Bernd Philipp Wenn das so heiter geht...
Ein Mensch in allen Lebenslagen
Sollte man am Tag vor dem Weltuntergang noch ...
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Bernd Philipp Wenn das so heiter geht...
Ein Mensch in allen Lebenslagen
Sollte man am Tag vor dem Weltuntergang noch seine Pfandflaschen zurückbringen? Wie kann man einem kleinen Kind mit Hilfe von Spaghetti erklären, was »Impotenz« ist? Warum sollte man unbedingt vor der Hochzeit über Harzer Käse sprechen? Und was hat unsere Polizei eigentlich gegen vollbusige Frauen? Was immer unser Alltag auch für Fragen aufwirft – der Berliner Journalist und Autor Bernd Philipp weiß eine Antwort. In seinem neuen Satire-Band präsentiert er wieder amüsante Kurzgeschichten, in denen der »Meister des Lächelns« (BZ am Sonntag) seine Mitmenschen und auch sich selbst gehörig auf die Schippe nimmt. Mit von der literarischen Frohsinns-Partie sind natürlich wieder seine Ehefrau Susi Super, Söhnchen Max (»Der kleine Terrorist«) und der Hausfreund Rüdiger, ein Pfennigfuchser der liebenswerten Art. »Meine Geschichten«, sagt Bernd Philipp, »fallen mir eigentlich gar nicht ein, sondern nur auf...« Und: »Was mir passiert, passiert jedem. Aber was keinem passiert, passiert garantiert mir.«
Bernd Philipp
Wenn das so Heiter geht...
Ein Mensch in allen Lebenslagen
ULLSTEIN
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Philipp, Bernd: Wenn das so heiter geht ...: ein Mensch in allen Lebenslagen / Bernd Philipp. Halapa. - Berlin : Ullstein, 1999 ISBN 3-550-08272-X
1999 Ullstein Buchverlage GmbH &Co. KG, Berlin Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Vera Bauer Illustration: Brian Bagnall Satz: ew print & medien service gmbh, Würzburg Druck und Bindung: Graphischer Großbetrieb Pößneck GmbH, Pößneck Printed in Germany 1999 ISBN 3 550 08272 X
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff
Das Leben hat nicht nur Nachteile, sondern auch Schattenseiten ...
Der Tag, an dem ich meine eigene Familie überrundete Der Einzelhandel in Deutschland ist dabei, sich auf einen neuen Käufertyp einzustellen, und zwar auf jenen, der in weniger als drei Minuten seinen Einkauf tätigt und wie ein angeschossener Eber durch Super- oder Drogeriemärkte rast. Die Verkaufsstrategen nennen diesen Typ »Rennkäufer«. Also, ich gehöre jedenfalls nicht dazu. Ich werde im Supermarkt zu einem regelrechten Schneckchen, zu einem bedächtigen Flaneur im Reich des Konsums. Man könnte mich als einen »Spazierkäufer« bezeichnen. Beim Einkaufen lasse ich mir Zeit. Zum Leidwesen meines kleinen Sozialverbundes habe ich allerdings nur beim Shopping die Ruhe weg. In den meisten anderen Lebensbereichen bin ich immer in Eile. Besonders beim Spazierengehen. Da laufe ich immer vorneweg und kriege oft Ärger mit Frau und Kind, das sich vermutlich auch nicht gerade zu einem strammen Wandersmann entwickeln wird ... »Warum«, beklagt Susi Super nicht ganz zu Unrecht, »sollen wir überhaupt zusammen spazierengehen, wenn du nach einer Minute schon fünfzig Meter voraus bist?« Max unterstützt die Vorwürfe seiner Mutter, wenn er etwa maulend feststellt: »Papa sieht man immer nur von hinten ...«, und er fordert mich auf: »Bleib doch bitte bloß mal hinter uns!« Ich sehe ja ein, daß dieses Vorpreschen für die »Hinterbliebenen« ärgerlich ist. Als wir kürzlich einen Rundgang um unseren Block machten, war ich so schnell, daß ich meine kleine Familie sogar überrundete. Ich bekam selbst einen Schreck, als ich an Frau und Kind vorbeizog. Aber was soll ich machen?
In meiner Erbmasse dominiert halt ein SchnelligkeitsGen. Ich bin nämlich eine sogenannte SGP (Schnelligkeits-Gen-Person). Wenn eine SGP mit einer LGP (Langsamkeits-Gen-Person) zusammentrifft, sind Konflikte programmiert. Schon mein Vater hatte es immer eilig. Besonders dann, wenn sich meine Oma - seine Schwiegermutter - dem Spaziergang anschloß. Kaum hatten wir zusammen die Wohnung verlassen, war Papa schon über alle Berge. Er hatte es sogar so eilig, daß er Jahre vor ihr verstarb ...
Der Supermarkt als Debattier-Klub: Ist Porree Lauch? Um ihren Haushalt in Schuß zu halten, braucht die Frau heute genausoviel Zeit wie ihre Urgroßmutter. Das haben Sozialwissenschaftler festgestellt, die die Arbeitsvorgänge vom zeitlichen Aufwand her addiert haben. Obwohl es diverse technische Hilfsmittel gibt, wird keine Zeit gespart. Da hilft kein »Multi-Zauber-Mixstab« und kein »Küchenwunder«. Der ganze technische Kram muß schließlich auch gesäubert werden, und wer schon mal versucht hat, zum Beispiel eine defekte Mikrowelle zur Reparatur zu bringen, der weiß - so etwas kann ewig dauern. Kurios: Je mehr Zeit wir sparen wollen, desto mehr verplempern wir: Auch im Supermarkt - meiner so geliebten Beobachtungsstation alltäglicher Begebenheiten - läßt sich feststellen, daß der Einkauf noch genausolange dauert wie vor wenigen Jahren, als die Kassiererin jeden Posten in die Hand nahm und den Preis in die Kasse eingeben mußte. In den meisten Supermärkten heute gibt es diese neuen Kassen: Die Kassiererin zieht die Ware in Sekundenschnelle über einen Scanner, es ertönt ein »Piep«, was soviel heißt wie »Preis okay, jetzt weiter!« und ehe der Kunde sich's versieht, weiß er, daß er 87,12 DM zu zahlen hat. Und jetzt fingert er ganz schnell sein Geld aus dem Portemonnaie und wird von einem schlechten Gewissen gepackt, weil die anderen Kunden in der Schlange schon ungehalten gucken. Man kommt eben mit dem Einpacken gar nicht so schnell nach. Und schließlich will man ja seine Ware auch mit System verstauen und nicht etwa den Wirsingkohl auf die
Eier schmeißen, nur weil Frau Hastig es eilig hat und drängelt. Schon die Neandertaler ließen sich Zeit, wenn es darum ging, die Beute in Sicherheit zu bringen - und ich denke, daß mir dasselbe Recht zusteht. Als ich kürzlich wieder von Susi Super zu einem Großeinkauf verdonnert wurde und mich mit meinem übervollen Einkaufswagen einer Kasse näherte, hörte ich, wie eine Frau zu ihrem Mann sagte: »Nicht hier, Wilfried! Da ist schon wieder dieser Lahmarsch, der den ganzen Verkehr aufhält ...« Ist es nicht irgendwie schön, daß man in einer Zeit zunehmender Anonymität noch als Individuum erkannt wird? Apropos Supermarkt. Da will ich eine Stange Porree kaufen, fahnde nach der Eingabenummer für die Waage und sehe, daß »Lauch« im Stück ausgepreist ist: 0,69 DM. Ungewöhnlich, denke ich, sonst ist ja der Kilopreis angegeben. Die Kassiererin ungehalten: »Das hätten Sie aber auswiegen müssen!« »Nein«, sage ich, »da steht Lauch, Stückpreis 69 Pfennig!« »Kann nicht sein«, sagt sie, »Porree kostet zwei vierzig das Kilo!« Ich bitte sie zum »Tatort« und zeige ihr, daß die Stange Lauch mit 69 Pfennig ausgepreist ist. »Stimmt nicht«, sagt sie, »Lauch ist Zwiebellauch. Und nicht Porree. Porree ist Porree. Und Lauch ist Lauch.« Da hilft mir eine couragierte Hausfrau: »Der Mann hat recht. Lauch und Porree - is det gleiche!« »Falsch«, sagt ein Mann, »Porree is Porree, und Lauch is Lauch.« Alles klar?
Ein Leitfaden für Frauen mit Männern in Extremsituationen Immer wieder kommt es bei Olympischen Spielen, bei Fußball-Europa- oder -Weltmeisterschaften in vielen Ehen zu Streit, weil er nicht mehr vom Fernseher wegzukriegen ist, was sie zur Raserei bringt. Wie schön, daß es für solche Situationen auch einen Ratgeber zur Konfliktvermeidung gibt! Dies, meine Damen, ist also ein Leitfaden nur für Sie! Ein Leitfaden, wohlgemerkt. Kein Leidfaden ... 1. Beachten Sie, daß sich Ihr Mann in diesen Tagen in einer psychischen Ausnahmesituation befindet. Gern würde er mit Ihnen ganz normal kommunizieren. Aber die Dinge, die sind nicht so. Bertis Buben und all die anderen Millionäre verlangen nun mal seine ganze Aufmerksamkeit. 2. Sie ehren sich und ihn, wenn Sie ihn bei so einem Großereignis nicht mit nebensächlichen Dingen behelligen. Über Ihren Totalschaden am Auto, über den drohenden Verlust Ihres Arbeitsplatzes und über Ihre Absicht, sich scheiden zu lassen, muß natürlich gesprochen werden. Aber nicht zum Beispiel während einer Fußballweltmeisterschaft! 3. Ist Ihr Mann nicht immer für Sie da? Genau! Jetzt haben Sie die Chance, sich zu revanchieren. Übernehmen Sie all die kleinen lästigen Dinge des Alltags, mit denen er sich sonst rumquält. Kurz und knapp heißt das: Auf Tankstellen, in chemischen Reinigungen oder an der Paketausgabe der Post hat Ihr Mann in der Zeit der Weltmeisterschaft nichts verloren. Dort treffen sich nur die Gescheiterten. Soll Ihr Mann etwa zu denen gehören?
4. Keineswegs soll hier dem Chauvinismus das Wort geredet werden. Aber wie wahr: Für die Grundversorgung (Bier, Kartoffelchips, Peperoni, Oliven usw) sind Sie zuständig! Er hat nun wirklich genug damit zu tun, die einzelnen Gruppenspiele zu verfolgen und die Ergebnisse in putzige Tabellen einzutragen. Da Bier bekanntlich keine Beine hat und nicht von allein aus dem Kühlschrank zum Endverbraucher ins Wohnzimmer kommt, sollten Sie Ihre Servierfähigkeit unter Beweis stellen. Und wenn Ihr Mann knapp: »GMBH!« ruft (»Geh mir Bier holen!«), sollten Sie sich nicht verweigern. Dienen macht Freude! 5. Denken Sie vor allem daran, daß er sich in diesen schweren Zeiten nicht auch noch um die Kinder kümmern kann. Vielleicht haben Sie ja einen Zweitfernseher; dann sind die lieben Kleinen wenigstens versorgt. 6. Bei aller Liebe zur Familie: Onkel, Tanten oder Schwiegereltern sind in dieser angespannten Phase unerwünscht (Erbtanten ausgenommen). 7. Zeigen Sie bei Fußballspielen Sachverstand: Wenn Ihr Mann etwa von einem »Staubsauger« spricht, meint er natürlich nicht das lärmende Haushaltsgerät. Der »Staubsauger« ist jener Spielertyp, der wieselflink die Bälle einfängt und an günstig postierte Mitspieler weiterleitet. 8. Anfallende Feierlichkeiten müssen grundsätzlich verschoben werden. Seien Sie, meine Damen, vor allem dann nachsichtig, wenn sich Ihr Hochzeitstag während eines TV-Marathons jährt. Mit einiger Gewißheit müssen Sie davon ausgehen, daß Ihr Mann diesen Tag vergißt. Behalten Sie Nerven und zeigen Sie Güte, wenn Sie ihn in den Arm nehmen, ihn fragen, was heute für ein Tag ist - und er schnöde antwortet: »Heute ist Final-Tag!« Vielleicht tröstet es Sie: Nach jedem Finale gibt es einen neuen Anstoß ...
9. Und schon sind wir beim Liebesleben. Sex ist nicht alles. In keiner Phase Ihrer Ehe werden Sie diese Erfahrung nachhaltiger machen können als im Verlauf zum Beispiel einer Fußballweltmeisterschaft. Daher rate ich Ihnen: Halten Sie durch - und bleiben Sie am Ball!
Wie kommt der Chef der Vereinten Nationen an meine Krawatte? Es hat alles damit begonnen, daß mir mein Kollege Ralf Jacob den Bestellkatalog eines etwas besseren Herrenausstatters zeigte und meinte: »Bernd, schau mal, ist das nicht eine tolle Krawatte?« »Ja«, sagte ich, »die ist prima. Die muß ich haben!« So einen originellen Binder hatte ich noch nie gesehen: Das Muster zeigte rund 200 alte und offenbar auch sehr wertvolle Bücher, die teils aneinandergereiht, teils gestapelt in einem Regal deponiert waren. Ein Blickfang, ohne Frage. Noch dazu einer, der dem Träger eine gewisse Seriosität und Halbbildung bescheinigt ... Der Kollege und ich beschlossen, uns jeder dieses Teil zu bestellen - für 99 Mark. Natürlich wollten wir unseren Kollegen Wolfram Schroeder nicht ausgrenzen und fragten auch ihn, ob er so eine Krawatte haben wollte, immerhin ist er der Bücherwurm der Redaktion. Zu Hause hat er so viele Bücher, daß er niemals in seinem Leben umziehen kann, weil sich keine Spedition finden ließe, die bereit wäre, einen solchen Bücherberg zu transportieren. »Ja«, sagte Kollege Schroeder; »die ist ganz hübsch, bestellt mir doch bitte auch eine mit.« Keine zwei Wochen vergingen, da kam die Kulturstrippe im Dreierpack an. Zunächst, zugegeben, kamen wir uns etwas albern vor. Wir sahen aus, als würden wir einer Delegation angehören, und da wir jede Form von Uniformierung am Arbeitsplatz ablehnen, beschlossen wir, uns täglich abzustimmen.
Bald merkten wir, daß kein Mensch wissen kann, welche Krawatte er am nächsten Tag umbinden wird. Die Koordinationsabsprache geriet folglich in Vergessenheit, und so blieb es nicht aus, daß wir eines Tages alle drei mit unserer Bücherkrawatte ankamen und auf der Konferenz von den Kollegen veräppelt wurden. »Müssen wir die bald alle tragen?« fragte einer höhnisch. Als ich die Krawatte mal wieder trug, traf ich im Aufzug unseren Dokumentations-Chef Rainer Laabs. Er zeigte auf meine Krawatte und meinte: »Sehr originell!« Dann schaute ich mir seinen Schlips an: Auch er! Freudig erzählte er mir, daß er noch vier andere Mitarbeiter im Haus kenne, die »seine« Krawatte hätten, »und meinem Schwiegervater habe ich so eine zu Weihnachten geschenkt«, gab er noch eins drauf. Natürlich habe ich nichts gegen den Schwiegervater von Herrn Laabs und erst recht nichts gegen ihn selbst. Einem so liebenswürdigen Kollegen würde ich sogar nachsehen, wenn er mit meinem Haarschnitt herumlaufen würde. Ich hatte den Allerweltsbinder schon fast vergessen, als ich in den Fernsehnachrichten eines Tages unseren Bundespräsidenten Roman Herzog damit sah. Vielleicht sogar mit meiner? Ich guckte sofort im Schrank nach. Bei Susi Super weiß man nie - nur zu gern gibt sie Kleidungsstücke, die ihr an mir nicht gefallen, an Dritte weiter ... Wie schön: Sie war noch da und ich beruhigt. Eines Abends erblickte ich in der Tagesschau sogar UNGeneralsekretär Kofi Annan mit der Regalkrawatte. Der Wahrer des Friedens und ich haben offenbar denselben Geschmack. Jetzt frage ich mich: Was ist mit dem Papst?
Oje — Rüdiger rückt uns gefährlich auf die Pelle Es war für Susi Super und mich die Schocknachricht des Jahres: Mein sparsamer Freund Rüdiger, seine Bruni und Tochter Jule wollen umziehen. Sie suchen eine »ganz kleine, schnuckelige Wohnung«, ein »Heim zum Wohlfühlen«. Ihre jetzige Bleibe ist schon ziemlich winzig, aber nun finden sie zwei Zimmer völlig ausreichend. Das Schlimmste daran: Sie haben eine entsprechende Wohnung in Aussicht, und zwar bei uns gleich nebenan. »Wir müssen das verhindern«, meinte Susi Super. »Die werden uns jeden Tag belagern. Wenn du abends von der Arbeit kommst, wird Rüdiger schon bei uns auf der Couch sitzen. Bruni wird sich und ihren Clan bei uns zum Abendbrot einladen - und wenn erst einmal Julchen hier ein und aus geht, müssen wir damit rechnen, daß Max das Weite sucht.« (Das Kind, so schätzen wir, wird sich ohnehin nicht gerade zum Nesthocker entwickeln. Er hat schon erste Gespräche mit seinen Freunden Bruno und Christopher geführt, ob sie nicht eine Wohngemeinschaft gründen sollten. Die Herren haben immerhin Bereitschaft, signalisiert, ihren Eltern Besuchszeiten einzuräumen.) Mit Julchen aber kann Max partout nichts anfangen. Er findet sie einfach nicht attraktiv und erklärt: »Die Mädchen in meiner Klasse sind viel besser; jedenfalls ein paar ...« Früh übt sich, was ein Chauvi werden will. »Du mußt Rüdiger unbedingt anrufen und ihm die Sache mit der Wohnung hier in unserem Kiez ausreden. Dir wird schon was einfallen«, meinte Susi Super. Ich rief ihn an und gab zu bedenken: »Ist die Wohnung
nicht viel zu klein für euch?« Rüdiger: »Fünfundvierzig Quadratmeter - das ist, zugegeben, nicht viel. Aber andererseits: Nachmittags und am frühen Abend sind wir ja vermutlich ohnehin bei euch, und an den Wochenenden sowieso. Was sollen wir also mit einer größeren Wohnung?« »Ach ja«, sagte ich etwas ratlos, »wenn man's so nimmt, hast du schon recht. Aber wißt ihr eigentlich, daß Hertha BSC alle zwei Wochen im Olympiastadion ein Heimspiel hat und dann im Schnitt 50 000 Fans bei uns vorbeipilgern? Nach Spielschluß klingeln ständig Leute an unserer Tür und fragen, ob sie mal die Toilette benutzen dürfen - ist das nicht schrecklich?« »Kommt drauf an«, meinte Rüdiger, »wenn man von jedem fünfzig Pfennig nimmt, macht man ja sogar noch ein Schnäppchen .. Susi Super, die neben mir stand, hielt mir einen Zettel entgegen. Darauf stand nur ein Wort: KAKERLAKEN! »Mein lieber Rüdiger, hat man euch eigentlich über den Kakerlakenbefall hier informiert? Dagegen kann man nichts machen. Sie sind hartnäckig. Man spricht sogar schon davon, hier alle Häuser abreißen zu müssen. Also, ich sage dir, so richtig schön ist es nicht, wenn's nachts krabbelt und kribbelt ...« »Das wird doch immer besser«, freute sich Rüdiger, »da kann man ja einen Mietnachlaß bis zu fünfzig Prozent einklagen. Ein Glücksgriff! Leider haben wir noch keinen Vertrag. Es gibt noch andere Interessenten.« Nach diesem Gespräch keimte wieder etwas Hoffnung. Vielleicht blieb uns dieses Schicksal ja doch erspart. Zwei Tage später kam dann tatsächlich der erlösende Anruf. Rüdiger sagte zu Susi Super: »Freunde, es tut mir leid. Wir haben die Wohnung nicht bekommen. Dabei wäre es so toll gewesen, ganz in eurer Nähe.« Susi Super fing an zu schluchzen und sagte: »Das ist ja sooooo gemein. Wir haben uns sooooo darauf gefreut.
Ich weiß gar nicht, wie ich das Bernd und vor allem unserem Max beibringen soll ...« Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!
Alles wird gut: Vom Methusalem zum Power-Mann Ein bißchen nachdenklich hat es mich schon gestimmt was ich da kürzlich auf der Medienseite einer Zeitung gelesen habe: Demnach würde ich in einem Jahr für die Werbebranche überhaupt keine Rolle mehr spielen. Für diesen Zweig unserer Wirtschaft höre ich an meinem 50. Geburtstag schlagartig auf zu existieren. Bin quasi ein Untoter. Ein Düsseldorfer Werbefachmann spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten Methusalem-Syndrom. »Über Fünfzig ist gleich über Achtzig«, sagt er, »fast senil und beinahe immer stereotyp in der Darstellung.« Aber halt! Jetzt kommt die gute Nachricht! Der Trend verändert sich, wie sich auch die berühmte Alterspyramide verändert. Werbestrategen sind dabei, die Bedeutung der »Fünfzig-plus-Generation« zu entdecken! Für sie gehören meine Altersgenossen und ich bald sogar zur gefragtesten Zielgruppe überhaupt! Immerhin verfügen wir über ein »Aus-gabenpotential« von ca. 25 Milliarden Mark im Jahr! Die Werbefachleute haben sich für uns auch schon hübsche Bezeichnungen ausgedacht: »Power-Generation« etwa oder »Best Age« (Bestes Alter). Na bitte! Das hält jung. Das gibt Schwung. Waren Fünfzigjährige lange Zeit werbemäßig allenfalls ein Fall für »Doppelherz«, wird man morgen in der TVWerbung Typen dieses Alters sehen können, die ungemein dynamisch durchs Leben gehen und, von ihren Golffreunden respektiert, hauptberuflich erfolgreich und trotzdem mit viel Freizeit gesegnet sind. Ist das nicht eine schöne Perspektive für eine Generation, die als »Achtundsechziger« einst das Weltbild ihrer
Eltern aufmischte, sexuelle Freizügigkeit propagierte, Konsumterror anprangerte und den Amis weltpolitischen Nachhilfeunterricht gegeben hat? Was ist doch aus uns geworden? Eine Zielgruppe für die Werbung.
Früher hatten die Schlagertexte doch wenigstens Sinn und Verstand Menschen beklagen, daß die Schlagertexte heutzutage so niveaulos geworden sind. Völlig richtig. Früher hatten die Schlager doch wenigstens Sinn und Verstand. Zum Beispiel: Es geht die Lou lila, von Kopf bis Schuh lila. Mein Papagei frißt keine harten Eier, er ist ein selten dummes Vieh. Er ist der schönste aller Papageier, nur harte Eier, die frißt er nie. Ma Baby, Baby, ballaballa. Ma Baby, Baby, ballaballa. Ma Baby, Baby, ballaballa, hu, ballaballa. Ballaballaballaballaballaballaballaballaballaballaballaballaballa, huhhh, ballaballa. Ich möcht' der Knopf an deiner Bluse sein. Humbahumbahumbatäterä. Schmetterlinge können nicht weinen. Keine Sterne in Athen. Statt dessen Schnaps in St. Kathrein. Hier steht ein Pferd auf dem Flur, ein echtes Pferd auf dem Flur - das ist so niedlich. Ein bißchen Spaß muß sein.
Er hat ein knallrotes Gummiboot. Wir lassen uns das Singen nicht verbieten. Das Singen nicht und auch die Fröhlichkeit. Der Onkel Bumba aus Kalumba tanzt nur Rumba. Siebenmal in der Woche möcht' ich ausgehn. Siebenmal möcht' ich glücklich sein mit dir Über sieben Brücken mußt du gehn. Weine nicht, wenn der Regen fällt. Dammdamm. Dammdamm. Zucker im Kaffee. Und Zitrone oder Sahne in den Tee. Und von Herzen alle Tage lang Amor. Das ist wunderbar - Sinjooooor. Hossa! Hossa! Hossa! Hossa! Ole! Fiesta, fiesta mexicana ... Tränen lügen nicht. Dadada. Du liebst mich nicht, ich lieb' dich nicht. Dadada. Pigalle, Pigalle, so heißt die große Mausefalle mitten in Paris. Pigalle, Pigalle, der Speck in dieser Mausefalle schmeckt so zuckersüß. Oma, so lieb. Oma, so nett. Ach, wenn ich dich, meine Oma, nicht hätt'. Was macht der Meier am Himalaja?
Das sind zwei linke Schuh, der andere und du, ihr paßt überhaupt nicht zusammen. Du bist alles für mich, denn ich liebe nur dich, Michaelahaha. Denn mit dir ganz allein will ich nur glücklich sein - Michaela-haha. Veronika, der Lenz ist da. Die Mädchen singen tralala. Die ganze Welt ist wie verhext, Veronika, der Spargel wächst. Ein Bett im Kornfeld. Das ist immer frei, und es ist Sommer, und was ist schon dabei, die Grillen singen, und es duftet nach Heu ... Ich hab' dir nie den Himmel versprochen, weil es den auf Erden gar nicht gibt. Tränen müssen sein, wenn man sich auch noch so liebt. Darf ich bitten, meine Dame, Gottlieb Schulze ist mein Name, und ich liebe Sie. Mama, ich möcht' noch einmal deine Hände küssen. Schöne Maid, hast du heut für mich Zeit? Ach, Fräulein, würden Sie mit mir in meinem Wohnwagen wohnen wollen, Wohnwagen wohnen wollen, das wäre schön. Oh, Donna Clara, ich hab' dich tanzen gesehn, und deine Schönheit hat mich toll gemacht! Ich hatte ein Mädchen in Tempelhof, das war sehr süß, doch 'n bißchen doof. Ich hatte ein Mädchen in Wannsee - das konnt' keinen nackten Mann sehn.
Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael, nun glaubt doch kein Mensch, wie schön's hier war hahahaha. Marleen, eine von uns beiden muß nun gehn. Drum bitt' ich dich, geh du, Marleen. Sie müssen erst den Nippel durch die Lasche ziehn. Mein Charly ist klasse, ich lasse ihn niemals allein. Und dann hau' ich mit dem Hämmerchen mein Sparschwein, mein Sparschwein kaputt, kaputt, kaputt Mit dem Innenleben von dem kleinen Sparschwein geht's mir dann wieder gut. Ja, das war doch wenigstens anspruchsvollen Texten!
noch
Musik
mit
Derricks Toupet und das »Vergehen« des Werner S. Oberinspektor Derrick alias Horst Tappert, der Mann mit der gütigen Starre im Blick, freut sich: Wenn Harry zum letztenmal den Wagen geholt hat, kann er endlich ohne Toupet herumlaufen. Ich kann seine Vorfreude verstehen, bin ich doch schon seit Jahren »oben ohne«. Als ich 20 war, bekam ich die ersten Geheimratsecken. Mit 30 fragte mich der Friseur: »Haare schneiden? Welche Haare?« Mit 40 ließ ich mir einen Dreitagebart wachsen - in Verbindung mit dem schütteren Haupthaar wirkte das irgendwie männlich, meinte Susi Super Nachdem wir dann geheiratet hatten, wollte sie nicht mehr; daß ich männlich aussehe, und fand die Stoppeln im Gesicht »einfach blöd«. Und meinen Kopf bezeichnete sie nur noch als »Fusselbirne« (wie Eheleute wissen, geht es nach der Hochzeit auch in der Kommunikation etwas ruppiger als vorher zu). Inzwischen habe ich so wenig Haare, daß die Bezeichnung Frisur nicht mehr so recht greift. Längst muß ich keinen Figaro mehr bemühen. Das bißchen, was noch da ist, kann mit einem Selbstschneider gestutzt werden. Das Geld, das ich am Friseur spare, stecke ich unserem kleinen Max in die Sparbüchse, weshalb er es sogar toll findet, daß sein Vater kaum noch Haare hat. Stolz verkündet er in der Schule: »Mein Papa ist ein Glatzkopf. Geil, wa?« Ist es nicht schön für einen Vater; derart geschätzt zu werden? Natürlich sieht man »oben ohne« älter aus, als man ist.
Mein Kollege Werner Sikorski sei in diesem Zusammenhang erwähnt. Als ich ihn einmal vor rund sechs Jahren beim Spaziergang - unser Max noch im Kinderwagen - auf der Straße traf, sagte er: »Ach, ist das nett - Ihr Enkelchen ...« Und dann war da noch die Kollegin, die von mir (Jahrgang 1950) wissen wollte, wo ich eigentlich die letzten Kriegstage verbracht habe. Mit solchen Rückschlägen lernt man zu leben. In letzter Zeit spüre ich jedoch, daß mich meine Kollegen in der Redaktion zuweilen etwas mitleidig anschauen. So, als würden sie denken: »Der arme Herr Philipp - muß sich hier noch ein kleines Zubrot zu seiner Rente verdienen ...« Vielleicht sollte ich mir ja doch ein Toupet zulegen. Wo Derrick seins nun nicht mehr braucht ...
Wenn ein farbenblinder Schussel Schuhe kauft Dies ist die Geschichte eines beklagenswerten Mannes, der ein bißchen farbenblind ist. Ja, es ist meine Geschichte. Ich kann bei gewissen Lichtverhältnissen Blau nicht von Schwarz unterscheiden. Es ist schon vorgekommen, daß ich eine schwarze und eine blaue Socke angezogen habe, ohne es zu merken. Bei anderen bewirkt so ein Fauxpas zügellose Heiterkeit. Leute mit schwarzblauem Farbenmix werden für plemplem gehalten. Bestenfalls Mr Schussel. »Ich werde mich mal nach ein paar schwarzen Schuhen umsehen«, sagte ich neulich zu Susi Super. »Paß aber schön auf«, riet sie mir. Ich habe aufgepaßt und zur Sicherheit noch mal die Verkäuferin gefragt: »Die Schuhe sind doch schwarz, oder?« »Ja, natürlich«, meinte sie etwas irritiert. Abends zeigte ich meiner Frau die Schuhe - natürlich mit dem Hinweis: »Siehste, hat geklappt.« »Ich bin mächtig stolz auf dich«, erwiderte sie und fügte mit feiner Ironie hinzu: »Es ist schön, mit einem Mann verheiratet zu sein, der schwarze Schuhe kaufen will und nicht mit blauen nach Hause kommt ...« Solche aufmunternden Worte brauche ich einfach hin und wieder für mein Selbstwertgefühl. Ein paar Wochen vergingen, und Susi Super stellte fest: »Deine schwarzen Schuhe haben einen rötlich-bordeauxfarbenen Schimmer, hast du das schon bemerkt?« Ich hatte es noch nicht bemerkt. Doch sie hatte mal wieder recht. Ich mag Bordeaux, aber lieber im Glas als auf dem Schuh.
»Ich werde sie umtauschen«, sagte ich, »schwarze Schuhe, die nach und nach rot werden, muß man sich nicht bieten lassen.« »Man könnte sie schwarz färben«, schlug Susi vor: »Von neuen Schuhen kann ich doch wohl erwarten, daß ich sie nicht erst einfärben muß«, maulte ich, und Susi meinte: »Da bin ich ja gespannt, ob du mit deiner Umtauschaktion Erfolg hast.« Ich also zum Schuhladen. Sage zu der jungen Frau an der Kasse: »Ich habe bei Ihnen diese schwarzen Schuhe gekauft ...« »Ja«, unterbricht sie und schaut mich an, als wäre ich nicht ganz dicht, »Sie haben hier schwarze Schuhe gekauft. Aber die hier sind nicht schwarz, sondern bordeauxfarben! Haben Sie die gefärbt?« Da war ich sprachlos und habe meine Schuhe wieder eingepackt. Schuhe mit rötlichem Farbton kann man ja im Grunde immer tragen. Man muß nur die passenden Socken dazu finden.
Der Messe-Schlaf oder: Wie man sich bettet, so... Zu den köstlichsten TV-Sketchen von Loriot gehört fraglos »Der Bettenkauf«. Sie erinnern sich: Ein Ehepaar betritt ein Bettengeschäft. Die Frau zum Verkäufer: »Wir hätten gern ein Bett.« Der Verkäufer: »Haben Sie an eine Schlaf-Sitz-Garnitur gedacht mit versenkbaren Rückenpolstern, an eine Couch-Dreh-Kombination oder das klassische Horizontal-Ensemble?« Die Frau (verblüfft) : »Wir schlafen im Liegen ...« Wenig später wird der Verkäufer das »Modell Allegro« offerieren: »Mit doppeltem Federkern und Palmfaserauflage ... Die Federmuffen sind einzeln aufgehängt und kreuzweise verspannt, also hüftfreundlich in der Seit- und Bauchlage. Sie dürfen gern einmal probeliegen, ich bediene inzwischen die anderen Herrschaften.« Jeder, der schon mal ein Bett gekauft hat, weiß, daß das Probeliegen unverzichtbar ist - und daß man dabei zwangsläufig komisch aussieht, vor allem, wenn man sich hin und her wirft und vielleicht sogar noch rhythmische Bewegungen macht. Da sich Susi Super für ihr Leben gern Schlafzimmer ansieht (schönes Hobby!), fügte es sich gut, daß in den Messehallen unter dem Berliner Funkturm eine Möbelmesse mit der wohlklingenden Bezeichnung »Deco-In« stattfand. Beim Rundgang stießen wir auf den Stand des Berliner Möbelhauses Domeyer, das gerade sein hundertjähriges Firmenjubiläum begeht. Ich weiß noch, daß schon mein Vater sagte: »Kauf beim ollen Domeyer, dann hast du keinen Ärger.« Das mußte ich natürlich bei der
Gelegenheit den Domeyers erzählen, die uns prompt anboten: »Wenn Sie mal probeliegen möchten ...« »Ich weiß nicht«, sagte ich zu Susi Super, »vor so vielen Leuten ist mir das ein bißchen peinlich.« »Was soll daran peinlich sein, an einem Bettenstand ein Bett auszuprobieren? An einem Weinstand bist du ja auch nicht so zurückhaltend«, meinte Susi Super. »Schon gut«, sagte ich und legte mich auf ein Bett. »Bei uns können Sie ausprobieren, welche Matratze Ihnen am besten liegt«, erklärte Seniorchef Gerhard Domeyer augenzwinkernd. »Am besten schließen Sie die Augen und bleiben fünf Minuten liegen ...« Nun lag ich da ziemlich dumm rum. Halle 10, Stand 2. In den Messehallen unterm Funkturm in Berlin. Das hätte ich mir auch nie träumen lassen. Was werden bloß die Leute denken, die an dem Stand vorbeigehen und mich hier liegen sehen? Eine peinliche »Lebenslage«! Die fünf Minuten kamen mir wie eine Ewigkeit vor. Als ich mich wieder aufrichtete, erblickte ich eine Kollegin aus dem Verlag. Kichernd erklärte sie ihrem Mann oder Freund: »Das ist übrigens unser Herr Philipp. Ein bißchen verrückt ist er ja — macht hier einfach ein Schläfchen!« Übrigens: Sehr empfehlen kann ich Ihnen eine zweiteilig gestaltete Doppelliege mit Spannmuffenfederung in Leichtmetall und mit vernickelten Gelenkmuffen. Allerdings gibt es die nicht bei Domeyer. Die gibt's nur in dem Sketch von Loriot.
Daniel Düsentrieb baut das Auto der Zukunft Wir fuhren gerade auf der Autobahn nach Hamburg, als unser Max meinte, er habe eine ganz tolle Idee. »Max«, sagte ich, »ich glaube deine tolle Idee zu kennen. Du willst vorschlagen, daß wir an jeder Tankstelle anhalten und ein Eis kaufen. Das kommt aber nicht in Frage. Du ißt in einem Jahr soviel Eis wie ich nicht einmal während meiner gesamten Kindheit. Früher ...« »Ist schon gut«, unterbrach mich Max, »jetzt kommst du wieder mit deinem Krieg und den schlechten Zeiten.« Susi Super konnte sich das Lachen kaum verkneifen und sagte: »Dein Vater im Krieg - na, das möchte ich mir lieber nicht vorstellen. Damit du's weißt, lieber Max, dein Vater war Gott sei Dank nie im Krieg.« »Ist Papa ein Feigling?« fragte Max neugierig. »Nein«, erklärte Susi Super, »als dein Papa auf die Welt kam, war der Krieg ja längst vorbei. Und so richtig schlechte Zeiten hat er, wenn ich recht informiert bin, auch nicht mehr erlebt ...« Ich wollte nun während der Fahrt keine Grundsatzdiskussion führen und wies nur darauf hin, daß für Max Eis zu einem Grundnahrungsmittel geworden sei und er eines Tages vielleicht sogar rechtliche Schritte gegen seine Eltern einleiten werde, wenn die ihn in seinem elementaren Recht auf Eiskonsum einengen. »Ich will jetzt überhaupt kein Eis«, brachte sich Max wieder ins Gespräch, »ich wollte doch nur sagen, daß ich eine tolle Idee habe ...« »Schieß los, Junge«, sagte ich. Max: »Ich weiß, wie man ein Auto erfinden kann, das überhaupt kein Benzin verbraucht Es ist ganz einfach.
Man braucht nicht mal mehr einen Motor. Man muß nur im Auto unten ein paar Löcher reinmachen. Jeder, der drinsitzt, steckt da seine Füße durch und gibt dem Auto den Schwung. Toll, was?« Was haben wir für einen begabten Sohn. Ein Daniel Düsentrieb der späten neunziger Jahre. Oder vielleicht der Umweltminister im neuen Jahrtausend, wenn die Grünen unser Land regieren und aus den Autobahnen Biotope geworden sind? »Max«, sagte ich sorgenvoll, »geh mir bloß nicht in die Politik!« Und zu Susi Super: »Halt bitte an der nächsten Tankstelle an. Vielleicht können wir den Jungen mit einem Eis bestechen ...«
Max fragt: »Ist Papa schon blöd, oder muß er noch?« Der Vorsatz, Kinder zu erziehen, ist verständlich und löblich, aber oft auch vergeblich. Letztlich machen die lieben Kleinen doch, was sie wollen. Und man selbst steht da als Meckerkopp. Nachdem ich Max neulich wiederholt ermahnt hatte, sein Zimmer aufzuräumen, sagte er mir: »Also, Papa, du immer mit deinem ewigen Gesülze ...« Vielleicht hat mich der Junge mit seiner Mutter verwechselt, ich weiß es nicht. Was soll man tun? Sich aufregen und damit seine Aussage bestätigen? Ihm einfach eine knallen, wie mein Vater das bei mir in vergleichbaren Situationen gemacht hat? Nee, ein ApoOpa wie ich tut so was nicht. Nicht mal mit einer Blume würden wir Sanftväter unsere Kinder schlagen. Make love, not war! Unser Motto ist: Immer weich durchgreifen! Nur was das Fernsehen angeht - da weichen wir von unseren strengen Erziehungskriterien nicht ab. Schließlich ist Fernsehen eine Droge, und es ist unsere erzieherische Pflicht, unsere Kinder nach und nach an sie heranzuführen ... Folglich gibt es Erlasse: Eine Stunde am Tag ist erlaubt, Natürlich keine Krimis und keine albernen Sex-Komödchen aus den frühen siebziger Jahren, wie etwa »Unterm Röckchen stößt das Böckchen«. Nein, das wollen wir nicht. Auch vor Politikern auf dem Bildschirm möchten wir den Jungen bewahren, schließlich ist er in der zweiten Klasse und soll dort die deutsche Sprache richtig lernen. Ebenfalls findet die schweißtreibende Mini-PlaybackShow von RTL bei uns keine Gnade. Wir wollen einfach
vermeiden, daß sich unser Sohn wie ein dressiertes Äffchen vor den Spiegel stellt und sich als MichaelJackson-Imitator an die Weichteile faßt. Was soll Oma sagen? Manchmal, zugegeben, werden es auch zwei Stunden. Seitdem Max eine Stoppuhr geschenkt bekommen hat, betätigt er sie zu Beginn und am Ende eines jeden Werbeblocks. Die addierte Zeit hängt er hinten ran. Susi Super findet das »ja so was von pfiffig«, aber ich weiß nicht so recht: Hier scheint ein Schlitzohr heranzuwachsen. Irgendwann hatten wir ihm erzählt, daß man blöd wird, wenn man zu lange in die Glotze guckt. »Ist Papa schon blöd, oder muß er noch?« fragte Max seine Mama. »Papa guckt doch andauernd fern!« Susi Super konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und meinte: »Papa ist Journalist, und als Journalist muß er sich über alles informieren.« Da beschloß Max, auch Journalist zu werden, wenn man da »irre lange« fernsehen darf - »echt cool, ey«. Die Flimmerkiste - eine unendliche Geschichte der Erziehung. Sogar Loriot, der große Spötter; hat vor dem Thema kapituliert und sich in Ironie geflüchtet: »Warum sollen Kinder nicht fernsehen? Später machen sie doch auch nichts anderes!« meinte er. An diesen Satz mußte ich denken, als Max mich früh um sieben beim Olympia-Gucken erwischte. Als er am Abend zuvor ins Bett gegangen war; hatte ich mir gerade die Berliner Abendschau angeschaut. Max: »Also, Papa, die ganze Nacht fernsehen - das möchte ich auch mal!«
Im Olympiastadion: Wehe, wenn die Spielerfrauen kommen! Früher, als es die gute alte DDR noch gab, hat uns Onkel Franz aus Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) einmal im Jahr besucht. Rentner hat man im Arbeiter-undBauern-Paradies ja gern in den Westen reisen lassen, weil man hoffte, sie würden dort bleiben und man könnte die Rente sparen. Seit der Wiedervereinigung sehen wir Onkel Franz nur noch selten. Als er jetzt achtzig wurde, haben wir ihn nach Berlin eingeladen und uns zuvor erkundigt, womit wir ihm denn eine kleine Freude bereiten könnten. »Ich war«, sagte er bescheiden, »lange nicht mehr im Berliner Olympiastadion. Ich würde dort gern mal wieder hin.« »Wann warst du denn das letzte Mal da?« fragte ich ihn. »1936 bei den Olympischen Spielen«, antwortete er spontan. »Es war großartig, ich höre noch heute den Führer rufen ...« »Gut, gut«, unterbrach ich ihn, »ich gehe mit dir ins Stadion. Nächste Woche spielt Hertha BSC in der Bundesliga gegen Borussia Dortmund. Ich besorge uns Karten.« Eher beiläufig erzählte ich einem Bekannten von meinem Vorhaben. Der - selbst Mitglied bei Hertha und Besitzer zweier Tribünendauerkarten - meinte, da er verreise, könnten wir gern seine Karten nehmen. Ich war sehr gerührt. Daß ich mit Onkel Franz sogar auf der Ehrentribüne sitzen sollte - damit hatte ich natürlich nicht gerechnet. Onkel Franz würde beeindruckt sein! Als mir das Büro meines Bekannten die beiden Karten per Post zustellen ließ und ich sie mir genau anguckte, bekam ich ein ungutes Gefühl. Es waren nämlich gar
nicht Tribünenkarten, sondern »Arbeitskarten«, die zum Zutritt des Innenraums berechtigten. Am Tag des Spiels gehen wir dennoch Richtung Tribüne und zeigen unsere Karten. Ein Ordner zu Onkel Franz: »Sach mal, Opa, wat willste mit die Arbeitskarte? Willste hier arbeiten - oder wat? Wo habt ihr denn die überhaupt her?« Onkel Franz schaut mich ratlos an. »Wir haben die Karten geschenkt bekommen«, erkläre ich. »Ein Freund von mir ist Mitglied und hat sie uns zur Verfügung gestellt ...« »Veräppeln kann ick ma alleene«, sagt der Ordner und ruft einen offenbar übergeordneten Ordner herbei. »Die beiden Zausels haben Arbeitskarten, da kann ick ja nur lachen«, sagt der Unterordner zu dem Oberordner. »Moment mal«, meint der Oberordner, nimmt die Karten und verschwindet in der VIP-Lounge, »ich schau' mal in die Liste ...« Die Szene erinnert mich ein wenig daran, wie es früher an den »Grenzübergangsstellen« auf der Transitstrecke war. Da kam es auch vor, daß ein »Grenzorgan« mit dem Ausweis verschwand und man nicht so genau wußte, ob man die Reise würde fortsetzen können oder zum Schneeschippen ins sibirische Workuta verbannt würde. »Die Herren dürfen rein«, ordnet der Oberordner an. Und fügt hinzu: »Sie haben allerdings die falschen Karten. Setzen Sie sich einfach hin, wo Platz ist. Aber lassen Sie sich bitte nicht im Innenraum blicken, dort sind die Spieler.« »Schade«, sagt Onkel Franz, »ich könnte mich doch schon mal ein bißchen warm laufen ...« Über diesen Scherz lachen weder Unter- noch Oberordner. Kaum haben wir uns hingesetzt, werden wir von einem dicken Mann gefragt: »Kommt Hannes nicht?« »Ich weiß nicht«, sage ich, »kann sein, daß Hannes kommt oder auch nicht. Wer ist eigentlich Hannes?«
»Na, Hannes Bongartz«, sagt der Moppel, »Sie sitzen auf seinem Platz.« Donnerwetter, denke ich, Hannes Bongartz ist doch der frühere Nationalspieler von Borussia Mönchengladbach und jetzige Trainer. Vielleicht ist er auf Jobsuche? »Wenn Hannes kommt«, antworte ich, »dann machen wir natürlich Platz, ist doch klar.« Kurze Zeit später kommen zwei andere Herren, die zwar beide nicht Hannes Bongartz sind, doch wir rutschen drei Reihen nach unten. Da sind noch genügend Plätze frei. Allerdings nur ein paar Augenblicke. Dann kommen sieben Spielerfrauen und jagen uns davon. Eine sagt ganz spitz: »Na, was machen Sie denn hier?« Also wieder eine Reihe runter. Das Spiel beginnt. Eine schrille Stimme tönt: »Kommt her, hier ist Platz. Nun kommt schon.« Es ist die Stimme von Christine Rocchigiani. Es folgt Boxweltmeister Graciano Rocchigiani mit seinem Clan. »Laß uns da nach links gehen«, sage ich zu Onkel Franz, »da ist es vielleicht nicht ganz so gefährlich. Werde ich mich hier mit einem Boxweltmeister anlegen!« Wir wechseln noch einmal die Plätze. Keine gute Wahl, wie sich zeigen soll. Neben mir sitzt einer, der in die feine Tribünenwelt nicht so recht paßt. Er ruft im Abstand von wenigen Minuten einem Hertha-Spieler zu: »Beweg deinen Arsch, du schwule Sau.« Und jedesmal drehen sich alle zu uns um. Peinlich. Wir sind als Hooligans geoutet. Ich und Onkel Franz mit seinen achtzig Jahren! Als wir die Tribüne zur Halbzeit verlassen, schaut mich einer an und sagt angewidert zu seinem Begleiter: »Möchte bloß wissen, wer diese Penner hier überhaupt reinläßt.« Hertha gewinnt 2:1. So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergehn.
Als wären alle durch eine Prüfung gefallen Eine brasilianische Studentin namens Julia, die ein Jahr als Gast des Goethe-Instituts in Deutschland verbrachte, hat nach ihrer Rückkehr ihre Eindrücke niedergeschrieben und vor einem Auditorium vorgetragen. Die junge Frau berichtete zunächst, daß man in Deutschland sehr freundlich zu ihr gewesen sei und daß sie Land und Leute in guter Erinnerung behalten werde. Dann aber erzählte sie, was sie in ihrem Gastland am meisten überrascht habe. 1. Wenn man in Deutschland einen Freund besucht, sollte man sich immer vorher anmelden. Überraschungsbesuche sind nicht gern gesehen, weil der Besuchte möglicherweise gar keinen Besuch wünscht, auch nicht von einem Freund. »Was sind das für Freundschaften?« wunderte sich die Studentin. 2. In der U-Bahn sitzen sich die Menschen sprach- und gestenlos gegenüber: »Alle sehen so aus, als wären sie gerade durch eine Prüfung gefallen ...« 3. Die Deutschen lieben ihre Hunde so sehr, daß sie jedes Jahr Millionen Mark ausgeben, um diese mit spezieller Nahrung und HundeSchokodrops zu verwöhnen. Es gibt sogar an verschiedenen Seen Badestellen für Hunde. Das Unfaßbarste: Boutiquen, Friseursalons und Friedhöfe Mr die kleinen Lieblinge. 4. Im Sommer findet niemand etwas dabei, wenn Männer und Frauen unbekleidet in öffentlichen Parks herumlaufen (Beispiel München, Englischer Garten). Selbst die Polizei sieht keinen Anlaß, dagegen was zu unternehmen. Ja, liebe Julia: Ist er nackt, ist der Mensch halt nicht gern alleine. Sagen Sie doch aber bitte Ihren Landsleuten, daß in Deutschland nicht alle nackt herumlaufen und sich einen Hund halten. Manche haben auch einen Vogel.
Warum man vor der Ehe über Harzer Käse sprechen sollte ... In dem richtungsweisenden Aufklärungsbuch »Müssen Frauen sein?« haben zwei deutsche Ehe-Experten - beide mehrfach verheiratet und quasi unbelehrbare Wiederholungstäter - den sogenannten »programmierten Konflikt« beschrieben. Es handelt sich dabei, so die beiden Autoren, um »die wundersame Verwandlung von Frauen nach der Hochzeit«. Ist das Jawort auf dem Standesamt erst mal gegeben, würden manche Frauen ihr Naturell gänzlich ändern und unverzüglich damit beginnen, sich ihren Partner zu formen. Plötzlich wird an seiner Kleidung und an seinen Freunden herumgenörgelt (»schlechter Umgang«) - und im Bett heißt es auch schon mal: »Heute nicht, Liebling ...« Ich weiß natürlich nicht, was für bittere Erfahrungen die beiden Autoren gemacht haben und ob ihre Feststellung stimmt, daß sich Frauen vor der Hochzeit zu jenen danach verhalten würden wie etwa Wein zu Essig. Also, das scheint mir doch etwas übertrieben. Aber ein bißchen was dran sein muß schon. Ich denke nur an die Harzer-Käse-Affäre. Klingt lustig, nicht wahr? Von wegen! Susi Super, meine grundgute Frau, mag keinen Harzer Käse. Mehr noch: Sie haßt ihn. Findet ihn widerwärtig. Wenn sie ihn nur sieht, verzieht sie ihr Gesicht, als wollte sie sagen: »Igittigitt, wie kann man nur ...« Ich kann. Ich liebe Harzer Käse. Er ist mir nach Bier das zweitliebste Naturprodukt. Bevor wir heirateten, haben wir über alle wichtigen Dinge gesprochen, die unsere gemeinsame Zukunft betrafen. Aber über Harzer Käse hat Susi Super nie ein Wort verloren, obwohl ich schon in der Zeit, als wir uns
kennenlernten, zum Frühstück Harzer Käse aß. Nicht mal an ein Naserümpfen kann ich mich erinnern. Aber jetzt, Jahre danach. Der Harzer Käse ist ein Problem. Irgendwann sagte Susi Super zu unserem kleinen Sohn: »Mäxchen, fang du nicht auch noch damit an, Harzer Käse zu essen. Es reicht, wenn dein Papa dieses lebensbedrohliche Zeug ißt ...« Max reagierte prompt. Weil er nicht wollte, daß sein Papa krank wird, nahm er die Harzer Rolle aus dem Kühlschrank und versteckte sie. Zwei Tage später sind wir verreist. Als wir nach drei Wochen wiederkamen, stank das ganze Haus unerträglich süß-sauer. Uns wurde übel. Was für eine Rückkehr. Max hatte den Käse in der Garderobe versteckt. In der Reinigung weigerte sich das Personal, unsere Jacken und Mäntel anzunehmen. Uns war das natürlich sehr peinlich. Aber niemand wollte uns glauben, daß die Sachen nur deshalb so furchtbar stanken, weil Susi Super mit mir vor unserer Hochzeit nicht über Harzer Käse gesprochen hat. Müssen Frauen sein ...?
Erinnerungen an Frau Jajadu, die gern bei offenem Fenster schlief »Die Geschichte mußt du unbedingt mal schreiben«, riet mir mein Freund Rüdiger, »die ist wirklich zu komisch.« »Ich weiß nicht«, sagte ich, »sie ist vielleicht doch etwas zu frivol, aber ich werde drüber nachdenken ...« Also gut. Die Geschichte liegt viele Jahre zurück, als ich noch junggesellig durchs Leben ging und in einer Dachgeschoßwohnung im Süden Berlins wohnte. Es geht um Frau Jajadu, und ich möchte vorausschicken, daß Frau Jajadu gar nicht Frau Jajadu hieß, sondern vielleicht Müller, Meier, Schmidt oder Przcyszkowski. Frau Jajadu - gleich werde ich erklären, warum ich sie so nannte - war Anfang Dreißig, abwechselnd schwarz und blond und sah so aus, daß jeder Mann bei ihrem Anblick nur an das eine denken mußte. Jawohl, Frau Jajadu war ein Teufelsweib. Ich hatte viel von Frau Jajadu gehört. Im wahrsten Sinne des Wortes ... Sie wohnte in einer der vielen Wohnungen, die zum Innenhof des Hauses rausgingen. Frau Jajadu und ihr Mann trieben es häufig miteinander, besonders gern bei offenem Fenster. Oft auch am frühen Morgen, wenn man selbst noch zu schlafen versuchte. Frau Jajadu schrie in Ekstase dann immer lauter: »Ja, ja, jetzt, ja, ja!« Und zum Finale folgte ein langgezogenes lustvolles »Jaaaaaaaaa«. Herr Jajadu wurde dann auch immer lauter und schrie: »Duuuuuuuuuuuuuuh!« Ende der Veranstaltung. Eines Tages traf ich Frau Jajadu am Fleischstand in unserem Supermarkt. Sie stand direkt vor mir. Die Verkäuferin hielt ein Stück Kalbsschnitzel hoch und zeigte es Frau Jajadu mit den Worten: »Ganz frisch geschnitten. Möchten Sie davon?« Frau Jajadu war ganz verzückt und sagte: »Ja, ja!«
Und ich prompt: »Duuuuh!« Da guckten mich Frau Jajadu und die Verkäuferin ratlos an. Versteh' ich ja. Ja, ja, du.
Frische Hühnerleber statt Blumen ein hübsches Mitbringsel Der Mann von heute kann sich nicht benehmen. Wenn er irgendwo eingeladen ist, zeigt sich, daß er die elementarsten Regeln des Benehmens nicht beherrscht. Das jedenfalls meint die Pariser Baronin Nadine de Rothschild, die einen neuen Knigge für Männer veröffentlicht hat. Die Empfehlungen lesen sich etwas hausbacken, aber mit einiger Phantasie kann man sie ausbauen ... Frau Baronin meint: »Der Mann von Welt bringe niemals Kuchen oder ein Dessert mit, wenn er zum Essen eingeladen ist. Die Gastgeberin könnte das als Zweifel an ihren Kochfähigkeiten deuten.« Ich meine: Besonders originell wäre als Gastgeschenk zum Beispiel ein Pfund frische Hühnerleber. Ungewöhnlich, zugegeben. In dem kürzlich gezeigten Theaterstück »Der Witwenclub« in der Berliner »Komödie am Kurfürstendamm« brachte der Gast (Wolfgang Spier) der Gastgeberin (Maria Sebaldt) eine Plastiktüte mit Hühnerleber mit. Die so reich Beschenkte freute sich wie ein Kind, weil ihr noch nie jemand zuvor Hühnerleber mitgebracht hatte ... Frau Baronin meint: »Zu Beginn der Mahlzeit sagt der Mann von Welt nicht >Guten Appetit<, sondern schwärmt: >Gnädige Frau, da scheint Ihnen ja wieder etwas Sensationelles geglückt zu sein.<« Ich meine: Ein kräftiges »Mahlzeit!« ist viel besser. Millionen deutsche Kantinengänger können nicht irren. Eine Alternative: »So, dann wollen wir mal!« Frau Baronin meint: »Bei Tisch versucht der Mann von Welt Hochdeutsch zu sprechen. Er vermeidet alle Diskussionen über Politik und Religion und redet nicht
über schlimme Krankheiten oder Tod.« Ich meine: Hochdeutsch ist völlig out Haben Sie schon mal einen Bayern erlebt, der Hochdeutsch spricht? Lieber würde er sterben! Frau Baronin meint: »Blumen sind eine angemessene Aufmerksamkeit. Nicht akzeptabel sind allerdings rote Rosen für eine verheiratete Frau.« Ich meine: Auch ein Kaktus kann Freude machen, vielleicht ein Schwiegermutter-Sitz? Übrigens, wenn Sie, meine Herren, irgendwie nie wieder eingeladen werden wollen, gebe ich Ihnen folgende Tips: 1. Überraschen Sie die Gastgeberin an der Eingangstür im Beisein ihres Mannes mit einem leidenschaftlichen Kuß! 2. Kommen Sie beim Gänsebraten auf Tierversuche zu sprechen. 3. Irritieren Sie Ihre Gastgeber, indem Sie plötzlich die Mannschaftsaufstellung des spektakulären Fußballweltmeisterschafts-Finalspiels 1954 zwischen Deutschland und Ungarn rekapitulieren. 4. Vor dem Dessert beginnen Sie, Ihre Fingernägel zu schneiden. 5. Erzählen Sie beiläufig, daß Sie eigentlich im Gefängnis sitzen und nur Freigang haben. 6. Bezeichnen Sie den Hund des Gastgebers als »Mistköter«. Ja, verehrte Baronin de Rothschild, Ihre Benimm-Regeln müssen neu geschrieben werden. Ich würde Ihnen gern dabei helfen. Vielleicht laden Sie mich ja mal zum Essen ein?
»Hopp, Opa, ab nach oben! Grüß mir die Sterne!« Er hat mit Nikita Chruschtschow gebechert und mit dem großen Boris Pasternak, dessen Freund er war, philosophiert. Er ist mit Max Schmeling und Johannes Heesters auf du - und er war ein enger Vertrauter des Verlegers Axel Springer; der ihn Ende der fünfziger Jahre zum Moskau-Korrespondenten und später zum Berichterstatter aus Israel machte. Sein Name: Heinz Schewe, Jahrgang 1921. Ein Zeitzeuge des Jahrhunderts und - wie man das heute so in der vollmundigen Werbesprache sagen darf - ein »Premium-Journalist«, unbestechlich, frech, geistreich, ohne Rücksicht auf (eigene) Verluste. »Es kann«, meint er, »nicht Aufgabe eines Journalisten sein, die Regierenden zu bejubeln und alles, was sie tun, mit Lobgesängen zu verherrlichen.« Heinz Schewe, ein gebürtiger Westfale, lebt heute in Wien und kommt in diversen Gazetten zu Wort, in der »Berliner Morgenpost« etwa und regelmäßig in den »Israel Nachrichten«. Dort ist ihm jetzt ein großer Wurf gelungen. In einem Artikel mit der Überschrift »Mit 77 auf den Mond geschossen?« beschreibt er seine Vision vorn »Altersheim in der Umlaufbahn«. Anlaß zu seinen skurril-pointierten Betrachtungen ist die erneute Weltraummission des NASA-Opas John Glenn, der 1962 als erster Amerikaner die Welt umkreiste und nun mit 77 noch einmal in den Orbit geschickt werden soll. Heinz Schewe wirft die Frage auf, ob man damit nicht das Ei des Columbus gefunden beziehungsweise das wesentliche Problem unserer überalterten Gesellschaft gelöst habe. Wir wissen ja: Die Menschen werden immer älter. Und die Bevölkerungsstatistiker malen ein düsteres Bild, was die Renten angeht.
Immer mehr junge Menschen, die keinen Arbeitsplatz und nicht einmal eine Lehrstelle finden, sollen immer mehr rüstige Rentner finanzieren, die sich den Begriff vorn »wohlverdienten Ruhestand« ganz anders vorgestellt haben. Wo soll das enden? Das Schewe-Modell: »Könnte man nicht alle Omas und Opas in Großraumfähren ins Weltall befördern? Dort könnten sie in einem kosmischen Altersheim um unseren Planeten kreisen: Hopp, Opa, ab nach oben! Gute Reise! Grüß mir die Sterne!« Als ich das voller Heiterkeit las, habe ich Heinz Schewe, dem ich mich freundschaftlich verbunden fühlen darf, sofort angerufen und ihn gefragt: »Na, Heinz, da haben Sie wohl einen ganz schlechten Tag gehabt, als Sie das geschrieben haben ...« »Überhaupt nicht«, sagte Schewe, »ganz im Gegenteil, ich finde, daß das eine gute Lösung wäre. Ich habe auch schon mit meinem Hausarzt gesprochen. Er meint, daß ich absolut reisefit bin: kein Übergewicht, prima Blutdruck, tolles Blutbild. Meinetwegen könnte es morgen losgehen. Wenn Sie wollen, lieber Bernd, könnte ich Ihnen, Ihrer Susi Super und dem kleinen Max auf meiner Umlaufbahn gern mal zuwinken. Vielleicht schauen Sie ja bei mir vorbei und überzeugen sich davon, wie gut es den Alten da oben geht. Garantiert besser als meinen Altersgenossen einst in Georgien. Dort wurden in früheren Jahrhunderten die Greise von einem gewissen Alter an einfach einen Abgrund runtergestoßen und so das Rentnerproblem gelöst. Da geht es mit uns doch im wahrsten Sinne des Wortes aufwärts ...« Manche meinen übrigens, daß Heinz Schewe zu den Berufspessimisten gehört, bei denen das Glas nicht halb voll, sondern halb leer ist. Leider hat er mit all seinen negativen Voraussagen recht behalten. Zuweilen kam alles noch viel schlimmer: die Arbeitslosigkeit, die Probleme mit den Zuwanderern, die Kosten der deutschen
Einheit, die Raffgier der Gewählten, der bürokratische Wasserkopf des vereinten Europa, die Gefahr der Atomkraftwerke (Tschernobyl!), der Völkerhaß im ehemaligen Jugoslawien, die Korruption in Afrika, der fragwürdige Wirtschaftsaufschwung in Ostasien und so weiter. Ja, dann heißt es vielleicht doch für alle über 60: Bereiten Sie sich vor. Es geht bald aufwärts ... Grüßen Sie Heinz Schewe!
Beim ersten Sonnenstrahl zieht's den Berliner raus zu »Mutter Grien« Die Berliner sind ein wuseliges Völkchen. Sie sind immer unterwegs. Vor allem die West-Berliner (die waren allerdings auch fast dreißig Jahre lang eingesperrt und haben noch immer jede Menge Nachholbedarf). Versuchen Sie mal, einen Berliner an einem Sonntagnachmittag anzurufen. Er ist garantiert nicht zu Hause. Beim ersten Sonnenstrahl zieht's ihn raus zu »Mutter Grün« - oder er will »nischt wie raus nach Wannsee«, wie die kleine Cornelia Froboess vor Jahrzehnten sang. Berliner müssen immer irgendwas unternehmen. Wer zugibt, daß er das ganze Wochenende nichts Besonderes angestellt und vielleicht nicht einmal seine Wohnung verlassen hat, gilt bereits als Pflegefall. Wir haben Bekannte (nein, diesmal sind es nicht Rüdiger und Bruni), die kokettieren regelrecht mit ihrem praktizierten Freizeitstreß. Im Schweinsgalopp geht's hechelhechel - durch den Tag: Vormittags Brunch in der Jazz-Kneipe. Anschließend Spaziergang um den Grunewaldsee. Dann Besuch der neuen Gemäldegalerie. Dann Kaffeetrinken und Leutegucken am Kurfürstendamm. Marathonläufer anfeuern. Currywurst oder Döner essen. Weiterhin Ballett-Performance in den Hackeschen Höfen. Abends geselliges Beisammensein unter dem Motto: »Wir tanzen in den Mai - sei dabei!« Na, Freunde, das muß ja wirklich ein schöner Sonntag gewesen sein. Bin richtig neidisch, daß ich nicht dabeisein durfte ... Nein, ehrlich. Ich genieße es, einfach mal nichts zu tun. Nur zu wohnen. Mal hier ein bißchen sitzen, mal dort ein wenig ausruhen. Fernsehen, telefonieren, lesen, Musik
hören. In der Ruhe liegt die Kraft Für ein Lexikon würde ich den typischen Berliner so definieren: »Der Berliner ist ein Mensch, der nie zu Hause ist Wenn doch, dann ist er sehr krank. Die meisten Berliner trifft man auf denn Berliner Autobahnring an, wo sie mit Vorliebe ihre Freizeit im Stau verbringen. Und in den städtischen Parkanlagen, wo Bello gern sein Häufchen macht. Wenn man als Auswärtiger einen Berliner anruft, und er meldet sich, hat man vermutlich eine falsche Vorwahl gewählt, Der Berliner ist sowieso nicht da. Den ganzen Sommer über telefonisch nicht erreichbar ist der Berliner Laubenpieper. Der sitzt im Unterhemd auf seiner Terrasse, trinkt Bier und schimpft über die Politiker, die er gewählt hat«
Wenn der Euro kommt, droht unser Kind mit einer Sitzblockade Von Geld habe ich im Grunde überhaupt keine Ahnung. Ich freue mich auch nicht auf den Euro. Im Gegenteil: Ein Währungs-Eintopf ist nicht nach meinem Geschmack. Vielleicht ist der Euro gut für Italien, mag sein. Aber ob er für Deutschland gut ist, weiß keiner. Vermutlich werden wir Bundesbürger draufzahlen. Darin sind wir siehe Brüssel - geübt. In den vergangenen Jahrzehnten war der Zahlmeister meistens »made in Germany«. Nicht einmal in der SPD ist man sich darüber einig. Wenn die »Schröfontaines« das nicht genau wissen, wie soll ich meinem Sohn Max die Chose mit dem Euro erklären? Vielleicht so: »Junge, paß auf! Politik ist, wenn keiner Bescheid weiß, aber trotzdem entschieden wird!« Max ist jedenfalls ein Euro-Gegner. Er hat schon mit einer Sitzblockade in unserem Schlafzimmer gedroht für den Fall, daß wir sein jetziges Taschengeld euromäßig runterrechnen. Ich werde mir auch was einfallen lassen müssen, wenn meine Firma die Bezüge von Mark auf Euros stutzt. Ich verdiene dann wieder soviel wie vor zwanzig Jahren. Das liebe Geld. Ohnehin ein Problem. Vielleicht nicht für den Sultan von Brunei. Aber für alle anderen. Wie soll man zu Geld kommen, wenn man ... ... es beim Lotto mit Müh und Not mal auf drei Richtige bringt? ... nicht Politiker ist, der seine Diäten nach Belieben selbst erhöhen kann? nicht Michael Schumacher ist, der im Jahr 130 Millionen »reinfährt« und soviel Geld verdient wie die Firma
»Wand & Boden«? ... nicht Michael Gorbatschow heißt, der als Reklamepuppe durch die Medien geistert und in schwachsinnigen Fernsehshows auftritt? ... nicht so bekannt wie Manfred Krug ist, für den ja die Telekom sorgt? Geldbeschaffung ist eine schwierige Angelegenheit. Erpressungen sind auch keine Lösung. Der jetzt gefaßte Reemtsma-Entführer kann ein Lied davon singen - im argentinischen Sing-Sing. Dumm gelaufen: Millionen im Sack, aber die Währung verschwindet. Ich vermute, daß der Herr Drach viel lieber die gute alte D-Mark behalten würde und folglich auch ein EuroGegner ist ... Unser Max hat übrigens eine neue Geldquelle gefunden. Immer wenn wir aufs Klo gehen, will er einen Pfennig kassieren. Erst wollte er einen Groschen. Ich habe gedroht, ihn im Zoo den Löwen zum Fraß vorzuwerfen. Da lenkte er ein. Wir sind sehr froh, daß er so diplomatisch war, seinen Eltern in dieser Sache entgegenzukommen. Ein Pfennig ist nicht viel. Und wenn der Euro kommt, kostet es ja auch nur etwa die Hälfte. Da macht's die Menge. Darf man das in diesem Zusammenhang sagen?
Wie unangenehm: Ein Leben als Mann mit »Schatten« Um den Lebenswandel seiner hochbezahlten Fußballstars zu kontrollieren, hat der bayerische Nobelclub Bayern München Detektive eingesetzt. Wenn sich die Rasengötter bis spät in die Nacht in einer Bar oder in einer Spielbank herumtreiben, wird gleich am Morgen darauf das Präsidium informiert. Die Vorstellung, auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden, ist nicht sonderlich angenehm. Erwiesenermaßen pflegen die Berufsspäher auch gänzlich Banales zu protokollieren, etwa eine plötzliche Kopfbewegung nach links oder das Schneuzen in ein Taschentuch. Bin ich froh, daß ich kein Fußballprofi bin. Aber wer weiß? Vielleicht hat auch mein Arbeitgeber längst einen »007« auf mich angesetzt, der mich observiert ... Montag: Ph. verläßt um 8.13 Uhr sein Haus, geht auf die andere Seite und kauft sich im Feinkostladen ein Vollkornbrötchen mit Edamer Käse und einem Gurkenscheibchen. Er zahlt 3,95 DM und flirtet mit der Verkäuferin. Verdacht: Ph. steckt in einer Ehekrise. Er ißt nur noch außer Haus. Auffällig: sein Flirt mit der Verkäuferin. Dienstag: Ph. trifft sich um 20.32 Uhr im Lokal »Das kleine Versteck« mit drei Männern, die er bei der Begrüßung umarmt. Jeder trinkt drei Biere und drei weiße Schnäpse, vermutlich Wodka. Um 21.24 Uhr bricht die Runde auf Ph. zahlt und gibt einem Zechbruder 50 Mark. Verdacht: Ph. pflegt Bekanntschaften mit Männern, die er finanziell aushält (möglicherweise spielen homosexuelle Motive eine Rolle). Mittwoch: Ph. betritt seine Bankfiliale und kommt
wenige Minuten später verärgert wieder raus. Verdacht: Die Bank hat wegen Überziehung des Dispositionskredits sein Konto gekündigt. Donnerstag: Ph. tarnt sich mit einer Sonnenbrille. Verdacht: Ph. hat Schulden in der Nachbarschaft. Freitag: Ph. bringt seinen Sohn Max zur Schule und sagt zu ihm: »Tschüs, bis morgen.« Verdacht: Ph. plant, bei seiner Geliebten zu übernachten, und weiß, daß er seinen Sohn erst am nächsten Tag wiedersehen wird. Sonnabend: Ph. kauft einen riesigen Strauß roter Rosen. Verdacht: Ph. hat gegenüber seiner Frau wegen seiner Weibergeschichten ein schlechtes Gewissen. Tja, so etwa könnte ein Observierungsprotokoll aussehen. Aber wie soll ich meinem Arbeitgeber beibringen, was wirklich war? Montag: Morgens zu lange im Bett mit Susi Super gekuschelt. Keine Zeit zum Frühstück. Schnell ein Brötchen geholt. Die Verkäuferin: meine Nichte (Ferienjob). Dienstag: Organisation des Klassentreffens. 50 Mark an Peter für Lehrer Ostermann (sitzt im Rollstuhl und soll mit einem Taxi dazustoßen). Mittwoch: Bei der Bank mal wieder der Drucker Mr die Kontoauszüge defekt. Donnerstag: Herrlich! Endlich scheint mal wieder die Sonne! Freitag: Max darf bei seiner Tante übernachten, die ihn von der Schule abholt. Sonnabend: Susi Super hat Geburtstag. Die tollste Frau auf dem Planeten! Ja, ihr lieben Detektive, dann sucht euch mal einen neuen Job.
Immer fallt mir was runter warum fällt nie mal was hoch? Herrgott, denke ich manchmal, heute fällt dir aber wirklich andauernd was runter. Es fängt schon ganz früh an. Wenn ich die Zeitung vor der Wohnungstür aufhebe, fallen gleich drei bis sieben Prospekte heraus, die ich erst einmal wieder aufsammeln muß. Gymnastik am Morgen. Wenig später im Bad macht sich der Verschluß der Zahnpastatube selbständig und kullert in die äußerste Ecke des Badezimmers. Anschließend heißt es: Wir bücken uns unter der Dusche. Seit Max an der Ablage einen Klimmzug gemacht hat, gibt es zum Abstellen des Shampoos nur noch eine winzige Fläche. Nach maximal zehn Sekunden fällt es herunter. Vorm Frühstück sind beim Öffnen des Kühlschranks nahezu artistische Leistungen vonnöten: Ein Becher Quark, ein Schälchen mit Oliven sowie eine Palette mit abgepacktem Kochschinken fallen mir entgegen. Für dieses wiederkehrende Phänomen gibt es nur eine Erklärung: Nachts, wenn die Philipps schlafen, gehen Geister an den Kühlschrank und bringen alles durcheinander. Morgens dann das Unheil. Unsere Lebensmittel sind »entgegenkommend«. Oft fällt dann auch beim Frühstück etwas runter, vorwiegend Deckel von Butterund Fleischsalatpackungen, wobei die Innenseite natürlich immer unten liegt. Besonders erdnah sind wir, wenn wir mit Max »Mensch ärgere Dich nicht« spielen. Kinder lieben es, so heftig zu würfeln, daß der Würfel vom Tisch fliegt - und drei, vier Männchen gleich mit. Wirklich ausnahmslos fällt mir etwas runter, wenn ich den Müll wegbringen will. Das hängt in erster Linie mit einer Angewohnheit von Susi Super zusammen, die
selbst dann, wenn der Müllbeutel schon berstend voll ist, immer noch was obendrauf packt. Und da sie sich für die Müllbeseitigung ohnehin nicht zuständig fühlt (»Müll ist Männersache - oder hast du schon mal was von Müllfrauen gehört?«), ist es ihr auch relativ egal, daß ich mich erst einmal nach diversen Verpackungen oder auch mal nach einer Filtertüte voller Kaffeereste bücken muß. Ja, es gibt Tage, an denen verbringe ich die meiste Zeit auf dem Boden. In solchen Situationen denke ich oft an unsere Vorfahren, die vor Millionen Jahren lebten und noch nichts vom aufrechten Gang ahnten - weshalb man ja schließlich auch von unseren Ahnen spricht ... Zuweilen - und das muß einfach mal gesagt werden baut mich Susi Super allerdings auch wieder liebevoll auf, wenn ich verzweifelt am Boden rumkrabbele. »Sei froh, Liebling«, sagte sie neulich, »daß es die Schwerkraft gibt, sonst würden die Sachen vermutlich nicht runter-, sondern vielleicht hochfallen. Dann würdest du immer an der Decke kleben.« Donnerwetter: Ich habe eine Menge falsch gemacht in meinem Leben. Aber immerhin habe ich eine schlaue Frau geheiratet. So ganz ohne Reiz ist der Gedanke mit der Decke ja eigentlich nicht: Die Gute würde immer zu mir aufblicken, mich sozusagen - anhimmeln ...
Welt der Arbeit: Von Schlaumeiern, Faulpelzen und Miesepetern Rund vier Millionen Menschen sind in Deutschland ohne Arbeit Die, die einen Job haben, sind allerdings auch nicht immer froh. Viele fühlen sich von ihrem Chef schlecht behandelt. Die allermeisten klagen jedoch über Kollegen, die ihnen das Leben schwermachen. Hier eine kleine Typologie über Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Der Windmaschinen-Typ Er ist sozusagen der »Lautsprecher« der Firma. Weiß alles, kennt jeden — und hat natürlich einen direkten Draht zum Chef. Und wenn dessen Stuhl wackeln sollte, hat die Windmaschine schon längst Kontakt zu möglichen Nachfolgern geknüpft. Behauptet er jedenfalls... Der Konferenz-Schlaumeier Er hat natürlich für jedes Problem eine Lösung parat. Darauf angesprochen, wehrt er ab: »Das muß ich erst mit oben besprechen.« Nahezu ausnahmslos trifft man diesen Typ in Redaktionskonferenzen von Zeitungen und Zeitschriften an. Wenn einer der Ressortleiter seine Themen vorträgt, die er in der nächsten Ausgabe zu veröffentlichen gedenkt, unterbricht der Klugscheißer scheinheilig: »Schöne Geschichte, Herr Kollege! Habe ich vorgestern schon in der >Süddeutschen< gelesen ...« Diesem Themenverderber kann man nur mit einer Gegenoffensive kommen. Indern man etwa sagt: »Prima, dann trifft die Story unsere Leser ja nicht ganz unvorbereitet ...«
Der Faulpelz Läßt immer erst die anderen machen. Als Minimalist vom Dienst weiß er nur zu gut, daß es wesentlich effizienter sein kann, wenn sich die Kollegen abrackern. Seine Strategie ist ebenso simpel wie frappierend: Wer viel tut, macht vieles falsch. Wer weniger tut, macht deutlich weniger falsch. Und wer nichts tut, macht folglich nichts falsch. Und wer nichts falsch macht, der wird befördert. Mit diesem Karriereplan sind Leute schon Minister geworden! Der hartnäckige Ignorant Er weigert sich, seinen Arbeitsplatz zu räumen, obwohl er schon seit einem Jahrzehnt im Ruhestand ist. Hartnäckig nervt er seine Nachnachfolger, indem er ständig auf die Tränendrüse drückt und zum Beispiel en passant sagt: »Na ja, mich braucht ja hier keiner mehr« Genau! Der Miesepeter Gut, jeder hat mal mehr; mal weniger Spaß am Job. Der Miesepeter dagegen ist ganz konsequent: Er hat nie Lust. Seine Einsatzbereitschaft. signalisierte er das letzte Mal an dem Tag, an dein er sein Einstellungsgespräch führte. Möglicherweise hat ihm der Chef mal die erwartete Anerkennung verweigert oder ihn bei einer Beförderung außer acht gelassen. Als »Väterchen Frust« agitiert er seine Kollegen und macht sich über jene lustig, die noch mit Spaß an die Arbeit gehen. Jeden Montag kommt er ins Büro und langweilt seine Kollegen mit dem nahenden Termin seines baldigen Ruhestands (»Noch 88 Wochen, Jungs!«). Dabei vergißt er; daß er ja im Grunde schon seit Jahren nichts mehr tut.
Alle haben sich lieb: Die neue Freundlichkeit Vielleicht ist es wirklich ein Trend, möglicherweise bilde ich mir das auch nur ein: In unseren Supermärkten und in den Kaufhäusern ist das Personal offenbar freundlicher geworden. Vereinzelt wird man sogar gegrüßt! Besonders beeindruckt hat mich kürzlich eine Verkäuferin am Fleischstand. Ich wollte drei Kilo Kasseler Kotelett und bat darum, das Fleisch vom Knochen zu trennen. Die junge Frau lächelte mich an und sagte: »Mach' ich gerne, kein Problem.« Kein Problem! Und das in Deutschland! Bei solchen Freundlichkeitsattacken ist der Kunde, der jahrelang wie ein Bittsteller behandelt wurde, natürlich völlig irritiert. Erst vorige Woche hat mir eine Mitarbeiterin in unserem Supermarkt die Tasche mit Leergut aus der Hand genommen und gesagt: »Geben Sie mal her! Ich bringe Ihnen den Bon gleich.« Was ist bloß los? Kunden mit leeren Pfandflaschen waren doch immer aber auch so was von igittigitt. Dann dies an der Feinkosttheke: »Hundert Gramm von den schwarzen Oliven, bitte.« Der türkische Verkäufer: »Ein bißchen mehr?« Frage: »Wieviel mehr?« Verkäufer: »Hundertneunzig Gramm.« »Nee, das ist ja fast das Doppelte.« Verkäufer: »Schmecken aber gut, Oliven eine Sensation, du kosten?« Alles klar Her damit, du Schlitzohr. Charme gewinnt. Wenn ich da an früher denke, als das Personal die Kunden wie lästige Eindringlinge behandelte. Da war die Dame, die an der Kasse fragte, ob vielleicht jemand einen blau-gelb gepunkteten Schirm abgegeben habe, den sie
vermisse. Die Kassiererin: »Nich det ick wüßte. Sind ja och keen Fundbüro.« Und meine Dialoge am Wurststand werde ich auch nicht vergessen. Da fragte ich mal: »Warum verstecken Sie eigentlich zwischen den normalgroßen Salamischeiben immer noch ein paar kleine?« Antwort: »Müssen Se den Chef fragen. Vielleicht 'ne Überraschung?« Oder: »Die Mortadella wellt sich schon. Ist sie nicht frisch?« Antwort: »Bei uns ist alles frisch. Die Wurst wird morgens aufgeschnitten.« »Aber jetzt wellt sie sich!« Antwort: »Da könn' Se mal sehen, wie schnell der Tag vergeht.« Wie schön: Jetzt leben wir in einer neuen Zeit. Alle haben sich lieb. Das muß mit Guildo Horn zusammenhängen. Beim Einkaufen erleben wir eine Offensive der Freundlichkeit. In einem Hamburger Supermarkt vernahm ich die folgende Durchsage der Geschäftsleitung, die mich fassungslos machte: »Liebe Kunden. Vielen Dank für Ihren Hinweis. Natürlich werden wir unverzüglich zwei weitere Kassen besetzen. Wir wünschen Ihnen einen guten Einkauf und einen schönen Tag.« Ja, ist das denn eigentlich noch unser Land?
»Hier spricht Ihr Arzt: Sind Sie denn nicht krank?« Vor ein paar Jahren hat sich in den westdeutschen Großstädten niemand vorstellen können, daß es einmal ein Überangebot an Wohnungen geben würde. Die Vermieter konnten sich nach Gutsherrenart ihre Mieter aussuchen, und der eine oder andere wurde auch schon mal dabei beobachtet, wie er von einem Bewerber ein wattiertes Kuvert als »Entscheidungshilfe« zugesteckt bekam - für seine viele Mühe. Die Zeiten haben sich gewandelt. Heute suchen Vermieter händeringend nach Mietern und ködern sie mit finanzieller Umzugshilfe oder mit monatelangem mietfreiem Wohnen. Auch den Ärzten bläst der Wind kräftig ins Gesicht. Früher, ja, da haben sie noch gut verdient. Aber nach der Gesundheitsreform ist auch in ihren Kassen Ebbe. Allein in Berlin stehen zehn Prozent der niedergelassenen Ärzte vor dem Ruin. Lange wird es nicht mehr dauern, und die Götter in Weiß werden zu Bittstellern, die ihre Patienten telefonisch um einen Besuch regelrecht anflehen. Ich stelle mir das so vor: Zu Hause klingelt das Telefon. Ich gehe ran. Dr. Lehmann ist dran, mein Internist. Ich: »Hallo, Herr Di: Lehmann, was verschafft mir die Ehre? Wir haben uns ja lange nicht gesehen. Das letzte Mal vor drei Jahren, glaube ich - die Bronchitis, wenn Sie sich erinnern...« Dr. Lehmann: »Ja, vor drei Jahren. Stimmt genau. Und das ist ja mein Problem. Seitdem die Kassen für Medikamente nur noch in Ausnahmefällen aufkommen, lassen sich die Patienten immer seltener bei mir blicken. Wie geht's Ihnen denn so?« Ich: »Fabelhaft, Herr Doktor, ganz fabelhaft. Ich fühle
mich wie mein jüngerer Bruder.« Dr. Lehmann: »Ich will Ihnen ja nichts einreden, aber Ihre Stimme gefällt mir nicht ...« Ich: »Also, bitte, Herr Doktor, was haben Sie denn gegen meine Stimme?« Dr. Lehmann: »Natürlich nichts, aber sie klingt etwas brüchig, verstehen Sie?« Ich: »Ach, Sie meinen, ich sollte mal bei einem HalsNasen-Ohren-Arzt vorbeischauen?« Dr. Lehmann: »Das würde ich, um ehrlich zu sein, nicht für erforderlich halten. Ich denke, daß ich einfach mal nachschaue. Bei der Gelegenheit könnte man ja ohnehin gleich ein Checkup machen. In Ihrem Alter ist das sicher nicht verkehrt.« Ich: »Aber mir geht es wirklich gut!« Dr. Lehmann: »Ja, mag sein, daß es IHNEN gutgeht ... Haben Sie eigentlich Probleme beim Wasserlassen?« Ich: »Nee.« Dr. Lehmann: »Depressionen? Sie wirken etwas schwermütig.« Ich: »Ja, also, eigentlich nicht. Obwohl: Wenn ich am Monatsende auf mein Konto gucke, bin ich manchmal schon ein bißchen traurig.« Dr. Lehmann: »Dann sehen wir uns morgen früh um neun, wenn's Ihnen paßt. Noch können wir Ihr Leiden vielleicht in den Griff bekommen, aber wir sollten keine Zeit verlieren! Was macht eigentlich Ihre Frau?« Ich: »Der geht's auch gut.« Dr. Lehmann: »Ihr tat zuweilen der Rücken weh, wenn ich mich recht entsinne.« Ich: »Ja, das stimmt. Aber zur Zeit hat sie überhaupt keine Probleme. Sie springt herum wie ein junges Reh.« Di: Lehmann: »Wie ein junges Reh? Hat Ihre Frau Schwierigkeiten mit ihrer Identität?« Ich: »Ach so, jetzt verstehe ich. Sie meinen, daß meine Frau nicht ganz richtig ..., also, da kann ich Sie beruhigen. Sie fühlt sich wirklich pudelwohl« Dr. Lehmann: »Sehen Sie, das meinte ich: Ihre Frau
hüpft rum wie ein Reh und fühlt sich wohl wie ein Pudel. Da stimmt doch was nicht. Wissen Sie eigentlich, daß eine Veränderung der Persönlichkeitsstruktur schon bei einem Blutbild zu erkennen ist?« Ich: »Ich habe noch einen Freund, der läuft rum wie eine lahme Ente ...« Dr. Lehmann: »Zu niedriger Blutdruck, klarer Fall. Wunderbar, bringen Sie Ihren Freund gleich mit. Er muß sich auch nicht extra einen Termin geben lassen.« Ich: »Eigentlich habe ich aber gar keinen Bock, zu Ihnen zu kommen.« Dr. Lehmann: »Ich bitte Sie: Seien Sie kein Frosch. Sonst werde ich noch arm wie eine Kirchenmaus.« Ein tierisches Gespräch. Frei erfunden. Noch.
Wie schön, daß die Sonne auch im Herzen scheint Anhaltendes Regenwetter in den Ferien stellt Eltern vor ernste Probleme. Vor allem, wenn man Urlaub an der See macht und von der Wettervorhersage ein ums andere Mal mit dem Hinweis getröstet wird, daß der Sommer und somit die Sonne nun im Anmarsch sei ... Mit meiner kleinen Familie verbrachte ich drei Wochen an der Ostsee. Die Tourismusbranche wirbt konsequent mit Statistiken, aus denen hervorgeht, daß gerade unser Ferienziel zu den sonnenreichsten Gegenden Deutschlands gehöre. In der Tat haben wir in den vergangenen Jahren ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Aber wir wissen ja: Die Welt ist aus den Fugen. Überall Unwetter, Erdrutsche, Überschwemmungen - die Natur nimmt längst keine Rücksicht mehr auf Tourismusmanager und ihre kühnen Behauptungen. Drei Wochen Regen. Einmal gab es eine Abwechslung: heftige Hagelschauer: Es ist einfach rührend, wie sehr sich all jene bemühen, die von den Touristen leben: Die Anzeigenblättchen in den Ferienorten machen in Optimismus und lassen Gäste zu Wort kommen, die sich offenbar nichts sehnlicher als einen verregneten Urlaub gewünscht haben. Die werden dann auch gern zitiert: »Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur unpassende Kleidung!« Diese Zwecklüge hält sich hartnäckig seit zwei Jahrzehnten an Deutschlands Küsten. Oder: »Zum Glücklichsein brauchen wir keine Sonne!« Oder: »Wir lassen uns unseren Urlaub nicht vermiesen!« Alles Propaganda, Durchhalteparolen. Die Wahrheit sieht so aus: Schlechtes Wetter daheim ist schon schlimm. Im Urlaub ist es eine Katastrophe. Daran ändern auch die
heiteren Spielnachmittage für die »lieben Kleinen« nichts, die aus gutem Grund nicht im Freien, sondern unter Scheunendächern stattfinden. Auch die regelmäßig angesetzten Treffen der Anonymen Alkoholiker oder der »Di-Do-Kurs« der Batikgruppe (dienstags und donnerstags) versprechen nicht die erhoffte Kurzweil. Selbst die angebotenen Bridge-Nachmittage unter der Leitung von Frau von Zitzewitz verdrängen nicht den quälenden Gedanken, daß es vielleicht auf Mallorca wesentlich schöner gewesen wäre ... Und erst die Kinder! Auch mit einem Bombardement von Eis und Pommes lassen sie sich nicht trösten. In Kaufhäusern, Drogeriemärkten und Bummelpassagen hört man die Leidgeprüften überall quaken, weil ihre Eltern mit ihnen dort, die Zeit totschlagen. So haben sie sich den Urlaub nun wirklich nicht vorgestellt (die Eltern beileibe auch nicht). Warum wir trotzdem einen schönen Urlaub hatten? Weil unser Max nicht gemeckert hat. Er hat die Zeit genossen mit Yvonne, einer neuen Freundin, mit der er die meiste Zeit verbrachte. Für ihn spielte der Regen keine Rolle. Weil die Sonne doch auch im Herzen scheinen kann.
Vor dem Weltuntergang bringe ich noch die Pfandflaschen zurück Am 26. Oktober 2028 wird ein riesiger Asteroid namens XF 11 mit einer Geschwindigkeit von 27000 Stundenkilometern auf unserer Erde einschlagen und unseren blauen Planeten und somit die gesamte Zivilisation vernichten. Ende der Veranstaltung. Und tschüs! Die Mitarbeiter der US-Weltraumbehörde NASA und andere wissenschaftliche Kapazitäten meinen zwar, daß der Besucher aus dem All Millionen Kilometer an der Erde vorbeirauschen wird, aber das ist natürlich nur eine Scheinbehauptung, um die Menschheit zu beruhigen. Immerhin haben die Experten in den Redaktionen der Boulevardpresse genau recherchiert ... Oktober 2028. Das ist wirklich nicht mehr lange hin. Jetzt erklärt sich auch, warum unsere Regierung angesichts der galoppierenden Staatsschulden so gelassen bleibt Zwar gehen täglich Millionen an Zinsen für Kredite drauf - aber das macht gar nichts. In 30 Jährchen kommt der große »Knall« - und kein Mensch ist mehr da, der sein Geld wiederhaben will. Das nennt man Weitsicht. Der 26. Oktober 2028 wird ein Donnerstag sein. Schade, so kurz vor dem Wochenende. Ein paar Dinge werden unerledigt bleiben ... Was wird denn eigentlich mit der monatlich fälligen Weltuntergangssteuer, die der Fiskus sicher zu Beginn des neuen Jahrtausends verhängen wird? Muß man für Oktober noch zahlen? Ich rate: Besser ist es! Denn vielerlei kann ich mir vorstellen, aber daß es nach einem Weltuntergang auch keine Finanzämter mehr gibt - das glaube ich nie und nimmer! Ja, wie wird es zugehen an jenem letzten Tag auf unserer Erde?
Susi Super wird noch mal die Wohnung putzen und mich zu den Müllkästen schicken. Ich werde motzen und sagen: »Wozu denn? Hier herrscht doch sowieso morgen das große Chaos. Außerdem, Liebes, bedenke, daß ich achtundsiebzig bin ...« Das wird sie gar nicht beeindrucken, im Gegenteil: Sogar die Pfandflaschen wird sie mir noch in die Hand drücken. Weil vielleicht Außerirdische in unsere Bude ziehen, die dann mäkeln könnten: »Ganz schön wild sieht's bei den Philipps aus!« Unsere Freunde Rüdiger und Bruni werden es sich nicht nehmen lassen, ein letztes Mal vorbeizuschauen vielleicht ist ja bei uns doch noch was im Kühlschrank. Und Max? Der sagt: »Seid mir nicht böse, aber irgendwie habt ihr eine Macke ...« So ist die Jugend von heute. Glaubt nichts! Nicht mal an den Weltuntergang. Und dabei stand das Datum in der Zeitung! Übrigens: Vor ca. 65 Millionen Jahren soll schon mal ein gewaltiger Himmelsstein mit unserem Planeten zusammengestoßen sein. Danach gab's keine Dinosaurier mehr: Jetzt sind wir dran.
Was hat die Polizei eigentlich gegen vollbusige Frauen? 0hne es so recht gemerkt zu haben, ist unsere Welt etwas gerechter geworden. Zu verdanken haben wir die schöne Entwicklung einer Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz. Diese hat sich darauf geeinigt., das Vokabular bei Personenbeschreibungen dem Zeitgeist anzupassen und auf besonders »diskriminierende« Bezeichnungen zu verzichten. Bei der Fahndung nach Verbrechern - korrekterweise müßte man natürlich von »mutmaßlich Tatverdächtigen« sprechen - soll jetzt verstärkt darauf geachtet werden, daß ihre Persönlichkeitsrechte nicht verletzt werden. Besonders emsig brachten sich die Vertreter des saarländischen Innenministeriums ein. Begriffe wie »orientalisch«, »südländisch« oder »slawisch« können ihrer Meinung nach nicht akzeptiert werden. Statt »nordländisch/mitteleuropäisch« zum Beispiel soll es nur noch »europäisch« heißen. Auch der Begriff »negroid« soll bei der Fahndung als Hinweis nicht mehr statthaft sein. Für einen Tatverdächtigen aus Afrika sei allenfalls die Bezeichnung »afrikanisch« zu verwenden, egal ob es sich um einen hellhäutigen Tunesier oder einen tiefschwarzen Ruander handelt. »Afrikanisch« - das würde also auch auf Howard Carpendale zutreffen, der in Südafrika geboren wurde (nur so ein Beispiel, Howie, nicht böse sein!). Verpönt sind auch Dialekthinweise wie »ostpreußisch« oder »pommerisch«. Der Chefredakteur von »Focus«, Helmut Markwort (»Fakten, Fakten, Fakten ...«), schrieb in seinem Magazin-Tagebuch: »Heute ist ein schöner Tag für Straftäter, denn ihre Chancen sind gestiegen, nicht
erwischt zu werden ...« Straftäter in Deutschland können ja ohnehin mit der vollen Milde des Gesetzes rechnen: Kaum hat die Polizei einen erwischt, läßt ein Richter ihn wieder laufen. Die Ordnungshüter - man muß das ja mal positiv sehen leiden dadurch nie an Beschäftigungsmangel. Nach den neuen Verordnungen fürs Verfassen von Fahndungstexten erst recht nicht, seitdem es in Deutschland aus ethischen Gründen keine »Negerküsse« mehr geben darf, sondern nur noch »Dickmanns«, werden wir immer mehr das Land der wahren Werte. Leider haben die Sprachreformer auch einen Begriff auf den Index gesetzt, der mir besonders am Herzen liegt: »vollbusig«. Der sei frauenfeindlich und genauso zu verdammen wie die Bezeichnung »flachbrüstig«, heißt es. Frauenfeindlich - da fällt mir doch gleich Thomas Gottschalk ein. Wie er mal in »Wetten, daß ...?« den olympischen Eisschnelläufer innen mit jovial-onkelhafter Anerkennung an die muskelgestählten Oberschenkel faßte, hat sogar einem bewährten Alt-Chauvi wie mir imponiert. Donnerwetter, der traut sich was! Die drei Damen vom Drill (Gunda Niemann-Stirnemann, Claudia Pechstein und Franziska Schenk) fanden es aber offenbar ganz normal. Ich freue mich schon darauf, wenn sich der ZDF-Gummibär eines Tages mal ein paar Brustschwimmerinnen in seine Sendung einlädt.
Nackte Tatsachen: Der Tag, als man mich für Gerda hielt Wann wird man schon mal unverhofft geküßt? Ganz selten. Ich aber hätte kürzlich das Vergnügen fast gehabt. Fast. Alles im Leben hat bekanntlich einen Haken. Erstens sollte der Kuß gar nicht mir gelten - und zweitens war der Absender ein Mann. Und Männerküsse machen mich sowieso nicht so richtig an. Halt! Was sag' ich denn! Die sozialistischen Bruderküsse zwischen Honecker und Breschnew zum Beispiel - die fand ich sehr anregend. Das waren noch Küsse! Es geschah an einem Tag, an dem ich mal wieder mit Susi Super in die Sauna ging. In der vergangenen Zeit waren wir nur noch gelegentlich dort. Uns stört einfach, daß sich einige Gäste offenbar zu regelrechten Saunaclubs zusammengeschlossen haben. Einmal die Woche treffen sich die Nackedeis und begrüßen sich so lautstark, als wären sie in ihrem eigenen Clubhaus. Die Dauergäste fühlen sich offenbar wie zu Hause und spielen auch schon mal im Ruheraum Skat. Diese gefürchteten Saunisten zeigen immerhin ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Aus der Verhaltensforschung wissen wir, wie wichtig das Abstecken des Reviers ist. Wer als erster die Saunaanlage betritt, geht unverzüglich dazu über, freie Liegen zu reservieren. Wo nehmen diese Leute bloß die vielen Handtücher und Bademäntel her? Wenn die Sauna zum Beispiel um zehn Uhr öffnet und die ersten dreißig Gäste da sind, dauert es keine fünf Minuten, bis rund hundert Liegen besetzt sind. Ein Phänomen. Das sind die von Freundeshand reservierten Plätze für Paule, Moppel, Gabi-Maus, Fritze und Elvira. Sie alle kommen wahrscheinlich erst Stunden später.
Einige reservieren Liegen nicht nur für sich und für die Kumpel, sondern auch noch eine - für die Saunatasche! Da können dann die weiteren Besucher noch so verzweifelt einen Platz suchen - Hauptsache, die Tasche hat ein schönes Plätzchen. Susi Super und ich waren an jenem bewußten Tag die ersten Saunagäste. Alle Liegen waren noch frei. »Laß uns hier in der Mitte bleiben«, sagte Susi. »Wenn die Saunaclique nachher einfällt, stört sie uns hier am wenigsten« Wir legten uns hin. Ich nahm mir eine Zeitung. Plötzlich wurde es turbulent. Auf einen Schlag kamen gut und gern zehn Saunafreunde herein. Einer stürzte sich auf mich und wollte mich küssen. Es war Herbert, wie ich später erfuhr. Herbert hatte mich hinter der Zeitung für Gerda gehalten. »'tschuldigung«, sagte Herbert frohgemut, aber auch ein bißchen vorwurfsvoll, »hier liegt sonst immer unsere Gerda ...« Ausgerechnet! Alle fanden das sehr komisch. Auch Susi Super Irgendwie hatten wir das Gefühl, durch die Verwechslung ein bißchen dazuzugehören. »Gerda«, erzählte Herbert, »ist übrigens eine tolle Frau und noch keine Achtzig!« Leider kam sie an dem Tag nicht. Ich glaube, wir sind da in einen sehr, sehr netten Kreis geraten ...
Falls Sie Politiker werden wollen Gestammelte Werke! Irgendwo wird immer gewählt in unserem Land. Und die Medien sind hautnah dabei. Spannend sind Wahlabende ja eigentlich nicht mehr Um 18 Uhr, wenn die Wahllokale schließen, ertönt auf der Mattscheibe ein Gong - und der Moderator verrät uns eine Prognose, die dem »vorläufigen amtlichen Endergebnis« (auch so ein Begriff!) verblüffend nahe kommt. Wenige Augenblicke später gibt es erste Reaktionen - die Politiker kommen zu Wort. Es ist die hohe Zeit der Realsatire, der Verdrehungen und Verquasungen. Jetzt gehört das Plappern zum Handwerk. Hier ein kleines Brevier mit Wort- und Satzhülsen - für den Fall, daß Sie selbst mal in die Politik gehen wollen ... »Zunächst einmal gestatten Sie mir; daß ich mich bei unseren vielen Helferinnen und Helfern bedanke, ohne die der Erfolg nicht möglich gewesen wäre.« »Es ist doch jetzt nicht an der Zeit, über Koalitionen zu sprechen.« »Unser Dank geht an die Wählerinnen und Wähler ...« »Es ist uns nicht im ausreichenden Maße gelungen, unsere Programmatik zu übermitteln.« »Ich halte es für verfrüht, so wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale eine Analyse abzugeben.« »Das Ergebnis ist für meine Partei und für mich eine Bestätigung unserer Politik der vergangenen vier Jahre.« »Eine Backpfeife für den Bundeskanzler!« »Wir haben die Fünf-Prozent-Hürde zwar nicht genommen, aber immerhin haben wir ein Prozent zugelegt. Das Ergebnis zeigt deutlich, daß mit uns zu rechnen ist.«
»Wir können mit diesem Wahlausgang nicht zufrieden sein. Allerdings mußten wir diesmal gegen den Bundestrend ankämpfen.« »Wir haben einen Erdrutschsieg errungen.« »Der heuchlerische Wahlkampf unseres politischen Gegners konnte unseren Erfolg nicht verhindern.« »Mit Genugtuung muß ich feststellen, daß wir deutlich weniger Stimmen verloren haben, als uns die Meinungsforscher vorausgesagt haben.« »Die Opposition steht im Regen.« »Die fetten Jahre sind vorbei.« »Man kann eben leere Versprechungen nicht als Politik verkaufen.« »Wir sind das Opfer der geringen Wahlbeteiligung.« »Ein historischer Wahlerfolg.« »Ein schwarzer Tag für die ... (CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP PDS - je nach Ausgang der Wahl).« »Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.« »Nicht mit uns!« »Das war (k) eine Testwahl für die Bundestagswahl.« »Die Wählerinnen und Wähler haben sich nicht hinters Licht führen lassen.« »Jetzt heißt es die Ärmel hochkrempeln ...« »Warten wir doch einfach mal das amtliche Endergebnis ab, bevor wir zu spekulieren beginnen.« »Unser Spitzenkandidat hat einen hervorragenden Wahlkampf geführt. Leider hat sein Engagement nicht ausgereicht, um einen Sieg zu erringen.« »Jetzt dürfen und werden wir nicht nachlassen, uns um die Belange der Bürgerinnen und Bürger zu bemühen.« »Ein Blick auf die Wählerwanderung macht deutlich, daß wir dort, wo wir vorher am schwächsten waren, am meisten hinzugewonnen haben.« »Wat mutt, dat mutt.«
Toller Sparvorschlag: Lassen Sie immer das Lichtbrennen ... Rüdiger und Bruni, unsere sparsamen Freunde, kamen zu unserer Weihnachtsfeier diesmal nicht mit leeren Händen. Sie brachten außer Hunger und Durst sogar ein Geschenk für uns mit, was uns sehr gerührt hat. Und zwar einen dieser Kalender, die einem der Apotheker zum Jahreswechsel in die Hand drückt. »Alles Gute von Ihrer Apotheke« stand drauf. »Das war doch nicht nötig«, meinte Susi Super in einem Anflug von leiser Ironie. »Schon gut, schon gut«, erwiderte Rüdiger ausgesprochen generös, »man sagt doch immer: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft ...« Ja, er ist und bleibt eben ein alter Knauser, dieser Rüdiger: Einen eigenen Weihnachtsbaum haben sie sich übrigens auch in diesem Jahr nicht geleistet. Rüdiger: »Ich möchte nicht für das Waldsterben mitverantwortlich sein - außerdem: Es reicht ja, wenn ihr einen Baum habt ...« Im Laufe der letzten Monate ist mir übrigens aufgefallen, daß auch Susi Super Sinn fürs Sparen entwickelt: Eines Tages fragte ich sie: »Kannst du mir sagen, warum in allen Zimmern das Licht brennen muß?« Susi Super belehrte mich dahingehend, daß sie in einer Zeitung gelesen habe, ständiges An- und Ausschalten von Lampen würde viel mehr Energie verbrauchen, als wenn man das Licht einfach anläßt. »Außerdem«, ergänzte sie, »halten die Glühbirnen viel länger!« Dieser Logik folgend, illuminieren wir unsere Wohnung nun sogar dann, wenn wir beispielsweise mal kurz auf den Markt gehen. Als ich kürzlich beim Verlassen der Wohnung aus
Versehen das Licht in der Diele ausknipste, schimpfte unser kleiner Max gleich los: »Papa, du machst die Glühbirne kaputt, das sag' ich Mama .. Ich habe mich natürlich sofort entschuldigt und ein bißchen an meine Kindheit gedacht - damals drohte Papa mit Taschengeldentzug, wenn wir Kinder das Licht brennen ließen. Aber die Zeiten haben sich eben gewandelt. Und außerdem ist es ja auch irgendwie schön, wenn wir behaupten können, der Drei-Personen-Haushalt mit dem höchsten Stromverbrauch in Berlin zu sein. In den vergangenen bitterkalten Tagen war mir noch aufgefallen, daß Susi Super sehr gern bei voller Heizleistung die Fenster offenläßt und praktisch die Straße beziehungsweise den Hof beheizt. Allerdings habe ich sie darauf noch nicht angesprochen. Möglicherweise versteckt sich auch hinter dieser Maßnahme, so unvernünftig sie auf den ersten Blick wirkt, ein Sparfaktor. Und ich kenne ihn nur nicht ...
Heinz Horrmann, Julius Cäsar und Ravioli ohne Trüffel Die Natur hat ihm die Physiognomie eines Mannes verliehen, der in Restaurants den besten Platz zugewiesen bekommt und vom Personal in Luxushotels spontan in die nobelste Suite geführt wird, auch wenn er dort unbekannt ist. Er verkörpert in gewisser Weise das geozentrische Weltbild Goethes - wo er ist, ist immer der Mittelpunkt. Heinz Horrmann ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Mann von »Welt«; denn so heißt die Zeitung, für die er um den Globus jettet, um irgendwo ein Schloßhotel zu eröffnen, einen Luxusliner zu taufen oder mit Donald Trump in New York ein stilles Wasser zu trinken. Daß ich etwas neidisch auf ihn bin, gestehe ich ein. Denn er ist in seiner Redaktion zuständig für alles, was das Leben angenehm macht: Reisen, Autos, Essen, Trinken, Relaxen, Genießen. Das macht mich schon etwas melancholisch, denn meine weiteste Dienstreise hat mich in den Harz geführt - zu einem Konzert von Roberto Blanco. Und wenn ich lustlos in meinem Kantinengulasch rumstochere, weiß ich: Mein Koch hat so etwas wie einen Michelin-Stern noch nie gesehen ... Kürzlich habe ich mich mit Horrmann getroffen. Wir aßen eine Kleinigkeit Ich eine Rinderroulade, er ein paar Wachteleierchen an Salat. Es ergab sich folgender Dialog: Ich: »Wo machen Sie eigentlich Urlaub, Herr Kollege?« Hornmann: »Urlaub? Das Wort kenne ich gar nicht! Bei mir fällt bei jeder Reise ein Thema ab. Jetzt muß ich erst mal nach Florida zum Golfen. Bernhard Langer will mit mir an meinem Bunkerspiel arbeiten. Vorher bin ich noch bei einer Champagnerverkostung und dann bei Lee
Iacocca, der mich zu seinem Geburtstag eingeladen hat. Dann muß ich nach Rom ins >La Posta Vecchia<, das beste Hotel der Welt. Es steht genau an der Stelle, wo es sich schon Julius Cäsar und Marc Aurel gutgehen ließen. Sie kennen sicher die Getty-Suite?« Ich: »Ähh, nein, also, ich war noch nie dort.« Horrmann: »Schade. Kann ich nur empfehlen. Jedes Zimmer hat einen imposanten Kamin mit hervorragend abgelagertem Brennholz. Wo machen Sie eigentlich Urlaub?« Ich: »Wir fahren nach Westermarkelsdorf.« Horrmann: »Sehen Sie, da war ich noch nie. Fehmarn, stimmt's?« Ich: »Ja, genau. Leider hat unser Zimmer keinen Kamin. Ihre Krawatte gefällt mir übrigens. Wo ist die her?« Hornmann: »Das ist eine Scheuer-Krawatte. Die gibt es nur im >Adlon<. Ihre Krawatte ist aber auch hübsch.« Ich: »Oh, danke. Die hat mir Susi Super von C & A mitgebracht.« Horrmann: »Wie originell!« Ich: »Verirren Sie sich als Gastronomiekritiker eigentlich auch mal an eine Imbißbude?« Hornmann: »Wenn Sie schweigen können - ja! Doch das darf ich meinem Freund Alain Ducasse gar nicht sagen. Sie wissen doch, der Meisterkoch. Seine beiden Restaurants - eins in Paris und eins in Monte Carlo - haben jeweils drei Sterne. Ich koche übrigens selbst leidenschaftlich gern. Wo kaufen Sie eigentlich Ihre Trüffel?« Ich: »Wo ich meine Trüffel kaufe? Ja, also ...« Horrmann: »Ich beziehe sie direkt von Bos und habe nur gute Erfahrungen gemacht ...« Als ich am nächsten Tag ein paar Ravioli aus der Büchse aß, fielen mir Horrmanns Trüffel wieder ein. Vielleicht werde ich ja doch ein Mann von Lebensart. Oder besser nicht. Denn von Horrmann weiß ich auch, daß er morgens um fünf aufsteht und tagsüber viel um die Ohren hat. »Hart arbeiten und das Leben genießen ist
kein Widerspruch«, sagt er. Mag ja sein. Aber vielleicht mache ich dann doch lieber 'ne Dienstreise in den Harz.
Magere Statistik: In 79 Jahren küssen wir nur zwei Wochen! Schon verrückt, was Statistiker alles so errechnen. Zum Beispiel, daß der Mensch mit der Luft, die er bis zum 21. Lebensjahr verbraucht, etwa dreieinhalb Millionen Luftballons aufblasen könnte. Ist das nicht wirklich hochinteressant? Was Sie sicher auch schon immer wissen wollten: Wenn wir unsere Fingernägel nie schneiden würden, wären sie 28 Meter lang. Das Händeschütteln - ein Problem! Im Laufe des Lebens hat der Mensch rund 150 Freunde und kann sich die Namen von rund 2000 Personen merken. Ich kann in dieser Statistik nicht vorkommen ich erkenne nach Jahrzehnten jedes Gesicht wieder, aber Namen sind für mich Schall und Rauch. Wie heißt doch gleich meine Frau? Ach, richtig: Susi Super ... Apropos Partnerschaft: Unser Liebesleben bestreiten wir nur mit fünf Partnern - und nur zweimal ist es eine richtig große Liebe. Zum Liebesakt kommt es exakt 2850 mal. Rechnen Sie nach, ob Sie im Schnitt liegen! Sie haben bisher erst ... - ab zur Eheberatung! Ernüchternd: Bei einer Lebenserwartung von 79 Jahren werden wir gerade zwei Wochen lang geküßt. Ich glaub, mich knutscht ein Elch. Vor dem Fernseher sitzen wir übrigens zwölf Jahre. Für diese Leistung müßten wir eigentlich Fernsehgebühren erhalten, statt welche zu zahlen. Sicher wird es Sie noch interessieren, daß ein Baby bis zum zweiten Lebensjahr etwa 150 Kilometer krabbelt und wir in knapp acht Jahrzehnten 22 000 Kilometer zu Fuß zurücklegen. Ob es gut gewesen ist, 7300 Eier zu essen und anderthalb Jahre im Auto zu verbringen, muß sich zeigen.
Statistisch gesehen, bringen es die Mitteleuropäer auf 1,4 Kinder. Das ist erfreulich eigentlich nur fürs erste Kind. Ein Nullkomma-vierer wird es im Leben ganz gewiß nicht leicht haben. Was mir bei all diesen geballten Erhebungen fehlt, sind folgende Rechnungen: Wie lange suche ich im Laufe meines Lebens die Brille? Etwa drei Jahre. Wie lange irre ich durch die Gegend, bevor ich einen Parkplatz finde? Sieben Jahre. Wie lange muß ich das Kind bitten, sein Zimmer aufzuräumen? Zwei Jahre. Wie lange suche ich meinen Autoschlüssel? Ein Jahr. Wie lange eine passende Krawatte? Zwei Jahre. Prima. Dann werde ich ja 94 - schönes Alter!
Nachruf auf eine Gruppe, die kein Mensch hören wollte
Der »Spiegel« nannte sie die »Beatles der Weimarer Republik« und »Germaniens erste Boy Group in Frack und Zylinder«. Beim kleinen grünen Kaktus - hier ist von den »Comedian Harmonists« die Rede, deren Renaissance allerorten für Aufsehen sorgt. Der Film von Joseph Vilsmaier über Leben und Schicksal dieser Vokalkönner ist ebenso im Gespräch wie die spektakuläre Theaterinszenierung von Martin Wölffer in der »Komödie am Kurfürstendamm«. Bei all der verständlichen Begeisterung klingt bei mir auch ein wenig Wehmut mit - ist doch bei den nostalgischen Klängen eine andere »Boy Group« gänzlich in Vergessenheit geraten. Oder kennen Sie noch »Die Heiducken«? Sicher nicht.. Hohe Zeit also, Ihnen diese einst so unbeschwert und schwungvoll aufspielende Formation in Erinnerung zu rufen, deren erster großer Auftritt sich zum 30. Male jährt ... Um gleich das Geheimnis zu lüften: Hier schreibt ein ehemaliger »Heiducke« sozusagen in eigener Sache. Will man im »Spiegel«-Stil bleiben, könnte man sagen, daß »Die Heiducken« obwohl sie ihren Namen von ungarischen Schafhirten ableiteten - »Germaniens erste Boy Group im KosakenLook« waren! Wir sangen internationale Folklore, aber vor allem russische Volkslieder. Bei unseren Auftritten Mitte bis Ende der sechziger Jahre hatten wir Russenkittel an, trugen hohe Lederstiefel und hatten echt russisch und zünftig - einen Fell-Pfiffi auf dem Kopf. Mein Papa war entsetzt, als er uns zum erstenmal sah. Er war mit ziemlicher Verspätung aus russischer
Gefangenschaft heimgekehrt - und nun gab sein Sohn einen gitarrespielenden Kosaken auf der Bühne ... Auch andere witterten Unrat. Vor allem einige Mitglieder der Neuköllner Magdalenen-Gemeinde, unter deren Dach wir musizieren und proben durften. Sie argwöhnten: »Alles Kommunisten!« Mit unseren aus heutiger Sicht eher bescheidenen musikalischen Mitteln spielten wir in den FolkloreKneipen jener Zeit, im »Go-In« etwa oder im »Danny's Pan«, wo zum Beispiel auch Reinhard Mey, Hannes Wader oder Jürgen von der Lippe ihre Karriere begannen. Bei uns allerdings ist es beim fulminanten Start geblieben. Vielleicht hätten wir dem Rat eines wackeren Rundfunkmannes folgen und uns einen englischen Namen geben sollen, etwa »The Hayducks« oder so ähnlich. Möglicherweise hätte das ja den Durchbruch gebracht, und man würde heute über uns Bücher schreiben, TVDokumentationen drehen, und in Hollywood könnte »Atze« Brauner endlich seinen längst verdienten »Oscar« für eine treffliche Verfilmung der Karriere der »Heiducken« in Empfang nehmen ... Einfach irre spannend, was aus uns so alles wurde: Speditionskaufmann, Beamter; Mathematiker; Lehrer; Lohnschreiber, Bohemien. Ein Weiberheld war auch dabei - wie bei den »Kollegen« von den »Comedian Harmonists« ... Wann kommen »Die Heiducken« in die Kinos?
Familientreffen und Papas Worte: »Halt die Klappe, Junge!« m Berliner »Hansa-Theater« läuft gerade ein Stück mit dem Titel »Halt die Klappe, Junge«. Das Publikum hat seinen Spaß. Es geht um die höchst fragwürdige Ausgelassenheit, die bei Familienzusammenkünften zu entstehen pflegt. Man kennt das. Treffen dieser Art sind nicht jedermanns Sache. Erlebnisse aus der Kindheit werden wach ... Wenn es im Sommer sonntags zu Tante Gertrud ging, mußte ich immer kurze Hosen und weiße Kniestrümpfe tragen. Die Tante war mir nicht sympathisch. Vielleicht lag es einfach daran, daß sie mich stets mit den Worten begrüßte: »Na, du Murkel, willst du überhaupt nicht wachsen?« Zu Tante Gertrud gehörte auch ein Mann. Das war Onkel Gerhard, ein emsiger Hobbyfotograf. Kaum angekommen, mußten wir uns schon im Halbkreis aufstellen und besonders blöd in die Kamera gucken. Allerdings bekamen wir von dieser familiären Nervensäge nie auch nur ein Foto zu Gesicht. Er soll sehr geizig gewesen sein, und so vermute ich, daß er überhaupt keinen Film in der Kamera hatte. Zu Tante Erna ging ich zunächst sehr gern. Sie konnte gut mit uns Steppkes umgehen - vielleicht deshalb, weil sie selbst schon einen Sohn großgezogen hatte. Irgendwann jedoch entwickelte sich Tante Erna zur Kritikerin meiner Eltern. Ein innerer Zwang veranlaßte sie, ständig an unserer Erziehung herumzunörgeln. »Ich finde, der Junge sollte nicht aufstehen dürfen, bevor er aufgegessen hat.« - »Na, das hätte sich meiner mal erlauben sollen!« - »An dem Knaben werdet ihr noch eure Freude haben ...«
Der Sohn von Tante Erna - ihr ganzer Stolz - war eines Tages in der Zeitung abgebildet. Es war ein Fahndungsfoto. Der guterzogene Junge war in Geldnot geraten und hatte in einer Bank mit einer Spielzeugpistole die Kassiererin bedroht ... Familienfeste sind in aller Regel für Heranwachsende ein Greuel. Ich denke nur an eine Hochzeit. Zwölf Jahre war ich alt. Auf dem Weg dorthin instruierte mich mein Vater; daß man auf einer Gesellschaft immer erst die Damen begrüßt und dann die Herren. Mein Vater war eine Respektsperson, sein Wunsch war mir Befehl. Als wir ankamen, waren rund fünfzig Gäste da, verteilt in mehreren Räumen. Ich ging brav von Dame zu Dame, würdigte aber die dabeistehenden Herren keines Blickes — erst die Frauen! Irgendwann traf ich Papa. Er gab mir erst mal eine Ohrfeige. »Was ist denn los?« fragte ich mit weinerlicher Stimme. »Du hast Opa nicht die Hand gegeben«, sagte Papa höchst verärgert. Und ich verteidigte mich: »Aber du hast doch gesagt, ich soll zuerst die Frauen begrüßen ...« »Halt die Klappe, Junge!« sagte mein Vater daraufhin (wie in dem Theaterstück oben). Familienfeste sind auch heute noch gelegentlich der blanke Horror Hauptsache, man versteht sich nicht und nimmt übel. Verwandte sind eben die Strafe Gottes dafür, daß man sich Freunde selbst aussuchen kann. Jetzt hör' ich richtig, wie mein Vater aus dem Himmel mir zugrollt: »Halt die Klappe, Junge...«
Als ich noch vom englischen Königshof berichtete ... Chefredakteure und Verleger in aller Welt stellen sich immer wieder diese eine Frage: Was will der Leser lesen? Natürlich möchte er umfassend und kompetent informiert sein. Er will sich unterhalten lassen, will von neuen Trends erfahren und interessiert sich für Lebensart ebenso wie für Politik und Kultur. Was will der Leser lesen? Eine Frage und, ach, unendlich viele Antworten. Als junger Mensch habe ich mal eine Geschichte totrecherchiert. »Totrecherchiert« ist eine Geschichte dann, wenn das Ergebnis der Recherche dem Leser nicht zuzumuten ist, aus welchen Gründen auch immer ... In einem ZDF-Krimi war mal eine junge Reporterin zu sehen, die den Machenschaften eines skrupellosen Baulöwen auf die Schliche kam. Bald stieß sie auf den eigentlichen Drahtzieher. Es war ihr Verleger. Die Geschichte wurde nicht gedruckt — totrecherchiert ... Auch ich war, wie gesagt, mal an einer Geschichte dran, die letztlich nicht veröffentlicht wurde. Ist schon mehr als 25 Jahre her, also längst verjährt. Ich war damals bei einer der wöchentlich erscheinenden Illustrierten, bei denen gekrönte Häupter die Hauptrolle spielen. Nachdem man mir als blutigem Anfänger so immens wichtige Kolumnen wie »Tiere - unsere besten Freunde«, »Kinder schenken soviel Freude« und »Mein schönstes Gedicht« anvertraut hatte, sollte ich auch noch das englische Königshaus übernehmen. Da der Verlag aber Reisekosten sparen wollte, durfte ich jedoch nicht in London vor Ort recherchieren, sondern mußte meine höchst exklusiven Sensationsberichte in meinem kleinen
Redaktionskämmerlein erfinden, das gleichzeitig als Archiv, Besenkammer und Getränkedepot diente. Eines Tages gab mir meine Chefredakteurin folgenden Auftrag: »Finden Sie heraus, warum Lord Snowdon nicht mehr auf den Fotos der englischen Königsfamilie auftaucht Vielleicht kriselt es ja in der Ehe mit Prinzessin Margaret .. Prinzessin Margaret, die Schwester von Königin Elizabeth, war damals mit dem Fotografen Lord Snowdon verheiratet. Meine Beziehungen zum englischen Königshaus waren nicht sehr ausgeprägt ... Immerhin hatte ich die Telefonnummer des Fotografen Ray Bellisario. Er war ein intimer Kenner der Szene und mal mit Lord Snowdon befreundet. Als ich ihm die Frage meiner Chefredakteurin übermittelte, fing er laut an zu lachen und klärte mich auf. Lord Snowdon leide seit langem an Hämorrhoiden und sei operiert worden. Durchlaucht könne weder stehen noch sitzen - und erst recht nicht freundlich in die Kamera gucken. Deshalb keine Fotos ... Ich war glücklich. Was für eine Geschichte! Ich war sicher: Fortan habe ich in der Redaktion den Spitznamen »Die Spürnase« weg. Am nächsten Tag durfte ich meiner Chefredakteurin die höchst erfreuliche Nachricht übermitteln, weshalb Lord Snowdon auf keinem offiziellen Foto der königlichen Familie zu sehen war: »Hoheit hat Hämorrhoiden und kann nicht sitzen und nicht stehen!« sagte ich stolz. »Schade«, meinte die Chefredakteurin, »die Geschichte ist gestorben. Sie können doch nicht ernsthaft glauben, daß wir unseren Lesern königliche Hämorrhoiden verkaufen können.« Ich war sehr enttäuscht Und ich rächte mich. Das Wort Hämorrhoiden heißt im Englischen sympathisch knapp »piles«. Fortan unterschrieb ich meine Artikel mit dem Pseudonym Phil Piles. Nicht lange. Dann hingen mir die gekrönten Häupter mitsamt ihren Krankheiten zum Halse heraus.
In dem an Verdrießlichkeiten so reichen Journalistenleben kann man allerdings auch zuweilen ganz unverhoffte Erfolge verbuchen, wie sich viele Jahre später zeigen sollte. Als Ressortleiter der Wochenendbeilage fand ich im Urlaub in meinem Blatt einen eher unappetitlichen Beitrag über eingewachsene Fußnägel. Nie und nimmer hätte ich den gedruckt! Als ich wieder an meinen Arbeitsplatz zurückkehrte, war die Hölle los. Noch nie in meiner fast dreißigjährigen Journalistenlaufbahn erlebte ich eine so überwältigende Reaktion. Die Telefone standen nicht still. Die ganze Menschheit schien unter eingewachsenen Fußnägeln zu leiden und erkundigte sich nach Adressen und weiterreichenden Informationen. Noch Monate später erreichten uns schriftliche und telefonische Anfragen. Und dabei hatten wir einfach nur den Fußnagel auf den Kopf getroffen. Ein deprimierender Rückblick: Eingewachsene Fußnägel waren unser größter journalistischer Coup. Und ich hätte ihn fast verhindert ... Das will der Leser lesen!
Max will nicht mehr schweigen eine Abrechnung Mein Sohn Max hat gefragt, ob er für mein neues Buch nicht auch mal was schreiben könnte. »Kein Problem«, habe ich gesagt, »Junge, schreib einfach los.« Und dann hat sich Max an den Computer gesetzt und hat losgeschrieben. Und zwar einen Artikel über alte Leute (das sind aus der Sicht eines Achtjährigen alle über zwanzig). Ich habe ihm ein bißchen dabei geholfen und angeboten, für ihn Sekretär zu spielen. Also diktierte mir Max seinen Artikel: »Alte Leute haben Angst vor jeder Kleinigkeit. Zum Beispiel, wenn ein Kind hinfällt, rufen sie gleich: >0oooch, hoffentlich hat sich das Kind nicht weh getan. Ich muß schnell ein Pflaster holen.< Alte Leute haben altmodische Sachen an. Rosa, orange, gelb. Alte Leute meckern immer. Auch wenn ich auf der Umrandung in Omas Garten stehe. Oder Opa Angst um seinen Rasen hat. Als ich mal auf meinem Beet war und gerade da ein bißchen geharkt habe, da kam mein Opa aus der Laube und hat gesagt: >Komm runter von dem Beet.< Da hab' ich gesagt: >Opi, das ist meine Stelle, Omi hat sie mir geschenkt.< Da hat Opi gesagt: >Oma hat nichts zu sagen.< Als ich gestern beim Chinesen war, da habe ich mir Stäbchen bestellt Zuerst konnte ich es noch nicht, bis ich ein Körnchen geschafft hatte. Draußen hat es, wie üblich, geregnet. Und als wir fertig waren mit dem Essen, da sind wir rausgegangen. Da gab es eine kleine chinesische Brücke mit vergoldeten Löwenköpfen. Und vor der Eingangstür standen zwei große Löwen. Die waren nicht vergoldet.
Dann bin ich mit Mama und Papa im Auto nach Hause gefahren. Da habe ich immer Bier-Werbung gesungen. Oder andere Sachen. Und hier hört ihr eine Werbung von mir: De-de-de-de-de - heute ein König. König Pilsner. Das König der Biere.« Wie schön: Der Nachwuchs geht seinen Weg!
Der Kanzler aus der Lostrommel Es war eine jener Meldungen, die nicht das ganz große Interesse der Medien wecken. Die Nachricht, die nicht um die Welt ging, kam aus Brandenburg. Dort hat man in einer Gemeinde den Bürgermeister per Losentscheid ermittelt Da denkt man natürlich sofort an die Verleihung von Film- und Fernsehpreisen oder sogar an den Glanz, der einer Oscar-Vergabe in Hollywood innewohnt: »The winner is ...« »Einer wird gewinnen« - verdammt, jetzt sind wir schon wieder beim Fernsehen. Aber wahr ist doch: Einer wird die Bundestagswahl gewinnen. Und wenn nichts Gravierendes dazwischenkommt, wird am Ende eines langen Wahlkampfs wieder ein Bundeskanzler gekürt. Vielleicht ist es der alte, dem nichts Neues einfällt. Oder ein neuer, der möglicherweise alt aussieht? Wen sollen wir bloß wählen? Ratlos stehen wir am Mahnmal des unentschlossenen Wählers und denken an den Brandenburger Losentscheid. Genau, warum lassen wir nicht einfach Fortuna entscheiden und den Bundeskanzler aus der Lostrommel ziehen? Damit könnten wir uns das übliche Wahlkampf Gesabbel sparen und uns auf eine schöne Fernsehshow freuen. Karin Tietze-Ludwig, die Lottofee a. D., könnte man sicher schnell reaktivieren, damit sie dann mit erhobener Stimme verkündet: »Bundeskanzler ist...« Wen also packen wir in die Lostrommel? Natürlich den Helmut. Der hat einfach Gewicht. Gerhard? Klar. Der hat sich ja viel vorgenommen und freut sich schon auf die Kinderzimmer, die der Helmut für die Kanzlerwohnung in Berlin einplanen ließ. Oskar? Unbedingt! Aber da nehmen wir doch lieber nicht
den aus dem Saarland, sondern den Oskar aus der Mülltonne (»Sesamstraße«). Franz Beckenbauer? Ja, doch. Ein Kaiser als Kanzler - das würde unser Land schon schmücken. Seine vielen Werbeaufträge und sein Job bei Bayern München? Das kriegt der schon hin. Schaun mer mal. Jürgen Möllemann fänd' ich ja gut (die älteren Leser werden sich sicher noch an die FDP erinnern). Der Mann sagt zwar nichts Konkretes. Aber das mit Nachdruck. Und er ist Fallschirmspringer. Da besteht immer die Hoffnung, daß ... Fast hätt' ich Ulrich Wickert vergessen. Das wäre auch ein Kanzler, der uns guttun würde. Ich sehe ihn schon, wie er dasteht zwischen Clinton und Arafat, sein »Buch der Tugenden« in der Hand, natürlich rein zufällig. Schließlich möchte ich noch meinen Freund Rüdiger ins Glücksrennen schicken. In Zeiten knapper Kassen wäre ein Spar-Kanzler nicht schlecht. Der würde auch gar nicht ins neue Kanzleramt ziehen wollen. Er hat doch seine schöne Drei-Zimmer-Wohnung. Wahlen und Lotterien haben übrigens etwas gemeinsam. Danach heißt es immer: Ohne Gewähr!
Wenn der Taxifahrer sanft entschlummert ... Berlins Taxifahrer hatten mal einen guten Ruf. Sie kannten sich aus. Natürlich gibt es auch heute noch die souveränen Großstadtchauffeure, die genau wissen, wie man zu welcher Zeit am schnellsten ans Ziel kommt. Nur: Diese Gattung ist offenbar vom Aussterben bedroht. Immer öfter trifft man jene Droschkenkutscher, die wie angeschossene Brotfliegen durch die Stadt irren und pausenlos darüber jammern, wie schwer der Job nach dem Fall der Mauer geworden ist. Erst kürzlich stürzte ich schreiend aus einem Taxi, in das ich gerade erst gestiegen war. Der Fahrer hatte nicht gewußt, wo das Neuköllner Krankenhaus ist, eines der größten in Berlin! Immerhin: »Gehört habe ich davon schon mal«, sagte er, als er zum Stadtplan griff. Aber da war ich bereits auf und davon. Früher hieß es, daß jeder Berliner Taxifahrer weiß, wo Harald Juhnke wohnt (Lassenstraße, an der Ecke Koenigsallee). Einmal stellte ich einem Taxifahrer diese Frage, nur so aus Jux. Er antwortete: »Tut mir leid, ich lese nur die >Frankfurter Rundschau<, und da steht so was nicht drin.« Der Entertainer ist übrigens mal verärgert aus einem Taxi ausgestiegen. »Ich will nach Hause«, hatte er gesagt, aber der Fahrer fragte nach der genauen Adresse. Juhnke: »Det kann doch keen Berliner Taxifahrer sein, wenn der nich weeß, wo Harald Juhnke wohnt ...« Einst fragte der Taxifahrer den Gast, welche Strecke er denn fahren solle. Er kannte drei verschiedene Möglichkeiten. Auch heute wird gelegentlich nach der Strecke gefragt. Aber aus einem ganz anderen Grund: Er
kennt nicht eine ... Die Zeiten haben sich eben geändert. Und mit ihnen die Berliner Taxifahrer. Zum Beispiel jener, der völlig überfordert war, als er vom Gendarmenmarkt in die Lietzenburger Straße fahren sollte. Oder der im wahrsten Sinne des Wortes nicht gerade ausgeschlafene Typ, der im Stau auf dem Berliner Stadtring ein Nickerchen machte und vom Fahrgast zur Weiterfahrt geweckt werden mußte. Man spricht in diesem Falle vom »Dienst am Taxifahrer«. Einmal winkte ich am Kurfürstendamm nach einer Droschke. Hinter dem Steuer saß eine sehr korpulente und in Ehren ergraute Dame, die etwa an die Siebzig war. So eine, dachte ich, die ist noch vom alten Schlag. Die kennt sich aus und hat bestimmt mehr drauf als all die aus dem Heer der Ahnungslosen, die ihren Taxischein in der Lotterie gewonnen haben. »Ich möchte gern in die Preußenallee, genauer gesagt, zum Steubenplatz«, sagte ich. Die Taxifahrerin: »Welcher Bezirk?« Ich: »Natürlich Charlottenburg.« Die Taxifahrerin: »Ach ja, ich dachte mehr an Spandau. Aber da kenn' ich mich auch nicht so richtig aus.« Ich: »Sagen Sie bitte, wie lange fahren Sie denn schon?« Die Taxifahrerin: »Seit einer Woche! Ich muß mich erst noch ein bißchen orientieren. Aber es wird schon werden...« Dem Nachwuchs eine Chance! Übrigens äußern zuweilen Taxifahrer auch ihren Unmut über ihre Fahrgäste. Wer etwa vom West- in den ehemaligen Ostteil der Stadt gebracht werden möchte, bekommt dann zu hören: »Ach herrje, da komm' ich ja nie wieder weg ..« Hat eigentlich der frühere US-Präsident Ronald Reagan an die Berliner Taxifahrer gedacht, als er vor dem
Brandenburger Tor seine historische Rede hielt, die mit dem Satz endete »Mister Gorbatschow, machen Sie das Tor auf!«?
So schön schreibt's sich mit MAK, AND, ERW, ÜB, S1, Ab 1,1/1 ! Ich schaue auf meinen Computerbildschirm - und was sehe ich? Links oben steht »W Microsoft Word«, dann folgen lauter kleine Kästchen, auf denen ist zu sehen: ein abgeknicktes Blatt, eine aufgeschlagene Aktenmappe, ein Gerät, das aussieht wie ein alter Volksempfänger, ein Drucker mit einem Blatt Papier, ein abgeknicktes Blatt mit einer Lupe, ein ABC-Zeichen, eine Schere, zwei übereinandergelegte abgeknickte Blätter, ein Köfferchen und ein halbes abgeknicktes Blatt, ein kleiner Besen, ein Pfeil, der nach links hüpft, ein Pfeil, der nach unten zeigt, ein Pfeil, der nach rechts hüpft. Es folgen noch rund 26 andere Kästchen, auf die ich ratlos schaue und an die ich mich in den vergangenen Jahren irgendwie gewöhnt habe, obwohl ich gar nicht weiß, was sie bedeuten. Unten auf dem Bildschirm sind dann noch ein paar andere Kästchen, auf denen steht: MAK, AND, ERW und ÜB. Und: S 1, Ab 1,1/1, bei 11 cm Ze 23 Sp 11. Ganz unten am Bildschirmrand habe ich noch zu bieten: Start, Lebenslagen, W Microsoft Word, Bereit, 16:23 Uhr. Umzingelt von all diesem Computergewusel, soll ich meine Texte schreiben. Meine Leser haben ein Anrecht darauf, daß sie unterhaltsam sind und den ganzen aberwitzigen Irrsinn des Alltags auf die Schippe nehmen. Wie soll das klappen angesichts dieser Fülle von optischen Störenfrieden? Es muß jetzt raus: ICH habe den Computer nicht gewollt. Ich bin ein Pflegefall in puncto Technik. Ich verzweifle schon am automatischen Anrufbeantworter (der ja, genaugenommen, überhaupt keine Anrufe beantwortet). Ich kann auch unseren Videorecorder nicht bedienen.
Folglich habe ich auch noch nie eine Sendung aufgezeichnet. Vor wenigen Tagen war ich das erste Mal in einer Videothek. Aber nur, weil Max ein Eis wollte (wenn es an Tankstellen Salami gibt, kann man auch in einer Videothek ein Eis kaufen). Susi Super hat den Computer gewollt. Sie erklärte mir, daß man ohne Computer heutzutage jede Daseinsberechtigung verloren habe. Und wie ich noch weiß, war unser Sohn Max gerade fünf Jahre alt, als er sagte: »Papa, ein Computer ist echt cool.« Seit dieser Zeit schreibe ich meine Texte nicht mehr auf meiner guten alten Triumph-Adler, sondern auf »Windows 95«. »Window« heißt bekanntlich Fenster — und das entspricht in gewisser Weise meinen Erfahrungen. Viele meiner Texte sind schon einmal sozusagen »zum Fenster rausgeflogen«, waren irgendwo verschluckt, verschwunden, und ich sah sie nie wieder Immer wenn ich mein geliebtes Computergenie Susi Super aufgeregt herbeirufe, weil wieder alles weg ist, schaut sie mich mitleidig an und meint: »Du Dummerchen hast mit deinen dicken Fingern vermutlich eine Wegschmeißorder gegeben ...« Gott, was ist nicht alles aus meinem Gesamtwerk auf der Festplatte vernichtet worden: Romane von Weltrang, Gedichte, literaturnobelpreisverdächtige Erzählungen, ach, was weiß ich. Wozu schreibt man das eigentlich alles, wenn es vom Fortschritt sogleich vernichtet wird? Ein bißchen getröstet hat mich ja, daß selbst der Oberguru des Computerzeitalters, Bill Gates, nicht alles im Griff hat. Als er der Weltöffentlichkeit in Amerika das neue Betriebssystem »Windows 98« vorstellte, das in der Werbung als besonders absturzsicher gepriesen wurde — stürzte das ganze System ab. »Es gibt noch viel zu tun«, soll Bill Gates lächelnd gesagt haben. Eine gute Idee.
Fangt schon mal damit an, all die Kästchen auf dem Bildschirm abzuschaffen. Damit man wieder ordentlich schreiben kann.
Einfach toll: Beisetzungen werden immer fröhlicher! Immer mehr Menschen gehen dazu über, schon zu Lebzeiten ihre eigene Beisetzung zu inszenieren. Penibel legen sie fest, wie die Zeremonie ablaufen, welche Musik gespielt werden und wer zu Wort kommen soll. Natürlich sind die Angehörigen bemüht, die letzten Wünsche des Verstorbenen zu erfüllen. Und so kommt es, daß Beisetzungen gelegentlich zu regelrechten Happenings geraten. Als in Berlin der Regisseur und Medienmanager Ulrich Schamoni das Zeitliche segnete, veranstalteten die Hinterbliebenen ganz im Sinne des Verblichenen auf dem Friedhof eine richtig schöne Sause. Eine Blaskapelle spielte groß auf und schmetterte preußische Märsche. Eine Beisetzung mit Pauken und Trompeten, sozusagen. Und weil Schamoni für sein Leben gern Grappa trank (für sein Leben - darf man das von einem Toten überhaupt sagen?), wurden der Trauergemeinde größere Einheiten des italienischen Modegesöffs verabreicht. Es war, wie alle fanden, eine schöne Beisetzung. Besonders die alkoholfreudigen Gäste begrüßten die Grappageste und äußerten sich positiv. Normalerweise fließt der Sprit ja erst nach der Beisetzung. Wenn diese saloppe Form der letzten Ehrerweisung Schule macht, geht es auf unseren Friedhöfen bald zu wie auf einem Straßenfest. Von wegen - letzte Ruhe ... Na, mir ist es egal. Ich habe schon viel zu viele Beisetzungsschnurren erlebt. Etwa, als sich Omas Sarg beim Hinablassen in der Gruft verkantete, weil einem Sargträger das Seil entglitt. Arme Oma! Und dann war da noch meine Schwester Renate, die angesichts dieser skurrilen Situation einen
Lachkrampf bekam! Bizarr - aus heutiger Sicht - auch die Beisetzung meines Vaters, als sich der Pfarrer mit der Urne auf dem Weg von der Kapelle zur Grabstelle verlaufen hatte und die Trauergemeinde auseinanderstob, um die richtige Stelle zu suchen (Papa hätte sich totgelacht, wenn er nicht schon ...). Ja, wenn es besonders feierlich zugehen soll, wird es manchmal richtig komisch. Dazu ist das inszenierte Happening eine echte Alternative. Ich habe auch schon alles geklärt, Susi Super weiß Bescheid. Als Freund des Gerstensaftes habe ich bereits mit der Schultheiss-Brauerei Kontakt aufgenommen. Vielleicht könnte sie meine Beisetzung sponsern. Das stelle ich mir schön vor: An meinem Grab stehen meine Freunde mit einem frischgezapften Bier in der Hand. Und der bestellte Redner ergreift das Wort: »Plötzlich und unerwartet riß ihm der Tod das Bierglas aus der Hand.« Wenn das keine schöne Beisetzung wird!
Fünf Wünsche und eine gute Nachricht für russische Rentner Ich wünsche mir: Daß die selbsternannte »Weltmannschaft« Bayern München am Ende dieser Bundesligasaison zur Abwechslung mal auf einem Platz im Mittelfeld landet So daß die Millionäre in den kurzen Hosen und ihr penetranter Lautsprecher Hoeneß dann die UEFA-Cup-Spiele und die Begegnungen der Champions League lediglich im Fernsehen verfolgen können. Platz 10 für die Bayern - das wäre was! Meine Vision: Jeder Fußballfan in Deutschland, der die Münchner Bayern unsympathisch findet, schickt mir eine Mark. Was soll ich bloß mit den Millionen machen? Ich wünsche mir: Eine eigene Fernsehshow für Roberto Blanco (aber verschlüsselt) - damit er nicht mehr bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten seinen Auftritt suchen muß. Ich wünsche mir: Daß mich die Verkäuferin am Wurststand in meinem Supermarkt nicht mehr ignoriert. Kürzlich ereignete sich dies: Ich hatte schon geduldig an die zehn Minuten gewartet, als ich endlich rankam. »Ich hätte gern hundert Gramm Mortadella«, sagte ich, aber das nahm die Verkäuferin schon nicht mehr so recht wahr. »Ich muß jetzt zum Fleisch«, rief sie mir zu und lief zehn Meter weiter zum Fleischstand, wo sie schon von einigen genervten Kunden erwartet wurde. Die arme Frau tat mir irgendwie leid. Aber ich mir auch. Kaum bin ich dran, ist das Personal auf der Flucht. »Ist der Wurststand jetzt geschlossen?« erkundigte ich
mich. »Ich habe nur zwei Arme und kann mich nicht zerteilen«, erwiderte sie. Das sah ich ein und beschloß, doch lieber abgepackte Wurst aus der Truhe zu kaufen. Dort angekommen, beobachtete ich, wie zwei Verkäuferinnen und zwei Verkäufer offenbar von der Mittagspause kamen und den Personalengpaß beendeten. Nun flutschte es wieder am Stand. Als Susi Super daheim die abgepackte Mortadella entdeckte, moserte sie: »Ich finde, du könntest dich ruhig auch mal am Wurststand anstellen ...« Ich wünsche mir: Daß Susi Super ihre Einkaufszettel deutlicher schreibt Vorige Woche stand darauf: »Milch, Butter, 500 Gramm Gehacktes, Eistee, Tucher.« Donnerwetter; dachte ich, die Gute hat mir sogar wohlschmeckendes Tucher-Bier zugedacht, wie aufmerksam. Letztlich stellte sich heraus: Sie hatte nicht »Tucher«, sondern »Tücher« geschrieben. Ich wünsche mir: Daß den Rentnern in Deutschland das Schicksal einiger Rentenempfänger in Rußland erspart bleibt, die statt mit Geld mit Strumpfhosen bedacht werden. Wie soll der russische Arbeitsminister Blümissowitsch gesagt haben: »Die Strumpfhosen sind sicher!« Immerhin!
Harald Juhnke, Paulchen Kuhn und Sinatra war so nah ... Manche Dinge klappen einfach nicht. Das M wird sich auch der Schauspieler und Entertainer Harald Juhnke gedacht haben, als er vorn Tod Frank Sinatras erfuhr. Wie gern wäre er seinem großen Idol mal persönlich begegnet und hätte mit ihm ein paar Worte gewechselt. Kein anderer hat die Songs von Frankie-Boy, wie etwa »My Way« oder »New York, New York«, so verinnerlicht und deutsch interpretiert wie Juhnke. »Einmal«, so erzählte mir der Schauspieler in seiner Grunewaldvilla in Berlin, »hätte es fast geklappt, aber leider nur fast.« Irgendwann in den achtziger Jahren gab Sinatra mal ein Gastspiel im Pariser »Lido«. Johnny Stark, der damalige Manager von Mireille Mathieu, hatte einen guten Draht zu dem US-Star. Er versprach Harald Juhnke, ein Treffen mit Sinatra zu arrangieren. Und Paulchen Kuhn sollte auch dabeisein. »0l' Blue Eyes« erklärte sich tatsächlich bereit, die beiden zu begrüßen. So verabredeten sich Harald und Paulchen am Abend der großen »Lida-Gala in der Bar ihres Hotels, beide entsprechend aufgeregt vor dieser langersehnten Begegnung. Harald lud Paulchen zu einem Drink ein. Paulchen revanchierte sich. Harald zog nach, dann wieder Paulchen, und so weiter. Die Stunden vergingen. Irgendwann soll Harald zu Paulchen gesagt haben: »Du, ick gloobe, wir haben einen zuviel jenommen ...« Und auch Paulchen wurde nachdenklich und meinte sinngemäß: »In unserem Zustand können wir unmöglich dem großen Sinatra gegenübertreten.«
Die Herren beschlossen, zu bleiben, wo sie waren. Am nächsten Tag rief Johnny Stark bei Juhnke an und fragte, wo sie denn bloß gesteckt hätten, es sei doch alles arrangiert gewesen. Und Juhnke beichtete, daß sie ein bißchen zu tief ins Glas geschaut hätten - und darum lieber nicht gekommen seien. Da muß Johnny Stark offenbar laut gelacht und gesagt haben: »Ihr hattet einen zuviel intus? Na, das hätte ja prima gepaßt - Frankie war auch hackestramm ...« Nun ist Frank Sinatra tot. Und Johnny Stark auch. Harald und Paulchen sind noch enorm in Form. Aber zuweilen ärgern sie sich über diesen verflixten Tag, an dem sie fast Frank Sinatra getroffen hätten. Vielleicht ein kleiner Trost für Harald und Paulchen: Manche Begegnungen, die tatsächlich zustande kommen, können auch zu einem Ärgernis werden. Diese Erfahrung mußte der brasilianische Fußballstar Ronaldo machen. Er gilt als der beste und teuerste Fußballer der Welt. Seine Fans nennen ihn den »Außerirdischen«. Als Ronaldo bei einer Audienz im Petersdom dem Papst vorgestellt wurde, stellte sich heraus, daß der Heilige Vater den berühmten Ballzauberer gar nicht kannte. Er fragte ihn: »Und was machst du, mein Sohn?« Artig mußte sich der publicityverwöhnte »Fußball-Gott« vorstellen. Die italienischen Medien überschlugen sich vor Häme. Die Blamage hätte sich Ronaldo ersparen können, wenn er mit Harald und Paulchen angereist wäre ...
Wenn der Golf-Profi patzt, freut sich der Anfänger Wir leben in schwierigen Zeiten. Steffi Graf (vormals »unsere Steffi«) spielt sich nur noch von Weinkrampf zu Weinkrampf. Boris Becker (vormals »unser Boris«) läßt andere spielen, und wenn er selbst das Racket schwingt, schwingt auch schon mal etwas Mitleid mit. Michael Stich - er war merkwürdigerweise nie so recht »unser« hat sich sein Haar lang wachsen lassen und kommt nur noch in den Zeitungskolumnen vor, die da heißen: »Was ist eigentlich geworden aus ...?« Und schon sind wir bei Franziska van Almsick und bei Henry Maske, der sich immer noch beim Sprechen selbst ins Wort fällt - längst ist es time to say good-bye, old Henry! Michael Schumacher (vormals »unser Schumi«) parkt immer häufiger im Kiesbett. Jan Ullrich ist stolz, bei der Tour de France Zweiter geworden zu sein. Bescheidenheit - die neue Zier der deutschen Sportler? Haben wir die Kraft, in Zeiten der Schmach auch noch über die Weltverschwörung gegen den deutschen Fußball zu reden? Beim Berti, nein! Es reicht ja wohl, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Zuschauer der ARD im Monat Juli 98 einen Torwart (!) zum Torschützen des Monats wählten. Der Ungar Gabor Kiraly, Keeper von Hertha BSC, schoß von seinem Strafraum aus einen spektakulären Treffer und verblüffte den gegnerischen Torwart. Wann schießen wieder Stürmer Tore? Die Sportwelt steht auf dem Kopf Nichts ist mehr, wie es war. Nur ein deutscher Sport-Heros macht mir Freude: Golf-As Bernhard Langer. Bei den letzten German Open in Bad Saarow spielte er ausgesprochen glücklos. Un-
vergessen wird mir die Szene bleiben, wo er den Ball aus dem Bunker schlägt und fassungslos mit ansehen muß, wie dieses kleine obskure Objekt der Begierde wieder zurückkullert Der arme Bernhard! Aber sein Mißgeschick hat mich und ganz gewiß Tausende von Golf-Anfängern psychologisch ungemein aufgebaut. Es ist - auch wenn es ein bißchen nach Schadenfreude klingt - einfach schön für unsereins, daß auch einem Profi so etwas passiert. Und wenn er vor lauter Ärger flucht wie ein Ketzer, weil er den Ball aus 60 Zentimetern nicht einlocht, dann ist das Balsam für unsere Seelen. Bitte, bitte mehr auch von diesen heillos verschlagenen Bällen, die im Bunker; im Wasser oder auf dem Fairway des Gegen-Lochs landen. Solche Golfer braucht das Land!
TV und Frau: Beim ersten Fältchen fällt die Quote Unsere Fernsehmacher schreien nach jungen, unverbrauchten Gesichtern. Wer älter als dreißig ist, hat seine Zukunft bereits hinter sich und darf allenfalls zur Gespensterstunde die wiederholte Wiederholung einer wiederholten Wiederholung ansagen. Besonders häufig werden Frauen ausgemustert, wenn sie das erste Fältchen nicht mehr wegschminken können oder wollen. In den Chefetagen unserer Sender sitzen die inzwischen bauchlastigen Achtundsechziger mit schütteren Haaren, die noch dem Motto »Trau keinem über dreißig« anhängen. Fieberhaft suchen sie nach Leuten, die jung und dynamisch sind und einfach »gut rüberkommen«. Präsentiert werden dann toupierte Dünnbrettbohrer, die Shakespeare für eine Biersorte halten. Da kommt man sich als Zuschauer doch vor wie ein Bürger von Calais. Nur Dover. Lange kann es nicht mehr dauern, dann werden uns die »Tagesthemen« von einem Grundschüler präsentiert. Ja, Herr Wickert, da müssen Sie durch! Aber vielleicht gehen Sie Ihren Fans ja nicht ganz verloren. Beim Sender Freies Berlin gibt es auf dem Kanal »B1« einen sogenannten »Gernsehabend«. Dort erinnert man sich dann mal an die Zeit, als die Moderatoren noch vollständige Sätze sprachen und im Dialog mit einem prominenten Interviewgast gescheite Fragen stellten. Das Wetter...
Steuererklärung 2000: Wenn das so heiter geht ... Es gibt Dinge, die passen einfach nicht zusammen. Etwa eine Talkshow im Trappistenkloster. Oder Karneval in Berlin. Natürlich gibt es immer wieder Versuche, den Frohsinn in Berlin zu organisieren. Ohne jeden Erfolg. Nein, in der Hauptstadt kann man nun mal keine saisonale Fröhlichkeit entfalten - da müssen die zugereisten Bonner ganz stark sein ... Erstaunlich, daß die karnevalresistenten Berliner emsig vor den Bildschirmen sitzen, wenn die geballte Heiterkeit aus den sogenannten »Hochburgen« in die gute Stube kommt. Vielleicht liegt es daran, daß in dem Gesabbel immer auch ein Körnchen Wahrheit zu finden ist. Hier eine kleine närrische Retrospektive aus der vergangenen Saison. Wie heißt doch ein deutsches Sprichwort: »Kinder, Betrunkene und Narren sagen die Wahrheit ...« »Der Finanzminister zieht uns erst die Hosen aus. Dann verlangt er, daß wir den Gürtel enger schnallen ...« Tärääää! »Die Rentner bekommen ihr Altersgeld nach dem Durchschnitt ihres Verdienstes — die Politiker nach dem Höhepunkt ihrer Bezüge!« Tärääää! »Günter Grass behauptet, die Deutschen hätten die Kurdenfrage getürkt ...« Tärääää! »Die neue Steuererklärung besteht nur noch aus zwei Abschnitten! a: Wieviel verdienen Sie? b: Überweisen Sie den vollen Betrag!« Tärääää! »Ein deutscher Maurer muß sechs Stunden arbeiten, um sich eine Maurerstunde leisten zu können.« Von wegen Narren! Wenn das so heiter geht ...
Kinder fragen, Eltern antworten nicht: Was heißt »Effeff«? Hochverehrter Kurt Tucholsky, gestatten Sie mir den Hinweis, daß die folgende Geschichte nicht von Ihnen »abgekupfert« ist. Natürlich kenne ich Ihre Glosse, in der ein Knirps die banale Frage stellt, wie eigentlich die Löcher in den Käse kommen, und seine Familie damit zur Verzweiflung bringt. Dabei weiß doch jeder; wie die Löcher in den Käse kommen ... Darf ich Sie mal eben zu den Philipps einladen? Es wäre schön, würden Sie uns die Ehre erweisen. Zu den Personen des folgenden Dialogs: Susi Super ist meine Frau, Max mein Sohn (8 Jahre), Rüdiger mein Freund. Es begann damit, daß ich eher beiläufig beim Abendbrot sagte: »Also, meinen Tucholsky kenne ich aus dem Effeff, ehrlich!« Nun ging's los! Max: »Papa, was heißt das - Effeff?« Ich: »Effeff, das heißt, daß man etwas genau kennt, aus dem Effeff eben ...« Susi Super: »Das ist doch keine Antwort. Du solltest dem Jungen erklären, was Effeff ist ...« Rüdiger: »Effeff heißt eigentlich nur ff, also kleingeschrieben: ein f und noch ein f.« Susi Super: »Prima, jetzt sind wir schon weiter. f und noch ein f - macht ff.« Max: »Ihr seid lustig. A und noch ein a macht aa ...« Ich: »Max, beherrsche dich. Mit aa macht man keinen Spaß.« Susi Super: »Ich glaube, Effeff kommt aus dem Hugenottischen. So wie Schislaweng und Fisimatenten.«
Max: »Was sind denn Schismatenten?« Rüdiger: »Ich hab' mal gelesen, Effeff ist ein Begriff aus dem Fleischerhandwerk und heißt soviel wie >Frische Fleischwaren< ...« Susi Super: »Da lachen ja die Hühner! Frische Fleischwaren ...« Ich: »Effeff heißt eben einfach nur Effeff. Warum sollen wir uns den Kopf zermartern, wenn jeder normale Mensch weiß, daß Effeff Effeff heißt?« Max: »Und was heißt Effeff?« Ich: »Du solltest schon längst im Bett sein!« Max: »Ich will aber erst wissen, was Effeff heißt.« Susi Super: »Können wir nicht mal bei der Zeitung anrufen? Die werden doch wissen, was Effeff heißt ...« Rüdiger: »Wir machen uns ja lächerlich, wenn wir irgendwo anrufen und so eine blöde Frage stellen.« Ich: »Wenn Kinder Fragen stellen, ist das niemals blöd.« Max: »Blöd find' ich es, daß mir niemand sagen kann, was Effeff bedeutet. Ich gehe jetzt schlafen. Tschüs, bb.« Ich: »Was heißt bb?« Max: »Bleibe blöd!« Da hat man ja eine schöne Brut aufgezogen. Ist keß, weiß aber noch nicht einmal, was Effeff bedeutet Das hätte ich mir mal früher erlauben sollen ... Übrigens: Bevor Sie verzweifelt in Lexika oder anderen Nachschlagewerken herumblättern. Die Bezeichnung »ff« - lies: Effeff - heißt ganz schlicht: fein-fein (im Sinne von »sehr fein«) und entstammt der deutschen Kaufmannssprache. Ganz einfach, nicht wahr? Hätten Sie das eigentlich gewußt, verehrter Herr Tucholsky?
Trainer-Karussell oder: Rausschmiß aus dem Autoradio Sie verdienen zwar eine Menge Geld, sind aber die Watschenmänner der Nation. Immer dann, wenn es in der Fußball-Bundesliga um Meisterschaft, UEFA-CupTeilnahme oder Abstieg geht, geraten die Trainer ins Kreuzfeuer: Wenn die Medien das sogenannte »TrainerKarussell« anschieben, ist keiner mehr sicher: Schäfer, Hitzfeld, Berger - wie immer sie auch heißen mögen. Auf dem Karussell sind alle gleich. Ein schlimmer Beruf: Heute noch als Messias gepriesen, morgen vielleicht schon gekreuzigt. Kurios, daß Trainer, die wegen anhaltender Erfolglosigkeit - meist mit hohen Abfindungen rausgeschmissen werden, nur kurze Zeit später bei einem anderen Verein die Kohlen aus dem Feuer holen sollen. Ja, was denn nun? Verstehen sie was von ihrem Job oder nicht? Trainer, die kurz vor ihrer Entlassung stehen, können sich an fünf Fingern abzählen, wie lange sie noch im Amt sind. Spätestens wenn der Vereinspräsident oder der Manager vor laufenden Fernsehkameras erklärt: »Wir stehen voll und ganz hinter unserem Trainer und denken gar nicht daran, uns von ihm zu trennen ...« - dann sind alle Messen bereits gesungen. Schon beim nächsten Heimspiel sitzt der mögliche Nachfolger - natürlich rein zufällig - auf der Tribüne ... In kaum einer anderen Branche wird soviel gelogen wie beim Fußball. Da kommt nicht einmal die Politik mit. Und das soll schon was heißen. Kündigungen erfahren Trainer selten von ihrem Arbeitgeber direkt, sondern aus den Medien. Der Trainer Winfried Schäfer hörte seinerzeit im Autoradio, daß man ihn beim Karlsruher SC
gefeuert hatte. Er wollte gerade wie gewohnt zum Training fahren, das er zwölf Jahre lang leitete. Wer auf der Autobahn bei Tempo 150 von seiner Kündigung erfährt, leistet sicher auch nicht gerade einen Beitrag zur Verkehrssicherheit ... Wie schön, daß man nicht in allen Berufszweigen so hart mit leitenden Mitarbeitern umgeht Der Chefredakteur einer großen deutschen Illustrierten wurde mal zu seinem Verlagsboß zitiert, und weil am selben Tag am Verlagsstandort ein feierlicher Empfang stattfand, hatte er vorsorglich einen Smoking im Gepäck. Den brauchte er dann aber nicht. Denn der Verleger überreichte die Kündigung und fragte den konsternierten Chefredakteur: »Haben Sie Freunde?« Sein Gegenüber: »Ja, natürlich!« Darauf der Big Boß: »Das ist schön. Sie werden sie brauchen ...« Ende einer Dienstfahrt. Im Spitzenfußball verlieren inzwischen sogar schon Erfolgstrainer ihren Job. So wurde Joachim Löw beim VfB Stuttgart ebenso wie Jupp Heynckes bei Real Madrid entlassen, obwohl sie sogar internationale Pokale gewonnen haben. Das nächste Spiel, sagte einst Sepp Herberger, ist immer das schwerste: egal, ob es gewonnen oder verloren wird ...
Vielleicht hat's Ihr Nachbar faustdick auf dem Konto? Heben Sie heute schon in Ihrer Wohngegend einen Millionär getroffen? Kann sein, daß Sie ihn gar nicht als solchen erkannt haben. Millionäre - zumindest wenn sie einem Trend aus Amerika folgen - wollen nicht erkannt werden. Sie geben sich unauffällig und protzen nicht mit ihrem Vermögen. Der Millionär von Welt gibt sich bescheiden. Erivan Haub etwa, der Chef der TengelmannGruppe, wird auf ein Vermögen von rund zehn Milliarden Mark geschätzt. Wenn er in seinen betagten Mittelklasse-Japaner einsteigt, sieht man ihm seinen Reichtum nicht an. Der Pharma-Milliardär Alfred Merckle (knapp sechs Milliarden) soll mit einer preisreduzierten Monatskarte öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Und der amerikanische Börsenspekulant Warren Buffet, dem Anteile von Coca-Cola und Gillette gehören und dessen Vermögen je nach Tageskursen um Milliarden schwankt, lebt noch immer in einem bescheidenen Holzhaus, das er sich 1958 für 31000 Dollar gekauft hat Merkwürdig, daß Leute mit unvorstellbar viel Geld zuweilen sonderbar sparsam sind. Denken wir nur an Dagobert Duck, der sagt: »Der Trilliardär hat's schwer ...« Oder an den alten Getty, der in seiner Luxusvilla eine öffentliche Telefonzelle installieren ließ - damit seine Gäste nicht auf seine Kosten telefonierten ... Solche Macken reicher Leute sind sympathisch kauzig. Geld, wir wissen es, ist eben nicht alles. Egal, ob man 70 oder 71 Millionen hat - es spielt wirklich keine wichtige Rolle. Es gibt natürlich auch Millionäre, die sich gern zu ihrem Wohlstand bekennen. Der deutsche Immobilienmakler
und Aufbau-Verleger Bernd F. Lunkewitz, dessen Vermögen so an die 500 Millionen geschätzt wird, gehört dazu. Er war kürzlich von der »Süddeutschen Zeitung« zu einem Monopoly-Spiel mit zwei altlinken Zeitgenossen eingeladen worden. Lunkewitz, der sich als bekennender Marxist bezeichnet, und die anderen wurden zum Schluß gefragt, was sie denn mit einer Million anfangen würden. Einer der Spieler meinte, er würde sich ein Haus bauen lassen, zu dem keine Straße führt, so daß sich kein lärmendes Auto seinem Domizil nähern könne. Lunkewitz zog an seiner Havannazigarre und sagte sinngemäß: »Was ich mit einer Million machen würde? Also, ich müßte mich ganz schön einschränken ...« Übrigens kommen in Deutschland durchschnittlich 20 Millionäre auf 10 000 Einwohner. Schauen Sie sich mal beim Spazierengehen um: Der ältere Herr; der immer ein bißchen abgerissen aussieht und sich aus dem Papierkorb an der Bushaltestelle die Zeitung rausfingert, der könnte durchaus ...
Alt-Väter aller Länder; vereinigt Euch! Eigentlich ist die Woche gut aufgeteilt: Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Sonnabend. Genügend Tage also. Dennoch finden an manchem Tag gleich zwei Tage statt. Montag zum Beispiel ist nicht nur Montag, sondern auch noch der »Tag des Baumes«. Am Dienstag begehen wir den »Tag des Wassers«, am Mittwoch den »Tag der Waldameise«, am Donnerstag ist »Tag des umgeknickten Grashalms«, am Freitag »WeltDiätTag«, am Sonnabend »Tag des unbekannten Sozialhilfeempfängers« und am Sonntag der »Tag der weltweit vom Aussterben bedrohten Meerdattel«. Betroffenheitstrunken stürzen wir uns in die nächste Woche. Ein Tag wird kommen ... Zum Beispiel der 23. April. Man könnte ihn den »Tag zum Verrücktwerden« nennen. Der 23. April nämlich ist gleich dreifach belegt. Mit dem ganz normalen Wochentag, mit dem »Tag des Buchs« und mit dem »Tag des Biers«. Da hat offenbar jemand nicht aufgepaßt! Was soll man an einem solchen Tag bloß machen? »Natürlich ein Buch lesen«, rät mir Susi Super »Ich lese keine Bücher«, sage ich, »ich schreibe Bücher. Man muß sich entscheiden im Leben: entweder lesen oder schreiben.« »Du bist ein Angeber, mein Schatz«, sagt Susi, »dann trink eben ein Bier ...« »Ich brauche keinen Tag des Biers, um ein Bier zu trinken«, entgegne ich, »bei mir ist jeder Tag ein Tag des Biers .. »Da muß ich dir ausnahmsweise mal recht geben«, sagt Susi.
Auftritt Max: »Papa, morgen kann ich den ganzen Tag lang fernsehen und Cola trinken, soviel ich will, und mir mit Kartoffelchips den Magen vollschlagen, ohne daß du meckerst ...« »Wer hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt?« frage ich. Max: »Morgen ist doch der >Tag des Kindes<, Papa ...« Der Irrsinn beginnt offenbar schon im Kindesalter: Mir soll's recht sein: Nächste Woche ist der »Tag des ergrauten Spätvaters«. Den könnte ich mit dem ehemaligen Regierungssprecher Peter Boenisch feiern. Der ist mit siebzig erstmals Vater geworden. Warum arbeiten wir nicht an einem Projekt, um den »Tag des spätgebärenden Papas« zu installieren. Vielleicht am 23. April? Da könnte man mit einem Bierchen anstoßen.
No Smoking oder: Bitte keine weiteren Gewinne mehr! Im Grunde ist es ja einigermaßen kurios, daß auf Bällen auch Nichtraucher einen Smoking tragen. Definiert der gute alte Brockhaus den »Smoking« doch als englische Kurzfassung des »Smoking-Jacket«, als Rauch-Sakko sozusagen. Und das in einer Zeit, in der der rauchende Mensch (homo smoky) zunehmend ausgegrenzt und verachtet wird - selbst dann, wenn er im Smoking auftaucht. Dieses Kleidungsstück war, ist und bleibt ein textiler Aufreger. Woran das liegt? Ganz einfach: Der deutsche Mann kauft sich, statistisch gesehen, im Laufe seines Lebens zwar 6,8 Autos und leistet sich 1,97 Ehefrauen und 3,7 Geliebte plus 0,98 Kurschatten - aber eben leider nur maximal zwei Smokings. Angesichts einer rein evolutionsbedingt zunehmenden Leibesfülle steht er eines (gar nicht so) schönen Balltages mit schmerzverzerrtem Gesicht vor dem Spiegel und muß feststellen, daß er wie eine Presswurst aussieht (daher: »Presseball«!). Der Smoking ist ohnehin ungewöhnlich langweilig und eher einer Uniform ähnlich. Alle Männer sehen eigentlich wie Kellner aus. Bei so einem habe ich mich mal beschwert, weil nach einer halben Stunde der Wein noch immer nicht gekommen war. Zwecklos, denn der Kellner war der Chef der Sparkasse. Er zeigte sich humorvoll und fand die Verwechslung sehr lustig. Ich habe die Geschichte gleich einem anderen Smokingträger erzählt. Der mochte meinen Frohsinn nicht teilen. Es war der Kellner. Kleidungsmäßig fallen Männer im Smoking also kaum auf Nach rund zwanzig Presseball-Jahren sind mir nur
zwei männliche Presseball-Besucher in Erinnerung, die durch ihr Outfit Aufsehen erregten: Der eine war der frühere SFB-Redakteur Claus Salzwedel. Er trug eine batteriebetriebene, ständig aufblinkende Fliege. Der andere war der »Prominentenmaler« Reinhold W Timm. Er erschien mal beim Presseball in kurzer Hose - und am nächsten Tag, wie erhofft, in allen Gazetten. Wie schön wäre es, wenn mal wieder jemand solche Akzente setzen würde. Ansonsten herrscht beim Smoking doch wirklich - absolut tote Hose ... Und da sind wir ja auch gleich beim Presseball vor einer Woche: Der Erwerb der Tombolalose dauerte nur eine Stunde. So lange haben die West-Berliner vor der Wende in Dreilinden oder Staaken gestanden - wenn's flutschte. Kein Problem also. Wir haben sogar etwas gewonnen. Ja, mal wieder eine KFM-Vase - natürlich. Inzwischen besitzen wir vermutlich sogar mehr KPM-Vasen als die KPM. Aber immerhin war da noch der Gutschein über 2000 Mark, gestiftet vom »Teppichland Berlin«. Susi Super möchte jetzt angesichts dieses Gewinns die komplette Wohnung neu stylen. Meine schönen alten Billy-Regale von Ikea will sie auch gleich entsorgen. Der Gewinn von 2000 Mark wird letztlich Folgekosten von rund 20 000 Mark nach sich ziehen. Ein Glück, daß es beim ADAC-Ball an diesem Wochenende keine Tombola gibt. Weitere Gewinne könnte ich mir gar nicht leisten...
Was ist Impotenz? Sex-Aufklärung mit Spaghetti ... Die allerorts diskutierte Potenzpille »Viagra« muß offenbar auch im Kinderkanal erörtert worden sein. Jedenfalls kam Max zu uns und fragte: »Was heißt eigentlich impotent?« Susi Super und ich zuckten zusammen. »Warum willst du das denn wissen?« fragte ich. »Mit deinen acht Jahren!« »Im Fernsehen haben sie gesagt, daß Millionen Männer impotent sind. Ist das was Tolles?« »Das ist überhaupt nichts Tolles«, meinte Susi Super; »im Gegenteil. Dein Papa wird dir das mal ganz genau erklären.« »Warum gerade ich?« wollte ich wissen. »Weil dieses Thema nun mal wirklich Männersache ist, das wirst du doch sicher nicht bestreiten?« »Okay«, sagte ich, »also, Max, hör zu. Ein Mann ist impotent, wenn bei ihm im Bett nichts mehr läuft, weißt du. Tote Hose ...« »Eine blödere Erklärung kannst du einem Kind wohl nicht geben«, flüsterte mir Susi Super zu und meinte, ich solle doch noch mal all meine erzieherischen Register ziehen und dem Jungen die Sache richtig erklären. »Gut«, sagte ich zu Max, »also, du spielst doch gern Mikado, stimmt's?« Max: »Hin und wieder.« »Nun stell dir doch bitte einfach mal vor, wie das ist, wenn du mit Spaghetti Mikado spielst ...« »Das klingt lustig, Papa!« »Und nun überleg mal, wie es ist, wenn du mit gekochten, also ganz weichen Spaghetti Mikado zu spielen versuchst ...«
»Klasse, Papa! Das probieren wir mal aus. Ich hol' schon mal Spaghetti. Endlich weiß ich, was impotent ist!« Susi Super schüttelte den Kopf und sagte zu mir: »Man glaubt es ja nicht. Die sexuelle Aufklärung unseres Sohnes übernehme wohl doch besser ich ...« Ich war sehr erleichtert und gab ihr recht. Man muß Frauen auch mal loben.
So wird aus 4711 ein Body-Splash Der Kieler Germanistik-Professor Friedhelm Debus fordert: Weg mit den vielen Amerikanismen in unserer Sprache! Man versteht ja kaum noch was. Etwa wenn es im Drogeriemarkt heißt: »Zahlen Sie den Body-Splash am Counter. Wir schicken es Ihnen als Lucky Pack.« Man könnte auch sagen: »Zahlen Sie das Kölnisch Wasser an der Kasse. Wir schicken es Ihnen dann zu.« Wäre aber wohl doch ein bißchen zu einfach ... Einer meiner Freunde hat mir jetzt ein Buch geliehen. »Das mußt du dir unbedingt reinziehen«, sagte er und ergänzte: »Ein absolutes Must!« Hat mir gefallen. Es informiert über Reengineering, Outsourcing, Lean Management, Benchmarking, Downsizing und Total Quality Management. Alles klar?
ENDE