Kompetenzmanagement). Die Innenposition ist einem klassischen Produzenten in einem stabilen Markt vorbehalten. Durch den Markt ist er nicht dazu gezwungen, den 44
Klostermann (2002).
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
365
Kunden immer wieder mit höherwertigen Lösungen zu überraschen und muss auch seine Kapazitätsauslastung nur in geringem Ausmass glätten. Deshalb betreibt er nur im eingeschränkten Masse Kapazitätsmanagement und konzentriert sich in der Zusammenarbeit auf wettbewerbsunkritische Bereiche, um keinem Konkurrenten den Markteintritt zu erleichtern. Die neue Ausrichtung der Textil AG im Produktionsbereich sieht so aus, dass die Prozesse so definiert werden, dass keine Standortabhängigkeiten mehr hinterlegt sind. Auf diesem Wege wird einer globalen Betrachtung der optimalen Lösung der Weg geebnet. Die bisherigen internen Produktionsdienstleister werden bewusst dem Wettbewerb ausgesetzt. Die bisherige Strategie, von Niedriglohnstandort zu Niedriglohnstandort zu wechseln und damit sowohl Aufbau- wie wieder Schliessungskosten in Kauf nehmen zu müssen, wird aufgegeben. Dies führt zu einem Produktionsstrukturmodell, das erfordert, Fremdproduktionsstandorte in die eigene Wertschöpfungskette zu integrieren. Dies erfordert ein elaboriertes Kapazitäts- und Kompetenzmanagement sowie die Zusammenarbeit mit externen in wettbewerbskritischen Bereichen. 7.2.2 Quadrant „Methode“ Kooperationen sind durch eine Misserfolgsquote geprägt, die denen von Fusionen entspricht. Die unter 6.5.5.2 geschilderten Besonderheiten von Kooperationen führen dazu, dass Kooperationen anders gemanagt werden müssen als innerbetriebliche Aktivitäten. Macht man die Kooperation zu einem wesentlichen Bestandteil der allgemeinen Unternehmensführung, wie es verschiedene Unternehmen heute bereits vollzogen haben,45 ist es unabdingbar, den gesamten Kooperationsprozess auch systematisch unterstützen zu können. Abbildung 7.20 zeigt die verschiedenen Gestaltungsdimensionen wiederum für einen Produzenten im stabilen Umfeld und für den kooperierenden Produzenten im dynamischen Umfeld auf.
45
Eine der Haupterkenntnisse aus dem Benchmarking-Projekt KEMA (vgl. Anhang) war, dass Kooperationsmanagement mehr und mehr vom Ausnahmezum Normalfall wird.
366
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Abb. 7.20 Quadrant „Methode“
Der Quadrant wird durch die Achsen Systematisierungsgrad der Methode und Quelle der Kooperationsidee aufgespannt. Entlang der Achse Systematisierungsgrad werden die Extrema niedrig und hoch unterschieden. Ein hoher Systematisierungsgrad ist für einen kooperierenden Produzenten unerlässlich, weil die Kooperationen einen Umfang annehmen, der ohne strukturiertes Vorgehen nicht mehr bewältigbar ist. Es wurde bewusst der Begriff der Systematisierung und nicht derjenige der Standardisierung gewählt, weil Kooperationen nur bis zu einem gewissen Punkt „standardisiert“ abgewickelt werden können. Sobald der Kooperationspartner ins Spiel kommt, verläuft der Prozess höchst interaktiv und dynamisch, was zur Konsequenz hat, dass nicht mehr alles plan- und beherrschbar ist. Bleicher hat dazu festgehalten: „Die Kooperation von selbständigen Unternehmen verlangt vom Management die Einsicht, dass es sich dabei um einen fortlaufenden Prozess der Verhandlung, des Konsenses mit vielen Unsicherheiten handelt, der nur bedingt plan- und beherrschbar ist.“ 46 Friedli hat diesen Punkt aufgegriffen und in Anlehnung an Doz auf die stattfindenden Lernprozesse in Kooperationen hingewiesen.47 Er kommt dabei zum Schluss, dass die Ausgangsbedingungen, das initiale Design für eine Kooperation, sicher eine entscheidende Rolle spielen. Am meisten Beachtung ist jedoch den in der direkten Zusammenarbeit stattfindenden Lernprozessen zu schenken. Diese können eine Kooperation sowohl för46 47
Bleicher (1989), S. 79. Vgl. Friedli (2000), S. 51, 54ff.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
367
dern wie auch blockieren. Eine Kooperation durchläuft verschiedene Zyklen des Lernens und verändert sich abhängig von der Evaluation der Resultate (Abb. 7.21).
Überprüfte Überprüfte Bedingungen Bedingungen -Aufgabendefinition -Aufgabendefinition -Organisationsroutinen -Organisationsroutinen -Interface -Interface Struktur Struktur -Erwartungen -Erwartungen
Ausgangsbedingungen Ausgangsbedingungen -Aufgabendefinition -Aufgabendefinition -Organisationsroutinen -Organisationsroutinen -Interface -Interface Struktur Struktur -Erwartungen -Erwartungen
Re-Evaluation Re-Evaluation von: von: -Effizienz -Effizienz -Ausgeglichenheit -Ausgeglichenheit -Anpassungsfähigkeit -Anpassungsfähigkeit
Lernen Lernen bezüglich: bezüglich: -Umwelt -Umwelt -Aufgabe -Aufgabe -Prozess -Prozess -Fähigkeiten -Fähigkeiten -Ziele -Ziele
Abb. 7.21 Prozess der Entwicklung von Kooperationen 48
Es kann sein, dass ein zu starker Fokus auf die ideale Auslegung der Anfangskonfiguration, die zu enge Festlegung einer Strategie 49 und die Vernachlässigung des Prozesscharakters von Kooperationen dazu führen, dass auf Verhaltensebene kein Lernen und keine Suche nach einem Verständnis der operativen Prozesse des Kooperationspartners stattfindet. Damit wird die ganze Kooperation in Frage gestellt. Nun bedeutet diese Tatsache aber nicht, dass man eine Kooperation ohne systematische Vorbereitung starten sollte. Im Gegenteil, erst durch das Durchdenken nicht nur der eigenen, sondern auch der Situation des potenziellen Kooperationspartners, wird man in die Lage versetzt, vernünftig mit einem Kooperationspartner verhandeln zu können. Die Ergebnisse des im Anhang beschriebenen Benchmarking-Projekts KEMA zeigen denn auch, dass der Ressourcen- und Methodeneinsatz sich bei erfolgreich kooperierenden Unternehmen weitgehend auf die Vorphase der eigentlichen Kooperation konzentriert. Diese Phase kann durch Checklisten, Phasenmodelle und 48 49
Doz (1996), S. 64. Doz (1996), S. 76 meint dazu: „The strategic context can be overly deterministic both in substance, e.g., trying to specify prematurely exactly how the alliance ought to succeed and where it fits, precisely, in the strategy of the partner, and in frame ...“
368
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
ähnlichen Mitteln auch weitgehend strukturiert werden. Ein systematisches Kooperationsmanagement bedeutet also in der Summe, dass man Antworten auf die folgenden Fragen findet: • Was für Kooperationsmotive und -typen können unternehmensspezifisch unterschieden werden? • Wie geht man mit den einzelnen identifizierten Typen um? • Nach was für Grundsätzen wird das Kooperationsteam zusammengesetzt? • Auf welcher Ebene kommuniziert wer mit wem? • Was passiert im Konfliktfall? • Wie sehen die relativen Kooperationswerte und Verhandlungspositionen aus? Der klassische Produzent kann seine Kooperationen mit geringem Systematisierungsgrad abwickeln, einerseits weil es weniger gibt, aber auch weil er die Zusammenarbeit auf unkritische Bereiche beschränkt und damit eine geringere Komplexität und Dynamik durch das Management auffangen muss. Die geringe Bedeutung, die den Kooperationen insgesamt zukommt, würde eine direkte Ressourcenzuteilung nicht rechtfertigen. Die zweite Achse wird durch die Frage nach der Quelle für Kooperationsideen gebildet. Der kooperierende Produzent ist darauf angewiesen, seine Kooperationen aus der Strategie heraus abzuleiten und instrumentell zur Unterstützung der Strategie einzusetzen. Die Kooperation ermöglicht dementsprechend eine Flexibilisierung des Unternehmens, einerseits durch die Ausweitung des prinzipiellen Möglichkeitenraumes, andererseits durch die Einsparungspotenziale durch weniger gebundenes Kapital auf der Ressourcenseite. Dies wurde in Abb. 6.14 abgebildet. In Anlehnung an Pümpin 50 und Binder/Kantowsky 51 hat Kurr den potenzialorientierten Ansatz um den Begriff des Kooperationspotenzials 52 erweitert. An erster Stelle der Vorgehensweise steht die Identifikation eines Nutzenpotenzials. Nutzenpotenziale wurden von Pümpin als „attraktive Konstellationen, die zum Nutzen der Bezugsgruppen vom Unternehmen erschlossen werden können“ definiert. Diese Konstellationen können in der Umwelt, im UnterVgl. dazu Pümpin (1992a, b). Vgl. dazu Binder/Kantowsky (1996). 52 Der Begriff findet sich zwar auch bei Pümpin, aber dort auf der Nutzenpotenzial-Ebene als eine latent vorhandene Möglichkeit, Nutzen für die Anspruchsgruppen zu schaffen (vgl. z.B. Pümpin 1992a, S. 98). Die Verwendung des Begriffes von Kurr stellt dahingegen ein instrumentelles Verständnis von Kooperationen in den Vordergrund. Diesem instrumentellen Verständnis wird auch in dieser Arbeit gefolgt. 50 51
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
369
nehmen oder im Markt latent vorhanden sein.“ 53 Hat ein Unternehmen ein solches Nutzenpotenzial identifiziert, geht es darum sich zu überlegen, wie dieses auch längerfristig mit überdurchschnittlichen Erträgen adressiert werden kann. An dieser Stelle kommen die Strategischen Erfolgspositionen (SEPs) ins Spiel. SEPs sind „bewusst geschaffene Voraussetzungen, die es der Unternehmung erlauben im Vergleich zur Konkurrenz auch längerfristig überdurchschnittliche Ergebnisse zu erzielen.“ 54 An dieser Stelle geht es naheliegenderweise um zu schaffende Voraussetzungen, nicht um bereits existierende. Dies zeigt sich in Abb. 6.14 dadurch, dass die SEPs schwergewichtig im Bereich Markt/Strategie eingeordnet sind, also noch keinen direkten Unternehmensbezug aufweisen. Die Gesamtheit der für die erfolgversprechende Adressierung der Nutzenpotenziale notwendigen SEPs bezeichnet Kurr als SEP-Set.55 Einmal identifiziert, schliesst sich die Frage an, ob man die geforderten SEPs bereits besitzt oder in absehbarer Zeit aufbauen kann. Dafür werden die für die Besetzung der SEPs notwendigen Fähigkeiten mit den im Unternehmen vorhandenen verglichen und allfällige Lücken identifiziert. An dieser Stelle klärt sich normalerweise auf Basis eines einfachen Aufwand-/Nutzen-Vergleichs, ob die Idee weiterverfolgt wird. Der klassische Produzent würde die Weiterverfolgung aufgeben, falls er das Potenzial nicht aus seinen eigenen Kräften (mit seinen strategischen Erfolgspotenzialen56) adressieren könnte. Der kooperierende Produzent hingegen würde aus der Gegenüberstellung der notwendigen mit den vorhandenen Fähigkeiten seine bestehende Lücke identifizieren und beschreiben und gezielt für diese Fähigkeiten einen oder mehrere Kooperationspartner suchen, und zwar – gerade wenn es um Produktionsleistungen geht – durchaus auch global. Der Teil der Fähigkeiten, den er nicht selber einbringen kann, stellt das Kooperationspotenzial dar, für das er einen Partner braucht. Der klassische Produzent wird eher zufällig respektive reaktiv zum Kooperieren kommen. Damit ist der Zusammenhang zur Strategie nicht per se gegeben.
53 54 55 56
Pümpin (1992a), S. 49f. Pümpin (1992b), S. 28. Kurr (2004), S. 123. Der Begriff „Strategisches Erfolgspotenzial“ geht ursprünglich auf Gälweiler zurück, der damit allgemein beschreibt: „das gesamte Gefüge aller jeweils produkt- und marktspezifischen erfolgsrelevanten Voraussetzungen, die spätestens dann bestehen müssen, wenn es um die Erfolgsrealisierung geht“. (Gälweiler 1986, S. 152f. zitiert aus Binder/Kantowsky 1996, S. 46), vgl. auch die Darstellung in Abschn. 2.1.2.3.
370
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
7.2.3 Quadrant „Organisation“ Auch im Bereich Kooperationsmanagement stellt sich die Frage nach der strukturellen Unterstützung der notwendigen Aktivitäten. Bei zunehmendem Umfang der Aktivitäten ist strukturell sicherzustellen, dass die notwendigen Ressourcen in der ausreichenden Qualifikation zur Verfügung stehen, um die Kooperationsprojekte auch entsprechend professionell abwickeln zu können. Die beiden in Abb. 7.22 aufgespannten Achsen stellen wiederum die Gestaltungsdimensionen dar. niedrig
hoch
Autonomiegrad
hierarchisch Produzent
Kooperierender Produzent Produzent
partizipativ
Führung
Abb. 7.22 Quadrant „Organisation“
Die eine Achse beschreibt den Autonomiegrad der Kooperationsverantwortlichen. Damit ist angesprochen, dass es sich ab einer gewissen Grösse der Kooperationsaktivitäten aufdrängen kann, nicht mehr alle Aufgaben, die sich im Zusammenhang mit dem Aufbau und dem Betrieb stellen, durch die Linienverantwortlichen ausführen zu lassen, sondern eine spezialisierte Stelle zu schaffen. Damit werden zwei Ziele erreicht, einerseits wird nach intern in die eigene Organisation signalisiert, dass das Thema so wichtig ist, dass es spezialisierte Stellen braucht, andererseits steht auch in Richtung der Kooperationspartner eine spezielle Funktion zur Verfügung, die deutlich macht, dass der Kooperationspartner ernst genommen wird. Dyer und Singh haben in einer Untersuchung für den Zeitraum von 1993– 1997 festgestellt, dass eine spezialisierte Stelle für Kooperationsmanagement Auswirkungen sowohl auf Börsenkurs, Anzahl von Kooperationen wie auch auf die Anzahl erfolgreicher Kooperationen hatte (Abb. 7.23).
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
371
Das Aufgabenspektrum dieser Kooperationsspezialisten umfasst Bewertungen, Interventionen bei Konflikten, interne Kommunikation, externe Sichtbarkeit und Aufgaben im Bereich des Wissensmanagement.57 Der klassische Produzent mit wenig bis keinen Kooperationsaktivitäten kann auf eine derartige Funktion zwangsläufig verzichten. Aktienmarktgewinne nach Allianzankündigung (in Mio. Dollar)
80
Allianzerfolgsfaktor (basierend auf Umfrageresultaten von Allianzmanagern)
75 70% 60%
60
Durchschnittliche Anzahl von Allianzen
25
1.4%
49%
1.0% 15
30%
13 0.8%
40 10
20%
0.6% 0.4%
0.18%
5 10%
0
1.2%
20
40%
20
1.35%
25
63%
50%
20
Durchschnittliche abweichende Börsengewinne (bei Ankündigung der Allianz)
0%
Quelle: Sloan Management Review, Summer 2001 Datenbasis: 200 Unternehmen mit 1‘572 Allianzen
0.2% 0
0.0%
Unternehmen ohne spezifische Kooperationsfunktionen Unternehmen mit spezifischen Kooperationsfunktionen
Abb. 7.23 Auswirkung spezialisierter Stellen für Kooperationsmanagement
Die zweite Achse wird durch das Thema „Führung“ der Kooperation aufgespannt. Die Führung von Kooperationen ist je nach Typ der Kooperation komplexer oder einfacher. In jüngerer Vergangenheit werden auch Formen der Kooperation, die hierarchisch über ein fokales Unternehmen geführt werden, unter dem Begriff Kooperation diskutiert.58 Solche Formen der Zusammenarbeit sind nicht grundlegend verschieden zu Managementsituationen in Einzelunternehmen, da Entscheide oft auch gegen den Willen der Kooperationspartner durchgesetzt werden können oder einseitige Vertragsklauseln zu Gunsten des mächtigeren Partners bestehen. In den Fällen, in denen der klassische Produzent kooperiert, strebt er eher diese, durch einseitige Beziehungen gekennzeichneten Konstellationen an. Beispiel in der heutigen Zeit ist das Kooperationsverhalten von BMW.59 BMW arbeitet mit klaren Regeln in der Vorbereitungsphase der Kooperation. Diese Regeln sind in Abb. 7.24 dargestellt. Vgl. Dyer/Kale/Singh (2001) und Kale/Dyer/Singh (2002). Dazu gehörten z.B. auch die Produktionsnetzwerke von Benetton oder Diesel. 59 Die Informationen stammen aus einem Besuch anlässlich des im Anhang beschriebenen Benchmarking-Projektes KEMA. 57 58
372
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Einerseits kooperiert BMW nicht in seinen Kernkompetenzbereichen, andererseits werden auch vertikale Zusammenarbeiten bevorzugt. Berücksichtigt man die Machtverteilung zwischen OEM und Lieferanten in der Automobilindustrie wird klar, dass es sich bei den Kooperationen von BMW nicht um partizipative Zusammenarbeitsformen handelt. Risiken
Regeln
• Know how Abfluss
• Keine Kooperationen innerhalb der Kernkompetenzen
• Geringere Wettbewerbsdifferenzierung
• Kooperationen nicht in wettbewerbsdifferenzierenden Bereichen
• Kulturelle Spannungen
• Sicherung organisatorischer und kultureller Übereinstimmung
• Abhängigkeit
• Beschränkung hinsichtlich Dauer und Grösse der Kooperation; vertikale Kooperationen werden gegenüber horizontalen bevorzugt
• Verlangsamung der Prozesse • Veränderte Zielsetzungen
• Schutz der eigenen Kernprozesskette • Definition von Ausstiegsmöglichkeiten
Abb. 7.24 Regeln im Kooperationsmanagement von BMW
Das Beispiel, das von BMW detaillierter vorgestellt wurde, die Kooperation mit Magna Steyr Fahrzeugtechnik (MSF) zur Herstellung des BMW X3, verdeutlicht dies. Es ist bezeichnend für die Zusammenarbeit, dass MSF nach BMW Prozessen arbeitet, sich auch an die IT Standards von BMW angepasst hat und einseitige Ausstiegsmöglichkeiten für BMW existieren. Komplexer in der Führung sind partizipativ ausgerichtete Kooperationen. Der kooperierende Produzent, der seine Kooperationen aus der Strategie ableitet, wird oft in der Situation sein, wirklich partnerschaftliche Kooperationen aufbauen und managen zu müssen.60 Ausserdem wird er auch, wenn er sich aktuell in einer besseren Verhandlungsposition befindet, trotzdem partnerschaftliche Strukturen anstreben, weil er sich nicht sicher sein kann, dass sich in der nächsten Kooperation mit demselben Partner die Machtverhältnisse nicht plötzlich anders gestalten. Axelrod spricht davon, dass der Schatten der Zukunft 61 ausreichend gross sein muss, um 60 61
Vgl. zum Folgenden auch Friedli (2000), S. 163ff. Vgl. Axelrod (1984), S. 58f.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
373
eine Kooperation (i.S. von partnerschaftlich zusammenarbeiten) als wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Solange es wahrscheinlich ist, dass in Zukunft wieder mit demselben Partner gearbeitet wird,62 werden die Handlungen kooperativ sein, d.h. werden die Spielregeln eingehalten und sind feste, vorgeschriebene Sanktionen nicht notwendig. Führung wird üblicherweise als „zielorientierte soziale Einflussnahme zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben in bzw. mit einer strukturierten Arbeitssituation“ 63 verstanden. In partnerschaftlichen Kooperationen ist Führung fundamental anders zu gestalten als im Einzelunternehmen mit klaren Unterstellungsverhältnissen. Kooperation enthält den Aspekt einer zumindest weitgehenden Gleichberechtigung zwischen zwei oder mehr Partnern und einer gewissen Freiwilligkeit ihrer Zusammenarbeit.64 Prinzipiell kann zwischen direkter, interaktioneller und indirekter, struktureller Führung unterschieden werden.65 Die strukturelle Führung als „indirekte Verhaltensbeeinflussung, vor allem durch Schaffung einer günstigen Kooperationssituation“ 66 gewinnt dabei gegenüber der direkten an Gewicht. Wunderer diskutiert Führungsgrundsätze in Kooperationen zwischen Gleichgestellten (laterale Kooperationen) zwar noch bezogen auf das Einzelunternehmen.67 Da seine Aussagen sich aber auf die abteilungsübergreifende Kooperation beziehen, sind Rückschlüsse auf die überbetriebliche Kooperation durchaus zulässig. Bezüglich der direkten Führung weist Wunderer darauf hin, dass sich bei abteilungsübergreifender Kooperation schnell der Fall einstellen kann, dass Vorgesetzte vor allem die Interessen der eigenen Abteilung wahren wollen und, bedingt durch diese Einstellung, Mitarbeiter mit eher unkollegialen Verhaltensweisen implizit oder auch explizit unterstützen. Um das zu verhindern, muss sich der Vorgesetzte als Verbindungsglied zwischen Abteilungen und als Angehöriger des übergeordneten Systems (Unternehmung) verstehen. Bei möglichen Kooperationskonflikten eines Mitarbeiters mit Mitarbeitern anderer Abteilungen muss der Vorgesetzte, gemäss Wunderer, bereits bei der Analyse dieses Konfliktes mit Vorgesetzten in den anderen Abteilungen in Kontakt treten, um einseitige Informationen und Interpretationen zu vermeiden. Erfolgreiche direkte Führung basiert in diesem Fall zugleich auf einer effektiven lateralen Kooperation der VorgeVgl. dazu auch Schneider/Zieringer (1991), S. 68f. Wunderer (1993a), S. 24. 64 Vgl. Küpper (1995), Sp. 1997. 65 Vgl. Wunderer (1993b), S. 113. 66 Wunderer (1993c), S. 249. 67 Vgl. Ebenda, S. 254ff. 62 63
374
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
setzten. Wunderer erachtet prophylaktisches, konfliktvermeidendes Verhalten als besonders wirkungsvoll und spricht von einer diplomatischen Differenzierung zwischen zweckmässiger Interessenwahrung und kollegialer Interessenvertretung. Dies gilt bei überbetrieblicher Zusammenarbeit noch ausgeprägter. Die Einstellung der jeweiligen Unternehmensleiter zur Kooperation beeinflusst das Verhalten der eigentlichen Kooperationsträger in der operativen Arbeit massiv und zwar sowohl positiv wie auch negativ. Verschärft wird das Problem durch eine oft vom Kooperationsträger zum Unternehmensleiter stattfindende Informationsfilterung im negativen Sinne. Ist sich der Kooperationsträger der negativen Grundeinstellung seines Vorgesetzten bewusst und will er in dessen Sinne agieren, wird er auch nur Informationen weiterleiten, die den Vorgesetzten in seiner Einstellung zusätzlich noch bestärken. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass nicht nur auf der operativen Ebene Kontakte zwischen Unternehmensvertretern stattfinden, sondern auch auf höherer Ebene gemeinschaftlich diskutiert wird. Aufgabe der indirekten, strukturellen Führung ist es eine günstige Kooperationssituation zu schaffen. Zu den Mitteln der strukturellen Führung gehören Ziele, Normen, Richtlinien, Spielregeln, Organisationsformen, etc. Der Rahmen- und Umfeldgestaltung der Kooperation ist im Führungsprozess grosse Beachtung zu schenken. Das Schaffen von Begegnungsräumen 68 zwischen Vertretern verschiedener Unternehmen und das Wecken eines „Wir-Gefühls“ muss Teile der in Einzelunternehmen sonst interaktionell ausgestalteten Führung substituieren. Die Kooperation ist nach innen und aussen sichtbar zu führen. Nach innen dient die Führung dem Zusammenhalt und der Sicherstellung einer klaren, abgestimmten Strategie. Nach aussen soll einerseits Stabilität signalisiert und andererseits sollen klare Ansprechstellen für potenzielle Kunden geschaffen werden. Der Führungsprozess lässt sich weiter unterteilen in einen Teaming- und einen Konfliktmanagementprozess. Beide Aspekte werden im nächsten Abschnitt im Quadranten „Human Resources“ näher beschrieben. Zusammenfassend muss der kooperierende Produzent in der Lage sein auf der einen Seite partnerschaftliche Kooperationen managen zu können und auf der anderen Seite spezialisierte Ressourcen bereitstellen, um dem höheren Umfang und der grossen Bedeutung der Kooperation zur Verfolgung seiner Strategie gewachsen zu sein.
68
Giddens (1997), S. 39 führt aus, dass Orte nicht einfach Plätze, sondern Bezugsrahmen von und für Interaktionen sind.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
375
7.2.4 Quadrant „Human Resources“ Der vierte Quadrant des Kooperationsmanagement-Ansatzes wird durch die kulturelle Dimension gebildet. Auch wenn zunehmend Instrumente und Methoden entwickelt werden, werden in der eigentlichen Umsetzung Kooperationen immer durch Menschen getragen, ein Aspekt, der auch bei den besuchten Benchmarking Successful Practice Unternehmen durchgängig in den Vordergrund gestellt wurde.69 Der Quadrant ist in Abb. 7.25 dargestellt.
Abb. 7.25 Quadrant „Human Resources“
Die eine Achse wird dabei durch die Art der Mitarbeiterselektion für das Kooperationsteam gebildet. Die zweite Achse beschreibt den Ansatz, der im Bereich des Konfliktmanagements verfolgt wird. Aus den kurz erwähnten Gründen, d.h. „Personen tragen Kooperationen“ ist der kooperierende Produzent darauf angewiesen, dass er der Zusammensetzung des Kooperationsteams genügende Beachtung schenkt. Eines der Successful Practice Unternehmen aus dem BenchmarkingProjekt KEMA wies z.B. auf die Bedeutung einer hohen Seniorität der Kooperationsträger bei der Zusammenarbeit mit asiatischen Unternehmen hin. In einer Zeit, in der in verschiedenen Branchen tendenziell grössere
69
Benchmarking-Projekt KEMA vgl. Beschreibung im Anhang.
376
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Teile der Produktion in Asien von statten gehen werden, ist dies ein wichtiger Aspekt. Das Benchmarking-Projekt KEMA hat als zentrale Erkenntnis aus den Besuchen bei fünf erfolgreich kooperierenden Unternehmen unter anderem folgendes in Bezug auf die Teamauswahl hervorgebracht:70 • Die Teammitglieder sind frühzeitig einzubinden. Bestehende Erfahrungen mit Kooperationen sind zu nutzen. • Es ist zu berücksichtigen, dass für die jeweiligen Aufgaben die richtigen Mitarbeiterebenen gewählt werden, d.h. Spezialisten sollten mit Spezialisten sprechen etc. • Eine entscheidende Rolle spielt für den ganzen Teaming-Prozess das systematische Schaffen von Begegnungsräumen.71 Der auch aus Change-Management-Projekten bekannte Grundsatz „Betroffene zu Beteiligten zu machen“ spielt hier eine entscheidende Rolle. Ott plädiert stark dafür, Modellierungsprozesse als Gruppen-Prozesse anzulegen.72 Mit einem solchen Ansatz können verschiedene Probleme überwunden werden. Eines der Hauptprobleme ist die Nichtrelevanz von potenziell zur Verfügung stehenden Zusammenarbeitsmodellen. Mit Nichtrelevanz ist gemeint, dass diese zwar abbilden, was sie abbilden sollten, in der betrieblichen Praxis aber auf keine Akzeptanz stossen und damit auch nicht genutzt werden: „Building models is always possible, especially descriptive models. Having the models accepted by management and users, and knowing how to put them into practice is a much more difficult exercise.“ 73 Mit einem Teaming-Prozess, der möglichst viele Mitarbeiter einbezieht, können Betroffene zu Beteiligten gemacht werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass das Modell auch genutzt wird. Ausserdem wird das Modell dadurch besser, dass es aus verschiedenen Perspektiven erstellt wird.74 Der Teaming-Prozess soll die an der Kooperation Beteiligten zu einem Team mit gemeinsamen Interessen machen. Dazu ist es notwendig, die Logik der Kooperation zu kommunizieren, eine Vision als Leitstern zu etablieren und gemeinschaftlich Spielregeln abzuleiten, zu denen sich alle verpflichten können.
Vgl. Kurzbeschreibung des Projekts im Anhang. Vgl. zu diesem Punkt auch Friedli/Schuh (2003), S. 510. 72 Vgl. Ott (1997). 73 Vernadat (1996), S. 3–26. 74 Thomas und Ely (1996) beschreiben die Unterschiedlichkeit von Arbeitskräften im innerorganisatorischen Bereich als potenziellen Nutzen, dies gilt natürlich auch in Kooperationen. 70 71
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
377
Der klassische Produzent als Gegenpool wird sein Kooperationsteam nicht systematisch sondern ad hoc zusammenstellen. Die zweite Achse „Konfliktmanagement“ hängt wiederum davon ab, inwiefern der Umfang und die Bedeutung von Kooperationen einen systematischen Umgang mit Konflikten fordern. In Kooperationen gibt es eine Vielzahl möglicher Konfliktquellen. Es können sowohl Konflikte zwischen beteiligten Unternehmen entstehen wie auch persönliche Konflikte zwischen Kooperationsträgern der einzelnen Unternehmen. Ein wenn auch seltener Konflikt ist der zwischen einer Unternehmensleitung und den Kooperationsträgern desselben Unternehmens. Konflikte an sich können nicht von vornherein als negativ beurteilt werden. Oft führen sie dazu, sich eine andere Sicht der Dinge anzueignen. Schwarz z.B. sieht sechs positive Eigenschaften von Konflikten: 75 − besserer Realitätsbezug durch das Bearbeiten von Unterschieden, − Überwinden von Unterschieden und damit der Gewinn von neuer Einheit, − Erlangen von grösserer Breite und Vielfalt, − Gemeinsamkeit durch die Unterordnung von Sonder- unter Gesamtinteressen, − Veränderungsgarantie, − z.T. auch Erhalt von Bestehendem durch die Elimination von Unerwünschtem. Diese zum Teil gegensätzlichen Punkte zeigen wie komplex und unbestimmt der Verlauf eines Konflikts sein kann.76 Negativ wirken sich Konflikte dort aus, wo sie sich in einer gefährlichen Dynamik immer weiterentwickeln und dann eskalieren. Konflikte beginnen dabei die Wahrnehmungsfähigkeit, das Denk- und Vorstellungsleben so zu beeinträchtigen, dass im Laufe der Ereignisse nicht mehr alles richtig gesehen wird. Der Konflikt verlagert sich auf eine emotionale Ebene, was sich im zunehmend aggressiver werdenden äusseren Verhalten zeigt. Durch eine einseitige Fixierung auf vermeintliche Interessen entsteht Kurzfristigkeit, die die langfristigen Überlebenschancen gefährdet. Die Welt kann nicht mehr anders wahrgenommen werden als es den vorgefassten Meinungen entspricht. Es kommt zu einem Kampf der Bilder, nicht mehr der Parteien. 77 In Kooperationen treten typischerweise folgende Konflikte auf:
Vgl. Schwarz (1991), S. 13–26. In Kooperationen können Konflikte den Charakter der Kooperation grundlegend verändern. Vgl. z.B. Oliver (1990), S. 247. 77 Vgl. Glasl (1992), S. 34–37. 75 76
378
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
− Uneinsichtigkeit in die Notwendigkeit der Kooperation: Zwischen Unternehmensleitung und Personal kann Uneinigkeit darüber bestehen, ob eine Kooperation wünschenswert respektive überhaupt notwendig ist. − Macht- und Zielkonflikte: Es kommt oft vor, dass die Ziele, die die einzelnen Kooperationspartner verfolgen, nicht kompatibel sind. Oft wird in der Folge doch ein gemeinsames Ziel festgelegt, ohne die wirklichen Absichten offen zu legen. Damit legt man den Grundstein für im weiteren Verlauf der Kooperation wirksam werdende Konflikte. Eine weitere Konsequenz von nicht geäusserten Zielen ist, dass sich der Partner selbst, basierend auf naturgemäss unvollständigen Informationen, ein Bild von den „wahren“ Intentionen seines Partners machen wird. Ob dieses Bild stimmt oder nicht, ist irrelevant. Es wird auf jeden Fall handlungsleitend werden. Machtkonflikte spielen sich einerseits auf Unternehmensebene um die Federführung in der Kooperation ab, andererseits stellt man auch Konflikte zwischen Unternehmensleitungen und den Kooperationsträgern desselben Unternehmens fest. Meist steht dabei die Frage von Kontrolle versus Freiheit im Vordergrund. − Persönliche Konflikte: Mit zunehmender Dauer der Kooperation können auch persönliche Konflikte auftreten. Diese sind nicht immer von Sachkonflikten zu trennen, weil persönliche Divergenzen in Streitigkeiten über Details und Verfahrensfragen objektiviert werden. Hier zeigt sich, dass Kooperationen letztlich immer in Interaktionen zwischen Entscheidungsträgern der beteiligten Partnern stattfinden.78 Die Kooperationsträger bringen ihren Hintergrund mit in die Kooperation ein. Oft finden sich abwehrende Verhaltensweisen und negative Einstellungen zur Kooperation. Von der Einstellung des blanken „Bei-uns-wird-das-anders-gemacht“ 79 bis zum „Not-invented-here-Syndrom“ 80 und dem Stellen von Anforderungen an die Arbeit des Partners, die man selber niemals erfüllen könnte, finden sich die vielfältigsten Formen des Verhaltens, die die Kooperation erschweren. Solches Verhalten führt zu Gegenreaktionen und Misstrauen und verlagert die Konflikte immer mehr auf die persönliche Ebene. Endress bemerkt dazu, dass man oft erleben kann, wie zwischenbetriebliche Kooperationen daran scheitern, dass sich die Kooperationswilligen gegenseitig unsympathisch sind.81 Besonders ins Gewicht fallen dabei Vgl. Tröndle (1987), S. 6. Vgl. Taucher (1988), S. 87. 80 Vgl. z.B. Harrigan (1987), S. 347–349. 81 Vgl. Endress (1975), S. 14. 78 79
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
379
kulturelle Inkompatibilitäten, was viele Autoren dazu veranlasst hat, der Abklärung eines „kulturellen Fit“ besondere Beachtung zu schenken.82 Dies hat sich aber nur bedingt bewährt, da ein solcher Fit erstens kaum objektiv zu klären ist und sich zweitens erst in der effektiven Arbeit zeigt, wie hinderlich respektive förderlich die Differenzen in den Kulturen sind. Auf jeden Fall führen kulturelle Unterschiede dazu, dass die Realität anders wahrgenommen wird und somit kommunikatorische Verzerrungen auftreten können.83 Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit müssen die jeweils gültigen Gruppennormen durchschaut werden. Je weniger diese ausgesprochen werden, je mehr sie als unkommentierte Praxis gelten, desto grösser wird das Konfliktpotenzial.84 Die Verletzung bestehender Normen wirkt konflikteskalierend, je weniger man sie kennt, desto häufiger wird man sie verletzen, was die grosse Bedeutung offener Kommunikation zeigt. − Einseitiges Taktieren: Konflikte entstehen ausserdem durch einseitiges Taktieren. Der destruktive Charakter eines solchen Verhaltens wird oft nicht oder erst spät erkannt. Das dabei entstehende Problem ist, dass sich die Kooperationspartner auch nicht mehr entgegenkommend zeigen werden. Bierhof spricht im Falle eines solchen Austausches von unkooperativen Handlungen von sozialen Fallen, da sich dies auch auf die soziale Motivation der Partner auswirkt und zu emotionalisierten und feindseligen Aktionen im späteren Verlauf der Beziehungen führt. An die Stelle von rationalen Entscheidungen treten ein irrationales Streben nach Überlegenheit und der Wunsch, den relativen Abstand zwischen sich und dem Gegner zu maximieren.85 Es findet sich eine Vielzahl verschiedener Konfliktmanagementansätze, die hier nicht weiter ausgeführt werden soll. Abbildung 7.26 zeigt einen Überblick über grundsätzlich vorhandene Kategorien des Konfliktmanagements. Der kooperierende Produzent wird einen eher präventiven Umgang mit Konflikten anstreben. Entscheidend im Kooperationsmanagement ist es, dass Konflikte nicht unausgesprochen bleiben. Latent vorhandene, aber nicht kommunizierte Konflikte lähmen Kooperationen und verhindern positive Lerneffekte. Je früher in der Kooperation potenzielle Konflikte sichtbar gemacht werden, desto besser. Ausserdem ist es anzustreben Konfliktlösungen den Parteien zu überlassen. Drittpartei- oder auf Gesetze geVgl. stellvertretend für viele Bronder/Pritzl (1992), S. 36ff. Vgl. Vizjak (1990), S. 151. 84 Vgl. Neuberger (1991), S. 47. 85 Vgl. Bierhof (1991), S. 33f. 82 83
380
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
stützte Entscheidungen, so objektiv sie auch sein mögen, wirken sich im Gesamtzusammenhang misstrauensfördernd und disfunktional aus. Dies heisst nicht, dass man keine neutrale Schiedsinstanzen vorsehen sollte. Die grundsätzliche Bereitschaft sich neutralen Dritt-Parteien-Urteilen zu unterziehen, ist eine vertrauensfördernde Massnahme, insbesondere dann, wenn diese neutrale Instanz nie in Anspruch genommen werden muss. Informelle Diskussion Konflikt- und Konflikt Problem VerProblemVer Me Meverhandlung diation meidung lösung
Private Entscheidungsprozesse durch die Parteien
Gewalt GewaltAdminiAdmini Gerichtliche Gesetzliche lose strative Ent EntEntEnt direkte Ge GeAnsätze Arbitration scheidung scheidung Handlung walt
Dritt Dritt-Partei EntscheidungsEntscheidungs prozesse
gesetzliche EntscheidungsEntscheidungs prozesse
Aussergesetzlich erzwungene Entscheidung Entscheidungsprozesse
Gesteigerter Einsatz von Zwang Wahrscheinlichkeit von „Win-Lose Outcomes“
Abb. 7.26 Kontinuum des Konfliktmanagements und Lösungsansätze 86
Zusammenfassend zeichnet sich der kooperierende Produzent dadurch aus, dass er den weichen Faktoren des Kooperationsmanagements viel mehr Bedeutung einräumt und diese dort, wo er sie beeinflussen kann, auch beeinflusst. Dazu gehören insbesondere die Zusammensetzung des Kooperationsteams, das Schaffen von Begegnungsräumen und ein offener und möglichst präventiver Umgang mit Konflikten. Der Produzent kann sich darauf beschränken, seine Kooperationsbeteiligten situativ zusammenzusetzen und Konflikte dann anzugehen, wenn sie auftauchen. Weder Umfang noch Bedeutung würden einen systematischeren Ansatz rechtfertigen.
86
Moore (1986), S. 5.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
381
7.2.5 Der Produzent und der kooperierende Produzent Bevor in Abschn. 7.2.6 eine Methode vorgestellt wird, die den kooperierenden Produzenten von der Potenzialidentifikation bis hin zum definierten Kooperationsrahmen begleitet, sollen der „Produzent“ und der „kooperierende Produzent“ nochmals beschrieben werden. 7.2.5.1 Der Produzent Der Produzent im stabilen Umfeld ist nicht darauf angewiesen zu kooperieren, um seine Risiken zu reduzieren respektive seine Einzigartigkeiten zu multiplizieren. Der Markt ist voraussehbar genug, um die notwendigen Investitionen in Produktionskapazitäten und Know-how-Aufbau amortisieren zu können. Falls er dennoch Kooperationen eingeht, wird er diese auf Bereiche beschränken, die für ihn nicht wettbewerbskritisch sind und vorwiegend bestehende Geschäftsbeziehungen z.B. zu Lieferanten nutzen, um gewisse dennoch auftretende Schwankungen auszugleichen (verlängerte Werksbank). Damit rechtfertigen der Umfang der Kooperationen und deren Bedeutung keinen Aufbau eines systematischen Kooperationsmanagements. Die Ideen für Kooperationen entstehen spontan und werden nicht aus der Strategie abgeleitet. Es gibt keine spezialisierte Stelle, die sich mit dem Thema Kooperationsmanagement auseinander setzt und die Kooperationen, die eingegangen werden, werden durch den Produzenten „quasihierarchisch“ geführt. Die Projektteams werden nicht systematisch ausgewählt und ein eigentlicher Teaming-Prozess findet nicht statt. Auftretende Konflikte werden spontan angegangen. Es gibt kein präventives Konfliktmanagement. 7.2.5.2 Der kooperierende Produzent Der kooperierende Produzent im dynamischen Umfeld ist zur Sicherung seiner Überlebensfähigkeit auf Kooperationen angewiesen. Die Risiken durch kürzer werdende Produktlebenszyklen und volatile Marktbedürfnisse kann er nur gemeinsam mit Partnern bewältigen. Insbesondere auch die fortschreitende Globalisierung zwingt ihn dazu, in Produktionsnetzwerken zu denken, wobei Risiken hoher Kapitalbindung durch das Abstützen auf Fremdproduktionskapazitäten vermieden werden sollen. Ausserdem strebt er ein Leveraging seiner Einzigartigkeiten an, um seine Abhängigkeit reduzieren zu können. Seine Kooperationen bewegen sich sowohl im Bereich des Kapazitätsmanagements, um seinen Ressourceneinsatz optimieren zu können, wie auch im Bereich des Kompetenzmanagements, in dem er über die Kombination mit anderen überlegenen Fähigkeiten anstrebt,
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7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
den Kunden durch höherwertige Lösungen zu überraschen. In seinem Geschäft nehmen Kooperationen einen solchen Umfang und Bedeutung an, dass er einen systematischen Kooperationsmanagement-Ansatz braucht. Die Systematik ist insbesondere darauf ausgerichtet, die Vorbereitung zu standardisieren, da – sobald die direkte Zusammenarbeit mit dem Kooperationspartner beginnt – die Kooperation nur noch sehr bedingt standardisierbar ist. Die Ideen für Kooperationen werden systematisch aus der Strategie heraus abgeleitet. Kooperationen sind beim kooperierenden Produzenten Instrumente zur Ermöglichung der eigenen Strategie. Die Auswahl der Kooperationsträger erfolgt systematisch, basierend auf Erfahrungen, Fähigkeiten und der Einstellung zu Kooperationen. Die Mitglieder des Teams werden früh in die Planung einbezogen, um sie von Anfang an von Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Das Konfliktmanagement wird ebenfalls systematisch angegangen, um im Vorfeld und präventiv zu verhindern, dass Konflikte die ganze Zusammenarbeit in Frage stellen. Der folgende Abschnitt beschreibt eine Methode, die die gemachten Ausführungen aufgreift und zu einem praktikablen Vorgehen mit der Komplexität von Kooperationen zusammensetzt. Die Methode wurde während des zweijährigen Forschungsprojektes C-Commerce zusammen mit vier Partnern aus der Industrie entwickelt und überprüft und von Kurr weiter detailliert.87 7.2.6 Eine Kooperationsmanagement-Methode 7.2.6.1 Erkenntnisse aus dem Benchmarking-Projekt „Kooperationen erfolgreich managen (KEMA)“ Ein vom Transferzentrum des Instituts für Technologiemanagement durchgeführtes Benchmarking zum Thema „Kooperationen erfolgreich managen“ 88 hat sechs zentrale Erkenntnisse gebracht: 1. Kooperationsmanagement wird zunehmend vom Ausnahme- zum Normalfall Die in Kap. 1 geschilderten Umfeldentwicklungen führen dazu, dass immer mehr Unternehmen sich nicht in der Lage sehen, im Alleingang länger erfolgreich zu sein. Die dadurch zunehmende Beschäftigung mit Kooperationen in den Strategieüberlegungen der Unternehmen bringt mit sich, dass Umfang und Bedeutung, die Kooperationen neu im Gesamtunternehmenszusammenhang zukommt, neue Methoden und Systematiken fordern, um 87 88
Vgl. dazu Forschungsprojekt C-Commerce im Anhang und Kurr (2004). Vgl. dazu Konsortialbenchmarking KEMA im Anhang.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
383
damit umgehen zu können. Die Unternehmen weisen nicht genügend Ressourcen auf, um jede Kooperation immer wieder neu zu erfinden. Sichtbare Belege dafür, dass Kooperationen vom Ausnahmefall zum systematisch gemanagten Allgemeinfall werden, sind z.B. • Phasenmodelle, die den Ablauf einer Kooperation in einzelne Schritte teilen und damit einen auf diese Phase gezielten Ressourceneinsatz und den Einsatz darauf zugeschnittener Methoden ermöglichen. • Typologien zur Unterscheidung unterschiedlicher Kooperationen. Diese ermöglichen einen je nach Art der angedachten Kooperation spezifischen Mittel- und Methodeneinsatz. Abbildung 7.27 zeigt dies am Beispiel der Software AG.89 Erstgespräch Erstgespr äch Technik Technik
Akquisition durch PAM und/oder KBC auf Grund von: LeadGeneration, Messen, gezielte Recherche, akt. Projekte
Testlizenzen, Technical Workshops, Consulting, SchnittstellenSupport
PartnerModell
Fixierung von Geschäftsund Vertriebsmodell, Zielmärkte, Goto-Market, Value Proposition
Entscheidung
SAG-Team und Partner entscheiden separat über den Vertragsabschluss Positionierung intern/extern
BusinessMarketing SAG-Team und Partner entwickeln gemeinsam eine Goto MarketStrategie (Business/ Marketingplan) Vertragsabschluss und Neuanlage im SAP
Education, Implement.
Mitarbeiterausbildung in die Technologien der SAG Implementierung in der Partnerlösung Unterstützung „vor Ort“
CRM-System der Software Ag (Vantive)
Roll-Out
Akquisition im Zielmarkt LeadGeneration
SAP System
Abb. 7.27 Einsatz von IT bei der Software AG (SAG)
• Einsatz von Informationstechnologie: Der vermehrte Einsatz moderner Informations- und Kommunkationstechnologie führt ebenfalls zu einer gewissen Standardisierung. Zum Teil werden ganze Kooperationsphasenverläufe in IT-Systemen abgebildet und diese in der Folge auch dazu benutzt, den Status einer Kooperationen für alle sichtbar zu machen. • Controlling: Weiterer Beleg dafür, dass Kooperationen zum Normalfall werden, ist die Tatsache, dass sie immer mehr durch das etablierte unternehmensin89
Die Software AG war ebenfalls ein Successful Practice Unternehmen, das im Zuge des Benchmarking-Projektes KEMA identifiziert und in der Folge auch besucht wurde.
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7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
terne Controlling selbst abgedeckt werden und nicht ausgeprägt separate Tools entwickelt werden. Dies zeigt auch das instrumentelle Verständnis, das heutigen Unternehmenskooperationen zu Grunde liegt, d.h. Kooperationen haben die jeweiligen Unternehmensziele zu unterstützen. Im Ansatz gibt es darüber hinausgehende Versuche, die anstreben die zwischenmenschliche Ebene im Controlling miteinzubeziehen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist das Thema Kooperationscontrolling in der Literatur eher untergewichtet.90 Einen viel versprechenden methodischen Ansatz zur Umsetzung eines Kooperationscontrollings bildet der Ansatz der „Balanced Scorecard“ (BSC).91 So weisen z.B. Spekman et al. auf die prinzipielle Eignung des BSC-Ansatzes für ein spezifisches Kooperationscontrolling hin, unterlassen es aber leider ein solches tatsächlich zu skizzieren.92 Einen Schritt weiter gehen an dieser Stelle Bamford und Ernst, die ebenfalls auf den Ansatz der BSC zurückgreifen, in ihrem Beitrag aber eine konkrete Alliance-Scorecard entwickeln und auf Unternehmen hinweisen, die eine solche bereits im Einsatz haben.93 Die Besonderheit ihrer Scorecard besteht vor allem darin, dass sie als eine der vier Dimensionen eine „Relationship Fitness“-Dimension aufweist, die Auskunft über die bestehende Beziehung zwischen den kooperierenden Partnern geben soll.94 Um eine solch „weiche“ Grösse zu erfassen, ist es notwendig, übliche Controlling-Instrumente zu ergänzen, z.B. durch Umfragen und Interviews.95 • Vorbereitete Standardverträge: Verträge gehören zu den am meisten verbreitetsten Elementen einer gewissen Standardisierung. Ihre Wirkung in Kooperationen im Allgemeinen ist aber sowohl in Praxis wie in Wissenschaft umstritten. In der Praxis findet man sowohl Unternehmen, die alles immer vertraglich geregelt haben wollen, wie solche, die auch ohne vertragliche Grundla-
Für einige Beispiele vgl. Hippe (1997); Kraege (1997); Scholz (1995) und Strack (2001). 91 Vgl. Kaplan/Norton (1996) und Kaplan/Norton (2001). 92 Vgl. Spekman/Isabellas/MacAvoy (2000), S. 234ff. 93 Vgl. Bamford/Ernst (2002), o.S. 94 Die vier Dimensionen im Überblick sind: 1) Financial fitness, 2) Strategic fitness als echte Performance Indikatoren, 3) Operational fitness und 4) Relationship fitness als Quellen und Ursache der gemessenen Performance (vgl. Bamford/Ernst (2002), o.S). 95 Die Umfrage im Rahmen des Benchmarking-Projekts KEMA hat ergeben, dass nur rund ein Viertel der Unternehmen überhaupt auf solche Hilfsmittel zurückgreifen. Dennoch gaben über die Hälfte der Unternehmen an, über ein geeignetes Kennzahlensystem für ihre Kooperationen zu verfügen. 90
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
385
ge in die Zusammenarbeit mit einem Kooperationspartner einsteigen.96 Geregelt werden in solchen Verträgen Fragen bezüglich der Organisation, der Aufteilung der Arbeit, der Ressourcenverteilung, etc. Idealerweise sind diese Regelungen klar genug, damit die Partner ihre Aufgaben kennen, aber auch flexibel genug, um Anpassungen an veränderte Umweltbedingungen zu erlauben. Bronder und Pritzl sehen den Zweck der Verträge darin, der beabsichtigten Partnerschaft ein adäquates formales Rechts-, Vertrags- und Koordinationsgefüge auf- und festzuschreiben.97 Staudt et al. nennen als Inhalte einer Kooperationsvereinbarung den Zweck der Kooperation inklusive Beginn und Dauer, die Beiträge der einzelnen Partner, Regelungen bezüglich der Organisation, der Ergebnisse, der Geheimhaltung, der Auflösung und der Konfliktregelung.98 Der Nutzen solcher Verträge ist umstritten. Grenzen sind darin zu sehen, dass jeder Vertrag auf Momentaufnahmen basiert und nicht alle möglichen Risiken absichern kann: „... contracts – even at their best – can only reflect an understanding of cost and markets and technologies at the moment companies sign them.“ 99 Harrigan hält fest, dass viele Manager ihre Verträge erst dann anschauen, wenn die Zusammenarbeit bereits gescheitert ist, in der Hoffnung, dass ihre Rechtsanwälte gute Arbeit geleistet haben.100 Beim Verhandeln und beim Abschluss eines Vertrages sollte man sich immer bewusst sein, dass der Vertrag erst der Beginn der eigentlichen Zusammenarbeit ist.101 Alle Verträge lassen Möglichkeiten für nicht kooperative Handlungen offen. Jede Kooperation kann durch die letztlich autonomen Kooperationsträger zum Scheitern gebracht werden,102 sei dies durch Nichtbeitragen zum gemeinsamen Projekt, also durch Unterlassen, sei dies durch direkt schädigende Handlungen. Wird ein konventioneller Kooperationsvertrag zwischen den Partnern geschlossen, empfiehlt Cauley De La Sierra neben anderen
Dies konnte z.B. auch im Forschungsprojekt „C-Commerce“ beobachtet werden, in dem beide Extrempositionen als Grundphilosophien vertreten waren. 97 Vgl. Bronder/Pritzl (1991), S. 51. 98 Vgl. Staudt et al. (1992), S. 145ff. 99 Ohmae (1989), S. 150 und vgl. auch Ring/Van De Ven (1992), S. 495 und Ring/Van De Ven (1994). 100 Vgl. Harrigan (1987), S. 363 Zweifel über den Nutzen von Kooperationsverträgen äussert auch ein Interviewpartner von Larson (1991), S. 176: „The contracts aren’t worth the paper they are printed on. Because the relationship, the day-to-day operation relationship, is not managed by the verbiage contained in the contract.“ 101 Vgl. dazu auch Bleicher (1989), S. 79. 102 Vgl. Tröndle (1987), S. 86. 96
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7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Punkten vor allem die Etablierung von Monitoring-Prozessen.103 In Addition zur klar definierten und fokussierten Einigung sollten Routineprozesse zur Überprüfung der Entwicklung und des Fortschritts innerhalb der Kooperation etabliert werden. Dazu gehören z.B. periodische Überprüfungen, ob die Kooperation im Vergleich zu den festgelegten Zielen noch im Zielkorridor liegt. Auch dies zeigt, dass alleine die Erstellung eines Vertrages die Erfolgswahrscheinlichkeit der Kooperation kaum erhöhen wird. Unverbindlichere Formen der Kooperation versuchen heute mit weniger juristischen Regelwerken auszukommen und mehr über Spielregeln und andere informelle Normen und Standards 104 zu regeln. Festgelegte Standardbausteine in Verträgen verhelfen aber mindestens dazu, dass vor Beginn der Zusammenarbeit über die zu regelnden Punkte nachgedacht werden muss, was die Qualität der Vorarbeiten in der Regel erhöht. Neuere Veröffentlichungen heben neben dem formellen, formaljuristisch auch durchsetzbaren Teil des Vertrages auch den „Geist der Zusammenarbeit“, den informellen Teil hervor.105 Im Rahmen von Kooperationsverhandlungen kann es somit nicht nur darum gehen, einen im juristischen Sinne optimalen Vertrag zu generieren.106 Fortgang et al. weisen darauf hin, dass erfahrene Verhandler es oftmals gewohnt sind, die Bedingungen eines solchen „economic contract“ zu verhandeln.107 Während für diesen Prozess i.d.R. sehr viel Zeit aufgewendet wird, kommt der von den Autoren als „social contract“ oder auch „spirit of the deal“ bezeichnete Teil der Kooperationsvereinbarung fast immer zu kurz.108 Die Konsequenz, die ein solches Vorgehen hat,
Vgl. Cauley De La Sierra (1994), S. 73f. Der Bedeutung, Festlegung und Durchsetzung von Standards wurde in der Literatur in jüngerer Zeit viel Platz eingeräumt, vgl. z.B. Axelrod (1997b), S. 96– 120, Arthur (1988). 105 Vgl. z.B. Kurr (2004), Fortgang et al. (2003). 106 Buckley merkt hierzu an, dass die formalen Vereinbarungen und Verträge zwischen Kooperationspartnern i.d.R. durch professionelle Anwälte, die vor allem die Tauglichkeit ihrer Werke vor Gericht im Blick haben, erstellt werden (vgl. Buckley/Casson 1988, S. 36). Diese müssen somit nicht unbedingt auch im Sinne der Kooperation sein oder diese in irgendeiner Form unterstützen können. Sie müssen lediglich nach dem Scheitern der Kooperation ihren Zweck erfüllen. 107 Unter dem „economic contract“ ist der eigentliche formal-juristisch wirksame Teil der Kooperationsvereinbarung zu verstehen, in dem sich über die üblichen juristischen Konditionen verständigt wird. 108 Vgl. Fortgang/Lax/Sebenius (2003), S. 67 Büchel identifiziert diese Unschärfe über die konkreten Vorstellungen der lau103 104
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
387
umschreiben sie folgendermassen: „Different parties can hold wildly divergent expectations about the deal, even when they’ve signed the same piece of paper.“ 109 Ferner weisen sie in Übereinstimmung mit Lynch und Harrigan darauf hin, dass es notwendig ist, sich vor der Vertragsunterschrift darüber im Klaren zu sein, wie die Vereinbarung auf der operativen Ebene des „daily business“ zu funktionieren hat.110 Unten stehender Kooperationsrahmen greift diese Aspekte auf und besteht somit im Grundsatz aus einem „economic“ und einem „social contract“. Abbildung 7.28 zeigt den gesamten Aufbau im Überblick. Die beiden konstituierenden Elemente des Kooperationsrahmens werden im Weiteren vertieft vorgestellt. Der „economic contract“ 111 stellt den unmittelbar justitiablen Teil des Kooperationsrahmens dar. Es handelt sich hierbei um eine vertragliche Vereinbarung zwischen den kooperierenden Parteien, welche in ihrer Struktur vor dem Hintergrund der besonderen Notwendigkeiten von Kooperationen konzipiert wurde. Wesentliche Elemente des „economic contract“ sind die Regelungen zum Recht einerseits sowie die Regelungen zum eigentlichen Vertragsgegenstand andererseits. Unterschieden werden beide Elemente weiterhin in formelle sowie materielle Regelungen.112
fenden Kooperation gar als einen von fünf Fallstricken, die regelmässig zum Scheitern von Kooperationen führen (vgl. Büchel 2003, S. 92). 109 Fortgang/Lax/Sebenius (2003), S. 72. 110 Vgl. Fortgang/Lax/Sebenius (2003), S. 66; Harrigan (1986), S. 57 und Lynch (1993), S. 53 Bestätigt wurde dieser Aspekt auch durch das Benchmarking-Projekt KEMA. So nannte z.B. UMC die konsequente Übersetzung des strategischen Commitments zu einer Partnerschaft in konkrete Projekte und Aufgaben als einen der drei wichtigsten Erfolgsfaktoren ihres Kooperationsmanagements. UMC betonte dabei ferner, dass diese Übersetzung selbstverständlich mit der expliziten Allokation von Ressourcen und entsprechender Management-Aufmerksamkeit einherzugehen hat, da man sonst dem Partner gegenüber an Glaubwürdigkeit verliert. 111 Vgl. dazu auch Kurr (2004), der sich bei der Darstellung der juristischen Grundlagen insbesondere auch auf Inputs von Dr. Alexander Walter, Jurist bei der REHAU AG bezieht. 112 Im Grundsatz handelt es sich bei materiellen Rechtsnormen um solche, die Ansprüche regeln. Die formellen Rechtsnormen hingegen schreiben das Prozedere bei Erhebung von Ansprüchen vor.
388
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement Economic Contract
Social Contract
Vertrag/ Papierform (direkt justitiabel)
Regelungen Recht
Auslegungsregelungen (nicht direkt justitiabel)
Regelungen Vertragsgegenstand
Underlying
Ongoing
Leistungsbeschreibung
Formell
Materiell
Basis der Zusammenarbeit
Primäransprüche Ausgetauschte Leistungen
Formell Leistungserstellung
Sekundäransprüche Umgang mit Leistungsstörungen
Materiell Leistungsinhalt
Materielle Rechtsnormen:
- Regelung von Ansprüchen
Formelle (inkl. prozessualer ) Rechtsnormen:
- Vorschreiben des Prozedere - Regelungen zur Durchsetzung von Ansprüchen vor Gericht
Abb. 7.28 Aufbau des Kooperationsrahmens 113
Die formellen Regelungen zum Recht bilden aus juristischer Perspektive die Basis der Zusammenarbeit. Zu ihnen gehören im Einzelnen: • • • • • •
Form, Frist, Dauer, Verfahren, Anfang, Ende, Beteiligte, Einbindung und Rechte der Geschäftsleitungen, Rechtsform, Organe, Entscheidungsfindung zur Änderung der Basis, Eskalationsregelungen (Schiedsklausel) und Gerichtsstand.114
Die materiellen Regelungen zum Recht werden weiterhin in Primär- und Sekundäransprüche unterteilt. Unter den Primäransprüchen werden die ausgetauschten Leistungen sowie die damit unmittelbar zusammenhängenden Aspekte benannt. Hierzu gehören folgende Punkte: • • • • • • •
Gewinn-/Verlustteilung, Finanzierung, Risikosphären (Innen- und Aussenverhältnis), Benennung der ausgetauschten Leistungen, Nachschusspflicht, Wissenstransfer, Schutzrechte und Geheimhaltung.
113
Quelle Fortgang et al. (2003) und Walter (2003). Diese sowie die weiteren Punktaufzählungen decken zwar die wichtigsten zu regelnden Aspekte ab, erheben aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. In besonderen Fällen kann es vorkommen, dass diese Listen durch weitere Punkte ergänzt werden sollten.
114
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
389
Unter dem Punkt der Sekundäransprüche werden die Folgen von Unregelmässigkeiten in der Erbringung der Primäransprüche geregelt. Zu diesem Umgang mit Leistungsstörungen gehören im Einzelnen die folgenden Punkte: • • • •
Haftung, Schadenersatz (Innen- und Aussenverhältnis), Rücktritt, Kündigung, Vertragsstrafen und Gewährleistung.
Im Rahmen der Regelungen zum Vertragsgegenstand geht es um die detailliertere Beschreibung der unter den Primäransprüchen aufgeführten ausgetauschten Leistungen.115 Auf der Seite der materiellen Regelungen werden diese Leistungsinhalte durch folgende Punkte im Detail spezifiziert: • • • •
Umfang und Reichweite des Vertragsgegenstands, Beschreibung der Leistungen, Technik, Qualität, Termine, Kosten und Investitionen, Kapazitäten, sonstige Ressourcen.
Die formellen Regelungen zum Vertragsgegenstand beschreiben den Prozess zur Erbringung der vereinbarten Leistungsinhalte.116 Diese Beschreibung der Leistungserstellung umfasst dabei z.B. folgende Punkte: • • • • •
Änderungsmanagement, Controllinginstrumente und -verfahren, technische Instrumente der Entwicklung, verwendete Dokumente, Verfahren für materielle (technische) Entscheidungen und Projektregelungen.
Bevor man mit einem potenziellen Partner in Verhandlungen über den „economic contract“ einsteigt, sollte man sich mit ihm intensiv über das, 115
116
Die Unterscheidung zwischen den Primäransprüchen und den materiellen Regelungen zum Vertragsgegenstand kann man sich analog zu einem Vertrag z.B. für einen Gebrauchtwagen vorstellen. Während im ersten Abschnitt des Vertrages zunächst nur die Automarke sowie der Autotyp benannt werden, wird das eigentliche Fahrzeug in weiterer Folge des Vertrages näher beschrieben. So werden z.B. Vorbesitzer, Unfallschäden, Laufleistung, Sonderausstattung u.Ä. aufgeführt. An dieser Stelle sollten auch die erstellten Skizzen zum operativen Design der Kooperation einfliessen, um die operative Perspektive fest im Kooperationsrahmen verankert und die täglichen Kooperationsprozesse möglichst anschaulich vor Augen zu haben.
390
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
was Fortgang et al. 117 den „social contract“ nennen, ausgetauscht haben. Im Laufe dieser weiter gefassten Diskussion wird man immer wieder auf Punkte stossen, die auch im „economic contract“ schriftlich festgehalten werden sollten. Dies soll nicht heissen, dass die Ergebnisse des „social contract“ nicht festgehalten werden sollten. Die Übereinkünfte, die man dort findet, sind aber i.d.R. nicht direkt justitiabel und dienen in einem juristischen Sinne als so genannte Auslegungsregelungen. Es handelt sich hierbei um „Einbruchstellen“, die bei Grenzfällen helfen sollen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die wichtigsten Punkte einer solchen Vereinbarung können zusätzlich als Präambel o.Ä. vor den formal-juristischen Regelungen des Vertrages erscheinen. Fortgang et al. unterscheiden im Aufbau des „social contract“ ferner zwischen einem „underlying“ und einem „ongoing social contract“. Der „underlying social contract“ beantwortet die Frage nach dem „Was“: „Worum geht es in der Kooperation im Grunde? Sollen z.B. eine Reihe von Einzeltransaktionen abgewickelt werden oder soll eine echte Partnerschaft erwachsen?“ Der „ongoing social contract“ hingegen beantwortet die Frage nach dem „Wie“: „Wie sollen in der täglichen Zusammenarbeit die Entscheidungen gefällt werden? Wie soll mit unvorhergesehenen Ereignissen umgegangen werden? Wie soll kommuniziert und wie sollen Konflikte gelöst werden?“ 118 Die Behandlung des „social contract“ findet vor allem in Form von offenen Diskussionen mit dem potenziellen Partner statt. Wichtig hierbei ist, dass diese Gespräche durchgeführt werden, bevor man einen Vertrag im Detail aushandelt und unterschreibt. Vor diesem Schritt ist zunächst ein gemeinsames mentales Bild der gewünschten Kooperation zu erreichen. Um eine solche Diskussion mit dem potenziellen Partner zielgerichtet und effizient durchführen zu können, bieten Fortgang et al. eine Reihe von Fragen an, die man gemeinsam besprechen sollte. Tabelle 7.1 gibt einen Überblick über diese Fragestellungen des „social contract“.119
Fortgang/Lax/Sebenius (2003), S. 70f. Vgl. Fortgang/Lax/Sebenius (2003), S. 68. 119 Fortgang/Lax/Sebenius (2003), S. 70f. 117 118
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
391
Tabelle 7.1 Fragestellungen des „social contract“ Underlying social contract Real nature • Do you envision a discrete transaction or a partnership? and purpose • A merger of equals or something quite different? of the • Are you building an institution for the long term or making a financial agreement investment with nearer horizon? • What is the driving culture (operational, for example, or research oriented)? Scope and • Is your agreement focused on a discrete, short-term task, or is it openduration ended? • Is it a likely prelude to a larger or different arrangement? • What kinds of actions, even outside the bounds of the deal, do you expect to be told about? • And about which do you expect some say? Ongoing social contract Consultation • How fully, formally, and frequently do you expect to consult with the other side? • How extensively will you and your partner share or protect information? Decision • Beyond the formal governance mechanisms, by what process do you want making to discuss and make decisions: by consensus or majority? Informally or formally? Who will be involved? Dispute • In the case of conflict, what approach do you expect to use? Informal resolution discussion, mediation, binding arbitration, court? • What if disagreement persists? Re• How will you handle unexpected challenges (such as changing economics evaluation or competitive dynamics)? and re• What should trigger reevaluation or renegotiation, and what should you negotiation and your partner expect from each other in such a case?
Auch über den „social contract“ sollte ein Schriftstück verfasst werden, welches aber, wie zuvor erwähnt, in grossen Teilen nicht direkt justitiabel sein wird. Zumindest aber kann es als Auslegungsregelung dienen. Zudem kann es im Laufe der Kooperation immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden, wenn es notwendig werden sollte. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass man auch bei gröberen Unstimmigkeiten nicht direkt das formaljuristische Vertragswerk zu Rate ziehen muss. Sobald dies geschieht, kann die Kooperation im Prinzip als gescheitert angesehen werden.120 Insofern 120
Häufig ist es ohnehin so, dass Kooperationsverträge so umfangreich werden, dass ein einzelner Mitarbeiter gar keinen Überblick mehr über das gesamte Vertragswerk haben kann. Insofern ist man während der Kooperation darauf angewiesen, Konflikte ohne Hilfe des zugrunde liegenden Vertrages zu lösen. Der Vertrag kann somit nur noch der Abwendung gröberer Schäden vom Un-
392
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
fungiert der schriftlich fixierte „social contract“ als zusätzliche Sicherheitsstufe vor einer möglichen Eskalation. 2. Personen tragen Kooperationen. Die Standardisierungen und Systematisierungen haben dort ihre Grenzen, wo es zum direkten Kontakt zwischen Kooperationsträgern kommt. In diesen Situationen verläuft der Prozess höchst interaktiv und ist von der mentalen Einstellung und den fachlichen Fähigkeiten der Kooperationsträger abhängig. Die Successful Practice Unternehmen schaffen und unterstützen diese mentale Einstellung durch verschiedene Massnahmen: • Das systematische Schaffen von Begegnungsräumen zwischen den Kooperationspartnern. Einerseits sollen damit die Betroffenen auch zu Beteiligten 121 gemacht und damit ein hohes Commitment erreicht werden. Andererseits gibt man den Kooperationsträgern so die Gelegenheit bei noch nicht kritischen Aktivitäten ein Verständnis für die Denkweise und die Sprache des Gegenüber zu erlangen,122 was für später unerlässlich ist. Solche Begegnungsräume können sowohl vordefinierte Meetings als auch spezielle Arbeitsgruppen zur Erledigung einer bestimmten Aufgabenstellung sein. • Ausserdem ist die Auswahl und die Befähigung der Kooperationsteams entscheidend. Die Successful Practice Unternehmen wählten allesamt einen systematischen Weg, der sicherstellt, dass nur Leute mit den gewünschten und notwendigen Fähigkeiten Mitglieder des Kooperationsteams wurden.123 3. Die (rechtliche) Kooperationsform gibt es nicht. Die Besuche bei den Benchmarking-Partnern zeigten, dass Kooperationen in verschiedenen rechtlichen Formen organisiert werden. Die Grundunterschiede liegen in der Markt- oder Hierarchieausrichtung. Von einer einmaternehmen dienen, nach dem die Kooperation bereits gescheitert ist (sinngemässe Aussage eines BMW-Vertreters im Zusammenhang mit dem Vertragswerk der X3 Kooperation). 121 Damit greift man einen Gedanken aus der Prozess-Optimierung auf, wo es schon immer unerlässlich war, die späteren Nutzer der Prozesse auch in ihrer Definition miteinzubeziehen (vgl. Müller (1999) und Tockenbürger (2000)). 122 Friedli (2000) und Friedli/Schuh (2003) haben an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass die Grundlage, um zu kooperieren, in der Regel ein Verständnis für den Kooperationspartner ist, d.h. dass seine Reaktion auf Aktionen des eigenen Unternehmens oder auf Umfeldentwicklungen abschätzbar sein sollte. 123 Das eine Successful-Unternehmen stellte dazu systematisch sicher, dass immer gleiche Senioritäten miteinander sprachen („Elder to Elder“). Dies reflektierte die Verankerung dieses Unternehmens in den asiatischen Raum (Taiwan).
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
393
ligen Transaktion bis zur echten Partnerschaft mit gemeinsamer Entwicklung, von Gleichberechtigung zur Dominanz sowie von kurzfristigen zu langfristigen Kooperationen finden sich all diese Formen unter einem Sammelbegriff. Die Form von Kooperationen wird in der Regel situationsspezifisch entschieden und in ihren Eigenheiten vertraglich geregelt. Bekanntes und oft zitiertes Beispiel einer Zusammenarbeit, die in einer speziellen Form organisiert war, ist Airbus Industries. Airbus Industries G.I.E. (Groupement d’Intérêt Economique) wurde 1970 als Gesellschaftsform französischen Rechts gegründet und stellte ein loses Bündnis selbständiger Flugzeugbauer dar. Die Airbus Struktur wurde ursprünglich für Weinbauer konzipiert, entwickelte sich dann aber rasch zu einer populären Form für französische Unternehmen: Zusammenarbeiten, ohne Ressourcen zusammenzulegen oder finanzielle Interna offen zu legen. Die Spannungsbreite unterschiedlicher Formen hat sich in jüngerer Vergangenheit erweitert, so wurden z.B. virtuelle Organisationen und operative Allianzen als flexible Kooperationsformen dauerhaft ausgelegten Kooperationsformen gegenübergestellt. Da sie eine wenig beschriebene Form darstellt, sei an dieser Stelle auf die operative Allianz vertiefter eingegangen:124 Eine operative Allianz ist ihrem Wesen nach darauf ausgerichtet, die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens durch Zugriff auf einen Ressourcenpool (i.S. von Kapazitäten und Kompetenzen) anderer Unternehmen sicherzustellen. Kennzeichnend für operative Allianzen sind flexible Kombinationen entlang der Supply Chain sowie unter Umständen auch das gezielte Poolen von Ressourcen auf gleicher Fertigungsstufe. Die operative Allianz ist darauf ausgerichtet, unter Aufrechterhaltung der eigenen Identität, optimal auf den Kunden zugeschnittene Leistungen zu bieten, ohne diese über eigene Ressourcenvorhaltung sicherzustellen zu müssen. Im Zentrum steht nicht die kooperative Adressierung eines klar umrissenen Ziels, sondern das bewusste Schaffen von Voraussetzungen, um bei Bedarf kooperieren zu können. Nicht ein diffus definiertes gemeinsames Kooperationsziel ist der Massstab für den Erfolg des Vorhabens, sondern die Unterstützung der jeweils unternehmensspezifischen Ziele. Die operative Allianz hat einen strategischen Charakter, aber nicht bezogen auf die Gesamtkooperation, sondern bezogen auf die individuellen Unternehmensziele. Abbildung 7.29 zeigt eine Gegenüberstellung der operativen Allianz und klassischeren Kooperationsformen. Die Gegenüberstellung erfolgt angelehnt an Eisenhardt (2000) 125, die sich aber auf die Zusammenarbeit von Teilen eines Multi-Divisionalen Unternehmens bezieht.
124 125
Vgl. zum Folgenden insbesondere Friedli/Schuh (2003). Eisenhardt/Galunic (2000).
394
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement Herkömmliche Kooperation
Operative Allianz
Entstehung
reaktiv auf erkannte Opportunität,
Form der Kooperation
feste Verbindung, definiertes Aktivierbare, sich über den Ziel Zeitablauf verändernde Verbindungen
Ziele
Marktmacht, Marktanteilssteigerung, neuer Markt
Agilität, „Economies of Scope“, Risikoreduktion
Interne Dynamik
Zusammenarbeit
Zusammenarbeit und Wettbewerb
Fokus
Kooperationsziel
Kooperationspotenzial
Rolle des Einzelunternehmens
Kooperation „pushen“
Umfeld für die Kooperation schaffen
Anreize
unterschiedliche
Individuelle Unternehmensziele
Kennziffern
Vergleich zum Budget
Vergleich zur Konkurrenz
proaktiv, als Voraussetzung Opportunitäten zu adressieren
Abb. 7.29 Die operative Allianz
Die operative Allianz fasst verschiedene neue Kooperationsformen zusammen, wie sie z.B. auch von Schuh beschrieben werden.126 Er identifiziert drei Referenzstrategien für das heutige Umfeld, die den Kooperations- – respektive wie er es nennt – die Kollaborationsgedanken direkt adressieren. Die Strategien bezeichnet er als „Technology-LeverageStrategie“, „Innovation-Leverage-Strategie“ und „laterale Strategie“. Immer geht es dabei um die gezielte Verstärkung eigener Einzigartigkeiten durch das Schaffen von Voraussetzungen in Wertschöpfungsnetzwerken. Weiteres Indiz für die zunehmende Bedeutung von solchen Zusammenarbeitsformen ist, dass auch Unternehmen, die traditionell eher im Alleingang gearbeitet haben, zunehmend auf externe Ressourcen zugreifen. So beschreibt beispielsweise der frühere BMW-Vorstandsvorsitzende Joachim Milberg 127 wie BMW gezielt auf Fremdressourcen zugreift, um die notwendige Agilität zu erreichen.128 Kennzeichnend für diese Kooperationen Vgl. Schuh (2002a). Vgl. Milberg (2002). 128 Ein anderes Beispiel aus der Automobilindustrie ist die kürzlich vereinbarte Zusammenarbeit zwischen Peugeot und Toyota, die zusammen eine Automobilfabrik errichten, um dort gemeinsam ein Kleinauto zu produzieren. 126 127
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
395
ist, dass sich die Kooperationen immer auf zu lösende Aufgaben beziehen und nicht mit finanziellen Verflechtungen verbunden sind. Damit fallen auch diese Kooperationen unter den Begriffsinhalt der operativen Allianz. Zwei aktuelle Beispiele aus unseren Projekten sollen an dieser Stelle den Charakter von operativen Allianzen nochmals verdeutlichen.
Ziel
Firma A Status quo
1)
Gesamtsystem: Scheiben-/Scheinwerfer-Reinigung inkl. Wischer-Mimik
2)
Subsystem: Water-Management (ZSB Behälter, alle ZSB Leitungen, alle Düsen)
3)
SWA-System (v.a. Düsen, Leitungen, ZSB-Behälter), oder: SRA-System (SRA-Düse, Leitungssatz, SRA-Pumpe)
4)
Einzelpakete ZSB Behälter ZSB Leitungen
5)
Einzelteile - „Rohware“ Rohteil Behälter / Meterware
SWA: Scheibenwisch-Anlagen SRA: Scheinwerferreinigungs-Anlagen ZSB: Zusammenbauteil
Abb. 7. 30 Angestrebte Veränderung im Leistungsumfang
Ein Automobilzulieferer sieht seine Marge unter Druck geraten. Seine strategischen Überlegungen führen ihn zu der Überzeugung, dass diese Entwicklung nur aufgehalten werden kann, wenn er zukünftig in der Lage sein wird dem Kunden, bei Bedarf, komplettere und besser auf seinen Verwendungszweck abgestimmte Lösungen zu bieten. Im Bereich von Scheibenwisch- und Scheinwerferreinigungs-Anlagen will er sich vom angebotenen Leistungsumfang her von den Einzelbau- und Zusammenbauteilen (Stufe 4) weg hin zu Systemen (Stufe 3) bewegen (vgl. Abb. 7.30). Aus diesem Grund strebt der Automobilzulieferer eine Kooperation mit einem Konkurrenten um die Systemführerschaft in diesem Bereich an. Abbildung 7.31 zeigt die erste Analyse der verschiedenen Interessen in diesem Bereich.
396
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Name und Kurzbeschreibung der Kooperation: Kooperation mit Pumpen- und Elektronikspezialist Kurzbeschreibung: Entwicklung und Vermarktung von SWA/SRA-Systemen
Ziele der Kooperation (durch Partner geteilt)
- Rendite erwirtschaften - Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Dritten - Reduzierung der Wettbewerbsintensität - Risikooptimierung - Innovationsschub
Ziele der Fa. A
- frühzeitige Positionierung beim OEM - Systemlieferant (Kernkomponenten Behälter, beheizte Schläuche) - Kundenzugang VW/Seat/Skoda/BMW - Reduzierung Abhängigkeiten Bereich X - Vermeidung Know-how-Aufbau im Bereich Elektronik - Erhöhung Komfort und Sicherheit im Fahrzeug
Ziele der Fa. B (vermutet)
- Systemlieferant (Kernkomponenten Pumpe/Elektronik) - Vermeidung Know-how-Aufbau im Bereich Beheizung/KST-Kompetenz - Kundenzugang im Bereich USA/Frankreich - Ausweitung regionaler Produktionskapazitäten
Abb. 7.31 Kooperationen Automobilzulieferer – Pumpenlieferant
Diese Art der Kooperation weist die in Abb. 7.29 dargestellten Eigenheiten auf. Die Kooperation erfolgt ohne einen direkten Anlass, um proaktiv in die Lage versetzt zu werden, die Position beim Kunden zu verbessern. In der Summe ergibt sich durch die Kooperation eine deutlich höhere Flexibilität. Der Kooperationspartner ist nicht rein ergänzend, sondern konkurriert den Automobilhersteller auch direkt. Die Kooperation hat einen instrumentellen Charakter, um den Automobilhersteller auch langfristig im Geschäft zu halten. Ein Zweites, etwas anders gelagertes Beispiel, ist die in Abschn. 4.2 detaillierter vorgestellte virtuelle Fabrik.129 Mit diesem Modell wird die traditionelle Vorgehensweise beim Kooperationsaufbau auf den Kopf gestellt. Anstatt auf Basis einer identifizierten Opportunität nach den besten Partnern zu suchen, um in der Folge zuerst einmal die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kooperation klären und implementieren zu müssen, wird der zeitkritische Teil des „Voraussetzungsaufbaus“ vorweggenommen. Auch die virtuelle Fabrik weist alle Charakteristika einer operativen Allianz nach unserem Verständnis auf. Die operative Allianz in der dargestellten Form bringt verschiedene Vorteile bezogen auf die in Kap. 1 und 3 geschilderten Besonderheiten produzierender Unternehmen mit sich. Im Einzelnen sind dies: 129
Vgl. Schuh/Millarg/Göransson (1998).
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
397
• Eine rein reaktive Rolle, wie sie im heutigen Umfeld gerade viele Zulieferunternehmen kennzeichnet, wird zu Gunsten eines proaktiveren Ansatzes aufgegeben. Durch die Erhöhung der strategischen Flexibilität ohne eine übermässige Investition wird das zur Verfügung stehende Spielfeld für die Unternehmen grösser. Strategische Überlegungen werden nicht von vornherein durch die intern zur Verfügung stehenden Ressourcen eingeschränkt. Sich wandelnde Kundenbedürfnisse können optimaler erfüllt werden. • Die Fixkostenproblematik wird entschärft. Nicht mehr jede Investition, die strategisch wünschbar ist, muss auch getätigt werden, da durch die zur Verfügung stehenden Kompetenzen und Kapazitäten von Partnern derselbe Effekt erzielt werden kann. Es wird möglich, sich auf die Investitionen zu konzentrieren, die für den weiteren Ausbau der eigenen Einzigartigkeiten zentral sind. Damit wird eine Konzentration der Kräfte möglich. • Der Bewertungsproblematik wird insofern entgegen getreten, als dass die durchschnittlichen Investitionen tendenziell sinken und die Margen über die höherwertigen Geschäfte eher steigen, d.h. Kennzahlen wie der ROCE, etc. werden positiv beeinflusst. • Den Folgen der Globalisierung wird durch mehrdimensionale Überlegungen mit starkem Fokus auf höherwertige Leistungen vom Standort Westeuropa oder USA aus entgegengetreten. Die meist regionale Kooperationsbildung erhöht die Überlebensfähigkeit der einzelnen Unternehmen. • Die Volatilität der Märkte wird durch ein erhöhtes Verhaltensrepertoire kompensiert. Es wird möglich, auf vielfältigste Entwicklungen erfolgversprechender reagieren zu können. • Die Informationstechnologie wird in operativen Allianzen zur Unterstützung und Erleichterung der Zusammenarbeit systematisch eingesetzt, wobei gilt, dass die IT-Lösung so einfach wie möglich sein sollte. • Durch die Möglichkeit, Kompetenzen und Kapazitäten verschiedener Unternehmen zu kombinieren, kann das Unternehmen selbst fokussierter arbeiten, d.h. eine Vielzahl von Trade-offs wird damit reduziert. Als Zusammenfassung sollen anhand von Abb. 3.17 – Leitbild der antizipativen Positionierung – die Vorteile nochmals aufgezeigt werden, die sich durch operative Allianzen für das Einzelunternehmen ergeben. Die operative Allianz als Instrument erlaubt es den Unternehmen, systematisch in Richtung intelligenter Geschäftsmodelle zu steuern, indem die Bereiche „Verzetteln“, – d.h. das Unternehmen weist ein Verhaltensrepertoire auf, das für die Volatilität des Umfelds zu gross ist – und „Gambling“, – d.h. das Verhaltensrepertoire ist zu klein, um mit den Um-
398
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
feldentwicklungen mitzuhalten – bewusst gemieden werden. Unternehmen, die bis anhin zu hohe Flexibilitäten aufwiesen, wird durch das systematische Aufbauen von Kooperationspotenzialen die Chance gegeben, sich auf ihre Einzigartigkeiten zu konzentrieren. Unternehmen, die zu wenig Flexibilität aufwiesen, gewinnen diese durch den Zugriff auf Fremdkapazitäten und -kompetenzen. 4. Jenseits der Romantik. Kooperationen sind Instrumente zur Unterstützung der eigenen Strategie. Bei allen besuchten Successful Practice Unternehmen wurden die Kooperationen systematisch aus der Strategie begründet und müssen auch in den Evaluationen immer den Nachweis erbringen, dass sie die strategische Stossrichtung des Unternehmens erfüllen. 5. Vertrauen ist gut, systematische Vorbereitung ist besser. Klare Eigenpositionierung und das Eindenken in die Situation der potenziellen Kooperationspartner vor Kooperationsverhandlungsbeginn kennzeichnet das Vorgehen erfolgreich kooperierender Unternehmen. Viele Unternehmen stellen auch gezielt Checklisten zur Verfügung, um sicherzustellen, dass alle Kooperationen vergleichbar vorbereitet werden. 6. Interne, externe und Kommunikation zwischen den Partnern als Erfolgsfaktor. Kommunikation prägt vieles. Einerseits ist es wichtig, dass nicht nur die direkt in die Kooperation Involvierten eine Kooperation und deren Ziele kennen, andererseits kann auch die Kommunikation nach extern helfen, den Wert einer Kooperation und auch deren Verbindlichkeit zu erhöhen. Als Drittes ist natürlich die Kooperation zwischen den eigentlichen Partnern für den Erfolg unerlässlich. Kurr hat in der Folge – basierend auf den Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt C-Commerce, den Benchmarking-Resultaten und einer Literatur Review – eine Methode entwickelt, die die gemachten Aussagen aufgreift und ein Unternehmen, das Kooperationen zu einem Standardinstrument seiner Unternehmensführung machen will, darin unterstützt. 7.2.6.2 Die Ableitung des Kooperationspotenzials Auf diesen Punkt wurde in Kap. 6 (vgl. Abb. 6.13) bereits eingegangen. Er sei deshalb an dieser Stelle nicht näher ausgeführt. Das Resultat der systematischen Ableitung eines Kooperationspotenzials ist eine Kooperationsidee, die bei einer erfolgreichen Umsetzung die Strategie des Unternehmens unterstützen würde. An dieser Stelle ist es entscheidend, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um eine erfolgreiche Adressie-
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
399
rung des Kooperationspotenzials auch auf der operativen Ebene zu ermöglichen. Zahlreiche Beispiele zeigen, dass Kooperationen in vielen Fällen weit hinter den Absichtserklärungen zu Beginn einer Zusammenarbeit zurückbleiben.130 Der Schwerpunkt einer Kooperationsmethode muss deshalb in der systematischen Vorbereitung der angedachten Zusammenarbeit liegen. Friedli 131 schlägt z.B. zur Sicherstellung, dass entwickelte Kooperationsmodelle auch getragen werden, eine partizipative Methode vor, die auf einer vorgegebenen generischen Architektur beruht und die Kooperationsbeteiligten dazu bringt, entlang der einzelnen Felder der Architektur gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Damit schafft er eine gewisse Vollständigkeit und erste Begegnungsräume zwischen Kooperationspartnern. Die Architektur ist in Abb. 7.32 abgebildet. Die Architektur ist als Leerstellengerüst 132 zu verstehen, das in Diskussionen zwischen Betroffenen gefüllt werden muss. Der linke Teil der Architektur soll die in Kooperationen inhärente Dynamik anhand eines generischen Kooperationsmodells darstellen. Sämtliche Pfeile in der Abbildung weisen auf mögliche Veränderungen hin. Der rechte Teil dient der momentanen Modellierung, weist aber eine dynamische Komponente auf, die Entwicklungsachse, die nicht wie üblich auf einem Lebenszyklusmodell begründet ist, sondern auf den General Management Navigator von Müller-Stewens und Lechner.133 Die Methode, die hier in der Folge vorgestellt wird, erleichtert insbesondere das Vordenken einer Kooperation aus der eigenen Position heraus und kann als Ergänzung zur vorgestellten Architektur gesehen werden.
Taucher (1988), S. 86 hält fest, dass das Schicksal von Kooperationen höchst ungewiss ist und dass Allianzstifter allzu häufig auf Synergien versessen waren, die nur auf dem Papier bestanden. 131 Vgl. Friedli (2000). 132 Bleicher (1995), S. 57. 133 Vgl. Müller-Stewens/Lechner (1998, 2001). 130
400
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Umfeld Adaption Restrukturierung
Interne Struktur
Restriktionen Einzelunternehmen U‘g11 entw.
Zweck Ziel Lösung Dekomposition Design 2 2 KompetenzPool (Interfaces) Strategie Standards Infrastruktur Spielregeln Services
Prozesse Gemeinschaft Interfaces
Funktionen
Ressourcen
Informationen
Rollen
Infrastruktur
En Plan t w un ic g klu , ng
33
Abb. 7.32 Die Architektur von Kooperationen
Die im Folgenden dargestellten Schritte sollten in einem funktionsübergreifenden interdisziplinären Team bearbeitet werden, um zu vermeiden, dass eine wichtige Perspektive vernachlässigt wird. Insbesondere ist es wichtig, dass Vertreter aus der Produktion, dem Verkauf (Marketing) und der F&E bei dieser Vorbereitung anwesend sind. 7.2.6.3 Systematische Analyse der Kooperationspotenziale Ein Kooperationspotenzial sollte aus verschiedenen Perspektiven auf die Tragfähigkeit hinterfragt werden. Zu diesen Perspektiven gehört die Frage nach der eigenen Kooperationsneigung 134 und der vermuteten Kooperationsneigung des Partners, die Frage nach eventuell existierenden Informationsasymmetrien sowie die Frage nach existierenden oder durch die Kooperation entstehenden Abhängigkeiten. Aus diesen Diskussionen heraus wird in der Folge eine erste konkrete Vorstellung von der zukünftigen Zusammenarbeit auf der Prozessebene skizziert und diskutiert. Die Methode unterstützt den Kooperationsprozess soweit bis eine klare Vorstellung über
134
Der Begriff stammt aus der Joint-Venture-Forschung von Harrigan (1996) und ist im Deutschen missverständlich. Im englischen Originaltext wird von „Propensity“ gesprochen.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
401
die minimal zu erreichende Konfiguration der konkreten Zusammenarbeit besteht und man mit dieser Vorstellung die Gespräche aufnehmen kann.
Analyse
Sach-rationale Ebene
Taktische Ebene
Faktische Ebene
Kooperationsneigung
Informationsasymmetrien
Abhängigkeitsverhältnis
Gestaltung
Konsequenz
Ideen zum operativen Design
Skizze des Kooperationsrahmens
Verhandlungsstrategien
Abb. 7.33 Analyse der Kooperationspotenziale
Abbildung 7.34 stellt die durchzugehenden Punkte dar, um zu einer ersten Einschätzung zu kommen, welchen Wert die beabsichtigte Kooperation für das eigene Unternehmen und für den potenziellen Partner hat sowie inwiefern man zur Erreichung seiner Ziele auf die Kooperation angewiesen ist. Die erste Frage kann unter dem Punkt Kooperationswert zusammengefasst werden. Um zu einer Beurteilungsgrundlage zu kommen, stellt man sich eine Nutzen-/Aufwand-Frage. Der Nutzen wird dabei sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Ebene beurteilt. Beim Aufwand beurteilt man die Ressourcen, die investiert werden müssen sowie das Risiko, das mit der Zusammenarbeit verbunden sein könnte. Die zweite Frage adressiert eine erste Abschätzung der Verhandlungsposition gegenüber dem potenziellen Kooperationspartner. Dazu gilt es wiederum zwei Fragen zu beantworten. Die eine ist diejenige nach der Bedeutung für das eigene Unternehmen, die andere nach dem Vorhandensein von Alternativen, um die strategischen Ziele ohne diese Kooperation zu erreichen.
402
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement Technologie
Kundenansprache
Kooperationswert
Fähigkeiten
Know-how-Transfer Lernen ... Markenname
strategisch
Patente Distributionsnetz
Assets
Strategie
Image
Wichtigkeit
Nutzen
...
Projekt ...
Folgegeschäfte
Bedeutung
... Mensch Maschine
sofort Dringlichkeit
später
Kapazität Logistik
... Ressourcen
andere Aktivitäten
Vernetzung operativ
Geld
...
Analyse Firma A <-> B
... ...
18.02.2005 - v14
Investitionen Ressourcen
Kapazität
Akquisition
...
Alternativen
Know-how-Transfer
Eigenaufbau ...
andere Aktivitäten Folgegeschäfte
Verfügbarkeit
Opportunitäten
Aufwand
... Risiko
hoch gering
Erfolgswahrscheinlichkeit
...
Verhandlungsposition
...
Abb. 7.34 Kooperationswert und Verhandlungsposition
Nachdem man die aufgeworfenen Fragen durchdiskutiert hat und zu einer einheitlichen Auffassung bezüglich der Beantwortung gekommen ist, spielt man das Ganze nochmals durch, diesmal aus der Perspektive des Kooperationspartners. Es ist klar, dass die Antworten auf die Fragen z.T. auf Mutmassungen beruhen, nichtsdestotrotz geht es darum ein Verständnis über die Situation des adressierten Kooperationspartners zu erlangen. Die Diskussionsresultate können in der Folge zur besseren Visualisierung in unten stehende Abbildung eingeordnet werden. Abbildung 7.35 gibt einen ersten Überblick über die Erfolgschancen und die Ausgewogenheit der angestrebten Partnerschaft aus der Perspektive beider Kooperationspartner. Der linke Teil der Abbildung fasst die Diskussion zur Nutzen-/Aufwand-Frage zusammen. Zu präferieren wären natürlich Konstellationen, die mit niedrigem Aufwand und hohem Nutzen für beide Partner verbunden sind. Kritisch wird es, wenn zum Beispiel für das eigene Unternehmen ein hoher Nutzen resultieren würde, für den Kooperationspartner aber nur ein geringer. Dies würde dazu führen, dass auch nur ein beschränktes Commitment des Partners zur Kooperation bestehen würde.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement tendenziell zunehmender Kooperationswert
angemessen
gut
tendenziell stärkere Verhandlungsposition
sehr gut
mittel
schlecht
angemessen
gut
niedrig
sehr schlecht
schlecht
irrelevant
mittel
niedrig
hoch
niedrig Bedeutung
Nutzen
hoch
403
hoch
Aufwand
wenige
viele Alternativen
Abb. 7.35 Relativer Kooperationswert und Verhandlungsposition
Auf der rechten Seite ist die relative Verhandlungsposition dargestellt. Am schlechtesten ist diese, wenn der Kooperation in der Diskussion eine hohe Bedeutung zugemessen wird und keine Alternativen dazu vorhanden sind, der Kooperationspartner aber sehr gut ohne auskommen kann und auch Alternativen zu der Zusammenarbeit hat. Um an dieser Stelle die Diskussion weiterführen zu können, drängt sich die Frage nach existierenden Informationsasymmetrien auf, d.h. gibt es Informationen, die das eine Unternehmen hat, das andere aber nicht und falls ja, ist es wünschenswert, dass diese Informationen ausgetauscht werden oder im Gegenteil, sollte diese Informationsasymmetrie bestehen bleiben? Es kann insbesondere sein, dass sich ein potenzieller Partner nicht bewusst darüber ist, wie dringlich eine Zusammenarbeit für den kooperationswilligen Partner ist. Dies ist eine Information, die das kooperationswillige Unternehmen, um seine Verhandlungsposition nicht frühzeitig zu schwächen, besser nicht bereitwillig enthüllt. Als abschliessender Schritt der Analyse des Kooperationspotenzials wird die Abhängigkeit beurteilt, die durch das Eingehen der Kooperation gegenseitig entstehen würde. Das Ergebnis dieser Diskussion kann ebenfalls direkt in einer Matrix visualisiert werden (Abb. 7.36). Dies gibt nochmals einen Hinweis darauf, wie stabil die beabsichtigte Zusammenarbeit werden könnte. Der Aufbau von gegenseitigen Abhängigkeiten kann z.B. einer Zusammenarbeit durchaus förderlich sein.135
135
Vgl. dazu ausführlicher Dyer/Singh (1998), S. 662ff., die in diesem Zusammenhang von „dedicated assets“ sprechen und in diesen Assets einen der vier Haupttreiber überbetrieblich erwirtschafteter Profite sehen.
404
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Abhängigkeit A von B
Begründung: : - xxx hoch
Denkbare Massnahmen: - xxx gering
gering
hoch
Abhängigkeit B von A
Abb. 7.36 Analyse des Abhängigkeitsverhältnisses
7.2.6.4 Gestaltungsansätze Zur weiteren Durchdringung der beabsichtigten Zusammenarbeit kann es sich aufdrängen, den aus der Zusammenarbeit resultierenden Prozess auf einer groben Ebene zu skizzieren. Bis jetzt wurde auf einer relativ abstrakten Ebene diskutiert. Das Skizzieren eines, wenn auch groben, Prozesses schafft Klarheit darüber, welche Bereiche durch die Zusammenarbeit überhaupt betroffen sind und auch an welchen Stellen effektiv Begegnungen zwischen den Kooperationspartnern stattfinden (Abb. 7.37). Die Begegnungsräume werden in der Folge näher charakterisiert. Punkte, die diskutiert werden können, sind z.B. die Ziele, die in diesem Begegnungsraum erreicht werden sollen, eine nähere Charakterisierung des Begegnungsraum (ist z.T. ein Know-how-Austausch notwendig), daraus abgeleitete Anforderungen (braucht es z.B. einen Entwickler an dieser Stelle) sowie die Konsequenzen für die Gesamtkooperation. Nachdem man diesen, bereits die Operations vorbereitenden Schritt, durchgeführt hat, geht es darum die Grundlagen für die eigentlichen Vertragsverhandlungen zusammenzutragen. Ein Kooperationsvertrag besteht aus zwei grundsätzlich unterscheidbaren Bestandteilen, dem „economic contract“, der auch direkt justitiabel ist, sowie dem „social contract“, der den „Geist der Kooperation“ beschreibt (Abb. 7.28). Auf die grundsätzliche Diskussion bezüglich Kooperationsverträgen wurde bereits weiter oben hingewiesen (7.2.6). Auf eine weitere Ausführung wird deshalb an dieser Stelle verzichtet.
7.2 Integriertes Kooperationsmanagement
405
Für jeden der unten dargestellten Punkte wird in der Folge festgelegt, was die Idealregelung für das eigene Unternehmen wäre, was eine noch akzeptable Regelung wäre sowie in welchen Punkten ein gewisser Verhandlungsspielraum respektive Tabus existieren. KomponentenEntwicklung Innovation (inkl. Freigabe)
Synergien zw. Komponenten
Platzierung beim Kunden (kfm./tech.) (grundsätzlich)
KomponentenEntwicklung (grundsätzliche Weiterentwicklung)
Systeminnovationen erarbeiten und validieren
Kundenzugang schaffen und halten (Beziehungsmgt.)
Begegnungsraum Systemkonzeption
Beide gemäss Fokussierung auf KK -> mögliche Reduktion KK2 Bauteil auf Standard-Komponenten -> keine Systementwicklung mehr von KK2 notwendig
Begegnungsräume machen strategische Kooperationspotenziale zu operativen!
kundenspezifische Systemkonzeption (Designvorschläge)
kundenabgestimmtes Produktionskonzept (System)
Angebotsphase -Erstbestellung -Nachbesserung -Endverhandlung
angebotsfähiges Systemkonzept erarbeiten (speziell)
Kalkulation Angebot Verhandlung Vertragsabschluss
Vorstellung System Vermarktung
Kalkulation System Angebot
- Systemführer - OEM wird weiterhin - Systemführer Preise mit KK2 direkt verhandeln Beide müssen KundenStichwort „Exklusivität“ zugang halten -> KK2 AG wird auf kein Geschäft -> KK2.: Freigabe seiner Produkte verzichten, wenn keine System-> KK1.: „Systemgedanke“ vergabe an KK1 erfolgt -> d.h. KK2 wird nach wie vor beim OEM präsent bleiben Auftritt beim Kunden -> bei Komponenteninnovationgemeinsam mit Partner -> ansonsten Systemlieferantausreichend
Problem -> Umgang mit vorverhandelten Setzteilen innerhalb des Systems -> Preisdelta zwischen OEMs : - Umgang damit innerhalb der Kooperation? - partizipiert KK1 am Preisdelta?
Abb. 7.37 Gestaltungsansätze zum operativen Design
7.2.6.5 Konsequenz für die Verhandlungen Der letzte Schritt, der vor der eigentlichen Verhandlung noch bleibt, ist das Abstecken eines Verhandlungsspielraumes abhängig von der Gesamtsituation. Auf Basis der gemachten Überlegungen wird in einem weiteren Portfolio das bis dahin Diskutierte konsolidiert dargestellt (Abb. 7.38). Ist die relative Verhandlungsposition besser und der potenzielle Wert der Kooperation für das Unternehmen tiefer als für den anvisierten Kooperationspartner, gibt es keinen Grund, um in den Verhandlungen von der Idealvorstellung abzuweichen. Ist hingegen die Verhandlungsposition schwächer und der potenzielle Wert der Zusammenarbeit höher, wird man eher kompromissbereit auftreten. Für die anderen zwei Felder ist die Verhandlungsstrategie von zusätzlichen Informationen abhängig, z.B. bezüglich Abhängigkeiten und Informationsasymmetrien.
7 Dienstleistungs- und Kooperationsmanagement
Verhandlungs-position
406
stärker
Ideal-Ideal Konfiguration Konfiguration
Ideal Ideal-bis bis MinimalKonfiguration Minimal Konfiguration
schwächer
tiefer
höher
Relativer Kooperationswert
Abb. 7.38 Verhandlungsspielraum
7.2.6.6 Operations An die erfolgreichen Verhandlungen schliesst sich die eigentliche Operationsphase an, die, wie unter anderem auch im Benchmarking-Projekt sichtbar wurde, viel weniger strukturierbar ist. Hier beginnen die Interaktionen mit den Kooperationspartnern. Der gesteckte Rahmen sollte aber so offen sein, dass notwendig werdende Anpassungen am Design auch nachträglich noch berücksichtigt werden können. Alles Andere würde der Dynamik von Kooperationen nicht gerecht werden und würde auch einen Teil des Potenzials verschenken, das im Ausschöpfen von sich in der direkten Zusammenarbeit zusätzlich ergebenden Opportunitäten liegt.
8 Zusammenfassung und Ausblick
„We’ve got to understand that our future well-being depends upon infusing high technology into our industrial base as efficiently and quickly as possible, and building up the experience-base of our workers at the same time.“ 1
8.1 Diskussion der Resultate und Anforderungen Theorien sind oft zu weit von den Denkwelten der Praktiker entfernt und umgekehrt ist die Theorieferne der Praktiker oft eine Gefahr für langfristig tragfähige Lösungen. Diese Arbeit leistet einen Beitrag dazu, zwischen diesen Welten zu vermitteln, indem sie ein „Mid-Range-Konstrukt“ zwischen Theorie und Praxis zur Verfügung stellt. Gleichzeitig wird ein Beitrag dazu geleistet, verschiedene existierende Theorieblöcke in einem Rahmen zu vereinen.2 Das Hauptresultat der Arbeit ist keine Theorie im harten Sinne 3, sondern ein Rahmen für die Untersuchung der Konsistenz der Ausrichtung eines produzierenden Unternehmens. Um eine Theorie zu sein, ist das Phänomen „Integrierte Ausrichtung abhängig von der Umfelddynamik“ zu unpräzis beschrieben. Nichtsdestotrotz wird das Ergebnis den formulierten Anforderungen und den Besonderheiten des Betrachtungsobjekts gerecht. Dies soll an dieser Stelle durch den expliziten Bezug zu den in Kap. 5 zusammengefassten Anforderungen nochmals deutlich gemacht werden. Reich (1986), S. 7. Schmenner und Swink (1998), S. 97, haben darauf hingewiesen, dass es im Operations Management keine akzeptierten respektive etablierten Theorien gibt: „Although recognized as vital to the prospects of any company, operations management suffers in at least some quarters because there is no recognized theory on which it rests or for which it is famous.“ 3 Schmenner und Swink (1998), S. 104f., weisen darauf hin, dass viele Ergebnisse in den Sozialwissenschaften sich mit der Beschreibung von Phänomenen auseinander setzen. Auf der einen Seite entstehen damit Tools für Manager, auf der anderen Seite entstehen dadurch aber keine Theorien. 1 2
408
8 Zusammenfassung und Ausblick
8.1.1 Erfüllung der übergeordneten Anforderungen Die acht in Kap. 5 aufgestellten übergeordneten Anforderungen werden insbesondere durch die Art des Ergebnisses dieser Arbeit adressiert. Das Kernstück, der Raster „strategisches Produktionsmanagement“, ist so konstruiert, dass er • ein Mid-Range-Konstrukt zwischen Theorie und Praxis darstellt. Die theoretischen Grundlagen sowie auch in der Praxis bereits beobachtbare Phänomene wurden in die zentralen Fragestellungen in den einzelnen Quadranten des Rasters inkludiert. • die Betrachtung von Aktivitäten, Strukturen und Verhalten erlaubt. Zwei der Quadranten adressieren die wesentlichen Fragestellungen auf Aktivitätsebene, je einer die strukturellen und verhaltensspezifischen Gestaltungsmerkmale. • die Diskussion über den Integrationsgrad einer installierten Lösung ermöglicht, d.h. bei einer Neuausrichtung eine integrative Betrachtung sicherstellt. Der Raster wurde so konstruiert, dass Ausprägungen mit demselben Abstand zum Mittelpunkt des Rasters in sich konsistent sind und sich gegenseitig unterstützen. • die Umfelddynamik die entscheidende Grösse für die integrierte Ausrichtung des Unternehmens ist. Aussenpositionen entsprechen dabei Positionierungen mit höherer Flexibilität, die eine höhere Umfelddynamik bewältigen können. • nicht von einer vollständigen Plan- und Machbarkeit ausgeht. Aus diesem Grund wurde auf das Vorgeben von „Best-Practice“-Lösungen verzichtet. Anstelle dessen wurden Fragen aufgeworfen, die immer wieder diskursiv beantwortet werden müssen. Einmalige Momentaufnahmen werden abgelehnt. Ein integrierter Planungs- und Führungsprozess stellt sicher, dass Abweichungen frühzeitig zur Kenntnis genommen werden und Korrekturmassnahmen eingeleitet werden können. • die relevante Komplexität noch abbildet. Die entscheidenden Fragen wurden zwar auf zwei pro Quadrant reduziert. Diese sind aber auf einer hohen Aggregationsstufe und sind in sich selbst wieder komplex. Es benötigt diverse Analysen im Vorfeld, um zu fundierten Antworten zu kommen. • Spannungsfelder direkt abbildet. Jede Achse im Raster stellt eine Spannungsreihe dar. • die Ableitung von Handlungsempfehlungen alleine aus der Betrachtung des Ist-Profils unterstützt. Das Aufzeigen möglicher Pfade nach aussen unterstützt den handlungsanleitenden Charakter zusätzlich.
8.1 Diskussion der Resultate und Anforderungen
409
8.1.2 Erfüllung der aktivitätsbezogenen Anforderungen In Kap. 5 wurden neun Anforderungen an das Gestaltungsfeld „Aktivitäten“ formuliert. Das vorgestellte Vorgehen adressiert diese in folgender Weise: • Um überhaupt in den Raster einsteigen zu können, ist eine Positionierung im jeweiligen Umfeld erforderlich. Als Hilfsmittel wurde der Strategie-Audit vorgestellt. • Die Marktseite wird schwergewichtig über den ersten Quadranten „Leistungsumfang“ adressiert. Um auch der Ressourcenseite das notwendige Gewicht zu verleihen, gibt es auf Aktivitätsebene einen eigenen Quadranten „Ressourcen“. • Die Kenntnis der eigenen Stärken und Schwächen fliessen in den Raster einerseits über die Bestimmung der Ist-Position und andererseits explizit bei der Betrachtung der Qualität der Ressourcen ein. • Die Strategiefestlegung wird durch den vorgestellten integrierten Planungs- und Führungsprozess zur Daueraufgabe. • Das Zusammenspiel von Strategie- und Wandelfragen wird über den Aufbau des Rasters als Leerstellengerüst zur partizipativen Ableitung von Gestaltungsansätzen adressiert. • Der Forderung nach einer Positionierung an der „edge of chaos“ wird durch die Einführung eines Instruments zur qualitativen Ableitung einer sinnvollen Flexibilität nachgekommen. • Die Art des Rasters bringt tendenziell keine optimalen aber befriedigende Lösungen hervor. • Das Thema der strategischen Flexibilität ist bei der Ableitung der Dimensionen und insbesondere der Extremausprägungen zentral eingeflossen. • Durch die Konzeption der strategischen Flexibilität als Instrument und nicht als Ziel für sich wurde sichergestellt, dass höherwertige Ziele wie Lebensfähigkeit in die Überlegungen einfliessen. 8.1.3 Erfüllung der strukturellen Anforderungen In Kap. 5 wurden weitere sechs Anforderungen an das Gestaltungsfeld „Strukturen“ formuliert. Das vorgestellte Vorgehen adressiert diese in folgender Weise: • Kooperationen als Erweiterung des Möglichkeitenraumes eines Unternehmens finden als Gestaltungsansatz in allen Quadranten Eingang. Im
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•
•
•
•
8 Zusammenfassung und Ausblick
Struktur-Quadranten werden sie über eine eigene Ausprägung der Achse externe Organisation explizit adressiert. Fit mit der Umweltanforderung bzgl. Dynamik wird einerseits durch den Abstand vom Mittelpunkt sichtbar, andererseits wird der Fit i.S. von Konsistenz dadurch erkenntlich, dass bei konsistenten Positionen über alle Quadranten hinweg ein Kreisprofil entsteht. Die adäquate Fertigungstiefe und -breite wird im Quadranten Ressourcen adressiert. Dort stellt sich die Frage bei den Gestaltungsmöglichkeiten in Richtung Aussenposition direkt und wird indirekt nochmals adressiert, wenn es um Standortfragen in einem globalen Netzwerk geht. Damit ist auch die Anforderung einer Berücksichtigung von globaler Arbeitsteilung angesprochen. Das Raster geht von der Grundidee aus, dass es notwendig ist Fokus und Flexibilität gemeinsam zu adressieren. Es wird bei der Fähigkeitenentwicklung von einer Pfadabhängigkeit ausgegangen. Somit wird die Anwendung des Rasters automatisch zu einem Management von Stärken bei gleichzeitiger Suche nach neuen Opportunitäten. Das Thema der modularen Prozessorganisation wurde über die Achse interne Organisation direkt adressiert.
8.1.4 Erfüllung der verhaltensbezogenen Anforderungen In Kap. 5 wurden schliesslich noch zwei Anforderungen an das Gestaltungsfeld „Verhalten“ formuliert. Es ist dazu anzumerken, dass insbesondere das übergeordnete Kriterium Integration in allen Gestaltungsfeldern für eine adäquate Berücksichtigung des Menschen sorgt. Das vorgestellte Vorgehen adressiert diese in folgender Weise: • Die Unterstützung von Stabilität und Wandel wird zentral durch die Berücksichtigung der Qualifikations- und Personalentwicklungsachse im vierten Quadranten „Human Resources“ ermöglicht. Damit wird gleichzeitig die zweite Forderung, Qualifikation und Lernen adressieren zu können, durch das zur Verfügungstellen dieser Achsen direkt adressiert. 8.1.5 Zusammenfassung Insgesamt erfüllt das entwickelte Raster zusammen mit den vorgeschlagenen Vorgehensweisen die 25 abgeleiteten Anforderungen aus dem ersten Teil der Arbeit. Damit wird es möglich, in einem schwierigen Umfeld fundierte Entscheidungen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit für die Zu-
8.2 Beitrag zur Praxis
411
kunft zu treffen. Der Beitrag der Arbeit zur Praxis mit Fokus auf die Industrie-Politik soll an dieser Stelle detaillierter dargestellt werden.
8.2 Beitrag zur Praxis „Von einem technologischen Standpunkt aus gesehen scheint die praktische Relevanz der Sozialwissenschaften begrenzt zu sein, und sie ist es auch. Jedoch in Bezug auf ihr Eindringen in die von ihnen analysierte Welt betrachtet, waren und sind die praktischen Folgen der Sozialwissenschaften in Wirklichkeit sehr weit reichend.“ 4
Der direkte Nutzen für die Praxis entsteht durch die Anwendung des Rasters. Es leistet einen Beitrag zur Steigerung der Qualität der Reflexion der verantwortlichen Manager und kann damit zur Ableitung direkter Handlungsanleitungen für die Praxis verwendet werden. Über diesen unternehmensspezifischen Nutzen hinaus lassen sich aus der verwendeten Argumentation und der skizzierten Veränderung in der globalen Arbeitsteilung auch direkte Implikationen für die Industrie-Politik ableiten. Zu diesem Zweck wird zuerst nochmals kurz beschrieben, was für Veränderungen sich im Umfeld der produzierenden Unternehmen abzeichnen, um darauf aufbauend die Industrie- und Förderpolitik der Schweiz diskutieren zu können. 8.2.1 Das neue Paradigma der Produktion „The decline in manufacturing as a producer of wealth and jobs changes the world’s economic, social and political landscape.“ 5
Im Rahmen der Überlegungen zum Thema Fertigungstiefe und -breite sowie globale Produktionsnetzwerke wurde als zukünftiges Bild der Produktion das Paradigma eines industriellen Imperialismus entworfen; d.h. eine Zukunft der Produktion, die alle nicht kritischen Teile und Komponenten, die auch aus Flexibilitätsüberlegungen nicht relevant sind, über globale Produktionspartner herstellen lässt. Die Kern- und Differenzierungsleistung hingegen wird an den entwickelten Standorten verbleiben. Eine solche Kernleistung wird auch immer Produktion mitbeinhalten, da die Nähe 4 5
Giddens (1997), S. 412. The Economist (2001).
412
8 Zusammenfassung und Ausblick
zur Entwicklung erforderlich ist, um schnell und produktionsfähig neue Produkte auf den Markt bringen zu können. Das immer ausgeprägtere Abstützen auf Auslandproduktionen wird alleine dadurch notwendig werden, dass die zur Verfügung stehenden Industriearbeiter tendenziell anzahlmässig zurückgehen werden. Eine immer besser werdende Qualifikation der Arbeiter an Niedriglohnstandorten, verbunden mit den tieferen Kosten, machen diese Entwicklung auch aus wirtschaftlicher Perspektive attraktiv. Ausgebaut wird in Westeuropa das Angebot an differenzierenden Dienstleistungen. Diese Dienstleistungen werden zum Hauptverkaufsargument werden, weil sie sich direkt an den Kunden in seinen Geschäftsprozessen wenden und ihm ermöglichen in seinem Geschäft erfolgreich zu sein. In diesem Paradigma gesprochen wird die Zukunft der produzierenden Industrie an den entwickelten Standorten eine dienstleistende, einzigartigkeitsorientierte und kollaborative sein. Ein Bild, das Schuh, wie dargelegt, bereits im Jahre 2001 skizzierte.6 Um in einem solchen Umfeld erfolgreich zu sein, wird insbesondere die Integration aller Aktivitäten, struktureller Lösungen und des Verhaltens der Organisationsmitglieder zur Sicherung der langfristigen Lebensfähigkeit unerlässlich sein. Unternehmerische Lösungen verlangen aber auch nach Mut und Verantwortungsübernahme. Die einfachste Lösung ist oft die eigene Kapitalbasis sukzessive zu verringern, um das Kapitalrisiko zu senken und die Kapitalgeber zufrieden zu stellen. Es bleibt nur zu hoffen, dass damit nicht Entscheide getroffen werden, die die Handlungsfähigkeit des Unternehmens in der Zukunft einschränken. 8.2.2 Industriepolitische Überlegungen „A nation’s most important competitive asset is the skills and learning of its work force.“ 7
Robert Reich hat bereits 1990 und 1991 in zwei Harvard Business Review Artikeln Fragen gestellt. „Who is us“ 8 und „Who is them“ 9. Bevor man sich mit Industrie-Politik beschäftigt, sollte man sich eine Antwort auf diese Frage in einer globalen Wirtschaft geben. Als Resultat wird man sehr wahrscheinlich zum Schluss kommen, dass die Nationalität des Unternehmens weniger eine Rolle spielt, als ob das Unternehmen Aktivitäten in der
6
Vgl. Abschn. 6.6.5.
Reich (1990), S. 58. 8 Vgl. Reich (1990). 9 Reich (1991). 7
8.2 Beitrag zur Praxis
413
Schweiz hat und damit inländische Kompetenzen nutzt, die in dieser Nutzung weiterentwickelt werden. Industrie-Politik beschäftigt sich mit der Frage, was zu Gunsten der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes besonders gefördert werden soll. Sie ist damit eher mit strategischen Planungen auf Unternehmensebene als mit makro- oder mikropolitischen Entscheidungsprozessen zu vergleichen. Gemäss Reich stellt sich der Industrie-Politik die folgende Kernfrage: „Given limited resources and an uncertain environment, what investment strategy is likely to yield the most competitive position in the future?“ 10 Aber genau so, wie es für die Strategiebetrachtung eines produzierenden Unternehmens gezeigt wurde, ist auch in diesem Fall die Ressourcenseite der Volkswirtschaft zentral in die Entscheidung mit einzubeziehen, da diese auch, über die gesamte Volkswirtschaft betrachtet, den Entscheidungsraum einschränkt respektive gewisse Sachen ermöglicht. Es ist also auch hier von einer gewissen Pfad-Abhängigkeit auszugehen. Die Problematik, die sich nun auf industriepolitischer Ebene stellt, ist darin zu sehen, dass der Staat als Entscheidungsträger für Investitionsprioritäten sich dieser PfadAbhängigkeit wohl weniger bewusst ist als das Unternehmen, das die Strategie direkt mit seinen Ressourcen umsetzen muss. Die Gefahr ist relativ gross auf Grund eindimensionaler Betrachtungen, welche Industrien in Zukunft global gesehen wachsen werden, Entscheide zu Lasten traditionellerer Industrien, die aber nach wie vor die industrielle Basis repräsentieren, zu fällen. Was heute gefordert ist, ist nicht eine simple Gleichung, die verschiedene Branchen nach ihrer Zukunftsfähigkeit beurteilt und Investitionen nur noch in die Zukunftsbranchen fördert. Es kann auch kein Ansatz sein, über das Senken von Steuern und Einsparungen bei der Bildung, etc., Unternehmen dazu zu bringen, ihre Standortentscheide zu Gunsten einer bestimmten Region zu fällen. Reich betont, dass gerade High Tech Industrien, die mit der alten Basis verschmolzen werden können, durch andere Faktoren wie z.B. Lebensqualität angezogen werden.11 Entscheidend ist es, die Veränderung aller Industrien in der Art wie die Produktion und die Unternehmensführung insgesamt gehandhabt wird, zu unterstützen. Die Schweiz kann aktuell noch auf dem vergleichsweise hohen Ausbildungsniveau der Beschäftigten aufbauen,12 und zwar vom Arbeiter in der FertiReich (1982), S. 75. Vgl. Reich (1986), S. 8. 12 Während die wesentlichen Faktoren der Produktion in unserer Welt extrem mobil geworden sind (Kapital, Technologie, Ausrüstung), bleibt der Mensch relativ immobil (vgl. auch Reich 1986, S. 8), d.h. eine Stärkung des Standortes sollte sich darauf konzentrieren, über Bildung und Sicherstellung der notwendigen 10 11
414
8 Zusammenfassung und Ausblick
gung bis hin zu der Qualität der Universitätsabgänger und Manager.13 Dies heisst nicht, dass Gelder in die Erhaltung nicht mehr wettbewerbsfähiger Strukturen investiert werden sollten. Im Gegenteil, Veränderungen, die sich in der globalen Arbeitsteilung abzeichnen, sollten möglichst vorausgesehen und beschleunigt werden.14 Die momentane Förderungspolitik 15 ist meines Erachtens zu stark darauf ausgerichtet, insbesondere Produkt-Innovationen zu forcieren. Vor dem Hintergrund dieser Arbeit ist es zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit entscheidend, dass die Betrachtung des Gesamtsystems und die Integration der verschiedenen Gestaltungsdimensionen ins Zentrum der Betrachtung gestellt werden. Vor diesem Hintergrund ist der Versuch, vor allem Produktinnovationen zu fördern, zu kurz gegriffen. Der zweite in der Schweiz beobachtbare Ansatz die Entwicklung neuer Technologien und neuer Branchen über Schwerpunktprogramme zu fördern, greift meines Erachtens ebenfalls zu kurz. Zentral ist die Förderung der Technologie in der Anwendung. Es erstaunt deshalb kaum, dass Programme wie Softnet zur Förderung der Schweizer Softwareindustrie, trotz relativ hoher Budgets, kaum Ergebnisse gezeigt haben. Die Förderung der Softwareindustrie als Industrie ist eher als problematisch einzustufen, da gerade Software eine Anwendung im Unternehmen fordert. Deshalb sollte die Kombination von Software und Geschäftsproblemen im Zentrum der Förderanstrengungen stehen, nicht eine sowieso nur unscharf definierte Branche. Die beobachtbare Tendenz bei der Förderung von Methodenentwicklungen eher zurückhaltend zu sein, ist ebenfalls als kritisch einzustufen. Die Erfindung per se ist bei der hohen Qualifikation unserer Bevölkerung in der Regel das kleinere Problem. Schwieriger ist das Schaffen der Strukturen und das richtige Einschätzen des Umfelds, innerhalb dessen diese Invention aber Rahmenbedingungen, den Menschen zu befähigen, zur Wettbewerbsfähigkeit beizutragen. 13 Reich (1990), S. 54 sieht denn auch die Förderung der Nutzung von Fähigkeiten der einheimischen Bevölkerung als zentral an: „Indeed, American ownership of the corporation is profoundly less relevant to America´s economic future than the skills, training, and knowledge commanded by American workers – workers who are increasingly employed within the United States by foreign-owned corporations.“ 14 Vgl. auch Reich (1982), S. 79 für die USA: „As developing economies become capable of producing internationally traded goods more cheaply than the United States can, American Industries, having adjusted to changes in the world economy, would no longer be protected behind a network of tariffs and subsidies.“ 15 Die Ausführungen an dieser Stelle beziehen sich auf die Förderung der angewandten Forschung. Zur Förderung der Grundlagenforschung wird hier keine Stellung bezogen.
8.2 Beitrag zur Praxis
415
zur Innovation werden sollte. Reich stellt in den USA bereits 1986 die Forderung auf, nicht die Hoch-Technologie als Technologie zu fördern, sondern die Verbreitung dieser neuen Technologien zur Unterstützung der Basis-Industrien ins Zentrum der Anstrengungen zu stellen: „The challenge for us is not simply to move into high technology. The challenge is to get the high technology into our basic industries and thereby render them far more competitive. High Technology itself won´t generate the jobs. There aren´t enough jobs in high technology alone. You can´t eat high technology; you can´t sleep under it. High technologies are means, they are not ends.“ 16 Für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Industrie wird mehr und mehr das Gesamtangebot und zwar sowohl – wie in dieser Arbeit aufgezeigt – auf der Marktseite (Scope) wie auf der Ressourcenseite (Scale-Effekte) bedeutend werden. Die aufgezeigte Entwicklung in Richtung eines industriellen Imperialismus erfordert ein Umdenken in den Fördermechanismen. Wenn der Dienstleistungsanteil und das Gesamtangebot für die Differenzierung wichtiger werden als das Produkt, sollte dies in der Förderung mitberücksichtigt werden und zwar unabhängig von der Branche oder der Technologie. Das Setzen von Schwerpunktfeldern und Schwerpunktthemen 17 sollte zugunsten einer Förderung überzeugender Gesamtprojekte, die vor allem auch den Wandel reiferer und etablierter Industrien in neue Formen der Arbeitskoordination respektive die direkte Anwendung neuer Technologien in verschiedenen Kontexten zentral betrachten, aufgegeben werden. Die Industrie-Politik sollte zudem in der Politik und in der Wirtschaft breit abgestützt werden und völlige Transparenz über Entscheidungskriterien, Experten, etc. bieten. Es ist Reich zuzustimmen, dass Industrie-Politik eigentlich wenig mit Planung für die gesamte Volkswirtschaft zu tun hat. Industrie-Politik, richtig verstanden, sollte die individuellen Unternehmensstrategien unterstützen und die Anpassungsfähigkeit der Gesamtindustrie erhöhen.18 In einem globalen Kontext wird man sich ausserdem immer wieder mit protektionistischen Tendenzen auseinander zu setzen haben. Der Ruf nach Schutz der heimischen Industrie vor Produkten aus Ländern mit tieferen Produktionskosten durch prohibitiv wirkende Handelszölle oder Subventionen für die heimische Industrie ist nicht ungewöhnlich. Bereits 1986 stellte Reich für die USA z.B. fest, dass „A second (neben Reich (1986), S. 7. Die Förderagentur des Bundes, die KTI, definiert z.B. folgende Schwerpunkte: Life Sciences, Enabling Sciences, Nanotechnology and Microsystem Technology sowie Engineering (vgl. KTI 2003). 18 Vgl. Reich (1982), S. 79: „Industrial policy is emphatically not national planning but rather a process for making the economy more adaptable and dynamic.“ 16 17
416
8 Zusammenfassung und Ausblick
Kostenreduktionen) common business strategy is to join with politicians and unionized workers in trying to protect our industries from foreign traders. Protectionism is on the upswing.“ 19 Und auch wenn in jüngerer Vergangenheit vor allem in Zusammenhang mit der WTO solche Handelsbeschränkungen einklagbar sind, zeigen sich die Muster nach wie vor. Beispiel dafür sind die Kredite, die Frankreich nach zähem Ringen mit der EU, dem kriselnden Alstom-Konzern doch geben durfte oder die kurzzeitige Rettung des Bauunternehmens Philipp Holzmann durch das direkte Engagement des deutschen Bundeskanzlers und auch die erst nach der massiven Androhung von Gegenmassnahmen zurückgenommenen protektionistischen Massnahmen der USA zum Schutz der eigenen Stahlindustrie. Solche Massnahmen führen nicht zu einem Druck auf die Industrie sich zu verändern.20 Bestehende Modelle und Strategien bleiben in Kraft. Reich stellte zum Protektionismus bereits 1986 fest: „It´s designed to preserve the status quo, to keep what we had before. Protectionism doesn´t help. It´s like shooting our collective feet, because it drives up the costs of all the products that are protected.“ 21 Zusammenfassend sollten die Grundlagen einer Industrie-Politik so aussehen, dass: • Gesamtansätze i.S. von Integrationslösungen gefördert werden, unabhängig von Branche, Methoden oder Produktfokus, • Vorhaben gefördert werden, die dazu führen, dass die Fähigkeitenbasis in der Volkswirtschaft weiter gestärkt wird, • besondere Priorität darauf gelegt wird, dass „Zukunfts-Technologien“ in der direkten Anwendung zu Gunsten anderer Branchen gefördert werden, • eine vollständige Transparenz über Förderungskriterien hergestellt wird sowie • die Förderung unabhängig vom Träger beurteilt wird. Es sollte keine Rolle spielen, ob der Knowledge-Provider z.B. eine Fachhochschule oder eine Universität ist. Insbesondere deshalb, weil Industrie- nicht mit Hochschulpolitik vermischt werden sollte.
Reich (1986), S. 6. Reich (1982), S. 76: „Protectionism enables noncompetitive industries to avoid necessary restructuring.“ 21 Reich (1986), S. 7. 19 20
8.2 Beitrag zur Praxis
417
8.2.3 Beitrag zur Theorie Der Beitrag zur Theorie ist insbesondere in der umfassenden Integration von Fragen des Technologie- und Produktionsmanagements in Fragestellungen der allgemeinen Unternehmensführung zu sehen. Die Verwendung von Partialmodellen wurde dabei bewusst als Lösung ausgeschlossen. Damit wird der zunehmenden Bedeutung dieser Fragestellungen in einer immer technologischer werdenden Welt Rechnung getragen. Das Resultat der Arbeit, das Raster „strategisches Produktionsmanagement“ schliesslich, ist als theoretisch fundiertes Mid-Range-Konstrukt eine wichtige Erweiterung von Ansätzen, die bis anhin für produzierende Unternehmen zur Verfügung standen. Wie aufgezeigt wurde, ist es nicht üblich, dass Fragen des Produktionsmanagements auf Ebene der Gesamtstrategiefindung diskutiert werden. Als Drittes schliesslich wurde in dieser Arbeit der St. Galler Management-Konzept-Ansatz von Bleicher auch in der angelsächsischen Literatur fundiert und bezogen auf das Objekt „produzierendes Unternehmen“ konkretisiert.
Anhang
Zur besseren Einordnung werden die in Abschn. 1.6 aufgeführten Projekte, Befragungen und Interviews sowie Arbeitskreise, die Input für die vorliegende Arbeit geleistet haben, nach einem einheitlichen Schema kurz beschrieben. Unter Forschungsprojekten werden dabei Aktivitäten des ITEM-HSG verstanden, die zum Ziel hatten, in individueller Zusammenarbeit mit ausgewählten Industrie-Partnern Know-how zu vorher definierten Themen zu erarbeiten. Die Themen wurden dabei vom ITEM-HSG vorgeschlagen. Es handelt sich deshalb, auch wenn oft durch die Industrie finanziert, nicht um Auftragsforschung. Arbeitskreise dienen der weiteren Verifikation und Verbreitung von in Forschungsprojekten erarbeiteten Resultaten. Die Zusammenarbeitsform ist dabei keine voll individualisierte mehr. Die Diskussion von Ansätzen findet unter Teilnahme aller Unternehmen statt.
Forschungsprojekte Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate:
Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
1 MOTION (Model for Transforming, Identifying and Optimizing Core Processes) Entwicklung einer europäischen Reengineering-Methode GPS GmbH (DE), BMW AG, (DE), IBM (UK), Fatronic System (ES), Luca Varity (DE), Zayer (ES) Entwicklung und Test eines integrierten ganzheitlichen Vorgehens zur prozessorientierten Reorganisation. Ausgehend von der Strategie(überprüfung) endend mit den implementierten Sollprozessen 01/1995–12/1998 Kapitel 6, Prozess(re-)organisation
420
Anhang
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen:
Wichtigste Resultate:
Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate:
Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate:
Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
2 Teleflow (Telematics supported workflow analysis and business process enhancement) Entwicklung einer Methode und eines Tool-Sets zur Unterstützung globaler Value Chains rechtlich unabhängiger Unternehmen GPS Schuh&Co. GmbH, Siemens Nixdorf Informationssysteme AG, Huber+Suhner AG, Danzas, Intracom S.A., ATM Computer GmbH, TRD International S.A. Architektur und Software zur Unterstützung von Value Chains. Verständnis für dynamische Umfelder und virtuelle Unternehmen. Management globaler Produktionsnetzwerke 1997–2000 Kapitel 6, Produktionsnetzwerke Kapitel 7, Kooperationsmanagement 3 VF (Virtuelle Fabrik) Entwicklung eines Konzeptes für die Virtuelle Fabrik Euregio Bodensee 30 Konzept VF, Pilotversuch Euregio Bodensee (bis heute), VF Satelliten in Deutschland und der Schweiz, Verständnis für virtuelle Unternehmen und Unternehmenskooperationen inklusive „Soft Factors“ 1995–1998 Kapitel 4.2, Virtuelle Fabrik Kapitel 7, Kooperationsmanagement 4 ApoKop (Apotheken Kooperation) Entwicklung eines Konzeptes zur Zusammenarbeit zwischen zehn unabhängigen Apotheken in Österreich 10 Kooperationsplattform inklusive Strategie für die zukünftige Entwicklung, vertiefteres Verständnis für Aspekte der überbetrieblichen Zusammenarbeit 2001–2003 (Verlängerung 2004) Kapitel 7, Kooperationsmanagement
Forschungsprojekte Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate:
Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
421
5 C-Commerce (Collaborative Commerce) Entwicklung neuer überbetrieblicher Zusammenarbeitsmodelle unter Berücksichtigung elektronischer Marktplätze Rehau, Weidmann, Acutronic, Rockwell Automation Kooperationsmanagement-Methode, Verfeinerung und unternehmensindividuelle Anpassung verschiedenster Unternehmens- und Umfeldanalyse-Tools 2001–2003 Kapitel 6, Methoden in den Entwicklungspfaden Kapitel 7, Kooperationsmanagement
6 SAG (Swiss Aerostructures Group) Entwicklung einer organisatorischen Kooperationsplattform für Unternehmen der Schweizer Flugzeugzulieferindustrie Alu Menziken, RUAG Aerospace, Mecaplex, Farner Implementiertes Organisationskonzept, Verständnis für die Komplexität von Kooperationen 1999–2000 Kapitel 7, Kooperationsmanagement
7 Strategie Supply AG Entwicklung neuer Missionen und Strategien für die Supply AG 1 Missionen und Strategien für vier Teilbereiche und das Gesamtunternehmen, neue Organisationsstruktur, neue mittelfristige Planung 06/2002–06/2003 Kapitel 6, Entwicklungspfade (insbesondere auch Strategie-Audit)
422
Anhang
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate:
Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
8 Textil AG Neu-Positionierung der Textil AG, Analyse bestehender und Modellierung neuer Prozesse, Einführung eines neuen ERP-Systems 1 Flexibilisierungsstrategie, neue Prozessarchitektur, Auswahl und Einführungsplan ERP-System 2001–2003 (Fortsetzung 2004) Kapitel 2, Strategische Flexibilität Kapitel 6, Entwicklungspfade (insbesondere Strategie-Audit und Prozessmanagement)
9 SCOPE (Strategische Innovationsplanung bei Diskontinuitäten) Strategieplanung und Positionierung in sich rasch verändernden Umfeldern Franke, Micronas, RUAG Aerospace, Lista Methodenset zur Positionierung inklusive Review-Instrumenten 2000–2002 Kapitel 2, Strategische Flexibilität Kapitel 6, Entwicklungspfade (insbesondere Strategie-Audit, Kernkompetenzbestimmung, Potenzialbeurteilung)
10 ZOOM (Zielkostenorientierte Leistungssystemkonfiguration im Werkzeugmaschinenbau) Entwicklung innovativer Leistungssysteme, Target Costing für ein Leistungssystem (Produktund Dienstleistungen) Feintool AG, Strausak AG, W. Schneeberger AG Methodenset zum Management von Leistungssystemen, Sensibilisierung für die Bedeutung von Dienstleistungen, Kostenmanagement für ein Leistungssystem 1996–1997 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
Forschungsprojekte Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
423
11 CINDI (Controlling industrieller Dienstleistungen) Entwicklung einer Methode für das Controlling von Dienstleistungen Rieter Maschinenfabrik AG, Wärtsilää NSD, Agie Charmilles Methodenhandbuch zum Controlling industrieller Dienstleistungen 1998–1999 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
12 DESIGN (Industrielle Dienstleistungsentwicklung und -gestaltung) Entwicklungsmethode für industrielle Dienstleistungen angelehnt an die Produktentwicklung Mikron SA, Tetra Pak, Bächli AG, Stäubli AG, Wiftech AG, Bühler AG, Feintool AG, StarragHeckert Überprüfte Entwicklungsmethode von der Idee bis zur Implementierung im Markt 2000–2001 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
13 KID (Kommerzialisierung industrieller Dienstleistungen) Erhöhung der Verrechenbarkeit industrieller Dienstleistungen durch integriertes Vorgehen Mikron SA, Roche Diagnostics, Unaxis, Zumtobel Staff, Elcoteq, Hunkeler, Wiftech AG Methodenset von der Kostenbestimmung über die Erarbeitung von Verrechnungsmodellen bis zur internen und externen Kommunikation 2001–2002 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
424
Anhang
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
14 Fit for Service Entwicklung, Anwendung und Überprüfung eines integrierten Methodensets für den Ausbau des Dienstleistungsmanagements Zumtobel Staff, Unaxis, Swisscom Enterprise Solutions, Thyssen Aufzüge, Axpo, Wiltronic (Escatec), Hilti Entwicklung von Pfaden auf dem Weg vom Produzenten zum produzierenden Dienstleister 2002–2003 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
Befragungen und Konsortial-Benchmarking-Projekte Nr.: Name: Ziel: Befragte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Experten: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
15 Verlagerung, Rückverlagerung Vorbereitung einer grösseren Befragung zu Verlagerungs-, Rückverlagerungsaktivitäten produzierender Unternehmen Arbonia Forster Group, Model Group, Stadler Rail Group, Varta Microbattery GmbH Zunehmende Rückverlagerungsaktivitäten, kritischere Beurteilung der Verlagerungsoptionen mit Blick auf abnehmende Flexibilität 2002 (Fortsetzung mit gross angelegter Befragung 2004 in Zusammenarbeit mit Roland Berger) Kapitel 2, Strategische Flexibilität Kapitel 6, Entwicklungspfade (insbesondere globale Produktionsnetzwerke)
16 X-Form (Expertengespräche) Vorbereitung eines Projektes zur Top-Down Virtualisierung von Grossunternehmen 12 (Verwaltung, Management, Industrie) Relativierung/Grenzen der Virtualität 1997 Kapitel 1 und 2, Umfeld der Unternehmen Kapitel 7, Kooperationsmanagement
Arbeitskreise
425
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
17 Befragung Zulieferindustrie CH Analyse Ist-Situation, Zukunftsaussichten 337 „Zustand“ der Zulieferindustrie 2002 Kapitel 1 und 2, Umfeld der Unternehmen Kapitel 7, Kooperationsmanagement
Nr.: Name:
18 Konsortialbenchmarking-Projekt KID „Kommerzialisierung industrieller Dienstleistungen“ Identifikation und Beschreibung von Best Practice Unternehmen in diesem Bereich 42 ausgewertete Fragebogen, Besuch und Beschreibung von fünf Unternehmen (MettlerToledo, SAP, Ericsson, Heidelberg Druckmaschinen AG, Deutsche Post Fulfilment GmbH) Ansatz für integriertes Dienstleistungsmanagement 2002 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
Ziel: Beteiligte Unternehmen:
Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen:
Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
19 Konsortialbenchmarking-Projekt KEMA „Kooperationen erfolgreich managen“ Identifikation und Beschreibung von Best Practice Unternehmen in diesem Bereich 38 ausgewertete Fragebogen, Besuch und Beschreibung von fünf Unternehmen (UMC, Bayer AG, Software AG, BMW, Hewlett Packard GmbH) Erkenntnisse zu Verbreitung und Professionalisierungsgrad des Kooperationsmanagements 2003 Kapitel 7, Kooperationsmanagement
426
Anhang
Arbeitskreise Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
Nr.: Name: Ziel: Beteiligte Unternehmen: Wichtigste Resultate: Laufzeit von/bis: Eingeflossen in:
20 Arbeitskreis DESIGN Multiplikation und Überprüfung der Ergebnisse aus dem gleich lautenden Forschungsprojekt (Nr. 12) Ascom Autelca, ABB, Pantec, Unaxis, Rieter, Sinomec Bestätigung und Ergänzung der Resultate aus dem gleichnamigen Forschungsprojekt 2000 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
21 Arbeitskreis KID Multiplikation und Überprüfung der Ergebnisse aus dem gleich lautenden Forschungsprojekt (Nr. 13) Gallus Ferd. Rüesch AG, Endress+Hauser Flowtech AG, Siemens Building Technologies AG, SIG Pack Systems AG Bestätigung und Ergänzung der Resultate aus dem gleichnamigen Forschungsprojekt 2001–2002 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
22 Arbeitskreis Fit for Service Multiplikation und Überprüfung der Ergebnisse aus dem gleich lautenden Forschungsprojekt (Nr. 14) SFS Locher, Lurgi TPS AG, Landert Motoren AG, Distec, Pitec, Ammeral Beltech, Sarna, Bamotech, Tormax Bestätigung und Ergänzung der Resultate aus dem gleichnamigen Forschungsprojekt 2003 Kapitel 7, Dienstleistungsmanagement
Literaturverzeichnis
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Sachverzeichnis
adaptive Systeme 92 agiles Manufacturing 152 antizipative Positionierung 157 Arbeitsteilung 143 Auslandproduktionsstandorte 280 Bauteile 144 Benchmarking 304 CAD 255 CAM 255 Contributor Factory 281 Dienstleistungsentwicklungsmethode 349 Dienstleistungsentwicklungsprozess 350 Dienstleistungsmanagement 327, 331, 338 DL-Prozess Kalender 264 Dual Ladder System 300 economic contract 389 Edge of Chaos 96 eklektische Theorie 101 Entwicklungsprojekte 310 Entwicklungsteams 317 Euregio Bodensee 174 Fertigungsbreite 269 Fertigungstechnologien 255 Fertigungstiefe 269 Fixkostenproblematik 16
Flexibilität(s) 123, 154 – -arten 126, 159 – Bezugsrahmen 135 – Koordinations- 134 – Ressourcen- 128 – Unternehmens- 128 Fliessband 144 FMS 255 Ford T 144 Fraktal 169 fraktale Fabrik 169 – Prinzipien und Methoden 170 Fuzzy Front End 244 globale Produktionsnetzwerke 271 Grobkonzepte 355 Hard Customization 151 House of Quality 247 Human Resources 222, 319 Ideen-Bewertung 355 industrielle Dienstleistung 335 industrielle Revolution – erste 137 – zweite 140 – dritte 140 industrieller Imperialismus 271 Industrie-Politik 414 Innovation Roadmap 262 Innovationsmanagement 244, 307, 309 integriertes Qualitätsmanagement 252
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Sachverzeichnis
Jones 145 Kano-Modell 209 Kapazitätsaufträge 184 Kapazitätsmanagement 216 Kernkompetenzansatz 54 Kommunikation 322 Kompetenzauftrag 184 Kompetenzmanagement 216 Komplexitätsmanagement 249 Kontingenz-Ansätze 74 Kooperation – Besonderheiten 324 Kooperationsart 364 Kooperationsmanagement 323, 360 – Konflikte 380 – Lösungsansätze 382 Kooperationspotenziale 232 Kooperationsrahmen 390 kooperierender Produzent 383 Kreislaufkonzept nach Hilb 295 kundenunterstützende Dienstleistung 340 Lead Factory 281 Lean Manufacturing 145 Lean Thinking 147 Learning Organisation 303 Leistungsumfang 208 Management Navigator 67 Managementrollen 178 Mass Customization 148 Mass Innovation 152 Massenproduktion(s) 142 – -paradigma 143 mobile Fabrik 187 Nutzenpotenziale 61 Offshore Factory 280 ökonomische Ansätze 76 operative Allianz 395 Outpost Factory 281 Paradigma der Produktion 413
Paradigmen im Wandel 156 partizipative Prozessanalyse 284 PARTS-Analyse 266 Personalbeurteilung 297 Personalmanagement 294 – für Techniker 298 Planungs- und Führungsprozess 240 Plattformkonzepte 152 Portfoliomanagement 311 Positionierungsdefizit 15 postmoderne Fabrik 189 potenzialorientiertes Management 60 Prinzipal Agent Theorie 79 Produktentwicklung 245 produzierende Dienstleister 349 produzierende Unternehmen 106 – Charakteristika 20 – Spannungsfelder 110 – Umfeld 15 Projektdefinition 313 Projektmarketing 290 Prozessorientierung 283 Prozessportfolio 286 Prozessstrategien 286 Punctuated Equilibrium 95 Quality Function Deployment (QFD) 246 relationale Perspektive 55 Ressourcen 212 Roadmapping 261 Roos 145 Scientific Management 144 Server Factory 280 social contract 392 Soft Customization 151 Source Factory 280 Spieltheorie 80 St.Galler Management Konzept 91 stabile Plattform 176 Stage-Gate Prozess 318, 315 Standortplanung 277 Strategie-Audit 234
Sachverzeichnis Strategische Erfolgspositionen (SEP) 61 strategisches Management 51 strategisches Produktionsmanagement 105, 205 – Gestaltungsfelder 205 – Konzept 199 Strukturationstheorie 85 Systemtheorie 88 Team – autonomes 316 – hochkarätig 316 – niedrigkarätig 316 – -struktur 315
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Technologie-Portfolio 264 Trade-offs 18 Transaktionskostentheorie 77 Variant Mode and Effects Analysis (VMEA) 250 Variantenmanagement 250 verteilte Produktion 279 Virtualität 171 virtuelle Fabrik 171 – Konzeptbausteine 175 Wandel 44 Womack 145