K L E I N E
B I B L I O T H E K
DES
W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN N A T U R - U N D
K U L T U R K U N D L I C H E
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K L E I N E
B I B L I O T H E K
DES
W I S S E N S
LUX-LESEBOGEN N A T U R - U N D
K U L T U R K U N D L I C H E
FRED
H E F T E
SCHMIDT
AUF DER SUCHE NACH UNBEKANNTEN LÄNDERN
VERLAG M U R N A U -
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SEBASTIAN
MÜNCHEN
•
LUX
INNSBRUCK
•
BASEL
Dort, wo der Pfeffer wächst . . . Um die Mitte des 16. Jahrhunderts, als in England die tatkräftige Elisabeth I. den Thron besteigt, ist die Erde zwischen Spanien und Portugal aufgeteilt. Die beiden Südländer beherrschen alle bekannten Seestraßen der Welt. Die Meere verschließen sich jeder anderen Nation, die Reichtümer der neu entdeckten Länder sind eisern versperrt mit den Riegeln der Handelsvorrechte der spanischen und portugiesischen Krone. In dieser Zeit, da in allen Winkeln der Erde die Tore der unbekannten Welt aufgestoßen werden, beginnt England nach seekundigen Männern von Wagemut Ausschau zu halten, um die Ernten der großen Seefahrt auch in die britischen Häfen zu lenken. Doch wenn die Kaufherren von London und Bristol in den Tavernen den einheimischen Seeleuten gegenübersitzen, wird ihnen bewußt, wie rückständig England in allen nautischen Künsten geblieben ist und wie wenig Unternehmungsgeist seine Kapitäne erfüllt. Die dort im Süden — ja die haben noch Schiffsführer vom alten Schlage, da gibt es noch Kerle! Die fürchten nicht Tod noch Teufel, die fahren dahin, wo der Pfeffer wächst, bringen die Schiffe gepfropft voll zurück mit allen guten Dingen, mit Zimt und Nelken, Seide, Elfenbein und Ebenholz. Und Gold, ihr Herren, Gold .. . Soll ich euch einmal vorrechnen, was so eine Reise einbringt? He! Wirt! Ein Stück Kreide — und eine neue Runde gleich dazu! Und zwischen die schweren Zinnbecher malt eine hurtige Kaufmannshand lange Zahlenkolonnen auf die Eichenplatte. Schweigend schauen wetterhraune Seemannsgesichter zu: Seht ihr — das bringt den Spaniern und Portugiesen eine einzige Reise ein, und manche von ihren Kapitänen machen sogar zwei Reisen im Jahr! Man braucht nämlich gar nicht so weit zu fahren, braucht nicht erst das Kap der Stürme zu umrunden und nach India zu segeln. No Sir — schon im Westen des afrikanischen Landes bietet sich unermeßlicher Gewinn dem, der dort Handel treibt. Die Zahnküste liegt da und weiterhin die Goldküste, ein gesegnetes Land, dessen Strombetten von den gelben Goldkörnern blinken. Natürlich — Kerls gehören dazu, Männer, die sich nicht vor dem Guineaficher fürchten und den Staubstürmen des Dunklen Meeres, Männer wie jene Kapitäne in
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Lissabon und Sevilla! Die wohnen in Häusern, reicher als die der Ratsherren von Bristol oder London. Sie tragen edelsteinblitzende Degen und ihre Frauen kostbare Geschmeide über Roben von Seide und Brokat. Die streuen nur so um sich mit den Golddublonen, sie fahren in prächtigen Karossen und haben zwei Mohren auf dem Bock, die Kapitäne von Cadiz und Setubal. Aber hierzulande — Gott sei's geklagt — scheint es keine kühnen Seebären mehr zu geben! Da schlägt eine sehnige braune Hand hart auf den Tisch, und ein Paar blitzende Blauaugen blicken den Sprecher scharf an: „Genug! Schafft Ihr das notige Geld und ein Schiff — ich fahre/' Und er hält Wort, der junge Thomas Windham. Als erster englischer Kapitän segelt er südwärts zur Guineaküste und bietet dem Verbot der mächtigen spanischen Krone Trotz. Die Reise gelingt, mit einer reichen Ladung kehrt er heim. Das Eis ist gebrochen — oder vielmehr: In den hohen Wall, der die Schatzhäuser der Weltschiffahrt umgibt, hat England die erste Bresche geschlagen. Und auf den Werften des Insel-Königreichs beginnt man, schnellere, wendigere und stärker bestückte Schiffe zu bauen. Auf Thomas Windham folgen andere. Schon im nächsten Jahre führt der Kapitän John Lock eine ähnliche Reise durch und landet eine Ladung Palmöl und Elfenbein im heimischen Hafen. Wieder einige Jahre später ist der Name John Hawkins in aller Munde. Im Hafen von Plymouth rüstet man ein Geschwader von drei Schiffen aus für eine Expedition zur Goldküste, und John Hawkins hat die Führung. Im Oktober 1562 läuft er aus, voran die „Solomon", ein Schiff von 120 Tonnen Tragfähigkeit, ihr folgen die „Swallow" mit 100 Tonnen, und als drittes Schiff die kleine „Jonas" mit nur 40 Tonnen. Schon einige Tagereisen weiter dem Süden zu kreuzen spanische Fregatten, lauern Raubschiffe der algerischen und marokkanischen Piraten. Die Decks wimmeln von wilden, gewandten Kämpfern. John Hawkins segelt mit wehenden Flaggen an ihnen vorbei zur Küste der Sierra Leone und handelt dort „Lebendware" ein, Sklaven, und alles das, was eines Kaufmanns Herz begehrt. Dann geht er an den zweiten Teil des Unternehmens, den gefahrvollsten, und setzt die Segel zur Reise über den Atlantik nach Westindien, wo man auf schwarze Sklavenarbeiter wartet. Der Verdienst ist ungeheuer und übertrifft alle Erwartungen. Frohgemut füllen sie ihre Wasserfässer frisch auf und nehmen Kurs zur Heimreise. Fast ein ganzes Jahr ist seit seiner Ausreise verstrichen, da läuft Kapitän Hawkins unter dem Jubelgeschrei der Leute und dem Ge-
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baller der Böller mit seinen drei Schiffen wohlbehalten wieder in j Plymouth ein. Die Geldkatzen seiner Janmaaten strotzen von Goldstücken, die Gesichter der Aktionäre strahlen, als er ihnen seine Abrechnung vorlegt, der tüchtige Kapitän Hawkins — „Unser lieber Freund John!" Der ganze Hafen — die ganze Küste spricht von nichts anderem als von der Hawkins-Reise. Kaufmannschaft und Adel wetteifern darin, den heimgekehrten Seemann zu ehren. Er wird zum Bericht bei Hofe beschieden, und Königin Elisabeth hört voller Interesse zu, was der draufgängerische junge Seefahrer von jenen wilden, fernen Küsten erzählt. Sein Ruhm ist begründet, sein Glück gemacht. Selbstverständlich geht er ohne Zögern an die Vorbereitungen zur nächsten Expedition. Geldmittel werden ihm im Überfluß angeboten. Dazu stellt man ihm das größte, teuerste Schiff zur Verfügung, die „Queen Mary" jener Epoche, ein bereits bewehrtes Riesenschiff. Es ist ein technisches Wunder, eine Höchstleistung des Schiffbaus dieser Zeit, ein Viermaster von 700 Tonnen Tragfähigkeit. Noch vor wenigen Jahren hat man nicht geglaubt, daß man einen solchen Koloß von einem Schiff bauen könne. Man schätzt seinen Wert auf viertausend Pfund Sterling, eine geradezu phantastische Summe für ein Schiff. Und diesen Giganten aus Eichenholz soll Hawkins kommandieren. Ein schöner Erfolg für einen Kapitän von zweiunddreißig Jahren! Er hat bewiesen, daß er auch dieser Aufgabe gewachsen ist. Die Matrosen laufen ihm zu. Wieder besteht sein Geschwader aus drei Schiffen, doch die „Solomon" ist nun das kleinste davon, das dritte Schiff ist die „Tiger". So läuft John Hawkins zu seiner zweiten Expedition am 18. Oktober 1564 aus. Ganz Plymouth ist auf den Beinen. Auch diese Reise verläuft w~ie gewünscht. Hawkins ist nun einmal der richtige Mann dafür. Seine schriftlichen Anweisungen an die Kapitäne seiner anderen beiden Schiffe zeigen in allen Punkten den erfahrenen Schiffsführer. Sie enden mit der Order: „Geht mit Eurem Proviant sorgsam um, hütet Euch vor Feuer und haltet Euch gut beisammen." Über den Verlauf dieser Unternehmung hat ein Mann namens John Sparke, ein Teilnehmer der Reise, einen eingehenden Bericht hinterlassen. Auch dieser Bericht läßt erkennen, daß England in der Schiffsführung etwas gelernt und mit welchem Geschick Hawkins sein Kommando geführt hat. Er schließt mit den Worten: „. .. und mit günstigem Winde erreichten wir am 20. September 1565 Padstow in Cornwall, in Sicherheit und mit einem Verlust
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von zwanzig Mann, während der ganzen Reise. Dank dafür, daß wir einen großen Schatz an Gold, Silber, Perlen und anderen Juwelen heimbrachten." Die Heimat zeigt sich dem Seemann Hawkins dankbar. Er wird in den Adelsstand erhoben und kämpft in dem gefahrvollen Jahre 1688 gegen die gewaltige spanische Reichsflotte, die Armada, als Vizeadmiral.
Weltfahrt der „Golden Hind" Jedem tüchtigen Seemann in Merry Old England beginnt in jenem Jahrhundert das Glück zu lachen. Da wurde einem armen Schlucker in Südengland von seiner Frau im Jahre 1541 ein Sohn geboren. Als strammer Junge war er auf dieser Welt erschienen, und er wuchs auch zu einem stämmigen und gesunden Burschen heran. Das Deck der Schiffe im Hafen von Plymouth war sein erster Spielplatz, und als er erst krabbeln konnte, wurden es die Wanten und Rahen. Wie konnte es da anders kommen, als daß er Seemann wurde. Noch kaum flügge, heuerte er als Schiffsjunge auf einem der ersten Segler an, die unter englischer Flagge die afrikanische Westküste besuchten. Natürlich wurde dort eine Ladung Sklaven erhandelt, selbstverständlich segelten sie damit westwärts über den Atlantik, um die Neger an der Küste Westindiens an Land zu schmuggeln. Doch diesmal gaben die Spanier besser acht — oder der englische Kapitän war an den Unrechten geraten. Kurzum, das Schiff wurde beschlagnahmt, die Besatzung eingelocht — mit ihr Franz, der Schiffsjunge. So lernte er von Anbeginn auch die Kehrseite der einträglichen Guineafahrt kennen. Er überstand die Qual des westindischen Kerkers, wurde auf dem Umweg über Spanien ausgetauscht oder ausgelöst und kam heim nach England, um mit der Selbstverständlichkeit der geborenen Königin Elisabeth. I. von England
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Wasserratte sofort wieder eine neue Heuer zu suchen. Das Blut seiner Väter war mächtiger als alle schlimmen Erfahrungen. Reise reiht sich an Reise, die Jahre vergehen. Der kleine Franz ist längst ein sehniger Kerl von Janmaat geworden. Und da er einen guten Kopf hat und die rechte Begabung für die tausendfältigen Aufgaben des Schiffsbetriebes, dazu über ein hohes Maß von persönlichem Mut und über jene Fähigkeit zu blitzgleichen Entschlüssen verfügt, ohne die es an Bord nun mal nicht gebt, kann er sich rasch zum Steuermann emporarbeiten und erhält im Jahre 1567 das Kommando über ein Schiff. So ist er mit siebenundzwanzig Jahren dahin gelangt, wohin ein jeder Seemann strebt, ist Schiffsführer geworden. Unter Kapitän Hawkins Oberkommando geht er an Bord der „Judith" nach Westindien und besteht dort in einem Gefecht mit spanischen Streitkräften auf der Reede von Vera Cruz seine Feuerprobe. So gut hat er seine Sache gemacht, daß er danach beauftragt wird, eigene Unternehmen nach Westindien durchzuführen, bei denen er wieder sehr günstig abschneidet. Inzwischen bat die politische Lage sich zusehends verschärft, der drohende Koloß der spanischen Weltmacht zieht Kräfte zusammen, um dem aufstrebenden England den Weg aufs freie Meer endgültig zu verlegen. Immer mehr verdichten sich die Gerüchte um Kriegsvorbereitungen in Spanien, Rüstungen größten Umfanges. Man sagt, dort entstünde eine Flotte, wie sie die Erde noch nicht gesehen habe. Aus allen Teilen des Weltreiches träfen Transporte mit Gold und Baumaterial ein. Alle Seeleute berichten dasselbe, es muß schon etwas Wahres daran sein: Über England zieht sich ein gefährliches Gewitter zusammen. Will man sich wehren, muß man den Spaniern zuvorkommen und etwas unternehmen, ehe es zu spät ist. Da reicht unser Kapitän von der „Judith" der Königin einen Plan zu einer Expedition nach den spanischen Besitzungen an der jenseitigen Küste von Amerika vor. Dort fließen die reichsten Quellen spanischer Macht. Von dort, aus den Schächten der unerschöpflichen Bergwerke der Inkas, kommen die Schätze für den Bau und die Bewaffnung der spanischen Flotte, der Sold für die Truppen und Seeleute. Dort ist der Gegner am leichtesten verwundbar, weil er es nicht glauben will, daß man ihn dort aufsucht. Also muß man ihn da draußen packen. Mit Interesse hört Königin Elisabeth von diesem Plan, ihr praktischer Verstand erfaßt sofort die Richtigkeit der Idee. Sie befragt die Herren der Admiralität, und da sie mit ihr übereinstimmen, wird die Durchführung der Expedition beschlossen. Aber niemand
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ahnt, daß sie außer zu einem militärischen Erfolg noch zu einer der Großtaten in der Geschichte der Seeschiffahrt führen soll. An einem frischen Novembertag des Jahres 1577 sticht ein Geschwader von fünf Schiffen von Plymouth in See, das Oberkommando hat der Kapitän Francis Drake. Er ist siebenunddreißig Jahre alt, davon hat er mehr als zwanzig auf dem blauen Wasser verbracht. Und in mehr als zwei Jahrzehnten hat er die Schliche Spaniens kennengelernt, das alle Küsten und alle Häfen sperrt, das alle Reichtümer der Welt in die eigenen Taschen pfropfen will und am liebsten das unendliche Weltmeer allen niehtspanischen Schiffen verbieten möchte. Das freiheitliebende Seemannsblut in Drake wallt auf bei diesem Gedanken, als er vom Achterdeck seines Flaggschiffes „Golden Hind" das Grün des Ärmelkanals sich allmählich ins satte Blau des offenen Atlantik wandeln sieht. Und er zeigt, daß er hart zuzuschlagen versteht. Am 20. August 1578 segelt sein Geschwader — neben der „Golden Hind" sind es die „Elisabeth" und die „Maryland" — in die Mündung derMagellanstraße ein. Am 6. September läßt es die großartige Welt der Fjorde und Gletscher Feuerlands hinter sich und läuft hinaus in den Stillen Ozean. Frei vor dem Steven liegt der Weg ins Land der Inkas, nach Peru, von wo die Spanier ihre Schätze holen, ungehindert kann man dann nach Panama steuern, dem goldenen Panama, wo die Dublonen für die spanischen Seerüstungen verschifft werden. Also auf gen Norden — dort kann man den Gegner treffen, dort wartet die Beute! Doch Seemannsglück ist wandelbar. Frühling will es werden, die Tag- und Nachtgleiche steht bevor, und schon am nächsten Tag fällt ein schwerer Nordweststurm fauchend über die drei Segler her, die nach Norden streben. Zwar versuchen sie, mit allen Mitteln geschickten Manövrierens beeinander zu bleiben. Aber in den Schleiern der nächtlichen Böen sind die Signallampen der anderen Schiffe nicht mehr zu erkennen. Einsam treiben die rollenden Segler vor dem Wetter dahin und werden nach Süden zurückgeworfen. Eine Mondfinsternis scheint obendrein Schlimmes zu prophezeien. Unaufhaltsam, ohnmächtig treiben sie gen Süden. Dort soll irgendwo bedrohlich das Gestade des gewaltigen, sagenhaften Südlandes liegen, das nach der Vorstellung der Zeit den Festländern der Alten und Neuen Welt das Gleichgewicht hält. Noch niemand hat dessen Küste erblickt. Hält der Sturm weiter an, so muß man unausweichlich gegen die Südklippen rammen. So kämpfen sie zwei harte Wochen lang gegen das Unwetter, dann erreichen die „Golden Hind" und die „Elisabeth" einen halbwegs geschützten Ankerplatz im Inselgewirr südlich der Magellanstraße. Aber wie sie auch nach dem dritten Ge-
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fährten ausschauen: die „Maryland" bleibt verschwunden, und kein Mensch hat sie mehr zu Gesicht bekommen. Noch harren sie auf die Vermißten, da bricht ein neuer Sturm über sie her. Eine Orkanbö reißt Drakes Schiff von seinen Ankern, abermals wird es von der Wut des Wetters nach Süden gewirbelt. Dem Kapitän Winter von der „Elisabeth" jedoch gelingt es, mit seinem Schiff den Schutz der Magellanstraße zu gewinnen. Hier wartet er nun auf Drakes Wiederauftauchen. Doch Woche um Woche verstreicht, und die „Golden Hind" kehrt nicht wieder. Des nutzlosen Wartens müde, hievt die „Elisabeth" schließlich die Anker zur Rückreise nach Europa. Zwar hat man mit dem Geschwaderchef einen Treffpunkt weiter nördlich an der chilenischen Küste verabredet. Doch, hätte man sein Schiff nicht sichten müssen, wenn es vom Süden zurückkehrte und an der Straße vorbeisegelte? Nein, die „Golden Hind" hatte die unbekannte See verschlungen und den Drake mit ihr. Wahrscheinlich wurden ihre Planken in der Brandung zwischen den Klippen des Südlandes zerrieben gleich denen der „Maryland". Wozu da noch warten und die gute Jahreszeit zur Rückkehr versäumen? Sie segeln heim. So gelangt im Frühjahr 1579 eine Trauerbotschaft nach England: Zwei von den drei Schiffen der Expedition gegen die Schatzküsten der Spanier sind verlorengegangen — und mit ihnen ihr kühner Führer, der Kapitän Francis Drake. Den hatte inzwischen ein orkanartiger Sturm tief nach Süden verschlagen, viel weiter, als je ein Mensch vor ihm gelangt war. Stündlich hatte er das Auftauchen der gefürchteten Südlandküste erwartet und damit das Ende. Doch zu seinem grenzenlosen Erstaunen beobachtete er dann, wie das inselumsäumte Feuerland sich zusehends auflockerte, wie die Straßen und Kanäle zwischen den einzelnen Eilanden immer breiter wurden, bis sich schließlich die letzten kleinen Brocken südamerikanischer Erde ganz und gar in einem freien Seeraum verloren. Wo war es nun, das Südland? Alles war anders, als die gelehrten Männer der Zeit es schilderten. Wieder einmal hatte sich die Wissenschaft arg getäuscht, es gab gar kein Südland; die Straße des Magellan, schwer zu durchsegeln und leichter zu sperren, sie war also doch nicht die einzige Durchfahrt vom Atlantik zum Pazifik im Süden, wie es die Geographen seit einem Menschenalter lehrten. Drake hatte die Wahrheit enthüllt. Im Süden, dem Pol zu, mochte irgendwo noch Land liegen, doch es konnte den Weg nach Westen nicht blockieren; in einem Tor von unüberschaubarer Weite wogten die Wasser der beiden Weltmeere, des Südatlantik und des südlichen
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Eingeborenenhütte in der Südsee
Stillen Ozeans, ineinander, man konnte den amerikanischen Kontinent auf offener See an seinen südlichsten Ausläufern umsegeln, genau wie man Afrika am Kap der Guten Hoffnung zu umrunden vermag. Welche Entdeckung! Der eigentliche Seglerweg vom Atlantik in den Pazifik war gefunden. Später wird man diese Südspitze Amerikas Kap Hörn nennen. Die Stürme verrauschen. Mit zahmeren Brisen arbeitet.sieh Drake voller Erwartungen nach Norden dem verabredeten Treffpunkt zu. Docli so weit er die Küste absucht, von seinen Begleitschiffen findet er keine Spur. Sicherlich gingen sie in den letzten Orkanen verloren. Es ist November geworden über all dem schlechten Wetter und dem Suchen, nun wird es Zeit, daß man den Spaniern endlich zu Leibe rückt! Entschlossen nimmt Drake seinen Kurs nach Norden. Und damit beginnt für die spanischen Niederlassungen an der Küste des „Friedlichen Meeres", des Stillen Ozeans, eine böse Zeit. Wie Perlen liegen sie aufgereiht an jener unendlichen Küste des größten aller Meere, die Städte der spanischen Kolonisten. Hier residieren sie in fürstlichen Herrensitzen, die Gouverneure, die Kaufherren, die Minenbesitzer, fast alle Träger uralter Namen, feste Säulen des spanischen Thrones. Hier ernten sie, was ihre Väter, die Conquistadores, mit Blut und Tränen gesät haben. Hier planen sie Mehrung ihrer Macht und ihrer Schätze und herrschen in Glanz und Unumschränktheit über die Reste des Inkavolkes, die Herren waren, ehe die Weißen kamen. Hier feiern sie ihre Feste im milden Dämmer der lauen Nächte, hier verträumen sie die heißen Tage. Aber dann werden sie furchtbar geweckt. . . Von Süden dringen Gerüchte, englische Seeräuber hätten Valdivia angegriffen und danach Santiago überfallen. Engländer! Die mit ihren lahmen Enten von Schiffen! Die können wohl mal bis nach Guinea hinfinden und nach Westindien — mit Ach und Krach, versteht sich — aber hierher zu uns an diese Küste, um ganz Amerika herum — no es posibile, cabarello! Das will gelernt sein, die lange Fahrt — por Dios! Engländer können das nicht. . . Der Drake hat sie eines besseren belehrt. Er fegte die ganze Küste entlang wie ein Sturmwind, und da waren wenige Städte, die er nicht gründlich gerupft. Dann segelte er gen Norden, um eine nördliche Durchfahrt zwischen den Ozeanen zu finden, die sagenhafte Nordwestpassage. Inzwischen war es Herbst des Jahres 1579 geworden, als er bis etwa zur Yancouver-Insel, bis zur Südgrenze des heutigen Kanadas, vorgedrungen war. Da zwangen ihn schwere Stürme und strenge Kälte, seine Absicht aufzugeben. Aber er war nicht der Mann, der nun ganz unverrichteter Sache auf dem Wege 10
heimgesegelt wäre, auf dem er gekommen war. Er faßte den Plan wie Magellan den Stillen Ozean zu durchqueren, und um das Kap der Guten Hoffnung heimzukehren, ein Vorhaben von unerhörter Kühnheit für die damalige Zeit. Denn Drake wußte, daß dieser Ozean von einer ungeheuren Weite war, ohne Grenzen fast und dazu von einer schauerlichen Öde, so daß die Leute des Magellan fast dem Durst erlegen waren und sämtliche Lederbeschläge ihrer Schiffe und Segel verspeist hatten, ehe sie die rettenden „Gewürzinseln" erreichten. Wo jedoch diese Eilande lagen, darüber war nie etwas Genaueres zu erfahren gewesen. Nur wenige von der großen Schar die mit Magellan ausgezogen waren, hatten Europa wiedergesehen, und die hatten wohlweislich das kostbare Geheimnis gehütet. Am 29. September 1579 legte Drake die „Golden Hind" auf Westkurs zur Reise über den Pazifischen Ozean. Willig folgten ihm seine Leute. Es ist nicht möglich, die Strapazen einer langen Reise auf Schiffen des 16. Jahrhunderts auf wenigen Seiten auch nur annähernd zu schildern. Ich kann nur auf einige Dinge hinweisen, die solch eine Fahrt zum Martyrium machen mußten für jeden, der aus weicherem Stoff gemacht war als Eichenholz. Da war einmal die Enge der Schiffsräume. Man kann sie in keiner Weise vergleichen mit Wohnräumen auf Schiffen unserer Tage, nicht im entferntesten. Wie niedrig sie waren! Dort, wo die Leute wohnten, im Batteriedeck, da stieß sich schon ein mittelgroßer Mann den Kopf an den dicken Deckenbalken wund, wenn er nicht achtgab. Glauben Sie aber bitte nicht, die Offiziere hätten es viel besser gehabt. Nur ganz wenigen stand ein eigener Wohnraum zu. Doch was sage ich! „Wohnraum" ist eine phantasievolle Übertreibung: Schlafkasten wäre richtiger. Zweimal zwei Meter etwa maßen sie, diese Einzelkammern, wie wir sie heute nennen würden. Nur den einen Komfort konnten sie bieten: den einer Stunde des Alleinseins im Gewimmel des nach unseren Begriffen überfüllten Schiffes. Das war aber auch alles. Dafür stand mitunter eine Kanone neben der Koje. Solange das Wetter ruhig blieb, strich frische Luft durch die geöffneten Schießpforten in die Wohnräume. War die See bewegt, mußten alle Außenbordöffnungen verschlossen werden. Dazu kam, daß bei diesen alten hölzernen Schiffen stets Wasser im Kielraum stand, wenn sie einige Wochen unterwegs waren. Das roch nicht zvim besten, dieses Bilgewasser — beim Neptun! es roch wirklich nicht gut. Man hätte es auch nicht verleumdet, wenn man behauptete, daß es stank. In der Hitze der Tropen stank es sogar ganz entsetzlich! Da war es ein Glück, daß dieser Hauch aus der Tiefe etwas übertönt wurde von den Dünsten 11
von Öl und Tran, Leder und Segeltuch, den Düften von vielerlei Gerichten, warmen Menschenleibern, durchschwitzten Kleidern und Schlafdecken, ranzigem Waffenfett und mancherlei anderem. Eine wahre Wohltat aber bedeutete es, daß dieses bunte Gemisch der Gerüche, diese ganze kompakte Dunstwolke eingehüllt wurde von einem noch mächtigeren Geruch, der das Schiff durchwehte bis in den letzten Winkel, es durchtränkt hatte bis ins Gebälk hinein: der strenge Geruch des Holzteeres. Nur wer schon einmal einen Skorbutkranken gesehen hat, kann sich wenigstens einen ungefähren Begriff machen, was es hieß, wenn dieses Übel einen armen Kerl auf einer jener überlangen Seereisen packte. Meist litten schließlich alle Mann daran. Es gab ja keinen anderen Dauerproviant als Hartbrot, Salzgemüse, Salzfleisch, Hülsenfrüchte und Salzspeck. Die Speisekarte klingt nicht übel — ich weiß. Aber das Salzfleisch, das es damals nach einem Jahr Reise an Bord zu essen gab, es würde heutzutage von keiner Behörde der Welt zum menschlichen Genuß zugelassen werden. Daß die Hülsenfrüchte Maden bekamen — nun ja, was sind schon ein paar Maden in der Suppe . . . die meisten schwimmen oben, man kann sie also leicht herausfischen, und die anderen merkt man nicht, wenn man sich mit den Männern an der Back, am Speisetisch, unterhält und nicht immerfort in den Teller starrt. Im Hartbrot — tja, da sieht's ja manchmal heiter aus. Stücke gibt es, da wimmelt es nur so von lebendem Inventar. Aber da zieht man sein Scheidemesser von der Hüfte, setzt es mit der Linken auf das Brotstück und mit der Rechten gibt man einen Faustschlag darauf — so: Krrr-ack! sagt es da, und auch das härteste Stück ist entzwei — sonst ist das Messer eben nicht scharf. Nun nimmt man die Stücke und klopft sie auf der Tischkante tüchtig aus. Sie sollen mal sehen, wie munter die kleinen Mädchen da herauspurzeln. Kommt nichts mehr? Schön. Dann setzt man das Messer wieder an und halbiert jede Hälfte auf die beschriebene Weise, danach wieder klopfen und wieder halbieren und so fort — je nach den Ansprüchen. Wer erst einmal auf eine so reiche Erfahrung in der Behandlung von Schiffshartbrot zurückblickt, wie der Kapitän Drake es tat, als er in den Pazifik hineinhielt, dem sind die wenigen Maden, die dieser Methode entgehen, wirklich nicht mehr der Rede wert. Schlimm dagegen war es mit dem Wasser. Nach einer bestimmten Reisezeit begann es zu faulen. Der Kleinzoo, der sich bisher darin getummelt hatte, störte nicht; man soll jedem Lebewesen sein kurzes Leben gönnen auf dieser schönen Welt. Aber wenn das Wasser erst einmal so weit war, daß es faulig wurde, dann — ja dann begann 12
Das Kap der Guten Hoffnung (nach Scheuchzer, 1733) der Ernst der Reise! Auf den Schiffen des Magellan hüteten sie das letzte Wasser wie einen Schatz: Es schillerte auch schon wie ein solcher. Eine Art Gelee war es geworden, glibherig und von seltsamer Art — fast ließ es sich mit dem Messer in Scheiben schneiden wie Käse. Wie es roch — wer fragt danach, wenn der Durst in ihm wühlt, wirklicher Durst! Und schmecken tut es — oh, ihr Götter! Aber es war doch Wasser! Wasser! Arg konnte einem Seemann auch das Ungeziefer zusetzen. Nicht bloß, daß sie die Proviantvorräte anfraßen, die Ratten — nein, sie 13
wurden mit der Zeit so frech, sie knabberten die blanken Zehen an, wenn die Matrosen einmal zu fest eingeschlafen waren und sich in der Bullenhitze im Schiff aus der Decke gewühlt hatten. Ein Trost blieb natürlich immer: die Aussicht auf Rache; denn wenn einmal der Tag angebrochen war, daß es auf dem ganzen Schiff keinen Bissen Brot mehr gab und wenn seihst jene Prinzessin aus dem Märchen keine einzige Erbse mehr an Bord gefunden hätte, wenn es so weit war, daß jeder Lappen Leder — tausendmal geklopft und mit dem schleimigen Rest der Brühe aus den Salzfleischfässern geweicht — zum heißbegehrten Leckerbissen wurde, mit reinem Golde aufgewogen, um das Dreifache des eigenen Gewichtes, wenn erst vor dem letzten Wasserfaß ein Offizier und zwei Mann mit geladenen Pistolen standen — dann begann die Jagd der von Hunger Gepeinigten auf die Ratten . . . Sie meinen, das sei wohl doch zu kraß aufgetragen! Freund, ich wünsche, es wäre so — um meiner vielen, alten, längst vermoderten Kameraden willen, wünsche ich es. Aber noch vor zweihundert Jahren geschah es, daß auf Reisen zum La Plata eine Ratte mit Golddukaten aufgewogen wurde. Und was die Männer jener ersten Weltumseglungen ertragen haben an Entbehrungen und Schmerzen, an Qualen des Leibes und der Seele, an Hunger, Durst, Enttäuschungen und Siechtum, an Not und Todesängsten, das, liebe Freunde, läßt sich nicht auf diesen wenigen Seiten erzählen. Es ist die Kehrseite der begeisternd schönen Bilder von jener Seefahrt, von der die Alten sagten, sie sei nötiger als das Lehen selbst. Könnte es vielleicht sein, daß sie all diese Entbehrungen nicht all solche verspürten, diese rauhen Männer von damals? Viele wären armer Leute Sohn gewesen, sagt man, in Dürftigkeit aufgewachsen und in Sorge ums Brot, das ja auch zu Hause nie von erster Qualität gewesen wäre? Stimmt. Doch ebenso viele hatten die Wohl tat eines behaglichen Heims kennengelernt oder den Luxus des Über flusses, ehe sie die Schiffsplanken betraten. Und auch des ärmsten Schluckers Sohn weiß einen Becher hellen frischen Wassers gut zu unterscheiden von der muffigen Brühe, die es schon nach zwei Wochen Reise an Bord gab. Und Zungen, um einen zarten Kalbsbraten mit mehr Genuß zu verspeisen als ein Stück zähen Salz fleisches, die hatten alle wie Sie und ich. Und anstatt in einer enge harten Kiste eingezwängt und zum Fragezeichen verbogen zu schla fen, sich in einem richtigen Bett — nicht zu hart und nicht z weich — unter einer guten Daunendecke zu strecken, das, Freund schätzten sie bestimmt wie Sie und ich. Was hatten sie also auf de Kerbholz, daß ihnen das Schicksal so hart mitspielte? Denn wen 14
auch einiges böse Gelichter unter ihnen war — die meisten von ihnen waren grundanständiges Volk. Aber es mußte doch etwas in jenem Trank Seefahrt sein, etwas Besonderes; denn jenen, die einmal richtig davon gekostet, denen strömte es warm durch die Adern und machte, daß ihnen auch der Beigeschmack benagte, und sei er noch so bitter gewesen. Wäre es anders, nie hätte es Männer gegeben wie Kolumbus und Magellan und Drake. Der segelt also mit der „Golden Hill" in die blaue Unendlichkeit des Pazifik hinein. Klug nützt er den Nordostpassat, hält unbeirrt immer nach Westen, fünf Wochen lang. Da sichtet man Land voraus, die sagenhaften „Gewürzinseln 14 Indonesiens sind erreicht, das von den Portugiesen so ängstlich gehütete Geheimnis ist entschleiert. Am 4. November ankert Drake auf der Reede von Ternate, einem kleinen Eiland vor der Küste der Molukken-Insel Halmahera, die andere Zungen Dschilolo nennen. Das größte aller Meere, das den halben Erdkreis bedeckt, liegt hinter ihm. Nun läßt er sich mehr Zeit; auch Schiff und Besatzung haben eine Erholung nötig. Aufmerksam studiert Drake Meer und Inseln, beginnt im Tauschhandel auf das erbeutete Edelmetall noch eine Menge der begehrten Gewürze zu laden. Gemächlich setzt er dann seine Reise von Insel zu Insel fort, forschend, erkundend, erwerbend. Es ist ein gefährliches Fahrwasser inmitten der tausend unbekannten Riffe und Korallenbänke. Am 8. Januar 1580 entgeht er mit genauer Not dem Untergang auf den Klippen von Celebes. Dann tritt er an Java vorbei die Weiterreise an, rundet das damals gefürchtete Kap der Guten Hoffnung und kann jetzt wieder nach Norden halten, der Heimat entgegen. Rauh weht der Herbst über die grauen Wasser des Ärmelkanals, da steuert ein arg mitgenommener Dreimaster den Hafen von Plymouth an. Nur einige der gewiegtesten Schiffsbauer und Seeleute am Bollwerk erkennen den Heimkehrer. Allzu scharf haben die Stürme ihm die Schwingen gezaust, haben Salzflut und Tropenglut die Farben der Heckzier und der Gallionsfigur zerrieben. Man will es zuerst nicht glauben, daß der Francis Drake wieder da sein soll. Den haben doch längst die Haie gefressen oder die Spanier haben ihn gehenkt, oder die Kannibalen gesotten —- nein, der kommt nicht mehr. Laß mal nachrechnen, wie lange ist er eigentlich schon fort? So um den Christtag war es, als er damals in See ging, fast drei Jahre sind es nun her, und hatte Kapitän Winter von der „Elisabeth" nicht vor einem Jahr schon seinen Untergang gemeldet? Nein, glaubt nur, den Drake sieht keiner mehr wieder . . . 15
Aber eine halbe Stunde darauf dröhnten die Salutschüsse über die Stadt hin und Drakes Anker bissen sich wieder in englischen Grund. Ein Jubel ohnegleichen erscholl in allen Häfen. Der Gewinn der Reise ließ sich noch gar nicht überschauen, und welche Aussichten taten sich für die Zukunft auf! Drake mußte zur Themse segeln, höchste Anerkennung war ihm zugedacht. Am 4. April 1581 betrat seine Königin selbst sein Schiff, von ihr empfing der arme unbekannte Handelsschiffer den Ritterschlag. Es ist viel gelästert wTorden über diesen Ritterschlag, und manch vornehme Nase rümpft sich wohl noch heute darüber: eine Adelskrone wäre dem Seeräuber verliehen worden, sagt man wohl. Aber die Königin war eine viel zu weitsichtige Frau, als daß sie die Bedeutung der Drake-Reise unterschätzt hätte. Was sie mit jenem Ritterschlag lohnte, waren keineswegs allein die blanken Dublonen, die schimmernden Perlen, der Duft der Gewürzballen, die Drake heimhrachte, nein — es war die Tat des Mannes, die Kunst des Steuermanns, die Kühnheit des Seefahrers, der gezeigt hatte, da^ er nicht weniger weiß und nicht Geringeres wagt, als der Kühnste unter den Seeleuten Spaniens und Portugals. Hier auf dem Deck des sturmerprobten Schiffes ehrte sie den ersten Weltumsegier der Nordvölker. Er hat seinem zur See strebenden Heimatlande noch manch wichtige Dienste geleistet, der Kapitän Francis Drake. Im September 1585 ging er als Admiral einer Flotte von dreiundzwanzig Schiffen in See. Wieder war Westindien sein Ziel. Und im übernächsten Jahr drang er in kühnem Handstreich in den Hafen von Cadiz ein und zerstörte einen Teil der spanischen Flotte, die sich dort für den Angriff auf England zu sammeln begann. Und als es dann wieder ein Jahr später so weit war, daß eine neuerbaute Spanierflotte in die Gewässer des Ärmelkanals einlief, da warf sich der Vizeadmiral Drake als einer der ersten mit seinem Geschwader dem Feind entgegen und half die Gefahr abwenden, die England tödlich bedrohte. Bei einer Unternehmung gegen Panama ergriff ihn das Fieber. Am 8. Januar 1596 ist Sir Francis Drake der Krankheit erlegen. So wie er gelebt, ist er gestorben: im Dienst an Bord. England verdankt viel seinen Seeleuten. Aber wenige sind darunter, die soviel für Englands Seegeltung taten wie der Kapitän Drake.
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Raleigh findet das Goldland nicht Wer von Francis Drake hört, der denkt auch an den Tabak, den er in großen Ballen nach Europa brachte — und wer an den Rauchtabak denkt, dem fällt auch gewiß ein zweiter britischer Seemann ein, der Kapitän Walter Raleigh. Einige Jahre jünger als sein Zeitgenosse Drake, kam er von der anderen Seite des Lebens her; denn während der kleine Francis barfuß am Hafen von Plymouth seine ersten Schillinge damit verdiente, daß er den Fischern und Marktleuten half, die schweren Fischkörbe zu schleppen, studierte der junge Sir Walter die Rechtswissenschaften an der Universität Oxford und besuchte fleißig die Theater in London, an denen man gerade anfing, auf die Dramen und Komödien eines gewissen William Shakespeare aufmerksam zu werden. In jungen Jahren schon nahm er an Feldzügen in Frankreich und Holland teil. Danach zog er mit seinem älteren Bruder zu einer Entdeckungsreise an die Küste Nordamerikas. Es folgten einige Jahre als Statthalter der englischen Krone in York auf Irland. Doch scheint es, er hatte Geschmack am Seeleben gefunden^ denn er rüstete schließlich mit eigenem Gelde eine Expedition aus und ging 1584 in See. Auf dieser Reise faßte er festen Fuß auf dem nordamerikanischen Kontinent und gründete dort die erste englische Niederlassung. Seiner Königin zu Ehren gab er ihr den Namen, den die Raucher in aller Welt schätzen lernten: Virginia. Doch hören wir, wie es Sir Raleigh weiter erging: Zu derselben Zeit, als Drake seine letzte Unternehmung durchführt, finden wir Raleigh auf einer Expedition, die uns recht abenteuerlich anmuten will. Er dringt mit fünf Schiffen in die Mündung des Orinoko ein, um das Land des sagetihaften El Dorado zu finden, des mit Goldstaub bedeckten Kazikenkönigs. Ein phantastischer Plan scheint es zu sein. Damals jedoch war er ebenso ernstzunehmen wie etwa die Suche nach dem „Südland". Hinter den Horizonten der bekannten Welt wartete das Unerforschte. Dort konnte auch die Sage Wirklichkeit werden, und nur wer zu wagen verstand, konnte etwas gewinnen. Wer mochte sagen, ob nicht schon hinter dem nächsten Kap das Ungeglaubte zur Wirklichkeit werde? Raleigh jedoch war dieses Glück nicht beschieden, die Reise zum Goldland verlief ergebnislos. Zu Hause empfingen ihn üble Intrigen. Man verdächtigte ihn der Teilnahme an einer Verschwörung. Alle Beteuerungen seiner Freunde blieben erfolglos. Raleigh wurde zum 19
Tode verdammt. Der König ließ jedoch das Urteil nicht vollstrecken, und Raleigh vertrauerte dreizehn Jahre hinter den Wällen des Kerkers. Er, der so gern die Weite der See um sich sah und den Blick erhob zu den Sternen des unendlichen Himmels, er wurde lebendig begraben in der furchtbaren Enge des Towers; er, der das Rauschen der Wogen geliebt und den Sang der Brise im Takelwerk seines Schiffes, war eingesargt ins grausame Schweigen des lebendigen Todes — dreizehn endlose Jahre. Mußte der Mann nicht verzweifeln, als die Tage sich zur hoffnungslosen Kette der Monate reihten? Mußte sein freiheitsgewohnter Geist sich nicht verdüstern und endlich erlöschen unter dem Staub der Trostlosigkeit des Daseins? Doch jetzt im Unglück zeigte sich der unzerstörbare Kern in jenem Manne, den manche immer für verweichlicht gehalten hatten. Er beginnt eine groß angelegte historische Arbeit in mehreren Banden zu schreiben. Doch wie Jahr an Jahr sich reiht, vergessen ihn allmählich seine Freunde und geben ihn auf. Da geht plötzlich ein Gerücht durch die Schenken und Lagerhäuser des Hafens, Walter Raleigh suche Seeleute für eine große Reise über den Erdball. Viel Geld gäbe es zu verdienen, er zöge hinaus, um einen Schatz zu bergen, von dem nur er wisse. Viele lachen ungläubig. Der Raleigh — der fährt nicht mehr zur See. Der ist längst vermodert. Nein — der Raleigh, der betritt kein Schiffsdeck mehr. Dann aber wird es doch bestätigt: Raleigh ist aus der Haft entlassen, und er wird zunächst zum Orinoko segeln. Dort kenne er die Lage eines jener unermeßlich reichen Bergwerke, aus denen die Indios ihre Schätze gegraben hätten. Ein flüchtiger Wilder habe sie Raleigh aus Dankbarkeit verraten, heißt es. Und Raleigh wolle noch andere Schatzländer auf der jenseitigen Hälfte des Globus aufsuchen. Gewaltige Schätze werde er heimbringen, dafür werde dann > das alte furchtbare Urteil fallen gelassen werden. Hundert Gerüchte durchschwirren die Schenken und Barbierstuben. Und dann werden tatsächlich Leute für Raleigh angeworben. Noch einmal scheint ihm das alte Glück zu lächeln. Mit vierzehn Schiffen geht er im Jahre 1617 in See, wahrhaftig ein stolzes Geschwader für eine Schatzsuche. Man muß wohl sehr weitgespannte Hoffnungen auf die Ausbeute der Reise setzen, daß man eine so bedeutende Expedition ausrüstet. Natürlich — wenn der Raleigh etwas unternimmt, dann muß es schon eine große Sache sein! Doch dann kehren die Schiffe unverrichteter Dinge wieder. Nichts von einer Weltreise, wie sie Drake gewagt hatte. Nein — nicht im geringsten. Im Gegenteil. Die Reise hat unliebsame diplomatische 20
Verwicklungen mit der spanischen Krone im Gefolge. In London sei man empört darüber, munkelt man. Keiner wird klug aus all den Gerüchten, die einander widersprechen, niemand weiß genau, was sich unterwegs zugetragen hat. Selbst die Teilnehmer der Fahrt können keine klare Auskunft geben. Nur eins hört man immer wieder, der Raleigh ist recht krank von der Reise heimgekehrt. Und bei Hofe spinnen sich schnell die Fäden von tausend Heimtücken um 2t
den Mann, den einer nach dem anderen seiner Freunde im Stiche läßt, dieselben, die ihn umschmeichelten und seine Feste mitfeierten, als noch die helle Sonne der königlichen Gnade auf dem kühnen und freigebigen Seefahrer ruhte. Dann durchläuft ein schreckliches Flüstern die Stadt: Raleigh soll sterben; das alte Todesurteil, vor sechzehn Jahren gefällt, soll nun vollstreckt werden. Der Fehlschlag seiner letzten Reise hat sein Schicksal besiegelt. Von all seinen Freunden verlassen, tritt er am 29. Oktober 1618 seinen letzten Gang an. Wenn das harte Geschick ihm auch alles raubte: Eines vermochte es dem Unglücklichen nicht zu nehmen, seinen mannhaften Stolz. Gefaßt, ohne Zagen, so wie er stets das Achterdeck seines Schiffes betrat, aufrecht und ungebeugt hat Raleigh auch das Schafott bestiegen. Wie so oft auf dieser Welt hat ein Leben für die Größe der Heimat in einer Tragödie des Undanks geendet.
Suche nach dem Südland Etwa zur selben Zeit, in dem der große englische Seefahrer seine Ausreise ins dunkle Land des Todes antrat, begannen auch die Niederländer sich gegen die Ansprüche der Spanier und Portugiesen aufzulehnen und beanspruchten ihren Anteil an der großen Welt. In jenen Tagen segelte einer der Ihrigen, der sich mit unauslöschlichen Lettern ins Buch der Entdeckungsgeschichte unserer Erde eintragen sollte, bereits als tüchtiger Schiffsmann über die einsamen blauen Pfade der indischen Meere. 1602 in Groningen geboren, war Abel Janszoon Tasman schon als halbes Kind zur See gegangen. Es war jene Zeit, wo auch die Niederländer das Gewürzmonopol der Portugiesen niederrangen. Schiff um Schiff segelte unter der Flagge der Niederländer gen Süden, lief zuerst die Kolonie am Kap der Guten Hoffnung an, um hier gegen den Skorbut frisches Gemüse an Bord zu nehmen, und setzte dann Kurs ab auf die indonesischen Inseln. Batavia blühte zur Handelsmetropole des Ostens empor. Hier wohnten die Vertreter der großen Amsterdamer Firmen in Häusern, die denen an den Grachten der Heimat genau nachgebildet waren. In dem Klima Javas aber waren es Backöfen. Kästen der Unbehaglichkeit. besonders während der Regenzeit. Aber die Goldgulden in den schweren Truhen häuften sich und klingelten einen tröstlidien Sang in die Ohren des Kaufmanns: Halt aus, wenn es auch heiß 22
ist und unbehaglich und manchmal schier unerträglich — halt aus! Schon lohnt sich das Dasein, und der Goldfüchse werden immer mehr. Wo Geld ist, öffnen sich leicht neue Schatzkammern. Weit südwärts von Indonesien soll ja jenes unbekannte Südland liegen, und unterwegs manches Inselreich, von wo die einheimischen Seefahrer das köstliche Schildpatt herbringen, schimmerndes Perlmutter und die schönsten Perlen, neben denen jene von Ceylon verblassen. Halt aus — noch ein, noch zwei Jahre, und du bist so reich, daß du eigene Schiffe hinausschicken kannst zu jenen Gestaden unermeßlichen Reichtums! Und dann laß die Schiffe von einem Kapitän führen, der vertraut ist mit allen Geheimnissen der Schiffsführung und noch jung und kühn genug, um dem Reiz der unbekannten Ferne zu folgen — verpflichte ihn dir, den Fokke oder den Van der Straaten, den Van der Decken oder den Van der Bilt, den Van der Gracht oder den Quast, und vielleicht auch den jungen Abel Tasman, der zwar noch als Obersteuermann fährt, aber doch schon gezeigt hat, daß er das Zeug dazu hat, um ein Schiff sicher durch schwierigstes Fahrwasser zu bringen. Halt aus — wir werden dir helfen . . . Und er blieb, der niederländische Kaufmann, trotz Hitze und Regen, trotz Ungeziefer und Fieber, trotz der eigenen Sehnsucht nach einem kühlen Heim im neblichten Holland. Er häufte die Gulden und träumte von dem Tage, an dem er mit Truhen voller Gold und Juwelen heimkehren würde, und er schmiedete Pläne, wie er sie aus dem rätselhaften Südland herbeischaffen könne, das durch alle Gespräche der Seefahrer jener Zeit geisterte und die Kaufleute nicht schlafen ließ. In der Person des Kapitäns Tasman entdeckten sie endlich den richtigen Mann: Mit sechsunddreißig Jahren wurde er Kapitän und führte sein Schiff zu den verschwiegenen Buchten der Gewürzinseln und an kaum kenntlichen Riffen vorbei. Es fiel auf, daß er stets ohne Havarie von der Reise zurückkehrte. Hatte er eine besonders glückliche Hand darin oder übertraf er alle anderen an Geschicklichkeit und Umsicht der Schiffsführung — mochte es sein wie es wolle, den Mann mußte man sich für besondere Aufgaben sichern. So kam es, daß er im Jahre 1639 zusammen mit Kapitän Quast den Auftrag erhielt, in völlig unerforschte Heere vorzustoßen. Tasman gehörte zu den Europäern, die als erste die Küste Japans erblickten. Es war nicht geheuer dort. Landenden Seeleuten traten sofort schwerbewaffnete Haufen mutiger und gut geführter Krieger entgegen. Ein Schiffbruch an jener Küste bedeutete sicheren Tod. Wen die Brandung verschonte, dessen Leben endete meist un23
ter den Messern der Einwohner dieser jedem Fremden verschlossenen Landstriche. Dazu kam, daß dieses ganze Meer von furchtbaren Stürmen heimgesucht wurde, Orkanwirbeln, die modernen starken Dampfern gefährlich werden, geschweige denn einem Segler des siebzehnten Jahrhunderts. Nach einer ersten ausgedehnten Kreuzfahrt, auf der er die Gruppe der Bonin-Inseln entdeckte, kehrte Tasman nach Batavia zurück. Nun übertrug man ihm die Leitung einer Expedition, die den Schleier vom Rätsel Südland lüften sollte. Mit zwei Schiffen brach er 1642 von Batavia auf und segelte in den anbrechenden Frühling hinein. Doch so weit er auch nach Süden hielt, von Land keine Spur. Dagegen traf er hier im südlichsten Stillen Ozean auf einen Feind, der ihn zur höchsten Vorsicht zwang: treibendes Eis. Fast immer wehen in jenen Breiten steife westliche Winde. Da sie sich einem Segler, der gen Osten treibt, höchst dienlich erweisen, haben ihnen die Seeleute den Ehrennamen „Die braven Westwinde" verliehen. Doch tragen sie noch eine andere Bezeichnung, die weniger friedlich klingt und daran gemahnt, daß es in der Gegend oft mit Ungestüm zugeht: „The roaring forties" — die Brüllenden Vierzig. Hier war es, wo Kapitän Tasman seinen Kurs auf Ost umlegte. Es war keine behagliche Reise, wenn man auch meistens mit dem Wind segeln konnte. Doch das einmal gesichtete Eis mahnte zur Vorsicht. Auch mußte man jederzeit mit dem Auftauchen der Südlandküste rechnen, irgendwo mußte ja sein Anfang liegen, ganz aus der Luft gegriffen konnten die Berichte von jenem geheimnisvollen Festland doch nicht sein. Schärfster Ausguck wurde gehalten. Abends ließ Tasman beide Schiffe beidrehen und wartete unter kleinen Segeln das neue Tageslicht ab. Soviel man sich aber die Augen ausschaute — nichts kam in Sicht, was an Land gemahnt hätte. Es war ein einsames Wandern über graue und schwarzblaue Gründe. Oft aber heulte es wild durch die Takelung, unter dichtgereffter Fock rollten die Segler dann über die schäumenden Wogenbrücken, tief tauchten die breitbrüstigen Vorderkastelle in die Flut. Wenn das der Sommer unter diesen Breiten war, wie mochte da der Winter ausschauen! Wochen währte die eintönige Reise. Hin und wieder hatte man Seevögel beobachtet. Ein- oder zweimal schwebten einige auf schmalen Schwingen um die Toppen, äugten aus bernsteingelben Augen zum Deck hinunter, um dann wieder ins Endlose fortzufliegen und im Graublau der Ferne zu verschmelzen. Boten des Landes, jawohl.
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Doch wo war es, das Land, das sie kündeten? Einförmig dehnte sich die See, einförmig vergingen die Tage. Das Südland blieb verborgen. Da, endlich am 24. November, eine hohe Küste voraus! Doch es begann wieder einmal aufzubrisen und so konnte Tasman nicht daran denken, eine Landung zu wagen. Aber er sah, daß es übergrüntes, fruchtbares Land war und nannte es einem hohen Beamten der Niederlande zu Ehren Van Diemens-Land. Tief atmete er auf bei dem Anblick: ,So war es ihm also doch vergönnt gewesen, das sagenhafte Südland zu schauen, das offenbar in sehr hohe Breiten reichte. Wir wissen es heute besser, es war eine Insel, die dem Süden Australiens vorgelagert ist. Wir haben auch einen besseren Namen für sie gefunden, einen, der mehr Gerechtigkeit birgt und dem die Ehre gibt, der sie verdient: Wir nennen sie Tasmanien. Weiter ging die Reise. Am 13. Dezember wurde abermals Land ausgesungen, und Tasman gab ihm der fernen Heimat zu Ehren den Namen Staatenland. Es war die Nordinsel von Neuseeland, die nun zum ersten Male von Europäern gesichtet wurde. Ein reich begrüntes, weites Land war hier gefunden, über dichte Küstenwälder hin grüßten ragende Berggipfel. Alles deutete auf üppige Fruchtbarkeit hin und auf ein herrliches Klima. Welch ein Land war hier entdeckt! Wahrhaftig, die Reise war nicht vergeblich unternommen. Doch noch reichere Erfolge waren Tasman beschieden. Er hielt von hier wieder nordwärts und fand im Laufe der Weiterreise neben zahlreichen kleineren Eilanden die Tonga-Inseln, die Fidschis und den wilden Bismarck-Archipel. Nach einer schwierigen Fahrt durch die tausend Riffe und Klippen zwischen Australien und Neu-Guinea segelte er am 15. Juni 1643 wieder in die Bucht von Batavia ein. Eine der erfolgreichsten Entdeckungsreisen war glücklich beendet. Schon das nächste Jahr sieht den Unermüdlichen wieder unterwegs. Diesmal segelt er von Westen her in die Torresstraße ein und wendet sich nun nach Süden, um jene gewaltige Meeresbucht zu erkunden, die sich in der Nordteil von Australien drängt, den Golf von Carpentaria. Dann rundet er Kap York und erforscht die australische Küste bis fast dorthin, wo heutzutage der Hafen Brisbane liegt. Als erster Europäer bringt er einen Bericht vom Barriere-Riff mit heim, dem größten seiner Art, das sich über tausend Kilometer erstreckt. Die Beobachtungen und Messungen, die Tasman auf seinen Reisen um Australien und in der Südsee sammelt, die Seekarten, die er von den neu erforschten Teilen der Oberfläche unserer Erde entwarf, sie blieben für geraume Zeit die einzigen Wegweiser des Handels in jenen Breiten und erwiesen sich als die zuverlässigsten Grundlagen, 25
auf denen spätere Entdecker und Geographen ihre Arbeiten aufbauen konnten. Nach einer Reihe weiterer Reisen ins unbekannte Gebiet der Philippinen ist Kapitän Tasman im Jahre 1659 in Batavia gestorben.
Kapitän Cook Ein Jahrhundert nach Tasmans Vorstoß in den Stillen Ozean hatten die Briten längst erreicht, was sie erstrebten: Sie waren an Stelle Spaniens zur führenden Seemacht aufgestiegen; die Niederlande folgten in Englands Kielwasser. Um diese Zeit versuchte ein anderer Seemann den Pazifik zu durchforschen. Im Gegensatz zu Tasman, der von Westen in den Stillen Ozean eingedrungen war, hoffte er im Norden Amerikas einen Ost-Westweg dahin zu finden. Wenn es im Süden, wie Francis Drake festgestellt hatte, einen solchen Zugang um Kap Hörn gab, so mußte es den Zugang auch um das noch unbekannte Nordkap Amerikas geben. Man schrieb das Jähr 1740. Im Herzen Europas, in Preußen, hatte Friedrich Wilhelm I. die Augen geschlossen und seinem Sohn Friedrich den Thron eingeräumt. England war in einen erbitterten Krieg gegen Frankreich verstrickt. Da stand ein Junge von zwölf Jahren am Hafen von Newcastle am Tyne und suchte eine Heuer auf einem Schiff. Was sollte er anders machen, der kleine Jimmy Cook? In der väterlichen Kate im dörflich stillen Marton wurde der Platz eng und die Kost schmal für alle Geschwister. Jeder mußte anfassen und helfen nach seiner Kraft. Aber Jimmy Cook hatte nicht viel Lust an beschaulicher Feldarbeit. Der junge Cook träumte von der See. Schon manchen lenkte das Glück, das den Schiffen zuzog. Gar mancher ist wohl auch schon verkommen, o ja. Doch ehrlicher Menschen Sohn läßt der Herr nicht verderben. Und Leute waren knapp draußen in den James Cook
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Häfen. Der Krieg brauchte die meisten. Da konnte ein flinker Bursche leicht eine Heuer finden und vielleicht auch Erfolg. So ging Jimmy Cook mit knapp dreizehn Jahren als Schiffsjunge in See und arbeitet sich schnell hinauf. Da er sich in den Lernjahren als umsiditig erwiesen hatte und verläßlich dazu, wurde er reeht jung als Bestmann angeheuert. Was er an nautischem Wissen besaß, war ihm im Bordleben zugeflogen. Wo sich ihm jedoch eine Gelegenheit bot, seine Kenntnisse vom Wesen und der Konstruktion der Seekarten zu vertiefen, da rastete er nicht, bis er alles intus hatte, was der jeweilige Lehrer ihm bieten konnte. Bald merkte er, daß es nicht allzuviel war, was die Gilde der Kohlenschiffer von Newcastle an Berufsgeheimnissen zu hüten hatte. Darum langte er in den Beutel seiner Ersparnisse und nahm Unterrichtsstunden in den nautischen Künsten bei einem Manne, der als Kapitän großer Schiffe die Navigation beherrschte. Der Lohn blieb nicht aus. Mit zwanzig Jahren erhielt er sein Steuermannspatent und machte endlich seine ersten größeren Reisen nach Norwegen und dem fernen St. Petersburg. Jetzt konnte er schon zeigen — hin und wieder wenigstens —, was er von der Nautik verstand. Auch war er nicht mehr einfach „der Jim" an Bord, sondern Jim Cook, der Steuermann — und an den Sonntagen sogar ein Mister . . . So rasch auch die Jahre auf See vergingen, der junge Steuermann ließ sie nicht ungenützt verstreichen. Bald galt er unter seinesgleichen als gelehrtes Haus, dessen Rat in Fragen der Schiffsführung etwas galt und der von Karten und vom Kartenzeichnen mehr verstand als die meisten Nordseesehiffer zusammengenommen. Es sollte nicht mehr lange dauern, bis die Fähigkeiten des jungen Seemannes an richtiger Stelle erkannt wurden. Mit siebenundzwanzig Jahren sehen wir ihn auf dem Schiff, das die kartographische Aufnahme des St. Lorenz-Golfes durchführt. Damit hat er in sein eigentliches Element gefunden, hat das Gebiet betreten, auf dem ihm unvergängliche Erfolge beschieden waren. Nun ist er nur noch für seine guten Freunde der Jim, für alle anderen aber Mister Cook — auch an Wochentagen. Vier Jahre später nimmt er an der Unternehmung teil, welche die englische Flotte gegen Quebec durchführt, und zwar als Master eines Kriegssschiffes Seiner Britischen Majestät. Nur der militärische Kommandant des Schiffes steht an Bord im Range über ihm. Danach folgen abermals Jahre fleißiger Arbeit, in denen er wertvolle Spezialkarten der zerissenen Küsten von Neufundland herstellt. Er war der erste, der auf die reichen Bodenschätze jener Insel hinwies; 27
doch niemand achtete darauf. Was konnte ein Seemann auch schon vom Bergbau ahnen? Es muß ein gutes Stück Arbeit gewesen sein, das er vollbrachte, denn man vertraut ihm im Jahre 1768 die Durchführung einer wichtigen wissenschaftlichen Aufgabe an. Er erhält die Ernennung zum Leutnant der Königlichen Flotte und gleichzeitig das Kommando über ein Schiff, das zur Beobachtung des bevorstehenden Durchganges der Venus eine Expedition in die Südsee machen soll. Jetzt soll er endlich den erträumten Palmenstrand schauen, nach achtundzwanzig Jahren Seedienst. Was man von Leutnant Cook erwartete, hat er erfüllt und noch manches mehr erreicht auf jener Reise. Er umsegelte die beiden Inseln von Neuseeland, brachte davon die ersten englischen Karten heim, nahm fast die gesamte Küste von Ostaustralien auf, entdeckte mit sicherem Blick in der Botany Bay den idealen Hafen für die künftige Besiedlung des Landes, erweiterte die Kenntnisse von den wenigen gefährlichen Fahrrinnen der Torresstraße und war selbstverständlich auch in Tahiti, wo ja die Venuspassage am 3. Juni 1769 beobachtet werden sollte. Fast drei Jahre währte die Fahrt. Wieviel des Neuen, Niegeahnten brachte sie den Teilnehmern. Wie jung war noch die Welt hier in der Südsee, deren Tore sie erschlossen, wie frisch ihre Menschen. Liest man den Bericht jener Reisen, dann ist man entzückt über soviel Ursprünglichkeit. Bei seiner Heimkehr im Jahre 1771 erwartet Cook eine ehrenvolle Anerkennung. Er wird zum Commandeur ernannt und kurz darauf mit der Führung einer Expedition in die südlichen Meere betraut, welche die Verteilung von Land und Wasser in jenen fernen Breiten erforschen und feststellen soll, was es mit dem geheimnisvollen Südland für eine Bewandtnis hat. Zwei starke Schiffe stehen unter seinem Kommando, die „Adventure" und die „Resolution". Er führt mit ihnen zum ersten Male eine vollständige Umsegelung des Erdballs von Westen nach Osten durch und erreicht dabei Breiten, in die noch nie ein Schiff vorgedrungen ist. Bis über den 70. Breitenparallel wagt er sich vor und kommt nach dreijähriger Abwesenheit glücklich wieder heim. Den erfolgreichen Forscher belohnt die Beförderung zum Captain, eine Anstellung am Hospital zu Greenwich soll dem unermüdlichen Wanderer behagliches Ausruhen bescheren. Doch wie lange mag es ein zünftiger Seemann in der Sofaecke wohl aushalten? Da geht ein Aufhorchen durch die Welt der Seekundigen und Kaufherren: Das Parlament hat einen Preis ausgesetzt für die Auf-
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findung jener nördlichen Durchfahrt aus dem Stillen in den Atlantischen Ozean. Einen sehr anständigen Preis, der einem zwei Jahre zwischen Eisbergen und Schneewüsten wohl vergelten kann: zwanzigtausend gute Goldpfunde. Ein Vermögen, den Kaufpreis für einen Ruhesitz, auf dem sich behaglich in Erinnerungen an Packeis und Nordlichter schwelgen läßt. Also auf zur Nordwestpassage! Wohl sind die Meere seit langem freigekämpft für die britischen Schiffe, die Aufteilung der Welt in eine spanische und eine portugiesische Hälfte klingt nur noch wie eine Sage, keine Armada sperrt die Wege zu den Handelshäfen des Orients; doch der alte Wunsch nach einem nördlichen Ausweg aus dem Atlantik ist nicht weniger lebendig als zur Zeit der Königin Elisabeth; denn weit sind die Wege der südlichen Routen, stürmisch die Reise ums Kap Hörn. Eine Verkürzung um Tausende von Seemeilen würde es bedeuten, könnte man Amerika von Europa aus im Norden umsegeln. Es würde viel Weg und viel Zeit gespart, denn ganz allmählich fängt die Zeit an, zu Geld zu werden. Der Kapitän Cook darbt nicht und auch nicht die Seinen, er hat, was er braucht und einiges darüber. Er arbeitet an seinen Aufzeichnungen und neuen Karten, wenig stört ihn dabei sein bequemes Amt. Er bewohnt ein schönes Haus, fühlt sich bei seinen Karten so wohl, wie ein Seemann an Land sich nur fühlen kann. Doch wenn er aufblickt und durchs Fenster schaut, dann sieht er, wie auf dem Strom die großen Schiffe seewärts ziehen. Und dann wird die Brust ihm enge, und ein Sinnen ist in seinen Augen. So erreicht auch ihn die Nachricht von dem Preis, den die Vertretung der Nation dem Seemann verspricht, der den lange gesuchten Weg endlich öffnet. Unruhe überkommt ihn. Welch eine Aufgabe ist da gestellt! Wissen, schauen, was das Eis noch immer verbirgt; die weißen Flecken wegwischen von seinen Karten. Die Küstenlinien darauf, in vage Pünktchen sich auflösend und dann ganz zerrinnend, diese Grenzen von Land und befahrbarer See sinnvoll ergänzen; die Durchfahrt erzwingen, die ein Drake nicht gefunden hat, das ist's, was ihn reizt! Und tief in Gedanken verloren beginnt er, seine verstreut umherliegenden Karten zu ordnen, in die Reihe zu bringen, wie der Seemann sie braucht, wenn er l o s g e h t . . . Juli des Jahres 1776 ist es, da läuft er mit zwei Schiffen aus zu der großen Reise, die seine letzte sein sollte. Den Geburtstag des Kommandanten, den 27. Oktober, begeht das kleine Geschwader schon tief im Süden. Ostwärts ziehen die Schiffe, umrunden Afrika und rollen und stampfen in den hohen Seen der „Brüllenden Vierzig". Hier besucht er die gottverlassenen Felseneilande der Kerguelen, 29
umschifft Tasmanien, erforscht die Gesellschaftsinseln genauer und entdeckt schließlich eine bislang unbekannte Gruppe palmenumrauschter Eilande. Ihm zu Ehren hat man dieser Inselschar den Namen Cook-Archipel gegeben. Von hier wendet er sich gegen Ende des Jahres 1777 nordwärts. Bald ist ihm ein neuer Erfolg vergönnt. Am 18. Januar des jungen Jahres sichten die Ausguckleute eine bergige Insel. Andere Kuppen heben sich aus der blauen See. Vulkangipfel tauchen auf, eine ganze Gruppe von Inseln ist hier gefunden, und es scheint, als wenn manche davon eine bedeutende Größe besitzen. Es sind die Sandwich-Inseln, von denen Kapitän Cook die ersten Karten entwarft. Sie heimzubringen ist ihm jedoch vom Geschick verwehrt. Das nahende Frühjahr der Nordhalbkugel unserer Erde mahnt Cook an seine eigentliche Aufgabe, er läßt Segel setzen zur Fahrt nach Nordosten. Anfang März erreicht er die amerikanische Küste. An dieser segelt er nun entlang, prüft jede Flußmündung, durchforscht jede Bucht, ob sich nicht eine Durchfahrt öffnet zum Meeresbecken der Hudsonbay, auf der andern Seite, die schon die Wikinger befahren haben und die Hudson neu entdeckt hat. Jedes neu auftauchende Vorland läßt eine Erwartung aufsteigen — jedes umrundete Kap eine Hoffnung versinken. Ungebrochen zieht sich die Küste, ausholend zu weiten Buchten, weiter gen Norden. Mit zäher Ausdauer folgt ihr der Kapitän Cook. Jedes neue Vorgebirge steift ihm den Nacken, nährt die Flamme, die ihm tief drinnen brennt: Dort wird es sein, hinter jenem Rücken wird er sich öffnen, der Svind, die Nordwestpassage. Doch zeigt er weder Hoffnung noch Enttäuschung, ist immer der gleiche, wachsam, zuversichtlich, vorwärts schauend. Die Küste ist niedrig geworden, öde Tundra streckt sich, soweit der Blick reicht. Schon ist die gleiche geographische Breite erreicht, auf der weit im Osten, an der Atlantikseite des Erdteils, die Hudsonstraße sich öffnet. Doch nichts, was eine Durchfahrt verheißt. Die Mündung eines breiten Stromes wird passiert, dann eine tiefe Bucht, schon nähert man sich dem Polarkreis. Da liegt vor ihnen ein breites Tor, so weit, daß die jenseitige Küste kaum noch erkenntlich ist. Aber es ist doch ein Tor — vielleicht sogar d a s Tor . . . Aber wie eine schweigende Warnung treiben ihnen Eisschollen entgegen, erst einige, dann mehr, schon sind es kleine Felder, denen man besser ausweicht, und noch stehen sie südlich der Straße. Cook durchsegelt das Tor, das wir jetzt die Beringstraße nennen, passiert seinen östlichen Pfosten, das Kap Prinz von Wales, hat damit den Pazifik verlassen, das Eismeer erreicht. Aber nun drängt 30
es sich an die Seiten der Schiffe in schweren Schollen, schon treiben einzelne gröbere Brocken dazwischen, und an der Kimm im Norden gleißt es von ausgedehnten Eisfeldern. Hartnäckig kommen die beiden Segler an allen Hemmnissen vorbei, schlüpfen durch die Rinnen, umsegeln Berge. Doch immer dichter umgibt sie das Eis, und dann naht bald der Tag, wo es kein Durchkommen mehr gibt, in unüberwindlichen Sperren türmt sich das Eis. Schweren Herzens muß Cook einsehen, daß es hier keine Weiterfahrt gibt, er läßt das Signal setzen, das die Umkehr befiehlt. Die Tore der Nordwestpassage haben wieder einem Ansturm standgehalten. Selbst die Rückreise muß diesem rastlos forschenden Geiste dienen. Er erkundet Küsten und Inseln des Nordpazifik, entwirft Karten, die alte Irrtümer richtigstellen. Dann läuft er die SandwichInseln an, seine Fahrzeuge für die lange Heimreise zu überholen. Das Jahr 1779 hat schon begonnen, als er wieder unter Segel geht. Da zwingt ihn ein schwerer Sturm, zu den schützenden Inseln zurückzulaufen, und jetzt streift ihn das Geschick: Bei einem Streit mit Eingeborene um ein gestohlenes Boot wird Kapitän Cook am 14. Februar mit vier seiner Landsleute im Handgemenge erschlagen. Auf unsinnige Weise endet dieses Leben, das erfüllt war von Arbeit für seine Mitwelt und das ohne diese Untat sicher noch wertvolle Früchte für den Fortschritt der Welt getragen hätte.
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