Verdrängt der Homo oeconomicus den Homo communis?: Normbezogene Orientierungsmuster bei Akteuren mit unterschiedlicher Markteinbindung

6. Ergebnisse Der nun folgende Teil 6 der Arbeit enthalt die empirischen Ergebnisse zu den Forschungsfragen der Untersuchung. Er gliedert sich endang der einzelnen Forschungsfragen in sieben Unterkapitel (Abschnitte 6.1 bis 6.7).

6.1 Forschungsfrage 1: Typen normbezogener Orientierungsmuster Zur Beantwortung der Forschungsfrage 1 nach den unterscheidbaren Typen normhe^gener Orientierungsmuster aufder Ebene nomo^entrischer, bkonomischer und kommunitdr-gemeinschaftlicher

Orientierungen wurden, wie in Kapitel 5.4 und Anhang C erlautert, zunachst hierarchischagglomerative Clusteranalysen nach der Ward- oder auch Minimum-Varianz-Methode und anschlieBend Clusterzentrenanalysen nach dem sog. K-means-Verfahren durchgefiihrt. Das Verfahren wies dabei auf Grundlage der verfiigbaren formal-statistischen Auswahlkriterien eine 5-Cluster-L6sung als bestes Modell zur Beschreibung gegebener Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe aus. Die Auswahl der 5-ClusterLosung als Referenzmodell fur eine Typologie normbezogener Orientierungsmuster erfolgte in der vorliegenden Studie sowohl nach formal-statistischen als auch nach inhaltliche Kriterien.^^ Das Ergebnis der Analyse ist in Abb. 6.1 dargestellt. In Abbildung 6.1.1 (S. 132) sind die mittieren Auspragungen^^ nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen in den verschiedenen Clustern als Abweichungen vom jeweiligen Mittelwert der Orientierungswerte fur die Gesamtstichprobe - reprasentiert durch die horizontale Nulllinie des Diagramms - dargestellt. Die Typologie normbezogener Orientierungsmuster bestimmt sich dabei iiber die kombinierten Auspragungswerte der Orientierungsvariablen in den Clustern. Um die Orientierungstypen auch sprachlich distinkt zu halten, habe ich mich bemiiht, fiir diese jeweils ein pragnantes Label zu finden, das die Art der hier vorfindlichen Orientierungen zusammenfassend bezeichnet. Normorientierte Marktaktivisten Mit dem Label der „Normorientierten Marktaktivisten" wurde in der Clustertypologie das Orientierungsmuster bezeichnet, das durch ein starkes commitment an okonomische Erfolgsziele bei gleichzeitig ebenfalls iiberdurchschnittlich ausgepragten nomozentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen gekennzeichnet ist. Der 87 Eine ausfiihrlichere Zusammenstellung der formal-statistischen Auswahlkriterien findet sich in Anhang D. 88 Bezugspunkt ist hier konkret der arithmetische Mittelwert der verschiedenen Clusterpopulationen auf der Ebene der z-standardisierten Hauptkomponentenwerte zu den nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftichen Orientierungen.

132

6. Ergebnisse

Abbildung 6.1.1: Clustertypen normbezogener Orientiemngmuster auf der Ebene nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen bei Angehorigen der deutschen Erwerbsbevolkerung (n=367)*

•Nomozentrismus DOkonomismus B Kommunitarismus

t

^

TF

-0,^

Normorientierte Marktaktivisten (n=86)

Radikale Marktaktivisten (n=51)

Marktdistanzierte Konventionalisten (n=86)

Desin teres sierte (n=87)

Nonkonforme Kommuni taris ten (n=57)

*Die Komponenten nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen wurden in der Abbildung nominell als Nomozentrismus, Okonomismus und Kommunitarismus bezeichnet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

normorientierte Marktaktivist stellt in der gegeben Clustertypologie den einzigen Orientierungst5rpus dar, der gleichzeitig und parallel zueinander eine iiberdurchschnittliche Bindung an die Ordnungssysteme von Staat bzw. Recht, Markt und Gemeinschaft aufweist. Er entspricht mit diesen Eigenschaften dem propagierten Akteursideal einer offenen und Uberalen BiirgergeseUschaft, d.h. dem Ideal eines Akteurs, der sich in seinen Aktivitaten einerseits an wirtschaftlichen Erfolgszielen orientiert, sich dabei aber andererseits in seinem Markthandeln dutch rechtliche Impetative und gemeinschaftHchkommunitare ObUgationen ziigeln und steuern lasst. Mit einem Stichprobenanteil von 23,4 Prozent bilden die normorientierten Marktaktivisten das groBte Cluster innerhalb der Untersuchungsstichprobe. Radikale Marktaktivisten Quasi als Gegenbild zum normorientierten Marktaktivisten findet sich in der Clustertypologie das Orientierungsmuster des sog. „radikalen Marktaktivisten". Dieser Orientierungstypus zeichnet sich ebenfaUs dutch ein sehr stark iiberdurchschnittliches commitment an okonomische Erfolgsziele aus, wobei aUerdings parallel hierzu die nomozentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen sehr stark unterdurchschnittlich ausgepragt sind. Der radikale Marktaktivist reprasentiert in der gegebenen Typologie den Akteurstyp, der den Gelmngsanspruch formal-rechtlicher und kommunitar-gemein-

6.1 Fofschungsfrage 1

133

schaftlicher Belange entschieden und ^radikal" hinter die Relevanz der Verwirklichung seiner Marktinteressen zuriickstellt. Er hegt dabei - der Konstruktionslogik der Typologie zufolge — zwar keine generelle Aversion gegeniiber den Ordnungssystemen von Recht und Gemeinschaft. Gleichwohl lasst sich unterstellen, dass er in erhohtem MaBe bereit ist, Recht und Gemeinschaft fiir die Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Erfolgsziele in Dienst zu nehmen: Man beruft sich auf Recht und Gemeinschaft, wo es der Wahrung oder Durchsetzung der eigenen Marktinteressen forderlich ist, ist aber durchaus auch in der Lage, flexibel mit den Anforderungen dieser Ordnungssysteme umzugehen, wenn sie mit eigenen Marktinteressen in Konflikt geraten. Der „radikale Marktaktivist" entspricht mit diesen Eigenschaften dem „Schreckgespenst" der kommunitaristischen Marktkritik (vgl. Abschnitt 2.2.4), die in der radikal an Gesichtspunkten einer Marktrationalitat orientierten und in diesem Sinne gren^moralischen Gesinnung dieses Akteurst3^s die kommunitaren Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens gefahrdet sieht.^'^ In der Untersuchungsstichprobe bilden die „radikalen Marktaktivisten" mit einem Anteil von 13,9 Prozent die kleinste Clustereinheit. Marktdistanzierte Konventionalisten Den Komplementartypus zum „radikalen Marktaktivisten" stellt in der gegebenen Typologie der Orientierungstypus des „marktdistanzierten Konventionalisten" dar. Dieser Orientierungstypus zeichnet sich dutch sehr stark iiberdurchschnittlich ausgepragte nomozentrische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen aus. Parallel hierzu ist sein commitment an okonomische Erfolgsziele sehr stark unterdurchschnittlich ausgepragt. Der „marktdistanzierte Konventionalist" reprasentiert somit einen Akteurstyp, der an bestehenden rechtHchen und kommunitar-gemeinschaftlichen Strukturgegebenheiten festhalt und sich dabei den Imperativen des Markthandelns gegeniiber eher reserviert verhalt. Dies heiBt zwar nicht, dass der marktdistanzierte Konventionalist beruflichen Erfolg und finanzielle Gewinne - als mogliche Realisationen seiner okonomischen Interessen — kategorisch ablehnt oder verschmaht, wohl aber, dass er sein commitment an okonomische Erfolgsziele deutlich hinter den Geltungsanspruch kommunitar-gemeinschaftlicher und formell-rechtlicher Anforderungen zuriickstellt. Mit diesen Eigenschaften ahnelt der marktdistanzierte Konventionalist dem Typus des ordnungsliehenden Konventionalisten aus der Speyerer Wertetypologie von Helmut Klages und Mitarbeitern (vgl. Klages 1996: 78ff.; Klages 1997; Gensicke 1998; I
89 Der Begriff der Grenzmoral bezeichnet dabei zunachst und primar nicht iible Geschaftemacherei und Praktiken des unlauteren Wettbewerbs, bei dem alle moglichen Kniffe zur Erzielung eines materiellen Vorteils angewendet werden. Sein Fokus riciitet sich vielmehr „ganz allgemein auf ein Verhalten, wo das Selbstinteresse nicht mehr in andere Wertstrukturen eingebunden und durch keinerlei soziale Verantwortung und Solidaritat gebandigt ist" (Rauscher 1977: 331; vgl. in dieser Studie auch Abschnitt 2.2.2).

134

6. Ergebnisse

Desinteressierte Ein weiteres Orientiemngsmuster zeichnet sich durch stark unterdurchschnittlich ausgepragte kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen, ein leicht unterdurchschnittliches commitment an okonomische Erfolgsziele und parallel hierzu durchschnitdich bis leicht iiberdurchschnittlich ausgepragte nomozentrische Orientierungen aus. Das Orientierungsprofil lasst dabei - abgesehen von der starken Distanzierung gegeniiber kommunitar-gemeinschaftlichen Anforderungen - kein eindeutiges Prioritatengefiige erkennbar werden. Sichtbar wird hier allenfalls, dass die Angehorigen dieses Clusters sich tendenziell gegeniiber den Effizienz- und Rentabilitatsanspriichen des Marktes und verstarkt gegeniiber den Erwartungen der Gemeinschaft „abschotten". Das antigemeinschaftliche Ressentiment dieses Akteurstyps, verbunden mit dem tendenziell ausgepragten Desinteresse an der Realisierung okonomischer Erfolgsziele, hat mich dazu bewogen, die Angehorigen dieses Clusters als Desinteressierte zu bezeichnen.^^ Gleichwohl zeigt die antikommunitare Haltung der Desinteressierten, dass sie von der Sorge getrieben sind, selbst im Leben nicht zu kurz zu kommen. Das Verhaltnis zum Recht ist dabei allerdings nicht ressentimentgeladen. Vielmehr trifft der Geltungsanspruch rechtlicher Normen bei den meisten Angehorigen dieses Clusters auf eine durchschnittliche Akzeptanz, wobei ein Anteil von etwa 10 Prozent der Desinteressierten sogar eine autoritare Horigkeit gegeniiber dem Recht einfordert. In der Untersuchungsstichprobe umfasst das Cluster der Desinteressierten - wie schon die marktdistanzierten Konventionalisten - 23,7 Prozent der Befragten. Nonkonforme Kommunitaristen Als Kontrasttypus zum Orienterungsmuster der Desinteressierten tritt in der Clustertypologie schlieBlich das Orientiemngsmuster der nonkonformen Kommunitaristen in Erscheinung. Die nonkonformen Kommunitaristen zeichnen sich an erster SteUe durch ihre stark iiberdurchschnittlich ausgepragten kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen und parallel hierzu durch ihre stark unterdurchschnittlich ausgepragten formellrechtiichen Orientierungen aus. In ihrem Fall paart sich entsprechend eine positive Bindung an das Ordnungssystem der gesellschaftlichen Gemeinschaft mit einem sehr distanzierten Verhaltnis zu den Anforderungen des Rechts, was inpraxi die Bereitschaft zu einem nonkonformen Umgang mit dem Geltungsanspruch rechdicher Normen bedeutet. Aus diesem Grund wurden die Angehorigen dieses Clusters iibergreifend als „nonkonforme Kommunitaristen" bezeichnet. Die okonomischen Orientierungen

90 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass fiir das Cluster der Desinteressierten zur Aufklarung der clusterinternen Strukturgegebenheiten eine eigene Subtypologie erstellt wurde, wobei das Verfahren der hierarchischen Clusteranalyse nach Ward und der Clusterzentrenanalyse nach k-means in der in Anhang C beschriebenen Weise zum Einsatz kamen. Die Ergebnisse der Clusteranalysen fiir die Gruppierung der Desinteressierten (dokumentiert in Anhang E), die auch in diesem Fall eine 5er-Typologie als beste Losung ausweisen, stiitzen den Befund von der erhohten Distanz der Clusterangehorigen gegeniiber kommunitar-gemeinschaftlichen Belangen und gegeniiber dem commitment an markttypische Erfolgsziele. Die graduelle Auspragung der nomozentrischen Orientierungen variiert dabei allerdings uneinheitlich zwischen einem extrem iiberdurchschnittlichen und einem sehr stark unterdurchschnittlichen Niveau,

6.1 Fofschungsfrage 1

135

bewegen sich bei diesen Befragten - ahnlich wie bei den Desinteressierten - auf einem leicht unterdurchschnittlichen Niveau. Begreift man das Orientiemngsprofil der nonkonformen Kommunitaristen wie bei den anderen Clustern als (subjektives) Relevanzsystem, so erhalt man den Eindruck, dass die Angehorigen dieses Clusters sich in ihrem Alltagshandeln zunachst und primar den Erwartungen und Anforderungen ihrer gemeinschafdichen Bezugssysteme verpflichtet sehen. Die extrem unterdurchschnittlich ausgepragten formell-rechdichen Orienderungen bedeuten parallel hierzu jedoch nicht, dass die nonkonformen Kommunitaristen den Geltungsanspruch rechtlicher Normen allgemein ablehnten, sondern lediglich, dass sie sich dem Prinzip eines generalisierten Normgehorsams versagen. Ob sie den Anforderungen rechtlicher Normen Geniige leisten oder nicht, entscheidet sich dabei fiir sie nicht zuletzt nach MaBgabe wahrgenommener kommunitar-gemeinschaftlicher Interessenlagen. Normverletzungen gelten fiir diese KUentel entsprechend dort als akzeptabel, wo sie kommunitar-gemeinschaftlichen Interessen dienen, oder auch dort, wo entsprechende Interessen durch eine Normabweichung punktuell als nicht gefahrdet erscheinen. In der Art der Prioritatensetzung scheint so mit den nonkonformen Kommunitaristen tendenziell ein Orientierungsmuster auf, das die Rechtssoziologin Doris Lucke (1995, 1996) vor Augen gehabt haben mag, als sie einen Wandel der „Akzeptanzlandschaft" konstatierte und in diesem Zusammenhang den „Abschied vom homo legalis'' ausrief. Insbesondere im Kontext der Normenerosionsdebatte (vgl. Frommel /Gessner 1996) entwarf sie als Gegenbild hierzu den Typus eines postkonventionellen Akteurs, der die Legitimitat des Geltungsanspruchs rechtlicher Normen situativ immer wieder neu hinterfragt und sich in diesem Zusammenhang herausnimmt, bei wahrgenommenen Legitimitatsdefiziten den Normgehorsam wahlweise auszusetzen. Auf den Typus des postkonventioneU aufscheinenden nonkonformen Kommunitaristen entfallen in der gegebenen Untersuchungsstichprobe aUerdings nur 15,5 Prozent der FaUe.

6.1.1 Zur Keliabilitdt und Stahilitdt der Clusteriypologie

Im Rahmen von Reliabilitatstests wurde die Giite der vorgestellten 5-Cluster-Losung nach formal-statistischen Kriterien gepriift. Dabei zeigte sich im Rahmen einer Diskriminanzanalyse mit der Clusterzugehorigkeit als abhangiger Variable, dass auf Grundlage der Auspragungen der Befragten auf den Klassifikadonsvariablen der nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orienderungen allein 98,4 Prozent aller Falle aus der Untersuchungsstichprobe beziiglich ihrer Clusterzugehorigkeit richtig zugeordnet bzw. reklassifiziert werden konnen."^^ Dariiber hinaus konnte im Rahmen weiterer Analysen gezeigt werden, dass das in Abbildung 6.1.1 (S. 132) dargestellte Clustermodell sich sowohl bei Variation des Ag-

91 Zur Logik des Vorgehens wie auch zur Durchfiihrung der Reliabilitatspriifung der Clusterlosung, vgl. AnhangF,S. 321f.

136

6. Ergebnisse

glomerationsverfahrens im Rahmen der hierarchischen Clusteranalysen als auch bei Modifikation der Ausgangsstichprobe als weitgehend stabil erweist.^^ Qjeg g\[^ [^ g^. sonderen fur die Cluster der normorientierten Marktaktivisten, der radikalen Marktaktivisten und der marktdistanzierten Konventionalisten.

6.1.2 So^odemografische Profile der Clustertypen normhe^ogener Orientierung

Nachdem sich die unterschiedenen Clustertypen der normbezogenen Orientierung als reliabel und in ihrer Mehrheit als stabil erwiesen haben, stellt sich in einem weiteren Schritt die Frage, wie weit sich die Angehorigen dieser Cluster auch auf der Ebene soziodemografischer Merkmale unterscheiden. Eine Hypothese konnte in diesem Zusammenhang sein, dass sich in den unterschiedenen Auspragungen normbezogener Orientierungsmuster lediglich Geschlechts-, Alters- und Bildungsunterschiede widerspiegeln. In diesem Fall ware es miiBig, weiteren Analysen zur Abhangigkeit der normbezogenen Orientierungsmuster von Art und Grad der individuellen Markteinbindung von Akteuren nachzugehen. Betrachtet man die Ergebnisse entsprechender bivariater Analysen (vgl. Tab. 6.1.2.1, S. 138f.), so zeigen sich in der Tat statistisch signifikante Unterschiede insbesondere in der Geschlechts- und Alterszusammensetzung der verschiedenen Clustertypen. Normorientierte Marktaktivisten Im Einzelnen wird so etwa deutHch, dass das Cluster der normorientierten Marktaktivisten das Cluster mit dem im Vergleich zur Untersuchungsstichprobe ausgewogensten Verhaltnis weiblicher und mannlicher Befragter ist: Manner und Frauen sind in diesem Cluster zu genau gleichen Anteilen vertreten. Gleichzeitig handelt es sich dabei um das Cluster mit dem niedrigsten Durchschnittsalter: Nur etwa 8 Prozent der Clusterangehorigen sind iiber 38 Jahre alt. Demgegeniiber betragt der Anteil der unter 25Jahrigen in dieser Gruppierung alleine 43 Prozent. Vom schulischen Bildungsstand her gesehen bilden die normorientierten Marktaktivisten das Cluster mit dem im Vergleich zu den anderen Clustertypen hochsten Anteil an Abiturienten und dem geringsten Anteil an Hauptschulabgangern. HinsichtHch des beruflichen QuaHfikationsniveaus sind hier Befragte mit hoheren Ausbildungs- und Fachschulabschliissen leicht iiberreprasentiert, wogegen der Anteil der Hochschulabsolventen leicht unterdurchschnittlich ausfaUt. Weitere Analysen machen deutHch, dass es sich bei den normorientierten Marktaktivisten gleichzeitig um das Cluster mit dem vergleichsweise hochsten Anteil an solchen Befragten handelt, die sich noch in Ausbildung befinden.

92 Eine Clusterlosung wird in diesem Zusammenhang dann als stabil bezeichnet, wenn eine Modifikation der in der Analyse spezifizierten Methode und der fiir die Analyse verwendeten Daten die Ergebnisse nicht zu stark beeinflusst. Die Vorgehensweise sowie die Ergebnisse der Stabilitatsanalysen sind ausfiihrlich in Anhang G dokumentiert.

6.1 Forschungsfmge 1

137

Radikale Marktaktivisten Die sog. Radikalen Marktaktivisten sind mit einem Anteil von mehr als 70 Prozent an mannlichen Befragten das am starksten mannlich dominierte Cluster in der Untersuchungsstichprobe. AltersmaBig handelt es sich um das nach den normorientierten Marktaktivisten zweitjiingste Cluster der Clustertypologie. Die Altersstruktur unter den Clusterangehorigen ist dabei allerdings inhomogen. So konzentriert sich unter den radikalen Marktaktivisten vor alien Dingen das Alterssegment der 26- bis 33-Jahrigen, wogegen die 34- bis 38-Jahrigen leicht unterreprasentiert sind. Die Prasenz der jiingsten und altesten Altersgruppe entspricht demgegeniiber wiederum den Altersgruppenanteilen in der Gesamtstichprobe. Betrachtet man das formale Bildungsniveau unter den radikalen Marktaktivisten, so entspricht dies weitgehend dem Stichprobendurchschnitt. Allerdings konzentriert sich in diesem Cluster der Anteil der Fachabiturienten, was tendenziell auf verstarkte Aufstiegsambitionen der Clusterpopulation schlieBen lasst. In Einklang mit dieser Uberlegung zeigt sich, dass in diesem Cluster - bezogen auf den hochsten beruflichen Bildungsabschluss — ein erhohter Anteil von Personen mit hoherem Ausbildungsabschluss, erworben im Rahmen von Aufstiegsfortbildungen an hoheren Fachschulen und Fachakademien, prasent ist. Hochschulabsolventen sind unter den radikalen Marktaktivisten allerdings deutlich unterreprasentiert. Marktdistanzierte Konventionalisten Die marktdistanzierten Konventionalisten stellen mit einem Frauenanteil von 58 Prozent das am starksten weiblich dominierte Cluster in der Untersuchungsstichprobe dar. Unter Altersgesichtspunkten handelt es sich dabei um das alteste Cluster unserer Stichprobe. Nur etwa 13 Prozent der marktdistanzierten Konventionalisten sind unter 26 Jahren. Der Anteil der iiber 38-Jahrigen betragt demgegeniiber mehr als ein Drittel der Clusterpopulation. Betrachtet man das Bildungsniveau der marktdistanzierten Konventionalisten, so ergibt sich hier wiederum ein eher uneinheitliches Bild. So bewegt sich sowohl der Anteil der Haupt- und Realschulabsolventen als auch der Anteil der Abiturienten unter den Clusterangehorigen auf einem leicht iiberdurchschnittlichen Niveau; die Fachabiturienten sind demgegeniiber eher unterreprasentiert. Ein ahnliches Bild zeigt sich mit Blick auf den beruflichen Bildungsabschluss. So stellen die marktdistanzierten Konventionalisten das Cluster mit dem hochsten Anteil an Hochschulabsolventen dar. Gleichzeitig sind hier Befragte mit einem auBerhalb der Hochschule erworbenen hoheren Ausbildungsabschluss stark unterreprasentiert, wogegen wiederum der Befragtenanteil mit einfacher Lehr- oder Anlernausbildung in diesem Cluster deutlich hoher ist als unter den normorientierten und den radikalen Marktaktivisten sowie den nonkonformen Kommunitaristen. Desinteressierte Ahnlich wie bei den radikalen Marktaktivisten handelt es sich bei den Desinteressierten um ein mannlich dominiertes Cluster, wobei allerdings der Anteil mannlicher Befragter an der Clusterpopulation deutlich unter dem entsprechenden Anteilswert fiir die radikalen Marktaktivisten Hegt. Mit Blick auf ihr Alter bewegen sich die Desinteressierten,

138

6. Efgebnisse

Tabelle 6.1.2.1: Clustertypen normbe2ogener Orientierungsmuster in Abhangigkeit von ausgewahlten soziodemografischen Merkmalen der Untersuchungspopulation (Angaben in %y Normorientierte Marktaktivisten (n=86) 1. Geschlecht mannlich weiblich Cramer's V=0,191 (p=0,009)

Radikale Marktaktivisten (n=51)

Marktdistanzierte Konventionalisten (n=86)

Desinteressierte (n=87)

Nonkonforme Kommunitaristen (n=57)

Gesamt (n=367)

50,0 50,0

70,6

41,9

29,4

58,1

60,9 39,1

49,1 50,9

53,4 46,6

^28,5; 2. Alter (min=21; }f=26 max=62 Jahre) bis 25 Jahre 43,0 (l.Quartil) 26 bis 33 Jahre 32,6 (2. Quartil) 34 bis 38 Jahre 16,3 (3. Quartil) iiber 38 Jahre 8,1 (4. Quartil) Cramer's V=0,188 (p<0,001)

^33,2; 3^30

^35,2; 5^35

^33,6; x=34

^34,5; 1^35

#33; 5^33

21,6

12,8

20,7

22,8

24,5

35,3

25,6

27,6

22,8

28,6

15,7

27,9

25,3

19,3

21,5

27,5

33,7

26,4

35,1

25,3

3. Hochster Schulabschluss Hauptschule, Volksschule Realschule, POS^ Fachabitur Abitur, EOS3 Cramer's V=0,116 (p= 3,251)

3,5

9,8

11,6

16,1

7,0

9,8

30,2 19,8 46,5

23,5 31,4 35,3

31,4 16,3 40,7

31,0 20,7 32,2

28,1 22,8 42,1

29,4 21,3 39,5

2,7

2,1

3,5

3,6

3,6

3,2

57,3

57,4

62,4

63,1

55,4

59,7

24,0

27,7

8,2

20,2

21,4

19,3

16,0

12,8

25,9

13,1

19,6

17,9

(n=75)

(n=47)

(n=85)

(n=84)

(n=56)

(n=347)

15,7

15,1

12,6

15,8

16,6

4. Hochster Berufsabschluss ohne Berufsabschluss Lehr- / Anlernausbildung^ hoherer AusbildungsabschlussS Hochschulabschluss'' Cramer's V=0,116 (p=0,297)

5. N o c h in Ausbildung' Cramer's V=0,103 (p =0,416)

23,3

Die prozentualen Anteilswerte fiir die Untersuchungsstichprobe und fiir den Mikrozensus beziehen sich jeweils auf die Anzahl der giiltigen Falle, unter Ausschluss jener Respondenten, fiir die zu dem gegebenen Merkmal keine Informationen vorlagen. POS ist ein Kiirzel fiir „Polytechnische Oberschule", einer der Gesamtschule vergleichbaren Mittelstufe in der ehemaligen D D R mit der Moglichkeit des Erwerbs der „mitderen Reife".

6.1 Forschungsfrage 1 3 4

5

6

139

EOS ist ein Kiirzel fiir „Erweiterte Oberschule", einer g}^mnasialen Oberstufe zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife in der ehemaligen DDR. Die Auspragung „Lehr- / Anlernausbildung" schlieBt den Erwerb eines der Lehre gleichwertigen Berufsfachschulabschlusses sowie das Absolvieren eines Berufsvorbereitungsjahres oder eines beruflichen Praktikums mit ein. Die Auspragung „Hoherer Fachschulabschluss" schlieBt eine Meister- / Technikerausbildung, einen Ingenieurschulabschluss, den Abschluss einer Schule des Gesundheitswesens sowie einen Verwaltungsfachhochschulabschluss mit ein. Die Auspragung „Hochschulabschiuss" schlieBt sowohl den Fachhochschulabschluss (exklusive den Abschluss einer Verwaltungsfachhochschule) als auch den Abschluss einer Promotion mit ein.

Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

im Mittel betrachtet, um den Stichprobendurchschnitt; sie sind damit alter als die normorientierten und radikalen Marktaktivisten, jedoch jlinger als marktdistanzierte KonventionaUsten und nonkonforme Kommunitaristen. Gleichzeitig handelt es sich hierbei um das Cluster mit dem durchschnittlich niedrigsten Bildungsniveau. So konzentriert sich unter den Desinteressierten der vergleichsweise hochste Anteil an Hauptschiilern und der geringste Anteil an Abiturienten. Analog hierzu zeigt sich auf der Ebene des beruflichen Bildungsniveaus, dass der Anteil der Hochschulabsolventen sich in diesem Cluster - ahnUch wie bei den radikalen Marktaktivisten - auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau bewegt. Ebenfalls ist der Anteil der Auszubildenden unter den Desinteressierten niedriger als in alien anderen Clustern. Nonkonforme Kommunitaristen Die nonkonformen Kommunitaristen setzen sich - ahnlich wie die normorientierten Marktaktivisten — zu etwa gleichen Anteilen aus mannlichen und weibHchen Befragten zusammen, womit die Frauen in diesem Custer im Vergleich zu unserer Stichprobe leicht iiberreprasentiert sind. Vom Durchschnittsalter her betrachtet handelt es sich bei den nonkonformen Kommunitaristen - ahnlich wie bei den marktdistanzierten KonventionaUsten — um ein iiberdurchschnittlich altes Cluster. FiinsichtUch der Alterszusammensetzung zeigt sich dabei, dass in diesem Cluster insbesondere die Gruppe der 26 bis 33 Jahre alten Befragten unterreprasentiert ist. Angehorige der jiingsten Altersgruppe zwischen 21 und 25 Jahren finden sich hier allerdings in fur die Untersuchungsstichprobe etwa durchschnittlichem AusmaB. Bezogen auf die formale Bildungsqualifikation handelt es sich bei den nonkonformen Kommunitaristen im Weiteren um eine leicht iiberdurchschnittlich gebildete Merkmalsgruppe. Befragte mit Haupt- und Volksschulabschluss sind hier entsprechend leicht unter-, Abiturienten leicht iiberreprasentiert. Analog hierzu zeigt sich mit Blick auf das berufliche Bildungsniveau eine leicht verstarkte Konzentration von Befragten mit hoherem Ausbildungsabschluss und Hochschulabschluss. Bezogen auf die Relation der im Cluster vertretenen beruflichen Bildungsgruppen haben die nonkonformen Kommunitaristen so eine gewisse Ahnlichkeit zu den normorientierten Marktaktivisten. Ubergreifende multivariate Analysen zum Einfluss der aufgefiihrten soziodemografischen MerkmalsgroBen auf die Clusterzugehorigkeit (vgl. Tab. 6.1.2.2) zeigen allerdings,

140

6. Ergebnisse

dass Alters-, Geschlechts- und Bildungsunterschiede fur die Vorhersage der Clusterzugehorigkeit nur begrenzt geeignet sind. So werden sowohl im bi- wie im multivaraten Betrachtungszusammenhang die MerkmalsgroBen des hochsten schulischen und beruflichen Bildungsabschlusses nicht als statistisch bedeutsame Pradiktoren der Zugehorigkeit zu den unterschiedenen Clustern normbezogener Orientierung ausgewiesen. Lediglich die Altersgruppen- und Geschlechtszugehorigkeit treten hier als signifikante Pradiktoren der Clusterzugehorigkeit in Erscheinung. Auf Grundlage des Gesamtmodells lassen sich nach Nagelkerkes R^ 12,8 Prozent in der Variation der Zugehorigkeit der Befragten zu den unterschiedenen Clustern normbezogener Orientierungsmuster vorhersagen. Tabelle 6.1.2.2: Multinomial-logistische Regression der Clustertypologie normbezogener Orientierungsmuster auf ausgewahlte soziodemografische Merkmale^ -2 Loglikelihood fiir reduziertes ModeU 567,986

Chi^

P

0,000 Konstante Soziodemografische Merkmale 26,627 <0,001 594,613 Altersgruppe 580,296 12,310 Geschlecht 0,015 2,176 570,161 Hochster Schulabschluss 0,703 2,529 0,639 570,515 Hochster Berufsabschluss Modellanpassung P (Omnibustest)2 <0,001 Nagelkerkes R^ 0,128 n 347 Dargestellt sind die 2—Log-LikeUhood-Werte fur das Konstantenmodell und die Chi^-Statistiken aus den 1 Likelihood-Quotienten-Tests fur die in die Regression einbezogenen EffektgroBen. Die Chi^-Statistik steUt dabei die Differenz zwischen einem reduzierten Model! und einem um die jeweiHge EffektgroBe erweiterten Modell dar. Das reduzierte Modell wird berechnet, indem ein Effekt aus dem Originalmodell weggelassen wird. Dieser Vorgehensweise liegt die Nullhypothese zu Grunde, dass durch den in Frage stehenden Effekt keine Verbesserung der Anpassung des statistischen Modells an die Ausgangsdaten erzielt wird und entsprechend alle Parameter dieses Effekts 0 betragen. 2 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Fazit: Die dargestellten Cluster normbezogener Orientierungsmuster unterscheiden sich zwar partiell auf der Ebene ihrer soziodemografischen Merkmale. Gleichwohl sind soziodemografische Merkmalsunterschiede, fiir sich gesehen, nur begrenzt geeignet, um Unterschiede in der Auspragung der normbezogenen Orientierungsmuster von Akteuren zu erklaren.

6.13 Theoretische Binordnung der Typologie

Erganzend anzumerken bleibt, dass es sich bei den vorgestellten Typen normbezogener Orientierung - obgleich auf empirisch-induktivem Wege gewonnen - um idealtypische

6.1 Forschungsfrage 1

141

Zuspitzungen realer Orientiemngsprofile handelt, die kontrastiv zueinander angelegt sind und denen im Kontext der vorliegenden Untersuchung primar eine heuristische und Ordnungsfunktion zukommt. Sie sollten dabei weniger im psychologischen Sinne als Appetenz-Aversions-Schemata, sondern vielmehr als subjektive Relevanzsysteme (Schiitz: Strukturen der Lebenswelt) begriffen werden., nach denen Akteure die Anforderungen ihrer sozialen Umwelt nach unterschiedHchen Prioritatsgesichtspunkten staffeln und ordnen und auf diese Weise eine sozial selektive Wahrnehmung fiir die Erwartungen ihrer Umwelt entwickeln. Konstatieren lasst sich an dieser Stelle weiterhin, dass die vorgestellte Typologie ungeachtet ihres anderen Entstehungskontextes — unverkennbar gewisse Analogien zu der Merton'schen Typologie individueller Anpassungsformen aufweist (vgl. Merton 1957, 1995). Merton konstruierte seine Typologie individueller Anpassungsformen iiber die Kombination der graduell unterschiedHchen Akzeptanz der wirtschaftUchen Erfolgsziele einer Gesellschaft und der in dieser Gesellschaft institutionalisierten legitimen Mittel zur Erreichung dieser Ziele. Die Akzeptanz der wirtschaftlichen Erfolgsziele ist dabei der graduellen Auspragung okonomischer Aufstiegs- und Gewinnorientierungen aus dem Kontext der vorliegenden Untersuchung vergleichbar, die Akzeptanz der institutionalisierten Mittel der Auspragung formell-rechtlicher Orientierungen resp. einer generalisierten Gesetzesakzeptanz. Bemerkenswert ist, dass auch Merton bei den von ihm unterschiedenen Anpassungsformen zwischen fiinf Typen unterscheidet. Dabei entspricht der normorientierte Marktaktivist aus unserer Untersuchung weitgehend dem Mertonschen Konformitatstypus, der sowohl die kulturell vorgegebenen wirtschaftlichen Erfolgsziele seiner Gesellschaft als auch die institutionalisierten Mittel zur Zielerreichung bejaht (vgl. Merton 1995: 136). Der radikale Marktaktivist fmdet seine Entsprechung in der von Merton so bezeichneten Anpassungsform der Innovation, die an den wirtschaftlichen Erfolgszielen der Gesellschaft festhalt, dabei aber auch bereit ist, auf nicht-institutionalisierte, illegitime Mittel der Zielerreichung zuriickzugreifen (vgl. ebd.: 136ff., 169ff.). Der marktdistanzierte Konventionalist hat sein Pendant im Mertonschen Ritualisten, der sich den institutionalisierten Mitteln seiner Gesellschaft verpflichtet, dabei aber die wirtschaftlichen Erfolgsziele aufgibt (vgl. ebd.: 144ff., 176ff.). Der Desinteressierte ahnelt im Weiteren partiell dem Mertonschen Typus des Riickziiglers, der sich vor allem von den propagierten Erfolgszielen seiner Gesellschaft verabschiedet hat und auch den institutionalisierten Mitteln keine erhohte Achtung mehr schenkt (vgl. ebd.: 147ff., 179ff.). Der nonkonforme Kommunitarist schHeBlich gleicht in gewisser Hinsicht dem Mertonschen Anpassungstypus der Rebellion, die die zu Grunde Uegende Geltungsstruktur der kulturellen Ziele und institutionalisierten Mittel seiner Gesellschaft als willkiirliche Setzungen begreift und diesen einen eigenen Ordnungsentwurf entgegenstellt (vgl ebd.: 150f., 181ff.). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Merton'sche Typologie anders als die Typologie der vorUegenden Untersuchung - vor dem Hintergrund der systematischen Analyse von Ziel-Mittel-Diskrepanzen entstanden ist, mit denen Akteure auf unterschiedHchen Positionen in der sozialen Struktur in unterschiedlichem

142

6. Ergebnisse

AusmaB konfrontiert sind (ebd.: 135). Die Typologie der vorUegenden Untersuchung basiert demgegeniiber nicht auf der Analyse von Ziel-Mittel-Diskrepanzen, sondern auf der empirischen Rekonstruktion normbezogener Orientierungen gegeniiber den Imperativen und Anforderungen der gesellschafdichen Ordnungssysteme Staat bzw. Recht, Markt und Gemeinschaft. Gleichwohl lasst sich jedoch das von Merton entwickelte Raster der Bejahung oder Ablehnung der gesellschafdich vorherrschenden wirtschaftdichen Erfolgsziele und der Ablehnung bzw. Befiirwortung des Gebrauchs legitimer Mittel in ein Schema transponieren, das der von uns entwickelten Gegeniiberstellung unterschiedlicher Auspragungsgrade nomozentrischer und okonomischer Orientierungen entspricht. Und genau in diesem Sinne lasst sich etwa der Mertonsche Typus des Innovateurs mit dem Typus des radikalen Marktaktivisten und der Typus des Ritualisten mit dem des marktdistanzierten Konventionalisten vergleichen: namUch als analoges Strukturmuster normbezogener Orientierungen. Diese Feststellung impHziert, dass die konstatierten Sttviktatdhnlichkeiten zwischen der Typologie normbezogener Orientierungsmuster und der Mertonschen Typologie individueller Anpassungsformen nicht auf eine Deckungsgleichheit der unterschiedenen Typen verweisen. Ein gravierender Unterschied zwischen ihnen besteht nicht zuletzt in dem Umstand, dass die vorUegende Studie als Orientierungsdimensionen zur Unterscheidung normbezogener Orientierungsmuster neben der generaUsierten Akzeptanz von Rechtsnormen und dem commitment an okonomische Erfolgsziele ebenfalls und expUzit die kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen von Akteuren mit beriicksichtigt. Dies wird insbesondere in dem Fall interessant, in dem - wie beim Typus des nonkonformen Kommunitaristen - eine Abwertung des Geltungsanspruchs formellrechtlicher Normen mit einer sehr starken Auspragung kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen einhergeht.

6.1A¥a^t Auf Grundlage der dokumentierten Ergebnisse lasst sich mit Blick auf die erste Forschungsfrage festhalten, dass sich in dem dutch unsere Untersuchungsstichprobe reprasentierten Ausschnitt der deutschen Erwerbsbevolkerung - bezogen auf die Ordnungssysteme von Recht, Markt und Gemeinschaft - insgesamt fiinf Typen normbezogener Orientierung unterscheiden lassen. Den groBten Anteil stellen dabei die normorientierten Marktaktivisten, die marktdistanzierten Konventionalisten und die sog. Desinteressierten. Es handelt sich um Orientierungstypen, bei denen okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen in gradueU unterschiedlichem MaBe ausgepragt sind, die sich aber parallel dazu dem Geltungsanspruch formell-rechtHcher Normen in einem vergleichsweise durchschnittlichen bis uberdurchschnittlichem AusmaB verpflichtet fiihlen. Dem gegeniiber stehen die Orientierungstypen der „radikalen Marktaktivisten" und der „nonkonformen Kommunitaristen", die in der Untersuchungsstichprobe mit Anteilswerten von 13,9 bzw. 15,5 Prozent, verglichen mit den anderen Typen, in geringerem AusmaB vertreten sind. Die Angehorigen dieser beiden

6.2 Forschungsfrage 2

143

Cluster zeichnen sich dadurch aus, dass sie dem Geltungsanspruch rechdicher Normen explizit nicht mit der Haltung einer generalisierten Akzeptanz begegnen. Der „radikale Marktaktivist" stellt die Befolgung formell-rechdicher und gemeinschafdicher Anfordemngen radikal hinter die Realisierung seiner okonomischen Erfolgsziele zuriick. Der nonkonforme Kommunitarist macht die Befolgung formell-rechdicher Normen u.a. davon abhangig, wie weit sie von ihm wahrgenommenen gemeinschafdichen Interessen forderlich sind oder aber mit diesen in Konflikt stehen. Die theoretischen Voriiberlegungen unserer Studie legen im Weiteren nahe, dass sich die typologisch unterschiedenen Orientierungsmuster — verstanden als subjektive Relevanzsysteme und situationsiibergreifende frames of action - auf der Ebene situationsspezifischer Handlungsorientierungen mit graduell unterschiedlichen Auspragungen der subjektiven Normbindung, der verhaltensbezogenen Einstellungen (instrumentelle Bewertung der devianten Handlung zur Realisierung von Handlungszielen) und der Bereitschaft zu delinquentem und prosozialem Verhalten verbinden. Angenommen wird in diesem Zusammenhang ebenfalls, dass sich die unterschiedenen Orientierungstypen auf der Ebene der Pravalenz und der selbstberichteten Haufigkeit prosozialer und delinquenter Aktivitaten widerspiegeln.

6.2 Forschungsfrage 2: Situationale Handlungsorientierungen und normbezogene Orientierungsmuster in Situationen delinquenter Gelegenheit Forschungsfrage 2 fokussiert vor dem Hintergrund der ausgefiihrten Uberlegungen den Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren und der Auspragung ihrer situationalen Handlungsorientierungen in Situationen der delinquenten Gelegenheit. Die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgte auf Grundlage der Analyse der situationalen Handlungsorientierungen der Befragten in der eingefiihrten hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel (vgl. Kap. 5, Abschnitt 5.3.3.1). Die Betrachtung widmete sich dabei im Einzelnen der subjektiven Normbindung, den verhaltensbezogenen Einstellungen und der Verhaltensintention der Befragten in der liber die Vignette beschriebenen Situation. Uber Varianz- und Regressionsanalysen wurde untersucht, wie weit Normbindung, Einstellungen und Intentionen der Respondenten in Abhangigkeit von ihren normbezogenen Orientierungen variieren.

6.2,1 Subjektive Normen Mit BUck auf die subjektiven Normen wurde unterstellt, dass diese in Situationen der delinquenten Gelegenheit bei den Orientierungstypen am starksten ausgepragt sind, die starkere nomozentrische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen aufweisen (vgl. Abschnitt 4.2.1, Hyp. 2.1). Bezogen auf die Typologie normbezogener Orientierungsmuster trifft dies im Besonderen auf die sog. marktdistanzierten Konventionalisten und die normorientierten Marktaktivisten zu. Hiermit einher ging die Annahme,

144

6. Ergebnisse

dass die subjektiven Normen in Situationen der delinquenten Gelegenheit bei den Orientierungstypen am geringsten ausgepragt sei, die die vergleichsweise niedrigsten nomozentrischen Orientierungen aufweisen. Bezogen auf die vorgestellte Typologie gilt dies im Besonderen fiir die nonkonformen Kommunitaristen und die „radikalen" Marktaktivisten. Abbildung 6.2.1.1: Intensitat subjektiver Normen^ in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel, differenziert nach den Clustertypen normbezogener Orientierungsmuster (n=357)2

4• •

marktdistanzierte Konventionalisten

normorientierte Marktaktivisten

1 15,3

4,6

nonkonforme Kommuni tari s ten

0,2

-0,2

Desinteressierte

-9,8

radikale Marktaktivisten

-15

-10

-5

0

5

10

15

20

Efwartungs-mal-Wert-Produkt

ANOVA: p<0,001, F=16,730, Eta2=0,160. 1 Die Operationalisierung der Intensitat subjektiver Normen erfolgte, bezogen auf das Szenario des Insiderhandels, iiber einen Differentialindex der erwarteten positiven und negativen Sanktionen fiir den Fall illegaler Aktienkaufe einerseits und fiir den Fall des Kaufverzichts andererseits (vgl. hierzu Kapitel 5, Abschnitt 5.3.3.1, Unterabschnitt „Subjektive Normen"). 2 Die starkere vertikale Linie innerhalb der Grafik markiert den Mittelwert in der Intensitat der subjektiven Normen aus der Untersuchungsstichprobe insgesamt. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Die Ergebnisse des Mittelwertvergleichs zeigen, dass - wie erwartet - die marktdistanzierten Konventionalisten und im Weiteren die normorienterten Marktaktivisten in der Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel die relativ starkste Intensitat subjektiver Normen aufweisen. Demgegeniiber zeigen die radikalen Marktaktivisten von alien Ciustern die mit Abstand geringste Intensitat subjektiver Normen. Die nonkonformen Kommunitaristen und die Desinteressierten rangieren diesbeziiglich auf einem eher mittleren Niveau, ohne sich darin stark voneinander zu unterscheiden. Dieser Befund verwundert zunachst auf Grund des mit BUck auf die nomozentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen entgegengesetzten Orientierungsprofills der

6.2 Fofschungsfrage 2

145

beiden Clustertypen. Plausibel wird dieses Ergebnis allerdings, wenn man beriicksichtigt, dass die bei diesen Orientierungstypen gegenlaufig ausgepragten nomozentrischen und kommunitar-gemeinschafdichen Orientierungen in der gegebenen Situation jeweils ahnlich auf die Intensitat subjektiver Normen wirken konnen. Eine multiple Regression der subjektiven Normintensitat auf die Hauptkomponenten der unterschiedenen Orientierungsdimensionen zeigt in diesem Zusammenhang (vgl. Tab. 6.2.1.1), dass insbesondere die nomozentrischen, aber auch die kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen von Akteuren als signifikant positive Pradiktoren der subjektiven Norm in Erscheinung treten. Der Einfluss der nomozentrischen Orientierungen auf die Norm erweist sich dabei als etwa doppelt so stark wie der Einfluss der kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen. Tabelle 6.2.1.1: Lineare Regression der Intensitat subjektiver Normen in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitargemeinschaftUche Orientierungen Standard. Koeffizient Beta Dimensionen normbezogener Orientierung Nomozentrismus 0,321*** -0,136** Okonomismus 0,159** Kommunitarismus Modellanpassung p (Anova)' <0,001 0,193 Korrigiertes R^ 357 n t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser SteUe lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Die Ergebnisse der Regression lassen ebenfalls erkennen, dass die okonomischen Orientierungen — wenn auch in substantieU geringerem AusmaB — in der gegebenen Situation signifikant negativ auf die Intensitat subjektiver Normen von Akteuren Einfluss nehmen. Ausgepragte okonomische Orientierungen von Akteuren scheinen sich folgUch auch auf der Ebene der situativen Handlungsorientierungen tendenziell negativ auf die Normbindung von Akteuren auszuwirken. Dieser Befund steht in Einklang mit Uberlegungen, die Formen der okonomischen Rationalitat auf Grund des ihr innewohnenden Konkurrenzprinzips mit einer grenzmoralischen Haltung in Verbindung bringen. Das Orientierungsmuster des radikalen Marktaktivisten verkorpert dabei idealtypisch die Antinomien zwischen der Orientierung an wirtschaftlichen Erfolgszielen einerseits und einer an Pflicht- und Akzeptanzwerten orientierten Haltung andererseits. Gleichwohl zeigt das Beispiel der normorientierten Marktaktivisten, dass eine erhohte Intensitat subjektiver Normen und eine verstarkte okonomische Orientierung sich gegenseitig nicht prinzipiell ausschUeBen. Anzumerken bleibt, dass dutch die nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen etwa 19 Prozent der Varianz der Intensitat

146

6. Ergebnisse

subjektiver Normen in der Untersuchungsstichprobe aufgeklart werden konnten. Diesem Ergebnis entspricht die groBe Bedeutung von der Situation iibergeordneten Orientierungsmustern fiir in einer Situation der delinquenten Gelegenheit auftretende Intensitat subjektiver Normen. Bemerkenswert ist, dass dieses Ergebnis auch unter Kontrolle von Geschlechts-, Alters- und Bildungsunterschieden zwischen den Befragten weitgehend konstant bleibt (vgl. Tab. 6.2.1.2). In diesem Zusammenhang wird allerdings ebenfaUs deutlich, dass Frauen - losgelost von der Auspragung ihrer norm- und wertbezogenen Orientierungen - starkere subjektive Normen aufweisen als Manner. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit dem bekannten kriminologischen Faktum, dass Frauen sowohl auf der Ebene ihrer Einstellungen als auch auf der Ebene ihres Verhaltens ein hoheres MaB an Normkonformitat erkennbar werden lassen als Manner (vgl. etwa Braithwaite 1989: 44f.). Tabelle 6.2.1.2: Lineare Regression der subjektiven Normen in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren Standard. Koeffizient Beta Dimensionen normbezogener Orientierung Nomozentrismus 0,304*** Okonomismus -0,115*** 0134*** Kommunitarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlechtl 0,151*** Alter 0,060 -0 113*** Berufliche Bildung^ Modellanpassung p (Anova)^ <0,001 Korrigiertes R^ 0,223 n 357 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser SteUe lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Dariiber hinaus zeigt sich hier der Befund, dass die Intensitat subjektiver Normen tendenziell ebenfalls mit zunehmendem Bildungsniveau zuriickgeht. So scheint ein hoheres Bildungsniveau Akteure insbesondere in Situationen der delinquenten Gelegenheit dazu zu befahigen, eine starkere Normdistanz aufzubauen und die sanktionsbasierten Folgekosten einer Rechtsnormverletzung nicht zu iiberschatzen. Bemerkenswert ist, dass dieser Einfluss der Bildung auf die subjektiven Normen unabhangig ist von der allgemeinen Auspragung nomozentrischer Orientierungen. Bilanzierend lasst sich somit festhalten, dass die unterschiedenen Dimensionen nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen in Simationen der delinquenten Gelegenheit fiir die Intensitat subjektiver Normen von nachhaltiger Bedeutung sind. In Einklang mit den theoretischen Vorannahmen der

6.2 Forschungsfrage 2

147

Studie zeigte sich, dass nomozentrische, in der gegebenen Situation aber auch kommunitar-gemeinschaftiiche Orientiemngen, auf die Auspragung subjektiver Normen Einfluss nehmen. Die Analysen machten dariiber hinaus deutlich, dass dieser Zusammenhang unabhangig ist von dem soziodemografischen Merkmalsprofil der Befragten.

6.2.2 Verhaltensbe^iogene Einstellungen

Die verhaltensbezogenen Einstellungen von Akteuren stellen bei der Bewertung einer Handlungsoption weniger auf erwartbare normbezogene Sanktionen als vielmehr auf die generelle instrumentelle Eignung dieser Handlung zur Realisierung gegebener Handlungsziele und auf eine hiermit verbundene Attraktivitat der Handlung ab. Im Kontext der theoretischen Voriiberlegungen zu dieser Studie wurde unterstellt, dass die Attraktivitat einer delinquenten Handlung - wie etwa der des Insiderhandels - verstarkt on solchen Akteursgruppen wahrgenommen wird, die ein ausgepragtes commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen (vgl. Abschnitt 4.2.1, Hyp. 2.2). Bezogen auf die Typologie normbezogener Orientierungsmuster trifft diese Eigenschaft insbesondere auf die sog. „radikalen Marktaktivisten" sowie tendenziell ebenfalls auf die „normorientierten Marktaktivisten" zu. Hiermit einher ging die Annahme, dass die Wahrnehmung der Attraktivitat einer delinquenten Handlungsoption bei denjenigen Orientierungstypen am geringsten ausgepragt ist, die die vergleichsweise niedrigste Auspragung okonomischer Orientierungen aufweisen; bezogen auf die Typologie normbezogener Orientierungsmuster also bei den marktdistanzierten KonventionaUsten. Die Ergebnisse des Mittelwertvergleichs zeigen, dass in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel - wie erwartet - die radikalen Marktaktivisten die am starksten und die marktdistanzierten KonventionaUsten die am schwachsten ausgepragte Wahrnehmung fiir die Attraktivitat der delinquenten Option illegaler Aktiengeschafte haben. Der Mittelwertvergleich zwischen den verschiedenen Orientierungstypen zeigt aber auch, dass die normorientierten Marktaktivisten, ungeachtet ihres starkeren commitments an okonomische Erfolgsziele, die materiellen Vorteile der delinquenten Handlungsoption noch leicht schwacher wahrnehmen als die in ihren okonomischen Ambitionen eher unterdurchschnittlichen nonkonformen Kommunitaristen und Desinteressierten. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Bewertung der materiellen Anreize einer Handlungsoption auch durch die nomozentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen von Akteuren beeinflusst wird. Plausibel ist dieser Befund nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Uberlegung, dass der wahrgenommene Anreiz einer gegebenen Handlungsoption natiirlich auch materialiter immer durch erwartbare formelle und informeUe Sanktionen infolge dieser Handlung beeinflusst wird. Insofern ist die durch die TORA vorgenommene Trennung zwischen den verhaltensbezogenen Einstellungen einerseits und den subjektiven Normen andererseits als seins- und soUensbezogenen Einstellungskomponenten zur Vorhersage der Verhaltensintention in Teilen fragwiirdig.

148

6. Ergebnisse

Abbildung 6.2.2.1: Verhaltensbezogene EinsteUungen^ in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel, differenziert nach den Clustertypen normbezogener Orientiemngsmuster (n=358)2

|19,8|

radikale Marktaktivisten

nonkonforme Kommunitaristen

H 11,3

Desinteressierte

1 10,3

normorientierte Marktaktivisten

9,9

marktdistanzierte ^ ^ ^ 1 Konventionalisten

3

2

90

^

6

8

10

12

14

16

18

20

Erwartungs-mal-Wert-Produkt

ANOVA: p<0,001; F=15,330; Eta2=0,148. 1 Die Operationalisierung der verhaltensbezogenen Einstellungen erfolgte, bezogen auf das Szenario des Insiderhandels, iiber einen Differentialindex der erwarteten positiven und negativen materiellen Konsequenzen fiir den Fall illegaler Aktienkaufe einerseits und fiir den Fall des Kaufverzichts andererseits (vgl. hierzu Kapitel 5, Abschnitt 5.3.3.1, Unterabschnitt „Verhaltensbezogene Einstellungen"). 2 Die starkere vertikale Linie innerhalb der Grafik markiert den Mittelwert der verhaltensbezogenen Einstellungen aus der Untersuchungsstichprobe insgesamt. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Die lineare Regression der verhaltensbezogenen Einstellungen in der Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf die individuelle Auspragung nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen bestatigt diese Uberlegung (vgl. Tab. 6.2.2.1). So tritt hier neben den okonomischen Orientierungen ebenfalls die Dimension der nomozentrischen Orientierungen als signifikanter Pradiktor fiir verhaltensbezogene Einstellungen resp. die in der Situation wahrgenommenen Anreize von illegalen Aktienkaufen in Erscheinung. Der Effekt nomozentrischer Orientierungen auf die wahrgenommene Attraktivitat der Insidergeschafte steht dabei erwartungsgemaB unter negativen Vorzeichen: Je starker ausgepragt die generalisierte Normakzeptanz der Befragten ist, desto geringer ist die wahrgenommene Attraktivitat der Option illegaler Aktienkaufe. Wenngleich auf sehr viel schwacherem Niveau — fiir den Beta-Koeffizienten wird in diesem Fall ledigUch eine statistisch signifikante Tendenz ausgewiesen — gilt gleiches ebenfaUs fiir den Effekt der kommunitar-gemeinschaftHchen Orientierungen auf die wahrgenommene Attraktivitat von Insidergeschaften. In der theoretischen Logik der TORA deutet dies nicht notwenig auf die subjektive Wahrscheinlichkeit informeller Sanktionen im Gemeinschaftskontext,

6.2 Forschungsfrage 2

149

sondern kann ebenso als Hinweis darauf interpretiert werden, dass fiir entsprechende Akteure die subjektive Valenz der materiellen Vorteile infolge illegaler Aktienkaufe deudich geringer ist als fiir Akteure, deren kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen eher gering ausgepragt sind. Dieser Befund belegt quasi in erster Instanz, dass die Betrachtung allein des graduellen commitments an okonomische Erfolgsziele losgelost von der Auspragung der nomozentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen von Akteuren - fur die Einschatzung der individuell wahrgenommenen Attraktivitat delinquenter Verhaltensoptionen unzureichend ist. Dieser Befund behalt auch dann seine Giildgkeit, wenn man zusatzlich den Einfluss von Geschlechts-, Alters- und Bildungsunterschieden zwischen den Befragten kontrolliert (vgLTab. 6.2.2.2,5.150). Tabelle 6.2.2.1: Lineare Regression der verhaltensbezogenen Einstellungen in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitargemeinschafdiche Orientierungen Standard. Koeffizienten Beta Dimensionen normbezogener Orientierung -0,277*** Nomozentrismus 0,218*** Okonomismus -0,094t Kommunitarismus Modellanpassung p (Anova)^ <0,001 0,172 Korrigiertes R^ n 357 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Als unabhangige soziodemografische EinflussgroBe auf die verhaltensbezogenen Einstellungen erweist sich im gegebenen Modellzusammenhang lediglich die Geschlechtszugehorigkeit der Befragten. Dabei zeigt sich, dass - unabhangig von der Auspragung nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen die weiblichen Befragten die Attraktivitat des Insiderhandels in der gegebenen Situation geringer einschatzen als die mannlichen. Alters- und Bildungsunterschiede scheinen demgegeniiber fiir die verhaltensbezogenen Einstellungen der Befragten ohne Belang zu sein. Bilanzierend lasst sich an dieser Stelle wiederum festhalten, dass die unterschiedenen Dimensionen nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen in Situationen der delinquenten Gelegenheit fiir die verhaltensbezogenen Einstellungen von Akteuren, d.h. fiir die von ihnen wahrgenommenen materiellen Anreize einer delinquenten Handlungsoption, von nachhaltiger Bedeutung sind.

150

6. Ergebnisse

Tabelle 6.2.2.2: Lineare Regression der subjektiven Normbindung in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientiemngen, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren Standard. Koeffizienten Beta Dimensionen normbezogener Orientierung -0,248*** Nomozentrismus 0,223*** Okonomismus -0,097t Kommunitarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren 0,119*** Geschlecht^ 0,021 Alter 0,082*** Berufliche Bildung^ Modellanpassung p (Anova)^ <0,001 Korrigiertes R^ 0,223 n 357 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. 1 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer AusbUdungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Tabelle 6.2.2.3: Lineare Regression der subjektiven Valenz moglicher Handlungsfolgen illegaler Aktienkaufe in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftUche Orientierungen, unter zusatzUcher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Beta-Koeffizienten) Verhaltensbezog. Einstellungen jQnanz. wirtschaftl. berufl. klugs Gewinn'* Nachteile^ Normbezogene Orientierungen -0,099t Nomozentrismus -0,158** Okonomismus 0,317*** 0,353*** Kommunitarismus -0,013 -0,042 Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlechti 0,050 0,069 Alter -0,093t 0,023

Subjektive Normen unmoraAndere: in Straflisch Ordn.8 verfahren' gehandelt''

-0,098t 0,032 -0,012

-0,281*** 0,028 -0,201***

0,055 0,045 0,180***

-0,183*** -0,041 -0,077

-0,073 0,026

-0,198*** -0,052

0,204*** -0,001

-0,130* 0,054

-0,033 ^;^^'}' -0,039 -0,005 -0,043 -0,050 -0,057 Bildung^ Modellanpassung p (Anova)3 <0,001 0,272 <0,001 <0,001 <0,001 <0,001 R2 0,149 0,022 0,137 0,220 0,086 0,059 n 345 345 343 343 345 343 Anmerkungen f, *, ** und *** sowie 1-3 siehe Tabelle 6.2.2.2. 4 „..., wenn ich einen hohen finanzieUen Gewinn erzielen konnte." 5 „..., wenn ich das Gefiihl haben konnte, eine wirtschaftlich kluge Entscheidung getroffen zu haben." 6 „..., wenn mein Verhalten negative berufliche Konsequenzen nach sich ziehen wiirde." 7 „..., wenn ich das Gefiihl hatte, unmoraHsch gehandelt zu haben." 8 „..., wenn die meisten Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten in der gegebenen Situation in Ordnung fanden." 9 „..., wenn mein Verhalten ein Strafverfahren nach sich ziehen wiirde." Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.2 Forschungsfrage 2

151

Tabelle 6.2.2.4: Lineare Regression der subjektiven Wahrscheinlichkeit moglicher Handlungsfolgen illegaler Aktienkaufe in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Beta-Koeffizienten) Verhaltensbezogene Subjektive Normen Einstellungen wiftschaftl. unmoralisch Andere: in Strafberufl. klug4 gehandelt^ Ordn.' verfahren^ Nachteile^ Normbezogene Orientierungen Nomo-0 175*** 0,240*** -0,285*** 0,277*** 0,220*** zentrismus -0,061 -0,187*** 0,109* -0,077 Okonomismus 0,226*** Kommuni0,121* -0,091t 0,098t 1 0,095 -0,059 tarismus So2iodemogra£isch e Kontrollfaktoren 0,120* -0,089t 0,101t -0,046 0,202*** Geschlecht^ Alter -0,025 0,025 0,055 -0,139** -0,001 Berufliche 0,089t -0,069 0,109* -0,050 -0,066 Bildung2 Modellanpassung <0,001 <0,001 <0,001 <0,001 p (Anova) <0,001 R2 0,117 0,184 0,168 0,133 0,139 n 344 344 344 342 345 t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. Anmerkungen zu Indizes 1 bis 3, siehe Tab. 6.2.2.3 4 „..., dass ich das Gefiihl hatte, eine wirtschaftlich kluge Entscheidung getroffen zu haben." 5 „..., dass mein Verhalten negative beruflichie Konsequenzen nach sich zoge." 6 „..., dass ich das Gefiihl hatte, moralisch verwerflich gehandelt zu haben." 7 „..., dass die meisten Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten in Ordnung f a n d e n . " 8 „..., dass mein Verhalten ein Strafverfahren nach sich zoge." Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Im Einklang mit den theoretischen Vorannahmen der Studie zeigte sich, dass Befragte mit einem starken commitment an okonomische Erfolgsziele die Attraktivitat illegaler Aktiengeschafte infolge der hiermit verbundenen finanziellen Gewinnmoglichkeiten bei weitem hoher einschatzen als Befragte mit einer vergleichsweise geringen okonomischen Orientierung. Parallel hierzu zeigte sich allerdings ebenfaUs, dass unabhangig von der Auspragung des okonomischen commitments von Akteuren auch nomozentrische und tendenziell ebenfalls kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen auf die wahrgenommene Attraktivitat der materiellen Anreize einer delinquenten Handlung Einflluss nehmen. Um den Einfluss der normbezogenen Orientierungen und soziodemografischer Merkmalsunterschiede auf die Auspragung der verhaltensbezogenen Einstellungen und subjektiven Normen der Befragten differenzierter untersuchen zu konnen, wurden im Weiteren lineare Regressionsanalysen auf der Ebene der Einzelindikatoren der genannten situationalen Orientierungen durchgefiihrt.'^^ Die Tabellen 6.2.2.3 und 6.2.2.4 dokumentieren in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der Analysen zu der subjektiven Valenz (Tab. 6.2.2.3) und subjektiven Wahrscheinlichkeit (Tab. 6.2.2.4) der

93 Vgl. als Ubersicht zu den Einzelindikatoren der subjektiven Normen und verhaltensbezogenen Einstellungen ebenfalls Kap.5, Abschnitt 5.3.3.1, S. 34f. und S. 38f.

152

6. Ergebnisse

moglichen Handlungsfolgen illegaler Aktienkaufe einerseits und der normbezogenen Orientiemngen sowie soziodemografischen Merkmalen der Befragten andererseits. Die Tabellen 6.2.2.5 und 6.2.2.6 tun desgleichen mit Blick auf die moglichen Handlungsfolgen eines Kaufverzichts. Die Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen sind dabei in besonderer Weise aufschlussreich einerseits im Hinblick auf den Einfluss der Geschlechtszugehorigkeit auf die situationalen Orientierungen der subjektiven Normen und verhaltensbezogenen Einstellungen (Exkurs 1) und andererseits im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen dem okonomischen commitment und den situationalen Orientierungen der Befragten (Exkurs 2). Tabelle 6,2.2.5: Lineare Regression der subjektiven Valenz moglicher Handlungsfolgen des Verzichts auf illegale Aktienkaufe in der hypothetischen Situation der Gelegenheit 2um Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren Verhaltensbezoge ne Einstellungen GewinnwirtAndere: Andere: verzichf* schaftl. angstlich ehrlich/ 6 dumm^ unklug^ Nonnbezogene Orientierung€'n Nomo0,183*** 0,064 0,149** 0,213** zentrismus -0,291*** -0,358*** -0,121* -0,142* Okonomismus Kommuni0,077 0,015 0,041 0,063 tarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren 0,012 0,052 Geschlecht^ 0,006 -0,004 Alter 0,106* 0,016 -0,034 -0,020

Subjektive Normen moraAndere: positive in Ordn.9 lisch Ankorrekt^ erkenn.i" 0,070*** -0,034 0,112* 0,209*** -0,002

0,055

-0,049

0,045

0,103t

0,180***

0,088

0,204*** -0,001

0,134* 0,064

Berufliche 0,034 0,042 -0,041 0,007 -0,050 -0,059 0,054 Bildung^ Modellanpassung <0,001 <0,001 <0,001 <0,001 p (Anova)^ 0,066 0,001 <0,001 R2 0,187 0,182 0,017 0,046 0,074 0,086 0,023 n 343 343 343 343 345 345 345 t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 4 „,.., wenn ich auf einen hohen finanziellen Gewinn verzichten miisste." 5 „..., wenn ich das Gefuhl hatte, wirtschaftlich unklug gehandelt zu haben." 6 „..., wenn Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten als angstlich abtun wiirden." 7 „..., wenn Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten als ,ehrlich, aber dumm' bezeichnen wiirden." wenn ich das Gefuhl haben konnte, moralisch korrekt gehandelt zu haben." , wenn die meisten Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten in der gegebenen Situation in Ordnung fanden." 10 „..., wenn mein Verhalten mir bei Menschen, die mir wichtig sind, positive Anerkennung eintragen wiirde." QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.2 Fofschungsfrage 2

153

Tabelle 6.2.2.6: Lineare Regression der subjektiven Wahrscheinlichkeit moglicher Handlungsfolgen des Verzichts auf illegale Aktienkaufe in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren Subjektive Normen Verhaltensbezogene Einstellungen moralisch Andere: in Andere: Andere: positive wirtschaftl. Ordn.8 korrekt^ angstlich^ ehrlich/ Anerkenunklug"* dumm^ nung' Nonnbezogene Orientierungen -0,149** -0,190*** -0,193*** 0,260*** 0,231*** 0 239*** Nomozentrismus 0,099t -0,093t -0,050 -0,017 Okonomismus 0,133* 0,228*** 0,131* 0,059 Kommunitarismus -0,073 -0,070 0,121* -0,080 Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ -0,061 0,133* 0,142** -0,012 -0,050 0,129* 0,095t 0,021 Alter 0,045 -0,026 0,082 -0,006 -0,106* -0,161** Berufliche Bildung^ 0,011 0,017 0,043 -0,061 Modellanpassung <0,001 <0,001 p (Anova) <0,001 <0,001 <0,001 <0,001 R2 0,070 0,081 0,150 0,120 0,143 0,096 342 n 342 343 344 343 343 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. Anmerkungen zu Indizes 1 bis 3, siehe Tab. 6.2.2.5. 4 „..., dass ich das Gefiihl hatte, wirtschaftlich unklug gehandelt zu haben." 5 „..., dass Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten als angstlich abtun wiirden." 6 „..., dass Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten als ,ehrlich, aber dumm' bezeichnen wiirden." 7 „..., dass ich das Gefiihl hatte, moralisch korrekt gehandelt zu haben." 8 „..., dass die meisten Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten in Ordnung fanden." 9 „..., dass mein Verhalten mir bei Menschen, die mir wichtig sind, positive Anerkennung eintragt." Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Exkurs 1: Geschlechtszugehorigkeit und situationale Orientierungen Die Analysen zu den geschlechtsspezifischen Differenzen der Bewertung der moglichen Folgen illegaler Aktienkaufe resp. eines Kaufverzichts ergaben, dass weibliche Befragte die positive und negative Valenz von Handlungsfolgen (vgl. Tab. 6.2.2.3 und 6.2.2.5), die ihren sozialen Lebenszusammenhang (etwa die positive und negative Anerkennung signifikanter Anderer und in diesem Zusammenhang die Bedeutung formeller und informeller Sanktionen) oder ihr moralisches Selbstbild (Gefiihl, moralisch korrekt oder unkorrekt gehandelt zu haben; gutes oder schlechtes Gewissen) beriihren, durchweg starker gewichten als mannliche Befragte. Dies gilt insbesondere fiir jene Handlungsfolgen, die eine normative Konnotation haben. Analog hierzu schatzen die weiblichen Befragten ebenfalls die Wahrscheinlichkeit des Eintretens positiver und negativer Sanktionen infolge einer normbezogenen Handlung (Tab. 6.2.2.4 und 6.2.2.6) signifikant hoher ein als mannliche Befragte. Die beobachtbaren Unterschiede lassen sich dabei nicht durch geschlechtsbezogene Differenzen auf der Ebene der nomozentrischen, okonomischen und kommunitargemeinschaftlichen Orientierungen oder auf der Ebene von Alters- und Bildungsdifferenzen erklaren. Die multivariaten Regressions analysen zeigen vielmehr, dass sich die weiblichen Befragten auf der Ebene ihrer Wertsetzungen und Wahrscheinlichkeitsiiberlegungen auch unter Kontrolle der genannten UntersuchungsgroBen in statistisch

154

6. Ergebnisse

bedeutsamem AusmaB von den mannlichen Befragten unterscheiden. Diesen vermutlich auf geschlechtsspezifische Sozialisationsmuster zuriickgehenden Unterschieden kann mit Blick auf ihre soziale Bedingtheit an dieser Stelle aus forschungsokonomischen Griinden nicht waiter nachgegangen werden. Exkurs 2: Okonomisches commitment und situationale Orientierungen Erganzt werden soil an dieser Stelle des Weiteren, dass die okonomischen Erfolgsorientierungen, wie zu erwarten war, die Beurteilung zunachst solcher Handlungskonsequenzen beeinflussen, die auf die Einschatzung der personlichen wirtschaftUchen Kompetenz bzw. Inkompetenz abstellen (vgl. ebenfalls Tab. 6.2.2.3 bis 6.2.2.5). So zeigt sich, dass Befragte mit einem starkeren commitment an okonomische Erfolgsziele das Gefuhl, wirtschaftlich klug resp. unklug gehandelt zu haben, oder die Erwartung, von Dritten im Falle eines Verzichts auf die strafrechtswidrige okonomische Vorteilsnahme als „ehrlich, aber dumm" bezeichnet zu werden, personlich mit einer hoheren positiven bzw. negativen Valenz verkniipfen als Befragte, die ein vergleichsweise geringeres commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen. Gleiches zeigt sich interessanterweise in leicht schwacherer Auspragung mit Blick auf die subjektive Wertigkeit eines realisierten finanziellen Gewinns bzw. Gewinnverzichts. Analog hierzu ist erkennbar, dass Befragte mit einer starkeren okonomischen Orientierung auch die subjektive Wahrscheinlichkeit der bezeichneten Handlungsfolgen mit Blick auf die jeweils in Frage stehenden Handlungsoptionen vergleichsweise hoher einschatzen als Befragte mit einer geringeren okonomischen Orientierung. Dieses Ergebnis kann indirekt als Hinweis darauf gelten, dass sich Befragte mit einem starkeren commitment an okonomische Erfolgsziele - bezogen auf den im Szenario des Insiderhandels dargestellten Entscheidungskonflikt — auch den Imperativen einer Marktkultur resp. einer okonomischen Handlungsmoral vergleichsweise starker ausgesetzt sehen als weniger okonomisch orientierte Akteure. Interessant ist weiterhin der Befund, dass die okonomischen Orientierungen auch auf die Beurteilung von Handlungskonsequenzen Einfluss nehmen, die das moraHsche Selbstbild und das soziale Ansehen der Befragten beriihren: so etwa auf das Gefuhl, moralisch korrekt gehandelt zu haben, oder aber auf die Erwartung, dass „Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten in Ordnung finden". Dies gilt insbesondere fiir die hypothetische Situation, in der die Befragten von der Option illegaler Aktienkaufe Gebrauch machen. Die Ergebnisse der Analysen machen in diesem Zusammenhang deutlich, dass die okonomische Orientierung der Befragten weniger auf die subjektive Valenz als vielmehr auf die subjektive Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieser Handlungsfolgen Einfluss nimmt. Dabei zeigt sich, dass Befragte mit einer starkeren okonomischen Orientierung die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Gewissenskonflikten und von negativen moralischen Beurteilungen dutch Dritte signifikant geringer einschatzen als Befragte mit einer geringeren okonomischen Orientierung. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass Befragte, die ein starkeres commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen, sich auf der Ebene ihrer moralischen WertmaBstabe von den weniger okonomisch ausgerichteten Befragten nicht bemerkenswert

6.2 Fofschungsfrage 2

155

unterscheiden. Die Unterschiede bewegen sich hier eher auf der Ebene der moralischen Subsumtion des eigenen Handelns. D.h. Befragte mit einem ausgepragten commitment an wirtschaftliche Erfolgsziele tendieren dazu, ihre objektiv normabweichenden und illegalen Verhaltensweisen in dem Sinne als akzeptabel und legal zu definieren, als sie diese nicht als normabweichenden Tatbestand auffassen. In Konsequenz schatzen sie auch die subjektive Wahrscheinlichkeit von Gefiihlen der moralischen Desintegritat infolge der illegalen Handlung signifikant niedriger ein als Befragte mit einem geringen okonomischen commitment (vgl. Tab. 6.2.2.4). Sie gleichen damit den Kriminellen, die Sutherland (1949) in seinen Analysen zum white-collar-crime vor Augen gehabt haben mag und die spater von Donald Cressey (1965) ironischerweise als respectable criminals bezeichnet wurden. Ohne diesen Punkt empirisch weiter beleuchten zu konnen, lasst sich in diesem Zusammenhang annehmen, dass die Delinquenten von Rationalisierungs- und NeutraUsierungstechniken Gebrauch machen, die — etwa dutch Unterstellung eines Jedermann-Prinzips („Das wiirde in meiner Situation jeder andere auch tun") - den devianten Status des eigenen Handelns reladvieren und so eine mogliche Disbalance zwischen den moralischen Wertiiberzeugungen einerseits und dem normabweichenden Charakter des eigenen Handelns andererseits ausgleichen.

6.23 ]/erhaltensintention Die Analysen zur Verhaltensintention in Situationen der delinquenten Gelegenheit verbanden sich mit der Frage, wie weit die graduelle Bereitschaft, einen eigenen fmanzieUen Vorteil auf Kosten einer Strafrechtsverletzung zu realisieren, in Abhangigkeit von den normbezogenen Orientierungen der Befragten variiert. Dutch das Handlungsmodell der TORA wurde dabei implizit unterstellt, dass die Verhaltensintention als subjektive Wahrscheinlichkeit, eine gegebene Handlung mit einem defmierten Handlungsziel auszufiihren, zentral durch die subjektive Normbindung und die verhaltensbezogenen Einstellungen von Akteuren bestimmt ist (vgl. hierzu Kap.4, Abschnitt 4.2.1, Hypothese 2.3). Die Angaben der Befragten zu ihrer Bereitschaft, in der mit der Vignette zum Insiderhandel geschilderten Situation (illegale) Insidergeschafte zu tatigen, ergaben auf der Ebene der univariaten Analyse zunachst das in Abbildung 6.2.3.1 (S. 156) dargesteUte Bild. Es zeigte sich, dass eine Mehrheit von 60 Prozent der Befragungsteilnehmer es mit Blick auf ihre Person fiir eher oder sehr wahrscheinUch hielten, in der durch die Vignette geschilderten Situation illegale Aktienkaufe zu tatigen. Nur etwa 24 Prozent halten es in dieser Situation fiir eher unwahrscheinlich, sich in Insidergeschaften zu engagieren. 16 Prozent halten dies sogar fiir sehr unwahrscheinlich. Differenziert man nun die graduelle Bereitschaft der Befragten zur Tatigung von Insidergeschaften nach Gesichtspunkten ihrer Clusterzugehorigkeit (vgl. Abb. 6.2.3.2), so zeigt sich erwartungsgemaB, dass Personen, die dem Orientierungstyp des „radikalen Marktaktivisten" zugeordnet wurden (vgl. Abb. 6.1.1), am haufigsten eine erhohte

156

6. Ergebnisse

Abbildung 6.2.3.1: Bereitschaft zur Tatigung von Insidergeschaften in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel (n=385)

QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002. Abbildung 6.2.3.2: Bereitschaft zur Tatigung von Insidergeschaften in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel, differenziert nach Clusterzugehorigkeit (n=365)*

Radikale Marktaktivisten

^^^^^^^^H

Desinteressierte

^^^^^^^^|

IHs6 ,3 H65,5

Normorientierte | ^ ^ M J ^ ^ | | | H

l64,0

Marktaktivisten j ^ ^ H B B H M Nonkonforme

^ H ^ ^ M M M

•

Ko mmuni tari s t e n ^ H I ^ B W H ^ H Marktdistanzierte

J^^HMJ^HM

Konvenrionalisten ^ ^ ' ^ ^ ^ ^ ^ 0

10

63,2

H U H 35,7 1 \ 1 20

30

40

50

6{)

70

80

90

1 00

Prozent

Cramer's V=0,320; p<0,001. * Zu Analysenzwecken wurde das Auspragungsspektrum der Handlungsbereitschaft dichotomisiert. Grafisch dargesteUt sind die Anteilswerte der Personen, die auf die Frage, on sie in der geschilderten Situation „noch vor VeroffentUchung der positiven Testergebnisse weitere Aktien ihres Unternehmens kaufen" wiirden, mit „eher wahrscheinHch" oder „sehr wahrscheiniich" antworteten. Die starkere vertikale Line innerhalb der Grafik markiert den Anteilswert der Personen aus der Untersuchungsstichprobe insgesamt, die auf die entsprechende Frage mit „eher" oder „sehr wahrscheiniich" antworteten. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.2 Forschungsfrage 2

157

Bereitschaft zum Insiderhandel zu erkennen geben. Demgegeniiber zeigen sich Befragte, die dem Cluster der marktdistanzierten Konventionalisten zugeordnet wurden (vgl. ebd.), beziiglich ihrer delinquenten Ambitionen vergleichsweise am zuriickhaltendsten. Der relative Anteil delinquenzbereiter Personen bewegt sich in den anderen Clustern, konkret bei den Desinteressierten, den normorientierten Marktaktivisten und den nonkonformen Kommunitaristen, auf einem ihrem Anteil in der Gesamtstichprobe entsprechenden Niveau. Die Ergebnisse stiitzen die Vermutung, dass es im Kontext der durch die Vignette geschilderten Situation die spezielle Kombination einer sehr niedrigen Auspragung nomozentrischer Orientierungen auf der einen Seite und eines verstarkten commitments an okonomische Erfolgsziele auf der anderen Seite ist, die eine erhohte Bereitschaft zum Normbruch induzieren (vgl. Kap. 4, Abschnitt 4.2.1, Hypothesen 3.1 und 3.2). Dieser Eindruck bestatigt sich im Rahmen einer Unearen Regression der Delinquenzbereitschaft auf die nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen von Akteuren (vgl. Tab. 6.2.3.1). Tabelle 6.2.3.1: Lineare Regression der Bereitschaft zu illegalen Aktienkaufen in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitargemeinschaftliche Orientierungen, unter zusatzlicher Berucksichdgung soziodemografischer KontroUfaktoren Standard. Beta- Koeffizient Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus Okonomismus Kommunitarismus Soziodemografische KontroUfaktoren Geschlecht^ Alter Berufliche Bildung^ Modellanpassung p (Anova)-^ R2

-0,315*** 0,226*** -0,119* 0,119* 0,021 0,082 <0,001 0,270 345

n t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

So zeigt sich, dass das graduelle AusmaB nomozentrischer und okonomischer Orientierungen im gegebenen Modellzusammenhang am starksten auf die Delinquenzbereitschaft Einfluss nimmt. Auch die kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen treten hier als signifikanter Pradiktor der Delinquenzbereitschaft in Erscheinung, ohne dabei aUerdings die statistische Relevanz der anderen Orientierungsdimensionen zu erreichen. Ursachlich hierfiar mag sein, dass - wie methodisch beabsichtigt — die in der Vignette des Insiderhandels geschilderte Situation von den Befragten primar als ein Konflikt zwischen dem Geltungsanspruch der Rechtsnorm und der okonomischen Interessen-

158

6. Ergebnisse

lage wahrgenommen wird. Gemeinschaftlich-kommunitare Interessen und Normbestande sind im gegebenen situativen Kontext nur am Rande von Bedeutung und stehen nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Bezieht man in das dargestellte Regressionsmodell zusatzlich zu den bezeichneten Orientierungsdimensionen die situationalen Orientierungen der subjektiven Normbindung und der verhaltensbezogenen Einstellungen mit ein (vgl. Tab. 6.2.3.2), so geht zwar erwartungsgemaB der direkte Einfluss der nomozentrischen und okonomischen Orientierungen auf die delinquente Verhaltensintention zuriick. Interessanterweise behalten die Komponenten der nomozentrischen und okonomischen Orientierungen dabei aber als Pradiktoren der Delinquenzbereitschaft einen statistisch bedeutsamen Status. Dies zeigt an, dass iibergeordnete Orientierungsmuster auch losgelost von situationalen Handlungsorientierungen und den mit ihnen einhergehenden Erwartungs-malWert-Uberlegungen einen unabhangigen Einfluss auf die Intentionsbildung von Akteuren haben. Demgegeniiber sind soziodemografische Unterschiede zwischen den Befragten bei Beriicksichtigung ihrer situationalen Orientierungen und der iibersituativen Orientierungsmuster fiir die Vorhersage der Delinquenzbereitschaft ohne Belang. Tabelle 6.2.3.2: Lineare Regression der Bereitschaft zu illegalen Aktienkaufen in der hypothetischen Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auf nomozentrische, okonomische und kommunitargemeinschaftliche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren Standard. Beta- Koeffizient Situationale Orientierungen Intensitat subjektiver Normen Verhaltensbezogene Einstellungen Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus Okonomismus Kommunitarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ Alter Berufliche Bildung^ Modellanpassung p (Anova)^ R2

-0,393*** 0,369*** -0,096** 0,105** -0,023 -0,037 -0,044 -0,041 <0,001 0,632 336

n t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. 1 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002

Anzumerken bleibt, dass das in Tab. 6.2.3.2 dargestellte Regressionsmodell auf Grundlage der beriicksichtigten OrientierungsgroBen in der Lage ist, allein 63,2 Prozent der Varianz in der Bereitschaft zum Insiderhandel in der Untersuchungsstichprobe aufzu-

6.2 Forschungsfrage 2

159

klaren. Dieses Ergebnis spricht fur die pradiktive Validitat des hier verwendeten Erklamngsmodells.

6.2.4 Fa^it Bilanziert man die Ergebnisse der Analysen zum Einfluss der normbezogenen Orientiemngsmuster der Befragten auf die Auspragung der situationalen Handlungsorientierungen, so lasst sich ein statistisch bemerkenswerter Zusammenhang zwischen den genannten UntersuchungsgroBen konstatieren. Bezogen auf die hypothetische Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel wurde dabei sowohl fur die subjektive Normbindung und die verhaltensbezogenen Einstellungen als auch fiir die Verhaltensintention auf der Ebene der Delinquenzbereitschaft eine systematische Variation zwischen der Art der situationalen Orientierung einerseits und den iibergeordneten Orientierungsmustern resp. -dimensionen andererseits erkennbar. Dabei zeigte sich, dass Befragte mit einer stark ausgepragten Gesetzesakzeptanz sowie starkeren kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen in Situationen der delinquenten Gelegenheit in starkerem AusmaB subjektive Normen aktivieren als Befragte mit eher gering ausgepragten nomozentrischen und kommunitaristischen Orientierungen. Parallel hierzu wurde deutlich, dass die verhaltensbezogenen Einstellungen bzw. die wahrgenommene Attraktivitat der delinquenten Verhaltensoption neben dem Grad der Gesetzesakzeptanz ebenfalls sehr stark von dem individuellen commitment der Befragten an okonomische Erfolgsziele bestimmt wird, wobei mit zunehmendem commitment die wahrgenommene Attraktivitat der delinquenten Verhaltensoption ansteigt. Auf die graduelle Auspragung subjektiver Normen haben die okonomischen Erfolgsorientierungen der Befragten demgegeniiber einen eher erodierenden Einfluss. Die Analysen zeigten in diesem Zusammenhang allerdings, dass Befragte, die ein starkeres commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen, sich weniger auf der Ebene ihrer moralischen WertmaBstabe als in der Art der moralischen Subsumtion einer devianten Handlung von anderen Akteursgruppen unterscheiden. So halten es Befragte mit einer stark ausgepragten okonomischen Orientierung haufiger als andere fiir unwahrscheinlich, infolge einer begangenen Normverletzung, die der Realisierung eines okonomischen Erfolgsziels diente, das Gefiihl zu haben, sich unmoralisch verhalten zu haben. SchlieBlich machten die Ergebnisse der Analysen ebenfalls deutlich, dass auch die Delinquenzbereitschaft von Akteuren stark durch die okonomischen und nomozentrischen Orientierungen beeinfiusst wird, wobei insbesondere Personen, die dem Orientierungstypus des „radikalen" Marktaktivisten entsprechen, eine erhohte Delinquenzbereitschaft artikulieren. Weiterfiihrende Analysen zeigten in Einklang mit den theoretischen Annahmen der TORA, dass sich die devianten Handlungsintentionen der Befragten als Resultante der subjektiven Normen und der verhaltensbezogenen Einstellungen begreifen lassen. In diesem Zusammenhang wurde jedoch ebenfalls erkennbar, dass die normbezogenen Orientierungsmuster der Befragten nicht nur einen indirekten, iiber die subjektive Normbindung und die verhaltensbezogenen Ein-

160

6. Ergebnisse

stellungen vermittelten Effekt auf die Verhaltensintentdon, sondern ebenso einen schwachen direkten Effekt auf die Handlungsbereitschaft ausiiben.

6.3 Forschungsfrage 3: Delinquenzbereitschaft und normbezogene Orientierungsmuster bei verschiedenen Delikttypen Wahrend sich Forschungsfrage 2 allgemein auf den Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern und den situationalen Orientierungen von Akteuren richtete, fokussiert Forschungsfrage 3 in diesem Zusammenhang ausschlieBlich den Aspekt der Delinquenzbereitschaft. Die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgte auf der Grundlage der Analyse der bekundeten Delinquenzbereitschaft der Befragten in verschiedenen Deliktbereichen. Dieser Teiluntersuchung liegen die Angaben der Befragten zu Grunde, ob sie sich - unabhangig davon, ob das beschriebene Delikt von ihnen tatsachlich schon einmal begangen wurde - unter Umstanden vorstellen konnten, ein solches Delikt in Zukunft zu begehen (vgl. Kap.5, Abschnitt 5.3.4). Die Befunde der vorausgegangenen Analysen (vgl. die Abschnitte 6.1 und 6.2) legen - in Einklang mit den theoretischen Voriiberlegungen der Studie (vgl. Kap. 4, Abschnitt 4.2.1, Hypothese 3) - die Annahme nahe, dass diejenigen Cluster, die im Mittel die hochste DeUnquenzbereitschaft artikuUeren, einerseits die geringsten nomozentrischen Orientierungen und anderseits das starkste commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen. Anwarter auf eine iiberdurchschnittliche Delinquenzbereitschaft waren entsprechend an erster Stelle die radikalen Marktaktivisten, aber auch die nonkonformen Kommunitaristen. Umgekehrt ware davon auszugehen, dass eine geringe Delinquenzbereitschaft bei den Angehorigen derjenigen Cluster vorliegt, deren nomozentrische Orientierungen sehr stark und deren Bindung an wirtschaftliche Erfolgsziele eher schwach ausgepragt ist. Dies gilt vorzugsweise fiir das Cluster der marktdistanzierten KonventionaUsten. Desinteressierte und normorientierte Marktaktivisten miissten nach dieser Uberlegung auf Grund ihres durchschnittlichen bis leicht iiberdurchschnittlichen Nomozentrismus im Mittel eine ebenfalls durchschnittliche bis leicht unterdurchschnittliche Delinquenzbereitschaft aufweisen. Diese Vorhersagen gelten insbesondere fiir das Deliktspektrum, das im Rahmen der Hauptkomponentenanalysen zur Delinquenzbereitschaft (vgl. Abschnitt 5.3.4) als typisch fiir den Bereich der Mittelschichtskriminalitat ausgewiesen wurde. Die Ergebnisse der Analysen zu Forschungsfrage 3 bestatigen die ausgefiihrten Uberlegungen in Teilen (vgl. Tab. 6.3.1). So lieB sich fiir die Deliktbereitschaft zur Steuerhinterziehung, zur unerlaubten Materialmitnahme vom Arbeitsplatz und zum Versicherungsbetrug zeigen, dass diese bei den radikalen Marktaktivisten und den nonkonformen Kommunitaristen deutlich iiberdurchschnittlich, dagegen bei den normorientierten Marktaktivisten und marktdistanzierten KonventionaUsten vergleichsweise unterdurchschnittlich ausgepragt ist (vgl. Abb. 6.3.1, 6.3.3 und 6.3.4).

161

6.3 Fofschungsfrage 3 Tabelle 6.3.1: Erhohte Delinquenzbereitschaft, differenziert nach Clusterzugehorigkeit (Angaben in %) Steuer-

Schwarz-

Material-

Versiche-

Alkohol

Fahrer-

Laden-

hinter

arbeit

mit-

rungs-

am

flucht

diebstahl

nahme

betrug

Steuer

ziehung

Wilde MuUkippe

Ofientiemngstypen Normorientierte Marktaktivisten Radikale Marktaktivisten

47,7

76,7

40,7

45,9

32,6

8,1

3,5

0

76,5

90,2

52,9

66,7

31,4

15,7

7,8

2,0

34,9 55,2

70,9 86,2

22,4 41,4

36,0 57,5

20,9 28,7

11,6 6,9

2,3 3,4

0 1,1

60,7 52,5

90,9 81,6

50,0 39,7

63,6 51,9

38,2 29,6

14,3 10,7

10,7 4,9

3,6 1,1

0,261 <0,001 366

0,201 0,005 365

0,216 0,002 365

0,225 0,001 364

0,123 0,238 365

0,106 0,395 366

0,138 0,137 366

0,122

Marktdistanzierte Konventionalis ten Desinteressierte Nonkonforme Kommunitaristen Gesamtstichprobe Modellanpassung Cramer's V p (ChP)i n

0,245 366

Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle ledigUch einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstadstische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002. 1

Abbildung 6.3.1: Bereitschaft zur Steuerhinterziehung, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

^ ^

^ ^ ^

le Marktaktivisten

^H^^5

nonkonforme Kommuni s ten^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^

Desinteressierte

|60,7

^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ H §55,2

normorientierte

LM||^H^MM|H^MM||B^^MMM

Marktaktivisten

^H^^HH^B^HHI^H^HMBHH

marktdistanzierte Konventionalisten

IH^^HIII^^IIIi^l H^

H I 4 7,7

40 Prozent

Cramer's V=0,261; p<0,001. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

50

90

162

6. Efgebnisse

Abbildung 6.3.2: Bereitschaft zur Inanspmchnahme von Schwarzarbeit, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

cr

n~

Kommunitaristen radikale Marktaktivisten

190,9

90,2

Desinteressierte

|H86,2

[

normorientierte Marktaktivisten

^^H76,

marktdistanzierte Konventionalisten

1 ()

1

10

20

I

1

30

40

1 50

1

1

60

70

1

1 80

90

100

Prozent

Cramer's V=0,201, p=0,005. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung 6.3,3: Bereitschaft zur unerlaubten Materialmitnahme vom Arbeitsplatz, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

radikale Marktaktivisten

"^^^^^^-^^^^^^^^^^^^^^^^^

nonkonforme Kommunitaristen

^

Desinteressierte normorientierte Marktaktivisten marktdistanzierte Konventionalisten

•152,9

T

50,0

• 41,4

•••^^^^^^^^^^^

140,7

• H ^ ^ 2 2 , 4 ()

10

20

30 Prozent

Cramer's V=0,216, p=0,002. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

40

50

60

163

6.3 Forschungsfrage 3 Abbildung 6.3.4: Bereitschaft zum Versichemngsbetrug, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

radikale Marktaktivisten nonkonforme Kommuni tari s ten]

I 63,6

Desinteressierte

normorientierte Marktaktivisten

45,9

marktdistanzierte Konventionalisten 60

70

Cramer's V=0,225, p=0,001. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Ahnliche Unterschiede in der Delinquenzbereitschaft zeigen sich mit Blick auf die Inanspruchnahme von Schwarzarbeit (vgl. Abb. 6.3.2). Bei diesem Delikt weisen allerdings die nonkonformen Kommunitaristen die hochste Deliktbereitschaft auf, wobei im Weiteren die radikalen Marktaktivisten (bei einer minimalen Differenz zu den nonkonformen Komunitaristen) und die Desinteressierten an zweiter und dritter Stelle rangieren. Bei den genannten Delinquenzformen, die im Rahmen der Hauptkomponentenanalysen zur Delinquenzbereitschaft (vgl. Kap.5, Abschnitt 5.3.4) iibergreifend als typische Spielarten von Mittelschichtkriminalitat charakterisiert wurden, erwies sich die Clusterzugehorigkeit den bivariaten ZusammenhangsmaBen zufolge als statistisch bedeutsamer (sprich: signifikanter) Pradiktor fiir gegebene Unterschiede in der Delinquenzbereitschaft. Sowohl fiir die Verkehrsdelikte Alkohol am Steuer und Fahrerflucht als auch fiir die Delikte iMdendiebstahl und Ahfallentsorgung auf einer mlden Mullkippe ergaben sich bei Beriicksichdgung der Clusterzugehorigkeit keine statisdsch bedeutsamen Zusammenhange. Zwar zeigt sich auch hier auf einer rein deskriptiven Ebene, dass die nonkonformen Kommunitaristen und die radikalen Marktaktivisten im Falle der Fahrerflucht, des Ladendiebstahls und der Ahfallentsorgung auf einer wilden Miillkippe haufiger als die Angehorigen der anderen Clustertypen Delinquenzbereitschaft artikulieren, doch erweisen sich die prozentualen Differenzen zwischen den Anteilswerten der einzelnen Cluster insgesamt als zu gering, um von statistisch bedeutsamen Befunden sprechen zu konnen.

164

6. Ergebnisse

Binar-logistische Regressionen^"^ der Delinquenzbereitschaft auf die nomozentrischen, okonomischen und kommuniar-gemeinschaftlichen Orientierungen unter zusatzlicher Kontrolle des perzipierten Sanktionsrisikos sowie soziodemografischer Merkmalsunterschiede zwischen den Befragten (vgl. Tab. 6.3.2) bestatigen, dass bei der bekundeten Bereitschaft zur Steuerhinterziehung, zur Inanspruchnahme von Schwarzarbeit, zur uneriaubten Materiaknitnahme vom Arbeitsplatz und zum Versicherungsbetrug an erster Stelle der Grad der nomozentrischen Orientierung und im Falle der Steuerhinterziehung partiell ebenso kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen als (negative) Pradiktoren der Delinquenzbereitschaft in Erscheinung treten. Graduell bedeutsam werden die nomozentrischen Orientierungen von Personen zwar auch im Hinblick auf die Verkehrsdelikte Alkohol am Steuer und FahrerfJucht sowie in stark erhohtem MaBe beim l^adendiehstahl. Der Erklarungswert von Orientierungsunterschieden fiir die Delinquenzbereitschaft ist dabei aber zumindest im Falle der Verkehrsdelikte eher gering. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass fur diese Delikte - wie im Ubrigen auch fur den Ladendiebstahl und die Nutzung einer Wilden Miillkippe - das perzipierte Sanktionsrisiko statistisch ohne Bedeutung bleibt. Sofern das Sanktionsrisiko fiir die Vorhersage der Delinquenzbereitschaft mit Blick auf andere Delikte - wie etwa Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit, Materialmitoahme oder Versicherungsbetrug - statistisch bedeutsam wird, tritt es als Pradiktor interessanterweise immer hinter die Bedeutung der nomozentrischen Orientierungen zuriick. Dieses Ergebnis verweist auf den hohen Stellenwert der normbezogenen Orientierungen von Akteuren fiir die Erklarung der Delinquenzbereitschaft. Es steht dariiber hinaus in Einklang mit den Analysebefunden Dieter Hermanns zum differenziellen Einfluss der Normakzeptanz und des Sanktionsrisikos auf die vergangene und zukiinftige Delinquenz von Akteuren (vgl. Hermann 2003: 200f£, 328f.). Das commitment 2in okonomische Erfolgsziele tritt im Hinblick auf die thematisierten Formen der Delinquenzbereitschaft im gegebenen Modellzusammenhang, d.h. unter Kontrolle von nomo-

94 Im Rahmen der binar-logistischen Regression der Delinquenzbereitschaft auf die normbezogenen Orientierungen fungierte die Auspragung „Nein, wiirde ich unter keinen Umstanden tun" als Referenzkategorie. Die Leitfragestellung der Analyse lautete entsprechend, wie weit das Vorliegen eines gegebenen Merkmals die statistische Chance erhoht, dass ein Angehoriger der entsprechenden Merkmalsgruppe unter Umstanden bereit ist, das betrachtete Delikt zu begehen. Zu erganzen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den in Tabelle 6.3.2 dokumentierten Effektkoeffizienten um sog. standardisierte Effektkoeffizienten handelt, die auf Grundlage der Standardabweichung der jeweiligen unabhangigen Variable normiert wurden. Die Einfuhrung standardisierter Logit-Koeffizienten innerhalb der logistischen Regression geht auf J. Scott Long (1987: 425) zuriick (vgl. hierzu auch AndreB / Hagenaars / Kiihnel 1997: 271 sowie Urban 1993: 44). Der standardisierte Effektkoeffizient gibt die Anderung der statistischen Chance an, die zu erwarten ist, wenn der Wert der betrachteten unabhangigen Variablen um eine Standardabweichung erhoht wird (vgl, Diaz-Bone / Kiinemund 2003: 11, sowie Tiede 1995: 13). Analog zum nicht-standardisierten Koeffizienten kann auch der standardisierte Effektkoeffizient numerisch zwischen 0 und +oo variieren, wobei Koeffizientenwerte groBer 1 eine positive und Koeffizientenwerte kleiner 1 eine statistisch negative Beziehung zwischen unabhangiger und abhangiger Variable indizieren. Um modellintern einen direkten Vergleich der relativen Effektstarke verschiedener EinflussgroBen auf die abhangige Variable zu ermoglichen, wurden Koeffzientenwerte kleiner 1 in der Tabelle in Exponentialschreibweise mit negativem Exponenten dargestellt. Als standardisierte Koeffizientenwerte ermogUchen sie dabei einen Vergleich der Effektstarke unabhangiger EinflussgroBen mit unterschiedlicher Skalierung. Eine anschauliche Interpretation des Einflusses einer unabhangigen MerkmalsgroBe auf eine Kriteriumsvariable ist dabei allerdings nur sehr eingeschrankt moglich.

6.3 Fofschungsfrage 3

165

zentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen, nicht als statistisch bedeutsamer Pradiktor in Erscheinung.^^ Bemerkenswert dabei ist, dass - wenngleich knapp unterhalb der Schwelle statistischer Bedeutsamkeit^^ - im Falle der Fahrerflucht die Deliktbereitschaft sogar negativ mit den okonomischen Orientierungen von Akteuren assoziiert zu sein scheint. Dies lasst vermuten, dass Befragte mit einem starken okonomischen commitment auch losgelost von ausgepragten nomozentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen einen flexiblen Umgang mit der strafrechtlichen Verbotsnorm der Fahrerflucht als okonomisch nicht vorteilhaft auffassen. Tabelle 6.3.2: Binar-logistische Regression der Delinquenzbereitschaft in verschiedenen Deliktbereichen auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte logistische Effektkoeffizienten) ^ Steuerhinter-

Schwarzarbeit

ziehung Normbezogene Orientierungen \ g-[-i*** Nomozentrismus 1,66-1** Okonomismus 1,08 1,13 Kommunitari s mus 1,27-1 1,45-1** Sanktionsrisiko^ 1,33-1* 1,55-1*** Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,11-1 1,43* Aker 1,05 1,05-1 Berufliche Bildung4 1,02 1,15-1 Modellanpassung p (Omnibus<0,001 Test)'' <0,001 0,114 Nagelkerkes R^ 0,215 n 346 345

Materialmitnahme5

Versicherungsbetrug

Alkohol am Steuer

Fahrerflucht

1,68-1*** 1,18 1,14-1 1,35-1*

\ §2-1***

1,37-1* 1,07 1,17-1 1,38-1*

1,58-1* 1,37-1 1,38-n

1,09-1 1,50-1**

1,41-1** 1,16-1

1,00

1,18-1

<0,001 0,181 311

1,07-1 1,16-1 1,48-1***

<0,001 0,183 344

Ladendiebstahl

Wilde Miillkippe

2 4|-i***

1,00

1,03 1,01-1 1,27-1

2,36-1 1,45-1 1,54-1 1,01-1

1,09 1,01

1,63* 1,19-1

1,23 1,25

1,30-1 1,91-1

1,04

1,11-1

1,23-1

1,32-1

0,033 0,089 346

0,022 0,143 346

0,547 0,145 346

0,015 0,070 345

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81"'=yi,8i=0,55. 2 Sanktionsrisiko: l=sehr unwahrscheinlich; 2==eher unwahrscheinlich, 3=ungefahr 50 zu 50; 4=eher wahrscheinlich; 5=sehr wahrscheinlich. 3 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 4 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 5 Die Analysen zum Materialdiebstahl am Arbeitsplatz wurden ohne Beriicksichtigung der Selbststandigen in der Untersuchungsstichprobe durchgefiihrt. 6 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

95 Dieses Ergebnis zeigt sich auch dann, wenn man das wahrgenommene Sanktionsrisiko fiir den Fall der Deliktbegehung, das etwa von Dieter Hermann (vgl. Hermann 2003: 116) als Indikator fiir eine utilitaristische Handlungsorientierung herangezogen wird und in diesem Sinne ebenso als okonomisches Interessenkalkiil interpretiert werden kann, aus den Analysen ausblendet. 96 Die Irrtumswahrscheinlichkeit fiir die Annahme dieses Zusammenhangs betragt auf Grundlage der gegebenen Datenbasis 10,8 Prozent (p=0,108).

166

6. Ergebnisse

6.3.1 Faf^t Bilanzierend lasst sich festhalten, dass die Delinquenzbereitschaft der Befragten de facto in Abhangigkeit von ihren normbezogenen Orientiemngsmustern variiert. Dabei konnte gezeigt warden, dass die gegebenen Orientierungsmuster auf der Ebene der Delinquenzbereitschaft insbesondere bei denjenigen Deliktformen differenzieren, die im Rahmen einer Hauptkomponentenanalyse als typische Spielarten von Mittelschichtkriminalitat rubriziert wurden. Als Pradiktor der Delinquenzbereitschaft trat dabei insbesondere das graduelle AusmaB der nomozentrischen Orientierungen von Akteuren in Erscheinung, wobei erwartungsgemaB eine hohe Rechtsnormbindung mit einer geringen Delinquenzbereitschaft sowie umgekehrt eine geringe Rechtsnormbindung mit einer erhohten Delinquenzbereitschaft einherging. Die Bindung an okonomische Erfolgsziele erwies sich demgegeniiber im Kontext der in Tabelle 6.3.2 dokumentierten Analysen nicht als zuverlassiger Pradiktor fiir die Delinquenzbereitschaft von Akteuren. Dieses Ergebnis steht in Gegensatz zu den Befunden aus Abschnitt 6.2.3, denen zufolge in Situationen, in denen - wie im Szenario des Insiderhandels - hohe finanzielle Gewinne auf dem Spiel stehen, das okonomische commitment von Akteuren als statistisch hoch bedeutsamer Pradiktor fiir die Auspragung delinquenter Handlungsintentionen in Erscheinung tritt (vgl. Tab. 6.2.3.1 und 6.2.3.2). Die Gegenlaufigkeit der Befunde lasst in diesem Sinne darauf schlieBen, dass die Hohe der situativ erzielbaren Gewinne maBgeblich dafiir ist, wie weit die okonomischen Orientierungen von Akteuren in Situationen der deUnquenten Gelegenheit handlungswirksam werden und zur Auspragung delinquenter Handlungsintentionen beitragen. Zur theoretischen Klarung dieser Befundlage mag die von Diekmann (1992, 1998) getroffene Unterscheidung zwischen High-Cost- und Ltf^-G?j"/-Situationen hilfreich sein (vgl. Diekmann 1992: 239ff.). Diekmann fiihrte diese Unterscheidung zur Spezifizierung der Erklarungskraft rational-choice-theoretischer Handlungsmodelle im Kontext des sog. Umweltverhaltens ein. In sog. H/^/^-Oj-Z-Situationen geht es nach Diekmann um fiir Akteure subjektiv wichtige Entscheidungen wie etwa den Wechsel des Arbeitgebers, die Berufswahl oder die Realisierung eines Kinderwunsches. In diesen Situationen bemiihen sich Akteure darum, etwaige Fehler der Handlungswahl zu vermeiden, und wagen ihr Handlungsentscheidungen nach strengen Kosten-NutzenUberlegungen ab. Fiir H/^-^-C^j^Z-Situationen vermutet Diekmann entsprechend eine hohere Erklarungskraft von Erklarungsmodellen, die im Stile der klassischen okonomischen Rational-Choice-Theorie auf ein rational-egoistisches Akteursmodell setzen. Als L^z^-C^^j^Z-Situationen bezeichnet Diekmann demgegeniiber all jene Situationen, in denen es um Handlungsentscheidungen niederen Ranges geht. Hill (2002: 53) nennt hier als pragnantes Beispiel die Auswahl der Farbe beim Kauf einer Zahnbiirste. In L^i^-G?j-/-Situationen erklart sich individuelles Handeln der Konzeption Diekmanns zufolge weniger durch streng okonomische Kosten-Nutzen-Analysen als vielmehr durch etabUerte Schemata und Routinen des Handelns, wie sie sich nicht zuletzt aus metakognitiven Dispositionen ableiten lassen. Entsprechend verbindet sich die konzeptueUe Unterscheidung von High-Cost- und Ltfi^^-C^^/Z-Situationen mit der An-

6.3 Forschungsfrage 3

167

nahme, dass die Verhaltenswirksamkeit der Einstellungen und Werthaltungen von Akteuren in Abhangigkeit von der Kostenintensitat einer Situation variiert. Die Unterscheidung von High-Cost- und I^^^-C^j-Z-Situationen wurde durch Seipel und Eifler (2002) auf den Kontext der Analyse abweichenden Verhaltens iibertragen. Sie definieren dabei High-Cost- und L^;^-C^j-/-Situationen unter Bezugnahme auf die Hohe des in einer Situation wahrgenommenen Sanktionsrisikos (ebd.: 293ff.). High-CostSituationen abweichenden Handelns stellen demnach solche Situationen dar, in denen das Sanktionsrisiko hoch und „die situativen Anreize abweichend zu handeln, eher gering sind (ungiinstige Gelegenheiten)" (ebd.: 294). Demgegeniiber zeichnen sich HowC^j-/-Situationen abweichenden Handelns durch ein als gering wahrgenommenes Sanktionsrisiko aus und bezeichnen entsprechend Situationen, in denen „die situativen Anreize abweichende Handlungen eher befordern (giinstige Gelegenheiten)" (ebd.). Im Kontext ihrer quasi-experimentell angelegten Untersuchung konzeptualisieren die Autoren die Kostenintensitat einer Situation dabei analog zu Diekmann — losgelost von der individueUen Situationswahrnehmung - primar als objektive Eigenschaft der Situation. Fiir den Zweck der vorliegenden Untersuchung sollen die vorstellten Uberlegungen zur Unterscheidung von High-Cost- und L.ow-Cost-^ita^xion^xi in zweifacher Weise modifiziert werden. Zum einen soil anstelle der Kosten primar der erwartbare Nutzen delinquenten Handelns beleuchtet werden. Analog hierzu sollen die Konzepte der HighCost- und jL^;^-C(?j"/-Situation durch die der High-Utility- und I^;^-L7/////y-Situation ersetzt werden. Situationen der delinquenten Gelegenheit werden dann als High-Utility-Situ2ition wahrgenommen, wenn der erwartbare Nutzen sehr hoch ist, und umgekehrt als L6»;^-(J//7//}/-Situation, wenn der erwartbare Nutzen eher gering ist. Zum anderen wird unterstellt, dass die Unterscheidung zwischen High-Utility- und L^;^^-U/////)/-Situationen weniger als eine objektive Eigenschaft von Situationen, sondern vielmehr als ein Aspekt der individueUen Situationsdefinition aufzufassen ist. Es wird in diesem Zusammenhang unterstellt, dass die Wahrnehmung und infolgedessen auch die Definition einer Situation als High-Utility- oder L^;^-L///7//)/-Situation in Abhangigkeit von den normbezogenen Orientierungen von Akteuren variiert. Ubertragen auf die in Abschnitt 6.2.3 thematisierte Gelegenheit zum Insiderhandel, in der es um die Option zur Realisierung hoher fmanzieUer Gewinne geht,^^ wird entsprechend davon ausgegangen, dass die beschriebene Situation insbesondere von Akteuren mit einem hohen commitment an fmanzielle Erfolgsziele als nutzenintensiv wahrgenommen und entsprechend als High(7//7//}/-Situation definiert wird. Infolgedessen steigt hier auch mit zunehmender okonomischer Orientierung die Delinquenzbereitschaft der Befragten in Form der Bereitschaft zur Tatigung illegaler Aktienkaufe. Die Ergebnisse der Analysen lassen in diesem Zusammenhang indes erkennen, dass in der Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel auch die nomozentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen zur Wahrnehmung der Nutzen- bzw. Kostenintensitat der Situation und infolgedessen zur Intentionsbildung beitragen.

97 In der Vignette wurde ein moglicher Gewinn von mehr als 10.000 Euro angedeutet (vgl. Kap.5, Abschnitt 5.3.3.1).

168

6. Ergebnisse

Im Gegensatz zur Situationsdarstellung in der Vignette zum Insiderhandel wurden die im vorliegenden Untersuchungsabschnitt 6.3 thematisierten Formen resp. Gelegenheiten delinquenten Handelns — wie etwa zur Steuerhinterziehung, zur Inanspruchnahme von Schwarzarbeit, zum Versicherungsbetrug oder auch zum Ladendiebstahl im Rahmen der Befragung beziiglich der Hohe der in ihrem Falle erwartbaren materiellen Gewinne nicht spezifiziert. Da sich so mit ihrer Begehung nicht explizit die Chance zur Realisierung okonomischer Erfolgsziele verband, wurden sie auch von Befragten mit einem hohen commitment an okonomische Erfolgsziele nicht als High[/////^/-Situationen aufgefasst. Entsprechend blieb auch das AusmaB des okonomischen commitments fiir die Delinquenzbereitschaft in ihrem Fall statistisch ohne Bedeutung. Zwar mag man an dieser Stelle einwenden, dass iiber die Beriicksichtigung des wahrgenommenen Sanktionsrisikos im Rahmen der vorgestellten Analysen (vgl. Tab. 6.3.2, S. 165) impUzit auch okonomische Orientierungen thematisch werden, die im multivariaten ModeUzusammenhang zu einer Auspartialisierung der entsprechenden Orientierungsdimension fiihren. Gleichwohl bleibt hier anzumerken, dass im Rahmen der Analysen sowohl unter Beriicksichtigung als auch unter Ausblendung des Sanktionsrisikos keine bedeutsamen Variationen auf der Ebene des Einflusses der normbezogenen Orientierungen auf die Delinquenzbereitschaft erkennbar sind. Dies lasst darauf schlieBen, dass die Wahrnehmung der Nutzenstruktur der im vorliegenden Analyseabschnitt thematisierten Situationen delinquenten Handelns von dem okonomischen commitment von Akteuren weitgehend unabhangig ist. Damit wird allerdings explizit nicht unterstellt, dass Nutzenerwagungen fiir die Delinquenzbereitschaft mit BUck auf die einzelnen Deliktformen ohne Bedeutung sind. Dariiber hinaus zeigen die Analyseergebnisse der vorausgegangenen Abschnitte, dass wert- und normbezogene Orientierungsmuster unabhangig von der Hohe des wahrgenommenen okonomischen Nutzens einer Situation fiir die Intentionsbildung von Bedeutung sind.

6.4 Forschungsfrage 4: Delinquenzhaufigkeit und normbezogene Orientierungsmuster bei verschiedenen Delikttypen Nachdem die Analysen zur Beantwortung der Forschungsfrage 3 die Bedeutung normbezogener Orientierungsmuster fiir die Delinquenzbereitschaft in Betracht gezogen haben, richtet sich Forschungsfrage 4 auf die Delinquenzhaufigkeit von Akteuren. Die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgte dabei auf Grundlage von Analysen zur selbstberichteten Delinquenzhaufigkeit der Befragten in verschiedenen Deliktbereichen. Die Selbstberichte der Befragten bezogen sich auf dieselben Delinquenzformen wie in den Analysen des vorausgegangenen Abschnitts 6.3 zur Delinquenzbereitschaft. Um die Selbstberichte der Befragten im HinbUck auf das zeitUche BezugsintervaU miteinander vergleichbar zu halten, wurde als Referenzzeitraum fiir die Beantwortung der Frage auf die letzten fiinf Jahre vor dem Befragungszeitpunkt verwiesen. Die Analysen zu dieser Frage erfolgen auf zwei Ebenen: Zunachst wird die Pravalenz der betrachteten Delikte in der Zielpopulation untersucht. Das Augenmerk

6.4 Forschungsfrage 4

169

richtet sich dabei auf die Frage, wie hoch der Anteil der Personen mit Delikterfahrung in den interessierenden Subgruppen der Untersuchungsstichprobe ist. Dabei gilt: Je groBer die Pravaienz eines Delikts in einem Cluster ausfallt, desto verbreiteter ist dieses Delikt bei Akteuren mit dem clusterspezifischen Orientierungsmuster. Die Analysen zur Inzidenz bzw. Haufigkeit delinquenter Handlungen in den letzten fiinf Jahren vor der Befragung befassen sich demgegeniiber mit der mittleren Haufigkeit der betrachteten Delikte in den clustertypisch unterschiedenen Merkmalsgruppen. Dabei gilt: Je groBer die Inzidenz eines Delikts in einem Cluster ist, desto haufiger wird dieses Delikt im Durchschnitt von Akteuren mit dem clusterspezifischen Orientierungsmuster begangen. Bei der Analyse der Pravaienz und Inzidenz eines Delikts in einer Untersuchungspopulation ist zu beachten, dass beide Werte — in begrenztem AusmaB — unabhangig voneinander variieren konnen. Von besonderem Interesse sind dabei insbesondere zwei Falle: So kann eine hohe Pravaienz eines Delikts mit einer vergleichsweise niedrigen Inzidenz einhergehen. Dieser Fall indiziert eine starke und im Extremfall ubiquitare Verbreitung eines Delikts in der betrachteten Population bei gleichzeitig eher niedrigem delinquentem Aktivitatsniveau ihrer Angehorigen, Umgekehrt gibt eine vergleichsweise niedrige Pravaienz bei gleichzeitig hoher Inzidenz einen Hinweis darauf, dass eine Subgruppe innerhalb der Zielpopulation ein hoheres delinquentes Aktivitatsniveau aufweist, das Delikt dabei aber insgesamt innerhalb des Clusters nicht stark verbreitet ist und entsprechend auch nicht als charakterisierendes Merkmal fur die betrachtete Akteursgruppe aufgefasst werden kann.

6.4.1 Zur Prdvalen^ der selhstherichteten Delinquent

Die Analysen zur Pravaienz der selbstberichteten DeUnquenz (vgl. Tab. 6.4.1.1) zeigen, dass die Inanspruchnahme von Schwarzarbeit, die unerlaubte Materialmitnahme vom Arbeitsplatz und das Autofahren im alkohoHsierten Zustand die relativ groBte Verbreitung in der Untersuchungsstichprobe haben. Daneben treten auch noch Steuerhinterziehung und Versicherungsbetrug als Delikte mit einer vergleichsweise hoheren Pravalenzziffer in Erscheinung. Zugleich machen die Pravalenzziffern deutUch, dass insbesondere bei den in der Untersuchungsstichprobe starker verbreiteten Delikten signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen Clustertypen der normbezogenen Orientierungsmuster in Erscheinung treten. Dabei sind es die „radikalen Marktaktivisten", bei denen Delikte wie die Inanspruchnahme von Schwarzarbeit, die Materialmitnahme vom Arbeitsplatz und auch die Steuerhinterziehung ihre relativ starkste Verbreitung fmden. Demgegeniiber stellen insbesondere die marktdistanzierten KonventionaUsten und neben ihnen die normorientierten Marktaktivisten die Cluster in der Untersuchungsstichprobe dar, in denen die genannten Delikte die relativ geringste Verbreitung finden. Bemerkenswert ist im Weiteren, dass die bezeichneten Delinquenzformen ebenfalls bei den Desinteressierten und im Falle der Steuerhinterziehung und der Inanspruchnahme von Schwarz-

170

6. Ergebnisse

Tabelle 6.4.1.1: Pravalenz der Delikthaufigkeit fiir den Zeitraum der letzten fiinf Jahre vor dem Befragungszeitpunkt (in %), differenziert nach Clusterzugehorigkeit Schwatzarbeit

Materialmitnahme^

Versicher.-

Alkohol

betrug

am Steuer

37,65

42,35

47,50

27,91

47,06

4,65

6,98

1,16

51,02

74,0

65,12

37,25

50,98

7,84

7,84

2,0

27,91 43,02

40,70 58,82

33,77 51,28

26,74 32,56

29,41 52,33

5,81 2,33

1,16 6,98

0,0 0,0

45,45 39,61

67,27 54,02

44,68 47,08

38,18 31,59

45,45 44,48

3,64 4,67

5,45 5,49

0,0 0,55

0,175 0,026 362

0,085 0,627

0,110 0,357 364

0,102 0,439 363

Fahrerflucht

Ladendiebstahl

WUde

Steuethinterziehving

MiiUkippe

Orientierungstypen Normorientierte Marktaktivisten Radikale Marktaktivisten Marktdistanzierte Konventionalisten Desin teres sierte Nonkonforme Kommunitaristen Gesamtstichprobe Modellanpassung Cramer's V p(ChP)' n

0,157 0,063 361

0,096 0,497

0,190 0,019

0,255 <0,001 361

325

364

364

1

Die Angaben zur Signifikanz haben auf Gmnd der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser SteUe lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 2 Die Angaben zur Pravalenz des Materialdiebstahls am Arbeitsplatz beschranken sich auf die Gruppe der abhangig Beschaftigten [exklusive Selbststandige und Freiberufler] in der Untersuchungsstichprobe. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung 6.4.1.1: Pravalenz der Steuerhinterziehung in den letzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

Radikale Marktaktivisten

|74,0

m ^

Nonkonforme ^ H l Kommuni taris t e n ^ B i

Desinteres sierte

| 6 7 ,3

^ H 58,8

^ H

Normorientierte mKM Marktaktivisten P W

iHH42,4

Marktdistanzierte I H I Konventionalisten ^ ^ 0

1H|'^0,7 10

20

30

40 Prozent

Cramer's V=0,157;p=0,063. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

50

60

70

80

171

6.4 Forschungsfrage 4

arbeit auch und besonders bei den nonkonformen Kommunitaristen in iiberdurchschnittUchem MaBe verbreitet sind. Hinsichdich der Pravalenz der Delikte ergibt sich entsprechend eine ahnUche Rangfolge zwischen den Clustern wie bei der Delinquenzbereitschaft. Wenngleich ohne formal-statistischen Signifikanzausweis, zeigt sich ein ahnliches Muster der Deliktverbreitung zwischen den Clustern auch beziiglich des Versicherungsbetrugs und tendenziell ebenfalls beim Ladendiebstahl. Abbildung 6.4.1.2: Pravalenz der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit in den letzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

Radikale Marktaktivisten

^^^^^^^^^^^^^^^

^^^^^n^"-""""-^^" • 51,0

Nonkonforme Kommunitaristen

^|45,5

Desinteressierte

|43,0

Normorientierte Marktaktivisten Marktdistanzierte Konventionalisten

H37,6

1

j ^ ^ ^ ^ ^ ^ l ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ H 27,9 1 1 1

1

10

20

30

50

40

60

Prozent

Cramer's V=0,255; p<0,001. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung 6.4.1.3: Pravalenz der unerlaubten Materialmitnahme vom Arbeitsplatz in den letzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

Radikale Marktaktivisten Desinteressierte Normorientierte Marktaktivisten Nonkonforme Kommunitaristen Marktdistanzierte Konventionalisten

^^^^^^^^^_^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ t

^ ^^ ^

^^n^T

14/

^^Hl33,8 20

30

40 Prozent

Cramer's V=0,184, p=0,015. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

,5

44,7

^ 10

|51,3

_ i

^t ^ (1

1 65,1

50

60

70

172

6. Ergebnisse

Abbildung 6.4.1.4: Pravalenz des Delikts „Alkohol am Steuer" in den letzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

Desinteressierte

]

_

_

_

J

^

•

Radikale Marktaktivisten

151,0

Normorientierte Marktaktivisten

I47,

Nonkonforme KommunitaristenI^^^^^^^M Marktdistanzierte Konventionalisten

52,3

45,5

^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ 10

20

29,4

30

40

50

Pfozent Cramer's V=0,175; p=0,026. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Betrachtet man im Weiteren — quasi eine Analysestufe zuriickgehend — die statistische Bedeutung der unterschiedenen Dimensionen normbezogener Orientierungen fiir die Pravalenz der mittelschichttypischen StrafrechtsverstoBe (vgl. Tab. 6.4.1.2), so zeigt sich gerade bei den stark verbreiteten Delikten der Steuerhinterziehung, der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit, der Materialmitnahme vom Arbeitsplatz - und mit Einschrankungen auch beim Versicherungsbetrug - die erhohte Bedeutung der nomozentrischen Orientierungen fiir die Deliktverbreitung. Bemerkenswert ist, dass die Pravalenz der Verkehrsdelikte Alkohol am Steuer und Fahrerflucht - letztere allerdings bei insgesamt maBiger ModeUanpassung - auf der Ebene der normbezogenen Orientierungen nicht dutch die Auspragung nomozentrischer, sondern durch die Auspragung der kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen bedingt ist. SchlieBlich ist der Ladendiebstahl das einzige der aufgefiihrten Delikte, bei dem neben kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen auch das commitment an okonomische Erfolgsziele mit einer statistisch signifikanten Tendenz als Pradiktor der Deliktpravalenz in Erscheinung tritt. Ausdriicklich ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass die aufgefiihrten Ergebnisse unter Kontrolle und in diesem Sinne unabhangig von dem perzipierten Sanktionsrisiko fiir die aufgefiihrten Delinquenzformen in Erscheinung treten. Letzteres tritt als statistisch bedeutsamer Pradiktor der Deliktpravalenz im gegebenen ModeUzusammenhang lediglich im Falle der Steuerhinterziehung, des Versicherungsbetrugs sowie beim Verkehrsdelikt Alkohol am Steuer in Erscheinung. Dies verwundert zunachst im Vergleich zu der deliktiibergreifend sehr viel hoheren Relevanz des Sanktionsrisikos mit Blick auf die Deliktbereitschaft (vgl. Tab. 6.3.2, S. 165), mag aber im gegebenen Fall nicht zuletzt dadurch bedingt sein, dass die

6.4 Forschungsfrage 4

173

Tabelle 6.4.1.2: Binar-logistische Regression der Pravalenz delinquenten Handelns in verschiedenen Deliktbereichen auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientiemngen unter zusatzlicher Beriicksichtigung des Sanktionsrisikos und soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte logistische Effekt-Koeffizienten)^ Steuer-

Schwarz-

Material-

Versi-

Alkohol

Fahrer-

Laden-

Wilde

hinterziehung

arbeit

mitnahme^

cherungsbetrug

am Steuer

flucht

diebstahl

MiiUkippe^

1,14-'

1,12-1

1,06 1,39-1** 1,361**

1,34-1 1,71-1* 1,00

1,03 l,73t 1,57-it

1,35-1* 1,14-1 1,01-1

1,06 2,02-1* 1,22

1,80* 1,01 1,35-1

-

0,203 0,089 344

0,092 0,108 344

-

Normbezogene Orientiemngen Nomozentrismus Okonomismus Kommunitarismus Sanktionsrisiko^

1,22-1** 1,04 1,27-it 1,61-1***

1,57-1***

1,27-it

1,14

1,13

1,16-1 1,16-1

1,15-1 1,23-1

1,35-1* 1,10-1 1,06-1 1,52-1**

1,02-1 1,56*** 1,06-1

1,39-1* 1,37-1* 1,12-1

1,03-1 1,07 1,01

-

1,11-1

Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ Aker Berufliche Bildung* Modellanp as sung p (Omnibus-Test)^ Nagelkerkes R^ n

1,44-1 1,01 1,641 <0,001 0,181 341

<0,001 0,134 341

<0,001 0,137 308

0,005 0,081 344

<0,001 0,124 341

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81'^"yi,8i=0,55. 2 Sanktionsrisiko: l=sehr unwahrscheinlich; 2=eher unwahrscheinlich, 3=ungefahr 50 zu 50; 4=eher wahrscheinlich; 5=sehr wahrscheinlich. 3 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 4 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabsctiluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 5 Die Analysen zum Materialdiebstahl am Arbeitsplatz wurden ohne Beriicksichtigung der Selbstandigen in der Untersuchungsstichprobe durchgefiihrt. 6 Aufgrund der minimalen Pravalenz wurde bei dem Delikt „Abfallentsorgung auf einer Wilden Miillkippe" auf eine Regressionsanalyse verzichtet. 7 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Deliktbereitschaft und das perzipierte Sanktionsrisiko prospektiv, die Delikthaufigkeit hingegen retrospektiv erhoben wurde. Es ist in diesem Zusammenhang plausibel anzunehmen, dass sich das perzipierte Sanktionsrisiko u.a. unter dem Einfluss von Erfahrungen der Deliktbegehung wandelt und entsprechend als Pradiktor fiir zuriickliegendes Verhalten nur eingeschrankt brauchbar ist.

6.4.2 Zurln^den^ der selbstbemhteten Delinquent Die Analysen zur Inzidenz der untersuchten Delinquenzformen in den zuriickliegenden fdnf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt (vgl. Tab. 6.4.2.1) weisen die vergleichsweise groBte Vorkommenshaufigkeit fiir die Inanspruchnahme von Schwarzarbeit, die unerlaubte Materialmitnahme vom Arbeitsplatz sowie fiir das Verkehrsdelikt Alkohol

174

6. Ergebnisse

am Steuer aus. Eine niedrigere Haufigkeit in der Untersuchungsstichprobe wird demgegeniiber fiir das Delikt der Steuerhinterziehung und tendenziell ebenfalls fiir das Delikt des Versicherungsbetrugs erkennbar. Lasst man das von lediglich 0,5 Prozent der Falle (n=2) begangene Delikt der Abfallentsorgung auf einer wilden Miillkippe unberiicksichtigt, so entfallt die im Durchschnitt geringste Haufigkeit auf die Delikte des Ladendiebstahls und der Fahrerflucht. Tabelle 6.4.2.1: Mittlere Inzidenz der Delikthaufigkeit fiir den Zeitraum der letzten fiinf Jahre vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit^ Steuerhinterziehung Orientieningstypen Normorientierte Marktaktivisten Radikale Marktaktivisten Marktdistanzierte Konventionalisten Desinteressierte Nonkonforme Kommunitaristen Gesamtstichprobe Modellanpassung p (ANOVA)2 Eta^ n

Schwarzarbeit

Materialmitnahme^

Versicheningsbetrug

Alkohol am Steuer

Fahrerflucht

Ladendiebstahl

Wilde Miillkippe

0,859

1,806

1,463

0,477

1,688

0,070

0,105

0,017

1,694

3,020

3,267

0,706

2,216

0,216

0,118

0,030

0,593

0,919

0,929

0,401

0,682

0,087

0,017

0,000

1,145

2,047

2,231

0,651

1,674

0,035

0,180

0,000

1,136

2,473

2,213

0,618

2,336

0,055

0,200

0,000

1,019

1,921

1,868

0,554

1,622

0,084

0,118

0,008

0,002 0,047 361

0,001 0,048 361

0,005 0,046 325

0,382 0,012 364

0,021 0,032 362

0,155 0,018 364

0,476 0,010 364

0,442 0,010 363

1

Fiir Analysezwecke warden hier wie im Folgenden die Inzidenzangaben zur selbstberichteten Delinquenz, die im Fragebogen standardisiert iiber das Ankreuzen von HaufigkeitsintervaUen erhoben wurden (vgl. Abschnitt 5.3.4), durch die jeweiligen Mittelwerte der HaufigkeitsintervaUe substituiert. So wurde die Angabe „noch nie" durch den Wert 0 ersetzt, die Angabe „1 bis 2mar' durch den Wert 1,5, die Angabe „3 bis 5mar' durch den Wert 4, die Angabe „6 bis lOmal" durch den Wert 8 und die Angabe „11 bis 15mar' durch den Wert 13. Die Angabe „mehr als 15mal" wurde durch den Wert 16 ersetzt. Durch die Technik der linearen Interpolation der HaufigkeitsintervaUe wurde es moglich, mitdere Delikthaufigkeiten fiir die Untersuchungsstichprobe sowie fiir verschiedene Subgruppen der Untersuchungsgesamtheit numerisch zu schatzen. 2 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 3 Die Angaben zur Inzidenz des Materialdiebstahls am Arbeitsplatz beschranken sich auf die Gruppe der abhangig Beschaftigten [exklusive Selbststandige und Freiberufler] in der Untersuchungsstichprobe. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Ein Vergleich der mitderen Delikthaufigkeiten zwischen den verschiedenen Clustertypen der normbezogenen Orientierungsmuster zeigt wiederum bei den DeUkten mit einer groBeren Vorkommenshaufigkeit signifikante Gruppenunterschiede. Dies gilt zuvorderst fiir die Delikte der Steuerhinterziehung und der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit, aber ebenso fiir die Materialmitnahme vom Arbeitsplatz sowie fiir das Verkehrsdelikt Alkohol am Steuer. Dabei wird im Rahmen der Analysen zur Delikt-

175

6.4 Forschungsfrage 4

inzidenz - analog zu den Pravalenzanalysen - zunachst bei den Delinquenzformen der Steuerhinterziehung und der Inanspmchnahme von Schwarzarbeit deudich, dass sich Abbildung 6.4.2.1: Inzidenz der Steuerhinterziehung in den ietzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

Radikale BH Marktaktivisten ^ H

Desinteressierte

|l,69

^HIJjj^^HHJI^B 1,15

^H

Nonkonforme w/M KommunitaristenHB

P I

Normorientierte • • Marktaktivisten ^ H

•

Marktdistanzierte • • [ Konventionalisten p H 0,00

1,14

0,86

0,59

0,20

0,40

0,60

0,80

1,00

1,40

1,20

1,60

1,80

Mittlere Delikthaufigkeit

Eta^=0,047;p=0,001. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002. Abbildung 6.4.2.2: Inzidenz der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit in den Ietzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

Radikale Marktaktivisten Nonkonforme Kommunitaristen

12,47

Desinteressierte

2,05

Normorientierte Marktaktivisten Marktdistanzierte Konventionalisten 1,00

1,50

2,00

mittlere Delikthaufigkeit

Eta2=0,048;p=0,001. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

2,50

3,00

3,50

176

6. Ergebnisse

Abbildung 6.4.2,3: Inzidenz der unerlaubten Materialmitnahme vom Arbeitsplatz in den letzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

Radikale

H ^ ^ ^ H |

MarktaktivJsten p H ^ H ^ H

< Desinteressierte

^^^^^H

^^HHH2,2

Nonkonforme

H ^ H H M

H2,2

Kommuni tari s t e n ^ ^ ^ B B i B Normorientierte H ^ H H H I Marktaktivisten p H ^ H ^ B Marktdistanzierte

| H ^ ^ ^ H |

Konventionalisten ^ ^ ^ B H B i

1,5

^HHo,9 1

0,5

1,5 2 mittiere Delikthaufigkeit

2,5

Eta2=0,046; p=0,005. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung 6.4.2.4: Inzidenz des Delikts „Alkohol am Steuer" in den letzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

1 Nonkonforme • ^ • B Kommuni t a r i s t e n P H H ^

[^|2,34|

Radikale HHIH Marktaktivisten ^ ^ B M i

|2,22

Normorientierte • • ^ H Marktaktivisten P ^ "

ll,69

Desinteressierte H | ^ ^

|l,67

Marktdistanzierte • • • • Konventionalisten ^ ^ B B B 0,00

|o,68 0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

mittiere Delikthaufigkeit

Eta2=0,032;p=0,021. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

die radikalen Marktaktivisten und nonkonformen Kommunitaristen im Mittel haufiger als die Angehorigen aller anderen Cluster delinquent betatigen. Die marktdistanzierten

6.4 Forschungsfrage 4

177

Konventdonalisten und die normorientierten Marktaktivisten stellen demgegeniiber die Cluster mit dem im Durchschnitt geringsten delinquenten Engagement dar, wahrend die Desinteressierten hier eine Mittelposition einnehmen. Auffallig ist dabei, dass die Desinteressierten auf der Ebene der beobachteten Inzidenz - ahnlich wie im Falle der Pravalenz - fast durchweg bei alien untersuchten Delikten eine iiberdurchschnittliche Delinquenzhaufigkeit aufweisen. Im Falle der Steuerhinterziehung berichten sie sogar haufiger von delinquenten Aktivitaten als die nonkonformen Kommunitaristen. Eine Erklarung fiir die erhohte Delinquenzauffalligkeit der Angehorigen dieses Clusters mag in ihrem antigemeinschaftlichen Ressentiment bestehen (siehe auch Abschnitt 6.1, Unterabschnitt „Desinteressierte", S. 134). So zeigen die Desinteressierten - ohne eine erhohte Bindung an okonomische Erfolgsziele aufzuweisen - einen „egoistischen Habitus", der sich in verschiedenen Kontexten des Alltagslebens dazu „berechtigt" fiihlt, sich „auf Kosten anderer" zu bedienen. Betrachtet man das Verhaltnis der clusterspezifischen Inzidenzziffern fiir das DeUkt der Materialmitnahme im Betrieb, so zeigt sich in der Haufigkeitsverteilung zwischen den Clustern ein ahnliches Bild wie bei der Steuerhinterziehung und der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit: Auch hier weisen die radikalen Marktaktivisten die vergleichsweise hochsten und die normorientierten Marktaktivisten und marktdistanzierten Konventionalisten die vergleichsweise niedrigsten Inzidenzziffern auf AUerdings kontrastiert dieses Ergebnis in Teilen mit den entsprechenden Befunden zur DeHktpravalenz (vgl. Abb. 6.4.2.3). Speziell zeigte sich in besagtem Zusammenhang, dass das DeUkt der Materialmitoahme im Cluster der nonkonformen Kommunitaristen weniger verbreitet ist als in den Clustern der Desinteressierten und der normorientierten Marktaktivisten. Subgruppenspezifische Analysen zur selbstberichteten Haufigkeit der Materialmitnahme im Cluster der nonkonformen Kommunitaristen (siehe zu der in diesem Zusammenhang verwendeten Subtypologie der nonkonformen Kommunitaristen: Anhang E, Abb. E2, S. 320) machen im Weiteren deutlich, dass delinquente Aktivitaten der beschriebenen Art zuvorderst von solchen Clusterangehorigen berichtet werden, deren nomozentrische Orientierungen stark bis extrem unterdurchschnittUch ausgepragt sind (vgl. Abb. 6.4.2.5 und Tab. 6.4.2.2, Typ 1 und 3). Dieser etwa die Halfte der nonkonformen Kommunitaristen umfassenden Gruppierung steht auf der anderen Seite eine Gruppe von Merkmalstragern gegeniiber, deren Distanz gegeniiber dem Gelmngsanspruch formal-rechtHcher Normen eher moderat ausfallt (Typ 2) und die in dem Bereich der unerlaubten Materialmitnahme vom Arbeitsplatz leicht unterdurchschnittUch aktiv ist. AhnUche Divergenzen im Verhaltnis von Pravalenz- und Inzidenzziffern ergeben sich auch mit BUck auf das Verkehrsdelikt Alkohol am Steuer. So zeigen sich bei diesem Delikt - bei Zugrundelegung der mittleren Inzidenzziffern - die nonkonformen Kommunitaristen bei weitem aktiver, als die vergleichsweise niedrige Pravalenzziffer fiir die Angehorigen dieses Cluster zunachst vermuten lasst. Subgruppenspezifische Analysen (vgl. Tab. 6.4.2.2) lassen auch in diesem FaU erkennen, dass wiederum etwa die Halfte der nonkonformen Kommunitaristen (Typ 1 und Typ 3) eine erhohte Delikthaufigkeit aufweist. Die anderen Clusterangehorigen (Typ 2) weisen demgegeniiber im Mittel gesehen eine stark unterdurchschnittliche DeUkthaufigkeit auf.

178

6. Ergebnisse

Tabelle 6.4.2.2: Mittlere Inzidenz der Delikte „unerlaubte Materialmitnahme am Arbeitsplatz" und „Alkohol am Steuer" fiir den Zeitraum der letzten fiinf Jahre vor dem Befragungszeitpunkt fiir die Subtypen der nonkonformen Kommunitaristen Materialmitnahme

Alkohol am Steuer

Subtypen, nonkonforme Kommunitaristen 4,02 3,07 Typl 0,89 0,78 Typ2 2,50 4,88 Typ3 Nonkonforme Kommunitaristen insgesamt 2,29 2,22 Modellanpassung p (ANOVA)! 0,050 0,023 Eta^ 0,107 0,133 n 56 56 1 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fur inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Umgekehrt zeigt sich fiir die Desinteressierten, dass diese sich - ungeachtet ihrer hohen Deliktpravalenz - deutlich seltener als die nonkonformen Kommunitaristen oder die radikalen Marktaktivisten dem Delikt Alkohol am Steuer zuwenden (vgl. Tab. 6.4.2.1). Dies lasst fiir die Angehorigen dieses Clusters auf eine ubiquitare Verbreitung des genannten Delikts auf vergleichsweise niedrigem Niveau schlieBen. Die mitderen Haufigkeitswerte fiir das Verkehrsdelikt der Fahrerflucht las sen bezogen auf die Clustertypologie insgesamt - keine signifikanten Differenzen der Delikthaufigkeit zwischen den Clustern erkennbar werden. Augenfallig ist lediglich die vergleichsweise hohe Deliktfrequenz der radikalen Marktaktivisten bei dieser Delinquenzform (vgl. Abb. 6.4.2.5), die auch im Rahmen einer Unearen Regression unter Kontrolle soziodemografischer Merkmalsunterschiede als statistisch signifikant ausgewiesen wird (vgl. Tab. 6.4.2.3). Abbildung 6.4.2.5: Inzidenz des Delikts Fahrerflucht in den letzten fiinf Jahren vor dem Befragungszeitpunkt, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

Radikale Marktaktivisten

• ^ ^ ^ ^ ^ n ^ ^ ^ ^ J ~ T ^ ^ ^ ™ ™ T ^ ^ ^ ^ ^ T ^ ••10,22

Marktdistan2ierte Konventionalisten1 ^^I^^HIHHIHH 0,09 Normorientierte Marktaktivisten

pi^^lHpHo,o7

Nonkonforme Kommunitaristen M H H H I 0,05 Desinteressierte ^ ^ ^ H 0,03 1 -1 0,05

1 0,10

0,15

mittlere Delikthaufigkeit Eta2=0,018;p=0,155. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

0,20

0,25

6.4 Forschungsfrage 4

179

Tabelle 6.4.2.3: Lineare Regression der selbstberichteten Haufigkeit der Fahrerflucht auf die Zugehorigkeit 2um Cluster der radikalen Marktaktivisten, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Beta-Koeffizienten) Fahrerflucht Clusterzugehorigkeit „radikale" Marktaktivisten 0,141** Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ -0,027 -0,101t Alter -0,005 Berufliche Bildung^ Modellanpassung p (ANOVA)3 0,030 korrigiertes R^ 0,019 n 344 t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 1 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Bilanzierend lasst sich an dieser Stelle festhalten, dass auch bezogen auf die Inzidenzziffern der Delikthaufigkeit die radikalen Marktaktivisten und nonkonformen Kommunitaristen als die Orientierungstypen mit der vergleichsweise hochsten Deliktrate in Erscheinung treten. Dies gilt an erster Stelle fiir die mittelschichttypischen Delikte der Steuerhinterziehung, der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit und der unerlaubten Materialmitnahme vom Arbeitsplatz, dariiber hinaus aber auch fiir das Autofahren im alkoholisierten Zustand und — bezogen insbesondere auf die radikalen Marktaktivsten — fiir das Verkehrsdelikt der Fahrerflucht. Demgegeniiber sind es an erster SteUe die marktdistanzierten KonventionaUsten, die - analog zu den Analysen zur Pravalenz - auch auf der Ebene der Inzidenz durch eine erhohte Deliktabstinenz in Erscheinung treten. Gleiches gilt in „gemaBigter Form" ebenfaUs fiir die normorientierten Marktaktivisten. Die Desinteressierten bewegen sich im Hinblick auf ihre Delikthaufigkeit, verglichen mit den anderen Orientierungs- resp. Clustertypen, auf einem eher mitderen, doch gleichwohl iiberdurchschnittlichen Niveau. Betrachtet man nun - wiederum quasi eine Analysestufe zuriickgehend - die stadsdsche Bedeutung der unterschiedenen Dimensionen normbezogener Orientierungen fiir die Inzidenz der StrafrechtsverstoBe, so zeigt sich gerade bei den stark verbreiteten Delikten der Steuerhinterziehung, der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit und der Materialmitnahme vom Arbeitsplatz die iiberragende Bedeutung der nomozentrischen Orientierungen fiir eine erhohte Deliktfrequenz, Gleiches gilt auf niedrigerem Niveau auch fiir das DeUkt Alkohol am Steuer. Mit Blick auf die VerkehrsdeUkte tritt parallel hierzu - und hier decken sich wiederum die Pravalenz- und Inzidenzanalysen - die Bedeutung kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen fiir die Deliktbegehung hervor. Dies gilt zunachst tendenziell fiir das Delikt „Alkohol am Steuer" und die hiermit einhergehende Inkaufnahme der Ge-

180

6. Ergebnisse

Tabelle 6.4.2.4: Lineare Regression der selbstberichteten Delinquenzhaufigkeit in verschiedenen Deliktbereichen auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung des perzipierten Sanktionsrisikos sowie soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Beta-Koeffizienten) Schwarzarbeit

Materialmitnahme^

Versicherungsbetrug

Alkohol am Steuer

Fahrerflucht

Ladendiebstahl

-0,206*** -0,191*** Nomozentrismus 0,107t 0,065 Okonomismus -0,068 -0,033 Kommunitarismus -0,186*** -0,044 Sanktionsrisiko^ Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ -0,116* -0,065 0,091t 0,071 Alter Berufliche Bildung3 -0,014 0,000 Modellanpassung p (ANOVA)4 <0,001 <0,001 korrigiertes R^ 0,125 0,064 n 342 342

-0,194*** 0,004 -0,067 -0,026

-0,084 -0,044 -0,083 -0,140**

-0,135* -0,037 -0,094t -0,086

-0,015 -0,023 -0,131* -0,014

-0,059 0,071 -0,037 -0,006

-0,108t -0,098t

-0,035 -0,029

-0,141* -0,156**

-0,014 -0,093t

-0,052

-0,007

-0,009

0,008

-0,057

<0,001 0,068

0,037

<0,001 0,074 342

0,218 0,007

0,218 0,007

345

345

Steuerhinterziehung Normbezogene Orientierungen

308

0,023 345

Wilde MiiUkippe^

0,121* 0,058

t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. Sanktionsrisiko: l=sehr unwahrscheinlich; 2=eher unwahrscheinlich, 3=ungefahr 50 zu 50; 1 4=eher wahrscheinlich; 5=sehr wahrscheinlich. 2 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 5 Die Analysen zum Materialdiebstahl am Arbeitsplatz wurden ohne Beriicksichtigung der Selbstandigen in der Untersuchungsstichprobe durchgefiihrt. 6 Aufgrund seiner minimaien Inzidenz - nur zwei Befragte der Gesamtstichprobe gaben an, in den letzten fiinf Jahren l-bis-2mal eine Wilde Miillkippe genutzt zu haben, alle anderen blieben deliktabstinent wurde bei dem Delikt „Abfallentsorgung auf einer Wilden Miillkippe" auf eine Regressionsanalyse verzichtet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

fahrdung dritter Personen; dies gilt aber noch deudicher fiir das Delikt der Fahrerflucht und die hiermit einhergehende Aufkiindigung der Rechenschafts- und Schadensausgleichspflicht gegeniiber dem geschadigten Fahrzeughalter.^^ Das commitment an okonomische Erfolgsziele spielt den Inzidenzanalysen zufolge mit einer statistisch signifikanten Tendenz lediglich bei der Haufigkeit der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit eine Rolle (vgl. hierzu auch Lamnek et al. 2000: 288ff., 321 f.). Entsprechend lasst sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass allein das AusmaB okonomischer Orientierungen von Akteuren, isoliert betrachtet, keinen zufriedenstel-

98 Einzuraumen ist an dieser Stelle zwar, dass das Regressionsmodell insgesamt eine nach den statistischen Signifikanzkriterien unzureichende Anpassung an die Ausgangsdaten aufweist. Gleichwohl bleibt der Effekt der kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen auf die Inzidenz der Fahrerflucht konstant erhalten, wenn sich das Modell, bei Vernachlassigung der nicht signifikanten Kontrollvariablen Sanktionsrisiko, Geschlecht und berufliche Bildung, mit einer geringeren Irrtumswahrscheinlichkeit und entsprechend einer herkommlichen statistischen Signifikanzkriterien geniigenden Modellanpassung verbindet.

6.5 Forschungsfrage 5

181

lenden Beitrag fur die Erklarung delinquenten Verhaltens leisten kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Einfluss okonomischer Orientierungen auf die Delikthaufigkeit unter statistischer Kontrolle der graduellen Auspragung nomozentrischer und kommunitar-gemeinschafdicher Orientierungen betrachtet wird. Erst dort, wo - wie beim radikalen Marktaktivisten zu beobachten - ein sehr starkes commitment an okonomische Erfolgsziele mit sehr gering ausgepragten nomozentrischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen einhergeht, ist eine erhohte Delikthaufigkeit zu erwarten. Wie das Beispiel einerseits der normorientierten Marktaktivisten, auf der anderen Seite aber auch der nonkonformen Kommunitaristen und partiell auch der Desinteressierten zeigt, bietet das commitment an okonomische Erfolgsziele fur sich allein gesehen keine zufriedenstellende Erklarung fur das Auftreten einer erhohten Delikthaufigkeit.

6A.3 Fa^t Bilanziert man die Ergebnisse der Pravalenz- und Inzidenzanalysen, so lasst sich festhalten, dass die Haufigkeit delinquenten Handelns in Abhangigkeit von den normbezogenen Orientierungen der Befragten variiert. Bezogen auf mittelschichttypische Delikte traten dabei insbesondere die radikalen Marktaktivisten, in Teilen aber auch die nonkonformen Kommunitaristen, als Orientierungstypen mit der vergleichsweise hochsten Deliktfrequenz in Erscheinung. Die relativ geringste Deliktbelastung zeigte sich demgegeniiber bei den Orientierungstypen der marktdistanzierten Konventionalisten und - auf leicht hoherem Niveau - bei den normorientierten Marktaktivisten. Als negativer Pradiktor der Delinquenzhaufigkeit trat dabei insbesondere bei den Betrugsund Eigentumsdelikten das AusmaB der nomozentrischen Orientierungen in Erscheinung. Ebenfalls als Pradiktor mit negativem Vorzeichen traten fiir die Haufigkeit der Verkehrsdelikte „Alkohol am Steuer" und Fahrerflucht im Weiteren die kommunitargemeinschaftlichen Orientierungen in Erscheinung. Das commitment an okonomische Erfolgsziele ist den Analysen zufolge mit Blick auf die Vorhersage sowohl der Pravalenz als auch der Inzidenz der Delikthaufigkeit hingegen von nur untergeordneter Bedeutung. Entsprechend lasst sich bereits an dieser Stelle festhalten, dass allein das AusmaB okonomischer Orientierungen von Akteuren, isoliert betrachtet, keinen zufriedenstellenden Beitrag fiir die Erklarung delinquenten Verhaltens leisten kann.

6.5 Forschungsfrage 5: Situationale Handlungsorientierungen und normbezogene Orientierungsmuster in Situationen des altruistischen Normappells Thematisierten die Forschungsfragen 2 bis 4 den Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungen auf der einen sowie deren delinquenzbezogenen Orientierungen und Handlungen von Akteuren auf der anderen Seite, so betrachten die nun folgenden Analysen den Einfluss der normbezogenen Orientierungsmuster auf die prosozialen Orientierungen und Handlungen von Personen (vgl. Kap.4, Abschnitt

182

6. Ergebnisse

4.2.2). Die Beantwortung von Forschungsfrage 5 erfolgte dabei - wie schon die von Forschungsfrage 2 - auf Grundlage der Analyse der situationalen Handlungsorientierungen der Befragten. Bezugspunkt war in diesem Zusammenhang die Vignette zur Bewerbungssituation (vgl. Kapitel 5, Abschnitt 5.3.3.2). Die Vignette zielte auf die Simulation einer dilemmatischen Konfliktiage zwischen den okonomischen Interessen der Befragten einerseits und dem Geltungsanspruch eines altruistischen Normappells und hiermit verkniipfter kommunitar-gemeinschaftlicher Normbestande andererseits. Sie verband sich dabei fiir die Respondenten mit der Frage, wie groB die WahrscheinHchkeit ware, dass sie in der hypothetisch geschilderten Situation einem Mitbewerber eine finanziell lukrative und ihnen bereits zugesagte Stelle in einem Unternehmen iiberlassen wiirden. Die im Folgenden dargestellten Analysen widmen sich der Untersuchung der subjektiven Normen, der verhaltensbezogenen EinsteUungen und der hypothetischen Verhaltensintention der Befragten in der durch die Vignette beschriebenen Situation. Uber Varianz- und Regressionsanalysen wurde dabei - analog zu den Analysen zu Forschungsfrage 2 - betrachtet, wie weit die Intensitat subjektiver Normen, Einstellungen und Verhaltensintention der Befragten in Abhangigkeit von ihren normbezogenen Oientierungsmustern variieren.

6.5.1 Suhjektive Normen Mit Blick auf die subjektiven Normen wurde unterstellt, dass diese im gegebenen situativen Kontext bei den Orientierungstypen am starksten ausgepragt seien, die starkere kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen aufweisen (vgl. Kap.4, Abschnitt 4.2.2, Hypothese 5.1). Bezogen auf die in Abschnitt 6.1 entwickelte Typologie normbezogener Orientierungsmuster trifft dies auf die Clustertypen der marktdistanzierten Konventionalisten und der nonkonformen Kommunitaristen zu. Hiermit einher ging implizit die Annahme, die subjektive Normbindung sei bei den Orientierungstypen am geringsten ausgepragt, die die vergleichsweise niedrigsten kommunitaristischen Orientierungen aufweisen. Bezogen auf die Typologie normbezogener Orientierungsmuster bezieht sich diese Annahme auf die „radikalen" Marktaktivisten, im Weiteren aber auch auf die Desinteressierten. Die Ergebnisse des Mittelwertvergleichs zeigen - wie erwartet - , dass die marktdistanzierten Konventionalisten und die nonkonformen Kommunitaristen in der Bewerbungs situation die relativ starkste, die radikalen Marktaktivisten hingegen die mit Abstand geringste Intensitat subjektiver Normen von alien Clustern aufweisen. Die Normbindung der Desinteressierten und der normorientierten Marktaktivisten rangiert demgegeniiber auf einem zwar auch unterdurchschnittUchen, im Vergleich zu den radikalen Marktaktivisten jedoch moderaten Niveau. Die relative Nahe zwischen normorientierten Marktaktivisten und Desinteressierten hinsichtlich der subjektiven Normintensitat verwundert allerdings zunachst, da beide Orientierungst5^en auf der Ebene kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen gegenlaufige Profile aufweisen.

6.5 Forschungsfrage 5

183

Verstandlich wird dieses Ergebnis, wenn man beriicksichtigt, dass diese Orientierungstypen ein ebenfalls gegenlaufig ausgepragtes commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen. Analog hierzu lasst eine lineare Regression der subjektiven Normbindung auf die Hauptkomponenten der unterschiedenen Orientierungsdimensionen (vgl. Tab. 6.5.1.1) erkennen, dass - bezogen auf die in der Vignette geschilderte Bewerbungssituation - neben den kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen ebenfalls die okonomischen Orientierungen als Pradiktor der Intensitat subjektiver Normen in Erscheinung treten. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das graduelle commitment an okonomische Erfolgsziele - gegenlaufig zu den kommunitar-gemeinschaftlichen Orienderungen - mit negativem Vorzeichen auf die subjektive Normintensitat Einfluss nimmt. Dies bestatigt die bereits im Kontext der Analysen zu Forschungsfrage 2 formulierte Annahme, dass sich das okonomische commitment von Akteuren auf der Ebene der situativen Handlungsorientierungen negativ auf die subjektiven Normen - hier verstanden als die Aktivierung vor allem von kommunitargemeinschaftlichen Normen - auswirkt. Tabelle 6.5.1.1: Lineare Regression der Intensitat subjektiver Normen in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orienderungen Standard. Koeffizient Beta Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus -0,011 -0,189*** Okonomismus Kommunitarismus 0,223*** Modellanpassung P (Anova)' <0,001 0,094 Pearsons R^ 357 n t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengmndlage an dieser Stelle lediglich einen deskripdven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstadsdsche Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Im Weiteren lasst dieses Ergebnis deutlich werden, dass iiberdurchschnittlich ausgepragte okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen - wie bei den normorientierten Marktaktivisten beobachtbar - sich in ihrem Einfluss auf die Intensitat der subjektiven Normen gegenseitig relativieren. Dies macht zunachst plausibel, warum sich die normorientierten Marktaktivisten und die Desinteressierten bezogen auf die hypothetische Bewerbungssituation - auf der Ebene ihrer Normbindung nur in geringem AusmaB voneinander unterscheiden (vgl. Abb. 6.5.1.1). Im Weiteren wird hier jedoch ebenfalls - wiederum analog zu den Analysen zu Forschungsfrage 2 - deutlich, dass einer verstarkten okonomischen Orientierung tendenziell eine normerodierende Wirkung innewohnt.

184

6. Ergebnisse

Abbildung 6.5.1.1: Intensitat Subjektiver Normen in der hypothetischen Bewerbungssituation, differenziert nach den Clustertypen normbezogener Orientiemngsmuster (n=359)*

^^

, Marktdistanzierte ! Konventionalisten -

8,0

^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^

H

kb^

Nonkonforme { Kommunitaristen [

Desinteressierte i

Radikale Marktaktivisten I -6

1

16,4

F

Normorientierte ' Marktaktivisten -

i

1

• 0,4

-M

••• 4

2

4 0

2

4

6

3

10

ANOVA: p<0,001; F=10,328; Eta2=0,105. * Die starkere vertikale Line innerhalb der Grafik markiert den Mittelwert der Intensitat subjektiver Normen aus der Untersuchungsstichprobe insgesamt. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002. Tabelle 6.5.1.2: Lineare Regression der Intensitat subjektiver Normen in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer KontroUfaktoren Standard. Koeffizient Beta Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus 0,009 Okonomismus -0,201*** Kommunitarismus 0,242*** Soziodemografische KontroUfaktoren Geschlecht^ -0,031 Alter -0,048 Berufliche Bildung^ -0,070 Modellanpassung P (Anova)3 <0,001 Pearsons R^ 0,103 n 339 p<0,001. t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01; 1 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle ledigUch einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

An2umerken bleibt, dass durch die nomozentrischen, okonomischen und kommunitargemeinschafdichen Orientierungen - bezogen auf das in der Vignette geschilderte Szenario - 9,4 Prozent der Varianz in der Intensitat der subjektiven Normen in der

6.5 Forschungsfrage 5

185

Untersuchungsstichprobe aufgeklart werden konnten. Wenngleich dieser Anteilswert geringer ist als bei den entsprechenden Analysen zum Insiderhandel (vgl. Tab. 6.2.1.1), gibt er doch einen Hinweis auf die groBere Bedeutung von der Situation vorgelagerten resp. iibergeordneten Orientierungsmustern fur die Auspragung normbezogener situationaler Orientiemngen. Bemerkenswert ist im Weiteren, dass dieses Ergebnis auch unter Kontrolle von Geschlechts-, Alters- und Bildungsunterschieden zwischen den Befragten konstant bleibt (vgl. Tab. 6.5.1.2). Im Gegensatz zu Situationen der delinquenten Gelegenheit (vgl. Tab. 6.2.1.2) bleiben Geschlechts- und Bildungsunterschiede fur die Intensitat subjektiver Normen von Akteuren in Situationen des altruistischen Normappells als unabhangige WirkungsgroBen ohne Bedeutung.^^

6.5.2 \^erhaltensbe^ogene Einstet

Wie bereits in Abschnitt 6.2.2 ausgefiihrt, stellen die verhaltensbezogenen Einstellungen auf konzeptueller Ebene weniger auf die infolge einer Handlung erwartbaren sozialen Sanktionen als vielmehr auf die generelle instrumentelle Eignung einer Handlung fur die Realisierung gegebener Handlungsziele ab. Im Kontext der hypothetischen Bewerbungssituation richteten sich die verhaltensbezogenen Einstellungen - von der operationalen Logik her betrachtet (vgl. Kapitel 5, Abschnitt 5.3.3.1, Unterabschnitt „Verhaltensbezogene Einstellungen") - auf die instrumentelle Eignung der Handlungsoption des Stellenverzichts fur die Realisierung eigener Handlungsinteressen. Konkret stand dabei in Frage, wie weit die Option des Stellenverzichts angesichts des mit ihr verkniipften Verzichts auf eine in Aussicht stehende Gehaltsaufbesserung und eines ebenfalls mit ihr assoziierten Gefiihls, eine berufliche Aufstiegschance vertan zu haben, von den Befragten in dem gegebenen situativen Kontext als fiir sie attraktive Verhaltensoption wahrgenommen wird (vgl. Kap. 4, Abschnitt 4.2.2). Es wurde dabei angenommen, dass die wahrgenommene Attraktivitat des Stellenverzichts bei denjenigen Orientierungstypen am starksten ausgepragt ist, die ein vergleichsweise niedriges commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen (vgl. ebd., Hypothese 5.2). Bezogen auf die Typologie normbezogener Orientierungsmuster trifft dies an erster Stelle auf die marktdistanzierten Konventionalisten, dariiber hinaus ebenfalls auf die nonkonformen Kommunitaristen und auf die Desinteressierten zu. Parallel hierzu wurde gegenlaufig unterstellt, dass eine Attraktivitat des Stellenverzichts bei denjenigen Orientierungstypen am wenigsten wahrgenommen wird, die die vergleichsweise hochste Auspragung okonomischer Orientierungen aufweisen. Dies gilt, bezogen auf die in dieser Studie entwickelte Typologie, an erster Stelle fiir die radikalen Marktaktivisten, im Weiteren aber ebenso fiir die normorientierten Marktaktivisten.

99 Dies gilt im Ubrigen auch dann, wenn man nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orienderungen im Rahmen der linearen Regression der subjektiven Normbindung unberiicksichtigt lasst.

186

6. Ergebnisse

Die Analysen zu den verhaltensbezogenen Einstellungen der Befragten (vgl. Abb. 6.5.2.1) zeigen zunachst, dass die Attraktdvitat der Option des Stellenverzichts im gegebenen Kontext der hypothetischen Bewerbungssituation von den Befragten durchweg unter negativem Vorzeichen wahrgenommen wird.^^^ Ein Mittelwertvergleich zwischen den verschiedenen Orientierungstypen macht im Weiteren deutlich, dass - wie erwartet - die marktdistanzierten Konventionalisten und die nonkonformen Kommunitaristen die Attraktivitat der Option des Stellenverzichts als ein vergleichsweise „geringeres Ubel" wahrnehmen. Zwar nehmen auch die Angehorigen dieser Cluster die Option des Stellenverzichts nicht als fiir sich in hohem MaBe attraktive Verhaltensoption wahr. Gleichwohl fallt fiir sie die negative Nettonutzenbilanz in der Wahrnehmung einer solchen Handlungsoption vergleichsweise gering bzw. unterdurchschnittlich aus. Im Rahmen des Mittelwertvergleichs irritiert allerdings der Befund, dass sowohl die nonkonformen Kommunitaristen als auch die marktdistanzierten Konventionalisten wiewohl beide ein graduell unterschiedliches commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen - sich auf der Ebene der verhaltensbezogenen Einstellungen im Kontext des gegebenen Handlungsdilemmas nicht bzw. kaum unterscheiden. Abbildung 6.5.2.1: Verhaltensbezogene Einstellungen in der hypothetischen Bewerbungssituation, differenziert nach den Clustertypen normbezogener Orientierungsmuster (n=358)

Marktdistanzierte ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ | Konventionalisten p H I H H ^ I

1-16,5

Nonkonforme ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ H Kommunitaristen H I H I H I H I

1-16,7

Desinteressierte

H ^ m | H

-20,1

Normorientierte I ^ I ^ I H H Marktaktivisten p H I H H I i

P|-21,7

radikale Marktaktivisten ^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ | 0

1 -25,3 5

-10

-15

^0

-2 5

-30

ANOVA: p<0,001; F=13,131; Eta2=0,129. * Die starkere vertikale Line innerhalb der Grafik markiert den Mittelwert der verhaltensbezogenen Einstellungen aus der Untersuchungsstichprobe insgesamt. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

100 Dies gilt im Ubrigen auch in Betrachtung der minimalen und maximalen Auspragungswerte der verhaltensbezogenen Einstellungen in den verschiedenen Subgruppen der Untersuchungsstichprbe.

6.5 Forschungsfrage 5

187

Tabelle 6.5.2.1: Lineare Regression der verhaltensbezogenen Einstellungen in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientderungen (n=361) Standard. Koeffizient Beta Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus 0,014 -0,262*** Okonomismus Kommunitarismus 0,193*** Modellanpassung <0,001 P (Anova)! Pearsons R^ 0,124 n 361 t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatisdsche Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Eine lineare Regression (vgl. Tab. 6.5.2.1) der verhaltensbezogenen Einstellungen auf die nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass die Attraktivitatswahrnehmung der Befragten im gegebenen situativen Kontext neben den okonomischen auch von den kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen beeinflusst wird. Eine geringe kommunitar-gemeinschaftliche Orientierung, wie etwa bei den Desinteressierten zu beobachten, fiihrt dabei genauso wie ein verstarktes commitment an okonomische Erfolgsziele - wenngleich mit geringerer Pradiktorkraft - zu einer verringerten Wahrnehmung der Attraktivitat einer altruistischen Handlungsoption. Dies belegt, dass der instrumentelle Anreiz einer altruistischen Handlung, wie er durch die verhaltensbezogenen Einstellungen der operationalen Logik nach abgebildet werden soil, im gegebenen situativen Kontext durch eine erhohte Sensibilitat fiir die kommunitar-gemeinschaftlichen Folgekosten der Handlung „aufgehellt" werden kann. Anzumerken bleibt, dass - bezogen auf das Szenario der Bewerbungssituation - nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftHche Orientierungen gemeinsam 12,4Prozent der Varianz der verhaltensbezogenen Einstellungen in der Untersuchungsstichprobe erklaren. Kontrolliert man im Weiteren Alters- und Geschlechtsunterschiede (vgl. Tab. 6.5.2.2, S. 188), so bleibt die Starke des Einflusses der okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen auf die verhaltensbezogenen Einstellungen weitgehend konstant. Unabhangig hiervon lasst sich zusatzlich ein leichter Alterseffekt auf die wahrgenommene Attraktivitat der Option des Stellenverzichts nachzeichnen. Dabei gilt, dass jiingere Befragte den Nettonutzen eines in Aussicht stehenden Gehaltverzichts und des Gefiihls einer vertanen Aufstiegschance in ihrer Wahrnehmung starker negativ bilanzieren als altere Befragte. Geschlechts- und Bildungsunterschiede scheinen fiir diesen Zusammenhang demgegeniiber ohne Belang zu sein. Um den Einfluss der normbezogenen Orientierungen und soziodemografischer Merkmalsunterschiede auf die Auspragung der verhaltensbezogenen Einstellungen und subjektiven Normen der Befragten differenzierter untersuchen zu konnen, wurden im

188

6. Ergebnisse

Tabelle 6.5.2.2: Lineare Regression der subjektiven Normbindung in der hypodietischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (n=357) Standard. Koeffizient Beta Normbezogene Orientierungen 0,006 Nomozentrismus -0,258*** Okonomismus 0,180*** Kommunitarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren 0,021 Geschlecht^ 0,116* Alter 0,008 Berufliche Bildung^ Modellanpassung P (Anova)^ <0,001 0,132 Pearsons R^ n 341 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche BUdung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002. Tabelle 6.5.2.3: Lineare Regression der subjektiven Valenz der moglichen Handlungsfolgen des Stellenverzichts in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierter Beta-Koeffizient) Verhaltensbezogene Einstellungen GehaltsAufstiegsverzicht^ chance vertan^

Subjektive Normen Gutes Gewissen^

Andere: in Ordnung^

Andere: Kopf schiitteln^

Gefiihl: Gutes getan^

Orientierungen -0,062 Nomozentrismus 0,053 0,004 -0,006 0,050 0,010 Okonomismus -0,165** -0,162** -0,009 -0,018 0,088 0,013 0,108t 0195*** 0,082 Kommunitarismus 0,026 -0,086 0,236*** Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 0,056 -0,019 0,214*** 0,063 -0,145** 0,135* -0,094t Alter 0,059 0,002 -0,007 -0,072 0,155** -0,028 Berufliche Bildung^ 0,070 0,004 -0,019 0,029 0,026 Modellanpassung P (Anova)9 <0,001 0,022 0,320 <0,001 <0,001 <0,001 Pearsons R^ 0,056 0,003 0,025 0,088 0,068 0,075 n 344 343 344 343 343 342 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. Anmerkungen 1 und 2 siehe Tab. 6.5.2.2. 3 „..., wenn ich vorerst auf ein hoheres Gehalt verzichten miisste." 4 „..., wenn ich das Gefiihl hatte, eine berufliche Aufstiegschance vertan zu haben." 5 „..., wenn ich gegeniiber dem Mitbewerber ein gutes Gewissen haben konnte." 6 „..., wenn Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten gegeniiber dem Mitbewerber in Ordnung fanden.' 7 „..., wenn Menschen, die mir wichtig sind, iiber mein Verhalten den Kopf schiitteln wiirden." 8 „..., wenn ich das Gefiihl haben konnte, meinem Mitbewerber etwas Gutes getan zu haben." 9 Siehe Anmerkung 3 zu Tab. 6.5.2.2. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.5 Forschungsfrage 5

189

Weiteren - ahnlich wie in Abschnitt 6.2 - lineare Regressionsanalysen auf der Ebene der Einzelindikatoren der genannten situationalen Orientiemngen durchgefuhrt.^^^ Die Tabellen 6.5.2.3 und 6.5.2.4 dokumentieren in diesem Zusammenhang die Ergebnisse der Regression der subjektiven Valenz (Tab. 6.2.2.3) und subjektiven Wahrscheinlichkeit (Tab. 6.2.2.4) der moglichen Handlungsfolgen eines Stellenverzichts resp.der Befolgung des altruistischen Normappells auf die normbezogenen Orientierungen sowie soziodemografischen Merkmalen der Befragten. Die Tabellen 6.5.2.5 und 6.5.2.6 dokumentieren das Gleiche mit Blick auf die moglichen Handlungsfolgen eines Stellenantritts und des hiermit verbundenen Ausschlagens des altruistischen Normappells. Die Ergebnisse der linearen Regressionsanalysen sind dabei in besonderer Weise aufschlussreich einerseits im Hinblick auf den Einfluss des Faktors der Geschlechtszugehorigkeit auf die genannten situationalen Orientierungen^ ^^ (Exkurs 1) und andererseits im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen dem okonomischen commitment und den situationalen Orientierungen der Befragten (Exkurs 2). Exkurs 1: Geschlechtszugehorigkeit und situationale Orientierungen Analysen zu den geschlechtsspezifischen Differenzen auf den Ebenen der subjektiven Normbindung und der verhaltensbezogenen Einstellungen (vgl. Tab. 6.5.2.3 bis 6.5.2.5) ergaben, dass weibliche Befragte die positive und negative Valenz von Handlungsfolgen, die ihren sozialen Lebenszusammenhang^^^ oder ihr moralisches Selbstbild^^^ beriihren, auch im Bezugskontext der hypothetischen Bewerbungssituation durchweg starker gewichten als mannliche Befragte (vgl. hierzu ebenfalls die entsprechenden Befunde aus dem Kontext des Szenarios zum Insiderhandel, S. 153ff.). Analog hierzu zeigte sich, dass sie ebenfalls die subjektive Wahrscheinlichkeit des Eintretens positiver und negativer Sanktionen infolge ihres Handelns zumindest fur den angenommenen Fall des Stellenverzichts tendenziell hoher einschatzen als mannliche Befragte (vgl. ebd.). Die beobachteten Unterschiede lassen sich dabei auch in diesem Fall nicht durch geschlechtsbezogene Differenzen auf der Ebene der nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen oder auf der Ebene der Altersund Bildungsunterschiede erklaren. Die multivariaten Regressionsanalysen zeigen vielmehr, dass sich die weiblichen Befragten hinsichtlich ihrer Wertsetzungen und Wahrscheinlichkeitsiiberlegungen auch unter Kontrolle der genannten UntersuchungsgroBen in statistisch bedeutsamem AusmaB von den mannlichen Befragten unterscheiden.

101 Vgl. als Ubersicht zu den Einzelindikatoren der subjektiven Normen und verhaltensbezogenen Einstellungen ebenfalls Kap. 5, Abschnitt 5.3.3.2, S.102ff. 102 Als solche gelten die subjektiven Normen und verhaltensbezogenen Einstellungen (vgl. Abschnitt 3.2.2.2). 103 Z.B.: „dass andere iiber mein Verhalten den Kopf schiitteln" im Falle des Stellenverzichts oder „dass andere mein Verhalten fiir egoistisch und unsozial halten" im Falle des Stellenantritts. 104 Z.B.: „dass ich das Gefiihl hatte, etwas Gutes getan zu haben" im FaUe des Stellenverzichts oder „dass ich gegeniiber dem Mitbewerber ein schlechtes Gewissen hatte" im Falle des Stellenantritts.

190

6. Ergebnisse

Tabelle 6.5.2.4: Lineare Regression der subjektiven Wahrscheinlichkeit moglicher Handlungsfolgen des Stellenverzichts in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierter Beta-Koeffizient) Verhaltensbezogene Einstellungen Aufstiegschance vertan^^

Subjektive Normen Gutes Gewissen"*

Andere: in Ordnung^

Andere: Kopf schiitteln^

Gefiihl: Gutes getan^

Orientierungen -0,092t -0,101t Nomozentrismus 0,073 0,031 0,008 0,094t -0,096t -0,124* Okonomismus 0,120* -0,056 0,139* -0,124* Kommunitarismus 0,169** -0,135* 0,137* Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ -0,067 0,096t -0,100t 0,095t 0,034 Alter 0,051 -0,045 -0,106* -0,053 -0,184*** 0,096t Berufliche Bildung^ -0,056 0,049 -0,066 0,063 Modellanpassung P (Anova)8 0,004 0,014 0,004 <0,001 <0,001 Pearsons R^ 0,029 0,061 0,037 0,038 0,067 n 345 345 344 345 343 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. Anmerkungen zu Indizes 1 und 2, siehe Tab. 6.5.2,3. 3 „..., dass ich das Gefiihl hatte, eine berufliche Aufstiegschance vertan zu haben." 4 „..., dass ich gegeniiber dem Mitbewerber ein gutes Gewissen haben wiirde." 5 „..., dass Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten gegeniiber dem Mitbewerber in Ordnung fanden." 6 „.,., dass Menschen, die mir wichtig sind, iiber mein Verhalten den Kopf schiitteln wiirden." 7 „..., dass ich das Gefiihl hatte, meinem Mitbewerber etwas Gutes getan zu haben." 8 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Exkurs 2: Okonomisches commitment und situationale Orientierungen Ahnlich wie im situationalen Bezugskontext der Gelegenheit zum Insiderhandel (vgl. Abschnitt 6.2, Exkurs 2, S. 154ff.) beeinflussen die okonomischen Orientierungen auch in der hypothetischen Bewerbungssituation die antizipative Beurteilung zunachst solcher Handlungskonsequenzen, die auf die Bewertung der okonomischen Erfolgsbilanz ihres Handelns abstellen (vgl. ebenfalls Tab. 6.5.2.3 bis 6.5.2.5). So zeigt sich, dass Befragte mit einem vergleichsweise hohen commitment an okonomische Erfolgsziele dem Gefiihl, beruflich weitergekommen zu sein (im Falle des Stellenantritts) oder eine Aufstiegschance vertan zu haben (im Falle des Stellenverzichts), personlich mit einer hoheren positiven bzw. negativen Valenz verkniipfen als Befragte mit einem vergleichsweise geringeren commitment an okonomische Erfolgsziele. Gleiches zeigt sich mit Blick auf die subjektive Wertigkeit eines erwartbaren Gehaltsanstiegs bzw. des Verzichts hierauf. Analog hierzu ist erkennbar, dass Befragte mit einer starkeren okonomischen Orientierung auch die subjektive Wahrscheinlichkeit von okonomischen Erfolgs- und Versagensgefiihlen mit Blick auf die in Frage stehende Handlungsoption vergleichsweise hoher einschatzen als Befragte mit einer schwacheren okonomischen Orientierung. Dieses Ergebnis kann wiederum indirekt als Hinweis darauf gelten, dass sich

191

6.5 Forschungsfrage 5

Tabelle 6.5.2.5: Lineare Regression der subjektiven Valenz moglicher Handlungsfolgen des Stellenantritts in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitargemeinschafdiche Orientierungen, unter zusatzlicher Beriicksichdgung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierter Beta-Koeffizient) Verhaltensbezogene Einstellungen GehaltsBeruflianstieg^ ches Weiterkom.'* Orientierungen Nomozentrismus Okonomismus

0,019 -0,001 0,255*** 0,269*** -0,125* -0,060 Kommunitarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht' 0,165** 0,078 -0,098t Alter -0,048 0,057 -0,030 Berufliche Bildung^ Modellanpassung P (Anova)io <0,001 <0,001 0,099 0,073 Pearsons R^ n 345 343

Subiektive Normen Schlechtes GewissenS

Andere: egoistisch^

Andere: in OtdnJ

Andere: Anerkennung*

Ungutes Gefuhl'

0,011 0,058 -0,247***

-0,055 0,036 -0,216***

0,050 -0,009 0,026

-0,039 0,143* -0,016

0,015 0,012 -0,172**

-0,190*** 0,088t

-0,168** 0,171*** -0,003

0,063 -0,094t -0,019

0,006 -0,070 -0,061

-0,183*** 0,021 0,023

0,320 0,003 343

0,040 0,021 343

-0,047 <0,001 0,117 342

<0,001 0,120 343

<0,001 0,062 344

t 1 2

p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 „..., wenn ich in absehbarer Zeit iiber ein hoheres Gehalt verfugen konnte." 4 „..., wenn ich das Gefiihl haben konnte, durch meine Entscheidung beruflich weitergekommen zu sein." 5 „..., wenn ich gegeniiber dem Mitbewerber ein schlechtes Gewissen haben wiirde." 6 „..., wenn Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten fiir egoistisch und unsozial hielten." 7 „..., wenn Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten gegeniiber dem Mitbewerber in Ordnung fanden." 8 „..., wenn mein Bewerbungserfolg fiir andere nach auBen hin sichtbar wiirde." 9 „..., wenn ich die neue Stelle mit einem unguten Gefiihl antreten wiirde." 10 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Befragte mit einem starkeren commitment an okonomische Erfolgsziele - bezogen auf das im Szenario der Bewerbungssituation simulierte Handlungsdilemma - auch den Imperativen einer Marktkultur resp. einer okonomischen Handlungsmoral vergleichsweise starker ausgesetzt sehen als Akteure mit einem geringeren okonomischen commitment,

Interessant ist im Weiteren der Befund, dass die okonomischen Orientierungen auch auf die Beurteilung von Handlungskonsequenzen Einfluss nehmen, die das moralische Selbstbild und das soziale Ansehen der Befragten im Kreise signifikanter Anderer beriihren. Dies betrifft zum einen die Konsequenz erwartbarer internaler moralischer Sanktionen.^05 Es betrifft zum anderen die infolge einer Handlungsentscheidung zu erwartende positive oder negative soziale Anerkennung durch signifikante Andere im 105 Z.B. die Konsequenz eines guten oder schlechten Gewissens infolge der Handlungsentscheidung, oder die Gewissheit, die zugesagte Stelle gegebenenfalls mit einem unguten Gefiihl anzutreten.

192

6. Ergebnisse

Tabelle 6.5.2.6: Lineare Regression der subjektiven Wahrscheinlichkeit moglicher Handlungsfolgen des Stellenantritts in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierter Beta-Koeffizient) Verhaltensbezogene Einstellungen Berufliches Weiterkom

Subjektive Normen

Schlechtes Gewissen''

Andere: egoistisch^

Andere: in Ordn/

Andere: Anerkenn.'

-0,041 -0,065

0,022 0,078

-0,020 0,163**

0,023

-0,051

-0,048

-0,085 0,054

0,052 -0,032

0,037 -0,032

0,118* -0,022

-0,075

0,005

0,019

-0,035

0,660 -0,006

0,053 0,019

<0,001 0,083

Ungutes Gefuhis

men3 Orientierungen Nomozentrismus 0,059 -0,014 -0,143** Okonomismus 0,177** Kommunitarismu -0,1 OOt s 0,224*** Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ -0,022 0,058 Alter -0,096t -0,110* Berufliche Bildung^ -0,067 0,059 Modellanpassung P (Anova)9 <0,001 <0,001 Pearsons R^ n

0,053 344

0,109 345

0,406 0,001 344

344

345

-0,076 -0,170** 0,186***

345

p<0,10;* p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. t Anmerkungen zu Indizes 1 und 2, siehe Tab. 6.5.2.5. „..., dass ich das Gefiihl hatte, durch meine Entscheidung beruflich weitergekommen zu sein." 3 4 „..., dass ich gegeniiber dem Mitbewerber ein schlechtes Gewissen hatte." 5 „..., dass Menschen, die mir wichtig sind, meine Entscheidung fiir egoistisch und unsozial halten." 6 „..., dass die meisten Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten gegeniiber dem Mitbewerber in Ordnung fanden." 7 „..., dass der sichtbare Bewerbungserfolg mir bei Menschen, die mir wichtig sind, Anerkennung eintragen wiirde." 8 „..., dass ich die neue Stelle mit einem unguten Gefiihl antreten wiirde." 9 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

sozialen Umfeld der Befragten.^^^ Die Ergebnisse der Analysen machen in diesem Zusammenhang deudich, dass die okonomische Orientierung der Befragten weniger auf die subjektive Valenz als vielmehr auf die subjektive Wahrscheinlichkeit des Eintretens dieser Handlungsfolgen bezug nimmt. Dabei zeigt sich, ahnlich wie im Bezugskontext der hypothetischen Gelegenheit zum Insiderhandel (vgl. Abschnitt 6.2, Exkurs 2, S. 154f.), dass Befragte mit einer vergleichsweise starkeren okonomischen Orientierung die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von negativen internalen Sanktionen und negativen moralischen Beurteilungen durch Dritte signifikant niedriger einschatzen als Befragte mit einer vergleichsweise geringen okonomischen Orientierung.

106 Z.B. die erwartete Folge, „dass Menschen, die mir wichtig sind, mein Verhalten gegeniiber dem Mitbewerber in Ordnung finden", oder „dass Menschen,die mir wichtig sind, iiber mein Verhalten den Kopf schiitteln".

6.5 Forschungsfrage 5

193

Analog 2u den Analysen 2ur hypothetischen Gelegenheit des Insiderhandels machen diese Ergebnisse deudich, dass Befragte, die ein starkeres commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen, sich auf der Ebene ihrer moralischen WertmaBstabe (subjektive Valenz) auch im gegebenen Kontext eines okonomisch-moralischen Handlungsdilemmas von den weniger okonomisch ausgerichteten Befragten nicht bemerkenswert unterscheiden. Die Unterschiede bewegen sich eher auf der Ebene der subjektiven Wahrscheinlichkeit der Sanktionserwartung und damit auf der Ebene der moralischen Subsumtion des eigenen Handelns. Befragte mit einem ausgepragten commitment an wirtschafdiche Erfolgsziele tendieren demnach dazu, ihre objektiv einen altruistischen Normappell ausschlagenden Verhaltensweisen in dem Sinne als akzeptabel und legitim 2u definieren, als sie diese nicht als moralisch bedenklichen Tatbestand auffassen. Folglich schatzen sie auch die subjektive Wahrscheinlichkeit von Gefiihlen der moralischen Desintegritat infolge des Stellenantritts signifikant niedriger ein als Befragte mit einem geringen okonomischen commitment (vgl. Tab. 6.5.2.4). Ohne diesen Punkt empirisch weiter ausleuchten zu konnen, lasst sich auch in diesem Zusammenhang annehmen, dass die Delinquenten von Rationalisierungs- und Neutralisierungstechniken Gebrauch machen, die - etwa dutch Unterstellung eines Jedermann-Prinzips („Das wiirde in meiner Situation jeder andere auch tun") - den anti-kommunitaren Status des eigenen Handelns relativieren und so eine mogliche Disbalance zwischen den moralischen Wertiiberzeugungen einerseits und dem normabweichenden Charakter des eigenen Handelns andererseits ausgleichen.

6.5.3 Yerhaltensintention Die Analysen zur Verhaltensintention in Situationen der gemeinschaftlichen Verpflichtung verbanden sich mit der Frage, wie weit die graduelle Bereitschaft, auf einen eigenen okonomischen Vorteil zu Gunsten einer dritten Person zu verzichten, in Abhangigkeit von den normbezogenen Orientierungsmustern der Befragten variiert (vgl. Kap.4, Abschnitt 4.2.2, Hyp. 5.3). Dutch das Handlungsmodell der TORA wurde dabei unterstellt, dass die Verhaltensintention als die subjektive Wahrscheinlichkeit, eine gegebene Handlung mit einem definierten Handlungsziel auszufiihren, zentral durch die subjektive Normbindung und die verhaltensbezogenen Einstellungen von Akteuren bestimmt ist (vgl. hierzu Kapitel 3, Abschnitt 3.2.2.2 sowie Kap. 5, Abschnitt 5.3.3.3). Die Angaben der Befragten zu ihrer Bereitschaft, in der hypothetischen Bewerbungssituation die zugesagte Stelle einem Mitbewerber zu iiberlassen, ergaben auf der Ebene der univariaten Analyse zunachst das folgende Bild (vgl. Abb. 6.5.3.1): Eine Mehrheit von 58 Prozent der Befragungsteilnehmer halt es mit Blick auf ihre Person fiir eher oder sehr unwahrscheinlich, in der hypothetischen Bewerbungssituation ihrem Mitbewerber die ihnen bereits zugesagte Stelle zu iiberlassen. Immerhin noch etwa 33 Prozent halten es in dieser Situation fur eher wahrscheinlich, zu Gunsten ihres Mitbewerbers auf die Stelle zu verzichten. Lediglich 9 Prozent halten dies fiir sehr wahrscheinlich.

194

6. Ergebnisse

Abbildung 6.5.3.1: Bereitschaft zum Stellenverzicht in der hypothetischen Bewerbungssituation (n=385)

QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Differenziert man in einem weiteren Schritt die graduelle Bereitschaft zum Stellenverzicht nach Gesichtspunkten der Clusterzugehorigkeit (vgl. Abb. 6.5.3.2), so zeigt sich erwartungsgemaB, dass Personen, die den Orientierungstypen der marktdistanzierten KonventionaUsten und den nonkonformen Kommunitaristen zugeordnet wurden, am haufigsten eine erhohte Bereitschaft zum Stellenverzicht zu erkennen geben. Demgegeniiber zeigen sich Befragte, die dem Cluster der radikalen Marktaktivisten zugeordnet wurden, beziiglich ihrer altruistischen Handlungsbereitschaft vergleichsweise am meisten zuriickhaltend. Der relative Anteil von Personen mit einer erhohten altruistischen Handlungsbereitschaft bewegt sich in den anderen Clustern, konkret bei den Desinteressierten und den normorientierten Marktaktivisten, bei Anteilswerten zwischen 34 und 35 Prozent auf einem zwar unterdurchschnittlichen, im Vergleich zu den radikalen Marktkaktivisten aber durchaus moderaten Niveau. Die Ergebnisse stiitzen die Vermutung, dass es im Kontext der durch die Vignette geschilderten Situation die spezielle Kombination einer niedrigen Auspragung okonomischer Orientierungen auf der einen Seite und einer verstarkten kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierung auf der anderen Seite ist, die eine erhohte Bereitschaft zu altruistischem Verhalten induziert. Dieser Eindruck bestatigt sich im Rahmen einer linearen Regression der Bereitschaft zum Stellenverzicht auf die nomozentrischen, okonomischen und kommunitargemeinschaftlichen Orientierungen der Befragten (vgl. Tab. 6.5.3.1). Hier zeigt sich, dass das graduelle AusmaB kommunitaristischer und okonomischer Orientierungen im gegebenen Modellzusammenhang am starksten auf die entsprechende Handlungsbereitschaft Einfluss nimmt. Die nomozentrischen Orientierungen sind demgegeniiber als Pradiktor der Handlungsbereitschaft zum Stellenverzicht ohne Belang. Ursachlich hierfur ist, dass - wie methodisch beabsichtigt - das in der Vignette der Bewerbungssituation geschilderte Handlungsdilemma von den Befragten als ein Konflikt zwischen

195

6.5 Forschungsfrage 5

dem Geltungsanspmch kommunitar-gemeinschaftlicher Normen und der je eigenen okonomischen Interessenlage wahrgenommen wird. Formell-rechtliche Normen sind hingegen im gegebenen situativen Kontext mit dem hier thematisierten Entscheidungskonflikt ohne Bedeutung. Abbildung 6.5.3.2: Bereitschaft zum Stellenverzicht in der hypothetischen Bewerbungssituation, differenziert nach Clusterzugehorigkeit (n=364)*

Marktdistanzierte Konventionalisten Nonkonforme Kommuni tari s ten

I 61,9

52,6

Normorientierte Marktaktivisten Desinteressierte Radikale Marktaktivisten 70

Cramer's V=0,297; p<0,001. * Zu Analysenzwecken wurde das Auspragungsspektrum der Handlungsbereitschaft dichotomisiert. Grafisch dargestellt sind die Anteilswerte der Personen, die auf die Frage, ob sie in der geschilderten Situation „ihrem Mitbewerber die Stelle iiberlassen" wiirden, mit „eher wahrscheinlich" oder „sehr wahrsclieinlich" antworteten. Die starkere vertikale Line innerhalb der Grafik markiert den Anteilswert der Personen aus der Untersuchungsstichprobe insgesamt, die auf die entsprechende Frage mit „eher" oder „sehr wahrscheinlich" antworteten. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Bezieht man in das dargestellte Regressionsmodell zusatzlich zu den bezeichneten Orientierungsdimensionen die situationalen Orientierungen der subjektiven Normbindung und der verhaltensbezogenen Einstellungen mit ein (vgl. Tab. 6.5.3.2), so geht zwar erwartungsgemaB der direkte Einfluss der okonomischen und kommunitargemeinschaftlichen Orientierungen auf die altruistische Verhaltensintention zuriick. Gleichwohl behalt aber die Komponente der kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierung im gegebenen Modellzusammenliang als Pradiktorvariable einen stadstisch bedeutsamen Status. Dieser Befund bleibt konstant, wenn man zusatzlich zu den situationalen Orientierungen und den Orientierungsdimensionen soziodemografische Kontrollfaktoren innerhalb des Modells beriicksichtigt (vgl. Tab. 6.5.3.3). Dies indiziert - analog zu den Analysebefunden im Bezugskontext der hypothetischen Gelegenheit zum Insiderhandel —, dass iibergeordnete Orientierungsmuster auch losgelost von situationalen Handlungsorientierungen und den mit ihnen einhergehenden Erwarmngs-mal-Wert-Uberlegungen einen unabhangigen Einfluss auf die Intentionsbildung von Akteuren haben.

196

6. Ergebnisse

Anzumerken bleibt, dass sich auf Grundlage der subjektiven Normbindung und der verhaltensbezogenen Einstellungen bei zusatzlicher Beriicksichtigung der iibersituativen Orientierungsdimensionen allein 51 Prozent der Varianz in der Bereitschaft zum Stellenverzicht in der Untersuchungsstichprobe aufklaren lassen. Dieses Ergebnis spricht wiederum fiir die pradiktive Validitat des hier verwendeten Erklarungsmodells. Tabelle 6.5.3.1: Lineare Regression der Bereitschaft zum Stellenverzicht in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen Standard. Koeffizient Beta Situationale Orientierungen 0,422*** Intensitat subjektiver Normen 0,340*** Verhaltensbezogene Einstellungen Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus 0,014 -0,040 Okonomismus Kommunitarismus 0,143*** Modellanpassung <0,001 P (Anova)! 0,507 Pearsons R^ n 355 t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Tabelle 6.5.3.2: Lineare Regression der Bereitschaft zum Stellenverzicht in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren Standard. Koeffizient Beta Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus 0,008 -0,204*** Okonomismus 0,262*** Kommunitarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 0,116* Alter 0,062 Berufliche Bildung^ -0,013 Modellanpassung P (Anova) <0,001 Pearsons R^ 0,164 n 344 t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. 1 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.5 Forschungsfrage 5

197

Tabelle 6.5.3.3: Lineare Regression der Bereitschaft zum Stellenverzicht in der hypothetischen Bewerbungssituation auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientiemngen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren Standard. Koeffizient Beta Situationale Orientierungen Intensitat subjektiver Normen Verhaltensbezogene Einstellungen Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus Okonomismus Kommunitarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ Alter Berufliche Bildung^ Modellanpassung p (Anova)^ R2

0,368*** 0,384*** -0,003 -0,035 0,123** 0,108** 0,024 0,012 <0,001 0,510 335

n t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. 1 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle ledigUch einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatisdsche Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002

Soziodemografische Unterschiede zwischen den Befragten sind bei Beriicksichtigung der situationalen Orientierungen und der iibersituativen Orientierungsdimensionen fiir die Vorhersage der altruistischen Verhaltensintention weitgehend ohne Belang. Die Ergebnisse weisen in diesem Zusammenhang lediglich einen Effekt aus, der altruistische Verhaltensambitionen, wie im Kontext der hypothetischen Bewerbungssituation thematisiert, auch unter Kontrolle der anderen Orientierungsvariablen tendenziell eher bei Frauen als bei Mannern verortet (vgl. Tab. 6.5.3.3). Der Faktor der Geschlechtszugehorigkeit wirkt sich dabei im gegebenen Modellzusammenhang sowohl auf den Einfluss der subjektiven Normbindung als auch auf den der verhaltensbezogenen Einstellungen auf die als abhangige Variable betrachtete Verhaltensintention aus. Wie weitere, an dieser Stelle nicht dokumentierte Analysen zeigen, ist ursachlich hierfiir, dass die subjektive Normbindung als Determinante der Verhaltensintention - bezogen auf die Bereitschaft zum Stellenverzicht - bei den weiblichen Befragten der Stichprobe eine hohere Bedeutung hat, wogegen die verhaltensbezogenen Einstellungen analog hierzu bei den mannlichen Befragten der Stichprobe einen groBeren Einfluss auf die Auspragung der Verhaltensintention haben.

6.5.4 Fa^t Bilanziert man die Ergebnisse der Analysen zum Einfluss der normbezogenen Orientierungsmuster auf die Auspragung der situationalen Handlungsorientierungen der

198

6. Ergebnisse

Befragten, so lasst sich ein statistisch bemerkenswerter Zusammenhang zwischen den genannten UntersuchungsgroBen konstatieren. Bezogen auf das in der hypothetischen Bewerbungssituation skizzierte Handlungsdilemma wurde dabei wiederum sowohl fiir die Intensitat subjektiver Normen und die verhaltensbezogenen Einstellungen als auch fiir die Verhaltensintention des Verzichts auf die okonomische Vorteilsnahme eine systematische Variation zwischen der Art der situationalen Orientierung einerseits und den iibergeordneten Orientierungsdimensionen andererseits erkennbar. Dabei zeigte sich erwartungsgemaB, dass im gegebenen situativen Bezugsrahmen Befragte mit starkeren kommunitaristischen Orientierungen eine hohere Intensitat subjektiver Normen aufweisen als Befragte mit eher gering ausgepragten kommunitaristischen Orientierungen. Parallel hierzu zeigte sich, dass auch die verhaltensbezogenen Einstellungen bzw. das AusmaB der wahrgenommenen Attraktivitat der altruistischen Verhaltensoption des Stellenverzichts neben dem individuellen commitment an okonomische Erfolgsziele von den kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen der Befragten beeinflusst wird. Dabei lieB sich beobachten, dass mit zunehmender Intensitat der gemeinschaftiichen Orientierung die wahrgenommene Attraktivitat der altrustischen Verhaltensoption zunimmt. Dies zeigt an, dass NiitzHchkeits- und Kommoditatserwagungen in ihrer Sachbezogenheit immer auch durch normativ-moraHsche Wahrnehmungen iiberlagert werden und entsprechend nicht - wie von der TORA intendiert - losgelost von diesen betrachtet werden sollten. Das okonomische commitment hat demgegeniiber auf die subjektiven Normen der Befragten einen eher erodierenden Einfluss. Die Analysen zeigten in diesem Zusammenhang allerdings, dass Befragte, die ein starkeres commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen, sich weniger auf der Ebene ihrer moralischen WertmaBstabe resp. normbezogenen Wertsetzungen als vielmehr in der Art der moralischen Subsumtion der jeweils in Frage stehenden Handlung unterscheiden. Befragte mit einem ausgepragten commitment an wirtschaftliche Erfolgsziele tendieren also dazu, ihr Ausschlagen des altruistischen Normappells in dem Sinne als akzeptabel und legitim zu definieren, als sie ihr Handeln in diesem Fall nicht als moralisch bedenkHch auffassen. SchlieBUch machten die Ergebnisse der Analyse ebenfalls deutlich, dass auch die Bereitschaft zum Verzicht auf Formen der okonomischen Vorteilsnahme verstarkt durch die okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen von Akteuren beeinflusst wird, wobei insbesondere Personen, die dem Orientierungstypus des marktdistanzierten Konventionalisten oder dem des nonkonformen Kommunitaristen entsprechen, iiberdurchschnittlich haufig eine Verzichtsbereitschaft artikulieren.

6.6 Forschungsfrage 6

199

Weiterfiihrende Analysen zeigen in Einklang mit den theoretischen Annahmen der TORA, dass sich die Handlungsintention der Befragten auch im gegebenen Bezugskontext eines Handlungsdilemmas zwischen okonomischen und kommunitargemeinschaftlichen Handlungsanforderungen weitgehend als Resultante der subjektiven Normbindung und der verhaltensbezogenen Einstellungen begreifen lasst.^^^ Dieses Ergebnis bestatigt die pradiktive Validitat und empirische Adaquanz des theoretischen Handlungsmodells der TORA.

6.6 Forschungsfrage 6: Ehrenamtliches Engagement und normbezogene Orientierungsmuster Im vorausgehenden Abschnitt wurde untersucht, welchen Einfluss differente normbezogene Orientierungsmuster von Akteuren auf die Auspragung der situationalen Orientierungen und der prosozialen Verhaltensintention von Akteuren in einer Situation haben, in der okonomische und altruistische Verhaltensimperative gegeneinander stehen. Hieran anschlieBend soil im Kontext der folgenden Analysen zu Forschungsfrage 6, losgelost von fest definierten situativen Rahmenbedingungen - der Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern und dem prosozialen Handeln von Akteuren betrachtet werden. Die Beantwortung dieser Forschungsfrage erfolgte auf Grundlage der Analyse der Befragtenangaben zu ihrem ehrenamtlichen Engagement. Die Untersuchung richtete sich dabei zunachst auf die Frage, wie weit unabhangig von der Art des Engagements - der Anteil der ehrenamtlich Aktiven in den auf Grundlage der normbezogenen Orientierungsmuster unterschiedenen Clustergruppierungen variiert. Als Analyseverfahren wurden die bivariate Tabellenanalyse sowie regressionsbasierte Verfahren herangezogen. Dabei wurde zunachst bereichsiibergreifend die Pravalenz ehrenamtlichen Engagements in den verschiedenen Clustern untersucht, um dann in einem weiteren Schritt das spezifische Tatigkeitsprofil der Befragten in Betracht zu ziehen. Zu Grunde lag in diesen Analysen die Annahme, dass die Haufigkeit prosozialen Verhaltens um so hoher ist, je starker die kommunitargemeinschaftlichen und je schwacher die okonomischen Orientierungen bei Akteuren ausgepragt sind (vgl. Kap.4, Abschnitt 4.2.2, Hypothesen 6.1. und 6.2).

107 Der Umstand, dass auch losgelost von der subjektiven Norm und den verhaltensbezogenen Einstellungen Effekte der kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierung und der Geschlechtszugehorigkeit auf die Intentionsbildung zum Stellenverzicht Einfluss nehmen, verstoBt zwar streng genommen gegen den Erklarungsanspruch der TORA. Doch ist nicht auszuschlieBen, dass dieses Ergebnis im gegebenen Untersuchungszusammenhang ein Desiderat der eingeschlagenen Operationalisierungsstrategie fiir die Konstrukte der subjektiven Normbindung der verhaltensbezogenen Einstellungen ist und in diesem Zusammenhang auf die unvoUstandige Erfassung der hier relevanten Indikatoren zuriickzufiihren ist.

200

6. Efgebnisse

6.6.1 Bereichsiibergreifende Vrdvakn^ ehrenamtlichen

"Engagements

Die bivariaten Analysen zeigen (vgl. Abb. 6.6.1), dass die Pravalenz ehrenamtlichen Engagements - unabhangig von der Art und Haufigkeit der jeweiligen Tatigkeit - in der Untersuchungsstichprobe etwa 41,5 Prozent betragt. Damit liegt der Anteil der ehrenamtlich Aktiven in unserer Untersuchungsstichprobe iiber dem Niveau, das andere Studien zum ehrenamtlichen Engagement fiir die bundesdeutsche Bevolkerung ausgewiesen haben: so etwa der Freiwilligensurvey des Bundesministeriums fiir Familie, Senioren, Frauen und Jugend von 1999 (34 Prozent, Bezugspopulation war dabei die deutsche Wohnbevolkerung iiber 14 Jahre; vgl. Picot 2000: 5) oder der von Klages und Gensicke durchgefiihrte Wertesurvey aus dem Jahr 1997 (38 Prozent; vgl. Klages/ Gensicke 1999: 56f., 83f.). Abbildung 6.6.1.1: Pravalenz ehrenamtlichen Engagements, differenziert nach Clusterzugehorigkeit (Angaben in %)

Nonkonforme Kommunitaristen

Marktdistanzierte Konventionalisten

Normorientiefte Marktaktivisten Radikale Marktaktivisten

Desin teres sierte 60

Cramer's V=0,190; p=0,011. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Betrachtet man die Anteilswerte in den einzelnen Clustern, so findet sich ein deutlich iiberdurchschnittlicher Anteil von Ehrenamdern in den Merkmalsgruppen der nonkonformen Kommunitaristen und der marktdistanzierten Konventionalisten. Dabei zeigt sich, dass unter den nonkonformen Kommunitaristen mehr als 50 Prozent der Clusterangehorigen ehrenamtlich aktiv sind. Im Cluster der marktdistanzierten Konventionalisten ist das Engagement - verglichen mit dem mitderen Aktivitatsniveau der Gesamtstichprobe — ebenfalls deutlich iiberdurchschnittlich, wenngleich sich hier nur noch naherungsweise jeder zweite Clusterangehorige ehrenamtlich engagiert. Normorientierte und radikale Marktaktivisten bewegen sich in ihrem ehrenamtlichen Enga-

6.6 Forschungsfrage 6

201

gement demgegeniiber auf einem eher durchschnittlichen Niveau, wobei der Anteil der ehrenamdich Aktiven unter den normorientierten Marktaktivisten erwartungsgemaB leicht hoher ausfallt als unter den radikalen Marktaktivisten. Den geringsten Anteil ehrenamtlich Aktiver findet man schlieBlich unter den sog. Desinteressierten, von denen unseren Daten zufolge nur etwa jeder vierte einer ehrenamtUchen Aktivitat nachgeht. Die Ergebnisse machen in Einklang mit den theoretischen Voriiberlegungen deutlich, dass die hochste Pravalenz ehrenamtUchen Engagements bei den Clustern mit einer iiberdurchschnittUchen kommunitaristischen Orientierung, die niedrigste Pravalenz hingegen bei den Clustern mit einer unterdurchschnittlichen kommunitaristischen Orientierung zu beobachten ist. Parallel hierzu wird erwartungswidrig erkennbar, dass das graduelle AusmaB okonomischer Orientierungen als Pradiktor fiir oder wider die Engagementbereitschaft der Befragten - bei gleichzeitiger Beriicksichtigung kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen - ohne Belang zu sein scheint. Tabelle 6.6.1.1: Binar-logistdsche Regression der Pravalenz ehrenamtJichen Engagements (Engagement: ja, nein) auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemelnschaftliche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte logistische Effekt-Koeffizienten^) (n=365) Modell 2 Modell 3 Modell 1 Nonnbezogene Orientierungen 1,11 1,08 Nomozentrismus 1,06 1,04 1,07 Okonomismus 1,06 l,26t l,22t 1,31* Kommunitarismus Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ \ 4g-i*** 1,43-1** l,22t 1,20 Alter 1,19 Berufliche Bildung^ Modellanpassung 0,003 p (Omnibus-Tests)'^ 0,276 0,002 0,014 0,076 0,070 Nagelkerkes R^ 365 345 n 365 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Abschnitt 6.3, Fn 8 (S, 94). Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner 1 ist. Er entspriclit - analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: 1,81-1=1/1,81=0,55.

2 3

Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Diese Vermutungen werden durch die Befunde einer binar-logistischen Regression der Pravalenz ehrenamtUcher Aktivitaten auf die unterschiedenen nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen bestatigt. So tritt hier einzig das AusmaB kommunitaristischer Orientierungen als statistisch bedeutsamer positiver Pradiktor des ehrenamtUchen Engagements in Erscheinung. Dariiber hinaus

202

6. Ergebnisse

wird deutlich, dass Frauen deudich seltener ehrenamdich aktiv sind als Manner. Dieser Befund steht in Einklang mit den Ergebnissen sowohl des Wertesurveys (vgl. Klages/Gensicke 1999: 59, 101) als auch des bereits erwahnten Freiwilligensurveys des Bundesministeriums (vgl. Picot 2000: 31). Wahl (2000: 18) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das vergleichsweise geringere Engagement der Frauen nicht einer starkeren Inaktivitat dieser Geschlechtsgruppe, sondern insbesondere ihrer Mehrfachtatigkeit im Kontext der nach wie vor bestehenden traditionellen Strukturen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zuzuschreiben ist (vgl. hierzu auch Picot 2000: 53f.). Anzumerken bleibt, dass fiir die kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen insgesamt ein nur schwacher Einfluss auf die Pravalenz des ehrenamtlichen Engagements ausgwiesen wird. Dies mag im Kontext der vorliegenden Analysen allerdings darauf zuriickzufiihren sein, dass hier sehr heterogene Formen ehrenamtlicher Aktivitaten in einer dichotomen Variable zusammengefasst wurden.

6.6.2 Mehrfachengagierte im Bereich ehrenamtlichen Engagements

In einem zweiten Schritt wurde untersucht, ob neben der Pravalenz auch das AusmaB ehrenamdichen Engagements unter den Befragten in Abhangigkeit von der Clusterzugehorigkeit variiert. Zu diesem Zweck wurde zunachst der Anteil der MehrfachEngagierten in den einzelnen Clustern betrachtet. Abbildung 6.6.2.1: Ehrenamdich Mehrfach-Engagierte, differenziert nach Clusterzugehorigkeit

,^

„,

,

Nonkonforme H ^ ^ H I H Kommunitaristen ^ ^ ^ ^ H H

Desinteressierte

^^^^^^|

QueUe: Wiftschaft und Ethik, 2002.

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4,0

^^^^^^^^^^^1 1 H H H 10,3

Radikale ^ | ^ _ - _ | Marktaktivisten ^ ^ ^ ^ ^ ^ *

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,,

^^H^iiT^

Normorienderte I H ^ I H I Marktaktivisten p i H H ^ I Marktdistanzierte j | ^ ^ H ^ I | Konventionalisten p H ^ ^ H

.

5

^ | H ^ 10,0 10

15

Pfozent

20

25

30

35

6.6 Forschungsfrage 6

203

Die entsprechenden Analysen machen deutlich, dass bei einem Anteilswert von 17,2Pro2ent an Mehrfachengagierten in der Untersuchungsstichprobe etwa jeder sechste Befragte mehr als ein Amt im Rahmen seiner ehrenamdichen Aktivitaten ausiibt (vgl. Tab. 6.6.2.1). Betrachtet man im Weiteren die Ergebnisse fiir die einzelnen Cluster, so fallt auf, dass die nonkonformen Kommunitaristen auch mit Blick auf den Anteil an Mehrfach-Engagierten das Cluster mit dem vergleichsweise hochsten Engagement in der Untersuchungsstichprobe darstellen. Unter den Angehorigen dieses Clusters ist jeder Dritte in mehr als einem Aktivitatsbereich ehrenamtlich engagiert. Dies gilt in den Clustern der Desinteressierten und der radikalen Marktaktivisten nur fiir jeden Zehnten, im Cluster der normorientierten Marktaktivisten immerhin noch fiir jeden fiinften Befragten. Tabelle 6.6.2.1: Lineare Regression der pravalenten Haufigkeit ehrenamtdichen Engagements (Nicht-, Einfach- oder Mehrfachengagement) auf nomozentrische, okonomische und kommunitargemeinschafdiche Orientierungen unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Beta-Koeffizienten) Modell 1 Modell 3 Modell 2 Orientierungsdimensionen -0,020 -0,007 0,010 Nomozentrismus 0,020 Okonomismus 0,061 0,058 0,132* 0,128* Kommunitarismus 0,156** Soziodemografische Kontrollfaktoren -0,129* Geschlecht' -0,156** Alter 0,036 0,056 0,110* Berufliche Bildung^ Modellanpassung 0,008 0,010 P (Anova)-^ 0,114 0,031 0,008 0,029 Pearsons R^ n 365 345 365 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 2 Berufliche Bildung: 1 =ohne Berufsabschluss, 2=einfaclier Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 3 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Dass der Anteil der Mehrfach-Engagierten unter den marktdistanzierten KonventionaUsten - ungeachtet der hohen Pravalenz ehrenamtUcher Aktivitaten in diesem Cluster - nur 14 Prozent betragt, mag an dem vergleichsweise hohen Anteil an Frauen und AUeinerziehenden unter den Clusterangehorigen liegen. So mogen es auch hier die restringierten zeitlichen Ressourcen sein, die die Mehrheit der weiblichen Angehorigen dieses Clusters daran hindern, Formen des Mehrfach-Engagements im ehrenamtlichen Bereich aufzunehmen (vgl. wiederum Wahl 2000: 18). Daneben legen die referierten Befunde analog zu den vorausgegangenen Analysen die Vermutung nahe, dass es primar Akteure mit einer erhohten kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierung sind, die sich vermehrt ehrenamtlich betatigen.

204

6. Ergebnisse

Diese Vermutung wird wiederum durch die Ergebnisse einer linearen Regression der pravalenten Haufigkeit ehrenamdichen Engagements auf die nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschafdichen Orientierungen bestatigt (vgl. Tab. 6.6.2.1).^^^ So treten im gegebenen Modellzusammenhang - bezogen auf die Komponenten der normbezogenen Orientierung - einzig die kommunitar-gemeinschafdichen Orientierungen als statistisch-bedeutsamer Pradiktor der pravalenten Haufigkeit ehrenamtlichen Engagements in Erscheinung. Obgleich unterhalb des Niveaus statistischer Bedeutsamkeit gelegen, ist doch bemerkenswert, dass der Zusammenhang zwischen okonomischen Orientierungen einerseits und der pravalenten Haufigkeit ehrenamtlichen Engagements andererseits mit einem positiven Vorzeichen verkniipft ist. Dies lasst auch hier vermuten, dass okonomisches commitment und ehrenamtliches Engagement sich zumindest nicht gegenseitig ausschlieBen. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist in diesem Zusammenhang, dass bestimmte Formen ehrenamtlichen Engagements durch eine verstarkte okonomische Orientierung befordert werden. Auf der Ebene der soziodemografischen Effekte zeigen die Analysen im Weiteren, dass neben dem haufigeren Mehrfachengagement von Mannern die pravalente Haufigkeit ehrenamtlicher Aktivitaten ebenfalls mit zunehmender beruflicher Bildung ansteigt. Auch dieser Refund steht in Einklang mit den Ergebnissen des Freiwilligensowie des Wertesurvey (s.o.), die ausweisen, dass der Anteil der freiwillig Tatigen mit dem Niveau des allgemeinen oder beruflichen Bildungsabschlusses ansteigt (vgl. Picot 2000: 49ff.; Klages/Gensicke 1999: 60ff., siehe ebenso: Braun/Klages 2000: 60). Zu vermuten ist, dass sich in diesem Ergebnis auch gegebene Unterschiede der differenziellen Gelegenheit zur Ubernahme von Ehrenamtern widerspiegeln. So ist davon auszugehen, dass im Falle einer Vereinsmitgliedschaft den Angehorigen der hoheren Bildungsschichten auf Grund der mit dem Bildungsstatus assoziierten Kompetenzen haufiger die Ubernahme eines Ehrenamtes angetragen wird als den Angehorigen niedrigerer Bildungsschichten. Ungeachtet dessen sind Analysen zum ehreamtlichen Engagement, die nicht nach unterschiedlichen Engagementbereichen differenzieren, beziiglich ihres Aussagegehalts auch hinsichtlich der dem Engagement zu Grunde liegenden Orientierungen unbefriedigend. So ist davon auszugehen, dass Personen, die ehrenamtlich kirchlich-karitative Aufgaben etwa im Bereich der Seelsorge versehen, dies vor dem Hintergrund anderer Orientierungen tun als Befragte, die sich in Sport- und Bewegungsgruppen engagieren oder sich gar auf dem politischen Feld betatigen.

108 Als abhangige Variable der Regressionsanalyse fungierte im gegebenen Zusammenhang nicht die Anzahl der Mehrfachengagierten in der Stichprobe, sondern die Anzahl der in verschiedenen Engagementbereichen iibernommenen Ehrenamter, im Weiteren auch als pravalente Haufigkeit ehrenamtlichen Engagements bezeichnet.

6.6 Forschungsfmge 6

205

6.6.3 Ehrenamtliches Engagement, differen^ert nach ]

Entsprechend wurde in weiteren Untersuchungsschritten danach gefragt, wie weit sich Befragte mit unterschiedlichen normbezogenen Orientierungsmustern nicht nur nach dem AusmaB, sondern auch nach der Art ihres ehrenamtlichen Engagements unterscheiden. Die Unterscheidung der ehrenamtlichen Betatigungsfelder erfolgte dabei in Anlehnung an die durch das Erhebungsinstrument vorgegebene Differenzierung (vgl. Kap. 5, Abschnitt 5.3.5). Die Ergebnisse dieser Analysen sind in Abbildung 6.6.3.1 dargestellt. Zu den in Abbildung 6.6.3.1 dokumentierten Analysen bleibt anzumerken, dass diese nicht mit den originalen Haufigkeitswerten, sondern auf Grundlage der standardisierten z-Werte der Befragtenangaben zum ehrenamtlichen Engagement in verschiedenen Aktivitatsbereichen vorgenommen wurden. Die NuUlinie innerhalb des Diagramms markiert entsprechend die durchschnittliche bereichsspezifische Pravalenz ehrenamtlicher Aktivitaten in der Gesamtstichprobe. Die clusterspezifischen Graphen zeigen demgegeniiber die Abweichung der bereichsspezifischen Pravalenzen in den einzelnen Clustern vom Stichprobendurchschnittswert. Die Ergebnisse der Analysen las sen mitunter erhebUche Differenzen der ehrenamtlichen Aktivitaten zwischen den unterschiedenen Clustertypen der Untersuchungsstichprobe erkennbar werden. So wird etwa deutUch, dass die nonkonformen Kommunitaristen als das Cluster mit dem relativ starksten Engagement in der Untersuchungsstichprobe (vgl. auch Abb. 6.6.1.1 und 6.6.2.1) betreffs ihrer Aktivitaten in Sport- und Bewegungsgruppen, im Tierschutz sowie in offentHchen Ehrenamtern mit einem unterdurchschnittUchen, in Hilfsorganisationen wie der Freiwilligen Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk sogar mit dem vergleichsweise geringsten Engagement in Erscheinung treten. Parallel hierzu zeigt sich allerdings ein stark bis sehr stark iiberdurchschnittHches Engagement dieses Orientierungstyps in aUen anderen Aktivitatsbereichen, die im Rahmen der Erfassung ehrenamtlichen Engagements beriicksichtigt wurden. Dies gilt insbesondere fiir ehrenamtUche Aktivitaten in den Bereichen poHtischen Engagements, in Dritte-Welt- und Menschenrechtsinitiativen sowie in Projekten der sozialen Selbsthilfe, aber auch in den Bereichen der ehrenamtlichen Schul- und Jugendarbeit, in kirchUch-karitativen Projekten und in Kulturvereinen bzw. Kleinkunstgruppen. Analog hierzu zeigen sich fiir die Desinteressierten als dem Cluster mit den relativ geringsten Engagementanteilen (vgl. auch Abb. 6.6.1.1 und 6.6.2.1) durchschnittliche bis iiberdurchschnittliche Engagementziffern bei der Ubernahme offentlicher Ehrenamter sowie bei Aktivitaten in Freiwilligen Hilfsorganisationen und im Tierschutz. AuffaUig ist bei den Angehorigen dieses Clusters aUerdings das extrem geringe Aktivitatsniveau im Kontext kirchUch-karitativer Dienste, in Kulturvereinen, in der ehrenamtlichen Schul- und Jugendarbeit sowie in dem Bereich sozialer Selbsthilfen.

206

6. Ergebnisse

Abbildung 6.6.3.1: Pravalenz ehrenamtlichen Engagements in verschiedenen Engagementbereichen, differenziert nach Clusterzugehorigkeit (z-standardisierte Mittelwerte)

QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Die marktdistan^erten Konventionalisten zeigen ein vergleichsweise hohes Engagement insbesondere in den Bereichen, in denen die direkte Hilfe fur dritte Personen im Zentrum steht: so etwa in dem Bereich der gesundheitlichen Selbsthilfe, bei kirchlichkaritativen Aktivitaten, in der ehrenamtlichen Schul- und Jugendarbeit sowie in Freiwilligen Hilfsorganisationen. Unterdurchschnittlich prasent sind die Angehorigen dieses Clusters demgegeniiber in Initiativen des politischen Engagements und der Interessenvertretung (Umwelt und Wohnen, Politisches Engagement, Dritte Welt und Menschenrechte), in Kulturvereinen, Sport- und Bewegungsgruppen sowie im Tierschutz. Das Engagementprofil der Angehorigen dieses Clusters in den letztgenannten Bereichen „verdeckt" in Teilen die insgesamt deutlich iiberdurchschnittliche Pravalenz ehrenamtlicher Aktivitaten in diesem Cluster (vgl. auch Abb. 6.6.1.1 und 6.6.2.1). Die normkonformen Marktaktivisten zeigen ein iiberdurchschnittHches Engagement insbesondere in jenen Bereichen, in denen es um Formen der Interessenvertretung und der Selbstentfaltung geht: Offentliche Ehrenamter, Initiativen im Bereich von Umwelt und Wohnen, Kulturvereine, Sport- und Bewegungsgruppen. Die Angehorigen dieses Clusters sind dariiber hinaus mit sehr stark iiberdurchschnittlicher Haufigkeit in Tierschutzvereinen oder entsprechenden Initiativen aktiv.

207

6.6 Forschungsfrage 6

Die radikalen Marktaktivisten schlieBlich, die sich insgesamt mit einer stark unterdurchschnittlichen Haufigkeit engagieren (vgl. auch Abb. 6.6.1.1 und 6.6.2.1), zeigen iiberdurchschnittlich haufig ehrenamdiche Aktivitaten in dem Bereich des politischen Engagements und der Interessenvertretung sowie ein zumindest durchschnittliches Aktivitatsniveau in Initiativen zur gesundheitlichen Selbsthilfe, in Kultur- und Kleinkunstvereinen sowie in Sport- und Bewegungsgruppen. Initiativen gegeniiber, denen es explizit um die Unterstiitzung der Bedlirfnisse und Interessen dritter Personen oder von Benachteiligtengruppen geht, halten sich die Angehorigen dieses Clusters jedoch eher fern. Tabelle 6.6.3.1: Bereichsspezifische Pravalenz ehrenamtlichen Engagements bei Angehorigen der bundesdeutschen Erwerbsbevolkerung, differenziert nach Clusterzugehorigkeit (Angaben in %) Offentliche Ehrenamter Normorientierte Marktaktivisten Radikale Marktaktivisten Marktdistanzierte Konventionalisten Desinteressierte Nonkonforme Kommunitaristen Gesamtstichprobe Modellanpassung

p {cwy

Cramer's V n

Umwelt, Wohnen

Politisches Engagement

Dritte Welt, Menschenrechte

Soziale Selbsthilfen

GesundheitUche Selbsthilfen

3,5

5,9

3,5

1,2

3,5

1,2

0,0

0,0

8,0

0,0

2,0

2,0 3,5

2,3

1,2

3,5

1,2

3,5

2,3

0,0

3,4

1,1

0,0

1,1

1,8

5,3

15,8

7,0

10,5

3,5

2,2

2,5

6,0

1,9

3,6

2,2

0,756 0,072 365

0,040 0,166 365

0,012 0,188 365

0,047 0,163 365

0,020 0,178 365

0,737 0,074 365

Kirche

Kultur

Sport- und Bewegungsgruppen

Freiwillige Hilfsorganisationen

Tierschutz

Schule und

Jugend

Normorientierte 10,6 25,9 11,8 9,4 4,7 4,7 Marktaktivisten Radikale 6,0 6,0 8,0 16,0 4,0 2,0 Marktaktivisten Marktdistanzierte 11,6 4,7 14,0 11,6 5,8 1,2 Konventionalisten 13,8 5,7 2,3 0,0 4,6 Desinteressierte 0,0 Nonkonforme 15,8 10,5 17,5 15,8 3,5 1,8 Kommunitaristen 16,7 4,9 2,5 6,0 8,2 11,0 Gesamtstichprobe Modellanpassung 0,026 0,120 0,635 0,115 0,961 0,008 p (Chi^) 1 0,142 0,084 0,041 0,174 0,143 Cramer's V 0,195 365 365 365 365 365 n 365 1 Die Angaben zur Signifikanz haben aufgrund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Vergleicht man die verschiedenen Orientierungstypen auf der Ebene ihrer Engagementprofile (Abb. 6.6.3.1 und Tab. 6.6.3.1), so zeigt sich zunachst, dass die eingefiihrte

208

6. Ergebnisse

Typologie zwar beziiglich einiger, nicht jedoch beziiglich aller Engagementformen differenziert. Schwache bzw. insignifikante Differenzen zwischen den unterschiedenen Clustertypen ergeben sich mit Blick auf die Aktivitatsbereiche der ehrenamdichen Schul- und Jugendarbeit, bei offendichen Ehrenamtern, gesundheidichen Selbsthilfen, Freiwilligen Hilfsorganisationen und Tierschutzinitiativen. Ungeachtet dessen las sen sich auf Grundlage der dokumentierten Analysen zwischen den Clustertypen verschiedene Kontrast- und auch auch Gegensatzpaare bilden: so zum einen das Kontrastpaar der nonkonformen Kommunitaristen und der Desinteressierten, die sich durch den Gegensatz eines stark unterdurchschnittlichen und eines stark iiberdurchschnittlichen Engagements auszeichnen. Bemerkenswert an dem Engagementoprofil der nonkonformen Kommunitaristen ist dabei, dass sie quasi als Allrounder des Ehrenamts auftreten, die auf alien Ebenen des prosozialen Engagements ehrenamtlich aktiv werden, sowohl in traditionellen, von Kirchen, Wohlfahrtsverbanden und Vereinen vorgepragten Feldern, als auch in den neueren Feldern von Selbsthilfegruppen und Biirgerinitiativen (Umwelt, Wohnen). Verglichen mit den nonkonformen Kommunitaristen figurieren die Desinteressierten geradezu komplementar als Allrounder der ehrenamtlichen Enthaltsamkeit. Als weiteres Kontrastpaar treten die normorientierten und die radikalen Marktaktivisten in Erscheinung, die in verschiedenen Aktivitatsbereichen deutlich gegenlaufige Pravalenzziffern aufweisen. Dabei werden die normkonformen Marktaktivisten neben ihrem Engagement in offentlichen Ehrenamtern und Wohn- und Umweltinitiativen vor allem auf solchen Feldern aktiv, die ein vereinstypisches Geprage aufweisen (Sportvereine, Kulturvereine, Tierschutzvereine). Formen des politischen Engagements sind fiir sie eher uninteressant. Die radikalen Marktaktivisten zeigen demgegeniiber in Vereinszusammenhangen ein unterdurchschnittliches bis bestenfalls durchschnittliches Engagement, sind dafiir aber in deutlich iiberdurchschnittlichem AusmaB an dem Aktivitatsfeld der Politik interessiert. Die marktdistan^erten Konventionalisten zeigen schlieBlich in der Art ihres ehrenamtlichen Engagements eine deutlich traditionelle Orientierung. Ihre freiwilligen Aktivitaten orientieren sich - ausgenommen ihre Beteiligung an Initiativen zur gesundheitlichen Selbsthilfe - primar an den Angebotsstrukturen traditioneller Wohlfahrtsanbieter wie den Kirchen, Tragern ehrenamtlicher Schul- und Jugendarbeit und Freiwilligen Hilfsorganisationen. In einem letzten Teilschritt der Analysen zu den prosozialen Aktivitaten gait es schlieBlich zu untersuchen, wie weit die beobachtbaren Differenzen ehrenamtlichen Engagements zwischen den unterschiedlichen Orientierungstypen tatsachlich auf Unterschiede in den normbezogenen Orientierungen von Akteuren zuriickzufiihren sind. Hierzu wurden, bezogen auf die Pravalenz ehrenamtlichen Engagements in den einzelnen Engagementbereichen, verschiedene binar-logistische Regressionsanalysen durchgefiihrt. Als unabhangige Variablen wurden dabei neben den Orientierungsdimensionen der nomozentrischen, okonomischen und kommunitaristischen Orientierungen die soziodemografischen Kontrollfaktoren Geschlecht, Alter und Bildung beriicksichtigt. Die Ergebnisse der Analysen sind in Tabelle 6.6.3.2 (S. 209) dargestellt.

209

6.6 Forschungsfmge 6

Tabelle 6.6.3.2: Binar-logistische Regression der bereichsspezifischen Pravalenz ehrenamtlichen Engagements auf nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte logistische Effekt-Koeffizienten) Offentliche Ehren-

Umwelt, Wohnen

amter Normbezogene Orientierungen 2,26t 1,01 Nomozentrismus 1,82 Okonomismus 1,08-1 2,07t Kommunitafismus 1,18-' Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,22-1 1,33-1 l,82t Alter 1,14 Berufliche 2, lot Bildung-^ 1,15 Modellanpassung p (Omnibus0,129 Tests)^ 0,129 0,143 Nagelkerkes R^ 0,157 n 345 345

Kirche

Normbezogene Orientierungen Nomozentrismus 1,08 1,111 Okonomismus Kommunitarismus 1,32 Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,35-1 Alter 1,20-1 Berufliche Bildung^ 1,19 Modellanpassung p (OmnibusTests) -^ 0,475 Nagelkerkes R^ 0,036 n 345

Politisches

Dritte Welt,

Engage-

Menschen-

ment

rechte

Soziale Selbsthilfen

Gesundheitliche Selbsthilfen

(U19) (2,28*) (2,41*)

1,74-1* 1,26-1 1,09

2,31-1* 1,51-1 1,90

1,43-1 1,09-1 2,61**

1,06-1 1,28-1 1,12-1

(1,39-1) (1,64)

1,39-1 1,41

1,70 2,84*

1,07 1,61

1,22-1 2,03*

-

1,71*

2,1 It

1,41

1,22-1

(0,024) (0,168)

0,003 0,150 345

0,009 0,301 345

0,025 0,131 345

0,472 0,081 345

(365)

Kultur

Schule und Jugend

Sport- und Bewegungsgruppen

Freiwillige Hilfsorganisationen

Tierschutz

1,11-1 1,00 1,47

1,00 1,12 1,50*

1,14 1,27 1,03-1

1,41 1,53-1 1,24-1

1,15-1 1,88 1,11

1,31-1 1,04-1 1,16-1

1,13 1,01-1 1,50*

1,55-1** 1,16-1 1,01-1

94,63-1 1,84-it 1,02-1

2,44 1,22-1 6,72-1**

0,810 0,026 345

0,041 0,073 345

0,036 0,064 345

<0,001 0,253 345

0,013 0,253 345

p<0,001. t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01; 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht - analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81-^=yi,8i=0,55. 2 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich; 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Die Analysen zeigen, dass ein statistisch signifikanter Einfluss der normbezogenen Orientierungen nicht bei alien Engagementformen in Erscheinung tritt, fiir die in bivarater Betrachtung statistisch bedeutsame Pravalenzunterschiede zwischen den verschiedenen Orientierungstypen festgestellt wurden. Dies gilt im Besonderen fiir das Engagement in Kitchen und Kulturvereinen, das sich weder durch nomozentrische,

210

6. Ergebnisse

okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungsunterschiede noch durch soziodemografische Merkmalsunterschiede zwischen den Befragten vorhersagen lasst;o9 Parallel zu diesen Befunden wird deudich, dass das graduelle AusmaB kommunitargemeinschafdicher Orientiemngen als Pradiktor fiir die Pravalenz auch solcher Engagementformen in Erscheinung tritt, bei denen in bivariater Betrachtung die Clustertypologie statistisch nur unzureichend differenzierte. Dies gilt etwa fiir das Engagement im Bereich der ehrenamtlichen Schul- und Jugendarbeit, dessen Pravalenz auf statistischer Ebene erwartungsgemaB am starksten durch die kommunitaristischen Orientierungen der Befragten beeinflusst wird. SchlieBlich werden gegebene Differenzen in der Pravalenz von Aktivitaten in Sportund Bewegungsgruppen, Freiwilligen Hilfsorganisationen und Tierschutzverbanden unabhangig von gegebenen Orientierungsunterschieden auf Alters-, Geschlechts- und Bildungseinfliisse zwischen den Befragten zuruckgefiihrt. Betrachtet man die Ergebnisse der Analysen mit Blick auf den Zusammenhang zwischen normbezogenen Orientierungen und ehrenamtlichem Engagement im Einzelnen, so zeigt sich, dass das AusmaB kommunitar-gemeinschafdcher Orientierungen fiir ehrenamtliche Aktivitaten nur in einigen Engagementbereichen von Bedeutung ist. Dies gilt zunachst fiir das Engagement im Bereich der Sozialen Selbsthilfe, im Weiteren aber ebenfalls fiir ehrenamtliche Aktivitaten im Bereich Schule und Jugend sowie fiir das Engagement in Umwelt- und Wohninitiativen (siehe in Klammern gesetzte Werte). Bemerkenswert ist, dass fiir die Vorhersage des Engagements in alien anderen Aktivitatsbereichen das graduelle AusmaB kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen nicht als signifikanter Pradiktor in Erscheinung tritt.^^^ Interessant und die vorausgehenden Analysen bestatigend ist in diesem Zusammenhang der Befund, dass das politische Engagement wie auch Aktivitaten im Bereich von Dritte-Welt- und Menschenrechtsinitiativen mit zunehmender Normdistanz der Befragten signifikant zunehmen. Dieser Befund erklart das erhohte politische Engagement sowohl der nonkonformen Kommunitaristen als auch der radikalen Marktaktivisten. Demgegeniiber scheint die Ubernahme offentlicher Ehrenamter tendenziell von einer erhohten nomozentrischen Orientierung resp. von einer Haltung der Loyalitat gegeniiber Staat und Recht getragen zu sein. Das graduelle AusmaB des okonomischen commitments hat statistisch gesehen lediglich fiir ehrenamtliche Aktivitaten im Kontext 109 Zwar weisen die Analysen auch fiir das Engagement in Umwelt- und Wohninitiativen eine insignifikante ModeUanpassung aus, doch ist diese primar auf die modelHnterne Beriicksichtigung der beruflichen Bildung und die hiermit einhergehende Reduktion der Fallzahl zuriickzufiihren. Bleibt die berufliche Bildung innerhalb des Modells unberiicksichtigt - was die Fallzahl von n=345 auf n=365 erhoht - , so weist das logistische Regressionsmodell eine statistisch passable Anpassung an die Ausgangsdaten auf, wobei sowohl die okonomischen als auch die kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen der Befragten als signifikant positive Pradiktoren ehrenamtlicher Aktivitaten in Erscheinung treten (vgl. Tab. 6.6.4, in Klammern gesetzte Werte). 110 Dies spricht fiir die auch in jiingeren Untersuchungen vertretene These, dass ehrenamtliches Engagement nur partieU von altruistischen Motiven getragen wird, dariiber hinaus aber auch selbstbezogene Motivlagen bedeutsam werden, die jenseits der Motivationsachse Altruismus vs. Egoismus zu verorten sind (vgl. u.a. Wahl 2002: 22; Moschner 2002: 27ff.; Keupp 2002: 91ff.).

6.6 Forschungsfrage 6

211

von Umwelt- und Wohninitiativen Bedeutung. Die Ergebnisse der Analysen (siehe in Klammern gesetzte Werte) dokumentieren in diesem Zusammenhang, dass ehrenamdiche Aktivitaten auf diesem Feld verstarkt von Befragten mit einer hoheren okonomischen Erfolgsorientierung geleistet werden. Gleiches gilt - wenngleich unterhalb des Niveaus der statistischen Signifikanz - interessanterweise auch im Hinblick auf das Engagement in Tierschutzvereinen. Eine gegenlaufige Beziehung zwischen okonomischem commitment und ehrenamtUchem Erngagement findet sich demgegeniiber im Bereich von Aktivitaten fiir Dritte-Welt- und Menschenrechtsinitiativen sowie in Freiwilligen Hilfsorganisationen. Gleichwohl liegen die statistischen Effekte auch in den hier genannten Fallen unterhalb des Schwellenwerts statistischer Bedeutsamkeit.

6.6A Fa:^t Bilanziert man die Ergebnisse der Analysen zum Zusammenhang zwischen dem ehrenamtlichen Engagement und den normbezogenen Orientierungsmustern der Befragten, so lasst sich festhalten, dass das ehrenamtliche Engagement der Befragten in Abhangigkeit von ihren normbezogenen Orientierungsmustern variiert. Dies gilt im Hinblick sowohl auf den Umfang als auch auf die Art ehrenamtlicher Aktivitaten. Die Analysen zeigten in diesem Zusammenhang erwartungsgemaB, dass insbesondere diejenigen Orientierungstypen in verstarktem MaBe in ehrenamtliche Aktivitaten eingebunden sind, die stark iiberdurchschnittlich ausgepragte kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen aufweisen. Sie lieBen dabei jedoch ebenso deutlich werden, dass nicht alle Formen des ehrenamtlichen Engagements von erhohten kommunitaristischen Orientierungen flankiert werden. So lassen sich kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen verstarkt lediglich bei Ehrenamtlern im Kontext von Umwelt- und Wohninitiativen, sozialen Selbsthilfegruppen und der ehrenamtlichen Schul- und Jugendarbeit beobachten. Das politische Engagement der Befragten wird demgegeniiber weniger durch kommunitaristische als durch nomozentrische Orientierungen und Interessenlagen beeinflusst. Dabei hat es den Anschein, als ob sich mit den nonkonformen Kommunitaristen und den radikalen Marktaktivisten speziell die Orientierungstypen verstarkt politisch engagieren, die - verglichen mit den anderen Typen - sowohl die relativ groBte Normdistanz als auch den „flexibelsten" Umgang mit rechtlichen Normvorgaben dokumentieren. Die genannten Akteursgruppen scheinen Rechtsnormen tendenziell als eine „plastizierbare Masse" zu begreifen, die dazu dienlich ist, partikulare Interessen im gesellschaftlichen Leben durchzusetzen, an die man sich selbst aber nicht all zu sklavisch halten sollte. Diese Haltung lasst sich in Anlehnung an eine Begriffsschopfung Erhard Blankenburgs als Spielart eines „instrumentellen Rechtsbewusstseins" beschreiben (vgl. Blankenburg 1984: 285): Man setzt sich durch die schlichte Normubertretung gegen den repessiven bzw. den schlicht eigenen Interessen zuwiderlaufenden Geltungsanspruch des Rechts zur Wehr, sucht aber zugleich die Moglichkeit, aktiv am poHtischen Leben zu partizipieren und auf dieser Ebene Prozesse der Normsetzung zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

212

6. Ergebnisse

Ungeachtet dessen bleibt zu konstatieren, dass die unterschiedenen Oientiemngstypen in Teilen valide Vorhersagen iiber Art und Haufigkeit des ehrenamdichen Engagements der Befragten leisten konnen. Dies unterstreicht die pradiktive Validitat der Clustertypologie normbezogener Orientierungsmuster und lasst deutlich werden, dass diese Typologie auch auf der Ebene von Aktivitaten und Verhaltensweisen zu differenzieren vermag, die als sog. prosoziale Aktivitaten starker in gemeinschaftlich geordneten Lebenskontexten zu verorten sind.

6.7 Forschungsfrage 7: Markteinbindung und normbezogene Orientierungen Die Beantwortung der Forschungsfrage 7 nach dem Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren und der Einbindung ihres Entscheidungshandelns in die Strukturen des Marktes (vgl. Kap. 4, Abschnitt 4.3) erfolgte unter Beriicksichtigung der Inklusionsebenen sowohl des Arbeitsmarktes und der Finanzmarkte als auch der Konsumgiitermarkte. Die Betrachtung richtete sich dabei im Einzelnen auf strukturelle Indikatoren, die die Markdage von Akteuren in den bezeichneten Markten in verschiedener Hinsicht definieren. Uber bivariate Tabellenund Varianzanalysen sowie Uneare und binar-logistische Regressionsanalysen wurde dabei untersucht, wie weit verschiedene Formen der Inklusion von Akteuren in die genannten Marktbereiche mit einer je unterschiedlichen Auspragung ihrer normbezogenen Orientierungsmuster kovariieren. Die zu iiberpriifende Leith3rpothese der Untersuchung war in diesem Zusammenhang, dass die Auspragung der normbezogenen Orientierungsmuster von Akteuren in Abhangigkeit von ihrer graduellen Markteinbindung variiert (vgl. Kap.4, Abschnitt 4.3, Hypothese 7).

6.7.1 Arheitsmarkteinhindung und normbe^ogene Orientierung

In Betrachtung der Inklusion des Entscheidungshandelns der Befragten in die Strukturen des Arbeitsmarktes richtete sich die Aufmerksamkeit im Einzelnen auf den aktuellen Erwerbsstatus, die Erwerbsgruppenzugehorigkeit resp. die berufliche Stellung sowie auf den aktuellen oder - im Fall der Erwerbslosigkeit - auf den letzten Beschaftigungssektor der Befragten. 6.7.1.1 Erwerbsstatus Bei den Analysen zum Erwerbsstatus und dem normbezogenen Orientierungsprofil von Akteuren wurde zwischen dem Status erstens der VoUzeit- und ^eitens der Teilzeitbzw. stundenweisen Erwerbstatigen, drittens dem Status als Umschiiler oder Auszubildender und viertens der Nichterwerbstatigkeit unterschieden. Wir gingen in diesem Zusammenhang davon aus, dass der Status der Vollzeiterwerbstatigkeit, verglichen mit den anderen Erwerbsstatuspositionen, den hochsten Grad der Arbeitsmarkteinbindung anzeigt, wogegen eine Teilzeiterwerbstatigkeit und schUeBlich der Status der Nicht-

6.7 Forschungsfrage 7

213

erwerbstatigkeit relativ niedrigere Range der Markteinbindung indi2ieren. Die Erwerbssituation von Umschiilern und Auszubildenden zeigt schlieBlich einen Erwerbsstatus an, der ebenfalls fiir eine Statuspositdon zwischen Erwerbstatigkeit und Nicht-Erwerbstatigkeit steht, deren Rangposition dabei allerdings unterhalb der Teilzeiterwerbstatigkeit zu verorten ist. Auf Grundlage des Erwerbsstatus der Befragten wurde untersucht, wie weit sich ein Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern und der Art der Arbeitsmarkteinbindung von Akteuren nachzeichnen lasst. Gepriift wurde dabei, ob sich mit zunehmender Arbeitsmarkteinbindung von Akteuren auf der Ebene der normbezogenen Orientierungsprofile marktbezogene Orientierungsmuster im Sinne etwa des radikalen Marktaktivisten herausbilden und ob umgekehrt Erwerbs statuspositionen, die fiir eine geringe Markteinbindung stehen, mit einem eher konventionalistischen Orientierungsmuster korrespondieren. Zur Beantwortung der genannten Forschungsfrage wurde ein Vergleich der mittleren Orientierungsprofile zwischen den verschiedenen Erwerbsstatusgruppen vorgenommen (siehe Abb. 6.7.1.1.1). Die Ergebnisse dieser zunachst nach Augenschein vorgenommenen Analysen lassen dabei erkennen, dass die Orientierungsprofile der Befragten zumindest in Abhangigkeit von ihrer Erwerbsstatusposition variieren. Dabei lasst sich vor aUem fur die Teilzeit- und stundenweise Erwerbstatigen ein Orientierungsprofil erkennen, das eine stark konventionalistische Auspragung aufweist. Die in den anderen Erwerbsstatusgruppen auf der Ebene von Durchschnittswerten in Erscheinung tretenden Orientierungsprofile weisen zwar ebenfalls partielle Ahnlichkeiten zu den von uns clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmustern auf: so die VoUzeiterwerbstatigen zu den radikalen Marktaktivisten und die Nicht-Erwerbstatigen zu den Desinteressierten. Gleichwohl sind die Orientierungsprofile in die sen Gruppierungen im Hinblick auf ihre graduelle Auspragung zu wenig konturiert, als dass sich hier eine eindeutige ProfilahnUchkeit konstatieren lieBe. Betrachtet man in einem weiteren Schritt die relative Prasenz der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster in den einzelnen Erwerbsstatusgruppen (vgl. Tab. 6.7.1.1.1 und Abb. 6.7.1.1.2), bestatigen sich die Befunde des zunachst ad oculos vorgenommenen Profilvergleichs. Abbildung 6.7.1.1.2 zeigt die mittleren z-Werte fiir die Zugehorigkeit der unterschiedenen Clustertypen in den einzelnen Erwerbsstatusgruppen. Sie dokumentiert, dass sich tatsachlich und erwartungsgemaB eine sehr hohe Prasenz von marktdistanzierten Konventionalisten in der Erwerbsstatusgruppe der Teilzeit- und stundenweise Erwerbstatigen findet, wogegen die Desinteressierten, aber auch die radikalen Marktaktivisten in dieser Gruppierung deutlich unterreprasentiert sind. Im Weiteren sind unter den VoUzeiterwerbstatigen die radikalen Marktaktivisten am starksten, die marktdistanzierten Konventionalisten hingegen am schwachsten reprasentiert. Die Prasenzunterschiede zwischen den Clustergruppierungen fallen dabei allerdings deutlich geringer aus als bei den Teilzeit- und stundenweise Erwerbstatigen. In der Gruppierung der Nicht-Erwerbstatigen fallt auf, dass hier die Desinteressierten am relativ starksten konzentriert sind. Bemerkenswert ist schlieBlich die gegenlaufige Prasenz der norm-

214

6. Ergebnisse

orientierten Marktaktivisten und radikalen Marktaktivisten in der Erwerbsstatusgruppe der Umschiiler und Auszubildenden, die sich dabei aber ebenfalls auf einem eher moderaten Niveau bewegt. Abbildung 6.7.1.1.1: Nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientieningen in der deutschen Erwerbsbevolkerung, differenziert nach dem Erwerbsstatus (n=370 bis 384)*

0,6 0,5 • Nomozentrismus D Okonomismus • Kommunitarismus

0,4 0,3 0,2 , 0,1 0

TZZT

WL

^

-0,1 -0,2 -0,3 -0,4 -0,5 nicht erwerbstatig

Azubi, Lehrling, Umschiiler

voUz eiterwerb s tatig

teilzeit- oder stundenweise erwerbstatig

* Die horizontale NulUinie des Diagramms indiziert die durchschnitdiche Prasenz der unterschiedenen normbezogenen Orientieningen in der Untersuchungsstichprobe insgesamt. Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Balken von dieser NulUinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnitdiche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittliche Auspragung der entsprechenden Orientierungsdimension in der jeweiligen Erwerbsstatusgruppe an. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Tabelle 6.7.1.1.1: Anteil der Clustertypen normbezogener Orienderungsmuster in der Untersuchungsstichprobe, differenziert nach Erwerbsstatus (in %) Normorientierte Marktaktivisten Erwerbsstatusgruppen (n=18) Nicht-Erwerbstatige Auszubildende, Umschiiler (n=31) Teilzeit- und stundenweise Erwerbstatige (n=133) Voilzeiterwerbstatige (n=60) Gesamtsdchprobe (n=367) Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Radikale Marktaktivisten

Marktdist anzierte Konventionalisten

Desinteressierte

Nonkonforme Kommunitaristen

7,1 27,6

14,3 10,3

28,6 24,1

32,1 20,7

17,9 17,2

25,0

6,3

40,6

9,4

18,8

23,9 23,4

16,1 13,9

20,2 23,4

25,7 23,7

14,2 15,5

215

6.7 Fofschungsfrage 7

Abbildung 6.7.1.1.2: Relative Pmsenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientiemngsmuster in den Erwerbsstatusgruppen der Nicht-Erwerbstatigen, der Auszubildenden und Prakdkanten, der Teilzeit- und stundenweise Erwerbstatigen und der VoUzeiterwerbstatigen*

0,8 —•—Normorientierte Marktaktivisten —•—Radikale Marktaktivisten —•—Marktdistanzierte Konventionalisten —X—Desinteressierte —^—Nonkonforme Kommunitaristen

•

0,6 0,4

•

' X -"\^^^::^y^ ^^~~7^— -0,2 -0,4 -0,6 -0,8

Auszubildende

Einfache Angestellte Mittlere Angestellte

Hohere Angestellte

Selbststandige

* Die horizontale NullMnie des Diagramms indiziert die durchschnitdiche Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe insgesamt. Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Punkte von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittliche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittliche Prasenz der Orientierungstypen in der jeweiMgen Erwerbsstatusgruppe. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002. Tabelle 6.7.1.1.2: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf den Erwerbsstatus der Vollzeiterwerbstatigkeit, unter zusatzUcher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Normorientierte Marktaktivisten bs

ms

Radikale Marktaktivisten bs

mS

Marktdistanzierte Konventionalisten m5 bs

Desinteressierte b5

m5

Nonkonforme Kommunitaristen m5 bs

Aktueller Erwerbsstatus Vollzeit1,02 1,03 erwerbstatig Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht2 1,09 Aker Berufliche Bildung^ Modellanpassung p (OmnibusTest)'* Nagelkerkes R^ n

-

2,30-1**' 1,25

1,29

1,32

-

l,41-'t 1,09 l,14-i

l,25-'t

1,23-1

1,16

-

1,32* 1,34* 1,09

-

1,27-it

1,14

1,21-1 1,13

1,14-1

-

1,19-1

1,03 1,21 1,07

0,409

0,873

<0,001

0,105

0,076

0,066

0,003

0,241

0,223

0,373

0,000 365

0,125

0,013

0,044

0,014

0,006

0,024

0,004

0,019

345

365

345

365

0,068 345

365

345

365

345

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. Anmerkungen zu den Indexnummern 1 bis 3, s.u. (Tab. 6.7.1.1.3). 5 b=bivariat; m^multivariat. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

216

6. Ergebnisse

Tabelle 6.7.1.1.3: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf den Erwerbsstatus der Teilzeiterwerbstatigkeit unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer KontroUfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Normorientierte Marktaktivisten bs Aktueller Erwerbsstatus

ms

Radikale Marktaktivisten bs

Teilzeit1,02 1,16 1,30-1 erwerbstatig Soziodemografische KontroUfaktoren Geschlecht2 1,05 Alter 2,37-1"* Berufliche Bildung^ 1,26 Modellanpassung

-

p (OmnibusTest) 4 Nagelkerkes R^ n

-

m^

Marktdistanzierte Konventionalisten b5 ms

Desinteressierte b5

mS

Nonkonforme Kommunitaristen ms bs

1,46-1

1,29*

1,18

1,39-it

1,35-it

1,07

1,03

1,43-1* 1,07

-

1,34* 1,37*

-

1,18-1 1,13

-

1,08 1,24

1,04

1,07-1

1,03

1,23-1

0,842

<0,001

0,160

0,072

0,024

0,003

0,030

0,081

0,617

0,590

0,000 365

0,129 345

0,010 365

0,045 345

0,021 365

0,066

0,019 365

0,036

0,001 365

0,014

345

345

345

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81"^'^Vi,8i=0,55 2 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fur inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 5 b=bivariat; m=multivariat. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002. TabeUe 6.7.1.1.4: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf den Erwerbsstatus als Umschiiler oder Auszubildender unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer KontroUfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Normorientierte Marktaktivisten bs Aktueller Erwerbsstatus

mS

Umschiiler, 1,13 1,06 Azubi Soziodemografische KontroUfaktoren Geschlecht^ 1,07 Alter 2,35-1*** Berufliche Bildung^ l,28t Modellanpassung

-

p (OmnibusTest) 4 Nagelkerkes R^ n

Radikale Marktaktivisten bs

mS

1,19-1

1,21-1

-

Marktdistanzierte Konventionalisten bs m5

1,02

1,06

Desinteressierte bs

mS

1,10-1

1,08-1

Nonkonforme Kommunitaristen mS bs

1,07

1,15

1,48-1* 1,07

1,39* 1,38*

1,24-1 1,12

1,06 1,23

1,12-1

1,06

1,26-1

1,07

0,317

<0,001

0,284

0,124

0,885

0,007

0,465

0,270

0,635

0,449

0,004 365

0,125 345

0,006 365

0,038 345

0,000 365

0,059 345

0,002 365

0,022 345

0,001 365

0,018 345

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. Anmerkungen zu weiteren Indexnummern 1 bis 4, s.u. (Tab. 6.7.1.1.5). QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.7 Fofschungsfrage 7

217

Tabelle 6.7.1.1.5: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientiemngsmuster auf den Erwerbsstatus der Erwerbslosigkeit unter zusatziicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) MarktdistanNormorientierte

Radikale Markt-

zierte

Marktaktivisten

aktivisten

Konventionalisten m^ bs

m^ bs Aktueller Erwerbsstatus 1,45-it 1,48-'* Erwerbslose Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,08 2,32-1"* Alter

-

Berufliche Bildung^

bs 1,01

-

ms 1,04 1,51-1* 1,05

1,08

-

1,07-1

1,25

1,04 1,40'* 1,39*

Nonkonforme Desinteressierte

Kommunitaristen

bs 1,13

-

m5

1,13 1,26-it 1,10

bs 1,05

1,03

-

1,09 1,24

1,22

1,05

ms

1,03

Modellanpassung p (OmnibusTest) 4 Nagelkerkes R2

n

0,017 0,023 365

<0,001 0,142 345

0,925 0,000 365

0,181 0,033 345

0,524 0,002 365

0,007 0,059 345

0,281 0,005 365

0,216 0,025 345

0,738 0,001 365

0,590 0,014 345

t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81"i=yi,8i=(),55. 2 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 5 b=bivariat; m=multivariat. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Die Ergebnisse dieser Betrachtung finden eine Bestatigung im Rahmen bivariater Analysen (vgl. Tab. 6.7.1.1.2 bis 6.7.1.1.5). So zeigt sich, dass die normorientierten Marktaktivisten unter den Nichterwerbstatigen in signifikant unterdurchschnittlichem AusmaB vertreten sind (vgl. Tab. 6.7.1.1.5). Auch die verstarkte Prasenz der marktdistanzierten Konventionalisten sowie die verminderte Konzentration der Desinteressierten in der Statusgruppe der Teilzeit- und stundenweise Erwerbstatigen wird im Rahmen der bivariaten Analysen als statistisch signifikant ausgewiesen (vgl. Tab. 6.7.1.1.3). Fiir die marktdistanzierten Konventionalisten wird schlieBlich ebenfalls eine signifikant unterdurchschnittliche Prasenz in der Statusgruppe der Vollzeiterwerbstatigen angezeigt (vgl. Tab. 6.7.1.1.2). Die referierten Befiinde lassen entsprechend erkennen, dass die marktdistanzierten Konventionalisten am starksten in den Erwerbsstatusgruppen mit vergleichsweise geringer Arbeitsmarkteinbindung prasent sind, wogegen die normorientierten und die radikalen Marktaktivisten in diesen Gruppierungen in geringerem AusmaB vertreten sind. Kontrolliert man im Rahmen binar-logistischer Regressionen in einem weiteren Schritt Geschlechts-, Alters- und Bildungsunterschiede (vgl. ebd.), relativiert sich allerdings die Pragnanz der referierten Befiande. Losgelost von gegebenen soziodemografi-

218

6. Ergebnisse

schen Merkmalsunterschieden wird hier lediglich die verminderte Prasenz der normorientierten Marktaktivisten in der Gruppierung der Erwerbslosen (vgl. Tab. 6.7.1.1.5) sowie der Desinteressierten in der Gruppierung der Teilzeit- oder stundenweise Beschaftigten (vgl. Tab. 6.7.1.1.3) als statistisch bedeutsam ausgewiesen. In beiden Fallen entspricht aUerdings die IrrtumswahrscheinUchkeit fiir die Annahme eines statistdschen Zusammenhangs der UntersuchungsgroBen mit mehr als 5 Prozent bestenfalls dem Status einer statistisch signifikanten Tendenz. Zwar belegen diese Befunde implizit, dass die Auspragung von verstarkten Marktorientierungen in denjenigen Akteursgruppen unwahrscheinlich ist, die aktuell nicht in Erwerbszusammenhange eingebunden sind. Gleichwohl lassen diese Befunde es ratsam erscheinen, die These des Zusammenhangs zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern und der Markteinbindung des individuellen Entscheidungshandelns nicht zunachst und primar auf den Erwerbsstatus zu beziehen. 6.7.1.2 Erwerbsgruppenzugehorigkeit Bei den Analysen zu den Orientierungsmustern von Akteuren mit unterschiedHcher Erwerbsgruppenzugehorigkeit gingen wir davon aus, dass sich iiber die Erwerbsgruppenzugehorigkeit eine Rangskala der Arbeitsmarkteinbindung rekonstruieren lasst. Die Analysen konzentrierten sich dabei zunachst auf die Erwerbsgruppenzugehorigkeit der Auszubildenden, der Angestellten und der Selbststandigen bzw. Freiberufler (vgl. Abschnitt 6.7.1.2.1). Analysen zu den vorherrschenden normbezogenen Orientierungsmustern in der Erwerbsgruppe der Arbeiter werden daran anschUeBend in einem separaten Teil des Ergebnisberichts dokumentiert (Abschnitt 6.7.1.2.2). 6.7.1.2.1 Auszubildende, Angestellte und Selbststandige Im Rahmen der Analysen zu den normbezogenen Orientierungsmustern der Auszubildenden, Angestellten und Selbststandigen wurde unterstellt, dass die Zugehorigkeit zur Erwerbsgruppe der Auszubildenden eine eher geringe, die Zugehorigkeit zur Erwerbsgruppe der Selbststandigen und Freiberufler eine hohe Markteinbindung anzeigt. Analog hierzu wurde die Statushierarchie zwischen den Erwerbsgruppen der einfachen, mittieren und hoheren Angestellten ebenfalls als eine Skala zur Erfassung von Unterschieden in der Markteinbindung aufgefasst.^^^ Es wurde dabei postuliert, dass die Zugehorigkeit zur Erwerbsgruppe der einfachen Angestellten fiir eine eher geringe, die Zugehorigkeit zur Erwerbsgruppe der mittieren Angestellten fiir eine mittiere und die Zugehorigkeit zur Gruppierung der hoheren Angestellten fiir eine eher hohe Markteinbindung des individuellen Entscheidungshandelns steht.

I l l Vgl. zur Operationalisiemng der Erwerbsgruppenzugehorigkeit Kapitel 5, Abschnitt 5.3.1, Unterabschnitt (b).

219

6.7 Forschungsfrage 7

Abbildung 6.7.1.2.1.1: Nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen in der deutschen Erwerbsbevolkerung, differenziert nach der Erwerbsgruppenzugehorigkeit von Auszubildenden, einfachen, mitderen und hoheren Angestellten sowie von Selbststandigen*

0,6

I Nomozentrismus D Okonomismus

0,4

Q Kommunitarismus

TZJ

m

0,2

I

-0,4

Auszubildende (n=19)

Einfache AngesteUte Mtdere Angestellte Leitende Angestellte (n=32) (n=137) (n=64)

Selbststandige (n=24)

* Die horizontale Nulllinie des Diagramms indiziert die durchschnitdiche Prasenz der unterschiedenen normbezogenen Orientierungen in der Untersuchungsstichprobe insgesamt. Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Baiken von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnitdiche, negative Abweichungen eine unterdurchschnitdiche Auspragung der entsprechenden Orientierungsdimension in der jeweiligen Erwerbsgruppe an. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Auf Grundlage der Erwerbsgruppenzugehorigkeit und der beruflichen Stellung der Befragten haben wir entsprechend untersucht, wie weit sich ein Zusammenhang zwischen normbezogenen Orientierungsmustern und dem Grad der Markteinbindung ihres Entscheidungshandelns nachzeichnen lasst. Gepriift wurde dabei die Annahme, ob sich mit zunehmender Arbeitsmarkteinbindung auf der Ebene der normbezogenen Orientierungsprofile starker an okonomischen Erfolgszielen orientierte und rechtsnormdistanzierte Orientierungsmuster - im Sinne etwa des radikalen Marktaktivisten herausbilden. Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde zunachst wiederum ein Vergleich der Orientierungsprofile zwischen den verschiedenen Erwerbsgruppen vorgenommen (siehe Abb. 6.7.1.2.1.1). Die Ergebnisse dieses Vergleichs lassen dabei nach erstem Augenschein erkennen, dass die mittieren Orientierungsprofile der in die Analysen einbezogenen Erwerbsgruppen eine zum Teil gravierende Ahnlichkeit mit den Clusterprofilen der normbezogenen Orientierungstypen aufweisen.

220

6. Ergebnisse

So weist zunachst das durchschnittdiche Orientiemngsprofil in der Erwerbsgruppe der einfachen Angestellten eine hohe Ahnlichkeit mit dem Orientiemngsmuster der sog. marktdistanzierten Konventionalisten auf. Das Orientierungsprofil der hoheren Angestellten gleicht im Weiteren dem Orientierungsmuster der nonkonformen Kommunitaristen. Das Orientierungsprofil der Selbststandigen hat - bezogen auf die graduelle Auspragung der nomozentrischen und okonomischen Orientierung — zumindest eine partielle Ahnlichkeit mit dem Orientierungsmuster der radikalen Marktaktivisten. SchlieBlich weist das Orientierungsprofil der Auszubildenden, bezogen auf die nomozentrischen und okonomischen Orientierungen, ebenfalls eine zumindest partielle Ahnlichkeit zu dem Orientierungsmuster der normorientierten Marktaktivisten auf Die Ergebnisse des Vergleichs stiitzen so aufs erste die Vermutung, dass die normbezogenen Orientierungen von Akteuren in Teilen durch ihre Erwerbsgruppenzugehorigkeit bestimmt sind. Diese These erhalt Unterstiitzung, wenn man den relativen Anteil der clustert3^isch unterschiedenen Orientierungsmuster in den verschiedenen Erwerbsgruppen betrachtet (vgl. Tab. 6.7.1.2.1.1 und Abb. 6.112.12)}^^ Tabelle 6.7.1.2.1.1: Anteil der Clustertypen normbezogener Orientierungsmuster in ausgewahlten Erwerbsgruppen, differenziert nach beruflicher Stellung (in %) Normorientierte Marktaktivisten Berufliche Statusgruppen Auszubildende (n-18) einfache Angestellte (n=31) mittiere AngesteUte (n=133) hohere AngesteUte (n=60) (n=21) Selbstandige Gesamtstichprobe (n=367) QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

50,0 25,8 28,6 18,3 4,8 23,4

Radikale Marktaktivisten

11,1 9,7 12,8 13,3 28,6 13,9

Marktdistanzierte Konventionalisten

48,4 22,6 23,3 23,8 23,4

Desinteressierte

Nonkonforme Kommunitaristen

16,7 9,7 25,6 21,7 19,0 23,7

22,2 6,5 10,5 23,3 23,8 15,5

Wie Abbildung 6.7.1.2.1.2 dokumentiert, zeigen die entsprechenden Analysen - in Einklang mit den formulierten Erwartungen - , dass die normorientierten Marktaktivisten am starksten in der Erwerbsgruppe der Auszubildenden vertreten sind. Sie haben demgegeniiber ihre vergleichsweise geringste Konzentration interessanterweise in den Erwerbsgruppen der hoheren Angestellten und insbesondere der Selbststandigen. Dieses Ergebnis vermittelt den Eindruck, dass der Orientierungstyp des normorientierten Marktaktivisten verstarkt in den Peripheriezonen des Marktes anzutreffen ist. Unter den Erwerbsgruppen, die - wie die hoheren Angestellten und insbesondere

112 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Abb. 6.7.1.2.1.2 wiederum um eine transformierte Darstellung der in Tab. 6.7.1.2.1.1 aufgefiihrten Anteilswerte fiir die relative Prasenz der clustertypischen Orientierungsmuster in den verschiedenen Erwerbsgruppen handelt. Die Wertetransformation erfolgte dabei analog zu dem fiir Abb. 6.7.1.1.2 dargestellten Vorgehen (vgl. Abschnitt 6.7.1.1, Fn24,S. 213).

221

6.7 Forschungsfrage '!

die Selbststandigen und Freiberufler - mehr im Zentrum des Marktgeschehens stehen, kommt dieser Typus demgegeniiber vergleichsweise selten vor. Abbildung 6.7.1.2.1.2: Relative Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in den Erwerbsgmppen der Auszubildenden, der einfachen, mittieren und hoheren Angestellten und der Selbststandigen*

X

Auszubildende

Normorientierte Marktaktivisten Radikale Marktaktivisten Marktdistanzierte Konventionalisten Desinteressierte

Einfache Angestellte Mittlere Angestellte

Hohere Angestellte

Selbststandige

* Die horizontale NuUlinie des Diagramms indiziert die durchschnittHche Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe insgesamt (n=367). Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Punkte von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittliche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittUche Prasenz der Orientierungstypen in der jeweiligen Erwerbsgruppe.

Der Gegentypus zum normorientierten Marktaktivisten, konkret der radikale Marktaktivist, ist demgegeniiber am starksten in der Erwerbsgruppe der Selbststandigen vertreten, unter den Auszubildenden und einfachen AngesteUten aber in nur leicht unterdurchschnittlichem AusmaB prasent. AuffaUig ist im Weiteren die sehr starke Konzentration der marktdistanzierten Konventionalisten in der Erwerbsgruppe der einfachen Angestellten. Die Haltung eines marktdistanzierten Konventionalismus scheint entsprechend verstarkt in solchen Gruppierungen aufzutreten, in denen okonomische Erfolgsziele hoheren Rangs nur schwer zu reaUsieren sind und die ihren Angehorigen in nur sehr begrenztem MaBe berufliche AufstiegsmogUchkeiten gewahren. Dies erklart auch die Abstinenz der marktdistanzierten Konventionalisten in der Erwerbsgruppe der Auszubildenden. Durch die Abbildung sichtbar wird schlieBlich ebenfalls die erhohte Prasenz der nonkonformen Kommunitaristen in der Gruppierung der hoheren Angestellten. Diese zunachst rein nach Augenschein auffallenden Prasenzunterschiede der normbezogenen Orientierungstypen in den verschiedenen Erwerbsgruppen werden im Weiteren durch die Ergebnisse binar-logistischer Regressionsanalysen der Cluster-

222

6. Ergebnisse

zugehofigkeit auf die Erwerbsgruppenzugehorigkeit der Befragten (vgl. Tab. 6.7.1.2.1.2 bis 6.7.1.2.1.6) bestatigt. So zeigt sich, dass die normorientierten Marktaktivisten - legt man einen bivariaten Betrachtungsrahmen zu Grunde - signifikant haufiger in der Erwerbsgruppe der Auszubildenden prasent sind als in der Gesamtsdchprobe der Befragten (vgl. Tab. 6.7.1.2.1.2). Wie die Ergebnisse multivariater Analysen zeigen (vgl. ebd.), ist dieser Befund mithin dadurch bedingt, dass sich sowohl unter den Auszubildenden als auch im Cluster der normorientierten Marktaktivisten vornehmlich jiingere Befragte konzentrieren.^^^ Tabelle 6.7.1.2.1.2: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf die bemfliche Stellung als Auszubildender oder Praktikant, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Normorientierte Marktaktivisten b6

m^

Radikale Marktaktivisten b6

Bemfliche Stellung Auszubil2,06-1 1,32** 1,09 dender Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,14 Alter 2,26-1*** Bemfliche 1,25 Bildung^ ModeUanpassung

-

p (OmnibusTest)4 Nagelkerkes R^ n

-

m^

2,25-1 1,54-1 1,10

Marktdistanzierte Konventionalisten^ be m^

4,78-1

-

1,11-1

Desinteressierte

b6

m^

Nonkonforme Kommunitaristen b^

m^

1,00

l,24t

1,25-it

1,05

1,08

1,20

1,03

1,21-1

1,09

2,51-1 1,41** 1,39*

-

0,011

<0,001

0,712

0,055

0,002

0,002

0,374

0,351

0,027 351

0,125 333

0,001 351

0,050 333

0,042 351

0,077 333

0,019 333

0,023 333

t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01; *** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Abschnitt 6.3, Fn 8. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: 1,81-1=1/1,81=0,55. 2 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weibHch. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 5 Der Effekt der beruflichen Stellung als Auszubildender auf die Zugehorigkeit zum Cluster der marktdistanzierten Konventionalisten kann auf Grund der Nichtprasenz der marktdistanzierten Konventionalisten unter den Auszubildenden und der hiermit verbundenen Nullzelle in der Ausgangstabelle im Rahmen der logistischen Regression nicht sicher geschatzt werden. Dies hat zur Folge, dass er sowohl im bivariaten als auch im multivariaten Analysezusammenhang ungeachtet des hohen standardisierten Effektkoeffizienten als nicht-signifikant ausgewiesen wird. Legt man alternativ hierzu die Ergebnisse der bivariaten Tabellenanalyse zu Grunde, so wird auf Grundlage chi^basierter Priifverfahren ein statistisch signifkanter Zusammenhang zwischen den UntersuchungsgroBen (Cramer's V=0,128; p=0,016) dokumentiert. 6 b=bivariat; m=multivariat. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002. 113 Kontrolliert man entsprechend im Rahmen der Regressionsanalysen zusatzlich zur Erwerbsgruppenzugehorigkeit Alters-, Geschlechts- und Bildungsunterschiede, so fallt die berufliche Stellung der Auszubildenden als Pradiktor zur Vorhersage der Zugehorigkeit zum Cluster der normorientierten Marktaktivisten hinter die Schwelle der statistischen Bedeutsamkeit (p<0,100) zuriick (vgl. Tab. 6.7.1.2.7).

223

6.7 Forschungsfrage 7

Tabelle 6.7.1.2.1.3: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf die bemfliche Stellung als einfacher Angestellter, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Nonnorientiefte

Radikale Markt-

Marktaktivisten

aktivisten

bs

bs

m5

m5

Marktdistanzierte Kon-

Nonkonforme Kommuni-

Desinteressierte

ventionalisten bs m'

bs

m5

bs

taristen ms

Bemfliche Stellung Einfacher 1,12-1 1,02 Angestellter Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,00 Alter Berufliche Bildung^ Modellanpassung

2,34-''" 1,23

p{OmmbusTest)"* Nagelkerkes R^ n

1,03

1,49-

1,42-

l,46-'t

1,39-1

1,37-1

1,39-1

-

l,85->" 1,10

-

1,591,51-

-

1,29-1 1,06-1

-

1,28 1,50*

1,231

1,18

1,281

1,05

p_g^,

< 0,001

0,598

0,081

0,004

< 0,001

0,049

0,187

0,186

0,168

0,000 224

0,133 220

0,002

0,070

0,052

0,134

0,042

224

220

224

220

0,026 224

0,014 224

0,053 220

220

t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Abschnitt 6.3, Fn 8. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: 1,81-1 = 1/1,81=0,55. 2 Geschlecht: l=mannlich, 2=weibiich. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signiflkanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatisdsche Schliisse nicht geeignet. 5 b=bivariat; m=multivariat. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002. Tabelle 6.7.1.2.1.4: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf den Erwerbsstatus als mittlerer Angestellter, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Normorientierte M arktaktivisten b5

m^

Radikale Marktaktivisten b5

ms

1,03

1,09

Marktdistanzierte Konventionalisten bs ms

Desinteressierte bs

ms

Nonkonforme Kommunitaristen ms bs

Berufliche Stellung Mittlerer 1,23 Angestellter 1,07 Soziodemografische Kontrollfaktoren 1,00 GeschlechtAlter 2,28-1*** Berufliche Bildung^ 1,24 Modellanpassung

n

1,261

1,191

1,26

1,22

1,34-1

1,24-1

-

-

1,84-'** 1,12

-

1 y2**

-

1,35-it

1,50*

1,02-1

-

1,22 1,37

-

-

1,20-1

-

1,02

-

1,12-1

-

1,06

0,337

0,131 0,019

0,045

224

220

p (OmnibusTest)'^

0,191

<0,001

0,877

0,077

0,122

0,002

Nagelkerkes R^

0,011

0,133

0,016 224

0,155 0,014

220

0,070 220

0,109

224

0,000 224

220

224

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;** Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

0,031 220

p<0,001; Anmerkungen 1-5 s. Tab. 6.7.1.2.1.3

0,240

224

6. Ergebnisse

Tabelle 6,7.1.2.1.5: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf den Erwerbsstatus als hoherer Angestellter, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer KontroDfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^)

Nonnorientierte Marktaktivisten bs

ms

Radikale Marktaktivisten bs

ms

Marktdistanzierte Konventionalisten bs m5

Desinteressierte

Nonkonfomie Kommunitaristen

bs

mS

bs

m5

Benifliche Stellung Hoherer 1,28-' 1,13-' 1,05 Angestellter Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,01-1 Alter 2,26-1*** Berufliche Bildung^

1,16-1

1,10-1

1,23-1

1,02-1

1,02

1,58**

1,88*

1,88-1** 1,14

1,64**

1,21

-

1,40 1,27

1,19

-

l,34t

1,14-1

-

-

1,30

-

0,130

<0,001

0,821

0,072

0,533

0,002

0,887

0,484

0,012

0,033

0,015 224

0,134 220

0,000 224

0,072

0,003 224

0,108 220

0,000 224

0,024

0,051 224

0,085 220

1,65**

1,09

1,25-1

Modellanpassung p (OmnibusTest)'^ Nagelkerkes R^ n

220

220

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81-^^yi,8i=0,55. 2 Geschlecht: 1 =mannlich, 2=weiblich. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss, 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle ledigHch einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fur inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 5 b=bivariat; m=multivariat. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Die Zugehorigkeit zum Cluster der marktdistanzierten Konventionalisten lasst sich demgegeniiber - auch unter Kontrolle von Geschlechts-, Alters- und Bildungsunterschieden - durch die Zugehorigkeit zur Erwerbsgruppe der einfachen Angestellten vorhersagen (vgl. Tab. 6.7.1.2.1.3). Ein ahnlicher Zusammenhang zeigt sich zwischen der Zugehorigkeit zur Erwerbsgruppe der hoheren Angestellten und dem Orientierungstyp der nonkonformen Kommunitaristen (vgl. Tab. 6.7.1.2.1.5). Fiir die radikalen Marktaktivisten lasst sich schlieBlich - wiederum sowohl bivariat als auch unter Kontrolle von Geschlecht und Alter - eine verstarkte Prasenz in der Erwerbsgruppe der Selbststandigen und Freiberufler konstatieren (vgl. Tab. 6.7.1.2.1.6). Dass dieser Zusammenhang in seinem Signifikanzstatus bei zusatzlicher Kontrolle der Bildung wieder hinter die Schwelle der statistischen Bedeutsamkeit zuriickfallt, hat dabei weniger mit der verminderten Bedeutung der Erwerbsgruppenzugehorigkeit fiir den normbezogenen Orientierungstypus als mit der in diesem Fall reduzierten StichprobengroBe zu tun.^^'^ Bemerkenswert ist, dass dieser Befund partiell in Einklang steht 114 Grund hierfur ist, dass das Merkmal des hochsten beruflichen Bildungsabschlusses von einer groBeren Anzahl der Befragten nicht giiltig beantwortet wurde und entsprechend nur eine verminderte Anzahl von Befragten im Rahmen der Regressionsanalyse beriicksichtigt werden konnten.

6.7 Forschungsfrage 7

225

mit den Ergebnissen der Analysen reprasentativer Datenquellen. So ergab die Umfrage des Wohlfahrtssurvey von 2001, dass mit Blick auf den individuellen Umgang mit Normen Selbststandige und Freibemfler die Aussage: „Um es heute zu etwas zu bringen, muss man Dinge tun, die nicht korrekt sind" mit 34 Prozent an Zustimmungen sehr viel haufiger bejahten als einfache (28%), mitdere (25%) oder hohere Angestellte (17%) (vgl. Statistisches Bundesamt 2003b: 440). Analysen der Befragungsdaten aus der Allgemeinen Bevolkerungsumfrage fiir Deutschland (Allbus) seit Beginn der 90er Jahre ergaben im Weiteren, dass Selbststandige und Freiberufler, verglichen mit den anderen beruflichen Stellungsgruppen der Angestellten und Beamten, die relativ skeptischste Haltung zum Sozialstaat aufweisen. Die Zustimmung zu sozial- und wohlfahrtsstaatlichen MaBnahmen in dieser Erwerbsgruppe ist dabei seit Beginn der 90er Jahre rucklaufig (vgl. Statisdsches Bundesamt 2003b: 612). Hiermit einher geht innerhalb dieses Zeitraums ein zunehmend haufigeres Eintreten fiir die Kiirzung sozialstaatlicher Ausgaben in dieser Erwerbsgruppe (vgl. ebd.: 613f.). Einschrankend bleibt an dieser Stelle jedoch anzumerken, dass im Rahmen der vorliegenden Untersuchung auf Grund der vergleichsweise geringen Fallzahl keine Subdifferenzierung der Selbststandigen und Freiberufler in verschiedene Gewerbe und BetriebsgroBen vorgenommen werden konnte. Es lasst sich entsprechend an dieser Stelle nicht ausschlieBen, dass die dokumentierten Befunde zum Zusammenhang zwischen beruflicher Selbststandigkeit und dem Orientierungsmuster der radikalen Marktaktivisten gegebenenfalls auf die Uberreprasentation einzelner Gewerbe resp. BetriebsgroBen in der Befragtengruppe der Freiberufler und Selbststandigen zuriickzufiihren sind. Tabelle 6.7.1.2.1.6: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf den Erwerbsstatus als Selbststandiger oder Freiberufler, unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^)

Normorientierte Marktaktivisten b5

Radikale Marktaktivisten

ms

Berufliche Bildung^

ms

b5

Berufliche Stellung Selbststandige, ^ ^^ ^^ 1,29* 1,34-1 Freiberufler Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht2 1,18 1,55-1 1,15 1,01-1 Alter 2,20-1*"

Marktdistanzierte Konventionalisten mS bs

Desinteressierte

Nonkonforme Kommunitaristen

bs

m5

bs

mS

1,25

l,01t

1,11-1

1,08-1

1,04-1

1,15

1,11

1,59-1** 1,06

1,40* 1,44**

1,24-it

1,20-1

-

1,05 1,15

1,07

-

-

1,16-1

-

<0,001

0,015

0,052

0,960

0,007

0,579

0,367

0,298

0,708

0,131

0,053

0,050

0,000

0,061

0,001

0,019

0,005

0,011

333

351

333

351

333

351

333

351

333

1,26

1,09

1,02

Modellanpassung p (OmnibusTest)4 Nagelkerkes _n

^ ^^^ 351

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. Anmerkungen 1-5 s. Tab. 6.7.1.2.1.5. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

226

6. Ergebnisse

6.7.1.2.2 Bemfliche Stellungsgruppen innerhalb der Erwerbsgruppe der Arbeiter Analog zur Erwerbsgruppe der Angestellten wurden auch in der Gruppierung der Arbeiter drei bemfliche Stellungsgruppen unterschieden: die einfachen Arbeiter, die Gruppe der Gelernten und Facharbeiter sowie die Gruppe der Arbeiter mit Leitungsbzw. Fiihrungsaufgaben. Wir gingen auch in diesem Zusammenhang davon aus, dass das Entscheidungshandeln der befragten Arbeiter um so starker in Arbeitsmarktzusammenhange eingebunden ist, je hoher ihre bemfliche Stellung innerhalb der Erwerbsgruppe ist. Abbildung 6.7.1.2.2.1: Nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientierungen in der Erwerbsgruppe der Arbeiterschaft (n=86), differenziert nach beruflicher Stellung*

•Nomozentrismus DOkonomismus •Kommunitarismus

|>VZI

Ungelernte / angelernte Arbeiter (n=17-21)

»q Gelernte und Facharbeiter (n=50)

Meister, Vorarbeite Poliere (n=15)

* Die horizontale Nulllinie des Diagramms indiziert die durchschnitdiche Prasenz der unterschiedenen normbezogenen Orientierungen in der Untersuchungsstichprobe insgesamt (n=372 bis 386). Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Balken von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnitdiche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittiiche Auspragung der entsprechenden Orientierungsdimension in der jeweiligen Erwerbsgruppe an. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Betrachtet man die mitderen Orientierungsprofile in den berufUchen Stellungsgruppen der Arbeiter (vgl. Abb. 6.7.1.2.2.1), so lasst sich - gemessen an dem Sortiment der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster - bei keiner Gruppierung ein eindeutiges Strukturmuster der normbezogenen Orientierung erkennen. Ungeachtet dessen ist sichtbar, dass die kommunitar-gemeinschaftlichen und tendenziell auch die okonomischen Orientierungen durchgehend bei alien beruflichen Stellungsgruppen un-

6.7 Forschungsfrage 7

227

terdurchschnittlich ausgepragt sind.^^^ Dariiber hinaus legt die Darstellung die Annahme nahe, dass die graduelle Auspragung nomozentrischer und kommunitaristischer Orientierungen innerhalb der Arbeiterschaft mit dem Ansteigen der bemflichen Stellung zuriickgeht. Sucht man nach Ahnlichkeiten zwischen den Orientierungsprofilen in dieser Erwerbsgruppe und den clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmustern, so lasst sich am ehesten eine partielle Ahnlichkeit zum Orientiemngstyp der Desinteressierten erkennen. Es hat den Anschein, als ob die Arbeiter — analog zu den Desinteressierten - dazu tendieren, gegeniiber den Imperativen der gesellschaftlichen Ordnungssysteme Recht, Markt und Gemeinschaft auf Distanz zu gehen. Interessanterweise pragt sich diese Tendenz mit ansteigendem beruflichem Status der Arbeiter zunehmend deutlicher aus. Diese Annahme erhalt weitere Unterstiitzung, wenn man den relativen Anteil der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster in den verschiedenen beruflichen Statusgruppen der Arbeiterschaft betrachtet (vgl. Tab. 6.7.1.2.2.1 und Abb. 6.7.1.2.2.2)."6

Tabelle 6.7.1.2.2.1: Anteil der Clustertypen normbezogener Orientierungsmuster in der Erwerbsgruppe der Arbeiterschaft, differenziert nach beruflicher Stellung (Angaben in Vo) Normorientierte Marktaktivisten Berufliche Statusgruppen Un~, angelernte Arbeiter (n=17) Facharbeiter (n=50) Arbeiter mit Leitungsfunktion (i^-^5) Gesamtstichprobe (n=367) Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Radikale Marktaktivisten

23,5 16,0

5,9 16,0

13,3

20,0

23,4

13,9

Marktdistanzierte Konventionalisten

Desinteres-

Nonkonforme Kommunitaristen

29,4 28,0

11,8 20,0

13,3

40,0

13,3

23,4

23,7

15,5

29,4 20,0

So steigt der Anteil der radikalen Marktaktivisten in den beruflichen Stellungsgruppen der Arbeiterschaft mit zunehmendem Statusniveau deutlich an. Parallel hierzu geht der relative Anteil insbesondere der normorienderten Marktaktivisten, aber auch der marktdistanzierten Konventionalisten mit Ansteigen der beruflichen Stellung zuriick. Auffallig, aber nichtsdestotrotz erwartungsgemaB, ist schlieBlich der Befund, dass der Anteil der Desinteressierten - verglichen mit ihrem Anteil in der Untersuchungsstichprobe insgesamt - in alien Statusgruppen der Arbeiterschaft iiberdurchschnittlich ausfallt. Am starksten konzentriert sich dieser Typus dabei interessanterweise, und zwar

115 Wenngleich iiber das Diagramm nicht ohne Weiteres ersichtlich, hat auch in der Gruppierung der Gelernten und Facharbeiter das AusmaB der okonomischen Orientierungen im Mittel ein negatives Vorzeichen. 116 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Abb. 6.7.1.2.2.2 wiederum um eine transformierte Darstellung der in Tab. 6.7.1.2.2.1 aufgefiihrten Anteilswerte fiir die relative Prasenz der clustert\pischen Orienrierungsmuster in den beruflichen Stellungsgruppen der Arbeiter handelt. Die Wertetransformation erfolgte dabei analog zu dem fiir Abb. 6.7.1.1.2 dargestellten Vorgehen (vgl. S. 213ff.).

228

6. Ergebnisse

noch vor den radikalen Marktaktivisten, in der Statusgruppe der Arbeiter mit Leitungsfunktion. Diese zunachst rein nach Augenschein auffallenden Prasenzunterschiede der normbezogenen Orientiemngstypen in den verschiedenen Erwerbsgruppen werden allerdings durch die Ergebnisse bivariater Analysen (vgl. Tab. 6.7.1.2.2.2 bis 6.7.1.2.2.4) nicht als statistisch signifikant bestatigt. Bin Grund hierfiir ist in diesem Zusammenhang aber mit Sicherheit auch die relativ geringe Fallzahl der Personen, die als befragte Arbeiter in die entsprechenden Analysen eingehen. Beriicksichtigt werden soil an dieser Stelle deshalb neben der statistischen Irrtumswahrscheinlichkeit p ebenfalls das Chi^-basierte AssoziationsmaB Cramer's V, dessen Wert fallzahlunabhangig interpretierbar ist^^^ Abbildung 6.7.1.2.2.2: Relative Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientiemngsmuster in den Erwerbsgruppen der Arbeiterschaft (n=82)*

0,5 - normorientierte Marktaktivisten 0,4 0,3

- radikale Marktaktivisten - marktdistanzierte Konventionalisten -Desinteressierte

0,2

- nonkonforme Kommunitaristen

0,1 0 -0,1

Ungelernte / angelernte Arbeiter (n=17)

Gelernte und Facharbeiter (n=50)

Vorarbeiter / Meister / Polier (n=15)

* Die horizontale Nulllinie des Diagramms indiziert die durchschnitdiche Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe insgesamt (n=367). Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Punkte von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittliche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittliche Prasenz der Orientiemngstypen in der jeweiligen Erwerbsgruppe. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

117 Als MaB der bivariaten Assoziation kann Cramer's V zwischen 0 und 1 variieren, wobei der Wert 1 das Vorliegen eines perfekten Zusammenhangs und der Wert 0 eine perfekte Zufallsverteilung zwischen den UntersuchungsgroBen indiziert. Nach einer Faustregel gilt im Weiteren, dass ab Cramer's V-Werten von 0,1 von einem statistischen Zusammenhang zweier Variablen gesprochen werden kann (vgl. AndreB 2001: 61), und zwar unabhangig von der ausgewiesenen Irrtumswahrscheinlichkeit fiir den Zusammenhang. Dieser Kegel folgend soil fur Zwecke der weiteren Interpretation gelten, dass ein Cramer's VWert von groBer bzw. gleich 0,1 das Vorliegen eines substantiell signifikanten Zusammenhangs zwischen den betrachteten UntersuchungsgroBen andeutet.

229

6.7 Forschungsfrage 7

Betrachtet man die Hohe der Cramer's-V-Werte fiir den Zusammenhang zwischen der beruflichen Stellung in der Erwerbsgruppe der Arbeiter und der Auspragung der clustertypischen normbezogenen Orientierungsmuster, so treten zwei Untersuchungsbefunde als stadstisch bedeutsam in Erscheinung. Dies gilt zum einen fiir die verminderte Prasenz der Radikalen Marktaktivisten in der Gruppierung der ungelernten und angelernten Arbeiter und zum anderen fiir die erhohte Prasenz der marktdistanzierten Konventionalisten in derselben Statusgruppe (vgl. Tab. 6.7.1.2.2.2). Die gegebene Prasenz eines Orientierungstyps in der entsprechenden Statusgruppe wurde dabei relativ zu ihrem Anteil unter den insgesamt befragten Arbeitern betrachtet. Tabelle 6.7.1.2.2.2: Clustertypische Muster normbezogener Orientierungen in der Gruppierung der ungelernten und angelernten Arbeiter und in der Erwerbsgruppe der Arbeiter insgesamt (Angaben in %) Normorientierte Marktaktivisten

Radikale Marktaktivisten

Marktdistanzierte Konventionalisten

Desinteres sierte

Nonkonforme Kommunitaristen

Berufliche Stellung Un-, angelernte Arbeiter 5,9 29,4 23,5 29,4 11,8 Arbeiter, insgesamt 20,7 17,1 17,1 14,6 30,5 Modellanpassung p (Chi^)i 0,427 0,252 0,321 0,914 0,514 Cramer's V 0,127 0,012 0,072 0,088 0,110 82 82 n 82 82 82 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle 1 lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Tabelle 6.7.1.2.2.3: Clustertypische Muster normbezogener Orienderungen in der Gruppierung der Facharbeiter und in der Erwerbsgruppe der Arbeiter insgesamt (Angaben in %) Normorientierte Marktaktivisten Berufliche Stellung Gelernte, Facharbeiter Arbeiter, insgesamt Modellanpassung

16,0 17,1

Radikale Marktaktivisten 16,0 14,6

Marktdistanzierte Konventionalisten 20,0 20,7

Desinteres sierte

28,0 30,5

Nonkonforme Kommunitaristen 20,0 17,1

0,747 0,662 0,838 0,541 0,379 0,023 0,097 0,048 0,036 0,068 Cramer's V 82 82 82 82 82 n 1 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

p(ChP)'

Wie binar-logistische Regressionsanalysen zeigen (vgl. Tab. 6.7.1.2.2.5), bleibt die Starke des Zusammenhangs zwischen der beruflichen Stellung als ungelernter oder angelernter Arbeiter und der Auspragung eines bestimmten normbezogenen Orientierungsmusters im multivariaten Betrachtungszusammenhang nur im Falle der marktdistanzierten

230

6. Ergebnisse

Konventionalisten konstant. Die verminderte Prasenz der radikalen Marktaktivisten in der Statusgruppe der ungelernten und angelernten Arbeiter ist hingegen verstarkt auf Geschlechtseinfliisse zuriickzufiihren. So ist das Orientierungscluster der Radikalen Marktaktivisten stark mannlich dominiert (70,6 Prozent Manner in der Clusterpopulation vs. 53,4 Prozent in der Untersuchungsstichprobe); in der Statusgruppe der ungelernten und angelernten Arbeiter findet sich demgegeniiber, relativ zu ihrem Anteil von 13,5 Prozent in der Arbeiterschaft insgesamt, eine Uberreprasentation weiblicher Befragter (29,2 Prozent). Tabelle 6.7.1,2,2.4: Clustertypische Muster normbezogener Orientierungen in der Gruppierung der Arbeiter mit Leitungsfunktion und in der Erwerbsgruppe der Arbeiter insgesamt (Angaben in %) Normorientierte Marktaktivisten

Radikale Marktaktivisten

Marktdistanzierte Konventionalisten

Desinteres sierte

Nonkonforme Kommunitaristen

Berufliche Stellung Arbeiter mit 40,0 13,3 Leitungs funktion 13,3 20,0 13,3 17,1 20,7 30,5 17,1 14,6 Arbeiter, insgesamt Modellanpassung p (Chi^) 1 0,515 0,434 0,376 0,670 0,670 0,072 0,047 0,098 Cramer's V 0,047 0,086 n 82 82 82 82 82 1 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelie lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002, Tabelle 6.7.1,2,2.5: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf die berufliche Stellung als ungelernter oder angelernter Arbeiter unter zusatzlicher Beriicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Radikale Marktaktivisten bivariat multivariat

Marktdistanzierte Konventionalisten bivariat multivariat

Berufliche Stellung Ungelernte / angelernte Arbeiter 1,31-1 1,62-1 1,28 1,29 Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 12,98-1 1,19 Alter 1,13-1 1,20 Berufliche Bildung^ 1,52-1 1,12-1 Modellanpassung p (ANOVA)4 0,211 0,268 0,337 0,562 korrigiertes R^ 0,033 0,111 0,057 0,018 n 82 79 82 79 t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001, 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl, Fn, 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl, Beispiel: l,81-i=i/i,8i=0,55, 2 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss, 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser SteUe lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.7 Forschungsfrage 7

231

Bilanziert man an dieser Stelle die Ergebnisse der Analysen zum Zusammenhang zwischen der beruflichen Stellung und den normbezogenen Orientiemngsmustern der befragten Arbeiter, so lasst sich festhalten, dass sich zwar fur die weniger markteingebundenen Befragten in dieser Erwerbsgruppe erwartungsgemaB ein gehauftes Auftreten konventionalistischer Orientderungsmuster aufzeigen lasst und im Weiteren mit Zunahme der Markteinbindung der Anteil radikal marktorientierter Akteure ansteigt. Gleichwohl bleibt der letztgenannte Befund unterhalb der Schwelle statistischer Bedeutsamkeit. Insgesamt hat es den Anschein, als ob die befragten Arbeiter losgelost von ihrer beruflichen Stellung resp. dem Grad ihrer Markteinbindung iibergreifend dazu tendieren, gegeniiber den Imperativen der gesellschaftlichen Ordnungssysteme Recht, Markt und Gemeinschaft auf Distanz zu gehen. 6.7.1.3 Offentlicher Dienst Bei den Analysen zum Zusammenhang zwischen dem Beschaftigungssektor und den normbezogenen Orientierungsmustern der Befragten wurde zwischen dem Beschaftigungssektor des offentlichen Dienstes und dem privatwirtschaftlichen Sektor unterschieden. Wir haben in diesem Zusammenhang unterstellt, dass das Entscheidungshandeln von Akteuren im Kontext des offentlichen Dienstes und im privatwirtschaftlichen Beschaftigungssektor durch unterschiedliche Entscheidungsprogramme gepragt ist. In Anlehnung an organisationssoziologische Uberlegungen Niklas Luhmanns lassen sich diese in kontrastiver Entgegensetzung iiber das Konzept der Konditional- bzw. Zweckprogramme charakterisieren (vgl. Luhmann 2000: 256ff., 261 f, 263ff, 265ff.). Konditionalprogramme (oder auch Routineprogramme, vgl. ders. 1971: 113ff.) haben nach Luhmann das Format von „Wenn-Dann-Relationen" (vgl. ders. 2000: 263f.). Sie sind darauf hin angelegt, dass ein bestimmtes Verhalten dann und nur dann zum Einsatz kommt resp. gezeigt wird, wenn eine vorab defmierte Bedingung als gegeben in Erscheinung tritt. Beispiel (vgl. ebd.): Das Recht auf Schadensersatz besteht u.a. versicherungsrechtlich dann und nur dann, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden an einem Gegenstand nicht absichdich herbeigefiihrt hat. Liegt diese Bedingung nicht vor, so ist es entsprechend verboten, das im „Dann-Satz" spezifizierte Verhalten — bezogen auf den Beispielfall: die Schadensersatzleistung — zur Anwendung zu bringen. Zweckprogramme richten das Entscheidungshandeln von Akteuren demgegeniiber an einer iibergreifenden Zweck-Mittel-Rationalitat aus (ebd.: 261 ff.). Das Entscheidungshandeln ist darauf geeicht, vorgegebene Zwecke unter Einsatz effizienter Mittel moglichst kostengiinstig zu erwirken. Stehen mehrere Mittel zur Wahl, so wird auf das Mittel zuriickgegriffen, das eine Realisierung des vorgegebenen Zwecks am kostengiinsdgsten erlaubt. Entsprechend lasst sich das Prinzip der Zweckprogrammierung naherungsweise auch als Implementation eines Kosten-Nutzen-Kalkiils in die Situationsdefmition begreifen. Auf der Ebene des alltaglichen Entscheidungshandelns sind die spezifischen Rationalitaten von Konditional- und Zweckprogrammen fiir gewohnlich miteinander verzahnt und greifen auf dem Wege der Entscheidungsfmdung ineinander (ebd.: 262,

232

6. Ergebnisse

274). So werden Akteure durch die Rationalitat von Zweckprogrammen darauf geeicht, ihr Handeln mit Blick auf angestrebte Zwecke unter Effizienzgesichtspunkten 2u planen und zu durchdenken. Konditionalprogramme legen demgegeniiber dem Einzelnen nahe, sich im Zuge der Zweckrealisierung auf solche Mittel zu beschranken, die nach MaBgabe normativer Vorgaben in der entsprechenden Situation als legitim zugelassen sind. Je starker das Konditionalprogramm iiber das Zweckprogramm dominiert, desto starker werden Gesichtspunkte der rechtlichen Legitimitat und Legalitat bei der Mittelwahl auf Kosten von Effizienzgesichtspunkten hervorgehoben. Je starker demgegeniiber die Dominanz einer Zweck-Mittel-Rationalitat, desto eher werden Fragen der Legitimitat und Legalitat des Handelns zu Gunsten von Effizienzgesichtspunkten der Mittelwahl vernachlassigt. Abbildung 6.7.1.3.1: Mittlere nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen bei Angehorigen des offendichen Beschaftigungssektors (n [Untersuchungsstichprobe]=346 bis 357)*

0,2 •

•Nomozentrismus 0,1 •

0 •

^

i

nOkonomismus

1

HKommunitarismus

•••ri

r-

1

I

-0,1 N

-0,2 •

-0,3 •

-0,4 Offentlicher Sektor (n=35)

Privatwirtschaftlicher Sektor (n=311-322)

* Die horizontale Nulllinie des Diagramms indiziert die durchschnitdiche Prasenz der unterschiedenen normbezogenen Orientierungen in der Untersuchungsstichprobe insgesamt (n=372 bis 386). Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Balken von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittiiche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittiiche Auspragung der entsprechenden Orientierungsdimension in dem jeweiligen Beschaftigungssektor an. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Ausgangspunkt unserer Analysen zum Zusammenhang zwischen dem Beschaftigungssektor der Befragten einerseits und ihren normbezogenen Orientierungsmustern andererseits war die Hypothese, dass okonomische Orientierungen bei Beschaftigten des Offentlichen Dienstes graduell weniger ausgepragt sind als bei Beschaftigten aus dem privatwirtschaftlichen Sektor. Dem lag die Uberlegung zu Grunde, dass sich das berufliche Entscheidungshandeln im offentlichen Beschaftigungssektor starker an nor-

6.7 Forschungsfrage 7

233

mativ strukturierten Konditionalprogrammen als an okonomischen Zweckprogrammen orientiert und entsprechend durch eine Zweck-Mittel-Rationalitat gepragte Handlungsorientierungen bei dieser Klientel weniger ausgepragt sind als bei privatwirtschafdich Beschaftigten. Fiir die privatwirtschaftlich Beschaftigten wurde im Gegenzug angenommen, dass sie sich in ihren Entscheidungen starker als die offentlich Bediensteten durch die auf Effizienz und Optimierung der Mittelallokation angelegten Zweckprogramme des Wirtschaftshandelns steuern lassen und entsprechend starker okonomisch als rechtlich-normativ orientiert sind. Ubertragen auf die herausgearbeitete Typologie normbezogener Orientierungsmuster ware entsprechend anzunehmen, dass die Orientierungstypen mit einem starkeren commitment an okonomische Orientierungen wie die radikalen, aber auch die normorientierten Marktaktivisten unter den Beschaftigten des Offentlichen Dienstes, verglichen mit der Untersuchungsstichprobe insgesamt, eher unterreprasentiert sind. Andererseits wurde unterstellt, dass Orientierungst}^pen mit einem vergleichsweise gering ausgepragten commitment an okonomische Erfolgsziele bei gleichzeitig hoherer nomozentrischer Orientierung - wie etwa die marktdistanzierten Konventionalisten, aber auch die Desinteressierten - im Beschaftigungssektor des offentlichen Dienstes iiberreprasentiert sind. Ein deskriptiver Vergleich der mitderen Orientierungsprofile zwischen den Beschaftigten des offentlichen und des privatwirtschaftlichen Sektors scheint diese Uberlegungen aufs erste zu bestatigen. So zeigen die offentlich Bediensteten in unserer Untersuchungsstichprobe ein unterdurchschnittliches commitment an okonomische Erfolgsziele und parallel hierzu eine starkere Orientierung an formell-rechtlichen, aber auch an informell-gemeinschaftlichen Normbestanden. Das mittlere Orientierungsprofil dieser Gruppierung weist entsprechend eine hohe Ahnlichkeit zu dem Orientierungsmuster der marktdistanzierten Konventionalisten auf. Die Beschaftigten des privatwirtschaftlichen Sektors lassen sich hingegen auf der Ebene ihres mittleren Orientierungsprofils im kontrastiven Vergleich nur schwer einem bestimmten Orientierungsmuster zuordnen. Auffallig ist lediglich die tendenziell gegenlaufige Auspragung des mittieren okonomischen commitments in beiden Erwerbstatigengruppen. Nimmt man im Weiteren den relativen Anteil der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster im offentlichen und privatwirtschaftlichen Beschaftigungssektor in den BUck (vgl. Tab. 6.7.1.3.1 und Abb. 6.7.1.3.2)^^8, so scheinen sich diese Uberlegungen aufs erste zu bestatigen. Die entsprechenden Analysen zeigen, dass - verglichen mit ihrem Anteil in der Untersuchungsstichprobe insgesamt - die Orientierungstypen der normorientierten und radikalen Marktaktivisten unter den offentlich Bediensteten unterreprasentiert sind. Demgegeniiber weisen die marktdistanzierten Konventionalisten und tendenziell auch die nonkonformen Kommunitaristen umgekehrt eine erhohte Prasenz im offentlichen 118 Anzumerken ist, dass es sich bei Abb. 6.7.1.3.2 wiedemm um eine transformierte Darstellung der in Tab. 6.7.1.3.1 aufgefiahrten Anteilswerte fiir die relative Prasenz der clustert)^ischen Orienderungsmuster im Beschaftigungssektor des Offentlichen Dienstes handelt. Die Wertetransformation erfolgte dabei analog zu dem fiir Abb. 6.7.1.1.2 dargestellten Vorgehen (vgl. Abschnitt 6.7.1.1).

234

6. Ergebnisse

Beschaftigungssektor auf. Der gegenlaufige Zusammenhang von gradueller Marktorientiemng einerseits und dem Beschaftigungssektor von Akteuren andererseits scheint sich auch auf der Ebene der Prasenz der normbezogenen Orientierungstypen unter den offentiich und privatwirtschaftiich Beschaftigten auf einer rein deskriptivanalytischen Ebene zu bestatigen. Tabelle 6.7.1.3.1: Anteil der Clustertypen normbezogener Orienderungsmuster im offentlichen Dienst und im privatwirtschaftlichen Beschaftigungssektor (Angaben in %)* Normorientierte Marktaktivisten

Radikale Marktaktivisten

Marktdistanzierte Konventionalisten

Desinteressierte

Nonkonforme Kommunitaristen

Beschaftigungssektor Offentlicher Dienst 11,4 31,4 25,7 20,0 11,4 (n=35) 14,7 (n=307) Privatwirtschaft 22,5 23,8 14,3 24,8 13,9 23,4 23,7 15,5 23,4 Gesamtstichprobe (n=367) * Auf die Frage, ob der Betrieb, in dem sie aktuell arbeiten resp. zuletzt gearbeitet haben, dem offentlichen Dienst angehorte, machten aus dem Befragtenpool mit giiltigen Clusterzuordnungen nur 342 Personen gultige Angaben. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung 6.7.1.3.2: Relative Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster im offentlichen Dienst und im privatwirtschaftlichen Beschaftigungssektor (Offentlicher Dienst: n=35; Privatwirtschaftlicher Sektor: n=307)*

Normorientierte Marktaktivisten

1i "0,281

Radikale Marktaktivisten Marktdistanzierte Konventionalisten

Desinteressierte Nonkonforme Kommunitaristen -0,3

* Die vertikale NulHinie des Diagramms indiziert die durchschnittliche Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe insgesamt (n=367). Positive Abweichungen von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittliche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittliche Prasenz der Orientierungstypen im Beschaftigungssektor des offentlichen Dienstes an. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.7 Forschungsfrage 7

235

Einschrankend ist in diesem Zusammenhang allerdings zu erwahnen, dass bivariate Zusammenhangsanalysen - durchgefiihrt in Form einer binar-logistischen Regression - lediglich fiir die verminderte Konzentration von normorientierten Marktaktivisten im offendichen Beschaftigungssektor eine statisdsch signifikante Tendenz ausweisen (vgL Tab. 6.7.1.3.2). Zwar zeigen multivariate Regressionsanalysen im Weiteren, dass der Zusammenhang der UntersuchungsgroBen auch unter Kontrolle sowohl der Erwerbsgruppenzugehorigkeit als auch soziodemografischer Merkmalsunterschiede zwischen den Befragten statistisch bedeutsam bleibt (vgl. ebd.). Allerdings werden die in Abbildung 6.7.1.3.2 dokumentierten Prasenzunterschiede der anderen Orientierungstypen zwischen den Erwerbsbereichen des OffentUchen Dienstes und des privatwirtschaftlichen Sektors sowohl im Rahmen der bivariaten als auch der multivariaten Analysen nicht als statistisch bedeutsam ausgewiesen. Tabelle 6.7.1.3.2: Binar logistische Regression der Zugehorigkeit zu den unterschiedenen Clustertypen normbezogener Orientierung auf den Beschaftigungssektor, unter zusatzlicher Benicksichtigung der Erwerbsgruppenzugehorigkeit sowie soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Normorientierte Marktaktivisten b^

Radikale Marktaktivisten

Marktdistanzierte Konventionalisten b6 m^

Desinteressierte

Nonkonforme Kommunitaristen m^ b6

b6

m^

1,09

1,03

1,01

1,13

1,25

-

1,43-it

-

1,15

-

1,63*

-

l,37t

-

1,26 1,02

-

1,19 1,22

0,017

0,801

0,661

0,390

0,079

0,082

0,000 342

0,021

0,004 342

0,070 241

m''

b-^

m^

!,49-it

1,09-1

1,01

1,15

1,46-It

-

1,32

-

1,44-It

<0,001

0,596

0,287

0,250

0,190 241

0,001 342

0,046 241

0,006 342

Beschaftigungssektor Offentlicher Dienst Erwerbsgruppen2ugeh6rigkeit2

Soziodemografische Kontrollfaktoren 1,00 Geschlecht"* 1,34-1Alter Berufliche 1,37 Bildung^ Modellanpassung p (OmnibusTest)-^ Nagelkerkes R^ n

0,016 342

1,11 1,31 1

1,501,29

241

1,27

241

1,14

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81-i=yi,8i=0,55. 2 Erwerbsgruppenzugehorigkeit: l=Auszubildende, 2=einfache Angestellte, 3=mitdere Angestellte, 4=h6here Angestellte, 5=Selbststandige. 3 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 4 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 5 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen dcskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schlusse nicht geeignet. 6 b=bivariat; m=muldvariat. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

236

6. Ergebnisse

Als Fazit der empirischen Analysen lasst sich entsprechend festhalten, dass sich die Annahme eines Zusammenhangs zwischen dem Beschaftigungssektor und den Orientierungsmustern von Akteuren auf Grundlage der vorliegenden Untersuchungsdaten zwar deskriptiv nachzeichnen, jedoch nicht substanziell stiitzen lasst.

6.7.2 ^inhindung in Vinan^mdrkte In Betrachtung der Inklusion des Entscheidungshandelns der Befragten in finanzmarktspezifische Strukturen richtete sich die Aufmerksamkeit der im Folgenden dokumentierten Analysen u.a. darauf, wie weit Akteure, die durch Geld- und Vermogensanlagen, aber auch durch die Nutzung von Kreditkarten in Finanzmarkte eingebunden sind, sich durch ein markttypisches Profil der normbezogenen Orientierung auszeichnen. In Frage stand dabei wiederum, wie weit die normbezogenen Orientierungsmuster von Akteuren in Abhangigkeit von ihrer Markteinbindung variieren. 6.7.2.1 Anteil an Aktien- und Fondsanlagen am Vermogen Als Indikator der finanzmarktspezifischen Einbindung wurde u.a. betrachtet, wie hoch der Anteil des Geldvermogens der Befragten ist, den diese in der Form von Aktienund Fondsbeteiligungen angelegt haben. Es wurde in diesem Zusammenhang unterstellt, dass das Entscheidungshandeln von Akteuren um so starker in Finanzmarktstrukturen eingebunden ist, je hoher der Anteil des Geldvermogens ist, den sie in Form von Aktien- und Fondsbeteiligungen angelegt haben. Im Anschluss an diese Uberlegungen wurde untersucht, wie weit die normbezogenen Orientierungsmuster der Befragten in Abhangigkeit von der Hohe des Anteils ihrer Aktien- und Fondsbeteiligungen am Geldvermogen variieren. Bezugspunkt der Analysen war dabei die Hypothese, dass mit Zunahme des aktiengebundenen Vermogens in den entsprechenden Referenzgruppen ein marktaktiver Orientierungstypus dominiert. Anzumerken bleibt, dass die Frage nach dem prozenmalen Anteil von Aktien- und Fondsanteilen an ihrem Geldvermogen nur von 261 Personen der Untersuchungsstichprobe valide beantwortet wurde. Befragte, die angaben, keinen Anteil ihres Geldvermogens in Aktien- und Fondsanteilen angelegt zu haben, wurden mit der Angabe „0 Prozent" als giiltige FaUe in die dokumentierten Analysen einbezogen. Befragte ohne Geldvermogen resp. mit ungiiltigen Angaben auf die entsprechende Frage wurden aus den vorliegenden Analysen ausgeschlossen.

237

6.7 Forschungsffage 7 Abbildung 6.7.2.1.1: Mittlere nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen in Abhangigkeit vom prozentualen Anteil von Akden- und Fondsanlagen am Geldvermogen (n [Untersuchungsstichprobe]=265 bis 269)*

0,8 B Nomozentrismus DOkonomismus • Kommunitarismus

I 0,2 JZZL

0 Prozent (n=82-84)

™

mj

bis 30 Prozent (n=108-109)

tp

P 11 30 bis 60 Prozent (n=43-45)

60 bis 90 Prozent (n=22)

iiber 90 Prozent (n=9)

* Die horizontale NuDlinie des Diagramms indiziert die durchschnittliche Priisenz der unterschiedenen normbezogenen Orientierungen in der Untersuchungsstichprobe insgesamt. Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Balken von dieser NullUnie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittiiche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittiiche Auspragung der entsprechenden Orientierungsdimension in der jeweiUgen Merkmalsgruppe an. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Tabelle 6.7.2.1.1: Anteil der Clustertypen normbezogener Orientierungsmuster in Abhangigkeit vom prozentualen Anteil von Aktien- und Fondsanlagen am Geldvermogen (gruppierte Daten, Angaben in %) Normofientierte Marktaktivisten Anteil aktien- und fondsbasierter Vermogensanlagen (n=81) 0 Prozent (n=107) 10 bis 30 Prozent (n=42) 30 bis 60 Prozent (n=22) 60 bis 90 Prozent (n-9) 90 bis 100 Prozent (n=367) Gesamtstichprobe Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

19,8 22,4 23,8 40,9 55,6 23,4

Radikale Marktaktivisten

11,1 14,0 14,3 22,7 33,3 13,9

Marktdistanzierte Konventionalisten

28,4 29,0 14,3 4,5 0,0 23,4

Desinteres-

23,5 22,4 26,2 18,2 0,0 23,7

Nonkonforme Kommunitaristen

17,3 12,1 21,4 13,6 11,1 15,5

238

6. Ergebnisse

Ein Vergleich der mittleren Orientierungsprofile der Befragten in Abhangigkeit vom prozentualen Anteil ihrer aktien- und fondsgebundenen Vermogensanlagen zeigt deudich, dass mit Zunahme der entsprechenden Vermogensanteile das commitment an okonomische Erfolgs2iele deudich ansteigt. Parallel hierzu geht die Bindung an den Geltungsanspruch rechtlicher Normen mit zunehmendem Aktienbesitz sukzessive zuriick. Dabei hat es den Anschein, als ob in Gruppierungen mit einem aktiengebundenen Vermogensanteil von mehr als 30 Prozent das Orientierungsmuster des radikalen Marktaktivisten iibergreifend dominiert. Dieser Eindruck bestatigt sich in Betrachtung der relativen Prasenz der unterschiedenen Orientierungstypen in Gruppierungen mit unterschiedlich hohen akden- und fondsgebundenen Vermogensanteilen (vgl. Tab. 6.7.2.1.1 und Abb. 6.7.2.1.2).^^^ Abbildung 6.7.2.1.2: Relative Pmsen2 der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in Gruppierungen mit variierenden Anteilen von Aktien- und Fondsanlagen am Geldvermogen (n=261)*

60 bis 90 Prozent (n = 22)

90 bis 100 Prozent (n = 9)

* Die horizontale Nulllinie des Diagramms indiziert die durchschnittliche Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe insgesamt (n=367). Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Punkte von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittliche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittHche Prasenz der Orientierungstypen in der jeweiligen Gruppe an.

119 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Abb. 6.7.2.1.2 wiederum um eine transformierte Darstellung der in Tab. 6.7.2.1.1 aufgefiihrten Anteilswerte fiir die relative Prasenz der clustertypischen Orientierungsmuster in den Gruppierungen mit variierenden aktien- und fondsgebundenen Vermogensanteilen handelt. Die Wertetransformation erfolgte dabei analog zu dem fiir Abb. 6.7.1.1.2 dargestellten Vorgehen (vgl. Abschnitt 6.7.1.1, S. 213ff.).

6.7 Forschungsfrage 7

239

So wird hier sichtbar, dass der relative Anteil der normorientierten und radikalen Marktaktivisten mit Ansteigen der aktien- und fondsgebundenen Vermogensanteile insbesondere ab einem Schwellenwert von 60 Prozent und mehr - sukzessive zunimmt. Quasi gegenlaufig hierzu nimmt erwartungsgemaB der Anteil der marktdistanzierten Konventionalisten mit steigendem Aktienvermogen sukzessive ab. Gleiches gilt in den hoheren Vermogenslagen tendenziell ebenfalls fiir den Orientierungstypus der Desinteressierten. Dies stiitzt die eingangs formulierte These, dass die Auspragung marktakdver Orientierungsmuster mit zunehmender Einbindung in Finanzmarktzusammenhange zunimmt. Gleichwohl zeigen die Analysebefunde an dieser Stelle ebenfalls, dass die Einbindung in Finanzmarkte durch aktien- und fondsgebundene Vermogensanlagen nicht ausschlieBlich das Orientierungsmuster eines radikalen Marktaktivisten befordert. Tabelle 6.7.2.1.2: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf den prozentualen Anteil an aktien- und fondsgebundenen Vermogensanlagen unter zusatzlicher Berucl<:sichtigung soziodemografischer KontroUfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^)

Normofientierte Marktaktivisten bs

ms

Radikale Marktaktivisten bs

m5

Marktdistanzierte Konventionalisten m5 b5

Desinteressierte

Nonkonforme Kommunitaristen

bs

ms

bs

ms

Finanzmarkteinbindung Anteil an aktienund fondsl,36t 1,66" gebundenen 1,38"" Vermogensanlagen (in %) Soziodemografische KontroUfaktoren 1,09 GeschlechtAlter 2,43-'"* Berufliche 1,23 Bildung^ Modellanpassung p (OmnibusTest)4 Nagelkerkes R2 n

^^^^^21 ^^ 261

1,27

1,81-'"

1,79-1"

1,14-1

1,24-'

1,01

1,05

1,52" 1,48"

1,42-1 1,00 1,20-1*

-

1,20 1,35

1,21

-

-

1,64-1* 1,07 1,37-1

-

< 0,001

0,063

0,043

0,001

< 0,001

0,398

0,170

0,946

0,388

0,175

0,021

0,071

0,068

0,160

0,004

0,039

0,000

0,029

245

261

245

261

245

261

245

261

245

1,03

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,8E^'^yi,8i=0,55. 2 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=hoherer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliasse nicht geeignet. 5 b=bivariat; m=multivariat. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

240

6. Ergebnisse

Binar-logistische Regressionsanalysen (vgl. Tab. 6.7.2.1.2) weisen die beschriebenen Prasenzunterschiede zwischen den unterschiedenen Vermogensgruppen insbesondere mit Blick auf die normorientierten Marktaktivisten und die marktdistanzierten Konventionalisten, aber im bivariaten Betrachtungsrahmen auch tendenziell fiir die radikalen Marktaktivisten als statistisch bedeutsam aus. Multivariate Analysen zeigen dariiber hinaus, dass der Prasenzunterschied im Falle der normorientierten Marktaktivisten und der marktdistanzierten Konventionalisten zwischen den Gruppen auch dann konstant bleibt, wenn man zusatzlich soziodemografische Merkmalsunterschiede zwischen den Befragten kontrolliert. Die erhohte Prasenz der radikalen Marktaktivisten fallt unter Kontrolle der soziodemografischen Faktoren zwar hinter die Schwelle der statistischen Bedeutsamkeit zuriick, wird aber auf der Ebene der standardisierten Effektkoeffizienten ungeachtet dessen durch das positive Vorzeichen und den erhohten Koeffizientenwert als existent ausgewiesen. Gegeben eine hohere Zahl an Untersuchungsfallen, wiirde mit groBer Wahrscheinlichkeit auch in diesem Fall eine statistische Signifikanz des Untersuchungsbefundes ausgewiesen. Bilanziert man die Ergebnisse der vorausgegangenen Analysen, so lasst sich festhalten, dass die normbezogenen Orientierungsmuster der Befragten in Abhangigkeit von der Hohe ihrer aktien- und fondsgebundenen Vermogensanteile variieren. Dabei wurde deutlich, dass mit Zunahme der entsprechenden Vermogensanteile unter den Befragten ein marktaktiver Orientierungstypus vorherrschend wird, wogegen in Gruppen mit nur geringem aktiengebundenen Vermogen — losgelost von der Hohe des Vermogens — der Typus des marktdistanzierten Konventionalisten dominiert. Dies stiitzt die eingangs formulierte Annahme, dass mit Zunahme des aktiengebundenen Vermogens in den Referenzgruppen der Vermogenslage ein marktaktiver Orientierungstypus dominant wird. Der nachgezeichnete Zusammenhang zwischen dem Anteil aktien- und fondsgebundener Vermogensbestandteile und der Auspragung normbezogener Orientierungsmuster lasst sich jedoch nicht eindeutig und zweifelsfrei als Beleg fiir den Einfluss der Markteinbindung auf die normbezogenen Orientierungen von Akteuren heranziehen. So lieBe sich im gegebenen Fall etwa auch umgekehrt annehmen, dass der Erwerb erhohter Anteile aktien- und fondsgebundener Vermogensanlagen nicht Ursache, sondern Ausdruck einer erhohten Marktorientierung der Befragten ist. Der Befund, dass insbesondere die normorientierten und die radikalen Marktaktivisten die relativ hochsten Anteile an aktien- und fondsgebundenen Vermogensanlagen besitzen, lieBe sich dabei auch als externe Validierung der gegebenen Clustertypologie deuten. 6.7.2.2 Kreditkartennutzung Als weiterer Indikator der Finanzmarkteinbindung wurde neben dem relativen Anteil aktien- und fondsgebundener Vermogensanteile auch die Kreditkartennutzung der Befragten erfasst. Es wurde in diesem Zusammenhang wiederum unterstellt, dass das Entscheidungshandeln von Akteuren, die Kreditkarten nutzen, in hoherem MaBe in Finanzmarktstrukturen eingebunden ist als bei Akteuren, die in ihrem Alltag keine Kreditkarten nutzen.

241

6.7 Forschungsfrage 7 Abbildung 6.7.2.2.1: Mittlere nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientiemngen, differenziert nach Kreditkartennutzung*

0,15•Nomozentrismus DOkonomismus 0,1 -

• KommunitarismuB

0,05 '

t; N

0

-0,05 -

y///A

H ^

^

-0,1 Nichtnutzer n=223-229)

Kreditkartennutzer (n=148-154)

* Die horizontale NuULinie des Diagramms indiziert die durchschnitdiche Prasenz der unterschiedenen normbezogenen Orienderungen in der Untersuchungsstichprobe insgesamt. Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farblich markierten Balken von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittliche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittliche Auspragung der entsprechenden Orientierungsdimension in der jeweiligen Merkmalsgruppe an. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002. Tabelle 6.7.2.2.1: Anteil der Clustertypen normbezogener Orientierungsmuster im Kreise der Nutzer und Nichmutzer von Kreditkarten (Angaben in %) Normorientierte Marktaktivisten Kreditkartennutzung ja nein Gesamt

(n^= 147) (n^=219) (n^=366)

22,4 24,2 23,5

Radikale Marktaktivisten

18,4 11,0 13,9

Marktdistanzierte Konventionalisten 21,8 24,7 23,5

Desinteressierte

21,1 25,1 23,5

Nonkonforme Kommunitaristen 16,3 15,1 15,6

Modellanpassung p (Chi^)i 0,698 0,045 0,523 0,373 0,745 0,047 0,017 0,033 0,105 0,020 Cramer's V 366 366 366 366 366 n 1 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Im Anschluss an diese Uberlegungen wurde untersucht, wie weit die normbezogenen Orientierungsmuster der Befragten in Abhangigkeit von der Kreditkartennutzung variieren. Bezugspunkt der Analysen war dabei wiederum die Hypothese, dass unter den Kreditkartennutzern ein starker marktaktiver Orientierungstypus vorherrscht, wogegen

242

6. Ergebnisse

unter den Befragten, die keine Kreditkarten nutzen, eine eher konventionalistischer Orientierungstyp zu erwarten ist. Die mittleren normbezogenen Orientierungen von Kreditkartennutzern und Nichtnutzern sind in Abb. 6.7.2.2.1 dargestellt. Ein Vergleich der Orientierungsprofile zeigt dabei in einem ersten Schritt, dass sich unter den Kreditkartennutzern, im Mittel betrachtet, ein stark marktbezogenes Orientierungsprofil wiederfindet, wogegen sich die Gruppe der Nichtnutzer komplementar hierzu durch ein eher konventionalistisches Profil auszeichnet. Abbildung 6.7.2.2.2: Relative Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster im Kreise der Kreditkartennutzer (n=371 bis 385)*

Normorientierte Marktaktivisten

\ '

-0,02|^B

Radikale Marktaktivisten

|o,13

Marktdistanzierte \ Konventionalisten

-0,04H|^HH -0,061

Desinteressierte Nonkonforme Kommunitaristen

•||Ho,02 -C ,1

-0,05

0

0,05

0,1

0,15

2-Werte

* Die vertikale Nulllinie des Diagramms indiziert die durchschnittliche Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe insgesamt (n=367). Positive Abweichungen der horizontalen Balken innerhalb des Diagramms von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittliche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittliche Prasenz der Orientierungstypen in der Gruppierung der Kreditkartennutzer. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

In Einkiang mit diesem Refund zeigt auch die Analyse der relativen Prasenz der clustertypischen Orientierungsmuster unter den Kreditkartennutzern (vgl. Tab. 6.7.2.2.1 und Abb. 6.7.2.2.1)^20^ ^^^gg j^j^j- ^^j- Orientierungstypus des radikalen Marktaktivisten stark iiberreprasentiert ist. Die marktdistanzierten Konventionalisten, aber auch die Desinteressierten sind in dieser Gruppe andererseits in nur vermindertem AusmaB prasent. Multivariate Analysen zeigen schlieBlich im Weiteren auf, dass die erhohte Prasenz der radikalen Marktaktivisten unter den Kreditkartennutzern auch dann als signifikante

120 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Abb. 6.7.2.3.2 wiederum um eine transformierte Darstellung der in Tab. 6.7.2.3.1 aufgefiihrten Anteilswerte fiir die relative Prasenz der clustertypischen Orientierungsmuster im Kreise der Kreditkartennutzer handelt. Die Wertetransformation erfolgte dabei analog zu dem fiir Abb. 6.7.1.1.2 dargestellten Vorgehen (vgl. Abschnitt 6.7.1.1, S. 213ff.).

6.7 Forschungsfrage 7

243

Tenden2 statistisch bedeutsam bleibt, wenn man soziodemografische Merkmalsunterschiede zwischen den Befragten kontrolliert (vgl. Tab. 6.7.2.2). Tabelle 6.7.2.2: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf die Nutzung von Kreditkarten, unter zusatzlicher Beriicksichdgung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^)

Normorientierte Marktaktivisten b5

Radikale Marktaktivisten

Marktdistanzierte Konventionalisten

Desinteressierte

Nonkonforme Kommunitaristen

m5

b5

m5

bs

m5

bs

ms

3,08t

1,08-'

1,15'

1,12-1

1,20-1

1,05

1,02

-

1,43"'' 1,01

1,37-

1,161

-

1,09

1,08

-

1,25-it

1,19'

-

< 0,001

0,047

0,029

0,522

0,006

0,371

0,006

0,745

0,626

0,129

0,019

0,056

0,002

0,061

0,003

0,061

0,000

0,013

346

366

346

366

346

366

346

366

346

m5

b5

Finanzmarkteinbindung Nutzung von 3,011 1,13 Kreditkarten Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,10 Alter Berufliche Bildung^ ModeUanpassung

2,37-11,23

p (Omnibus-

V

.,

Test)^ Nagelkerkes _n

0.698 ^^^^^^^^ 366

1,40"

1,10

1,23 1,03

t p<0,10;* p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit 1 einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81"'='/i,8i=0,55. 2 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 3 Berufliche Bildung: l=ohne Berufsabschluss, 2=einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schlusse nicht geeignet. 5 b=bivariat; m=multivariat. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Der Befund stiitzt im Sinne der zu Grunde liegenden Fiypothese die Uberlegung, dass eine verstarkte Finanzmarkteinbindung - wie durch die Nutzung von Kreditkarten indiziert - mit einer erhohten Wahrscheinlichkeit der Ausbildung eines radikal marktbezogenen Orientierungsmusters einhergeht. Gleichwohl bleibt auch an dieser Stelle einschrankend festzustellen, dass die in den theoretischen Voriiberlegungen angedeutete Kausalrichtung der Wirkungsbeziehung durch die gegebenen Querschnittsdaten nicht belegt werden kann. Denkbar ware an dieser Stelle vielmehr auch, dass umgekehrt Akteure mit einer radikalen Marktorientierung eher und haufiger zur Nutzung von Kreditkarten neigen als Akteure mit einem anderen normbezogenen Orientierungsmuster und die Kreditkartennutzung der Auspragung des Orientierungsmusters in diesem Sinne nachgeordnet ist.

244

6. Ergebnisse

6J.3 Einbindung in Konsumgutermdrkte In Betrachtung der Inklusion des Entscheidungshandelns der Befragten in konsumgutermarktspezifische Strukturen richtete sich die Aufmerksamkeit der im Folgenden dokumentierten Analysen darauf, wie weit die normbezogenen Orientierungsmuster von Akteuren in Abhangigkeit von ihrer Markteinbindung variieren. Als Indikator der Einbindung in Konsumgiitermarkte wurde im Rahmen unserer Untersuchung die Mitgliedschaft in Kundenclubs erfasst. Es wurde in diesem Zusammenhang wiederum angenommen, dass die Mitglieder von Kundenclubs auf der Ebene ihrer normbezogenen Orientierungsmuster eine starker marktaktive Orientierung aufweisen, wogegen Nicht-Mitglieder eher konventionalistisch orientiert sind. Abbildung 6.7.3.1: Mittlere nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschafdiche Orientiemngen bei Mitgliedern und Nichtmitgliedern von Kundenclubs (n [Untersuchungsstichprobe]=370 bis 384)*

0,4 • 0,3 • 0,2 • 0,1 N

0 •

•• •1

•Nomozentrismus

^ ^

1

1

D Okonomismus DKommunitarismus |

^ "

-0,1 -0,2 -0,3 Mitgliedei (n=49-50

Nichtmitglieder (n=321-334)

* Die horizontale Nulllinie des Diagramms indiziert die durchschnitdiche Prasenz der unterschiedenen normbezogenen Orientiemngen in der Untersuchungssdchprobe insgesamt. Positive Abweichungen der innerhalb des Diagramms farbUch markierten Balken von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittiiche, negative Abweichungen eine unterdurchschnitdiche Auspragung der entsprechenden Orientierungsdimension in der jeweiligen Merkmalsgruppe an. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Ein Vergleich der mitderen Orienderungsprofile zwischen den Mitgliedern und Nichtmitgliedern von Kundenclubs stiitzt diese Annahme allerdings nicht. So zeigen die Analysen, dass die Mitglieder von Kundenclubs auf der Ebene ihres mitderen Orientierungsprofils sehr viel eher dem Typus des marktdistanzierten Konventionalisten als den marktaktiven Orientierungstypen gleichen (vgl. Abb. 6.7.3.1). Dieser Eindruck bestatigt sich, wenn man die relative Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster unter den Mitgliedern von Kunden-

245

6.7 Forschungsfrage 7

clubs betrachtet (vgl. Tab. 6.7.3.1 und Abb. 6.7.3.2).^^i 5Q zeigen entsprechende Analysen, dass die marktdistanzierten Konventionalisten, aber auch die Desinteressierten, unter den Kundenclubmitgliedern disproportional stark vertreten sind. Akteure mit anderen Orientierungsmustern - und dies gilt insbesondere fiir die radikalen Marktaktivisten sind unter den Kundenclubmitgliedern demgegeniiber deutlich unterreprasentiert. Tabelle 6.7.3.1: Anteil der Clustertypen normbezogener Orientiemngsmuster unter den Mitgliedern und Nichtmitgliedern von Kundenclubs (Angaben in %)

n

Normorientierte Marktaktivisten

Kundenclubmitgliedschaft 48 20,8 ja 23,7 317 nein n 23,3 365

Radikale Marktaktivisten 10,4 14,5 14,0

Marktdistanzierte Konventionalisten 29,2 22,7 23,6

Desinteressierte

27,1 23,0 23,6

Nonkonforme Kommunitaristen 12,5 16,1 15,6

Modellanpassung 0,666 0,326 0,537 0,523 p (ChP)' 0,446 0,032 0,051 0,040 0,033 0,023 Cramer's V Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentadven Datengrundlage an dieser Stelle 1 lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Ungeachtet der referierten deskriptiven Befunde lasst sich jedoch weder auf bivariater noch auf multivariater Ebene ein statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen der Kundenclubmitgliedschaft und der Auspragung normbezogener Orientierungsmuster nachzeichnen (vgl. Tab. 6.7.3.2). Aus Mangel an weiteren Indikatoren zur Erfassung von Art und Grad der Einbindung von Akteuren in Konsumgiitermarkte konnen wir dieses Ergebnis leider nicht von anderer Warte empirisch absichern. Auch deshalb ware es iiberzogen, angesichts der gegebenen Befundlage einen Zusammenhang zwischen der Konsumgiitermarkteinbindung und den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren generell in Abrede zu stellen. Gleichwohl deuten die Analysebefunde darauf hin, dass eine erhohte Einbindung des individuellen Entscheidungshandelns (als Nachfrager) in die Strukturen von Konsumgiitermarkten nicht mit der Auspragung verstarkt marktaktiver Orientierungsmuster im Sinne der normorientierten oder auch radikalen Marktaktivisten einhergeht. Bezogen auf die Mitgliedschaft in Kundenclubs lasst sich vermuten, dass Akteure diese Form der Marktbindung weniger zur Realisierung okonomischer Erfolgsziele als zur Absicherung etwaiger Konsuminteressen vornehmen. Wie weit dieser Befund auch fiir andere Formen der Bindung an Konsumgiitermarkte generalisiert werden kann, werden nachfolgende Studien zu priifen haben.

121 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Abb. 6.7.3.2 wiederum um eine transformierte Darstellung der in Tab. 6.7.3.1 aufgefiihrten Anteilswerte fiir die relative Prasenz der clustertypischen Orientierungsmuster im Kreise der KundenclubmitgUeder handelt. Die Wertetransformation erfolgte dabei analog zu dem fiir Abb. 6.7.1.1.2 dargestellten Vorgehen (vgl. Abschnitt 6.7.1.1, S. 213).

246

6. Ergebnisse

Abbildung 6.7.3.2: Relative Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster unter den Mitgliedern von Kundenclubs (n=365)*

H • H_ •

-0,06HH

Normorientierte Marktaktivisten

Radikale Marktaktivisten

-0,10

H

Marktdistanzierte Konventionalisten

• • ••

>

Desinteressierte

-joslH •

Nonkonforme Kommunitaristen

-0,1

-0 15

-0,05

JH

^

|o,14

|0,08

0

0,15

0,1

0,05

2-Werte

* Die vertikale Nulllinie des Diagramms indiziert die durchschnittliche Prasenz der clustertypisch unterschiedenen normbezogenen Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe insgesamt (n=367). Positive Abweichungen der horizontalen Balken innerhalb des Diagramms von dieser Nulllinie zeigen entsprechend eine iiberdurchschnittliche, negative Abweichungen eine unterdurchschnittliche Prasenz der Orientierungstypen in der Gruppierung der Mitglieder von Kundenclubs. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002. Tabelle 6.7.3,2: Binar logistische Regression der clustertypisch unterschiedenen Orientierungsmuster auf die Mitgliedschaft in Kundenclubs unter zusatzlicher Benicksichtigung soziodemografischer Kontrollfaktoren (standardisierte Effektkoeffizienten^) Normorientierte Marktaktivisten bs

ms

Konsumgiitermarkteinbindung KundenclubmitgHedschaft 1,06 1,05-1 Soziodemografische Kontrollfaktoren Geschlecht^ 1,06 Alter Berufl. Bildung3 Modellanpassung p (OmnibusTest)" Nagelkerkes R^ n

0,663 0,001 365

2,31-' 1,27

<0,001 0,122 345

Radikale Marktaktivisten

Marktdistanzierte Konventionalisten

Desinteressierte

Nonkonforme Kommunitaristen bs mS

bs

mS

1,14

1,12

1,12-1

1,041

1,08-1

1,06-1

1,10

1,16

-

1,54-1 1,14 1,13-1

-

1,40 1,36 1,06

-

1,21-1 1,07 1,21-1

-

1,10 1,25 1,02

0,430 0,003 365

0,099 0,041 345

0,336 0,004 365

0,010 0,057 345

0,543 0,002 365

0,418 0,017

0,513 0,002 365

0,484 0,017 345

b5

mS

bs

mS

345

t p < 0 , 1 0 ; * p<0,05;** p<0,01;*** p<0,001. 1 Zur Interpretation der standardisierten Effektkoeffizienten, vgl. Fn. 94, S. 164. Effektkoeffizienten mit einem negativen Exponenten deuten an, dass der reale Koeffizientenwert kleiner als 1 ist. Er entspricht analog zum Exponenten - dem Kehrwert der notierten Koeffizientenzahl. Beispiel: l,81-^=yi,8i=0,55. 2 Geschlecht: l=mannlich, 2=weiblich. 3 Berufliche Bildung: 1 =ohne Berufsabschluss, 2==einfacher Ausbildungsabschluss, 3=h6herer Ausbildungsabschluss, 4=Hochschulabschluss. 4 Die Angaben zur Signifikanz haben auf Grund der nicht-reprasentativen Datengrundlage an dieser Stelle lediglich einen deskriptiven Aussagegehalt und sind fiir inferenzstatistische Schliisse nicht geeignet. 5 b=bivariat; m=multivariat. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

6.7 Forschungsfrage 7

247

6.7.4 Fa^t Die vorausgehenden Analysen betrachteten den Zusammenhang zwischen der Markteinbindung des individuellen Entscheidungshandelns und den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren. Mit dem Arbeitsmarkt, dem Finanzmarkt und dem Konsumgiitermarkt wurden dabei verschiedene Sektoren des Marktsystems unterschieden und die Einbindung von Akteuren in diese Marktsektoren jeweils durch verschiedene Indikatoren abgebildet. Die statisdschen Analysen zielten im Weiteren auf die Beantwortung der Frage, wie weit sich Akteure mit verschiedenen normbezogenen Orientierungsmustern im Hinblick auf ihre Inklusion in die Strukturzusammenhange des Marktes unterscheiden. Hiermit verband sich die Annahme, dass mit zunehmender Markteinbindung von Akteuren solche Orientierungsmuster in den Vordergrund treten, die durch ein verstarktes commitment an okonomische Erfolgsziele bei gleichzeitiger Abwertung nomozentrischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen gekennzeichnet sind. In den Analysen zu den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren mit unterschiedlicher Markteinbindung konnte diese These partiell bestatigt werden. So zeigte sich etwa mit Blick auf den Erwerbsstatus, dass mit zunehmender arbeitszeitlicher Einbindung von Akteuren in Erwerbszusammenhange marktaktive Orientierungsmuster dominant werden und parallel hierzu konventionalistische und marktdistanzierte Orientierungsmuster zuriickgehen. Im Weiteren machten die Analysen deutlich, dass die Erwerbsgruppenzugehorigkeit, zum Teil verbunden mit der beruflichen Stellung, als statistisch signifikanter Pradiktor fiir die jeweilige Auspragung der normbezogenen Orientierungsmuster der Befragten herangezogen werden kann. Dabei zeigte sich einerseits, dass die nomozentrischen Orientierungen von Akteuren mit ansteigendem beruflichen Status zuriickgehen. So finden sich konventionalistische Orientierungsmuster verstarkt und vor allem in der Erwerbsgruppe der einfachen Angestellten, wogegen sich die nonkonformen Kommunitaristen verstarkt unter den hoheren Angestellten in Leitungs- und Fiihrungsfunktionen wiederfmden. Die Ergebnisse lieBen andererseits deutlich werden, dass in der Gruppierung der Selbststandigen und Freiberufler der Typus des radikalen Marktaktivisten dominiert. Der Typus des normorienterten Marktaktivisten scheint demgegeniiber am relativ starksten in der Erwerbsgruppe der Auszubildenden prasent zu sein. Der Befund, dass mit zunehmender Markteinbindung die marktaktiven Orientierungsmuster der normorientierten und insbesondere des radikalen Marktaktivisten in den entsprechenden Referenzgruppen dominieren, wurde auch in den Analysen zur Finanzmarkteinbindung partiell bestatigt. Gleichwohl lieB sich mit Blick auf die hier beriicksichtigten UntersuchungsgroBen nicht ausschlieBen, dass die normbezogenen Orientierungsmuster der Akteure weniger als Folge denn als Ursache der Markteinbindung zu begreifen sind. Im Weiteren zeigte sich mit Blick auf die Kreditkartennutzung, dass unter den Nutzern dieser Karten Akteure mit dem Orientierungsprofil der radikalen Marktaktivisten deutlich iiberreprasentiert sind. Bezogen auf die Einbindung in Konsumgiitermarkte konnte im Weiteren die Annahme von der

248

6. Ergebnisse

Einbindung des Entscheidungshandelns in Marktzusammenhange einerseits und der Auspragung marktaktiver Orientiemngsmuster andererseits nicht bestatigt werden. Anzumerken bleibt, dass die dokumentierten Analysen die These einer strukturellen Determination der normbezogenen Orientierungsmuster durch die Marktinklusion des individuellen Entscheidungshandelns sicherlich nicht direkt stiitzen und als giiltig ausweisen konnen. Sie konnen diese allenfalls indirekt und in dem Sinne stiitzen, dass sie dieser These nicht widersprechen. AusschlieBen lasst sich durch die gegebenen Befunde jedoch nicht, dass nicht die Inklusionsverhaltnisse die Orientierungsmuster pragen, sondern vielmehr umgekehrt Akteure mit je bestimmten Orientierungsmustern bestimmte marktspezifische Inklusionsverhaltnisse aufsuchen. Beide Erklarungsansatze miissen entsprechend als gleichberechtigt mogliche theoretische Lesarten der empirischen Befunde genannt werden. Da die empirischen Analysen der vorliegenden Untersuchung jedoch als theoretisches Apriori ihren Ausgang von der strukturdeterministischen These genommen haben und mit dem Ziel durchgefiihrt wurden, diese im Rahmen einer mikroanalytisch angelegten Studie auf ihre empirische Tragfahigkeit hin zu priifen, wird der strukturdeterministischen Interpretation an dieser Stelle der Vorzug gegeben (vgl. zur Diskussion dieser Interpretation auch Kapitel 7, Abschnitt 7.2).

7. Schlussbetrachtung Im Anschluss an die von Albert O. Hirschman (1992: 124ff.) so bezeichnete „Marktund-Moral-Debatte" beschaftigte sich die vorliegende Studie mit dem Einfluss von Markten auf die normbezogenen Orientiemngen und Handlungen von Akteuren. Sie widmete sich dabei im Besonderen der Frage nach den Auswirkungen der Markteinbindung von Akteuren bzw. der marktbezogenen Inklusion des individuellen Entscheidungshandelns auf die normbezogenen Orientierungen und das normbezogene Handeln. Als zentrale Dimensionen normbezogener Orientierung wurden dabei - in Anlehnung an die Trias der gesellschaftlichen Ordnungssysteme von Staat bzw. Recht, Markt und Gemeinschaft — nomozentrische, okonomische und kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen von Akteuren unterschieden. Der Markt wurde in diesem Zusammenhang ebenfalls als normadves System konzeptualisiert. Als Indikatoren normbezogenen Handelns wurden parallel hierzu delinquente und „prosoziale" Aktivitaten von Akteuren betrachtet. Im Zentrum der Studie stand dabei die These, dass Akteure mit zunehmender Inklusion ihres Handelns in die Strukturen des Marktsystems einen spezifischen normativen Habitus (Karstedt 1999, 2004) auspragen, der ein starkes commitment an okonomische Erfolgsziele mit vergleichsweise geringen nomozentrischen und kommunitar-gemeinschafdichen Orientierungen verbindet. Hiermit verband sich im Weiteren die Annahme, dass sich ein entsprechender Habitus einerseits mit einer erhohten Delinquenzbereitschaft und andererseits mit einer verringerten Bereitschaft zu „prosozialen" Aktivitaten resp. zivilgesellschaftlichem Engagement verkniipft. Die Uberpriifung dieser Thesen erfolgte auf Grundlage von Daten einer standardisiertschriftlichen Umfrage unter Angehorigen der bundesdeutschen Erwerbsbevolkerung aus dem Jahr 2002. Die empirischen Analysen folgten dabei einem mehrstufig angelegten Untersuchungsplan, der - ausgehend von dem Mikro-Makro-ModeU sozialen Handelns von McClelland (1961) und Coleman (1990) — den Zusammenhang der UntersuchungsgroBen mikroanalytisch expHzierte. Im Folgenden soil zunachst eine zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Studie vorgenommen werden (7.1). Daran anschlieBend erfolgt eine kritische Reflexion der Geltungskraft der empirischen Befunde relativ zu den in der Studie verwendeten Daten und Methoden (7.2). AbschUeBend werden Fragen diskutiert, die sich sowohl methodologisch im Hinblick auf eine weitere empirische Sicherung der Befunde der vorliegenden Arbeit als auch forschungspraktisch im Hinblick auf eine weitere Exploration und soziologische Einbettung der gegebenen Befundlage steUen (7.3).

250

7. Schlussbetrachtung

7.1 Zusammenfassung Die Analysen der vorliegende Studie untergliedern sich analog zur Anzahl der Forschungsfragen in sieben Abschnitte, in denen jeweils Teilrelationen des Zusammenhangs zwischen der marktbezogenen Inklusion von Akteuren, der Auspragung normbezogener Orientierungsmuster und den Verhaltensorientderungen und Handlungen unter zum Teil verschiedenen situationalen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Methodologisch werden dabei drei Untersuchungsschritte vollzogen: Ein erster Untersuchungsschritt, umfassend die Analysen zur ersten Forschungsfrage der Untersuchung, widmet sich der typologisierenden Betrachtung unterschiedlicher Muster der normbezogenen Orientierung. Als statistisches Hilfsmittel zur Typenbildung wurde dabei das Verfahren der Clusteranalyse herangezogen. Hieran anschlieBend richtet sich ein zweiter Untersuchungsschritt, umfassend die Analysen zu den Forschungfragen 2 bis 6, auf die externe Validierung der unterschiedenen Clustertypen auf der Ebene akteursspezifischer Verhaltensorientderungen und Handlungen. SchlieBlich wird in einem letzten Untersuchungsschritt in den Analysen zu Forschungsfrage 7 betrachtet, wie weit sich Akteure mit typologisch unterschiedlichen normbezogenen Orientierungsmustern auf der Ebene ihrer Markteinbindung unterscheiden. Wie oben angedeutet, richtete sich die vorliegende Studie in einem ersten Untersuchungsschritt auf die Beantwortung der Frage (Forschungsfrage 1), welche typischen Muster oder auch Profile normbezogener Orientierung in der Untersuchungspopulation in Erscheinung treten. Ausgangspunkt war dabei die forschungsleitende Annahme, dass sich mit Blick auf die kombinierten Auspragungen der normbezogenen Orientierungen von Akteuren unterschiedliche Profiltypen bzw. Orientierungsmuster in der Erwerbsbevolkerung unterscheiden lassen. Die Ergebnisse der Analysen zeigten in diesem Zusammenhang erwartungsgemaB, dass in der Untersuchungsstichprobe mit Blick auf die graduelle Auspragung nomozentrischer, okonomischer und kommunitargemeinschaftlicher Orientierungen verschiedene Muster normbezogener Orientierung differenzierbar sind. Mit Hilfe der Clusteranalyse wurden dabei fiinf Typen der normbezogenen Orientierung herausgestellt, die auf der Ebene ihrer Orientierungsprofile eine partielle Ahnlichkeit zu den von Merton (1995) unterschiedenen Typen der anomischen Anpassung aufwiesen. Zwei Typen der normbezogenen Orientierung, die graduell iiberdurchschnittliche Auspragungen sowohl auf der Ebene der nomozentrischen als auch auf der Ebene der kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen aufweisen, sind die normorientierten Marktaktivisten und die marktdistan^erten Konventionalisten. Es handelt sich entsprechend um Orientierungstypen, die sich auf der Ebene ihres Handelns sowohl rechtlich als auch gemeinschaftlich in erhohtem MaBe gebunden fiihlen. Gleichwohl unterscheiden sich diese Typen auf der Ebene ihrer Bindung an okonomische Erfolgsziele, insofern die normorientierten Marktaktivisten eine deutlich iiberdurchschnittliche, die marktdistanzierten Konventionalisten hingegen eine deutlich unterdurchschnittliche Auspragung okonomischer Orientierungen aufweisen. Dem gegeniiber stehen die Orientierungsmuster der radikalen Marktaktivisten und der nonkonformen Kommunitaristen. Die Angehorigen dieser beiden Cluster zeichnen sich durch stark

7.1 Zusammenfassung

251

unterdurchschnittlich ausgepragte nomozentrische Orientierungen und entsprechend durch eine erhohte Distanz gegeniiber dem Geltungsanspmch rechdicher Normen aus. Der Typus des radikalen Marktaktivisten stellt dabei die Befolgung formell-rechdicher Normen, aber auch kommunitar-gemeinschaftlicher Obligationen, radikal hinter die Realisiemng seiner okonomischen Erfolgsinteressen zuriick. Der Typus des nonkonformen Kommunitaristen zeichnet sich demgegeniiber — ungeachtet seiner geringen Gesetzesakzeptanz - durch eine stark iiberdurchschnittliche Orientierung an kommunitar-gemeinschafdichen Obligationen aus, wobei sein commitment an okonomische Erfolgsziele eher durchschnittlich bis leicht unterdurchschnittiich ausgepragt ist. Der Orientierungstypus des sog. Desinteressierten zeichnet sich schlieBlich zuvorderst durch eine stark unterdurchschnittliche Auspragung kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen und entsprechend durch eine erhohte Distanz gegeniiber den Obliegenheiten des Gemeinwesens resp. des Gemeinwohls aus. Die nomozentrischen Orientierungen sind bei diesem Typus demgegeniiber eher durchschnittlich ausgepragt; das commitment an okonomische Erfolgsziele bewegt sich auf einem leicht unterdurchschnittlichen Niveau. Die zweite Forschungsfrage der Untersuchung fokussierte - bezogen auf Situationen der delinquenten Gelegenheit — den Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren und der Aktivierung situationaleryra/^^j des Handelns. Als Aspekte der situationalen Orientierung wurden dabei in Anlehnung an die Theory of reasoned action von Ajzen und Fishbein (1975, 1980) die subjektiven Normen von Akteuren, ihre verhaltensbezogenen Einstellungen und ihre Handlungsintentionen herausgesteUt. Als thematischer Bezugsrahmen der situationalen Orientierungen diente in diesem Zusammenhang die vorgesteUte Situation, dass die Befragten die Moglichkeit hatten, iiber iUegale Aktienkaufe hohe monetare Gewinne zu erzielen. Es wurde dabei angenommen, dass — gegeben ein Bezugsrahmen der delinquenten Gelegenheit — die situationalen Orientierungen von Akteuren in Abhangigkeit von der Auspragung ihrer normbezogenen Orientierungen variieren. Die Ergebnisse der empirischen Analysen zu dieser Forschungsfrage stiitzen diese Annahme. So zeigte sich erwartungsgemaB, dass die Intensitat subjektiver Normen bei Akteuren in der gegebenen Situation mit der gradueUen Auspragung insbesondere der nomozentrischer, aber auch der kommunitargemeinschaftlicher Orientierungen der Befragten zunimmt. Das commitment an okonomische Erfolgsziele hat demgegeniiber einen tendenzieU erodierenden Einfluss auf die subjektive Normbindung. In Einklang hiermit zeigte sich, dass die marktdistanzierten Konventionalisten in der beschriebenen Situation die vergleichsweise starkste, die radikalen Marktaktivisten hingegen die schwachste Auspragung subjektiver Normen aufweisen. Die Analysen lieBen allerdings ebenfalls deutlich werden, dass Akteure, die — wie die radikalen Marktaktivisten - ein starkeres commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen, sich von anderen Akteurstypen weniger auf der Ebene ihrer moralischen WertmaBstabe als in der Art der moralischen Subsumtion einer delinquenten Handlung unterscheiden. Sie halten es in der Situation der Gelegenheit zum Insiderhandel entsprechend haufiger als andere fiir unwahrscheinUch, dass sich bei ihnen infolge illegaler Aktienkaufe das Gefiihl einstellen konnte, sich unmoralisch verhalten zu haben.

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7. Schlussbetrachtung

und sehen der kriminellen Handlung guten Gewissens entgegen. Fiir den perzipierten materiellen Anreiz der delinquenten Handlungsoption weisen die empirischen Analysen demgegeniiber eine erhohte Relevanz der okonomischen Orientierungen auf. Mit Zunahme des commitments an okonomische Erfolgsziele war dabei ebenfalls eine Zunahme der perzipierten Anreize der delinquenten Handlungsoption zu verzeichnen. Parallel hierzu traten insbesondere die nomozentrischen, dariiber hinaus aber ebenfalls die kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen als negative Pradiktoren der situativ wahrgenommenen Attraktivitat illegaler Aktiengeschafte in Erscheinung. In Einklang mit diesen Befunden zeigte sich, dass die radikalen Marktaktivisten in der gegebenen Situation den vergleichsweise starksten materiellen Anreiz mit der delinquenten Handlungsoption verbinden, wogegen die marktdistanzierten Konventionalisten mit dieser den geringsten materiellen Anreiz assoziierten. Das gleiche Verteilungsmuster zeigte sich schlieBiich auch im Hinblick auf die subjektive Bereitschaft, in der beschriebenen Situation illegale Aktienkaufe zu tatigen. In Einklang mit den Annahmen der Theory of reasoned action erwiesen sich dabei die subjektiven Normen und die verhaltensbezogenen Einstellungen als zentrale und erklarungskraftige Pradiktoren der delinquenten Handlungsintention. Fofschungsfrage 3 der Untersuchung fokussierte ebenfalls den Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungen und der Delinquenzbereitschaft von Akteuren, richtete den Blick dabei aUerdings auf ein breiteres Spektrum strafrechtlich inkriminierter Handlungsweisen. Im Gegensatz zu der unter Forschungsfrage 2 thematisierten Delinquenzform des iUegalen Aktienkaufs bewegten sich die Spielarten delinquenten Handelns im Kontext der Analysen zur dritten Forschungsfrage beziiglich ihrer materiellen Anreize auf einem vergleichsweise niederschwelligen Niveau. Forschungsleitende Annahme war dabei gleichwohl auch hier, dass die Delinquenzbereitschaft bei Akteuren in Abhangigkeit von der Auspragung ihrer normbezogenen Orientierungsmuster variiert. Die Ergebnisse der Analysen zu dieser Forschungsfrage stiitzen diese Annahme. Dabei wurde deutHch, dass die gegebenen Orientierungsmuster auf der Ebene der Delinquenzbereitschaft insbesondere bei den DeUktformen differenzieren, die - wie etwa die Steuerhinterziehung, der Versicherungsbetrug, die Inanspruchnahme von Schwarzarbeit oder der Materialdiebstahl am Arbeitsplatz - im Rahmen einer Hauptkomponentenanalyse als typische Spielarten von Mittelschichtkriminalitat rubriziert wurden. Als Pradiktor der Delinquenzbereitschaft trat in diesem Zusammenhang insbesondere das graduelle AusmaB der nomozentrischen Orientierungen von Akteuren in Erscheinung, wobei erwartungsgemai3 eine hohe Rechtsnormbindung mit einer geringen Delinquenzbereitschaft sowie umgekehrt eine geringe Rechtsnormbindung mit einer erhohten Delinquenzbereitschaft einherging. Entsprechend zeigte sich insbesondere bei den radikalen Marktaktivisten, aber auch bei den nonkonformen Kommunitaristen eine vergleichsweise hohe, bei den normorientierten Marktaktivisten und insbesondere bei den marktdistanzierten Konventionalisten eine vergleichsweise geringe Delinquenzbereitschaft. Im Unterschied zu den im Kontext von Forschungsfrage 2 durchgefiihrten empirischen Analysen — betreffend die Bereitschaft zum iUegalen Aktienkauf - erwies sich im Rahmen der Analysen zu Forschungs-

7.1 Zusammenfassung

253

frage 3 die Bindung an okonomische Erfolgsziele mit Blick auf die in ihrer Gewinnaussicht eher als niederschwellig 2u beurteilenden Betrugs-, Eigentums- und Verkehrsdelikte nicht als zuverlassiger Pradiktor fiir die Delinquenzbereitschaft von Akteuren. Dieser Befund lasst darauf schlieBen, dass ein starkes commitment an okonomische Erfolgsziele nicht generell als Katalysator delinquenter Orientierungen aufgefasst werden kann, sondern in dieser Funktion nur dann in Erscheinung tritt, wenn die H o h e der situativ auf dem Spiel stehenden Gewinne im Sinne einer H2^/?-L7/////)/-Situation einen (subjektiven) Schwellenwert iibersteigt. Nachdem die Forschungsfragen 2 und 3 die situationalen Orientierungen und Handlungsintentionen von Akteuren in Situationen der delinquenten Gelegenheit thematisierten, richtete sich Forschungsfrage 4 auf den Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungen und der Delinquenzhaufigkeit von Akteuren. Forschungsleitend war dabei die Annahme, dass auch die Delinquenzhaufigkeit von Akteuren in Abhangigkeit von der Auspragung ihrer normbezogenen Orientierungsmuster variiert. Die Analysen zu dieser Forschungsfrage zeigten — bezogen auf mittelschichttypische Delikte wie die Inanspruchnahme von Schwarzarbeit, die Steuerhinterziehung oder auch den Materialdiebstahl am Arbeitsplatz - die iiberragende Bedeutung der nomozentrischen Orientierungen fiir eine erhohte Deliktfrequenz. Mit Blick auf die VerkehrsdeUkte „Alkohol am Steuer" und insbesondere der Fahrerflucht tritt fiir die Haufigkeit der Deliktbegehung parallel hierzu ein negativer Effekt der kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen in Erscheinung. Analog hierzu wurde erwartungsgemafi deutlich, dass - bezogen wiederum auf die genannten mittelschichttypischen DeUkte - insbesondere solche Orientierungstypen eine erhohte Delinquenzneigung aufweisen, bei denen sowohl die Rechtsnormakzeptanz als auch die kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen stark unterdurchschnittlich ausgepragt sind. Exemplarisch hierfiir standen in der entwickelten Clustertypologie die radikalen Marktaktivisten. Eine deutlich iiberdurchschnittliche Delinquenzneigung wies dariiber hinaus der Orientierungstyp der nonkonformen Kommunitaristen aus, der sich ebenfalls durch eine stark unterdurchschnittlich ausgepragte Gesetzesakzeptanz auszeichnete. Als eher konformistisch orientiert erwiesen sich demgegeniiber solche Orientierungst3^en, bei denen sowohl die Rechtsnormakzeptanz als auch die kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen in stark erhohtem MaBe ausgepragt sind. Dies betrifft zum einen die normorientierten Marktaktivisten, zum anderen in noch viel starkerem MaBe die marktdistanzierten Konventionalisten. Die Analysen zeigten allerdings - analog zur vorausgehend untersuchten Deliktbereitschaft - auch mit Blick auf die Deliktfrequenz, dass das commitment an okonomische Erfolgsziele mit einer statistischen Bedeutsamkeit tendenziell lediglich bei der Haufigkeit der Inanspruchnahme von Schwarzarbeit eine RoUe spielt. Allein das AusmaB okonomischer Orientierungen von Akteuren, so das Fazit dieser Analysen, kann keinen zufriedenstellenden Beitrag fiir die Erklarung delinquenten Verhaltens leisten. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Einfluss okonomischer Orientierungen auf die DeHkthaufigkeit unter statistischer KontroUe der graduellen Auspragung n o m o zentrischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen betrachtet wird.

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7. Schlussbetrachtung

Thematisierten die Forschungsfragen 2 bis 4 den Zusammenhang zwischen normbezogenen Orientierungen auf der einen sowie delinquenten Orientierungen und Handlungen auf der anderen Seite, so fokussierten die Forschungsfragen 5 und 6 den Einfluss der Typen normbezogener Orientierung auf (nichtdelinquente) „proso2iale" Orientierungen und Handlungen von Akteuren. Forschungsfrage 5 richtete ihren Blick dabei, ahnlich wie Forschungsfrage 2, auf die Aktivierung situationaler frames des Handelns, wobei hier alternierend zur Siniation einer delinquenten Gelegenheit eine Situation des altruistischen Normappells simuliert wurde. Als thematischer Bezugsrahmen diente in diesem Zusammenhang das Szenario einer Bewerbungssituation, in der die Befragten ausgehend von einer gesicherten beruflichen Beschaftigung - danach gefragt wurden, wie weit sie unter den gegebenen Umstanden bereit waren, zugunsten eines sozial benachteiligten Mitbewerbers auf den Antritt einer bereits zugesagten, finanziell lukrativen Stelle zu verzichten. Als Aspekte der situationalen Orientierung wurden dabei auch hier, in Anlehnung an die Theory of reasoned action von Ajzen und Fishbein (a.a.O.), die subjektiven Normen, die verhaltensbezogenen Einstellungen und die Handlungsintentionen von Akteuren unterschieden. Forschungsleitend war in diesem Zusammenhang wiederum die Annahme, dass die situationalen Orientierungen von Akteuren in Abhangigkeit von der Auspragung ihrer normbezogenen Orientierungsmuster variieren. Bilanziert man die Ergebnisse der Analysen zum Einfluss der normbezogenen Orientierungsmuster auf die Auspragung der situationalen Handlungsorientierungen der Befragten, so lasst sich erwarmngsgemaB ein statistisch bemerkenswerter Zusammenhang zwischen den genannten UntersuchungsgroBen konstatieren. Bezogen auf das in der hypothetischen Bewerbungssituation skizzierte Handlungsdilemma wurde dabei wiederum sowohl fur die subjektive Normbindung und die verhaltensbezogenen Einstellungen als auch fiir die Verhaltensintention des Verzichts auf die okonomische Vorteilsnahme eine systematische Variation zwischen der Art der situationalen Orientierungen einerseits und den iibergeordneten Orientierungsdimensionen andererseits erkennbar. Dabei zeigte sich erwartungsgemaB, dass Befragte mit starkeren kommunitargemeinschaftlichen Orientierungen subjektive Normen in hoherem AusmaB aktivieren als Befragte mit eher gering ausgepragten kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen. Parallel hierzu wurde deutlich, dass auch das AusmaB der wahrgenommenen Attraktivitat der altruistischen Verhaltensoption, kurz: die verhaltensbezogenen Einstellungen, neben dem individuellen commitment an okonomische Erfolgsziele von den kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen der Befragten beeinflusst wird. In diesem Zusammenhang lieB sich beobachten, dass mit zunehmender Intensitat der gemeinschaftlichen Orientierung der im Saldo als negativ ausgewiesene personliche Nettonutzen in der Wahrnehmung der altrustischen Verhaltensoption zuriickgeht. Das okonomische commitment hat demgegeniiber auf die Intensitat subjektiver Normen bei den Befragten einen eher erodierenden Einfluss. Die Analysen zeigten allerdings auch hier, dass Befragte, die ein starkeres commitment an okonomische Erfolgsziele aufweisen, sich weniger auf der Ebene ihrer moralischen WertmaBstabe resp. normbezogenen Wertsetzungen als vielmehr in der Art der moralischen Subsumtion der jeweils in Frage stehenden Handlung unterscheiden: Befragte mit einem ausgepragten commitment an

7.1 Zusammenfassung

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okonomische Erfolgsziele tendierten auch im Kontext der Bewerbungssituation ahnlich wie zuvor im Kontext der Gelegenheit zu illegalen Aktienkaufen - dazu, ihr den Normappell ausschlagendes Handeln in dem Sinne als akzeptabel und legitim erscheinen zu lassen, als sie es als moralisch unbedenklich definierten. SchlieBlich machten die Ergebnisse der Analysen ebenfalls deutlich, dass auch die Bereitschaft zum Verzicht auf Formen der okonomischen Vorteilsnahme verstarkt durch die okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen von Akteuren beeinflusst wird. So zeigte sich, dass insbesondere Personen, die dem Orientierungstyp des marktdistanzierten Konventionalisten oder dem des nonkonformen Kommunitaristen entsprechen, eine erhohte Verzichtsbereitschaft artikulieren. Weiterfiihrende Analysen zeigten in Einklang mit den theoretischen Annahmen der Theory of reasoned action (TORA), dass sich die Handlungsintention der Befragten auch im gegebenen Bezugskontext eines Handlungsdilemmas zwischen okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Handlungsanforderungen weitgehend als Resultante der subjektiven Normen und der verhaltensbezogenen Einstellungen begreifen lasst. Dieses Ergebnis bestatigte ebenfalls die pradiktive Validitat und empirische Adaquanz des theoretischen Handlungsmodells der TORA fiir die Analyse der Handlungsrelevanz der normbezogenen Orientierungsmuster in Situationen des altruistischen Normappells. Forschungsfrage 6 befasste sich daran anschlieBend mit dem Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern und dem prosozialen Handeln von Akteuren. Als forschungsleitend gait dabei auch hier die Annahme, dass die Haufigkeit prosozialen Verhaltens in Abhangigkeit von den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren variiert. Die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgte auf Grundlage der Analyse der Befragtenangaben zu ihrem ehrenamtlichen Engagement. Die Analysen stiitzten dabei die eingangs formulierte Annahme. Dies gait sowohl im Hinblick auf den Umfang als auch im Hinblick auf die Art ehrenamtlicher Aktivitaten. Die Analysen zeigten erwartungsgemaB, dass insbesondere diejenigen Orientierungstypen in verstarktem MaBe in ehrenamtliche Aktivitaten eingebunden sind, die stark iiberdurchschnittlich ausgepragte kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen aufweisen. Sie lieBen dabei jedoch ebenso deutlich werden, dass nicht alle Formen des ehrenamtlichen Engagements von erhohten kommunitaristischen Orientierungen flankiert werden. So lassen sich kommunitar-gemeinschaftliche Orientierungen verstarkt lediglich bei Ehrenamtlern im Kontext von Umwelt- und Wohninitiativen, sozialen Selbsthilfegruppen und der ehrenamtlichen Schul- und Jugendarbeit beobachten. Das politische Engagement der Befragten wird demgegeniiber weniger durch kommunitaristische als durch nomozentrische Orientierungen und Interessenlagen beeinflusst. Dabei hat es den Anschein, als ob sich mit den nonkonformen Kommunitaristen und den radikalen Marktaktivisten speziell solche Orientierungstypen verstarkt politisch engagieren, die - verglichen mit den anderen T}^en - sowohl die relativ groBte Normdistanz als auch den „flexibelsten" Umgang mit rechtlichen Normvorgaben dokumentieren. Die genannten Akteursgruppen scheinen Rechtsnormen tendenziell als eine „plastizierbare Masse" zu begreifen - dazu dienlich, partikulare Interessen im gesellschaftlichen Leben durchzusetzen -, an die man sich selbst aber nicht all zu

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7. Schlussbetrachtung

sklavisch binden sollte. Diese Haltung lasst sich in Anlehnung an eine Begriffsschopfung Erhard Blankenburgs als Spielart eines „instrumentellen Rechtsbewusstseins" beschreiben (vgl. Blankenburg 1984: 85): Man set2t sich durch die schlichte Normiibertretung gegen den repessiven oder schlicht eigenen Interessen zuwiderlaufenden Geltungsanspruch des Rechts zur Wehr, sucht aber zugleich die Moglichkeit, aktiv am politischen Leben zu partizipieren und auf dieser Ebene Prozesse der Normsetzung und Normanwendung nach seiner jeweiligen Interessenlage zu beeinflussen. Forschungsfrage 7 fokussierte schlieBlich den Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren und der Inklusion ihres Entscheidungshandelns in die Strukturen des Marktes. Die Betrachtung richtete sich dabei im Einzekien auf strukturelle Indikatoren, die die Marktlage von Akteuren auf der Ebene des Arbeitsmarktes, der Finanzmarkte und der Konsumgiitermarkte definieren. Die statistischen Analysen zielten konkret auf die Beantwortung der Frage, wie weit sich Akteure mit verschiedenen normbezogenen Orientierungsmustern im Hinblick auf ihre Inklusion in die Strukturzusammenhange des Marktes unterscheiden. Hiermit verband sich die Annahme, dass mit zunehmender Markteinbindung des Entscheidungshandekis von Akteuren solche Orientierungsmuster in den Vordergrund treten, die durch ein verstarktes commitment an okonomische Erfolgsziele bei gleichzeitiger Abwertung nomozentrischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen gekennzeichnet sind. In den entsprechenden Analysen konnte auch diese These partiell gestiitzt werden. So zeigte sich etwa mit BHck auf den Erwerbstatus, dass mit zunehmender arbeitszeitHcher Einbindung von Akteuren in Erwerbszusammenhange marktaktive Orientierungsmuster in den Erwerbsstatusgruppen dominant werden und parallel hierzu konventionaUstische und marktdistanzierte Orientierungsmuster zuriickgehen. Der Befund, dass mit zunehmender Markteinbindung die marktaktiven Orientierungsmuster der normorientierten und insbesondere des radikalen Marktaktivisten in den entsprechenden Referenzgruppen dominieren, wurde auch in den Analysen zur Finanzmarkteinbindung - so etwa zum relativen Anteil fonds- und aktienbasierter Vermogensanlagen oder zur Nutzung von Kreditkarten - partiell bestatigt. Als zentral erwies sich schlieBlich das Ergebnis, dass bei den Angehorigen der Untersuchungsstichprobe ein Zusammenhang zwischen der Erwerbsgruppenzugehorigkeit einerseits und der Auspragung normbezogener Orientierungsmuster andererseits beobachtbar ist. So wurde deutlich, dass der Orientierungstypus des radikalen Marktaktivisten verstarkt in den Erwerbsgruppen der Selbststandigen und Freiberufler, der Typus des nonkonformen Kommunitaristen disproportional haufig in der Erwerbsgruppe der hoheren Angestellten konzentriert ist. Die marktdistanzierten Konventionalisten zeigten sich demgegeniiber am starksten in der Erwerbsgruppe der einfachen Angestellten, die normorientierten Marktaktivisten in der Erwerbsgruppe der Auszubildenden prasent. Interessanterweise waren die normorientierten Marktaktivisten in der Gruppe der Selbststandigen und Freiberufler am schwachsten prasent. Kehrt man von hier aus zu der im Titel der Studie formuHerten Ausgangsfrage nach der Verdrangung des homo comunis durch den homo oeconomicus resp. nach einem moglichen

7.2 Methodenkritische Reflexion

257

Gegeneinander der gemeinwesenbezogenen Ordnungssysteme von Recht und Gemeinschaft einerseits und dem Ordnungssystem des Marktes andererseits zuriick, lassen die referierten Befunde an dieser Stelle eine empirisch begriindete Antwort auf diese Frage 2u. So scheint der Orientierungstypus der normorientierten Marktaktivisten die Annahme einer solchen Verdrangung resp. eines solchen Gegeneinanders aufs erste zu widerlegen, denn er ist als sowohl nomozentrisch als auch gemeinschafdich orienderter Akteur durchaus in der Lage, seine okonomischen Erfolgsinteressen mit dem Geltungsanspruch rechdicher Normen und kommunitar-gemeinschaftlicher Obligationen in Einklang zu bringen. In Ubereinstimmung mit diesem Befund zeigten auch die Analysen zum Zusammenhang zwischen den normbezogenen Orientierungen von Akteuren und ihrer Delinquenzhaufigkeit bzw. ihrem ehrenamtlichen Engagement, dass allein das AusmaB okonomischer Orientierungen von Akteuren, isoliert betrachtet, keinen zufriedenstellenden Beitrag fiir die Erklarung rechtswidrigen oder auch prosozialen Verhaltens leisten kann. Gleichwohl legen die Analysen zur Markteinbindung der normbezogenen Orientierungstypen nahe, dass der Typus des normorientierten Marktaktivisten weniger im Zentrum als vielmehr in der Peripherie des Marktgeschehens - namlich mit erhohter Prasenz vor allem in der Erwerbsgruppe der Auszubildenden — zu verorten ist. Der radikale Marktaktivist, der die Relevanz rechtlicher und kommunitar-gemeinschaftlicher Belange radikal hinter das fiir ihn vordringliche Ziel der okonomischen Vorteilsnahme zuriickstellt, scheint demgegeniiber - betrachtet man seine Prasenz insbesondere in der Erwerbsgruppe der Selbststandigen und Freiberufler - starker im Zentrum des Marktgeschehens zu stehen. Gleiches lasst sich im Weiteren fiir den nonkonformen Kommunitaristen mit seiner verstarkten Konzentration in der Erwerbsgruppe der hoheren Angestellten behaupten. Diese Befunde machen deutlich, dass sich die Annahme eines Wirkungszusammenhangs zwischen der Art der Markteinbindung von Akteuren und der Auspragung ihrer normbezogenen Orientierungsmuster empirisch stiitzen lasst. Bezogen auf die Erwerbsgruppenzugehorigkeit lasst sich in diesem Zusammenhang annehmen, dass diese mit einer Assimilation an erwerbsgruppenspezifische Kontrollkulturen einhergeht, die den Angehorigen dieser Erwerbsgruppen die Auspragung eines je bestimmten normativen Habitus nahe legen. Dabei scheinen Formen der generalisierten Rechtstreue, aber auch des zivilgesellschaftlichen Engagements, fiir den Einzelnen um so mehr an Relevanz zu verlieren, je starker Akteure, bemessen an ihrer beruflichen Stellung, in betriebswirtschaftliche Leitungsfunktionen und insbesondere in Formen der freiberuflichen Beschaftigung und der unternehmerischen Selbststandigkeit vorriicken.

7.2 Methodenkritische Reflexion Anzumerken bleibt, dass die These der Beeinflussung der normbezogenen Orientierungsmuster von Akteuren durch graduell unterschiedliche Formen der Marktinklusion - wiewohl durch die Befunde der vorliegenden Untersuchung empirisch gestiitzt - im

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7. Schlussbetrachtung

Rahmen der durchgefiihrten Analysen methodisch in nur eingeschranktem AusmaB abgesichert werden konnte. Zunachst ist in diesem Zusammenhang zu konstatieren, dass die dargestellten Ergebnisse auf Grund der nicht reprasentativen Untersuchungsstichprobe nicht ohne Weiteres auf die Gesamtheit der bundesdeutschen Erwerbsbevolkerung iibertragen werden konnen. Einem frequenzstatistischen Wahrscheinlichkeitskonzept folgend lasst sich die Giiltigkeit der Befunde allenfalls fiir eine solche Personengruppe reklamieren, die den groBten Anteil der Untersuchungsstichprobe ausmacht: namlich fur jiingere, tendenziell hoher gebildete Frauen und Manner aus der deutschen Erwerbsbevolkerung, die aktiv am Erwerbsleben partizipieren und sich im Kontext der berufiichen Fort- und Weiterbildung engagieren. Mit Blick auf die in der Studie beriicksichtigten UntersuchungsgroBen und ihre Erfassung im Rahmen einer Querschnittsuntersuchung lasst sich im Weiteren nicht ausschlieBen, dass die normbezogenen Orientierungsmuster der Akteure weniger als Folge denn als Ursache ihrer Markteinbindung zu begreifen sind. So lieBe sich ebenso plausibel annehmen, dass Akteure das Orientierungsmuster des radikalen Marktaktivisten unabhangig von der Art ihrer Markteinbindung entwickelt haben und vermittelt durch dieses Orientierungsmuster spaterhin bevorzugt freiberufliche Erwerbsformen resp. Formen der berufiichen Selbststandigkeit aufgesucht haben. Die Befunde rechtfertigen so aus sich heraus nicht die Annahme eines praformierenden Einflusses der Marktinklusion auf die Auspragung normbezogener Orientierungsmuster. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die vorliegende Untersuchung sich in der Rezeption der empirisch ermittelten Befunde von dem Prinzip einer induktiv-empirischen Beweisfiihrung entschieden abgrenzt. Sofern hier empirische Befunde auf kausaltheoretische Uberlegungen bezogen werden, erfolgt dies ausdriicklich vor dem Hintergrund einer theoriegeleitet konzipierten Untersuchungsstrategie. Dies heiBt, dass auf Basis abgeleiteter Annahmen iiber den Zusammenhang zwischen der Inklusion in die Strukturen des Marktes und der Auspragung der normbezogenen Orientierungen von Akteuren gepriift wurde, wie weit diese den gegebenen Befunden der empirischen Analysen widersprechen. Das bedeutet auch, dass alle empirisch gestiitzten Uberlegungen zu theoretisch angenommenen Kausalitatsverhaltnissen hypothedschen Charakter tragen und vor dem Hintergrund eines kausaltheoretischen Vorbehalts zu interpretieren sind: Die Leitfrage der empirischen Analysen ist somit nicht, ob gegebene Merkmalszusammenhange im Datensatz die Annahme von Kausalbeziehungen ex post nahe legen, sondern wie weit sie mit ex ante formulierten Kausalannahmen iiber den Einfluss eines Merkmals A auf ein Merkmal B in Einklang stehen. Genau in diesem Sinne wurden auf Grundlage der in dieser Studie durchgefiihrten Querschnittsanalysen theoretische Vorannahmen auf ihre inhaltliche Vertraglichkeit mit den empirischen Befunden iiberpriift. Zu erwahnen bleibt, dass sich in der problematisierten Kausalrelation zwischen der strukturellen Einbettung von Akteuren einerseits und ihren normbezogenen Orientierungen resp. Handlungen andererseits nicht nur ein Problem der empirischen „Beweisfiihrung", sondern im Weiteren ein zentrales Problem einer jeglichen Theorie des Sozialen widerspiegelt: namlich das Problem der Bestimmung des Verhaltnisses von

7.2 Methodenkritische Reflexion

259

Handlung und Struktur bzw. der individuellen Verhaltens- und Einstellungsmuster von Akteuren einerseits und der iibergeordneten gesellschaftlichen Strukturen andererseits. Im Rahmen der Konzeptualisierung der vorliegenden Studie (vgl. Kapitel 3) wurde dieses Verhaltnis implizit iiber das Mikro-Makro-Modell sozialen Handelns von McClelland (1961) und Coleman (1991) aufgegriffen und thematisiert. Die der Studie zugrundeliegende These, dass die normbezogenen Orientierungsmuster von Akteuren durch die Inklusion des individuellen Entscheidungshandelns in die Strukturen des Marktes gepragt und beeinflusst werden, lost das Spannungsverhaltnis zwischen sozialer Struktur und akteursspezifischer Orientierung allerdings einseitig auf. Dabei wird ausgeblendet, dass die Mikro- und Makro-Ebene der Gesellschaft weder empirisch noch analytisch unabhangig voneinander sind (vgl. Heidenreich 1998: 229). So exisderen gesellschaftHche (Makro)-Strukturen nicht unabhangig von den Orientierungen und Handlungen der einzelnen Akteure. Sie reproduzieren sich immer nur durch soziales Handeln bzw. durch die Orientierungsmuster von Akteuren, die sich innerhalb gegebener Strukturzusammenhange bewegen. Entsprechend beschreiben auch Jeffrey Alexander und Bernhard Giesen (1987: 14) die Relation zwischen sozialer Ordnung und individuellem Handeln als bidirektionale Beziehung. Sie betonen dabei, dass Akteure gesellschaftliche Ordnungszusammenhange nicht nur passiv reproduzieren, sondern diese ebenso aktiv bestandig neu schaffen. Die „Konsdtution der Gesellschaft" (Giddens 1988) ist in diesem Sinne immer auch Produkt des routinegeleiteten, wertrationalen oder auch zweckradonalen Handelns von Akteuren, die gleichzeitig in die strukturellen Begrenzungen der Folgen ihres Handelns eingebettet sind (vgl. Esser 1993: 607). Bezogen auf die Relation zwischen den normbezogenen Orientierungsmustern von Akteuren und den Strukturzusammenhangen etwa der Erwerbsgruppenzugehorigkeit und der erwerbsgruppenspezifischen KontroUkulturen lieBe sich entsprechend davon ausgehen, dass diese einerseits durch die Orientierungen und Handlungen der Akteure existieren, die diese Strukturzusammenhange aufsuchen, wie auch andererseits die Strukturzusammenhange - u.a. via Kommunikation der in ihnen handelnden Akteure auf die Orientierungen und Handlungen des Einzelnen Einfluss nehmen und diese riickwirkend pragen resp. stabilisieren. Um allerdings die bidirektionale Beziehung zwischen Marktinklusion und normbezogenen Orientierungsmustern adaquat erfassen zu konnen, hatte es - nebst einer sehr viel aufwandigeren Erfassung relevanter ReferenzgroBen der akteursspezifischen Orientierungen und des Handelns - der empirischen Rekonstruktion einer Zeitreihe bedurft, die die Inklusion des individuellen Entscheidungshandelns von Akteuren in die Strukturen des Marktes zum Zeitpunkt to in Beziehung setzt zu den Handlungen dieser Akteure zum Zeitpunkt to-i und diese wiederum zu den Orientierungsmustern von Akteuren zum Zeitpunkt to-2. Eine Umsetzung dieser Strategic hatte den zeitlichen und finanziellen Rahmen der vorliegenden Untersuchung um ein Vielfaches gesprengt.

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7. Schlussbetrachtung

7.3 Diskussion und Ausblick Nimmt man die empirischen Ergebnisse der Studie ungeachtet gegebener Schwachen in der methodischen Absicherung der Befunde vorlaufig als giiltig an, so scheinen sie die These von der Verdrangung des homo communis durch den homo oeconomicus partiell zu bestatigen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die unterschiedliche Prasenz der radikalen Marktaktivisten in den sog. Peripheriezonen und in den Zentren des Marktgeschehens, wie sie nicht zuletzt durch die Erwerbsgruppenzugehorigkeit der Befragten rekonstruiert wurde. Dieser Befund steht in Einklang mit der eingangs formulierten differenzierungstheoretischen Annahme (vgl. Kap. 3, Abschnitt 3.2.1), dass die unterschiedlichen Steuerungsprinzipien der gesellschaftlichen Teilsysteme von Wirtschaft bzw. Markt, Recht und sozietarer Gemeinschaft unterschiedliche Leitwerte des Handelns oder auch Handlungsrationalitaten befordern, deren Logik auf das Handeln von Akteuren in ihrer Alltags- und Lebenswelt zuriickwirkt. Je starker Akteure dabei in die institutionellen Strukturen eines gesellschaftlichen Teilsystems eingebunden sind, desto starker iibernehmen sie die Leitwerte und Handlungsradonalitaten, die die spezifischen Operadonsweisen des betrachteten gesellschaftlichen Teilsystems auszeichnen, auch in systemexternen Bereichen des Alltagshandelns. Bezogen auf die „Markt-und-Moral-Debatte" lasst sich vor dem Hintergrund der vorliegenden empirischen Befunde analog hierzu festhalten, dass entgegen den Annahmen der liberalen Gesellschaftstheorie eine verstarkte Einbindung in das Marktgeschehen - gemessen an den normbezogenen Verhaltensintentionen und Handlungen von Akteuren - nicht selbsdaufig mit einer Zivilisierung des Verhaltens einhergeht. Die Befunde der Analysen legen vielmehr nahe, dass die zunehmende Inklusion von Akteuren in die institutionellen Strukturen des Marktes die Auspragung normbezogener Orientierungsmuster befordert, die tendenziell mit einer Vernachlassigung des Geltungsanspruchs sowohl formal-rechtlicher Normen im Bereich der Betrugs- und Eigentumskriminalitat als auch - wie im Falle der radikalen Marktaktivisten - von kommunitar-gemeinschaftlichen Obligationen einhergehen. Gleichwohl wird durch die vorliegende Untersuchung nicht die These einer monokausalen Verkniipfung zwischen dem Grad der Marktinklusion und der Auspragung radikal marktaktiver und tendenziell anomischer Handlungsorientierungen gestiitzt, Eine solche Annahme widerspricht einerseits den differenzierungstheoretischen Basisannahmen der Studie, die die normbezogenen Orientierungen von Akteuren als Ausdruck und Gerinnungsprodukt unterschiedlicher Differenzierungsmuster der Inklusion von Akteuren in die institutionellen Strukturen der gesellschaftlichen Ordnungssysteme von Staat bzw. Recht, Markt und Gemeinschaft begreifen. Andererseits konnte die These einer singularen Bedeutung der Markte fiir die normbezogenen Orientierungen von Akteuren auch durch die empirischen Befunde der Studie nicht belegt werden, da bei der Analyse des Zusammenhangs von Markteinbindung und normbezogenen Orientierungsmustern die Einbindung in die institutionellen Strukturen anderer gesellschaftlicher Ordnungssysteme unberiicksichtigt blieb.

7.3 Diskussion und Ausblick

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Im Rahmen der Analyse des Zusammenhangs zwischen Marktinklusion und normbezogenen Orientiemngsmustern sollten kiinftige, an die vorliegende Studie anschlieBende Untersuchungen ihr Augenmerk so auch nicht ausschlieBlich auf die abstrakte Marktposition von Akteuren richten, sondern parallel hierzu auch auf variierende Formen der Einbettung des normbezogenen Handelns in die Strukturen gemeinschafts- und rechtsbasierter gesellschaftlicher Ordnungssysteme. Interessant scheint vor dem Hintergrund dieser Uberlegungen zu sein empirisch auszuleuchten, unter welchen Bedingungen Marktakteure, die von ihrer Marktposition her betrachtet ebenfaUs im Zentrum des Marktgeschehens stehen, neben einem commitment an okonomischen Erfolgsziele ebenfalls hohe nomozentrische und kommunitar-gemeinschaftHche Orienderungen ausbilden. Bezugnehmend auf die mit dieser Studie vorgelegte Typologie normbezogener Orientierungsmuster HeBe sich entsprechend fragen, unter welchen Rahmenbedingungen sich der T}^us des normorientierten Marktaktivisten verstarkt im Zentrum des Marktgeschehens engagiert bzw., mit anderer Fragerichtung, unter welchen Umstanden Marktakteure eine Haltung von Vertrauen und Kespekt gegeniiber den gesellschaftlichen Ordnungssystemen von Recht und Gemeinschaft entwickeln oder auch aufrechterhalten (vgl. hierzu auch Braithwaite 1998: 343ff.). Mit Blick auf die gesellschaftspolidsche Diskussion zu den erodierenden Einfliissen eines globaUsierten Marktsystems auf die moraUschen Orienderungen von Akteuren legen die ausgefiihrten Uberlegungen nahe, sich hier nicht einseitig auf eine Verfemung der moralischen Indifferenz des Markthandelns und der Marktrationalitat zu kaprizieren. Dies stiinde auch in Widerspruch zu dem Befund, dass die graduelle Auspragung okonomischer Orientierungen — verstanden hier als Indikator fiir den Grad der Orientierung des Handelns an Gesichtspunkten einer Marktrationalitat - vaHde Vorhersagen weder fiir die DeUnquenzhaufigkeit noch fiir Art und AusmaB der „prosozialen" Aktivitaten von Akteuren ermoglicht. Vielmehr soUte die „Stimme des Marktes" in ihrer handlungspragenden Kraft explizit im Konzert der Handlungsimperative anderer gesellschaftlicher Ordnungssysteme betrachtet werden. Eine Gewahr fiir die „moralische Starkung" geseUschaftUcher Akteure als Voraussetzung fiir den Erhalt einer funktionsfahigen Zivilgesellschaft scheint dabei weniger in der Abschaffung oder auch staatlichen Verwaltung von Markten als vielmehr in der exklusiven Forderung der Inklusionskrafte der sozietaren Gemeinschaft und des Rechts zu bestehen.

Literatur

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Anhang Anhang A: Fragebogen

Anschreiben des Fragebogens

Sehr geehrte Damen und Herren, wir wenden uns heute mit der Bitte an Sie, uns bei einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterstiitzen, die derzeit an der Universitat Bielefeld durchgefiihrt wird. Wir gehen hier mit einem Team von Wissenschafdern der Frage nach, wie Menschen sich in wirtschafdichen Zusammenhangen verhalten und welchen Stellenwert dabei moralische und rechdiche Regeln fiir Sie besitzen. Um diese Problematik zu untersuchen, haben wir diesen Fragebogen entwickelt. Eine Besonderheit des Fragebogens liegt darin, dass durch ihn auch sehr sensible Bereiche des alltaglichen Lebens beriihrt werden. So finden sich hier etwa Fragen dazu, wie Ihre Einkommens- und Vermogenslage aussieht, ob Sie schon einmal Kredite aufgenommen haben und wie viel Zeit Sie mit der Regulierung Ihrer finanziellen Angelegenheiten verbringen. Ein weiterer Themenschwerpunkt des Bogens befasst sich damit, welche Bedeutung fiir Sie rechtliche und moralische Regeln haben. Hier finden sich entsprechend auch Fragen dazu, ob Sie schon einmal gegen solche Regeln verstoBen haben. Uns ist bewusst: Dies alles sind Themen, zu denen man nur ungern offenherzig Auskunft gibt. Gerade deshalb sichern wir Ihnen im Umgang mit Ihren Angaben absolute Diskretion zu. Die Erfassung und Auswertung Ihrer Antworten erfolgt voUkommen anonym an der Universitat Bielefeld. Ihre Antworten dienen dabei ausschlieBlich den Zwecken wissenschaftlicher Analyse und werden dariiber hinaus dritten Personen oder Instanzen nicht zuganglich gemacht. Wir waren Ihnen sehr dankbar, wenn Sie unser Forschungsanliegen durch Ihre Befragungsteilnahme unterstiitzen. Denn: Nur auf Grundlage Ihrer Erfahrungen und Stellungnahmen sind wir iiberhaupt in der Lage, neue Einsichten und Erkenntnisse iiber unseren Forschungsgegenstand zu gewinnen. Die Bearbeitung des Fragebogens wird fiir Sie etwa 45 Minuten Zeit in Anspruch nehmen. Wie die Befragung im Einzelnen funkdoniert, wird auf der folgenden Seite erklart. Mit freundlichen GriiBen

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Anhang

Wir haben versucht, Ihnen die Beantwortung des Fragebogens so leicht wie moglich zu machen. Bei den meisten Fragen sind die moglichen Antworten schon vorgegeben. Sie brauchen Ihre Antwort nur zu markieren, indem Sie das dazugehorige Feld einfach ankreuzen. Bei einem anderen Typ von Frage muss eine Zahl an einer dafur vorgesehenen Stelle eingetragen werden. Dazu einige Beispiele: Beispiel 1: Wann sind Sie geboren?

Geburtsjahr

19

Beispiel 2:

Einzelne Fragen haben den Zusatz Kreu^en Sie bitte die Felder an, die aufSie ^utreffen. Dort konnen Sie mehr als eine Antwort ankreuzen. Dazu das folgende Beispiel:

Es kann passieren, dass Sie bei der Beantwortung der Fragen aus Versehen einmal ein falsches Kastchen ankreuzen. Gehen Sie in diesem Fall bitte in folgender Weise vor: Korrigieren Sie Ihre Antwort, indem Sie die falsche Antwort dick durchstreichen und das Kreuz dann in das richtige Kastchen setzen. Die Auswertung der Untersuchung wird an der Universitat Bielefeld vorgenommen. Da dies, wie bereits angemerkt, vollkommen anonym erfolgt, schreiben Sie bitte keinen Namen auf den Fragebogen. Welche einzelne Person konkret welche Antwort gegeben hat, ist fiir uns ganz ohne Bedeutung. AbschlieBend mochten wie Sie noch bitten, darauf zu achten, dass Sie nicht aus Versehen eine Frage auslassen; andernfalls konnen die Ergebnisse verfalscht werden. Wenn Sie den Fragebogen vollstandig ausgefiillt haben, schicken Sie diesen in dem beigefiigten frankierten Riickumschlag zuriick an die Universitat Bielefeld. Vielen Dank fiir Ihre Mitarbeit!

A: Fragebogen

Zunachst ein paar allgemeine Fragen zu Ihrer Person und Ihrer Beschaftigungssituation:

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Anhang

A: Fragebogen

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Anhang

A: Fragebogen

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Im Folgenden flnden Sie die Beschreibung einer Situation, in der ein Entsclieidungsproblem besonderer Art geschildert wird. Bitte lesen Sie sich die Situationsbesclireibung genau durcli. Stellen Sie sich vor, selbst in eine solche Situation gestellt zu sein und hier eine Entsclieidung treffen zu mussen. Was wiirden Sie in einer solchen Situation tun? Sie haben sich aus einem festen Beschdftigungsverhdltnis heraus aufeine hoher bezahlte Stelle in einem fremden Unternehmen beworben. Im Zuge des Bewerbungsverfahrens gelangen Sie mit einem anderen Bewerber in die Endauswahl und werden von dem Personalleiter des Unternehmens zu einem Vorstellungsgesprdch geladen. Wenige Tage nach dem Vorstellungsgesprdch teilt Ihnen der Personalleiter mit, dass er Sie Ihrem Mitbewerber gegeniiber bevorzugt. Auflhre Bitte hin wird Ihnen eine Woche Bedenkzeit zugestanden. Melden Sie sich innerhalb dieses Zeitraums nicht, so wird Ihrem Mitbewerber die Stelle angeboten. Bei einer Party lernen Sie ein paar Tage spdter rein zufdllig Ihren Mitbewerber kennen. Er ist etwa 5 Jahre dlter als Sie und Voter zweier Kinder. Im Gesprdch erfahren Sie, dass Ihr Mitbewerber schon seit zwei Jahren arbeitslos und dringend aufeine berufliche Beschdftigung angewiesen ist. Er dufiert, dass er grofie Hoffnungen in diejetzige Stellenbewerbung setze. Um eine Konfrontation zu vermeiden, erwdhnen Sie zundchst nur beildufig, dass Sie sich ebenfalls auf die genannte Stelle beworben haben. In diesem Moment kommt ein Freund hinzu und sagt, er habe gehort, dass Ihnen die Stelle bereits von dem Personalleiter des Unternehmens zugesprochen warden sei. Sie bestdtigen dies zogernd, gehenjedoch nicht weiter aufdiesen Punkt ein. Ungeachtet dessen bemerken Sie, wie Ihr Mitbewerber angesichts dieser Aussage augenblicklich erbleicht undformlich in sich zusammensackt. Nach einer kurzen Zeit des verlegenen Schweigens entschuldigt er sich unter Verweis aufGefiihle von Ubelkeit und verldsst die Party. Nachdem Sie Ihrem Freund die vorausgegangene Situation kurz geschildert haben, kommt Ihnen der Gedanke, dass Sie es sich in Ihrer Beschdftigungssituation prinzipiell leisten kdnnten, Ihrem Mitbewerber die Stelle zu iiberlassen.

286

Anhang

A: Fragebogen

Sie haben nunmehr etwa ein Drittel des Fragebogens bearbeitet.

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Anhang

Im Folgenden interessieren wir uns fur Ihre Einkommens- und Vermogenslage. Wir wissen, dass es nicht selbstverstandlich ist, zu einem solchen Thema offenherzig Auskunft zu geben. Deshalb sei an dieser Stelle nochmals ausdriicklich betont, dass die Auswertung Ihrer Angaben absolut anonym erfolgt. Ungeachtet dessen haben Sie selbstverstandlich die Moglichkeit, Ihre Antwort bei einzelnen Fragen zu verweigern.

A: Fragebogen

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Anhang

: Fragebogen

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Anhang

Im Folgenden flnden Sie die Beschreibung einer weiteren Entscheidungssituation. Lesen Sie sich die Situationsbeschreibung wiederum moglichst genau durch. Auch hier interessiert uns die Frage, wie Sie personlich in einer solchen Situation entscheiden wiirden. Sie sind Angestellter eines medizinisch-pharmazeutischen Unternehmens, das vor einem Jahr an die Borse gegangen ist Im Zuge des Borsengangs hatten Sie zunachst nur wenige Unternehmensaktien erworben. In den letzten Monaten warden Siejedoch darauf aufmerksam, dass die Aktienwerte Ihres Unternehmens einen leichten Anstieg verzeichneten. Grand hierfUr war, dass Ihr Unternehmen in einer Pressekonferenz mit Planen zur Entwicklung eines neuen Anti-Krebs-Prdparats an die Offentlichkeit trat Aus vertraulicher Quelle erfahren Sie nun, dass die Ergebnisse der letzten TestreihefUr das neue Prdparatpositiv ausgefallen sind. Mit anderen Worten: Das Prdparat scheint tatsdchlich als wirksames Mittel der Krebsbekampfung tauglich zu sein. Ihnen ist klar, dass mit der Veroffentlichung dieser Meldung in den nachsten Tagen die Aktienwerte Ihres Unternehmens sprunghaft ansteigen and sich gegebenenfalls sogar verdoppeln werden. In dieser Situation kommt Ihnen der Gedanke, noch vor Veroffentlichung derpositiven Ergebnisse weitere Aktien Ihres Unternehmens im Werte von 15.000 Euro zu kaufen. Sie konnten so mit ein wenig Gliick in wenigen Tagen einen Gewinn von mehr als 10.000 Euro erwirtschaften. Zwar wissen Sie, dass Sie sich in diesem Fall strafbar machen, denn Sie nutzen fiir Ihre Aktiengeschafte Informationen, die anderen Aktiondren aufierhalb Ihres Unternehmens zu diesem Zeitpunkt nicht zugdnglich wareru Sie miissten sogar damit rechnen, dass Sie von Beamten der Aufsichtsbehorden wegen Ihrer Aktiengeschafte zur Rede gestellt werden. Gleichwohl konnte Ihnen in dieser Situation niemand wirklich nachweisen, dass Sie zum Zeitpunkt Ihrer Aktienkdufe von den positiven Testergebnissen fiir das Anti-Krebs-Praparat gewusst haben.

: Fragebogen

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Sie haben nun das zweite Drittel des Fragebogens beantwortet.

Anhang

A: Fragebogen Im Weiteren noch ein paar Fragen zu Ihrer Person und zu Ihrem Lebensalltag.

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Anhang

A: Fragebogen

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Anhang

A: Fragebogen

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Im folgenden letzten Teil des Fragebogens interessieren wir uns fiir Ihr Verhaltnis zu moralischen und rechtlichen Regeln sowie zu Regelverletzungen.

Anhang

A: Fragebogen

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302

Anhang

A: Fragebogen

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Herzlichen Dank fiir Ihre Mitarbeit. Falls Sie noch Anmerkungen, Kommentare oder Anregungen zu unserer Befragung haben, notieren Sie diese doch bitte an dieser Stelle:

304

Anhang

Anhang B: Soziodemografische und sozial-okonomische Strukturmerkmale der Untersuchungsstichprobe Die nun folgende Darstellung bezieht sich auf die in Tabelle Bl (S. 306ff.) dokumentierten Kennziffern zu den soziodemografischen und sozialokonomischen Strukturmerkmalen der Untersuchungsstichprobe. Sie umfasst dabei zum einen die soziodemografischen Merkmale Alter und Geschlecht der Befragten und zum anderen Strukturmerkmale, die die soziale und sozio-okonomische Position der Befragten kennzeichnen. Angegeben sind dabei jeweils die prozentuierten Anteilswerte der einzelnen Merkmalsgruppen der Stichprobe, sowohl getrennt fiir Frauen und Manner als auch insgesamt, wobei als Prozentuierungsbasis die Anzahl der jeweils giiltigen Falle aus der Untersuchungsstichprobe herangezogen wurde. Um die merkmalstypischen Besonderheiten der Untersuchungsstichprobe als einer Stichprobe bundesdeutscher Erwerbspersonen besser abschatzen zu konnen, erfolgt in der Darstellung, wo moglich, dariiber hinaus ein Abgleich der dokumentierten Strukturdaten der Untersuchungsstichprobe mit den Daten des Mikrozensus^22 f^j. ^^ deutsche Erwerbsbevolkerung (ohne auslandischr Erwerbspersonen) fiir das Jahr 2002. Insgesamt wurden in der hier dokumentierten Studie 390 Personen untersucht. Von diesen 390 Personen waren 46,4 Prozent (n=181) weiblichen und 53,6 Prozent (n=209) mannlichen Geschlechts, was - gemessen am Mikrozensus - in etwa die GroBenrelation der Geschlechtsgruppen in der deutschen Erwerbsbevolkerung widerspiegelt. Das mittiere Alter der Befragten betrug zum Befragungszeitpunkt in beiden Geschlechtern etwa 33 Jahre (arithm. Mittel und Median: 33 Jahre). 50 Prozent der Befragten lagen in ihrem Alter jeweils unterhalb und oberhalb dieses Mittelwerts, wobei der jiingste Befragte in der Untersuchungsstichprobe 21, der alteste 62 Jahre alt war. 82,6 Prozent gehorten der Altersgruppe zwischen 21 und 40 Jahren an, 17,2 Prozent der Altersgruppe zwischen 41 und 60. Ein Befragter lag schlieBlich mit seinem Alter iiber 60 Jahren. Beziiglich der Altersverteilung zeigten sich im Weiteren, abgesehen

122 Der Mikrozensus ist eine amtliche Reprasentativstatistik iiber die Bevolkerung und den Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland. Er liefert statistische Informationen u.a. iiber die Bevolkerungsstruktur, die wirtschaftliche und soziale Lage der Bevolkerung, den Haushalts- und Familienzusammenhang, den Arbeitsmarkt, die Aus- und Fortbildung, die Wohnverhaltnisse und die Gesundheit der Bevolkerung. Einmal jahrlich werden 1% aller Haushalte in Ost- und Westdeutschland, das sind insgesamt rund 390.000 Haushalte mit 830.000 Personen, befragt. Als Reprasentativerhebung basiert der Mikrozensus dabei auf einer Zufallsstichprobe, bei der alle Haushalte die gleiche Auswahlwahrscheinlichkeit haben. Dazu werden aus dem Bundesgebiet Flachen (Auswahlbezirke) ausgewahlt, in denen alle Haushalte und Personen befragt werden. Das Frageprogramm des Mikrozensus besteht aus einem festen Grund- und Erganzungsprogramm mit jahrlich wiederkehrenden Tatbestanden, das iiberwiegend mit Auskunftspflicht belegt ist. Dariiber hinaus gibt es in vierjahrigem Rhythmus Zusatzprogramme (u.a. zur Wohnsituation, Gesundheit und Altersvorsorge der Bevolkerung), die teilweise von der Auskunftspflicht befreit sind. Die Angaben - insbesondere zur Erwerbstatigkeit - beziehen sich jeweils auf eine festgelegte Berichtswoche. In der Regel ist dies die letzte feiertagsfreie Woche im April. Der Mikrozensus ist dabei als dezentrale Statistik angelegt, d.h. seine organisatorische und technische Vorbereitung erfolgt beim Statistischen Bundesamt, die Durchfiihrung der Befragung und die Aufbereitung der Daten obliegt aber den Statistischen Landesamtern. Quelle: Statistisches Bundesamt (2003); Merkl:)latt „Informationen zum Mikrozensus". Bonn: Destatis, im juni 2003.

B: Soziodemografische und sozial-okonomische Strukturmerkmale der Untersuchungsstichprobe

305

vom hochsten Alters segment, keine bemerkenswerten Unterschiede zwischen weiblichen und mannlichen Befragten. Zieht man vor dem Hintergmnd dieser Befunde Schlussfolgerungen iiber die Altersstruktur der Untersuchungsstichprobe, so lasst sich zunachst konstatieren, dass sich das Alter der Respondenten innerhalb der gegebenen Spannweite im unteren Alterssegment (21 bis 40 Jahre) konzentriert, was bei einer Befragtenstichprobe von Absolventen aus Kursen und Seminaren der beruflichen Fort- und Weiterbildung nicht verwundern diirfte. Gegeniiber den Daten des Mikrozensus lasst sich hier eine Uberreprasentation der jiingeren Altersgruppen feststellen. Analog hierzu sind die mittleren und hoheren Altersgruppen in der Untersuchungsstichprobe, verglichen mit der reprasentativen Datenquelle des Mikrozensus, eher unterreprasentiert. Als Indikatoren der sozialen Einbindung wurden in der standardisierten Befragung die Merkmale Familienstand und feste Partnerschaft^^s erfasst. Beziiglich des Familienstands der Befragten zeigte sich, dass insgesamt 50,9 Prozent der Befragten zum Befragungszeitpunkt ledig, 41,1 Prozent verheiratet und nur 8 Prozent verwitwet der geschieden waren. Der Anteil der Ledigen war dabei mit 54,8 Prozent unter den mannlichen Befragten deutlich hoher als unter den Frauen (46,4%), der Anteil insbesondere der Geschiedenen, aber auch der Verwitweten umgekehrt bei den weiblichen Befragten mit 12,9 Prozent deutlich hoher als bei den Mannern. Ungeachtet ihres Familienstandes und ihres Geschlechts lebten zum Befragungszeitpunkt etwa 77 bis 78 Prozent aller Probanden in einer festen Partnerschaft, wogegen nur etwa 23 Prozent ein Single-Dasein fiihrten. Verglichen mit den Daten des Mikrozensus sind auch ledige Personen in der Untersuchungsstichprobe deutlich iiber-, Verheiratete hingegen deutlich unterreprasentiert. Dieser Befund gilt sowohl fiir die weiblichen als auch fiir die mannlichen Befragten. Eine verminderte Prasenz von Geschiedenen und Verwitweten tritt demgegeniiber nur unter den mannlichen Befragten in der Untersuchungsstichprobe hervor. Angesichts des hohen Anteils an Ledigen in der Untersuchungsstichprobe lasst sich begriindet annehmen, dass die Probanden der Studie ungeachtet des hohen Anteils informeller partnerschaftlicher Bindungen in leicht geringerem MaBe partnerschaftlich eingebunden sind als die Angehorigen der Erwerbsbevolkerung insgesamt. Neben den Indikatoren der partnerschaftUchen Einbindung wurden im Weiteren verschiedene Merkmale der sozio-okonomischen Position der Befragten erhoben. Erfasst wurden hierbei im Einzelnen der hochste allgemeinbildenden Schulabschluss sowie der hochste berufliche Ausbildungsabschluss als Indikatoren des kulturellen Kapitals, die Erwerbsgruppenzugehorigkeit sowie der Erwerbsstatus als Indikatoren der aktuellen Arbeitsmarktposition und das Haushalts-Netto-Einkommen als Indikator des okonomischen Kapitals.

123 Die Einbindung in eine feste Partnerschaft wurde iiber die Frage 5 des Fragebogens: „Haben Sie einen festen Partner / eine feste Partnerin?" erhoben. Diese Frage wurde erganzend zu der Frage nach dem Familienstand all jenen Probanden gestellt, die nicht mit ihrem Ehepartner zusammenleben.

306

Anhang

Tabelle Bl: Ausgewahlte soziodemografische und sozio-okonomische Merkmale deutscher Erwerbspersonen zwischen 21 und 65 Jahren in der Untersuchungsstichprobe und nach den Daten des deutschen Mikrozensus^ aus dem Jahr 2002, berechnet fiir die jeweils gesamte Stichprobenpopulation sowie getrennt fiir Frauen und Manner (Angaben in %y weiblich Stichprobe Mikrozensus a) Soziodemografische Merkmale 1. Geschlecht (Anzahl der FaUe) 2. Alter 21 bis40Jahre 41bis60Jahre 61 bis 65 Jahre (Anzahl der Falle)

46,4

45,0

$ =32,8; X =33 48,9 82,3 17,7 47,9 3,2 0,0 (n=15.609) (n=181)

b) Merkmale der partnerschaftlichen Einbindung 1. Familienstand^ ledig verheiratet geschieden, verwitwet (Anzahl der Falle)

46,4 40,8 12,8 (n=179)

2. Feste Partnerschaft^ (Anzahl der Falle)

78,1 (n=179)

26,7 60,9 12,4 (n=17.195)

-

mannlich Stichprobe Mikrozensus 53,6

55,0

$ =33,2; 2t ==33 47,8 82,8 48,7 16,7 0,5 3,5 (n=209) (n=19.049)

54,8 41,4 3,9 (n=208) 76,6 (n=208)

32,0 61,0 7,0 (n=21.555)

-

c) Merkmale der sozio-okonomischen Position 1. Hochster Schulabschluss Ohne Abschluss Hauptschule, Volksschule Realschule, POSs Fachabitur Abitur, EOS6 (Anzahl der FaUe) 2. Hochster Berufsabschluss ohne Berufsabschluss Lehr- / Anlernausbildung'' hoherer Ausbildungsabschluss^ Hochschulabschluss^ (Anzahl der Falle)

0,0 4,4 27,6 21,0 47,0 (n=181)

0,2 32,0 42,2 4,9 20,7 (n= 15.257)

1,0 15,3 29,7 19,6 34,4 (n=209)

0,7 38,3 33,0 6,7 21,3 (n=18.565)

4,7 65,7 12,2 17,4 (n=172)

15,1 63,2 9,6 12,1 (n=14.490)

4,1 51,3 25,4 19,3 (n=197)

10,7 59,0 13,0 17,3 (n=17.796)

3. Erwerbsstatus'o Nicht erwerbstatig Teilzeit- / stundenweise erwerbstatig Auszubildende, Umschiiler Vollzeiterwerbstatig (Anzahl der Falle)

8,3 15,6 29,4 46,7 (n=180)

9,5 34,2 1,5 53,8 (n= 15.609)

6,7 2,9 19,7 70,7 (n=208)

9,5 1,1 2,2 83,9 (n= 19.049)

4. Erwerbsgruppenzugehorigkeit^i Arbeiteri2 Angestelltei3 Beamte Selbstandige^"* (Anzahl der Falle)

7,1 84,6 1,2 7,1 (n=168)

19,8 66,9 5,3 8,0 (n=14.117)

37,5 54,2 2,0 6,3 (n=:205)

36,1 42,4 8,3 13,3 (n=17.240)

23,8 23,8 34,6 11,3 8,5 (n= 16.803)

4,0 13,8 29,3 23,8 29,2 (n=202)

6,7 11,2 31,4 21,5 29,8 (n=21.212)

5. Personliches monatliches Nettoeinkommeni^ unter 500 Euro 500 bis unter 900 Euro 900 bis unter 1.500 Euro 1.500 bis unter 2.000 Euro 2.000 Euro und mehr (Anzahl der Falle)

16,1 29,2 32,1 15,5 7,1 (n=168)

B: So2iodemografische und sozial-okonomische Strukturmerkmale der Untersuchungsstichprobe 1

Gesamt Stichpfobe Mikrozensus 100 (n=390)

100 (n=34.660)

$ =33,0; ^ = 3 3 82,6 48,3 48,9 17,2 0,3 2,8 (n=390) (n=34.658)

50,9 41,1 8,0 (n=387)

29,7 61,0 9,3 (n=38.749)

77,3 (n=387)

_

0,5 10,3 28,7 20,3 40,3 (n=390)

0,9 35,5 37,1 5,7 20,8 (n=33.564)

4,3 58,0 19,3 18,4 (n=369)

13,0 60,3 11,5 15,2 (n=32.607)

7,5 8,8 24,2 59,5 (n=388)

9,5 16,3 1,2 69,0 (n=34.658)

23,9 67,8 1,6 6,7 (n=373)

28,7 53,4 6,8 11,1 (n=31.358)

9,5 20,9 30,5 20,0 19,2 (n=370)

12,1 15,6 32,7 16,9 20,4 (n=38.015)

307

Ergebnisse des Mikrozensus, bezogen auf die Bevolkerungsgmppe der deutschen Erwerbstatigen und auf den Erhebungszeitraum April 2002. 2 Die prozentualen Anteilswerte fiir die Untersuchungsstichprobe und fiir den Mikrozensus beziehen sich jeweils auf die Anzahl der giiltigen Falle, unter Ausschluss jener Respondenten, fur die zu dem gegebenen Merkmal keine Informationen vorlagen. 3 Auf Basis der vorliegenden Daten des Mikrozensus waren differenziertere Angaben zum Familienstand, bezogen auf die Erwerbsbevolkerung, nicht verfiigbar. 4 Informationen zur Einbindung in eine partnerschaftliche Beziehung waren auf Grundlage der vorliegenden Daten des Mikrozensus nicht verfiigbar. 5 POS steht fiir „Polytechnische Oberschule", eine der Gesamtschule vergleichbare Mittelstufe in der ehemaligen DDR mit der Moglichkeit des Erwerbs der „mittieren Reife". 6 EOS steht fiir „Erweiterte Oberschule", eine gymnasiale Oberstufe zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife in der ehemaligen DDR. 7 Die Auspragung „Lehr- / Anlernausbildung" schlieBt den Erwerb eines der Lehre gleichwertigen Berufsfachschulabschlusses sowie das Absolvieren eines Berufsvorbereitungsjahres oder eines beruflichen Praktikums mit ein. 8 Die Auspragung „Hoherer Fachschulabschluss" schlieBt eine Meister- / Technikerausbildung, einen Ingenieurschulabschluss, den Abschluss einer Schule des Gesundheitswesens sowie einen Verwaltungsfachhochschulabschluss mit ein. 9 Die Auspragung „Hochschulabschluss" schlieBt sowohl den Fachhochschulabschluss (auBer dem den Abschluss einer Verwaltungsfachhochschule) als auch den Abschluss einer Promotion ein. 10 Die Mikrozensusdaten zum Erwerbsstatus deutscher Erwerbspersonen mussten aus verschiedenen tabellarischen Quellen rekonstruiert wurden, die beziiglich der Differenzierung der Altersgruppen in der Erwerbsbevolkerung unterschiedlich untergliedert waren. Dies hatte zur Folge, dass die Erfassung des Anteils der Erwerbslosen nur auf Basis der Erwerbsbevolkerung von 21 bis unter 65 Jahren erfolgen konnte. Die Bezifferung der Vollzeit- und Teilzeitbeschaftigten sowie der Anzahl von Auszubildenden und Umschiilern erfolgte demgegeniiber auf Basis der Erwerbsbevolkerung von 20 bis unter 65 Jahren. Ungeachtet dessen wurde in der vorliegenden Darstellung fiir alle Erwerbsstatusgruppen als Prozentuierungsbasis die Anzahl der deutschen Erwerbspersonen von 21 bis unter 65 Jahren gewahlt. Eine Folge dieses Vorgehens ist, dass sich die auf Grundlage des Mikrozensus berechneten Anteilswerte fiir die verschiedenen Erwerbsstatusgruppen nicht zu 100 Prozent addieren. 11 Die Angaben zur Erwerbsgruppenzugehorigkeit zwischen der Untersuchungsstichprobe und dem Mikrozensus sind nur bedingt vergleichbar. So wurden in der Untersuchungsstichprobe Angaben zur Erwerbsgruppenzugehorigkeit sowohl bei den aktuell Erwerbstatigen als auch bei den Erwerbslosen erhoben. Bezugspunkt der entsprechenden Angaben fiir die Erwerbslosen war dabei die Erwerbsgruppenzugehorigkeit im Rahmen ihrer letzten Beschaftigung. Im Gegensatz hierzu wurden im Rahmen des Mikrozensus Angaben zur Erwerbsgruppenzugehorigkeit nur bei den aktuell Erwerbstatigen erhoben wurden. Als Prozentuierungsbasis fiir die Berechnung der Anteilswerte fiir die einzelnen Erwerbsgruppen wurde deshalb in diesem Fall nicht die Gruppe der Erwerbspersonen, sondern ebenfalls die Gruppe der aktuell Erwerbstatigen herangezogen. 12 Den Arbeitern subsumiert wurden hier ebenfalls Auszubildende und Umschiiler in anerkannten gewerblichen und handwerklichen Ausbildungsberufen.

308

Anhang

13 Den Angestellten subsumiert wurden hier ebenfalls Auszubildende und Umschiiler in anerkannten kaufmannischen und technischen Ausbildungsberufen. 14 Den Selbststandigen subsumiert wurden hier ebenfalls mithelfende Angehorige in Familienbetrieben. 15 Da das Bundesamt fiir Statistik in der Sache keine anderen Daten verfiigbar machen konnte, wurden zur Schatzung der Einkommenshohen in der Erwerbsbevolkerung die Einkommensangaben aus dem Mikrozensus fiir die bundesdeutsche Erwerbsbevolkerung inklusive auslandischer Erwerbspersonen im Alter von 20 bis einschlieBlich 64 Jahren herangezogen. Datenquelle: Wirtschaft und Ethik, 2002; Mikrozensus, 2002 (eigene Berechnungen).

Beziiglich der schulischen Bildung^^^ 2eichnet sich die Untersuchungsstichprobe durch eine erhohte Konzentration von Respondenten mit allgemeiner oder Fachhochschulreife aus. So betragt der Anteil der Befragten mit Abitur (40,3%) oder Fachhochschulreife (20,3%) im Untersuchungssample iiber 60 Prozent, der Anteil von Probanden mit mitderer Reife hingegen nur etwa 29 und mit Haupt- bzw. Volksschulabschluss nur 10 Prozent. Lediglich zwei Befragte (0,5%) aus der Stichprobe gaben an, zum Befragungszeitpunkt iiber keinen allgemeinbildenden Schulabschluss zu verfiigen. Nach der Geschlechtszugehorigkeit differenzierte Analysen lassen im Weiteren erkennen, dass die weiblichen Befragten in der Untersuchungsstichprobe, im Durchschnitt betrachtet, ein hoheres Bildungsniveau aufweisen als die mannlichen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Verhaltnis von Befragten mit Abitur und mit Hauptschulabschluss. So zeigt sich, dass der Anteil der Abiturienten unter den weiblichen Befragten allein 47 Prozent betragt, unter den mannlichen Befragten hingegen nur 34,4 Prozent. Uber den Hauptschulabschluss als aUgemeinbildenden Schulabschluss verfiigen demgegeniiber nur 4,4 Prozent der Frauen, aber immerhin 15,3 Prozent der Manner. Im Vergleich des mittieren Bildungsniveaus in der Untersuchungsstichprobe und dem Mikrozensus zeigt sich, dass unter den Stichprobenangehorigen Abiturienten und Fachabiturienten deutUch iiber-, Realschul- und Hauptschulabsolventen (bzw. Respondenten mit aquivalenten Schulabschliissen) hingegen deutUch unterreprasentiert sind. Noch mehr als fur die Manner, gilt dies fiir die weiblichen Angehorigen der Untersuchungsstichprobe, die mit einem Anteil von 47 Prozent mehr als doppelt so viele Abiturientinnen aufweisen, wie durch den Mikrozensus fiir die deutsche Erwerbsbevolkerung im Jahr 2002 ausgewiesen sind. Auch im Hinblick auf den hochsten Berufsabschluss^^s erweist sich die Untersuchungsstichprobe als im Mittel hoher gebildet als der Durchschnitt der Erwerbsbevol124 Der Grad der schulischen Bildung wurde iiber die Frage 7 des Fragebogens: „Welchen hochsten allgemeinbildenden Schulabschluss haben Sie?" erfasst. Die moglichen Antwortkategorien auf diese Frage sind Tab. B.l, S. 306f. zu entnehmen. 125 Der hochste Berufsabschluss wurde iiber die Frage 8 des Fragebogens: „Welchen beruflichen Ausbildungsabschluss haben Sie?" erfasst. Die Beantwortung dieser Frage erfolgte iiber das Ankreuzen einer oder mehrerer der folgenden Antwortvorgaben: (1) Keinen beruflichen Ausbildungsabschluss, (2) Beruflich-betrieblicher Ausbildungsabschluss (Lehre), (3) Beruflich-schulischer Ausbildungsabschluss (Berufsfachschule, Handelsschule), (4) Abschluss einer hoheren Fachschule (z.B. als Techniker, Ingenieur oder Meister), (5) Abschluss einer Berufs- oder Fachakademie, (6) Fachhochschulabschluss, (7) Hochschulabschluss, (8) Anderer beruflicher Abschluss, und zwar: und (9) Ich bin zur Zeit noch in beruflicher Ausbildung. Im Rahmen der Untersuchung ausgewertet wurde nur die Angabe der Befragten zum ranghochsten Ausbildungsabschluss. Zu Darstellungszwecken wurden in Tabelle B.l die Antwortkategorien 2 und 3 in der Auspragung „Lehr- / Anlernausbildung", die Antwortkategorien 4 und 5 in der Auspragung „h6herer Ausbildungsabschluss" und die Antwortkategorien 6 und 7 in der Auspragung

B: Soziodemografische und sozial-okonomische Strukturmerkmale der Untersuchungsstichprobe

309

kemng. So betragt der Anteil der Befragten ohne Berufsabschluss in der Untersuchungsstichprobe lediglich 4,3 Prozent, der Anteil mit hoherer Fachschulausbildung hingegen 19,2 Prozent und der mit Hochschulabschluss immerhin noch 18,4 Prozent. Den groBten Anteil in der Untersuchungsstichprobe stellen jedoch mit knapp 60 Prozent (58,0%) die Befragten mit Lehr- und Anlernausbildung. Vergleicht man das berufliche Bildungsniveau nach Geschlecht, so zeigt sich, dass hier - im Gegensatz zum allgemeinen Bildungsniveau - die mannlichen gegeniiber den weiblichen Befragten leichte Bildungsvorteile besitzen. So ist der Anteil von Mannern mit einem hoheren fachschulgebundenen Ausbildungsabschluss mit 25,4 Prozent mehr als doppelt so hoch wie der Anteil von Frauen in dieser Ausbildungskategorie (12,2%). Analog hierzu ist der relative Anteil der Frauen unter den Befragten mit Lehr- oder Anlernausbildung mit 65,7 Prozent um mehr als 14 Prozentpunkte hoher als unter den mannlichen Befragten (51,3%). Dies entspricht nach den Mikrozensusdaten tendenziell der Relation zwischen dem Ausbildungsniveau von Mannern und Frauen in der deutschen Erwerbsbevolkerung insgesamt, wobei die dort beobachtbaren Unterschiede in der Untersuchungsstichprobe noch sehr viel ausgepragter hervortreten. Im Vergleich der Untersuchungsstichprobe mit den Ergebnissen des Mikrozensus lasst sich sowohl mit Blick auf die Gesamtstichprobe als auch differenziert nach weiblichen und mannUchen Befragten konstatieren, dass auch auf der Ebene der beruflichen Bildung die Untersuchungsstichprobe im Mittel deutlich hoher gebildet ist, als die reprasentative Erhebung des Mikrozensus fiir die bundesdeutsche Erwerbsbevolkerung insgesamt ausweist. Beziiglich des Erwerbsstatus^26 2eigt sich, dass hier die Vollzeiterwerbstatigen mit 59,5 Prozent den groBten Anteil der Befragten in der Untersuchungsstichprobe stellen. Umschiiler und Auszubildende sind daneben mit 24,2 Prozent die zweitgroBte Gruppierung innerhalb des Samples. Der Anteil der Teilzeit- und stundenweise Erwerbstatigen betragt in der Untersuchungsstichprobe demgegeniiber nur 8,8, der der Erwerbslosen nur 7,5 Prozent. Vergleicht man die Erwerbsstruktur der Untersuchungsstichprobe mit den Strukturgegebenheiten in der Mikrozensusstichprobe, so fallt auf, dass der Anteil der Auszubildenden und Umschiiler in der Untersuchungsstichprobe um ein Vielfaches iiberreprasentiert ist. Dies gilt auch fur die mannUchen, insbesondere aber fiir die weiblichen

„Hochschulabschluss" zusammengefasst. Angaben zu anderen beruflichen Abschliissen der Befragten konnten in das beschriebene Auspragungsspektrum transponiert werden. 126 Der Erwerbsstatus der Befragten wurde iiber die Frage 9 des Fragebogens: „Sind Sie zur Zeit erwerbstatig?" erhoben. Zur Beantwortung dieser Frage waren die folgenden Antwortkategorien vorgegeben: (1) VoUzeit-erwerbstatig (35 Std. und mehr pro Woche), (2) Teilzeit-erwerbstatig (zwischen 15 und 34 Std. pro Woche), (3) Stundenweise erwerbstatig (unter 15 Stunden pro Woche), (4) In Mutterschafts- / Erziehungsurlaub oder sonstiger Beurlaubung, (5) Auszubildende (r), Lehrling, Umschiiler (in) und (6) Zur Zeit nicht erwerbstatig (Arbeitslose, Vorruhestand, Rentner). Als VoUzeiterwerbstatige wurden in Tabelle Bl die Befragten ausgewiesen, die bei Frage 9 die Antwortkategorie 1 angekreuzt hatten. Als teilzeitoder stundenweise erwerbstatig galten hier im Weiteren diejenigen, die Antwortkategorie 2 oder 3 angekreuzt hatten. In der Rubrik „Auszubildende, Umschuler" wurden die Respondenten subsumiert, die Antwortkategorie 5 gewahlt hatten. Als Nicht-Erwerbstatige galten im Weiteren die Personen, die Antwortkategorie 4 oder 6 angekreuzt hatten.

310

Anhang

Stichprobenangehorigen und erklart sich aus der Auswahl von Befragten aus der Klientel von Einrichtungen der beruflichen Fort- und Weiterbildung. Demgegeniiber sind Vollzeiterwerbstatige in der Untersuchungsstichprobe leicht, Teilzeit- und stundenweise Erwerbstadge sogar stark unterreprasentiert. Erwerbslose finden sich hier ebenfalls in einer relativ geringen Konzentration. Diese Relation findet sich analog auch bei separater Betrachtung der mannlichen und weiblichen Befragten, wobei erwartungsgemaB - und in Einklang mit den Mikrozensusdaten - der Anteil der Vollzeiterwerbstatigen unter den Mannern, der Anteil der Teilzeit- und stundenweise Erwerbstatigen gegen unter den Frauen starker hervortritt. Beziiglich der Erwerbsgruppenzugehorigkeit^^? ^^^^ Befragten zeigt sich, dass der Anteil der Arbeiter in der Untersuchungsstichprobe 23,9 und der Anteil der Angestellten 67,8 Prozent betragt. Die Erwerbsgruppe der Selbstandigen ist unter den Befragten demgegeniiber nur zu 6,7 Prozent, die der Beamten sogar nur zu 1,6 Prozent vertreten. Betrachtet man die Prasenz der Erwerbsgruppen im Untersuchungssample getrennt fur Manner und Frauen, so zeigt sich, dass - ahnlich wie in der Erwerbsbevolkerung insgesamt - die Erwerbsgruppe der Angestellten unter den weiblichen Befragten starker konzentriert ist, wogegen die Arbeiter vermehrt unter den mannlichen Befragten vertreten sind. Vergleicht man die Verteilung der Erwerbsgruppenzugehorigkeit in der Untersuchungsstichprobe mit der entsprechenden Verteilung im Mikrozensus, so wird deutlich, dass die Erwerbsgruppe der Angestellten unter den Befragten - relativ zur Erwerbsbevolkerung insgesamt - iiberreprasentiert ist, wogegen die Selbststandigen und insbesondere die Beamten stark unterreprasentiert sind. Die verminderte Prasenz von Selbststandigen gilt dabei vor allem fiir die Gruppe der mannlichen Befragungsteilnehmer. Auch die Erwerbsgruppe der Arbeiter ist im Untersuchungssample leicht unterreprasentiert, wobei dieser Umstand insbesondere bei den weiblichen Befragten zu beobachten ist. Zusammenfassend lasst sich an dieser Stelle entsprechend festhalten, dass das Erwerbsgruppenprofil der Untersuchungsstichprobe durch eine erhohte Prasenz von Angestellten bei einer gleichzeitig verminderten Konzentration von Selbststandigen und insbesondere Beamten gekennzeichnet ist.

127 Die Erwerbsgruppenzugehorigkeit der Beragten wurde iiber die Frage 12 des Fragebogens: „In welcher beruflichen Stellung sind Sie derzeit beschaftigt? Wenn Sie nicht mehr erwerbstatig sind, in welcher beruflichen Stellung waren Sie zuletzt beschaftigt?" erfasst. Diese Frage war in der gegebenen Formulierung dem Personenfragebogen des Sozio-okonomischen Panels aus dem Jahr 2001 entnommen. Die Antwortkategorien fiir diese Frage sind in verschiedene Rubriken unterteilt, in denen Arbeitern, Angestellten, Beamten und Selbststandigen die Gelegenheit gegeben wurde, die berufliche Statusposition in ihrer jeweiligen Erwerbsgruppe zu markieren. Fiir den Zweck der Stichprobenbeschreibung wurden hier die Angaben der Befragten in den verschiedenen Rubriken - losgelost von ihrer beruflichen Statusposition als Indikator fiir ihre Erwerbsgruppenzugehorigkeit herangezogen. Als Arbeiter wurden so entsprechend in gleicher Weise ungelernte wie gelernte Arbeiter ausgewiesen, als AngesteUte sowohl der einfache Angestellte wie auch derjenige mit umfassenden Leitungs- und Fiihrungsaufgaben.

C: Durchfiihrung der Clusteranalyse

311

Beziiglich der Einkommensverteilung^^s ^eigt sich, dass in der Untersuchungsstichprobe insbesondere das unterste Einkommenssegment mit einem personlichen monatlichen Nettoeinkommen von unter 500 Euro mit einem Anteilswert von nur 9,5 Prozent der Befragten besetzt ist. 20,9 Prozent beziehen demgegeniiber ein Einkommen zwischen 500 und 900 Euro, 30,5 Prozent ein Einkommen zwischen 900 und 1.500 Euro. Der Anteil der Befragten mit einem Einkommen zwischen 1.500 und 2.000 Euro betragt in der Untersuchungsstichprobe 20 Prozent; auf die Einkommensgruppe von 2.000 Euro und mehr entfallen hier schHeBlich immerhin noch 19,2 Prozent. Vergleicht man die Einkommensverteilung im Untersuchungssample mit den Mikrozensusdaten fiir 2002, so zeigt sich, dass das untere Einkommenssegment unter 500 Euro unter den Befragten der Studie eher unterreprasentiert und das gehobene Einkommenssegment zwischen 1.500 und 2.000 Euro eher iiberreprasentiert ist, was in Einklang steht mit der verstarkten Konzentradon von Probanden mit hoherer allgemeiner und beruflicher Bildung unter den Respondenten. Die ebenfalls leichte Uberreprasentation von Einkommensbeziehern des Segments zwischen 500 und 900 Euro in der Untersuchungsstichprobe mag im Weiteren mit verstarkten Prasenz jiingerer Altersgruppen sowie von Auszubildenden und Umschiilern unter den Befragungspersonen in Zusammenhang stehen. Betrachtet man schlieBlich die Einkommensverteilung getrennt nach weiblichen und mannlichen Respondenten, so zeigt sich erwartungsgemaB - und in Einklang mit den Daten des Mikrozensus —, dass sich die Frauen starker in den unteren und mittleren, die Manner hingegen in den gehobenen und hoheren Einkommensgruppen konzentrieren. Analog zur Gesamtstichprobe lasst sich dabei in beiden Geschlechtsgruppen eine relativ verminderte Prasenz von Niedrigeinkommensbeziehern (unter 500 Euro) und eine leicht erhohte Konzentration von Beziehern gehobener (1.500 bis 2.000 Euro), aber auch von Einkommen zwischen 500 und 900 Euro beobachten. Insgesamt lasst sich jedoch konstaderen, dass sich in der gegebenen Untersuchungsstichprobe eine verstarkte Prasenz mittlerer und gehobener Einkommensbezieher wiederfindet, wogegen Angehorige der Niedriglohngruppen von unter 500 Euro Nettoeinkommen im Monat disproportional selten vertreten sind. Zusammenfassend betrachtet handelt es sich so bei der Untersuchungsstichprobe um eine Auswahl von jiingeren Manner und Frauen aus der Erwerbsbevolkerung, die mit Blick auf ihren Familienstand haufiger ledig, ungeachtet dessen aber zum iiberwiegenden Anteil partnerschaftlich eingebunden ist, deren allgemeines und berufliches Bildungsniveau iiberdurchschnittUch hoch ist, in der Auszubildende und insbesondere

128 Das personliche monatliche Nettoeinkommen der Befragten wurde iiber die Frage 24 des Fragebogens: „Wenn man alles zusammennimmt: Wie hoch war im vergangenen Jahr (2001) ihr monatMch verfiigbares Einkommen? Erfragt wurde dabei die Gesamthohe des jeweiligen Nettoeinkommens, spezifiziert als „die Summe aller Einnahmen, die sich aus Lohn, Gehalt, Einkommen aus selbstandiger Tatigkeit, Rente oder Pension jeweils nach Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeitrage ergibt". Die Befragten wurden in diesem Zusammenhang dazu aufgefordert, die Hohe ihres personlichen Nettoeinkommens dadurch zu beziffern, dass sie sich per Selbsteinstufung einer von 16 vorgegebenen Einkommensgruppen zuordnen. Die niedrigste p],inkommensgruppe markierte dabei ein monatliches Einkommen von unter 500 Euro, die hochste ein Einkommen von 5.000 Euro und mehr.

312

Anhang

Umschiiler disproportional haufig vertreten sind, in der die Erwerbsgruppe der Angestellten eher iiber-, die der Beamten und Selbststandigen hingegen eher unterreprasentiert ist und in der sich Bezieher mitderer und gehobener Einkommen starker konzentrieren.

Anhang C: Dufchfiihrung der Clusteranalysen Da das Verfahren der Clusteranalyse in der sozialwissenschafdich-empirischen Forschung nicht stark verbreitet ist, soil die Art der Anwendung des Verfahrens in der vorliegenden Studie an dieser Stelle etwas ausfiihrlicher erlautert werden. Die Anwendung der Clusteranalyse erfolgte im Rahmen der dokumentierten Untersuchung in Anlehnung an das in der Forschungsliteratur empfohlene Vorgehen^29 [^ yj^j- Schritten: (1) (2) (3) (4)

Bestimmung des DistanzmaBes Eliminierung multivariater AusreiBer Hierarchische Analyse nach Ward Clusterzentrenanalyse nach k-means

CI Bestimmung des Distan^mafies Zunachst wurde als MaB zur Quantifizierung der Distanz zwischen den Personenpaaren der Stichprobe auf den ausgewahlten Klassifikationsvariabeln die sog. quadrierte EukLidische Distanz gewahlt. Bei diesem DistanzmaB werden Differenzwerte fiir Personenpaare fiir jede einzelne der in die Analyse einbezogenen Klassifikationsvariablen berechnet und diese anschlieBend in quadrierter Form summiert. Durch die Quadrierung werden dabei wenige betragsmaBig groBe Differenzwerte bei der Berechnung der Distanzen proportional starker „gewichtet" als viele geringe Differenzwerte (vgl. Bortz 1999: 552; Bacher 1996: 222f.). Die Auswahl der quadrierten EukHdischen Distanz als DistanzmaB korrespondierte mit der Absicht, auch im Zuge der Clusterbildung groBere Auspragungsunterschiede zwischen den Befragten starker zu akzentuieren und entsprechend moglichst heterogene Merkmalsgruppen bzw. Cluster zu erhalten. Das als Anwendungsvoraussetzung zur Berechnung der quadrierten Euklidischen Distanz geforderte Kriterium, dass die Klassifikationsvariablen intervallskaliert sein miissen, wurde dabei mit den z-standardisierten Hauptkomponentenwerten fiir die nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen hinreichend erfullt. Aus der Berechnung der Distanzwerte fiir die Personenpaare ergab sich eine sog. UnahnHchkeits- oder auch Distanzmatrix (vgl. Bacher 1996: 198), die im Weiteren als Ausgangspunkt und Bezugsgrundlage der Clusteranalyse diente.^^^

129 Vgl. hierzu u.a. Milligan und Sokal (1980: 755ff.), Backhaus (1990: 154ff.) und Bortz (1999: 557). 130 Von ihrer Anlage her gesehen hat die Distanzmatrix eine gewisse Ahnlichkeit zur Korrelationsmatrix. Gleichwohl sind in der Distanzmatrix nicht - wie in der Korrelationsmatrix - UnahnUchkeiten zwischen

C: Durchfiihrung der Clusteranalysen

313

C2 Eliminierung multivariater Ausreij^er

In einem anschlieBenden Schritt wurde auf Grundlage der so berechneten Distanzwerte eine hierarchisch-agglomerative Clusteranalyse nach dem sog. Single Unkage- der auch Nacbste-Nacbbam-Yethhrtn durchgefiihrt. Die Anwendung dieses Verfahrens diente dem Zweck, auf der Ebene der Distanzmatrix fiir die Personenpaare sog. multivariate AusreiBer zu identifizieren, die in dem iiber die Klassifikationsvariablen aufgespannten Merkmalsraum weitgehend vereinzelt und in groBem Abstand zu alien anderen Personen der Untersuchungsstichprobe positioniert sind (vgl. Bergs 1981: 52).^^^ Die Identifizierung und EHminierung multivariater AusreiBer zielt darauf, im Rahmen nachfolgender Clusteranalysen die Wahrscheinlichkeit zu erhohen, dass das Verfahren zu intern homogenen und fiir die Zwecke der Typenbildung brauchbaren Clustern gelangt. Im Rahmen der von uns durchgefiihrten Smgle-Linkage-An^Llysen konnte bei 368 giiltigen Fallen (im listenweisen Fallauschluss) em sog. AusreiBer identifiziert werden. Er wurde fiir die Zwecke der folgenden Analysen aus dem Datensatz eUminiert. C3 Hierarchische Analyse nach Ward

Um zunachst die Anzahl der Personencluster und daran anschlieBend Anfangsschatzungen fiir die Clusterschwerpunkte zu ermitteln, wurden in einem dritten Schritt hierarchisch-agglomerative Clusteranalysen nach dem sog. Ward-Verfahren durchgefiihrt. In der hierarchisch-agglomerativen Analyse wird zunachst jedes einzelne Objekt als eigenstandiges Cluster angesehen. Bei Anwendung des Ward-Verfahrens werden, ausgehend von diesem Startpunkt, sukzessive die Personenpaaare bzw. Cluster miteinander fusioniert, deren Verschmelzung zu einer minimalen Zunahme der gesamten Streuungsquadratsummen in den Clustern, d.h. der Summe der quadrierten Abstande der die Cluster konstituierenden FaUe zu ihrem jeweiUgen Clusterzentroid, fiihrt (vgl. Bacher 1996: 298).^^2 Diese Prozedur wird so lange fortgesetzt, bis schlieBlich samtliche Falle zu einem Cluster „verschmolzen" bzw. agglomeriert sind. Zentral fiir die Auswahl einer Clusterlosung ist bei Anwendung der hierarchisch-agglomerativen Clusterverfahren die Analyse der den Fusionsprozess dokumentierenden Agglomerationstabelle. Anhand dieser TabeUe wird rekonstruiert, ab welcher Fusionsstufe es im Agglomerationsprozess zu einem disproportionalen Zuwachs der durchschnittlichen Heterogenitat innerhalb der Cluster kommt. Als Hilfsmittel zur Analyse des Agglomerationsprozesses dienen in diesem Zusammenhang das sog. Dendrogramm und das Struktogramm (vgl. Bortz

Variablen bzw. Merkmalen, sondern Unahnlichkeiten zwischen Personen bzw. Merkmalstragern tabelliert. 131 Das Single-Linkage-Verfahren ist aufgmnd seines Fusionsalgorithmus in besonderer Weise dafiir geeignet, multivariate AusreiBer aufzufmden. Im Dendrogramm, das den Ablauf der Clusterbildung von der ersten bis zur letzten Stufe grafisch dokumentiert, sind die sog. AusreiBer daran zu erkennen, dass sie einzeln und am Schluss der Clusterbildung ohne Zwischenstufen in den agglomerativen Fusionsprozess eingehen (vgl. hierzu auch Backhaus et al. 1990, S. 139). 132 Das Ward-Verfahren wird aus diesem Grund auch als Minimum-Varianz-Methode oder als FehlerQuadratsummen-Methode bezeichnet (vgl. Bortz 1999: 557).

314

Anhang

1999: 559).^^^ Formal-statistisch werden solche Clusterlosungen zur Beschreibung der Merkmalsverteilung in einer Stichprobe bevorzugt, die (gerade noch) nicht zu einem disproportionalen Zuwachs der clusterinternen Heterogenitat fiihren. Die Zentroide der Cluster dieser Stufe werden durch Berechnung der Mittelwerte der einem Custer zugeordneten Falle auf den in die Analyse einbezogenen Klassifikationsvariablen ermittelt. C4 Cluster^ntrenanaljse nach k-means Da im Rahmen hierarchischer Clusterverfahren einmal getroffene Zuordnungen von Fallen zu einem Cluster irreversibel sind und eine nachtragliche Umordnung von Fallen nicht moglich ist, wurden in einem vierten Schritt der Anwendung des Clusterverfahrens - bei Vorgabe der nach Ward ermittelten Clusteranzahl und Clusterzentroide - sog. Cluster^entrenanalysen nach k-means^^"^ gerechnet. Verfahrenstechnisch wird bei der Clusterzentrenanalyse nach k-means eine Anzahl von Startpartitionen vorgegeben, deren Zentrum zunachst iiber Zufallswerte oder iiber extern bestimmte Zentroidwerte definiert ist. Jeder Partition werden dabei ad hoc etwa gleich groBe Anteile der Stichprobe zugewiesen. Das Verfahren versucht im Weiteren, die Homogenitat der so gegebenen Startgruppierungen durch Verschieben einzelner Falle von einer Partition zu einer anderen schrittweise zu verbessern. Nach Neuzuordnung von Fallen zu einer Partition bzw. zu einem Cluster werden die Zentroide der Cluster jeweils neu berechnet, der Abstand der Falle zu den Clusterzentroiden jeweils neu gepriift und gegebenenfalls weitere Neuzordnungen von Fallen vorgenommen. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis sich die Aufteilung unter Homogenitatsgesichtspunkten nicht mehr verbessern lasst (vgl. Bortz 1999: 561 f.). Die Angehorigen der Untersuchungsstichprobe werden entsprechend mit Hilfe eines Austauschalgorithmus so lange zwischen den Clustern umgeordnet, bis die Distanz zwischen den einem Cluster zugeordneten Fallen und dem entsprechenden Clusterzentroid minimal und damit eine maximale Homogenitat innerhalb der unterschiedenen Cluster erreicht ist. Nach Durchfiihrung der Clusterzentrenanalyse nach k-means wurden in einem letzten Auswertungsschritt fiir die ausgewahlte 5-Cluster-Clusterlosung fiir jeden einzelnen Fall der Untersuchungsstichprobe Informationen iiber dessen Clusterzugehorigkeit gespeichert. Diese Informationen dienten als Grundlage fiir weitere bivariate und multivariate Analysen zu den sog. externen Eigenschaften und Merkmalsprofilen der unterschiedenen Clusterpopulationen (vgl. hierzu u.a. Kapitel 6, Abschnitt 6.1.3, S. 140ff.).

133 Dendrogramm und Struktogramm fiir die im Rahmen der vorliegenden Studie ausgewahlte 5-ClusterLosung in Anhang D dargestellt. 134 Bei dem k-means-Verfahren handelt es sich um ein nicht-hierarchisches oder auch partitionierendes Clusterverfahren, dessen Algorithmus 1967 von J. MacQueen entwickelt wurde.

D: Kriterien zur Auswahl der 5-Cluster-Losung

315

Anhang D: Kriterien zur Auswahl der 5-Cluster-L6sung Die Auswahl der 5-Cluster-Modells als Referenzmodell fiir die Entwicklung einer Typologie normbezogener Orientiemngen erfolgte in der vorliegenden Studie vor dem Hintergrund der Analyse des Agglomerationsprozesses im Rahmen der hierarchischen Clusteranalyse. Als BezugsgroBen fungierten dabei zum einen das Dendrogramm und das Struktogramm, die den Agglomerationsprozesses der hierarchischen Clusteranalyse grafisch veranschauHchen, und zum anderen weitere statistische PriifgroBen, die u.a. Bacher (1996: 316ff.) zur Bestimmung der optimalen Clusterzahl bei der Verwendung varianzminimierender Clusterverfahren vorschlagt. D1 Dendrogramm-Analyse

Das Dendrogramm in Abbildung Dl veranschauUcht grafisch den Prozess der im Rahmen der hierarchisch-agglomerativen Clusteranalyse auf den einzelnen Fusionsstufen vorgenommenen Clusterbildungen. Auf der Vertikalen des Diagramms sind dabei die UntersuchungsfaUe aufgefiihrt, die in die Clusteranalyse einbezogen wurden. Aufgrund der fiir eine iibersichtliche DarsteUung zu groBen Fallzahl von n=367 wurde an dieser Stelle auf eine differenzierte Auflistung der Fallnummern am Unken Grafikrand verzichtet.^^^ In der Horizontalen wird sichtbar, wie stark die Heterogenitat bzw. die Gesamtstreuung der Falle in den Clustern im fortschreitenden Agglomerationsprozess zunimmt. Dabei gilt, dass die Streuungszunahme innerhalb eines Clusters im Zuge des Agglomerationsprozesses um so groBer ist, je langer die Begrenzungslinie des entsprechenden Rechtecks in der Horizontalen, gemessen vom Unken Grafikrand, ausfaUt. Im Dendrogramm wurden die fiinf zur Stichprobenbeschreibung ausgewahlten Cluster in heller Schattierung dargestellt. In dunkler Schattierung finden sich hier die Cluster, die nachgeordnet zur Fiinf-Cluster-Losung im weiteren Agglomerationsprozess entstehen. So wird hier etwa sichtbar, dass eine Vier-Cluster-Losung im hierarchischagglomerativen Prozess durch Fusionierung der Cluster 1 und 2 entstehen wiirde. Parallel dazu wird in der DarsteUung deutUch, dass die Fusionierung der Cluster 1 und 2 mit einem disproportionalen Zuwachs an Streuung innerhalb des neu entstandenen Clusters einhergeht. Dies ist gleichzeitig das formal-statistische Argument fiir die 5Cluster- und gegen die 4-Cluster-Losung.

135 Der schwarze Rand am linken Seitenrand des Diagramms ist trotz seiner markanten Farbgebung ohne symbolische Bedeutung. Er entstand in der gegebenen Form aufgrund der groBeren Anzahl der Falle (n=367), die in die hierarchisch-agglomeradve Analyse einbezogen und als schwarze Striche am linken Seitenrand des Dendrogramms dargestellt wurden.

316

Anhang

Abbildung D l : Dendrogramm zur hierarchisch-agglomerativen Clusteranalyse typischer Muster rechtsnormbezogener, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen bei Angehorigen der deutschen Erwerbsbevolkerung (nach Ward)*

*Das Dendrogramm wurde mit dem von David Wishart (1999, 2000) entwickelten Programm Clustan Graphics der Version 5.2.1 ersteUt. Quelle: Wirtschaft und Ediik 2002.

D2 Struktogrammanalyse

Ein ahnliches Bild liefert auch das Struktogramm zur hierarchischen Analyse (vgl. Abb. D2, S. 317).^^^ In der Horizontalen (Abszisse) dieser Grafik sind dabei die letzten zwanzig Agglomerationsschritte der hierarchischen Clusteranalyse und der mit ihnen einhergehende Zuwachs an Heterogenitat in den Clustern dargestellt. Am linken Ende der Abszisse mit der Bezeichnung „Cluster 1" ist der letzte Agglomerationsschritt bezeichnet, in dessen Rahmen aUe in die Analyse einbezogenen FaUe in einem Cluster vereinigt werden und in dem die clusterinterne Heterogenitat daher maximal ist. In der 136 Als Diagramm zur Bestimmung der optimalen Clusterzahl ahnelt das Struktogramm dem inversen Screetest aus der Faktorenanalyse. Vgl. hierzu auch Bortz (1999: 559).

317

D: Kriterien zur Auswahl der 5-Cluster-Losung

Vertikalen (Ordinate) des Stmktogramms ist die Streuung der Falle innerhalb der Cluster resp. die Fehlerquadratsumme des Modells dargestellt. Das Struktogramm dokumentiert dabei - von rechts nach links betrachtet - , welcher Fehlerquadratsummenzuwachs mit jeder Agglomerationsstufe verbunden ist (vgl. hierzu ebf. Bortz 1999: 559). Abbildung D2: Struktogramm zur hierarchisch-agglomerativen Clusteranalyse typischer Muster rechtsnormbezogener, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen bei Angehorigen der deutschen Erwerbsbevolkerung (nach Ward)*

^

U

CN

U

CO

U

CXD

U

U

U

U

U

U

CN

-

O

2

U

^

U

^

U

U

U

U

U

U

U

*Das Struktogramm wurde mit dem von Kurt Holm (2001) Programm Almo-Statistik-System der Version 6.4 erstellt. QueUe: Wirtschaft und Ethik 2002.

Inspiziert man den Zuwachs der Fehlerstreuung fiir die Agglomerationsschritte im Einzelnen, so wird durch das Struktogramm — wie bereits durch das Dendrogramm — sichtbar, dass mit dem Ubergang von der 5-Cluster- zur 4-Cluster-Losung ein disproportionaler Zuwachs der Fehlerquadratsummen in den Clustern einhergeht.

318

Anhang

Deutlicher noch als aus dem Dendrogramm geht aus dem Struktogramm im Weiteren hervor, dass sich im Agglomerationsprozess zwischen einer 6-Cluster- und einer 5Cluster-Losung - und dies gilt ebenfalls fiir alle weiteren, auf eine groBere Clusteranzahl abstellenden Losungsmodelle - kein disproportional starker Zuwachs der clusterinternen Streuung im Ubergang 2u der jeweils nachfolgenden Fusionsstufe beobachten lasst. Dieser Befund lasst die 5-Cluster-Losung auch einer 6er- oder 7er-L6sung gegeniiber als vorziiglich erscheinen.^^^ D3 Analyse weiterer Modellprufgrofien Die Ergebnisse der Dendrogramm- und Struktogrammanalyse wurden im Weiteren durch die Analyse verschiedener ModellpriifgroBen erganzt, die u.a. Bacher (1996: 316ff.) zur Bestimmung der optimalen Clusterzahl bei der Verwendung varianzminimierender Clusterverfahren vorschlagt.^^^ Als PriifgroBen wurden dabei die aufgrund der Streuung in den Clustern berechneten Werte Eta^, PRE und F-Max herangezogen (vgl. Tab. Dl). Tabelle D l : ModellpriifgroBen fur die 1- bis 10-Cluster-Losung Clusterzahl

3 ^within

SSbetween^

Eta^

1

1079,80

0,00

0,00

2

843,51

236,29

0,22

PRE4

0,219

F-Max

102,246

3

691,77

388,03

0,36

0,180

102,088

4

566,56

513,24

0,48

0,181

109,612

5

466,15

613,65

0,57

0,177

119,136

6

427,87

651,93

0,60

0,082

110,009

7

393,82

685,98

0,64

0,080

104,512

8

367,33

712,47

0,66

0,067

99,473

9

343,59

736,21

0,68

0,065

95,886

0,70

0,067

93,996

10 759,35 320,45 __ 1 Streuungsquadratsumme in den Clustern. 2 Streuungsquadratsumme zwischen den Clustern. 3 Erklarte Streuung. 4 Proportionale Fehlerverbesserung. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

137 Der im Kontext der Struktogrammanalyse haufig Verwendung findende Mojena-Test (Mojena 1978; vgl. ebenfalls Bacher 2002: 67ff.) konnte als Hilfskriterium zur Bestimmung der Clusterzahl in der vorliegenden Studie nicht verwendet werden, da sich die Fallzahl in der Untersuchungsstichprobe fur eine fruchtbare Interpretation der nach Mojena durchgefiihrten Signifikanztests als zu grofi erwies. 138 Vgl. als exemplarische Studie zur Anwendung der genannten Priifkriterien ebenfalls Plassmeier (2000).

D: Kriterien zur Auswahl der 5-Cluster-L6sung

319

Eta^ bezeichnet den Anteil der durch eine Clusterlosung erklarten Varianz an der Gesamtstreuung. Der Wert beziffert in diesem Sinne die prozentuale Verbesserung der Vorhersage der Wertestreuung durch ein gegebenes Clustermodell relativ zu dem „Nullmodell" der 1-Cluster-Losung. Letzteres unterstellt im Sinne einer Nullhypothese, dass beziiglich der interessierenden Vergleichsmerkmale keine identifizierbare Clusterstruktur innerhalb der Untersuchungsstichprobe vorliegt. PRE beziffert als MaB der proportionalen Fehlerreduktion {proportional reduction of error) die Vorhersageverbesserung, die durch ein gegebenes Clustermodell - relativ zu dem um ein Cluster reduzierten Modell - auf der Ebene der Vorhersage der Wertestreuung in der Untersuchungsstichprobe erzielt wird. Der F-Max-Wert schlieBlich beriicksichtigt als MaB der Relation zwischen der erklarten Varianz und der Fehlervarianz in einem Clustermodell bei seiner Berechnung - im Unterschied zum Eta^-Wert und dem PRE-Koeffizienten - den Umstand, dass bei zunehmender Clusterzahl in einem Modell rein zufallig kleinere Fehlerstreuungen entstehen konnen. Diesem Effekt wird bei der Ermitdung von F-Max durch die Beriicksichtigung der Freiheitsgrade Rechnung getragen.^^^^ Auf Grundlage der aufgefiihrten PriifgroBen wird eine gute Modellanpassung einer Clusterlosung dann als gegeben angesehen, wenn die Losung zu einer deutlichen Fehlerreduktion in der Vorhersage der Wertestreuung fiihrt und gleichzeitig der F-Wert der Losung maximal ist. Die Ergebnisse der Analysen zeigen in diesem Zusammenhang, dass die Modelle mit der vergleichsweise besten proportionalen Fehlerreduktion das 2-, 3-, 4- und 5-Clustermodell sind. Das 6-Clustermodell sowie alle nachfolgenden Modelle fallen in dem durch sie erzielten Zuwachs an proportionaler Fehlerreduktion gegeniiber den vorhergehenden Modellen deutlich ab. Dem Eta^-Wert zufolge erklart das 5-Cluster-Modell fiir sich betrachtet allein 57 Prozent in der Varianz der gegebenen normbezogenen Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe. Parallel hierzu zeigt sich, dass die 5-Clusterlosung ebenfalls den hochsten F-Wert von alien untersuchten Clustermodellen aufweist. Die berechneten ModellpriifgroBen bestatigen so auch auf der Ebene der Modellanpassung an die Ausgangsdaten die besondere Eignung des 5-Cluster-Modells fiir die Beschreibung unterschiedlicher normbezogener Orientierungsmuster in der Untersuchungsstichprobe. Wie ebenfalls in Kap. 5.4 angedeutet, wurde im Anschluss an die hierarchische Clusteranalyse eine Clusterzentrenanalyse nach k-means durchgefiihrt, iiber die - bei Verwendung der nach Ward ermittelten Clusterzentroide und unter Vorgabe der 5Clusterlosung - eine weitere Optimierung der Homogenitat in den Clustern angestrebt wurde. Die Analysen wurden dabei nach dem Prinzip des listenweisen Fallausschlusses durchgefiihrt. Es wurden also nur solche Falle in die Clusterzentrenanalyse einbezogen, die auf den Hauptkomponenten der unterschiedenen normbezogenen Orientierungen keine fehlenden Werte aufwiesen. 139 Bacher (ebd.) weist darauf hin, dass der F-Wert im Kontext seiner Berechnung bei der Clusteranalyse nicht wie bei der Varianzanal.yse einer F-Verteilung folgt und Signifikanztests aus diesem Grund nicht moglich sind.

320

Anhang

Anhang E: Subtypologien fur die Cluster der Desinteressierten und der nonkonformen Kommunitaristen Abbildung E l : Subtypologie der Desinteressierten, differenziert nach der Auspragung rechtsnormbezogener, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen (n=87)*

0 (n=7)

(n=19)

•Nomozentrismus nOkonomismus • Kommunitarismus

^

(n=24)

(n=27)

(n=10)

*Die Komponenten rechtsnormbezogener, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen wurden in der Abbildung nomineU als Nomozentrismus, Okonomismus und Kommunitarismus bezeichnet. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002. Abbildung E2: Subtypologie der „nonkonformen Kommunitaristen", differenziert nach der Auspragung nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen (n=57)*

i

1,5

r ^

0,5

X

-0,5

m

0

OH

0

S

a T3 lU

-1,5

^ -2,5

(n=21)

(n=28)

I Nomozentrismus D Okonomismus B Kommunitarismus

3 (n=8)

*Die Komponenten rechtsnormbezogener, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientierungen wurden in der Abbildung nomineU als Nomozentrismus, Okonomismus und Kommunitarismus bezeichnet. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

F: Zur Reliabilitat der Typologie normbezogener Orientiemngen

321

Anhang F: Zur Reliabilitat der Typologie normbezogener Orientierungen Das Konzept der Reliabilitat bezeichnet nach klassischer testtheoretischer Auffassung das AusmaB, in dem wiederholte Messungen mit dem gleichen Messinstrument bei Konstanz der zu messenden Eigenschaft die gleichen Werte liefern (z.B. Messung der Intelligenz bei einem Erwachsenen zu verschiedenen Zeitpunkten; vgl. hierzu Schnell/ Hill/Esser 1993: 158ff.). Die Literatur spricht in diesem Zusammenhang auch von der sog. Test-Retest-Reliabilitat. Eine alternative Option fiir Zwecke der Reliabilitatspriifung besteht dariiber hinaus darin, parallele Messungen mit zwei unterschiedlichen Versionen desselben Messinstruments vorzunehmen, um anschlieBend zu testen, wie weit sich die Messergebnisse des ersten Messinstruments durch das zweite Messinstrument vorhersagen lassen. Diese Strategie der Reliabilitatspriifung wird in der Literatur auch als Paralleltest-Reliabilitat bezeichnet (vgl. ebd.; ebenso Diekmann 1995: 217, Bortz/Doring 1995: 182). Beide Strategien stehen allerdings im Kontext der vorliegenden Untersuchung fiir Zwecke einer Reliabilitatspriifung der entwickelten Clusterlosung nicht zur Verfiigung. So existiert einerseits nur ein Datensatz, iiber den die der Typologie zugrundeliegenden Klassifikationsvariablen der normbezogenen Orientierungen erfasst wurden, was eine Test-Retest-Priifung der Reliabilitat der Typologie ausschlieBt. Andererseits wurden zur Erfassung der nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen im Rahmen der empirischen Erhebung jeweils nur einfache Itembatterien eingesetzt, was eine Paralleltest-Priifung der Clustertypologie auf Grundlage alternativer Itembatterien ebenfalls unmogUch macht. Um dennoch auch unter diesen eingeschrankten Bedingungen einen Zuverlassigkeitstest eines gegebenen ClustermodeUs durchfiihren zu konnen, lasst sich ein weiterer Gedanke aus der psychologischen Testtheorie fruchtbar machen, der umgesetzt wird, wenn es darum geht, die Reliabilitat psychologischer Testbatterien und Skalen zu testen. Gemeint ist hier das Konzept der intemen Konsisten^ multidimensionaler Skalen^ bei dem es darum geht, die Auspragungswerte einer (multidimensionalen) Skala auf Grundlage der sie konstituierenden Items resp. Teilskalen vorherzusagen (vgl. Bortz/Doring 1995: 184). Interpretiert man die Clustertypologie als multidimensionale Skala und die Klassifikationsvariablen der nomozentrischen, okonomischen und kommunitar-gemeinschaftlichen Orientierungen als die sie konstituierenden Teilskalen, so lasst sich die interne Konsistenz bzw. ReliabiUtat der Clustertypologie dadurch priifen, dass man versucht, die Clusterzugehorigkeit der Befragten auf Grundlage ihrer Auspragungswerte auf den Klassifikationsvariablen vorherzusagen. Ein Verfahren, das fiir diesen Zweck u.a. von Backhaus und Mitarbeitern genannt wird, ist das Verfahren der sog. Diskriminanzanalyse (vgl. Backhaus u.a. 1990: 151). Es erlaubt, die Auspragungen einer polytomen abhangigen Variable auf Grundlage von metrisch skalierten unabhangigen Variablen vorherzusagen (vgl. ebd.: 162, ebenso Bortz 1999: 585ff.). Die Diskriminanzanalyse gibt in diesem Zusammenhang an, wie hoch der Prozentsatz der Falle ist, der auf Grundlage der Klassifikationsvariablen in ihrer Clusterzugehorigkeit richtig zugeordnet werden konnte.

322

Anhang

Die Durchfiihrung einer solchen Reliabilitatspriifung zeigt, dass das mithilfe der Clusteranalyse gewonnene Quintett normbezogener Orientierungsmuster sich im Rahmen nachfolgender Diskriminanzanalysen als in hohem MaBe reliabel und trennscharf erweist. So konnten auf Gmndlage ihrer Auspragungen auf den Komponenten rechtsnormbezogener, okonomischer und kommunitar-gemeinschafdicher Orientierungen allein 98,4 Prozent aller Falle aus der Untersuchungsstichprobe beziiglich ihrer Clusterzugehorigkeit richdg zugeordnet bzw. reklassifiziert werden (vgl. Tab. Fl). Tabelle Fl: Diskriminanzanalytische Re-Klassifikation der Beobachtungsfalle zu den Clustertypen normbezogener Orientierungmuster (n=367)* Vorhergesagt€ ' Clusterzugehorigkeit 1 2 Gesamt 4 5 3 Anzahl 1 normorientierte Marktaktivisten 83 1 1 1 0 86 0 2 radikale Marktaktivisten 0 51 0 0 51 3 marktdistanzierte Konventionalisten 0 0 86 0 0 86 2 4 Desinteressierte 1 0 84 0 87 0 57 5 normkonforme Kommunitaristen 0 0 0 57 1,2 1,2 1 normorientierte Marktaktivisten % 96,5 1,2 0,0 100,0 2 radikale Marktaktivisten 0,0 100,0 0,0 0,0 0,0 100,0 3 marktdistanzierte Konventionalisten 0,0 0,0 100,0 0,0 0,0 100,0 1,1 4 Desinteressierte 0,0 2,3 96,6 0,0 100,0 5 normkonforme Kommunitaristen 0,0 0,0 0,0 0,0 100,0 100,0 *In die Analyse einbezogen wurden nur die Falle der Untersuchungsstichprobe, die auf alien drei Hauptkomponenten rechtsnormbezogener, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftHcher Orientierungen giiltige Werte aufwiesen. **Dass die vorhergesagte Clusterzugehorigkeit fiir einzelne Cluster iiber hundert, fiir andere hingegen unter 100 Prozent betragt, ist darauf zuruckzufiihren, dass bei ausschUeBlicher Linearprognose der Clusterzugehorigkeit auf Grundlage der unterschiedenen Orientierungsdimensionen - ohne Beriicksichtigung nichtlinearer und Interaktionseffekte zwischen den Orientierungsdimensionen - es im Rahmen der Diskriminanzanalyse zu Fehlzuweisungen von Fallen kommen kann, die ggf. im Randbereich der Clusterstreuung liegen. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002. Beobachtete Clusterzugehorigkeit

G: Zur Stabilitat der Typologie normbezogener Qrientiemngen

323

Anhang G: Zur Stabilitat der Typologie normbezogener Orientierungen G1 Einfuhrung Die Stabilitatspriifung zielt darauf zu untersuchen, wie weit sich die Ergebnisse einer Clusteranalyse andern, wenn man die sog. „unsicheren Entscheidungen", die sich mit der Durchfiihrung einer Clusteranalyse verbinden, wie etwa die Auswahl des Fusionsalgorithmus oder die Auswahl der Stichprobe, variiert (vgl. Bacher 1996: 161 f.). Eine Clusterlosung wird in diesem Zusammenhang dann als stabil bezeichnet, wenn eine Modifikation der in der Analyse spezifizierten Methode und der fiir die Analyse verwendeten Daten die Ergebnisse nicht zu stark beeinflusst (vgl. ebd.). Fiir die Zwecke unserer Untersuchung wurden Stabilitatsanalysen auf folgenden Ebenen vorgenommen: • Ebene 1: Priifen der Stabilitat in Abhangigkeit von dem ausgewahlten Fusionsalgorithmus • Ebene 2: Priifen der Stabilitat in Abhangigkeit von zufallsbedingten Stichprobeneigenschaften Gepriift wurde in diesem Zusammenhang, wie weit die auf Grundlage der Gesamtstichprobe mit Hilfe des Ward- und k-means-Algorithmus ermittelte Fiinf-Cluster-Losung fiir die Gesamtstichprobe (vgl. Kap.6, Abb. 6.1.1, S. 132) unter Heranziehung alternativer Fusionsalgorithmen und in Abhangigkeit von variierenden Substichproben der Ausgangsstichprobe stabil bleibt.

G2 Methode Methodisch wurde die Stabilitatsanalyse einerseits durch einen Profilvergleich der verschiedenen Clusterlosungen, zum anderen durch einen Vergleich der Klassifikationen resp. Zuweisungen von Personen zu den einzelnen Clustern vorgenommen. Verglichen wurde dabei jeweils die mit dem Ward- und k-means-Algorithmus auf Grundlage der Gesamtstichprobe erzielte Losung mit alternativen Losungsmodellen, die unter Heranziehung alternativer Fusionsalgorithmen resp. auf Grundlage von Substichproben der Untersuchungsstichprobe gewonnen wurden. Der Profilvergleich zwischen den verschiedenen Clusterlosungen wurde dabei ad oculos^ d.h. nach Augenschein und ohne Heranziehung weiterer statistischer Testverfahren, vorgenommen. Fiir den Klassifikationsvergleich wurde demgegeniiber der von Bortz (1999: 563f.) fiir diese Zwecke empfohlene Kappa-Koeffizient herangezogen. Bei dem von Cohen (1960) konzipierten Kappa-Koeffizienten handelt es sich um eine MaBzahl zur Bestimmung der graduellen Ubereinstimmung zweier an derselben Objektmenge vorgenommener Klassifikationen. Konkret handelt es sich um eine MaBzahl der bivariaten Assoziation fur polytome klassifikatorische Merkmale, wobei die Anzahl der Klassen bei beiden Merkmalen gleich sein soil. Der Wertebereich des

324

Anhang

Kappa-Koeffizienten variiert zwischen 0 und 1, wobei das MaB seinen Maximalwert 1 annimmt, wenn durch beide im Vergleich stehenden Klassifikationen gleiche Falle den jeweils selben Klassen bzw. Clustern zugeordnet werden. Dies ist dann der Fall, wenn in einer Kreuztabelle der in Frage stehenden Klassifikationen ausschlieBlich die Hauptdiagonale mit Fallen besetzt ist, wogegen die Zellen jenseits der Hauptdiagonale Nullwerte aufweisen. Bortz /Doring (1995: 254) zufolge erfordert eine gute Ubereinstimmung zweier Klassifikationen Kappa-Werte von k = 0,70 und groBer. Entsprechend wurde in den hier vorgestellten Analysen der Wert von k = 0,70 als Kriterium dafiir herangezogen, wie weit der Grad der Ubereinstimmung zweier Clusterlosungen als akzeptabel resp. als inakzeptabel gelten soil. Flankiert wurden die Stabilitatstests sowohl auf der Ebene des Vergleichs der Fusionsalgorithmen als auch auf der Ebene des Stichprobenvergleichs zusatzlich von einer Analyse der Modellanpassung. Berechnet wurde dabei der durch das jeweilige Clustermodell aufgeklarte Varianzanteil in der Untersuchungsstichprobe, wobei hier als statistische ReferenzgroBe der in der Varianzanalyse als DeterminationsmaB gebrauchliche Eta^-Wert fungierte. Der Eta^-Wert kann zwischen 0 und 1 variieren. Mit dem Wert 100 multipliziert, bezeichnet er im vorliegenden Anwendungszusammenhang den Varianzanteil auf der Ebene der Klassifikationsvariablen, der durch das Clustermodell in der Untersuchungsstichprobe erklart wird.

G3 Ergebmsse G3.1 Stabilitatspriifung in Abhangigkeit von verschiedenen Fusionsalgorithmen Um die Frage der Verfahrensabhangigkeit des mit dem Ward-Algorithmus erzielten Clustermodells im Rahmen der Stabilitatsanalysen zu priifen, wurden verschiedene Verfahren der hierarchisch-agglomerativen Analyse ausgewahlt und als Clusterverfahren auf den Datensatz der Untersuchung angewendet. Dabei wurde explizit beriicksichtigt, dass die ausgewahlten Clusterverfahren mit dem Ward-Algorithmus vergleichbar sind. Bacher (1996: 142ff) unterscheidet auf der Ebene der hierarchisch-agglomerativen Clustertechniken im Kontext der objektorientierten Analyse iibergeordnet zwischen drei Verfahrenstypen: den sog. Ndchste Nachbam-, den Mittelwert- und den Reprasentantenverfahren. Bei den Nachste-NaMam-Yeichhrtn - wie etwa dem sog. Single-Unkage- oder auch dem Complete-Unkage-Kns2it'L - erfolgt die Clusterbildung so, „dass (a) jedes Klassifikationsobjekt eine bestimmte Anzahl von nachsten Nachbarn in dem Cluster, dem es angehort, hat oder dass (b) jedes Klassifikationsobjekt in dem Cluster zumindest einen B-ten nachsten Nachbarn (z.B. einen zweitnachsten Nachbarn) hat" (ebd.: 142). Welches Cluster mit welchem anderen fusioniert wird, hangt hier entsprechend von der jeweiligen nachbarschaftlichen Nahe ihrer Objekte (Elemente) ab. Die Ndchste Nach^^w-Verfahren verzichten in diesem Zusammenhang auf jede Art von Mittelwertbildung und umgehen so jede Art der monotonen Transformation der Wertebasis.

G: Zur Stabilitat der Typologie normbezogener Qrientierungen

325

Bei den sog. Mittelwertverfahren handelt es sich um Clustertechniken, die im Unterschied zu den Ndchste Nacbbam-VeThhrtn bei der Neuberechnung der Ahnlichkeit bzw. Distanz zwischen den Clustern auf Strategien der Mittelwertbildung setzen. So werden etwa bei dem Betmen-Groups-Average-Unkage-Ans^Lti (Linkage ^mscben den Gmppen) zunachst fur alle Paare, die sich aus den in unterschiedlichen Clustern enthaltenen Objekten bilden lassen, Distanzwerte berechnet. Die Distanz zwischen zwei Clustern wird anschlieBend als arithmetisches Mittel der Distanzen zwischen den einzelnen Objekten berechnet. Der Within-Groups-Average-hinkage-Ans2it2 (Linkage innerhalh der Gmppen) betrachtet demgegeniiber samtliche Paare, die sich aus den Fallen zweier Cluster bilden lassen. Dies beinhaltet auch solche Paare, die aus zwei Objekten desselben Clusters bestehen. Auch hier wird fiir jedes Paar die Distanz berechnet und das arithmetische Mittel aller Distanzen, unter Einbeziehung der Distanzen zwischen den jeweils clusterinternen Paaren, ergibt die Distanz zwischen den beiden Clustern. Diese Methode bewirkt, „dass auf jeder Stufe des Agglomerationsprozesses die beiden Cluster zusammengefasst werden, bei denen die durchschnittliche Distanz innerhalb des durch das Zusammenfassen neu entstehenden Clusters moglichst gering ist" (Brosius 1996: 710). Bei den Reprasentantenverfahren wird nach einer ReferenzgroBe gesucht, die ein Cluster in typischer Weise reprasentieren kann. Dies kann zum einen ein typisches Klassifikationsobjekt, ein sog. prototypischer Fall, oder aber ein Clusterzentrum sein, das sich iiber den Mittelwert der in dem Cluster gruppierten Objekte auf den in die Clusterbildung einbezogenen Klassifikationsvariablen definiert. Gesucht wird in diesem Sinne nicht primar eine moglichst giinsdge Klassifikation, sondern ein typischer Reprasentant fiir jedes Cluster. Als einem Cluster zugehorig werden im Weiteren die Falle oder Objekte ausgewiesen, die zu dem Reprasentanten eines Clusters die vergleichsweise groBte Ahnlichkeit bzw. geringste Distanz aufweisen (vgl. Bacher 1996: 142ff.). Verfahren, die in dieser Weise zur Konstruktion reprasentativer Clusterzentren konzipiert wurden, sind unter anderem das Median-, das Zentroid- und das WardVerfahren. Die Cluster werden durch diese Verfahren so bestimmt, dass entweder die Clusterzentren verschiedener Cluster maximal voneinander entfernt sind {Median- und Z^;?/r6?/^-Verfahren), oder dass die Streuung zwischen den Clusterzentren maximiert wird (IFW-Verfahren, /^-;^^^;?j-Verfahren; vgl. ebd.: 143). Bei dem Z^;//r^/^-Verfahren werden fiir jedes Cluster die arithmetischen Mittel aus den Werten berechnet, welche die dem Cluster zugeordneten Falle auf der Ebene der Klassifikationsvariablen aufweisen. Jedes Cluster wird dabei durch ein Set von Mittelwerten auf der Ebene seiner Klassifikationsvariablen, sprich: seinen Zentroid, definiert. Die Distanz zwischen zwei Clustern bestimmt sich anschlieBend als die Distanz zwischen den jeweiUgen Clusterzentroiden. Fusioniert werden die Cluster, die die geringste Distanz zueinander aufweisen. Das Median-Ytt^^hmn ahnelt als Fusionsalgorithmus dem sog. Z^///r^/^-Verfahren, nur dass hier der jeweils neue Clusterzentroid nicht als gemaB der jeweiHgen Clusterbesetzung gewogenes Mittel, sondern als ungewichtetes arithmetisches Mittel aus den Zentroiden der Ausgangscluster berechnet wird (vgl. Brosius 1996: 711). Bei der Be-

326

Anhang

rechnung des Zentroids eines neuen Clusters gehen somit die Zentren der konstituierenden Cluster unabhangig von ihrer GroBe ein (vgl. Diehl / Staufenbiel 2001: 518). Im Gegensatz zu Zentroid- und M^&/?-Verfahren wird beim Ward-V&cfahrtn jeweils jenes Clusterpaar fusioniert, das bei einer Verschmelzung zu einer minimalen Zunahme der Streuungsquadratsummen im aufnehmenden Cluster, d.h. der Summe der quadrierten Abstande der die Cluster konstituierenden Falle zu ihrem jeweiligen Clusterzentroid, fiihrt (vgl. Bacher 1996: 298). Dieses Clusterpaar kann, muss aber nicht mit jenem iibereinstimmen, zu dem die Distanz zwischen den Clusterzentren am geringsten ist. Sollen Clusterzentren als Reprasentanten bei der Clusterbildung verwendet werden, muss - ahnlich wie bei den mittelwertbasierten Verfahren - eine Datenmatrix mit quantitativen Variablen vorliegen. Ferner ist hier die Verwendung eines bestimmten DistanzmaBes, namlich der quadrierten euklidischen Distanz, erforderlich. Fiir die Zwecke des Stabilitatstests der nach Ward und k-means ermittelten 5-ClusterLosung wurden alternierend die Reprasentantenverfahren des Zentroid- und des MedianClustering eingesetzt. Mit dem between- und Within-Average-Unkage'-Yt^i2ih.ttn. wurden dariiber hinaus, quasi zur Gegenpriifung, zwei Mittelwertverfahren in die Stabilitatsanalysen einbezogen. Im Rahmen der Stabilitatsanalysen wurde zunachst untersucht, wie gut nach Durchfiihrung einer hierarchisch-agglomerativen Analyse die Anpassung der ermittelten Clustermodelle an die Ausgangsdaten ausfallt. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls betrachtet, wie stark sich in Abhangigkeit von den verwendeten Fusionsalgorithmen die FaUbesetzung in den einzelnen Clustern unterscheidet. Als Stabilitatsausweis des nach Ward ermittelten Referenzmodells kann in diesem Zusammenhang gelten, dass dieses Modell eine insgesamt bessere Modellanpassung als die mit anderen Verfahren gewonnenen Modelle und dariiber hinaus auf der Ebene der Einzelcluster eine ausgewogenere FaUbesetzung aufweist. Tabelle G3.1.1: Clusterbesetzung und Modellanpassung nach der hierarchisch-agglomerativer Analyse bei Verwendung verschiedener Fusionsalgorithmen (n=367)

1 Fusionsalgorithmus Ward-Method 52 Average Linkage, 2 Between Groups Average Linkage, 40 Within Groups Median Method 5 Zentroid-Method 40 Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

74

Eta^, gesamt 0,568

1

0,232

163

49

0,520

149 2

172 1

0,416 0,248

71

Cluster 3 56

4 114

325

2

37

64

51

40 321

1 3

2

5

Die Ergebnisse der entsprechenden Analysen zeigen zunachst, dass die IF'W-Methode im Zuge der hierarchisch-agglomerativen Fusionen zu den vergleichsweise ausgewogensten Clusterbesetzungen kommt. Eine tendenziell ebenfalls ausgewogene Clusterbesetzung wird durch die mittelwertbasierte Within-Groups-Average-lAnk2igt-'M.Qt\iodQ:

G: Zur Stabilitat der Typologie normbezogener Orientiemngen

327

erzeugt. Die Median-Methode, in noch starkerem AusmaB jedoch die Zenfroid-Mtthodt und die Betmen-Groups-Aperage-Unkage-Mcthode erzeugen demgegeniiber unausgewogene Clusterbesetzungen. Bei Vorgabe einer 5-Cluster-L6sung finden sich hier jeweils bei mehreren, im Falle der Zentroid-Methode sogar bei drei Clustern des Modells Clusterbesetzungen von weniger als 1 Prozent (n < 3) der StichprobengroBe. Die Anpassung der durch die verschiedenen Fusionsalgorithmen ermittelten 5-ClusterModelle an die Ausgangsdaten lasst sich dem Eta^-Wert fiir die entsprechenden Modelle entnehmen. Er gibt an, wie hoch der Anteil der Varianz in der Auspragung nomozentrischer, okonomischer und kommunitar-gemeinschaftlicher Orientiemngen in der Untersuchungsstichprobe ist, der durch das entsprechende Clustermodell erklart wird. Die tabellarische Darstellung lasst in diesem Zusammenhang erkennen, dass das nach der Ward-Methode ermittelte Clustermodell, gemessen am Anteil der durch dieses Modell erklarten Varianz, die beste Anpassung an die Ausgangsdaten aufweist. Daneben erscheint ebenfalls noch die Anpassung des Within-Groups-Average-Iinkage-Modells als akzeptabel. Die Ergebnisse machen dariiber hinaus deutiich, dass die Modellanpassung der Clustermodelle an die Ausgangsdaten um so schlechter wird, je unausgewogener die Fallbesetzung innerhalb des Clustermodells ausfallt resp. je mehr Cluster mit einer Clusterbesetzung von n < 3 in dem gegebenen Clustermodell in Erscheinung treten. Entsprechend weist das Between-Groups-Average-Linkage-Modell die geringste Modellanpassung auf. In einem weiteren Schritt der Stabilitatspriifung wurden die im Rahmen der hierarchischen Analyse ermittelten Clusterzentren - wiederum bei Vorgabe einer 5-ClusterLosung - in eine Clusterzentrenanalyse nach k-means einbezogen. Dabei fungierten die im hierarchischen Fusionierungsprozess ermittelten Clusterzentren fiir die einzelnen Clustermodelle jeweils als Startwerte der Clusterzentrenanalysen. Die Ergebnisse der Analysen sind in Tabelle G3.1.2 dargestellt. Tabelle G3.1.2: Clusterbesetzung und Modellanpassung nach der Clusterzentrenanalyse nach k-means bei Verwendung von Startwerte-Sets aus unterschiedlichen hierarchisch-agglomerativen Analysen (n=367) ModeUanpass.

Cluster Startwerte fiir k-means nach Ward-Method Average Linkage, Between Groups Average Linkage, Within Groups Median Method Centroid-Method Zufallsstartwerte QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

1

2

3

4

5

Eta^

86

51

86

87

57

0,601

83

46

93

88

57

0,601

99

51

92

71

54

0,597

98 82 96

52 50 52

96 87 96

72 91 76

49 57 47

0,597 0,605 0,598

Es zeigt sich erwartungsgemaB, dass der /^-;^^(^;^j"-Algorithmus mit dem vorgegebenen Ziel der Varianzminimierung innerhalb der Cluster bei den durch die Fusionsalgorithmen vorgegebenen Startwerten - verglichen mit den Ergebnissen der hierarchisch-

328

Anhang

agglomerativen Analyse - iibergreifend ausgewogenere Clusterbesetzungen produziert. Die auf Gmndlage der Startwerte des Ward- und des Zentroid-Ytthhttns ermittelten Clusterlosungen weisen dabei dem Eta^-Wert zufolge die beste Modellanpassung auf. Bemerkenswert ist, dass die auf Gmndlage von Startwerten der Median-Methode sowie der Aperage-Unkage-Ans2itze gewonnenen Clustermodelle in ihrer Anpassungsgiite leicht unterhalb des auf der Grundlage von Zufallsstartwerten gewonnenen k-means-Modells liegen. Dies zeigt an, dass die mit diesen Verfahren gewonnenen Clustermodelle auch formal-statistisch keine wirkliche Alternative 2u dem durch Verkniipfung der Wardund k-means-Mcthode ermittelten Clustermodell darstellen. Im Weiteren wurde betrachtet, wie weit die auf Grundlage der verschiedenen Fusionsalgorithmen gewonnenen Clustermodelle normbezogener Orientierungen losgelost von ihrer Modellanpassung zu ahnlichen Clusterprofilen und Fallzuordnungen resp. Klassifikationen fiihren wie das nach Ward und k-means ermittelte Referenzmodell. Als Ausweis der Stabilitat des Referenzmodells konnte in diesem Zusammenhang gelten, dass Abweichungen auf der Ebene der modellspezifisch ermittelten Clusterprofile bei den Vergleichsmodellen unregelmaBig und selten auftreten und dass der Anteil mit dem Referenzmodell iibereinstimmender Fallzuordnungen zu den verschiedenen Clustern bei den Vergleichsmodellen moglichst hoch ist. Der Vergleich der Clusterprofile wurde, wie bereits an anderer Stelle hervorgehoben, ad oculos vorgenommen. Fiir die Zwecke des Klassifikationsvergleichs wurde als MaBzahl der graduellen Ubereinstimmung der Fallzuordnungen der Kappa-Koeffizient nach Cohen (1960,1968) herangezogen. Tabelle G3.1.3: Stabilitatsanalysen zur Clustertypologie akteursspezifischer Orientierungsmuster bei Variation des Fusionsalgorithmus. Referenzmodell: k-means-Modell mit Startwerten fiir die Clusterzentren nach Ward Fusionsalgorithmus

Profilvergleich^ Zahl differenter Profile

Referenzmodell nach Ward Average Linkage, Between Groups

-

^

Modellanpassung

Klassifikationsvergleich _^_

KappaKoeffizient

Erlauterung

-

-

Anteil abweichender Zuordnungen (> 30 %)

-

0,938

Average Linkage, Within Groups

1-2

Median

1-2

Desinteressierte; Nonkonforme Kommunitaristen Desinteressierte; Nonkonforme Kommunitaristen

Eta^ 0,601 0,601

0,814

Desinteressierte 32,0%

0,597

0,789

Desinteressierte 34,5%

0,597

Zentroid 0,976 0,605 Zufallsstartwerte Desinteressierte 0,820 1 0,598 1 Betrachtung ad oculos. 2u\xt Visualisierung der Profile, siehe Abb. G l . l (S. 332) fiir das Referenzmodell der Gesamtstichprobe und Abb. G1.2 bis G1.6 (S. 332-334) fiir die auf Grundlage alternierender Fusionsalgorithmen gewonnenen Modelle. 2 Nach Bortz / Doring (1995: 254) indizieren Kappa-Werte von K > .70 eine gute Ubereinstimmung zweier Klassifikationen. Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

G: Zur Stabilitat der T^pologie normbezogener Orientdemngen

329

Auf der Ebene des Profilvergleichs zeigt die Stabilitatspriifung, dass es vorwiegend die Cluster der Desinteressierten und der nonkonformen Kommunitaristen sind, deren Profile auf Grundlage der Startwerte der alternierenden Fusionsalgorithmen unterschiedlich konstruiert werden. Das Clustermodell mit der (nach Ward) hochsten Anpassungsgiite an die Ausgangsdaten - produziert auf Basis von Startwerten des Z^;//r^/^-Verfahrens - lasst auf der Ebene seiner Clusterprofile allerdings keine Unterschiede zum zu priifenden Referenzmodell erkennen. Dariiber hinaus zeigt sich ungeachtet der gegebenen Profilabweichungen auf der Ebene der Klassifikationen anhand der Kappa-Koeffizienten eine mehr als gute Ubereinstimmung der diskutierten Vergleichsmodelle mit dem Referenzmodell nach Ward. Bei keinem Modell ergibt sich hier fiir ein einzelnes Cluster - wiederum relativ zum zu priifenden Ward-Modell - ein abweichender Anteil von Fallzuordnungen von 30 Prozent oder mehr. Entsprechend kann davon ausgegangen werden - dies ein erstes Fazit der Stabilitatspriifung -, dass es sich bei dem Referenzmodell nach Ward um ein unter verfahrenstechnischen Gesichtspunkten stabiles und auf Grundlage der gegebenen Untersuchungsstichprobe vor alien Dingen statistisch empfehlenswertes Modell handelt. Ungeklart bleibt bei diesem Stand der Analyse allerdings, wie weit die als Referenzmodell diskutierte Clusterlosung nach Ward als in erhohtem MaBe stichprobenabhangig gelten muss. G3.2 Stabilitatspriifung in Abhangigkeit von den Stichprobeneigenschaften Um die Frage der Stichprobenabhangigkeit auf Grundlage des vorliegenden Datensatzes zu beantworten, wurde das folgende Vorgehen gewahlt: Zunachst wurde im sog. SpB-haIf-Ytrf2ihicen die Untersuchungsstichprobe nach dem Zufallsprinzip halbiert und anschlieBend fiir jede der Teilstichproben mit Vorgabe der Berechnung einer FiinfCluster-Losung nacheinander eine hierarchische Clusteranalyse nach dem Ward-Yetfahren und eine Clusterzentrenanalyse nach k-means durchgefiihrt. Hierzu wurden die nach Ward berechneten Clusterzentroide als Start- bzw. Anfangswerte in die Clusterzentrenanalyse einbezogen. Das Split-half-N^ti2^t^r\ mit der beschriebenen Abfolge von hierarchischer und Clusterzentrenanalyse wurde an dem gegebenen Datensatz drei Mai wiederholt, so dass insgesamt 6 Substichproben fiir die nachfolgende Untersuchung zur Verfiigung standen. Im Zentrum der Stabilitatsanalysen zur Stichprobenabhangigkeit der nach Ward und k-means entwickelten Cluster-Losung stand die vergleichende Betrachtung der ClusterModelle aus den Substichproben mit dem Referenzmodell der Gesamtstichprobe, und zwar wiederum einerseits auf der Ebene eines Profilvergleichs der Clusterzentroide und andererseits auf der Ebene eines Klassifikationsvergleichs zwischen den Clusterlosungen. Die Ergebnisse der Analysen zeigen auf der Ebene des Profilvergleichs, dass bei Vorgabe einer 5-Cluster-Losung die Profile der radikalen Marktaktivisten und der marktdistanzierten Konventionalisten in alien Substichproben stabil reproduziert werden konnen. Dies gilt bei fiinf der sechs Substichproben auch fiir das Clusterprofil der normorientierten Marktaktivisten und bei vier von sechs Substichproben ebenfalls fiir das Clusterprofil der nonkonformen Kommunitaristen. Das Clusterprofil der Des-

330

Anhang

interessierten kann demgegeniiber nur in 3 von 6 Substichproben einigermaBen stabil reproduziert werden. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass das Clusterprofil insbesondere der Desinteressierten, partiell aber auch der nonkonformen Kommunitaristen stichprobenabhangig zu sein scheint. Tabbelle G3.2.1: Stabilitatsanalysen zur Clustertypologie akteursspezifischer Orientierungsmuster nach dem sog. Split-half-Verfahren, Referenzmodell: Clustertypologie fiir die Gesamtstichprobe (n=367) Stichpfobendaten SubStp. 1 2

3

197 170

173

Pfofilvcfglcich^ Zahl differenter Profile 0 1

2

Benennung abweichender Profile

Desinteressierte Normorientierte Markaktivisten; Nonkonforme Kommunitaristen

Modellanpass.

Klassifikationsvefgleich^ KappaKoeffizient^ 0,870 0,764

0,701

Anteil abweichender Zuordnungen (> 30 %)

Eta^ 0,583

Desinteressierte Nonkonf. Kommunit. Nonkonf Kommunit

35,1% 0,624 32,3%

53,1%

0,616

0,921 0,615 Nonkonforme Desinteressierte 43,1% 0,602 0,726 Kommunitaristen Desinteressierte 51,2% 0,594 6 194 1 Desinteressierte 0,663 1 Betrachtung ad ocu/os. Zur Visualisierung der Profile, siehe Abb. G l . l fur das Referenzmodell der Gesamtstichprobe und Abb. G2.1 bis G2.6 (S. 335-337) fiir die auf Grundlage alternierender Substichproben gewonnenen Modelle. 2 Vorgenommen im Rahmen einer bivariaten Analyse der Clusterzuordnungen des Ausgangsmodells fiir die Gesamtstichprobe und des Modells fiir die Teilstichprobe. 3 Nach Bortz / Doring (1995: 254) indizieren Kappa-Werte von K> 0,70 eine gute Ubereinstimung zweier Klassifikationen. QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002. 4

194

0

5

173

1

Der Klassifikationsvergleich zwischen den verschiedenen Clusterlosungen zeigt, dass gemessen am Kappa-Koeffizienten - ein nicht zufriedenstellender Grad der Ubereinstimmung mit der Clusterlosung der Untersuchungsstichprobe nur in einer von sechs Substichproben (Substichprobe 6) in Erscheinung tritt. Bei den fiinf anderen Substichproben ergeben sich Werte von k > 0,7, in einem Fall (Substichprobe 4) sogar ein Wert von k > 0,9. Dies spricht fiir eine insgesamt zufriedenstellende, in Teilen sogar sehr gute Stabilitat der auf Grundlage der Gesamtstichprobe entwickelten Clustertypologie. Losgelost von der Klassifikationsgiite des Gesamtmodells ergeben sich - bezogen auf einzelne Cluster der betrachteten Submodelle - groBere Abweichungen der Fallzuordnung von der clusterspezifischen Fallzuordnung des Gesamtmodells. In Tabelle G3.2 sind in diesem Zusammenhang diejenigen Cluster aufgefiihrt, bei denen mehr als 30 Prozent der clusterspezifischen Fallzuordnungen in der Substichprobe von den clusterspezifischen Fallzuordnungen der Gesamtstichprobe abweichen. Dabei treten, bezogen auf die Substichproben 2, 5 und 6, wiederum insbesondere die Desinteressierten als ein Cluster hervor, das sich unter klassifikatorischen Gesichtspunkten nicht

G: Zur Stabilitat der Typologie normbezogener Qrientierungen

331

Optimal reproduzieren lasst. Gleiches gilt, bezogen auf die Substichproben 2 und 3, ebenfalls fiir die nonkonformen Kommunitaristen.^^o

G4 Fa^it Als Ergebnis der Stabilitatsanalyse des ausgewahlten Clustermodells lasst sich abschlieBend festhalten, dass sich die mit der hierarchischen Clusteranalyse nach Ward und der Clusterzentrenanalyse nach k-means entwickelte Fiinf-Cluster-Losung unter dem Gesichtspunkt der Modellanpassung anderen Modellen gegeniiber, die mit alternierenden hierarchischen Fusionsalgorithmen gewonnen wurden, als iiberlegen erweist. Dabei zeigt sich, dass konkurrierende Modelle mit einer vergleichbaren Giite der Modellanpassung zu ebenfalls vergleichbaren Clusterprofilen und Fallklassifikationen gelangen. Vergleicht man die Stabilitat in der Reproduktion der einzelnen Cluster zwischen den verschiedenen Modelllosungen, so tritt hier das Cluster der Desinteressierten als das instabilste Cluster in Erscheinung. Dieser Eindruck bestatigt sich bei Uberpriifung der Stichprobenabhangigkeit der Cluster-Losung. So erweist sich die fiir die Gesamtstichprobe ausgewahlte ClusterLosung mit Blick auf ihr gegebenes Profil auch bei Clusteranalysen an isolierten Substichproben des Untersuchungssamples als stabil. Als tendenziell „vakant" treten dabei allerdings die Clusterprofile insbesondere der Desinteressierten, aber auch der nonkonformen Kommunitaristen in Erscheinung. Unter Klassifikationsgesichtspunkten lasst sich jedoch im Vergleich der an den Substichproben gewonnenen Clustermodelle mit dem Referenzmodell der Gesamtstichprobe von einer guten bis zufriedenstellenden Ubereinstimmung sprechen.

^^*^^ Weiterfiihrende Analysen zum Cluster der nonkonformen Kommunitaristen (vgl. auch Anhang E) ergaben, dass in diesem Cluster primar solche Falle vereinigt sind, die ein „stark reserviertes Verhaltnis" zum Geltungsanspruch rechtlicher Normen pflegen. Parallel hierzu sind die Angehorigen dieses Clusters prokommunitaristisch orientiert, wobei das graduelle AusmaB der kommunitaristischen Orientierung zwischen den Clustersubtypen variiert. Die Bindung an wirtschaftliche Erfolgsziele lasst sich bei den Angehorigen dieses Clusters schlieBlich als indifferent beschreiben, wobei das graduelle AusmaB okonomischer Orientierungen fiir die Clustertypik von eher untergeordneter Bedeutung ist.

Anhang

332 Appendix G 4.1: Clusterprofile bei variierenden Fusionsalgorithmen A b b i l d u n g G l . l : Fiinf-Cluster-Modell nach d e m I F W - A l g o r i t h m u s (Referenzmodell der Studie)

•Nomozentrismus QOkonomismus H Kommunitarismus

(3) Marktdistanzierte Konventionalisten (n=86)

(2) Radikale Marktaktivisten (n=51)

(4) Desinteressierte (n=87)

(5) Nonkonforme Kommunitaristen (n=57)

QueUe: Wirtschaft u n d Ethik, 2002.

A b b i l d u n g G 1 . 2 : Fiinf-Cluster-Modell n a c h d e m

Befween-Groups-Average-Linkage-Algonthmus

1,5

^

C

0,5

m m-

•Nomozentrismus nOkonomismus El Kommuni tarismus

-0,5

(n=83)

2 (n=46)

Quelle: Wirtschaft u n d Ethik, 2002.

3 (n=93)

4 (n=88)

5 (n=57)

333

G: Zur Stabilitat der Typologie normbezogener Orientierungen

Abbildung G1.3: Fiinf-Cluster-Modell nach dem Within-Groups-Average-Unkage- Algorithmus

1,5

S

ffi

1

0

f

1

1

ai^

B3

zi J

-0,5

^

1

J

•Nomozen trismus D Okonomismus • Kommunitarismus

1 (n=99)

2 (n=51)

3 (n=92)

4 (n=71)

5 (n=54)

QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung G1.4: Fiinf-Cluster-Modell nach dem Me<^/(^«-Algorithmus

1,5

S

0,5

K

0

S

-0,5

id

i •Nomozentrismus D Okonomismus H Kommunitarismus

-1,5

(n=98)

2 (n=52)

Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

3 (n=96)

4 (n=72)

5 (n=49)

334

Anhang

Abbildung G1.5: Fiinf-Cluster-Modell nach dem Zentroid- Algorithmus

S

0,5

ffi

0

m

I

^m

1,5 J1 (n=82)

2 (n=50)

3 (n=87)

4 (n=91)

•Nomozentxismus DOkonomismus OKommunitarismus

5 (n=57)

Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung G1.6: Fiinf-Cluster-Modell nach K-Means-Zufallsstartwerten

1,5

I

ift

0,5

I Kl , J S -0,5

(n=96)

2 (n=52)

QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

3 (n=96)

4 (n=76)

5 (n=47)

• Nomozentrismus DOkonomismus B Kommunitarismus

335

G: Z u r Stabilitat der T}pologie n o r m b e z o g e n e r Orientierungen

Appendix G 4.2: Clusterprofile bei variierenden Substichproben Abbildung G2.1: Fiinf-Cluster-Modell auf Basis der Substichprobe 1 (n=197)

^T— 1,5

^ X

0

Uk: (n=47)

•Nomozentrismus

i

2 (n=26)

nOkonomismus a Kommunitarismus

^

3 (n=47)

4 (n=52)

5 (n=25)

QueUe: Wirtschaft u n d Ethik, 2002.

A b b i l d u n g G 2 . 2 : Fiinf-Cluster-Modell auf Basis der S u b s t i c h p r o b e 2 (n=170)

g^

5

2

0,5

0

It

H lit: a

-0,5

(n=43)

Quelle: Wirtschaft u n d Ethik, 2002.

3 (n=36)

4 (n=34)

5 (n=30)

•Nomozentrismus nOkonomismus HKommunitarismu!

336

Anhang

Abbildung G2.3: Fiinf-Cluster-Modell auf Basis der Substichprobe 3 (n=170)

^ X I -0,5

(n=43)

hit 2 (n=23)

3 (n=52)

•Nomozentxismus D Okonomismus • Kommunitarismus

4 (n=31)

5 (n=24)

QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung G2.4: Fiinf-Cluster-Modell auf Basis der Substichprobe 4 (n=194)

1,5

I

0,5

a

0

iHHhtt

•Nomozentxismus D Okonomismus HKommunitarismus

-^ -0,5

(n=46)

2 (n=24)

QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

3 (n=50)

4 (n=50)

5 (n=24)

337

G: Zur Stabilitat der Typologie normbezogener Qrienderungen

Abbildung G2.5: Funf-Cluster-Modell auf Basis der Substichprobe 5 (n=197)

1,5

g

0,5

X

0

I kJ

•Nomozentxismus nOkonormsmus •Kommunitarismus

(n=4{))

(n=27)

(n=53)

(n=25)

(n=28)

QueUe: Wirtschaft und Ethik, 2002.

Abbildung G2.6: Fiinf-Cluster-Modell auf Basis der Substichprobe 6 (n=170)

1,5

I 0,5 X

^

0

-0,5

m:f hit

i

1

-1,5

1 (n=50)

(n=43)

Quelle: Wirtschaft und Ethik, 2002.

(n=44)

4 (n-32)

5 (n=25)

•Nomozentrismus QOkonomismus H Kommuni tari smus