Verlockende Umarmung Kristina Logan
Nach einer unglücklichen Kindheit hat Tania Marlowe nur ein Ziel: Wenn sie sich ein...
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Verlockende Umarmung Kristina Logan
Nach einer unglücklichen Kindheit hat Tania Marlowe nur ein Ziel: Wenn sie sich einmal verlieben sollte, müssen sich alle romantischen Träume von Ehe und Treue erfüllen. Doch ausgerechnet sie verliert ihr Herz an den zynischen Scheidungsanwalt Barry Fox, der ihr sofort klarmacht, daß es für ihn nur Affären gibt. Qualvolle Sehnsucht erfaßt Tania, wenn sie Barry nur sieht – trotzdem muß sie stark bleiben: Tania will unberührt in die Ehe gehen…
© 1990 by Barbara Freethy Unter dem Originaltitel: „Promise of Marriage“ erschienen bei: Silhouette Books, New York, in der Reihe: SILHOUETTE ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES B. V. Amsterdam © Deutsche Erstausgabe in der Reihe NATALIE Band 466 (7 2)1991 by CORA Verlag GmbH, Berlin Übersetzung: Christine Schmidt Foto: WEPEGE © CORA Verlag GmbH Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. NATALIE-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig. Satz: Eisnerdruck, Berlin Druck: Eisnerdruck, Berlin Printed in Western Germany
1. KAPITEL 35 Minuten und 20 Sekunden, registrierte Tania seufzend, als der Bus in die Union Street einbog. Der Zeitfaktor war einer der Dinge, die sie nicht bedacht hatte, als sie ihre Hochzeitsagentur in Marina eröffnet hatte. Damals war es ihr nur auf eine romantische Umgebung und einen vernünftigen Preis angekommen. Beides hatte sie in dem altmodischen viktorianischen Haus gefunden, das an einer der beliebten Einkaufsstraßen von San Francisco lag. Leider brachte ihr Beruf es mit sich, daß sie die meiste Zeit im Stadtzentrum verbringen mußte, wo die großen Hotels zu finden waren. Daher war sie gezwungen, außerordentlich viel Zeit mit Busfahrten oder der Suche nach einem Parkplatz zu verbringen. Aber eigentlich konnte sie sich nicht beklagen. Auf der einen Seite fand sie ihren Job zwar recht anstrengend, auf der anderen Seite machte es ihr aber auch Spaß, selbständig zu sein. Es lag in ihren Händen, wie sie ihren Beruf gestaltete, und das war ein Gefühl, das sie aus vollem Herzen genießen konnte. Tania sah auf und bemerkte, daß sich der Bus ihrer Haltestelle näherte. Von hier war es nur ein Häuserblock bis zu ihrer Agentur. Eilig packte sie ihre Notizen und die anderen Unterlagen in ihre Aktentasche und stand auf. Als sie aus dem Bus ausstieg, holte sie tief Luft. Es war ein warmer, sonniger Nachmittag. Fröhlich lächelnd machte sie sich auf den Weg zu ihrem Büro, während sie sich in Gedanken bereits auf das nächste Treffen vorbereitete. Mr. Ramoni, der Blumenverkäufer, der seinen Stand direkt am Fuß der Treppe hatte, die zu ihrem Büro führte, lächelte ihr freundlich zu. Schon seit mehr als 20 Jahren verkaufte er an dieser Ecke Blumen und war wie so viele andere interessante Leute aus der Gegend nicht mehr wegzudenken. Tania seufzte leise, als er ihr mit einem Wink bedeutete, stehen zu bleiben. Sie kam ohnehin oft zu spät, weil sie sich nur zu gern in Gespräche verwickeln ließ. Aber diesem freundlichen Lächeln konnte sie nicht widerstehen. „Hallo, Miss Marlowe“, begrüßte Mr. Ramoni sie. „Das ist für Sie.“ Er überreichte ihr eine langstielige weiße Rose, ihre Lieblingsblume. „Sie haben mich so gut beraten“, erklärte er mit verlegenem Lächeln, als er bemerkte, wie überrascht sie war. Jetzt verstand Tania. „Es hat also geklappt?“ erkundigte sie sich. Er nickte, und in seinen Augen blitzte es übermütig. „Elena und ich sind sehr glücklich. Seit wir zusammen sind, fühlen wir uns wieder wie junge Leute.“ „Ich freue mich für Sie. Sie und Elena sind für mich ein ganz besonderes Paar.“ „Und das alles verdanken wir Ihnen“, erklärte Mr. Ramoni. „Wenn ich jemals etwas für Sie tun kann, dann lassen Sie es mich bitte wissen.“ „Das schönste, was Sie für mich tun können, ist, daß Sie glücklich sind“, rief sie ihm zu, während sie die Stufen zu ihrem Büro hinaufstieg. Sie freute sich von ganzem Herzen für Mr. Ramoni. Er hatte es verdient. Plötzlich bemerkte sie, wie spät es war. Erschrocken hastete sie die letzten Stufen hinauf und stürzte atemlos zur Tür hinein. „Ich weiß, daß ich schon wieder zu spät komme, aber es war nicht meine Schuld“, rief sie, noch bevor sie die Tür geschlossen hatte. Liz Jamison sah fragend auf, während Tania ihren Mantel auf der antiken Kommode ablegte. „Und was war es diesmal? Ein Verkehrsstau, eine Überschwemmung oder irgend ein anderer Schicksalsschlag?“ „Ein liegengebliebener Bus“, erklärte Tania. „War Melanie schon hier?“
„Nein, das ist unser Glück. Sie kommt nicht. Um 4.00 Uhr hat sie einen Termin bei der Schneiderin, die ihr Brautkleid anfertigt, und heute abend geht sie zu einer Cocktailparty. Sie wird dich später anrufen und einen Termin für morgen vereinbaren.“ Tania verdrehte die Augen und ließ sich auf einem Stuhl vor dem Empfangstisch nieder. „Ich bin nicht sehr überrascht. Das ist schon die dritte Verabredung, die sie abgesagt hat.“ „Ich weiß. Ich habe ihr auch schon erklärt, daß die Zeit drängt, wenn sie die Organisation ihrer Verlobungsparty noch mit uns besprechen will. Schließlich findet das ganze schon in sechs Wochen statt.“ „Das ist nicht sehr viel Zeit, wenn man bedenkt, was sie vorhat“, antwortete Tania, während sie die silberne Spange aus ihrem schwarzen Haar löste und die Locken schüttelte. Dann lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück und drehte die Rose nachdenklich in ihren Händen. „Hast du die von einem heimlichen Anbeter?“ neckte Liz sie. „Keineswegs“, erwiderte Tania und wurde rot. „Es ist eine Art Dankeschön von Mr. Ramoni. Letzte Woche war es ihm ziemlich schlecht gegangen, und ich hatte ihm einen Rat gegeben. Das ist alles.“ Liz schüttelte den Kopf. „Du hast dich also schon wieder einmal in anderer Leute Privatleben eingemischt.“ „Immerhin hat es geholfen“, erwiderte Tania zufrieden. „Und welches Rezept haben Sie diesmal verschrieben, Dr. Marlowe?“ „Warum willst du das wissen? Du glaubst doch sowieso nicht daran.“ „Nun komm schon. Erzähl es mir.“ Tanias Augen blitzten übermütig. „Es hatte etwas mit seiner Frau zu tun. Jedenfalls habe ich ihm geraten, ein Schaumbad in die Wanne einzulassen, eine Kerze anzuzünden und in den schönsten Gläsern, die er hat, Champagner bereitzustellen. Den Rest habe ich ihm überlassen.“ Liz lachte laut los. „Ich kann mir diesen seltsamen alten Mann gar nicht zusammen mit seiner Frau in der Badewanne vorstellen. Die Idee ist einfach zu komisch.“ Auch Tania lachte. „Aber offensichtlich hat mein Rat geholfen. Vielleicht solltest du es auch einmal versuchen.“ Statt einer Antwort zog Liz nur eine Grimasse. „Und was ist sonst gewesen? Irgend etwas Wichtiges?“ „Es liegt alles auf deinem Schreibtisch“, erklärte Liz. „Nichts Dringendes. Wie war dein Treffen mit Davina Smythe?“ „Frag mich bloß nicht. Davina besteht auf einer Eistorte in Form eines Rennpferdes. Ihr Verlobter ist ganz wild auf Rennpferde.“ „Und was hast du ihr gesagt?“ „Daß wir unser Bestes tun werden.“ „Na dann viel Glück.“ „Ich möchte sie schließlich glücklich machen“, verteidigte sich Tania. „Ihr Hochzeitstag ist der wichtigste Tag in ihrem Leben. Allerdings wünschte ich, sie könnte sich einmal für etwas entscheiden. Zuerst waren es zwei Tauben, dann Glocken, die durch ein Band verbunden werden sollten, dann ein Strauß Rosen, und jetzt ein Rennpferd. Manchmal fühle ich mich wirklich etwas überfordert.“ „Jetzt weißt du, warum ich die Bräute immer dir überlasse. Aber da wir gerade von Schwierigkeiten sprechen – wir haben heute einen Brief bekommen, in dem steht, daß das Erdgeschoß jetzt vermietet wird. Wir müssen unsere Ausstattung für Hochzeiten so bald wie möglich aus den Zimmern entfernen.“ „Wie schön. Und wo sollen wir zum Beispiel zehn lebensgroße Liebesgötter bis zu Julias Hochzeit in einem Monat unterbringen?“
„Ich habe nicht die geringste Ahnung. Im übrigen verstehe ich sowieso nicht, weshalb du ihr das nicht ausgeredet hast. Die Dinger sehen einfach lächerlich aus. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß sie die Empfangshalle damit dekorieren will.“ „Du hast ja recht“, gab Tania zu. „Aber ich konnte nicht ahnen, daß die Werkstatt Zentimeter mit Metern verwechseln würde. Und als Julia die Statuen sah, war sie absolut begeistert.“ „Vielleicht möchte sie sie ja auch in Zukunft in ihrem Haus behalten“, meinte Liz und lachte verschmitzt. „Das bezweifele ich. Ich hoffe nur, daß wir irgendwo einen Winkel finden, wo wir die Dinger hinstellen können. Stand in dem Brief, wer die untere Etage mieten wird?“ „Nein. Ich fürchte, wir müssen es einfach abwarten.“ „Die Sache ist wirklich zu dumm. Ich hatte mich schon daran gewöhnt, daß wir eine Art Abstellraum für uns allein haben.“ Tania streckte sich und stand auf. „Ich denke, ich werde jetzt die Post durchsehen.“ „Ach, da ist noch etwas. Mrs. Hunt hat wegen ihrer Party heute abend angerufen. Die Sachen liegen auf dem Schreibtisch. Sie wohnt in Sausalito, aber ich denke, der Weg dorthin ist nicht allzu schwer zu finden. Anscheinend werden jede Menge wichtiger Leute dort sein. Das könnte eine gute Gelegenheit für uns sein, etwas Werbung für unsere Agentur zu machen. Nicht, daß es uns schlecht geht, aber ein paar mehr High-Society-Hochzeiten könnten wir schon noch brauchen.“ „Das finde ich auch“, stimmte Tania ihr zu. „Und wer weiß – vielleicht treffe ich dort einen interessanten Mann.“ „Ich wünsche dir viel Glück. Bis jetzt hatte ich aber nicht den Eindruck, daß die Parties unserer Klienten dafür besonders geeignet sind.“ Tania mußte lachen. „Das stimmt allerdings. Außerdem habe ich nicht die geringste Absicht, mich zu verlieben. Dafür habe ich viel zu viel zu tun.“ „Ausgerechnet du!“ rief Liz. „Du bist doch die geborene Romantikerin. Ich wette, daß du die meiste Zeit mit Tagträumen über irgendeinen Prinzen verbringst. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, daß du ihn auch erkennen wirst, wenn du ihn wirklich triffst.“ „Ich weiß ganz genau, welchen Mann ich will“, erklärte Tania entschieden. „Natürlich muß er romantisch sein…“ „Natürlich“, wiederholte Liz ironisch. „Außerdem sensibel, zuverlässig, humorvoll, gutaussehend…“ „Es reicht. Das halte ich nicht länger aus. Soll ich dir einmal etwas sagen, meine Liebe? Du lebst nur in der Traumwelt. In dieser Stadt gibt es solche Männer nicht. Auf der ganzen Welt gibt es solche Männer nicht.“ Tania verzog das Gesicht. Sie wußte, daß Liz fast drei Jahre gebraucht hatte, um über ihre Scheidung hinwegzukommen. Erst in den letzten sechs Monaten war sie wieder einmal mit Männern ausgegangen. Kein Wunder also, daß sie Männern gegenüber eine zynische Haltung einnahm. Und im Grunde genommen dachte Tania ähnlich wie sie. Zu oft hatte sie ihre Mutter mit Männern zusammen gesehen, die ihren Erwartungen nicht im mindesten entsprachen. „Gehst du jetzt?“ erkundigte sie sich, als sie sah, wie Liz sich kämmte und nach ihrem Lippenstift griff. Doch noch bevor Liz antworten konnte, war ein lautes Krachen aus dem unteren Stockwerk zu hören. Die beiden Frauen sahen sich erschrocken an. „Das ist doch nicht etwa…“ begann Tania. Da klingelte das Telefon. Liz schüttelte ungeduldig den Kopf. „Ich denke, du solltest einmal nachschauen. Ich gehe inzwischen ans Telefon.“
Tania räusperte sich nervös, öffnete dann entschlossen die Tür und rannte die Treppe hinunter. Aus dem Raum, in dem sie und Liz die Dekoration für ihre Hochzeitsfeste aufbewahrten, war halblautes Fluchen zu hören. Nervös spähte Tania um die Ecke in das dunkle Zimmer, während sie nach dem Lichtschalter tastete. „Was zum Teufel ist das? Und wer zum Teufel sind Sie?“ erklang eine ärgerliche Stimme, als das Licht anging. Ein sehr großer, gutaussehender Mann stand in der Mitte des Raumes. In der Hand hielt er einen Pfeil von Amor, dem Liebesgott, und sein eleganter, teurer Anzug war von oben bis unten mit Staub bedeckt. „Was geht hier eigentlich vor sich?“ fragte der Mann nochmals zornig. Dabei fuhr er sich mit der Hand durch sein dunkles, lockiges Haar, das nun ebenfalls von einer grauen Schicht bedeckt war. Tania stand in der Tür, unfähig, sich zu rühren. Sie wußte kaum, ob sie lachen oder weinen sollte. Doch dann konnte sie sich nicht länger zurückhalten. Es sah einfach zu komisch aus, wie er da stand – mit dem Pfeil in der Hand, die lebensgroßen Statuen um sich herum verteilt. „Sie sind von einem Liebespfeil getroffen worden“, erklärte Tania grinsend. „Das soll ja ab und zu einmal vorkommen.“ Der Fremde starrte sie an, als sehe er sich einer Verrückten gegenüber. Instinktiv trat Tania einen Schritt zurück, als er den Pfeil auf den Boden fallen ließ und langsam auf sie zukam. Doch dann straffte sie die Schultern und sah ihn herausfordernd an. „Was haben Sie da eben gesagt?“ erkundigte er sich ruhig. Er stand jetzt nur wenige Schritte von ihr entfernt. Es war nicht schwer zu erkennen, daß er wirklich wütend war. „Tut mir leid“, bemerkte Tania und trat einen weiteren Schritt zurück. Verzweifelt bemühte sie sich, seinem Blick nicht auszuweichen. „Sie sahen einfach zu komisch aus, wie Sie eben da standen.“ Unsicher brach sie ab. „Soll ich Ihnen helfen, Ihren Anzug wieder sauber zu machen?“ „Sie können etwas ganz anderes tun“ erwiderte er ärgerlich. „Sie können mir zum Beispiel erklären, was all diese Dinge hier in meinem Büro zu suchen haben.“ Tania sah ihn verblüfft an. „In Ihrem Büro? Sie sind also der neue Mieter?“ „Ich bin nicht nur der neue Mieter, ich bin auch der Besitzer.“ „Ich bin Tania Marlowe“, brachte Tania mühsam hervor. Ihr Humor war ihr gründlich vergangen. Natürlich lag ihr nichts daran, den Besitzer des Geschäftshauses, in dem schließlich auch sie ihre Agentur hatte, zu beleidigen. „Ich habe die Hochzeitsagentur im ersten Stock“, erklärte sie. „Wir organisieren alles, was mit Hochzeiten zu tun hat. Diese Pfeile hier gehören zu einem Fest, das in Kürze stattfinden wird.“ Er runzelte die Stirn. „Ich wußte gar nicht, daß Sie die Erlaubnis haben, diesen Raum hier mit zu benutzen.“ Sein arroganter Ton verstimmte sie. „Das ist schon richtig. Wir haben keine offizielle Erlaubnis. Aber da der Raum leerstand, nahm der Hausmeister an, daß niemand etwas dagegen haben würde, wenn wir dort ein paar Sachen abstellen.“ „Nun, er hat sich geirrt. Und ich erwarte, daß die Sachen bis morgen früh um 9.00 Uhr verschwunden sind.“ „9.00 Uhr?“ rief Tania entsetzt aus. „Das schaffen wir nie. Es ist doch jetzt schon 5.00 Uhr.“ „Das ist Ihr Problem, Miss Marlowe. Am Montag morgen habe ich einen Termin mit mehreren Innenausstattern vereinbart. Bis dahin muß der Raum leer sein. Ich brauche Sie doch wohl nicht daran zu erinnern, daß Sie hierfür keine Miete
bezahlen und daher überhaupt nicht befugt sind, den Raum zu benutzen.“ „Aber wo soll ich denn mit all den Sachen hin?“ Tania war verzweifelt. „Wie wäre es mit dem Mülleimer?“ Ärgerlich warf sie ihr langes Haar nach hinten. „Sie brauchen keineswegs unhöflich zu werden, Mr….“ Er hielt es nicht für nötig, sich ihr vorzustellen. „Na schön. Bis Montag morgen werden die Sachen verschwunden sein.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ schnell den Raum. Ein leichtes Lächeln spielte um ihren Mund, als sie ihr Büro betrat. „Was ist denn passiert?“ fragte Liz. „Ich wollte schon hinunterkommen und dich retten.“ Tania kicherte. „Unser neuer Nachbar hatte einen kleinen Zusammenstoß mit Amor“, platzte sie lachend heraus. „Das hättest du sehen müssen. Da stand dieser gutaussehende Mann in seinem teuren Anzug inmitten unserer Statuen und hielt einen Pfeil in der Hand.“ „Ich verstehe gar nicht, daß du jetzt lachst. Mit schien es so, als ob ihr euch da unten angeschrien hättet.“ Tania nickte, immer noch lachend. „Da hast du ganz richtig gehört. Und im übrigen müssen wir unsere gesamte Dekoration bis Montag morgen 9.00 Uhr woanders hingeschafft haben.“ „Das finde ich erst recht nicht komisch. Du weißt, daß Rick und ich über das Wochenende nicht da sind. Und du hast eine Hochzeit zu organisieren. Es wird uns einige Zeit kosten, den Raum aufzuräumen. Und wo sollen wir überhaupt mit all den Sachen hin?“ Liz sah sich verzweifelt in dem kleinen Büro um. Hier gab es nur zwei kleine Räume, einen Empfangstisch sowie ein Extrazimmer mit Materialien. „Ich weiß, daß das ein Problem ist“, gab Tania kleinlaut zu. „Aber irgendeine Lösung wird sich schon finden.“ „Wenn du meinst“, erwiderte Liz zweifelnd. „Wie heißt denn überhaupt dieser Mann?“ „Das hat er mir leider nicht gesagt. Er war so schlecht gelaunt, daß er sich mir nicht einmal vorgestellt hat. Ich glaube, er hat einfach keinen Sinn für Humor. Das Beste habe ich dir übrigens noch gar nicht erzählt. Der Mann ist nicht nur unser neuer Nachbar, sondern auch unser Vermieter. Was sagst du dazu?“ „Aber das ganze Gebäude gehört dem Fox Management“, erklärte Liz. „Sie haben ihre Räume unten in der Stadt im Transamerica Gebäude.“ „Das dachte ich ja auch, aber er hat behauptet, daß er nicht nur der Mieter, sondern auch der Besitzer sei. Ich finde es auch komisch.“ „Seltsam“, murmelte Liz nachdenklich und stand auf. „Aber darüber können wir uns später immer noch den Kopf zerbrechen. Jetzt sollten wir uns erst einmal gründlich überlegen, wo wir die Statuen hinbringen könnten. Und dann würde ich gern nach Hause gehen. Du mußt doch heute abend auch noch zu einer Party, oder nicht?“ Tania nickte. „Laß uns die Sachen erst einmal hier hinzustellen. Morgen werde ich mich darum kümmern, ob wir etwas anderes finden können.“ Sie folgte Liz hinaus zur Treppe. „Ich hoffe bloß, daß er schon gegangen ist“, bemerkte sie, als sie in das Erdgeschoß hinunterstiegen. „Noch ein Zusammentreffen mit Mr. Perfect halte ich nicht aus. Vorerst habe ich wirklich genug von ihm.“ Auf dem untersten Treppenabsatz blieb Liz stehen. „Wie, sagtest du, sieht er aus?“ „Groß, dunkelhaarig und attraktiv.“ Liz lachte leise. „Das klingt wirklich nach einem Mr. Perfect.“ „Glaub das bloß nicht. Sein Äußeres mag vielleicht perfekt sein, aber an seiner
Persönlichkeit gäbe es wahrhaftig einiges zu verbessern. Er war arrogant, unhöflich und ohne jegliches Einfühlungsvermögen. Je weniger ich von ihm sehen muß, desto lieber ist es mir.“
2. KAPITEL Tania rieb sich mit einer Hand die schmerzenden Nackenmuskeln, während sie mit der anderen ihren kleinen Honda durch den dichten Abendverkehr auf der Golden Gate Brücke steuerte. Nur mühsam bewegten sich die Autos vorwärts, so daß sie ausreichend Zeit hatte, die Ereignisse des Tages noch einmal an sich vorbeiziehen zu lassen. Unwillkürlich mußte sie wieder lächeln, als sie daran dachte, welch komischen Anblick der elegante Mann mit dem Liebespfeil in der Hand heute geboten hatte. Sie überlegte, was wohl sein Beruf sein mochte. So wie er aussah, hatte er wohl mit Aktienpapieren, der Börse oder ähnlichem zu tun. Auf jeden Fall Finanzwesen. Plötzlich mußte sie grinsen. Womöglich war er Beerdigungsunternehmer. Das war zwar auch ein seriöser Beruf, aber so sah er wirklich nicht aus. Auf jeden Fall mußte er recht erfolgreich sein, wie man auf den ersten Blick an seinem Äußeren erkennen konnte. Tania seufzte, als sie daran dachte, daß sie ihn nun wohl jeden Tag sehen würde. Unfreundliche Nachbarn waren ihr ein Greuel. Vielleicht konnte sie die Dinge morgen wieder ins Lot bringen. Sie würde sich für ihr Benehmen entschuldigen und ganz von vorne anfangen. Wirklich schade, daß er so unfreundlich war. Immerhin war er der attraktivste Mann, den sie seit langem getroffen hatte. Tania war jetzt am Ende der Brücke angekommen, wo sich der Stau auflöste. In wenigen Minuten hatte sie die Ausfahrt nach Sausalito erreicht. Nachdem sie kurz am Straßenrand angehalten und sich einen Überblick darüber verschafft hatte, in welcher Richtung das Haus ihrer Klientin liegen mußte, atmete sie erleichtert auf. Obwohl sie die Gegend nicht gut kannte, würde es jetzt nicht mehr schwierig sein. Sie hatte mehrere Klienten, die in dieser vornehmen Gegend über dem San Francisco Bay wohnten. Das Haus der Hunts lag ein wenig abseits von der Hauptstraße. Als sie mit ihrem kleinen, alten Honda vor dem Eingang hielt, lächelte der Parkwächter mitleidig. Tatsächlich nahm sich ihr Wagen zwischen all den Luxuslimousinen eher seltsam aus. Eines Tages wird auch das anders sein, dachte Tania und lächelte fröhlich, als sie an der Haustür klingelte. Das Hausmädchen ließ sie ein und nahm ihr den Mantel ab. Gleich darauf wurde ihr von einem anderen Mädchen ein Glas Champagner angeboten. Ein ausgezeichneter Service, dachte Tania anerkennend, während sie das Getränk kostete. Die großen Fenster im Wohnzimmer, das sie jetzt betrat, gaben einen fantastischen Blick auf die Bucht von San Francisco frei. Langsam schlenderte Tania durch den Raum, betrachtete aufmerksam die elegant gekleideten Gäste und überlegte, welche der Frauen wohl die Gastgeberin sein mochte. Dann sah sie ihn. Was für ein Zufall, den gleichen Mann zweimal an einem Tag zu treffen! Jetzt sah er allerdings wesentlich fröhlicher aus als zuvor. Er stand in einer Gruppe von Frauen, die ihn offensichtlich bewunderten. Wie Tania beobachtete, schien er allerdings wenig an der allgemeinen Unterhaltung interessiert zu sein, denn sein Blick schweifte unablässig durch den Raum. Hastig drehte sie sich um, in der Hoffnung, daß er sie nicht erkannt hatte. Das letzte, was sie wollte, war ein erneuter Zusammenstoß mit ihm. Und schon gar nicht in dieser Umgebung. Doch so leicht sollte sie nicht davonkommen. Nicht nur ihr leuchtend blaues Kleid, sondern auch ein übereifriger Kellner, der ihr etwas zu essen anbot, wurden ihr zum Verhängnis. Als sie wieder aufblickte, sah sie direkt in ein paar braune Augen, die sie spöttisch anblickten. Er trug einen hervorragend
geschnittenen, eleganten schwarzen Abendanzug, der ihm ungemein gut stand. Verlegen drehte sich Tania zur Seite, wobei sie bei der hastigen Bewegung fast einer anderen Frau das Champagnerglas aus der Hand geschlagen hätte. „Entschuldigen Sie bitte“, sagte sie zu der attraktiven blonden Dame. „Ich habe nicht aufgepaßt.“ Die ältere Frau sah Tania lächelnd an. „Das macht doch nichts. Es ist ja nichts passiert. Darf ich mich Ihnen übrigens vorstellen: Ich bin Olivia Hunt, und ich nehme an, Sie sind Tania Mariowe.“ Tania seufzte unhörbar. Warum mußte ihr so etwas ausgerechnet mit ihrer Gastgeberin passieren? „Ich freue mich, daß Sie heute abend kommen konnten, Miss Marlowe“, erklärte Mrs. Hunt freundlich. „Wie Sie wissen, hat unsere Tochter vor, in Kürze zu heiraten. Natürlich muß alles auf das genaueste organisiert werden, angefangen von der Verlobungsparty und allem, was dazu gehört, bis zur Hochzeit. Als unser Gast können sie sich heute abend ein Bild davon machen, wie wir normalerweise unsere Feste gestalten. Außerdem haben Sie eine gute Gelegenheit, sich das Haus und unseren Besitz in Ruhe anzusehen.“ „Ich verstehe“, antwortete Tania. „Und ich muß Ihnen ein Kompliment machen. Die Organisation Ihrer Party scheint mir perfekt.“ Mrs. Hunt lachte leise. „Wir geben uns auch viel Mühe. Sie müssen wissen, daß wir schon seit Jahren regelmäßig große Parties geben, aber um die Wahrheit zu sagen, habe ich das Gefühl, daß mir allmählich nichts Neues mehr einfällt. Ihre Agentur ist mir wärmstens empfohlen worden. Danielle ist unsere einzige Tochter, und daher legen wir Wert auf etwas ganz Besonderes.“ Tania nickte verständnisvoll. „Ich bin sicher, daß wir für Ihre Tochter einen unvergeßlichen Abend arrangieren können“, antwortete sie ehrlich überzeugt. „Hatten Sie an etwas Besonderes gedacht?“ „Bis jetzt noch nicht. Aber ich lege Wert auf Originalität und Geschmack. Bei der Verlobungsparty werden sowohl Danielles als auch meine Freunde anwesend sein. Es ist mir wichtig, daß jeder Gast zufrieden ist. Die Leute, die Sie heute abend hier sehen, geben Ihnen einen Eindruck davon, welche Gäste wir zu dem Verlobungsfest erwarten. Vielleicht haben Sie in den nächsten Tagen bereits ein paar Ideen, über die wir am Ende der Woche miteinander sprechen können? Jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen – ich muß mich um meine Gäste kümmern. Bitte fühlen sie sich hier wie zu Hause. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“ Tania nickte höflich, während sich ihre Gastgeberin einer Gruppe von Gästen zuwandte. Als sie sich umdrehte, befand sie sich allein. Ihr Vermieter hatte offensichtlich bessere Gesellschaft gefunden. Umso besser, dachte sie zufrieden, es wird sowieso Zeit, daß ich mich an die Arbeit mache. Die nächste Stunde verbrachte Tania damit, mit geübtem Blick alles Wesentliche für die Organisation der bevorstehenden Feste, die sie leiten sollte, in sich aufzunehmen. Unauffällig machte sie sich Notizen. Mrs. Hunt war auf jeden Fall eine hervorragende Gastgeberin. Das kalte Büfett, das auf wertvollem altem Silber angerichtet war, bot alle erdenklichen Köstlichkeiten. Selbst die Geburtstagstorte ihrer Tochter stand einer Hochzeitstorte in nichts nach. Müde rieb sich Tania über die Stirn, während sie überlegte, wann sie nach Hause gehen könnte, ohne unhöflich zu wirken. Die vielen Menschen und der Zigarettenrauch in dem Raum wurden ihr allmählich zuviel. Sie beschloß, sich ein wenig im Garten umzusehen. Tania bahnte sich einen Weg durch die jungen Leute, die rund um den
Swimming-Pool auf der Terrasse saßen und schlug dann einen Weg ein, der durch den Garten auf eine Anhöhe führte, von der aus man einen herrlichen Blick über ganz San Francisco und die Golden Gate Brücke hatte. Der Anblick der vielen Lichter war bezaubernd. Tania lehnte sich an das Geländer. „Muß ich mich verstecken, oder sind Sie unbewaffnet?“ Plötzlich ertönte eine Stimme aus dem Schatten neben ihr. Tania wirbelte erschrocken herum. Diese Stimme kannte sie doch! Der Fremde stand nur wenige Schritte von ihr entfernt an die Brüstung gelehnt und lächelte Tania amüsiert an. „Sie sind es also“, bemerkte sie so ruhig wie möglich, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. „Haben Sie eigentlich auch einen Namen, oder soll ich mir einen für Sie ausdenken?“ Er lachte laut los. „Besser nicht. Mein Name ist Barrett. Barry Fox.“ „Dann sind Sie der Besitzer von Fox Management?“ Er nickte. „Und Sie heißen Tania, nicht wahr?“ „Ganz recht. Tania Mariowe.“ Beide schwiegen. „Ich fürchte, ich muß mich bei Ihnen wegen der Statuen entschuldigen“, erklärte Tania nach einer Weile zögernd. „Ach ja, die Liebesgötter. Ich habe anfangs ernsthaft darüber nachgedacht, aber mir ist immer noch nicht klar, was Sie mit diesen albernen Statuen eigentlich anfangen wollen. Gehören sie zu irgendeiner seltsamen Hochzeitstradition, oder handelt es sich hier einfach nur um schlechten Geschmack?“ Tania runzelte verärgert die Stirn. „Sie wirken ganz anders, wenn sie in der richtigen Umgebung stehen“, verteidigte sie sich. „In der großen Empfangshalle der Familie Van Der Kellen, wo demnächst eine Hochzeit stattfinden wird, werden sie ganz anders aussehen. Selbst Sie wären beeindruckt.“ „Das bezweifele ich allerdings.“ Er lachte. „Ich kann mir auch überhaupt niemanden vorstellen, der so etwas Scheußliches bei seiner Hochzeit haben will. Sie werden noch an mich denken. Ich wette, daß das Paar innerhalb von zwei Jahren wieder geschieden sein wird.“ Tania sah ihn verblüfft an. „Warum sagen Sie denn so etwas?“ „Das ist doch ganz einfach. Kein Mann will schließlich, daß man sich über ihn lustig macht. Und der arme Bräutigam wird gar nicht lange brauchen, um festzustellen, daß man einen Narren aus ihm gemacht hat.“ „Was für eine häßliche Bemerkung“, erwiderte Tania. „Sie kennen die Leute doch überhaupt nicht. Wie können Sie dann solche Behauptung aufstellen?“ „Natürlich kenne ich sie nicht, aber die Wahl dieser Statuen spricht für sich. Ganz zu schweigen davon, was dieser Liebesgott mit mir angestellt hat.“ Tania warf ihm einen unsicheren Blick zu. „Was meinen Sie damit?“ erkundigte sie sich mißtrauisch. „ Kennen Si e di e Gesc hi c ht e vo m Li ebesgott und sei nen t ödli c hen Pf eil en et wa ni c ht ?“ gab Barr y Fox di e Fr age z ur ück „Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen. Ich habe den Eindruck, daß Sie aus recht hartem Holz geschnitzt sind.“ Als sie den Ausdruck seiner Augen sah, bereute sie ihre Worte sofort. Doch Sekunden darauf hatte er sich bereits wieder in der Gewalt. „Das will ich auch hoffen“, sagte er. „Wenn man zu weich ist, hat man nur Ärger.“ „Ich dachte immer, es wäre genau anders herum“, antwortete Tania. „Menschen ohne Liebe scheinen mir immer so traurig zu sein.“ Er schüttelte erstaunt den Kopf. „Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie eine
Romantikerin sind? Aber eigentlich hätte ich es mir denken können. Schließlich ist das ja Ihr Beruf. Dazu gehört wohl auch, daß man an Liebe und all den anderen Unsinn glaubt.“ Tania mochte den sarkastischen Unterton in seiner Stimme nicht. Was hatte diesen Mann so zynisch gemacht? „Wie dem auch sei, ich denke, es ist an mir, mich für heute nachmittag zu entschuldigen. Ich hätte Sie nicht so anschreien dürfen. Aber ich hatte einen furchtbaren Tag hinter mir, und da waren Ihre Liebesgötter einfach zu viel.“ „Ich hätte den Raum ja leergeräumt, wenn ich gewußt hätte, daß Sie kommen würden“, erklärte Tania. „Aber wir bekamen erst heute morgen Bescheid, und als ich Sie im Erdgeschoß schimpfen hörte, hatte ich gerade erst das Büro betreten.“ Sie sah ihn verlegen an. „Ich hätte Sie nicht auslachen sollen. Das war nicht sehr taktvoll von mir.“ „Ich bin darüber hinweg. Außerdem habe ich wahrscheinlich auch sehr komisch ausgesehen.“ „Und wie.“ Ob er doch Humor hatte? „Ich bin wirklich sonst nicht so…“ begann er. „Unhöflich“, beendete Tania den Satz für ihn. „Ganz recht. Aber wie ich schon sagte, hatte ich heute einen schlimmen Tag. Da habe ich wohl etwas überreagiert.“ „Ich freue mich jedenfalls, daß wir die Situation klären konnten“, sagte Tania aufrichtig. „Ich möchte gern, daß wir gut miteinander auskommen. Meinen sie, wir könnten Freunde sein?“ Sie streckte ihm die Hand hin, ohne zu ahnen, wie gefährlich seine Berührung für sie noch werden würde. Barry hielt ihre Hand länger als nötig fest. Forschend sah er Tania an. Wie schön sie war, mit ihrem dunklen Haar und den lebendigen blauen Augen, die ihn anstrahlten, und ihrem sinnlichen Mund. Ihr Lächeln war ausgesprochen sexy. Und sie beide sollten Freunde sein? „Nun, was meinen Sie?“ sagte Tania leise. Der Blick seiner warmen, braunen Augen verwirrte sie. Sanft berührte er mit dem Finger ihre Lippen. „Ich meine, daß wir einander eine ganze Menge bedeuten könnten, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir Freunde sein können“, erklärte er. Noch bevor Tania antworten konnte, hatte er sich umgedreht und war gegangen. Nur der Duft seines Rasierwassers hing noch in der Luft. Sie merkte plötzlich, daß ihr Herz heftig klopfte und fühlte sich verwirrt und ratlos. Die Erinnerung an seine kurze Berührung ließ sie erschauern. Er hatte recht. Wahrscheinlich würden sie nie Freunde sein. Erst am späten Montagnachmittag kam Tania wieder in ihr Büro. Sie hatte den ganzen Morgen damit zugebracht, sich traditionelle Hochzeitslieder von verschiedenen Musikgruppen anzuhören. Als sie an der Tür zum Büro von Barry Fox vorbeiging, konnte sie von drinnen lautes Hämmern und Sägen hören. Offensichtlich hatten die Handwerker bereits mit ihrer Arbeit begonnen. Tania war froh, daß sie Barry nicht begegnete. Sie fühlte sich noch nicht in der Lage, erneut mit ihm zusammenzutreffen. Als sie ihr Büro betrat, telefonierte Liz gerade mit einem Kunden. Tania nutzte die Zeit, um die Musikkassetten zu sortieren, die sie sich am Vormittag mitgenommen hatte. Zwei legte sie für Liz zum Probehören auf die Seite. „Nun, was gibt es Neues?“ erkundigte sie sich, nachdem Liz das Gespräch beendet hatte. „Du siehst schlecht aus“, bemerkte Liz und sah sie aufmerksam an. „Vielen Dank. Sehr charmant“, antwortete Tania. „Wenn du wüßtest, was ich
heute vormittag durchgemacht habe! Mir klingeln noch jetzt die Ohren. Haben wir vielleicht irgendwo ein Aspirin?“ Liz lachte. „Ich finde, du solltest die Bräute selbst losschicken, um sich die Musikgruppen anzuhören“, erklärte sie, während sie in einer Schublade nach Tabletten kramte. „Das möchte ich mir lieber nicht vorstellen.“ Tania lachte. „Und wie war das Wochenende sonst?“ „In Ordnung. Die Hochzeit verlief programmgemäß, und nun sind wir endlich auch unsere Liebesgötter los. Ich habe sie am Samstag nachmittag abholen und woanders unterbringen lassen.“ „Und wie war die Party bei den Hunts?“ „Toll“, antwortete Tania kurz angebunden. Sie verspürte wenig Lust, über diese Party zu sprechen. Wenn sie nur daran dachte, hatte sie noch immer das Gefühl, in gewisser Weise aus der Bahn geworfen zu sein. „Und sonst nichts?“ Liz war enttäuscht. „Sonst nichts“, sagte Tania fest. Insgeheim wünschte sie, es wäre so. Noch mehr wünschte sie, sie könnte den ganzen Freitag noch einmal erleben. Mit Sicherheit gäbe es einige Dinge, die sie dann anders machen würde. „Bist du sicher, daß alles in Ordnung ist? Du siehst irgendwie seltsam aus“, forschte Liz nach. „Mir kannst du es doch erzählen. Bist du vielleicht in den Swimming Pool gefallen oder hast irgend jemanden beleidigt, weil du betrunken warst?“ „Jetzt hör aber auf, Liz“, empörte sich Tania. „Wann habe ich denn jemals in meinem Leben solche Dinge getan?“ „Laß mich überlegen… Damals, bei der Verlobungsfeier der Jacksons…“ „Wurde ich von den Zwillingen geschubst“, erinnerte Tania sich. „Und einmal hast du ein Glas Wein auf Mrs. Bradingtons elegantes weißes Kostüm geschüttet. Erinnerst du dich?“ Liz kicherte. „Aber nur deshalb, weil ihr betrunkener Ehemann gegen mein Glas stieß“, rechtfertigte sich Tania. „Und dann…“ „Es reicht. Ich habe keine Lust, mich an jede Peinlichkeit der vergangenen drei Jahre erinnern zu lassen. Aber ich kann dich beruhigen – nichts von alledem ist bei den Hunts passiert.“ „Dann kann es sich nur um einen Mann handeln“, stellte Liz fest. „Habe ich recht? Du hast jemanden getroffen, nicht wahr?“ Tania schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Es gibt wirklich nichts zu erzählen. Ich habe mich mit Mrs. Hunt unterhalten, weil ich einige Vorschläge für Danielles Verlobungsparty machen möchte. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ „Nicht ganz. Wir haben da noch ein Problem“, begann Liz zögernd. „Was denn?“ „Unser neuer Nachbar. Er möchte unsere Tapete mit den Brautpaaren nicht mehr in der Halle und auf dem Treppenaufgang haben.“ Tania war wie vor den Kopf geschlagen. „Aber das ist doch albern. Außerdem haben wir die Erlaubnis des Vermieters, unsere eigene Tapete anzubringen.“ „Er sagt, daß diese Tapete nicht zu seiner Firma paßt“, antwortete Liz. „Dann soll er sich eben woanders niederlassen“, bemerkte Tania empört. „Ich sehe nicht ein, daß unsere Tapete entfernt werden soll. Sie gehört zu uns dazu. Und das werde ich ihm am besten gleich sagen.“ Liz mußte über Tanias Empörung lachen. „Meine Güte“, bemerkte sie erstaunt, als Tania wutentbrannt den Raum verließ, „du bist ja wirklich böse.“ Tania marschierte die Treppe hinunter und klopfte kurz an die Bürotür im
Erdgeschoß. Als eine Antwort ertönte, riß sie die Tür kurzentschlossen auf. Vor lauter Staub konnte sie in dem Raum zunächst kaum etwas erkennen. Dann bahnte sie sich zwischen all den Werkzeugen hindurch einen Weg zu einem der Arbeiter und fragte nach Barry Fox. Wortlos deutete er auf eine der Türen, die zu den anderen Büroräumen führte. Als Tania um die Ecke spähte, stand Barry in der Mitte des Raums und versuchte, ein Bücherregal zusammenzusetzen. „Gleich, Sandy“, sagte er, ohne sich umzudrehen. Tania trat ein und räusperte sich leise. Erstaunt fuhr er herum. „Hallo“, sagte sie leise. Sein Anblick war überwältigend. In Jeans und Pullover sah er noch attraktiver aus als zuvor. „Kann ich etwas für Sie tun?“ sagte er ungeduldig. „Wie Sie sehen, habe ich sehr viel zu tun.“ Tania lächelte. „Es sieht nicht gerade so aus, als kämen Sie besonders gut voran“, bemerkte sie. „Was wollen Sie?“ Er war noch unfreundlicher als zuvor. „Ich möchte gern wissen, wer Sie sind und warum Sie hier sind.“ Ärgerlich runzelte er die Stirn. „Sie wissen doch, wie ich heiße. Barry Fox.“ „Und Ihnen gehört Fox Management?“ „Allerdings.“ Tania sah ihn ungläubig an. „Ihnen gehört eine milliardenschwere Firma, die bis jetzt ihre Büroräume in der Transamerica Pyramide hatte, und trotzdem knien Sie hier in diesem winzigen Mietshaus auf dem Fußboden und versuchen, ein Regal zusammenzubauen? Haben Sie denn niemanden, der solche Arbeiten für Sie erledigt?“ „Natürlich habe ich jede Menge Leute“, gab er ärgerlich zurück, „aber zufällig mag ich solche Arbeiten.“ „Das merkt man“, erwiderte Tania anzüglich. „Sind Sie hierher gekommen, um mich zu ärgern?“ erkundigte er sich spöttisch, während sie sich vorbeugte, um einen Blick auf die Gebrauchsanweisung zu werfen, die er in der Hand hielt. Barry hielt die Luft an, als sich ihre Bluse gerade weit genug öffnete, um einen kleinen Ausschnitt ihres Busens freizugeben. Sogar jetzt, im strengen schwarzen Kostüm, sah sie ungemein sexy aus. Rasch wandte er den Blick ab und versuchte vergeblich, zwei Winkel des Regals zusammenzufügen. „Sie brauchen dieses Teil dafür“, erklärte Tania und ließ sich neben ihm auf dem Fußboden nieder. „Dann nehmen Sie diesen Riegel hier und verbinden die Teile miteinander. Sehen Sie, genau so“, sagte sie triumphierend, als sie die Teile zusammengesetzt hatte. „Hoffentlich habe ich jetzt nicht Ihren Stolz verletzt?“ „Keineswegs. Ich gebe gern zu, daß es einige Dinge gibt, von denen Frauen eine Menge verstehen.“ Tania verstand die Botschaft in seinen Worten nur zu genau. Mit einem Satz war sie auf den Beinen. „Und nun, da ich Ihnen geholfen habe, können Sie mir helfen.“ „Aha“, bemerkte er zynisch. „Jede Leistung fordert eine Gegenleistung. Ich hätte es mir denken können.“ „Meine Mitarbeiterin Liz Jamison hat mir von der Sache mit der Tapete erzählt. Es verhält sich aber so, daß wir die schriftliche Erlaubnis haben, jede Tapete nach unserem Geschmack zu verwenden.“ „Das war aber, bevor ich hier eingezogen bin“, erklärte Barry. „Und diese Tapete schadet meinem Büro.“ „Wie meinen Sie das?“ Tania war verblüfft. „Was hat denn unsere Tapete mit
Ihrem Geschäft zu tun?“ Er lächelte. „Sie dürfen dieses Büro nicht mit Fox Management unten in der Stadt verwechseln. Dies hier sind meine persönlichen Büroräume.“ „Ich verstehe immer noch nicht. Worum geht es eigentlich?“ „Ich bin Rechtsanwalt, Miss Marlowe, und zwar Scheidungsanwalt.“ „Sie machen Witze.“ „Aber nein. Und deswegen finde ich die Tapete wenig passend.“ „Aber das ist doch albern. Wieso sind Sie denn ausgerechnet in ein Haus gezogen, in dem sich eine Firma wie die unsrige befindet?“ „Ich hatte leider keine andere Wahl“, erklärte er. „In der kurzen Zeit, in der ich Räume brauchte, war dies die einzige Möglichkeit. Ich werde für die nächsten sechs Monate oder auch länger auf jeden Fall hier meine Praxis haben.“ Tania schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich kann es nicht glauben. Ein Scheidungsanwalt! Das kann doch nicht gutgehen. Was sollen meine Bräute denken, wenn sie an Ihrer Tür vorbeilaufen?“ Er lächelte ironisch. „Genauso geht es mir mit Ihrem Büro. Schließlich möchte keiner, der sich scheiden läßt, an seinen Hochzeitstag erinnert werden. Das Beste wird also sein, wenn wir die beiden Bereiche so weit als möglich auseinanderhalten. Deshalb sollten Halle und Treppenaufgang meiner Meinung nach möglichst neutral gehalten werden.“ „Das kann einfach nicht gutgehen“, wiederholte Tania. „Da bin ich anderer Ansicht“, erwiderte er. Seine Augen glitzerten amüsiert. „Es kann ja auch sein, daß wir beide voneinander profitieren können. Zuerst kommen die Leute zu ihnen, und ein paar Jahre später kommen sie zu mir.“ „Sie sind furchtbar!“ erklärte Tania. Sekunden später schlug sie die Tür mit lautem Knall hinter sich zu.
3. KAPITEL „Na, was hat er gesagt?“ fragte Liz neugierig. „Du scheinst ja immer noch sehr aufgeregt zu sein.“ „Ich könnte ihn umbringen“, erwiderte Tania. „Dieser Mann ist unmöglich.“ „Ich nehme an, daß er die Tapete immer noch entfernen lassen will?“ Tania stemmte die Hände in die Hüften. „Weißt du, was sein Beruf ist? Er ist Anwalt, aber kein gewöhnlicher, sondern einer von diesen geldgierigen, zynischen Scheidungsanwälten.“ Liz sah Tania verblüfft an. „Und ich dachte, er sei im Management.“ Tania schüttelte den Kopf. „Nein, das macht er nur nebenbei.“ „Aber was kann ein Anwalt dafür, daß sich so viele Leute scheiden lassen?“ sagte Liz nachdenklich. „Das ist doch nicht seine Schuld.“ „Vielleicht nicht“, gab Tania zu. „Aber ich bin noch nie einem Scheidungsanwalt begegnet, der versucht hat, auf die Probleme der Paare einzugehen. Es geht ihnen doch allen nur ums Geld.“ „Du bist wirklich sehr ärgerlich, oder nicht?“ „Ach, das ist doch alles widersinnig“, entgegnete Tania scharf. „Wie können wir uns mit einem Scheidungsanwalt ein Haus teilen?“ „Naja, es ist schon ein wenig seltsam.“ „Und das ganze wird mindestens sechs Monate dauern.“ „Trink erst mal einen Kaffee“, meinte Liz und schenkte zwei Tassen ein. „Und jetzt beruhige dich. In fünf Minuten kommen Kunden.“ Dankbar nahm Tania die Tasse entgegen. „Du hast natürlich recht. Momentan können wir gar nichts machen. Ich werde mir schon noch überlegen, wie wir Barry Fox wieder loswerden können. Aber erst die Arbeit und dann das Vergnügen.“ „Ich mache mir wirklich Sorgen, Miss Marlowe“, jammerte Jennifer. „Ich muß mit diesem entsetzlichen Petticoat unter dem Kleid eine lange Treppe hinuntersteigen. Sicherlich werde ich hinfallen und mich absolut lächerlich machen.“ Tania warf ihr ein mitfühlendes Lächeln zu. Jennifer Admes war die 19jährige Tochter eines reichen Industriellen. Als sie 15 war, war ihre Mutter gestorben. Trotz Tanias Hilfe fühlte sie sich extrem unsicher, was die Ausrichtung ihrer Hochzeit betraf. Jennifers größtes Problem war momentan der weit ausladende Petticoat, den sie unter ihrem Hochzeitskleid tragen würde. Tania mochte das Kleid ohnehin nicht, aber sie mußte zugeben, daß auch ihr Geschmack mit 19 anders gewesen war als jetzt mit 25 Jahren. „Das ist doch ganz einfach“, erklärte sie geduldig. „Sie brauchen das Kleid vorne nur ein wenig mit beiden Händen hochzuheben, während sie die Treppe hinuntergehen.“ „Aber was mache ich dann mit meinen Blumen? Und außerdem wollte ich in einer Hand das Gebetbuch meiner Mutter tragen.“ Tania dachte nach. „Es geht eben einfach nicht!“ rief Jennifer verzweifelt aus. „Wie wäre es denn, wenn Sie Ihr Vater die Treppe hinunterbegleitet, statt unten auf Sie zu warten?“ schlug Tania vor. „Er kann nicht neben mir hergehen, weil die Treppe nicht breit genug ist. Ich wußte ja gleich, daß ich mir das falsche Kleid ausgesucht hatte.“ „Aber nein“, widersprach Tania. „Lassen Sie mich den Petticoat einmal anprobieren, dann zeige ich Ihnen, was ich meine.“
Tania schlüpfte aus ihrem Rock und zog sich den riesigen Petticoat über den Kopf. Sie fühlte sich darin wie in einem Korsett. Kein Wunder, daß Jennifer sich Sorgen machte. „Es ist unmöglich, nicht wahr?“ fragte Jennifer mit einem bangen Blick. Tania zwang sich zu einem Lächeln. „Keineswegs. Sie müssen das Kleid nur vorne ein wenig anheben. Am besten wird es sein, wenn eine Ihrer Brautjungfern unten am Treppenabsatz mit den Blumen und dem Gebetbuch Ihrer Mutter auf Sie wartet.“ Aufmerksam sah Jennifer zu, wie Tania im Zimmer auf und ab ging. „So ist es ja auch nicht schwierig“, erklärte sie. „Hier ist keine Treppe.“ Nachdenklich blieb Tania stehen. „Aber das läßt sich doch ändern. Wir können draußen auf der Treppe üben. Immerhin ist es schon nach fünf, und außer uns ist sicher niemand mehr im Haus.“ „Zeigen Sie es mir zuerst, und dann versuche ich es“, stimmte Jennifer zu. Innerlich seufzend öffnete Tania die Bürotür. Ein Glück, daß Liz schon nach Hause gegangen war. Sie hätte sie für vollkommen verrückt erklärt. Aber schließlich mußte man den Kunden so weit wie möglich helfen. Und wenn es nun einmal dazugehörte, einer Braut zu zeigen, wie man in einem Reifrock eine Treppe hinabstieg, so würde sie auch das tun. „Gehen Sie hinunter und beobachten Sie mich von dort“, sagte Tania und ließ Jennifer vor sich die Treppe hinuntergehen. Auf einmal schien es ihr, als sähen die zwanzig Stufen vor ihr steil und furchterregend aus. Sie merkte, daß sie nervös war. „Es kann losgehen“, rief Jennifer von unten. Tania holte tief Luft und begann, Stufe um Stufe hinabzusteigen. Als sie die Hälfte geschafft hatte, fühlte sie sich wesentlich sicherer und atmete auf. „Sehen Sie? Es ist gar nicht schwierig“, erklärte sie triumphierend und nahm die nächsten Stufen sorgloser als vorher. Sie war beinahe schon unten angekommen, als sich plötzlich die Tür zu Barrys Büro öffnete. Ein Blick in sein Gesicht genügte, um Tania zum Stolpern zu bringen. Sie fiel die letzten drei Stufen hinunter und landete in vollkommen uneleganter Haltung zu seinen Füßen. Jennifer schrie erschrocken auf. „Helfen Sie mir lieber auf die Beine, Jennifer“, sagte Tania ärgerlich, während sie vergeblich versuchte, mit dem Reifrock um sich herum aufzustehen. Die ganze Angelegenheit war ihr höchst peinlich. Mittlerweile war neben Barry eine elegante, gut aussehende Frau aufgetaucht, die die Szene vor sich kopfschüttelnd betrachtete. Das Schlimmste aber war, daß Barry plötzlich laut zu lachen anfing. „Was ist denn daran so komisch?“ erkundigte sich Tania wütend. Da er vor lauter Lachen nicht sprechen konnte, zeigte Barry nur wortlos auf den Reifrock. „Was geht hier eigentlich vor sich?“ verlangte die Blondine zu wissen. „Wer ist diese Frau überhaupt? Und wieso läuft sie hier in ihrer Unterwäsche herum?“ „Das ist Tania Marlowe. Ihr gehört die Firma im ersten Stock“, erklärte Barry noch immer lachend. „Darf ich vorstellen? Monica Harding, eine meiner Klientinnen.“ Tania nickte mit hochrotem Kopf. „Es tut mir leid, wenn wir Sie gestört haben. Dieser Petticoat gehört zu einem Hochzeitskleid, und ich wollte Jennifer nur zeigen, wie man damit die Treppe hinuntersteigt. Wir dachten nicht, daß noch jemand im Hause sein würde.“ „So soll man also mit einem Petticoat die Treppe hinuntersteigen“, fragte Barry ungläubig. Schon wieder zuckte es um seine Mundwinkel.
Tania warf ihm einen bösen Blick zu, sagte aber nichts. Sie verspürte keinerlei Lust, sich auf weitere Auseinandersetzungen einzulassen. Mit schmerzhaft verzogenem Gesicht rieb sie sich das Handgelenk. Barry hörte schlagartig zu lachen auf. „Haben Sie sich weh getan?“ fragte er besorgt. „Und wenn schon“, gab Tania patzig zurück. „Was interessiert Sie das?“ „Aber es interessiert mich wirklich“, antwortete er mit ernster Miene, mußte jedoch schon wieder das Lachen unterdrücken. Tania wurde immer zorniger. „Sie wollten doch sicher gerade gehen. Ich will Sie nicht aufhalten.“ „Machen Sie das eigentlich öfter?“ erkundigte sich Barry leicht boshaft. „Eine zweite Demonstration dieser Art würde ich mir ungern entgehen lassen.“ „Ich denke, wir sollten jetzt wirklich gehen, Barry“, schaltete sich die Frau an seiner Seite ein. „Ich muß noch einiges erledigen, bevor die Party heute Abend beginnt.“ „Aber natürlich, Monica. Auf Wiedersehen, Miss Marlowe.“ „Auf Wiedersehen. Kommen Sie, Jennifer. Wir haben auch noch einiges zu besprechen.“ So würdevoll wie möglich stieg Tania die Treppe hinauf. Nachdem sie die Bürotür hinter sich geschlossen hatte, atmete sie erst einmal tief durch. Ihr Gesicht war gerötet, die Augen blitzten. „Es tut mir alles so leid“, sagte Jennifer mit sorgenvoller Miene. „All das ist meine Schuld.“ Tania schüttelte den Kopf. „Unsinn. Schließlich war es meine Idee, das Ganze auf der Treppe zu üben. Hätte ich gewußt, daß Mr. Fox noch im Büro ist, hätte ich es gelassen.“ „Ich finde übrigens, daß er phantastisch aussieht“, bemerkte Jennifer träumerisch. „Seine Freundin allerdings auch.“ „Ja, tatsächlich“, murmelte Tania. Was für eine Art Freundschaft die beiden wohl miteinander verband? Die besitzergreifende Geste, mit der Monica Harding sich bei Barry untergehakt hatte, war ihr nicht entgangen. „Manchmal wünschte ich, Bruce würde auch so aussehen“, sagte Jennifer nachdenklich. „Wie bitte?“ „Ich meine, so wie dieser Mann eben. Er sah so männlich aus, verstehen Sie? So… Mir fällt das richtige Wort dafür nicht ein.“ „Wie wäre es mit ,sexy’“, schlug Tania vor. Jennifer lächelte. „Sexy ist er mit Sicherheit. Aber auch ziemlich unhöflich. Wie er über Sie gelacht hat! Das war wirklich nicht sehr nett.“ „Das war es allerdings nicht. Und Ihr Bruce hätte das gewiß nicht getan.“ „O nein. Er wäre der perfekte Gentleman gewesen. Ich liebe ihn auch sehr. Sicherlich wird er mal ein guter Ehemann. Aber manchmal wünschte ich mir trotzdem, er wäre ein bißchen aufregender. Albern, nicht wahr?“ „Aber nein. Ich glaube, jede Frau sehnt sich nach einem aufregenden, gutaussehenden und charmanten Mann.“ Tania sah Jennifer aufmerksam an. „Aber niemand ist immer aufregend, Jennifer. Es ist wichtiger, jemanden zu haben, auf den man sich wirklich verlassen kann.“ „Ich weiß. Man kann eben im Leben nicht alles haben. Sicherlich hat auch Mr. Fox einige Fehler.“ „Sicherlich“, erwiderte Tania trocken. „Auf jeden Fall haben wir jetzt festgestellt, daß ich in diesem Kleid keine Treppe hinabsteigen kann.“
„Da bin ich anderer Meinung“, widersprach Tania. „Ich war nur erschrocken, als die beiden aus der Tür kamen, das ist alles. Sobald keiner mehr unten ist, probieren wir es noch einmal.“ „Wollen Sie das wirklich?“ „Aber natürlich.“ Tania öffnete die Tür und spähte ins Treppenhaus. Es war niemand mehr zu sehen. Erleichtert wandte sie sich an Jennifer. „Lassen Sie es uns noch einmal probieren. Aber jetzt sind Sie dran.“ Ein paar Stunden später saß Tania in ihrem Apartment. Vor sich hatte sie eine Schüssel mit Eiswasser, in der sie ihre schmerzende Hand badete. Ab und zu warf sie einen verzweifelten Blick auf die Berge von Schleifen, Spitzen und Blumen, die darauf warteten, zu Tischdekorationen gebunden zu werden. Aber mit ihrer geschwollenen Hand war gar nicht daran zu denken, die Gebinde bis zum nächsten Morgen fertigzustellen. Liz war mit ihrem Freund Rick ausgegangen und würde sicherlich erst spät nachts nach Hause zurückkommen. Auch einige andere Freunde hatte Tania angerufen, aber keiner hatte Zeit, ihr zu helfen. So blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als die Arbeit um zwei bis drei Tage zu verschieben. Allzu schlimm würde das nicht sein, denn die Hochzeit sollte erst in drei Wochen stattfinden. Vorsichtig versuchte Tania, ihre Finger zu bewegen, aber es war unmöglich. Rasch tauchte sie die Hand wieder in das eiskalte Wasser. Da klingelte es an der Tür. Das wird Liz sein, dachte Tania erfreut, legte ein Handtuch um die feuchte Hand und öffnete die Tür. Es war Barry. Fröhlich lächelnd sah er sie an und ließ dann seinen Blick langsam über ihr altes Sweat-Shirt und die verblichenen Jeans gleiten. Schon wieder erwischt er mich in einem ungünstigen Moment, dachte Tania verärgert. Er selbst trug einen eleganten braunen Anzug mit weißem Hemd. „Was wollen Sie denn?“ „Nur einmal nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Und das scheint mir nicht der Fall zu sein“, fügte er mit einem Blick auf ihre verbundene Hand hinzu. „Es ist nichts. Nur ein bißchen geschwollen.“ „Woher wollen Sie das wissen? Sie könnten sich etwas gebrochen haben. Waren Sie beim Arzt?“ „Natürlich nicht. Eiswasser ist alles, was ich brauche“, erwiderte Tania. „Morgen früh ist sicher alles wieder in Ordnung.“ Er sah sie besorgt an. „Kann ich hereinkommen?“ „Aber es ist schon spät“, protestierte Tania. „Es ist gerade erst 8.00 Uhr. Ich bleibe auch nur ein paar Minuten.“ Sie zögerte einen Moment. „Na schön. Aber bei mir ist nicht aufgeräumt.“ Amüsiert sah er sich in dem kleinen Apartment um. Tatsächlich erinnerte ihn der Anblick eher an ein Geschäft für Hochzeitsausstattung als an eine Wohnung. Auf dem Eßtisch standen Berge von Schachteln mit getrockneten Blumen, Rüschen und Schleifen. Fotoalben in allen möglichen Ausführungen stapelten sich auf einem Stuhl. „Hier sieht es wirklich nach Arbeit aus“, erklärte er schließlich. „Woher wußten Sie überhaupt, wo ich wohne?“ fragte Tania. „Aus unseren Unterlagen. Ihr Mietvertrag mit uns enthält Ihre Anschrift.“ „Oh, natürlich.“ Verlegen entfernte Tania einige Blumengebinde von einem antiken Stuhl. „Sie können sich setzen, wenn Sie mögen.“ Als sie mit ihrer geschwollenen Hand an die Lampe kam, entfuhr ihr ein leises Stöhnen. „Lassen Sie mich das machen“, sagte er und nahm ihr die Gebinde aus der Hand. Dann drückte er sie sanft in den Stuhl und setzte sich ihr gegenüber. „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Wenn ich gewußt hätte, daß Sie sich
wehgetan haben, hätte ich nicht gelacht.“ „Es ist schon in Ordnung. Ich kann mir denken, daß ich ziemlich albern ausgesehen habe. Nur war mir in dem Moment nicht nach Lachen zumute.“ „Das kann ich mir vorstellen. Ich finde, wir sollten noch einmal ganz von vorn anfangen und alles vergessen, was bis jetzt passiert ist.“ Tania sah ihn forschend an. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte. Es war wohl richtig, daß sie bis jetzt nicht besonders gut miteinander ausgekommen waren. Aber auch jetzt meinte sie, seiner Miene deutlich ablesen zu können, daß er weder sie noch ihre Arbeit wirklich ernst nahm. „Barry?“ „Ja?“ „Wie ich schon einmal sagte, ist es mir wichtig, daß wir einigermaßen gut miteinander auskommen. Schließlich müssen wir ein halbes oder ein ganzes Jahr im gleichen Haus wohnen. Wir sollten also irgendeinen Kompromiß finden.“ „Das meine ich auch“, erklärte er mit einem seltsamen Glitzern in den Augen. „Was ist denn daran so komisch? Ist irgend etwas an mir nicht in Ordnung?“ „Aber nein. Sie sehen toll aus“, erklärte er. „Ich mag Leute, die barfuß und in Jeans herumlaufen. Ich habe nur gelächelt, weil Sie Ihre Worte immer so sorgfältig wählen. Das muß wohl mit Ihrem Beruf zusammenhängen.“ „Es geht mir lediglich darum, daß Sie mich richtig verstehen“, verteidigte sich Tania. „Als ich Ihnen gegenüber einmal erwähnte, daß wir ja auch gute Freunde sein könnten, reagierten Sie etwas seltsam.“ „Ach, darum geht es!“ Tania wußte nicht, was sie erwidern sollte. Hilflos sah sie zu Boden. Was konnte sie jetzt noch sagen? Daß sie in jener Nacht gedacht hatte, er würde sie küssen? Und daß sie sich genau das gewünscht hatte? Das würde er nie erfahren. „Wenn ich sage, daß wir Freunde sein könnten, so meine ich nicht, daß wir ein Verhältnis miteinander haben sollten“, brachte sie schließlich hervor. „Wie sollte ich denn auf so einen Gedanken kommen?“ „Das spielt doch keine Rolle. Auf jeden Fall liegt mir daran, daß Sie mich richtig verstehen.“ Tania fühlte sich unsicherer als zuvor. Am liebsten wollte sie diese Unterhaltung so schnell wie möglich beenden. „Und jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen. Ich habe zu arbeiten.“ „Was müssen Sie denn machen?“ „Tischdekorationen für eine Hochzeit“, antwortete sie und ging zum Eßzimmertisch. Interessiert sah er sich die Materialien an, die dort ausgebreitet lagen. „Und Sie machen das alles per Handarbeit?“ fragte er ungläubig. Tania nickte. „Ja, ich fertige alles selbst an. Wenn man erst einmal angefangen hat, ist es gar nicht so schwer. Aber meistens arbeite ich nicht allein, zwei Schülerinnen helfen mir gewöhnlich. Momentan sind sie allerdings in Ferien, und diese Sachen hier müssen so schnell wie möglich erledigt werden.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie das mit Ihrer Hand bewerkstelligen wollen“, gab Barry zu bedenken. „Ich muß es eben versuchen“, meinte Tania. „Eigentlich sollte alles bis morgen fertig sein, aber meine Partnerin Liz ist wohl ausgegangen.“ „Ich würde Ihnen gern helfen, aber ich glaube nicht, daß ich in dieser Beziehung sehr geschickt bin.“ Tania war über sein Angebot mehr als verblüfft. „Ich könnte es Ihnen beibringen“, schlug sie augenzwinkernd vor. Der Gedanke, daß ausgerechnet er sich mit Hochzeitsdekorationen befassen sollte, erheiterte sie.
„Ich weiß nicht so recht“, sagte Barry zögernd. „Was ist das hier eigentlich?“ „Das sind Hochzeitsalben, meine Spezialität.“ „Naja, Frauen mögen solche Dinge wahrscheinlich“, antwortete Barry achselzuckend und sah sich weiter in Tanias Apartment um. Es war ganz nach ihrem Geschmack eingerichtet, mit Antiquitäten und Spitzengardinen. Überall standen kleine Erinnerungsstücke und Fotografien aus ihrer Kindheit herum. Auf den Sofas lagen Seidenkissen. „Und was ist das dort hinten?“ fragte er und deutete auf eine Glasvitrine. „Meine Burgensammlung.“ Barry trat näher und sah sich die Sammlung der Miniaturschlösser und -bürgen an. Es gab sie in allen Farben und Größen. „Sie sind sehr… wie soll ich sagen…“ „Kitschig“, vervollständigte Tania den Satz. „Ich weiß. Aber ich mag sie nun einmal und sammle sie schon seit meiner Kindheit.“ „Ich glaube, Sie sind eine Träumerin, Miss Mariowe.“ „Stimmt genau. Momentan habe ich allerdings wenig Zeit zum Träumen.“ „Das kann ich mir vorstellen“, murmelte er. „Sammeln Sie auch irgend etwas?“ erkundigte sie sich. „Allerdings. Karten mit Baseball-Spielern.“ „Aha“, sagte Tania verständnislos. „Ich habe schon über 500“, erklärte er stolz wie ein kleiner Junge. „Und einige davon sind ziemlich wertvoll.“ „Sehr interessant“, bemerkte Tania. Und sehr unromantisch, dachte sie bei sich. „Ich muß sie Ihnen einmal zeigen“, fügte er eifrig hinzu. „Oder haben Sie nicht Lust, nächsten Monat zu unserem großen Sammlertreffen mitzukommen? Es wird phantastisch werden. Leute aus allen Landesteilen werden da sein, um Karten miteinander zu tauschen.“ Tania lächelte. Wurden Männer denn nie erwachsen? Der erfolgreiche, gutaussehende Rechtsanwalt Barry Fox, der in seiner Freizeit Karten mit Baseball-Spielern sammelt! Sie konnte es kaum glauben. Was war er nur für ein seltsamer Mann. „Ja, es ist schön, irgend etwas zu sammeln.“ Tania seufzte, während sie sich in ihrem Zimmer umsah. „Aber ich fürchte, ich muß jetzt anfangen zu arbeiten.“ „Ich werde Ihnen dabei helfen“, sagte Barry entschieden. „Wirklich?“ „Ja. Sie werden es sonst nie schaffen. Also, was muß ich tun? Kleine Schleifen um diese Blumenpäckchen hier binden?“ Sie nickte. „Und sind Sie sicher?“ Barry sah auf die Uhr. Es war acht. Monicas Party würde sicher bis spät in die Nacht dauern. „Warum nicht? Ich mache gern neue Erfahrungen.“ „Das hätte ich gar nicht von Ihnen gedacht“, erwiderte Tania, ohne nachzudenken. „Fein. Man sollte immer noch eine Überraschung auf Lager haben. Also lassen Sie uns anfangen.“ Er zog seinen Mantel aus und setzte sich. „Was soll ich zuerst machen?“ Tania setzte sich neben ihn und versuchte, ihm zu erklären, wie die Dekorationen gebunden werden mußten. Schon nach mehreren Versuchen konnte sie feststellen, daß er sich recht geschickt anstellte. Barry arbeitete schweigend und konzentriert. Auch Tania sprach nicht. In gewisser Weise fühlte sie sich von seiner Gegenwart wie verzaubert. Zweifellos war er ein Mann vieler Gegensätze: manchmal kühl und zurückhaltend, dann wieder freundlich und warm. Sie mochte solche Männer.
Barry hatte schon fast eine halbe Stunde gearbeitet, als ihm eine der Dekorationen aus der Hand auf den Fußboden fiel. Beide bückten sich zur gleichen Zeit danach. In dem Moment, als ihre Köpfe fast zusammenstießen, spürte Tania plötzlich, wie Barry ihre Hand nahm. Sofort begann ihr Herz heftig zu klopfen, und das Blut stieg ihr in die Wangen. Als sie ihn ansah, schien die ganze Welt still zu stehen. Ohne den Blick voneinander zu lassen, richteten sich beide langsam auf. Dann hob Barry ihre Hand an seine Lippen und küßte zärtlich jeden einzelnen ihrer Finger. Langsam glitt seine Zunge über die Innenfläche ihrer Hand. Wie gebannt sah Tania in sein Gesicht, und dann berührten seine Lippen ihren Mund. Ein plötzlicher Lärm ließ beide Sekunden später erschrocken auseinanderfahren. „Was war denn das?“ fragte Barry. „Meine Kuckucksuhr.“ Tania strich sich verlegen das Haar aus dem Gesicht. „Eine Kuckucksuhr! Das ist ja wohl typisch für Sie!“ rief Barrett ärgerlich aus. „Völlig unpraktisch und noch dazu laut und aufdringlich.“ „Ich mag sie“, verteidigte sich Tania. „Außerdem geht sie immer ganz genau.“ „Trotzdem schlägt sie zur falschen Zeit“, erwiderte Barry vorwurfsvoll. Dann zuckte er verdrossen die Schultern und stand auf. „Ich muß jetzt gehen. Den Rest werden Sie wohl allein schaffen.“ Tania nickte wortlos. „Vielen Dank für Ihre Hilfe.“ „Gern geschehen. Kann ich sonst noch irgend etwas für Sie tun?“ Tania sah auf ihre geschwollenen Finger, die sie bis dahin ganz vergessen hatte. „Nein, danke. Ich denke, es wird so gehen. Sie haben schon mehr als genug für mich getan.“ Er lächelte und nahm seinen Mantel. „Haben Sie noch etwas Besonderes vor?“ erkundigte sich Tania. „Nur eine Party. Eigentlich habe ich wenig Lust.“ „Warum gehen Sie dann hin?“ „Aus geschäftlichen Gründen. Die Gastgeberin ist eine Klientin von mir. Ich habe ihr versprochen, daß ich dasein werde.“ „Eine geschiedene Frau gibt ein Fest? Dann kann sie ja nicht sehr unglücklich sein.“ „Das kann man so nicht sagen. Ihr Mann hat sie wegen einer anderen Frau verlassen, und jetzt versucht sie so zu tun, als ob es ihr nichts ausmache.“ „Schrecklich“, sagte Tania. „Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, daß ich in der gleichen Situation eine Party geben würde.“ „Jeder Mensch ist eben anders. Sie versucht auf ihre Weise mit der Situation fertig zu werden.“ „Mag sein. Ich finde es trotzdem herzlos.“ „Vielleicht haben Sie recht. Aber Monica fühlt sich jetzt eben zurückgestoßen, unattraktiv und ungeliebt. Die Party wird ihr vielleicht helfen, ihr Selbstwertgefühl zu steigern.“ „Monica? Die schöne blonde Frau von heute nachmittag?“ „Genau.“ „Sie sieht toll aus.“ „Stimmt. Aber momentan fühlt sie sich nicht so.“ „Ich verstehe.“ Tania versuchte vergeblich, das dumpfe Gefühl im Magen zu ignorieren. „Dann sollten Sie jetzt wohl besser gehen.“ Er sah sie einen Moment lang scharf an. „Ist irgend etwas nicht in Ordnung?“ „Aber nein. Ihr Liebesleben geht schließlich nur Sie etwas an.“ „Wie kommen Sie darauf, daß Monica etwas mit meinem Liebesleben zu tun haben könnte?“
„Sie ist schön, frei und einsam.“ „Und?“ Tania fiel es schwer, seinen kalten Blick zu ertragen. Sie wußte ja selbst nicht, was eigentlich in ihr vorging. Aber der Gedanke, Barry und Monica könnten ein Paar sein, verursachte ihr entsetzliches Unbehagen. „Nichts weiter. Vergessen Sie, was ich gesagt habe“, brachte sie schließlich hervor. „Was denken Sie eigentlich von mir? Daß ich eine Art Playboy bin?“ „Nein, das habe ich überhaupt nicht gemeint.“ Sie merkte ihm deutlich an, wie enttäuscht und verletzt er war. Schon tat es ihr leid, sich so impulsiv geäußert zu haben. Er nickte wortlos, aber in seinen dunkelbraunen Augen las sie deutlich, wie sich Enttäuschung und Zorn abwechselten. „Na schön, dann gehe ich jetzt. Ich hoffe, daß es Ihrer Hand morgen früh besser geht.“ Sie nickte ihm kurz zu, als er ihr Apartment verließ. Was in aller Welt war nur in sie gefahren? Er war so nett und hilfsbereit gewesen, und sie hatte sich wie ein eifersüchtiges Schulmädchen betragen. Ärgerlich ging Tania zum Kühlschrank, holte die Schüssel mit dem eiskalten Wasser heraus und hielt ihre Hand hinein. Aber auch das vermochte ihren Schmerz kaum zu lindern.
4. KAPITEL „Und dann fiel ich die Treppe hinunter und verstauchte mir die Hand“, erklärte Tania ihrer Partnerin Liz und zeigte ihre Finger vor, die an diesem Morgen bedeutend besser aussahen. „Tania, du führst wirklich ein interessantes Leben.“ „Ich weiß wirklich nicht, was daran interessant sein soll“, gab Tania zurück und griff nach ihrer Tasse Kaffee. „Naja, in einem Reifrock einem attraktiven Mann direkt vor die Füße zu fallen, ist schon etwas Besonderes, oder nicht? Aber du hast mir immer noch nicht erzählt, wie es gestern abend war, als Barry dich besucht hat.“ „Ich hätte gar nichts davon erwähnen sollen.“ „Also?“ „Es gibt nichts zu erzählen. Er hat sich lediglich bei mir entschuldigt, weil er über mich gelacht hatte.“ „Und weiter?“ „Und dann bot er mir an, bei den Dekorationen zu helfen.“ Liz sah ihre Partnerin fassungslos an. „Du willst mir doch nicht erzählen, daß dieser Mann sich damit abgegeben hat, kleine Schleifen um Blumengebinde zu winden?“ „Ich konnte es ja auch zuerst kaum glauben“, gab Tania zu. „Andererseits mußten die Sachen unbedingt fertig werden.“ „Was hast du nur mit diesem Mann gemacht, Tania?“ „Nichts. Wahrscheinlich hatte er nur ein schlechtes Gewissen.“ Liz schüttelte den Kopf. „Ich denke, er mag dich sehr gern.“ „Sei nicht albern“, fuhr Tania auf. „Selbst wenn es so wäre, dann wäre es jetzt vorbei. Ich habe mich ihm gegenüber nicht sehr nett benommen.“ „Was meinst du damit?“ Tania seufzte. „Das ist eine lange Geschichte.“ „Gib ihm eine Chance“, schlug Liz vor. „Ich mag diesen Mann.“ „Liz, er ist Scheidungsanwalt. Ich beschäftige mich mit Hochzeiten. Glaubst du nicht, daß dies nicht zusammenpaßt?“ Liz lächelte. „Gegensätze ziehen sich an, das ist bekannt.“ „Mag sein. Aber nicht diesmal.“ Tania griff nach einigen Papieren, die auf dem Schreibtisch lagen. „Meine Güte! Wieviel Telefonanrufe wir bekommen haben. Ich kann es kaum glauben, wie unser Geschäft floriert.“ „Dabei ist es erst April“, fügte Liz hinzu. „Übrigens hatten wir heute morgen auch schon wieder zwei Anrufe. Ein Mädchen möchte in zwei Wochen heiraten und will wissen, was wir für 500 Dollar organisieren können.“ „Und was hast du ihr gesagt?“ „Daß wir zur Zeit ausgebucht sind“, erwiderte Liz entschieden. „Und ich weiß genau, daß du jetzt gleich protestieren wirst. Aber Tania, wir können einen so baldigen Termin nicht mehr annehmen. Schon gar nicht für 500 Dollar.“ „Aber irgend etwas werden wir doch für Sie tun können“, widersprach Tania, obwohl sie wußte, daß Liz recht hatte. „Ich möchte nicht zu den Firmen gehören, die Leuten mit weniger Geld Absagen erteilen.“ „Na schön. Außerdem wußte ich das ja von vornherein. Hier ist ihr Name und die Telefonnummer.“ Tania lachte. „So gut kennst du mich also?“ „Klar. Alle anderen halten dich für eine eiskalte Geschäftsfrau. Ein Glück, daß wenigstens ich auf unser Geld aufpasse.“ „Ohne dich wäre ich verloren, Liz. Und jetzt werde ich mich an die Arbeit
machen. Was hältst du davon?“ „Gute Idee. Ich werde wohl heute wenig im Büro sein, sondern mit Gary unsere Ideen für die Videoshow durchgehen.“ Tanias Augen leuchteten auf. Die Videoshow war ihre Idee gewesen. Sie sollte dazu dienen, den Kunden alle Möglichkeiten vorzuführen, die Tanias Firma anzubieten hatte. Im einzelnen würde es sich um Festräume, fotografische Möglichkeiten, Blumengebinde, Hochzeitstorten und ähnliches handeln. „Hervorragend. Es wäre schön, wenn wir schon für die Brautschau im nächsten Monat ein Band fertiggestellt hätten.“ „Auf jeden Fall“, stimmte Liz zu. „Damit werden wir die erste Agentur sein, die einen derartigen Service zu bieten hat.“ „Aber das ganze darf deswegen nicht an Romantik verlieren“, gab Tania zu bedenken. „Und auf keinen Fall darf das Videoband langweilig werden. Wie wäre es, wenn wir auch zeigen würden, wie die Blumengebinde und Hochzeitstorten hergestellt werden? Wir könnten auch auf die Märkte gehen und Floristen bei der Auswahl ihrer Blumen beobachten“, fügte Tania begeistert hinzu. „Halt! Ich komme nicht mit“, protestierte Liz lachend, während ihr Bleistift über das Papier flog. „Du hast wirklich gute Ideen. Gary wird sicher begeistert sein. Und wie sieht dein Stundenplan für heute aus?“ „Verwaltungsarbeit, fürchte ich. Mein nächstes Treffen ist erst um 4.“ Tatsächlich verbrachte Tania den restlichen Vormittag damit, Telefonanrufe zu beantworten und sich um die Finanzen zu kümmern. Fast jedes kommende Wochenende war mit Hochzeiten oder Verlobungsfeiern ausgebucht. Erst kurz vor 4 warf sie ihren Kugelschreiber auf den Tisch und streckte sich herzhaft. Vor dem Treffen mit ihrem nächsten Kunden brauchte sie dringend eine kleine Pause. Seufzend stand sie auf und öffnete das Fenster, um frische Luft in das muffige Büro hereinzulassen. Von unten drang Gelächter herauf. Auf der Straße drängten sich Touristen und Spaziergänger, die das warme Frühlingswetter genossen. Die hübschen viktorianischen Häuser, die kleinen Boutiquen und Straßencafes taten ein übriges, um eine heitere Atmosphäre zu verbreiten. Tania lebte und arbeitete gern in San Francisco. Zwar war die Stadt weit entfernt von Mendocino, wo sie aufgewachsen war, aber trotzdem war sie lieber hier als zu Hause. Sie hatte nie vergessen, wie einsam sie in ihrer frühen Kindheit gewesen war. Tania schüttelte den Kopf, als wollte sie die trüben Gedanken damit verbannen. All das lag lange zurück. Die Zukunft, die vor ihr lag, war aufregend und abwechslungsreich. Sie führte das Leben, von dem sie immer geträumt hatte. Nur das zählte. „Ich hätte gern das Museum für moderne Kunst als Empfangsraum gemietet“, erklärte Courtney mit Entschiedenheit. „Ich möchte etwas ganz Besonderes.“ „Das wird es sicher sein“, erwiderte Tania höflich. „Und? Können Sie das für mich tun?“ fragte Courtney und sah Tania kritisch an. „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir die ganze Hochzeitsplanung allein in die Hand genommen, aber meine Mutter besteht auf der Hilfe einer Agentur.“ „Ich bin sicher, daß wir Ihnen Ihre Wünsche im Rahmen des Möglichen erfüllen können.“ „Wissen Sie, eigentlich ist mir Ihre Agentur zu klein. Ich hatte etwas ganz anderes erwartet.“ Man sah der jungen Frau an, was sie sich gewünscht hätte. Sicherlich nicht das, was sie jetzt vor sich sah. „Verstehen Sie“, begann sie von neuem. „Auf keinen Fall möchte ich irgend etwas Kitschiges. Es muß herausragend sein,“ meinte sie.
„Aber natürlich“, stimmte Tania ihr zu. „Solche bestickten Servietten, zum Beispiel“, erklärte Courtney, „möchte ich auf keinen Fall bei mir sehen. Das ist ja absolut kindisch.“ Tania preßte die Lippen aufeinander. So ging es nun schon die ganze Zeit. Alles, was sie ihrer Kundin vorschlug, war nicht gut genug. Zu kindisch, zu romantisch, zu gewöhnlich. „Wir stehen ganz zu Ihren Diensten“, bemerkte Tania freundlich. „Wir werden lediglich das tun, was Sie möchten. Außerdem können wir in einer kleinen Agentur wie der unsrigen einen ganz besonders persönlichen Service anbieten. Ich bin sicher, daß Sie nicht enttäuscht sein werden.“ „Das mag ja sein, aber ich erwarte auch sehr viel von Ihnen. Geld spielt keine Rolle.“ Es fiel Tania schwer, weiterhin freundlich zu bleiben. Lediglich die Tatsache, daß es sich um ein 40.000 Dollar-Projekt handelte, ließ sie die Situation ertragen. „Vielleicht könnten wir uns jetzt über die Einzelheiten unterhalten?“ schlug Courtney vor. „Aber was um Himmels willen ist das für ein Lärm?“ wandte sie sich verärgert an Tania. „Ich weiß es nicht“, entschuldigte sich Tania. „Ich mache die Tür zu.“ Gerade als sie aufstand, konnte man vom Erdgeschoß einige laute Flüche hören. Offensichtlich war zwischen einer Frau und einem Mann ein heftiger Streit entbrannt. „Können Sie mir das erklären? Das klingt nicht wie ein Hochzeitspaar.“ „Das ist es sicher auch nicht. Wahrscheinlich wollen die beiden in das Scheidungsbüro, das im Erdgeschoß liegt.“ Auch nachdem Tania beide Türen geschlossen hatte, konnte man die Stimmen deutlich hören. Wo war nur Barry? Warum kümmerte er sich nicht darum? Vergeblich versuchte Tania, sich auf Courtney zu konzentrieren. Schließlich gab sie es auf. „Entschuldigen Sie, aber ich glaube, ich muß da unten mal für Ruhe sorgen.“ Verärgert ging sie die Treppe hinunter und war sehr überrascht, Barry vor seiner Bürotür stehen zu sehen. „Was ist denn hier los?“ erkundigte sie sich. „Oh, die beiden haben nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.“ „Dann tun Sie doch etwas“, verlangte Tania. „Gary, Janice!“ versuchte Barry sich in den Streit einzumischen. „Bitte seien Sie etwas leiser.“ Beide ignorierten ihn. „Sie sehen ja, ich bin machtlos“, erklärte er Tania. Tania holte tief Luft, um ihren Ärger zu unterdrücken. Dann drehte sie sich um und ging in ihr Büro zurück. Courtney stand bereits an der Tür. „Das ist ja wie im Irrenhaus“, stellte sie fest. „Und so etwas nennen Sie eine Profi-Agentur? Morgen früh möchte ich meine Anzahlung zurückhaben.“ „Aber hören Sie, so etwas ist noch nie passiert“, versuchte Tania sie zu beschwichtigen. „Wie wäre es, wenn wir uns morgen bei Ihnen zu Hause treffen?“ Courtney zögerte. „Na schön. Aber Sie müssen mich vorher anrufen. Ich habe wenig Zeit. All das ist wirklich sehr unangenehm.“ „Das finde ich auch, und es tut mir sehr leid. Ich rufe Sie morgen an.“ Erleichtert sah Tania ihrer Kundin hinterher. Einen solchen Auftrag zu verlieren, konnten sie sich wahrhaftig nicht leisten. Mittlerweile ging der Streit im Erdgeschoß unvermindert heftig weiter. Dieser Barry Fox! Was dachte er sich eigentlich? Wahrscheinlich fand er das ganze nur
amüsant. Aber sie würde sich das nicht weiter mit anhören. Natürlich hätte sie die Polizei rufen können, aber das würde sicher zu lange dauern. Da fiel ihr Blick plötzlich auf die große Gießkanne, die auf einem Tisch an der Treppe stand. „Wenn das nicht hilft…“, murmelte sie und nahm das Gefäß in die Hand. Es war zwar nur bis zur Hälfte gefüllt, aber trotzdem würde das Wasser seinen Zweck erfüllen. Langsam ging Tania die Stufen hinunter. Barry war nicht zu sehen. Dieser Feigling! Wahrscheinlich war er mittlerweile nach Hause gegangen. „Entschuldigen Sie bitte“, versuchte sie es nochmals mit guten Worten. „Halten Sie sich da raus!“ rief die Frau Tania zu, ohne sich auch nur umzudrehen. „Hören Sie, so können Sie nicht weitermachen“, begann Tania von neuem. „Dies ist ein Geschäftshaus.“ Keiner der beiden achtete auf sie. Als die Frau zu allem Überfluß nach dem schweren Garderobenständer griff, um damit auf ihren Mann loszugehen, hatte Tania endgültig genug. Sie hob die Kanne und schüttete den beiden mit aller Kraft das Wasser ins Gesicht. Sofort war es still. Zwei tropfende Gestalten sahen Tania fassungslos an. War sie in ihrem Ärger zu weit gegangen? „Sieh mal an“, ertönte plötzlich eine Stimme von der Haustür. „Wie hübsch.“ „Das ist unglaublich, Mr. Fox“, brachte die Frau schließlich hervor. „Dieses Kleid hat 500 Dollar gekostet.“ „Das einzige, was hier unglaublich ist, ist Ihr Benehmen“, erwiderte Barry ärgerlich. „So etwas dulde ich nicht in meinem Haus. Ich habe vor einigen Minuten die Polizei benachrichtigt. Dann wird hoffentlich dafür gesorgt werden, daß Sie Ihren Streit woanders fortsetzen können.“ Einen Moment lang sahen ihn die beiden sprachlos an. „Er hat recht, wir sollten jetzt gehen“, sagte der Mann schließlich und nahm seine Frau am Arm. „Ich möchte auf keinen Fall in die Zeitung kommen.“ „Dir geht es also wieder nur um deinen guten Ruf,“ gab die Frau zurück. Tania seufzte. Ging das Ganze jetzt etwa wieder von vorn los? Aber da hatte bereits Barry eingegriffen. Energisch führte er die beiden zur Haustür und schob sie die Eingangstreppe hinunter. Dann schloß er die Tür fest hinter ihnen zu. „Das alles tut mir sehr leid“, erklärte er Tania, die abwartend an der Treppe stand. Sofort fühlte sie sich erleichtert. Er war also nicht böse, daß sie seine Klienten mit Wasser überschüttet hatte. Im Gegenteil, die Verlegenheit über den Zwischenfall war ihm deutlich anzumerken. „Daß sie so aufeinander losgehen würden, konnte ich nicht ahnen“, fügte Barry hinzu. „Sie können sicher sein, daß die beiden hier nicht wieder auftauchen werden.“ „Ich hätte deshalb fast eine Kundin verloren“, bemerkte Tania ruhig. „Ich sagte ja, es tut mir leid.“ „Ich kann trotzdem nicht verstehen, warum Sie bei der Sache einfach zugesehen haben“, fuhr Tania fort. So leicht würde er diesmal nicht davonkommen. „Als sie auftauchten, war ich auch gerade erst aus meinem Büro gekommen. Die ganze Zeit vorher hatte ich ein Telefongespräch zu führen. Ich nehme an, die beiden haben schon auf der Straße angefangen zu streiten. Es ist nicht das erste Mal, daß ich so etwas erlebe. Natürlich ist es auch nicht angenehm für eine Frau herauszufinden, daß ihr Mann seit fünf Jahren eine Geliebte hat, die jetzt auch noch ein Kind von ihm erwartet.“ „Das darf doch nicht wahr sein“, rief Tania ungläubig aus. „Vielleicht verstehen Sie jetzt meine Haltung gegenüber der Ehe. Diese beiden
sind nur zwei von vielen, vielen unglücklichen Paaren, die ich jedes Jahr zu sehen bekomme.“ „Leider sehen Sie nur die unglücklichen Menschen“, protestierte Tania. „Ich dagegen treffe jeden Tag Menschen, die in einander verliebt sind und sich auf ihre gemeinsame Zukunft freuen.“ „Das ist eben die Zeit vor der Ehe“, bemerkte Barry zynisch. „Warten Sie mal ein bis zwei Jahre ab.“ Tania schüttelte den Kopf. „Ich finde, Sie sehen die Sache zu einseitig.“ „Das denke ich nicht. Ich war schließlich auch drei Jahre verheiratet. Und wir haben genauso glücklich wie andere begonnen.“ Sein Ton war bitter. „Und was geschah?“ Noch bevor er antworten konnte, klopfte es an der Tür. „Das wird die Polizei sein.“ Barry öffnete die Tür, vor der zwei uniformierte Beamte standen. „Haben Sie uns benachrichtigt?“ fragte ein Polizist. „Was haben Sie denn für ein Problem?“ „Es hat sich erledigt“, antwortete Barry. „Ist wirklich alles in Ordnung, Miss?“ erkundigte sich der Beamte nochmals, während er Tania aufmerksam ansah. Ganz offensichtlich war er der Meinung, daß es sich bei Barry und Tania um die Streithähne handeln mußte. „Aber ja“, erklärte sie. „Die beiden Leute, um die es ging, sind gerade gegangen.“ Die Beamten schienen ihren Worten keinen rechten Glauben zu schenken. „Sind Sie ganz sicher?“ erkundigte sich der eine von beiden nochmals eindringlich. „Was soll denn das“, mischte sich Barry ärgerlich ein. „Ich habe Sie doch selbst angerufen.“ „Na schön. Sollte es noch einmal Probleme geben, dann rufen Sie uns ruhig wieder an.“ Barry schloß die Tür hinter den beiden. Dann schüttelte er den Kopf. „Was für ein Tag!“ „Das kann man wohl sagen“, pflichtete ihm Tania bei. „Und ich dachte schon, daß meine Kundin Courtney Brooks schwierig sei. Verglichen mit Ihren Klienten ist der Umgang mit ihr allerdings die reinste Freude.“ „Was erwarten Sie von Menschen, die sich in einem Scheidungsprozeß befinden? Solche unschönen Szenen gehören nun einmal zu meinem Beruf dazu.“ „Weshalb üben Sie eigentlich so einen Beruf aus?“ erkundigte sich Tania. Er zuckte mit den Schultern. „Leute, die sich scheiden lassen, brauchen Hilfe. Sie brauchen jemanden, der ihre Probleme, die sie mit ihren Finanzen oder ihrem Eigentum haben, für sie löst.“ Er hielt einen Moment inne. „Müssen Sie heute noch arbeiten?“ „Warum fragen Sie?“ „Weil ich gern mit Ihnen essen gehen würde.“ Das hätte Tania nicht erwartet. „Aber wieso?“ fragte sie nochmals. Er lächelte. „Weil wir beide einen langen Tag hinter uns haben. Außerdem bin ich hungrig. Sie vielleicht auch.“ „Das stimmt allerdings.“ „Also? Wo liegt das Problem?“ Es gibt einige Probleme, dachte Tania bei sich. „Zum Beispiel, daß wir uns nicht besonders mögen“, erklärte sie schließlich offen. Er mußte über ihre Direktheit lachen. „Sie sind wirklich ein ehrlicher Mensch.“ „Ich mache anderen Leuten nicht gern etwas vor“, gab Tania zurück. „Dann sind wir ganz einer Meinung. Ich nämlich auch nicht. Und wenn Sie es
ganz genau wissen wollen, ich finde Sie ungeheuer spannend.“ Nervös wickelte sich Tania eine Haarsträhne um den Finger. Sein Blick ließ ihr Herz schneller schlagen. „Ist das gut oder schlecht?“ fragte sie schließlich. „Das weiß ich noch nicht genau. Lassen Sie es uns herausfinden. Außerdem sind Sie mir sowieso noch einen Gefallen schuldig. Schließlich habe ich Ihnen neulich bei den albernen Hochzeitsdekorationen geholfen. Dann können Sie mir doch wenigstens beim Essen Gesellschaft leisten.“ Damit hatte er natürlich nicht ganz unrecht. Wenn Tania sich allerdings daran erinnerte, wie unangenehm der letzte Abend mit Barry geendet hatte, so war es ihr lieber, Distanz zu wahren. Sie traute diesem Mann nicht, auch wenn er sie faszinierte. Sie wußte, daß es besser wäre, seine Einladung abzulehnen, und sagte im selben Moment zu. Minuten später saß sie in seinem silbergrauen Mercedes.
5. KAPITEL Nach wenigen Minuten hatten sie das Stadtviertel erreicht, das für seine guten italienischen Restaurants berühmt war. Tania hatte jetzt doch beträchtlichen Appetit und freute sich auf das Essen. Sie war allerdings überrascht, daß Barry nicht eines der bekannten Restaurants ansteuerte, sondern in eine dunkle, kleine Seitenstraße mit ihr einbog. „Kommen Sie“, sagte er und nahm sie bei der Hand. Lediglich ein kleines Schild über der Eingangstür verriet, daß es sich bei dem Haus, das sie jetzt betraten, um ein Restaurant handelte. Es dauerte einen Moment, bis Tanias Augen sich an das Kerzenlicht in dem kleinen Raum, den sie jetzt betraten, gewöhnt hatten. Es gab nicht viel mehr als 20 Tische, von denen die meisten besetzt waren. Sobald Barry dem Kellner seinen Namen genannt hatte, wurden sie an einen gemütlichen kleinen Tisch am Ende des Raumes geführt. Tania war überrascht. Sie hätte nicht gedacht, daß dieses Lokal Barrys Geschmack entsprechen würde. Ihr gefiel es ausgezeichnet. Besonders die romantische Atmosphäre, die durch die sanfte klassische Musik im Hintergrund unterstrichen wurde. Nachdem sie etwas zu trinken bestellt hatten, wurde Barry begeistert auf italienisch von einem kleinen, rundlichen Mann mit riesigem Schnurrbart begrüßt. Erstaunt nahm Tania zur Kenntnis, daß Barry ebenfalls auf italienisch antwortete. „Eigentlich kann ich gar kein italienisch“, erklärte er augenzwinkernd. „Nur ein paar Begrüßungsworte, einige Schimpfwörter und…“ „Alles, was mit Liebe zu tun hat“, beendete der Italiener den Satz für ihn. „Wer ist diese reizende junge Dame?“ „Darf ich bekanntmachen – dies ist mein guter Freund Sonny Moretti. Sonny, dies ist Tania Marlowe.“ Sonny küßte Tania die Hand. „Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen. Für Sie und Barry werde ich ein ganz besonderes Abendessen zusammenstellen. Sie werden die Wahl doch mir überlassen?“ bat er. Barry warf Tania erst einen fragenden Blick zu und nickte dann zustimmend. „Ich habe volles Vertrauen, Sonny.“ „Zu recht“, erwiderte der Italiener geschmeichelt. „Weißt du eigentlich, wie lange du nicht mehr hier gewesen bist?“ wandte er sich dann vorwurfsvoll an Barry. „Ich dachte schon, du bist mir untreu geworden.“ Barry schüttelte den Kopf. „Es gibt kein besseres Restaurant als deines.“ Sonny strahlte. „Für dieses Kompliment werde ich euch den besten Wein aus meinem Keller kredenzen.“ „Worüber sind Sie so amüsiert?“ fragte Barry, nachdem Sonny in der Küche verschwunden war. Er betrachtete Tania aufmerksam. Auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln, das er nicht zu deuten wußte. Überhaupt fand er, daß sie an diesem Abend atemberaubend aussah. Sie hatte ihr dichtes Haar zu einem Zopf gebunden, so daß nur einige Strähnen ihr Gesicht umspielten. Als sie ihn aus ihren blauen Augen ansah, fühlte er sich seltsam beklommen. „Sie sind amüsant“, erwiderte sie. „Wie Sie mit Worten umgehenkönnen…“ „Das muß ich doch. Reden ist mein Beruf.“ Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. „Ich bin wirklich nicht so schlecht, wie Sie denken. Schließlich helfe ich doch Menschen, oder nicht?“ „Aber es geht letztlich bei diesen Leuten nur ums Geld“, antwortete Tania verärgert. „Natürlich, aber das ist doch auch nicht alles. Es geht auch um Dinge wie Stolz, Würde und gegenseitiges Verständnis. So etwas ist doch auch wichtig. Ohne
Gesetze und Rechtsanwälte würden unschuldige Menschen in so einem Fall immer den kürzeren ziehen.“ Tanias Gesichtsausdruck blieb skeptisch. „Gestern, zum Beispiel“, fuhr Barry fort, „traf ich eine Frau, die seit 27 Jahren mit einem sehr erfolgreichen Arzt verheiratet ist. Fünf Jahre hatte sie ihn während seiner Studien unterstützt. Drei Kinder hatte sie fast allein großgezogen, während er sich seine Praxis aufbaute. Und dann, nach 27 Jahren, verließ er sie. Einfach so.“ „Solche Menschen werde ich nie verstehen“, bemerkte Tania. „Aber das ist kein Einzelfall. Solche Dinge geschehen immer öfter.“ Plötzlich sah er bekümmert aus. „Von dieser Seite habe ich das Problem noch nie betrachtet“, begann Tania nachdenklich. „Ich war bisher immer der Ansicht, daß Ehepaare, die sich scheiden lassen, sich einfach nicht genug Mühe miteinander gegeben haben. Oftmals wollen sie nur die guten Zeiten im Leben und nicht auch die schlechten miteinander teilen.“ Barry nickte zustimmend. „Das ist richtig, aber jeder muß sehen, was das beste im Leben für ihn ist. Und manche können es sich nicht aussuchen.“ Er nippte an seinem Wein. „Und was war damals bei Ihnen?“ fragte Tania leise. „Oder möchten Sie lieber nicht darüber reden?“ „Das ist schon lange her. Caroline, meine damalige Frau, verließ mich wegen eines anderen. Und wäre ich damals nicht so sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, dann hätte ich die ersten Anzeichen auch bemerken müssen“, fügte er bitter hinzu. Wieder einmal ging ihm durch den Kopf, wieviele Fehler er in der Vergangenheit gemacht hatte. „Womit waren Sie denn so beschäftigt?“ Er lächelte traurig. „Natürlich in erster Linie mit meinem Beruf. Aber dann war da noch meine Schwester Sarah. Unsere Eltern starben bei einem Verkehrsunfall, als sie gerade 14 war. Da wir keine anderen Verwandten hatten, wurde ich ihr Vormund. Sie zog bei mir ein, und Caroline zog aus.“ „Das ist doch nicht Ihr Ernst! Sie wollen mir erzählen, daß Ihre Ehefrau auszog, nur weil Sie sich um Ihre Schwester kümmern wollten?“ fragte Tania ungläubig. „Sicherlich war das nicht der einzige Grund“, erklärte er knapp. „Ich finde, das klingt nicht sehr sympathisch.“ „Ich denke, sie war auch keine sehr sympathische Person. Schön, aber im Innern… wahrscheinlich war es gut so, wie es gekommen ist. Sarah brauchte lange, um über den Tod unserer Eltern hinwegzukommen.“ Tania spielte mir ihrer Gabel, während sie über Barrys Worte nachdachte. Vielleicht hatte sie sich doch in ihm getäuscht. Als sie aufblickte, bemerkte sie, daß er sie eigentümlich zärtlich ansah. „Im Kerzenlicht sehen Sie noch schöner aus“, erklärte er sanft. „Wissen Sie eigentlich, daß Sie etwas ganz Besonderes an sich haben?“ „Das haben Sie schon einmal gesagt“, antwortete Tania unsicher. „Stimmt. Irgend etwas an Ihnen ist geheimnisvoll.“ „Unsinn. Ich bin ein völlig unkomplizierter Mensch.“ Er lachte leise. „Das kann nicht sein. Alle Frauen sind kompliziert. Alles, was sie tun, widerspricht sich. Wenn sie ja' meinen, sagen sie ,nein', und umgekehrt. Wenn man sie fragt, was mit ihnen los ist, erklären sie, es sei nichts. Eine Sekunde später brechen sie in Tränen aus.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich werde Frauen nie verstehen.“ Er sah Tania aufmerksam an. „Was meinen Sie – sind Sie eher altmodisch oder modern?“ „Vielleicht beides?“ gab sie zurück. „Ich glaube, das paßt nicht zusammen.“
„Das weiß ich nicht. Aber ich denke, ein Mensch kann sehr vielschichtig sein. So zum Beispiel Sie.“ „Darüber wollen wir nicht sprechen“, protestierte er. Tania und Barry schwiegen, als der Kellner mit den Salaten an ihren Tisch trat. „Warum nicht?“ begann Tania von neuem, als sie wieder allein waren. „Ich finde, daß Sie eine interessante Persönlichkeit sind. Manchmal wirken Sie wie ein kaltblütiger Zyniker und tadeln meine romantischen Ideen. Auf der anderen Seite spüre ich, daß Ihnen Ihre Klienten wirklich am Herzen liegen. Ein gar so schlechter Mensch können Sie also nicht sein.“ „Wie nett“, neckte er sie. „Wollen Sie etwa damit ausdrücken, daß Sie mich sogar mögen könnten?“ „So weit würde ich nun doch nicht gehen.“ „Erzählen Sie mir etwas über Ihr Leben, Tania. Oder gibt es in Ihrer Vergangenheit gar nichts Aufregendes?“ Tania wurde rot. Sie hatte wenig Lust, über ihre Vergangenheit zu sprechen. „Hätte ich das lieber nicht sagen sollen?“ erkundigte er sich besorgt. „Nein, es ist schon gut.“ „Und? Wollen Sie mir nicht antworten?“ „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe eine ganz normale Jugend verlebt. Schule, Freunde, nichts Aufregendes.“ „Keine ernsthafte Beziehung?“ „Nein.“ „Wieso nicht? Wo Sie doch so romantisch sind…“ „Ich habe sehr viel zu tun“, erklärte sie. Sie merkte, daß er ihr nicht recht glaubte. Glücklicherweise ließ er das Thema zunächst ruhen und widmete sich seinem Salat. „Aber was ist mit Ihrer Kindheit?“ begann er schließlich von neuem. „War sie glücklich?“ „Normal.“ „Sind Sie in San Francisco aufgewachsen?“ „Nein, in Mendocino, ungefähr vier Stunden nördlich von hier.“ „Ich weiß, da war ich schon einmal. Ein wunderschönes Land. Warum sind Sie von dort weggegangen?“ „Weil ich mich in meinem Beruf selbständig machen wollte“, antwortete Tania so ruhig wie möglich. Natürlich war dies nur ein Teil der Wahrheit. Aber das ging niemanden etwas an. „Es war einfach Zeit, etwas Neues zu tun.“ „Tatsächlich?“ gab er zurück. Sein Blick war so intensiv, daß sie unruhig auf ihrem Stuhl hin- und herrutschte. „Erklären Sie mir doch, warum Sie so ungern über Ihre Vergangenheit erzählen.“ „Das tue ich ja gar nicht. Es gibt nichts zu erzählen.“ „Das glaube ich Ihnen nicht, Tania. Ich sehe Ihnen an, daß da noch etwas ganz anderes sein muß. Es gehört zu meinem Beruf zu erkennen, ob Menschen die Wahrheit sagen oder nicht. Und Sie haben mir nur die halbe Wahrheit erzählt.“ „Warum respektieren Sie mein Privatleben nicht?“ bemerkte Tania ärgerlich. Natürlich hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber das machte alles nur noch schlimmer. „Wollen Sie das wirklich? Ich soll Sie also nichts über Ihr Privatleben fragen? Na schön, das ist kein Problem. Ich dachte nur, daß wir einander besser kennenlernen wollten. Aber offensichtlich habe ich mich getäuscht.“ Tania seufzte. „Warum verdrehen Sie meine Worte so?“ „Aber wieso denn?“ „Doch, das tun Sie. Vielleicht hätten wir nicht zusammen essen gehen sollen.“
Bittend legte er die Hand auf ihren Arm, als er sah, daß sie aufstehen wollte. „Bitte gehen Sie nicht, Tania. Es tut mir leid, wenn ich Sie beleidigt habe. Ich wollte Sie wirklich nur besser kennenlernen. Vielleicht betrübt es mich auch nur, daß es Ihnen nicht genauso ergeht.“ Die Enttäuschung, die in seiner Stimme mitschwang, rührte sie. „Das habe ich nicht gesagt. Ich möchte Sie auch gern kennenlernen, aber ich will mich nicht drängen lassen. Schließlich bin ich nicht im Zeugenstand.“ „Ja, ich weiß. Das muß wohl eine Berufskrankheit sein.“ „Ob wir vielleicht ein Thema finden, über das wir uns nicht streiten müssen?“ „Sie könnten mir etwas über Ihre Firma erzählen.“ „Auf keinen Fall“, lehnte Tania entschieden ab. „Das würde mit Sicherheit zu einem Konflikt führen. Ihren Standpunkt, was Liebe und Romantik betrifft, kenne ich schon.“ „Allerdings“, gab er zu. „Aber ich glaube, daß zu Ihrem Beruf noch mehr gehört als nur diese beiden Dinge.“ „Selbstverständlich. Hochzeiten sind heutzutage ein Riesengeschäft. Es wird wieder mehr geheiratet, und viele Paare wünschen sich eine große, traditionelle Hochzeit.“ „Was gut für Sie ist“, bemerkte Barry. „Natürlich. Nehmen Sie zum Beispiel die Frau, die heute bei mir war. Sie wissen schon, die Kundin, die ich fast verloren hätte.“ „Erinnern Sie mich bitte nicht daran.“ „Nun, ihre Hochzeit wird rund 40.000 Dollar kosten. Sie möchte einen Empfang im Museum für Moderne Kunst.“ Barry sah Tania erst fassungslos an und brach dann in lautes Gelächter aus. „Sie will in einem Museum heiraten?“ „Aber ja. Warum nicht? Eine Fünf-Mann-Kapelle wird Musik machen, und 500 ihrer engsten Freunde werden zu einem kalten und warmen Büfett gebeten werden. Das Hochzeitskleid wird natürlich extra für sie entworfen. Die Kleider der Brautjungfern kommen direkt aus Paris. Unsere Aufgabe wird es sein, die ganze Feier zu organisieren. Selbstverständlich sind wir auch für die gesamte Ausstattung zuständig.“ „Jetzt bin ich wirklich beeindruckt“, sagte er. „Aber in gewisser Weise hört sich das ganze mehr nach einem Zirkus als nach einer Hochzeit an.“ „Na ja, meinem Geschmack entspricht es auch nicht. Aber wie Sie schon sagten, soll jeder das tun, wozu er Lust hat. Am meisten freut sich meine Partnerin Liz über diese Kundin. Sie verwaltet nämlich unsere Finanzen. Und 15 % vom Gesamtpreis erhalten wir.“ Barry schüttelte noch immer den Kopf. „40.000 Dollar“, wiederholte er. „Ich kann es nicht glauben. Aber eins müssen Sie mir versprechen.“ „Was denn?“ „Wenn die Frau sich scheiden läßt, schicken Sie sie bitte zu mir.“ „Seien Sie doch nicht so zynisch“, gab Tania zurück. „Tut mir leid, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß eine Ehe, die so pompös beginnt, den Erwartungen der Partner standhalten kann. Wahrscheinlich werden sich die beiden schon streiten, noch bevor der Abend vorbei ist.“ Noch ehe Tania antworten konnte, erschien Sonny mit zwei Platten köstlichen italienischen Essens. Verschiedene Nudelgerichte mit diversen Soßen, garniert mit Gemüse und Parmesan wurden sorgfältig auf den Tisch arrangiert. Tania mußte zugeben, daß sie beträchtlichen Hunger verspürte. Sie hatte kaum etwas zu Mittag gegessen, und ihr Magen begann bereits zu rumoren. „Es sieht phantastisch aus“, erklärte sie und bediente sich von den verschiedenen
Gerichten. Barry und Sonny beobachteten sie gespannt. Schon der erste Bissen war ein Gedicht. Tania verdrehte begeistert die Augen. „Es schmeckt absolut himmlisch“, erklärte sie begeistert. Sonny strahlte über das ganze Gesicht. Er platzte fast vor Stolz. „Ich glaube, es schmeckt ihr“, meinte Barry zu Sonny. „Und dir hoffentlich auch“, antwortete der Italiener und ging glücklich lächelnd in die Küche zurück. Eine ganze Weile waren beide so mit dem Essen beschäftigt, daß sich ihre Unterhaltung auf oberflächliche Alltagsthemen reduzierte. Zu beider Überraschung stellte sich heraus, daß sie tatsächlich einige Gemeinsamkeiten hatten. Beide liebten zum Beispiel das Segeln, gingen gern am Hafen Fisch essen und mochten Geheimnisse. Ein anderes Hobby, das sie beide teilten, war, mit der Kabelbahn die Hügel von San Francisco hinauf- und hinunterzufahren. Schließlich lehnte sich Tania seufzend zurück. Sie hatte das Gefühl, sich auf keinen Fall mehr rühren zu können. Wahrscheinlich hatte sie an diesem Abend fünf Pfund zugenommen. „Für eine Frau haben Sie recht ungewöhnliche Eßgewohnheiten“, neckte Barry sie. „Die meisten Frauen lassen immer die Hälfte übrig.“ „Ich nicht. Dazu esse ich viel zu gern.“ Barry ließ seinen Blick anerkennend über ihre Figur schweifen. Tania war zwar schlank, aber nicht ausgesprochen dünn. Genau so, wie er es mochte. Viel zu sehr so, wie er es mochte… „Sie sehen genau richtig aus“, bemerkte er. Das Verlangen in seinen Augen war nicht zu übersehen. Tania hielt einen Moment die Luft an. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn er diese Bemerkung für sich behalten hätte. Nun wußte sie nicht mehr, was sie sagen sollte, und so schwieg sie verlegen. Dankbar atmete sie auf, als der Kellner an den Tisch trat, um die leeren Teller abzuräumen. „Dieses Essen war exzellent“, erklärte sie so unbefangen wie möglich. Barry nickte. Mit leichtem Lächeln* sah er sich in dem Raum um. „Es ist wirklich romantisch hier. Daran hatte ich gar nicht gedacht.“ „Natürlich nicht“, gab Tania spöttisch zurück. „Und? Hat die romantische Atmosphäre auch Sie in eine romantische Laune versetzt?“ fragte er spielerisch. „Hier sitzen wir nun, ein Mann und eine Frau, im Kerzenlicht…“ „Zusammen mit 20 anderen Leuten“, beendete Tania den Satz. „Das wollte ich eigentlich nicht sagen“, meinte er und griff nach ihrer Hand. „Jetzt sind Sie unromantisch.“ „Dies sollte doch kein romantischer Abend sein, oder?“ „Das kann man sich nicht immer aussuchen. Man muß die Momente nehmen, wie sie kommen.“ „Ich denke, ich bin da anderer Meinung. Es ist manchmal besser, ein wenig nachzudenken, bevor man sich den Momenten hingibt. Sonst können die Konsequenzen unter Umständen dramatisch sein.“ Ihre Worte klangen bitterer, als sie beabsichtigt hatte. Natürlich war ihm das nicht entgangen. „Jetzt sind sie schon wieder so geheimnisvoll. Aber diesmal frage ich nicht nach. Noch nicht.“ „Ich denke, wir sollten jetzt bezahlen. Es ist schon spät.“ „War alles in Ordnung?“ erkundigte sich der Kellner, der wieder an ihren Tisch getreten war. „Perfekt“, antwortete Barry und nahm die Rechnung entgegen. „Können wir uns die Rechnung nicht teilen?“ schlug Tania vor.
„Nein, das möchte ich übernehmen. Ich möchte nicht, daß eine Frau, die mit mir verabredet ist, ihr Essen selbst bezahlt.“ „Aber ich war gar nicht mit Ihnen verabredet“, protestierte Tania. „Trotzdem. Und außerdem wundere ich mich ein wenig über dieses Angebot. Ich dachte, Sie seien altmodisch?“ „Nur weil ich an Liebe und Romantik glaube, heißt das nicht, daß ich jegliche Emanzipation ablehne“, widersprach Tania. Verwundert schüttelte er den Kopf. Dann schob er ihr plötzlich die Rechnung zu. „Na schön, dann zahlen Sie.“ Nun war es an Tania, verblüfft dreinzuschauen. Mit allem hätte sie gerechnet, aber damit nicht. Das hatte sie nun von ihrer Voreiligkeit! Barry beobachtete sie amüsiert. So etwas Ärgerliches, dachte Tania bei sich. Sie hatte kein Bargeld bei sich, und ihre Kreditkarte war für diesen Monat nahezu bis zur Grenze ausgeschöpft. Als sie einen Blick auf die Rechnungssumme warf, atmete sie erleichtert auf. Der Preis war niedriger, als sie gedacht hatte. Sonny hatte keinen Wein berechnet. „Ist alles in Ordnung?“ erkundigte sich Barry scheinbar besorgt. „Wir müssen doch nicht etwa hierbleiben und abwaschen?“ Tanja mußte lachen. „Nein, es geht gerade.“ Sie war eben dabei, ihre Kreditkarte aus der Tasche zu nehmen, als Sonny eilig an ihren Tisch kam und die Rechnung an sich nahm. „Das kommt natürlich überhaupt nicht in Frage“, sprudelte er hervor. „Der Kellner hat einen Fehler gemacht. Dieses Essen geht auf Rechnung des Hauses.“ „Sie sollten nicht mit ihm streiten“, erklärte Barry Tania. „Er ist nämlich genauso stur wie Sie.“ „Vielen Dank“, wandte sich Tania an Sonny und lächelte freundlich. „Das ist sehr nett.“ „Ich verdanke Barry eine Menge“, erklärte der Italiener. „Und dies kann nur ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung sein. Ich freue mich, wenn ihr beide bald wiederkommt.“ „Danke“, sagte Tania nochmals. Barry drückte seinem Freund die Hand. Als sie auf die Straße hinaus traten, zog Tania ihren Mantel fest um sich. Der Nebel war vom Meer bis in die Stadt gezogen, und die Luft war jetzt feucht und kalt. Vergeblich versuchte sie, Barrys Hand auf ihrer Hüfte zu ignorieren. Schließlich handelte es sich um nichts anderes als um eine Geste der Höflichkeit. Aber selbst das schien ihr zu gefährlich.
6. KAPITEL Auf der Fahrt nach Hause waren beide schweigsam. Sie hatten während des Essens über viele Dinge gesprochen, aber seltsamerweise hatte Tania dennoch nicht das Gefühl, Barry wirklich zu kennen. Er hatte einiges über seine Ehe und seine Scheidung angedeutet, jedoch wenig von seinen Gefühlen gesprochen. Nur manchmal hatte Tania seinen Augen so etwas wie Schmerz und Verbitterung ablesen können. Bei ihr war es ähnlich gewesen. Obwohl Barry immer wieder vorsichtig nachgefragt hatte, hatte sie das meiste über ihre Vergangenheit, besonders über ihre Mutter, verschwiegen. So konnte er auch nicht wissen, warum sie sich so sehr eine romantische, dauerhafte Ehe wünschte. Ein paarmal war sie nahe daran gewesen, sich ihm zu offenbaren, aber dann hatte sie es doch zu schwierig gefunden. Jedenfalls hatte sie festgestellt, daß Barry sowohl ein angenehmer Gesprächspartner als auch ein ausgezeichneter Zuhörer war. Das machte ihn mit Sicherheit auch zu einem guten Rechtsanwalt. Tania schrak auf, als Barry ihr Bein berührte. Aber er hatte dies keineswegs mit Absicht getan, sondern lediglich einen anderen Gang eingelegt. Rot vor Verlegenheit rutschte Tania instinktiv ein Stück zur Seite, bis sich der Türknopf schmerzhaft in ihre Hüfte bohrte. Obwohl sie so tat, als sehe sie unbeteiligt aus dem Fenster, fühlte sie ganz genau Barrys amüsierten Blick auf sich ruhen. Sie benahm sich wirklich wie ein dummer Teenager. Aber was sollte sie tun? In seiner Nähe fühlte sie sich immer auf irgendeine Weise unsicher. Daher hatte sie auch kein rechtes Vertrauen zu ihm. Sie wußte mittlerweile, daß er sensibel und sanft sein konnte, aber auch seine anderen Seiten hatte sie bereits erfahren müssen. Ganz zu schweigen von seiner Sinnlichkeit, die sie zutiefst beunruhigte… Natürlich hatten beide längst gemerkt, daß zwischen ihnen eine gewisse Spannung lag. Tania fragte sich, was für eine Art von Beziehung sie wohl miteinander haben könnten. Sie hatten beide völlig verschiedene Ziele im Leben. Barry war ein Mensch, der den Augenblick genießen wollte. Eine tiefe, echte Partnerschaft schien ihn nicht zu interessieren. Er war einmal verheiratet gewesen und das war genug. Sie aber legte Wert auf eine langandauernde Beziehung, die früher oder später zu einer Heirat führen sollte. Jedenfalls waren das ihre Wünsche gewesen, bis sie Barry kennengelernt hatte. Konnte es sein, daß sie mittlerweile nicht mehr wußte, was sie wollte? Anstatt mit einem netten, heiratsfähigen jungen Mann auszugehen, flirtete sie auf gefährliche Weise mit einem entsetzlich attraktiven Mann, der überzeugter Junggeselle war. „Ist irgend etwas nicht in Ordnung?“ erkundigte sich Barry und sah bedeutungsvoll auf Tanias Hände. „Sie scheinen mir recht nervös zu sein.“ Verlegen sah Tania auf ihre Finger. „Tut mir leid.“ „Wir sind hier doch richtig, oder?“ „Ja. Die nächste rechts, bitte. Dann ist es das gelbe Gebäude auf der linken Seite.“ Direkt vor dem Gebäude war ein Parkplatz frei. Barry stellte den Motor ab und schaltete sein Standlicht ein. Ganz offensichtlich hatte er nicht vor, sogleich weiterzufahren. Tatsächlich stieg er mit aus und folgte Tania bis zur Haustür. Als sie den Schlüssel ins Schloß steckte, beugte er sich zu ihr, hob mit einer Hand ihr Kinn und sah ihr fest in die Augen. „Ist dies der Moment der Wahrheit?“ fragte er leise. Tania schluckte. „Ich glaube nicht.“ „Ich schon“, erwiderte er. „Ich habe unseren Kuß von neulich nacht noch nicht
vergessen. Und seitdem möchte ich genau das wieder tun.“ Tania sah ihn schweigend an. Auch sie hatte den Kuß noch nicht vergessen. Aber das war ganz spontan geschehen. Jetzt aber hatte sie Zeit zum Nachdenken, während er sanft über ihr Gesicht strich und sie fragend ansah. Wenn er sie anfaßte, schien es ihr, als würde ein Feuer in ihr entfacht. Es kostete sie große Anstrengung, sich nicht an ihn anzuschmiegen, ihm durch das dichte, dunkle Haar zu fahren und ihn zärtlich zu küssen. Du lieber Himmel, was fiel ihr nur ein? Dieser Mann war nichts für sie. Sie wollte ihn nicht. Sie durfte es nicht. Noch bevor Barry begriff, was sie vorhatte, war Tania in ihrem Apartment verschwunden und schloß leise die Tür hinter sich. Einen Moment lang hielt sie erwartungsvoll den Atem an und blieb lauschend an der Tür stehen. Ein leises Gefühl von Enttäuschung beschlich sie, als sie hörte, wie er die Treppe hinunterging und einige Minuten später seinen Wagen startete. Dann war nichts mehr zu hören. Kopfschüttelnd schaltete Tania alle Lichter aus und ging zu Bett. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Nachdem sie sich mehrere Stunden ruhelos hin- und hergewälzt hatte, beschloß sie schließlich, sich eine Tasse Tee zu machen. Ihre Nachttischuhr zeigte 2 Uhr 15 an. Seufzend schlüpfte Tania in ihre Hausschuhe und ging in die Küche. Gähnend öffnete sie den Kühlschrank, während sie darauf wartete, daß das Wasser anfing zu kochen. Obwohl sie eigentlich keinen Hunger verspürte, regte sich ihr Appetit, als sie eine große Schüssel mit Caramelcreme entdeckte. Sollte sie wirklich? Was soll's, entschied sie schließlich und zog die Schüssel heraus. Dann nahm sie sich einen Löffel und setzte sich an den Tisch. Erst italienisches Essen und dann Süßspeise! Morgen würde sie einmal hungern. Eine Stunde später war Tania so satt, daß sie sich kaum noch rühren konnte. Besser als vorher ging es ihr trotzdem nicht. Noch immer spukte Barry in ihren Gedanken herum und ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Nein, er gehörte einfach nicht zu der Sorte von Männern, mit denen Tania zu tun haben wollte. Sicher sah er gut aus, hatte viel Geld und fuhr einen schönen Wagen. Aber insgesamt entsprach er nicht dem, was sie für sich selbst gutheißen würde. Er war weder an Liebe, noch an Romantik oder gar an einer Ehe interessiert. Und daß sie ihn attraktiv fand und jedesmal, wenn sie ihn nur sah, ihr Herz schneller schlagen fühlte, reichte wohl kaum aus. Oder? Liz lächelte höflich, als Tania Davina Smythe aus dem Büro hinausbegleitete. Nachdem beide gehört hatten, daß die Tür zur Straße zugefallen war, ließen sie ihren Gefühlen freien Lauf. „Ich halte das nicht aus“, stöhnte Tania, während sie sich auf ihr Sofa fallen ließ. „Noch sechs Wochen bis zu ihrer Hochzeit. Sechs Wochen reinster Qual.“ Liz nickte mitfühlend. „Ich habe gehört, wie sie sich über die Kleider der Brautjungfern beklagt hat. Am liebsten hätte sie es wohl, wenn du selbst alles noch einmal neu nähen würdest.“ Tania zog eine Grimasse. „Sie ahnt eben nichts von meinen Nähkünsten. Kaum, daß ich einen Knopf richtig annähen kann. Aber ich habe inzwischen mit der Schneiderin gesprochen. Sie hat mir versichert, daß die Kleider alle noch einmal geändert werden.“ „Was soll's?“ gab Liza zu bedenken. „Die Brautjungfernkleider müssen doch sowieso nur einen einzigen Tag halten. Danach kann alles wieder auseinanderfallen.“ Tania stöhnte laut auf. „Laß das nur Davina nicht hören.“ Mühsam stand sie auf. „Ein Glück, daß dies unsere letzte Kundin für heute war. Das war ein langer Tag und eine lange Woche.“ „Hast du mal wieder was von Barry Fox gehört?“ erkundigte sich Liz beiläufig.
„Nein“, antwortete Tania knapp. Trotz ihrer langjährigen Freundschaft mit Liz hatte sie es nicht fertiggebracht, offen mit ihr über Barry zu sprechen. Dafür war sie sich ihrer Gefühle einfach viel zu unsicher. Sie wußte ja selbst kaum, wie sie zu Barry stand. Glücklicherweise hatte es genügend geschäftliche Dinge gegeben, die besprochen werden mußten. Barry selbst war die vergangenen drei Tage offensichtlich außer Haus gewesen. „Du möchtest wohl nicht über ihn sprechen?“ fragte Liz und sah Tania aufmerksam an. „Es gibt nichts zu besprechen. Wir haben uns seit Dienstag abend nicht gesehen.“ „Mag sein, aber du hast mir immer noch nicht viel über euer gemeinsames Abendessen erzählt. Und du mußt zugeben, daß ich sehr zurückhaltend mit Fragen gewesen bin. Jetzt allerdings ist meine Geduld allmählich erschöpft.“ „Es ist nichts Besonderes gewesen“, behauptete Tania. „Wir haben zusammen gegessen, uns unterhalten und die meiste Zeit gestritten. Das ist alles.“ „Nicht einmal ein kleiner Gute-Nacht-Kuß?“ „Ganz sicher nicht.“ „Aber warum denn nicht?“ fragte Liz verwundert. „Der Mann ist doch ganz offensichtlich an dir interessiert. Und er sieht auch nicht so aus, als ob er nicht weiß, was er will.“ Tania schüttelte ungeduldig den Kopf. „Sei doch nicht albern. Ein Abendessen bedeutet überhaupt nichts. Und selbst wenn er an mir interessiert ist, so heißt das nicht, daß ich dieses Gefühl erwidere.“ „Aber warum denn nicht?“ rief Liz erneut ungläubig aus. „Seit Monaten beklagst du dich bei mir, daß es in San Franzisco keine interessanten Männer gibt. Dann gehst du mit einem der bestaussehenden Männer aus und behauptest, du hättest nicht das geringste Interesse an ihm. Das kann ich einfach nicht glauben.“ „Barry Fox ist nichts für mich, Liz. Er ist einfach zu…“ „Zu was? Zu sexy, zu gutaussehend?“ „Wie wäre es mit: zu arrogant, zu zynisch und… na ja, zu sexy. Ganz bestimmt ist er nicht der Mann, der sich für eine tiefe und langandauernde Beziehung interessiert. Er war schon einmal verheiratet und ist geschieden. Also ein gebranntes Kind. Wir beide passen einfach nicht zusammen.“ „Selbst eingefleischte Junggesellen brauchen nur die richtige Frau zu treffen“, warf Liz ein. „Das mußt du gerade sagen“, gab Tania zurück. „Du bist doch eine weibliche Ausgabe von Barry. Angeblich bist du unsterblich in deinen Rick verliebt, aber du willst ihn nicht heiraten. Wenn Rick das mitmacht, ist es seine Sache. Ich werde das aber nicht tun.“ „Na schön“, antwortete Liz achselzuckend. Anscheinend fühlte sie sich durch Tanias Bemerkung ein wenig beleidigt. „Es tut mir leid“, entschuldigte sich Tania sofort. „Ich wollte eure Beziehung nicht herabwürdigen. Aber das ist einfach nichts für mich. Ich verstehe deinen Standpunkt und hoffe, daß du auch meinen verstehst.“ „Ich versuche es. Rick hat übrigens den Gedanken an eine Ehe auch noch nicht aufgegeben.“ „Aber hast du denn keine Angst davor, verletzt zu werden?“ gab Tania zu bedenken. „Ihr meint es doch ernst miteinander, und wenn einer von beiden mehr möchte als der andere, muß zwangsläufig jemand verletzt werden.“ „Aber wir haben uns nie etwas vorgemacht“, entgegnete Liz. „Wir waren immer offen und ehrlich zueinander.“ „Ich denke trotzdem, daß du dich unter Umständen selbst unglücklich machst. Es
ist leicht, sich etwas einzureden, wenn man verliebt ist, aber früher oder später muß man auch die Wirklichkeit erkennen.“ Tania sah ihre Freundin ernst an. „Was ist eigentlich passiert, Tania?“ fragte Liz. „Vergiß, was ich gesagt habe. Es ist nicht wichtig“, antwortete Tania hastig. Sie sah auf die Uhr und tat so, als habe sie es plötzlich sehr eilig. Liz beobachtete sie überrascht. „Ich gehe jetzt Mittagessen. Ich muß außerdem auch ein bißchen an die frische Luft.“ „Es tut mir leid, wenn ich an deiner Stimmung schuld bin“, sagte Liz besorgt. „Es hat nichts mit dir zu tun. Mach dir keine Sorgen. Meine Nerven sind einfach zur Zeit nicht gut. Ich gehe ein Stück spazieren. Dann werde ich mich besser fühlen.“ Atemlos vom schnellen Laufen stand Tania unterhalb der Golden-Gate-Brücke und sah sich um. Der lange Spaziergang hatte ihr gutgetan. Sie zog den Mantel fester um sich und holte tief Luft. Etwas unterhalb der Brücke befand sich ein Aussichtspunkt, von dem Besucher die Brücke von einem besonders eindrucksvollen Winkel aus betrachten konnten. Heute war der Platz voll von Menschen. Nicht nur Touristen, auch Jogger und Geschäftsleute, die ihre Mittagspause nutzten, genossen die Aussicht und das schöne Wetter. Tania liebte die Stelle, an der sie jetzt stand, ganz besonders. Von hier aus hatte sie einen freien Blick über die gesamte Bucht von San Francisco mit ihren vielen bunten Segelbooten, den Fischern und den Windsurfern, die sich nichts aus den gefährlichen Strömungen und dem kalten Wasser machten. In einiger Entfernung ragte der Felsen von Alcatraz mit seinem berüchtigten Gefängnis aus dem Wasser. Einst waren hier die gefährlichsten Kriminellen des Landes untergebracht gewesen. Jetzt war das Gefängnis ein Museum für Touristen. Auch Tania hatte es sich zu Beginn ihres Aufenthalts in San Francisco einmal angesehen. Obwohl die Anlage sie auf gewisse Weise beeindruckt hatte, war sie doch froh gewesen, dem dunklen Gebäude wieder heil zu entkommen. Einer plötzlichen Laune folgend, löste Tania die Spange aus ihrem Haar und ließ es frei im Wind wehen. Die Wellen, die unter ihr gegen die Felsen schlugen, kamen ihr vor wie der Ausdruck ihrer eigenen Gefühlswelt. Seit sie Barry getroffen hatte, wußte sie nicht mehr, in welche Richtung sie gehen sollte. Sie fühlte sich außer Kontrolle geraten, wie das Wasser, das hier in alle Richtungen floß. Und während ein Teil von ihr sich danach sehnte, wieder zur Normalität zurückzukehren, liebte der andere Teil von ihr die Aufregungen, die mit Barrys Existenz verbunden waren. Was war denn schon geschehen? Zwei Menschen treffen sich, küssen sich und verlieben sich. Nein. Tania schüttelte energisch den Kopf. Sie würde sich nicht in einen Mann verlieben, der selbst nicht an die Liebe glaubte. Tania atmete ein paarmal tief durch. Plötzlich mußte sie an ihre Kindheit denken. Sie war 13 gewesen, als sie das erste Mal die Wahrheit über ihre Eltern erfahren hatte. Bis dahin hatte sie friedlich bei ihren Großeltern in Mendocino gelebt und kaum an ihren Vater gedacht, der schon vor ihrer Geburt gestorben war. Aber Geheimnisse kommen oft gerade dann ans Tageslicht, wenn die Umstände besonders ungünstig sind. In der schwierigen Zeit der Pubertät mußte sie erfahren, daß sie unehelich geboren war. „Bastard“ – so hatte ein anderes Kind sie genannt. In ihrem ersten Zorn war sie direkt zu ihren Großeltern gegangen, zu den Menschen, denen sie in ihrem Leben immer am meisten vertraut hatte. Sie hatten ihr die Wahrheit gesagt. Ihre Eltern, damals jung und ruhelos, hatten sich bei einem Künstlerfest kennengelernt. Sie hatten sich ineinander verliebt, ein
Kind gezeugt, aber nie geheiratet. Und als der Sommer vorbei war, war ihr Vater verschwunden. Auch für ein 13-jähriges Mädchen klang diese Geschichte zu simpel. Noch etwas anderes mußte dahinterstecken, das fühlte Tania instinktiv. Sie hatte Antworten, Erklärungen gewollt, aber ihre Mutter hatte sich geweigert, weiter mit ihr über das Thema zu sprechen. Tania, die ohnehin nie ein enges Verhältnis zu ihrer Mutter gehabt hatte, hatte sich damals immer mehr von ihr zurückgezogen. Und sich immer enger an die Großeltern angeschlossen. Natürlich war ihr nicht verborgen geblieben, daß ihre Mutter inzwischen bei vielen verschiedenen Männern Zuflucht gesucht hatte. Auch die Großeltern hatten es schließlich nicht geschafft, die beiden Menschen einander wieder näher zu bringen. Als beide schließlich bei einem Autounfall starben, war auch das letzte Band zwischen Tania und ihrer Mutter zerschnitten. Tania war damals 19 gewesen und hatte beschlossen, nach San Francisco zu ziehen, um sich dort eine Existenz aufzubauen. Jedesmal, wenn Tania einen Mann traf, fiel ihr ihre Vergangenheit wieder ein. Sie hatte Angst davor, irgend jemandem zu trauen und fürchtete, sich in den falschen Mann zu verlieben. Ihre größte Sorge war, so zu enden wie ihre Mutter. Nein, das würde nicht passieren. Sie wußte schließlich, was sie in ihrem Leben erreichen wollte. Eine liebevolle, fröhliche und romantische Beziehung wie die ihrer Großeltern – nichts wünschte Tania sich sehnlicher als das. Energisch versuchte Tania, die Gedanken an ihre Vergangenheit abzuschütteln und sich wieder in der Gegenwart zurechtzufinden. Ihre Großeltern waren tot. Sie mußte sich um sich selbst und ihren Beruf kümmern. Sie sah auf die Uhr. Es war schon nach zwei, und sie war seit drei Stunden unterwegs. Liz würde vermutlich vor Wut schäumen. So schnell sie konnte, hastete Tania zu ihrem Büro zurück. In ihrer Straße winkte ihr Mr. Ramoni freundlich zu. Neben ihm stand Elena, seine Ehefrau. Tania winkte fröhlich zurück. Es war eine Freude für sie, die beiden Menschen zu beobachten, die so glücklich miteinander waren. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang Tania die Treppe zu ihrem Büro hinauf. Da öffnete sich plötzlich die Tür von innen, so daß sie fast umgeworfen wurde. „Da sind Sie ja“, rief Barry aus. Sie sah ihn überrascht an. „Haben Sie nach mir gesucht?“ „Allerdings. Ihre Partnerin ist schon ganz krank vor Angst. Sie hat mir erzählt, daß Sie bereits seit zwei Stunden außer Haus sind.“ „Ich brauchte eben eine Pause“, versuchte Tania zu erklären. Weshalb sah er nur so angespannt aus? Doch nicht ihretwegen? „Wollten Sie mich wegen etwas Bestimmtem sprechen?“ Er lächelte. „Das könnte man sagen.“ „Was ist denn los? Daß ich die Tapete nicht herunternehme, habe ich Ihnen schon gesagt.“ „Das brauchen Sie auch nicht. Das machen meine eigenen Leute“, erwiderte er. „Aber ich kann Ihnen schon jetzt versichern, daß Ihnen auch die neue Tapete gefallen wird. Liz fand sie jedenfalls sehr schön.“ Tania zuckte die Schultern. „Ich scheine ja nicht mehr gefragt zu werden.“ „Weshalb so schlechte Laune? Hat einer Ihrer Kunden etwa seine Hochzeit abgeblasen?“ „Nein, wieso denn? Jedenfalls nicht, daß ich wüßte.“ „Fein.“ „Es ist so, wie ich Ihnen sagte. Mir war nach einer Pause zumute. Das kommt
schon mal vor.“ „Dann ist es ja gut.“ Noch immer lächelnd sah er sie an. „Was halten Sie davon, heute abend mit mir Essen zu gehen?“ „Essen?“ „Jaja, Sie wissen schon, diese Mahlzeit so gegen 6 Uhr.“ „Sehr witzig. Ich überlege ja nur, ob ich da nicht einen Termin habe.“ „Vielleicht noch eine Kundin?“ schlug Barry vor. „Ich glaube nicht, aber eigentlich habe ich auch keinen Hunger.“ „Na ja, jetzt ist es auch erst 3 Uhr. Vielleicht sieht die Sache später anders aus. Oder soll dies nur eine taktvolle Art der Absage sein?“ Sie schüttelte den Kopf. „Sie merken doch, daß ich nicht begeistert bin. Warum vergessen Sie die Sache nicht einfach? Außerdem gibt es bestimmt Dutzende von Frauen, die nichts lieber täten, als mit Ihnen Essen zu gehen.“ „Mag sein, aber ich möchte mit Ihnen gehen.“ Bei seinen Worten begann Tanias Herz schneller zu schlagen. Das einfachste wäre zuzusagen. Auf der anderen Seite fürchtete sie sich vor einem gemeinsamen Abend mit Barry im romantischen Restaurant bei Kerzenlicht. „Ich glaube, ich habe einfach keine Lust, in ein Restaurant zu gehen. Außerdem habe ich einen harten Tag hinter mir. Ich möchte nur entspannen.“ Er nickte zustimmend. „Ich auch. Ich hätte Sie auch gern zu mir nach Hause eingeladen, wenn ich nicht sicher gewesen wäre, daß Sie abgelehnt hätten. Aber jetzt weiß ich schon, was das Richtige für Sie ist. Eigentlich wäre das auch meine erste Wahl gewesen, aber dann dachte ich, daß Sie lieber so etwas wie letztes Mal hätten.“ „Wovon reden Sie eigentlich?“ „Das werden Sie schon sehen. Ich hole Sie um halb sieben ab. Ziehen Sie sich sportlich und warm an.“ „Einen Moment“, protestierte Tania, während er schon die Treppe hinablief. „Ich weiß immer noch nicht, was Sie vorhaben.“ Aber er hörte ihr nicht mehr zu. Eine schlanke, junge Frau war zur Haustür hereingekommen und begrüßte ihn stürmisch. „Hallo, Barry“, rief sie aus und fiel ihm um den Hals. „Wo zum Donnerwetter bist du gewesen?“ gab er streng zurück. „Und ich dachte, du würdest dich freuen, mich zu sehen. Möchtest du uns nicht miteinander bekanntmachen?“ fragte sie mit einem Seitenblick auf Tania, die oben an der Treppe stand. Sie zuckte zusammen. „Oh, tut mir leid. Ich wollte Sie nicht belauschen.“ „Das ist schon in Ordnung“, erwiderte Barry und fuhr der jungen Frau an seiner Seite spielerisch durchs Haar. Der Anblick der beiden tat Tania plötzlich weh. Was ging hier eigentlich vor sich? Wer war diese Frau? „Ich muß jetzt an meine Arbeit zurück“, sagte sie und wandte sich um. „Warten Sie einen Moment“, bat Barry. „Ich möchte Ihnen gern meine Schwester vorstellen. Das ist Sarah. Sarah, das ist Tania Mariowe. Ihr gehört die Agentur im ersten Stock.“ Er lächelte, als er merkte, wie Tania sich sichtlich entspannte. So ein bißchen Eifersucht war immer ein gutes Zeichen. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen“, erklärte Tania. „Ich hatte Sie mir viel jünger vorgestellt.“ „Das kommt wahrscheinlich daher, daß Barry mich immer noch für eine 14jährige Göre hält“, lachte Sarah. „Inzwischen bin ich aber 22 und kann ganz gut allein mit meinem Leben zurechtkommen.“ „Darüber könnte man streiten“, mischte sich Barry ein. „Auf jeden Fall möchte
ich zunächst einmal wissen, wo du die letzten beiden Tage gewesen bist und warum du mir so einen seltsamen Grund hinterlassen hast.“ „Eigentlich würde ich mich lieber ein bißchen über Miss Marlowes Agentur unterhalten“, erklärte Sarah. „Ich interessiere mich nämlich zur Zeit ganz besonders für Hochzeiten.“ „Weshalb denn das?“ fragte Barry mißtrauisch. Tania sah verwirrt von einem zum anderen. Sie wußte überhaupt nicht, wovon die Rede war. „Ich muß jetzt gehen“, erklärte sie schließlich. „Leider habe ich momentan sehr wenig Zeit.“ „Das ist schon in Ordnung“, erwiderte Sarah. „Ich werde einen Termin mit Ihnen vereinbaren.“ „Zuerst hast du mal einen Termin mit mir“, erklärte Barry und schob sie auf seine Bürotür zu. „Ach, Tania, vergessen Sie nicht unsere Verabredung um halb sieben.“ Tania schüttelte über sich selbst den Kopf, als sie die Bürotür hinter sich schloß. Warum hatte sie nicht einfach nein gesagt? Aber dann merkte sie, daß sie sich auf den Abend freute und daß es ihr viel besser ging als noch vor ein paar Stunden. Fröhlich summend setzte sie sich an ihren Schreibtisch.
7. KAPITEL Barry summte leise vor sich hin, während er seinen Mercedes durch den dichten Freitagabendverkehr steuerte. Er grinste, als er bemerkte, daß Tania ihm zum wiederholten Male einen langen Blick unter gesenkten Lidern zuwarf. Sie tat so, als sei sie völlig unbeteiligt, aber er wußte, daß genau das Gegenteil der Fall war. Wahrscheinlich schlug ihre Phantasie inzwischen Purzelbäume. So viel Spaß hatte er schon seit langem nicht mehr gehabt. „Können Sie nicht endlich still sein“, platzte Tania scheinbar entrüstet heraus. „Diese Summerei macht mich noch ganz verrückt. Was soll das überhaupt für eine Melodie sein?“ „Das werden Sie noch früh genug merken“, gab er fröhlich zur Antwort. „Ist mir auch egal“, behauptete Tania. „Ich weiß zwar nicht, wo wir hinfahren, aber es wird sicher sehr schön werden.“ Sie sah aus dem Fenster. „Ihre Schwester scheint sehr nett zu sein.“ „Und sie hat es faustdick hinter den Ohren“, fügte Barry hinzu. „Am Dienstag hinterließ sie mir einen Zettel, auf dem stand, daß sie mit einigen Freunden unterwegs sei. Sonst nichts. Keine Telefonanrufe, keine Nachricht.“ „Sie hören sich an wie ein besorgter Vater.“ „Ich kann nichts dafür. Acht Jahre lang habe ich mich um sie gekümmert, und nur weil sie jetzt behauptet, daß sie erwachsen ist, kann ich nicht auf einmal damit aufhören.“ „Natürlich nicht“, stimmte Tania ihm zu. „Aber ich muß sagen, daß sie wirklich ihren eigenen Kopf hat.“ „Scheint Ihnen sehr ähnlich zu sein, oder nicht?“ Er lächelte über diesen Kommentar. „Leider ja. Und ich glaube, daß es bald einige Probleme geben wird. Sie hat mir gestern erklärt, daß sie sich in einen Mann namens Jeff verliebt hat und ihn heiraten will.“ „Das ist doch schön. Viele Frauen in dem Alter denken über eine Heirat nach.“ „Sie ist viel zu jung“, warf Barry ein. „Und wie alt waren Sie? 23, 24?“ „24, aber das war etwas ganz anderes“, verteidigte er sich. „Ich war damals viel weiter als Sarah. Sie ist so behütet aufgewachsen, und außerdem muß man bedenken, daß sie einmal sehr reich sein wird. Ich habe Angst, daß jemand sie ausnutzen könnte. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Was meinen Sie?“ Tania fühlte sich von der Sorge um seine Schwester ehrlich berührt. Es mußte schwer für ihn gewesen sein, die ganz Zeit allein die Verantwortung zu tragen. „Tania, haben Sie mich nicht gehört? Was würden Sie mir raten?“ „Ich weiß es nicht“, antwortete sie langsam. „Ich kenne Sarah kaum. Vielleicht brauchen Sie gar nichts zu tun. Sie müssen einfach nur für sie dasein und ihr zuhören. Vielleicht ist dieser Mann ja genau richtig für sie.“ „So eine Antwort hätte ich mir denken können. Sie würden wohl niemandem eine Ehe ausreden, oder nicht?“ „Warum sollte ich? Das ist doch mein Beruf. Ich glaube daran. Außerdem müssen Sie bedenken, daß Ihre Schwester erwachsen ist und tun und lassen kann, was ihr gefällt.“ „Ich werde nie zulassen, daß sie ihr Leben ruiniert“, bemerkte Barry. „Und eine gewisse Kontrolle habe ich noch über sie, solange ich ihr Geld verwalte. Denn von Liebe allein kann niemand leben.“ Tania schüttelte entsetzt den Kopf. Jetzt war er wieder ganz der arrogante Barry, den sie so wenig mochte. „Wissen Sie, was ich gerade denke?“ sagte sie ärgerlich. „Ich weiß gar nicht,
warum ich überhaupt hier bin. Wir streiten uns doch nur die ganze Zeit.“ „Das tun wir ja gar nicht“, behauptete er. „Wir diskutieren lediglich miteinander. Und ganz egal, was Ihre Meinung sein mag, ich respektiere Ihr Urteil. So wie Sie sollte meine Schwester sein – schön, intelligent, unabhängig und alleinstehend.“ „Nicht auch romantisch?“ erkundigte sich Tania trocken, wobei sie versuchte, ihre Freude über das Kompliment zu verbergen. „Aber lassen Sie nur. Die Antwort kenne ich ja schon. Wo fahren wir übrigens hin?“ „Wir sind schon da“, erwiderte er und bog ab. „Und wo sind wir?“ fragte Tania erstaunt. Auf der einen Seite sah man die Bucht und auf der anderen ein Industriegelände. „Am Stadion. Heute abend ist ein phantastisches Baseballspiel.“ „Baseball? Und ich dachte wir gehen essen!“ rief Tania entsetzt aus. „Wir werden auch essen. Es gibt hier die besten Hotdogs der Stadt, und wenn Sie sich gut benehmen, bekommen Sie auch noch ein Eis zum Nachtisch.“ „Ich glaube es nicht“, stöhnte Tania. „Sie haben doch schließlich gesagt, daß Sie genug von Restaurants hätten. Ich habe nur versucht, Ihnen einen Gefallen zu tun.“ „Tatsächlich? Und seit wann haben Sie die Tickets?“ Er grinste. „Zugegeben, die habe ich schon länger. Aber Sie mögen doch Baseball, oder nicht?“ „Was würden Sie tun, wenn das nicht der Fall wäre?“ Tania sah ihn gespannt an. In Wirklichkeit mochte sie Baseball sehr gern. „Wir können immer noch umfahren“, bot Barry an. „Wir können uns umziehen, schick essen gehen, zu sanfter Musik tanzen, in Ihr oder mein Appartement zurückfahren und…“ Sie runzelte die Stirn. „Ich denke, wir sind hier besser aufgehoben.“ Er lachte. „Inzwischen bin ich mir gar nicht mehr so sicher.“ Nachdem sie den Wagen geparkt hatten, betraten sie das Stadion und suchten nach ihren Plätzen. Barry hatte sehr gute Tickets gekauft, und von ihren Sitzen, die sich etwa in der 10. Reihe befanden, hatten sie einen phantastischen Blick über das Spielfeld. „Das ist ja wirklich erstklassig“, bemerkte Tania begeistert. „Für Sie immer nur das Beste, liebe Tania“, erklärte Barry. „Ich dachte, das gilt für Sie“, gab Tania zurück. „Oder bekommen Sie etwa nicht immer das, was Sie wollen?“ Er sah sie forschend an. „Wenn das so wäre, dann würden wir jetzt etwas ganz anderes tun“, sagte er leise. „Sie geben wohl nie auf, wie?“ sagte sie überrascht. „Nicht, wenn es mir wirklich wichtig ist“, antwortete er ernst. „Aber sehen Sie – das Spiel fängt an.“ Während des Spiels ertappte sich Tania mehrere Male dabei, wie sie statt der Spieler Barry beobachtete. Es machte ihr Spaß, ihn so glücklich und unbeschwert zu erleben. Zusammen aßen sie mehrere Hot-Dogs, knabberten Berge von Popkorn und Waffeln mit Eis. Als der Nebel kam und die Luft kühler wurde, packte Barry eine Decke aus, unter der sich beide aneinanderkuschelten. Tania fühlte sich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Fast war sie ein wenig enttäuscht, als das Spiel vorbei war. Barry schien es ähnlich zu gehen. Er schlug vor, auf dem Weg nach Hause noch einmal anzuhalten, um etwas zu trinken. Tania willigte ein, obwohl sie merkte, daß ihre Nervosität allmählich zurückkehrte. Nachdem sie in einer kleinen Bar noch zwei Stunden über das Baseballspiel diskutiert hatten, fuhren sie in die Stadt zurück.
„Ich bringe Sie noch hinein“, bot Barry an, nachdem er den Wagen vor Tanias Haustür geparkt hatte. „Es ist schon spät.“ Tania protestierte nicht. Barry hatte den Arm um sie gelegt, während sie versuchte, den Schlüssel ins Schloß zu stecken. Ihre Hand zitterte leicht. „Oh, Sie haben ja aufgeräumt“, neckte er sie, als das Licht aufflammte. „Ich habe eben einige Dinge fertiggestellt“, gab sie zu. „Ansonsten mag ich etwas Unordnung um mich herum. Und vor allem kleine überflüssige Dinge, die man in Regale stellen kann. So bin ich eben. Spitze und Seide, Kuschelkissen und ähnliches brauche ich, um mich zu Hause zu fühlen.“ „Ich weiß. Ihre Wohnung ist ein wirkliches Zuhause.“ „Ja, das ist sie“, sagte Tania und blieb einen Moment in der Mitte des Wohnzimmers stehen. „Ich fühle mich hier sehr wohl.“ „Zuhause“, wiederholte Barry nachdenklich. „Was für ein seltsames Wort.“ „Wirklich? Wollen Sie sich nicht irgendwo zu Hause fühlen?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Ich mag Abenteuer, Neues. Sie aber auch, nicht wahr?“ „Das schon, aber wenn die Abenteuer vorbei sind, möchte ich gern nach Hause gehen können.“ „Was für eine seltsame Frau Sie doch sind. Auf der einen Seite so unabhängig, so stark und trotzdem so unglaublich sanft und weich.“ Tania verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin ganz gern ein bißchen geheimnisvoll“, erklärte sie. „Ach wirklich?“ Er kam einen Schritt auf sie zu. „Ich hoffe, Sie wissen auch, was das bedeutet.“ „Was denn?“ flüsterte sie, als er immer näher auf sie zukam. Seine Augen glitzerten. „Nun, ich werde jetzt einmal etwas probieren. Normalerweise ist gegen einen Gute-Nacht-Kuß ja nichts einzuwenden, aber bei Ihnen bin ich mir zum Beispiel nicht sicher, daß ich dafür nicht eine Ohrfeige ernte.“ Tanias Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sein Gesicht war jetzt so nahe an ihrem, daß er sie jeden Moment küssen würde. Aber er tat es nicht. „Vielleicht sollten Sie es einfach versuchen“, erklärte sie schließlich leise. „Vielleicht sollten Sie beginnen“, schlug er vor und faßte sie sanft an der Schulter. Tania zuckte zusammen. Langsam legte sie Barry die Arme um den Nacken. Ihre Augen waren dunkel vor Verlangen, als sie ihn ansah. Als sich ihre Lippen trafen, war es, als hätte jemand in Tanias Innerem ein Feuer entfacht. Sie konnte an nichts anderes denken als an Barry, den süßen Geschmack seines Mundes und die warme, männliche Ausstrahlung seines Körpers. Als er sich vorsichtig von ihr lösen wollte, protestierte sie leise. Ihre Finger streichelten sein dichtes Haar, und sie zog seinen Kopf wieder zu sich hinab. Wieder und wieder küßten sie sich, bis beide völlig außer Atem waren. „Tania“, brachte Barry schließlich hervor und sah sie fasziniert an. Noch nie war ihm etwas ähnliches passiert. Noch nie hatte ein Kuß solche Gefühle in ihm wachgerufen. Sie sah ihn schweigend an. Worte schienen ihr so bedeutungslos geworden zu sein. Als sie seinem Blick und der Botschaft darin nicht mehr standhalten konnte, schlug sie die Augen nieder. „Ich denke, wir sollten uns jetzt verabschieden“, sagte sie schließlich. Sofort ließ er sie los, so daß sie sich mit einem Schlag einsam und verlassen vorkam. „Bist du sicher, daß du das wirklich willst?“ fragte er leise. „Ich dachte, wir würden uns gerade etwas näher kennenlernen.“
„Aber es ist schon spät.“ „Nein, es ist noch früh.“ „Ich bin müde.“ „Ich nicht.“ „Barry, hör auf. Kannst du ein Nein denn wirklich nicht akzeptieren?“ beschwerte sie sich und versuchte, nicht zu lächeln. „Du hast ja noch nicht nein gesagt“, argumentierte er. „Alles, was ich gehört habe, waren ein paar alberne Ausreden, die das überdecken sollen, was gerade passiert ist. Aber ich finde, daß es gar nicht schlimm war. Im Gegenteil, sogar sehr schön.“ Tania konnte nicht verhindern, daß ihr die Röte ins Gesicht stieg. Sie wußte, daß man ihr ihre Gefühle deutlich ansehen konnte, daß Barry wußte, wie empfänglich sie für seinen Charme bereits war. Der Tumult, der sich in ihrem Innern abspielte, erregte und erschreckte Tania zugleich. „Bitte, Barry, ich möchte gern, daß du jetzt gehst“, erklärte sie fest. Er sah sie einen Moment lang nachdenklich an. „Okay“, entschied er. „Ich gehe. Aber es war ein wunderschöner Abend. Für dich hoffentlich auch.“ Seine Worte überraschten Tania. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß er so schnell nachgeben würde. Dafür war sie ihm außerordentlich dankbar. „Ja, es war ein wundervoller Abend“, stimmte sie zu. „Fein. Dann hätte ich einen Vorschlag.“ Tania lächelte vorsichtig. Sie war auf alles gefaßt. „Laß uns so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen. Vielleicht finden wir dann heraus, wieviel uns miteinander verbindet. Was meinst du?“ „Ich weiß nicht, ob das möglich sein wird.“ „Nun streite nicht mit mir. Sag einfach ja“, ermunterte er sie. „Das ist die Gelegenheit für dich, mich in einen Romantiker zu verwandeln. Nimm es doch einfach als Herausforderung.“ Tania verdrehte die Augen. Er hatte wirklich auf alles eine Antwort. „Na schön. Laß uns Freunde sein.“ Sie streckte ihm die Hand hin. „Einverstanden?“ „Ist das dein bestes Angebot?“ „Ich fürchte ja.“ Zögernd gab er ihr die Hand. „Und wann sehen wir uns wieder? Morgen?“ „Morgen habe ich eine Hochzeit. Die mit dem Freiballon, ich habe dir davon erzählt.“ „Richtig, ich erinnere mich. Danach mußt du mir ungedingt berichten, wie es gewesen ist. Das interessiert mich sehr“, erklärte er, während er zur Tür ging. „Warum kommst du nicht einfach mit?“ fragte sie, ohne nachzudenken. Sie war über ihre eigenen Worte ebenso überrascht wie er. „Darf ich das denn?“ „Aber natürlich. Wenn das Paar erst einmal in der Luft ist, habe ich auch nicht mehr viel zu tun. Aber wenn du natürlich arbeiten mußt…“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ist ja auch nicht weiter schlimm.“ „Nein, muß ich nicht. Ich würde sehr gern kommen. Um welche Uhrzeit?“ „Halb acht. Um elf ist der Abflug. Ich muß allerdings schon eine Stunde eher da sein, um alles zu organisieren, und es ist ja ein Stück außerhalb der Stadt.“ Laut stöhnend sah Barry auf die Uhr. „Du lieber Himmel, das ist ja schon in fünf Stunden.“ „Und? Jetzt willst du wohl nicht mehr, was? Das habe ich mir doch gleich gedacht.“ „Ich werde da sein“, widersprach er und gab ihr einen sanften Kuß auf die Wange. „Träume süß, Tania.“
„Gute Nacht“, sagte sie, während sie die Tür leise hinter ihm schloß. Irgend etwas Aufregendes würde sich in nächster Zeit ereignen, das spürte sie. Und sie konnte es kaum erwarten, Barry wiederzusehen.
8. KAPITEL Fröhlich winkten Jonathan und Sandra Delany ihren Freunden zu, die applaudierend unter dem Heißluftballon standen, der sich in etwa 1000 Fuß über ihnen erhob. Die Trauung war bereits vorbei, und sowie der Ballon wieder gelandet war, war geplant, zum Mittagessen in ein großes Restaurant in der Nähe zu fahren. Barry hatte sich den ganzen Vormittag über als große Hilfe erwiesen. Früh am Morgen hatte er den Gästen heißen Kaffee und Brötchen angeboten und sich die ganze Zeit nicht einmal darüber beklagt, daß Tania keine Zeit für ihn hatte. Für keine Arbeit war er sich zu schade gewesen – ob es sich darum handelte, für den Fotografen eine Lampe zu halten oder eine Bibel zu besorgen, die der Pfarrer vergessen hatte. Und nicht einmal hatte er eine böse Bemerkung über Hochzeitfeste fallen lassen. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung für ihn, dachte Tania belustigt. Suchend sah sich um. Wo er wohl jetzt geblieben sein mochte? „Dauert es noch lange?“ flüsterte ihr da eine Stimme ins Ohr. Sie lächelte, als sie seine Lippen in ihrem Nacken spürte. „Nein, ich bin jetzt fertig. Die Feier wird sicher noch weitergehen, aber wir können uns verabschieden.“ „Gott sei Dank. Ich weiß gar nicht, wie du das alles machst. Ich werde schon müde, wenn ich dich nur beobachte. Jedesmal, wenn ich nach dir gesucht habe, warst du irgendwo und hast irgendein Problem gelöst.“ „Naja, es kann manchmal schon ganz schön hektisch werden“, gab Tania zu und hakte sich bei ihm unter. „Sollen wir gehen?“ Sein Blick war eindeutig. „So schnell wie möglich. Laß uns irgendwo hingehen, wo wir allein sein können. All diese Umarmungen und die vielen Küsse, die ich heute vormittag beobachtet habe, haben mich sehr hungrig gemacht.“ Sie sah ihn überrascht an. „Ich dachte, du hättest etwas gegessen.“ „Das meine ich nicht“, bemerkte er. Erst jetzt verstand Tania. „Barry, benimm dich, bitte“, neckte sie ihn. „Was glaubst du, habe ich den ganzen Tag über gemacht?“ beschwerte er sich. „Ich gehe schon mal zum Wagen. Wir treffen uns vorn.“ Sie nickte und sah ihm nach, wie er das Restaurant verließ. Er war wirklich ein attraktiver Mann, groß und gut gebaut. Mehr als einmal hatte Tania beobachtet, wie ihm bewundernde Frauenblicke gefolgt waren. Aber diese Aufmerksamkeit schien ihn vollkommen kalt zu lassen. Sie hatte den Eindruck, daß er sich in der Gesellschaft von Männern fast wohler fühlte als in der von Frauen. „Miss Marlowe?“ „Ja, Sandra?“ antwortete Tania und wandte sich lächelnd der Braut zu. „Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen bedanken. Es war alles ganz wunderbar.“ „Das freut mich“, erwiderte Tania. „Ich möchte mich jetzt auch verabschieden. Ich werde ja hier nicht mehr gebraucht.“ „Nein, es ist alles in bester Ordnung. Und bitte bedanken Sie sich auch bei Ihrem netten Freund. Er hat uns wirklich sehr geholfen.“ „Ich werde es ihm ausrichten. Und wenn Sie von Ihren Flitterwochen zurück sind, dann rufen Sie doch einmal bei mir an. Bis dahin werden auch die Fotografien entwickelt sein.“ „Das mache ich. Und noch einmal vielen Dank.“ Lächelnd beobachtete Tania, wie Sandras Ehemann auf seine Frau zutrat, sie umarmte und küßte. Das gefiel ihr am besten an ihrem Beruf – das Glück und die
Freude, die ihren Arbeitseinsatz wieder wett machten. „Tania“, rief Barry ungeduldig von der Tür her. „Ich komme schon“, antwortete sie und suchte schnell ihre Sachen zusammen. Sie hatte das Gefühl, daß seine Geduld jetzt allmählich zu Ende ging. Nun waren sie schon zwanzig Meilen gefahren, und er hatte immer noch kein Wort gesagt. Statt dessen sah er sie die ganze Zeit mit einem wissenden Lächeln an, das Tania fast verrückt machte. „Also los, raus damit“, verlangte sie endlich. „Womit denn?“ fragte er unschuldig. „Was immer es ist, das dich alle fünf Minuten zum Lächeln bringt.“ „Ach das. Ich hatte nur gerade über dich nachgedacht.“ „Und das ist so amüsant?“ „Nicht direkt. Ich dachte nur über die Hochzeitszeremonie von heute morgen nach und überlegte mir, ob es das ist, was du dir selbst auch wünschen würdest.“ Tania sah ihn mißtrauisch an. „Natürlich habe ich nicht vor, in einem Freiluftballon zu heiraten“, erklärte sie schließlich. „Das ist mir auch viel zu gefährlich.“ „Ich bin froh, das zu hören.“ „Hast du etwa Angst, es könnte irgend etwas auf dich zukommen?“ neckte sie ihn. „Vielleicht habe ich Angst davor, mich selbst in etwas hineinzumanövrieren“, erwiderte er. „In was denn?“ „In nichts. Aber wie würdest du denn gern heiraten?“ „Ich stellte es mir einfach, aber schön vor. Ich möchte gerne in einer Kirche heiraten, nur im Beisein meiner engsten Freunde und Verwandten.“ „Also nicht mit 500 Leuten?“ „Ganz gewiß nicht. Höchstens 50. Außerdem habe ich sowieso keine große Familie. Natürlich würde das Ganze auch von den Plänen meines Ehemannes abhängen.“ Sie dachte einen Moment nach. „Außerdem würde ich gern am Abend heiraten, bei Kerzenlicht und mit einem späten Abendessen. Vielleicht ein Mitternachtsbuffett.“ „Zugegeben, das klingt gut“, antwortete Barry. „Und wie müßte dein Ehemann sein?“ Sie schüttelte den Kopf. „Das weiß ich nicht. Ich stelle mir niemanden Bestimmtes vor.“ Er sah sie ungläubig an. „Aber irgendeine Vorstellung mußt du doch von deinem Zukünftigen haben. Laß uns mal überlegen. Wahrscheinlich möchtest du jemanden, der von neun bis fünf Uhr abends arbeitet, dir jeden Tag kleine Geschenke macht, Gedichte schreibt und Liebeslieder singt. Richtig?“ „Das habe ich nie behauptet“, bemerkte Tania und sah aus dem Fenster. Sie wußte natürlich, daß er nur scherzte, aber dennoch taten ihr seine Worte weh. „Ich gebe gern zu, daß ich all diese Dinge mag, aber Liebe ist viel wichtiger als oberflächliche Romantik.“ Sie wandte sich ihm zu. „Und wie sieht es bei dir aus?“ „Bei mir? Ich suche doch gar nicht nach einer Frau.“ „Ach, richtig. Du willst ja allein durchs Leben gehen.“ „Manchmal ist man auch allein, wenn man verheiratet ist“, sagte er bitter. „Es ist gar nicht so schlimm, allein zu sein. Viel schlimmer ist es, wenn jemand deine Träume mutwillig zerstört.“ „Deine erste Ehe scheint schlimm gewesen zu sein.“ „Entsetzlich“, stimmte Barry zu. „Natürlich lag das nicht nur an Caroline. Wir wollten beide unbedingt heiraten, hatten aber verschiedene Einstellungen zur
Ehe. Mir lag vor allem daran, mich um meine Frau zu kümmern und ein harmonisches Familienleben aufzubauen. Caroline dagegen wollte möglichst viel reisen und stets Freunde um sich haben. Ich denke, sie hatte außer Parties und Kleidern nicht sehr viele Interessen. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit bis zu unserer Trennung. Und dann, als meine Eltern starben, stellte sie mir das Ultimatum: entweder Sarah oder sie.“ „Und du wolltest Sarah“, sagte Tania leise. „Aber natürlich. Ich liebe meine Schwester sehr und habe meine Entscheidung nie bereut.“ Er lachte plötzlich. „Das heißt, nicht ganz. Wenn ich mich an eine von Sarahs Parties erinnere, mit zwanzig 15-jährigen Mädchen und einer Horde Jungen dabei…“ Tania grinste. „Ich wette, du bist wunderbar damit klargekommen.“ „Natürlich. Zuerst mußte ich allerdings die Jungen loswerden. Das war gar nicht so einfach. Aber dann besorgte ich zehn Riesenpizzas zum Essen, und auf diese Weise hatten die Mädchen keine Energie mehr für irgend etwas anderes übrig.“ „Es muß ziemlich schwierig für dich gewesen sein, so ein junges Mädchen ganz allein zu erziehen. Und außerdem konntest du damit kaum noch dein eigenes Privatleben führen, oder?“ Er schüttelte den Kopf. „Zuerst hatte ich sowieso genug von den Frauen. Da kam Sarah mir als zusätzliche Ausrede gerade recht. Und wir verstanden uns fantastisch. Natürlich wußte ich am Anfang sehr wenig darüber, wie man ein Mädchen im Teenageralter erzieht. Aber es dauerte nicht lange, bis Sarah mir alles beigebracht hatte.“ „Und jetzt ist Sarah erwachsen“, warf Tania ein. „Eine erwachsene Frau, die vielleicht bald heiraten wird. Was willst du dann mit deinem Leben anfangen?“ „Momentan möchte ich vor allem so viel Zeit wie möglich mit dir zubringen.“ „Wieviel Zeit?“ „Nun ja, ich habe dir schon gestern abend erklärt, daß ich dich gern besser kennenlernen möchte.“ „Allerdings. Aber ich frage mich, warum. Wir sind so verschieden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir im Leben dieselben Ziele haben.“ Barry seufzte. Er merkte, daß er längst noch nicht wußte, was er wollte. Aber über eins war er sich im klaren – daß er Tania nicht so ohne weiteres wieder loslassen würde. „Muß ich mich wirklich jetzt schon ganz klar für etwas entscheiden?“ sagte er schließlich. „Nein, natürlich nicht. Aber ich möchte, daß du genau weißt, daß für mich Liebe und Ehe zusammengehören. Und das wird auch immer so bleiben. Ich weiß, was passieren kann, wenn jemand keine Verpflichtungen eingehen will.“ Barry merkte sehr genau, wie bitter Tanias Stimme plötzlich klang. Das hatte nichts mehr mit ihm zu tun. Hier schwang etwas mit, von dem er noch nichts wußte. Er blinkte nach rechts und fuhr auf den nächsten Parkplatz. Jetzt wollte er erstmal ein paar Antworten von Tania. „Was willst du denn hier?“ erkundigte sie sich neugierig. „Ich möchte mich etwas ernsthafter mit dir unterhalten, und das kann ich nicht, solange ich fahre.“ „Worüber willst du dich denn unterhalten?“ „Über dich und deine Vergangenheit. Ich möchte wissen, was dich so verletzt hat.“ Tania merkte, daß sie zu zittern begann. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ „Natürlich weißt du das. In deinem Leben muß es einmal einen Mann gegeben haben, der dich entweder verlassen oder sehr verletzt hat. Erzähl mir davon.“ Trotz all ihrer Ängste mußte Tania lächeln. Es war typisch für ihn, seinen Kopf
sogar dann durchsetzen zu wollen, wenn er einem anderen Menschen eigentlich helfen wollte. „Aber es ist gar nicht wichtig“, versuchte sie auszuweichen. „Warum läßt du mich das nicht beurteilen? Also fang an.“ „Nun…“ Sie zögerte einen Moment. „Ich bin ein uneheliches Kind, Barry. Meine Eltern hatten keine Lust zu heiraten. Noch bevor ich geboren wurde, verschwand mein Vater. Nichts konnte ihn halten. Es gab keinen Trauschein.“ Sie holte tief Luft. „Ich weiß natürlich, daß all das heutzutage nicht mehr so wichtig ist, aber mir macht es immer noch etwas aus.“ Sie mußte die Augen schließen, als die Erinnerung auf sie einstürmte. „Meine Mutter erzählte mir damals, mein Vater sei ein Künstler gewesen, der zufällig durch Mendocino kam. Das Ganze passierte in den frühen sechziger Jahren. Du weißt ja selbst, wie viele junge Leute damals lebten. Besonders die Künstler. Sie hat immer behauptet, sie sei in meinen Vater verliebt gewesen, aber ich kann das kaum glauben. Wahrscheinlich spielt es auch keine Rolle. Ich glaube allerdings nicht, daß ich ihn mögen würde. Er hat mich und meine Mutter im Stich gelassen.“ Barry blickte Tania schweigend an. Man sah ihr an, wie verletzt und unsicher sie sich jetzt fühlte. Er hatte das Bedürfnis zu sprechen, aber es sollten die richtigen Worte sein. Deshalb wartete er und hörte weiter zu. „Eigentlich hatte ich keine unglückliche Kindheit“, fuhr Tania fort. „Ich wurde mehr oder weniger von meinen Großeltern erzogen, die ich sehr liebte. Sie waren ein wunderbares, altmodisches Paar. Viele meiner romantischen Ideale stammen aus meiner Erinnerung an diese beiden Menschen. Als sie starben, waren sie 50 Jahre verheiratet gewesen. Und sie starben auch gemeinsam. Ich denke, das war sehr gut so, denn wie hätte der eine ohne den anderen überleben sollen?“ Tania dachte stets mit viel Zärtlichkeit an ihre Großeltern. Selbst als sie ein verletzlicher, verwirrter Teenager gewesen war, hatten sie stets Geduld mit ihr gehabt. Sie hatten immer versucht, sie zu verstehen und ihr klarzumachen, daß man die Dinge, die geschehen waren, verzeihen muß. Dennoch war es Tania nie gelungen, positive Gefühle für ihren Vater und auch für ihre Mutter zu entwickeln. Verzagt sah sie Barry an, der ihr ruhig gegenüber saß. Sie hatte alles erzählt und wußte nicht, was sie noch sagen sollte. „Hast du jemals wieder etwas von ihm gehört?“ fragte er. „Von deinem Vater, meine ich.“ „Nein. Und ich glaube auch nicht, daß ich jemals etwas hören werde. Meine Mutter will nicht über ihn sprechen, obwohl ich den Grund dafür nicht kenne. Früher dachte ich, daß die Erinnerung an ihre große Liebe sie vielleicht zu sehr schmerzen könnte. Aber dann fällt mir ein, wie meine Mutter in den letzten 25 Jahren gelebt hat. Und das hat mit irgendeiner Art von Trauer wahrhaftig nichts zu tun. Sie ist wie ein Schmetterling, so flatterhaft und charmant und kümmert sich auch heute noch nicht um irgendwelche Konventionen. Sie wechselt die Männer so oft wie ihre Kleidung und reist in der ganzen Welt umher. Übrigens hat sie nie wieder geheiratet. Sie sagt, sie sei glücklich, und ich glaube ihr.“ „Aber du mißbilligst ihren Lebensstil“, bemerkte Barry. „Das steht mir gar nicht zu. Sie ist ein erwachsener Mensch, der tun und lassen kann, was er will. Außerdem standen wir uns noch nie besonders nahe. Wir sehen uns ohnehin höchstens ein paarmal im Jahr im Haus meiner Großeltern. Das scheint für uns beide eine Art Fluchtpunkt zu sein. Vielleicht ist es auch die einzige Art von Verbindung, die wir noch miteinander haben.“ Tania lehnte sich erschöpft zurück. „Jetzt kennst du alle meine dunklen Geheimnisse“, erklärte sie ruhig. „Auf jeden Fall weißt du jetzt, warum mir so viel
an Liebe und Ehe liegt. Ich möchte ein Leben führen, wie es meine Großeltern geführt haben. Ich möchte gegenseitiges Vertrauen, gegenseitige Zuneigung und Verantwortung, mit allem, was dazu gehört. Und der Mann, den ich heiraten könnte, muß ebenso empfinden wie ich.“ Barry trommelte nervös mit den Fingern auf das Lenkrad. Jedes Wort, das Tania äußerte, schien die Kluft zwischen ihnen zu vergrößern. Doch, auch er hatte einmal all diese Dinge gewollt und hatte sie gehabt, aber dann war aus dem Märchen ein Alptraum geworden. Und er wußte nicht, ob er sich auf diese Sache noch einmal einlassen würde. Er wußte einfach nicht, ob er das wollte. Er warf Tania einen Seitenblick zu. Nein, sie würde bestimmt nicht nachgeben und auch nur einen Zentimeter von ihrer Meinung abweichen. Nach allem, was sie ihm erzählt hatte, konnte er ihre Gründe gut verstehen, aber andererseits war ihr Denken zu einseitig. Menschen und menschliche Lebensformen waren so vielseitig. Es gab nicht nur schwarz und weiß. Tania hatte in ihrem Leben zwei Extreme kennengelernt: auf der einen Seite die glückliche Ehe ihrer Großeltern, auf der anderen Seite das flatterhafte Leben ihrer Mutter. Aber es gab so viele andere Arten menschlicher Beziehungen. „Hat es jemals einen Mann in deinem Leben gegeben, den du heiraten wolltest?“ fragte er schließlich. Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Natürlich kannte ich viele Männer. Aber ich wußte immer ziemlich schnell, ob es klappen würde, oder nicht.“ „Das heißt, wenn du von vornherein eine Ehe ausschließen kannst, beendest du die Beziehung“, bemerkte Barry. „Bis jetzt habe ich den richtigen Mann noch nicht getroffen.“ „Vielleicht weißt du es noch gar nicht.“ „Ich nehme an, du sprichst von dir selbst?“ „Ganz genau. Ich spreche von mir, von uns. Ich glaube nämlich zufällig, daß wir sehr gut zusammenpassen. Wir sprechen gern und viel miteinander und hören einander zu. Das ist wichtig.“ „Mag sein, aber was ich von dir höre, bestärkt mich in meiner Überzeugung, daß wir nicht zusammenpassen. Du bist ein Zyniker und glaubst nicht an die Liebe.“ „Ich habe aber einmal an die Liebe geglaubt“, warf er bitter ein. „All das, was du jetzt so sehr willst, wollte ich auch. Aber dann heiratete ich, und das Leben wurde zur Hölle. Ich kannte die Frau, die ich geheiratet hatte, einfach nicht gut genug. Ich fühlte mich wie in einer Falle. Es war entsetzlich, so als würde man alles Leben aus mir heraussaugen.“ Tania blickte ihn schockiert an. Zärtlich berührte sie seinen Arm. Deutlicher als je zuvor spürte sie, wie sehr Barry verletzt worden war. Als sich ihrer beider Blicke trafen, zog sie nervös ihre Hand zurück. „Nun, viel mehr gibt es wohl nicht zu sagen.“ „Da bin ich mir nicht so sicher“, widersprach er. „Seit ich dich kenne, könnte ich mir vorstellen, alles Schlimme aus meiner Vergangenheit zu vergessen.“ „Aber ich möchte nicht versuchen, dich zu ändern.“ „Das weiß ich. Und allein dafür möchte ich dich am liebsten solange küssen, bis du keine Luft mehr bekommst und keine Argumente mehr hast, um mit mir zu streiten. Tania, ich glaube, ich kann mich nicht mehr von dir trennen.“ „Vielleicht sollte ich mich dann besser von dir trennen“, schlug sie vor. „Du kannst es ja versuchen“, sagte er tonlos, startete den Wagen und fuhr wieder auf die Straße hinaus. Keiner von beiden sprach ein Wort, bis sie zu Hause waren. Völlig unerwartet für Tania ließ sich Barry in den nächsten zwei Wochen nicht einmal in ihrer Nähe sehen. Glücklicherweise hatte sie zuviel zu tun, um lange
darüber nachzudenken. Es war jetzt die Jahreszeit, wo alle Welt heiratete, und ein zwölfstündiger Arbeitstag war keine Seltenheit. Neben vielen neuen Kunden standen sie mitten in den Vorbereitungen für die große Brautschau, die im Hilton Hotel von San Francisco stattfinden sollte. So vergingen die Tage, und nur ein paarmal sah Tania Barry von der Treppe aus in sein Büro gehen. Er hatte zwar häufig angerufen, aber jedesmal war sie gerade außer Haus oder in einer Besprechung gewesen. Und nicht einmal hatte sie zurückgerufen. Sie versuchte, das, was sie sich vorgenommen hatte, zu verwirklichen – nämlich, sich von ihm zu trennen. Und jetzt schien es ihr gar nicht mehr so schwer. Aber dann mischte sich das Schicksal wieder ein.
9. KAPITEL „Tania“, rief Liz und steckte den Kopf durch die Tür. „Hast du einen Moment Zeit? Draußen ist ein Besucher für dich.“ Tania zog eine Grimasse und zeigte auf den Berg von Papieren auf ihrem Schreibtisch. „Wer ist es denn?“ „Sarah Fox. Sie würde dich gern sprechen, kann aber auch zu einem anderen Zeitpunkt wiederkommen. Ich habe ihr schon erklärt, daß am Sonntag unsere große Brautschau stattfindet und du sehr wenig Zeit hast.“ „Ach, es geht schon. Eine kurze Pause wäre gar nicht schlecht“, erwiderte Tania, die jetzt doch neugierig geworden war. Sie stand auf, als Sarah strahlend ihr Büro betrat. „Hallo! Ich hoffe, ich störe Sie nicht allzu sehr.“ Lächelnd schüttelte Tania den Kopf. Sarahs charmante Art erinnerte sie sehr an Barry. Aber beide waren auch Menschen, die daran gewöhnt waren, im Leben das zu bekommen, was sie wollten. „Bitte, setzen Sie sich doch.“ Sarah ließ sich graziös in den ausladenden Ledersessel sinken, der vor Tanias Schreibtisch stand. In ihrem kurzen Jeansrock mit der dunklen Bluse sah sie zauberhaft aus. Wie schon bei ihrem ersten Treffen war Tania auch jetzt wieder ganz von ihr eingenommen. So sehr Sarah mit ihren großen braunen Augen und dem gewinnenden Lächeln Barry ähnelte, so sehr fehlten ihm ihr Idealismus und eine gewisse Lebensfreude, die sich in ihrem ganzen Auftreten widerspiegelte. „Was kann ich für Sie tun?“ fragte Tania. „Ich werde bald heiraten und möchte sie um Ihre Hilfe bitten“, erklärte Sarah. Amüsiert registrierte sie Tanias Überraschung. „Seltsam, daß alle so erstaunt sind, wenn ich von meinen Plänen berichte.“ „Wie bitte?“ „Als ich meinem Bruder Barry von meinen Heiratsplänen erzählte, starrte er mich nur wortlos an. Ich verstehe das gar nicht. Und hatte ich es Ihnen nicht ohnehin schon gesagt?“ „Doch, Sie machten so eine Andeutung“, erwiderte Tania. „Trotzdem bin ich jetzt überrascht.“ „Das macht ja nichts. Aber Barry ist vollkommen außer sich. Er muß sich einfach noch an den Gedanken gewöhnen.“ „Sie scheinen ja ganz sicher zu sein, daß ihm das gelingen wird“, antwortete Tania skeptisch. Schließlich wußte sie nur zu gut, wie Barry über die Heiratspläne seiner Schwester dachte. „Aber natürlich“, erklärte Sarah und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. „Ich kenne doch meinen Bruder und weiß, daß er zwar dickköpfig, aber auch fair ist. Wenn er Jeff erst einmal kennengelernt hat, wird er mir Glück wünschen. Barry hält schon seit langem nichts mehr von der Ehe. Er war verheiratet und hat sich dann scheiden lassen.“ „Ja, er hat mir davon erzählt“, antwortete Tania, während sie nervös einen Bleistift in der Hand drehte. Ob Barry sich mit den Plänen seiner Schwester wirklich so leicht arrangieren würde, wie sie jetzt annahm? Tania bezweifelte es. „Er hat Ihnen über Caroline erzählt?“ rief Sarah verblüfft aus. „Ich dachte mir doch, daß zwischen Ihnen beiden etwas ist.“ Tania schüttelte hastig den Kopf. „Nicht das, was Sie jetzt denken. Aber neulich abend hatten wir eine Unterhaltung über seinen und meinen Beruf. Bei der Gelegenheit erzählte er ein wenig über seine Vergangenheit. Das ist alles.“
„Trotzdem wundert es mich. Normalerweise erzählt Barry niemandem etwas über Caroline.“ „Haben Sie sich schon einen Termin für Ihre Hochzeit überlegt?“ wechselte Tania das Thema. „Wir dachten an den 2. August. So haben wir drei Monate Zeit, um alles zu planen.“ Sie lächelte glücklich. „Ich möchte eine große Hochzeit mit allem Drum und Dran. Mit Gottesdienst, einem weißen Kleid… Naja, Sie wissen schon. Und natürlich Blumen, Musik, eine Band…“ „Langsam, langsam“, unterbrach Tania sie lachend. Es schien, als könne Sarah ihrem Bruder eine ganze Menge über Romantik beibringen. „Zuerst einmal müssen wir klären, ob Sie überhaupt schon mit irgendeiner Kirche wegen eines Termins in Kontakt getreten sind. Wie sieht es damit aus?“ „Bis jetzt noch nicht“, antwortete Sarah. „Ist das etwa ein Problem?“ „Nicht unbedingt. Es kommt darauf an, wo Sie heiraten möchten. Dann muß man sich überlegen, wo Sie Ihre Gäste empfangen wollen. Allerdings kann ich Ihnen jetzt schon sagen, daß sowohl Kirchen als auch Empfangsräume oftmals Monate im voraus ausgebucht sind. Manchmal sogar ein ganzes Jahr. Für eine aufwendige Hochzeit, wie Sie sie sich vorstellen, sind drei Monate Vorbereitungszeit kaum genug. Jedenfalls nicht in dieser Jahreszeit. Ich habe einige Kundinnen, die ihre Hochzeit im August schon seit einem Jahr bei mir angemeldet haben.“ „Wirklich?“ Sarah sah Tania irritiert an. „Und ich dachte, ich hätte jede Menge Zeit. Jeff wollte noch nicht einmal solange warten.“ „Das wollen die wenigsten. Aber Sie sollten jetzt nicht den Mut verlieren. Vielleicht haben wir Glück.“ Tania sah kurz durch die Papiere, die auf ihrem Schreibtisch lagen. Dann überreichte sie Sarah einen Prospekt. „Zuerst einmal sollten Sie sich das hier durchlesen. Sie finden dort alles, was unsere Agentur anbietet. Auch über unsere Preise können Sie sich darin informieren.“ „Vielen Dank. Ich weiß es sehr zu schätzen, daß Sie sich heute Zeit für mich genommen haben. Natürlich hätte ich vorher anrufen und einen Termin vereinbaren sollen.“ „Aber das macht doch nichts. Ich hätte mir gern mehr Zeit für Sie genommen, aber unglücklicherweise sind wir mitten in den Vorbereitungen für unsere große Brautschau am Sonntag.“ „Was für eine Brautschau?“ „Am Sonntag wird im Hilton Hotel von San Francisco nachmittags eine große Show stattfinden, die von uns organisiert wird. Wir zeigen im Rahmen dieser Veranstaltung alles, was unsere Agentur bei der Planung und Durchführung von Hochzeiten leisten kann. Angefangen von Blumen über die Musik bis zu einer großen Modenschau für Brautkleider.“ „Das klingt fantastisch.“ „Inzwischen können Sie sich ja zuerst einmal in Ruhe unsere Broschüre durchlesen. Wenn Sie wirklich Interesse haben, mit uns zusammenzuarbeiten, dann füllen sie auf der Rückseite den Vertrag aus, und wir können einen ersten Termin vereinbaren“, erklärte Tania. „Danke. Ich werde mich sicher bald melden“, versprach Sarah und stand auf. Tania begleitete sie zur Tür. „Gern geschehen“, sagte sie. Es machte ihr wirklich Spaß, mit Sarah zu sprechen. „Ach, da ist noch etwas.“ Zögernd blieb Sarah an der Tür stehen. „Was ist denn?“ „Könnten Sie mir nicht dabei helfen, Barry davon zu überzeugen, daß es richtig
ist, wenn ich heirate?“ „Tut mir leid, aber dieses Thema habe ich schon einmal mit Ihrem Bruder diskutiert. Da müssen Sie jetzt allein durch.“ „Das hatte ich befürchtet.“ Sarah lachte und winkte Tania zum Abschied zu. „Wieso hast du mit Barry schon einmal über ein solches Thema diskutiert?“ fragte Liz neugierig, nachdem Tania die Tür geschlossen hatte. „Ach, das war vor zwei Wochen, als wir miteinander aus waren“, bemerkte Tania kurz angebunden und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. „Ach so“, sagte Liz. „Allerdings stelle ich fest, daß ihr beide, Barry und du, mittlerweile überhaupt nicht mehr miteinander redet. Außerdem hat er dich diese Woche schon dreimal angerufen und du hast nicht einmal zurückgerufen.“ „Stimmt“, nickte Tania. „Und wie geht es dir und Rick?“ „Frag bloß nicht.“ „Warum denn nicht? Ich dachte immer, bei euch sei alles wunderbar. Hast du mir nicht neulich selber erzählt, daß schon Kleidungsstücke von dir in seinem Schrank hängen?“ Ihr scherzhafter Ton brachte Liz dazu, eine Grimasse zu schneiden. „Es wird immer schlimmer. Inzwischen würde ich sogar noch ganz andere Dinge akzeptieren…“ „So?“ „Ja, wirklich.“ „Das finde ich gut“, meinte Tania. „Vielleicht können wir dann bald damit anfangen, deine Hochzeit zu planen.“ „Nun aber mal langsam. Von einer Hochzeit habe ich kein Wort gesagt. Ich ziehe lediglich in Betracht, mit Rick zusammenzuleben, das ist alles.“ „Ach so.“ „Und sonst hast du nichts dazu zu sagen?“ fragte Liz ungeduldig. „Es ist doch dein Leben. Wenn du meinst, daß dich das glücklich macht…“ „Naja, Rick weiß noch nichts davon. Ich möchte einfach nicht, daß er mehr hinter der Sache vermutet, als wirklich da ist.“ „Aber warum kannst du ihm nicht einfach sagen, was du empfindest? Erkläre ihm, daß du gern bei ihm wohnen würdest, um ständig in seiner Nähe zu sein.“ „Aber Rick und ich sprechen niemals über solche Dinge“, widersprach Liz. „Er ist einfach nicht der Mann, der gern über Gefühle redet.“ Tania lächelte. „Aber er verdient es, etwas über deine Gefühle zu wissen.“ „Ich weiß doch selbst nicht genau, was ich empfinde“, jammerte Liz. „Bis vor kurzem war ich davon überzeugt, genau zu wissen, was ich will. Neuerdings stelle ich aber ganz seltsame Veränderungen an mir fest. Wenn ich Babies auf der Straße sehe, möchte ich gern stehenbleiben und sie mir anschauen. So etwas habe ich nie zuvor empfunden. Und als ich gestern Jennifer und ihren Verlobten beim Händchenhalten und Küssen erlebt habe, war ich eigentlich ziemlich neidisch.“ Tania lachte laut heraus. „Wunderbar! Ich finde das gut.“ „Du hast es gerade nötig“, warf Liz ein. „Du verhältst dich doch genauso wie ich. Du traust dich nicht an Barry Fox heran, weil du vor den Konsequenzen Angst hast.“ „Das hat mit deiner Situation überhaupt nichts zu tun“, widersprach Tania. „Natürlich. Wie willst du wissen, ob Barry der Richtige ist, wenn du ihm gar keine Chance gibst?“ „Ich weiß genau, wie er denkt“, erwiderte Tania hitzig. „Ich habe oft genug mit ihm darüber geredet. Es ist sinnlos zu glauben, daß man ihn verändern könnte. So etwas gibt es nur in Büchern.“
„Wahrscheinlich hast du recht“, gab Liz zu. „Meistens bin ich ja diejenige, die solche Überzeugungen äußert. Du siehst, ich habe schon auf dich abgefärbt.“ „Klar.“ Tania lachte. „Du bist viel romantischer, als du denkst. Und ich bin wohl etwas realistischer, als ich meine. Aber jetzt haben wir lange genug über Männer geredet. Wie sieht es mit unseren Vorbereitungen für Sonntag aus?“ „Bestens. Das Videoband ist fertig, und ich bin überzeugt, daß es der Höhepunkt unserer Show sein wird. Außerdem habe ich Meg und Jennifer dazu verpflichtet, uns am Sonntag zu helfen, so daß wir uns ganz auf unsere Gäste konzentrieren können.“ „Prima. Dann ist ja alles klar. Ich bin sehr froh, wenn wir dieses Wochenende erst hinter uns haben.“ „Und ich erst. Was meinst du? Wird Sarah Fox eine neue Kundin von uns werden?“ „Es sieht so aus. Ich bin aber nicht sicher, ob es eine gute Idee ist. Barry ist absolut gegen ihre Heirat, und ich habe keine Lust, zwischen allen Fronten zu stehen. Andererseits möchte ich ihr keine Absage erteilen. Was meinst du?“ „Geschäft ist Geschäft. Wir können es uns gar nicht leisten, irgendwelchen Kunden abzusagen, besonders nicht, wenn sie so reich sind wie Sarah Fox.“ „Da fällt mir ein, daß du ja noch die Abrechnung machen mußt“, bemerkte Tania und sah ihre Partnerin verschmitzt an. „Ich gebe dir die Sachen gleich herein.“ Liz stöhnte, als Tania einen Berg Papiere auf ihrem Schreibtisch ablud. „Das dauert mindestens zwei Tage“, beschwerte sie sich. „Geht nicht. Spätestens am Sonntagmittag mußt du fertig sein.“ Sie lächelte Liz fröhlich zu und schloß die Tür. Eine Stunde später wurde sie ans Telefon gerufen. Es war Barry. „Ich will nicht mit ihm sprechen“, erklärte Tania, während sie versuchte, ihr plötzliches Herzklopfen zu ignorieren. „Aber er will mit dir über Sarah reden“, beharrte Liz. „Denk daran, daß es hier um geschäftliche Dinge geht.“ „Na schön“, gab Tania nach und nahm den Hörer auf. „Hier ist Tania Mariowe.“ „Sehr angenehm“, ertönte Barrys Stimme. „Ich bin überrascht, daß du überhaupt ans Telefon kommst.“ „Hör zu, Barry, ich habe viel zu tun. Möchtest du etwas Bestimmtes von mir?“ „Allerdings“, erwiderte er in ebenso kühlem Ton. „Sarah hat mir soeben erklärt, daß sie vorhat, gemeinsam mit eurer Agentur ihre Hochzeit zu planen.“ „Es ist richtig, daß sie hier war und eine Informationsbroschüre von uns bekommen hat. Ansonsten ist nichts Festes abgesprochen worden.“ „Aber du weißt doch, daß ich gegen Sarahs Hochzeitspläne bin. Ich verstehe überhaupt nicht, wie du dich meinen Wünschen widersetzen kannst.“ Jetzt mußte Tania lächeln. Wenn Barry ärgerlich wurde, dann wählte er seine Worte stets besonders sorgfältig. „Aber deine Schwester ist erwachsen. Wenn sie meine Kundin sein will, hat das mit dir nicht das Geringste zu tun. Außerdem finde ich, daß du dich recht unvernünftig verhältst. Warum machst du dir nicht die Mühe, ihren Freund erst einmal kennenzulernen? Dann kannst du dich immer noch entscheiden.“ „Ich merke schon, auf wessen Seite du stehst“, stöhnte Barry. „Diesem Jungen soll ich eine Chance geben, aber was ist mit dir? Du gibst mir doch auch keine.“ Tania holte tief Luft. Sie hatte gleich geahnt, daß hinter Barrys Anruf mehr stecken mußte als die Sorge um seine Schwester.
„Ich werde dich nicht aufgeben, Tania“, begann Barry von neuem. „Wir haben beide in den letzten Wochen viel Zeit gehabt, über uns nachzudenken. Ich weiß nicht, wie es bei dir aussieht, aber ich habe dich sehr vermißt.“ „Es ist besser, wenn wir uns nicht sehen“, erklärte Tania, die sich von seinem zärtlichen Ton seltsam berührt fühlte. „Besser für wen?“ „Für uns beide. Und jetzt muß ich mich verabschieden. Ich habe sehr viel Arbeit vor mir.“ „Warte. Wir müssen uns noch einmal über Sarah unterhalten. Ich komme heute abend bei dir vorbei.“ „Das geht nicht. Ich bin heute mit Liz verabredet und komme erst sehr spät nach Hause.“ Am anderen Ende der Leitung herrschte einige Sekunden lang Schweigen. „Wann können wir uns dann sehen?“ „Irgendwann nächste Woche. Wie wäre es, wenn wir uns dann zu viert mit Sarah und ihrem Freund treffen.“ „In Ordnung.“ Noch bevor Tania sich verabschieden konnte, hatte Barry aufgehängt. Skeptisch sah sie auf den Hörer in ihrer Hand. Sie war sich keineswegs sicher, daß sie das Richtige getan hatte. „Hallo“, meldete sich Liz mißmutig am Telefon, während sie sich den Berg Rechnungen besah, der nicht kleiner werden wollte. „Hier ist Barry Fox.“ „Wollen Sie noch einmal mit Tania sprechen?“ fragte Liz überrascht. Dieser Mann ließ wirklich nicht locker. „Nein, eigentlich wollte ich mit Ihnen sprechen. Sie müssen mir einen Gefallen tun. Es ist absolut wichtig, daß ich Tania heute abend sehe, aber sie hat mir erklärt, daß Sie beide heute miteinander ausgehen wollen. Deshalb…“ „Wir?“ unterbrach ihn Liz. „Das ist das erste, was ich höre.“ „Das hatte ich mir fast gedacht. Deshalb benötige ich Ihre Hilfe. Ich habe mir folgendes gedacht…“ Während Liz sich Barrys Vorschlag anhörte, wurde ihr Lächeln immer breiter. „Nun, was halten Sie davon?“ fragte Barry schließlich. Ein wenig kam er sich vor wie ein verliebter Teenager. „Ich nehme an, daß Tania mich wahrscheinlich umbringt, wenn sie merkt, daß wir beide unter einer Decke stecken. Aber trotzdem mache ich mit.“ Barry lachte erleichtert. Noch nie hatte er zu solchen Mitteln gegriffen, um sich mit einer Frau zu verabreden. Aber er war sicher, daß Tania jede Anstrengung wert war. Ein paar Minuten später klopfte Liz an Tanias Tür. Sie hoffte, daß sie mit der Sache, auf die sie sich gerade eingelassen hatte, keinen Fehler machte, aber als sie in Tanias blasses Gesicht blickte, war sie sich ihrer Entscheidung sicher. In diesem Fall war es wirklich nötig, dem Schicksal ein wenig nachzuhelfen. In den letzten Wochen hatte Tania immer entsetzlich kummervoll ausgesehen. „Kann ich dich mal einen Moment stören?“ fragte sie und setzte sich auf Tanias Schreibtisch. „Ich habe Neuigkeiten für dich.“ „Was denn?“ „Ich habe beschlossen, dich heute abend einzuladen.“ „Was?“ fragte Tania verwirrt und sah von ihrer Arbeit auf. „Rick hat mir gerade abgesagt“, erklärte Liz. „Ich hatte aber schon zwei Karten für das Kabarett besorgt. Hast du nicht Lust mitzugehen?“ „Aber wieso denn? Was ist denn mit Rick?“
„Er muß zu einer wichtigen Konferenz. Und du weißt ja selbst, daß das Kabarett normalerweise ausverkauft ist. Es war eine Glückssache, daß ich die Karten noch bekommen konnte. Also, was meinst du?“ „Natürlich gehe ich mit. Ich habe heute abend sowieso nichts anderes vor.“ „Toll. Ich schlage vor, daß wir uns direkt vor dem Theater treffen. Die Show fängt um 8.00 Uhr an.“ Tania sah auf die Uhr. Es war fast 5. „In Ordnung. Ich möchte hier noch ein paar Dinge erledigen, und dann mache ich mich auf den Nachhauseweg. Ein Glück, daß wir unsere Vorbereitungen für Sonntag so gut wie abgeschlossen haben. Sonst könnte ich dich wohl kaum begleiten.“ „Ja, nicht wahr?“ stimmte Liz lächelnd zu. „Wir sind wirklich ein gutes Team. Aber jetzt muß ich los. Bis später.“ „Bis später.“ Tania nickte zufrieden. Besser hätte sie es gar nicht haben können. Nun war sie tatsächlich verabredet, so wie sie es Barry vorgeschwindelt hatte. Aber was machte das für einen Unterschied? Barry würde es ohnehin nie erfahren.
10. KAPITEL Erst fünf Minuten bevor die Vorstellung begann, stand Tania vor dem Theater. Ihr Auto war nicht angesprungen, und obwohl sie rechtzeitig beim Automobilclub um Hilfe gebeten hatte, war niemand gekommen. So hatte sie sich schließlich ein Taxi genommen und gehofft, daß Liz nicht allzu böse sein würde. Aber es war weit und breit nichts von Liz zu sehen, als Tania aus dem Wagen stieg. Überhaupt befand sich keine Menschenseele mehr vor dem Theater. Tania beschloß also, sich nicht länger auf dem Vorplatz aufzuhalten, und betrat das Gebäude. Am Kartenschalter drängten sich noch immer mehrere Menschen, obwohl die Halle mittlerweile fast leer war. Liz aber war nach wie vor nirgendwo zu entdecken. Ungeduldig sah sich Tania um. Konnte es wirklich sein, daß Liz sich noch mehr verspätet hatte als sie selbst? Noch dazu hatte sie die Karten, so daß Tania nichts anderes übrig blieb als weiter zu warten. „Da bist du ja“, erscholl eine Stimme hinter ihr, und Tania wirbelte herum. Das durfte doch nicht wahr sein! „Hallo, Tania.“ „Barry, was machst du denn hier?“ „Ich wollte mir die Show ansehen.“ Er hob fragend eine Augenbraue. „Bist du allein?“ „Nein. Ich warte auf Liz.“ „Ach ja, du sagtest ja, ihr beide seid heute abend verabredet. Was für ein Zufall.“ „In der Tat“, gab Tania mißtrauisch zurück. „Und was ist mit dir? Bist du auch verabredet?“ Scheinbar bedauernd schüttelte er den Kopf. „Leider nicht. Die einzige Frau, mit der ich gern ausgegangen wäre, hat mir eine Absage erteilt. Also beschloß ich, allein auszugehen.“ Tania wandte sich rasch ab und spähte in den Zuschauerraum hinein, soweit sie konnte. Andererseits bezweifelte sie, daß Liz auch ohne sie ihre Plätze aufgesucht hätte. „Ich glaube kaum, daß sie noch rechtzeitig kommt“, bemerkte Barry, während er Tanias wachsende Unruhe amüsiert beobachtete. „Das Licht geht ja schon aus.“ „Dann muß ich wohl draußen auf sie warten. Oder vielleicht rufe ich auch einfach mal an“, erklärte Tania. Und schon war sie in der Telefonbox, die in einer Ecke stand, verschwunden. Barry folgte ihr. „Niemand da?“ fragte er, als Tania den Hörer wieder aufgelegt hatte. „Nein. Sie ist wohl gerade unterwegs.“ „Hör mal, ich habe hier zwei Karten. Wollen wir nicht zusammen hineingehen und uns die Show gemeinsam ansehen?“ „Aber ich muß doch auf Liz warten“, protestierte Tania. „Was würde sie sonst von mir denken?“ „Wir können ihr doch eine Nachricht hinterlassen. Was meinst du?“ „Ich weiß nicht“, gab Tania unsicher zurück. Die ganze Sache erschien ihr recht seltsam, und sie hatte allmählich das Gefühl, daß Barry etwas damit zu tun haben könnte. Er griff ungeduldig nach ihrer Hand. „Nun komm schon. Es geht hier doch in Wirklichkeit darum, nicht in meiner Nähe zu sein. Aber was soll das – schließlich sind wir hier im Theater.“ „Na schön“, gab Tania nach. Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt ihre Hand fest, bis sie ihre Plätze eingenommen hatten. „Und jetzt entspann dich“, forderte er Tania energisch auf.
Tania warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, aber dann wandte sie sich achselzuckend ab und konzentrierte sich auf die Bühne. Sie war entschlossen, das Beste aus dem Abend zu machen. Ein Glück, daß sie nicht in irgendeinem Restaurant saßen, wo sie ihn den ganzen Abend hätte anschauen müssen. Denn leicht fiel es ihr keineswegs, seinem Charme zu widerstehen. Das zweistündige Kabarettprogramm übertraf alle ihre Erwartungen. Sie wußte nicht, wie lange es her war, daß sie so viel gelacht und sich insgesamt so gut amüsiert hatte. Begeistert klatschte sie mit den anderen, als am Ende der Vorhang fiel. Tania war so entspannt, daß sie nicht einmal protestierte, als Barry beim Verlassen des Theaters den Arm um sie legte. „Es war wirklich fantastisch!“ erklärte sie begeistert und strahlte ihn an. „Ich habe mich seit Ewigkeiten nicht so köstlich amüsiert.“ Barry lächelte. Die zärtlichen Gefühle, die er für Tania empfand, erschreckten ihn ein wenig. In den vergangenen Wochen, in denen sie sich nicht gesehen hatten, hatte ihn ihr Bild verfolgt, wohin er auch gegangen war. Nur eine Menge Arbeit und enorme Willensanstrengung hatten es ihm möglich gemacht, ihr solange aus dem Weg zu gehen. Jetzt strich er ihr zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn. Schweigend blickten sie einander an. Einen Moment lang fühlten sie sich wie die einzigen Menschen auf der Welt, obwohl die Menschen rings um sie her laut lachten, redeten und sie beim Vorbeigehen berührten. Erst als sie unsanft von einigen lärmenden Teenagern angerempelt wurden, war der Zauber gebrochen. „Liz scheint es nun doch nicht geschafft zu haben“, bemerkte Tania. „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, was bei ihr dazwischengekommen ist.“ „Ja, es ist wirklich seltsam“, stimmte Barry zu. Er hatte natürlich längst bemerkt, daß Tania einen gewissen Verdacht gegen ihn hegte. „Aber ich habe eine Idee.“ „Das kann ich mir denken.“ „Zufällig sind bei Marcelle zwei Plätze für mich zum Abendessen reserviert. Ich esse wirklich nur ungern allein. Würdest du mich vielleicht begleiten?“ „Bei Marcelle? Ich bin wirklich beeindruckt“, antwortete Tania. Es handelte sich dabei um eines der elegantesten Restaurants von San Francisco, das sie lediglich wenige Male besucht hatte. Barry führte Tania zu dem silbergrauen Mercedes, der nicht weit vom Theater entfernt geparkt war. „Du hast wohl nicht zufällig etwas damit zu tun, daß mein Auto heute nicht anspringen wollte?“ fragte sie plötzlich mißtrauisch. „Natürlich nicht. Aber da du nun einmal kein Auto hast, können wir doch genausogut in meinem fahren.“ Zögernd blieb Tania am Straßenrand stehen. Auf der einen Seite verspürte sie den unbändigen Wunsch, den Abend mit Barry zu verlängern; auf der anderen Seite hatte sie Angst, sich noch mehr in ihn zu verlieben. Aber dann rief sie sich zur Ordnung. Sie war doch gar nicht verliebt, höchstens ein ganz kleines bißchen. Inzwischen hatte Barry die Tür geöffnet und wartete darauf, daß sie einstieg. „Wie gelingt es dir eigentlich immer, so gute Parkplätze zu finden?“ erkundigte sich Tania, während sie an der Ampel warteten. „Beziehungen, weißt du. Vor drei Jahren ließ sich der Manager bei mir scheiden. Er war so dankbar für meine Hilfe, daß er immer einen Parkplatz vor dem Theater für mich bereithält.“ „Das ist wirklich praktisch.“ Entspannt lehnte sich Tania im Beifahrersitz zurück. Es war schön, sich einmal nur verwöhnen zu lassen. Es war nicht weit bis zu dem Restaurant, das auf einem Hügel über der Stadt lag. Barry stellte den Wagen ab, und Minuten später nahm Tania ihm gegenüber
Platz. „Sag mir nicht, daß du seine Scheidung auch bearbeitet hast“, bemerkte Tania, nachdem sich der Ober vom Tisch entfernt hatte. Barry lachte. „Nein, diesmal lag es am Trinkgeld.“ Kopfschüttelnd sah sich Tania um. Die gediegene, zurückhaltende Eleganz des Restaurants war beeindruckend. Aber auch die Gäste, die sich gedämpft miteinander unterhielten, zeigten, daß sie in diesen Rahmen paßten. Gutaussehende Männer in dunklen Anzügen mit eleganten, modisch gekleideten Frauen an ihrer Seite. Tania warf Barry einen verstohlenen Blick zu. Auch er sah in seinem Abendanzug umwerfend gut aus. Als er den Blick von der Weinkarte hob, schlug sie rasch die Augen nieder. Glücklicherweise trat im selben Moment der Ober an den Tisch, um ihre Bestellung aufzunehmen. „Eigentlich sollte ich böse mit dir sein“, erklärte Tania, als sie wieder allein waren. „Mit mir? Wieso denn?“ fragte er unschuldig. „Das weißt du ganz genau. Ich bin mir ziemlich sicher, daß du dieses kleine Rendezvous mit Liz genau abgesprochen hast.“ „Findest du es nicht auch sehr romantisch? Es stimmt doch einfach alles. Wir beide sind ein gutaussehendes Paar, wir haben eine fantastische Show gesehen und werden gleich in einem der besten Restaurants von San Francisco bei Kerzenlicht zu Abend essen. Was könnte man sich mehr wünschen?“ „Nichts“, gab sie zu. „Eventuell noch etwas leise Musik und Tanz.“ „Das kommt noch“, versprach er, während er die Flasche Wein begutachtete, die soeben gebracht wurde. Sie lächelte, als er es ablehnte, den Wein erst zu kosten. Mochte er auch wohlhabend und einflußreich sein, so lag es ihm doch fern, sich in irgendeiner Weise aufzuspielen. Nachdem sie ihr Essen bestellt und gemeinsam den Wein gekostet hatten, war Tanias Nervosität gänzlich verschwunden. Zufrieden lehnte sie sich zurück und erzählte Barry, was sie in den vergangenen Tagen so alles erlebt hatte. „Nein, schenk mir lieber nichts mehr nach“, protestierte sie, als er ihr Glas nachfüllen wollte. „Ich habe schon zwei Gläser getrunken. Und das auf nüchternen Magen. Ein bißchen dreht sich mir schon der Kopf.“ „Hast du etwa Angst?“ neckte er sie. „Höchstens davor, daß mir schlecht wird“, gab sie schlagfertig zurück. Er drohte ihr scherzhaft mit dem Finger. „Das ist aber nicht sehr romantisch.“ „Seit wann meinst du, dich mit Romantik auszukennen?“ „Seit ich mich dafür interessiere. Ich weiß doch, wie sehr Frauen so etwas mögen. Ich persönlich finde allerdings, daß man sich an jedem Ort wohlfühlen kann, solange man mit der richtigen Person zusammen ist.“ „Du meinst, es kommt auf den Partner an.“ „Genau. Und wir beide haben uns doch heute abend hervorragend verstanden, oder nicht?“ „Allerdings“, gab Tania zu. „Und wie gehen die Geschäfte in letzter Zeit? Viele Scheidungen?“ Er nippte an seinem Wein, bevor er antwortete. „Leider ja.“ „Wieso leider? Damit verdienst du doch dein Geld“, erinnerte sie ihn scherzhaft. „Laß uns doch lieber über deinen Beruf sprechen“, schlug er vor. „Hast du dieses Wochenende irgend etwas ganz Großes vor?“ „Ich glaube kaum, daß dich das interessiert.“ „Ich interessiere mich für alles, was du tust, Tania.“ Er sprach ihren Namen so zärtlich aus, daß ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief. Dabei sah er sie
forschend an. Verwirrt schlug Tania die Augen nieder und nahm ihr Glas in die Hand. Auf keinen Fall wollte sie die Fassung verlieren. „Es ist richtig. Wir haben am Sonntag eine Show, bei der alle möglichen Leistungen, die unsere Firma für die Brautpaare erbringen kann, vorgestellt werden. Wir werden vom Floristen bis zum Schneideratelier alle möglichen Sparten und deren Vertreter bei uns haben, so daß die Brautpaare direkt mit den Leuten selbst sprechen können. Auf diese Weise sparen sie nicht nur eine Menge Zeit, sondern auch Geld.“ „Ich verstehe. Aber schadet das denn nicht eurem Geschäft? Wenn die Brautpaare dort schon direkt alles regeln können, wozu brauchen sie euch dann noch?“ „Der Gedanke ist richtig“, sagte Tania lächelnd, „und darüber haben wir uns auch Gedanken gemacht. Aber es ist seltsam: offensichtlich sind die meisten Leute hoffnungslos damit überfordert, alles zur gleichen Zeit und am selben Ort vor Augen zu haben. Die meisten sind regelrecht erleichtert, wenn sie mit uns ins Gespräch kommen. Sie wollen sich gar nicht selbst um alles kümmern, sondern die Planung und die Organisation lieber uns Experten überlassen.“ Barry mußte über Tanias Begeisterung lachen. „Du bist ja selbst ganz hingerissen. Aber wie ist es eigentlich mit den Preisen? Müßt ihr bei dem Angebot, das ihr habt, nicht ziemlich teuer sein?“ „Wir haben für unsere verschiedenen Angebote auch verschiedene Preise. Eine Braut kann entweder alle unsere Leistungen oder nur ein paar davon kaufen. Das kommt auf sie und ihre finanzielle Lage an. Allerdings muß man bedenken, daß wir auch am besten wissen, mit wem man gut verhandeln kann und wer für das wenige Geld das meiste bietet. Denk zum Beispiel einmal an Fotografen, Bäcker, Floristen…“ Barry trommelte anerkennend auf den Tisch. „Du scheinst ja eine clevere Geschäftsfrau zu sein, Liebe. Ich bin etwas überrascht.“ Tania sandte ihm einen ärgerlichen Blick zu. „Ich hoffe, du erklärst mir jetzt nicht gleich, daß eine Frau an den Kochtopf gehört und in der Geschäftswelt nichts zu suchen hat.“ Jetzt lachte Barry noch mehr. „Ich würde nicht im Traum daran denken. Schließlich arbeite ich schon seit Jahren mit weiblichen Rechtsanwälten zusammen und habe mich über ihre beruflichen Fähigkeiten noch nie zu beklagen brauchen. Sie sind ebenso gut auf ihrem Gebiet wie die Männer. Allerdings muß ich zugeben, daß die meisten Geschäftsfrauen, die ich kenne, ein ganz anderer Typ sind als du. Härter, rücksichtsloser und kühler. Aber du…“ Er nahm ihre Hand. „Du bist so weich, so liebevoll und empfindsam.“ Er sprach zum Schluß so leise, daß Tania sich näher zu ihm beugen mußte. Alles, was sie für Barry empfand, lag in ihrem Blick, als sie ihn jetzt ansah. Er war viel sensibler, als sie zu Beginn gedacht hatte. „Barry“, begann sie, brach dann aber ab, als der Kellner an ihren Tisch trat. Schweigend lehnte sie sich zurück, während das Essen aufgetragen wurde. Barry hatte keinen Moment lang die Augen von ihr gelassen. Es schien fast, als könne er ihre Gedanken lesen. Verlegen sah sie schließlich zur Seite. „Was wolltest du gerade sagen?“ fragte Barry ruhig, als sie wieder allein waren. „Ich weiß nicht mehr“, behauptete Tania und nahm ihr Besteck zur Hand. „Das sieht fantastisch aus. Ich habe einen Riesenhunger.“ Barry schüttelte den Kopf, als er begriff, daß Tania nichts mehr sagen würde. Aber dann erinnerte er sich an den Ausdruck ihrer Augen und lächelte leicht vor sich hin. Er wußte, was in ihr vorgegangen war. Und er würde dafür sorgen, daß sie später noch intensiv miteinander reden würden.
Ob es der Wein war oder einfach das Gefühl von Beschwingtheit, das Barrys Nähe jedesmal in ihr erzeugte, wußte Tania nicht zu sagen. Auf jeden Fall wurde ihr später klar, daß sie kaum noch wußte, was sie gegessen hatte. Das einzige, an das sie sich wirklich erinnerte, war die Zärtlichkeit, mit der Barry sie die ganze Zeit über ansah. Als die Teller abgeräumt wurden und sie auf die Rechnung warteten, sagte keiner von beiden ein Wort. Dabei gab es so vieles, was Tania gern gesagt hätte, und andererseits vieles, was sie nicht sagen konnte. Glücklicherweise schien auch Barry in Gedanken versunken zu sein. Nur ab und zu warf er ihr einen seltsamen Blick zu. Tania seufzte innerlich erleichtert auf, als sie endlich das Restaurant mit seiner intimen Atmosphäre verließen und sich auf den Nachhauseweg machten. Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie an Tanias Wohnung angelangt waren. Plötzlich fühlte sie sich enttäuscht darüber, daß der Abend jetzt schon vorbei sein sollte. Wollte sie ihr Herz nicht gänzlich verlieren, so würde es bei diesem Abend bleiben müssen. Ein weiteres Treffen mit Barry würde unmöglich sein. Nachdem sie sich dieses stille Versprechen gegeben hatte, ließ es Tania ruhig zu, daß Barry sie nicht nur bis zu ihrer Tür brachte, sondern auch mit hineinging. Nur ein Kuß, sagte sie sich. Ein Kuß zur Erinnerung. Damit würde sie sicherlich zurechtkommen. „Ist alles in Ordnung?“ fragte sie, als er seinen Kopf in ihr Schlafzimmer steckte. Nur zur Sicherheit, wie er betonte. „Wie? Ich weiß noch nicht.“ Er schloß die Tür und kam zu ihr hinüber. Sein Gesicht war ernst. Dann legte er ihr plötzlich die Hände um die Taille und zog sie an sich. Sanft streifte er mit dem Mund über ihre Wange und küßte dann ihre Nasenspitze. Ein Kribbeln, das sie nur schon allzu oft in Barrys Nähe verspürt hatte, durchlief Tania von Kopf bis Fuß. Instinktiv drehte sie den Kopf und küßte Barry voller Leidenschaft. Als sie sich atemlos voneinander trennten, preßte er sie fest an sich. „Ich will dich“, flüsterte er. „Ich will dich so sehr, Tania. Ich möchte deinen warmen, weichen Körper in meinen Armen spüren und dich überall küssen.“ Mit der Zungenspitze fuhr er an ihrem Hals entlang bis hinunter zu ihrem Brustansatz. „Du bist so süß, so wunderrbar.“ Tania hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, während seine Worte undeutlich in ihr Bewußtsein drangen. Während er mit den Fingern durch ihr Haar fuhr, schmiegte sie sich eng an ihn. Sie mochte nicht mehr nachdenken, vernünftig sein. Nur noch ihre Gefühle waren wichtig. Sie wehrte sich nicht, als sie merkte, daß Barry vorsichtig den Reißverschluß an ihrem Kleid öffnete. Ihre Sehnsucht, seine Hände auf ihrer Haut zu spüren, war jetzt so groß, daß sie leise aufseufzte, als seine Finger zärtlich über ihren Rücken fuhren, der sanften Rundung ihrer Hüften nachspürten und schließlich ihre Brüste streichelten. „Wir dürfen nicht weitergehen“, murmelte sie, während sie begann, Barrys Hemd aufzuknöpfen. „Ich möchte aber nicht aufhören“, antwortete er leise und sah ihr in die Augen. „Ich möchte gern, daß du mich weiter streichelst.“ Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Brust. Nur den Bruchteil einer Sekunde standen sie sich so bewegungslos gegenüber, aber die Zeit reichte, um Tania zur Vernunft zu bringen. Würde sie auch nur einen Moment länger warten, so gäbe es keine Möglichkeit mehr umzukehren. Aber noch gab es zu viele unbeantwortete Fragen. Entschlossen befreite sie sich aus Barrys Armen. „Wir sollten das nicht tun“, sagte sie. „Wir sollten lieber miteinander reden.“
„Das werden wir auch, aber später“, versprach er. Sie trat einen Schritt zurück. Das Herz blieb ihm fast stehen, als er sie jetzt ansah. Ihre blauen Augen waren voll von Zuneigung und Leidenschaft, ihre Lippen halb geöffnet. In diesem Moment dachte Barry, daß Tania die schönste Frau sei, die ihm jemals begegnet war. Und die verletzlichste. Man konnte ihr so leicht weh tun, und diese Erkenntnis schmerzte ihn. „Bitte geh jetzt“, flüsterte sie mit letzter Kraft. Er schüttelte den Kopf. Warum sah sie auf einmal so blaß aus? „Es tut mir leid, wenn ich zu schnell vorgegangen bin. Ich dachte nur, wir beide hätte das gleiche Gefühl.“ „Nein.“ „Aber Tania, irgend etwas ist doch zwischen uns passiert.“ „O nein. Es ist gar nichts zwischen uns.“ „Meine Güte, du bist wirklich dickköpfig“, beschwerte er sich. „Aber ich auch. Ich kämpfe um die Dinge, die ich haben will. Ich dachte, das würdest du auch tun.“ „Das stimmt auch.“ Sie schwieg einen Moment, um Mut zu sammeln. „Aber ich will dich nicht.“ „Lügnerin“, gab er scharf zurück. „Ich weiß genau, daß du mir nichts vorgemacht hast. Du begehrst mich genauso sehr wie ich dich.“ „Ich gebe ja zu, daß ich dich attraktiv finde“, erwiderte Tania ärgerlich. „Aber ich habe kein Interesse an einer oberflächlichen, kurzlebigen Liebesbeziehung.“ „Wer sagt denn, daß es so etwas werden soll?“ „Hör auf, mit mir zu spielen. Wir wissen beide, was wir voneinander zu halten haben. Tu es nicht so, als hättest du Gefühle, die dir in Wahrheit fernliegen. Du weißt, was ich vom Leben erwarte, Barry. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, wie sehr ich mich nach einer festen, tiefen Liebe und nach einer Ehe sehne. Alles andere interessiert mich nicht. Ich darf es einfach nicht zulassen. Bitte versteh das doch.“ Sein Blick war nachdenklich. „Aber ich verstehe dich ja. Ich weiß nur nicht, was ich tun soll. Ich glaube einfach, daß ich dich nicht gehen lassen möchte.“ „Aber du mußt. Wir müssen beide versuchen, gute Freunde und Nachbarn zu sein. Ich unterhalte mich ja gern mit dir. Und es macht mir Spaß, meine Zeit mit dir zu verbringen. Ich möchte dich nicht ganz verlieren.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube, darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Gute Nacht, Tania.“ „Gute Nacht, Barry“, antwortete sie leise, als sie die Tür hinter ihm zumachte. Dann schloß sie erschöpft die Augen. „Wenn Sie soweit sind, Ihre Hochzeit zu planen, dann rufen Sie mich doch einfach an“, erklärte Tania fröhlich und verabschiedete sich von einer jungen Frau und ihrer Mutter, die sie soeben beraten hatte. Aufatmend sah sie sich um. Liz war in ein Gespräch vertieft, und Meg führte einer Gruppe von Interessenten einen Videofilm vor. Dankbar für die Pause setzte sich Tania einen Moment hin und holte tief Luft. Die Show war bisher ein riesiger Erfolg, und sie und Liz waren seit fünf Stunden ununterbrochen auf den Beinen. Erst jetzt begann Tania sich allmählich etwas erschöpft zu fühlen. Es war nicht einfach, drei Stunden lang ununterbrochen ein freundliches Lächeln zur Schau zu tragen. Von den zwei Stunden Vorbereitung am frühen Morgen ganz abgesehen. Mehr als 800 zukünftige Bräute hatten bisher die Show besucht, und noch lagen eineinhalb Stunden vor ihnen. Mit einem bißchen Glück würde dies der größte Erfolg in Tanias bisheriger Berufskarriere werden. Neben den Videofilmen und einer riesigen Menge Schokoladentrüffel hatte ein neuerstelltes Computerprogramm wesentlich zum Erfolg beigetragen. Tania war
so in der Lage, innerhalb weniger Minuten zusammen mit den Brautpaaren einen Kostenvoranschlag für die geplante Hochzeit zu entwerfen. Ihr weitergehendes Angebot, für 50 Dollar eine Rundumberatung in ihrem Büro durchzuführen, war bereits von vielen in Anspruch genommen worden. Ihre Verkaufsstrategie hätte sich bisher glänzend bewährt. „Jetzt scheint es etwas ruhiger zu werden“, bemerkte Liz und ließ sich neben Tania nieder. „Nur noch eine Stunde.“ „Ein Glück“, antwortete Tania ehrlich. Es war nicht nur dieser Tag, der sie so erschöpft hatte. Die letzten zwei Nächte hatte sie außerdem kaum geschlafen. Von Barry hatte sie seit Freitagabend nichts mehr gehört, aber trotz ihrer guten Vorsätze war es ihr nicht gelungen, ihn aus ihren Gedanken zu vertreiben. „O, schau mal“, rief Liz plötzlich aus. „Ist das nicht Sarah Fox?“ „Ich glaube schon.“ Tanias Herz klopfte plötzlich heftig. Einen Moment lang hatte sie Angst, Sarah Fox könnte von ihrem Bruder begleitet werden. Aber dann entdeckte sie einen blonden jungen Mann an ihrem Arm. „Das muß ihr Verlobter sein“, erklärte sie erleichtert. „Ein schönes Paar“, meinte Liz. „Aber in dem Alter sieht jeder gut aus.“ Tania lachte über die Bemerkung. „Na hör mal! Du und Rick seht ja auch nicht gerade schlecht aus.“ „Das ist allerdings wahr“, sagte Liz. Dann sah sie Tania plötzlich besorgt an. „Übrigens hoffe ich, daß du mir wegen Freitagabend nicht böse bist.“ „Du meinst, weil du dich mit Barry Fox gegen mich verschworen hattest? Ja, das war wirklich nicht sehr nett von dir.“ Tania war entschlossen, es ihrer Freundin nicht allzu leicht zu machen. „Du mußt das verstehen. Er tat mir leid. Es schien ihm so viel daran zu liegen, dich zu sehen. Und außerdem hielt ich es für meine Pflicht, euch beiden ein bißchen nachzuhelfen.“ „Seit wann hegst du denn romantische Gefühle?“ erkundigte sich Tania überrascht. „Das ist ja etwas ganz Neues an dir. Den Zeitpunkt hättest du dir allerdings ruhig etwas günstiger aussuchen können.“ „Das ist eben dein schlechter Einfluß“, murmelte Liz, während sie sich erhob, um neue Kunden zu begrüßen. „Ich hoffe nur, der Abend war für dich nicht allzu schlimm.“ „Nein nein, es ging.“ „Ist das alles?“ gab Liz überrascht zurück. „Was erwartest du denn? Es war schön. Sogar sehr schön. Aber das ist wirklich alles. Und mehr wird es auch in Zukunft nicht geben. Keine Verabredungen mehr und von deiner Seite keine Bemühungen für irgendwelche verzweifelten Männer. Abgemacht?“ „Wenn's sein muß“, antwortete Liz unwillig, um sich dann endgültig um ihre Kunden zu kümmern. „Hallo, Miss Marlowe“, erscholl die Stimme von Sarah Fox neben Tania. Ein blonder junger Mann folgte ihr. „Ich hatte gehofft, daß wir Sie hier treffen würden. Ihre Show ist absolut fantastisch.“ „Und erst die Trüffel“, fügte Jeff hinzu, während er sich ein Stück in den Mund steckte. „Das ist Jeff Chandler, mein Verlobter“, stellte Sarah den jungen Mann vor. „Ich mußte ihm versprechen, daß es etwas zu essen geben würde. Sonst wäre er nicht mit mir hierhergekommen.“ „Ich weiß, Männer halten nicht allzuviel von solchen Veranstaltungen.“ Tania lächelte. „Ich kann kaum glauben, was hier alles geboten wird“, fuhr Sarah fort. „Ein
Glück, daß Sie uns helfen werden. Ich würde mir nie zutrauen, das alles allein zu planen. Schade, daß meine Mutter nicht mehr da ist“, fügte sie leise hinzu. Aber dann war die Traurigkeit rasch wieder aus ihren Augen verflogen. „Natürlich habe ich vollstes Vertrauen zu Ihnen.“ Tania hatte sich schon mehrmals überlegt, ob sie mit Sarah Fox zusammenarbeiten wollte oder nicht. Jetzt aber waren alle ihre Bedenken verflogen. Sarah brauchte eine Freundin, und sie würde sie nicht enttäuschen, selbst wenn das bedeutete, daß sie Barry öfter begegnen würde, als ihr lieb war. „Haben Sie mir Ihrem Bruder über Ihre Pläne gesprochen?“ fragte sie. „Ja, aber er ist immer noch dagegen“, antwortete Sarah. „Ich bin gerade dabei, ihn zu bearbeiten. Natürlich brauche ich seine Zustimmung nicht, aber es wäre mir schon lieber so. Jeffs Eltern sind von unseren Heiratsplänen auch nicht begeistert. Sie würden es lieber sehen, wenn Jeff erst sein Medizinstudium abschließen würde.“ Mitleidig sah Tania die beiden an. „Wenn der erste Schreck überwunden ist, werden sie es sich schon noch anders überlegen.“ „Das hoffe ich auch“, bemerkte Sarah. „Deswegen habe ich auch Jeff und Barry für Mittwochabend zum Essen eingeladen. Ich möchte, daß sich die beiden endlich kennenlernen. Dann kann Barry sehen, wie gut wir zusammenpassen.“ „Ich denke, das ist eine prima Idee.“ „Drücken Sie mir die Daumen. Vielleicht ist es besser, wenn Barry bis dahin nichts von unserem heutigen Treffen erfährt. Es sei denn…“ Sarah schnippte mit den Fingern, „es sei denn, Sie könnten auch kommen. Dann könnten wir Mittwochabend schon über alles sprechen.“ Tania schüttelte den Kopf. „Das halte ich für unklug, Sarah. Ich gehöre nicht zu Ihrer Familie, und diese Dinge sollten Sie lieber unter sich besprechen.“ „Aber nein! Es wäre fantastisch. Sie sind eine außenstehende Person und könnten vorurteilsfrei Ihre Meinung äußern. Außerdem weiß ich, daß Barry viel von Ihren Ansichten hält.“ „Nein, ich glaube, ich möchte trotzdem nicht kommen“, widersprach Tania. „Versprechen Sie mir, daß Sie noch einmal darüber nachdenken“, bat Sarah. „Ich rufe Sie morgen an.“ Sie winkte ihr zum Abschied fröhlich zu. „Was war das denn alles?“ fragte Liz, die sich zu Tania gesellt hatte. „Sarah hat mich zum Abendessen eingeladen. Ich soll ihr dabei helfen, Barry davon zu überzeugen, daß ihre Hochzeit eine gute Idee ist.“ „Und? Was hast du geantwortet?“ „Naja, ich habe versucht, mich herauszuwinden. Aber in der Beziehung ist sie wie ihr Bruder.“ „Dickköpfig, meinst du.“ „Genau. Jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll. Was meinst du?“ „Ich weiß nicht. Vielleicht solltest du dich zumindest aus dieser Sache heraushalten“, schlug Liz zögernd vor. „Es ist womöglich gar nicht so unklug, dich eine Weile von Barry fernzuhalten. Weißt du Tania, ich mache mir Sorgen um dich. Du bist heute so anders als sonst. Manchmal scheinst du glücklich und zufrieden, und im nächsten Moment bist du zu Tode betrübt.“ Tania seufzte. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ wandte sie sich freundlich an eine junge Frau, die vor ihrem Tisch stehengeblieben war. „Nein, vielen Dank.“ „Nun?“ begann Liz von neuem, als sie wieder allein waren. „Ich bin einfach verwirrt, Liz. Ich weiß nicht mehr, was ich will. Barry und ich hatten am Freitag einen wunderbaren Abend zusammen. Es gab viel zu erzählen und zu lachen, und als wir dann zu mir fuhren…“ Sie brach ab. Die Erinnerung an
den Abend war so stark, daß ihr fast schwindlig wurde. „Und was geschah dann? Ist er dir zu nahe gekommen?“ „Das schon, aber ich hatte auch nichts dagegen. Er ist einfach zu attraktiv. Er bringt es fertig, daß ich mich selbst und meine Ziele im Leben verrate.“ „Das klingt so, als würdest du ihm nicht vertrauen.“ „Ich habe Angst davor, ihm zu vertrauen.“ „Aber du müßtest ihm wenigstens eine Chance geben. Vielleicht irrst du dich auch in ihm.“ „Das bezweifle ich sehr“, erwiderte Tania heftig. „Wie dem auch sei, ich komme mit der Situation ausgezeichnet zurecht.“ „Du meinst, du kommst damit zurecht, daß du ihn jeden Tag siehst? Und die Hochzeit seiner Schwester ausrichtest?“ „Ich habe doch keine andere Wahl“, antwortete Tania. „Meinetwegen wird er wohl kaum umziehen, und Sarah tut mir einfach leid. Sie braucht jemanden, der ihr hilft. Barry wird in dem Fall sicher nichts für sie tun. Außerdem mag ich sie.“ Liz sah ihre Partnerin kopfschüttelnd an. „Ich weiß nicht, Tania. Ich finde, du solltest dich da heraushalten. Schließlich bist du doch jetzt schon in den Mann verliebt. Wie wird es dann erst für dich sein, wenn du ihm jeden Tag begegnest? Womöglich sogar mit anderen Frauen?“ „Auch damit werde ich zurechtkommen“, behauptete Tania. In Wahrheit wünschte sie, sie würde sich nur halb so sicher fühlen, wie sie zu sein vorgab.
11. KAPITEL Am späten Mittwochnachmittag hatte sich Tania noch immer nicht zu einer Entscheidung durchgerungen. Sollte sie zu Sarah Fox gehen oder nicht? Schon mehrmals hatte sie versucht, Sarah davon zu überzeugen, daß es keine gute Idee sei, aber ohne Erfolg. Sarahs inständige Bitten zu kommen, waren bei ihr schließlich nicht ohne Wirkung geblieben. Vor einer Stunde noch hatte sie sich auf ein 'vielleicht' herausgeredet, was natürlich nicht ganz fair war, aber auf der anderen Seite konnte Sarah nicht ahnen, wie kompliziert die Lage für Tania war. Mit Barry hatte sie seit Freitagabend nicht mehr gesprochen. Es war ihr unangenehm, ihn jetzt zum ersten Male gleich zusammen mit zwei anderen Leuten wiederzusehen. Auf der anderen Seite verabscheute sie den Gedanken, Sarah zu enttäuschen, nur weil sie mit Barry ihre ganz persönlichen Probleme hatte. Verärgert warf Tania ihren Bleistift auf den Schreibtisch. Dabei stieß sie mit dem Ellbogen an einen Stapel mit Papieren, die wirbelnd zu Boden fielen. Tania fluchte leise. Das war mit Sicherheit nicht ihr Glückstag. Als sie sich bückte, um die Papiere aufzuheben, rief sie eine vertraute Stimme von der Tür her beim Namen. Tania fuhr so erschrocken hoch, daß sie sich mit dem Kopf an der Kante ihres Schreibtisches stieß. „Du hast mich zu Tode erschreckt“, sagte sie vorwurfsvoll zu Barry und rieb sich die Schläfe. „Entschuldige bitte, aber ich hatte dich nicht gesehen.“ Er setzte sich vor ihr auf einen Stuhl, schlug die Beine übereinander und sah sie aufmerksam an. „Du weißt doch, daß ich nicht so schnell aufgebe. Deswegen bin ich auch hier. Ich habe in letzter Zeit viel über uns beide nachgedacht. Und ich denke, ich bin zu einer bemerkenswerten Erkenntnis gelangt.“ „Und die wäre?“ „Es könnte sein, daß ich mich in dich verliebt habe“, erklärte er sachlich. Tania fehlten vor Erstaunen die Worte. „So, das wäre möglich“, wiederholte sie. „Das klingt nicht gerade so, als seist du dir deiner Gefühle sehr sicher.“ „Ich bin ja gerade noch dabei, etwas Genaueres über sie herauszufinden“, erwiderte Barry. Er lehnte sich vor. „Aber was mich viel mehr interessiert, ist, was du für mich empfindest.“ „Ich denke, es ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort, um über unsere Gefühle zu sprechen“, sagte Tania. „Ich weiß, daß es nicht romantisch ist. Überhaupt nicht.“ „Das meine ich damit nicht.“ „Dann sag mir bitte, was du für mich empfindest. Ist es denn so schwierig, ehrlich mit mir zu sein?“ „Ich mag dich“, begann Tania. „Das ist mir zu allgemein. Erkläre mir genau, was du für mich fühlst.“ „Ich mag dich.“ Er verzog das Gesicht. „Du sagtest es bereits und…“ „Hör auf, mich zu unterbrechen“, warf Tania ärgerlich ein. „Ich kann meine Worte selbst wählen.“ „Ich will die Wahrheit von dir hören. Wenn du mich haßt, dann sag es mir. Wenn du mich liebst, dann will ich es von dir hören.“ Sie merkte ihm an, daß es ihm ernst war. In seinen Augen konnte sie lesen, wie wichtig ihm ihre Antwort war. Aber sie hatte das Gefühl, in die Enge getrieben zu werden, und dieses Gefühl behagte ihr ganz und gar nicht. „Na schön, Barry. Ich liebe dich. Hast du gehört? Ich liebe dich. So, jetzt weißt du es, und jetzt geh
bitte.“ Sie war hochrot geworden und starrte ihn trotzig an. „Mußt du so böse klingen, wenn du das sagst?“ fragte Barry lächelnd. Sein Blick drückte unendliche Zärtlichkeit aus. „Was erwartest du denn? Du hast eine Antwort von mir gefordert, und ich habe sie dir gegeben. Ich will dich nicht lieben. Und es gibt Zeiten, zum Beispiel jetzt, zu denen ich dich noch nicht einmal besonders mag. Aber für seine Gefühle kann man nichts.“ Sie schwieg einen Moment. „Ich fürchte, meine Gefühle für dich sind sehr stark“, fügte sie hinzu. „Das ist gut, denn mir geht' es ebenso. Und das dürfen wir nicht vergessen. Wir können es nicht einfach beiseite schieben. Was uns miteinander verbindet, ist zu wichtig, als daß wir es einfach ignorieren könnten.“ „Aber Barry…“ „Ich weiß, du möchtest eine feste Bindung. Ich weiß nicht, ob ich dir die geben kann. Aber ich versuche, ehrlich mit dir zu sein. Meine Ehe war eine Katastrophe – eine schmerzhafte, entsetzliche Erfahrung. Ich bin mir nicht sicher, ob ich so etwas noch einmal durchmachen kann.“ „Aber es muß doch nicht so werden“, gab Tania zurück. „Bei uns beiden würde es anders aussehen als bei dir und Caroline. Vielleicht war eure Liebe einfach nicht stark genug.“ „Sicher nicht“, stimmte er zu. „Dennoch habe ich Angst.“ Sie seufzte. „Ich doch auch. Mir ist auch klar, daß du von einem Trauschein nichts hältst, aber für mich ist er einfach wichtig. Ich brauche die Sicherheit.“ „Warum kannst du mir nicht einfach vertrauen, Tania? Ich würde dich nie verletzen“, antwortete er ernst. „Ich bin bereit, mich an dich zu binden mit allem, was ich empfinde. Ist das nicht genug?“ Sie nahm sich Zeit, über seine Worte nachzudenken. Das Angebot, Barry jeden Tag zu sehen, ihr Leben mit ihm zu teilen, war verlockend. Aber was würde mit ihr geschehen, wenn er eines Tages fortging? Sie hatte das bei ihrer Mutter so oft mit ansehen müssen. Männer, die vorher ewige Liebe geschworen hatten, verschwanden plötzlich ohne jede Erklärung spurlos. Wie konnte sie das Vertrauen haben, daß er nicht dasselbe tun würde? Nein, es wäre besser, sich zu trennen, bevor es zu spät war. Weshalb konnte er das nicht verstehen? Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen? „Nein“, entschied sie schließlich. „Ich glaube nicht, daß ich so leben kann und möchte.“ Sein Lächeln erlosch, als er in ihr blasses Gesicht sah. Er kannte diesen Gesichtsausdruck nur allzu gut. Natürlich hatte er die ganze Zeit geahnt, daß sie ihre Ideale nicht einfach so ohne weiteres aufgeben würde. Diese Art von Frau war sie einfach nicht. Aber er konnte und würde sie nicht verlassen. Solch ein Narr würde er nicht sein. Tania beobachtete ihn, wie er ruhelos im Büro auf und ab lief. Sie schwieg, um ihn in seinen Gedanken nicht zu stören. Wie leicht und schön wäre es, jetzt einfach nachzugeben. Einfach für den Moment zu leben. Barry war ein wunderbarer zärtlicher Mann. Sie wußte genau, daß er sie gut behandeln würde. Und trotzdem gab es etwas, das sie zurückhielt. „Warum denkst du nicht einfach noch einmal darüber nach?“ schlug Barry schließlich vor und blieb neben ihrem Schreibtisch stehen. „So möchte ich die Dinge jedenfalls nicht stehenlassen. Und Freunde sind wir doch immer noch, nicht wahr?“ Ein kleines Lächeln erschien auf ihren Lippen, als sie diese Worte hörte. Sie
erinnerte sich an ihr Zusammentreffen mit Barry auf dem Balkon im Hause der Hunts. Damals hatte sie ihn zum ersten Male gefragt, ob sie beide nicht Freunde sein könnten. Es schien ihr eine Ewigkeit her zu sein. „Nun, was sagst du?“ forschte er nach. Sie wußte, daß sie auch dazu nein sagen sollte, aber diesem Lächeln konnte sie nicht widerstehen. Außerdem vermochte sie den Gedanken nicht zu ertragen, Barry nie wiederzusehen. „Okay, laß uns Freunde sein.“ „Gut. Aber es gibt da immer noch ein Problem. Meine Schwester hat ihre verrückten Heiratspläne immer noch nicht aufgegeben.“ Er sah Tania mit gespielter Verzweiflung an. Sie nickte. „Ich weiß. Sie hat mich für heute abend zum Essen eingeladen, aber um ehrlich zu sein, habe ich mich immer noch nicht entschieden, ob ich gehen werde oder nicht. Vielleicht sollte ich es lieber sein lassen.“ „Aber nein. Sarah braucht deine Hilfe, und trotz meines Widerstandes ist sie fest entschlossen, ihren Willen durchzusetzen. So habe ich mich also bereit erklärt, Jeff heute abend kennenzulernen. Ich denke, das wird meine letzte Gelegenheit sein, den beiden ihre Pläne auszureden.“ „So solltest du darüber nicht sprechen“, erklärte Tania. „Ich werde es so taktvoll wie möglich tun“, versprach er stirnrunzelnd. „Ich hoffe nur, er hat auf meine Fragen die richtigen Antworten parat.“ „Jetzt klingst du genau wie ein Rechtsanwalt. Möchtest du ihn vielleicht in den Zeugenstand rufen?“ „Das würde ich allerdings am liebsten tun“, lachte Barry. „Aber ich bin sicher, meine Schwester hätte etwas dagegen und du wahrscheinlich auch. Habe ich recht?“ „Ich bin absolut neutral“, erwiderte Tania. „Aber im Moment habe ich auch eine Menge zu tun. In 15 Minuten erwarte ich einen Kunden. Wenn du also so nett wärst…“ „Schon gut, ich gehe schon. Um 7 Uhr hole ich dich ab.“ „Warum können wir uns nicht einfach dort treffen?“ widersprach Tania. „Deine Schwester wohnt doch unten im Sunset Distrikt, nicht wahr?“ „Ja, sie ist erst letztes Jahr dort hingezogen. Ich vermute, daß sie damals anfing, so richtig unabhängig zu werden. Ihr Apartment ist winzig, aber darauf kam es ihr nicht an. Sie wollte einfach ihr eigenes Leben leben.“ Tania lachte über seinen anklagenden Ton. „Es ist nicht einfach, so etwas wie ein Vater zu sein, nicht wahr? Man muß lernen, jemanden rechtzeitig loszulassen.“ „Ja, Kinder muß man loslassen, und Schwestern wohl auch. Aber die Frau, die ich haben möchte, werde ich nie loslassen.“ Tania wurde rot, als sie die Leidenschaft in seinen Augen sah. „Ich dachte, wir hätten das Thema abgeschlossen“, erklärte sie, während sie sich abwandte. „Na schön. Ich hole dich um 7 ab“, sagte er knapp. „Das ist wirklich nicht nötig. Ich kann sehr gut allein kommen“, wiederholte Tania halbherzig. „Auf keinen Fall. Ich möchte ganz sicher sein, daß du wirklich auftauchst.“ In diesem Moment betrat Liz das Büro. Sie sah die beiden neugierig an. „Hallo“, begrüßte sie Barry freundlich. „Hallo“, grüßte Liz zurück. „Ist es möglich, daß ihr beiden eine ganz normale Unterhaltung miteinander führt?“ „Fast“, bemerkte Tania trocken. „Das ist ja immerhin ein Erfolg“, meinte Liz lächelnd. „Samantha Davis ist übrigens hier, Tania.“ „Bis heute abend dann“, verabschiedete sich Barry und verschwand.
„Ihr trefft euch heute abend?“ fragte Liz erstaunt. „Bei Sarah“, erklärte Tania. „Du weißt doch, das Abendessen, um das sie mich schon so lange gebeten hat. Da Barry und ich jetzt anscheinend einen guten Kompromiß gefunden haben, kann ich genausogut hingehen.“ „Was für einen Kompromiß denn?“ „Entschuldige Liz, aber ich muß mich jetzt um Samantha kümmern.“ „Samantha ist beschäftigt. Sie sieht sich Fotoalben an. Du kannst mir also das Wichtigste ruhig mitteilen. Was ist passiert?“ „Wir wollen Freunde sein, das ist alles.“ „Aber klar. Natürlich. Und wieso siehst du dann so viel fröhlicher aus als noch vor einer Stunde?“ Tania lachte. „Das weiß ich auch nicht. Eigentlich müßte ich mich schlecht fühlen. Bei Barry habe ich nicht die geringsten Aussichten auf eine langfristige Beziehung, die zu einer Ehe führt. Aber er hat immerhin zugegeben, daß er mich sehr lieb hat. Und das hilft.“ Liz schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß dich das in den vielen einsamen Tagen, die jetzt vor dir liegen, wirklich trösten wird. Meiner Meinung nach seid ihr beide wie für einander geschaffen. Gibt es denn wirklich keine andere Möglichkeit?“ „Du meinst, mit ihm zu schlafen? Oder mit ihm zusammenzuziehen? Damit würde ich alle meine Ideale aufgeben“, sagte Tania bitter. „Weißt du, Tania, etwas habe ich aus meiner Freundschaft mit Rick gelernt. Es kann nicht immer gerecht zugehen. Ich wollte immer, daß jeder von uns so viel gibt wie der andere, aber das ist nicht möglich. Manchmal tue ich etwas für ihn oder mache mir monatelang Sorgen und habe das Gefühl, nichts zurückzubekommen. Aber es stimmt nicht. Plötzlich sieht es ganz anders aus. Dann bin ich diejenige, die seine Hälfte braucht, und er ist für mich da. Ich weiß schon, daß ich mich oft über ihn beklagt habe. Aber es gibt auch Zeiten, da weiß ich, daß ich ohne ihn nicht leben könnte.“ Sie schwieg nachdenklich. „Du solltest darüber nachdenken, was dir wichtiger ist: Dein Stolz, ein Trauschein oder der Mann, den du liebst. Und jetzt schicke ich dir Samantha.“ Die Worte von Liz gingen Tania den ganzen Nachmittag nicht mehr aus dem Kopf. Selbst als sie schon damit beschäftigt war, in ihrem Schrank nach der passenden Kleidung für das Abendessen bei Sarah Fox zu suchen, dachte sie noch darüber nach. Eine halbe Stunde lang probierte sie alles mögliche an, ohne sich für etwas entscheiden zu können. Ärgerlich über sich selbst zog sie schließlich ein wollweißes Kleid aus dem Schrank, das ihre Figur besonders gut zur Geltung brachte und ihr dunkles Haar betonte. Ihr Haar ließ sie offen, wobei sie es an den Seiten mit zwei silbernen Kämmen zurücksteckte. Das betonte ihr Profil und gab ihrem Gesicht einen besonderen Ausdruck. Als Tania schließlich fertig vor dem Spiegel stand, war es noch immer eine viertel Stunde bis zu der verabredeten Zeit. Während sie daran dachte, daß sie jetzt einen ganzen Abend in Barrys Gesellschaft vor sich hatte, wurde ihr vor Aufregung fast übel. Vielleicht hatte Liz recht. Sie machte sich wahrscheinlich etwas vor, weil sie dachte, daß sie Barry einfach so aus ihrem Leben ausklammern könnte. Jedesmal, wenn er sie ansah, wenn er lächelte oder sie berührte, verschwanden die Gedanken an den Kompromiß, den sie mit ihm geschlossen hatte. Tanias Herz schien einen Moment lang auszusetzen, als es an der Tür läutete. Reiß dich zusammen, erklärte sie sich selbst energisch und holte tief Luft. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel setzte sie ein kühles, höfliches
Lächeln auf und öffnete die Tür. „Hey.“ „Hey.“ Der Blick, der sie aus den dunklen Augen traf, schien ihr erneut den Boden unter den Füßen wegzunehmen. „Bist du fertig?“ „Ja.“ Bevor es ihm einfallen konnte, ihre Wohnung zu betreten, hatte sie schon hastig ihre Tasche und ihren Mantel an sich genommen und die Tür hinter sich geschlossen. So war es sicherer. „Laß uns gehen.“ Sie vermied es, ihn auf dem Weg zum Parkplatz anzusehen. Aber in Wirklichkeit hatte sie natürlich längst bemerkt, wie gut er an diesem Abend wieder aussah. Er trug graue Jeans und dazu ein blaues Hemd. Sein Körper war schlank und muskulös, und Tania liebte die Art, wie Barry sich bewegte. Höflich öffnete er ihr die Beifahrertür und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Erst dann ging er auf die andere Seite und ließ sich auf dem Sitz neben sie fallen. Tania merkte plötzlich, wie angespannt sie war. Bewußt versuchte sie, ihre Nervosität abzubauen. Auf keinen Fall würde sie zulassen, daß Sarahs Abend durch sie und Barry ruiniert würde. „Ich hoffe, du bist nicht allzu hungrig“, sagte Barry beiläufig, während sie durch die Stadt fuhren. Sie sah ihn überrascht an. „Ich dachte, Sarah wollte kochen.“ „Das tut sie auch. Aber sie nicht gerade die beste Köchin der Welt. Meistens verliert sie schnell die Geduld, und statt sich an das Rezept zu halten, macht sie einfach, was sie will.“ „Ach, so schlimm wird es schon nicht werden.“ „Da wäre ich nicht so sicher. Ich erinnere mich, daß sie mich fast einmal vergiftet hat“, bemerkte Barry und lachte. „Vielleicht geht Jeff freiwillig wieder, wenn er erst einmal ihre Kochkünste kennengelernt hat.“ Tania schüttelte entsetzt den Kopf. „Du bist wirklich schrecklich. Ich kann mir nicht vorstellen, daß solche Kommentare uns in dieser Situation weiterhelfen.“ „Du hast natürlich recht. Aber eins mußt du mir versprechen, Tania.“ „Und das wäre?“ „Fang nicht an, allzu romantisch zu werden, bis wir herausgefunden haben, ob der Junge wirklich etwas taugt.“ Tania runzelte ärgerlich die Stirn. „Was denkst du eigentlich von mir? Ich reiße mich bestimmt nicht darum, mich überhaupt in diese Situation einzumischen.“ Das sagt sich so leicht, dachte Tania leise seufzend, während sie zwischen einem zornigen Barry und einer empörten Sarah saß. Das Abendessen war ein vollkommener Reinfall gewesen. Sarahs Huhn nach französischer Art sah aus wie geschmolzener Käse, und der Reis war ungenießbar. Selbst Jeff schien ein wenig schockiert zu sein. Vorsichtig warf Tania dem jungen Mann quer über den Tisch einen Blick zu. Er war zurückhaltend und auf eine jungenhafte Weise anziehend. Ein angenehmer Mensch. Allerdings hatte er bisher wenig Gelegenheit gehabt, etwas zu sagen. Die meiste Zeit hatten sich Barry und Sarah miteinander gestritten. Genaugenommen, seit sie das Haus betreten hatten. „Was sagst du dazu, Tania?“ wandte sich Barry Tania zu. „Ja, was meinen Sie dazu?“ wiederholte Sarah. Tania sah hilflos von einem zu anderen. „Könntet ihr vielleicht die Frage wiederholen?“ Barry seufzte verzweifelt. „Ich habe Sarah gerade erklärt, daß man innerhalb von drei Monaten keine Hochzeit planen kann. Es ist absolut unmöglich.“ Tania nickte eifrig. „Das ist vollkommen richtig“, erklärte sie. „Sie erinnern sich, Sarah, wir hatten schon einmal davon gesprochen. Es ist
natürlich nicht so, daß es vollkommen unmöglich ist“, fuhr sie hastig fort, als sie die Enttäuschung in Sarahs Gesicht bemerkte, „aber auf jeden Fall ist es…“ „Was meinst du damit?“ unterbrach sie Barry ungeduldig. Tania versuchte, ihn zu beschwichtigen. „Sieh mal, ich habe nicht vor, in irgendeiner Art und Weise für jemanden Partei zu ergreifen. Ich bin weder Eheberater noch Schiedsrichter. Aber auch meiner beruflichen Erfahrung heraus kann ich zumindest folgendes sagen: man kann natürlich eine Hochzeit innerhalb von drei Monaten planen, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß es die Art von Hochzeit wäre, wie Sie sie sich wünschen, Sarah. Wenn man es richtig machen will, mit allem Drum und Dran, sollte man sich wenigstens sechs Monate Zeit nehmen. Manche Empfangsräume sind zum Beispiel schon über ein Jahr im voraus ausgebucht.“ Sie stand auf. „Und jetzt gehen Jeff und ich hinunter an die Ecke und holen für uns alle Pizza. Ihr könnt euch ja inzwischen weiter auseinandersetzen. Vielleicht kommt ihr sogar zu einer Entscheidung.“ Barry sah sie scharf an. Er hatte wohl bemerkt, wie ärgerlich sie war. „Hier ist Geld“, erklärte er und reichte ihr seine Brieftasche. „Und nicht so viele Zwiebeln, bitte.“ „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, mich zu begleiten“, sagte Tania zu Jeff, der sogleich bei ihrem Vorschlag aufgesprungen war. „Aber überhaupt nicht“, erwiderte er sichtbar erleichtert. „Ist es in Ordnung, Liebes?“ wandte er sich besorgt an Sarah. „Aber klar, geh nur“, bekräftigte sie. „Ich werde versuchen, Barry nicht umzubringen, bevor ihr wieder da seid.“ „Vielleicht sollte ich lieber mit euch kommen“, warf Barry hastig ein. Tania schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall. Ihr beiden bleibt hier und seht zu, wie ihr miteinander zurechtkommt.“ Sie folgte Jeff zur Tür. Die nächste halbe Stunde verbrachten sie damit, auf die Pizza zu warten und sich über die bevorstehende Hochzeit zu unterhalten. Tania hatte den Eindruck, daß Jeff ein sehr ernster, verständnisvoller junger Mann war, der Sarah wirklich liebte. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß es Barry gelingen würde, sie umzustimmen. Als sie beide zu dem Apartment zurückkehrten, saßen Bruder und Schwester friedlich nebeneinander auf dem Sofa. Tania sah die beiden mißtrauisch an, bevor sie mit der Pizza in der Küche verschwand. Aber es schien wirklich alles in Ordnung zu sein – kein Streit, keine lautstarken Argumente. Als Barry Tanias verblüfften Gesichtsausdruck bemerkte, begann er zu lachen. „Sieh doch nicht so besorgt drein“, erklärte er. „Dank deiner Initiative haben wir endlich Gelegenheit gehabt, uns in Ruhe zu unterhalten.“ Er sah Tania dankbar an. „Ich denke, wir haben beide ein paar Kompromisse geschlossen.“ Tania sah ihn erwartungsvoll an. „Und?“ Sarah lächelte. „Wenn Jeff einverstanden ist, möchte ich uns neun Monate Zeit geben, um die Hochzeit zu planen. Dann könnten wir um die Weihnachtszeit herum heiraten.“ „Hochzeiten im Winter können sehr schön sein“, warf Tania ein. „Und ich werde die Möglichkeit haben, meinen zukünftigen Schwager noch besser kennenzulernen“, fügte Barry ruhig hinzu. Er streckte dem jungen Mann die Hand hin. „Sind Sie einverstanden?“ Jeff willigte strahlend ein. „Aber natürlich. Es ist fantastisch. Und jetzt laßt uns endlich etwas essen.“ Er ging in die Küche, holte die Pizza und verteilte sie auf die einzelnen Teller.
„Du hast ja Zwiebeln auf deiner Pizza“, flüsterte Barry Tania ins Ohr. „Und? Magst du keine Zwiebeln?“ fragte sie unschuldig, während sie ein großes Stück auf ihre Gabel spießte. „Nicht, wenn ich verabredet bin.“ „Wie gut, daß ich nicht verabredet bin.“ „Was flüstert ihr beiden da miteinander?“ erkundigte sich Sarah neugierig. „Ich habe ihr nur ein paar schöne Worte ins Ohr gesagt“, antwortete Barry und strich Tania liebevoll übers Haar. Wortlos sandte sie ihm einen langen forschenden Blick zu. Glücklicherweise gelang es ihr schnell, das Thema zu wechseln und gleichzeitig seinen Liebkosungen zu entkommen. Bald drehte sich das Gespräch nur noch um die letzten Baseballspiele, wobei sich herausstellte, daß auch Jeff ein begeisterter Anhänger dieser Sportart war. Tania und Sarah tauschten einen langen, bedeutungsvollen Blick, den die Männer in ihrem Eifer gar nicht bemerkten. Sie waren viel zu sehr in eine hitzige Diskussion über Spielstrategien vertieft. Als Tania bewußt wurde, daß diese drei Menschen bald zu einer Familie gehören würden, stieg ein Gefühl der Bitterkeit in ihr hoch. Es war wunderbar, so zu tun, als gehörte sie zu dieser Familie dazu. Wie sehr sehnte sie sich danach, für sich selbst in Barrys Stimme die gleiche Liebe zu hören, die sie spürte, wenn er von seiner Schwester sprach. Wie gern wollte sie diejenige sein, der sein sanftes, liebevolles Lächeln galt. Und bis zu einem gewissen Grad war sie es auch. Aber nichts konnte in ihren Augen eine Ehe und Familie ersetzen. Wenn Barry sie nicht so sehr liebte, daß er sie heiraten wollte, dann war er eben nicht der richtige Mann für sie. Ihr Verstand sagte ihr, daß sie beizeiten jede Verbindung zu Barry abbrechen sollte. Aber tief in ihrem Herzen hatte sie schreckliche Angst davor, einen nicht wieder gutzumachenden Fehler zu begehen.
12. KAPITEL „Meinst du, das wird klappen?“ rief Liz laut zu Tania hinüber, die wegen des Windes ihre Worte kaum verstehen konnte. „Ich hoffe es“, rief Tania zurück, wobei sie versuchte, die Verankerung des Zeltes noch tiefer in den Boden zu stoßen. „Das ist aber auch zu ärgerlich! Wieso muß es gerade an dem Tag regnen, an dem die einzige Hochzeit innerhalb von drei Monaten im Freien stattfindet?“ Liz versuchte, einen Sandsack so an der Verankerung anzubringen, daß das Zelt weiter stabilisiert wurde. Seit einer Stunde bemühte sie sich nun schon, die Terrasse von Blossom Hill vor einem Regenschauer zu schützen, der überraschend über sie hereingebrochen war. In zehn Minuten würde die Hochzeitsgesellschaft hier eintreffen, und das Küchenpersonal wartete schon ungeduldig darauf, endlich die Tische aufstellen zu können. „So wird es wohl gehen, denke ich“, erklärte Liz und trat einen Schritt zurück. „Dafür sind diese Zelte schließlich da. Ich glaube nicht, daß wir uns Sorgen machen müssen.“ „Ich weiß, daß die Zelte den Regen abhalten sollen, aber trotzdem habe ich jedesmal Angst, daß so ein Ding vielleicht einmal zusammenfällt und alle Gäste unter sich begräbt. Dann wäre unsere schöne Agentur bald nur noch ein Stück Erinnerung.“ „Nun sei doch nicht so pessimistisch“, tadelte sie Liz. „Komm schon, laß uns lieber den Leuten helfen, die Tische aufzustellen. Die Gäste werden bald da sein.“ Zwei Stunden später war die Party in vollem Gange. Inzwischen war auch die Sonne wieder durch die Wolken gekommen, so daß die meisten Gäste mittlerweile das Zelt verlassen hatten und sich auf dem offenen Teil der Terrasse aufhielten. Jetzt mußte nur noch der Kuchen geschnitten und der Brautstrauß geworfen werden. Liz und Tania sahen sich aufatmend an. „Müde?“ fragte Liz besorgt. Tania nickte. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich auf ein heißes Bad freue. Dieses Wochenende war wirklich ein kleiner Alptraum.“ „Stimmt. Ich finde, wir sollten so etwas nicht noch einmal machen. Eine Hochzeit Freitag abends und dann zwei am Samstag sind einfach zuviel. Oder wir müßten uns noch ein paar Helfer organisieren.“ „Das finde ich auch“, erklärte Tania lächelnd. „Wenigstens haben wir für nächstes Wochenende nichts geplant. Nicht eine einzige Hochzeit. Ich kann es mir kaum vorstellen, daß so etwas im April überhaupt möglich ist.“ „Ich freue mich auch schon darauf. Diese Woche war einfach zu anstrengend.“ „Du siehst aber auch wirklich müde aus“, gab Liz zu. „Geh doch schon mal vor. Was jetzt noch zu tun ist, kann ich auch allein machen.“ Obwohl Tania versuchte, sich ihre Begeisterung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, sah man ihr doch an, wie sehr sie sich über dem Vorschlag von Liz freute. „Vorsicht, ich nehme dich beim Wort. Ich würde jetzt wirklich zu gern nach Hause gehen, meine Jeans anziehen, mich vor den Fernseher setzen und mir einen dieser fürchterlichen Spielfilme ansehen.“ „Hört sich toll an. Rick und ich sind leider heute abend eingeladen.“ „Vielleicht solltest du dann besser nach Hause gehen“, schlug Tania zögernd vor. „Auf gar keinen Fall. Jetzt gehst du erst einmal. Los.“ Sie stieß Tania sanft in den Rücken. „Und vergiß nicht, Barry anzurufen. Er versucht schon seit Tagen, dich zu erreichen.“ „Ich weiß, aber ich möchte mich so weit von ihm fernhalten wie irgend möglich.“
„Warum? Damit du weiter unglücklich sein kannst? Du weißt doch selbst, wie dein Leben aussieht, seit du dich letzte Woche von ihm verabschiedet hast. Sei doch mal ehrlich, Tania.“ „Das gibt sich wieder.“ „Das glaubst du“, rief Liz ihrer Freundin hinterher, die sich jetzt auch hastig aus dem Staub machte. Das schlechte Wetter am Sonntag trug nicht dazu bei, Tanias niedergedrückte Stimmung zu verbessern. Wie selten zuvor freute sie sich darauf, am Montag wieder zur Arbeit zu gehen. Die Agentur bedeutete ihr von Tag zu Tag mehr. Bald würde sie das Wichtigste in ihrem Leben werden. Wozu brauchte sie noch Liebe oder irgendeinen Mann in ihrem Leben? Nein, die Arbeit war ihr genug. Aber trotz der hektischen Betriebsamkeit gelang es Tania auch in der folgenden Woche nicht, die Unruhe in ihrem Herzen zu vertreiben. Ein paarmal traf sie Barry unten vor seinem Büro und wechselte einige Worte mit ihm. Ansonsten hatten sie wenig Kontakt miteinander. Tania wußte nicht, ob sie sich darüber freuen oder enttäuscht sein sollte. Sie hoffte auf der einen Seite, daß er das Interesse bereits verloren hatte, auf der anderen Seite fürchtete sie sich davor. All ihre Gefühle waren vollkommen durcheinandergeraten, und manchmal war ihr unklar, ob sie unter Tränen lächeln oder beim Lachen weinen sollte. So konnte es nicht weitergehen. Irgendwann mußte die Situation gänzlich geklärt werden. Flucht. Das war die Antwort. Ein Wochenende ohne Hochzeiten schien ihr plötzlich als die einzig mögliche Rettung. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Und es gab nur einen Ort der Welt, wo sie jetzt hingehen wollte: nach Hause. Dicker Nebel lag über San Francisco, als Tania am Samstagmorgen kurz vor 8 nach Mendocino aufbrach. Aber kaum hatte sie die Golden-Gate-Brücke überquert und war auf die Autobahn gefahren, brach die Sonne durch die Wolken, und es versprach, ein strahlender Tag zu werden. Es war lange her, seit sie das letzte Mal nach Hause gefahren war, und ihr kleiner Honda schnurrte fröhlich vor sich hin, als freue er sich auch, einmal eine längere Reise zu unternehmen. Kurz nach Mittag erreichte sie den Stadtrand von Mendocino. So wie früher drängten sich auch jetzt viele Touristen in der Stadt. Neugierig sah Tania aus dem Wagenfenster auf die vertrauten Geschäfte und Restaurants an der Straße. Sie freute sich darüber, daß sich wenig in ihrer Heimatstadt verändert hatte. An der letzten Ampel am Ende des Ortes merkte sie, wie ungeduldig sie war, nach Hause zu kommen. Weitere 15 Minuten auf der Autobahn brachten sie schließlich zu der Ausfahrt, die zum Haus ihrer Großeltern führte. Es lag auf einem Kliff, hoch über dem Pazifischen Ozean. Eine schmale, gewundene Straße führte zu dem Haus hinauf, das einige Meilen entfernt vom nächsten Nachbarn lag. Es war ein einfaches, hübsches kleines Haus mit drei Schlafzimmern und einem romantischen Garten mit wilden Blumen und alten Bäumen. Das alte Messingschild, das wie immer über dem Eingang zur Veranda hing und jetzt schon von der Seeluft ganz rostig geworden war, ließ Tania die Tränen in die Augen steigen. „Willkommen im Paradies“, las sie halblaut. Dann holte sie tief Luft und steckte ihren Schlüssel in das Schloß. Alles schien so, als habe sie es erst gestern verlassen. Warm war es und anheimelnd, und Tania fühlte sich auf Anhieb wohl. Der Nachbar, der sich um das Haus kümmerte, hatte seine Sache offensichtlich gut gemacht. Sie ließ ihre Tasche neben die Tür fallen und sah sich erst einmal in Ruhe um.
Auf dem Kaminsims standen wie immer alte Fotografien aus ihrer Kindheit, und auch sonst war der Raum mit all seinen Erinnerungsstücken unverändert. Tania durchquerte das Zimmer und öffnete dann weit die hohen Türen, die auf die Terrasse hinausführten. Der Blick, den sie von hier oben hatte, raubte ihr jedesmal den Atem. Sie lehnte sich auf die Brüstung und sah auf den Pazifik hinunter, dessen Wellen laut und wild gegen die Felsen unterhalb des Hauses brandeten. Der Seegang war so stark, daß sie die salzigen Tropfen auf ihrem Gesicht spüren konnte. Träumerisch ließ Tania ihr langes Haar im Wind wehen. Wieviele Male hatte sie schon hier draußen gestanden und gehofft, daß der Wind und das Meer all ihre Sorgen auf sich nehmen würde. Als von irgendwoher Kinderlachen an ihr Ohr drang, lächelte Tania leise. Es war seltsam, wie wohl sie sich plötzlich fühlte. In den vergangenen Jahren hatte sie ihr Zuhause meistens in Verbindung mit Traurigkeit und Schmerzen in Erinnerung gehabt. Aber jetzt, in diesem Moment, begann sie, sich auch an die guten Zeiten zu erinnern. An die sorglosen, fröhlichen Tage, die sie hier und in den Hügeln der Umgebung verbracht hatte, an das Spielen am Strand und das Schwimmen im kalten Ozean. Fast eine halbe Stunde stand Tania reglos an die Brüstung gelehnt, während ihr die Tränen über das Gesicht liefen. Sie hatte recht gehabt. Es war Zeit gewesen, nach Hause zu kommen, sich zu erinnern und zu vergessen. Schon zu lange hatten sie die Gedanken an das Verschwinden ihres Vaters, an die Lügen über ihre Geburt und das Leben ihrer Mutter heimgesucht. Jetzt war es Zeit, in die Zukunft zu blicken, anstatt ständig in der Vergangenheit zu leben. Noch immer wußte Tania nicht, ob Barry ein Teil dieser Zukunft sein würde. Es gab eben einige Dinge in ihrem Leben, die sie auf keinen Fall aufgeben würde, und dazu gehörte auch ihre Sehnsucht nach einer Verbindung, die ein Leben lang andauern sollte. Barry stand vor seinem Bürogebäude und sah wohl schon zum hundertsten Male zu den Fenstern von Tanias Agentur hoch. Nervös trommelte er mit den Fingern auf das Treppengeländer und dachte nach. Drei Wochen war es nun schon her, daß Tania und er sich zuletzt wirklich getroffen hatten. Drei lange Wochen intensiven Nachdenkens, ohne eine Antwort zu finden. „Vielleicht würde eine Blume helfen“, unterbrach eine Stimme neben ihm seine Gedanken. Als er sich umdrehte, erblickte er Mr. Ramoni, der ihm einen Strauß Frühlingsblumen entgegenhielt. „Ich fürchte, in dem Fall hilft auch eine Blume nicht“, antwortete Barry ironisch. Mr. Ramoni nickte verständnisvoll. „Ja, ja, ich weiß. Manchmal braucht man mehr als eine Blume, um das Herz einer Frau zu gewinnen. Es hat mich einige Zeit gekostet, das zu begreifen. Und wenn es Miss Marlowe nicht gäbe, dann würde ich heute noch mit demselben traurigen Gesichtsausdruck herumlaufen wie Sie jetzt gerade.“ „Ach ja, ich weiß schon. Sie hat Ihnen Ratschläge gegeben, nicht wahr?“ bemerkte Barry lächelnd. „Miss Marlowe und ihre Romantik. Ich glaube, Sie haben gerade eben mein Problem gelöst.“ „Sie liebt weiße Rosen“, erklärte Mr. Ramoni, bereit zu helfen. Barry lachte. „Ein Dutzend werde ich wohl brauchen.“ Überrascht sah Tania auf, als Mr. Ramoni ihr einen großen Strauß Rosen auf den Schreibtisch legte. „Für Sie“, verkündete er strahlend. Liz lächelte wissend. „Von wem die wohl sein mögen…“
Tania tat so, als habe sie die Bemerkungen nicht gehört. „Ist keine Karte dabei?“ erkundigte sie sich, während ihr Herz wild pochte. „Keine Karte. Es handelt sich wohl um einen geheimen Verehrer“, antwortete Mr. Ramoni und verließ kichernd das Büro. „Ach, du hast einen geheimen Verehrer?“ neckte Liz. „Ich frage mich, wer das wohl sein könnte.“ „Ob du es glaubst oder nicht, ich habe nicht die geringste Idee.“ Plötzlich sprang Tania auf. „Du lieber Himmel, ich müßte ja schon längst in der Stadt sein.“ Liz lächelte, als Tania hastig nach ihrer Tasche griff und fluchtartig das Büro verließ. Während sie die Blumen in eine Vase stellte, summte sie erleichtert vor sich hin. Es schien so, als würde ein bestimmter Herr plötzlich vernünftig werden. Nicht eine Minute während ihrer zweistündigen Unterredung im Hilton Hotel konnte Tania den herrlichen Rosenstrauß vergessen, den man ihr gebracht hatte. Sie dachte noch immer daran, als sie müde und zerschlagen nach sieben Uhr die Stufen zu ihrem Büro hinaufstieg. Seit drei Wochen schon arbeitete sie jeden Tag bis zur Erschöpfung, um nur nicht an Barry denken zu müssen. Aber es hätte keiner Rosen bedurft, um die Erinnerung an ihn wachzurufen, denn sie hatte ihn keine Sekunde lang vergessen. Stöhnend ließ sich Tania auf ihrem Schreibtischstuhl nieder und zog die Papiere aus ihrer Aktentasche. Sie hatte sich immer noch nicht entschieden, ob sie noch eine Stunde arbeiten oder lieber nach Hause gehen sollte, als es an der Haustür klingelte. Da sie so spät niemanden so einfach ins Haus lassen wollte, lief sie rasch die Treppe hinunter und machte selbst auf. Insgeheim hatte sie erwartet, irgendeine nervöse Braut vor der Tür zu erblicken, aber statt dessen standen dort zwei Männer in Kellneruniform, die große Silbertabletts trugen. „Was soll das denn sein?“ fragte Tania überrascht. „Sind wir hier richtig bei Tania Marlowe?“ fragte einer der Männer und sah auf die Adresskarte in seiner Hand. „Allerdings“, antwortete Tania noch immer verwirrt. Sie wunderte sich über den köstlichen Duft, der plötzlich durch die Tür in den Korridor wehte. „Dann ist das hier für Sie. Können wir bitte hineinkommen, bevor alles kalt wird?“ „Aber ich verstehe kein Wort. Ich habe nichts bestellt.“ „Wir haben einen Brief bei uns, der Ihnen sicher alles erklären wird“, unterbrach sie der Kellner. „Und jetzt würden wir wirklich gern hereinkommen und unsere Tabletts absetzen.“ Widerstrebend öffnete Tania die Tür und begleitete die beiden Kellner nach oben. Mit ungläubigem Erstaunen sah sie, was Sekunden später unter den silbernen Hauben der Tabletts zum Vorschein kam: ein Drei-Gänge-Menü, bestehend aus Wild mit Reis, erlesenen Gemüsen, verschiedenen Käsesorten, feinstem Dessert und einer Flasche hervorragenden Weißweins. „Und hier ist der Brief,“ sagte einer der beiden jungen Männer und übergab ihr einen Umschlag. „Der Herr hat uns extra eingeschärft, ihn erst dann abzugeben, wenn alles für Sie bereitsteht.“ „Vielen Dank“, stammelte Tania, noch immer fassungslos. „Was bin ich Ihnen schuldig?“ „Nichts. Der Herr hat sich schon selbst um alles gekümmert. Lassen Sie die Tabletts einfach hier stehen. Sie werden morgen früh abgeholt werden.“ Noch Minuten, nachdem sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, stand Tania bewegungslos mit dem Umschlag in der Hand vor ihrem Tisch. Natürlich war nicht schwer zu erraten, daß all das von Barry kam. Sie konnte sich nur nicht vorstellen, weshalb er das tat. Derart romantische Ideen paßten einfach nicht zu
ihm. Langsam faltete sie den Brief auseinander, fast, als fürchtete sie sich, ihn zu lesen. „Liebe Tania, man sagt, daß die Liebe durch den Magen geht. Ich hoffe, daß das nicht nur für Männer, sondern auch für Dich zutrifft. Barry.“ Lächelnd sah Tania abwechselnd auf die Zeilen und das Essen, das vor ihr stand. Barry war offensichtlich wild entschlossen, sein Ziel zu erreichen. Aber es würde mehr als eines Drei-Gänge-Menüs bedürfen, um ihre Entscheidungen zu ändern. Tania ließ es sich schmecken, so gut es ohne Barrys Gesellschaft ging. Sie vermißte seine Gegenwart, sein Lächeln, den Blick aus seinen braunen Augen. Seufzend lehnte sie sich schließlich zurück und versuchte, sich seinen Anblick ganz fest vorzustellen. Das war immerhin besser als gar nichts. Am nächsten Tag ging es erst richtig los. Über eine Woche lang konnte sich Tania vor romantischen Überraschungen und Geschenken kaum retten. Ständig wurden Päckchen mit Süßigkeiten, Blumensträuße mit kleinen Gedichten, Champagner und sogar ein gesungenes Telegramm bei ihr abgegeben. Liz hielt sich erstaunlicherweise mit ihren Bemerkungen zurück. Jedesmal, wenn ein neues Präsent eintraf, lächelte sie nur still in sich hinein. Tania wußte überhaupt nicht, wie sie reagieren sollte. Sie war sich nicht sicher, ob Barry sich nur ein wenig über sie lustig machte oder ob er wirklich versuchte, seine Zuneigung auf diese Art und Weise zu zeigen. Weder traf sie ihn, noch sprach sie mit ihm. Seltsamerweise war er auch nicht einmal im Hausflur anzutreffen. Liz behauptete, daß selbst seine Sekretärin zuweilen nicht wisse, wo er sich aufhielte. Lediglich die Anzahl von Einrittskarten zu Baseballspielen auf seinem Schreibtisch ließ Vermutungen über seinen Aufenthaltsort zu. Die größte Überraschung für Tania ereignete sich am Freitagnachmittag, als sie gerade ihren letzten Kunden verabschiedet hatte. Vor der Tür stand ein eleganter Herr im Frack mit einem Silbertablett, auf dem ein weißer Umschlag lag. Adressiert war er an Tania Marlowe persönlich. Unter den neugierigen Augen von Liz und ihrer Kundin, die noch an der Treppe stand, las Tania die außergewöhnliche Nachricht. Als sie Liz wortlos den Brief überreichte, hatten sich ihre Augen mit Tränen gefüllt. „Liebe Tania, ich liebe Dich über alles in der Welt. Willst Du mich heiraten? In Liebe, Barry.“ Liz hatte den Brief vorgelesen. Jetzt reichte sie ihn wortlos an Tania zurück. „Oh, wie romantisch“, hauchte die junge Braut. „Das ist wirklich wunderschön.“ Tania konnte kein Wort hervorbringen. Sie war vollkommen verwirrt. „Sie hat recht“, stimmte Liz zu. „Du könntest dir keinen romantischeren Heiratsantrag wünschen. Also was stehst du so wortlos da? Ist irgend etwas nicht in Ordnung?“ „Ich weiß nicht genau“, erwiderte Tania mit zitternder Stimme. „Ich hatte so sehr darauf gehofft, und trotzdem…“ Sie brach mitten im Satz ab, griff nach ihrer Tasche und verließ fluchtartig das Büro. Liz und ihre Kundin sahen ihr verblüfft nach. Nachdem Tania zur Tür hinausgestürzt war, begann sie ziellos durch die Straßen zu gehen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie müßte sich freuen. Die Art, wie er in der vergangenen Woche um sie geworben hatte, war mehr, als sie jemals
verlangt hätte. Und trotzdem fehlte irgend etwas. Und erst als sie durch die halbe Stadt gewandert war, begriff Tania, was es war. Und sie brauchte den ganzen Rückweg, bis sie sich darüber im Klaren war, wie sie handeln sollte. Als Tania das Sportstadion betrat, war das Spiel bereits in vollem Gang. Sie wußte genau, wo sie Barry finden würde, und ging zielstrebig auf die Sitzreihe zu. Als die Fans vor ihr bei einem geglückten Wurf vor Freude in die Höhe sprangen, war ihr einen Augenblick die Sicht genommen, und sie hatte plötzlich Angst, er könnte nicht da sein. Aber dann sah sie ihn zwischen den anderen Zuschauern. Er trug eine Baseballmütze, hatte ein altes Sweatshirt und Jeans an und war allein. Tania wartete, bis sich die Menschen wieder beruhigt hatten, und zwängte sich dann auf den Platz neben ihn. „Ist der Platz frei?“ erkundigte sie sich beiläufig, während er sie ungläubig ansah. „Das kommt darauf an“, sagte er. „Ich warte auf meine Verlobte.“ „Naja, vielleicht kann ich solange hier sitzen, bis sie kommt.“ Er wandte seinen Blick wieder dem Spiel zu. „Ich habe keine Lust zu solchen Spielchen, Tania“, erklärte er schließlich. Seine Stimme klang bitter. „Ich auch nicht“, bemerkte Tania, „deswegen bin ich auch hier. Ich möchte dich bitten, mir keine weiteren Geschenke mehr zu schicken. Keine Blumen, keine Süßigkeiten und sonst auch nichts.“ „Ich dachte, daß es das ist, was du möchtest“, stieß Barry grimmig hervor. „Aber diesmal hat es wohl mit der Romantik nicht geklappt?“ „Ach, das ist es also? Die Romantik ist nichts anderes als Masche?“ „Du weißt genau, daß das nicht stimmt. Ich liebe dich“, sagte er jetzt fast böse. „Ich will dich heiraten. Ich weiß zwar nicht, wie sich eine Ehe zwischen uns entwickeln würde, aber ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens damit zu verbringen, darüber nachzudenken, was gewesen sein könnte, wenn ich nur mehr Mut gehabt hätte. Deswegen habe ich dir all diese Geschenke gemacht. Ich dachte, daß du es dir dann vielleicht anders überlegen würdest.“ „Aber weshalb denn?“ gab Tania sanft zurück. „Was soll ich mir denn anders überlegen? Ich liebe dich doch auch. Und ich habe erkannt, daß mir alle Romantik und alle Geschenke der Welt nichts nützen, wenn du nicht bei mir bist. Es geht mir doch nicht um romantische Ideen und Präsente, sondern um Liebe. Um die Liebe zwischen zwei Menschen, die ein ganzes Leben lang halten soll. Ich möchte dich sehr gern heiraten, aber erst dann, wenn du genauso empfindest wie ich. Wenn du dasselbe möchtest wie ich.“ Bittend sah sie ihn an. „Ich möchte dasselbe wie du. Ich gebe zu, daß ich immer noch Angst vor dem Gedanken habe, aber tief in meinem Innern weiß ich, daß es so richtig ist. Die vergangenen Wochen ohne dich waren furchtbar. Ich hatte das Gefühl, daß mein Leben vollkommen sinnlos ist. Ich weiß, daß ich dich, deinen Optimismus und deine verrückten, romantischen Ideen nicht verlieren will. Was immer du willst, will ich auch.“ „Mir geht es genauso“, antwortete Tania leise. „Ich brauche dich, nicht all die Blumen und die anderen Dinge. Ich möchte nur mit dir zusammen sein, egal, ob es beim Baseballspiel ist oder woanders.“ Barry grinste. „Willst du etwa damit sagen, daß du in Zukunft mit mir zu allen Baseballspielen, Fußballspielen, Basketballspielen…“ „Treib es nicht zu weit“, warnte Tania ihn lachend. Und da nahm er sie in seine Arme und küßte sie. Applaus brandete um sie herum auf, und sie trennten sich atemlos voneinander. „Wir werden heiraten!“ rief Barry begeistert in die Menge. „Das wissen wir
schon“, rief ein Zuschauer zurück und zeigte auf die große Anzeigentafel über dem Spielfeld. „Meine Antwort lautet „Ja“, Barry.“ Das war dort zu lesen. „Das kann doch nicht wahr sein“, stöhnte Barry und drückte Tania fest an sich. „Das hast du organisiert?“ „Natürlich. Ich wollte mich schon immer einmal mitten in einem Baseballspiel verloben.“ „Ich liebe dich, Tania. Und jetzt laß uns hier verschwinden.“ Lachend zog er sie hinter sich her durch die Menge, auf den stillen Parkplatz hinaus, wo sie beide allein waren. Diesen Platz, übersät mit Zigarettenstummeln und leeren Bierdosen, hätte Tania in diesem Moment gegen keinen noch so romantischen Ort auf der Erde eintauschen mögen. Die Welt schien um sie herum zu versinken. Es gab nur noch Barry, den sie liebte und der sie ebenso liebte. - ENDE -