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Nr. 17 24. Mai 2002 http://www.GroschenStory.de GroschenStory ist ein Gemeinschaftsprojekt von: Böhnhardt Verlag Augsburg MovieCom Köln © 2002 Böhnhardt Verlag Augsburg Coverzeichnung: Daniel Kießler, Thomas Schukalla Nightfall Studios, Düsseldorf http://www.nightfall-studios.de Heftgestaltung: MovieCom, Köln http://www.MovieCom.de Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. Das Werk wird in elektronischer Form zum freien Download angeboten und darf nur vollständig und ohne jegliche Änderung ausgedruckt, vervielfältigt und verbreitet werden.
Ein kleiner Appetithappen aus: "Sex ist mein Hirte" PROLOG
Morris Düsterhoff Das Verhör Ken dachte den ganzen Morgen schon an Sex. Er nahm es noch als normal hin, daß ihm ständig die Erinnerung an die Aufzeichnung mit Marie-Claire, die er schlechten Gewissens in der letzten Nacht genossen hatte, im Kopf herumgeisterte. Emotion-Tapes, wie es sie an jeder Ecke zu kaufen gab, mochte er eigentlich nicht (obwohl sie durchaus mit den Regeln seiner Glaubensgemeinschaft vereinbar waren, wenn sie die Vereinigung mit Menschen widergaben); und auch das Abspielen eigener Erlebnisse bereitete ihm im Grunde Unbehagen. Doch bei seinem Beruf blieb ihm die meiste Zeit keine andere Möglichkeit, die Nähe seiner Frau zu erfahren. Etwas bizarrer als die Erinnerung an diese für die Ewigkeit aufgezeichnete Nacht der Nächte erschienen ihm schon andere, verwirrende Bildfetzen, die ihn als passende Untermalung der aus dem Lautsprecher quellenden Musik peinig-
ten: die Sängerin Kali, das Aushängeschild der Perverse Creatures - von unter Zeitdruck stehenden Fans meist mit PCs abgekürzt - , nackt ausgestreckt auf einem Bett, ihre violette Haut glitzerte im unwirklichen, zukkenden Licht, ihr monströser Busen wogte, ihre vier Hände flatterten überaus geschäftig auf und ab... Da sieht man sich ein einziges Mal Nacktaufnahmen an und muß sein Leben lang dafür bezahlen ... Als ihn jedoch bei einem zufälligen Blick auf die Andromeda-Galaxie das Grübeln überkam, wie leichtbekleidet die gleichnamige antike Prinzessin wohl gewesen sein mochte, als man sie an den Felsen gekettet hatte, um sie dem Seeungeheuer vorzuwerfen, und er begann, sich diese Situation in allen Einzelheiten auszumalen, war er denn doch überzeugt, daß dies unmöglich mit rechten Dingen zugehen konnte. Er warf einen mißtrauischen Blick zu seinem Copiloten Jacques hinüber. Dieser hatte die Lehne seines Sitzes zurückgestellt und seine Füße auf das Armaturenbrett vor sich geworfen. Sein Blick hing - halb gelangweilt, halb interessiert - auf dem Bildschirm. Ken hätte gefahrlos jede Wette darüber abschließen können, was sich Jacques gerade ansah. Er aktivierte den Kontrollzugriff und überzeugte sich von seiner Menschenkenntnis. Natür-
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lich Pornographie. Was sonst? Allerdings sogar für Jacques’ Verhältnisse etwas verquer. Obwohl, so viel verstand er nun auch nicht davon, was man in diesem Bereich heutzutage noch als normal anzusehen hatte. Ken zögerte, seinen Copiloten darauf anzusprechen. Als ihn jedoch der Anblick der Bilder zu erregen begann, wurde es endgültig Zeit zu handeln. „Sag mal“, begann er, „kann es sein, daß du im Moment selbst für deine Verhältnisse zu intensiv an Sex denkst?“ Jacques blickte überrascht auf und ließ sich Kens Worte durch den Kopf gehen. Dieser wollte seine Frage schon etwas einfacher formulieren (Gott gab dem Mann zwei Dinge, aber nicht die Möglichkeit, beide gleichzeitig zu benutzen...), als Jacques doch noch antwortete: „Ich persönlich finde, man kann gar nicht oft genug an Sex denken. Damit man im Falle eines Falles vorbereitet ist.“ „So kompliziert ist die Sache ja nun nicht“, entgegnete Ken. „Das kommt drauf an, in welcher Liga man spielt. Ihr Natürlichkeitsfreaks ...“ Jacques brach ab und runzelte die Stirn. „Was ist los mit dir? Sonst redest du doch nie über Dinge unterhalb der Gürtellinie.“
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„Das ist genau der springende Punkt. Normalerweise habe ich meine Hormone unter Kontrolle. Irgendetwas stimmt nicht. Und deshalb wollte ich wissen, ob es dir ähnlich geht.“ „Ach so, wir reden also dienstlich über Sex. Dann ist es ja gut. Habe mich schon gewundert.“ Jacques schien in sich hineinzuhorchen. „Kann nichts Außergewöhnliches feststellen. Wovor hast du Angst? Daß uns irgendwelche Außerirdischen mit hundsgemeinen Sexstrahlen angreifen?“ „Du könntest dir etwas Schlimmeres vorstellen, was? Allerdings vermute ich tatsächlich, daß wir manipuliert werden. Zwar nicht von Aliens, aber... Ich habe so etwas schon mal erlebt. Beeinflussungstechniken, die am Sexualtrieb ansetzen. Reize erzeugen und die Reaktionen darauf testen. Verborgene Wünsche aufspüren und verstärken.“ Verborgene Wünsche ... Denk darüber nach! Oder vielleicht besser nicht ... „Die neuesten Sexandroiden verfügen über solche Möglichkeiten, soweit ich weiß.“ „Was weißt du schon von Sexandroiden?“ winkte Jacques ab. „Obwohl, stille Wasser sollen ja tief sein. Und die öffentlich Wasser predigen ...“ „Ich habe darüber gelesen.“ „Gelesen. Natürlich.“
Sex ist mein Hirte - PROLOG - Das Verhör
Morris Düsterhoff
Ken reagierte nicht auf diese Stichelei und wartete geduldig. Er hatte sich nicht in seinem Copiloten getäuscht. „Sexandroiden?“ fragte Jacques betont harmlos. „Du meinst, wir haben welche an Bord?“ „Das wollte ich damit sagen. Und zwar nicht deaktiviert. Scheint mir die naheliegendste Erklärung zu sein. Wenn das stimmt, sollten wir das Ding abstellen, sonst laufen wir hier noch heiß.“ Jacques schwang seine Füße von der Konsole und sprang auf. „Also, sehen wir doch einfach nach.“ *** Wenn du nicht siehst, wie dein Opfer stirbt, zählt das dann überhaupt? Zu Beginn seiner Karriere hatte Hank diese Überlegung beruhigt, inzwischen war sie genau der Grund, warum er seinen Job immer mehr verachtete. Wo war der Unterschied zu einem Computerspiel? Durch die fehlende Graphik war es eigentlich sogar noch langweiliger. Niemand käme auf die Idee, ihm eine Waffe in die Hand zu drücken, um seinen Auftrag zu erledigen. Seine Art zu töten war unauffälliger. Lief alles wie geplant, vermutete noch nicht einmal
jemand, es könnte sich um Mord handeln. Genau deshalb schalteten ihn seine Auftraggeber auch ein. Still und heimlich; und jeder kleine Zweifel, der blieb, konnte den unberechenbaren Tücken der Technik in die Schuhe geschoben werden. Hank blickte auf den Bildschirm. Ein blinkendes Symbol wies ihn darauf hin, daß das Schiff inzwischen in Reichweite des Navigationssystems war. Er gähnte, rieb sich die Augen und machte sich ans Werk. Etwas später stellte er fest, daß die Lotsenstation ihre Sicherheitsbarrieren verstärkt hatte. Sein ausgeklügeltes Infiltrationsprogramm rannte sich an den unerwarteten elektronischen Schutzmauern den Kopf ein. Stirnrunzelnd pfiff Hank seine Hunde zurück, damit niemand auf seinen Angriff aufmerksam wurde. Angestrengt musterte er die erhaltenen Daten und Fehlermeldungen. Das versprach, tatsächlich etwas knifflig zu werden. Manchmal hatte sein Job eben doch seine spannenden Momente. *** Als sie die Tür zum Laderaum öffneten, wurde es geradezu unerträglich.
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Eine Flut nackter Bilder überschwemmte Kens Hirn. Hier ließ tatsächlich jemand seine sexuellen Beeinflussungskünste spielen, jetzt war kein Zweifel mehr möglich. Und dieser Jemand war gut. Innerhalb von Sekunden paßten sich die Bilder seinen Vorlieben an, trafen verblüffend ins Schwarze. Ken blickte hinüber zu Jacques. Dessen idiotisches Grinsen bewies ihm zur Genüge, daß es ihm ähnlich ging. Die Halle lag im Halbdunkel, die Ladung war ordentlich in sorgfältig stabilisierten Containern verstaut. „Wie sollen wir den Roboter finden?“ fragte Jacques und gestattete sich ein anzügliches Grinsen. „Unserer Wünschelrute folgen?“ Ken knurrte und ging zum Bedienpult des Verwaltungssystems. Er ließ sich die Ladeliste anzeigen und entdeckte schließlich eine Artikelposition, die vielversprechend aussah: AndroTech, fünf Einheiten. „Deren Roboter sind wirklich spitze“, erklärte Jacques und schnalzte genießerisch mit den Lippen. „Ich erinnere mich da an ein Modell auf Marsstation 56...“ „Behalt’s für dich“, entgegnete Ken gereizt. Noch immer spukten peinliche Visionen durch seinen Kopf, und noch immer reagierte er peinlich intensiv
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darauf. Es wurde höchste Zeit, diesem ganzen Unsinn ein Ende zu bereiten. „Der Container steht da drüben“, verkündete er und marschierte los. Am Ziel angekommen, tippte er seinen Zugriffscode ein und öffnete den Behälter. Darin erwarteten sie fünf durchsichtige Plastikboxen. „Na los, packen wir die Spielsachen aus“, rief Jacques und zerrte eine Box nach der anderen hinaus. Er öffnete die erste und verzog enttäuscht das Gesicht. „Ein Polizist“, sagte er. Ken trat zu ihm und betrachtete den leblosen Metallhaufen in der Box. „Ein APSU 7/4. Nicht gerade beeindrukkend.“ „Wirklich nicht. Wenn du mich fragst, gehört die ganze 7er Serie aus dem Verkehr gezogen.“ Dies war einer der sehr seltenen Momente, in denen Ken vollkommen mit seinem Copiloten übereinstimmte. „Spätestens nach dem Gemetzel auf der Asteroidenstation.“ „War das so ein Modell?“ „Nein, ich glaube eine Version 7/1.“ Ken überkam die Vision einer Polizistin in hautenger glitzernder Lederkluft, ihre Uniform bis zum Bauchnabel aufgeknöpft...
Sex ist mein Hirte - PROLOG - Das Verhör
Morris Düsterhoff
Außerirdische bedrohen die Menschheit. Ihre Geheimwaffe: Sexstrahlen. Schrill, bunt, frech und sexy; durchsetzt mit schmerzhaft aktuellen Spitzen. Dieser Roman bietet satirische Science Fiction vom Feinsten.
Christian Enzenberg
videel, 2003, Softcover, 188 S. ISBN 3-89906-452-6 EUR 9,80
„Mann, hört das denn nie auf?!“ fauchte er heiser. Jacques grinste vergnügt und setzte seine Suche fort. Er entdeckte zuerst einen Haushaltsroboter und dann tatsächlich zwei Liebesandroiden, als deren Empfänger „Betsy’s“ auf ihren Boxen eingetragen war. Doch ein fachkundiger Blick darauf genügte ihm, um sie als Quelle ihrer ungewohnten sexuellen Inspiration auszuschließen. „Nicht schlecht, aber auch nichts besonderes. Und Telepathie... Schön wär’s. Also, wenn ich dir erzähle, was ich mit so einem Teil in Luna-City erlebt...“
Ken trat zur letzten Box. Auf dem Kennfeld war kein Empfänger eingetragen, als einziger Hinweis auf den Inhalt prangte darauf die Bezeichnung „Venus, Sonderanfertigung“. Er öffnete den Deckel und stieß unwillkürlich einen leisen Pfiff aus. In der Box lag die schönste, makelloseste Frau, die er jemals gesehen hatte, wie schlafend vor ihm. Doch es war natürlich nicht die nackte Perfektion zu seinen Füßen, die ihn dermaßen verblüffte, denn schließlich: Wo begegnete man in diesen Zeiten einer Frau, deren Körper nicht perfekt wäre? Es war etwas in ihrem Gesicht, unwirk-
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„Aber hallo!“ vernahm er neben sich Jacques’ begeisterten Ausruf. „Das ist ein Android?“
„Die hat sich jemand aus der Chefetage der Company für die langen, einsamen Nächte auf Titan bestellt. Interessiert mich schon, wer das war. Wir sollten nachher im Computer nachsehen, für wen die Lieferung bestimmt ist.“ Er zuckte unter dem blitzartig auftauchenden Bild einer äußerst freizügigen Sekretärin förmlich zusammen.
Ken schüttelte verwundert den Kopf. Was war plötzlich los mit ihm? Natürlich ein Android. Keine Frau.
„Aber jetzt müssen wir dieses Teil abstellen, bevor ich noch wahnsinnig werde.“
„Die sieht aus wie echt“, staunte Jacques. Er streckte seine Hand aus und berührte den nackten Körper. „Und fühlt sich auch so an. Wie echte Haut.“
„Du gönnst einem aber auch nichts. Meinetwegen, stellen wir es ab. Wenn du weißt, wo bei diesem Modell die Steuerungseinheit sitzt.“
„Woher willst du wissen, wie sich eine echte Frau anfühlt“, knurrte Ken ungehalten. Er strich vorsichtig über ihren Arm. Ja, weich und auch warm. Lebendig. „Wird schon synthetische Haut sein“, sagte er. „Aber feinste und teuerste Qualität.“
„Mann, such sie schon! Erzähl mir nicht, daß dir das keinen Spaß machen würde.“
lich, ungreifbar, das ihn in den Bann schlug. Na ja, und vielleicht doch auch ein wenig ihr wirklich traumhafter Körper ...
Jacques stand noch immer staunend über ihrem Fund. „Mann, ich freue mich diesmal wirklich darauf, nach unserer Landung Betsy’s einen Besuch abzustatten.“ Ken schüttelte den Kopf. „Also, ich glaube nicht, daß dieser Android für die gute alte Betsy bestimmt ist. Das Teil übersteigt ihr Budget bei weitem.“ „Für wen ist die Puppe dann?“
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Jacques grinste schief und packte genüßlich zu. „Ich habe noch nie gehört, daß die Steuerungseinheit bei Androiden dort sitzt“, spottete Ken. „Mir hat man bei meiner Ausbildung Gründlichkeit beigebracht“, entgegnete Jacques und ließ seine Hände weiter über den Leib des Androiden gleiten. In Verbindung mit den plötzlichen akustischen Halluzinationen (Hmmmmm... Ohhhhh... Jaaaaah...!) war dieser Anblick einfach nicht zu ertragen. Mit brennendem Gesicht stolperte Ken zurück und wandte sich ab.
Sex ist mein Hirte - PROLOG - Das Verhör
Morris Düsterhoff
„Kann keine Steuerungseinheit finden“, meldete Jacques nach einer Weile. „Das gibt es doch nicht!“
niemals wieder eine andere Frau zufriedenstellen können!“ ***
„Bitte, tu dir keinen Zwang an!“ Um keinen Preis der Welt würde Ken den Androiden noch einmal berühren. Gerade deshalb, weil er im Augenblick nichts sehnlichster wünschte. Ein verdammter Roboter, zum Teufel! Er hätte niemals erwartet, daß irgendeine Maschine seinen Glauben einmal so in Versuchung führen könnte. „Na gut, dann werden wir es wohl bis zur Landung noch ertragen müssen“, erklärte er. „Packen wir sie wieder ein.“ Jacques verzog bedauernd das Gesicht. „Ich würde schon gern mal wissen, wie der Sex mit so einem Luxusmodell ist.“ „Ja, kann ich mir vorstellen“, knurrte Ken. „Du solltest es mal mit einer echten Frau versuchen.“ In diesem Augenblick schlug der Android die Augen auf. Ken blickte erstarrt, mit bis zum Hals hinauf schlagendem Herzen in die atemberaubenden Augen dieser Frau, (Maschine!)
Hank lächelte zufrieden, als ihm endlich der Zugriff auf das Zentralsystem der Lotsenstation gewährt wurde. Eifrig schlug er sich durch das Gewirr optischer Menüs, bis er sich zum Havarieprogramm durchgehangelt hatte. Er bereitete sich schon auf eine erneute Schlacht vor und warf deshalb einen beunruhigten Blick auf die Uhr. Ja, wie befürchtet hatte er viel zuviel Zeit verloren. Das Schiff würde schon bald mit dem Landeanflug beginnen. Wenn er weiter so lange brauchte, würde der Transporter sicher gelandet sein, bevor er seine Sabotage durchführen konnte. Nur keine Hektik. Routiniert jagte er seine Späher vor und befand sich im nächsten Moment im System. „Pilotenausfall“, gaukelte er dem Programm vor und erlangte so Fernsteuerung über das Schiff. Der erste Schritt: Unterbrechen der ausgehenden Kommunikation. Dann Änderung der Steuerungsparameter des Autopiloten.
herrliche, tiefe Augen; und dann öffnete sie den Mund.
Jetzt lief alles wie am Schnürchen.
„Und du, Cowboy, solltest es einmal mit mir probieren. Danach wird dich
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Die Stimme des Androiden raubte Ken den Atem. Mit offenem Mund starrte er die Maschine an und suchte in der plötzlichen Ödnis seines Hirns nach einer abfälligen Erwiderung. Nichts, was dabei als mögliche Antwort kurz aufleuchtete (Frau, ha, von wegen... Aufgemotzte Gummipuppe...), schien ihm von ausreichend verletzender Schärfe oder wenigstens treffend genug zu sein, und so grübelte er noch immer, als die Alarmsirenen losheulten. Nur mühsam riß er seinen Blick von den Augen des Androiden los. „Was ist denn nun schon wieder?“ Jacques stand schon am Terminal und kratzte sich nervös im Gesicht. „Wir stürzen ab.“ Ken musterte die Anzeige. „Ein Fehler in der Steuerung?“ „Offenbar. Bei unserem derzeitigen Kurs zerschellen wir genau in den Bekari Hills.“ Ken tippte seine Kennung ein. „Zugriff verweigert?!“ „Das Havarieprogramm hat die Kontrolle übernommen“, sagte Jacques. „Das ist zwar seltsam, wäre aber halb so schlimm, wenn es uns dabei nicht auf einem völligen irrsinnigen Kurs auf Titan zusteuern würde.“ Ken hastete durch alle Sicherungsebenen und Systemzugänge, um das Programm
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auszuschalten; doch immer wieder stieß er auf die grell blinkende Antwort: Zugriff verweigert! „In den Steuerraum“, schlug Jacques vor. Ken nickte. Sie verließen das Ladedeck und hetzten den Gang hinauf. Außer Atem schlug Ken seine Hand auf den Schalter, doch die Tür öffnete sich nicht. Einen Augenblick lang hackten seine Finger wütend auf dem Terminal herum, dann erkannte er, daß er so nur kostbare Zeit verlor. Das hatte ja soeben schon nicht funktioniert. Also wandte er sich ab und rannte ein paar Schritte den Gang zurück. „Wohin willst du?“ fragte Jacques. „In den Wartungsschacht.“ Ken stemmte mit einem verbissenen Keuchen die Luke auf und schlüpfte in die Dunkelheit darunter. Jacques folgte ihm rasch. Als er bei Ken anlangte, studierte dieser gerade die Schaltpläne auf der Konsole. „Hier, diese drei Systeme abklemmen, dafür eine Zuleitung von hier... diese Zwischeneinheit überbrücken wir... Dann Stromzufuhr unterbrechen... Es schaltet auf die Notsysteme um, fährt neu hoch und stellt sich automatisch auf die veränderte Hardware ein. Dann müßten wir von diesem Wartungsterminal da drüben direkten Zugriff haben.“
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Jacques nickte. Sie arbeiteten schweigend. Ken registrierte grimmig die unterschwellig weiterbrodelnden sexuellen Visionen (Und, wollen Sie nicht überprüfen, ob hier auch alles in Ordnung ist?), doch er ließ sich davon nicht beirren. Es geht dabei nicht darum, einfach zufriedengestellt zu werden. Warum fiel ihm die treffende Antwort bloß immer erst dann ein, wenn es zu spät war? „Geschafft“, knurrte er, dann stieß er mit dem Schraubenzieher in die Schaltkreise, die unter diesem Angriff qualmend erstarben. Das Licht flackerte kurz, dann beruhigte sich das System wieder.
Der Mann auf dem Bildschirm kniff die Augen zusammen. „He, was ist das? Ihr seid sogar noch besser, als ich dachte; ihr verfolgt meine Spur zu mir zurück. Wie macht... Egal, eure Zeit ist abgelaufen, Jungs. Ihr werdet es niemandem mehr erzählen.“ „Verdammt, was wollen Sie von uns?!“ „Endstation“, wehrte der Fremde ab. „Wir setzen gerade zur Landung an. Bleiben Sie bitte angeschnallt sitzen, bis das Schiff seine endgültige Parkposition erreicht hat. Danke, daß Sie mit...“
Ken kroch zum Kontrollterminal und gab seinen Prioritätscode ein.
Wutentbrannt schmetterte Ken seine Faust auf den Monitor. Die Splitter zerschnitten ihm die Hand, doch in der kurzen Zeit, die ihnen noch verblieb, bemerkte er es kaum.
„Netter Versuch“, malte es sich in großen Buchstaben über den Bildschirm.
Sie dachten an Sex, während sie starben.
„Was zum Henker...“ stieß Ken entgeistert hervor. Auf dem Monitor flackerte das Gesicht eines Mannes auf, eingerahmt von den Drähten eines Sensorhelmes, mit dem er wohl am Computer hing. „Hätte nicht erwartet, daß ihr darauf kommt. Aber ich unterschätze niemals meine Gegner. Pech für euch.“ Ken brachte kein Wort hervor, und auch Jacques knirschte nur mit den Zähnen.
*** Eine halbe Stunde später standen in den Bekari Hills drei Polizisten und damit die gesamte Besatzung des Titan Dome Sheriff ’s Departments vor den noch rauchenden Überresten des Raumtransporters. „Kein Funkverkehr vor dem Absturz?“
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Raschkin gab irgendeinen undefinierbaren Laut von sich. Das hatte er dem Chef mindestens schon dreimal versichert, und doch fragte dieser stets erneut danach. „SOS?“ „Nein. Trotzdem hat unser Lotsensystem auf einmal die Steuerung übernommen und diese erstklassige Landung hier fabriziert.“ „Einfach so?“ „Aus heiterstem Himmel.“ „Scheiße.“ Zwar ordinär, traf diese Bemerkung dennoch genau den Punkt. Raschkin konnte nur zustimmend nicken. Der Sheriff stromerte zwischen den Trümmern entlang, eine massige, traurige Gestalt im dicken Schutzanzug. Raschkin wunderte es immer wieder, daß der Mann seine Fettschichten nicht zurechtstutzen lassen wollte. Kein Mensch mußte heutzutage noch so herumlaufen. So wie Gott uns schuf... Da hatte dieser aber einen verdammt schlechten Tag gehabt. Sein Blick glitt am Sheriff vorbei hinunter ins Tal, hin zu der gewaltigen Kuppel. Von hier oben aus war sie ein faszinierender Anblick, majestätisch und wunderschön. Wieviel eine genü-
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gend große Entfernung doch ausmachen konnte... „Kannten wir die Piloten?“ klang erneut die Stimme des Sheriffs aus dem Helmlautsprecher direkt neben Raschkins Ohr. Raschkin konzentrierte sich wieder auf den Fall. „Kenneth Kosinsky. Jacques Patavin.“ Das darauf folgende Schweigen verriet ihm, daß sich der Sheriff nur zu gut an die beiden erinnern konnte. Kein Wunder, Kosinsky hatte derselben Sekte angehört und einen ebenso wie der Chef mit seinen absonderlichen Moralvorstellungen zur Weißglut treiben können. Die sexuelle Ausschweifung mit Maschinen widerspricht der Schöpfung. Es raubt dem Akt seine mystische Bedeutung von Liebe und Hingabe. Gelaber. Der Sex mit einem dafür geschaffenen Androiden, oder einem Cyberprogramms, oder was auch immer sich findige Produktdesigner und Marketingstrategen ausgedacht hatten und noch ausdenken würden, übertraf die natürliche Variante einfach um Längen. Da konnten diese prüden Naturalisten einfach nicht begreifen. Sein Kumpel Patavin war da aus etwas anderem Holz geschnitzt gewesen. Schlug in jeder Beziehung über die Stränge. Wenn Raschkin sich recht entsann, hatte sich dieser einmal sogar mit dem Sheriff eine Schlägerei geliefert.
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Das war zu der Zeit gewesen, als das Sheriffbüro gerade neu geschaffen worden war, und Patavin hatte in seinem Suff nicht einsehen können, daß ihm dieser dicke, nervige Glatzkopf da Vorschriften machen wollte. Die beiden Piloten hätten verschiedener nicht sein können, und waren doch die besten Freunde gewesen. „Diese verdammte Company!“ Raschkin seufzte. Die alte Leier. „Sie können nicht wissen, ob die es waren.“ „Natürlich waren sie es.“ „Und weswegen sollten sie ihre eigenen Nachschublieferungen sabotieren?“ „Weil in der Ladung auch Lieferungen an unser Büro waren. Waffen, Ausrüstung. Vor allem der Android.“ Das war schon krankhaft, diese Paranoia. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß sie zwei Menschen opfern würden, nur um zu verhindern, daß wir einen Androiden bekommen.“ „Ja, das ist das Problem mit Ihnen! Sie haben da irgendein hehres Menschenbild in Ihrem Schädel, und jedes Mal, wenn Sie vor irgendeiner Schweinerei stehen, laufen Sie herum und jammern: Wer konnte so etwas bloß tun?“ „Verdammt, ich weiß genau, daß die Company sehr weit gehen würde, um ihre Interessen zu schützen. Aber das
hier steht in überhaupt gar keinem Verhältnis. Ein lumpiger Android. Dafür ein ganzes Schiff zu zerstören...“ „Ein Polizeiandroid ist hier draußen Gold wert. Bis jetzt stehen diesen Halunken gerade mal vier Mann gegenüber. Seit Cleve im Krankenhaus liegt, sogar nur drei.“ „Ja, ich weiß“, entgegnete Raschkin genervt. „Die Company steckt natürlich auch hinter dem Überfall auf Cleve.“ „Ja, so ist es. Aber mit einem Androiden können sie nicht so leicht fertigwerden. Schon mal auf einen geschossen?“ „Schon mal Aufnahmen von dem Massaker im Asteroidengürtel gesehen?“ Der Sheriff winkte ab. „Das Thema hatten wir doch schon zur Genüge. Durch einen Androiden verzehnfachen wir unsere Schlagkraft locker. Und das weiß die Company genau. Sie sabotieren uns, seit die Bürgerversammlung unser Büro geschaffen hat. Bis jetzt hat ihre Schutztruppe hier für Recht und Ordnung gesorgt, und dabei immer darauf geachtet, daß die Company tun und lassen konnte, was sie wollte.“ Na ja, dachte Raschkin, schließlich wurde alles hier mit ihrem Geld aufgebaut. Die Company hatte den Titan erschlossen, um seine Bodenschätze abzubauen, und es war schon nachvoll-
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ziehbar, daß sie die Kontrolle über ihre Investition gern behalten wollte. Der Sheriff blieb vor einem Trümmerteil stehen und ging in die Hocke. „Dekker!“ Raschkin wandte sich um und blickte seinem Kollegen lächelnd entgegen, als dieser dem Ruf des Sheriffs folgte. In seinem Schutzanzug wirkte Dekker nicht ganz so schmächtig wie sonst. Bei seiner Statur und mit seinem stets geistesabwesenden Gesichtsausdruck nahm ihn kein Mensch ernst. Dieser Eindruck täuschte, wie viele erst aus bitterer Erfahrung lernen mußten. Hier oben überlebten keine Schwächlinge.
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Doch geradezu unbezahlbar war er durch sein technisches Improvisationstalent. Angewiesen auf die seltenen Nachschublieferungen von der Erde, und nicht gerade auf Nummer 1 der Prioritätsliste der Company, konnte es den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten, ob man in der Lage war, ein Luftzirkulationssystem mit einer über das Leck geschweißten Konservenbüchse und dem Steuerungschip der Kaffeemaschine zum Laufen zu bringen. Der Mitarbeiter vom Wartungsdienst auf seiner Routineinspektion war fast in Ohnmacht gefallen... Und sie hatten
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ihm nicht einmal Kaffee anbieten können. „Sehen Sie mal, was ich gefunden habe. Ziemlich gut erhalten, scheint mir jedenfalls. Was meinen Sie?“ Dekker wiegte wohl den Kopf, was man durch seinen Schutzanzug nicht genau erkennen konnte. Raschkin trat näher und erkannte, was der Sheriff in der Hand hielt: Ein metallisches, silberglänzendes Bein. „Das hängt ja wohl mehr von der Steuerungseinheit des Androiden ab, ob man ihn wieder funktionsfähig zusammensetzen kann“, sagte Raschkin, der keinen Moment zweifelte, worauf der Sheriff hinauswollte. „Sicher“, entgegnete Dekker. „Aber, wenn ich mich hier so umschaue, sind auf jeden Fall genügend Einzelteile noch intakt...“ Verdammt, zu spät! Der Kerl hatte schon Blut geleckt. Und wenn die Teile des Androiden hier geschmolzen im Boden versickerten, würde er noch immer behaupten, ihn wieder reparieren zu können. „Herrgott, diese blöden APSU-Androiden taugen schon nichts, wenn sie vom Band laufen. Und Sie wollen einen zusammengepfriemelten Blechkasten mit wer weiß was für Schäden in seiner Programmierung auf die Bevölkerung dieses Mondes loslassen?“
„Ihre Loyalität läßt schon ziemlich zu wünschen übrig“, knurrte ihn der Sheriff an. „Man könnte auf die Idee kommen, Sie stünden auf der Gehaltsliste der Company.“ „Und Sie sollten Ihren blöden Verfolgungswahn endlich ärztlich behandeln lassen. Außerdem, Ihre religiöse Überzeugung legen Sie auch nur an, wenn es Ihnen in den Kram paßt. Mit Maschinen ficken, das ist Teufelswerk, aber diese ungestört herumballern lassen, damit haben Sie keine Schwierigkeiten!“ Der Sheriff benötigte geschlagene fünf Minuten, bis er seine Beherrschung wenigstens so weit wieder zurückgewonnen hatte, daß er zu Dekker sagen konnte: „Also, schaffen Sie alles in Ihr Labor, sichten Sie die Einzelteile und berichten mir dann, ob Sie den Androiden wieder reparieren können.“ *** Als Hank das Lokal betrat, empfingen ihn dumpf dröhnender Baß, der ihn bis ins Mark vibrieren ließ, grell flackernde Lichter, intensiver Moschusduft und Tausende von leeren Versprechungen auf schönen, kalten Gesichtern. Er identifizierte die Musik als den neuesten Hit der PCs, passend dazu tanzten
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auf der Bühne nackte, violett bemalte Schönheiten um Totenkopfschreine herum. Hank verspürte heute nicht die geringste Lust auf den Trubel hier unten. Er trat zu einem in einer Nische verborgenen Terminal und aktivierte es mit seinem Daumenabdruck. „Sie wünschen?“ empfing ihn eine offenherzig gekleidete Zeichentrickfigur auf dem Monitor. Unmöglich zu erkennen, ob sich Betsy gerade persönlich hinter ihrem stilisierten elektronischen Abbild befand oder ob nur ihr Antwortprogramm lief. Hank war es auch im Moment egal. Manchmal bereitete es ihm zwar Vergnügen, durch geschickte Fragen möglichst rasch ein Programm zu entlarven, doch dazu ging er bestimmt nicht zu Betsy’s. „Das Übliche, das Übliche.“ „Antoinette steht Ihnen in Zimmer 342 zur Verfügung. Falls Sie Desireé bevorzugen, müßten Sie sich etwas gedulden. Sie können gern inzwischen in unserer Emotion-Tape-Sammlung stöbern...“ „Nein, danke. Antoinette dürfte heute genau das Richtige sein.“ Er kämpfte sich durch die Menschen hindurch zum Fahrstuhl vor. Wieder verschaffte ihm sein Daumenabdruck Zugang. Oben angekommen, schlen-
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derte er fröhlich pfeifend auf das ihm gewiesene Zimmer zu und trat ein. Der Raum lag im Dunkel. Unschlüssig blieb Hank stehen, blickte sich um. Seine überreizte Phantasie spielte ihm einen Streich, erschuf ihm aus der Schwärze die Schemen von feuchten, kahlen Mauern, von schweren, rasselnden Ketten, roh zusammengezimmerten Geräten: all diese Visionen blitzten auf und verschwanden wieder, jedoch nicht, ohne an ihm ihre Spuren zu hinterlassen. Hinter ihm erklangen Schritte, hochhackige Schuhe, die langsam, gemächlich eine Treppe hinabstiegen. Sie hallten seltsam, wie in einem Gewölbe, und Hank vernahm nun auch das Prasseln eines Feuers, eine schwere Lederpeitsche, die durch die Luft pfiff, das unterdrückte Stöhnen des glücklich Getroffenen. „Was für eine Show“, murmelte er, doch nur zu deutlich war ihm bewußt, daß er sich damit nur Mut zureden wollte. Beklommen starrte er den Schritten entgegen. Dann tauchte aus dem Dunkel eine Gestalt auf, undeutlich von versteckten Scheinwerfern eingefangen. Mehr als verwirrt erfaßte Hank Detail um Detail dieses seltsamen Wesens. Eine Frau? Ja, doch, eine Frau war es offensichtlich, ihr Torso war perfekt geformt, was das hautenge, spärliche Leder, das
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sie trug, eher offenbarte als verbarg. Aber ihre Beine schillerten silbern; zuerst vermutete Hank metallfarbene Hosen, doch als Mann von Fach identifizierte er rasch Androidenbeine. Ebenso waren ihre Arme offensichtlich künstlich. Und erst ihr Kopf! Bis hin zur Nase einigermaßen menschlich, ein zarter, geschmeidiger Hals, energisches Kinn, Schmollmund; doch an manchen Stellen schimmerte es verchromt und der obere Teil ihres Gesichts bestand fast völlig aus Metall. Anstelle der Augen blinkte ihn ein vorsintflutlicher Visor an. Wer baute denn heutzutage in Androiden noch solche Teile ein? Etwas gemildert wurde der maschinenhafte Eindruck durch ihre Haare, die als wilde, lockige Mähne um ihren Kopf wallten. „Soll das ein Witz sein?“ fragte Hank. Ein lauter, herrischer Peitschenschlag, fast wie real, durchzuckte ihn, so daß er sich unwillkürlich zusammenkrümmte. „Was ist das für eine Begrüßung, Sklave?“ Hatte sie zu ihm gesprochen, oder erklang diese Stimme nur in seinem Kopf? „Ein aus Schrotteilen zusammengeflickter Liebesandroid“, begehrte Hank auf. „Wenn Betsy glaubt, daß ich dafür mein sauer verdientes Geld hinblättere, hat sie sich aber geschnitten.“ „Auf die Knie!“
Fast entsetzt bemerkte Hank, daß sich seine Beine unwillkürlich beugten. Störrisch blieb er aufrecht. „Ich habe Antoinette bestellt.“ „Bist du dir sicher, daß sie dir mehr geben kann als ich?“ Alles Herrische war aus der Stimme verschwunden, jetzt schwang darin Verheißung, ein lockendes Versprechen mit. „Willst du wirklich, daß ich gehe?“ „Ich ...“ „Auf die Knie!“ Jetzt erklang wieder die Herrin, und durch die Stimme erwachten in ihm scharenweise Bilder und Szenen, Sehnsüchte, die bisher kein psychologisch noch so ausgeklügeltes Sexprogramm zu stillen vermocht hatte, einfach, weil sie ihm selbst nicht faßbar gewesen waren. „Glaub mir, ich kann dir Dinge jenseits deiner Vorstellungskraft geben“, klang es wieder schmeichelnd, „Wünsche erfüllen, von denen du gar nicht wußtest, daß du sie hegst.“ Dann erneut der Befehl: „Auf die Knie!“ Dem explodierenden Ansturm der Bilder in seinem Kopf konnte Hank nicht widerstehen. Wimmernd brach er zu Boden. Zarte Finger umfaßten sein Kinn. Nur sehr entfernt registrierte Hank diesen seltsamen Anblick, eine menschliche Hand, als Handschuh über das Metall des Armes gestülpt.
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„Na, wer wird denn weinen? Jetzt bin ich doch bei dir...“ *** Eine Stunde später hing Hank noch immer an die Wand gekettet. Die Grenze zwischen Realität und Phantasie hatte sich inzwischen völlig verflüchtigt. Was war in dieser Ewigkeit, die hinter ihm, und hoffentlich auch vor ihm lag, tatsächlich geschehen? Und was existierte nur als aus seinem Unterbewußtsein geborgener Traum? Er wußte es nicht. Für ihn waren die Verliese der Inquisition letzten Endes ebenso real wie das kalte Silber seiner Herrin, das er küßte. Und diesen Zustand wollte er nimmer mehr missen. Er hatte Freuden durchlitten, die bisher unerkannt in ihm geschlummert hatten, hatte geschrien, gefleht, gewimmert, war auf schmerzliche Höhen geklettert, auf die er sich zuvor noch niemals gewagt hatte; und doch erschien ihm dies alles nur als ein Versprechen auf mehr, unendlich viel mehr, als wäre alles bisherige, so wie sein ganzes Leben, nur ein Vorspiel gewesen. „Warst du ein braver Junge?“ Wie oft schon hatte sie ihm diese Frage gestellt? Und mit jedem Mal nahm diese Frage an Intensität zu, mit jeder
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herrlichen Buße, die sie ihm auferlegte. „Ich hoffe nicht, denn dann müßte ich dich schrecklich bestrafen.“ Hielt sie die Bilder, die diese Worte in seinem Kopf untermalten, absichtlich so undeutlich? Gerade so scharf, damit er erkennen konnte, daß er sie um jeden Preis der Welt erfahren mußte ... Er hatte ihr viele Sünden gebeichtet, um sich ihre Wut und ihren Abscheu zu verdienen, doch irgendwie spürte er selbst durch die köstlichsten Qualen hindurch noch ihre Verachtung. Seine gehauchten Geständnisse erschienen ihr offenbar lächerlich. Sie verfügte über Strafen in ihrem Repertoire, deren diese harmlosen Kindereien nicht würdig waren. Das fühlte er mit jeder Faser. „Gibt es denn tatsächlich nichts, wofür ich dich wirklich bestrafen müßte? Etwas so Abscheuliches, so Verkommenes, daß die notwendige Strafe dafür alles in den Schatten stellen würde? Eine Schuld, deren Sühne einfach unbeschreiblich auszufallen hätte?“ ... einfach unbeschreiblich... „Ich habe furchtbare Taten begangen“, flehte er. „Furchtbare Taten?“ höhnte sie. „Vergessen wir es lieber. Du willst deine Herrin bloß weiter langweilen.“
Sex ist mein Hirte - PROLOG - Das Verhör
Morris Düsterhoff
„Oh nein!“ stieß er rasch hervor. „Ich habe gemordet.“ Das Feuer der Vision verbrannte ihn fast. „Lügst du auch nicht?“ fragte sie drohend und wandte sich ab. „Nein, nein, wirklich. Du mußt mich bestrafen.“ „Das werden wir sehen“, gab sie sich desinteressiert. „Bisher hast du mir ja nichts besonders Aufregendes berichten können. Und jetzt willst du mich offensichtlich für dumm verkaufen.“ „Nein, bitte, ich ...“ „Du hast also gemordet?“ „Oh, ja. Oft, sehr oft.“ „Das klingt schon vielversprechender. Erzähl mir davon.“ *** „Und, Herrin, werdet Ihr mich bestrafen?“ Welch hoffnungsvolles Flehen. „Nein.“ Hank fror in der plötzlichen Kälte. Der Zauber um ihn herum war erloschen. Jetzt war es wieder ein zwar herausgeputztes, aber doch schäbiges Zimmer in einem Bordell, in dem er hier hing, nackt und jämmerlich an die Wand gekettet. „Aber du wirst deine Strafe bekommen.“
Krachend brachen Polizisten durch die Tür, die Waffen im Anschlag. Unbeteiligt trat Venus zurück und ließ die drei Männer vorbei. „Ja, du Witzfigur!“ Der Sheriff baute sein Gewicht vor dem Delinquenten auf. „Du wirst deine Strafe bekommen. Wir haben alles aufgezeichnet. Führt ihn ab, bevor ich anfange zu kotzen.“ Raschkin suchte den Schlüssel für die Ketten, in denen der Verdächtige wie ein Häufchen Elend hing. Endlich hatte er ihn befreit. Verächtlich warf er ihm seine Kleidung zu. Zitternd, völlig verwirrt stieg der Kerl in seine Klamotten. Raschkin lächelte grimmig. Ja, er hatte seiner Herrin viel erzählt, ständig von der Angst, sie zu langweilen, weitergetrieben. Sie hatten von ihm viele Details erfahren, mit deren Hilfe sie zumindest schier unfaßbare Sicherheitslücken schließen konnten. Doch das Wichtigste überhaupt, wer sein Auftraggeber war, das hatte er ihr nicht beichten können, so verzweifelt er es auch wollte. Er wußte es nicht. Im Cyberclub sah er aus wie Al Capone... „Was geht hier vor?“ Erschrocken blickten alle zur Tür. Dort standen etwa zehn Mann, ebenfalls schwerbewaffnet, in den Uniformen der Company. Gesprochen hatte wohl der kräftige Blonde mit dem militärisch kurzen Haarschnitt, der gera-
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de auf den Sheriff zuschritt. Er brachte vermutlich ebensoviel auf die Waage wie der Mann mit dem Stern an der Schwabbelbrust, doch bei ihm handelte es sich um stahlharte Muskeln. „Wonach sieht es denn aus, Cassidy?“ fragte der Sheriff. „Wir verhaften einen Mordverdächtigen.“ „Hier haben Sie keine Befugnis.“ Cassidy klang fast beleidigt. „Betsy’s gehört der Company und dieser Mann arbeitet in unserer Computerabteilung.“ „Sieh mal an, Sie kennen jeden Ihrer Mitarbeiter persönlich. Ist doch irgendwie seltsam, oder?“ Cassidy schwieg. „Wir können überall jemanden verhaften, egal, ob er sich auf dem Gelände der Company befindet.“ „Das sehen wir etwas anders. Solange diese Frage nicht mit der Regierung geklärt ist, werden Sie hier niemanden verhaften. Meinetwegen können Sie sich in Downtown austoben. Nur dieses Gesindel dort wollte doch unbedingt einen eigenen Sheriff haben. Einen von ihnen.“ „Nun, ich werde auf jeden Fall zur Erde melden, daß wir hier einen Saboteur gefaßt haben, der für vielleicht zwanzig Attentate verantwortlich ist. Es werden mehr sein, aber das wissen Sie ja besser als ich.“
Der Sheriff lächelte kalt. „Seien Sie vorsichtig mit Ihren Unterstellungen, ich warne Sie“, knurrte Cassidy. „Und jetzt werde ich den Verdächtigen in unsere Obhut nehmen.“ Raschkin blickte gespannt zu seinem Chef. Es sah nicht gut aus, die Leute von der Company waren weit in der Überzahl. Doch wie er den Sheriff kannte, würde der nicht kleinbeigeben, schon gar nicht, da er jetzt über seinen heißersehnten Androiden verfügte. Auch wenn sie durch diesen ihre Schlagkraft nicht unbedingt verzehnfacht hatten. Blieb zu hoffen, daß die Schutzleute vernünftig blieben. „Na gut, meinetwegen“, erklärte der Sheriff. Raschkin bemühte sich, seine Überraschung zu verbergen. Mit undurchdringlicher Miene trat der Sheriff zur Seite und nickte ihm zu. Raschkin ließ den Verdächtigen los und Cassidy packte diesen beim Arm. Wie lange würde der erbärmliche Kerl wohl noch leben? Aller Wahrscheinlichkeit nach würde er auf der Flucht erschossen werden. So wurden die Dinge hier oben üblicherweise von der Company gehandhabt. Vor allem, wenn der Sheriff mit seiner Vermutung recht hatte, was die Auftraggeber dieses Halunken betraf. Raschkin blickte erneut in das Gesicht seines Chefs; jetzt er-
„Was wollen Sie damit sagen?“
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kannte er den Haß darin und verstand. Plötzlich fror er. Was hatten sie schon für Beweise? Das Geständnis des Verdächtigen bei einer Domina. Angekettet und mit ausgefallenen Strafen bedroht. Selbst, wenn es sich nicht zu allem Überfluß auch noch um einen verdeckt arbeitenden Polizeiandroiden gehandelt hätte, dieser Beweis war vor Gericht einen Dreck wert. Dieser Mistkerl würde ungeschoren davonkommen. Aber so... Raschkin seufzte innerlich. Offensichtlich hatte der Sheriff vergessen,
daß sein Büro genau aus dem Grunde eingerichtet worden war, diesen Zuständen ein Ende zu bereiten. Recht und Gesetz, schon eine feine Sache... Cassidy nickte in Venus’ Richtung. „Was ist das überhaupt für ein seltsames Gerät?“ „Unser Polizeiandroid“, entgegnete der Sheriff. „Das ist ein Witz, oder?“ Cassidy musterte sie genauer. „Irgendwie gewinne ich hier den Eindruck, daß Sie bei der Bestellung im falschen Katalog geblättert haben. Eine interessante Dienstkleidung. Ist daran überhaupt Platz für den Stern?“
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Venus griff in ihre Tasche, holte ihr Abzeichen hervor und bewies es ihm. „Aber gerade so... Sie haben offenbar etwas andere Vorstellungen von den Aufgaben eines Polizeiandroiden, als man vermuten sollte. Sheriff, Sheriff, ich werde wohl ein ernsthaftes Wort mit Ihrem Pfarrer reden müssen...“ Er deutete auf die silbernen Schenkel von Venus. „Allerdings gibt es auch in diesem Produktsegment durchaus bessere Qualität. Sie wirkt ein bißchen wie Frankensteins Braut.“ „Das sind doch nur Äußerlichkeiten“, entgegnete Venus. „Hat man Ihnen nicht gesagt, daß es die inneren Werte sind, die zählen?“ „Ihre inneren Werte, Officer Silverthigh?“ fragte Cassidy verächtlich. Dann überzog flammende Röte sein Gesicht; er wirkte plötzlich ertappt, ohne daß Raschkin den Grund für seine Verlegenheit hätte nachvollziehen können. Es schien fast so, als ob Venus lächelte. Raschkin runzelte die Stirn. Konnten Androiden überhaupt lächeln? Wirklich lächeln, und nicht nur den Anschein erwecken? Dekker trat vor und starrte Venus nachdenklich an. Durch seine mickrige Körpergröße sah es so aus, als sei er in den Anblick ihres genau in seiner
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Augenhöhe prangenden Dekolletés versunken; doch wer ihn kannte, wußte es besser. „Zugegeben, schon eine etwas seltsame Vorgehensweise. Ich dachte mir, daß zuviel von ihrer ursprünglichen Programmierung zurückgeblieben ist. So ganz schlau bin ich aus ihrem Steuerungssystem nicht geworden. Eine ganz neue Entwicklung, die mir bisher noch nicht untergekommen ist. An ihrer Konditionierung muß ich wohl noch einiges herumschrauben.“ „Sie hat den Burschen doch geschnappt, oder nicht?“ fragte der Sheriff. Cassidy schnaufte und zerrte Hank zur Tür. „Einen Moment noch“, sagte Venus. Sie beugte sich zu dem Verdächtigen vor, und ein letztes Mal kam dieser in den Genuß der verheißungsvollen Stimme seiner Herrin: „Sag mal, das war es dir doch wert? Oder hättest du besser auf Antoinette bestehen sollen?“
- Informationen zur Fortsetzung finden Sie auf der nächsten Seite. -
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Christian Enzenberg
videel, 2003, Softcover, 188 S. ISBN 3-89906-452-6 EUR 9,80 Dieser Fall erfordert ihr ganzes Können: außerirdische Invasoren haben die Kuppelkolonie als Testobjekt für einen großangelegten Angriff gegen die Erde auserkoren. Mittels eines Chips im Gehirn soll das Interesse an der schönsten Nebensache der Welt ins Unermeßliche gesteigert werden, um die Menschen in willenlose Sklaven zu verwandeln... Schrill, bunt, frech und sexy; durchsetzt mit schmerzhaft aktuellen Spitzen. Dieser Roman bietet satirische Science Fiction vom Feinsten.
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