Hermann Knüfken
Uon Kiel bis Leningrad
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sind die Genossen Piraten I Band
l*ermann Knüfken
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Hermann Knüfken
Uon Kiel bis Leningrad
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sind die Genossen Piraten I Band
l*ermann Knüfken
1
ffon Kiel bis Leningrad Frinnerungen eines revolutionären Matrosen Tg17
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1930
ir,Å{it Dokumenten, 80 Fotos und Faksimiles ,,,F{erausgegeben von Andreas }Iansen ii",
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Ztsammenarbeit mit Dieter Nelles
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iversitätsbi bl iothek Wu ppertal
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BASISDRUCK
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Ðieser Band erscheint mit freundlicher lJnterstützune durch:
lnhaltsverzeichnis
Elans Böckler Stiftung, Düsseldorf
Gerda-und-Hermann-Weber Stiftung, Berlin Hermann-Weber Stiftung, Mannheim
Vorbemerkung HERMANN KNÜFKEN
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Von Kiel bis Leningrad Er'inn erøng ø n e in e s r e v o lwti
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M øtr o s e n
In der Marine-Arrestanstalt . 9 | Vermessungsarbeiten in derNord- und Ostsee. t4 lDesertionnach Dänemark'221 Rückkehr nach Kiel . 29 | Zweiter Fluchtversuch ' 34 |
Verhöre . 38 | KielerMatrosenaufstand 1918 . ó5 | Im Baltikum I9t9 . 76 | Die Schiffsentführung . 83 | l. Mai 1920 in
Murmansk. 102 | Petrograd. I09 | Komintern-VerhandIungen in Moskau . lLS I Diskussion mit Lenin . I20 | Die
Kongreßdelegierten. I25 | Zwischen Murmansk, Petrograd und Moskau . I30 | Als Komintern-Kurier ' I39 | Vertraftung und Prozeß . I52 | Gefängnisjahre in Fuhlsbüttel . 170 | Hungerstreiks . I82 | Rückkehr in die UdSSR . 207 | Leiter des Leningrader Interklub . 2I3 Ilafenstreiks . 229 I Revolutionsfeiern 1927 . 240 I Angriffe der OGPU .249 |
266 Die Wnutrennaja Tjutma Døs Geheirnd.ienstgefdngn'is d'er Løbj ønhø :'1..),
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&æåsÐruck Verlag, Berlin 2008
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alssdrúcküche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet,
Wryodas Teite daraus auf fotomechanischem ø& @øeæiscbem Wege zu vervielf,áltigen. W;w**ry2¡ed Sez: Eckhardt Natorp,
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(Fotokopie, Mikrokopie)
Möller ea*Aæg: FuldaerVerlagsanstalt GmbH & Co KG, Fulda
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Die Gefängnisse der OGPU . 266lIn der Butyrka ' 27I Einlieferung in die Lubjanka.273 | Zur Geschichte der Lubjanka . 280 | Die ersten drei Wochen ' 283 | Verhöre . 288 | In der Sammelzelle der Wnutrennaja ' 29.8 Na dopróss - Zumletzten Verhör . 3Ì3
Renate
|
BEITAGEN
Dokumente 1931 bis 1945
3r9 Aus der Kaderakte der Komintern 324 ITF-Dokumente
Uorbemerkung
339 Aus den Akten der Gestapo I In schwedischer Haft 348 Ilermann Knüfken: Und was nunl Erinnerungen an Hermann Knüfken Sonja Knüfken: I{ermann Knüfken 358 Ingeborg Carsten: Meine Bekanntschaft mit
ó Ðat
Heimann Knüfken 363 Erika Thölke: Erinerungen an Onkel llermann 367 Ansprache zum Tod von llermann Knüfken AiIHANG
37r Anmerkungen 396 Nachwort Dieter Nelles: ,,Nicht betteln, nicht bitten" Das abenteuerliche Leben des llermann Knüfken 423 Chronik llermann Knüfken 433 Zur Edition
435 Abkürzungsverzeichnis 44ß Abbildungsverzeichnis 443 Kommentiertes Personenreqister
Die Erinnerun gen llermann Knüfl<ens sind ein Treib gut der Revo lutionsgeschichte. Sie erscheinen erstietzt, obwohl sie bereits vor über fünfzig Jahren als Buchmanuskript verfaßt wurden. Wo sie ursprünglich veröffentlicht werden sollten, ob in Deutschland oder in Knüfl<ens Wahlheimat England, und was die Veröffendichung zu Lebzeiten Knüfkens verhinderte) ist nicht mehr zu kldren. Etwas deutlicherwird das Bild der Bemùhungen für die |ahre nach seinem Tod. Hier scheint es, daß eine Verkettung von unterschiedlichen
Vorstellungen ìnd der Mangel an Gelegenheiten den Abdruck blockiert haben. Tatsache aber ist auch, daß seit den 90er Jahren Kopien der Aufzeichnungen in interessierten Kreisen kursierten und Teile von Kniifl<ens Erinnerungen in einigen Publikationen bereits verwendet wurden. Ebenso wie über die Gründe für diese jahrzehntelange Verzögerung der Veröffendichung \4qn man über das Motiv nur spekulieren, das Kntifken veranlaßt hat, diese Erinnerungetr zLL schreiben. Sicher ist, daß Knüfl<en gewohnt war über sein Leben Auskunft zu geben, wurde er doch aufgrund seiner politischen Biographie seit I9I7 immer wieder abgeftagt, meist unter dem Druck polizeilicher Verhöre. Aus dieser Situation des Reflektierens und Protokollierens heraus hat Knüfl<en schließlichwährend seines unfreiwilligen Aufenthalts in Schweden ( I 9 39 - 1944 ) begonnen, noch unsystematisch und der Spezialperspektive der Vernehmer geschuldet, Details und Episoden zt einzelnen Begebenheiten oder Personen aufzuschreiben. Frir die Flerausgabe der Memoiren war es aufgrund dieser Vorgeschichte wichtig, Hermann Knùfl<en endlich selbst zu Wort kommen zu lassen und nicht postum eine Biographie über ihn auf der Basis seiner Erinnerungen und anderer Dokumente zu verfassen.
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Daher steht Knüfkens Manuskript im Mittelpunkt dieses Buchs. Derüberlieferte Text erscheint ungekürzt und ist mitAbbildungen und historischen Anmerkungen versehen. Da die Aufzeichnungen im Iahr 1930 enden, wurden in den Anhang eine Chronik, Briefe, amtliche und persönliche Berichte sowie ein Nachwort gestellt, die Âuskunft geben über die weiteren Stationen seines Lebens.
Danksagung Elerausgeber und Verlag danken Dr. Ingeborg Carsren, Erika Thölke, Erna Langendorf und Staffan Lamm für ihre freundliche lJnterstützung, Cornelia Köster für die Übersetzungen aus dem Englischen und Russirchen, Stefan Hermes für seine verläßliche Mitarbeit sowie Dr. Gesine Bey; Dr. Wladislaw He deler, Dieter Kokot und Dmitrij Kostjenko für sachüche Ilinweise.
,t¡¡4erdem gilt der Dank für Bildmaterialien und andere Quellen: Arthur **nre, nita Kleen, Dr. ]ürgen Kleen, Erika und l{orst Kntifken, Renare ggd'Walter Kntifken, Ingrid Lattermann, Wilma Prahm, Dr. Roman Ritt@þr, I{ais-Dieter Schneider und Tarmo Vahter. Ðei,überhinaus danken wir einer Reihe von Institutionen, besonders Flerrn @æ¡Ttrees und den Mitarbeitern d,es Stadtarchivs Cuxhaven, dem Stadtaldås¡:BíisseldorÇ dem Einwohnermedeamt und der Heiligen- Geist- Ge@@KieL den Staatsarchiven von Bremen und Hamburg, dem Archiv der qie der Künste und dem Bundesarchiv Berlin, dem Internationalen $ [wÈn¡¡ ffi¡ Sozialgeschichte in Amsterdam, dem schwedischen Riksarkiv ..,-æ$¿ry*fq¡o sowie für die Bereitstellung der Dokumente den.{rchiven:
...-.W:"e,Fúiv der sozialen Demokratie der
Friedrich-Ebert-Stiftung,
¡-,¡1*ødÉein-Westfälisches llauptstaatsarchiv, Düsseldorf; Records Centre , University of Warwik; - Rossijskij Zentr Chranenija i Isutschenija Dokumentow &{oskau (Russisches Zentrum zur Aufbewahrung und Ð@æsqente der Neuesten Geschichte).
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Hermann Knüfken
Uon Kiel bis Leningrad
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IQel L9I7 /]^B. - Da saß ich nun in der alten Marine-Arrestanstalt lJntersuchungsgefangener des Feldkriegsgerichts der I. MarineInspektion und hatte Zeit, mrch mit mir selbst zu beschäftigen. Zeit bedeutet sehr viel, damals wußte ich das noch nicht, lernte es jedoch verstehen, je mehr die Tage, Wochen und Monate veçginals
gen. Zuerst sah ich meine Lage als vollkommen aussichtslos an. Der lkiegsgerichtsrat, der die lJntersuchung gegen mich führte, Dr. Rittweger, ein übrigens sehr freundlicher Flerr mit blondem Bart, sympathischem \Mesen und angenehmer Stimme, gab mir gleich bei den einleitenden Verhören zu verstehen, daß ,,der Sandhaufen auf mich warte".
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IN DER MARINE-ARRESTANSTALT
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IN DER MARIN E-ARRESTANSTALT
Wenn man nach fast vierzig Jahren anfángt, seine eigene Geschichte zu schreiben, erinnert man sich an die verschiedenen Episoden natürlich mit ein wenig Abgekltirtheit, man ist dlter geworden und hat eigentlich mit dem Vermessungsgast der Kaiserlichen Marine nicht mehr viel zu tun. Und doch begreife ich heute noch vollkommen den Ernst der Lage, in der ich mich damals befand. Ich befand mich in lJntersuchungshaft wegen: Fahnenflucht im Felde vor dem Feinde im l(omplott, Diebstahls kaiserlichen Eigentums, Beschädigung kaiserlichen Eigentums, Verbindung mit dem Feinde, um der eignen Kriegsmacht Schaden zuzufügen und dem Feinde Vorschub zu leisten.
-
In der Marine-Arrestanstalt war es ziemlich langweilig. Die Zellen hatten kein Licht. Die Matratzen und das Bettzeug wurden abends um ó Uhr hereingenommen und morgens riln ó Uh¡ wieder herausgegeben. Bücher oder Zeitungen gab es nicht. Mein Gesuch um Bücher und Zeitungen wurde prompt vom Festungsgouverneur abgelehnt. ,{us dem kleinen vergitterten Fenster konnte man nur ein kleines StLick Himmel sehen, soweit die verdreckten Scheiben und die Spinngewebe zwischen den Traljen es zuließen. Das Hinuntersehen "¡¿o¡n Fenster war ulmöglich gemacht durch den Blechkasten, der 'sor dem Fenster hing. Auf der Fensterseite lagen die Kasernen der I. Matrosen-Divisãoa, I. bis ó. Kompanie. In der I(aiserzeit waren die 1., 3. und ã- Kompanie die Stammkompanien für die kleinen Kreuzer und Paxzerkreuzer, die 2.,4. und ó. Kompanie frir die Linienschiffe. WsÊ.7- und 8. Kompanie lagen auf dem Mørs'tn der Wik. Einj2ihdge, Reserveoffizier-fupiranten in der 7. und Signalgäste in der &, E{*mpanie. Dazu kam noch auf dem Mørs die K.8.2., die ffifuere 9., die Vermessungskompanie, die der Nautischen AbteiWØ @ Reichsmarine-'tmtes unterstellt war.
,Aþb.llBlichøøf die l(ieler Mørinehøsernen (lin'hs)'
d.ie Gørnisioøshirche
(Mitte) wnd
døs: Mør'ineløzørett (re chts).
,{ufder anderen Seite
des Geflingnisses lag das Marinelazarett,
im
dritten und vierten IGiegsjahr Durchgangsstation für die Kriegsopfer der ,,Blauen Jungen", die von hier aus mit militárischen Efuen begraben wurden. Die immer wiederkehrende Musik (die einzige), fie ich so oft und fast regelmäßig in meiner Zelle hörte, war das .]esus, meine Zuversicht" der Divisionskapelle an der Spitze des
kichenzuges. Da hatte ich also auf der einen Seite meines Gefángnisses die Kasernen der I. M-D und das Drillen der Kriegsfreiwilligen und auf der anderen das Hospital Am Kopfende des Gefåtrgnisses, und mit ihm verbunden, lag
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IN DER MARINE-ARRESTANSTALT
Die Feldkriegsgerichte an der Front arbeiteten schnell und exakt, aber in der Marine hatten die Feldkriegsgerichte sehr viel Zeit. Die Kriegsgerichtsräte, die die lJntersuchungen füfuten, hatten viel T,eittrnd besonders vrelZeit,wenn ihnen die lJntersuchung eines wirklich seriösen Falles ùbertragen wurde. Bei der zweiten Vorftihrung teilte rnir der Kriegsgerichtsrat mit, daß das Verfahren gegen mich in zrvei Haupwerhandlungen gefülut werden würde . Die erste wegen Fahnenflucht, begangen am 24. ldal L9L7, und der damit in ursächlichem Zusammenhang stehenden Verbrechen. Die zweite Hauptverhandlung wegen Landesverrats wúrde später nach durchgefüh¡ter lJntersuchung vor sich gehen. Á*bb.2 | Herrnønn I(nüfkeø (hniend' rechts) fui Wilhelwshøpen.
I9l4/15
bei d.er
II.
Møtrosen-Dipision
IN DER MARINE-ARRESTANSTALT
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Da die Vorführungeî z.sr Vernehmung innerhalb zwei verbundener Gebäude vor sich gingen und es wenig Fluchtmöglichkeiten gab, bestand die Begleitung mrr aus zwei Matrosen mit gezogenem Seitengewehr. Diese wurden von der Gefiingniswache gestellt. Die Geflingniswache wiederum war zusammengestellt vom MarineBataillon Kiet. Das Marine-Bataillon war im Kriege aufgestellt worden. Seine Mannschaft setzte sich zusalnmen aus Matrosen, die an der Flandern-Front in den Matrosen-Regimentern verwundet und nun nicht mehr felddiensdähig waren. IJnter ihnen befanden sich auch viele, die an Bord verwundet wurden und nicht mehr an Bord geschickt werden konnten. Politisch gesehen, war das Bataillon ziemlich durchsetzt mit aktiven Kriegsgegnern, die den Ifuieg als verloren ansahen und stark beeinflußt waren von einer kleinen Gruppe Spartakisten, die 'threr Zersetzungsarbeit ziemlich sicher fühlte. sich in Aufjeden Fall hatte ich schon bald Gelegenheit festzustellen, daß ich zwischen den Maffosen des Marine-Bataillons Freunde hatte. Da ich in meiner Zelle allein war, keine Arbeit und nichts zu lesen hatte, blieb mir viel Zeit, über meine Lage nachzudenken' Eine ziemlich unproduktive Angelegenheit, schon einfach deshalb, weil man eigentlich an dem, was war) doch nichts ändern kann. A-lles kam nur und ausschließlich darauf an, daß der Krieg so schnell
wie möglich verloren wurde. Das war die einzige Chance, die mir blieb' Der Aufenthalt im Gefångnis, die Isolierung, der ewige FIunger, wenn man niemals satt wir d (19 L7 und' I B waren richtige Hungerjuht.), all das schadete mir nicht. Ich konnte das ertragen.
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VERMESSUNGSARBEITEN IN DER NORD. UND OSTSEE
IIier nun
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VERMESSUNGSARBEITEN IN DER NORD- UND OSTSEE
erst mal die Geschichte:
Der Krieg brachte mich nach Wilhelmshaven in die 3 . Kompanie der II. M-D. Wir waren in der Kompanie in der Mehrzahl Berußseeleute und eigentlich vorgesehen, nach der Infanterieausbildung von unserer Stammkompanie auf die Panzerkreuzer der ,,Schnellen Division"
oder die kleinen Kreuzer verteilt zu werden. Dem entging ich nur dadurch, daß eines Tages der Designierungs-Feldwebel Leute suchte, die Berußseeleute waren und bereit, die Vermessungslaufbahn einzuschlagen. Ich meldete mich. und da von der Kieler und der Wilhelmshavener Division im ganzen n:ur zwanzig Mann gesucht wurden, hatten wir vorher eine Prüfung zu bestehen. Ich war so glücklich, zwischen den zvvanzig Ausgesiebten zu sein. Wir machten dann einenVermessungskursus in Kiel-Wik durch, und nach Absolvierung stellten wir das alte Kanonenboot S.M.S. Hytine als Vermessungsschiff in Dienst.
Wir hatten l2fMannBesatzung. Die Bewaffnung
bestand aus
einer 5 cm S.K. auf der Back, einer Revolverkanone auf der Poop waren da noch etwa zwanzig Gewehre, r:nd einem MG. '{ußerdem gebraucht wurden, wenn im Hafen der ,,Posten die eigentlich nur vor dem Schiff' aufziehen mußte. Die Vermessungsarbeiten in der Deutschen Bucht wurden vom Schiff aus gemacht. Später, in der Ostsee, blieb das Schiff im
Hafen und zwei oder drei Bootsgruppen (Motorboote) fuhren rnorgens ins Vermessungsgebiet und kehrten abends zurück. Manchmal waren die Bootsgruppen selbständig für Tage und selbstWochen. Jede Vermessungsgruppe bestand aus d¡ei Winkelmessern, zwei Lotern, einem Anschreiber, dem Zeichner, Vermessungssteurer unddemVermessungsleiter. Dazu kamen je nach Größe des Bootes ain l{eizer r¡nd ein Maschinistenmaat.
Abb. 3lAnsichtshørte Hermønn l(nüfkenswnWrwessøngsørbeiten Bøcht in. Soørner 1916.
in
d.er
Deøtschen
Als junger Vermessungsgast hatte ich von Attfutrg an die Funkals Bootssteurer bekommen. Der Bootssteurer sollte eigentlich ein Vermessungsmaat (Unteroffizier) sein, da aber keiner von unseren Vermessungsmaaten weder mit dem Schiff noch mit dem Boot ei-ne gerade Vermessungslinie fahren konnte, wurde ich schon
tion
gleich bei Beginn der Vermessungsarbeiten in der Nordsee ans Ruder geholt, und da ich gerade Linien fuhr, behielt ich diese Funktion; nur mit der Ausnahme von einem gelegentlichen Kontrollwinkel, der meistens gemessen wurde, wenn wir auf die nächste Vermessungslinie übergingen. Der Vermessungsleiter übernaþm dann für einen Augenblick das Ruder, bis der Winkel abgelesen wurde. Eine interessante Arbeit ohne all den militárischen Firlefanz. den die Deutschen sonst so sehr lieben. ZaBegþn waren wir vier Mann in der ganzen Besatzung, die Kriegsgegner waren, keine Pazifrsten! In unseÍen Wäschespinden
VERMESSUNGSARBEITEN IN DER NORD- UND OSTSET
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VERMESSUNGSARBEITEN IN DER NORD- UND OSTSEE
Von Januar 1916 an beherrschten wir
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Bord soweit, und anl¿ißlich des Geburtstages der Kommandant das ribliche Hoch auf den Obersten Kriegsherrn ausbrachte, nur die lJnteroffiziere hurra schrien. An Zeitungen bezogen wir: die Weh ørw Montø,øvor't Hellmuth Gerlach und die Leipziger Volhszeitwng. Gelegendich hatten wir durch Verbindungen Abscfuiften illegaler Flugschriften von der Spartakusgruppe, den Linken Kommunisten oder der Gruppe Internationale. Alle, die an der Niederlage arbeiteten) waren uns gleich lieb und willkommen. Wir beschränkten uns nicht auf Diskussionen. Wenn wir in offenem Seegebiet arbeiteten und die Möglichkeit bestand, auf eine feindliche Einheit zu stoßen, hatten wir Vorsorge getroffen, daß daß am
Abb.4 | Herrnønn Knüfken (Mitte) øn seineø Brød.er Heiørich: ,Herzliche Grù$e s¡tdet Dir Herøønn. Mir geht's noch gat; wie Du øøch øøf dern Bild sehn hønnst. Wir øørengerød.e bei der Red'e d.es Genossen Bernstein øngehorntnen, øls wir photo' &røpjriørt et4fd.en
.K
&qd rryan von Kropotkin bis Marx, von Bakunin bis Bebel, von Þeøcstein bis Liebknecht Literatur, die bekanntlich vor der Meute,& &9\7 nicht verboten war. Bei der Nennung dieser Literatur @A absichtlich Anarchisten und Sozialdemokfaten zusamlw*;rcht"um zu zeigeî) daß wfu keine Parteifanatiker waren. qraren wir uns einig in einer wichtigen Frage : Wie kann kendet werdenì Wørt darauf war: durch Zersetztng der Wehrmacht. ., gearbeitet. Und wir ließen uns durch nichts stören. darf dea Krieg nicht gewinnen, das war im großen Farole
:
.
27.lanuar,
d-ie Lage an
als die Besatzung an Deck angetreten war
von unserem Geschütz kein Gebrauch gemachtwerden konnte. Das Geschütz war natürlich in Ordnung und die Munition gemannt. Als l9ló die Ermordung des österreichischen Ministers SniLrgkh an Bord bekanntgegeben wurde, kam es im Zwischendeck zu einer eindeutigen Demonstration fürFritzAdler. Wann immer dazu Gelegenheit war, nahmen wir an Zusammenkünften mit Delegierten
von anderen Einheiten der Flotte teil. Aus den Gewehren im Deckhaus wurden die Schlösser herausgenommen und über Bord geworfen. Als die Ernäfuung schlechter r:nd schlechterwurde, als die getrocknete Kohlrübe in Erscheinung
trat, gingen wir dazu über, im Kieler FIafen, als wir an der Boje lagen, auf einmal nachts zwanzigSäcke voll von diesen ,,Drahtverhauen" über Bord zu hieven. Als es Tag wurde, lag S.M.S. HyQne in einem Saragossa-Meer von Kohlrüben. Die Kartoffelkiste auf dem Bootsdeck wurde fast regelmäßig aufgebrochen, die Kartoffeln wurden in einer Pütz unter dem Steamrohr gekocht und nach ,,Pfeifen und Lunten aus" im Zwischendeck unter den Hängematten gegessen. Gestohlen wurde alles, was gegessen werden konnte.
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VERMESSUNGSARBEITEN IN DER NORD- UND OSTSEE
Im Sommer 1916 wurde den Bootsgruppen die tägiiche Speckzulage entzogen. Das Schiff lag in Stralsund, und die Bootsverrnessungsgruppen arbeiteten an der Küste der Insel Rügen. Die Vermessungsgruppen meldeten sich aber sofort krank. Nach einer Woche ließ mich der Kommandant kommen und frug, ob die Vermessungsarbeit fortgesetzt würde, wenn wir die Speckration zurückerhielten. Wir bekamen den Speck, und die Vermessung wurde fortgesetzt. Wenn wir nicht mit den Bootsgruppen vom Schiff weg waren, hatte ich zum Rapport beim Kommandanten anzutreten. Gewöhnlich war ich zum Rapport gemeldet von irgendeinem Unteroffizier wegen Nichtgrüßens, Gehorsamsverweigerung, Abhaltung von Gruppenversammlungen nach ,,Ruhe im Schiff'. Oder der Zahlmeister stellte mich zum Rapport wegen einer Auseinandersetzung betrefß der Absendung von Zeitungsgeldern. Der Zahlmeister glaubte mich einschüchtern zu können und weigerte sich, das Geld an politisch unangenehme Zeintngen abzusenden. Er erwartete, daß der Kommandant mich bestrafen würde wegen Achtungsverletzung u.s.w.
I.
Offrzier, zu dem die Rapportmeldungen gingen, war ein äußerst unsympathischer Bursche. Er haßte mich wie die Pest. Aber die Bestrafungen überließ er dem l(ommandanten. Beim Rapport auf dem Achterdeck waren dann der I. O., der Wachtmeister, der wachhabende Deckoffizier und der Zahlmeister und selbswerstärndlich auch ich angeúeten. Dann kam der Kommandant. Der L O. meldete, und der ZaJ'ú.meister rapportierte, beschuldigte mich der Achtungsverl etzung, Gehorsamsverweigerung u. s.w. Der Kommandant hörte sich das alles an, Iieß sich vom I. O. i¡fürmieren über meine übrigen Sùnden und wandte sich dann an mich: .Haben Sie etwas dazu zu sagenl"
Der
. Beim Kommandanten bediente ich mich aller seemännischen I{orrektheit, verneinte die vorgebrachten Beschuldigungen und
VERMESSUNGSARBEITEN IN DER NORD- UND OSTSEE
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Abb. 5 l Wrwessøngsgøst Ilerrnønn Knäfken ørn 1916fl7.
schloß damit, daß ich betonte, daß der Oberste Kriegsherr bei Kriegsausbruch erklárt habe, daß er keine Parteien kenne.Die Zeitungen seien herausgegeben von politischen Parteien, unterlägen der Zensur und-seien nicht verboten. Der Zahlmeister auf jedem Schiff in der Flotte erledigt Post-Geldsendungen, und ich müßte darauf bestehen, daß meine Geldsendungen vom Zahlmeister angenommen und per Feldpost abgesandt würden, solange nicht ein gegensätzlicher Befehl für die Flotte bekanntgegeben wrirde. Der Kommandant gab mir wie gewöhnlich eine neue Verwarnung und ließ dann abtreten. Im großen und ganzen war er ein angenehmer Typ, man hette iln von der Reserve wieder einberufen, und erwar zufrieden, wenn sein Schiff das gestellte Programm der Vermessungsarbeiten in der gestelltenZeit durchführte. Außerdem hatte er Beziehungen. Freundschaft oder Verwandtschaft verband ihn mit dem Admiral von Trot-Ìra. Ich habe ihn immer in Verdacht gehabt, ein klein wenig pro Englisch zu sein.
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VERMESSUNGSARBEITEN IN DER NORD- UND OSTSEE
Die einzige Bestrafung, die er mir aufdonnerte, waren zehn in Stunden Strafexerzieren, die er nach zwei Stunden umänderte ,rMit der F{ängematte an Deck stehen"' in Das war 1916 nach der Skagerrak-Schlacht' Die Stimmung Gruppen den der Flotte ïvaï so schlecht wie nie z'Jvor. Zwischen der aktiven Elemente in der eigentlichen Hochseeflotte, vor allen
Dingenimlll.GeschwaderundaufdenKreuzern,setztesich immlr mehr der Gedanke durch, den bereits verlorenen Krieg durch offenen Widerstand zu beenden'
'Nach Beendigung der Vermessungen vor Swinemünde und an der Rügen-Ktiste begannen wir mit der Vermessung der HelaBucht. Das Schiff lag in Neufahrwasser, und die Vermessungskamen am Abend zurück zum Schiff' -gruppenneue Linienschtff Bøyern kam von Danzig, wo es gebaut d; war, nach Neufafuwasser und blieb an den Pfählen oberhalb Neufah¡wassers liegen. Manwartete hier aufeine starke Zerstörersichenrng gegen U-Boote. Die Bøyernund später dte Bød'enwaren die *oã.rrrtt"tt und stärksten Großkampßchiffe, die von deutschen Werften für die Flotte gebaut waren. Die Besatzung der Bøyern leitete die Indienststellung mit einer Plünderung der Proviantlast ein. Die Disziplin auf allen Schiffen der Hochseeflotte war stark gelockert. Revolutiondre Außchriften und Flugzettel wurden in áen Batteriedecks und Zwischendecks'angeklebt, entfernt und wieder angeklebt. Elektrische Kabel wurden durchschnitten, und es kam auf einer gaîzeî Reihe von schiffen zu widersetzlichkeiten.
,Um den Geist in der Flotte wieder zu heben, wurde der soget}annre Vaterländ.ische Unterricht in den Flickstunden eingeführt' Damit machte man sich lächerlich, da man nicht die Art von Seeoffizieren hatte, die so etwas hätten durchführen können'
'
-u{ls manvom zweiten Kriegsiahr an die Zeichnung der Kriegsanleihenin der Flotre propagierte (wir sollten einen Teil des Kleider-
gedËs zeichnen!), war
z'8.
auf unserem Schiff der
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O' so dumm
VERMESSUNGSARBEITEN IN DER NORD- UND OSTSEE
2T
zu fragen, ob irgend jemand an der Sicherheit der Kriegsanleihen rwelfle.Als sich ein allgemeines Gemurmel erhob, sagte der I. O.: ,,Wer gegen die Zeichnung der Anleihe ist, soll vortreten und das begninden, jeder kann frei sprechen." Meine Kameraden schoben mich vor, und ich versuchte damals, die Unmöglichkeit eines deutschen Sieges a.ufn::zeigen, und als der l.O. die Siege an den verschiedenen Landfronten aufzeigte und zum Schluß sagte: ,,Die deutschen Truppen werden in einigen Tage in Bukarest sein", entgegnete ich: ,,Die Franzosen und Englåinder werden füiher am Rhein sein." Das war natrirlich zu viel gesagt, und außerdem waren die Deutschen zwei Wochen später in Bukarest. Aber das Resultat war, daß außer den Unteroffizieren bei uns an Bord fast keiner zeichnete. Im kaiserlichen Deutschland galten Gesetze. Trotz der unsin-
nigen Kriegspolitik, rotz Militarismus und ,,Deutschland über alles" gab es) wenn auch stark eingeschränkt, Rechte der persönlichen Freiheit, die eingehalten wurden. Im Bereich dieser engbemessenen Freiheit operierten wir. Im Winter l9tó kam unser Schiff nach Kiel zurück und ging in die Werft. Wäfuend der Werftliegezeit wurde die Verbindung zu anderen Schifßbesatzungen aufgenommen und gleichzeitig eine Reihe von Besprechungen mit radikalen Elementen in der Werftbelegschaft durchgeführt. Auf der Werft arbeiteten während der letzten Kriegsjahre viele russische Kriegsgefangene. Diese wurden bewacht durch dltere Landstürmer von der Armee. Die Landstürmer schienen ihre Freude daran zu haben, diese armen russischen Kriegsgefangençn zu drangsalieren. IJm den Gefangenen, die sehr wenig zu essen bekamen, ein wenig zu helfen, organisierten wir eine besondere Aktion. Obwohl wir selbst immer hungrig waren) konnten wir durch besondere Maßnahmen, die mit dem Verkauf von Kupfer-
röhren (aus Werftbeständen) zu tun hatten, für eine ganze Zeit Brot besorgen und die russischen Gefangenen damitversehen. Den
DESERTION NACH DÄNEMARK
22
Landstti¡mern, die die Russen bewachten, jagten wir gleichzeitig die Furcht Gottes ein und erreichten dadurch, daß es in Zukunft ein wenig besser wurde. Als wir mit dem Schiff die Werft verließen, übernahmen andere Schiffe die Kontrolle über Landsttirmer und Russen. Was in den Kriegsjahren in der Flotte und anderswo gestohlen
wurde, ist unbeschreiblich. Mir fällt da die Geschichte ein, wo Seeleute nachts das ÖI aus den Druckzylindern der Geschütze auf Helgoland abzapften und in leeren Bierfissern nach Wilhelmshaven schafften und dort verkauften. Gewerkschaftshaus kamen in dieser Zeit Grupp-en von Matrosen von allen möglichen Einheiten zusalnmen) um die Lage in der Flotte zu besprechen oder zu den Ereignissen an der Front und in der Heimat Stellung zu nehmen. Mancher Plan wurde hier
Im Kieler
23
von dem Vorhaben wußten. Was wi¡ damals nicht wußten, weil wir zu jung und dumm waren, nämlich daß zr¡¿ischen 19 Mann immer ein IJnzuverlässiger ist, wurde uns bald zum Verhängnis. Am Abend des 23. Mai hatte ein Mitwissender unseres Planes dem Kommandanten ein teilweises Geständnis gemacht. Da er keiner derjenigen war, die damals als ,,vaterlandslose Gesellen" bezeichnet werden konnten, kann man wohl sagen, daß er von Gewissensbissen getrieben wurde. Aufjeden Fall erfuh¡en wir rechtzeitig von seinem Umfall und zogen die Konsequenzen. Das war am Abend des 23. Mai. Um II Uhr hatten wir eine Besprechung abgehalten, und die Mehrheit hatte enrschieden, daß die Hauptbelasteten noch in derselben Nacht verschwinden sollten. Mein Vorschlag, mit dem ganzen Schiff abzuhauen, wurde als unpraktisch abgelehnt, da wir in der Sperrlinie lagen. Direkt Abb. 6 | Støtionen irn d.eøtsch-d.d.nischen Grenzgebiet zwiscben Møi ønd Aøgøst 1917.
ausgeheckt. S.M. S. Hy
DESERTIoN NACH DÄNEMARK
d,n e
solke im Fnihj ahr in das deutsch- dänische Grenz-
gebiet gehen und Vermessungsarbeiten im Kleinen BeIt ausführen' Der Plan, den ich damals in Kiel unserer Gruppe vorschlug, bestand darin, daß wir im gegebenen Moment das Schiff in unseren Besitz bringen und dann in einen neutralen (in diesem Fall dänischen) Hafen einlaufen sollten. Für uns würde das die Beendigung des Krieges bedeuten. An sich war das keine schwierige Aktion' Aber es wärde eine Demonstration sein für die ganze Welt. Bei der Besprechung des Planes in Kiel wurde von keinem unserer Kameraden, die zum Komitee gehörten, dagegen Einspruch erhoben'
Inn Prinzip waren wir uns einig. Die Einzelheiten sollten später ausgearbeitet werden.
wir in Hadersleben. Das Schiff blieb hier und wi¡ arbeiteten mit der Bootsgruppe im Gebiet von
A,nfang Mai waren
åiegen, T, angSrup. ,{ls die Arbeiten näher an die dänische Seegrenze heran-
ffi-brcen" lag das Schiff vor Anker hinter der U-Boots-Sperre' Der j&Eqq¡ektzunHandelnwar da. Wirwaren 19 Mann an Bord, die
24
DESERTToN
nRcu oÄnevRRx
DESERTIoN NAcH DÄNEMARK
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voraus) etwa 200 m, war die Durchfafut durch die U-Boots-Sperre' An Steuerbord in der sperrlinie lagen als nächstes schiff das Hilß-
schilf Prinz Sig'isrnønd', ein Kriegs-Fischdampfer und zwei oder drei dltere Zerstörer. S.M.S. Hytinewvde, soweit es zweckdienlich war, außer Dienst gestellt, jegliche Nachrichtenübermittlung unmöglich gemacht' Munition, Gewehre und Pistolen sowie unsere persönliche Habe wurden ins längsseits liegende Dinghy gemannq und um Mitternacht legten wir vom Schiff ab. Wir hatten, wenn alles gut ging, vier Stunden Vorsprun'g' da der l. Offrzier das Boot um 4 Uhr klar haben wollte, um damit nach dem Möwensand zu fah¡en. Es war ziemlich dunkel, der Strom, der uns nördlich in der Richtung über die u-Boots-sperre versetzte, war sehr günstig für unser vorhaben. An dem Blockschiff in der Netzsperre schlirrten wrr ganz dicht vorbei. Nach weiteren fünf Minuten wurden erst die Schußwaffen klar gemacht, dann wurde das Segel gesetzt' ' Als es zwischen 2.30IJht und 3 Uhr hell wurde, konnten wir schon die dänische Küste, genauer gesagt, die westkùste der Insel
Fünen erkennen. Í1¡i¡ hatten einen Bootskompaß mit Nachtbeleuchtung mitgenommen. Wi¡ steuerten nach Passieren der Netzsperre einen nördl Xichen Kurs und gingen nach etwa einer Stunde auf Osten zum $âideir in der Richtung auf den kleinen dänischen Hafen Assens. :, r,]e heller es wurde, um so deutlicher konnten wir die Einzelfu€iËen der Küste von Fünen erkennen; um so klarer konnten wir ø rrlzch die drohende Sperrkette auf der deutschen Seite des .:ffieãsËû Belt sehen. Irgendwas war da in Bewegung' Scheinbar , d,.sean doch von det Hytine aus Verbindung durch die Linie ,a&&rylg¡eq und es würde nicht lange dauern, bis die Zerstörer in .a,, wgseinwärden. t,,it::,é#ggdåeÐänen schliefen auch nicht. Die hatten uns auch schon æfu*¡" uad. ein,d?inisches Torpedoboot lief aus von Assens und
Abb. 7 | Herrenhof Wedellsborg ørn 7820, nøch einerø Gerntilde von Niøb Ringe.
war veihdltnismåißig schnell bei uns. Die Dänen sahen sofort, was los war. Nach kurzer Verständigung begleitete uns das dänische Wachboot bis dicht unter die Küste, und der Kommandant gab
uns den freundlichen Rat, mit dem Dinghy nach dem kleinen Bootshafen Wedellsborg zu gehen. Die Nock von Wedellsborg konnten wir bereits sehen. ,,FIaltet euch dicht unter der Küste" , rie f der dänische Offrzier,,,ich werde nach Wedellsborg telephonieren, und jemand wird euch da erwarten." Wir dankten dem Kommandanten. Die dåinischen Seeleute winkten) und das Boot ging mit großer Fahrt von uns weg. Wir kreuzten dicht unter der Küste nach Wedellsborg und liefen da am füihen Morgen ein und machten fest. Ein Däne in Zivl. war bereits da, der uns erwartete. Er fragte uns kurz aus, nachdem er uns begnißt hatte, und bat uns mitzukommen. Er war der Inspektor des Gutes, welches dem alten Grafen Wedell-Wedells borg gehörte. In seinem wunderbar gemütlichen Flause hatte man einen Frühstückstisch gedeckt, wie wir es niemals gesehen hatten, sicher nicht in den Kriegsjahren. Die
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DESERTIoN NACH DÄNEMARK
ich seitdem immer geliebt und geachtet habe, brauchten uns nicht sehr zu nötigen, wir aßen zur Freude der Dänen und zu ihrem Erstaunen alles. was da an Eiern und Schìnken, Brot und Butter, Käse undWurst, Fischen und Muscheln auf den Tisch kam. Vor sieben Stunden waren wi¡ aus Krieg und freundlichen Dänen,
d-ie
Ilunger ausgestiegen und Art von Schlaraffenland.
saßen hier in einer anderenWelt, in einer
Der alte GrafWedell-Wedellsborg stattete uns einen Besuch ab. Ein alter dänischer Aristokrat in weißem llaar schüttelte uns die Hände und sagte uns: ,,Ich freue mich, Sie vier deutsche Seeleute hier auf meinem Gut willkommen zu heißen. Es bedeutet so viel für mich zu wissen, daß es Seeleute in der deutschen Flotte gibt, die ihrer Einstellung gegen den I(üeg der Deutschen einen solchen Ausdruck geben." Er wollte uns sofort helfen, Wohnung und Arbeit geben und gab seinem Inspektor diesbeztigliche Anweisungen. Nachdem wir dem schmunzelnden alten Aristokraten das Wie und Warum unserer Flucht erzählt hatten, machte er uns noch darauf aufmerksam, daß einer seiner deutschen Verwandten, ein deutscher Offizier, bei ihm
aufUrlaub sei. Wir sollten uns aber deshalb keine Sorsen machen: ,,In Dänemark sind Sie freie Menschen." Man brachte uns unter in einem kleinen, ganz romantischen Ilolzhause in einem kleinen Geholz. Neben dem FIause hatten wir'einen kleinen, tiefen Teich, den wir zum Baden benutzten. AIle Mahlzeiten aßen wir im Gutshofe zusammen mit den Eleven, die hier Landwirtschaft lernten.
In den ersten Tagen verkauften wir
das Boot, die Gewehre, die trnstrumente etc., die wi¡ von S.M.S. Ilyrine mitgebracht hatten., 14lrr begannenunsereArbeitin den großen Rübenfeldern des Gutes Wedellsborg. Die fubeit war nanirlich Akkordarbeit. Nachdem wir æes eingearbeitet hatten, verdienten wir pro Woche, je nachdem *'ie.das Wetter war. 70 bis 90 Kronen.
ÐESERTION NACH DANEMARK
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Gleich vom zweiten Tage an kamen die Reporter der verschiedensten Zeitungen zu uns) um uns zu interviewen. Wfu waren zwa¡ nicht die einzigen Deserteure in Dänemark, eine der Deserteur-Vereinigungen hatte, soviel ich weiß, 38.000 Mitglieder. Dazwischen waren nattirlich sehr viele Nordschleswiger, die selbswerständlich als Dänen die erste Gelegenheit benutzten, dem Heldentod ein Schnippchen zu schlagen. Im übrigen waren alle ,,Stämme" unter den Deserteuren vertreten, und es gab eine unwahrscheinlich große Anzahl von Helden unter ihnen, die mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet waren in der ersten Kriegszeit, a1s es noch für Tapferkeit vor dem Feinde verliehen wurde. Instinktiv hatten natürlich alle das Richtige getan. IJnter den vielen Deserteuren, die ich kennenlernte, habe ich keinen einzigen Feigling gefunden. IJnsere Fahnenflucht war die Konsequenz unserer politischen Uberzèugung.Wk waren keine Pazifisten. Das Deutschtum der Sozialdemokraten war uns zum Kotzen. Wir haben niemals die Schuld Deutsctrlands am Kriege diskutiert, diese Schuld stand ein für allemal fest. Wir wollten eine Demonstration, die unglücklicherweise zu einer Flucht wurde. Die Zeitungen bekamen aufjeden Fall was zu schreiben. Natürlich stellte man uns auch Fragen, die ausschließlich kriegsmaritimen Charakters waren. Ein bißchen mehr, ein bißchen weniger hat wolrl jeder Deserteur solche Fragen beantwortet. Zuerstwaren es allgemeine Fragen, die etwas später mehr spezialisiert wurden. Als die Frage nach geschriebenen I-ebensläufen kam, haben wir dazu erst einmal unter uns Stellung genommen. Wir hatten begriffen, daß wir es mit Leuten vom ,,feindlichen" Nachrichtendieñst zu ntn hatten. Für uns waren diese Agenten äußerst angenehme Menschen. So oder so waren sie die Vertreter von Mächten, die sich mit Ðeutschland, dem kaiserlichen Deutschland, im IGiege befanden. IJnser Ziel war ein gemeinsames: die militárische Niederlage der
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DESERTIoN NACH DÄNEMARK
be f eftcn gentþl: llm bm ruõúrmb bco Rrleges fofnmrfltl$llg ge oorberrrn, lm lluslanb ñó o¡fbollmben lllannföoften (Ðelegeru úril ¡ur $liidl¿br unb €ilþne ¡u geben, nirb i$nen, ncnn fte un6dõuml, leborf fpõlefleno inrrcrfolb fedo l8od¡en no{ {ler, ðffrrrtli{ung bi¿ftr Ðelnnntmoðung im "llrmec,Eerorbnung6ø bloti", olfo blo 25. Suli 1917, noó ¡uafirenb bc6 leþigen firie1¡eo ¡urädle[¡ren unb fió bci bcr nöóften 6u enciócnbcn
¡u
Ðlc¡ft mtlben, noó Ðuréfübrung be¡ blcnfþ fi$en tredol¡reno €lrnfcuffóub mit bcr ?I¡¡sfiót or¡f trø gnoblgrrng ¡ugefid¡erl, follo fic fi@ ctncr fold¡en im rmtkren Ecrforrf btl Srieneo burd¡ iþr Eerbotten toûrblg errorifcrr Eon bcr lfnorbnun¡¡ ber llnterluóu¡l06b0ft ift gnn¡bfôblidt -bcr ob¡ufe[¡en, ebcrrfo finb beft¿úenbe $oftbefeble ¡rrç¡rrnflen irrnerþalb ber gcftellten Srlft lié Slcfbenben gnrrrbföglid¡ orrf, @rerUftrllc ¡um
zen. Deshalb reisten wir nach den notwendigen Besprechungen in
Kopenhagen nach FiiLnen und wohnten etwa zwei Wochen garrz irr der Nåihe der Küste zwischen Ejby und Wedellsborg. Nachts íi. konnten wir vom Strande aus die Scheinwerfer der Schiffe in der .Sperrkette beobachten und manchmal auch irgendeinen Morse-
¡uf¡ebell
llulg¿lötoficn uorr uorftrf¡enbcm finb lleberfôuler ¡unr ¡jcinbe. $erncr boún ntól frlftsemûb 6urüdfeflrenbc lloúúen, fluútirte auf einen fpñteren ollgemeincr €trofrrta$ ñiót ¡u
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t,to jbJT,EiXifi:*"n
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u*r&unehmen und zu sehen, ob wir Gelegenheit bekommen würi)¡r,,err., irgend etwas zu turi zur Frage der Beendigung des Krieges. i.,;,,,Ðazuwar es unbedingtnötig, die Hilfe derWestmächte zu bekoml,|.' men. Wir dachten nicht daran, im neutralen Dänemark zu bleiben a¡sd das Ende des Krieges abzuwarten. Außerdem waren wir jung c¡ad stellten es uns als verhältnismäßig leicht vor, nach Deutschland N*"ieder hineinzukommen) um wi¡kliche Arbeit zu machen. Wir arbeiteten an einem Plane, der es uns ermöglichen sollte, aach Deutschland zurückzukehren. Zu diesem Zweck dachten wdr, in dunkler Nacht mit einem kleinen Boot von der Insel Fünen aach der Küste zwischen Hadersleben und Apenrade überzuset-
üiidtc$r ron $aþnen$ílrfligcn. 6l¡um nzuen,iltfirczEero rbnqn fi $ bIa ll" enlt ne[lmcn mlr: €cineflllolcftöl bcrf; o I Ir r unb S ö n t g f¡oben folgcnbcg
red¡ncrr
IIISTCKKEHR NACH KIEL
,,
edol¡en.
.
.Spruch ablesen.
,
Niemand wußte so gut wie wir, wie leicht es war) durch die
1917.
deutschen Sperrketten hindurchzukommen. Wi¡ wâren diesen Weg . gegangen, wenn nicht eine bessere Idee dazwischengekommen g¡ãre.
deutschen Kriegsmacht. Wir konnten zusarnmenarbeiten. Ob wir Skrupel hattenl Keine Idee! Als Deutsche wußten wir, daß der Krieg kein Verteidigungskrieg war. Im Juli l9I7 verließen wir Wedellsborg und nahmen Arbeiten an in der Nähe von Kolding. D. h. mein Freund und ich arbeiteten da, und die anderen zwei arbeiteten auf einem Platz am VejleFjord. Wi¡ benutzten die Zeit, um uns politisch zu informieren und einige neue Verbindungen aufzunehmen. Da inzrrr'ischen in der Bearbeitungsfolge der Rübenfelder eine Pause eingetreten war, beschlossen \Mir, in die Hauptstadt zu fahren, mehr Verbindungen
zuri.ickkefuenden Deserteure erlassen, und von unseren Freunden xrurde uns vorgeschlagen, diesen Weg zu benutzen. Wir begriffen, daß man uns dadurch alles viel leichter machte, und deshalb gingen wir sofort darauf ein. Bei der letzten Besprechung hatte man mir noch eine ganze Refüe politischer Sonderaufgaben gegeben. So hatte ich den Kopf voll, als ich zu meinem Freund nach Fünèn zurückreiste. Wir blieben noch zr¡¡ei Tage auf Frinen und reisten dann nach Fredericia. Hier schliefen wir die letzte Nacht in allem Komfort und fuhren am nächsten Morgen mit der Bahn nach Vamdrup. Das s¡ar die Eisenbahn-Grenzstation. Wir hatten, bevor wir die Station
Abb. B lAønestie-Erlø! in dør Norddeøtschen Alþerneinen Zeitøng øtn
5.
Jøni
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RÜCKKEHR NAcH KIEL
(dåinisch) verließen, noch einmal unsere Taschen selbst revidiert, ob wir nicht irgend etwas uns Belastendes darin vergessen hatten. Jeder hatte noch etwas dänisches Geld, das war alles. Wir schlugen einen kleinen Weg, der in Richtung der Grenze führte, ein, und als wir von weitem eine berittene , dänische Patrouille sahen, schlugen wir uns seitwdrts in die Büsche oder besser gesagt in die Hecken.
Die Hecken aufbeiden Seiten der Grenze schienen mit derAbsicht angelegt worden zu sein, Grenzübergänge möglich zu machen. Die deutsche Grenzbewachung bestand aus, soweit ich mich erinnere, 24 Wachkompanien des Landsturmes. AIle 100 m ein Posten. Unteroffizier-Patrouillen waren hinter der Postenkette dauernd unterwegs. Längs der ganzen Kette lief ein breiter Weg, der mit hellem Sand bestreut war und selbst in dunkler Nacht leicht übersehbar war. Wir lagen jetzt hinter einer lIecke und studierten dieses Stück Grenzüberwachung. Es war hell, und selbswerständlich lief kein Deserteur arn hellen Tage über nach Dänemark. Das wäre Selbstmord gewesen. Nur die Wachtposten konnten das wagen. Wir sahen ganz dicht bei der deutschen Postenkette, aber noch auf dfurischer Seite, zwei vollkommene deutsche Uniformen liegen, die vielleicht einige Nächte vorher von Deserteuren ausgezogen worden waren. Die Landstürmer der Grenzkompanien waren meistens dltere, verheiratete l,eute, nicht mehr felddienstfähig und durchschnittlich mehrmals verwundet an den verschiedenen Fronten im Westen oder Osten. Für die Grenzbewachung waren sie verháltnismäßig sicher und einigermaßen zuverlässig. Warum gingen wir nicht gleich und offen über die Grenze I Weil wir interessiert waren, die Möglichkeiten eines Grenzübertritts in umgekehrter Richtung festzustellen, damit wir später davon Gebrauch machen konnten. Deshalb ließen wir uns Zeit. AIs praktische ,,deutsche" Seeleute, wir waren inzwischen hung
rig geworden,
beschlossen
wir,
es
war etwa
II
IJhr nun, zum
NACH KIEL
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ssen ,,drüben" zù sein. Nach all dem guten dänischen hofften wir nur, daß wir im Vaterland nicht gleich wieder tverhaue" (gedörrte Steckrüben) bekommen wrlrden. Wir n also aufinvoller Größe und gingen zurVerwunderung des der uns sofort sah. nach Deutschland hinein. Der hatte in Gewehr sofort ldar. und da im selben Moment eine lJnterofier-Patrouille herankam, übergab er uns an diese. Der lJnterofier stellte uns die ersten Fragen. Sein Gesicht zeigte die größte i,@rwunderung, als wir ihm erldárten, daß wir Fahnenflüchtige íeien und in Därnemark von der kaiserlichen Amnestie gehört hät,6çn. Unter Berufung auf diese Amnestie seien wir zurùckgekehrt. etwas konnte er nicht verstehen. Er schüttelte nur den I(opf. k:u9 uns aus über das Leben in Dänemark, und wir hatten ihn W ø-igendich im Verdacht, daß er bei nächster Gelegenheit abhauen iilrür¿e. In seinen Worten klang ein leiser Vorwurf durch gegen z-¡csere unverständliche Dummheit, nun noch zurtickzukehren) wo doch schonalles verloren sei. Er brachte uns nach den Baracken @ Kompanie, wo wir gerade bei der Essenausgabe ankamen. . Es war Ende August I9I7. Beim I(ompanieführer wurden wir 5erhört. Da er wußte, daß das Verhörsprotokoll weiterging an eine ,viel hohere Instanz, verhielt er sich ganz korrekt. Nachdem wir -¡rnser Essen bekommen hatten, es war gerade ein guter Tag und .cs gab Gulasch, wurde eine Patrouille zusammengestellt, die uns ¡¡ r Bahn nach Flensburg brachte. . In Flensburg wurden wir in die Arrestanstalt in der lGserne des dortigen Infanterie-Bataillons eingeliefert. Dort blieben wir zwei Tage im I(eller und wurden dann, wieder von der Infanterie, nach
Kiel transportiert. In Kiel wurden wi¡ nach IJntersuchung auf Haftfähigkeit, das mußte laut Vorschrift immer gemacht werden, in die MarineArrestanstalt in der Feldstraße eingeliefert. Wir wurden wieder eingekleidet, von Kopf bis Fuß, und waren wieder die Vermesgrrngsgäste, die wir vorher waren.
'tt
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RÜCKKEHR NAcH KIEL
Dann kamen die Verhöre. Beim dritten Verhör teilte uns ein Kriegsgerichtsrat mit, daß wir laut Befehl vom Gerichtsherrn ( Gouverneur) aus der Haft endassen würden und zu unserer Stammkompanie K. B. Z. der I. Matrosen-Division in Kiel-Wik zurückgiogen. IJnsere Freunde in Dänemark hatten recht behalten. Der beste Weg war nicht mit dem Boot über den I(einen Belt und den dann folgenden Gefahten, die die Arbeit ungeheuer erschweren würden, sondern der offene Weg über die Amnestie, der uns direkt in unsere
Marine - Einheit zurückbrachte. Die III. Abteilung der L M-D war auf dem Wohnschiff Mørs.Je nach Bestand der drei l(ompanien wohnten auf dem Mørsin den Batterie- und Zwischendecks 900 bis 1.100 Leute Von hier aus hatte man Verbindung nach allen Geschwaderrl
und Einheiten der Hochseeflotte. Hierher kamen die Abkommandierten von den Schiffen. von hier aus wurden sie auf andere Schiffe designiert. Flier strömten alle Neuigkeiten zusammen. Was
die Signalgäste nicht wußten, was wir vom Steuermannspersonal nicht erfahren konnten oder von den Reserveoffizier-Aspiranten, das konnten wir mit größter Leichtigkeit in der T-D oder der W-D in Erfahrung bringen. Die T-D ist die Torpedo-Division, die Stammdivision für die Zerstörer; die W-D ist die Werft-Division, Stammdivision frir das Maschinen- und Handwerkerpersonal der Flotte. Der Mørslagim Torpedoboot-Hafen in Kiel-Wik, hier lagen auch ein U-Boots-Mutterschiff und die Ubungs-U-Boote. Hier lagen auch die Zerstörer-Flottillen, wenn sie nicht auf See waren. Inzwischen hatte die Sommermeuterei in der llochseeflotte samgefunden. Von der nachfolgenden Reinigung der Besatzungen
waren besonders die Schiffe des III. Geschwaders betroffen. Mørhgrøf, Gro$er l(arfürst, Prinzregent Luitpold, IÖnig Albert urlad Fried.rich d'er Grotle hatten viele der Besten verloren. Dagegen war die Provinzenklasse, Nøssø'w, Rheinlønd. Westfølen,
33
R NACH KIEL
nd' Tbùring en und Ostfries lønd' ziemlich verschont geblie. Auch die Kaiserklasse (I. Geschwader) und die newe Bød'en . Bøyern hatten ihre Gruppen intakt. Die ,,Schnelle Division", Panzerbeazer Derfflinger, Seyd.li.tz, Von d'er Tøn'nund Moltke, die kleinen Kreuzer waren ebenfalls gut durchgekommen. Stimmung war verbittert und nach der Meuterei nicht besser
Uberall bestanden schon Verbindungen zwischen den Gruppen der Flotte und den Werftarbeitern. Die im Gange befindliche ng, die von keiner politischen linken Partei, etwa der EISPD, organisiert war oder geleitet wurde, beruhte ausschließlich
den wenigen bewußten Elementen, die es verstanden, die ãlnzufriedenen zusammenzufassen und sie reif zumachen für das ,bißchen Aktion, die dann zum Ztsammenbruch Deutschlands ,&h¡te. Ich war mir schon damals darüber klar, daß die Flotte den Anstoß geben und daß die ,,Werft-Grandies" (Werftarbeiter) idie ersten deutschen Arbeiter sein wiirden, die sich anschließen rynürden.
-, Ich habe mir schon damals keine Illusionen gemacht über den sevolutionáren Charakter der politischen Arbeiterparteien. Die n durch die Revolution (oder besser gesagt Meuterei aus Kriegsmüdigkeit) erst gezwungen werden, sich an die Spitze zu
Ãm September und Oktober L9I7 traten wir jeden Morgen zur &{usterung an. An Vermessungsgästen waren nur fünf oder sechs
wir gewöhnlich ztr Arbeit verteilt. Da saßen wir dann zwisch'en Sextanten, Oktanten, Theodoliten und Seekarten und machten -oeue Pläne. Wir orientierten uns genau über alle Möglichkeiten einer neuen Fahrt nach Dänemark. |eder Tag brachte neue Be.þannte, neue Verbindungen. Sehr viele Freunde vertraten auf den Zusammenkürrften die Meinung, daß die militärische Niederlage
w Zett auf dem Mørs.
So wurden
r,.im Vermessungs-Hellegatt
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ZWEITER FLUCHTVERSUCH
FLUCHTVERSUCH
allein zum Zusammenbruch und lJmsturz führen könne. Wohingegen ich und andere die Meinung vertraten) man muß mit allen Mitteln für die Niederlage arbeiten. Es ist Unsinn, auf die Niederlage zu warten. Man muß die Bewegung in der Masse (Besatzungen
der Schiffe und die Marine-Garnisonen plus der Belegschafte':,' der Werften) so stark machen, daß die Inbesitznahme der Schiffe und der Generalstreik der Werften eine neue Kampffront in Norddeutschland schaffen. Es gab natitulich ein Durcheinander von Meinungen, die bei den Diskussionen auf den Werften und Schiffen zum Ausdruck kamen. Jede Stellungnahme wurde respek-
tiert. Es gab eine vollkommene proletarische Demokratie. Aber all dieses betrifft sowohl in der Flotte als auch auf den Werften nur einen Bruchteil der Masse. Die Masse war hungiig ùnd kriegsmüde. Das Gute an dieser Bewegung nach der Sommer-' meuterei im
III.
Geschwader war, daß
es
keine eigendichen Führer
gab.
Mitte Oktober
l9I7
glaubten wir, die Zeit sei da, um eine zweite Reise nach Dänemark durchzuführen. Über die technische Durchfüfuung der Fahrt waren wir gegenteiliger Meinung. Mein Freund war der Ansicht, daß wfu ein Boot etwa vom Bootshafen bei Fort Stein nehmen sollten und zwa¡ sofort nach eingetretener Dunkelheit, so daß wir bis zum llellwerden entweder die dänische Insel Arrö oder Langeland erreichen konnten. Das war eine ziemlich gewagte ldee, da der Bootshafen Stein dicht beim Fort Stein lag und es fraglich war, ob wir überhaupt mit dem Boot hinauskommen wrïden. Ich hielt es f,ir sicherer, die Überfahrt viel weiter nördlich zu machen, etwa von der Südküste der Flensburger Förde. Na, auf jeden Fall fuhren wir eines Tages mit dem Fährschiffnach Laboe und machten von dort einen Spaziergang nach Stein, um die Lage zu erkunden. Da waren ein paar Boote und darunter eins mit umgelegtem Mast und Segel. Die Riemen waren im Boot. Es war alles wie auf Bestellung. Wir beschlossen, von dieser Gelegenheit Gebrauch zu machen.
&bb. 9 | Støtionen ttt: .
d'es
zweiten Flwchtversøchs
iw Ohtober
1917.
.
.::.
.
"åm nächsten Nachmittag waren wir mit dem letzten Tageslicht ,in Stein. Das Boot war noch da. Wir machten einen kleinen unauffälligen Spaziergang, und sowie es durkel war, sprangen wir über die niedrige Steinböschung und schlichen langsam und ohne alles .Geräusch zt der Festmacherlinie. Das Boot lag etwas vom Lande ,ab. Wir holten es so nahe heran als möglich und gingen dann bis zu den Knien ins Wasser und kletterten ins Boot. Scheinbar war
langer Zeit nicht benutzt. Es war Wasser im Boot, wenn auch nicht viel. Wir verhielten uns ganz still und horchten, ob irgend jemand uns bemerkt hatte. Nichts zu hören als der stãrker werdende Wind, der auflandi1wü, und die See, die draußen vor der kleinen Bucht stand. Den Mast ließen wir erst mal liegen, setzten die Riemen ein und pullten das Boot aus der Bucht hinaus in die Richtung) von wo wir die See am stdrksten hörten. ]e weiter wir ka-men, um so mehr stampfte das Boot. Ein paarmal es schon seit
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ZWEITER FLUCHTVERSUCh
warfen uns Wind und See zurúck. Schließlich waren wir aus der Bucht heraus, und mit viel Anstrengung setzten wir den Mast und brachten das kleine Segel auf. Ganz kurz danach geschah es. Wir saßen für einen Augenblick auf, der Mast und das Segel gingen mit der nächsten See über Bord, und ein folgender Brecher warf. uns in den Stacheld¡aht. Die Drahwerhaue gingen hier ziemlich weit ins Wasser hinein. Nach langem Herumklettern kamen wir aus dem Draht heraus an festes Land. Das Boot ließen wir in den IJnterwasserverhauen liegen. Nattirlich waren wir vollkommen naß. Sowie wir wieder einen Weg fanden, zogen wir uns aus) haben das Wasser aus lJnterzeug und Uniform ausgewrungen, und dann ging es im Laußchritt) um wieder warm zu werden und das letzte Fährboot zu bekommen, nach Laboe. Ohne aufzufallen kamen wir auf den Mørs zurick Am nächsten" Tage begannen die Vorbereitungen für den zweiten Plan, Flensburger Förde.
Wir mußten die Südkriste der Flensburger Förde erreichen, ein Boot nehmen, wo wir es fanden, und dann nach Arrö, die nächste dänische Insel, hinüber. Am nächsten Sonntagmorgen machten wir uns auf. Die Bahn konnten wir nicht benutzen wegen der Eisenbahrkontrolle. Also fufuen wir mit der Kieler Straßenbahn bis Holtenau. Erreichten am ersten Tage Eckernförde, am zwei= ten Tage Kappeln und waren am dritten Tage in der Nähe von Glücksburg. Am Mittag dieses Tages, auf dem Wege nach der Geltinger Bucht, wurden wir in der Nähe von Langballig bei einem Bauerngehöftvon zwei Mädchen gestoppt, die uns frugen, ob wir etwa mit Dreschmaschinen Bescheid wüßten. Mein Freund, der ein technisches Genie war) sagte) daß er Dreschmaschinen in- und auswendig kenne. Die Mädchen waren froh und luden uns ein, mit ihnen zu kommen, ifue Dreschmaschine war außer Betrieb. Wir gingen mit ihnen zu dem Gehöft und bekamen zuerst ein gutes, solides Mittagessen. Die Bauernfrau ging dann mit uns in die Scheune, wo die Dreschmaschine stand. Wk, d.h. hauptsäch-
TËR FLUCHTVERSUCH
õ/
mein Freund, arbeiteten ungefáhr eine Stunde, und gerade er sie wieder in Gang gebracht hatte, flogen an beiden Seiten Scheune die Titu:en auf und iemand schrie: ,,I{ände hoch!" beide Tore starrten die Gewefuläufe, der ganze Bauernwar umzingelt. Ein Feldwebel mit gezogener Pistole und vier ten kamen auf uns zu und untersuchten uns auf Waffen. band man uns die Hände auf dem Rücken zusammen, und marschierten ab nach Glücksburg.
In der Wachstube der Küstenwach-Kompanie erzählte nachin meiner Anwesenheit der Feldwebel folgende interessante te der Verhaftung:
,lVir erhielten gestern, so wie alle Küstenwach-Stationen, ein telegramm, demzufolge zwei Vermessungsgäste sich von r Marinetruppe entfernt hätten mit der wahrscheinlichen icht. über die Grenze oder über See nach Dänemark zu entkom. Die Fersonalien und BeschreibungwarerL angegeben, und es ,*"u.¿e daraufaufmerksam gemacht, daß gegen beide hinreichender erdacht bestände, Agenten der feindlichen Mächte zu sein. uletzt gesehen nördlich von Kappeln an der Schlei-Mündung." Feldwebel der Küstenwach-Ifumpanie, wie ich späler hörte, normalen l-eben Gastwirt, Dorfbürgermeister und Steuerein!|T. meldete, ) war stolz wie ein Spanier, als er dem Hauptmann er in einer Steuerangelegenheit zu dem fraglichen Bauernhof
&¡hr (auf dem Fahrrad) und auf der Fensterbank zwei Mauoützen liegen sah mit den im Rundtelegramm angegebenen &Iützenbändern der L Matrosen-Division. Auf Befragen habe die Eauernfrau ihm dann den Rest erzähft. Daraufhin habe er telephonisch den Alarm gegeben und uns beide ohne Widerstand
,, Flir bewiesene Intelligenz erhielt er das l,ob,
das er verdient
hatte.
Zwischen den Landsturmleuten in der Glücksburger Hauptwache fanden wir keine Sympathie. Ein eigennimlicher Stolz lag auf
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39
VERHöRE
den Gesichtern der ganzen Wachmannschaft . Wir hatten immerhin Abwechslung in das langweilige Leben gebracht. Alle behandelten uns mit der ,,Achtung", die von der Polizei jedem wirklichen Schwerverbrecher entgegengebracht wird. Wir wurden angestaunt wie wilde Tiere. Das war wohl auch der Grund, warum wir selbst in der Wachstube mit gefesselten Händen bleiben mußten. Nur wenn absolut nötig, beim Austreten oder beim Essen, wurde je-
weilig einer von uns von den Fesseln befreit. Zum Fesseln wurden alte Gewefureinigungs-Schnüre gebraucht. Das Resultat war, daß die Blutzirkulation stockte.
Die Marine-{Jnteroffiziere, die auf den verschiedenen Korridoren als Gefüngniswärter fungierten, waren) soweit ich in den ersten Tagen erfuhr, in den Marosen-Flandern-Regimentern verwundet und nach Genesung nicht wieder felddienstfrihig geschrieben worden. Immerhin hatten sie, neben ihren Lungenschüssen und anderenVerletzungen, die Eisernen IGeuze oder besser gesagt die Ordensbåinder an der Brust. Der Sergeant auf meinem Korridor hatte die Angewohnheit, die Gefangenen zu drillen. Bei jeder Gelegenheit, beim Austreten, beim Brotempfang, beim llerausgeben oder llineinnehmen der Matratzen und des Bettzeuges, immerwenn er irgendeineZelle außchloß, ging das Bnillen los. Laußch¡itt auf dem Korridor,,,Hirlegen", ,,Auf marsch, marsch" u.s.w. Er versuchte das auch mit mir, kam aber nichtweit damit. Ich verlangte sofort Papier und Schreibgerät, und als er mich frug, wozu, sagte ich ihm, daß ich ein Gesuch um Vorführung an den Kriegsgerichtsrat schreiben wolle. Er hatte ein höhnisches Lächeln aufgesetzt, als er mir die Sachen brachte und sagte: ,,Ich werde Sie schon zahm kriegen!" Ich schrieb mein Gesuch, und am nächsten Morgen öffnete der Sergeant meine Zel\e, :und die ùblichen zwei Matrosen von der Wache standen da mit gezogenem Seitengewehr und brachten mich tiber den Verbindungskorridor ins Gerichtsgebäude.
gerichtsrat Rittweger in seinem großen Verhör-
Krie
gs
r hinter einem masSchreibtisch. Ich habe eigentlich im Gedächtnis den freundlichen. bärGelehrtentyp, der, glauich, ein Thüringer war, wie ein Friese aussah. Er der lJntersuchungsrichmit dem ich zu tun hatte. in Gerichtsschreiber (im iersrang) war Rupz. und von ihm und sei- Ab b. 10 l(riegsgeri chtsrøt Dr. Rittw eg er arn 1917. Kriegsgerichtsrat will ich h sagen, daß beide mir Ëgmpathisch waren. In dem ganzen lahr, in dem ich mit ,&nen zu tnn hatte, ist zwischen uns kein hartes Wort gefall
len.
,,, Nachdem die Wache uns alleingelassen hatte, frug mich der Kriegsgerichtsrar, ob ich ein Geståindnis machenwolle. Ich erkldrte ihm, daß von einem Geständnis keine Rede sein könne, da ja die der Hyrine nicht bestritten werden könne' ','Fahnenflucht von er' ,,lVeswegen haben Sie sich denn vorführen lassenf " frug : ,,Ich bitte um meine Verlegung vom unteren Korridor nach çinem der oberen Korridore", sagte ich' ,,Aus welchem Grundel" frug er mich. . ,,Der Sergeant drillt alle Gefangenen, und soweit ich feststellen konnte, sctrlagt er auch(() antwortete ich. ,,IJnd wenn ich Sie nicht verlege, was gedenken Sie zu tunf "
frug er. ,,Ich schlage dem Sergeanten morgen füih beim Außchließen der Zel,e den Wasserkrug auf den
I(opfl"
VERHöRE
4T
Der Ifuiegsgerichtsrat runzelte die Stirn, versuchte ganz streng auszusehen und sagte dann: ,,Vermessungsgast Knüfken, erst desertieren Sie, dann versuchten Sie , im Interesse der Feindmächte uns unterAusnutzung der kaiserlichen Amnestie zu betnigen, was
l.Ðie Verhandlung am Weihnachtsabend nahm etwa zwei Stun-
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Ihnen leider gelungen ist, und nach alldem haben Sie die Frechheit, uns zu diktieren, wie wir Sie behandeln sollen. Das geht zu weit. Nehmen Sie doch etwas Verstand an und begreifen Sie endlich, wie furchtbar ernst Ihre Lage ist." Ruppertz, der Schreiber, war aufgestanden, um die Wache hereinzurufen, und der Kriegsgerichtsrat sagte :,,Abführen! " Als ich bei der Tür war, die Wachen standen schon da, rief er mich zunick und sagte: ,,Sind Sie nun vernünftig, ich wErde mir die Verlegung überlegen. Machen Sie nur keine Geschichten!" Ich nahm gleich an, daß ich gewonnen hatte. So war es. Am selben Abend kamen ,,Vater Seemann" und zwei von den Posten und
brachten mich auf den zweiten Korridor. Ich bekam Zelle 49, die erste Zelle neben dem Raum des Korridor-Sergeanten. Auch er war ein Verwunderter aus einem Matrosen-Regiment an der Flandern-Front. Schmidt war sein Name. Er ließ mich und die anderen Gefangenen in Ruhe; es kam sogar vor, daß er mitunter
mit mir sprach.
Im Einvernehmen mit dem Nachrichtendienst des Ad-miralstabes hatte der Gerichtsherr der I. Marine-Inspektion entschieden, daß das Verfahren gegen mich we gen Landesverrats abgetrennt werden sollte. Die Haupwerhandlung wegen Fahnenflucht im Felde vor dem Feinde sollte im Dezember stattfinden. Die Untersuchung wurde von Ritrweger sehr schnell durchgeführt, damit er, wie er mir sagte, nach derVerurteilungZeithabe , sich ausschließlich mit dem Landesverrat beschäftigen zu können. Mitte Dezember bekam ich die Mitteilung, daß das llaupwerfahren am 24. Dezember eingeleitet würde .
in Anspruch. Von S.M.S . Hyd'newaren der I(ommandant, der -,Offizier. zwei Deckoffiziere und, soweit ich mich erinnere, zwölf und Matrosen erschienen. Die Vermessungswaren mehr oder weniger Freunde und wußten alle Bescheid unsere Arbeit. Sie haben uns nicht belastet, und wir sagten in Wort gegen sie. Wir gaben auf Befragung die Fahnenflucht, Diebstatrl kaiserlichen Eigentums ( Boot, Waffen, Instrumente ,e-r.-.) zu, so daß die Verhandlung eigentlich zu schnell ging' Als begann, von unserer Zersetzungsarbeit zu sprechen, der Gerichtsvorsitzende darauf aufmerksam, daß die Anen nach derVerurteilung in lJntersuchungshaft bleiben bis
I. Offizier
zrveiten Hauptverhandlung wegen Landesverrats und daß der A, Offizier dann seine Aussagen machen könne. ,,Die Zersetzungsárbeit ist in dieser Verhandlung kein Anklagepunkt, wenn sie auch
u¡sächlichem Zusammenhange damit steht!" - Nach weiteren zehn Minuten wurde das Urteil verkündet: 15 å&onate Zuchthaus und Ausstoß aus der Marine' ; Damit war die erste Etappe abgeschlossen.
wurde der Ausstoß aus der Marine nicht vollzogen' der interessanteste Teil der lJntersuchung gegen ,,¡¡as. Mein Freund, den ich nach zwei Monaten zum ersten Male ,,wiedersah, als wir auf der Anklagebank saßen, schien durch die Haft seh¡ heruntergekommen zu sein. Nun ist es immer so, ich habe íid"" spat.t noch zur Genüge feststellen können, eine Minderheit :;,yon Gefangenen erträgt die Einsperrung verháltnismäßig leicht i;,r!¡nd ohne nennenswerten Schaden an Seele und Körper durch iAtrp"ttottg. Die Mehrheit aber leidet an Haftpsychose in allen -Àbarten bis zur Klaustrophobia. Nach unserer ersten Verurteilung hatten einige der Matrosen yom Marine-Bataillon, die die Wache auf dem Korridor gingen, mit mir Verbindung aufgenommen. Die Türen waren zwar stark ,,.--tatsächlich
'$rtzterstbegann
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ta ft.f
VERHÖRE
und dick, aber gerade unter meiner Tür hatten die Mäuse viel HoIz weggenagt. Deshalb konnte ich am Tage immer gut hören, was auf dem I(orridor vor sich ging. Eines Abends, es muß schon ziemlich spät gewesen sein, wurde ich wach durch ein Klopfen an der Tür. Ich sprang auf und ging zur Trir, und als es wieder klopfte, hustete ich, um nt zeigen, daß ich da war. Der Wachtposten sagte mir: ,,Flalte dein Ohr gan z nahe beim Schloß, dann wirst du mich verstehen können.,. Er erzählte mir dann, daß er und einige Freunde, die ziemlich regelmåißig hier auf Wache kamen, beschlossen hätten, mit mir in Verbindung zn kommen. ,,Wir kennen deine Geschichte und werden dir ein bißchen, so weit wir können, helfen.,. Er frug r4ich dann, ob der Divisionspfarrer bei mir gewesen sei. Ich erzählte ihm dann, daß der Herr bei mir war, mich aber nachktrzer Zeit ziemlich entnistet verlassen hätte. (Mit dem pfarrer hatte ich eine Auseinandersetzung über den ,,deutschen Gott.,. Und daran scheiterte sein Versuch, mir seelischen Trost zu geben. Noch in der T{ir sandte er mir einen Blick grenzenloser Verachtung.) Als ich dem Posten die Geschichte erzähhe, lachte er hell auf. Dann erzähhe er mir, daß der Pfarrer mehr Erfolg mit meinem Freunde
auf dem oberen Korridor gehabt hätte. Der pfarrer kätne alle paar Tage, und immer sei er dort für längere Zeit tn der Zelle.,,fch sagé dir das, damit du weißt, was du zu erwaÍten hast.,, sagte er. Er schob mir dann durch die Tür zwei Zeitungen, eiruge Zigarettenstummel, eine Reibfläche von einer Streichholzschachtel und ein paar Streichhölzer. Gleichzeitig informierre er mich, die Zeitungen auf der Toilette zu verbrauchen und die Stummel und Streichhölzer unter der Pritsche zu verstecken. Er sagte mir noch, daß ich niemals rauchen sollte, bevor der Ofûzier von der Nachtrunde abrevidiert habe. Ich versprach das alles und dankte ihm ftir die bewiesene Solidaritat. Die Runde kam nicht jede Nacht, gewöhnlich drei- oderviermal in der Woche. Das war immer eine Abwechslung in dem ewigen
. Man hörte den Krach auf dem unteren Korridor, wo Runde begann. Die Schlüssel rasselten, die Türen krachten, hörte jeden einzelnen Gefangenen seine Meldung machen. ich war meine Zelfe an der Reihe. Wenn die Tür aufflog, ich schon am unteren Pritschenende in militärischer Haltung meldete: ,,Vermessungsgast Knüfken, 15 Monate Zuchthaus Fahnenflucht im Felde vor dem Feinde im Komplott in r lJntersuchungshaft wegen Landesverrats." Gewöhnlich kam dann der Offizier von der Runde ein paar itt in die Zelle. musterte mich von oben bis unten und verließ Zelle unter Kopßchütteln. Gewöh¡rlich wurden nicht alle 45 Zellen auf dem Korridor auf. Die meisten Offiziere wollten wah¡scheinlich nur die n Raubtiere sehen. In der ersten Zeit hatte ich eine ganze Anzahl, von Matrosen Fleizern von dem Schlachtschiff S. M. S . We s tføl en auf meinem idor. Im ganzen waren von der Westfølen 28 Mann in der ArEs handelte sich um Nachzügler der Sommermeuterer. waren alle am Weihnachtsabend vor mir verurtçilt worden. Die bewegten sich zwischenzweiund sechs ]ahren Zuchthaus. Morgens im )anuar lgIB waren sie alle vor meiner Zelle ten; die IJrteile wurden verlesen und die Gefangenen dann iert. Einen Tag später gingen sie ab nach Celle und RendsEigentlich war ich damals überrascht von der Verurteilung Westfølen-Seeleute, da mir nicht beka¡rntwar (auch nicht durch Verbindungsdienst), daß auf diesem Schlachtschiff irgendAktionen stattgefunden hatten. Die Parole in dieser Zeit, von Zelle zu Zelle ging, war:
Nicht betteln, nicht bitten, Nur mutig gestritten, Nie klmpft es sich schlecht, Für Freiheit und Recht!
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VERHÖRE
Nicht betteln, nicht bitten l.Nicht bet - teln,nicht bil-ten!
Nur
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n lahrgänge, also nicht die bei Kriegsausbruch mobilisierten þute, sondern die )ungen, angefangen mit den bei Kriegsausbruch
l.Nicht bet - teln,nicht bit-ten! - strit - ten!
]ahrgängen. Die dlteren Reservisten- und Seewehrjahrgänstanden passiv abseits jeder Aktion. Ich erinnere mich noch, wie Nie
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sich schlecht
fü
noch klein. aber schon l9l7 waren sie im III- Geschwader k genug, die Flotte am Auslaufen zu hindern. Die Admiralität , die Bewegung durch die Schreckensurteile der Kriegste Iiquidiert zu haben. Ðie Träger der Bewegung auf allen Schiffen waren nicht die
Frei - heit uird
mit einem Fischdampfer bei Kriegsausbruch von Island nach ieoxharr.tr zurückkam. Wir brachten einen Fang von über 1'200 ,die zwar gelöschtwurden, aber die man für die menschliche l&"äfn""g nicht zu gebrauchen glaubte. Der ganze Fang ging in
,füe Fischmehlindustrie. AIle Fischdampfer, soweit sie nicht einges€tzt wurden als Vorposten- oder Sperrschiffe, mußten die von den ßt"--Auitionen ankommenden Reservisten und Seewehrleute ,son Cuxhaven nach dem Reserve - Geschwa der (D e øts ch I øn d', H øn:.ry4ow
r, Ek ø!S.L o th r ing en ) P 0 lmvn er n ) P 0 s en )
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n u. s.w. ) fahren'
iÐieses Geschwader lag hinter der Netzsperre bei Altenbruch auf
1l lNøch der Melod.àe,,Nørfröhliche Løøte/ LøJît, Freønd.ø, Text: Hoffrnønø yon Føllersleben.
Abb.
wir heøte.o
Es war ein guter Geist unter den Seeleuten, der auch im Gefángnis und im ZuchtJraus nicht gebrochen wurde. Die Kriegsgerichtsräte und Ankläger waren eigentlich die Repräsentanten der schwächeren Partei. Die St¿irke lag auf Seiten der revolutionären Seeleute. Die Sctrlacht am Skagerrak, von der der deutsche Admiralstab als Sieg sprach, wurde von den Seeleuten, die die Schlacht an den Geschützen, vor den Feuern der Kessel oder als Signalgäste aufder Brücke miterlebt hatten, anders gewerter. Noch in der Zeít, als die großen Schiffe zur Reparatur in allen deutschen Werften lagen, als alle Schwimm- und Trockendocks besetzt waren) ging die Parole von Schiff zu Schiff; Kein zweites Skagerrak! Sicher, d.ie Gruppen
.der lJnterelbe. Diese Klasse von Schlachtschiffen, die letzten, die
dem Aufl
þr
formten diese Schiffe das I. Geschwader' Als wir die Reservisten an Bord fuh¡en) waren wir alle, die zt d.en Fischdampferbesatzungen gehörten, verwundert über die Kriegsbegeisterung dieser meist verheirateten Leute' \Mahrscheinlich war doch unter ihnen ein Teil, der noch vor wenigen Tagen an den Anti-Kriegsdemonsuationen der organisierten Arbeiterschaft in den deutschen Großstädten teilgenommen hatte' Aber als gut organisierte Genossen waren sie auf-das Kommando der SPD umgefallen. Und anstatt die Internationale zu singen und auf die Barrikade zu klettern (oder in den Generalstreik gegen
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d-ie
VERHöRE
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Mobilmachung zu gehen), sangen sie hier auf der Unterelbe
er.Er teilte mir mit, daß ich am nächsten Tage zum Verhör nach ;dem Stationsgebäude gebracht werden wtirde zu einem Leutnant .$ebler. ,,Ich wollte eigentlich das Verhör hier abgehalten haben, ,'aber da dieses Verhör nichts mit der Voruntersuchung zu tun hat, ich dem stattgegeben", sagte er mir. 'þabe rr,,'Ich nahm sofort an, daß es sich um eine Maßnahme der Station Ðstsee handle, die jetzt versuchen wollte , etwas über unsere p-erbindungen in der Flotte zu erfahren. Ich beschloß also, vor,,sichtig zu sein. ,j..i.Am nächsten Morgen wurde ich von einer lJnteroffizier-Pagouille abgeholt und nach dem Stationsgebäude gebracht. In der .W¡che wurde zuerst gemeldet, und dann brachte man mich nach ging der Obermaat von ¡,, dem Zimmer des Oberleutnants. Zuerst gerufen und der Obermaat Dann wurde ich der Patrouille hinein. w"ieder herausgeschickt. Hinter seinem Schreibtisch saß ein Oberleutnant vom Seebataillon und schrie mich gleich an: ,,Nehmen Sie militärische Haltung an und melden Sie sich zur Stelle!" , Ich antwortete sehr freundlich, aber infolgedessen auch volli,kommen unmilitärisch: ..Es wird Ihnen wohl bekannt sein, daß ich laut Urteil vom 24. Dezember I9I7 aus lIeer und Marine ausgestoßen bin. Ich bin kein Soldat mefu und infolgedessen auch nicht verpflichtet, Ehrenbezeugungen zu erweisen. " Der Leutnant war vollkommen überrascht aus seinem Stuhl aufg€sprungen, beherrschte sich aber dann und sagte: ,,Schon gut, setzen Sie sichl" Er nahm dann eine Akte von der Etalage hinter sich, blätterte darin herum und sagte plötzlich: ,,Sie hatten doch einen regelmäßigen Poswerkehr mit Ihren Freunden auf den Schiffen des III. Geschwaders. Erzählen Sie mir einmal, mit wem und über welche Stellen in Wilhelmshaven wurde die Korrespondenz
mit bereits heiseren Stimmen und blauen Gesichtern das Lied: ,,Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Wek,.. Der deutsche Mannesstolz zeigte sich in erhabenster Weise. Die fnternationale, die Idee der Solidarität, alles war vergessen:
'
Stolz weht die Flagge schwarz, weiß, rot, von unseres Schiffes Mast, dem Feinde Weh, der sie bedroht, der unsere Flagge haßt!
Noch vor ein paar Tagen gingen sie zur Arbeit in die Fabriken oder in die Btiros, diskutierten abends in denVersammlungen Maßnahmen gegen die steigende Kriegsgefahr. Dann kam die Kaiser-Rede: ,,Ich kenne keine Parteien mehr .. .,., und unter der Anleituns des Parteivorstandes und der parlamentarischen Fraktion stellte sià die deutsche A¡beiterschaft hinter das Kaiserwort. Die Mobilmachune war da ... und sie alle. alle kamen. Daß die Gefiingnisse und Zuchthäuser, und nicht zu vergessen die Strafl
49,toa meiner scheinbaren Isolierung und der strengen Behandlung bei Tage, kamen in der Nacht die Neuigkeiten, in der Nacht hörte ich die Nachrichten von der Flotte und von den Frontenkamen die letzten Ereignisse, soweit sie in den Gruppen des MarineBataill6¡5 besprochen worden waren. Was da in der Nacht alles rmter meiner Tür du¡chrurschte, ist unbescfueiblich; eins ist sicher, es machte mir das Iæben im Gefüngnis möglich. fnzwischen begannen dann die Verhöre und die Untersuchung gegen mich wegen des ,,Landesverrats((. Eines Tages wurde ich (es war Anfang Januar 19 t
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vorgeführt zum Kriegsgerichtsrar Ritwe-
.1,
geführtf
!"
,,Weiter, Sie waren Abonnentensammler für die Let'pziger Volkr
zeitøng im Bereich der Ostsee-Streitkräfte, nerìrlen Sie mir die
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VERHöRE
.VERHöRE
Namen derjenigen Seeleute, die außerdem noch revolutionäre Zeitungen und Druckschriften vertrieben oder verteilten. " ,,Ferner wünsche ich zu wissen, inwieweit die Agenten der Feindmachte diese Bewegung unterstritzt haben und welche Besprechungen Sie in dieser Beziehung mit ihnen geführt haben." Ich entgegnete: ,,Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß das Abonnentensammeln eine absolute legale Tätigkeit war. Die Zeiungen gingen durch die Feldpost, und die Gelder wurden durch den Schifßzahlmeister abgesandt. " ,,Ich kenne keine anderen Seeleute, die auf anderen Schiffen die gleiche Tätigkeit ausübten. Betrefß derVerbindungen zu Schiffen des III. Geschwaders kann ich nur sagen, daß eine solche Verbindung, auch über Stellen in Wilhelmshaven, nicht bestand." Schließlich wollte er versuchen festzustellen, ob mir irgend etwas bekannt sei darüber, daß gewisse Elemente in Verbindung mit der Stockholmer Sozialistenkonferenz gleichzeitig mit Feindagenten Verbindung aufgenommen hätten. Ich sagte ihm, daß ich nichts davon wisse. Nach einer Diskussion über die Antikriegsziele der linken revolutiondren Gruppen, bei der ich ihn in die Enge trieb, sprang er plötzlich auf und schrie : ,,Ihnen gehören links und rechts welche in die Fresse für Ihre sozialistischen ldeen!" Ich stand sofort auf, glng an die Tür und rief den Obermaaten von der Wache herein und sagte ihm: ,,Ich möchte, daß Sie mich nach der Feldstraße zurückbringen." Der Oberleutnant schrie den Obermaaten an: ,,Wer gibt hier die Befehlel Ich verbiete Ihnen, mit dem Gefangenen zu sprechen. Holen Sie die Wache herein!" Als die Wache hinter mir stand, sagte er zt mtr: ,,Ich gebe Ihnen øxreiTage Zeít ntrr'Überle gen, dann laß ich Sie wieder holen. Mit Ihnen werde ich schon fertig werden!" Das einzige, was ich jetzt tunkonnte , war, ihn in Front derWache klein zu machen, und deshalb sagte ich: ,,Sie haben sich flegelhaft
Abb. 12 | Herrnønn l{nüfken. (l.u.r.) ø.ls Abl?rTtentelrsø.wøler für d.ie Lei4ziger Volkr zeitang irn Unterstøød. d.er rDechsbøøerøo (Møtrosen) Anføng Mtirz 1917.
benommen.,Ich kann nichts gegen Sie unternehmen, da ich ein Gefangener bin. Aber ich mache von jetzt an von meinem Recht Gebrauch, Ihnen gegenüber jede Aussage zu verweigern. Das ist srein letztes Wort mit Ihnen." . Rot wie ein lfuebs schrie er: ..Abführen!" ,, Die lVache marschierte mit mir ab von der Iuliusstraße zurück nach der Feldstraße . Keiner sprach einWort, da es in der Nähe der Marinestation Ostsee immer von Offizieren wimmelte. Aber sowie wir um die Ecke waren und die Luft rein war, lachte die ganze Stimme: ,,So ,, Gruppe. Selbst der Obermaat sagte mit überzeugter ein Idiot!" Ich begriff, daß ich einen neuen Stein im Brett hatte bei den Matrosen vom Wachbatai I lon. Ich war kaum eine Stunde in meiner ZelLe zuruck als die Wache mich schon wieder abholte zur Vorführung beim Kriegsgerichtsrat Rittweger. Die üblichen zwei Mann mit gezogenem Seitengewehr
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VERHöRE
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brachten mich über den Gefiingniskorridor ins Gerichtsgebäude. Rittweger schien ziemlich aufgeregt zu sein, und nachdem die Wache aus dem Zimmer war, sagte er: ,,Da haben Sie etwas ange,stellt, Knü{ken. Erzählen Sie mal, was da los war." Ich erkldrte ihm alles der Reihe nach und sagte zum Schluß: ,,Ich denke gar nicht daran, mich gutwillig noch einmal nach dem Oberleutnant Gebler bringen zu lassen. Der ist frir mich erledigt!" Der Kriegsgerichtsrat machte eine sehr ernste Miene und mir auch alle möglichen Vorhaltungen, aber es schien mir, daß ihm meine Aktion gar nicht so unangenehm war. Der Oberleutnant, der, soviel ich wußte, zur Spionageabwehr gehörte, pfuschte ja eigentlich dem IGiegsgerichtsrat lns Zetg. Bevor er mich zurückbringen Iieß auf meine ZelIe, sagte er: ,,Schlafen Sie mal eine Nacht über diese Geschichte, und dann werden wir morgen mal sehen, was wir machen.t' Am nächsten Vormittag ließ er mich holen und teilte mir mit: ,,Sie sollen heute nachmittag wieder vorgeführt werden zum Stationsgebäude." Ich sagte sofort: ,,Wenn ich wieder zu dem Oberleutnant Gebler soll, wird das zwecklos sein, da ich nie wieder mit ihm auch nur ein Wort sprechen werde; ich habe ihm das selbst gesagt und dabei bleibe ich!" ,,Sie verstehen ja, Knüfken", sagte der Kriegsgerichtsrat, ,,der Oberleutnant wird Sie wegenAchtungsverletzung und Gehorsamsverweigerung zur Besuafung melden. Sie sind zwar verurteilt, aber Sie unterstehen als Gefangener dem Festungsgouvernew. Er kann Sie mit strengem Arrest bestrafen, und das würde 28 Tage V/asser und Brot bedeuten und Entzug der Matratze." ,,Ich gehe gerne undnehme die 29Tage strengenArrest, nurum diesen Oberleutnant nicht zu sehen, und dabei bleibe ich. " Ich ging zirrück in dte ZeIIe. Seitdem habe ich den Oberleutnant nicht meh¡ gesehen. Viel später teilte mir der Kriegsgerichtsrat mit, daß der Oberleutnant der herrschenden Grippe zum Opfer gefallen sei.
mit Gebler war meine Nummer im Marine-Bataillon noch besser geworden. Außer den Tagesigkeiten, mit denen ich in der Nacht versehen wurde, und der lgelegentlichen Zigatette, schoben die Matrosen, die die l(orriin der Nacht gingen, auch gelegendich ein Stück Brot r der Tür durch. Brot, selbst das kleinste Stück, war sehr willda wir nicht genügend Essen bekamen. Morgens und .&ends bekamen wir l(affee oder Tee, manchmal eine kleine Portion Kíibenmarmelade. Einmal alle drei Wochen gab es abends einen '$zlzhering. Alle sechs Tage gab es ein Brot, das vom Sergeanten gofort in sechs Tagesrationen geschnitten wurde. Das Mittagessen ø'urde von der K.6. Z. von der I. M-D qebracht. und davon er,hielten wir einen Liter. Wir bekamen immer das Dünne, und das þg wotrl daran, daß das Dicke und Nahrhafte bereits abgefischt twar. Dagegen war nichts zu machen. Ich versuchte sefu oft, den
f-,ññ*.iììr
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Seit meinem Zusammenstoß
,Korridor-Sgrgeanten durch die dicke eichene Tr.ir zu hypnotisieren, .mi¡ einen zweiten Schlag Essen zu geben, aber ich habe niemals ,damit Erfolg gehabt. ,,, Niemals im Leben vor L9L7/I8 war ich hungrig gewesen. Hier im Gefüngnis an der Feldstraße war ich immer hungrig. Da hatte ich einmal einen Obersignalgast in der Nachbarzelle. Er hatte irgendwo, ich glaube im Düsternbrooker Gehölz, seine Braut ermordet und wurde dafür zum Tode verurteilt. Am Vorabend der Urteilsvollstreckung morste er mir durch, daß er mir zwei Sechstel von seinem Brot in meinen Brotkasten seschoben hätte. Ich solle i es mir gut schmecken lassen. Morgens um 4 Uhr kam man ihn abholen zum letzten Gutrg. Als ich meine ll4atratze um ó Uhr rausgab, sage ich dem Posten beim Brotkasten Bescheid, daß ich füLr zwei Tage je ein Snick Brot mehr reinnehmen wr.irde. Er sagte mir darauf mit einem Lächeln: ,,Du bist der €tnzige, der von ihm etwas geerbt hat!" Der nächste Nachbar in der leergewordenen Zell,ewat ein Obermaschinistenmaat von der lJ-Boots-Abteilung. Eingeliefert wegen
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(?
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Verrats militärischer Geheimnisse. Er war sehr zurückhaltend und deprimiert. Bevor ich noch näher mit ihm in Verbindung treten konnte, wurde er in eine andere ZeIle verlegt, und ich bekam als neuen Nachbarn einen Reserveoffizier-Aspiranten vom Seebateil16¡, den man von der Flandern-Front gebracht hatte. Er hatte ,,einen tätlichen Angriff' aufseinen Kompanieführer gemacht und auf ihn geschossen. Oberschenkelschuß. Man hatte ihn sofort festgenommen und hinter der Front vor das Feldkriegsgericht gebracht. Zu seinem Glückwurde vor derVerurteilung festgestellt, daß sein Vater geisteskrank war, und er wurde zur lJntersuchung seines Geisteszustandes nach Kiel gebracht. Wir beide gingen zu-. sarnmen zum Austreten, und so erfuhr ich die ganze Gcschichte -
von ihm. Er war ein ganz lustiger Bursche mit höherer Schulbildung. Seine
Mutter schickte füm einmal ein Paket, und unter anderem war da ein Weißbrot. Morgens beim Austreten teilte er mir das mit und sagte: ,,Paß mal auf beim Austreten heute abend, ich bringe ein halbes Brot für dich mit." Zum Glück war abends ein guter Posten in der Toilette, so daß ich das halbe Brot gut unter meinem blauen Hemd verstauen konnte. In der Nacht ging ich dann in meiner Zelle hin und her und aß das Brot radikal auf. Es war wunderbar. Die Untersuchung gegen mich wegen Landesverrats ging inzwischen ziemlich langsam vorwärts. Was die Deutschen über unsere
Verbindungen nr dem feindlichen Nachrichtendienst erfahren hatten, war im allgemeinen: t ) daß j eder von den vier ursprtinglichen Deserteuren von S.M. S. Ilytine einen Le benslauf gescfuieben hatte, 2) daß jeder frir sich vollkommene Angaben über seine Ausbildung in der Flotte gemacht hatte, 3) daß Angaben über die Geschwadereinteilung und besonders über die Aufklåirungsstreitkräfte gegeben wurden,
4) daß damit zu rechnen sei, daß die Vermessungsgäste, die
,
gleichzeitig Signalgäste waren, auch Teile des Geheim-Signalbuches übergeben hatten, darunter die einstelligen Gefechts-
signale. &Iein Freund. der mehr und mefu unter den Einfluß des DMsionsgeraten war und auch bei Rittweger alles aussagte) was er oder glaubte zu wissen, hatte ein sogenanntes Geständnis ben.
;'Zwarhatteich bei Ritweger nach jedemVerhör
das
Protokoll zu
g.u. : vorgelesen, genehmigt und unterschrieben),
iben bisher war in diese Verhörprotokolle nichts hineingekommen, (v.
ich nicht hineinhaben wollte. Der Kriegsgerichtsrat preßte in Verhören hauptsächlich daraufhin, Eingeständnisse von mir zu über die Tätigkeit, die wir im Aufuage der Feindmächte Kie!, in den Werften und auf den Schiffen ausgeführt hätten. Er teilte mir unter anderem im Fnihjahr (es kann auch im Som-
lgl8 mit, daß die Nord.d.eøtsche Alþerneine ng eine Nachricht gebracht hatte, nach der ,,die Vermesäste Knüfken und |acob in der Nähe des Kaiser-Wilhelmals verhaftet worden waren. Sie hätten die Absicht gehabt, die bnicken über dem Kanal zu sprengen." Die Nord.d.eøtsche Alþeweine Zeitang, die in der Kaiserzeit tliches Organ der Regierung war, hatte diese Nachricht heinlich von der Spionageabwehr erhalten. Das war die Rittwegers. Er sagte mir, er habe mit der Publikation ts zu tun und wisse auch nicht- welchen Zweck man damit
er gewesen seinl)
Im Oktober L9I7 kam eine große Explosion vor auf einem der U-Boote. Es war eins der 50er Boote. Das passierte geraals wir auf der Werft gewesen waren. Man stellte
in der Zeit,
nicht r Torpedo aus dem Boot gehievt wurde. Der Kopf des stieß unter Deck gegen irgendeine Kante und brachte
a-¿chher einwandfrei fest, daß die Explosion geschah, als ein
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VERHORE
diesen Torpedo undvier oder fünf andere zur Explosion, wodur.ch das Boot so schwer beschädigt wurde, daß es sank. Hätte die Untersuchung die {Jrsachen nicht einwandfrei festgestellt, dann hätte man den Verlust des U-Bootes und der Menschenleben auch noch auf unser Konto genommen. Da der Kriegsgerichtsrat nicht das von mir herausbekommen konnte, was er wollte, kam er nun mit dem schriftlichen Geständ-
nis von Jacob. Ich bat ihn, nicht immer damit zu manövrieren, sondern mir dieses Geständnis vorzulesen. So, eines Tages ließ er
mich holen und las mir die ganze Sache vor. Jacob schrieb darin alles, soweit er es wußte (manchmal auch nur annahm, falls er nicht dabei war!). Abb. 13 | Todesstrøfe bei l(riegsterrøt nøch dern Militrirstrøfgesetzbøch.
nüicg9brrrötrilüe Ðegil¡r$igulg.
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VERHÖRE
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Vom ersten Tage unserer Ankunft in Diùremark an, unsere vielen Zusammenkänfte mit den Reportern der Zeiotngen, mit den verschiedenen Nachrichtenleuten der Engländer und Franzosen, alles war in seinem Geständnis enthalten. Er hatte nicht mal kleine nichtssagende Sachen vergessen) deren ich mich erst erinnerte, als der lGiegsgerichtsrat vorlas. Schließlich kam er auch zu unserer Reise nach l(openhagen, zu einem Zusammentreffen mit mehr verantwordichen Leuten des feindlichen Auslandes. Eine große Rolle spielte darin der fusistent des französischen Marine-Attachés. Im übrigen hatte er die Rollen ziemlich gleichmißig verteilt zwischen Franzosen und Engländern. Bei den entscheidenden Besprechungen wegen unserer Rückreise nach Deutschland war er nicht zugegen, und was er daniber angab, war phantastisch, paßte aber den Deutschen in ihren Kram, da es ihnen Gelegenheit gab, alle ihre unfihigenAgenten in Skandinavien in Bewegung zv setzeil. Er gab mir die ganze Schuld und sagte, daß, als er vor dem Äußersten zurückscfueckte, ich ihm gesagt habe,
Eobe boftratt, roæ mít bem Eorio$e, einer feinbliü¡en Ínsrút Soridrub 3u feiften obæ ben beutfúen ober leto bünbefen Erupper ltoóteil 6u¡ufüger, 1. eine ber im $ 90 be€ Ðeutidlen €trofgefelcbuóeF
daß es leicht'sei- den revolutionären Sozialismus mit dem Munde zu vertreten, daß es aber nur die Tat allein sei, das vollkommene Einsetzen für den Sozialismus und die deutsche Niederlage, welches
úqei$nctei flrafbaren $onblungen begebt, 2. Sege obæ Eeleg¡apbensnîtallen 3æftört ober brouúbor noói,
Er schloß sein Geständnis mit den Worten: ,,Lieber mit der Wahrheit sterben als mit der Lüge weiterleben!" AIs mir das vorgelesen wurde, war ein IGpit?in zur See von der Spionageabwehr zugegen, und als Rittweger die letztenWorte gelesen hatte, blickten beide auf mich, um die Wirkung festzustellen. Sie erwarteten nun meinen Zusammenbruch. ,,Na, Knüfken) was haben Sie dazu zu sagenf " frug mich Rittweger. Ich glaube, ich zuckte mit den Schultern und sagte nach krrzer Überlegung: ,,Ich wußte nicht, daß mein Freund so gut im Verfassen von Geständnissen war. Das ist ein ganzer Roman, den er zusammengeschrieben hat. Ich verweigere jede Aussage, solange lacob mir nicht gegenübergestellt wird."
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3. ba€ @ebeinni8 ûeâ fpoÉen6, bo8 telbgeid)rei ober bie Soiung oerröt, 4. oor bem $einbe Slelbungen obet bienÉlióe llllit, teilungen fatld¡ r¡crül obcr riültige 3u mcfen untæIöBt,
5. bem $einbe cte Seçueifæ âu einæ mifitihiiúen
llnterneþmrnS gqgen bErtÍóe obæ
rerbûnbete
9ruppen biert, oùeu olg Eegoeilæ friegftfrenbe beutfóe ober oerbünbete Eruppen iwefcilet.
dte Zeit von einem Revolutionár fordere.
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Es war
Ritnveger sagte dann: ,,Wirwerden darüber einen Beschluß herbeiführen und Sie zu anderer Zeitvon dem Beschluß verständigen.,,
lesen. Das war Leben! lMfürend ich las, sprach der IGpitdn z.S. mit Rittweger über etwas . So hatte ich eben Zeit, manche Artikel zweimal zu lesen. Als ich spät am Nachmittag in meine Zelle zurückkam, hatte genügend zum Nachdenken. Es war ziemlich sicher, glaubte daß es zu einer Gegenüberstellung mit Jacob kommen würde. glaubte erst, einen Plan machen zu müssen, wie ich mich ihm ber verhalten solle. Trotzdem beschloß ich dann. der sich nden Situation alles zu überlassen. ,{m anderen Nachmittag wurde ich zu Rittweger gebracht. Ich
Der Kapitän zur See (ich glaube, er hieß Dressler) befragte mich dann über meine persönliche Einstellung in bezug aufAktionen zu¡ Herbeiführung der Beendigung des IQieges durch eine deursche Niederlage. Ich warf einen kurzen Blick auf den Deckoffizier-Schreiber Ruppertz, der immer mitstenographierte. Ritnveger, der meinem Blick folgte, sagte sofort: ,,Wir werden Ihre Antwort ins Protokoll aufnehmen, und Sie werden es wie üblich unterschreiben. überlegen Sie sich die Antwort genau!" Ich entgegnete darauf; ,,Ich habe nicht viel zu überlegen, ich möchte die Antworr, weil sie mir ziemlich wichtig scheinr, gur
formulieren." Der Kapitän zur
See sagte: ,,Setzen Sie sich
te das Verhörprotokoll unterschreiben. Im Anschluß daran der Kriegsgerichtsrat mir mit, daß er glaube, daß meinem ch um Gegenüberstellung stattgegeben würde . Ich ging zurück ln dte Ze\le, wo die Zeit nw langsam verging, isi immer der Fall. wenn man auf etwas zu \Marten hat.
nur wieder hin und
Zeit", und er schob mir sejne Zigaretten über den Tisch und gab mir Feuer. fch rauchte dann und sagte: ,,Jedes Mittel zur Beendigung des_ Krieges ist moralisch von meinem Standpunkt gerechtfertigt.,. Der Kapit:in z.S. frug sofort: ,,Auch durch Vorschubleistung für eine lassen Sie sích
feindliche Machtf
"
,,Als ich festgestellt habe, daß die Beendigung des Krieges dureh eine militärische und maririme Niederlage Deutschlands erreichr werden kann, da habe ich gleichzeitig die Konsequenz gezogen, dem Feinde Vorschub zu leisren. Wir sind keine pazifisren, die mir friedlichen Mitteln kämpfen, sondern revolutiondre Sozialisten.,. ,,Glauben Sie, daß Ihre Freunde in der Flotte zu diesem Zweck irgendwelche neue Aktionen planenl" frug er dann.
,,Ich kann das nicht sagen) erstens einmal, weil ich schon zu lange im Gefüngnis sitze, zweitens, wenn ich etwas darüber wüßte, würd.e ich es Ihnen nicht sagen", entgegnete ich. Er zeigte mi¡ dann eine Reihe illegaler Flugblarer und hektographierter Schriften, teils pazifistischen, teils revolutionären Inhalts.
für mich ein wirklicher Genuß. alle diese Schriften
,
war nùn schon Hochsommer. Die Nachrichten, die ich nachts den Posten durch meinen Schlitz unter der Tür bekam, wurden
.,
Deutschland immer schlechter und für mich immer besser. Ie
Es
derTermin ftir die Haupwerhandlung gegen michverzögert , um so meh¡ wuchs meine Chance, einer Verurtei-lung zu Der Zusammenbruch, die militfische Niederlage mußte ich habe den Glauben daran niemals verloren. Ein paar Tage später wurde ich wieder vorgeführt zur Vernehund als ich kurz vor der Tür des Zimmers des Kriegsgerichtswar. sah ich. daß schon zr¡¡ei Posten vor der Tür standen. Ich ãegriff sofort, daß lacob da drinnen war und daß mit der Gegen&berstellung auch eine Art von Entscheidung gekommen sei. Ob nervös warl lch glaube, mehr als mir lieb war! Der eine meiner lposten klopfte und meldete mich, und ich hörte die Stimme Rittrs: ,,I{ereinftommen!"
;', So, die Posten brachten mich hinein und mußten dann wieder &inaus und vor der Tür warten.
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,,Kommen Sie auf diese Seite", sagte Rittweger. Ich ging auf den angewiesenen Platz und stand di¡ekt meinem Freund Jacob gegenüber. Ich freute mich wirklich ihn zu sehen und ließ ihn das sofort erkennen; er war mager geworden, sein Gesicht, welches immer schmal war, war nun noch schmaler, das kurze aufrechtstehende l{aar, die blasse Hautfa¡be und sein eigenartiger Blick ließen ihn etwas sonderbar erscheinen. Was den Blick anbelangte, muß ich noch erwähnen, so war der schon immer vorher das Eigenartige an ihm. Er hatte eine feststehende Pupille, mußte also den Kopf mehr bewegen als andere Menschen. Flier stand er und sah mir direkt in die Augen. Das Gesicht war starr, wie eine Maske. Ebenso starr schien sein Körper.
Vollkommen unbewe glich Der Kriegsgerichtsrat hatte, wie ich sehen konnte, das von Jacob geschriebene Gestäurdnis in der Hand. Er wandte sich an Jacob, und da der in strammer Haltung stand) sagte er zu ihm: ,,Jacob, Sie können
HöRE
VERHöRE
rüh¡en!"
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Ich sagte darauf zu Jacob: ,,Ich weiß nicht und kann nicht verwie du dazu kamst. so ein Geständnis zu schreiben. aber fu wirst wohl verstehen, daß du nun in meiner Gegenwart die ;.. ahrheit sagen mußt. Deshalb stelle ich dir die Frage: Wie konntest du so et'was schreibenl"
,
Keine Antwort. Nicht mal der Versuch, den Mund aufzuma-
Sein Blick hing ununterbrochen an meinem Gesicht. Immer çhen. tl derselbe Ausdruck.
Der Kriegsgerichtsrat sagte mit lauter Stimme zu Jacob: ,,Mann, .sagen Sie etwas!"
. Keine Ant$.ort. Der Deckoffizier-Schreiber Ruppertz hüstelte . Er ging zur Tür und rief Jacobs Wache herein. Rittweger hatte ihm wahrscheinlich ein Zeichen gegeben. ,,Zttrijck zur ZelIet" befahl Rittweger der Wache. Jacob machte eine mi.litárische Schwenkung und marschierte ab,
.begleitet von den zwei Matrosen mit gezogenem Seitengewehr. ,:Sowie die Trir geschlossen war) sagte Rittweger: ,,Setzen Sie sich,
Aber Jacob blieb in seiner strammen }lalrung stehen. Er rùhrte sich nicht. Blieb eisern stehen. Sein Blick hing so starr an meinem Gesicht, daß ich ihn fütrlte. Es war nicht unangenehm. Nochmals sagte Ritnveger: ,,Rüfuen Sie doch, Jacob, machen Sie doch jetzt
Knüfken!" r Er ging zu Ruppertz hinüber und flüsterte etwas zu ihm. Dann
keine Geschichten!" Aber der riihrte sich nicht. Sein Blick sagte mir immer wieder nur eins: Tøe, wøs Dw hønnst, swche einen Weg! Es war wie eine Gedankenùbertragung, die, glaube ich, ftir uns beíde ganz selbswerständlich war. Der Kriegsgerichrsrat war in diesem Augenblick wie nicht vorhanden frir uns. Wir beide verstanden urìs) es gab keine Meinungsverschiedenheiten. Der Kriegsgerichtsrat strich nervös seinen Bart und sagte: ,,facob, ich habe dem Knüfken Ihr Geståindnis vorgelesen, und er har eine Ge genüberstellung verlangt. "
\À/as ich sehen konnte, war, daß mein und was weiß ich noch sonst. Den Haftpsychose krank ist. Freund hat der Divisionspfarrer verrückt gemacht!" Der IGiegsgerichtsrat sprang auf: ,,Ruppertz, Iassen Sie Ifuüfken sofort nach seiner Zelle bringen!" Ruppertz rief die Wache ins Zimmer, und eine Minute später war ich wieder zurück in meiner Zelle. Zwei Tage später teilte mir die Nachtwache mit, daß Jacob ab-
Er wandte sich darauf an mich und sagte: ,,Sie können dem Jacob jetzt Fragen stellen!"
kam er zu seinem Sitz hinter dem Tisch zurück, strich seinen Bart und sagte: ,,Ich glaube, er ist Ihr Opfer. Was wollen Sie nun sagenf "
,,Ich bin kein Psychiater.
transportiert war. Man hatte ihn zur Beobachtung seines Gesundheitszustandes in die Abteilung ,Klapps" gebracht. Ich habe ihn nicht mefu gesehen.
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VERHÖRE
Der Sommer I9l8 brachte die letzten deutschen Offensiven an der Westfront. Vonibergehend waren dre Zeinrngen, die mir von den Wachtposten nachts unter der Trir durchgeschoben wurden, voll von Siegesmeldungen. Die Front erstarrte wieder, und das Massenschlachten flaute ab auf normal. ,,Vater Seemann,. kam eines Tages im September zu mjr in die Zelle. Er musterte meine
Uniform. ,,Sie bekommen eine neue Garnitur Blau,,, sagte er, ,,und morgen früh werden Sie außer der Reihe rasiert und Haare geschnitten! Wir erwarten mal wieder hohen Besuch.,, Ich bekam neue blaue llosen und ein neues blaues Hemd. Sogar ein neues rotes V, das Vermessungsabzeichen, wurde angenäht. Als ich neu aufgemacht war, kam ,,Vater Seemann., und musterte mich. Er war nervös, und daraus schloß ich auf einen besonders wichtigen Besuch bei Kriegsgerichtsrat Rittweger. Am anderen Tage wurde ich kurz nach 10 IJhr morgens abgeholt. Außer Rittweger und Ruppertzwar da noch eine Kollektion
von A¡melstreifen, Kapitän z.S. Dressler und drei andere Seeoffrziere.
Rittweger sagte: ,,Knùfken, ich glaube, Sie haben doch wohl verstanden, daß Ihre Lage sehr ernst ist. Wir werden in Kürze zum Abschluß der IJnrersuchung kommen. Der Gerichtsherr wird dann über die Eröffnung der Haupwerhandlung beschließen. Herr Kapit¿in z.S. Dressler wünscht mit Ihnen auf Grund Ihrer und lacobs Aussagen alles noch einmal durchzusprechen, und wir hoffen in Ihrem eignen fnteresse, daß Sie uns behilflich sind, alle die punkte aufzuklären, die uns bis jetzt ein Rätsel sind. Es ist lhre letzte Gelegenheit, etwas ftir sich selbst zu tun." Er machte dann eine Handbewegung zu Dressler und sagte:
,,Bitte." Kapit:in z.S. Dressler schob sein Zigaretten-Etui zu mir über den Tisch, gab mir Feuer und legte los. Er rekapitulierte die Geschichte und machte jeweilig halt bei den Punkten, die nicht (vom Standpunkt der Anklage oder besser
óI vom Standpunkt der Spionageabwehr) aufgekl?irt waren. Frage meiner Verbindung zu Leuten auf den verschiedenen n der Hochseeflotte. Er wollte Namen haben. Da ich so wie keine Namen kannte, fiel es mi¡ leicht, ihm auseinander, es sei eine Regel gewesen, daß bei Zusammenkünften Namen genannt wrrden. Wir hätten manchmal gewußt, daß Leute von diesem oder jenem Geschwader waren) aber weiter n wir nicht interessiert gewesen. .Als Sie in Dänemark waren, haben Sie bei Ihrem Verkehr mit rigen der Feindmächte den Eindruck gehabt, daß diese geheimzuhaltende Dinge der Flotte informiert warenl" Meine Antwort bestand in der Erklárung, daß ich ausschließlich mich allein sprechen müsse. Nachdem ich das von Jacob ge,pchriebene Geständnis gehört habe und nachdem die Gegenùberø.Eellung ergebnislos verlaufen sei, bleibe mir nichts anderes übrig, zu bes -eiten, daß ich als Agent des feindlichen Nachrichtengearbeitet habe oder zu diesem Zwecknach Deutschland f.,4rückgekornmen sei. ', Betrefß der Kenntnisse des feindlichen Nachrichtendienstes über geheimzuhaltende Dinge, Maßnahmen und Ereignisse in der deutFlotte kann ich kein Werturteil abgeben. Ich habe nicht die Möglichkeit gehabt, irgendwelche Feststellungen z1r machen, es i,,,,y.i denn unter Benutzung des allgemeinen Verlaufes des IGieges 4ls Wertmesser fijr die Kenntnisse und Leistungen des feindlichen lrlachrichtendienstes. , ,,Ich habe nicht die Absicht, meine aktive Tätigkeit gegen diesen Krieg abzustreiten, und bin so weit gegangen, zu Protokoll :'zu erkldren und zu unterschreiben. daß. nachdem ich festsestellt , daß die Beendigung des Krieges nur durch eine militärische Niederlage Deutschlands erreicht werden kann, ich dann gleichzeitig die Konsequenz gezogen habe, dem Fejnde Vorschub zu
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VERHÖRE
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Der arme Ruppertz, der Deckoffizier-Gerichtsschreiber, tat mir leid, da er ja alle unsere Wortgefechte zu Papier bringen mußte. Mir selbst waren diese Vernehmungen mehr als angenehm. Erstens waren sie eine Unterbrechung meiner Isolierung von der Außenwelt, zweitens gaben sie mir einen Einblick in die geistige Armut der maßgebenden trkeise in der deutschen Spionageabwehr, und drittens erlaubten sie mir eine Einschätzung der zeitmäßigen Chancen, die mir blieben. Wie jeder Mensch habe auch ich eine Unzahl von Dummheiten im Leben begangen, nur in einer Sache war ich ziemlich sicher und habe mich selten vertan, in der gefütrlsmäßigen Einschätzung meiner eigenen Lage, wenn ich in wirklich
it immer mefu zu der Uberzeugung kam, daß solche Ver-
ernsten Schwierigkeiten war. Deshalb möchte ich hier feststellen: Nach der zweiren Verhaf-
tung im Oktober
l9l7 konnte
ich mit dem Leben abschließen".
Das Feldkriegsgericht der L Marine-Inspektion in Kiel hatte genug
Material, um sowohl Jacob als auch mich auf den Sandhaufen zu stellen. Was mich rettete) war die deutsche Spionageabwehr, die die Haupwerhandlung verhinderte, weil sie der Meinung war, sie könne sich in irgend etwas einschalten, in Verbindungen, die zwischen Deutschland und dem feindlichen Ausland bestanden. AIs diese Leute feststellten, daß hier nichts zu machen sei, und als schließlich Ende Oktober der Termin zur Hauptverhandlung ftir die ersten Novembertage I9l8 festgeseøt wurde, \Ã/ar es zu spät, die Revolution kam dazwischen. Auch an diesem Vernehmungstage machte man die Dummheit, meine Einstellung zu den verschiedenen politischen Glaubensbekenntnissen des Sozialismus mit mir zw besprechen. Das gab mir Oberwasser, und als wir dann a)gLLterletzt bei den Anarchisten ankamen, Bakunin, Kropotkin u.s.w.) beherrschte ich das Feld. Der einzige, der bei diesen Vernehmungen etwas lernte, war Ruppertz, der Gerichtsschreiber. Die Seeoffiziere mit dem Kapitän z.S. Dressler an der Spitze wurden nur vollkommen verwirrt, wohingegen der Kriegsgerichtsrat Rittweger in seiner wirklichen
zwecklos wären. Er brauchte ear nichts mehr
füLr
meine
ilung, er brauchte nur den Termin der Hauptverhandlung war der einzige, der begriff, daß die Zeitfür mich arbeitete. die beiden Matrosen reingerufen wurden, um mich in die zunickzubringen, sagte Rittweger: ,,Ich werde Sie morgen I]nterschreiben holen lassen!" Sowie ich aus dem Vernehmer heraus war, klopften mir die Posten auf die Schulter sagten: ,,Schade , daß wir nicht meh¡von deiner Sorte draußen ." Sie hatten die ganze Zeit durch die geschlossene Tür und da ich nicht leise sprach, konnten sie ohne Anstrenviel verstehen. Die Reaktion merkte ich dann in der Nachtdie Wachtposten Zeitungsausschnitte und mehr Zigaretten als unter der Tür durchschoben. Eåls ich am nächsten Tage vorgefüfutwurde zum lJnterschreiben, Ritnveger und sagte: ,,Da haben Sie der Spionageabwehr r mal die Köpfe verwirrt, und nun müssen wir wieder abwas Berlin entscheidet. Aber ich glaube doch, wir werden zur Flauptverhandlung kommen." Als Ruppertz mir das Vervorlas und Streichungen und Verbesserungen
wurden, gab es manche Gelegenheit, bei der ich Sympathie merken konnte. September verging, und der Oktober kam mit dem Jahrestag
Verhaftung. Das war der 28. Oktober. Ich wußte durch Verbindung mit den Posten des Marine-Bataillons, daß die an der Front sich täglich verschlechterte. In der Flotte rechman mit einem plötzlichen Einsatz der gesamten Flochsee:gegen England. Die Stimmungwar, wie man an Bord sagte, 80! Die Belegschaften der großen Werften waren unruhig, Tag konnte den Generalstreik bringen. Ðer 28. Oktober 1918 wurde für mich ein ereignisreicher Tag. Halbdunkel des Spätnachmittags wurde meine Zelle atfge-
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schlossen, die üblichen z\¡/ei Matrosen standen da mit gezogenem Seitengewehr, um mich vorzuführen. Sowie wir aus dem Gefringniskorridor raus waren und ins Gerichtsgebäude kamen) sagten sie zu mir: ,,Die Psychiater sind da, und wenn die kommen. ist es immer ein Zeichen, daß die F{auptverhandlung kommt. paß aufl.. Zum ersten Mal ging es die Treppe runter in ein anderes Zimmer. Zwei Arzte in Zivilkteidung erwarteten mich und baten mich sofort, nachdem die Posten mich abgeliefert hatren, mit ihnen am Tische Platz zu nehmen. ,,wir haben nur oberfläctrliche r(enntnis der Anklage gegen Sie, aber da nun die Hauprverhandlung gegen sie angesetzt wird und unser Gutachten über Ihren Geisteszustand notwendig wird, kamen wir, um Sie zu sehen und mit Ihnen zu sprechen. Vielleicht würden Sie uns mal Ihre Geschichte erzàh: lenì Oder denken Sie , es ist besser, wenn wi¡ Ihnen einige Frag€n stellenf
"
Ich sagte ihrren, daß es wohl besser sei, wenn sie die Initiative übernehmen würden. Und so geschah es. Bald waren wir in eine Diskussion über den Krieg und die deutsche politik vertieft, eine Diskussion, in der eigentlich nur ich einen festen standp'nkt vertrat. Die Unterhaltung wurde immer einseitiger, da mir die beiden Á¡zte vollkommene Freiheit ließen in der Entwicklung meiner, Gedanken und in der Begründung meiner Tätigkeit für d_ie Herbeiführung der deurschen Niederlage. wahrschei¡lich hatten diese beiden Psychiater während des ganzen Krieges keine so rücksichtslose Sprache gehört wie von mk. Vielleicht machte ihnen das Freude, besonders, wenn sie, wie viele andere im vierten Kriegsjahre, den
Hals voll hatten von Siegen, Flungern und Elend. Zum Schhü3 habe ich nicht mefu zu den Arzten gesprochen. Ich wußte, daß außen an der Tùr die beiden Posten standen und zuhörten, und was ich sagte, war mehr für sie bestimmt als für die Gutachter. Selbstverständlich glaubten auch diese Psychiater nicht mehr an einen deutschen Sieg, wenn sie das auch nicht zum Ausdruck brachten. Aber ich glaube, daß ich sie zumindesrens dahin gebracht habe,
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ruhigem Gewissen ein Gutachten zu unterschreiben, daß ich ig normal war und an keiner Haftpsychose litt. Und das war etrvas wert. zu wissen. was an diesem Tage in der Flochseeflotte vor gtng in Wilhelmshaven und auf der Jade, war ich felsenfest überzeugt, daß der Zusammenbruch vor der Tür stand. die beiden Posten reingerufen wurden, um mich wieder , hatte ich das Gefühl, daß die Freiheit irgendwo hineiner Ecke auf mich wartete. Die beiden Matrosen, die mich rmeine Ze|le zwickbrachten, nahmen mich, sowie wir auf dem idor allein waren) in die Arme und sagten: ,,Du hast noch @qdestens zwei WochenZeit bis zur Hauptverhandlung, und bis in luacht der ganzeLaden zusammen. FIeute nacht werden wir mehr erzählen; wenn die Offiziersrunde vorbei ist, paß mal an
Tür auf." Umêtwa I Uhrnachts ging die Offiziersrunde durch, und gleich terher bekam ich meine Neuigkeiten: ll) Die kleinen Kreuzer und Zerstörervon denAufklåi¡ungsstreitkräften waren seit einigen Tagen in Bereitschaft.
2) Die Panzerlreuzer der ,,Schnellen Division" waren auf der
:
Außenjade
.
3) Die drei Geschwader waren unter versch:irfter Bereitschaft, . teilweise schon ausgeschleust oder klar zum Ausschleusen. 4) Die Belegschaften der großen Kieler Werften waren, sowie . es auch nur den geringsten Anlaß gab, fertig für einen Generalstreik.
lVährend der nächsten zwei Tase erwartete ich die offizielle über die Eröffnung der Hauptverhandlung gegen mich die Festseøung des Termins.
Nichts kam. 1. November
des
III.
I9I8
wurde es unruhig in Kiel. Die Schlacht-
Geschwader unter Admiral Schmidt schleusten
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durch Holtenau in die Kieler Bucht. Sofort nach Festmachen an den Bojen wurden in Folge Abmachung zwischen Admiral Souchon und dem Festungsgouverneur einerseits und dem Admiral des III. Geschwaders ganze Gruppen von Matrosen und Heizern an Bord S.M .5. Mørkgrøf, Grofer IØrfiirsL Prinzreøent Løitplld.) Iö nig Al b ert md Fr i d.ri, c h d, er G r of e von D eckoffi zier-Patrouillen festgenorrunen und in die Marine:A¡restanstalten eingeliefert. In der Arrestanstalt in der Feldstraße wurden 28 Matrosen von S. M. S. Mørkgrøf etngeliefert. Damit kamen die Neuigkeiten zu mir. Und ich erfuhr alle Einzelheiten, die zur Anwesenheit des III. Geschwaders in Kiel und der Verhaftung der Rädelsführer e
ursächlich beigetragen hatten. Die Hochseeflotte sollte am 28. Oktober zu einem letZten entscheidenden Vorstoß gegen England auslaufen. Jeder einsichtigê Mensch in Deutschland wußte, daß der Krieg verloren war. Nun wollte man mit dem Vorstoß der gesamten Flochseestreitkräfte gegen England die letzte Karte ausspielen. Das hatten die meist aktiven, revolutiondren Seeleute der Schlachtschiffe des III. Geschwaders verhindert. Die kleinen Kreuzer der Aufklåirung und die Panzerkreuzer der ,,Schnellen Division" hatren mit ihrer Zerstörerdeckung schon Schillig Hörn in der Außenjade passiert, als die Heizer aufden Schlachtschiffen des III. Geschwaders die Feuer herausrissen. Die zentralen Kommandostände wurden ebenso wie die Tùrme von den meuternden Matrosen besetzt. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Offizieren und Mannschaften. Schließlich beschloß der befehlshabende Admiral, Hipper, den Befehl zur Rückkehr nach Wilhelmshaven zu geben. Man verhandelte mit den Mannschaften und versprach, das III. Geschwader nach Kiel zu schicken, die Lage an Bord zu verbessern
und Heimatsurlaub zu geben. Auf den Schiffen des I. Geschwaders, Kaiserklasse, war es verh?iltnismäßig ruhig geblieben und ebenso auf den Schiffen des II. Geschwaders, Provinzenklasse. Die Spekulation des Admfual-
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ging darauf hinaus, das III. Geschwader in Kiel zu säubern die Flotte schnell wieder aktionsbereit zu machen. Âber damit machte das Flottenkommando den entscheidenden . In Kiel standen mehr als 40.000 Werftarbeiter vor dem GeAdmiral Bachma¡n war als Admiral der Ostsee-Station ieden, und Admiral Souchon, der gerade von der Türkei war- hatte keinen Schimmervon der Gefåh¡lichkeit Lage. Die unruhigsten Schiffe der Flotte, das ganze III. Ge, ging durch den Kanal und schleuste durch die Holtenau den Kieler Hafen ein. Sowie die großen Schiffe an den Bojen waren- sollten die Rädelsführer auf den verschiedenen Schiffen werden. Da man die kasernierten Matrosen und Heizer von der I. Matro-Division in der Feldstraße, der Werft-Division und der TorpeDivision in der Wik nicht für besonders zuverlässig hielt, wurden andos von Deckoffizieren und Reserveoffizier-Aspiranten engestellt. Mit diesen Stoßuuppen und unter starker Siwwden die Rädelsfrihrer an Bord festgenommen und an
Wie gesagt, ich erfuhr all dieses von den Møt hgrøfMatrosen. selben Abend gingen die Besatzungen der Schiffe des III. rs an Land (oder Teile dieser Besatzungen) und setzten
mit der Marine-Garnision in Verbindung. Gleichzeitig
fan-
Besprechungen statt mit den Komitees der Werftarbeiter. Die ftarbeiter erklártert sich solidarisch und proklamierten für den November den Generalsueik. Itm 2. November, am Spätnachmittag, fand eine Versamt lottg Matrosen und Werftarbeitern in der Wøld.wiese statt. Für die iung der eingesperrten Matrosen und politischen Gefangenen, die Beendigung des Krieges, für dieAbdankung der Hohenzolund Demobilmaðhung. Nach der Versamqrlung marschierten Versammlungsteilnehmer in einem Demonstrationszug nach hinein und stießen vor dem I(ø'iser-Cøfé a:-J;f eineDeckoffizier-
KIELER MATROSENAUFSTAND 1918
MATROSENAUFSTAND 1918
von einer l(ompanie Infanterie abgelöst. Es wurde Ernst. inengewehre wurden in Stellung gebracht und das Gefäng-
,
Abb. 14 | Døs Zentrum
d'er Rep,ration iø IGer: d.øs cøfé I(øiser (rinhs), Mørinøhøserneø and. Arrestønstøh (Mitte) aød. d.ie Fe ldstrøße (rechtd.
Patrouille, die die straße abgesperrt hatte. Als die Demonstration sich nicht auflöste, sondern vorwärts marschierte, gab der Leut_ nant) der diç p¿¡¡euille führte, den Befehl zum Feuern. Er wurde im selben Moment niedergeschlagen, aber doch lagen Tote und Verwundete auf dem Pflaster. Man trug sie ins l(øiser_Cøfé, and. bei ihrem Blute schworen die Matrosen, die Revolution durchzufüfuen.
,{m nächsten Morgen, 3. November, wurde d.ie Geflingniswa_ in der Feldstraße, die bisher vom Marine-Bataillon sesreflr
che
mitsamt dem Gerichtsgebäude der I. Marine-Inspektion in gszustand gesetzt. Die Stimmung im Geflingnis wurde und mehr gespannt und nervös. Aber doch war es noch still. Gefangenen lauschten nach jedem Geräusch, das von außen g. Man horte Schreien und Singen von der Kaserne der M-D, I(irren von zerschlagenen Fensterscheiben und von der t selbst, jedoch ziemlich weit ab, vereinzelte Schüsse. Kurz vor Mittag war der verschárfte Belagerungszustand vert worden. Die Garnison wurde alarmiert. Zu spdt. Gegen verweigerten sechs I(ompanien der I. Matrosen-Division Gehorsam und verließen die Kasernen. Um 3 Uhr am 3. November ging die erste rote Flagge hoch auf Gebäude der 3. Kompanie der I. Torpedo-Division derWik. anderen Kompanien folgten dem Beispiel. Von den gegenüberliegenden lGsernen der Werft-Division vere man, die To¡pedo-Division zu entwaffnen, aber die Komn der Werft-Division gingen sofort über. U-Boots-Besatzurgen der Schulboote schlossen sich an. Ðann folgte die III. Abteilung der I. M-D von S.M.S. Mør,s, in weniger als einer Stunde befanden sich Kiel-Wik und seine Marine-Garnision unter roten Flaggen. Die Arrestanstalt der Wik wurde gestürmt und die dort gefangen gehaltenen befreit. Der erste Soldatenratwurde gebildetund die ersten Forderungen zusarnmengestellt. Gleichzeitig bewaffneten siçh die redren Matrosen und bereiteten sich auf einen Marsch nach
Der Soldatenrat Wik setzte sich telephonisch mit der Station , Admiral Souchon, in Verbindung und-teilte ihm mit, daß auf dem Weg zur Station sei, um die Forderungen Delegation :æine 1úer Wiker Garnision zu unterbreiten. Man teilte der Station, die
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inzwischen von regierungstreuen Truppen (seebataillon und rnfanterie) besetzt worden war) mit, daß, wenn die Delegation um S uh¡ nicht zurtick sei, ó.000 bewaffnete Matrosen nach Kiel marschieren würden. Admiräle und Flagg- und Stabsoffiziere saßen
in der Station und berieten die militarischen Maßnahmen zur
Sicherung Kiels und zur Schaffung von Ruhe und Ordnung. In diese Vorbereitungen hinein platzte die Delegatior, d., "* Wik mit folgenden Forderungen: Befreiung aller gefangenen Matrosen in den IGeler Gefiingnissen und Arrestanstalten. Befreiung aller Matrosen, die an der Meuterei im sommer r9r7 teilnahmen.
Befreiung aller politischen Gefangenen. Absetzung Kaiser Wilhelms, Abschaffung der Monarchie. Beendigung des Krieges.
Demobilmachung u.s.w. während die Admir¿ile berieten, seøte sich der Demonstrationszug der bewaffneten Matrosen in der Wik in Bewegung zum Marsch
auf l(iel, ohne auf die Rückkehr der Delegation zu warten. Unge_ füfu in derselben zeit setzten sich die Maúosen und Freizer der
Großkampßchiffe des im Kierer Hafen riegenden
III.
Geschwadeis
nach überwindung nur geringen WideÃtandes der Offiziere in den Besitz ihrer schiffe, und ein schiff nach dem and,eren serzre die rote Flagge. I(urze zeit nachher war der Admirat im Besitz eines Signalspruches. Der Signalspruch enthielt alle Forderungen, die bereits der soldatenrat aus der wik gesteflt ha*e, riur ãem
Zusatz, daß die Schiffe das Feuer eröffnen würd,en, wenn -it Admiral Souchon den Forderungen nicht nachkäme. Das brachte den Zusammenbruch in der Station Ostsee.
Die Delegation der Wiker Matrosen war auf dem Rückwege
nach der
wik
auf die große bewaffnete Demonstration gestoßèn und setzte sich an ihre Spitze.
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,Ðas Gebäude der Station Ostsee wurde nach kurzem Widerbesetzt und die Offiziere festgenommen. Von der Juliusstraße ierten die Matrosen nach der Feldstraße, zum Gebäude des
ichts der I. Marine-Inspektion. Nun konnte ich in der alles hören. Von der Stadt her horte ich das ununterbrochene
r der Maschinengewehre. {Jnten vom Gefángnishof hörte das nervöse Kommandieren irgendeines Infanterie-Offizieres,
in dieser ungewohnten Situation mit überschlagender Stimme , seinen Mut zu erhalten. Im Gefüngnis selbst war die ausgebrochen. Die Wasserkrüge flogen in die vergitterten Links und rechts von mir waren dre Mørh.grøfez-Matrosen übergegangen, die Pritschen abzumontieren, und attackten die schweren Zellentüren. Ich hielt es für unmöglich, solche iven Türen von innen aufzubrechen. aber bald schon spliteinige. Zwar standen auf jedem Korridor die Infanteristen schußfertigen Gewefuen, aber in dieser Hölle verloren sie '.
Mut. ".
Ðraußen krachten die ersten Schüsse. Ein schwerer Lastwaqen mit voller Wucht gegen das große eiserne Tor, das sofort g, und eine Masse von bewaffüeten Matrosen wãlzte sich eine Lawine über die Infanteristen und hinein in das Gerichtsund in die Arrestanstalt. Alles ging drunter und drüber! trVie man
in solch einer Situation in die Freiheit hineingehtl
geht nicht, man wird sozusagen von einem Matrosen zum gereicht. Man wird von Freunden umarmt! Irgendein äeemann von der T-D bindet mir eine rote Armbinde um. Irie schnappe ich ein Gewehr auf mit der dazugehörigen ition. Im Gewerkschaftshaus nehme ich einen der vielen ine-Wachmåintel. es ist Novemberwetter, und man muß sich ,q¡arm halten. Uberall schießt man. vor dem Gewerkschaftshaus ¡¡t ein ganzes Feldlager. Schwere MGs vor dem Eingang, eine Batterie von Schützengraben-Mörsern auf der Straße. Die Station Ðstsee (Stabsgebäude des Admirals Souchon) ist von den revolu-
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T¡IATROSENAUFSTAND
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tionären Matrosen besetzt. souchon sitzt an seinem schreibtisch und unterschreibt die Befehle, die man ihm vorlegt . ZweiMatrosen von der Torpedo-Division stehen hinter ihm mit gezogener Pistole. Flagg- und Stabsoffiziere werden mehr und mehr verhaÊ tet. Von den Schiffen und von ihren Privatwohnungen holt marrdie Helden heraus und bringt sie nach der Maschinenbau-Schule. Einige ganz wenige von ihnen wa,ren bereit, für ihren Kaiser zu
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==g:'TE{","or,uh W"' Roltock Grei
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Þ I Schwerin
sterben. Im stationsgebäude treffen die revolutionáren seeleute die ersten Maßnahmen. Der Große Soldatenrat tritt zusammen im Schloßhof,
ein anderer soldatenrat ist im Gebäude am Tor der Kaiserrichen Werft zusammengetreten Ich bin zrvei Tage in der Station. Sicherungsmaßnahmen werden getroffen. Truppen sind unterwegs von Neumünster, Rendsburg,Lübeck, um die Revolution niederzuschlagen. Ein kleiner Kreuzer legt sich gegenüber dem Bahnhof an die Boje, seine Geschütze sind klar, die rore Flagge läßt keinen Zweifelüber seine Aufgabe. Die Bahnsteige werden von mehr als zwanzig schweren Maschi- * nengewehren beherrscht. Der erste Zag mit einem Bataillon Infanterie läuft ein. Ein Major spring als ersrer heraus, Offiziere und Infanteristen folgen. Der Major scfueit seine Kommandos. Ein Matrose springt ihn an, setzt ihm die Parabellum aufdie Brust, und mit einer Stimme, die über allen Lârm und alle Bahnsteige knallt, gibt er das Kommando: Entlød.en! Die Infanteristen begreifen ifue
Lage. Ein Blick auf die Matrosen hinrer den Maschinengewehren genügt. In zwei Minuten ist alles vorbei. Derselbe Vorgang wiederholt sich noch einigemal, als andere Militärzüge einlaufen.
Am 5. November läuft das II. Geschwader unter kaiserlicher Kriegsflagge von der Elbmündung im Kanal ein und bleibt bei Brunsbüttel liegen. Wir fahren mit einigen Seeleuren nach Brunsbüttel. Nehmen Verbindung auf mit den Besarzungen. Nach einigen Stunden haben wir die Lage in der Hand. 287 Offrziere
-?tl nonnover¿ I
Brøunschweig
BEntrN
þ:151Von IQet bis Berlin: d.ie d'eøtsche Revoløtioø zwischen d.eru 4. ønd 9. Novern1918.
Êestgenommen und auf dem alten Linienschiff Hessen
interniert. 5. und ó. November nahmen revolutionáre Matrosen l{amWilhelmshaven und Lübeck. In den nächsten Tagen folgten Flannover, Bremen und Braunschweig. Immer waren die Matrosen, die vom Norden kamen, sie waren die Träger r Idee der Widersetzlichkeit gegen den deutschen Militarismus, t ihrem (wenn auch manchmal sinnlosen) Schießen taten sie einzige und allein Richtige, was zu tun ùbriggeblieben war, sie dem deutschen l]ntertan die Ohnmacht der herrschenden Klasse. Es war der Aufstand der ,,vaterlandslosen Gesellen", deren
,'Âvantgarde die Seeleute waren. Die hatten nichts zu verlieren als ,ihre Ketten. Die Sozialdemokratische Partei, die gegen den Aufstandwar, setzte sich am 9. November an die Spitze der Bewegung ¡:nd nahm ihr den revolutionáren Charakter. Ebert, Scheidemann, Noske, Landsberg, in ihnen sahen wir die Judasse der deutschen
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Revolution. Wir gehörten zur meist revolutiondren Gruppierung der linken, radikalen Arbeiterschaft, und als es am 2g. Dezember in Berlin zur Gründung der KPD (Spartakusbund) kam, gehörten
die revolutiond¡en Betriebsorganisationen, die spätere AlIg.-
wir selbswerständlich mit dazu. Wir, d.h. die Mehrheit des Spartakusbundes, warerì Gegner des Parlamentarismus und der Gewerkschaften. Anstatt der Gewerkschaften bauten wir unsere eignen revolutionáren Betriebsorganisationen auf, deren Basis der Betrieb war und deren Obleute im Betrieb gewählt wurden. wir sahen das parlament als eine Brutstätte kapitalistischer Korruption an und waren davon überzeugt, daß jeder unserer Leute, den wir hineinwählen würden, für den revolutiondren Klassenkampf verloren sei. In den ersten Jah¡en nach der November-Revolution lgl8 gab es für uns nur einen, Weg: die Eroberung der politischen Macht. Dieser Weg ging riber den Generalstreik und den bewaffüeten Aufstand zur Diktatur des
noch die Spaltung eine vollkommene gewordene war, sah die Gefahr- die daraus entstehen konnte. und lud die Opition ein, eine Delegation nach Moskau zu senden) um die Spalzu verhindern. Lenin, der damals mit großer Aufmerksamkeit Entwicklung der Lage in Deutschlandverfolgle, war ebenso wie früheren Leute der Opposition im Spartakusbund der Meinung, Deutschland das Zentrum der Weltrevolution sei. trotz der rlagen. Jedoch war er der Ansicht, daß die I(ommunisten den Parlamentswahlen teilnehmen sollten, um die Tribüne des ents füLr die revolutionáre Propaganda auszunutzen. In der der großen deutschen freien Gewerkschaften vertrat er den jeder l(ommunist Mitglied dieser Gewerkschaften , daß müsse und daß diese Massenorganisationen von innen erobert
Arbeiter-Union.
Proletariats.
Die blutigen straßenkämpfe in den deutschen Großstädten I9I8/19 und '20 führren zu ebenso blutigen Niederlagen. Die Bourgeoisie, im Btindnis mit der sozialdemokratischen parrei und befordert durch die rJnentschlossenheit der uspD, war imstande, alle versuche der revolutiond¡en A¡beiterschaft nied erzuschlagen.
Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Jogiches, Leviné waren ermordet. Die Gefüngnisse und Zuchthäuser saßen voll. Tausend Revolutiondre lebten illegal. In der partei hatte sich ein verhältnismäßig starker Flügel gebilder unrer der Leitung von pau.l Levi, clara ZetJ
der Komintern auf dem Heidelberger parteitage herbeizuführen. Das füh¡te im Herbst I9I9 zw Spaltung der parrei. Die antiparlamentarische opposition bildete die rnformationsstelle der KPD (Spartakusbund) und rrennte sich sechs Monare später vollkommen von der Partei. Die Neugründung nannte sich Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands. rhr zur Seite stan-
müßten. -
:!,, Ztm
Gründungsparteitag der KPD (Spartakusbund) kam ich pon Skandinavien über Pillau - Königsberg (wo ich mit dem Oberr.,cten Soldatenrat Ober-Ost der zurückflutendenArmeeteile zu tun hatte) nach Berlin, wo ich im Preußischen Landtagsgebäude dem Çenossen jogiches einige Sachen zu übergeben hatte. Hier sah ich :.außer anderen Genossen damals auch IGrl Liebknecht und Rosa luxemburg. Ich hatte keine Zeit, an dem Gründungskongreß teil,zunehmen, es gab zuviel wirkliche Arbeit zu tun. Man konnte die Kongresse und Konferenzen ruhig anderen überlassen. In Berlin, Spandau, Mitteldeutschland, Ruhrgebiet, Braunschweig, B remen, Cuxhaven, Wilhelmshaven und Hamburg hatten wir feste Punkte :r'und, wie wir im Frti.hjahr I9l9 glaubten, alle Aussicht, die Macht vollkommen in unsere Hände zu bekommen. Während der Márzkämpfe I9I9 (der letzte große Straßenkampf der Volksmarinedivision) war ich nochmals in Berlin. Außer den Matrosen war es nur ein kleiner Prozentsatz der Berliner Arbeiter-
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. Bei der Rückkehr von Riga wurde ich hinter Mitau von Freikorpsleuten verhaftet, und für einige Wochen ging es
wirklich schlecht. IJnter anderem saß ich drei Wochen im &efüngnis an der Rosenstraße in Libau, wo ich zum erstenmal mit ',ørganisierter deutscher Brutalität Bekanntschaft machte. Da diese ;;ærganisierte Brutalität und Grausamkeit viele ]ahre später der Welt 'bCI unerkldrbar wurde, möchte ich hier ganz kurz einige Beispiele piederschreiben. Seit I9I9 habe ich niemals daran gezweifelt, daß
die Nation der Dichter und Denker fåhig ist, solche Verbrechen ør begehen. Einmal miterlebt, vergißt man es niemals wieder. Das .snchen nach den psychologischen Ursachen organisierter Grausamkeit habe ich immer anderen überlassen. Wo ich Grausamkeit
ån{ Abb. 16 lAøgøst
Merges.
habe ich versucht, dagegen zu kämpfen mit all den Mitteln, mir dazu jeweilig zur Verfügung standen. ,, AufBefehl eines Hauptmanns Drescherwurde ich in das Ge{Ìingâis an der Rosenstraße eingeliefert und in eine Zelle im I. Stock ht. In dieser Zellebefand sich bereits ein Gefangener. Ein
Abb. 17 I Ernil Eichhorn.
schaft, der an diesen großen Kämpfen teilnahm. Als ich auf der Rückreise von Berlin den Genossen August Merges im Schloß
in
Braunschweig besuchte , er war als spartakist gleichzeitig Ministerpräsident, machte er mich bekannt mit einem seiner illegalen Gäste. Es war der von Berlin geflüchtete Polizeipräsident Eichhorn, ein Iinker USPD -Mann. Er hate, soweit es ihm möglich war und soweit er über Waffen verfügre, die Berliner Arbeiterschaft bewaffüet. Er hatte das Polizeipräsidium ersrverlassen, als die Lage hoffüungslos geworden war und die konterrevolutiondren Truppen Geschütze aus dem Untergrundbah¡hof am Alexanderplatz gegen das präsidium in Stellung brachten und das Feuer eröffneten. Eichhorn, ganz gleich wie man ihn nachher in der Btirgerpresse malte, war einer der wenigen wkklichen Revolutiondre in der USpD-Leitung.
Im April l9L9 reiste ich auf Umwegen nach Riga, welches damals noch von den Bolschewiki gegen die Baltikum-Freikorps gehalten
breitschultriger Lette, der Vorsitzende des Arbeiterrates von l,ibau. Klava war sein Name. Er sprach ein sehr gutes Deutsch, x¡nd nachdem wir besser bekannt wurden und ich ihm erzfült þatte, daß ich von Riga kam und dort unter anderem den Sekret¿ir der Lettischen Kommunistischen Partei gesprochen hatte, wurde e¡ mehr zutraulich. Er erzählte mir von den Verhaftungen und ,.Erschießungen lettischer Arbeiter durch die deutschen Freikorpsa{bteilungen. Verhaftete lettische Arbeiter, die unter dem Verdacht ËJanden, Kommunisten zu sein, wurden nachts aus den Zellen geholt, vollkommen entkleidet und mit Ochsenziemern zu Tode geprügelt. Eine beliebte Methode der deutschen Baltikumer war, gweifelhafte Fdile auf dem Transport zum Gericht zu erschießen. Ðas ging so vor sich, daß man dem Gefangenen auf der Straße :-þefahl, sechs Schritte vor der Begleitmannschaft zu gehen, und ihn dann von hinten erschoß.
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Wachmannschaft zusammengeschossen wurde. Ich bezweifl e nicht, daß es bei diesen Baltikum-Freikorps auch eine Masse gab, die den Kampf gegen die Bolschewiki ernst nahmen die Befreiung der baltischen Randstaaten vom Bolschewismus deshalb betrieben, um einen Schutzwall Deutschlands gegen Osten zu errichten. Man hatte den Freiwilligen, die in diesen Freikorps fochten, die assung als Bauern im Baltikum versprochen. Das Land sollte der Befreiung verteilt werden. Mit den Letten, Litauern und n rechnete man nicht. Bezeichnend für die ganze Kampagne ryar, daß die deutschen Ost-Barone in diesen Freikorps die Politik *'srachten.
nicht alle diese verschiedenen Truppen waren zuverlässig. war ein Bataillon Berlinim Korps des Generals von der Goltz, hes ziemlich zersetztwar. Eines Taees kam es da zu einer Meui- und General von der Goltz mit seinem Stabe war so zut wie genommen. Da die Meuterer jedoch nicht verstanden, gnergisch genug durchzugreifen, und zu lange warteten) wurden ie von anderen Truppen entwaffnet wd 42 der Ridelsführer in der Rosenstraße eingesperrt. Da es keinen Platz im Gefángnis gab, ,.s,perrte man sie alle in eine größere Zelle im Parterre. IJm einer f$erichtsverhandlung aus dem Wege zu gehen, führte man fol'{.ber
Abb' 18 lDie Løge beirn oberhornm'øndo Nord. øtn Is. d.ørch d,ie ,rBøbihørnr" ønd. d,øs VI. Reserpehorþs.
Aplit lglg:
vorwørscb øøf Rigø
Einen Fall, den ich sehr gut kenne und den ich miterlebte: Ein Litauer, der wegen Waffenschmuggel verhaftet waï und von dem der Wachhabende auf irgendeinem Wege erfahren hatte, daß er außerhalb des Gefüngnisses eirie größere Summe Geldes besaß, wurde überredet, sich dieses Geld (Duma-Rubel) bringen zu lassen. Dafür wrirde man in der Nacht nach Erhalt dçs Geldes seine Zele auflassen und ihm Gelegenheit geben, über'den Hof und einen Holzstapel an der Gefiingnismauer zu enrfliçhs¡. Der Litauer ging da¡auf ein. Das Geld kam. DerWachhabende nahm es in Empfang, und in der nächsten Nacht ließ man die ZellentriLr auf. Der Litauer war schon auf dem FfoÞstapel, als er von der im Anschlag liegen-
genden Plan durch: Man sagte ihnen, daß man nachts die Zellennir
für sie ein Leichtes sein, die Die Meuterer gingen zu flüchten. zu überwdltigen und lVache darauf ein und glaubten, daß sie die Wache auf ihrer Seite hatten. auflassen würde, und dann würde es
{}rd
was geschahl
Die Mörder, man hatte sie besonders ausgewählt aus A,ngehörigen der PolizeiKompanien Libau und Riga, bauten zwei schwere Maschinengewehre vor der Doppelttir der großen Zelle auf, und als nach Mitternacht die Gefangenen die Ttlren öffneten, schossen diese zwei schweren MGs die gesamten Gefangenen tn der Zelle nieder.
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Einen der Überlebenden habe ich im Geflingnis in Libau gesprochen. Er hatte drei Steckschüsse im Munde , wurde mit nach dem Massengrab gekarrt und von einigen weichherzigen Soldaten ins Lazarett gebracht, von wo er nach verhältnismäßig schneller Heilun g wieder ins Gefìingnis eingeliefert wurde. Übrigens bestätigten mi¡ andere Gefangene, darunter auch mein Zellengenosse Klava, diese Geschichte. Die MGs hatten zwei Löcher durch die Wand der Zelle geschossen. Ich hatte damals Papiere bei mir, aus denen meine nichtdeutsche
Staatsangehörigkeit hervorging und mit denen ich gleichzeitig beweisen konnte, daß ich Auslandskorrespondent einer großen skandinavischen Zeitung war. Das hatte einigen Eindruck gemacht. Außerdem war ich noch im Besitz von 2.000 Duma-Rubel. DumaRubel waren damals im Baltikum ein gutes Zahlungsmirtel. Klavi hatte mir geraten, dem Hauptmann Drescher vom VI. Reservekorps Geheime Feldpolizei dieses Geld anzubieten und zwar 1n der Form, daß ich ihm den Vorschlag mache, er solle das Geld als Pfand nehmen und mich an die Postenkette der französischen und englischen Streitkräfte bringen, die im Hansahafen mit ihren Zerstörern lagen. Wenn diese mich nicht durchließen, könne er immer noch machen) was er wolle. I(âme ich dagegen durch, sei das ein Beweis, daß ich wirklich echt sei, und er habe die 2.000
Duma-Rubel. Nach langem Hin- und llerreden ging dieser Gendeman darauf ein und setzte den Zeiçunkt für den nächsten Tag am Morgen fest. Der Befetrlshaber der Polizeikompanie Libau weigerte sich jedoch am nächsten Tage, mich der Patrouille der Geheimen Feldpolizei zum TranspoÍt ztr übergeben. Das führte dazu, daß der F{auptmann Drescher mit einem Befehl und einer starken Begleitrnannschaft erscheinen mußte und mich sozusagen mit Gewalt herausholte. Zuerst ging es zum Gebäude der Geheimen Feldpolizei, und hier wurde noch einmal alles besprochen. Dann gingen wir, der
19 | D er. lib øø er Høød e kh øfen.
".
L{auptmann und ein anderer Offrzier, beide in Zivil, zusammen rum Hansahafen. AIs wir schon nahe waren, konnte ich vorgehen, und die beiden Offiziere blieben zurück und beobachteten rnich. Als ich an die Postenkette der französischen Seeleute kam, ùerlangte ich von diesen, den Kommandanten des Avisos Dwnois zu sehen. Einer kam mit mir zur Gangway des'Zerstörers Oriflørnnoe, der zusammen mit Obøsier am Quai lag, wo ich vom wachhabenden Offizier in Empfang genommen wurde. Nachdem ich den I(ommandanten gesprochen hatte und dieser sich mit Dønois in Verbindung gesetzt hatte, teilte er mir mit, daß das Boot der Dønois mich abholen wrïde. Ich war in Sicherheit' Am Nachmittag verließ ich mit der Dwnois die Reede von Libau und erkrankte einige Stunden später an der Ruhr. Das waren die Folgen der zweifelhaften Ernährung und des schlechten Wassers im Libauer Gefìingnis. Aber ich lebte.
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FFSENTFÜHRUNG
Einige lahre später fand ich einige Offiziere der polizei_I(ompa, nie Riga wieder in der stetriner porizei. Einer war dann der orniiiç der berittenen rrundertschaft in stettin. And.ere, und nicht zuwe-, nige, hatten in anderen Exekutiv-organen lJnterschrupf gefunden.
Die extremen rechten politischen organisationen Deutschlands konnten natrirlich immer auf die IJnterstützung solcher Elemente rechnen.
Ich selbst brauchre nach dem Zwischenspiel Libau einige wochen; um mich von der Ruh¡ zu erholen. Verlebte einen schönen Som_ mer in Kopenhagen, der mir immer unvergeßlich bleiben wird.
Dänemark, das ideale Land, wo ich in diesen /ahren so oft Station machte und welches mir zwischen den verschiedenen Exoed.itionen ins lJngewisse mehr oder weniger freiwillig asyl gab, ist bis
heute immer noch meine stille Liebe.
I9I9
zwangen mich
Abb. 20 | Døs Cørio-Høas in der Høynbarger Rothenbøøyncbøøssee 13.
d_ie
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Dänemark zu verlassen, und vorúbergehend ging ich Hamburg und schließlich nach Cuxhaven. September und I9l9 war ich wieder mitten drin im politischen Wirrwarr Erstens einmal hatten wir den Seemannsstreik. Wir versuchten Streik hunderçrozentig durchzuführen. Leider gelang uns das zum Teil. Der Schiffahrtsbund war eine der radikalen linken rkschaften, und wir vertraten den Grundsatz, daß jeder Streikan sich ein Erfolg sei, wenn er nur den kapitalistischen Staat damit die kapitalistische Wirtschaft schäd-ige. In diesem Sinne der Seemannsstreik von l9l9 natrirlich auch ein Erfole. Nach uch des Streikes musterte ich an aufdem Island-Fischdampfer r Schröd,er. Ftir damalige Verháltnisse ein gutes, neues Schiff, t 1917, ungefrihr 300 t groß, mit einer Maschine von 600 PS. machte ein paar Islandreisen und organisierte zwischendurch Schiffahrtsbund zwischen den Besatzungen und half gleich. am Aufbau des Spartakusbundes. Die Seeleute walen damals aus Tradition Mitglieder einer halbmilitärischen IGmpforsation. Wir nannten sie kurz die I(O.
April 1920, jedesmal zwischen Islandreisen, nahm fuh an l(onferenzen der I(PD (Spartakusbund) in Hamburg teil ìrespektive an I(onferenzgnder Opposition der sogenannten Infor,.Ãm
Januar und
aationsstelle Bremen. Selbswerständlich fanden alle I(onferenzen ËSlegal statt. Auf der Aprilkonferenz 1920 im Curio-Haus tagten q+'ir als Lehrer-A¡beitsgemeinschaft und wurden atn zweiten Tage, puchdem die Polizei das ganze Curio-Haus umstellt hatte , verhaftet ¿¡nd nach dem Stadthause gebracht. Mehr oder weniger unter derrr Ðruck der Hamburger Arbeiterschaft waren wir alle bis zun später-t Á.bend wieder frei. Selbswerständlich setzten wir die l(onferenz am aächsten Tage unter einer anderen Tarnung fort. Auf dieser Konferenz machte der parlamentarische Flùgel der Partei den Versuch. die Partei auch in Norddeutsctrland zu spal-
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DIE SCHIFFSENTFÜHRUNG
ÐIE SCHIFFSENTFUHRUNG
zu fahren. Zwar gab es noch eine Art Seeblockade ge gen Rußland, aber das würde nicht viel bedeuten, wenn wir den nördlichen Weg nach Murmansk oder Archangelsk benutzen würden. Nattiråich glaubte keiner der führenden Parteifunktiondre so recht an die Möglichkeit, auf diesem Wege d.ie Delegation nach Rußland z¡r schicken. Aber es war doch ein Vorschlag, und als solcher urußte er in Betracht gezogen werden. Für den Fall, daß der Komintern-Verbindungsmann in Berlin, der mehr oder weniger mit Levi und den Rechten ging, weiterhin die Abfahrt der Deiegation sabotierte, konnte man ihm und auch Moskau beweisen, daß der Opposition auch eigene revolutionäre Mittel zur Verfügong standen. Damit konnte sich außerdem die Opposition bei den russischen Genossen einen guten Eintritt verschaffen. Bei der letzten Besprechung bezùglich der Reise machte ich die Genossen darauf aufmerksam. daß mein Schiff, der Sen.øtot,
Abb. 21 | Der IØpittiø d.es ,rSenøtor Schröd.ero, Johønnes GewøLd., mit seiner Mønn- schøft øøf einer sþtiteren Fø,ngreise itn Nord.weer.
ten. Das gelang aber nur zum Teil. Nur einige der Funktionâre schwenkten ab. Nach der Konferenz nahm ich an einer Besprechung der führenden Genossen der Opposition teil. Die große Frage war, wie kann man die Komintern von der wirklichen Lage in Deutschland unterrichten. Bisher war es nicht gelungen, die eingeladene Delegation nach der RSFSR abzuschicken, da die PauI Levi-Gruppe die Einladung respektive die Abreise sabotierte. Die Verhiiltnisse waren ja so, daß an eine geordnete Reise nicht zu denken war. Überall war eine Art lGiegszustand, in Polen, in Litauen, Estland und Lettland. Da machte ich den Vorschlag, die Sabotage der Levi-Gruppe zu ignorieren und einfach mit einem der zurVerfügung stehenden Schiffe nach Rußland
Schröd.er, höchstwahrscheinlich am 19. April von Cuxhaven nach den Fanggninden bei Island in See gehen wrirde. Wenn bis dahin lkein Beschluß gefaßt sei, müsse man bis zur Abfahrt des nächsten
Dampfers warten. Ich fuhr dann nach Cuxhaven und der Meinung, daß keiner an die Durchführbarkeit der Aktion $aube und die Delegation es vorziehen würde, weiter zu warten. den Fall, daß die Delegation doch kommen wúrde, war ein blegramm vereinbart worden mit einem bestimmten Text. .;, Nach meinem Eintreffen in Cuxhaven traf ich sofort Anstalten, ,schiff und Besatzung in Bereitschaft zu setzen. Zwei Irute von
der Ortsgruppe Cuxhaven (Spartakusbund) wußten um diese it. Von der Besatzung wußte keiner etwas.
;
Der Senøtor Schräderhatte Kesselreinigung gemacht und gleicheinige notwendige Maschinen-Reparaturen durchgeführt. ie Maschine war noch nicht ganz klar, als ich ankam. Zwein.e:ue ute hatten angemustert an Deck, die ich noch nicht kannte. f9. April hatte ich mit diesen neuen Seeleuten, um ihre politiZuverlässigkeit festzustellen, ein längeres Gespräch, von dessen
pitig
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DIE ScHIFFSENTFÜHRUNG,
SCHIFFSENTFÜHRUNG
Ausfall ich befriedigt war. Der Kapit¿in war im Kriege Bootsoffizier aufeinem der deutschen u-Boote mit Kapitåinleutnant steinbrinck gewesen. I{atte Massen von Tonnage versenkt. Mit ihm mußte ich mich natrlrlich vorsehen. Er konnte mir, wenn ich nicht auf der FIut war, gefÌihrlich werden. Der 1,. Steuermann und auch der 2-. Steuermann waren unzuverlässig. Ebenso der I. und2. Maschinist. Die F{eizerwaren allright. Der Koch war im Kriege Zivilkoch des Admirals Tirpitz gewesen und dementsprechend eingestellt, So ich mußte mit sechs Mann rechnen, die bei der Aktion gegen uns waren. Mein Plan war, für den Fall, daß die Delegation kam, die Delegierten an Bord zu verstauen und mit dem Schiff auf See zu gehen, ohne daß einer etwas wußte. Am 20. April, wirwaren gerade dabei, das Schiff seeklar zu machen, kam einer der Funktionáre deé Spartakusbundes angelaufen und brachte das Telegramm mit dem vereinbarten Text. Also, die Aktion würde steigen. Mit einem Male fühlte ich mich besser. Die Ungewißheitwar zu Ende. Man konnte etwas tun undwieder einmal an der großenAuseinandersetzung in -, Deutschland teiLnehmen. Es war ja kein Friede. Die sozialdemokratische Regierung hane soeben mit Hilfe der Arbeiterschaft den
konterrevolutiondren Putsch der Kapp-Lütrwitz-Freikorps nied.ergeschlagen. Die Regierung war nach Süddeutschland geflüchtét und hatte von dort erst die Arbeiter aufgefordert, dem putsch mit allen Mitteln enrgegenzutreten. Das war im März. Im April bereits ging die Regierung gegen die A¡beiter vor und benutzre zur Niederk¿i-pfurg der Roten Rufu-Armee dieselben Truppen, die eben erst bereit waren) gegen die Regierung zu kämpfen. In Fakt: Am 21. April, als wir unsere Fahrt antraten, staïtete von Wesel aus der Vormarsch der Regierungsuuppen und Freikorps gegen die Rote Ruhr-Armee. Sollte ich da Bedenken haben, den Senøtor Schröd.er frir einen solchen Zweck zu beschlagnahmenl Damals habe ich nicht einmal den geringsten Anflug von Skrupel gehabt. Ich war klar zum Handeln.
-
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Wir holten die Delegierten abends vom Bahnhof ab und trakmit einem wunderbaren Abendessen. Es waren statt drei ierten nur zwei gekommen. Ich gab ihnen die notwendigen ¡perhaltungsmaßnahmen und nahm sie am 20. April abends, kurz Mitternacht, mit zum l{afen und an Bord. Das Gepäckwurde lùerstaut und die Delegierten in zwei l(ojen gepackt und eingesie
mblossen. (Fischdampfer hatten Kojen mit Schiebettiren, die man verschließen konnte.) Am 2I. April erfuhr ich morgens vom Kapitin, daß die Abfahrt
'bis zum Nachmittag verschoben sei, da wir noch einen Passa-
,gier nach Reykjavik (Island) mitnehmen sollten. Das war ein alter Segelschiff-Kapitän, der von Island ein dort liegendes deutsches $egelschiffnach Deutschland bringen sollte. Also ein weiteres llindernis und weitere Stunden Warten. Als der alte l{err ankam, half
lch ihm rnit dem Gepäck die Leiter herunter. . Kuurz bevor unser Kapitän kam, trat noch ein Fall ein, der die Aktion gefifuden konnte. Einer der Funktiondre der Partei, der Eon der Fahrt wußte, hatte sich einen kleinen Rausch angetrunken, eine geladene Pistole und Munition eingesteckt und kam an Bord. Er erklârte, er fafue mit. Keine zehn Pferde hätten ihn, ,ohne Aufmerksamkeit zverÍegeî,wieder an Land gebracht. Kurz .entschlossen brachte ich ihn in den Netzraum unter der Back und ,xrerstaute ihn da. Zur Vorsicht verschloß ich den Netzraum mit .ainem großen Vorhängeschloß. IJm TUhr abends endlich warfen wir die Leinen los und gingen
,
,in See. Ich nahm den ersten Törn am Ruder, nachdem ich den X,eichtmatrosen instruiert hatte, auf die beiden verschlossenen Kojen gut aufzupassen. Mein Rudertörn paßte mir. Das Sicherheitsgefühl, welches ich besaß, wurde sehr beeinflußt von einer langläufigen ¿utomatischen Pistole, ein Modell, welches die Kriegsflieger be.nutzten) und welche nun ganz handlich unter dem dicken Isländer u¡d derwollenen Fischermannshose stak. Der Druck dieser an sich schweren, aber eleganten Waffe gab mir eine Art Wohlbehagen.
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IFFSENTFÜHRUNG
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-Nord-Feuerschiff und dann entlang der englischen nach der Pentland Firth zu kommen. Ich wußte nanirlich, ich unter keinen Umständen diesen Weg machen dürfe. Die zum l{andeln war da. Meine Ablösung kam, und ich übergab den neuen Kurs. Dann verließ ich die Brücke. Sowie ich im is war, holte ich die beiden Delegierten aus den Kojen. Dann ich die Besatzung, und als ich die erstaunten Gesichter sah, ich mit kurzen Worten die Lage. Mit Bezugnahme auf die ische Lage und die I(ämpfe im Ruhrgebiet erkldrte ich, daß wir Delegierte frir die RSFSR an Bord hätten und daß es unsere be sei, diese Delegierten so schnell als möglich nach einem hen Hafen zu bringen, von wo sie mit der Bahn ungehindert n könnten. Zu diesem Zweck bliebe uns nichts anderes
Schiffzu beschlagnahmen. Ich stellte dann die Frage 1{er ist gegen die Aktionf " i. Keiner erhob Widerspruch. Im Gegenteil, alle erklãrten sofort &re Zustimmung. Ich sagte dann: ,,Wirwerden den Plan so schnell þie möglich.durchführen. Ein Mann baut sich hier bei der Treppe it einem geladenen Gewehr auf. Ich werde jetzt den Kapitän von Brücke holen und ihm hier dann die Lage erkláren. Ihr braucht nichts zu tun. Im Falle, der Kapit¿in Widerstand leistet, werden wir in dem Maße, wie es nötig ist, Gewalt anwenden!" öffnete den Netzraum und sagte r...' fch ging dann allein an Deck, ,dem Parteifunktionär, den ich im Netzraum eingeschlossen hatte, ,
Abb. 22 | Der
Weg
zør
See
yon Cøxhøven nøch Helsolønd..
Ich wußte eins, und dessen war ich sicher, diese Waffe , und zwar der Anblick dieser Waffe in der richtigen FIand, war die Garanrie, daß bei dieser Aktion kein Blut fließen würde.
Der Weg nach See von Feuerschtff Elbe S bis Elbe I war vollkommen friedlich und ohne Sensarionen. Die beiden Kapitäne, die bis Elbe 3 auf der Brücke gestanden hatren, waren nach unten gegangen. Es war dunkel geworden. Elbe j sackte achteraus, und voraus kam das Feuer von Helgoland durch. Ich gab ein kurzes Signal mit der Si¡ene für den Leichtmatroserì) er mußte meine Ablösung wecken. Gerade dann kamen der 2. Steuermann und der Kapit:in auf die Brricke, und der Kapitän änd.erte den Kurs. Damals, als noch die großen Minenquadrate vor der Deutschen Bucht lagen, gingen die Fischdampfer auf der Reise nach Island immerin den südwestlichen minenfreien Schiffahrtsweg, um über
,.
als das
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nunlosginge und daß er sichklarhalten solle mit seiner Pistole, die Leute, die ich jetzt bringen wärde, einen nach dem anderen .einzuschließen. Dann ging ich riber das Vordeck zur Brücke. - Gerade, als ich von Steuerbordseite auf die Brticke hinaufklet.!€rte, ging der Kapitåin auf Backbordseite hinunter. Ietzt war es 7.eit, ihn unter irgendeinem Vorwand nach vorne ins Logis zu es
;bekommen.
';t,
,,I:[allo,I(ippen!" rief ich. ,,Wat is los, Ifermannf " rief der Kapit:in zurück.
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sagte ganz ruhig: ,,Ich werde Ihnen alles sofort erk-lären.
Sie ruhig weiter) wenn Sie einen Schritt zunickmachen,
ich!" ging sofort weiter) und als er unten im Logis ankam und die ten l-eute sah und dabei noch fremde Gesichter, war er n sprachlos.
.Im Aufuage der Mitteldeutschen Räterepublik übernehmen r das Schiff. Der Senøtor Schröd'erwird nicht zum Fischen nach gehen, sondern nach Murmansk oder Archangelsk. Wir n eine Delegation frir die RSFSR an Bord und werden diese auf m Wege dahin bringen. Zu diesem Zwecke werden wir Sie
Abb. 23 | Lä.ngsschnitt dørch øiøen Fiscbd.ørnpfer.
1.Mønnscbøftsrriunøe g.Netzwind.e 2. IØbeþøt 10. Rød.erhøøs
3. Pieh.tønh 4. Kettønþ.østen 5. Fischgøþeø
12. Wind,endøruþfrnøschine
6.
Ì.4.
Fischrøøw
ll. Iøpitänshø/üte/I(ørtenrøøm 13. Trønþ.ocher
Qterbønher
7. Speisewøsser 15. Tiøntønh 8. Reservebønher/ 16. Twnnel
Reseruefiscltrøann 17. Tiinhwøsser
18. IGsselspeisewøsser
19. Seitenhohlenbùnh.er 20. IGssel 4 21. Høøptmøschine 22. Møschinenrøøtn. 23. Iúwbüse
24. Wøschrtiørne 25. Offizierskøjüten 26. Propiøntrøøtn
,,Einer der neuen Leute ist krank, er hat lGämpfe bekommen. Sie müssen mal nach vorne kommen und nach ihm sehen!., Der Kapitän schimpfte , daß der Heuerbaas ihm solche Matrosen an Bord sandte, die schon bei der Ausreise krank wfuden, aber doch kam er ùber den Dom niber nach mir und ging mit mir zusammen nach vorne. AIs wir im Niedergang znm Logis waren, ließ ich ihm natti¡lich den Vortrit, und sowie er auf der Treppe waÍ) zog ich meine Pistole . rrgendein wahrscheinlich komisches Gefühl zrvang ihn sich umzusehen, und selbstversr¿indlich sah er mich der pistole in der 'oit Hand hinter sich. Mit einem sefu überraschten B lick musterre er mich und frug dann mit überschlagender Stimme: ,,Nanu, watt soll datt nu sinl.,
Schutzhaft nehmen und vorläufig in den Netzraum ei¡schließen. Sie keinen Widerstand. da das zwecklos ist." ,,Ðer ehemalige U-Boots-Offrzier erklãrte, daß er sich der Uber-
frig.. Ich sandte dann einen Mann mit dem Gewehr an Deck, nahm Kaoitän vor mich und brachte ihn mit schußbereiter Pistole oben zum Netzraum. Ich öffnete die schwere eiserne Ti.fu, der , der schon gewartet hatte, kam mit seiner Pistole Kapitåin grng hinein. und der i€reraus, .',,,. \Mìlli, so hieß der Funktiondr, schloß die Ttir dann von außen zu .ænd blieb bei der Tùr stehen in Bereitschaft für die nun folgenden fiefangenen, die ich bringen würde . -,, Ich ging mit einem Matrosen, der mit einem Gewehr bewaffnet ¡w-ar, auf die Brticke. Diesen Mann postierte ich am Brückenhauseingang. Dann ging ich hinein, sagte dem 2. Steuermann: ,,Wir ,haben das Schiff übernommen, und du bist von der Wache abgelöst!" Dann ging ich zum Kompaß und sagte dem Rudersmann: ,IIart Steuerbord!" Er legte das Ruder sofort über, und das Schiffscherte schalfnach Steuerbord. Das Feuer von Helgoland, welches wir an Steuerbord achteraus hatten, wanderte schnell nach dwars, und ich sagte dem ,Rudersmann: ,,Nimm das Feuer voraus und halte dann den I(urs
.,.,.
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solange, bis das rote Licht von steingrund in sicht kommt. Dann werde ich schon auf der Brücke zunilck sein.., Bevor ich die Bnicke verließ, machte ich daraufaufmerksam. daß der Matrose mit dem Gewehr von seiner waffe Gebrauch machen wi.irde, wenn man versuche, den Kurs zu ändern.
Der Rudersmarìn sagte mit einem Lachen, das mir gut tat: ;,fch bin auf eurer seire, und du kannst dich darauf verrassén, daß lein
Kurs geändert wird ohne dich!.. fch sagte: ,,Das ist besser,., aber als ich die Brücke verließ, um den Passagier, den SegelschifFKapit:in, zu holen,ließ ich doch zur Vorsicht den Posten auf der Brücke stehen. Mein nächster Weg war zum Kartenhaus. Der alte passagier_ Kapitlin schlief schon. Ich weckte ihn, und als er mich mit der Pistole sah) sagte ich ihm ganz kurz: ,,Ziehen Sie sich an und*
kommen Sie so schnell wie möglich an Deck!,, Auf seine Frage, was denn los sei, sagte ich ihm: ,,Ich werde lhnen später alles erklären!,, Er war bald an Deck und wurde nach vorne in den Netzraum unter der Back gebracht und von Willi eingeschlossen. Der nächste war der l. Maschinist) der unter dem vorwand aus der Maschine geholt wurde, daß das Rudergeschi¡r in Unordnung sei. Als er an Deck war, wurde er höflichst nach dem Netzr"um ge_l bracht. Die Freizer übernahmen sofort die Maschine. Dann folgte der 2. Maschinist, der I. Steuermann und der 2. Steuermann. Wir hatten sie dann alle zusammen in Sicherheit. Es war alles so ge_ gangen, wie ich es mir gedacht hatte. Ohne Blut und ohne Krach, nicht einmal einer war angerührt word.en. zurück zw Brricke. Die Leuchtboje von steingrund war in sicht. Ich orientierte mich auf der Karte und setzte dann den neuen Kurs
fest nach dem Nordertief und ungefäfu so, daß wir l{ornsriff am vormittag passieren konnten. rn der Richtung verrief der nördliche minenfreie schiffährtsweg. wegen der Treibminen war das eigentlich der gefährlichste Teil der Reise. wi¡ rutschten am
näch_sten
24
|
t. Steøerøønn
Bohlø
Prøbw.
Abb. 25 | Schffihoch Fritz I(leøn
äbrmittag bei klarem Sonnenschein durch die flachsten Stellen des lÄfordertieß mit weniger als einem halben Faden unter dem Kiel. es glng gut. l,t,''l Politisch wurden an Bord einige Änderungen durchgeführt. i¡,gan mß nicht lachen) wenn ich jetzt schreibe, daß die Diktai,,grrr d"r Proletariats, deren Anhänger wir alle waren, natrirlich bei ëns an Bord auch sofort durchgeführt wurde. Die Mannschaft, elle Matrosen, I{eizer und Netzmacher, zogen sofort um in die Kabinen beim Salon. und den Salon benutzten wi-r als Eß- und Versammlungsraum. ,:;,, Der Koch, ich erwähnte schon einmal, daß er der Zivilkoch vom Admiral Tþitz war, versprach, alles zu tun, was ihm möglich war. ,Er war sogar bereit, sofort in unsere Organisation einzutreten, ,weil er befrlrchtete, daß es ihm sonst schlecht gehen würde bei der Ankunft in Murmansk. Wir machten ihm begreiflich, daß alles ,trrrr ausschließlich auf das Essen a¡kommen würde. Und ich kann
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DIE ScHIFFSENTFÜHRUNG
versichern, wir haben auf der ganzertReise wirklich ausgezeichnet gegessen.
Wir hatten Kohlen, Wasser und Proviant genügend an Bord, da wegen des Bunkerverbots für deutsche Fischdampfer in englischen
Hffen genügend Kohlen als Reserve im Fischraum mitgenommea wurden. Der zunehmende Seegang und der starke Westwind ließen den Senøtor Schröd.er ziemlich stark rollen. Für Fischdampferbesatzungen ist das nichts Ungewöhnliches. Man ist sowohl an das Rollen als auch an das Stampfen gewöhnt. Anders war es mit den Delegierten. Die haben in den ersten Tagen alles ausgekorzt bis auf ihre Seelen. Einer der Delegierten war der l. Vorsitzende des Sþartakusbundes für Hamburg und Schleswig-Holstein. Der andere wafr ein damals bekannter Schriftsteller von Berlin, der eigentlich vor )ahren einmal zu dem Kreise um Mühsam in München gehörte und von den Anarchisten zum Spartakusbund gekommen war. Den ersten nenne ich im weiteren Verlauf dieser Fahrt Ian, den zweiten Franz. Der erste war der wirkliche Vertrauensmann der revolutiondren Arbeiterschaft, ein Kämpfer. Der zweite der ExStudent, mit einer kleinen Schmarre, gewohnt, immer in der ersten Reihe aufden Barrikaden mit dabei zu sein. Eigentlich ein nervöser Typ in ruhigen Zeiten, aber er verlor die Nervosirät in wirklich gefahrvollen Situationen. Bei der Besetzung des Zeitungwiertels in Berlin und den sich daraus entwickelnden Kämpfen war Franz einer der immer praktischen
Leiter. Wie
nun oftmals bei den ICimpfen in Berlin war, hiehen dieWirtschaften und Resrauranrs die Lokale offen, sogarwenn die es
Schießereien ganz in der Nähe waren. Franz liebte es, soweit wie möglich ein bestimmtes Lokal in der Nähe in den Feuerpausen aufzusuchen und etwas zu essen und seinen Kaffee zu trinken. Einmal bei einer solchen Gelegenheit kam das I-okal, welches an einer Ecke lag, unter Feuer; ein schweres MG feuerte von einer Seite. so daß
SGHIFFS ENTFÜ
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Kugeln auf einer Seite hinineen und auf der anderen wieder aus dem anderen nster hinaus. Franz, der der wenigen verfügbaren las. die damals her-
. rückte mit seinem h und Stuhl jeweilig so
weit
der Feuerlinie, wie es nötig , aß sein Brot und trank sei-
Kaffee. Keine Aufregung, die Ruhe kann es machen.
r in ruhigen Zeiten ... ein iges Bündel von Nerven. habe ihn immer gern ge-
Abb.26lDerneøef.Steøertnøøn:
Wi'lli lÖøhre' , und noch heute denke ich ihn als einen Freund. lBeide hatten Qualitäten, die, wenn man länger mit ihnen zusamwar, und besonders auf einer solchen Fahrt, selbswerständlich n. lVunderbare Menschen.
Nach derUmsiedelung derBesatzungin die IGbinen beim Salon auch die Gefangenen umgesiedelt, und zwar in das Mannlogis. Wir gaben ihnen dasselbe Essen, welches wir aßen, sie
n genug Tabak undZigarctten zum Rauchen und Ka¡ten Kartenspielen. Sie konnten dreimal am Tage austreten und Deck kommen. Nur ein Mann mit Gewehr auf der Brücke rwachte die Gefangenen dann, und der Willi stand mit dem üssel und seiner Pistole hinter dem Wellenbrecher. Die Gefandurften das Vordeck bis zum Wellenbrecher benutzen. Die war, soweit man das sagen kann in der Behandlung Gefangenen, eine freundliche . Ich schliefim Kartenhaus. Die Wachen waren neu geserzt. Wi[i der l. Steuermarur) ein ganz intelligenter Matrose llugo, der
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DIE SCHIFFSENTFÜHRUNG
neu angemustert hatte, wurde zum 2. Steuermann gemacht. Die Heizer gingen in die Maschine als L und 2. Maschinist. Sie waren beide gute und zvYerlässige Leute, bei denen die Maschine in guten Händen war.
BetrefßWilli- dem l. Steuermaffi) muß ich noch sagen, daß er eigentlich ein Berußsoldat war. Er hatte in der Flotte gedientvom Schifßjungen an. Zuletztwar erwährend des Krieges Obermaat in der MinensuchDivision gewesen.
Da die Heizer nun
geHIFFSENTFÜ HRU
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Wan 62" nördlicher Breite an hatten wir keine Seeka¡ten mehr, da
Schiff nur für die Islandreise ausqerüstet war. Aber wir hatten Segelhandbuch der Admiralitat und hätten, wenn notwenPeilungen machen können. Wir hatten das Patentlog aus und n die abgelaufenen sm plus der Stromversetzung auf einer angelegten Karte absetzen. Auf dieser Reise kamen mir meine n aus der Seevermessung in der Kaiserlichen Ma¡ine
wir nach dem Norden kamen, desto schlechter wurde Wetter. Von 68o bis 73' nördlicher Breite war das Wetter ich unsicher. Wir hatten dagegen anzudampfen) von einem
$e weiter
in das andere. Ðas Nordkap passierten wir am füihen Morgen des 28. April, d.h. Abb. 27 | Der neøe 2. Steaerrnønø: Høgo Heyd.e.
außer ihren Feuern auch die Maschine zu machen hatten, ging jeweils ein Matrose mit auf Wache im Heizraum, tun besser Dampf zu halten. Am zweiten Tage, wir befanden uns etwa I0 sm quer ab von Blaavands FIuk, setzte ich den neuen Kurs ab, der uns an die Südwestküste von Norwegen brachte. Ekersund-Feuer bekamen wfu in Sicht, aber da wir nicht die Absicht hatten, gesehen oder gemeldet zu werden, hielten wir uns in Zukunft immer 40 sm und später sogar 60 sm von der Küste ab. Nur einmal, wir standen ungefähr auf 68o nördlicher Breite querab von den Lofoten, stoppten wir die Maschine. Die beiden Maschinisten hatten etwas an den Lagern zu machen. Es war nachts und nichts in Sicht. Wir ließen den Senøtor Schröd.er für vielleicht zwei Stunden treiben. Auf diesem Teil der Reise hatten wir den Golfstrom von achtern, so daß wir pro Stunde außer unserer Fahrt auch noch2 sm StromveÍsetzunq nach dem Nordosten hatten.
den in der neuen Karte abgesetzten Kursen und den abgelaun Meilen mußten wi¡ etwa 35 sm nördlich vom Kau stehen.
Wir liefen noch etwa zwei Stunden mit Nordost-Kurs weiter, wir auf Ost zum Süden und später auf Ostsüdost gingen. Da ir mit diesem Kurs ziemlich weit nördlich von Vardø und dem -Fjord standen und mir daran gelegen war) die Halbinsel ij (russisch) in Sicht zu bekommen, änderte ich den l(urs auf Südsüdost. Am 30. April nachrnittags um 3 IJhr, das iben war ziemlich dick geworden, und von irgendwelSicht konnte nicht gesprochen werden, gingen wir auf halbe und machten einige Lotwüfe. Kurz nach 3 Uhr wurde es etwa eine halbe Stunde vollkommen klar. und wir sahen die von Rybatschij an Steuerbordseite in etwa 8 sm Abstand. gingen sofort zurück auf Ostsüdost, da das Schneetreiben r begann, und erst am Abend etwa um 7 Uhr änderte ich Kurs, erst auf Süden zum Osten und dann auf Süd, um die -Bucht anzusteuern. Wir fuhren verschärften Ausguck, gingen Fahrt und hatten dauernd das Lot in Bewesuns. Wir hatten nd Wasser. und als die Tiefen abnahmen und unter 40 kamen, verringerten wir sofort die Fahrt auf langsam. IJm
DIE SCHIFFSENTFÜHRUNG
tl Uhr abends, wir lagen gerade gesroppt und loteten 24Eaden, nahm der Schnee etwas ab, und wir sahen plötzlich das L"nd, hohes Land, erst an Backbord, dann an Steuerbord. Voraus hatten wir freies Wasser. IJnter ständigem Loten dampften wir langsam weiter. Voraus kamen Bojen in Sicht. Festmache-Bojen mit Nummern. Die erste Boje hatre die große No. 8, die nächste No. Z Abb. 28
|
Die
Reise nøch
Mwrwøøsh
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Nord.osteøroþø 7920.
ÜHRUNG
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Es war uns klar: Wir mußten in einer kleinen Seitenbucht die wegen der genügenden Wassertiefe und des Schutzes Wind und Seegang als Nothafen gebraucht wurde. Im Schnee waren wir mit ungeftihr Südkurs in den I(ola-Fjord und dabei im Fjord selbst hart an die Ostküste Fjordes gekommen. Hier hatten wir, als es sichtig wurde, Bojenreihe gesichtet, wobei sich der Kurs auf Ost oder sogar
m¡.
änderte. .Åls der Schnee nachließ, konnten wir das sehr hohe Land ganz auf beiden Seiten sehen. und schließlich. als wir an der letzten ie festmachten, sahen wir auch Land voraus. Da lag auch ein Wrack- von dem man etwas mehr als den Vorsteven sehen Viel später stellte ich fest, daß die kleine Bucht einen grorchøngelile
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Namen hatte; Bo lsch øj ø Wolohow øj ø. Wir machten um 2 Uh¡ morgens fest, und der Tag war der I. Mai 20. Was.nunf Die letzte Auskunft über die politischen Verhåiltan der Murmanküste waren widersprechend. Man wußte , ob die,Rote A¡mee bereits die Küste besetzt hatte oder ob die General Miller-Truppen und die.Allüerten hier waren. Es ftlr uns vorsichtig sein. Wir setzten unser Boot aus, um dann in Stunden mit dem Boot festzustellen, wo wir uns befanden, gleichzeitig herauszufinden, wie es an Land stand. Aber zuerst sollten alle einmal für ein oaar Stunden schlafen. tverst¿indlich setzten wir eine genügend starke Wache, die Aufuag hatte, scharfen Ausguck zu halten und, wenn irgend in Sicht kam. sofort zu melden. Als eine weitere Vorsichtssetzten wir die deutsche Flagge. Letzteres taten wir für Fall. daß doch die Alliierten oder Weißen noch da waren. Wir wollten gerade unter Deck gehen, als Willi von der Brücke i ,,Kriegsschiff in Sicht!" ;:. Ðer Schneefall hatte nachgelassen. Es war..vollkommen klare $icht. Ich lief auf die Brücke und sah sofort das trkiegsschiff. Es knupp I sm von uns ab und, wie es uns schien, in offenem
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DIE SCHIFFSENTFÜHRUNG
SCHI FFSENTFÜ
Ich nahm den Kieker und konnte sofort sehen, daß es ein Hilßkriegsschiff war. Drei Geschützevor der Brücke und eins achtern. An Bord da dniben war große Bewegung, uniformierte Seeleuté liefen zu den Geschützen. Auch auf der Bräcke war es lebendig, Soweit ich Schlüsse aus all dem ziehen konnte. hatte man uns von dniben soeben entdeckt. Ich ließ sofort das internationale Lotsen- ,, signal setzen und gab mit unserer Sirene eine Reihe von kurzen-, und langen Tönen, die durch das Echo von den hohen Felsen l verstdÍkt wurden. Wenn wir nur wüßten, was für ein Kriegsschiff das war. Wenn es ein Weißer ist, müssen wir geschickt Theater., spielen, um aus diesem Loch wieder herauszukommen. Wenn die unser Schiff untersuchen, sind wir aufgeschmissen. Wir konnten die Flagge sehen, aber sie hing in dieser plotzlich eingetretenerf Windstille wie tot am Flaggenstock. Von dniben konnren die auch nur unseren Senøtor Scbröd.ervonvorne. also den Vorsteven. sehen und wußten auch nicht, was von uns zu halten sei. Wir konnten nur einen Teil des offenen Wassers sehen. da unser Blickfeld stark eingeschr¿inkt war durch die hohen Felsen an beiden Seiten der Bucht, in der wir lagen. Plötzlich sahen wir ein kleineres Kriegsfahrzeug an das größere vor Anker liegende Schiff heranfahren, und in diesem Augenblick wehte dniben die Flagge aus. Eine rote Flagge mit den Buchstaben RSFSR. Wir atmeren aufl Die deutsche Flagge wurde sofort niedergeholt und an ihrer Stelle ging die rote Flagge hoch (Stander Z). Dniben mannte man zwei MGs in ein großes Motorboot, bewaffüete Seeleute gingen ins Boot, vielleicht zranzig oder mefu. letztlegt das Boot von dniben ab und kommt mit großer Fahrt auf uns zu. Sowie es in die Nähe kam, hielt es, soweit die schmale Bucht es erlaubte, erwas ab, und man hatte scheinbar die Absicht, run unseren Dampfer herumzugehen) um festzustellen, was mit uns eigentlich los war. V/asser.
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¡{ls das Boot ungefähr querab war, nahm ich das Megaphon und es. Als der russische Bootskommandeur das sah, stoppte er
Boot. Sowie dniben die Motoren auf rückwârts gingen, rief :
,,Boat ahoi! We are the German steam trawle r Senøtor Scbröd'er Hamburg. We have a delegation of the German \Morkers on for the Komintern and ask for a pilot to enter the nearest an
port."
Ich konnte sehen, daß einer in dem Boot Englisch verstand und tzte. Es folgte eine kurze Beratung zwischen den Seeleuten, sprangen die Motoren an, und einen Augenblick später lag bei uns längsseits. Schwerbewaffnete russische Matrosen kletn über die Reeling. Allgemeines Händeschütteln folgte, und redete und versuchte sich verständLich zu machen. Schließlich ich einen, der Deutsch sprach, es stellte sich heraus, daß er dlterer Lotse war. Ein Lette, der seit Jahren schon als Lotse
arbeitete. Er stellte mir zwei andere Matrosen vor. von denen eine der Bootskommandantwar. der andere war der Politische
issar.'Ich nahm die drei Seeleute auf die Brúcke und ins nhaus. Hier erklärte ich ihnen die Lage an Bord und stellte die Delegierten vor. Große Herzlichkeit und Brüderlichkeit Seiten der russischen Seeleute. Ich lud die ganze ziemlich wild
:nde Bande, die mich an die
Zeit der I(eler Revolution
te, zu einem Frühsttick ein. Es gab Massen von Rühreiern Schinken. Dazu öffneten wir die ersten Flaschen Cognac auf Reise, und es gab Drinks für alle. Der Pilot gab r.rns natLirlich sofort die genaue Position der für
rätselhaften Bucht, in die wir im Schneetreiben hineingewaren: Bolscbøjø Wolokowøjø. Von hier ist es etwa 3 sm Alexandrowsk, einem kleinen Fischereihafen in einer Bucht auf Westseite des Kola-Fjordes. Es war noch keine ó Uhr morgens,
wir loswarfen von der Boje und dann, mit dem Motorboot im 6chlepp, nach Alexandrowsk dampften. Wir trafen da nach einer
1. MAI 1920 IN.MURMANS
Es wør d.er
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I. Møi 1920!
uberall rote Fløggen Der weltfeiertag des proletariats. Der deutsche Fischdampfer senøtott schröder lag an einer alten HolzpieE ebenfalls unter roter Flagge. Zusammen mit dem Kommissar gin. gen wir, um eine Verbindung mit Moskau zu bekommen. nach der ortskommandantur. wir wurden von dem ortskommandanten be. grüßt, und erveranlaßte sofort die Absendung eines Funkspruchs, Die Antwort traf umgehend ein, und von Murmansk bekam die I(ommandantur in Alexandrowsk die Anweisung, uns sofort einen Lotsen zu geben, damit wir sofort nach Murmansk weitergehen konnten. wir verließen also Alexandrowsk und trafen etwa um Il uhr vormittags in Murmansk ein. Hier lag eine Reihe von kleineren russischen schiffen, darunter auch eine Halbflotrille von moderneri kleinen Zerstörern. An einer der langen, sich in den Fjord erstreckenden piers legten wir an. Massen von Menschen auf der pier; rote Flaggen, Musik und Begrüßungen. Da war der Genosse Begge als Vertreter d,er
SDAPR (Bolschewiki), wie die partei damals hieß, ein großer breitschultriger Lette. Dann war da Dr. schklowski, der vertreter vom Narkomindel für diesen Teil des arktischen Rußland. Nach jeder Rede die Internationale. wirwaren natrirrich die Helden deb Tages, und auf den am selben Tage stattfindenden partei_ und Gewerkschaftsversammlungen wurden wir immer wieder in den Vordergrund geschoben. Da wir die Gefangenen nicht an Bord behalten konnten. wurden sie an Land gebracht. Jedoch blieben sie nicht in Murmansk, sondern fuhren später in dem ersten fälli genZage der nach petrograd ging und der auch von rilts benutzt wurde, nach dem Süden. Bei unserer Ankunft in Murmansk, verhâltnismåißig kurze zeit nach der Liquidierung der General Miller-fumee und der alliierten Expeditionsarmee, konnte man überall noch die Außchriften in Englisch, die Plakate für Fußballspiele und rheater sehen.
29 | Diø Kolø-Bøcht bei Alexøndrowsh.
fangene liefen so gut wie frei herum. Im Hafen aufgestaIagen Berge von Corned beef, Mehl, Konserven, Zígaretter',
r, Munition aller Art u.s.w Alles in gutem Zustande, unter Lngs. Genügend Ernährung für eine langeZeit. Aber doch wi¡ feststellen. als wir an einem Essen in einer Arbeiterkanteilnahmen, daß die Suppe als l{auptsubstanz gesalzene Heenthielt und das Hauptgericht aus IGscha (Hirse) bestand. ur das Brot wurde aus den eroberten Weizenmehlvorräten n. Die Brote waren die größten, die ich jemals in meinem gesehen habe, und auch später in meinem Leben, wenn ich in miserablenZeiten hungerte, habe ich immer wieder von Broten Wachträume gehabt. 'InMurmanskwar natärlich der Hafen mit den unseheurenVorabgesperrt, aber gestohien wurde trotzdem. Vor allen Dingen sich die Seeleute von den Besatzunsen der hier liesenSchiffe von den aufgestapelten Vorräten all das, was sie sonst
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nicht bekommen konnten. wir lagen mit dem senøtor schyöd.er neben StapeLo von'Weizenmehl, und sicher gingen meine Ge_ nossen nach Eintritt der Dunkelheit auf Raubzug und besorgten ein paar Säcke. Ais ich das erfuhr, versuchre ich ziemlich lahm dagegen zu protestieren, kam jedoch mit meinem protest nicht durch. und eigentlich fand ich das ganz richtig. später hatte ich oft Zeit genug, daran zudenken. \4/enn man schon der Auffassuns ist, und damals waren die besten revolutionâren l(lmpfer diesei Ansicht, daß Proudhon es richtig ausdnickte, nämlich: Eigentum ist Diebstahl!, dann war es richrig und logisch, ersr einmal für d-ie Lösung der Magenfrage zt sorgen. Trotzdem, es gab viel revolutionären Enthusiasmus in Mur_ mansk. Alles mußte erst wieder in Gang gesetzt werden. vor allen Dingen arbeitete man daran, die vorgefundenen Lokomotiveri wieder in Gang zu bringen. Die Schiffe im Hafen hatren keine oder sehr wenig Kohlen. Man heizte die Kessel mit rrorz, wovor. es genügend gab. IJnsere Fachleute vom Senøtot, Scltröd.erwaren mitverantwortlich dafrir, daß die ersten zwei Lokomotiven wieder fahren konnten.
Am 4. Mai fuhren wir mit einem der wenigen Zijge, die auf dieser Strecke den Verkehr aufrecht erhielten, ab nach petro: grad. Begge sagte mir: ,,Wenn wir Glück haben, sind wir in frinf Tagen in Petrograd. Die Eisenbahnstrecke ist die Nordstrategische Bahn, die während des Krieges von ösrerreichischen und deutschen Kriegsgefangenen gebaut wurde. Man sagt, daß unter jeder Schwelle ein Kriegsgefangener begraben liegt. Hunger und Malaria grassierten, und entlang der Eisenbahnrinie starben sogar die Niederlassungen aus." Die schlechteste Teilstrecke, nur sehr provisorisch gebaut, ist zwischen Kem am weißen Meer und Kola. Am Kola-Fluß ist die Linie an steilen, felsigen Abstrirzen eingesprengt und die Betnrng für den Schienenstrang sehr schlecht nivelliert.
1920 IN MURMANSK
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Ì.{och vor ganz kwrzer Zeit hat::man entlang der Bahnstrecke pft. Überall, wo es genüPIatz gab links oder rechts der Bahn. konnte man niedernte Blockhauser sehen.
lVenn man in den breiten und st gemütlichen Wagen saß und Fenster hinaussah, konnte , ohne den Hals zu recken, in deinen Fluß hinuntersehen. tief unten seinen Weg zwischen Felsen forcierte. Auf der an-
Seite des Zages stieg die wand steil hoch, und riesige
Abb.30 | IGrl Begge 1927 øk Høø' d.elsyertretør der Ud.SSR in ßerlin.
von Gestein hingen droüber der Linie. Die Waggons nkten wie trunken von einer Seite zur anderen. und nicht das, es war außerdem auch noch wegen der Nivellation eine und Talfahrt. Begge sagte mir: ,,Jeder zweite Zag entgleist, und man kann Strecke nur wieder frei machen) wenn man nach Bergung der die Waggons in den Abgrund tippt, soweit sie nicht schon sind." Im übrigen erklärte er zu unserer Beruhigung: ,,Die rlichsten Stellen der Bahn passieren wir in der Nacht, wenn alle schlafen."
Am zweiten Tage gab es einen längeren Aufenthalt. Ein Milider auf der Weichenstelle stehen sollte, um uns vorbeiwar nicht eingetroffen, so hatte unser Zug zu warten. des Zuges kamen einige Soldaten und meldeten, daß der g entgleist sei. Begge beschloß, sofortweiterzufafuen. Unser Zug hafte ebenfalls militärisches Detachement an Bord. Ein kurzes Meeting wurde
1.
MAI 1920 IN MURMANSK
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abgehalten, auch hier wurde die fnternationale gesungen, und dann fuhren wir los. Die vielen I(oreaner, die auf dieser strecke arbeiteten, wurden unterwegs aufgepickt, mit ihren Werkzeugen Schließlich kamen wir um eine Ecke (wörtlich ,,um eine E.k ") und wir sahen die ganze Besche^rng: Ein Felsblock war von oben abgesttirzt, gerade in Front der Lokomotive. Diese war nicht in..,! den Abgrund gefahren, sondern hatte den mehr sicheren Weg in den Berg hinein gewählt und sich etwas auf d.ie Seite gelegt. Die ersten waggons folgten ifu nach rechts, aber die dann folgenden Waggons, vier oder fünf, waren abgestürzt. Der Rest des Zuges stand auf den schienen, nur die letzten zwei wagen hingen über dem Abgrund. Ich habe es niemals geglaubt, aber man versicherte uns, d.aß kein Menschenleben verlorenging. Die soldaten saßen oderlagerf" herum und rauchten ihren Machorka. Keiner dachte aarrn, in dieser Situation irgend etwas zu tun. und so wurde nanirlich ein Meeting einberufen und die Freimachung der strecke organisiert. Nachdem einige Redner die 4 oder 500 sordaten aufgepulvert .
hatten, begann dann auch die Bergungsaktion, um die Ladung aus den Waggons, die halb über dem Abgrund hingen, herarrszlbe_ kommen. Als das einmal gelungenwar, frllte man einpaar Bäume und, mitdiesen als Hebebäumen, kippte mandieWaggonsvon dei Böschung und über die Kante. rJnrer dem Händeklatschen aller Anwesenden sausren die waggons, die sich dabei überschlugen,
von einer ziemlichen Höhe in den Fluß. wenn ich richtig informiert bin, war es der Kola-Fluß. Frir die Lokomotive wurde etwas mehr Platz gemacht, die Schienen ein wenig verschoben, alles provisorisch in Ordnung gebracht, und langsam dampfte der Zugmit den übriggebliebenenWaggons des Militärzuges zur
weiche zurück. Dann wurde rangierr und schließlich die Reise nach dem süden fortgesetzt. An der unglücksstelle stiegen wir alle aus und gingen zu Fuß vor, während der Zugganz langsam die unglücksstelle passierte. Die Koreaner waren wunderbare Ei-
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arbeiter. Sie konnten alles. selbst das Schlimmste wieder in bringen. Von I(em, am Weißen Meer, wurde die Strecke wenig besser, und das Schrittfah¡en nahm ein Ende. Aber trotzwäre es möglich gewesen) neben demZuge herzulaufen. Auf Fall brauchten wir zweiTage, um die immer wieder an die bahnstrecke herankommenden Buchten des Weißen Meeres iûater uns zu lassen.
Sorokawar derletzte Halt amWeißenMeer, dann ging die Linie dem Flusse Wyg und zwischen den beiden Seen Wyg und undführte dann an die Buchten des Onega-Sees. Amvierten abends trafen wir in Petrosawodsk ein. Auf allen Stationen endang der Murmansk-Bahn fanden Ver-
gen auf den Halteplàtzen statt. Die Mobilisation für Krieg gegen Polen war in vollem Gange. Viel rote Fahnen, arente) Reden und Resolutionen. Nicht so gut vorbereitet die ,rWistle stop tour" eines amerikanischen Präsidentschaftsten. aber im Mai 1920. als die RSFSRwirkiich um ihren d kämpfte, totz aJler Primitivität, trotz F{unger und Tymit einer Begeisterung und Entschlossenheit durchgeführt, an die große Zeit der französischen Revolutionsarmeen erin-
Außer Tee wurde bei uns im Zuge nichts gekocht. Von den räten der rlliierten Expeditionsarmee hatten wir genr.igend Weißbrote, Tee,Zucker, Kaffee, Corned beef, Butter
w mitgenommen. Mit englischen und amerikanischen Zigaret' und Tabak waren wir überreichlich versorgt. Im Zugehatten einen internationalen Schlafwagen, in dem wir wohnten, und bswerständlich wurde Tae und Nacht diskutiert. Die Russen. d.h. in diesem Falle die höheren Parteifunktionäre, ,{ie *it uns reisten, respektierten uns als gute Revolutionäre, ver¡çuchten jedoch, uns wäfuend der ganzen Fahrt davon zu überdaß unsere Einstellung gegen Parlamentswahlen und die ',zeugen, Äblehnung der reformistischen Gewerkschaften falsch sei.
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wir dachten nanirlich nicht im entferntesten daran. den Russen recht zu geben. Wir respektierren die Russen, die uns Deutsche Abb. 31 | Der
Weg d.er Mørøøønbøhn.
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Fragen der siegreichen proletarischen Revolution weit voraus aberwir sprachen ihnen das Recht ab, die deutsche Situation zu kennen als wir. Im lJnterschied zu den Russen glaubten daß die Linie der deutschen Revolution eine ansteigende und die legaie Ausnutzung des Parlaments als eine revolutioTribtine ohne Wert sei. Ebenso beruhte unsere Ablehnung Formel,,Eroberung der reformistischen Gewerkschaften von " auf der Erfahrung, die wir mit den von uns aufgebauten tiondren Betriebsorganisationen (bis dahin! ) gemacht hatten, auf der Erkenntnis, daß die großen Gewerkschaften im ADGB volutionár waren und wegen ihrer staatserhaltenden Rolle werden mußten. Im Verlauf dieser manchmal hitzigen gittg di. Reise mit unserer Ankunft in Petrograd zu
ieder rote Fahnen, Musik, Reden, Massengesang der Internatio-
, und schließlich fuhren wir dann über den Newski-Prospekt HoteI Internøtionølin der UhzaGogolja, dicht bei der großen -Kathedrale. ;' Am Abend hatten wir eine erste Zusammenkunft mit dem Genossen Sinowjew in seinem Appartement im Hotel Astot iø oder, wie es'damals hieß, Perwoje Dorn Sowjetow (Erstes Sowiet',ÍIøøs). Das große Hotel befand sich in einem vollkommenen Ver.ftidigungszustand. Sandsäcke an den Fenstern und Eingängen. Schwere Maschinengewehre in Stellung und selbst in der Empfangshalle standen auf dem Rezeptionstisch zwei MGs. Hinter .dem Rezeptionstisch Soldaten der Tscheka und der DeshurnyiKommandant, dern jeder Ankommende seine Papiere übergeben mußte, bevor er auch nur seine Angelegenheit (Besuch eines im Hotel Wohnenden) vorbringen konnte. Der Kommandant telephonierte dann zu dem betreffenden Zimmer. und nur wenn er von dort die Anweisung bekam, den Besuchenden hinaufzuschicken, stellte er einen Propusk aus. Die Papiere des Besuchenden behielt
II].
PETROGRAD.'
hineingelassen oder den Schlùssel zum Zimmer ausgehänd-igt , ohne denAusweis zu prüfen. Ich erwähne das ,,Systetn" des €kopusk hier besonders, weil ich später begriff, daß die Propuske cå¡r Bestandteil des sowietrussischen Lebens wurden. Die Sekretärin des Genossen Sinowjewwar Elsa I(ngisepp, deren ,&Sann vor einigen Monaten in lamburg, der estnisch-russischen ,,frrenzstadt, beim Vordringen der Judenitsch-Armee von den WeiËen gefangen genommen wurde und auf dem Marktplatz dieser ,5tadt aufgehangen worden war. Nachdem die ludenitsch-Armee, ,die bis Petrograd vorgedrungen war, von der Roten Armee ver-
aichtet war, wurde |amburg umbenannt in Kingisepp. Sinowjeq damals der maßgebende Mann in Petrograd, €mPËng uns herzlich. Er war außergewöhnlich gut über die Lage in Abb. 32 | Elsø lGngisepp.
Ab b. 3 3 | Vihtor IGnginpp.
der Kommandant. Der Besucher, auf dem Wege zur Treppe, d.ie Lifts waren außer Betrieb, passierte dann einen Doppeþosten der Tscheka, der den Propusk kontrollierre und die eine Hälfte abriß und auf sein Bajonett steckte. rm Astor'iø wohnten damals die höheren verantwortlichen Parreileiter, die cheß der Tscheka, die cheß der Armee und Flotte, die höheren Funktiondre des Sowjets von petrograd und die Gewerkschaftsleiter.
vor der Revolution wohnten hier die Mitglieder des Generalstabes. Beim Ausbruch der Revolution hatten die Matrosen der Flotte das Astor"iø gestliïmt) und der petrograder sowjet hatte das Hotel zur Wohnung fü¡ die Funktion?ire bestimmt. Die Bewohner des Astoriø hatten einen besonderen Ausweis. Dieser Ausweis war im revolutiondren perrograd die beste Legitimation, die man haben konnte. Aber selbst wenn man schon bekannt war, würden weder der Kommandant noch die posten
Ðeutschland orientiert. Nattirlich wolhe er alles wissen, was nach ,T¡rì.serer Meinung an der Politik des rechten Flügels der Partei ,{Levi, Brandler, Thalheimer, Zetl
,form im lileinen B'ilro der Komintern zu vertreten. Im übrigen: r¡lVir tranken Tee zusammen mit einem der Mächtigen, ja vielleicht {,amalsrwas seine Position anbelangte, nach
Irnin
dem mächtigsten
Mann in der RSFSR. Hinter ihm standen Petrograd, die Wiege der Revolution, und das ganze nördLiche Rußland. Hier saßen wir mit dem kleinen, schon ein wenig fetten jüdischen Intellektuellen und Berußrevolutionär zusammen. Wir kannten ihn nur aus seinen Schriften und Pamphleten, und selbswerständlich *rrßt.n *it, daß er im Oktober I9l7 zusasnmen mit Kamenew und Losowski gegen den bewaffneten Außtand gestimmt hatte, \Mas ihn eigendich bei uns herabsetzte. Seine dunklen, etwas lockigen llaare, ziemlich lang und nach hinten gestrichen bis über den weißen trkagen, sein etwas weiches Gesicht und die hohe Kehlkopßtimme, seine sehr gewählte '{ussprache des Deutschen, der
PETROGRAD
gute dunkle Anzug, die weichen Teppiche in dem großen Eck_ Appartement mit den wunderbaren Mahagonimöbeln, alles das ließ uns fast vergessen, daß wir hier mit einem der fünf Großen der RSFSR zusammensaßen. An der Fassad.e des großen Gebäudes an der historischen Ecke sadowaja/Newski-prospekt hingen frinf große Bilder: Lenin, Sinowjew, Trotzki, Rykowund Kamenew. Das waren die Fiinf, die damals ausschraggebend waren. Einen hatten
wir nun kennengelernt. Als wir nach unserem Hotel um die Ecke zunickgingen, war es Abend. Die straßen waren ziemlich reer. An den Ecken sranden überall die milit¿irischen posten, die des Nachts kleine wachtfeuer
Abb. 34 | Die ,bistorische Echeo sød.owøjø/Newshi-prospeht strøtilnszøg ørnt 4. (12.) Jwli
1917.
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schüsse
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der Mitte der Straße brannten und sich herumlagerten. Wir das Gefütrl, daß sich die Stadtim Kriegszustand befand, und wir während der Nacht in unseren Hotelzimmern von Zeit zu it Schüsse hörten, begriffen wfu, daß die große Stadt sich noch beruhigt hatte. Am nächsten Morgen, vor unserer Abreise, trafen wir im Hotel Genossin Balabanoff. die damals die Sekretárin des I(lein'en Büros der Komintern war. Eine wunderbar kluge, immer aktive Frau, ;die Mutter der italienischen Kommunisten", ein Sprachgenie, die, soweit ich mich recht erinnere) von jeder Sprache in jede Sprache &ei übersetzte. Wir hatten mit ihr eine kurze Unterhaltung betrefß
der Situation in der deutschen Partei nach der Spaltung, und da wir selbstverständlich den Standpunkt der Opposition vertraten, machte sie die Bemerkung: ,,Ich denke, Sie sind noch zu jung, um solche Ansichten zu vertreten." Wir lachten nanirlich über diese Bemerkung, aber gleichzeitig begriffen wir, daß wir einen harten Streit vor uns hatten, und wir bereiteten uns auf diesen Streit vor. Vor unserer Abfahrt am nächsten Tage, die Zige nach Moskau grngen des Abends ab, machten wir eine Rundtour durch Petrograd und nahmen am Nachmittag als Ehrengäste an einer großen Frauenversammlung im Plenarsaal der Duma teil. Reden, Reden immer wieder Reden. Viel rotes Tuch und nach jeder Rede immer wieder die Internationale. In dieser Zett des Hungers und des noch lange
nicht abgeschlossenen Bürgerkrieges zeigte diese Kundgebung, daß die Bolschewfü die Wichtigkeit der Frau in der Revolution nicht nur würdigten, sondern auch verstanden, sie auszunutzen. .Als die Masse der Frauendelegierten die Versammlung mit dem Gesang: ,,Bnider, zur Sonne, zur Freiheit" abschloß, verstanden wir, daß die Frauen jedes Wort des Liedes meinten. Nach Abschluß der Kundgebung fuhren wir in einem der wenigen Autos' die es damals gab, entlang der Newa zurück zum Hotel. Der breite Strom, die lange Front der Palais, auf der anderen Seite die Peter-Paul-Festung mit der Kirche, in der die Zaren begraben sind.
PETROGRAD
TERN-VERHANDLUNGEN IN MOSKAU
\{/as uns immer wieder auffiel, waren d.ie leeren Straßen, besonders
die uferstraßen. Der Newski-prospekt zeigte mehr Leben, \^/enn auch fast alle schaufenster der Geschäfte mit Brettern vernagert waren. Die straßenbahnen waren überfüflt, niemand brauchte"zu bezahlen, und selbstverständlich stand man auf den Trittbrettern oder hing zwischen den wagen. Manchmal ûelen die am meist ungünstig Plazierten während der Fafut herunter und wurden
prompt überfahren. IJnser Abendbrot bestand aus Kascha (Hirse), Tee und zwei scheiben sehr dunlden Brotes. Den Zucker zum Tee hatte der Kellner in der Tasche. Später habe ich noch oft gesehen, daß der Zackcr abgezahlt wurde, wenn ein Kellner abgelost wurde und der neue den Zucker übernahm. Brot war nichiimmer zu haben, und wenn es Brot gab, war es immer zu wenig. Ich glaube, es gab" 200 Gramm am Tage. Kriegskommunismus, man war dabei. das Geld abzuschaffen. vorlaufig ging es nicht gut oh¡e Geld, und seh¡ bald wurde es schlimmer. lch glaube, es war am Abend des 7. Mrat Ig20, als wir nach Moskau weiterfuhren. Die Bahnverbindung petrograd_Moskau war wohl die bestfunktionierende. Die zige waren natrirrich für privilegierte Reisende reservierr. Zumindestens diese znger AIe Bahnsteige der stationen waren von tausend,en Menschen umlagert, Männer, Soldaten, Frauen und Kinder. Alle schienen ihre Habe in Säcken mitzuschleppen. Flier lagen die Menschen herum und warteten tagelang auf eine Gelegenheit, nach irgendwo ab_ zufahren. Man sagte mir, daß das Gefäh¡lichste auf der Bahn die Läuse seien, weil die den Flecktyphus verbreiteten. wir aberfuhrenwie die ehemals herrschende Klasse in den schlaÊ
wagen) die geräumig, luxuriös und rein waren. Man servierte mor_ gens und abends heißen Tee, allerdings gab es auch
hier Zucker
aus der Tasche und sehr spärlich.
Zweimal wurde der Zug auf der Reise nach Moskau von den Transportkontrollen der Tscheka untersucht und d_ie Dokumente
II5
Reisenden geprüft. Der Zugkommandant sorgte dafür, daß
nicht belästigt wurden. Ungefüfu um I0 Uhr morgens trafen wir in Moskau ein. Da gab es wieder Musik, rote Fahnen, Reden, und schließlich n wir mit Karl Radek, der uns in Empfang genommen hatte) einem wunderbar großen, mit blauem Samt gepolsterten Auto unserem Hotel. Radek erzählte uns. daß das Auto ein französischer Renault sei, gpeziell frsr denZarengebaut. Da gab es einen ausziehbaren kleinen hreibtisch. einen Schrank frir Getråinke und einen elektrischen ¡Øigarettenanzünder. Der sehr impuisive Karl Radek, der nach der Ermordung Lieb,knechts und Rosa Luxemburgs fast für ein Iahr im Moabiter Geångnis gesessen hatte und die inneren deutschenVerháltnisse sefu i.,.gut kannte und jetzt Sekretár der I(omintern war) nahm uns unter ,rseinen besonderen Schutz. Er war Feuer und Flamme über unser , {Jnternehmen und erzählte uns) daß wir der Opposition in Moskau die beste Einführung gegeben hätten durch unsere Fahrt über See. : ,ILrr seid gute, kätnpfende Revolutionáre und ihr habt alle unsere :i;,
Sympathien, auch wenn ihr sonst unrecht habt." Er brachte uns zum Delowoi Dwor,, einem l{otel, das man eben vollkommen neu renoviert, möbliert und desinfiziert hatte, speziell für die Delegierten der l(omintern, und er sagte: ,,Ihr seid die ersten Gäste, mit denen wir das Hotel einweihen!" Das Hotel lag in einer stillen Seitenstraße, nahe bei der I(taiskaya Stena, aber außerhalb der Chinesischen Mauer, die von dem
Lubjanka Ploschtschad herunterkommt und hier scharf abbiegt nach dem Moskau-Fluß. Die Mauer war eigentlich gegen die Tataren gebaut worden und ziemlich erhalten, mit Türmen und Toren und Brustwehren. Im Gegensatz zu Pefrograd glich Moskau einem riesengroßen asiatischen Dorf, mit dem Kreml in der Mitte und zwischen Kremlmauer und I(taiskaya Stena die alte innere Stadt. Alles im Hotel
KOMINTERN-VERHANDLUNGEN
TERN-VERHANDLUNGEN IN MOSKAU
IN MOS
war gut, neu, rein und gemütlich. Nattirlich gab es propuske, ohne die man nicht leben konnte. Die Tschekareure im Hotel waren in
Zitú,und der Kommandant war ein ungarischer Jude, übernom_
Balkon schlafen. dorthin . Ein gutes Mittel gegen zen lernte ich später aufder -Halbinsel kennen. Es
men aus den Formationen der Internationalen Division, die sich
aus deutschen, österreichischen und ungarischen Kriegsgefangenen zusammensetzte und díe e benso wie die lettischen und pornischen Regimenter an den Fronren des Bürgerkrieges kämpft.lA'di.r." Stelle sei übrigens gesagr, daß die Lenen
w"Àrs.h"inlich diejenigen waren' die in den meist kritischen Momenten eingesetzt wurden an allen ,{bschninen) wo die junge RSFSR in Gefafu war. Sie waren die meist diszþlinierten und klassenbewußten Soldaten und in voll_ kommen lettischen Regimentern zusarnmengefaßt. Später lernte ich viele hervorragende Genossen von verschiedenen internatio_ nalen Formarionen kennen. Ich muß da noch schnen
di.
als ich
im
ebenso radikal seinwie heute
DT. Die ÉIäuser waren damais
.
luni wieder mal nach Moskau kam, daß d.ie Wanzen auch die Zimmer auf der Schattenseite in Besitz genommen hat_ ten. Das ist Moskau. Ein Russe erzahlte mfu, daß die Wanzen im
sind auchheute Holzhäuser. sind die Wanzen zu llause. erfahrene Holzfäller gehen den Wald, holen einen garazen isenhaufen in einem Sack
F;..i.
nennen, die eine entscheidende Rolle an der Nordfront g.g.r, di. Miller-Armee gespielt hanen. Aber hier zurück zum Delowoi Dwor.Ich erwachte in meinem wunderbaren Bett in der Mitte der Nacht. Irgend etwas üef über mein Gesicht, und als ich es im Halbschtafmitãer Hand wegfegte, wurden meine Håinde naß. Ich sprang auf, knipste ¿as f[nt"an ... Td ich sah die ganze Bescherung. Kolonnen von marschie_ renden Wanzen. Im Bett war alles lebend.ig, und neue Kolonne¡i marschierten an der wand herunter. Ich wagte natürlich nicht, mich wieder ins Bett zu legen. Ich schlug eine Decke ,t.ilt den Tisch in die Mitte des Zimmerr, ü.õd", Licht an"rrr, ,rrrã l.gr. mich aufden Tisch. so verbrachte ich die Nacht. am Tíge wurde trkiegsrat abgehalten, und wir wechselten "nd.r.n unsere ziro^;;, zogen von der sonnenseite des Hoters auf die schattenseite. Eine einfache Maßnahme, die Erfolg hatte, mindestens in der Zeit,wo wir im Hotel wohnten. Später hörte ich von anderen Delegierten,
r sogff den Bewohnern, vor ihnen ausrücken und auf
."
IIause und schütten den lnden Inhalt im l{ause Abb. 35 | IGrl Rød'eh. Die Bewohner verlassen IIaus natürlich. Man sagte mir, daß die Ameisen alle Wanzen Hause auffressen und nach einigen Tagen wieder in den WaId zurückmarschieren. - Am nächsten Tage wurden wir von Radek abgeholt zur ersten Besprechung in der Komintern. Damals, kurz nach ifuer Gründung, befand sich die Komintern in dem Gebäude der Deutschen Botschaft in der Deneshnyj Pereulok. Radek selbst führte uns durch das Gebaude, und selbstverständlich sahen wir auch das Zimmer, in dem der deutsche Botschafter Graf Mirbach von den beiden durch die Fenster eingedrungenen linken S.R.-Leuten erschossen wurde.
Der Blutfleck in der Mitte des Zimmers war scheinbar sorgsam erhalten. In allen Zimmern des Gebäudes klapperten die Schreibmaschinen. Es wimmelte von Stenotypistinnen, die in den Sprachen aller Sektionen der Komintern beim Schreiben waren. Als ich Radek frug, was die denn nun eigendich schrieben, sagte er mir: ,,Die scfueiben die Reden, die auf dem kommenden
KOMINTERN-VERHANDLUNGEN
II. Kongreß der Komintern
IN MOSKAI¡
I19
RN-VERHANDLUNGEN IN MOSKAU
gehalten werden, und natrirlich auch
... die Resolutionen, die von dem l(ongreß angenommen werden..l '
In diesen worten war eigentlich schon im voraus die Antwort auf die von uns noch nicht gesteilte Frage betrefß der sicherstellung der proletarischen Demokratie in der partei gegeben. : Am 10. Mai hatten wir die erste Sitzung mit dem sogenannten r(leinen Bü.ro des Exekutivkomirees der Komintern. Für die Kom-
intern nahmen teil: Marchlewski-Karski, Balabanowa, Rad.ek, Sirola
und Bucharin. Da v/aren noch einige andere Leute anwesend.: Rudnyánsþ, dann ein gewisser Schäfer, Vorsitzender des Rates
der deutschen Kriegsgefangenen in der RSFSR, und als retzter der
Vorsitzende des Sowjets der deutschen Wolga_Republik. Radek dachre, daß er uns gleich den Wind ã.r, Segeln neh_ "o, men konnte durch die Vorlegung eines Exemplare s der t{.,+.2., dté soeben mit einem spezialkurier angekommen war. Der Leitartikel war riberschrieben: Die Moshøøer paipste. Das war Gotteslästerung. Gotteslästerung war natri¡lich
,
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auch
der standpunkr, den wir für die opposition zu verrreten hatten. Was man in Moskau nicht verstehen wollte, war, daß wir nicht gekommen waren) um zu verhandeln, sondern um den Stand_ punkt der Opposition zur vertreten. Wir hatten ein gebundenes Mandat, welches uns nicht zuließ, irgendwelche Kompromissê einzugehen. Was wir tun konnten, war, den Standpunktãe, R rs_
sen nach unserer Rückkeh¡ nach Deutschland, unseren Genossen
vorzulegen. Die Entscheidung lag nicht bei uns, sondern bei der
Partei in Deutschland. Für unseren Standpunkt in der Frage der innerparteirichen Demok¡atie und die antiparlamentarische Einstenung sprach Franz Jung und in der Gewerkschaftsfrage (Revolution¿ire Betriebsobleute und Betriebsorganisation) Jan Appel. Ziemhchtrocken und ohne Pathos. Ich sprach frir die Seeleute. Danach brach das Strafgericht Gottes über uns herein. Was für uns Prinzþien waren, war Taktik frir die Russen. Man lobte und
36 | Der Artihel ,,Moshøøer Pripste" ron Heinr'icb Løøfenberg øød Fritz Wolff erschien øtn 22. Møò 1920 in d.er IIørnbørger Aøsgøbe d.er I(ormm.anistischen itørzøitøng.
åätschelte uns als revolutionáre I(:impfer, aber im übrigen zerhackte and zerschlug man uns. An Beispielen aus der Geschichte der Bolewfü und auf Grund der realen Machwerhdltnisse in Deutschfand versuchte man) uns von unseren Fehlern zu überzeugen. Man
rerurteilte natürlich Paul Levi und den rechten Flügel der Partei ,41s Opportunisten, aber man erwartete von der Opposition, daß sie auf ihren Knien zurückkriechen sollte. Wir bekamen Schläge, wie unartige Schu-ljungen. Der einzige, der uns wirklich versuchte zu verstehen. war Bucharin. Radek verzuchte uns begreiflich zu machen, daß das scharfeAufueten gegen uns dadurch gerechtfertigt sei, daß die l(omintern in uns den Teil
SION MIT LENIN
DISKUSSION MIT LE
der deutschen Arbeiterschaft sah, der als Avantgarde gezeigthane,
daß er bereit war, die Gesamtarbeiterschaft Deutschlands über den Generalstreik zum bewaffneten Außtand und der Eroberung der politischen Macht zu füh¡en. Das hatte die Opposition be-, reits bewiesen. Fr.ir uns waren die Niederlagen nur Etappen auf,, dem Wege zum Siege. Wir waren auch der Auffassung, daß die: Linie der Revolution eine außteigende sei, während man bereits, in Moskau der gegensätzlichen Meinung war. IJnsere Auffassung ,
riber innerpartefiche Demokratie war natrirlich weit verschieden,, von der russischen innerpartei.lichen praxis. Bei uns: Aufbau von unten. Recht der unteren Parteiei¡heiten: Betriebszelle, wohnzelle und Ortsgruppe, die Aufgaben der partei, die politik der parrei. und das Programm der Partei in freier Aussprache zu bestimmen., -. I
,
Die Delegierten auf den Bezirkskonferenzen und serbstverst¿indlicli besonders aufdem Parteikongreß haben nicht ifue eigene Meinung zuvertreten, sondern die Beschhisse der Parteieinheiten. von denen sie gewählt wurden. Nach unserer Meinung waren die Gegensätze zwischen dem I(leinen B,üro der Komintern einerseits und der Opposition in Deutschland andererseits unvereinbar, und dawir gebundene Mandate hatten, war es uns unmöglich, mit den russischen Genossen eine gemeinsame Platd¡Ím zv finden.
Am zweiten oder d¡itten Tag teilte Radek uns mit, daß Lenin uns am Abend sehen wollte. Radek bat uns, das Hotel am Nachmittag nicht zu verlassen, da Lenin uns ein Auto schicken würde. Ich will nicht sagen, daß wir gerade nervös waren, daß wir ihn sehen und sprechen würden. Immerhin kannten wir ihn aus Büchern und schriften und wußten, daß er wirklich der bedeutende Mann war. Er überragte alle anderen. Die proletarische Revolution, die Diktatur des Proletariats, die Parole: ,,Alle Machr den Rären,,. das war Lenin. umwandlung des sozialismus von derwissenschaft in die Tat. sein Werk!
t2I
in Sekretariat befand sich in einem der alten Gebäude im . Wi¡ hatten eigentlich keine Augen frir die Wachen und n beim Passieren des Ikeml-Tores. das war flir uns alles h. Eine kleine, áltere und bucklige Frau, Lenins Sekrein, nahm uns in Empfang und führte uns ohne weitere Umstánde LeninsArbeitszimmer. Als sie die Trir öffüete, sahenwfu Lenin, stand sofortvon seinem Sitz hinter dem qroßen Schreibtisch auf kam uns entgegen, mit ausgestreckten Håinden. Seine freundn Augen lachten, und in sehr gutem Deutsch sagte er: ,,Na, da
wir ja die Genossen Pi¡aten. Großartig und gut gemacht." war sehr gut informiert, und während er jedem von uns die schüttelte, sagte er jedem ein paar gute, warme Worte. Mir er: ,,IJnd Sie sind der Genosse Kapitlin, ja, die Seeleute sind ,Ëo.mer mit uns und wissen, wie es gemacht wird. Setzen Sie sich, #enossen." IJndwährendwir Platz nahmen, sagte er: ,,Als wir das io-Telegramm von Murmansk über Ihre Ankunft erhielten, ;,waren wir alle begeistert, und Karl Radek, der immer sehr impulsiv das Telephon. Nur der Genosse Tschitscherin gerade mit den Deutschen wegen Aufnahme böse, da er sehr åst der diplomatischen Beziehungen verhandelt. Aber Sie brauchen sich seinetwegen keine Sorgen zu machen." ;., Er ließ sich dann von uns über die Lage in Deutschland berichten, vor allen Dingen über die innerparteiliche Lage. Er erleichterte uns den Bericht dadurch, daß er zu den verschiedenen Punkten
ht, zerschlug sogar
Fragen stellte . In der garrzelZeitder Unterhaltung mit Lenin befand sich ein Bildhauer im Zimmer, der an einer Tonbüste Lenins
arbeitete. Die Behand*g, diewir bei Lenin erfuhren, warim IJnterschied zu den Sitzungen mit den Mitgliedern des l(leinen Büros, die uns meh¡ oder weniger als Schuljungen behandelten, ausgesprochen
frermdlich und warm, genossenschaftlich. Bei dieser ersten Zusammenkunft wurden zwar die Gegensätze in der Partei gestreift, aber es wurde nicht zuviel Gewicht darauf
t22
DISKUSSION MIT LENIM
gelegt. Lenin war vielmehr interessiert, unsere Ansicht zu hören über die Aussichten der Revolution. Der Vormarsch der Roten Armee gegen Polen hatte begonnen, und scheinbar wußte niemand in Rußland, wie das deutsche Proletariat reagieren würde füi den Fall, daß Polen und die Pilsudski-Resieruns von den Russen zerschlagen wrïde. In diesen Tagen näherte sich die Rote Armee Borissow und hatte weiter im Süden bereits die polnische Grenze überschritten. Es lag Lenin sefu viel daran, von uns zu erfahren,. ob die deutschen A¡beiter imstande sein wtirden, durch einen Generalstreik und bewaffneten Außtand die wesdiche Flanke der Roten Armee zu sichern. Darauf würde es ankommen, sowie die' ostpreußische oder schlesische Grenze erreicht war. Andererseits war sogar derVormarsch gegen Warschau davon abhåingig, ob bei dem schnellen Vormarsch die Rote Armee die schwere Artilleriê und Munition mitbekommen konnte. Zerstörte Transportwege und Mangel an selbst primitivem Transport wurden zu einer Bremse. Sollte die Armee aufdie schwere Artillerie warren oder ohne sie weiter vorstoßenl Der Generalstab unrer der fåhigen Leitung des tüchtigen jungen Tuchatschewski und vorwârtsgetrieben durch den Feuergeist Trotzkis hat später auch den weiteren Vormarsch ohne schwere Artillerie von der Entscheidung des Politbüros abhäingig gemacht. Wir haben damals Lenin gegenüber die Meinung vertreten) daß die deutsche Arbeiterschaft sich erheben würde. Lenin hatte gerade seine Broschùre beendigt: Die l1nd.erhrønhheiten d,er Linhsh.owvnaniste% und er gab uns das deutsche Manuskript. ,,Lesen Sie es durch, und dann können wir bei der nächsten Zusammenkunft ùber alle Fragen sprechen", sagte er und fügte hinzu: ,,Sie mrissen mir offen Ihre Meinung sagen, werìn immer Sie mit den verschiedenen Punkten, die ich behandelt habe, nicht einverstanden sind." Wir versprachen das natrirlich, bevor wir Abschied nahmen. Keiner von uns dachte daran, dte l(ind.erhrønh.heiten als solche zu akzeptteren, und soweit es uns möglich war und Gelegenheit gegeben wurde, würden wir schon unseren
123
SION MIT LENIN
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I N. Leniø: Die
Ki.nd'erhrøøh.heit d'er ,,Liøhsheit" iw l(oøwønisrnus - Die d.eøtsche Føssøøg erschien ønter dew Titel: Der
verløg Petersbørg 1920.
':$-ødihølisrnøs",
d.ie
Kinderhrønhheit
d.es
I(ovntmøniswøs, ebeøfølb 1920
Standpunkt vertreten, auch Lenin gegenüber. Wir respektierten knin und verstanden. daß er der Architekt der Oktoberrevolution war. ]edoch \Maren wir überzeugt, daß wir die Fragen der proletarischen Revolution im industriellen Deutschland besser kannten und besser lösen konnten. Am Abend dieses Tages waren wir bei Radek zum Tee eingeladen. Machten Bekanntschaft mit seiner Frau, einer jüdischen Árztin. Wie ich schon vorher sagte, es gab nicht viel zu essen in dieser
124
DISKUSSION MIT LE
Zeit. Auch hier bei Radek war der Ztcker sehr knapp. Die Frau setzte einen ziemlich großen Kuchen auf den Tisch, und ein Blick darauf sagte mir, daß ich hier einen Apfelkuchen vor mir hatte, Der Tee wurde eingeschenkt, der Kuchen geschnitten, und ich paßte nur auf, welches StÍick das größte war. Radek erzählte di_eneuestenWitze, undich benutzte die Gelegenheit, das größte Stäck zu bekommen. Welche Enttäuschung, als ich beim Hineinbeißen feststellen mußte, daß es mitApfelkuchen nichts zu tun hatte. Der , Kuchen war mit Kapusta (Sauerlraut) geftillt. Na, ich habe meine Enttäuschung, soweit ich konnte, keinen merken lassen. aber das Kauen wurde mir doch schwer. Als wir spâtermit Radek über die verschiedenen Fragen der deutschen Opposition sprachen, kam es zu ziemlich scharfenAuseinandersetzungen wegen der revolutiondren Betriebsorganisationenl Radek sclrlug eine verdammt scharfe Klinge und war gereizt,wetJ, er uns nicht von seinem Standpunkt, der der Standpunkt der Rechten in Deutschland war, ùberzeugen konnte. Wir dagegen waren gereizt, weil die Frau Radeks sich immer wieder einmischte und versuchte, uns zu belehren. Als ich sah, daß Jan Appel und Franz Jung darunter lirten, wandte ich mich an die Doktorin und sagte: ,,Ich muß Ihnen sagen, daß ich von Ihrer Arbeit als Ärztin sefu wenig oder gar nichts versrehe. Deshalb würde ich Ihnen niemals Ratschläge oder Belehrungen geben in der Behandlung Ifugr patienten. Dasselbe erwarten wir von Ihnen. Mischen Sie sich bitte nicht ein in Angelegenheiten der revolutionären Arbeiterorganisationen, ùber die wir uns hier mit Ihrem Manne streiten.,. Radeks Frau war mir selbstversrändlich böse, aber Karl Radek schlug mir beim Weggehen auf die Schulter und sagte: ,,Da hasr du meiner Frau aber mal Bescheid gesagt." Als wir wieder im Hotel waren) haben wir herzlich darüber gelacht. Dann haben wir uns zusammengesetzt und das Manuskript Lenins: Die IQ,nd.erhrønhheiten d,er Linhskowruønisten, durchgearbeitet.
125
RESSDELEGIERTEN
in diesen Tagen unserer Besprechungen mit Lenin tradie ersten repräsentativen Delegationen in Moskau ein. Von n kam eine ganze Gruppe mit Bombacci, Serrati, Turati :r Spitze und einem eignen l(och. Von Frankreich kamen und Frossard. England kam eine Gruppe Trade Unionisten und LabourDa waren Citrine, Robert Williams, Ben Tillett, Turner, Snowden. Bob Smillie und andere, deren Namen ich verhabe.
mit Lenin wurde um ein paar n verschoben, weil er die Engländer empfangen mußte.
,,&ine unserer Zusammenkünfte
.1Ve have to treat them kin böse sein wird."
well", sagte Lenin, ,,wenn auch |im
on Holland hatte die KPH den Genossen Wijnkoop gesandt, noch einen Delegierten der christlichen I(ommunisten mithatein blonder Batavier-Jesus. 38 | Diø englische Arbeiterdelegøtion: Robert Williørns (3t'r.), Mrs. Ethel Snow'
(Mitte) ønd. Ben Tørøer (2.r.l.).
DIE KONGRESSDELEGI
L27
Von Indien uafen wir Roy, der später als Vertreter der Indier in
(Das war 'tte in das westliche Europa hineintragen sollten.
l(omintern optiert wurde. Damals wußte ich von iedem,
mir grngen Bucharin und Radek, davor die Englåinder. Meine war (und auch Jan Appels) auffallend. Ich war von sk abgefahren in einer Aberdeener Fischermannshose, dicken Isländer, blauer Jacke und steifern Hut. Bei jedem
d.ie
ldeine Geschichten.
Wijnkoop und die hollandil sche Delegation machten einen Skandal, weil man sie vor der Tü¡
warten ließ, während die englischen Trade Unionisten und Labouristen von Lenin empfan. gen wurden.
Der Indier Roy inszenierte einen unangenehmeq, Auftritt Abb. 39 | Mønøbend.rø Nøtb Roy.
RESSDELEGIERTEN
einige Tage später,
1-
Nach--
"lr mittag alle im Detot\oi Dwor wohnenden Delegierten abgeholt wurden, um d.ie p"r\e_rron 32 .000 Rotarmisten zu sehen, die nach der parade an die polnische
Front abgingen' Es war zwischen allen kommunistischenbelegierten vereinbart worden, daß man den Engländern die ersten Autos überlassen sollte. Aber Roy wolte mit in den ersten wagen, und als man ihm sagte, daß er in einem der nächsten Wagen fahren könne, zerbrach er seinen Stock und lieffort. Na, schließlich kamen wir alle auf dem Roten platz an,der von Kolonnen Roter Truppen beserzt war. Alle ausländischen Delegierten sollten die Front der Truppen abgehen. sowie wir uns in Bewegung setzten) begannen die Musikkapellen d.ie Inrernario_ nale. Die guten Anzüge der verschiedenen Delegierten erregten wah¡scheinlich Außehen bei den schlecht bekreideren Rota¡misten. Ich muß gestehen, mein Herz schlug für diese Arbeiter_ und Bau_
ernsoldaten, die in einigen Tagen schon an der Front sein würden, um die junge RSFSR zu verteidigen, oder d.en Gedanken der
iiternationalen proletarischen solidarität auf den spitzen ihrer
Idee! ) ãPbr
illon nahm ich meinen steifen Hut ab und wurde immer einem wohlgefälligen Grinsen begnißt. lan Appel und ich, ich noch heute, erregten zwischen all den gut gekleideten gierten das meisteAußehen bei den Rotarmisten. Bevorich es , da war noch ein richtiger Prolet, der da die Front abging, amerikanischer Genosse von der IVWV (Industrial Workers of World), der hier einige Wochen die Diktatur des Proletariats iert hatte und dem man jetzt Schwierigkeiten mit der Ausreise te. Wir haben damals seineAngelegenheitwegen derAbreise vor Lenin gebracht. Ich habe seinen Namen vergessen, weiß , daß er gut rauskam. Er war hochgradig tuberkulös. Er hatte igte Verbindungen zu den russischen Anarchisten und infolgedessen unbeliebt gemacht. Nach dem Abschreiten der Front kamen die Reden. Die Balaübersetzte. Der Rote Platz schwamm in einer Wolke von während die Redner den Untergang des Kapitalismus insbesondere der Polen prophezeiten. Die gute Balabanowa es mit den Übersetzungen nicht so gpnau, besonders nicht, Mrs. Snowden gesprochen hatte. Die Rote A¡mee verlangte doch etwas mehr. als Mrs. Snowden qeben konnte. Zu dieser Zeit te ich von England nur die rauhe lGnte , die Trawlercrews von 1¡"å.berdeen, Hull, Peterhead, Grimsby, Great Yarmouth etc. oder die Hafenarbeiter. Auch hatte ich Bekanntschaft mit der britischen ã{avy gemacht, und LgIO/ll beim Legen des Südamerika-IGbels &atten wir englische lGbelingenieure an Bord, die ich schätzen åernte. Während des Krieges L9l4/lB setzte ich alle meine Hoffgen auf England und vor allen Dingen auf die englische Flotte.
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DIE KONGRESSDELEG
England hatte meine Sympathien, auch in <1er Zeit, als Teile der englischen Flotte die Blockade gegen die RSFsRaufrechrerhielten; Trotz dieserSympathien erwartete ich eigentlichvon den englischen Seeleuten, daß sie dasselbe tun würden wie die Besatzungen des französischen Geschwaders im Schwarzen Meer. Viel später mußte ich feststellen, daß so etwas einfach eine Unmöglichkeit war. Als ich in diesen Tagen die Bekanntschaft englischer Arbeitervertreter machte, konnte ich feststellen, daß sie sich sehr unterschieden, von denen anderer Länder. Bei einer Exkursion, die wir gemeinsam mit den Engländern machten, besuchten wir einen Landsitz irgendwo am Moskaufluß; einige Engländer fuhren Boot auf dem Flusse, und ich hatte mich an einige Finnen und Schweden angeschlossen und schwamm mit ihnen und genoß das kühle Wasser an diesem heißen Tag. Später arh ,{bend fufu ich zusammen mit Radek und den finnischen Genossen Sirola, einer der Mitbegninder der Kominrern) und Gylting zunick nach Moskau. Wir hielten es zuerst für einen Witz. als Radek uns mitteilte, daß Mrs. Snowden protestiert hatte gegen unser Baden im Flusse ohne Badehosen! Wir lachten herzlich. aber Radek versuchte uns zu erklären, daß die Geschichte gar nicht so einfach sei. Am nächsten Tage sprach ich daruber mit RobertWilliams, der sich halb todachte. IJnsere Besprechungen mit Lenin beuefß seiner Scfuift Die I(ind.erhrønhh eit en d.er Linhsh ornru.ønisten wurden in der freundlichsten und absolut zwanglosen Atmospháre, wie es zwischen guten Genossen immer sein sollte, fortgesetzt. Wir versuchten, Lenin von der Richtigkeit unserer Auffassung zu überzeugen; Er versuchte, uns anhand von Beispielen aus der Geschichte der Bolschewiki zu seinem Standpunkt zu bekehren, aber wir waren hartnäckig und gaben nicht nach. Lenin, der unseren Standpunkt nattirlich begriff, bat uns, der Opposition in Deurschland die Entscheidung zu überlassen. ,,Dazu aber ist es notwendig", und er bat uns inständig, seinen Wunsch zu erfü{len, ,,daß Sie diesen op
KONG RESSD ELEGI ERTEN
L29
Parteigruppen im ganzen Lande und in allen Zellen Ortsgruppen die Plattform derrussischen Partei und der Komklarmachen und zur Entscheidung vorlegen." Wir haben nattirlich versprochen. Ich habe selbst an den letzten Besprechungen im I(leinen' Büro mehr teilgenommen. Eine Deklaration, die der Delegation Unterschrift vorgelegt wurde, ist nicht unterschrieben worden, die Delegation das als im Widerstreit zu ihrem gebundenen t erkldrte. Kurz vor meiner Abfahrt nach Murmansk (um mich mal wieder den Serlø.tlr Schröd,er zu bekümmern) machte ich bei einem tt in Moskau die Bekanntschaft einiger führender Mensche, Abramowitsch und Martow, die später die RSFSRverließen. bin nicht mehr hundertprozentig sicher, entweder es waren der frihrenden Menschewil
ist'sehr gut möglic,hí*¿ß-€{nur Abramowitsch war. In Z,ett kam ich auch mit einisen Moskauer Anarchisten , die zt der Zeit, soweit ich erfuhr, ihre Organisationen Moskau hatten und in vielen Versammlungen als Diskussionsr gegen die Bolschewiki aufiraten. Übrigens muß ich auch noch von einem Attentat sprechen, daß klicherweise gut ausging. Die englische Delegation damals ing diesem Attentat um wenige Minuten und hat niemals davon erfahren. Die verschiedenen Deleqationen hatten an einer Ausfahrt nach irgendeinem friher großfürsdichen te teilgenommen und fuhren kurz nach Eintritt der Dunit nach dem etwa 70 Werst entfernten Moskau zurúck. Ich mit Gylling, Appel und Jung und einem ,,amerikanischen" n. der in Radeks Sek¡etariat arbeitete. in dem letzten Auto. ir hatten Schwierigkeiten mit dem Motor und waren etwas vert. Es war stockdunkel. und unsere Scheinwerfer arbeiteten Der russische Fahrer war jedoch ziemlich sicher und wollte n, die anderen Wagen einzuholen. Und so fuhren wir mit eS
ZWISCHEN MURMANSK, PETROGRAD UND
einem Krach, der uns alle durcheinanderwarf, auf irgend
HEN MURMANSK, PETROGRAD UND MOSKAU
e
auf. Die Glasscheiben zersplitterten, und unser Auro saß fest. heißt, es saß nicht fest, sowie wir uns bewegten, schaukelte ganze Geschichte. vorsichtig kletterten wir aus dem wagen heraus;
Keiner von uns war eigentlich verletzt, außer Schrammen hattçn wir selbst keine Beschädigungen. Beim scheine der streichhölzei stellten wir fest, daß zwei große Bäume quer riber der Landstraße lagen. Man mußte sie gerade gefülrt haben und zwar so, daß sie diã straße blockierten. Die anderen wagen, in denen die Engllindei,
und, glaube ich, Bucharin, Lunatscharski, Kamenew, LÃowski, u.s.w. fuhren, können nur Minuten vorher d.iese Stelle passiert, haben. Wir arbeiteten für Stunden, um unser Auto erst einmal, von diesen Stämmen herunterzubekommen. Dann, und da3 wa¡
wirklich schwere Arbeit, zogen wir die Bäume an die Seite, unt als der Motor wieder arbeitete, setzten wir mit dem, was von dem Auto ùbrig war, die Fahrt nach Moskau fort. Natürrich mußten wir Stillschweigen über diese Angelegenheit versprechen. Man war nicht daran interessiert, die sache breitzutreten, es hätte ein eigentrimliches Licht aufdie Liebe der Bevölkerung zuihren neuen Beherrschern geworfen. Aufjeden Fall war die Sache gut geplant, viele der damals Iæbenden, die an der Exkursion teilnahmen, À"ben so oder so das Zeitltche gesegnet, und von den Englåindern, die
damals mitwaren und nichts davon wußten, lebt nur noch vielleicht wird er es jetzt durch diese Zetlen erfahren.
citrine,
Ich glaube,
es war um den 20. Mu herum, daß ich über petro_ grad nach Murmansk fufu. Hier angekommen, erfuhr ich, daß der Senøtor Schröd¿r,von Murmansk abgegangen war zum Fischen. Ein_
mal aufsee , beschloß die Besatzung, mit dem schiffnach cuxhaven zurückzugehen. Willi Klafue und Hugo l{eyde, die am meisten in der Meuterei belastet waren) stiegen in Bergen (Norwegen) aus. Die übrige Besatzung wurde wegen ihres Verhaltens, welches der Reederei den Fischdampfer zurückgab, ziemlich hoch berohnt.
l3r
Monate später traf ich alle wieder in der Schwurgerichtsung in Hamburg. Doch daniber später. , ich war in Murmansk und wohnte in der l(omintern-Agendie eigentlich eine Nebenstelle von OMS (Otdel Meshdunaj Swjasi - Abteilung für internationale Verbindung) war. Die stelle in Murmansk wurde von dem finnischen Genossen geleitet. F.r hatte einige ebenfalls finnische Assistenten. und seine Assistenten taten hier eine überaus wichtige Murmansk war die Grenzdurchgangsstelle für viele von - und Nordeuropa Ankommende oder nach dort abgehende tionen undAgenten. Von hier aus bestand eine Verbindung See nach dem nördlichen norwegischen Finnmarken, d'h. h kleinen Fischerdörfern arn Varanger-Fjord, oder direkt nach
Yardø,Honningsvåg u.s.w. Ein kleiner Schleppdampfer tat .mehr offene Arbeit. Norwegische Motorfischkutter wurden méhr selrete Arbeit gebraucht. In Vardø hatte man Anschluß die Pasùgierschiffe der Nor d' enfi e ld'sk e D ørnpsk'ib ss e lsk øb, dte hier aus in kt"pp fünf Tagen über Tromsø und Harstad nach im fuhr. Von Trondheim gab es dann damals den ersten rbahnanschluß nach dem Süden. Wer gute Papiere hatte' richPässe mit guten Visen, konnte natürlich von Vardø aqs-ilie per Dampfer machen. Für andere gab es bessere und unkonierbare Landungsstellen an der nordnorwegischen Küste mit sicherem Transport weiter nach dem Süden. Murmanskwar aber auch gleichzeitig ein Punkt, der seine Bedeufrir die Finanzierung von Komintern-IJnternehmungen hatte. schlief z. B. mit nvei anderen Finnen in einem Zimmer, das kt war mit Stapeln von Zarenrubeln. Bei dem Stand, den ,áer Zarenrubel im Jahre f920 noch hatte, lagen hier ungeheure an ';!Verte, die auf dem Wege über die Banken in Nordnorwegen Madie hatten Wir $pekulanten aller Nationen verkauft wurden. ,,¡ratzen di¡ekt aufdie hohen Stapel des Zarengeldes gelegt, schliefen auf Millionen. le nachdem, wie die Nachfrage war) "buchstäblich
...-
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ZWISCHEN MURMANSK, PETROGRAD UND MOS
wurden die Finnmarken-Kufter hier mit Zarenrubel beladen
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MURMANSK. PETROGRAD UND MOSKAU
beruht darauf, daß die Murmankùste ziemlich bewaldet ist
kamen mit den Gegenwerten zurück. fch war nicht lange in Murmansk, machte jedoch mit e Finnmarken-Jägern eine Tour in die Wälder, urn wenn möglicþ ein paar Bdren zu sehen. Es glückte auch, ich sah wenigstens einen ziemlich großen Báren, als er sich, von uns überrascht, ziemlich' schnell in Sicherheit brachte.
ifuer geographischen Gelegenheit nördlich der Waldgrenze daß in den tiefen".Fjordeinschnitten gutes Gras wächst mit Mögtichkeit zum l{eumachen. Im Winter bleibt die Murmanrküste immer offen, und trotz det großen Kälte im Lande
Bei einem Fischer, bei dem wir auch übernachteten. aß icb wunderbaren gesalzenen Lachs, es gab frisches Roggenbrot und, füsche Butter. Im allgemeinen lebten damals die Fischer an deri tiefen Fjorden der russischen Eismeerküste (Murmanküste) viel besser als die Fischerbevölkerung von Norwegisch-Finnmarken,
von Moskau telephoniert habe. Ich solle sofort nach dort . AIso setzte ich mich in den nächst fälligen Ztg und die ganze Strecke zurück. In Petrograd blieb ich drei Tage'
Abb. 40 | Ein- ønd Aøsreise über Nordnorwegen/Fiønrnørh.
das Seewasser verháltnismáßig große Wiirmegrade.
paar Tage nach meiner Ankunft teilte mir Wasten
mit'
daß
die Genossin Kingisepp gab mir ein Zimmer im Perwoje Doru ietow, ím Astot iø. In diesen Tagen lernte ich Petrograd ein is besser kennen und machte auch die Bekanntschaft einer Reihe von füfuenden Genossen:- Badajew, lewdokimow, , Kondratjew u.s.w. Sinowjew nahm mich unter seine Fittiche und betonte mir immer , daß die Bewegung mich brauche und daß man gerade für Leute wie mich Verwendung habe. Als ich ihm sagte' daß so schnellwie möglich nach Moskau müsse, weil man michvon telephonisch verlangt habe, lachte er und erkl¿irte mir, daß
in Rußland eine von D eutschland verschiedene Meinun g über Ðeit habe. Aber trotzdem gab er schließlich der Kingisepp Orders, ir mich einen Platz zu reservieren und mich nach Moskau zu icken. Also war ich bald wieder einmal in Moskau, und Radek
ischlug mir vor, mich für eine bestimmte militárische Arbeit mit ;,einigen Genossen von Regisuupr bekannt zu machen, die dabei ryaren. eine militåirische Nachrichtenabteilung aufzubauen. Eines Tages wurde ich in eines der Gebäude dieser Abteilung abgeholt und lernte dort vor allen Dingen zwei Genossen kennen: Aussem, in späteren Jahren der diplomatische Vertreter in Prag, und Appen, ein Lette. Es handelte sich darum: 1) Die Möglichkeiten zu untersuchen für Maßnahmen gegen d.ie britisch-französischen Flottenei¡heiten, die in di eser Zeit die
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ZWISCHEN MURMANSK, PETROGRAD UND MOS
Blockade gegen die Russen in der Balrik aufrechterhielten. und genaue Nachrichten über diese Schiffe zu sammeln. 2) Eine Beobachtung des Kieler Kanals zu organisieren und wenn
notwendig das Passieren von Munitions_ und Kriegsmaterial" Transporten für die polen durch den Kanal zu verhindern. _ 1
In der Zeit,wo wir hier alle Maßnahmen besprachen, ging ich
jeden Tag für einige stunden nach diesem Haus. Es stand in einern Garten. Der Eingang war von der Bolschaja Lubjanka No. 12, und,,, eigentlich schloß es an an das große Gebäude der Tscheka. der,
organisation der Staatspolizei. (In der zarenzeit genannt Gendarmerie oder Ochrana.) Das große Hauptquartier der-Tschekar, später OGPU, NIÕ fD wd zvlerzt MWD genannr, lag mli der. Haupdront nach dem Lubjanka-platz. Wenn man von dem trU'l ' janka-Platz nach dem großen Gebäude hinübersah, kon rte mun zur Rechten des Gebäudes eine schmale Straße sehen, die Malaja
EN MURMANSK. PETROGRAD UND MOSKAU
r,Marchlewsky ;,
-
Àoeschluß aus
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gegeî ihn. Ebert. von Jogisches be.rbeitet. Sein in Göppingen und
der Partei. Seinc Tatigkeit
, Bremen. Sei¡. Broschüre oMeine Abrechnungn. Gegen fünl , lJh" -it R"d.k io dcn D.lorroi Duor. Abend" mit Rühle uod Koüfgen, d"m blottden Matrosen. Moska.r. Leide" io einer sehr üLle. "' io den Proletkult "oo 'Protzenvilla. die dem Multimillionär Morossow gehörte. Stilloa. Geschmack: eine barba.ir"he Vermiechung chioeriechet. i,nüochucriecher. lranzösiecLer. ech*eize"is"1re.. italienischer. Koltr". Diese Villa mit ih"em ganzen Inventar könnte. ^sris"h"r r. ro wic eie ist. am bceten .,oo d"- in Stu4gatt oder Mannheim . pgründeten Mrrseum fü" Ge¡ch-ackloaigkeiten übernommen , ,ohnc
,
*crden.
41 | Eintrøg øru
25.
Jøni )920 i,ø Wi,lhelrn Herzogs ,,Rassischern Notizþøch".
Lubjanka, zur Linken sah man die Bolschaia Lubianka. Eine genauere Beschreibung der Lubjanka g.Ué
spärer
itung Repøblihherausund die Zeitschrift Døs Forøno. Ein sehr
Nach ungefähr sechs Tagen war ich für meine Reise präpariert. Da ich nicht eigentlich an I(eidung gut ausgerüstet war, wurde ich eines Tages nach einem Magazin beschlagnahmter Kleidunf, IJnterwäsche, Schuhe u.s.\M. genommen und suchte mir dort aus, was mir fehlte. Vor allen Dingen kam es ja darauf an, daß ich ohne Außehen meine Reise dwchführen konnte. Ich suchte mir arso ailes das aus, was mir paßte. Die war gut, nur der eualität Schnitt war
USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutsch) marschierte und in der Zeit Chefredakteur der Hørnbørger itwnø wal Er war damals der erste der USPD-Leute vom Flügel, die sich später an die Komintern anschlossen. Wir ten im selben Hotel. nahmen zusarnmen an vielen Exkurþnen teil und trafen uns oft in der Komintern, in der Deneshnyj . Dahin ging man, wenn man nicht dringendere Grilnde
in meinem Buche.
i.n noch
r,lieber Mensch. Ein Intellektueller, der aufdem linken Flügel
natrirlich russisch. Immerhin, da ich die Mittel hatte, mich spärer neu einzukleiden, konnte ich einen Teil für die erste Etappe Reise benutzen. Mit Geld wurde ich reichlich ausgerustet.
-.irr.,
wäfuend der zeit meines Aufentharts in Moskau lernte ich eine ganze Reihe von Menschen kennen, die einer ErwäÌrnung wert sind. Da war Wilhelm Herzog,nach lglg gab er in Berlin di. T"_
,
schon aus dem einfachen Grunde , um die Zeitungen zu lesen.
rotz Krieg und Blockade konnte man hier immer die Zeitungen nom Tage vorher lesen. Zumindestens die von Deutschland. FIerwar wegen seines ungeheuren Wissens in Moskau sehr beliebt.
beatg auf deutsche, österreichische und Schweizer Zeitungen er alles, was überhaupt wissenswert war. Radek, Bucharin l¡nd selbst Lenin nahmen ihn oft in Anspruch. Sehr oft saß ich
,ry-ußte
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ZWISCHEN MURMANSK, PETROGRAD UND MOSKAI,}|
mit Herzog und Bucharin in der Deneshnyj zusammen. Bucharii hatte mich gern, und Herzog hatte meine Freundschaft gewon, nen. So, was immer die beiden zusammen in ihren Gesprächen behandelten, ich war fast immer dabei. Selbsrverständlich profrtierte ich dabei, mein llorizont erweirerte sich qngeheuer. Wenn wir am Abend das letzte Auto von der Deneshnyj versäumten, spazierten wir den ganzen Weg durch die leeren Straßen nach dem Metropol,tndBucharin beschaffte uns irgendwo in dem Teü des FIotels, der z'tm Narkomindel (Volkskommissariat für äußere Angelegenheiten ) gehörte, Tee und Abendbrot. Gewöhnlich sahen wir Tschitscherin, der die ganze Nacht durcharbeitete. Flierher kamen damals auch die wenigen ausländischen Korrespondenren,
denen es gelungen war, nach Moskau zu kommen. Um 2-Ufu nachts begann die Radiostation Moskau ihren Funkdienst. Hier añ der Quelle konnte man alles Neueste erfahren. Einer der GrüLnde, die mich hierhertríeben, war unter anderem, daß ich mit Bucharin Zigarettentauschte, russische Papyros, die ich irgendwo aufueiben konnte, gegen englische. Erwar so ein ,,guter Kerl". Vonihm habe^ ich noch irgendwo sein Buch Die Okonoruih d.er TrønsforrnØtions. period.e (in Russisch). Ich bin niemals ein Sammler gewesen und legte nicht viel Wert auf vom Verfasser gezeichnete Bücher, aber doch machte es mein l{erz warm, als ich las: ..Meinem Freunde F{ermann Kmifken von N. Bucharin." In diesen Tagen trafen auch, zwecks Teilnahme am II. Kongreß der Komintern, zwei weitere Genossen der Opposition von
Deutschland in Moskau ein, August Merges, der Präsident des Landes Braunschweig, und Otto RühIe, der Genosse von Karl Liebknecht, der mit letzterem zusammen im Reichstag die Kriegskredite verweigerte. Merges kannte ich bereits von der Zeit, ahs er noch der amtierende Präsident in Braunschweig war. Wir waren beide froh, uns hier wiederzutreffen. Otto Rühle sah ich nach den Mârztagen in Berlin (als die Volksmarinedivison den letzten Stand machte), wo ich ihn ku¡z gesehen
HEN MURMANSK. PETROGRAD UND MOSKAU
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aber nicht genauer kannte, zum zweiten Male. Wir waren isch gesehen derselben Anschauung, kamen uns aber auch
Menschen sehr nahe. Otto Rrihle hatte vor dem IGieee mit Radek zusammen in der Redaktion der Chenonitzer Volhsgearbeitet. Hier stießen nun beide zum ersten Mal als
er aufeinander. Otto Rúhle und August Merges billigten Standpunkt, den wir in den Sitzungen im I(leinen Büro rnmen hatten. NatriLrlich waren beide viel besser imstande. Platdcrm der Opposition in Moskau zu vertreten. Inzwischen
sich übrigens die Opposition in Deutschland zur I(ommuhen Arbeiter-Partei konstituiert und die Komintern in eine Situation gebracht. Ðs war Lenin. der damals durchsetzte. daß die KAPD doch als itglied der Komintern angesehen wurde. Er war damals derjenige, die Levi-Brandler-Zetkin-Pieck-Clique begriff. (Pieck hatte als B,eaufuager zwei Monate vorher das Bielefelder Abkomunterschrieben, welches mehr oderweniger den Generdlen die Deckung zum Einmarsch ins Ruhrgebiet und zur bluLiquidierung der Roten Ruhr-Armee gab.) Das war der Geist Rechten, die von Lenin als Opportunisten bezeichnet wurden.
Lenins: Dòe IG,nd,erhrønhheiten d.er Linkshowvwwwisleu Er hte eine Redaktion mitBezugauf die opportunistischen Fehler Rechten nach seinen Diskussionen mit uns.) Rühle und Merges lehnten eine Teilnahme am II. I(ongreß Kommunistischen Internationale ab mit der Begründung, die Delegation der außerrussischen Parteien keine Vertreter revolutionâren Proletariats seien und daß die 2l Thesen der intern (die auf diesem Kongreß angenommen werden sollten und wurden) von der KAPD nicht akzeptiert werden könnten. Ich war zugegen) als Rühle und Radek in der Deneshnyj ihre tzte Diskussion zusammen hatten. Radek laut und diktatorisch. le beherrscht und überzeuqend in dem Bewußtsein, daß Worte das ausdrückten, was der meist fortgeschrittene und
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M
klar denkende Teil des deutschen Proletariats beeriffen Ohne vollkommene Demokratie in der Kommunistischen Partei Aufbau von unten) freie Diskussion und Mitbestimmungsrechr der unteren Parteieinheiten u.s.w. kein wirklich sozialistischei Staat. Radek sagte zum Schluß: ,,Also gut, selbst wenn ihr recht
wir haben die Macht und können uns später immer noch,revi; dieren!"
TERN-KURIER
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machte dann eine Ausbildung als Flieger und kam nach sussischen Revolution von Schweden nach Rußland und flog in der Roten Armee. Wir waren ganz EtJte Freunde, unser Weg hat sich seit 1920, nach kürzeren oder längeren noch oft gekreuzt. AuchAnton Nilsonwar letzten gezwungen, die individuelle Freiheit im kapitalistischen n der Massenunterdrückung in der Sowjetunlon vorzuEr entging damit dem Schicksal, das so viele Freiheits-
Ich habe Radek später noch oft gesehen und zum Teil konnte icþ seine Wandlungen mehr oder weniger aus der Nähe beobachten:,
In Moskau machte ich auch die Bekanntschaft der Kollontai. die' sich scheinbar von ihrer Teihahme an der ,,Rabotschi-OpposillonÍ in ihrem Appartement im Hotel Monopol erholte. Auch die Kol.
lontaitrafichspäterwieder,alssieGesandterinoslowar. John Reed (10 Tøge, d.ie d.ie Web erschütterten) lernte ich ebenfalls kennen. Sah ihn später noch einmal in Peuograd bei der Kin: gisepp.
Im selben Jahr fuhr er im September zum I(ongreß der
asiatischen Völker in Baku und starb kurz darauf an Typhus. Sein, Buch wurde später von Stalin in der UdSSRverboten. Ziemlich oft traf ich den schwedischen Anarchisten Anton Nilson. Anton Nilson und zwei andere ,,IJngsocialister" (Anarchisten) hatten l90B w?ihrend des großen Streiks der Hafen- und Transportarbeiter in Schweden eine Bombe in das Streikbrecherschif[ Arnølth eø plaziert. Einer,der Streikbrecher wurde bei der Explosion getötet und eine ganze Reihe schwer verlerzt. Die drei jungen schwedischen Anarchisten wurden im selben lahr verhaftet und verurteilt. Anton Nilsson und Algot Rosberg wurden zum Tode verurtei-lt und Alfred Stern zu lebenslänglicher Zwangsarbeit. Die Todesstrafen wurden später in lebenslängltche Zwangsarbeit umgewandelt. Erst im Jahre L9I7, als Hjalmar Branting in die schwedische Regierung eintrat, wurdenAnton Nilson undAlgot Rosberg befreit. Alfred Stern war ein Jahr früher begnadigt worden. Anton
den letzten Tagen haffen wir noch Besprechungen mit den Genossen betrefß llerstellung von Verbindungen zwiDeutschland und Finnland. Es handelte sich hauptsächlich den Transport von Sprengstoff und anderem Material, für hes die zu dieser Zeit llleealen Kommunisten in Finnland ndung hatten. Für uns würde es verháltnismißig leicht sein, dieses Material zu beschaffen und anderentei-ls es nach zu transportieren. Die Seeleute würden den Transport
|ung und Appel reisten zurück nach Deutschland über Petro-Murmansk, benutzten dann den illegalen Verbindungsweg Bootvon Murmansknach Norwegen und zurück über Schwe, Dänemark nach Deutschland. Jung wurde einige Monate in Deutschland verhaftet. Doch diese Geschichte werde ich erzählen. Tages packte ich meine Koffer. Ein Koffer war mit aLlen ichen Geldsorten gefüllt. Norwegische Kronen, schwedische Dollars, englische Pfunde, deutsche Mark und finnische . Mit der finnischen Mark war ich später sehr vorsichtig, ich nämlich die Geschichte- wie die Roten Finnen sowohl Masvon finnischen Papiermark und gleichzeitig auch die Druckund das Papier zum Drucken von Finnmark beim Rückzug der Revolution mit nach der RSFSR evakuiert hatten.
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ALS KOMINTERN-K
Auf der Rückreise blieb ich einige weitere Tage in P wo ich mich mehr zu Flause fühlte. und fuhr dann weiter n Murmansk. Es war nicht ratsam, den üblichen Weg der i Beforderung mit den Komintern-Booten zu benutzen, und machte deshalb meinen eignen Plan. Das Datum meiner Abreise, kann ich nicht mehr genau angeben, es \üar Mitte Juli 1920. hatte einen norwegischen Genossen mit einem anderen Boot vorj geschickt nach Vardø. Er sollte die Tickets nehmen für die
Tage Seereise mit dem fülligen Tourenboot der Nord.øn Døwpshibsselshøb und mich am Morgen der Abfahrt um 6 Uhq im Hotel gegenüber dem Quai erwarten. (Ich glaube, es war das Hotel Polørlyser.) Meine Abfahrt von Murmansk berec-hnete ich so, daß ich um 6 Uhr morgens vor dem Hotel an derAbfahrtstellç des Dampfers sein konnte. Der Motorkutter hatte eine kleine Jolie an Deck- und mit diesem kleinen Boot landete mich einer der Finnmarkenfischer etwa eine Stunde vor der Rendezvous-Zeit an der Eismeerküste in der Nähe von Yardø. Wir hatten Glück, die See war ruhig. Das Boot konnte sich ohna Gefahr an die Steine heranarbeiten. Ich jumpte über, ohne naß zu, werden. Mit der nächsten See nahm ich meinen Koffer über und, kletterte dann über die Steine an Land. Es war ein schöner klarer-, Morgen, so schön, wie es im JuIi nur an der nordnorw.egischen Eismeerküste sein kann. Mit meinem Koffer auf der Schulter kletterte ich den Berg hinauf und sah, oben angekommen, die Fläuser' von Vardø und den Hafen unter mir liegen. Es muß ein seltsamer Anblick gewesen sein, einen Reisenden mit einem Koffer auf den, Schultern vom Fjell herunterkommen zu sehen und dazu noch aus der Richtung des Eismeeres. Einige Hunde bellten, und ein paar Zrcgen meckerten, Menschen sah ich vorerst keine. Erst als ich schon dicht beim Hotel war, sah ich einige Menschen. Der Dampfer gab das erste Zeichenfür dieAbfafut, die Sirene brummte einmal lange und tief. Von überall kam von den Bergen das Echo zurück. Einige Fischer, auf dem Wege nach FIause, kuckten neu-
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aufmich und meinen Koffer. Aber iedervon ihnen erwiderte ich meinen Gruß. in Freund hatte mich schon vom
l{otel aus gesehen und stand den Koffern klar. Er lachte über das ganze Gesicht. Selbst ihm es komisch vor, daß hier ein Mann mit einem großen Koffer sagen pünkdich wie auf dem Bahnhof ,,aus dem Eismeer" waren beide jung und versuchten uns den Anschein Konspirateure zu geben: daß das ja alles selbswerständlich nicht schief gehen könne. Wir begrüßten uns) und es tat rvirklich gut) so etwas wie Respekt in den Augen des Freundes hen. Er informierte mich noch schnell, daß keine Kabine frei sei,und er deshalb. es ist auf diesen Schiffen so üblich, die des Kapitäns gegen Extrabezahlung gemietet hätte. In die ierliste war ich als Bergbau-Ingenieur und mit einem anderen n eingeschrieben. Auf der Reise teilten wir den Tisch bei den ten mit einem norwegischen Generalmajor und seinem der nach einer Inspektionsreise der nordnorwegischen n Ìrnd Befestigungen nach Kristiania (jetzt Oslo) zurück'- Wir reisten also in zuter Gesellschaft. Bisher kannte ich die Küste nur von der Seeseite. nun lernte ich die wunn Fjorde kennen. Außerdem machte ich die Bekanntschaft den Fischereihffen Tromsø, I{arstadt, Bodø und einer ganzen kleinerer Plätze. Überall hatten die PassagiereZeit an Land gehen, und selbswerständlich machte ich Gebrauch von jeder , um Land und læute kennenzulernen. In bezug auf die hatte ich keine Schwierigkeiten, wenn auch die Dialekte ändern, je weiter man nach dem Süden kommt.
.IVir
RSFSR hatte ich eine besondere Art von Entztindung Zahnfleisches bekommen. Alle unterenZãhne waren lose. Das scheinbar ein Anfang von Skorbut. Ich aß viel Frucht, Butter Gemüse auf der Reise, und die unangenehme Erscheinung ziemlich schnell vorüber, dte Zähne wurden wieder fest, und
In der
Wohlbefi¡den stieg.
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ALS KOMINTERN-
Bei der Landung in Trondheim sahen wir zwar d-ie übliche am Quai, aber da wir zusarnmen mit den norwegischen O das Schiff verließen (eine der Ordonanzen
trug meinen
fer), erregten wir kein besonderes Außehen. Bereits am selben-T; reisten wir weiter nach Kristiania (Oslo). Hier stoppten wir für einige Tage. Ich wechselte eine un scheinlich große Summe von deutscher Mark gegen norwegischç. Kronen. Der Kassierer, der eine lange Zeitbrauchte zum Zahke:at: und Sortieren, sah nichts ungewöhnliches in der Transaktion; Schließlich konnte ich die Bank verlassen mit einem ans Packen brauchbarer Valuta in meinen verschiedenen Taschen. Ich, Iernte einige führende Leute der Norwegischen Arbeiter-Partein darunter auch Kyrre Grepp, kennen. Er war damals und bis hin zu, seinem Tode die Autorität in der Partei. Ein kluger, sympathischå; Genosse voller Herzlichkeit und lVärme. Mehr oder weniger war die Partei damals eine Sektion der Komintern, wenn auch mit einem sehr starken Schuß norwegischer Eigenart, nämlich: sich, vor niemandem zu beugen. Die erste Oppositionsgruppe unter_. Håkon Meyer fìng damals an, mit ihrer Zeitschrift Mot Døg den Russen Kopßchmerzen zrt machen. Die spätere Entwicklung in der norwegischen Partei zeígte tibrigens zur Genüge den guten norwegischen Charakter: Sie ließ sich nicht kommandieren, auèh nicht von der Komintern. Den Aufenthalt in Oslo benutzten wir. um die Weiterreise nach Schweden zu organisieren und gleichzeitig Stadt und Umgebung kennenzulernen. Den wunderbaren Oslo-Fjord, den Holmenkollen und selbswerständlich auch Oslos Boulevard Karl Johan mit dem Restaurant Grø,nd,. Wir blieben nur einige Tage in Oslo und fuhren dann nach Kongsvingerweiter. Ein Norweger brachte uns (ich hatte einen finnischen Genossen mit mir, der auf der Reise nach Finnland war) bis in die Nähe der schwedischen Grenze. Wir wollten auf der nördlichen Seite der Bahnstrecke die Paß- und Zollkontrolle umgehen und
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schwedischen Seite wieder
Bahnstrecke zurückkehren. n Fall mußten wir am fìüMorgen in Charlottenberg wo ein schwedischer Geunsere Billetts klar haben für die Weiterreise nach
. Mein norwegischer der mich von Rußland itete, kam mit dem Gepäck demselben Zuge von Oslo, wir in Charlottenberq beåsen würden. Der Grenzwald ziemlich naß, zumindestens wo wir marschierten. Des- Abb. 42 | I(yrue Grepp. b beschlossen wir. uns füiher beabsichtigt wieder an die Bahnlinie heranzupürschen. Es war ziemlich klare Nacht, und derWeg zwischen den Schienen war . Schließlich sahen wir den Gedenkstein. der an der Grenze t, und irgendein Wachhäuschen. Alles war dunkel, keine Wazu sehén, und wir marschierten, ohne angehalten zu werden, Schweden hinein. Der schwedische Genosse wartete auf uns den Billetts, brachte uns auf den Bahnhof, und wir waren genoch füih genug, um dgn von Oslo kommenden Schnellzug
Stockholm zu besteigen. Zusammen aßen
wir unser wohlverdientes Frtihsttick. Selbst-
fanden wir unseren Norweger unter den Passagieren. $iles war bis jetzt gut gegangen, und keiner von uns drei zweifelte ..4aran, daß das Glück auch weiter mit uns sein wüLrde' Bei dieser Gelegenheit möchte ich übrigens noch sagen, daß das Reisen ohne Paß, vorausgesetztdaß man es richtig organisiert, viel interessanter rst als das Reisen der Privilegierten, die immer darauf bedacht sind,
¡rm Gottes Willen nur nicht ihren Paß zu verlieren. Wenn man
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nach so einem nächtlichen Marsch durch den Grenzrvald wieder ionzage sitzt und sein Frühstrick ißt, schmeckt es einem viel besser, die Felder und Wdlder, durch die der Ztg eilt, haben einen
anderenÁnblick, alles ist schöner, sogar die pfiffe der Lokomotive sind Musik. (Damals waren es noch Lokomotiven!) Nach unserem Eintreffen in Stockholm und der Organisierung
der unterbringung (ich wohnre irgendwo außerharb vo'stocr.holm in der Gegend des Freihafens) traf ich mich mit meinem Begleiter wieder im Zentralbad. Wir hatten einige Tage Zeit,um.. Abb.43 | Der døs
Ged.enhstein øø d.er Grenze zø Scbwed.en _ rFredswonørnent,, bei Møgnor.
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IVeiterreise nach Dänemark vorzubereiten. Ich sah Ström, der Konsul der RSFSRwaT (gleichzeitig war er einer der Leiter Vänstra-sozialisten), und andere Funktionáre dieser Partei' die die Kommunistische Partei Schwedens war. Schweden stand
im Zeichen der Nachkriegs-Anschlußpropaganda:,,Aand till Sverige ! " Gerade in diesen Tagen in Stockholm gab es eine sation in allen Zeitungen. Alfred Madsen war bei der Ankunft Rußland in Vardø verhaftet worden. Laut Zeitungsmeldungen er einen Koffer mit Gold mit sich. Er erkldrte der Polizei, daß Gold für Litwinow bestimmt sei, der damals in I(openhagen . Das war derselbe Madsen, der später noch einmal Arbeitsmiter in Norwegen wurde. Ftir mich war die Geschichte nur deswÊgen von Interesse, weil ich auf demselben Weg nach Norwegen fuineingekommenwar) allerdings hatte ich mir die Mühe gemacht, idirekt an der Küste zu landen und dann übers Fjell zu marschieren, mit einem großen Koffer. Wafuscheinlich ging das nur deswegen gut, weil es etwas ganz Außergewöhnliches war. Natürlich hätte ich meinen eignen Weg finden können. Es ist sicht schwer. von Schweden nach Dänema¡¡k zu kommen. Aber es gab bestimmte Wege mit bestimmten Verbindungsstellen, die eigens dazu eingerichtet waren und den Grenz- oder Übersee¡¡erkehr für die Komintern aufrechterhielten. Nach Möglichkeit urachten wir von diesen Stellen Gebrauch. Wir reisten also nach einigen Tagen in Stockholm nach Helsingborg ab, und von einer
bestimmten Stelle wurden wir nach dem Hafen gebracht, wo ein Fischer uns erwartete. Die I(offer gingen auf einem anderen Wege nach Dänemark. Als wir an Bord kamen, hatte der eine der beiden Fischer den Glühkopfmotor schon angewärmt, so daß
wir sofort ablegen konnten. Selbswerständlich ging der
Kutter nicht auf geradem Kurs von Helsingborg nach Helsingør. lVir kamen bedeutend südlich von Helsingør an die I(üste und €rst dann folgten wir ihr, dicht unter Land, bis wir querab von der Einfahrt waren. Einer der Fischer beschäftigte sich mit dem
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Motor, der dann auch prompt aussetzte. Er bekam ihn wieder ie G*g, zumindestens solange, bis wir am euai waren. Da lagen. wir nun, und die beiden Fischer begannen am Motor zu arbeiterr,, Einige Leute auf dem Quai sahen zu, darunrer auch zwei Mann in Uniform.
durfte nicht benutzt werden. Das waren alles Fragen' die so wie möglich gelöst werden mußten. Dazu kam auch noch \À/ichtigkeit des Kieler Kanals, der im Augenblick von den itions- und Kriegsmaterialschiffen benutzt wurde, die nach
Wir frugen, ob in der Nähe kein Café war, da wir wah¡scheinlich, die Kaffeezeit in Helsingborg vermissen würd.en. ,,Iã,,, sagte der
beschloß, mich mit der Kanalfrage zu beschäftigen und nach tschland zu fah¡en. Zu diesem Zweck setzte ich mich mit einem der Verbindungszusarnmen, und er gab mirAußchluß tiber dieverschiedenen
eine Beamte, ,,Sie gehen besser in die Stadt und trinken'nseren. guten dänischen Kaffee", und er beschrieb uns den Weg. Wåifuend_, einer der Fischer weiter am Motor arbeitete, gingen wir kaffee-.r
durstig in die Stadt. Damit war die Landung in Dänemark gut-, überstanden. Nachdem wir zusammen Kaffee getrunken hatten, " nahmen wirAbschied von dem schwedischen Fischer, der nun auf zwei andere Kommunisten wartete, die nach schweden gebrachì werden sollten. Zwei kamen, zwei gingen. Das ist die alte Regel; weil damit eine evenruelle Beobachtung getäuscht ist. Natrirlich gilt eine Regel nicht für alle Fälle. wir werden das im verlauf dieser Geschichte noch sehen. In Helsingør nahmen wir ein Taxi, das uns nach Klampenborg brachte, und von da benutzten wir die Kopenhagener Beforde_ rungsgelegenheiten hinein in die Stadt. Ich kannte l(openhagen ,
sehr gut von verschiedenen kürzeren und längeren Aufenthaltspeirioden und fühlte mich ganz zu Flause. Ich traf alte Freunde und machte neue. Meine besondere Aufmerksamkeit hatte sich nanirlich auf die an der Langelinie Iiegenden britisch-französischen Iftiegs-
schiffe zu konzentrieren. Immer lagen hier einige Kreuzer und zerstörer, die die Ablösung waren für die schiffe, die die Bahik patrouillierten und die russische Küste unter Beobachtung hielten. Betrefß d-ieser verschiedenen Einheiten, ihr Kommen und Gehen,
ihre Liegezeiten und selbstversrändlich Bewaffüung, Maschinen, Bemannung u.s.w. sâmmelten wir alles erreichbare Material. soweit war alles gut, \Meruì wir nur die Möglichkeiten einer regelmäßigen verbindung nach Moskau gehabt hätten. Die partei-verbindungs-
ichkeiten von Grenztibertritten an der deutsch-dänischen . Aus der Zeitdes Krieges l9l4/LB kannte ich die Grenze einigermaßen, und nach gutem reiflichen Erwägen beschloß vermeiden und statt dessen die eigentliche Grenze ganz ^t Sonderburg aus mit einem Boot über die Flensburger Förde gehen und irgendwo in der Nähe von Glücksburg an Land zu . Dementsprechend traf ich meine Vorbereitungen. In Kopenhagen trafich einigemal mit dem Sekretâr Litwinows zu,sammen. Ein sehr sympathischer Genosse, ehemaliger Student der Ðniversitätvon Helsingfors, ein Finne narnens Madsson' Während des Bürgerkrieges in Finnland und später an der nordkarelischen und Murman-Front waï er Kommandant des Bataillons, das sich aus dem finnischen |ägerbataillon gebildet hatte' Das finnische Jägerbataillon war während des Krieges von den Deutschen zusam-
mengestellt worden, irgendwo in der Nähe von Berlin, und kam 1918 mit der deutschen Garde-IGvalleriedivision nach Finnland. Die meisten Finnen gingen später zu den Roten über und zogerr sich mit ihnen zusammen nach Rußland zurück. Madsson erzählte mir damals die Geschichte des großen Attentats gegen das Zentralkomitee der finnischen Partei in Petrograd.
Eine wirkliche Majorität in der finnischen KP war in Opposition gegen die Personalpolitik des finnischen ZIG. Ziemlich begnfurdete Vorwürfe der Korruption zirkulierten zwischen den
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finnischen Parteigenossen in pe-
trograd und auch in den roten finnischen Formadonen an der Nordfront. Viele der Roten Fin_ nen haften den Glauben an die Genossen im ZKverloren, und ein Teil der jungen roren finnischen O ffrzier e, gute lCimpfer,
wirkliche Revolutiondre, sah nur einen Ausweg, d.ie gewaltsame Beseitigung der Mitglieder des
Zentralkomitees. Madsson erzãhJte mir die ganze Geschichte ziemlich ausführlich, besonders die IJrsachen. Einige der jungen Abb. 44 | Otto Wilhelrn l(øøsitoen, einer Offiziere erschienen ganz iber- der Gränd.er der Iftmwunisiischen Pørtei Fiønlønd¡ entging bereits ììtr raschend während einer Siøuns Febrøør 1920 einew Anschløg. des ZIG in der Uliza trkasnycñ Sor in dem Gebaude, wo das ZK tagte, zogera in der Tür des sitzungssaares ihre parabefiums und schossen die anwesenden Mitglieder nieder. Ich glaube, es waren fünf Mitgtieder, die gerörer wurden. Einer der Nichtanwesenden
war I(uusinen. Durch Madsson erfuhr ich die wirKiche Geschichte. Die russische presse veröffentrichte einen Artiker Karr Radeks, der behauptere, daß das Anentat von .en Weißen in Helsingforá geplant und organisiert war. (Selbswerständlich eine Lüge!) viele Jahre spärer, als ich in Iæningrad war und öfters über das
Marsfeld ging, jetzt heißt es ,,platz der Opfer der Revolution,., habe ich die Gräber dieser finnischen Zl(-Mitþeder gesehen. Noci
viele Jahre nach dem Attentat bezeugen dìe finnischen revolu_ tiondren Arbeiter ihr Einverständnis mit der Aktion der jungen roten Offiziere, indem sie, wenn sie nachts über diesen grof3"..r,
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gen Paradeplatz gehen, an diesen Gräbern ausspucken. im finnischen Parteiklub, im selben Gebäude in der Uliza ych Sor, wo das Attentat stattfand, zeigten mir Finnen, die kannte. immer mit Stolz und niemals mit Enträstung, die Bilder Marx und Lenin im Sitzungszimmer, die von einigen I(ugeln hert wurden. Ðie Attentäter wurden damals verhaftet und von einem Tribunal Tode verurteilt. Zweimal hat Lenin diese Urteile kassiert. ießlich ist nach einer dritten Verhandlung ein Todesurteil vollt worden. Hier jedoch zurück nach Kopenhagen. Was nutzte meine Arbeit .Kopenhagen) wenn wir die gesammelten Nachrichten nicht und sicher nach Moskau expedieren konnten. lJnter diesen mständen war es besser, sich erst einmal mit dem Kieler Kanal beschäftigen. Die MunitionstransPorte nach den pol'nischen waren ungeheuer viel wichtiger. Ich schickte also einen iner Mitarbeiter voraus nach Deutschland, per Bahn und legal. selbst reiste nach Sonderburg auf der ehemalig deutschen Insel
und fand dort den Fischer, der mich mit seinem Motorkutter die Flensburger Förde brachte und etwa um 2 Uhr nachts ich von Glücksburg an Land setzte. Ich hatte nur eine Aktenhe mit, die mit verschiedenen Papiergeld-sorten vollgepfropft . Damals benutzte die deutsche Republik den kleinen Kreuzer Elørnburginder Seegrenzkontrolle, und noch heute sehe ich den $chatten der Hørnbørgundseine Positionslampen in der dunklen wi¡ hatten unseren Motor gestoppt) als wir den Kreuzer bekamen. Zum Glück machte er keinen gelegentlichen Sicht in Gebrauch von seinen Scheinwerfern. Ich kam gut an Land, sogar ohne nasse Füße. Fand bald einen Weg, der mich auf die nach ,Glücksburg führende Landstraße brachte und hatte bereits nach fii¡fMinuten einen Kompagnon, der ebenfalls aufdemWege nach
Glücksburg war. Ein Mann
in Uniform, ein Gendarm, der auf
dem Wege vom Spätdienst nach llause, zu Weib und Kind war'
ALS KOMINTERN-KURI
Er war gar nicht mißtrauisch, versuchte sogar) mir so spät in de; Nacht oder so fnih am Morgen ein Zimmei in einem Glücksbur_ ger H_otel zu besorgen. Schließlich brachte ich ihn nach Hause,, sein Ffäuschen lag an de¡ Landstraße nach Flensburg. Ich mar_, schierte lustig weiter und erreichte im Morgengrauen Frensb'rg. Mit dem ersren Morgenzuge fuhr ich nach Hamburg. Mein HaL w.ar dunkel geflirbt, ich trug eine Brille. Keine Ä.hiLli.¡rt .ii roit
einem Fischdampfermann.
KOMINTERN-KURIER
ffi.q rifü"¡ ll-Sei le
uE[=u erbah
ich mir ein IJnterkommen
bei einem Bekannten. In den nächsten Tagen stellte ich fest, daß in der,{ngelegenheit senøtot, schröder ein Haftbefehl gegen mich erlusren w"i nrrã d"ß einer der o.r.gi.rt.r,, Franz Jung, bereits verhaftet war. Jan Appel war noch _ fî.,h.it ebenso Wilti Klafue und Hugo I{eyde,
å" U.ia.rr letzreren **gri auf der Rückreise in Bergen "rrg.rri.g.rr. Ich machte mir keine besonderen Sorgen wegen der drohenden Verhaftung. Ein Genosse reiste zum Kanal und ,rrrt.rrrr.ht. di. Möglichkeiten. Die verhdrtnisse waren ziemlich günstig. so*oti die Belegschaft der schreusen in Brunsbütter als auch ¿i. rotr.rrder Wasserpolizei waren ausgesprochen
polenfeindlich. Resoluti_ onen wurden angenommen, und bald darauf schon wurde dem ersten Munitionsschiff die Einfahrt in den Kanar verweigert. Dasselbe geschah mit dem zweiten und dritten schiff. Damitwar diese ziemlich wichtige Angelegenheit erledig. In der Zvmschenzei.t war es mir auch gelung"n, paket das
finni_
schen Papiergeldes zu einem verh¿iltnisri¿ißig guten Kurs abzuset_
zen' In diesen ersren oktobertag en 1920 sah ich auch wirherm Herzog wieder, und zusammen mit philips price sahen wir ein klein wenig von ,,IIamburg bei Nacht,.. òoch
zeigten wi¡ dem englischen Besucher nicht das ,,Ffamburg bei Nacht,, der Seeleu_ te, die von ihren Schiffen am Abend ,rr-f*d
schlossen die ,,vornamen"-straßen
strömen, d. h.
in Hamburg und hinter
,,Freiheit" in Altona aus, d.h. soweit ich mich richtig eri¡rnere.
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Hafen
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45 | Die Gro$e Freiheit in Ahonø ønd.
d.ie ,,Vorøømen'LStrø$en
in Hørnbørg-
Damals kam ich auch in den Besitz ganz arrsgezeichneten Materials über die Schwarze Reichswehr und die Freikorps. Es war natrirlich nicht in meinem Interesse, in Hamburg oder anderswo in der Welt herumzubummeln. Was jetzt notwendig war, war die Organisierung eines gut funktionierenden Verbindungsdienstes, damit ùberhaupt Nachrichten übermittelt werden konnren. Gerade bevor ich zu diesem Zweck abreiste, erreichte mich eine Nachricht aus Moskau, so schnell wie möglichnach dort zu kommen. Von meinen Verbindungen zu den Seefafutskreisen wußte ich, daß die schnellste Verbindung über Stettin ging. Von dort
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VERHAFTUNG UND PR
NG UND PROZESS
1.53
vor der Abfah¡t ging ich mit einem der F{eizer zusammen Bord und versteckte mich im Kesselraum. Hinter einem der Kessel war gerade so viel Platz, daß man da stehen konnte. Heizer gab mir ein kleines Brett, welches ich so anbrachte, ich sitzen konnte. Ein verdammt heißer Platz. Immerhin war besser, als irgendwo im Kalten ztt sitzen. Ich ahnte nicht, daß bald schon an einem kühleren Platze sitzen würde. Ich mußte ein wenig eingeschlafen sein, ais ich von einem Lârm im
Abb. 46 | Heiørich Melzer øliøs
Fritz ("Willi')
Bi.elefeld. (2.tt.1.) 1920
in Stettin.
wurden per Schiff die Tausenden von russischen Kriegsgefangenen nach Baltisch-Port abtransportiert, die sich noch in Deutschland befanden. Mein Plan war, mit einem der trkiegsgefangenen-Tranßportschiffe die Reise zu machen. Ich reiste also nach Stettin und setzte mich mit dem verantwortlichen Funktiondr der revolutiondren Seeleute (DSB) in Verbindung. Damals ging er unrer dem Namen Willi Bielefeld, einer der wirklichen I(ämpfer. Er war der Kommandant der Nordfront im Ruhrgebiet während der Abwehrkimpfe im Kapp-Putsch. Sein richtiger Name war lIeinz MeIzer. Ein guter aufrechter Mensch. In zwei Tagen sollte der nächste Rücktransporr von Kriegsgefangenen von Stettin nach Baltischport abgehen mit S. S. Herbert Horn. Die Besatzung dieses Schiffes war im DSB organisiert, und Willi Bielefeld sage mir: ,,Es sind alles gute Kerls." Ein paar Stun
izraum erwachte. Man suchte, soviel ich verstand, den Fleizraum die Bunker ab. Die Polizei war an Bord! Nun warerì sie schon ihren elekuischen Taschenlampen zwischen den Kesseln, und schien mir eine Lampe ins Gesicht! Ich konnte natürlich nichts und folgte derAufforderung der Polizeibeamten, aus dem rsteck herauszukommen. Man brachte mich nach dem Stettiner ipräsidium, wo ich natürlich falsche Angaben über meine machte. Zum Verhänenis wurden mir die Finserab. Alle Fingerabdrticke im damaligen Deutschland gingen bei r,Identifizierung an eine Zerrtalstelle im Polizeipräsiin Berlin. Die hatten meine ersten Fingerabdrücke seit 19I7
beantworteten die Stettiner Anfrage prompt mit richtigen . Die Stettiner freuten sich über den quten Fanq und ten mich prompt als einen steckbrieflich Gesuchten in das ,&efüngnis des Stettiner Amtsgerichts. Die Verpflegung'\À/ar z;war hter auch miserabel, aber doch besser
in dem Polizeigefángnis. Die Zellen waren bedeutend größer, and es war wärmer. Auch die Gefánsnisbeamten waren freund. Ich mußte sofort versuchen, meine Lage ein wenig zu ver,bessern. Zu diesem Zweck machte ich den Versuch, durch einen der Beamten eine Verbindung nach außen zu bekommen. Das gläckte auch ziemlich schnell. Bald erhielt ich den Besuch eines Rechtsanwaltes Knipp. Ich unterschrieb soforreine Vollmacht für ihn und bat ihn zu versuchen, das bei mir beschlagnahmte Geld, oämlich Kronen, Dollar und englische Pfund, von der Beschlag-
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VERHAFTUNG UND PROZESS
nahme freizubekommen und die deutsche Papiermark dafrir unter Gerichtsverschluß zu lassen (Sicherstellung von Gerichtskosten und Schadensersatzansprüche der Reederei). Der Rechtsanwalt ging darauf ein, und durch meine Unterschrift sicherte er sich im Falle des Gelingens seine Gage. Wie er es gemacht hat, weiß ichheute noch nicht, aber bereits nach einer Woche hatte er die Antwort vom Berliner Landgericht III auf Freigabe der ausländischen Valuta und Beschlagnahme der deutschen Mark. Er kam dann zu mir, berichtete mi¡ über den Erfolg und frug mich, was er nun tun solle. Ich gab ihm den Aufuag, das Geld sofort an |ustizrat Fraenkl in Berlin zu überweisen und ihm in einem informierenden Scfueiben über meine Lage zu berichten und ihn zu engagieren. Nun konnte ich in Ruhe auf meinen Abtransport warten. Nach einer weiteren Woche wurde ich an einem der erstenNovembertage füih morgens mit etwa einem Dutzend anderer Gefangener nach dem Bahnhof gebracht und dort in einen der Spezial-Gefangenenwagen verladen. Wir waren zr¡¿ei und zwei mit Handfesseln aneinandergeschlossen, und die Polizeisicherung auf -. dem Bahnhof war so stark, daß die Stettiner KO-Gruppe, die einige ihrer besten Leute geschickt hatte, von einem Angriff auf die PohzeiAbstand nahm. Die eventuellen Opfer bei einer Schießerei wären auf beiden Seiten zu groß ge'vr/esen und die Möglichkeit meiner Befreiung zu ungewiß Bei der Ankunft in Berlin waren die Sicherungsmaßnahmen noch größer als in Stettin, und verhâltnismáßig bald saß ich im Polizeigeflingnis am Alexanderplatz in einer klei¡en Zelle in der 4 . Galerie . Die Zellen waren noch kleiner als im Stettiner Polizeipräsidium, und das Essen war noch schlechter und noch weniger. Ich war damals 27 Jahre alt, und Essen war meine Lieblingsbeschäftigung. Da ich nicht wußte, wie lange ich in Berlin auf Abtransport nach Hamburg warten mußte, versuchte ich natürlich, meine Lage ein wenig zu verbessern. Ich hielt es für nicht der Mühe wert, Justizrat
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zu benachrichtigen, der mir wahrscheinlich etwas Eßbares hätre.
Âm zweiten Abend kam ein álterer. kleiner Gefangenenauße'&ter zu mir in dte Zelle. Wir saßen zusammen auf meinem Klupp,þett, und er erzäh1te mir eine Geschichte über die ökonomischen $chwierigkeiten der unteren Beamten. Na, schließlich frug er mich, 4b ich etwas aus meinem Koffer haben wollte. Na, ich verstand -sofort, woher der Wind wehte, und sagte ihm, daß ichZigaretten þ Koffer habe. Er erwähnte dann so nebenbei, daß Rauchen :.çerboten sei. ,,Aber", sagte er, ,,kommen Sie mal mit, wir können .ja den Koffer mal aufmachen." Er nahm mich ùber die Galerie 'nach seinem Raum und dann nach der Nebenzelle, die vollgestaut
war mit Gepäck. Da war mein I(offer auch. Er ging dann zu dem Dienstsch¡ank, wo
in einem Fach meine Transportpapiere
lagen
und dabei auch der Kofferschlüssel. Er eab mir die Schlüssel und sagte: ,,Na, schließeqr Sie mal auf!" Als ich den Koffer öffüete, weiteten sich seine Augen. Oben im Koffer lag eine wirklich gute, neue Aktentasche. Der ,,olle ehr1iche" Berliner Beamte seufzte tief und sagte: ,,Ach, das wä¡e was
für meinen Jungen!" Ich frug ihn, wie alt sein ]unge denn sei. Er sagte: ,,Er ist nun 22 Jahre alt und arbeitet beim Amtsgericht, und das ist genau die Aktentasche, die ihm fehlt." Ich frug ihn, ob er sich denn keine kaufen könne. ,,Nein", sagte er, wieder mit einem Seufzer, ,dazu haben wir kein Geld." ,,Na", sagte ich, ,,ich werde Ihnen einen Vorschlag machen." Und nach einer kleinen Pause scheinbarer Überlegung setzte ich fort: ,,Ich kann Ihnen die Tasche für Ihren Jungen schenken) werur Sie mich währ end der Zeitmeines Aufenthaltes hier mit Zigaretten, Streichhölzern und Essen versehen." Er war einverstanden. Ich nahm meine Zigarettet aus dem Koffer, er nahm die Aktentasche und gab mir auch die Tageszeitungen zum Lesen.
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VERHAFÏUNG UND PRO
Abgesehen von den \Manzen, die es damals in den Zellen gabu verlebte ich bis zum Abtransport nach Hamburg eine verhd.ltnis; mäßig angenehme Zeittrn Alex.
Mitte November wurde ich dann mit etwa zwanzig
an
Gefangenen nach Hamburg abtransportiert. Die Sicherung von Seiten der Polizei war wiederum ziemlich stark, und es gab keine, Gelegenheit frir die KO, irgend etwas frir mich zu tun. In jeder, kleinen Gefangenenzelle, die knappen Platz ftir einen Gefangenen gab, saßen zwei Gefangene. Die steigende Kriminalität nach dem Kriege machte sich besonders in den ùbermäßig belegten Gefáng nissen und selbswerständlich auch bei den Transporten bemerkbar. Außerdem saßen zur Zeít viele Tausende in den Zuchthäusern und Geflingnissen, die politische Gefangene waren. Ein gewissef Prozentsatz der Mitglieder des Spartakusbundes und später der
Kommunistischen Partei oder der KAP saß in den Gefängnissen oder befand sich, wie man es damals so ,,schön" sagte, in Schutzhaft.
Nun waren die ,,Politischen" in den Gefângnissen und Zuchthäusern ohne den Status ,,Politische" ohne besondere Rechte und wurden behandeltwie jeder andere Gefangene in der betreffenden Strafanstalt. Nur der Politische, der zurVerbüßung einer Festungsi haft verurteilt war, wurde als Politischer behandelt. Er konnte alle Zeitungen, Zeitschriften und Bücher bekommen. Seine Besuche waren uneingeschränkt und ebenso sein Briefverkehr. Einmal in der Woche konnte er am Nachmittag in die Stadt gehen. Er brauchte
nicht zu arbeiten. Es war die gelindeste Art der Bestrafung. Marl konnte es als eine A¡t Erholung ansehen. Wie anders es in den Geflingnissen und Zuchthäusern \Mar, werde ich später versuchen zu beschreiben. Nun war ich also auf Transport von Berlin nach Hamburg. Mit ITTII in einer der kleinen Wagenzellen rna¡,ein Zuchthäusler, der von dem Zuchthaus Waldheim nach Hamburg auf dem Wege war,
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einer anderen Straßache vor dem l{amburger Schwurgericht ilt zu werden. In Waldheim verbüßte er acht Iahre Zucht-
'wovon er etwa ein Iahr abgesessen hatte. Er war viele Mal und kannte alle Schliche und Tricks. wie man sich das angenehm macht hinter den Traljen. Er hatte in Waldheim Job als Stationskalfaktor, d. h. er hielt die Galerie rein und die Mahlzeiten aus an alle Gefangenen in den Isolierzellen seiner Station. Durch diesen Iob wurde er natürlich sofort der indungsmann zwischen den Gefangenen seiner Station und illegalen Ze,ntale der Gefangenen, die in dieser oder jener in jeder Strafanstalt besteht. Die Organisation übernimmt Besorgung aller Sachen, die der Gefangene bei dem Kalfaktor , vorausgesetzt, daß er das bezahlen kann. Niedrigste Wertitwar ziemlich überall eine Tagesration Brot (Klarhotte), und i Tagesrationen, also drei l(amotten) waren gleich eine Rolle bak. Mein Mitgefangener in einer der engen Transporthatte 'sich in Waldheim auf den Transport gut vorbereitet etwa 200 Zigaretten gedreht. Das Papier war nicht sehr gut der Tabak mit getrocknetem Priemtabak gemischt. Aufjeden teilte er seine Vorräte. sowohl die zum Rauchen als auch die n Essen, mit mir. Dafür gab ich ihm ein kleines Taschenmesser. sagte mir voraus, daß ich wegen der Senøtor Schröd'er-AngeIeit wegen ,,schwerem Raub auf See unter Anwendung von
ngewalt" verurteilt werden und niedrigst sechs, höchstens ]ahre Zuchthaus erhalten wi.irde. ,"A.ber du hast Glück", sagte er, ,,alle in Hamburg Verurteilten ihre Strafe in Hamburs-Fuhlsbüttel ab! Da ist das Essen als in anderen Strafanstalten, und abends gibt es immer r rKekssuppe . Ziemlich dick gekocht) wenn du einen zweiten Schlag bekommst, kannst du sie kalt stellen und am nächsten Tag essen." Er kannte die Fuhlsbti.tteler Anstalt ziemlich Pudding als , weil er eine Reihe von ]ahren da gesessen hatte. Wie es auch ryi,trotz der Enge in der Transportzelle war die Fahrt von Berlin
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nach Hamburg ganz angenehm. Die Zeitwar ausgefrillt mit einzigartigen Vorlesung über die ,,Art des Absitzens langer hausstrafen". Welche Summe praktischer Erfahrung hatte m Mitreisender gesammelt, welche Masse ausfüh¡barer ldeen, sich das Leben hinter den Mauern angenehm zu machen. IJnd sich diese ldeen realisieren lassen, habe ich später im Zuchth immer wieder feststellen können. Die Polizeisicherung bei der A¡kunft in Hamburg war außergewöhnlich stark. Vom Bahnhof bis zum polizeigeflingnis iø den ,,F{ütten" waren wir alle gefesselt. In den ,,Ilütten.. war icb etwa eine Woche und wurde dann in das große Untersuchungs,;i gefringnis am Sievekingplatz riberführt. Die Maschine der lustis;i begann ihre Arbeit. Es war im November L920, als ich zum ersren MaI vorgeführt wurde. Der Haftbefehl gegen mich wegen ,,schwerem Raub auf See unter Anwendung von Waffengewalt..,,,Meuterei.. und,,Freiheitsberaubung" u.s.w. wurde mir vorgelesen. Ich konnte keinen Einspruch dagegen erheben, weil es sich ja um unbestreitbare Tatsachen handelte. Die ganze Sache befand sich nun in den Hän, den des Landgerichts fII, welches einen.{.ssessor bestimmte, der,
die Voruntersuchung gegen mich zu führen hatte. Man hatte mir eine Zelle gegeben auf Station 14, das Essen war einiger. maßen, aber ich hatte nichts zu rauchen. Meinen Freunden in Hamburg hatte ich nicht geschrieben, und mein Verteidiger war
noch nicht mit mir in Verbindung gerreren. IJm diese Zeit zu überbnicken, setzte ich mich mit dem stationskalfakror in verbindung, der mir sofort gegen meinen Ring hundert Zigaretten und Streichhölzer besorgte. Er schaffte auch Zeitungenan. Durch den Kalfaktor erfuh¡ ich auch, daß Franz Jung, der nach seiner Verhaftung zuerst in Cuxhaven gesessen hatte, nunmehrvon dort nach hier überführt war. Bücher zum Lesen bekam ich aus d,er GeÊingnisbibliothek. Alle Vorausserzungen zum Einleben in d.ie neue Atmosphdre waren also gegeben. Ich verstand vollkommen.
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UNG UND PROZESS
47 lDøs Hørnbarger Polizeigefdngøis
Ilütten 40-42
ørø Enchepløtz.
ich für die ersten Jahre festsaß und daß meine Verurteilung einer langen Freiheitsstrafe todsicher war. Damit mußte ich schon im voraus abfinden! Ich tat das in dem Gefrihl. daß vor zwei ]ahren in I(el in einer schlimmeren l(emme saß. muß wieder einmal die Ereignisse abwarten und die Dinge sich herankommen lassen. Nur nichts überstürzen und vor allen sich keine Sorgen machen.
Alle Zellen im lJntersuchungsgeflingnis waren groß. Die Betten ln¡aren eiserne Klappbetten. Man hatte einen Tisch und Stuhl in Zelle, laufendes Wasser und ein WC. Das vergitterte Fenster, tlich zu hoch zum Fleraussehen, ermöglichte einenAusblick uu einer Ecke des alten Zoologischen Gartens.
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Das UG ist voll von Leben. Die einzelnen Stationen gehen Freistunde. Außchließen - Zuschließen. Von der Zenuale ruft maa
während des ganzen Tages die Nummern der Stationen und die Namen der Gefangenen, die zur Vernehmung vorgeführt werden. Wenn sie nicht zur Vernehmung gehen, dann sind ihre Verteidi: ger da oder sie müssen zur Gerichtsverhandlung gebracht werden., Manchmal gibt es auch Besuche. IVenn man Bekannte zwischeni
den Gefangenen hat, paßt man nur auf, wenn der Name gerufen-. wird, und läßt dann den Gefangenen, der Kalfakror auf der Station , ist, Erkundigungen einziehen, was los war. Um ailes Wissenswert€ zu erfahren, muß man zum Kalfaktor immer gute Beziehungen; haben. Im Durchschnitt setzten sich die ,,politischen,, auß hohe Pferd, sahen auf d.ie trftiminellen herab und wurden infolgedessen boykottiert. Dadurch verloren sie alle Vorteile, die sie ,orrrt lrof den Mitgefangenen hätren bekommen können. Ich habe diesei so verhängnisvollen Fehler nie gemacht und konnte daher immer auf die lJnterstätzung aller Gefangenen rechnen.
48 | Døs Untersøcltøngsgefringøis in Hørnbwr¿.
Eingøngsgebà.ød.e Yerwøltøng ønd. I(irche Mà.nnergefängnis Gemeinsøøe Stile
Schøppen
d.is cb er Wr in d.angsg øng Frøøengefiingnis Wirtschø.ftsgebâ.nde
.Unterir
Nach etwa zwei Wochen erhielt ich den Besuch eines llambwger Rechtsanwaltes, Dr. I{erz, ein sympathischer ãlterer FIerr, der mir einen Brief des Berliner Dr. Fraenkl gab, in welchem dieser mir mitteilte, daß Dr. Herz 1n seinem Aufuage kam und mit ihm zusarnmen meine Verteidigung übernehmen würde. Gleichzeitig teilte mir Fraenkl mit, daß er die Geldsendung von stettin erhalten habe und ich darüberverftigenkönne. Als erstes unrerschrieb ich die
Flonorarforderung für F{erz und ordnete mit ihm die Absendung von Paketen an mich und die Einbezahlung von Geld an die Ge. flingniskasse , damit ich mir zigarenenmd zusätzliche Lrbensmittel im Gefiingnis kaufen konnte. Ich war der glücklichste Mensch, den man sich denken konnte. Wurst, Butter, Zucker,Schokolade, Dosenmilch, Zigaretten, ungeahnte Reichtrimer ftir einen immer hungrigen Gefangenen . Dazu sandte mir llerz gute Bücher, und sooft er Zeit erilbngen konnte, machte er mir Besuche.
für Md.nner b
9. Møschinenhøas 10. 11.
Pfortefür Mrinner Pfortefür Frøøen
12. Wohnhøøs für weibliche Beøwte 13. Inspektorenhøøs 14. Høøs d'er Ob erøøfseh er 15. Htiøser für je uier Aøfseher 1ó. Strøfiustizgebd.øde
Bald kam auch die erste Vorfühmng zur Vernehmung. Das Gebäude und das UG sind miteinander verbunden. Ich kam ter in die Zentrale, wo bereits zwei Sipos auf mich warteten. nahmen mich an die Kette und brachten mich die Treppe hinauf und in das Zimmer des IJntersuchungsrichters, der die ,V,oruntersuchung gegen mich leitete. Er saß an seinem großen ibtisch, und nach Feststellung meiner Personalien begann ,€Ë anstatt mich zu denverschiedenen Punkten zuvernehmen, mir ,moralische Vorhaltungen zu machen. Er war gerade der Typ, den ich nicht ausstehen konnte. Geschniegelt und gebügelt, parfümiert, ,Schmarre auf der Backe, wahrscheinlich ein junger Leutnant der Reserve aus dem letzten Kriege. .A.ls er zu widerlich wurde, ging
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VERHAFTUNG UND
ich an die Tùr, riefdie beiden Sipos herein, und trorz des des tief schockierten Assessors bat ich die polizeibeamren. nach meiner Ze|le zuriickzubringen. Der junge Assessor sprang und schrie: ,,Sie bleiben hierl" Er gab den beiden polizeibeam den Befehl, im Zimmer zu bleiben. Ich sagte, bevor er noch seir Mund aufmachen konnte: ,,Ich möchte eine Brklárung abgeben,-,41 Er hatte sich wieder gesetzt und sagte: ,,Geben Sie Ihre Erklãr ab." Daraufhin erklärte ich: ,,Ich lehne Sie als Untersuchungsrichter ab!" Er war verblüfft über eine solche Frechheit. sah aber ein, daß er in Gegenwart der Sipo-Beamten sich besser als Richteí benehmen würde. Ich wurde also zurückgeführt in meine Zerlei Sofort machte ich eine schriftliche Beschwerde und begründetg meine Ablehnung des lJnrersuchungsrichters. Dr. Herz, dem ich beim nächsten Besuch die Geschichre erzähke,lachte sich halbtotí ,,lVunderbar(', sagte er, ,,ein unsympathischer Bursche, und mrn haben Sie ihm seine erste große Sache verdorben.,. Durch den ganzen Dezember ließ man mich in Ruhe. Der halbe Januarverging fast ohne Störung, aber am Morgen des 14. ]anuar wurde ich plötzlich nach der Zentrale gebracht mit allen meinen sachen. Die Handfesselnwurden angelegt, und ein Inspektor teilte mir mit, daß ich aus Sicherheitsgrrinden nach der Strafanstalt in Futrlsbüttel überfrihrt würde. Auf dem Hof stand ein porizeiwagen, und als ich einstieg, übernahm ein Polizeioffrzier dte papiere und sagte dabei: ,,Sie sind llerr Jung,., und sah mich an. ,,Nein, ich
bin Knüfken!" antwortete ich ihm und verstand, daß Franz Jung auch nach Fuhlsbtinel gebracht würde. Das war ausgezeichnet. fch verstand, daß ich in der großen Strafanstalt eine Gelegenheit haben würde, mit Franz Jung in Verbindung zu kommen In Fuhlsbüttel brachte man mich in das verhdltnismäßig neue Gefüngnis G II, und ich bekam eine Zelle im C-Flügel auf der obersten Galerie. Die strafgefangenen hatten alle Rauchverbot, und da ich als rJntersuchungsgefangener das Recht zum Rauchen hatte) war es mir ein Kleines, den Kalfaktor gegen die übliche Bezahlung
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zu gewinnen. Bereits am ersten Tage beim Einschluß hatte
mit dem Handfeger und der Schaufel ein paar Ttgaretten gf. Am nächsten Morgen warf er mir einen Zettel beim tn dte Zelle. Er schrieb, daß mein ,,Komplize" Jung auf 3 liege und um ein Lebenszeichen bitte. schrieb dem Franz einen kleinen Brief, worin ich ihm mitdaß mit mir alles in Ordnung sei, daß ich bisher keine Aussage habe und deshalb so schnell als möglich wünsche, seine kennenzulernen, damit ich mich danach richten könne. packte die übliche Bezahlung an Zigaretten fiir meinen Kalund für den Kalfaktor auf Station 3. nächsten Tage schon bekam ich die Antr,vort von Jung. Kalfaktor warf mir beim Abendeinschluß (es wird doppelt und der große Riegel vorgeschoben) eine ganze Rolle dte Zelle. Der Wachtmeister eeht bei Abendeinschluß auf der iè von Zelle zu Zelle, schließt immer zwei auf, und die Gesetzen den Schemel mit der Bekleidung heraus und die
fel, Handfeger und Messer und Gabel. Wenn der ister die andere Zellentitr außchließt, gibt es ein paar Zeitfür den Kalfàktor. seine Geschäfte durchzuführen. ging gut. Die schwere Tür krachte zw, die Schlüssel rasselten, der schwere Riegel wurde mit einem ,,Bang" vorgeschoben. Lärm in derselben Zeitvon allen Stationen. Nach dem geht noch einmal die Kontrolle die Runde, und dann
immtdie Nachtwache den Dienst. Nunhatteich eine Stunde t, bis das Licht ausging, um den Inhalt der Rolle zu lesen. Franz mir mit, daß es ihm so einigermaßen gutging und daß nun auf meine Aussage ankomme, ob er gegen die vom Malikgestellte Kaution von 20.000 Mark freigelassen würde bis Gerichtsverhandlung. zu seinerVerteidigung: Er hatte ausges4gt, daß er, bevor er pn Bord $ng in Cuxhaven, glaubte, daß er als reguldrer Passagier qach einem russischen Hafen fahren könne. Dafür habe er mi¡ den
:.., ]r{s¡1
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Preis eines Billetts gezalútund gab auch die Summe Geld an. Von der in der Elbmündung oder bei Helgoland vor sich gehenden. Meuterei habe er vorher nichts gewußt und sei von ihr ebenso überrascht gewesen wie die dabei gefangengenommenen beiden Kapitåine und die Schifßoffiziere. Zùdiesem Punkt seiner Aussage schrieb Franz Jung die Anmerkung für mich :,,Du wirst j a verstehen,
von Steuerbord. dann nach Festnahme des erfolgter Kursänderung die See dwars und dann wieder itäns Backbord hatten, machte das uns Fischdampferleuten nichts , Aber Jan Appel und Franz Jung waren so seekrank, daß sie hätten teilnehmen können, noch überhau.pt wußten, was
daß ich nicht damit rechnete, daß sie Dich auch verhaften wrirden,
Ðer freundliche alte lJntersuchungsrichter lachte verständlich frug: ,,IIaben wohl trichtig gekotzt, wasl" Er erzählte mir dann, daß er die See liebe und daß er eigentlich
da Du ja in Rußland respektive woanders im Ausland warst. Du, bist der Hauptangeklagte und wirst verurteilt, so oder so, das ist nicht zu ändern. Sowie das Landgericht im Besitz Deiner Aussage ist, wird das Gericht Stellung nehmen zu meiner Freilassung gegen; Kaution." Im übrigen frug er mich nach meinem Wohlergehen,
und ob ich irgend etwas brauche. Ich schrieb ihm sofort zurück, und es grng am nächsten Morgeri per Kassiber durch den IGlfaktor an ihn ab, daß ich die Grtinde zu seiner Aussage vollkommen verstände und dementsprechend. meine Aussagen machen würde.
Etwa am 20.Januar 192I bekam ich einen neuen lJntersuchungsrichter, einen freundlichen alten FIerrn, der mich als erstes za der Rolle vernahm, die Franz )ung bei der Meurerei gespielt hatte.
,,Na", sagte er, ,,dann erzählen Sie mal alles über den eigentlichen Akt der Meuterei und was der Schriftsteller Franz Jung damit zu run hat.t' ,,Sehen Sie", erzählte ich nun, ,,der Franz /ung kommt, soweit ich weiß, von Neisse. Er hat studierr, schrieb Bücher und gehörte zu dem Kreise der jungen Intellektuellen um Mühsam in München. Von den Anarchisten kam er während des Krieges zum Spartakusbund und erfreute sich in den Reihen der revolutionären Arbeiter in Berlin eines großen Ansehens. Aber er ist kein Seemann. Wasser hatte er vorher nur in den bayrischen Seen oder in der Spree gesehen. Was wußte er von einem Island-Fischdampferl Als wir nach Passieren des Feuerschiffes Elbe I bei Windstärke 7 und
See zuerst dwars
davon geträumt habe, auch zur See zu fahren. ,,Sehen Sie",
er, ,,und jetzt muß ich die voruntersuchung, gegen einen n führen." Schließlich kamen wir doch. und nachdem ich ihm vieles aus der erklärt hafte, von dem gemütlichen Teil der Seefahrtwiezurück zum amtlichen Teil der Anklage, und ich unterschrieb Protokoll, wovon die Hauptsache war, daß Franz ]ung nichts der Meuterei und der Inbesitznahme des F.D. Senøtor Schröd'et tun hatte und nach seiner Meinung für ein Billett bezahlt hatte' weitere Woche später wurde Franz fung gegen eine Kaution
20.000 Mark bis zum Termin der Gerichtsverhandlung auf Fuß gesetzt.
Damit fiel ein Stein von meiner Seele. Es kam darauf an, soviel möglich die mehr oder weniger Beteiligten an der Aktion vor Verurteilulg zu bewafuen. Franz ]ung ging kurz vor dem in nach Holland und später mit einem holländischen Schiff Petrograd. |an Appel lebte irgendwo ,)unter Grund", man ihn nie verhaften können. Hugo Heyde wurde verhaftet, als schon saß, und war der einzige, der mit mir auf der Anklagewar. Willi Klahre, der eine Zeirlangvon Holland aus zur See war. wurde bei einem Besuch in Deutschland verhaftet prompt zu 18 Monaten Geflingnis verurteilt. Ich blieb bis zum MarzIg2L in Fuhlsbùttel. Eine verhâltnismäguLte Zeit, die Einsamkeit nur unterbrochen durch die regel-
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VERHAFTUNG UND
UNG UND PROZESS
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mäßigen Vernehmun gen durch
Herz und Fraenkl erkldrten mir nun. daß sie unter keinen
den alten freundlichen Ijnter-
mit Timpe verteidigen wtirden. Selbswerständlich habe den Timpe auch nicht engagiert. Kurz vor meinem Verhandrmin kam es in dieser Fraqe zwischen den Rechtsanwálten einer Einigung. Timpe wurde als dritterVerteidiger zugelassen, er hatte nur eine beschränkte Funktion. nämlich bei der Ausder Geschworenen eine Anzahl von ihnen abzulehnen. Im Mdrz I92I. ich war schon wieder zurück im Untersuchunqsis am Sievekingplatz, kam es in Hamburg zu lJnruhen. Tage lang gab es ganz erhebliche Schießereien, voräbergebefanden sich Stadwiertel im Besitz der bewaffneten ArbeiSchließlich jedoch wurde diese Erhebung in den ICimpfen in beck niedergeschlagen. Das brachte wieder einen Strom von n Gefangenen in das UG, Sondergerichte wurden eingesetzt, die Angekiagten summarisch aburteilten.
suchungsrichter. Wir waren gute Freunde geworden. IIin und wieder kam auch mein Verteidiger, Dr. Herz. Ein sehr gewiegter Jurist und guter Itiminalverteidiger. Ich hatre ja ursprünglich den Justizrat Fraenkl mit meiner Verteidigong beaufuagt. Fraenkl war erstens ein ausgezeichneter politischerVerreidiger, zweirens
war er ein Parteigenosse und drittens ein Oppositioneller. Ab b. 49 l Re chtsønw øb Fer din øn d Tirøþø. Fraenkl hatte Herz Justizrat für mich engagiert, da er selbst nicht dauernd zwischen Berlin und Ffaburg hin- und herpen_ deln konnte . Dazaließ ihm die Hochflut der poritischen prozesse keine Zeit. Er schrieb mir, er würde zur Verhandlung nach Ham. burg kommen und die politische Seite der Verteid_igung f,ifuen. Dn Herz solle die rein juristische Verteidigung machen. Die KPD, die nanirlich mit der Ordnung meiner Verteidigung nicht einverstanden war, sandte mir einen dritten Rechtsanwalt. Timpe war sein Name, er kam eines Tages zu mi¡ nach Fuhlsbtittel und stellte sich vor. Er unterbreitete mir den wunsch der partei, ihn als Miwerteidiger anzunehmen. Er trug goldne Armbänder und ein Monokel, war ein Leutnant der Reserve im ersten Kriege und wahrscheinlich in den srr,irmischen Jahren ISIB/I9/20 nach links zu den I(ommunisten gegangen. wenn ich mich jetzt recht besinne, dichtete er auch, da er mir einigemal seine Gedichte vorlas. Einiges von ihm war, glaube ich, in der wertbühne veröffentlicht.
M:ar
L92I erhielt ich die Mitteilung vom Landgericht III,
die Verhandlung gegen mich am 12. und 13. Mai vor dem icht unterVprsitz des Landgerichtspräsidenten Dr. May
wtirde. Die Voruntersuchung war abgeschlossen. Die Atmosphåire war sefu ungünstig. Ich machte mir natürlich Illusionen und rechnete mit einer ganzen Reihe von |ahren, man mir aufhalsen wtirde. Ðas Publikum war so gut wie ausgeschlossen von der VerhandEinige wenige Freunde hatten Karten erhalten; sonstwar der rraum nur mit der Presse und einer halben Hundertschaft gefüllt. Wie ich schon vorher sagte, Hugo Heyde saß mit mir der Anklagebank. Ein ganzer Kerl. Die Geschworenen, alle ohne Ausnahme llausbesitzer, waren ich gegen uns. Das war auch nicht anders zu erwarten. Die $nklage war auf schweren Raub unter Anwendung von Waffen-
t,
Freiheitsberaubung unter erschwerenden lJmständen, schwere Meuterei unter Anwendung von Waffengewalt
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VERHAFTUNG UND PROZESS
u.s.w. formulieft. Es gab sieben Schuldfragen und eine Nebenfrage. Die Verteidigung stellte die Frage und plädierte für Anwendung
der Kapp-Amnestie, die prompt abgelehnt wurde. Zeugeninder Verhandlung waren: der Kapitän des F.D. Senøtn" Schrtid,ør, dann der Kapit:in, der als Passagier mitfahren sollte nach Reykjavik (Island), um von dort ein Segelschiffnach Hamburg zu bringen. Dann waren da die beiden Steuerleute und die beiden Maschinisten, die FIeizer, Matrosen und der Koch. Ich verstand, das erste, was ich tun mußte, war, die Besatzung zu beruhigen. MitÂusnahme der Gefangenen, die wir unterVerschluß hielten, hatten ja die anderen alle auf meiner Seite gestanden. Als daher derVorsitzende Dr. May bezweifelte, ob die Besatzung unrer meiner Bedrohung gehandelt habe, und der Sraarsanwalt Kollhoff eine diesbezügliche Frage stellte, bejahte ich diese ohne weiteres.' Daraufhin formulierte der Staatsanwalt ganzpräzis: ,,WtÍrden Sie von der Waffe Ge brauch gemacht haben) wenn irgendein Mitglied der Besatzung sich geweigert hätte mitzumachen oder wenn irgendein Mitglied der Besatzung etwas gegen Sie unternommen
hätte¡"
Ich beantwortere auch diese Frage mit Ja! Damit war die Besatzung aus dem ganzen Schwindel heraus. Der meist unbeherrschte von allen war Kapitän Gewald, der ehemalige U- Boots - Offi zier. Noch j erzr war er so writend darüber, daß er sich überrumpeln ließ, daß er vollkommen sinnlose Sachen gegen mich aussagte. Selbst die vielen Polizeibeamren im Zuhörer. raum lachten laut, als er sich neben anderem darüber beklagte, daß wir seinen Schinken und Eier beschlagnahmt hatten. (Von allen beschlagnahmten Vorräten an Bord wurde gekocht und alles gleichmäßig zwischen allen an Bord, wozu auch die Gefangenen gehörten, verteilt. ) Der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Ma¡ sah sich veranlaßt, dem Kapitän zu sagen: ,,Sehen Sie, Kapitän,
frtiher waren Sie der Kapit:in und aßen Rühreier und Schinken, na und jetztwar es Knüfken."
G UND PROZESS
,@er Kapitän, der nach Reykjavik auf Island miúähren sollte,
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um
dort ein Segelschiff nach Deutschland zu bringen, und der viel verloren hatte, beschränkte seine Aussagen auf die igen Worte: ,,Wenn Knüfken den Aufuag von seiner Partei , die Delegation nach Rußland zu bringen, und dazu durch Gewaltakt von dem Schiff Besitz nahm, dann will ich doch daß er uns menschlich behandelt hat r¡nd vom seemännischen
unkt gesehen seine Sache gut machte. Ich sehe auf diese mit dem Senøtor Schröd,er als alter Seemann als mein letztes nteuer. Vonmir aus möchte ich sagen, daß ich keineVorwürfe ihn erhebe und mich über nichts beklage." Ich versuchte das Gericht- oder vielmehr die Geschworenen. davon zu gen, daß der mit mir auf derAnklagebank sitzende Matrose H.yd" mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte und gar t auf die Anklagebank gehöre. Er war einer der beiden See, die noch kurz vor dem Inseegehen angemustert hatten und wie alle anderen Mitglieder der Besatzung zum Mitmachen war. Aber ich hatte damit keinen Erfols. Staatsanwalt glng in der Begrtindung seines Strafantrages besonders auf Rolle des Matrosen Heyde ein, der eine wichtige Figur auf der gewesen sei: ,,Aus seiner Zusammenarbeit mit lfurifl<en) aus Lachen besonders, ging hervor, daß er von dem geplanten vorher gewußt hatte. Die juristische Verteidigung durch Dr.Herz und die politische ã/rrteidigung durch Justizrat Fraenkl konnten natriLrlich in dieser ãeit der Sondergerichte meine Verurteilung nicht verhindern. Nach ,der Belehrung der Geschworenen zogen sich diese zurúck, und damit kam die Pause vor der Verurteilung. ¡, Als die Geschworenen dann endlich wieder erschienen und der , erichtshof Platz genommen hatte, teilte der Vorsitzende der Geschworenen das Resultat in der Beantwortung der Schuldfragen mit.
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NGNISJAHRE IN FUHLSBÜTTEL
GEFÄNGNISJAHRE IN FUHLSBÜTTEL
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Alle Schuldfragen: schwerer Raub auf See, Meuterei, Freiheitsberaubung, Gefihrdung von Menschenleben u.s.w.) wurden mit ,,Schuldig" beantwortet; nur eine Frage, und zwa¡ die nach mildernden Umständen, wurde mit,,Nein" beantwortet Alles hing mrn von dem Vorsitzenden des Gerichts ab. Das Ge'richt zog sich zurück, und nach dem Wiedererscheinen verkündete Landgerichtsdirektor Dr. May das Urteil: ,,Der Angeklagte Ifuäfken wird zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Er bleibt im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte, weil er die Tat nicht begangen hat aus ehrloser Gesinnung und keine persönlichen Vorteile gehabt hat.
Der Angeklagte Heyde wird zu 18 Monaten Gefringnis verurteilt. Bei beidenAngeklagtenwird die Untersuchungshaft auf die Strafe
in Anrechnung gebracht. " Wenn man bedenkt, daß der Staatsanwalt sieben Jahre Zuchtj haus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für zvvölf iahre beantragt hatte und frir Heyde drei Jahre Zuchthaus, dann versteht man, daß ich mit dem Minimum davongekommen war.
Wie Dr. Ilerz und fusizrat Fraenkl mir nach der Verurteilung sagten, war ich der erste Fall in ihrer Praxis, daß einer zur Zuchthausstrafe verurteilt wurde und im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte blieb.
Na, wie es auch sei, fünf Jafue sind fünf Jahre, und das ist eine lange Zeit, wenn man jung ist und die Freiheit liebt. Wir legten keine Berufung gegen das Urteil ein, das wdre Unsinn gewesen. Meine Rechnung war eine einfache: Die steigende A¡beitslosigkeit, die Inflation und die damit ins lJngeheure anschwellende lJnzufriedenheit der deutschen Arbeiterschaft wird zu großen Auseinan= dersetzungen zwischen IGpital und Arbeit, zum Generalstreik und zum bewaffneten Außtande füfuen und mich wieder mal befreien. Daran gab es bei mir keinen ZweifeI. AIs daher meine Strafe nach einer Woche oder so rechtskräftig wurde und ich ins Zuchthaus nach Fuhlsbüttel überführt wurde.
,Abb. 50 | Døs Høwbørger Jøstizforørn øtn Sievehingpløtz: d.øs Strøfjøstizgebtiøde {reçhts), døs Aberløndesgericht (Mitte) wnd. d.øs Ziviljøsti.zgebriød.e (linhs). -,
ich das ganzln Ordnung. Ich war ein Gegner der bestehenden ,€esellschaftsordnung, ich hatte sie bekimpft und war so vernùnftig, daß ich das Recht der herrschenden l(lasse, mich für eine Reihe
ron Jahren einzusperren und mich damit unschädlich zu machen, aicht anzweifelte. Das sollte ìedoch nicht bedeuten, daß ich ein ter Gefangener sein würde. Ich wollte, je nach Möglichkeit, iede Gelegenheit benutzen) um gegen das Zuchthausregime zu rebellieren.
Bei der Einlieferung ins Zuchthaus wurde ich mit der llausordnung bekannt gemacht. Arbeitszwang mit Pensum, alle drei Monate einen Brief und einen Besuch, É{aare werden kurz geschnitren u.s.w.
Ich bekam eineZelle im B-Flüsel auf der 3. Galerie. Die Kleiidung war braun. Beim Spaziergang wurde die Nummer auf der
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GEFÄNGNISJAURe Iu
TuHLsaÜrreT
linken Brustseite der ]acke getragen. Das Zuchthaus in Fuhlsbüttel war ein Isolationszuchthaus. In meiner Zeitwar es bis zum Bre, chen überfüLllt, und deshalb befanden sich nur die Gefangenen mit langen Strafen in Einzelzellen, ein großer Teil der anderen war in Gemeinsamsálen untergebracht. Auf meiner Station waren meist* Leute mit mehr als acht Jahren und solche, die zu lebenslänglich begnadigt waren) Mörder. Obwohl man es am ersten Tage nicht frir möglich hdlt, lernt man sie mit der Zeit alle kennen.
Bereits vor der Einlieferung ins Zuchthaus haten mir Mitim lJntersuchungsgefiingnis gesagt, daß ein Teil der Zuchthäusler in Fuhlsbüttel Socken und Strämpfe strickt. Die
gefangene
Strickmaschinen sind am Tisch befestigt. Man erzählre mir_, daß. die Zuchthäusler, die jafuelang an dieser Maschine gestrickt haben, ein Opfer dieser Maschine werden. Die Maschenreihen müssen selbst-' verständlich gezählt werden, und sehr oft, sagte man mir, zählen langjährige Stricker auch noch in ih¡er Freistunde. Na, ich habe das nur halb geglaubt, aber als man mir eine solche satanische Maschine in die Zelle brachte, nachdem der Arbeitsinspektor mich zum Stricken bestimmt hatte, faßte ich gleich eine Abneigung gegen das Biest. Der Strickmeister kam mit seinem Gehilfen, letzterer ist ein Zuchthäusler, und erkldrte mir die Maschine. ,,Nachdem Sie sich in der ersten Woche eingearbeitet haben, müssen Sie von dei zweiten Woche an immer das Minimum fertige Arbeit abliefern. Das ist das Pensum, nämlich zq¿ölf Paar." Nurwerdas Pensum abliefert, hatAnspruch aufeine Rolle Priemtabak. Er schloß dann den Gehlfen mit mir in der Zelle ein, damit dieser mich einarbeite. Dieser zeigte mir nun alle Tricks und technischen Einzelheiten des Maschinestrickens, und als ich nach seiner Meinung die Sache begriffen hafte, zog er die Klappe. Wenn man die Klappe zieht, fållt draußen neben der schweren Tür eine Art Signalarm herunter und der Stationswachmeister kommt dann, um festzustellen, was der Gefangene will. Immer aber wirft er zuerst einen Blick durch den Spion, um zu sehen,
ISJAHRE IN FUHLSBUTTEL
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in der Zelle. Alle Dienstvorschriften für die htmeister sch¡eiben zwaÍ vor, daß die Wachtmeister bei der ißigen Runde durch die Spione kucken, aber es wird selbständlich nicht immer getan. Jeder Stationswachtmeister kennt e Pappenheimer und beschränkt sich auf die Beobachtung r bestimmter Gefangener. Dasselbe gilt für die Nachtwachen. Nachtwache geht ihre Runden und sticht die Kontrolluhr. n irgendein Gefangener die Klappe zieht, geht der Wachtnach der betreffenden Zelle und fragt, was los ist. Dan¡ ruft er einen zweiten Wachtmeister und mit ihm zusalnmen
alles normal ist
I er die Zellentùir. Zurrjck zu meiner Strickmaschine. Nachdem der Gehilfe des Strickmeisters mich verlassen und der Wachtmeister die Tür wieder verschlossen hatte, setzte ich mich an meine Maschine und ,Fersuchte meine Intelligenz. Aufjeden Fall strickte ich nach vielen ,p.¡r't.in und Versuchen meine ersten Socken. Das ging so eini.'Womit ich nicht klar kam, war das Zalùen. Die zehn oder zr¡¡ölf Maschenreihen des Perlfangs, dann der immer enger werdende Teil des Beins und derFuß. Entweder man zählt richtig, und das bedeutet lautes Zählen, Wegnehmen von Nadeln u.s.w.) oder man vertut sich, und der Socken oder Strumpf taugt nichts. Ða ich immer an irgend etwas anderes dachte, kollidierten meine Gedanken mit dem lauten Zd'hlen. Das ging natrirlich nicht, und deshalb beschloß ich am zweiten Tage, das Stricken aufzugeben. Ich sagte dem Meister Bescheid, der mich prompt auslachte und mir erklárte, daß Arbeitsverweigerung mich mit dem Arbeitsinspektor und dem Polizeünspektor in Konflikt bringen würde. Damals bedeutete das ohne weiteres 24 Stunden Dunkelarrest im Keller. bei der ersten Arbeitsverweigerung. Also mußte ich etwas anderes tun. Die Idee kam beim Stricken. zu zàIllen, konnte ich ja einfach weiterstricken, immer an '\nstatt einem Stäck, solange ich Wolle hatte. Gedacht, getan. Ich strickte also ohne Übereilung, in gteichmißigem Tempo drauflos, und nach
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oerÄNerurs¡nHnE lN ruHLseüTT
NGNISJAHRE IN FUHLSBUTTEL
einigen Stunden hatte ich einige Meter gestrickt. Als der Srri.ç meister mit seinem Gehilfen in meine ZeIIe kam, um zu sehen,wie es ging bei mir, war er wirklich erstaunt. Aber seine überraschr:ng störte mich nicht im Geringsten. Der Gehilfe mußte die Maschine abmontieren, und bald war ich wieder allein mit mir selbst in meineç Zelle. Man ließ mich an diesem Tage in Ruhe, aber am nächstes Morgen mußte ich zum Arbeitsinspektor Prieß, der mich prompr mit einem Tag Arrest im Keller bestrafte .
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A.rrestzellen im Zuchthaus sind keine wohnlichen Einrichtungen. rmütsmenschen und weiche Seelen tun besser, sich in einem issen Abstand zu halten. Ich muß qestehen. daß ich an der ütlichkeit des Kiifigs litt. Nachdem ich die Gitterstäbe ge-
Versuch, zwischen Pritgescheitert war, setzte ich und Gitter hin- und herzugehen, h auf die zu niedrige Pritsche, was äußerst unbequem war. Also
t hatte (durch Abtasten) und mein
Wenn man zur Verbùßung der Arreststrafe in den Keller ge. bracht wird, muß man eine besondere Prozedur durchmachen,, Der Stationswachtmeister brachte mich hinunter und ribergab,, mich an den Arrestwachtmeister. Ich mußte mich vollkommerì" entkleiden und stieg dann von hinten in einen ,,8ärenpattche..
hinein. Das ist eine ,{rt Kesselanzug, Jacke, IIose und Schuhe'," alles in einem Snick. Wenn man drin ist, wird die ganze Sache hinten zugeschnùrt. Im ,,8ärenpattche" gibt es entsprechende Öffnungen für die Verrichtung der Bedürfnisse. So angezogen geht man dann in die Zel.e, die durch I08 eiserne Gitterstäbe in.zwei Hiilften geteilt ist. Der Wachrmeister schließt die zweite Tür auf, die in den Käfig fi.ihrr. Im Käfig befindet sich eine Pritsche dicht über dem Zementboden, ohne Matrarze und ohne Decke. ,{m Fußende der Pritsche befindet sich einWasserklosett. Es ist alsb für alles gesorgt! Wenn die Klifigtür wieder verschlossen isr und der Wachtmeister seine letzten freundlichen Anweisungen gegeben hat, fällt auch die Zellent:tLr ins Schloß, der Sicherungsriegel wird vorgeschoben, und man ist allein mit sich selbst. Es ist natrirlich eine Dunkelzelle, und selbst wenn man sich nach Stunden an die Dunkelheit gewöhnt hat, kann man, selbst wenn man sich anstrengt) nicht die lIand vor den Augen sehen. Anstelle von warmem Essen gibt es trockenes Brot, und es ist gut, es gleich aufzuessen. Es gibt Ratten im Keller oder besser gesagt in der Kanalisation, und später werde ich noch eine Geschichte über diese Ratten zu erzähfen haben. .
te ich, mich hinzulegen. Leider war ich nicht müde, und ich sonst mit Regelmäßigkeit so gut wie sofort schlafe, ging es nicht. Draußen war Sommer, warmer Sommer. wo in der Nähe war der qroße wunderbare Waldfriedhof
ion Ohlsdorf. Gar nicht
so weit von hier floß die Alster, sicher ;ryaren viele Bootspartien unterwegs. Draußenwar das Leben. Hier ryar es still und dunkel. Nur undeutlich hörte ich die Geräusche des Ausrückens der Zuchthäusler von den Stationen, wenn sie zur ;Æreistunde gingen.
.
Zwischendurch kam immer wieder ein metallischer Ton, über dessen Ursprung ich lange nachdachte, bis ich es plötzlich hatte: das Abklopfen der Fenstertraljen. Wenn die Station ausgerückt ist zur Freistunde, werden dte Zellen abrevidiert und die Traljen abgeklopft. Wenn sie angesägt sind, geben sie keinen richtigen Ton. Ausbrechen vom Zuchtåaus ist ungeheuer schwierig. Es setzt bestimmte Fähigkeiten voraus und sehr viel Mut. Einige ganz wenige machen den Versuch regelmãßig. Das Nichtgelingen schreckte sie nicht ab. Aber ich kenne das Zuchthaus noch nicht gut genug, um darüber jetzt nachzudenken. Die Pritsche ist zu hart, und ich bin gar nicht müde. Ich versuche alle Lagen, aber die Knochen tun wirklich weh! Es plätschert im Wasser des I(losetts, wafuscheinlich eine Ratte. Ich döse ein wenig und stelle mir vor' wie das Biestversucht, aus dem Porzellanbecken herauszukommen. Es ist wieder sti,[e, und ich bin ein wenig kalt geworden. Meine Hände suchen instinktiv nach Bettzeug, das nicht existiert. Ich wurde immer wieder wach, wie oft weiß ich nicht. Man schließt
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GEFÄNGNISJAHRE IN FUHLSBÜTTEL
die ZellentriLr auf; Es ist Morgen. Es gibt schwarzen Ersatzkaffee und ein Strick Brot. Die Außennir bleibt flir die Zeit.bis ich mein
Brot gegessen habe, auf. Dann ist es wieder Nacht. Das Leben im Zuchthaus ist erwacht. Bald beginnt auch wieder das Ausrücken der Stationen ftir die Freistunde. ,{lle Geräusche kommen wie_. aus weiter Ferne. Aber doch kommt schließlich auch meine Erlösung. Kurz nachdem die anderen Gefangenen ihr Mittagessen bekommen haben, ist meine Arreststrafe beendet. Ich bekomme meine Gefangenenkleidung und lJnterzeug zunick. Gehe mit dem Wachtmeister zurück zur Station. Bevor der mich einschließt, gibt der Kalfaktor mtr zuverstehen, daß er mir Essen aufbewahrt hat, welches mir nicht zusteht. Es steht im Geschirrspind und ist
sogar warm. Es gibt weiße Bohnen, dick gekocht, und ich esse sie mit gutem Appetit. In dieser ersren Zeit trn Zuchthaus gab ei noch nahrhaftes Essen, aber im Spätsorilner I92l wurde es immer schlechter und weniger. In dem Maße , wie die Inflation der Mark fortschritt, fielen auch die Hülsenfirichte so gut wie ganz fort, und, die Ernährung in den Gefiingnissen und Zuchthäusern wurde so miserabel, daß es zu llungerrevolten kam.
In llamburg-Fuhlsbüttel befand sich die größte
Strafanstalt Deutschlands. Alle im Gebiet der Freien llansestadt Hamburgverurteilten Verbrecher machten hier ihre Strafen ab. zumindest war es so in meiner Zeit.I{ier befanden sich fünfAnstalten sozusagen aufeinem Komplex. Das Zuchthaus fürMänner, das Gefängnis frir Männer, das Gefängnis für |ugendliche , das Frauenzuchthaus und - gefängnis und als.{ußensration Glasmoor als landwirtschaftlicher Betrieb. Der Direktorwar Christian Koch, ein Demokrat, damals ein MdB, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft (parlament), der versuchte, den Strafvollztg zu humanisieren. Er hat sehr viel in dieser Richtung getan und sich wirklich einen Namen gemacht. Schon an dieser Stelle möchte ich sagen, daß auch viel später, als anderen der übertritt zu den Nazis ohne Gewissensskrupel
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ÊEFÄNGNISJAHRE IN FUHLSBÜTTEL
gelang, Christian Koch der Demokrat blieb, der erwar. Darunter mußte er leiden, aber soviel ich weiß, war er einer der wenigen, der mit erhobenem Kopf
nach dem Zusammenbruch 1945 wieder in die Btirgerschaft und den Hamburger Senat hineinging. Obwohl ich ihm als damaligem Direktor viel Kummer und Trubel machte) möchte ich
-
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doch betonen, daß ich in ihm immer einen der vorbildlichen Reformer sah.
Im Sommer I92I kam es zu einer ganzen Reihe von Zwischenfillen im alten Zuchthaus in Fuhlsbüttel. Nachdem ich die Bekanntschaft mit der Strickmaschine abgelehnt hatte, mußte ich Tüten kleben. Ich machte Abb.51 lGefiingnisd.irehtorChristiøn
Koch'
Spitztäten. Nicht so unangenehm, weil man dabei denken kann. Gleich in den ersten Tagen hatten mir Gefangene beim Spaziergang mitgeteilt, daß andere politische Gefangene, die nach dem Mdrzaußtand verurteilt waren, ebenfalls im Zuchthaus seien. Durch den Kalfaktor meiner Station nahm ich die Verbindung zu d-iesen Genossen auf. Sie waren alle auf anderen Stationen untergebracht,
und ich mußte eine Möglichkeit finden, mit ihnen zusammenzukommen. Auf meinem Fhigel lagen fünf Politische' aber sie waren auf den Stationen unter mir. Der einzige Weg, mit ihnen zusaÍunenzukommen, war in der Schule, da immer drei Stationen zusammen in die Schule gingen. Schule war zrveimal in derWoche,
je eine Stunde. Sowie die Gefangenen eingerückt waren, verließen die Wachtmeister den Schulraum. und Lehrer Fense übernahm die Vcrant-
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GEFÄNGNISJAHRE IN FUHLSBÜTTEL
wortung. Die Ttir wurde von außen verschlossen. Der Leh¡er hatte auf seinem Pult den Klingelknopf für den Alarm als Sicherung. Damals benutzte der Lehrer Fense als Material in der Schulstunde das Høwbwger Freynd,enbløtt, a:us welchem er vorlas und die Zuchthäusler ùber Vorgänge außerhalb der Mauern auf dem Laufenden hielt. Die Gefangenen liebten die Schulstunde, da sie etwas über die Geschehnisse in der freien Welt erfuhren und anderenteils auch gleichzeitig ihre privaten Geschäfte erledigen konnten. Zwar saß jeder Gefangene in seinem eignen IGsten, und der Lehrer konnte alle gleichmäßig gut überwachen, aber eine solche Anzahl von gewiegten Kriminellen hat seine eigne Art und System, Transaktionen durchzuführen. Zwischen den Gefangenen hattejch eine ganze Reihe von Freunden, die mich vom lJntersuchungsgefiingnis her kannten und denen ich da rittZigaretten oder Lebensmitteln geholfen hatte. Das gab mir hier einen guten Namen und sicherte
mir Hilfe und lJntersttitzung, wenn immer ich solche brauchte. Es ist zum Lachen, aber hier fand ich Solidaritat.
Gleich nach meiner Überführung vom UG, beim ersten S paziergang, wurde ich von einem Gefangenen, der in einer Baukolonne arbeitete, angerufen. Wir gingen mit ein paar Schritt Abstand in einem großen IGeis herum. Ein Wachtmeister stand in der Mitte, ein anderer außerhalb des Kreises. Der Gefangene, der vor mii ging, sagte mir: ,,Beim zweiten Mal Rund, Schlachter-Paul wird für dich ein Päckchen Tabakwerfen!" Erni Schultz, der hinter mir ging und eine Autorität zwischen den Zuchthäuslern war, sagte: ,,Laß mich das mal machen, sonst geht es schief'!" Zu meinem Vordermann sagte er: ,,Du fingst auf, und ich trete bei der nächsten Runde aus!" Als wirwieder bei der Baukolonne vorbeikamen, gab ich dem Schlachter-Paul das Zeichen, daß wir klar seien zum Empfang. Erni Schultz trat nach einer weireren halben Runde aus der Reihe, um seine Schuhsenkel zu binden, und konzentrierte dadurch die Aufinerksamkeit der beiden Wachrmeister auf sich. Kurz darauf passierten wir die Baukolonne, und Schlachter-Paul
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warf das Päckchen, welches von meinem Mitgefangenen vor mir aufgefangen wurde. Alles ging gut, weil die Außeher ih¡e Aufmerksamkeit auf Erni Schultz konzentrierten. Erni war drin für acht Jahre. Im Binbrechen war er besser als im Ausbrechen. Betrefß seiner Ausbruchversuche sagte er mir einmal, als ich mit ihm sprach: ,,Siehst du, ein mißglückter Ausbruch kostet nicht viel, und ich habe wenigstens das Gefühl, daß ich etwas getan habe. Wenn ich Pech gehabt habe und wieder in der Zellebin, beginne ich die Vorarbeiten ftiLr meinen nächsten Ausbruch." Je größer die Sicherungsveranstaltungen in Fuhlsbüttel wurden, desto kühner wurden die Pläne. Darüber andererweits. Beim Einrücken der Stationen übernahm ich den Tabak. Im Päckchen waren auch zehn Streichhölzer und Reibfläche. Ich mußte natäLrlich mit dem IGlfaktor und dem Gefangenen, der mir hal| teilen. Erni teilte mir durch den Kalfaktor mit, daß er genug habe. Er hatte viele Fäden in Fuhlsbüttel in seinen Händen, und obwotrl viele davon wußten, wagte doch keiner, ihn zu verraten. Ich hatte nun genug zu rauchen, und es war mir immer möglich, eine kleine Reserve in der ZelLe zu haben. Da es nicht immer Streichhölzer gibt, lernte ich auch bald das Feuermachen. Abends, wenn die Gaslampe brannte, wurde ein Streifen Material vom Flemd abgerissen und über der Gaslampe zum Brennen gebracht. Sowie der ganze Lappen brannte, wurde das Feuer zwischen den Seiten der aufgesctrlagenen Bibel durch ZusammenklapPen des Buches erstickt. Dadurch bekam man Zunder, der natürlich versteckt wurde. Dann besorgte man sich durch den Kalfaktor einen Stahlknopf (Hosenknopf), etwas starken Zwun und einen Feuerstein, den man beim Spaziergang auf dem Hof auþicken konnte. Damit hatte man alles, was man brauchte. Solange die Gaslampe brannte, brauchte man keine solchen Hilßmittel. aber man mußte auch vorsichtiger sein, nicht erwischt zu werden. Das Rauchen ist ver-
boten und kostet in der Regel einen Tag Dunkelarrest im I(eller. Soweit möglich, vermeidet man das. Wenn man schon riskiert, am
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FÄNGNISJAHRE IN FUHLSBÜTTEL
GEFÄNGNISJAHRE IN FUHLsBÜTTEL
Tage oder am Abend, wenn die Lampe brennt, zu rauchen, hockt
man sich vor den Ventilationsschacht, so daß nach Möglichkeit aller Rauch durch den Ventilationsschacht abzieht. Das Risiko ist naniLrìich während der Betriebszeit größer als in der Dunkelheit nach dem Nachteinschluß. Sowie das Licht in den Zellen abge= dreht ist, beginnt das Rauchen in größerer Sicherheit. Man holt,r den Stahlknopf,Zwun,Zmder und Feuerstein aus dem Versteck.. Sowie die Nachtwache ifue erste Runde gegangen ist, ist es Zeit. Man nimmt den doppelten Faden, d.h. das eine Ende zwischen die Zahne und das andere Ende zwischen Zeigefinger und Daumen. .
Der Faden geht durch zwei Locher des l(nopfes. Dann winder man den Knopf auf und bringt den Stahlknopf zum Spinnel. In- der rechten Hand hat man nun den Feuerstein und bringt ihn vorsich. tig an den spinnenden Stahlknopfheran. Die Funken beginnen zri sprritren und fallen auf den Ztnder,den man auf den I(nien liegen hat. Es funktioniert nanirlich nicht immer sofort, aber nach kurzer Zeit beginnt der Zwder zu glimmen. Das ist der Moment. Man raucht an und genießt. Je länger man im Zuchthaus sitzt, je besser _ funktioniert das Feuermachen. Wie in allem gibt es natürlich auch Meister im Feuermachen, ich war keiner, wenn es mir auch immer gelang, schließlich doch Feuer zu bekommen. ZigarettenhriLlsen klebte ich von Tütenpapier. Wenn ich rich: es gute und lange Zigaretten. Wenn kein
tig Tabak hatte, gab
Rauchtabak da war, wurde Priemtabak ausgewaschen und getrocknet, dann geschnitten und mit ein wenig nicht ausgewaschenem Priemtabak gemischt, letzterer gab die Würze. Beim ersten trefenZug wurde man immer ein bißchen schwindelig. Das Verbot des Rauchens ist nattirlich ein Unsinn. Geraucht wird doch! Die Zigarene in der Nacht und die paar Lungenzige am Tage sind die einzigen stimulierenden Ablenkungen, die man hat und eigendich den vernünftigen Menschen zusammenhalten. Die l{ausordnung und die vielen Verbote sind die eine Seite des Lebens im Zuchthaus. Wenn man sich über die O¡dnung der
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Verbote und Disziplin hinwegsetzen will, muß man alle Intelü,genz und Willenstùke aufbieten. Den meisten Gefangenen gelingt .es, das bedeutet, sie bleiben gesund. Wem das nicht gelingt, der wird zermahlen. Wird ein Psychopath in dieser oder jener Form. Fängt an zu spinnen, spricht mit sich selbst, hört Stimmen und þerãusche oder sieht Dinge, die nicht da sind. Akustische oder optische Halluzinationen. Andere entwickeln eine Art religiösen lVahnsinn. Es beginnt ganz unauffillig, und die Wachtmeister können es nicht bemerken und nicht rapportieren. Ich schreibe diese Zeilen 35 Jahre nach den Ereignissen im FuÏlsbütteler Zuchthaus. Die genauen Daten fitu: die verschiedenen ,{ktionen kann ich selbswerständlich nicht mehr angeben. Diese spielen auch keine große Rolle. Es war wohl Anfang Juh I92L, daß ich zum erstenmal mit meiner Station (B 3) zur Schulstunde, die Schule war im alten Zuchthaus gleich neben der Zentrale und mit der Bibliothek verbunden, in den Schulraum einrückte. Meine Zellennachbarn machten mich hier auf die verschiedenen anderen politischen Gefangenen von den Stationen I und 2 aufmerksam' Ich kannte keinen dieser Genossen, aber diese waren schon durch ifue Kalfaktoren orientiert, und soweit die Ordnung es zuließ, begräßten wir uns. Der Lehrer Fense betrat den Schulraum, und die Wachtmeister verließen den Schulraum, der von außen verschlossen wurde. Lehrer Fense war bei den Gefangenen beliebt, und seine Schulstundenwaren eine Erholungvon dem eintönigen Zuchthausleben. Er hatte für jeden ein freundliches Lächeln und sah überviele Verstöße gegen die llausordnung hinweg' Sein Unterricht bestand, wie ich schon anführte, imVorlesenvonArtikeln im Hønobørger Frewd'enblølr, insbesondere solcher Artikel, die sich mit der Lage in der Welt, gesehen vom deutschen Standpunkt, befaßten oder auch mit der innenpolitischen Lage. Das Frewd'enbløtt hielt damals politisch ziemlich auf einer mitdçren Linie und war nahe der Demokratischen Partei. Die Demokraterl waren mit den Sozialdemokraten zusammen in der l{amburger Regierung. Der
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GERSTREIKS
Senat bestand aus acht Sozialdemokraten und acht Demokraten. Diese Konstellation war ziemlich günstig frir die Akrionen, die ich,
Direktor Christian l(och mischte sich in den ersten Tagen r ein. Er überließ die Sache seinen höheren Anstaltsbeamten den Ä¡zten. Der Anstaltsarzt begam seine Visiten am zweiten Tage und mir, daß ein absolut leerer Magen sich durch einen besonn Geruch bemerkbar macht. Vom dritten Taqe an konnte er den l{ungergeruch feststellen.. Der Arzt beschränkte sich in den Tagen auf die Beobachtung der Streikenden. Am fünften le.rsten ,Tage nahm er die ersten vier Hungerstreiker ins Zuchthauslazarett. fn den folgenden Tagen wurde dann einer nach dem anderen ins .
in den nächsten zwei Jahren im Zuchthause durchfüh¡te. Als ich an diesem Julimorgen in der Schule saß, war ich mir über eine Sache vollkommen klar, ich mußre, soweit möglich, mit den anderen Kommunisten im Zuchthaus eine Organisation schaffen und Maßnahmen treffen, die es mir ermöglichten, mit ihnen zu. sammenzukorrunen. Diese Idee hatte ich im Kopf, als ich in der , Schule saß und als nach Verlesen irgendeines Artikels die Gefangenen Fragen stellten oder iÏre eigenen Ansichten ausdrückten. Ich meldete mich auch und wa¡ bald in vollem G*g, meine eigene Meinung, die damals die Linie der KPD war, den Gefangenen zu erkldren. Es gab bald Zurufe von den Genossen, und das Resultat war, daß ich mich an diese wandte und sie aufforderte, den Kampf auch innerhalb des Zuchthauses gegen das kapitalistische System fortztsetzen lch forderte sie auf, mit mir am nächsten Morgen in einen Hungerstreik einzutreten, der ein protest gegen unsere Gefangenhaltung sein sollte und dessen Echo die Hamburger Ar- _ beiterschaft wachrütteln werde. Die Temperarur in der Schule war aufSiedehitze gestiegen, und der Lehrer konnte in diesem Tumult nichts anderes tun, als die Alarmklingel zu drücken. Immerhin erreichte ich die Zustimmung der anderen politischen Gefangenen, am nächsten Morgenin den l{ungerstreik einzutreten. Wir hatren nur eine Forderung, die Freiheit! Die Politischen, die auf anderen stationen lagen und nicht anwesend waren beim schulunterricht, wurden im Laufe des Tages durch die Kalfaktoren benachrichtigt, und am nächsten Morgen sagte mir unser Stationskalfaktor, daß l7 Politische dieAnnahme von Nahrung, in diesem Falle Brot und Kaffee, verweigerr hatten. Jeder von ihnen hatte dem jeweiligen Stationswachtmeister mitgeteilt, daß er in einen Hungerstreik eintrete und diesen fortsetzen wtirde bis zur Freilassung. Dasselbe hatte ich meinem Stationswachtmeister gesagt. Für das Zuchthaus in Hamburg-Fuhlsbüttel war der Hungerstreik ein .
I-azarett gebracht. Mit einem anderen Genossen, Guttschick, zusarnmen wurde ich am neunten Streiktage insLazasett gebracht. Alle Politischen, i.die den Streik aufgaben, wurden in größeren Hospitalzellen zusammengelegt. Schließlich gaben auch Guttschick und ich am zwölften Tqge auf und kamen mit anderen Politischen zusarnmen in eine Zelle. Das war eine gute Zeit. Da waren Mitglieder der Kommunistischen Partei, Mitglieder der Opposition, der KAP, .,,
und Unionisten. Letztere waren Mitglieder der revolutionären Betriebsorganisation. Nachdem wir uns bekannt gemacht hatten, kamen nanirlich sofort wieder die Diskussionen in Gang über die {Jrsachen der Parteispaltung. Parlamentarismus, Gewerkschaften, Demokratie in der Partei u.s.w. Inzwischen bekamen wir sehr gutes Essen und kamen verháltnismäßig schnell wieder auf die Beine. Noch einige Tage, und wir würden ins Zuchthaus zurückmüssen. Ich hatte das nicht vergessen, und eines Tages stellte ich diese Frage auf die Tagesordnung.
Ich machte den Genossen klar, daß das einfachste Mittel, das zu verhindern, sei die Wiederaufüahme des llungerstreiks jedesmal dann, wenn die Rückverlegung stattfinden solle oder mit Gewalt durchgefrihrt wtirde. Die Mehrheit fütrlte sich-jedoch nicht stark genug, um jetzt gleich einen neuen llungerstreik zu beginnen. Ich machte also den Vorschlag, dem Direktor I(och bestimmte I
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Bedingungen zu stellen, nach deren Erfüllungwir unterVorbehalÊ wieder zurückgehen wollten. ::t,
Direktor I(och, der zuersr versuchte, die übrigen Politischen von mir zu trennen) ging nach einiger Zeit auf die Bedingungen ein. Einer der wichtigsten Punkte, welchen wir durchsetzren, war die Zusammenlegung von je drei politischen Gefangenen. Das bedeutete sehr viel. Ich wußte, daß die meisten meiner Genossen die Einsam-, keit in der Zelle nicht abkonnten. Nach etwa drei Wochen Hospi.
talaufenthalt waren wir alle wieder im Zuchthaus zurúck. Ich lag zusammen mit einem Barmbecker und einem Geesthachter. Beide hatten an dem HamburgerAußtande teilgenommen. Gute einfache., Kerle. Wir benutzten eine Zelle zum Sctrlafen und die andere zum fubeiten. lVir klebten Tüten. Die Arbeit hatren wir uns so eingeteilt, daß einer das Papier faltete, der zweite den Kleister außtrich unð der dritte die Tüte zusammenklebte. Diese Arbeit, die rein mecha- . nisch getan wurde, Iieß uns vollkommene Freiheit zum Sprechen. Abgesehenvon derin einem Zuchthaus üblichen Beschränkung der persönlichen Freiheit bekam mtr dteZeitmvischen den beiden ersten _ Hungerstreiks gaûz gut. Das Essen wurde allerdings schlechter und schlechter. Meinen beiden Genossen, die mit mir zusammenlagen und denen übrigens der Aufenthalt im Zuchthaus schlechr bekam, machte ich in dieser Zeit meinen Standpunkt klar über die pflicht eines revolutionáren Arbeiters im Zuchtiaus. Die Quintessenz dieser Auffassung war: Niemals nachgeben. Sich nicht einfügen. fmmer zu neuenAktionen bereit sein. Wir mußten dafür sorgen, daß die Außenwelt uns nicht vergaß. Wir hatten gut funktionierende Verbindungen hergestellt zu den politischen Gefan genen, die in Anstalt II ( Gefringnis ) saßen, und. es war auch geglückt, die Festungsgefangenen inAnstaltVper Kassiber zu erreichen. Allerdings erlebten wir mit diesen ,,Genossen., eine schwere Enttäuschung. Die zu FestungshaftVerurteilten hatten das Recht, sich selbst zu verpflegen, jeden Tag Besuch zu bekommen, Rauchen war ilnen gestattet, und einmal in der Woche konnten .
Abb. 52 | Die Gefoiøgøisønstøben iø Hø¡øbørg-Føhhbüttel.
f; Eingøng ,
-13.
Møschinen- ønd
Wøschhøøs, I(ilcbe l(irche 14. Eisheller 3. Männergefängnis 4. Geneinsøne Srile fär Männer 15. Frøuengefringnis 16. Wohnhøøs für weibArbeitsbørøche liche Beøøte ó. Mälþrabe 17. Torgebäød'e 7. Kohlenschøppen )8' Verwøbøng und,Kirche 8. Enteisøngsønløge o Løger, Schnied'e, Sþritzen19. Zellen 20. Gemeinsøwø Säle høøs 21. Bricherei l|.Jøgendgeftingnis 22- I(üche und Wøschhøas ll. Krønh.enhøal 23. Kohlenschøppen l2.Leicltenhøas
Verwøbung ø7d
24. Møschinenhøøs 25. Løger. Spritzenhøøs,
Desinføhtioøsønstølt 2ó. I(rønbenbørøcþ.e
z/- Lrønzenøøus 28. Eisheller
29. Wøsertørn
Mülþrube 3l- Direl¿torenhøøs 30.
32.
Wo bnh iíø s er fièr In sP e þ.toren, Árzte, Geistliche
ønd. Lehrer 33. Wobnhtìuser
für Aafseher
für sieben Stunden in die Stadt gehen. Sie fühlten sich als die Offlziere einer revolutionáren Bewegung, deren wì¡kliche Barrikadenkåimpfer im Zuchthaus und Gefängnis saßen. Diese Flerren sie
lehnten unsere Forderung, uns Tabak o det Zigaretten zu schicken, ab mit der Begründung, daß das für sie zu gefährlich sei, da sie ja ihre Vergtinstigungen dadurch verlieren könnten!
Wir im Zuchthaus nahmen natürlich dazu Stellung, und ich benutzte den Anlaß, eine Illusion nJ zerstören Die Anti-BonzenEinstellung der politischen Zuchthäusler festigte sich mehr und
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,,,=}).-,
mehr. Gleichzeittgiberzeugte ich die Genossen davon, daß man die Sonderstellung Hamburgs ausnutzen müsse. Hamburg hatte als Freie Flansestadt eine eigne Regierung, die sich aus Sozialdemokraten und Demokraten zusammenserzte. Wenn die KPD nicht imstande war, etwas für unsere Freilassung zu tun, dannmußten wir eben selbst etwas tun. Durch andauernde Aktionen, besonders im Zuchthause, I{ungerstreiks insbesondere, konnten wir die Arbeiterschaft llamburgs, besonders die Werftarbeirer, Hafenarbeiter und Seeleute, in Bewegung bringen. Unzufrieden war die A¡beiterschaft sowieso schon, die steigenden Preise aller Lebensmittel, die täglich größer werdende Enrwertung der Ma¡k und damit die immer mefu sinkenden Löhne hatten eine Atmosphare geschaffen, die wir ausnutzen mußten. Wir mußten die Aufrnerksamkeit der Hamburger Arbeiterschaft auf das Zuchthaui* in Fuhlsbüttel konzentrieren. Wáre das Essen etwas besser gewesen und reichlicher, dann wáre es viel schwerêr gewesen) die Genossen so oft zum Hungerstreik zu veranlassen.
Am nächsten Streik nahmen 2I Mann teil, darunter auch einige Genossen, die nicht mit waren beim ersten Streik. Die Prozedur von Seiten der Direktion war dieselbe. Als die ersren Leute beim Spaziergang umfielen, wurden sie ins Zuchthaushospital gebracht,
wohin ihnen bald alle anderen nachfolgten. Diesmal versuchte Direktor Koch einen Trick. Er besuchte mich eines Tages und schlug mir vor, die Hungerstrefüdee aufzugeben. Er sei bereit, mich als politischen Gefangenen zu behandeln und mir eine ganze Reihe von Bevorzugungen zu bewilligen, wenn ich auf seinen Vorschlag einginge. Er sagte: ,,Sie haben rwar die längste Strafe, aber das Gericht hat Sie im Besitz der büLrgerlichen Ehrenrechte belassen, und das gestattet mir, mit Ihnen eine Ausnahme zu machen." Ich war damals wütend über seinen Vorschlag, erldárte ihm jedoch in höflichster Form, daß ich nicht daraufeingehen könne. Von mir ging er di¡ekt zu den anderen und machte ihnen denselben Vorschlag.
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ich das nächste Mal mit meinen Genossen zusammenkarn, ermir Guttschick (ein Steinträger), welche Abmachung Koch a¡rit ihnen getroffen hatte. Ich machte mich sofort an die Arbeit nnd zerstörte jeglichen Einfluß, den Koch auf meine Genossen geworulen hatte. Mit Ausnahme nur von zwei Genossen, die jeglichen Kampf aufgaben, gingen die anderen frinfzehn mit mi¡. Um unsere Aktionen zu verschárfen, begann ich eine Kampagne unter den tibrigen, Ïriminellen Gefangenen, die ebenso wie wir unter der Verschlechterung der Ernährung litten. Das führte im Winter
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zu den ersten Hungerdemonstrationen. Alle Gefangenen öffneten ihre Zellenfenster) es war ein Sonntagnachmittag, und dann schrie man von allen Stationen: Hørtger!, immer wieder, un-
unterbrochen:,,Flunger, I{unger, Ffunger!
"
. Die Stationswachtmeister liefen nervös hin und her. Die Wachen wurdenverstùkt. Die Sicherheitswachen der Schupo schrien: ,,Von den Fenstern wegl", und fuchtelten mit ifuen Gewehren. Die Gefangenen an den Fenstern beschimpften die Wachen im Hof und schrien: ,,Bluthunde!" Die Flölle war los. In einigen ZeIIen frng man an) die Zellenei¡richtung zt zerscltlagen. Man hämmerte an den Ttiren. Es war wunderbar. Es war wie ein Gewitter. Dazwischen zerklirrten ein paar Fenster, irgendwie konnte man die Trillerpfeifen der Polizei durch den wahnsinnigen Lârm hören. In der Zentrale hatte man alle verfügbaren Wachen zusarnmengezogefl, aber man war machtlos gegen den Orkan der Wut, der sich in den Zellen austobte. So etwas hatte die Anstalt Fuhlsbüttel noch nicht erlebt. Aber jeder Sturm nimmt ein Ende, und als der Abend kam, waren nur noch die üblichen Geräusche zu hören. Das normale Schließen
und Öffnen der Zellenniren, das Geräusch der über den Galerien von Tär ztt Titr schlirrenden Eßkübel und dann der endgültige Doppeleinschluß frir die Nacht. Aber diese erste Großkundgebung der gesamten Zuchthausbelegschaft war und blieb ein wirkliches Erlebnis. Direktor Koch
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und sein Stab hatten sofort begriffen, von wo und wer die Aktion eingefüdelt hatte. Am nächsten Tage schon gaben mir einige der maßgebenden Gefangenen zu verstehen, daß sie jederzeit meine Ilungerstreiks durch allgemeine Arbeitseinstellung unterstitzerí
würden.
In dieser Zeitbegann eine Reorganisation in allen ,{nstalten in, Fuhlsbùttel. Die braune Uniform der Zuchthäusler wurde durch,, vertìkal gestreifte (breite schwarze Streifen auf Hellbraun) Uniformen ersetzt. Die Nummer wurde nicht mehr getragen) und die Gefangenen durften die llaare normal wachsen lassen. Fünfzehn politische Zuchthäusler verließen das Zuchthaus, nachdem der Hamburger Senat ifue Strafen in Gefiingnisstrafen umgewandelt hatte. Das war inWirklichkeit ein Schlag gegèn mich, und ich verstand natrirlich, daß man damit glaubte, sie meinem" Einfluß entzogen zu haben. Ich beschloß, klug zu sein und nichts Unüberlegtes zu tun. Als Direktor Koch mich im Frdhjahr 1922 besuchte und mich frug, ob ich bereit sei, in der Zentralbibliothek zu arbeiten, nahm ich seinenVorschlag sofort an. Außermirwarnur noch ein politischer Gefangener im Zuchthaus. Ein großer, starker Kerl, einäugig, ein Funktiondr der revolutionâren Betriebsobleute
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Als ich in die Zentralbibliothek kam, hatte mir Koch das Recht eine politische Bibliothek einzurichten. Außerdem war mir erlaubt worden, andere politische Gefangene nach der Aritszeit und sonntags zu besuchen. Zum Besuchen war nur der Eugen Rother geblieben. Also ging ich zu ihm. Selbswerich machte mir Eugen den Vorwurf, daß ich vom Direktor gekauft sei und den Kampf aufgegeben habe. Ich sei ein Überzeugen, daß ich recht hatte, konnte ich nur dadurch, daß ihm ganz einfach sagte: ,,Wir beide werden zusammen streiken zwar solange und unter solchen verschdrften Umständen, daß beide diesmal aus Fuhlsbüttel rauskommen." Wie Eugen mich ! Ich entwickelte ihm meinen Plan. In zwei Wochen war Pfingbekommen. , und jeder von uns würde ein Lebensmittelpaket auÊ Pfingsttag diese Lebensmittel werden wir bis zum ersten ,,åt.tt, damit wir mehr Kräfte haben und nicht so schnell umfallen. IJm den Streik zu verschárfen, werde ich von det ZentsaJbibliothek j,passende I{olzklötze und lange Nägel mitbringen, um die Zellentür, þe nach innen aufging, zuzukeilen. Wenn man versucht, die Tür
gon außen aufzubrechen, werden wir das zu verhindern suchen'
der Hamburger Werften. Er war ein Unionist. Die Allgemeine A¡beiter-Union Deutschlands war ursprünglich die gewerkschaft-
,Pugen Rother war einverstanden. Bei den nächsten Besuchen brachte ich jedesmal einige Nägel, Holzklötze, ÉIammer und alles, was
liche Organisation der alten KPD (Spartakusbund), die nach dem Heidelberger Parteitag I9t9 mit der antiparlamentarischen KAPD zusarnmen eigene, mehr revolutiondre Wege ging. Eugen Rother hatte bisher an keinem Hungerstreik teilgenommen und sich mehr und mehr als foderalistischer Revolutionár in eine autonome AuÊ fassung eingesponnen, die ihn so weit brachte, daß er sein unsolidarisches Verhalten für richtig hielt. Groß und ungeheuer stark wie er \Mar, brauchte er eine regelmáßige Ernäfuung und, wie er mir später ganz offen sagte, mußte er, ganz g)eich wie elendig das Essen war, doch etwas zum Essen haben. \Ã/as er noch haben mußte, war seine Frau. Wenn jemals einer gelitten hat, er litt!
,ryir brauchten zu unserem Vorhaben. Rother, der in seiner Zelle !üten klebte, verstaute alles ganz geschickt. Wir erhielten unsere pakete, von deren Inhalt wir alles aufaßen. Das letzte aßen wir am
,Pfingstmorgen, als die Stationen zum Ifüchgang ausnickten. Der Wachtmeister, der mich am Pfingstmorgen nach Rothers Zelle brachte, war einer von den alten Beamten aus der Kaiserzeit' Bevor er mich in die Zelle einschloß, hätte er mich gern, wie es .Ëiblich ist, untersucht, ob ich verbotene Sachen an mir habe. Aber es war Pfi.ngsten, und er wußte eins bestimm-t, es würde einen ,Zusammenstoß mit mir geben und einen riesigen IGach gerade r¡or dem Kirchgang. Er schloß auf, ließ mich hinein' Hinter mir
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krachte die schwere, eisenbeschlagene Tür ins Schloß. Wir waren , allein uàd würden alles tun, um allein zu bleiben. Bis zum Ausrricken der Stationen hatten wir noch etwa eine Stunde Zeit, die. wir damit verbrachten, die ganze Aktion zu besprechen. , Der große, starke Eugen Rother war ziemlich nervös, und iclr, tat, was in meinen Ikäften lag, ihn aufzuheitern. Die Stunde wurde , verdammt lange, aber schließlich kam doch das Signal für die Stationen zum Ausrücken nach der I(rche. Als es auf den Galerien ruhig wurde und nur noch die Sicherheitswache in der Zentrale war, begannen wir unsere Arbeit. Wie gesagt, die schweren, eisenbeschlagenen Türen öffneten nach innen. Das Zuchthaus war alt, die Mauern dick und i¡fol gedessen warerì auch die Türpfosten dick und massiv und hatten in einem gewissen Abstand von der Tür in der Ttirfüllung starke'. Leisten. Wi¡ nahmen die rechteckigen Klötze und keilten sie ein zwischen Tür und Frillung. Gewonnen hatten wir schon, als der erste Klotz dazwischensaß. Schnell folgten die anderen Klötze. AIs wir alles festgekeilt hatten, schlugen wir die dicken, 6 Zoll Iangen Nägel durch die Klötze in die Trirpfosten. In der Mitte der Tür befand sich eine Essenklappe, die von außen durch einen schweren Riegel und einen großen Eisenbügel verschlossen war. Diese Klappe wurde bei der Essenausgabe nicht mehr gebraucht: Bei der Essenausgabe wurde die Tür geöffnet. Wir hätten uns nun eigentlich hinsetzen können, um die Entwicklung der Dinge abzuwarten, aber ich hielt es frir besser, noch einige weitere Vorbereitungen zt treffen. Ich setzte deshalb dem Eugen auseinander, daß der luitische Punkt in der Tür die Essenklappe sei und daß wfu nicht in der Lage seien, das öffnen der Klappe zu verhindern. Aber wenn die I(appe auf ist, dann müssen wir mit allen Mitteln den Kampf so führen, daß es den Angreifern nicht gelingt, die Klötze loszubrechen. ,rWas können die Beamten tun", frug ich Eugen, ,rum uns von der Tü¡ wegzuhaltenl" _
Eugen sagte sofort: ,,Die werden ein paar große Feuerlöschn an die nächsten Hydranten anlegen und uns von der wegspritzen!" Wir beschlossen) von der dreiteiligen Matratze Schilde zu man. Ich hatte ein paa-r gute Längen dünnes Tau mitgebracht, damit behandelten wir die Matratzkeile so. daß wir sie über Arm streifen konnten als Schutz gegen die nt erwartenden Inzwischen war es 12 Uhr geworden. Die Wachen in der Zenwurden verstdrkt, und dann hörten wir das Getrampel der cinrückenden Stationen. Schließlich war auch unsere Station wieder Abb. 53 lZelle in der Høftøøstøh Fu.hßbüttel
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eingeschlossen, und wir hatten noch einige Miruten bis zur Essenausgabe. Dann würde derWachtmeister die erößte seines L,ebens haben.
Bald darauf hörten wir auch schon, wie die Essenkübel nacb: oben getragen wurden, und kurze Zeit darauf begann die Essery ausgabe. Jedesmal sctrloß der Wachtmeister zwei TriLren auf. Der Kübel schli¡rte an die erste Tür. Jetzt an die zweite. Der Wacht, meister rannte zurück, verschloß die erste Tür, jetzt die zweiteDann öffnete er wieder zwei Türen. Näher - näher - näher! Jeøt war unsere Tür an der Reihe. Die Schlüssel klirrren ins Schloß. der Riegel flog zurück, ... ønd. d,ie Tür ging nicht øøf! Drei- oder viermal versuchte er auf- und zuzuschli eßen. Die Tür bewegte sich
nicht!
Jetzt guckte er durch den Spion!
Wir sahen sein Auge, die Pupille rasrere über die Zelle, reg¡strierte eine verdächtige Unordnung, konnre jedoch die Klötze im Türrahmen nicht sehen. Wir konnten sein erregtes Atmen hören. Er stand stille vor der Tür, und ich sagte zu Eugen, der vor Aufregung zittertei ,,Jetzt arbeitet sein kleines Gehirn! Es ist etwas passiert, was er nicht begreifen kann!" Gleich darauf yersuchte er nochmals aufzuschließen, aber das Resultatwar dasselbe. Schließlich begriffer, daß er Essen ausgeben mußte und verschloß unsere Tür. Er beendete die Essenausgabe, schloß den Kalfaktor ein und kam zurück zu unserer Tür. Wieder erschien seine Pupille im Spion, wieder versuchte er, die Tür aufzuschließen. Die aber bewegte sich keinen Millimeter! Jetzt klopfte er an die Tür, und ganz erregt frug seine Stimme : ,,Was ist losf Was haben Sie gemachtt Die Ttir geht nicht aufì., Ich schrie: ,,Diesmal haben wir die Tür zugemachtl Wir sind in einen Hungerstreik eingetreten und wollen nicht gestört werden!.. Er schrie zuriick: ,,Die Tür muß auf sein! öffnen Sie sofort!.. Ich lachte und sagte : ,,Daß die Ttir auf sein muß, ist das erste,
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Fuhlsbüttel gehört habe! Diesmal haben wir die Ttir n- und sie bleibt zu!" Er lief fort, und wir hörten ihn die Treppe hinunterlaufen nach ich
ZentraIe. Er hätte telephonieren können, aber vielleicht dachte ; es sei besser, den Rapport persönlich zu machen.
,r,Kurz darauf kam er zurück, begleitet von anderen. Man flüvor unserer Tür. Nacheinander erschienen Augen an unserem . Dann flüsterte man wieder. Schließlich klopfte einer an der . und wir hörten die Stimme des Oberwachtmeisters: ,,Was Sie fi.ir einen Unsinn gemachtf Machen Sie die Tür aufl" ,,Die Tür aufzumachen ist Ihre Arbeit! Aber es ist besser, es nicht versuchen. Lassen Sie uns in Ruhe. wir können von hier nicht wi¡ wollen nur in Ruhe unseren l{ungerstreik durchfilfuen! Wenn Sie versuchen, die Tür aufzubrechen, werden wir das mit allen Mitteln verhindern!" schrie ich zurück. Diesmal so laut, daß die Gefangenen in den nächsten Zellen hören konnten, was vorging. Vor unserer Zellentür fand eine Konferenz im Flüsterton statt. Der Polizeünspektor erschien vor unserer Tür und versuchte, llns zu veranlassen, die Tür zu öffnen. Wir gaben ihm dieselbe Absage, aber er hatte wahrscheinlich Orders, die Trir unter allen Umständen zu öffüen. Er gab Anweisung, alle anderen Zellenvme für die Nacht zu schließen. Die Freistunde für alle Stationen wurde aufgehoben. Inzrv'ischen hatten die anderen Gefangenen von Fenster zu Fenster die Neuigkeit über urìsere Aktion weitergegeben. Aber noch war es st:ll. Di'e Stille vor d'ern Størvn! Etwa um 3 Uhr am ersten Pfingsttage wurde die Ruhe unterbrochen.
Wir hörten, daß man Geräte in der Nähe unserer Tür hinlegte. Noch einmal erschienen nacheinander Augen an unserem Spion. Noch einmal wurden wir, diesmal vom Oberinspektor Prieß, aufgefordert, die Tür zu öffiren. Wir gaben ihm dieselbe Antwort: ,,\Mir wollen in Ruhe gelassen werden! Wir haben keinem Menschen etwas getan. Sie können die Tür aufbrechen, wenn wir keine IGåifte
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jetzt versuchen, wird es zu unnützem Bluwergießen kommen, und das wird auf Ihre Verantwortung gehen!" Aber draußen hatte man schon mit der Arbeit begonnen. Man mehr haben, uns zu verteidigen. Wenn Sie
es
stemmte den großen Bügel ab, der die Sicherung der Klappe war, _ nachdem man den Riegel zurückgeschoben hatte. Das war ein Lärm. Eugen Rother lief wie ein wildes Tier in der Zelle hin und her. Plötzlich sah er den schmiedeeisernen Fuß des Klappbetts. Er faßte es rnit beiden großen, starken Händen. Die Augen traten ihm aus den Höhlen vor Anstrengung, als er es mit ungeheurer Anstrengung aus dem Gelenk brach. Gerade in diesem Moment flog die Essenklappe aufl Draußen aufder Galerie standên der Oberinspektor Prieß, der Polizeünspektor) ein paar Oberwachtmeister, Werkmeister und andere Beamte . " Sie konnten jetzt sehen, wie wir die Tür von innen verbarrikadiert hatten. Sie alle glaubten, daß es nun ein Kinderspiel sei, die Keile innen an der TüLr zu beseitigen. Aber sie hatten sich geirrt. Einer der mutigsten Wachtmeister hatte eine lange Brechstange genommen und steckte sie dwch die Öffnung mit seinem Arm und begann, unsere Klötze zu bearbeiten. Bevor ich etwas machen konnte, sprang Rother zur Tür, ergriff die Brechstange und versuchte, sie dem Wachtmeister wegzunehmen. Der Wachtmeister hatte diesen Angriff nicht erwartet, hatte aber doch die Geistesgegenwart) die Brechstange wenigstens halb wieder aus der Zelle herauszuziehen. Ich war natrirlich Eugen zu Hilfe gesprungen. Auf der Galerie tat man dasselbe, nur mit dem Unterschied, daß wir die größere Hälfte in der Zelle hatten und unsere ganze Kraft aufbieten konnten. Auf der Galerie war nicht genügend Platz, die Beamten standen sich selbst im Wege. Es waren zuviel Hände an dem kleinen Snick der Brechstange. Zenimeter um Zentimeter zogen wir die Brechstange in die Zelle. Draußen schrie man. wir brüllten. Plötzlich warf sich Rother mit seinem ganzen Körper auf die Stange und dadurch kamen plotzlich die
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I{iinde draußen, die nicht loslassen wollten, in die Klemme, Finger und H¿inde wurden gequetscht, man schrie, man fluchte. Blut lief qn der Tür herunter, und Rother war im Besitz der Brechstange. !t,*"t vollkommen von Sinnen. Er stieß die schwere spitze Waffe und seinen ganzen Arm durch die Öffnung, und soweit, wie er ¡eichen konnte, fegte er die Galerie vor unserer Zelle rein von IVachtmeistern, Inspektoren u.s.w. Das war ein Rennen und Laufen, alle Beamte brachten sich in Sicherheit. Im Zuchthaus brach .ein Orkan los, man schrie , pfiff, die Türen und Fenster krachten. .,. Eugen Rotåer, der einen seiner Wutanfälle bekommen hatte, hielt die Galerie mit der Brechstange von Beamten frei und ließ niemanden in die Nähe unserer Tùr kommen. Da stand er wie der Erzengel Gabriel mit dem flammenden Schwert. Der Oberinspekfor hatte alle Beamte in die Wachtmeisterzelle zurückgezogen. Dort hielt man scheinbar eine Beratung ab. I(urz vor der Essenausgabe um 5.30 nachmittags wurden die auf der Galerie'herumliegenden Werkzeuge aufgesammelt, und mit Âusnahme einer Sicherheitswache verließen alle Beamte die Galerie. Von der offenen Essenklappe konnten wir einen Teil der Station riberblicken. Der Sturm im Zuchthaus ebbte ab. Es wurde stille.
Der erste Angriffwar abgeschlagen. Schließlich konnte ich Eugen veranlassen, seinen Posten aufzugeben. Wir beide setzten uns auf dieMatratzen beim Fenster. Nunmehr hatten wir eine Brechstange und den eisernen Fuß vom Klappbett als Waffen. Nach der ersten Attacke waren sich die Beamten darüber klar, daß wir uns gegen jede Störung verteidigen würden.
Wahrscheinlich wartete der Oberinspektor auf Anweisungen von der Direktion. Eugen und ich hatten die Auffassung) daß man uns in Ruhe lassen würde bis zum Dienstag nach Pfìngsten. Wir beschlossen, die Zeit auszunutzen) um zu ruhen. In der Nacht würden wir Wache gehen für den Fall, daß maq versuchen wtirde, uns zu überrumpeln. Die Nacht verlief ruhig. Ebenso der zweite Pfingsttag.
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Am Dienstagmorgen ging der
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auf die Beamten machte. Die zogen sich in die Wachtmeisterzelle ;rzurück und beschlossen, der Direktion vorzuschlagen, nicht mit Gewalt gegen uns vorzugehen. Durch die aufgebrochene Essenklappe beobachteten wir die ilVorgange auf der Galerie. Der Angriff war eingestellt, aber wir konnten natürlich nicht wissen, ob nur zeitweise' ,{ufjeden Fall blieb das ganzeMaterial, welches man nach oben geschafft hatte, in Bereitschaft liegen. Der IGach in den Zel\en flaute ab, als von Fenster zu Fenster durchgesagt wurde , daß die Aktion eingestellt war bis auf weiteres Nach einer Stunde oder so kam der Oberinspektor Prieß mit zwei Mitgliedern der Strafvollzug-I(ommission, einer von ihnen
Rummel los. Alle Gefangenen verweigerten die A¡beit. Am Nachmittag wurde plotzlich die Station von Beamten besetzt. Große Balken wurden über die Galerie gelegt. Einige Schlauch-
leitungen wurden ausgerollt und mit den nächsten Hydranten verbunden. Dann brachte man Dunkraft auf die Galerie und dachte, daß man die ziem-
lich massive Tùr mit je einer Dunlraft hinter jedem der vier
war das Mitglied der Bürgerschaft I(alweit, ein USPD-Mann. ;,F.r machte den Versuch, uns von dem lJnsinn und der Zweck.losigkeit unserer Streikaktion zu überzeugen. Von sich aus hatte Rußland , ef natürlich recht davon zu sprechen, wie man in politische Gegner behandle, und er erwähnte den gerade vor ,.sich gehenden Prozeß gegen die 4I Sozialrevolutionäre- Das machte natürlich auf uns keinen Eindruck. Außerdem wußten ',,wir zu dieser Zeit nicht viel über diese Partei in Rußland. ,14/as wir wußten, war die Rolle, die Sawinkow und die Rechten der Sozialrevolutionäre im Bündnis mit der Koltschak-Armee , itr Sibi.i.tt gespielt hatten. Wir baten ihn, uns in Ruhe zu las,
Balken eindrücken könne.
Als alle Vorbereitungen fertig Abb. 54 Md.B Ferd.inønd r(øtwøit. warerì) versammelten sich alle Wachtmeister auf der Galerie, und der Oberinspektor gab seine |
Anweisungen. Ich ging an die Öffnung unserer Trir und sprach zu den Ver-
sammelten. Ich schilderte ihnen unsere Lage und Absichten. ,,Warum jetzt eine solche Maßnahme, die zu unnützem Blutvergießen führen mußl Warum nicht warten, bis wir entkräftet sind von dem Hungerstreik und ihr uns in aller Ruhe herausholen könntl lJnsere Genossen im Hamburger llafen, die Seeleute und die Werftarbeiter, wissen, was hier vor sich geht, und werden von euch Rechenschaft verlangen) werìn ihr an irgendwelchen Gewaltmaßnahmen gegen uns teilnehmt." In meiner stark dramatischen Rede an die Zuchthausbeamten sagte ich natürlich viel mehr, will jedoch hier nur erwähnen, daß ich unter den besonderen l]mständen. unterstützt von dem Lärm und dem Geschreie der Gefangenenin den anderenZellen, die alle
in den Arbeitsstreik eingetreten waren, einen gewissen Eindruck
sen.
'
Nach einer weiteren halben Stunde oder so erschien der Direktor Koch, begleitetvon dem lustizsenator Nöldeke. Sie begrüßten
uns durch die Essenklappe-Öffnung, und I(och teilte uns mit' daß Senator Nöldeke beschlossen habe, uns innerhalb der nächsten 24 Stunden aus der Strafanstalt Fuhlsbrittel zu entfernen, , wenn wir bereit seien, unseren Widerstand aufzugeben, und die , Zellentür öffnen würden. Ich frug: ,,IJnd welche Garantie haben wir, daß wir rauskommen und nicht in eine andere Strafanstalt überführt werdenf "
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Koch und Nöldeke sagten: ,,Wir geben Ihnen unser Ehrenwort!" Ich machte darauf aufrnerksam,
wir in einem solchen Falle die Tür öffnen wúrden, daß wir jedoch den Hungerstreik solange fortsetzen würden. bis wir die Anstalt verlassen hätten. Damit daß
waren sie einverstanden.
Sie
gaben uns beide die Hand und
Abb. 55 | Der Hømbørger Jøstizseøø' tor Dr. Arnold. Nöldehe.
wiederholten das Ehrenwort. Es war für uns eine sozusagen feierliche Angelegenheit, und bevor wir den beiden die Hände gaben, hatten wir es kurz über-
legt. Eugen hatte Angst, daß man uns trennen wrirde. und deshalb verlangten wir, bevor wir die Trir öffneten, das Versprechen, daß
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r
man uns zusammen.l.assen würde. Auch das wurde versprochen. Dann nahmen wir unsere Werkzeuge und schlugen die IGile aus der TürfüIlung heraus. Wir hatten keine Ahnung) was uns er\ /artete. Die Wachtmeister auf der Galerie und in der Zentrale' hielten sich in einem gewissen Abstand von uns. Zwei Hellgehilfen baten uns, mit ihnen zu kommen. Sie brachten uns über den Hof und durch die kleine Tür in der hohen Mauer zwischen Anstalt I (Zuchthaus) und Anstalt II (Geftingnis). Man brachte uns nicht ins Zuchthaushospital, sondern in das mehr moderne Gefángnishospital. Zwei Ikankenzellen warteten bereits auf uns mit weit offen stehenden Türen. Ich sagte dem dicken, großen Oberheildiener: ,,Man hat uns versprochen, uns nicht zu trennen, und deshalb werden wir uns auch nicht trennen lassen! " Der Oberheildiener aber wollte seinen Willen durchsetzen- und zu diesem Zweck machte er den Fehler, Eugen Rother am,A.rme festzuhalten.
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Ðer fuhr mit plötzlicher Gewalt herum und gab dem Beamten einen Stoß, der ihn umwarf. Die anderen Heildiener zogen sich sofort zurück, und wir beide gingen zusammen in eine Zelle, die sofort von einem der mehr intelligenten Heildiener verschlossen wurde. Da waren wir nun in einem der ,,Geldschränke" in der Psychopathen-Abteilung. Der Ausdruck,,Geldschrank" wurde von den Gefangenen geprägt. Gefangene mit Haftpsychose kommen hierher zur Beobachtung. Damals war Dr. Matthey der Psychiater, der jeweilig zu beurteilen hatte, ob der Gefangene zurrickging ins Zuchthaus oder Gefängnis oder ob er in die ,,festen FIäuser" der Landespflegeanstalt überwiesen wurde. Wir brachen unseren F{ungerstreik nicht ab. Abends brachte man eine weitere }ifatratze in unseren Geldschrank und ebenso Bettzeug. Eugen Rother zweifelte sehr stark an dem Ehrenwort, daß wir in 24 Stunden aus Fuhlsbüttel heraussein würden. Ich tat allês, was in meinen lGäften stand, um ihn zu beruhigen, und versprach ihm, eine neue Aktion auszudenken für den Fall, daß wir auf einen Betrug hereingefallen seien. Die Nacht verging. Es war etwa l0 IJhr morgens, als unsere Tür geöffnet wurde und zwei F{eildiener un ser Zivllzeug, Schuhe und Wäsche brachten. Sie sagten uns, daß wir uns sofort umziehen sollten, da
wir in einer halben Stunde abgeholt würden. Auf
unsere
Fragen bekamenwirkeineAntwort. AIso zogenwiruns um, und wir waren kaum fertig, als die Tür schon wieder aufgeschlossen
wurde und man uns bat herauszukommen. Männer in weißen Kitteln erwarteten uns. Die begrüßten uns freundlich und boten uns sofort Zigaretten an. Sie baten uns, mit ihnen zu kommen, und als wir ihnen folgten, sahen wir, daß eine Ambulanz auf uns wartete. Wir kletterten hinein, die Weißkittel mit uns, und die Fahrt ging los. Durch das Geräusch der sich öffnenden und wieder schließenden Tore verstanden wir, daß wir aus Fuhlsbüttel heraus waren. Eugen fühlte sich nicht gut, nachdem er eine Zigarette geraucht hatte. Zum Glück war sein Magen leer, und
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die Ambulanz nahm keinen Schaden. Sie fuhr ziemlich schnell. Durch die Milchglasscheiben konnten wir nichts sehen. Schließlich wurde die Fahrt verlangsamt, ein Tor wurde geöffnet, der Wagen fuhr weiter, ein anderes Tor schloß sich hinter uns, und die Türen der Ambulanz wurden geöffnet. Wo waren wirl Im Pavillon No. 18 in der Landespflegeanstalt in Langenhorn. Eins der beiden ,,festen l{äuser" für Psychopatenvon Fuhlsbüttel. Immerhin. wir waren heraus aus dem Zuchthaus. Ein Krankenhaus ist kein Zuchthaus. Alles war wunderbar rein und freundlich. In ganz hellen Farben. Das Personal (reichlich vorhanden!) war zuvorkommend und hilßbereit. Wir wurden sofort zu Professor Schäfer, dem leitenden Chefarzt, gebracht. Er saß hinter seinem Schreibtisch, ein schlanker l{err, schmales Gesicht, die llaare ergraut an den Tempeln. Eine ruhige, aber feste Stimme sagte uns in wenigen Worten nach der Begrüßung: ,,Jeder Mensch, der einen Hungerstreik macht, begibt sich außerhalb des Normalen. Ich glaube jedoch, daß Sie den Hungerstreik im vollkommenen Besitz Ihrer Geisteslräfte beschlossen haben. Sie befinden sich hier zur Beobachtung, und ich bitte Sie, meine übrigen Kranken nicht zu beunruhigen. Benutzen Sie die Zeit,w sich zu erholen, und inzwischen kann der Hamburger Senat beschließen, was mit Ihnen zu machen ist. Sie müssen mir natriLrlich versprechen, den
Flungerstreik aufzugeben.
"
Wir gaben darauftrin die Erklärung ab, daß wir, nachdem wir tatsächlich aus dem Zuchthaus heraus seien, wieder essen wúrden. Damit war Professor Schäfer zufrieden und teilte uns mit, daß wir während der ersten Tage zu Bett liegen müßten und zwar im Wachsaal. Nach dem Bade wurden wir in den Wachsaal gebracht, wo zwei Betten frei waren. Auch hier war alles hell und freundlich und die Fenster groß. Die trGanken lagen ruhig in ihren Betten. Der Krankenpfleger, der die Wache hatte, saß an seinem Tische mit Wachbuch. Dicht neben ihm war der Alarmknopf. Zu jeder
Abb.íólDr.OttoMøtthey,Gefiingøir psychiøtèr d.er Høftønstøtt
Føhtsbüttet
Abb. 57 | Prof,
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Gerhørd. Schäfer,
wnd Pfi'eseønstøtt
Tages- und Nachtzeit konnte er Verstdrkung herbeirufen) wenn
die Kranken unruhig wurden. Wir benutzten die Gelegenheit) um uns in den wunderbaren Betten auszuschlafen, und gleichzeitig aßenwir mit gutemAppetit die guten Mahlzeiten und kamen wieder zu unseren normalen Kräften. Nach einigenTagen durftenwir außtehen und bekamen eins der Krankenzimmer auf der I. Etage. Morgens nach dem Außtehen glng man hinunter in die Tagesräume, aß das Frühsnick, und dann konnte man in den großen Garten gehen, auf einer Bank sitzen und lesen oder aber bei schlechtem Wetter im Tagesraum Schach spielen oder irgend etwas anderes tun. Selbswerständlich konnte man Besuche empfangen, und der Empfang von Post und Paketen war nicht verboten.
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Zeitin einer freundlichen Atmospháre . l{aus" (Pavillon No. t9) war ein ziemlich
Es war eine wunderbare
Das sogenannte ,,Feste sicherer Aufenthalt für die Gefangenen, die hier als Psychopathen in Behandlung waren. Flucht war ziemlich ausgeschlossen. Ohne
daß ich davon wußte, hatten irgendwelche Freunde einen Plan gemacht, mich hier herauszuholen. Aber nachher zeigte es sich, daß es an Courage fehlte. Der Plan fiel ins V/asser. Selbst einen Fluchtversuch zu organisieren, hielt ich im Augenblick für taktisch falsch. Es war besser frir mich, durch eigene Aktionen die Hamburger Regierung in eine Position zu bringen, in
der der Senat es für das Beste ansehen würde, mich durch einen Besctrluß: Strafaußchub, Begnadigung oder Amnestie, zu gndassen. Die politische Situation, verschárft durch die anschwellende Inflation und Streiks. die Terroraktionen der Schwarzen Reichswefu und Ex-Baltikumer, spitzte sich immer mehr zu. Erzberger war im Vorjahre ermordet worden. Nun, im Sommer L92Z,folgte das Attentat gegen Rathenau. Dem Tode Rathenaus folgte die Amnestie für die politischen Gefangenen. Für den Bereich der Freien Hansestadt Hamburg kamen bis auf mich alle politischen Gefangenen frei. Die Amnestie fand auf mich keine Anwendung, da der ,,schwere Raub auf See unter Anwendung von Waffengewalt" nicht unter die Verordnung fiel. Mein Freund Eugen Rother dagegen wurde freigelassen. Ich war allein! Als Professor Schäfer mir einige Tage später mitteilte, daß ich nach dem Zuchthause zurückgebracht würde, verstand ich sofort, daß es nunmehr darauf ankäme, den Kampf fortzusetzen. Einige Tage nachher, ich weiß nicht mehr genau, ob es September oder Oktober 1922 war, kam ein Wagen der Hamburger trlriminalpolizei, man legte mir die Handschellen an, und eine halbe Stunde später wurde ich wieder ins Zuchthaus eingeliefert. Von dem Augenblick an verweigerte ich die Annahme jeglicher Ernährung. Das war der siebente Hungerstreik. Direktor Koch besuchte mich und bat, den Streik abzubrechen, aber ich gab nicht nach' Der
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Senat respektive der ]ustizsenator Dr. Nöldeke beschloß, mich nach Langenhorn zurückzubringen. Beim Eintreffen in Langenhorn teilte mir Professor Schfer mit, daß er zwar gezwvngen sei, mich anzunehmen, daß er jedoch gegen meine Aufnahme in eine Anstalt für Geisteskranke beim Senate protestiert habe. ,,Ich lehne jede Verantwortung für Sie ab. Es gibt genug andere IGankenanstalten in l{amburg, wohin man Sie bringen kann, nur nicht hierher!" Ich blieb einige Wochen in Langenhorn, und als der Professor mir mitteilte, daß ich zunickgebracht werden würde, sagte ich füm: ,,Ich möchte Ihnen, IIerr Professor, keine Unannehmlichkeiten machen, aber ich bin gezwungen, Ihnen mitzuteilen, daß ich meinen llungerstreik nunmehr sofort beginnen werde." Diesmal würde es ernst werden. Ich glaube, es war am sechsten oder siebenten Tage des Streiks, daß man mich zurückbrachte. Da man mich in Fuhlsbüttel in diesem Zustande nicht in eine der Zucht-hauszellen einlegen konnte, kam ich sofort in das Z:uchthaushospital und die Abtei-lung von Dr. Matthey. Gleich am ersten Tage, ich war wirklich schon stark geschwächt, baute ich eine Barrikade innen vor die Tür und brach eins der Tischbeine ab,
um eine Waffe zur Verteidigung zu haben. ,A.m zweiten Tage in Fuhlsbüttel (neunter Streiktag) kam es zum Kampf, der mit meiner Entwaffnung endete. Alle Möbel und das Bett wurden aus der ZeLle entfernt, und man machte mir ein Bett auf einer Doppelmatratze auf dem Boden. Am zehnten Tage bekam ich Besuch von Eugen RotJrer, der vom Direktor nur die Erlaubnis zum Besuch erhalten hafte, als er versprach, mich zu überreden, den Streik abzubrechen. Von diesem Tage an kam es dann zu Protestversammlungen derArbeiterschaft in Hamburg. Die Folge war ein Besuchsverbot. Aber in dem Maße, wie der l{ungerstreik sich in die Länge zog und meine Lage sich
verschlimmerte- wurde draußen die Situation für mich besser. Am IT.Tage begannen dte Arzte die künsdiche Ernährung. Schlauch
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durch die Nase. Die Prozedur war gil nicht angenehm. lJm den Schlauch durch die Nase zu bekommen, mußten vier lleildiener mich festhalten. Viel Widerstand konnte ich nicht leisten- da ich ziemlich geschwächt war. Man stellte fest, daß der Schlauch, als er durch die rechte Nasenöffnung eingeführt wurde, so abge- klemmt wurde, daß die flüssige Nahrung nicht durchlief. Nach vielen Experimenten mit der rechten Nasenöffnung war die ganze Nase schmerzhaft empfindlich geworden, und selbst dann, als man
die linke Nasenöffnung benutzte, litt ich wirkliche Qualen. Die künstliche Ernäfuung war ziemlich resultatslos. Erstens hatte sie zu spät begonnen, um den Streikwillen zu brechen, und zweitens verschlechterte sie meinen Zustand. Gleich nach dem ersten,Mal, als man den Schlauch herauszog und ich den Kopf auf die Seite legte, floß die Nahrung, ohne daß ich mich anstrengte, wieder heraus.
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trrn ganzen \À/ar die Geschichte so widerlich und gleichzeitig so schmerzhaft, daß ich mich entschloß, den lirzten zu gestatten, den Schlauch durch den Mund einzuführen, besonders nachdem ich 5ah, daß die Nahrung vom Magen
nicht angenommen wurde.
Neben der ktinstlichen Ernährung begann man am IB. Tage, rnir Kochsalzlösung-Transfusionen zu machen und Klistiere. Am 19. Tage setzte lJrinvergiftung ein. Ich habe das nachher erfafuen aus einer Erklârung, die vom Senat in der l{amburger Bürgerschaft abgegeben wurde. Draußen war eine hundertprozentfge Protestbewegung im Gange, Massenkundgebungen fanden statt, Ðelegationen gingen zum Senate, und es kam so weit, daß unter dem Druck der Massen der Senat nachgab. Senator Nöldeke erschien mit dem Direktor Koch in meiner Zelle und teilte mir mit, daß der Senat beschlossen habe) mich freizulassen. Die Bedingung sei: Ich müsse den l{ungerstreik abbrechen. Nach Abbruch des
Hungerstreiks wtirde man mich wieder zu Kräften bringen und Abb. 58
lAøfraf
zør Freiløssøng Hørrnønn I(nüfhens, End.e Noverøbør 7922.
Arbeiter!
Klassengenossen Grausam und brutal
lordert die rallionâre Justiz eir neucs Opfcr. Seit 2l Jalren schmachiet im
Fuhtsbütteler Zuchthaus ein Rerolutinonãr. Ilermann l(Dûfken. der den Fiæhdmoj fer irtr Auit¡âg des revolutionii. ren "Schröder" Proleta¡iats ron Cuxhaven nach der (russishen) MuruÉn-Kùsie brachte. Max Hölz in B¡ælau, Ëe¡¡y He¡inc in Rmd:bug, Hemrmn Knüilen in - Fuhlsbúttel,
Knüfkeu vor sich liegm. Seir beiitrdet er sich
in
tì
!
Tagen
Huãeerstreik. froilúit e¡nzígen Worte. Der
oder Tod sind *ine
Zuchthaus-Arzl verhöhnt ihÀ næh, inderrr et sgt, er hãtte doch noch einen Monar sollen, ehr er verskr. d€nn dir Sowjet-Fahre wehe doch bald úber Hmburg. Er sieht die drohenden Gewlderwolken auJsteisu! li/ill die Arbeiter.
vartm
alr6i alo¡ besten l{evoluti$õre, sllaù langsan vor dcn -{,ugen ilos Proletariats zu Tode gequält worden. Dâl
$haft ihre bsten Kmp¡ff rTode,-ru. tem lassên? * Niernals! Muss die eill. stimmige Antwtrt *in. Mit den Worten:
ruhig
alle unsere GofanÉenen befroit
Esst alles geschehen. Die .Geiangmen versuchel,
riotãtige, denkfaulc Pfolet¿riat
durch die unsãglichen Marter zur Yerzweiflung getricben, iluroh Eurgerstreik ihre Freilassung zu erzrvi¡gen' Zwei Oenos*n, die Knüfken in der Nerveriheilanstalt,
wo selbiser æit
vief
Vochan unterge6iachi war, airlsuchen wollten, flellten m Sonntag f6t, dass dieser wieder ins ZrreJrthaus-Lazarett sebrûcltt war. Von Direktor Koch den Elnlass erzwuge!, ghm die beidm Genossen einen halb abgestorbenen Kärper in Gen,
Ksi¡er Eandschlae mehr. bis
nichr
síndl wendet sich das revol-utionã¡e Proletariai atr alle Klaswrgurosxn. lhr SPD.-Arbeiier, ih¡ Genosæñ der KPD, verlangt von zurcrr Parlmentsf¡aktionm, dàs sie ãie solonige Freilassunq der politish lnhatiiertm duicãsef¿en. Wõlleû sié das nicht, dann nluss das Prole¡ariat den Wes beshreiten, der ihn die Befreiug Get'angeni:n vèrbr1rgt. ._sein--er ES
(am tu uns nuf
Kampf lür die Freiheit aller Tod!
enes geÞctr : ider- un*r
aller,
f,llgemelnc Erbeíter-(nion (€ínbeíte-Organloatíon) Ðamburg
inzwischen'eine Formel finden, unter der die Freilassung vor sich gehen könne. Das war am 19. Tage, als man mir die Mitteilung machte. In meinem Halbwachzustande begriff ich nur eins, hier versuchte man einen neuen Betrug. Deshalb sagte ich dem Senator Nöldeke , daß ich den Hungerstreik nur abbrechenwürde, wenn das Besuchsverbot aufgehoben würde und meine eigenen Genossen die Mitteilung bestätigen wiirden. Ich hatte das Gefühl des Hungers und jeglichen Zeitbegnff verloren. Alles, nur mit Ausnahme des lVillens zur Fortfrihrung des Streiks, war gegenstandslos geworden. Obwohl die Parteien, und in diesem Fall war es nicht die Partei (KPD) allein, sondern auch die KAID, die Union (AAU), meine Aktion zum Ankurbeln ihrer Propaganda benutzten und dabei die IJnterstritzung vieler SPD- und Gewerkschaftsmitglieder fanden, fühlte ich mich absolut nicht als ein Flero, ich war so weit, daß ich wirklich darüber erhaben war. Am 2I. Tage wurde das Besuchsverbot aufgehoben, und zwei Mitglieder der KPD-Fraktion der lfamburger Bürgerschaft kamen
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mit dem Direktor zu mir und bestätigten den Beschluß des Senates. Ich brach also den Streik ab- wurde in eine andere Krankenzelle überführt, und an diesem Tage begann eine planmäßige, langsame ,,Zunickernährung zum læben". Sovielwie ich mich jetzt erinnern,l kann. hatte ich 32 Pfund meines Gewichts verloren. Im Laufe des-
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MonatsJanuarhabeichmirdiese32Pfundwiederangegessen. Der Direktor besuchte mich ziemlich oft. und auch andere Freunde kamen von draußen. Im Februar 1923 tetlte mir Direktor Koch mit, daß es wohl am besten sei, wenn ich noch für einige Wochen zum Arbeiten in die Zentralbibliothek im Zuchthaus ginge, damit sich der Sturm ùber die Auseinandersetzungen im Hamburger Parlament etwas lege und die Lage ruhiger sei. Ich ging darauf ein. Das Fuhlsbütteler Zuchthaus waï inzwischen in die neue Anstalt' No. 2 verlegt worden, welche als Anstalt ftir ,,schwerverbrecher" bedeutend sicherer war als die Anstalt No. I. Bis Ende April blieb ich noch hier. Gerade dann, als ich anfing über eine neue Aktion nachzudenken, kam Koch eines Tages zu mi¡ und teilte mir -it, daß man die Formel meiner Endassung gefunden hätte . Ichwürde ohne Termin der Rückkehr aus dem Zuchthaus beurlaubt, und soviel er verstärìde, würde ich Deutschland verlassen und nach
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Angelegenheit. ,,Nicht betteln noch bitten, nur mutig gestritten, nte kåimpft es sich schlecht, für Freiheit und Recht." Heute, wenn ich diese Zeilen schreibe, fühle ich ebenso stark für Freiheit und Recht wie damals. Und da ich für Freiheit und Recht war und heute noch bin, ging ich den für mich graden Weg, nämlich dahin, wo es Freiheit und Recht gibt. Doch daniber später. Ich werde auf den Seiten dieses Buches den Weg beschreiben, der mich notwendigerweise immer auf der Seite von Recht und Freiheit fand. Man hatte mir einen deutschen Reisepaß ausgestellt, und der Genosse Schklowski, der damals der russische Generalkonsul in Hamburg war, gab mir das Visa für die UdSSR Er kannte mich von Murmansk, wo er 1920 flir kurze Zeit der Yertreter vom Narkomindel (Volkskomissariat für auswärtige Angelegenheiten) war'
..
Im Hamburger Hafen war ein russisches Schifl dte I(øru0, und Schklôwski teilte mir mit, daß ich mit diesem Schiff nach Petrograd fafuen wtirde. (1923 war es noch Petrograd') Die l(øwowat
-..
etwa 4.000 t Brutto groß, ich hatte eine Kabine, gutes Essen, und
Rußland gehen.
nach einer schönen'sommerreise durch den Kieler Kanal und die Ostsee kam ich in den ersten Tagen des Juni 1923 nach Petrograd. Ich wurde mit offenen Armen empfangen und machte die übliche Runde mit den Petrograder führenden Genossen zu all
Am selben Tage wurde ich in die Abgangsabteilung gebracht und nachweiteren zrveiTagen, am I. Mai 1923, endassen. Freunde trafen mich am Tor und hießen mich willkommen in der Freiheit. Ein anderer, nämlich Direktor I(och, nahm hierAbschiedvonmirmit dem frommen Wunsch: nicht wiederzukommen und ihm sein Zuchthaus auf den Kopf zu stellen! Ich habe ihm das nie versprochen. Eins wußte ich: Der wirkliche revolutionãre Kämpfer, der an wirklichen A,ktionen gegen das bestehende System teilrrimmt (nicht nur am Abfassenvon revolutionâren Resolutionen), muß immer bereit sein, die Konsequenz seiner Tätigkeit auf sich zu nehmen. Ob er dann im Gefüngnis oder Zuchthaus weiterkämpft, ist seine persönliche
denVersammlungen und Kundgebungen, die gerade in dieset Zeit stattfanden. Soweit ich die großen Leute nicht schon von 1920 her kannte, Iernte ich sie jetzt kennen. Die Genossin I(ngisepp, die damalige Sekretárin Sinowjews, half mir, ein Zimmer im Astoriø (Erstes IIøøs d'er Sowjets) zu bekommen. Das bedeutete damals sehr viel, da im Perwoje Dorn Sowjetow,wie es meistens genannt wurde, alle führenden Funktiondre der Partei, der Gewerkschaften und der Verwaltung wohnten. Während des I9I4/I8-IGieges wohnten in diesem besten Hotel Petrograds die höheren Offrnere des Generalstabes und derAdmiralität. In der Revolution stürmten die Mauosen das Gebäude und
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lernte ich bald verstehen, und so viel ich immer vorher gegen den BüLrokratismus war und noch heute bin, damals in Rußland trug ich den Umständen Rechnung und war bald im Besitz der besten Papiere. Das allein bedeutet in einem solchen ,,proletarischen" Staat Unabhäingigkeit der Person. Ich hatte erst ein Zimmer und Bad auf der 2. Etage im Et'sten' Sowjet-IIøøs, als jedoch auf der 5. Etage ein größeres Appartement &eiwurde . konnte ich dieses ùbernehmen undwohnte da bis I931, als das Erste Sowjet-Høøs seinen Charakter verlor und wieder zum Hote| Astoriøwurde. in dem reiche Touristen und ausländische Staatsmänner abstiegen.
In meiner Zeit wohnten trn Et slem Sowjet-Høøs, wie ich schon sagte, alle großen Leute der Revolution: Sinowjew, Badajew, Sarkis'
Messing, Jewdokimow, Kondratjew, I(omarow. (IGmenew, Bucharin, Radek, Rykow, Trotzki und Tomski hatten Zimmer hier) wenn sie in Iæningrad waren.) Besonders in den ersten Jafuen konnte man viele Angelegenheiten hier erledigen, anstatt im Smolny an Abb. 59 | Døs Hotel Astoriø øtø Isøøhijwshøjø ploschtschød..
die Spitzenfunktiondre nahmen es für sich. Die Sicherung dieses Gebäudes war eine Aufgabe der GPU, die die Verwaltung des Hotels übernahm. IJnten in der llalle standen die üblichen posren. Am Rezeptionstisch saß der wachhabende Kommandant. Flier zeigte man seinenAusweis (Propusk mit photo) und erhielt dann den Schlüssel. Nebenbei bemerkt: Der propusk des Ersten Sowjet-Høøseswar natrirlich das Beste, was man in petrograd haben konnte, die beste Legitimation. Es ist unglaublich, welchen ungeheuren Wert persönliche Ausweise, Stempel und Unterschriften in Rußland nach der Revolution bekamen. |e größer die Stempel und je höher die aussrellende Körperschaft waren) desto besser. Waren die Titel schon lang im alten Rußland, in der neuen UdSSRwurden sie noch länger. Das
Siøungen inirgendeinem Sekretariat teilzunehmen und zu warten, bis manchmal I20 Punkte der Tagesordnuttg erledigt waren und dann die eigne Sache, die gewöhnlich mit irgendeiner Frage der Seeleute oder des Hafens zu flrn hatte, an die Reihe kam. Als Arbeit übernahm ich zuerst die Vertretung des DSB (Deutscher Schiffahrtsbund), der Gewerkschaft der revolutionâren deutschen Seeleute. Diese Organisation vereinigte sich später mit der Seeleutesektion des Deutschen Gesamwerbandes, dessen Leningrader Zahlstelle ich tibernahm . Dazu kam später die Vertretung der,,Norsk Matros og Sjømanns lJnion" (Norwegische Seeleuteorganisation), weiter der beiden dfurischen Organisationen ,,Sømændenes Forbund i Danmark" und ,,SøfyrbØdernes Forbund i Danmark". Für die schwedischen Seeleuteorganisationen übernahm ich die jeweilige Vertretung in Fállen von Konflikt, Streik u.s.w Damit hatte ich mir eine Position geschaffen, die mir gestat-
tete, obwohl ich Mitglied der russischen Partei war, eine eigne
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Meinung zu vertreten.Dazu eine Erklärung: Der IL Kongreß der Komintern widmete seine besondere Aufmerksamkeit der Gewerk-
Profintern, und wegen dieser Wichtigkeit nahm sich die Komintern
schaftsbewegung in den verschiedenen Ländern. Der Internationale
Der Leser wird die Wichtigkeit des IPK Transport begreifen, wenn ich den.{ufbau und die Arbeit dieses Departements näher beschreibe. Schon kurz nach der Etablierung des IPKTransport wurde ein Beschluß durchgefüfut, in allen wichtigen Hfen der lVelt sogenannte Port-Büros zu organisieren, die die Aufgabe hatten, Klubs einzurichten, in denen und von denen aus die Besatzungen der Schiffe aller Nationen propagandistisch bearbeitet wurden. Bordzellen wurden organisiert, Bordvertrauensleute eingesetzt und gleichzeitig in den lQubs oder von den Klubs aus die
Gewerkschaftsbund (Amsterdamer Internationale ) war die große, antikommunistische Gewerkschafts-Internationale. Die Eroberung der Gewerkschaften von innen, durch die kommunistischen Zellen, war nicht gelungen. In vielen Fällen hatten die Gewerlschaften die kommunistische Opposition ausgeschlossen. Die Opposition, besonders in Deutschland, gnindete daraufhin eigne Gewerkschaften. So geschah es auch in anderen Ländern. Die russischen Organisationen (WZSPS), deren Leitung unrer Tomski, Andrejew, Jaglom, Melnitschanski u.s.w. mehr oder weniger identisch war mit der russischen Partei, traten mit vielen auslåindischen oppositionellen Gewerkschaftsvertretern, meistens Kommunisten. und auch einigen syndikalistischen Organisationen in Vorbesprechungen zusammen, die die Gründung einer Roten Gewerkschafts-Internationale
zumZiel hatten. Die ,,Krasnyj Profintern" wurde geschaffen, und als Rote Gewerkschafts-Internationale hat sie in den Jahren ihres Bestehens in der Arbeiterbewegung der Welt meh¡ Schaden angerichtet als Gutes getan. Der Generalsekretár war Losowski. Die BriLros der profintern waren auf der obersten Etage des DworezTrad.øinder Soljanka 12. " Aufder nächsten Etage waren die Büros der WZSpS, des präsidiums der russischen Gewerkschaften. Das erste, was die Profintern tat. und was wirklich von Bedeutung war) war die Schaffung von Komitees ftir propaganda und
Aktion. So gab es da das IPK der Transporrarbeiter (Eisenbahner, Seeleute, Binnenschiffer, Ilafenarbeiter und alle im Transport Beschåiftigten). Weiter gab es die IPIG der Textil-, Merall-, Bau-, Bergarbeiter u.s.w. Ich hatte sehr viel mit dem IPK Transport zu run und a¡beitete teilweise im IPK oder aber in Verbindung mit dem IpK. Das IPK Transport war vielleicht das einzig effektive Departement der
besonders dieses Departements an.
Fraktionsarbeit der kommunistischen Zellen in den reformistischen Gewerkschaft en geleitet. Die Komintern, besser gesagt die Verbindungsabteilung unter Abramowitsch und Pjatnitzki, verstand es, diesen Apparat, nachdem er einmal aufgebaut war, fur die Zwecke der Komintern auszunutzen. Die Vertrauensleute an Bord, die in der ersten Zeit last ausschließlich zum Schmuggel von Literatur gebraucht wurden, mußten nun zu Briefuägern gemacht werden. Es gab immer etwas) was nicht frir die diplomatischen Postsäcke geeignet war und auch nicht mit der üblichen Post abgehen oder, was wichtiger war, empfangen werden konnte vom Adressaten. So etwas nahmen die Seeleute mit, und es ist verwunderlich, wie weit und wie sicher solche Sendungen mit den Seeleuten reisten. kgendein Schiff kommt in einem deutschen Hafen an, und der Vertrauensmann liefert seine Briefe an einen bestimmten Mann ab, der ihn schon erwartet. Die Briefe nach Indien gehen nach ein paar Tagen Aufenthalt weiter mit einem Bordvertrauensmann auf einem Hønsø-Dampfer, der die indischen Häfen an1auft. Post friLr Nordamerika geht mit einem HAPAG- oder Lloyd'-Schiff weiter und eventuelle Post nach Spanien, Portugal und Nordafrika wird von einem Neptwn- oder OPDR-Schiffmitgenommen. Für kürzere Strecken werden die regelmäßigen Tourenschiffe gebraucht.
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RüCKKEHR tN DtE uDssR
Es war immer etwas zu tun, besonders wenn der Bordvertrauensmann als besonders zuverlässig galt. Nicht alle Post ging aufdiesem Wege von russischen Hffen aus. Das Mitteleøropoiisclte Büro der Profintern und das Westeøroptiische Büt o der Komintern benutzten vori sich aus die Schiffe in den europâischen Häfen, und dazubrauchten sie die Leute, die von den verschiedenen Haupthafenbüros an den in Frage kommenden Plätzen unterhalten wurden. Nach Möglichkeit wurden die russischen Schiffe von solcher Arbeit verschont. Die sollten unter keinen Umständen in Verdacht kommen. Mitunter gingen auch Komintern-Agenten oder andere, die n¿. irgendeinem Zweckin Moskau gewesen waren und aus irgendeinem Grunde nicht mit einem falschen Paß per Flugzçug oder Bahn reisen konnten) mit ganz sicheren Schiffen nach bestimmten kleinen Häfen im Ausland ab, wo es keine Kontrolle gab. Auf jeden Fall: Das MI(PD Transport (Meshdunarodnyj Komitet Propagandy i Dejstwija Transport) oder in Deursch kurz IPK Transport hatte ganz wichtige Aufgaben, und keiner begriff das besser als die Russen. Deswegen war es selbst in der ersten Zeitvtel weniger die Profintern als die Komintern, die die obere Instanz ftir das Komitee war. Ich nannte vorher bereits Pjatnitzki und Abramowitsch, die frir die Verbindungsabteilung der Komintern verantwortlich waren. Die russische Bezeichnung frir diese Abteilung war OMS, Otdel Meshdunarodnoj Swjasi (Abteilung Internationale Verbindung). Im Gebäude der Komintern befand sich das Btiro in der obersren Etage. Von hier aus gingen die Verbindungen zu allen Ländern. Ich will nicht behaupten, daß die Seeleute die Hauptrolle in der Aufrechterhaltung der Verbindungslinien spielten, aber sie spielten eine Rolle. Aber ich werde später noch auf diese besondere Art der Arbeit zurückkommen. Zuerstmal zurück zu meinerArbeit in Leningrad, damals noch Petrograd. Das Btiro des IPKTransport in Petrograd bestand aus
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acht Mitgliedern. Die Sitzungen des Büros fanden gewöhnlich einmal im Monat statt. Von den Mitgliedern des Büros machten eigentlich nur zwei wirkliche Arbeit für das IPK Transport. Die Mitglieder des Büros waren: ein Vertreter der Partei, der entweder einer der Rayon-Selretäre war oder der Leiter der Agitprop-Abteilung, je ein Vertreter der Eisenbahner-, Seeleute- und Lokaluansportgewerkschaft, ein Vertreter von der Hafenverwaltung, ein Vertreter von der Sowtorgflot und die beiden eigentlichen Sekretdre, die die Arbeit des Büros in Leningrad leiteten. Einer von den beiden war ich. Die monatlich zusammenkommenden Büromitglieder verstanden nanirlich nicht viel von der eigentlichen Arbeit. Sie hörten sich die Arbeitsberichte ftir den vergan genen Monat an und unterschrieben die Protokolle. Das Wichtigste, was sie zu tun hatten, war, dafür
zu sorgen, daß ihre jeweiligen Organisationen immer pünkdich die Subsidien zahlten. Der Vertreter der Hafenverwaltung hatte dafür zu sorgen) daß wir immer einen Schleppdampfer bekommen konnten, wann immer wir einen gebrauchten, um die ausländischen Seeleute von den Schiffen abzuholen. Der Lokaltransportvertreter besorgte die Straßenbahnbilletts und dervon den Eisenbahnern die Tickets frir die Reisen der Seeleute auf der Bahn. Der AgitpropParteimann sorgte frir die Theatertickets u.s.w. Um dieArbeit nvischen den ausländischen Seeleutenzv ermöglichen, unterhielt das Hafenbùro des IPKTransport in Leningrad den sogenannten In'ternøtionølen lÖub d'er Seeleøte. Im IQøb befanden sich ein Restaurant, Versammlungssaal, Tanzsaal, Bibliothek mit Büchern und Zeitungen in allen Sprachen. Für die verschiedenen Sprachsektionen der Seeleute gab es sogenannte Instrukteure, die sich mit der eigentlichen Propagandaarbeit beschäftigten. Als ich nach meiner Ankunft in Petrograd als ein Vertreter des DSB als Mitglied in das Büro eintrat, befaßte ich mich zuerst mit der Reorganisation der Arbeit. Der Internøtionøle l(løb war eine
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gute Einrichtung in bezug auf das Resrauranr und das Tanzen. Die Propaganda jedoch war ein plumper Versuch, der darin bestand, in den Versammlungen immer wieder die russische Revolution (unter viel Blutumnihren) als das Vorbild aller bald folgenden Revolutionen in den übrigen Ländern darzusrellen. Ich brachte dieArbeit des Klubs auf ein anderes Niveau, mehr auf gewerkschaft-
licher Basis. Der Hamburger Schifßreeder Arnold Bernstein hatte drei Motorschiffe in den Dienst nach der Kaspischen See, nach dem persischen Hafen Enseli eingesetzt. Die Schiffe kamen nach Leningrad, gingen die Newa hinaufnach dem Marinski-Kanalsystem und durch dieses nach der Wolga. Sie gingen dann den ganzeî Stromlauf der Wolga hinunter nach Asuachan und durch die Kaspische See nach Enseli. Abb. 60 | Der Internøtionøle Seem.øønshløb in Leningrød., Ogorodnihow-Prospeht 15.
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Die Schiffe fuhren unter russischer Flagge, aber die Besatzung bekam nur die deutsche l{euer. Ich stoppte die Schiffe auf der Newa und verlangte vom russischen Seeleuteverband den Abschluß eines Kollektiwertrages, in dem der ganzen Besatzung die russische I:[euer, auszahlbar in wertbeständiger Valuta, gesichert wurde. Das war die erste Aktion, die ich in Leningrad durchführte.
Der DSB, kurz Schiffahrtsbund, die revolutionäre Organisation der deutschen Seeleute, hatte viele Vorteile von meiner Arbeit in Leningrad, vor allen Dingen finanziellerArt. Die Besatzungen der deutschen Schiffe , die Leningrad anliefen, waren meistens unorga-
nisiert. (Deutsche Seeleute waren immer die am schlechtest organisierten.)Von den zwanzig bis dreißig deutschen Schiffen, die in der Navigationsperiode in jedem Monat hier ladeten oder löschten, verließ selten ein Schiff Leningrad mit einem Unorganisierten an Bord. Die einkommenden Mitgliedsbeiträge wurden von mir monadich nach Hamburg überwiesen. Solange die deutsche Mark wertlos war, überwies ich das Geld in Dollar oder Pfund. In dieser Zeit konnte ich die russische Staatsbank veranlassen, mir die hochwertige Valuta zu überlassen, und übernahm die Verpflichtung, alle im Iztternøtionølen IQub einkommende Valuta der Staatsbank zuzuführen. Das waren ziemLich große Beträge, dawír im Inrern øt'i
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b aach eine Wechselstelle hatten. Vor allen
Dingen sorgte ich dafür, daß die Seeleute, Deutsche, Dänen, Norweger, Schweden, Engländer, Griechen u.s.w., den l(lwb zaerstbesuchten. Zu diesem Zweckwurden die neu ankommenden Schiffe arn ersten Tage besucht und alle darauf aufmerksam gemacht, daß wir nach Beendigung der Arbeitszeit bei jedem Schiff längsseit kommenwürden mit einem Schleppdampfer, um die Besatzungen abzuholen. Besonders taten wir das dienstags, donnerstags und sonnabends, das waren die Versammlungs- und Tanzabende im IOøb. Sonntags startete das Abholen füiher, sofort nachdem die Besatzungen Mittag gegessen hatten. Sonntags organisierten wir
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für die Seeleute Exkursionen undAusflüge zumWinterpalast, Revolutions-Museum, Peter-Paul-Festung, Eremitage, Zarskoje SeIo, Peterhof u.s.w. Der In'ternøl'ionøle Seernønnshlwbwurde über alle Maßen populdr, und selbst die Schifßoffiziere nahmen regelmäßig am Klubleben teil. Dazu kam noch, daß die Seeleute und Fleizerhier auch ihre Beschwerden vorbringen konnten, und wir sahen es als eine Selbswerständlichkeit an, alle solche Beschwerden zu untersuchen und Konflikte an Bord zu regeln. Ich hatte es mii zum Prinzip gemacht, niemals unberechtigte Beschwerden zu vertreten, und untersuchte die Beschwerden Sanz genau, bevor ich sie vor den jeweiligen Kapitän brachte. Meistens konnte ich mit den Kapitänen zu einer Einigung kommen. Manchmal jedoch kam,es zum Konflikt, und dann wurde die Arbeit auf diesem Schìff eingestellt, was meistens sefu schnell zu einer Einigung führte. L923/24 und '25, zum Teil auch noch l-92ó konnte ich alle Konflikte so durchführen, daß sie zu Gunsten der Besatzung ausliefen. Die volle lJnterstützung der russischen Gewerkschaften, der Partei und der Sowjetbehörden war mir sicher. Es war eine hundertprozentige Solidaritet. Tausende von Seeleuten besuchten jedes Jahr unsere Versammlungen und nahmen an unseren Veranstaltungen teil. Unser Einfluß stieg, und die Seeleute freuten sich, wenn ihre Schiffe nach Leningrad gingen. Für die Seeleute war es id'eøL. Es gehört nattirlich mit zur Geschichte, daß sich in der Gegend des Internøtionølen Seernønnshløbs ein ganz Teil unkontrollierbarer Elemente ansammelte, die entweder als Schlepper für die Prostituierten auftraten oder aber Aufkäufer von I(onterbande waren) die von den meisten Seeleuten damals mitgebracht wurde. Die Prostitution war in voller Blüte, und in diesen Jahren dachte niemand daran, irgendwelche Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Die Seeleute selbst nahmen keinen Anstoß daran. (Ich auch nicht!) Da mir jedoch bekannt war, daß eine unverhdltnismàißig große Anzahl von Seeleuten sich mit Geschlechtskrankheiten infizierte,
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dachte ich darüber nach, was hier zu tun sei. Ausschlaggebend war damals, daß es überhaupt keine Kontrolle über die vielen Mädchen gab. Die Miliziondre (Polizisten) im Moskowski-Narski Rayon (der Stadtteil beim Hafen) kannten natrirlich genau alle Mädchen und ihre Adressen. Die Seeleute warenschon daran gewöhnt, daß nachts
der Miliziondr an die Tür klopfte, einen Rubel einkassierte (von dem Mädchen und von dem Seemann) und dann die Wohnung wieder verließ. Die Seeleute haben sich niemals darüber beklagt, und sie waren der Meinung, daß der Milizionär ja auch leben muß. Aber sie lachten oft, wenn in irgendeiner Versamm-lung im Ausland irgendein Kommunist behauptete, daß es in Rußland keine Prostitution gab. Der Seemann wußte das besser! Ich war damals der Meinung, ich könnte die Frage der Prostitution und der Seeleute aufdie Tagesordnung einer Sitzung der Agitprop-Abteilung der Partei bringen. Die russische Genossin Nikolajewa, unter deren Vorsitz das Büro im Smolny tagte, war tieflichst entrtistet. Gegen meinen Protest wurde der Punkt von der Tagesordnung abgesetzt, aber ich ließ es mir nicht nehmen, die Nikolajewa einzuladen, einmal abends den Internøtionølen Seewønnshløázu besuchen, damit sie sich selbstvon den Zuständen in der Nachbarschaft des löøbs uberzeugen könne. Meine Bestrebungen damals gingen daraufaus, für eine Gesundheitskontrolle der Mädchen zu sorgen. Aber auch das war unmöglich. Die Verantwortlichen sagten ganz einfach: Es gibt keine Prostitution, und damit war das erledigf . Aber irgendwo am Rande des ,,sozialistischen Aufbaus" lebten einige tausend mehr oder weniger arme Mädchen, die sich und ihre Familien durch ifu Gewerbe am
kben
hielten. Ketty Guttmann, eine Hamburger Kommunistin, bautenach der
l9L8-Revolution eine Gewerkschaft der Kontrollmädchen auf. Die Mehrheit der Hamburger undAltonaer Mädchen dieses Gewerbes traten der Organisation bei. Sie gaben eine Zeitung heraus, und bemühten sich, feste Tarifverträge in allen Bordells abzuschließen'
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in Stockholm, ging ich als erster an Land. Zwei Srunden später war auch mein Koffer an Land, und nach kurzem Aufenthalt bei Freunden fuhr ich nach Göteborg. Nach Besprechungen mit den dortigen Funktionáren fuhr ich nach Charlottenberg und gingvon
Die Zeitung dieser Organisation hatte den Namen Arn Prønger und wurde auf den Straßen Hamburgs verkauft. (Es war damals die am schnellsten ausverkaufte Zeitangt) Als die Verh¿iltnisse im nachrevolutionáren Deutschland sich im bürgerlich-moralischen Sinne normalisierten, ging die Organisation-
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der Kontrollmädchen zum Teufel. Die Zeitung wurde verboten, und die ganze Sache endete mit einem großen Krach. Die Kommunisten mußten natr.irlich, auf höheren Befehl auch mit Enträstung, Abstand von der Organisation nehmen.
Ig23/24waren Jafue des Aufbaus und der Sammlung. Der Inrer' nøtionøle Seernønnshlab grns aufvoller Tourenzahl. Während des Frähjahres 1924 arbeitete ich eine Zeitlang als Referendar für Skandinavien in der Profintern. Im April ging ich auf eine kurze Reise ] nach Skandinavien, um gewisse organisatorische Möglichkeiten mit den Seeleuteorganisationen dort zu besprechen. Die Reise, die ich für das IPKTransport unternahm, stand in keinem di¡ekten Zusammenhang mit den großen Streiks der Transport- und Metallarbeiter Norwegens. Vor meiner Abreise besprach ích zwar die Situation in Norwegen und die zugespitzten Verhdltnisse dort, hatte jedoch keinen direkten Aufuag, in dieser Angelegenheit irgend etwas zu unternehmen. Losowski. Atschkanow und Rubinstein ließen mir' jedoch soweit als möglich freie Hand (Losowski, Generalsekretdr der Profintern, Atschkanow, Generalsekretár des IPK Transport, Rubinstein, Sekretdr der Org.-Abteilung Profintern). Ich fuhr über Leningrad, Reval, Stettin, Hamburg. Die Seeleute in Deutschland standen in den letzten Apriltagen gerade vor einem Streik, und ich mußte mich sehr eilen, um von Lübeck aus noch vor dem Streik Schweden zu erreichen. Mit den Lübecker Seeleuten machte ich einen Plan (30. April 1924), nach dem das erste nach Schweden abgehende Schiffmich mitnahm. In der Nacht brach der Streik aus, und wir gaben dieses Schiff frei frir die Abfahrt. Selbswerständlich war ich an Bord. Noch während das Schiff abkontrolliert wu¡de
dort über die schwedisch-norwegische Grenze nach Kongsvinger, von wo ich den Zug nach Oslo nahm, damals, glaube ich, hieß die Stadt noch Kristiania. Ilatte Besprechungen mit den Seeleuten, llafenarbeitern und Eisenbahnern. Der Streik hatte bereits revolutiondre Formen angenommen. Gerade in den Tagen, als ich in Oslo war, wurde eine Sprengung im Hafen vorgenommen) die sich gegen die Streikbrecher richtete. Man hatte eine Sprengladung eingebaut unter einem der großen lJmformer, und durch die erfolgreiche Sprengung dieses Transformers legten sie den ganzerT Hafen dunkel, und die Streikbrecher verließen die Quais. Die Polizei in Kristiania hatte eine Neutralitätserklârung abgegeben, äberall kam es zuZusammenstößen, und in dieser kritischen Situation versuchten die Rechten in der Partei, Halvard Olsen, Scheflo und andere, die Metallarbeiter zu veranlassen, ihren Streik aufzugeben. Der Vertreter der Komintern, Nuorteva, ein FinnAmerikaner, war ebenfalls für den Abbruch des Streiks. Wie gesagt, ich hatte nichts mit den Metallarbeitern zu tun und kein Mandat, mich in diese Auseinandersetzung zwischen Rechten und Linken in der norwegischen Partei einzumischen. Arvid Hansen und Furubotn, damals die Linken in der Partei, die von meiner Anwesenheit wußten und mich gesehe n hatten, sagten dem Ausschuß der sueikenden Metallarbeiter, daß im Augenblick
noch ein zweiter Delegierter von Moskau in Oslo sei, der betrefß des Streiks eine gegensätzliche Auffassung zu der der Rechten habe. Das füh¡te dazu, daß ich an einer Sitzung teilnehmen mußte, bei der auch Vertreter der ,,Jern-Rebellerne" (Sueikausschuß der Metallarbeite r) ntgegen waren. Der Streik in Norwegen war zu dieser Zeit eine Geldfrage. Es war außergewöhnlich schwierig, die finanzielle Unterstr.itzung für
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die Streikenden und die Ausgesperrten aufzubringen. Die Gewerk-
und herzlich. Nach einer kurzen Besprechung betrefß der gegen sätzlichen Auffassung über die Streiklage in Norwegen machte sie mir den Vorschlag, Moskau
schaftskassen leerten sich überraschend schnell. Das war nattirlich
der Grund, weshalb die Rechten in der Partei, und besonders Halvard Olsen, den Streik beendigen wollten. Daß sie damit gleichzeitig eine wirklich revolutionåire Situation abwürgten, hatte für sie keine Bedeutung. Ich muß nanirlich heute, nach so vielen Jahren, doch die Bemerkung machen, daß das, was ich damals als Sabotage von Seiten der Rechten ansah, doch vielleicht der springende Punkt war. Die Rechten waren viel mehr norwegische Patrioten als sie Kommunisten waren. Die ökonomische Lage in Norwegen war äußerst miserabel und konnte durch fortgesetzten Streik und eine drohende Generalaussperrung aller Arbeiter sich nur weiter
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verschlechtern. In der Sitzung mit den lern-Rebellen machte ich daraufaufmerk- " sam, daß ich nur meine persönliche Meinung äußern könne, daß ich jedoch glaube, daß die Profintern bei richtiger und schneller Information über die wirkliche Lage in Norwegen zu derselben Auffassung kommen würde. Eine Generalaussperrung allerArbeiter in Norwegen wird die Situation ungeheuer verschãrfen. Das Zentrum derAuseinandersetzung sind die 5.000 Metallarbeiter, deren Streikwillen ungebrochen ist. Solange die 5.000 Jern-Rebellen, wie man sie nennt, die Arbeit nicht wieder aufnehmen, können die ribrigen Arbeiter nicht an ihre Arbeitsplätze zurückgehen. Wenn die Gewerkschaften keine Streikuntersnitzung an die Metallarbeiter zahlen, muß man die Mittel von anderer Stelle mobilisieren. Als man mich frug, ob ich die 70.000 Kronen per Woche zusagen
könne, habe ich mtt ,,1a" geantwortet. Natärlich war man anderswo auß schwerste beunruhigt. Die Kollontai, rechtzeitig durch ihre Leute ge\Marnt, lud mich zu einer dringenden Besprechung in die russische Botschaft ein. Wir kannten uns von früher, und die Seeleute hatten ifuen tiefen Respekt, vielleicht beruhte das auch teilweise auf ihrer füiheren Liaison mit dem Kronstädter Matrosen Dybenko. Der Empfang war einfach
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{Profintern) zu telegraphieren und denen die Entscheidung zu überlassen. Nachdem wir uns
liber die Formulierung des Telegramms geeinigt hatten, verließ
ich die Botschaft, um die Antwort abzuwarten. Verhâltnismäßig schnell schaltete sich Moskau
nach Erhalt des Telegramms Abb. ól lAlexøndrø I(ollontøi, d.ie Botschøftørin der Sowjetønion iø Norweein, und die Annvort bestätigte øen. meine Auffassung. Das Geld spielte keine große Rolle. Die norwegische Krone konnte man damals ganzbrllig von der Gosbank (russische Staatsbank) bekommen, 15 bis 17 Kopeken für eine Krone.
Da ich mich ganz ausgegeben hatte, versah die Kollontai mich mit Reisegeld, da ich ja via Murmansk zurúckfahren mußte. Ich fuhr also nach Trondheim und von dort aus mit einem Dampfer der Ilartig-Routen ( Nor d. enfj I d.sk e D ønrpshi bss e lsh ø b) e
über Tromsø, FIarstad, Hammerfest nach Vardø (Varan ger- Fj ord ).
Von hier half mir ein Freund, indem er mir einen Motorfischkutter charterte. Es war ziemlich schlechtes Wetter im Eismeer, und wir liefen Waida Guba (Bucht) an und lagen dort über Nacht. Am nächsten Nachmittag rvarerì wir im Murman-Fjord, und nach einigen weiteren Stunden trafen wir in Murmansk ein. Nach Erledigung der notwendigen Formalitäten konnte ich mit Moskau in Verbindung kommen, von wo man mir sofort eine Anweisung an die Gosbank in Murmansk telegraphierte, so daß ich
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den Kutter, der mich gebracht hatte, bezahlen konnte. Ich schlief eine Nacht in Murmansk und reiste dann ab nach Leningrad und Moskau. Am Tage nach meinerAnkunft in Moskau fand eine Sitzung im IPKMetali statt. Der damalige Generalsekretdr dieses IPKwar der russische Genosse Waksow. Es waren da noch die kommunistischen Gewerkschaftsvertreter von vier oder fünf anderen Ländern, und die Frage des norwegischen Streiks stand zur Behandlung. Ich mußte einen kurzen Bericht geben und erfuhr im Anschluß daran, daß sowohl die Komintern als auch die Profintern meine Stellungnahme in Oslo gebilligt hatten. Die Unterstüt^)ngfür die norwegischen Metallarbeiterwar bereits überwiesen. Ich trafübrigens auf dieser Sitzung den alten englischen Genossen Tom Mann, einen der Pioniere der englischen Trade-Union-Bewegung. Er wurde ''' von den Russen in diesen Jahren immer gern in den Vordergrund geschoben. Die Untersttitzung für den norwegischen Sueik wurde natrirlich von den russischen Metallarbeitern bezahlt oder besser gesagtvomWZSPS. Die an die Profintern angeschlossenen ausländischen Organisationen waren arm und selbst auf Untersttitzung durch die Russen angewiesen. Was Norwegen und die dortigen Arbeiterorganisationen anbetrifft, so konnte man schon damals mit einiger Bestimmtheir sagen, daß die überwiegende Mehrheit der norwegischen Arbeiterorganisationen"auf dem besten Wege war, sich von jeglichem Einfluß der Moskauer zu befreien. In Norwegen wurden immer schon, und nicht nur in den Kreisen der Mot Døg-Gruppe (Hfüon Meyer), die Russen sehr k¡itisch diskutiert. Man glaubte nicht an die Unfehlbarkeit der Moskauer Päpste. In Moskau machte man gute Miene zum bösen Spiel, weil es eben Norwegen war.
Nach meiner Rtickkehr von Norwegen ging ich nach Leningrad zurück. Mit mir irn Asto¡,iø in Leningrad lebte noch ein Deutscher: Franz Jung und seine Frau Clåire. Der Leser wird
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sich erinnern, daß Franz |ung einer der Delegierten war, die ich nrit dem F.D. Senøtor Sch¡,äd,er von Cuxhaven nach Murmansk brachte. Als Franz )ung nach meiner Verhaftung gegen Kaution freigelassen wurde, flüchtete er kurz vor dem Verhandlungstermin nach Holland, und als er dort schließlich verhaftet wurde,
gaben die Holländer dem Auslieferungsantrag der Deutschen nicht statt, sondern erlaubten ihm, mit einem der ersten holländischen Dampfer nach Leningrad abzufahren. Im Astoriø trafen wir uns wieder. Franz kam ursprünglich von den Anarchisten und gehörte, soviel ich weiß, zu dem Kreis der Studenten um Erich Mühsam in München. Nun \ /'ar er in Rußland, was natürlich kein Betätigungsfeld frir ihn war. Er hatte eine Zeiùang in der Hungerhlfe der IAH (Internationale Arbeiter-Hilfe) im WolgaHungergebiet gearbeitet, aber Desorganisation und l(orruption in dieser Hilfsorganisation waren so erschütternd für ihn, daß er gezwungen war, seine Tätigkeit einzustellen. Mit seiner tapferen Clåire woh¡te er im Astotniø und hatte mit einisen anderen tat. kraftigen Genossen eine brachliegende russische Fabrik, Ressorø, übernommen. Leningrad hatte damals eine große Arbeitslosigkeit, und er sammelte eine ganze Schar von tüchtigen Fachleuten, setzte die Fabrik in Gang und machte Benzinfüsser. Benzinfisser waren eine Defizitware, sehr gesucht und nicht zu haben. Wenn ich mich recht besinne, befand sich die Fabrik in der 24. Linie auf dem Wassileki Ostrow, ungefihr gegenüber vom Baltiski Sawod, der großen Leningrader Marinewerft. Die Fabrik ging gut, wenn ich auch das Buchhalterische oder besser gesagt die Finanzierung dieses Betriebes nichtverstand. Ich hatte nichts mit der Røssorø zu tun (es gab fortgesetzt Schwierigkeiten mit den Sowjetbehörden), die Fabrik ging und Tausende von Benzinfássern gingen auf den Markt. In dieser Blùtezeit der NEP (Neue Ökonomische Politik) wurden unglal'bliche Geschäfte gemacht. Der Fehler mit der Ressorø war: Sie ging za gut, und die nach¡evolutionåire BüLrokratie und die Ökonomische Abteilune
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der GPU begannen sich für das Geschäftsgebaren der Fabrik zu interessieren. Um den Betrieb in Gang zu halten, mußten ganz hohe Stellen in Moskau interessiert werden. Irgendein Bekannter von Franz |ung, ein alter polnischer Genosse vom l905er Aufstandskomitee in Warschau, der aus dieser Zeit mit Dsershinskibefreundet war, wurde nach Moskau genommen, um Dsershinski mit Bezug auf die Fabrik zu interessieren. Das gelang und hielt für eine Zeit dte Sowjetbürokratie und Leningrader GPU von Aktionen zurück. Aber Franz sah das Ende kommen, trotz oder eben wegen der Benzinfässer, die dem Markt zuflossen' Fran" besorgte sich ein illegales Ausreisevisum der Komintern und bat mich, ihn als ,,blinden Passagier" mit einem ausländischen Schiff aus dem Leningrader Hafen abzuschicken. Der l(omintern-Agent in dieser Zeit war Wasten, ein Finne, den ich von Murmansk her kannte. Er besorgte in Irningrad den Absenden von Komintern-Gästen. Zu ihm mußte Franz Jung gehen, das war der richtige Weg und dieserWeg wurde auch von der GPU anerkannt und gebilligt. Nun war Franz Jung' nachdem er ein paar Wochen gewartet hatte, sehr gereizt, und als ihm Wasten sagte, er müsse eben warten, bis es eine Möglichkeit
Empfang und
das
zum Reisen gebe, nahm Franz sein Komintern-Visum, zerriß es und warf es dem Wasten vor die Füße. Alles das erzä7tlte Franz mir, als er zu mir kam und mich bat,
ihn abzuschicken. Das war nanirlich keine sehr angenehme Situation für mich, aber da Franz |ung mehr für mich bedeutete als alle Vorschriften eines revolutiondren Staates, besorgte ich einen Hafen-Propusk (Erlaubnisschein zum Betreten des Hafengeldndes), instruierte den Vertrauensmann eines deutschen Schiffes, welches am nächsten
Abb. 62 | Herrøønn Knüfhen, Chire und' Frønz Jøng (v.l.n.r.) 1928 in Berlin øn d.er I(reøzøng Unter d.en Lin d.en/ Frie d.richs trø$e.
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Morgen abgehen sollte, und klingelte Frasrz an, sofort zu mir ins Bü¡o zu kommen. Franz kam und wurde mit den Seeleuten bekannt gemacht. Wir blieben noch bis ungefihr Mitternacht zusammen) und dann nahmen ihn die Seeleute mit an Bord. Wasten hatte die Grenzkontrolle (Seegrenzkontrolle) der GPU benachrichtigt, und sowohl er als auch die Seegrenzkontrolle warnten mich telephonisch, dem Franz Jung keine Beihilfe zu leisten. Na, aufjeden Fall . .. Franz war an Bord und wohlverstaut. Die Grenzkontrolle hatte den Verdacht, daß er sich auf S. S. Hitd,egørd, befand, und suchte besonders gut, aber resultados. Das Schiff ging um 5 UIu morgens in See und passierte bereits vor 7 Ufu Kronstadt und spätestens eine halbe Stunde danach die
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Kronstadt, die Newa, der Finnische Golf, alles war zugen. Nur der Ternoøh und der Swiøtøgor,, damals die stdrksten größten Eisbrecher der Welt, konnten ifuen Weg durchs Eis n. Es waren 24 KaJtegrade. Als in Moskau das Begräbnis , bezeugte die Leningrader Arbeiterschaft ihre Trauer in Demonstration zum Marsfeld. Die ausländischen Seeleute øon den Schiffen im Hafen nahmen ebenfalls teil. Ich werde nie die
mit denen die Seeleute Bord zurückkamen. Die Hälfte von ihnen mußte in drztliche handlung. Die Nasen und Ohren waren verfroren, trotz der 54 Holzstapel, die auf dem Marsfeld brannten. Man wurde einer Seite gebraten, während die andre verfror.
ryerfrorenen Nasen und Ohren vergessen,
russische Seegrenze.
Am Vormittag machte ich dann einen schriftlichen Rapport," mit S. S. Hild.egørd. Leningrad verlassen habe. Es gab ein ganzes Geschrei deswegen, aber ich ließ mich nicht stören. Ich erkldrte ganz ruhig: ,,Ftanz Jung hatte ein für mich absolut gültiges Ausreisevisum. Es war meine einfache Pflicht, ihm daß Franz Jung
ein Schiff zu geben. Alles andere sind bürolratische Vorschriften, die ich in diesem Fall unter keinen Umständen beachten wollte." Die Kontrollkommission der Partei im SmoLey, vor der ich wegen dieser Sache erscheinen mußte, nahm meine Erkldrung als genü= gend an. Einige |ahre später habe ich Franz in Berlin getroffen, und er tat mir einen großen Gefallen. So war es zwischen uns, einer half dem anderen ohne viel Worte.
Fdhjahr 1925 frihrte ich einen Plan durch, der darauf ausging, l(løb d.ev Søeleatezu einer wirklich arbeitenden Dazu war es notwendig, den Iilwb zu zu machen. Organisation
rnm
den Inrernøtionølen
einer exterritorialen Einrichtung zu gestalten. Ich konnte die Seeteute nur dann anden I(løbgewöhnen, wenn sie sich dort zu Hause
und absolute Freiheit hatten zu sagen, was sie wollten. Im Verlaufder ersten Jahre, L925-I927, konnte ich erreichen, daß i¡.erschiedene seemännische Gewerkschaften, z.B. die Norweger {N.M. & F.U.), die Dänen S.F.i.D. (Seeleute) und Søfyrb.F.i.D. ;{Heizer), die Deutschen (Gesamwerband Sektion Seeleute), mir persönlich die Vertretung gaben und ich Zahlstellen dieser Or¡ganisatione n im Int ern øt'ion ølen S e ern ønnshløb einríchtete. Die schwedischen Organisationen vertrat ich in I(onfliktfâllen. Diese vorgenannten Organisationen waren keine kommunistischen
Im ]anuar 1924war Lenin gestorben. Ich darf das nicht vergessen, weil die Entwicklung in den Iahren nach seinem Tode auch für mich von Bedeutung war. Wir erfuhre n im Astoriø nanirlich
Gewerkschaften, sondern durch ifue Landesorganisationen an den tGB (Amsterdam) resp. an d.ie ITF angeschlossen. Damit hatte ich meine Position in der Sowjetunion zu einem großen Teil unabhängig
zuerst von seinem Ableben. Úberall fanden Trauerversammlungen statt. Wi¡ hatten nur wenige ausländische Schiffe im Hafen, die letzten Schiffe , die auf die großen Eisbrecher warteten. Der Kanal
gemacht. Die Arbeit, die ich zu machen hatte unter den internationalen Seeleuten, bekam damit einen großen Teil Selbstándigkeit,
und wenn Moskau. damit meine ich die Komintern, Profintern
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und das IPII mit irgendwelchen unsinnigen Anweisungen für die Arbeit herauskam. konnte ich diese einfach unter den Tisch fallen Iassen.
Man darf hier nicht vergessen, daß ich einesteils Mitglied der fKP (B), wie die kommunistische Partei in Rußland hieß, war.\ Außerdem war ich ein Funktionãr des IPKund Sekrerdr des Leningrader Hafenbüros. Dazt kam, daß ich verschiedene laufende Funktionen für die Komintern zu erfüllen hatte, und sehr oft kam es darauf an, daß ich die stùkere Organisation ge gen weniger starke ausspielen mußte, um den eigenen Standpunkt durchzusetzen.
Die einzige Organisation, die immer daran arbeitete, mich vollkommen unterihren Daumen zu bekommen, war die OGPU und insbesondere ihre Abteilung Grenzkgntrolle. In den Jahren nach der Namensänderung von Tscheka zu OGPU begann die Organi-' sation sich erstens auszubreiten und zweitens sich zu bürokratisieren.
Im Verlauf der Jahre wurde die OGPU zu einem Machtinstrument, welches nicksichtslos eingesetzt wurde bei den innerparteilichen Auseinandersetzungen mit der Opposition. In dem Maße, wie die OGPU das entscheidende InstrumentStalinswurde, dt*g sie in alle anderen Organisationen ein und kontrollierte sie. AlIe Kommissariate (Ministerien), die Partei selbst, die Gewerkschaften; die gesamte Industrie , Transport, IJniversitäten, Schulen, die kommunalen und Dorf-Sowjets, jede Institution hatte in sich eine beobachtende Zelle der OGPU. Die Seegrenzkontrolle (MPKP-OGPU) versuchte natrirlich gleich von 1923 an, in den Internøtionølen Søetmønnshløb einzudringen und sich da breit zu machen. In Fakt: Sie hatte ihre Agenten bereits da, als ich die Arbeit übernahm. Ich warf sie einfach raus,
und trotz vieler Unannehmlichkeiten mit der Partei konnte ich meinen Standpunkt bei den alten entscheidenden Parteigenossen im Leningrader Parteikomitee und in der Kontrollkommission durchsetzen. Damals hatten die alten Bolschewiki noch keine
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Ângst. Man konnte solche Konflikte sozusagen noch im engeren lamilienkreis sctrlichten. Aber es war nur so lange möglich, wie ,Ínan ganz hohe Protektion hatte. ,,,., In Moskau hatte ich nach Lenins Tode den IGrl Radek, Tomski, Bucharin, Kalinin, in Leningrad SinoÛ.*, Badajew, Jewdokimow, Kondratjew Im Astoriø (damals Erstes Sowiet-Høøs) wohnte ich zusammen mit allen Leuten, die sozusagen zur absoluten Spitze gehörten. Man konnte alle Sachen, bevor es noch zu irgendeiner Sitzung in einem Komitee kam, beim Tee besprechen und damit den ;rtusgang jedes Konfliktes schon im voraus günstig beeinflussen. Einen solchen schweren Konflikt hatte ich 1925. Der Vorstand der beiden schwedischen Seemannsgewerkschaften sandte mir telegraphisch die Order, wegen des ausgebrochenen Streiks der schwedischen Seeleute sofort alle schwedischen Schiffe stillzulegen. Ich hatte drei schwedische Schiffe im Hafen und berief sofort eine Versammlung der Besatzungen ein. Selbswerständlich beschlossen die Besatzungen, sofort in den Streik einzutreten. Ich benachrich-
tigte die Gewerkschaften der russischen Hafenarbeiter und der russischen Seeleute. Es fand eine'gemeinsame Sitzung mit den Russçn statt) und diese besch-lossen, den Streik aktiv zu untersttitzen.
Die schwedischen Seeleute waren an Bord geblieben, und Streikf,.posten standen an den Gangways. Arbeiten, welche nötig waren
für die Sicherheit der Schiffe im l{afen, sollten gemacht werden, das hatte ich mit den Kapitänen und dem schwedischen Konsul vereinbart. Dafrir verpflichteten sich die Kapitäne, die Mannschaft weiter zu verpflegen. Der schwedische Konsul, der sich freundlich und korrekt verhielt, warnte mich allerdings, daß die Russen doch eines Tages den Streik brechen würden. Ich habe ihm das nicht geglaubt, aber er hat recht behalten. Die Russen baten mich zuerst, die Streikposten wegzunehmen. ,,Du brauchst doch in der Sowjetunion keine Streikposten. Wir sind doch kein kapitalistischer Staat", sagten mir die Funktionäre der in Frage kommenden Ge-
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werkschaften. ,,Wir werden d_ie Ladung löschen, und dann lassen wir die Schiffe liegen. Du nimmst die ganzen Besatzungen herunter und quartierst sie im Hotel ein auf unsere Kosten!,. Gesagt, getan. Die Besatzungen gingen an Land. Sie wohnten dann alle im Hotel Internøtionøl in der Gorochowaja. Am zweiten Tage des Streiks organisierten wir eine Streikversammlung mit den russischen Schleppdampferbesaøungen und den Lotsen. Die Schleppdampferbesatzungen und Lotsen versprachen, solange wie der Streik dauerte, die Schiffe zu blockieren. Das bedeurete natriLrlich, daß die schiffe den Hafen nicht verlassen konnren. Alles ging gut. Drei Tage später, als ich mit dem schwedischen Streikkomitee morgens in den Hafen ging, um die Schiffe zu kontrollieren, bekamen wir den Schock unseres Lebens. Die Schiffe waren nicht mehr da, sie hatten am füihen Morgen den Leningrader Hafen verlassen. Die Russen haften den Streik gebrochen. Der schwedische Konsul hatte recht behalten. Da stand ich mit dem schwedischen Streikkomitee und den drei Besatzungen, d.ie jetzt daraufwa-rteten) was ich ihnen sagen wrirde.
Wir hielten sofort eine Versammlung ab, in der ich den Besatzungen ganz klar und ohne Umschweife einen Bericht über den Streikbruch gab. Ich machre der Versammlung den Vorschlag, meinen Bericht anzunehmen und einen Beschluß über das weitere
verhalten bis zum Nachrnittag zu vertagen. Inzwischen wollten wir, das Streikkomitee und ich, mit dem schwedischen Konsul eine Besprechung haben. fch wußte, daß die Russen große Mengen von Weizen in Kanada gekauft hatten und daß die ersren ftinf schiffe (alles schwedische schiffe) in den allernächsten Tagen in r,eningrad eintreffenwürden. Das war mein Trumpfì Ich sagte dem I(onsul ganz offen: ,,Die Russen haben den Streik gebrochen. letzt werden die schwedischen seeleute den Russen zeigen, daß man auch in Leningrad streiken kann...
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" frug mich der Konsul. werden nach Eintreffen der Weizenschiffe die sofort ,,Wir Besatzungen in den Streik einbeziehen. Die Besatzungen werden an Bord bleiben, an Bord streiken und das löschen der Weizenladungen verhindern. Diesmal werden wir Streikposter an den ,,Was denken Sie zu tunf
Gangways haben." Selbst der Konsul mußte unwillktirlich lachen. Er verstand. daß ich die Russen in eine wirklich verzwickte Lage hineinbrachte. Er sagte mir übrigens, daß er die drei schwedischen Schiffe, deren Besatzungen in Leningrad geblieben seien, nachWyborg geschickt
hätte, wo sie jetzt warteten. Wir trafen eine Vereinbarung, nach der ich die Besatzungen am nächsten Tage nach Wyborg bringen würde, und der Konsul verpflichtete sich, dafür zu sorgen, daß die Schiffe in Ballast nach schwedischen Häfen gehen urtirden, wo die Besatzungen dann am Streik teilnehmen könnten. Am Nachmittag wurde dann dementsprechend von den Schweden in der Streikversammlung beschlossen. Die beiden schwedischen Unionen in Göteborg wurden von mir benacfuichtigt. Einer meiner russischen Freunde brachte am nächsten Tage die Schweden nach Wyborg.
Inzrvischen nahm ich die ersten schwedischen Weizenschiffe in Empfang. Ich war sofort nach dem Festmachen an Bord. Nachdem die Besatzungen über die Lage in Leningrad benachrichtigtwaren,
wurde beschlossen: 1) Sofort in den Streik einzutreten. 2) Der Streik wird an Bord geführt. 3) Doppelte Streikposten an der Gangway. 4) Notarbeiten für die Sicherheit des Schiffes werden ausgeführt.
5) Das Löschen der Weizenladung wird mit allen Mitteln verhindert.
Mein bester russischer Freund, der auch ein Mitglied des Leningrader Bùros war und den das Leningrader Parteikomitee nt mtr schickte mit dem Parteibefehl. den Streiksofort einzustellen. wamte
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mich ernstlich und sagte: ,,Wenn du den Streik gegen den Willen der Partei fortsetzt, wird das gleichbedeutend sein mit deinem
hen Streikposten schickten ihn wieder an Land. Man keinen an Bord. Es wurde nicht geloscht. Nicht einmal die Luken der Laderäume
politischen Tod."
Ich antwortete ihm: ,,Wenn die Russen irgend etwas unternehmen) um diesen Streik zu brechen, werde ich die beiden schwedischen Unionen davon benachrichtigen. Beide Unionen sind Mitglieder der ITF und durch ihre Landesorganisationen auch an den
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IGB (Internationaler Gewerkschaftsbund) angeschlossen. Das wird dann wunderbar sein, wenn die Weltpresse darüber berichtet." Man dnickte auf mich von allen Seiten, aber ich gab nicht nach. Die schwedischen Besatzungen standen hinter mir wie ein Mann. Der Konsul war der einzige in Leningrad, der die sehr verzwickte Lage , in der ich mich befand, verstand. F,s ist bezeichnend, daß'er nanirlich von den Russen auf dem laufenden gehalten wurde. Er' versuchte nach beiden Seiten zu intervenieren. Die Russen hatten
ihm gesagt: ,,Es wird nicht gestreikt!" Ich hatte ihm gesagt: ,,Es wird gestreikt!" Und gestreikt wurde. Weiß der Teufel. was der Konsul nach Stockholm berichter hate. Ich hatte das Gefühl, daß er mich respektierte, aber gleichzeitig nicht begreifen konnte, warum ich das Risiko des Streiks gegen den Willen der Russen auf mich nahm. Nach ein paar Streiktagen frug er mich: ,,IJnter welchen Bedin gungen kann der Streik abgebrochen werdenf
"
Ich antwortete ihm: ,,Wenn die schwedischen Reeder mit den beiden Unionen zu einerAbmachungkommen, daß die Ladungen
in Leningrad gelöscht werden können und die Schiffe in Ballast nach schwedischen Häfen zurückkefuen."
Die schwedischen Besatzungen wurden an Bord verpfleg. Der Konsul hatte die Kapitäne veranlaßt, die volle Verpflegung der streikenden Seeleute normal fortzusetzen. Die Russen erlebten ein paar Überraschungen. ]eder Russe, der versuchte an Bord zu gehen, ganz gleich ob er Zollbeamter oder durch seine Uniform als Seegrenzkontrolle zu erkennen war, die
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n geöffnet. ,: In Göteborg resp. Stockholm kam es dann auch nach einigen ,[agen zu einer Einigung zwischen den lJnionen und den Reedern betrefß der Weizenschiffe in Leningrad. ., Ich berief sofort eine Versammlung ein, und nach Verlesung des Telegramms von den beiden lJnionen, nach welchem die Schiffe freigegeben wurden zum löschen der Ladung und danach in Ballast nach schwedischen Håifen zurückkehren sollten, stimmten die Besatzungen ab und erklärten sich einverstanden. Da die Versammlung ausschließlich in schwedischer Sprache statfand, hatten die Vertreter der Russen nichtverstehen können) was vor sich ging, und versuchten vor der Abstimmung, sich einzumischen. Sie konnten nicht begreifen, warum man ihnen nicht das Wort gab, warum sie im Interroøtionølen Seem,ønnshløb in Lentngrad nicht das Recht hatten, sich bestimmend einzumischen. Sie waren machtlos' Sie scheiterten an der Entschlossenheit der schwedischen Seeleute, die hier zeigten, daß man auch in der Sowjetunion, in der Streiks verboten waren, streiken konnte, wenn ein Streik notwendig war. Leider gab es nur einen Mann, der lachte. Das war der schwedische Konsul. Ich lachte nicht! Ich hatte eben erst einen organisierten Streikbruch der Leningrader l(ommunisten erlebt, einen
Streikbruch, der auf Befehl irgendwelcher Bürokraten in Moskau durchgeftihrt wurde. Den zweiten Streikbruch konnte ich verhindern, aber nur deshalb, weil ich auf meiner Seite die Besatzungen der schwedischen Schiffe hatte. Die Russen waren nicht darüber im Zweifel, daß ich bereit war, auch die Besatzungen von über vierzig anderen auslãndischen Schiffen, Norweger, Dänen, Holländer und Deutsche, in einen Solidaritätsstreik einzubeziehen im Falle von neuen russischen Maßnahmen gegen den schwedischen Streik.
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Die Seeleute der Schiffe im Leningrader Hafen hatten selbswerståindlich zu dem Streik Stellung genommen und waren unter allen Umstä¡den bereit, den Streik zu untersttitzen, in diesem Fall gegen die Russen. In der damaligen Zeithattendie Russen die Sympathie der überwiegenden Mehrheit der auslåindischen Seeleute. Als dann die mit ihren Schi{fen im I-eningrader Hafen liegenden Seeleute den Streikbruch gegen die schwedischen Seeleute erlebten, verstanden
sie alle, daß bei einem zweiten Streikbruch eine Demonstration gegen die Russen unternommen werden müsse, um die Russen zu Verstand zu bringen. Ich hatte die Russen, sowohl die Partei als auch die Gewerkschaften, früh genug gewarnt vor einem Streikbruch ur¡d ganz offen den Skandal an die Wand gemalt, der die internationale Arbeiterschaft auf die Beine bringen würde, in diesem Falle gegen die Russen. Die Russen frugen mich in einer Sitzung des Leningrader Parteisekretariats. warum ich nicht die Linie der Partei durchführen wolle. Diese Linie bestand darin, daß die schwedischen Seeleute in russischen Häfen eine Solidaritätserklárung mit ihren
streikenden Kameraden in Schweden annehmen sollten- in der zumAusdruck bringen, die Arbeit nicht in einem sowjetrussischen Hafen niederzulegen, sondern sich erst im ersten kapitalistischen Hafen am Streik zu beteiligen. Ich erkldrte den Mitgliedern des Leningrader Parreisekrerariats, daß ich die Aufforderung zum Streik von den beiden Vorsitzenden der schwedischen Seeleuteunion und der schwedischen lleizerunion erhalten hätte. Nur die beiden Unionen hätten über die Frage Streik oder Nichtstreik zu entscheiden. Nicht die russische sie zum Schluß dann ihre Entschließung
Partei. Ich versuchte den Russen klar zu machen, daß ich in diesem Falle als Vertreter der schwedischen Seeleute zu handeln habe und nicht als Funktionåir der russischen Partei.
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Etwa ein ]afu vor dem hier geschilderten Streikbruch der Russen im Streik der schwedischen Seeleute kam es zu einem Streik der ,,Grustschiki" (1925) im Leningrader lIafen. Ich war gerade in Rotterdam, um die Arbeit des Internøtionølen Seeru'ønnshløbs aufzuziehen . Der Iilu,b befand sich auf der Ecke von Maasstraat und Westerstraat. Seeleute verschiedener Nationen, die an Land lagen, saßen hier und lasen ihre respektiven Zeítangen. Meistens waren es Deutsche, Skandinavier, Holländer und Griechen. Ein Teil der arbeitslosen Seeleute kam schon am Vormittag za einer Art von A¡beitseinteilung für die Außenarbeit (Propaganda) des I(lwbs. Wir verteilten sie auf die verschiedenen Hafenbecken, z.B. Merwedehafen, Maashafen, Rheinhafen, Waalhafen u.s.w. Wir gaben ihnen die Namen der zu besuchenden Schiffe. Die Seeleute gingen auf die Seeschiffe, die Rheinschiffer auf die Binnenschiffe. Sie verteilten dort Zeitvngen und Propagandamaterial, luden zu den Klubversammlungen ein, und bei dieser Gelegenheit aßen sie auch Mittag mit den Besatzungen. Damit war das Praktische mit
dem Nätzlichen verbunden. Der Interruøtionøle Seeru.ønnskløb hatte seinen legalen Ansuich in Holland gegenüber der Polizei dadurch, daß er offiziell unter der Iæitung des NAS (Nationales Arbeiter-Sekretariat) stand. Das NAS war die ZentraJe der holländischen syndikalistischen Gewerkschaften, die damals an die RGI angeschlossen waren (RGI : Rote Gewerkschafts-Internationale ).
Die Finanzierung geschah natärlich von Moskau aus. Außer den Versammlungen gab der Idøb U nterhaltungsabende und meistens auch nach den Versammlungen Tee und Geback.
In unsere ziemlich grt aufgezoeene Propagandaarbeit platzte plötzlich der Streik im Leningrader Holzhafen hinein. Deutsche Schiffe trafen in verschiedenen Häfen des Kontinents ein, und die Besatzungen berichteten von einem Streik der Leningrader Hafenarbeiter. Die bürgerliche Presse und vor allen Dingen die Zeitungen der SPD traten natürlich diese für sie wunderbare Geschichte sofort breit. Die Pressbulletins von Moskau (in den
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verschiedensten Sprachen damals von der Komintern regelmäßig in allen Ländern verbreitet) schrieben, daß es sich um eine der
üblichen Ltigenmeldungen der ,,gelben" Presse handle und daß es keinen Streik gegeben habe. Bouwman und Molenkamp, zwei der Leiter der syndikalistischen Transportarbeiter, zu denen auch viele, damals sogar die Mehrheit der Hafenarbeiter in den holl¿indischen Häfen Velse n, Zaandam und Rotterdam, gehörten, die llolzschìffe Iöschten, waren nanirlich in großer Verlegenheit, da ihre Mitglieder die allgemeine Ansicht äußerten, daß diese von Leningrad kommenden Holzschiffe ,,schwarz" erkldrt werden sollten, da sie von Streikbrechern geladen waren. Die ersten Besatzungen solcher von Streikbrechern geladenen Schiffe nahmen bald darauf in Rotterdam an unseren Versammlungen teil. Diese Schiffe hatten Pitprops (Grubenholz) geladen im Barschni Bassin (Holzhafen in Leningrad). Da liegen die Schiffe an Bojen und laden das Grubenholz aus den längsseit liegenden
Leichtern. Das Grubenholz muß eine bestimmte Länge, Dicke und Qualitat haben, um von den sich beim Laden an Bord befindlichen Abnehmern angenommen zu werden. Die,{bnehmer in diesen ]ahren waren Angestellte, die die Interessen der Empfiinger des Grubenholzes wahrnahmen. Da die Qualitat des Holzes seh¡ schlecht war) es hatte zulange im Wasser gelegen, wurde sehr viel abgelehnt und die Schlingen gingen zurtick in die Leichter. Es mußte sortiert werden, das Ladetempo wurde ungeheuer verlangsamt, und der Akkordlohn sank so bedeutend, daß die A¡beiter nur noch ein Drittel ihres Lohnes verdienen konnten. Sie forderten, da sie an der Verzögerung des Ladens schuldlos waren und sogar bedeutend mehr Arbeit zu leisten hatten, einen Lohnausgleich. AIs das abgelehnt wurde, legten sie die Arbeit nieder. Es muß hier gesagt werden, daß die Arbeiter im Holzhafen sich zum großen Teil aus Finnen zusammensetzten. Wer kein Finne war, war ein Ingermanländer. (Iæningrad liegt eigentlich in dem sogenannten Ingermanland, das ganze Gebiet zwischen Estland
Abb. ó3 lHolzverløden irn Leningrøder Høfen.
und Finnland. Die Sprache, die hier gesprochen wird, ist eine Abart von Finnisch und Estonisch.) Na, auf jeden Fall, es gab nicht viele Russen zwischen den Arbeitern. Diese Arbeiter waren Mitglieder des Sojus Mestni Transport (Lokal-Transport). Die Hafenarbeiter hatten durch ihre ,,Mestkoms" versucht, mit Lesexport zu verhandeln, die Mestkoms (Betriebsdelegierte) hatten mit der Gewerkschaft (Mestni Transport) weitere Versuche gemacht, eine Regelung der Lohnfrage mit Lesexport zu erreichen, aber alles war zwecklos. Spontan legten die Hafenarbeiter die Arbeit nieder. Trotz der am nächsten Tage erfolgenden Aufforderung der Gewerkschaft und der Partei, die Arbeit wieder aufzunehmen, blieben die Arbeiter von der Arbeit fort. Jetzt mobilisierte die Partei alle Parteimitglieder, die nur irgendwie ftir diese Arbeit in Betracht kamen, und setzte sich ein ftiLr
den Streikbruch.
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Das Resultat war, daß die Seeleute ganz mit Recht beim Eintreffen in den ausländischen Häfen den dortigen Hafenarbeitern erzählten, daß die Schiffe von Streikbrechern geladen waren. Es war bald in allen Häfen zwischen den llafenarbeitern bekannt, daß die Streikbrecher Parteimitglieder, Kommunisten) waren. Dank dessen. daß ich in Holland nichts mit den Kommunisten zu tun hatte, sondern mit Syndikalisten, konnten wi¡ diese unangenehme Geschichte so behandeLn, wie wir es am besten dachten. Wir sprachen also über den Streik auf unseren Versammlungen ganz offen. \Mir verurteilten den Streikbruch und nahmen Resolutionen an, in denen wir von den russischen Behörden, der Partei und der Gewerkschaft verlangten, daß die Rechte der russischen llafenarbeiter respektiert werden sollten. Gleiéhzeitig sandten wir die Resolutionen, in denen wir die Schiffe nannren, die unter diesen Umständen geladen hatten, an die Profintern und Komintern und ersuchten das EKKI und die in Frage kommenden Sekretariate, dafür zu sorgen, daß die kommunistische Presse in solchen Fåillen offen Stellung nehmen solle, anstatt Lügen zu verbreiten, die Bewegung zu schädigen und uns das Leben und die Arbeit schwer zu machen. Wir retteten die Lage einfach dadurch, daß wir sie ganz offen behandelten. Aber schon damals haben die wirklich wertvollen Genossen verstanden, daß'
die maßgebenden Leute in Moskau und überhaupt in Rußland von einer eigentlichen Gewerkschaftsbewegung nic/tts verstanden. Was kurz darauf in der Welt exerziert wurde mit den unter kommunistischer Leitung stehenden radikalen Arbeitermassen und bald von den vielen lJnzufriedenen und Kritikern gekennzeichnet wurde als die Politik des ,,Rein in die Kartoffeln - Raus aus den Kartoffeln", hatte seine IJrsache ausschließlich darin, daß die großen Drahtzieher nichts verstanden. Im sozialistischen Si¡rne konnte man von einem vollkommenen Versagen aller Maßnahmen sprechen, die von ,rkommunistischen" Beamten in Moskau getroffen wurden. ,,
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Was geschah übrigens mit den Sueikern in Leningradf Keiner von ihnen hat jemals wieder den Hafen betreten. Ein großer Teil von ihnen wurde auf administrativem We ge,,verschickt" . Schon die alte zaristische' Gendarmerie ( Ochrana) benutzte die Verschickung
als administrative Maßnahme gegen Menschen, die verdächtig waren oder sich bei den Behörden unbeliebt gemacht hatten. Die administrative Formalität nannte man damals Minøs S'ieben, und dieser Ausdruck kam daher, daß dem zu Verschickenden auf einer vorgedruckten Formel mitgeteilt wurde, daß sein Aufenthalt in den beiden Hauptstädten und in den Grenzgouvernementen verboten sei. Gewöh¡rlich wurden dte Minøs S'ieben'-Betroffenen nach den weiter östlich liegenden Provinzen verschickt, wo sie sich dann regelmâßig bei der Gendarmerie melden mußten. Die OGPU hat die Minøs Sieben-Maßnahme der zaristischen Gendarmerie übernommen und noch verschåirft. Die Regel war, daß dèm Auszuweisenden und seiner Familie 24 Stunde nZeit gegeben wurden, bevor sie die Reise anzutreten hatten. Ihm wurde gestattet, pro Person ein bestimmtes Gewicht an Gepäck mitzttnehmen. Das Gewicht war so beschränkt, daß es unmöglich wurde, Möbel u.s.w. mitzunehmen. Gewöhnlich fuhren die Leute ab mit ein paar Koffern und einigen Säcken voll Bettzeug. Die Wohnungen wurden in der Regel von der OGPU übernommen. Mehr oder weniger waren die ,,Beamten" der OGPU auf dem lJmwege über M'inøs Sieben-Aasweisungen in den Besitz ifuer guten, großen Wohnungen gekommen, zu denen fast in allen Fdllen auch die Möbel, Teppiche u.s.w. gehörten. Kurz und gut, je mehr der Apparat der OGPU wuchs und sich ausdehnte, desto mehrWohnungen brauchte manfrit die Beamten, desto mehr Menschen wurden :unter Miwts Sieben, verschickt. Später, nach 1927, als die OGPU für ihre Zwangsarbeitslager Millionen von Menschen brauchte, verlor Miu'us Si'eben' seine Bedeutung mehr und mehr. Man brauchte dann Arbeitssklaven, und dazu brauchte man verurteilte Gefangene. Mit dem Abschluß des
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%"fuwr Abb. ó4 | ßrief Herrnønn l(nüfkøøs øn Grigori Sinowjew vow 22. Dezeøber 1926.
Jahres L928 gab es nach einem offiziellen Bericht ungefåhr eine Million Gefangene in Zwangsarbeitslagern. Rykow gab dte ZahI der ausgegebenen Tagesrationen (Pajok) mit 998.000 an! Zwischen den verschiedenen Reisen, die ich frir die Komintern
und Profintern ins Ausland machte, arbeitete ich in meinem Leningrader Büro, diese Position hielt ich immer fest in meiner Hand. Die Reisen fielen gewöhnlich in die Winterzeit, wenn der Leningrader Hafen für die Navigation geschlossen war. Ich habe niemals zu einer bestimmten Gruppe der Opposition gehört. Im Laufe der Jahre hatte ich meine Erfahrungen mit den verschiedenen ,,Großen" der russischen Partei gernacht. Trotzki,
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Bucharin, Lunatscharski, Tomski, , Sinowjew, Kamenew, Rykow, ,:f,osowski, Stalin, Bakajew, Molotow, Mikojan, Andrejew, Tschitscherin, Gorki, Kalinin, Kirow, Kondratjew, Radek, Bubnow und wie sie alle hießen, ich hatte sie alle kennengelernt, urid was ich im Laufe der Zeit durch meine engere Verbindung mit dem Apparat der Partei, der Gewerkschaften, der Komintern und der Profintern über die verschiedenen ,,Großen" hörte und sah, ließ mich zu der Erkenntnis kommen, daß sie alle, der eine mehr' der andere weniger, Diktatoren waren. Nicht daß ich selbst f,ir mich in Anspruch nehme, den Weg zum Sozialismus frir die Russen besser gekannt zu haben in den Jahren nach Lenins Tod. Ich war nur ein Seemann, kein Berußrevolutiondr, kein Theoretiker. Aber die Übernahme oder besser gesagt die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat unter Leitung der l(ommunistischen Partei und der nach der Machtergreifung folgenden Periode der Diktatur des Proletariats wurde von mir hunderçrozentig akzeptiert. Auch war ich mir vollkommen'darüber klar. daß die Zeiten nach der Revolution viel Hunger und Elend mit sich bringen wüLrden. Was ich nach Lenins Tod auszusetzen hatte an der bolschewistischen Partei und ihren Führern, war das vollkommene Außerachtlassen der proletarischen Demokratie in der Partei selbst. Die Masse der Parteimitglieder hatte jeden Einfluß auf die Gestaltung der Politik der Partei verloren. Sinowjeq Jewdokimow, Bakajew, Kondratjew, Komarow, Gordon, Sarkis und alle Prominenten der Leningrader Opposition (der |udas war Komarow!) waren eine ebenso üble Clique wie die Stalin-Fraktion, wie die Rechten, die Trotzkisten oder die Versöhnler. Die Fraktionen kampften um die Machtposition in der Partei. Der Troøki-Sinowjew-Blockkam erst ziemlich spätmit der Parole: ,,Freie Diskussion in der Partei, IGmpf gegen die BtiLrokratie und unproletarischen Elemente in der Partei". Aber trotz dieser Verspätung standen die Belegschaften aller großen Industriewerke in Leningrad auf Seiten der Opposition.
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1926/27 und teilweise noch '28 waren stürmische Zeiten. In den großen Leningrader Werken, Pwtilow, Treøgolnih, I(røsnyj Wyborgshetz, Bolschewih u.s.w., kam es zu turbulenten Szenen. Rykow, Kalinin, Woroschilow wurden am Sprechen verhindert und gezwungen, die Parteiversammlungen zu verlassen. Resolutionen-
für die Plattform der Opposition wurden angenommen, kurz gesagt, ich hatte die Auffassung, daß die Opposition bereir war, eine wirldiche Auseinandersetzung mit der stalinistischen,,Mehrheit.. durchzuführen. In den Kasernen der Leningrader Garnison hingen noch d.ie Bilder Trotzkis. Nur die GPU-Truppen waren hinter Stalin. Die Belegschaften aller Leningrader Industriewerke waren bereit, auf die Straßen zu gehen. Wären die veranrwortlichen Leiter àes Sinowjew-Ifumenew-Trotzki- Blocks vnatig genug gewesen, den' wirklichen Kampf zu riskieren, dann hätten sie gesiegt. Im November L927 konnten sie sich noch auf die vereinte Arbeiterschaft Nordrußlands und die Armee und Flotte verlassen. Sarkis, der Sekretär der Partei im Moskowski-Narwski Rayon, und Gordon, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Typographen und Mitglied des Gubispolkom, \ryaren zu mir gekommen, um einen Plan zu besprechen, der es ermöglichen sollte, alle oppositionellen Leningrader Füfuer aufdie Tribrine vor dem Winterpalast zu bringen am Tage der Revolutionsfeier. Ftir mich war es selbstverständlich, ihnen meine Hilfe zu geben. Wi¡ verabrederen, daß diese Genossen sich auf der Wossnezenskaja bereithalten sollten, und wenn ich dann mit den seeleuten von den ausländischen schiffen
im Leningrader Hafen anmarschiert kam. etwa eine Stunde bevor die Parade und die nachfolgende Demonsrration begann, solken sie sich in die Mitre unseres Zuges eingliedern. Wo die Wossnezenskaja in den Isaakijewskaja Ploschtschad einmünder) begann die militárische Absperrung durch die GpU-Truppen. IIier sollte unsere Kolonne in Empfang genommen werden durch den Stadtkommandanten Fedorow, der uns dann auf seinem pferde durch
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alle Absperrungen begleitete und schließlich vor der Tribüne vor dem Winterpalast plazierte. Nachdem wi¡ in dieser Besprechung alles genau geregelt hatten, saß ich noch lange mit Sarkis zusarnmen und diskutierte mit ihm die wirklich heikle Situation. Er war sich darùber klar, daß Stalin, unterstätzt von den Rechten (Bucharin-Rykow), die Mehrheit im ZK hinter sich hatte. So gut wie ich wußte auch er, daß seit Wochen schon das ZKdte besten Partei-Betriebsfunktionáre von Leningrad abkommandierte und auf andere Parteiarbeitim Osten schickte. In den letzten zwei Wochen hatte man so 2.300 mitdere Funktiondre
von Leningrad weggenorilnen. Der I(ern der Partei in Leningrad wurde auf diese Weise ausgehöhlt. Als ich Sarkis frug: ,,Warum habt ifu diesen Genossen nicht die Direktive gegeben, auf ihren Plätzen zu bleibenf " sagte er mir: ,,Wir können die Parteidisziplin nicht außer Kraft setzen!" ,,IJnd was würdest du in dieser Situation tunf " frug er mich. Ich sagte ihm: ,,I1ole die Leningrader Arbeiter auf die Suaße, mobilisiere die Armee, die noch hinter euch steht. Hier in Leningrad wurde die Revolution geboren, wenn ihr jetzt handelt, wird das ganze Land
folgen!"
Der kluge Revolutionár lachte: ,,Das ist deine Auffassung von der Partei und der russischen Revolution." Schade. keiner dieser alten Revolutiondre ahnte damals. was Stalin mit ihnen tun wrirde. Parteidisziplin, das war das höchste und unverletzlíche Prinzip für jeden Parteigenossen. Das war aber auch die Kulisse. hinter der sich die Passivität der Frihrer der Opposition verbarg. Bs gab zwischen diesen Berußrevolutionâren einige wenige l(ámpfer, diese konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Die Masse der Leningrader Parteigenossen in den Fabriken und Werken, in den Kasernen und auf den Schiffen waren tapfere Kämpfer. Sie hatten nur einen Fehler, sie warteten auf ein Signal der Fährer, und dieses Signal kam nicht. Die Masse war nt jeder
Aktion bereit.
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Für den 7. November hatre die Opposition für alle Rayons der Partei Verhaltensmaßnahmen ausgegeben, die bei der Demonstration befolgt werden sollten. Kurz und gut, schon firihe am 7. November holten die Schleppdampfer die Besarzungen der ausländischen Schiffe, die im Holzhafen und den verschiedenen- anderen Bassins lagen, an Land, und eine Kolonne von fast 300 Mann setzte sich in Marsch. In der Wossnezenskaja pickten wir die opposirionellen Führer von beiden Seiten der Straße auf und verreilten sie in der Mitte der Kolonne so, daß sie beim Passieren der Absperrung nicht auffielen.
An der Absperrung erwartete uns der Stadtkorq¡nandant Fedorow auf seinem Apfelschimmel. Er brachte uns durch alle Absperrungen hindurch bis zur Tribrine vor dem Winterpalast, wo wir dann Außtellung nahmen. Zuerstfanddie militãrische Parade sran, die ungefähr eine Stunde in Anspruch nahm. Dann erfolgte der Anmarsch der riesigen Demonstrationszüge. Bisher war alles ruhig abgegangen. Auf der Tribtine stand Rykow (es kann auch Woroschilow gewesen sein), auf jeden Fall: die Verrreter der Rechten und der StaLin-Fraktion war€n auf der Tribüne, aber unten zwischen den ausländischen Seeleuten standen die Leningrader Funktionäre, die zur Tribüne. nicht zugelassen waren. Die Spitze der Demonstrationszüge, und zwar als erste die I(olonne vom Moskowski-Narwski Rayon, dann Wassilewski Ostrow daneben, stand nun klar zwischen Admiralitat und Winterpalast. '{uf dem großen Platz vor dem Winterpalast sah man nur die.A.bsperrungsspaliere der OGPU. Dann kam vom Winterpalast das Fanfarensignal, welches den Beginn der Demonstration ankrindigte. Der Moskowski-Narwski Rayon und der Wassilewski Ostrow marschierten in 16 Mann breiten Reihen nebeneinander über den ungeheuer großen Platz. Die roten Parteifahnen und die vielen
Abb. 65 | Leningrød. - ànnnere Stød.t: der Isøøhijewskøjø Ploschtschød (linhs), Winter-
pøløis/Ereøitøge (Mitte) ønd
døs
Mørsfeld (rechts).
Transparente wehten und spannten sich im Winde. Und dann brach die Anti-Stalin-Kundgebung los: Tausende von Trillerpfeifen schrillten, nur unterbrochen von dem Sch¡eien antistalinistischer
Losungen. Überall auf dem Platz, wo die OGPU-Truppen versuchten) den Arbeitern die Transparente zu entreißen, kam es zu Zusammenstößen. Die oppositionellen Funktionäre, die wir auf den Platz geschmuggelt hatten, waren auf die"Tribüne geklettert, redeten und winkten. Die marschierenden Kolonnen kamen ins Stocken. Immer mehr füLllte sich der riesige Platz. Die Abmarsch-
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súaße, Uliza Chalturina, an der Eremitage vorbei, war verstopft. Die Spitzen der beiden Züge hatten hier, anstatt weiterzumarschieren, gehalten und versperrten die straße. Nichts konnte durch. überall auf dem Platz und überall, wo die Straßen von den anmarschierenden Demonstranten versperrt wurden, tauchten neue parolen auf neu entfalteten Transparenten auf. parolen mit Forderungen nach proletarischer DemoLratie, Losungen gegen die parteibtirokratie u.s.w. Aber die Masse wußte nicht, was sie run sollte. Das war die Unfihigkeit der Leiter des Trotzki-sinowjew-Blocks. An diesem Tage hätte man, vorausgesetzt daß man den Mut dazu gehabt hätte, Stalin und alle, die mit ihm gingen, wegfegen, beseitigen können. Aber an Mut fehlte es! Man kann nichts Gutes von Stalin sagen) aber das Eine standfest: Er kannte seine pappenheimer.-Er nahm sie nicht ernst!
Alle GPU-Geflingnisse in Leningrad, die schon sowieso voll waren, wurden vollgepfropft. In allen Fabriken und Werken diskutierten die Parteigenossen die Lage. Protestversammlungen fanden
statt, und die Vertrete r des Zentralkomitees der Partei, die versuchten, sich Gehör zu verschaffen, wurden kurzerhand aus den Betrieben herausgeschmissen. Im Laufe der nächsten Tage wurden Tausende von oppositionellen Funktionáren von Leningrad weggenommen und aufArbeit in weit abliegende Gebiete nach dem Osten verschickt. Das Resul-
tat: Die Opposition in Leningrad gitrg unter Grund. Es wurden neue oppositionelle Parteizellen gebildet und neue lJntergrundRayonkomitees gewählt. Anstatt zu kämpfen, dachte man daran, die Partei wiederzuerobern. Das war natürlich Unsinn. Außerdem waren die Gruppen viel zu groß, und es war ein Leichtes, OGPUSubjekte in die neuen lJntergrundzellen hineinzuschmuggeln und dann jeweilig die Iæiter zu verhaften.
Was die wirklichen Machthaber in Leningrad, nämlich die Rechten und die Überlaufer im Gubispolkom, taten, war folgendes: Sie gaben Fedorow, dem Stadtkommandanten, die Order, den platz
und die Uliza Chalturina zu räumen. Fedorow zog zwei oder drei Eskadronen Kosaken zusammen und ließ diese in die Massen hi¡reinreiten. was nicht wich, wurde rucksiihtslos niedergeschlagen. fn einer halben Stunde war der platz gesäubert. Ein Kord.on
von OGPU-Truppen hinderte das Zurúckfluren der Massen auf den Platz. Dann öffüete man das Tor zwischen winterpalast und Eremitage und ließ unter ständigem Druck von den verstärkten GPU-Truppen im weiteren Verlauf der Demonsrration die abziehenden Massen hier nach der Newa durch. Aber es war selbst für die Kosaken unmöglich, die Uliza Chalturina und die angrenzenden Straßen zu räumen. Doch sonst kann man sagen, die Opposition hatte zwar ihre Störungsaktion durchgefrihrr, aber die stalinistische Mehrheit im ZK hatte den Tag gewonnen. In der folgenden Nacht fuhr die'OGpU mit Lasrwagen durch die Stadt und sammelte den Rest der Unteroffiziere der Bewegrrng ein.
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Es zeigte sich in diesenWochen und Monaten) daß die russischen _
Genossen überhaupt keine Ahnung von konspkativer Arbeit hatten.
Die Zellen flogen auf, nach und nach wurden die einzelnen Mitglieder der illegalen l(omitees verhaftet. Die OGPU hatte durch ihre Agenten bald die ganze illegale Bewegung unter ihrer l(ontrolle und verstand es. sie nach und nach Beschlüsse annehmen zu lassen, die darauf hinausgingen, sich selbst aufzulösen und die Resolutionen des stalinistischen Zentralkomitees anzunehmen. Im Perwoje Dow Sowjøtow (Erstes I{øøs d.ør Sowjets),jetzt heißt es wieder Hotel Astor'iø, verschwanden viele der Bewohner über Nacht. Gerade in dieser Zeit bewohnte ich ein Eck-Appartement auf der 5. Etage, No. 517. Marie Michailowna, die meine Zímmer rein hielt, erzählte mir jeden Morgerì) wen die OGPU abgeholt hatte. Sie hatte ein wirklich tiefes Mitleid mit allen, die verschwanden. Marie Michailowna war eine Uborstschiza (Reinmachefrau). Wir waren Freunde von Anfang an. 1920 hatte sie mich zum ersten Male bemuttert. 1923.
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ich nach der Zeitim deutschen Zuchthaus lns Astoriø zurückkehrte, nahm sie mich wieder unter ihre Obhut. Ich habe sie öfters in ifuer Wohnung unter dem Dach des ás¿¿riøbestcht.In allen Ecken ihrer beiden Zimmer hingen die lkonen, und die Gesichter vieler russischer HeiJiger sahen auf mich als
herab.
,
Sie war eine kleine verhutzelte Frau. aber voll von Gutheit. Ihr Mann war der Kutscher von Nikolai II., dem letzten russischen Zaren, gewesen. Soviel ich mich erinnere, starb er kurz vor dem Ausbruch des Krieges 1914, als er von einem der Pferde durch einen Tritt in den Bauch verletzt wurde. Marie Michailnowa zeigte mir oft mit Stolz das Bild dieses båirtigen Iswosrschiks. Eins habe ich noch im Gedachtnis, es zeigt ihn als Iswostschik der Troika. Die l(öche der ausländischen Schiffe versahen mich in der Zeit-" als man noch nicht alles bekommen konnre in Leningrad, mit allen möglichen guten Sachen: Kaffee, Zucker, Tee, Speck, Brot, Kuchen, Mehl und Konserven. Marie Michailnowa hatte sozusagen die Verfügung über alle Vorräte , sie machte mir ein Frühsnick und hielt alles so in Ordnung, daß, wenn ich im Laufe des Tages mir selbst etwas kochen wollte, ich alles an Ort und Stelle fand. Wie immer in Rußland, wenn man Besuche macht, geht man am späten Abend. So war es auch im Astoriø. Da saßen Cliquen,
wie sie zusammengehörten, in den verschiedenen,{ppartements zusanmen und diskutierten beim ewigen Tee die politischen und so
innerparteilichen Angelegenheiten. Da es sich bei allen Teilnehmern um Funktiondre handelte, Leningrader Funktioná¡e, die so oder so an den Fraktionskämpfen teilgenonmen hatten, ohne d,ie I(onseqøenzen der stalinistischen Korruption gezogeî zu haben. Wd¡en sie wirklich die Kommunisten gewesen, d-ie sie vorgaben zu sein, hätten sie wirklich offen Stellung genommen in den srürmischen innerparteüichen Auseinan dersetzungen, dann wdren sie schon lange aus ihren Ämtern verschwunden, dann wáren sie nicht
ANGRIFFE DER OGPU
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mehr im Astoriø in ihren Appartements oder in ifuen luxuriösen Flats auf dem Kamenew Ostrow. Aber zwischen ihnen saßen schon die Agenten der OGPU und berichteten dauernd in der Gorochowaja über die Diskussionen. In der Zeit, wo die OGPU noch mit dem Kampfund der Liquidation der Sinowjew-Trotzki-Opposition beschäftig war, ließ man die Tee-Gesellschaften der zentristischen und rechten Gruppen in Ruhe, aber man sammelte Material, füllte die Personalakten aufftiLr den Tag, wenn die Marschorder gegeben
wurde.
1928 war das Jahr der Kapitulationen. Viele der linken Führer gestanden ih¡e Fehler ein, versprachen Besserung und krochen zu Kreuze. Nur die eigentlichen proletarischen Elemente des Sinowjew-Trotzki-Blocks kapitulierten nicht. Der Charakter der linken Opposition als Massenbewegung verschwand, nur ganz kleine oppositionelle ZelLen in den Werken und Fabriken blieben bestehen und auch das nur solange, wie sie keine Querverbindungen zu anderen ZelTen aufnahmen. D er Int e r n øti o n ø l e S e e w øn ns h, lu b w ar während, die ser Zeit, L927,' 28 :und' 29, eine Austauschstelle ftir
freie Gedanken, und mancher Plan ist hier in den Jahren ausgeheckt worden. Meine Position war immer noch so stark, daß d-ie OGPU mich nicht angreifen konnte. Einesteils hatte ich die Vertretung und Zahlstellen von vier ausländischen Seemannsgewerkschaften, die nicht unter russischem Einfluß standen und deren Mandate meine persönliche Angelegenheit waren. Weder die russiche Partei noch die russischen Gewerkschaften konnten sich da einmischen. Anderenteils war ich mefu oder weniger unter der Protektion der Komintern- für die ich von Zeit zuZeitl.eute mit ausländischen Schiffen oder Pakete abschickte resp. empfing und weiterleitete. Außerdem hatte ich noch einen guten Freund, Bucharin, in der Komintern. Er war der Sekretär und damit von entscheidendem Einfluß. Einigemal hat er seine schützenden Fittiche tiber mich
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gehalten. Damals bestand auch noch die Profintern (Rote Gewerkschafts-Internationale), richtig genommen die Gewerkschaftssek-
tion der Komintern. Eigentlich hatte ich nicht direkt mit der Profintern zu tun, da für mich ja das Internationale Propaganda- und Aktionskomitee. Transport in Betracht kam. Dieses Komitee war der eigentliche Kopf für alle Internøtionølen Seezwønnshlwús. Nur mit Ausnahme der Finanzierung war ich ziemlich unabhängig von dem I(omi tee.
Eins war mir immer klar, die Leningrader OGPU, mit der ich allzuviele Konfl,ikte hatte, arbeitete gegen mich. Sie fand meinen Apparat zu undurchsichtig und mich selbst nicht nur unwillig zu einer Zusammenarbeit, sondern sogar feindlich. In dem Maße, wie die OGPU stárker wurde und sogar Einfluß auf die Partei " gewann, begann sie mit ihren Angriffen gegen mich auf der Parteilinie. Das geschah folgendermaßen: Die Körperschaft, die für die Gesamtarbeit des Internøt'i on ølen I(løbs d. er Se eleøt e'tn Leningrad verantwortlich war, war, wie ich schon an anderer Stelle sagte, das Port-BäLro MKPD. Dieses Büro trat einmal monatlich zusammen. In diesem Büro war ich Mitglied, als faktischer Leiter der Arbeit unter den ausländischen Seeleuten. Außer mir waren da folgende Mitglieder: ein Vertreter" des Leningrader Gubispolkom der Partei, einVertreter des RayonKomitees der Partei, der Sekretdr des Moskowski-Narwski-Rayons, der Vorsitzende des russischen Seemannsverbandes in Leningrad und derVorsitzende des Sowjets der Leningrader Gewerkschaften. Keines der Mitglieder des Büros verstand etwas von derArbeit, und meine Berichte über den Gang der Arbeit wurden immer einstimmig angenorunen. Vom HerbstI92T an gaben die Vertreter der Partei Kopien meiner A¡beitsberichte an die OGPU. Die OGPU versah von da an die Parteiverueter mit Direktiven, wie sie sich auf den Sitzungen des Büros mir gegenüber verhalten
sollten. Das führte dazu. daß diese Parteifunktion¿ire versuchten,
RIFFE DER OGPU
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ryirAnweisungenz;. geben, wie ich eine mehr revolutiondre Linie
þ den Gewerkschaftsversammlungen der ausländischen Schifßbeffi.tzungen einschlagen sollte. Es wáre ein Unding gewesen, ihnen einen solchen Blödsinn auszureden, und deshalb mußte ich Lenin ausgraben und diesen russischen Kommunisten etwas erzählen ti-.ber Lenins Anweisungen frir die Arbeit der Kommunisten in den Massenorganisationen und insbesondere in den reformistischen Gewerkschaften. Mit Lenin konnte ich die Angriffe gegen meine politische und gewerkschaftlicheArbeit unter den Seeleuten abschlagen. Was ich nicht verhindern konnte, war, daß das Büro meinen technischen Sekretdrvon derArbeitwegnahm und ihn durch einen Russen ersetzte, der von der OGPU vorgeschoben wurde. Als zweiten zuverlässigen Agenten schob der russische Seernannsverband einen Russ.-Finnen in die Klubarbeit. der mir im skandinavischen Sektor helfen sollte. Er sprach außer Russisch und Finnisch auch Schwedisch und Englisch und war nach Besuch der russischen Navigationsschule als Steuermann auf russischen Schiffen gefahren.,Die OGPU hatte in ihm einen guten Auþasser gefunden und ich einen schlechten Mitarbeiter. So klug er sonst auch war) er war weder politisch noch gewerkschaftlich zu gebrauchen. Ich konnte ihn unmöglich in einer Versammlung schwedischer, norwegischer oder dänischer Seeleute auftreten lassen. Selbst die finnischen Seeleute wiirden ihm nicht zuhören. MitAusnahme, daß er die skandinavischen Schiffe besuchte, tat er nichts. Manchmal hatte ich das Gefühl, daß er sich schämte. Einen weiteren OGPU-Agenten hatte man mir ins Restaurant gesetzt. Er war ein ehemaliger deutscher Steward, der von seinem Schiffin Leningrad zurückgeblieben und mit ei¡er Russin verheiratet war. Dafür, daß er für die OGPU arbeitete, war es ihm erlaubt, sich an Schmuggelgeschäften zu beteiligen. Eins ist sicher, vom Frühjahr 1928 an bekam die OGPU durch ihre Agenten im Internøtionøløro Seem.ønnsh,laú regelmäßig Berichte ùber meine Tätigkeit. In dieser Zeitwar es nur die Seegrenz-
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ANGRIFFE DER OGPU
ANGRIFFE DER OGPU
kontrolle der OGPU, dieMaterial gegen michsammehe, unddiese wurde wahrscheinlich durch die Kontrraswedka (KRO -Abteilung der OGPU) unterstritzr. Natürüch konnten die lokalen Leningrader OGPU-Stellen nichts gegen mich unrernehmen, solange ich clie großen Leute in Moskau auf meiner Seite hatte. Solange mir dieOMSK (Otdel Meshdunarodnoj Swjasi Komintern -Abteilung für internationale Verbindung) noch gewisse Agenten zum Verschicken nach dem Ausland überwies und solange die Haupwerwaltung der OGPU in Moskau mir von Zeit zuZeit darchihr Feldjagerski Otdel die dazu notwendigen Visen zusandte. Die Feldjäger-Abteilung der OGPU ist eine besondere post, über welche alle Geheimpost: Briefe und Pakete der verschie= denen Ministerien (damals noch Kommissariate), weiter des ZK der Partei und anderer wichtiger fnstanzen und Orgarüsationen, gesandt wurden. Diese Briefe sind immer in der Mitre mit ftinf Stichen durchgenfüt und der Faden dann hinter dem Knoten mit einem großen Siegel versiegelt. Solche Briefe werden in der Feldjägerabteilung der OGPU eingeliefert und von dieser quitrierr, Die Kuriere der Feldjägerabteilung der OGPU werden von den OGPU-Verbindungstruppen gestellt, die gleichzeitig auch zum Transport von Gefangenen der OGPU gebraucht werden. Die Feldjägerkuriere kann man in den russischen Schnellzügen sehen, in denen sie immer ein geschlossenes Coupé haben. Die Feldjäger, abteilung liefert alle Briefe in die Hände der Adressaren ab. Der Adressat bescheinigt den Empfang des unbeschädigten Briefes. Solche Briefe dürfen nur im Safe (Geldschu"k) aufbewahrt werden. Alle Komintern-Briefe sowohl als auch die Schreiben anderer Moskauer Zentralstellen kamen an mich durch die OGpU. So auch die Visen frir Agenten, die durch mich mit Ausreisemöglichkeiten , versorgt wurden. Die Visen waren vorgedruckte kleine Formulare
mit dem Namen, Daten und Beschreibung der person. Weiter, hatten sie den Vermerk, daß die genannte Person durch mich mit, einem nichtrussischen Schiff abgeschickt werden konnre ohne,
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Kenntnis der Leningrader Seegrenzkontrolle der OGPU. Dieses ,,Yjsa mußte 24 Stunden nach Verlassen des FIafens, also wenn das Schiff sich außerhalb der russischen Territorialgewässer befand, an den Natschalnjk (Chef) der Leningrader Seegrenzkontrolle abge,geben werden. In der Regel schickte ich die Leute) die auf diesem Wege Leningrad verließen, mit deutschen, norwegischen oder dänischen Schiffen. Natrirlich wußten nur die Vertrauensleute an Bord von derAnwesenheit des ,,blinden Passagiers". Die Schifßleitung hatte keine Ahnung. Auch die sefu scharfe Abkontrollierung des Schiffes vor derAbfahrt durch die Seegrenzkontrolle konnte nanirlich den Mann nicht finden. 24 Stunden später erschien ich dann mit dem Vjsa und gab es offiziell an den Chef des Morskoj Propusknoj Kontrolrryj Punkt (OGPU) ab. Dieser nahm jedesmal das Visa mit bitterer Miene an. Er war mit seiner Organisation dafiir verantwortIich, daß niemand den Leningrader Hafen in der Richtung nach See verließ oder von See hineinkam ohne sein Wissen. Er konnte mir keine Vorwúrfe machen, weil das Visa ja den Stempel und die r TJnterschriften seiner höchsten Vorgesetzten trug. Er mußte das Visa auf dem Wege zurück nach oben weiterleiten. Das bedeutete ledesmal 14 Tage Arrest für ihn oder seinen Stellvertreter, weil die Grenzkontrolle jemanden hatte durchschlüpfen lassen. In Moskau lachte man darüber, aber die jeweilig von dem Arrest Betroffenen, Belinki und Friedman, waren nicht gut auf mich zu sprechen. Für diese beiden war ich die Ursache, und sie warteten darauf, mir ein ,
Bein zu stellen. Die Seegrenzkontrolle ist noch jetzt und war damals schon eine große umfangreiche Organisation. In den ersten Jahren meiner Arbeit war ein Deutschbalte der Natschalnik. Dieser verschwand plötzlich, ich glaube im Herbst '27, and dann kamen Friedman rnd Belinki an seine Stelle. Sie bauten ein ganz feinmaschiges Netz v,onAbsperrung und Kontrolle auf, und sie rühmten sich, daß keine -fo[aus raus oder durch die Maschen ih¡er Kontrolle schlüpfen konnte.
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und dann kam ich und zerstörte den Glauben an ifue unfehlbarkeit. In einer Zeit, wo die sekrete Abteilung der OGpU begann, Maß_ nahmen zu treffen, um den r(lwbunter ifue absolute Kontrolle zu bringen, bedeutete es sehr viel, wenn die cheß der Grenzkontrolle auch noch anfingen, in mir einen Gegner zu sehen. Ich hatte den Glauben an die Unfehlbarkeit der Seegrenzkontrolle zersrörr.
j
' und dem
Eine Reihe von Genossen in höheren Funktionen im parteisekretariat hatten wind bekommen von drohenden Maßnahmen gegen mich und warnren mich. Im Orgotdel und im Agitprop im Smolny saßen Leute, die der Ansicht waren) daß die Art meiner Arbeit unter den ausländischen seeleuten allzu individuell von mir geführt wurde, daß ich nicht genügend mit der russischën Partei und den russischen Gewerkschaften zusarrìmenarbeitete. ? Eine weirere Beschuldigunl*T, daß ich die Zahlstellen der aus-
:
ländischen seemannsverbände, die reformistische Gewerkschaften
waren) allzusehr in den vordergrund stellte in der ganzen.{rbeit und die Mandate dieser Gewerkschaften gebrauche, um meine Position zu befestigen. Mit dieser Behaupflrng hamen die Rus_ sen nattirlich recht. was sie nicht verstanden und nicht verstehen konnten, war, daß nur so die Arbeit geführt werden konnte. Die subsidierun g des rnternøtionølen seernønnsh.løbs war so geordnet, daß die notwendigen Finanzen für die Erhaltung des Iöøbs von folgenden Organisationen aufgebracht wurden: Das MI(ID Transport (rnternationales r(omitee für propaganda und Aktion
Transport) zahlte etwa die HâIfte, der russische Seemannsverband, die Gewerkschaft der russischen Eisenbahner, der russische
Transportarbeiterverband und der Leningrader Hafen brachten die andere Hätfte auf. I 92 8 begannen ökonomische schwierigkeiten. wir hatten große Reparaturen durchgeführt und konnten das Geld dafür nicht aufbringen. Die Leningrader organisarionen wollten nicht zahlen. Ich hatte die ganze Angelegenheit dem Leningrader parteisekrerariat
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I'ÁNGRIFFE DER OGPU
Genossen Kirow unter-
breitet, aber, soweit ich verstand, r,ohne etwas zu erreichen. Kirows Resolution bestand darin, die Frage des Inteynøtionølen. Seewønnskløbs auf einer Sekretariatssitzung zu behandeln, die in 14 Tagen stattfinden sollte. ¡ Bis dahin mußte ich genügend starke Hilfe für mich organisieren. Ich firhr nach Moskau. Besuchte am Vormittag meine wenigen Freunde im WZSPS und
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im MKPD Transport und ging am füihen Morgen zur l(omintern. Nachdem ich unten ohne
Abb. 66 Herøønn Rerurnele. 1
Mühe den Propusk erhalten hatte, ging ich nach oben und traf auf der Treppe den Vertreter der deutschen Partei, F{ermann Remmele.
Natij¡lich wollte er mich sofort ins deutsche Sekretariat schleppen. Ich erklärte ihm, daß ich zuerst ins Sekretariat Bucharins mùsse, aber nachher zuihm kommenwerde. Am Tage vor meinerAbreise hatte ich einen Brief an Bucharin gescfuieben und ihn gebeten, mich in einer für mich wichtigen Angelegenheit heute zu empfangen oder eine Nachricht bei seinem Sekretár zu lassen, wann ich ihn sehen könne. Bucharins Sekretär kannte mich nicht, aber als ich ihm meinen Namen sagte, teilte er mir mit, daß Bucharin meinen Brief erhalten habe. Er sei jetzt in einer Sitzung im italienischen Sekretariat und werde mich nach Beendigung der Sitzung empfangen. Ich hatte also Zeit und gingzuRemmele, der mir die letzten unanständigen Witze und Sekrete vom deutschen Zentralkomitee erzählte. Als die Sitzung des italienischen Sekretariats endete, rief mich Bucharins Sekretåir, und ich ging in sein Briro. Bucharin empfing mich
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herzlich, und ich hatte ihm viele Fragen zu beantworten, bevor ichzur Sache kommen konnre. Nachdem ich ihm den Sachverhalt klargelegt hatte, dachte er nicht lange nach, sondern frug mich: ,,Was denkst du, was ich tun solll" Ich sagte ihm: ,,schreibe einen Brief an Kirow, einen an Losowski und einen an Melnitschanski. Mache diese drei Genossen auf die wichtigkeit der Arbeit unrer den ausländischen seeleuten auÊ merlsam und sage ihnen, daß du erwaïtest, daß sie uns alle Hilfe geben." Er lachte, nahm seinen Federhalter und papier und schrieb in meiner Anwesenheit drei Briefe an diese drei Leiter der für mich wichtigen Organisationen. .{.m anderen Tage lieferte ich die ersten zr¡¿ei Briefe ab. Losowski, der Generalsekretár der Profintern, machte mir den Vorwurf, daß ich zuersr mit ihm hätte sprechen sollen. Im übrigen aber versprach er mir je de Hilfe. Melnitschanski im wZSps schrieb einen Brief an den Sowjet der Leningrader Gewerkschaften und verlangte von ihnen sofortige lJnterstritzung. Den dritten Brief nahm ich mit nach Leningrad.
Kirow empfing mich sofort und setzte für den nächsten Tag z'. der alle den Internøtionølen seernønnsh.rub
eine sitzung an)
subsidierenden Gewerkschaften, der Leningrader port-Natschalnik u.s.w. vom Sekretariat der Partei bestellt wurden. Die Sitzung war
natürlichvon allen dazu Eingeladenen besucht. Es dauerte garnicht lange. Kirow selbst machte den Bericht, bezeichnete es als Skandal, daß die in Frage kommenden Organisationen die Wichtigkeit der A¡beit nicht verstanden hatten, und verlangte in Zukunft einen regelmäßigen Bericht über die Arbeit und die regelmäßigen Zahlung der Subsidien. Die fällige Summe für ausgefüfure Repararionen wurde sofort auf die in Frage kommenden Organisationen im umlageverfahren verteilt und diese verpflichtet, sofort ztt zartfen. Ich hatte gewonnen. Meine Position war auß neue gefestigt.
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Trotz der verschiedenen Aufpasser, die die OGPU in das Personal hineingeschoben hatte, behielt der IQøb seinen exterritorialen Charakter. Alle Arbeit wurde nach meinen Anordnungen gemacht.
Die Anzahl der im Leningrader Hafen gleichzeitig ladenden und löschenden ausländischen Schiffe bewege sich zwischen l-5 und 50 Schiffen. An erster Stelle Deutsche, dann folgten Dänen, Norweger, Schweden, Engländer, Finnen, HolläLnder u.s.w So gut wie jedes Scbiff mußte, das war die von mir eingeführte Regel, von mir einmal besucht werden. Meine Mitarbeiter gingen außerdem jeden Tag in den Hafen und gaben auf allen Schiffen die Klubveranstaltungen,
Exkursionen. Theaterbesuche u.s.w. bekannt. Viele Schiffe, besonders diejenigen, die Schnittholz, Props, Papierholz oder Eisenbahnschwellen luden, lagen weit ab von der Stadt, und eine große Anzahl lag in drei Reihen an den Bojen im großen Bassin im Holzhafen oder im Osthafen an der mechanisierten Pier in der Nåihe der Nordwerft. Diese, die an der l(ebniMole oder irn Kohlenhafen luden, lagen noch weiter ab. Um diese Besatzungen in den IQwb zu bekommen, hatte ich das Recht, Schleppdampfer at requirieren, die abends oder an Sonntagen morgens zu bestimmten Zeiten bei den Schiffen låingsseit kamen und die Besatzungen abholten. Es gab"nanirlich eine ununterbrochene Reihe von Reibereien mit allen,möglichen russischen Instanzen, um dauernd alle Veranstaltungen durchführen zu können. Man konnte sich niemals auf ein gegebenes Wort verlassen. Es war für mich eine große Hilfe, daß ich für lange Zeit ein großes offenes Motorboot gebrauchen konnte, welches der deutsche Kaiser im ]ahre l9I2 dem russischen Zaren geschenkt hatte. Es war wunderbar gut erhalten und so konstnriert, daß es niemals Wasser ûbernahm. Es erleichterte meine Arbeit ungeheuer, mit ihm von Schiff zu Schiff zu gehen. Nebenbei bemerkt, die Seeleute von den ausländischen Schiffen freuten sich besonders) wenn sie abends von den Schleppern abgeholt wurden, weil dadurch die Kontrolle durch die OGPU am
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Tor fast unmöglich gemacht wurde, da alle dann in einer Kolonne
man ihn sofort freilassen werde. wenn er bereit sei. der OGPU Auskunft zu geben über alle Vorgänge an Bord oder in seinem
durchmarschierten. Gewöhnlich hatten die Seeleute damals seidene Strümpfe oder Damenwäsche mit. Die seeleute, ganz gleich welcher Nationalitär, die sorche sachen nach ræningrad hineinschmuggelten, taten es ausschrießrich, unl , ihre eignen Ausgaben damit zu decken. Da der russische Rubel viel zu teuer war und damit doch nicht vier gekauft werden konnte. machten die seeleute ihre Geschäfte meisrens mit den Mädchen in der Gegend um den l(løb herum. Da die Mädchen damals in Leningrad der Zeit entsprechend praktisch waren, waren Liebe und
tr{eimatshafen.
r
mit einem Seemann zu tun hatte, der in der Marine gedient hatte, versuchte man, ihn über alles auszupumpen) was er dartiber wußte. Flatte so ein Seemann erst einmal angefangen zu sprechen, dann konnte man) so glaubten die Russen, ihn auch
Die Besatzungen aller im Iæningrader Hafen einlaufenden schiffe erhielten nach der Kontrolle durch die ocpu Landgangserraubnisscheine (Propusk). ohne einen solchen propusk konnie keine. an Land gehen. Wenn jemand diesen propusk verlor, mußte er zehn Rubel Strafe bezahlen. Ich selbst hatte einen roten Dauerpropusk, der mich berech_ tsgte, zu jeder Zeit in den Hafen und an Bord jedes Schiffes zu gehen' Ebenso konnte ich jederzeir auch das Gebäude der see-
:
betonen will: Wenn der Seemann wirklich
in der Klemme
besonders wegen Konterbande, dann versuchte man, ihn
war,
ftir die
OGPU zu gewinnen. Man gab ihm ganz ÞJar zu verstehen. daß
es
1928 nahm ich an den Sitzungen des Kongresses der Profintern teil.
die Miliz Razzien machre und die kranken Mädchen aussortierte und später auch eine sogenannte Nansen-station für d.ie freie Behandlung kranker Seeleute im Hafen aufgemacht wurde.
kenen seemann alles als Geständnis unterschreiben ließen. Aber was man außerdem versuchte zu tun und was ich hier besonders
Wenn man
später gebrauchen.
Getränke in den Preis eingeschlossen. rm ganzen war es immer noch billiger als in Hamburg, Antwerpen, London oder anderen Häfen. Die Anzahl der sich mit Geschlechtskrankheiten ansreckenden sèeleute war unverh¿iltnismäßig hoch. Das wurde ein wenig besser, als *
grenzkontrolle im Hafen betreten. Manchen seemann habe ich hier rausgeholt, bevor er irgendeine unsinnige Anklage auf dem Hals hatte. Es ist verwunderlich, was die Russen einen betrun-
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',
Ich habe immer die Profintern (Rote Gewerkschafts-Internationale) als ein totgeborenes Kind der Komintern angesehen. Dagegen waren die MKPDs (Internationale Propaganda- und Aktions-Komitees ) schon von mehr Bedeutung) wenn sie wirkliche Arbeit machten. Das war allerdings nur der Fall mit dem MKPD Transport (Seeleute, Binnerischiffer, Hafenarbeiter, Eisenbahner u.s.w. ). Dieses Komitee tagte gleichzeitig mit der Profintern. Der damalige GeneralsekretárwarAtschkanow, einer aus der alten Garde der Bolschewiki, ein wirklicher Seemann, vor I9I4 Schifßingenieur. Mit ihm konnte ich immer reibungslos zusammenarbeiten. Eine gute Seele, im lJnterschied zu vielen. Gleichzeitig oder parallel mit dem Profintern-Kongreß tagte eine Konferenz der InternøtionøIen Seørnønnshløbs. Die verantwortlichen Leiter alJer IQøbs in russischen Häfen und eine Reihe von ausländischen Klubverffetern nahmen daran teil. Am besten waren nattirlich die russischen IQøbs vertreten: Leningrad, Murmansk, Archangelsk, Odessa, Noworossisk, Nikolajew, Batumi, Wladiwostok, Poti, und an den ausländischen Häfen: Hamburg, Kopenhagen, Marseille, Antwerpen, Shanghai, Ilongkong, New York u.s.w. In den Internøti,onølen Seerwønnshlwbshatten die Russen einen ungeheuren Apparat zu ihrer Verfügung, den sie ftir die verschiedensten Zwecke benutzten. Selbst in den Häfen, wo es keine
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ANGRIFFE DER OGPU
eigentlichen Iöøbs gab, bestanden kleine oder große Gruppen von kommunistisch orientierten Seeleuten unter der Leitung von wirklichen Kommunisten, die bestimmte Arbeiten für die Russen machten. Selbswerständlich machten die l(labsund Gruppen vor allen Dingen kommunistische Propaganda, betrieben kommuni=,. stische Fraktionsarbeit in den respektiven Seemannsgewerkschaft en, hielten die verbindung aufrecht zu den vertrauensleuten an Bord, oder meldeten neue vertrauensleute. Diese vertrauensleute wurden zu bestímmtenArbeiten benurzt. Zwischen bestimmten Fläfen und Ländern \Maren sie die Träger von Briefen und paketen. Besonders die Schiffe auf regelmäßigen Linien, z.B. zwischen llamburg
und New York, Le l{avre - New York, Rotterdam - New york, waren dauernd ausgenutzt, und oft befanden sich verschiedene vertrauensleute auf demselben schiff, und jeder von ilrnen wurd.e " flir besondere Arbeit benutzr, von der jeweilig nur er anein w'ßte. Jeder der Vertrauensleute hatte seine bestimmten Adressen) wo die Post abgeliefert wurde. Sehr wichtig waren damals die Vertrauensleute auf den Schiffen, die in der Linienfahrt nach den indischen Häfen gingen und meisrens schiffe der rrønsø-Linie waren. Holländisch-Ostindien wurde von Rotterdam bedient. Es gab ein vollkommenes Netz von verbindungen nach allen Erdteilen und Ländern. Regelmäßige verbindung bestand natri¡lich nachF{amburg, Rorterdam, New York und Kopenhagen. Von diesen Hffen aus wurde die Komintern- und Profintern-post weitergeleitet nach allen möglichen Häfen der Welt. Frir den Fernen Osten war wadiwostok der russische Ausfallhafen frir verbindungen mit ]apan und China. Shanghai spielte eine ziemliche Rolle, weil von hier aus die chinesischen Seeleute erfaßt wurden. Die Konferenz der Funktiondre des IpK Transport, in diesem Falle der Funktiondre der Hafenbüros, fand parallel zum profintern-Kongreß statt. Der Kongreß konnte nanirlich keine eignen Beschlüsse fassen. Die politische Linie war die Linie der Komintern. und die Delegierten dieses Kongresses mußten sich danach richten.
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z6).
Die Internøtionølen Seewønnshlwás sowohl in den russischen als auch in den ausländischen lIäfen machten wenigstens noch eine wirkliche Arbeit (aufjeden Fall taten sie das noch l92B!) und urrterschieden sich durch ihre Aktivität von der Profintern, die schon damals im Sterben lag. Kein Kurswechsel, keine Kongreßresolution und keine der unzåihligen neuen Parolen konnte diese sterbende Organisation wieder beleben. Im August 1929 leîtete die OGPU ihren Angriff gegen mich mit der Verhaftung von zwei deutschen Seeleuten des Passagierdampfers Søchsen ein. Die Søchsen war ein Schiff der Stettiner N.D.C' Diese Reederei war gerade in dieser Zeitvondem Stettiner Reeder Gribel übernommen worden. Es waren Schiffe dieser Reederei' die einige ]ahre vorher die Munitionstransporte von Leningrad nach Stettin machten (1926 - 1927). Das war in der Frùhzeit der Zusammenarbeit zwischen Roter Armee und Reichswehr. Die Stettiner Schiffe, Søchsen, Gotenhof, Preø$en' Strø$bwrg, Schlesienu.s.w., hatten für mich eine besondere Bedeutung, als ich sie mehr oder weniger regelmißig als Verbindungsschiffe nt det Stettiner Ortsgruppe der Seeleute des deutschen Gesamtverbandes benutzte. Die Gewerkqchaftsmitglieder an Bord der deutschen Schiffe, die Leningrad anliefen, zahlten an mich ihre Mitgliedsbeiträge. Unorganisierte Seeleute wurden von mir in die Organisation aufgenommen.
Die Abrechnungen, Neuaufnahmen und Berichte mußten monatlich gemacht werden, und die dlteren Seeleute und langjåihrigen Gewerkschaftsmitglieder an Bord der oben genannten Schiffe nahmen sowohl die Berichte und Abrechnungen als auch das Geld mit. Die Stettiner Ortsgruppe überwies dann das Geld an die Geschäftsleitung in Hamburg. Das war einfach und praktisch, aber nicht in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung in der Sowjetunion. Deshalb hatte ich schon |ahre vorher mit der Komintern-Abteilung OMS eine Regelung getroffen, wonach ich
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alle auslåindische valuta entweder an oMS Komintern oder oMs Profintern abführte und dafür die Mitgliedsbeiträge auf dem See_ wege direkt an die verschiedenen Gewerkschaften in den verschiedenen Ländern schickte. Die Sowjet_Staatsbank, der WZSpS und die OGPU waïen natriLrrich von d.ieser Abmachung unterrichtet a worden.
.
Der Bootsmann und der Zimmerma¡rn d. er søchsenwaren abends nach dem Internøïionølen Ieab gekommen) und wie immer kamen
sie zu mir ins Büro, um nachzufragen) ob etwas mitzunehmen war. Ich sagte ihnen, daß ich die Abrechnung und das Geld alles schon verpackt hatte und daß sie es vom verwalter (sowjeteschi) abholen könnten, bevor sie an Bord gingen. Ich selbst habe dann nicht mehr an die Angelegenheit gedacht. Ich hatte an dem Abend noch eine Seeleuteversammlung abgehalten und eine Reihe von
-'
Bordkonflikten zu besprechen mit den Deregierten von verschiedenen Schiffen und kam spär und müde nach FIause.
Am nächsten Tage machte ich morgens wie immer meine Runde durch den Leningrader Hafen, ars ich im seekanal zwischen choro-
dilnik und Elevator die søchsenriegen sah, die eigentrich schon in see sein sollte. -Als ich längsseits kam, riefmich aer rapitän an Bord
und sagte mir, daß sein Bootsmann und Zimmermann verhaftet seien. Ich begriff sofort, was los war, und sagte dem l(apitän, der ohne seine Leute nicht fahren wollte: ,,Machen Sie sich mal keine Sorgen. Ich werde die beiden an Bord brinsen... Zurückzum Morskoj propusknoj KontrJlnyj punkt (Seegrenz_ kontrolle OGPU) und zu Friedman, dem Narschatnft. fcfr teß ihm keine Zeit, auch nur ein Wort zu sagen. sind d.ie beiden ,,Wo Seeleute von der Søchsenl . schrie ich ihn an. ,,Kommen Sie,schnell, ich muß die beiden an Bord nehmen oder sie haben die verantwortung für einen internationalen Skandal!,. Friedman sprang auf und suchte nach Worten. Ich nahm ihn beim Arm ,rrrà t.i_lt ihm die Treppen hinunter zu dem Zimmer,wo die beiden See_ Ieute sich gerade im Verhör befanden. Die Bewachung und der
Abb. 67 | Elevøtor zørø Entlød.en pon Getreideschffin.
die beiden verhörende GPU-Sledowatel sprangen auf und sahen auf ifuen Chef Friedman, der nicht wußte) \üas er tun sollte. Ich sagte den beiden Seeleuten: ,,Nehmt eure Mützen und dann aber
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FFE DER OGPU
los an Bord." Alles hatte zwei oder drei Minuten gedauert, und wir waren schon auf dem Weg zum Schiff. Das schiff war schon seit stunden seeklar. Der Lotse war an Bord, und sowie die beiden Seeleute riber die Gangway waren, wurde diese an Bord gehievt,
d_ie
Iæinen losgeworfen und abgelegt,
Die søchsenwar schon mitten im Kanal, und die ganze Besatzung winkte mir zum Abschied. Na, das war gemacht. Was nunà Die beiden Seeleute hatten mi¡ die ganze Geschichte erzälilt. Die oGpu-Grenzkonrrolle hatte sie am Tor festgenommen, gefilzt und dann nach dem Kontrollpunkt gebracht' rrier war schon alles fertig, und der sledowater (untersuchungsführer) rwanow begann sofort mit dem verhör. Man hatte nanirlich die Briefe an den Gesamwerband und das Geld beschlagnahmt. Erstmal war ich froh, daß ich die seeleute und das schiff raus hatte. Aber ich war mir klar über eins, die Artacke ging gegen mich. Peter Kassel, von Geburt ein Lette, der als Bootsmann auf rus_ sischen Schiffen gefahren war) Deutsch, Russisch, Englisch und Lettisch sprach, und der seit einiger Zeit sowjeteschi des Internøtionølen I(løbswar,erzählte mir, als ichins Büro kam, daß er mit der sendung an den Gesamtverband auch einen Brief an eine cousine seiner Frau in Kiel mit zehn oder zwanzig Dollar mitgegeben hatte . Peter war als seemann auf Schiffen vieler Nationen gefahren. Er hatte als Lumberjack in den westlichen staaten Nordamerikas gearbeitet und war selbsrverståindlich ein Mitglied der rww gewesén. Nach der Revolution kam er nach Rußland, trat in die pa¡tei ein und fuhr als Bootsmann aufrussischen schiffen. Ein Revolutiondr, rauh, ein Mann von wenig Worten, absolut zuverlässig. In ihm war kein Falsch. wenn er mich wegen der Doflars gefuagthätte, hätte ich die Sache ohne Risiko für ihn in Ordnung gebracht. ,,\4/enr die OGPU dich holt, sage alles so, wie es in wirklichkeit war! Ich werde sehen, was ich run kann, wenn ich nach Moskau komme.,. sagte ich zu ihm.
_
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Am nächsten Tage mußte Peter zum Verhör. Er kam nicht zu. Es wurde ernst. Ich sprach mit einigen der führenden LeGenossen. Keiner konnte etwas tun. Die OGPU war zv Alle gaben mir den Rat, nach Moskau zu fahren. Ich sprach ,mit all den l,euten. die Einfluß hatten. Losowski und Atschkanow ,bekamen Bauchschmerzen, Yursik (OMS Profintern) stand die -ångst im Gesicht geschrieben. In der Komintern war die Lage , besser, und Abramow (OMS I(omintern), nach Rücksprache mit , Bucharin, arrangierte eine Zusammenkunft mit Arfllsow (OGPU) in der Lubjanka.
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DIE GEFÄNGNISSE DER oGPU
Ilie Wnutrennaia Tiurma Døs Geheinod,ienstgefiingnis in d,er Lwbjønkø
In den Jahren nach der oktoberrevolution ist viel riber die Gefingnisse und Konzenuationslager in der UdSSR gesagt und geschrieben worden. Seit 1929, als Rykow noch im Amr war, wissen wir, daß nach den von ihm veröffentlichten Zahlen schon damals über 980.000 Pajoks (Tagesrationen) in Zwangsarbeitslagern ausgegeben wu¡den. Diese zallenbezogen sich ausschließlich auf Zwangsarbeitslager. Andere Häftlinge, wie d_ie der Ugolow_ nyj Rosysk (Kriminalpolizei) oder in den Geflingnissen des ]ustiz_ kommissariats, und die schon damals in den oGpu-Gefüngnissen inhaftierten Massen wurden nicht mitgezäihlt. Ebenso sind die Militargefangenen nicht in dieser Summe enthalten. Ich möchte hier etwas zu den Gefängnissen sagen, die d.er Ver_ waltung des MVIID (Ministersrwo wnutrennich Del) unrersrehen und in denen sich nur Häftlinge befinden, die von den Organen des M\{ID verhaftet wurden. während meiner Jahre in der udssR wußte ich nanirrich von der OGPU bzw. dem NK\MD, wie diese Institution später hieß und die jetzt MVIID heißt. Es ist ein großer Irrrum, zu meinen, daß die Tscheka während der Revolution, d.ie OGPU und der nachmalige NK\ rD und heutige MWD ein und dasselbe seien. Die Tscheka war ein rnstrument des Klassenkampß während der Grashdanskaja wojna ( Bürgerkrieg), eine sicherheitsmaßnahme der Revolution. Die OGPU war, wie der Name sagt, die Verei_ nigte staatspolizei-verwaltung. Dies muß man sich merken. Die Bezeichnungen NI(\ÃID und M\ÃID besagen nur, daß sie nicht speziell für etwas zuständig sind, also volkskommissariat für rnnere
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Abb. ó8 | Die Uspenshi-(Møriti Hirnrnelføhrts)IGthedrøle ørn I(øtl¡ d.røl en-Pløtz d.es l(røm l. e
Angelegenheiten resp. Ministerium für Innere Angelegenheiten. Bs gibt nichts, wofür sich der M\ ID nicht interessiert. Nachdem die Staün-Fraktion die OGPU installiert und sie zu ifuem innenpolitischen Machtinstrument gemacht hatte, wurde sie
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DIE GEFÄNGNISSE DER oGPU
selber zum Staar. Der M\4ID isr heure die Regierung des Landes. Nichts geschieht, ohne daß es derMWD weiß. Die 980.000 Häft-
linge der Zwangsarbeitslager des /ahre 1929 sind auf 15 oder Ig Millionen angewachsen, \¡/enn nicht mefu! Viele Ausländer - in iï¡er Mehrheit Kommunisren waren in d.iesen Gefiingnissen, wurden getötet oder starben in den Zwangsarbeitslagern, doch nur eine sefu kleine Zablwau. in der Lubjanka. Mit Lubjanka meine ich die ZentraJe des MWD, falls diese nicht in den letzten Jahren in andere Gebaude umgezogen ist, man weiß ja nie. Aber soviel ich weiß, gibt man den Ort nicht aud der zum Symbol der Schreckensherrschaft geworden ist. Selbst von Iwan dem Schrecklichen, der manchmal den platz vor dem Uspenskij Sobor ftir Exekutionen bemrtzr har, isr bekannt, daß er für gewöhnlich das Areal zwischen der Kitaiskaja Stena (Chinesische Mauer) und der Zentrale des MMID an der Lubjanka zur Hinrichtung seiner Feinde benuøt hat. Beim Schreiben dieser Zetlen muß ich seh¡ vorsichtig sein, um dem MMID keinerlei Hinweis auf meine Identität zu geben, da dies unweigerlich Rückschlüsse auf Menschen zulassen würde, mit denen ich während meines Rußlandaufenthalts auf die eine oder andere weise zu tun hatte und die mir weiterhin nahestehen. Über die Lubjankawrirde ich keinWort zu schreibenwagen, wenn ich sie nicht selbst erlebt hätre, wenn ich nicht ein Håiftling der ,,Wnutrennaja Tjurma" gewesen wäre. Ich will versuchen, es so kurz wie möglich zu machen, und halte mich an die Fakten. Meine Geschichte soli kein Wehklagen über verschüttete Milch sein. Ich habe immer die mir erteilten Lektionen akzeptiert, besonders in den Jahren nach dem Sieg der Stalin-Fraktion ersr über die Trotzkisten, dann über die SinowjewKamenew- Gruppe, später über den,,Block,, (Sinowjew-Trotzki ) und danach über den Tomski-Rykow-Bucharin-Flügel in der wKP (B).
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Obwohl ich Parteimitglied und ein Funktionär war, der oft im Ausland eingesetzt wurde, habe ich nie daran gedacht, vor jemandem auf die Knie zu gehen. Verantwortlich für den Sturz all der großen Anführer der Opposition in den Jahren nach'25/'26 ist nach meiner Ansicht allein: a) ifue Angst, ihre revolutionären Standpunkte zu vertreten, als sie noch die Massen hinter sich hatten, b) ifu Glaube an die Parteidisziplin sowie c) ihre Unfühigkeit, die Losungen und Prinzipien einer proletarischen Demokratie in der V\{KP (B) und in den Gewerkschaften (WZSPS) zu verwirklichen. Ich will hier gar nicht über die Kollektivierung der Bauern, den ,,Fi.in-fiahresplan" und den forcierten Aufbau der Schwerindustrie reden.
Ich hatte mit diesen Fraktionskämpfen nicht unmittelbar zu tun, da ich von der Integrität der Oppositionsführer nicht überzeugt war. Keine 'Frage, jeder von ihnen war besser als Stalin, aber sie alle waren verantwortlich dafür, daß die Partei von der Linie der Sowjets (Abgeordnete der Arbeiter, Bauern und Soldaten) abwich, bei denen die WKP (B).die führende Fraktion sein sollte, bis die Diktatur der Arbeiter dann zur Diktatur der Partei wurde und schließlich zur Diktatur der ganzwenigen im Politbüro. Eine Diktatur auf höchster Ebene gegen die fundamentalen Interessen der Arbeiterklasse.
Doch dartiber, über meinen eigenen Kampf, will ich später noch ein paar Worte sagen, und es wird eine Erkldrung der politischen Prinzipien sein, die ich heute habe , nämlich: Die individuelle Freiheit ist der Grundstein jeder Gesellschaft, auch der sozialistischen. Diese Freiheit muß ønter øilen Unostoind.ønverteidtst werden.
Nun zurück zu den Gefängnissen des Landes, das ,,bereits die Phase des Übergangs vom Sozialismus zum Kommunismus erreicht hat".
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Offiziell wurde ich nicht wegen des Kontakts zu einer der oppositionellen untergrundzellen verhaftet. wie in sorchen Fä[en üblich, wurde ich monatelang im Gefüngnis der russischen Stadt festgehalten, in der ich arbeitete und lebte. Meine Ze[e befand sich im sogenannten ,,Geheimtrakt,. des riesigen Gebäudes. Die Zelke war geräumig und sauber, das Essen gut und das Bett angenehm. Man konnte sich nicht beklagen, solange man nur drc Isoløtion aushielt, die Stille am Tag, die langen Verhöre in den Nächten und manchmal in den Nächten oder am firihen Morgen die fürchter_ lichen Schreie der anderen Häftlinge, denen ihre Alpräume in der Realität begegneten. Oder war es Klaustrophobief Was wurde Abb.69 | Døs Bøtyrhø-Geftingnis øø
d.er Ecþe Nowoslobodshøjø/Lesnøjø Nordpesten Moshøøs, der Løbjønhø-Pløtz nord.östli.ch d.es Krewl.
ulizø irn
IN DER BUTYRKA
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ihnen angetanì Es gab niemanden, der meine Fragen beantworten konnte. Die Nadsiratels (Außeher) wußten, was sie dir zu sagen hatten. aber sie unterhielten sich nie mit dir. Als nach einigen Monaten die lJntersuchung meines Falles abgeschlossen war, ohne daß man mich riber deren Ergebnis in Kenntnis setzte) wurde ich zum Sledowatel und Abteilungschef des I(RO heruntergebracht, letzterer sagte mir, daß ich in einem Spezkonvoj (
Spezialtransport ) nach Moskau überführt wrirde.
Ich war mir nicht sicher, aber mein Eindruck war sofort, daß mein Fall von der Zentafe übernommen worden war. So war es auch. Nach der Ankunft in Moskau wurde ich im Auto zur Lubjanka gebracht und nach der Übergabezeremonie in die Butyrka eskortiert. Ich weiß nicht viel über die Butyrka. Es ist ein sehr großes Gefringnis, und der größte Teil von ihm wird vom MffID benutzt. Sie gaben mir eine ZelIe in der Jushnaja Bashnja (im Südturm). DíeZelle war sauber und groß. Das Bett war an der Wand festgemacht, ein Feldbett ohne Matratze und mit einer alten Declçe. Die Winter in Moskau sind wirklich sehr kalt, und als dte Zenttalheizung ausfiel, zumindest in meiner Zelle,war es unmöglich zu schlafen. Das Segeltuch, auf dem ich liegen mußte, war keine L0 Inches über dem Zementboden, und die beißende I(ãlte durchzog ungehindert meinen l(örper. Man konnte das Fenster sehen, d'h. man wußte, wo es war, denn dort war eine undurchdringliche Masse aus Eis und Schnee. Daich im Sommer, in meinen Sommerkleidern' verhaftetwurde und man mir nicht erlaubte, mit irgend jemandem außerhalb I(ontakt aufzunehmen, um warme lJnterwäsche, einen Pullover, Wintermantel etc. zu bekommen, mußte ich die Eiseskdlte so gut ich konnte aushalten. Das einzig Warme in meiner Zelle war die elektrische Gltihbirne. hoch oben unter der Decke, In der Nacht stand ich ungefäfu jede Stunde auf und lief in der Zelle auf und ab, um warm zu werden und mein Blut zum Zirkulieren zu bringen'
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IN DER BUTYRKA
Morgens brachte der Nadsiratel einen großen Kessel mit dampÊ endem Wasser und ein Stück Schwarzbrot. Um wieder warm zu werden, trank ich den ganzen Kessel aus und aß das ganze Brot auf. Danach fühlte ich mich wie der gut. Trotzdem mußte ich in der Zelle auf- und niedergehen, um die Füße und Beine vor dem Erfüeren zu bewahren. Erst zur Mittagszeit konnte man sich wieder freuen. Zu meiner Zeit gab es in der Butyrka an einem Tag weiße Bohnen mit Wasser und am andern Salzhering-Suppe . Daß es Hering war, war eindeutig, denn Kopf und Schwanz lagen in der Suppe. Das machte mir nichts aus, die Hauptsache war, die Suppe war heiß! Danach wieder fünf oder sechs Stunden bittere Kälte und permanentes Herumstapfen in der Zelle- Am Abend kamen wieder der lang ersehnte Kessel mit dem heißen lvasser und das snick Brot. und danach die kalte Nacht. Niemals im Leben hame ich vor etwas so viel Angst wie vor den Nächten in der Butyrka. In der Butyrka wurde ich nie zum Verhör geholt. Nach einigen Wochen war ich dem Zusammenbruch nahe, ich hatte meine ganze trkaft im Auf- und Abgehen in der Zelle verbrauchr, und in den letzten Tagen strirzte ich einige Male, weil ich so müde war. Eines Tages dann, als ich gerade meinen üblichen Kessel mit heißem wasser ausgetrunken hatte, sperrte der wârter m eine zelle auf und befahl mir, mitzukommen und meine Sachen mitzunehmen. Sie brachten mich hinunter in einen großen Raum, durch dessen Tür man zur großen Toreinfahrt der Butyrka kam. Beim Passieren des Torbogens, hinter dem geschlossenen Außenror, konnte ich auf einen großen IIof sehen, der bis zum Bersten mit Menschenmassen angefüllt war, Frauen und Männer, Junge und
Alte, mit ihren Sachen in allen Arten von Taschen. Anfangs war ich allein in dem großen Raum, doch nach wenigen Minuten wurden weitere Männer hereingebracht, einer nach dem
anderen, besser gekleidete læute, Ingenieure, Lehrer, ein Student etc. Sie teiken mir sogleich mit, daß wir hier zum Abtransport
zum Verhör in der Lubjanka versammek würden. Als sie mein
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Abb. 70 | Der schwørze wøgenfiìr den Geføngeøentrøøsport, iø Woron" (Schwørzer Røbe), irn Eng\iscbeø,,&Iøch Møriø".
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Røssischen. ,rTschornyj
schmales Brindel sahen, fragten sie, ob man mir nicht gesagt hätte, daß ich meine Sachen miøunehmen hãtte. Doch, sagte ich. Dann
teilte man mir mit, daß ich in der Lubjanka tn dte Wneshnøjø odet Wnøtrerun'øjø Tjørwøkåime. Sogar die Mitgefangenen, die selbst auf dem Weg zum Verhör in die Lubjanka waren) behandelten mich darauflrin plötzlich mit einem gewissen Respekt, weil, wie sie sagten, es sehr seltenvorkomme, daß Häftlinge von der Butyrka in dte Wneshnøjø oder Wnøtrenruøjø verlegt wúrden, in jedem FaIl bedeute dies: Dein FalI ist ernst. Dann sagten sie mir noch, daß die Menschenmenge im Hof Bauern seien und heute zum Abtransport ins Zwangsarbeitslager kämen. Kurze Zeit später wurden wir alle in eine der ,,Schwarzen Marias" verfrachtet, fuh¡en aus der Butyrka durch die.langen Straßen und erreichten sctrließlich die Lubjanka durch ein Tor in der Malaja Lubjanka (Kleine Lubjankastraße).
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Ef
NLIEFERUNG IN DIE LUBJANKA
Im Hof mußten wir aussteigen und wurden dann von den Wa_ chen der sobøtschnøjø (des sogenannten kleinen Gefängnisses ,,Ifundehüne") übernommen, in der die Häftlinge der rilrigen Moskauer Gefingnisse vor und nach den verhoren festgehalien wurden, manchmal wochenlang, bis sie in ihre jeweiligenêefiing_ _ nisse zurückgebracht wurden. Ftir ungefähr fünf Minuten befand ich mich in einer zelle mit über I5 Männern, wo es nicht mal platz zum Hinlegen gab; doch noch bevor ich einen pratz finden konnte, kam ein wachoffizier. ein Major, und rief meine Anfangsbuchstaben. Ich mußte meine Sachen nehmen, und wieder hörte ich, wie die anderen Häftlinee sagten: ,,Wneshnaja* oder ,,Wnutrennaja,.. Der Offrzier brachie michin einenwinzigen Raum, in dem sich nur eine kleine nanf< Ui_ fand und nicht genügend platz, um meine Beine auszustrecken. Trotz meiner verkrampften Lage und des Gestanks in der zere war ich der glücklichste Mensch von derwert, weil es in der sobatschnaja \^/arm war. Alle paar Minuren beobachtete mich ein Auge durch den Spion in der Tür, aber das störte mich nicht. Ich saß auf der kleinen Bank und muß wohl eingeschlafen sein, als die Trir aufging und der Major wieder dastand.: ,,Waschi iniizialy, imja, otschestwo(' (Ihre Initialien, Name, Vatersname), und ich nannte ihm meine Initialien. ,,Beritje waschi weschrschi., (Nehmen Sie . Ihre Sachen! ). Ich nahm wieder mein Bündel und ging hinaus auf den Korridor. Dort standen zwei Begleitoffiziere in ihren hrib_ schen grünen Uniformen; vom Rang her handelte es sich wohl um Hauptmänner.
schnipste einer der Offiziere zweimal mit den Fingern und wartete; von obenkam dasselbe Zeichen. Das bedeutete, wie ich später erfuhr, daß die Treppe
frei war, und daraufhin gingen wir hinauf. Vor einer verschlossenen Eisentür mit einem
kleinen Fenster von ungefähr l0 Inches stand wieder ein Hauptmann in grün. Alle Begleithauptmänner hatten SamBrown-Gürtel und Mauserpi-
u,:
,,
Sie unterschrieben eine Empfangsbestätigung für mich und nah_
men mich mit. Dann wurde mir befolrlen, nicht zu sprechen, nicht zu husten und nicht zu niesen. wir marschierten hinaus riber den Ho{ durch ein zweites Tor, und standen dann vor einer kleinen oÊ fenen Tùr. Drinnen befand sich ein weiterer identisch uniformierter Wachoffizier. Mirwurde abermals befotrlen, nicht zu sprechen, zu husten oder zu niesen oder and,ere Geräusche ,u machen.
Dann
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EINLIEFERUNG IN DIE LUBJANKA
stolen.
Sørn-Brown-Gürt¿1. Im I.
Stock vor der Eisenttir angelangt, gab der Begleitfrihrer wieder das Fingerschnipszeichen, das vom Stockwerk darüber beantwortet wurde. Wir gingen also weiter, und die Zeremotuewiederholte sich in der 3. und der 4. Etage.Im 4. Stock gab es keine verschlossene Tür, ebenso im 5. Stock, doch gab es dieselben Wachleute. Ich wurde in einen Raum gebracht, der sehr hell gestrichen war. Parkettfußboden, ein Tisch und zrvei Sttihie. Ich mußte mich ausziehen, und alle meine Sachen wurden mir abgenommen. Es war warm in dem Zimmer. Nach eiruger Zeit brachte man mi¡ saubere Unterwäsche und Socken. Zttvor jedoch wurde ich untersucht. Man muß bedenken, daß ich vollkommen nackt war. Ein Major betrat den Raum und untersuchte mich. Ohne ein Wort zu sagen) arbeitete er wie ein Arzt. Ich mußte ungefäfu eine Stunde warten, dann wurden meine lJnterwäsche, meine Schuhe, mein Anzug und mein Somr¡rermantel zurückgebracht. Daraufhin erfolgte meine Registrierung in einem großen Buch. Alles wurde mit Flüstern erledigt. Abb. 71
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Man warnte mich, bevor wir wieder hinuntergingen: nicht zu sprechen, zu husten und zu niesen oder ein anderes Geräusch zu machen. Dann brachten mich die beiden Begleitleute zurück in den l. Stock. Wieder das ominöse Fingerschnipsen; von Stockwerk zu Stockwerk bis zur l. Etage. Hier machten sie halt, der Wachmann vor mir klopfte an die Trir. Durch ein kleines Fenster blickte ein Gesicht, dannwurde das Fenster geöffnet, und der vordere Wachmann gab dem Wachmann drinnen einen Zettel. Kurz darauf wurde die Tür von i¡nen geöffnet. Ich ging hinein, und die Tür wurde wieder von innen geschlossen. Der Major ddnnen fragte nach meinen Anfangsbuchstaben, un: terschrieb denZettel und reichte ilm meinen Begleitpersoqgn, die draußen warteten. Ich befand mich in einem hellgestrichenen Korridor. Auf dem Parkettboden lagen hübsche dicke Teppiche. Nach rechrs ging der Korridor geradeaus, links von der Tür gab's eine Gabelung. Alles wirkte sefu freundlich und sauber. Viel Licht. Auf beiden Seiten des Korridors waren die immergleichen grtinuniformierten Wachen auf ihren Posten zu sehen. Doch kein Laut war zu hören. Der Major (wie ich später mefu über die Wnwtrennøjø erfubr, handelte es sich um den Starschij Nadsiratel, den Wachobersten des I. Stocks) trug mich in sein Buch ein, ermahnte mich abermalszu flüstern und keinen Laut von mi¡ zu geben, und führte mich den Korridor nach rechts hinunrer. Er öffnete die fünfte Türe. Ich betrat ein freundliches und sauberes Zimmer. Wiederum parkettboden, ein Eisenbett mit guter Matratze, zwei Wolldecken, zwei weiße Laken und Kopfkissen. Wie lang hatte ich nicht mefu solchen Luxus gesehen! Es gab Tisch und Stuhl. Das Fenster war von normaler Größe, jedoch außen mit einer Eisenblende wie eine venezianische Jalousie, so daß nur ein sehr kleiner Ausschnitt des Ilimmels zu erkennen war und man nicht heruntersehen konnte. Später fand ich heraus, daß ich nach rechrs hin die rote Flagge auf dem Dach des MffID-Hauptgebäudes sehen konnre. Von da
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an habe ich sehr oft zu der roten Flagge hinübergesehen, die ein Symbol meines Lebens geworden war.
Kurze Zeit später wurde meine Zellennir wieder geöffnet, ohne daß ich jemanden kommen gehört hatte. Es war wieder der Major,
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der mich fragte, ob ich es wärmer haben wolle. Ich sagte sofort) daß ich es so warm haben wolle wie möglich. Gleich daraufunterrichtete er mich, daß ich, wenn ich es wármer haben wolle, ganz leicht an die Tür klopfen müsse. Jemand würde darauflrin das Guckloch öffnen, und ich solle dann mit dem Finger
nach oben zeigen. Sobald der Raum warm genug sei, solle ich abermals vorsichtig an die Trir klopfen, und wenn das Guckloch geöffnet würde, mit dem Finger nach unten zeigen. Was das alles zu bedeuten hatte, wurde mir sofort klar. Ein Brummen war Nhören, und ich sah, wie durch eine runde große Öffnung mitten über der Trir heiße Luft hereinströmte. Nachdem die heiße Luft ungefihr 20 Minuten lang in meine Zelle geströmt war) war mein Raum wirklich schön warm und gemütlich. Was scherte es mich, was sie noch mit mir vorhatten, nach einer gewissen Zeit. Ich war wirklich ganz ruhig, weil ich in einem warmen Raum war, ein ordentliches Bett hatte, und als einige Minuten später die Tür erneut geräuschlos geöffnet wurde und der Major mich flüsternd fragte: ,,Wy kuritjel" (Rauchen Siel), sagte ich: ,,Ja", und er ging fort, kam mit 13 Zigaretten wieder und sagte, daß dies meine Tagesration sei!
Am Abend bekam ich weitere Rationen: Tee (Teeblätter),Zukker (Kristallzuckerstücke), eine Portion Butter, ein Stück Käse und ein paar Scheiben Brot. Etwas später bekam ich einen Teller mit Kascha mit etwas Fleisch und einen Kessel mit dampfend heißem Wasser zur eigenen Teezubereitung, einen Löffel, einen Becher
und ein Srück Seife. Und fortan bekam ich jeden Morgen diese Ration inklusive der 13 Papyrossi. Später erfuhr ich, daß diese Art ,,Pajok" nur den Häftlingen in der Wnwtrennøjø Tjørrwø gegeben wurde.
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FIier, in diesem stillsten Gefüngnis der WeIt, waren zu meiner Zeit über I40 H¿iftlinge mit sämtlichem ,,Komfort" eingesperrt, und es war wirklich, wie ich sage, das stillste Geflingnis, denn in den fünf Monaten, die ich dort in Einsamkeit verbrachte, habe ich keinen anderen Häftling gesehen oder gehört. Und ich kannte mich in Gefingnissen aus. Wenn ich in ,,kapitalistischen" Gefängnissen wach war, war mein
Ohr geschult, die geringste Bewegung, ob von einem Håiftling oder einem Wdrter, wahrzunehmen, und nicht nur das, ich konnte sogar sagen, wer es war und was er gerade tat. Doch in der Wn øtrenn øj ø Tj ørrw ø konnten meine Ohren nichts wahrnehmen. Die Stille war absolut. Die erste Nacht schlief ich vollkommen
friedlich, bis einer der Hauptmann-Nadsiratels am Morgen an meinem Bett stand und flüsternd zu mir sagte, daß es Zeit zum" Außtehen sei. Ich stand auf, machte mein Bett, und ein paar Minuten später wurde die Tür abermals geräuschlos geöffnet, und nach der Ermahnung, s :ll zu sein, wurde ich in einen Waschraum und zur Toi-lette aufderselben Etage gebracht. Nachdem ich wieder zurück war, bat ich mit erhobenem Finger um heiße Luft. Dann kam der ,,Pajok" (die tägliche Ration mit den Zigaretten), gleich darauf das heiße Wasser (Kipjatók) für meinen Tee, und als ich mit dern Frtihstück fertig war, kam der Major und gab mir Feuer für meine Papyrossi.
Kurze Zeit spàter kam er wieder und brachte ungefähr l-0 Bücher und Zeitschriften. Sie stammten allesamt aus vorrevolutionarer Zett. Vor allem Turgenjew, Dostojewski und Gogol. In den Zeitschriften gab es sogar Artikel von lruten, die auf dem Index standen. Ilier konnte man sogar antibolschewistische Propaganda lesen. Ich fand das hochamüsant. Nachdem ich eine Zeit gelesen hatte, ging die Trir auf, der Major
trat ein und fragte nach meinen Initialen. Nachdem ich sie im Flüsterton genannt hatte, sagte er: ,,Na dopróss" (Zum Verhör!). .'lr.
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Ich folgte ihm auf den I(orridor. Er brachte mich zur Tùr, strich mich in seinem Buch aus, nahm seine Schlüssel und ließ mich ins Treppenhaus. Dort standen derWachmann auf seinem Posten und zrvei Begleithauptmänner. Man warnte mich wegen der Geräusche
und geleitete mich dann von Stockwerk zu Stockwerk, jedesmal das Antwortzeichen von oben abwartend. Im 5. Stock betraten wir einen Raum, in dem sich ein kleiner Barbierladen befand. Der Barbier war ein Hauptmann. IGin Wort wurde gesprochen. Die zwei Begleiter standen hinter mir, während ich rasiert und mein Haar geschnitten wurde. Es war das erste Mal in meinem Leben, daß ich auf solche Art und Weise von einem F{auptmann bedient wurde. Alles war makellos sauber; selbst mein Gesicht und mein Haar wurden mit Eau de Cologne eingerieben. Ich fühlte mich wohl utrd hätte normalerweise ein gutes Trinkgeld für solch erstklassige Behandlung gegeben. Trotz der Warnung, nicht zu sprechen, sagte ich ,,spassibo" (Danke !), doch der Wachmann hinter mir legte seine Hand auf meinen Mund, so daß nur die Hälfte meines Dankes ausgesprochen wurde.
Sawinkow, der in der Wnwtrennøjø inhaftiert wurde, nachdem ihn die OGPU aus Frankreich zurückgebracht hatte, und der ein Buch irn Gefìingnis geschrieben hat (ein probolschewistisches Buch), sprang aus dem ,,Barbierladen" im 5. Stock und tötete sich. Er konnte dies tun, weil hier das einzige Fenster ohne eiserne Jalousien war. Nach seinem Selbstmord wurde auch dieses Fenster gesichert. Das war Jahre vor meinem Aufenthalt in der Lubjanka. Wir gingen hinaus in einen anderen Raum, wo ich einen MajorZahnarztvorfand. Ohne ein Wort wurde ich auf einen modernen
Zahnarztsttthl komplimentiert. Ich mußte meinen Mund öfÊ nen, alle meine Zähne wurden untersucht, einzeln gezählt und registriert. Wieder hinaus, und in einem weiteren Raum wurde ich gründlich vom Arzt urì.tersucht. Ich mußte ein paar Fragen beantworten. Dann gab er mir zwei weiße Pillen, weil ich, wie er
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sagte,
ZUR GESCHICHTE DER LUBJANKA
GESCHICHTE DER LUBJANKA
in der Nacht gehustet hätte, und das drirfe nicht sein. Ich.
Als im Winter L9L7/LB dte
nahm die Pillen, obwohl ich nichts von einem F{usten wußte. Die Begleiter brachten mich daraufhin unter ge\Ã/issenhafter Be-
Tscheka den Komplex übernahm,
,
wurde das Personal der Tscheka vor allem von den S.R. kontrolliert. das heißt der Partei der Sozialrevolutionäre, oder besser gesagt vom linken Flügel dieser
obachtung der erwähnten Sicherheitsmaßnahmen in den I. Stock zurück. Es war gerade Mittagszeit: Kascha und Fleisch (das Fleisch war in der Kascha in kleinen Stricken mitgekocht, aber reichlich).
Ich hatte nur einen Iöffel zum essen. Später fand ich heraus, daß ich ein Messer bekommen konnre, doch dann wrirde der Major bleiben und solange warten) bis er es zurückbekäme . Es war immer der Major, der die Tür öffnete, und wenn manchmal der Haupt, mann) einer von den Hauptmännern, die im Flur Wache standen, in meine Zelle kam, dann blieb der Major in der Tür srehen, so daß er alles
in
der Zel|e sehen
konnte.
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Partei, der mit den Kommunisten
zusammenarbeitete. Erst nach Ausbruch des offenen Kampfes zwischen den S.R und den Bolschewiken im /ahr 1918, als die
Lubjanka einer der entscheidenden Orte der Auseinandersetzungen war und den S.R. mit
4'
Waffengewalt entrissen werden mußte. wurde die Tscheka zu einer rein bolschewistischen Organisation. Béla Kun, der eine führende Rolle bei der Unterdrückung der Moskauer S.R.-Bewegung
Abb. 72 lBéløIØn.
Zur Geschichte der lubjanka Soweit ich das Gebäude, in dem sich die OGPU-NI(MD-MWDZentrale befand - oder wie das Ding in den ersten Jahren nach der
Revolution hieß : Tscheka, Tschreswyrschajnaja Komissija (Außerordentliche Kommission) - beschreiben kann, war es ein großer Block, die Vorderseite gehr zum Lubjanka-platz, ein Flügel zur Lubjanka-Straße, der andere zur Malaja Lubjanka. Die Wnatrennøjø (das Geheimgefringnis) wa¡ ein Gebäude in der Mitte des Hofes. In diesem Gebäudekomplex befanden sich vor der Revolution die Büros der sogenannten Støroje Rwsskoje obschtscltestø¿. soviel ich weiß, war di e Abrøssische Gesellschøft ein großes Versicherungsunrernehmen. Das Gebäude im Hof, jetzt d_ie Wnøtrennøjø, war als Hotel frir die Versicherungsagenten gebaut worden, die aus allen Teilen Rußlands kamen.
gespielt hat, war viele ]ahre später selbst HäftIing in der Wnøtrenn øiø und wurde in den Lubjanka-Kellern liquidiert. 1919 und 1920 sah die Wnøtrennøjøin ihren Räumen sämtliche Anfrihrer der linken S.R und die verantwortlichen oder vermeintIich verantwortlichen Leute füLr die Aktionen gegen die Bolschewiken und deren Diktatur des Proletariats. Damals war die Wnøtrennøjø überfüllt. Die bolschewistische Tscheka brauchte lange, um die Überfüllung abzubauen, und später erfuhr ich von LÆuten, die darüber Bescheid wußten, daß die Bedingungen damals entsetzlich waren) und bis auf das Ende (die Exekution durch Genickschuß in den großen Kellern), das es auch heute noch gibt, war die Wnøtrønnøiø.alles andere als ein stiller Ort. Sie war voller Geräusche, mit Singen und Schreien, Tag und Nacht. Die Zimmer waren ribersät mit Wanzen, Läu-
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ZUR GESCHICHTE DER LUBJANKA
sen und Flöhen. Es war ein lausiger und dreckiger Ort. Damals wurden die R;jume von Heizkörpern und Röhren geheizt, und dieses r{eizungssystem wurde von den rnsassen mit Hilfe einerArt Morsezeichensysrem zur Verständigung von Zelle zu Zelle durch das gesamte Gebäude genutzt. Nach dieser Zeit wurde beschlossen, die WnwtrennøjøntmGefüngnis für eine neue,{¡t von Iæuten einzurichten, die während der lJntersuchung durch Spitzen-OGPU-Sledowatels (Untersuchungsrichter) in absoluter Isolation gehalten werden sollten. Der Umbau muß ungefähr 1925 erfolgtsein, und die Häftlinge
wurden damals in anderen Gebäuden untergebracht, außerhalb des Zentral-Komplexes in der Lubjanka No. 14, die seither für unwichtigere Abteilungen genurzr und Wneshnøj øGefá.ngrus (außùhalb) genannt wird, im lJnrerschied zwr Wnøtrennøjø (innerhalb). Bis aufdie Steintreppenwurde alles erneuert. Die Räumewurden schalli5eüs¡¡. Neuer Parkettboden wurde verlegt, die Heizkörper wurden entfernt und ein neues Sysrem mit Heißlufuöhren installiert, so daß die heiße Luft in die Zellen hineingepusrer wurde,
durch eine Öffnung unterhalb der Decke, direkt über der Tür. Durch diese Öffnungen war es unmöglich, Kontakt mit anderen Zellen aufzunehmen. Eine Spezialtruppe von OcPu-Offizieren übernahm den Komplex. Der Geflingnisdirektor, der Gouverneur, war ein General. Und díe Wnøtyennøjøwurde zum geheimsten Gefángnis in Rußland, zum Gefiingnis der Stille. Alle Fálle von höchster Wichtigkeirssrufe in der UdSSRwurden hier gesammelt. Einige wurden in Moskau verhaftet, andere aus allen Teilen des Landes hierhergebracht. Fálle von besonderem Interesse für die zenttaTewurden aufgrund der Entscheidung der Troika aus der Zuständigkeit der unteren Organe in der provinz übernommen. Die Troika ist die oberste Exekutive von OGpUNI(\,{ID-MWD und hat die Møcht,jede Art von Strafe zu verhängen, zumal die Todesstrafe . Das Strafgesetzbuch der UdSSRweiß
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DIE ERSTEN DREI WOCHEN
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von keiner Macht von OGPU-M\ ID, weswegen das Strafgesetz,
,,
wie jeder Bürger in Rußland weiß, nur eine Täuschung ist.
Nur ,,schauprozesse" werden vor Gericht gebracht und nur dann, wenn die Troika es verfügt. Sonst ist e s immer dasselbe, eines Tages wird der Wvltttrennøjø-HäftJrng vor die Troika oder auch nur den Chef der Abteilung zittert, und der verliest das Urteil.
meist ,,Wysche rasmer nakasanija" (die Höchststrafe), manchmal gemindert auf l0 lùue Zwangsarbeit. (Beschlagnahmung des Eigentums sowie Verbannung der Ange-
Wie ich später erfuhr, ist
es
hörigen sind naräLrlich die Folge.) Mein Fall wurde vom sogenannten Kontrraswednyj Otdel bearbeitet, kurz KRO genannt, was soviel bedeutet wie Abteilung für Spionageabwehr. Ich glaube, zwei Drittel aller Fälle in der .1,
Wnøtrønrcøjøwaren damals KRO-F¿ille. Seit der Zeit der OGPU bis zum heutigen MWD legte man wert darauf, daß die wichtigen Fâlle an den KRO weitergereicht und von ihm untersucht werden, da so weder jemand von den Freunden eines HäftIings noch die ZKK (die Zenrrafe Kontrollkommission der VIIKP (B)) sich einzuschalten versucht, weil, sobald der KRO den Fall übernimmt, dieser schrwutzig ist. Der Mann ist ein Verräter, und das genügt. Jeder, der ein näheres Interesse zeigt, begibt sich in Gefahr. Fast zwei Wochen lang wurde ich in meinem gutausgestatleten Zimmer im l. Stock in Ruhe gelassen. Zweimal in diesen ersten
14 Tagen weckte man mich mitten in der Nacht. Der ,,Starschij Nadsiratel", der Major, stand neben meinem Bett und sagte mir, ich solle außtehen, um ein Bad zu nehmen. Das große Badezimmer befand sich im Keller. Ich sage großes Badezimmer, weil in diesem Raum ungefähr L5 Personen auf einmal hätten baden können. Es war ein Bad im typischen Stil des klassischen russischen Badehauses. Hellbraun
gekachelt, tiefliegende Wannen mit großen l(alt- und Warmwasserhähnen, abgeschabte weiße Holzbänke und dazu einige niedrige Holztische. Eine Ansammlung von sauberen Holzbot-
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ÐIE ERSTEN DREI WOCHEN
DIE ERSTEN DREI WOCHEN
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tichen, reichlich Bürsten und Seife und dazu eine angeneþm
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warme Temperatur. Die beiden Begleithauptmtuner ließen mich eintreten und sagten, daß ich mir Zeit lassen solle, sie würden wiederkorìmen, wenn es soweit sei. Und in diesem freundlichen Keller-Baderaum nahm ich das wunderbarste Bad meines Lebens. Der Komfort ging sogar soweit, daß ich, als ich wiede r in der Zelle war, auch ohne darum zu bitten, mit dampfend heißem Wasser zurTeezabereitung versorgt wurde. Russen trinken immer Tee nach dem Bad. So øøch ich.Das einzige, was man den Häftlingen in der Wnatrenruøjønicht zugestand, war ein Dampfbad. Man hielt es frir zu gefährlich. In der dritten Woche wurde ich eines Nachts vom Starschij Nadsiratel geweckt, der an meinem Bett stand (wie immer harte ich nicht gehört, wie er die Trir geöffnet hatte und hereingekommen war), und mit sehr leiser Stimme sagte er ,,Wstawaitje, odewajtjes" und ,,Na dopróss" (Stehen Sie auf, ziehen Sie sich an, und: Zum
I
übernahmen mich. Wieder die bekannte Ermahnung, keinen Lárm zu machen, und dann schnipste einer der beiden mit dem Finger und bekam die gleiche Antwort von unten. Ein Begleiter ging vor, der andere hinter mir. So liefen wir hinunter und über einen schneebedeckten llof zu einer kleinen Tür (Hinterttir) des großen Hauptgebäudes. Diese Tür war zu, doch
nicht verschlossen. Ich weiß nicht, wie lange wir hinauf- und hinuntergingen, durch lange Korridore, hinunter in den Keller, durch schwach beleuchtete
,,lange IGllergewölbe, Türen wurden geschlagen, die
Luft hatte
den Geruch von etwas Verwesendem, Eisentüren quietschten, Stimmengemurmel irgendwo, und als ich dem Begleiter vor mir *,
nicht mehr folgen konnte, wegen der schwachen Beleuchtung, des verwinkelten Korridors und des schnellen Schritts, wurde ich von dem Begleiter hinter mir angetrieben, der, wie ich bemerkte, eine große Automatik in den Härnden hielt.
Verhör!). Ich stand aufund zogmrch an. Währenddessen ging der Haupt. mann hinaus und schloß die Trir. Durch den Spion beobachtere er, wie ich mich anzog. Als ich fertig war, kam er wieder herein und nahm mich mit, nachdem er mich erneut ermahnt hatte, keinen Larm zu machen. Er brachte mich zu der Tür, die zum Treppenhaus führte. IJnterwegs zählte ich aufmeiner Hälfte des Flurs drei gninuniformierte Éfauptmänner, die in großen Filzpantinen (über ifuen Stiefeln) von einer Tür zur nächsten gingen und durch die Spione guckten. Ich begriff auf einmal, daß die Häftlingskontrolle in der Wnø-
trennøjø etwas war, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Man bedenke bitte, das ÉIaus war ruhig wie ein Friedhof, still wie ein Grab. Als wir an der Tùr zum Treppenhaus angekorunen waren) wurde ich aus dem Buch gestrichen. Der Major bekam von den zwei Begleitern jenseits der Tür meinen Begleitschein, und erst dann wurde die Tür von innen geöffüet, und die beiden Begleiter
Abb. 73lDer Løbjønhø-Pløtz rni.t Blàch øøf d.øs Gebâ'øde Ver si c b erøngsg e s e I h c h øft.
d'er
ehewøligenAllrøssischeø
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DIE ERSTEN DREI WOCHEN
ERSTEN DREI WOCHEN
Schließlich kamen wir an eine Tür auf einem der oberen Flure,, Das war, wie ich später herausfand, ein Raum im l. Stock. Der, typische Büroraum eines Ober-Sledowatels in der Zentrale. Sehr
ppositionsgruppen geteilt wurde. Doch als dann später der inowjew-Kamenjew{rotzki-Block aufkam und mit seiner Losung çDemokratie in der Partei" an die Öffentlichkeit trat, unterstätzte ich dies in vielfältiger Weise. Aber da war es schon zu spät, und das
schön möbliert. Ein großer Schreibtisch in der Ecke vor dem, großen Fenster. Auf der linken und und der rechten Seite befa4-, den sich je eine Tür, beide halb angelehnt. Zwischen dem Fenster und der linken Tür stand ein weiterer Tisch, an dem man mich aufforderte , Platz zu nehmen. Drei Leute waren im Zimmer,als die Begleiter mit mir eintrafen. Alle sahen mich an, und zweivonihnenverließen den Raum durch die Seitentüren, die sie offenließen. Der dritte Mann tratvor, unter: schrieb den Begleitschein, und die beiden Begleitleute verließen den Raum. Der Mann ging zum Tisch, setzte sich mir gegenüber, drehte das Licht an, das auf mich gerichtet war, und begann das-. Verhör. Es war ein junger Mann, ungefähr 35-38 Jahre alt, und weder von der Kleidung noch von seinem Benehmen her hatte er was von dem Typ des Sledowatels, den ich erwartet hatte. Die Sledowatels, mit denen ich bisher zu tun hatte und die meinen Fall bearbeiter hatten, waren komplett andere Typen gewesen) viel unhöflicher, stumpf, von langsamer Auffassungsgabe undzuletztimmer mit dem Schlimmsten drohend. Man hatte aber immer den Fehler gemacht, mich mit dieserArtvon parteimitglied oder Funktio.,'är zuverwechseln, der seinen rebellischen Instinkt gegen jede Form der IJnterdrückung verloren hat, sogar hier, wo die Unterdrückung ihren Ursprung in den höchsren parreiorganen wie dem Politbüro. ZKund ZI(K hat. Ich begriff, daß sogar die besten Organisationen einer partei und eines Staates Fehler machen konnten, und nie habe ich um eine Extra-Behandlung gebeten. Solche Fehier aber könnten ausgeräumt und aufgekldrt werden, ohne daß man jemanden verhaftet. An dieser Stelle muß ich erklären, daß ich mit den Kämpfen zwischen den verschiedenen Fraktionen in der WKp (B) nichts zu tun hatte, da meine Überzeugung von keiner der bekannten
r
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,ï/erhalten der Oppositionsführer, als sie noch an der Macht waren, hatte nicht im entferntesten etwas mit Demokraie zutun. Es war ,auch darum zu spät, weil das Rückrat der Opposition, also die besten Aktivisten in den Fabriken und an den Arbeitsplàtzen, zu Tausenden in den großen Städten abkommandiert (nicht verhaftet)
:und zur Parteiarbeit in entfernte Regionen der UdSSRverschickt orden waren. Doch diese Losung in der Partei zu proklamieren, .,war ein wichtiger Schritt und trug viel dazu bei, die Besten um die neuen lJntergrund-Parteikommitees zu scharen. Und damals, kurz nach Gnindung der Kommitees, begannen die Massenverhaftungen und damit die de facto-Liquidierung der ,. ganisierten Opposition. Ich wtirde also sagen, daß ich nie ein Mitglied der Opposition gewesen bin, und die verschiedenen Sorren von Sledowatels beschuldigten mich dessen auch nie, sie behielten sich das für später auf. Sollte es ihnen jedoch gelingen, mich zu ,überführen", Agent einer fremden Macht gewesen zu sein, \À¡ären sie zuerst auf mein Abweichen von der ,,Generallinief' der Partei zu sprechen gekommen. So könnte man sehr schön zeigen) was die Opposition wirklich war.
Doch die Sledowatels des ersten Verhörabschnims an dem anderen Ort hatten es nicht geschafft, mich als Spion oder Verrärer zu
überführen, uotz ihrer vielfältigen Methoden, Druck auszuüben. . Dabei hatten sie jede Menge schwerer Anklagen gegen mich uno . sogil eine lJnterschrift von mir erzwungen, eine lJnterschrift zu , Dingen, die stimmten. Doch wenn auch alles stimmte, so war das . nicht die ganze Wahrheit. Als ich wiederholt darum bat, meine i Erkl:irungen ins Protokoll mitaufzunehmen, weigerten sie sich.
, In ¡'
England oder in sonst einem zivilisierten Land klingt es komisch, wenn ich sage, daß ich für meine illegalen Tätigkeiten
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Aufuag von höchster Stelle hatte. Wahr ist, daß selbst die Leute in der Lubjanka-Zentrale in all den lahren über diesen Teil. meiner Arbeit Bescheid wußten, den sie als den ifuen und nicht als den meinen ansahen. Allihre Bemühungen, mich zu einemMitarbeiter zu machen, blieben ohne Erfolg. Mein Fetrlerwar (heute muß ichsagen, daß es mir nicht leid tut, ihn gemacht zu haben), daß ich mit ihnen nicht sympathisierte und sehr oft grob zu ihnen war. Ich habe eine Menge gegen die Übermacht der Lubjanka getan, und sie führten während der Jah¡e über sämtliche meiner Aktivitäten Buch, bis sie glaubten, unbehelligt einschreiten zu können. Sie hatten schon eine solche Machtposition erlangt, daß sie ohne Angst vor Intervention durch den Generalstaatsanwalt oder die ZKI( Verhaftungen vornehmen konnten. In den ,,oberen" Kreisen hieß es, daß es sich um einen schmutzigen Fall handele, und* nach sieben Monaten, damals war ich schon in der WnwTrennøjø, kam das Gerücht auf, ,,daß ich liquidiert worden sei". Nun aber zurück zum Verhör. Ich saß also im Licht, und mei¡ Gegenüber, der Sledowatel, im Dunkeln, doch ich konnte sein Gesicht erkennen. Nach den ersten \Morten wußte ich sofort. daß ich mich hier auf etwas Neues einzustellen hatte. Mir gegenüber saß ein junger Mann von sehr scharfem Verstand und mit einer Stimme, der man gut zuhören konnte. Einer von den wenigen ausgesuchten und gut ausgebil' deten Männern. die in exklusiven internationalen Schulen von erstklassigen Lehrern im Glauben an die Unfehlbarkeit der Institution erzogenworden sind, die OGPU resp. jetzt MWD genannt wfud. Sie haben für ein Geständnis des Häftlings zu sorgen) und in 99 %
der Fdile bekommen sie es auch. Arthur I(oestler hat in seiner Sonnenfinsternis als einziger theoretisch erkldren können, wie Geständnisse zustande gebrachtwurden. Die sogenanntenAltbolschewiken hatten nie in ifuem Leben mit solchen Verhörmethoden zu tun gehabt. Und die meisten d.er alten Bolschewiken waren nicht nur weich. als sie verhaftet
VERHöRE
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wurden, sondern sehr weich. Die paar, die nicht gestanden und wirklich hartgesotten waren) wurden ohne Geständnis erschossen und starben als Männer und kompromißlose Rebellen. Aber ich bin mir sicher, jeder von ihnen hatte ein Gefühl von Schuld, und wenn es nur die Verantwortung für so ein System war. . ,,Wfu haben in Ihrem Fall die Ermittlung tibernommen, nicht weil unsere Erkenntnisse von denen unserer Abteilung in X... abwichen. Diese haben Sie für schuldig befunden und erkldrt, daß die Malenkaja kollegija (Kleines Kollegium) nur aufWysche rasmer nakasanUa (Todesstrafe) plädieren könne . Wir kümmern uns jetzt nur deswegen um denFall,weil danoch einige Punkte im Dunkeln liegen. Grundsätzlich müssen Sie wissen, daß wfu zu keinem anderen lJrteil kommen werden, wenn Sie bei der Kldrung der noch ausstehenden Fragen nicht mithelfen. Ilierzu werden wir sämtliche Ihrer Verhörprotokolle durcharbeiten und anscliließend haben wir noch einige Fragen, die man Ihnen in X ... nicht gestellt hat." Aufdem Tisch lag ein ganzer Stapel mit meinenVerhöraussagen, und er begann mit der ersten: meinem Lebenslauf und allem, was ich die Jahre über getan oder nicht getan hatte. Ich war zu sämtlichen Daten und Fakten befragt worden und nun froh, daß ich beim Verhör in X... keine Lügen erzàIl.It hatte, weil falsche Angaben sich sehr schwer merken lassen. (Darauf war ich bei füiheren Gelegenheiten in anderen Ländern gekommen.) So konnte ich jede Frage obne Zögern beantworten. Zwar konnte ich, als er meine Antworten durchsah, eine Spur von lächelndem Zweifel auf seinem Gesicht erkennen, doch muß ich sagen, daß mir das nichts ausmachte. Wenn mich in den ersten Stunden dieses Verhörs etwas störte, dann war es das Licht. Ansonsten machte mir am Artfutrg nur noch etwas mein Keuchen zu schaffen, da ich nach dem.Rauf- und Runtergehetze mit meinen Begleitern außer Atem war. Man wird leicht begreifen, daß es einen IJnterschied macht, ob ein Häftling auf normalem Weg und unter normalen lJmständen aus seiner Zelle zumYerhörraum gebracht
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wird oder wie ein Wnøtrennøjø-HäftLing, der keuchend und mit seinen Nerven nahe dem Zusammenbruch dort ankommt. Nach fünf Minuten der Besinnung hatre ich mich soweit wiede¡ im Griff. Die erste Befragung war nicht zu meinem Nachteü. Ich
,{,Imstände mich dazu zwangen) wie zum Beispiel während der ahre in ,,kapitalistischen" Gefängnissen. Ich litt nur die ersten . Und wenn i chIängere Zeit einge sperrt war, fand ich meistens
lernte etwas: Sobald er, der Sledowatel, den Fehler beging, mit mirzu diskutieren, fühlte ich, daß ich ihm überlegen war.
Natürlich war mir klar, daß hinter den Nebenzimmertüren jemand mitstenografierre. Es würde mir also nicht viel bringen, Dampf abzulassen. Ich fühlte, daß, wenn ich diesen Sledowatel auf das Podium einer Versammlung brächte , er von den Arbeitern in jedem Land der Welt aus dem nächstbesten Fenster geworfen würde. I{ier aber war es zwecklos, ihn zu attackieren, ich mußte sehrvorsichtig sein. Das Wagnis war zlrgroß. Auch wenn ich nãch dem Verhör in X ... begriffen hatte, daß ein Prinzip der ,,inneren', Sicherheitorgane" darin bestand, niemals einen Fehler zu machen, so mußte ich doch bis zuletzt für einen guten Ausgang klimpfen. Wenn meine Liquidierung bereits beschlossene Sache war, so wrirde es mir auch nichts nützen, wenn ich aufge ben würde. Das Ergebnis
wdre dasselbe. Was sie über mich wußten, konnte ich bestätigen und erkldren. Was sie nicht wußten, mußte ich frir mich behalten. Ob ich das könnte, hing allein von den Methoden ab, die sie bei mir anwendeten, und ob ich sie aushalten würde. Ich glaube, es war I Uhr nachts, als ich zu dem Sledowatel gebracht wurde, und 9 Uhr morgens, als ich ihn verließ. Ich war
hundemüde, als er zum Telefon griff. Etwa fünf Minuten spärer erschienen die Begleiter. Sie bekamen einen kleinen Zettel ausgehåindigt und sie selbst mußten eine Quitung unrerschreiben, daß sie mich übernommen hätten. Wieder die übliche Warnung, keinen Larm zu machen, und dann gingen wir auf dem kürzesten Weg zurück in dte Wnaøennøjø. Anschließend bekam ich mein kochendes Wasser für den Teemeine Ration und meine 13 Zigaretten;dteZigaretten bedeuteten
i¡
sehr viel. obwohl ich auch ohne auskam, wenn bestimmte
einen Weg, die Geflingnisregeln zu brechen und taglich mehrere zu können. : Nach dem Fnihstück sah ich zum Spion, und als ich das Auge çrblickte, hielt ich meine Zigarette hoch und drÍickte damit (ohne ,iVorte) meinen Wunsch aus, mir dte Zígarette anzuzinden. Das ,A-uge verschwand, und karze Zeit später erschien der Major und rzändete ein Streichholz für mich an. Man erwarte nicht. daß ein r,einziges Wort gesprochen wurde. Man gewöhnte sich so sehr an diese Wnurrennøjø-StJlle, daß man sie wie selbswerständlich hinnahm. Zudem muß man wissen, daß ich von der Tatsache, einer der wenigen auserwählten Häftlinge in der UdSSR zu sein, die man in der Wnøtrennøjø-Zenuale gefangen hielt, nicht besonders beeind¡uckt war. Ich stellte auch fest, daß einem in der Wnøtrennøjø nichts geschieht. Unangenehme Dinge gibt es nur beim Verhör und wenn du die Wnwtrennøjø für immer verläßt, verurteilt oder nicht. Der Weg hinaus geht durch die Keller. Wie auchimmerundohne anzugeben, ich hatte nichts dagegen, mich unter so netten und sicheren Bedingungen aufzuhalten, warm, sauber, gut verpflegt und still. Warum sich aufregen) wenn :,du sowiesoweißt. daß deine Zeit baldkommt. Nach den folsenden Befragungen verstand ich immer besser, oder glaubte es wenigstens, daß mein Fall entschieden war und sie nur versuchten, mich zu brechen und noch einige Dinge aus mir herauszubekommen, von denen sie vermuteten, daß ich sie ihnen bisher verschwiegen hatte. Das stimmte zwar, aber bei all ihrer Cleverness machten sie Fehler, die es mir ermöglichten, bestimmte Dinge frir mich zu behalten. Nach meinem ersten Verhör durfte ich mich den ganzen Tag über nicht auß Bett legen. Nach dem Frtihstrick hatte ich mich
VERHÖRE
Abb. 74. I GrøødriJî
d.er
Løbjønhø.
1. Høøptgøbd.øde 4. Dørchgøngshof 2. Inneres Gefdngnis 5. Hof d.øs neaen Løbjøøkø3. S2øzierhof Gebä.ødes
6.
Iûrridor
7. I(øbinette
hingelegt und wurde vom Major geweckt, der mir ins Ohr flüsterte, daß Hinlegen gegen die Vorschriften sei. So serzre ich mich auf den Stuhl und schlief mit dem Kopf auf dem Tisch. Ich war immer noch müde, als ich um 8 Uhr abends ins Bett ging. Ich schlief fest bis nach Mitternacht, als der Major mich weckte, meine Initialien erfragte und mir daraufhin sagte, ich solle mich für den ,,dopróss,. (Verhör) fertig machen. Die Prozedu¡ war immer dieselbe in Bezug auf die geflüsterten Mahnungen, die Übergabe an die zwei Begleithauptmänner, das Fingerschnipsen auf der Treppe, die Ver-
folgungsjagd treppauf-treppab durch die Kellergewölbe bei fast völliger Dunkelheit und mit den geheimnisvollen Geräuschen. Ich versuchte, mit dem Begleiter vor mir Schritt zu halten, und fand heraus, daß sobald ich mit ihm Schritt hiek, er schneller lief. So ging es wieder die Treppen hoch in den 5. Stock. Ich verlangsamte den Schritt trotz der Ermahnungen des Begleiters hinter mir, der zu mtr sagte: ,,Nje otstavajrje, toropitjes'. (Bleiben Sie nicht zurtick, beeilen Sie sich!). Aber ich hielt es für besser, nach meinem eigenen Rhythmus zu gehen, zumindest solange sie nicht andere Mittel gebrauchten, mich zu einem schnelleren Gehen an-
VERHORE
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zutreiben. Ich erinnere mich gut daran, daß der Begleiter hinter mir jedesmal, wenn wir durch die gewundenen Kellergänge liefen, seine große Automatik in Händen hielt. Ich konnte das nur sehen, wenn wir um eine Ecke bogen. Anfangs hatte ich sicherlich ein sefu merkwürdiges Gefrihl im Nacken, aber ich gewóhnte mich daran. Ich begriff, daß die jagd wie die Geräusche in den dunklen Kellergängen, die Automatik und alles andere Bestandteile eines ausgeklügelten und brutalen Systems sind, das darauf aus ist, den Widerstand der großen Mehrheit der Wnørrennøjø-Insassen zu brechen. Auch mein absichtlich verlangsamter Schritt halfmir nicht viel. sie liefen einfach nochmal mit mir in den 5. Stock hinauf und rvieder hinunter in den I(eller, so daß, als sie mich schließlich beim ¡r, Sledowatel im I. Stock ablieferten. ich in einem Zustand war. in i:, dem ich nicht zu mir finden konnte. Dazu kam. daß mir alles vor denAugen schwamm. Ich keuchte wie noch nie in meinem Leben, und je mehr ich mich wie der unter Kontrolle zu bringen versuchte) run so schlimmer wurde es. ' Und im selben Moment feuerte der Sledowatel eine Beschuldigong nach der anderen gegen mich ab. Er klagte mich an, nur deswegen der Bewegung lange vor der Revolution beigetreten zu sein, um Verrat zu ùben, nur deswegen im Gefåingnis gewesen zu sein, um meine Position zu stärken, und weffi ich mit der Opposition nichts zu ftm gehabt hätte, so würde das nur ein Beweis für meine Verschlagenheit sein. Alle diese Beschuldigungen ließen mich kalt. Physisch war ich so am Boden, daß ich nicht antworten konnte, aber mein Verstand begann wieder zu arbeiten. Ich sagte kein Wort, blieb still, und als er zu brrillen und zu kreischen anfing: ,,Reden Sie! Sagen Sie uns alles!", saß ich ganz still da und fühlte, wie mein Atem sich wieder normalisierte. Ich spürte wieder die Ilitze des starken elektrischen Lichts und das Blenden in meinen Augen. Die Håinde und meine Knie hörten awf zuziftern Ich fühlte mich besser. Und als er mit seinem wilden Geschrei aufirörte und auf Antwort wartete, fragre ich ihn nur nach einer Erkldrung für
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diese Anschuldigungen. Ich sagte ihm, daß immer wenn ich ange-
stop-Verhöre in den lJnterbrechungen, die ich allein in meiner V,ellewar, sicherlich geraucht habe, aber ich befand mich in einem hen Zustand, daß ich keinen Gedanken daran verschwendete, dte Zigaretten zu zá,,Itfen! nur urn herauszubekommen) wie lange lch nicht in meiner Zelle gewesen wa-r. Einmal jedoch, nach meiner {ich glaube) längsten Abwesenheit von meiner Zelle,wurde ich in der nächsten und übernächsten Nacht nicht geholt, und sicherlich sctrlief ich daraufhin so lange, bis ich wieder ganzbei mir war. ,, Man darf nicht denken, daß der Schlaf nach solch einem Verhör friedlich sei. Dein Kopfarbeitet unter Krtunpfen, und immerwieder machst du die,schlimmsten Momente des Verhörs durch. Doch du schläßt, schläfst, und das heißt, daß auch dein Hirn sich langsam wieder beruhigt. Nachdem es sich beruhigt hat, fingst du an, an das nächste Verhör zu denken und an die neuen Überraschungen, die sie für d-ich bereithalten. Ich zåihlte also meine Zigaretten>nachdem ich die zweite Nacht nicht geholt worden war. Insgesamt mußte ich wohl an die drei Tage und Nächte beim letzten Verhör gewesen sein. Als ich später nach der Låinge meiner Verhöre gefragt wurde, sagte ich öfter I50 Stunden oder so. So kam es mir zumindest vor, und die genaue Zahl besagt nichts. Es war sowieso schlimm genug.
klagt wurde, an revolutionãren Aktionen gegen ein kapitalistisches Land teilgenommen zuhaben, ich sowohlvon der poüzeiwie auch vom lJntersuchungsrichter anständig behandelt worden sei. Ich habe immer zu meinen Taten gestanden und hatte immer einengewissen Respekt gegenüber den Verrretern (Vollzugsorganen) des Klassenfeinds, es gab keine Freundschaft zwischen ihnen und mir, aber sie behandelten mich als ein menschliches Wesen. Ich gehörte niemals zu diesen Kommunisten mit Lebensversicherung und brirgerlichem Habitus, die, wenn sie mit dem Gesetz ihres Landes in Konflikt gerieten, vor Gericht zu erkláren versuchten. sie gehörten zu denen, die daran glaubten, thr Ziel mit.legalen Mitteln zu erreichen. Ich war klug genug, das Sicherheitsregime nicht direkt urrzrr_ " greifen, zeigte allerdings auch, daß ich keine Angst harte. Das mußte ich tun, da alles andere meinem Ruf widersprochen hätte. Und den kannten sie. Sobald ich weich werden würde, würden sie ihre Angriffe in der überzeugung verstärken, daß ich bald zusammenbrechen würde. Später kamen sie öfter an einen bestimmten punkt bei ihren Ver_ hörmethoden, den Zustand meiner völligen Erschöpfung. Das war allerdings physisch. Geistig brach ich nicht zusammen, auch wenn' ich nicht mehr wach bleiben konnte, meine Augen anschwollen, ich schreckliche Kopßchmerzen hatte und die Begleiter mich oftmals wie einen Betrunkenen zurücktragen mußten. Damals kam es mir so vor, als ob die Verhöre mehr als 24 Stunden dauerten, wieviel Srunden genau kann ich auch heute noch nicht sagen, aber ich weiß, daß, nachdem ich wieder zur Besinnung ge_ kommen war, bevor sie mich erneut holten, ich die tägliche Ration auf dem Tisch vorfand sowie Tee, Zucker etc. und vor allem viel mehr Zigarenen. In einem Fall habe ich die Zigarettengezähk, es waren über 50! Ich rauchte immer meine ganze Tagesration und sparte nichts auf. Nun muß ich sagen, daß ich während der Non-
'
Soweit ich mich erinnere, wurde ich das nächste Mal in der dritten
Nacht geholt. Wieder um Mitternacht oder nach Mitternacht. lVar mein Fall abgesctrlossenl War er entschiedenl Würde es mein letztes Mal in den,-Kellern seinl Nein, die jagd hinauf und hinab war dieselbe wie immer. Der Sledowatel. der mich zuerst verhört hatte, empfing mich wie sonst. (Bei den Non-stop-Verhören hatte es noch andere Sledowatels gegeben, die mit ihm in Schichten arbeiteten.) Erwar sehr zuvorkommend und sagte, daß er dteZusammenfassungen meiner Verhöre vorlesen wrirde. Ich überlegte, ob ich irgend etwas gesagt hatte, was mich belasten könnte. Deshalb hörte ich mit einer sewissen Nervosität zu. Ich war mir nicht
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sicher, nicht I00%. Nein, da war nichts Neues. Ich hatte nichts verraten) mir keinen Ausrutscher erlaubt. Aber es gab in diesen Papieren noch genügend, was für eine Anklage reichte. Doch es war die Wahrheiq alles, was dort über meine Verbindungen zube-
stimmten Vertretem ausländischer Mächte gesagt wurde, war die Wafuheit. Aber es war nicht die ganze Wahrheit, manches war fortgelassen, und ich mußte einen Teil der Wahrheit unterschreiben. ,{ls ich protestierte und darauf bestand, daß hinzugefügt werden müsse, daß ich ermächtigt war, so zu handeln wie ich es tat, und daß alles, was ich tat, aufAnordnung der zuständigen Behörden geschah und die Zentrale der Lubjanka in jedem Fall Bescheid wußte, beschied man mir, daß d.ies nicht notwend.ig sei festzuhalten: ,,Mit oder ohne unsere Kenntnis haben Sie eine Menge Dinge getan) die gegen das Gesetz verstoßen. Es ist nicht Ihre Sache, unszu sagen, was wir tun sollen. Sie sind alt genug, um zu wissen, daß der einzelne nicht zählt! Sie können nicht erwarten, daß wir Sie laufen lassen, denn das würde bedeuten, daß viel geredet wtirde in einer Zeit, in der wir für solche Gespräche keine Verwendung haben. Und es wdre gut, wenn Sie begriffen, daß Ihre Freunde draußen Sie längst begraben haben. Man nimmt an, daß Sie exekutiert wurden, und hat aufgehört, über Sie zu sprechen. Nur wi-r wissen, daß Sie noch am Leben sind. Doch die Entscheidung füllt in diesen Tagen, und Sie sollten schnell und scharf nachdenken. Es gibt etwas, womit Sie uns helfen und zugleich zeigenkönnen, daß Sie wirklich der Mann sind, zu dem so viele wie zu einem Vorbild aufgesehen haben. Wir haben hier die von Ihnen unterschriebenen Befragungsprotokolle. Wir wollen den Erkldrungen nichts hinzufügen, weil dies den erbrachten Beweis Ihrer Verbrechen erschüttern würde. IJnd wer auch immer diese Befragungsprotokolle liest und Ifue lJnterschrift darunter sieht, der wird von Ih¡en Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates überzeugt sein. Sie haben nur noch wenig Zeit, natzen Sie sie, leisten Sie einen letzten Dienst am Staat der Oktoberrevolution."
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Ich fragte ihn: ,,IJnd würden Sie, wenn Sie in meiner Lage wdren, bei Ihrem Abg"ttg lügenf " Er wurde sehr ernst und setzte sich für einige Sekunden aufrecht hin, als ob ihn diese Frage verblüfft hätte, dann beugte er sich zu mir rüber und sagte: ,rDas ist der lJnterschied zwischen Ihnen und mir! Ich bin so erzogen worden, daß dies frir mich keine Frage wdre. Sie aber haben so viel von der øltem rnd verføøhenI-rbensart in sich, daß Sie niemals die elementare Aufgabe eines Revolutionârs in einer Situation wie der, in der Sie sich befinden, verstehen werden. Ich weiß nicht, ob wir uns noch einmal sehen werden, und wenn Sie Ihre Meinung ändern sollten, lassen Sie es mich durch den Nadsiratel wissen, entscheiden Sie sich aber bald.* Er ging zum Telephon und gab das Zeichen an die l(ommandantur, die Begleiter zu schicken. ' Es war das letzte MaI, daß ich in seinem Büro war. Die Begleiter brachten mich auf dem kürzestenWeg, unter Einhalrung des schon beschriebenen Rituals, in meine Zelle ztxück.' Es wa¡ noch dunkel, als ich zurückkam. Ich rauchte und ging zu Ben. Ich schlief fest und in der Hoffnung, daß meine Befragung vorbei sei und sie mich in Ruhe ließen. Ich machte mir keine weiteren Gedanken riber das Ende: wann es kommenwürde oderwie oder wie ich mich dann verhalten würde. Die beiden nächsten Tage hatte ich Zeit nachzudenken, wenn auch nicht dartiber. was der Sledowatel von mir erwartete. Ob ich wollte oder nicht, immer wieder liefen meine Gedanken zu dem Punkt, den ich sicher frtiher oder später erreichen mußte: das letzte Mal in die Keller hinunterzugehen. Wie würde es seinl Ich war ziemlich sicher, daß ich nichtwissen wrirde, wann es das letzte Mal sein wärde! Ich würde gehen wie andere vor mir gegangen sind, ohne zu wissen, wann und was der Begleiter hinter einem tun wird. Seh¡ oft war er mir sehr nahe gekommen, und ein- oder zrveimal in einer Kurve in diesen schwach beleuchteten Gängen hatte ich seineAutomatik gesehen. Ich hatte mich daran gewöhnt, manchmal spürte ich sie hinter mir, als ich unter der großen Lampe
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IN DER SAMMELZELLE DER WNUTRENNAJA
am Schreibtisch des Sledowatels saß. Ich hatte keine Angst, wenigstens war
mein immer und immer wiederholter Entschiuß, heine Angst zø høben! Was ich getan hatre und wovon die Leute es
in der Lubjanka nichts wußren, gab mir ein gutes Gefrihl. Ich
fühlte mich irgendwie überlegen. Ich habe nie besonders viel von den Lubjanka_Leuten gehal_ ten. Bei allem lJnterschied zwischen ihnen und mir habe ich sie immer mehr oder weniger respektlos behandelt. Ich war in der Tat stolz, nie in die Knie gegangen zu sein, sie hatten meinen widerstand nicht gebrochen. sie hatten nicht mal meine politische Einstellung geändert.
Ich hatte zwei Tage für mich. Am Abend des zweiren Tages kam der Major und fragte nach meinen Initialen. Dann sagte .r, ,,N.hl men sie Ihre sachen!" Ich packte zusammen und folgte ihm auf den Flur. Anstatt nach rechts und zar Tür zum Treppenhaus zu gehen, folgte ich ihm nach links. Dort öffnete er die zweitletzte Ttir. Ich ging hinein. Ein großer Raum. Zwei große Fensrer. Ein großer Tisch in der Mitte. Rechts und links die Betten. Auf jeder Seite sechs. Keine sttihle. In dem Raum waren elf Mann. Alle sahen mich an. Der Major schloß die Ttir wied.er, ohne ein Woft zu sagen. Da stand ich nun und sagte: ,,Dobrij djen, To: warischtschi." Ein alt aussehender Mann mit grauem Bart kam aufmich zu, gab rnir die Hand und sagre: ,,Ich bin der li.lteste dieser Kameraden hier, der starosta, und gewählt, um hier für ailes verantwortrich zu sein. Darf ich Sie nun vorstellenl,. Nachdem ich meinen Namen etc. genannt hatte, flihrte er mich zu jedem einzelnen und stellte mich überaus formlich vor. Alles im Flüsterton. ,,Geben sie keinen Laur von sich! seien sie so leise wie möglich. Jede Meinungsverschiedenheit zwischen Ihnen und jemand anderem hier wird in Zukunft von mir entschieden, und Sie haben meine Entscheidung zu respektieren.,.
¡N DER SAMMELZELLE DER WNUTRENNAJA
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Ich erfuhr dann von ihm. daß alle hier auf ihren letzten Aufruf iru/arteten. Es gab niemanden, der nicht ,,Wysche rasmer nakasanija" iTodesstrafe) hatte. Er erzãhlte mir, daß sämtliche Häftlinge in der ,Wnøtrennøjønach Abschluß ihres Verhörs und nachdem die ,,Troi-
ka" (Malenkajae Kollegia) ihren Urteilsspruch gefillt hatte, aus ihren Einzel- in eine der großen Gefángniszellen gebracht würden. Von hier wird man noch ein- oder zweimal geholt, und eines Tages wird der Nadsiratel, nachdem man weg ist, nach seinen Sachen fragen. Das bedeutet, daß man nicht mehr wiederkommt. Normalerweise kommt am nächsten Tag ein anderer HåiftIing und übernimmt das leere Bett und den Platz. Ich will jetzt nåiher beschreiben, wie diese Gemeinschaftszelle und das Leben in ih¡ aussahen. Namen dtirfen dabei nicht genannt werden, da ich mich sonst verraten würde, doch ich will versuchen, ein Bild zu geben, das der Leser verstehen kann. . AIs ich zu dieser Gemeinschaft stieß, brachte ich Tee, Zucker, Zigarcnen etc. mit, alles, was ich von den täglichen Pajoks noch übrig hatte. Dies alles mußte ich dem Starosta übergeben. Er klärte mich daniber auf, daß er jeden Tag von allen Pajoks einen Teil abzureige. Dies geschah, um immer zr¡¿ölf Pakete zu haben, für jeden in der Zelle eins. Darum nahm der Starosta jeden Tag von den 13 Zigasetten eine und von den anderen Sachen den zwölften Teil. Als ich kam, machten sie sofort eirì neues Paket zurecht, und obwotrl ich bis dahin nicht dazugehört hatte, bekam ich dasselbe Paket wie alle anderen. Es gab einige Nichtraucher, und aus deren 13 Zigaretten wurde ein spezieller Vorrat gebildet, mit dem die starken Raucher mit einer Extraration versorgt wurden, oder der Starosta teilte aus diesem Vorrat zu besonderen Anlässen an die Runde aus. Ist der Häftling erstmal aus seiner Einzelzellehier angekommen, wird er aus dieser nur noch ein- oder zweimal ins Zentralgebäude geholt, ganz sicher nur um Mitternacht oder danach. Er weiß nie, ob er in dteZelle zurückkehren wird oder was mit ihm geschieht. Normalerweise wissen die Zelleninsassen. wer an die Reihe kommt
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und wessen Zeit abgelaufen ist. wenn der Major nachts in die Zelle kam (es gibt immer einige Häftlinge, die nicht schlafen können, Fdlle von schlaflosigkeit), waren alle sofort hellwach. Mein Nach: bar ntr Rechten gab mir immer einen Stoß, wenn der Major kam, sonst wäre ich gar nicht wach geworden. Der Major stand dannmitten im Raum und sagte mit ganz leiser Stimme : ,,Na initzialy P. F.¡" (Wer hat die Initialen p. F.l) (Vor- und Vatersname.) In diesem Fall war es ein gewisser pjotr Fjodorowitsch . .., der sich
erhob. Der Major grng za ihm und sagte: ,,prigotovitsja na do_ próss!" (Fertigmachen zum Verhör!) Dann ging er wie immer hinaus und schloß die Tùr, um draußen zu warten, bis der Mann angekleidet war. Niemand in der Zelle sprach ein wort, doch alle setzten sich auf, während er sich anzog. Dann ging er von einem Beft zum anderen und gab jedem die Hand. Es konnte das letzte' Mal sein. Dann wurde die Tür geöffnet, und der Mann ging hinaus; die Tür ging zu. Nun kamen die entscheidenden fünf Minuten. Falls der Major nicht wiederkam, r;nird.e d.as bedeuten, der Mann kommr zurück. Doch die Tür ging auf, der Major trat ein und sagte: ,,Jewo weschtschi,. (Seine Sachen! Das hieß, er ). würde nicht zurückkommen. Der Zellen-Srarosra übergab dann dem Major die Sachen des Mannes und dazu eins der zwölf pakete. Der Major nahm alled und ging fort. Die Ttir wurde verschlossen, und der Starosta setzte sich auf sein Bett und sagte im Flüsterton: ,,IJnd wir werd.en nie erfahren, was jetzt mit ihm geschieht!,. Am nächsten Tag wußten wir alles über ihn, und was er ge: sagt und getan hatte, wurde von den elf in der Zelle besprochen. Dieses Mal war es der Mann gewesen, der am sctrluß der Reihe marschierte, wenn wir morgens und nachmittags um unsere Betten liefen (als Ersatz frir den spaziergang an der frischen Luft, der Wnwtrennøjø-Häftüngen nicht gestattet war). Er war derjenige, der die Runden zähIte,l42 Runden linksherum und, r42 rechrsherum. Sämtliche Berten wurden von der wand in die Zellenmitte
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n, damitwir genügendPlatzhatten, um den ganzenRaum
iten. Sein Bett war der Kontrollpunkt für sein Zählen. d dte L42 Runden abgeschritten waren) hob er, der Mann Ende der Reihe. seine Hand, und alle drehten sich herum und ierten in die umgekehrte Richtung. jetzt hatte er uns verlassen, und der Starosta ernannte einen n Zellengenossen, der seinen Job übernahm. Pjotr Fjodoitsch würde niemals wiederkommen. Er war ein großer Mann, 'tn der Wnøtrennøjøweiß ungef;hr sechs Fuß groß. Sein llaar war geworden. Ein typischer Russe und ,,Altbolschewik", Eh¡enmitglied der einst sehr exklusiven Vereinigung politischer Gefangener ¡mter dem Zaren-Regime, Støryje I(øtorshnihi. Stalin verbot diese Ðrganisation und löste sie auf. Pjotr Fjodorowitsch war in seinen iungen Jahren ein Kämpfer ge\Mesen. Selbst hier in der Wnatrennøb sprach er niemals ein schlechtes Wort über Trotzki. Er war einige
fahre lang,im Narkomindel (Auswåirtiges Amt der UdSSR) und ;im Ausland' stationiert ge\¡/esen. Er wurde am Kasanskij Woksal (Kasaner Bahnhof in Moskau) ,yerhaftet. als er abends zu seiner Familie, die sich während der ,Sommermonate auf einer der Datschas ungefähr zwanzigMeilen außerhalb Moskaus aufhielt. hinausfahren wollte. Er wurde sofort :in die Wnøtreru.nøjø gebracht, und von Juni bis Dezember mußte er die schrecklichsten Befragungen über sich ergehen lassen, und sie machten ihn fertig. Er unterschrieb alles, weil er gar nicht mehr wußte, was er unterschrieb. Doch nach Abschluß seiner Befragung u¡iderrief er alles, was er gestanden hatte, weswegen sein Fall nicht vor Gericht gebracht werden konnte. Darauf entschied die ,,Malenkaja Kollegija" (die sogenannte Troika), ihn (administrativ) zum ,Wysche rasmer nakasarúa" (Todesstrafe) zu verurteilen. In unserer Zelle benahm er sich immer wie ein aufrechter alter I(impfer, der uns ]ängeren beibrachte, nicht die Fehler'zu machen, die sie, die alte Garde, gemacht hatte, indem sie die Verbindung zu den Møssen der Arbeiter und Bauern verloren hatte. Er fühlte sich für
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alles verantwortlich, was jetzt in der partei, in den Gewerkschaften" Fabriken und Dörfern geschah. Doch es war arspät. Sein einziger widerstand gegen die stalin-Mehrheit im zKbestand ¿arin, Jaß, er mit anderen heimliche neue oppositioneile Bezirkskommitees in Moskau gegnindet hatre. Doch war das nicht der einzige Grund für.. seine Verhaftung. In den ersten Jahren der Revolution war er seh¡ oft mit stalin aneinandergeraten, und das war der wah¡e Grundweshalb er jetzt mit seinem Leben zahlen mußte. Am zweiten Tag, nachdem er uns verlassen hatte, kam ein neuer Mann und übernahm seinen platz, so daß \Mir wieder zu zwö]ft waren. Dieser war sieben Monate in Einzelhaft gewesen, seine Be&agung war abgeschlossen, nachdem er sein Geständnis, Agent einer ausländischen Macht zu sein, unterschrieben hatte. rch ñabe noch nie einen so vollkommen zerstörten Mann gesehen. Sobald er " von sich und seinem FaIl zusprechen begann, von seiner Frau und seinen Kindern (die nicht wußten, wo er war), fing er zu weinen und zu schluchzen an. Er war Ausländer, parteifunktionär in einer der Komintern-sektionen in einem kleinen europdischen Land. seine Partei war die Nachfolgerin der verbotenen und aufgelösten Kommunistischen Partei. seine partei hatte eine Menge ho.h-i.h. tiger Arbeit ftir die verbindungsabteilung der Komintern geleistet. Ein ganzer Ring von Funktionåiren, die als Verbindungsm:inner." arbeiteten, wurde in seinem Land ve¡haftet, und die staatsporizei war in den Besitz von Beweismaterial gekommen, das ihn,äer zu dieser Zeit Mitglied des parlaments war) belastete. Eine Komitee, Sitzung der Parlamenrsgruppe enrschied, daß e¡ umgehend in die udssR gehen müßte . Er tat dies und wurde sofort verhaftet. als er die Grenze überscfuitt. Man brachte ihn nach Moskau in die Lubjanka, und nachdem er mit.{kulow gesprochen hatte, damals der zuständige Mann in der oGpu-Zentrale ftr die KominternGeheimarbeit, wurde er dem r(Ro (Kontrraswednyj
otdel -Abtei-
lung für Gegenspionage) übergeben. Als der KRO ihn übernahmgab es sicher im selben Moment Instruktionen, wie mit ihm zu
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sei. Sie machten ihn nicht mü zu einem Agenten des Landes, sondern auch zu einem vom französischen
Bäro r;rnd britischen Intelligence bezahlten Spion. Das ben eines Mannes zåihlt nicht, und sein Tod als Verräter wùrde Genossen in diesem Land vorsichtiger machen. Es würde ihnen zusammen, wie gedankenlos sie mit einem solchen Verräter itet hatten. Gleichzeitie wäre es eine Demonstration, wie sam und klug die zuständigen Leute in Moskau sind. ¡;, Ich begriff sofort, daß der Kamerad W. ein guter Genosse war' daß er niemals auch nur davon geträumt hatte) zum Yerràtet zu werden, wederin der Sache noch gegenüber der UdSSR" doch nun war er hier, wartete auf seine Hinrichtung und hoffte dennoch, daß sie alles herausfinden und ihn rehabilitieren würden. Viel war nicht zurückgeblieben vom Kampfgeist, den er einst besaß. Die Methoden und die Technik der Befragurrg waren zuviel fur ihn, und das, obwohl er an die Staatspolizei-Methoden in seinem Land, die als barbarisch bekannt waren, gewöhnt war. der westlichen Welt meint man oft, daß die OGPU resp. der NKWD oder MSID Informanten in ihren Geflingnissen einsetzen. Ich bin nie einem solchen Mann begegnet. Zumindest nicht, wo ich mich auflrielt, und vor allem nicht in der Wnwtrenn'øjø. Dre Lubjanka-Methoden sind so, daß Gefüngnisspitzel eine Belastung darstellen würden. Vier der Insassen waren âItere Genossen, die hohe Stellungen in Industriekonzernen innegehabt hatten. Bevor sie verhaftet wurden, waÍen sie alle mehrere ]ahre im Ausland gewesen. AIIe vier waren KRO-Fälle, wurden aber zugleich mit der einen oder anderen Oppositions- (Untergrund)Reorganisation in Verbindung gebracht. Dafür mußten sie bezahlen. Deshalb mußten sie falsche Geständnisse unterschreiben, die in Zukunft dazu benutzt werden konnten, andere anzuklagen. Nie und nirgendwo sonst hat die Staatspolizei einer Diktatur eine derart gut organisierte
In
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Liquidierungsarbeit ihrer Freund.e und Feinde gereistet. Die vier Männer hatten nichts verbrochen, doch als starin seine Mehrheit im ZKvorbereitete) taten sie und ihre Freunde nichts als weiter
ihre eigenen Meinungsverschiedenheiten zu diskutieren, und Mei--: nungsverschiedenheiten gab es mehr ars genug. Ais sie sich zusam: menschlossen) war es schon zu spät. Einstmars waren sie Männer, der Tat gewesen, doch sie wareriweich geworden, und im Laufe der Jahre haften die meisten von ihnen aL *i.frrigrten prinzþien der proletarischen Ethik vergessen. Eines dieser"lrinzipien üea
fräher (zumindest bis I924t: nicht einen ,,Lebenssrandard.. fü¡ die Arbeiter und einen anderen, höheren für Leute auf verant. wortlichen Posten zuzulassen. sie hatten ihre eigenen Gesch¿ift. und Restaurants, sie besaßen lfäuser oder Luxusivofrrrorrg.r, ,irra Sommerhäuser auf dem Land. Das alles hatte sie korrupt gemacht, * Es war ,,ifu Sozialismus.,, sie zumindest waren in der Lage, Dinge zu besitzen, die die fubeiter nicht bekommen konnten. Sie waren
die Repräsentanre'eines staatskapitarismus und als solche zugleich
Teil der neuen Klasse, die sich ãen durch die Ausbeut"ü ;.; Arbeiter- und Bauernmassen erwirtschafteten profit teilte. A'e
führenden Leure der verschiedenen rinken und rechten Fraktionen der \4IKP (B), ob sie nun an Stalins ,,sozialismus in
einem Land..
glaubten oder nicht, \ry'aren schurd daran, statins A¡t des Staatskapitalismus möglich gemacht zu haben.
Nun aberwaren sie in der Wnwtrennøjøund.warteten aufifuen letzten Aufruf in die Keller. fn . unserer Zelle gab es auch einen jungen Menschewiken, Stu_ dent am Plechanow-rnsdtut, und einen rtrãeren Mann, einÁrbeiter und Mitglied einer linken S.R._Gruppe. Der ersre war ein typischer Intellekruellervon hohem Rang, seÀi sympathisch, und der andere ein echter russischer Arbeiter, .K;i-pf.r. Beide v/aren angekragt, Agenten fti¡ frem¿e Mächte zu sein. *Tatsächlich haften sie GeheiÃgruppen ihrer jeweiligen parreien
gegnindet' Der junge Menschewik-saod.n. Iitt an offener Lun-
-
berkulose, nahm jedoch alles sefu gelassen hin. Die Stille der Wnutrerunøiø, so sagte er mir eines Nachts nach seiner über Lermontow, sei etwas) wonach er sich unbewußt hätte. Die Befragungen und die Foltermaßnahmen an seikranken Leib hatten seinen Geist nicht gebrochen. Dennoch ieb er sein Geständnis. ein Feind des Sowjetstaates zu sein. Er erkl¿rte mir. wie aussichtslos es sei, nicht zu unterschreiben, da Vertrauensmann in ihrer Gruppe ein GPU-Agent gewesen sei
und die Lubjanka im Besitz des gesamten Materials sei, sämtlicher amen ihrer Mitglieder. Er sagte mir, daß es keinen Schauprozeß geben würde, da die GPU darauf aus sei, das gesamte Netz der Menschewik-Gruppen im Land zu erledigen. Jede Nacht, in der sie kommen und ihn holen würden, könnte das endgriltige Ende dieses jungen schwerkranken Studenten bedeuten, der - wie er mir einen Tag, bevor man ihn das letzte Mal holte, sagte - heine Angst vor seiruen Henhern høtte. Als er uns verließ und jedem die Hand gegeben hatte, blieb er in der offenen Ti.iLr noch einmal ,stehen, sah uns mit seinen tiefblauen Augen an und sagle ,,Auf\Miedersehen". Dann ging die Tür wieder zu, und nun
kamen die Minuten der Anspannung. Kommt der Major zurück und verlangt nach seinen Sachenl Niemand sagte etwas. Wenn der Major nicht sehr bald kommen würde, jetzt, dann wúrde er zurückkehren. Die Tür grng geräuschlos auf, wie alle Tùren in der Wnatrennøjø, der Major stand da und sagte: ,,Seine Sachen!" Da wußten wir, daß er für immer gegangen war! Als ich in der Wnøtrennøjø in der Gemeinschaftszelle war, hörte ich viele wahre Geschichten, alle wert erzäJ:lt zu werden, um Menschen im noch freien Teil der Erde aufzuklâren, die noch immer nichtverstehen, was es bedeutet' unter der ,,Eisernen Ferse" lúnter dem Eisernen Vorhang zu sein, um ihnen begreiflich zu machen, daß sie etwas zu verteidigen haben' -Und nicht nur das' die Arbeiter der Welt, und hier sind die Arbeiter in den kapitalistischen Ländern gemeint, haben eine Pflicht gegenüber den vielen
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In der
Wnøtrennøjø waren nur ausgewählte Fälle der Ober_
schicht inhaftiert, solange
ihr. Urrt rro.Èrrrrg dauerte. Keine Frage,
die Befragungsmetfrode isr grausam, und das Resultat ist in ãst
allen Fällen dasselbe. Doch aufder anderen seite ist das Leben dort,
innerhalb der Lubjanka, ein Luxus. Nicht jeder übersteht es, das ist wahr, es gibt einen bestimmten prozentr"tr rro'unglücklichen Zufüllen,doch diese passieren nur aufdem Hof, im Zenãalgebaude : bei der Befragung. In der Wnwtrennøiø ist alles s.:ll, angenehm, die Wdrter sind höflich, das Essen ist gut, und du k"onst rauchen. Nur der weg hinaus führt durch die Kellergewölbe, doch selbst hier geschieht alles ohne viel Geräuschlpl soviel ich sagen kann, *irl ao g._ tötet, ohne daß du es weißt. Der Wachhar.pa_"rrrr, der dann zum
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Ein gewisser Chefingenieur lwanow, technischer Direktor von rasneft oder Asøeft, der eine Zeitlang vor 1929 in London sen war und dort eine Anlage für geplante neue Raffinerien ;in den russischen Ölfeldern gekauft hatte, war verhaftet und zu drei Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Daraufhin wurde er aller Eile in einem Spezkonvoj von Moskau nach Archangelsk gebracht, wo ihn ein Schiff erwartete . Der Dampfer hatte Ausrtistung ftir eine Forschungsexpedition an Bord, um Bohrungen nach Ö1, Salz, Mineralien und lJranpecherz vorzunehmen. Alle 300 Arbeiter und Techniker, die zwei l\rzte,kurz alle, sogar der GPU-Kommandant und seine Soldaten, waren FIäftlinge. Iwanow war der Chefingenieur dieser Expedition, die im Sommer 1929 vonArchangelsk aus startete und zum Petschora (Petschora-Fluß) führte, der in das Nordpolarmeer mündet. Nachdem sie dort angekommen waren) fuhr der Dampfer etwa fünfTage flußaufivärts. Das Lagerwurde errichtet, die Funkstation installiert, und die Arbeit begann an den Stellen, die Jahre zuvorvon einer geologischen Expedition ermittelt worden waren' Die Bohrungen begannen, und imWinter '29/'30 stieß man aufSchichten, die Radium enthielten. Was sie ebenfalls fanden, war Salz. Die einzige Verbindung, die das Lager mit der Außenwelt unterhielt, war über die Funkstation. In diesem Winter 1929 kam ein Befehl aus der Zentrale,den Ingenieur Iwanow umgehend im Spezkonvoj nach Moskau zuräckzubringen. Die Expedition mußte vier Pferde beschaffen, ein Packpferd, rwei für die Begleiter und eins für Iwanow. Sie folgten dem Fluß nach Süden und trafen alle paar Tage
auf kleine Fischer- und lägersiedlungen, die sie mit den nötigen
kommt, kennt seine Arbeit, du hcirst nicht mal den Knall
Sachen versorgen mußten. Nach Monaten stießen sie auf die Transsibirische Eisenbahnstrecke und eine Station westlich des Urals.
IJnter den Geschichten, die in dieser großen Zelle aufbewafut und so erzàhltwurden, als ob man no.h irit den Menschen in der Welt verbunden sei, war eine, die ich später bestätigen konnte.
Wåihrend der letzten Wochen ihres Ritts durch Schnee und Eis sahen sie lange Marschkolonnen mit Kulaken; darunter nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder, auf ihrem \Meg nach Norden. Iwanow berichtete später, daß deren Leid jenseits aller
T-1o
oes Uewehrs.
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Bescfueibung gewesen sein muß. Der Weg, den sie nahmen, war gesäumt von erfrorenen Körpern, alten und jungen. Doch vor allern Kinder und alte Leure wa'en an Erfrierung gestorben. Alle Körper
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,r
waren nackt, weil die anderen ifue Lumpen an sich genommen, hatten. Iwanow sagte) es hätte für ihn keine Bedeutung, in der: Lubjanka zu sterben, nachdem er dieses grauenhafte Bild dort auf der straße von Petschora gesehen hatte. (wie später bestätigtwurde, sind im winrer 1929 60.000 bis 7s.000 Kulaken in diese Gegend der Petschora marschiert) man schätzt, daß damals mehr als die H¿ilfte dieser russischen und ukrainischen Bauern in der bitteren Kálte des arktischen Winters zu Tode gekommen sind.) An einem Tag im April 1930 kam Iwanow in Moskau ae, wurde der Lubjanka übergeben, und nach einer kurzen Zwischenstation in der Butyrka kam er als Häftling in dte wnøtrennøjø. Die Befragung"' setzte sofort ein, und er wurde angeklagt, ein britischer Agent zu sein. Der sledowatel sagte ihm, daß einige Leute verhaftet wurden, als sie von Afghanistan aus die sorvjetische Grenze überschritten, und diese hatten gestanden, daß sie von einem britischen Konsul beauftragt worden waren) Iwanow zu befreien. Nanirlich end.eten die Befragungen mit einem Geständnis von lwanow. Doch als er die le tzten wochen in der Gemeinschaftszelle verbrachte hatte er seinen , Zellengenossen erzähft, daß dies die phantastischste Lüge sei, die er je gehort habe. Sein Trost damals war, daß seine Frau und sein Sohn, die er im Ausland zurückgelassen hatte, in Sicherheit waren. Das S.R-Mitglied, ein Arbeiter aus dem Süden, war ein sehr gurer organisator der linken s.R Er war de r Inbegriff des rauhen Genãssen
von enormer I(örperluaft. wir alle bewunderten seine unbedingte Direktheit. Mit Machno war er in der ukraine gewesen, doch war
er mit dessen Pakt mit der Roten Armee nicht einverstanden, vor Perekop, als Wrangel ins Schwarze Meer gestoßen wurde. Danach war er zwischen denArbeitern und Bauern umhergezogen und hatte
versucht, eine unsichtbare Rebellenarmee aufzubauen gegen das ,rverhaßteste Regime'. der Welt, wie er Stalins Diktatur nannte.
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Man verhaftete ihn in einem kleinen Ort, unweit von Moskau, Flaus eines S. R -Genossen, der unter permanenter B eobachtung . Zaerstwußte man nicht, wer er war, doch nachdem sie den Elausherrn in die Knie gezwungen hatten, hatten sie sämtliche trnformationen über ihn und brachten ihn in die Butyrka. . Monatelang wurde er in einem dunklen Keller verhört. Er erzählte mir, daß er nie herausbekommen hätte, wo sich dieser Keller befand, er glaubte aber in der Lubjanka. Ich fragte ihn, ob er
gefoltert wurde. ,,Nein", sagte er, ,,aber ich war im Eisbønker {Cholodilnik), und die Monate in absoluter Dunkelheit, nur unterbrochen durch die endlosen Verhöre, sind so grausam wie die schlimmste Folter." Als ich ihm von meinen eigenen Erfahrungen berichtete, erwiderte er nur: ,,Sie sind ein glücklicher Mann, Sie wurden privilegiert behandelt. " Er erzählte mir außerdem, daß die Greuelgeschichten von Häftlingsfolterungen in OGPU-Gefängnissen, die überall verbreitet und.von der Bevölkerung der UdSSR geglaubt wurden, eine Atmosphäre der Angst produziert hätten, die sich die OGPU ztJÍrJtze machte, wenn sie jemanden in ihre Fänge bekommen hatte. Meist waren die Häftlinge schon weich, wenn sie zum ersten Mal auf ihren Sledowatel trafen. Kurze Zeit auf dem Rost gebraten und bedroht von einem wtitenden Befrager, der sie ihre Fassung verlieren läßt, fangen sie an, kleine Sünden zu beichten, und dann gleiten sie von einem Geständnis zum nächsten' bis sie zuletzt die größte Lüge ihres Lebens unterschreiben. ,,Die besten Häftlinge im Sinne der Lubjanka-llerren sind die hohen Parteifunktionäre. Sie gestehen, weil ihre Parteilinie einer gegnerischen Potitikauffassung sie in der Vergangenheit alle zu Übeltätern gemacht hat." Mir war klar. daß er recht hatte. Um 1930 hatte die OGPU schon eine derartige Machtstellung erlangt, daß selbst höchste Parteifunktionäre zu einer Befragung in die OGPU vorgeladen werden konnten. ohne den Grund dafür zu kennen.
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Wenn man heute in die Zentrale will, muß man erst in d,as Büro" wo man einen Passierschein bekommt. Nur mit einem solchen Propusk darßt du das Gebaude betreren. Auf dem passierschein stehen Name, Datum und Uhrzeit, und. nach der Befragu"g muß
er von einem der Leiter untersch¡iebe n und be stätigt werd en. Eine s -
Nachts hatte ich in der Zentral,ezu tun und sah einen d.er ,,Obe_ ren" auf einer Bank im Flur sitzen, nahe den Tränen. Der kleine junge OGPIJ-Mann, der ihn zu etwas befragt hatte, hatte seinen Propusk nicht unterschrieben, und er saß hier schon fünfstunden und wartete darauf, daß seii propusk unterschrieben werden würde' schließlich bekam er ihn, doch er hatte nicht mehr genug Mut, um zu protestieren. Niemals im Leben hätte ich geglaubt, daß man zwölfHåflinþe , so s :lf in einer Zelle gefangen halten konnte, wie wir es in ,
der WnatrennøjøZelle waren Dort lernte ich zu flüstern, und je_ desmal in den ersten Tagen, wenn mein Flüstern zu laut wurdeermahnte mich der starosta. Er erklåirte mir, daß niemand hier gerne an einen anderenplatz verlegt werden wolle: ,,Für jeden ist es hier am besten. r]nsere zeit ist zuende, und wir alre woilen hierbleiben, bis man uns das letzte Mal holt... schließlich schaffte ich es, so zu flüstern, daß mich jeder verstehen konnte. Jeden Abend kam einer de¡ Zelleninsassen an die Reihe. um" einen vortrag über ein interessantes Thema zu halten. Geschichte, Kunst, Literatur, Technik, Geographie und poritik wurden in diesen gefl üsterten Vorträgen behandelt.
Ich habe vergessen) um welche rJhrzeitwir uns schrafen regen mußten, doch ich glaube , der Major kam jeden Abend ,rm B oã., 9 uhr und verktindere die schlafenszeit. sobald wir alle im Bett lagen, begann der Vortrag. Obwotrl jede Nacht eine gewisse Ner_ vosität herrschte - einer von uns zwölf konnte um Mifternacht geholt werden -, nahmen wir diese Vorträge ernst. Es gab große überraschungen bei den Themen, so als einer der ,,oberen" die Insider-Geschichte der Tscheka und oGpu erzählte.
j ,
,
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lVir hörten Geschichten über Peters, Messing, Dsershinski, Jagoda, Roller, Salin und viele andere. Er sprach von den verschiedenen .Abteilungen, ihren Leitern und den Beziehungen zwischen dem Zentralen Kontrollkommitee (ZI() der \ÀII(P (B) und der Lubjanka. Er nannte Beispiele für die Einmischung seitens des ZKKim Zuge vieler OGPU-Ermittlungen gegen verhaftete Parteimitglieder. Er erzählte uns die Geschichte des großen Schauprozesses gegen die Sozialrevolutiondre, gegen die führenden Ingenieure, die LenaGoldfields- und Vickers-Ingenieure. Nach alldem ist es nicht sehr
wichtig, ob der Håiftling schuldig ist, zuletzt kommt es überhaupt nicht mehr darauf an. Ein Beispiel: Flunderte Altbolschewiken wurden aus der Partei geworfen. Sie hatten Artikel und Bücher geschrieben, sie hatten Reden gehalten, sie waren die A¡chitekten der Revolution gewesen, kurz, sie waren die Geschichte der Partei. Jetztwaren ihre Bücher verboten, ihre Namen wurden getilgt. Die Geschichte der Partei, die Geschichte der Revolution, alles mußte umgeschrieben werden. letzt,wo alle diese lÆute noch am Leben waren und Tausende ihrer Anh:inger (Altbolschewiken und Funktionäre) und Millionen im ganzen Land wußten, daß die Stalinisten Lügner und FäIscher waren) befanden sich die Regierung und ihre Handlanger in einer sehr unangenehmen Lage. Sie fingen an, Material gegen jedermann zu sammel,n, derjemand war, ob in der Partei, den Gewerkschaften, der Industrie, der Verwaltung oder in der OGPU. Bis zu einem gewissen Grad hatten sie das immer getan, doch nach 1926 konzentrierten sie hierauf ihre gesamten Anstrengungen. Viele Leute wurden verhaftet, wei,l die OGPU annahm, daß sie etwas über ihre Natschalniks (Cheß) wtißten. Diese Häftlinge gingen durch die Filtermühle, und gewöhnlich gaben sie Auskunft über die Höherrangigen. Die Russen hatten damals eine bestimmte Form des Gesellschaftslebens. (Ich spreche hier jetztnur von Parteimitgliedern in höheren Positionen.) Man traf sich mit Freunden, um zusammen Tee zu trinken. über Politik zu reden. das letzte Genicht und
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oopRóss - zuv
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.
raden, die als Oppositionelle verbannt waren. Damals war es mög_ lich, in diesen Kreisen Geld zu sammeln, um ausgeschlossene-,
,
,r,
riefen. Doch Tausende waren schon im GeÍängnis, und L927, zur selben Zeit,als einige der größten Fabriken im Land (im Ural, in Leniry grad und Moskau) mit 24-Stunden-proresrsrreiks lahmgelegt wur_ den, riefen die Besten der Bolschewiken im Gefängnis die größtea Flungerstreiks aus, die es jemals auf der WeIt gegeben hat. Damals wurden solche Dinge sehr frei besprochen unrer deel Kameraden bei den Tschøjnøjøs,wie sie ihre Tee-Zirkel nannten:;
wenn dann die OGPU (die über die meisten dteser Tschøjnøjøx., Bescheid wußte) einen aus einer solchen Runde verhaftete'nd. den Kameraden durch die Filtermühle drehte, bekamen sie nor-r, ma-lerweise jedes Wort, das dort gesprochen worden war, aus ihrri,r; heraus, jedes Gerücht, jede Geldsammelaktion, jeden Witz. Das? genügte . Die OGPU konnte alles speichern und spärer benurzeru. Damals begann die große Zeit der OGPU. Forran konnte der Generalstaatsanwalt nichts mehr ausrichten, und die Macht des, ZKK oder seiner prominenten Mitglieder, /aroslawski, Solz *nd Schkirjatow, bei OGPU-Sachen einzuschreiten, nahm immer mehs ab' Die Befehle liefen über andere Kandle, und deren euelle w*ø das Sekretariat vor Stalin. von da an arbeitete die oGpu so gut wie unkontrolliert. Maø hatte einen Freibrief fi.ir alles, was man tat! und ihre personaå. akten waren auf dem neuesten stand. Der rechte parteiflügel; di€ Gruppe um Bucharin und Rykow, stand noch aufrecht an Staliax
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Aber schon damals, ]ahre , bevor sie ausgeschlossen und dann sernichtet wurden, war ihr Schicksal bereits entschieden'
den neuesten witz zu hören. Die Gerüchte betrafen natürlicÞ Dinge aus der höheren Parteisphäre, die jüngsten Verhaftunge4 neue Abweichungen von der Parteilinie, Neuigkeiten von Kame:
Parteimitglieder oder ihre Familien zv unterstützen. Damals wurden oppositionelle nicht erschossen, sie hatten die chance" wiederin die Partei aufgenommen zuwerden, wenn sie offenihre sünden beichteten und ihren gegnerischen standpunkt wider-
LETZTEN vERHöR
lVir zwölf in unserer Zelle wußten damals nicht, was
passieren
Ichweiß nicht' was in ¡¡¡tirde. Wirwarteten, den Köpfen der anderen elf vorging. Manchmal sprachen sie von ihren Famfien. ihren Frauen, ihren Kindern oder über die Rolle' ldie sie in der Revolution und während des Brirgerkriegs gespielt ,h"tt"tt. Doch das war lang her, sehr lang. Einige von ihnen, glau|be ich, hatten keine Folter über sich ergehen lassen müssen, sie sie alles o,waren schon so verängstigt, als sie verhaftet wurden, daß daß man uns abholte!
gestanden, was der Sledowatel von ihnen an Geständnissen haben wollte. Natärlichwurde Druck auf sie ausgeübt, man sagte ihnen, was ihnen blühte, wenn sie nicht die Wahrheit sagen wrirden' . Aber es gab auch andere unter uns) Kämpfer wie den jungen
Menschewik-Studenten und Dichter oder der Alte, völlig gebrochen, dochweiterhin aufrecht revolutionär, einst Mitglied des Pe,trograder Sowietvon L905/06,und sehr krank. Und eines Nachts,
wir alle schliefen, zer\rach seine Brille und ein GIas schnitt in seine Arterie. Sehr kurz danach ging die Ttir auf, er wurde abtransportiert, tatsächlich hatte er kaum Zeit,velBlut zu verlieren. Sie brachten ihn zurück, nachdem wir gefüihstückt hatten' Sein tri¡ker Arm war bandagiert, und er sagte uns, daß man ihn sehr gut behandelt und keiner mit ihm gesprochen habe. Bevor man ihn zurtickbrachte, sah der Gouverneut nach ihm und sagte' es als
u/dre sinnlos, in der Wnøtrennøjø solche Tricks zu versuchen' Die
Überwachung ist zu gut organisiert und lißt nie nach. , Er erzählte mir eines Abends alles von sich. Von den ]ahren in der Katorga, den darauffolgenden in der Verbannung in Sibirien und seiner Flucht aus dem alten zaristischen Rußland. von seiner Rückkehr nach der Oktoberrevolution und seiner Enttäuschung' Trotz mehrfachen Angebots wurde er nicht Mitglied der !\IKP (B ) ' Er hatte eine hohe Stellung in der UdSSRund haßte sie zugleich'
NA
DopRóss -zuuLETzrEru venHöR
Seine Verhaftung) sagte er mir, war wie eine Befreiung seinen Nöten. ,,Es war blöd", sagte er mit einem
DoPRÓSS
von all
,
fü¡
den letzten Aufruf, jemand wird uns verlassen! Bis auf Sie und mich gibt es keine guten Schläfer in dieser ZelfeJ,
fch erwachte um Mitternacht. Der S.R._Mann hatte mich an_, gestoßen, Miften im Raum stand der Major und -, ,
flüsternd: initzialy A.N.* Der bandagierte Arm unseres Freundes ',Na sagte
zeigte auf, und der Major flüsterte :,,Na dopróss... Als er ange
zUM LETZTEN VERHOR
:
Lächeln, ,,einen Selbstmord zu versuchen.,, und doch war es das letzte Mal in seinem Leben, daß er sich flir die Freiheit einsetzte. Sie hatten ihn wä'hrend des Verhörs geschlagen, doch er hattç _, nicht mit iÏnen gesprochen. Zvletzt bat er sie, sein Geständnis selbst aufzusch¡eiben. Er bekam sofort papier und stift, und in- , nerhalb einer woche hatte er mehr ars hundert seiten mit seinem ., Geständnis gefüllt. Er stellte sich selbst als Erzfeind der Diktatur d.er stalinisten dar und schrieb eine Erklärung zu Freiheit und sozialis= l mus für alle auf, so wie er sie verstand. Dãs genügte, und er wurde nicht mehr geschlagen. Der Major kam, um ihn das letzte Mal zu holen, zwei Nächte, bevor man mich holte. Ich hatte iiri zuúor nie gesehen, doch wir waren gute Freunde, richtige Freunde, als , er mir das letzte Mal die Hand gab und ,,AufWieJersehen., ságte mit einem tapferen Lächeln, das ich niemals vergessen werde. Es war eine scfueckliche Nacht, ein wafuer sturm brauste über Moskau, und mein Bettnachbar, der harte und mutige S.R._Mann, dieser echte Kämpfertyp, flüsterte zu mir: ist die Nacht ,,Das
-
:
rogrn' .
war, ging er von Bett zu Bett, küßte uns alle, und dann-offn-ete sich die Tür geräuschlos, der Major brachte ihn fort. Nun kamen die schrecklichen Minuten der Anspannung, und dann kam de¡ Major, um seine,sachen zu holen. Er war fort! Zwei Nächte darauf kam mein Aufruf. Dieselbe prozedur und Verabschiedung. Doch keiner meiner Zellengenossen wird jemals i,i erfahren, daß mein Weg durch die Keller nicht von einer'Kugel i,, abgektirzt wurde. sie alle sind tot! Einige von ihnen war.r, Kli-pi., ::li :t:
,,
fáropra'Zuchthaus, Zwangsarbeit, Galeerenal'beit'.
rd,mopucnun
'Zuchthãusler', aruss. hatørga'Galeere', Novgr. 4. Chron.' Choä, Ign. Smolnj. (ca. 1389) 12ff. u. a., ukr. katót'hø. Entlehnt aus mgriech. xdreplov pl. -c'Galeere, Zwangsarbeit' (Duc.), vgl. Verf. GrslEt. 89tr (mit Liter.). Unnõtig ist die Annahme einer Vermittlung durch osm¿n. kødgrya'Galeeré' (gegen Mi.TEl. 1,321, s. MelioransLij IORJ. 10,4,190). Unklar ist das cl¡ von aruss. .køtarcha dass, (Belege bei Srezn. Wb. 1,1199, dazu Gagara [a. 16311
S. ?7).
Aúb. 75 lEtyrnologie
des røssischeø
Begrffi ,,1(øtorgø".
für die Freiheit aller, einige waren Bolschewiken, die so gutwie andere (genauso verantwortlich wie all die später ausgelöschten Massen von Parteifunktionåiren) diese selbstmörderische Parteidiszþlin aufrecht erhielten, auf diese Weise Stalins Machtstellung und infolgedessen den Wandel vom Sozialismus zum Staatskapitalismus ermöglichten und so die Millionenmassenvon russischen Arbeitern und Bauern zu absoluten Sklaven preßten, die dazu bestimmt waren) eine Fünfahresplan-þramide nach der anderen zu errichten. Sie, die ausgelöschten Bolschewiken, waren schuldig, daß sich eine neue Klasse von Ausbeutern) Managern und Parasiten bilden konnte. wie nie zuvor in der Geschichte.
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ãl CE -TI6¡
mente
l93l -
1945
der Kaderakte der Komintern
tsrief d.w DoØrscl,ten Wrtretøng beim Exehøtiyh,orøitee Moskau, den 25.12.1931.
l
,4.n das Sekretariat des
Z.K.
der KPSU..
skau. rfferte Genossen! l'Ðer Genosse llermann
Knüfken, Mitglied der KPdSU, will jetzt
Aufenthalt in der S.U. nach Deutschland zurückfahren; Wir haben gegen seine Rückreise nichts einzuwenden und bitten, ivenn irgend möglich, dem Genossen für seine vorläufirge Existenz in Ðeutschland eine etwas grössere Summe in Valuta zu vermitteln. å;lit komm. Gruss Deutsche Vertretung beim EKIC. ,
,nach achtjährigem
Masch. mit hs. Zusätzen: ,,Leningrad, Astoria, lÌ", ,,Will ó00 Rbl Valuta haben" ønd ,,mit Manuilski sprechen". Aus: RZCHIDNI, Sign. F. 495, op. 205, d.2740,
320
B r i ef
Møx
AUS DER KADËRAKTE DER KOMINTERN
øts c h en W r tr e t e¡,s b eino E x e høtiv Richter, øn Wi,lhelru. Piech. d,
es
d, e
ho
rnit e e,
19.x.35 Gen-Pieck.
w.G.l In der Anlage schicke ich Dir ein Schreiben. Ifuriffken ist mir bekannt, so dass ich glaube, dass es stimmt, was die Genossen in diesem Schreiben berichten. Vielleicht sollte man einen der Genossen beauftragen, Ort und Stelle zu erlediqen.
diese Sache an
Mit komm. Gruss! Anlage.
d,i,e
321
der Knüffken steht, der bekanntlich schon früher sowjetfeindliche parteifeindliche Auffassungen vertreten hat. Um ihn hat sich scheineine Gruppe gebildet die zum Teil aus undisziplinirten und zum aus syndikalistischen Elementen besteht. Diese Gruppe kann grossen Schaden unter deutschen Seeleuten und Rheinschiffern . Schon vor Monaten haben wir darauf hingewiesen. das man unserer Ansicht nach Antwerpen und Rotterdam unbedingt ein zuverlässige Parteigenossen schickt die dort die Arbeit unter den und Rheinschiffern leiten. Wenn das inzwischen noch nicht ist so halten wir das jetzt für besonders dringend. Über die ng der Häfen von Antwerpen und Rotterdam für unsere Arbeit n wir nicht mehr zu schreiben. Wir wollen nur darauf hinweisen eine Gruppe die die Schwierigkeiten der Partei ausnutzt an diesen
ungeheueren Schaden anrichten kann. Nach unserer Auffassung n sich auch die Genossen vom Sekretariat der I.S.H. im stärkeren mit der Arbeit in Rotterdam und Antwerpen beschäftigen, denn sie sich genügend um diese Arbeit gekümmert hätten, wäre es nach Auffassung nicht möglich gewesen, das sich eine solche Gruppe, der Knüffken steht. bilden konnte. Vielleicht könnt ihr an unsere Adctlf und Andre einen entsÞrechenden Hinweis geben.
RICHTER
Anløge: An
DER KADERAKTE DER KOMINTERN
Deøtsche Vertretøng beirn Exekøti,vh.orn'itee Sekret
Leningrad, 29.9.35
An die deutsche Vertretung beim Ekki, zu Händen des Genossen Richter. Werter Genosse. durch die Schwester der Genossin Dalle sandten wi¡ dir ein Exemplar der No 2. der ,,Schiffahrt" die wir von Antwerpen bekommen hatten. Diese Zeitung, die als Organ des Gesamtverbandes bezeichnet wird, war an den Vorsitzenden des Seeleuteverbandes der U.S.S.R adressirt. Der in dieser Zeitung veröffentlichte offene Brief zeigt das bei den llerausgebern Anti-Sowjetstimmungen vorhanden sind. Die Notiz über eine angebliche Bekanntmachung der ZeIle Schiffahrt der I(.P.D. (bekanntlich gibt es schon mehrere Jahre keine Sammelzelle Schiffahrt mehr) zeigt das die Gruppe, die diese Zeittng heraus gibt, sich anmasst, Direktiven der Partei geben zu können. Nach unserer Auffassung handelt es sich in Antwerpen um eine Gruppe (die dort im Hafen unter den Seeleuten und Rheinschiffern arbeitet),
mit kommunistischem Gruss Bernd, Allinger, Werner. [Unterschrift:] Bernd h. mit hs. Korrekturen und Unterstreichungen. Aus: 'op. 205, d. 2740, Bi. 5 f. und 8
H ertøønn
RZCHIDNI, Sign.
F
I@'i.ifk en 19 37
tJambur g,/ Leningrad/Rotterdam/ Antn/Bruessel. Das Material ueber K. Iiegt in A'dam. Ein Auszug ;rych meiner Kenntnis: K. war Parteigenosse, fuhr zur See. Kam als peemann nach Leningrad. Hat dort eine krumme Sache gemacht (Dieb&ahl) wurde verhaftet und ausgewiesen. Diese Sache war vor der Il. In der Illegalitaet war K. zuerst in Holland in der Emi. In iKotterdam betreute er mit einem gewissen Helmer den Internationalen
322
AUS DER KADERAKTE DER KOMINTERN
Seemannsklub. Wegen Differenzen mit der Partei wurden Helmer und Knuefgen ihrer Funktionen enthoben. Ihre Beziehu figen zt den Seeleuten blieben bestehen. K. verstand es seinen eigenen Laden daraus zrtorganisieren, er betrieb mit einzelnen Seeleuten eine regelrechte ,,Spionage". Nach seinenAngaben arbeitete er fuer die ,,Freundef'. DerVerdacht gegen K. bestand dass er fuer Intelligens Servic arbeitete. K. verfuegtedauernd ueber sehr hohe Geldsummen und liess auch haeufiger seine' Leute ,,leben". Diese Taetigkeit fuehrte K. von Antwerpen aus nach' dem er Holland verlassen musste. Sein Wohnsitz w^r voruebergehend Bruessel. Das Hochgehen von Seeleuten, die fest zur Partei standen, auf deutschen Schiffen oder in auslaendischen l{aefen, ist aufdie Taetigkeit des K. zurueckzufuehren. Eine ueberraschende llaussuchung bei K.. foerderte fuer ihn belastendes Material zuTage, welches auf seine planmaessige
ô¿õ
DER KADERAKTE DER KOMINTERN
Arbeit in ,,Spionage" hinwies.Im Fruehjahr 36 ging K. mit
seiner Gruppe zu Fimmen ueber. Es dauerte lange bis sich Fimmen voa dem Charakter des K. ueberzeugen liess. Ein Beweis fuer sein Paktiereo mit der Gestapo wurde im Herbst 3ó erbracht. Aus Luebeck kam ein, gewisser Thiel, zuletzt Seemann, nach Rotterdam. Die lJntersuchung ergab dass er von der Gestapo gestartet war und in Rotterdam von dea Vertretern der K.-Gruppe in Empfang genommen wurde. Die K.-Gruppe sollte fuer Thiel ein Alibi sein. - Meines Wissens sind K. und seine Freunde Lehmann und Helmers aus der Partei ausgeschlossen. Harr¡ ein Grieche, spricht sieben Sprachen, pockennarbiges Gesicht, war ein besonderer Vertrauter von K. sein Auftreten ist zu achten.
øn .
S o I om. o
n Abrørn ow i.ts c h Los ow shi
mch. Geheim.
'ftv-Lg37 An den Gen. Losowski.
utschland/ den bei uns vorhandenen Erkenntnissen arbeitet im Interclub Seeleute in Amsterdam als Instrukteur ein gewisser KNÜFKEN mann. Nach den bei uns befindlichen Unterlagen halten wir eine ere Arbeit des KNÜFKEN Hermann im Apparat der Internatioder Seeleute nicht für zweckmäßis.
/Alichanow/.
r
.,
Herrn ønn I(ni,ifh en
'{uf
.,
Masch., anonym verfaßtes Schreiben ohne Datierung mit dem Hinweis: ,,Knueffkep He¡mann - Deutscher. Siehe Mappe 22,5.24." Aus RZCHIDNI, Sign. F. 495, op-, 205, d,.2740,8t. 10.
Eine kürzere Fassung (Bl. 9), datiert auf den 19. Mùrz L937, bringt die Variante:: ,,[...] In Rotterdam undAntwerpen beschaeftigte sich Kn. mit Spionage. E¡ benutzte Seemannsleute die im Int. Seemannsklub verkehrten. Wegen seiner politischen Einstellung liess Kn. die Partei fahren und machte gemeinsame Sache mit Edo FimmenIm He¡bst 193ó wurde bei de¡ Untersuchung in der Sache Thiel/Luebeck festgestellt, dass Kn. in Verbindung mit der Gestapo steht. Es ist nicht erwiesen ob lfu. diç Spionage fuer ,Intelligence Service' betrieben hat. Es ist ihm zuzutrauen dass er fuer zwei Stellen arbeitet.
In
dieser Verbindung spielt noch ein
sprachgewandt eine Rolle. Steht nicht fest ob
l{arry, ein Grieche, sehr
,Ilarry' mit Harry Balke identisch istBarc. 9.lL.37
K. korrespondiert unter dem Namen Kraemer Karl nach Spanien."
Übersetzung aus dem Russischen von Cornelia Köste¡. Aus:
RZCHIDNI,
.F.495, op.205, d.2740,F|. 14.
19 40
Knüfeen lIerman.
âus der Partei ausgeschlossenes Element, arbeitete
in der Emigra-
für den englischen Spionagedienst und zu gleicher Zeit
f¡r
die
Gestapo. War befreundet mit Edo Fimmen, dem Sekretär des ionalen Transportarbeiterverbandes. Knüfgen korrespondierte mn Belgien mit verschiedenen Elementen in Spanien.
2:40.
Gustav.
KUMENTE
lïF-Dokumente
Brief IIerrwønn I(nüfh,en
325
wir gearbeitet haben bisher, wir nehmen an,
dass Sie es sich können. Wir möchten Ihnen einige andere wichtige, für uns ungeheuer wich-
Ø.ø..
øn Ed,o Fim.men Antwerpen, den 7. Jawar 1936,
IIerrn Edo Fimmen, Sekretariat der I.T.F.
Amsterdam. Werter Genosse, Nachfolgenden Brief bitten wir Sie, als privat und vertraulich zu behan-, deln. Wir sind eine Gruppe deutscher Seeleute, die seit Hitlers Machr. antritt im Auslande im revolutionären Sinne die fahrenden Kollegen auf deutschen Schiffen bearbeitet. ZumTeilfuhren wir noch 1934 und Anfang 1935 auf deurschen Schiffen, mussren jedoch mit der Zeit alle aussteigen, weil die Gestapo Haftbefehle gegen uns ausstellte. Es ist,
selbstverständlich, dass bis zum heutigen Tage keiner von uns die Arbeit eingestellt hat, trotz aller Chikanen, die auch die ausländischen, Behörden, (Holland, Belgien u. Frankreich) gegen uns durchführten Es ist ja kein Vergnügen, dauernd von Holland nach Belgien oder um- l gekehrt deportiert zu werden. Aber das BeìMusstsein der Notwendigkeit : des Kampfes gegen den Faschismus und unsere enge Verbundenheit mit den deutschen Schifßbesatzungen) sowohl aufden See- als auch aufden Rheinschiffen hielt uns zusammen. In den letzten 9 Monaten z.B. habenwir durchschnittlich inAntwe¡pen per Monat über 300 See- und Rheinschiffe bearbeitet. Trotzdem wir von keiner Seite unterstützt wurden, haben wir sogar bisher 3 Nummern einer Gewerkschaftszeitung (hektographierr) herausgegeben, unter dem Tirel ,,Die Schiffahrt" (Organ des Gesamtverbandes.) Die Gruppe hat sich erhalten von den Beiträgen, die wir von den deutschen Seeleuten und Rheinschiffern erhielten. Einen Teil unserer Zeitungen liessen wir von Kollegen, die in New York an Land liegen, auf die dort anlaufenden Passagierdampfer von Bremen und ÌIamburg verteilen" Wir wollen Ihnen nicht die furchtbaren Verhältnisse schildern. unter
Fragen auseinandersetzen: {Jnsere Gruppe besteht aus Angehörigen der K.P.D, aus jüngeren älteren Genossen. Gleichzeitis arbeiteten wir zusammen mit der . Sie werden wissen, dass das eine sich aus dem anderen ergibt. etwa 9 Monaten hat unsere Gruppe gemeutert, das heisst, sie hat
aus ganz verständlichen Gründen aufgelehnt gegen eine unveriche Politik sowohl der ISH.. als auch der Partei. Wir haben als in der Praxis unsere besonderen Erfahrungen gemacht und ierten in der Parteipolitik das, was wir nicht für richtig hielten die uns und allen Parteigenossen (oder den meisten) unverständFührervergötterung, einige Resolutionen des letzten Kongresses KOMINTERN usw. Der ISH sagten wir, dass die Verbreitung isser von ihr herausgegebener Broschüren und Bulletins, die wir für hielten, von uns abgelehnt würde. Im April des vorigen Jahres wir das Absenden von Berichten an die ISH ein. Daraufhin gte uns die ISH ab. Mit der Partei blieben wir noch in Verbindung. arbeiteten wir. zusammen mit noch fahrenden Genossen eine lform aus,. in der wir zum Ausdruck brachten, wie wir uns die Arunter den deutschen Wassertransportarbeitern vorsteliten. Lt,Ðurch diese Plattform wurde erreicht, dass das Z.K. der Partei dann inbar auf das Sekretariat der I.S.H. einen Druck ausübte und sich insam mit demZ.K. der Partei wieder mit uns in Verbindung setwollte. Am Tage vor dem Zusammentreffen mit dem Vertreter des der Partei und dem Manne des Sekretariats der ISH. wurde unsere rppe bei einer der täglichen Zusammenkünfte verhaftet. Ein Genosder im Besitz einer Identitätskarte war) kam gleich wieder frei, die wurden nach der holländischen Grenze gebracht. AIle kamen ',*nderen zurück, die Arbeit geht weiter, wenn auch etwas vorsichtiger' -æieder r¡ Partei und ISI{ waren von der Verhaftung benachrichtigt. Sie kamen ich gleich nachAntwerpen, weil es eine Gelegenheit war, jetzt die Gruppe zu liquidieren. Man hat uns grosse Reden gehalten über die seue Linie der Einheitsfront, die für uns keine neue Linie mehr ist, da s¡ir sie seit Ianger Zeit befolgen in der Praxis. Man will jetzt die Gruppe ¡¡georganisieren und zwar in der Weise, dass vor allen Dingen die ,,heili1ç* höhere Befehlsgewalt anerkannt wird. Gleichzeitig teilte man uns rmit, dass zwei Mann nachAmsterdam führen, um mit Ihnen wegen des aus des deutschen Gesamtverbandes zu verhandeln. (Vielleicht hat
T
li ):)
326
IÏF-DOKUMENTE
327
das inzwischen schon stattgefundenl) Unsere noch existierende Grup-
z.B. mit der Flerausgabe einer Zeitung helfen wollen, oder sonstige haben. teilen Sie es uns im Interesse der Sache bitte mit. Bei eventuellen Besprechung könnten wir auch.{uskunft geben über Personalien der Gruppenmitglieder, betreffs der Einwandfreiheit. eigentliche Briefschreiber sah Sie, wenn er nicht irrt im Datum, 25 in Moskau und später 1932 in Hamburg, in den Heimstätten men mit l{enson, Jacobsen u.s.w. anlässlich einer Sitzung des der ITF. Der Briefschreiber war einige Jahre Ortsgruppenleider beiden dänischen Verbände, der Norweger und des deutschen
pe,
will
diesen eventuellen Verhandlungen keinen Knüppel zwischèn die Beine schmeissen, aber wir wollen, auch ohne die Verhandlung inzwischen schon die Arbeit, die tatsächliche Arbeit, von der unsere Feldwebel leider keine Ahnung haben, weiter forrserzen. Wir betonen in unserem Brief an Sie Genosse Fimmen, dass wir bis heute noch Parteigenossen, das heisst Mitglieder der KPD sind, was aber morgen sein wird, können wir nicht sagen. Vielleicht sind wir dann nur noch Gewerkschaftlerl! Man hat uns wegen der Kritik an der Vergötterungsresolution, die von allen komm. Parteien auf dem KOMINTERNKongress angenommen wurde, als Ketzer bezeichnet, aber wir wissen, dass in Deutschland auf noch stattfindenden Zusammenkr.inften der Genossen der KPD die vom Ausland kommenden Reichsinstruktöre des Z.K. mit Flinauswurf bedroht wurden, als sie diese Resolution nur erwähnten. Das heisst, wir befinden uns mit dðn Genossen in der Heimat auf einer Linie. Kurz gesagt, wir sind Ketzer, weil wir nicht allen lJnsinn mitmachen. Dabei haben fast alle von un-. serer Gruppe deshalb ihre Schiffe verloren, weil sie revolutionäre.A.rbeit machten. Alle sind jetzt schwarz bei den deutschen Rhedereien. Drei Mann von uns ìMaren im Konzentrationslager und haben ihre Schläge bekommen, wie alle anderen. Die übrigen Gruppenmitglieder werden von der Gestapo gesucht, nachdem sie ihr schwere Sorgen gemacht haben. ,{.uf etwa 190 deutschen Seeschiffen haben wir Verbindungsleute
oder Gruppen. Die Möglichkeiten der wirklich organisatorischen.A.r- , beit aufdeutschen Schiffen ist so ungeheuer gross, dass es kein Aussen-, stehender glauben kann. Wir behaupten, dass zwar nur immer eimge., wenige Leute auf jedem Schiff bewusste revolutionäre Arbeit macheq l dass aber 85 -90 % der deutschen Besatzungen anrifaschistisch einge-, stellt sind und mit uns svmoathisieren.
-, Werter Genosse Edo Fimmen Vielleicht wollen Sie von uns nähere Auskünfte haben) Sie können sie umgehend bekommen. Stellen Sie uns Fragen, wir werden sie beane worten! Da wir wissen wer Sie sind, (das soll kein ,,Schmus" sein) da wir Ihren ernsten Willen für eine wirkliche Arbeit unrer den deurschee Seeleuten unbedingt als eine Tatsache voraussetzen, haben wir an Sie geschrieben. Wir wollen Ihren Rat, die Mithilfe der Organisationec" die in der ITF zusammengefasst sind. Wir sind im stande, falls Sie kei¡e Zeit haben sollten, einen Mann unserer Gruppe zu Ihnen nach Amsterdam zt senden, falls Sie eine Besprechung wünschen sollten. Wenn Sie
rbandes. Gruppe hält diesen Brief zwar nicht für ausreichend, glaubt aber gesagt zu haben, um eine vorläufìge Verbindung mit Ihnen einzu, aus der sowohl für die ITF und die deutsche Seeleutebewegung als für die Gruppe selbst sich erspriessliche Resultate ergeben werden.
Mit gewerkschaftlichem auf diesen Brief erreicht uns folgender Adresse:
Gruss
Gruppe deutscher Seeleute
me Sophie Tistedon, Antwerpen, Rynkaai 27
,\ntwerpen
(I. Etg.) Innen-
an Karl h. mit hs. Korrekturen, Einfügungen und Unte¡streichungen. Aus: MRC
/
3/C/a/a5.
328
Brief Ed.o Fìrnrnen. øn If errnønn I(nüfk en/I(ørt
329
ITF-DOKUMENTE
Korbes kam nach Europa zurück und wurde bei einer Fahrt auf Le h m. ønn
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F/K
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22. Aprll 1936',
An die Genossen H. Knüfken und K. Lehmann
dem Rhein wegen dieses Schmuggels von der Polizei verhaftet. Von der ganzen Geschichte wussten ausser Korbes nur noch Lehmann und Knüfken. Vermutet wird, dass Korbes als Mitwisser von KnüÊ ken und Lehmann der Polizei verraten wurde. Knüfken soll sich in Antwerpen Dritten gegenüber geäussert haben, dass I(orbes erledigt werden müsse.
X
habt mir Eure Stellungnahme zu dieser Beschuldigung bereits bekanntgegeben. Verabredungsgemäss bitte ich Euch, sie mir auch noch schriftlich auszustellen. Im voraus besten Dank.
|:,. :ll::
Werte Genossen!
,:ar
Wie ich Euch bereits mündlich mitteilte, haben 2 Mitglieder des Z.K. der KPD, die sich Johann und Alfred nannten, in einer persönlichen Unterredung mit mir folgende Beschuldigungen gegen Euch eihobdh: ì..) Knüfken hatte im Juni 1933 im .A.uftrag der partei 4 pakete mit Parteimaterial von Hamburg nach Kopenhagen zu bringen. Wäh_ rend die Reise innerhalb Ì2 bis 24 Stunden zu erledigen gewesen sei, wäre Knüfken ersr nach 8 Tagen in Kopenhagen angekommen, u.z. ohne Material, das ihm, wie er behauptet haben soll. von der Polizei abgenommen worden war. Verdächtig daran war, dass ihn die Polizei, nachdem sie ihm das Material abgenommen hatre, an_ geblich wieder hat laufen lassen und ferner, dass er für seine Reise 8 Tage gebraucht hat, ohne anzugeben, wo und wie er diese Zeit verbrachte. Kurz nachher ging in Hamburg eine parteistelle hoch, deren Existenz und Adress e wr 2 Personen. nämlich Knüfken und"
Mit kameradschaftlichen Grüssen IUnterschriftenkürzel] Aus: MRC
,Brief Hervøønn l(nüfh,em Ø.ø.. øn Ed'o Ft'røwen rpen, den 24. Aprrl),936 ,Werter Genosse Fimmen, :
einem gewissen llermann Weber bekannt waren. Letzterer befand sich bereits im Ausland, als die Stelle hochging.
@¡st
eine Lisre mir Namen der antifaschistischen Matrosen des Dampfers Ilsenstein sowie Angaben der Beiträge, die sie entrichtet hatren, in die Hände des Nazi-Leirers an Boid des Schiffes. Die Beiträge wurden ausschliesslich an Knüfken oder Leh_ mann entrichtet und die Liste war nur diesen beiden bekannt.
3.) Knüfken, Lehmann und ein gewisser Ernst Korbes haben 4 Leute
Tag Geflängnis verurteilt.
einmal Folgendes in Beantwortung der Beschuldigungen, die von
2 Mitgliedern des Z.K. der I(P.D. gegen erstens llermann Knüfken islnd zweitens gegen Kurt Lehmann vorgebracht wurde.
2.) Im sommer 1935 geriet
gegen sehr gute Bezahlung von Antwerpen pro Schiff nach Neuyork geschmuggelt. In Amerika wurden sofort 2 der Betreffenden von der Neuyorker Polizei verhaftet und zu einem Jahr und einem
L59/3/C/a/a5.
,:i
rKnüfken hatte keine 4 Pakete Parteimaterial von Hamburg nach Ko;penhagen zu überbringen. Hat auch während seiner Anwesenheit in :Elamburg in der Hitlerzeit niemals mit Parteimaterial zu tun gehabt. ' , Dagegen hat Knüfken, zusammen mit Max Bareck (inzwischen auch ;ans der Partei ausgeschlossen, befìndet sich je tzt in New-York) im Einvernis mit der I.S.H.-Leitung, namentlich,A.dolf Shell¡ dem Russen, &rner dem technischen Personal des Sekretariats der I.S.H. und Ernst Wollenweber (M.d.R.) jetzt in der Sowjetunion (Ausreiseverbot) fast sâmtliches Material, welches sich noch im illegalen Büro (Hopfenburg) ån:IIamburg befand, trotz der grössten Gefahr per Schiff, (Dänen und Schweden) aus Deutschland herausgebracht. Die Übergabe des ersten
330
ITF-DOKUMENTE
OKUMENTE
und wahrscheinlich wichtigsten Materials fand am Baumwall, direkt auf der strasse am rlafeneingang statt, wo es von schwedischen seeleuten" Max Bareck und mir tibernommen wurde. Zeuge dafifu ist die Frau von Richard Rast, die Parteigenossin, die früher technische sekretärin im Norddeutschen Echo war, ferner die Sekretärin Albert Walters- die
Gewerkschaftsabteilung in der KOMINTERN). Ich kam sehr oft
im selben Gebäude in Büro hatte, wie die Handelsvertretung der U.d.S.S.R., das Büro hier unter dem Namen ,,SELVO Co." Ich bekam in Kopenhagen dänischen Pass und schrieb im Büro (Arbeitslosenkontrollstelle) Søfyrbödernes Forbund i Danmark, weitere falsche Pässe aus. Auf ung des Sekretariats der I.S.H. fuhr ich als Däne mit einem dädas neue illegale Sekretariat.der I.S.H., welches
sich jetzt mit ihrem Mann, dem Volkszeitungschauffeur in I(openhagen
aufhält.
(J eder zeit fassbar. ) Später geschah die überbringung vom illegalen Büro der I.S.H. direkt per Rollfix abends durch den Freihafen nach dem Dampfer. ó pakete wurden, und zwar je 2 Pakete von Max Bareck in meine Wohnung Graskeller ó am Rödingsmarkt gebracht und gingen dann von hier aus durch mich und den Schwedischen Seemann persson direkt an Bord, des Kopenhagenbootes (Wochenboot) und in einem Fall nach einem schwedischen Hafen, mit der Anweisung, es von dort nach Kopenhagen
33t
;chen Pass über Schweden nach Deutschland, IIamburg, zurück. Erwähnt werden muss noch, dass die von der U.d.S.S.R. ftilligen Subfrir den Monat April 1933, es handelte sich noch um etwa I0 000
2 Pakete Briefe der I.S.H. oder an die I.S.H. (in spanischer, franzö-
von Max Barek von Berlin geholt wurden und durch mich, d. h. meinem schwedischen Vertrauensmann (Seemann) nach Kopenhagebracht wurde! Vom l.-8. Juni befand ich mich wieder in Hamburg, (illegale Wohbei dem S.P.D.-Mann Drusendahl. Wohldorferstrasse 37 III.) Am Juni kehrte ich planmässig nach Kopenhagen zurück. Reiste als Däne it Dänischem Pass. Blieb bis zum Ende ]uli etwa in Kopenhagen und ,ryurde -dann als Leiter der deutschen Arbeit nach Rotterdam geschickt aro ich bis Dezember 1934 blieb. (Verhaftet und ausgewiesen nach Bel-
sischer, skandinavischer und englischer Sprache) gefunden. Ausserdem
Fen.)
hinüberzubringen.
Am 29. ,tpril, also nicht wie behauptet im Juni, morgens kurz vor 7
Uhr kamen zu mir in meine Wohnung Beamre der polizei. Zwei jüngere Zivilisten und 2 Uniformierte. Die Wohnung wurde überholt und
ein grosses leeres Portefeuille (welches dem verhafteten, später zum Faschismus übergelaufenen Generalsekretär Albert W4lter gèhörte). Die Beamten befragten *i.trì.t¿ -ã* pr".t.eS* iolitiscúer und gewerkschaftlicher Tätigkeit. Ich habe geantwortet) dass ich vertreter einiger skandinavischer Gewerkschaften sei. Um 8 Uhr war die Haussuchung beendet. Ein Zettel über die Beendigung der Tätigkeit der beiden-
uniformierten Schupos wurde ausgeschrieben und dieselben entlassen, Die beiden Beamten) die übrigens sehr anständig waren, sagten mir, dass sie den Inhalt der schreiben nicht lesen könnren und baien mich ganz höflich, um 3 Uhr aufs Stadthaus zu kommen und die Sachen wieder abzuholen auf Ztmmer No. 243. Ich bin selbstverständlich sofort verschwunden, wohnte illegal bei
dem früheren Vorsitzenden des Verbandes der ausgeschlossenen Bauarbeiter Jan Preuss in der Lohkoppelsrrasse 48 III. Nicht im |uni aber zwischen 14. und 17. Maí fuhr ich als stowaway mit dem schwedischen Motorschiff ,,Blaaland" und zwar dank unserer tatsächlich bestehenden Beziehung zur Seefahrt in d.t K"qenhagen. In Kopenhagen war ich ofr zusammen mitAdolfshellg Ernst Wollweber, Richard Rast, ferner dem Leiter des M.E.B. der profintern, dem Genossen ,,Pechmann" alias Smolianski (Bruder war der Leiter
Zum Beweis der Sinnlosigkeit einer so späten, falschen und sogar igung führe ich an, dass ich, was die Verbindung zu einnlosen .:$och bestehenden Parteigruppen in Deutschland anbelangt, ich der ein.aige Verbindungsmann war, der überhaupt eine Verbindung zu diesen ,;;ubeitenden Gruppen hatte. Dass ich während meiner Anwesenheit in ,Rotterdam mindestens I lahr lang regelmässige Zusammenkünfte (alle .å4 Tage) mit Mitgliedern des Z.K. der K.P.D. hatte. Ich kannte alle ¡'Geheimnisse der Grenzverbindungen und nahm auch an den Zusam-
bei denen die inneren Angeleqenheiten in ,4en Sowietrussischen Handelsabteilungen besprochen ,,a¡urden. Ich war vom Z.K. bestimmt als Mittelsmann für ,¿1. So*j.tschiffe und die Abteilung der DERUTRA. ,sßenkünftenteil,
,r
Ich kannte die Schiffe, auf denen illegale Personen von Leningrad ka,nnen. Nicht nur Parteileute, sondern auch höchstverantwortliche Leute der Nachrichtenabteilung der Sowjetunion. (Militärische Spionage. ) lVenn die Leute des Z.K. der K.P.D., die scheinbar sehr dumm sind, ,eine Diskussion über meine Arbeit wollen, dann sollen sie keine blöden Eeschuldigungen gegen mich richten, sondern offen und konkret spredamit ich ebenso offen und konkret antworten kann. Mein Partei-
'.ehen,
332
Jöô
ITF.DOKUMENTE,
hier 3 Wochen auf. Fuhr dann auf S.S.,,Klio" und jetzt auf ,,The-
buch ist ein wenig älter als das der kleinen Lümmel und Schmutzfinken, die sich jetzt in der Emigration als bezahlte Beamte herumtreiben. Ohne das besonders zu erwähnen, kann ich diesen Leuten sehr leicht begreiÊ
lich machen, dass bei mir weder alte noch neue Dreckspritzer sitzen.
Russ". h. mit hs. Korrekturen und einem hs. Zttsatz von Hermann Knüfken. Aus:
,
,ktR:C
Zu der zweiten Anschuldigung: Eine Liste mit Namen der Gruppenmitglieder von S.S.,,Ilsenstein" befand sich nur in Händen des gewissen ,þlentin" atias Willi Sieverq Klubleiter bis Frühjahr 1935 in Anrwerpen. Die Liste ist niemals in die Hände des Stützpunktleiters gefallen. Niemand ist verhaftet. Alle fahren heute noch. Der einzige Lump an Bord war Willy Scezepanski, (heute in der Müllergruppe) von dem die Beschuldigung ausgeht. Wir können als Zeugen sofort einen Teil der Gruppenmitglieder bringen oder namhaft machen, die bereit sind, die Rolle dieses Subjekts an Bord als Angeber zu erhärten. Er hat sich nicht nur an keiner Arbeit beteili. gt, sondern weigerte sich lange Zeit,Beitràge abzuführen. Erst als die übrigen Besatzungsmitglieder ihn deswegen schlagen wollten, hat er insgesamt 4 mal Beitrag bezahll
I59/3/c/a/a5
Brief Herrnønn l(nüfken Ðen
Heer
ñ,n Ed.o Firnruen
Antwerpen, den 2. Januar 1939
Edo Fimmen, LT.F.
6l Vondelstraat Åmsterdam. W.
iieber-Genosse,
Zum Punkt 3: Der Mann heisst nicht Korbes sondern Kolbe. Ernst Kolbe. Fährt heute auf einem deutschen Dampfer der Reederei Ernst Russ. Trotzdem Kolbe keine politische Arbeit machr, ist er ein Sympathisierender. Er ist tatsächlich mit Knüfken und Lehmann und vielen anderen befreundet. Er kam nicht von Bord, weil er stowaways mitgenommen hat, sondern weil er die Papiere des I. Offiziers eines Schiffes untersuchte und einige der Papiere klauen wollte. Es ist schade um das Papier, dass in dieser Angelegenheit verschrieben wurde. Wir bitten Dich, die angegebenen Namen streng vertraulich zu behandeln. Da die Lumpen sonst noch, um Beweise zu schaffen, diese Leute verschütt gehen lassen. Bis auf weitere Angriffe, die natürlich dann noch präziser beantwortet werden können
[Unterschriften:] Hermann Knüfken
Kurt Lehmann Ernst Kolbe musterte ab vom Dampfer ,,Westerland", machte tatsächIich eine Reise nach Deutschland, kam nach Antwerpen zurück, hielt
,' Deine Schreiben mit beigelegten Kopien der FAI-CNT-Rüdiger-Angelegenheit habe ich heute erhalten. Es ist selbstverständlich, dass wir .den Genossen, die unseren Jungens in Spanien und anderswo behilflich waren, auch nach Möglichkeit helfen werden. Wir haben sowieso gerade eines unserer Reservézimmer für Illegale hier frei, da kann der bewusste Mann, der nach S.Amerika will, eine ganze Zeit lang wohnen. nn dieser ,A.ngelegenheit werde ich Dich auf dem Laufenden halten, a¡rch lvegen der Sache, von der Elizalda im Auftrage der FAI-CNT an ,Ðich schrieb. . Wie ich aus Deinem Briefe ersehe, bist Du von der Aussenwelt abgeschnitten. Na, es wird ja wohl notwendig gewesen sein und endlich ,dazu beitragen, Dich von sehr viel Widerwârtigkeiten ftei zt halten. Ðas Schreckliche ist nur, dass Du Dich an all die kleinen Widerwärtig,þiten gewöhnt hast und es ohne sie langweilig findest. ,., . Was uns anbelangt, haben wir ja bekanntlich auch mit dazu beigetra,',:,gen, Dich übergewöhnlich in Anspruch zu nehmen. Dass wir Dich alle seit 3 Jahren ins lIerz geschlossen haben, musst Du aber auch wissen! Gerade bei den deutschen Seeleuten, in den Logis.der Schiffe, die heute noch unter dem Hungerhaken fahren, hast Du, indem Du uns vor 3 Jahren in Deine Arme genommen hast,.etwas in Bewegung bringen helfen, was dereinst Früchte tragen wird. Ubrigens trägt es heute schon
334
ITF-DOKUMENTE
Früchte! Die sichtbaren Formen unserer illegalen Organisation wachsen zwar nicht lawinenartig, aber stetigl Wenn Du jetzt mal vorübergehend Ruhe halten musst, dann solltest Du es in der Stille Deiner Krankenstube mal versuchen vor Deinem ,A.uge all die Passagierschiffe, Linienfrachter und Trampschiffe vorbeiziehen zu lassen, deren Besatzungen durch unsere Vertrauensleute oder - Sympathisierenden beeinflusst werden. Ich möchte das nochmals unter uns betonen) ganz ehrlich und ohne überschätzung der Lage, es gibt ja in Wirklichkeit keinen Einfluss der Nazis auf die Seeleute. Es gibt nur eins und das ist heute noch eine Zurückhaltung der Seeleute, hervorgerufen durch den Terror der Gestapo. Auch das wird mal aufhören! IJnsere Aufgabe besteht heute nur darin, in einer Klugheit aÍ^r beiten und mit solchem Aushaltungsvermögen die Nazis zu überdau-
ern,d'asssiedarankrepieren'Eswirdschonetwasgeschehen,ganz gleich wie lange es noch dauert und dieses Geschehen muss uns dann die Gelegenheit geben, wieder handelnd auftreten zu können. Inzwischen sehen wir in der Seeleute-Gruppe der ITF, jeder von uns, das IJnnormale des Lebens und Aufenthalts in den verschiedenen Ländern, als normal und den Umständen entsprechend an. Dabei haben wir einen Vorteil gegenüber allen politischen Emigrationsgruppen, wir sind und bleiben mit einer Betriebsbelegschaft verbunden, die weniger als alle anderen Berufszweige zu verlieren hat. Heimatlose Gesellen, ohne Plüschmöbel und Dreizimmerwohnungen, Rebellen, die immer schlecht organisiert waren aber den grossen vorteil hatten sich so leicht nicht unterdrücken zu lassenl Lieber Edo, wir wünschen Dir alle Ruhe, die Du haben mussr, bevor Du wieder die Zügel in die Hand nimmsr. Du kannsr ganz sicher sein, dass die Arbeit in dem Masse, wie sie mögtich ist, weitergefuhrt wird. Da wir ein für allemal das Ziel und den Weg unserer Bewegung festgesetzt haben, kann es kein Abweichen geben und auch ohne Thesen geht jeder von uns, an Bord und an Land genau in der Richtung, die zum ZieI führt. Wenn es etwas besonderes gibt, werde ich schreiben. Die Ergänzung der Vertr.Männer Liste macht Fortschritte. Du wirst sie bekommen, wenn Du wieder auf dem Damm bist. Inzwischen gute Besserung.
Karl. Masch. Aus: MF:C
159/6/15.
JJJ
ITF-,DOKUMENTE
B eri.
cht d.er ITF - G r u'pþ e Antw erq en
Abschrift
Deutsche I.T.F.-Gruppe Äntwerpen.
"
Ant\MerPen'
4.Iuli
1939.
Arbeitsbericht für die Zeit vom I. Iuni bis 30. Iuni 1939.
Während der Berichtszeit konnte die Gruppe ihre Arbeit mit den neu den Verhältnissen angepassten Methoden.fortsetzen. Diese Methoden sind bereits in früheren Berichten geschildert worden. Sie sind ausschliesslich eine Folge der verstärkten Bespitzelung durch die deutsche Gestapo und haben die alleinige Aufgabe, unsere zu den Besprechungen kommenden Bordvertrauensleute zu schützen. Im Durchschnitt finden alle diese Besprechungen in Lokalen statt) die sehr weit von der Hafengegend entfernt liegen. Mit den Vertrauensleuten von Schiffen, die regelmässig und öfters anlaufen, sind neue Treffpunkte und bestimmte Uhrzeiten fest verabredet. Für die Vertrauensleute von selten anlaufenden Schiffen werden aber einige alte Anlaufstellen in der Hafengegend offen gehalten) von wo sie sofort bei Eintreffen nach anderen und mehr sicheren Stellen gebracht werden. Dasselbe ist der Fall mit Vertrauensleuten, die von ihren alten Schiffen abgemustert haben und nach längerer Zeit mit neuen Schiffen nach Antwerpen kommen. Diese Genossen gehen natürlich immer zuerst nach den alten bekannten Treffpunkten in der Hafengegend. Das System der Gestapobespitzelung beruht darauf, dass von Bremen oder Hamburg versucht wird, Leute durch deutsche Schiffe nach ,{ntwerpen zu schmuggeln, die hier aussteigen, selbst illegal sind, und sich dann auf die Beobachtung der bekannten alten Anlauflokale konzentrieren. Diese Leute platzen gewöhnlich dadurch auf, dass sie bei irgend einer Razzia aufnicht gemeldete Ausländer durch die hiesige Polizei festgenommen und ausgewiesen werden. Meistens handelt es sich nicht um Seeleute. In einigen Fällen hat man auch Nazis von Bord in Ântwerpen abmustern lassen, die dann legal hier verblieben, angeblich um wieder auf ein deutsches Schiff zu mustern! Diese Leute, die aber meistens als Nazis bekannt sind, sind dadurch ungefährlich, dass wir von den Seeleuten an Bord oder an der deutschen Heuerstelle immer rechtzeitig gewarnt werden. Gefährlicher ist es, wenn die Gestapo uns bekannte Seeleute nach Antr,¡/erpen schickt, die früher politisch mit uns symPathisiert haben,
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ITF-DOKUMENTE
ohne Vertrauensleute zu sein, dann eine Zeitlang im Konzentrationslager oder Gefängnis waren und von der Gestapo sich breitschlagen liessen, um gegen uns zu arbeiten. In allen uns bekannten Fällen hat auch diese Methode zu nichts geführt, weil ein Teil uns gewöhnlich schon kurz nach dem Eintreffen in Anrwerpen offen Bescheid sagt und der Rest durch dummes Benehmen aufÍìillt. Von dieser oder jener Sorte Spitzel gibt es natürlich immer einige in Antwerpenl AIle Woche, oder alle 1,4 Tage kommt von Bremen oder Hamburg ein Gestapobeamrer, der von diesen Subjekten die Berichte sammelt und ihnen besrimmre Aufträge gibr. Meistens sind die abgegebenen Berichte ausgedacht und enthalten weiter nichts als Schwindel. Das einzige, was in den Spitzelberichten richtig ist, sind. die immer wieder angegebenen Namen der bekannten Genossen der^Aktivgruppe, die aber die Gestapo sowieso schon kennt. Man kann sagen, dass die Gestapo in den letzten lahren keihe ETfolge at buchen hatte. Das beruht darauf, dass es ziemlich schwer ist, zwischen den deutschen Seeleuten einen wirklichen Denunziant und Spitzel zu finden. Wir konnten sogar feststellen, dass uns jahrelang bekannte Nazis (es gibt nur sehr wenige), die wirklich doch etwas von uns wussten, und die auch einige Bordvertrauensleute kannten, bis heute noch niemand verraten haben. Hin und wieder kommen aber doch in FIamburg, Bremen, Stettin u.s.w. Verhaftungen vor. Fünf Fälle davon betrafen Leute, die mit den K.P.D. Auslandsstellen Verbindung hatten, in anderen Fällen handelte es sich um Schmuggelangelegenheiten und in ganz wenigen Fällen, in diesem Jahr 3, um Verhaftung von unseren Vertrauensleuten. In den letzten 3 Fällen kamen unsere Vertrauensleute nach längeren Verhören wieder frei. Sie waren denunziert word.en, kamen aber wieder frei, erstens, weil keine Beweise vorhanden waren und zweitens, weil die Schiffsleitung in allen Fällen eine gute Auskunft über diese Leute gab. Nach jahrelanger Erfahrung können wir sagen, dass wenn es der Gestapo nicht gelingt, wirkliche Vertrauensleute für sich zu gewinnen und es besteht dazu sehr wenig,tussicht, wird sie nicht imstánde sein, auch nur die kleinsten Erfolge zu buchen. Das heisst aber noch lange nicht, dass wir nicht vorsichtig sein müssen in unserer Arbeit. Im Gegenteil, wir müssen uns immer wieder zu dieser vorsicht selbst anspornen. Die grösste Gefahr für die antifaschistischen Seeleute besteht (nicht für unsere Verrrauensleute) in dem allgemein unvorsichtigen Verhalten der deutschen Besatzungen in den Restaurants in Antwerpen. Hier ein solcher Fall aus der allerletzte n Zeit:
TTF.DOKUMENTE
,
337
Die Besatzung des llansaschiffes ,,Tannenfels" (Indiendienst) befand
sich eines Abends in einer Kneþe, gegenüber dem Schiffsliegeplatz (an
der Schelde) wo ziemlich viel getrunken wurde. In dieser Wirtschaft kam es zu lauten, antifaschistischen I(undgebungen und zum Singen von Revolutionsliedern. Es wurden alle den Seeleuten bekannten proletarischen Lieder gesungen und zum Schluss (alles bei offenen Türen!) die Internationale gesungen. Das kommt in jeder Woche in Antwerpen einigemal vor, immer aber erst dann, wenn alle etwas getrunken haben. Das wahre Innere selbst der sonst ziemlich vorsichtigen deutschen Seeleute kommt dann zum Durchbruch. Jeder, der dann nicht mitmacht, bekommt Prügel. Da auf Grund solcher Vorkommnisse bisher keine Verhaftungen in den Heimatshäfen erfolgt sind, kann man getrost behaupten, die Spitzel sind äusserst sparsam gesät und Denunzianten gibt es fast garnichtl Die an Bord massgebenden Genossen und Sympathisierenden sorgen jederzeit dafür, dass die Diskussionen und Gespräche über die politische Lage und auch vor ailen Dingen über die wirtschaftliche Lage und die drohende Kriegsgefahr sich auf der richtigen Linie bewegt und dauernd der gemeinsame Gegensatz Segen die Nazis zum Ausdruck kommt. Es ist selbstverständlich, dass nichts so sehr diskutiert wird als die augenblickliche Lage und die Kriegsgefahr. Das Verhalten der Seeleute bei Kriegsausbruch ist bei der Stimmung, die heute schon herrscht, nicht zweifelhaft. Die Feindschaft zu den Nazis wird auf den meisten Schiffen, die sich ausserhalb der deutschen Gewâsser befinden, offen zum Ausdruck kommen. Die Vertrauensleute werden ja auch in solchen Fällen dann offen die Leitung nehmen können. Wir sehen unsere llauptaufgabe darin, diese Stimmungsentwicklung zu beobachten und in der richtigen Art z! beeinflussen. Wir haben dabei den Vorteil. dass wir in den 4Ietzten Jahren ausser unseren eigenen Vertrauensleuten, eine Masse von Sympathisierenden bearbeitet haben, die heute tiber die ganze Schiffahrt verteilt sind und die wissen, was wir wollen! Die einfache Linie der revolutionären deutschen I.T'F.Bewegung wird auch auf den Schiffen verstânden) wo wir keine Vertrauensleute haben. Auch die Besatzungen, die selten oder gar keinen Kontakt mit uns haben, auf Grund besonderer Bordverhältnisse oder des Nuranlaufens von Häfen, wo wir keine Aktivgruppe haben, haben doch immer Leute an Bord, die von der lT.F.-Bewegung bereits erfasst waren oder mit ihr früher in Kontakt waren. Die Seeschiffahrt hat eben nun einmal das von jedem anderen Betrieb unterschiedliche eigentüm-
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ITF-DOKUMENTE
liche an sich, dass man die stärke der revolutionären Bewegung nicht jederueit in einer Registratur bestimmen kann. wer mit unsereiArbeit vertraut ist und den Betrieb kennt, nur der kann die Auswirkung der .{rbeit im ganzen beurteilen.
åus den Akten der Gestapo I ln schwedischer Haft
Bearbeitet wurden in der Berichtszeit 3ó deutsche Schiffe.
Gestø.þo
Masch. MRC
159/3/C/a/a7.
Beilin øn Gøstøpo Düsseld.orf
Geheime Staatspolizei B erlin SW ll,, den 3I. Tanuar 1940 Geheimes Staatsþlizeiamt Prinz-Albrecht-Straße 8
'IV'IAI-2yi7
i
0F,
Fernsprecher:A2Flora0040.
1
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\
Bitte in der 4jitwort vorstehendes Geschäftszeichen und Datum anzugeben.
Geheime Staatspolizei Staatspolizei leitstelle z. Hd. von Herrn Ober-Reg. Rat Dr. Haselbacher
-
-oV.i.A. -. Düsseldoff, Prinz Georgs¡r. 98.
Betrifft: Ilermann K n ü f k e n,
9.2.9 3
in Düsseldorf geboren.
Knüfken ist leitender ITF-Funktionär und hier verschiedentlich im Zusammenhang mit Schiffssabotageflâllen in Erscheinung getreten. Verschiedentlich konnte seine Zusammenarbeit mit dem dort bekannten Waldemar Pötzsch (L5.7.92) festgestellt werden. Vor Ausbruch des Krieges ist er angeblich im Auftrage eines feindlichen Nachrichtendienstes von Holland - Belgien nach Stockholm abgewandert, um dort im Ostseeraum in gleicher Weise tätig zu werden. Nach Mitteilung der Stockholmer Iftiminalpolizei wurde Knüfken wegen staatsfeindlicher Wirksamkeit festgenommen und zu 5 Monaten Zuchthaus verurteilt. K. besitzt die
in Stockholm am I7.If.1939
deutsche Staatsangehörigkeit. Ich beabsichtige, bei der schwedischen Regierung ein Auslieferungsbegehren zu stellen und um seine Überstellung nach Deutschland zu ersuchen. Zu diesem Zweck ist die Einleitung eines Strafverfahrens auf krimineller Grundlage und der Erlass eines Haftbefehls und Steckbriefes durch die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf unbedingt notwen-
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AUS DEN AKTEN DER GESTAPO I IN SCHWEDISCHER HAFT
dig. Dieses wird insofern auf Schwierigkeiten srossen, als l(nüfken bis; her nur politisch in Erscheinung getreten und wegen dieser Delikte eine
;dUS DEN AKTEN DER GESTAPO I IN SCHWEDISCHER HAFT
G e s t ø,p 0 ,
Auslieferung von Schweden kaum zu erwarten ist. Ich ersuche daher, eingehende Ermittlungen dahingehend anzusrel-len, ob und inwieweit es möglich ist, in dem früheren ,A.ufenthaltsund Tätigkeirsorr des K. ihm eine srrafbare Handlung auf kriminellet-Grundlage nachzuweisen. Das Ergebnis der dortigen Erhebungen ist mir unrer gleichzeitiger . Vorlage eines Strafregisterauszuges baldmöglichst zu übersenden, da die Einleitung eines Auslieferungsverfahrens längere Zeit inAnspruch l nimmt und die Strafe des Knüfken bereits Anfang Mai 1940 abgelaufen . ist.
'16.
34r
H ønob øtg ñ'n d' ø's R ei. ch s si' ch er h e'its h øøp t ørnt
Merz rg4o
IIN An
das
Reichssicherheitshauptamt A.mt IV z. H:d. v. SS- Oberführer Reichskriminaldirektor M ü I I e r i - oder Vertreter im Amt -
Berlin SWI I
Prinz-Albrecht-Str. 8
In Vertretung: gez.
Müller. Beglaubigt: fUnterschrift:] Blumenthal *r Kanzleiangestellte.
mit diversen Stempeln (,,Geheim!.., ,,staatspolizeidienststelle Düsseldorf Anl. II A 55/ 40 g" ;,,II A/Tgb.Nr. ZI2 / 40 t. ) II F t. Leute vorh. t |a 2.) II F 2. P. A. vorh. l Beigefügt 3.) II A zurück... und,,II AZ Eng. S. FEB. 1940 B.Nr.212/40 g S. B. funleserlich]") und mit hs. Unrerstreiihung, Zusatz und BeMasch.
3. FEB. 1940
arbeiterkürzeln. Aus: HSTAD, Düsseldorf, Bestand: personenakten der Gestapo/ Staatspolizeistelle Düsseldorf, RW 58, Nr. 31102 (Hermann Knùfken), Bl. 10.
Eçt!¡ffE llermann Knüfken, geb.9.2i.93 zu Düsseldorf' Vorsans: Dortiges Schreiben vom 3I.I.40 mIY/II AL- 2l\7/40gÁhlagen: L Bericht und L Strafregistêrauszug. Die Staatspolizeileitstelle Düsseldórf hat dâs vorgenannte Schreiben an
mich zur weiteìen Bearbeitung abgegeben, nachdem folgendes über Knüfken in Düssèldorf fe-stgestellt worden ist:
,
,,Nâch den Meldenotizen Düsseldorfs war Knüfken bis zum 3.L.L91L in Düsseldorf, Ackerstr. 79 b./d. Eltern, polizeilich gemeldet. Mit gleichem Tage gelangte er nach Nordenham zur Ab- und bis heute nicht wieder zur Anmeldung. In krimineller Hinsicht ist er in Düsseldorf nicht in Erscheinung getreten. Im Verzeichnis flüchtiger Kommunisten vom 5.5.37 - lfd. Nr. 3339 - ist er zur Festnahme ausgeschrieben. Nach dem in der Anlage beigefiigten Strafregisterauszug ist Knüfken am 13.5.192I vom Schv¡urgericht in Hamburg wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer Meuterei und schwerer Freiheitsberaubung zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass er sich in den letzten I0 ]ahren in Hamburg und Umgebung aufgehalten hat.t'
Von hier aus ist über
Knüfken
a) Personalien: Seemann l{ermann
Knü fke n,
folgendes zu berichten:
geb. 9.2.93 zuDnsseldorf, arischer Äb-
stammung, evangelisch getauft. Vater: Johannes Knüfken, geb. 25.1.J.859 zu Haminkeln bei Wesel' gestorben am 23.6.1893 zu Düsseldorf.
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:åUS DEN AKTEN DER GESTAPO I IN SCHWEDISCHER HAFT
AUS DEN AKTEN DER GESTAPO I IN SCHWEDISCHER HAFT
Mutter: Maria geb. Müller, geb. 8.8.1855 zu Geismar bei Frankenthal, Reg. Bez. Kassel, im Oktober 1937 wohnhaft Düsseldorf, Ackerstrasse 79(Ob die Mutter noch lebt und unter der angegebenen Adresse noch wohnhaft ist, ist hier nicht bekannt). Der Vater. sowie dessen Ehefrau und die Großeltern des Herman¡ Knüfken sind mit ihren Kindern aus der evangelischen Kirchenge-,.1 meinde ausgetreten und gehören seither dem ,,Bund freikirchlicher -: Christen" an. b) Politische Vergangenheit: ist international bekannt und wegen seiner Piratenlaufbahn
Knüf ken
populär.
.,
;:
Im Jahre I9I7 desertierte er als Angehöriger der Kriegsmarine ins Ausland . und wurde bei seiner Rückkehr am 22.I2.I9I7 vom Feldkriegsgeïicht l Kiel wegen verabredeter und gemeinschaftlich ausgeführter Fahnenflucht zu ]5 Monaten Zuchthaus und Entfernung aus der Marine verurteilt. Mit zwei weiteren Genossen raubte er am 21.4.1920 den deutschen Fischdampfer ,,Senator Schröder", setzte den Kapitän des Schiffes, G e wald, sowie das leitende Personal des Dampfers fest und fuhr mit den jetzt an Deck des Fischdampfers auftauchenden blinden Passagie" ren - kommunistische Delegierte zum Parteitag in Moskau - zunächst nach Alexandrowsk und dann nach Murmansk. wo er Schiff und Besatzung den Bolschewisten zur Verfügung stellte. Wegen dieser Tat wurde Knüfken nach Rückkehr durch Urteil des außerordentlichen Schwurgerichts in Hamburg am 13.5.192I wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer Meuterei und mit schwerer Freiheitsberaubung za 5 Jahren Zuchthaus verurteilt, die er nur teilweise verbüßte. Später wurde ihm durch Verfügung der hamburgischen Justizverwaltung vom 29.2.1928 die Strafe erlassen. Knüfken war dann einige Jahre Leiter der Interklubs in Leningrad und schließlich politischer Funktionär der Sowtorgflot. Er kam im Jahre 1932 nach Deutschland zurück und wurde von dem damaligen Profintern-Beauftragten in l{amburg, Alfred B e m alias Adolf S h e I I y, als Verantwortlicher ftir die skandinavische Arbeit des Kontinents eingesetzt. In Leningrad verheiratete sich K. am9.I2.l93l mit Sophia geb. Do,
nyach, geb. 10.I.I9I0 in Riga. Bis zu seiner Flucht aus Deutschland anläßlich der Machtübernahme war Knüfken bis März 1933 fiir Hamburg, Graskeller 6III. b./
aÁa JtJ
Gozalbez, geqreldet, während seine Ehefrau bis Juni 1933 fùr Ham-
burg, Schmachthägerstr.
5f II. b./Riechen, wohnhaft und gemeldet
tryar.
Im Oktober 1933 wurde l(nüfken im Interklub in Rotterdam. ffllemskade 12, getroffen, wo er Leiter einer Gruppe deutscher Rhein¡chiffer aus dem Ruhrgebiet war und die Bearbeitung der deutschen Rheinschiffer im kommunistischen Sinne betrieb. Insoweit handelte er im Auftrage des bekannten früheren kommunistischen Reichshafenlei,ters Ernst Wollweber, dessen Absicht dahin ging, über die Rheinschiffer aus Rotterdam das Ruhrgebiet und über die Schiffer aus Straß.burg das Industriegebiet um Mannheim mit illegaler kommunistischer
Literatur zu versorgen.
:, Nach einer Mitteilung des belgischen Justizministeriums in Brüssel vom Jahre I93ó waren die Eheleute Knüfke n damals in Brüssel, St. Josseten Norde, wohnhaft. Nach Meldung verschiedener hiesiger V.-Leute in Holland und Belgien aus dem |ahre 1937 wurde l(nüfken in seiner Eigenschaft 4ls Leiter der Gruppe deutscher Rheinschiffer im Einheitsverband im November 1934 in Rotterdam festgenommen und schließlich nach Belgien abgeschoben. Die dann noch für l(nüfken in Rotterdam ankommenderund für ihn bestimmte häufige Post aus Kopenhagen (von Ernst Wollweber in seiner Eigenschaft als ISH im Weltmaßstab) wurde ihm nach Antwerpen nachgeschickt. Etwa Mit'te 193ó wurde in Rotterdam bekannt, daß Knüfken aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen worden sei. Man verdächtigte ihn im Zusammenhang mit dem Kierow-Mord in Rußland des Trotzkismus. Der Name des Knüfken ist in den besagten Protokollen der russischen Strafjustiz wiederholt genannt. Schon damals wurden Einzelheiten der Tätigkeit sowohl des Knüfken als auch des ErnstWollweber und des bekannten holländischen Sekretärs des Interklubs in Rotterdam, Rimbertus Schaap, für den englischen ND bekannt, die hinsichtlich des Knüfken später zur Ge-
wißheit seiner Tätigkeit als Leiter einer Schiffsterrorgruppe wurde. Insoweit wurde mitgeteilt, daß er nach seinem Ausschluß aus der kommunistischen Partei der Leiter der deutschen Seeleutegruppe in der ITF in Antwerpen wurde und unter dem bekannten Edo F i m m e n arbeitete. Unter dieser Tarnung arbeitete er nun noch ausschließlich fur den englischen ND und die Gelder dieser Organisation für Knüfken liefen über das Konto des Generalsekretärs der ITF, Edo Fimmen. Der Mitarbeiterstab des Knüfken wurde laufend jeweils mehr oder
344
AUS DEN AKTEN DER GËSTAPO I IN SCHWEDISCHER HAFT
weniger bekannt; unter ihnen befanden sich vornehmlich in der ersten Zeit der bekannte Waldemar Pötsch sowie die Gebrüder Kurt und Werner Lehmann. Ersterer entzweite sich später mit Knüfkenund arbeitete ausschließlich selbständig für den englischen ND weiter. Seine Mittäterschaft bei den Sabotageakten gegen deutsche und italienische Schiffe dürfte erwiesen sein. Insoweit wird auf das FS. des Reichssicherheitshauptamtes Nr. 223 983 vom 18.12.1939 - Aussage des Engländers Stevens über Knüfken als Agent ,,I0I B" - verwiesen. Ein hiesiger V.-Mann, der Anfang November 1939 mit einem Dampfer nach Malmö kam, wurde dort von einem bisher unbekannt gebliebenen Mann in der zivilisierten Uniform eines ehemaligen Spanienkämpfers aufgesucht und durch die Übergabe eines Briefes des Knüfken davon in Kenntnis gesetzt, daß dieser jetzt in Schweden aufhältlich sei. In dem besagten Brief teilte Knüf ken dem V.-Mann mit, daß er beabsichtige, ihn bei den nächsten 2 Reisen in Malmö petsönlich zu begrüßen. Schließlich wurde die Festnahme und spätere Aburteilung des Knüfken in Stockholm bekannt. Somit war die hiesige Verbindung zu ihm wieder gerissen. Die hier früher und jetzt gegen Knüfken geführten Ermittlungen hinsichtlich einer strafbaren Handlung auf krimineller Grundlage blieben ergebnislos, so daß auf diesem Wege Unterlagen ftir den beabsichtigten Auslieferungsantrag nicht möglich sind. Indessen darf in Zusammenhang mit den bekannten Schiffssabotagef,állen auf die dadurch verursachten Todesflålle und Körperverletzungen hingewiesen werden. Die damals an der internationalen PoIizeibesprechung in Hamburg und Berlin beteiligten skandinavischen Polizeileiter vertraten die Auffassung, daß diese Anschläge gegen das Leben unbeteiligter Seeleute nichts mehr mit der Politik zu tun hätten, sondern gemeine kriminelle Verbrechen seien. Diese Auffassung kann auch dadurch unterbaut werden, daß Knüfken zur damaligen Zeit nicht mehr als Funktionär der ISH bezw. ITF, sondern nachweislich als Agent des englischen ND gegen entsprechendes Entgeld handelte, wofür die Aussagen Stevens ausschlaggebend sein dürften. Masch. Durchschlag mit einem Stempel (,,Geheim"). Aus: HSTAD, Bestand: Pe¡sonenakten der Gestapo / Staatspolizeistelle Düsseldorf, RIV 58, Nr. 31102 (Hermann Knüfken), Bl. I5-f9. Bei dem Absender handelt es sich laut Sigle ,,II N" um die Gestapo/ Staatspolizeistelle Hamburg, Hamburg 3ó, Stadthausbrücke 8, vgl.
ebd.81.20.
AUS DEN AKTEN DER GESTAPO I IN SCHWEDISCHER HAFT
Z eitøng s rn e I d.øng
v
0
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vn I 8.9. 19 40
Die dänische Zeitung,,Arbejderbladet" vom 18.9. bringt aus Stockholm folgende Mitteilung unter der Ueberschrift ,,Schweden liefert Gefangenen nach Deutschland aus". Das höchste Gericht hat beschlossen, dass das Gesetz von 191,3 in Bezug auf Auslieferung von Verbrechern kein Hindernis ist, um den deutschen Staatsbürger Hermann KnüÊ ken an Deutschland auszuliefern. Die deutsche Gesandtschaft hat an schwedische Autoritäten ein diesbezügliches Ersuchen eingereicht. Das Kriminalgericht von Bremen hat am 4. April dieses lahres Arrestbefehl
gegen Knüfken erlassen. Er hat in Deutschland auf deutsche Schiffe Sprengstoffattentâte und Anschläge gegen Transportmittel verübt. Knüfken wurde am 13. Dezember vergangenen lahres vom Stockholmer Rathaus-Gericht zu 5 Monaten Strafarbeit wegen Passfälschung usw. verurteilt. Er sass im Gef,ángnis von Falun. Den Behörden von Falun gegenüber hat er sich geweigert zu erklären, dass er mit seiner Auslieferung einverstanden ist. Die Angelegenheit wurde daraufhin dem Rathausgericht in Falun übergeben und dieses übergab sie dem höchsten Gericht. Masch. mit hs. 'Zusatz: ,,Uebersetzt von Moltke Sign. F. 495, op. 205, d. 2740, BI. l^I.
I/X1940." Aus: RZCHIDNI.
Bri.ef Herm'ønn I(nüfkem øn Ed'o Fi'tøwøn Lieber Freund
Edo.
I7'Iuni194L
Deinen Brief vom 1. Iuni habe ich soeben erhalten, Bruder Lindley brachte ihn gestern mit, als er mich besuchen kam. Gewöhnlich kommt er alle zwei Wochen, und wir haben genügend Zeit, alles durchzusprechen. \À/enn ich unsere Korrespondenz im Anschluß an die Besetzung Norwegens ansehe, muß ich Dir sagen, daß ich nicht daran dachte, Briefe mit jemandem rund um den Globus zu schicken, unsere Freundschaft kann darunter nicht leiden oder vom Briefe.schreiben in solchen Zeiten und Umständen abhängig sein. Nach meiner ,,Verschiffung" von Falun nach Stockholm fühle ich mich viel besser, aber dieser Effekt des ,,Besserfühlens" darf auf keinen Fall als bezogen aufmeine Gesundheit
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AUS DEN AKTEN DER GESTAPO I IN SCHWEDISCHER HAFT
verstanden werden! Geistig und körperlich war ich schon in Falun in ausgezeichneter Verfassung. Aber hier bin ich sozusagen auf dem Weg zu einer weiteren Stärkung meiner körperlichen und geistigen Gesundheitsreserven. Es ist ein Fehler, von ,,Morgengymnasdk(' zu sprechen. Ich habe so was nie gemacht, gehe aber täglich nach dem Mittagessen eine Stunde lang spazieren, das ist genug Bewegung, und ich mache das nicht systematisch: 7 Uhr morgens Aufstehen, Toilette, Frühstück
(eine Art Porridge, Brot, Butter), 9 Uhr Kaffee, II:30 Mittagessen (eine süße Suppe, Fleisch oder Fisch, Kartoffeln), I Stunde Spaziergang,3 Uhr Kaffee, 5 Uhr Porridge und Milch und Brot,7 Uhr ins Bett,und Schlafen wie ein Baby bis zum nächsten Morgen. Meine Zelle hat ein sehr großes Fenster, etwa 3 mz. Nach 2 Uhr nachmittags scheint die Sonne direkt hinein, und Du kannst sicher sein, daß ich ein Sonnenbad nehme.Daztt möchte ich bemerken, daß meine Tabakabstinenz (zuvor : etwa 4 0 - 5 0 Zigar etten täglich) und der viele S chlaf eine Menge zu meinem Wohlbefinden beigetragen haben. Ich war nie so kräftig und gesund wie jetzt. Denke aber jetzt nicht, daß ich als ,,tearotaller" fAbstinenzler] zu Dir spreche, weswegen es gur wäre, einige Zigaretten und einen Schnaps aus Deinen Vorrãten bereitzuhalten. Ich kann nicht sagen) wann genau ich entlassen werden, aber Du kannst sicher sein, daß ich mich nicht unterkriegen lasse. Ich brauche Dir nicht zu sagen, Edo, lieber Freund, daß ich das Tagesgeschehen mit der gewohnten Einstellung verfolge, die Du kennst. Ich bin weder Optimist noch Pessimist, aber ich weiß, daß das Ende des größten Kampfes, den die Welt je gesehen hat, so sein wird, wie wir es mit unserem ganzen Eifer schon in einer Zeit verfolgt haben, als die anderen schliefen oder von l{umanität sprachen und gleichzeitig der ,,Bestie" gestatteten sich auszubreiten. Hier in meiner splend.i.d. isoløtion fühle ich mich oder könnte ich mich manchmal erbärmlich fühlen angesichts meiner erzwungenen Passivitât, aber andererseits sage ich mir, daß ich schon vor langer Zeit auf der
richtigen Seite stand! Mach Dir keine Sorgen um mich, Edo, das einzige, was Du für mich tun kannst, ist: halt Dich aufrecht! Eines Tages werden wir uns wieder die Hände geben und weiter zusammen voranschreiten in der alten Sache, um aufzubauen, aufzubauen und aufzubauen! P.S.
Ich tue absolut nichts, schreibe nichtmal wie in Falun, aber ich lese jetzt
in einerWoche ungefähr l0 Bücher (Klassiker, Geschichte, Geographie usw.) und lasse dabei immer etwas meine Lage hinter mir. Da ich kein
AUS DEN AKTEN DER GESTAPO I IN SCHWEDISCHER HAFT
347
Wörterbuch habe, zähle nicht die Schreibfehler, besser wär's, ich hätte mehr Zeitfür diesen Brief, aber ich mußte ihn und auch Sonjas schnell fertigmachen, um beide rechtzeitig an Bruder Lindley zu übergeben'
Dein ergebener Carl Meine besten Wùnsche an alle Freunde, Japie und den I.T.F.-Stab. Hs. auf einem Formular des Stockholmer Zentralgefängnisses Långholmen, Übersetzung aus dem Englischen von Cornelia Köster. Aus: À4FlC 159/6/29.
)
É{ERMANN KNÜFKEN: UND WAS NUN?
Firatenkrieges in Atlantic und Nordsee miterlebt hatten, wird der Le-
IIerrnønn l(nüfhen
aer verstehãn, dass unser Zusammentreffen
Und was nun?
d.ieses
in der Bordversammlung
ziemlich dramatisch war.
-'
Der Schreiber
349
Artihels wør 'in
d.en
Jøhren vor d.ern letzten I(r'iegs-
øøsbrøch ein Fwnhtionoir d.er illegølen d.eøtschen Seeleøte-I.T.F.-Grøpþe, d.ie wnter d.er d.ireþ.ten Leitang d,es perstorbenen Generøl-Sehretrirs Ed.o
Firnrnen ørbeitetø. Von 1939-44 sa.ts er 'in. schwed.ischen Gefiingnissen øaf Grønd. eines Aasli eferungs b eg ehrens d. er d.eøts ch en Nøz'ireg'ierøng, d.ie i.hn beschøld.igte, irø Jøhre 1938 øaf d.eøtschen Schffin ønd. øøf See Br øn d. stiftøng e n un d. E xp I o si 0 n e n p e r rrrs ø. ch t zø h ø b en. Im, ersten Welthriege sa.ss er wegen Meøterei, Desertøt,ion sow'ie Lønd.eswnd. Hochyeryø.t ,tnd. wørd.e d.ørch d.ie Noperuber-Reyoløtion 1918 befrei.t.
Nach allem, was internationale Seeleute in der Handelsschiffahrt in den Kriegsjahren von 1939 bis 1945 aú See in der Austibung ihres Berufes erlebt haben, nach fast ó ]ahren brutalsten, uneingeschränktem U-Bootskrieg und nachdem Zehntausende der alliierten und neutralen Seeleute ihr Leben für die Sache der Demokratie geopfert haben, ist es nun selbstverständlich, wenn das sonsr bei allen Seeleuten so hervorragend zum Ausdruck gebrachte Gefühl der internationalen Solidarität und Bruderschaft, den deutschen Seeleuten und Hafenarbeitern gegenüber nicht mehr existiert.
Kurz nach der Beendigung
des ersten Weltkrieges hatte ich mit einigen anderen deutschen Seeleute-Funktionären die Gelegenheit, der Einladung der Besatzung eines grossen Norwegischen Dampfers zu folgen,
der Cuxhaven zum Bunkern angelaufen hatte. Der Vertrauensmann der Besatzung, (Tillidsman) die alle Mitglieder des Norwegischen Verbandes der Seeleute und lleizer waren, forderte uns vor der versammelten Crew auf, ihnen zu erklären, wie es möglich gewesen sei, dass die deutschen Seeleute sich zu solchen Verbrechen, wie dem Torpedieren unbewaffneter lfandelsschiffe, hatten gebrauchen lassen. Wenn man bedenkt, dass sich unter der Norwegischen Crew Heizer und Matrosen befanden, gut die Hälfte, die ein oder mehreremale
ihre jeweiligen Schiffe durch Torpedierung verloren hatren, und
dass
da vor uns Seeleute sassen. die alle Schrecklichkeiten dieses deutschen
,
Dass die Norweger uns überhaupt eingeladen hatten zu ihnen an Bord zu kommen, lag wohl ausschliesslich daran, dass sie doch wussten, dass die deutschen Seeleute es waren, die das Ende des Krieges durch den Aufstand in der Flotte herbeiführten. Wir waren damals in der glücklichen Lage, den Norwegischen Seeleuten zu erklären, dass die IJ.Boots-Besatzungen sich durchweg aus Freiwilligen zusammensetzten. dass sich unter den u.Bootsleuten so gut wie keine professionellen seeleute befunden hatten. weiter konnten wir ihnen aufzeigen, dass zum lJnterschied von der Armee, die seeleute in der Flotte alles getan hatten, um das Kaiserreich zu stürzen. Wir erzählten ihnen von áer grossen SommermeutereilglT im dritten Geschwader, von den Ak-
tionin auf den Schlachtschiffen,,Marþraf"',,Prinzregent Luitpold", ,Grosser Kurfürst", ,,König Albert", wir nannten die erschossenen Kameraden und die zahl der I9L7 zu langen Zuchthausstrafen verur-
teilten Seeleute, kurz wir zeigten ihnen eine wirkliche revolutionäre Bewegung der deutschen Seeleute, die letztenendes den Zusammenbruch des Kaiserreiches herbeiführte. Dadurch konnten wir 1919 das Gefühl des llasses und der Bitterkeit überwinden und es den ausländischen Seeleuten ermöglichen, das alte Verhältnis der Bruderschaft und Solidarität zu uns wieder herzustellen.
Dieses Beispiel im Kleinen, das wiederaufnehmen der brüderlichen Beziehung èiner einzelnen Norwegischen Besatzung zu einer Ortsgruppe dèutscher Seeleute und Hafenarbeiter in Cuxhaven ist gleichz.itig ai. Illustration der sich im selben )ahre wieder vollziehenden Rekonstruierung der I.T.F., der internationalen Berufsorganisation der Transportarbeiter. Einige Jahre später wurde auch das verbot der .A,nmusterung Deutscher seeleute auf Englischen schiffen wieder aufgehoben auf Betreiben Havelok wilsons. und als die Deutschen seeleute in den Jahren der Inflation zu l{ungerlöhnen fahren mussten und dadurch den Deutschen Reedern eine Schmutzkonkurrenz auf d.em Frachtenmarkt möglich machten, unterstützte der Verband der englischen Seeleute unter seinem alten Präsidenten llavelok Wilson in heivorragender Weise den grossen Streik der deutschen SchifßbesatzúÍgen in englischen Häfen.
350
HERMANN KNÜFKEN: UND WAS N
Die Lage nach Beendigung des zweiten Weltkrieges ist grund verschieden von der Situation nach I9I8. Vollkommen verschieden auch das Verhalten der internationalen Seeleute zu den deutschen Seeleuten. Diesmal haben nicht nur Freiwillige, sondern auch die eingezogeneæ Seeleute, die Berußseeleute, die IJ.Boote bemannt. Die Berußseele sind mitschuldig geworden an den forrgesetzren Verbrechen der Torpedierungen. Weiter, es gab keine offenen Meutereien in der deutschee Flotte und es gab keine Revolution! Und da Marinetruppenteile soga"r bis zum letzten Tage Hitlerdeutschland verteidigten, ist damit vor dec ganzen Welt klar bezeugt worden, dass in demselben Masse, wie die übrige Arbeiterschaft Deutschlands, diesmal auch die Seeleute mitschuldig sind am Kriege und der Möglichmachung der Kriegsverbrechen. . Lassen wir aber die unerbittlichen, harten Tatsachen sprechen, denn, ist es auch notwendig, von den ó Jahren zu sprechen vor l939,den JaÞ ren beispielloser lJnterdrückung, Gestapoterrors, Folterung und Mord* Der Zeít wo man mit den brutalsten Gewaltmitteln die Arbeiterschaft in Deutschland, und damit auch die Seeleute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer, ihrer Organisa.tionen beraubte, tausende von ihnen in Konzentrationslagern misshandelte und die meist Aufrechten kurzerhand erschlug, aus dem Fenster warf, oder sonstwie mit dem Handbeil oder auf andere Art ums Leben brachte. Es kam nach 1933 mehr zu keinem offenen Widerstand, weil der Terror den Widerstandswillen amputiert hatte
!
Für alles gibt es Erklärungen. Ganz kluge Leute haben natürlich atrch ,,Erkläru.ngen" für den Z:ustand der Wehrlosigkeit und passivitãt, in der sich die deutsche Arbeiterschaft mit der sich die deutsche Arbei-
terschaft mit ihren Organisationen der nazistischen Gewaltherrschaft ergab. In den meisten Fällen ist eine solche ,,Erklärung,, gleichbedeutend mit dem Versuch einer Entschuldigung. Besonders, wenn sie von Stellen und Personen kommr, die mitverantwortlich sind für die kampflose Kapitulation von 1933. Wenn man von dem typischen deutschen IJntertanengeist, deutscher Disziplin und deutscher Ordnung spricht, muss man auch nicht vergessen, dass die deutschen Arbeiterorganisationen besondere Hochburgen dieser Quintessenz des Deutschtums waren und sich, ob man es jetztin diesen Kreisen wahrhaben will oder nicht, diesen Geist pflegten und sich selbst für ,,über alles in der Welt,. hielten! Und dazu kommt, dass die Verantwortlichen im ADGB und in den einzelnen Gewerkschaften, von denen einige heute im Auslande schon
N KNÜFKEN: UND WAS NUN?
35r
angefangen haben das Maul aufzureissen, 1933 nicht über die
ige Zivilkourage verfügten, den Kampf gegen die Nazis auÊ hmen.
Mitschuld der gesamten deutschen Arbeiterschaft am Kriege wød an den in der Folge vorkommenden Kriegsverbrechen ist nicht r¡:r.rÐie
h entstanden, dass sie den Krieg mitmachten, wenn er ausbrach, entstand bereits 1933, als sie vor dem Nazismus kapitulierten, organisierte Macht preisgaben und dabei und dazu geführt wurden son den Verantwortlichen in der Leitung der Gewerkschaften und des
Die bittere Lehre dabei aber ist: Die Arbeiterschaft hatte die Organisationen und die Führung, die ihr und ihrer Einstellung entsprach. Xn meiner Behauptung über die Mitschuld der Arbeiterschaft und d¿mit auch der Seeleute, Hafenarbeiter, Binnenschiffer u.s.w. im allgemeinen fühle ich mich nicht allein. Diese meine Meinung teilen meine Çenossen, die mit mir bis zu meiner Verhaftung am Kampf gegen Hiderdeutschland teilnahmen, Aktivisten in den ausländischen Häfen, Vertrauénsleute an Bord deutscher Schiffe oder in illegalen Gruppen in deutschen Häfen. Vier der Besten von ihnen wurden nach der Okkupation Belgiens und Frankreichs nach Deutschland gebracht und erschossen. Von Ffunderten wissen wir nicht wo sie sich befinden oder ob sie noch leben. Ja es gab und gibt eine Minderheit von Aufrechten, die Toten, die man nicht vergessen darf und dazu einige Tausende, die die Zuchthäuser und Gef,ângnisse und l(onzentrationsläger füllten, die Minderheit. die die Fahne der internationalen Solidarität nicht veri: liessen, sondern ihr treublieben. Es gibt also einen kleinen Teil, eine kleine Minderheit von Seeleuten und anderen Wassertransportarbeitern in Deutschland, denen man mit dem besten Willen keine Mitschuld am Kriege aufbürden kann. Diese müssen und werden der I(ern sein, um welchen die neuen Gewerkschaften aufgebaut werden und werden allein, weil es nicht anders möglich ist, den neuen Organisationen den Inhalt geben, in dem Sinne, wie er uns allen in der Internationale vorschwebt: Proletarische Demokratie und internationale Bruderschaft! Stellen wir fest: Die Häfen Emden, Wilhelmshaven, Bremerhaven, Geeste-
münde, Brake, Vegesack, Bremen, Cuxhaven, IIamburg, KieI, Flensburg, Lübeck, Wismar, und noch weiter in der russischen Besatzungszone Rostock, Stettin, und Königsberg sind von den alliierten Truppen
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HERMANN KNUFKEN: UND WAS NUN?
besetzt. Sie werden allmählich wieder in Gebrauch genommen, trotz der Zerstörung. Der Strombau, die Anseglungen und lVasserstrassen, die Hafenschiffahrt und die Binnenschiffahrt, das Lotsenwesen und die Feuerschiffe, die Trawler und Heringslogger, die Küstenschiffahrt .. und ein Teil der Seeschiffahrt kommt wieder in Gang, ist zu einem ganz kleinen Teil bereits wieder in Betrieb. Die Hafenarbeiter und Seeleute, die Binnenschiffer und llochseefischer kehren in ihre Land- und Bordbetriebe zurück! Wir wissen, dass, nachdem die Besatzungsbehörden daz:o thre Zttstimmung gegeben haben, auch wieder Gewerkschaften entstehen, ja im lokalen Massstabe bereits entstanden sind. Hier entsteht nun die für iede internationale Orsanisation derA.rbei" terschaft ungeheuer wichtige Frage: Wøs nrn ? Man hat so lange von der Erziehung des deutschen Volkes gesprochen, man hat so viel auch über die Rekonstruktion resp. Neukonstruktion der deutschen Gewerkschaften diskutiert und geplant, dass * man jetzt erwarten kann, dass nicht nur die Besatzungsbehörden der alliierten Mächte (die übrigens und selbstverständlich ihre Arbeit schon begonnen haben) sondern auch die Arbeiterorganisationen das tun, was ihnen als selbstständliche Pflicht zukommt zu tun! Schuldig oder nicht schuldig, die Besatzungsbehörden setzen den Teil der deutschen Wirtschaft und damit Land- und Seetransport wieder in Betrieb, der für die eigentliche Volkswirtschaft in Deutschland, für die Okkupationstruppen selbst und fúr die Reparationen notwendig ist. Damit aber, und das wird der Leser verstehen, wachsen gleichzeitig auch die neuen Gewerkschaften wieder auf. Diese Gewerkschaften, die doch und hier kann man wieder sagen, schuldig oder nichtschuldig, in 5 oder spätestens I0 Jahren wieder angeschlossen sein werden an die internationalen Organisationen und in diesem Fall, an die I.T.F. Kann sich die I.T.F. oder die LF.T.U. in der Zwischenzeit, in den ]ahren bis zum Wiederanschluss begnügen mit einem einfachen Boykott der deutschen Arbeiterorganisationen oder wäre es nicht besser, schon jetzt und gestritzt auf die Reste und Überlebenden all dessen was es an guten und aufrechten Antifaschisten im besetzten Deutschland gibt, einen Anfang zu machen gleich beim Neubeginn der Organisationen, die doch Grundpfeiler sein werden und müssen, einer wirklichen demokratischen Volksgemeinschaft. Im besetzten Deutschland wird es Kontrollinstanzen und Administrationen geben für alles und jedesl Alles das sehe ich auch als not-
óÐö
NN KNUFKEN: UND WAS NUN?
ørendig an. Man wird und muss versuchen und alles tun, um ail das,
uruzøforrnen! Die militärische Tlerwaltung auf ihrem Gebiet mit áem Zíei der Liquidation des Militarismus made in German¡ die verschiedenen Industriekontrollkom¡nissionen mit der Zerstörung der Rüstungsmöglichkeiten und der
s¡as Deutschtum war und noch ist,
Umformung der verschiedenen Industrien, die Pädagogischen Kontrollkommissionen in der Rekonstruktion des gesamten Erziehungs¡rnd Schulwesen. Wahrscheinlich wird auch die ,,Kulturinstitution" &ommer Denkungsart aller Konfessionen die bereitwillige Hilfe von den Christlichen Kirchen und ihren Kontrollkommissionen erhalten. ¡m die Deutschen von ihrem besonderen Germanischen Gottesglauben zu erlösen! Und was geschieht mit dem deutschen Seemann, ÍIafenarbeiter, Binnenschiffer, Eisenbahner, Chauffeuren u.s.w. Sollen nicht doch die in der I.T.F. und in der IFTU zusammengeschlossenen Arbeiterorganisationen auch ,, Kontroll- " und ,, Erzie hungs - " kommissionen zusammenstellen um ihnen beizustehen beim Aufbau neuer Freier Ge*^tînÐ werkschaften die das werden sollen, was sie letztesmal
"r.n
Masch. ohne Datierung. Aus: AdsD, Bestand Internationale Transportarbeiterföderation (ITF), Mappe 78.
SONJA KNÜFKEN: HERMANN KNÜFKEN
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Erinnerungen an Hermann Knüfken
Sonjø
l(nüfken
Hermann Knüfken
Geboren am 9. Februar 1893 in Düsseldorf. Vater: Johann Knüfken.
Mutter: Anna Christine Raob. Von fünf Brüdern war llermann der jüngste. Drei Monate vor seiner Geburt starb sein Vater an Tuberkulose. Seine Mutter mußte die fünf Söhne mit Putzen von neugebauten lIäusern durchbringen. Alle Jungen halfen nach der Schule. Ilermann konnte sich daran erinnern, wie er als Fün!ähriger von seiner Mutter mit zur Arbeit genommen wurde, a:t
ì1
Abb. 76 | Annø Møriø lØüfken øm lB97 mit ihren Söhnen Hermønn', Wilhelw, Ernst, Friedrich øød Heinrich (p.l.n.r.).
auf die Stufen des llauses gesetzt wurde und auf seine Brüder wartete, daß sie aus der Schule kamen und beim Schleppen von Wassereimern
halfen. Alle fünf Brüder sind jetzttot. Mit 14 verließ er die Schule und fand Arbeit auf einem Fischerboot ich glaube, es war ein Heringsfangboot -, meist fuhr er von lilamburg oder Cuxhaven los. l9L4 muß er zur Marine eingezogen worden sein
und diente auf einem IJnterseeboot. Seine antimilitaristische und politische Überzeugung ließ ihn desertieren, und 1918 floh er nach Dänemark - die beigefügte Kopie seiner Lebensbeschreibung enthält Näheres zu seinen politischen Aktivitäten bis 1923 (in Deutschland). Ich glaube, daß er danach als Kurier für die Internationale SeemannsUnion und die Komintern gearbeitet hat, wobei er eine beträchtliche Zeit tn der Sowjetunion verbracht hat. Als ich ihn 1927 das erste Mal in Leningrad traf, war er Sekretär des Seemannsklubs in Leningrad, wo er bis zu seiner schließlichen Verhaftung blieb, die \927 oder'28 stattfand. Soweit ich weiß, verbrachte er ungefähr 9 Monate im Butyrskaja-GeÍ?ingnis in Leningrad in Einzelhaft und einige weitere Monate
im Lubjanka-Gefångnis in Moskau (Einzelheiten zu seiner Zeit im Lubjanka-Gefängnis siehe seine Lebensbeschreibung Seite
l-27).
in
Englisch,
AIs Hermann aus der Lubjanka entlassen v/urde, teilte man ihm mit, daß die Anklage auf einer brieflichen Denunziation seines finnischen Sekretärs im CIub basierte, der ihn völlig zu lJnrecht beschuldigt hatte, die ISU-Mitgliedsbeitrâge auf sein eigenes Konto bei Skandinavischen Banken deponiert zu haben. In Wahrheit war es so, daß er als Sekre-
tär der ISU rechtlich dazu verpflichtet war, die Mitgliedsbeitrâge von den Seeleuten in harter Währung einzusammeln und dieselbe harte Währung im Namen der ISU einzuzahlen. Ein wichtiger Faktor ftir seine Entlassung war eine große Demonstration in Leningrad, die von der ISU zusammen mit ausländischen Seeleuten organisiert wurde, die Transparente tmgen mit der Außchrift: ,,Laßt l{ermann Knüfken frei - er ist unschuldig". Nach seiner Entlassung und Rehabilitierung bekam er 2-3 Monate Urlaub, danach wurde ihm eine Arbeit bei der Sowjetischen Handelsmarine zugewiesen, eine Bürotätigkeit in der Entschltisselungs-Abteilung für Fremdsprachen. Als wir 1930 in Hamburg ankamen, bekam er Arbeit bei der Illw-
strierten Arbeiter Zeitwng. Mit einem DKW oder einem Motorrad fuhren wir herum und verteilten Zeitschriften und ?amphlete in den
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SONJA KNÜFKEN: HERMANN KNÜFKEN
kleinen Städten und Dörfern um
Ilermann Vorträge vor KPD-
ZeIlen. Dies tat er bis Ende Januar 1933.
Hitler an die Macht
gekommen war, wurde es für Her-
anderen schwedischen Gef,ângnissen, nachdem er sehr bald nach seiner Ankunft in Schweden verraten worden war. 1944 kehrte er nach England zurück, und wir lebten in Bedford, wo er an seiner Biographie zu arbeiten begann. 1946 - 47 wtrde llermann von der britischen Regierung nach Hamburg geschickt, um bei der Entnazifizierungs-I(ommission für Seeleute und Matrosen in Deutschland zu arbeiten. Ich durfte ihn zusammen mit unserem Sohn und unserer Tochter begleiten, und wir wohnten bis 1949-50 in Othermarchen in der Nähe von l{amburg. Seit 1947 unterhielt llermann freundschaftliche Kontakte zur Familie Burmester, die er mit großem Respekt in Erinnerung behielt. 1950 kehrten wir nach England zurück und lebten in Brighton und lIove. Ifermann fuhr täglich zum Londoner Hafen und arbeitete bis L9ó5 für das Auswärtige
mann zu gef,ährlich, in DeutschIand zu bleiben. Zusammen mit den vielen Seeleuten, die er kannte, verhalf er vielen Kommunisten zur Flucht. 1933 gíng llermann nach Dänemark. Als ich einige Monate danach in Kopenhagen ankam, war
er nicht mehr da. Ich blieb dort, zusammen mit dem dänischen Sekretär der ISU, Mr. lansen. Im November 1933 konnte ich llermann
in Antwerpen wiedertreffen,
wo wir für einige Wochen bei kommunistischen Parteimitgliedern unterkamen, dann ging
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Abb. 77 | Herrnøøn, Sonjø, Røth ønd Aløn l@ä.fken Anføøg d,er 50er Jøhre.
weiter nach
Rotterdam, wo wir wiederum von Parteimitgliedern beherbergt wurden. Ilermann schrieb weiterhin Pamphlete und verteilte sie mit Hilfe von Seeleuten auf den Schiffen, wenn diese in Rotterdam anlegten. Zweimal wäre er beinahe von Gestapo-,{.genten entführt worden und wurde schließlich von einigen seiner unzuverlässigen Kontaktleute verraten, zu guter Letzt konnte er mit der lJnterstützung von treuen Seeleuten entkommen. Nach diesem Vorfall gingen wir noch einmal für ktrze Zeit nach Antwerpen, doch es gab viele Probleme, da wir keine Personalpapiere hâtten, Ilermann aber schrieb weiter antifaschistische Flugblätter und traf sich mit den Seeleuten. 1935 gelang es uns) Personalausweise unter falschem Namen zu bekommen, woraufwir nach Brüssel übersiedelten, wo wir bis zum Herbst 1939 blieben und von wo aus l{ermann täglich nach Antwerpen fuhr. Im September 1939 verließ llermann Brüssel zwei Tage nachAusbruch des Zweiten Weltkriegs, er sagte mir nicht, wohin er fuhr, und meinte, es sei besser ftir mich: ,,|e weniger du weißt, desto besser für dich." Einen Monat später machte ich mich nach England auf und wurde voir
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357
flermann in Dover, England, erwârtet. Zwei Wochen später ging er mit ei¡em Sabotageauftrag nach Schweden. Ich fuhr weiter nach Bedford ins Hauptquartier der Internationalen Transportarbeiter-Föderation, -Crossland Fosse", dessen damaliger Sekretâr der Holländer Edo Firnmen war. Von Oktober 1939 an sah ich F{ermann fünf Jahre lang nicht wieder - die meiste Zeit davon verbrachte er in Einzelhaft in Falum und
Hamburg. Zur selben Zeit hielt
Nachdem
5ONJA KNÜFKEN: HERMANN KNÜFKEN
Amt, als er einen Schlaganfall bekam und sich erholen mußte. Hermann starb am 8. Februar 1976, einen Tag vor seinem 83. Geburtstag
in Brighton. Aws d.ern Englischen pon Corneliø I(öster
Sonjø I(näfhen uerføtlte d.iese biogrøphische Not'iz ørn 1980. Als sie 1999 størb, blieben d,ie føhtischen Irrtüruer d'ieser Notiz ønhorr'igiert. Tøtstichlich wør Annø Christòne Røøb [!] nicht Hertnønn I(nüfhens Møtter d'iese hie$ Annø Møt'iø Müller (1855 - 1943) -, sond'ern seine Gro$møtter p¡iterl'ichevseits; se'in Vøter, Johønn l(nüfheø (geb. 25. Jønøør 1859), størb ørn 18. Jøni 1893, ølsogøt d.rei Monøte nøch I(nùfkens Gebørt. I(nòifken wør l9l4 øøf heinern Unterseeboot stø.t'i0nie?'t, sondørn øøf einew Wr messøngsschffi d.er Sehrettir d'er d'rinischen Sehtion d.er ISH hief Richørd' Jensen ønd. I(nüfhen wohnte øb 1946'iru IIørnbørger Stødtteil Othn'tøt'schen.
RG CARSTEN: MEINE BEKANNTSCHAFT MIT HERMANN TruÜPTCru
Ingeborg Cørsten Meine Bekanntschaft mit Hermann Knüfken
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Meine Bekanntschaft mit Hermann Knüfken ist dem Ztffallntverdanken. Knüfken wurde 194ó meinen Eltern vom Wohnungsamt als Untermieter zugewiesen. Über 50% von llamburgs Wohnvierteln lagen damals noch in Trümmern und der unversehrte Wohnraum wurde bewirtschaftet. Im Unterschied zu anderen lJntermietern entwickelte sich relativ schnell eine freundschaftlich persönliche Beziehung zwischen meiner Familie und Hermann l(nüfken, in die später auch Sonja Knüfken einbezogen wurde, mit der ein Briefwechsel weit über den Tod ihres Mannes 1976 hinaus andauerte. Am Anfang dieser Beziehung stand das Anliegen unseres neuen lJntermieters, von meiner Mutter bekocht und, im Hinblick auf seine Wäsche, betreut zu werden. Meine Mutter war nicht gerade erfreut über diesen Wunsch. Ein Fremder am Tisch würde die ungezwungene Familienatmosphäre verändern, und auch die äußerst knappe Lebensmittelversorgung - wir lebten nur von den 1000cal., die es auf Karten gab - war dazu nicht angetan) einen Gast aufzunehmen.
359
ærständnisvoll und freundlich reagierte und bald schon fast ein Famiäåenmitglied war. Nach jedem Mittagessen drehte er sich in der Tür aoch einmal höflich um und sagte ,,tak for maten" zu meiner Mutter. Ðas sei eine gute schwedische Sitte, fügte er beim ersten Mal hinzu. Manches. was wir von der Lebensweise unseres Untermieters mitbekamen, erweckte unsere Verwunderung oder sogar Neugier. Offensichtlich hatte er keinen üblichen Beruf. Tagsüber war er zwar gelegentåich unterwegs, nie aber im Dunkeln. Selten empfing er persönlichen Besuch, ging zu seinem Freund Karl Voß, der nur eine Viertelstunde ron uns entfernt wohnte, oder zu Karla Boyens, die er sehr schätzte' In
In dieser Situation zeigte es sich zum ersten Mal, daß es etwas Besonderes mit unserem lJntermieter aufsich hatte. Er erklärte, er bekäme
wöchentlich eine ,,ration" von den Engländern und würde diese zum Teil zur Verfügung stellen. Es handelte sich dabei um Mehl, Milchpulver, Cornedbeef und gelegentlich Plumpudding. Morgens und abends versorgte I(nüfken sich selbst. Nescafé, Zigaretten und Schokolade kamen zu besonderen Gelegenheiten und nur für bevorzugte Personen zum Vorschetn. Zt diesen bevorzugten Personen gehörte bald meine Großmutter, die mit ihrem fröhlich unkomplizierten Wesen am raschesten ein freundlicher I(ontakt mit Knüfl<en verband. Zum Wohle der Familie erklärte meine Mutter sich bereit, den Mittagsgast aufzunehmen. Ein von allerlei Geheimnisen umwittertes l(ennenlernen begann. Wir erfanden bald einen Decknamen für Knüfken, damit wir uns in der seinem Zimmer benachbarten Küche gelegentlich ungezwungen über ihn unterhalten konnten, nicht ahnend, daß Decknamen in seinem Leben oft eine Rolle gespielt hatren. Schnell lernten wir I(nüfken als einen kontaktfreudigen, offenen und humorvollen Menschen kennen. der sich rasch anpaßte. immer
Abb. 78 | Herrnønn Køäfhen ørn 1946 vor Othmørschen.
d'ern Høøs
Gottorpstrøfe 69 in Høtnbørg-
3ó0
lNcesonG cARSTEN:
METNE BEKANNTScHAFT
Mtr HERMANN KNüFKEN
den Abendstunden klingehe es manchmal für ihn, er führte die Besucher dann in sein Zimmer und brachte sie relativ bald wieder zur Tür.
In den Vormittagsstunden hörten wir ihn
des öfteren Maschine
schreiben.
Befragt, rvelcher Arbeit er nachgehe, antv/ortete er ausweichend. ,,Wenn ich ausziehe, nenne ich meinen Beruf", erklärte er und fügte hinzu: ,,Ich sitze hier wie die Spinne im Netz. Die Leute kommen zu mir, ich brauche niemanden aufzusuchen." Die abendlichen Besucher, so erfuhren wir später, brachten Knüfken Berichte aus der damaligen SBZ. An unserer Familie und unserem Freundeskreis nahm Knüfken regen Anteil und überraschte uns durch seine Beobachtungsgabe und seine Menschenkenntnis. Er drängte sich nie ungebeten in eine Sache hinein, gab aber manchen guten Ratschlag. Lebhaft und gern erzählte er aus seinem Leben, von der schwerèn Kindheit im Rheinland, der aufopferungsvollen Mutter und besonders anschaulich von der harten Zeit als junger Seemann auf einem Heringslogger, der vor Island fischte. Noch heute könne er jeden Handgriff, manches Mal im Schlaf hole er die glitschigen kalten Fische aus dem Netz, schneide sie auf, reiße die Eingeweide heraus und greife zum nächsten. Eine schmerzhafte Zahngeschichte, Skorbut und der ,,Ab-
schaum der Menschheit" neben ihm, ließen ihn rückblickend schaudern. ,,Wenn ein Heringslogger Richtung Cuxhaven fuhr, machten alle anderen Schiffe einen Bogen, denn sie wußten, das Steuer ist festgebunden und die Besatzung schläft, nachdem vorher Tag und Nacht durchgearbeitet wurde." Allmählich entstand für uns ein deutlicheres Bild des Lebensweges und der politischen Einstellung Knü{kens. Mir insbesondere mit meinen harmlosen bürgerlichen Vorstellungen war vieles fremd, seine Sicht der Dinge teils sogar abstoßend, aber auch wieder aufregend. Z:u;rrral man bei allen geschilderten Aktionen und Auffassungen stets ein tiefes Verständnis für menschliche Schwächen, Bedürfnisse und Probleme erkennen konnte. Als hohes Gut nannte er immer wieder die persönliche Freiheit. Als ich einmal erzählte, daß ich eine kommunistische Studenrenversammlung besuchen wolle, horchte Knüfken auf und bat mich, genau Bericht zu erstatten. Er machte mich auf die Methode der (kommunistischen) Gedankenführung aufmerksam. Ein Prinzip solcher Vorträge sei: frech behaupten, oft wiederholen, nie beweisen. Auch durch Zitate solle ich mich nicht beeindrucken lassen, sie seien häufrg falsch
l,,*xe
Eeoao cARSTEN: METNE BEKANNTScHAFT Mlr HERMANN KNÜFKEN
3ól
*¡od nur zweckgebunden, auch wenn mit genauen Werkangaben und seitenzahlen operiert würde. Knüfl<en selbst habe seinerzeit diese Art i,der Beweisführung gelernt, sich aber später von der Methode abgeørendet, da er sich der Wahrheit verpflichtet fühle. Für die Diskussion gab er mir eine Reihe von Fragen nach Ereignissen und Personen mit, ,; dirc dem Redner wahrscheinlich sehr unangenehm sein würden. Da ,r,si¡ das Hintergrundwissen fehlte, konnte ich diese Fragen allerdings aicht stellen. Meine Berichterstattung fiel offensichtlich zufriedenstelÊend aus und entsprach seinen Erwartungen. In dem Zusammenhang machte I(nüfken mich später auf einige Bücher aufmerksarn, u.a. Valtin Tøgebwch d.er Hälleundlung Der Weg nøch ønten,in denen auch über ihn etwas zu erfahren sei. Immer suchte Knüfken das politische Gespräch. Dabei war ihm mein Vater der bevorzugte Partner. Offensichtlich freute er sich schon den ganzen Tag auf die abendliche Stunde, in der er dann mit Nescafé r-nd Zigaretten anrückte, um über historische Ereignisse, die júngste Vergangenheit und Tagesprobleme zu diskutieren. Dabei kommt mir ein Bild in den Sinn, das die äußere Situation in den Jahren 1946/47 deutlich macht und das nicht der I(omik entbehrt. Die beiden F{erren sitzen rechts und links von einem kleinen Tisch. An den Tabakskasten ;r
meines Vaters.ist zu beiden Seiten je ein Spiegel gelehnt, davor steht eine Schale mit warmem Wasser, beide Herren sind eingeseift und be ginnen, sich zu rasieren. Da Gas zum Erwärmen des Wassers nur stundenweise
zurVerfügung stand, mußte die Gelegenheit ergriffenwerden, wenn sie sich bot. Die Debatte entspann sich bereits während dieser Prozedur' Neben großer Toleranz wurde an manchen Stellen auch unerbittliche Härte spürbar. ,,Manchmal muß man konsequenterweise auch über Leichen gehen", sagte Knüfken. Neben einem klaren rationalen IGlkül spürte man aber auch gefühlsbetonte Seiten. Verschiedentlich kamen schwedische Besucher und übernachteten auf unserer Chaiselongue. Ich erinnere mich an Nils Haglund, mehr aber noch an Stig Dagerman, in dem Knüfken einen schwedischen Goethe sah. Vermutlich arbeitete Dagerman damals an seinem Buch Dewtscher Herbst.
Mit viel Liebe erzählte I(nüfl<en von seiner Familie, von seiner Frau Sonja und der damals dreijährigen kleinen Rutþ. Für Ruth legte er den Briefen an seine Frau immer ein selbstgemaltes Bild bei. Einmal kam er seufzend zu uns und fragte, ob wir nicht ein Buch hätten, aus dem er Bilder abzeichnen könne, er habe nun wirklich alles gemalt, was er von
sich aus könne.
Ilier war ihm leicht zu helfen.
362
rNeeeonG cARSTEN: METNE BEKANNTscHAFT Mrr HERMANN KNüFKEN
Gerne setzte sich Knüfken ans Klavier. Er spielte mit Vorliebe VolksIieder oder phantasierte melodienreich und harmonisch vor sich hin. Noten kannte er nicht, das Klavierspielen hatte er sich ebenso selbst beigebrachtwie seine literarische und historische Bildung. Die Belesenheit ging wohl zu einem guten Teil auf die schwedische Internierungszeit zurück. Sein umfangreiches Wissen war erstaunlich. Von Schweden erzählte er mit Vergnügen, wie er dort die langen Gefängnisflure gebohnert habe, wenn das gute Essen ohne körperliche Arbeit ihm zu stârK zusetzte.
Die Zukunft lag damals dunkel und schwer vor uns. Nicht nur die katastrophale Ernährungssituation - und ein Wandel war nicht abzusehen. Knüfken ermunterte uns mit seiner Voraussage, drei lahre sollten die Deutschen büßen, dann werde es wieder bergauf gehen..tuch damit hat er recht behalten. Später bekam Knüfken in einem von Engländern besetzten Viertel in Othmarschen, wo auch wir wohnten, eine Wohmrng zugewiesen. 1949 konnte er seine Frau, Ruth und den kleinen * Sohn Alan nach Hamburg holen. Wir lernten Frau Sonja persönlich kennen und schätzen. Flermann Knüfken verabschiedete sich aus unserer Wohnung mit den Worten: ,,Ich diene der englischen Krone." Einmal konnte ich die Familie Knüfken in Brighton besuchen. Hermann Knüfken strahlte - wenn auch gesundheitlich schon schwer belastet - in seinem Wesen noch den alten positiven Geist aus. Als Frau Knüfken sorgenvoll äußerte, er müsse noch immer hart arbeiten und es sei nicht abzusehen, wann er sich endlich zur Ruhe setzen könne, meinte er heiter: ,,Sei doch froh, daß ich noch so arbeiten kann!" Eine Sache allerdings betrübte ihn, nämlich daß aus Sicherheitsgründen für ihn kein Kontinentbesuch möglich war. ì Mitte der achtziger ]ahre schickte Sonja Knüfken mir Aufzeichnungen ihres Mannes zu mit dem Wunsch, ich möge in Deutschland für eine Veröffentlichung sorgen) und übertrug mir die Rechte dafür. Damals fand ich leider keinen interessierten Verlag. Es freut mich, daß jetzt der BasisDruck diese Aufgabe übernommen hat.
Abb. 79 | Herøønn Knüfhen. røit seinern Brwder Ernst ørn 1914.
Erihø Thölke Erinnerungen an 0nkel Hermann
Meine Großmutter hatte sich immer gewünscht vor ihrem Tod noch einmal ihren jüngsten Sohn zu sehen. Sie wußte von ihm nur, daß er mit 14 Jahren ausgerissen und auf ein Schiff gegangen war. Als sie mit 88 lahren starb, war dieser Wunsch unerfüllt geblieben. Mein Vater suchte weiter nach seinem Bruder und fand ihn schließlich mit Hilfe früherer kommunistischer Parteifreunde meines Onkels in Hamburg. Das war etwa 50 lahre nach lfermanns Verschwinden. Er lebte inzwischen nach
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ERIKA THÖLKE: ERINNERUNGEN AN ONKEL HERMANIT
einem abenteuerlichen Leben im Untergrund in verschiedenen Ländern in dem Seebad Brighton an der englischen Kanalküste) hame eine Russin geheiratet und hatte zwei Kinder, die etwas jünger waren als mein Bruder Herbert und ich. So hatten wir plötzlich noch einen Onkel Hermann in England, eirie Tante Sonja, eine Cousine Ruth und ein Cousin AIan. IJnsere anderen Vettern und Basen waren alle 20 bis 30 Jahre älter als wir, weil ihre Väter nicht so spät geheiratet harten, und das Verhältnis zu ihnen war auch aus politischen Grûnden nicht so eng. Der älteste Bruder war im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen, der zweite war seit einem Gasangriff erblindet, der dritte ein sehr konservariver Beamter. Die beiden älteren Brüder waren von Hitler überzeugt und später begeisterte Adenauer-Anhänger. Mein Vater und sein jüngster Bruder hatren auf dem Düsseldorfer GraÊAdolÊPlatz gegen den Ersren Weltkrieg demonstriert und warên von berittenen Polizisten zusammengeknüppelt worden. Die Folge davon war, daß sich mein Vater von da an politisch zurückhielt, obwohl er später immer die SPD wählte und Mitglied in der Gewerkschaft ÖTV war. Mein Onkel aber wurde durch dieses Erlebnis zum noch überzeugteren Kommunisten, der für diese Partei und die SeeleuteGewerkschaft im Ilntergrund in Rußland, Belgien und Skandinavien gearbeitet hatte und dabei sogar jahrelang in Geflängnissen und unter Stalin in Lagern gesessen harte. Mein Vater war glücklich diesen Bruder wiedergefunden zu haben, ein Briefwechsel zwischen beiden Familien folgte. Die Kinder und die beiden Frauen besuchten sich gegenseitig, aber die beiden Brüder blieben stur. Onkel Hermann wollte nicht zurück ins ehemalige HitlerDeutschland, wo ihn die Gestapo jahrelang verfolgt hatte, und mein Vater wollte nicht ins Land des ehemaligen Feindes reisen. (Diese Aussage muß ich heute etwas relativieren, ich habe inzwischen erfahren. daß mein Onkel und meine Tanre nach dem Krieg eine Zeit lang in Hamburg gelebt hatten. Vielleicht hing es eher mit der geheimdienstlichen Tätigkeit für die Engländer zusammen, er fuhr jeden Tag mit dem Ztg nach London und kontrollierre russische IJ-Boore. Mein Vater reiste überhaupt nicht gerne und ließ auch sonsr seine Frau und seine Kinder allein verreisen, während er sich selbst als Lokalpatriot bezeichnete.) So wurden die Frauen und Kinder auf Reisen geichickt und kamen mit Erzählungen, Fotografien und Briefen zurück. Onkel Hermann war im Gegensatz zu meinem Vater klein und drahtig, er rauchte und interessierte sich für Radrennen. Aber sonst gab es
FRIKA THOLKE: ERINNERUNGEN AN ONKEL HERMANN
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viele Gemeinsamkeiten; obwohl sich die beiden seit 50 Jahren nicht gesehen hatten. Die Nachrichten im Radio mußten stündlich gehört werden, beide waren recht charmant und halfen gern ihrer Frau bei bestimmten Hausarbeiten, beide spielten Klavier bzw. Iìlarmonium und beide waren sehr gepflegt. Die tägliche Rasur und Nagelpflege waren beiden wichtig. Onkel Hermann erzählte mir einmal, er habe wegen seiner sauberen Nägel früher sogar Ärger bekommen, weil ,,Proletkult" schwarze Nägel vorgeschrieben habe, das habe er aber einfach nicht
fertig gebracht. Tante Sonja ähnelte den Frauen aller Brùder, sie war klein, tüchtig und sparsam, nur ihre roten l{aare und ihre Sprachbegabung fielen aus der Reihe. Ihre roten lilaare waren zwar schon etwas mit Grau vermischt, aber sie war lebhaft, temperamentvoll und herzlich wie eine viel jüngere Frau. Sie sprach vier Sprachen fließend mit einem ganz leichten russischen Akzent: Englisch, Französisch, Deutsch und natürlich Russisch. Onkel llermann sprach n¡sätzbch zu diesen Sprachen auch noch Dänisch und Schwedisch, aber alles ohne Grammatik, wie Tante Sonja zu sagen pflegte. Er hatte nur die Volksschule besucht, während sie ihre Sprachkenntnisse durch Universitätskurse vervollkommnet hatte. Die beiden hatten sich in Leningrad kennen gelernt. Tante Sonja hatte noch sechs Schwestern, alle rothaarig, und einen Bruder. Sie erzähIte, Onkel Hermann sei eigentlich hinter einer anderen Schwester her gewesen, aber die habe so viele Verehrer gehabt, daß er bei dieser Schwester nicht zum Zuge gekommen sei und mit ihr vorlieb genommen habe. Die Hochzeitsreise sei nach Karelien gegangen, in die Hütte eines Genossen, und als sie einmal mühsam erjagtes Fleisch eingetauscht hätten, sei das zur ihrer großen Enttäuschung schon schlecht gewesen. Sie hatten erst nach zwanzig Ehejahren ihre beiden Kinder in England bekommen, als Onkel l{ermann sein bedrohtes politisches Leben abgeschlossen hatte. Tante Sonja erzàhIte auch, daß sie sich in England erst wieder an ihren Ehemann habe gewöhnen müssen, den sie einige Jahre nicht gesehen hatte. Ruth war klein und rundlich und hatte rotbraune wellige llaare und Allan war blond und hatte riesige grüne Augen und mußte sich sehr schonen, weil er herzkrankwar. Er durfte sich nicht aufregen und mußte sich selbst beim Spazieren gehen häufig hinkauern, weil er nicht genug Luft bekam. Damals kam er mir sehr verwöhnt vor. weil die Eltern ihm jeden Wunsch von den Augen ablasen. Einige Jahre später wurde er am Ilerzen operiert und starb wenige Tage nach der Operation.
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ERIKA THöLKE: ERINNERUNGEN AN ONKEL HERMANI.¡
Ich fotografierte die beiden Piers in Brighton, den Königlichen Pavillon, alte Kirchen und Parks. Ruth begleitete mich bei einigen Ausflügen. Sie hat sich später mit l{erbert angefreundet und die beiden haben
lnsprache zum lod von Hermann Knüfken
sich zahlreiche Briefe geschrieben, sie waren etwa gleichaltrig und hatten wohl auch ähnliche Probleme mit der Schule und den alten Eltern. Ich war immer von der Idee der englischen Schuluniform begeistert gewesen, weil ich in meinem Düsseldorfer Mädchengymnasium als Kind armer Eltern beim dort herrschenden Modewettbewerb nicht mithalten konnte. Ruth trug im Jahr meines Besuches eine beigefarbene Uniform mit Faltenrock, Pullover, Kniestrümpfen und derben Schuhen, die für sie nicht besonders vorteilhaft war. Auch das von mir als großartig und gemeinschaftsfördernd vorgestellte Schulmittagessen schien häufig aus fettigem llammelragout zu bestehen. Dabei kochte Tante Sonja sehr gut, sie schien sich aus den Küchen all der Länder, in denen sie gelebt hatte, das beste rausgesucht zu haben. Ihr Borschtsch-Rezept koche ich noch heute nach. Ruth spielte mehrere Instrumente, unter anderem Cello und FIöte, und Onkel llermann setzte sich ans Klavier und Ruth und ich spielten Flöte oder sangen mit. IJnser Repertoire war breit und volkstümlich von alten russischen Volksliedern bis zu Onkel llermanns Lieblingsschlager ,,Auf der Reeperbahn nachts um halb eins". Abb. 80 lHermønn I(nüJhen (1893
-
1976)
Wir sind hier) um unsere Liebe und Achtung für einen ganz besonderen
Menschen zt zeigen. Wir wissen, wie sehr er das mißbilligt hätte. Sogar jetzt noch sehen wir das Blitzen in seinem Auge, sein Achselzucken, denZug an seiner Gauloise vor uns. Das sind ICeinigkeiten, die Bände sprechen. Selten ließ er sich von et\.¡/as abbringen, das er für richtig hielt. Aber hier nehmen wir uns das Recht, einem wirklichen Mann Ehre zu erweisen. Größe ist nicht eine Frage von Zentimetern. Er war ein Mann, ein Seemann und ein Fischer, der von seinen jungen Jahren an ein Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit war. Insbesondere kämpfte er für die Rechte der Seeleute aller Nationen. Wahrscheinlich wissen nur wenige, wieviel die freie Welt seiner mutigen Arbeit gegen Diktatur und Unterdrückung verdankt, ein Thema, das sich wie ein Leitfaden durch sein ganzes Leben zog.
3ó8
ANSPRACHE ZUM ToD VoN HERMANN KNÜFKEN
Er kampfte für die Menschenrechte und glaubte an sie . Dafür ertrug er Unglück und Verlust. Dazu gehörte sogar der vorübergehende Verlust der Freiheit, für die er kämpfte. Dennoch ließen ihn seine besonderen Eigenschaften : Ausdauer, I{umor und zähe Beharrlichkeit all dieses Unglück ohne eine Spur vcin Selbstmitleid errragen. Das zeigte sich besonders in seinen späteren ]ahren. Als er von K¡ankheit gezeichnet war, betrachtete er sich nicht als einen Invaliden. sordern führte weiter ein normales Leben ohne zu klagen. Dieses normale Leben begann im Alter von 72 Jahren, nach einer außergewöhnlichen achtundfünfzigjährigen Berußzeit, immer der See verbunden. seine große Liebe zur See blieb ihm bis zum Ende seines Lebens und führte dazu, daß er den Wunsch äußerte, seine Asche möge auf das Meer gestreut werden. Wir werden alle von hier unsere eigenen Erinnerungen an diesen Mann mitnehmen: sein scharßinniger lIumor, die Wärme seiner persönlichkeit, die Treue seiner Freundschafr, die Festigkeit seines rrändedrucks.
Aber laßt uns unsere Tränen und Sorgen verbergen und laßt uns ein tapferes Gesicht z' unserem verlust machen, denn ich bin sicher. daß er gewünscht hätte, daß wir so handeln.
yon d.er Thøøerfeier ist øwf ly.slt1toWnt. überli.øferte þposhript 13. Febrøør 1976 d.øtiert.
d.en
Anhang
;ånmerkungen
Anruørhang en zw Herncømn l(nüfk, ens Erinnerøng en Soweit nicht anders vermerkt, sind biographische Angaben zu den namentlich oder indirekt erwähnten Personen separat im ,,Personenregister" zusammengefaßt. Die in den Erinnerungen verwendeten 'A.bkürzungen werden im,,Abkürzungsverzeichnis" aufgelöst.
9
I. Mørine-Inspehtion - Die lGiserliche Marine war unterteilt in die Marinestationen Ostsee mit Sitz in Kiel und Nordsee mit Sitz in Wilhelmshaven. Beiden Stationen stand jeweils ein Stationschefvor. Diesem unterstellt waren die jeweiligen Marine-Inspektionen der Station (I. in Kiel, II. in Wilhelmshaven) und diesen wiederum die I. (I(ieler) bzw. II. (Wilhelmshavener) Matrosen-Division, die I. (Kieler) bzw. II. (Wilhelmshavener) Werft-Division und in Kiel darüber hinaus die I. Torpedo-Division und das I. See-Bataillon.
I0
Wrm.essøngsgø.tt - Gast (Mehrzahl Gasten oder Gäste) bezeichnet einen Matrosen mit besonderer Ausbildung bzw. einer bestimmten Aufgabe an Bord wie z.B. auf einem Vermessungsschiff. irn
Ihrnplott - Bezieht
sich auf die Verabredung und gemeinschaftliche
Ausftihrung der Fahnenflucht nach $ 72 des damals gültigen MilitärStrafgesetzbuchs für das Deutsche Reich vom 20. Jani 1872. Festøngsgor.rpernear
-
Gemeint ist Vizeadmiral Gustav Bachmann.
- Gitterstäbe an Fenstern, Treppengeländern, Brüstungen usw. (nach dem französischen treille). Mørs - Das ehemalige Artillerieschulschiff Møzs (Stapellauf ).879) wurde l9L4 aus der Liste der Kriegsschiffe gestrichen und diente der Marine bis zur Abwrackung l92l als Wohnschiff. Tr,øljen
-
in d.er Wih f893 eingemeindeter Stadtteil im Nordwesten Kiels, seit der Ernennung Kiels zum Reichskriegshafen (187I) hâuptsächlich durch die Marine geprägt.
13
Sp
ørtøhàsren
-
Paaschalbezeichnung für organisierte Revolutionäre
und Kriegsgegner, nach I9I8 auch für die Mitglieder der KPD (ngl.S.76). Der Begriff geht zurück auf die nach den Spørtøhøsbri,efen benannte ,,Spartakusgruppe"
um Rosa Luxemburg, Karl
372
ANMERKUNGEN
Liebknecht u. a. Diese hatten am I. Januar I9Ió auf der Reichs. konferenz der Gruppe ,,Internationale" die Herausgabe eines Mitteilungsblatts beschlossen, das zunächst unter dem 'IiteI Politische
schrift Arbeiterpolitiå (ab |uni 1916) gemeint, die sich seit dem 23. November L9IS,,Internationale Kommunisten Deutschlands" nannte.
Briefe erschien und mit Spørtøcøs rnterzeichnet war.
14
- Seemännisch für: schwere Gegenstände oder eine Vielzahl von Dingen durch die Besatzung an Bord bringen; ursprünglich: von Mann zu Mann geben.
geTnø.nnt
Gemeint ist die I. Aufklärungsgruppe mit dèn Schlachtkreuzern Derffl'inger, Seydlitz, Von d.er Tønn, Molthe und Blücher, vgl. S.33. Schnelle Division
-
d, es ö s tør r e'i ch i s ch e n M i n i s t er s Sti,i'rg hh - Am 2 I . Oktober erschoß der österreichische Sozialdemokrat Friedrich Adler aus Protest gegen die Kriegspolitik Österreich-Ungarns den Miniwird zum Tode versterp-räsidenten Karl Graf von Stürgkh.
Er rn o r d.ung
I9ló
S.M.S.Hyd.ne - Ehemaliges Kanonenboot, Stapellauf 1878, 1879 - 1887 Südsee, 1882 Erforschung der Osterinsel, 1884 Besitzergreifung des Bismarck-.4.rchipels, 1888 - 1898 Westafrika,
I9II - I9l9
Vermessungsschiff, Eider-Mündung, J, 9 I 9 verkauft,
'A.dler
l9I4 - I9l8
urteilt, dann zu 18 Jahren Haft begnadigt und im November I9l8
19
amnestiert.
auch Bewachung der 2 4 abgew r ackt.
Bøch- Ein auf dem Vorschiff aufgesetzter '{.ufbau. Poop - Die Poop (nach dem lateinischen þnpp^ ,,Rücken", ,,I{interteil") ist ein Aufbau auf dem Achterdeck, der die Seetúchtigkeit erhöht und zur lJnterbringung, auch von Matrosen, dient. I6 Mewterei 1917 - Die sogenannte Marinemeuterei begann am ó. Jurri I9\7, als die Besatzung des in Wilhelmshaven liegenden Linienschifß Prinzregent Løitpold. wegen des schlechten Essens den Dienst verweigerte. Die lJnruhen gipfelten am 2. August im Ausmarsch von mehreren hundert lleizern und Matrosen. Die Führer der Matrosenbewegung, Max Reichpietsch (geb. 1894) und Albin Köbis (geb. 1892 ), wurden am 25. August zum Tode verurteilt und
Pütz
Linhe Ibmrnønistenl...l Grappe Internøtionøle- Am 5. März
I9I5
beschlossen Vertreter der linken SPD-Parteiopposition in Berlin die
Zeitschrift Di e Intelnø.tionøle herauszugeben. Die danach benann-
te Gruppe ,,Internationale" formierte sich nach der Reichskonferenz L9l6 zur ,,Spartakusgruppe". Mit ,,Linken Kommunisten"
ist vermutlich die sogenannte ,,Bremer Linke" um die Wochen-
Seemännisch
für Eimer; möglicherweise eine Entlehnung ch
e,,lederne Tasche".
Pfeifen ønd. Lønten øøs - In Verbindung mit ,,Ruhe im Schiff" (S.18) der Befehl zur Nachtruhe (2I Uhr). 20 Shøg err øh- S chlø ch t - In der Schlacht vor dem Skagerrak am 3L Mai/ L Juni L9L6 wurde deutlich, daß eine direkte Konfrontation zwí-
schen dèutscher und britischer Flotte zu keiner Entscheidung führte. Die Folge war, daß die Großkampfschiffe kaum noch in A.ktion traten und es zwangsweise zu langen Hafenaufenthalten kam, vgl. S.44f. Neøføhrw øsser
-
Hafenvorort von Danzig.
Lini. ens ch iff B øy er n f . . .l B ø d. en - Die B øy e r n ( Stapellauf 19 I 5 ) war I9I7 beteiligt an der Besetzung der baltischen Inseln und versenkte sich wie die gesamte deutsche Flotte am 2L Juni l9l9 in Scapa Flow. Die Bød.en (Stapellauf l9L5) war Ì916-19ì.9 Flottenflaggschiff und versenkte sich ebenfalls in Scapa Flow.
ønlri$lich d.es Gebwrtstøges - Der Kaisergeburtstag am 27. Januar war neben dem Sedanstag (2. September) Nationalfeiertag. d.ie Web ørø Montøg 1...1 Volhszei.tttng - Beide Zeitungen opponierten gegen den Krieg mit unterschiedlicher Tendenz. Hellmuth von Gerlach vertrat in der Web ø,1?t Montø,g pazifistische und radikaldemokratische Positionen. Die 1894 gegrùndete sozialdemokratische Leipziger Volhszeitung galt ab I9I7 als eine Art Zentralorgan der USPD.
-
des französis chen po
am 5. September in Köln-Wahn hingerichtet. T7
373
ANMERKUNGEN
2T
in Bøhørest
-
Bukarest wurde am ó. Dezember
l9Ió von den Mit-
telmächten besetzt. 23 yøterlønd,slose Gesellen - Allgemein für,,Kriegsgegner", ursprünglich Schimpfname fùr die deutsche Sozialdemokratie, die 1870 nach dem Sieg von Sedan über Frankreich die Zustimmung zu weiteren Kriegskrediten verweigerte.
- Auch Dingi oder Dingy: Kleinste Form eines Beiboots mit Platz für zwei bis drei Personen.
24 Dinghy
374
25 33
ANMERKUNGEN
Noch - Begriff aus der Seemannssprache für ,,Spitze" (eines Rundholzes) oder ,,Ende" (einer Rahe), vgl. niederländisch nohfür Spitze, Gipfel, First.
etwø d.ør USPD
-
Nach dem Ausschluß der Linksopposition durch
den SPD-Parteivorstand im Januar L9I7 konstituierte sich am ó.-8. April in Gotha die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands, der sich auch die ,,Spartakusgruppe" anschloß. Vermøssøngs-Hellegøtt - Das Hellegat, volksetymologisch,,Höllenloch", bezeichnet allgemein den Stau- und Lagerraum für Werkzeuge und technisches Gerät unter Deck. Theod.oliten - Instrumente zur Messung von Horizontwinkeln.
35 øøflønd.i.g - Bezeichnet die Windrichrung von der See auß Land. 38 Es fehlt die Seite ì.7 des Originaltyposkripts; hier zwischen ,, [...] die
Blutzirkulation stockte" und,, Die Marine -Unte r ofltzier e [. . ] ". 39 Røppertz - Im Original auch die Schreibweisen ,,Rupperr" und .
,,Rupperts".
40 Vøter Seernønn - Marinedeutsch für: Arrestaußeher. 43 S.M.S.Westfølen - Auf der Westfølen hatre am Ì6. August l9I7 ein Teil der Mannschaft den Dienst verweigert. Trotz der nachfolgenden Verhaftungen galt die Westfølen als ,,Zentrum für die
Bewegung" und ,,letzte Bastion der revolutionären Mannschaftsorganisation", was weitere Anzeigen und Verhaftungen nach sich zog.
'irnJønøør
-Im Original irrtümlich: im lanuar 1917. In - der Arbeiterbewegung populäre ersre Strophe
1918
Nicht betteln
eines insgesamt vierstrophigen Lieds von Hoffrnann von Fallersleben, das 1,841 unter dem Titel Nønqøøm retrzrruTtr. in seinem Gedichtband Unp o Lit is ch e Li e d. er erschien.
45 I(orb-Ein Korb entspricht einem Gewichtvon
50 kg; ursprringlich orientiert am Gewicht eines Weidenkorbs voller Fische. Dr e ø d.noøght- Schlachtschiff-Prototyp nach dem britischen Linienschiff H.M.S . Drøød.noughr (,,Fürchte nichrs"), Stapellauf 190ó, das durch starke Panzerung, hohe Dauergeschwindigkeit und die große Anzahl gleichkalibriger Geschütze eine neue Kriegsschiß
epoche einleitete
.
375
ANMERKUNGEN
46
Stolz weht d.ie Fløgge - Das sogenannte Fløggenlied. von Robert Linderer (Text) und Richard Thiele (Melodie) aus dem Singspiel Unsere Mørine galt als Hymne der Kaiserlichen Marine. 47 Gebler - Im Original auch die Schreibweise ,,Gebeler". Etøløge - Entlehnung aus dem Französischen: Auslage, Schaustellung, hier im Sinne von Ablage.
48
Sto chh
olrner Soz'iøIistenhoøferenz
- Die mehrmals
verlegte und dann
frir den I5. August Ì917 einberufene internationale sozialistische Friedenskonferenz in Stockholm kam wegen der Uneinigkeit der Parteien nicht zustande. Aufgrund des im Vorfeld geäußerten Vorschlags,,Frieden ohne,A.nnektionen und Kriegsentschädigungen" setzten die Matrosen große Hoffnungen auf die Konferenz und sammelten Unterschriften. 49 Jøliwsstrø!1e- Die Marinestation Ostsee befand sich in derAdolfstraße 22-28, vgl. auch S.7I. 50 d.øs wärd.e 28 Tøge Wøsser and. Brot bed.eøten ønd. Entzøg d'er Møtrø.tze - Im Original: das würde 28 Tage Wasser und Brot, und
Entzug der Matratze.
Jó
Nord.d,eøtsche Alþerøeine Zeitang - I8óL gegründet als demokratisch-republikanisches Blatt, ab 1890 regierungsnah (,,Sprachrohr Bismarcks"), zeitweise finanziert vom Auswärtigen Amt; ab I9l9 D e øtsch
e
A
lþ ern ein e Z eitøng.
Ivn Ohtober 1917 1...) 50er Boote
U 52, das am29. Oktober 1917
-
Es handelte sich um das Boot
sank.
ob Ad.røirøl Schmidt- Erhardt Schmidt war Chef des
Chef des
III.
I. Geschwadersl
Geschwaders war Hugo Kraft.
66 Møtrosen voø S.M.S.Mørhgrøf eingeliefert - Die Besatzung der Mørhgrøfhatte als eine der ersten des IlL Geschwaders gegen die AuslauÊBefehle opponiert: Am 28. Oktober l9I8 verweigerten die Matrosen das Ankerlichten und die Heizer rissen die Feuer aus den Kesseln.
67 eirue Wrsøwnoløng ton Møtrosen - Gemeint ist die Kundgebung am Sonntag, den 3. November, auf dem Exerzierplatzhtnter der Wøld'' wiesø. im Süden Kiels. Diese war am Abend zuvor an selber Stelle von demonstrierenden Matrosen für 17 Uhr einberufen worden.
Dechffizier-Pøtroøille - Es handelte sich um einen 30-40 Mann starken Ztg einer Ausbildungskompanie der Torpedo-Division
376
.
die Demonstrânten erwartete.
7l Irn Gefoingni;
selbst
-
Über die Gefangenenbefreiung berichtet ein
.tugenzeuge: ,,.4,n diesem 4. November marschierten wir auch zum Marinegefángnis in der Feldstraße. Es war ein großer Fackelzug. Bleich, mager, unrasiert, teilweise mit langen Bärten kamen die Inhaftierten heraus. Als aber die Kapelle den Präsentiermarsch spielte, schritten diese bedauernswerten Gefangenen die Front ab in einer Haltung, als wären sie Offiziere. Sie waren ja auch Offrziere der Revolution" (Robert Neddermeyer: Es begønn iø Hørnbørg ...
Berlin/DDR 1980, 72 Pørøbellwm
-
S.
85).
1904 bei der Kaiserlichen Marine eingeführte Pisto-
- ,,Mitglieder der K.P.D., die diese Anschauungen [. . ] nicht teilen l. . .], haben aus der Partei auszuscheiden" zur Spaltung der Partei führte. Die sogenannten ,,2I Bedingungen der Komintern" (Leitsätze über die Bedingungen der Äufnahme in die Kommunistische Internationale) wurden am ó. August 1920 in Moskau auf dem 2. Kongreß des III. Internationale (I9.7. :und deren letzter Punkt
unter Führung des Leutnant der Reserve Oskar Steinhäuser, die gegenüber des Cafr I(øiser an der Ecke Brunswiker-, Karlsstraße 69 Um 3 Uhr ørø 3. Nopewber - AIle hier erwähnten revolutionären Ereignisse fanden erst am 4. November statt.
377
ÂNMERKUNGEN
ANMERKUNGEN
"
-
23.7. -7.8.19 20 ) verabschiedet.
I(orørnønistische Arbe'iter-Pørte'i
4./5. Apríl
1920
-
Díe K,\PD gründete sich am
in Berlin und vertrat nach eigenen Angaben
38.000 ehemalige Mitglieder der KPD (S).
/ò Alþerneinø Arbe'itør-Union - Die AAU gründete sich als revolutionäre Gewerkschaft am 14. Februar 1920 in l{annover. Nach einer kurzen Blütephase J-92t- mit ca. 100.000 Mitgliedern zerfiel die Organisation nach 1923 und schrumpfte auf wenige tausend Anhänger, vgl. auch S.188.
.l
lød, d.i,e Opposi.ti.on øin
- Mit
Schreiben vom 7. Februar
le.
Moskøø l.
- Die Ilessen (Stapellauf 1903), Ì916 Skagerrak-Schlacht, Iag seit L9I7/L8 als Beischiff in Brunsbüttel und hieß nach der am Schiffsrumpf aufgemalten Warnung scherzhaft S. M. S. Iöei,nst e Føhrt. L925-1935 wieder in der Flotte, 1937-1945 als ferngelenktes Zielschiff, 1946 an die UdSSR ausgeliefert.
1920 hatte das Exekutivkomitee der Komintern den oppositio-
73 Hessen
74 Gränd.øng d.er I(PD - Am 29. Dezember I9I8 trafen sich Delegierte des Spartakusbundes zu einer nichtöffentlichen Beratung. Vom 30. Dezember bis zum I. Januar 191,9 tagten Spartakusbund und
Internationale Kommunisten im Preußischen Abgeordnetenhaus in" Berlin und gründeten die KPD (Spartakusbund). ønd. beftird.ert d.ørch
- Im Original: und geholfen durch. - Am 15. Januar I9I9 wurden Rosa
Rosø LøxerøbØrg 1...) Lev,iné
Luxemburg und Karl Liebknecht vor dem Berliner Hotel Ed.envon Angehörigen der Gardekavallerie-Schützendivision ermorder, am I0. März erschoß der Kriminalwachtmeister Ernst Tamschik im Berliner lJntersuchungsgefángnis Moabit den Mitbegründer der KPD, Leo Jogiches, und am 5. Juni wurde der Führer der Münchner Kommunisten, Eugen Leviné, in München wegen lfochverrats hingerichtet.
2l Thesen - Auf dem 2., sogenannten Heidelberger Parteitag der KPD (20.-24.10.1919) wurden am 2L. Oktober sieben ,,Leitsätze iber kommunistische Grundsätze und Taktik" angenommen,
.
nellen Berliner Bezirk zur Aussprache nach Moskau eingeladen. Ober-Ost - Das 1,915 bis 1917 untef deutsche Militärverwaltung gestellte ;,Land des Oberbefehlshabers Ost" umfaßte die ehemals russischen Gebiete Kurland (heute Kurze me,/ Lettland), Litauen, einige polnische und die westlichen Distrikte Weißrußlands. . .l Vo lhsm ørine d.ivision - Infolge einer Generalstreikerklärung des Berliner Arbeiter- und Soldatenrâts am 3. März I9I9 verhängt das preußische Staatsministerium den Ausnahmezustand. Als Garde- und Freikorpstruppen in Berlin eintreffen, kommt es am 5. }r4'ârz zu Zusammenstößen mit der Republikanischen Soldatenwehr und der Volksmarinedivision. Die Volksmarinedivision war am LL. November I9I8 von ehemaligen Matrosen als Sicherungstruppe für Berlin gegründet worden. Sie wird am I0. März
Moirzh airupfe f.
aufgelöst. 76 d.ie honterrevoløtion¡iren Trappen Geschütze- Im Original: die kon-
terrevolutionären Truppen mit Artillerie durch die Untergrundbahn Geschütze. Ri.gø[...] Bøltihøw-Freihorps- Riga war nach der Besetzung durch rote Schützenregimenter am 3. Januar 1,9L9 bis zur Rückeroberung durch deutsche Truppen am22. Mai Hauptstadt Sowjetlettlands. Der amIT.Dezember I9I8 proklamierten lettischen Sowiet-
378
83
republik stand eine bürgerliche lettische Regierung gegenüber, die am 18. November die Republik Lettland ausgerufen harte, aber über keine Truppen verfligte. Um gegen die Sowjetletren vorzugehen, wurden in Deutschland Freiwillige angeworben und in Frei-
Mitøwl...l uerhøftet - Die kurländische Stadt Mita'u/Jelga- va war am 18. Màrz l9I9 von deutschen Truppen zurückerobert worden. Nach der Besetzung suchte man in Mitau untergetauchte,
77 hinter
tir d. er L e t ti s c h e n I(o rnman'is tis c h e n P ørt ei -Yom 1. bis ó. März L9I9 fand der 4. Parteitag der lettischen Sozialdemokratie statr, auf S e hr et
dem der der Menschewiki beschlossen wurde. Die Partei '{.usschluß nannte sich von da an Kommunistische Partei Lettlands. Sekretär x.,^ war -Janrs ùrIIs. 78 Døruø-Røbel- Landlâufige Bezeichnung für die vor der Oktoberrevolution durch die Provisorische Regierung Rußlands ausgegebenen lO00-Rubelscheine, auf denen die Reichsduma abgebilder war. ImGegensatz zu den ebenfalls im Umlauf befindlichen Kerenski-Bons und Sowjet-Noten wurden diese Scheine - genau wie die Zarenrtbel - vom Ausland und den Randstaaten anerkannt. 79 Mentere¿- Bei der hier erwähnten Meuterei handelt es sich offenbar um den Versuch des Libauer Soldatenrats und deutscher Truppenteile, von der Goltz am 3. April I9I9 nt verhaften.
- Der Libauer Hafen bestand aus fünf Teilen: dem Vorhafen, dem Hafen- oder Stadtkanal (mit Hansabrücke), dem
80 Hønsøhøfen
Seenoønnsstreih
-
Der am 12. September 1919 begonnene Streik
erfaßte von Bremen aus innerhalb weniger Tage die gesamte Nordund Ostseeküste. Hintergrund war die Entlassung von Seeleuten, die sich geweigert hatten, die -Arbeit streikender l{afenarbeiter zu verrichten. Am 8. Oktober wurde der Streik abgebrochen.
korpsverbänden (,,Baltikumer") zusammengefaßt.
,,verkleidete Bolschewiki"; zudem ging das Gerücht, die Russen planten über Kurland und Polen in Deutschland einzufallen. RosønstrøJle in Libøa - Die lettische Hafenstadt Lrbau/Lrepajawar bereits 1915 von der deutschen A.rmee besetzt worden und galt als ihr wichtigster Stützpunkt im Osten. Seit Anfang Januar Ì9I9 befanden sich in dieser ,,Basis für die Operationen gegen die Eolschewiki" neben dem deutschen Generalkommando auch Seestreitkräfte der Alliierten und die aus Riga geflüchtete lettische provisorische Regierung.
379
ANMERKUNGEN
ANMERKUNGEN
Schifføhrtsbund.-Im Dezember 1918 war in Opposition zum Deøts ch
en Tr ønsp ortørb e iter -Verb øn d, der Int ernøt izn
S ch
'
ø.l e
ifføhrtsg
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and. v erw ønd.ten B erwfen
b
esch
aiftigten Ar b eitneh -
einer hølbrnilitd,r'ischen I(ørøpforgønisøtion - Zunächst Teil des Geheimapparates der KPD rekrutierte sich die I(O aus dem Roten
Soldatenbund, dessen Auflösung die KPD-Zentrale im Juni tf'19 beschlossen hatte.
In
Zehnergruppen organisiert, besaß die I(O
allein in Berlin etwa 2000 bis 3000 Mitglieder. Informøtionsstelle Bremen - Die auf dem 2. Parteitag der I(PD ausgeschlossene Linksopposition versuchte bis zur Gründung der KAPD über eine ,,Informationsstelle", die der Bezirk Nord-West (Bremen) organisierte, untereinander in Kontakt zu bleiben. Cørio-Høus - I9I0/II erbauter Vereinssitz der 1805 von dem Pädagogen Johann Carl Daniel Curio (1754-f8l-5) gegründeten Gesellschøft d,er Freønd.e d.es vøteil¡ind'ischen Schøl- ønd. Erz'iehwøgswesens.
85 Iûrn'intern-Wrb
i'nd.øngsw, ø.nn - Gemeint ist wahrscheinlich Jakow Reich. Dieser galt als Gegner der linkskommunistischen Opposi-
tion. Kominternvertreter neben Reich war I9l9 -
fen.
zyslaw Bronski-Warszawski (1882
-
Kleines, schnelles Kriegsschiff für Aufklärungs-, Vorpo-
sten- und Verbindungsfahrten, das dem Flottenkommando für besondere Anlässe zur Verfügung steht.
ø'/t'nsbønd'
rneq entstand erst im September 1920 aus dem Zusammenschluß von Seetnønnsbønd. wd dem Wrein d.eøtscher Ibpi'ttine ønd. Offiz'iere d.er IIønd,elsrnørine. in dem sich deklassierte Schiffsoffiziere organisiert hatten. Senøtor Schröd.er - I9I7 für die I(aiserliche Marine gebautes Vorpostenboot mit 2I8 Bruttoregistertonnen und 400 PS, 38, 92m Länge und 6, 88 m Breite. I9l9 verkauft an die Cuxhavener Hochseefischerei AG und Rückbau zum Fischdampfer.
Winterhafen, dem Handels- oder Neuen Hafen und dem Kriegsha8L Auòso
S e evn'
bzw. etwas später der Deøtsche Seerøønnsbønd' gegrindet worden. Der Dewtsche Schifføhrtsband. (DSB), der Einheitsbønd' øller irw
-
19 37
).
- Im Original: Veranstaltungen. 86 Der Ihpittin - Johannes Gewald. Anstø.lten.
l92l
auch Miec-
380
ANMERKUNGEN
Der l. Steøerrnø.nn
- Bohle Prahm. - Friedrich Schier. d.er l. wnd. 2. Møschinist - Fritz Krapp (1. Maschinist) d.er
- Im Original: und erklärte. zø bringen - Im Original: bringen müssten. erhlrirte ich
2. Steøermønn
und Erwin
Witt (2. Maschinist). D'ie tIeizer-Alfred Starken und Hugo Widmer. Dør Koch
- Fritz
Kleen.
-
Der von dem deutschnatio-
nalen Politiker Wolfgang Kapp, General Walther Freiherr von Lüttwitz und Freikorps-Führer Korvettenkapitän llermann Ehrhardt (I88f-I971) organisierte Putsch gegen die Regierung begann in der Nacht zum 13. Màrz1920 mit einem Marsch auf Berlin. Nach-
dem die nach Dresden geflohene Regierung zum Generalstreik aufgerufen hatte, brach der Staatsstreich bereits am 17. März mit dem Rücktritt des zwischenzeitlichen ,,Reichskanzlers" Kapp zusammen.
-
Parallel zum Generalstreik gegen die Kapp-Regierung begann am 15. März der Aufstand von rund 60.000 Arbeitern im Ruhrgebiet. Arbeiterwehren (,,Rote Ruhr-Armee") gingen gegen die mit Kapp symparhisierende Reichswehr unter General Oskar Freiherr von Warter (I8óI-1939) vor und besetzten bis zum 2I. März das Gebiet zwischen Lippe und Ruhr. In Wesel sammelten sich Reichswehrtruppen und Sicherheitspolizei für den Gegenangriff und rückten unrer Bruch der Bielefelder Vereinbarungen (vgl. S. 137) ins Ruhrgebiet ein. Der Aufstand endete mit dem Einmarsch in Essen am 7. April; die letzten größeren Städte werden am 15. (Bochum) und 19. ,A,pril Ni.ed.erhrirupfung d.er Roten Røhr-Arlnee
(Witten) besetzt. 87 d;ie Delegierten - Der Gründungsparteitag der KAPD hatte am 4. April 1920 beschlossen, ,,eine Delegation von zwei Genossen" nach Moskau zur Komintern zu schicken. Ein Vertreter sollte aus dem Bezirk Berlin kommen, der andere aus lIamburg, um speziell die dortige,,Entwicklung" darzustellen. Schließlich reisten Franz Jrng
(Berlin) und Jan Appel (Hamburg) als Delegierte. S eg e Is chifflØp itrin - Franz Wolter.
ihn,
-Willi
ohne Awfwerhsøøøheit
90 Heøerbøøs-Bis zur Einführung gesetzlicher l{euerstellen der Stellenvermittler für Seeleute (nach dem niederländischen bøes,,IIerr", ,rMeister"). - Bezeichnet auf Fischdampfern den I(esselschacht.
Dorn
Pøtsch der IØpp-Lüttwitz-Fre¿h.orps
Ei.øer d.er Fønhtionrire
381
ERKUNGEN
ohne,{ufmerksamkeit wieder.
entfernt.
Hornsr'iff - Sandbank vor Blaavands Huk (s.S.9ó), Kap an der Westküste Jùtlands, die als geÊáhrlichste Untiefe der Nordsee gilt. Fød,en- In der Seefahrt gebräuchliches englisches Längenmaß; ein Faden entspricht I, 829 Meter. 94 Rollen 1...1 Størnpfen - Die seitliche Bewegung des Schiffs bei Seegang (Rollen bzw. Schlingern) und die längsgerichtete Bewegung (Stampfen). Ex-Stud.ent - Frunz ]ung hatte mit Unterbrechungen zwischen 1907 und 1918 in Leipzig,lena, Breslau, München und Berlin studiert. In Leipzig war er Mitglied der Burschenschaft Arwiniø,in ]ena bei der Gervnøniø. Die Gesichtsnarben (,,Schmisse") waren Ergebnis von zehn Mensuren, die er hier gefochten hatte.
- Die sogenannten Januarkämpfe begannen nach der Amtsenthebung des Polizeipräsidenten Emil Eichhorn am 5. lanuar I9I9 u. a. mit der Besetzung des Verlagsgebäudes des Vorwtirts, des Mosse-Hauses und des Wolffschen Telegraphenbüros. Gustav Noske schickte daraufhin als ,,Oberbefehlshaber" von Berlin Regierungstruppen gegen die Aufständischen. Die Kämpfe endeten am12. Januar. Besetzung d.es Zeitøngsviertel¡
95 Møtrose Hago
- Hugo
Heyde.
97 Pøtentlog - Geschwindigkeitsmesser: eine an der Logleine nachgeschleppte Propellerschraube, deren Umdrehungszahlen ein Uhrwerk registriert, so daß sich Fahrtgeschwindigkeit und gefahrene Strecke ergeben.
Klahre.
zu erregen,
- Allgemeines niederdeutsches Dialektwort für: quer; hier: rechtwinklig zur Mittschiffslinie. 92 Steingrønd - Sandbank etwa I0 km nordöstlich von Helgoland 9L d.wørs
wied,er
- Im Original: ihn
99 Vorsteyen - Senkrechter Balken, der vorn den Rumpf eines Schifß begrenzt.
382
ANMERKUNcEN
Generøl Mi.ller:Trøppeø ønd. d.ie Alliierten
-
Am 9. März l9l8
waren alliierte Truppen in Murmansk gelandet, um zusammen mit russischen Weißgardisten bis nach Petrograd und Moskau vorzustoßen. Nach zwei Jahren Kampf gegen die ,,Interventionstruppen" zog die Rote Armee am 13. März 1920 in Murmansk ein. od.er Wti$an - Die Kennzeichnung der Gegenrevolution durchdie Farbe Weiß geht zurück auf den Staatsstreich Gustav III. von Schweden (L772), der von Versailles aus finanziert wurde. Durch die weißen .A.rmbinden der Putschisten war Weiß als oolitische Farbe der Gerechtigkeit diskreditiert und symbolisierte nun den Zsstand,,schwerster Rechtsbrüche" durch die Monarchie. 17 9 5 wurde der ,,weiße Terror" durch die Schreckensherrschaft der Royalisten im Südosten Frankreichs zum Begriff. L00 IGeher - Norddeutscher Ausdruck frir Fernglas. zn hø.lten sei -Im Original: zu machen. Stønd.er Z- Dreieckige rote Flagge, eigentlich Angriffssignal der"
in der Nähe d.er Isaaks-I(athedrale liegende
pre'ite
-
.
Zehntausenden einheimischer Arbeiter auch 70.000 Kriegsgefangene eingesetz\von denen 25.000 starben. L05 Detøchetøent - Für besondere Aufgaben abkommandierte TruDpenabteilung.
I07
für einfachen, billigen Tabak:
Wistle stlþ tlar - Wahlkampfreise über Land mit einem Sonderzug; der Begriff geht zurück auf das zweimalige Pfeifen des Zugs, mit dem der Halt auch an kleinen Bahnhöfen (,,wistle stop") signa-
lisiert wurde.
I09 Hotel Internøtionøl- Hotel in der Pereulok Majorowa
dem französischen
-
Propøsh ment.
LII
d.eren
d.
d.e
ønt - Diensthabender I(ommandant (nach joar ,,vom Tag" ) .
Offizielle Zulassungsbescheinigung, Eintrittsdoku-
Mønn -Yiktor Kingisepp
; er
wurde nicht von der Judenitsch-
Armee umgebracht, sondern 1922 ín Estland verhaftet und erschossen.
- General ]udenitsch versuchte 1919 zweimal erfolglos, Petrograd einzunehmen. Die Rote Armee ging am 21. Oktober zur Gegenoffensive ùber und erreichte lamburg am 14.
Jød.en'itsch-A?'lnee
:
November. irn !öeinen Büro'- 18. Juli
I04 Eigentørø ist Diebstøhl - Geflügeltes Worr aus der Schrift Wøs ist Eigentuw? (Ì840) des Frühsozialisten Pierre Joseph Proudhon. Nord.strøteg,ische Bøhn - Die ,,Murmanbahn" war geplant als Nachschubstrecke für Rüstungs- und Industriegüter der Entente während des Weltkrieges.Fùr den Bau (I9I5-19I7) wurden neben
Russische Bezeichnung
D eshwrnyi-IQrnrnøn
Ì9I9 gebildet. IJnter
dem Vorsitz Sino-
wjews tagten jeweils vier bis sechs Personen.
L03 Pørsennings - Wasserdichter Segeltuchbezug (nach dem lateinischen prøecingere,,umhüllen" )
-
IIôtel, Gogolja
Hotel Astoriø - I9I0 -I9I2 erbautes Jugendstilgebdude am Isaaksplatz (350 Zirnrner,lSO mit Bad); nach lJmbau und Restaurierung Ende der 80er Jahre heute ein 5-Sterne-Haus.
Seemannsdeutsch für: ein Schiff anrufen.
106 Møchorhø
Grønd,
18, handeln, vgl. S.230.
Kriegsmarine.
I0I
383
&NMERKUNGEN
10, früherer
Name Angleterue;heate teilweise angeschlossen an das Hotel Astoriø. Atfgrund der Ortsangabe könnte es sich auch um das ebenfalls
,
^- 1917 - Gemeint sind die historischen ZlGSitzungen (23.) vom 10. und Ló. (29.) Oktober L917, auf denen die für die Oktoberrevolution entscheidende,,Resolution über den bewafÊ neten Aufstand" beschlossen wurde - gegen die Stimmen von Sinowjew und Kamenew. -Als I(amenew wenig später in einem Zeitungsinterview seine Ablehnung erläuterte, forderte Lenin ,,Ein schwerer Verrat" - den Parteiausschluß der beiden ,,Streikbrecher". Losowski war zwaÍ ebenfalls Gegner eines sofortigen Aufstands, gehörte aber nicht dem ZI( an. 1L3 I(irche, in d.er d.ie Zør,en begrøben sind. - Gemeint ist die Peter-
.
-
iru Ohtober
Pauls-Kathedrale.
\15
D
eI o
w
o
iD
w
o
r
- I n dem am Warwarskaj a Platz l9I2 fertiggestellten
,,Handelshof" (350 Zimmer mit Warmwasser und Stadttelefon) war später u. a. der Oberste Volkswirtschaftsrat untergebracht.
|LL7 Deneshnyj Pereøloh - Die ,,Geldgasse" 5 oder das Pøløis Børg
-
benannt nach dem Vorbesitzer, dem baltischen Zuckerkönig Josef Berg - war von Ende April bis Anfang August l9l8 Sitz der Deutschen Botschaft.
384
ANMERKUNGEN
von d.en bei.d,enl...l S.R.-Lewten-Am ó. Juli l-91-8 erschossen lakow Blumkin und Nikolai Andrejew den deutschen Borschafrer, um die Wiederaufnahme des l(riegs zwischen Deutschland und Sowjetrußland zu provozieren. Beide Attentäter waren mir gefälschten
ll8
,, 1:
11. Ifungre$ - Der Kongreß begann am 19. Juli in Petrograd und wurde vom25. Juli bis 7. August in Moskau fortgeführt.
',
ein gewisser Schrifer
-
d.er Vorsitzend.e
Sowjets d,er d.eøtschen Woþø-Republi.h
d.es
Klinger.
Urnwønd.løng d.es Soziølisrøøs [. . .) in d,ie Tøt - Bezieht sich auf'die 1918 veröffentlichte Schrift von Karl Radek Die Entwichlwng d.øs"" Soziølism.ws yon d.er Wissenschøft zøt, Tøt.
I2I
Lenins Sehrettirin - Nach der Beschreibung handelt es sich wahrscheinlich um Lydia Fotijewa.
I22 gegen Polen - Der polnisch-russische Krieg begann am 25. April 1920 mit dem polnischen Einmarsch in die Ukraine und der Besetzung Kiews am 6. Mai. Ab dem 14. Mai stieß die Rote Armee in einer nördlichen Gegenoffensive von Weißrußland aus bis nach Warschau vor, wo sie aber am 1ó. August im ,,Wunder an der Weichsel" zum Rückzug gezwungen wird. Der Krieg endet am 12. Oktober mit dem sogenannren Vorfrieden von Riga. zø sichern - Im Original: sichern konnten.
tt,
d.rei, od.er
Werst
\3L
, .
: ru
, -
-
Zentrale englische Gewerkschaftsorganisation,
Bøtøvier-Jesøs-Vermutlich handelt es um John William Ikuyt; die Bezeichnung,,Batavier" ist abgeleitet von,,Batavi", ursprtinglich der lateinische Name für einen qermanischen Volksstamm. der an
3 oder 4 und.
entspricht 1, 0ó7 km.
Nord.enfield.she Dørøpshibssekhøb - Die seit 1857 bestehende Reederei,,Nordenfieldssche Dampfschiffgesellschaft" aus Trondheim war Mitbetreiberin der Hørtigrøte, der Postschiffahrtslinie der norwegischen Westküste, vgl. 5.22I. Zørenrøbeln - Ende Mai 1920 stand der Zarenrubel im Verhältnis zlu:m Sowjetrubel bei ungefähr ).'.20, zwei Zarenrubel entsprachen einer deuÊschen Mark und 140 deutsche Mark einem Pfund Ster-
ling.
-
Gemeint ist der Nord-Ostsee-Kanal bzw. Kai-
d.es
Sprache.
125 Trød.e Unionisten 1868 gegründet.
- I Werst
- Im Original:
ser-Wilhelm-Kanal zwischen Brunsbüttelkoog (Elbe) und Kiel-
:.t
Rosa Radek.
od.er
¡t, ::.
- Leninverfaßte die Schrift im ApriI/ I/:ai 19 20 und beendete sie offiziell am 12. Mai. Sie erschien am 12. Iuni in russischer, im Juli in deutscher, englischer und französischer seiner Frøø
vier,
þ34
Kind.erþ.rønhh eiten
I23
Zwischen No-
129
Gtstav
I20
Original: verstanden.
vember I9L8 und April 1919 weigerten sich die Besatzungen mehrerer französischer Kriegsschiffe im Schwarzen Meer die revolutionären russischen Truppen unter Beschuß zu nehmen. Einer der Anführer war der spätere militärische Leiter der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg, André Marty (1886-195ó).
Gemeint ist offenbar Friedrich Schäfer.
-
-Im
'L28 w'ie d,ie Besøtzøngen d.esfrønzösischen Geschwød.ørs-
'i
1920.
der Rheinmündung auf der Betuwe (Insula Batavorum) siedelte, später allgemein für die Bewohner der Niederlande.
726 uereinbørt
Dokumenten vorgelassen worden und flüchteten nach den Schüssen durch das Fenster.
Arn 10. Møi-Eshandelt sich um die Sitzungen am 20. und 25. Mai
385
1&NMERKUNGEN
IGeler Kønøls
Holtenau. Ochrønø
-
Allgemeine Bezeichnung für die zaristische politische
Polizei, abgeleitet von Ochrønnoje Otd.elenlø (,,Sicherheitssek-
tion"), den Ermittlungseinheiten der 1881 gegründeten Spezialabteilung,,Osobyj Otdel". honnte wøn zør Rechten des Gebriwdes eine schrøøle Strø$e sehen, d''ie
Original: konnte man zur Rechten des Gebäudes die eine schmale Strasse sehen, die Malinki Llubianka, zur Rechten sah man die Bolschoi Llubianka.
736 Metropol-
platz
I/4.
f899-f903 im Jugendstil
erbautes
llotel
am Theater-
AIs ,,Zweites Sowjet-Haus" u. a. Sitz des Volkskom-
missariats für Auswärtige Angelegenheiten. I{eute nach lJmbauten eines der teuersten Hotels Moskaus.
38ó
ANMERKUNGEN
Pøpyros
-
Russisches
Wort für Zígarette (nach dem griechischen
;:
pa.þyros). d.er Redøhtion der Chernnitzer Volhszeitøng-LautWilhelm Herzog kannten sich Rühle und Radek aus der gemeinsamen Zettbei der Leipziger Volhsze'itwng L904, vgI. Døs Forørø 4 (I9I9/20), Nr. 12 (September 1920), S.899.
137 in
welcher d.ie Levi-Brønd.ler-Zetþin-Piech-Cliqøe
begrr.ff
- Im Origi ,.
Bi,elefeld.er Abhornrnen - Konferenz zwischen Vertretern des Reichs, der Kommunen, Gewerkschaften und Parteien am 23./24.
,,
'
Nach Verstößen gegen den ,,Roten Frieden" erhielt die Reichsryehr wenig später die ,,volle Freiheit des Handelns" bei der ,,Errettung" des Ruhrgebiets. - Wilhelm Pieck hatte als politischer Berater der* KPD im Ruhrgebiet z:war f:jr die Annahme der Vereinbarungen
geworben, sie jedoch nicht unterschrieben.
- Die innerparteiliche Arbe'iteropposition fordertel920/2l in Reaktion auf den autoritären und bürokratischen -.,
L38 Røbotschi-Opposition
Kurs der Partei u. a. die Leituns der Volkswirtschaft durch die Ge- * werkschaften und einen ,,Gesamtrussischen Kongreß der Produzenten". Diese ,,Thesen" wurden von Lenin als ,,syndikalistische
d.øs
StreihbrecherschiffArnøbheø- Die Bombe explodierte
in der Nacht vom 12. auf den 13. Iuli 1908 im Malmöer llafen an Bord des Woh nschiffs Arø ølth eø. Hier waren britische Hafenarbei-
- Norwegisch für Felsen, Berg; vermutlich gemeint 59 Meter hohe Vardefiell (20 Minuten vom Kai entfernt). Oslo)
-
ist der
Die Stadt hieß zwischen 1624 und 1877
142 Mot Døg- ,,Dem Tag entgegen". Die erste Nummer der Zeitschrift erschien am I0. September l92I; der gleichnamigen Gruppe, die zunächst im akademischen Milieu agierte, gehörte H. Meyer offi-
ziell nicht an. Restøørønt Grønd. - Das Grønd. Cøfé ín der Karl Johans gate 31, Oslos Hauptstraße zwischen Schloß und Hauptbahnhof, gehört zu den traditionellen Künstler- und Bohemiencafés. L43 Ged.enhstein - Das t8 m hohe Fred'søonøtmentbeí Magnor (9 km nordwestlich von Charlottenberg) wurde l9Ì4 gemeinsam von Norwegen und Schweden errichtet und soll an die friedliche Tren. nung derìbeiden Länder 1905 erinnern. L45 Vrinstrø-Soziølisten- Die ,,Vänstersocialister" (,,Linkssozialisten") hatten sich 1912 innerhalb der schwedischen Sozialdemokratie als ,,sozialdemokratische Linksvereinigung" gebildet. Im Mai 1917 wurde dann die ,,Sveriges socialdemokratiska vänsterparti" (Sozialdemokratische Linkspartei Schwedens) gegründet. AIønd, hørn ti.tt Sver'ige - ,,-Ä,land gehört zu Schweden". Die einst schwedische Inselgruppe zwischen Schweden und Finnland wurde 1809 zusammen mit Finnland an Rußland abgetreten' Als die ,ÄJander sich nach I9I7 wieder Schweden anschließen wollten,
Sein Bu.ch wørd.e spd.ter l...l wrboten - Erst nach dem 20. Parteitag der KPdSU 195ó erschien wieder eine Neuauflage, nun mit ,,Anmerkungen" zur Rolle Trotzkis, Sinowjews u. a.
Bombe in
Hotel Polarlicht.
Fjell
!4L I?i.stiøniø (jetzt
John Reed wohnte.
Anton N'ilson. Anton Nilson - Im Original: Anton Nielsson. Wir sahen uns ziemlich oft. Anton Nielsson. høtten 1908 w¡ihrend.-Im Original: hatten während.
-
der den alten Name Oslo an, vgl. S.2I9.
traler Punkt
und anarchistische Abweichung" und ,,Blödsinn" bezeichnet und vom X. Parteitag (8.-l-ó. l1:àrz I92l) abgelehnt. Hotel Monopol - Vermutlich gemeint ist das ì.903 gebaute Hotel Nøtionøl an der Ecke TwerskajaUliza/Mochowaja, in dem auch
ter untergebracht, die als Streikbrecher eingestellt worden waren. Nach Verurteilung der Attentäter wurde mit einer großen Kampagne ihre Freilassung gefordert. 140 Hotel Polørlyset
nal: welcher begriff, dass die Levi-Brandler-Zetkin-Piek Klique.
Màrz 1920, um den Aufstand im Ruhrgebiet zu beenden. Zen- und fùr die Kampfleitung der Roten Armee ein ,,Verrat an der Revolution" - war die Entwaffnung der Arbeiter.
387
ERKUNGEN
: T46
akzeptierten die Finnen dies nicht. Stattdessen beschlossen sie 1920 die Autonomie Älands innerhalb Finnlands.Schließlich entschied der Völkerbund l92l auf der Grundlage dieser Autonomie zugunsten Finnlands.
gat äberstønd.øn. Nøchd'enow'ir- Im Original: gut überstanden und wir gingen zusammen unter der Führung des.Fischers nach einem Kaffee. Nach dem wir.
388
ANMERKUNGEN
Løngelinie - Ilafenpromenade, die u. a. an der Kleinen Meerjungfrau (,,den lille Havfrue") vorbeiführt. D'ie Pørtei-Wrbind,øngslin'iø dwrfte n,ichr-
Im Original: Die partei_
Verbindungslinie musste nicht.
I47
Mød.sson
- Im Original
auch die Schreibweise ,,Madson.,.
groJlen Attentøts - Bei dem ,{rrentar am 31. Äugust 1920 wurden sieben Menschen getötet, darunter auch Jukka RáchGeschichtø
d.es
ja (1887-1920), einer der Gründer der Kommunistischen partei Finnlands.
I48 Mørsfeld. - Ûber l0 Hektar großer plarz, der im 19. Jahrhundert
wegen der dort stattfindenden Truppenparaden seinen Namen er_ hielt. Seit der Februarrevolution \917 Beísetzungssrätre für die
während der Revolution Getöteten (,,BrudergräLer,,), Bürgerkriegsopfer und Parteifunktionäre 149 Glächsbarg
Leningrads.
.
- Im Original irrtümlich zweimal: Glücksstadt.
l5r, Schwørze Reichswehr - Geheime militärische Formation, die z:wischen Anfang 1922 und ihrer amdichen Auflösung im Oktober 1923 im Wehrkreis III (Berlin-Brandenburg) aus sogenannren Arbeitskommandos organisiert wurde für den ,,Marsch auf Berlin". Die Namen der Mitglieder wurden auf ,,schwarzen,,, d. h. geheimen Listen geführt. t52 Bøhischport - Estnische Hafenstadt (heute: paldiski) ca. 45 km westlich von Reval,/Tallinn. Wi.lli Bielefeld. - Eigentlich: Fritz Bielefeld. S.S.Herbert IIorm - Der 1898 gebaute Frachtdampfer der H. C. Iforn Reederei war am 23. September 1920 formèil an Enqland abgeliefert worden.
I53 IØipp - Im Original: Knippe. Laut Stettiner Adreßbuch von 1920 handelt es sich um Vicror Knipp. r54 Berliner Lønd,gericht III - Im original: Hamburger Landgericht Poli.zei.gefiingnis øtyt Alexønd.erplør,z
III.
-
Dieses im Kaiserreich be_ rüchtigte Gefángnis mit328 Männer- und 94 Frauenzellen befand sich in einem Querflügel des Polizeipräsidiums. Das tggg bezo_
gene Präsidium (1945 teilweise zersrörr, nach l9ó0 abgerissen) wurde im Volksmund wegen seiner Ecktürme und der hellroten Klinker ,,Rote Burg" oder auch ,,Zwingburgam Alex,. genannt.
389
ERKUNGEN
:. . ,,
Schøtzhøft- Anspielung aufdas Verfahren, Personen ohne Verurteilung oder dringenden Tatverdacht zu inhaftieren; ausreichend war der Hinweis auf Gef,áhrdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Der Schutzhaft-Gedanke basierte auf der preußischen Gesetzgebung zur Niederschlagung der l848-Revolution. Wø I d' h
e
irn
-
S
eit 17 16 bestehende Haftanstalt in
S
achsen, ca. 5 0 km
südöstlich von Leipzig. L57 Klønrotte - Eigentlich Bezeichnung für ,,unnütze' wertlose) ärmIiche Dinge", entstanden aus der Grundbedeuttng ,,Ziegelbruchstück", ,,zerbrochener Mauerstein". Spielt hier vermutlich auf die
karge, brockenförmige Nahrungsration an. Hømbørg-Føhlsbüttel- Strafanstaltenkomplex, vgl. S. 162 und 17ó. !58 ,,Hüttentt- Die lltittenwache wurde 1854 als Arrestlokal gebaut und 1889 erweitert. (Jntersuchungsgefringnis - L877-188L erbautes und mehrfach, zuletzt}:gl2 erweitertes Gefängnis für Männer und Frauen (,,Anstalt YI"); grenztan das 1882 gebaute Strafiustizgebäude am Sievekingplatzunddas JustizforummitdemZiviljustizgebâude (L897 -1903) und dem Oberlandesgericht (1907- I9I2). 1:6l (Jnterswchungsrichter - Vermutlich handelt es sich um Dr. I{ans Ewald. 162 Føhkbi¿ttetl...l Gefoingni.s G II - 9 km nordöstlich von der Stadtmitte Hamburgs gelegenes Gefängnissystem, bestehend aus drei 1879 gebauten Komplexen: einem panoptischen Männergefängnis mit vier Flügeln (,,Gefângnis I"), einem Frauen- und einem Jugendgefängnis, sowie einem 1906 gebauten zweiten pânoptischen Sternbau mit fünf Flügeln (,,Geflángnis II" oder ,,Fu II" - seit LgT2bekannt als ,,Santa Fu"), vgl. auch S. 17ó. 163 d,ie vovn Mølih-Wrløg gestellte I(øøt'ion - Ftanz Jung wurde am 3. Februar L92l gegen eine l(aution von 50.000 Mark, die vermutlich von der Komintern bzw. der Sowjetregierung gezahlt wurde, aus der lJntersuchungshaft entlassen. 164 neøen (Jntersuchøngsllichter
- Vermutlich Dr.
Stuewer.
167 Unrøhen- Zur lJnterstützung der Unruhen in Mitteldeutschland
(,,Märzaktion") hatte auch die l{amburger KPD zum ',Kampf
auf der gaozen Linie" aufgerufen. Als sich am 23. il1:àrz l92I Erwerbslose versammelten und die Werften besetzten, ging die
390
I7I
ANMERKUNGEN
Polizei mit Waffengewalt dagegen vor und es kam zu zahlreichen Verhaftungen. Danach verlagerten sich die Auseinandersetzungen bis zum 26. Màrz auf den Südosten der Stadt, in das damals noch zu llamburg gehörende Geesthacht. Das ,,rote Barmbek,, war erst während des Hamburger Aufsrands 1923 Zentrtm der Kämpfe. Die I(eid.øng wør brøøn - Durch die Farbe der Anstaltskleidung unterschied man die Art der Verurteilung: braun (Zuchthaus), blau (Gefängnissträflinge) und grau für alle übrigen Häftlinge, vgl. S. J.88.
172 Arbeitsirospehtoy 173 in
d.er Zelle.
-
Richard Emil Prieß.
Alle D,ienstporschriften
- Im Original: in der Zelle.
wird nicht immer getan, und alle Dienstvorschriften. Pørlføng
-
Es
Strickart bei der Herstellung dicker Wollkleidung, bei
der aufderVorderseite ausgeprägte, leicht gewölbte, rechte Maschen (,,Perlen") zu sehen sind.
I74 Btirenpøttche
- Der Begriff spielt vermutlich auf die dem Bären zugeschriebene Unbeholfenheit und Schwerftilligkeir an.,,parrje,.
ist ein Hamburger Ausdruck für ,,Anzug,,. ),75 Wøld.fried.hof wn Ohlsd.orf - östlich an die Strafanstalt angrenzender und mit einer Größe von über vierhundert Hektar Eurooas größter Friedhof. L76 Gløswoor - Gef,ángnis am nördlichen Stadtrand Hamburgs für Ersttäter, die mit Kultivierungs- und landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt wurden. Für den Bau (1926-1928) trugen Häftlinge ab 1922 Torf ab.
I78 Hørnbwrger Frerwd,enbløtt
- Líberale Tageszeitung, die zwischen 1864 und 1944 unter diesem Namen erschien, vgl. S. l8l. L8I Hørnbørger Regierøng - Bei den Bürgerschaftswahlen am 20. Februar hatte die Koalition aus SPD und DDp trotz Einbußen ZI (bisher 82) bzw.25 (33) Sitze bekommen, die übrigen parteien 63 (29). Während der Legislaturperiode ab 23. März lg2L stellte die SPD acht, die DDP fünf Senaroren, vier Senaroren qehörten keiner Partei an. II 1...1 Anstøh V-Die offiziellenAnstalts-Bezeichnunsen: Anstalt I (Zentralgefãngnis), Anstalt II (Zuchthaus), AnstalteñIII und VII (Gefringnis), Anstalt Va (Frauengefängnis: Zuchthaus, Gefångnis, Ilaft sowie Festungshaft nebsr Lazarett), .A,nstalt Vb
L84 Anstøb
39L
iåNMERKUNGEN
(Arbeitshaus für Frauen), Anstalt und Festung für Männer).
VIII
(Gefangnis, Arbeitshaus
benutzte die Ver'L85 benøtzte d.en Anlø!3, eine Illusion - Im Original: anlassung eine Illusion. :,L88 irn Frühjøhr 1922 - Im Original irrtümlich: im Frühjahr I92L ,I9I drei,teilþen Møøørze - Die Ausstattung der ZelIen in Fuhlsbüttel bestand aus einem eisernen, an der Wand befestigten hochklappbaren Bett mit dreiteiliger Matratze und Kopfteil.
, '
196 Dønhrøft- Eigentlich Donhrøft, dänische Bezeichriung für Hebeapparâte mit llandantrieb wie Wagenheber.
,,
L97 ProzeJl gegen d.i.e 41 Soziølrevoløt'ioø¡í,re - Der Prozeß fand vom 8.Iuni bis zum 7. August 1922 in Moskau statt. Angeklagt wa, ren 34 Sozialrevolutionäre, denen man die Verantwortung für den Bürgerkrieg anzulasten suchte. Nach etlichen Verfahrensverstößen , (,,Parodie der lustiz") wurden 12 Todesurteile gesprochen.
200 Løngenhorn - I5 Kilometer von der Innenstadt entfernt, an der nördlichen Stadtgrenze Hamburgs gelegener, seit 1893 mehrfach erweiterter Krankenhaus-Komplex bestehend aus neun Pflege-, sechs Beobachtungs-, sieben Überwachungs-, vier Landhäusern, vier Lazaretten und zwei gesicherten lläusern. d.er beid.en ,rFesten Hriøser( - Separate Gebäude für die ,,Behandlung und Bewachung gemeingefährlicher, zu verbrecherischen Ilandlungen neigenden Kranken" mit vergitterten Fenstern und einer 5 m hohen Mauer. Durch eine freundliche Ausstattung der Räume und Gärten sollte allerdings ,,möglichst jeder geflängnismässige Eindruck" vermieden werden, heißt es in einer Beschrei-
bung von 1910. Tempeln -,,Schläfen", eingedeutschte Form des englischen tewLPIe. 202 Arnnesti¿ - Die KPD -Fraktion versuchte in der Hamburger Bürgerschaft im Laufe des Jahres 1922 mehrmals erfolglos den ,,Schifßraub" als Begleiterscheinung einer politischen Tat ztt deklarieren.
203 Protestpersøm.wlungen- Zur ersten Versammlung am I. Dezember 1922 waren 5000 Leute in den großen Saal des Lokals Søgebiel gekommen.
209 Srøotny- Ursprünglich ein Mâdchen-Pensionat, seit Sommer 1917 Sitz des Petrograder Sowjets und übergangsweise auch der ersten Sowjetregierung.
392
ANMERKUNGEN
d.es
Deøtschen Gesøwtperbønd,es
-
eigentlich Deutscher Verkehrs-
bund,4b 1930 Gesamtverband,vgl. auch 5.227 u.26I. (Jnion - Eigentlich: Norsk Matros-og !w1h Møtros og Sjørnønns Fyrbøter-Union (,,Norwegische Matrosen- und Heizer-Union,, ). Sørnaend.enes f. ..1 Søfyrbød.ernes Forbønd.
i Dønrnørh- ,,Dänischer_
Seeleute-" und,,Dänischer Heizerverband,,. 2L0 Dworez Trud.ø
2II
Abrørøowitsch
- Palast der Arbeit. - gemeint ist,4,bramow-Miroq vgl. auch S.2IZ.
216 rû nt er b øn d' e - B eschlagnahmte Schmuggel- und s chleichhanders
-
ware.
2I8 Am Prønger - Der Prønger. Otgøn
d.er
Ii[ømbørg-Altonøer I(on-
trolltøtid.chen erschien ab dem 9. Februar 1920 bis 1,924
in
sechs
]ahrgängen. Gefordert wurden u. a. Bordelle in Selbstverwaltgng
und Gewerbefreiheit. Streihs
- An den spontanen, ,,ungesetzlichen,,
Streiks der Eisen-
und Metallarbeitei (,,/ernstreikeJ,¡ uon Oktober 1923 bis \924 waren ó0.000 Arbeiter beteiligt. 222 in Leningrød.
M;i
lebte noch ein Deøtscher- Franz Jung lebt
nur bis zum November 1923 in Leningrad. über seine Arbeit für die l{unger_ hilfe und die Fabrik R¿ssorøberichteter in derAutobiographieber Weg nøch wnten
(196I).
226 S.S.Hildegørd.
- Vermutlich handelt es um den 1906 gebauten norwegischen Frachtdampfer,,Randulf Hansen.., der als deutsches Beuteschiff ab 1922 unter dem Namen ,,Gerhilde,, (erst 1926 um_" benannt in ,,Hildegard") ftir die Stettiner Reederei Emil R. Retz-
laff fuhr.
Ich d.ørf d.øs n,icltt uergessen gessen.
- Im Original:
Ich muss das nicht ver-
227 Termøh wnd. d.ey Swiøtøgor - Der Swiøtøgor/Spyø.tlglr (bekannt unter dem späreren Namen lhøsin) galt bis in die SOer Jahre als stärkster Eisbrecher der Welt. Mit seinen über Ì0.000 pS konnte er bei einer Eisstärke bis zu 5 m eingesetzt werden. I92g war er an der spektakulären Rettung der Luftschiffbesarzung der,,Italia., anläßlich der Nordpolexpedition des Generals Nobile beteiliet. Termøh,/Jerrnøh war einer der ersten Eisbrecher überhaupt. zø e,inerngro$en Teil ønøbhringiggernøcht- Im Original: zu einem grossen Teil selbstständig gemacht.
393
ÂNMERKUNGEN
229 Der
schwed.ische
I{onsøl
230 Hotel Internøtionøl in
-
Einar Ytterberg, vgl. a,¿ch 5.232.
d,er Gorochowøjø
s. r09.
232
-
vgl. Anmerkungen zu
wøs d.er lØnsøl nøch Stochholrn berichtet høtte -Bezeichnend für das tatsächliche Verhältnis ist ein Brief des I(onsuls nach Stockholm, in dem er vor einer Einreise I(nüfkens nach Schweden warnte. Knüfken sei ein besonders übler Bursche (,,synnerligen ful fisk") und ,,fanatisk bolsjevik", s.Sveriges Riksarkiv, Geheimdossier der Staatlichen Ausländerkommission Vol. F l0 A:10: heimliche Einreiseakte für llermann Knüfken, Brief an Sven Allard vom 9. Juli 1925.
235 ,,Grøstsch¿hi" - Packer, Auflader, Stauer. 236 ,,gelben" Presse - Gemeint sind aus Sicht der Profìntern díe Zeitungen des Internationen Gewerkschaftsbunds.,,Gelb" war ursprünglich die Farbe der sogenannten ordoliberalen, arbeitgebernahen Gewerkschaften, die auf gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen verzichteten. Børschni Bøssin
-
Lastkahnbecken.
Leichter - Hafenfahrzetg zum Löschen oder Beladen von Seeschiffen (Ent- oder Befrachten). Ingerrnønltind.er - Durch die Schweden im 17. Jahrhundert geprägte geographische Bezeichnung, nach dem aus Karelien zugewanderten fìnnischen Volksstamm der Ingrier. 237 Lesexpor¿
-
Holzausfuhr.
242 Pøti,low 1...] Bolschewih - Im I(røsnyj Pøt'ilowez, dem l80l gegründeten Werk für Maschinenbau, Kesselherstellung und Stahlguß arbeiten Mitte der 20er lahre über 10.000 Menschen ebenso wie in der 1860 gegründeten Gummifabrik Iû,øsnyj Trewgolnih (,,Rotes Dreieck") und dem ehemaligen Obuchowski-Werk, der Stahlgießerei B o Is ch ew'ih. Im Kupferwalzwerk IG ø snyj Wy b o rg s h et z (bis 1917: ,,Rosenkranz") waren 3900 Arbeiter beschäftigt. 243 Die Møsse wør zø jed.er Ahtion bereit - Im Original: Die Masse in den Werken und Fabriken, in den Kasernen und auf den Schiffen war zûjeder Aktion bereit.
248 Iswostschlå
-
Droschkentkutscher.
I(ørøenew Ostrow - Gemeint ist die Steininsel (,,Kamenny Ostrow") im Norden Leningrads, der ehemalige Datschen-
249 Fløts øwf
d.ern
394
ANMERKUNGEN
sitz reicher Petersburger. ,,Ietzt Insel der Werktätigen.,, wie es im Fährer d.ørch d.ie Sowjetunion von 1928 heißt, wurden aus den
tli
Landhäusern,,Ruhehäuser der Werktätigen und Arbeiterklubs,,. Gorochowøjø -In der Gorochowaja 2 befand sich die Zenrrale des
It
ersten sowjetischen Staatssicherheitsdienstes.
257 Props
il it
- Holz für Srürzbalken.
Klebni-Mo le
-
Gerreidehafen.
258 Nønsen-Støtion
-
Benannt nach dem Organisator der,,IIunger-
hilfe", Fridtjof Nansen. 259 Sitzøngen
d.es I(ongresses - Der IV. Kongreß d.er Roten Gewerþ schafts-Internationale fand vom L7. Marz bis 3. April l92g ín Moskau statt. Die v. Internationale Konferenz der rwolutionären Transportarbeiter endete am 8. April 1928.
260 Erd.teilen ønd. Ltind.ern. Regetwtifige Wrbind,øng - Im Original: Erdteilen und Ländern. Nicht regelmässig nach allen LanderÀ. Re_ gel mässige Verbindung. 26I Es fehlt die Seite 139 des Originaltyposkripts: hier zwischen ,, [...] konnte diese sterbende Organisation wieder [beleben],, und,lm August 1929 [...]".
-
Der Dampfer (stapellauf 1895 als oberbürgernteister Høhen) fuhr ab 1923 fnr die Stettiner N.D.C., 1927 úmbenen_ nung in SøcÍtsen, l93I Reederei Rud. Christ. Gribel. t93S Um_ in O tp r øJl n, lJ mb au für den S e edienst O stpreuß en, !119n_nunø l939Lotsenmutter-undWachschiff,l950abgewrackt. søchsen
s
e
e
pon d,ern Stettiner Reed.er Gribel übernlwrlrren
- Am 16. Oktober 1930 werden nach dem I(onkurs der Stettiner N.D.C. 13 Schiffe an die Reederei Rud. Christ. Gribel überschrieben. 2
62 S owj e te s ch i
-
eigentlich : S awedujustschi.
Ch o lod,ilnih -,,Kühlschrank,,, hier Kühlhaus. 264 Løwberj øch - HolzfälIer (engl.). 268 15 od.er 18 Millionen- Die schätzung entspricht der aktuellen Addition der Aufnahmezahlen für arle Lagerhäftlinge im Zeitraum von 1930 bis 1953.
27I
heine
l0 Inches- Etwa 25 cm.
303 zweiteø Bùro
-
Deuxième Bureau; Auslandsgeheimdienst Frank-
reichs L87I bis 1943.
ANMERKUNGEN
395
Intelligeøce - Secret Intelligence Service bzw. Military Intelligence ó ; britischer Auslandsgeheimdienst 304 Plechønow-Institøt - 1907 gegründete und 1924 in PlechanowInstitut umbenannte Akademie für Volkswirtschaft in Moskau, Stremjannyj Pereulok 28.
- Im Original: ,,Iron l{eel"; Anspielung auf }ack Londons gleichnamigen Roman von 1907, in dem die Brutalität einer despotischen Machtelite durch das Bild von der ,,Eisernen Ferse" symbolisiert wird, die alles Revolutionäre zu zertreten
305 ,,Eisernen Ferse"
sucht.
- Im Rahmen der im J'tní 1929 verkündeten Massenkollektivierung in der Landwirtschaft und Stalins proklamierter ,,Großer Wende" begann Ende des Jahres der ,,Generalangriff gegen das Kulakentum" mit Verhaftungen und Deportationen. uor Perehop - In lQmpfen zwischen dem 8. und 10. November 1920 gelang es der Roten Armee, die Stellungen der Landenge von Perekop zu besetzen) während die ,,Machnowzy" in die I(rim eindrarigen. DenWrangel-Truppen blieb nur der Rückzug über die
308 sind' iøt. Winter 1929
Schwarzmeerhäfen.
3ll Lenø-Gold.field.r
ønd' Vichers-Ingenieøre - Die Maßnahmen gegen ,,Schädlinge, Spione und Interventions-Agenten" richtete sich ab 1928 gegen die bürgerlichen Spezialisten (,,Spetzys") in den Betrieben und Verwaltungen und betrafen auch ausländische Unternehmungen wie die britischen Firmen Metropolitan Vickers und Lena-Goldfìelds. Letztere besaß 1925 bis 1930 eine I(onzession fur die Schürfung und Erschließug von Gold-, Kupfer- u. a. Metallvorkommen, war aber nach Ansicht der Sowjetunion ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen und hatte mit Hilfe ihrer Mitarbeiter Spionage und Sabotage betrieben.
397
NACHWORT
Dieter Nelles ,,lIicht betteln, nicht bitten,, Das abenteuerliche Leben des Hermann Knüfken
Es gibt viele autobiographische Schriften von ehemaligen .tngehörigen der Arbeiterbewegung. Die Erinnerungen von rlerma.ttt Ktrüfk .t stellen jedoch in zweifacher Hinsicht eine Besonderheit dar. Erstens kann man sie wie eine Abenteuergeschichte lesen. Zweitens sind sie eine bedeutende Quelle für die historische Forschung und zwar in drei Bereichen: die revolutionâre Matrosenbewegung im Ersten Weltkrieg, die rätekommunistische Bewegung in Deutschland und die Bedeutung der Schiffahrr für die Komintern. Knüfkens Erinnerungen sind eines derwenigen authentischen Zeug-
nisse der revolutionären Matrosenbewegung. Die Matrosenrevoltðn von I9I7 und l9l8 nahmen in der öffentlichkeit und im lJnrersuchungsausschuß des Reichstages über die lJrsachen des deutschen Zusammenbruchs von l9l8 einen breiten Raum ein. Symptomatisch für diese Resonanz war der große Erfolg von Des r(øisers I(wris, des 1929 erschienenen Romans des Matrosen Theodor plievier, der in lg Sprachen i.ibersetzt wurde. t Im Kontrast zur zeitgenössischen Diskussion steht die wissenschaftliche Forschung zur Matrosenbewegung. zwar existiert eine Anzahl' von Arbeiten, die sowohl aufgrund ihrer Fragestellungen als auch der thematischen Begrenzungen der Bedeutung dieser Bewegung nicht
t
gerecht werden.2 Bislang wissen wir jedoch nur wenig über die Träger dieser Bewegung, deren soziale und politische Herkunft sowie deren politische Zielvorstellungen. Dazu hat sicherlich die in der Forschung vorherrschende Interpretation beigetragen, die Matrosenbewegung sei spontan entstanden und deren Träger hätten ,,tì/eder Leitsätze formuliert noch organisatorische Ansätze geschaffen" 3 Wie Willy Sachse4, der im Zusammenhang mit der Matrosenrevolte L9I7 ntm'lode verurteilt und dann begnadigt wurde, und Ernst Schneider5, einer der Exponenten des Matrosenaußtandes in Wilhelmshaven, berichtet auch Knüfken von der Existenz einer schon illegalen Organisation) die aus den Bedingungen der Flotte selbst hervorgegangen sei:
Die im Gange befindliche Bewegung, die von keiner politischen linken Partei, etwa der USPD, organisiert war oder geleitet wurde, Vgl. u.a. Wilhelm Deist: Die Unrtthen in d'er Mørine 1917/18. In: MørineRund.schøø ó8 (1971), Nr. 6, S.325-343; Dirk Dähnhardt: Revoløtion òn IGel. Der Übergøng wm l(øiserrei'ch zør Weitmører Reqøblih 1918fi919. Ne¡münster 1978; Wolfgang Günther: Die Revoløtion von 1918fl9 in Old'enbørg' Oldenburg I979;DarieIHorn: The Gerrnøn Nøvøl Møtiøi'es of World' Wør I'
New
Brunswick/ñ.I.1969; Ulrich Kluge: Soldøtenrtite
ønd. Rewluti.on. Stø'
dien zør Milittirltoli.ti.kiø Dewtschlønd' 1918fl9. Göttingen 1975, S.39ff., ders.: Militd.rfepllte øød Støøtsømstarz. Aasbreitøng ønd' I(onsolidierøøg d.er Rtíteorgønisøtionen iw rheinäsch-westfälischen Iødøstriegebiet. In: Reinhard Rürup (Hg.): Arbeiter- ønd. Sold.øtenrtite irn rbeinisch-westfälischen Ind'østriegebiet. Stød.ien
zør
Geschichte d.er Repoløtion 1918n9. Wuppertal 1975,
5.39-82;
Robert Rosentreter: Bløøjøchen irn Nopernberstnl'rlr. Rlte Ma'trosen I9I8,/1919. Berlin/DDR 1988.
Kl:ige: Militrirrevobe, S-40. Diese Position wurde auch vom lJntersuchungsausschuß vertreten, vgl.
WUA 9 I,
S.
XXI-XXIV.
vgl'
Vgl. Anti-Nautikus [Willy Sachse]: Deøtschlønd's repoløtionrirø Møtrosen' Vorwort von Ernst Thälmann. Hamburg lL925l; WUA 9 I, 5.219ff.,228'
Reihe: Dl¿ ursøchen d'es Dettsche* zwsørnrnenbruches itn Jøhre r9rï. zweite Abteilung: Der innere zøsøwøoenbrøch.9. Band: Mørine and, zøsøøtøenbrøch (2 Halbbânde), I0. Band: Gatøchteø d.er Søchyersttiød.igeø (2 Halbbände). Berlin 1928 (ktinftig zitiert WUA 9 I, 9 II, I0 I, f 0 II). Zur zeitgenössischen Diskussion vgl. wilhelm Dittmann: Erinnerøngeø. Band 3. Bearbeitet und eingeleitet von ]ùrgen Rojahn. Frankfury'Main - New york 1995, S.903_9351 Hans-Harald Müllêr : Pørteiliterøtør o d er Li,nhsrød.ih.ølisrnøs ? (Jntersa chøng en zø Q,tellen ønd Røzeþtioø pon Theod.or pliuiers ,,Des l(øisers I(øli{..In: Rivøe d.Allernøgøe 7 (f 975), Nr. 3, S. 35L - 3Z B.
,,Di e Wi lhehnsh øt øn er Ret o hen, ebenda,
Døs werh d'es (Jntersøchwngsøøsscltøsses d.er wrføssøngsgebeød.en Deøtschen Nøtionølversørømløng ønd d.es Deøtschen Reicbstøges l9l9-l92g.yierte
233,249 u.377. Zusachse vgl. Leonore Krenzlin: Roter Møtrose ønd. Wi'd.er' stønd.shtirnpfer. Der ønbøkønnte Schriftsteller Willy Søchse. In: Utopie hreøtitt Nr. I02lApril 1999, 5.47 -56. Vgl. Icarus [Ernst Schneider]: The Wilhelrnshøpen Revob. London [1943], wieder abgedruckt in: The Røpen. Anørchist Qrørterly Nr. B (f988r289), S.35ó-380; deutsch: Die WilhøIwshøpener Revolte. Eiø Ibpitel øøs d'et revoløtionriren Bewegøng in der d'eøtschen Møròne 1918n9. In: Archit für d.i'e Geschichte d.es Wid.ersta'nd.es nnd. d'er ArbeitNr.IT (2003),5.75 - I00. Zur Biographie Schneiders vgl. Joachim Tautz I Vorwort zzt Ernst Schneid'ers Broschü're S. 7
| -74.
398
NACHWORT
beruhte ausschließlich auf den wenigen bewußten Elementen. die die unzufriedenen zusammenzufassen und sie reif zu machen für das bißchen Aktion, die dann zum zusammenbruch Deutschlands führte. (S. 33)
eines mangelnden Selbstbewußtseins, wie sie sich als Folge des parìa-
es verstanden,
wir wissen nicht, wie neÍnetz
viele Matrosen dem illegalen vertrauensmän.
in der Marine angehörten. Aber entscheidend war nicht
mentarischen Kretinismus der alten Sozialdemokratischen Partei und der U.S.P. einerseits sowie des Absolutismus der Gewerkschaftsbureaukratie andererseits mit Naturnotwendigkeit entwickeln mußten. Die subjektiven Momente spielen in der deutschen Revolution eine entscheidende Rolle. Das Problem der deutschen Revolution ist das
-
Problem der SelbstbewøJîtseinsentwichløng
die
Anzahl, sondern die Tatsache, daß eine kleine organisierte Minderheit in der Lage war, im oktober r.9r8 eine Meuterei ãu entfachen, die sich zu einem Außtand entwickelte, der dann zum sturz des kaiserlichen Deutschlands führte.6 Es war die Erfahrung, daß der Kampf gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner zum Èrfolg führen ko"rrtË ,irrd möglich war, eine Organisation zu entwicf,eln, in der es _ wie !,aß 9s Knüfken besonders hervorhebt - ,,eine volrkommene proretarische Demokrarie" und keine ,,eigentlichen Führer,. gab (S.á+¡. W", ilies für das (selbst-) Bewußtsein der Beteiligten bedãutete, ist gar nicht hoch , genug einzuschätzen. Knüfken schreibt dazu: Immer waren es die Matrosen, die vom Norden kamen, sie waren die Träger der Idee der Widersetzlichkeit gegen den deutschen Mitita_ rismus, mit ihrem (wenn auch manchmal sinnlosen) schießen taten sie ie das einzige einziee und allein allein Richtige, Richtioe was \¡¡âc zu zrr tun t',^ ùbriggeblieben ;;t.*i-^-kt:-L-- war. --.^sie zeigten dem deutschen rJnrerran die ohnmacht déiherrschenden Klasse. Es war der Außtand der ,,vaterlandslosen Gesellen,,, deren Avantgarde die Seeleute waren. Die hatten nichts zu verlieren als ihre Ketten. (S.73)
Die-Psychologie des deutschen proretariats in seiner gegenwärtigen verfassung rrägr nur allzu deutlich die Spuren der jañrÈund"ra.lãrrgen militaristischen versklavung, danebèn aber auch die Merkmale
ó
Dies betont für die Revolutionären obreute in Berlin Barrington Moore: ungerechtigheit. Die soziøren (Jrsøchen ron (Jnterord.Øøng øni widerstønd. Frankfurt/Main 1987, S. 383.
d'es
d'øøtschen Proletør'iøts.7
Diese deutliche Betonung des subjektiven Moments im revolutionären
Prozeß basierte auf den Theorien des niederländischen Marxisten Anton Pannekoek.s Jedoch findet man ähnliche Gedanken auch schon bei Marx und Engels. So heißt es in der DewtscÍ¡en Id.eologie, daß ,,die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschend'e Klasse auf keine andre Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzønd.e Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom lIalse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden."
9
Die Erinnerungen Knüfkens sind ein Zeugnis dafür, was es heißen kann, sich ,,den gaîzen alten Dreck vom Halse zu schaffen", d.h. die Haltung des deutschen lJntertans, und daß die Formel von der ,,selbstbewußtseinsentwicklung des deutschen Proletariats" nicht nur
Ausdruck des,,politischen Voluntarismus" der KAPD -Inteliektuellen war, sondern auch der militanten Aktionen ihrer proletarischen Aktivisten. lo
Obwohl Knüfken sich nach dem Niedergang der KAPD wieder der KPD anschloß und in Leningrad politische Funktionen inne hatte, blieb
viele der revolutionären Matrosen schrossen sich daher Ende lglg ,,selbstverständlich", wie Knüfken betont, der neu gegründeten KpD an und gehörten bald zur linken Opposition, die ,i.t i- April 1920 als K,A'PD konstituierte. Im programm der KApD findet man den bemerkenswerten Satz:
399
NACHWORT
Zítiert ín Hans Manfred Bock: Synd.ihølìsrnøs
wrud' Linhshornrnønisrmas
v011'
Ein Beitrøg zør Soziøl- ønd' Id'eengeschichte d.er frühen Wei.røører Repøblih. Aktualisie¡te und mit einem Nachwort ve¡s. Neuausgabe. Darmstadt 1993 [Erstauflage 1969],5.230 u.4I0 (H.i.O.). 1918 bis 1923.
I
Ebenda, S.230.
9
Karl MarxlFriedrich Engels: Werhe.Eand3. BerlinlDDR 1983, S. 70 (H.i.O.). Folgt man Hannah Arendt, dann hat dieser Gedanke nur ,,wenig nachhaltigen Einfluß" auf das Werk von Marx und Engels gehabt, vgl. Hannah Arendt: Møcht ønd. GewøLt.6.Aufl., München 1987, S.87.
IO
Vgl. Detlef Siegfried; Der Fliegerblich: Intøllehtøelle,'Rød'ihølisrøøs ønd' Fløgzel,tøPrl d.ahtiln bei Jønhers 1914 bis 1934. Bonn 2001, 5. 62 ; vgl. auch ders. : Døs rød.ihøle Milieø. Kieler Noperøberrerroløtion, Sozi'ølwissenschøft ønd. Linler rødihølisrnøs 1917 - 1922. W iesbaden 2004.
400
NACHWORT
er doch ein Aktivist und vergaß nie, was nach seinen Worten ,,der meist fortgeschrittene und klar denkende Teil des deutschen ?roleiariats begriffen hatte: ohne vollkommene Demokratie in der Kommunistischen Partei, Aufbau von unten, freie Diskussion und Mitbestimmuogrr.chi der unteren Parteieinheiten u.s.w. kein wirklich sozialistischerttaat,,
(s.137f.).
Knüfken war kein Theoretiker, aber auch nicht, wie er schreibt, ,,nur ein Seemann" (5.24I). An dieser Selbsteinschätzung trifft áíß
in seiner politischen Laufbahn immer in Kontakt blieb zu "u, ", sáeleuten und sich vielleicht deswegen nicht wie so viele andere kommunistische Militante zu einem vertreter des parteiapparats entwickelte. Knüfken, der in Leningrad eine der wichtigsten Þõsitionen der Komintern ii Bereich der seefahrt beserzte, zeigt,wie wichtig die seeleute für das
weltweite V_erbindungsnetz der Komintern *"r"rr. E, -"cht aber gleichzeitig deutlich, daß die Transformierung der Komintern in eine"Agentur des sowjetischen sraatsapparates ein langsamer, widersprrichliãher
und vor allem kein zwangsläufiger prozeß war. In diesem sinne sind die-Aufzeichnungen Knüfkens auch ein Gegenentwurf zu den romanhaften Erinnerungen des Kominternfunktionärs Richard Krebs (r90s l95l), die er als Jan Valtin unter dem Titel Oøt of the Nþht rmNovember 1940 in New york veröffentlichte. fn dem Romanjder in
den
usÂ
eine Millionenauflage erreichte, zeichnet Krebs das Bild eines
allmächtigen IJntergrundsysrems) das die gesamte kommunistische Bewegung steuerte und insbesondere die internationale szenerie der rrafenarbeiter und Seeleute beherrschte. tt Es ist nicht klar, wann Knüfken mit der Niederschrift seiner Erinnerung-en angefangen hat und in welchem Rahmen sein ,,Buch,, (S. I34) veröftentlicht werden sollte. Nach Darstellung seiner Frau sonja beveröffentlicht gann er damit amit 1944/45; seinen eigenen Ansah.r, werri{U. ^, Angaben z:tfolse zufolge verfaßte er sie Mitte der 50er Jahre (vgl. S. 10, Igl u.-357). Die Ërinnerungen sind klar und verständlich geschrieben. sie sprechen für sich selbst índ IT
Das Buch erschien 1957 erstmals in deutscher Ubersetzung, vgl. ]an Valtin: Tøgebøch d.er Höllø. Köln 1957 (Reprint, Nördlingen l9Ì6j. Biographie von Krebs-valtin vgl. Ernst von waldenfels: Der spion, der øøs der r(rilte iøw. Døsgeheirøe Leben d.es seerøønns Richørd. Krebs. Berlin 2002. Zur Kritik an K¡ebs' Darstellung und an Waldenfels vgl. Dieter Nelles: Jøn Vøhins ,,Tø_ gebøch der Hölle" - Legend' and wirhtichþeit eiøes schrüsseiro*u^ d.e, iotølitørisrnøstheoriø. In: 1999 9(1994), Nr. l, S. ll_45, ders.: Die Rehøbititø_
bedürfen im engeren Sinne keines historischen Nachwortes. Da sie jedoch 1930 abbrechen und Knüfkens Leben danach nicht weniger abenteuerlich und spektakulär verlief, wird im folgenden zunächst seine Biographie fortgeschrieben und dann dargestellt, welche Spuren er in den Erinnerungen seiner Zeitgenossen und in der Geschichtsschreibung hinterließ.
Knüfkenwurde
18(2003), Nr. 3, S.148-t58.
am 9. Februar 1893 in
Düsseldorfgeborenundwuchs
in der Gegend zwischen Bahnhof und dem Arbeiterstadtteil Flingern auf. Wenige Monate nach seiner Geburt starb derVater an Tuberkulose.
Not und Entbehrung bestimmten fortan seine Kindheit. Die Mutter, eine sehr religiöse Frau, ernährte ihre fünf Söhne mühsam als Putzfrau.
Die Kinder mußten schon frühzeitig zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Nach Beendigung seiner Schulzeit brach Hermann I(nüfl<en aus diesen beschränkten Verhältnissen aus. Er musterte als Schifßjunge auf einem Fischdampfer an. Dem harten und entbehrungsreichen Leben als Seemann konnte er seine positiven Seiten abgewinnen. Er war interessiert an allen seemännischen Fragen und lernte sechs Sprachen (vgl. S.355,3óI u. 3ó5). Folgt man seinen Memoiren, so war er schon in jungen ]ahren ein radikaler Sozialist, der sich den Idealen des proletarischen InternationaIismus und nicht seinem ,,Vaterland" verpflichtet fühlte. In den Akten der politischen Polizei taucht l(nüfken erstmals 1919 im Vorstand der KPD in Cuxhaven auf. Als ,,ein außerordentlich radikal sich gebärdender Spartakist" charakterisierte ihn ein Informant der Polizei. 12 Durch die Schifßentführung und seine llungerstreiks erlangte er unter Seeleuten aller Welt einen legendären Ruf und war nach Max Hoelz 13 und Karl Plättnerla einer der prominentesten politischen Gefangenen der Weimarer Republik. 12 ,.Berichte über Knüfken vom 29. Oktober und 26. Novembe¡ 1919. In: Staats' .archiv Bremen, Bestand Nachrichtenstelle der Polizeidirektion, 4.65-1621.
13
ht
tioø einu Gøstø'þ0-Agenren: Riehørd IGebs/Jøø vøtti,n. rn: soziør.Geschichte
401
NACHWORT
Vgl. Max Hoelz: Voø,WeiJ1en l(reø2" zwr Roten Føhøe. Jøgend.-, Ibrøpf- ønd'
rankfwrt/Main l9ó9 [Erstaufl age L9 291. Zt HoeIz vgl. Manfred Gebhardt: Møx IIoelz. Wege und Iruøege eines Revoløtionrirs- Bio' grøfie. BerIin/DDR 1983; Peter Giersich/Bernd Kramer: Møx Iloelz. Møn Zø chth øøserlebnisse. F
mønnte il.tø: Brønd'stifter ønd Revoløtiontir, Robin Hood., Che Gøevørø' einen d.en Rotøn GenerøL. Sain Leben øød sein'I(ørnpf,, Berlin 2000.
Anørchisteø,
14
Karl Plättner: Êros im Zuchtl.tøøs. Ëinø Beleøchtøng d.er Geschlechtsvtot d'er Geføngenen, beørbeitet øøf d.er Grøød'løge ton Eigenerlebnissen, Beobøchtøngeø ønd. Mitteilangen in øchtjd.hr'i.ger Høft. Mít einem Vorwort von D¡. Magnus
402
NACHWORT
Bei seinem letzten Hungerstreik kam es zu einer breiten solidarisierungswelle. Auf einer von 5000 Menschen besuchten protestversammlung in Ea,mburg, zu der alle r{amburger Arbeiterorganisationen rinks von der sPD aufgerufen hatten, wurde eine Kommission aus vertretern der KPD und des Deutschen Schiffahrtsbundes (DSB) gewährt, die mit dem Hamburger senat über seine Freilassung verhandeln solrte. Auf'Vers.lmmlung sprach auch der Zuchtharìsdirektor Koch, was der {ys.er Unionist, die Zeitung derAllgemeinenArbeiter-Union (AAU), mit der Bemerkung kommentierte, daß die versammrung ,,ein ziemliches Mass an Selbstdisziplin" bewiesen habe. t5
der Leitung des Interhløbs in Leningrad beserzte Knüfken ab -Miteinen sehr wichtigen posten. seit r9]r waren von der 1923 Roren Gewerkschafts-rnrernationale (RGI) in einer Reihe von Hafenstädten Interhløbs als politisch-soziale Treffpunkte für Seeleute eingerichtet worden. Die großen Interhløbs in Leningrad und Hambur!"hatten durchschnittlich 30000 Besucher im Jahi und wurden ,o f,otiir.r, sehr relevant. zwar konnte die RGI die vormachtstellung der refor- " mistischen seeleutegewerkschaften in Europa mit wenigãn Ausnahmen nie ernsthaft gefährden, aber weltweit wurden korimunistische _
Kader in der Seefahrt gewonnen, die für den verbindungsapparat der
Komintern vorì enormer Bedeutung waren. ró Aufgrund?iËser ratigkeit hatte Knüfken enge Beziehungen zu den frihrJnden Funktionärå der Komintern. Diesen persönlichen Beziehungen war es verrnutlich zu
verdanken, daß er zehn Monare nach seiner Vé=rhaftung (Ig2g) wi.d., entlassen wurde. Ein weiterer nicht unwesentlicher FãÈto, war. daß
Hirschfeld/Dr' med. Felix Abraham. Berlin 1929;
ders.:
Der øitterd.eatsche
Bønd'enfährer. Mein Leben hinter I(ørherm.øøern. BerIin 1920. zu plättner vg.l. Knut Bergbauer: I(ørl plättner. Antmerhøngen zør Biogrøphie eines po_ litischen Pørtisønen. In: Andreas Graf (Hg.): Anørchisten gegen Hitler. Àn_ ørchisten, Aøørcho-syndikøristen, Rtitehotørnønisten iø wid.erstønd, ønd Exit.
Berlin 2001, s.266-280; volker ullrich: Der røhelose Røbeil. I(ørl phittrqer IB93-1945. Eine Biogrøphi¿. München 2000.
I5 c' M.: Freibeit
Die worte ønserei Genossen Herrnønn Knüfhen øn d.ie Der (JnionistB (Ig22),Nr.49 (6.ii.), S.2f., llørnbørøerArbeiterschøft.In: od'ør Tod!
nter ù. J.
T6
Zur RGI vgl. jetzt Reiner Tosstorîf: profintern. Die ternøtionølø 1920 - 1952. paderborn 2004.
Rote Gewerhschscbøftsiø-
NACHWORT
403
ausländische Genossen für ihn intervenierten und fi.ir seine Freilassung sogar Seeleute in Leningrad demonstriert haben sollen. rZ Nach seiner Rehabilitierung versetzte man ihn in die -Auslandsabtei-
lung der sowjetischen Handelsmarine. Damit war er aller politischen Ilandlungsmöglichkeiten beraubt. Vermutlich kehrte er deshalb .tnfang 1932 mit seiner Frau Sonja (geb. Doniach), die er 1930 geheiratet hatte, nach Hamburg zurück. Er blieb Mitglied der Partei, obwohl er schon damals Distanz zur ofltziellen kommunistischen Politik hielt, und fand Arbeit im ,,Neuen Deutschen Verlag" von Willi Münzenberg, für den er die populäre Arbe'iter-Illustrierte-Zeitwng (AIZ) in der Umgebung Hamburgs vertrieb .Die AIZ trat im Unterschied zur sonstigen kommunistischen Presse für eine breite antifaschistische Oppositionsbewegung ein und vermied die damals übliche Etikettierung der Sozialdemokraten als ,,sozialfaschisten". 18 Gleichzeitig leitete Knüfl<en die skandinavische Sektion im Hamburg er Interhløb. Er blieb im freigewerkschaftlichen Gesamtverband und ging nicht in den kommunistischen Einheitsverband der Seeleute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer, der weltweit der 1930 gegrúndeten Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter (ISH) angeschlossen war. 19 Die von der Komintern betriebene Spaltung der Gewerkschaften hielt er u.a. wegen der massiven nationalsozialistischen Bedrohung für einen fatalen Fehler. Trotz der gespaltenen Arbeiterbewegung glaubte Knüfken wie so viele Aktivisten, daß es nach der nationalsozialistischen Machtergreifüng zt einem Generalstreik kommen würde. Aber alle großen Arbeiterorganisationen verharrten mehr oder weniger in Passivität. Die Führung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) kooperierte offen mit den neuen Machthabern, indem sie ihre Mitglieder aufforderte, sich an den nationalsozialistischen Maifeiern zu beteiligen. Die Folge, so schrieb Knüfken rückblickend, war eine ,,grenzenlose Enttäuschung", die in Verbindung mit dem beispiellosen Terror der
t7 Vgl. Richard lensen: Eø lruttt nlet Tiluarelse. Eri'nd'r'inger. Kopenhagen
1957,
IIIf. I8 Zr¡r AIZ S.
vgl. Asthetih ønd I(ornrøønihøtioø. Beitrrige zør politischen Erziehøng Nr. lÙ/Jarluar L97 3, 5. 23.
t9 Falls nicht anders zitiert, basiert die folgende Darstellung auf Dieter Nelles: Widørstønd uød. internøtionøle Solid'øritrit. Die Internøtionøle Trørtsportørbøiter-Föd.erøtion (ITF) im' Wid.ørstøød.gegen d.eø Nøtionølsoziølisrnøs.Essen
200r.
404
NACHWORT
NACHWORT
Nazis dazu führte, daß ,,die Arbeiterschaft vollkommen mutlos und
den und das Geld abgeführt wird an die Aktivistengruppe. Dadurch
eingeschüchtert sich in alles fugte,,.20
Doch zum damaligen Zeitpunkt hielt Knüfken
es
finanziert sich die Bewegung selbst. Gleichzeitig wird ein Zustand erreicht, wo die revolutionären Elemente sich gegenseitig kennen lernen, und sich darüber hinaus als Mitglieder der Freien Gewerk-
noch nicht fùr op_
portun, die Ìarteileitung öffentlich zu kritisieren. Er organisierte dèn
Umzug des ISH-Büros nach Kopenhagen, wohin er selbst nach einer rrausdurchsuchung im Mai 1933 floh. Anfang ]uni hiert er sich mit ille. galem Auftrag wieder in Hamburg auf. Die nächste station war Rorter$a1, wo er die illegale Arbeit unrer deurschen Seeleuten organisierte. In der ersten Phase der NS-Diktatur wurde der organisierte widerstand in der Seefahrt fast ausschließlich vom Einheitsverband getragen. In I(openhagen, Antwerpen und Rotterdam \{/aren sogenannte Aktiy_ gruppen eingerichtet worden, die die seeleute mit propagandamaterial belieferten und versuchten, die Organisation wieder ,rrdob"rr.rr.
schaften der Seeleute legitimieren. 2l -
Im Dezember L934 wurde Knüfken in Rotterdam verhaftet und In der Antwerpener Aktivgruppe traf er auf Genossen, die seine kritische Haltung zur politik dei lsrr- una *
nach_Belgien ausgewiesen.
KPD-Führung teilten. zentralging es dabei um denwied,eraufbau d.er Gewerkschaften in der see- und Binnenschiffahrt. Die Anrwerpener Aktivgruppe kritisierte, daß die Beibehaltung formaler organisatìonsstrukturen - Mitgliedera'sweise, Beitragsmarken etc. es áer Gestapo ermöglicht habe, viele illegale Gruppen zt zerschlagen. Die formåle organisationssrruktur würde von den seeleuten gefrihlsmäßig und mit Recht abgelehnt. Dagegen setzten sie ihr eigenes Konzept, dãs unverkennbar auf Knüfkens Erfahrungen in der revolutionären Matrosenbewegung im Ersten Weltkrieg basierte;
Die Organisationsform der Freien Gewerkschaftsgruppen an Bord und der revolutionären antifaschistischen vertrauenileute besteht nur und kann nur darin bestehen, daß wir Aktivistengruppen in d,en Häfen haben, die ununterbrochen mit den Besatzungen ãer schiffe auf der Ausreise sowohl als auf der rreimreise in Kãntakt bleiben. die Besatzungen kennen lernen und von ihnen gekannt werden. von
den Aktivistengruppen in den Häfen erhalten die Genossen an Bord Arbeitsanweisungen und Literatur. Gleichzeitig sorgen die Bordvertrauensleute dafür, daß freiwillige sammlungen d.uìchgeführt wer-
Da die Führung der KPD nicht bereit war, die Vorstellungen derAktivgruppe zu akzeptieren (vgl. Dok. S. 320ff.), wandte sich die Gruppe an Edo Fimmen, den Generalsekretär der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF). Sie wußten, daß die KPD mit Fimmen imZuge der Einheitsfrontpolitik über den Wiederaufbau der Gewerkschaften verhandeln wollte. Diesen Verhandlungen, so schrieb Knüfken Anfang Januar J.936 im Namen der Aktivgruppe, wollten sie grundsätzlich keine ,,Knüppel zwischen die Beine schmeissen". Aber sie besäßen auf 190
Schiffen ,,Verbindungsleute oder Gruppen" und wollten ihre ,,Arbeit" unter den deutschen Seeleuten fortsetzen. Zwar wirden nur ,,einige wenige Leute aufjedem Schiff bewusste revolutionäre Arbeit machen", aber 85-90% der deutschen Besatzungen seien ,,antifaschistisch eingestellt" und würden mit ihnen sympathisieren (vgl. Dok. S.324ff .) . Wenige Tage später kam es zu einem ersten Gespräch zwischen Fimmen und Knüfken in Amsterdam. Der Niederländer Fimmen
(I88I-1942) war
eine der herausragenden Persönlichkeiten der interin der Zwischenkriegszeit. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Fimmen Sekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) und Generalsekretär der ITF. Er war ein vehementer Verfechter der Einheitsfrontpolitik mit der RGI. Dies kostete thnL923 seinen Posten als Sekretär des IGB. Unter maßgeblicher Initiative Fimmens betrieb die ITF schon seit den 20er Jahren eine militant antifaschistische Politik. Das Angebot der ITF, gewerkschaftliche
nationalen Arbeiterbewegung
Widerstandsaktionen durch einen internationalen Wirtschaftsboykott Deutschlands áu unterstützen, wurde von der Führung des ADGB abgelehnt. Ungeachtet der Politik der deutschen Gewerkschaftsführung unterstützte die ITF sofort die nach Amsterdam kommenden Flüchtlinge und die sich formierenden Widerstandsgruppen in Deutschland. 22
2l
20
Hermann Knüfken: über
d.eø wid.erstøød d.er
Interøø.tioøø.lenTrøøsþortørbeiønd. vorschrd.ge zum friødørøu¡bøø d.ør Gewerhschøften in Deøtschløød. - zwei Dohøøente r944/4s, eingeleitet von Dieter Nelles. In: 1999 7 (L992), Nr. 3, S. 64-8Z hier S. 76. ter Föderøtioøgegeø
d.en Nøtionørsoziøri.swøs
405
Arbeitsbericht der Aktivgruppe Antwerpen, Iuni 1935. In: Stiftung Archiv Pa¡teien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO), Bestand KPD. Zentrale leitende Parteiorgane (RY I), I 2/3/330.
22 Zu Fimmen und der ITF in de¡ Zwischenkriegszeit vgl. Willy Buschak: Ëlo Fitnrnen. Der schöne Trøørn pon Eøropø ønd' d.ie Globølisierøng. Eine Biogrøfie.
406
NACHWORT
Nach dem Urteil Toni Senders hatte Fimmen,,sekene eualitäten.,: Er war ,,sowohl ein Revolutionär als auch ein Organisator,,.2e Diese Cha_ rakterisierung trifft auch auf Knüfken zu, und vielleicht waren diese ,,seltenen Qualitäten" der Grund, warum Fimmen und Knùfken eine so spürbare Wirkung auf ihre Zeitgenossen ausübten.
Das Gespräch zwischen Fimmen und Kmifken in Amsterdam im'Januar 193ó war der Beginn einer engen Freundschaft und Zusammenarbeit, die Fimmen im Januar 1939 folgendermaßen bilanzierte: Es mag wahr sein, dass ich, indem ich Euch vor 3 Jahren unter meine
Fittiche genommen habe, etwas zur Förderung der Bewegung der Seeleute gegen den Faschismus und zur Befrèiung aer aeutiçn
Arbeiterschaft beigetragen habe, andererseits aber hat
mir
die
ltr
Zwischen den von ihrer sozialen und poritischen Herkunft so verschiedenen Fimmen und Knüfken gab es einen weitgehenden Konsens in grundsätzlichen Fragen. Beide machten die leitenden Funktionäre der großen Arbeiterparteien und Gewerkschaften gleichermaßen veranrgroße wortlich ich für die kamnflose ¡lcr deutschen ¡1e,,¡"-t ^ Arbeiterbewe_ Á-r-,-:+--L^---^ kampflose Kanitrrlqtinn Kapitulation der gung 1933. Die ,,furchtbare Niederlage der stärksten Arbeiterorsani_ Essen 2001; Sigrid Koch-Baumgarten: Ein Linhssoziølist and. ,rStønnvogelo øls internøtionølør Gewerþschøftssehretrir. Ed.o Firnwen in der løternøtiinø-
l,
s. 12-28; Bob Reinalda (Hg.): Thø rnternøtiorørrrønsportworhers Federøtion 1914-1945. The Edo Firnnaen Erø. Amsterdam ).997.
23
Toni sender: Aatobiogrøphie einer d.eatschen Rebeilin.Hg. von Gisela BrinkerGabler. Frankfurt/Man 1981, S. l8l.
24 Edo Fimmen an die Gruppe
deutscher Seeleute der ITF Antwerpen am 6.|anuarl939. In: Mode¡n Records Centre (MRC), University of úarwick
159/6/15.
. ',
'.
sationen Europas", hieß es im ersten illegalen Flugblatt der ITF vom Âugust 1933, sei die Konsequenz einer Politik von ,,Fùhrern unserer elten Bewegung" und zugleich ,,jener unfruchtbaren ,radtkalen' Zersplitterungspolitik" der,,nicht weniger unfláhigen" Kommunisten. Nur !n der ,,entschiedenen Abkehr" von dieser Politik sei ein ,,WiederauÊ stieg" möglich, ansonsten drohe das ,,Versinken der ganzen Gesellschaft in der Barbarei".25 ,. Der ,,entscheidende Teil" der Arbeiterschaft, die Mitglieder der Ge'werkschaften, der KPD und SPD wären bereit gewesen, heißt es im Programmentwurf der Antwerpener ITF-Gruppe, ,den ganzen Nazispuk
durch den Generalstreik zu erledigen". Aber die Führer, ,,,blassrote' oder ,purpurrote' Generalstäbe des deutschen Proletariats", hätten den Kampf nicht gewollt. Statt ihre Mitglieder zu ,,d.enhend.en soz,iølistischen Glied,ern einêr Organisation'( zu machen, hätten sie ihnen ,,die typische weltbekannte deutsche Disziplin, die Disziplin der Gefreiten und Unteroffì ziere", den,, Kadavergehorsam", eingepaukt. 2ó Das von der Antwerpener ITF-Gruppe entwickelte Organisationsmodell-war nahezu identisch mit dem von der ITF propagierten ,,Netz von Betriebsvertrauensleuten". Während Fimmen sich auf die ..Revolutionären Obleute" in Berlin bezog, die Initiatoren der großen Streiks der Rüstungsarbeiter während des Ersten Weltkrieges, orientierte sich die Antwerpener ITF-Gruppe historisch an den revolutionären Grup-
dafiir.2a
len Trønsportørbeiterfäderøtion (1919-1942). In: IWI( 3ó (2000), Nr.
407
,{ÀCHWORT
pen in der Marine.'
In der Praxis erwies sich das Antwerpener Modell als sehr erfolgreich. Zwischen 1935 und 1939 hatte die ITF-Gruppe I(ontakte zu den Besatzungen von über ó00 Schiffen sowie Vertrauensleute auf insgesamt 322 Schiffen. Auch wenn man berücksichtigt, daß die Vertrauensleute nicht kontinuierlich auf diesen Schi,ffen fuhren, sind es dennoch beeindruckende ZahIen. Ende 1937 gab es ca. 40 000 Seeleute im Mannschaftsgrad, und insgesamt 970 deutsche Schiffe waren in der Auslandsfahrt eingesetzt. Dies bedeutet, ein Teil der Besatzungen von
in verschiedenen Varianten existiert, ist abgedruckt in Band 5 der Qnellen zør Geschichte d.er d.eatschen'Gewerhschøftsbewegung ,i.rn 20. Jøhrhøød.ert: Die Gewerhschøfteø irn Wìderstønd ønd in der Ernigrøtion 1933 - 1945. Bearbeitet von Siegfried Mielke und Matthias Frese. Frankfurt/
25 Das Flugblatt, das
Main 1999,
S.
3lsff.
26 Programmentwurf der,,Deutschen I.T.F.- Gruppe" Antwerpen (Hafenaktiv-
gruppe Rotterdam und Antwerpen sowie Bo¡dvertrauensleute). I59 /3/C/a/aa (H.i.o.).
In: MRC
408
rund zwei Drittel aller deurschen Schiffe hatte zwischen L93S und 1939 Kontakte zur ITF-Gruppe und auf einem Drittel der Schiffe befanden sich Vertrauensleute der ITF. Insgesamt kann man von rund 300 bis 400 Seeleuten ausgehen, die sich mit den Zielender ITF-Gruppe iden-tifizierten bzw. ihr zugehörig fühlten, und einer mindesrens ebenso großen Anzahl von Sympathisanren. Der praktische Erfolg-ihrer,A.rbeit hatte mehrere Gründe . Die Antwerpener waren aus eigener Erfahrung mit den konkreten Arbeits- und Lebensbedingungen der Seeleute aufs engste verrraut. Gegenüber allen anderen Exilgruppen hatten sie nach Aussage Knüfkens den Vorteil, mit einer ,,Betriebsbelegschaft" verbunden zu sein, ,,die weniger als alle anderen Berufszweige zu verlieren" hatte: ,,IIeimatlose Gesellen, ohne Plüschmöbel und Dreizimmerwohnungen, Rebellen, die immer schlecht organisiert waren aber den einen großen vorteil hatten, sich so leicht nicht unterdrücken zu lassen" (vgl. Dok. S.334). DaS Solitla- . ritätsgefùhl unrer den seeleuten war offensichtlich so srark ausgeprägt, e. daß selbst Nazikollegen das Verteilen antifaschistischer propaganãa nicht denunzierten, so daß die Gestapo trotz massiver Anstrengungen nicht in das illegale Netz der ITF eindringen konnte. Zudem *uì .. ã., Gruppe gelungen, den größten Teil der kommunistischen Kader unter den Seeleuten für die ITF zu gewinnen. .
,
Neben Antwerpen wurden bis zum Kriege noch weitere ITF. Gruppen aufgebaut, so in Frankreich (Bordeãux, Marseille, Rouen,
409
å\¡ACHWORT
NACHWORT
,
Straßburg), Schweden (Stockholm, Göteborg, Luleå, Oxelösund) und Norwegen (Oslo, Bergen, Narvik). In Norwegen war Willy Brandt verantwortlicher Leiter der ITF-Aktivitäten. An der westkriste der uSA , organisierte Erich Krewet, ein ehemaliges Mitglied der Antwerpener Gruppe, die antifaschistische Arbeit der ITF. Aufgrund seiner Aktivi. . täten rief die Mørititne Unian of the Pøcific CoøstimAugust zu einem .,, halbstündigen Generalstreik gegen die Unrerdrtickung der Gewerk ., schaften in Deutschland auf, an dem 30 000 seeleute und Hafenarbeiter teilnahmen.2T Im Unterschied zurAntwerpener Gruppe befanden sich in den anderen ITF-Gruppen oft kaum Seeleute, nicht einmal Mitglieder der ITF, sondern Exilanten des gesamten linken Spektrums. Sie mußten die . .
..
,
..
Richtlinien der ITF für die illegale Arbeit schriftlich anerkennen. Ob¡¡ohl sich die ITF politisch scharfvon den Exilleitungen des ADGB, der KPD und SPD abgrenzte, wurde in ihrem Rahmen die vielbeschworene Einheitsfront der Arbeiterklasse tatsächlich verwirklicht. ,,Ist das ein anständiger Sozialistl " 28 Diese und nicht die Frage der Organisationszugehörigkeit war für Fimmen das erste Kriterium bei der Auswahl seiner Mitarbeiter. Auch diese Eigenschaft verband ihn mit Knüfken und der Antwerpener ITF-Gruppe. ,,Gefährdete aus Deutschland ins Âusland zu schaffen", erinnerte sich I(urt Lehmann, ,,war für uns eine Selbstverständlichkeit". 29 In der Solidaritätsarbeit mit dem republikanischen Spanien war die ITF besonders aktiv. Sechs Mitglieder der Antwerpener Gruppe brachen schon
im.tugust I93ó nach Spanien aufund schlossen sich dort
den Arbeitermilizen an. ,,I{eute Spanien, morgen Deutschland", mit dieser Parole stellten sie die Kämpfe des spanischen Proletariats in einen Zusammenhang mit ihrem Kampf gegen Nazi-Deutschland. In ihrer
Zeittng und in Flugblättern forderten sie die Seeleute auf, deutsche Transporte von IQiegsmaterial nach Franco-Spanien zu verhindern. Nachweisbar ist ein Plan der ITF, durch eine Meuterei auf offener See ein deutsches Schiffmit Kriegsmaterial auf die republikanische Seite zu bringen: ,,Tatsächlich haben wir diesen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen versucht. Leider ist er fehlgeschlagen." 30 Eine wichtige Aufgabe übernahmen die Vertrauensleute der ITF, die von Antwerpen aus auf deutschen Schiffen nach Franco-Spanien fuhren. Im Durchschnitt waren es sieben bis zehn Schiffe im Monat, und auf circa 80% der Schiffe fuhren Vertrauensleute. Einige dieser Vertrauensleute waren in militärtechnischen und -strategischen Fragen geschult und besaßen in den Hafenstädten Informanten, sowohl unter Spaniern als auch unter deutschen Soldaten und Angehörigen der Marine. Aufgrund von Informationen der ITF konnten 1938 hinter den feindlichen Linien bei Montril 350 asturische Bergleute durch einen Flandstreich aus der Gefaneenschaft befreit werden.
,l
27
Krewet schrieb
in
zwei Aufsätzen
in
den Gewerhschøftlichen Monøtsheften
(GMH) über seine Aktivitäten in den USA. Vgl. Erich K¡ewet: H¡ind.e über In: GM H t9 (t968), S.569ff.
d.i e
M
e
er e.
LB (L9 67 ), S.
5
59
-
5
62
; ders : Vor dr ei$ig Jø h r n. In: GM H e
28
Willi Eichler:
29
Interview Jan Foitzik mit Kurt Lehmann vorn 10. Februar 1979 fKopie im
Soziølisten. Biogrøphi.sche Aøfstitze über l(ørl Mørx, Leonørd. Nehon, Friedrich Ebert, Ed.o Firnrneø, Minøø Specht, I(ørt Schømøcher, Ericlt Ollenhøøer. Bonn-Bad Godesberg L972, 5.109.
Besitz des Verfassers]. 30 Fritz Ebe¡hard: Arbeitgegeø
d.øs
Dritte Reich (= Beiträge zum Widerstand,
Heft l0). 3. Auflage, Berlin/West 1981, S.17.
4t0
Die Hoffnung Fimmens und der ITF-Kader, daß der Kampf in Spa. nien der Anstoß zu revolutionären Aktionen gegen das NS -Regime sein würde, erwies sich allerdings als lllusion. Deutschland war politisch und militärisch gestärkt aus dem Spanischen Bürgerkrieg hervorgegan: gen. Die Antwerpener Gruppe ging nun dazu über, Sabotageaktionen vorzubereiten. Im Falle eines Krieges sollte kein deutsches Schiff ei=: nen deutschen Hafen erreichen. Bündnispartner der ITF wurden nun die kapitalistischen Demokratien. Fimmen und Knüfken lieferten dem französischen und britischen Geheimdienst Informationen über die militärische Aufrüstung Deutschlands. Zusammen mit dem britischen Geheimdienst waren auch Sabotageanschläge in Skandinavien geplant. ,
Die Erzverschiffung nach Deutschland sollte unterbunden werden. Aber die Aktion wurde von den Briten abgesagt. ,,Der Kriegsausbruch und die Welle der deutschen Siege haben natürlich auch unsere Erwartungen eines schnell aufflammenderi Wider. standes [...] zunichte gemacht", schrieb Knüfken rückblickend nach Kriegesende.3l Während deutsche Truppen im Blitzkrieg Polen über.. rollten, kam es an der Westfront zu keinen Kampfhandlungen. Der ,,Sitzkrieg" war auch ein Grund dafür, weshalb es nur vereinzelte Sabotageanschläge auf deutsche Schiffen gab. In Island kam es zu Meu. tereien auf zwei deutschen Schiffen. Die Besatzungen hatten sich zunächst geweigert, nach Deutschland zurückzukehren. Knüfken war Ende Oktober 1939 mit falschem Paß nach Schweden gereist. Er wollte dort die illegale Arbeit neu organisieren. Wegen der für die deutsche Kriegswirtschaft bedeutsamen Erzlieferungen wurde Schweden nun zum wichtigsten Aktionsfeld der ITF. In Stockholm suchte Knüfken zunächst Charles Lindle¡ den Vorsitzenden der IT\ auf und diskutierte mit ihm die Möglichkeiten der .trbeit in Schweden, die sich seit A.usbruch des Krieges enorm verschlechtert hatten. Durch die strikte Neutralitätspolitik der Regierung waren eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet worden, um Spionage auf schwedischem Territorium zu verhindern. Ausländern wurde der Aufenthalt in gewis-
4II
}¡ACHWORT
NACHWORT
Knüfken führte Gespräche mit Vertrauensleuten der ITF, mit deutschen und schwedischen Syndikalisten und besuchte mehrere schwedische Hafenstädte. Aber schon Mitte November wurde er von der schwedischen Polizei verhaftet. Er hatte beim englischen Konsulat darum gebeten, Informationen über deutsche Kriegsschiffe und militärische Anlagen auf dem schnellsten Weg, unter Umgehung der englischen Zensur, an die ITF nach London zu schicken. In der Mittrgszeit hatte er aber nur den schwedischen Wachmann angetroffen, der die Polizei informierte, die Knüfken einen Tag später verhaftete. lilegen Paßvergehens und unerlaubter Nachrichtensammlung wurde Knüfken zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Lindley versuchte auf höchster politischer Ebene für ihn zu intervenieren, allerdings ohne ç.rfolg. Kurze Zeítvorher waren zwei weitere Vertrauensleute der ITF festgenommen worden. Öffentlich verwahrte sich Lindley gegen die Behauptung, die Arbeit unter deutschen Seeleuten könne als Spionage bezeichnet werden. Die Gestapo stellte, nachdem sie von der schwedischen Polizei über
Knüfkens Verhaftung unterrichtet wordeilwar, einen Auslieferungsantrag, den sie mit einer angeblichen Beteiligung an Sabotageakten gegen deutsche Schiffe im Jahr 1938 begründete,- die l(nüfl<en nicht als ITF-Funktionär, sondern als bezahlter Agent des britischen Geheimdienstes durchgeführt habe (vgl. Dok. S. 339ff.). Nur durch massive Interventionen Lindleys und des britischen Botschafters konnte Knüfkens Auslieferung an Deutschland verhindert werden. Bis 1943 saß er in strengster Isolationshaft und durfte erst im Herbst 1944 nach England ausreisen. ,,Der lIermann, den ich so lange nicht gesehen hatte, war wie früher voller Erwartungen, voller Leben und al\em." 32 So schilderte Sonja Knüfken das Wiedersehen mit ihrem Mann. Sofort ging I(nüfken daran, Vorschläge für den Neuaufbau der ,,Wassertransportarbeiter Ðeutschlands" und deren Aufgabe für die ,,Wiederinbetriebsetzung der Häfen" auszuarbeiten.33 Wie seine lTF-Kollegen Walter Auerbach
Ilafen-, Eisenbahn- und Fabrikanlagen unterstanden einer strengeren Kontrolle. Die deutschen Flüchtlinge gerieten somit noch stärker ins Visier der schwedischen Sicherheitspolizei. Deshalb wurde die Arbeit unter deutschen Seeleuten zu Beeinn des sen Regionen verboten.
Zitiert i.n Staffan Lamm: Eiø Mønn Dã.s ø'belrtenerlichø Leben des Seøwønns
Schweden/England/BRD 1988. Sendung am 3.Mai1989, 2lUhr, Norddeutscher Rundfunk 3, Redaktion Film und Theate¡ [Filmtyposkript im Besitz des Verfassers].
Krieges eingestellt.
3l Knüfken: Über d.eø Wid.erstønd. tion (Anm.20),5.78.
d.er
Internøtionølen Trø.nsþtrtø.rbeitør Föd,erø.
Freitøg/A Møro cølled' Frid'øyønd Rewløtion¡irs Herwønø l(nüflzen.
ntt'lloens
ÐÐ
d'en irn frühereø Gesøtn'tverbønd, zusørnvøeøgeføþen I(øtegor'ien d.er d.eøtsclten Wøssertrønsportørbeirer,
Ilermann Kntifken: a) Einige Erltiaterøngeø zø
4r2
NACHWORT
und lIans Jahn, die wesentlichen Einfluß auf das Programm der ,,Landesgruppe Deutscher Gewerkschafter in Großbritannien" hatten, schlug Knüfken den Aufbau antifaschistischer, demokratischer Industriegewerkschaften vor. Die neuen Gewerkschaften sollten, ausgehend von den Betrieben, von unten nach oben aufgebaut und von Funktionären aus dem Widerstand und Exil geleitet werden. Aber in einem zentralen Punkt unterschied sich Knüfken wesentlich von seinen deutschen Genossen. Er betonte die ,,Schuld der deutschen Arbeiter am Kriege und den im Kriege begangenen Verbrechen": Glauben wir nicht an die Schuld der deutschen Arbeiter, dann sind wir immer noch die Deutschen von I9l4 oder 33, dann gibt es keine Besserung und noch nicht einmal die Möglichkeit einer Neukonstruktion der Gewerkschaften. Dann wird auch nach diesem Krieg und nach dieser Niederlage die Mehrheit der deutschen Arbeiter
den alten Spuk des ,,Deutschland über alles" mit sich weiter herumschleppen!
3a
Die ,,Mitschuld der gesamten deutschen Arbeiterschaft" begann für K¡üfken, der sich selbst vorwarf, nicht genug gegen die Machtergreifung der Nationalsozialisten vorgegangen zu sein, schon mit der kampflosen Kapitulation 1933. Zwar kritisierte er nach wie vor scharf die Verantwortlichen des ADGB, ,,die weder den Willen noch den Mut hatten, den Zusammenbruch von 1933 zu verhindern" 35, aber im Unterschied zu seinerAuffassung in den 30er Jahren war die ,,bittere Leh1944; b) Die Internøtionøle Trønsþortørbeiter Föd.erøtion ønd. Aøfbøø der Gewerhschøften in Deøtschlønd., iøsbesondere der Gewerkschøft d.er Wøssertrønsportørbeiter; c) Die Internøtioøøle Tiønsportørbeàter Föd.erø78. Deze*øber
d.er
tiln
zt
r
Demohrøtisierøng
deøtschen Wøssertrøøsportørbeiter-Vørbønd.es; d.ie Wiederiøbetriebsetztung der Iläfen øn der deøtschen Wøsserhønte nøch dør Ohhøpøtion ønd. die Erføssøng d.er døzø nätigen Føchørbeiter dørch die Gewerhschøft d.er Wøssertrønsportørbeiter; e) Støtøteøentwørf für eiøe Gewerkschøft d.er Wøssertrønsportørbeitør Deatscbd.es
d) Einige Aøsfährøngen über
lønd.s. Ir': Archiv der sozialen Demokratie Bonn (AdsD), Bestand ITF, N¡. 54. Die Manuskripte a) und c) sind abgedruckt in Knüfken: (Jber d.en Wid,erstønd der Internøtionølen Trønsþortørbeitør Föd.erøtion (Anm. 20), 5.73-83 v 84-87. Und.wøs nan? (vgl. Dok. S. 348-353). ca Ebenda, S.80f. 35
Knüfken: Støtøtenentwarf
I'¡ACHWORT
4t3
rel: ,,Die Arbeiterschaft hatte die Organisationen und die Führung, die ifu und ihrer Einstellung entsprach" (vgl. Dok. S. 351-). ,,tuch in den Schlußfolgerungen unterschied er sich von seinen deutschen ITF-Genossen. Während diese nur widerwillig die vom Sefuetariat der ITF beschlossene internationale Kontrolle des gewerkschaftlichen Wiederaufbaus akzeptierten, wurde diese von Knüfken als
aotwendige Bedingung gefordert, ,,um das Versagen wieder gutzumachen und das Vertrauen der ausländischen Bruderorganisation wieder zu gewinnen".3ó Kern dieser neuen Gewerkschaften müsse die ,,kleine Minderheitvon Seeleuten", ,,Aufrechten" sein, die aktiven Widerstand geleistet hatren und denen man ,,keine Mitschuld am Kriege aufbürden" könne. Diese sollten den neuen Gewerkschaften ihren Inhalt geben: ,,Proletarische Demokratie und internationâle Bruderschaft" (vgl. Dok. S. 351). Wegen der,,Überzentralisation" und der,,typisch,deutschen Disziplin' der Mitglieder gegenüber dem leitenden Funktionärsstab" müsse die Struktur im ,,Interesse einer wirklichen Demokratie" von ,,Grund auf anders gestaltet" und die Macht ,,für alle Zukunft so gelagert werden, dass ihr Schwergewicht nicht mehr in der Leitung, sondern in der Mitgliedschaft liegt".37 Knüfken hatte nicht die Möglichkeit, unmittelbaren Einfluß auf den Neuaufbau der Gewerkschaften zu nehmen. Die britischen Besatzungsbehörden waren nicht bereit, der ITF direkte und unabhängige Kompetenzen einzuräumen, und lehnten die Eröffnung eines ITF-Büros und einer ITF-Zeitung ab. Erst im Januar 1946 war ,,klar", daß Knüfken nach Deutschland zurückkehren konnte. Zwischenzeitlich hatte er wieder den l(ontakt zu Genossen aus der ITF-Seeleutegruppe hergestellt, die er materiell unterstützte.38 Knüfken kehrte aber nicht als offizieller lTF-Delegierter, sondern im Auftrag der britischen Regierung nach Deutschland zurück. In Hamburg arbeitete er in der Entnazífrziertngskommission für deutsche Seeleute (vgl. S.357) . Gleichwohl wurde er aktives Mitglied der ÖTV. In einem von ihm in englischer Sprache verfaßten Bericht weist er sich 36
Ebenda.
37
Knüfken: Über d.en Wid'erstønd. der Internøtionøleø Tþønsþortørbeiter Föd'erøtion (Anm.20), S.84.
38 Knüfken
an Lieber Freund [Helmut Rüdiger] am 30.I.1946. In: Internationales Institut für Sozialgeschichte Amsterdam (IISG), Nachlaß Rüdiger, Nr.55.
4r4
NACHWORT
als ,,Secretary of Seamen's Section of Transport & General Workerso I{amburg" aus.39 Dieser Bericht, den er den britischen Behörden und später der ITF zukommen ließ, enthält kritische Bemerkungen über das Verhalten führender Funktionäre der Hamburger ÖTV während der Zeit des Dritten Reichs. Darüber hinaus schrieb l(nüfken von starkeil nationalistischen Tendenzen in der Arbeiterschaft - ,,strong Germanic
sentiment(' -, die sich seiner Einschàtztrng nach verstärken würdenn. solange derWiederaufbau der deutschen Gewerkschaften nichtvon deq internationalen Organisationen kontrolliert würde. Vermutlich wege l dieses Berichts wurde I(nùfkenAnfangIg4T aus der ÖTV ausgeschlossen. Genauere Hintergründe sind nicht bekannt.40
Knüfken blieb bis 1950 in Hamburg und kehrte danach nach England zurück. Politisch engagierte er sich nicht mehr. Er wurde britischer Staatsbürger, Iebte in Brighton und arbeitete nach Darstellung seiner Frau bis zu seinem Schlaganfall im Jahre 1965 für das britische.",\ußenministerium im Londoner Hafen. Dabei handelte es sich mit sehrr-
,1
l
tt .;
großer Wahrscheinlichkeit um eine nachrichtendienstliche Tätigkeit. ,,Aus dem Mann, der so viele ]ahre im Gefängnis und in Einzelhaft verbracht und dauernd für große Ziele gekämpft hatte", sagte Sonja Knüfken über den letzten Lebensabschnitt ihres Mannes, ,,wurde tat: sächlich plötzlich ein Familienvater", der ,,das Glück seiner alten Tage nach so vielen Leiden, so vielen llngsten und Gefahren in der ruhigen und geborgenen Atmosphäre seines Zuhause" fand: ,,Aber als er sich ganz ntrickgezogenhatte, wurde er zu meiner Überraschung ein Mitglied der Konservativen Partei". 4I I(nüfken starb am 8. Februar 1976 in Brighton. Seine Asche wurde in Kopenhagen -.in Nähe der Seejungfrau - ins Meer gestreut. Dänema¡k. blieb für ihn das ,,ideale Land", das ihm',,zwischen den verschiedeneq Expeditionen ins Ungewisse mehr oder weniger freiwillig Asyl" gegebea. hatte (S.82). In seinem Geburtsland Deutschland nahm niemand Notiz von deæ Tod des Mannes, der im Widerstand gegen das NS-Regime eine so heq. ausragende Bedeutung hatte. In historischen Standardwerken sucht mrr¡, vergeblich seinen Namen. Dies liegt zum einen daran, daß er eine Be39
Der Bericht, der keine Überschrift trägt, fìndet sich im AdsD, Bestand ITF; Nr. 81. Vgl. dazu den Briefwechsel zwischen 24. August und 28.August 1950. In:
4l Zitiert tnLamm:
Adolf Kummernuss und lIans Jahn vorn MRC I59 / D /98.
Ein Mønn øørnens Freitøg (Anrn. 32),5.36.
WåCHWORT
4r5
rufsgruppe repräsentierte, die in der Geschichtsschreibung ein Schatführte. Entscheidend ist jedoch, daß die von Knüfken ver,&örperte revolutionäre Tradition der,,proletarischen Demokratie und hternationalen Brüderschaft" in mancher Hinsicht im Gegensatz zu den Hauptströmungen der deutschen Arbeiterbewegung stand und weder im .Ðsten noch im Westen Deutschlands zur Traditionspflege geeignet war. ,.., In der zeitgenössischen Literatur finden sich mehrere Passagen über Knüfken. In dem 1938 im ,,antikommunistischen" Nibelungen-Verlag crschienenen Buch von Karl I. Albrecht D er verrøtenø Soziølisrøus. Zehn løhre øIs hohe¡, Støøtsbeø.mter 'in d.er Sowjetønion, das eine Auflage von i:,ûiber 300000 Exemplaren erreichte, wird Knüfken während seiner Leningrader Zeit als,,schlimme [r] GPU.-Spitzel" und skrupelloser, zyaischer Parteifunktionär dargestellt, dem es vor allem darum ging, ,,das aigene Leben bequem und angenehm zu gestalte¡".42 Knüfken sei auch *für die zahlreichen in den Sowjethäfen organisierten Streiks auf ausländischen Dampfern" mitverantwortlich gewesen. Hinter der diffamieEenden Absicht dieses in einem antisemitischen Grundton verfaßten Buches wird deutlich, daß Knüflrens Tätigkeit als ,,Burschuifresser" in I-eningrad sehr effìzient gewesen sein muß, was auch ein Tagebucheintrag der Rußlandreisenden Gräfin Finckenstein bestätigt, demzufolge die Matrosen durch den ,,ehemaligen Meuterer Ifuiffke [...] außässig gemacht" wurd,en.43 Krebs-Valtin schildert im Tøgebøch d.er Hölle die erste - fiktive - Begegnung mit Knüfken l9I9 folgendermaßen: âendasein
Im
.
.
im Gebiet von St. Pauli, hörte
.politischen Abenteurer des Jahrhunderts. Von einer ungewöhnlich
42
. -
GrenzføJt, einer großen Bierhalle
und traf ich zum erstenmal llermann Knüffgen, den PrototyP aller
.
*3
Karl L Albrecht: Der vevrøtene Soziølisrnøs. Zøhn Jøhre øls hoher Støøtsbeøvnter in d.er Sowjetønion. Berlin - Leipzig 1938, S..3f. ,\lbrecht, ein ehemaliges KPD-Mitglied und Forstfachmann, war 1924 ín die Sowjetunion ausgewandert, wurde dort 1932 verhaftet und kam 1934 mit Unterstützung der deutscheri Botschaft zurück nach Deutschlând. Zu Albrecht vgl. l{ermann Kuhn: Brøcb rnit d.ew I(omrnønismus. Über øatobiogrøphische Schriften voø Ex-I(ornvnønisten i' geteiben Deøtschløø1. Münster f990, S.l5ff; Michael Rohrwasser: Der Støliøisøtas and. d.ie Renegøten. Die Literøtør d'er Exhornrnønisten. Sttxtgart 199I, S. I0U. Carmen Hertz Grâfin Finckenstein: Tøgebøch einer Røise øøch Moshøø wnd. Møi - Aøgøst 1923. Bearbeitet von Ge¡ta Calmann geb. Hertz. Hamburg L974,5.148. Petersburg
416
gut ausgesuchten Gruppe revolutionärer Raufbolde umgeben, strahl-
.
te Knüffgen eine Atmosphäre unzerstörbarer Zuversicht aus. Von mittlerer Größe, schmächtigem Körperbau, mit einem beinahe farblosen Haarschopf, mit blassen, stets zu einer leichtsinnigen Teufelei" aufgelegten Augen, war er zu jener Zeit nicht mehr als 22 oder 23 Jahre alt. [...] Die messianische Begeisterung dieses Seemanns befeu- . erte meine Phantasie, doch war nichts Blutrünstiges um ihn, wie man es bei vielen anderen fand, die von unten heraufgekommen waren.44
Knüfken taucht im Tøgebwch d.er Hölle erst 1933 wieder auf. Knùfken, so Krebs, hätte die kommunistische Aktion zum Boykott deutscher Schiffe durch Hafenarbeiter in Antwerpen zunichte gemacht, indem er mit Flugblättern und auf einer Streikversammlung auch den Boykott deutscher Schiffe in der Sowjetunion gefordert habe. Krebs stellte ihn nach der Versammlung zur Rede: Knüffgen lehnte sich zurtick. Sein Blick folgte dem Rauch seiner Zi, garre. ,,Ich habe nie besser gelebt als jetzt", sagte er zufrieden. ,,Das glaube ich." ,,Du bist ein gottverdammter Dummkopf. Ihr Burschen denkt, ihr seid Wölfe, aber ihr seid nur Püppchen, die nach Schmetterlingen jagen. Bist du dir denn nicht im klaren darüber, daß Josef Stalin und seine tlwø,rischtschi nichts als Verachtung für euch ausländische Speichellecker empfindenl" ,,Für wen arbeitest du jetztì Für die Gestapol",fragte ich nun todernst. ,,IJnsinn! Die Gestapo zahlt mir zu schlecht." ,,Wer zahlt mehrl " ,,Scotlønd. Tørd,. Dt siehst, ich werde Realist." ,,\Marum stellst du dich dem Boykott der deutschen Schiffe entgegen | " Knüffgen lachte kaltblütig. ,,Ich freue mich immer" wenn ich Knüppel zwischen die Kominternbeine werfen kann", sagte er und fügte ernsthaft hinzu: ,,Jede Art von Politik ist Betrug. Du weißt das so gut wie ich. Weshalb daraus nicht die Konsequenzen ziehenl" ,,Welche Konsequenzenf " ,,Am Leben bleiben und es sich wohl sein lassen, das eigene Boot fahren und etwas Spaß haben." ,,Du tust mir leid." ,,Ich weiß, du bist immer noch der Meinung, daß Recht und Unrecht zwei verschiedene Dinge sind", sagte Knüffgen. ,,Du bist gewissenskrank." ,,Meinetwegen nenn es Gewissen." ,,Setze das Gewissen auf den Thron, und du wirst vor Ifunger sterben. Vielleicht fìndest du auch eines schönes Tases einen Strick um den lIals."45
44 45
Valtin: Tøgebøch d.er Hölle (Anm, Ebenda. S.376.
ll),
S.20f.
4r7
NACHWORT
NACHWORT
.
Ðiese Charakterisierung von Knüfken entspringt einer Mischung aus Gerüchten, Halbwahrheiten und der Phantasie von Krebs. Der Frage, warum Krebs gerade den Mann, der, wie er schreibt ,¡iel dazu beigetragen hatte, wenn auch nur indirekt, mich in die Flut der kommunistischen Bewegung zu stoßen"4ó und der 1938 maßgeblich an seiner Flucht in die USA beteiligt war, so porträtierte, kann an dieser Stelle ni- cht weiter nachgegangen werden.47 Fest steht, daß Knüfken alles andere war als der sarkastische Agent von Scotland Yard, als den Krebs ihn darstellt. Denn Knüfkens Zusammenarbeit mit dem britischen Geheimdienst war nicht losgelöst vom politischen ZieI: der Zerstörung der NS-Diktatur. Knüfken hatte zwar mit dem Apparat gebrochen, aber nicht wie Krebs mit den kommunistischen Zielen. Franz Jung (1888-1963), der Schriftsteller, der mit Knüfken 1920 den Fischdampfer entführt hatte, sah Knüfken typologisch und widmete ihm in seiner Autobiographie eine dezidierte Beschreibung: Knüfgen war ein Typ, wie er unter Matrosen häufig zu finden ist - für irgend etwas sofort hell begeistert. Er setzt sich dann auch rückhaltlos dafür ein. In unserem Falle war es der Dienst an einer Aktion für die revolutionäre Bewegung; welcher Art diese Aktion sein würde und für welches besondere ZieI, das spielte schon eine geringere Rolle. Je größer die Schwierigkeit, je lockender die Aufgabe. Trotzdem wäre es falsch. darin nur reine Abenteuerlust zu sehen. Es mußte etwas sein, wofür er sich, war er erst einmal mitten drin, dann auch voll einsetzen konnte, an das er mit glühendem Fanatismus glaubte. Er hatte ein paar Schlagworte derBewegung aufgeschnappt; das genügte ihm vollkommen. Er steigerte sich in dem, was er versprach, ganz gleich, ob die Durchführung schließlich fast unmöglich schien. Vor allem glaubte er an seine Zusage; eigentliche Bedenken hat er wahrscheinlich nie gekannt - und sehr oft, ich möchte sagen, meistens, hat er damit später Erfolge gehabt.48 Angesichts der Tatsache, daß Kntifken Jung als ,,Freund" und ,,wunderbaren Menschen" (S.95) bezeichnete, beide, wie auch den Erinne-
4ó 47 48
Ebenda, S.375.
Ygl. dazu Nelles: /ø n Vøbi.n (Anm.
II).
Franz lrng: Der Weg nøch ønten. Aøfzei.cltwtltgen øøs einergrofen Zeit.Neu wied - Berlin/West 196I, S.I45.
4t8
NACHWORT
rungen Cläre Jungs zu entnehmen ist, 1923 in Leningrad zusammen im Hotel Astoria wohnten und freundschaftlich miteinander verkeh rten{g, bleibt Jungs Beurteilung bemerkenswert distanziert. Eine positive Beurteilung Knüfkens findet sich in den unveröffent-., lichten Erinnerungen des KPD-Funktionärs und späteren Botschafters der DDR Walter Vesper (1897-\978). Dies ist umso erstaunlicher, -. da Vesper im Spanischen Bürgerkrieg.,,im Kampf gegen Agenten und Diversanten", d. h. an der Unterdrückung der nichtkommunistischen Linken, an führender Stelle beteiligr war.50 In seinen Erinnerungen schildert Vesper relativ ausführlich die Schifßentftihrung und die Kampagne der Hamburger Arbeilterorganisationen zur Freilassung Knüfkens während dessen Hungerstreik.
Knüfken, so Vesper, sei ,,als energischer Genosse bekannt" gewesen.5r 1924 arbeitete Vesper mit Knüfken zusammen im Leningrader Interhløb.Er beschreibt ihn als Gegner der damaligen Parteilinie, der Neuen Ökonomischen Politik. Aber, und dies ist bemerkenswerr, ohne ab- , schätzenden lJnterton gegen den ,,Renegaten" Knüfken und verbun- " den mit dem Geständnis, daß er,,anfänglich den gleichen Standpunkt..
Sowjetkommunismus ,,ein großartiger Kamerad und Bolschewist ganz som richtigen Schlag". 53 . Die Bewertungen Knüfkens machen, unabhängig davon ob positiv oder negativ, eines deutlich. Es handelte es sich um jemanden, der starken Eindruck auf seine Zeitgenossen hinterließ. In der Geschichtsschreibung der Arbeiterbewegung und des Widerstands gegen den Nationalsozialismus wurde er aber lange Zeit - wenn überhaupt - nur in Fußnoten erwähnt und meist im Zusammenhang mit der Schiffsentführung.5a 6ber gerade eine solche Aktion war in der deutschen Arbeiterbewegung und für deren Geschichtsschreiber dazu angetan, KnüÊ ken als schillernde Person wahrzunehmen. Vermutlich war es deshalb kein Zufall, daß kein deutscher Historiker, sondern ein schwedischer ]ournalist Knüfkens Name der Vergessenheit entriß. Erst durch den Film von Staffan Lamm, Ein Mønn nønoens Fre'itø4, erfuhr die Öffentlichkeit 1989 etwas über das abenteuerliche Leben des Seemanns und Revolutionärs Hermann Knüfken. Über seine Entdeckung Knüfkens erzählt Lamm im Film:
vertreten habe.52 Ähnlich positiv f,állt auch die Beurteilung des dänischen ISH-Funktionärs Richard Jensen (1894- 1974) aus, der llermann Knüfken unrer
Es begann damit, daß ich eine Geschichte hörte, die mir völlig unwahrscheinlich vorkam. Es ging dabei um einen mysteriösen deutschen Seemann, der während des Zweiten Weltkrieges in der Abteilung für Geisteskranke im Stockholmer Langholmengefängnis eingesperrt war. Sein Fall war als streng geheim erklärt. Niemand durfte seinen Namen wissen oder warum man ihn jahrelang ohne
der Überschrift ,,En ægte proletar" ein ganzes Kapitel seiner Autobiographie widmet. Für ihn ist ,,Knöfken" trotz seiner ,A.bkehr vom
49 50
5t 52
Clàr e
ltng:
P ør ø di e súg e L Er inn e røng en. IJambtsr g [19
87],
S.
4r9
,:,NACHWORT
IJntersuchung, Gerichtsurteil oder ärztliches Attest festgehalten hatte. Er war völlig gesund und normal. Man gab ihm den Namen Freitag, da er an einem Freitag eingeliefert worden war. Als ich herausfand, daß der Mann Freitag wirklich existiert hat; wollte ich wissen, was damals tatsächlich geschehen war. Warum forderten die Deutschen so hartnäckig seine Auslieferungl Warum war er für die Engländer von so großem Wertf Und \Ã/ârum ließ die schwedische Regierung ihn in einer Abteilung für Geistes-
I I 9f.
Walter Yesper: Irø Kørnpf gegen Agenten øød Dipersønten. In: Brigød.ø Internøcionøl ist øøser Ehrennøwe ... Eylebnisse øheøøliger deøtscher Spønieøhtiøpfer. Ausgewählt und eingeleitet von Hanns Maaßen. Band II. Berlin/ DDR [974], S.4L-44. Zu Vesper vgl. Burkhard Krohn: Vo*n ,,I(ørøbinerhotnwønisten( zaw B otsch øfter. Wøher Wslt er. In: Forsçhungsgruppe Wuppertaler Widerstand (Hg.): ,.. . Se hrieje as nit hø¡twtt<. Gesichter d.es Wøppertøler Wid.erstønd.s.Essen 1995. S. f 8I -208.
kranke verschwindenl
55
Vgl. SAPMO, Bestand Erinnerungen, EA, L337//I,5.L28. Ebenda, 5.143. Die Wertschätzung Vespers für Knüfken beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit. So schrieb die Antwerpener ITF-Gruppe an ih¡e Genossen in Spanien imJuli 1937:,,Mit Interesse vernehmen wir, daß facks Bruder Walter an der Madrider Front ist. Wenn irgend möglich, sorgt doch dafür, daß er bald von sich hören läßt". In: MRC 159/3/C/e/99. Vespers Bruder Jack (Hans) war Mitglied der Antwerpener ITF-Gruppe und kämpfte in Spanien.
33
lelasen: En orntørnlet Tilparehe (Anm.
l7),
S.
lI0 u. IIó.
54 Vgl. Olaf Ihlau: Diø Roten IG'røpfer. Ein Bei*øg zør Geschichte der Arbei.terbewegøng in d,er Weimører Repablih. ønd iw Dritten Reich. Meisenheim/Glan 1969,5.7 Anm.L7.
;¡
Lamm: Ein Mønn nøvnens Freitøg (Anm. 32),5.2.
420
NACHWORT
In den 90er Jahren erschienen dann mehrere Arbeiten, in denen ausführ-
licher auf Knüfkens Widerstandstätigkeit eingegangen wurde. Allerdings wird der rätekommunistische bzw. revolutionär-syndikalistische Hintergrund Knüfkens nicht wahrgenommen. só Dies ist aber in zwei-,. facher Hinsicht wichtig.
Erstens ist nur auf diesem Hintergrund zu verstehen) warum es ,
Knúfken und der Antwerpener ITF-Gruppe gelang, die unter Seeleuten traditionell starke KPD als Konkurrent zu verdrängen. IJnd zwei. tens wird am Beispiel Knüfkens deutlich, daß es auch im deutschen Kommunismus eine freiheitliche Tradition gab, die nicht zwangsläufig im Stalinismus enden mußte. Dieser Aspekt ist besonders in der Aus-' einandersetzung mit denjenigen wichtig, die ebenso unwissend wie gedankenlos behaupten, schon die Idee des Kommunismus sei ,,töd. lich" 57 oder die den Antifaschismus auf einen kommunistischen Mythos reduzieren wollen. 58 Der renommierte Historiker Hans-Ulrich Wehler geht sogar noch,_ weiter. Für ihn ist die Rätebewegung ,,als politische Verfassungsordnung ein gefährlicher Rückschritt in das Traumland basisdemokratischer Illusionen" 59, und im Hinblick auf die KPD der ersten Jahre fragt er: ,,Warum bloß hat die erste deutsche Republik diesen funda-
mentalistischen Todfeind nicht mit allen verfügbaren Mittein auszuschalten versuchtl "
solchen Formulierungen zeigt sich die Angst des deutschen (Spieß-)Bürgers vor der Revolution und nur auf diesem Hintergrund ist zu verstehen, daß Wehler die Morde an I(arl Liebknecht und Rosa Luxemburg gleich zweimal zynisch kommentiert: ,,Wer ihn [den Bürgerkrieg] mutwillig vomZa:un brach, wie et\ila Luxemburg und Liebknecht. kam darin um."6l Über den Mord und dessen politische Konsequenzen schrieb die von den Anhängern der Totalitarismustheorie so gerne zitierte Hannah .{rendt in einem Essay über Rosa Luxemburg:
Durch den Mord an Rosa Luxemburg und Liebknecht wurde die Spaltung der europäischen Linken in sozialistische und kommunistische Parteien unwiderruflich: ,,Der Abgrund, von dem die I(ommunisten bisher theoretisch gesprochen hatten, war mit den Morden Wirklichkeit geworden: es war der Abgrund des Grabes." Und da dieses frühe Verbrechen von der Regierung geduldet und unterstützt worden war, leitete es den Totentanz im Nachkriegsdeutschland ein.62 [...J
Alle, die aùs bitterer Erfahrung über die Sozialdemokratische Partei zu den Kommunisten übergegangen waren, wurden durch die schnell einsetzende moralische Zertittung und politische Desintegration der Kommunistischen Partei noch ärger enttáuscht, hatten aber das Gefühl, daß die Rückkehr in die Reihen der Sozialdemokratie bedeutete, die Ermordung Rosa Luxemburgs nachträglich gutzuheißen.63
stønd. gegen d.en Nøtionølsoziølisrnøs.
57 Ehrhart Neubert:
Politische Verbrechen in d.er DDR. In: Stéphane Courtois t.a.: Døs Schwørzbøch des Kornruønismws. Uøterd,rüchøng, Wrbrecheø ønd. Terror. Mit dem Kapitel ,,Die A.ufarbeitung des Sozialismus in de¡ DDR" von Joachim Gauck und Ehrhart Neubert. München - Zijrich f 997, S. 829-884. hier S.829.
58 il)
59
,{ntonia Grunenberg: Antiføschisrnøs - ein deøtscher My¿los. Reinbek b. Hamburg 1993. Hans-Ulrich Wehler: Deøtsche Geselhchøftsgeschichte. Yíerter Band; Vom Bed.es Ersten Welthriegs bis zør Gründ.øng der beid.eø d.eøtsclteø Støøten 1914 - 1949. München 2003. S. 2I3.
ginn
óo
In
56 Vgl. Willy Buschak: ,Arbeit
irn hleinsten Zirþ,e|". Gewerhschøfteø irn Wid,erHamburg 1993; Walter Nachtmann: )00 Jøbre OfV. p¡e Geschichte einer Gewerhschøft ønd. ihrer Vorltiøferorgønisøtionen. Frankfurt/Main 1996. Vgl. auch llermann Knüfken: (Jber den Wid.erstønd, der Internøtionølen Trøøsportørbeiter Fäderøtion und Dietei Nelles: Døs øbenteøørliche Lebeø des Herwønn Knü.fken. Eiø d.ernohrøtiseher Rev o løti on tir. h: OTV Rep or t S e efø h r t Nr. 3/Septemberl 9 9 6, S. 13 - 23 ; ITF resistø.nce øgøinst nøtionøhociølisrn ønd føscisrn in Gerwøny ønd. Spøin. In:. Reinalda: The ITF (Anm. 23), 5. 174-199.
421
NACHWORT
ó0 Ebenda, S.538.
6t
Ebenda, S.398, vgl. auch S.537. Zur Kritik an Wehler vgl. ausführlich Rüdiger Hachtma nî: B'ürgertøvtt, Revoløtion, Dihtøtør - zøvn vierten Bøød ton Høns-Ulrich Wehlers,,Gesellschøftsgeschichteo. In: SoziøL. Geschichte 19 (2004)'
Nr. 3, S.60-87. 62 Was Arendt nu¡ ahnen konnte, ist mittlerweile durch die Forschung bestätigt, daß der Mo¡d mit Billigung und Duldung des damaligen soziaidemokratischen Volksbeauftragten Noske verübt wurde, vgl. Klaus Gietinger: Nøchtrøg zø d'en Nøchtrrigen.ln: IWI(28 (1992), Nr.4, S.478a. 63 HannahArendt: Menschen i'nfinstereø Zeitøn' Hg. von IJrsuIa Ludz. München 1989. S.5r.
422
NACHWORT
Knüfkens politisches Leben war geprägr durch diesen ,,Abgrund,,. Als Gefangener der Freikorps machte er im April l9l9 ,,zumerstenmal mit organisierter deutscher Brutalität Bekanntschafr" und seitdem zweifelte er nicht daran, ,,daß die Nation der Dichter und Denker f,dhig,, war, ,,solche Verbrechen" wie im ,,Dritten Reich., zu begehen. Diese ,,Grausamkeit" mit allen ihm zu Verfügung stehenden Mitteln bekämpft zu haben, ist sein bleibender Verdienst (5.77). Zwanzig Jahre nach seinem.Tode wurde dieses Verdienst auch von einem deutschen Gewerkschaftsfunktionär gewürdigt. Anläßlich seiner Ansprache zum hundertjährigen Bestehen der ITF würdigte Eike Eulen, damals Mitglied des geschäftsfrihrenden Ffauprvorstand.es der OTV und Präsident der ITF, ausdrücklich die Mitglieder der Antwerpener ITF-Gruppe und namentlich Knüfken, den ,,Genossen pirar.,: ,,Diese Widerstandsarbeit ist für mich ein llerzstück des Lebens unserer fTF zwischen den Weltkrie sen,.64
Ghronik Hermann Knüfken
t8s3 9. Febrøør: Geburt in Düsseldorf als jüngster von fünf Söhnen des Schreiners johannes Knüfken (1859-1893) und seiner Frau -A.nna
Maria, geb. Müller (t855-1,943). 23. Jøni: Tod des Vaters. Die Mutter zieht wenig später aus der Oberstraße 45 (heute Jahnstraße)
in die Ackerstraße IL.
bis 1907 Besuch der Volksschule in Düsseldorf.
t907 Schiffsjunge auf einem deutschen Dampfer.
ts1ofl1 Arbeit auf dem Kabeldampfer Stephøn beim Legen des Südamerika-
Kabels.
\ .
19t1 Nach eigenen Angaben Eintritt in die Seemannssektion des Transportarbeiter-Verbandes und die SPD in FIamburs. üm 1914 Fischdampferfahrten von Cuxhaven aus nach Island. 1914
Aøgøst: Einberufung zur Marine. Zunächst Infanterieausbildung in Wilhelmshaven in der 3. Kompanie der II. Marinedivision, danach ausgewählt für einen Vermessungslehrgang.
ts14
64 Zitie¡t nach Dieter Benze: (Jnser Mønn. Eihe Eølen beend.et Arbeit bei der Gewerhschøft OTV.In: OTV Report SeeføhrtNr.3/September I99ó, S. I7f ., hier S. 18. Eulen hatte als junger Seemann noch lTF-seeleute kennengelernt, die einen tiefen Eindruck bei ihm hinte¡lassen hatten.
-
1S17
Dienst als Vermessungsmaat auf dem ehemaligen Kanonenboot Hyd.ne. Seelotung und Kartierung in der Deutschen Bucht und der Ostsee. Subversive Aktionen und revolutionäre Propaganda.
424
CHRONIK HERMANN KNÜFKEN
ËHRONIK HERMANN KNÜFKEN
19t7 23./24. Mø,i: Flucht mit einem Beiboot der Hyd,ne nach Dänemark. Dort Kontakt zu verschiedenen Geheimdiensten. Aøgwst: Rückkehr nach Deutschland aufgrund einer Amnestie für-" Deserteure.
M¿tte/Ende Ohtober: Zweiter Fluchrversuch. Verhaftung in der Nähe von Glücksburg. 24. Dezeynberr Kriegsgerichtsverfahren in Kiel wegen ,,Fahnenflucht im Felde vor dem Feinde", ,,Diebstahl kaiserlichen Eigentums" und ,,Beschädigung kaiserlichen Eigentums". IJrteil: l-5 Monate Zuchthaus und Entfernung aus der Marine.
t9t8
:
Iru Løøfe d.es Jøhres: Weitere lJnrersuchungen und Verhöre durch das Kriegsgericht und die Spionageabwehr wegen Landesverrars :uri.d ,,Zersetzungsarbeit" in der Marine. 4. Nopeynber: Befreiung aus der Haft durch die revolutionären Kieler. Matrosen, im Anschluß Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrares in Kiel. 5./6. Nowmb¿r: Teilnahme am revolurionären lJmsrurz beim II. Geschwader in Brunsbüttel. Dezernber: Reisen nach Skandinavien und Pillau/Königsberg, um den
dortigen Soldatenrat zu unterstützen. Zwischenzeitliche Verhaftung bei der Einreise nach Dänemark wegen des Verdachtes auf politische Betätigung. 28. Dezernber.'Reise nach Berlin anläßlich des Gründungsparreitags der.
KPD.
t9t9 Mrirz:Teilnahme an de n ,,Märzkämpfen" in Berlin auf Seiten derVolksmarinedivision. April: keise nach Riga. Auf dem Rückweg Verhaftung durch FreikorpsMitglieder. Mehrere Wochen lIaft, darunter drei Wochen im Gef,ángnis an der Rosenstraße in Libau (heute Liepaja/Lettland). Soynrner: Knüfken verläßt Libau an Bord eines französischen Kriegsschiffs. Erkrankung an Ruhr. Aufenthalt in Kopenhagen. Septernber: Reise über Hamburg nach Cuxhaven. Dort als Vertrauensmann und Streikorganisator für den Deøtsclten Seeruønnsbønd. 3. Ohtober: Offizielle Abmeldune nach Essen.
-l
425
Ende Ohtober bis Dezeøober; Rückkehr nach Cuxhaven. Im Vorstand der dortigen KPD. Aussperrung als Hochseefìscher durch die Direktion der Cuxhavener F{ochseefìscherei AG.
t920 d.es Jøhres: Mehrere Islandreisen als Matrose mit dem Fischdampfer Senø.trr Schröd.er. Besuch illegaler Konferenzen der KPD in Hamburg und Bremen. Außerdem Teilnahme an politischen Versamm-
Anføng
lungen in Cuxhaven. aus der Anfang de s Monats die K,A.PD (Kommunistische Arbeiter Partei Deutschlands) hervorgeht, den Vorschlag, die geplante Reise einer Delegation zur l(omintern nach Sowjetrußland über den nördlichen Seeweg zu organisieren. 20. April: Knüfken bringt in Cuxhaven die beiden Delegierten Franz ]ung und lan.A.ppel an Bord des Fischdampfers Senøtot' Sçhröd.er, der nt den Fanggründen vor Island auslaufen soll. 21. April: Nach dem Auslaufen Übernahme des Schiffes durch Knüfken und die Delegierten unter Androhung von Waffengewalt. Kursänderung Richtung So-wjetrußland. L. Møi: Nach einem Zwischenhalt in Alexandrowsk Ankunft in Mur-
April:Knrtfken macht der parteiinternen Opposition,
mansk.
:
4. Møi: Weiterfahrt mit dem Zwg nach Petrograd. Dort Zusammentreffen unter anderem mit dem Vorsitzenden des Exekutivkomitees der Komintern, Grigori Sinowjew. 7-
Møi:
8.
Møi:Nach derAnkunft in Moskau Treffen mit dem Sekretär der Kom-
Abreise nach Moskau.
,intern, Karl Radek.
Mitte Møi: Gespräch mit Lenin im l(reml. '20. ønd. 25. Møi: Sitzung des I(leinen Büros des Exekutivkomitees zur Aufnahme der KAPD in die Komintern) anwesend ist unter anderem Nikolai Bucharin. Knüfken vertritt in der Frage der innerparteilichen Ðemokratie und der antiparlamentarischen Einstellung die Position der Seeleute. End.e Møi: Rückreise nach Murmansk. dnføng Jøni: Schnelle Rückbeorderung nach.Moskau. Knüfken erhält .den Auftrag, nach Deutschland zurückzukehren, um dort den Aufbau
einer militärischen Nachrichtenabteilung zu unterstützen. 25. Jøni: Haftbefehl des Landgerichts Hamburg wegen der Entführung 'des Fischdampfers Senøtor Schrtid.er.
426
CHRONIK HERMANN KNÜFKEN
427
CHRONIK HERMANN KNÜFKEN
M¿t t e JØl¿ : B egegnung mit verschiedenen Delegierten des 2. Kongresses der Komintern.
ts23 f. Møi:Yorzeitige Entlassung âus dem Gef,ángnis.
End.e Juli: Kurierfahrt Íiber Perrograd, Murmansk, Oslo, Stockholm, Kopenhagen, Flensburg nach lIamburg. Anføng Ohtober: Verhaftung Knüfkens beim Versuch, von Stetdn ãus per Schiff nach Sowjetrußland zurückzukehren. AoføoS Nopeynber: Verlegung nach Berlin ins Polizeigef,ángnis am ,tlexanderplatz. Mitte Novem.ber: Weiterverlegung nach l{amburg, erst ins polizeige. fángnis ,,Ffütten", dann ins IJntersuchungsgeflángnis am Sieveking platz. Anklage wegen ,,schweren Raubes in Tateinheit mit Meuterei und schwerer Freiheitsberaubuns".
Anføng Jøni: Abretse nach Petrograd. Nach seiner Ankunft bezieht Knüfken ein Appartement im Hotel Astoriø. Dort wohnen zeitweise unter anderem auch Sinowjew, Bucharin, Radek und Trotzki.
Jøni: Knüfken übernimmt die Vertretung des Deøtschen Sch'iff føhrtsbønd.es (DSB ). Außerdem Tätigkeit für das IPK (Intern øti on øles Propøgønd.øhomitee) der Transportarbeiter. Leitung des Internøtioøb
nølen Iöøbs d,er Seeleøte (Interklub). End.e Nopernber: Wíedersehen mit Franz Jung. Knüfken ermöglícht ihm, der Schwierigkeiten mit den Behörden hat, die illegale Ausreise per Schiff.
192t 14. Jønwør: Verlegung in die Strafanstalt Hamburg-Fuhlsbütrel, wo auch Franz Jung inhaftiert ist. Md.rz : Knüfken wird erneut ins lJntersuchungsgefángnis am Sieveking. platz verlegt. 12./13. Møi: Schvmgerichtsverhandlung vor dem Hamburger Landgericht. Schuldspruch in allen Anklagepunkten. Verurreilung zu S Jahren Zuchthaus. Knüfken bleibt im Besitz der bürserlichen Ehrenrechte. Erneute Überfrihrung nach Fuhlsbüttel. Aøføng Jwli: Beginn des ersren, zwölftägigen Hungerstreiks, um die Freilassung zu er zwingen. Irn Wiøt e y : W eitere Hungerstreiks unter Beteiligung zahlreicher Häftlinge.
1524 Fri,i.hjøhr: Arbeit als Referent
für Skandinavien in der Profintern. April:Im Auftrag des lPKTransport Reise über Leningrad, Reval, Stettin, IIamburg, Stockholm, Göteborg nach Oslo. Vermittlung sowjetischer Finanzhilfen für die streikenden norwegischen,A'rbeiter. End.e
ts25 Reise nach Rotterdam. Nach seiner Rückkehr unterstützt Knüfken gegen den Widerstand der sowjetischen Behörden Streiks ausländischer Arbeiter und schwedischer Seeleute im Leningrader lIafen.
7925
-
1927
Knüfken ùbernimmt nach und nach auch die Vertretung der norwe1522 Frühjøhr: Knüfken erhält die Erlaubnis, in der Gef,ängnisbibliothek zu arDerten.
Jwni: Erneuter l{ungerstreik, diesmal gemeinsam mit einem Funktionär der.A.AU (Allgemeine Arbeiter-Union), Eugen Rother. Verlegung in die Heil und Pflegeanstalt in Langenhorn. End.e Oþtobay: Rücktransport nach Fuhlsbüttel. Mitte Novewber: Knüfken beginnt einen weireren llungerstreik und wird zwangsernährt. End. e Nov erøb er/Anføng D ezerøb er : Fortgesetzte Nahrungsverweige. rung. Proteste von I{amburger Arbeitern für Knüfkens FreilassungKnüfl<en bricht den Hungerstreik nach 2I Tagen ab.
,
gischen, schwedischen, dänischen, englischen und niederländischen Seemannsorganisationen. Einrichtung entsprechender Zahlstellen im Internøtionølen Seernønnshløb in Leningrad. Ztdem Übernahme verschiedener Funktionen für die Komintern. 1527
Herbst: Verstärkte Überwachung Knüfkens durch die Geheimpolizei .OGPU. 7.
Noveruber: Teilnahme an Demonstrationen der Opposition gegen
,Stalin während der Revolutionsfeierlichkeiten
in Leningrad.
428
cHRoNIK HERMANN KNÜFKEN
lg28 Reise nach Moskau. wegen anhaltender Behinderung seiner Arbeit im
rnterhløb durch die OGPU bittet Knüfken Bucharin um lJnrersrürzung. /April: Teilnahme an Sitzungen des 4. profìntern-Koneresses. ]
429
SHRONIK HERMANN KNÜFKEN
Aøgøst: Flucht über Kopenhagen und Antwerpen nach Rotterdam. Leiter der Gruppe deutscher Rheinschiffer bei der Rotterdamer ISII. Organisation der illegalen Arbeit unter deutschen Seeleuten.
Moirz
r934
1929
Novernber : Yerhaftung
Aøgøst: Verhaftung des Interhlab-Verwalters durch die OGPU..Verschärfung des Drucks auf Knüfken. septew.ber: verhaftung Knüfkens wegen des verdachtes auf Mitgliedschaft in antistalinistischen Oppositionsgruppen. offiziell wird ihm die veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern vorgey."r!" Inhaftierung in Leningrad, dann Verlegung naih lvtoskau-in die Butyrka.
Niederlanden nach Belgien. Knùfken wohnt in Brüssel und fährt täglich nach Antwerpen. Fortsetzung
ts30 Frühjøhr : Yerlegung in die Lubjanka. End,e
Møi: Nach Protesten im Ausland und einer Demonstration von
Seeleuten seeleuten in Leningrad Haftentlassung unter ungeklärten umständen. øb Herbst:: Tätigkeit als Leiter T.eirer der Finanzverwaltung Fi.r-o,,"rr¡¡¡tr,,-- der Ja- Sowtorgflot e^.,,+^-^rr^-:.in
Leningrad.
9. Dezernber:
Ileirat mit der aus Riga srammenden Sonja (Sophia)
Doniach (10. Januar l9L0
-
30. Mai 1999) in Leninqrad.
in Rotterdam.
End.e Dezernbør.'Ausweisung aus den
der antifaschistischen Arbeit im Antwerpener llafengebiet. Knüfken arbeitet rrnter dem Decknamen,,Karl" /,,CarI" . t935
April: Die Gruppe von
Seeleuten und Rheinschiffern
um Knüfken
stellt die Zusammenarbeit mit der ISH ein. Ohtober: Nach Bekanntwerden sowjet- und parteifeindlicher Stimmungen bei der Knüfken-Gruppe schlägt die deutsche Vertretung beim Exekutivkomitee in Moskau vor, die ,,Sache an Ort und Stelle zu erledigen".
t936 7. Jønøør: Wçgen anhaltender Konflikte mit der ISH- und KPD-Führung wendet sich die Knüfken-Gruppe mit der Bitte um lJnterstüt-
zung an Edo Fimmen, den Generalsekretär der ITF (Internøtionøle
r932
Tr øn sp ort ør b e it er -F ö d. er øti o n)
Jønøør: Ausreise per Schiff nach Hamburs.
bis 1933
Mitte Jønøør: Treffen mit Fimmen in Amsterdam. Jøhresm.itte:,tusschluß Knüfkens aus der Kommunistischen Partei. Knüfken arbeitet mit dem französischen und britischen Geheimdienst
vertrieb
zusammen.
der ArZ (Arbeiter Ittøstrierte zeitøng) undanderer publikationen aus dem Newen Dewtschen wrløgwilriMünzenbergs. Leiter der skandinavischen sektion im Hamburger Interhløb.vortrãge bei KpDVersammlungen, Agitator und Wahlredner in Norddeutschland.
1S33 øb M¡irø: Nach dem Reichstagsbrand illegaler Aufenthalt
land.
in Deutsch-
Møò: keise im Auftrag der ISH (røernøtionøIe d.er seereøte ønd. Írøfenørb e it e r) nach
I(openhagen. Anføng Jwøi: Illegale Rückkehr nach lIamburs.
1937
-
.
1339
Fortsetzung der Tätigkeit für die ITF und die westlichen Geheimdienste. Vorbereitung von Sabotageaktionen gegen deutsche Schiffe in Skandinavien, um die Erzverschiffung nach Deutschland zu unterbinden.
r939 Anføng Septernb er : Kn.ü;fken begibt sich kurz nach-Kriegsausbruch nach London, wohin die ITF-Zentrale wegen des drohenden Krieges verlegt worden ist, seine Frau Sonja folgt ihm einen Monat sPäter.
430
CHRoNIK HERMANN KNÜFKEN
ÐHRONIK HERMANN KNÜFKEN
43r
End.e Ohtober: Illegale Reise über Norwegen nach Schweden, um die Arbeit gegen Nazi-Deutschland neu zu organisieren. Treffen mit dem ITF-Vorsitzenden Charles Lindley in Stockholm Anføng Noperuber: Reisen zu Vertrauensleuten in Malmö und Göte_
Ohtober: Knüfken reist mit Genehmigung der Behörden per Flugzeug nach England aus. -oht vom schwedischen o b ør : D as deutsche,A.uslieferungsgesuch wird 13. König endgültig abgelehnt.
16. Nopernber: verhaftung Kntifkens durch die schwed.ische polizei. 13. Dezeynber; Verurteilung zu fúnf Monaten Strafarbeit wegen ,,paß_
Knüfken lebt mit seiner Frau in Bedford, England'
borg.
fälschung" und,,unerlaubter Nachrichtensammlung,.. Inhaftìerulg im Gef,ángnis in Falun. 1940
April: Deutschland stellt einen Auslieferungsantrag) in dem KnüÊ ken Anschläge auf deutsche Schiffe uorg"*o.f"r, *.rã.rr. Die schwedischen Behörden tendieren zunächst dazu, dem Gesuch stattzugeben. 25.
16.
Møi: obwohl die im urteil festgelegte Haftdauer mit dieseã Tag
endet, bleibt Knüfken weiter inhaftiert.
Møi: Frankreich erklärt sich bereit, Knüfken aufzunehmen. Die. Eingabe bleibt folgenlos. 18. septewber: Die britische Regierung warnt schweden vor einer Auslieferung Knüfkens nach Deutschland. 27.
1941 12. Mrirz: Knüfken wird
in die Abteilung für Geisteskranke d.es stockholmer zentralgefänsnisses Långholmen verlegt. rJm seine Identität zu verschleiern, wird Knüfken anonym als Nr. 27I geführt und von den anderen Gefangenen isoliert. Hilfsweise bekommt er den Namen ,,Freitag". 1941 - t943 wiederholte deutsche Bemühungen um Auslieferung führen zu keinem Ergebnis. Knüfken bleibt in Långholmen inhaftiert. 1943 16.
.Novernber:
Södertälje.
Verlegung in den offeneren Strafuollzug nach Hall bei
1944
l.l. Febrøør: Entlassung aui der r{aft, allerdings darf Knüfken schwe-
den nicht verlassen.
11.
1944
-
1946
1S45
Anføng Febrøør: In der stockhol mer zeittng Trots øllt! erscheint eine arãit.ilig. Artikelserie von Charles Lindley zum Fall Knüfken unter dem Titel Mønnen wet jdrnmø.shen (Der Mann mit der Eisenmaske).
rs46
-
1949
Im Auftrag der britischen Regierung arbeitet Knüfken bei der Entnazifizierungsf.ommission für Seeleute in Hamburg. Aktive Mitgliedschaft im Gesãmtverband, einer Vorläuferorganisation der Gewerkschaft ÖTV.
lg47
Ausschluß atìs der ÖTV, vermutlich wegen eines kritischen Berichtes zur Rolle führender llamburger ÖTv-Funktionäre während der Hitlerherrschaft. 1S4S
Sonja Knüfken folgt ihrem Mann mit den beiden Kindern Ruth (geb' 26. September U+5) und AIan (2L. Màtz1948 - 7' November ì'9ó2) nach Deutschland. Die Familie lebt in Hamburg-Othmarschen'
t950
Rückkehr nach England. In der Folge Tätigkeit für dâs britische Außenministerium in London. Die Familie wohnt in Hove und Brighton' 1955t56
Ârbeit an seinen autobiographischen Aufzeichnungen' 1965
Knüfken erleidet einen Schlaganfall. Beendigung der '{rbeit im Ministerium.
432
CHRONIK HERMANN XUÜrXEM
r976 8. Febrøør: llermann Knüfken srirbr in Brighton, England. mer wird seine Asche bei Kopenhagen ins Meer
gestreut
Im
Som_
,
Grundlage dieser chronik sind die in diesem Buch vorliegenden Erinne, rungen und Dokumente zum Leben }rermann KnüfkJrs, die biogra. phischen Daren aus dem Fernsehfirm Ein Mønn nørnens Frleitøg/A lnøn cølled. Frid.øy von Staffan Lamm (Schweden/Englandr/Bnb t9g8. Erstsendung NDR 3, 3. Mai 1989) und die Außätze von Dierer Nelles: Døs øbenteøerliche Leben d.es Hertu.ønn r(nüfhen. Ein d.emohrøtischer Revoløt'iond.r (in: OTV Report Seeføhrt Nr. 3/Septemb er L996, S. 13 _ 23); Gewerhschøftlicber wid.erstønd. in schwed.en Gn: Ein trü.bes Í(øøitel? H¿ítler,flä.chliryøe irn nord.eøropriischen Exil 1933 btis 1950. Hg. v. Eiihart Lorenz u. a. rramburg 1998, s. 157-180); Der wid.erstønd dcr rnrernøt'ionølen Trønsportørbeiter-Föd.erøtion (ITF) gegen Nøtionølsoziølisrnws wnd. Føschisøøws in Dea,tschlønd. ønd. spønien (in: Anørch,istengegen Hitler.Anørchisten,Anørcho-synd.ihølisten,Rritekì:ornmunisteninll/i;erstønd. and. ExiL }Jg. v. Andreas G. Graf. Berlin 2001. S. ll4_lSS) sowie seine Einleitung zu }rermann Knüfken: über ien wid.erstønd.
d. ør Int er n øti o n ø len Tr ønsp or tør b e it er F ö d. er øti 0 lt g eg en d. e n N øti o n ø lsoziølisrnøs øn d. vors c h hig e zwrø wie d.erøwfb øø d.ir-G ew erhs ch øften in Deøtschlønd.in: 1999 7 (I992),Nr. 3 (Juli), 5.64 -72. weitere Informationen stammen aus dem cøtchøvener Tøgebløtt vom 3r. Mai 1920; dem ersten Teil des Berichts der schwediJchen parla-
mentariska Ilndersökningskommissionen angående flyktingärenden-
och säkerhetstjänst [Parlamentarische untersuchungskómmiTsion für Flüchtlingsangelegenheiten und sicherheitsdienst] iber die Behand-
l^ung. yo1 Flrichtlingen: Betairuhønd.e øngå,end.e fl.yitingørs behøndli,ngstockholm L946, s.67 -72; den Melderegistern der Siadtarchive cuí.
haven und Düsseldorf; dem Bestand Nachiichtenstelle der polizeidirek-
tion, Sign. 4.65-162I, im Staatsarchiv Bremen und dem Stammbaum der Familie Knüfken (Stand f980).
'
Zur Edition
,
-
I{ermann Knüfkens Erinnerungen sind überliefert in Form zweier von Knüfken angefertigter Typoskripte: dem auf Deutsch verfaßten autobiographischen Haupttext mit einem Umfang von I4l und einem englischsprachigen Bericht von 27 DIN-44-Seiten. Der deutsche Text - im Original unbetitelt - ist hier unter der Überschrift Von IGel bis Leningrød' abgedruckt. Der englische Text - mit dem Titel The Vnor.trønøjø Tjorrøø (Insid.e secret Prison) in thø Løbiønhø - wurde von Cornelia Köster ins Ðeutsche übersetzt. Der Verbleib der Originaltyposkripte ist nicht bekannt, und so stützt sich diese Edition auf die noch vorhandenen Fotokopien der Originale. Ðiese stammen aus dem Besitz von Staffan Lamm' der sie im August 1987 anläßlich derArbeit an seinem Dokumentarfilm Ei'n Mønn nønoens Freitøg von Knüfkens Tochter Ruth bekam. Sie wurden ergänzt durch Kopien aus dem Besitz von Dr. Ingeborg Carsten) die diese in den 80er Jahren von Knüfkens Ehefrau Sonja erhielt, mit der Bitte in Deutschland einen Verleger für die Erinnerungen zu finden. Allerdings ist das Original der Aufzeichnungen nicht mehr vollständig zu rekonstruieren: Es fehlen zwei Blätter des deutschen Typoskripts, vgI. dant die Anmerkungen zu den Seiten 38 und 2ó1.
Die beiden überlieferten Texte sind Provisorien. Zwar lassen mehrere Bemerkungen im deutschen Typoskript darauf schließen, daß Knüfken eine direkte Veröffentlichung als Buch vorsah (vgl. S. I30, 134 und 207), doch handelt es sich keineswegs um wirklich druckfertige Vorlagen. Knüfkens Interesse gilt namlich hauptsächlich dem Erzählen und Berichten, die Form der Verschriftlichung ist für ihn zrveitrangig. Orthographie und Grammatik folgen so einer behelfsmäßigen und unverbindlichen Diktion.
Stilistisch mischen sich Eindeutschungen aus dem Englischen, Seefahrtsidiome, Umgangssprache, altdeutsche Formen, Wortwiederholungen und -reduktionen in die Erinnerungen. Um Knüfkens eigenen Sprachduktus zu erhalten, gleichzeitig aber auch die Lesbarkeit und das Verständnis nicht zu erschweren, wurde editorisch geringfü gig ein gegriffen : Offensichtliche Fehler in Orthographie und Interpunktion wurden stillschweigend korrigiert wie auch Ausdrücke und Bezeichmrngen vor allem aus dem Russischen (2.8. ,,dojourni Kommandant" zu ,,Deshurnyi
434
ZUR EDITION
Kommandant") und, soweit eruierbar, Orts- und personennamen lz.B_ "!ry;o1v1.ev"/,,Zinow1ew"/,,Zinowjeff,,/,,Sinowjev,,/,,Sinowjew,./,,Siio_ viev"/,,Sinowiev" zu,,Sinowjew,, ). Antiquierte Schreibungen (z.B.,,Accordarbeit,,,,,Thee,,,,,speciali_ siert") sind modernisierr, unterschiedliche schreibwei..n 1r.î.,,8oreau"/,,Buro" ) vereinheitlicht, Komposita (2.8. ,,Marine Arreri Anrrit..)
Abkürzungsverze¡chn¡s
.
zusammengeschrieben.
Nicht vereinheitlicht oder modernisiert wurden grammatikalische For, wi_e g-"/,,fragte,, oder,,Indier,.. Englisch geprägte Wendungen 11r "fru (2.8. ,,Ich traf alte Freunde und machre [eigl. nø.ie] ñeue.,) oder?ie superlativbildung analog zu englisch *ott ç".8.,,die am meist.r.rg,irrstig , Plazierten") blieben möglichst bestehen wie auch präpositional.ïrg.;'heiten (2.8. ,,zurück nach der Feldstraße,,, ,,Rückk;hr;o" Nor*.g;;J. Korrigiert wurde die von_Knüfken häufig temporal benurzre, .rrg_ lischen ,,when" orientierte Konditionalkonjunktiån "Ã ,,wenn., _ r.É. ,,Wèrr"o wir im Niedergang zum Logies waren) riess ich ihm natürlich dá vor-* t¡itt" - durch die Temporalkonjunktion ,,als" wie auch der irritierende Gebrauch mancher Präpositionen (2.8. ,,zumunterschied von den Rus.
sen").
Im übrigen wurden fehlende satzglieder ergànzt) schiefe satzstrukturen umgestellt und Redundanzen gestrichen (2.8. ,,ziemrích oft traf ich den schwedischen Anarchisten Anton Nielsson. wir sahen uns ziem. lich oft") Auf größere Eingriflè wird in den Anmerkungen verwiesen. Im Original durch Sperrung oder AnführungszeicÈen hervorgeho_ ,b_ene rvtirter und Eigennamen wie Zeitungs- und Buchtitel, schiffs-"oder rrotelnamen erscheinen hier kursiv. Abwéichend vom oríginat.oø",
aufgrund der fehlenden Kapitereinteilung größere Sinnabsðhnitte durch Leerzeilen angedeutet.
Die an die Erinnerungen anschrießenden Dokumenre sind ars Ergànzung gedacht. Sie geben einen überblick über den Lebensweg Hermann Kmii kens nach seiner Entlassung aus der Lubjanka im sommer 1930 bis zum Ende seiner Zeit als politischer Aktivist nach d.em zweitenwertkrieg.
Die Gestaltung der Texte bis hin zu den verschiedenen Formei der _Herv-orhebung ist den originardokumenren nachempfunden. Ebenso forgen orthographie, Zeichenserzung und die schreiLweise von Eigennamen im Abdruck unveränderr dem jeweiligen originar. Ledigrich"ofiènsichtliche Flüchtigkeitsfehler (2.8. ,,Geregnheir") wurden stillíchweigend korrigiert.
AAU - Allgemeine,A.rbeiter-Union. ADGB - Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund. A.gitprop - Agitation und Propaganda. AÍZ - Arb eíter-Illustrierte-Zeitung. ,{sneft - Aserbaidschaner Naphtatrust. cal.
- Kalorie(n).
- Confederación Nacional del Trabajo (Nationale Vereinigung der Arbeit). CPH - Communistische Partii Holland.
CNT
- Deutsche Demokratische Partei. - Dichlordiphenyltrichloräthan. Derutra - Deutsch-Russische Transportgesellschaft. DKW - Dampfkraftwagen. DSB - Deuticher Schiffahrtsbund. DNVP - Deutschnationale Volkspartei.
DDP
DDT
EKKI
- Exekutivkomitee
der Kommunistischen Internationale.
FAI - Federación Anarquista Ibérica (Iberische Anarchistische Vereinigung). FAUD - Freie Arbeiter-Union Deutschlands. F.D. FS
-
Fischdampfer. Fernschreiben.
-
- Genosse. - Geheime Staatspolizei. Gosbank - Gosudarstwennyj Bank (Staatsbank) ' GPU - Gosudarstwennoje Polititscheskoje Uprawlenije (Staatliche Politische Verwaltung = sowjetische Geheimpolizei ó. Februar L922 brs Januat
Gen.
Gestapo
1923). Grusneft - Grosnyer Naphtatrust. Gubispolkom - Gubernskij Ispolnitel'nyj Komitet (Gouvernements-Exekutivkomitee).
HAPAG
- Hamburg-Amerikanische Paketfahrt,{ctien-
Gesellschaft.
436
ABKÜ RZU NGSVERZEI CHNIS
H.M.S. - Her Majesry
Ship.
':.
IAH - Internarionale,{rbeiter-Hilfe. IFTU - International Federation ofTrade lJnions. IGB
- Internationaler Gewerkschaftsbund. - Independent Labour Party. Interklub - Internationaler Klub der Seeleute. IPK - Internationales Propagandakomitee. ISH - International seamens and rrarbour workers/Internationale ILP
leute und Hafenarbeiter.
ISU
- International Seamens Union. ITF - Internationale Transportarbeiter-Föderation. IWW - Industrial Workers of the World. K.6./8.2. - 6. bzw.8. Kompagnie, Zahlmeisrerabteilung. K.{PD - Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands. K.A.Z. - Kommunisrische Arbeiter -Zeitung. KI - Kommunistische Internationale.
KJI
-
M.I. - Marine-Inspektion. MKPD - Meshdunarodnyj Komitet Propagandy i Dejstwija (Internationales Komitee für Propaganda und Aktion). MPKP - Morskoj Propusknoj Kontrolnyj Punkt (Seegrenzkontrolle)' MWD - Ministerstwo Wnutrennich Del (Ministerium für Innere Angelegenheiten).
der see-
Narkomindel - Narodnyi Komissariat Inosrrannych Del (volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten). NAS
-
Nationaal Arbeids-Secretariaat.
ND - Nachrichtendienst. N.D.C. - Neue Dampfer-Compagnie, Stettin. NEP - Nowaja Èkonomitscheskaja Politika (Neue Ökonomische Politik)' NKWD - Narodnyj Komissariat Wnutrennich Del (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten).
N.M.&F.U. - Norsk Matros og Fyrbøter Union'
NSDA? - Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NUS - National Union of Seamen.
Kommunistische Jugend-Internarionâie.
- I.
KIVD - Kommunistischer Jugendverband Deutschlands.
1. O.
KO - Kampf-Organisation. Komintern - Kommunistische Internationale.
ober-ost
Offtzíer. - verwaltungsgebier des deutschen oberbefehlshabers
OGPU
M-D
prohntern
MdB
des Reichsrags.
M.E.B. - Mitteleuropäisches Büro. Mestkom - Mestnyj komitet (Ortskomitee/Betriebsrat). MG - Maschinengewehr.
1916
- Obtdinennoje Gosudarstwennoje Polititscheskoje Uprawlenije (vereinigte staatliche Politische verwaltung : sowjetische Geheimpolizei Iawar L923 bis Juii 1934). oMS - Otdel Meshdunarodnoj swjasi (Abteilung für Internationale verbindung = Nachrichtendienst der Komintern). OMSK- Otdel Meshdunarodnoj Swjasi Komintern' OPDR - Oldenburg-Portugiesische Dampfschiffahrts-Rhederei, Hamburg' Orgotdel - Organisazionnyj Otdel (Organisationsabteilung). ÖTV - Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr' oV.i.A. - oder Vertreter im Amt.
- Kommunistische Partei. KPD - Kommunistische Partei Deutschlands. KPD (O) - Kommunistische Partei Deutschlands (Opposition). KPH - Kommunistische Partei Hollands (siehe CpH). KPdSU - Kommunisrische Partei der Sowjetunion. KPF - Kommunistische Partei Frankreichs. KPI - Kommunistische Partei Italiens. KPN - Kommunistische Partei Norwegens. KRO - Kontrraswednyj Otdel (Abteilung fûr Gegenspionage). KZ - Konzentrationslager.
MdR- Mitglied
ost
bis 1918.
KP
- Matrosen-Division. - Mitglied der (Hamburger) Bürgerschaft. MdN - Mitglied der Nationalversammlung.
437
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
-
Krasnyj International Profsojusow (Rote Gewerkschafts-Inter-
nationale).
- Pferdestärke. - Rubel. Registrupr - Registrazionnoje uprawlenije RGI - Rote Gewerkschafts-Internationale.
PS
Rbl.
(Registrierungsabteilung)'
438
AB KÜ RZU NGSVERZEICHNIS
RKP (B) - Russkaja Kommunistitscheskaja Partija (Bol'schewikow)/Russische Kommunistische Partei (Bolschewiki). RSFSR- Russkaja sozialistitscheskaja Federariwnaja sowjetskaja Respublikar/ Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik. S,{PD - Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands. SBZ - Sowjetische Besarzungszone.
- Schutzpolizeí/ Schutzpolizist. SDAPR (B) - Sozialdemokratische Arbeiterpartei
Schupo
Rußlands (Bolschewiki). Socialdemocracja Krolestwa polskiego/i Litwy (Sozialdemokratie des Königreichs Polen/und Litauens). SDP - Sociaal Democratische Partij (Hollands). S.F.i.D. - Sømændenes Forbund i Danmark/Søfyrbødernes Forbund i Dan. mark. Sipo - Sicherheitspolizei. SIS - Secret Intelligence Servive (britischer Auslandsnachrichtendienst). S.K. - Schnellfeuerkanone. Schnelladekanone.
SDKP/SDKPiL
-
- Seemeilen. - Seiner Majestät Schiff. Sowtorgflot - Sowjetskij torgowyj Flot (Sowjetische SPD - Sozialdemokrarische Partei Deutschlands. S.R. - Sozialrevolutionäre. S.S. - Staem Ship (Dampßchiff = Frachtdampfer). S.U. - Sowjetunion. sm
S.M.S.
Handelsflotte).
T-D
- Torpedo-Division. - Tschreswytschajnaja Komissija po bor'be s kontrrevoljuziej, spekuljaziej i sabotashem (,{ußerordentliche Kommission zur Bekämpfung von
Tscheka
Konterrevolution, Spekulantentum und Sabotage = sowjerische Geheim. poIizeiT. [20.] Dezember l9I7 bis Februar 1922). TUC - Trade Unions Congress. UB UG
- Unterbezirk. - Untersuchungsgefängnis. UdSSR - Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. USPD - Unabhängige Sozialdemokratische partei Deutschlands. W-D -Werft-Division. WEB - Westeuropäisches Büro. W.G.
.
t
ìi
:i
-
Werter Genosse
.
ÂBKÜ RZU NGSVERZEICH NIS
+39
WKP (B) - Wsesojusnaja Kommunistitscheskaja Partija (Bol'schewikow) (Allunions-KP der Bolschewiki). I4/ZSPS - Wsesojusnyj Zentral'nyj Sowjet Professionalnych Sojusow (Zentraler Allunionsgewerkschaftsrat) . ZEK
ZK-
- Z entr alexekutivkomitee.
Zentralkomitee. ale Kontrollkomm i ssion. ZPKK - Zentrale Parteikontrollkommission.
ZKK - Zentr
z. S.
-
zur See.
44r
NGSVERZEICHNIS
Abbildungsverzeichnis
Abb. I Aus der Geschichte der Heiligengeist-Gemeinde und der pauluskirche-.ì Kiel 1987, S. ll. - Âbb. 2-5,12,77 t. 79 Privatbesitz Erna Thölke . - Abb.ó Vorlage: Marianne Mehling (Hg.): Knaurs Kulturführer in Farbe. DänemarkMünchen I98Z S. 256/257. - Abb.7 |ens Fleischer: Fünen und die Nach¡ barinseln. Neumünster 1986, S. I33. - Abb. 8 Norddeutsche Alleemeinè'; Zeitrng, 5.6.1917. - Abb. 9 Eduard Gaeblers Hand-Atlas über alle Teile der Erde. Leipzig 2e1929, Tafel L5/L6. - Abb. 10 Privatbesitz Dr. Roman Rittweger. - Abb. ll Leben. Singen. Kämpfen. Liederbuch der Freien Deutschen Jugend. Berlin/DDR 1949, S. 82. - Abb. 13 Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 20. ltni1872. Berlin 1912, S. I98. -Abb. 14 Neuer plan von Kiel. Verlag Ernst Uebermurh [vor l9I8] . - Abb. 15 Vorlage: Kuit Zeisler: Außtand in der deutschen Flotte. Die revolutionäre Matrosenbewegung im Herbst 1918. Berlin/DDR I95ó, S. 6ó. - Abb. 16 Reinhard Bein: Braun= schweig. Stadt und Herzogrum 1890-1918. Materialien zur Landesgeschichte Braunschweig 1985, S. 271. - Abb. 17 Illustrierte Geschichte der deutschen Novemberrevolution 1918/1919. Berlin/DDR 1978, S. I44. -Abb. 18 Friedrich von Rabenau (Hg.): Hans von Seeckr. Aus seinem Leben I9l8-193ó. Leipzig 1940, Karte 2. - Abb. 19 CarI Meißner: Das schöne Kurland. Ein deutsches Land. München I9I7, S. [l3f]. - Abb. 20 u. 47 Fotos Andreas, IIansen, 22.L0.200I. -Abb. 2I Privatbesitz Hans-Dieter Schneider. -Abb.22 Atias der Erdkunde ftir die Mitteischule. Berlin/DDR I9S9, S. 4. - Abb.23 Vorlage: Gerhard Timmermann: Kurzer Abriß der deutschen Seefischereil Hamburg 1959, S. 52. -,C.bb. 24PrivatbesitzWilma Prahm. -Abb.25 privatbesitz Dr. jürgen Kleen. -Abb. 2ó PrivatbesitzArthur Klahre.- Abb.27 privatbesitz Ingrid Lattermann. - Abb. 28 Vorlage: Wilhelm ]oost: Botschafter bei den Roten Zaren. Die deutschen Missionscheß in Moskau l9I8 bis l94L Wien 1967, hinter S. 328. - Abb. 29 Erich Obst: Russische Skizzen. Beriin 1925,Blldz7. -Abb. 30 Das Neue Rußland 4 (1927), Nr. L/2,5. tO. - Abb.3L Vorlage: Nikolai Michailo/Wadim Pokschischewskij: Reise über die Karte der Sowjetunion. Berlin 1947, S. 12361. - 1,:bb. 32 Eesti fuigiarhiiv/Eesti Ekspress/Tiit BIaar,25.lI.2004. - Abb. 33 J. Kabin: Der Große Oktober .r und Estland. Tallinn 1976, Bildteil. - Abb. 34 Arnold Reisberg (Hg.): Wla- .. dimir Iljitsch Lenin. Dokumenre seines Lebens 1870-1924. Bd. 2. Leipzìg 1980, S.64. - Abb. 35 Bernd Ruland: Deutsche Botschaft Moskau. 50 Jahre Schicksal zwischen Ost und West. Bayreuth 1964, S. L6O/I6I. - Abb. 36 Kommunistische Arbeiterzeitung (Hamburg) 2 (L920),Nr.59 (22.5.), S. [l]. _
'LAAV.3Z Die Presse der Sowietunion Nr. 80/1980,S. L749. -Abb. 38 Freie 2 (1920),Nr.24 (4.7.), S. 3. - Abb. 39 A(rbeiter) I(llustrierte) Z(eitung) á (1927), Nr. 6 (9.2.), S. ó. -Abb.40 Vorlage : Metian29 (I97ó)' Nr' 4 (April): Norwegens Norden. - A.bb. 4f Das Forum 4 (1919/20), Nr. 12 (September ZIZO¡, S. 901. - Abb. 42 t. 43 Aschehougs Konversasjonsleksikon Bd. 8 u' Ed. 5. Oslo 1969, Sp. 88 u. Sp. 347. - Abb.44 Die Kommunistische Internawonale2 (I920),Nr. 9, S. 202/203. -Abb' 45 Vorlage: Vorwärts - und nicht Tergessen. Arbeiterkultur in Hamburg um 1930. Materialien zur Geschichte der Weimare¡ Republik. Berlin/West 1982, S. 322' - Abb,46 Peter Grafe/ Sodo Hombach/Gerd Müller (Hg.): Müiheim an der Ruhr. Eìne eigenwilåige Stadt. Essen 1990, S. I08. - Abb. 48 u. 52 (Voriage) Georg Gennat: Das ,,, Gefängniswesen llamburgs. Ein Úberblick. Hamburg f906, S. 8l u' 83' f å.bb. 49 Reisepaß vom 18.7.1918. In: Bundesarchiv BA-N2309-33, BI. 75 f {Rtickseite). - Abb. 50 Ulrich Bauche: Hamburg in historischen Luftbildern. (f 9I9)' Nr. , Braunschweig 1980, S. 4I. - Abb. 5I Die Hamburger Woche 14
',2 (9.1.), S. 3. Abb. 53 ]ustizbehörde Hamburg (Hg'): Führer, Volk ',Fùr
lndVaterland ..." Hamburger Justiz im Nationalsozialismus. l{amburgl992, . S.355. - Abb. 54 Paul Neumann: llamburg unter der Regierung des Arbeiterund Soldatenrats. Tätigkeitsbericht erstattet im Auftrage der Exekutive des ,
-{.¡beiterrates Groß-Hamburgs. Hamburg
I9I9, S' UI] . - Abb.
55 Staatsarchiv
, der Freien und llânsestadt Hamburg, Plankammer: Porträts. - Abb. 5ó u ' 57 Hamburger'Anzeiger, 3I.3.193I u. L3-7.1934. - Abb. 58 Der Unionist, 29.11.L922. - .A.bb. 59 Photoaibum Leningrad. Lenitgrad/Moskau l9ó4' o.S. - Abb. 60 A(rbeiter) I(llustrierte) Z(eitung) ll (1932), Nr. 44 (30'10.)' S. 1058. - Abb.óf ,t. 72 Karl I. Albrecht: Der verratene Sozialismus. Zehn
I Jahre als hoher Staatsbeamter in der Sowjetunion' Leipzig - Berlin 51939, Bild 28 u. lI0. - Abb. ó2 Franz Jung Archiv, Stiftung Archiv der Akademie der , Künste Berlin, Sign. I50. - Abb. 63 l-5 eiserne Schritte. Ein Buch der Tatsachen aus der Sowjetunion 1932. Berlin
'
1932,5.174.- Abb.64 Rossijskij Zentr
Isutschenija Dokumentow Nowejschej Istorii' Moskau, F. 495, op.205, d.2740, Bl. 4. - Abb. 65 u. 69 Karl Baedeker: Russland nebst Teheran, PortArthur, Peking. Handbuch für Reisende. Leipzig7l-glz,S' 100/10Ì u.258/259. - Abb. 6ó Ernst Thälmann' Bilder, Dokumente' Texte. Berlin/ DDR f98ó, S. I34. - Lb6. 67 Meyers Großes Konversations-Lexikon. Bd' 5' Leípzíg/Wien6l905, S. 704. - Lbb.68 Postkarte der Serie Architectural monuments of the Moscow K¡emelin. Moskau 1982. - Abb. T}Yorlage: Stéphane Courtois/NicolasWerth/]ean-Louis Panné/A ndrzej Paczkowski/Karel BartoChranenija
i
sek/Jean-Louis Margolin: Das Schwarzbuch des Kommunismus. Unterdrük-
kung, Verbrechen und Terror. Rheda-Wiedenbrùck 1998, S. 320/321 Abb.71 Vorlage: J' I' Korabljow,/W A' Anfilo/W A' Mazulenko: Kurzer
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ABBILDUNGSVERZEIC
Abriß der Geschichte der Streitkräfte der UdSSR von l9I7 bis 1972. Berliaf;; DDR 1976, Anhang o. S. - Abb. 73 Union Postale Universelle Russie. Mor; kau o. |. - Abb.74 Vorlage: lurij ,{. Treguboff: Acht Jahre in der Gewalt desr Lubjanka. Erlebnisbericht. Frankfurt/M. L999, S. 416. - Abb. 75 Max Vasmer: Russisches etymologisches Wörterbuch. Bd. I. Heidelberg 1953, S. 541; - Abb.76 Privatbesitz l{orst u. Erika Knüfken. - Abb. 78 u. 80 Privatbesitz Dr. Ingeborg Carsten.
Personenreg¡ster
Ðas Register verzeichnet alle in den Aufzeichnungen l{ermann Knüf&ens, den Dokumenten und den Erinnerungen an lIermânn Knüfken genannten oder indirekt erwähnten Personen' Pseudonyme und Decknamen sind in Anführungszeichen gesetzt.
f, (1880- f963)-Vorsitzendçr der emigrierte 1920 nach Menschewist, jùdischen Bund, , Arbeiterorganisation Deutschland, 1940 in die USA L29 Åbramow-Mirow, Alexander Lasarewitsch (1895 - 1937) - Parteimitglied seit I9Ió, l92I-1930 offrziell in der Presseabteilung der Sowjetbotschaft in Berlin, bis Oktober I93ó Leiter der OMS der KI, zum Tode verurteilt und
,A.bramowitsch, RafailA. (eigentl, R. A. Rein)
erschossen zLLf..265 .{denauer, Konrad (1876-L967) - deutscher Politiker, 1949-L963 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland 364 Adler, Friedrich (fS79-1960) - österreichischer Sozialist, 1907-l9ll Privatdozent für theoretische Physik, 1923-1940 Generalsekretär der Sozialis-
. tischenArbêiter-Internationale 17 Adolf s. Bem, Alfred Akulow, Iwan Alexejewitsch (1888 - 1937) - seít 1907 Parteimitglied' I9l7 Militärparteiorganisation in Wyborg, l93I/32 stellv. Leiter der OGPU, 1933-1935 Leiter der Generalstaatsanwaltschaft der UdSSR und stellv. Volkskommissar für Justiz, 1937 atm Tode verurteilt 302 .A,lfred s. Knöchel, Wilhelm A.lichanoq Gework S. (1897-1938) - Armenier, Parteimitglied seit 1917, I9I9/20 ZK-Sekretär der KP Armeniens, L922-1925 wd 1926-1928 Leiter der Orgabteilung derWKP(B) in Leningrad-Wyborg, seit 1931 Mitteleuropäisches Sekretariat des EKKI, ab 1932 Organisationsabteilung, L93l-1937 verantwortlich für KaderfragerytrL'l:ali L937 verhaftet 323 ,{,llinger s. Passarg", Carl Albrecht Andre s. Deter, Adolf ,{.ndrejew, Andrej Andrejewitsch (1895-I97I) - 1920 ZK der WKP (B), 1927-1930 Parteisekretä¡ im Nordkaukasus, 1932-1952 Mitglied des Politbüros, 19 46 - Lg53 stellv. Vorsitzender des Ministerrates zLO, 241 Ândrejew, Nikolai (gest. I9l9) - linker Sozialrevoiutionär, am 6' ]uli l9I8 am Attentat auf den deutschen Botschafter Graf Mirbach beteiligt II7
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PERSONENREGI
Appel, |ohannes (Jan) (,,Jan Arndt",,,Max Hempel",,,|an Vos., ) ( 1890 - f - Lehre als Schiffsbauer, 1908 Mitglied der SPD, IglI - 1913 Militä ab l9I4 Soldat, 1.917 abkommandiert als Schiffsbauer nâch Hamburg, dol¡
l9l8 Vorsitzender der Revolutionären Obleute, Mitglied des Spartakusr bundes, l9l9 Vorsitzender der Hamburger KPD und Delegierter zlq! 2. Parteitag, 1920 Gründungsmutglied der KAPD, zusammen mit Fra¡rz Jlurrg
nt
Ge
sprächen
mit dem EKKI nach Moskau delegiert, danach illegaå
in Deutschland, l92I KÂPD-Delegierter auf dem IIL Kongreß der 1923 tm Ruhrgebiet wegen der Schiffsentführung verhaftet und zu zwei ]ahren Haft verurteilt, nach seiner Entlassu ng Ig25 Emigration in die Nii derlande. Dort aktiv bei den Rätekommunisten, der Groep Internøtionølø., Comrnanisten,nach 1942 im Widersrand, 1948 Verbot jeglicher politischer
Betätigung 87,89,94f., IOf, II8-I24,I27,L29, I39, I50, 165,242 Appen
-
Lette, Mitarbeiter der Nachrichtenabteilung der Roten Armee À¿;
gistrøtþr
133
Artusow, Artur Christianowirsch (,,Frautschi") seit
l9l9 Funktionär
(1S91
- I93Z)
-
Ingenieuro
der Sicherheits- und Aufklärungsdienste, 1930
- 1935
Leiter der Auslandsaufklärung der OGPU bzw. des NKWD, bis zu seinei Verhaftung im Mai 1937 im Generalstab der Roten Armee 265 Atschkanow, Grigori Pawlowitsch (1887-1939) - Schiffsmechaniker, seir 1904 Parteimitglied, 1918-1920 und 1922-1924 stellv. und Vorsitzender der Gewerkschaft der Binnenschíffer,l92Ir/22 stellv. Vorsitzender der Gewerkschaft der Transportarbeirer, 1925 - 1929 Generalsekretär des IpK der Transportarbeiter, L9 37 verhaîtet 218, 259, 2 65 Aussem, Otto Christianowitsch (,,Martyn- Gromow" ) (187 5 - 19 29 ) - frühes Parteimitglied, nach l9I8 Mitarbeiter der Nachrichtenabteilung der Roten Armee Registrø¡tr, seit 1922 Yertreter des Volkskommissariats für Aufklärung der Ukrainischen SSR in Berlin, anschließend in Prag, seit L924 Generalkonsul in Paris I33 B
l9t3 bis Oktober lglg Chef der Marinestation Ostsee in Kiel I0,32,40,60,66f. Badajew, Alexej |egorowitsch (1883-I95t) - seit 1904 Parteimitglied, Abge-
Bachmann, Gustav (1860- 1943) -Yizeadmiral,
ordneter der IV. Staatsduma, nach der OktoberrevolutionVorsitzender des P¡äsidiums des Obersten Sowjets der RSFSR I33,209,229 Bahlke, Harry (1912- l) - seit 1930 zeitweise Schiffszimmermann, 1928 KIVD, dann KPD, 1933 Verhaftung, Mitglied der ITF-Gruppe in Antwerpen, September 1936 Spanien (,,Kolonne Durruti"), 1939 Internierung in
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NENREGISTER
Frankreich, zeitweise lTF-Vertreter in Marseille, l94l Emigration nach Mexiko, 1957 Rückkehr nach Hamburg 322 p_akajew lwan Petrowitsch (1887-1936) - l9L9/20 Vorsitzender der Petro,:,.. grader Tscheka, 1926 der Leningrader OGPU' ais Anhänger Sinowjews ;, Mitglied der Vereinigten Opposition, 1927 Ausschluß aus der Partei, im
1935 z,¿.8 Jahren Zuchthaus, L936 z;.tm Tode verurteilt 241 -Bakunin. Michail Alexandrowitsch (I8I4- I87ó) - russischer Revolutionär in Dresden und wien, ,... , und Anarchist, 1849 Beteiligung an den Aufständen . zum Tode verurteilt, t85I an Rußland ausgeliefert, 6 Iahre Einzelhaft, .-, 186l Flucht, I8ó4 Mitbegründer der I' Internationale 16,62 Balabanowa, Angelica Isaakowna (Balabanoff) (1877 -1965) - verläßt 1897 1,,, tußland, studium in Brüssel, Mitglied der sozialistischen Partei Italiens, I9l2-L914 Redakteurin des Avønti,l9I7 Rückkehr mit Lenin im ,,plombierten Waggon" nach Rußland, l9I9 Teilnahme an der Gründung der KI, erste Sekretärin des EKKI,verläßt1922 SowjetrußIand, 1923 inWien, 1925 Paris und von Lg36-1946 USA, 1947 Rúckkehr nach Italien ll3,
,,. Ianuar
lL8, r27 Balke, Harry s. Bahlke, HarrY Bare(c)k, Max - Seemann, KPD-MitgIied' Sekretär der ISH in l{amburg, aus der KPD ausgeschlossen, später in New York 329-331 Bebel, August (1840- I9I3) - I8ó4 Drechslermeister in Leipzig, 1867 Vorsit. zender des verbandes Deutscher Arbeitervereine, l8ó9 in Eisenach Mitbegründer der sA PD, I87 2 zu 2 | ahren I estungshaft vefurteilt,þls zu seinem TodeVorsitzender der SPD Ìó Begge, Karl Mikelewitsch (Karlis Bege) (I8S4-1938) - Parteimitglied seit 1902, arbeitete im volkskommissariat für Außenhandel und bei der Baltischen Flotte, 1925-1930 Leiter der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin, 1937 verhaftet, zum Tode verurteilt und erschossen I02, l04f' Belinki, Abram Jakowlewitsch (1882 oder f8S3-f941) - ab l9l7 Geheimdienstposten in Petrograd, L9l9-1924 Leiter des Personenschutzes von
Lenin, Mai 1938 Verhaftung und Verurteilung zu 5 ]ahren Gef,ángnis,
I94l erneut verurteilt und erschossen 253 Bem, ,{lfred (,,Adolf Shelly") (f900-f93óf) - l9l8 Mitglied des }ugendverbandes, 1919 Mitglied der KP Polens, 1929 Sekretär des Interklubs in Hamburg, ab ,{pril I93I Mitarbeiter, dann Sekretä¡ der ISH in I(openhagen, spâter in Paris, Februar I93ó nach Moskau beordert 321,329f', 342 Bernd s. Wollweber, Ernst Bernstein, Arnold (1888- l97l) lers, eröffnet
lgll
Sohn eines Getreide- und Spirituosenhändin Hamburg ein Großhandelsgeschäft, I9I9 Gründung
-
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PERSON EN REGISTER
die Reederei Arnold Bernstein (spezialisiert auf Holz- und Erztransporre, später auf die Verschiffung von Lokomotiven und Autos nach Leningrad),
,
1937-1939 in Deutschland inhafriert, nach erzwungener übertragung
,
seines Vermögens an einen Treuhänder
..
Emigration in die USA., Gründung eines neuen Schiffahrtsunternehmens, erstritt 1954 eine Entschädigung
447
PERSON EN REG ISTER
für den Verlust seines Vermögens 2I4 Bernstein, Eduard (f 850- 1932) - 1872 Mitglied der SA.PD, seit I88I Leiter des Soziøld.ernohrøt, 1887 -190I in London, I9O2 - L9 06, I9l2 - I9l8 und . I920-L928 MdR, I9tZ USPD, 1920 Rückkehr zur SpD 16 Bertz, Paul (,,]ohann") (1886-1950) - Werkzeugschlosser, l9I0 SPD, Mirglied des Spartakusbundes und der KPD, lg22-Lg24 Polleiter des UB Chemnitz, seit L924 MdR, 1925 Gewerkschaftsabteilung des ZK, lg2g Kandidat des ZK, Frühjahr 1933 Polleiter in Hamburg, Oktober 1934 Emigration, 1935 Mitglied des Sekretariars des ZK in Frankreich, 1936 . l
':
Bubnow, Andrej Sergejewitsch (1883-f938) - Parteimitglied seit 1903, nach I9l7 verschiedene Partei- und Staatsfunktionen, 1929 -1937 Volkskommissar für Volksbildung, 1937 verhaftet, 1938 zum Tode verurteilt 24I Bucharin, Nikolai Iwanowitsch (1888-f938) - seit 1903 Parteimitglied, seit l9I7 Mitglied des ZK, ab l9l9 Mitglied des EKKI, 1934-1937 Chefredakteur der Iswestijø,1937 aus der Partei ausgeschlossen, 1938 im dritten Moskauer Schauprozeß zum Tode verurteilt ll9f ., I27, L30, I35f ., 209, 229, 24L, 243, 249, 255f ., 265, 269, 3I2 Burmester, C. Friedrich (1894-1959) - Bankdirektor, Hausbesitzer in FIamburg-Othmarschen, Vater von Ingeborg Carsten 357f.,36L Burmester, Ina, geb. Thomsen (1899-1990) - Ehefrau von C. Friedrich Burmester) Mutter von Ingeborg Carsten 357 -359
,
ChefderAbschnittsleitungWestderilIegalenKPD(Amsterdam),l935 ZK-Mitglied, 1945 Rückkehr nach Berlin, Selbstmord 328 Bielefeld, Willi (Frirz) s. Melzer, Heinrich Blumenthal
-
Angestellte der Gestapo
Berlin
340
Blumkin, ]akow Grigorjewitsch (1899-1929)
- Iinker Sozialrevolutionär, Teilnehmer am Atrentat auf den deutschen Botschafter GrafMirbach, Mitglied der Tscheka,1928/29 Resident im Nahen Osren, Treffen mit dem exilierten Trotzki in Konstantinopel, im Oktober 1929 verhaftet und zum Tode verurteilï II7 Bombacci, Nicola(1879 -1945) -Volksschullehrer, Mitbegründer der KpI, Teilnehmer am IL Kongreß der KI, ab l924,A.nnäherung an Mussolini I25 Bouwman, Engelbertus (Bertus) (1882- I955) - holländischer llafenarbeiter, seit 1905 Gewerkschaftsfihrer, l9I2 Mitglied der SDP, 1916 Vorsitzender der NAS, 1920 Mitglied der KP, Delegierter auf verschiedenen RGI-Tagungen, 1927 Brtch mit KP und RGI, 1929 Mitgründer der Revolutionären Sozialistischen Partei 236 Boyens, Karla - Bekannte Knüfkens in Hamburg 359 Brandler, Heinrich (f881-I9ó7) - l9ló Mitbegründer der Spatakusgruppe, I92l und 1924-1928 in Moskau, 1928 Mitbegründer der KPD(O), im Februar 1933 Emigration und illegale Arbeit in Frankreich, bei lGiegsausbruch im September L939 Internierung, später Emigration nach Kuba 74, l9l8
ILL, T37 Branting, Karl Hjalmar (I8ó0-1925) - Mitbegründer und Vorsitzender der schwedischen Sozialdemokratie (1907-1925), 1920, 192l-1923 und 1924/25 schwedischer Ministerpräsideît. I92L Friedensnobelpreis 138
G
Cachin, Gilles Marcel (I8ó9-1958) - l9I8 Chefredakteur l'Høwtøøité,1920 Vorsitzender der KPF, 1924-1942 Mitglied des EI(KI, seit 1935 des Präsidiums L25 Citrine, Walter (1887- 1983) -Mechaniker, britischer Gewerkschafter, L926 194ó Generalsekretär des TUC, seit 1928 lGB-Vorsitzende¡ I25,130 D
Dagerman, Stig (eigentl. Jansson) (I923-L954)
Dramatiker und Lyriker, Syndikalist Dalle Genossin s. Kolbe, Erna Dalle Schwester s. Denecke, Gertrud
361
-
schwedischer Romancier,
/\
Denecke, Gertrud (1905- à) - Schwester Erna Kolbes, Mitglied der I(PD, später KPD(O), kam im September 1935 aus London in die UdSSR, Parteiausschluß 320
Deter, A.dolf (,,Andre") (1900-I9ó9) - Dreher, l9l8 USPD, 1920 KPD, l93l Sekretär fùr Gewerkschaftsarbeit der Bezirksleitung Wasserkante (Hamburg), I933 Emigration Dänemark und Sekretär des europäischen Büros der RGI in Kopenhagen, 1934/35 Sekretär der ISH Äntwerpen, 1935-1938 Sekretär der ISH in Paris, gehörte zum Wollweber-Apparat, 1946 Rückkehr nach Deutschland 321 Donyach, Sophia s. Knüfken, Sonja
Dostojewski, Fjodor Michailowitsch (182I-l-881) 278 Drescher
-
russischer Schriftsteller
- Ilauptmann der Geheimen Feldpolizei im Baltikum 77,80f. - I(apitän zur See, Spionageabwehr 55-57,60-62 Drusendahl, B. - SPD-Mitglied in Hamburg 331 Dressler
448
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NENREGISTER
PERSONENR
Dsershinski, Feliks Edmundowitsch (Dzierzynski) (L877 -1926) - Mitgli der SDKPiL, mehrfach verbannt, L9l2 zu neun /ahren Zuchthaus veru¡.teilt, seit l9l7 Vorsitzender der Tscheka, seit 1927 Vorsirzender des Ober" sten Volkswirtschaftsrates der UdSSR 224,3LI Dybenko, Pawel ]efimowitsch (1889-1938) - seit lgII Marrose der Baf tischen Flotte , ab I9l2 Parteimitglied, seit April I9l7 Vorsitzender des ZK der Baltischen Flotte. November l9L7 bis März l9I8 Volkskommissar füci Militar- und Marineangelegenheiten, I9l8 Rücktritt aus Protest gegen den Frieden von Brest, Kommandeur im Bürgerkrieg, beteiligt an der Niedersclrlagung des Kronstädter Aufstands, 1922 - 19 38 Befehlshaber verschiedener Militärbezirke (Odessa, Mittelasien, Wolgagebiet, Leningrad), I938 der Verschwörung angeklagt und zum Tode verurteik 220
ab Fotijewa, Lydia Alexandrowna (188I-1975) - seit 1904 Parteimitglied, I2I Sowjetregierung der und f9I8 Sekretärin Lenins
Fraenkl.MaxViccor(I8ó9-I951)-]ustizratinBerlin,politischerStrafuerteidi.
später ger der Linken, Vorsitzender der Freien Vereinigung der Kopfarbeiter' I66f''169î' fó0' t54f'' Ã'ìlhr.rrd., Mitglied der FAUD, 1934 Emigration
,;
Friedman - Mitarbeiter der OGPU in Leningrad 253,262f' L9l4-1920 Frossard, Louis-Oscar (I8S9-1946) - Lehrer, dann |ournalist'
'Mitglied,seitlglsGeneralsekretärderSozialistischenParteiFrankreichs' der IglL-Januar 1923 Sekretär der KPF, Teilnahme am II' Kongreß Minister mehrfach L935-I940 Kl,lgz| Rückkehr zu den Sozialisten, 125 Furubotn, Peder (I890- 1975) - 19f 8/19 FührerderRätebewegunginBergen' 219 ab L923 Sekretär der KPN, ab September 1928 EKKI-Mitglied
E
- seit 1889 Sozialdemokrar, seit I9I2 Md\ Parteivorsitzender (neben Hugo Haase), November 1918 Reichskanzler, L9I9 -L925 Reichspräsident 73
Ebert, Friedrich (1871-L925) seit
I9I3
Eichhorn, Robert Emil (I8ó3-f 925) - Mechaniker, 1881 SPD, Redakteur verschiedener Parteizeitungen, 1903-1912 MdR, I9I7 übertritt in die USPD, vom I0. November l9l8 bis zu seiner Entlassung am 4. lanuar l9l9 Polizeipräsident von Berlin, im,{pril mit,tugust Merges Organisaror einei Generalstreiks in Braunschweig, der am 17. April durch Regierungstruppen wird, 1920 - 1925 MdR für die KPD 76 Elizalda - 333 Erzberger, Matthias (1875-1921) - deutscher Zentrumspolitiker, seit 1903 MdR, Oktober l9l8 Staatssekretär, IJnterzeichner des Waffenstillstandes am ll.ll.l9l8, ab Juni l9I9 Finanzminister und Vizekanzler, ermorder202 Ewald, Hans (L892-1963) - |urist, 1920 Amtsrichter in Cuxhaven, ab 1925 Richter in Hamburg, I93ó Oberlandesgerichtsrar, 1949-1960 Amtsgerichtsrat in Hamburg l6tf. beendet
F
- Leningrader Stadtkommandant 242 -244, 246 - Lehrer in der Haftanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel I77f.,I9J'f Fimmen, Edo (188I-1942) - kaufmännischer Angestellter, t9I5-1919 Generalsekretär der niederländischen Gewerkschaftszentrale, l9I9 Sekretär
Fedorow
Fense, C.
.
der ITF und bis L923 des IGB, ab 1923 Generalsekretär der ITF, Befürworter der Einheitsfront, seit 1933 Einbeziehung der ITF in den Antinazikampf 322 - 324, 326, 3Z8f ., 3331., 343, 345f., 348, 357
G
- Oberleutnant beim Seebataillon 47 - 5I Gerlach,Hellmuthvon(18óó-1935)-]ournalist,Chefredakteurverschieradikai pazidener Zeitung en t.a. Welt ørn Montøg, vertrat im Weltkrieg
Gebler
fistischePositionen,Ig],.8/|gl.Intelstaatssekretärimpreußischenlnnenund ministerium. Vorsitzender der Deutschen Liga fùr Menschenrechte Emigration I933 Friedensgesellschaft' Deutschen der Grtindungsrqitglied nach Österreich und Frankreich L7 zttGewald, ]ohannes (I8S5 - 195ó) - Seemann, seit 1909 auf Fischdampfern' 1918 Obersteuermanns1914Kapitän, als I9I4 nächst als Steuermann, ab Otto maat auf verschiedenen lJ-Booten, seit 1916 bei Kapitänleutnant
Steinbrinck,IglgbeiderCuxhavenerl{ochseefischereiAG,abSeptember l9l9bisJúiL92íKapitändesSenøtorSchrijd.er,1925-I93SweitereFangreisenvorlsland,spitzbergenundinderBarentssee,danact¡Inspektorfür die Nordsee, ìlg3g
-Ig45 Kommandant aufVorpostenbooten'
nach kurzer
August L945 bis zur Pensionierung l95l wieder Kapitän auf Fischdampfern 84' 8ó-91, 164, 168, 342 361 Goethe, Johann Wolfgang (1749-1832) - deutscher Dichter 278 Schriftsteller russischer 1852) Gogol, Nikolai Wassiljewitsch (1809 Gefangenenschaft ab
Goltz,RüdigerGrafvonder(1865-I94ó)_Frühjahrlgl8Leiterderoffensi
Revolution")' ve gegen;ie finnische Rote Armee (,,Henker der finnischen
FebruarbisoktoberlglgkommandierenderGeneralimBaitikum,1920 Teilnahme am KaPP-Putsch 79 Gordon,Nikolai-VorsitzenderdersowjetischenGewerk5chaftderDruckerund 24lf' Typographen, Mitglied des Leningrader Gebietsexekutivkomitees
450
PERSON EN REG ISTER
Gorki, Maxim (eigentl. Alexej Maximowitsch Peschkow) (I8ó8-193ó) - russisch-sowjetischer Schriftsteller 241 Gozâlbezy Giner, Francisco - Sprachlehrer in Hamburg, Meldeadresse KnüÊ
nach Großbritannien, 1942 Ausschluß aus der SPD und der Landesgruppe deutscher Gewerkschafter, 1944/45 Mitarbeit in der KPD-initiierten Freien Deutschen Bewegung, 1946 Ausreise nach Haifa L60,162,166f',
.
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343 Grepp, OIav Kyrre (1879-1922) - norwegischer Politiker, ab 1899 Studiurr der Literaturwissenschaften und der Medizin, ab 1902 in der Norwegischen ,{rbeiterpartei aktiv, ab I9l2 Führer des linken FlügeIs,I9I4/lSYorsitzender der Norwegischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, J9L8 - 1922 Vorsitzender der Norwegischen Arbeiterpartei, organisierte seit I9I8 illegale Transporte russischer Revolutionäre durch Norwegen I42f. Gribel, Eduard (1884- l) - Stettiner Reeder 26I Gustav s. Szinda, Gustav Guttmann, Katharina (Ketty), geb. Ekey (1883- f967) - Schriftstellerin, zunächst Mitglied der SPD, ab Ì9I7 USPD, ab 1920 KPD, l92l - I 924 MdB, L924 aus der KPD ausgeschlossen (,,Los von Moskau") 217 Guttschick - Häftling in Hamburg-Fuhlsbüttel 183, 187 Gylling, Edward Otto Vilhelm (I88f -1944) - seit I905 Sozialdemokratische
Partei Finnlands,
l9l8
Finanzminister Sowjetfinnlands, Flucht nach
Sowjetrußland, Teilnahme am II. Kongreß der KI, L923-I935 Präsident der Sowjetrepublik Karelien, 1937 verhaftet und deportiert 128f.
169f.
Herzog,Wilhelm (1884-f9ó0) - Schriftsteller, nach dem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte 1909 Mitbegrùnder der Zeitschríft Pø'?t, . Lgll/\2 Leitung des Mtirz, I9L4/I5 und 1918-1920 Herawsgeber Døs F o røm, l9I8/ L9 Redakteur D i e Re p ø b li h, L9 2O H ørnb ørg er Vo lh s ze itwng, Ende Mai bis Ende August 1920 Aufenthalt in Sowjetrußland, vor allem in Moskau, 1929 Emigration (Schweiz' Frankreich, Trinidad, US'\), 1952 Rückkehr nach Deutschland I34-136, f50 Heyde , Hugo (1897- 1967) - Matrose, l92I wegen der Beteiligung an der
Schiffsentführung zu 18 Monaten Haft verurteilt, seit luli 1922 \n Cuxhaven, bis 1925 auf Fischdampfern, ab 1925 Architekturstudium' 1940 beim Marinebauamt in Bremerhaven, nach 194ó Bauingenieur' Bauleiter und Statikerin Bremerhaven 95f., I30, I50, 165, L67,169f. Hipper, Franz Rittervon (I8ó3 -1932) - l9I3-f9f8 Befehlshaber der deutschen Aufklärungsschiffe, vom 7. August bis 13. Dezember l9L8 Chef der
Hochseeflotte 66
- 1933 -1945 deutscher Reichskanzler 324,329, 350f.,356,'364 Iloffmann von Fallersleben, August Heinrich (L798-1874) - deutscher Dich-
Hitler, Adotf (I8S9 - f 945)
H
Haglund, Nils - schwedischer Bekannter Knüfkens in Hamburg 36I IIansen, Arvid Gilbert (I894-L966) - norwegischer |ournalist und Politi-
ker, l9l5-1923 Funktionär des sozialdemokratischen |ugendverbandes, L923-L949 KPN, zeitweise im Sekretariat des ZK, 1924 Kandidat des
EKKI und seines Präsidiums, während
ti¡
der deutschen Okkupation Norwe-
gens in Schweden 219 Has(s)elbacher, Karl (1904-1940) - Jurist, SS-Obersturmbannführer, ab 1933 Mitglied der NSDAP, seit 1934 beim Gestapa Dezernat II F2 (Emigranten) luden, Freimaurer), 1939 Gestapochef von Düsseldorf, ab Juni 1940 Leiter der Sicherheitspolizei in Belgien 339 Helmer(s), Anton - Funktionär der ISH in Rotterdam 32If. Ilenson, |im - Funktionär der britischen NUS, ITF-Vertrete¡ in Cardilf 327 Herz, Carl (I877-I95I) - ab 1904 Rechtsanwalt in Altona und Mirglied der SPD, seit 1906 Parteijurist und Vortragsredner, ab 1909 Fraktionsvorsitzender in Altona, I9I4 zusammen mit Heinrich Laufenberg und Fritz Wolffheim in Opposition zur Politik der Partei, ab L92I Stadtrat und stellvertretender Bezirksbürgermeister in Berlin-Spandau, ab 192ó Bùrgermeister in Berlin-Kreuzberg, Mãrz 1933 Amtsenthebung, 1939 Emigration
45L
FERSON EN REG ISTER
ter, schrieb
l84l
das
Deøtsehløndlied, 44
I .
Iwan Wassiljewitsch IV., der schreckliche (1530- I58 4) - L547 als erstef mssischer Herrscher zum Zaren gekrönt 268 Iwanow - Chefingenieur, Mitgefangener in der Lubjanka 3O7f'
- IJntersuchungsfùhrer 264
Iwanow J Jacob
-
Vermessungsgast, Mitgefangener
Jacobsen
- ITF-Funktionär
I9I7 in Kiel 53-55,57 -62
327
jaglom, Jakow Kiwowitsch - Mitglied des WZSPS, 1929 Chefredakteur der Zeítschrift Trød,Delegierter des V' und VI. Kongresses der KI 2lO lagoda, Genrich Grigorjewitsch (I89I-I938) - sett 1922 im Apparat der Tscheka, von ]uni 1934 bis September 193ó Voikskommissar für Innere Angelegenheiten, danach für Fernmeldewesen, l93b im Prozeß gegen den Block der Rechten und Trotzkisten zum Tode verurteilt 3Il ]apie s. Oldenbroek, Jacobus Hendrik
452
PERSON EN REGISTER
laroslawski, |emeljan Michailowitsch (eigentl. Minei Israelewitsch Gubelman)
(L878-L943) - Parteimitglied seit 1898, Parteihistoriker, 1924-1940 Mitglied des Komitees für Parteikontrolle und der ZPKK 312 ]ensen, Richard (1894-L974) - Vorsitzender des dänischen Schifßheizerverbandes, Mitglied der Kopenhagener Bürgerschaft, Sekretariatsmitglied der ISH, Mitarbeiter des WEB der KI (zuständig für Finanzen) 356f. |ewdokimow, Grigori ]eremejewitsch (1884- 193ó) - seit 1903 Parteimitglied, mehrfache Verbannung, I9l7 Vorsitzender der politischen Abteilung der Ar mee, Teilnahme am Feldzug gegen Judenitsch, seit 19 22 Vorsitzender des Petrograder Gewerkschaftsrats und stellv. Vorsitzender des Petrograder Sowjets, I9I9/20 und 1923-1927 ZK-ll'{itglied, L925 Sekretär des Leningrader Parteikomitee s, L927 als Mitglied der Vereinigten Opposition aus der Partei ausgeschlossen, 1935 ztt 8 |ahren lfaft verurteilt, I93ó im ersten Moskauer Schauprozeß erneut angeklagt und zum Tode verurteilt 7.
133,209,229,24L Jogiches, Le o (L867
-L9I9) - mehrfach inhaftiert, 1890 Flucht in
die Schweiz,
Verbindung mit Plechanow, 1891 Bekanntschaft mit Rosa Luxemburg, 1893 Mitbegründer der SDKP (später SDKPiL), 1905 in Warschau, 190ó zu 8 )ahren Zwangsarbeit verurteilt, 1907 Flucht, seit l9Ió faktischer Leiter der Spartakusgruppe, November l9I8 Initiierung des Roten Soldatenbundes, auf dem Grùndungsparteitag der KPD in díe Zentrale gewählt, }ydàrz I9I9 verhaftet und ermordet 74f.
fohann s. Bertz, Paul |udenitsch, Nikolai Nikolajewitsch (L862-L933) - zaristischer General, im Bürgerkrieg 1919 Befehlshaber der Interventionstruppen im Nordwesten, stieß von Estland aus zweimal bis Petrograd vor, emigrierte nach Großbritannien und Frankreich III Jung, Cläre (f892-f981) - Schriftstellerin, zweite Ehefrau von Franz Jung, l92l-1923 Sekretärin der KI, 1945-L952 Arbeit beim Rundfunk in Ber-
IinlDDR 222-225 Jrng,Franz (,,FrunzLarsz",,,Joe Frank") (f888-f9ó3) - Studium der Nationalökonomie und Rechtswissenschaften, danach Börsenjournalist, seit I9l2
'l lti
l9l7 Mitinitiator der Berliner Dada-Bewegung, aktiv bei der Spartakusgmppe, am 9. November l9l8 Besetzung des Wolffschen Schriftsteller,
Telegraphenbüros, L920 Gründungsmitglied der KAPD, zusammen mir
EKKI delegiert (Schiffsentführung), I92ì, Teilnehmer an den Märzkämpfen in Mitteldeutschland, beim übertritt in die Niederlande verhaftet, nach Sowjetrußland abgeschoben, dort bis Ende L923 tätig als Organisator de¡ Arbeiterhilfe und Wirtschaftsexperre , ab L924 wieder Börsenkorrespondent und Schriftsteller. 1936 verhaftet. Jan Appel nach Moskau zum
PERSON EN REG ISTER
+Ðó
Emigration über Prag, Wien, Genf nach Budapest' L945 KZ Bozen, L947 Emigration in die USA, 1960 Rückkehr nach Europa, I9ól erscheint seine Autobiographie Der Weg nøch wnten 87,89,94f', l0I, I18-I24, 129' 139, r50, I58, ló2-ró5, 222-226, 342. 36L
,
t( Kalinin, Michail Iwanowitsch (1575-1946)
- seit 1903 Parteímitglíed, L922 ZEKder Sowjets derArbeite¡- und BauerdePutierten, 1938
Vorsitzender Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR 229,24Lf' Kalweit, Ferdinand christoph (Iss5-1943) - Schlosser, l9I8 Vorsitzender der I{amburgerUSPD, MitglieddesArbeiter- undSoldatenrats, I9I9- L92l MdB und der Abteilung der |ustizverwaltung für das GeÊángniswesen 19óf'
-
des
.
Kamenew, Lew Borissowitsch (eigentl. Rosenfeld) (lBB3-t93ó) - seit I90I Parteimitglied, nach L9I7 mit lJnterbrechungen Mitglied des ZI( Lg 23 - L9 2 6 Direktor des Lenininst itttts, L9 26 / 27 Bevollmächtigte¡ Vertreter in Italien, L932/33 Verbannung, 1933 bis Dezember 1934 Direktor des Akademie-Veriages, verhaftet bis |uti 1935, 193ó erneut verhaftet und
im August zum Tode verurteilt lIIf', 130, 209,241f.,268,287 Kapp,Wolfgang(L855-1922) - deutscher |urist und Politiker, gründete I9l7 die rechtsþerichtete Deutsche Vaterlandspa ttei, Màtz 1920 zusammen mit
Lüttwitz gescheiterter Putschversuch gegen die Reichsregierung 8ó - lettischer Seemann, Mitglied der IWW, nach der Revolution in Rußland,Parteimitglied 264f.
Kassel, Peter
Kierow s. Kirow, Sergej Mironowitsch Kingisepp, Elsa (auch: Lell-Kingisepp) (188 7 -1952)-Tochter einer estnischen .Arbeiterfamilie, Ausbildung als lrehrerin, zieht nach der Heirat mit Viktor Kingisepp nach St. Petersburg, schließt sich dortJ9l2 den Bolschewiki an, I9I7 Teilnahme an der oktoberrevolution, l9l8 llerausgeberin von EesTi Teøtøjø (,,Estnische Botschaft"), Februar 1918 Rùckkehr nach Petrograd, im November Leiterin der Nachrichtenagentur EsTø,L919 -1922 Arbeit bei der Komintern, speziell als sekretärin von G. Sinowjew, I{erausgeberin der deutschsprachigen Ausgabe der I(ornynønistischen Internøtionøle IIOf.,
L33.138,207 Kingisepp, Viktor Eduardowitsch (1888-1922) - erste politische Betätigung in der Revolurion 1905, I90ó Studium in Petersburg, L907 -1910 fevolutionäre lJntergrundarbeit in Estland und st. Petersburg, I9l2 Arbeit bei der Zeítrng I(ür (,,Strahl"), bei Kriegsbeginn nach Tw-er und I(asan verbannt, 1916 Staatsexamen, I9l7 Rückkehr nach Estland, aktiv im revolutionären Militärkomitee und der Roten Garde, nach dem Oktober Mitglied der Tscheka
in Moskau, seit November 19Ì8 in Estland, Mitglied des ZK
d'er
+Ð+
li¿
Knüfken, Alan (1948-1962)
Estnischen KP, lebt dort über drei Jahre im lJntergrund und wird 1922 verhaftet und erschossen llOf. Kirow, Sergej Mironowitsch (188ó-1934) - Parteimitglied seit 1904, seit 1923 Mitglied des ZK, seit 1926Leningrader Parteisekretar,lg34 Sekretär des ZKdeTTVKP(B), einer der engsten MitarbeiterStalins, am L Dezember 1934 ermordet 241,255f.,343 Klahre, Willi (1893-1970) - ehemaliger Oberbootsmannsmaat bei der II.
Minensuch-Division, ab 1916 Seemannsbundes
in
99, I30, L50,165,342 K.lava, Fricis (,,Akmens", ,,Stein")
(f889-1919) - Steinmetz, seit 1905 Mit-
glied der Sozialdemokratischen Partei Lettlands, mehrere Verhaftungen, l9l4 Verbannung, I9J-7 Rückkehr nach Lettland, seit September l9I7 illegale Parteiarbeit in dem von den Deutschen besetzten Liepaja, im November l9I8 stellv. Vorsitzender des Exekutivkomitees des Arbeiterrats von Liepaja, Dezember 1918 verhaftet, Folterungen, nach seiner Befreiung an den Folgen der Haft gestorben 77,80 Kleen, Fritz (L890-L977) - Schifßkoch, nach seiner Lehre in Kiel auf der
Yacht Orion und dem Aviso Grille, l9l4-I9I8 Hilßminensuchdivision in der Ostsee zwischen Danzig und dem Baltikum, 1919-1922 Steward und Koch auf Fischdampfern, vom L8. Oktober I9I9 bis 22. September 1920 aufdem Senøtor Schröd,er. danach Koch in Cuxhaven. nach 1945 im Marine-Arsenal (Sperrwaffen) 86, 93, Ió8 Klinger, Gustav Kasparowitsch (L876 -1939) -Wolgadeutscher, I9l8 Bund Deutscher Sozialisten an der Wolga, I9l8 zusammen mit Ernst Reuter im Präsidium des Exekutivkomitees der Arbeiterkommune des wolgadeutschen Gebiets, I9l9 Vertreter der Wolgadeutschen aufdem Grùndungskongreß der KI, EKKI-Mitarbeirer, l92l-I924 im Volkskommissariar für Nationalitätenfragen , 1925 -L93I Leiter des Sekrerariars des Präsidiums des Gesamtrussischen ZEK, bis 1934 Handelsvertreter der UdSSR in Norwegen, 1937 Inhaftierung Il8 Knipp, Victor (1886- l) - Rechtsanwalt in Stettin f 53f. Knöchel, Wilhelm (,,Alfred") (1899-1944) - Dreher und Grubenschlosser, l9L9 SPD, 1923 I(PD, ab 1934 Berarer der illegalen KPD Bezirk Wasserkante (Hamburg), t93 5 Kandidat des ZK, I93ó Aufbau der Abschnittsleitung West in .{msterdam, 1939 ZK-Mítglied, L942 in Berlin Aufbau der operâtiven KPD -Leitung, 19 43 verhaftet, hingerichtet 32 8
Sohn von llermann Knüfken 356f., 362,
364r.
(I8I8-
))
-
Großmutter von llermann
Knüfken 342,354,357 Knüfken, Anna Maria, geb. Müller (1855-f943)
Knüfken 342, 354f.,
-
Mutter von llermann
357, 360, 363
Knüfken, Ernst (1890- 1973) - städtischer,{ngestellter, Bruder von l{ermann
I(nufKen
óÐÐ. óoór.
Knrifken, Friedrich (f 8S8 - I9l3) - Werkmeiste¡, Bruder von Hermann Knüf-
18
Monaten Haft verurteilt, nach seiner llaftentlassung ab August 1922 Seemann, zunächst als Matrose, dann bis 1937 Steuermann auf Fischdampfern, 1941-1945 Kapitän bei der Lufrwaffe See in IQel 87,89,91î.,95f.,
-
Knüfken, Anna Christine, geb. Raab
Cuxhaven stationiert, Funktionär des
in Cuxhaven, I92l wegen der Schiffsentführung zu
,//
+Jf,
PERSONENREGISTER
PERSONENREG ISTER
ken 355,364 Knüfken, Heinrich (1886-1967) Knüfken 16,355,364
-
Stadtassistent, Bruder von Flermann
- Kaufmann, Sohn von Ernst Knùfken
:;;
Knüfken, Herbert (geb.1942) 366
.
Knüfk"tt, |ohann Dietrich (1824- l) - Großvater von }lermann Knüfken
| t.
*
| , , . ,
364'
ô+z
Knüfken, ]ohannes (I859-f893) 3s4,zs7
-
Vater von llermann
Knüfken
341f.,
Knüfken, Ruth, verh. Darnaud (geb. f9 5) - Tochter von llermann Knüfken 35óf., 36Lf.,364-366 Kttüfk.tt, Sonja, geb. Doniach (I9I0-1999) - Ehefrau von Hermann Knùfken 330, 342, 347, 356-358, 361-f.' 364-366 Knüfken, Wilhelm (1885 - I9I4) - Stukkateur, Bruder von Hermann Kntifken
355,364 Koch, Christian (1878-1955) - I{amburger Strafvollzugsdirektor und Bürgermeister, arbeitetsich hochvom Bürogehilfen undTagschreiber zum Gerichtsvollzieher, seit 1904 Engagement für die Bürobeamtenbewegung, seit 190ó Mitglied der Vereinigten Liberalen, f908-1933 MdB (1908-l'9f8 Vereinigte Liberale, l9I9-1933 DDP), Januar l9I9 bis |uni 1920 MdN für die DDP, ab April 1920 Gefängnisdirektor der Strafans(lt Fuhlsbüt-
tel,
l93I
Präsident des Strafvollzugsverbundes von llamburg, Bremen,
Lübeck, Braunschweig und Oldenburg,1933 Entlassung aufgrund des Gesetzes zur wiedefherstellung des Berufsbeamtentums) 193ó kurzfristig inhaftiert, L9 45 / 46 Verkehrssenato r, L9 46 - 19 49 Zw etter Bürgermeister, Senatskommission für |ustizverwaltung und Gefängnisbehörde, Staatskommissar für die Entnazifizierung l76f ., L83f ., 186 - 189, 197f ., 2021', 205r. Koestler, Arthur (1905 - I983)
-
Schriftsteller und lounalist ungarischer IIer-
kunft, KPD-Mitglied, 1937/38 Abkehr vom Kommunismus 288
456
PERSONEN REGISTEft.
Kolbe, Erna (1904-2000) - f9I9 Mitglied der Freien Sozialistischen Jugen{, seit I92I Stenotypistin im ZK des KIVD und der KPD, 1923 KPD-Mitglied, seit 1924 Fahrten in die UdSSR, ab 1933 in Moskau, 1937 verhaftet, 1947 entlassen, 1956 Rúckkehr nach Deutschland 320 Kolbe, Ernst - Sympathisant, Seemann 328f.,332 Kollhoff, Werner (I89I - à) - Hamburger Staatsanwah, nach 1933 Richrer am
Landgericht 168-I70
Kollontai, Alexandra Michailowna (L872-1952)
- Tochter eines adligen Gutsbesitzers, sert I89 5 / 9 6 B erufsrevolutionärin, 19 I 7 Volkskommissarin für soziale Fürsorge, I920/2I AngehOrige der Arbeiteropposition, 1923 Gesandtschaftsleiterin der UdSSRin Norwegen, 1924 Botschafterin, 1926 in Mexiko, 1927 in Norwegen und 1930-1945 in Schweden L38,2201. Koltschak, -A.lexander Wassiljewitsch (L873-L920) - zarisrischer Admiral., l9I8 Führer der antirevolutionären Truppen und der konterrevolurionären Regierung in Sibirien, l9l9 von der Roten Armee vernichrend gesõhlagen und nach seiner Verhaftung tr'om Revolutionären Kriegsrat zum Tode verurteilt 197 Komarow, Nikolai Pawlowitsch (I886-f937) - seit 1909 Parteimitglied, l9L3/I4 Mitglied des Bezirkskomirees im Wyborger Bezirk Petersburgs,
l9L7 in der Petrograder Sowjet gewählt,
l9I8-f92f
F,.ERSONENREGISTER
457
Kropotkin, Pjotr (Peter) Alexejewitsch Fürst (1842- I92I) - russischer Revolutionär und,A.narchist,1874 in RußIand verhaftet, 1876 Flucht, lebte bis : zu seiner Rückkehr nach Rußland I9I7 in Westéuropa L6,62 Kruyt, ]ohn Williarn (1877-1943) - holländischer christlicher Sozialist 125 Kun, Béla (188 6-1939) -19L8 Vorsitzender der KP Ungarns, l9l9 Volkskommissar fürAußenpolitik der Ungarischen Räterepublik, Präsidiumsmitglied . des EKKI, im Sommer 1936 von allen Partei- und Kominternfunktionen entbunden, L937 verhaftet und zum Tode verurteilt 28I Kuusinen, Otto Wilhelmowitsch (I88f - I9ó4) - seit 1905 Fùhrer des linken Flügels der finnischen Sozialdemokratie, l9I8 Gründungsmitglied der KP : Finnlands, 192I-1939 Mitglied des Präsidiums und Sekretär des EKIC 148
t Landsberg, Otto (18ó9-1957) - Rechtsanwalt und Politiker, SPD-MitgIied' I9l2- lgIB MdR, November l9l8 im Rat der Volksbeauftragten, seit Fe-
bruar l9l9 Reichsjustizminister, MdN und seit Dezember 1924 MdR' LÐ.0-1924 deutscher Gesandter in Brüssel, 1933 Emigration 73 Larkin, James (]im) (L876-1947) - irischer A.rbeiterführer, 1909 Mirorgani-
an der
sator der irischen Transportarbeiter-Gewerkschaft, vertrat in der Irischen Arbeiterpartei revolutionär syndikalitische Positionen, l914 Emigration in die USA, führendes Mitglied der Kommunistischen Arbeiterpatei der USA,
zK
Teilnahme am II. Kongreß der KI, 1923 Rückkehr nach lrland, nach dem V. Kl-Kongreß Mitglied des EI(KI, nach 1925 Abkehr vom I(ommunis-
Bataillonskommissar
Ostfront und Vorsitzender der Petrograder Gouvernements-Tscheka, 1926-1929 Vorsitzender des Leningrader Gubispolkom, seit l93I Volkskommissar für Kommunalwirtschaft, I92t und 1923-1930 Mitglied,des
I33,209,24L
Kondratjew, Nikolai Dmitrjewitsch (1892- 1938) - russischerWirtschaftswissenschaftler (,,Kondratjew -Zyklen" ) und Sozialrevolutionär, Teilnehmer an der Februarrevolution L9I7, Yize-F,rnährungsminister unter Kerenski, l92O-I929 Direktor des von ihm gegründeten Konjunkturinstituts in Moskau, 1928 angeklagt, 1930 verhaftet und I93L z,t acht Jahren Gefängnis verurteilt, 1938 erschossen 133, 209, 229,24I Korbes, Ernst s. Kolbe, Ernst Kraft, Hugo (1866-1925) -Vizeadmiral, I9l7 Chef des III. Marinegeschwaders 66 Krapp, Fritz (18ó8 - f ) - I. Maschinist auf dem Fischdampfer Senøtor Sehröder
86,92,169 Krebs, Richard (,,Jan Valtin") (1905-f951) - seit 1923 KPD-Mitglied, 1924/25 Propagandaarbeit unter amerikanischen Seeleuren, 1925/26 míIitärpolitische Schulung in Leningrad, I93l Mitarbeiter des WEB der KI, Flucht in die USA, Autor des Buches Tøgebach der IIölle 36L
. mus, Parlamentsabgeordneter 125 Laufenberg, Heinrich (L872-I932) - 1904-1907 Redakteu¡ der sozialdemokratischen Volhszeitwng in Dùsseldorf, während des Weltkrieges Fùhrer der Hamburger Linksradikalen, I9I8/I9 Vorsitzender des Arbeiterrates . in Hamburg, I9I9 KPD, auf dem 3. Parteitag ausgeschlossen, November l9I9 zu einem ]ahr Festungshaft verurteilt, April 1920 KAPD, stand mit Wolffheim an der Spitze des Parteibezirks Nord, August 1920 aus der KAPD ausgeschlossen, Gründung des Bundes der Kommunisten lI9 Lehmann, Kurt (I90ó-1986) - Baugehilfe und Heizer,I(PD-Mitglied' 1932 ' Polleiter der KPD-ZeIIe Schiffahrt bei der HAPÁ.G, Mitglied der Roten Marine, 1934 illegat in Antwerpen, Mitglied der ITF-Gruppe, Ausschluß aus der KPD, September 193ó Spanien (,,I(olonne Durruti"), 1939 Incernierung in Frankreich, I94l- Auslieferung an die Gestapo, bis 1945 in Haft 322,328f.,332,344 Lehmann, \tr/erner (1904-194I) - seít 1932 Seemann, KPD-Mitglied, Mitglied der ITF-Gruppe in Antwerpen, I93ó Spanien (,,Kolonne Durruti"),
458
PERSONENREG ISTER
1939 Internierung in Frankreich,
I94I
Auslieferung an die Gestapo, in der
Ilaft umgekommen 344 Lenin, Wadimir Iljitsch (eigentl. Uljanow) (L870-L924)
-
seit 1887 Hin-
wendung zur revolutionären Bewegung, nach der Oktoberrevolution Vorsitzender des Rates der Volksmommissare 7 5, LLII., I20 - 128, L35, I37,
L49,226,229,24I,251 Lermontow, Michail ]urjewitsch
getötet
(f8f4-I84I) - russischer
Dichter, im Duell
stischen Arbeitsgemeinschaft, Februar 1922 USPD, September f9? SPE, führender Vertreter des linken Flügels, Freitod 74, 84f., IIl, J-Ì^9, I37 Leviné, Eugen (1883-1919) - Sohn eines Petersburger Großkaufmanns, 1897 Übersiedlung nach Deutschland, 1905 Teilnehmer der Revolution in Rußland, bis 1908 mehrfach inhaftiert, 1909 Rückkehr nach Deutschland, l9I7 USPD, Mitglied der Spartakusgruppe, Gründungsmitglied der KPD, April l9I9 Chef des Vollzugsrates der Bayerischen Räterepublik, nach deren Niederschlagung Illegalität, Mai l9I9 verhaftet, Anfang |uni zum Tode verurteilt und erschossen 74
Liebknecht, Karl (187I-1919) - Rechtsanwalt, 1900 SPD, 1907 Mitbegründer und bis I9l0 Präsident der Sozialistischen Jugendinternationale, 1912-1917 MdR, Ablehnung der Kriegskredite, I9ló aus der Fraktion ausgeschlossen, wegen Ilochverrats zu Zuchthaus verurteilt, Mitglied der Spartakusgruppe und Grrindungsmitglied der KPD, ermordet 16,74f.,
l15, 13ó Charles (L865-1957)
-
schwedischer Sozialist, 1897 Gründer des
schwedischen Transportarbeiter-Verbandes, Mitbegründer der
ITF
345,
Litwinow, Maxim Maximowitsch (eigentl. Max Wallach) (187ó-195t) - seit 1898 Parteimitglied, seit I9I7 Diplomat, l9l8 in Großbritannien, bis L92J- in Estland, 1930-1939 Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten, 1934-1938 Vertreter der UdSSR beim Völkerbund, im Mai 1939 als Volkskommissar abgelöst, seit I94I wieder stellvertretender Volkskommissar, I94l-1943 Botschafter in den USA, 1943-1945 Gesandter auf
Kuba 145,L47 Losowski, SalomonAbramowitsch (eigentl. S. A. Dridso) (1878-1952) - seit I90l Parteimitglied, seit l9I7 Sekretär des WZSPS, l92L-1937 Gene-
459
ralsekretär der RGI, seit 1937 Direktor des Staatsverlags, 1946 als stellv' Außenminister abgelöst, 1949 Parteiausschluß und Verhaftung, J^952 zw Tode verurteilt und erschossen III, 130, 210,2I8,241,256,265'323 Lúttwitz, Walther Freiherr von (1859-1942) - Generul, beteiligte sich ím Mrärz1920 an dem gescheiterten Putsch gegen die Reichsregierung 8ó Lunatscharski,AnatoliWassiljewitsch (1875 - I933) - seit I893 Parteimitglied, lgO6-L917 Emigration in ltalien, Frankreich und Schweiz, l9l7 -1929 Volkskommissar für Volksbildung, irn ,\ugust L933 z;.tm Botschafte¡ in Spanien ernannt l3O,24L
305
Levi, Paul (1883-1930) - Rechtsanwalt, als Student Mitglied der SPD, während der Novemberrevolution Redakteur der Roteø Føbne, führendes Mitglied der Spartakusgruppe und Gründungsmitglied der KPD, seit Frühjahr 1919 deren Vorsitzender, seit 1920 MdR, Februar I92I Niederlegung aller Parteiämter, ApriII92J- Ausschluß aus der KPD, Grùndung der Kommuni-
Lindle¡
PERSON EN REG ISTER
Luxemburg, Rosa (I870-I9I9) - 1893 Mitbegründerin der SDKP (später SDKPiL), 1898 Übersiedlung nach Berlin und Eintritt in die SPD, l9I5 - I9f 8 mit lJnterbrechung inhaftiert, Mitglied der Spartakusgruppe und Gründungsmitglied der KPD, ermordet 74f.,Ì^l5 Irt
Machno, Nestor Iwanowitsch (1889-1934) - Bauer, Anarchist, 1906 zum Tode verurteilt, begnadigt zu lebenslänglicher Zwangsarbeit, Februar l9l7 befreit und im August Vorsitzender des Rayonssowjet Gulai Pole , kämpfte mit einei bewaffneten Abteiiung l9l8 in der Ukraine gegen die deutsche ,{rmee, l9l9/20 sowohl gegen die Weißgardisten als auch die Rote Armee, I92I, nach Zerschlagung seiner Armee, Flucht ins Ausland 308 Madsen, Alfred Martin (1888-1962) - Lithograph, Ftihrer des linken FIügels der norwegischer Gewerkschaftsbewegung, Redakteur der Zeitungen Tid.ens l(røp (L9L4-L917), Arbeid'et (1919) und Ny Ti.d' (f920)' l9l9 im Parteivorstand der Arbeiterpartei, l92l - 1945 Parlamentsabgeordneter, Delegierter der Norwegischen Arbeiterpartei auf dem II. und III. Kongreß der KI. 1924-193I Fraktionsvorsitzender, L93J- -1934 stellvertetender Vorsitzender des Gewerkschaftsbundes, 1928 Sozial-, 1935 - 1939 Han-
delsminister 145 Madsson - Finne, Sekretär Litwinows L47f. Mann, Tom (1856-194f ) - Metallarbeiter, 1890-1893 Führer der britischen Gewerkschaft der Hafenarbeiter, 1893 Mitbegründer der ILP, später deren Generalsekretär, I90t - l9l0 Aufenthalt in Australien, nach der Rùckkehr I9I2 Inhaftierung, Gründungsmitglied der englischen KP 1920, ab I92I Mitglied des Vollzugsbüros der RGI 222 Manuilski, Dimitrij sacharowitsch (rs83-1959) - seit 1905 Parteimitglied, L923-L929 Mitglied des ZK, 1924 Mitglíed des-EKKI und seines Präsidiums. 1929-1943 KI-Chef 3I9 Marchlewski, |ulian Balthasar (,,Karski") (1566-1925) - arbeitete als Färber in Polen, Deutschland und der Schweiz, \892-1896 Studium der Rechts-
460
PERSO
N
ENREG ISTER
und Staâtswissenschaften, Mitbegründer der SDKP (später SDKPiL), I89ó-t9I9 mit lJnterbrechungen in Deutschland, Artikel u.a. für die Leipziger Volhszeitøng, 1905 in Rußland und l9l4 in Deutschland inhaÊ tiert, Mitbegrùnder der Spartakusgruppe, l9ló-1918 erneut inhaftiert, l9l9 Mitglied des ZK der KPD, 1923 Yorsitzender des ZK der Roten
Hilfe I18 Martow, Leo (eigentl.
fuli
Ossipowitsch Zederbaum) (f873-1923)
-
seit
1895 Sozialdemokrat, 1897-1900 Verbannung, 1900 Mitbegründer der Ishrø, L905 Teilnehmer an der ersten russischen Revolution, danach bis I9l7 imExiI, 1920 Emigration nach Deutschland 129 Marx, Karl (I8I8- f 883) - Philosoph, Nationalökonom und Politiker der Ar-
beiterbewegung 16,149
Matthe¡ Otto (1870-1939)
- 1898-I90I
Assistenzarzt in Hofheim, 1902 Assistenzarzt an der Anstalt Friedrichsberg, L9O3/04 vertretungsweiòe Gefängnisarzt in Fuhlsbùttel, ab 1909 fest angestellt, l9I4-1918 Kriegslazarett, ab I9I9 wieder in Fuhlsbüttel 199,20L,203 Ma¡ Richard (1876-L953) - L902 Assessor, ab 190ó Amtsrichter, I9I2 ' Landrichter, seit dem l. ,A,pril ì.920 Oberlandesgerichtsrat in Hamburg, leitet den Prozeß zur Schiffsentführung, am 31. Oktober 1933 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den Ruhe-
standversetzt 167f.,L70 Melnitschanski, Grigori Natanowitsch (1886-1937)
-
Uhrmacher, seit
1902 Parteimitglied, zahlreiche Verhaftungen, L9I0-1917 in den USA, kehrte l9I7 mit Trotzki nach Rußland zurück, l9I8-I920 Vertreter des WZSPS im Rat für Arbeit und Verteidigung, I9I8 - I974Yorsitzender der Moskauer Gewerkschaften, 1922 - L928 Präsidiumsmitglied des WZSPS, 1922-L930 Mitglied des Vollzugsbüros der RGI, 1925-1930 Kandidat des
ZK
2L0,256
MeIzer, Heinrich (,!,Illli/Britz Bielefeld") (1890-1967) - gelernter Kesselschmied, I9I0-1913 Dienstzeit bei der Marine als lleizer, l9l4-1918 Marinesoldat (Luftschifferabteilung), I9I8 Teilnehmer an der Hamburger Revolution, L920 Kommandant der Roten Ruhr-Armee zwischen lIünxe und llaltern, bis 1922 in Stettin Sekretär des DSB, L922-I929 Geschäftsführer der FAUD im Rheinland, L93O-1933 Rechtsverrrerer eines Krie gs- und Arbeitsopfer-Verbandes, 19 33 - 19 45 B erufsverbot und Inhaftierungen, Tiefbauarbeiter, 1945 einer der Gründer des Deutschen Gewerkschaftsbundes 152 Merges, .A.ugust (1870-L945) - gelernter Schneider, seit l9I7 Mitglied der USPD und l9l9 der I(PD, ab 8. November I9I8 Vorsitzender des,A.rbeiter- und Soldatenrats und ab L0. November Präsident der ..Sozialistischen
PERSO NENREG ISTER
46r
Republik Braunschweig", im Februar 1919 abgelöst durch den neugewählten Landtag, seit 1920 Mitglied der A.{U und der KAPD, Delegierter auf dem II. Kongreß der KI, 1935 zs drei |ahren Haft verurteilt,1937 wegen HaftunÍÌihigkeit entlassen, danach unter Polizeiaufsicht 7 6, L36f . Messing, Stanislaw Adamowitsch (1890-1937) - seit 1908 Mitglied der SDKPiL, nach I9I7 wechselnde Geheimdienstposten in Moskau und Leningrad, lg2g-L93l stellv. Vorsitzender der OGPU, danach im Volkskomissariat ftr,{ußenhandel,1937 verhaftet und erschossen 209, 3ll Meyer, Håkon Ludvig (I89ó-f989) - norwegischer Politiker' Mitglied der Gruppe Mot Dø¿und der Norwegischen Arbeiterpartei' 1946 Verurteilung zu I0 Jahren Haft wegen Landesverrats während der deutschen Besetzung
142,222 Michailowna, Marie - Reinemachefrau im llotel Astlriø. 247f. Mikojan, Anastas Iwanowitsch (f895-I978) - seit I9l5 Parteimitglied, 1926 -1930 Volkskommissar für HandeI, l^93O -1934 Volkskommissar für Versorgung, 1934-1938 Volkskommissar für Nahrungsgüterindustrie, 1938-1949 Volkskommissar fùr Außenhandel, 1935-1988 Mitglied des Politbüros, 1949/50 Stellvertreter Stalins, 1964/65 Staatsoberhaupt 241 Miller, ]ewgeni Ka¡lowitschseit (I8ó7-1937) - zaristischer Generalleutnant, 1919 Oberbefehlshaber der nördlichen Interventionsarmee' nach dem Sieg der Roten Armee Flucht über Norwegen nach Frankreich, 1930 - 1937 Führungsmitglied des Russischen Militärbundes im Exil, 1937 von Agenten des NKWD nach Moskau entführt, zum Tode verurteilt und erschossen
99,102,116 Mirbach-Harff, Wilhelm Graf von (187I-1918)
- I9I8 diplomatischer Vertreter des Deutschen Reiches in Moskau, fìel am 6. Juli I9I8 einem Attentat
zum Opfer Ì^L7 Molenkamp, lohannes Casperus Nicolaas (f884- l) - Transportarbeiter im Rotterdamer Hafen, Funktionär des syndikalistischen NAS in Rotterdam und Groningen, 1929/30 Sekretär der Revolutionären sozialistischen Par-
tel ¿50 Molotow, \{jatscheslaw Michailowitsch (eigentl. Skrabin) (1890- 198ó) - seit I90ó Parteimitglied, I92I - 1957 Mitglied des ZK, l93O -1941 Vorsitzender des Rats der Volkskommissare und des Verteidigungsrates der UdSSR, l93g-Lg4g und 1953-195ó Außenminister,1957 aller llmter enthoben, L9 62 P arteiatsschluß, 1984 Wiederaufnahme 241 Moltke - Übersetzer 345 Mühsam, Erich (1878-1934) - deutscher Schriftsteller und Anarchist, I9I9 Mitglied des Zentralrates der bayerischen Räterepublik, nach deren Stu¡z
462
sechs Jahre
PERSON EN REG ISTER
in Haft, 1933 verhaftet und im KZ Oranienburg ermordet 94,
164,223
Müller, Heinrich (1900-1945 verschollen)
- SS-Gruppenfrihrer und Generalleutnant der Polizeí,1929 Politische Polizei München, 1934 SS, Hauptabteilungsleiter Gegnerbekämpfirng bei der Gesrapo, seit 1939 Chef dei Gestapo 340f. Müller, Wi[i (1902- l) - Binnenschiffer und Hafenarbeiter,Ig22 KIVD, 1923 KPD, Reichsleitung des Einheitsverbandes der Seeleute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer, Màrz 1934 Leningrad, Arbeit im Interklub, I93S Reise nach Westeuropa zur Reorganisation der illegalen Gewerkschaftsarbeit unter den Seeleuten, 1,936 aus KPD ausgeschlossen, V-Mann in Ant'\¡/erpen 332f.
il Nansen, Fridtjof (1861- 1930) - norwegischer Polarforscher und Diplomat, organisiert I92l -L923 als Hochkommissar des Völkerbundes Hilfsaktionen in den Hungergebieten der Sowjetunion,1922 Friedensnobelpreis 2SB Nikolai II. Alexandrowitsch (1868 - l9l8) - letzter russischer Zar ' 115,248,
257 Nikolajewa, Klawdija Iwanowa (1893-L944) - seit 1909 Parteimitglied, Redakteurin der Zeitschrifr Røbotnizø,1924 Mitglied des ZK,I93ó Sekre-
tariat des WZSPS 2I7
Nilson, Anton (1887-f989)
- Ungsocialist, 190ó Bauarbeiter in Malmö, 1908 Attentat auf das Streikbrecherschiff áruø.bheø., zum Tode verurteilt, dann zu lebenslanger Haft begnadigt, Freilassung im Oktober 1917, Ausbildung zum lagdflieger in der Sowjetunion, 1926 Rückkehr nach Schweden, zunächst bei der sowjetischen Handelsmission, dann Ombudsman in der Sozialistischen Partei und Industriearbeiter, später Schriftsteller und Arbeit in der Volksbildung f 38f.
Nöldeke, Arnold Heinrich (1865-1945) - Sohn des Orientalisten Theodor Nöldeke (183ó - 1930), Studium der Rechtswissenschafr, 1894 Landrichter in Hamburg und I9I0 Oberlandesgerichtsrat, 1907-lg3l MdB, erst Mitglied der Vereinigten Liberalen, ab I9I9 Fraktionsvorsirzender der DDP, l9I9 - t93I Hamburger /ustizsenaro r I97f ., 2OZ, 205 Noske, Gustav (18ó8-I94ó) - Jounalist, SPD-Mitglied, 190ó-I9I8 MdR, unterdrückte als Gouverneur von Kiel Ende I9I8 den Matrosenaufstand. Leiter des Militärressorts des Rates der Volksbeauftragten, dann Reichswehrminister, maßgeblich an der Zerschlagung der revolutionären Erhebungen J^9L8/I9 beteiligt 73
463
PERSON EN REG ISTER
Nuorteva, Santeri (eigentl. Alexander Nyberg) (188I - 1929) - Finne, Sprachlehrer und Redakteur, lgll-1920 Emigration in die USA', I9I8 vorläufiger vertreter sowjetfìnnlands, ab l9I9 vertreter Sowjetrußlands in New York, verhaftet und ausgewiesen, ab 1921 Arbeit für die KI, als Emissär in Oslo 219
0 Oldenbroek, facobus Hendrik (,,Japie") (1897 -L970) - seitI923 technischer Leiter des sekretariats der ITF, ab 1937 verantwortlicher Leiter für den Bereich Eisenbahnen und chauffeure, 1933-L935 illegale Reisen nach Deutschland 347 olsen, Halvard (188ó- 19ó6) - Metallarbeiter, seit Igll in der norwegischen Gewerkschaftsopposition, L9l9 -1925 Vorsitzender der Metallarbeitergewerkschaft, lg 23 / 2 4 stellvertretender Vorsitzender der KPN, 19 25 - 19 3 4 Vorsitzender des Dachverbandes der Gewerkschaften 219f'
Passarge, CarI Albrecht
(,,Allinger") (I90S-f938)
-
KPD-Mitglied, in den
30ér |ahren Angestellter des Leningrader Interkiubs, 1938 zum Tode ver-
urteilt
32L
- Vorsitzender der schwedischen Sektion der ISH 330 Peters, ]akow christoferowitsch (188ó-1938) - Parteimitglied seit 1904, Mitglied des ZK der lettischen sozialdemokratre,IglT Teilnahme am oktoberaufstand in Petrograd, Mitglied des Büros des Komitees für Parteikontrolle beim ZK, Vorsitzender des Moskauer stadtparteikomitees, 1937 Persson. Gunnar
verhaftet und zum Tode verurteilt 3lI -wilhelm (]rg7 6 - lg 60) - vorsitzender des Gründungsparteitages der KPD, seit 1926 MítgLíed des Politbüros der KPD, 1933 Emigration nach Paris, Mitglied der Auslandsleitung der KPD ,1937 -Ig4lVorsitzender des
pieck,
Exekutivkomitees der Inrernationalen Roten Hilfe, 1945 Rückkehr nach Deutschland, 1949 -1960 Präsident der DDR 137' 320 Pilsudski, ]ózef Klemens (L867-1935) - seit 1893 führend in der Polnischen sozialisrischen Partei, kämpfte 1914 - r9Ió als Brigade-Kommandeur auf Seiren Österreichs gegen Rußland, November t9l8 bis 1922 Staatspräsidenr Polens, nâch Rückzug aus Politik und Militär 1926 Staatsstreich, bis I935 eigentlicher staatslenker in wechselnden Positionen als Premier- und Verteidigungsminister und GeneralinsPekteur der..Streitkräfte L22 Pjatnitzki, Ossip (Jossif) Aronowitsch (eigentl. O. Tarschis) (I882-1938) Schneider, leitete den Transport illegaler bolschewistischer Literatur nach Rußland, Ig23-L935 Mirglied des EKKI und des sekretariates, chef des
PERSONENREGISTER
organisationsbüros der Kr, L937 von alren Funktionen enrbunden, zum Tode verurteilt und hingerichtet 2IIf. Plechanow, Georgi valentinowitsch (rssó-r9rg) - Theoretiker des Marxismus in Rußland, 1883 Gründer der ersten russischen marxistischen Gruppe
Befreiung der Arbeit, 1900 Mitherausgeber der Ishrø, ab 1903 Mensche'1917 Unterstützung der provisorischen Regierung 204 Pötzsch, waldemar (r892-L944) - spD-Mitglied, Hafenkassierer des Gesamtverbandes in Bremen, 1933 Emigration nach Antwerpen, Mitglied der Müller-Gruppe, seit 1938 v-Mann, t940 in Dänemark von der Gestaoo verhaftet, im KZ Sachsenhausen umgekommen g|g,344 Prahm, Bohle (1890-L97r) - seit rgrr auf Fischdampfe¡n, r9r4 steuermann auf dem Dampfer Gøid.o Mähring zusammen mit Kapitän Gewald, r9l5 - l9l8 Marrose der II. Marine -Division, ab M,àrz r9r9 Steuermann aufFischdampfern, seit dem r8. oktober aufdem senøtor scbräd,er,von November 1920 bis september 1939 auf Fischdampfern, meist als steuermann, später auch als Kapitän, in der Zwischenzeit und nach 1945 mob! ler Fischhandel, 1939 -L945 srationierr in Wilhelmshaven g6, g2f ., 164,
wiki,
L69,342
Preuss, Jan F. A. - Maurer, Ortsvorsitzender des Verbandes der ausgeschlos_ senen Bauarbeiter in Hamburg 330
Price, Morgan Philips (1885-1978) englischer Journalist, Berichrersratter für den Møncbester Gaørd.in über die russische Revoiution (Die Røssiscbe Røpoløtion. Erinnerøngen øøs d.enJøhren IgrT- rgrg) ,rgrg- rg23für den
Døily Herøld.in Deutschland IS0 - Arbeitsinspektor der strafansralt Hamburg-Fuhlsbüttel, tritr 1897 den Dienst in den Hamburgischen Strafan-
Prieß, Richard Emil (1872-7953)
stalten an, ab 1899 Festanstellung ,lg2zyorwurf der versuchten Gefangenen-Befreiung, 1924 Beförderung zum Amtmann IZ Z _ L24, lg3 _ D,
Proudhon, Pierre Joseph (r809-r8ó5) - französischer schriftste[er und Frühsozialist mit Einflüssen auf den Anarchismus IO4 R
Radek, Karl Bernhardowitsch (eigentl. sobelson) (rsgs-1939)
-
polnischer
sozialist und Politiker, rg\s/16 Teilnahme an der Zimmerwalder und Kienthaler Konferenz sozialistischer Kriegsgegner, r9l7 Borschewist, Emissär der sowjetregierung in Berlin, Teilnehmer am Gründungsparteitag der KPD, l9l9 zunächst in lIaft, dann unrer llausarrest. l9l9 in Ab_ wesenheit ins zKder RKp gewält, bis rg24 Mitglied des ZK, ab lg20 des
EKKI, sekretär
des
EKKI, 7927 parteiausschluß, 1929 wiederaufnahme.
193ó verhaftet, im zweiten Moskauer schauprozeß zu r0 Jahren Haft ver-
465
PERSONENREGISTER
,
urteilt, 1939 ermordet I48,209,229,24L
ll5,
IÌ^7 -L21,
l23f',
127
-I29, 133, L35,r37r.,
Radek, Rosa Mawrikijewna, geb. Abramowicz (1881-1939) - Frau KarI Radeks, als Ärztin an verschiedenen Stellen im sowjetischen Gesundheitswesen tàtLg, 1937 verhaftet und deportiert, wahrscheinlicher Tod 1939 l23f' Raob, Anna Christine s. Knüfken, Anna Christine
Rast, Gertrud, geb. Graeser (1897 -1993) - Mitglied der Spartakusgruppe' l9I8 Sekretârin des Arbeiter- und Soldatenrates in l{amburg, l9l9 Gründungsmitglied der KPD in l{amburg, 1923 Mitglied der Reichszentrale des KIVD, Emigration in die UdSSR, Mitarbeiterin der KJI, dann der ISH, nach der Rückkehr nach Deutschland hauptamtlich in der Bezirksleitung Wasserkante, 1930 als Versöhnlerin angegriffen, 1933 Emigration, 1943 nach Deutschland ausgeliefert (KZ Fuhlsbüttel) 330 Rast, Richard (l-1945) - Leiter der nordamerikanischen Abteilung des WEB in Kopenhagen, technischer Sekretär der ISH' im KZ Neuengamme um-
gekommen 330 Rathenau, Walter (1867- 1922) - deutscher Industrieiler und Politiker, l9IB f{itglied der DDP, ì:9l8/19 und 1920 Mitglied der Sozialisierungskommissionen, Februìl 1922 Außenminister, schloß den Rapallovertrag, durch rechte Offiziere ermordet 202 Reed, lohn silas (1887- 1920) - amerikanischer ]ournalist und schriftsteller, l9I0 erste Europareise, l9L3/l{Berichte über den mexikanischen Bürgerkrieg, I9I9 Mitbegründer der Kommunistischen Arbeiterpartei der USA, Kriegskorrespondent in Europa 138 Reich, Iakow (Iakob) Samojlowitsch (,,James Thomas") (I88ó-195ó) - galizischer Sozialist, Sudium in der Schweiz, L9l8 l{erausgeber des Informationsbulletits Røssischø Nøchrichten in Bern, Mitorganisator des Grrindungskongresses der KI 1919, danach Aufbau des Westeuropäischen Sekretariats der KI in Berlin, dessen Apparat er bis 1925 leitete, März 1933 Emigration in die Tschechoslowakei, 1938 USA 85 Remmele, Ilermann (1880-1938) - l9I8 Vorsitzender des Arbeiter- und Soldatenrates in Mannheim, l9I9 Bezirkssekretär der USPD in Baden, der Pfalz und Württemberg, 1920 KPD, seit Dezember 1920 in der Zentrale bzw. im ZK, lr92l-1923 Mitglied des Organisationsbüros des ZK, lg23 - Lg26 Chefredakteur der Rotøn F øhne, 1924 zeitweise Vorsitzender der KPD. danach bis 1933 im Polbüro, 1926-1929 mehrfach vertreter der KPD beim EKKI, August 1933 Übersiedlung in die UdSSR, Mitarbeiter
der Agitprop-Abteilung des EKKI, 1937 aw der KPD ausgeschlossen, verhaftet. zum Tode verurteilt und erschossen 255 Richter s. Schubert. Ilermann
466
PERSONENREG ISTER
Riechen, Wilhelm (,,fonny Richter.,) (1900- à) - Metallarbeíter, L924-L926 Sekretär der KPD Hamburg, Organisationsleiter des KJVD Hamburg,
I92ó
ausgeschlossen, Mitbegründer des Leninbundes, 1933 Emigration
Schweden 343 Rittweger, Roman (1879-1938) - Kriegsgerichrsrar der Kaiserlichen Marine in Wilhelmshaven, Kiel und Cuxhaven, Ig15/16 .{rtillerieoffizier, dann wieder Kriegsgerichtsrar in Kiel, I?I7/LB erste Kontakte zur SpD, nach
wahrscheinlich über den Rechtsprofessor Gustav Radbruch, von |anuar bis
April I92l für die SPD ]ustizminister in Mecklenburg-schwerin und von November 1922 bis Oktober I9Z3 in Thüringen, bis Mitre L924 Mtnisterialdirektor im |ustizministerium, danach in den wartestand versetzt, Rechtsanwalt in weimar und syndikus des polizeibeamtenverbandes, ab I933 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berußbeamtentums im Ruhestand, verunglückte 1938 mit seinem Auto in den ötztaler 9, L2, 38-40, 46f., 49f., 53-60, 62f. Roller, Karl Franzowitsch (eigentl. Tschillek/schillek, Leopord Franzowitsch) (1896- f936) - Leiter der Tscheka im Kursker Gebiet, später Gegenspionage der OGPU, 1936 verhaftet und erschossen 3ll Rosberg, Algot (I88ó-1936) - Maurer und Seemann, Ungsocialist, \vegen des Arnøbheø-Attentats zum Tode verurteilt, später in lebenslängriche Haft umgewandelt, l9I7 entlassen, Mitglied der syndikalistischen Bewegung,
Alpen
später Wechsel zur Sozialdemokratischen partei 138 - Gefangener in Hamburg-Fuhlsbüttel 188
Rother, Eugen
-203
Roy, Manabendra Nath (eigentl. Narendra Nath Bhattacharya) (1gg7_1954) - Sohn eines verarmren Brahmanen, schloß sich {Jntergrundgruppen zur Befreiung Indiens an, verschiedene Verhaftungen, l9l5 über /ava, China und Japan in die USA, I9I7 - lglg Mexiko, Delegierter der mexikanischen
II. Kongreß der KI, l92L-1924 und 1925-1927 im EKKI, 1929,{usschluß aus der KI,1929/30 Berlin, dann Rûckkehr nach Indien. l93l-L936 inhafiert, Mitglied der Kongreßpartei, 1940 Gründung einer radikal-demokratischenPartei 126 Rubinstein, Modest Josifowitsch (I594-L969) - ökonom, I92l-1930 Mitarbeiter der RGI, Mitglied der Kommission frir die Fragen der IpK, SekreKP beim
tär der Organisarionabreilung der
RGI
2LB
Rudnyánsk¡ Endre (I885-L943) - ungarischer Rechtsanwalr, im Ersren Weltkrieg Ostfront, russische Gefangenscha ft, I9l7 parteieintritt, l9I9 Nachfolger Béla Kuns im Vorsitz der Föderation ausländischer Kommunistischer Gruppen in Moskau, Teilnahme am Gründungskongreß der KI, 1920 Mitglied im EKKI und seines Präsidiums lf8
467
PERSON EN REGISTER
G-ermanistik und KunstgeRüdiger, Helmut (L903-19óó) - Studium der Deutschlands. und schichte, I922 Syndikalistisch-Anarchistische /ugend A'rbeiter-AssoFAUD Sachse t,L932Spanien, Sekretär der Internâtionalen nach Schweden' 1938 Sp"nisthtn Bürgerkrieg' ziadon, Beteiligung
"å Sozialistên) 333 1945 Deutschland (Föd'eration Freiheitlicher
Timonero")
Otto Karl Heinrich (,,Karl Steuermarìn"' "Carlos Rühle, -189ó SPD' ab 1902 SchriftstelftgZ+-tg+3) - ab 1889 Lehrerseminar, in llamburg' Breslau' ler und Redakteur sozialdemokratischer Zeitungen MdR' und Zwickau, 1907 Wanderredner' I9l2-1918
Chemnitz, Pirna gegen die Kriegskredite' stimmte 1,915 zusammen mit KarI Liebknecht der Linksradikalen' ab 9' Führer 1917 Mitbegründer der Spartakusgruppe, und Soldatenrates Groß-DresNovember I9l8 Vorsitzen¿ti ¿tt atUtiteran den ReichstagsBeteiligung den, 1918 bei Gründung der KPD gegen die Mitbegründer der Ì920 ausgeschlossen' dem 3. I'aräitag 1920 wahlen, auf
KI'
Dezember 1920 Ausschluß Rätekommunismus und der Einaus der KAPD, führender Theoretiker des Emigration 1932 heitsorganisation (anstelle von Partei und Gewerkschaft)'
KAPD, Delegierter zum
III
Kongreß der
als Maler nach Piag, 193ó nach Mexiko, arbeitet dort 39f'' 56' S9f '' 62f '
13ó-138
Ruppeitz --úarine-Gerichtsschreiber '333 Russ, Erhst
'Ilamburger Reeder
seit 1898 Parteimitglied' I9l8 1924-ì929 Vorsitzendel Volkskommissar für Innere Angelegenheiten' für Post und Volkskommissar I93ó des Rats der Volkskommissare, t93I SchauproMoskauer dritten im 1938 verhaftet, eÍ, lg37
Rykow, Alexej Iwanowitsch (1881-1938)
-
Fernmeldewes
zeßzrimTodeverurteiltunderschossen'IgSsrehabilitiertll2'209' 240-244,266,268,3I2 s Salin,LewBorisowitsch(eigentl'salmanMarkowitschLevin)(1897-1940)-
1919 Politische Alte1lìÏc Lehrer, l9f8 Mitgliei dãr jüdischen Poa\eZion' Leiter in Smolensk' 1938 deten der Roten Arm ee, ab 192ó Tscheka, 1929
verhaftet 3tI Sarkis
-
RaYonParteisekretär,
24L-243
Mitglied der Leningrader Opposition 209'
Schriftsteller' 1903/05 MitSawinkow, Boris Viktorowitsch (1879-1925) Organisator von Attenglied der KO der Partei der Sozialrevolutionäre' Berater der Provimilitärischer I9l7 taten, nach der Februarrevolution in die UdSSR Grenzibertritt illegalen beim 1924 sorischen Regierung' verhaftet, beging in der Haft Selbstmord 197'279
468
PERSONENREGISTER
Schaap, Joseph Rimbertus (1899- )) - Hafenarbeíter, 1924 Mitglied der K? Hollands, L929 Aufenthalt in der udssR, seit l93l sekretär des Interklubs
Rotterdam, Mitglied der Wollweber-Organisation, August 1940 in Kopenha_ hingerichtet 348 schäfer, Friedrich - ehemaliger Kriegsgefangener, deutscher vertreter in der Zentralen Föderation ausländischer Kommunistischer Gruppen im Rah_ men der RKP(B) Il8 schafer, Gerhard (1874-1944) - Mediziner, professor der psychiatrie, seit gen von der Gestapo verhaftet, zum Tode verurteilt und
L902 Arzt in der Krankenansrak Hamburg-Langenhorn, seit 1924 á,rzt_ licher Direktor 200-203 Scheflo, Olav (I883 - I943) - norwegischer /ournalist, t9l8 I92l Redakteur des so ci ø l-D em o hr øï e n, L9 2L - 19 2 4 Abgeordneter der norwegischen sozialdemokraten im Storting, 1923-1927 Kedakteur ftir de.' Norges r(owrnwnis t b lø d./Arb ei d. er en, 19 27 - 19 3 0 Abgeordneter für die KpN, Ig ZI _ Ig ZZ Mitglied des EKKI, 1928 Austritt aus der Kp und Ì929 lviedereintritt in dieSozialdemokratischeArbeiterpartei
2Ig
Scheidemann, Philipp (f865-1939) - ]ournalist und politiker, 1903_1933 MdRfür die SPD, L9II-I920 im parreivorsrand, I9l9 ersrer Minisrerprä_ sident der Weimarer Republik, 1933 Emigration 7Z Schier, Friedrich (1890-19ó3) - 2. steuermann aufdem Fi schdampfer senøtor Schräd.er 86, 88, 9l{., L64, 168
schkirjatow, Matwej Fjodorowitsch (1883-1954) - parteimitglied seit 190ó, 1923-1952 Mitglied des Präsidiums und Sekretär der Zentralen Kommis_ sion für Parteikontrolle, seít r92z Mitglied des Kollegiums des volkskommissariats der Arbeiter- und Bauerninspektion der UdSSR 312 Schlachter-Paul
in Hamburg-Fuhlsbüttel I7g Schklowski, Georgi Lwowitsch (,,J. Babuschkin.,) (lB7S-Lg3Z)
-
Gefangener
-
seir lgg8
Parteimitglied, seit 1909 in der Emigration, Ieitet in der schweiz ein kleines chemisches Labor, nach der okroberrevolution bis l92s im diplomatischen
Dienst 102,207 - Marine-Unteroffìzier in Kiel 40
Schmidt
Schmidt, Erhardt (1863-1946) -Vizeadmiral, Chef des I. Marine-Geschwa_
ders
65
Schubert, I{ermann (,,Max Richter..) (1886-f938) - Bergmann, ab 1907 Mitglied der SPD, l9l7 überrritt zur USpD und 1920 zur KpD. ab 1922 Gewerkschaftssekretär in Suhl, Anfang lg24verhaftet, ab Mai 1924 MdR, 1924-1933 Mitglied des Preußischen Landtags, r93r polleiter des Bezirks \4lasserkante, enger Freund Ernst Thälmanns, dessen parteivorsitz er nach ThäImannsverhaftungim März 1933 übernehmen sollte, 1933 Emigration in die Tschechoslowakei, Saargebiet, paris und ab 1934 Moskau. L93S ntm
.''
469
PERSO NEN REG ISTER
KPD-Vertreter in der Komintern bestimmt, aber schon Ende 1935 wieder abgelöst, im Mai 1937 verhaftet, 1938 zum Tode verurteilt und am gleichen Tag erschossen 320 Schultz, Erni - Gefangener in llamburg-Fuhlsbüttel I78f' Sczepanski,
Willy
- Seemann, Mitglied
der
Müller-Gruppe 332
Serrati, Giacinto Menotti (1874-1926) - italienischer sozialist, I9l4-I920 chefredakreur des Att ønti, l9I5/ 16 Teilnehmer der Konferenzen von Zimmerwald und Kienthal, plädierte I9l9 ftir den Anschluß der sozialitischen Partei an die KI, Führer ihrer Delegation zum II' Kongreß der KI 1920' Mitglied des EKKI, bei Grùndung der KPI l92I blieb er als deren vorsitzender
Mitglied der Sozialistischen Partei Ì.25
Shelly,,{dolf s. Bem, A'lfred Silfs, Janis (lS9I-1921) Partei Lettlands 77
-
Sekretär der
I9l9
gegrùndeten Kommunistischen
(,,valentin,.) - seemann, KPD-Zellenleiter auf deutschen l{andelsschiffen, bis Frühjahr 1935 Leiter des Interklubs Antwerpen 332 ParSinowjew, Grigori |ewsejewitsch (eigentl. Radomylski) (1883-f936) -
Sievert,
willi
seit 1901, Dezember lglT-1926 Vorsitzender des Petrograder _|g26Yorsitzender des EKKI, 1927 Parteibzw. Leningrader Sowjets, I9]r9 schauprozeßzum Tode verurteilt und Moskauer im erste[ ausschluß;. I93ó 229, 240 - 242, 246, 249, 268' 287 209, 207, l3l, I I If., I09, erschossen sirola, Yrjö Elias (1876- I93ó) - seit 1904 Mitglied der sozialdemokratischen Partei Finnlands, 1909 191 I Parteivorsitzender, während der fìnnischen
teiiitglied
-
Revolution l9L8 Außenminister im Rat der volksbeauftragten, 1918
MitbegrùnderderKommunistischenParteiFinnlands,seitdemi'¡flZK,
]rg2I/22 und 1928-193ó Mitglied der Internationalen Kontrollkommission beim EKKI Il8, 128 smillie, Robert (Bob) (r857- I940) - englischer Bergarbeiterführer, Präsident des britischen Bergarbeiterverbandes L25 RGI smolianski (,,Leo Pechmann")- Leiter des Mitteleuropäischen Büros der in Kopenhagen 330 Spesmolianski, Grigorij Borisowitsch (1890 - I937) - Parteimitglied seit 1920, RGI-Informationsder Leíter 1924 I92I zialist für Gewerkschaftsfragen, abteilung,,{'gitprop-Abteilung und Redakteur im EKKI, 1930 - 1935 stellv' Leiter des Mitteleuropäischen Sekretariats des EKKI, 1937 verhaftet 330 Snowden,Ethel'geb.Annakin(1880-195r)-englischeSozialistin,heiratete das 1905 den Politiker Philip Snowden (|864_L937), veröffentlichte 1920 BlchThroøghBolsheùhRussiø(Dt.Dørchsbolsehew,istischeRøJílønd',Ber|in
L92L) 125,127r.
470
PERSON EN REGISTER
Solz,,tronAlexandrowitsch (1872-1945) - parteimitglied seit lg9g, seirL924 Präsidiumsmitglied der zentralen Kommission für parteikontrolle, Mitarbeiter und Leiter der Eingabestelle der sraatsanwaltschaft der UdSSR 312 Souchon, Wilhelm (18ó4-1946) -Yizeadmiral, Ende l9I8 Chef der Marinestation Ostsee in Kiel 66f ., 69f .,711.
stalin, |osef wissarionowirsch (1879 der KPdSU,
1953
)
-
I94L-I953 Ministerpräsident
1922 -r9 s3 Generalsekretär der UdSSR 2Zg, 24I-246.
267 -269, 302, 304, 309, 3r2, 315, 364 Starken, Alfred (f 890 - | ) - Heizer auf dem Fischdampfer
92f.,96,168
Sø n
øtor Schrö d.ør
g6,
otto (1888-1949) - Kapitänleurnant, mit über 200 versenkten schiffen einer der prominentesten u-Boot-Kommandanten des Ersten weltkrieges, l9r9 Geschaftsfüher des verbandes Deutscher Eisen- und srahlindustrieller, später Generalbevollmächtigter des Flick-Konzerns gó Steinhäuser, Oskar - Marineleutnant einer Torpedo-Division 6g Stern, Alfred (f 886- 1966) - Bauarbeirer, IJngsocialist, wegen des ArnøltheøAttentats zu lebenslängicher Haft verurteilt, ISIZ entlassen, später Land_ steinbrinck,
wirt und Theatertischler stevens, Richard Henry
officer
des SIS
landen 344
138
- britischer
Agent, kontrollierte als passport control
in Den rraag die britische spionagetätigkeit in den Nieder-
Ström, otto Fredrik (1880-1948) - schwedischer /ournalist, Schriftsteller und Politiker, Teilnehmer der Zimmerwalder Bewegung, Sozialdemokrat und bis 1921 Mitglied des Reichstage s, I92J, Mitbegründer und bis 1924 erster Sekretär der Schwedischen KP, Lglg/2O sowjetischer Konsul in Stockholm, 1926 Rückkehr zur Sozialdemokratie, 1932 - l93S Chefredakteur des Sociøl-Dewohrøten, 1930 - 1948 parlamentsabgeordneter I45 stürgkh, Karl Graf von (1859-1916) - ab November lgll österreichischer Ministerpräsident, regierte seit Kriegsbeginn mit Notverordnungen) am 2I. Oktober von Friedrich Adler erschossen 17 stuewer, Albert Theodor Gottlob (lBó5 - l) - /urist, seit 1900 Amtsrichter in Ilamburg, 1933 Ruhestand 164 Switalla, Anton (,,Emil Werner") (1896-1970) - Hafenarbeiter, I9I9/20 ,{AU, Dezember 1920 KPD, Oktobe r 1927 Sekretär des Unterbezirks Hamburg-Barmbek, I93l Militärpolitische Schule in Moskau. danach BezirksleitungWasserkante, I935 UdSSR, bis Dezember 1935 Instrukteur im Interklub Leningrad, Mai 1937 -1939 Spanien Z2I Szinda, Gustav (,,Gustav") (1897 -I988) - Schlosser,Ig20-I924 Teilnahme an denRuhrkämpfen, 1924KPD, 1925 RFB, I933-193S illegaleTätigkeit, dann Emigration nach Amsrerdam, f936-L938 Spanischer Bürgerkrieg
47r
PERSONENREGISTER
als Stabschefder
XL lnternationalen Brigade, L937 Chef der Spionageab-
wehr der Interbrigaden, 1939 Moskau Kl-Apparat, 1943-19+5 Partisaneneinsatz, Dezember 1945 Rùckkehr nach Deutschland 323
Thalheimer, August (1884- 1948) - Sprachwissenschaftler und Ökonom, Mitarbeiter verschiedener sozialdemokratischer Zeitungen, Mitglied der spartakusgruppe, 1918 Mitglied des stuttgarter Arbeiter- und soldatenrates' Gtindungsmitglied der KPD, bis Anfang 1924 in deten Zentrale, 1923 chefredakteur der Rotøn Føhne,von Ende 1923-1928 in Moskau, Rückkehr nach Deutschland, Dezember 1928 Mitgründer der KPD(O)' f930 in der Leitung des Büros der Internationalen vereinigung der I(ommunistischen Opposition, Emigration 1933 Frankreich, 1940 Kuba 7+,IIl
Thiel - Seemann 322 Thomsen, Anna, geb. Grönwold (I8óó-1950) - Schwiegermutter von C' Friedrich Burmester, Großmutter von Ingeborg Carsten 357f'
Tillett, Benjamin (Ben) (1860-1943)-Dockarbeiter, britischer Gewerkschaft.r, Éühr", der Dockarbeiter, Mitglied der ILP, 1920 und 1924 Teilnehmer an deri britischen.Delegationen nach Sowjetrußland, 1929
-Ig3l
l9I7-
1924
wd
lJnterhausabgeordneter 125
Timpe, Ferdinand ( I88 5 - ¡ ) - Rechtsanwait, 1923 ÍJ mntg nach Berlin, arbeiret als Dozent für iuristische Staatsprüfungen undverfaßt Skizzen, Novellen und Grotesken ,1927 Yorstand der Roten :|Ijlfe,1927 -1930 verschiedene .{rtikel zur russischen }ustiz u.a. in der wøhbi.ihne, ab L929 Yotsitzender der Internationalen Juristischen vereinigung und Leiter der Rechtsabtei Iung der Roten Hilfe , 1932 Úbersetzungen aus dem Französischen, schreibt verschiedene Romane, heiratet I933 die schriftstellerin lda Graetz (I898-
l),ilgSg zlrsammen mit seiner Frau ausgebürgert l66f ' Tirpitz, Alfred von (Is49-1930) - Großadmiral (seit IglI) und Politiker,
Srabschef der Marine, Anhänger des uneingeschränkten U-BootKrieges, 1908_ 1918 Mitglied des preußischen l{errenhause s, |924-1928 MdRfür die DNVP 8ó,93 Tistedon, sophie - Adresse der Gruppe deutscher seeleute (ITF) in Antwerpen 327 Tomski, Michail Pawlowitsch (eigentl. Jefremow) (Ì880-1936) - seit 1904 parteimitglied ,I9L7 -lg2gYorsitzender des wZSP.S, seit 1919 im ZK,setr
iA ßSZ
l./rai 1932 Leiter des Staatsverlages,
Trotha, Adolfvon (1868-1940)
Hochseeflotte
19
-
Freitod
209 f ',
229, 241' 268
1916-I9I8 Chefdes
stabes der deutschen
PERSON EN REGISTER
472
473
PERSONEN REG ISTER
l9I7 USPD' 19-20
aus der KPdSU
I90ó SPD' Weber, Ilermann (1888-1937) - Schlosser' Gewerkschaftsfpb, f gZg Gewerkschaftskomission der I(PD' Sekretär für in Parteisekretär 1930 fragen der Bezirksleitung Wasserkante 'in-H^amburg' 328 verhaftet 1937 UdSSR' die in ffi.U*rr, 1932 Übersiãdiung (1840-1922) - zwisclilen 1883 Wedell-Wedellsborg, Bendt Leh-nsgraf von 25f' und 1920 Erbfolger der dänischen Grafschaft Weddelsborg
L36,24L
Werner s. Switalla, Anton Senøtor Schröder 86' Widmer, IIugo (1890- f ) - Heizer auf dem Fischdampfer
Trotzki, Lew (Leo) Dawydowitsch (L879-1940) - 1905 und l9I7 Mitglied des Petrograder Sowjets, L9L8-L925 Kriegskommissar, 1927 Ausschluß (B),1929 Ausweisung aus der UdSSR, in Mexiko ermordet ZO9, 240 -242, 246, 249, 268, 287, 301 L22, Lt2, Tschitscherin, Georgi Wassiljewitsch (L572-L936) - Parteimitglied seit I905, von I9l7-1930 Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten LZI, Tuchatschewski, Michail Nikolajewitsch (L893-1937) - während des Ersten Weltkriegs Offizier, trat l9l8 der KPR(B) bei, im Bürgerkrieg Kommandeur verschiedener Armeen, der Kaukasus- und seit dem 29. April 1920 der Westfront, hohe Kommandostellen in der Roten Armee, 1935 Marschall der Sowjetunion, bis zum Il. Mai 1937 stellvertretender Volkskommissar fär Verteidigu ng, am 22. Mai als Militärverschwörer verhaftet und am IL '
Juni zum Tode verurteilt L22 Turati, Filippo (1857 -1932) -Rechtsanwalt, Mitglied der Sozialistischeri Partei ltaliens, Redakteur des Auønti,sollte aufdem II. Kongreß der KI neben anderen,,notorischen Opportunisten" ausgeschlossen werden, 1922 Fnhrer der l]nitaristisch-Sozialistischen Partei 125 Turgenjew, Iwan Sergejewitsch (I8I8-1883) - russischer Dichter 278 Turner, Ben (18ó3-1942) - britischer Gewerkschaftsführer L25
v
Viktor Borisowitsch (1896-L937)
- I9Ió-1919
- 1925
EKKI
'?!f
.
WilhelmII.(1859_I94I)_rs88-lglsletzterDeutscherKaiserundKönig von Preußen 17, 19, 46, 70, 72, 257
Sohn eines llafenarbeiters' l9I2 Sekretär Mitglied der British Socialist der National Transport Workers Federation'
Williams, Robert (188f -I93ó)
-
-
Party I25,128
Gewerkschaftsführer und lVilson, ]osepf Havelock (1858-1929) - britischer Firemen's lJnion 349 and Politiker, 1887 Gründàr der National Sailors' Schröder '&Q'92' Senøtor Witt, Erwin - 2. Maschinist auf dem Fischdampfer
I68
während des Ersten
1919 KPD, auf dem
Menschewik, 1920
49 -1953 Bundestagsabgeordneter der rechtsgerichteten Deutschen Par330 Wasten, Alexander Petrowitsch (1887- f )- Parteimitglied seit I90Z I9I8 KP Finnland, l9z\/2ll-eiter der Verbindungsstelle Murmansk der OMS des EKKI, zuständig für den Verkehr mit Skandinavien, später KI-Agent in Leningrad (bis 1928) l3l, I33,224,226 L9
der KIH' 1918 schlossen, t9t8 Mitbegrü"ât' ond trutt' Sekretär des Mitgtied Lg2o-1926 Iamentsabgeordneter ín, dit KP,
3
'
Parteitag
der Kommunisten' aosgeschlossen, Mitbegründer áes Bundes
RKP(B), Vorsitzender des A.llunions-Metallarbeiterverbandes, Sekretär des IPK der Metallarbeiter und in der Englischen Kommission der RGI 222 Walter, Albert (I885 - 1980) - Seemann, l9l9 USPD, I92l KPD, 1920-L925 Vorsitzender des syndikalistischen Deutschen Seemannsbundes (später Deutscher Schiffahrtsbund), seit 1922 Tdtigkert im IPK der Transportarbeiter, Organisator der Internationalen Hafenbüros, 1924-L933 MdB' 1928 Generalsekretär der ISH. 1933/34 Inhaftierung in Fuhlsbüttel,
tei
' '
der SPD' Wolffheim, Fritz (1888-I94 2) -irg}g Mitglied mehrfach inhaftiert' Linksradikalen' H"mburger der Fùhrer Weltkrieges KAPD' im August 1920 ausgeschlossen'
Valtin, ]an s. Krebs, Richard Voß, Karl - Bekannter Knüfkens in Hamburg 359 IU Waksow,
92f.,96,168
sozialdemokrat, 1909 ausgewijnkoop, bavid (lg7ó_ lg4l) - niederländischer Par-
im KZ Ra-
vensbrück ermordet It9 (1898-f9ó7) Wollweber, Ernst (,,Bernd") (auch als "ErnstWollenweber") Mitbegründer Kiel' in â"' Obt"tt" Soldatenrates
Matrose, I9I8 Mitglied Mitteldeutschen Aufstand' der KPD in Kassel, lg2\/21Teilnehmer am des Preußischen Abgeordneter lg32 lg28 1924- Lg26 GeÍÌingnishaft, des EinheitsverReichsleiter und Reichstages des Landtages, l%2/;3 Binnenschiffer' 1933 Sekretär bandes der Seeleute, Hafenarbeitei und Seemannsklubs der ISH in Kopenhage n, 1934 Leiter des Internationalen
Schiffsabotage aU rSãO Spezialabteilung des NKWD zur 1946 RückSchweden' in Haft itg4o-1g44 gegen faschistische Staatå,
in Leningrad,
kehrnachDeutschland,ab].:gSsstaatssekretärbzw.MinisterfürStaatsst-
cherheit 321,329f',343 Wolter. Franz
-
H' Kupita", arbeitete ftir die Hamburger Reederei I
87f..92,164, ró8f-
Jensen
474
PERSON EN REG ISTER
Woroschilow, Kliment/efremowitsch (ì.881-1969)-seit J,903 Parteimitglied, 1917 zusammen mit Dsershinski Organisator der Tscheka, im Bürgerkrieg Armeebefehlshaber, 1925 -1940 Volkskommissar für Verteidigung, 19 4I - 19 45 Oberbefehlshaber der Nordwestfront. 19 46 - 19 53 Ministerpräsident, 1966 entmachtet 242,244 Wrangel, Pjotr Nikolajewitsch (1878-1928) - baltischer Baron, zaristischer Ge neral, Kommandeur der weißgardistischen Freiwilligenarmee, ab April 1920 Oberkommandierender aller weißgardistischen Streitkräfte im Süden 308 Y
Ytterberg, Einar (1888 - 1970)
-
schwedischer Diplomat,
in Leningrad, ab 1930 in den
1924-
L93O
diplomatischen Vertretungen
Konsul
in Madrid,
Moskau, Berlin, \Ã/ien und Marseille 229-233 Yursik - Mitarbeiter des OMS der RGI 265
z Zerkin, Clara losephine, geb. Eißner (1857-f933)
- 1878 SPD, seit 1907 Sekretärin des Internationalen Frauensekretâriats, I9l7 USPD, Mitglied der Spartakusgruppe, März l9I9 KPD, bis 1924 in deren Zentrale, von 1927 -L929 im ZK, seit L924 Leiterin des Internarionalen Frauensekrerariats beim EKKI, 1932 Alterspräsidentin des Reichstages 74,lll,137
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