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a& tnteXes&ant i&t... greifen die Autoren der Lux-Lesehogen auf. Dichter, Geschichtsforscher, Kunstgelehrte, Weltreisende, Geographen, Botaniker, Zoologen, Physiker und Astronomen berichten in lebendigem Plauderton aus ihren Wissensbereichen. Jeder Lesebogen ersetzt ein ganzes Buch; gesammelt sind die bunten Hefte eine kleine Bibliothek. Wer seine Lux-Lesebogen-Sammlung ergänzen möchte, bestelle, was ihm noch fehlt. Die unten genannten Nummern sind noch in begrenzter Zahl lieferbar. Kunst: 71 Das Land Sibir 34 Film (Technik des Ateliers) 73 Roald Amundsen 44 Dome der Gotik Naturkunde: 49 Moderne Kunst 55/56 Beim Herrn Geheimrat 35 Der Pilzsammler 58 Michelangelo 45 Augen auf! 61 Gemälde 47 Das überlistete Tier 72 Wilhelm Leibl 52 Tier-Riesen der Urzeit 53 Das verwandelte Tier Aus der Geschichte: 57 Tiervölker wandern 62 über Wald und Heide 40 1648: Und es ward Friede 63 Ringvogel B 32521 50 Pompeji 70 Tierleben (A Brehm) 51 Cortez — der weiße Gott 74 Hydra 54 Im Tal der Konige 59 Jäger der Urzeit Physik und Technik: 66 Der Prozeß Sokrates 41 Der brennende Stein Erd- und Länderkunde: 42 Vom Tretrad zur Turbine 46 Helium — der Sonnenstoff 39 Wüste oder Paradies? 48 Luftgaukler 43 Der sechste Erdteil 60 Meteore 65 Nordost-Passage 67 Im Reich der Höhlen 64 Weltraum-Raketen 69 Japan 68 Triumphe der Forschung Wenden Sie sich an Ihren Buchhändler oder schreiben Sie an den Verlag, welche Nummern wir Ihnen zuschicken sollen. Jedes Heft kostet 20 Pfennig. Werden Sie Dauerbezieher der Lux-Lesebogenl Die Hefte können in jeder guten Buchhandlung bestellt oder wie eine Zeitschrift durch die Post bezogen werden. Bei Postbezug bringt der Briefträger Ihnen die Lesebogen alle 14 Tage in einem Sonderumschlag ins Haus.
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU / MÜNCHEN
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDL-ICHE
HEFTE
Pflanzenwunder der Tropen von FRIEDRICH MORTON
I N H A L T D E S
H E F T E S
75
Laboratorium am Urwaldrand — Lianen — Urwaldriesen — Würger im Urwald Blick nach oben — Der Urwald fliegt — Die Welt der Urwaldfarne — Seltsame Urwaldbewohner — Mimosen - Rätsel
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Manni
Digitally signed by Manni DN: cn=Manni, c=US Date: 2006.05.01 16:09:39 +01'00'
VERLAG SEBASTIAN LUX - MURNAU/MÜNCHEN
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Laboratorium am Urwaldrand
A J i e Rancheria P a l o G o r d o , die kleine Indiosiedlung, liegt in dem glühend heißen, dampferfüllten Tieflande, das sich zwischen die donnernde Brandung des Pazifiks und die mittelamerikanische Vulkankette einschaltet. Wo der Urwald gefallen ist, breiten sich Plantagen aus. Endlose Zuckerrohrfelder und Kaffeekulturen unter Urwaldbäumen oder angepflanzten Schattenspendern, endlose Potreros, eingezäunte Weideländer. In mächtigen Wellen brandet der Kaffee an den Vulkanketten empor, steigt in Höhen hinauf, die ihm köstlichstes Aroma verleihen und Schattenbäume überflüssig machen. Dann folgen Wälder, in denen der Quetzalvogel sein geheimnisvolles Dasein führt, in denen Orchideen und Farne auf den Bäumen sitzen. Zwischen den Kulturen liegen noch immer breite Urwaldgürtel. Sie sind natürlich auch dem Tode geweiht. Viel Unbekanntes, Unerforschtes wird mit ihnen von der Erde verschwinden. Die Vernichtung hat bessere Flügel als die Wissenschaft . . . Mitten unter Kokospalmen steht das Haus der Plantage. Wenn ich hinausblicke, sehe ich die „Kokos" in langer Reihe zu den Hütten der Indios hinüberziehen. Gleich in der ersten Nacht weckte mich lautes Gekrache. Kokosnüsse waren es, die heruntergefallen und geplatzt waren. Abends ließen sich die „Zopes", die Aasgeier, auf ihnen nieder und bildeten schwarze Schattenrisse vor dem verglimmenden Himmel. Sie gehören unbedingt zum Bilde der amerikanischen Tropen! Bald plagen sie sich mit einer Koko ab, bald ziehen sie weite Kreise, bald tun sie sich an einer Kuh gütlich, die ein Opfer des Potrero wurde. Orangen- und Zitronenbäumchen schicken ihre blühenden Zweige fast ins Arbeitszimmer hinein, und Kolibris sausen und 2
schwirren hin und her. Abutilon- und Malvaviscus-Sträucher schließen sich an und stellen die Verbindung zu hohen Königspalmen her, die einen Springbrunnen umgeben, in dessen Becken jene Eichhornia crassipes schwimmt, deren Blüten so schön sind, und die in manchen Flüssen durch Massenvegetation zu einer Plage wurde. Ein hohes Bambusgebüsch habe ich auch, und dann schließt schon ein Urwaldstreiien an und leitet über zu einem großen Areal, in dem ich meine Forschungen vornehmen kann. Auf dem mächtigen Cedrela-Tische, der für mich gemacht wurde, breite ich mich aus. Er wird bald viel zu klein! Denn jeder Tag bringt neue Schätze, die der Untersuchung harren. Das Mikroskop steht da, daneben liegen die Reagenzien, um die wichtigsten Färbungen der Rasiermesserschnitte durchzuführen. Die photographische Ausrüstung, die Berge von verzinnten Blechschachteln, in denen die Platten der mörderischen Feuchtigkeit mit Erfolg trotzen, Holzproben lagern auf dem Tisch und verschiedene Früchte. In Gläsern und Bambustöpfchen habe ich Orchideenblüten. In Ampeln hängen Farne und Orchideen. Das eine „Fenster", es hat an Stelle des Glases ein feines Drahtnetz, geht nach Norden. Es zeigt mir einen großen Ausschnitt der Vulkankette. Wenn ich vor fünf Uhr zurück bin, kann ich von hier aus das Hinaufeilen der nächtlichen Schatten und das letzte Glühen der Hochgipfel verfolgen. Etwas später bietet sich fast alltäglich ein anderes Schauspiel. Ein kleiner, ziemlich naher Vulkan kocht in seiner Esse unermüdlich seine Lava. Eine Wolke schwebt wie eine Scheibe über ihm im Luftmeer. Nachts wird sie von unten durch den Feuerschlund beleuchtet. Ein Bild, an das ich immer wieder denken muß1 So sieht mein kleines Tropenlaboratorium aus. Hier entwickle ich mit Flüssigkeiten, die immer in Eis nachgekühlt werden müssen, die aufgenommenen Platten. Hier lege ich die im Urwald gesammelten Pflanzen ein, die bei Tag über der Feuerstelle der Küche geräuchert werden, weil sie sonst verschimmeln würden. Hier schreibe ich an den Tagebüchern und verschiedenen Berichten. Hier zerbreche ich mir den Kopf über die zahllosen Rätsel, die mir der Urwald täglich aufgibt. In diesem Räume lerne ich das Wüten des Malaria- und Zeckenfiebers kennen. Hier verwachse ich mit dem Urwalde, den ich auch in den schlimmsten Augenblicken nie fürchtete, der für mich immer eine Hochburg der Pflanzenwelt und die größte 3
Offenbarung der Natur war. Die Orangenblüten senden betäubenden Duft herein. Viele Pflanzen, die ich jetzt bei Nacht gar nicht sehen kann, die ich nur ahne, gesellen sich dazu. So j umgeben mich die Tropen mit glühenden Farben und betören- j den Gerüchen, so schlagen sie mich ganz in ihren Bann! ; Lianen Mein erster Urwaldtag wird mir für immer unvergeßlich bleiben! Ich kam von den Altos, dem Hochlande, hatte die Wasserscheide zwischen dem Atlantik und Pazifik überwunden und fuhr nun den Niederungen am Stillen Weltmeere zu. Die „Ferrocarriles Internationales de Centro America en Guatemala y el Salvador" gehören unzweifelhaft zu den schönsten Bahnen der ganzen Welt. Zur Rechten erheben sich die hohen Vulkanberge der mittelamerikanischen Kordillere, der Amatitlan mit seinem gleichnamigen See, der Agua, der Fuego. Tief, ganz tief unten liegt die glühende, kochende Tierra caliente mit ihren Wäldern und Kulturen, Indianerhütten und unerforschten Stätten vorkolumbianischer Tempelbezirke. Am fernen Horizonte blitzt es auf. Dort ist der Pazifik, das endlose Weltmeer! Nach mehrtägigem Ritt durch Bananen- und Zuckerrohrkulturen war ich schließlich auf einer entlegenen Plantage gelandet. Große Flächen hatte sie bereits dem Urwalde entrissen, Flecken mit schwelenden Baumleichen, mit glühender Asche, mit würgender Glut. Aber rings herum standen noch die Wälder, das Ziel meiner Lebenssehnsucht. Gleich am nächsten Morgen zog ich los. Ein Indio ging mit, um mir die wichtigsten Pfade zu zeigen. Da stand ich nun unter den hohen Bäumen, hilflos wie ein Kind. Große und kleinere Bäume gab es, junge und alte, Bäume, die in ihren Ausmaßen unseren entsprachen, und Riesen, die mich an die Vorwelt erinnerten. Ein ganzer Regen von Tauen und Seilen, von dicken und dünnen, von geraden und gedrehten, von einfachen und solchen, die sich gegenseitig mit wilder Kraft umwunden hatten, kam von der Höhe herab. Was war das nun alles? Ich konnte weder das Laub dieser Gewächse noch Blüten oder Früchte wahrnehmen. Ich begann an den Tauen zu ziehen wie an einem Glockenstrange. Doch die Taue gaben elastisch nach. In den Kronen begann es zu 4
Querschnitt durch den Stamm einer Liane: Mehr als 35 Einzelstrange vereinigen sich zu einem zugiesten Lianenseil, das stärkster Beanspruchung gewachsen ist. Die Zeichnung zeigt die natürliche Größe, schwingen. Blätter wirbelten herab, und bissige Ameisen folgten nach. A n d e r e Lianen w i e d e r zerrten an Hemd u n d Hose, rissen Fetzen h e r a u s . N e b e n glatten Stämmen sah ich Stämme mit starker Flügelborkenbildung. Es w a r eine Fülle, so verwirrend, so schwer zu enträtseln, daß mir der Mut zu sinken begann. Aber langsam klärt sich die Sachlage. Da läßt sich, eine Aftenleiter benützen, ich klimme u n d klettere empor und sehe, wie die Liane oben aussieht. Dort holt mir ein Indio etw a s herunter. Bald lerne ich es, aus der Beschaffenheit der Lianentaue zu erkennen, um welche Arten es sich handelt. Im kleinen Tropenlaboratorium tritt das Rasiermesser in Tätigkeit und verhilft mir zu mikroskopischen Handschnitten, die Aufschluß geben über den Bau des Lianenholzkörpers. So rundet sich allmählich das Bild dieser eigentümlichen Gewächse, ohne die wir u n s einen Urwald nicht vorstellen können und die u n s in schönster W e i s e den w ü t e n d e n Kampf ums Dasein, die Jagd nach Licht und Raum vor Augen führen. 5
Da sehe ich die Gouania, eine Liane aus der Familie dtu Rhamaceen, die auch in Europa durch verschiedene Arten« vertreten ist. Bei uns sind es Sträucher. Die Gouania ist aber] eine echte Liane. Ein Stück ihres Stammes liegt jetzt vor mirj auf dem Arbeitstische. Es sieht bei flüchtiger Betrachtung graul und runzelig, verwittert und uralt aus. Aber die Wirklichkeit1 ist wesentlich anders! Der Stammquerschnitt, der ungefähr* die Ausmaße 8 X 4^ cm besitzt, enthüllt uns auf den e r s t e n Blick den w e s e n t l i c h e n Unterschied zwischen dem Stamm einer solchen Liane und dem eines im Boden fest verankerten Baumes (s. Abb. S. 5). Der Baumstamm besteht aus einem e i n h e i t l i c h e n Holzkörper, der nach außen hin vom Kambium eingefaßt wird, jenem „Lebensring", der Jahr für Jahr immer neues Leben gebiert und in unserem Klima durch die regelmäßige Aufeinanderfolge von Frühjahrs- und Herbstholz zu der allgemein bekannten Erscheinung der Jahresringe führt. So wird Jahr für Jahr, und wenn es Hunderte von Jahren sein sollten, ein Ring um den anderen gelegt, und der Holzkörper wird immer mächtiger und stärker. Der Kambium- oder Verdickungsring wandert immer mehr nach außen, je größer der Durchmesser des Holzkörpers wird. Nach außen hin erzeugt er den Bast, der an Stärke weit hinter der des Holzes zurückbleibt. Ganz anders ist es hier! Ich zähle im Querschnitt der Gouania-Liane — es könnte ebensogut auch eine andere sein — nicht weniger als f ü n f u n d d r e i ß i g E i n z e l e l e m e n t e , die zu dem unregelmäßigen, fast bandartigen Gebilde der ganzen Liane zusammengeschlossen sind. J e d e s dieser Elemente besitzt seinen eigenen Holzteil, seinen eigenen Bast, ist also wie 'ein Stamm für sich gebaut. Der Holzteil läßt große Wassergefäße erkennen, die eine innere Lichte von 0,25 mm aufweisen. Besonders große Gefäße sind sogar durch Querstücke in zwei oder mehrere Teile untergeteilt. Neben und zwischen diesen weiten Röhren befinden sich in großer Zahl Zellen, deren Wände so stark verdickt sind, daß der Hohlraum, das Lumen der Zelle, verschwindend klein wird. Diese Zellen haben im Querschnitt eine Stärke von 0,025 mm. Sie bilden geradezu Mauern und sind die Ziegel, die Hauptträger des technischen Wunderwerkes. Der Bast ist verhältnismäßig stark entwickelt. Auch in seinem Bereiche liegen stark verdickte Zellen mit engem. Lu6
men (Hohlraum), die dieselbe Aufgabe zu erfüllen haben wie i ihre Kolleginnen im Holzteil des Stammes. Es ist ein entzückendes Bild im Mikroskop, das die Hauptaufgaben des Einzelstammes veranschaulicht: Festigkeit, Wasserleitung und Leitung der Nährstoffe. Zwischen bestimmten Zellen finden sich zahllose Verbindungswege, die Poren und Hoftüpfel, die dem Stoffaustausch dienen. Die Leitung von Nährstoffen muß ja in jedem Stamme vorhanden sein. So ein E i n z e l s t a m m hat einen Durchmesser von 3 bis 20 mm. Die herabbaumelnde Liane besteht, wie bereits erwähnt, aus einer großen Zahl solcher Einzelstämmchen, die zusammen eine E i n h e i t bilden. Da sind wir nun bei dem grundlegenden Unterschiede zwischen dem gewöhnlichen, „auf sich selbst gestellten" Stamm und einer solchen Liane angelangt. Die Lianen hängen oft 10 bis 20 m frei herab. Der Lianenstamm, der irgendwo hoch oben über einen Baumast läuft, muß s e i n e e i g e n e L a s t t r a g e n und bekommt den Z u g des Eigengewichtes zu spüren. Wie oft kommt es vor, daß eine Liane oben abrutscht und hinabsinkt, daß unten, auf,dem Boden, ganze Schlangenwindungen, einem unordentlich übereinander gelegten Seile gleichend, liegen! Die Inanspruchnahme auf Zug und Biegungsfestigkeit ist sehr groß. Dort, wo der Wind hinkommt, wie z. B. in Flußtälern, verstärkt sich diese Inanspruchnahme noch wesentlich. Die Natur führt uns hier die technische Grundlage des ^ K l e t t e r s e i l e s oder Seiles überhaupt vor Augen. Auch ein Seil besteht nicht aus einer einheitlichen Masse, sondern aus vielen, miteinander verbundenen Strängen oder Litzen. Die Natur hat uns diesen Weg vorgezeigt. Sie löst den einheitlichen Stamm in eine Anzahl von Einzelstämmchen auf. Sie ! entwickelt mehrere oder zahlreiche Verdickungsringe, so daß eben verschiedene Einzelkörper entstehen, die dann miteinander verbunden werden. Bei vielen Lianen ist der Stamm auch dort, wo er sich nicht um einen anderen windet, t o r d i e r t , gedreht, veranschaulicht also das tordierte Seilprinzip. Während bei der Gouania und vielen anderen Lianen an verschiedenen Stellen Kambium entsteht und dadurch verschiedene Einzelstämmchen gebildet werden, schlagen andere 7
Lianen eigene Wege ein. Zuerst ist ein in sich geschlossener Verdickungs- oder Kambiumring vorhanden. Dieser bildet einen ungefähr kreisrunden Holzkörper mit rings herumlaufendem Bastseile aus. Dann stellt dieser Ring z. B. an vier kreuzweise gelagerten Stellen die Holzbildung ein. Der Bastteil aber wächst an diesen Stellen in erhöhtem Maße. Schließlich kommt ein Bild zustande, das einen zentralen, noch einheitlichen Holzkörper zeigt, in den von außen an vier Stellen Bast eindringt und so den Holzteil in vier Teile teilt. Es brauchen aber nicht nur vier solche Stellen zu sein. Der Bast kann an " zahlreichen Stellen zwischen den Holzteil eingeschoben werden und ihn zerteilen. Bei einer Liane fand ich einen zentralen Hauptring. Er hatte ein kleines Stämmchen gebildet. Um diesen Ring ordneten sich nun drei neue Zuwachsstellen ian, die um je 120 Grad voreinander entfernt waren. So entstanden an drei Stellen kleine Stämmchen, die mit dem zentralen durch eine Rinde verbunden waren. Es ist nicht nötig,- weitere Einzelheiten mitzuteilen. Aullösung eines einheitlichen Stammes in viele Einzelbestandteile, Einschiebung von Bastelementen in den Holzteil, Abwechseln von Holz und Bast, das sind die Grundlagen, auf denen der Lianenstamm aufgebaut ist, die die Liane befähigen, auch höchsten Anforderungen gerecht zu werden. Drückend schwül ist es im Walde. Kein Hauch regt sich, kein Laut ist zu hören. Seit vielen Stunden bin ich mit dem Indio Miguel unterwegs; der Durst wird immer größer. Wasser gäbe es freilich in Hülle und Fülle. Mehrmals haben wir bereits den Rio Palo Gordo überquert. Doch wäre es nicht rat-.., sam, aus ihm zu trinken. Allzu viele Siedlungen liegen an seinem Wege und beladen ihn mit ihrem Unrat. Furchtbare Tropenkrankheiten lauern in dem lauen Wasser und fallen besonders über den Europäer her. Miguel geht auf die Suche. Nach kurzer Zeit findet er eine Liane, deren Stamm 3 bis 4 cm stark ist und von irgendwo zu uns herunterkommt. Er nimmt sein Buschmesser und kappt die Liane knapp über dem Boden ab. Dann packt er sie ganz hoch oben, zieht den federnden Strang an sich und weist mich an, sofort nach dem zweiten Hieb die Liane zu fassen und an den Mund zu führen. Nun halte ich das ungefähr lVs m lange Stück und führe rasch das untere Ende zum Munde. Gleich darauf beginnt auch schon ein köstliches Naß 8
herauszuströmen, das kühl und erfrischend ist und eine Labsal darstellt. Quelle im Urwald! Wie wenige Reisende wissen davon, wie viele hätten sich auf diese Weise von quälendem Durste befreien können! Viele Lianen gehören zu jenen Gewächsen, die sehr l a n g e G e f ä ß e besitzen. Bekannt sind z. B, die weit über meterlangen Gefäße des „spanischen Rohres", bei denen durch Hineinblasen die Gefäßlänge vor Augen geführt werden kann. Hier füllt die Natur die Gefäße mit Wasser, das bei einem Schnitt oben und unten zu fließen beginnt und völlig keimfrei ist. So geht es im bunten Wechsel weiter. Ich begegne einer Aristolochia-Liane, bei der das Holz des Stammes unter einer mächtigen Flügelborke verschwunden ist und bei der die Blüten aus dem Stamme hervortreten. Ich komme zu Lianen, wo zwei, drei Stämme derselben Art sich derart fest umwinden, daß der stärkste Mann sie nicht auseinanderlösen könnte. Mit unheimlicher Gewalt hat sich Bruder um Bruder geschlungen, hat sich in sein Fleisch hineingedreht, so daß tiefe Male entstanden. Plötzlich springt einer der Teilnehmer eine Strecke weit aus und kommt erst höher oben wieder zu dem anderen dazu, so daß ein Henkel entsteht, an dem sich prächtig emporklettern läßt. Dann kommen Lianen mit Dornen, die einen blutig reißen, Lianen, die infolge ihres Eigengewichtes abgerutscht sind und in Windungen auf dem Boden liegen, Lianen am Flußufer, die Tausende schwefelgelber Blüten tragen, Lianen mit weißen und roten Blüten, die als leuchtender Vorhang am Ufer alles verhüllen, was sich hinter ihnen abspielt, Lianen mit Flugsamen und solche mit Blütenkandelabern. Lianen und Daseinskampf ist ein und dasselbe. Sie steigen in die Höhe der Baumkronen, um zu Licht, Luft und Raum zu gelangen. Aber auch sie bleiben nicht unbehelligt. Sehr oft sitzt Liane auf Liane, windet sich derart um die andere, daß tiefe Rinnen und andererseits Stauungen entstehen. Aber noch andere Pflanzen kommen. Die Bromeliaceen lassen sich auf den Lianen nieder, sitzen oft eine neben der anderen. Sie sind freilich nur Epiphyten, Pflanzen, die auf anderen Pflanzen leben, aber durch ihr Gewicht erhöhen sie das Gesamtgewicht der Liane 9
w und helfen manchmal mit, diese immer wieder ein Stück aus der Höhe herabzuziehen in das Dämmer des Waldes. Die verschiedensten Pflanzenfamilien haben ihre Vertreter in das Lianenreich gesandt. Es ist eine bunte, wunderbare Welt, vielfach noch unerforscht, wesentlich für den Urwald und unvergeßlich jedem, der mit ihnen zu tun hatte. Urwaldriesen In den verschiedensten Büchern las ich von den gewaltigen Stämmen, die im Urwald zu finden sind. Als ich aber endlich vor ihnen stand, da konnte ich nur staunen. Wir, die wir an die Bäume unserer Heimat gewöhnt sind und schon lange suchen müssen, um in unseren hergenommenen Wäldern Fichten oder Tannen mit 1 oder IV2 m Durchmesser zu finden, können es zuerst gar nicht fassen, daß es Stämme gibt, die zwei, drei oder noch mehr Meter im Durchmesser haben, die unter Einrechnung der brettartigen Pfeiler auf 8 bis 10 m kommen können. Ein Eindruck, der etwa dem entspricht, als bekämen wir plötzlich irgend einen Riesensaurier zu Gesicht, Im Walde kommen diese Riesen nicht recht zur Geltung. Wir sehen sie einfach nicht. Sie stehen mitten unter Hunderten anderer Bäume da, sie sind mit Lianen behangen. Ihre Stämme sind u n s i c h t b a r . Denn zahllose Epiphyten und Kletterer siedeln auf ihnen und hüllen sie vollkommen ein, Ich befinde mich wieder einmal im Potrero, in einem aus Urwald hervorgegangenen Weidelande. Zwischen hohem Unkraut stehen Büsche der wieder austreibenden Mimosen und Akazien. Da und dort sehe ich bereits wieder kleine Bäume. : Orchideen haben auf dem Luftwege dieses Neuland erobert und I prangen im Schmucke ihrer großen, betörend schönen Blüten. f Da taucht vor mir ein Baum auf. Er ist so ungeheuer groß, p djaß ich mir die Augen reibe. Ist dies eine Täuschung, einej Fata Morgana, ist es Wirklichkeit? Er ist ein trauriger Zeuge} ehemaligen Urwalds und steht vollkommen frei. Dadurch « kommt er in seiner unheimlichen Größe voll zur Geltung. Es f ist Ende November, seit einem Monat ist kein Tropfen ge- fallen. Diese C e i b a , eine Verwandte des afrikanischen Affenbrotbaumes, gehört zu jenen Urwaldbäumen, die während der r e g e n a r m e n Zeit ihr Laub abwerfen und dann so da- :. stehen wie unsere Laubbäume im Winter. 10
Diese Ceiba hat mächtige Pfeiler, die allseits vom Stamme ausgehen und diesen verankern. Zwischen diesen Pfeilern finden sich große und tiefe Nischen. Vom Fußpunkte des südlichsten Pfeilers zu dem des nördlichsten sind es genau z w ö l f M e t e r ! Die ausladenden Äste stehen allseits vom Stamme 20 Meter ab, bedecken also 'eine Fläche von rund tausendzweihundertvierzig Quadratmetern oder 12 Ar. Da ist es kein Wunder, wenn der Pflanzer jammert. Denn zwölf Ar sind auch in den Tropen ein schönes Stück Land, das durch den Baum stark beschattet und dadurch als Kulturland entwertet wird. Auf dieser Ceiba leben viele Tausende von Pflanzen. Die fast waagerecht abstehenden Äste sind B l u m e n g ä r t e n , sind hängende Gärten. Die Orchideen nehmen lotrechte Wände und waagerechte Äste für sich als Lebensraum in Anspruch. Die Ficus(Feigen)arten und das Philodendron klettern am Stamme empor. Die Lianen entfalten sich hoch oben in der Krone und zeigen mir unten nur ihre festen Taue. Die Begonien wachsen im Schatten der Pfeiler, ebenso auch die wenigen Moose, die den Stamm mit grünem Samt überziehen. Auf den Lianen sitzen wieder andere Pflanzen, die Bromeliaceen, und zeigen, wie die schwankenden, pendelnden Lianenstämme vom Leben erobert werden können. Es ist ein buntes, bewegtes, vielgestaltiges Bild, diese RiesenCeiba mit ihren Ästen, die weit ins Luftmeer hineingreifen und geduldig die zahllosen Gaste tragen, die sich auf ihnen niedergelassen haben. Stolz, wie für die Ewigkeit berechnet, steht der Baum da. Tropische Regengüsse sind Jahr für Jahr auf ihn niedergeprasselt, die Gewitter der Tropen mit all ihrer Furchtbarkeit haben um ihn getobt und die Vulkane, die auf ihn niedersehen, haben seinen Mutterboden erschüttert. Feiner Aschenregen ist auf ihn gefallen und hat ihn wie mit Schnee bedeckt, Blitze haben um ihn getobt, Sturm hat in seinen Ästen geheult. Die Tigrina, die Tigerkatze, hat auf ihm gewohnt, Affen haben auf ihm herumgeturnt und Hunderte der verschiedensten Kleintiere haben zeitweilig oder dauernd auf dem Baume gelebt. Leuchtend und riesengroß ragt er vor mir empor, ein Herrscher unter seinesgleichen, ein Gewaltiger, der drüben im Urwald mit vielen zusammenlebt und eine Lebensgemeinschaft bildet, wie sie nur in den Tropen möglich und denkbar ist. 11
Würger im Urwald In den Urwald wurde ein grausames Loch gerissen. SumatraTabak soll angebaut werden. Nur ein großer Palmenbestand ist •— freilich stark gelichtet — übriggeblieben. Ein Wald von schlanken, hohen Palmen, die erst vor ein paar Jahrzehnten einen Namen bekamen. Neben mir, hinter mir ist eine höllische Hitze. Gefällte Giganten liegen wie Ungetüme auf dem Boden, sind über und über mit Asche bedeckt. Unter ihnen; aber glüht und schwelt es, frißt sich langsam ins nutzlos ver-J geudete Edelholz, bis schließlich der mächtige Leib des ein4 stigen Herrschers in Asche zerfallen ist. Dann ist der Pflanzers zufrieden. Der Urwald mit seinen Myriaden von Problemen,] mit seiner Kleintierwelt, die zum Teil ausgerottet ist, ehe sie] der Forscher überhaupt in die Hände bekommt, mit seinen.! Blütengeheimnissen, mit seinem Mikroklima, das wir kaum kennen, ist vernichtet. Tabak, Ananas, Bananen und Zucker-; röhr breiten sich aus, bedecken endlose Flächen, bilden die' reizlose Kulturwüste. In dem lichten Hain fällt mir eine Palme besonders auf.; über ihren schlanken, dunklen Stamm spannt sich ein helleres Maschenwerk, bildet Lücken, schließt wieder zusammen und zeigt die verschiedensten Muster, die vom Boden bis zur Krone hinaufreichen. Dieses seltsame Geflecht umfaßt den Stamm der Scheelea Preussii-Palme wie ein Panzer und geht un-i ter und zwischen den Wedeln der Palme in üppiges Laub über, das die Wedel durchsetzt und von der Ferne wie ein uralter Efeu wirkt, der an einem Stützbaume hochgekommen ist und! dort seine großen Lichtblätter entfaltet. Vor Jahren einmal war ein Vogel gekommen und hatte den kleinen Ficussamen, denn um eine Feige handelt es sich, an den Palmenstamm geklebt. Es ist zunächst derselbe Vorgang, den wir von unserer Mistel her kennen. Obzwar die Mistel ein Halbschmarotzer ist, geht der Fall verhältnismäßig harmlos aus. Die paar Mistelbüsche werden einen großen Bergahorn oder einen anderen Baumwirt nicht umbringen. Ganz anders ist es in den Tropen! Das Ficuspflänzchen, das an die Palme oder an einen Laubbaum gepickt wurde und am Stamme mit seinen Würzelchen kleinste Nahrungsmengen vorfindet, die sich als mineralischer Staub und organische Abfallstoffe in Nischen oder in einer Astgabel angesammelt haben, 12
Achilochia-Liane umschnürt einen Stamm beginnt immer längere Wurzeln zu • treiben, die den Boden erreichen sollen. Außerdem werden kleine Würzelchen gebildet, die in Ritzen des Stammes eindringen und verwerten, was dort zu finden ist. Irgendein Schmarotzen erfolgt n i c h t . Der Baum erleidet in diesem Entwicklungszustande durch die Feige k e i n e r l e i Schaden. Aber das Ficuspflänzchen wird langsam größer und größer. Es hat mit seinen Wurzeln den Boden erreicht und ist jetzt völliger Selbstversorger in dem Sinne geworden, daß es nicht mehr auf Nahrungsspuren am Baume angewiesen ist. Nun beginnt langsam für den Baum das Verhängnis! Die nebenbei immer dicker und stärker werdenden Wurzeln wachsen nicht nur am Stamme nach abwärts, sondern beginnen ihn auch wie eine Riesenschlange zu umwinden. Einmal, zweimal, zahllose Male winden und schlingen sich diese Arme um den Leib der Scheelea-Palme oder eines anderen Stützwirtes herum, treten miteinander in Verbindung, verzweigen sich und werden schließlich zu jenem Geflechte, das wir an der Scheelea gesehen haben. Niemand kann sich eine Vorstellung von der geradezu titanischen Gewalt machen, mit der die tausend 13
Würgarme den Palmenleib umfassen und vom Leben ab-' schnüren. Eines Tages reite ich vom Qafetal einer Plantage tief in den Urwald hinein. Auf einem schmalen Indiopfade ist mühsames Fortkommen möglich. Dann, an einem Rio, geht es mit dem Pferde nicht mehr weiter. Ich binde es mit dem Lasso an eine Corozo-Palme, wate durch den Rio und arbeite mich schweißtriefend weiter. Einmal muß ich durch wuchernde Heliconien (Musaceen), dann kommen Mimosen, die an Kleid und Haut zerren und Fetzen herausreißen. Lianen folgen, die sich nicht leicht abhauen lassen, weil sie auf und ab federn, weil irgendwo oben Ameisen sitzen, die durch die Erschütterung herunterfallen und wütend zu beißen beginnen. Auf einmal sehe ich vor mir ein Riesengewächs, das wie ein Baum aussieht und doch kein richtiger ist. Aus dem Dickicht von Farnen, von Heliconien und jungen Palmen erhebt sich ein gewaltiger Stamm. Allerhand Pflanzen sitzen auf ihm, heben sich aus dem Dunkel des Waldbodens hervor, dem Lichte, dem freien Räume zu. Wo sie aber ihren Träger frei lassen, sehe ich an Stelle einer gleichmäßigen, geschlossenen Säule ein verwirrendes Geflecht von Pfeilern und Streben, von kleinen und großen Maschen, von schmalen und breiten, von elliptischen und runden Öffnungen, aus denen es schwarz hervorgähnt. Hochauf strebt der sonderbare Geselle. Ich mache die Umgebung mit dem Buschmesser frei. Es dauert eine Weile, bis ich ganz herumkomme. Dann ist auch schon die Lösung des Rätsels gegeben. Gewaltige, wie für die Ewigkeit geschaffene Pfeiler, schenkeldick und noch viel stärker, sind wie Stelzen im Boden verankert. Es ist ein Gewirr, ein Verschlingen und Zusammenhalten, ein Verwachsen und ein Auseinanderstreben, als ob Hunderte von Schlangenleibern sich zusammengefunden hätten, um in gemeinsamer Arbeit eine Säule zu bilden, die den Waldboden zu bezwingen und der Freiheit zuzustreben vermag. Ich sehe Maschen, die so eng sind, daß ich kaum die Hand hindurch zu zwängen vermag. Daneben bilden zwei Pfeiler einen Torbogen, der sogar Einlaß gewährt in das geheimnisvolle Dunkel. Da stehe ich nun, plötzlich dem Grün des Waldes entrückt, in einem Riesenzylinder, der Hunderte und Hunderte von Fenstern besitzt, durch die ich aus dem lautlosen Dämmer hinausblicken kann in das tobende, jagende, rasende Urwaldleben. 14
Die Fenster sind so bequem angeordnet, daß ich sie als Leiter benützen kann, überall findet der Fuß Halt, überall kann die Hand zupacken. Es kostet trotzdem viel Schweiß, aber ich steige höher und höher. Vor dem einen Fenster hängt dunkelgrünes Laub, vor dem anderen sehe ich ein paar Entada-Hülsen, die ihre Wände bereits verloren haben und nur darauf warten, daß ihre Flugsamen die Reise in das Leben antreten können. Schließlich bin ich am Ziele. Der Riesenzylinder ist bezwungen. Er hat keinen Deckel oben, sondern stößt frei in das Luftmeer vor. Wie ein Bauarbeiter komme ich mir vor, der einen turmhohen Schornstein fertiggestellt hat, innen auf einer Strebe steht und über den Rand hinausblickt in die Welt. Nur ist es hier tausendmal schöner! Äste breiten sich nach allen Seiten aus, senden Tausende und Hunderttausende von Blättern der Sonne entgegen. Rings um mich ist das Gewoge des tropischen Urwaldes mit seiner Unzahl verschiedener Baumarten, die klein und groß, hoch und nieder, dunkel- und hellgrün, mit breit ausladenden und schmalen Kronen, mit und ohne Blüten, mit klappernden Früchten, mit Philodendren, Ficusarten, mit leuchtenden Begonien, mit schmächtigen und baumdicken Lianen ein unübersehbares Gewoge bilden, das nicht so leicht zu entziffern ist. Dann drehe ich mich um und blicke hinab. Gähnend und dunkel ist der Abgrund. Für Schwindlige ist hier kein Platz. Wie viele Tiere haben hier wohl schon Unterschlupf gefunden! Vogelspinnen werden unten herumgekrochen sein, und die Tigrina hat vielleicht im Schutze der Dämmerung ihren Tagesschlaf im Zylinder- gehalten. Nur ungern scheide ich von dieser hohen Warte, die selbst im Urwalde, im Reiche der unbegrenzten Möglichkeiten, im Mittelpunkte des tollsten, wucherndsten Lebens, nicht so leicht ein Ebenbild haben dürfte. Unten stelle ich die Kamera mit dem Kugelgelenk auf den Kopf und lasse die Linse gerade nach oben schauen. So kann ich den Zylinder im Bilde festhalten. Wie gedrechselt sieht er aus. Hoch oben gähnt die Öffnung, über die sich das Laub der Nachbarbäume breitet (s. Abb. S. 16). Wohl nichts hat mich im Urwalde mehr erschüttert, nichts hat mir eindringlicher den rücksichtslosen Kampf ums Leben vor Augen geführt als dieser Riesenzylinder, der nichts an15
Der riesige Hohlzylinder eines Lianengeilechts an der Stelle des erwürgten und verrotteten Baumes, mit einem Durchmesser von 2,5 m. deres verkörpert als den glatten Sieg einer W ü r g e r f e i g e über ihr Opfer, den mir ganz unbekannten Wirt. Die innere Lichte des Zylinders entspricht dem Stammdurchmesser des verschwundenen Wirtes. Sie beträgt zweiundeinenhalbenMeter. Auch hier war es ein ganz harmloses, winziges Pflänzlein, das irgendwo als Same an den Stamm gepickt wurde, z. B. in einer Astgabel, die nicht allzu hoch über dem Boden war. Auch hier wurden Luftwurzeln getrieben, die der Erde zustrebten, auch hier gab es kleine Würzelchen, die in den Ritzen des Stammes nach Humus und mineralischen Stoffen und Feuchtigkeit suchten. Auch hier gab es hölzerne Schlangenleiber, die sich um den Stamm wanden und festhielten wie bester Stahl. Immer dichter wurde das Todesnetz, fester wurden die zahllosen Stränge. Gerade dieser unnachgiebige Panzer bringt dem Baume den Tod. Ich sitze in der dämmerigen Höhlung auf meinem Kamerakoffer und lasse das Geschehen an mir vorbeiziehen. So ein Baum hat in seinem Inneren einen festen Holzkörper. Das Kambium muß von Jahr zu Jahr immer weiter nach außen rücken, der Kambiummantel wird immer weiter. In den Tropen kann 16
insoferne eine Änderung eintreten," als der Zuwachs nicht zum Stillstand zu kommen braucht. Nun denke ich in meiner schattigen Höhle nach. Der Baum ist von den Würgerarmen umfaßt. Vielleicht gelingt es ihm, durch ein oder zwei Jahre noch ein Dickenwachstum durchzusetzen. Aber dabei preßt er sich selber noch mehr in die Arme seines Todfeindes hinein. Nun ist die Umarmung so starr geworden, daß sich der Baum nicht mehr „rühren" kann. Er ist nicht mehr in der Lage, Holz und Bast anzusetzen, denn dazu braucht er Platz, Entfaltungsmöglichkeit in die Breite. Sie ist ihm aber nunmehr restlos genommen. Sein Wachstum, sein Leben ist zu Ende! Sein Holz wird morsch. In den Tropen geht das alles noch viel rascher als bei uns. Pilze durchsetzen den Abgestorbenen, der zu Moder und Mull wird. Ameisen nisten sich vielleicht ein und erzeugen seltsame Bauten. Die Regenzeit kommt und beginnt wegzuspülen. Neuer Humus entsteht, der sich um den Baum herum auf dem Waldboden ausbreitet und neuem Leben, Lieben und Sterben dient. Endlich ist alles verschwunden. Nicht ein Atom ist vom Stützbaume mehr übrig. Von jenem Baume, der als Namenloser nur mehr fortlebt in seiner Gestalt, seinen Ausmaßen, in der gewaltigen Zylinderhöhlung, an deren Innenwand ich wie an einer Leiter emporklettern konnte. Eisern ist der Würger im Boden verankert. Seine Pfeiler sind wunderbar gebaut. Er wird noch lange fortleben, dieser Baum ohne Stamm, als ein flammendes Beispiel des jagenden Urwaldlebens, das nur das Recht des Stärkeren kennt, das erbarmungslos ist, wie das Leben überhaupt . . . Blick nach oben Im Urwalde, mit seiner Fülle von Lianen, müssen wir beim Suchen immer nach oben blicken. Wir wissen bereits, daß die Lianen alle nach oben wachsen, daß unten nur die Taue zu sehen sind. Regungslos schweben, tief oder hoch, in vielen Stockwerken kleine und große Knospen, hell und dunkel an dem Lianengewirr. Da hängt auch die Aristolochia grandiflora, die großblütige Osterluzei, deren Blüten zu den größten auf dieser Welt zählen, zwischen Millionen von Sonnenkringeln im tausendfältigen Gewirr des Urwaldes: sie hält sich am Philodendron fest, das selbst wieder an einer Ceiba Halt sucht, 17
strebt dem Lichte zu, sinkt, pendelnd und schwingend, meterweit gegen den Rio Palo Gordo zu ab, treibt ein neues Tau vor, das der Höhe zueilt, öffnet Riesenblumen, die nur einen Tag riechen und weithin das Tal des Rio mit schwerem Aasgeruch erfüllen. Von weit her kommen die Bestäuber, durch den für sie köstlichen Duft angelockt, fliegen an, stoßen prüfend langsam vor, geraten in den Bann einer der seltsamsten Blütentypen der Erde, fliegen zu neuen Blüten, die den Rio aufwärts das Licht der Welt erblicken. Auch die- Frucht der Aristolochia bekomme ich einmal zu Gesicht. Ein einzigartig schönes Körbchen entdecke ich, das an zartem Stiele über dem Wasser des Rio hängt. Weit über hundert Samen liegen in dem offenen Körbchen und warten auf den befreienden Wind, der sie, wie das Schicksal es will, irgendwohin tragen wird. Die einen werden in den Rio Palo Gordo fallen und nach kurzem Wellenreiten von der mächtigen Brandung des Stillen Weltmeeres erfaßt werden und vielleicht auf dem schwarzen Vulkansande des Strandes verdorren. Die anderen werden irgendwo im Blattgewirr des Urwaldes landen und auch dem Untergange geweiht sein. Einige werden ein kleines Fleckchen Boden erreichen. Sie . werden auskeimen, aber von anderen Gewächsen, die etwas in der Entwicklung voraus sind, die rascher wachsen und stärkere Ellenbogen haben, erdrückt werden und an Licht- und Raummangel als Kümmerlinge zugrunde gehen. Aber da und dort wird einer aus der großen Körbchenschar doch festen Fuß fassen können, wird zu einer neuen Aristolochia-Liane werden, deren märchenhafte, Riesenblüte wie eine glühende Ampel herabhängt und den Forscher entzückt. Nun taucht vor mir eine blühende Acacia auf. An ihrem Stamme sehe ich etwas, was mich auf das äußerste fesselt. Flaschenförmige Gebilde, dick und fett, sitzen in einem Haufen beisammen und sind mit oberflächlich verlaufenden Wurzeln am Stamm befestigt. Eine O r c h i d e e im Ruhezustande! Wir befinden uns im ersten Drittel der regenarmen Zeit. Unter den Orchideen gibt es mehere Arten, die sich zu dieser Zeit in ihre knollenförmig gebauten Stämme zurückziehen, über ein Dutzend dieser harten, festen Gebilde sitzen an dem Baum eng beisammen. Ein Geflecht feiner und feinster Wurzeln zieht sich über dessen Oberfläche hin, verankert die ganze Gesellschaft und sorgt 18
für Wasser und Nahrung. Orchideen im Trockenzeitschlaf! Die verdunstende Oberfläche ist auf ein Mindestmaß herabgesetzt, die steinharten Knollen lassen nicht viel heraus. Prall sind sie mit Reservestoffen gefüllt. An ihrer Oberfläche finden wir Blattgrün führendes Gewebe. Wenn die Zeit der ersten Regenfälle gekommen ist, werden die Resevestoffe flüssig gemacht, und ein prachtvoller Orchideenstrauß wird dort stehen, wo heute nur die unscheinbaren Knollen zu sehen sind. Neben ausgewachsenen Pflanzen sehe ich auch Keimpflanzen. Sie sind nicht viel mehr als einen Zentimeter groß. Wunderschön sind ihre Luftwurzeln! Das zentral gelagerte Gefäßbündel, das sowohl der Festigkeit als auch der Stoffleitung dient, ist von einer großen Hülle sehr dünnwandiger Zellen umgeben, die in ihrer Gesamtheit die Wurzelhülle bildet. Ihre Zellen haben verdickte Wände, so daß sie nicht zusammenfallen können. Die Wände zwischen den einzelnen Zellen sind vielfach durchlöchert. Wenn Wasser zur Verfügung steht, kann sich diese Hülle wie ein Schwamm vollsaugen. Sonst führen ihre Zellen Luft. Die Wurzelhülle vermag sowohl Regenwasser als auch Tau aufzunehmen, was für eine Pflanze, die auf Bäumen sitzt, von lebenswichtiger Bedeutung ist. Es sind also typische Luftwurzeln, die eine ganze Reihe von Aufgaben zu erfüllen haben: Befestigung, Ansammlung und Aufspeicherung von Wasser und bei vielen Orchideen auch die Atmung. Die Anpassung der Orchideen an die wechselnden Lebensverhältnisse geht sehr weit. Manchmal verzichtet die Pflanze sogar auf ihre Blätter. Dieser Grenzfall findet sich beispielsweise bei der Orchidee Polyrrhiza. Sie ist vollkommen blattlos und vermindert dadurch die verdunstende Oberfläche auf, das kleinstmögliche Maß. Da aber selbstverständlich trotzdem Nahrung zubereitet — assimiliert — werden muß, übernehmen die Wurzeln auch die Aufgabe der Assimilation und rücken dadurch zu einem ganz besonderen Universalorgan vor. Noch einmal müssen wir uns einen Orchideenbaum während der regenarmen Zeit ansehen. Wieder sitzen Orchideen auf ihm. Er steht im Schmuck roter Erythrina-Samen. Dieses Mal fesseln uns aber nicht Knollen, sondern schöne Früchte. Die meisten Orchideen haben Kapseln als Früchte, also trockene Samenbehältnisse, die bei der Reife aufspringen und dann die Samen entleeren. 19
Diese Kapseln stehen schräg vom Baum ab — und sind ein Wunder. Sie enthalten nämlich Samen, deren Kleinheit geradezu unfaßbar ist. Die Zahl der Samen in einer Kapsel kann in die Hunderttausende gehen! Diese Samen sind also in ganz hervorragender Weise für die Verbreitung durch den Wind geeignet. Hier ist nicht Wind im landläufigen Sinne nötig, hier genügen kleinste Luftströmungen, schwächste Aufwinde, um den Staub zu erfassen und weiter zu tragen. Die Bestäubungsverhältnisse der Orchideen grenzen ans Unfaßbare! Ich kann hier nur auf ein Beispiel hinweisen, um zu zeigen, daß die größte Blütenpflanzen-Familie eine sehr lange Entwicklung hinter sich hat und in bezug auf Anpassung an Insektenbesuch und Besuch anderer Bestäuber das Äußerste darstellt, was denkbar ist. Bei vielen Pflanzen ist dem Insekt bei seinem Blütenbesuch kein bestimmter Weg vorgeschrieben. Bei einer Rose z. B. kann die Biene auf den Staubgefäßen und den Narben Platz nehmen, sie kann sich aber auch auf einem der Blütenblätter niederlassen und von .außen her Blütenstaub sammeln. In diesem Falle kommt sie nicht unbedingt mit den Narben in Berührung. Sie bekommt zwar Pollen, die Rose aber wird geprellt, denn sie wird nicht bestäubt. Bei hochentwickelten Pflanzenfamilien ist den bestäubenden Tieren ein bestimmter Weg vorgeschrieben. Sie können nur auf diesem Wege an die Blüte und ihre Fortpflanzungsorgane heran, sie müssen eine Bestäubung herbeiführen. Der Pollen kommt auf eine ganz bestimmte Stelle des Körpers. Zu solchen Familien gehören auch die Orchideen. Das Insekt nimmt auf dem einladenden Sitzbrett der Unterlippe Platz. Wenn nun das Insekt seinen Sitz eingenommen hat und sich anschickt, den Nektar zu sammeln oder sich an den Futterhaaren gütlich zu tun, muß es (bei vielen Orchideen) mit der Vorderseite des Kopfes an der klebrigen Masse auf dem Grunde der Pollenkörper ankommen. Verläßt nun der Bestäuber die Blüte, so geschieht etwas Phantastisches! Wir können es auch bei vielen unserer Orchideen verfolgen, wenn wir uns z. B. neben eine Orchidee ins Gras legen und der kommenden Dinge harren. Das Insekt verläßt die Blüte gehörnt. Auf dem Kopfe sitzen zwei keulenförmige Gebilde, die gestielt sind: die Pollinarien. (Pollenkörper, Pollinien, samt der Klebemasse). Beim Besuch blieben die klebrigen Grundteile auf dem Kopfe haften. In 20
dein Augenblick, in dem der Besucher sich zu empfehlen beginnt, zieht er durch seine Rückwärtsbewegung die zwei Pollinarien aus ihrem Gehäuse heraus! Damit ist aber das Märchen noch nicht zu Ende. Wenn das Insekt zur nächsten Blüte kommt und wenn die zwei Pollinien mit ihren Stielen in der ursprünglichen, also aufrechten Stellung verblieben wären, dann könnte keine Bestäubung erfolgen, denn die Pollenmassen würden bei den Pollinien dieser Blüte oder, falls sie schon herausgezogen wurden, bei den leeren Gehäusen landen. Die zwei Narben sitzen aber unter den Pollinien, also etwas tiefer. Was tut nun die Natur? Sie läßt die beiden Stielchen auf dem Kopfe des Insekts eine Bewegung ausführen, die durch ungleichmäßiges Austrocknen der Stiele herbeigeführt wird. Die Folge davon ist, daß sich die zwei Stielchen nach vorn neigen! Dadurch werden die zwei Pollinien so weit gesenkt, daß sie bei der nächsten Blüte die Narben berühren müssen. Das Gesagte bezieht sich natürlich nicht auf alle Orchideen. Es soll nur zeigen, wie weit es diese Familie gebracht hat, um zwangsläufig mit dem Besuche eine Bestäubung zu verbinden. Generationen von Forschern hätten vollauf zu tun, um die Bestäubungsverhältnisse der tropischen Orchideen zu klären; denn es gibt über 20 000 Orchideen-Arten! Eine große, weite Welt für sich, die gerade auf den Bäumen der Tropen, im Urwald ihr Hauptlager hat, die auf den Riesen ihre bunten und abenteuerlichen, ihre winzig kleinen oder unwahrscheinlich großen Blüten entfaltet, die manchmal so fremd und seltsam sind wie die Bewohner der tiefsten Tiefsee. Der Urwald fliegt Ein Erlebnis ganz besonderer Art ist mir beschieden, als ich wieder einmal am Zylinder der Würgerfeige emporgeklettert bin und am oberen offenen Rand in den Wald hinaus schaue. Etwas Großes, Weißes segelt durch den Luftraum. Schon von weitem sehe ich, daß hier einer der größten Flieger im Pflanzenreich seinen Weg in die Welt sucht. Ich klettere über die Maschen des Würgers hinab und halte bald darauf den Flugsamen in der Hand, der zu dem Schönsten gehört, das es auf der Erde gibt. Ein flacher, runder Same mit einem Durch21
messer von 2,2 cm ist von einer 8 bis 9 cm großen Scheibe aus feinstem, leichtestem Seidenstoff umgeben. Die Flughaut schimmert silbrig und perlmutterartig und ist so dünn, daß Druck und Schrift ohne weiteres durch sie gelesen werden kann. Sie besteht nur aus zwei Zellagen. Der ganze' Flugsame wiegt nur 0,24 g, es gehen also vier dieser großen Gebilde auf ein Gramm! Dieser Same nun gehört zu einem Baum, der Aspidosperma heißt und zu den Asclepiadaceen gehört, die bei uns durch die krautige Schwalbenwurz vertreten sind. Das Hauptverbreitungsgebiet der Familie liegt aber in den Tropen. Mit diesen Samen stelle ich Flugversuche an. Doch ich bin etwas enttäuscht. Die Samen setzen sich, in ziemlich waagerechter Lage bleibend, in eine schaukelnde Bewegung und fallen nahezu lotrecht zur Erde. Einzelne Samen nehmen sofort eine lotrechte Stellung ein, so daß sie also mit der Scheibenkante dem Erdboden zustreben. Die benachbarte Macrozanonia erweist sich als ein unvergleichlich besserer Flieger als das Aspidesperma. Der Flugsame behält immer eine waagerechte Lage bei. Er beginnt gleich nach dem Fallenlassen in flache Spiralen überzugehen, die eine Breite von ungefähr 50 bis 150 cm haben können. Ich führe die Macrozanonia deshalb hier ganz besonders an, weil sie uns zeigt, daß ein freistehender Baum zwar seine Samen im allgemeinen besser auf die Wanderschaft schicken kann als ein im Urwaldgefüge befindlicher, daß aber Nachbarbäume kein unüberwindliches Hindernis darstellen. Ungefähr in 6 bis 10 m Horizontalabstand befinden sich zwei Eschenbäume. Als der Macrozanonia-Same 6 m hinabgeschwebt war, kam er durch eine Luftströmung in bedenkliche Nähe der ersten Esche, und ich glaubte schon, daß er sich jetzt gleich im Laubwerk verfangen werde. Wie groß war aber meine Überraschung, als der Flieger in elegantem Schwünge zwischen die Äste hinein- und an der anderen Seite wieder hervorglitt, als er bei der nächsten etwas tieferen Spirale abermals mit unglaublicher Meisterschaft seinen Flug zwischen den belaubten Ästen hindurch nahm und schließlich, ohne irgend etwas berührt zu haben, auf dem Boden landete! Wir ersehen daraus die biologisch für die Pflanze sehr wichtige Tatsache, daß auch im Urwald eine wirksame Verbreitung durch Flugsamen oder Flugfrüchte stattfinden kann. Ol
Mit diesen Fliegern sind aber die Flugmöglichkeiten im Urwald noch lange nicht erschöpft. Die Orchideen mit ihren winzig kleinen Samen bilden einen Staub, der schon von Aufwinden, wie sie beim Aufsteigen von wärmerer Luft entstehen, emporgehoben werden kann. Für die tropischen Orchideen als Baumbewohner sind ' solche Samen eine unentbehrliche Einrichtung. Denn nur auf diese Weise ist Gewähr dafür gegeben, daß die Samen an die lotrechten Baumstämme, auf die waagerechten Äste und in die schrägen Astgabeln hineingeweht werden. In einem Atemzug müssen wir hier jener Bromeliaceen, ananasartiger Baumgewächse, gedenken, die sich in bezug auf ihren Lebensort und ihre Lebensgewohnheiten in derselben Lage befinden wie die Orchideen. Auch sie müssen trachten, irgendwo auf einem Baume, auf einem Aste, ja sogar auf dem schwankenden Tau einer Liane festen Fuß zu fassen. Auch hier muß eine Flugeinrichturig vorhanden sein, die den Samen sozusagen überallhin tragen kann. Deshalb sind Bromeliaceensamen federleicht. Nicht weniger als 2000 von ihnen gehen auf ein Gramm. Jeder Same ist mit einem Haarschopf ausgestattet. Die Haarschöpfe der aus einer Kapsel hervorquellenden Samen verfilzen sich miteinander, so daß ganze Ballen entstehen, die dem Winde eine größere Angriffsfläche zu bieten vermögen als ein einzelner Same. Schwache Luftströmungen, wie sie in dem Laubgewirr möglich sind, nehmen schon die Samen auf die Wanderschaft mit. Der Samen der Aristolochia, die wir schon kennenlernten, fliegt wie eine Motte durch die Luft, wird von unsichtbaren Händen gehoben und fällt, steigt abermals, verharrt fast unbeweglich am selben Platze, steigt und fällt andauernd und kann sich mehrere Minuten in der Luft halten. Unter diesen Umständen ist es klar, daß der Aristolochiasamen auch im Urwald, besonders an Flüssen, weite Strecken zurücklegen, und die Liane wirkungsvoll verbreiten kann. Nun kommen die Farne an die Reihe. Auf ihren Blattunterseiten befinden sich ungeheure Mengen von Sporenbehältnissen (Sporangien). Die Zahl der Sporen auf einem Wedel geht in die Millionen! Die Natur befolgt hier dasselbe Prinzip wie bei den Orchideen. Die ausgezeichnete Flugfähigkeit wird durch besondere Kleinheit und fast völlige Gewichtslosigkeit herbeigeführt. Andererseits kann bei der Kleinheit der Sporen, deren 23
einzelne nur einen winzigen Aufwand an Baustoffen erfordert, die durch den Zufall bzw. die Wahrscheinlichkeitsrechnung sich ergebende Menge scheiternder Sporen durch große Zahl wettgemacht werden. Zum Schluß noch das Heer der Korbblütler! Viele von ihnen haben Flieger, die so gebaut sind wie die unseres Löwenzahnes, des Huflattichs oder des Wiesenbocksbartes. Es sind also Fallschirme, an deren unterem Ende die Frucht sitzt. Eine Pflanze enthält Hunderte und Tausende von Flugfrüchten. Ein einzelner Flieger (Fallschirm mit daranhängender Frucht) wiegt oft nicht mehr als ein Zehntausendstel Gramm. 10 000 solcher Flieger gehen also auf ein Gramm. Die 2 mm lange Frucht sitzt natürlich unten, über ihr breitet sich der Fallschirm aus, der aus 35 bis 40 feinen Strahlen besteht. Jeder Strahl ist 5 mm lang und nur 0,02 mm stark. Er stellt eine geradezu vollkommene Lösung des Fliegens dar, steigt bei den allerkleinsten Luftströmungen und kann sich, wenn die räumlichen Verhältnisse es gestatten, durch viele Minuten in der Luft erhalten. Schon diese kleine Auswahl aus der großen Schar der Urwaldflieger zeigt, welche Rolle die Verbreitung von Samen und Früchten durch den Wind spielt. Riesenflieger gibt es, wie das Aspidosperma, winzigste, mit dem Auge kaum merkbare, wie der Samenstaub der Ochideen. Schlechte Flieger, wie die Entadasamen, und ausgezeichnete, wie die geflügelten Samen der Aristolochia grandiflora oder die Fallschirme der Korbblütler. Die Welt der Urwaldfarne Oft erinnere ich mich der schönen Urwaldfarne, die mir an den Urwaldflüssen, teils auf dem Boden teils als Hochbewohner auf den Bäumen begegneten und unter denen ich mich so gerne niederließ. Da ist z. B. das zarte Polypodium plumula, dessen Wedel gegen das Ende zu in Spiralen eingerollt sind, da ist 'das Bernoulii, ein Baumbewohner, dessen Wedel mit den kammförmig angeordneten schmalen Fiedern ungemein zart wirken. Gleich daneben sieht das P. brasiliense mit seinen 20 cm langen Fiedern wie ein Riese aus. Wieder etwas ganz anderes stellt das P. elongatum dar, das ich auf Urwaldbäumen beobachtete. Die Wedel fallen ganz aus dem Bilde der übrigen Farne hinaus. Sie sind gelbbraun gefärbt und erwecken durch 24
ihre lederartige Beschaffenheit sofort das Gefühl, daß hier wassersparende Anpassungen eine große Rolle spielen müssen. 3000 m höher sammle ich ein Polypodium (P. lanceolatum), das fast genau so aussieht wie die eben genannte Pflanze. Auch hier kleine Wedel mit runzliger Oberfläche, auch hier die in die Augen fallende gelbbraune Färbung, die dem Farn- etwas Greisenhaftes verleiht, auch hier ein Wurzelstock, der sich auf dem Baume festhält und genau so leben muß wie sein Kollege tief unten. Nur die Sporenbehältnisse bilden hier viel größere Haufen. Sie stellen beiderseits der Blattmitte halbkugelige Erhebungen dar, die sehr auffallend wirken. Wahre Schönheitskünstler sind die vielen Adiantum-Arten. Einige von ihnen sehen genau so aus wie das im südlichen Europa vorkommende Venusfrauenhaar. Das große A. macrophyllum, das durch seinen Namen macro = groß schon die Größe der Fiedern andeutet, lebt nicht auf Bäumen sondern an nassen Steilwänden der Flußufer und wird überdies von den überhängenden Urwaldbäumen tief beschattet. Es braucht also mit dem Wasser nicht sonderlich zu sparen. Daher finden wir große Fiedern, zahlreiche, nicht versenkte Spaltöffnungen. Die großen Fiederflächen, die reichlich Blattgrün führen, fangen das spärliche Licht ein. Es ist eine der schönsten Urwaldfarhe. Dann sehe ich wieder Vertreter der Gattung Blechnum. Entzückend das Bl. fraxineum! Ein feiner Stiel erhebt sich ein paar Zentimeter über den Boden. Dann folgen zwei bis drei Fiederpaare mit ungeteilten Flächen. Die Fruchthäufchen (Sori) bilden an der Unterseite ein 3 bis 4 mm breites Band, das über der Mittelrippe verläuft. Eine alleinstehende, 10 cm lange Fieder bildet wie eine flammende Zunge das Ende. Auch sie besitzt ein breites Band mit den Sori. Größer und derber ist ein anderes Blechnum (Bl. occidentale). Es sieht fast wie ein großer Tüpfelfarn aus. Die Sporenzahl ist ungeheuer! Jeder Spore ist 0,015 X 0,025 mm groß'. Dieser Sporenstaub wird von den schwächsten Luftströmungen erfaßt. Wir sind also hier bei den Farnen wieder bei einer Gruppe von Urwaldfliegern, die ebenso wie die Orchideen das Flugproblem durch Kleinheit und fast absolute Gewichtslosigkeit gelöst haben. Von den Millionen Sporen eines Wedels fallen die meisten ins Wasser und gehen zugrunde. Das macht aber nichts. Mit großem Verlust hat die Natur gerechnet. Da und dort hat eine 25
Kampf um Licht und Raum im Urwald: 1. Rio-Urwaldtluß; 2. Baumiam; 3. Feigen (Ficus-)arten; 4. Farne am Uier: 5. Urwaldriesen; 6. Lianen von Baum zu Baum; 7. Hängende Lianen; 8. Bromiliaceen auf Lianen,9. Begonien; 10. Orchideenknollen; 11. Araliaceen; 12. Orchideenknollen in der Trockenzeit; 13. Urwalddickicht; 15. Baumwürgerlianen. Spore Glück. Sie kann Fuß fassen auf dem Urwaldboden oder in den kleinen Vertiefungen der Baumrinden. Das Leben d e r Art ist wieder gesichert. So ließe sich über die Farne stundenlang weitererzählen. V o n der m e r k w ü r d i g e n Hemionitis palmata, deren W e d e l handförmig geteilt sind und kleine Sprosse ausbilden, die sich selbst wieder bewurzeln können} vom Lygodium mfixicanum, das zu den windenden Pflanzen gehört und sich mit stark ver26
längerten Achsen um andere Pflanzen windet) von den Nephrolepisfarnen, deren Wedel 1 bis IV2 m lang werden und von Bäumen herabhängen. Andere Farne sehe ich, die in einer dunklen Urwaldschlucht den Steilhang herabkommen. Ihre Achsen sind über 3 m lang. Immer wächst noch ein Stück dazu, bis sie den Boden erreicht haben. Und zum Schluß noch das Schönste, was die Tropen an Farnen zu bieten vermögen, die Baumfarne! In den Bergwäldern sah ich sie, an den Flüssen streichelte ich die großen Wedel der Cyathea-Arten. Die arm- und schenkeldicken Stämme umspannte ich mit den Händen. Unten, da sind sie 20 bis 30 cm stark. In der Mitte befindet sich ein 6 bis 8 cm, starker Hohlzylinder, der von den Leitbündeln gebildet wird. Herum erzeugen Wurzeln eine mächtige Hülle. Höher oben ist der 6 bis 8 cm starke Stamm über und über mit Narben bedeckt. Da sind die großen eiförmigen Blattnarben, da sind dazwischen die Narben der Rebenwurzeln. Sie alle erzählen von früheren Lebensaltern, in denen hier die großen Wedel mit ihren Gefäßen saßen, in denen Wurzeln den Stamm hmabliefen. Senkrecht sind die Riesenwedel auf die schräg ins Flußtal hineinkommenden Lichtstrahlen eingestellt. Als grüne Wände folgen sie dem Ufer. Alle die anderen Farne sehen neben ihnen wie Zwerge aus.
Seltsame Urwaldbewohner Unerschöpflich ist der Urwald! Zahllose Bäume setzen ihn zusammen. Selten, daß einmal zwei gleiche nebeneinander stehen. Dazu kommen Sträucher, Lianen, baumbewohnende Epipheten, bodenbewohnende Pflanzen. Da sind viele, die an manchen Waldstellen geschlossene Teppiche bilden, aus denen weiße und blaue Blüten hervorleuchten. An den Haaren der Staubfäden kann ich mit dem Taschenmikroskop an Ort und Stelle das Wandern des Protoplasmas in den Zellen, die Protoplasmaströmung feststellen. An einer Persea windet sich eine merkwürdige Pflanze empor. Mit zarten Stengeln arbeitet sie sich aus dem Dunkel des Waldbodens in die Höhe. Ihre knopfförmig angeordneten Blüten sitzen auf langen, fadendünnen Stielen, die wie Schlangen anmuten. Unten finde ich ihre über handtellergroße Stamm27
knolle, die oberflächlich gefeldert ist wie der Rückenpanzer einer Schildkröte. Diese Dioscorea-Pflanze spielt im Leben der zentralamerikanischen Indianer eine besondere Rolle. Jedem Medizinmann ist sie wohlbekannt. Seine Apotheke wäre ohne Dioscorea undenkbar. Schon die alten Azteken kannten das Gewächs und nannten es „camotli". Wird einem Menschen camotli eingegeben, so verfällt er in einen Dämmerzustand. Er denkt und lebt in Vorfällen, die sich vor vielen Jahren in seinem Leben abspielten. Er nimmt keine Nahrung mehr auf und bekommt tote Finger. Schließlich verliert er in den Gliedmaßen jede Empfindung. Tagelang döst er in völliger Teilnahmslosigkeit dahin. Nach vielen Wochen treten Muskellähmungen und Erstickungsanfälle auf, die dann den Tod herbeiführen. Ich schüttle die Beklommenheit ab, die mich angesichts des camotli befallen hat, und wende mich freundlicheren Pflanzengestalten zu. Wieder ist es eine emporstrebende Pflanze. Mit Ranken hält sie sich an ihrem Stützbaume fest. Ganz merkwürdig sind ihre Blüten. Vom Blütenboden, also dem Träger der verschiedenen Blütenteile, geht ein Kranz waagerecht angeordneter, auffallend gefärbter, fadenförmiger Gebilde aus, die eine große Scheibe bilden. Das ist Corona, die im Dienste der Anlockung von Bestäubern steht. Honig schimmert in glänzenden Perlen. Dann wieder nehmen mich hauchzarte Selaginellen auf, die sich mit langen, dünnen Wurzelträgern verankern und stützen. Feingliedrig sind sie, mit zarten Zellen, echte Gewächse des Urwaldbodens, den nie ein Sonnenstrahl erreicht, wo auch in den regenärmsten Monaten die Erde niemals austrocknet. Welch einen Gegensatz dazu bildet die Selaginelle leptophylla, die ich höher oben in einem sonnendurchglühten, tiefen Barranco (Schlucht) kennen lerne! Kein Baum, der Schatten spenden würde. Der Boden ist. von tiefen Trockenrissen durchzogen. Die Selaginella hat sich auch darauf eingerichtet. Sie ist ein derb gebautes, widerstandsfähiges Geschöpf, das Äste und Blätter während der wasserarmen Zeit einkrümmt, so daß ein kugelförmiges Gebilde entsteht, das gar nicht zu leben scheint. Wenn aber der erste Regen fällt, dann breiten sich die Äste wieder aus, dann steht auf einmal eine große, lebende, frische Pflanze da, die mit der früheren Kugel keine 28
Ähnlichkeit aufweist. Diese Krümmungen der Äste beruhen auf ungleichmäßiger Austrocknung bzw. Quellung. Ich kann sie auch heute noch an der toten Pflanze herbeiführen. Unter den echten Schmarotzerpflanzen verdient der Psittacanthus Schiedeanus ganz besondere Erwähnung. Er gehört zu den Loranthaceen, die bei uns durch die schon genannte Mistel vertreten ist. Der Schmarotzer sitzt auf dem Holzkörper des Wirtes. Er dringt in den Körper des Wirtes ein und verschmilzt geradezu mit ihm. Aber nach einigen Jahren ist sein Lebenslauf zu Ende. Er vertrocknet und fällt schließlich ab. Zurück bleibt der Wirt mit jenen Wucherungen, die durch den Schmarotzer herbeigeführt wurden. Diese „Holzrose" gehört zu dem Schönsten, was ich -je gesehen habe. Sie läßt sich schwer beschreiben. Sie ist ein kopfgroßes Gebilde und zeigt auf ihren gekrümmten Flächen, die bald dachartig sind, bald sich wie eine Blume entfalten, eine außerordentlich feine und scharfe Ziselierung, so, als ob sie aus Stahl geschnitten wäre. In der ganzen Welt sind außer in Zentralamerika keine solchen Holzrosen zu finden. Ich habe mehrere Stücke mitgebracht. Eines bildet jetzt Ständer und Schirm einer elektrischen Lampe, in der der Leuchtkörper von seidengestickten, glutroten Orcbideenblättern verdeckt wird. Wenn das Licht durch die Spalten der Holzrose dringt, dann sehe ich die Vulkane vor mir, an deren Hängen der Psittacanthus geboren wird, dann atme ich die schwere, dufterfüllte Tropenluft . . . Mimosen Ich stehe mitten unter Mimosen. Mit dem Bleistift berühre ich den Hauptblattstiel. Da geschieht etwas sehr Sonderbares. Der schräg nach aufwärts gerichtete Stiel beginnt sich zu senken. Dann kommen die Stiele zweiter Ordnung an die Reihe. Auch sie führen dieselbe Bewegung aus. Schließlich werden auch die kleinen Fiederblättchen erfaßt. Die Bewegung greift auch auf die Blätter über, die sich oberhalb und unterhalb berührten Blattstieles befinden. In kurzer Zeit führen die Stiele samt ihren Blättchen dieselbe Bewegung aus. Die Pflanze mit den zusammengeklappten Blättchen, die jetzt die heller gefärbte Unterseite zeigen, sieht nun ganz anders aus. Nach einiger Zeit erfolgt die rückläufige Bewegung, die wieder zu dem ursprünglichen Zustande führt. 29
Diese Erscheinung wird nicht nur durch unmittelbare Berührung hervorgerufen. Auch Schwankungen der Lichtstärke, wie sie durch Bewölkung oder Hereinbrechen der Nacht herbeigeführt werden, haben denselben Erfolg. Was geht eigentlich bei diesen Bewegungen vor sich? An der Unterseite der Hauptblattstiele befindet sich ein aus Zellen gebildetes Gelenkpolster. Das in den Polstern sitzende, reizbare „Schwellgewebe" besteht aus zarten Zellen, zwischen denen sich in der Ruhe lufterfüllte Zwischenzellräume finden. Erfolgt nun ein Reiz, so geben die gereizten Zellen von ihrem Wasser an die Zwischenzellräume ab und verlieren dadurch an Spannung. Dieser Gewebeteil zieht sich dabei naturgemäß zusammen. Die obere Hälfte des Polsters behält nicht nur die ursprüngliche Spannung bei, sondern erfährt sogar eine Erhöhung, indem Wasser aus dem unteren Teil in den oberen hinaufgepreßt wird. Die Oberseite des Polsters kann sich nun stärker ausdehnen und bewirkt die Abwärtskrümmung des Blattstieles. Dasselbe gilt auch für die Stiele zweiter Ordnung, die sich ebenfalls senken. Daß es bei den kleinen Stielchen, an denen die einzelnen Fiederblättchen sitzen, umgekehrt ist, können wir ohne weiteres daraus ersehen, daß die Blättchen sich nicht abwärts, sondern aufwärts biegen. Diese reizbaren Gelenkpolster stellen eine der beiden wunderbaren Einrichtung im Mimosenkörper dar. Es ist aber noch eine zweite vorhanden. Wenn ich ein Gelenk berühre und nach kurzer Zeit Gelenke, die überhaupt nicht berührt wurden, ebenfalls entsprechende Bewegungen ausführen, so muß in der Mimose auf irgendeine Weise eine Weiterleitung des Reizes stattgefunden haben. Tatsächlich konnte ein durch die Pflanze ziehendes System von reizleitenden Zellen nachgewiesen werden. Diese Zellen sind schlauchförmig. Die Querwände, die sich zwischen den einzelnen aufeinanderfolgenden Zellen befinden, sind durchbrochen. In diesen Zellen entstehen nun durch den Reiz hydrostatische (vom Flüssigkeitsdruck erzeugte) Bewegungen, die den Reiz zu den anderen Gelenken weiterleiten. Wozu ist diese Reizbarkeit und hochentwickelte Reizleitung da? Ehrlich müssen wir bekennen, daß wir die Antwort eigentlich schuldig bleiben müssen. Wir können, wenn wir wollen, z. B. an Regenschutz denken. Die zusammengeklappten Blättchen bieten sicher eine kleinere Fläche dar als die offen aus30
gebreiteten. Auch an Schutz vor Weidetieren wurde gedacht. Sie sollen durch Zusammenklappen erschrecken. Diese Annahme möchte ich aus verschiedenen Gründen ablehnen. Wenn wir schon an einen Schutz vor weidenden Tieren denken wollen, so stellen die Stacheln ein viel wirksameres Mittel dar. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein weidendes Tier sich durch die Bewegungen abschrecken läßt, die ihm gar nicht zu Gesicht zu kommen brauchen, wenn es immer vorwärtsschreitet, übrigens habe ich niemals Weidespuren an den dornigen Arten beobachtet. Geben wir lieber zu, daß wir die Reizbarkeit und Reizleitung in ihrer wahren Bedeutung nicht aufzulösen vermögen und sehen wir von Deutungen ab, die wir nicht stützen können! Freuen wir uns an diesem Wunder des Urwalds, das uns so schön zeigt, daß auch die Pflanze sich bewegen kann, daß auch sie für Reize empfindlich ist und in ihrem Körper hochentwickelte Reizleitungsbahnen besitzt! *
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Der Urwald, aus dessen wundersamen Leben und Weben wir hier nur einiges Wenige kennen lernten, ist ohnegleichen! Nichts kann ihm an die Seite gestellt werden. Mächtig wirkt er auf unsere Sinne. Was spielen da die Moskitos, und die Garropatos, die Skorpione und Schlangen, die Ameisen und Wespen für eine nebensächliche Rolle! Das Dasein erschließt sich dem Menschen im Urwald in seiner wahren Gestalt, seinem wirklichen Wesen. Wer diese Urnatur erlebt hat, in dem bleibt die Ehrfurcht vor dieser Pflanzensymphonie, vor diesem in der Welt einzigartigen Zusammenschluß wuchernder, von Lebenskraft überschäumender Pflanzen, vor den zahllosen Anpassungen an die hier besonders harten und unerbittlichen Daseinsverhältnisse. Der des das DM
Verfasser dieses Lesebogens, Friedrich Morton, hat den Pfianzenwundern Urwaldes ein liebenswürdig eingehendes und bilderreiches Buch gewidmet, jedem Naturfreund empfohlen sei („Urwald", Universum-Verlag Wien, 3,80, zu beziehen durch die ,,Bücherfreunde" München Romanstraße 7).
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