Sabine Zloch Wertorientiertes Management der pharmazeutischen Produktentwicklung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Unterneh...
82 downloads
1562 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Sabine Zloch Wertorientiertes Management der pharmazeutischen Produktentwicklung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Unternehmensführung & Controlling Herausgegeben von Universitätsprofessor Dr. Wolfgang Becker, Otto-Friedrich-Universität Bamberg und Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber, WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar
Die Schriftenreihe präsentiert Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung im Themenfeld Unternehmensführung und Controlling. Die Reihe dient der Weiterentwicklung eines ganzheitlich geprägten Management-Denkens, in dem das Controlling als übergreifende Koordinationsfunktion einen für die Theorie und Praxis der Führung zentralen Stellenwert einnimmt.
Sabine Zloch
Wertorientiertes Management der pharmazeutischen Produktentwicklung Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Wolfgang Becker
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Bamberg, 2007
1. Auflage Mai 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0756-7
Geleitwort
V
Geleitwort Die vorliegende Dissertationsschrift beschäftigt sich mit Fragen des effektiven und effizienten Managements der Produktentwicklung in der forschenden Arzneimittelindustrie. Das Management des unternehmerischen Handelns ist stets einem prinzipiellen Struktur-Prozess-Paradigma des Wirtschaftens anzupassen. Hierzu ist es erforderlich, eine angemessene Gestaltung von Wertschöpfungsstrukturen sowie eine auf Wirtschaftlichkeit gerichtete Steuerung und Regelung (Lenkung) von Wertschöpfungsprozessen sicherzustellen. Dies gilt auch und in besonderem Maße in der forschenden Arzneimittelindustrie, die (u. a.) durch besonders langfristige und demzufolge auch in hohem Maße risikolastige Produktentwicklungsprozesse gekennzeichnet ist. Der Erfolg der pharmazeutischen Industrie hängt – analog zu anderen Branchen – entscheidend von einer frühzeitigen und zudem nachhaltig werthaltigen Gestaltung und Lenkung der Produktentwicklungsprozesse ab. Die in der pharmazeutischen Industrie zunehmend feststellbaren Zeit-, Qualitäts- und Kostenprobleme zeigen die dringende Notwendigkeit einer Optimierung der Wertschöpfungsprozesse evident auf. Ein schlagkräftiges und konsequent wertorientiertes Management ist insofern als zentraler Erfolgsfaktor einer leistungsfähigen Produktentwicklung anzusehen. Wertorientiertes Management wird dadurch zu einem zwingenden Eigenschaftsmerkmal zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit und langfristiger Existenz forschender Arzneimittelhersteller. Vor diesem Hintergrund entwickelt meine Schülerin Sabine Zloch ein ganzheitlich geprägtes Managementmodell, auf dessen Basis eine derart durchgängige Wertorientierung in der pharmazeutischen Produktentwicklung verankert werden kann. Das in der vorliegenden Dissertationsschrift konzipierte Modell erlaubt es zum einen, durch eine produktlebenszyklusübergreifende Gestaltung und Lenkung den Wertbeitrag von erfolgreich zugelassenen Arzneimitteln zu steigern. Zum anderen trägt es dazu bei, nicht erfolgversprechende Entwicklungsvorhaben frühzeitiger als bislang zu erkennen, einzustellen und dadurch deren Verlustbeitrag zu reduzieren. Nach einer einführenden Problematisierung untersucht Sabine Zloch die Themenkreise Management und pharmazeutische Produktentwicklung, um aus dieser Analyse zentrale Thesen zum Management der pharmazeutischen Produktentwicklung abzu-
VI
Geleitwort
leiten. Die Aufgabenfelder und Anforderungen, die an das Management der pharmazeutischen Produktentwicklung zu stellen sind, werden im weiteren Verlauf präzisiert und auf deren praktische Relevanz untersucht. Frau Zloch zeigt dabei wesentliche Handlungsbedarfe auf, die bezüglich eines effektiven und effizienten Managements der pharmazeutischen Produktentwicklung resultieren. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wird im weiteren Verlauf der Arbeit ein umfassendes Gestaltungs- und Lenkungsmodell entwickelt, das dem identifizierten Handlungsbedarf Rechnung trägt und im Falle der praktischen Umsetzung eine durchgängige Wertorientierung in der pharmazeutischen Produktentwicklung garantiert. Die vorliegende Monographie von Sabine Zloch liefert ein konsistentes Managementmodell, das den Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung adäquat Rechnung trägt und die dringend gebotene Wertorientierung in pharmazeutischen Unternehmen unterstützt. Die Überlegungen stiften jedoch nicht nur für die pharmazeutische Industrie einen hohen Nutzen, sondern lassen sich auch auf andere Branchen sinnvoll übertragen. Gerade im Zuge der zunehmenden Kapitalmarktorientierung beschränkt sich der vorgeschlagene Ansatz zur wertorientierten Ausrichtung von Unternehmen nicht nur auf eine abstrakte Kennzahlenorientierung, sondern trägt zu einer nachhaltigen Wertverankerung im gesamten Unternehmen bei. Ich wünsche diesem Buch daher eine möglichst branchenübergreifende Verbreitung und eine konsequente Umsetzung in der unternehmerischen Praxis.
Univ.-Professor Dr. Wolfgang Becker
Vorwort
VII
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Unternehmensführung und Controlling an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Zahlreiche Personen haben zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen, denen ich an dieser Stelle meinen tief empfundenen Dank aussprechen möchte. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater Herrn Univ.-Professor Dr. Wolfgang Becker, der mich während meiner Dissertationszeit umfassend unterstützt hat. Seine wertvollen fachlichen Anregungen, seine Offenheit für neue Ideen und seine menschliche Art haben mich geprägt und die wissenschaftliche Arbeit am Lehrstuhl zu einem fruchtbaren Erlebnis gemacht. Herrn Univ.-Professor Dr. Dodo zu KnyphausenAufseß danke ich für die Übernahme des Korreferats. Weiter danke ich sämtlichen Interviewpartnern aus der pharmazeutischen Industrie für den, trotz der Vertraulichkeiten im Bereich der Produktentwicklung ermöglichten Einblick in die Unternehmenspraxis, für die Einsicht in sensible Dokumente und die Überlassung von Unterlagen. Ideen zu entwickeln und in intensiven Diskussionen zu testen, ist sicherlich der wesentliche Erfolgsfaktor in einer Dissertation. Den wichtigsten Beitrag haben in dieser Hinsicht meine Kollegen und Freunde Dipl.-Kfm. Florian Brenner und Dipl.Kfm. Stefan Fischer geleistet. Für ihre wertvollen Anregungen und ihre unermüdliche Diskussionsbereitschaft möchte ich ihnen von ganzem Herzen danken. Dem gesamten Lehrstuhlteam danke ich für die kameradschaftliche Zusammenarbeit und die angenehme Arbeitsatmosphäre. Ich werde die gemeinsamen Stunden mit meiner „Lehrstuhlfamilie“ sehr vermissen. Den größten Dank schulde ich jedoch meinen Eltern Dr.-Ing. Norbert Zloch und Christa Zloch. Sie haben mich von Anfang an in jeder nur erdenklichen Weise unterstützt und es mir dadurch erst ermöglicht, diesen Weg zu gehen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.
Sabine Zloch
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis.............................................................................................XIII 1 Einleitung ................................................................................................................. 1 1.1 Problemstellung ................................................................................................ 1 1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit............................................................................... 4 2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Ein einführender Überblick ................................................................................... 9 2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen ............ 10 2.1.1 Management als mehrdimensionales Phänomen........................................... 10 2.1.2 Traditionelles Managementverständnis und dessen Grenzen ....................... 16 2.1.2.1 Notwendigkeit eines umfassenden Kontrollverständnisses ........... 21 2.1.2.2 Notwendigkeit einer Risikofrüherkennung .................................... 22 2.1.3 Managementverständnis in dieser Arbeit...................................................... 24 2.1.3.1 Management als Regelungsphänomen ........................................... 26 2.1.3.2 Erweiterung des Managements um Aspekte der komplexen Steuerung und Regelung ................................................................ 28
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie................................. 31 2.2.1 Forschung als Voraussetzung der pharmazeutischen Produktentwicklung .. 33 2.2.1.1 Grundlagenforschung ..................................................................... 33 2.2.1.2 Angewandte Forschung.................................................................. 34 2.2.2 Phasen der pharmazeutischen Produktentwicklung ...................................... 35 2.2.2.1 Präklinische Phase.......................................................................... 36 2.2.2.2 Phasen der klinischen Prüfung ....................................................... 37 2.2.2.3 Langzeitstudien und Anwendungsbeobachtungen ......................... 40 2.2.3 Organisation der pharmazeutischen Produktentwicklung............................. 41 2.2.3.1 Primärorganisation der Produktentwicklung.................................. 41 2.2.3.2 Management von Entwicklungsvorhaben als Projekte .................. 43 2.2.3.3 Projektorientierte Sekundärorganisation der Produktentwicklung ....................................................................... 46 2.2.4 Entwicklungskinetik und Kosten der pharmazeutischen Produktentwicklung ...................................................................................... 49
2.3 Zwischenergebnis: Thesen zum Management der pharmazeutischen Produktentwicklung ........................................................................................ 54 3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theoretische Anforderungen und deren praktische Relevanz ................................................ 57 3.1 Anforderungen an das Management der Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie aus theoretischer Sicht ....................................... 58 3.1.1 Ansatzpunkte zur Optimierung der pharmazeutischen Produktentwicklung ...................................................................................... 58 3.1.2 Aufgabenfelder des Managements in der pharmazeutischen Produktentwicklung ...................................................................................... 60
X
Inhaltsverzeichnis
3.1.3 Anforderungen an das Management der pharmazeutischen Produktentwicklung ...................................................................................... 61 3.1.3.1 Begriffsbestimmung von Effektivität und Effizienz ...................... 61 3.1.3.2 Gestaltung einer effektiven und effizienten Produktentwicklung.. 64 3.1.3.2.1 Gestaltung einer effektiven Produktentwicklung......... 64 3.1.3.2.2 Gestaltung einer effizienten Produktentwicklung ........ 64 3.1.3.3 Effektive und effiziente Lenkung der Produktentwicklung ........... 66 3.1.3.3.1 Effektive Lenkung der Produktentwicklung ................ 67 3.1.3.3.2 Effiziente Lenkung der Produktentwicklung ............... 70
3.2 Herausforderungen für das Management der pharmazeutischen Produktentwicklung aus Sicht der Praxis ....................................................... 73 3.2.1 Aktuelle Entwicklungen in der pharmazeutischen Industrie......................... 73 3.2.2 Konsequenzen für die pharmazeutische Produktentwicklung ...................... 80
3.3 Zwischenergebnis: Praktische Relevanz der theoretisch abgeleiteten Anforderungen an die pharmazeutische Produktentwicklung ........................ 84 3.4 Modelltheoretische Grundlagen zur Entwicklung eines anforderungsgerechten Managementmodells ................................................. 87 4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung.............................................................................................. 93 4.1 Prozessorientierung zur effektiven und effizienten Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung .......................................................... 93 4.1.1 Grundlagen der Prozessorientierung ............................................................. 94 4.1.2 Ziele der Prozessorientierung und deren Implikationen für die pharmazeutische Produktentwicklung .......................................................... 96
4.2 Prozessorientierte Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse........................................... 104 4.2.1 Ansätze zur prozessorientierten Strukturierung der Produktentwicklung... 104 4.2.2 Strukturierung der Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse .......... 107 4.2.3 Anpassung von Stage Gate Prozessen auf die Erfordernisse der pharmazeutischen Produktentwicklung ...................................................... 113 4.2.3.1 Anwendbarkeit von Stage Gate Prozessen in der pharmazeutischen Produktentwicklung........................................ 113 4.2.3.2 Identifikation bedeutsamer Anpassungserfordernisse.................. 114
4.3 Zwischenergebnis: Beitrag von Stage Gate Prozessen zur Gestaltung einer effektiven und effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung.............. 127 4.3.1 Beitrag zur Gestaltung einer effektiven pharmazeutischen Produktentwicklung .................................................................................... 127 4.3.2 Beitrag zur Gestaltung einer effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung .................................................................................... 131
Inhaltsverzeichnis
XI
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung............................................................................................ 135 5.1 Ausführungs- und führungsbezogene Analyse des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses..................................................................................... 136 5.1.1 Interpretation der Stages als Ausführungsprozess der pharmazeutischen Produktentwicklung .................................................................................... 137 5.1.2 Interpretation der Gates als zu optimierender Führungs- bzw. Managementprozess.................................................................................... 139
5.2 Konzeption eines umfassenden Managementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung .......................................................... 144 5.2.1 Ableitung relevanter Managementebenen................................................... 145 5.2.2 Ableitung relevanter Managementperspektiven.......................................... 146
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung .................................... 150 5.3.1 Target Product Profile als strategisches Tool zur Ableitung von Investitionsentscheidungen ......................................................................... 151 5.3.2 Investitionsbeurteilung und -entscheidung auf Basis des Target Product Profile.......................................................................................................... 154 5.3.2.1 Objektivitätsanforderungen im Rahmen der Alternativenbeurteilung................................................................ 157 5.3.2.2 Investitionsbeurteilung und -entscheidung am Beispiel der Kapitalwertmethode ..................................................................... 158 5.3.3 Weitere Aspekte der Investitionsentscheidung ........................................... 163
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung.................... 169 5.4.1 Formen der Unsicherheit in der pharmazeutischen Produktentwicklung ... 169 5.4.2 Risikofrüherkennung und -management in der pharmazeutischen Produktentwicklung: Status Quo in Literatur und Praxis ........................... 171 5.4.3 Allgemeiner Risikomanagementprozess als Ausgangspunkt zur Ableitung eines Risikomanagementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung .................................................................................... 174 5.4.4 Ableitung eines anforderungsgerechten Risikomanagementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung .................................................. 182
5.5 Zwischenergebnis: Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch komplexe Steuerung und Regelung ....................................................................................................... 199 6 Resümee und Ausblick........................................................................................ 207 Literaturverzeichnis ................................................................................................. 213
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Aufbau der Arbeit ............................................................................................ 6
Abbildung 2:
Funktionsmechanismus des unternehmerischen Handelns (Balanced Value Map) ................................................................................... 11
Abbildung 3:
Traditionelles Managementverständnis ......................................................... 18
Abbildung 4:
Gründe für Abbrüche von Entwicklungsvorhaben in der pharmazeutischen Produktentwicklung ....................................................................................... 23
Abbildung 5:
Mangelnde Eignung des traditionellen Managementverständnisses für forschende Arzneimittelhersteller .................................................................. 24
Abbildung 6:
Kybernetischer Regelkreis im Grundmodell.................................................. 28
Abbildung 7:
Führung als komplexes Steuerungs- und Regelungsphänomen..................... 29
Abbildung 8:
Fachfunktionen und deren Einbindung in die einzelnen Phasen der pharmazeutischen Produktentwicklung ......................................................... 40
Abbildung 9:
Möglichkeiten zur Strukturierung der Primärorganisation in der pharmazeutischen Produktentwicklung ..................................................................... 42
Abbildung 10: Entwicklungskinetik in Forschung und Produktentwicklung ........................ 50 Abbildung 11: Phasendurchlaufmodell der pharmazeutischen Produktentwicklung............. 58 Abbildung 12: Wirkungsketten auf die unternehmerische Erfolgsposition ........................... 63 Abbildung 13: Zentrale Anforderungen an die Gestaltung und Lenkung der Produktentwicklung ....................................................................................... 72 Abbildung 14: Integrierte Leistungs- und Wertkette pharmazeutischer Unternehmen.......... 74 Abbildung 15: Gründe für gestiegene Kosten in der pharmazeutischen Produktentwicklung ....................................................................................... 82 Abbildung 16: Handlungsbedarfe zur Steigerung des Wertbeitrags eines Arzneimittels aus Sicht der Praxis ........................................................................................ 84 Abbildung 17: Prädikate des zu entwickelnden Managementmodells................................... 88 Abbildung 18: Ziele der Prozessorientierung und deren Implikationen für die pharmazeutische Produktentwicklung ......................................................... 101 Abbildung 19: Idealtypischer Stage Gate Prozess nach COOPER ...................................... 109 Abbildung 20: Ableitung von Gates für die pharmazeutische Produktentwicklung ............ 118 Abbildung 21: Stage Gate Prozess für die pharmazeutische Produktentwicklung .............. 120 Abbildung 22: Beteiligte Akteure in der Arzneimitteltherapie mit patentgeschützten Medikamenten aus Sicht des Patienten ........................................................ 122 Abbildung 23: Mehrdimensional gestalteter Stage Gate Prozess für die pharmazeutische Produktentwicklung ..................................................................................... 126
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 24: Effektivitäts- und Effizienzbeitrag des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses ...................................................................................................... 133 Abbildung 25: Interpretation der Stages als (Projekt-)Ausführungsprozess ........................ 139 Abbildung 26: Pharmaspezifischer Stage Gate Prozess ....................................................... 140 Abbildung 27: Zeitlicher Entwicklungsverlauf von Störungen und traditionelle Eingriffsmöglichkeiten des Managements ................................................... 143 Abbildung 28: Cash Flow Verläufe im Fall unterschiedlicher Produktentwicklungszeiten .......................................................................... 144 Abbildung 29: Zielsystem für die pharmazeutische Produktentwicklung............................ 146 Abbildung 30: Architektur eines umfassenden Managementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung ......................................................... 149 Abbildung 31: Verfahren der Alternativenbeurteilung ........................................................ 155 Abbildung 32: Ermittlung des Kapitalwertes ....................................................................... 159 Abbildung 33: Gewichteter Net Present Value zur Berücksichtigung von Realisationsund Bewertungsrisiken am Beispiel der Firma Novo Nordisk .................... 162 Abbildung 34: Investitionsbeurteilung und -entscheidung................................................... 165 Abbildung 35: Ableitung von Steuervorgaben- und Kontrollpunkten aus der Planung für die Realisierung eines Entwicklungsvorhabens ..................................... 167 Abbildung 36: Prozess des Risikomanagements .................................................................. 173 Abbildung 37: Maßnahmen zur Risikosteuerung................................................................. 179 Abbildung 38: Risk Breakdown Structure für die pharmazeutische Produktentwicklung ..................................................................................... 184 Abbildung 39: Beispiel für eine Risk Map in der pharmazeutischen Produktentwicklung ..................................................................................... 187 Abbildung 40: Risikotypen der pharmazeutischen Produktentwicklung ............................. 191 Abbildung 41: Ableitung von risikoorientierten Steuervorgaben ........................................ 193 Abbildung 42: Integration der risikoorientierten Steuervorgaben in die laufende Realisierung der Produktentwicklung .......................................................... 194 Abbildung 43: Projektinterne und -übergreifende Ergänzung der planungsbasierten Managementvorgaben um risikoorientierte Steuer- und Regelungs vorgaben....................................................................................................... 201 Abbildung 44: Vorgehensweise und Erkenntnisse der Arbeit.............................................. 211
1.1 Problemstellung
1
1 Einleitung Die Entwicklung neuer Arzneimittel ist in den letzten Jahren zunehmend komplexer geworden. Effektives und effizientes Management wird in diesem Kontext zu einer zentralen Voraussetzung für eine erfolgreiche Produktentwicklung und damit auch für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit forschender Arzneimittelhersteller. 1.1 Problemstellung Auch wenn der Standort Deutschland als „Apotheke der Welt“ international an Stellenwert verloren hat, kommt der pharmazeutischen Industrie nach wie vor eine zentrale Bedeutung für die deutsche Wirtschaft zu.1 Mit einem durchschnittlichen Investitionsanteil von rund 5,5% des Umsatzes liegen die Forschungs- und Entwicklungsquoten (F&E-Quoten) der pharmazeutischen Industrie deutlich über den Quoten anderer forschender Branchen wie z.B. dem Kraftfahrzeugbau (4,8%), der chemischen Industrie (4,4%) oder der Elektrotechnik (2,8%).2 Zusätzlich zu den eigenen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten stimuliert die pharmazeutische Industrie auch in erheblichem Maße Innovationen in anderen Branchen, beispielsweise durch Nachfrage nach zukunftsträchtigen Zulieferprodukten und Dienstleistungen. Die durch die Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln ausgelöste Beschäftigung ist mit einem Potential von ca. 240.000 Arbeitsplätzen in Deutschland damit rund doppelt so hoch wie die Zahl der Beschäftigten in der pharmazeutischen Industrie selbst.3 Die Zahlen machen deutlich, dass die wesentliche Bedeutung der pharmazeutischen Industrie für die deutsche Wirtschaft vor allem in ihrer Funktion als Innovations- und Beschäftigungsmotor zu sehen ist. Darüber hinaus lassen die relativ hohen F&EQuoten auf den Stellenwert schließen, den die Produktentwicklung für forschende Arzneimittelhersteller hat. Durch regelmäßige Entwicklung neuer, technisch und wirtschaftlich erfolgreicher Produkte ist es diesen Unternehmen möglich, zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben und damit ihre langfristige Existenz zu sichern. Auch ein Blick auf die Kapitalmärkte zeigt die hohe Bedeutung der pharmazeutischen Produktentwicklung für forschende Arzneimittelhersteller. Im Zuge der kapitalmarktorientierten Rechnungslegung und gestiegenen Veröffentlichungspflichten wirken sich 1 2 3
Vgl. Nusser, M. (2006), S. 25. Vgl. VFA (2005), S. 14. Vgl. Nusser, M. (2006), S. 25.
2
1 Einleitung
Informationen, die die zukünftigen Ertragsaussichten eines Unternehmens betreffen, noch unmittelbarer auf dessen Aktienkurs aus.4 Veröffentlicht ein börsennotiertes Unternehmen die Entwicklung eines erfolgversprechenden Arzneimittels, spiegeln sich die damit verbundenen künftigen Ertragsaussichten regelmäßig bereits im gegenwärtigen Börsenkurs wider. Umgekehrt führen Bekanntmachungen über negative Änderungen in der Produktentwicklungspipeline5 meist zu heftigen Kurskorrekturen des betrachteten Titels am Aktienmarkt.6 Dies gilt im Besonderen für diejenigen Pharmaunternehmen, die sich auf die Entwicklung einzelner weniger Arzneimittel fokussiert haben und deren zukünftige Existenz in hohem Maße von der erfolgreichen Zulassung dieser Arzneimittel abhängt. Nicox, Imclone, Medigene, La Jolla Pharmaceuticals, VaxGen und Dendreon sind nur einige der Unternehmen, die nach Bekanntgabe von enttäuschenden Studienergebnissen innerhalb kurzer Zeit zum Teil mehr als die Hälfte ihrer Marktkapitalisierung verloren haben.7 Aber auch Unternehmen mit einer breiter angelegten Entwicklungspipeline sehen sich im Fall entsprechender Mitteilungen über ihre pharmazeutische Produktentwicklung meist starken Kursänderungen gegenübergestellt. Hier sei beispielsweise das Parkinsonmittel Sarizotan genannt, dessen Entwicklung erst kürzlich aufgrund mangelnder Wirksamkeit in einem fortgeschrittenen Stadium eingestellt werden musste.8 Deutliche Kursverluste für Merck waren die Folge. Ein ähnliches Beispiel lässt sich auch für Schering anführen. Dessen Kurs fiel im Januar 2005 spürbar, nachdem bekannt wurde, dass sich die erwartete Zulassung des Krebsmittels Bonefos verzögern wird und dadurch der Zeitraum zur Realisierung von Monopolgewinnen kürzer ausfällt als ursprünglich erwartet.9
4
5
6
7 8 9
Zur gestiegenen Bedeutung von zukunftsbezogenen Ertragsaspekten für den Aktienkurs von Unternehmen vgl. Coenenberg, A./Salfeld, R. (2003), S. 7 und 120. Die Produktentwicklungspipeline umfasst sämtliche Produktentwicklungsvorhaben, die ein Unternehmen aktuell verfolgt. Diese einzelnen Vorhaben befinden sich typischerweise in unterschiedlichen Phasen des Entwicklungsprozesses. Vgl. Dreger, C. (2000), S. 9. Als Methode zur systematischen Messung dieses Effektes kann die Ereignisstudie (event study) verwendet werden. Vgl. dazu Fama et al. (1969), S. 1ff.; McWilliams, A./Siegel, D. (1997), S. 626ff. und Röder, K. (1999). Vgl. Manns, M. (2003), S. 14. Vgl. o.V. (2006), S. 16. Vgl. o.V. (2005), S. 15.
1.1 Problemstellung
3
Die genannten Beispiele unterstreichen die zentrale Bedeutung der pharmazeutischen Produktentwicklung als Determinante für die zukünftigen Erfolgsaussichten und damit den Marktwert forschender Arzneimittelhersteller. Aus Sicht eines wertorientierten Managements10 ist es daher unerlässlich, diese Determinante und ihre Besonderheiten nachfolgend genauer zu untersuchen. In den letzten Jahren ist festzustellen, dass sowohl der Produktentwicklungsprozess selbst als auch dessen Umfeld zunehmend komplexer geworden sind.11 Als zentrale Gründe sind hier u.a. gestiegene Zulassungsanforderungen durch die zuständigen Behörden, umfangreichere Testvorschriften, Erforschung und Entwicklung komplexerer Krankheiten sowie Änderungen in der methodischen und inhaltlichen Ausrichtung von F&E zu nennen.12 Die angeführten Gründe haben insgesamt zu einem Anstieg von Produktentwicklungszeiten und -kosten einerseits und zu einer Verringerung der Monopolvermarktungszeit unter Patentschutz andererseits geführt: Produktentwicklungszeiten von 10-12 Jahren13 bei Entwicklungskosten von rund 500 Mio. EUR je zugelassenem Medikament14 sind gängige Größenordnungen. Unter Berücksichtigung der üblichen Patentlaufzeit von 20 Jahren verbleiben damit lediglich rund 8-10 Jahre als effektive Monopolvermarktungszeit unter Patentschutz (effektive Patentlaufzeit).15 Die Verlustraten in der pharmazeutischen Produktentwicklung sind traditionell hoch. Nach Expertenmeinung gelangen lediglich 6-8% aller Arzneimittelkandidaten tatsächlich zur Zulassung. Davon waren in der Vergangenheit wiederum nur rund 30% in der Lage, ihre eigenen Kosten zu decken und darüber hinaus einen positiven Wertbeitrag für das Unternehmen zu leisten.16 10
11
12 13
14
15 16
Gemeint ist damit die Ausrichtung sämtlicher Unternehmensaktivitäten auf die Steigerung des Unternehmenswertes für die Eigenkapitalgeber. Vgl. Weber, J. et al. (2004), S. 6. Für das Management bedeutet dies, finanzielle Mittel in die Bereiche lenken zu müssen, deren Rentabilität die Kapitalkosten übersteigt und Mittel aus den Bereichen abzuziehen, in denen die Renditen unterhalb der Kapitalkosten liegen. Vgl. Menn, B.-J. (1999), S. 641. Vgl. zur gestiegenen Komplexität in der Unternehmensumwelt Kromschröder, B./Lück, W. (1998), S. 1573. Vgl. Kaufmann, L./Schmidt, D. (2004), S. 294. Vgl. VFA (2000), S. 20. Die diesbezüglich auffindbaren Angaben in der Literatur sind jedoch nicht ganz einheitlich. PRITSCH beziffert beispielsweise die Gesamtentwicklungszeit (Wirkstofffindung bis Zulassung) sogar mit 10-15 Jahren. Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 104. In den 500 Mio. EUR sind ebenfalls Kosten für ähnliche abgebrochene Projekte enthalten. Vgl. VFA (1997), S. 2. Ähnliche Größenordnungen werden auch für den US-amerikanischen Raum angegeben. Vgl. z.B. Bhandarini, M. et al. (1999), S. 63. VFA (2000), S. 5. Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 75.
4
1 Einleitung
Zusätzlich zu den skizzierten Besonderheiten und Entwicklungen auf Ebene der Produktentwicklung ist aus Sicht des Gesamtunternehmens eine zunehmende Verringerung der wirtschaftlichen Spielräume festzustellen, die aus einem verschärften internationalen Wettbewerb und zunehmenden Beschränkungen auf der Erlösseite (z.B. im Rahmen der Gesundheitsreform) resultieren.17 Um zukünftig im Wettbewerb bestehen und ihre langfristige Existenz sichern zu können, sind forschende Arzneimittelhersteller daher gefordert, ihre Wirtschaftlichkeit insgesamt zu steigern. Die Herausforderungen, die sich vor diesem Hintergrund an das Management der pharmazeutischen Produktentwicklung stellen, sind hoch. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, die knappen Unternehmensressourcen möglichst wertsteigernd einzusetzen sowie bestmöglich zum Aufbau und zur Realisierung zukünftiger Erfolgspotentiale zu nutzen. 1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit Ziel der Arbeit Ziel dieser Arbeit ist es, geeignete Mittel und Wege für das zuständige Management zu finden, um die Effektivität und Effizienz der pharmazeutischen Produktentwicklung zu steigern und dadurch den identifizierten Herausforderungen adäquat Rechnung zu tragen. Dies erfolgt in Form eines wertorientierten Managements, das im hier vertretenen Verständnis eine besondere Ausprägungsvariante des Controlling darstellt.18 Folgende Aspekte sind dabei besonders zu untersuchen: Durch welche Charakteristika ist die pharmazeutische Produktentwicklung gekennzeichnet? Welche Herausforderungen ergeben sich aus diesen Charakteristika für ein wertorientiertes Management der Produktentwicklung? Was sind die Ansatzpunkte einer erfolgreichen Produktentwicklung? Welche Möglichkeiten bestehen, um die identifizierten Ansatzpunkte gezielt zu handhaben?
17 18
Vgl. BPI (2004), S. 7ff. Vgl. Becker, W. (2006), S. 6 und 11.
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
5
Eine rein theoretische Auseinandersetzung mit den vorgenannten Fragen erscheint jedoch wenig zweckmäßig, auch wenn eine strikte Trennung von Theorie und Praxis von manchen Wissenschaftlern gefordert wird.19 Um nicht nur wissenschaftlich fundierte, sondern auch praktisch anwendbare Ergebnisse zu erzielen, werden daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit in Form eines Gegenstromverfahrens20 die theoretisch gewonnenen Erkenntnisse durch Experteninterviews mit verschiedenen pharmazeutischen Unternehmen einerseits und durch die Auswertung von relevanten Branchenstudien andererseits abgerundet. Die Experteninterviews wurden im Untersuchungszeitraum 2002 bis 2005 geführt. Gesprächspartner waren dabei Mitarbeiter aus unterschiedlichen Funktionsbereichen der forschenden Arzneimittelhersteller ASTA Medica GmbH, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, E. Merck KGaA, Novartis Deutschland GmbH, Schering AG und Roche Deutschland GmbH. Grundlagen für branchenweite Aussagen liefern empirische Studien zur aktuellen Entwicklung in der pharmazeutischen Industrie, die von verschiedenen Unternehmensberatungen (AD Little, Capgemini, Deloitte und McKinsey), Forschungsinstitutionen (Fraunhofer Institut) und Branchenverbänden (BPI e.V.) durchgeführt wurden.
19
20
NICOLAI/KIESER seien hier exemplarisch genannt, die eine strikte Trennung von Theorie und Praxis in der Betriebswirtschaftslehre fordern. Vgl. Nicolai, A./Kieser, A. (2002), S. 588ff. Vgl. Becker, W. (2006), S. 21.
6
1 Einleitung
Aufbau der Arbeit
Einleitung
Kap. 2
Management
Pharmazeutische Produktentwicklung
Management der pharmazeutischen Produktentwicklung - Theorie Kap. 3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung - Praxis
Kap. 4
Gestaltung einer effektiven und effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung
Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Kap. 5
Resümee und Ausblick
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Die Arbeit ist (von Einleitung und Resümee abgesehen) in vier Hauptkapitel gegliedert, deren Inhalt nachfolgend kurz skizziert werden soll. Zunächst werden in Kapitel zwei die Themenkreise „Management“ und „pharmazeutische Produktentwicklung“ umfassend dargestellt. Die Betrachtung des Managements erfolgt dabei aus einer vornehmlich prozessualen Perspektive. Diese umfasst in der Literatur typischerweise die vier Funktionen Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle. Von besonderem Interesse ist für die vorliegende Arbeit, inwieweit sich diese in der betriebswirtschaftlichen Literatur traditionell unterstellte Funktionenfolge für komplexe Umwelten wie die der pharmazeutischen Produktentwicklung eignet. Daran schließt sich unmittelbar die Frage an, ob – und wenn ja in welcher Form – Erweiterungsbedarf für ein anforderungsgerechtes Management in komplexen Umwelten besteht. Die pharmazeutische Produktentwicklung als zweiter Themenkreis wird hinsichtlich struktureller und prozessualer Aspekte skizziert sowie hinsichtlich der Besonderheiten, die sich für deren Management ergeben, ausführlich untersucht.
1.2 Ziel und Aufbau der Arbeit
7
Gegenstand des dritten Kapitels ist eine Bestandsaufnahme des derzeitigen Managements in der pharmazeutischen Produktentwicklung. Dazu werden typische Ansatzpunkte, Aufgabenfelder und daran zu knüpfende Anforderungen aus theoretischer Sicht dargestellt. In einem nächsten Schritt wird geprüft, inwieweit diese Anforderungen bereits in bestehenden Managementansätzen der pharmazeutischen Praxis berücksichtigt werden. Hierfür bilden neben den Ergebnissen des Kapitels zwei und einer umfangreichen Literaturauswertung auch Ergebnisse aus Experteninterviews und Branchenstudien die Grundlage. Aufbauend auf den Ergebnissen des Kapitels drei werden in Kapitel vier Ansätze zur effektiven und effizienten Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung aufgezeigt und vergleichend beurteilt. Der Ansatz mit dem größten Potential wird herausgearbeitet. Auf dessen Basis wird ein standardisierbares Struktur-Prozess-Modell für die pharmazeutische Produktentwicklung abgeleitet, das den vielfältigen regulatorischen Anforderungen Rechnung trägt und eine zeit- und kostenoptimale Umsetzung von Entwicklungsvorhaben ermöglicht. Im fünften Kapitel erfolgt die abschließende Beantwortung der forschungsleitenden Fragen. Im Vordergrund stehen dabei Möglichkeiten zur effektiven und effizienten Lenkung der Produktentwicklung. Die hier angestellten Überlegungen bauen auf den Ergebnissen der vorangegangenen Kapitel auf. Es wird ein ganzheitliches Managementmodell entwickelt, das den identifizierten Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung explizit Rechnung trägt und dadurch ein anforderungsgerechtes Management erlaubt. Weiter wird gezeigt, dass sich dieses System zu einem lernenden System ausbauen lässt, wodurch gewonnenes Erfahrungswissen auch für zukünftige Entwicklungsvorhaben verwendet werden kann. Die Arbeit endet im sechsten Kapitel mit einem Resümee, das die zentralen Ergebnisse der Untersuchung wiedergibt und auf anknüpfende Forschungsgebiete aufmerksam macht.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
9
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Ein einführender Überblick Übergeordnete Aufgabe der Unternehmensführung bzw. des Managements21 ist es, zukunftssichere Handlungsspielräume zu erschließen und dadurch die langfristige Existenz eines Unternehmens zu sichern.22 Die Erschließung zukunftssicherer Handlungsspielräume ist primäre Aufgabe der Produktentwicklung eines Unternehmens. Hervorgerufen durch gestiegene Differenziertheit und Dynamik hat die Komplexität im Handlungsumfeld von vielen Unternehmen in den letzten Jahren erheblich zugenommen.23 Wie in diesem Kapitel zu zeigen ist, gilt dies im Besonderen für forschende Arzneimittelhersteller. Das Erschließen zukunftssicherer Handlungsspielräume gestaltet sich für diese daher immer schwieriger. Auch ergeben sich spezielle Anforderungen an das pharmazeutische Produktentwicklungsmanagement, das den zentralen Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit darstellt. Im folgenden Abschnitt 2.1 wird zunächst der grundsätzliche Funktionsmechanismus unternehmerischen Handelns aufgezeigt und Management als mehrdimensionales Phänomen charakterisiert. Aus vorwiegend prozessualer Perspektive erfolgt in einem weiteren Schritt eine Darstellung und kritische Beurteilung der traditionellen Sichtweise von Management vor dem Hintergrund komplexer Umwelten. Auf Basis der Kritikpunkte wird die Notwendigkeit eines kybernetisch geprägten Führungsverständnisses abgeleitet. Es wird gezeigt, dass dieses für den komplexen Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung grundsätzlich geeignet ist und daher als konzeptioneller Rahmen für die weiteren Untersuchungen herangezogen werden kann. Abschnitt 2.2 beschäftigt sich mit einer detaillierten Analyse der pharmazeutischen Produktentwicklung. Der Fokus liegt dabei auf der generellen Bedeutung von Forschung und Produktentwicklung, ihren Aufgaben und Charakteristika. Die Ergebnisse dieses Abschnittes bilden die Grundlage für eine Anpassung des konzeptionellen Rahmens an die Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung in den späteren Kapiteln.
21
22 23
In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Unternehmensführung und Management synonym gebraucht. Vgl. ähnlich auch Schiller, T. (2000), S. 35, FN 110. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 5. Vgl. zur Komplexität und deren Folgen Becker, W. (2001a), S. 420ff.; Becker, W./Lutz, S. (2002), S. 150f. und Piser, M. (2004), S.13.
10
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen 2.1.1 Management als mehrdimensionales Phänomen Oberstes Ziel unternehmerischen Denken und Handelns ist es, den langfristigen Bestand des Unternehmens zu sichern.24 Dies setzt voraus, neben der Realisierung von gegenwärtigem Erfolg und der damit verbundenen Sicherung von Liquidität auch für weit reichende Erfolgsmöglichkeiten in der Zukunft zu sorgen, mithin Erfolgspotentiale aufzubauen.25 Neue Erfolgspotentiale stellen auf die Entwicklung von Fähigkeiten ab, die zukünftig geeignet sind, entsprechende Vorteile gegenüber dem Wettbewerb zu erzielen.26 Der Produktentwicklung kommt in diesem Zusammenhang hohe Bedeutung zu, da durch sie neue, marktlich verwertbare Produkte und damit Erfolgspotentiale der Zukunft generiert werden. Erfolgspotentiale können als Vorsteuergröße des zukünftigen Unternehmenserfolgs interpretiert werden.27 Der regelmäßige Aufbau neuer Erfolgspotentiale ist erforderlich, da diese im Zeitablauf vergänglich sind.28 Für den Aufbau von Erfolgspotentialen sind oft sehr lange Vorlaufzeiten einzuplanen, während derer ein hoher Bedarf an personellen, finanziellen und anderen materiellen Ressourcen sowie geistigen und sonstigen immateriellen Ressourcen vorhanden ist.29 Die sich vor diesem Hintergrund ergebenden Handlungsfelder der Unternehmensführung wurden insbesondere von GÄLWEILER herausgearbeitet.30 Er systematisiert in seinem Bezugsrahmen in ein operatives und ein strategisches Handlungsfeld, die eng miteinander verzahnt sind. Die Realisierung von Erfolg und die Sicherung von Liquidität als primär operative Führungsaufgaben sind dem operativen Handlungsfeld zuzuordnen.31 Der Aufbau zukünftiger Erfolgspotentiale als primär strategische Führungs24 25 26 27 28 29 30 31
Vgl. Becker, W. (2001a), S. 5 und Schiller, T. (2000), S. 35. Vgl. Gälweiler, A. (2005), S. 26 und Becker, W. (1996), S. 102. Vgl. Bleicher, K. (2004), S. 82. Vgl. Gälweiler, A. (1981), S. 84ff. und Eschenbach, R./Kunesch, H. (1996), S. 78ff. Vgl. Becker, W./Stock, C. (2004), S. 7. Vgl. Schwaninger, M. (1989), S. 190. Vgl. Gälweiler, A. (2005). Dabei sei jedoch vor einer zu eindeutigen Grenzziehung zwischen dem operativen und strategischen Handlungsfeld gewarnt. So weist BECKER in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass eine rein operative Interpretation von Kosten und Erlösen als Determinanten des Erfolgs dazu führen kann, dass strategische Handlungsspielräume gar nicht erst bzw. nur unzureichend erkannt werden. Umgekehrt stellen nicht nur die Erfolgspotentiale als Lenkungsgrößen des strategischen Managements, sondern gerade erst ihre gelungene Vernetzung mit den Lenkungsgrößen des ope-
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
11
aufgabe ist Gegenstand des strategischen Handlungsfeldes.32 Die Größen Erfolg, Liquidität und Erfolgspotentiale stehen dabei in einem Wirkungszusammenhang. Die Realisierung von Erfolg durch Absatz der erstellten Unternehmensleistungen am Markt sichert die Liquiditätssituation des Unternehmens. Die liquiden Mittel sollten – zumindest teilweise – zum Aufbau neuer Erfolgspotentiale eingesetzt werden, die wiederum die Vorsteuergröße des zukünftigen Erfolgs darstellen. Der beschriebene Funktionsmechanismus unternehmerischen Handelns als Wertschöpfungskreislauf von Erfolgspotentialen, Erfolg und Liquidität ist in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung 2: Funktionsmechanismus des unternehmerischen Handelns (Balanced Value Map)33
32 33
rativen Managements die langfristige Existenzsicherung eines Unternehmens sicher. Vgl. Becker, W. (1996), S. 108f. Vgl. Gälweiler, A. (2005), S. 26f. unter Berücksichtigung von FN 31. Quelle: Becker (2006), S. 26; vgl. auch Becker (2001a), S. 23 in Anlehnung an Gälweiler (1987), S. 23ff. und Gälweiler (1981), S. 86.
12
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Wertschöpfung34 vollzieht sich nach diesem Verständnis entlang der leistungswirtschaftlichen Parameter Potentiale, Prozesse (bzw. Projekte), Produkte sowie Programm und führt zu Konsequenzen auf der Wertebene von Unternehmen. Dabei liegt die Vorstellung zu Grunde, dass Unternehmen als offene Institutionen der Wirtschaft und Gesellschaft ihre Vorleistungen auf Beschaffungsmärkten beziehen, ihre Produkte auf Absatzmärkten realisieren und sich auf Kapitalmärkten finanzieren.35 Die Sicherung der langfristigen Existenz eines Unternehmens setzt voraus, dass der skizzierte Wertschöpfungskreislauf permanent aufrechterhalten wird. Die Unternehmensführung ist in diesem Zusammenhang gefordert, eine ganzheitlich geprägte Harmonisation des Wertschöpfungsgefüges mit den jeweils situativ zu interpretierenden Bedingungskonstellationen unternehmerischen Handelns herbeizuführen.36 Dazu sind gestaltende und lenkende Aufgaben durch das Management zu erfüllen. Diese umfassen wiederum sowohl technisch-wirtschaftliche Sachaspekte als auch personelle Verhaltensaspekte.37 Unter technisch-wirtschaftlichen Sachaspekten gilt es, das Zusammenspiel der Potentiale und Prozesse eines Unternehmens derart zu gestalten und zu lenken, dass eine durchgängige Ausrichtung auf die unternehmerischen Wertschöpfungszwecke erfolgt. Unter personellen Verhaltensaspekten (Führung i.e.S.) muss ein Konsens der unterschiedlichen Interessenträger innerhalb des Unternehmens im Hinblick auf die Wertschöpfungszwecke hergestellt werden („internal fit“)38.39 Im Hinblick auf die langfristige Existenzsicherung eines Unternehmens dürfen die skizzierten Aufgaben des Managements nicht nur einmalig wahrgenommen werden, 34
35 36
37
38
39
„Die Wertschöpfung eines Betriebes ist eine Erfolgsgröße. Diese rechnerisch unterschiedlich konkretisierbare Größe kennzeichnet das Ergebnis des Prozesses, der zur Schaffung betrieblicher Werte führt (Wertschöpfungsprozess). Mit der Wertschöpfung wird speziell jener Mehrwert bestimmt, den ein Betrieb aufgrund seiner betrieblichen Leistungserstellung den (vom Beschaffungsmarkt bezogenen) Vorleistungswerten hinzufügt hat (…). Der entstehende Mehrwert verteilt sich auf unterschiedliche Anspruchsgruppen.“ Becker, W. (2006), S. 24. Für eine umfassende Darstellung einer Wertschöpfungsrechnung auf Basis von Daten der handelsrechtlich vorgeschriebenen Gewinn- und Verlustrechnung vgl. Coenenberg, A. G. (2003), S. 1064ff. Vgl. Becker, W. (2006), S. 3. Vgl. Bleicher, K./Meyer, E. (1976), S. 16ff. Dieser Aussage liegt die idealtypische Annahme zu Grunde, dass sich Führung und Ausführung im Unternehmen trennen lassen. Vgl. Becker, W. (2006), S. 3. Vgl. zu diesem weit gefassten Verständnis von Führung bzw. Management Becker, W. (1996), S. 126; Becker, W. (2006), S. 3 und Schwaninger, M. (1990), S. 46ff. Die Bezeichnung „fit“ geht in diesem Zusammenhang auf ANSOFF zurück. Vgl. Ansoff, H. I. (1979). Vgl. Becker, W. (1998), S. 38.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
13
sondern müssen permanent durchgeführt werden. Wie oben bereits erwähnt, muss dies zudem unter Berücksichtigung des jeweiligen situativen Kontexts stattfinden. Ziel ist es, einen „external fit“ zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt herzustellen. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass ein die langfristige Existenz von Unternehmen sicherndes Management zahlreiche Fragestellungen umfasst und daher als mehrdimensionales Phänomen interpretiert werden kann. In diesem Zusammenhang sei nochmals an die unterschiedlichen Handlungsfelder (strategisch und operativ), leistungswirtschaftlichen Parameter (Potentiale, Prozesse bzw. Projekte, Produkte und Programm), Aufgabenfelder (Gestaltung und Lenkung) und Führungsaspekte (technisch-wirtschaftliche Sachaspekte sowie personelle Verhaltensaspekte) sowie die Kontextabhängigkeit unternehmerischen Handelns erinnert, die im Rahmen eines ganzheitlichen Managements zu berücksichtigen sind. Neben dem hier vorgestellten Verständnis von Management als mehrdimensionales Phänomen haben sich in der Literatur weitere Managementtheorien40 herausgebildet. Der Vollständigkeit halber sollen diese im nachfolgenden Exkurs überblicksartig systematisiert werden.41 Das parallele Existieren diverser Betrachtungsperspektiven und darauf gründender Managementtheorien ist nach KIESER und SCHERER darauf zurückzuführen, dass der Objektbereich der Unternehmensführung komplex, interpretationsbedürftig und in hohem Maße kreativ ist.42 Exkurs: „Führungstheorien in der betriebswirtschaftlichen Literatur“ In der Literatur haben sich unterschiedliche Managementtheorien herausgebildet, die sich – zumindest teilweise – anhand ihrer jeweiligen Schwerpunktlegung in den zuvor beschriebenen Funktionsmechanismus unternehmerischen Handelns einordnen lassen. Insbesondere kann zwischen unternehmensorientierten und umweltorientierten Führungstheorien unterschieden werden. Auf deren vollständige Darstellung soll an dieser Stelle verzichtet und stattdessen nur ein kurzer Überblick über bedeutende Ansätze innerhalb der beiden Gruppen gegeben werden. Zur Gruppe der unternehmensorien-
40
41
42
Da sich diese Aussagensysteme zum Management weder beweisen noch widerlegen lassen, werden sie aufgrund ihrer Vorläufigkeit auch als „theoretische Ansätze“ bzw. Theorien bezeichnet. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 47. Eine ausführliche Beschreibung der genannten Theorien findet sich bei MACHARZINA/WOLF. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 47ff. Vgl. Kieser A. (2001), S. 1 und Scherer, A. G. (1999), S. 2ff.
14
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
tierten Ansätze gehören beispielsweise der verhaltensorientierte und ressourcenbasierte Ansatz sowie quantitative und informationsökonomische Ansätze. Während der verhaltensorientierte Ansatz43 den Mensch und sein Verhalten in den Vordergrund der Analyse stellt und dabei vorwiegend auf motivationstheoretischen Arbeiten fußt, betont der ressourcenbasierte Ansatz44 die Bedeutung der Ressourcen eines Unternehmens als deren zentralen Erfolgsfaktor. Mit Blick auf den zuvor beschriebenen Funktionsmechanismus unternehmerischen Handelns knüpft dieser Ansatz mithin v.a. an den Potentialen und darauf ablaufenden Prozessen eines Unternehmens an. Quantitative Ansätze45 versuchen, Probleme der Unternehmensführung in Form von formallogischen Modellen zu strukturieren und zu lösen. Informationsökonomische Ansätze erklären demgegenüber unternehmerisches Handeln über das Vorhandensein von Transaktionskosten. Sie stellen eine Weiterentwicklung der neoklassischen Theorie dar.46 Die beiden zuletzt genannten Ansätze fokussieren nicht direkt auf einzelne Dimensionen des Wertschöpfungskreislaufes, sondern betrachten unternehmerisches Handeln insgesamt mit jeweils unterschiedlichem Erkenntnisinteresse. Im Unterschied zu den unternehmensorientierten Führungstheorien betonen die umweltorientierten Führungstheorien in unterschiedlichem Umfang die Umweltbezogenheit und Kontextabhängigkeit des unternehmerischen Handelns. Als bedeutende Vertreter sind hier der Systemansatz, der Kontingenzansatz, der Gestaltansatz, der evolutionstheoretische Ansatz sowie der selbstorganisationstheoretische und der institutionalistische Ansatz zu nennen. Der Systemansatz47 findet seine betriebswirtschaftliche Umsetzung in Form der Kybernetik48 und Systemanalyse. Der Kontingenzansatz49 als weiterer Vertreter dieser 43
44
45
46
47
48 49
Vgl. dazu die Arbeiten von Schanz, G. (1990), S, 229ff. und Staehle, W. H. (1999), insbes. S. 149ff. Vgl. dazu die frühen Vorläuferarbeiten von PENROSE, Penrose, E. T. (1959). Vgl. stellvertretend für weitere Barney, J. B. (1991), S. 99ff. und speziell zum Kernkompetenzkonzept Prahalad, C. K./Hamel, G. (1991), S. 66ff. Diese Denkrichtung wurde von TAYLOR initiiert. Vgl. Taylor, F. W. (1911). Zitiert nach Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 50. Vgl. zu den Grundannahmen Richter, R. (1991), S. 395ff. und Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2005). Vgl. dazu grundlegend Stafford, B. (1972); Ulrich, H. (1971), S. 43ff. und Ulrich, H./Probst, G. J. B.(1988). Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 2.1.3. Die Grundidee der Kontextabhängigkeit unternehmerischen Handelns kommt deutlich in den Aussagen von STONER zum Ausdruck: „There is no one best way to manage all organizations.“
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
15
Gruppe betont v.a. die Kontextabhängigkeit des Managementhandelns. Seine Grundlage findet der Kontingenzansatz im Stimulus-Response-Modell organisatorischen Handelns, nach dem Reaktionen immer auf vorgelagerte Auslöser zurückzuführen sind.50 Die Grundidee der Kontextabhängigkeit findet sich in unterschiedlichem Umfang auch bei anderen Ansätzen wieder. So gehen die Vertreter des Gestaltansatzes51 davon aus, dass die Entwicklung von Unternehmen nicht von einzelnen Situationsvariablen, sondern von dem Zusammenspiel struktureller und verhaltensbezogener Variablen sowie Umweltfaktoren abhängt. Im evolutionstheoretischen Ansatz52 wird das Handeln von und in Unternehmen sowie deren Entwicklung als evolutionäre Prozesse begriffen. Die Erklärung dieser evolutionären Prozesse beruht dabei auf populationsgenetischen Erkenntnissen. Als weitere Vertreter der umweltorientierten Führungstheorien sind zudem der selbstorganisationstheoretische Ansatz53 und der institutionalistische Ansatz54 zu nennen. Die Kernaussage des selbstorganisationstheoretischen Ansatzes besteht darin, dass sich eine Dezentralisation von Entscheidungsbefugnissen und eine Erhöhung der Eigenverantwortung organisatorisch nachgelagerter Einheiten ökonomisch vorteilhafter als straffe organisatorische Regelungen auswirken.55 Der institutionalistische Ansatz bricht mit der Annahme, dass Manager ihre Entscheidungen anhand von Effektivitäts- und Effizienzüberlegungen treffen. Stattdessen wird von Vertretern dieses Ansatzes argumentiert, dass Manager diejenige Entscheidungsalternative wählen, die die größte Aussicht auf Akzeptanz hat. Manager streben nach diesem Verständnis mithin nicht nach Effektivität und Effizienz, sondern nach sozialer Legitimation.56 Wie bereits erwähnt, kann das parallele Existieren der genannten Managementtheorien mit der Komplexität, Kreativität und Interpretationsbedürftigkeit des Objektbereichs
50 51 52 53 54 55 56
bzw. „The task of managers is to try to identify which technique will, in a particular situation, under particular circumstances, and at a particular time, best contribute to the attainment of managerial goals.” Stoner, J. A. (1982), S. 54. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 75. Vgl. z.B. Miller, D./Friesen, P. H. (1984). Vgl. stellvertretend für weitere Malik, F. (1982), S. 104ff. und Servatius, H. G. (1994), S. 158ff. Vgl. z.B. zu Knyphausen-Aufseß, D. (1988), S. 307ff. und Wolf, J. (1997), S. 623ff. Vgl. z.B. Meyer, J. W./Rowan, B. (1977), S. 340ff. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 86ff. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 91ff.
16
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Unternehmensführung bzw. Management erklärt werden.57 Ausgehend von der Überzeugung, dass die einzelnen theoretischen Ansätze für sich genommen jeweils Teilaspekte der Unternehmensführung betonen,58 werden in der vorliegenden Arbeit mehrere theoretische Fundamente genutzt.59 Den konzeptionellen „Überbau“ bildet dabei der oben beschriebene und im Kern kybernetisch geprägte Funktionsmechanismus unternehmerischen Handelns mit den daran ansetzenden Managementaktivitäten. Die kybernetische Prägung ist dabei insbesondere in der Erfassung der Beziehungen zwischen Steuerung und Voraussteuerung jener Faktoren zu sehen, die für die fortgesetzte Existenzsicherung des Unternehmens und für seinen Erfolg wichtig sind. 60 2.1.2 Traditionelles Managementverständnis und dessen Grenzen Unternehmensführung bzw. Management lässt sich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Klassisch wird hierbei zwischen Funktion, Institution und Prozess der Unternehmensführung unterschieden.61 Eine funktionale Betrachtung fokussiert dabei auf die Aufgaben und Tätigkeitsinhalte der Unternehmensführung, wobei Planung, Organisation, Durchsetzung und Kontrolle die zentralen Unternehmensführungsfunktionen darstellen. In institutionaler Sicht stehen die strukturellen Beziehungen zwischen Trägern, Organen und Personen der Unternehmensführung (Manager) im Zentrum der Betrachtung.62 Aus einer vorwiegend prozessualen Sicht vollzieht sich Management als Folge von planenden, organisierenden, durchsetzenden und kontrollierenden Aktivitäten bzw. Vorgängen im Unternehmen.63 In einem traditionellen Verständnis finden diese Aktivitäten sequentiell, d.h. in einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge statt. Deren genauere Betrachtung und kritische Beurteilung ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. Traditionelles Managementverständnis Wie oben festgestellt, ist es die Aufgabe der Unternehmensführung, zukunftssichernde Handlungsspielräume zu erschließen und damit die langfristige Existenz des Unter57 58
59 60 61 62 63
Vgl. Kieser A. (2001), S. 1 und Scherer, A. G. (1999), S. 2ff. Dies begründet sich insbesondere aus dem dargelegten Verständnis von Management als mehrdimensionales Phänomen. Vgl. ähnlich Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 130. Vgl. Malik, F. (2005), S. 16. Vgl. Becker, W. (2006), S. 4 und Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 38f. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 39. Vgl. Becker, W. (2006), S. 4 und Staehle, W. (1999), S. 81.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
17
nehmens zu sichern. Allein die Existenz von Handlungsspielräumen macht eine Auswahl zwischen diesen möglich und erforderlich. Als Ergebnis der Auswahl steht die Entscheidung, welche Handlungsoption zu wählen und daraufhin zu realisieren ist.64 Die Entscheidung bedarf einer vorbereitenden Planung, in der Ziele65, verstanden als angestrebte zukünftige Zustände, konkretisiert werden. Weiterhin sind in diesem Zusammenhang Problemlagen aufzudecken sowie mögliche Handlungsoptionen abzuleiten und zu beurteilen.66 Die Planung ist mithin ein „systematisch-methodischer Prozess der Erkenntnis und Lösung von Zukunftsproblemen.“67 Neben der die Realisation vorbereitenden Planung ist des Weiteren eine nachgelagerte Kontrolle erforderlich, um die Ergebnisse der Realisation im Hinblick auf die Erreichung der gesetzten Planungsziele zu überprüfen. Die Durchsetzung stellt das Bindeglied zwischen Planung bzw. Entscheidung68 und Realisation dar und umfasst neben weiteren auch Aktivitäten der Organisation und Leitung (Führung i.e.S.).69 In den nachfolgenden Ausführungen wird die Durchsetzung jedoch nicht gesondert berücksichtigt, da sich das dieser Arbeit zu Grund liegende Erkenntnisinteresse insbesondere auf den Zusammenhang von Planung, Realisation und Kontrolle bezieht. Aus prozessualer Sicht entspricht die zyklische Abfolge der Funktionen Planung, Realisation und Kontrolle der traditionellen Auffassung von Führung.70 Innerhalb dieses traditionellen Führungsverständnisses ist die Kontrolle als 64
65
66
67 68 69
70
Die Meinungen in der Literatur gehen hinsichtlich der Frage auseinander, ob die Entscheidung einen eigenständigen Schritt darstellt oder lediglich ein Bestandteil der Planung ist. In der vorliegenden Arbeit wird die Entscheidung als Bestandteil der Planung gedeutet und daher nicht als eigenständige Funktion aufgeführt. Vgl. zur Darstellung der unterschiedlichen Sichtweisen z.B. Wall, F. (1999), S. 10. Nach HEINEN stellen Ziele normative Vorstellungen über den zukünftigen Zustand einer Unternehmung dar, der durch Handlungen hergestellt werden soll. Vgl. Heinen, E. (1966), S. 45. Vgl. auch Kupsch, P. (1979), S. 23. Einen Überblick über weitere Zielbegriffe geben MACHARZINA/WOLF. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 206. Zu Funktionen von Zielen vgl. auch Welge, M. K./Al-Laham, A. (2003), S. 111. BECKER differenziert in diesem Zusammenhang in die Teilaktivitäten der Zielbildung, Problemanalyse, Alternativensuche und -beurteilung. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 60. Diese Teilaktivitäten sind weniger als starre Ablauffolge innerhalb der Planung, sondern eher als gedankliche Strukturierung der sachlich zu erfüllenden Teilaufgaben zu interpretieren. Vgl. Wall, F. (1999), S. 15. Wild, J. (1982), S. 13. Vgl. nochmals FN 64. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 65ff. Zur Bedeutung der Durchsetzung vgl. auch Schierenbeck, H. (2003), S. 96. Der hier dargestellte Prozessansatz der Unternehmensführung nach KOONTZ/O’DONNELL ist vom institutionellen Ansatz nach GUTENBERG zu unterscheiden. Vgl. zu den jeweiligen Ansät-
18
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
reine Feedback-Kontrolle konzipiert, die den Abschluss der obig skizzierten Aktivitätenfolge bildet. Die Feedback-Kontrolle vergleicht die im Rahmen der Planung vorgegebenen Sollzustände mit den realisierten Istzuständen und ermittelt Abweichungen zwischen diesen.71 Dabei geht die Feedback-Kontrolle davon aus, dass die Sollvorgaben aus der Planung umfassend und korrekt sind.72 Auf Basis der ermittelten Abweichungen sowie deren Ursachen im Rahmen der Abweichungsanalyse kann Revisionsbedarf für zukünftige Planungen abgeleitet werden.73 Wie in Abbildung 3 skizziert, findet Management nach diesem Verständnis in aufeinander folgenden Managementzyklen statt, wobei die Ergebnisse aus der Abweichungsanalyse das Bindeglied zum nachfolgenden Managementzyklus darstellen.
Planung
Planung Realisation Kontrolle
Ergebnisse Abweichungsanalyse
t-1
Ergebnisse Abweichungsanalyse
t
t+1
Abbildung 3: Traditionelles Managementverständnis74
71
72 73 74
zen Koontz, H./O’Donnell, C. (1968) sowie Gutenberg, E. (1962) und zur Gegenüberstellung der Ansätze Steinmann, H. (1981), S. 1. Vgl. zu dieser frühen Interpretation von Kontrolle als reiner Soll-Ist-Vergleich z.B. Nordsieck, F. (1955), S. 37; Kosiol, E. (1962), S. 56 und Grochla, E. (1978), S. 315f. Vgl. Piser, M. (2004), S. 31. Vgl. zum Verhältnis von Planung und Abweichungsanalyse z.B. Wild, J. (1982), S. 45. In Anlehnung an: Schreyögg, G. (1994), S. 346f.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
19
Grenzen des traditionellen Managementverständnisses In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit über obig skizzierte Führungsaktivitäten und -aufgaben sowie ihre logische Beziehung zueinander.75 Die im traditionellen Verständnis unterstellte streng sequentielle zeitliche Anordnung der Aktivitäten im Managementzyklus wird jedoch vielfach als realitätsfern bemängelt. Die Planung muss hier nämlich so umfassend sein, dass sie den nachgelagerten Realisationsprozess von allen Eventualitäten freihalten kann.76 Sie trägt mithin die Hauptlast im Managementzyklus.77 Die Voraussetzung einer umfassenden Planung ist jedoch allenfalls für ein Management in überschaubaren (i.S.v. wenig differenzierten) und stabilen (i.S.v. wenig dynamischen), mithin in wenig komplexen Umwelten geeignet.78 Ist nämlich die Unternehmensumwelt überschaubar, dann können bereits in der Planung alle relevanten Aspekte erfasst und damit selektives Handeln vermieden werden. Ist zudem Stabilität der Unternehmensumwelt gegeben, bleiben einmal gewählte Strategien zur Erschließung von Handlungsspielräumen geeignet und bedürfen keiner Überprüfung. Weiter behalten der Planung zu Grunde liegende Prämissen während des gesamten Realisationsprozesses ihre Gültigkeit. Die Kontrolle hat in einem solchen Kontext lediglich die Aufgabe, das tatsächlich realisierte IST mit dem in der Planung festgelegten SOLL zu vergleichen. Prämissen und Strategie werden hingegen nicht überprüft. Das SOLL bleibt während des gesamten Realisationsprozesses auch der tatsächlich anzustrebende Zustand. Heutzutage ist in vielen Branchen der Kontext, in dem unternehmerisches Handeln stattfindet, äußerst instabil (dynamisch) und wenig überschaubar (differenziert), damit also sehr komplex.79 Die Dynamik zeigt sich dabei in der ungewissen Entwicklung relevanter unternehmensexterner und -interner Faktoren. Diese sind vielfach durch Diskontinuitäten geprägt und erschweren damit eine langfristig angemessene Planung. Die gestiegene Differenziertheit ist u.a. auf die Vieldeutigkeit, Unterschiedlichkeit und 75 76
77 78 79
Vgl. z.B. Staehle, W. (1999), S. 538f. STEINMANN/SCHREYÖGG sprechen in diesem Zusammenhang auch vom Primat der Planung. Vgl. Steinmann, H./Schreyögg, G. (1997), S. 122ff. Vgl. Walter, M. (1989), S. 9. Vgl. z.B. Piser, M. (2003), S. 29 und Nuber, W. (1995), S. 48. Vgl. zur gestiegenen Komplexität in der Unternehmensumwelt Kromschröder, B./Lück, W. (1998), S. 1573.
20
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Weite der Umwelt international operierender Unternehmen zurückzuführen.80 Die durch Dynamik und Differenziertheit entstehende Komplexität trägt Unsicherheit in das unternehmerische Handlungsfeld herein. Hohe Führungskomplexität und Komplexitätskosten sind unmittelbare Folge dessen.81 Es ist mithin davon auszugehen, dass die hohen informatorischen Voraussetzungen, die im traditionellen Managementverständnis an die Planung gestellt werden, heutzutage in vielen Branchen nicht erfüllt sind und damit für diese ein traditionelles Managementverständnis abzulehnen ist. Auch für die Produktentwicklung forschender Arzneimittelhersteller sind die Voraussetzungen für eine vollständige, alle relevanten Aspekte erfassende Planung meist nicht gegeben.82 Dies ist wie folgt zu begründen: Die Umwelt forschender Arzneimittelhersteller zeichnet sich durch hohe Wettbewerbsdynamik und starken Innovationsdruck aus. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die Inhalte der Planung permanent zu überprüfen und ggf. zu konkretisieren. Insbesondere ist zu klären, ob einmal festgelegte Strategien überhaupt noch geeignet zum Aufbau neuer Erfolgspotentiale erscheinen oder im Zeitablauf revidiert werden müssen. Hinzu kommt, dass die der Planung zugrunde liegenden Prämissen nicht zwangsläufig ihre Gültigkeit während des gesamten Realisationsprozesses behalten.83 Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der langen Produktentwicklungszeiten zu sehen. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, vergehen von der Wirkstofffindung bis zur Zulassung eines Präparates am Markt durchschnittlich 10-12 Jahre. Somit besteht die Gefahr der Änderung von relevanten Prämissen innerhalb dieser Zeitspanne. Neben der hohen Dynamik im Umfeld der pharmazeutischen Produktentwicklung ist ebenfalls eine zunehmende Differenziertheit im pharmazeutischen Wertschöpfungsprozess selbst festzustellen. Diese ist insbesondere auf die steigende Anzahl an erforderlichen Technologien und die zunehmende Menge an pharmazeutisch relevanten Informationen z.B. zur Beurteilung eines Entwicklungsvorhabens zurückzuführen.84 Zum Zeitpunkt der Planung eines Entwicklungsvorhabens liegen diese Informationen jedoch oft noch nicht vor, sondern treten erst im Zeitablauf in Erscheinung. So be-
80 81
82 83 84
Vgl. Piser, M. (2004), S. 14. Zu Führungskomplexität und Komplexitätskosten vgl. ausführlich Becker, W. (2001b), S. 420ff. sowie Becker, W./Lutz, S. (2002), S. 150. Vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel 2.2. Vgl. dazu ausführlich Steinmann, H./Schreyögg, G. (1997), S. 127ff. Vgl. Kaufmann, L./Schmidt, D. (2004), S. 294.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
21
richtet VÖLKER, dass meist erst zum Zeitpunkt späterer Entwicklungsphasen85 alle relevanten Informationen vorliegen, um die zu entwickelnde Substanz in ihrem späteren Markt bestimm- und beschreibbar zu machen (z.B. hinsichtlich ihres pharmakologischen Wirkprofils, Herstellkosten und Preisabschätzungen).86 2.1.2.1 Notwendigkeit eines umfassenden Kontrollverständnisses Wenn, wie in der pharmazeutischen Produktentwicklung, zum Zeitpunkt der Planung nicht alle relevanten Sachverhalte umfassend, sondern lediglich in Ausschnitten erfasst werden, wird in der Literatur auch von einer „selektiven Planung“ gesprochen.87 Damit die durch Selektivität hervorgerufenen Unzulänglichkeiten der Planung kompensiert werden können, erfordert die selektive Planung eine umfassende Kontrolle. Diese muss über die reine Feedback-Kontrolle, wie sie dem traditionellen Managementverständnis zu Grunde liegt, hinausgehen.88 Neben den Ergebnissen der Realisation muss die Kontrolle auch ein Überwachen der Gültigkeit von Strategie und Prämissen gewährleisten. Kontrolle darf daher nicht als Abschluss der Aktivitätenfolge im Managementzyklus verstanden werden, sondern muss den gesamten Managementzyklus permanent begleiten.89 Dieser Gedanke ist nicht neu. In der Literatur sind diesbezüglich bereits einige Ansätze zur Konzipierung eines umfassende(re)n Kontrollverständnisses aufzufinden. STEINMANN/SCHREYÖGG beispielsweise schlagen die Einrichtung einer kompensatorischen Kontrolle90 vor, die hilft, die Unzulänglichkeiten der Planung zu kompensieren.91 Sie zerlegen dabei die Kontrolle in eine selektive Prämissen- und Durchführungskontrolle sowie eine umfassende ungerichtete strategische Überwachung. Die Prämissenkontrolle soll überprüfen, ob die der Strategie zu Grunde liegenden Annahmen im Zeitablauf haltbar sind. Die Durchführungskontrolle prüft, ob die Realisationsergebnisse der gewählten Strategie entsprechen, also strategiekonform sind. Die Strategische Überwachung hingegen stellt eine Form der ungerichteten Überwachung dar, die den gesamten Strategieprozess umfasst und selektionsbedingte Risiken der beiden speziellen Kontrollfunktionen, d.h. der Prämissen- und Durchfüh85 86 87 88 89 90
91
Vgl. zu den Phasen der Produktentwicklung die Ausführungen in Abschnitt 2.2. Vgl. Völker, R. (2000), S. 267. Vgl. Walter, M. (1989), S. 9. Vgl. Walter, M. (1989), S. 11. Vgl. Schreyögg, G. (1994), S. 346. Die Kompensationsfunktion unterscheidet sich deutlich von anderen Ansätzen zur Kontrolle. Vgl. dazu z.B. Sjurts, I. (1995), S. 253ff. und Muralidharan, R. (1997), S. 65ff. Vgl. zu den drei Kontrolltypen im Folgenden Steinmann, H./Schreyögg, G. (1997), S. 235ff.
22
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
rungskontrolle, überwacht.92 Aus diesem Grund wird die strategische Überwachung gelegentlich auch als „…Auffangnetz für die verbleibenden Risiken der Strategischen Planung“93 bezeichnet. Festgehalten werden soll an dieser Stelle zunächst das Erfordernis einer über die reine Feedback-Kontrolle hinausgehenden Kontrollform. Die Frage nach deren geeigneter Ausgestaltung im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung ist Gegenstand späterer Kapitel. 2.1.2.2 Notwendigkeit einer Risikofrüherkennung Eine für das Management in komplexen Umwelten geeignete Kontrolle hat neben rein vergangenheitsorientierten Feedback-Informationen, wie sie im traditionellen Managementverständnis erzeugt werden, auch zukunftsorientierte Steuerungsimpulse für die laufende Realisation zu geben. Zukunftsorientierte Steuerungsimpulse ermöglichen dem Management i.S.e. Frühwarnsystems bzw. einer Risikofrüherkennung94, potentielle Störungen gegenüber der ursprünglichen Planung zu antizipieren, hinsichtlich ihrer Auswirkungen zu analysieren und zu bewerten und daraufhin geeignete Maßnahmen vorzubereiten und einzuleiten.95 Zukunftsorientierte Steuerungsinformationen sind insbesondere für Entwicklungsvorhaben bedeutend, da sich diese im Gegensatz zu anderen Funktionsbereichen nur begrenzt durch Routineprozesse abwickeln lassen.96 Wegen des „Neuigkeitsgrads“ jedes einzelnen Entwicklungsvorhabens besteht vielfach die Gefahr, zu Beginn der Realisation nicht alle potentiellen Störfaktoren erkannt und umfassend berücksichtigt zu haben. Viele Entwicklungsvorhaben müssen infolgedessen im Verlauf des Entwicklungsprozesses eingestellt werden, da unerwartete Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Bewertungskalkül auftreten. Gerade in der pharmazeutischen Arzneimittelentwicklung ist die Misserfolgswahrscheinlichkeit im Vergleich zu anderen Branchen hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Entwicklungsvorhaben als Medikament am Markt zugelassen wird, wird zum Zeitpunkt der Auswahl eines Entwicklungsvorhabens von Experten auf 6-8% geschätzt. Dies 92
93 94
95 96
Eine solche Ausgestaltung der strategischen Kontrolle wird von verschiedenen Autoren heute als „State of the Art“ betrachtet. Vgl. Renggli, R. (1997), S. 3. Dierkes, S. et al. (2004), S. 42. Die Risikofrüherkennung oder auch Frühwarnung stellt auf die rechtzeitige Ortung und Signalisierung von latenten Bedrohungen i.S.v. bestandsgefährdenden Risiken ab. Vgl. Romeike, F. (2005), S. 273. Vgl. Wild, J. (1982), S. 35. Vgl. Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 301f.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
23
bedeutet umgekehrt, dass die Misserfolgswahrscheinlichkeit bei weit über 90% liegt.97 Die Gründe für vorzeitige Abbrüche von Entwicklungsvorhaben sind dabei mannigfaltig und variieren in den einzelnen Phasen der Entwicklung.98 In der nachfolgenden Abbildung 4 sind typische Abbruchgründe in der pharmazeutischen Produktentwicklung dargestellt. Deren genauere Untersuchung erfolgt in Abschnitt 2.2.4 der vorliegenden Arbeit. Entwicklungsvorhaben erreicht nicht die gewünschte Wirkungskraft Entwicklungsvorhaben erfüllt gewisse Sicherheitsanforderungen nicht Gewünschte Abgrenzungsanforderungen zu bestehenden Produkten werden nicht erfüllt Vorgesehener Zeitrahmen für die erfolgreiche Beendigung des Entwicklungsvorhabens wird zu stark überschritten Dem Entwicklungsvorhaben zu Grunde liegende Technologien sind fehlerhaft oder veraltet Marktwirtschaftliche Veränderungen treten ein Neue Konkurrenzprodukte treten auf Wertschöpfungspartner haben Lieferengpässe oder andere Schwierigkeiten Budget des Entwicklungsvorhabens wird gekürzt Ressourcenengpässe machen Repriorisierung des Entwicklungsvorhabens erforderlich
Abbildung 4: Gründe für Abbrüche von Entwicklungsvorhaben in der pharmazeutischen Produktentwicklung99
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die dargestellte Komplexität im Kontext der pharmazeutischen Arzneimittelentwicklung eine ganzheitliche Überwachung und Kontrolle des Entwicklungsprozesses verlangt. Darüber hinaus ist es erforderlich, bereits potentielle Fehlentwicklungen gegenüber der ursprünglichen Bewertung zu erkennen und hinsichtlich ihrer Relevanz für die weitere Realisierung eines Entwicklungsvorhabens einschätzen zu können. Ein traditionelles Managementverständnis wird diesem Anspruch jedoch nicht gerecht. Als Hauptkritikpunkt am traditionellen 97 98 99
Vgl. VFA (2000), S. 19. Vgl. Lange, E. (1993), S. 100ff. In Anlehnung an: Halliwell, T. (2003), S. 7f.
24
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Konzept wurde die Ausgestaltung der Kontrolle als reine Feedback-Kontrolle identifiziert, die eine ganzheitliche Überwachung konzeptionell nicht gewährleisten kann. Zudem ist im traditionellen Verständnis keine zukunftorientierte Steuerung möglich, da lediglich vergangenheitsorientierte Informationen erzeugt werden. Die zentralen Aussagen des vorangegangenen Abschnittes werden in der nachfolgenden Abbildung 5 zusammenfassend verdeutlicht. Dynamik
Differenziertheit
x Ungewisse Entwicklung relevanter unternehmensexterner und interner Faktoren
x Vieldeutigkeit, Unterschiedlichkeit und Weite der Umwelt forschender Arzneimittelhersteller
x Hohe Wettbewerbsdynamik
x Steigende Anzahl an erforderlichen Technologien
x Starker Innovationsdruck
x Zunehmende Menge an pharmazeutisch relevanten Informationen
Komplexität
Mangelnde Eignung des traditionellen Managementverständnisses für forschende Arzneimittelhersteller x Notwendigkeit einer umfassenden Kontrolle x Notwendigkeit einer Risikofrüherkennung
Abbildung 5: Mangelnde Eignung des traditionellen Managementverständnisses für forschende Arzneimittelhersteller100
2.1.3 Managementverständnis in dieser Arbeit Die Interpretation von Führung als komplexes Regelungsphänomen i.S.d. Kybernetik liefert Ansatzpunkte zur Überwindung der konzeptionellen Schwächen eines traditionellen Führungsverständnisses.101 Allgemein gesagt stellt die Kybernetik eine Brücke 100 101
In Anlehnung an: Piser, M. (2004), S. 14. Etymologisch (d.h. vom Ursprung und der Geschichte der Wörter) geht der Begriff der Kybernetik auf kybernan (=beherrschen) oder kybernetike (=die Kunst des Steuerns) zurück.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
25
zwischen Wissenschaften dar, indem sie versucht zu erklären, wie etwas (= ein System)102 gestaltet und beherrscht werden kann.103 Aus systemtheoretischer Sicht befasst sich die Kybernetik mit äußerst komplexen und damit nicht vollständig beschreibbaren Systemen. Diese Systeme haben das Ziel des Überlebens und müssen deshalb lernund anpassungsfähig sein.104 Wesentliche Grundlage zur Beherrschung der oben genannten Systeme sind die Steuerung und Regelung, deren Wirkungsablauf in einem geschlossenen Kreis, dem kybernetischen Regelkreis, stattfindet.105 Das nachfolgend vorgeschlagene, kybernetisch geprägte Managementverständnis stellt den methodischen Rahmen für die weiteren Untersuchungen in dieser Arbeit dar. Dieser orientiert sich an den Arbeiten von WILD und BECKER. Nach WILD lassen sich die erforderlichen Teilfunktionen106 des Managements aus prozessualer Sicht mit Hilfe eines kybernetischen Regelkreises beschreiben.107 Dieser weist im Prinzip Gültigkeit für jede Managementebene auf. Konsequent angewendet kann die Organisationshierarchie eines Unternehmens als mehrstufige Hierarchie miteinander vermaschter Regelkreise gedeutet werden. Mit anderen Worten kann Management auf allen Ebenen mehr oder weniger nach dem hier skizzierten Schema vollzogen werden.108 Der Grundgedanke von Management als kybernetischer Regelkreis wurde von BECKER verfeinert und zu einem komplexen Regelungsverständnis mit antizipativen Steuerungsinformationen erweitert.109 Wenn auch die Arbeiten von WILD und BECKER bereits in den achtziger und frühen neunziger Jahren entstanden sind, so sind sie in ihren Grundaussagen keineswegs überholt und liefern einen geeigneten Ausgangspunkt für weiterführende Untersuchungen.
102
103 104
105 106
107 108 109
Vgl. zum Begriff des Systems z.B. FUCHS, nach dem ein System aus Elementen mit Eigenschaften besteht, wobei die Elemente durch Beziehungen verknüpft sind. Vgl. Fuchs, H. (1969), Sp. 1620. Vgl. Lindemann, P. (1983), S. 907. Vgl. zum Verständnis von Unternehmen als kybernetisches System z.B. ausführlich Lindemann, P. (1970), S. 25ff. Vgl. Lindemann, P. (1983), S. 910. Konkret sind dies die Planung, Zielbildung, Entscheidung, Durchsetzung, Messung, Kontrolle Abweichungsanalyse und Ziel-, Plan- und Systemanpassung. Vgl. Wild, J. (1982), S. 35f. Vgl. Wild, J. (1982), S. 32ff. Vgl. Wild, J. (1982), S. 36. Vgl. Becker, W. (1990), S. 302ff.
26
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Ihre Aktualität zeigt sich beispielsweise in der Forderung nach zukunftsorientierten Steuerungsinformationen, wie sie von BECKER bereits 1990 formuliert wurde.110 Diese Forderung stellt einen interessanten Anknüpfungspunkt für die Einrichtung von Risikomanagementsystemen in Unternehmen dar. Risikomanagementsysteme sind seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) 1998 für alle börsennotierten Unternehmen vorgeschrieben.111 2.1.3.1 Management als Regelungsphänomen Der Regler (Führungsinstanz, z.B. Manager) hat bestimmte Zielvorstellungen, die er zu realisieren versucht. Die Zielvorstellungen sind dabei nicht beliebig festgesetzt, sondern im Rahmen der Planung entwickelt, koordiniert und geprüft worden.112 Auf Basis geeigneter Stellgrößen (Steuergrößen) beeinflusst der Regler das Verhalten der Regelstrecke (Mitarbeiter bzw. untergeordnete Organisationseinheit). Stell- bzw. Steuergrößen sind in diesem Zusammenhang als Instrumente und Maßnahmen zu verstehen, die auf die Regelstrecke einwirken. Die zielgerichtete Beeinflussung der Regelstrecke i.S.e. inputorientierten Vorgehens entspricht dem kybernetischen Prinzip der Vorkopplung und wird als Steuerung bezeichnet.113 Das Verhalten der Regelstrecke (Mitarbeiter bzw. untergeordnete Organisationseinheit) schlägt sich in Ergebnissen bzw. Istwerten nieder, die gemessen und an den Regler zurückgemeldet werden. Die Erfassung der realisierten Ist-Werte erfolgt dabei mit Hilfe geeigneter Kontrollstandards und -maßstäbe.114 Durch Vergleich der Ist- mit den vorgegebenen Sollwerten ist es dem Regler möglich, faktische Abweichungen gegenüber den ursprünglichen Zielvorgaben zu entdecken und ggf. nachsteuernd Anpassungsmaßnahmen einzuleiten.115 Abweichungen können dabei durch das (unerwartete) Auftreten von internen oder externen Störgrößen verursacht werden. Die Rückmeldung der Ergebnisse an den Regler und der Vergleich mit den zuvor gesetzten Sollvorgaben entsprechen dem kybernetischen Prinzip der Rückkopplung und werden 110 111
112 113 114 115
Vgl. Becker, W. (1990), S. 307. Zu den gesetzlichen Grundlagen vgl. Hommelhoff, P./Mattheus, D. (2000), S. 8ff. Zu den Hintergründen und Zielen des KonTraG vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 144ff. Zum Risikoverständnis und Risikomanagement i.S.d. KonTraG vgl. z.B. Kromschröder, B./Lück, W. (1998), S. 1573ff.; Wolbert, J. (1999), S. 100ff. und Pritzer, B. (1998), S. 148ff. Vgl. Wild, J. (1982), S. 35. Vgl. Becker, W. (1990), S. 302. Vgl. Wild, J. (1982), S. 35. Vgl. Wild, J. (1982), S. 34.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
27
in diesem Zusammenhang als Regelung bezeichnet.116 WILD geht in seinen Arbeiten nicht näher darauf ein, was er unter „geeigneten“ Kontrollstandards (-maßstäben) versteht.117 Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass geeignete Kontrollstandards jeweils situationsabhängig zu bestimmen sind und vor dem Hintergrund des betrachteten Führungsgegenstandes festgelegt werden müssen. Zudem bleibt zu vermuten, dass zum damaligen Zeitpunkt die Umwelt bei weitem nicht so komplex wie in der heutigen Zeit war und sich damit auch die Frage nach permanenter Überwachung weniger dringend stellte als heute. Fasst man unter die vage Forderung nach der „Festlegung geeigneter Kontrollstandards (-maßstäbe)“ nun auch die „Festlegung geeigneter Kontrollpunkte“, die unweigerlich mit den Kontrollmaßstäben zusammenhängen, lässt die vorgestellte Konzeption eine sehr breite Interpretation von Kontrolle zu. Diese kann bis hin zu einer permanenten Überwachung ausgestaltet werden. Eine permanente Überwachung wäre nämlich dann gegeben, wenn die Kontrollpunkte in ausreichend kurzen Abständen, im Extremfall permanent und bereits mit der Planung beginnend, festgelegt werden. Dies wäre aber mit Sicherheit unter Wirtschaftlichkeitsaspekten überzogen.
116 117
Vgl. Becker, W. (1990), S. 303. Vgl. Wild, J. (1982), S. 35.
28
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Die Kombination von steuernden und regelnden Führungsaktivitäten, die gemeinsam als Lenkung118 bezeichnet werden, bilden das Grundmodell eines kybernetischen Regelkreises.119 Dieses Grundmodell wird in der nachfolgenden Abbildung 6 dargestellt.
Strategische Ziele Planung Faktische Abweichung Operative Ziele/Sollgrößen Regler (z.B. Manager)
Ist-Werte (Regelgrößen)
R E G E L U N G
Kontrollpunkte und -maßstäbe Regelstrecke (z.B. Mitarbeiter)
S T E U E R U N G
Stellgrößen (Steuergrößen)
Störgrößen
Abbildung 6: Kybernetischer Regelkreis im Grundmodell
Um zusätzlich neben faktischen Abweichungen auch potentielle Abweichungen erkennen und dadurch rechtzeitig agieren statt – wie bislang – nur reagieren zu können, ist es erforderlich, das Grundmodell um antizipative Steuerungsinformationen zu einem komplexen Steuerungs- und Regelungsmodell zu erweitern. Dieses wird im nachfolgenden Abschnitt dargestellt. 2.1.3.2 Erweiterung des Managements um Aspekte der komplexen Steuerung und Regelung Das skizzierte Grundmodell wird zu einem komplexen Regelkreis erweitert, indem neben den regelnden Führungsaktivitäten, die einer vergangenheitsorientierten Rück118
119
Durch die Lenkung wird es möglich, das Verhalten eines Systems (Unternehmen) unter Kontrolle zu halten. Vgl. zu dieser Auffassung Ulrich, H. /Probst, G. J. B. (1988), S. 89. Vgl. zum Begriff der kybernetischen Lenkung Becker, W. (1990), S. 303.
2.1 Management zur langfristigen Existenzsicherung von Unternehmen
29
kopplung gleichkommen, zusätzlich bestimmte Informationen vorkoppelnd an den Regler gemeldet werden (vgl. Abbildung 7).120 Diese stellen antizipative Steuerungsinformationen dar und erlauben dem Regler, Vorbereitungen zur Bewältigung potentieller Störereignisse zu treffen. Die Vorkopplung erfüllt mithin eine Risikofrüherkennungs- bzw. Frühwarnfunktion, da durch sie Störungen im Entwicklungsablauf antizipiert und an den Regler gemeldet werden. Auf dieser Basis können rechtzeitig präventive oder korrektive Maßnahmen eingeleitet werden. Bestenfalls können auf diese Weise mögliche Störungen erkannt und behoben werden noch bevor sie eintreten und damit eine erfolgreiche Realisation gefährden.121 Des Weiteren müssen die antizipierten Störungen direkt oder indirekt über den Regler auch an die Planung gemeldet werden, damit frühzeitige Plananpassungen, soweit erforderlich, vorgenommen werden können.122
Strategische Ziele Planung Faktische und potentielle Abweichungen
Antizipiertes Ist Operative Ziele/Sollgrößen Regler (z.B. Manager)
Ist-Werte (Regelgrößen)
R E G E L U N G
Kontrollpunkte und -maßstäbe Regelstrecke (z.B. Mitarbeiter)
S T E U E R U N G
Stellgrößen (Steuergrößen)
Risikofrüherkennung
Störgrößen
Abbildung 7: Führung als komplexes Steuerungs- und Regelungsphänomen
120 121 122
Vgl. Becker, W. (1990), S. 307. Vgl. Wild, J. (1982), S. 35. Vgl. Wild, J. (1982), S. 35.
30
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Die Identifikation von antizipativen Steuerungsinformationen bzw. Indikatoren123 steht dabei in enger Verbindung mit den im Realisationsprozess eingebauten Kontrollpunkten und -maßstäben, da potentielle Fehlentwicklungen nur dann erkannt werden können, wenn man sie mit entsprechenden Sollgrößen vergleichen kann. Das in diesem Abschnitt dargestellte Verständnis von Management als komplexes Steuerungs- und Regelungsphänomen liefert den konzeptionellen Rahmen für die weiteren Untersuchungen in dieser Arbeit, da es eine umfassende Kontrolle und die Generierung von zukunftsorientierten Steuerungsinformationen i.S.e. Risikofrüherkennung erlaubt. Wie in den vorangegangenen Ausführungen deutlich wurde, stellen diese eine wichtige Notwendigkeit für ein Management in komplexen Umwelten wie die der pharmazeutischen Produktentwicklung dar. Die weiteren Untersuchungen beschäftigen sich nun mit der forschungsleitenden Fragestellung, wie dieses kybernetisch geprägte – bislang jedoch relativ abstrakt gehaltene – Managementverständnis konkret auszugestalten und ggf. zu erweitern ist, um den Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung adäquat Rechnung zu tragen. Dazu ist es zunächst erforderlich, die pharmazeutische Produktentwicklung und deren Besonderheiten genauer zu untersuchen. Dies ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts 2.2.
123
Indikatoren sind messbare Hilfsgrößen, die sich gleichgerichtet, aber zeitlich vorlaufend zu relevanten Faktoren (hier speziell Steuerungsinformationen) verändern. Vgl. dazu ähnlich Pfohl, H.-C. (1981), S. 22f.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
31
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie Die langfristige Existenzsicherung eines Unternehmens erfordert den permanenten Aufbau neuer Erfolgspotentiale, da diese die Voraussetzung für die nachhaltige Generierung von Erfolg und Liquidität schaffen. Erfolgspotentiale sind dabei als das Gefüge sämtlicher produkt- und marktspezifischer erfolgsrelevanter Voraussetzungen zu deuten, die spätestens dann vorliegen müssen, wenn es um Erfolgsrealisation, also um den Absatz der Unternehmensleistungen geht.124 Für forschende Arzneimittelhersteller ist die Beherrschung von Forschung und Produktentwicklung von überragender Bedeutung, denn Innovationen bilden für sie die Grundlage des Geschäftserfolgs.125 Durch Forschung und Produktentwicklung werden neue, marktlich verwertbare Produkte und Technologien entwickelt. Neue Produkte eröffnen Zugang zu neuen Märkten bzw. – infolge des Differenzierungsvorteils – eine Verbesserung der relativen Wettbewerbsposition auf bestehenden Märkten.126 Die marktliche Verwertung neuer Technologien ist darin zu sehen, dass bestehende Produkte verbessert und/oder günstiger angeboten werden können und dadurch eine Erhöhung des relativen Wettbewerbsvorteils auf bestehenden Märkten erreicht werden kann.127 Vor dem Hintergrund steigenden Wettbewerbsdrucks sowie durch Reglementierungen im Rahmen der Gesundheitspolitik128 wird die Generierung neuer Erfolgspotentiale immer bedeutender und zugleich immer schwieriger. Damit werden auch die Anforderungen an die Produktentwicklung sowie an deren Management immer höher.129 Produktentwicklung muss effektiv betrieben werden. Eine konsequente Berücksichtigung der Marktbedarfe ist unumgänglich, um auf Patientengruppen zugeschnittene Ergebnisse zu erzielen. Dies ist auch deshalb zunehmend erforderlich, da sich die Einstellung der Patienten zum Thema Gesundheit stark gewandelt hat. Patienten nut124 125 126
127
128 129
Vgl. Gälweiler, A. (1990), S. 27. Vgl. Cardinal, L. (2001), S. 20. Vgl. dazu auch die Systematik von ANSOFF. In Abhängigkeit davon, ob erstens alte oder neue Produkte angeboten und zweitens alte oder neue Märkte bearbeitet werden, lassen sich nach ANSOFF die unterschiedlichen Strategien der Marktdurchdringung, Marktentwicklung, Produktentwicklung und Diversifikation unterscheiden. Vgl. Ansoff, I. H. (1988), S. 83. Beispielsweise kommt den Fortschritten der Nanotechnologie große Bedeutung für den pharmazeutischen Entwicklungsprozess zu, da durch sie die Bioverfügbarkeit von Wirkstoffen erhöht werden kann. Bioverfügbarkeit stellt den Anteil eines Wirkstoffs dar, der im Körper an der gewünschten Stelle aufgenommen wird. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 3.2.1. Vgl. Clausius, E. (1993), S. 1.
32
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
zen heute aktiv das Internet und andere Quellen, um sich Informationen über Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten zu verschaffen.130 Dieser Wandel wird häufig als „Consumer Empowerment“ bezeichnet. Das geänderte Patientenverhalten erfordert ein Umdenken der pharmazeutischen Unternehmen, das KENNEDY mit den Worten „Designing with the Customer“ gegenüber dem früheren „Designing for the Customer“ beschreibt.131 Des Weiteren muss Produktentwicklung zeit- und kosteneffizient betrieben werden. Zeiteffizienz ist dabei notwendig, um zum „richtigen“ Zeitpunkt am Markt zu sein, was in den meisten Fällen bedeutet, schneller als der Wettbewerber sein zu müssen.132 Das Erfordernis einer Reduzierung von Produktentwicklungszeiten ist nicht zuletzt auch deshalb von enormer Bedeutung, da hierdurch längere Monopolgewinne realisiert werden können. Üblich ist es nämlich in der Pharmaindustrie, bereits in frühen Entwicklungsstadien den Arzneimittelwirkstoff zum Patent anzumelden. Gelingt es, die Entwicklungszeiten zu reduzieren, kann dadurch die Vermarktungsphase unter Patentschutz, d.h. die effektiv nutzbare Patentlaufzeit verlängert werden.133 Eine weitere Herausforderung für die Produktentwicklung ist es, Leistungen134 kosteneffizient, d.h. zu möglichst geringen Kosten zu entwickeln. Dies erfordert das Aufdecken und Ausnutzen von Rationalisierungspotentialen.135 Insbesondere muss der Fokus auf dem frühzeitigen Erkennen und Abbrechen nicht erfolgversprechender Arzneimittelentwicklungen liegen, da die hierfür anfallenden Kosten aus Sicht des Unternehmens meist sunk costs darstellen.136 Unter „nicht erfolgversprechend“ sind in diesem Zusammenhang diejenigen Entwicklungsvorhaben angesprochen, die entweder geringe Aussichten auf Zulassung haben oder für die kein Beitrag zum zukünftigen Unternehmenserfolg erwartet werden kann. 130 131 132 133
134
135 136
Vgl. July-Grolman, M. (2002), S. 157. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 2. Vgl. Schmelzer, H. (1993), S. 121. Vgl. zu Patentlaufzeit und effektiver Patentlaufzeit VFA (2000), S. 14 und 23 sowie zur Bedeutung kurzer Entwicklungszeiten für die Vermarktungsphase unter Patentschutz Schwarzer, B. (1994), S. 172f. Dies sind klassischerweise Arzneimittel. Denkbar sind jedoch auch Produktbündel, die zusätzlich zur Hauptleistung „Arzneimittel“ ergänzende Neben- und Zusatzleistungen wie z.B. Therapien und Beratungsleistungen umfassen. Vgl. zur Interpretation von Produkten als (Dienstleistungs)bündel Becker, W. (2004), S. 115. Vgl. Clausius, E. (1993), S. 1. „Nicht erfolgversprechende“ Entwicklungsvorhaben sind diejenigen Entwicklungsvorhaben, die aus wirtschaftlichen oder medizinischen Gründen nicht bis zur Zulassung gelangen.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
33
Die Forderung nach einer kosteneffizienten Arzneimittelentwicklung ist u.a. darauf zurückzuführen, dass in den letzten Jahren die Kosten der Arzneimittelentwicklung allgemein gestiegen sind und somit aus Gesamtunternehmenssicht erheblicher Kostensenkungsbedarf besteht. Mögliche Gründe für den Kostenanstieg sind u.a. in rigideren – und damit teureren – Zulassungsanforderungen von nationalen und internationalen Behörden zu sehen.137 Des Weiteren sind im Laufe der Zeit die gesetzlich vorgeschriebenen klinischen Studien komplexer und damit aufwändiger hinsichtlich der Durchführung geworden.138 Neben den skizzierten Änderungen auf der Kostenseite machen auch Preisfestsetzungen und andere Reglementierungen auf der Erlösseite forschender Arzneimittelhersteller eine Effizienzsteigerung im gesamten Wertschöpfungsgefüge – und damit auch in der Produktentwicklung – erforderlich, um die langfristige Existenz am Markt zu sichern.139 2.2.1 Forschung als Voraussetzung der pharmazeutischen Produktentwicklung Allgemein werden die Begriffe „Forschung“ und „Entwicklung“ in einem Atemzug genannt. Unter Forschung und Entwicklung werden sämtliche systematischen Aktivitäten verstanden, die Unternehmen entfalten oder von externen Institutionen durchführen lassen, um neues, natur- und ingenieurwissenschaftliches Wissen zu erwerben und/oder solches Wissen in vom eigenen Unternehmen direkt oder indirekt vermarkteten Produkten oder Herstellungsverfahren in neuartiger Weise anzuwenden.140 Die Forschung unterscheidet sich aber von der Entwicklung darin, dass sie primär auf eine Erweiterung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes ausgerichtet ist. Der Grad der unmittelbaren wirtschaftlichen Anwendbarkeit ist daher geringer als bei der Entwicklung. Die Forschung kann weiter untergliedert werden in die Bereiche der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung.141 2.2.1.1 Grundlagenforschung Die Grundlagenforschung zielt im Allgemeinen auf die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ohne überwiegende Orientierung am Ziel einer praktischen 137 138 139 140
141
Vgl. Fischer, D. /Breitenbach, J. (2003), S. 11. Vgl. July-Grolman, M. (2002), S. 159. Vgl. July-Grolman, M. (2002), S. 157. Vgl. z.B. Brockhoff, K. (1994), S. 35ff.; Gerpott, T. (1999), S. 28f. und Specht, G./Beckmann, C. (1996), S. 15f. Vgl. Bürgel, H. D. (1996), S. 8f.
34
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Anwendbarkeit. Im Kontext forschender Arzneimittelhersteller sind mit der Grundlagenforschung diejenigen Tätigkeiten gemeint, die nicht unmittelbar auf die Entwicklung eines neuen Arzneimittels abzielen. Forschung kann beispielsweise in Teilsegmenten wie der „genetischen Forschung“ (Entschlüsselung von Erbinformationen) oder der „immunologischen Forschung“ (Reaktanzverhalten von Zellen bei Erregerbefall) stattfinden.142 Reine Grundlagenforschung wird i.d.R. von Institutionen staatlicher Trägerschaft durchgeführt, wie z.B. von Instituten der Max Planck Gesellschaft oder von Universitäten. Wichtig ist, dass die pharmazeutische Industrie die dort stattfindende Grundlagenforschung verfolgt sowie durch eigene Arbeiten begleitet. Dies ist deshalb von Bedeutung, da die an staatlichen und kommerziellen Forschungsstätten erzielten Ergebnisse immer weniger für die Belange der pharmazeutischen Industrie ausreichen.143 Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung bilden die Wissensbasis für die angewandte Forschung.144 2.2.1.2 Angewandte Forschung Die angewandte Forschung – im Kontext forschender Arzneimittelhersteller auch als Wirkstofffindung bezeichnet – dient der Suche nach neuen Wirkstoffen und der Klärung ihrer arzneilichen Eigenschaften.145 Erklärtes Ziel der angewandten Forschung ist die Bereitstellung einer biologisch aktiven Substanz, für die eine Hypothese zu einer erwünschten Wirkung am Menschen formuliert werden kann.146 In diesem Zusammenhang werden Substanzen an theoretischen Modellen, Tiermodellen, organischen Kulturen oder Genchips in großer Anzahl auf ihr späteres Entwicklungspotential für die Synthese von Arzneimitteln analysiert. Dieser Analyseprozess wird auch als Screening bezeichnet. Insbesondere im Bereich des Screening sind in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte durch die Entwicklung des so genannten High-throughput-Screening erzielt worden, das in kurzer Zeit das automatisierte Testen einer großen Menge an Wirkstoffen ermöglicht.147
142 143 144 145 146 147
Vgl. Dreger, C. (2000), S. 45. Vgl. Forker, H. (1995), S. 32. Vgl. Dreger, C. (2000), S. 45. Vgl. Forker, H. (1995), S. 32. Vgl. Jakubczik, G. D. (1990), S. 22. Vgl. VFA (2000), S. 10.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
35
Verlaufen die durchgeführten Tests in der angewandten Forschung positiv, wird der identifizierte Wirkstoff (lead compound) zum Patent angemeldet. Erst zu diesem Zeitpunkt lässt sich überhaupt von einem klar abgrenzbaren Entwicklungsvorhaben bzw. Projekt sprechen, das im Folgenden durch ein multifunktionales Projektteam weiterentwickelt wird.148 Die Aufgabe des Projektteams besteht in diesem Zusammenhang in der Koordination und Kontrolle der einzelnen Aktivitäten der Produktentwicklung, die von jedem Wirkstoff in unterschiedlichen Laboren durchlaufen werden müssen.149 Die Projektleitung ist dabei für das Entwicklungsvorhaben in seiner Gesamtheit verantwortlich. Die Verantwortung umfasst u.a. die Definition der nötigen Entwicklungsschritte in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen sowie die Koordination des Gesamtprojektes zur bestmöglichen Erzielung der geplanten Ergebnisse unter Einhaltung des Zeit- und Kostenrahmens.150 2.2.2 Phasen der pharmazeutischen Produktentwicklung Nach Beschluss des Managements zur Übergabe des identifizierten Wirkstoffs an die Entwicklung wird dieser zu einem so genannten „Arzneimittelkandidaten“. Ziel der Entwicklung ist es, den Wirkstoff zu einer chemisch stabilen Substanz weiter zu entwickeln, die ohne oder mit vertretbaren Nebenwirkungen zur erfolgreichen Behandlung von Krankheiten angewendet werden kann.151 Im Wesentlichen geht es hier also um die Validierung der von der Forschung aufgestellten Hypothese durch klinische Erprobung und Sicherheitsnachweis bei der Anwendung am Menschen.152 Die Entwicklung ist in der pharmazeutischen Industrie klassischerweise in Phasen eingeteilt, innerhalb derer jeweils unterschiedliche Fachfunktionen eingebunden sind. Dabei ist zwischen der „frühen“ und der „späten“ Entwicklung zu unterscheiden.153 Die frühe Entwicklung umfasst die präklinische Phase (Präklinik) sowie die Phase 1 der klinischen Prüfung. Gegenstand der späten Entwicklung sind die Phasen 2 und 3 der klinischen Prüfung.
148 149 150
151 152 153
Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 101. Vgl. zum Projektbegriff die Ausführungen in Abschnitt 2.2.3.2. Vgl. Schwarzer, B. (1994), S. 180. Vgl. Völker, R. (2001), S. 243f. Neben der Einhaltung des Zeitrahmens muss der Projektleiter auch eine durchgängige Ausrichtung der Projekte auf die Unternehmensstrategie sicherstellen. Vgl. Fischer, D./Breitenbach, J. (2004), S. 27. Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 101. Vgl. Jakubczik, G. D. (1990), S. 22. Vgl. Dreger, C. (2000), S. 47.
36
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
2.2.2.1 Präklinische Phase Im Rahmen der Präklinik werden die Ergebnisse aus der angewandten Forschung weiterentwickelt. Das Ziel der Präklinik ist zweigeteilt: Als erstes Ziel sollen Aussagen über Darreichungsformen, Wirkweisen und Therapieverfahren mit dem neuen Wirkstoff gefunden werden.154 Zu diesem Zweck werden Studien an isolierten Organen, Geweben oder Zellen (in vitro) sowie an Tieren (in vivo) durchgeführt. Die Studien umfassen dabei umfangreiche toxikologische Untersuchungen, mit Hilfe derer die schädlichen Eigenschaften der Arzneistoffe für Mensch und Tier untersucht werden. Toxikologische Untersuchungen können dabei von einfachen kurzen Versuchen bis hin zu Langzeitstudien mit mehreren Generationen von Versuchstieren reichen. Man unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen akuten, subakuten und chronischen Untersuchungen.155 Damit die Qualität der Untersuchungen gewährleistet ist, müssen in Europa alle toxikologischen Untersuchungen nach den Richtlinien der Guten Laborpraxis (Good Laboratory Practice, GLP) durchgeführt werden.156 Neben den toxikologischen Untersuchungen beginnen in der präklinischen Phase auch pharmakologische Untersuchungen zur Prüfung der biologischen Wirksamkeit eines Arzneistoffes. Neben dem eher routinemäßig durchgeführten Primär- und dem spezielleren Sekundärscreening schließen sich Untersuchungen der speziellen Pharmakologie an, die zum einen pharmakokinetische157 und zum anderen pharmakodynamische158 Fragestellungen umfassen. Parallel zu den zuvor genannten Aktivitäten der Toxikologie und Pharmakologie werden im Rahmen der Analytik diverse Untersuchungen z.B. zur Stabilität des Wirkstoffs und zur Darreichungsform durchgeführt, deren Ergebnisse u.a. zur Optimierung der Darreichungsform und zur Entwicklung von Produktionsmethoden im Rahmen der
154 155
156
157
158
Vgl. Fischer, D./Breitenbach, J. (2003), S. 28ff. Eine ausführliche Beschreibung der unterschiedlichen Formen findet sich bei Schwarzer, B. (1994), S. 185f. Dies gilt ebenfalls für die USA und Japan. Vgl. VFA (1997), S. 3. Die Einhaltung dieser Richtlinien soll die Qualität und Integrität der Daten gewährleisten, die zum Nachweis der Unbedenklichkeit verwendet werden. Vgl. Schwarzer, B. (1994), S. 184. Aufgabe der Pharmakokinetik ist die mathematische Beschreibung des Konzentrationswechsels eines Arzneistoffes in den einzelnen Compartements des Organismus. Vgl. Meinhardt, Y. (2002), S. 50. Pharmakodynamik bezieht sich auf die Untersuchung der durch eine biologische Substanz hervorgerufenen Vorgänge und Reaktionen im Organismus. Vgl. Meinhardt, Y. (2002), S. 50.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
37
Galenik159 genutzt werden können. Die Entwicklung von Produktionsmethoden kann als zweites Ziel der Präklinik gesehen werden und ist erforderlich, um eine spätere Produktion des Wirkstoffs in großen Mengen gewährleisten zu können (Scale-up).160 Nach Abschluss der skizzierten Tätigkeiten und erfolgter Zulassung zum Test der Substanz am Menschen erfolgt der Eintritt in die klinische Phase 1.161 Von Beginn der präklinischen Untersuchungen bis zur Zulassung der Substanz zum Test am Menschen vergehen üblicherweise ein bis zwei Jahre.162 Im Unterschied zur bisher beschriebenen präklinischen Phase wird in den nachfolgenden klinischen Phasen 1-3 der Wirkstoff an gesunden Menschen sowie an Patientengruppen und nicht mehr an Organen, Zellen und Tieren getestet. Im Rahmen der klinischen Entwicklung wird ein komplexes Regelwerk aus gesetzlichen nationalen und internationalen Vorschriften wirksam.163 Es sei an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass auch nach erfolgter Zulassung zum Test am Menschen – mithin dem Beginn der klinischen Phasen – weitere Aktivitäten stattfinden, die der präklinischen Phase zuzuordnen sind.164 Als Beispiel können hier die Langzeitstudien genannt werden, die über mehrere Generationen von Tieren hinweg durchgeführt werden und in denen untersucht wird, ob der Wirkstoff zu einer Schädigung nachfolgender Generationen führen kann.165 2.2.2.2 Phasen der klinischen Prüfung Phase 1 Ziel der Phase 1 ist es, Erkenntnisse über die Wirksubstanz hinsichtlich Verträglichkeit, verträglicher Dosierung und Wirkungsweise zu gewinnen. Geprüft wird, wie eine Substanz vom Körper aufgenommen wird, welche unerwünschten Nebenwirkungen sie aufweist und über welche Wege sie im Stoffwechsel verändert und ausgeschieden wird.166 Entscheidend für die Beurteilung der Verträglichkeit ist die erwartete RisikoNutzen-Relation der Substanz. Die Substanz wird zu diesem Zweck an einer kleinen 159 160 161
162 163 164
165 166
Unter Galenik versteht man die Lehre von der Zubereitung von Arzneimitteln. Vgl. Fischer, D./Breitenbach, J. (2003), S. 30. Die Zulassung wird in Deutschland durch die Ethikkommission des deutschen Gesundheitswesens erteilt. Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 102. Vgl. ausführlich de la Haye, R./Gorbauch, T. (2001), S. 167f. An dieser Stelle soll ein kurzer Hinweis genügen, da auf den zeitlichen Bezug der Phasen zueinander noch ausführlich in Kapitel 4.2.3 eingegangen wird. Vgl. Schwarzer, B. (1994), S. 184. Vgl. VFA (1997), S. 6.
38
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Anzahl (90 bis 120 Probanden) von gesunden, meist männlichen Freiwilligen getestet.167 Studien in Phase 1 dauern i.d.R. zwei Jahre. Phase 2 Treten in Phase 1 keine Anzeichen hinsichtlich mangelnder Verträglichkeit bzw. gravierenden Nebenwirkungen auf, wird der Wirkstoff in Phase 2 erstmals einer größeren Anzahl an Testpatienten (100 bis 500 Probanden) verabreicht. Untersucht wird dabei meist in Form einer stationären Behandlung, wie Patienten auf das Medikament reagieren, insbesondere, ob das Medikament tatsächlich bei Patienten die gewünschte Wirkung aufweist. Darüber hinaus werden Studien zum Dosierungs-Wirkungsprofil des Wirkstoffs erstellt. Ziel der Studien ist die Gewinnung weiterer Erkenntnisse zur optimalen Dosierung sowie zum Wirkungsverlauf beim Einsatz der Substanz.168 Phase 2 stellt die erste Phase der „späten“ Entwicklung dar und dauert im Schnitt ca. zwei Jahre.169 Phase 3 Der Übergang von Phase 2 zu Phase 3 Studien ist meist fließend. Ziel der Studien in Phase 3 ist der Beweis der Wirksamkeit des Medikamentes durch Vorwegnahme des späteren therapeutischen Einsatzes.170 Weiterhin soll eine Risiko-/Nutzenabwägung nach kurz- und längerfristiger Gabe der Prüfsubstanz ermöglicht werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird der therapeutische Wert dieses Medikamentes im Vergleich zu Alternativbehandlungen beurteilt.171 Dazu ist eine weitaus größere Anzahl an Patienten als in den bisherigen Phasen erforderlich, um die Erkenntnisse statistisch abzusichern – meist sind es zwischen 500 und 10.000 Patienten. Um die therapeutische Realität möglichst genau abzubilden werden die Tests oft in mehreren Zentren durchgeführt.172 Typischerweise finden Phase 3-Studien so lange statt, bis die statistische
167 168 169 170 171
172
Die Tests an männlichen Freiwilligen sollen Reproduktionsrisiken vermindern. Vgl. Dreger, C. (2000), S. 49. Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 102. Vgl. Fischer, D./Breitenbach, J. (2003), S. 31. Alternativbehandlungen sind entweder der bestehende Behandlungsstandard oder Placebos. Dabei weiß der Patient aber nicht, ob er ein Placebo oder die Prüfsubstanz verabreicht bekommt. Vgl. dazu ausführlich VFA (1997), S. 7f. Vgl. Meinhardt, Y. (2002), S. 50.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
39
Evidenz für die Antragstellung auf Zulassung oder den Abbruch des Entwicklungsvorhabens gegeben ist.173 Zulassungsbewerbung Wird diese letzte Phase der Tests während der Entwicklung abgeschlossen, erfolgt die Bewerbung um die Zulassung des Medikamentes am Markt. Dabei bilden alle Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung die Grundlage einer Beurteilung der Substanz durch die zuständige Zulassungsbehörde.174 Sofern man die Aufgaben der Forschung und Entwicklung auf sämtliche Aktivitäten zur Erstellung des Zulassungsdossiers175 eingrenzt, endet der Forschungs- und Produktentwicklungsprozess an dieser Stelle.176
173 174 175
176
Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 102. Vgl. VFA (1997), S. 8f. Das Zulassungsdossier ist eine behördlich vorgeschriebene Dokumentation aller Daten der Entwicklungsphase, die bei der Zulassungsbehörde eingereicht werden müssen, um die Zulassung des entwickelten Arzneistoffes zu beantragen. Vgl. zu den Bestandteilen eines Zulassungsdossiers ausführlich Jordan, H. (2002), S. 180ff. In den USA heißt dieser Antrag „New Drug Application“ und umfasst zwischen 50.000 und 250.000 Druckseiten. Vgl. Meinhardt, Y. (2002), S. 51. Vgl. in diesem Zusammenhang die Argumentation von SCHWARZER. Vgl. Schwarzer, B. (1994), S. 174.
40
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Eine grafische Übersicht über die beschriebenen Aktivitäten der pharmazeutischen Produktentwicklung findet sich in der nachfolgenden Abbildung 8. EINBINDUNG DER FACHFUNKTIONEN IN DEN EINZELNEN PHASEN DER PRODUKTENTWICKLUNG
Präklinische Phase
F A C H F U N K T I O N E N
Klinische Phasen I-III
Klin. Prüfung Phase I
Klinische Prüfung
Akute Toxizität
Toxikologie
Pharmakologie
Screening
Klin. Prüfung Phase II
Subakute Toxizität
Klin. Prüfung Phase III
Chronische Toxizität
Pharmakokinetik / Pharmakodynamik
Spezielle Pharmakologie
Analytik
Galenik
Analytik des Wirkstoffes
Stabilität des Wirkstoffes
Analytik der Darreichungsform
Entwicklung der Darreichungsform
Produktionsmethoden und Herstellung der Klinikmuster
Abbildung 8: Fachfunktionen und deren Einbindung in die einzelnen Phasen der pharmazeutischen Produktentwicklung177
2.2.2.3 Langzeitstudien und Anwendungsbeobachtungen Auch nach erfolgter Zulassung der Substanz als Medikament am Markt werden weiterhin Langzeitstudien sowie Anwendungsbeobachtungen zu Nebenwirkungen und Arzneimittelsicherheit durchgeführt. Die Langzeitstudien sind teilweise international organisiert und umfassen über 10.000 Patienten.178 Anwendungsbeobachtungen sind im Gegensatz dazu weniger strikt organisiert. Oft arbeiten Hersteller zu diesem Zweck mit den Ärzten zusammen und lassen sich deren Anwendungsbeobachtungen schildern.
177 178
In Anlehnung an: Wolf, T./Unkelbach H. D.(1986), S. 37. Vgl. VFA (1997), S. 9f.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
41
2.2.3 Organisation der pharmazeutischen Produktentwicklung Im vorangegangenen Abschnitt wurden die einzelnen Phasen der pharmazeutischen Produktentwicklung dargestellt. Auf Grundlage dieser Ablaufstruktur sollen nachfolgend mögliche Formen des organisatorischen Aufbaus der Produktentwicklung in pharmazeutischen Unternehmen skizziert werden. 2.2.3.1 Primärorganisation der Produktentwicklung In der Primärorganisation geht es im Wesentlichen um die aufbauorganisatorische Grundgliederung eines Unternehmens bzw. eines Unternehmensbereiches.179 Die formale, hierarchische Primärorganisation ist in erster Linie auf die effiziente Abwicklung von Routineaufgaben ausgelegt.180 FORKER unterscheidet im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung die Gliederung nach wissenschaftlichen Disziplinen, Forschungs- und Entwicklungsphasen und Forschungsgebieten als drei mögliche Formen der Grundgliederung. Die beiden erstgenannten Organisationsformen sind dabei dem Verrichtungsprinzip zuzuordnen, die Gliederung nach Forschungsgebieten entspricht hingegen einer objektorientierten Vorgehensweise.181
179 180
181
Vgl. Forker, H. (1995), S. 38. Zur Lösung von schlecht definierten komplexen Problemen und zur Förderung von Innovationen ist sie alleine nicht geeignet, sondern muss um eine Sekundärorganisation ergänzt werden. Vgl. Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 301f. Vgl. Forker, H. (1995), S. 36ff.
42
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Alle drei Organisationsformen weisen im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung diverse Vor- und Nachteile auf, die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur überblicksartig in der folgenden Abbildung 9 dargestellt werden sollen. Strukturierungsalternativen Wissenschaftliche Disziplinen Beurteilungskriterien Maximale Ausnutzung des Spezialwissens der + Aufgabenträger
F + E-Phasen
Forschungsgebiete
(+)
–
Effiziente Nutzung der Sachmittel
+
–
–
Optimale interdisziplinäre Kommunikation
–
(+)
+
Optimale intradisziplinäre Kommunikation
+
(–)
–
Differenzierungsmöglichkeiten bei der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen
+
+
–
Zielorientierung der F + EAktivitäten
–
–
+
+ = von Vorteil; ( + ) = geringer Vorteil; ( – ) = geringer Nachteil; – = von Nachteil
Abbildung 9: Möglichkeiten zur Strukturierung der Primärorganisation in der pharmazeutischen Produktentwicklung182
FORKER weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich die Gliederung nach wissenschaftlichen Disziplinen wie z.B. Toxikologie und Pharmakologie am häufigsten in Unternehmen durchgesetzt hat. Als besondere Vorteile sind in diesem Zusammenhang zu nennen, dass innerhalb der so gebildeten Einheiten nach einer einheitlichen Methodologie gearbeitet und vorhandene Sachmittel gut ausgelastet werden können. Zudem erlaubt die intradisziplinäre Spezialisierung ein hohes Niveau in den bearbeiteten Gebieten. Problematisch können sich im Rahmen dieser Organisationsform die mangelnde Ausrichtung der einzelnen Einheiten an den Unternehmenszielen sowie die fehlende interdisziplinäre Kommunikation auswirken. Die genannten Prob-
182
Quelle: Forker, H. (1995), S. 38.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
43
leme können jedoch durch die Ergänzung der Primärorganisation um interdisziplinäre Koordinationsformen wie Projekte überwunden werden.183 2.2.3.2 Management von Entwicklungsvorhaben als Projekte Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die aufbauorganisatorische Grundgliederung der pharmazeutischen Produktentwicklung dargestellt wurde, beschäftigt sich der folgende Abschnitt mit der Organisation bzw. dem Management von Entwicklungsvorhaben als Projekte. In der Literatur zur pharmazeutischen Produktentwicklung ist meist von Produktentwicklungsprojekten die Rede. Gemeint sind damit einzelne Produktentwicklungsvorhaben, die jeweils als Projekt durchgeführt werden.184 Nach der Definition des Deutschen Institut für Normung, DIN 69901, stellt ein Projekt ein Vorhaben dar, „das im wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z.B. x Zielvorgabe x zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen x Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben x Projektspezifische Organisation.“185
Aufbauend auf der Projektdefinition des Deutschen Instituts für Normung charakterisiert FIEDLER ein Projekt anhand der nachfolgend angeführten konstitutiven Merkmale,186 die mit den typischen Charakteristika von pharmazeutischen Entwicklungsvorhaben abgeglichen werden. x Im Rahmen von Projekten werden ein oder mehrere festgelegte Ziele verfolgt, aus denen sich die zu ergreifenden Maßnahmen ableiten.
183 184
185 186
Vgl. Forker, H. (1995), S. 37. Vgl. z.B. Saari, H.-L. (2004), S. 24; Fischer, D./ Breitenbach, J. (2003), S. 26; Kutzbach, C. (1998), S. 57ff. bzw. implizit Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004) S. 121ff. Deutsches Institut für Normung, DIN 69 901, S. 1. Vgl. zu den im Folgenden genannten Merkmalen Fiedler, R. (2001), S. 3f. Vgl. ähnlich auch Jantzen-Homp, D. (2000), S. 7; Mörsdorf, M. (1998), S. 55ff.; Patzak, G./Rattay, G. (1998), S. 5 und Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 176f. sowie speziell im Kontext von Innovationsprojekten Pleschak, F./Sabisch, H. (1996), S. 125ff.
44
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Als Oberziel könnte im Kontext eines Entwicklungsvorhabens beispielsweise gesehen werden, dieses bis zur Zulassung zu entwickeln. Als zu ergreifende Maßnahmen könnten hier beispielsweise die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Tests interpretiert werden. x Projekte unterliegen einer zeitlichen Begrenzung, die darin zum Ausdruck kommt, dass ein Projekt meist zeitkritisch ist und einen genau festgelegten Anfang sowie ein definiertes Ende aufweist. Auch im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung weisen Entwicklungsvorhaben einen festgelegten Anfang und ein definiertes Ende auf. Wie in Abschnitt 2.2.1 erwähnt, kann i.d.R. ab dem Zeitpunkt der Patentanmeldung ein Wirkstoff (lead compound) als Projekt abgegrenzt werden.187 Das Ende eines Entwicklungsvorhabens lässt sich beispielsweise in der Einreichung der Zulassungsunterlagen bei der zuständigen Behörde sehen. x Weiter unterliegen Projekte finanziellen und personellen Restriktionen wie z.B. Beschränkungen hinsichtlich Kostenbudget, Anzahl der mitarbeitenden Personen sowie anderen Ressourcen. Dies gilt ebenfalls für pharmazeutische Entwicklungsvorhaben und kommt beispielsweise darin zum Ausdruck, dass für jedes Entwicklungsvorhaben eine eigene Kostenplanung sowie laufende Wirtschaftlichkeitsbeurteilung vorgenommen werden kann.188 x Projekte sind mit Unsicherheit im Hinblick auf die Zielerreichung einerseits sowie im Hinblick auf die Einhaltung von Kosten- und Zeitvorgaben andererseits behaftet. SAARI begründet diese Unsicherheit mit der Neuartigkeit von Aufgabenstellungen, die typisch für Projekte ist.189 Hier sei nochmals an die besondere Risikosituation in pharmazeutischen Entwicklungsvorhaben erinnert, die beispielsweise darin zum Ausdruck kommt, dass ein Großteil der Vorhaben aus unterschiedlichsten Gründen vorzeitig eingestellt werden muss. 187 188 189
Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 101. Auf diesen Aspekt wird noch an späterer Stelle in 5.3 eingegangen. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 22. Vgl. zur Neuartigkeit bzw. Einmaligkeit als Merkmal von Projekten auch Mees, J./Oefner-Py, S./Sünnemann, K.-O. (1995), S. 21 sowie Mörsdorf, M. (1998), S. 56.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
45
x Projekte sind i. d. R. umfangreich im Hinblick auf deren Planung und Abwicklung. Der hohe Durchführungsaufwand von Projekten spricht dafür, nur diejenigen Vorhaben als Projekt zu organisieren, die eine entsprechende Bedeutung für das Unternehmen aufweisen.190 Die Bedeutung eines Entwicklungsvorhabens für forschende Arzneimittelhersteller ist in seinem Beitrag zur langfristigen Existenzsicherung des Unternehmens zu sehen und kann damit als sehr hoch eingeschätzt werden. x Die Durchführung von Projekten erfordert bereichsübergreifende Teamarbeit, i.S.e. Beteiligung mehrerer Stellen aus meist unterschiedlichen Fachfunktionen. Vielfach führt diese Teamarbeit zu einer zeitlich (auf die Projektdauer) begrenzten eigenen Organisation neben der normalen Unternehmenshierarchie. Wie in Abschnitt 2.2.2 bereits gezeigt, sind an der Entwicklung eines Arzneimittels viele Fachfunktionen beteiligt, sodass hier von einer hohen Interdisziplinarität ausgegangen werden kann. Mit Blick auf die genannten Merkmale von Projekten und Charakteristika von pharmazeutischen Entwicklungsvorhaben ist festzustellen, dass die Interpretation eines Entwicklungsvorhabens als Projekt durchaus angemessen erscheint.191 Diese Einschätzung deckt sich auch mit der herrschenden Meinung in der Literatur.192 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle jedoch auf vereinzelte Meinungen hingewiesen, wonach die Neuproduktentwicklung bzw. die Entwicklung eines neuen Arzneimittels als Programm zu interpretieren sei, das sich aus mehreren Projekten zusammensetzt. 193 Nach der Definition der Association for Project Management (APM) ist ein Programm eine Sammlung von Projekten, die in einem bestimmten 190
191
192
193
Vgl. Fiedler, R. (2001), S. 3. PATZAK/RATTAY sprechen in diesem Zusammenhang auch von umfangreichen und stark vernetzten Aufgabenstellungen, die in vielen Abhängigkeiten zwischen den Einzelaufgaben sowie zum Projektumfeld zum Ausdruck kommen. Vgl. Patzak, G./Rattay, G. (1998), S. 5. MÖRSDORF ergänzt in diesem Zusammenhang, dass diese Merkmale bzw. Eigenschaften der Abgrenzung von Projekten zu anderen Leistungserstellungsprozessen dienen und damit konstitutive Merkmale darstellen. Vgl. Mörsdorf, M. (1998), S. 55. Vgl. nochmals Saari, H.-L. (2004), S. 24; Fischer, D./Breitenbach, J. (2003), S. 26; Kutzbach, C. (1998), S. 57ff. bzw. implizit Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 121ff. Sofern ein Wirkstoff weitere Indikationsgebiete oder Formulierungen zulässt, so werden diese meist als Unterprojekte des ursprünglichen Projektes organisiert. Vgl. Kutzbach, C. (1998), S. 55. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 24 sowie zur allgemeinen Abgrenzung von Projekt zu Programm Dobiey, D./Köpplin, T./Mach, W. (2004), S. 14ff.
46
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Ausmaß in Beziehung stehen im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel.194 Das gemeinsame Ziel kann im Kontext der vorliegenden Arbeit in der Entwicklung eines neuen Arzneimittels gesehen werden. Als Beispiel für ein mögliches Projekt innerhalb des genannten Programms sei die Durchführung von klinischen Studien genannt. Da die Frage einer Interpretation von Entwicklungsvorhaben als Projekt oder als Programm für die Zielsetzungen der vorliegenden Arbeit ohne Bedeutung ist, soll diese Diskussion nicht weiter vertieft werden. Für den weiteren Verlauf der Arbeit wird in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung die Entwicklung eines Arzneimittels als Projekt interpretiert. Die Einbindung von Projekten als ergänzende Koordinationsform in die Primärorganisation der pharmazeutischen Produktentwicklung ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts. 2.2.3.3 Projektorientierte Sekundärorganisation der Produktentwicklung Unter der Sekundärorganisation werden sämtliche hierarchieübergreifenden und ergänzenden Koordinationsformen wie z.B. Projekte zusammengefasst. Die Sekundärorganisation überlagert dabei die Primärorganisation, ohne diese zu ersetzen.195 Das Zusammenspiel von Primär- und Sekundärorganisation führt zu diversem Abstimmungsbedarf.196 Nachfolgend wird beschrieben, wie die Mitarbeiter der Linien (Primärorganisation) in die Projekte (Sekundärorganisation) eingebunden werden können. Als grundlegende Formen lassen sich dabei die Stabs- bzw. Einfluss-Projektorganisation, Matrix-Projektorganisation sowie die reine Projektorganisation unterscheiden.197 Je nach Organisationsform entstehen dabei unterschiedlich ausgeprägte
194
195 196 197
Nach ANDERSEN/JESSEN stellt dies die am meisten verbreitete Definition von Programmen dar. Vgl. Andersen, E. S./Jessen, S. A. (2003), S. 459. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass die produktionswirtschaftliche Definition eines Programms von der hier gewählten Definition abweicht. Im Kontext der Produktionswirtschaft lässt sich ein Programm als das durch Leistungsbreite (Sortimentsbreite) und Leistungstiefe (Wertschöpfungstiefe) bestimmte Leistungsrepertoire eines Unternehmens definieren. Vgl. zu dieser Interpretation und der damit verbundenen Komplexitätsproblematik z.B. Roever, M. (1991a), S. 253ff. und Roever, M. (1991b), S. 243ff. Vgl. Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 302. Vgl. Dobiey, D./Köpplin, T./Mach, W. (2004), S. 68. Vgl. zu den unterschiedlichen Formen der Projektorganisation Bühner, H. (2004), S. 217ff.; Bürgel, H. D./Haller, C./Binder, M. (1996), S. 177ff.; Frese, E. (2000), S. 507ff.; Kunz, C. (2005), S. 218ff.; Schmelzer, H. J. (1992), S. 151ff. und Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 302ff. Die Abwicklung von Projekten innerhalb einer Linie als vierte Organisationsform wird an dieser Stelle nicht weiter betrachtet, da die Neuproduktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie die
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
47
Abstimmungsbedarfe hinsichtlich Weisungs- und Entscheidungsbefugnissen sowie Ressourcennutzung.198 Stabs- bzw. Einfluss-Projektorganisation Im Rahmen dieser Organisationsform stehen Projektleiter und Projektmitarbeiter in keiner direkten hierarchischen Beziehung zueinander. Der Projektleiter erfüllt die Aufgabe eines Koordinators, hat jedoch keine aufgabengebundenen Entscheidungsund Weisungsbefugnisse gegenüber den am Projekt beteiligten Linien. Aufgrund der fehlenden Projektverantwortung ist diese Projektform für Neuproduktentwicklungen nicht zu empfehlen, auch wenn sie z.T. für kleinere und risikoarme Entwicklungsprojekte verwendet wird.199 Matrix-Projektorganisation Die Matrix-Projektorganisation ist geprägt durch eine Kompetenzteilung zwischen Projektleiter und Fachabteilungsleiter bzw. dem Leiter der Linie. Der Projektleiter trägt die Verantwortung für die Zielerreichung und ist für die Planung und Kontrolle des Projektes zuständig. Zur Erfüllung der Projektziele muss der Projektleiter auf die Ressourcen der Linie zurückgreifen. Die Leiter der Linie sind dabei maßgebend für die Durchführung des Projektes.200 Die Projektmitarbeiter werden in Abhängigkeit vom Ressourcenbedarf dem Projekt temporär zugeordnet, jedoch nicht vollständig aus der Linienorganisation herausgelöst. Der Projektleiter hat gegenüber den Projektmitarbeitern nur ein projektgebundenes, jedoch kein disziplinarisches Weisungs- und Entscheidungsrecht. Da die Projektmitarbeiter in dieser Organisationsform „Diener zweier Herren“ sind, ist im Fall von Ressourcenengpässen abzuwägen, welche Priorität der Arbeitskraft des Mitarbeiters in der Linie bzw. dem Projekt zuzuordnen ist.201 Die Matrixorganisation ist weit verbreitet und weist insbesondere dann Eignung auf, wenn ausgeprägte interdisziplinäre Zusammenarbeit wie im Fall der pharmazeutischen Produktentwicklung erwünscht ist.202 Aufgrund der Schnittstellen, die auf die Beteiligung vieler Stellen am Projekt sowie auf Abhängigkeiten zwischen Projekt und Linie
198 199 200 201 202
Einbindung unterschiedlicher Funktionen voraussetzt und daher diese Organisationsform für den genannten Untersuchungsgegenstand nicht geeignet ist. Vgl. Kunz, C. (2005), S. 217. Vgl. Schmelzer, H. J. (1992), S. 154. Vgl. Bühner, H. (2004), S. 218. Vgl. Kunz, C. (2005), S. 219. Vgl. Schmelzer, H. J. (1992), S. 156.
48
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
zurückzuführen sind, entsteht hohe Komplexität und demzufolge ein entsprechend hoher Koordinationsbedarf zwischen Projekt und Linie. Um die genannten Vorteile der Matrixorganisation für die Produktentwicklung nutzen zu können, ist demzufolge die Unterstützung durch ein leistungsfähiges Projektcontrolling von Nöten.203 Reine Projektorganisation In der reinen Projektorganisation werden die für die Projektrealisierung notwendigen Ressourcen (z.B. Projektmitarbeiter) in einer temporären Einheit zusammengefasst. Dem Projektleiter werden dabei weit reichende fachliche und disziplinarische Befugnisse zugesprochen.204 Bei großen Projekten mit langer Laufzeit wie im Fall der pharmazeutischen Produktentwicklung besteht die Gefahr, dass sich eine Parallelhierarchie auf Zeit entwickelt, die die gleichen Organisations- und Verhaltensprobleme wie die Linienorganisation aufweisen kann. Am Ende eines Projektes müssen die Projektmitarbeiter rechtzeitig wieder in die Linie integriert werden, was gewisse Herausforderungen mit sich bringt. Dies gilt im Besonderen für die pharmazeutische Produktentwicklung, bei der Projektabbrüche vielfach unerwartet erforderlich werden und eine vorausschauende Integration der Projektmitarbeiter in die Linie dadurch erschwert wird. Insgesamt ist festzuhalten, dass aufgrund der skizzierten Vor- und Nachteile der einzelnen Organisationsformen die Matrixorganisation am besten für die pharmazeutische Produktentwicklung geeignet ist. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die erhöhten Koordinationserfordernisse dieser Organisationsform bewerkstelligt werden. Wie dies gelingen kann, wird in späteren Kapiteln gezeigt. Nachdem im vorliegenden Abschnitt ein Abriss über aufbauorganisatorische Grundlagen der pharmazeutischen Produktentwicklung einerseits und das herrschende Verständnis von Entwicklungsvorhaben als Projekte andererseits gegeben wurde, sollen nachfolgend die wichtigsten Differenzierungsmerkmale von pharmazeutischen Produktentwicklungsprojekten skizziert werden. Im Unterschied zu den in Abschnitt 2.2.3.2 genannten konstitutiven Merkmalen, die eine Abgrenzung von Projekten zu anderen Leistungserstellungsprozessen erlauben, dienen Differenzierungsmerkmale der Abgrenzung von Entwicklungsprojekten zu anderen Projekten innerhalb eines
203 204
Vgl. Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 307 sowie Schmelzer, H. J. (1992), S. 156. Vgl. Kunz, C. (2005), S. 220 und Schmelzer, H. J. (1992), S. 156.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
49
Unternehmens und sind maßgeblich für die Ausgestaltung des pharmazeutischen Produktentwicklungsmanagements.205 2.2.4 Entwicklungskinetik und Kosten der pharmazeutischen Produktentwicklung In diesem Abschnitt werden die wesentlichen Differenzierungsmerkmale von pharmazeutischen Produktentwicklungsprojekten gegenüber anderen Projekten eines Unternehmens dargestellt. Konkret sind dies die Ressourcenbeanspruchung (ausgedrückt in Kosten), der zeitliche Umfang und die Risikosituation von pharmazeutischen Entwicklungsprojekten. Ressourcenbeanspruchung (Kosten) Pro Entwicklungsprojekt summieren sich die bis zur Zulassung anfallenden Produktentwicklungskosten auf durchschnittlich 500 Mio. EUR.206 Hinsichtlich der Verteilung der Kosten auf die einzelnen Entwicklungsphasen sind in der Literatur sehr konkrete, jedoch äußerst unterschiedliche und damit wenig nutzenstiftende Aussagen aufzufinden.207 Daher soll an dieser Stelle auf konkrete Angaben zu der Aufteilung von Kosten auf die einzelnen Phasen 1 bis 3 der klinischen Entwicklung verzichtet werden. Übereinstimmend sind die unterschiedlichen Meinungen jedoch hinsichtlich der Tatsache, dass insgesamt über 50% aller Produktentwicklungskosten auf die Phasen der klinischen Entwicklung entfallen. Innerhalb der klinischen Entwicklung steigen die Kosten in den späten Testphasen wiederum exponentiell an.208 Dies ist darauf zurückzuführen, dass auch die mengenmäßigen Bedarfe an Testpersonen im Verlauf der klinischen Testphasen zunehmen.209 Zeitlicher Umfang Wie im Rahmen der Beschreibung der Entwicklungsphasen angedeutet, ist die Erforschung und Entwicklung eines Medikamentes ein sehr zeitintensiver Prozess.
205
206 207
208 209
Eine Übersicht über die in der Literatur am häufigsten genannten Differenzierungsmerkmale findet sich bei Mörsdorf, M. (1998), S. 59f. Vgl. z.B. Bhandarini, M. et al. (1999), S. 63. Vgl. beispielsweise Dreger, C. (2000), S. 47f. und Pritsch, G. (2000), S. 104f. sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Dreger, C. (2000), S. 47f. Aufgrund ihres Umfangs können Phase 3-Studien schnell bis zu 50 Mio. USD kosten. Vgl. Drews, J. (1998), S. 156ff.
50
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
Wie an früherer Stelle bereits erwähnt, vergehen von der Wirkstofffindung bis zur Zulassung des Medikamentes am Markt durchschnittlich 10-12 Jahre.
Anzahl Substanzen in der Entwicklung
Screening
5000
Optimierung
50
Patentanmeldung 12
Pr ä klinik
4,8
Phase I Phase II
3,4 1,8
Phase III
1,1 1,0
Registrierung Zulassung
0 ~ 4
~ 3 bis 4
~ 3 bis 4
Zeit in Jahren
Abbildung 10: Entwicklungskinetik in Forschung und Produktentwicklung210
Rund vier Jahre entfallen dabei auf Forschungsaktivitäten und präklinische Entwicklung. Das Durchlaufen der klinischen Testphasen wird in aller Regel mit 6 - 8 Jahren veranschlagt. Die Dauer der klinischen Entwicklung ist dabei insbesondere abhängig von den Ergebnissen in Phase 3, da dort die Tests meist so lange durchgeführt werden, bis die statistische Evidenz für die Antragstellung auf Zulassung oder für eine klare Abbruchentscheidung ausreicht.211 Risikosituation Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Pharmaunternehmen zeichnen sich durch hohe Abbruchquoten aus. Von ca. 5000 Substanzen gelangt lediglich eine bis zur Zulassung (vgl. Abbildung 10). Die Erfolgswahrscheinlichkeit zum Zeitpunkt der Projektauswahl, d.h. nach Abschluss der Wirkstoffsuche und der Optimierung, für die Zulassung des Produktes am Markt wird von Experten auf 6 - 8% geschätzt. Mit anderen Worten stellt der Misserfolg von Entwicklungsaktivitäten eher die Regel denn 210 211
Quelle: VFA (2000), S. 19. Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 102.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
51
die Ausnahme bei forschenden Arzneimittelherstellern dar. Dies hat zur Folge, dass die hohen Ausfallraten als ein wesentlicher Engpassfaktor in der pharmazeutischen Wertschöpfung gesehen werden.212 In der Literatur sind darüber hinaus auch detailliertere, jedoch nicht immer übereinstimmende Angaben zu Abbruchquoten für einzelne Entwicklungsphasen aufzufinden, die sich aus diesbezüglichen Erfahrungen der Vergangenheit ableiten. LIEBLER beziffert beispielsweise die typischen Quoten eines Entwicklungsabbruchs für in Phase 1 eintretende Projekte mit 30%, für in Phase 2 eintretende Projekte mit 53% und für in Phase 3 eintretende Projekte mit 18%.213 Erkenntnisse aus Expertengesprächen mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie sowie das Hinzuziehen von kapitalmarktrelevanten Pressemitteilungen über abgebrochene Entwicklungsprojekte geben Anlass zu der Vermutung, dass in späten Phasen überwiegend medizinische Gründe ausschlaggebend für einen Projektabbruch sind. Die durch medizinische Gründe bedingte Gefahr eines Projektabbruchs in späten Phasen stellt zwar ein beträchtliches finanzielles Risiko für forschende Arzneimittelhersteller dar, da bis zu diesem Zeitpunkt bereits erhebliche Investitionen getätigt worden sind. Jedoch muss dieses „unvermeidbare“ Risiko in Kauf genommen werden, da es nur zu Lasten der Patientensicherheit reduziert werden könnte. Eine Reduzierung von Abbruchrisiken in späten Phasen wäre nämlich nur möglich, wenn man die Tests nicht mehrstufig aufbauen würde, sondern den Wirkstoff von vorneherein an einer hinreichend großen Anzahl an Patienten testen würde. Dies ist aber aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen. In den vorgelagerten Phasen der frühen Entwicklung (Präklinische Tests und Phase 1 der klinischen Tests) können neben medizinischen Gründen auch wirtschaftliche Gründe – z.B. bedingt durch Planungsunsicherheiten zu Beginn der Entwicklungsaktivitäten – einen Projektabbruch erforderlich machen. Die Annahme bestehender Planungsunsicherheiten zu Beginn der Entwicklungsaktivitäten deckt sich auch mit den Aussagen von VÖLKER, der in seinen Arbeiten auf die Bedeutung von Abbruchwahrscheinlichkeiten für die Bewertung von pharmazeutischen Entwicklungsprojekten
212 213
Vgl. Kaufmann, L./Schmidt, D. (2004), S. 294. Vgl. Liebler, H. (1996), S. 232ff.
52
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Einführung
hinweist.214 Die Abbruchwahrscheinlichkeiten können dabei aus Abbruchquoten vergangener Entwicklungsprojekte abgeleitet werden. So verwendet beispielsweise die ehemalige Knoll AG, heute BASF Pharma, kumulierte Projektrealisierungswahrscheinlichkeiten zur Projektbewertung in den einzelnen Entwicklungsphasen. Diese liegen im konkreten Fall für Phase 2 unter 15%, für Phase 3 in Abhängigkeit vom Indikationsgebiet zwischen 30% und 50%. VÖLKER schreibt weiter, dass in Phasen der frühen Entwicklung (d.h. vor Phase 2) jedoch noch keine Realisierungswahrscheinlichkeiten im Rahmen der Projektbewertung zum Einsatz kommen. Dies begründet er damit, dass erst zum Zeitpunkt ab Phase 2 überhaupt Daten vorliegen, die „.das Projekt in seinem Markt bestimm- und beschreibbar machen (z.B. Fragen des pharmakologischen Wirkprofils, woraus sich u.a. die therapeutische Indikation ableitet sowie Vorstellungen von Tagesdosen, die es erlauben, detaillierte Preis- und Herstellkostenabschätzungen vorzunehmen).“215 Sind im Vorfeld jedoch noch nicht alle bewertungsrelevanten Daten mit Sicherheit abschätzbar, so ist es nahe liegend, dass ursprüngliche Fehleinschätzungen des Managements Gründe für den Abbruch eines Entwicklungsprojektes darstellen können. So können z.B. in der Planung übersehene Schwierigkeiten bei der Produktion des Wirkstoffs in großen Mengen (Scale-up) oder eine falsche Abschätzung des Marktpotentials Anlass für eine Einstellung der Entwicklungsaktivitäten sein. Hinzu kommt, dass die lange Entwicklungsdauer die Gefahr einer Veränderung von bewertungsrelevanten Größen im Zeitablauf bedingt. Denkbar sind hier Beispiele wie die Verringerung des zu erwartenden Marktanteils durch Aktivitäten der Konkurrenz im gleichen Segment. Es kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten ein sehr zeit- und kostenintensiver Prozess ist, in dem die erfolgreiche Zulassung eines Entwicklungsprojektes als Arzneimittel am Markt eher die Ausnahme denn die Regel darstellt. Die Anforderungen an ein Management von Produktentwicklungen in pharmazeutischen Unternehmen sind dementsprechend hoch. Ziel muss es sein, eine effektive und effiziente Produktentwicklung zu gewährleisten.
214 215
Vgl. Völker, R. (2000), S. 266ff. Völker, R. (2000), S. 267.
2.2 Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie
53
Dazu ist es zunächst erforderlich, die „richtigen“ Projektideen auszuwählen und weiter zu entwickeln. Damit sind speziell die Ideen gemeint, bei denen neben einem entsprechenden Entwicklungspotential für die Synthese von Arzneimitteln auch von einem angemessenen Wertbeitrag für das Unternehmen ausgegangen werden kann. Darüber hinaus ist es unerlässlich, die ausgewählten Projekte im weiteren Verlauf der Entwicklung konsequent zu lenken. Dabei muss der Fokus gezielt auf das frühzeitige Erkennen erfolgloser Projekte gelegt werden, da Projekte, die nicht bis zur Zulassung gelangen, die angefallenen Produktentwicklungskosten nicht durch nachfolgende Erlöse kompensieren.216 Somit tragen sie auch nicht zur Steigerung des Unternehmenswertes bei. Vor dem Hintergrund der obig dargestellten Charakteristika der pharmazeutischen Produktentwicklung gilt es in diesem Zusammenhang auch, „unvermeidbare“ medizinisch bedingte finanzielle Risken zu akzeptieren, „vermeidbare“ Risiken, die aus Fehlbewertungen resultieren, hingegen richtig einzuschätzen und abzuwägen. Controlling und Management können dabei insbesondere im Rahmen der Projektbewertung und -auswahl einen wertvollen Beitrag leisten. In diesem Abschnitt wurden die Ressourcenbeanspruchung, der zeitliche Umfang und die Risikosituation als wesentliche Differenzierungsmerkmale von pharmazeutischen Produktentwicklungsprojekten gegenüber anderen Projekten eines Unternehmens identifiziert. Die Integration dieser Merkmale zu drei zentralen Thesen als Ausgangspunkt für die weiteren Untersuchungen der vorliegenden Arbeit ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts 2.3.
216
Vgl. ähnlich auch Kennedy, T. (1998), S. 2.
54
2 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
2.3 Zwischenergebnis: Thesen zum Management der pharmazeutischen Produktentwicklung Als Ergebnis des zweiten Kapitels ist festzuhalten, dass die pharmazeutische Produktentwicklung von strategischer Bedeutung für forschende Arzneimittelhersteller ist, da durch sie neue Produkte und damit zukünftige Erfolgspotentiale generiert werden können. Aufgrund der skizzierten Charakteristika stellen sich jedoch besondere Herausforderungen an das Management der Produktentwicklung. Diese können in drei Thesen zusammengefasst werden, die in den Kapiteln vier und fünf genauer zu untersuchen sind. These 1 Die pharmazeutische Entwicklung ist ein zeitintensiver Prozess. Die lange Entwicklungsdauer in Kombination mit einer komplexen Umwelt macht eine umfassende Planung zu Beginn der Produktentwicklung unmöglich.217 Demzufolge ist ein traditionelles Managementverständnis, das gerade von einer umfassenden Planung ausgeht, als nicht anforderungsgerecht für die pharmazeutische Produktentwicklung einzuschätzen.218 Es müssen Möglichkeiten gesucht werden, die Vorgaben aus der Planung regelmäßig zu überprüfen und ggf. situationsgerecht zu ergänzen. Wie gezeigt219 liefert ein kybernetisch geprägtes Managementverständnis hierzu einen geeigneten Ausgangspunkt. Dessen anforderungsgerechte Ausgestaltung stellt die erste Zielsetzung der vorliegenden Arbeit dar. These 2 Die pharmazeutische Produktentwicklung zeichnet sich durch eine besondere Risikosituation aus, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass Projektabbrüche eher die Regel denn die Ausnahme darstellen.220 Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die Risiken der pharmazeutischen Produktentwicklung regelmäßig zu identifizieren, zu analysieren, zu bewerten, zu steuern und im weiteren Verlauf zu überwachen. Die Ableitung eines anforderungsgerechten
217 218 219 220
Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.1. Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2. Vgl. zur Begründung nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.1.3. Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.2.4.
2.3 Zwischenergebnis
55
Risikofrüherkennungs- und -managementsystems kann daher als zweite Zielsetzung dieser Arbeit festgehalten werden. These 3
Hohe Entwicklungskosten infolge langer Entwicklungsdauern221 und komplexer Abläufe verbunden mit der besonderen Risikosituation führen zu hohen sunk costs im Falle eines Projektabbruchs. Nahe liegend wäre zunächst, die sunk costs je betrachteter Zeiteinheit dadurch zu reduzieren, dass sämtliche Teilaktivitäten des Produktentwicklungsprozesses streng sequentiell bearbeitet werden. In diesem Fall könnte nur dann mit der nächsten Aktivität bzw. Phase begonnen werden, wenn die vorangegangene Aktivität bzw. Phase erfolgreich abgeschlossen wurde.222 Einer möglichen Reduktion von sunk costs durch rein sequentielle Projektbearbeitung stehen jedoch kürzere Vermarktungszeiten unter Patentschutz entgegen. Dies erklärt sich aus der gängigen Praxis, einen Wirkstoff bereits in frühen Phasen der Produktentwicklung zum Patent anzumelden.223 Vor diesem Hintergrund leitet sich die dritte Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ab: Zunächst ist – unter Einhaltung der gesetzlichen Restriktionen – eine zeitoptimale Gestaltung des Produktentwicklungsprozesses anzustreben. Daraufhin müssen Möglichkeiten gesucht werden, in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation flexible Entscheidungen über den Eintritt in die Folgephasen der pharmazeutischen Produktentwicklung treffen zu können. Zum Erreichen der vorgenannten Zielsetzungen sind gestaltende und lenkende Aktivitäten des Managements erforderlich. Deren Untersuchung aus theoretischer und praktischer Sicht ist Gegenstand des nachfolgenden Kapitels drei, bevor danach in Kapitel vier und fünf konkrete Lösungsvorschläge für diese Zielsetzungen erarbeitet werden.
221 222
223
Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.2.4. Zum Optimierungsproblem zwischen der Verkürzung von Produktentwicklungszeiten und der damit verbundenen Erhöhung von sunk costs im Fall eines Projektabbruchs vgl. Drews, J. (1998), S. 188f. Zum Zusammenhang von Produktentwicklungszeit und effektiver Patentlaufzeit vgl. VFA ( 2005), S. 20.
3.1 Theoretische Anforderungen
57
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theoretische Anforderungen und deren praktische Relevanz Wie im vorangegangenen Kapitel postuliert, lassen sich aus den Charakteristika der pharmazeutischen Produktentwicklung besondere Zielsetzungen für deren Management ableiten. Diese wurden in Abschnitt 2.3 in drei zentralen Thesen zusammengefasst. Um diese Zielsetzungen adäquat erfüllen zu können, sind gestaltende und lenkende Aktivitäten des Managements erforderlich. Deren nähere Untersuchung aus theoretischer und praktischer Sicht ist Gegenstand des dritten Kapitels, das wie folgt aufgebaut ist: Nach einer Identifikation relevanter Ansatzpunkte in der pharmazeutischen Produktentwicklung in Abschnitt 3.1.1 werden in Abschnitt 3.1.2 die Gestaltungs- und Lenkungsaufgaben des Produktentwicklungsmanagements präzisiert. 3.1.3 beschäftigt sich mit den Anforderungen, die an die Erfüllung dieser Aufgaben zu stellen sind. Diese primär literaturbasierten Vorüberlegungen werden in Abschnitt 3.2 auf ihre praktische Relevanz überprüft. Grundlage für diesen Abschnitt bilden diverse Branchenstudien zum Selbstverständnis forschender Arzneimittelhersteller, die an geeigneter Stelle um Erkenntnisse aus Expertengesprächen mit verschiedenen Unternehmen ergänzt werden. Im Vordergrund steht dabei die Frage, welche Handlungserfordernisse in der pharmazeutischen Praxis gesehen werden und welche Implikationen diese für die Ansatzpunkte und Aufgabenfelder des Produktentwicklungsmanagements haben. Die zentralen Ergebnisse, die sich aus einer Gegenüberstellung der primär literaturbasierten Vorüberlegungen und der praxisbezogenen Erkenntnisse ergeben, werden in Abschnitt 3.3 zusammengefasst. Kapitel drei schließt in Abschnitt 3.4 mit den Grundlagen, die zur Entwicklung eines anforderungsgerechten Managementmodells für die pharmazeutische Produktentwicklung zu berücksichtigen sind.
58
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
3.1 Anforderungen an das Management der Produktentwicklung in der pharmazeutischen Industrie aus theoretischer Sicht 3.1.1 Ansatzpunkte zur Optimierung der pharmazeutischen Produktentwicklung Wie in Abschnitt 2.2.2 gezeigt, ist die Entwicklung eines Medikamentes stark reglementiert und damit standardisierbar. Die gesetzlichen Vorgaben über Art und Umfang der durchzuführenden Aktivitäten je Entwicklungsphase erlauben relativ genaue Einschätzungen der jeweiligen Phasendauern. Sofern zudem typische Verlustraten224 je Phase bekannt sind, ist es möglich, aus der Zahl der angestrebten Arzneimittelzulassungen pro Jahr (Registrierung) Rückschlüsse auf die Zahl der Arzneimittelkandidaten bzw. Präparate zu ziehen, die sich in den einzelnen präklinischen und klinischen Phasen befinden müssen, um die strategischen Planungsziele zu erreichen.225 Im nachfolgend dargestellten Phasendurchlaufmodell in Abbildung 11 ist diese Grundüberlegung anhand des Pfeils angedeutet.
Phase
Präklinische Phase
Eintritt
Klinische Phase
Registrierung
I
II
III
10
8
6
3
2
Verlust
2
2
3
1
-
Dauer (Jahre)
2
2
2
4
2
Fließgleichgewicht
20
16
12
12
4
Abbildung 11: Phasendurchlaufmodell der pharmazeutischen Produktentwicklung226
Das Modell beruht auf der Annahme, dass ein Unternehmen pro Jahr zwei Präparate zur Zulassung bringen möchte und sich die Verlustraten und Dauern einzelner Ent224
225 226
Hier können historische Abbruchwahrscheinlichkeiten des eigenen Unternehmens oder statistische Branchendaten eingesetzt werden. Vgl. Baumfalk, U. (2002), S. 7. Vgl. Schwarzer, B. (1994), S. 175. In Anlehnung an: Drews, J. (1984), S. 133.
3.1 Theoretische Anforderungen
59
wicklungsphasen227 im angegebenen Rahmen bewegen. Diese angenommenen Größen sind in der Abbildung 11 grau hinterlegt. Auf Basis dieser Daten lässt sich nun ein Fließgleichgewicht als Produkt von Eintrittsanzahl je Phase und Phasendauer errechnen. Das Fließgleichgewicht bezeichnet die anzustrebende Anzahl an Substanzen in jeder Phase und zu jeder beliebigen Zeit, um die gewünschte Menge an jährlichen Arzneimittelzulassungen zu erreichen. Dabei wird vereinfachend unterstellt, dass die angenommenen Verlustraten und Phasendauern konstant bleiben. Eine Veränderung dieser beiden Größen (Verlustraten und Phasendauern) würde hingegen zu einer Veränderung des Fließgleichgewichtes und damit der Anzahl an Substanzen führen, die pro Zeiteinheit (pro Jahr) das System verlassen.228 Der dargestellte Zusammenhang von Verlustraten, Phasendauern und Fließgleichgewicht führte in der Vergangenheit dazu, dass man sich auf die mengenmäßige Optimierung der anzustrebenden Substanzen je Phase konzentrierte.229 Ansatzpunkt waren damit nicht die Größen (Verlustraten und Phasendauern) selbst, sondern die durch sie hervorgerufenen Effekte auf das Fließgleichgewicht. Im Gegensatz zu diesem quantitativen Ansatz stellen die in Abschnitt 2.3 formulierten Zielsetzungen auf eine aktive Beeinflussung der genannten Größen ab. Hinsichtlich der Phasendauern sollen Möglichkeiten gefunden werden, die Gesamtentwicklungszeit in einem gesetzlich zulässigen Rahmen zu reduzieren.230 Wie noch in Kapitel vier zu zeigen, ist dies durch überlappende Anordnung einzelner Entwicklungsphasen im Rahmen einer funktionsübergreifenden Prozessgestaltung möglich. Im Hinblick auf die Verlustraten sollen riskante Entwicklungsvorhaben mit Hilfe eines Risikofrüherkennungssystems frühzeitig identifiziert werden, um sie im Bedarfsfall konsequent abbrechen zu können. Anhand des Phasenmodells argumentiert, wird eine Verlagerung der Verlustanzahlen in frühe und „weniger teure“ Phasen angestrebt.231
227 228 229 230
231
Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.2.2 dieser Arbeit. Vgl. Drews, J. (1984), S. 133. Vgl. z.B. Drews, J. (1984), S. 133 und Schwarzer, B. (1994), S. 175f. SHAH bezeichnet in diesem Zusammenhang die Verkürzung der „time to market“ als den wichtigsten Erfolgsfaktor für die pharmazeutische Wertschöpfungskette. Vgl. Shah, N. (2004), S. 930. Die Mittelbindung in frühen Phasen ist u.a. auch deshalb geringer, weil in frühen Phasen (z.B. Phase 1) der Umfang an erforderlichen Testpersonen geringer ist als in späten Phasen (z.B. Phase 3). Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.2.2.
60
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
Gelingt es, die genannten Größen wie beschrieben zu beeinflussen, so kann für erfolgreich zugelassene Medikamente die Vermarktungszeit unter Patentschutz ausgedehnt werden. Erfolglose Entwicklungsvorhaben werden hingegen früher identifiziert, sunk costs können reduziert und freiwerdende Ressourcen schneller anderen produktiven Verwendungen zugeführt werden.232 Die Beeinflussung der vorgenannten Größen bzw. Ansatzpunkte erfordert gestaltende und lenkende Aktivitäten des Managements. Eine ausführliche Darstellung dieser beiden Aufgabenfelder sowie die daran zu knüpfenden Anforderungen sind Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts. 3.1.2 Aufgabenfelder des Managements in der pharmazeutischen Produktentwicklung Bekanntlich lassen sich die Aufgaben des Managements in zwei Felder unterteilen.233 Dies sind zum einen die strukturbezogene Gestaltung der Potentiale und darauf ablaufenden Prozesse eines Unternehmens und zum anderen die prozessbezogene Lenkung des unternehmerischen Handelns unter sach- und verhaltensbezogenen Aspekten.234 Beide Aufgabenfelder müssen mit Blick auf die Wertschöpfungszwecke und unter Berücksichtigung der situativen Bedingungskonstellationen235 erfüllt werden. Unternimmt man den Versuch, dieses allgemein gehaltene Verständnis auf die pharmazeutische Produktentwicklung zu übertragen, so lassen sich auch hier zwei Aufgabenfelder identifizieren:236 Aufgabenfeld der Gestaltung Es müssen die strukturellen Voraussetzungen zur Entwicklung marktfähiger Produkte (d.h. zukünftiger Erfolgspotentiale) geschaffen werden. Insbesondere ist zu klären, welche Potentiale (z.B. Mitarbeiter der beteiligten Fachfunktionen und 232 233 234
235 236
Vgl. ähnlich auch Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004) S. 76. Vgl. dazu nochmals die allgemeinen Ausführungen in Abschnitt 2.1.1. Vgl. zu diesem weit gefassten Verständnis von Führung bzw. Management Becker, W. (1996), S. 126 bzw. Becker, W. (2001a), S. 126 und Schwaninger, M. (1990), S. 46ff. Vgl. Bleicher, K./Meyer, E. (1976), S. 16ff. und Becker, W. (2006), S. 3. Diese Übertragung des Managementverständnisses auf einen speziellen unternehmerischen Betrachtungsbereich erscheint nicht zuletzt deshalb akzeptabel, wenn man sich noch einmal die von WILD getroffene Aussage vor Augen hält. WILD weist darauf hin, dass sich Management (und damit auch die Aufgaben des Managements) auf allen Ebenen des Unternehmens auf ähnliche Art und Weise vollzieht. Vgl. nochmals Wild, J. (1982), S. 36.
3.1 Theoretische Anforderungen
61
Laborausstattung) zur Entwicklung marktfähiger Produkte erforderlich sind und wie die darauf ablaufenden Prozesse zeit- und kostenoptimal gestaltet werden können. Aufgabenfeld der Lenkung Es sind die erforderlichen Prozesse derart zu lenken, dass erfolgversprechende Entwicklungsvorhaben (d.h. mögliche zukünftige Erfolgspotentiale) identifiziert und zielgerichtet bis zur Marktreife bzw. Zulassung gebracht werden. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die separate Darstellung der Aufgabenfelder lediglich zu Analysezwecken erfolgt und damit rein formaler Natur ist. Die unternehmerische Produktentwicklung kann jedoch nur dann zum Aufbau neuer Erfolgspotentiale beitragen, wenn beide Aufgabenfelder gemeinsam erfüllt sind. Der Unterteilung in die vorgenannten Aufgabenfelder folgend, werden in Abschnitt 3.1.3.2 Anforderungen an die Gestaltung der Produktentwicklung und in Abschnitt 3.1.3.3 Anforderungen an die Lenkung der Produktentwicklung formuliert. Da diese Anforderungen auf Effektivitäts- und Effizienzüberlegungen basieren, soll im folgenden Abschnitt zunächst das dieser Arbeit zu Grunde liegende Begriffsverständnis von Effektivität und Effizienz geklärt werden. 3.1.3 Anforderungen an das Management der pharmazeutischen Produktentwicklung 3.1.3.1 Begriffsbestimmung von Effektivität und Effizienz In der Literatur findet sich eine Vielfalt an Beiträgen zur Definition von Effektivität und Effizienz.237 Wenn auch aus Platzgründen auf deren Darstellung im Einzelnen verzichtet wird, so soll nachfolgend zumindest ein kurzer Abriss über drei Hauptkonzepte gegeben werden, die eine Kategorisierung der zahlreichen Beiträge ermöglichen. Der Systematisierung von AHN/DYCKHOFF folgend, lassen sich drei Konzepte identifizieren, die sich sowohl in der Definition von Effektivität und Effizienz als auch hinsichtlich deren Beziehung zueinander unterscheiden.238 Im ersten Konzept, das vor allem in der angloamerikanischen Literatur verbreitet ist, kennzeichnet Effektivität das Erreichen der langfristigen Ziele einer Organisation. 237
238
Für einen Überblick über Ansätze und Konzepte zur Definition von Effektivität und Effizienz vgl. z.B. Hauber, R. (2002), S. 62ff. Vgl. Ahn, H./Dyckhoff, H. (1997), S. 2.
62
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
Effizienz hingegen dient der Erfassung von Input-Output-Relationen und bezieht sich nur auf einen bestimmten Aspekt der Effektivität.239 Effektivität ist mithin das übergeordnete Merkmal, während die Effizienz lediglich eine Dimension der Effektivität darstellt.240 Das zweite Konzept ist vor allem im deutschen Sprachraum verbreitet.241 Im Vergleich zum ersten Konzept verliert Effektivität hier an Bedeutung und beschreibt nur noch die zielbezogene Eignung von organisatorischen Maßnahmen. In diesem Konzept wird die Effizienz als ausschlaggebend angesehen. Sie stellt eine Verhältnisgröße i.S.e. MittelZweck-Beziehung dar, mit Hilfe derer sich Aussagen über den relativen Zielbeitrag von Maßnahmen treffen lassen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, ein vergleichendes Beurteilungsschema für unterschiedliche Alternativen zu entwickeln.242 In neueren Quellen findet insbesondere ein drittes Konzept breite Zustimmung, das Effektivität als „to do the right things“ und Effizienz als „to do the things right“ definiert.243 In Rahmen dieses Konzeptes werden Effektivität und Effizienz als zwei voneinander unabhängige Größen verstanden. Dies wird dadurch begründet, dass die Auswahl geeigneter Maßnahmen genauso wichtig ist wie ihre wirkungsvolle Umsetzung.244 Mit anderen Worten verlieren effektive Maßnahmen ihre Vorteilhaftigkeit, wenn sie ineffizient durchgeführt werden, andererseits sind effizient durchgeführte Maßnahmen nutzlos, wenn sie nicht zielgerichtet, d.h. nicht effektiv sind.245 Diesem Verständnis folgend, stellen Effektivität und Effizienz zwei eigenständige Hebel zur Optimierung des Unternehmenserfolges dar und wirken über unterschiedliche Wirkungsketten auf diesen ein.246 Für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit soll der letztgenannte dritte Ansatz als Grundlage dienen. Dies kann damit begründet werden, dass auch im Fall der pharmazeutischen Produktentwicklung prinzipiell zwei Wirkungsketten bestehen, um
239 240 241 242 243
244 245 246
Vgl. Ahn, H./Dyckhoff, H. (1997), S. 2. Vgl. Lovric, T./Schaller, C. (2003), S. 44. Vgl. Hauber, R. (2002), S. 65. Vgl. Ahn, H./Dyckhoff, H. (1997), S. 2. Vgl. z.B. Hauber, R. (2002), S. 65f; Geiger, O. (2000), S. 63 sowie Lovric, T./Schaller, C. (2003), S. 45. Vgl. Ahn, H./Dyckhoff, H. (1997), S. 3. Vgl. Brockhoff, K. (1994), S. 61. Vgl. Hauber, R. (2002), S. 67.
3.1 Theoretische Anforderungen
63
auf die unternehmerische Erfolgsposition einzuwirken. Dies ist zum einen die Einwirkung über die Erlösseite, zum anderen die Einwirkung über die Kostenseite. Einwirkungen über die Erlösseite entstehen durch die Auswahl und Durchführung der wertschaffenden Entwicklungsvorhaben – mithin der Erfolgspotentiale – aus der Gesamtheit aller möglichen Produktentwicklungsideen. Durch sie können nach erfolgter Zulassung am Markt Erlöse erzielt und damit Erfolg realisiert, Liquidität gesichert und so ein Beitrag zur langfristigen Existenzsicherung des Unternehmens geleistet werden. Voraussetzung zum Aufbau neuer Erfolgspotentiale bilden zum einen eine effektiv gestaltete Produktentwicklung und zum anderen eine effektive Lenkung der einzelnen Entwicklungsvorhaben entlang des Produktentwicklungsprozesses. Eine Einwirkung auf die unternehmerische Erfolgsposition über die Kostenseite ist vorrangig durch die Optimierung betrieblicher Abläufe möglich. Voraussetzung hierfür bilden eine effizient gestaltete Produktentwicklung sowie der effiziente Einsatz von Potentialen (z.B. Managementkapazitäten) i.S.e. effizienten Lenkung. Die unterschiedlichen Wirkungsketten sollen anhand der nachfolgenden Abbildung 12 verdeutlicht werden. W ERTSPHÄRE
Liq uid itä t
Leistu ngseb en e E rfolg
E rlöse
K osten
E ffektiv ität
E ffizien z
LE IS T U N G S S P H Ä R E P roduk te
P ro zesse
P ote ntiale
Abbildung 12: Wirkungsketten auf die unternehmerische Erfolgsposition
64
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
3.1.3.2 Gestaltung einer effektiven und effizienten Produktentwicklung Als erste Anforderung an das Management von Produktentwicklungen lässt sich die Gestaltung einer effektiven und effizienten Produktentwicklung formulieren. Die grundsätzliche Überlegung dabei ist, dass nur, wenn in allen beteiligten Bereichen die für eine Produktentwicklung erforderlichen Aktivitäten effektiv und effizient gestaltet werden, überhaupt erst die Möglichkeit gegeben ist, marktfähige Produkte zu entwickeln und bis zur Zulassung zu bringen. 3.1.3.2.1 Gestaltung einer effektiven Produktentwicklung Wie bereits dargestellt, wird Effektivität in der vorliegenden Arbeit als Beitrag der Entwicklung zur Verbesserung der Wettbewerbs- und Ergebnissituation des Unternehmens verstanden.247 Angewendet auf die Produktentwicklung forschender Arzneimittelhersteller lässt sich die Gestaltung einer effektiven Entwicklung damit wie folgt definieren: Die Produktentwicklung ist effektiv gestaltet, wenn die Potentiale und darauf ablaufenden Prozesse so gestaltet sind, dass eine zielgerichtete Entwicklung von marktreifen Produkten, also von zulassungsfähigen Medikamenten möglich ist. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Begriff der „zielgerichteten Entwicklung“ Probleme bereitet, da die Ziele je Entwicklungsvorhaben variieren können. Um der Problematik variierender Zielsetzungen bei unterschiedlichen Entwicklungsvorhaben Rechnung zu tragen, sei der Begriff der Zielgerichtetheit in einem sehr weiten Verständnis bezogen auf das Oberziel eines jeden Unternehmens, der langfristigen Existenzsicherung, aufzufassen.248 3.1.3.2.2 Gestaltung einer effizienten Produktentwicklung Als weitere Anforderung neben der Gestaltung einer effektiven Produktentwicklung ist die Gestaltung einer effizienten Produktentwicklung zu nennen. Im obig vorgestellten
247 248
Vgl. Schmelzer, H. J. (1992), S. 3. Vgl. zur langfristigen Existenzsicherung als abstraktes Oberziel von Unternehmen Becker, W. (1996), S. 32f.
3.1 Theoretische Anforderungen
65
Konzept nach HAUBER wird Effizienz dabei als das Verhältnis aus erbrachten Leistungsmengen und den dafür eingesetzten Faktormengen beschrieben.249 Die Beurteilung von erbrachten Leistungsmengen bringt in der Produktentwicklung allgemein – so auch in der pharmazeutischen Produktentwicklung – gewisse Schwierigkeiten mit sich. Zum einen fallen Input und Output der Produktentwicklung zeitlich stark versetzt an. Die durch Produktentwicklung entstehenden Kosten haben investiven Charakter, wobei zum Zeitpunkt ihres Anfalls häufig nicht abzusehen ist, ob dem später ein positiver Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg gegenübersteht.250 Zudem bereitet die sinnvolle Messung des Produktentwicklungs-„Outputs“ z.T. erhebliche Probleme. Gerade in der pharmazeutischen Industrie, wo der Misserfolg von Entwicklungsprojekten eher die Regel denn die Ausnahme darstellt, birgt beispielsweise ein abgebrochenes Vorhaben Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Outputs. Obwohl kein zulassungsfähiges Medikament aus dem ursprünglichen Entwicklungsvorhaben hervorgeht, stiften die gewonnenen Erkenntnisse ggf. einen Nutzen bezogen auf den Wirkstoff oder den Entwicklungsprozess und können in anderen Vorhaben verwendet werden. Wie hoch allerdings der verwertbare Erkenntnisanteil ist, lässt sich z.T. erst zu späteren Zeitpunkten beurteilen. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Schwierigkeiten wird auf die Bildung eines klassischen Verhältnisses von Input zu Output als Effizienzmaßstab verzichtet und die folgende rein inputbezogene Definition von effizienter Gestaltung der Produktentwicklung für die weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt: Die Produktentwicklung ist effizient gestaltet, wenn die erforderlichen Prozesse in einer möglichst kurzen Zeitspanne (zeiteffizient) und mit möglichst geringem Ressourceneinsatz (kosteneffizient) durchgeführt werden. In der Literatur wird dem Anspruch, neue Produkte zeiteffizient zu entwickeln, hohe Bedeutung beigemessen.251 Im Kontext forschender Arzneimittelhersteller ist eine zeiteffiziente Produktentwicklung vor allem deshalb anzustreben, weil dadurch die effektive Patentlaufzeit252, d.h. die Vermarktungsphase unter Patentschutz ausgedehnt 249 250 251 252
Vgl. Hauber, R. (2002), S. 66. Vgl. Fröhling, O. (1994), S. 33. Vgl. z.B. Noffke, T./Nikel, C./Sullivan, M. (2004), S. 2 und Porsche, R. (1995), S. 214. Vgl. zu Patentlaufzeit und effektiver Patentlaufzeit VFA (2000), S. 14 und 23.
66
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
werden kann.253 Dies gelingt z.B. dadurch, dass Möglichkeiten zur Parallelisierung von Entwicklungs-, Produktions- und Vermarktungsaktivitäten erkannt und in einem gesetzlich zulässigen Rahmen realisiert werden. Ebenfalls kann von einer steigenden Bedeutung kosteneffizienter Prozesse ausgegangen werden.254 Während in der pharmazeutischen Industrie noch vor einigen Jahren Aussagen wie „eine gute Produktentwicklung dürfe kosten was sie wolle“ anzutreffen waren, muss dies heute deutlich relativiert werden. Nach Aussagen der befragten Experten erreichen am Markt zugelassene Medikamente zum Teil erst nach sechs bis acht Jahren, also knapp vor Ende der üblichen effektiven Patentlaufzeit, ihren Break Even Punkt. GASSMANN/REEPMEYER/v. ZEDTWITZ beziffern den Anteil an zugelassenen Produkten, die mindestens ihre Produktentwicklungskosten durch Erlöse decken können, mit rund 30%.255 Mit anderen Worten sind rund 70% aller am Markt zugelassenen Medikamente wirtschaftlich nicht erfolgreich.256 Aus erfolgswirtschaftlicher Perspektive kann daraus geschlossen werden, dass Effizienzbestrebungen im Produktentwicklungsprozess sowohl hinsichtlich Zeit als auch hinsichtlich Kosten dringend geboten sind. 3.1.3.3 Effektive und effiziente Lenkung der Produktentwicklung Im vorangegangenen Abschnitt wurden die Anforderungen untersucht, die an das erste Aufgabenfeld des Managements, die Gestaltung der Produktentwicklung, zu stellen sind. Dieser Abschnitt beschäftigt sich nun mit den Anforderungen, die an die Lenkung der Produktentwicklung zu stellen sind. Auch hier lassen sich Effektivität und Effizienz als zentrale Anforderungen identifizieren.257 Wie bereits beschrieben wirken Effektivität und Effizienz über unterschiedliche Hebel auf die unternehmerische Erfolgsposition und sind daher beide anzustreben: Die effektive Lenkung der Produktentwicklung stellt grundsätzlich eine bedeutende Voraussetzung für die Generierung 253 254
255 256
257
Vgl. dazu nochmals die Ausführungen zu Beginn des Abschnitts 2.2. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die in Abschnitt 2.2 angesprochene Verschärfung des Regelwerks zur Durchführung klinischer Tests zu einem deutlichen Anstieg der Produktentwicklungskosten geführt hat. Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 75. WEIBER/KOLLMANN/POHL sprechen in diesem Zusammenhang – jedoch ohne konkreten Bezug zur Pharmaindustrie – von einer „erschreckend hohen Floprate“ neu eingeführter Produkte am Markt. Vgl. Weiber, R./Kollmann, T./Pohl, A. (2006), S. 129. Vgl. zur Bedeutung von Effektivität und Effizienz als Maßstäbe zur Beurteilung der Güte von Führungshandeln z.B. Dyckhoff, H./Ahn, H. (2001), S. 111f.
3.1 Theoretische Anforderungen
67
neuer Erfolgspotentiale und damit zukünftiger Erlösquellen dar. Eine effiziente Lenkung der Produktentwicklung beeinflusst hingegen die Kostenposition eines Unternehmens und ist somit aus Perspektive der gesamtunternehmerischen Wirtschaftlichkeit anzustreben.258 3.1.3.3.1 Effektive Lenkung der Produktentwicklung Für die weiteren Ausführungen wird die effektive Lenkung der Produktentwicklung wie folgt definiert: Die Lenkung der Produktentwicklung ist effektiv, wenn erfolgversprechende259 Entwicklungsvorhaben zielgerichtet vorangetrieben und nicht erfolgversprechende260 Entwicklungsvorhaben konsequent eingestellt werden. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass sich die Beurteilung von Entwicklungsvorhaben und damit die Einschätzung ihrer Erfolgsaussichten im Zeitablauf ändern kann, da sich auch die bewertungsrelevanten Informationen ändern können.261 Daher ist auch die Aussage, dass die Produktentwicklung gemäß oben gesetzter Definition effektiv gelenkt wird, nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Informationslage möglich. Denkbar wäre z.B., dass die anfänglich positive Einschätzung eines Arzneimittelkandidaten bei geänderter Informationslage (z.B. weitere Informationen kommen hinzu) in eine negative Beurteilung umschlägt. Die Lenkung der Produktentwicklung wäre in diesem Fall dann als effektiv einzuschätzen, wenn das Vorhaben zunächst verfolgt und bei geänderter Informationslage konsequent eingestellt wird. Um die Produktentwicklung effektiv lenken zu können, sind u.a. folgende Maßnahmen erforderlich: Erstens müssen umfassende Bewertungskriterien zur Auswahl der richtigen Entwicklungsvorhaben aus der Gesamtheit aller möglichen Entwicklungsvorhaben festgelegt 258 259
260
261
Zur Verdeutlichung dieses Zusammenhanges vgl. nochmals Abbildung 12. Gemeint sind hier Entwicklungsvorhaben, die sowohl technisch als auch wirtschaftlich günstige Erfolgsaussichten haben und damit ein zukünftiges Erfolgspotential für das Unternehmen darstellen können. Gemeint sind hier Entwicklungsvorhaben, die entweder geringe Aussichten auf Zulassung haben oder für die kein Beitrag zum zukünftigen Unternehmenserfolg erwartet werden kann. So können Wirtschaftlichkeitsbeurteilungen meist erst in späteren Phasen der Produktentwicklung vorgenommen werden.
68
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
werden. Dies ist deshalb anzustreben, damit mit den knappen Unternehmensressourcen ein möglichst hoher Wertbeitrag für das Unternehmen erzielt werden kann. Die Bewertungskriterien sollten dabei alle relevanten Dimensionen wie z.B. strategischer Fit zur Produktentwicklungsstrategie, therapeutischer Einsatz, Wirkungsprofil, regulatorische Anforderungen, Wettbewerbssituation, medizinischer Bedarf, Markterwartungen sowie Entwicklungs- und Produktionskosten umfassen.262 Unter Umständen kann es sinnvoll sein, die zur Auswahl stehenden Vorhaben in Gruppen (z.B. Neuentwicklung vs. Weiterentwicklung) einzuteilen und nur die Vorhaben innerhalb der gleichen Gruppe miteinander zu vergleichen, da unterschiedliche Gruppen nicht zwangsläufig in Konkurrenz zueinander stehen müssen.263 Dabei ist zu beachten, dass Entwicklungsalternativen innerhalb einer Gruppe mit gleichen Kriterien und Maßstäben bewertet werden.264 Die Auswahl einzelner Vorhaben muss weiter mit dem Gesamtprojektportfolio abgestimmt werden.265 Bestehende Interdependenzen266 zwischen unterschiedlichen Arzneimittelkandidaten sind hier zu berücksichtigen.267 Wie in Abschnitt 2.1.2 bereits dargestellt, sind für Entwicklungsaktivitäten forschender Arzneimittelhersteller die Voraussetzungen für eine vollständige, alle relevanten Aspekte erfassende Planung meist nicht gegeben. Aus der dadurch bedingten Planungsunsicherheit resultieren Risiken, die im Falle ihres Eintretens zu einer Gefährdung des Projekterfolgs führen können.268 Daher ist es erforderlich, im Rahmen der Projektbewertung die den Projekten innewohnende Unsicherheit im Bewertungskalkül zu berücksichtigen.269
262 263 264
265
266
267
268
269
Vgl. Völker, R. (2000), S. 266ff. Vgl. Allport, S. (1998), S. 43. Vgl. Völker, R. (2000), S. 120. SHARPE/KEELIN fordern weiter, dass für jedes Projekt dieselbe Bandbreite an Informationen verfügbar sein muss. Vgl. Sharpe, T./Keelin, P. (1998), S. 97. Vgl. zur Berücksichtigung von Interdependenzen zwischen Projekten innerhalb eines Portfolios ausführlich Kunz, C. (2005), S. 118ff. Dies sind im Wesentlichen inhaltlich-strategische Interdependenzen sowie Ressourceninterdependenzen. Ein Überblick über unterschiedliche Verfahren zur Berücksichtigung der oben angesprochenen Interdependenzen findet sich bei Kunz, C. (2005), S. 151ff. Gründe für die Planungsunsicherheit sind dabei Prognoserisiken und die mangelnde Kenntnis aller für ein Projekt relevanten Einflussfaktoren zum Zeitpunkt der Projektbewertung. Dies ist z.B. mit Hilfe von Sensitivitätsanalysen möglich. Eine Sensitivitätsanalyse für F&EProjekte findet sich beispielsweise bei VÖLKER. Vgl. Völker, R. (2000), S. 123.
3.1 Theoretische Anforderungen
69
Zweitens sind geeignete Größen zur Steuerung und Überwachung einzelner Entwicklungsvorhaben sowie der gesamten Produktentwicklungspipeline festzulegen, damit die ausgewählten Vorhaben zielgerichtet entwickelt werden können. In der Literatur werden häufig Zeitvorgaben, Target Costs und phasenorientierte Performanceindikatoren als Größen zur Steuerung der Entwicklungsvorhaben vorgeschlagen.270 Eine gemeinsame Überwachung dieser Größen ermöglicht die Beurteilung von Effizienz im Prozess der Produktentwicklung lässt jedoch oft keine Rückschlüsse zu, ob die Entwicklung auch effektiv verläuft.271 Mit anderen Worten ist die gemeinsame Betrachtung obig genannter Größen nicht immer geeignet, Fehlentwicklungen im Verlauf des Entwicklungsprozesses aufzudecken. Dies bestätigt auch eine Studie von LANGE. In 80% der von ihm untersuchten Unternehmen unterschiedlichster Branchen272, kommen Zeit, Kosten und Projektfortschritt als Steuerungsgrößen zur Anwendung, können aber erfolglose und erfolgreiche Projekte nicht differenzieren.273 Dies bedeutet, dass das Management gefordert ist, neben Größen zur Steuerung weitere geeignete Größen zur Überwachung des Projektfortschritts, insbesondere zum Erkennen von faktischen sowie potentiellen Fehlentwicklungen einzusetzen.274 Voraussetzung dafür ist die Kenntnis von Systemzusammenhängen und deren inhärenten Ursache-Wirkungsbeziehungen innerhalb des Produktentwicklungsprozesses.275 Die Fähigkeit, potentielle Fehlentwicklungen zu erkennen, erfordert zum einen die Überwachung bereits bekannter Risiken bezüglich ihrer Entwicklung. Zum anderen muss regelmäßig untersucht werden, ob weitere Risiken im Projektablauf hinzugekommen sind, und welche Konsequenzen ihr Eintritt für den Projekterfolg hätte. Drittens sind zur zielgerichteten Kontrolle des Entwicklungsfortschritts neben den standardmäßig festgelegten Kontrollpunkten weitere, flexible Kontrollpunkte festzulegen.
270 271 272
273 274
275
Vgl. z.B. Kennedy, T. (1998), S. 2. Vgl. zur Effizienzbeurteilung z.B. Reynolds, I. (1998), S. 95. Die Untersuchung erfolgte an Unternehmen der chemisch-pharmazeutischen Industrie, der Elektronik und Elektrotechnik sowie des Maschinen- und Fahrzeugbaus. Vgl. Lange, E. (1993), S. 90ff. Denkbar wären hier z.B. leistungswirtschaftliche Performancedaten. Deren grundsätzlich bessere Eignung zur Überwachung der Projekteffektivität im Vergleich zu konventionellen Steuergrößen wurde auch in Expertengesprächen der Verfasserin mit Vertretern forschender Arzneimittelhersteller bestätigt. Vgl. Hauber, R. (2002), S. 58.
70
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
Die Festlegung von Kontrollpunkten sollte dabei sowohl zeit- als auch ereignisabhängig erfolgen, da eine rein zeitabhängige Vorgehensweise die Gefahr mit sich bringt, Fehlentwicklungen und dadurch bedingte Umsteuerungsbedarfe zu spät zu erkennen.276 Die ereignisabhängigen Kontrollpunkte sollten dabei über die Prozessführung bestimmt werden.277 Dabei sind sowohl Punkte festzulegen, an denen eine umfassende Projektbewertung erfolgt als auch solche, an denen nur einzelne, für die jeweils betrachtete Phase ausschlaggebende Größen kontrolliert werden.278 Die Bedeutung einer effektiven Lenkung der Produktentwicklung ist bei forschenden Arzneimittelherstellern gestiegen. Während es früher durchaus vorkam, dass nicht erfolgversprechende Entwicklungsvorhaben weiter verfolgt wurden und durch Zufallsentdeckungen von bis dato unerkannten Eigenschaften „unerwartet“ zum Unternehmenserfolg beitrugen, ist dies heute meist ausgeschlossen.279 Der Grund liegt vor allem darin, dass Fortschritte in den einzelnen Disziplinen wie z.B. der Gentechnologie bereits zu einer weitgehenden Erschließung einfacher Therapiefelder geführt haben. Zu erforschen bleiben hingegen Medikamente für komplexe Krankheiten wie z.B. Krebs und AIDS.280 Diese setzen aber geänderte Forschungsmethoden, insbesondere auf die spezielle Krankheit fokussierte Entwicklungsaktivitäten voraus, um überhaupt marktfähige Medikamente entwickeln zu können.281 Die starke Fokussierung hat jedoch zur Folge, dass die Wahrscheinlichkeit von Zufallsentdeckungen in anderen Therapiefeldern nur äußerst gering und damit kein Garant für langfristigen Unternehmenserfolg ist. 3.1.3.3.2 Effiziente Lenkung der Produktentwicklung Wie eingangs angesprochen, ist i.S.e. gesamtunternehmerischen Wirtschaftlichkeit neben einer effektiven auch eine effiziente Lenkung der Produktentwicklung anzustreben. 276 277 278
279
280 281
Vgl. Piser, M. (2004), S. 62. Dieser Aspekt wird in den Abschnitten 5.3.3 und 5.5 noch ausführlicher behandelt. Ereignisabhängige Kontrollpunkte mit ganzheitlicher Projektbewertung sind beispielsweise zu bestimmten Milestones möglich. Vgl. zur Bedeutung von Zufalls- oder Serendipitätseffekten für die pharmazeutischen Industrie zwischen 1950 – 1990 Pisano, G. (1997), S. 54f. Vgl. Reiß, T./Hüsing, B./Hinze, S. (1997), S. 17. In diesem Zusammenhang wird auch von der Forschungsmethode „rational drug design“ gesprochen. Im Gegensatz zu ursprünglichen Forschungsmethoden bildet dabei die genaue Erforschung und Analyse einer Krankheit den Ausgangspunkt zur Suche von Substanzen. Vgl. dazu Pisano, G. (1997), S. 64.
3.1 Theoretische Anforderungen
71
Für die weiteren Ausführungen wird die effiziente Lenkung der Produktentwicklung in diesem Zusammenhang wie folgt definiert: Die Lenkung der Produktentwicklung ist zeiteffizient, wenn sie in der Lage ist, frühzeitig entscheidungsrelevante Informationen zu generieren und darüber hinaus zeitnah in Entscheidungen umzusetzen. Nur, wenn die Lenkung der Produktentwicklung zeiteffizient erfolgt, wird sichergestellt, dass zu jedem Zeitpunkt die knappen Unternehmensressourcen in die aktuell produktivsten Verwendungen allokiert sind. Nicht erfolgversprechende Vorhaben werden hingegen nach einer Abschlussdokumentation konsequent eingestellt. Die Lenkung der Produktentwicklung ist darüber hinaus kosteneffizient, wenn der Umfang an Planungs-, Steuerungs-, Überwachungs- und Kontrollaktivitäten wirtschaftlich ist, d.h. in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis steht. Während die Bedeutung einer effektiven und zeiteffizienten Lenkung von Entwicklungsvorhaben unmittelbar einsichtig ist – stellen sie doch die Voraussetzung für die zielgerichtete Entwicklung von marktfähigen Medikamenten – gilt dies nicht unbedingt für die Anforderung einer kosteneffizienten Lenkung von Entwicklungsvorhaben. Mit anderen Worten kann ein effektives und zeit- aber nicht kosteneffizientes Management der Produktentwicklung trotzdem den Aufbau neuer Erfolgspotentiale ermöglichen – einen effektiv und effizient gestalteten Produktentwicklungsprozess vorausgesetzt. Trotzdem stellt die kosteneffiziente Lenkung der Produktentwicklung eine wichtige Anforderung dar, da sie ebenfalls positive Auswirkungen auf die gesamtunternehmerische Erfolgsposition hat, die auf der Kostenseite zu suchen sind. Die Bedeutung ist dabei insbesondere im Zuge verschärfter Wettbewerbsbedingungen und dadurch bedingtem gesamtunternehmerischem Kostensenkungsdruck gestiegen.282 Das vielfach nur unzureichend erkannte Erfordernis kosteneffizienter Managementprozesse spiegelt sich auch in Gesprächen mit der Praxis wider. Vielfach sind dort Meinungen anzutreffen, Kosten für Management seien fix und somit keine kosteneffiziente Gestaltung des Managementprozesses möglich. Dem muss jedoch entgegengehalten werden, dass ein effizientes Management zeitliche Spielräume für weitere 282
Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 3.2.
72
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
Aktivitäten schaffen kann und daher sehr wohl anzustreben ist. Als „weitere“ Aktivität sei beispielsweise das Management einer größeren Anzahl an Entwicklungsvorhaben mit gleich bleibenden Managementkapazitäten genannt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Produktentwicklung sowohl effektiv und effizient gestaltet als auch effektiv und effizient gelenkt werden sollte, um neue Erfolgspotentiale aufbauen zu können und damit die Voraussetzung für den langfristigen Fortbestand eines Unternehmens zu schaffen. Managementaufgaben Gestaltung Schaffung der strukturellen Voraussetzungen für die zielgerichtete Entwicklung marktreifer und damit zulassungsfähiger Produkte
x Effizienz
Anforderungen
Effektivität
x
Optimierung von Zeit- und Ressourceneinsatz
Lenkung x
Zielgerichtete Planung, Steuerung, Überwachung und Kontrolle von Entwicklungsvorhaben
x
Erkennen und Einstellen nicht erfolgversprechender Entwicklungsvorhaben
x
Frühzeitiges Generieren von entscheidungsrelevanten Informationen und konsequente Entschei-
x
Wirtschaftliches Durchführen der erforderlichen Managementaktivitäten (Kosteneffizienz)
dungsumsetzung (Zeiteffizienz)
Abbildung 13: Zentrale Anforderungen an die Gestaltung und Lenkung der Produktentwicklung
Die Erarbeitung des dieser Arbeit zu Grunde liegenden Verständnisses von Effektivität und Effizienz sowie die Ableitung von Anforderungen an die Gestaltung und Lenkung der Produktentwicklung waren Gegenstand des Abschnittes 3.1.3. Diese primär literaturbasierten Überlegungen werden im nächsten Abschnitt auf ihre praktische Relevanz für forschende Arzneimittelhersteller geprüft. Im Vordergrund dieses Abschnitts steht die Frage, welche Handlungsbedarfe in der pharmazeutischen Praxis gesehen werden und welche Implikationen diese für die Ansatzpunkte und Aufgabenfelder des Produktentwicklungsmanagements aufweisen.
3.2 Praktische Herausforderungen
73
3.2 Herausforderungen für das Management der pharmazeutischen Produktentwicklung aus Sicht der Praxis 3.2.1 Aktuelle Entwicklungen in der pharmazeutischen Industrie Wie in Abschnitt 3.1.2 dargestellt, ist es Aufgabe des Managements, das Zusammenspiel der leistungswirtschaftlichen Parameter Potentiale und Prozesse des Unternehmen so zu gestalten und zu lenken, dass neue marktfähige Arzneimittel entwickelt werden und damit der langfristige Bestand des Unternehmens gesichert werden kann. Dies hat unter regelmäßiger Berücksichtigung der situativen Bedingungskonstellationen eines Unternehmens zu erfolgen.283 Ziel dieses Abschnitts ist es, die aktuellen Einflüsse im Handlungsumfeld von pharmazeutischen Unternehmen zu untersuchen. Von besonderem Interesse ist, welche Handlungserfordernisse aus Sicht der pharmazeutischen Praxis bestehen und welche Bedeutung diese für die Ansatzpunkte (Phasendauern und Verlustraten) und Aufgabenfelder des Produktentwicklungsmanagements (Gestaltung und Lenkung) haben. Basis für die nachfolgenden Ausführungen sind verschiedene empirische Studien zur aktuellen Entwicklung in der pharmazeutischen Industrie, die von Unternehmensberatungen (AD Little284, Capgemini285, Deloitte286 und McKinsey287), Forschungsinstitutionen (Fraunhofer Institut288) und Branchenverbänden (BPI e.V.289) durchgeführt wurden und im Rahmen dieser Arbeit zu einem stimmigen Gesamtbild integriert werden sollen. Die relevanten Entwicklungen werden anhand des Analyse- bzw. Systematisierungsrasters der integrierten Leistungs- und Wertkette290 von Unternehmen aufgezeigt. Die integrierte Leistungs- und Wertkette stellt eine Weiterentwicklung der Wertkette von PORTER291 dar und ist auf Basis der Kritik an diesem Grundmodell entstanden.292 Die Eignung dieses Analyseinstrumentes für den vorliegenden Fall kann insbesondere 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292
Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.1.1. Vgl. Deneux, F. et al. (2004). Vgl. Capgemini (Hrsg., 2004). Vgl. Deloitte, (Hrsg., 2005). Vgl. Agarwal, S. et al. (2001). Vgl. Gaisser, S./Nusser, M. (2005); Nusser, M. (2006) und Nusser, M. (2005). Vgl. BPI (Hrsg., 2005). Vgl. zum Modell der integrierten Leistungs- und Wertkette Becker, W. (1996), S. 93. Für eine ausführliche Darstellung vgl. Porter, M. E. (1999), S. 63ff. Vgl. dazu ausführlich Becker, W. (1996), S. 91f.
74
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
dadurch begründet werden, dass Interaktionsbeziehungen zum Beschaffungs- und Absatzmarkt explizit dargestellt werden.293 Wie noch zu zeigen, erfordern die aktuellen Entwicklungen in der pharmazeutischen Industrie u.a. eine sorgfältige Analyse genau dieser Beziehungen. Da der regulatorische Rahmen eine hohe Bedeutung für die Wertschöpfungsaktivitäten forschender Arzneimittelhersteller hat, wird er – abweichend vom Grundmodell – in der nachfolgenden Darstellung mit aufgenommen. Regulatorischer Rahmen Liquidität Erfolg
Wertebene Prozesse
Lieferanten& Wertschöpfungspartner
Produkte
Markt
Potentiale
Leistungsebene
Wettbewerb
Abbildung 14: Integrierte Leistungs- und Wertkette pharmazeutischer Unternehmen294
Regulatorischer Rahmen Von je her haben regulatorische Rahmenbedingungen einen hohen Einfluss auf die Wertschöpfungsaktivitäten pharmazeutischer Unternehmen.295 Sich häufig ändernde rechtliche und politische Rahmenbedingungen sowie eine starre nationale Auslegung administrativer Planungsvorgaben durch Behörden erzeugen jedoch Intransparenz, Inflexibilität und beeinträchtigen die Planungssicherheit dieser Unternehmen.296 In der letzten Zeit sind diverse Änderungen in den Rahmenbedingungen festzustellen, die nachfolgend hinsichtlich ihrer Konsequenzen für die Wertschöpfungsaktivitäten pharmazeutischer Unternehmen skizziert werden sollen. 293 294 295 296
Vgl. Becker, W. (1996), S. 93f. und Meffert, H./Benkenstein, M. (1989), S. 786. In Anlehnung an: Becker, W. (1996), S. 93 und unter Berücksichtigung von Abbildung 12. Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 17. Vgl. Nusser, M. (2005), S. 23.
3.2 Praktische Herausforderungen
75
Änderungen ergeben sich zum einen für die Gestaltung von Wertschöpfungsaktivitäten im Rahmen der Leistungserstellung.297 Wie in Kapitel 2.2.2 dargestellt, ist die pharmazeutische Produktentwicklung durch starre Vorgaben der Zulassungsbehörden traditionell stark reglementiert. Dies betrifft vor allem die Festlegung von Art und Abfolge der durchzuführenden Aktivitäten in den präklinischen und klinischen Testphasen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen sind in der jüngsten Vergangenheit im Hinblick auf den zeitlichen Umfang und die Qualitätsstandards von Testaktivitäten weiter gestiegen. Dies hat zur Folge, dass sowohl die Produktentwicklungszeiten als auch -kosten gestiegen sind. 298 Neben den Einflüssen rechtlicher Rahmenbedingungen auf die Leistungserstellung haben geänderte gesundheitspolitische Rahmenbedingungen zu erheblichen Konsequenzen für die Leistungsverwertung299 forschender Arzneimittelhersteller geführt. Insbesondere ist hier die Beschränkung der preispolitischen Spielräume für neu entwickelte Produkte zu nennen, die auf die in 2004 in Kraft getretene Gesundheitsreform zurückgeführt werden kann.300 Die Auswirkungen auf die preispolitischen Spielräume sind dabei im Wesentlichen durch drei regulatorische Eingriffe begründet:301 Erstens gilt seit dem Jahr 2004 die Ausgrenzung der Erstattungsfähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten durch die gesetzlichen Krankenkassen. Dies hat zur Folge, dass Patienten nicht verschreibungspflichtige Medikamente selbst erwerben müssen und diese nicht mehr über die Krankenkassen (teil-)finanziert werden. Zweitens wurde die Festbetragsregelung auf patentgeschützte Arzneimittel ausgeweitet. Daraus folgt, dass die Spielräume, die bislang hinsichtlich der Preisfestsetzung für patentgeschützte Arzneimittel bestanden, abgenommen haben. Während es, seit der Aufhebung der gesetzlichen Preiserstattungsobergrenze im Jahr 1995 möglich war, die Erlöse nicht nur über die Absatzmenge, sondern auch über die Festlegung der Absatzpreise zu steuern, ist dies seit 1.1.2004 nicht mehr bzw. nur noch eingeschränkt möglich. 297
298 299
300 301
Gemeint ist hier die Produktionsfunktion eines Unternehmens. Zu diesem Begriff vgl. Becker, W. (1996), S. 95. Vgl. Deneux, F. et al. (2004), S. 84. Gemeint ist hier die Absatzfunktion eines Unternehmens. Zu diesem Begriff vgl. Becker, W. (1996), S. 95. Vgl. z.B. Gaisser, S./Nusser, M. (2005), S. 7. Vgl. BPI (Hrsg. 2005), S. 2.
76
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
Drittens folgt aus der Gesundheitsreform die Gewährungspflicht eines staatlich verordneten Zwangsrabattes von 16% für nicht festbetragsgeregelte Medikamente. Markt und Wettbewerb Die direkte Abnehmerstruktur pharmazeutischer Unternehmen ist – vor allem für freiverkäufliche OTC-Produkte302 – stark fragmentiert.303 Arzneimittel können den Endverbraucher über unterschiedliche Distributionswege erreichen. Innerhalb dieses Distributionsnetzwerkes konzentrierten sich Pharmaunternehmen in der Vergangenheit vor allem auf die Pflege von Geschäftsbeziehungen zu den verschreibenden Ärzten.304 Kostensenkungserfordernisse im Gesundheitswesen, eine aktivere Einstellung des Patienten zum Thema Gesundheit und geringe Wechselkosten zwischen konkurrierenden Präparaten führen jedoch dazu, dass Pharmaunternehmen mittlerweile ein vielschichtiges Netzwerk an Interessenträgern berücksichtigen müssen, wenn sie ihre Produkte erfolgreich absetzen wollen.305 Daher kann insgesamt von einer gestiegenen Komplexität der Interaktionsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt ausgegangen werden. Im Hinblick auf die Wettbewerbssituation forschender Arzneimittelhersteller ist zu unterscheiden zwischen Aktivitäten auf bestehenden Märkten und der Erschließung neuer Märkte. Aktivitäten auf bestehenden Märkten Während der Vermarktungszeit unter Patentschutz (effektive Patentlaufzeit) besitzen forschende Arzneimittelhersteller ein Vermarktungsmonopol für den entsprechenden Wirkstoff (Erzeugnispatent), das Herstellungsverfahren (Verfahrenspatent) und/oder Indikationsgebiet (Verwendungspatent). Den umfassendsten Schutz liefert dabei das Erzeugnispatent, da es die Verwendung des Wirkstoffes in jedwedem Herstellungsverfahren und Indikationsgebiet untersagt, mithin die anderen genannten Patente einschließt.306
302
303 304 305 306
Gemeint sind hier die nicht verschreibungspflichtigen und daher freiverkäuflichen Arzneimittel, die vom Kunden über die Ladentheke („over the counter“) bezogen werden können. Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 15f. Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 16. Vgl. Nusser, M. (2006), S. 27 und Capgemini (Hrsg., 2004), S. 6. Vgl. VFA (Hrsg., 2000), S. 13.
3.2 Praktische Herausforderungen
77
Nach Ablauf des jeweiligen Patentschutzes bieten Generikahersteller kostengünstige Nachahmerpräparate für den ehemals geschützten Wirkstoff oder die Indikation an.307 Folglich setzt ab diesem Zeitpunkt ein starker Preiswettbewerb und damit auch Preisverfall der Arzneimittel ein.308 Dieser hat sich jedoch in der jüngsten Vergangenheit weiter intensiviert, da die Anzahl an Generikaanbietern und damit auch der Wettbewerb zwischen diesen stark angestiegen ist.309 Unmittelbare Folge ist, dass Ärzten und Apothekern immer mehr austauschbare Präparate zur Verfügung stehen, sodass diese nicht mehr auf die „teuren“ Originale zurückgreifen müssen. Um sich auch nach Ablauf des Patentschutzes weiterhin erfolgreich am Markt positionieren zu können, besteht für forschende Arzneimittelhersteller zum einen die Chance, durch geschickte Preispolitik die Eintrittsbarrieren für Generikaanbieter zu erhöhen, während man selbst aufgrund gesammelter Erfahrungen und bereits bestehenden Produktionsanlagen den Markt kostengünstig bedient. Diese wettbewerbsstrategische Positionierung über einen möglichst geringen Preis wird auch als Kostenführerschaft bezeichnet.310 Zum anderen gewinnen auch patientenorientierte Dienstleistungen und Serviceangebote aus Sicht der forschenden Arzneimittelhersteller zunehmend an Bedeutung. Diese dienen einer leistungsseitigen Differenzierung gegenüber der Konkurrenz.311 Als Beispiele sind hier das Angebot von Heil- und Hilfsmitteln, von Medizintechnik sowie von entsprechenden Beratungs- und Serviceleistungen als Neben- und Zusatzleistung zur herkömmlichen Arzneimitteltherapie zu nennen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Ausweitung des Beratungs- und Dienstleistungsangebots für Ärzte z.B. in Form von Managementhilfen für Arztpraxen oder im Rahmen der Durchführung von Qualitätszirkeln. Diese wettbewerbsstrategische Positionierung über Neben- und Zusatzleistungen kann auch als Differenzierungsstrategie bzw. Strategie der Leistungsführerschaft bezeichnet werden. 312 Die genannten Strategien der Kosten- und Leistungsführerschaft müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen, sondern können
307 308 309 310 311 312
Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 17. Vgl. Capgemini (Hrsg., 2004), S. 6. Vgl. Deloitte (Hrsg., 2005), S. 6 und Capgemini (Hrsg., 2004), S. 6. Vgl. dazu ausführlich Porter, M. E. (1983), S. 63ff. Vgl. Nusser, M. (2006), S. 26. Vgl. zur Differenzierungsstrategie Porter, M. E. (1983), S. 65. Vgl. VFA (Hrsg., 2005), S. 23 und Reiß, T./Hüsing, B./Hinze, S. (1997), S. 20.
78
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
zu einer Strategie der integrierten Kosten- und Leistungsführerschaft kombiniert werden.313 Erschließung neuer Märkte Die Innovationsaktivitäten forschender Arzneimittelhersteller konzentrierten sich in der Vergangenheit vorwiegend auf die Weiterentwicklung bereits bekannter Wirkstoffe. Die Weiterentwicklung bezog sich dabei zumeist auf die Ausdehnung der Anwendungsgebiete oder die Suche nach neuen Darreichungsformen oder verbesserten Herstellverfahren.314 Patentrechtliches Ergebnis der Innovationsbemühungen waren damit zumeist neue Verfahrens- oder Verwendungspatente. Die Anzahl an neuen Wirkstoffen bzw. Erzeugnispatenten ist hingegen in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen.315 Dies ist v.a. darauf zurückzuführen, dass die Erschließung neuer Therapiefelder (d.h. neue Wirkstoffe auf neuen Märkten) zwar wesentlich höhere Chancen – nämlich einen umfassenderen Monopolschutz – bietet, jedoch auch mit einigen Herausforderungen für die betrachteten Unternehmen verbunden ist:316 Wie an früherer Stelle bereits erwähnt, haben Fortschritte in den unterschiedlichen Disziplinen wie z.B. der Gentechnologie zu einer weitgehenden Erschließung einfacher Therapiefelder durch forschende Arzneimittelhersteller geführt. Zu erforschen bleiben hingegen Medikamente für komplexe und (damit teurere) Krankheiten wie z.B. Krebs und AIDS.317 Diese setzen aber geänderte Forschungsmethoden voraus und müssen auf die spezielle Krankheit fokussiert sein, um überhaupt marktfähige Medikamente entwickeln zu können. Strategische Partnerschaften (z.B. mit Biotechnologieund Medizintechnikunternehmen) gewinnen in diesem Zusammenhang an Bedeutung.318
313 314
315
316
317
318
Vgl. Becker, W. (1996), S. 233ff. Vgl. BPI (Hrsg., 2005), S. 24. Dies zeigt sich beispielsweise an den rückläufigen Zahlen zur Zulassung neuer Wirkstoffe. Vgl. VFA (Hrsg., 2005), S. 23. Während im Jahr 1996 noch 62 Medikamente von der FDA zugelassen wurden, waren es im Jahr 2003 nur noch 32. Vgl. VFA (Hrsg., 2005), S. 23 und Deneux, F. et al. (2004), S. 84. Pharmaunternehmen sehen sich hier als „Opfer ihres eigenen Erfolges“: Vgl. Capgemini (Hrsg., 2004), S. 6. So wird die Forschung und Entwicklung auf komplexeren Therapiegebieten auch als Grund für gestiegene Produktentwicklungskosten angeführt. Vgl. Reiß, T./Hüsing, B./Hinze, S. (1997), S. 17. Vgl. Nusser, M. (2006), S. 27.
3.2 Praktische Herausforderungen
79
Zudem wird die Konzentration auf Gruppen von Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern („individuelle Medizin") wichtiger, da gerade bei komplexen Krankheiten meist keine „Einheitsbehandlung“ für alle Patienten möglich ist.319 Neben den bereits genannten Kooperationen mit Biotechnologie- und Medizintechnikunternehmen bedeutet dies, verstärkt auch mit Unikliniken, Krankenhäusern u.a. Institutionen zusammenarbeiten zu müssen.320 Trotz der skizzierten Herausforderungen sehen forschende Arzneimittelhersteller gemäß aktuellen Umfragen gerade in der Erschließung neuer Therapiefelder den maßgeblichen Erfolgsfaktor für die zukünftige Existenzsicherung.321 Wollen sie jedoch die mit neuen Therapiefeldern verbundenen Chancen nutzen, sind sie gefordert, ihre Produktentwicklungsaktivitäten zu fokussieren und verstärkt patientenorientiert auszurichten.322 Weiter ist von einer zukünftig wachsenden Bedeutung von Diagnostik, Prävention und Gentherapie gegenüber der traditionellen Arzneimitteltherapie auszugehen, wodurch die Rolle und Bedeutung der Pharmaindustrie in ihrer heutigen Form künftig neu zu definieren ist.323 Die skizzierten Entwicklungen eröffnen die Möglichkeit, dass Pharmaunternehmen langfristig nicht ausschließlich Arzneimittel produzieren, sondern komplette Therapiesysteme als Produktbündel anbieten. Lieferanten und Wertschöpfungspartner In den letzten Jahren wurden mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms erhebliche Fortschritte im Bereich der Gen- und Biotechnologie erzielt. Diese eröffnen neue Chancen für forschende Arzneimittelhersteller und müssen genutzt werden, um wettbewerbsfähig bleiben zu können.324 Vor diesem Hintergrund sehen forschende Arzneimittelhersteller die Notwendigkeit, zukünftig stärker als bislang mit biotechno-
319
320 321 322
323 324
Dies können zum einen Patienten mit einer bestimmten Krankheitsausprägung (z.B. Darmkrebs) sein. Zum anderen können dies auch bestimmte Patientengruppen wie z.B. Kinder sein. Es ist davon auszugehen, dass gegenwärtig bis zu 70% aller für Kinder verordneten Arzneimittel nicht für diese Patientengruppe zugelassen sind (Off label use). Vgl. BPI (Hrsg., 2004), S. 41. Vgl. Nusser, M. (2006), S. 27. Vgl. BPI (Hrsg., 2005), S. 13. So empfiehlt Capgemini beispielsweise, bereits in den frühen Entwicklungsphasen Indikationsgebiete und Dosierungen festzulegen. Vgl. Capgemini (Hrsg., 2004), S. 18. Vgl. Reiß, T./Hüsing, B./Hinze, S. (1997), S. 20. Vgl. Deloitte (Hrsg., 2005), S. 7.
80
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
logischen Unternehmen zusammenarbeiten zu müssen.325 Neben der Funktion dieser Unternehmen als Lieferanten von Wirkstoffen (z.B. Hormone und Wachstumsfaktoren) kommt ihnen ebenfalls hohe Bedeutung in der biomedizinischen Forschung zu. Als Beispiele sind hier die Bereitstellung transgener Tiermodelle, die Entwicklung von Screening- und Testverfahren für neue Wirkstoffe und Genomforschung für die Erweiterung des Wissens über die Ursachen von Krankheiten zu nennen.326 Forschende Arzneimittelhersteller sind vor diesem Hintergrund gefordert, ihre eigenen Wertschöpfungsprozesse zu überdenken und ggf. unternehmensübergreifend zu gestalten. Vor allem sind Möglichkeiten zu finden, wie die Kompetenzen biotechnologischer Unternehmen stärker in die eigene Wertschöpfungskette integriert werden können.327 Dies setzt jedoch voraus, die eigenen Prozesse in der Produktentwicklung zunächst sauber zu definieren und transparent zu gestalten, da nur auf diesem Wege später auch die Schnittstellen zu biotechnologischen Zulieferern und anderen Wertschöpfungspartnern optimiert werden können. 3.2.2 Konsequenzen für die pharmazeutische Produktentwicklung Die dargestellten Entwicklungen im Umfeld forschender Arzneimittelhersteller führen zu entsprechenden Konsequenzen für deren Produktentwicklung, die nachfolgend skizziert werden. Die Einflüsse lassen sich dabei in zwei Kategorien systematisieren. Als erste Kategorie sind gewandelte Anforderungen bedingt durch technischen Fortschritt und neue medizinische Erkenntnisse zu nennen. Als zweite Kategorie ist die Verringerung der wirtschaftlichen Spielräume anzuführen, die auf preispolitische Beschränkungen, verschärften Wettbewerb nach Ablauf der Patentschutzzeit und gestiegene Produktentwicklungskosten zurückgeführt werden kann.
325
326 327
Die Vorteile der meist kleineren Biotechnologieunternehmen sind in den geringeren bürokratischen und organisatorischen Hürden zu sehen, die ein günstiges Innovationsklima fördern. Vgl. Deloitte (Hrsg., 2005), S. 12. Vgl. Reiß, T./Hüsing, B./Hinze, S. (1997), S. 20. Vgl. Deloitte (Hrsg., 2005), S. 7 und 10 sowie Nusser, M. (2006), S. 27.
3.2 Praktische Herausforderungen
81
Gewandelte Anforderungen durch technischen Fortschritt und neue medizinische Erkenntnisse Aus Sicht der Praxis wird zunehmend das Erfordernis gesehen, sich in neuen Therapiefeldern zu engagieren. Dies bedeutet einerseits, die eigenen Entwicklungsaktivitäten entsprechend zu fokussieren. Andererseits muss die eigene Produktentwicklung stärker als bislang patienten- und damit marktorientiert ausgerichtet werden.328 I.S.e. Product Lifecycle Management gilt es zudem, möglichst frühzeitig darüber nachzudenken, wie man auch nach Ablauf des Patentschutzes wettbewerbsfähig bleiben kann. Neben der Möglichkeit einer geschickten Preispolitik ist in diesem Zusammenhang auch über Zusatzangebote nachzudenken. Studienergebnisse weisen hier auf Optimierungspotentiale hin, da derartige Aktivitäten meist zu spät stattfinden.329 Eine weitere bedeutende Herausforderung wird in der besseren Vernetzung der unterschiedlichen Fachdisziplinen gesehen.330 Aus Sicht der forschenden Arzneimittelhersteller kann dadurch die Effektivität der Produktentwicklung gesteigert werden.331 Studienergebnisse weisen hier auf erhebliche Optimierungspotentiale hin, da bislang von einer eher begrenzten Vernetzung der unterschiedlichen Fachdisziplinen innerhalb332 der Unternehmen auszugehen ist. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit mit Wertschöpfungspartnern wie z.B. Biotechnologieunternehmen.333 Für die Produktentwicklung forschender Arzneimittelhersteller bedeutet dies, dass Möglichkeiten gesucht werden müssen, um die unternehmensinternen Fachdisziplinen besser vernetzen und die unternehmensexternen Wertschöpfungspartner besser in den Wertschöpfungsprozess integrieren zu können. Denkbar ist hier die Gestaltung funktionsbereichsübergreifender, transparenter
328
329 330 331
332 333
So empfiehlt Capgemini beispielsweise, bereits in den frühen Entwicklungsphasen Indikationsgebiete und Dosierungen, aber auch weitere (Follow-up) Indikationsmöglichkeiten für zusätzlichen Patentschutz festzulegen. Vgl. Capgemini (Hrsg., 2004), S. 18. Vgl. Capgemini (Hrsg., 2004), S. 5. Vgl. Capgemini (Hrsg., 2004), S. 25 und Deloitte (Hrsg., 2005), S. 7. So stellen REIß/HÜSING/HINZE bereits 1997 fest, dass zukünftig eine stärkere Vernetzung zwischen den einzelnen Fachdisziplinen herzustellen ist, da innovative Entwicklungen oftmals gerade aus den Grenz- und Überschneidungsbereichen zwischen den Disziplinen hervorgehen. Vgl. Reiß, T./Hüsing, B./Hinze, S. (1997), S. 16. Vgl. Gaisser, S./Nusser, M. (2005), S. 4 und Capgemini (Hrsg., 2004), S. 5. Vgl. Deloitte (Hrsg., 2005), S. 7.
82
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
Prozesse sowie die Identifikation und Optimierung von relevanten Schnittstellen zu den externen Wertschöpfungspartnern. Verringerung der wirtschaftlichen Spielräume Die aufgezeigten Veränderungen hinsichtlich verschärfter Wettbewerbsbedingungen, abnehmender erlöspolitischer Spielräume und gestiegenen Produktentwicklungskosten haben zur Folge, dass der Faktor „Zeit“ erheblich an Bedeutung gewinnt.334 Als wesentliche Herausforderung wird von der pharmazeutischen Industrie daher die Verkürzung der Produktentwicklungszeit (bzw. time to market) gesehen, um so die Vermarktungszeit unter Patentschutz ausdehnen zu können.335 Der bereits erwähnte Anstieg der Produktentwicklungskosten hängt eng mit den gewandelten Anforderungen an die pharmazeutische Produktentwicklung zusammen. Eine Übersicht über bedeutende Gründe für gestiegene Produktentwicklungskosten infolge gewandelter Anforderungen findet sich in der nachfolgenden Übersicht. Erforschung komplexerer Krankheiten Verfolgung vielfältiger methodischer Ansätze Zunehmende Einbindung verschiedener Fachdisziplinen Einsatz kostenintensiver Apparaturen Durchführung von Forschung und Produktentwicklung in internationalen Kooperationen Erhöhter Umfang klinischer Studien Erhöhte Sicherheits- und Qualitätsanforderungen (z.B. bei Zulassungsprüfungen)
Abbildung 15: Gründe für gestiegene Kosten in der pharmazeutischen Produktentwicklung336
Da die gestiegenen Kosten nicht unmittelbar über höhere Erlöse kompensiert werden können, erkennen forschende Arzneimittelhersteller zunehmend die Notwendigkeit, Kostensenkungspotentiale in ihren derzeitigen Prozessen zu identifizieren und zu
334 335 336
Vgl. Deneux, F. et al. (2004), S. 79f. Vgl. z.B. Capgemini (Hrsg., 2004), S. 18 und Deneux, F. et al. (2004), S. 80. Vgl. Agarwal, S. et al. (2001), S. 3.
3.2 Praktische Herausforderungen
83
realisieren. Wie bereits erwähnt, besteht eine Möglichkeit hierfür in der besseren Vernetzung von Fachdisziplinen und Wertschöpfungspartnern. Die Studienergebnisse legen die Vermutung nahe, dass im Zusammenhang mit den aufgezeigten Kostensenkungserfordernissen vor allem die Senkung bestehender Kosten durch die Optimierung von Abläufen im Vordergrund steht.337 Es gehen jedoch keine Hinweise daraus hervor, ob die pharmazeutische Praxis auch das Vermeiden noch nicht entstandener Kosten durch frühzeitiges Erkennen erfolgloser Entwicklungsvorhaben als aktuelle Herausforderung einschätzt. Ein möglicher Grund könnte sein, dass Unternehmen hier bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen haben und insofern keinen akuten Handlungsbedarf sehen. Ein zweiter Grund könnte jedoch sein – und dies ist nahe liegend – dass die Bedeutung, Kosten durch frühzeitigeres Abbrechen von erfolglosen Entwicklungsvorhaben zu vermeiden, bisher nur unzureichend erkannt wurde.338 Diese Vermutung konnte auch in ergänzend durchgeführten Experteninterviews gestützt werden. Hier wurde deutlich, dass das frühzeitige Erkennen und Handhaben von Fehlentwicklungen i.S.e. Risikofrüherkennung und eines -managements zwar auf Ebene des Gesamtunternehmens stattfindet, jedoch nicht systematisch auf Produktentwicklungsebene.339 Mit Blick auf die identifizierten Ansatzpunkte zur Optimierung der Produktentwicklung aus Abschnitt 3.1.1 kann folgendes festgestellt werden: Die aktuellen Handlungsbedarfe, die aus Sicht der Praxis bestehen, sollen insgesamt zu einer Steigerung des Wertbeitrags von erfolgreich zugelassenen Medikamenten beitragen. Neben einer Erhöhung der Monopolvermarktungszeit durch Senkung der Produktentwicklungszeit sei hier an die marktfokussierte und lebenszyklusübergreifende Produktgestaltung, die bessere Vernetzung von Fachdisziplinen und Wertschöpfungspartnern sowie an die Senkung von Produktentwicklungskosten erinnert. Die jeweili337 338
339
Für eine Übersicht über diesbezügliche Ansatzpunkte vgl. Deloitte (Hrsg., 2004), S. 12. Dies erscheint vor allem dann nahe liegend, wenn man die rückläufige Anzahl an Patentzulassungen berücksichtigt und unterstellt, dass Unternehmen ihr Investitionsvolumen im Zeitablauf nicht nennenswert ändern. Vgl. Deneux, F. et al. (2004), S. 84. CAPGEMINI stellen in ihrer Untersuchung sogar fest, dass sich das Investitionsvolumen forschender Arzneimittelhersteller in ihre F&E im Zeitraum 1996-2003 verdoppelt hat. Sie schließen daraus, dass die Produktivität der pharmazeutischen F&E stark zurückgegangen ist. Vgl. Capgemini (Hrsg., 2004), S. 6f. Ein möglicher Grund für den Rückgang der Produktivität könnte dabei in Fehlinvestitionen bzw. dem zu langen Verfolgen letztlich nicht erfolgreicher Entwicklungsvorhaben begründet sein. An dieser Stelle soll ein kurzer Verweis genügen. Die Ergebnisse zum Status Quo von Risikofrüherkennung und -management in der pharmazeutischen Produktentwicklung werden noch ausführlich in Kapitel 5.4.2 dargestellt.
84
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
gen Effekte auf den kumulierten Cash Flow als Messgröße für den Wertbeitrag eines Arzneimittels (über die Zeit) werden in der nachfolgenden Abbildung 16 dargestellt. CF kum. B
A
Zeit
C A B C
Derzeitige Cash- Flow Entwicklung Angestrebte Cash -Flow Entwicklung Reduktion time to market Produktlebenszyklusübergreifende Gestaltung Reduktion Produktentwicklungskosten (z.B. durch bessere Vernetzung)
Abbildung 16: Handlungsbedarfe zur Steigerung des Wertbeitrags eines Arzneimittels aus Sicht der Praxis
Der Minimierung des Verlustbeitrags erfolgloser Entwicklungsvorhaben durch Verlagerung von Projektabbrüchen in frühe Entwicklungsphasen wird bisher von der Praxis jedoch nur unzureichend Beachtung geschenkt. Speziell fehlt es an einer regelmäßigen Identifikation, Analyse, Bewertung, Steuerung und Überwachung der Risikosituation auf Ebene der Produktentwicklung. 3.3 Zwischenergebnis: Praktische Relevanz der theoretisch abgeleiteten Anforderungen an die pharmazeutische Produktentwicklung Die Ausführungen in Abschnitt 3.2 haben gezeigt, dass die Produktentwicklung nach wie vor als maßgeblicher Erfolgsfaktor für die langfristige Existenzsicherung forschender Arzneimittelhersteller gesehen wird. Derzeit sind forschende Arzneimittelhersteller jedoch vielfältigen Einflüssen ausgesetzt, die zu Konsequenzen für deren
3.3 Zwischenergebnis
85
Produktentwicklung führen. Im Hinblick auf die Herausforderungen, die aktuell von der Praxis gesehen werden, ist die Bedeutung der in Abschnitt 3.1.2 identifizierten Aufgabenfelder des Produktentwicklungsmanagements damit wie folgt zu beurteilen. Aufgabenfeld der Gestaltung Hervorgerufen durch die Verringerung ihrer wirtschaftlichen Spielräume sehen sich forschende Arzneimittelhersteller zunehmend gezwungen, ihre Wirtschaftlichkeit zu steigern. Im Vordergrund steht dabei die bereichs- und unternehmensübergreifende Strukturierung und Optimierung der betrieblichen Abläufe. Derartige Bemühungen werden in der Produktentwicklung v.a. mit dem Ziel verfolgt, Entwicklungszeiten und -kosten zu senken. Die erfolgreiche Bewältigung der genannten Zielsetzungen hängt maßgeblich davon ab, wie die Produktentwicklung gestaltet wird. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass diesem Aufgabenfeld340 und dessen effektiver und effizienter Erfüllung eine hohe Relevanz aus Sicht der pharmazeutischen Praxis beigemessen wird. Auch im Hinblick auf ein funktionsfähiges Life Cycle Management kommt der effektiven und effizienten Gestaltung der Produktentwicklung entsprechende Bedeutung zu, da bereits zu diesem Zeitpunkt ein Großteil der Kosten eines Produktes festgelegt wird und zu späteren Zeitpunkten die Möglichkeit einer Kostenbeeinflussung abnimmt.341 Aufgabenfeld der Lenkung Neben der Senkung von Produktentwicklungszeiten und -kosten wurde eine verstärkte Patienten- und Marktfokussierung als weitere Herausforderung für die pharmazeutische Produktentwicklung genannt. Ruft man sich nochmals die Begriffsdefinition von effektiver Lenkung, wie sie in der vorliegenden Arbeit festgelegt wurde, in Erinnerung, so kann festgestellt werden, dass diese Herausforderung hier bereits berücksichtigt wird: umfasst doch die Beurteilung, ob ein Entwicklungsvorhaben erfolgversprechend ist und daher weiterverfolgt werden sollte, neben technischen eben genau auch marktliche Bewertungsaspekte. Verbunden mit einer entsprechenden Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung kann somit i.S.e. Struktur-Prozess-Dualismus
340
341
Zur Gestaltungsaufgabe des Produktentwicklungsmanagements vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.1.2. Vgl. Becker, W. (1996), S. 213.
86
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
die erforderliche Patienten- bzw. Marktorientierung bereits in frühen Phasen der pharmazeutischen Produktentwicklung sichergestellt werden.342 An dieser Stelle kann daher festgehalten werden, dass die Gestaltung einer effektiven und effizienten Produktentwicklung sowie deren effektive Lenkung einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten kann, die Herausforderungen zu erfüllen, die aktuell aus Sicht der Praxis bestehen. Entsprechend kann auf eine hohe praktische Relevanz dieser Aufgabenfelder sowie der damit verbundenen Anforderungen geschlossen werden. Die Bedeutung einer zeiteffizienten Lenkung der Produktentwicklung wurde von der pharmazeutischen Industrie bislang nur unzureichend erkannt. Gerade hier liegt jedoch ein wichtiger Ansatzpunkt zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit. Dieser ist v.a. in der Reduktion bzw. Vermeidung von Kosten für Fehlinvestitionen durch frühzeitigeres Erkennen und Abbrechen von erfolglosen Entwicklungsvorhaben zu sehen.
Der Aufbau der weiteren Kapitel orientiert sich an den bislang gewonnenen Erkenntnissen. Ziel ist die Entwicklung eines Gestaltungs- und Lenkungsmodells für die pharmazeutische Produktentwicklung, das den identifizierten Herausforderungen adäquat Rechnung trägt. In Kapitel vier werden schwerpunktmäßig die Möglichkeiten einer effektiven und effizienten Gestaltung der Produktentwicklung untersucht. Dies erfolgt unter besonderer Berücksichtigung der identifizierten Herausforderungen aus Abschnitt 3.2. Erinnert sei hier nochmals an die erforderliche Reduktion von Entwicklungskosten und -zeiten, die bessere Vernetzung der unterschiedlichen Fachdisziplinen und die Fokussierung der Produktentwicklung auf den Markt.
342
Zur Struktur- und Prozessdimensionen von Transaktionsbeziehungen zwischen Unternehmen und Märkten vgl. Becker, W. (1996), S. 73 und 115.
3.4 Modelltheoretische Grundlagen
87
Kapitel fünf beschäftigt sich daraufhin mit Möglichkeiten einer effektiven und effizienten Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung. Dabei wird auch die bis dato offenkundig unzureichend geklärte Frage thematisiert, wie erfolglose Entwicklungsvorhaben früher als bislang erkannt und konsequent abgebrochen werden können. Bevor in den Kapiteln vier und fünf die konkrete Modellentwicklung erfolgt, werden zunächst im nachfolgenden Abschnitt 3.4 einige modelltheoretische Vorüberlegungen dazu angestellt. 3.4 Modelltheoretische Grundlagen zur Entwicklung eines anforderungsgerechten Managementmodells „Nur ein System, dessen verhaltensrelevante Merkmale verstanden werden, ist zuverlässig zu steuern und zu kontrollieren.“343 Diesem Postulat liegt die Vorstellung eines rational agierenden Managements zu Grunde, welches weiß, warum bestimmte Ereignisse oder Verhaltensformen eintreten und somit gezielt in die unternehmerischen Strukturen und Prozesse eingreifen kann.344 Die Notwendigkeit, die meist komplexen unternehmerischen Strukturen und Prozesse mit ihren verhaltensrelevanten Merkmalen zunächst verstehen zu müssen, um daraufhin gezielt auf diese einwirken zu können, führt zum Einsatz von Modellen. Modelle haben in der Wissenschaft eine große Bedeutung. Sie sind Systeme, die andere Systeme zweckorientiert und komplexitätsreduzierend abbilden.345 Alle rationalen Entscheidungen beruhen auf Modellen – seien sie implizit mentaler oder explizit formaler Natur.346 Die Bedeutung von Modellen ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass es “einfacher, bzw. unter Umständen überhaupt erst möglich [ist], im Modell Einsichten über den abgebildeten Sachverhalt zu gewinnen, als bei (uneingeschränkter) Betrachtung des Sachverhaltes selbst.“347
343 344 345 346 347
Milling, P. (2001), S. 8. Vgl. Milling, P. (2001), S. 8. Vgl. Stachowiak, H. (1965), S. 432ff. Vgl. Stachowiak, H. (1969), S. 9ff. Zitiert nach Milling, P. (2001), S. 8. Schneeweiß, C. (1984), S. 481.
88
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
Allgemeiner Modellbegriff nach STACHOWIAK STACHOWIAK definiert ein Modell im Sinne der Semiotik als pragmatische Entität: „Es ist die Realisation eines (mindestens) fünfstelligen Prädikats: X ist Modell des Originals Y für den Verwender v in der Zeitspanne t bezüglich der Intention Z.“348 Übertragen auf das zu entwickelnde Modell in dieser Arbeit lässt sich STACHOWIAKS Definition so formulieren, wie dies Abbildung 17 zeigt. Prädikat Realisation X
= zu entwickelndes Modell
Y
= Original (Produktentwicklungsprozess forschender Arzneimittelhersteller)
v
= Management und Beteiligte im Produktentwicklungsprozess forschender Arzneimittelhersteller
t
= Dauer des Produktentwicklungsprozesses forschender Arzneimittelhersteller
Z
= effektive und effiziente pharmazeutische Produktentwicklung durch anforderungsgerechte Gestaltung und Lenkung von Entwicklungsvorhaben
Abbildung 17: Prädikate des zu entwickelnden Managementmodells
Nach STACHOWIAK zeichnen sich Modelle im Wesentlichen durch drei Merkmale aus. Dies sind das Abbildungs-, Verkürzungs- und Pragmatikmerkmal.349 Abbildungsmerkmal Modelle bilden ein natürliches oder künstliches Original stets struktur- und verhaltenstreu im Hinblick auf einen bestimmten Zweck ab, so dass das Abbildungsmerkmal für jedes Modell als konstituierend bezeichnet werden kann.350 Die Modellstruktur muss alle für die Zwecksetzung bedeutenden Zusammenhänge und Verhaltenswirkungen erfassen. „Nur wenn aus den Einflussfaktoren heraus erklärt werden kann, warum ein bestimmtes Verhalten eintritt, ist es nachvollziehbar.“351 348 349 350
351
Stachowiak, H. (1983), S. 118. Zu den Merkmalen vgl. im Folgenden Stachowiak, H. (1973), S. 131ff. STACHOWIAK spricht hier vom Original, um eine Festlegung auf bestimmte Eigenschaften des Modellierungsobjektes zu vermeiden. Vgl. Rupprecht, C. (2002), S. 11. Der Begriff wird im Weiteren synonym zum Begriff der Realität verwendet. Milling, P. (2001), S. 16.
3.4 Modelltheoretische Grundlagen
89
Verkürzungsmerkmal Das Modell unterscheidet sich immer durch seinen Zweck vom Original. Es ist deshalb nicht mit dem Original identisch, weil es das Original nur für bestimmte Zwecke und daher verkürzt abbildet.352 Das Merkmal, dass sich die Abbildung auf den für die Zwecksetzung relevanten Ausschnittsbereich und nicht auf das gesamte Original bezieht, wird als Verkürzungsmerkmal bezeichnet. Pragmatikmerkmal „Modelle sind ihren Originalen nicht per se zugeordnet.“353 Das Modell ersetzt das Original im Hinblick auf bestimmte Subjekte, innerhalb bestimmter Zeitintervalle und unter Einschränkung auf bestimmte gedankliche oder tatsächliche Operationen.354 Die Tatsache, dass ein Modell mithin dreifach pragmatisch zu relativieren ist, wird auch als Pragmatikmerkmal bezeichnet. Die mit der Modellbildung verfolgte Zwecksetzung ist zentraler Ausgangspunkt für die Modellgestaltung.355 Dies kann damit begründet werden, dass eine eindeutige Zwecksetzung bzw. ein klarer Problembezug die Voraussetzung darstellt, um im Hinblick auf die Zwecksetzung das Wichtige vom Unwichtigen und das Problemrelevante vom Irrelevanten trennen zu können.356 Übertragen auf das zu entwickelnde Modell für die pharmazeutische Produktentwicklung ist die Zwecksetzung als Ausgangspunkt der Modellentwicklung wie folgt zu formulieren: Der Produktentwicklungsprozess ist über geeignete Größen derart abzubilden, also so zu gestalten, dass das Management in der Lage ist, sämtliche Entwicklungsvorhaben effektiv und effizient abzuwickeln. STACHOWIAK hat mit seiner allgemeinen Modelltheorie einen entscheidenden Beitrag zu einer Entwicklung vom rein abbildenden bis hin zum konstruktionsorientierten Modellverständnis geleistet.357 Diese beiden Varianten des Modellbegriffs sind Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts.
352 353 354 355 356 357
Vgl. Grube, G. (1995), S. 4. Stachowiak, H. (1973), S. 132. Vgl. Stachowiak, H. (1973), S. 132f. Vgl. Brinkmann, F.-M. (2001), S. 72. Vgl. Milling, P. (2001), S. 15. Vgl. Rupprecht, C. (2002), S. 12.
90
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
Varianten von Modellen In der betriebswirtschaftlichen Literatur haben sich zwei Varianten des Modellbegriffs herausgebildet, die sich insbesondere in der Betrachtung des Originals als Grundlage der Modellbildung, aber auch in der Vorgehensweise zur Modellbildung unterscheiden.358 Dies sind zum einen der abbildungsorientierte und zum anderen der konstruktionsorientierte Modellbegriff.359 Der abbildungsorientierte Modellbegriff betont die Repräsentanzfunktion eines Modells und ist dementsprechend als „Modell von etwas“ zu charakterisieren.360 Dieser Modellbegriff spielt beispielsweise im Rahmen der Wirtschaftsinformatik in Form von Informationsmodellen eine große Rolle.361 Die Meinungen in der Literatur gehen dabei vor allem hinsichtlich der Frage auseinander, ob sich die strukturtreue Abbildung zwingend auf das gesamte zu Grunde liegende Realsystem bzw. Ausschnitte dessen beziehen muss362 oder sich auch auf ein anderes Modell beziehen kann.363 Im Gegensatz zum abbildungsorientierten Modellbegriff verfolgt der konstruktionsorientierte Modellbegriff nicht die Reproduktion von vorhandenen Strukturen, sondern die Strukturgebung des Originals, also dessen Produktion im Hinblick auf eine bestimmte Zwecksetzung. Der konstruktionsorientierte Modellbegriff stellt damit ein „Modell für etwas“, d.h. für eine bestimmte Zwecksetzung, dar und wird oft im Zusammenhang mit Entscheidungsmodellen verwendet. Im Unterschied zum abbildungsorientierten Modellbegriff wird beim konstruktionsorientierten Modellbegriff die Auffassung vertreten, dass es keine subjektunabhängig erkennbaren realen Strukturen gibt, sondern dass diese nur über die Erkenntnisleistung eines Subjektes wahrgenommen werden können.364 „Die Konstruktionsleistung des Subjekts und seine Sicht auf die objektiv gegebene Realität wird zum Maß aller Dinge.“365 Im Gegensatz zur passiven Rekonstruktion, wie es im abbildungsorientierten Modellbegriff der Fall ist, 358 359 360 361 362 363
364 365
Vgl. Schütte, R. (1998), S. 46 und 50 sowie Wöhe, G. (1996), S. 36ff. Vgl. Schütte, R. (1998), S. 46. Vgl. Brinkmann, F.-M. (2001), S. 72. Vgl. Schütte, R. (1998), S. 52ff. Vgl. z.B. Müller-Merbach, H. (1973), S. 14ff. STACHOWIAK verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff des Originals, was natürlicher oder künstlicher Natur (Modell) sein kann. Vgl. Stachowiak, H. (1983), S. 118. Vgl. Schütte, R. (1998), S. 49f. Schütte, R. (1998), S. 51.
3.4 Modelltheoretische Grundlagen
91
ist vom Modellierer ein hohes Maß an Kreativität und Eigenständigkeit gefordert, da er den Modellbildungsprozess aktiv durch die Definition des Originals gestaltet. 366 Die unterschiedlichen Sichtweisen des abbildungs- und konstruktionsorientierten Modellverständnisses stehen in engem Zusammenhang mit der Beschreibungs- und Erklärungs- bzw. der Gestaltungsaufgabe von Modellen. Die Beschreibungs- und Erklärungsaufgabe eines Modells als deskriptive Funktion liegt darin, ein besseres Verständnis für die Struktur und/oder das Verhalten eines Originals zu gewinnen. Im Rahmen der Gestaltungsaufgabe als präskriptive Funktion steht hingegen die konstruktive Formulierung von Lösungsideen als mögliche Interpretationen der Realwelt im Zentrum des Interesses.367 Unternimmt man den Versuch einer Einordnung des in dieser Arbeit zu entwickelnden Modells hinsichtlich seiner Zwecksetzung, so weist dieses sowohl abbildungs- als auch konstruktionsorientierte Merkmale auf. Die abbildungsorientierten Merkmale sind vor allem in dem Versuch zu sehen, die Aktivitäten der Produktentwicklung in Form eines primär deskriptiven StrukturProzess-Modells darzustellen. Die Wahl geeigneter Dimensionen zur effektiven und effizienten Lenkung der Produktentwicklung entlang des darzustellenden Struktur-Prozess-Modells weist hingegen konstruktionsorientierte Merkmale auf. Diese sollen nämlich eine situative Entscheidungsgrundlage über die weitere Verfolgung bzw. das Einstellen von Entwicklungsvorhaben liefern. Nach WÖHE ist der Übergang zwischen abbildungs- und konstruktionsorientierten Modellen fließend.368 Dies steht im Widerspruch zur klaren Abgrenzung der unterschiedlichen Betrachtungen des Originalsbegriffs, nach dem das Original entweder als real gegeben oder als konstruiert betrachtet werden kann. Eine ähnliche Sicht wie WÖHE vertritt auch RUPPRECHT. Nach RUPPRECHT ist es durch Aufgabe dieser „naiv-realistischen Auffassung“369 möglich, Modellbildung als Kombination der Ergebnisse von Interpretation eines Realweltausschnitts und Konstruktion aus einer Welt der Vorstellungen, Begriffe und Symbole zu begreifen und 366 367 368 369
Vgl. Schütte, R. (1998), S. 51f. Vgl. Rupprecht, C. (2002), S. 13 sowie die dort angegebenen Quellen. Vgl. Wöhe, G. (2002), S. 37. Rupprecht, C. (2002), S. 14.
92
3 Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theorie und Praxis
dadurch innerhalb eines Modells gleichermaßen abbildungs- als auch konstruktionsorientierte Ergebnisse zu erhalten.370 Für die Modellbildung in der vorliegenden Arbeit wird dieser Auffassung gefolgt. Dabei stehen im weiteren Verlauf des Kapitels vier primär abbildungsorientierte, in Kapitel fünf hingegen eher konstruktionsorientierte Komponenten im Vordergrund.
370
Vgl. Rupprecht, C. (2002), S. 14.
4.1 Prozessorientierte Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
93
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung Wie in Kapitel drei beschrieben, stellt die effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung eine von zwei zentralen Voraussetzungen dar, um neue Erfolgspotentiale in Form von marktfähigen Arzneimitteln aufbauen zu können. In Kapitel vier wird nun gezeigt, wie diese zentrale Voraussetzung durch eine prozessorientierte Gestaltung und Strukturierung der Produktentwicklung erfüllt werden kann. Die eng damit verbundene Lenkung als zweite zentrale Voraussetzung wird danach in Kapitel fünf betrachtet. Aufbauend auf allgemeinen Vorüberlegungen zur Prozessorientierung in 4.1 wird in 4.2 ein strukturierter Produktentwicklungsprozess abgeleitet, der den pharmazeutischen Besonderheiten Rechnung trägt. Der Beitrag dieses strukturierten Produktentwicklungsprozesses zur Gestaltung einer effektiven und effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung wird in 4.3 aufgezeigt. 4.1 Prozessorientierung zur effektiven und effizienten Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung Wie in Abschnitt 3.1 argumentiert, stellt die Gestaltung einer effektiven und effizienten Produktentwicklung ein bedeutsames Aufgabenfeld des Produktentwicklungsmanagements dar. Gerade vor dem Hintergrund zunehmenden Kosten- und Zeitdrucks verbunden mit Änderungen im regulatorischen Umfeld kommt insbesondere der Optimierung betrieblicher Abläufe durch Effizienzsteigerungen erhebliche Bedeutung zu.371 Dies belegen die Studienergebnisse aus Abschnitt 3.2 deutlich. In Zusammenhang mit der Gestaltung effektiver und effizienter Abläufe wird in der wissenschaftlichen Literatur seit einigen Jahren auf die Orientierung an Prozessen verwiesen. Ein Prozess kann als eine „inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten, die zur Bearbeitung eines betriebswirtschaftlich
371
Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Aussage von SHAH, der eine Optimierung der time to market als wichtigsten Treiber für die pharmazeutische Produktentwicklung einschätzt. Vgl. Shah, N. (2003), S. 930.
94
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
relevanten Objektes erforderlich sind“ interpretiert werden.372 Prozessorientierte Vorgehensweisen, die eine optimale Gestaltung und Lenkung eben dieser Aktivitäten anstreben, finden mittlerweile in vielen Branchen erfolgreich Anwendung und liefern Ansatzpunkte zur Realisierung von Zeit- und Kostensenkungspotentialen.373 Aufgrund ihrer Besonderheiten erscheint die Prozessorientierung auch für den Anwendungsbereich der pharmazeutischen Produktentwicklung geeignet und wird daher im nachfolgenden Abschnitt dargestellt. 4.1.1 Grundlagen der Prozessorientierung Die Prozessorientierung kann als Denkhaltung verstanden werden, in der sämtliche Wertschöpfungsaktivitäten eines Unternehmens als Kombination von Prozessen betrachtet werden.374 Prozessorientierte Vorgehensweisen finden seit Ende der achtziger Jahre verstärkt Aufmerksamkeit im Rahmen von Konzepten wie beispielsweise dem Business Process Management oder dem radikaleren Business Process Reengineering.375 Der Gedanke ist jedoch nicht neu: Bereits in den dreißiger Jahren
372
373 374 375
Becker, J./Kahn, D. (2003), S. 6. Die Durchführung und Koordination von Aufgaben unter räumlichen und zeitlichen Aspekten wird traditionell als Ablauforganisation bezeichnet. Vgl. dazu die Argumentation von KOSIOL, der die Ablauforganisation als zusätzliche raum-zeitliche Strukturierung von Arbeitsprozessen versteht, um die betrieblichen Leistungsaufgaben im Markt erfüllen zu können. KOSIOL weist in diesem Zusammenhang weiter darauf hin, dass Aufbau und Ablauf nur verschiedene Betrachtungsweisen für den gleichen, einheitlichen Tatbestand des Transformationsprozesses in Unternehmen darstellen. Vgl. Kosiol, E. (1976), S. 187f. Vgl. Kugeler, M./Vieting, M. (2003), S. 227. Vgl. Rupprecht, C. (2002), S. 17. Nach HAMMER lässt sich ein Business Process als „organized group of related activities that together create a result of value to customers” beschreiben. Hammer, M. (2001), S. 51. Vgl. zum Business Process Management z.B. Hammer, M. (2001), S. 51ff.; Hofer-Alfeis, J. (1999); Krickl, O. (1994) und Schmelzer, H./Sesselmann, W. (2001). Im Unterschied zum Business Process Management zielt das Business Process Reengineering auf eine radikale Neugestaltung der betrieblichen Prozesse mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens i.S.e. Quantensprungs zu verbessern. HAMMER/CHAMPY beschreiben dies mit den Worten “the fundamental rethinking and radical design of business processes to achieve dramatic improvements in critical contemporary measures of performance such as costs, quality, service and speed.” Hammer, M./Champy, J. (1993), S. 32. Vgl. auch Osterloh, M./Wübker, S. (1999), S. 17ff. Nach KRÜGER sind Konzepte zum Business Process Management als Evolutionsmodelle, Konzepte zum Business Process Reengineering als Umbruchmodelle einzuordnen. Vgl. Krüger, W. (1994), S. 203ff. Eine tabellarische Übersicht über wesentliche Unterschiede zwischen diesen Modellen findet sich bei WIESEHAHN. Vgl. Wiesehahn, A. (2001), S. 23.
4.1 Prozessorientierte Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
95
verwies u.a. NORDSIECK auf die Notwendigkeit einer an Prozessen ausgerichteten Aufgabengliederung.376 Die Prozesse eines Unternehmens gilt es im Rahmen eines Prozessmanagements effektiv und effizient zu gestalten und durch Planung, Steuerung und Kontrolle dafür zu sorgen, dass diese beherrscht ablaufen.377 Funktionale Gliederungen aber auch unternehmensübergreifende Schnittstellen zu Lieferanten und Kunden werden dabei überwunden.378 Gegenstand des Prozessmanagements sind sämtliche Prozesse eines Unternehmens, mithin Kern- und Supportprozesse sowie Führungs- und Controllingprozesse. Kernprozesse sind für den Geschäftszweck des Unternehmens essentiell, d.h., sie beinhalten ein hohes zukünftiges Potential zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen und zur Differenzierung von der Konkurrenz und damit eine hohe Wertschöpfung.379 Supportprozesse hingegen sind zwar notwendig, um die Kernprozesse überhaupt ausführen zu können, werden vom Kunden jedoch nicht als direkt wertschöpfend wahr genommen.380 Ihnen kommt somit vielmehr die Rolle eines internen Lieferanten der Kernprozesse zu.381 Die Abgrenzung von Kern- und Supportprozessen ist oftmals nicht ohne weiteres möglich. Dies gilt vor allem dann, wenn das Ergebnis eines Supportprozesses auf Grund geringer Leistungsverflechtung mit den Kernprozessen als eigenständige Leistung betrachtet werden kann.382 Führungs- und Controllingprozesse als dritte Prozesskategorie haben die Gestaltung und Lenkung des Unternehmens zum Gegenstand. Sie sind meist von einem geringen Strukturierungsgrad einerseits und einem hohen Abstraktionsgrad andererseits gekennzeichnet.383 Üblicherweise vollziehen sich diese Prozesse entlang des in Abschnitt 2.1.2 beschriebenen Managementzyklusses. Da gerade die meist wenig strukturierten und eher abstrakten Führungs- und Controllingprozesse erhebliche
376 377 378 379 380 381
382 383
Vgl. Nordsieck, F. (1934), S. 77. Vgl. Krummenacher, S. (1995), S. 13 und Kugeler, M. (2001), S. 386. Vgl. Davenport, T. H. (1993), S. 7f. Vgl. Bea, F. X./Schnaitmann, H. (1995), S. 282. Vgl. Becker, J./Kahn, D. (2003), S. 7f. Vgl. sinngemäß FUCHS, der aus umgekehrter Sicht die Kernprozesse als Kunden der Supportprozesse interpretiert. Vgl. Fuchs, R. (2005), S. 106. Vgl. Becker, W. (1996), S. 95 und Becker, J./Kahn, D. (2003), S. 7. Vgl. Fuchs, R. (2005), S. 106.
96
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Potentiale zur Effizienzsteigerung im Management aufweisen können, werden sie in Kapitel fünf noch ausführlich untersucht. 4.1.2 Ziele der Prozessorientierung und deren Implikationen für die pharmazeutische Produktentwicklung Wie in Abschnitt 2.2 dargestellt, ist es Ziel der pharmazeutischen Produktentwicklung, neue Medikamente zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen, d.h. zur Therapierung von Krankheiten, zu entwickeln. Die Entwicklung patentfähiger Medikamente ermöglicht es forschenden Arzneimittelherstellern, sich von der Konkurrenz zu differenzieren und damit langfristig Existenz sichernd am Markt agieren zu können. Aufgrund ihrer essentiellen Bedeutung für die Wertschöpfung forschender Arzneimittelhersteller und der Wahrnehmbarkeit aus Sicht des Kunden lässt sich die pharmazeutische Produktentwicklung mithin als Kernprozess klassifizieren. Diesen gilt es anforderungsgerecht zu gestalten und zu lenken. In der Literatur wird vielfach auf Besonderheiten der Produktentwicklung hingewiesen, die eine Planung, Steuerung und Kontrolle des Prozessverlaufs gegenüber Prozessen mit festem Ablaufschema wie z.B. der Auftragsabwicklung erschweren.384 Nach STUFFER zeichnen sich Produktentwicklungsprozesse generell durch Unsicherheit der Entwicklungsergebnisse, viele kreative und schwer planbare Elemente, hohen Kommunikationsbedarf zur Abstimmung sowie durch die Einmaligkeit und Neuartigkeit der jeweiligen Aufgabenstellung aus.385 Die genannten Fakten verursachen typischerweise spezifische Probleme der Produktentwicklung wie z.B. mangelnde Transparenz im gesamten Ablauf, unzureichende Schnittstellendefinition, unterschiedliche Fachsprachen und Denkweisen, ungenügende wechselseitige Kooperation, mangelnde inhaltliche Abstimmung sowie unklare Anforderungen an die zu erbringende Leistung.386 Gerade hier kann jedoch eine die Besonderheiten der Produktentwicklung berücksichtigende Prozessorientierung einen wertvollen Beitrag zur Behebung der genannten Probleme leisten. Auch für die pharmazeutische Produktentwicklung ist zu vermuten, dass prozessorientierte Vorgehensweisen helfen können, die dort typischerweise anzutreffenden Probleme und Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Dies wird nachfolgend 384 385 386
Vgl. Kamphausen, J. E. (1999), S. 63f. mit weiteren Nachweisen. Vgl. Stuffer, R. (1994), S. 9. Vgl. Kamphausen, J. E. (1999), S. 65.
4.1 Prozessorientierte Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
97
aufgezeigt. Die Darstellung erfolgt anhand von sechs typischen Zielen und Charakteristika der Prozessorientierung, die hinsichtlich ihrer Implikationen für die pharmazeutische Produktentwicklung untersucht werden. Förderung von Interdisziplinarität Neu gegenüber der traditionell funktionsorientierten Gestaltung387 von betrieblichen Abläufen ist, dass im Rahmen des Prozessmanagements der Fokus auf den bereichsübergreifenden Prozessen liegt. Dadurch können die mit fachlicher Abgrenzung und Spezialistentum verbundenen Nachteile überwunden werden.388 Im Hinblick auf die pharmazeutische Produktentwicklung ist diesem Aspekt eine hohe Bedeutung zuzusprechen, da hier interdisziplinäre Vorgehensweisen von Nöten sind. Die Studienergebnisse aus Abschnitt 3.2 belegen in diesem Zusammenhang deutlich, dass hier noch Optimierungsbedarfe bestehen.389 Dies betrifft sowohl die Vernetzung einzelner Disziplinen und Bereiche innerhalb des Unternehmens als auch die unternehmensübergreifende Vernetzung mit den Wertschöpfungspartnern forschender Arzneimittelhersteller wie z.B. Biotechnologieunternehmen. Kundenorientierung Ein weiteres Merkmal der Prozessorientierung ist die ausgeprägte Kundenorientierung, die dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Grundausrichtung von (Kern-)Prozessen ausschließlich auf den (externen) Kunden zielt.390 Auf Grund des besonderen Beziehungsgefüges zwischen forschenden Arzneimittelherstellern, verschreibenden Ärzten und Patienten als Endkunden scheint dieser Aspekt auf den ersten Blick geringe Bedeutung für die pharmazeutische Produktentwicklung aufzuweisen. Jedoch ist eine konsequente Berücksichtigung der Marktbedarfe unumgänglich, um effektive, d.h. auf Patientengruppen zugeschnittene Ergebnisse zu erzielen. Zum einen erfordern komplexe Therapiefelder eine zunehmende Konzentration auf Patientengruppen. Dies belegen die Studienergebnisse aus Abschnitt 3.2 deutlich. Zum anderen ist eine stärkere Kundenorientierung auch deshalb erforderlich, weil sich die Einstellung der 387
388 389
390
Gemeint ist hier eine Ablaufgestaltung mit strikter Orientierung an den betrieblichen Funktionen bzw. Funktionsbereichen wie z.B. Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion, Verkauf und Vermarktung. Vgl. z.B. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 48. Vgl. Kamphausen, J. E. (1999), S. 17f. Eine zentrale Herausforderung besteht aus Sicht der pharmazeutischen Industrie in der stärkeren Vernetzung der beteiligten Fachdisziplinen. Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 3.2. Vgl. Becker, J./Kahn, D. (2003), S. 10.
98
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Patienten zum Thema Gesundheit stark gewandelt hat. Patienten nutzen heute aktiv das Internet und andere Quellen, um sich beispielsweise Informationen über Krankheiten und deren Behandlungsmöglichkeiten zu verschaffen.391 Erhöhung der Flexibilität unternehmerischen Handelns Eine prozessorientierte Ausrichtung führt zu einer größeren Flexibilität unternehmerischen Handelns, die in schnelleren, situationsgerechten und kostengünstigeren Anpassungsmöglichkeiten an veränderliche Marktgegebenheiten zum Ausdruck kommt.392 Dies gilt zum einen antizipativ, d.h. bevor etwaige Störungen eintreten, als auch reaktiv, d.h. nachdem sie faktisch eingetreten sind. Diesem Aspekt kommt vor dem Hintergrund gestiegener Komplexität im Umfeld der pharmazeutischen Produktentwicklung hohe Bedeutung zu. Bereits in Abschnitt 2.1.2 wurde die pharmazeutische Produktentwicklung als solche sowie deren situativer Kontext als komplex identifiziert. Die Studienergebnisse aus Abschnitt 3.2 belegen darüber hinaus eine weitere Komplexitätszunahme innerhalb des Produktentwicklungsprozesses infolge geänderter gesetzlicher Anforderungen an den Umfang klinischer Studien oder die erhöhten Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen. Minimierung von Prozesszeiten Im Unterschied zur klassischen Funktionsorientierung ermöglicht eine prozessorientierte Gestaltung bereichsübergreifende Verbesserungen, die in optimierten und dadurch effizienteren Abläufen zum Ausdruck kommen.393 Dies kann beispielsweise durch die Parallelisierung von Teilaktivitäten erreicht werden. Die Minimierung der Prozesszeit ist insbesondere bei Produktinnovationsprozessen als relevant einzuschätzen.394 Dies gilt generell, hat jedoch für forschende Arzneimittelhersteller eine besonders hohe Bedeutung, da durch kürzere Produktentwicklungszeiten die effektive Patentlaufzeit, d.h. die Vermarktungszeit unter Monopol, ausgedehnt werden kann. Die außerordentliche Bedeutung des Faktors „Zeit“ in der Produktentwicklung wird nicht nur durch die aktuellen Studienergebnisse bestätigt, sondern zeigte sich auch in Gesprächen mit Vertretern forschender Arzneimittelhersteller. Diese bestätigten einstimmig, dass ein bislang ungelöstes Hauptproblem in der pharmazeutischen 391
392 393 394
Dieser Wandel wird häufig als „Consumer Empowerment“ bezeichnet. Vgl. July-Grolman, M. (2002), S. 157. Vgl. Maurer, G./Schwickert, A. C. (1997), S. 6. Vgl. Krummenacher, S. (1995), S. 20f. Vgl. Kamphausen, J. E. (1999), S. 39f.
4.1 Prozessorientierte Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
99
Produktentwicklung die langen Entwicklungszeiten und dadurch kurzen Vermarktungszeiten unter Patentschutz darstellen. Reduktion von Abstimmungskosten Die stärkere Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs betrieblicher Teilfunktionen bringt eine Reduktion von Schnittstellen im Verlauf des Produktentwicklungsprozesses mit sich. Dadurch ist es möglich, auch die durch Schnittstellen bedingten Kosten der Abstimmung und Koordination zwischen einzelnen Teilfunktionen zu reduzieren.395 Es ist daher zu vermuten, dass eine prozessorientierte Gestaltung der Produktentwicklung einen Beitrag zur Senkung von Produktentwicklungskosten leisten kann. Vor dem Hintergrund zunehmend geringerer wirtschaftlicher Spielräume forschender Arzneimittelhersteller ist diesem Aspekt hohe Bedeutung zuzusprechen.396 Steigerung der Ablaufqualität Ein weiterer Aspekt, dem im Rahmen einer prozessorientierten Vorgehensweise Rechnung getragen wird, ist die Steigerung der Ablaufqualität im Prozess. Voraussetzung ist, dass die operativen Ziele, Interdependenzen der Prozesse und die damit verbundenen prozessualen oder kostenrelevanten Effekte von den Prozessbeteiligten erkannt werden. Dies genau kann durch strukturiert modellierte Prozesse erreicht werden, da sie eine Detaillierung bis auf Ebene einzelner Arbeitspakete vornehmen und Transparenz über die Verflechtung der einzelnen Arbeitsschritte schaffen.397 Vertreter forschender Arzneimittelhersteller bestätigen, dass die mangelnde Transparenz im Produktentwicklungsprozess ein großes Problem in der pharmazeutischen Praxis darstellt. Mitarbeiter kennen zum einen ihren Zielbeitrag nicht, zum anderen sind sie auf Grund fehlender Transparenz im Gesamtprozess oftmals gar nicht in der Lage einzuschätzen, ab wann eine unerwünschte Entwicklung in ihrem Bereich „kritisch“ für den gesamten Produktentwicklungsprozess wird. Mangelnde Transparenz bringt zudem vielfach Motivationsprobleme mit sich. Die Notwendigkeit, übergreifende Zusammenhänge in der Produktentwicklung zu kennen, belegt auch die von SCHWARZER/KRCMAR durchgeführte Studie mit Unternehmen der Elektronikund Pharmaindustrie. In der Studie befragte Unternehmen gaben an, dass fehlendes 395 396
397
Vgl. Becker, J./Kahn, D. (2003), S. 4f. Wie die Ergebnisse aus 3.2 belegen, haben sich die wirtschaftlichen Spielräume der forschenden Arzneimittelhersteller verschlechtert. Gestiegene Kosten in der Produktentwicklung sind dabei einer von mehreren Gründen. Vgl. Becker, J./Kahn, D. (2003), S. 11.
100
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Prozessdenken bei den Beteiligten zu Motivations- und damit zu Qualitätsproblemen führe. SCHWARZER/KRCMAR leiten daraus einen Zusammenhang zwischen Prozesswahrnehmung, Verhalten der Mitarbeiter und Ablaufqualität des Prozesses ab.398 Aus den vorangegangenen Ausführungen wurde deutlich, dass die dargestellten Ziele und Charakteristika einer Prozessorientierung Problemlösungspotential für die identifizierten Herausforderungen forschender Arzneimittelhersteller aufweisen. Im Hinblick auf die anforderungsgerechte Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung kommt den einzelnen Aspekten dabei eine unterschiedliche Bedeutung zu. Diese wird in Abschnitt 4.3 noch ausführlich beleuchtet. Festzustellen ist bereits an dieser Stelle, dass die Förderung von Interdisziplinarität, die Kundenorientierung und die Erhöhung der Flexibilität als Effektivitätsziele interpretiert werden können. Sie haben tendenziell strategischen Charakter, da sie die grundlegende Positionierung forschender Arzneimittelhersteller am Markt sowie deren langfristige Überlebensfähigkeit unmittelbar betreffen. Die Minimierung von Prozesszeiten, die Reduktion von Abstimmungskosten und die Steigerung der Ablaufqualität sind hingegen als Ziele der (Prozess-) Effizienz mit vorwiegend operativem Charakter einzuordnen.399
398 399
Vgl. Schwarzer, B./Krcmar, H. (1995), S. 91. Vgl. Kugeler, M./Vieting, M. (2003), S. 237.
4.1 Prozessorientierte Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
101
Die einzelnen Ziele der Prozessorientierung sowie ihre Implikationen für die Herausforderungen der pharmazeutischen Produktentwicklung werden in der nachfolgenden Abbildung 18 übersichtsartig zusammengefasst. Ziele der Prozessorientierung
Implikationen für die pharmazeutische Produktentwicklung
Effektivitätsziele Förderung von Interdisziplinarität
Bessere Vernetzung der Fachdisziplinen und externen Wertschöpfungspartner
Kundenorientierung
Erzielung von auf die Bedürfnisse der Kundengruppen zugeschnittenen Ergebnissen durch Ausrichtung der Prozesse auf den Kunden
Erhöhung der Flexibilität unternehme- Bessere Handhabung der gestiegenen Komplexität im rischen Handelns
Produktentwicklungsprozess durch mehr Flexibilität
Effizienzziele Minimierung von Prozesszeiten
Ausdehnung der Monopolvermarktungszeit durch Reduktion der Produktentwicklungszeit
Reduktion von Abstimmungskosten
Beitrag zur Senkung von Produktentwicklungskosten durch Verringerung von Schnittstellen
Steigerung der Ablaufqualität
Freisetzung von Innovationspotentialen und Senkung von Qualitätskosten durch Erhöhung der Transparenz im Prozess
Abbildung 18: Ziele der Prozessorientierung und deren Implikationen für die pharmazeutische Produktentwicklung
Um sich ein abschließendes Urteil über das Problemlösungspotential der Prozessorientierung für die pharmazeutische Produktentwicklung bilden zu können, erscheint es jedoch geboten, sich auch mit der in der Literatur vorgebrachten Kritik zur Prozessorientierung auseinander zu setzen. Die wesentlichen Kritikpunkte seien nachfolgend in Kürze skizziert. MERTENS warnt vor einem übertriebenen Prozessansatz als Modeerscheinung und verweist auf einen möglichen Zielkonflikt, der zwischen der Ökonomie von Einzelprozessen (Prozessökonomie) und dem sparsamen Umgang mit Ressourcen (Ressour-
102
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
cenökonomie), verstanden als Gesamteffizienz auf Unternehmensebene, entstehen kann. Aus der unkritischen Bevorzugung der Prozessökonomie gegenüber einer unternehmensweiten Ressourcenökonomie leitet er eine Gefahr für die Erfüllung der primären Ziele der Marktwirtschaft ab.400 REIß entkräftet dieses Argument, indem seiner Meinung nach die Prozessorganisation genau die unbefriedigende Konfrontation „Struktur vs. Prozess“ bzw. die Zweiteilung von Aufbau- und Ablauforganisation überwindet. Dies begründet er damit, dass eine Prozessorientierung z.B. stets in eine Geschäftssegmentierung eingebettet sein sollte.401 REIß warnt jedoch vor dem unterentwickelten Schnittstellenbewusstsein zwischen einzelnen Kernprozessen wie z.B. zwischen Produktentwicklung und Auftragsabwicklung.402 MERTENS kritisiert zudem „die übertriebene Priorisierung „der wertschöpfenden“ vor den „lediglich unterstützenden“ Prozessen.“403 Dieser Kritik ist grundsätzlich zu folgen, zumal die wertschöpfenden und unterstützenden Prozesse oftmals nicht sinnvoll voneinander getrennt werden können. Wie bereits in Abschnitt 4.1.1 erwähnt, gilt dies vor allem dann, wenn das Ergebnis eines Supportprozesses auf Grund geringer Leistungsverflechtung mit den Kernprozessen als eigenständige Leistung betrachtet werden kann.404 Die verbleibenden, d.h. nicht bereits durch andere Autoren entkräfteten Kritikpunkte geben zum einen wichtige Hinweise auf mögliche Gefahren der Prozessorientierung, die z.B. aus einer Vernachlässigung der Schnittstellen zwischen Kernprozessen oder aus der Nichtbeachtung von Interdependenzen von Kern- und Supportprozessen entstehen können. Diese Gefahren gilt es im Rahmen der nachfolgenden Prozessdarstellung für die pharmazeutische Produktentwicklung explizit zu berücksichtigen. Zum anderen geben die verbleibenden Kritikpunkte auch Hinweise auf methodische Grenzen der Prozessorientierung. MERTENS schreibt in diesem Zusammenhang, dass der Prozess-Fokus zwar einen wichtigen Beitrag zur Unternehmensführung leiste, jedoch nur eines von vielen Elementen in diesem Zusammenhang darstelle und daher
400 401 402 403 404
Vgl. Mertens, P. (1997a), S. 110. Vgl. Reiß, M. (1997), S. 112. Vgl. Reiß, M. (1997), S. 112f. Mertens, P. (1997a), S. 111. Vgl. Becker, W. (1996), S. 95 und Becker, J./Kahn, D. (2003), S. 7.
4.1 Prozessorientierte Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
103
nicht überhöht werden dürfe.405 Diese Kritik ist sicherlich berechtigt, gilt jedoch nicht nur für eine prozessorientierte Organisationsgestaltung, sondern für sämtliche betriebswirtschaftlichen Ansätze, die undifferenziert als „Allheilmittel“ angesehen werden. Unter Berücksichtigung der vorgebrachten Kritik kann daher eine Prozessorientierung zwar nicht als „Allheilmittel“, jedoch als wertvoller Beitrag zur Gestaltung einer effektiven und effizienten Produktentwicklung eingeschätzt werden. Dies gilt umso mehr, wenn die mit einer Prozessorientierung verbundenen möglichen Probleme (wie z.B. das mangelnde Schnittstellenbewusstsein zwischen Kernprozessen) im Vorfeld bekannt sind und so explizit in der Prozessdarstellung Berücksichtigung finden können. Damit das bereits identifizierte Problemlösungspotential der Prozessorientierung zur tatsächlichen Problemlösung im vorliegenden Fall beitragen kann, gilt es zudem, den speziellen Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung (wie z.B. den gesetzlichen Vorgaben) explizit Rechnung zu tragen. Diese werden in Abschnitt 4.2.3 noch ausführlich dargestellt. Im nachfolgenden Abschnitt sollen die generellen Überlegungen zur Prozessorientierung auf die Produktentwicklung übertragen werden. Ziel ist die Ableitung eines effektiv und effizient gestalteten Produktentwicklungsprozesses, der als Ausgangspunkt für die effektive und effiziente Lenkung von Entwicklungsvorhaben zu Grunde gelegt werden kann.
405
Vgl. Mertens, P. (1997b), S. 115.
104
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
4.2 Prozessorientierte Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse 4.2.1 Ansätze zur prozessorientierten Strukturierung der Produktentwicklung Die in der betriebswirtschaftlichen Literatur auffindbaren Ansätze zur Strukturierung von Produktentwicklungsprozessen lassen sich in drei wesentliche Hauptgruppen systematisieren: funktionsorientierte, aktivitätenorientierte und entscheidungsorientierte Ansätze.406 Funktionsorientierte Ansätze empfehlen i.d.R. eine klassisch funktional geprägte und damit meist sequentielle Vorgehensweise innerhalb der Entwicklung neuer Produkte.407 Neben dem dadurch bedingten hohen Zeitbedarf sind vor allem das Fehlen einer durchgängigen Marktorientierung sowie das Fehlen klarer Verantwortlichkeiten für den Gesamtprozess zu bemängeln.408 Aus den genannten Gründen sind funktionsorientierte Ansätze hinsichtlich ihrer Eignung zur Effektivitätsund Effizienzsteigerung in der Produktentwicklung abzulehnen und werden daher aus der weiteren Betrachtung ausgeklammert. Sowohl aktivitäts- als auch entscheidungsorientierte Ansätze greifen prozessorientierte Überlegungen auf und stellen insofern eine Abkehr von traditionell funktionsorientierten Vorgehensweisen dar. Die genannten Ansätze strukturieren den Produktinnovationsprozess, indem sie ihn in idealtypische, bereichsübergreifend angelegte Phasen untergliedern, die selbst wiederum sequentiell angeordnet sind. Grundlage zur phasenorientierten Strukturierung von Innovationsprozessen sind Untersuchungen von Best Practice Unternehmen, die belegen, dass die bei Produktinnovationen „erfolgreichsten“ Unternehmen einen strukturierten bzw. systematisch angelegten Produktinnovationsprozess aufweisen und dieser mithin als Erfolgsfaktor gewertet werden kann.409 KOTLER/BLIEMEL verweisen in diesem Zusammenhang auf eine 406
407
408 409
BAKER/HART identifizieren zudem zwei weitere Gruppen, die sie als Conversion Process Models und Response Models bezeichnen. Beide Gruppen zielen jedoch nicht auf eine Ablaufstrukturierung des gesamten Produktentwicklungsprozesses, sondern stellen vielmehr auf das Verhalten der beteiligten Personen ab. Auf Grund ihrer abweichenden Zielsetzung werden sie von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen. Zur Systematisierung vgl. Baker, S./Hart, M. (1999), S. 152f. Derartige Ansätze werden oft im Rahmen ingenieurwissenschaftlicher Veröffentlichungen genannt. Vgl. z.B. Weule, H. (2002), S. 226ff. oder Geisinger, D. (1999), S. 14ff. Vgl. Baker, S./Hart, M. (1999), S. 152. Aus den zitierten Quellen wird nicht unmittelbar ersichtlich, wie ein erfolgreiches Unternehmen definiert wird. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Beurteilung anhand von Größen des externen Rechnungswesens oder anhand des Börsenwertes vorgenommen wurde, um die betrachteten Unternehmen miteinander vergleichen zu können.
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
105
Studie der Unternehmensberatung BOOZ/ALLEN/HAMILTON, die sich mit der Vorgehensweise von erfolgreichen Unternehmen im Rahmen von Produktinnovationen befasst.410 COOPER verweist auf die von GRIFFIN geleitete PDMAUntersuchung, bei der die besten Firmen in den USA mit den restlichen im Hinblick auf ihre Praktiken bei neuen Produkten verglichen wurden. Die Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie BOOZ/ALLEN/HAMILTON. Auch sie belegt, dass die erfolgreichsten Unternehmen mit höherer Wahrscheinlichkeit einen formalen Produktentwicklungsprozess verwenden als die übrigen Firmen.411 Entscheidungsorientierte Ansätze können als Erweiterung der aktivitätsorientierten Ansätze interpretiert werden. Als bekannte Beispiele für entscheidungsorientierte Ansätze sind der Produktentwicklungsprozess nach KOTLER/BLIEMEL412, der Neuproduktentwicklungsprozess nach EARLE/EARLE/ANDERSON413, das 414 Convergent Processing Modell nach BAKER/HART und der Stage Gate Prozess nach COOPER415 zu nennen.416 Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie neben Fragen der reinen Ablaufstrukturierung in unterschiedlichem Ausmaß auch Kontroll- und Entscheidungspunkte vorschreiben, zu denen Managemententscheidungen über den weiteren Entwicklungsverlauf getroffen werden müssen. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit neben der anforderungsgerechten Gestaltung auch Möglichkeiten zur effektiven und effizienten Lenkung pharmazeutischer Entwicklungsvorhaben untersucht werden, bilden entscheidungsorientierte Ansätze einen geeigneten Ausgangspunkt für weiterführende Überlegungen. Der Umfang an definierten Managementaktivitäten unterscheidet sich in den genannten Ansätzen deutlich. KOTLER/BLIEMEL definieren lediglich Aktivitäten und Entscheidungsfragen je identifizierter Phase, ohne diese jedoch in konkrete Zielvorga-
410 411 412 413 414 415 416
Vgl. Kotler, P./Bliemel, F. (1999), S. 511ff. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 80ff. Vgl. Kotler, P./Bliemel, F. (1999), S. 517ff. Vgl. Earle, M./Earle, R./Anderson, A. (2001), S. 95ff. Vgl. Baker, M./Hart, S. (1999), S. 174ff. Vgl. Cooper, R. G. (2001), S. 113ff. Einen graphischen Überblick über die genannten Ansätze liefert SCHIEBEL. Vgl. Schiebel, W. (2004), S. 6. Die dort ebenfalls aufgeführte Innovationsspirale nach WILKES wird in den weiteren Ausführungen der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt, da sie keine vollständige Prozessbeschreibung darstellt, sondern lediglich einzelne Aufgabenfelder innerhalb eines Produktinnovationsprozesses beschreibt.
106
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
ben für die nächste Phase zu übersetzen.417 Der Steuerungsaspekt für nachgelagerte Phasen auf Basis der Ergebnisse aus vorangegangenen Phasen kommt hier also wesentlich zu kurz. BAKER/HART definieren zwar so genannte „Convergent Points“, an denen Vertreter aller beteiligten Fachfunktionen zusammentreffen. Eine explizite Verbindung der an diesen Punkten gewonnenen Informationen mit den Folgephasen der Produktentwicklung wird jedoch nicht hergestellt.418 Somit ist auch für dieses Konzept festzustellen, dass keine systematische Verknüpfung von Ergebnissen vorgelagerter Phasen mit Zielen nachgelagerter Phasen erfolgt. EARLE/EARLE/ANDERSON, die ähnlich wie die anderen Konzepte auch eine Struktur aus Phasen und Entscheidungspunkten vorschlagen, verweisen zwar recht allgemein auf bestehende Interdependenzen zwischen kritischen Entscheidungen, Ergebnissen je Phase, Aktivitäten und Techniken. Eine genauere Untersuchung der Verbindung von Entscheidungspunkten und Ableitung von Zielen für nachgelagerte Phasen unterbleibt jedoch.419 Verglichen mit den anderen entscheidungsorientierten Ansätzen geht der Stage Gate Prozess nach COOPER am weitesten über eine reine Identifikation von idealtypischen Phasen und Entscheidungspunkten im Produktinnovationsprozess hinaus, indem ein stufenweises Kontrollpunktsystem entwickelt wird. Dieses ist entsprechend der Fortschrittsstufen innerhalb der Produktentwicklung aufgebaut und lässt eine umfassende Bewertung der Entwicklungsvorhaben an definierten Punkten sowie eine systematische Ableitung von Zielen für nachgelagerte Entwicklungsphasen zu.420 Damit können Stage Gate Prozesse sowohl zur Steuerung als auch zur Kontrolle der Entwicklungsvorhaben eingesetzt werden.421 Im Hinblick auf die skizzierten Ansätze ist mithin festzuhalten, dass der Stage Gate Prozess nach COOPER am differenziertesten auf die explizite Verknüpfung von Ablaufstrukturierung einerseits und Steuerung und Kontrolle der Produktinnovation andererseits abstellt.422 Nicht zuletzt deshalb wird er in der Literatur auch als 417 418 419 420 421
422
Vgl. Kotler, P./Bliemel, F. (1999), S. 518. Vgl. Baker, M./Hart, S. (1999), S. 174f. Vgl. Earle, M./Earle, R./Anderson, A. (2001), S. 95f. Vgl. Kotler, P./Bliemel, F. (1999), S. 515. Eine Steuerung und Kontrolle gelingt in diesem Zusammenhang über die Festlegung und Überprüfung von bewertungsrelevanten Zielvorgaben (z.B. Zeit, Qualität und Kosten) an einzelnen Entscheidungspunkten Vgl. Dinger, H. (2001), S. 17. Vgl. Dinger, H. (2001), S. 17.
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
107
„...anspruchsvollste[s] Instrument für die Ablauforganisation des Innovationsprozesses“423 bezeichnet. Aufgrund der beschriebenen Nachteile der anderen entscheidungsorientierten Ansätze und der dargestellten Vorteile des Stage Gate Prozesses wird dieser als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen herangezogen. Dies erscheint auch nicht zuletzt wegen seiner breiten Akzeptanz in Literatur424 und Praxis425 gerechtfertigt. 4.2.2 Strukturierung der Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse Der von COOPER entwickelte Stage Gate Prozess stellt ein operationales Modell dar, um ein Produkt durchgängig von der Idee bis zum Markteintritt zu entwickeln.426 Im Rahmen dieses Stage Gate Prozesses wird der Innovationsprozess in eine vorab festgelegte Menge an sequentiell zu durchlaufenden Abschnitten („Stages“) aufgelöst, die selbst wiederum aus einer Untermenge an bereichsübergreifenden und parallelen Aktivitäten bestehen. Dem Gedanken der Prozessorientierung entsprechend existiert also kein reiner Produktentwicklungs- oder Marketingabschnitt, sondern bereichsübergreifend angelegte technik-, markt- und wertbezogene Aktivitäten, die von Mitarbeitern funktional verschiedener Unternehmensbereiche ausgeführt werden.427 Jeder neue Abschnitt wird durch ein Tor („Gate“) betreten. Aufgabe dieser Tore ist es, die abschnittsweise realisierten Ergebnisse des Produktinnovationsprozesses zu bewerten und zu kontrollieren sowie darauf aufbauend Entscheidungen über die Fortführung (d.h. den Eintritt in den nachgelagerten Abschnitt), das Überarbeiten oder den Abbruch des Entwicklungsvorhabens zu treffen.428 Alle Gates weisen eine ähnliche Struktur auf, die sich aus „Ergebnisvorgaben“, „Beurteilungskriterien“ und
423 424
425
426
427 428
Kotler, P./Bliemel, F. (1999), S. 515. Vgl. z.B. Dinger, H. (2001), S. 17f.; Gatterer, C. (2003), S. 13f. und Queitsch, M./Baier, D. (2004), S. 72f. Der Stage Gate Prozess kommt bereits heute in vielen Unternehmen unterschiedlicher Branchen wie z.B. EXXON Chemicals, Dow Chemicals, Procter&Gamble, Du Pont, Polaroid, US West und Rohm&Haas erfolgreich zur Anwendung. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 127. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 145. Da die Entwicklung eines Produktes von der Idee bis zum Markteintritt neben den bereits erwähnten Entwicklungsaktivitäten auch weitere Aktivitäten wie z.B. Marketing- und Vertriebsaktivitäten umfasst, löst sich COOPER von dem funktional geprägten Begriff der Produktentwicklung und spricht stattdessen von Produktinnovation. Im weiteren Verlauf werden die Begriffe „Produktentwicklung“ und „Produktinnovation“ synonym verwendet. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 146. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 145.
108
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
„genehmigten Entscheidungen“ zusammensetzt.429 Ergebnisvorgaben können als Sollwerte interpretiert werden, die am jeweils vorgelagerten Gate vom Management festgelegt, klar an das Team kommuniziert und von diesem Team bis zum nächsten Gate erfüllt werden müssen. Beurteilungskriterien setzen sich zusammen aus notwendig zu erfüllenden Bedingungen (wie z.B. Fit zur Geschäftsstrategie) und wünschenswerten Faktoren, die in unterschiedlichem Ausmaß erfüllt werden können und eine Grundlage für die Bildung von Prioritäten zwischen einzelnen Entwicklungsvorhaben darstellen. Genehmigte Entscheidungen stellen die Ergebnisse des jeweiligen Gates dar. I.d.R. ist dies zum einen eine getroffene Entscheidung des Managements über das Fortführen, Einstellen oder Überarbeiten des betrachteten Entwicklungsvorhabens. Zum anderen gehört zur genehmigten Entscheidung ein Aktionsplan mit Ressourcen wie z.B. Personal, Budget und vereinbartem Zeitlimit für den nächsten Abschnitt sowie die mit dem Aktionsplan verbundenen Ergebnisvorgaben für das nächste Gate. Die Struktur aus Stages und Gates ist charakteristisch für den Stage Gate Prozess und hat zu seiner Namensgebung geführt. Nachfolgend wird ein Überblick über den von COOPER entwickelten idealtypischen Stage Gate Prozess gegeben, der jeweils situationsadäquat auf das einzelne Unternehmen anzupassen ist.430
429
430
In der Übersetzung des Originalwerkes werden die Bestandteile der Gates relativ missverständlich als „vorzuweisende Resultate“, „Kriterien“ und „Outputs“ bezeichnet. Für die jeweiligen Erläuterungen vgl. im Folgenden Cooper, R. G. (2002), S. 148f. In der deutschen Prozessliteratur wie beispielsweise der Geschäftsprozessmodellierung im SOMAnsatz nach FERSTL/SINZ wird die Ablaufsicht eines Geschäftsprozesses in Form eines Vorgangs-Ereignis-Schemas dargestellt. Vorgänge werden dabei durch vorgelagerte Ereignisse ausgelöst. Übertragen auf den hier beschriebenen Stage Gate Prozess wären die Stages als Vorgänge zu interpretieren, die Gates hingegen als Ereignisse, die wiederum nachgelagerte Vorgänge bzw. Stages auslösen. Vgl. zum SOM-Ansatz z.B. Ferstl, O./Sinz, E. (1994) und Ferstl, O./Sinz, E. (1995). Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 162.
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
Stage 0: Entdeckung
Gate 1
Stage 1: Reichweite festlegen
Stage 2: Rahmen abstecken
Gate 2
Gate 3
Stage 3: Entwickeln
Gate 4
Stage 4: Testen und Validieren
109
Stage 5: Markteinführung
Gate 5
Abbildung 19: Idealtypischer Stage Gate Prozess nach COOPER431
Im Grundkonzept wird der Produktinnovationsprozess in fünf Stages unterteilt, die COOPER als „Reichweite festlegen“, „Rahmen abstecken“, „Entwickeln“, „Testen und Validieren“ und „Markteinführung“ bezeichnet. Jeder Abschnitt ist dabei so angelegt, dass jeweils die Informationen gesammelt und Bedingungen erfüllt werden, die erforderlich sind, um das nachfolgende Gate passieren zu können. Dem ersten Gate vorgelagert ist die Phase „Entdeckung“, die nicht explizit im Grundkonzept als eigener Stage enthalten ist. Jedoch weist COOPER darauf hin, dass viele Unternehmen diese Phase auf Grund ihrer hohen Bedeutung ebenfalls als formalen Abschnitt behandeln.432 Gate 1: Screening der Ideen Das erste Gate dient einer groben Ideenabschätzung und schreibt dem Projekt notwendige und wünschenswerte Kriterien vor. Finanzielle bzw. monetär messbare Kriterien sind in diesem frühen Stadium zunächst nicht vorgesehen, da sich diese meist noch nicht konkret abschätzen lassen. Stage 1: Reichweite festlegen Ziel dieses Stages ist es, die technischen und marktbezogenen Vorteile des Entwicklungsvorhabens und somit des späteren Produktes in Form eines ersten Überblicks zu ermitteln.
431 432
Quelle: Cooper, R. G. (2002), S. 146. Vgl. zum Aufbau des Stages Gate Prozesses im Folgenden Cooper, R. G. (2002), S. 149ff.
110
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Gate 2: Zweites Screening Am zweiten Gate erfolgt eine erneute, nun wesentlich konkretere Ideenabschätzung auf Basis der im ersten Abschnitt gewonnenen Informationen und der am ersten Gate aufgestellten Kriterien. Ergänzend wird die Idee auch aus erfolgs- und finanzwirtschaftlicher Sicht beurteilt. Stage 2: Rahmen abstecken Gegenstand des zweiten Stages ist eine detaillierte Analyse des Entwicklungsvorhabens mit erster marktbezogener und technischer Forschungsarbeit. Ziel ist es, zu einem unternehmerischen Rahmen für das Projekt zu gelangen. Bestandteile sind hier neben der Definition von Entwicklungsvorhaben und Produkt433 eine umfassende Rechtfertigung des Vorhabens sowohl aus markt- als auch aus technologischer Perspektive434 sowie eine detaillierte erfolgs- und finanzwirtschaftliche Analyse des Projektes. Gate 3: Zur Entwicklung Beim dritten Gate handelt es sich um den letzten Punkt, bevor die physische Entwicklung des späteren Produktes beginnt. Es ist nach COOPER damit auch der letzte Punkt, an dem das Entwicklungsvorhaben noch vor dem Entstehen massiver Kosten abgebrochen werden kann.435 Dieser Sichtweise kann allerdings nur begrenzt gefolgt werden, da nicht der eigentliche Beginn der physischen Entwicklung, sondern der Aufbau und die Bereitstellung der relevanten Potentiale die Kostenentstehung begründen und damit unter Umständen auch vor diesem Gate bereits ein großer Anteil an Kosten festgelegt und ggf. schon angefallen sein kann.436 Gegenstand dieses Gates ist die Überprüfung der Ergebnisse des zweiten Stages und die Beurteilung, ob das Entwicklungsvorhaben weiter verfolgt werden sollte. Die Beurteilung erfolgt dabei anhand der im zweiten Gate aufgestellten notwendigen und wünschenswerten Kriterien.
433
434
435 436
Zur Definition des Produktes gehören u.a. die Definition des Zielmarktes, die Darlegung des Produktkonzeptes, die Spezifizierung der Positionierungsstrategie, die angebotenen Vorteile des Produktes sowie das Wertangebot. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 154. Die in diesem Stage vorgenommenen Marktuntersuchungen dienen dazu, Wünsche und Vorlieben der Zielkunden zu identifizieren. Technische Untersuchungen fokussieren in diesem Stage vor allem auf Fragen der technischen Machbarkeit des Produktes. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 154ff. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 156. Vgl. Becker, W. (1996), S. 213f. sowie die dort angegeben Quellen.
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
111
Stage 3: Entwicklung Im dritten Stage erfolgt die Umsetzung des Entwicklungsplans und damit die physische Entwicklung des Produktes. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der technischen Arbeit, jedoch finden parallel auch weitere Aktivitäten wie Kundenbefragungen und Wirtschaftlichkeitsanalysen statt, deren Ergebnisse zu iterativen Schleifen im Entwicklungsprozess führen können. Der dritte Stage kann im Fall langfristiger Produktentwicklungen zusätzlich in weitere Teilabschnitte untergliedert werden, die der besseren Prozessstrukturierung dienen. Gate 4: Zur Testphase Gegenstand des vierten Gates ist die Kontrolle der unveränderten technischen und wirtschaftlichen Attraktivität des Produktes. Im Zentrum stehen dabei die Ergebnisse des dritten Stages, die mit den am dritten Gate festgelegten Vorgaben abgeglichen werden. Zum Output des vierten Gates gehören genehmigte Test- und Prüfpläne für den nachgelagerten vierten Stage sowie die Überprüfung der ausgearbeiteten Marketing- und Produktionspläne, die im Fall einer Produkteinführung zur Anwendung kommen würden. Stage 4: Testen und Validieren In diesem Stage wird das Produkt umfassend getestet und validiert. Dazu gehören neben dem Test des eigentlichen Produktes auch der Test und die Validierung des Produktionsprozesses, die Akzeptanz durch den Kunden sowie eine erneute Überprüfung der bereits vorgenommenen Wirtschaftlichkeitsanalyse auf Basis genauerer Daten über Erlöse, Kosten, Zahlungsströme und Zahlungszeitpunkte. Gate 5: Zum Markteintritt Dieses Gate fokussiert auf die Ergebnisse des vorgelagerten Test- und Validierungsabschnittes sowie auf die Angemessenheit der Produktions- und Vermarktungspläne. Sind die definierten Kriterien erfüllt, beginnt die eigentliche Markteinführung des Produktes. Stage 5: Markteinführung In diesem letzten Abschnitt werden die Produktions- und Vermarktungspläne realisiert. Einen definierten Zeitraum nach Beginn der Vermarktung wird das für den Produktinnovationsprozess gebildete Projektteam aufgelöst und das Produkt geht über
112
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
in die Produktlinie des Unternehmens. Vor Auflösung des Projektteams erscheint es ratsam, das Projekt sowie dessen Ablauf rückblickend zu beurteilen, um aus den Stärken und Schwächen der erfolgten Projektdurchführung für zukünftige Entwicklungsvorhaben lernen zu können. Wie gezeigt, stellt der Stage Gate Prozess ein Konzept dar, um ein Entwicklungsvorhaben zu strukturieren, planbar zu machen und dessen konsequente Realisierung von der Idee bis zur Marktreife zu gewährleisten. In den einzelnen Stages werden dazu in unterschiedlichem Umfang markt-, technik- und wertbezogene Aktivitäten definiert und an den jeweils nachgelagerten Gates kontrolliert. Auf diese Weise findet eine systematische Verknüpfung der mehrdimensional gestalteten Stages mit definierten Managementaktivitäten an den Gates statt. Ergebnisse vorangegangener Abschnitte beeinflussen die Ziele der Folgephase, sodass der Gesamtzusammenhang des Entwicklungsvorhabens explizit betont wird. Gleichwohl ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass es sich bislang nur um ein idealtypisches Grundmodell handelt, das auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand situationsgerecht anzupassen ist. Erst dadurch wird eine umfassende Beurteilung des Nutzenbeitrags von Stage Gate Prozessen im konkreten Einsatz möglich. Dies wird in den nachfolgenden Abschnitten 4.2.3 und 4.3 noch ausführlich gezeigt. Eine Anpassung des idealtypischen Stage Gate Prozesses auf den jeweiligen Untersuchungsgegenstand umfasst mehrere Aspekte. Neben einer grundsätzlichen Eignung ist vor allem zu prüfen, ob die Untergliederung des Gesamtvorhabens in die oben beschriebenen Abschnitte möglich und die dabei idealtypisch unterstellte Ablauffolge sinnvoll ist. Auch sind in diesem Zusammenhang bestehende Interdependenzen zwischen den einzelnen Abschnitten zu untersuchen und ggf. adäquat zu berücksichtigen. Weiter ist zu prüfen, ob die im Grundkonzept vorgesehenen markt-, technik- und wertbezogenen Aktivitäten umfassend genug angelegt sind oder ggf. situationsgerecht ergänzt werden müssen. Nachfolgend wird am Beispiel der pharmazeutischen Produktentwicklung aufgezeigt, in welcher Form sich die dargestellten Vorteile des Stage Gate Prozesses nutzen lassen. Dazu wird zunächst die prinzipielle Anwendbarkeit des Stage Gate Prozesses in der pharmazeutischen Produktentwicklung untersucht und dieser anschließend auf deren Besonderheiten angepasst.
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
113
4.2.3 Anpassung von Stage Gate Prozessen auf die Erfordernisse der pharmazeutischen Produktentwicklung In Abschnitt 4.2.3.1 wird zunächst die prinzipielle Anwendbarkeit von Stage Gate Prozessen in der pharmazeutischen Produktentwicklung untersucht und darauf aufbauend in 4.2.3.2 ein modifizierter Stage Gate Prozess abgeleitet, der den Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung Rechnung trägt. Dieser liefert den Ausgangspunkt, um im späteren Abschnitt 4.3 den Beitrag von Stage Gate Prozessen zur Gestaltung einer effektiven und effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung beurteilen zu können. 4.2.3.1 Anwendbarkeit von Stage Gate Prozessen in der pharmazeutischen Produktentwicklung Im Hinblick auf die Untersuchung der prinzipiellen Anwendbarkeit müssen die regulatorischen Vorgaben für forschende Arzneimittelhersteller besondere Berücksichtung finden. Diese sollen nachfolgend kurz skizziert werden. Die Vorgaben beziehen sich dabei zum einen auf den gesetzlich vorgeschriebenen Entwicklungsablauf und zum anderen auf dessen Strukturierung. Charakteristisch für die pharmazeutische Produktentwicklung ist, dass der Freiraum bei der Gestaltung des Produktentwicklungsprozesses gesetzlich eingegrenzt wird. Dies hat zur Folge, dass alle Arzneimittel die gleichen Tests – d.h. präklinische Tests und klinische Tests der Phasen eins bis drei – i.d.R. in fester Reihenfolge durchlaufen müssen.437 Die Beschränkungen beziehen sich in diesem Zusammenhang sowohl auf den Prozess und die durchzuführenden Teilaktivitäten als auch auf den Technologieeinsatz. So wurde im Rahmen einer von SCHWARZER/KRCMAR durchgeführten Studie z.B. darauf hingewiesen, dass für die Auswertung der Daten der klinischen Forschung nicht alle computerbasierten Statistikprogramme gleichermaßen von den zuständigen Behörden akzeptiert werden.438 Aus der gesetzlichen Festlegung der Aktivitätenfolge ergibt sich die Möglichkeit, pharmazeutische Produktentwicklungsprozesse durch ein einheitliches Ablaufschema 437
438
Vgl. hierzu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.2.2. Eine Ausnahme bilden Medikamente gegen besonders schwerwiegende Krankheiten, wie z.B. gegen Krebs. In diesem Fall können sich die klinischen Tests der Phasen zwei und drei überlappen. Vgl. Schwarzer, B./Krcmar, H. (1995), S. 82.
114
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
abzubilden, das für alle Neuproduktentwicklungen Anwendung finden kann.439 Die Ableitung eines strukturierten Standardproduktentwicklungs- bzw. -innovationsprozesses ist mithin möglich. Zudem ist sie sinnvoll, da die daraus resultierenden Vorteile nicht nur einem, sondern allen Entwicklungsvorhaben gleichermaßen zu Gute kommen. Neben dem festen Ablaufschema wird der pharmazeutische Produktentwicklungsprozess durch Milestones strukturiert, die sich wiederum aus den behördlichen Vorgaben ableiten lassen und daher für alle Entwicklungsvorhaben gleichermaßen gelten.440 Damit lässt sich ein Prozess darstellen, der aus definierten Phasen besteht und durch Milestones strukturiert wird. Auf Grund dieser strukturellen Ähnlichkeit mit einem idealtypischen Stage Gate Prozess kann davon ausgegangen werden, dass dieser prinzipiell auch in der pharmazeutischen Produktentwicklung Anwendung finden kann. 4.2.3.2 Identifikation bedeutsamer Anpassungserfordernisse Eine Anwendung des idealtypischen Stage Gate Prozesses in der pharmazeutischen Produktentwicklung erfordert aufgrund von deren Besonderheiten einige Anpassungen, die nachfolgend dargestellt werden sollen. Zum einen ergeben sich strukturelle Anpassungserfordernisse in Bezug auf die Ableitung geeigneter Stages und Gates. Zum anderen sind marktbezogene und wertbezogene Anpassungen des Grundmodells erforderlich. Strukturelle Anpassungserfordernisse Während bei COOPER die Aktivitäten des „physischen Entwickelns“ sowie „Testen und Validierens“ in jeweils einem eigenen Abschnitt vorgesehen sind und diese beiden Abschnitte nacheinander durchgeführt werden, ist eine solch sequentielle Vorgehensweise in der pharmazeutischen Produktentwicklung nicht sinnvoll. Die Aktivitäten der „physischen Entwicklung“, wie sie bei COOPER bezeichnet werden, lassen sich in der pharmazeutischen Produktentwicklung unter dem Begriff „pharmazeutisch-technische Entwicklung“ zusammenfassen. Diese umfasst dabei die chemische Entwicklung (z.B. Festlegung der Substanz und der Herstellungsverfahren), die analytische Entwicklung 439 440
Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 16. Zu den gesetzlich festgelegten Milestones in der pharmazeutischen Arzneimittelentwicklung vgl. Shalala, D. et al. (1999), S. 8ff.
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
115
(z.B. Verbesserung von Reinheit und Stabilität der Substanz) sowie die pharmazeutische Entwicklung, in der u.a. die spätere Darreichungsform des Medikamentes (z.B. in Form einer Tablette) festgelegt wird.441 Die Aktivitäten der pharmazeutisch-technischen Entwicklung beginnen bereits in einem sehr frühen Stadium der präklinischen Tests und erstrecken sich nahezu über den gesamten Prozess der Produktentwicklung. Dabei beeinflussen die Ergebnisse aus diversen präklinischen und klinischen Tests den Verlauf der pharmazeutisch-technischen Entwicklung. So ist es z.B. möglich, dass sich bestimmte Aktivitäten der pharmazeutischen Entwicklung, wie die Entwicklung und Verbesserung der eigentlichen Arzneimittelform, im Verlauf der klinischen Phasen nochmals wiederholen.442 Umgekehrt sind die Ergebnisse bestimmter Entwicklungsschritte Voraussetzung für die Durchführung bestimmter klinischer Tests.443 Beispielsweise muss die Art der Applikation, d.h. die Darreichungsform und Dosierung, festgelegt sein und dem späteren therapeutischen Einsatz möglichst nahe kommen, damit der Einfluss der Störfaktoren, die aus der Darreichungsform und Dosierung resultieren, möglichst frühzeitig eingeschätzt werden kann. Es ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die pharmazeutisch-technische Entwicklung sowie die durchzuführenden Tests im Unterschied zum idealtypischen Stage Gate Prozess parallel ablaufen und durch wechselseitige Abhängigkeiten gekennzeichnet sind. Aus diesem Grund erweist sich eine pauschale Unterteilung in die Abschnitte „Entwickeln“ sowie „Testen und Validieren“ für den pharmazeutischen Produktinnovationsprozess als wenig zweckdienlich. Unternimmt man den Versuch einer zeitlichen Einteilung aller anfallenden Entwicklungs- und Test- bzw. Validierungsaktivitäten in sinnvoll voneinander abgrenzbare Abschnitte bzw. Stages, liefern die unterschiedlichen Bezugsobjekte wie z.B. Zellkulturen, Tiere, gesunde Probanden und Patienten sowie die jeweiligen Zielsetzungen einzelner Testphasen in der pharmazeutischen Produktentwicklung einen geeigneten Ausgangspunkt. Zunächst erfolgen im Rahmen der präklinischen Entwicklung Tests in Zellkulturen sowie an Tieren, bevor die Zulassung zu Tests an gesunden Probanden und später Patienten im Rahmen der klinischen Entwicklung erteilt werden kann. Dabei dienen jeweils die Ergebnisse der vorangegangenen Testaktivitäten als Voraussetzung für die Entscheidung über den Eintritt in die 441 442 443
Vgl. Pritsch, G. (2000), S. 101. Vgl. Fischer, D./Breitenbach, J. (2003), S. 30. Vgl. Aigner, A. (2003), S. 64.
116
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
nachgelagerte Phase.444 Als Beispiel seien hier die toxikologischen Basisdaten genannt, die im Rahmen von präklinischen in-vitro-Untersuchungen gewonnen werden und wichtige Informationen zur Vorhersage unerwünschter Arzneimittelwirkungen beim Menschen liefern. Die Kenntnis dieser Basisdaten stellt eine unerlässliche Voraussetzung für den Eintritt in die nachgelagerte Phase der klinischen Prüfung dar.445 Es sei jedoch davor gewarnt, aus der zuvor skizzierten zeitlichen Anordnung der Testobjekte den Schluss zu ziehen, dass die zugehörigen Testphasen streng sequentiell ablaufen. Eine streng sequentielle Abfolge gilt heute als zu unflexibel und genügt nicht mehr den Ansprüchen der modernen Arzneimittelentwicklung. Eine Betrachtung der genannten Testphasen über die Zeit zeigt vielmehr, dass sich die Phasen überlappen, d.h. eine zeitlich nachgelagerte Phase (z.B. klinische Phase 2) beginnt, wenn bestimmte erwünschte Nachweise aus der vorgelagerten Phase (z.B. klinische Phase 1) erbracht worden sind. Die zeitlich vorgelagerte Phase muss dazu aber nicht zwangsläufig abgeschlossen sein. Beispielsweise erfolgen auch nach Beginn der klinischen Tests am Menschen langzeittoxikologische Studien am Tier, die eigentlich der Präklinik zuzuordnen wären.446 Wesentliche Gründe für das Abweichen von der starren Abfolge sind neben zeitlichen, finanziellen und regulatorischen auch klinische und wissenschaftliche Erwägungen.447 Unter Berücksichtigung dieser Aspekte erscheint eine Modifikation des idealtypischen Stage Gate Prozesses in der Weise sinnvoll, dass die Abschnitte „Entwickeln“ sowie „Testen und Validieren“ in einem ersten Schritt zusammengefasst werden. In einem zweiten Schritt können sie objektabhängig (d.h. in Abhängigkeit vom jeweiligen Bezugsobjekt Zellkulturen/Tiere, gesunde Probanden und Patienten) in einzelne Phasen, mithin in präklinische Test- und Entwicklungsphase sowie klinische Test- und Entwicklungsphasen eins bis drei unterteilt werden. Da sich – wie gezeigt – einzelne Phasen überlappen können, erfolgt die letztendliche Unterteilung in Stages in einem
444 445 446 447
Vgl. Drews, J. (1998), S. 188. Vgl. Gorbauch, T./de la Haye, R. (2002), S. 166. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 17. Vgl. Aigner, A. (2003), S. 88f. Insofern ergibt sich die Situation, dass die offizielle Terminologie und damit verbundene sequentielle Ablauffolge einzelner Phasen z.B. im Rahmen der erforderlichen Unterlagen zur Arzneimittelzulassung nach wie vor beibehalten wird, jedoch in dieser Form keiner erfolgreichen Arzneimittelentwicklung mehr zu Grunde liegt.
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
117
dritten Schritt und orientiert sich an den Aktivitäten der Testphasen, deren Ergebnisse für den Beginn der nachgelagerten Phase zwingend vorliegen müssen.448 Die zuvor beschriebenen Schritte werden in der nachfolgenden Abbildung 20 verdeutlicht. Die aus der überlappenden Anordnung einzelner Abschnitte resultierende Verkürzung der Gesamtentwicklungszeit gegenüber einer klassisch objektorientierten und damit sequentiellen Vorgehensweise (2. Schritt in der Abbildung) ist anhand des mit „ǻt“ gekennzeichneten Pfeils angedeutet.
448
KUTZBACH bezeichnet eine derartige Vorgehensweise als Optimierung des kritischen Pfades innerhalb eines Entwicklungsplanes. Vgl. Kutzbach, C. (1998), S. 61ff. Für weitere Ansätze zur zeitlichen Optimierung der Ablaufplanung in der pharmazeutischen Produktentwicklung vgl. Bassett, M./Gardner, L./Steele, K. (2004), S. 427ff.
118
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Entdeckung
Rahmen abstecken
Reichweite festlegen
...
Entwickeln
Entwickeln
Testen und Validieren
Testen und
Markteinführung
x Ausgangspunkt: Stage Gate Prozess nach Cooper
...
x Ausschnitt: Stages „Entwickeln“ und „Testen und Validieren“
Validieren
x 1. Schritt: Zusammenfassen der Stages „Entwickeln“ und „Testen und Validieren“
Entwickeln, Testen und Validieren
Präkli-
Phase
Phase
Phase
nik
1
2
3
x 2. Schritt: Objektabhängige Phaseneinteilung
Präklinik
x 3. Schritt: Phaseneinteilung entsprechend dem frühest möglichen Anfangszeitpunkt (FAZ) der Folgephase
Phase 1
Phase 2
Phase 3
x Ergebnis: Stages und Gates für die pharmazeutische Produktentwicklung
ǻt
Entwickeln, Testen und Validieren …
Voraussetzungen Phase 1
Voraussetzungen Phase 2
Voraussetzungen Phase 3
Phase 3
Gate: „zur
Gate: „zur
Gate: „zur
Gate: „zur
Entwicklung“
Phase 1“
Phase 2“
Phase 3“
…
x Ergebnis: Namensgebung von Stages und Gates für die pharmazeutische Produktentwicklung
Abbildung 20: Ableitung von Gates für die pharmazeutische Produktentwicklung
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
119
Auf diese Weise lassen sich alle Entwicklungs-, Test- und Validierungsaktivitäten in vier Stages unterteilen. Dies sind „Voraussetzungen für Beginn Phase 1“, „Voraussetzungen für Beginn Phase 2“, „Voraussetzungen für Beginn Phase 3“, „Phase 3“. Die hier gewählte Namensgebung der einzelnen Stages orientiert sich dabei an den kritischen Aktivitäten, die jeweils erbracht worden sein müssen, damit ein Eintritt in die nachgelagerte Phase möglich ist. Dazu gehören neben den eigentlichen Entwicklungs-, Test- und Validierungsaktivitäten auch Aktivitäten, die der Erfüllung der regulatorischen Anforderungen dienen wie z.B. die Vorbereitung und Einreichung der Zulassungsunterlagen bei den zuständigen Stellen. In der Terminologie des Projektmanagements ausgedrückt, stellen die so ermittelten Gates jeweils den frühest möglichen Anfangszeitpunkt (FAZ) zum Beginn des nachgelagerten Abschnittes dar. Eine derartige Ablaufstrukturierung der Aktivitäten liefert einen geeigneten Ausgangspunkt zur späteren Ablauf- und Terminplanung einzelner Projekte entlang des Standardinnovationsprozesses.449 Neben diesen kritischen Aktivitäten für den Beginn der nächsten Phase umfassen die Stages auch die verbleibenden Aktivitäten, deren Ergebnis nicht unmittelbar den Beginn der nächsten Phase beeinflusst, die jedoch im Verlauf des Produktinnovationsprozesses erbracht werden müssen. So können beispielsweise langzeittoxikologische Studien, die gemäß den gesetzlichen Vorgaben den präklinischen Aktivitäten zuzuordnen wären, auch in allen weiteren Folgephasen stattfinden. Darüber hinaus finden parallel zu diesen eher technikbezogenen Aktivitäten auch markt- und wertbezogene Aktivitäten statt.
449
Vgl. zu den Methoden der Ablauf- und Terminplanung einzelner Projekte z.B. Patzak, G./Rattay, G. (1998), S. 169ff.
120
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Auf Basis dieser Überlegungen könnte ein möglicher Stage Gate Prozess für die pharmazeutische Produktentwicklung wie in der nachfolgenden Abbildung 21 dargestellt aussehen.
Entwickeln, Testen und Validieren Entdeckung
Reichweite festlegen
Rahmen abstecken
Voraussetzungen Phase 1
Voraussetzungen Phase 2
Voraussetzungen Phase 3
Phase 3
Gate: „zur
Gate: „zur
Gate: „zur
Gate: „zur
Entwicklung“
Phase 1“
Phase 2“
Phase 3“
Zulassungsbewerbung und Markteinführung
Abbildung 21: Stage Gate Prozess für die pharmazeutische Produktentwicklung
Obwohl die Entdeckung im Grundmodell nicht zwangsläufig als formaler Abschnitt dargestellt wird, wird sie hier aufgrund ihrer Bedeutung als Schnittstelle zur vorgelagerten Forschung bzw. Wirkstoffsuche in den pharmaspezifischen Stage Gate Prozess aufgenommen und ist im Hinblick auf Abstimmungszeiten und -kosten optimal zu gestalten. Die Stages „Reichweite festlegen“ und „Rahmen abstecken“ entsprechen den gleichnamigen Stages im Grundmodell nach COOPER und umfassen sowohl markt- als auch technik- und wertbezogene Aktivitäten, die zur Entwicklung eines neuen Arzneimittels erforderlich sind. Die Untergliederung des technikbezogenen Aktivitätenspektrums Entwickeln, Testen und Validieren in einzelne Stages erfolgt nach der oben beschriebenen Vorgehensweise. Auch hier finden parallel zu den abschnittsweisen Aktivitäten der pharmazeutisch-technischen Entwicklung markt- und wertbezogene Aktivitäten statt. Der letzte Stage – bei COOPER als „Markteinführung“ bezeichnet – wird im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung als „Zulassungsbewerbung und Markteinführung“ bezeichnet. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Markteinführung nur vorbehaltlich einer erfolgreichen Zulassung durch die jeweilige Zulassungsbehörde erfolgen kann. Die Entscheidung zur Bewerbung um eine Zulas-
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
121
sung setzt eine entsprechende Beurteilung der Erfolgsaussichten durch das entsprechende Management am vorgelagerten Gate voraus. Marktbezogene Anpassungserfordernisse Um die Produktentwicklung durchgängig marktorientiert auszurichten, wird im Grundmodell des Stage Gate Prozesses die Notwendigkeit einer frühzeitigen und umfassenden Kundeneinbindung betont.450 Im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung ergeben sich in diesem Zusammenhang zwei Besonderheiten, die nachfolgend beleuchtet werden sollen. Dies sind zum einen die pharmaspezifische Entscheider- und Abnehmerstruktur und zum anderen die gesetzlichen Restriktionen, die hinsichtlich der Kundeneinbindung in den pharmaspezifischen Stage Gate Prozess zu berücksichtigen sind. Pharmaspezifische Entscheider- und Abnehmerstruktur Wenn auch der Patient letztendlich immer Endabnehmer der Arzneimittel ist, so können ihn diese jedoch auf mehreren „Wegen“ und unter Mitwirkung unterschiedlicher Akteure erreichen.451 Dies hängt im Wesentlichen davon ab, ob es sich um verschreibungspflichtige oder freiverkäufliche Arzneimittel handelt. Im Fall der verschreibungspflichtigen Arzneimittel trifft der Arzt die faktische Kaufentscheidung, indem er das Medikament im Krankenhaus (stationär) oder in seiner Praxis (ambulant) verabreicht oder per Rezept verschreibt.452 Im Unterschied dazu können freiverkäufliche Arzneimittel vom Patienten eigenständig über die Apotheke oder andere Wege bezogen werden, so dass in diesem Fall die faktische Kaufentscheidung vom Patienten getroffen wird. Einen Überblick über die unterschiedlichen Wege und beteiligte Akteure in der Arzneimitteltherapie aus Sicht des Patienten gibt die nachfolgende Abbildung 22.
450
451
452
So empfiehlt COOPER bereits im ersten Abschnitt des Stage Gate Prozesses, die potentiellen Verbraucher zu kontaktieren. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 209ff. Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 15f. sowie die Ausführungen zur Marktsituation forschender Arzneimittelhersteller in Abschnitt 3.2.1. Vgl. Bögel, G./Herrmann, M. (2002), S. 167.
122
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
forschender Arzneimittelhersteller
patentgeschützte verschreibungspflichtige Arzneimittel
patentgeschützte freiverkäufliche Arzneimittel
behandelnder Arzt
Behandlung im Krankenhaus
alle Darreichungsformen möglich
Behandlung in Praxis
Rezept
Apotheke
Darreichungsformen eingeschränkt
ausgewählte Drogerien etc.
Darreichungsformen eingeschränkt
Patient
Abbildung 22: Beteiligte Akteure in der Arzneimitteltherapie mit patentgeschützten Medikamenten aus Sicht des Patienten
In Abhängigkeit von den hier nur schematisch dargestellten Wegen der Arzneimitteltherapie ergeben sich für forschende Arzneimittelhersteller unterschiedliche Konsequenzen hinsichtlich der Festlegung entsprechender Vertriebs- und Marketingaktivitäten sowie hinsichtlich der Festlegung geeigneter Darreichungsformen des Arzneimittels. So sind im Fall der verschreibungspflichtigen Medikamente grundsätzlich der Großhandel und die Apotheken als Vertriebsstufen einzubinden, wohingegen im Fall der freiverkäuflichen Medikamente unterschiedliche Vertriebsmöglichkeiten
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
123
zugelassen sind.453 Da im Fall der verschreibungspflichtigen Medikamente der Arzt die faktische Kaufentscheidung trifft, gilt es diesen mit Hilfe geeigneter Marketingmaßnahmen zu erreichen und zu beeinflussen. Im Unterschied dazu sollten die Marketingmaßnahmen im Fall der freiverkäuflichen Arzneimittel primär auf den Patienten als faktischen Kaufentscheider gerichtet sein. Im Hinblick auf die Darreichungsform ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Formen wie z.B. die Infusion weniger geeignet sind, wenn der Patient das Medikament eigenständig über die Apotheke beziehen und einnehmen soll. Um die hier nur skizzierten „Wege“ sowie die damit verbundenen Konsequenzen für die pharmazeutische Produktentwicklung durchgängig berücksichtigen zu können, wird in dieser Arbeit der Vorschlag unterbreitet, unterschiedliche aktivitätsbezogene Ausgestaltungsvarianten des Stage Gate Prozesses – bei gleich bleibender Grundstruktur – zu bilden. Jeder „Weg“ vom forschenden Arzneimittelhersteller zum Patienten in Abbildung 22 kann dabei als eine mögliche Variante interpretiert werden und ist situativ im Hinblick auf die Festlegung marktbezogener Aktivitäten wie z.B. Vertriebs- und Marketingaktivitäten sowie im Hinblick auf die Festlegung geeigneter Darreichungsformen auszugestalten. Zeitpunkt und Umfang der Patientenbindung in den Stage Gate Prozess Sofern man den Patienten als Endverbraucher definiert, ergibt sich als weiterer Unterschied zum idealtypischen Stage Gate Prozess, dass die faktische Endverbrauchereinbindung hier nicht durchgängig, sondern erst im Rahmen der klinischen Phasen zwei und drei erfolgen kann.454 Dies ist vor allem auf gesetzliche Vorgaben zurückzuführen, die eine Einbindung von Patienten als Testpersonen in frühen Phasen der Produktentwicklung verbieten. Durchaus sinnvoll und gesetzlich vertretbar ist es jedoch, bereits in diesen frühen Phasen Erfahrungsberichte von Patienten – z.B. über 453
454
Dies sind wahlweise der dreistufige Vertrieb über den Großhandel und Apotheken oder der zweistufige Vertrieb über Apotheken oder spezielle Drogerien mit Sachkundenachweis. Der Sachkundenachweis verlangt, dass die fortwährende Anwesenheit einer qualifizierten Person während der Geschäftsöffnungszeiten gewährleistet ist. Vgl. Dambacher, E./Schöffski, O. (2002), S. 246. Zunehmend setzen forschende Arzneimittelhersteller auch den Versandhandel ein, der seit 2004 sowohl für verschreibungspflichtige als auch für nicht verschreibungspflichtige Medikamente zugelassen ist. Zum Versandhandel vgl. Däinghaus, R. (2002), S. 129ff. In obig vorgestelltem Ablaufschema wäre dies nach Gate „zur Phase 2“. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass zwar auch in früheren Phasen Menschen eingebunden werden. Dies sind jedoch gesunde Probanden und damit keine Patienten bzw. Endkunden für den betrachteten Arzneimittelkandidaten.
124
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Befindlichkeiten im Krankheitsverlauf oder Erfahrungen mit Alternativtherapien – einzuholen und damit die zunehmend erforderliche Patientenorientierung zu gewährleisten.455 Wertbezogene Anpassungserfordernisse Aus Sicht eines wertorientierten Managements hat die pharmazeutische Produktentwicklung zwei Zielsetzungen zu genügen. Zum einen sollte sie die Entwicklung marktreifer und damit zulassungsfähiger Arzneimittel ermöglichen. Zum anderen muss sie sicherstellen, dass diese Arzneimittel auch einen angemessenen Wertbeitrag für das Unternehmen leisten. Die erste Zielsetzung stellt dabei eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für die zweite Zielsetzung dar. Im Grundkonzept des Stage Gate Prozesses liegt der Fokus vornehmlich auf der erstgenannten Zielsetzung. So werden in allen Abschnitten markt- und technikbezogene Aktivitäten definiert und damit implizit unterstellt, dies führe quasi automatisch – nämlich über den späteren Absatz der Produkte am Markt – zum gewünschten Wertbeitrag für das Unternehmen. Umfassende wertorientierte Aktivitäten werden lediglich für die Abschnitte zwei bis vier festgelegt. COOPER begründet die Vernachlässigung wertorientierter Aspekte in frühen Phasen damit, dass sich diese meist noch nicht abschätzen lassen.456 Er empfiehlt daher, lediglich einen ökonomischen „Vernünftigkeitscheck“ durchzuführen.457 Wie in Abschnitt 2.1.2 bereits festgestellt, gestaltet sich auch in der pharmazeutischen Produktentwicklung eine frühzeitige Abschätzung der erfolgs- und finanzwirtschaftlichen Konsequenzen von Entwicklungsvorhaben schwierig. Dennoch wird in der vorliegenden Arbeit die Meinung vertreten, dass bereits zu diesem Zeitpunkt zumindest das gesamte Kriteriengerüst zur Bewertung des Entwicklungsvorhabens abschließend festgelegt und an die Beteiligten kommuniziert werden sollte. Dieses Vorgehen, das sich von der gängigen Praxis unterscheidet, trägt dazu bei, dass von Beginn an alle Bewertungskriterien in der Investitionsentscheidung bekannt sind und damit eine
455
456
457
Vgl. hierzu nochmals die Studienergebnisse aus Abschnitt 3.2.1. KENNEDY, der einen ähnlichen Vorschlag unterbreitet, spricht hier von einem „Designing with the Customer“ statt „Designing for the Customer“. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 2 sowie die Ausführungen in Abschnitt 2.2. Diese Meinung wird auch von anderen Autoren vertreten. So führt ALLPORT beispielsweise an, dass es besser sei, eine Wirtschaftlichkeitsbeurteilung in frühen Phasen zu vermeiden. Vgl. Allport, S. (1998), S. 32. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 213.
4.2 Strukturierung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Stage Gate Prozesse
125
durchgängige Wertorientierung in der Produktentwicklung ermöglicht wird.458 Durch die konsequente Wertorientierung bereits in frühen Phasen kann ein Beitrag zur Überwindung der von GASSMANN/REEPMEYER/v. ZEDTWITZ konstatierten Problematik gesehen werden, wonach nur die wenigsten Arzneimittelkandidaten auch wirtschaftlich erfolgreich sind.459 Zudem fördert sie damit den erforderlichen Dialog zwischen Produktentwicklung und Finanz- bzw. Controllingbereich in Unternehmen. Die Bedeutung einer möglichst frühzeitigen Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von Entwicklungsvorhaben ist auch vor dem Hintergrund der zunehmend enger werdenden wirtschaftlichen Spielräume forschender Arzneimittelhersteller zu sehen.460 Aus den oben genannten Gründen empfiehlt es sich, wertbezogene Aktivitäten über alle Phasen des Prozesses hinweg zu definieren und darüber hinaus in einer eigenen Ebene, der Wertebene zu verankern.461 Auch sollte der Wertbegriff gegenüber dem Grundmodell weiter gefasst werden und neben den erfolgs- und finanzwirtschaftlichen Konsequenzen z.B. auch Aktivitäten zur Berücksichtigung der jeweiligen Risikosituation einzelner Entwicklungsvorhaben beinhalten.462 Die Einführung einer umfassenden Wertebene des Stage Gate Prozesses trägt somit dazu bei, auch der zweiten beschriebenen Zielsetzung eines wertorientierten Managements Rechnung zu tragen. Das Ergebnis eines auf diese Art zweidimensional gestalteten Stage Gate Prozesses ist in Abbildung 23 dargestellt. Wertbezogene Aktivitäten finden – wie bereits beschrieben – in der Wertebene statt. Sämtliche technischen und marktbezogenen Aktivitäten, die zur Entwicklung eines marktfähigen Arzneimittels erforderlich sind, können hingegen in der Leistungsebene zusammengefasst werden. Alternativ wäre auch eine weitere Unterteilung der Leistungsebene in eine Markt- und Technikperspektive denkbar. Da beide Ebenen jedoch nur gemeinsam zum Erreichen der erstgenannten Zielsetzung, d.h. der Entwicklung marktreifer und damit zulassungsfähiger Arzneimittel, beitragen, werden sie an dieser Stelle in einer Ebene zusammengefasst. Hierunter fallen zum einen die weiter vorne beschriebenen Aktivitäten der 458
459
460 461 462
Natürlich fällt eine exakte erfolgs- und finanzwirtschaftliche Beurteilung in frühen Phasen infolge begrenzter Quantifizierbarkeit von Kosten und Erlösen bzw. Cash Flows und Zahlungszeitpunkten schwer. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, bietet sich z.B. der Einsatz von Scoring-Modellen an. Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 5.3.2. „However, only three out of 10 drugs generate revenues that meet or exceed average R&D costs.” Gassmann,O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 75. Vgl. dazu die Studienergebnisse in 3.2 der vorliegenden Arbeit. Vgl. Becker, W./Bogendörfer, M./Daniel, K. (2006), S. 143. Vgl. Becker, W. (2006), S. 50.
126
4 Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
pharmazeutisch-technischen Entwicklung und zum anderen sämtliche marktbezogenen Aktivitäten wie beispielsweise die Ermittlung des Marktpotentials, die frühzeitige Einbindung von Patienten, die rechtzeitige Definition des beabsichtigten Vertriebsweges und die Einleitung zielgruppenspezifischer Marketingaktivitäten.
Entwickeln, Testen und Validieren WERT LEISTUNG
Entdeckung
Reichweite festlegen
Rahmen abstecken
Voraussetzungen Phase 1
Voraussetzungen Phase 2
Voraussetzungen Phase 3
Phase 3
Gate: „zur
Gate: „zur
Gate: „zur
Gate: „zur
Entwicklung“
Phase 1“
Phase 2“
Phase 3“
Zulassungsbewerbung und Markteinführung
Abbildung 23: Mehrdimensional gestalteter Stage Gate Prozess für die pharmazeutische Produktentwicklung
Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass sich die pharmazeutische Produktentwicklung als Stage Gate Prozess abbilden lässt. Wie gezeigt, sind hierfür einige strukturelle, markt- und wertbezogene Anpassungen des Grundmodells nach COOPER erforderlich, die insbesondere in der Festlegung einzelner Abschnitte, der Berücksichtigung der pharmaspezifischen Entscheider- und Abnehmerstruktur, dem Zeitpunkt und Umfang der Patienteneinbindung sowie der durchgängigen Wertorientierung zu finden sind. Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten zunächst die grundsätzliche Anwendbarkeit gezeigt und daraufhin entsprechende Anpassungen gegenüber dem Grundmodell vorgenommen wurden, soll nachfolgend der Beitrag des vorliegenden Stage Gate Prozesses zur Gestaltung einer effektiven und effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung untersucht werden.
4.3 Zwischenergebnis
127
4.3 Zwischenergebnis: Beitrag von Stage Gate Prozessen zur Gestaltung einer effektiven und effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung Dem Stage Gate Prozess liegt das Verständnis zu Grunde, dass ein gut strukturierter Produktinnovationsprozess mit Konzentration auf Qualität und Vollständigkeit einerseits sowie ausschließlicher Berücksichtigung relevanter Faktoren andererseits die Voraussetzung für die Entwicklung erfolgreicher Produkte bildet.463 Dieses Verständnis deckt sich mit der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Auffassung, dass die effektive und effiziente Prozessgestaltung von herausragender Bedeutung für die pharmazeutische Produktentwicklung ist. Ziel dieses Abschnitts ist es, den Beitrag von Stage Gate Prozessen zur Erfüllung der theoretisch abgeleiteten Anforderungen aus Abschnitt 3.1.3.2 zu untersuchen. Für die Ausführungen wird dabei der pharmaspezifisch angepasste Stage Gate Prozess des vorangegangenen Abschnitts 4.2.3 zu Grunde gelegt. 4.3.1 Beitrag zur Gestaltung einer effektiven pharmazeutischen Produktentwicklung Der Beitrag des Stage Gate Prozesses zur Erfüllung der theoretisch abgeleiteten Anforderungen an die Gestaltung der Produktentwicklung resultiert zum einen aus der konsequenten Übertragung der Prozessorientierung und den damit verbundenen Vorteilen auf die Produktentwicklung. Hier ist im Wesentlichen die strukturelle Gestaltung des Produktentwicklungsprozesses angesprochen. Zum anderen liegt der Beitrag in der konzeptionellen Vorgabe von Eingriffspunkten für Managementaktivitäten begründet. Beide Aspekte zusammen ermöglichen eine Gestaltung der Potentiale und Prozesse derart, dass eine zielgerichtete Entwicklung von marktreifen und damit zulassungsfähigen Medikamenten möglich ist.464 Dies soll nachfolgend verdeutlicht werden. Zunächst wird dabei die Bedeutung einer prozessorientierten Gestaltung der Produktentwicklung untersucht. Der Einsatz eines strukturierten Produktentwicklungsprozesses erfordert eine bewusste Auseinandersetzung mit der Frage nach dessen optimaler ablauforganisatorischen 463 464
Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 128f. Vgl. nochmals zur Definition einer effektiv gestalteten Produktentwicklung die Ausführungen in Abschnitt 3.1.3.2.1.
128
4 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Gestaltung. Darin kann ein erster Beitrag gesehen werden, weil so der Prozessgestaltung selbst Disziplin auferlegt wird. Ein maßgeblicher Beitrag zur Gestaltung einer effektiven Produktentwicklung kann in der mehrdimensionalen Konzeption des Stage Gate Prozesses gesehen werden, die ein durchgängiges Denken in einer Leistungsebene mit technik- und marktbezogenen Aktivitäten und einer Wertebene mit wertbezogenen Aktivitäten unterstützt. Die Studienergebnisse aus Abschnitt 3.2 belegen für die pharmazeutische Industrie deutlich, dass zukünftig eine stärkere Ausrichtung der Produktentwicklung auf den Markt erforderlich ist. Durch eine konsequente Berücksichtigung des Marktes als letztendliche Beurteilungsinstanz des neuen Produktes wird bereits über die Prozessgestaltung sichergestellt, dass nur die Produkte entwickelt werden, die neben den erforderlichen technischen Voraussetzungen auch ein entsprechendes Marktpotential aufweisen. Die durchgängige Wertorientierung stellt zudem sicher, dass diese Produkte auch einen angemessenen Wertbeitrag für das Unternehmen bringen. Durch die funktionsübergreifende Konzeption des Stage Gate Prozesses wird zudem die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fachfunktionen unterstützt und so interdisziplinäres Arbeiten gefördert. Interdisziplinäres Arbeiten ist generell, so auch in der pharmazeutischen Produktentwicklung, eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen von Innovationen.465 Wie die Studienergebnisse in Abschnitt 3.2 belegen, bestehen aus Sicht forschender Arzneimittelhersteller noch erhebliche Defizite im Hinblick auf die Vernetzung der unterschiedlichen Fachdisziplinen. Im Rahmen der Ausführungen zur allgemeinen Prozessorientierung wurde bereits argumentiert, dass ein strukturierter Produktentwicklungsprozess die Transparenz über die Verflechtung einzelner Arbeitsschritte erhöht. Dies eröffnet mehrere Vorteile. Zum einen kann – wie im nachfolgenden Abschnitt 4.3.2 noch zu zeigen – die Effizienz der pharmazeutischen Produktentwicklung gesteigert werden. Zum anderen erlaubt eine transparente Prozessgestaltung in Verbindung mit klar definierten Zielvorgaben und Beurteilungskriterien je Abschnitt den an der Produktentwicklung beteiligten Mitarbeitern, ihren individuellen Beitrag bezogen auf den gesamten Prozess erkennen und 465
Vgl. z.B. Tidd, J./Bessant, J./Pavitt, K. (2001), S. 313 und S. 334ff. sowie Hauschildt, J. (2004), S. 45. HAUSCHILDT spricht in diesem Zusammenhang von unterschiedlichen Kräften (wie beispielsweise Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, Marktkennern, Marktmachern und Managern). Diese lassen sich i. d. R. jedoch zu betrieblichen Funktionen wie Entwicklung, Marketing etc. zuordnen, so dass sich die Aussage von HAUSCHILDT mit den Aussagen anderer Autoren deckt.
4.3 Zwischenergebnis
129
einschätzen zu können.466 Es kann davon ausgegangen werden, dass klar kommunizierte Zielvorgaben und die Kenntnis des eigenen Beitrags im Produktentwicklungsprozess motivationsfördernd wirken und positive Konsequenzen für die Ablaufqualität des Prozesses haben.467 Ebenfalls motivationsfördernd wirken monetäre Anreizsysteme, bei denen in Abhängigkeit vom Projekterfolg Bonuszahlungen o.ä. an die Mitarbeiter geleistet werden.468 Stage Gate Prozesse liefern hierbei sinnvolle Ansatzpunkte. Dieser Aspekt ist von Bedeutung, da bislang der Einsatz monetärer Anreizsysteme in der pharmazeutischen Produktentwicklung aufgrund deren langer Entwicklungszeiten Probleme bereitete. GASSMANN/REEPMEYER/v. ZEDTWITZ begründen dies damit, dass vier von fünf an der Produktentwicklung beteiligte Mitarbeiter bedingt durch Ruhestand oder Firmenwechsel den Erfolg „ihres“ Entwicklungsvorhabens am Markt nicht mehr miterleben.469 Demzufolge bleibt auch die beabsichtigte Anreizwirkung erfolgsabhängiger Vergütungen aus. Die Untergliederung des Produktentwicklungsprozesses in kürzere, klar definierte Abschnitte bietet hingegen Ansatzpunkte zur regelmäßigen Erfolgsbemessung der beteiligten Mitarbeiter und schafft dadurch Anreize für deren zielgerichtetes Verhalten. Neben den aufgezeigten Vorteilen, die in einer prozessorientierten Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung begründet liegen, wird nachfolgend der Beitrag zur Gestaltung einer effektiven Produktentwicklung untersucht, der aus der konzeptionellen Vorgabe von Eingriffspunkten für Managementaktivitäten resultiert. Hier sind im Besonderen die Aktivitäten angesprochen, die sich an den Gates ergeben. Durch die regelmäßige Kontrolle der Ergebnisse einzelner Abschnitte an den Gates wird sichergestellt, dass Fehlentwicklungen gegenüber den ursprünglichen Vorgaben nicht erst am Ende des gesamten Projektes, sondern bereits an den jeweiligen Kontrollpunkten bzw. Gates erkannt werden können. Diese Form der traditionellen Ergebniskontrolle einzelner Abschnitte überprüft mithin die Zielerreichung während der Ausführung. Wie in Kapitel fünf noch zu zeigen, kann auf diese Weise zwar noch keine anforderungsgerechte Kontrolle der Produktentwicklung gewährleistet werden. Die abschnittsweise Kontrolle kann jedoch als erster Schritt gesehen werden, um die 466
467
468 469
Vgl. nochmals zur abschnittsweisen Festlegung von Zielvorgaben und Beurteilungskriterien Cooper, R. G. (2002), S. 148. Vgl. zum Zusammenhang von Prozesswahrnehmung, Mitarbeiterverhalten und Ablaufqualität nochmals die Ausführungen in Abschnitt 4.1.2. Vgl. Binner, H. (1998), S. 160. Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 75.
130
4 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
von GASSMANN/REEPMEYER/v. ZEDTWITZ erhobene Forderung nach früherer Identifikation und konsequentem Abbruch ungeeigneter Entwicklungsvorhaben zu erfüllen, mit der Zielsetzung, frei werdende Ressourcen schneller zur Entwicklung erfolgversprechender Entwicklungsvorhaben einsetzen zu können. „[T]he primary objective for improvements in the drug discovery process should be to fail earlier in order to succeed sooner.”470 In Verbindung mit einer Einschätzung der jeweiligen Risikosituation471 eines Entwicklungsvorhabens kann situativ entschieden werden, ob die Folgephase zum frühest möglichen Anfangszeitpunkt begonnen wird, oder ob die erfolgreiche Beendigung der jeweiligen präklinischen oder klinischen Aktivitäten abgewartet wird. Als weiterer Beitrag zur Gestaltung einer effektiven Produktentwicklung kann die im Stage Gate Konzept vorgesehene, regelmäßige Überprüfung der ursprünglichen Bewertung von Entwicklungsvorhaben aus wirtschaftlicher, technischer und marktorientierter Perspektive gesehen werden.472 Die Bewertung erfolgt dabei anhand der zu Beginn aufgestellten notwendigen und wünschenswerten Kriterien, wobei die Ausprägungen der Kriterien im Zeitablauf immer weiter konkretisiert werden müssen. Die stufenweise Konkretisierung der Bewertung an jedem Gate macht gleichzeitig eine regelmäßige Überprüfung der ursprünglichen bewertungsrelevanten Annahmen erforderlich und stellt damit implizit auch eine Prämissenkontrolle dar.473 Sofern alle Entwicklungsvorhaben anhand ähnlicher Bewertungskriterien beurteilt werden, kann zudem eine Vergleichbarkeit zwischen diesen hergestellt und damit Priorisierungen zwischen einzelnen Entwicklungsvorhaben vorgenommen werden. Somit liefern die Bewertungsergebnisse an den Gates zudem Ansatzpunkte für Portfolioentscheidungen hinsichtlich der gesamtunternehmerischen Ressourcenallokation und sind geeignet, die Effektivität des gesamten Produktentwicklungsportfolios zu unterstützen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass abschließende Aussagen zur Priorisierung von Entwicklungsvorhaben jedoch zusätzlich eine Analyse 470 471 472
473
Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 76. Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 5.4. Zu den erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der Lenkung von Entwicklungsvorhaben vgl. nochmals die Ausführungen in Abschnitt 3.1.3.3, insbesondere zur Festlegung und Auswertung von umfassenden Bewertungskriterien. Als Prämissen sind in diesem Zusammenhang die der Projektbewertung zu Grunde liegenden Annahmen zu verstehen. Vgl. zum Begriff der Prämissenkontrolle Steinmann, H./Schreyögg, G. (1997), S. 235ff.
4.3 Zwischenergebnis
131
der bestehenden Interdependenzen zwischen diesen erforderlich machen. Dabei sind im Wesentlichen inhaltlich-strategische Interdependenzen sowie Ressourceninterdependenzen zwischen den Vorhaben zu berücksichtigen.474 4.3.2 Beitrag zur Gestaltung einer effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung Nachfolgend soll der Beitrag von Stage Gate Prozessen zur Gestaltung einer effizienten Produktentwicklung aufgezeigt werden. Dazu ist es zunächst sinnvoll, sich nochmals die im Rahmen dieser Arbeit verwendete Definition zur effizienten Prozessgestaltung zu vergegenwärtigen. Die Produktentwicklung wurde dabei als effizient charakterisiert, wenn die erforderlichen Aktivitäten mit möglichst geringem Zeit- und Ressourceneinsatz durchgeführt werden. Der Effizienzbeitrag des Stage Gate Prozesses ist Resultat einer prozessorientierten Gestaltung der Ablaufstruktur der Produktentwicklung. Wesentlich hierfür sind drei Effekte, die jeweils zu einer Verringerung von Entwicklungszeiten und -kosten beitragen. Erstens ist dies die funktionsübergreifende Gestaltung der Produktentwicklung verbunden mit der Möglichkeit zur Parallelisierung von funktional gleichen und funktional unterschiedlichen Teilaktivitäten.475 Am Beispiel der pharmazeutischtechnischen Entwicklung wurde in diesem Zusammenhang gezeigt, dass durch die zeitlich überlappende Gestaltung einzelner Abschnitte eine Verkürzung der Prozessdurchlaufzeit in der Produktentwicklung – verstanden als die Zeitspanne von der Eingangs- bis zur Ausgangsschnittstelle des Entwicklungsprozesses – möglich ist.476 Darüber hinaus können durch eine parallele Prozessabwicklung Ressourcen besser ausgelastet und Leerkosten – verstanden als der Teil der ungenutzten Fixkosten begründenden betrieblichen Kapazität – reduziert werden. Zweitens führt die konsequente Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs betrieblicher Teilfunktionen zu einer Verringerung von Schnittstellen im Verlauf des Produktentwicklungsprozesses. Dadurch können die durch Schnittstellen hervorgeru-
474
475 476
Ein Überblick über unterschiedliche Verfahren zur Berücksichtigung der oben angesprochenen Interdependenzen findet sich bei Kunz, C. (2005), S. 151ff. Vgl. Cooper, R. G. (2002), S. 131f. Zum Begriff der Prozessdurchlaufzeit vgl. Wiesehahn, A. (2001), S. 54.
132
4 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
fenen Abstimmungs- bzw. Übergangszeiten477 reduziert werden. Neben diesem unmittelbaren Effekt auf die Gesamtproduktentwicklungszeit ermöglicht eine Reduktion von Schnittstellen zudem auch zeitliche Spielräume für andere (wertschöpfende) Aktivitäten und fördert somit einen effizienten Ressourceneinsatz. Drittens schafft eine prozessorientierte Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung Transparenz über die Verflechtung einzelner Arbeitsschritte und steigert dadurch die Ablaufqualität des Entwicklungsprozesses. Der daraus resultierende Effektivitätsbeitrag wurde bereits in Abschnitt 4.3.1 erläutert. Der Effizienzbeitrag kommt in unterschiedlicher Hinsicht zum Ausdruck. Zum einen führt eine Steigerung der Ablaufqualität zu einer Beschleunigung der Prozessdurchführungszeit, d.h. der Geschwindigkeit, mit der der eigentliche Prozess abgewickelt wird.478 Zum anderen können Übergangszeiten optimiert werden, da Verflechtungen einzelner Arbeitsschritte bekannt sind. Neben diesen entwicklungszeitbezogenen Effekten trägt eine Steigerung der Ablaufqualität auch dazu bei, die nicht wertschöpfenden Aktivitäten zu reduzieren und fördert somit einen effizienten Ressourceneinsatz. Die Untersuchung des Beitrags von Stage Gate Prozessen zur effektiven und effizienten Gestaltung der Produktentwicklung war Gegenstand des vorliegenden Abschnitts. Es zeigte sich, dass die prozessorientierte Gestaltung der Produktentwicklung sowie die Vorgabe von Eingriffspunkten für das Management als wesentliche Ursachen für den aufgezeigten Effektivitäts- und Effizienzbeitrag von Stage Gate Prozessen zu werten sind. Dabei weist die Prozessorientierung positive Konsequenzen sowohl für eine effektive als auch für eine effiziente Gestaltung der Produktentwicklung auf, wobei die Vorgabe von Eingriffspunkten für Managementaktivitäten insbesondere Auswirkungen auf die effektive Gestaltung der Produktentwicklung hat. In der nachfolgenden Abbildung wird der Effektivitäts- und Effizienzbeitrag von Stage Gate Prozessen für die pharmazeutische Produktentwicklung noch einmal übersichtsartig dargestellt.
477
478
Die Übergangszeit ist ein Bestandteil der Durchlaufzeit und umfasst die Zeitspanne, die zwischen den Schnittstellen eines vor- und nachgelagerten Prozesses liegt. Vgl. Wiesehahn, A. (2001), S. 54. Zum Begriff der Prozessdurchführungszeit vgl. Wiesehahn, A. (2001), S. 54f.
4.3 Zwischenergebnis
133
Beitrag zur Effektivität Disziplin durch systematische Prozessgestaltung Konsequentes Denken in einer Wertebene (Wertorientierung) und einer …durch prozessorientierte Gestaltung der Produktent-
Leistungsebene (Markt- und Technikorientierung) durch mehrdimensionale Gestaltung des Stage Gate Prozesses
wicklung
Steigerung der Interdisziplinarität durch funktionsübergreifende Gestaltung Motivationssteigerung der Beteiligten durch Kombinationsmöglichkeit mit Anreizsystemen Systematische Ergebniskontrolle einzelner Abschnitte
…durch Vorgabe von Eingriffspunkten für Managementaktivitäten
Stufenweise Konkretisierung von Bewertungskriterien Regelmäßige Überprüfung von Projektbewertung und Planungsprämissen Ansatzpunkte für Portfolioentscheidungen
Beitrag zur Effizienz Verringerung der Prozessdurchlaufzeiten durch parallele Prozessabwicklung
...durch prozessorientierte
Zeit effizienz
Reduktion der Übergangszeiten durch bereichsübergreifende Verringerung von Schnittstellen Reduktion der Prozessdurchführungs- und Übergangszeiten durch Steigerung der Ablaufqualität
Gestaltung der Produktentwicklung
Reduktion der Leerkosten durch parallele Prozessabwicklung Kosteneffizienz
Senkung der Abstimmungskosten durch funktionsbereichsübergreifende Gestaltung Reduktion der Prozesskosten durch Verringerung nicht wertschöpfender Tätigkeiten
Abbildung 24: Effektivitäts- und Effizienzbeitrag des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses
Als Ergebnis dieses Kapitels kann festgehalten werden, dass ein auf die Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung angepasster Stage Gate Prozess einen geeigneten Ansatz zur Gestaltung einer effektiven und effizienten pharmazeutischen Produktentwicklung darstellt. Für die weiteren Ausführungen wird er daher als standardisiertes Ablaufschema zu Grunde gelegt.
134
4 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Die Untersuchung von Möglichkeiten zur effektiven und effizienten Lenkung der Produktentwicklung als zweites Aufgabenfeld des Produktentwicklungsmanagements ist Gegenstand des nachfolgenden Kapitels fünf.
5.1 Analyse des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses
135
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung In Kapitel vier wurde gezeigt, dass zur Entwicklung eines Arzneimittels eine Vielzahl an Aktivitäten erforderlich sind, die sich in Form eines mehrdimensional angelegten und pharmaspezifisch angepassten Stage Gate Prozesses effektiv und effizient gestalten lassen. Kapitel fünf beschäftigt sich nun mit der Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung, die neben der Gestaltung derselben ein weiteres Aufgabenfeld des Produktentwicklungsmanagements darstellt. Ziel ist die Konzeption eines um kybernetische Bestandteile erweiterten Managementmodells, auf dessen Basis die Entwicklung eines Arzneimittels effektiv und effizient gelenkt werden kann. Sofern man – wie in Abschnitt 2.2.3.2 dargelegt – jedes Entwicklungsvorhaben als eigenständiges Projekt abgrenzt, sind hier vor allem Fragen angesprochen, die sich aus der Zielsetzung des Gesamtprojektes für das Management der einzelnen Teilphasen ergeben. Nicht näher betrachtet werden sollen jedoch Managementaktivitäten, die in der Verantwortlichkeit der Linie bzw. der jeweiligen Fachabteilungen forschender Arzneimittelhersteller liegen und sich im Wesentlichen auf den fachspezifischen Teil des Entwicklungsvorhabens beziehen. Zu nennen sind hier beispielsweise die Erarbeitung des wissenschaftlichen Konzeptes, der Tiefe und des Umfangs der Studien.479 SAARI weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die hoch spezialisierten Fähigkeiten, die in den einzelnen Disziplinen erforderlich werden, ohnehin nicht im Zuständigkeitsbereich der Projektleitung liegen können.480 Kapitel fünf ist wie folgt aufgebaut: In 5.1 erfolgt zunächst eine ausführungs- und führungsbezogene Analyse des pharmaspezifisch angepassten Stage Gate Prozesses aus Abschnitt 4.2.3. Die in den Stages stattfindenden Aktivitäten werden dabei als Ausführungsprozess der pharmazeutischen Produktentwicklung interpretiert. Für Gates, die als Eingriffspunkte für Managementaktivitäten definiert wurden, wird Erweiterungsbedarf aufgezeigt, um die pharmazeutische Produktentwicklung durchgängig effektiv und effizient lenken zu können. Der Erweiterungsbedarf wird über zwei Schritte gelöst. In einem ersten Schritt wird in Abschnitt 5.2 die Architektur eines 479 480
Vgl. Völker, R. (2001), S. 244f. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 27.
136
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
umfassenden Managementprozesses konzipiert, der alle relevanten Betrachtungsebenen und -perspektiven eines technisch sowie wirtschaftlich erfolgreichen und damit wertschaffenden Entwicklungsvorhabens umfasst. Dieser Schritt beinhaltet auch die Planung von Entwicklungsvorhaben entlang der relevanten Ebenen und Perspektiven, die in Abschnitt 5.3 erfolgt. In einem zweiten Schritt wird der Managementprozess um Aspekte der komplexen Steuerung und Regelung zu einem kybernetisch geprägten Managementmodell erweitert. Schwerpunktmäßig erfolgt dies in Abschnitt 5.4 durch Entwicklung eines pharmaspezifischen Risikomanagements, das eine situative Lenkung der Produktentwicklung auf Basis der jeweiligen Risikosituation unterstützt. Zudem werden Möglichkeiten des Erfahrungstransfers für zukünftige Entwicklungsvorhaben aufgezeigt. Der konkrete Beitrag des kybernetischen Managementmodells zur effektiven und effizienten Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung sowie zur Erfüllung der Forschungszielsetzungen dieser Arbeit wird in Abschnitt 5.5 dargestellt. 5.1 Ausführungs- und führungsbezogene Analyse des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses Ziel dieses Abschnittes ist es zu untersuchen, ob die im Stage Gate Prozess vorgesehenen Managementaktivitäten bereits eine durchgängige effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung sicherstellen können. Zu diesem Zweck wird der Stage Gate Prozess aus Abschnitt 4.2.3 nachfolgend gedanklich in ausführende und führende Aktivitäten zerlegt. Die Zerlegung erlaubt eine isolierte Analyse beider Prozesse (d.h. Ausführungsprozess einerseits und Führungsprozess inkl. Controllingprozess andererseits) und bietet Ansatzpunkte zu deren jeweiliger Optimierung. Dies bedeutet z.B., dass – trotz möglicher Unterschiede zwischen einzelnen Entwicklungsvorhaben – eine Komplexitäts- und Neuartigkeitsreduktion für den allen Entwicklungsvorhaben ähnlichen Managementprozess erreicht werden kann.481 Ein auf diese Art standardisierbarer Managementprozess steigert die Effizienz im Management von Entwicklungsvorha-
481
Vgl. Becker, W./Fischer, S./Ostbomk, P. (2006), S. 7. Zur Überprüfung der Konsequenzen einer Standardisierung von Projektmanagementprozessen für den Erfolg von Projekten vgl. auch die Studie von MILOSEVIC/PATANAKUL. Vgl. Milosevic, D./Patanakul, P. (2005), S. 181ff.
5.1 Analyse des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses
137
ben, da er nur auf das jeweilige Entwicklungsvorhaben angepasst, jedoch nicht jedes Mal komplett neu festgelegt werden muss. 5.1.1 Interpretation der Stages als Ausführungsprozess der pharmazeutischen Produktentwicklung Eine Betrachtung des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses aus Kapitel 4.2.3 zeigt, dass sämtliche ausführenden Tätigkeiten in den mehrdimensional gestalteten Abschnitten (Stages) vollzogen werden. Die Abschnitte des modifizierten Stage Gate Prozesses wurden unter Berücksichtigung der relevanten regulatorischen Vorgaben für die pharmazeutische Produktentwicklung konzipiert und bewusst abstrakt gehalten. Dies hat zur Folge, dass die Abschnitte ein generisches Ablaufschema bilden, entlang dessen – trotz möglicher projektindividueller Unterschiede auf Aktivitätenebene482 – alle Entwicklungsvorhaben bzw. Projekte abgewickelt werden können.483 Dieses Ablaufschema wird im Folgenden als Ausführungsprozess der pharmazeutischen Produktentwicklung bzw. als Projektausführungsprozess484 bezeichnet und bildet die Grundlage für die Ableitung entsprechender Führungs- bzw. Managementaktivitäten. In der Literatur erfolgt die Konzeption von Projektführungs- bzw. Projektmanagementprozessen häufig auf Basis eines generischen Lebenszyklusses. Dieser unterteilt die Ausführung eines Projektes üblicherweise in drei Phasen – nämlich in eine planende bzw. initialisierende, in eine realisierende und in eine abschließende bzw. evaluierende Phase – und legt Managementaktivitäten in Abhängigkeit von der jeweiligen Phase fest. Als typische Vertreter der lebenszyklusorientierten Konzeption des Projektmanagements seien in diesem Zusammenhang BECKER/BOGENDÖRFER/DANIEL, BECKER/FISCHER/OSTBOMK, BURGHARDT, BURKE, KESSLER/WINKELHOFER und KRÜGER genannt.485 Wenn auch die Projektphasen weitgehend ähnlich 482
483
484
485
Die Aktivitätenebene wird oft auch als Arbeitspaketebene bezeichnet. Vgl. z.B. Burghardt, M. (2001), S. 19. Als Beispiel für projektindividuelle Unterschiede seien an dieser Stelle Klinische Tests genannt, die je nach Wirkungs-/Nebenwirkungsprofil der Substanz unterschiedlich umfangreich sein können. Hier sei nochmals an die Ausführungen in Abschnitt 2.2.3.2 erinnert, wonach jedes Entwicklungsvorhaben als Projekt interpretiert werden kann. Zur jeweiligen Phaseneinteilung vgl. Becker, W./Bogendörfer, M./Daniel, K. (2006), S. 143; Becker, W./Fischer, S./Ostbomk, P. (2006), S. 7; Burghardt, M. (2001), S. 12f.; Burke, R. (2004), S. 38ff.; Kessler, H./Winkelhofer, G. (2002), S. 122ff. und Krüger, W. (1993), S. 3561.
138
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
von den genannten Autoren abgegrenzt werden, so können sich diese jedoch in der jeweiligen Bezeichnung durchaus voneinander unterscheiden. BECKER/BOGENDÖRFER/DANIEL und BECKER/FISCHER/OSTBOMK nennen abweichend von den anderen Autoren beispielsweise die Phase der Projektplanung „Initialisierung“ und die Phase des Projektabschlusses „Evaluation“.486 Um eine begrifflich konsequente Trennung zwischen ausführenden und führenden Aktivitäten beizubehalten, werden diese Bezeichnungen im Folgenden übernommen. Die von den genannten Autoren identifizierten Projektphasen stimmen in ihrem Aufbau mit den Abschnitten des pharmaspezifisch angepassten Stage Gate Prozesses überein. Die Entdeckung nimmt dabei eine Sonderfunktion ein, da sie gemäß dem zu Grunde liegenden Verständnis dieser Arbeit als Schnittstelle zum vorgelagerten Forschungsprozess interpretiert werden kann und das auslösende Ereignis für die Initialisierungsphase darstellt. Die Abschnitte „Reichweite festlegen“ und „Rahmen abstecken“ lassen sich als initialisierende Phase charakterisieren. „Voraussetzungen Phase 1“, „Voraussetzungen Phase 2“, „Voraussetzungen Phase 3“ und „Phase 3“ stellen in ihrer Gesamtheit die Projektrealisierungsphase dar. Sämtliche Ergebnisse dieser Realisierungsphase bilden die Grundlage zur Erstellung des Bewerbungsdossiers für ein Arzneimittel, das bei der entsprechenden Zulassungsbehörde eingereicht wird.487 Nach erfolgter Zulassung des Arzneimittels schließt sich die Phase der Markteinführung an. Die „Zulassungsbewerbung und Markteinführung“ kann als die Evaluationsphase des Entwicklungsprojektes und ggf. Beginn eines neuen Projektes, z.B. eines Vermarktungsprojektes, gedeutet werden. Die gegenüber der projektlebenszyklusorientierten Konzeption feinere Untergliederung der Initialisierungs- und Realisierungsphase in die beschriebenen Stages ist für die pharmazeutische Produktentwicklung zu empfehlen. Der Grund liegt insbesondere darin, dass die Abschnitte den Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung explizit Rechnung tragen und dennoch abstrakt genug sind, um sie für alle pharmazeutischen Produktentwicklungsvorhaben zur Anwendung bringen zu können.
486
487
Vgl. Becker, W./Bogendörfer, M./Daniel, K. (2006), S. 143; Becker, W./Fischer, S./Ostbomk, P. (2006), S. 7. Vgl. in diesem Zusammenhang die Argumentation von SCHWARZER, die den F&E-Prozess als Informationsprozess charakterisiert, der sämtliche Aktivitäten umfasst, die zur Erstellung des Zulassungsdossiers erforderlich sind. Vgl. Schwarzer, B. (1994), S. 174.
5.1 Analyse des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses
139
Die Interpretation der mehrdimensional gestalteten Stages des modifizierten Stage Gate Prozesses als Ausführungsprozess der pharmazeutischen Produktentwicklung ist in der nachfolgenden Abbildung 25 dargestellt.
WERT LEISTUNG
Entdeckung
Reichweite festlegen
Rahmen abstecken
Initialisierung
Voraussetzungen Phase 1
Voraussetzungen Phase 2
Voraussetzungen Phase 3
Phase 3
Realisierung
Zulassung& Markteinführung
Evaluation
Abbildung 25: Interpretation der Stages als (Projekt-)Ausführungsprozess
5.1.2 Interpretation der Gates als zu optimierender Führungs- bzw. Managementprozess Im letzten Abschnitt wurde auf Basis der Stages ein geeigneter (Projekt-)Ausführungsprozess für die pharmazeutische Produktentwicklung beschrieben. In diesem Abschnitt werden die bislang vorgesehenen Managementaktivitäten im pharmaspezifischen Stage Gate Prozess untersucht und im Hinblick auf eine anforderungsgerechte Lenkung beurteilt. Es wird gezeigt, dass die derzeitigen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaktivitäten an den Gates eine effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung alleine nicht sicherstellen können und deshalb in mehrfacher Hinsicht zu erweitern sind. Um die im pharmaspezifischen Stage Gate Prozess vorgesehenen Managementaktivitäten beurteilen zu können, erscheint es sinnvoll, sich diese zunächst noch einmal in Erinnerung zu rufen. Wie in Abschnitt 4.2.3 beschrieben und aus der nachfolgenden Abbildung 26 ersichtlich, beinhaltet der angepasste Stage Gate Prozess insgesamt sieben Gates.
140
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Entdeckung
Reichweite festlegen
Rahmen abstecken
Voraussetzungen Phase 1
Voraussetzungen Phase 2
Voraussetzungen Phase 3
Phase 3
Zulassung& Markteinführung
Gate 1: „1.
Gate 2: „2.
Gate 3: „zur
Gate 4: „zur
Gate 5: „zur
Gate 6: „zur
Gate 7: „Antrag
Screening“
Screening“
Entwicklung“
Phase 1“
Phase 2“
Phase 3“
Zulassung“
Planung inkl. Entscheidung i.R.d. Projektinitialisierung
abschnittsweise Steuerung und Ergebniskontrolle i.R.d. Projektrealisierung
Abschlusskontrolle i.R.d. Projektevaluation
Abbildung 26: Pharmaspezifischer Stage Gate Prozess
Das erste und zweite Gate, d.h. erstes und zweites Screening, dienen einer zunehmend konkreter werdenden Ideen- bzw. Potentialabschätzung auf Basis eines Kriteriensets, das im ersten Screening entwickelt wird und im zweiten Screening verfeinert zur Anwendung kommt. Das dritte Gate kann als letzter Entscheidungspunkt über die weitere Verfolgung des Projektes vor Beginn der präklinischen und klinischen Aktivitäten interpretiert werden. Nach dem dieser Arbeit zu Grunde liegenden, weit gefassten Planungsverständnis ist dieses Gate ebenfalls Bestandteil der Planung.488 Alle drei Gates stellen damit Aktivitäten der Projektplanung dar und finden im Rahmen der Projektinitialisierung statt. In den gegenüber dem Grundmodell weiter untergliederten Gates vier bis sechs werden Ergebnisvorgaben für die jeweils nachgelagerten Abschnitte festgelegt und die Ergebnisse der jeweils vorgelagerten Abschnitte kontrolliert. Diese Gates dienen also der abschnittsweisen Steuerung und Kontrolle von technik-, markt- und wertbezogenen Aktivitäten und finden im Rahmen der Projektrealisierung statt.489
488
489
Zur Einordnung der Entscheidung als Bestandteil der Planung vgl. nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2. Gemäß der ermittelten Phaseneinteilung aus Abschnitt 4.2.3 tauchen die Begriffe präklinische und klinische Phasen nicht mehr auf, sondern sind in den Phasen „Voraussetzungen Phase 1“, „Voraussetzungen Phase 2“, „Voraussetzungen Phase 3“ und „Phase 3“ zusammengefasst.
5.1 Analyse des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses
141
Gate sieben stellt den letzten Entscheidungspunkt vor der Zulassungsbewerbung und anschließenden Markteinführung dar. Die Entscheidung über eine Zulassungsbewerbung basiert einerseits auf einer umfassenden Beurteilung sämtlicher Testergebnisse aus den vorgelagerten Realisierungsabschnitten und andererseits auf den erwarteten Markt- und Wertkonsequenzen. Gate sieben kann mithin auch als Abschlusskontrolle des gesamten Produktentwicklungsprojektes und Beginn eines Markteinführungsprojektes interpretiert werden. Dies gilt natürlich nur unter der Voraussetzung, dass das Entwicklungsvorhaben auch als Medikament am Markt zugelassen wird. Wie gezeigt, entsteht über alle Gates hinweg eine Abfolge unterschiedlicher Managementaktivitäten, die den Ausführungsprozess der pharmazeutischen Produktentwicklung i.S.e. „großen Managementzyklusses“ überspannen. Aus prozessualer Sicht entspricht die sequentielle Abfolge der genannten Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaktivitäten grundsätzlich dem traditionellen Verständnis von Management in verfeinerter Form.490 Eine Verfeinerung gegenüber dem traditionellen Managementverständnis ist vor allem in der sukzessiven Konkretisierung491 und regelmäßigen Überprüfung der Projektbewertungskriterien sowie in der abschnittsweisen Kontrolle der Projektrealisierung zu sehen. Durch die genannten Aspekte kann zwar ein erster Beitrag zur Überwindung der Schwächen eines traditionellen Managementverständnisses geleistet werden.492 Jedoch kann auf diese Weise noch keine effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung sichergestellt werden. Dies ist wie folgt zu begründen. Erweiterungsbedarf um Kontrollpunkte innerhalb einzelner Abschnitte Aufgrund der Länge einzelner pharmazeutischer Produktentwicklungsphasen sind die bislang im Stage Gate Prozess vorgesehenen Kontrollintervalle relativ groß. Dies hat zur Folge, dass bereits eingetretene und damit faktisch gewordene Störungen erst zum nächsten Kontrollpunkt und damit meist nicht zeitnah erkannt werden können. Dies 490 491
492
Zum traditionellen Managementverständnis vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2. Durch die sukzessive Konkretisierung kann die Projektbewertung als Prozess und nicht als punktuelle Aktivität interpretiert werden. SHARPE/KEELIN zeigen in diesem Zusammenhang am Beispiel von Smithkline-Beecham die Vorteile einer prozessualen und Nachteile einer punktuellen Vorgehensweise. Vgl. Sharpe, P./Keelin, T. (1998b), S. 46. Vgl. zu den Schwächen des traditionellen Managementverständnisses nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2 dieser Arbeit.
142
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
gilt umso mehr, je größer der zeitliche Abstand der eingetretenen Störung bis zum nächsten Kontrollpunkt bzw. Gate ist. Insofern ist Erweiterungsbedarf der Kontrolle um zeit- und ereignisabhängige Kontrollpunkte493 innerhalb einzelner Phasen des Ausführungsprozesses festzustellen. Zudem müssen die Kontrollobjekte umfassender definiert werden. Insbesondere gilt es, neben der Projektrealisierung auch die der Planung zu Grunde liegenden Annahmen regelmäßig auf Plausibilität zu überprüfen494, da diese Hinweise auf akute und faktische, zudem aber auch auf potentielle und latente Störungen geben können.495 Ergänzungsbedarf um zukunftsorientierte Steuerungsinformationen Neben dem zeitnahen Erkennen bereits eingetretener Störungen (Effizienzsteigerung) müssen ergänzend auch zukunftsorientierte Steuerungsinformationen generiert werden. Diese sollen ein Erkennen potentieller und latenter Störungen sicherstellen. Durch die Identifikation potentieller und latenter Fehlentwicklungen vor deren faktischem Eintritt können Maßnahmen eingeleitet werden, noch bevor sich die Störung negativ auf den Produktentwicklungsprozess auswirkt (Effektivitätssteigerung).496 Anhand der Abbildung 27 lässt sich der zuvor genannte Erweiterungs- und Ergänzungsbedarf einordnen. Während sich erstgenannter Erweiterungsbedarf auf das schnelle Erkennen akuter oder bereits faktisch eingetretener und damit wirksamer Störungen richtet, bezieht sich letztgenannter Ergänzungsbedarf auf die zeitlich vor geschaltete Phase und kann als Risikofrüherkennung bzw. Frühaufklärung497 bezeichnet werden.
493
494 495 496 497
Zur Unterscheidung von zeit- und ereignisabhängiger Kontrolle sowie deren Ausprägung in ausgesuchten Unternehmen vgl. Piser, M. (2003), S. 39. Vgl. zu Planungsprämissen als Kontrollobjekte Dierkes, S. et al. (2004), S. 42f. Vgl. zu dieser Systematisierung Becker, W. (2006), S. 46. Vgl. Wall, F. (1999), S. 23. Der Begriff Frühaufklärung geht über den Frühwarnbegriff hinaus, da neben der frühzeitigen Ortung von Risiken Gegenmaßnahmen initiiert und Chancen erkannt werden sollen. Vgl. zu dieser Abgrenzung Zwerger, F./Paulus, S. (2002), S. 188. Vgl. zur Unterscheidung von Frühaufklärungssystemen der ersten Generation (auf Hochrechnungen basierende Ansätze), der zweiten Generation (indikatorengestützte Konzepte) und dritten Generation (auf Wahrnehmung und Handhabung schwacher Signale gerichtete Konzepte) z.B. Loew, H.-C. (1999), S. 21ff.; Sepp, H. M. (1996), S. 117ff.; Kreilkamp, E. (1987), S. 257ff.; Krystek, U./Müller-Stevens, G. (1993), S. 19ff.; Simon, D. (1985), S. 28ff. und Welge, M. K./AlLaham, A. (1999), S. 297ff. Zum Konzept der schwachen Signale als theoretische Grundlage für
5.1 Analyse des pharmaspezifischen Stage Gate Prozesses
Ankündigung der Störung
Eintritt
Voraussetzungen Phase 1 Kontrolle
143
Faktische Erkennen Eingriff durch Wirkung das Management
Voraussetzungen Phase 2 Kontrolle
Voraussetzungen Phase 3
… t
Kontrolle
Abbildung 27: Zeitlicher Entwicklungsverlauf von Störungen und traditionelle Eingriffsmöglichkeiten des Managements
Die Bedeutung eines zeitnahen Erkennens potentieller und latenter Störungen ist gerade im Fall der überlappenden Anordnung von Entwicklungsabschnitten sehr hoch. Dies ist nahe liegend, da im Vergleich zur rein sequentiellen Vorgehensweise mehr Aktivitäten parallel durchgeführt werden und damit die Produktentwicklung über die Zeit betrachtet „schneller teurer wird“. Allerdings ermöglicht dieses Vorgehen einen früheren Markteintritt und mithin höhere Cash Flows. Der Chance einer längeren Vermarktungszeit unter Patentschutz steht also das Risiko höherer sunk costs im Falle eines Projektabbruches gegenüber.
Frühaufklärungssysteme der dritten Generation vgl. Ansoff, H. I. (1976), S. 129ff. Für eine kritische Bewertung der drei Generationen vgl. Krystek, U./Fahrnschon, U. (1992), S. 125ff.
144
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Dies ist in der nachfolgenden Abbildung 28 anhand der markierten Flächen dargestellt. CF kum. Cash Flow Verlauf im Fall einer verkürzten Entwicklungszeit (parallele Vorgehensweise)
3
1
Cash Flow Verlauf in der Ausgangssituation (sequentielle Vorgehensweise)
Ende Patentschutz
2
t
1: Reduktion der time to market 2: Risiko von höheren sunk costs im Fall eines Projektabbruchs 3: Chance auf höhere Cash Flows durch längere Vermarktungszeit unter Patentschutz
Abbildung 28: Cash Flow Verläufe im Fall unterschiedlicher Produktentwicklungszeiten
Die Einrichtung einer Risikofrüherkennung macht die Kenntnis der zu überwachenden Ebenen und Perspektiven des Managements erforderlich. Deren Identifikation und die darauf basierende Konzeption eines umfassenden Managementprozesses ist Gegenstand des nächsten Abschnitts. 5.2 Konzeption eines umfassenden Managementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung Wie im letzten Abschnitt herausgearbeitet, können die im pharmaspezifisch angepassten Stage Gate Prozess vorgesehenen Managementaktivitäten eine effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung alleine nicht sicherstellen. Entsprechender Ergänzungs- und Erweiterungsbedarf um Kontrollpunkte innerhalb einzelner Abschnitte und um zukunftsorientierte Steuerungsinformationen wurde an entsprechender Stelle aufgezeigt. Ziel des Abschnitts 5.2 ist die Konzeption eines umfassenden Managementprozesses, in dem sämtliche Ebenen und Perspektiven einer erfolgreichen pharmazeutischen
5.2 Konzeption eines umfassenden Managementprozesses
145
Produktentwicklung berücksichtigt werden können. Dieser Management- bzw. Führungsprozess ist auf den zu Grunde liegenden Ausführungsprozess abzustimmen. Da der Ausführungsprozess infolge gesetzlicher Vorgaben relativ ähnlich für alle Entwicklungsvorhaben aussieht und damit standardisierbar ist, kann auch von einer Standardisierbarkeit der in diesem Zusammenhang anfallenden Managementaktivitäten ausgegangen werden. Die Ableitung relevanter Managementebenen und -perspektiven erfolgt in den Abschnitten 5.2.1 und 5.2.2. 5.2.1 Ableitung relevanter Managementebenen Wie bereits in Abschnitt 4.2.3 dargestellt, umfasst eine effektiv und effizient gestaltete Produktentwicklung mehrere Dimensionen. Um diese konsequent berücksichtigen zu können, wurde der Stage Gate Prozess zu diesem Zweck in eine Leistungs- und Wertebene unterteilt und auf diesen Ebenen über den gesamten Prozess (d.h. über die Zeit) hinweg leistungs- und wertbezogene Aktivitäten definiert. Diese Aktivitäten müssen nun im Rahmen der Lenkung gemeinsam geplant, gesteuert, überwacht und kontrolliert werden. Dies hat unter Effektivitäts- und Effizienzaspekten zu erfolgen. Die Parameter Leistung, Wert und Zeit können als Zielsystem für die Produktentwicklung interpretiert werden. Von einem Zielsystem kann gesprochen werden, wenn die Menge der Ziele durch die Definition ihrer Beziehungen in eine bewusste Ordnung gebracht wird.498 Wie in Abbildung 29 dargestellt, muss durch ein umfassendes Management ihr gemeinsames Erreichen, d.h. die Maximierung von Leistung und Wert bei gleichzeitiger Minimierung der Produktentwicklungszeit unter angemessener Berücksichtigung der bestehenden Wechselwirkungen angestrebt werden.499 Gelingt dies, verläuft die Produktentwicklung nach dem Verständnis dieser Arbeit effektiv und effizient.
498
499
Vgl. Schön, A. (2001), S. 34. Eine Formulierung relevanter Anforderungen an die Erstellung eines Zielsystems findet sich bei WEBER/EISENFÜHR. Vgl. Eisenführ, F./Weber, M. (2003), S. 60ff. Vgl. Gaitanides, M. et al. (1994), S. 15; Pleschak, F./Sabisch, H. (1996), S. 9 und Schön, A. (2001), S. 34f.
146
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
maximieren Leistung
angemessen
Wert
Zeit
maximieren
minimieren
Abbildung 29: Zielsystem für die pharmazeutische Produktentwicklung500
5.2.2 Ableitung relevanter Managementperspektiven Ein gezieltes Management der Produktentwicklung macht die Kenntnis der zu Grunde liegenden Abläufe und Zusammenhänge des Leistungserstellungsprozesses erforderlich. Allgemein beruht der Leistungsprozess eines produzierenden Unternehmens – und damit auch dessen Produktentwicklung als Bestandteil des Leistungsprozesses – auf dem interaktiven Zusammenspiel der eigenen Leistungspotentiale sowie der Lieferanten- und Kundenpotentiale. Die drei genannten Potentiale bilden zusammen das unternehmerische Ressourcenpotential.501 Das geordnete und gelenkte Zusammenspiel dieser Ressourcen mit den darauf ablaufenden Prozessen stellt nach SCHÄPPI die Voraussetzung für eine effiziente Entwicklung erfolgreicher Produkte dar.502 Um die neuen Produkte auch am Markt absetzen zu können ist – wie an früherer Stelle bereits erwähnt – zudem eine konsequente Ausrichtung der Produktentwicklung auf die Marktbedarfe unumgänglich.503 Neben den Studienergebnissen aus Abschnitt 3.2 belegt dies auch eine Studie von HOMBURG & PARTNER. Diese Studie kommt zu 500 501 502 503
Quelle: Becker, W./Fischer, S./Ostbomk, P. (2006), S. 9. Vgl. Becker, W. (2000), S. 9. Vgl. Schäppi, B. (2005a), S. 26. Vgl. dazu die Ausführungen in den Abschnitten 2.2 und 4.2.3.
5.2 Konzeption eines umfassenden Managementprozesses
147
dem Ergebnis, dass forschende Arzneimittelhersteller einen Wechsel von produkt- zu patientenorientierter Strategie in der Produktentwicklung anstreben müssen, um auch zukünftig erfolgreich am Markt bestehen zu können.504 Wie in den Abschnitten 2.2.2 und 4.2.3 bereits erwähnt, wäre z.B. das Einbinden von Patienten in die Projektteams bzw. das regelmäßige Erfragen und Einbinden von Patientenanforderungen in den Prozess der Produktentwicklung sinnvoll. Entsprechend den vorangegangenen Ausführungen vollzieht sich Wertschöpfung also über die Ressourcen-, Prozess- und Marktperspektive wirtschaftlichen Handelns und führt zu Konsequenzen in der Wertebene von Unternehmen.505 Um bereits in der Produktentwicklung alle relevanten Faktoren zur Realisierung technisch und wirtschaftlich erfolgreicher Entwicklungsvorhaben berücksichtigen zu können, erscheint eine weitere Unterteilung der Leistungsebene in die Perspektiven Ressourcen, Prozesse und Markt angeraten.506 Diese mehrperspektivische Sicht der Produktentwicklung ist mit der Denkweise einer integrierten Produktentwicklung verträglich, gemäß derer neben den zu entwickelnden Produkten auch die dazu erforderlichen Ressourcen und Prozesse effektiv und effizient auf den Markt bzw. die Kundenbedarfe am Markt ausgerichtet werden müssen.507 Der so entstehende mehrperspektivische Managementprozess der Produktentwicklung setzt auf den Phasen des zu Grunde liegenden, mehrdimensional gestalteten Ausführungsprozesses auf und wird durch Entscheidungspunkte strukturiert. Nach Beendigung jeder (Teil-)Phase erfolgt an den jeweiligen Entscheidungspunkten idealerweise die Freigabe zur nächsten (Teil-)Phase.508 Unter zusätzlicher Berücksichtigung der jeweiligen Risikosituation509 kann dadurch abschnittsweise entschieden werden, ob die nächste Phase bereits begonnen oder die erfolgreiche Beendigung der aktuellen Phase 504 505
506
507 508 509
Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S 79. Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 2.1.1. Die hier genannten Perspektiven entsprechen den Perspektiven einer Balanced Scorecard wie sie von KAPLAN/NORTON vorgeschlagen wurde. Vgl. zur Balanced Scorecard und deren Perspektiven Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1997), S. 23ff. Der Vorschlag einer weitergehenden Unterteilung der Leistungsebene in unterschiedliche Perspektiven findet sich bei BECKER/BOGENDÖRFER/DANIEL. Die Autoren unterscheiden dabei zwischen einer Kunden-, Objekt- und Ressourcenperspektive. Die Kundenperspektive entspricht in der vorliegenden Arbeit der Marktperspektive und die Objektperspektive entspricht der Prozessperspektive. Vgl. Becker, W./Bogendörfer, M./Daniel, K. (2006), S. 143. Vgl. zum Grundgedanken einer integrierten Produktentwicklung Schäppi, B. (2005a), S. 5f. Vgl. Becker, W./Fischer, S./Ostbomk, P. (2006), S. 11. Vgl. dazu die Ausführungen in den Abschnitten 5.4.4 und 5.5.
148
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
abgewartet wird. Neben den drei im Grundkonzept von BECKER/BOGENDÖRFER/DANIEL und BECKER/FISCHER/OSTBOMK vorgesehenen Entscheidungspunkten510 werden im Rahmen des vorliegenden Managementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung weitere ereignisabhängige Entscheidungspunkte im Rahmen der Projektrealisierung eingeführt.511 Die abweichende Vorgehensweise im Rahmen der vorliegenden Arbeit begründet sich aus der Länge des Ausführungsprozesses. Ein weiterer Grund ist auch in den regulatorischen Anforderungen zu suchen, die maßgeblich sind für die Entscheidung über einen Eintritt in die nachgelagerte Phase. So weisen z.B. GASSMANN/REEPMEYER/v. ZEDTWITZ darauf hin, dass die erforderlichen Reviews und Milestones in der Produktentwicklung nicht nur der Überprüfung und Bestätigung der Qualität des Arzneimittelkandidaten, sondern auch zur Dokumentation der Einhaltung der Richtlinien zur guten Laborpraxis (GLP) erforderlich sind.512 Abbildung 30 zeigt die Architektur eines pharmaspezifischen Managementprozesses.
510
511
512
Die Autoren sprechen in ihrem Beitrag von Gates, denen jedoch die Bedeutung von Entscheidungspunkten zukommt. Im Grundkonzept gibt es drei Gates: Freigabe der Projektrealisierung, Review der Projektrealisierung, Review des Projektes. Vgl. Becker, W./Fischer, S./Ostbomk, P. (2006), S. 10. Vgl. Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004), S. 79.
5.2 Konzeption eines umfassenden Managementprozesses
Zeit (Phasen des Ausführungsprozesses)
149
Leistungsebene Wertebene Marktperspektive
Prozessperspektive
Ressourcenperspektive
Phase 1 Initialisierung
Schnittstelle: Entdeckung Teilphase Reichweite festlegen Teilphase Rahmen abstecken Entscheidung: Freigabe der Projektrealisierung Teilphase Voraussetzungen Phase 1
Phase 2 Realisierung
Entscheidung: Freigabe Klinische Phase 1 Teilphase Voraussetzungen Phase 2 Entscheidung: Freigabe Klinische Phase 2 Teilphase Voraussetzungen Phase 3 Entscheidung: Freigabe Klinische Phase 3 Teilphase Phase 3
Phase 3 Evaluation
Entscheidung: Beantragung der Zulassung Teilphase Markteinführung Teilphase Projektdokumentation & – abschluss Projektreview
Abbildung 30: Architektur eines umfassenden Managementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung513
513
In Anlehnung an Scio (2005).
150
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Wie aus der Abbildung ersichtlich, werden über sämtliche Phasen des Ausführungsprozesses alle relevanten Ebenen und Perspektiven der pharmazeutischen Produktentwicklung berücksichtigt. Dies trägt dazu bei, dass die Produktentwicklung effektiv verläuft. Die Effektivität ist insbesondere darin zu sehen, dass zur Fundierung von Entscheidungen weder technische noch wirtschaftliche Aspekte vernachlässigt und die regelmäßige Orientierung am Markt sichergestellt wird. Die skizzierten Ebenen und Perspektiven bieten weiterhin einen Ausgangspunkt zur Identifikation und Überwachung von relevanten Risikokategorien der Produktentwicklung. Nachdem in diesem Abschnitt relevante Managementebenen und -perspektiven abgeleitet und die Architektur eines umfassenden Managementprozesses konzipiert wurde, beschäftigen sich die nachfolgenden Ausführungen mit den einzelnen Aufgaben des Managements, die zur effektiven und effizienten Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung erforderlich sind. In 5.3 wird die Planung pharmazeutischer Entwicklungsvorhaben entlang der skizzierten Ebenen und Perspektiven aufgezeigt. Sie stellt den Ausgangspunkt für eine situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung dar, die Gegenstand des späteren Abschnitts 5.4 ist. 5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung Im Rahmen der Planung gilt es, die wirtschaftlichen und technischen Erfolgsaussichten alternativer Arzneimittelkandidaten zu beurteilen und eine Entscheidung über deren Realisierung bzw. Entwicklung zu treffen. Da im Rahmen der Entwicklung über einen langen Zeitraum erhebliche Ressourcen gebunden werden, wird die Entscheidung, ob ein Arzneimittelkandidat bis zur Marktreife entwickelt werden soll, nachfolgend als Investitionsentscheidung interpretiert.514 Als Ausgangspunkt zur Fundierung einer Investitionsentscheidung empfiehlt sich die Ermittlung eines Target Product Profiles (TPP) bzw. Zielproduktprofils (ZPP).515
514
515
Zu den der Investitionsentscheidung vorgelagerten Phasen der Investitionsplanung vgl. Bosse, C. (2000), S. 28ff. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 4; Kutzbach, C. (1998), S. 53 und Völker, R. (2001), S. 238.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
151
5.3.1 Target Product Profile als strategisches Tool zur Ableitung von Investitionsentscheidungen Unter einem Target Product Profile (TPP) wird die Spezifizierung des Arzneimittelkandidaten bzw. späteren Produktes hinsichtlich bestimmter Merkmale wie z.B. Wirkung, Nebenwirkung, Dosierung, Marktprofil sowie hinsichtlich Herstellkosten und erwartetem Zeitpunkt der Markteinführung verstanden.516 Wie nachfolgend kurz dargestellt werden soll, korrespondieren diese genannten Merkmale jeweils mit bestimmten Ebenen und Perspektiven des zuvor beschriebenen Managementprozesses. So lassen sich z.B. Fragen der Dosierung, Wirkung und möglicher Nebenwirkungen der Prozessperspektive zuordnen, da diese Merkmale als Ergebnis unterschiedlicher pharmakologischer und toxikologischer Studien gesehen werden können.517 Die Beschreibung des Marktprofils und damit der Ausgangspunkt für die Abschätzung zukünftiger Erlöse wäre hingegen der Marktperspektive zuzuordnen. Die Herstellkosten ergeben sich aus der gemeinsamen Betrachtung von Ressourcen und darauf ablaufenden Prozessen, die im Rahmen der späteren Produktion erforderlich werden. Der erwartete Zeitpunkt der Markteinführung lässt sich sowohl in der Prozessperspektive als ggf. auch in der Marktperspektive verankern. Die Zuordnung zur Prozessperspektive ist unmittelbar einsichtig, hängt doch der Zeitpunkt der Markteinführung maßgeblich von der Dauer des Produktentwicklungsprozesses ab. Jedoch ist zusätzlich auch eine Einordnung in die Marktperspektive denkbar, sofern die Zulassung des Arzneimittelkandidaten von Aktivitäten der Konkurrenz abhängt bzw. diese einen möglichen Markteintritt beeinflussen können. Die Beschreibung eines Arzneimittelkandidaten anhand des TPP mündet typischerweise in einen Entwicklungsplan518, auf dessen Basis die Kostenplanung der 516 517
518
Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 4. In den Phasen der klinischen Prüfung wäre zudem eine Zuordnung zur Marktperspektive denkbar, da insbesondere in den Phasen 2 und 3 Tests an Patienten und damit ggf. an späteren Käufern durchgeführt werden. Allgemein dienen Pläne der Festlegung und Konkretisierung von Maßnahmen, Aufgabenträgern, Ressourcen und Terminen sowie geplanter Ergebnisse zur Erreichung bestimmter Ziele unter Angabe von Prämissen. Zum allgemeinen Planbegriff vgl. Wild, J. (1982), S. 14 und Becker, W. (2001a), S. 54. Im Kontext der Produktentwicklung kann als Ziel, das durch die Planumsetzung erreicht werden soll, die Entwicklung eines neuen Arzneimittels gesehen werden. Vgl. zum Zielbegriff in der pharmazeutischen Produktentwicklung Kutzbach, C. (1998), S. 53.
152
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Produktentwicklung erfolgt.519 Unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Umsatzerwartungen kann daraus eine erste grobe Beurteilung des Entwicklungsvorhabens aus erfolgswirtschaftlicher Sicht vorgenommen werden, die sich auf der Wertebene des skizzierten Managementprozesses abbilden lässt.520 Eine solche Beurteilung berücksichtigt jedoch weder Zahlungskonsequenzen noch Zahlungszeitpunkte, ist damit rechnerisch rein statisch. Damit ist sie nicht geeignet zur Fundierung einer Investitionsentscheidung, sondern gibt lediglich einen ersten vagen Anhaltspunkt zur Einschätzung der zukünftigen Erfolgsaussichten eines Arzneimittelkandidaten. Um das TPP bestmöglich für eine spätere Investitionsbeurteilung nutzen zu können, sollte dieses realistisch, exakt und umfassend sein sowie um szenarische Betrachtungen ergänzt werden. Die genannten Anforderungen werden nachfolgend erläutert. Anforderungen an die Erstellung eines TPP Um eine möglichst fundierte Beurteilung des Entwicklungsvorhabens vornehmen zu können, betont KENNEDY die Bedeutung einer realistischen i.S.v. objektiven Darstellung des TPP521 und warnt vor allzu euphorischen Einschätzungen von Seiten des Projektteams.522 Diese Problematik ist nicht zu unterschätzen, da in der Praxis vielfach eine starke emotionale Bindung der Projektmitglieder an „ihr“ Entwicklungsvorhaben anzutreffen ist.523 Neben einer realistischen Einschätzung des TPP weist KUTZBACH auf die Notwendigkeit einer möglichst exakten und umfassenden Ermittlung der beschreibenden Merkmale eines Arzneimittelkandidaten wie z.B. Wirkungen und Nebenwirkungen hin. Er begründet dies damit, dass diese Erkenntnisse als Design Parameter zur Konzeption der späteren Studien dienen.524 In der vorliegenden Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass sich die Forderung einer umfassenden Beschreibung nicht nur auf die von KUTZBACH angesprochenen medizinischen Parameter beschränken darf. Vielmehr sollte möglichst frühzeitig eine erste wertmäßige Beurteilung des Ent519 520 521
522 523 524
Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 4. Vgl. Völker, R. (2001), S. 238. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Daten verlässlich ermittelt werden. SHARPE/KEELIN stellen fest, dass speziell bei komplexen pharmazeutischen Projekten die intersubjektiv nachvollziehbare Datenermittlung entscheidend für die Transparenz im Prozess und allgemeine Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen ist. Vgl. Sharpe, P./Keelin, T. (1998b), S. 46. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 5. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 20 sowie Expertengespräch. Vgl. Kutzbach, C. (1998), S. 55.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
153
wicklungsvorhabens vorgenommen werden.525 Wie in Abschnitt 4.2.3.2 bereits ausgeführt, trägt dieses Vorgehen, das sich von der gängigen Praxis unterscheidet, dazu bei, dass von Beginn an alle Bewertungskriterien in der Investitionsentscheidung berücksichtigt werden und damit eine durchgängige Wertorientierung in der Produktentwicklung unterstützt wird.526 Wie bereits in Abschnitt 2.1.2 dargestellt, unterliegt der Arzneimittelkandidat im Verlauf der Produktentwicklung vielfältigen Einflüssen, die eine veränderte Einschätzung des TPP erforderlich machen können. Die Änderung bewertungsrelevanter Faktoren kann dabei Folge interner und externer Einflüsse sein. Als interne Einflüsse, d.h. Einflüsse, die sich aus der eigenen Produktentwicklung heraus ergeben, sind z.B. neue Studienerkenntnisse mit Konsequenz für die medizinischen Parameter Wirkung, Nebenwirkung und Dosierung zu nennen. Mögliche externe Einflüsse können sich beispielsweise aus Aktivitäten der Konkurrenz ergeben, die Auswirkungen auf das Erfolgspotential des eigenen Arzneimittelkandidaten haben.527 Die aus den genannten Einflüssen resultierende Unsicherheit528 für das spätere Bewertungskalkül kann gemindert werden, indem die Investitionsentscheidung nicht nur auf Basis eines punktuell ermittelten TPP getroffen wird. Stattdessen empfiehlt sich die Erweiterung des TPP um ein optimistisches und pessimistisches Szenario, um für die anschließende Investitionsbeurteilung eine Bandbreite möglicher Projektbewertungen zu erzeugen. KENNEDY verweist dabei zu Recht vor allem auf die Notwendigkeit der Ermittlung eines pessimistischen Szenarios durch Definition eines Minimum TPP, in dem die Mindesterwartungen an das Entwicklungsvorhaben formuliert werden können.529
525
526
527 528
529
Auch in der Literatur ist der Hinweis anzutreffen, es sei besser, eine Wirtschaftlichkeitsbeurteilung in frühen Phasen zu vermeiden. Vgl. dazu z.B. Allport, S. (1998), S. 32. Natürlich fällt eine exakte erfolgs- und finanzwirtschaftliche Beurteilung in frühen Phasen infolge begrenzter Quantifizierbarkeit von Kosten und Erlösen sowie von Cash Flows und Zahlungszeitpunkten schwer. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, bietet sich z.B. der Einsatz von Scoring-Modellen an. Vgl. dazu die Ausführungen im nachfolgenden Abschnitt 5.3.2. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 4. Vgl. zur Unsicherheit von Entscheidungen im Rahmen von Neuproduktentwicklungen Röhrle, C. (1997), S. 80f. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 4.
154
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
5.3.2 Investitionsbeurteilung und -entscheidung auf Basis des Target Product Profile Die Beschreibung des Arzneimittelkandidaten in Form des TPP stellt den Ausgangspunkt für die Investitionsbeurteilung und anschließende -entscheidung dar. Anhand des Target Product Profile wird der Arzneimittelkandidat auf seinen Beitrag zur Erreichung der gesetzten Unternehmensziele untersucht. Die Investitionsentscheidung umfasst zwei Problemkreise. Zum einen existiert ein Wahlproblem, da aus allen möglichen Handlungsalternativen diejenige ausgewählt werden soll, die den vergleichsweise höchsten Zielerreichungsgrad aufweist. Zum anderen existiert ein Vorteilhaftigkeitsproblem, da zu beurteilen ist, ob die vergleichsweise beste Handlungsalternative auch tatsächlich vorteilhaft i.S.v. wertschaffend ist.530 Die Lösung des Vorteilhaftigkeitsproblems erfordert zunächst die Kenntnis des anzustrebenden Sollzustandes, mithin die Kenntnis der gesetzten Unternehmensziele.531 Unternehmensziele lassen sich typischerweise in die Kategorien Formal-, Leistungs- und Sozialziele unterteilen. Formalziele können monetär in Form von Gewinn-, Rentabilitäts- und Liquiditätszielen ausgedrückt werden und lassen sich auf der Wertebene des Managementprozesses abbilden. Unter Leistungszielen sind hingegen diejenigen Ziele zu verstehen, die sich auf die skizzierten Managementperspektiven Ressourcen, Prozesse und Markt beziehen und auf der Leistungsebene abgebildet werden können.532 Sozialziele beziehen sich auf Eigenschaften und Beziehungen von Individuen oder Gruppen in Unternehmen und beinhalten psychosoziale Aspekte.533 Ihre weitere Zuordnung zu den genannten Managementebenen und perspektiven soll hier jedoch nicht näher untersucht werden. Durch das gemeinsame Anstreben der genannten Ziele sollte i.S.e. Zielsystems die langfristige Existenz als abstraktes Oberziel jedes Unternehmens gesichert werden.534 Die Verbindung der einzel-
530 531
532
533 534
Vgl. zum Wahl- und Vorteilhaftigkeitsproblem Reichmann, T. (2001), S. 298f. Vgl. zum Verständnis von Zielen als angestrebte zukünftige Zustände z.B. Becker, W. (2001a), S. 73. Ähnliche Kategorisierungen finden sich z.B. bei Becker, W. (2001a), S. 73; Gladen, W. (2001), S. 24ff.; Hahn, D./Hungenberg, H. (2001), S. 11 und 17ff.; Heinen, E. (1991), S. 13; Kirsch, W. (1975), S. 86; Krüger, W. (1980), S. 8 und 11ff.; Kupsch, P. (1979), S. 23; Wall, F. (1999), S. 124ff. und Wild, J. (1974), S. 52. Zum Begriff der Sozialziele vgl. z.B. Hahn, D. (1995), S. 233. Vgl. zur langfristigen Existenzsicherung als abstraktes Oberziel von Unternehmen Becker, W. (1996), 32f.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
155
nen Teilziele zu einem hierarchischen Zielsystem535 setzt eine Analyse der Zielbeziehungen voraus, um Zielkomplementarität536 herstellen und Zielkonkurrenz537 vermeiden zu können. Zur methodischen Unterstützung der Wahl- und Vorteilhaftigkeitsentscheidung, mithin der Investitionsentscheidung, können eine Vielzahl an Verfahren der Alternativenbeurteilung eingesetzt werden. Nach der Art der zur Bewertung herangezogenen Zielgrößen lassen sich diese in quantitative und qualitative Verfahren unterteilen.538 Einen Überblick über gängige Verfahren der Alternativenbeurteilung gibt Abbildung 31.
Verfahren der Alternativenbeurteilung
Quantitative Verfahren Statische Methoden -
Qualitative Verfahren
Dynamische Methoden
-
Gewinnvergleichsrechnung
-
Kapitalwertmethode
-
Argumentenkatalog
-
Annuitätenmethode
-
Argumentenbilanz
Kostenvergleichsrechnung
-
Methode der internen Zinsfüße
-
Punktwertverfahren
-
…
Rentabilitätsvergleichsrechnung
-
Statische Amortisationsrechnung ... -
Checklisten
Endwertmethode Entnahmemethode Sollzinssatzmethode Realoptionenansatz ...
Abbildung 31: Verfahren der Alternativenbeurteilung
535
536
537
538
Ein hierarchisches Zielsystem zeichnet sich dadurch aus, dass die Ober- und Unterziele in einer Mittel-Zweck-Beziehung stehen. Vgl. Wall, F. (1999), S. 152. Vgl. zum Verständnis von Zielsystemen als geordnete Zielbündel auch Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 210ff. Im Fall der Zielkomplementarität stehen die Teilziele in einem Ziel-Mittel-Verhältnis, d.h. ein höheres Realisationsergebnis bei dem einen Ziel führt gleichzeitig zu einem besseren Ergebnis des anderen Ziels. Vgl. Wall, F. (1999), S. 127. Im Fall der Zielkonkurrenz führt ein besserer Zielerreichungsgrad hinsichtlich des einen Ziels zu einem negativen Beitrag zur Erreichung des anderen Ziels. Vgl. Wall, F. (1999), S. 127. Vgl. Wall, F. (1999), S. 168. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass weitere Systematisierungen in der Literatur existieren, die sich an der Kenntnis der Bewertungsziele und Verfügbarkeit an Informationen orientieren. Für eine Übersicht vgl. z.B. Brockhoff, K. (1999), S. 327ff.; Kunz, C. (2005), S. 124ff. und Lange, C. (1992), S. 17ff.
156
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Quantitative Verfahren ermöglichen Aussagen über die Vorteilhaftigkeit von Alternativen im Hinblick auf monetäre Zielgrößen. Sie können mithin zur Beurteilung der Formalzielerreichung eingesetzt werden. Quantitative Verfahren lassen sich weiter unterteilen in statische und dynamische Verfahren.539 Dynamische Verfahren wie z.B. die gängigen Verfahren der Investitionsrechnung berücksichtigen den zeitlichen Anfall von Zahlungen, während statische Verfahren einperiodisch angelegt sind. Statische Methoden der Alternativenbeurteilung sind im Fall strategischer Projekte wie pharmazeutischen Produktentwicklungsprojekten abzulehnen, da sie den zeitlichen Anfall von Zahlungen nicht berücksichtigen. Zudem weisen sie Nachteile auf, wenn Interdependenzen zu anderen Projekten oder Unternehmensbereichen bestehen.540 Qualitative Verfahren erlauben zusätzliche Aussagen über den Grad der Erreichung von qualitativen Zielgrößen wie z.B. Leistungs- und Sozialzielen. Punktwert- bzw. Scoring-Verfahren berücksichtigen darüber hinaus mehrere Zielgrößen, wobei der Zielerreichungsgrad der Handlungsalternativen mit Hilfe einer dimensionslosen Kennzahl ausgedrückt wird.541 Verfahren der qualitativen Alternativenbeurteilung werden in der Literatur auch als Verfahren der Grobanalyse bezeichnet, da sie bereits in frühen Phasen der Projektbewertung, in denen eine Einschätzung monetärer Größen meist nur begrenzt möglich ist, eingesetzt werden können.542 Auf eine ausführliche Beschreibung sämtlicher Verfahren der quantitativen und qualitativen Alternativenbeurteilung soll an dieser Stelle verzichtet werden, da diese bereits hinreichend in der Standardliteratur abgehandelt worden sind.543 Hinzu kommt, dass Fragen einer optimalen Methodenwahl zur Beurteilung von Handlungsalternativen nicht das zentrale Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit darstellen.
539
540 541
542 543
Einen Überblick über statische und dynamische Verfahren der Wirtschaftlichkeitsanalyse bzw. der Alternativenbeurteilung geben Fiedler, R. (2005), S. 33ff.; Hahn, D. (1996), S. 299ff.; Hammer, R. M. (1998), S. 79ff.; Reichmann, T. (2001), S. 298ff.; Reichwald, R./Höfer, C./Weichselbäumer, J. (1996), S. 72ff.; Schmidt, G. (1983), S. 281ff. und Schmidt, R. H. (1990), S. 54ff. Vgl. Kunz, C. (2005), S. 125. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 177; Becker, W./Weber, J. (1982), S. 345ff.; Stephan, P. (2002), S. 143ff. und kritisch Weber, M./Krahnen, J./Weber, A. (1995), S. 1621ff. Vgl. zu Scoring-Modellen und ihrer ursprünglichen Konzeption für Projektauswahlprobleme im F&E-Bereich Strebel, H. (1975), S. 35 und Röhrle, C. (1997), S. 82. Vgl. Horsch, J. (2003), S. 148ff.; Röhrle, C. (1997), S. 92ff. und Schäppi, B. (2005b), S. 278f. Vgl. nochmals FN 539.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
157
5.3.2.1 Objektivitätsanforderungen im Rahmen der Alternativenbeurteilung Unabhängig von der Verfahrenswahl sind folgende vier Objektivitätsanforderungen zu berücksichtigen, um eine fundierte Beurteilung der Handlungs- bzw. Investitionsalternativen gewährleisten zu können.544 Zunächst müssen die Beurteilungsgrundlagen ex ante bekannt sein. Im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung bedeutet dies, dass alle Teammitglieder sowie die beteiligten Fachfunktionen über die Beurteilungsgrundlagen informiert sein müssen, um entscheidungsrelevante Informationen generieren zu können. Dabei kann es sinnvoll sein, diejenigen Kriterien, die zur Beurteilung herangezogen werden, schon an die vorgelagerte Forschung zu kommunizieren, um dadurch eine fokussiertere Wirkstoffwahl zu unterstützen.545 Des Weiteren ist – gerade im Hinblick auf das weiter vorne angesprochene Wahlproblem546 – im Rahmen der Investitionsbeurteilung zu fordern, dass mögliche Investitionsalternativen mit einheitlichen Kriterien beurteilt werden, um eine Vergleichbarkeit zwischen den Alternativen herstellen zu können.547 Wie in Abschnitt 3.1.3.3.1 bereits ausgeführt, kann es dabei sinnvoll sein, die zur Auswahl stehenden Vorhaben in Gruppen (z.B. Neuentwicklung vs. Weiterentwicklung) einzuteilen und nur die Vorhaben innerhalb einer Gruppe miteinander zu vergleichen, da unterschiedliche Gruppen nicht zwangsläufig in Konkurrenz zueinander stehen müssen.548 Drittens ist sicher zu stellen, dass die Beurteilungskriterien vollständig sind, d.h., dass nicht nachträglich neue Kriterien in das Bewertungskalkül aufgenommen werden. Diese Forderung unterstreicht nochmals die Notwendigkeit einer frühzeitigen – wenn unter Umständen auch vagen – Abschätzung der wertmäßigen Konsequenzen unterschiedlicher Handlungsalternativen, wie sie in Abschnitt 4.2.3.2 formuliert wurde. Abschließend muss gewährleistet sein, dass die Beurteilungsgrundlage widerspruchsfrei ist. Dies bedeutet, dass Zielkonkurrenz zwischen Teilzielen vermieden wird und
544
545 546 547 548
Vgl. zu den nachfolgend genannten Objektivitätsanforderungen Wild, J. (1982), S. 110f. und Becker, W. (2001a), S. 96. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 3. Vgl. zum Wahlproblem nochmals Reichmann, T. (2001), S. 298. Vgl. Sharpe, P./Keelin, T. (1998b), S. 52. Vgl. Allport, S. (1998), S. 43.
158
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Zielkomplementarität mit den jeweiligen Oberzielen herzustellen ist.549 Im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung sind hier vor allem mögliche Wechselwirkungen zwischen Leistungs-, Zeit- und Wertaspekten zu berücksichtigen. Die Wechselwirkungen kommen darin zum Ausdruck, dass sich zwei Parameter unabhängig voneinander ansteuern lassen, der jeweils verbleibende dritte Parameter dann jedoch eine abhängige Variable darstellt.550 So kann beispielsweise der Beweis der Qualität eines Arzneimittelkandidaten, d.h. hohe Wirkung bei akzeptablen Nebenwirkungen, durch zusätzliche Studien untermauert werden (Leistung als erste unabhängige Variable).551 Eine hohe Validität der Arzneimittelqualität erhöht in positiver Konsequenz die Wahrscheinlichkeit einer Zulassung des Arzneimittelkandidaten am Markt. Sollen die zusätzlichen Studien gleichzeitig im bislang geplanten Zeitrahmen stattfinden (Zeit als zweite unabhängige Variable), so wird dies nur unter Inkaufnahme zusätzlicher Kosten möglich sein (Wert als abhängige Variable). Gelingt es, die beschriebenen Objektivitätsanforderungen unter Berücksichtigung der pharmaspezifischen Besonderheiten zu erfüllen, so kann eine objektive Alternativenbeurteilung vorgenommen und eine fundierte Investitionsentscheidung getroffen werden. Dies wird nachfolgend am Beispiel der Kapitalwertmethode dargestellt. 5.3.2.2 Investitionsbeurteilung und -entscheidung am Beispiel der Kapitalwertmethode Stellvertretend für weitere Verfahren soll in diesem Abschnitt die Kapitalwertmethode – oder auch Net Present Value Methode genannt – als quantitatives dynamisches Verfahren vorgestellt werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der branchenspezifischen Umsetzung und weniger auf einer grundlegenden methodischen Darstellung, da diese bereits hinreichend in der Standardliteratur abgehandelt worden ist.552 Die Auswahl der Kapitalwertmethode gründet auf der hohen Bedeutung, die ihr in Theorie und Praxis beigemessen wird.553 Wegen ihrer Eignung zur Berücksichtigung 549
550 551 552
553
Zu den Begriffen der Zielkonkurrenz und Zielkomplementarität vgl. nochmals Wall, F. (1999), S. 127. Vgl. Schön, A. (2001), S. 35. Vgl. Kutzbach, C. (1998), S. 52. Zur grundlegenden Darstellung der Kapitalwertmethode vgl. stellvertretend für weitere z.B. Albrecht, P./Maurer, R. (2002), S. 53; Rösgen, K. (2000), S. 191ff. und Schierenbeck, H. (2003), S. 353ff. Vgl. zu empirischen Nachweisen der praktischen Bedeutung z.B. Blohm, H./Lüder, K. (1995), S. 52ff. und Thommen, J.-P./Achleitner, A.-C. (2001), S. 607.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
159
von zeitlichen Zahlungswirkungen und Risiken weist sie auch für pharmazeutische Produktentwicklungsprojekte hohe Eignung auf.554 Hinzu kommt, dass die Kapitalwertmethode im Einklang mit einer wertorientierten Sichtweise steht, wie sie auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit vertreten wird.555 Im Rahmen der Kapitalwertmethode werden alle mit einer Entscheidungsalternative verbundenen Ein- und Auszahlungen auf den Kalkulationszeitpunkt, d.h. auf den Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Investition, abgezinst. Die Differenz zwischen dem Barwert aller Einzahlungen inklusive eines ggf. anfallenden Liquidationserlöses und dem Barwert aller Auszahlungen wird dabei als Kapitalwert einer Investition bezeichnet (vgl. Abbildung 32).556 Die Vorteilhaftigkeitsentscheidung kann anhand der Höhe des Kapitalwerts getroffen werden. Ist dieser positiv, so ist eine Handlungsalternative vorteilhaft. Im Fall mehrerer vorteilhafter Handlungsalternativen wird die Wahlentscheidung zugunsten derjenigen getroffen, die den höchsten Kapitalwert, mithin den größten Wertbeitrag für das Unternehmen, aufweist.557
n
KW
a0
¦ (e
t
a t )(1 i ) t
t 1
KW = Kapitalwert bzw. Net Present Value a0 = Anschaffungsauszahlung der Investition et
= Einzahlungen am Ende der Periode t
at
= Auszahlungen am Ende der Periode t
i
= Kalkulationszinsfuß
t
= Periode (t = 1, ..., n)
n
= Nutzungsdauer des Investitionsobjektes
Abbildung 32: Ermittlung des Kapitalwertes
554
555
556 557
Vgl. speziell zur Bedeutung des Kapitalwerts im Kontext pharmazeutischer Produktentwicklungsprojekte Lechner, F./Völker, R. (1999), S. 137 und Baumfalk, U. (2002), S. 9. Durch den Kapitalwert lässt sich die Zielsetzung der Unternehmenswertsteigerung und -erhaltung zur langfristigen Existenzsicherung des Unternehmens systematisch auf einzelne Projekte herunterbrechen. Vgl. Völker, R. (1999), S. 201. Vgl. auch zum Kapitalwertansatz zur Bestimmung des finanziellen Wertes einer Strategie Dierkes, S. et. al. (2004), S. 39. Vgl. Becker, W. (2001a), S. 167 und Reichmann, T. (2001), S. 310. Vgl. Reichmann, T. (2001), S. 310.
160
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Wenn auch die Kapitalwertmethode als sinnvoller Ansatz einer quantitativen Projektbewertung gesehen werden kann, so bereitet die Ermittlung des Kapitalwerts im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung gewisse Probleme. Grund hierfür ist vor allem die schlechte Datenqualität infolge unsicherer Erwartungen und extern bestimmter Einflüsse.558 Unsichere Erwartungen liegen vor, da die prognostizierten Zahlungsströme im Fall pharmazeutischer Produktentwicklungsprojekte weit in die Zukunft reichen, mit zunehmendem Prognosehorizont jedoch die Prognosesicherheit abnimmt.559 Neben der Unsicherheit über die Höhe der prognostizierten Zahlungsströme besteht des weiteren Unsicherheit, ob ein Entwicklungsvorhaben überhaupt realisiert, d.h. erfolgreich bis zur Zulassung gebracht werden kann. Diese Realisationsunsicherheit – bzw. das Realisationsrisiko im Fall angebbarer Wahrscheinlichkeiten – kann Folge interner und externer Einflüsse sein, die oft erst im Verlauf der Produktentwicklungsphasen auftreten.560 Die Realisationsunsicherheit und die unsicheren Erwartungen über die Höhe der Zahlungsströme lassen sich durch einige methodische Erweiterungen561 der Kapitalwertmethode berücksichtigen, die nachfolgend aufgezeigt werden sollen. Berücksichtigung von Realisationsrisiken Wie beschrieben ist die Realisierung von Entwicklungsvorhaben durch Risiken gekennzeichnet, die in jeder Phase eine erneute Entscheidung über den Eintritt in die nachgelagerte Entwicklungsphase erforderlich machen.562 Die Gesamtentscheidung über komplexe Vorhaben wie die Entwicklung eines Arzneimittelkandidaten kann daher als Folge von Einzelentscheidungen interpretiert werden, die jeweils notwendig werden, wenn zu bestimmten Zeitpunkten (Zufalls-)Ereignisse563 eingetreten sind.564 Im Rahmen der dynamischen Kapitalwertmethode wird diesem Umstand Rechnung getragen, indem alle möglichen unternehmerischen Entscheidungen über die Fortfüh558 559
560 561 562 563
564
Vgl. Kunz, C. (2005), S. 127f. Zum Begriff der Prognose vgl. Hansmann, K.-W. (1993), S. 3546ff. Zum Zusammenhang zwischen Prognosesicherheit und Prognosehorizont vgl. Wild, J. (1982), S. 94f. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 4. Vgl. Schärer, M./Botteron, P. (2001), S. 1121. Vgl. Völker, R. (2001), S. 240. Da die genannten internen und externen Einflüsse zwar in allen Phasen auftreten können, der Zeitpunkt ihres Erscheinens ex ante aber nicht genau bestimmbar ist (Unsicherheit), erscheint es zulässig, an dieser Stelle von „Zufallsereignissen“ zu sprechen. Vgl. Röhrle, C. (1997), S. 127.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
161
rung bzw. den Abbruch eines Entwicklungsvorhabens mit ihren dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten in einem Entscheidungsbaum abgebildet werden.565 Neben weiteren Voraussetzungen566 erfordert dessen Einsatz eine Quantifizierbarkeit der relevanten Daten sowie die Kenntnis der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten.567 Eine Möglichkeit hierfür besteht in der Verwendung von statistischen Wahrscheinlichkeiten, d.h. bestimmte Phasenübertrittswahrscheinlichkeiten werden auf Basis von Erfahrungswerten in Abhängigkeit von der jeweiligen Indikation und dem Therapiegebiet festgelegt.568 Eine weitere Möglichkeit besteht in der individuellen Einschätzung von Phasenübertrittswahrscheinlichkeiten durch die jeweils beteiligten Fachfunktionen. Als besonders erfolgversprechend ist dieser Weg einzuschätzen, wenn eine Kopplung aus historischen Wahrscheinlichkeiten und teambasierter Einschätzung vorgenommen wird, da dadurch die erforderliche Sensibilität für das Erkennen von Fehlentwicklungen unterstützt wird. Dies könnte beispielsweise erreicht werden, indem den Fachfunktionen als Anhaltspunkte für ihre eigene Einschätzung historische Wahrscheinlichkeiten vorgegeben werden.569 Durch Multiplikation des Kapitalwerts mit der kumulierten Projektrealisierungswahrscheinlichkeit kann der gewichtete Kapitalwert ermittelt werden, der dem oben angesprochenen Realisationsrisiko bewertungstechnisch Rechnung trägt.570 Ergänzende Berücksichtigung von Bewertungsrisiken Neben der Unsicherheit, ob ein Entwicklungsvorhaben überhaupt bis zur Zulassung gelangt, wurden weiter oben unsichere Erwartungen bezüglich der Höhe prognostizierter Zahlungsströme identifiziert. Die daraus resultierende Bewertungsunsicherheit bezieht sich mithin nicht auf die Frage, „ob“ ein Entwicklungsvorhaben realisiert wird, sondern “wie hoch“ dessen Wertbeitrag tatsächlich sein wird. Diese Unsicherheit kann bewertungstechnisch abgebildet werden, indem durch szenarische Betrachtungen eine Bandbreite möglicher Projektbewertungen erzeugt wird. Sofern Wahrscheinlichkeiten 565
566
567 568 569 570
Vgl. Schärer, M./Botteron, P. (2001), S. 1122 sowie speziell für die pharmazeutische Produktentwicklung Sharpe, P./Keelin, T. (1998b), S. 52. Diese sind das Vorliegen einer diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilung, einer entscheidungsabhängigen Ergebnisverteilung und gleichartiger Entscheidungen. Vgl. dazu Perridon, L./Steiner, M. (1999), S. 132 mit Verweis auf Blohm, H./Lüder, K. (1995), S. 270ff. Vgl. Rogers, M. J./Anshuman, G./Maranas, C. (2002), S. 6608 und Röhrle, C. (1997), S. 129. Vgl. Baumfalk, U. (2002), S. 10 und Völker, R. (2001), S. 240. Vgl. Allport, S. (1998), S. 33. Vgl. Völker, R. (2001), S. 240.
162
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
angebbar sind, lassen sich diese ebenfalls in Form eines gewichteten Kapitalwerts berücksichtigen. Im Rahmen der szenarischen Betrachtung wird dabei der zuvor ermittelte Kapitalwert als realistisches Szenario interpretiert und sollte um ein Best und ein Worst Case Szenario ergänzt werden. Als Grundlage für das Worst Case Szenario empfiehlt sich das in Abschnitt 5.3.1 angesprochene Minimum TPP. 571 Dem Worst Case Szenario kommt insofern besondere Bedeutung zu, da sich auf dessen Basis Minimalanforderungen bzw. Abbruchkriterien für die bewertungsrelevanten Dimensionen ableiten lassen, die es im weiteren Verlauf des Entwicklungsvorhabens zu überwachen gilt.572 In der nachfolgenden Abbildung 33 wird am Beispiel des Pharmaunternehmens Novo Nordisk dargestellt, wie sich Realisations- und Bewertungsrisiken in Form eines gewichteten Kapitalwerts – hier als gewichteter Net Present Value bezeichnet – berücksichtigen lassen. Successful completion of preclinical development phase
Successful Completion of phase 1
Successful Demon stration
Successful completion of phase 3 and market authorisation
Successful launch and attainment of market position
of clinical proof of concept
Cumu -lative proba -bilitiy
NPV USD million
Ps1
NPVs1 S1
Ps2
NPVs2 S2
Ps3
NPVs3 S3
Ps4
NPVs4 S4
Ps5
NPVs5 S5
Ps6
NPVs6 S6
Base Case P4 High Price P3
Success
P5
Upside
P2
Down Side 1-P4-P5
Success Low Price
P1
1-P3 Failure 1-P2 1-P1
Phase 3 failure Phase 2b failure
Failure
Legende: Pi = Wahrscheinlichkeit für Ereignis i 1-Pi = Gegenwahrscheinlichkeit für Ereignis i Psi = kumulierte Eintrittswahrscheinlichkeit für Szenario i NPVsi = Net Present Value im Szenario i
Abbildung 33: Gewichteter Net Present Value zur Berücksichtigung von Realisations- und Bewertungsrisiken am Beispiel der Firma Novo Nordisk573
571
572 573
Vgl. hierzu nochmals die Ausführungen zum Minimum Target Product Profile bei KENNEDY. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 4. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 10. Quelle: Dalsgaard, M. T. (2003), S. 20.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
163
Für die einzelnen Ereignisse, die in der obersten Zeile abgebildet sind, werden anhand des Entscheidungsbaumes Wahrscheinlichkeiten zugeordnet. Für das Ereignis „successful demonstration of clinical proof of concept“ wird mit der Wahrscheinlichkeit P1 erwartet, dass das Entwicklungsvorhaben weiter realisiert werden kann, mit der Gegenwahrscheinlichkeit 1-P1 erfolgt ein Abbruch. Im Ereignis „successful completion of phase 3 and approved market authorisation“ werden zusätzlich zum Realisationsrisiko (P2 bzw. 1-P2) Wahrscheinlichkeiten über die Höhe der Bewertung (High Price mit Wahrscheinlichkeit P3 bzw. Low Price mit Wahrscheinlichkeit 1-P3) berücksichtigt. Die Berücksichtigung sämtlicher Realisations- und Bewertungsrisiken führt zu unterschiedlichen Bewertungsszenarien des Net Present Value (NPVs1NPVs6). Die mit den jeweils kumulierten Eintrittswahrscheinlichkeiten (Ps1-Ps6) gewichteten Bewertungsszenarien (NPVs1-NPVs6) ergeben in Summe den gewichteten Net Present Value bzw. den gewichteten Kapitalwert. 5.3.3 Weitere Aspekte der Investitionsentscheidung Die bislang aufgezeigten Erweiterungen des Kapitalwerts tragen dazu bei, Realisations- und Bewertungsrisiken im Rahmen der Vorteilhaftigkeitsentscheidung zu berücksichtigen. Zusätzlich dazu gilt es, die ermittelte Bewertungsrangfolge als Grundlage für die Wahlentscheidung auf ihre Stabilität hin zu überprüfen. Dies ist durch ergänzende Sensitivitätsanalysen574 möglich, die Veränderungen des Kapitalwerts bei Variation einzelner Variablen untersuchen und Konsequenzen für die ermittelte Rangfolge aufzeigen.575 Nachdem mit Hilfe der genannten Verfahren der Einzelprojektbewertung eine vorläufige Rangfolge der Investitionsalternativen ermittelt wurde, müssen in einem weiteren Schritt Interdependenzen zwischen einzelnen Investitionsalternativen und dem bestehenden Portfolio von Arzneimittelkandidaten analysiert werden.576 Dies sollte im Rahmen einer Interdependenzanalyse erfolgen, wobei diese sowohl inhaltlich-strategi-
574 575
576
Vgl. Schärer, M./Botteron, P. (2001), S. 1121. Kritisch ist anzumerken, dass die Methode versagt, sobald mehrere Werttreiber einen gemeinsamen Wirkungseinfluss auf den Kapitalwert bzw. Net Present Value haben. Vgl. Schärer, M./Botteron, P. (2001), S. 1121. Zu Sensitivitätsanalysen vgl. Loderer, C. et al. (2002), S. 509ff. und Röhrle, C. (1997), S. 122. Vgl. Kunz, C. (2005), S. 118.
164
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
sche Interdependenzen als auch Ressourceninterdependenzen berücksichtigen muss.577 Inhaltlich-strategische Interdependenzen liegen z.B. vor, wenn unterschiedliche Projekte auf gleiche Nutzergruppen ausgerichtet sind.578 Im Fall der pharmazeutischen Produktentwicklung kann dies gegeben sein, wenn ein Wirkstoff mit sich in unterschiedlichen Darreichungsformen wie z.B. Tablette versus Zäpfchen konkurriert. Ressourceninterdependenzen begründen sich über den rivalisierenden Zugriff unterschiedlicher Entwicklungsvorhaben auf limitierte Ressourcen der jeweiligen Fachabteilungen.579 Als Ergebnis der Investitionsbeurteilung und -entscheidung steht die Genehmigung des Entwicklungsplanes und die Aufnahme eines oder mehrerer580 Arzneimittelkandidaten in das Entwicklungsportfolio.581 Die Genehmigung des Entwicklungsplanes lässt sich in diesem Zusammenhang auch als Vertrag zwischen den „wirtschaftlichen“ und „technischen“ Interessenträgern des Unternehmens interpretieren, der auf Grundlage des TPP zustande gekommen ist (vgl. dazu Abbildung 34).
577
578 579 580
581
In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Interdependenzanalyse abgekoppelt und zeitlich nach der Einzelprojektbewertung stattfinden sollte. Einen guten Überblick über die diesbezüglichen Meinungen liefert Kunz, C. (2005), S. 118ff. Vgl. Lukesch, C. (2000), S. 45. Zum Begriff der Ressourceninterdependenzen vgl. Kunz, C. (2005), S. 122. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass es unter Umständen sinnvoll sein kann, zunächst mehrere Molekülstrukturen des gleichen Wirkstoffs i.S.e. Molecular Hedging parallel zu verfolgen. Vgl. Kennedy, T. (1998), S. 11f. Ausschlaggebend hierfür sind chemische Überlegungen, auf die jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. Vgl. Kutzbach, C. (1998), S. 55.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
165
Sollvorgaben für Investitionsbeurteilung & -entscheidung
Input
Wertebene: Ressourcen- & Kostenplanung, Umsatzerwartungen; Überführung in Zahlungen und Zahlungszeitpunkte
Output
Vertrag zwischen Produktentwicklung & “Commercial Organization”: x Investitionsentscheidung x Genehmigter Entwicklungsplan
Input
TPP Leistungsebene: Markt: z.B. Marktpotential, spezifische Zielgruppe, alternative Behandlungsformen, Konkurrenzsituation Prozesse: z.B. präklinische und klinische Aktivitäten Ressourcen: z.B. personelle und materielle Ressourcen für sämtliche präklinischen und klinischen Aktivitäten
Abbildung 34: Investitionsbeurteilung und -entscheidung
Der Vertragsinhalt wird dabei entlang der skizzierten Managementebenen und perspektiven abgebildet und umfasst auf der Leistungsebene die erforderlichen Ressourcen und Prozesse für die zu erbringende Leistung im vereinbarten Zeitrahmen sowie marktbezogene Abschätzungen. Auf der Wertebene werden die erwarteten erfolgs- und finanzwirtschaftlichen Konsequenzen des Entwicklungsvorhabens für das Unternehmen abgebildet. Auf Basis des jeweiligen Vertragsinhaltes lassen sich – wie in der nachfolgenden Abbildung 35 angedeutet – erste Steuervorgaben in Form von Zeit-, Leistungs- und Wertvorgaben für die Realisierung des Entwicklungsvorhabens festlegen. Zudem ist es möglich, bereits ein Mindestmaß an ereignis- und zeitabhängigen Kontrollpunkten für das Entwicklungsvorhaben abzuleiten. Die ereignisabhängigen Kontrollpunkte, die anhand des Ausführungsprozesses festgelegt werden, können dabei in Form eines Standards für alle Entwicklungsvorhaben in ähnlicher Weise
166
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Anwendung finden. Sie können z.B. standardmäßig nach Abschluss einer Teilphase festgelegt werden. Ebenfalls ist es möglich, regelmäßige zeitabhängige Kontrollen für alle Entwicklungsvorhaben festzulegen. Denkbar sind hier beispielsweise quartalsweise oder halbjährliche Kontrollen.
5.3 Planung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Zeit (Phasen des Ausführungsprozesses)
167
Leistungsebene Wertebene Marktperspektive
Prozessperspektive
Ressourcenperspektive
Schnittstelle: Entdeckung
Phase 1 Initialisierung
Teilphase Reichweite festlegen
Erstellung des Target Product Profiles (TPP) unter Berücksichtigung der Ressourcen-, Prozess- und Marktperspektive
Erste Kosten- und Erlösabschätzung auf Basis des TPP x Konkretere Kostenund Erlösabschätzung
Teilphase Rahmen abstecken
Erstellung des Entwicklungsplans unter Berücksichtigung der Ressourcen-, Prozess- und Marktperspektive
x Überführung der Kosten- und Erlösabschätzung in Zahlungen und Zahlungszeitpunkte x Investitionsbeurteilung
Entscheidung: Freigabe der Projektrealisierung (Genehmigter Entwicklungsplan)
Zeitvorgaben
Teilphase Vor. Ph. 1
Leistungsvorgaben
Steuervorgaben und Kontrollpunkte auf Basis des Entwicklungsplans
Wertvorgaben
Wirtschaftlichkeitsüberwachung
Phase 2 Realisierung
Entscheidung: Freigabe Klinische Phase 1 Teilphase Vor. Ph. 2
Steuervorgaben und Kontrollpunkte auf Basis des Entwicklungsplans
Wirtschaftlichkeitsüberwachung
Entscheidung: Freigabe Klinische Phase 2 Teilphase Vor. Ph. 3
Steuervorgaben und Kontrollpunkte auf Basis des Entwicklungsplans
Wirtschaftlichkeitsüberwachung
Entscheidung: Freigabe Klinische Phase 3 Teilphase Ph. 3
Steuervorgaben und Kontrollpunkte auf Basis des Entwicklungsplans
Wirtschaftlichkeitsüberwachung
Entscheidung: Beantragung der Zulassung
Abbildung 35: Ableitung von Steuervorgaben- und Kontrollpunkten aus der Planung für die Realisierung eines Entwicklungsvorhabens582
582
In Anlehnung an: Scio (2005).
168
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Ergänzend zu den planbasierten Steuervorgaben und Kontrollpunkten sollten darüber hinaus auch weitere Steuervorgaben und Kontrollpunkte für jedes Entwicklungsvorhaben bestimmt werden. Diese sind situativ in Abhängigkeit vom individuellen Entwicklungsverlauf festzulegen.583 Wie nachfolgend zu zeigen, ist zu deren Ermittlung die Anwendung eines den Realisierungsprozess begleitenden Risikofrüherkennungsund -managementsystems hilfreich. Dieses unterstützt zum einen die situationsgerechte Ergänzung von Managementvorgaben im Rahmen der laufenden Realisierung und liefert zum anderen Ansatzpunkte, um aus den Erfahrungen laufender Entwicklungsvorhaben für die Realisierung zukünftiger Entwicklungsvorhaben lernen zu können.
583
Vgl. ähnlich Kutzbach, C. (1998), S. 70f.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
169
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung Als Ergebnis des vorangegangenen Abschnitts steht die Entscheidung zur Realisierung eines oder mehrerer Arzneimittelkandidaten unter Berücksichtigung aller entscheidungsrelevanten Informationen. Die Steuerung und Kontrolle584 der Realisierung erfolgt auf Basis des genehmigten Entwicklungsplanes, der weiter vorne als Vertrag zwischen dem investitionsverantwortlichen Management und der Produktentwicklung bezeichnet wurde. Die festgelegten Vertragsinhalte gilt es im Folgenden auf ihre Einhaltung zu überwachen. In diesem Zusammenhang ist es von maßgeblicher Bedeutung, unerwartete585, vor allem aber unerwünschte Entwicklungen, die die geplante Realisierung eines Entwicklungsvorhabens beeinträchtigen können, möglichst frühzeitig zu identifizieren und situativ zu steuern. Wie bereits erwähnt, kann hier ein System zur Früherkennung von Risiken und zu deren Management nützlich sein. Durch dessen Ausgestaltung als adaptives System können zudem i.S.e. Evaluation wichtige Erkenntnisse für das Management zukünftiger Entwicklungsvorhaben gewonnen werden. Nach einer kurzen Darstellung unterschiedlicher Formen der Unsicherheit in 5.4.1 sowie einem Überblick über die relevante Literatur und den Entwicklungsstand von Risikofrüherkennung und -management in der pharmazeutischen Praxis in 5.4.2 wird in 5.4.3 ein allgemeiner Risikofrüherkennungs- und -managementprozess vorgestellt und dieser in 5.4.4 auf die Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung angepasst. 5.4.1 Formen der Unsicherheit in der pharmazeutischen Produktentwicklung Allgemein versteht man unter dem Begriff des Risikos die Möglichkeit einer negativen Zielverfehlung.586 In dieser wirkungsbezogenen Risikobetrachtung wird die mit der Risikosituation verbundene Verlustgefahr in den Vordergrund gestellt. Davon abzugrenzen ist die ursachenbezogene Risikodefinition, die sich auf die Informationslage
584
585 586
Hier wird der realistische Fall unterstellt, dass im Rahmen der Planung bereits ereignis- und zeitabhängige Kontrollpunkte für den Entwicklungsprozess definiert wurden. Vgl. dazu nochmals die Ausführungen am Ende des vorangegangenen Abschnitts. Gemeint sind hier Entwicklungen, die nicht ex ante im Entwicklungsplan berücksichtigt wurden. Vgl. Schorcht, H./Brösel, G. (2005), S. 7ff.
170
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
des in einer Ungewissheitssituation befindlichen Entscheidungsträgers bezieht.587 Im Sinne der präskriptiven Entscheidungstheorie lässt sich die ursachenbezogene Risikodefinition dahingehend weiter unterteilen, ob objektive (Risiko i.e.S.) oder subjektive bzw. keine Eintrittswahrscheinlichkeiten (Unsicherheit) für das Risiko angebbar sind.588 Dieses Konzept der präskriptiven Entscheidungstheorie findet in praxisorientierten Ansätzen zum Risikomanagement kaum Niederschlag. Meist wird dort der klar eingegrenzte Risikobegriff aufgegeben und in denjenigen Fällen von einer Risikosituation gesprochen, in denen das zukünftige Eintreten von Ereignissen nicht sicher determiniert und bekannt ist. Dieser praxisorientierten Risikodefinition soll im Weiteren gefolgt werden. Dies ist dadurch zu begründen, dass nicht nur diejenigen Risiken, denen eine objektiv angebbare Wahrscheinlichkeit zu Grunde liegt (Risiken i.e.S.), überwacht werden müssen, sondern gerade auch diejenigen, die nicht ex ante im Bewertungskalkül berücksichtigt werden konnten. Unerwünschte Entwicklungen, die einer erfolgreichen Realisierung des Entwicklungsvorhabens entgegenstehen können und damit eine Projektunsicherheit darstellen, lassen sich in vier Gruppen unterteilen. In Abhängigkeit von der „Vorhersehbarkeit der Einflussfaktoren“ und den „Auswirkungen auf das Projekt“ unterscheiden DE MEYER/LOCH/PICH die Variation, vorhersehbare Unsicherheit, unvorhersehbare Unsicherheit und das Chaos als mögliche Ausprägungen der Unsicherheit.589 Im Fall der Variation ist grundsätzlich von der Umsetzung des Projektes auszugehen, jedoch können bekannte Einflussfaktoren zu einer (leichten) Veränderung des Projekterfolgs gegenüber der ursprünglichen Planung führen. Als vorhersehbare Unsicherheit sind demgegenüber diejenigen Einflussfaktoren zu sehen, die im Vorfeld zwar identifiziert, deren Eintritt und die damit verbundenen Konsequenzen jedoch nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden können (z.B. medizinisch bedingte Gründe, die schlimmstenfalls die gesamte Projektplanung überrollen können). Im Unterschied dazu sind Einflüsse, die zu einer unvorhersehbaren Unsicherheit führen, im Vorfeld nicht bekannt, sondern treten erst im Projektverlauf auf. Chaos als höchste Form der
587
588 589
Zur Abgrenzung zwischen wirkungs- und ursachenbezogener Risikodefinition vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 651. Vgl. Macharzina, K./Wolf, J. (2005), S. 652f. Vgl. De Meyer, A./Loch, C./Pich, M. (2002), S. 61ff.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
171
Unsicherheit liegt vor, wenn weder Einflussfaktoren noch deren Wirkungen bestimmbar sind und damit nicht einmal eine Basisplanung möglich ist. Einflussfaktoren, die zu Variation und vorhersehbarer Unsicherheit führen, können und sollten bereits in der initialen Projektbewertung durch szenarische Betrachtungen und den Einsatz eines gewichteten Kapitalwerts berücksichtigt werden.590 Meist sind dies die akuten und faktischen Risiken, für deren Eintritt Wahrscheinlichkeiten angegeben werden können.591 Im Verlauf der Projektrealisierung gilt es nun, die Richtigkeit der vorgenommenen Bewertung zu überwachen. Weiter sind auch die potentiellen und latenten Risiken zu identifizieren, zu analysieren, zu bewerten, zu steuern und zu überwachen, die im Rahmen der initialen Projektplanung noch nicht berücksichtigt wurden.592 Über mehrere Entwicklungsvorhaben hinweg sollte darüber hinaus ein projektübergreifendes Lernen stattfinden mit dem Ziel, immer mehr Risiken bereits in der initialen Projektplanung zu berücksichtigen und so den Anteil an unvorhergesehenen Risiken immer weiter zu reduzieren. 5.4.2 Risikofrüherkennung und -management in der pharmazeutischen Produktentwicklung: Status Quo in Literatur und Praxis Status Quo in der Literatur In der Literatur finden sich zahlreiche Beiträge zur Risikofrüherkennung und zum Risikomanagement. Die Beiträge können dabei als relativ übereinstimmend im Hinblick auf die Einordnung der Risikofrüherkennung in das umfassendere Risikomanagement sowie der Definition einzelner Aufgaben von Risikofrüherkennung und Risikomanagement eingeschätzt werden. Nach herrschender Meinung lässt sich Risikomanagement als Prozess darstellen, der in definierte Phasen unterteilt werden kann.593 Wenn auch die Anzahl der Phasen594, deren weitergehende Untergliederung595,
590 591
592 593 594 595
Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 5.3. Vgl. zum Sicherheitsgrad der Informationen bezüglich des Risikoeintritts im Fall der akuten und faktischen Risiken Becker, W. (2006), S. 46. Zum Begriff der potentiellen und latenten Risiken vgl. Becker, W. (2006), S. 46. Vgl. Becker, J./Köster, C./Ribbert, M. (2005), S. 712. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 34. Bspw. nehmen CHAPMAN/WARD eine tiefer gehende Untergliederung der Risikoidentifikationsphase in Identifizierung, Strukturierung und Eigentümerschaft (Ownership) vor. Vgl. Chapman, C./Ward, S. (1997), S. 50f. Vgl. mit ähnlicher Argumentation auch HILLSON, der
172
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
die Zuordnung bestimmter Aufgaben zu den einzelnen Phasen596 und die Schwerpunktlegung597 von Autor zu Autor variieren können, so lassen sich inhaltlich keine großen Diskrepanzen feststellen.598 Dies führt dazu, dass in den meisten Fällen eine sinngemäße Unterteilung des Risikomanagementprozesses in die sequentiell verlaufenden Phasen der Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikobewertung und Risikosteuerung sowie in die prozessbegleitenden Phasen der Risikoüberwachung, Risikodokumentation und -kommunikation erfolgt.599 Die genannten Phasen erlauben eine Abgrenzung der Risikofrüherkennung vom Risikomanagement. Risikofrüherkennung gemäß § 91 Abs. 2 AktG kann als Bestandteil des Risikomanagements interpretiert werden, da es auf das frühzeitige Identifizieren, Analysieren und Bewerten sowie auf das regelmäßige Überwachen, Dokumentieren und Kommunizieren von Risiken fokussiert. Im Unterschied zum Risikomanagement beinhaltet es aber nicht die Umsetzung von Risikomanagementmaßnahmen im Rahmen der Risikosteuerung.600 Da in den weiteren Ausführungen nicht nur die Erkennung von Risiken, sondern auch deren situative Handhabung untersucht werden soll, wird nachfolgend der umfassendere Begriff des Risikomanagements verwendet, der nach dem dargelegten Verständnis die Risikofrüherkennung mit einschließt.
596
597
598 599
600
die Notwendigkeit einer Risikostrukturierung über mehrere Ebenen betont. Vgl. Hillson, D. (2003), S. 85ff. MAYERHOFER/BRANDSTÄTTER und WOLF fassen bspw. unter die Phase Risikoanalyse die Teilaufgaben Risikoerkennung und -bewertung. Vgl. Mayerhofer, E./Brandstätter, C. (2005), S. 535 und Wolf, K. (2003), S. 51 sowie zur Beschreibung der Teilaufgaben S. 55ff. Demgegenüber stellt bei SCHNORRENBERG/GOEBELS die Risikoanalyse die zweite Phase nach der Risikoidentifikation im Prozess dar und umfasst die Teilaufgaben Risikobewertung und -klassifizierung. Vgl. Schnorrenberg, U./Goebels, G. (1997), S. 19. FALTER/MICHEL bezeichnen die Phase nach der Risikoidentifikation als Risikoanalyse und -bewertung und ordnen dieser neben Bewertungsaufgaben auch die Identifikation von Ursache-Wirkungsbeziehungen zu. Vgl. Falter, W./Michel, U. (2000), S. 479. CHAPMAN/WARD sehen die Risikoidentifikation als wichtigste Phase im Risikomanagementprozess. Vgl. Chapman, C./Ward, S. (1997), S. 298. SAARI betont die Bedeutung einer vorgelagerten Risikoplanungsphase. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 36. Im Unterschied dazu verweisen DEL CANO und DE LA CRUZ auf die Bedeutung einer dem Projekt nachgelagerten Post-Process-Learning Phase, um systematisch Erfahrungswissen für das Risikomanagement zukünftiger Projekte zu sammeln. Vgl. Del Cano, A./de la Cruz, M. P. (1998), S. 55. Vgl. Wolf, K. (2003), S. 51. So auch das Verständnis des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committe in seinem Entwurf E-DRS Nr. 5 zur Risikoberichterstattung vom 24.11.2000. Vgl. zu dieser Abgrenzung Martin, T. A. (2002), S. 86f. und Böcking, H.-J./Orth, C. (2000), S. 249.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
173
Abbildung 36 zeigt den Prozess des Risikomanagements mit seinen dazugehörigen Phasen. Diese Phasen sollen nachfolgend weiter untersucht und auf die Besonderheiten pharmazeutischer Produktentwicklungsprojekte angepasst werden.
Risikoidentifikation
Risikoanalyse
Risikobewertung
Risikosteuerung
Risikoüberwachung
Risikodokumentation- und kommunikation
Abbildung 36: Prozess des Risikomanagements601
Sofern in der Literatur ein Bezug von Risikomanagement zu Projekten hergestellt wird, sind häufig externe Auftragsprojekte gemeint.602 Eine Betrachtung interner Produktentwicklungsprojekte – womöglich mit Berücksichtigung der Besonderheiten pharmazeutischer Produktentwicklungen – findet hingegen nur vereinzelt und mit unterschiedlicher Schwerpunktlegung statt.603 Insgesamt ist festzustellen, dass bislang kein umfassendes Modell zum Risikomanagement für pharmazeutische Produktentwicklungsvorhaben existiert. Vor allem werden in keinem der Ansätze Möglichkeiten
601 602
603
Vgl. Becker, W. (2006), S. 8. Zu einer vergleichbaren Einschätzung gelangt auch SAARI. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 29. Eine Untersuchung von RAZ/SHENHAR/DVIR kommt zu einem ähnlichen Ergebnis für die Praxis. Vgl. Raz, T./Shenhar, A. J./Dvir, D. (2002), S. 107. In den Arbeiten von ALLPORT und BLAU ET AL. liegt der Schwerpunkt auf der Optimierung des gesamten Entwicklungsportfolios und nicht einzelner Vorhaben. Vgl. dazu Allport, S. (1998), S. 25ff. und Blau, G. et al. (2002), S. 659ff. Die Überlegungen von MÜLLER beschränken sich auf eine Systematisierung typischer Produktentwicklungsrisiken. Vgl. Müller, M. (2001), S. 47f. SAARI entwickelt einen eher qualitativ geprägten Risikomanagementprozess für pharmazeutische Produktentwicklungsprojekte, der Fragen der quantitativen Risikobewertung weitestgehend außer Acht lässt. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 57ff. PASS/POSTLE beschäftigen sich in ihrem Beitrag fast ausschließlich mit Fragen der Risikosystematisierung in der pharmazeutischen Produktentwicklung. Vgl. Pass, D./Postle, M. (2002), S. 67ff.
174
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
der geschickten Nutzung von Risikoinformationen für die Steuerung und Regelung laufender und zukünftiger Entwicklungsvorhaben aufgezeigt.604 Status Quo in der pharmazeutischen Praxis Aus Gesprächen mit verschiedenen Unternehmen der pharmazeutischen Industrie lässt sich der Implementierungsstand eines projektbezogenen Risikomanagements auf Ebene der Produktentwicklung wie folgt einschätzen. Von allen befragten Unternehmen wurde die Notwendigkeit eines Risikomanagements auf Ebene der Produktentwicklung bestätigt. Umso erstaunlicher ist es, dass nur in den wenigsten Fällen eine diesbezügliche Umsetzung bereits erfolgt ist.605 Sofern Produktentwicklungsprojekte expliziter Bestandteil des unternehmensweiten Risikomanagements sind, ist festzustellen, dass die unternehmensweit festgelegten Risikokategorien kein sinnvolles Systematisierungsraster für die Risiken in der pharmazeutischen Produktentwicklung darstellen. Weiter ist festzustellen, dass das Managen von Risiken, sofern es auf Ebene einzelner Produktentwicklungsprojekte überhaupt stattfindet, meist der Intuition einzelner erfahrener Mitarbeiter überlassen wird. Ein durchgängig systematischer Prozess konnte in keinem der betrachteten Unternehmen festgestellt werden.606 In Konsequenz dessen kann auch kein organisationsweites Lernen, beispielsweise in Form eines adaptiven Risikomanagements, für zukünftige Entwicklungsvorhaben erfolgen. 5.4.3 Allgemeiner Risikomanagementprozess als Ausgangspunkt zur Ableitung eines Risikomanagementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung Auf Basis des in 5.4.2 vorgestellten Risikomanagementprozesses werden in diesem Abschnitt die einzelnen Phasen des Risikomanagements hinsichtlich ihrer jeweiligen Ziele, Aufgaben und Bedeutung beschrieben. Die Ergebnisse dieses Abschnitts bilden
604
605
606
FALTER/MICHEL erheben zwar für die chemische Industrie – jedoch ohne Bezug zur Produktentwicklung – die Forderung einer stärkeren Einbettung des Risikomanagements in die Planungs- und Steuerungsprozesse des Unternehmens. Lösungsansätze werden aber darüber hinaus nicht aufgezeigt. Vgl. Falter, W./Michel, U. (2000), S. 478f. Auch SAARI gelangt zu einer ähnlichen Einschätzung für die pharmazeutische Industrie. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 57. Zu ähnlichen (jedoch nicht pharmaspezifischen) Erkenntnissen kommt auch ETTMÜLLER in seiner empirischen Studie. Vgl. Ettmüller, K. (2003), S. 690ff.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
175
den Ausgangspunkt zur Ableitung eines anforderungsgerechten Risikomanagementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung im späteren Abschnitt 5.4.4. Risikoidentifikation Ziel der Risikoidentifikation ist eine umfassende, einheitliche und systematische Erfassung aller für das Bezugsobjekt relevanten Risiken.607 Als Methodik zur Risikoerfassung wird in der Literatur zwischen einem „Top-Down“ und einem „Bottom-Up“ Ansatz unterschieden.608 Bei der „Top-Down“ Vorgehensweise stellen die unternehmerischen Ziele als Orte der Risikowirkung den Ausgangspunkt der Risikoidentifikation dar. Davon ausgehend werden mögliche Ursachen für das NichtErreichen der Ziele identifiziert und diese Ursachen als Risiken interpretiert. Der Vorteil einer „Top-Down“ Vorgehensweise ist in der relativ schnellen Erfassung der Hauptrisiken aus strategischer Sicht zu sehen. Diese Makroperspektive kann jedoch auch dazu führen, dass bestimmte Risiken nicht erfasst werden oder Korrelationen zwischen Einzelrisiken nicht adäquat berücksichtigt werden. Dies ist tendenziell eher im „Bottom-Up“ Ansatz sichergestellt, der dadurch jedoch auch wesentlich aufwändiger ist. Beim Bottom-Up Ansatz werden entlang des Leistungserstellungsprozesses mögliche Ursachen für Fehlentwicklungen aufgespürt. Erst daraufhin wird ein Bezug zu den angestrebten Zielen hergestellt und mögliche Wirkungen der Fehlentwicklungen (Risiken) auf die unternehmerischen Ziele hergeleitet und interpretiert. Hierbei sind eine eingehende Analyse der Prozesse und deren Korrelationen erforderlich.609 Nach CHAPMAN/WARD ist die systematische Erfassung aller relevanten Risiken die wichtigste Phase im Risikomanagementprozess – und damit auch im enger gefassten Risikofrüherkennungsprozess – unabhängig davon, auf welche Art dies geschieht.610 Die Autoren warnen insbesondere davor, sich nur auf die vertrauten und/oder leicht handhabbaren Risiken zu konzentrieren.611 Auch WOLF bezeichnet diese Phase als Grundlage für den Risikomanagementprozess und damit bestimmend für seine
607
608 609 610 611
Vgl. ähnlich Becker, J./Köster, C./Ribbert, M. (2005), S. 713; Hornung, K./Reichmann, T./Diederichs, M. (1999), S. 320; Hochrein, K. (1999), S. 26; Weber, J./Liekweg, A. (2000), S. 284 und Wolf, K. (2003), S. 55. Die genannten Autoren beziehen sich dabei auf das Bezugsobjekt „Unternehmen“. Vgl. Romeike, F. (2005), S. 273. Vgl. Romeike, F./Müller-Reichart, M. (2005), S. 76. Vgl. Chapman, C./Ward, S. (1997), S. 298. Vgl. Chapman, C./Ward, S. (2002), S. 168.
176
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Effizienz.612 Ähnlich argumentiert auch ROMEIKE, der die hohe Bedeutung der Risikoidentifikation insbesondere in ihrer Eigenschaft als Informationsgrundlage für alle risikopolitischen Entscheidungen sieht.613 In der Literatur findet sich eine Vielzahl an allgemeinen und projektspezifischen Ansätzen zur Systematisierung von Risiken.614 Die Sinnhaftigkeit einer Risikosystematisierung zum Zeitpunkt der Risikoidentifikation wird jedoch kontrovers beurteilt. So rät WOLF von einer Anwendung bestimmter Risikokategorien bzw. klassen ab. Er begründet dies mit einer dadurch hervorgerufenen, unnötigen Einschränkung der Kreativität aller Beteiligten und der Gefahr, wichtige Risiken zu übersehen.615 Im Unterschied dazu befürwortet HILLSON die Verwendung von Risikokategorien und damit verbunden die Risikosystematisierung im Rahmen der Risikoidentifikation. Seiner Meinung nach trägt der Einsatz von Risikokategorien i.S.e. Checkliste gerade dazu bei, alle relevanten Risiken zu identifizieren.616 Dieser Meinung soll in dieser Arbeit gefolgt werden, zumal die Systematisierung aller identifizierten Risiken anhand der gewählten Risikokategorien auch in einem der Erkennung nachgelagerten Schritt erfolgen könnte. Dabei ist darauf zu achten, dass die Risikokategorien den Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung Rechnung tragen. Dies ist, wie im Rahmen der oben vorgenommenen Einschätzung bereits erwähnt, in den betrachteten Unternehmen vielfach nicht der Fall. Risikoanalyse Ziel der Risikoanalyse ist es, die identifizierten Risiken hinsichtlich ihrer UrsacheWirkungsbeziehungen, Sensitivitäten und ihrer Bedeutung für das Unternehmen zu untersuchen.617 Die Kenntnis der Risikostruktur bzw. des Zusammenhangs von Risiken ist deshalb erforderlich, weil das Eintreten bestimmter Risiken die Ursache für weitere Risiken darstellen kann. Risikoereignisse und -ursachen können somit als
612 613 614
615 616 617
Vgl. Wolf, K. (2003), S. 6. Vgl. Romeike, F. (2005), S. 273. Für einen allgemeinen Überblick vgl. Kupsch, P. (1995) sowie zur Beschreibung der einzelnen Begriffspaare vgl. Wolf, K. (2003), S. 41ff. Weitere projektspezifische Unterteilungen mit Bezug zur Produktentwicklung finden sich bei PASS/POSTLE, SAARI und HILLSON. Vgl. Pass, D./Postle, M. (2002), S. 70; Saari, H.-L. (2004), S. 59 und Hillson, D. (2003), S. 92. Vgl. Wolf, K. (2003), S. 56. Vgl. Hillson, D. (2003), S. 92. Vgl. Martin, T. A. (2002), S. 96.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
177
mehrgliedrige Wirkungsketten innerhalb eines Unternehmens interpretiert werden.618 Die Kenntnis dieser Zusammenhänge erleichtert die Ableitung situationsgerechter Maßnahmen im Rahmen der späteren Risikosteuerung. Die Risikoanalyse sollte dabei jedoch in einem vertretbaren Umfang erfolgen. Insofern sind die auffindbaren Vorschläge in der Literatur zur Analyse von Risiken auf ihren Mehrwert zu prüfen. So schlägt SMITH beispielsweise die Einführung eines Risikomodells vor, das auf relativ aufwändige Weise versucht, neben den eigentlichen Risiken auch deren „Risk Driver“ zu identifizieren und zu überwachen.619 Fraglich ist hierbei, ob – gerade im Fall mehrdimensionaler Ursache-Wirkungsketten, wie sie für die pharmazeutische Produktentwicklung charakteristisch sind – die gerichtete Überwachung der Risk Driver einer Überwachung der eigentlichen Risiken sinnvoll vorzuziehen ist. Als durchaus praktikabel ist hingegen die Anwendung einer Risk Breakdown Structure einzuschätzen, die versucht, Risiken auf mehreren hierarchischen Ebenen und entlang einzelner Prozessabschnitte zu identifizieren und zu analysieren. Diese wird in Abschnitt 5.4.4 noch ausführlich dargestellt. Risikobewertung Aufbauend auf den Ergebnissen der Risikoidentifikation und Risikoanalyse ist es Ziel der Risikobewertung, die identifizierten und analysierten Risiken in ihren UrsacheWirkungsbeziehungen, Sensitivitäten und in ihrer Bedeutung für das Unternehmen zu quantifizieren.620 Weiter gilt es im Rahmen der Risikobewertung, die Risiken entsprechend ihrer Bedeutung und ihres Gefährdungspotentials für das Unternehmen oder das betrachtete Bezugsobjekt zu klassifizieren.621 In der Praxis deutscher Industrie- und Handelsunternehmen haben sich für die Risikobewertung die beiden Dimensionen Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit durchgesetzt.622 Die Bedeutung einer Risikoquantifizierung wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Während ARTTO und KÄHKÖNEN den Einsatz in der Praxis auf Grund des hohen Aufwands nur eingeschränkt befürworten und zudem auf die Gefahr von Scheingenauigkeiten 618 619 620 621
622
Vgl. Romeike, F./Müller-Reichart, M. (2005), S. 74. Vgl. Smith, P. G. (2002) S. 2ff. Vgl. Wolf, K. (2003), S. 56. Vgl. Mayerhofer, E./Brandstätter, C. (2005), S. 535. Die Autorinnen beziehen sich hier implizit auf das Bezugsobjekt Unternehmen. Vgl. Wolf, K. (2003), S. 7; ähnlich auch Saari, H.-L. (2004), S. 39.
178
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
verweisen, bestätigen TRITLE et al. mit Blick auf die Produktentwicklung zwar grundsätzlich die Sinnhaftigkeit einer Risikoquantifizierung, ermahnen aber zu vorsichtiger Interpretation der Ergebnisse insbesondere in frühen Phasen.623 ROMEIKE argumentiert, dass Risiken erfahrungsgemäß nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie sich quantifizieren lassen.624 Wie an früherer Stelle bereits erwähnt, fällt eine exakte Risikoquantifizierung in frühen Phasen der pharmazeutischen Produktentwicklung oft schwer. Dies hat zur Folge, dass in der Praxis vielfach eine ordinale Risikobeurteilung auf Basis von Schadensintervallen und Punktwerten vorgenommen wird. Ohne geeignete Standards kann eine so vorgenommene Beurteilung jedoch problematisch werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund unterschiedlicher Risikoeinstellungen der Bewerter gleiche oder vergleichbare Risiken abweichend beurteilt werden. Haben z.B. die jeweiligen Projektleiter unterschiedlicher Entwicklungsvorhaben eine voneinander abweichende Risikoeinstellung, so ist von einer begrenzten Vergleichbarkeit einzelner Risiken und ganzer Entwicklungsvorhaben auszugehen. Risikosteuerung Für die bewerteten und klassifizierten Risiken sind im Rahmen der Risikosteuerung geeignete, situationsabhängige Risikobewältigungsmaßnahmen zu bestimmen.625 In Form einer Optimallösung bedeutet dies, sämtliche Wechselwirkungen von Risiken, Maßnahmen und Zielen zu berücksichtigen.626 Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit greift man jedoch meist auf Sukzessivmodelle zurück und nimmt suboptimale Lösungen bewusst in Kauf.627 Unternimmt man den Versuch einer Systematisierung sämtlicher Maßnahmen zur Risikosteuerung, so lassen sich diese in aktive und passive Maßnahmen unterteilen.628 Aktive Maßnahmen gestalten und beeinflussen die Risikostrukturen und -verhältnisse mit dem Ziel, das Risiko tatsächlich zu reduzieren. Diese Maßnahmen sind vor Schadenseintritt einsetzbar und umfassen Aktivitäten zur Risikovermeidung und -ver623
624 625 626
627 628
Vgl. zur oben angeführten Diskussion Artto, K. A. (1997), S. 353; Kähkönen, K. (1999), S. 1 und Tritle, G. L. et al. (2000), S. 50. Vgl. Romeike, F. (2005), S. 276. Vgl. ähnlich Martin, T. A. (2002), S. 103 und Wolf, K. (2003), S. 59. Zu besagten Wechselwirkungen vgl. Füser, K./Gleißner, W./Meier, G. (1999), S. 755 und Schmitting, W./Siemes, A. (2003), S. 533ff. Vgl. Mensch, G. (1991), S. 156f. Vgl. Becker, J./Köster, C./Ribbert, M. (2005), S. 713 und Rücker, U.-C. (1999), S. 113.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
179
minderung. Passive Risikomanagementmaßnahmen lassen demgegenüber die Risikostrukturen und -verhältnisse unverändert und beeinflussen die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß nicht.629 Passive Maßnahmen greifen i.d.R. erst nach Risikoeintritt und dienen dazu, die finanziellen Auswirkungen eines Risikoeintritts – etwa durch eine vertragliche Haftungsverlagerung auf einen Vertragspartner oder einen Risikotransfer auf eine Versicherung – zu überwälzen.630 Zu den passiven Maßnahmen zählt auch das Selbsttragen von Risiken, wobei bewusst auf Steuerungsmaßnahmen verzichtet wird. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn gegensteuernde Maßnahmen mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wären.631 Die genannten aktiven und passiven Maßnahmen der Risikosteuerung sind in der nachfolgenden Abbildung 37 dargestellt. Vermeiden
Gesamtrisiko
Vermindern
Selbsttragen
Restrisiko
Überwälzen
Risikomaßnahmen unter Chancen-Risiko-Abwägung
Aktive Maßnahmen
Passive Maßnahmen
Abbildung 37: Maßnahmen zur Risikosteuerung632
629 630
631 632
Vgl. Romeike, F./Müller-Reichart, M. (2005), S. 78. Vgl. zur Darstellung der genannten Aktivitäten jedoch z.T. mit anderer Bezeichnung Schnorrenberg, U./Goebels, G. (1997), S. 134ff. Vgl. Reichmann, T. (2001), S. 615. In Anlehnung an: Romeike, F./Müller-Reichart, M. (2005), S. 78.
180
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Prozessbegleitende Phasen Sowohl die Risikoüberwachung als auch die Risikodokumentation und -kommunikation beziehen sich auf die Ergebnisse der vorangegangenen Phasen der Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikobewertung und Risikosteuerung. Sie stellen jedoch nicht den Abschluss der skizzierten Aktivitätenfolge dar, sondern finden vielmehr prozessbegleitend statt. Aus diesem Grund können sie auch als Supportprozess für die zuvor beschriebenen Kernaktivitäten gesehen werden.633 Verglichen mit den zuvor beschriebenen Phasen werden die Risikoüberwachung sowie die Risikodokumentation und -kommunikation in der Literatur weniger ausführlich behandelt.634 Risikoüberwachung Die Überwachung bezieht sich prozessbegleitend auf die Ergebnisse der Risikoidentifikation, Risikoanalyse und Risikobewertung, aber auch auf die ergriffenen Maßnahmen zur Risikosteuerung.635 Darüber hinaus ist dieser Phase auch die prozessunabhängige Prüfung des Risikomanagements zuzuordnen, die im Aufgabenbereich der internen Revision liegt, nachfolgend jedoch nicht näher betrachtet werden soll.636 Mit Blick auf die Produktentwicklung empfiehlt SMITH eine regelmäßige, bestenfalls permanente Risikoüberwachung mit dem vorrangigen Ziel einer zeitnahen Identifikation neu hinzugekommener Risiken.637 SAARI hingegen schlägt eine ereignisabhängige Überwachung der vorangegangenen Risikophasen vor. Als mögliche auslösende Ereignisse werden u.a. Änderungen der Projektsituation, das Hinzukommen neuer Projektinformationen, Feedback aus anderen Projekten sowie Beginn und Abschluss einer Projektphase genannt.638
633 634
635
636 637 638
Vgl. Happel, E./Liebwein, P. (2000), S. 228ff. Dies zeigt sich z.B. darin, dass bei manchen Autoren wie z.B. SCHNORRENBERG/GOEBELS und MAYERHOFER/BRANDSTÄTTER der Risikomanagementprozess nach der Maßnahmenergreifung endet. Vgl. zur Risikosteuerung bzw. -behandlung als letzte Phase des Risikomanagementprozesses z.B. Schnorrenberg, U./Goebels, G. (1997), S. 134ff; Mayerhofer, E./Brandstätter, C. (2005), S. 536 und Saari, H.-L. (2004), S. 46. Vgl. Chapman, C./Ward, S. (1997), S. 51; Merbecks, A./Stegemann, U./Frommeyer, U. (2004), S. 240 und Saari, H.-L. (2004), S. 46. Vgl. Martin, T. A. (2002), S. 105f. Vgl. Smith, P. (2002), S. 6. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 48.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
181
Nach TRITLE/SCRIVEN/FUSFELD sollte die Risikoüberwachung i.S.e. iterativen Schleife zudem so lange wiederholt werden, bis die Risiken abgewendet, gemildert oder akzeptiert sind.639 Wie die genannten Vorschläge im Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung umgesetzt werden können, wird im nachfolgenden Abschnitt 5.4.4 noch untersucht. Risikodokumentation und -kommunikation Neben der oben angesprochenen Überwachung müssen sämtliche Ergebnisse der vorangegangenen Phasen auch dokumentiert werden.640 Die Dokumentation bildet zum einen die Grundlage für ein empfängerorientiertes Berichtswesen und damit für die Risikokommunikation.641 Zum anderen stellt sie auf Ebene der Produktentwicklung eine wichtige Voraussetzung dar, um aus den gewonnenen Erfahrungen für zukünftige Entwicklungsvorhaben zu profitieren.642 Im Sinne von „lessons learned“ sollten dabei nach SAARI möglichst alle Erfahrungen dokumentiert werden, die auch für zukünftige Entwicklungsvorhaben relevant sein könnten.643 Denkbar wäre hier z.B. auch die Dokumentation eingetretener Risiken und dadurch hervorgerufener Wirkungen. ROYER empfiehlt in diesem Zusammenhang, die dokumentierten Erfahrungen auch schon während des Projektverlaufs regelmäßig auf Aktualität zu überprüfen, damit andere, z.B. parallel verlaufende Projekte ebenfalls davon profitieren können.644 Die Dokumentation der Erkenntnisse stellt eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für deren wirkungsvolle Nutzung i.S.e. Lernprozesses für zukünftige Entwicklungsvorhaben dar. So stellen SCHINDLER/EPPLER in diesem Zusammenhang fest, dass trotz erfolgter Dokumentation vielfältige Gründe einer erfolgreichen Wissensnutzung entgegenstehen. In den von ihnen untersuchten Industrieunternehmen waren dies neben psychologischen Effekten645 vor allem schlecht oder zu allgemein 639 640 641 642
643 644 645
Vgl. Tritle, G. L./Scriven, E. F. V./Fusfeld, A. R. (2000), S. 49. Vgl. Becker, J./Köster, C./Ribbert, M. (2005), S. 713. Vgl. Lux, W./Kohn, W. (2005), S. 541. Aufgrund ihrer Bedeutung wird die Dokumentation z.B. bei DEL CANO/DE LA CRUZ als eigene Phase im Risikomanagementprozess dargestellt. Vgl. Del Cano, A./De la Cruz, M. P. (1998), S. 55. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 48. Vgl. Royer, P. S. (2000), S. 10. SCHNDLER/EPPLER sprechen hier vom „Not-invented-here-Syndrom“, das dadurch zum Ausdruck kommt, dass Beteiligte den Erfolg ihres „eigenen“ Projektes durchweg optimistischer
182
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
dokumentierte Erkenntnisse oder der mangelnde Bezug zu konkreten Einsatzmöglichkeiten.646 SCHNAUFFER/VOIGT/STAIGER führen in diesem Zusammenhang vor allem die mangelnde Informationsausrichtung auf die Bedürfnisse der Nachfrager als Grund für die geringe Nutzung von Erfahrungswissen aus vorangegangenen Projekten an.647 Gespräche mit Vertretern verschiedener Pharmaunternehmen haben ergeben, dass zwar die Ergebnisse aus abgeschlossenen und abgebrochenen Entwicklungsvorhaben i.S.e. Projektabschlussberichtes dokumentiert werden. Festzustellen ist jedoch, dass die Dokumentation der Risiken erheblichen Verbesserungsbedarf aufweist. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass zumeist nur die Gründe für Projektabbrüche und ggf. weitere, leicht dokumentierbare Größen Gegenstand des Projektabschlussberichtes sind. Weitere Aspekte wie z.B. die Strategiehandhabung und deren Wirkungen werden hingegen nicht näher beleuchtet. Eine systematische Nutzung der Erkenntnisse zum Lernen für Folgeprojekte ist auf dieser Basis kaum möglich. Die Ausführungen in diesem Abschnitt verfolgten das Ziel, zunächst einen allgemeinen Überblick über die Phasen des Risikomanagementprozesses zu geben und an gegebener Stelle um erste branchenspezifische Aussagen zu ergänzen. Nachfolgend wird aufgezeigt, wie der dargestellte Risikomanagementprozess auf die Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung angepasst werden kann. 5.4.4 Ableitung eines anforderungsgerechten Risikomanagementprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung Im vorangegangenen Abschnitt 5.4.3 wurde die Grundstruktur eines generischen Risikomanagementprozesses vorgestellt und – soweit in der Literatur vorhanden – um erste branchenspezifische Aussagen ergänzt. In diesem Abschnitt soll der beschriebene Risikomanagementprozess nun auf die Erfordernisse der pharmazeutischen Produktentwicklung angepasst werden. Mit Blick auf die Zielsetzungen dieser Arbeit muss er dabei so beschaffen sein, dass eine situative Lenkung der Entwicklungsvorhaben in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation möglich wird.
646 647
beurteilen als den Erfolg vergangener Projekte, in die sie nicht eingebunden waren. Vgl. Schindler, M./Eppler, M. J. (2003), S. 221. Vgl. Schindler, M./Eppler, M. J. (2003), S. 221. Vgl. Schnauffer, H.-G./Voigt, S./Staiger, M. (2004), S. 6.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
183
Basis für die nachfolgenden Aussagen sind zum einen die theoretischen Erkenntnisse des vorangegangenen Abschnitts und zum anderen identifizierte Problemlagen in der pharmazeutischen Praxis. Risikoidentifikation in der pharmazeutischen Produktentwicklung Im Rahmen der Risikoidentifikation gilt es zunächst, sämtliche relevanten Risiken zu erfassen. Dies beinhaltet zum einen die bereits in der Planung berücksichtigten akuten und faktischen Risiken, zum anderen aber auch die Erkennung weiterer potentieller und latenter Risiken. Um die Kreativität der Beteiligten in dieser Phase nicht zu sehr einzuschränken, können als erstes grobes Systematisierungsraster die in Abschnitt 5.2.1 und 5.2.2 identifizierten Ebenen (Leistungs- und Wertebene) und Perspektiven (Ressourcen, Prozesse und Markt) als Orte der Risikoentstehung herangezogen werden. Hintergrund ist dabei, dass sich die pharmazeutische Produktentwicklung entlang dieser Ebenen und Perspektiven vollzieht. Mithin stellt ein Risiko nur dann ein echtes Risiko für das betrachtete Entwicklungsvorhaben dar, wenn es zu Konsequenzen auf mindestens einer der genannten Ebenen oder Perspektiven führt. Risikoanalyse in der pharmazeutischen Produktentwicklung Ausgehend von oben beschriebener Risikoidentifikation anhand der jeweiligen Entstehungsorte bietet sich in einem nächsten Schritt eine genauere Analyse und tiefer gehende Strukturierung der Risiken an. Es wird dabei unterstellt, dass die genaue Kenntnis der Risikostruktur eine spätere Bewertung, Steuerung und Überwachung der Risiken erleichtert. Wie im Rahmen der allgemeinen Ausführungen zur Risikoanalyse in 5.4.3 bereits erwähnt, sind die diesbezüglich auffindbaren Vorschläge in der Literatur jedoch auf ihren Mehrwert zu prüfen. Die Identifikation von Risk Drivern – wie von SMITH vorgeschlagen – ist für die pharmazeutische Produktentwicklung aufgrund ihrer komplexen Ursache-Wirkungsketten abzulehnen. Sinnvoll ist hingegen die Anwendung einer Risk Breakdown Structure, die Risiken auf mehreren hierarchischen Ebenen und entlang einzelner Prozessabschnitte identifiziert. Risiken werden dabei systematisch aufgeschlüsselt und in Beziehung zueinander gesetzt. In der nachfolgenden Abbildung 38 ist dieses Vorgehen für die pharmazeutische Produktentwicklung beispielhaft dargestellt. Level 0 bis 2 kennzeichnen dabei unterschiedliche Aggregationsstufen der Risikobetrachtung. Ausgehend vom Gesamtrisiko eines Entwicklungsvorhabens auf Level 0 (Project Risk), findet sich auf Ebene 1 eine differenziertere Betrachtung des Gesamtrisikos anhand einzelner Aktivitäten und
184
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
beteiligter Bereiche im Entwicklungsprozess, die in Level 2 nochmals weiter detailliert wird.
Level 0
Level 1
Level 2
Project risk
Regulatory
Approvals Filings
Process
Expression Fermentation Downstream Formulation Analytics Stability Scaling up
Preclinical
Immune Response Immunoassays Animal models
Clinical
Clinical study development plan Read-outs Target population Reactogenicity Medical
Marketing
Costs Competition Commercial Market assessment
Management
Team Core technologies Collaboration Strategic fit Intellectual Property Organisation Milestones
Abbildung 38: Risk Breakdown Structure für die pharmazeutische Produktentwicklung648
648
Quelle: Hillson, D. (2003), S. 86.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
185
Die Risk Breakdown Structure unterstützt nicht nur eine arbeitsteilige Risikoüberwachung durch die eingebundenen Funktionen im Entwicklungsprozess, sondern berücksichtigt auch den Zeitbezug von Risiken.649 Diesem kommt eine maßgebliche Bedeutung für die spätere Ableitung phasenbezogener Steuer- und Regelungsvorgaben zu. Weiter erlaubt die Risk Breakdown Structure eine Analyse von Wirkungszusammenhängen und Risikobeziehungen. Wie an späterer Stelle noch gezeigt wird, kann die in der Risk Breakdown Structure dokumentierte Kenntnis über Wirkungszusammenhänge durch Kombination mit wissensmanagementbasierten Ansätzen sukzessive erweitert werden. Risikobewertung in der pharmazeutischen Produktentwicklung Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass die in der Praxis gängige quantitative oder qualitative (d.h. ordinale) Risikobewertung bzw. beurteilung keine abschließende Beurteilung der Risikosituation pharmazeutischer Entwicklungsvorhaben erlaubt. Zu begründen ist dies mit den Charakteristika des pharmazeutischen Produktentwicklungsprozesses, insbesondere der langen Entwicklungsdauer und der besonderen Risikosituation. Daher erscheint es angeraten, die übliche Risikobewertung anhand der Dimensionen Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit in einem nachgelagerten Analyseschritt um weitere Faktoren zu ergänzen, um eine abschließende Risikopriorisierung bzw. -klassifizierung vornehmen zu können. Zu diesem Zweck wird die Risikobewertung in die zwei Teilphasen Risikobeurteilung und Risikoklassifizierung unterteilt, die nachfolgend kurz beschrieben werden sollen.650 Um zum Ausdruck zu bringen, dass die klassische Risikobewertung auch in ordinaler Form erfolgen kann, wird nachfolgend von Risikobeurteilung statt von Risikobewertung gesprochen. Teilphase Risikobeurteilung Da diese Teilphase sich nicht nennenswert von den gängigen Ansätzen in Literatur und Praxis unterscheidet, soll sie nicht vertieft dargestellt werden. Sofern sich Risiken
649
650
Dies bezieht sich vor allem auf die Identifikation von phasenspezifischen Risiken, die hier mit Preclinical und Clinical bezeichnet werden. Vgl. zur Risk Breakdown Structure Hillson, D. (2003), S. 86ff. Zur Bedeutung des zeitlichen Charakters von Risiken vgl. die Ausführungen zur Risikoklassifizierung im Abschnitt Risikobewertung dieser Arbeit. Eine Unterteilung von Risikobeurteilung und -klassifizierung bzw. -priorisierung in getrennte Abschnitte findet sich auch bei anderen Autoren wie z.B. Lux, W./Kohn, W. (2005), S. 540.
186
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
nicht anhand von Schadensausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit651 quantifizieren lassen und damit die Berechnung von Schadenserwartungswerten652 nicht möglich ist, können sie auch ordinal, z.B. mit Hilfe von dimensionslosen Punktwerten beurteilt werden. Zur Visualisierung des Ergebnisses der Risikobeurteilung werden in der Literatur Risk Maps vorgeschlagen.653 In Abbildung 39 ist eine Risk Map beispielhaft dargestellt. Wie hier zu sehen, sind die Achsen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß ordinal skaliert. Eine solche Vorgehensweise empfiehlt sich immer dann, wenn nicht alle Risiken quantitativ bewertet werden können. Es sei an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen, dass die Verwendung eines niedrigeren Skalenniveaus – also ordinal statt metrisch – zwangsläufig mit einem Informationsverlust verbunden ist. Insofern sollte es Ziel sein, jedes Risiko so genau wie möglich (metrisch versus ordinal) zu beurteilen und die kleinste gemeinsame Skalierung aller Risiken für die grafische Darstellung zu verwenden. Entgegen der klassischen Darstellung, wie sie vielfach in der Literatur anzutreffen ist,654 wird im Rahmen der vorliegenden Matrix auf die Bildung einzelner Risikoquadranten verzichtet und stattdessen unterschiedliche Risikoflächen verwendet.655 Die hier gewählte Vorgehensweise hilft Scheingenauigkeiten zu vermeiden, die entstehen können, wenn versucht wird, ordinal skalierte Risiken allzu exakt in die Quadranten einer Matrix einzuordnen.
651
652 653 654
655
Zur Quantifizierung von Eintrittswahrscheinlichkeiten lassen sich objektive und subjektive Wahrscheinlichkeiten heranziehen. Vgl. speziell für den Kontext der pharmazeutischen Produktentwicklung nochmals die Ausführungen in Abschnitt 5.3.2. Vgl. zum Begriff des Schadenserwartungswertes Wolf, K. (2003), S. 57. Für eine kritische Beurteilung der Risk Map vgl. Mayerhofer, E./Brandstätter, C. (2005), S. 535f. Eine klassische Darstellung der Risk Map findet sich beispielsweise bei MAYERHOFER/BRANDSTÄTTER. Vgl. Mayerhofer, E./Brandstätter, C. (2005), S. 535. Vgl. für eine ähnliche Matrixdarstellung mit Flächen Becker, W. (2006), S. 44.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
187
Risiken, die in der nachfolgenden Abbildung 39 auf der gleichen Fläche liegen, sind von ihrer Priorität bzw. Dringlichkeit vergleichbar. Die dunkelgraue Fläche ist im vorliegenden Beispiel der Bereich mit der höchsten Priorität, nachfolgend als Priorität I bezeichnet.
Risiken: 1. Wirkung des Wirkstoffs 2. Nebenwirkungen des Wirkstoffs 3. Lieferantenrisiko 4. Produktionsrisiko 5. Zulassungsrisiko 6. Marktrisiko 7. Risiko aus Aktivitäten der Konkurrenz
1
2
3
mittel
Priorität II
6
Priorität III
gering
Eintrittswahrscheinlichkeit
hoch
Priorität I
3
5 7
gering
mittel
hoch
Schadensausmaß Abbildung 39: Beispiel für eine Risk Map in der pharmazeutischen Produktentwicklung
Üblicherweise wird in der Literatur eine Priorisierung von Risiken656 anhand ihrer Position in der Risk Map vorgeschlagen, und es werden in Reihenfolge ihrer Priorität Maßnahmen für die bedeutendsten Risiken abgeleitet.657 Teilphase Risikoklassifizierung Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung erlauben die Ergebnisse der Risikobeurteilung lediglich eine vorläufige Risikopriorisierung und sind um weitere Faktoren 656
657
Vgl. zur Risikopriorisierung auf Basis von qualitativen Verfahren Baccarini, D./Archer, R. (2001), S. 142ff. Vgl. z.B. Mayerhofer, E./Brandstätter, C. (2005), S. 535 sowie Wolf, K. (2003), S. 58.
188
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
zu ergänzen, damit eine abschließende Risikoklassifizierung und situationsgerechte Ableitung von Maßnahmen vorgenommen werden kann. Dabei sollte vor allem eine Berücksichtigung des Phasenbezugs von Risiken erfolgen.658 Wie bereits erwähnt, begründet sich diese Forderung aus der Länge des pharmazeutischen Produktentwicklungsprozesses. Risiken, die nur in bestimmten Phasen auftreten (z.B. Risiken in Phase 3), können zwar hinsichtlich ihres Schadenserwartungswerts eine hohe Priorität einnehmen, jedoch erst ab einem bestimmten Zeitpunkt Handlungsbedarf bzw. besonderen Überwachungsbedarf erfordern. Von einer früheren Fokussierung auf diese phasenspezifischen Risiken ist demnach unter Effizienzgesichtspunkten abzuraten. Die dadurch „freien“ Managementkapazitäten sollten eher auf Risiken gelegt werden, deren zeitlicher Bezug ihre aktuelle Priorität steigert. Dies könnten z.B. phasenunabhängige Risiken wie bestimmte Markt- oder Konkurrenzrisiken sein oder Risiken, die einen zeitlichen Bezug zur aktuellen Phase aufweisen. Zur Identifikation des zeitlichen Charakters von Risiken können die im Rahmen der Risikoanalyse gewonnenen Informationen herangezogen werden.659 Die konventionelle Risikobeurteilung mit einer ergänzenden Berücksichtigung des zeitlichen Anfalls von Risiken erlaubt im hier vorgeschlagenen Ansatz eine endgültige Risikoklassifizierung und darauf basierende Ableitung von Maßnahmen zum Umgang mit den Risiken. Wie bereits festgestellt sind dabei die Risiken höherer Priorität den Risiken mit geringerer Priorität vorzuziehen. Am Beispiel der Risk Map bedeutet dies, dass zunächst die Risiken mit Priorität I, danach Risiken der Priorität II und zuletzt die Risiken der Priorität III behandelt werden. Die Notwendigkeit einer Priorisierung begründet sich aus den begrenzten Managementkapazitäten, die ein selektives Handeln erforderlich machen. Innerhalb der gleichen Priorität ist der Fokus zunächst auf diejenigen Risiken zu legen, die einen Bezug zur aktuellen Phase aufweisen oder phasenübergreifend und damit jederzeit eintreten können. Zwischenergebnis: Auf Basis der bis zu diesem Punkt durchgeführten Risikoidentifikation, Risikoanalyse und Risikobewertung (mit den Teilphasen Risikobeurteilung und -klassifizierung) lassen sich nun Informationen für die situationsgerechte Steuerung und Regelung der pharmazeutischen Produktentwicklung ableiten. Die Nutzung dieser Informationen ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts. 658
659
Zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangt auch SAARI, die auf die Bedeutung einer ergänzenden Risikoanalyse unter zeitlichen Aspekten hinweist. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 63. Vgl. dazu nochmals Abbildung 38 als Beispiel für eine Risk Breakdown Structure.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
189
Nutzung von Risikoinformationen zur situationsgerechten Steuerung und Regelung der pharmazeutischen Produktentwicklung Für das zentrale Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ist die Ableitung einzelner Risikosteuerungsmaßnahmen, wie sie sich an dieser Stelle im Fall eines konventionellen Risikomanagementprozesses anschließen würde, von nachrangiger Bedeutung. Gespräche mit verschiedenen Unternehmen haben hier keine Hinweise auf bestehende Schwierigkeiten ergeben. Betont wurde in Übereinstimmung mit der Literatur660 die Bedeutung einer sorgfältigen Nutzenbeurteilung von Risikomanagementmaßnahmen. Stattdessen steht nachfolgend die Frage im Vordergrund, wie die bislang gewonnenen Risikoinformationen zur situationsgerechten Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung genutzt werden können. Gespräche mit verschiedenen Unternehmen bestätigen, dass dieser Aspekt bislang nur unzureichend Bedeutung in der pharmazeutischen Praxis gefunden hat. Um dieser Frage genauer nachzugehen, wird die in Abschnitt 2.1.3 dargestellte kybernetische Interpretation von Management als komplexes Steuerungs- und Regelungsphänomen herangezogen. Die Realisierung pharmazeutischer Entwicklungsvorhaben entsprechend dem Ausführungsprozess aus 5.3.3 verbunden mit den ex ante festgelegten Kontrollpunkten sowie den Zeit-, Leistungs- und Wertvorgaben aus der Planung werden dabei insgesamt als Regelstrecke interpretiert. Interpretiert man die Realisierung eines Entwicklungsvorhabens auf Basis des Entwicklungsplans nun als Regelstrecke, so können die erzeugten Risikoinformationen als die initialen Planungsvorgaben situativ ergänzende Steuer- und Regelungsvorgaben verstanden werden. Zur Ableitung situativer Steuer- und Regelungsvorgaben ist es erforderlich, zusätzlich zur bereits vorgenommenen Beurteilung und Klassifizierung einzelner Risiken auch deren Steuerbarkeit zu berücksichtigen.661 Diese Forderung gründet sich aus der für pharmazeutische Produktentwicklungsprojekte typischen Risikostruktur. PASS/POSTLE unterscheiden in diesem Zusammenhang in „Build-in“- und „Build-up“660 661
Vgl. z.B. Schnorrenberg, U./Goebels, G. (1997), S. 134ff. Dieser Schritt könnte auch bereits in der Risikoanalyse durchgeführt werden. Da die Steuerbarkeit von Risiken jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf deren Priorisierung hat, sondern vielmehr im Hinblick auf die Ableitung adäquater Maßnahmen bekannt sein muss, wird sie erst an dieser Stelle untersucht. Der Vorteil der hier gewählten Vorgehensweise ist in der Komplexitätsreduktion zu sehen, die dadurch zustande kommt, dass ggf. nicht für alle, sondern nur für die wichtigsten Risiken eine Untersuchung der Steuerbarkeit vorgenommen werden muss.
190
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Risiken.662 Zu den Build-in-Risiken gehören sämtliche wirkstoffbezogenen Aspekte, die sich im Rahmen der präklinischen und klinischen Tests zeigen. Build-in-Risiken lassen sich i.d.R. nicht managen. Wie an früherer Stelle erwähnt, werden sie meist dadurch in Kauf genommen, dass eine ausreichende Anzahl neuer Substanzen in die Pipeline geschickt wird, um das gewünschte Fließgleichgewicht zu erhalten.663 Eine Unterteilung in steuerbare Build-up- und demgegenüber nicht steuerbare Build-inRisiken unterstützt die Ableitung geeigneter Maßnahmen zum Umgang mit besagten Risiken. Aus Effektivitäts- und Effizienzgründen ist der Fokus auf die Ableitung von Maßnahmen für steuerbare Risiken zu legen. Build-in-Risiken, die sich ohnehin nicht steuern lassen, gilt es zu überwachen und das Entwicklungsvorhaben im Falle ihres Eintritts ggf. abzubrechen.
662 663
Vgl. Pass, D./Postle, M. (2002), S. 70. Vgl. dazu nochmals die Ausführungen in Abschnitt 3.1.1.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
191
Charakterisiert man die Risiken, die gemäß Risk Map eine gleiche Priorität haben, anhand ihrer Steuerbarkeit und ihres Phasenbezugs, so erhält man vier unterschiedliche Risikotypen. Diese sind in der nachfolgenden Abbildung 40 dargestellt. Gleiche Priorität gemäß Position in Risk Map III II
Phasenbezug I
ja
Steuerbarkeit
nein
Ja
Nein
Risikotyp 1:
Risikotyp 3:
Nicht steuerbare Risken mit Phasenbezug
Nicht steuerbare Risiken ohne Phasenbezug
(nicht steuerbar, phasenspezifisch)
(nicht steuerbar, nicht phasenspezifisch)
Risikotyp 2:
Risikotyp 4:
Steuerbare Risiken mit Steuerbare Risiken ohne Phasenbezug Phasenbezug (steuerbar, phasenspe- (steuerbar, nicht zifisch)
phasenspezifisch)
Abbildung 40: Risikotypen der pharmazeutischen Produktentwicklung
Der adäquate Umgang mit jedem Risikotyp leistet dabei einen eigenen Beitrag zur situationsgerechten Steuerung und Regelung der Produktentwicklung. Sämtliche Risiken mit Phasenbezug (Risikotypen 1 und 2) sollten zunächst vorkoppelnd an die jeweiligen Phasen gemeldet werden. Dabei lassen sich auf Basis der nicht-steuerbaren Risiken (Risikotyp 1) Abbruchkriterien für einzelne Phasen ableiten. Im Falle ihres Eintritts sollte das Entwicklungsvorhaben konsequent abgebrochen werden. Die Identifikation von steuerbaren Risiken (Risikotyp 2) gibt Hinweise darauf, an welchen Stellen im Prozess eine Ableitung geeigneter aktiver und passiver Risikomaßnahmen ratsam ist.
192
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Neben der Ableitung geeigneter Maßnahmen und Abbruchkriterien (WAS?) in der relevanten Phase (WANN?) können weitere Informationen über den Kontrollort (WO?), die Kontrollinstanz (WER?) und geeignete Kontrollgrößen (WOMIT?) abgeleitet werden. Die Hinweise auf den Kontrollort (WO?) ergeben sich aus der entstehungsortbezogenen Systematisierung der Risiken im Rahmen der Risikoidentifikation. So ist im Fall der prozessbezogenen Risiken eine regelmäßige Überwachung der Prozessperspektive bzw. einzelner Teilprozesse nahe liegend.664 Risiken, die sich auf der Marktperspektive zeigen, lenken den Blick auf eigene Marktaktivitäten, die in der betrachteten Phase anfallen, aber auch auf externe Einflüsse wie z.B. Aktivitäten der Konkurrenz. Hinweise auf die Kontrollinstanz (WER?) lassen sich anhand der Risk Breakdown Structure vornehmen. Es steht zu vermuten, dass phasenabhängige Risiken häufig in Zusammenhang mit bestimmten Funktionen oder Teilprozessen der Produktentwicklung auftreten. So sollten diese Risiken z.B. auch von der zuständigen Instanz, d.h. Funktionsbereich oder Linie, überwacht werden. Weiter können anhand einer Analyse von Ursache-Wirkungsbeziehungen auch Hinweise auf Größen zur Risikoüberwachung (WOMIT?) abgeleitet werden. Neben einer Überwachung der eigentlichen Risiken können z.B. auch Indikatoren hinzugezogen werden, die Aufschluss über die Risikoentwicklung und Risikowirkung geben können. Der Einsatz von Indikatoren ist dann zu empfehlen, wenn sich das dazugehörige Risiko – wie z.B. im Fall konkurrentenbedingter Risiken – selbst nicht oder nur schlechter als der Indikator überwachen lässt. Ähnliche Implikationen hinsichtlich geeigneter Maßnahmen und Abbruchkriterien, Kontrollorte und Kontrollgrößen wie im Fall der phasenspezifischen Risiken lassen sich auch im Fall der Risiken ohne Phasenbezug (Risikotypen 3 und 4) ableiten. Im Unterschied zu phasenspezifischen Risiken steht jedoch zu vermuten, dass Risiken ohne Phasenbezug einer situationsabhängigen Festlegung von Kontrollinstanzen bedürfen. Sinnvoll wäre ggf. auch eine Überwachung dieser Risiken durch das Projektteam bzw. den Projektleiter, da dieser idealerweise die gesamte Realisierung des Entwicklungsvorhabens begleitet.
664
Dies gilt unter Berücksichtigung der Informationen, die der Risk Breakdown Structure entnommen werden können.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
193
Die Ableitung von risikospezifischen Steuervorgaben ist beispielhaft in der nachfolgenden Abbildung 41 dargestellt. Die Risiken 3, 1, 7 und 2 (Spalte eins) haben nach der konventionellen Risikobeurteilung gemäß der Risk Map in Abbildung 39 eine vergleichbar hohe Priorität I (Spalte zwei). Eine ergänzende Untersuchung des Phasenbezugs und der Steuerbarkeit (Spalten drei und vier) erlaubt es, situationsgerechte Maßnahmen abzuleiten. Beispielsweise sind für Risiko 3 unmittelbar Maßnahmen zu überlegen, da es nicht phasenspezifisch ist und damit jederzeit eintreten kann. Im Unterschied dazu können für Risiko 1 auch Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden, da es auch erst in späteren Phasen (im Beispiel in Phase 3) auftritt. Für die Risiken 7 und 2, die nicht steuerbar sind, gilt es hingegen phasenübergreifende (im Fall des Risiko 7) bzw. phasenspezifische Abbruchkriterien (im Fall des Risiko 2) zu definieren.
Risiko
Phasenbezug
Priorität (gem. Risk Map) ja
3
I
1
I
7
I
2
I
X (Phase 3)
...
...
...
Steuerbarkeit
nein
ja
X
X
X (Phase 3)
nein
X X
X X
...
...
Abbildung 41: Ableitung von risikoorientierten Steuervorgaben
Maßnahmen des Managements
...
Maßnahmen jetzt ergreifen Maßnahmen später einleiten (Phase 3) Abbruchkriterien phasenübergreifend definieren Abbruchkriterien für Phase 3 festlegen ...
194
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Die abgeleiteten Maßnahmen zur Risikosteuerung können in den laufenden Managementprozess integriert werden und ergänzen die planungsbasierten Managementvorgaben aus dem Entwicklungsplan situationsgerecht. Dies ist in der nachfolgenden Abbildung 42 beispielhaft für die Risiken 7 und 2 dargestellt.
Phasenunabhängige Vorgaben für Risiko 7 Phasenspezifische Vorgabe für Risiko 2
P l a n u n g
Vor Ph. 1
Vor Ph. 2
Vor Ph. 3
Ph. 3
Realisierung
Risikoüberwachung
…
Risikodokumentation und -kommunikation
Risikoidentifikation, -analyse und -beurteilung
Legende: Steuervorgaben Regelungsvorgaben
Abbildung 42: Integration der risikoorientierten Steuervorgaben in die laufende Realisierung der Produktentwicklung
Neben den auf diese Weise ermittelten Vorgaben für eine situationsgerechte Steuerung von Entwicklungsvorhaben auf Basis der aktuellen Risikosituation fundiert die Risikoeinschätzung ganzer Phasen auch Entscheidungen über Änderungen der Bearbeitungsreihenfolge. Werden nämlich für eine bestimmte Phase viele Risiken mit hoher Priorität identifiziert, so kann diese Phase als relativ riskant eingeschätzt werden. In diesem Fall ist es sinnvoll, von einem überlappenden Beginn der Folgephase Abstand zu nehmen und stattdessen die erfolgreiche Beendigung der riskanten Phase abzuwarten. Gleiche Entscheidungen können auch innerhalb einer Phase bezüglich der Bearbeitung einzelner Teilprozesse getroffen werden.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
195
Die in diesem Abschnitt aufgezeigten Möglichkeiten zur situationsgerechten Ergänzung der planungsbasierten Managementvorgaben um risikoorientierte Steuervorgaben für einzelne Phasen oder den gesamten Prozess gilt es nachfolgend zu überwachen und bei Änderung der Risikosituation erneut situationsgerecht anzupassen. Dies erfolgt im Rahmen der Risikoüberwachung, die in kybernetischer Interpretation eine Regelungsfunktion einnimmt, sodass bei Bedarf ein nachsteuerndes Eingreifen in den Prozess möglich wird. Parallel dazu müssen die Risiken zudem regelmäßig dokumentiert und entsprechend kommuniziert werden, da nur auf diese Weise der beschriebene kybernetische Steuer- und Regelungsmechanismus aufrechterhalten werden kann. Die Möglichkeiten der Risikoüberwachung werden nachfolgend für die pharmazeutische Produktentwicklung aufgezeigt. Neben der bereits angedeuteten Überwachung laufender Entwicklungsvorhaben wird zudem untersucht, wie das bislang gewonnene Erfahrungswissen auch für zeitlich nachgelagerte Entwicklungsvorhaben genutzt werden kann. Risikoüberwachung in der pharmazeutischen Produktentwicklung Im Rahmen der vorliegenden Arbeit muss die Risikoüberwachung zwei Zielsetzungen genügen. Zum einen soll sie i.S.e. iterativen Schleife den Risikomanagementprozess selbst sowie die Ergebnisse der vorangegangenen Phasen (Risikoidentifikation, analyse, -bewertung und -steuerung) überwachen und damit eine situationsgerechte Anpassung der Steuerungs- und Regelungsvorgaben an die jeweilige Risikosituation unterstützen. Zum anderen soll die Risikoüberwachung ein systematisches Lernen für zukünftige Entwicklungsvorhaben ermöglichen. Den vorgenannten Zielsetzungen entsprechend setzt sich nachfolgend vorgeschlagenes Konzept zur Risikoüberwachung aus zwei Phasen zusammen, wobei die zweite Phase auf den Erkenntnissen der ersten Phase aufbaut. Risikoorientierte Überwachung laufender Entwicklungsvorhaben Die auf Basis von Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung erzeugten Informationen können, wie oben gezeigt, als zukunftsorientierte Steuer- und Regelungsvorgaben für die Realisierung von Entwicklungsvorhaben interpretiert werden. In Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation ergänzen sie in unterschiedlichem Maße die aus der Planung abgeleiteten Steuer- und Regelungsvorgaben. Ihre regelmäßige Überwachung ist sicherzustellen, um keine zukunftsorientierten Fehlsteuerungen
196
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
auszulösen. In Form einer iterativen Schleife sollten die Ergebnisse aus Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung regelmäßig aktualisiert und ggf. angepasst werden. Dies umfasst sowohl die Überwachung bereits identifizierter Risiken als auch die Identifikation neu hinzugekommener Risiken. Im Fall der bereits identifizierten Risiken ist zu untersuchen, ob die ursprüngliche Risikobewertung (bzw. Risikobeurteilung und -klassifizierung) noch haltbar ist. Dies umfasst ggf. auch eine Korrektur der daraus abgeleiteten Steuer- und Regelungsvorgaben. Mit neu hinzugekommenen Risiken sollte auf gleiche Weise wie in den vorangegangenen Ausführungen beschrieben verfahren werden. Durch regelmäßige Risikoüberwachung in der dargestellten Weise kann eine sukzessive Anpassung und situationsgerechte Erweiterung der Steuer- und Regelungsvorgaben für die pharmazeutische Produktentwicklung erreicht werden. Die Initiierung der Risikoüberwachung sollte dabei, wie von SAARI vorgeschlagen, ereignisabhängig erfolgen.665 Sofern die auslösenden Ereignisse zu weit auseinander liegen, sind jedoch ergänzende, zeitabhängige Routineüberwachungen zu empfehlen. Risikoorientiertes Lernen666 für zukünftige Entwicklungsvorhaben Die Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse für zukünftige Entwicklungsvorhaben setzt deren zweckmäßige Dokumentation voraus. Wie bereits im Rahmen der allgemeinen Ausführungen zur Risikodokumentation in 5.4.3 erläutert, ist eine alleinige Dokumentation der gesammelten Erfahrungen jedoch kein Garant für deren tatsächlichen Einsatz. Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend neben der Frage geeigneter Dokumentationsmöglichkeiten auch Ansatzpunkte zur Wissensnutzung in zukünftigen Entwicklungsvorhaben thematisiert. Zur Dokumentation von Risiken empfiehlt sich der Einsatz von Prioritätslisten, in denen sämtliche bzw. – in Abhängigkeit von deren Anzahl – die wichtigsten Risiken gemäß ihrer Bedeutung für das Projekt systematisch dargestellt werden.667 Sie können zum einen als Checkliste für die Identifikation von Risiken in zukünftigen Vorhaben herangezogen werden, zum anderen aber auch i.S.e. Vorpriorisierung668 für die Beurteilung und Klassifizierung von Risiken in zukünftigen Entwicklungsvorhaben. 665 666
667 668
Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 48. “Lernen zu lernen beschreibt den Prozess, der eine Verbesserung im Lernen, eine Erleichterung im Verlernen, ein kritisches Reflektieren usw. bedeutet.“ Ulrich, H./Probst, G. J. B. (1988), S. 93. Vgl. Saari, H.-L. (2004), S. 65. Natürlich darf dies nicht dazu führen, dass eine projektindividuelle Risikobeurteilung ausbleibt.
5.4 Situative Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
197
Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn dort die Risikobeurteilung in Ermangelung von statistischen Wahrscheinlichkeiten auf Basis von subjektiven Schätzungen vorgenommen werden muss. Zu beachten ist, dass o.g. Prioritätslisten nicht einmalig erstellt, sondern im Rahmen der Risikoüberwachung regelmäßig aktualisiert werden. Neben der so vorgenommenen primär zeitpunktbezogenen Risikodokumentation sollte darüber hinaus auch der Entwicklungsverlauf von Risiken festgehalten werden. Möglich wird dies z.B., indem geänderte Risikoeinschätzungen im Verlauf eines Entwicklungsvorhabens nicht zu einem Überschreiben der alten Einschätzung führen, sondern ergänzend dokumentiert werden. Erkenntnisse über den Entwicklungsverlauf von Risiken ggf. in Kombination mit auslösenden Ereignissen liefern sinnvolle Ansatzpunkte für die Identifikation von Ursache-Wirkungsbeziehungen und zur Ableitung zukunftsorientierter Steuer- und Regelungsvorgaben für zeitlich nachgelagerte Projekte (z.B. verstärkte Überwachung der auslösenden Ereignisse). Neben den beispielhaft aufgezeigten Möglichkeiten zur Nutzung von Erfahrungswissen für die Risikofrüherkennung in zukünftigen Projekten sollte auch eine Anbindung an deren initiierende Planung erfolgen. Bekanntlich kann und sollte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Mindestmaß an zeit-, leistungs- und wertbezogenen Steuervorgaben und Kontrollpunkten aus dem Entwicklungsplan heraus festgelegt werden.669 Berücksichtigt man darüber hinaus die Erkenntnisse aus früheren Projekten, können die oben angesprochenen Vorgaben um weitere Vorgaben wie z.B. phasenspezifische und übergreifende Abbruchkriterien sowie situationsgerechte Risikosteuerungsmaßnahmen ergänzt werden. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die betrachteten Entwicklungsvorhaben eine vergleichbare Risikostruktur aufweisen. Denkbar wäre dies beispielsweise, wenn ein Wirkstoff für verschiedene Indikationen und/oder in unterschiedlichen Darreichungsformen entwickelt wird. Neben der Nutzung der dokumentierten Erfahrungen kann es zusätzlich sinnvoll sein, weiteres, nicht dokumentiertes und damit implizites670 Erfahrungswissen einzelner Personen oder des gesamten Teams zu nutzen. Dies ist beispielsweise durch Expertengespräche mit Beteiligten vorangegangener Projekte oder durch Workshops zu Beginn eines neuen Projektes möglich.671 669 670
671
Vgl. dazu nochmals die Ausführungen am Ende des Abschnitts 5.3.3. Für eine Systematisierung unterschiedlicher Wissensarten (implizit vs. explizit) vgl. Klabunde, S. (2003), S. 89f. Vgl. zu diesen Möglichkeiten Hoegl, M./Schulze, A. (2005), S. 268.
198
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Ziel dieses Abschnittes war die Ableitung eines Risikomanagementprozesses, der den Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung adäquat Rechnung trägt und eine situationsgerechte Ergänzung der planungsbasierten Managementvorgaben aus Abschnitt 5.3.3 um risikoorientierte Vorgaben ermöglicht. Im nachfolgenden Abschnitt werden die Ergebnisse aus 5.3 und 5.4 zu einem kybernetischen Managementmodell zusammengeführt, das eine effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung ermöglicht.
5.5 Zwischenergebnis
199
5.5 Zwischenergebnis: Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung durch komplexe Steuerung und Regelung Ziel des nachfolgenden Abschnitts ist die Zusammenführung der planungsbasierten Managementvorgaben aus 5.3 mit den Risikovorgaben, die in 5.4 erzeugt wurden, zu einem kybernetischen Modell. Wie zu zeigen, wird auf diese Weise ein anforderungsgerechtes Management möglich, das den Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung explizit Rechnung trägt. Zu diesem Zweck erscheint es angeraten, sich nochmals die zentralen Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitte in Erinnerung zu rufen. Nach der Ableitung eines standardisierbaren Ausführungsprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung in 5.1 wurde in 5.2 ein umfassender Managementprozess konzipiert, in dem alle relevanten Ebenen und Perspektiven einer erfolgreichen Produktentwicklung berücksichtigt werden können. Die Beschreibung der Planungsaktivitäten entlang dieser Ebenen und Perspektiven mündete im Ergebnis des Abschnittes 5.3 in eine Investitionsentscheidung sowie der Genehmigung des Entwicklungsplanes. Wie dargestellt, konnte auf Basis des Entwicklungsplanes bereits ein Mindestmaß an Managementvorgaben in Form von ersten zeit-, leistungs- und wertbezogenen Steuervorgaben und Kontrollpunkten für die Realisierung eines Entwicklungsvorhabens festgelegt werden. Für diese wurde Erweiterungsbedarf um situationsgerechte Steuer- und Regelungsvorgaben aufgezeigt. Dieser Umstand führte in 5.4 zur Konzeption eines Risikomanagements, durch das die Vorgaben aus der Planung in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation situativ ergänzt werden können. Erweiterung der planungsbasierten Managementvorgaben um risikoorientierte Steuervorgaben Interpretiert man die Realisierungsphase der Produktentwicklung in Verbindung mit den im Entwicklungsplan bereits festgelegten Managementvorgaben insgesamt als Regelstrecke, so können die erzeugten Informationen aus den Phasen der Risikoidentifikation, Risikoanalyse und Risikobewertung als ergänzende Steuervorgaben gedeutet werden. Sie wirken in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation auf die Regelstrecke ein. Die Risikoüberwachung übernimmt eine Regelungsfunktion, indem sie die Ergebnisse der vorgelagerten Phasen des Risikomanagementprozesses sowie deren Konsequenzen
200
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
für die Regelstrecke i.S.e. iterativen Schleife überprüft und bei Bedarf ein nachsteuerndes Eingreifen des Managements erlaubt. Die prozessbegleitende Risikodokumentation und -kommunikation stellen zum einen sicher, dass der beschriebene kybernetische Funktionsmechanismus überhaupt stattfindet. Zum anderen ermöglichen sie ein projektübergreifendes Lernen für die Realisierung zukünftiger Entwicklungsvorhaben. Entsprechende Möglichkeiten wurden im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigt. Abbildung 43 entspricht in ihrem Aufbau der Abbildung 7 aus Abschnitt 2.1.3.2, in der das grundsätzliche Verständnis von Management als komplexes Steuerungs- und Regelungsphänomen dargestellt wurde. Folgende Unterschiede bzw. Erweiterungen sind gegenüber diesem Grundmodell festzustellen. 1. Im hier vorgeschlagenen Modell werden die Managementvorgaben nicht nur
einmalig zu Beginn des jeweiligen Entwicklungsvorhabens, sondern über mehrere Schleifen festgelegt und situationsabhängig angepasst. Die dadurch gewährleistete Integration des Risikomanagements in den laufenden Managementprozess ist nach ROMEIKE entscheidend für dessen Effizienz.672 2. Die Regelstrecke umfasst nicht nur Aktivitäten der Ausführung, sondern auch die ex ante im Rahmen der Planung festgelegten Managementvorgaben für die Realisierung des Entwicklungsvorhabens. Diese können – wie am Ende des Abschnittes 5.3.3 gezeigt – in Form eines Standards für alle Entwicklungsvorhaben Anwendung finden und schaffen damit Effizienzvorteile im Management der pharmazeutischen Produktentwicklung. 3. Es findet eine explizite Anbindung an zeitlich nachgelagerte Entwicklungsvorhaben statt, sodass ein projektübergreifendes Lernen möglich wird. Wie in 5.4.1 gefordert, können dadurch immer mehr potentielle und latente Risiken bereits in der Planung zukünftiger Entwicklungsvorhaben berücksichtigt werden.
672
Vgl. Romeike, F. (2005), S. 275. Vgl. mit ähnlicher Argumentation auch Schewe, G. (2005), S. 215 und Baetge, J./Jerschensky, A. (1999), S. 173.
5.5 Zwischenergebnis
201
t-1 Lernen aus Periode t-1
Planung Projekt t
Regler
R E G E L U N G
Informationen aus Risikoüberwachung (Regelgrößen)
Informationen aus Risikoidentifikation, -analyse & -bewertung (Steuergrößen)
S T E U E R U N G
Regelstrecke faktische & potentielle Störfaktoren t
Lernen aus Periode t
Planung Projekt t+1 t+1
Abbildung 43: Projektinterne und -übergreifende Ergänzung der planungsbasierten Managementvorgaben um risikoorientierte Steuer- und Regelungsvorgaben
202
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung Die besondere Eignung des vorgeschlagenen Managementmodells für die pharmazeutische Produktentwicklung begründet sich in dessen mehrstufigem Aufbau. Zunächst wird im Rahmen der Planung ein Mindestmaß an zeit-, leistungs- und wertbezogenen Vorgaben festgelegt. Diese lassen sich für alle Entwicklungsvorhaben in ähnlicher Weise zur Anwendung bringen, da sie auf dem standardisierbaren Ausführungsprozess der pharmazeutischen Produktentwicklung aufsetzen. Gleiches gilt für zeit- und ereignisabhängige Kontrollpunkte, die anhand des Ausführungsprozesses festgelegt werden. In einem zweiten Schritt werden die ex ante festgelegten Managementvorgaben in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation um risikoorientierte Steuer- und Regelungsvorgaben ergänzt. Dadurch können unerwünschte Entwicklungen in der laufenden Realisierung von Entwicklungsvorhaben erkannt und situationsgerecht berücksichtigt werden. Wie nachfolgend gezeigt werden soll, unterstützt die beschriebene Vorgehensweise gleichermaßen eine effektive und effiziente Lenkung der Produktentwicklung. Nach der Definition dieser Arbeit673 ist die Lenkung der Produktentwicklung dann effektiv, wenn erfolgversprechende Entwicklungsvorhaben zielgerichtet vorangetrieben und nicht erfolgversprechende Entwicklungsvorhaben konsequent eingestellt werden. Durch den in Abschnitt 5.2 konzipierten Managementprozess werden alle relevanten Ebenen und Perspektiven einer erfolgreichen Produktentwicklung berücksichtigt. Eine Produktentwicklung entlang dieses Prozesses stellt sicher, dass nur diejenigen Entwicklungsvorhaben ausgewählt und verfolgt werden, die sowohl technisch als auch wirtschaftlich günstige Erfolgsaussichten haben, nach dem Verständnis dieser Arbeit mithin erfolgversprechend im Sinne von wertschaffend sind. Durch Kombination mit einem pharmaspezifisch ausgestalteten Risikomanagement können unerwünschte Entwicklungen identifiziert und nicht erfolgversprechende Entwicklungsvorhaben daraufhin konsequent eingestellt werden. Insofern ist festzustellen, dass der umfassende Managementprozess aus 5.2 in Verbindung mit dem in Abschnitt 5.4.4
673
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.1.3.3.1, S. 67.
5.5 Zwischenergebnis
203
entwickelten Risikomanagement eine effektive Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung ermöglicht. Die Lenkung der Produktentwicklung wurde in dieser Arbeit674 als zeiteffizient definiert, wenn sie in der Lage ist, frühzeitig entscheidungsrelevante Informationen zu generieren und darüber hinaus zeitnah in Entscheidungen umzusetzen. Durch die Perpetuierung des Risikomanagements wird sichergestellt, dass die Risikosituation nicht nur einmalig identifiziert, analysiert, bewertet und gesteuert, sondern auch regelmäßig überwacht wird. In Abhängigkeit von der Wahl der Überwachungsintervalle können damit zeitnah neue Risiken identifiziert oder eine geänderte Risikosituation erkannt und situationsgerechte Entscheidungen über die weitere Entwicklung des Arzneimittelkandidaten getroffen werden. Somit ist eine zeiteffiziente Lenkung der Produktentwicklung möglich. An früherer Stelle wurde in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit hingewiesen, in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation über einen früheren oder späteren Beginn der Folgephase entscheiden zu können. Die Lenkung der Produktentwicklung wurde darüber hinaus als kosteneffizient definiert, wenn der Umfang an Planungs-, Steuerungs-, Überwachungs- und Kontrollaktivitäten wirtschaftlich ist, d.h. in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis steht.675 Durch die Festlegung eines Mindestmaßes an ähnlichen Steuervorgaben und Kontrollpunkten für alle Entwicklungsvorhaben ist es möglich, Standardisierungsvorteile im Management der Produktentwicklung zu realisieren. Dies kann als erster Beitrag zur kosteneffizienten Lenkung der Produktentwicklung interpretiert werden. Ein zweiter Beitrag ist in der beschriebenen Vorgehensweise zur Risikoklassifizierung zu sehen. Durch ergänzende Beurteilung einzelner Risiken anhand ihres Phasenbezugs wird eine Komplexitätsreduktion für das Management möglich, da nicht alle Risiken zu jedem Zeitpunkt in gleichem Umfang berücksichtigt werden müssen. Dadurch ist eine Fokussierung auf die jeweils dringlichsten Risiken möglich. Dies gilt gerade für den Fall der phasenspezifischen Risiken, für die gezeigt wurde, dass diese erst zum Zeitpunkt der jeweiligen Phase in kürzeren Intervallen zu kontrollieren und ggf. zu steuern sind. 674 675
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.1.3.3.2, S. 70. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.1.3.3.2, S. 70.
204
5 Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Erfüllung der Forschungszielsetzungen durch anforderungsgerechte Gestaltung und Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung Das vorgeschlagene Managementmodell ermöglicht, wie gezeigt, eine effektive und effiziente Lenkung der Produktentwicklung. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus den Abschnitten 4.2.3 und 4.3 zur effektiven und effizienten Gestaltung der Produktentwicklung werden damit die thesenartig formulierten Zielsetzungen der Arbeit aus Abschnitt 2.3 erfüllt. Dies soll nachfolgend verdeutlicht werden. Dazu werden die Thesen zunächst sinngemäß wiedergegeben und daraufhin der Lösungsansatz im vorgeschlagenen Modell erläutert. Zentrale Aussage der These 1 Die Entwicklung eines Arzneimittels ist ein zeitintensiver Prozess und erstreckt sich über mehrere Jahre. Die lange Entwicklungsdauer verbunden mit dem komplexen Umfeld macht eine umfassende Planung zu Beginn der Produktentwicklung unmöglich. Lösungsansatz im Modell Dem Umstand begrenzter Planbarkeit wird dadurch Rechnung getragen, dass der Anspruch an eine umfassende Planung gar nicht erst erhoben wird. Das Zusammenspiel aus Risikomanagement und planungsbasiertem Management in Form eines Regelkreises führt nämlich dazu, dass das System sich selbst reguliert und damit optimiert.676 Die Qualität der planungsbasierten Managementvorgaben für die laufende Steuerung und Regelung verliert damit gegenüber einem traditionellen Managementverständnis an Bedeutung. Die Aufgabe der initiierenden Planung beschränkt sich in diesem Modell auf die effektive Auswahl eines Entwicklungskandidaten und darüber hinaus auf die Festlegung eines Mindestmaßes an ersten zeit-, leistungs- und wertbezogenen Steuervorgaben und Kontrollpunkten für die Realisierung der Produktentwicklung. Dies deckt sich auch mit den von KLABUNDE festgestellten Tendenzen in komplexen Entwicklungsvorhaben, die sich in einer Reduktion der planerischen und Zunahme der steuernden Managementaktivitäten äußern.677
676
677
Vgl. dazu die Aussage von KUTZBACH, der darauf verweist, dass aufgrund der vielen Unsicherheiten in der pharmazeutischen Produktentwicklung und der Dauer des Entwicklungsprozesses eine umfassende Planung zum Anfangszeitpunkt ohnehin nicht möglich ist. Vgl. Kutzbach, C. (1998), S. 70f. Vgl. Klabunde, S. (2003), S. 30.
5.5 Zwischenergebnis
205
Zentrale Aussage der These 2 Die Entwicklung eines Arzneimittels ist gekennzeichnet durch eine besondere Risikosituation. Projektabbrüche sind demzufolge eher die Regel denn die Ausnahme. Lösungsansatz im Modell Durch Kombination eines pharmaspezifischen Risikomanagements mit den planungsbasierten Managementvorgaben wird die jeweilige Risikosituation in Projekten explizit berücksichtigt. Änderungen der Risikosituation führen zu einer flexiblen und situationsgerechten Anpassung der Managementvorgaben. Zentrale Aussage der These 3 Die Entwicklung eines Arzneimittels ist sehr kostenintensiv. Verbunden mit der besonderen Risikosituation führen Projektabbrüche zu hohen sunk costs. Lösungsansatz im Modell Die jeweilige Kenntnis der aktuellen Risikosituation erlaubt intelligente Entscheidungen im Hinblick auf die Bearbeitungsreihenfolge einzelner Phasen. So kann z.B. im Fall einer als besonders riskant eingeschätzten Phase situationsabhängig entschieden werden, ob die Folgephase bereits begonnen wird oder der erfolgreiche Abschluss der vorangehenden Phase abzuwarten ist. Die Möglichkeit, flexibel Entscheidungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation treffen zu können, hilft, unnötige sunk costs im Fall eines erforderlichen Projektabbruches zu vermeiden.
6 Resümee und Ausblick
207
6 Resümee und Ausblick Ziel der Arbeit ist es gewesen, ein schlüssiges Managementmodell für forschende Pharmaunternehmen zu konzipieren, welches die effektive und effiziente Entwicklung neuer Arzneimittel unterstützt. Grundlage der Konzeption bildete eine umfassende Auswertung der relevanten Literatur sowie der Ergebnisse aus aktuellen Branchenstudien und Experteninterviews mit Vertretern der pharmazeutischen Industrie im Zeitraum 2002 bis 2005. Im Wege eines Gegenstromverfahrens ist ein wissenschaftlich fundiertes und praktisch anwendbares Managementmodell entwickelt worden, das den Besonderheiten der pharmazeutischen Produktentwicklung adäquat Rechnung trägt. Die Ergebnisse der einzelnen Kapitel sowie das Gesamtergebnis der Arbeit sollen nachfolgend kurz zusammengefasst werden. Im zweiten Kapitel wurde zunächst die grundsätzliche Bedeutung von Management zur langfristigen Existenzsicherung eines Unternehmens dargestellt. Eine genauere Betrachtung des traditionellen Managementverständnisses zeigte jedoch dessen mangelnde Eignung für die pharmazeutische Produktentwicklung. Der zentrale Grund hierfür ist in den hohen informatorischen Voraussetzungen an die Planung zu sehen, die im komplexen Umfeld der pharmazeutischen Produktentwicklung nicht erfüllt werden können. Vor diesem Hintergrund wurden die Notwendigkeit eines umfassenden Kontrollverständnisses sowie die Ergänzung des Managements um zukunftsorientierte Steuerungsinformationen festgestellt. Diese Erkenntnisse mündeten in die Vorstellung eines komplexen kybernetischen Managementverständnisses, dessen grundsätzliche Eignung für die pharmazeutische Produktentwicklung gezeigt werden konnte, das jedoch einer situationsgerechten Ausgestaltung bedarf. Ein weiterer Schwerpunkt des zweiten Kapitels lag auf der Analyse des Untersuchungsgegenstandes „pharmazeutische Produktentwicklung“ unter strukturellen und prozessualen Aspekten. Im Mittelpunkt stand die Charakterisierung der Produktentwicklung anhand von langen Entwicklungszeiten sowie hohen Entwicklungsrisiken und Entwicklungskosten. Die Ergebnisse des zweiten Kapitels konnten in Form von drei zentralen Thesen und daran anknüpfenden Anforderungen zusammengefasst werden, die eine Präzisierung der forschungsrelevanten Zielsetzungen dieser Arbeit erlaubten.
208
6 Resümee und Ausblick
(1) Lange Produktentwicklungsdauern verbunden mit einem komplexen Umfeld machen eine umfassende Planung zu Beginn eines Entwicklungsvorhabens unmöglich. Die Vorgaben aus der Planung müssen im Entwicklungsverlauf situationsgerecht angepasst und ergänzt werden. (2) Ausgehend von der besonderen Risikosituation ist die regelmäßige Identifikation, Analyse, Bewertung, Steuerung und Überwachung von Risiken in der pharmazeutischen Produktentwicklung zwingend erforderlich. (3) Die aufgezeigte Risikosituation verbunden mit typischerweise hohen Entwicklungskosten verlangt flexible Entscheidungsmöglichkeiten über ein Einstellen oder das weitere Verfolgen von Entwicklungsvorhaben in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation. Eine umfassende Bestandsaufnahme im Management der pharmazeutischen Produktentwicklung durch Darstellung dessen typischer Ansatzpunkte, Aufgabenfelder und daran zu knüpfender Anforderungen aus Sicht von Theorie und Praxis waren Gegenstand des dritten Kapitels. Anhand eines Phasendurchlaufmodells wurde zunächst das Managementverständnis der vorliegenden Arbeit vom traditionell quantitativ geprägten Managementansatz der pharmazeutischen Produktentwicklung abgegrenzt. Weiter konnten die Verkürzung von Phasendauern sowie die Reduktion bzw. Verlagerung von Verlustraten in frühere und damit weniger kostenintensive Phasen als bedeutsame Ansatzpunkte einer effektiven und effizienten Produktentwicklung identifiziert werden. Zur Beeinflussung dieser Ansatzpunkte wurden gestaltende und lenkende Managementaufgaben systematisiert sowie an diese zu stellende Anforderungen formuliert. Eine Überprüfung der formulierten Anforderungen auf praktische Relevanz durch Auswertung von Branchenstudien und ergänzenden Experteninterviews zeigte die hohe Bedeutung, die ihnen auch aus Sicht der Praxis beigemessen wird. Eine genauere Untersuchung bereits eingeleiteter Maßnahmen in der Praxis ergab jedoch, dass diese bislang primär einer Senkung von Entwicklungskosten und -zeiten durch Effizienzsteigerungen in den betrieblichen Abläufen dienen. Risikoorientierte Maßnahmen zur Beeinflussung der phasenspezifischen Verlustraten werden hingegen nur in unzureichendem Umfang ergriffen. Insofern konnte ein Erweiterungsbedarf der punktuell ergriffenen Maßnahmen um risikoorientierte Aspekte zu einem schlüssigen Gesamtkonzept aufgezeigt werden.
6 Resümee und Ausblick
209
Entsprechend der idealtypischen Unterteilung in die Aufgabenfelder Gestaltung und Lenkung war die Ableitung eines derartigen Gesamtkonzeptes Gegenstand der Kapitel vier und fünf. Kapitel vier beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit Möglichkeiten der Gestaltung einer effektiven und effizienten Produktentwicklung. Grundidee war dabei die Abkehr von rein funktionalen Vorgehensweisen durch Organisation der Produktentwicklung als Prozess. Die damit verbundenen Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen wurden zunächst im Allgemeinen und danach im Speziellen für die pharmazeutische Produktentwicklung aufgezeigt. Auf Basis des „Stage Gate Prozesses“ nach COOPER wurde ein mehrdimensional gestalteter Produktentwicklungsprozess konzipiert, der eine effektive und effiziente Entwicklung von Arzneimittelkandidaten unterstützt. Zentral für die Konzeption war dabei die Erkenntnis, dass sich – unter Berücksichtigung der gesetzlichen Restriktionen – frühest mögliche Anfangszeitpunkte für den Eintritt der Arzneimittelkandidaten in die jeweils nachgelagerte Phase ermitteln lassen und damit eine zeiteffiziente Gestaltung der Produktentwicklung durch überlappende Anordnung einzelner Teilprozesse möglich wird. Es konnte weiter gezeigt werden, dass eine ergänzende Berücksichtigung von Managementaktivitäten an definierten Punkten im Prozess zur Gestaltung einer effektiven Produktentwicklung beiträgt. Kapitel fünf beschäftigte sich mit der effektiven und effizienten Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung. Aufbauend auf dem mehrdimensional gestalteten Stage Gate Prozess aus Kapitel vier wurde ein umfassender Managementprozess konzipiert, in dem alle relevanten Ebenen und Perspektiven einer erfolgreichen Produktentwicklung berücksichtigt werden können. Dessen Erweiterung um risikoorientierte Steuer- und Regelungsvorgaben zu einem kybernetischen Modell erlaubt eine effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung unter Berücksichtigung der jeweiligen Risikosituation. Durch Ausgestaltung dieses Modells als adaptives System kann zudem ein risikobezogenes Lernen für zukünftige Entwicklungsvorhaben stattfinden. Die zentralen Ergebnisse, die mit dem kybernetischen Modell erreicht werden und dessen Beitrag zur Lösung der formulierten Thesen und Zielsetzungen aus Abschnitt 2.3 sollen nachfolgend kurz skizziert werden.
210
6 Resümee und Ausblick
Lösungsansatz im Modell zu These 1: (Bedarf einer risikoorientierten Anpassung und situationsgerechten Ergänzung der Planungsvorgaben): Dem Umstand begrenzter Planbarkeit wird im zu Grunde liegenden Modell dadurch Rechnung getragen, dass der Anspruch an eine umfassende Planung gar nicht erst erhoben worden ist. Das Zusammenspiel aus Risikomanagement und planungsbasiertem laufenden Management in Form eines Regelkreises führt nämlich dazu, dass das System sich selbst reguliert und damit optimiert. Die Qualität der planungsbasierten Managementvorgaben für die laufende Steuerung und Regelung verliert damit gegenüber einem traditionellen Managementverständnis an Bedeutung. Die Aufgabe der initiierenden Planung beschränkt sich in diesem Modell auf die effektive Auswahl eines Entwicklungskandidaten und darüber hinaus auf die Festlegung eines Mindestmaßes an ersten zeit-, leistungs- und wertbezogenen Steuervorgaben und Kontrollpunkten für die Realisierung der Produktentwicklung. Lösungsansatz im Modell zu These 2: (Erfordernis einer durchgängigen Identifikation, Analyse, Bewertung, Steuerung und Überwachung von Risiken): Durch Kombination eines pharmaspezifischen Risikomanagements mit den planungsbasierten Managementvorgaben wird die jeweilige Risikosituation in Projekten explizit berücksichtigt. Änderungen der Risikosituation führen zu einer flexiblen und situationsgerechten Anpassung der Managementvorgaben. Lösungsansatz im Modell zu These 3: (Notwendigkeit einer zeitoptimalen Prozessgestaltung verbunden mit risikoabhängigen Entscheidungsmöglichkeiten im Prozessverlauf): Die jeweilige Kenntnis der aktuellen Risikosituation erlaubt intelligente Entscheidungen im Hinblick auf die Bearbeitungsreihenfolge einzelner Phasen. So kann z.B. im Fall einer als besonders riskant eingeschätzten Phase situativ entschieden werden, ob die Folgephase bereits begonnen wird oder der erfolgreiche Abschluss der vorangehenden Phase abzuwarten ist. Die Möglichkeit, flexibel Entscheidungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Risikosituation treffen zu können, hilft, unnötige sunk costs im Fall eines erforderlichen Projektabbruches zu vermeiden. Die Vorgehensweise sowie
6 Resümee und Ausblick
211
bedeutsame Erkenntnisse dieser Arbeit werden in der nachfolgenden Abbildung 44 noch einmal überblicksartig aufgeführt. Kapitel 1:
Einleitung
Einführung in die Problemstellung; Erörterung von Ziel und Aufbau der Arbeit Kapitel 2:
Management der pharmazeutischen Produktentwicklung
Umfassender Nachweis der Eignung eines komplexen kybernetischen Managementverständnisses für die pharmazeutische Produktentwicklung Identifikation bedeutsamer Charakteristika der pharmazeutischen Produktentwicklung Formulierung zentraler Zielsetzungen zum Management der pharmazeutischen Produktentwicklung Kapitel 3:
Management der pharmazeutischen Produktentwicklung – Theoretische Anforderungen und deren praktische Relevanz
Identifikation relevanter Ansatzpunkte zum Management der pharmazeutischen Produktentwicklung Systematisierung bedeutsamer Aufgabenfelder des Managements in der pharmazeutischen Produktentwicklung Formulierung bedeutsamer Anforderungen an die Erfüllung der Managementaufgaben in der pharmazeutischen Produktentwicklung Umfassende Bestandsaufnahme in der pharmazeutischen Praxis und Ableitung von Konsequenzen für die Aufgaben des Produktentwicklungsmanagements Kapitel 4:
Effektive und effiziente Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Umfassende Begründung der Eignung von prozessorientierten Vorgehensweisen zur effektiven und effizienten Gestaltung der pharmazeutischen Produktentwicklung Vergleichende Beurteilung unterschiedlicher Ansätze zur prozessorientierten Gestaltung und Strukturierung der Produktentwicklung Konzeption eines effektiv und effizient gestalteten Produktentwicklungsprozesses für die pharmazeutische Produktentwicklung auf Basis des Stage Gate Prozesses Kapitel 5:
Effektive und effiziente Lenkung der pharmazeutischen Produktentwicklung
Entwicklung eines umfassenden Managementprozesses für die Produktentwicklung Erweiterung des Managementprozesses um risikoorientierte Steuer- und Regelungsvorgaben zu einem kybernetischen Managementmodell Umfassender Eignungsnachweis des kybernetischen Modells zur effektiven und effizienten Lenkung der Produktentwicklung Kapitel 6:
Resümee und Ausblick
Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse; Ausblick auf anknüpfende Forschungsarbeiten
Abbildung 44: Vorgehensweise und Erkenntnisse der Arbeit
212
6 Resümee und Ausblick
Der branchenspezifisch gelegte Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bietet Raum für anknüpfende Forschungsarbeiten. Denkbar wäre hier beispielsweise, die Übertragbarkeit des vorgeschlagenen Modells auf andere Branchen zu untersuchen. Ein vergleichbarer Mehrwert kann dabei insbesondere für Branchen erwartet werden, deren Abläufe sich durch ähnliche Charakteristika wie die pharmazeutische Produktentwicklung auszeichnen. Konkret sei hier nochmals an folgende Aspekte erinnert: x Komplexität der Produktentwicklung und ihres Umfeldes, x stark reglementierte, damit aber auch standardisierbare Abläufe, x lange Produktentwicklungszeiten und hohe Entwicklungskosten, x hohe Projektabbruchraten durch eine besondere Risikosituation, x begrenzte Planbarkeit infolge von Komplexität, hohen Produktentwicklungsdauern und spezifischer Risikosituation. Neben der Frage einer Übertragbarkeit des Modells auf andere Branchen bietet auch die Untersuchung von Unterstützungsmöglichkeiten des Modells durch entsprechende Software Raum für weiterführende Forschungsarbeiten. Gerade im Hinblick auf die Gestaltung zeitoptimierter Produktentwicklungsprozesse kann beispielsweise die Nutzung von projektbezogener Software wie „MS Project“ empfehlenswert sein.
Literaturverzeichnis
213
Literaturverzeichnis Ackermann, K. F. (Hrsg., 1999) Risikomanagement im Personalbereich: Reaktionen auf die Anforderungen des KonTraG, Wiesbaden 1999 Agarwal, S./Desai, S./Holcomb, M./Oberoi, A. (2001) Unlocking the value of Big Pharma, in: The McKinsey Quarterly, o. Jg. (2001) Nr. 2, S. 65-73 Ahn, H./Dyckhoff, H. (1997) Organisatorische Effektivität und Effizienz, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 26. Jg. (1997) Nr. 1, S. 2-6 Aigner, A. (2003) Das Nadelöhr – Von der Forschung zur Entwicklung, in: Fischer, D./Breitenbach, J. (Hrsg., 2003), S. 35-92 Albrecht, P./Maurer, R. (2002) Investment- und Risikomanagement: Modelle, Methoden, Anwendungen, Stuttgart 2002 Allport, S. (1998) Strategic Project Management at the Portfolio Level, in: Kennedy, T. (Hrsg., 1998), S. 25-49 Alt, W./Kotsch-Faßhauer, L./Leuz, N. (Hrsg., 1992) Jahrbuch für Fach- und Führungskräfte des Rechnungswesens, Stuttgart 1992 Andersen, E. S./Jessen, S. A. (2003) Project maturity in organisations, in: International Journal of Project Management, 21. Jg. (2003) Nr. 21, S. 457-461 Ansoff, I. H. (1976) Managing Surprise and Discontinuity – Strategic Response to Weak Signals, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 28. Jg. (1976) Nr. 1, S. 129-152 Ansoff, I. H. (1979) Strategic Management, New York 1979 Ansoff, I. H. (1988) The New Corporate Strategy, New York u.a. 1988 Artto, K. A. (1997) Focusing on risk response development and risk measures to be taken – can risk estimation even be skipped in a risk management application?, in: Kähkönen, K./Artto, K. A. (Hrsg., 1997), S. 353-361
214
Literaturverzeichnis
Baccarini, D./Archer, R. (2001) The risk ranking of projects: a methodology, in: International Journal of Project Management, 19. Jg. (2001) Nr. 3, S. 139-145 Baetge, J./Jerschensky, A. (1999) Frühwarnsysteme als Instrument eines effizienten Risikomanagement -controlling, in: Controlling, 10. Jg. (1999) Nr. 4/5, S. 171-176
und
Baker, S./Hart, M. (1999) Product Strategy and Management, London u.a. 1999 Barney, J. B. (1991) Firm Resources and Sustainable Competitive Advantage, in: Journal of Management, 17. Jg. (1991) Nr. 1, S. 99-120 Bassett, M./Gardner, L./Steele, K. (2004) Dow Agro Sciences Uses Simulation-Based Optimization to Schedule the New-Product Development Process, in: Interfaces, 34. Jg. (2004) Nr. 6, S. 426-437 Baumfalk, U. (2002) Projektcontrolling in der Pharmazeutischen Industrie: Erstellen und Einhalten des Kostenrahmens, unveröffentlichte Vortragsunterlagen vom 1.3.2002, Merck KGaA Darmstadt Bea, F. X./Schnaitmann, H. (1995) Begriff und Struktur betriebswirtschaftlicher Prozesse, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 24. Jg. (1995) Nr. 6, S. 278-282 Becker, J./Kahn, D. (2003) Der Prozess im Fokus, in: Becker, J./Kugeler, M./Rosemann, M. (Hrsg., 2003), S. 1-16 Becker, J./Köster, C./Ribbert, M. (2005) Geschäftsprozessorientiertes Risikomanagement. Eine Gestaltungsempfehlung im Rahmen aktueller Corporate Governance Ansätze, in: Controlling, 17. Jg. (2005) Nr. 12, S. 709-717 Becker, J./Kugeler, M./Rosemann, M. (Hrsg., 2003) Prozessmanagement: Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung, 4. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 2003 Becker, W. (1990) Funktionsprinzipien des Controlling, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 60. Jg. (1990) Nr. 3, S. 295-318 Becker, W. (1996) Stabilitätspolitik für Unternehmen: Zukunftssicherung durch integrierte Kosten- und Leistungsführerschaft, Wiesbaden 1996 Becker, W. (1998) Strategisches Management, 4. Aufl., Bamberg 1998
Literaturverzeichnis
215
Becker, W. (2000) Funktionen und Konzepte des Controlling, Bamberg 2000 Becker, W. (2001a) Planung, Entscheidung und Kontrolle, 2. Aufl., Bamberg 2001 Becker, W. (2001b) Komplexitätskosten, in: Bühner, R. (Hrsg., 2001), S. 420-423 Becker, W. (Hrsg., 2003) BWL für IT-Manager: kaufmännisches Wissen für Fach- und Führungskräfte im ITBereich, Bamberg 2003 Becker, W. (2004) Strategisches Management, 6. Aufl., Bamberg 2004 Becker, W. (2006) Einführung in das Controlling, Bamberg 2006 Becker, W./Bogendörfer, M./Daniel, K. (2006) Performance-orientiertes Projektcontrolling: Konzept und Fallstudie im Anlagenbau, in: Controlling, 18. Jg. (2006) Nr. 3, S. 141-148 Becker, W./Fischer, S./Ostbomk, P. (2006) Lebenszyklusorientierte Steuerung von Projekten, in: Bamberger Betriebswirtschaftliche Beiträge, Nr. 141, Bamberg 2006 Becker, W./Lutz, S. (2002) Gabler Kompakt-Lexikon Modernes Rechnungswesen: 2000 Begriffe zu Buchführung und Bilanzierung, Kostenrechnung und Controlling nachschlagen, verstehen, anwenden, Wiesbaden 2002 Becker, W./Stock, C. (2004) Strategisches Entwicklungsmanagement – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in der deutschen Automobilwirtschaft, in: Bamberger Betriebswirt schaftliche Beiträge, Nr. 135, Bamberg 2004 Becker, W./Weber, J. (1982) Scoring-Modelle, in: Management Enzyklopädie, Band 1, 2. Aufl., Landsberg am Lech 1982 Beer, S. (1972) Kybernetische Führungslehre, Frankfurt am Main/New York 1972 Bhandarini, M./Garg, R./Glassmann, R./Ma, P./Zemmel, R. (1999) A genetic revolution in health care, in: The McKinsey Quarterly, o. Jg. (1999) Nr. 4, S. 58-67 Binner, H. (1998) Organisations- und Unternehmensmanagement: von der Funktionsorientierung zur Prozessorientierung, München/Wien 1998
216
Literaturverzeichnis
Blau, G./Bose, S./Pekny, J./Sinclair, G./Kuenker, K./Bunch, P. (2000) Risk Management in the Development of New Products in Highly Regulated Industries, in: Computers and Chemical Engineering, 24. Jg. (2000), S. 659-664 Bleicher, K. (2004) Das Konzept Integriertes Management, Visionen – Missionen – Programme, 7.Aufl., Frankfurt am Main/New York 2004 Bleicher, K./Meyer, E. (1976) Führung in der Unternehmung, Reinbek bei Hamburg 1976 Blohm, H./Lüder, K. (1995) Investition. Schwachstellen im Investitionsbereich des Industriebetriebes und Wege zu ihrer Beseitigung, 8. Aufl., München 1995 Böcking, H.-J./Orth, C. (2000) Risikomanagement und das Testat des Abschlussprüfers, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 52. Jg. (2000) Nr. 3, S. 242-260 Bosse, C. (2000) Investitionsmanagement in divisionalen Unternehmen: Strategiebestimmung, Koordination von Investitionsentscheidungen und Anreizsysteme, Chemnitz 2000 Boutellier, R./Völker, R./Voit, E. (Hrsg., 1999) Innovationscontrolling: Forschungs- und Entwicklungsprozesse gezielt planen und steuern, München 1999 BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (Hrsg., 2004) Pharma innovativ: Vom Wirkstoff zum Arzneimittel, 3. Aufl., Berlin 2004 BPI – Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (Hrsg., 2005) Studie zur aktuellen Situation der Pharmazeutischen Industrie in Deutschland 2005, Berlin 2005 Brinkmann, F.-M. (2001) Gestaltung von Funktionskostenrechnungen: Theorie, Empirie und Praxisbeispiel einer Instandhaltungskostenrechnung, Wiesbaden 2001 Brockhoff, K. (1994) Forschung und Entwicklung – Planung und Kontrolle, 4. Aufl., München/Wien 1994 Brockhoff, K. (1999) Forschung und Entwicklung – Planung und Kontrolle, 5. Aufl., München/Wien 1999 Bühner, R. (Hrsg., 2001) Management Lexikon, München 2001 Bühner, R. (2004) Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, 10. Aufl., München 2004 Bürgel, H. D./Haller, C./Binder, M. (1996) F&E-Management, München 1996
Literaturverzeichnis
217
Burghardt, M. (2001) Einführung in das Projektmanagement: Definition, Planung, Kontrolle, Ab schluss, 3. Aufl., München 2001 Burke, R. (2004) Projektmanagement. Planungs- und Kontrolltechniken, Bonn 2004 Capgemini (Hrsg., 2004) Unlocking the value of pharmaceutical products: a new perspective for product lifecycle management, o.O. 2004 Cardinal, L. (2001) Technological Innovation in the Pharmaceutical Industry: The Use of Organizational Control in Managing Research and Development, in: Organization Science, 12. Jg. (2001) Nr. 1, S. 19-36 Chapman, C./Ward, S. (1997) Project risk management: Processes, Techniques and Insights, Chichester 1997 Chapman, C./Ward, S. (2002) Managing Project Risk and Uncertainty: A Constructively Simple Approach to Decision Making, Chichester 2002 Clausius, E. (1993) Controlling in Forschung und Entwicklung: Forschungs- und Entwicklungs-controlling als spezielle Controlling-Funktion in industriellen Unternehmen, Frankfurt am Main u.a. 1993 Coenenberg, A. G. (2003) Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: betriebswirtschaftliche, handels-rechtliche, steuerrechtliche und internationale Grundsätze; HGB, IAS/IFRS; US-GAAP, DRS, 19. Aufl., Landsberg am Lech 2003 Coenenberg, A. G./Salfeld, R. (2003) Wertorientierte Unternehmensführung: Vom Strategieentwurf zur Implementierung, Stuttgart 2003 Cooper, R. G. (2001) Winning at New Products: Accelerating the process from Idea to Launch, 3. Aufl., Cambridge, Mass. 2001 Cooper, R. G. (2002) Top oder Flop in der Produktentwicklung: Erfolgsstrategien: von der Idee zum Launch, Weinheim 2002 Corsten, H./Reiß, M. (Hrsg., 1995) Handbuch Unternehmensführung: Konzept, Instrumente, Schnittstellen, Wiesbaden 1995
218
Literaturverzeichnis
Däinghaus, R. (2002) Medikamente frei Haus – Innovation in der Arzneimitteldistribution, in: Breuer, R./Becker, W./Fibig, A. (Hrsg., 2002), S. 129-139 Dalsgaard, M. T. (2003) Portfolio & Risk Management, unveröffentlichte Tagungsunterlagen zum Risikomanagement in der pharmazeutischen Industrie am 29./30.10.2003 in London, U.K. 2003 Dambacher,E./Schöffski, O. (2002) Vertriebswege und Vertriebswegeentscheidung, in: Schöffski, O. et al. (Hrsg., 2002), S. 243-255 Davenport, T. H. (1993) Process Innovation. Reengineering Work through Information Technology, Boston, MA 1993 De Meyer, A./Loch, C. H./Pich, M. T. (2002) Managing Project Uncertainty: From Variation to Chaos, in: MIT Sloan Management Review, 43. Jg. (2002) Winter, S. 60-67 Del Cano, A./de la Cruz, M. P. (1998) On the Management of Risks in Construction Projects: Small and Medium Sized Projects with Low and Medium Levels and “Zero” Situations, in: Project Management, 4. Jg. (1998) Nr.1, S. 54-61 Deloitte (Hrsg., 2005) The future of the life sciences industries, London 2005 Deneux, F./Kane, R. L./Lundh, R./Schaper, A./Thomas, F. (2004) Mid-Life Crisis: New Challenges in Pharmaceutical Life-Cycle Management, in: Prism, o. Jg. (2004) Nr. 1, S. 77-91 Deutscher Standardisierungsrat (Hrsg., 2000) Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 5 (E-DRS 5) zur Risikoberichterstattung, Entwurf vom 24.11.2000, Berlin 2000 Deutsches Institut für Normung, DIN 69 901 (1987) Projektmanagement, Berlin 1987 Dierkes, S./Gerum, E./Ayaz, M./Stieglitz, N. (2004) Strategische Kontrolle als Element des Risikomanagements, in: Zeitschrift für Controlling & Management, 48. Jg. (2004) Sonderheft 3, S. 38-50 Dinger, H. (2001) Strategische Innovation unter Kontrolle: Wie Sie Innovationsprojekte mit Stage-Gate-Controlling steuern können, in: New Management, 70. Jg. (2001) Nr. 11, S. 14-19
Literaturverzeichnis
219
Dobiey, D./Köpplin, T./Mach, W. (2004) Programm-Management: Projekte übergreifend koordinieren und in die Unternehmensstrategie einbinden, Weinheim 2004 Dörner, D./Horvath, P./Kagermann, H. (Hrsg., 2000) Praxis des Risikomanagements: Grundlagen, Kategorien, branchenspezifische und strukturelle Aspekte, Stuttgart 2000 Dreger, C. (2000) Strategisches Pharma-Management: Konsequente Wertoptimierung des Total-LifeCycle, Wiesbaden 2000 Drews, J. (1984) Forschung in Pharmaunternehmen, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 59. Jg. (1989) Nr. 2, S. 129-140 Drews, J. (1998) Die verspielte Zukunft: wohin geht die Arzneimittelforschung?, Basel/Boston/Berlin 1998 Dyckhoff, H./Ahn, H. (2001) Sicherstellung der Effektivität und Effizienz der Führung als Kernfunktion des Controlling, in: krp-Kostenrechnungspraxis, 45. Jg. (2001) Nr. 2, S. 111-121 Earle, M./Earle, R./Anderson, A. (2001) Food Product Development, Cambridge 2001 Eisenführ, F./Weber, M. (2003) Rationales Entscheiden, 4. Aufl., Berlin u.a. 2003 Eschenbach, R./Kunesch, H. (1996) Strategische Konzepte – Management-Ansätze von Ansoff bis Ulrich, 3. Aufl., Stuttgart 1996 Ettmüller, K. (2003) Risikomanagement in der BASF-Gruppe – rechtliche Grundlagen, praktische Ausgestaltung und Prüfung, in: Controlling, 15. Jg. (2003) Nr. 12, S. 689-697 Falter, W./Michel, U. (2000) Früherkennung und Risikomanagement für Unternehmen der chemischen Industrie, in: Dörner, D./Horvath, P./Kagermann, H. (Hrsg., 2000), S. 473-505 Fama, E./Fisher, L./Jensen, M./Roll, R. (1969) The Adjustment of Stock Prices to New Information, in: International Eco nomic Review, 10. Jg. (1969) Nr. 1, S. 1-21 Fasse, F.-W. (1995) Risk-Management im strategischen internationalen Management, in: Duisburger Betriebswirtschaftliche Schriften, Nr. 10, Hamburg 1995
220
Literaturverzeichnis
Ferstl, O./Sinz, E. (1994) Der Ansatz des Semantischen Objektmodells (SOM) zur Modellierung von Geschäftsprozessen, in: Bamberger Betriebswirtschaftliche Beiträge, Nr. 21, Bamberg 1994 Ferstl, O./Sinz, E. (1994) Re-Engineering von Geschäftsprozessen auf der Grundlage des SOM-Ansatzes, in: Bamberger Betriebswirtschaftliche Beiträge, Nr. 26, Bamberg 1995 Fiedler, R. (2001) Controlling von Projekten: Projektplanung, Projektsteuerung und Risikomanagement, Wiesbaden 2001 Fiedler, R. (2005) Controlling von Projekten: Mit fünf konkreten Beispielen aus der Unternehmenspraxis – Alle Aspekte der Projektplanung, Projektsteuerung und Projektkontrolle, 3. Aufl., Wiesbaden 2005 Fischer, D./Breitenbach, J. (Hrsg., 2003) Die Pharmaindustrie: Einblick – Durchblick – Perspektiven, Heidelberg/Berlin 2003 Fischer, D./Breitenbach, J. (2003) Wandel und Herausforderung – die pharmazeutische Industrie, in: Fischer, D./Breitenbach, J. (Hrsg., 2003), S. 1-33 Forker, H. (1995) Alternative Strukturierungsmöglichkeiten des F&E-Bereichs in der mittelständischen pharmazeutischen Unternehmung, in: Herzog, R. (Hrsg., 1995), S. 31-50 Frenkel, M./Hommel, U./Rudolf, M. (Hrsg., 2000) Risk Management: challenge and opportunities, Berlin u.a. 2000 Frese, E. (2000) Grundlagen der Organisation: Konzept – Prinzipien – Strukturen, 8. Aufl., Wiesbaden 2000 Frese, E./Maly, W. (Hrsg., 1994) Organisationsstrategien zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit: Lösungen deutscher Unternehmen, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 46. Jg. (1994) Sonderheft Nr. 33 Fröhling, O. (1994) Dynamisches Kostenmanagement: konzeptionelle Grundlagen und praktische Umsetzung im Rahmen eines strategischen Kosten- und Erfolgscontrolling, München 1994 Fuchs, H. (1969) Systemtheorie, in: Grochla, E. (Hrsg., 1969), Sp. 1620 Fuchs, R. (2005) Wertschöpfungsorientiertes Controlling in Wohnungsunternehmen: Konzept zur Unterstützung des organisatorischen Wandels, Wiesbaden 2005
Literaturverzeichnis
221
Füser, K./Gleißner, W./Meier, G. (1999) Risikomanagement (KonTraG) – Erfahrungen aus der Praxis, in: Der Betrieb, 52. Jg. (1999) Nr. 15, S. 753-758 Gaisser, S./Nusser, M. (2005) Stärkung des Pharma-Innovationsstandortes Deutschland, Karlsruhe 2005 Gaitanides, M./Scholz, R./Vrohlings, A. (1994) Prozeßmanagement. Konzepte, Umsetzungen und Erfahrungen des Reengineering, München/Wien 1994 Gälweiler, A. (1981) Strategische Unternehmensplanung, in: Steinmann, H. (Hrsg., 1981b), S. 84-101 Gälweiler, A. (1987) Strategische Unternehmensführung, Frankfurt am Main/New York 1987 Gälweiler, A. (1990) Strategische Unternehmensführung, 2. Aufl., Frankfurt am Main/New York 1990 Gälweiler, A. (2005) Strategische Unternehmensführung, 3. Aufl., Frankfurt am Main/New York 2005 Gassmann, O./Kobe, C./Voit, E. (Hrsg., 2001) High-Risk-Projekte: Quantensprünge in der Entwicklung erfolgreich managen, Berlin u.a. 2001 Gassmann, O./Reepmeyer, G./v. Zedtwitz, M. (2004) Leading Pharmaceutical Innovation: Trends and Drivers for Growth in the Pharmaceutical Industry, Berlin/Heidelberg 2004 Gatterer, C. (2003) Erfolg durch Stage & Gate, in: INSight, o. Jg. (2003) Nr. 2, S. 12-14 Geiger, O. (2000) Kennzahlenorientiertes Entwicklungscontrolling: Ein ganzheitliches, kenn-zahlenbasiertes Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrument zur Analyse des Entwicklungsbereichs industrieller Unternehmen, Aachen 2000 Geisinger, D. (1999) Ein Konzept zur marktorientierten Produktentwicklung: Ein Beitrag zur Steigerung der Erfolgsquoten neuer Produkte, Karlsruhe 1999 Gerpott, T. (1999) Strategisches Technologie- und Innovationsmanagement, Stuttgart 1999 Gladen, W. (2001) Kennzahlen und Berichtssysteme: Grundlagen zum Performance Management, Wiesbaden 2001
222
Literaturverzeichnis
Gorbauch, T./de la Haye, R. (2002) Von der Entwicklung bis zur Zulassung, in: Schöffski, O. et al. (Hrsg., 2002), S. 165-176 Grochla, E. (Hrsg., 1969) Handwörterbuch der Organisation, Stuttgart 1969 Grochla, E. (1978) Einführung in die Organisationstheorie, Stuttgart 1987 Grube, G. (1995) Modellierung in der Informatik, in: Fischer, M./Grube, G./Reisin, F.-M. (Hrsg., 1995), S. 3-24 Grube, G./Fischer, M./Reisin, F.-M. (Hrsg., 1995) Abbild oder Konstruktion – Modellierungsperspektiven KIT REPORT, Nr. 125, Berlin 1995
in
der
Informatik,
Gutenberg, E. (1962) Unternehmensführung, Organisation und Entscheidungen, Wiesbaden 1962 Gutenberg, E. (1983) Grundlagen der Betriebswirtschaft, Band 1, Die Produktion, 24. Aufl., Berlin/ Heidelberg/New York 1983 Hahn, D. (1995) Aufbau von Planungssystemen, in: Corsten, H./Reiß, M. (Hrsg., 1995), S. 229-250 Hahn, D./Hungenberg, H. (2001) PuK: Wertorientierte Controlling-Konzepte: Planung und Kontrolle – Planungs- und Kontrollsysteme – Planungs- und Kontrollrechnung, 6. Aufl., Wiesbaden 2001 Halliwell, T. (2003) How to kill Projects Quickly and Effectively, unveröffentlichte Tagungsunterlagen zum Risikomanagement in der pharmazeutischen Industrie am 29./30.10.2003 in London, U.K. 2003 Hammer, M. (2001) The Agenda: What Every Business Must Do to Dominate the Decade, New York 2001 Hammer, M./Champy, J. (1993) Reengineering the corporation: a manifesto for business revolution, New York 1993 Hammer, R. M. (1998) Unternehmensplanung: Lehrbuch der Planung und strategischen Unternehmensführung, 7. Aufl., München/Wien 1998 Hansmann, K.-W. (1993) Prognose und Prognosemethoden, in: Wittmann, E. (Hrsg., 1993), S. 3546-3559
Literaturverzeichnis
223
Happel, E./Liebwein, P. (2000) Risikofrüherkennung in Versicherungsunternehmen, in: Versicherungswirtschaft, 55. Jg. (2000) Nr. 4, S. 228-235 Hauber, R. (2002) Performance Measurement in der Forschung und Entwicklung – Konzeption und Methodik, Wiesbaden 2002 Hauschildt, J. (2004) Innovationsmanagement, 3. Aufl., München 2004 Heinen, E. (1966) Das Zielsystem der Unternehmung. Grundlagen betriebswirtschaftlicher Entscheidungen, Wiesbaden 1966 Heinen, E. (1991) Industriebetriebslehre als entscheidungsorientierte Unternehmensführung, in: Heinen, E. (Hrsg., 1991), S. 1-71 Heinen, E. (Hrsg., 1991) Industriebetriebslehre, 9. Aufl., Wiesbaden 1991 Henckel v. Donnersmarck, M. /Schatz, R. (Hrsg., 1999) Frühwarnsysteme, Bonn u.a. 1999 Herzog, R. (Hrsg., 1995) F&E-Management in der Pharma-Industrie, Aulendorf 1995 Hillson, D. (2003) Using a Risk Breakdown Structure in Project Management, in: Journal of Facilities Management, 2. Jg. (2003) Nr. 1, S. 85-97 Hochrein, K. (1999) Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich – KonTraG und die Folgen für das Personalmanagement, in: Ackermann, K. F. (Hrsg., 1999), S. 11-41 Hoegl, M./Schulze, A. (2005) How to Support Knowledge Creation in New Product Development: An Investigation of Knowledge Management Methods, in: European Management Journal, 23. Jg. (2005) Nr. 3, S. 263-273 Hofer-Alfeis, J. (1999) Geschäftsprozessmanagement: innovative Ansätze für das wandlungsfähige Unternehmen, Marburg 1999 Hölscher, R. (Hrsg., 1999) Von der Versicherung zur integrativen Risikobewältigung: Die Konzeption eines modernen Risikomanagements. Vortrag im Rahmen des 37. Industrie-Kontaktseminars im Wintersemester 1999/2000, Kaiserslautern 1999
224
Literaturverzeichnis
Hommelhoff, P./Mattheus, D. (2000) Gesetzliche Grundlagen: Deutschland und International, in: Dörner, D./Horvath, P./Kagermann, H. (Hrsg., 2000), S. 5-40 Hornung, K./Reichmann, T./Diederichs, M. (1999) Risikomanagement – Teil I: Konzeptionelle Ansätze zur pragmatischen Realisierung gesetzlicher Anforderungen, in: Controlling, 11. Jg. (1999) Nr. 7, S. 317-325 Horsch, J. (2003) Innovations- und Projektmanagement: Von der strategischen Konzeption bis zur operativen Umsetzung, Wiesbaden 2003 Jakubczik, G. D. (1991) Erfolgreich Navigieren in F&E, in: Kompetenz, o. Jg. (1990) Nr. 9, S. 16-25 Jantzen-Homp, D. (2000) Projektportfolio-Management: Multiprojektarbeit im Unternehmungswandel, Wiesbaden 2000 Jordan, H. (2002) Regulatory Affairs, in: Schöffski, O. et al. (Hrsg., 2002), S. 177-193 July-Grolman, M. (2002) Strategische Planung in pharmazeutischen Unternehmen, in: Schöffski, O. et al. (Hrsg., 2002), S. 153-164 Kähkönen, K. (1999) Integration of Qualitative and Quantitative Risk Analysis, 15th Triennial Conference of the International Federation of Operational Research, 16.-20.08.1999, Peking, China 1999 Kähkönen, K./Artto, K. A. (Hrsg., 1997) Managing Risks in Projects, London 1997 Kamphausen, J. E. (1999) Prozessmanagement in der Produktentwicklung, Aachen 1999 Kaplan, R. S./Norton, D. P. (1997) Balanced Scorecard: Strategien erfolgreich umsetzen, Stuttgart 1997 Kaufmann, L./Schmidt, D. (2004) Einflüsse der Biotechnologie auf die Strategische Planung in der Pharmazeutischen Industrie, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 56. Jg. (2004) Nr. 3, S. 292-305 Kennedy, T. (Hrsg., 1998) Pharmaceutical Project Management, New York/Basel/Hong Kong 1998 Kennedy, T. (1998) Strategic Project Management at the Project Level, in: Kennedy, T. (Hrsg., 1998), S. 1-24
Literaturverzeichnis
225
Kessler, H./Winkelhofer, G. (2002) Projektmanagement: Leitfaden zur Steuerung und Führung von Projekten, 3. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 2002 Kett, I. (1990) Projekte erfolgreicher managen, in: Harvard Manager, 12. Jg. (1990) Nr. 4, S. 50-55 Keuper, F./Roesing, D./Schomann, M. (Hrsg., 2005) Integriertes Risiko- und Ertragsmanagement – Kunden und Unternehmenswert zwischen Risiko und Ertrag, Wiesbaden 2005 Kieser, A. (2001) Anleitung zum kritischen Umgang mit Organisationstheorien, in: Kieser, A. (Hrsg., 2001), S. 1-35 Kieser, A. (Hrsg., 2001) Organisationstheorien, 4. Aufl., Stuttgart/Berlin/Köln 2001 Kirsch, W. (1975) Planung, München 1975 Klabunde, S. (2003) Wissensmanagement in der integrierten Produkt- und Prozessgestaltung: Best-Practice-Modelle zum Management von Meta-Wissen, Wiesbaden 2003 Kleinaltenkamp, M./Plinke, W./Jacob, F./Söllner, A. (Hrsg., 2006) Markt- und Produktmanagement: Die Instrumente des Business-to-Business Marketing, 2. Aufl., Wiesbaden 2006 Knyphausen-Aufseß, D. zu (1988) Unternehmungen als evolutionsfähige Systeme, München 1988 Koontz, H./O’Donnell, C. (1968) Principles of Management, An Analysis of Managerial Functions, 4. Aufl., New York u.a. 1968 Kortzfleisch, G. v. (Hrsg., 1971) Wissenschaftsprogramm und Ausbildungsziel der Betriebswirtschaftslehre, Berlin 1971 Kosiol, E. (1962) Organisation der Unternehmung, Wiesbaden 1962 Kosiol, E. (1976) Organisation der Unternehmung, 2. Aufl., Wiesbaden 1976 Kotler, P./Bliemel, F. (1999) Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung, 9. Aufl., Stuttgart 1999
226
Literaturverzeichnis
Krebs, R. (1995) Management von Kooperationen und kulturellen Unterschieden in großen PharmaUnternehmen, in: Lonsert, M./Preuß, K.-J./Kucher, E. (Hrsg., 1995), S. 899-944 Kreilkamp, E. (1987) Strategisches Management und Marketing: Markt- und Wettbewerbsanalyse, Strategische Frühaufklärung, Portfolio-Management, Berlin u.a. 1987 Krickl, O. C. (1994) Geschäftsprozessmanagement: prozessorientierte Organisationsgestaltung und Informationstechnologie, Heidelberg 1994 Kromschröder, B./Lück, W. (1998) Grundsätze risikoorientierter Unternehmensüberwachung, in: Der Betrieb, 51. Jg. (1998) Nr. 32, S. 1573-1579 Krüger, W. (1980) Zielbildung und Bewertung der Organisationsplanung, Wiesbaden 1980 Krüger, W. (1983) Grundlagen der Organisationstheorie, Gießen 1983 Krüger, W. (1993) Projektmanagement, in: Wittmann, W. et al. (Hrsg., 1993), S. 3560-3569 Krüger, W. (1994) Umsetzung neuer Organisationsstrategien: das Implementierungsproblem, in: Frese, E./Maly, W. (Hrsg., 1994), S. 197-221 Krummenacher, S. (1995) Prozessmanagement als Baustein von Total Quality Management, Aachen 1995 Krystek, U./Fahrnschon, U. (1992) Kostenrechnung und Krisen-Frühdiagnose, in: Alt, W./Kotsch-Faßhauer, L./Leuz, N. (Hrsg., 1992), S. 121-134 Krystek, U./Müller-Stewens, U. (1993) Frühaufklärung für Unternehmen, Stuttgart 1993 Kugeler, M. (2001) Prozessmanagement, in: Mertens, P. (Hrsg., 2001), S. 386-388 Kugeler, M./Vieting, M. (2003) Gestaltung einer prozessorientiert(er)en Aufbauorganisation, in: Becker, J./Kugeler, M./Rosemann, M. (Hrsg., 2003), S. 227-276 Kunz, C. (2005) Strategisches Multiprojektmanagement: Konzeption, Methoden und Strukturen, Wiesbaden 2005 Kupsch, P. (1979) Unternehmensziele, Stuttgart/New York 1979
Literaturverzeichnis
227
Kupsch, P. (1995) Risikomanagement, in: Corsten, H./Reiß, M. (Hrsg., 1995), S. 529-554 Küting, K./Langenbucher, G. (Hrsg.,1999) Internationale Rechnungslegung, Festschrift für Claus-Peter Weber, Stuttgart 1999 Kutzbach, C. A. (1998) Project Planning: From Basic Concepts to Systems Application, in: Kennedy, T. (Hrsg., 1998), S. 51-80 Lange, E. C. (1993) Abbruchentscheidung bei F&E-Projekten, Wiesbaden 1993 Lechner, F./Völker, R. (1999) Wertorientierte Projektwahl, dargestellt am Beispiel der Pharmabranche, in: Boutellier, R./Völker, R./Voit, E. (Hrsg., 1999), S. 136-147 Liebler, H. (1996) Strategische Optionen – Eine kapitalmarkttheoretische Bewertung von Investitionen unter Unsicherheit, Konstanz 1996 Lindemann, P. (1970) Unternehmensführung und Wirtschaftskybernetik, Neuwied/Berlin 1970 Lindemann, P. (1983) Kybernetik, in: Management-Enzyklopädie: das Managementwissen unserer Zeit, 2. Aufl., Landsberg am Lech 1983, S. 906-919 Loderer, C./Jörg, P./Pichler, K./Roth, L./Zgraggen, P. (2002) Handbuch der Bewertung, Praktische Methoden und Modelle zur Bewertung von Projekten, Unternehmen und Strategien, 2. Aufl., Frankfurt am Main 2002 Loew, H.-C. (1999) Frühwarnung, Früherkennung, Frühaufklärung – Entwicklungsgeschichte und theoretische Grundlagen, in: Henckel v. Donnersmarck, M./Schatz, R. (Hrsg., 1999), S. 19-47 Lonsert, M./Preuß, K.-J./Kucher, E. (1995) Handbuch Pharma-Management, Band 2: Informationsmanagement, Forschungs- und Innovationsmanagement, Human-Resources-Management, Recht und Management, Wiesbaden 1999 Lovric, T./Schaller, C. (2003) Transaktionskostenorientiertes vs. Beziehungsorientiertes Marketing – Handlungsempfehlungen zum effektiven und effizienten Einsatz, Arbeitsbericht Nr. 39, Universität München 2003 Lukesch, C. J. (2000) Umfassendes Projektportfoliomanagement in Dienstleistungskonzernen am Beispiel eines großen, international operierenden Versicherungskonzerns, Zürich 2000
228
Literaturverzeichnis
Lux, W./Kohn, W. (2005) Risikomanagement – Konzept und Realisierung, in: Controller Magazin, 30. Jg. (2005) Nr. 6, S. 539-544 Macharzina, K./Wolf, J. (2005) Unternehmensführung: das internationale Managementwissen; Konzepte – Methoden – Praxis, 5. Aufl., Wiesbaden 2005 Malik, F. (1982) Evolutionäres Management, in: Die Unternehmung, 36. Jg. (1982) Nr. 2, S. 91-106 Malik, F. (2005) Vorwort, in: Gälweiler, A. (2005), S. 15-18 Manns, M. (2003) Bewertung der Erfolgswahrscheinlichkeit von Medikamenten in der klinischen Entwicklung, in: GoingPublic, 7. Jg. (2003) Nr. 6, S. 14-17 Martin, T. A. (2002) Grundzüge des Risikomanagement nach KonTraG: das Risikomanagementsystem zur Krisenfrüherkennung nach §91 Abs. 2 AktG, München/Wien/Oldenburg 2002 Maurer, G./Schwickert, A. C. (1997) Kritische Anmerkungen zur Prozessorientierung, in: Arbeitspapiere WI, Nr. 9/1997, Universität Mainz 1997 Mayerhofer, E./Brandstätter, C. (2005) Leitfaden zur Einführung eines Risikomanagementsystems, in: Controller Magazin, 30. Jg. (2005) Nr. 6, S. 533-538 McWilliams, A./Siegel, D. (1997) Event Studies in Management Research: Theoretical and Empirical Issues, in: Academy of Management Journal, 40. Jg. (1997) Nr. 3, S. 626-657 Mees, J./Oefner-Py, S./Sünnemann, K.-O. (1995) Projektmanagement in neuen Dimensionen: das Helogramm zum Erfolg, 2. Aufl., Wiesbaden 1995 Meffert, H./Benkenstein, M. (1989) Wertkette, in: Die Betriebswirtschaft, 49. Jg. (1989) Nr. 6, S. 785-787 Meinhardt, Y. (2002) Veränderung von Geschäftsmodellen in dynamischen Industrien: Fallstudien aus der Biotech-/Pharmaindustrie und bei Business-to-Consumer-Portalen, Wiesbaden 2002 Menn, B.-J. (1999) Auswirkungen der internationalen Bilanzierungspraxis auf Unternehmensrechnung und Controlling, in: Küting, K./Langenbucher, G. (Hrsg., 1999), S. 631-647
Literaturverzeichnis
229
Mensch, G. (1991) Risiko und Unternehmensführung: eine systemorientierte Konzeption zum Risikomanagement, Frankfurt am Main 1991 Merbecks, A./Stegemann, U./Frommeyer, J. (2004) Intelligentes Risikomanagement: Das Unvorhersehbare meistern, Frankfurt am Main/Wien 2004 Mertens, P. (1997a) Perspektiven der Prozeßorientierung, in: Controlling, 9. Jg. (1997) Nr. 2, S. 110-111 Mertens, P. (1997b) Erwiderung zu Reiß und Horvath, in: Controlling, 9. Jg. (1997) Nr. 2, S. 115 Mertens, P. (Hrsg., 2001) Lexikon der Wirtschaftsinformatik, 4. Aufl., Berlin u.a. 2001 Meyer, J. W./Rowan, B. (1977) Institutionalized Organizations – Formal Structure as Myth and Ceremony, in: American Journal of Sociology, 83. Jg. (1977) Nr. 2, S. 340-365 Miller, D./Friesen, P. H. (1984) Organizations, A Quantum View, Englewood Cliffs 1984 Milling, P. (Hrsg., 2001) Kybernetische Überlegungen beim Entscheiden in komplexen Systemen, Berlin 2001 Milosevic, D./Patankul, P. (2005) Standardized project management may increase development projects success, in: International Journal of Project Management, 23. Jg. (2005), S. 181-192 Mörsdorf, M. (1998) Konzeption und Aufgaben des Projektcontrolling, Wiesbaden 1998 Müller, M. (2001) Risikomanagement durch Modularisierung und Produktplattformen, in: Gassmann, O./Kobe, C./Voit, E. (Hrsg., 2001), S. 47-68 Müller-Merbach, H. (1973) Operations Research: Methoden und Modelle der Optimalplanung, 3. Aufl., München 1973 Muralidharan, R. (1997) Strategic Control for Fast Moving Markets: Updating the Strategy and Monitoring Performance, in: Long Range Planning, 30. Jg. (1997) Nr. 1, S. 64-73 Nicolai, A./Kieser, A. (2002) Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs, in: Die Betriebswirtschaft, 62. Jg. (2002) Nr. 6, S. 579-596
230
Literaturverzeichnis
Noffke, T./Nikel, C./Sullivan, M. (2004) Progressive Project Management Focus: A Strategy to Leverage Project Management to Accelerate Drug Product Development, Chicago/St. Louis 2004 Nordsieck, F. (1955) Rationalisierung der Betriebsorganisation, 2. Aufl. von „Grundlagen der Organisationslehre“, Stuttgart 1955 Nuber, W. (1995) Strategische Kontrolle: Konzeption, Organisation und kontextspezifische Differenzierung, Wiesbaden 1995 Nusser, M. (2005) Pharma-Innovationsstandort Deutschland: Leistungsfähigkeit, Innovations hemmnisse und Handlungsempfehlungen, in: Gesundheit und Gesellschaft, 5. Jg. (2005) Nr. 3, S. 15-27 Nusser, M. (2006) So wird Pharma in Deutschland wieder fit, in: Gesundheit und Gesellschaft, 9. Jg. (2006) Nr. 4, S. 25-27 Ordelheide, D./Rudolph, B./Büsselmann, E. (Hrsg., 1991) Betriebswirtschaftslehre und ökonomische Theorie, Stuttgart 1991 Osterloh, M./Wübker, S. (1999) Wettbewerbsfähiger durch Prozess- und Wissensmanagement: mit Chancengleichheit auf Erfolgskurs, Wiesbaden 1999 o.V. (2005) Schering leidet unter verzögerter Markteinführung eines Krebsmittels, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.2005, S. 16 o.V. (2006) Schwerer Rückschlag für die Merck KGaA, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.06.2006, S. 16 Pass, D./Postle, M. (2002) Unlocking the Value of R&D – Managing Risks, in: BioPharma, o. Jg. (2002) June, S. 67-71 Patzak, G./Rattay, G. (1998) Projekt Management: Leitfaden zum Management von Projekten, Projektportfolios und projektorientierten Unternehmen, 3. Aufl., Wien 1998 Penrose, E. T. (1959) The Theory of the Growth of the Firm, Oxford 1959 Perridon, L./Steiner, M. (2004) Finanzwirtschaft der Unternehmung, 13. Aufl., München 2004
Literaturverzeichnis
231
Pfohl, H.-C. (1981) Planung und Kontrolle., Stuttgart 1981 Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2005) Organisation – eine ökonomische Perspektive, 4. Aufl., Stuttgart 2005 Pisano, G. P. (1997) The development factory: unlocking the potential of process innovation, Harvard 1997 Piser, M. (2004) Strategisches Performance Management, Performance Measurement als Instrument der strategischen Kontrolle, Wiesbaden 2004 Pleschak, F./Sabisch, H. (1996) Innovationsmanagement, Stuttgart 1996 Porsche, R. (1995) Beurteilung der Leistung von F&E in der pharmazeutischen Industrie, in: Herzog, R. (Hrsg., 1995), S. 212-219 Porter, M. E. (1983) Wettbewerbsstrategie, Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten, Frankfurt am Main 1983 Porter, M. E. (1999) Wettbewerbsvorteile: Spitzenleistungen erreichen und behaupten, 5. Aufl., Frankfurt am Main/New York 1999 Prahalad, C. K./Hamel, G. (1991) Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben, in: Harvard Business Manager, 13. Jg. (1991) Nr. 2, S. 66-78 Pritsch, G. (2000) Realoptionen als Controlling-Instrument: das Beispiel pharmazeutische Forschung und Entwicklung, Wiesbaden 2000 Pritzer, B. (1999) Risikomanagement als wettbewerbliche Notwendigkeit, in: Saitz, B./Braun, F. (Hrsg., 1999), S. 145-167 Queitsch, M./Baier, D. (2004) Computergestütztes Innovationsmanagement in Wertschöpfungsnetzwerken, in: Forum der Forschung, BTU Cottbus, Nr. 17, S. 72-77 Raz, T./Shenhar, A. J./Dvir, D. (2002) Risk management, project success, and technological uncertainty, in: R&D Management, 32. Jg. (2002) Nr. 2, S. 101-109 Reichmann, T. (2001) Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten: Grundlagen einer systemgestützten Controlling-Konzeption, 6. Aufl., München 2001
232
Literaturverzeichnis
Reichwald, R./Höfer, C./Weichselbäumer, J. (1996) Erfolg von Reorganisationsprozessen: Leitfaden zur strategieorientierten Bewertung, Stuttgart 1996 Reiß, M. (1997) Was ist schädlich an der Prozeßorientierung?, in: Controlling, 9. Jg. (1997) Nr. 2, S. 112-113 Reiß, T./Hüsing, B./Hinze, S. (1997) Indikatoren zur Bewertung von FuE-Strategien in der pharmazeutischen Industrie, Düsseldorf/Karlsruhe 1997 Renggli, R. (1997) Strategische Kontrolle, Empirische Studien und eine Erhebung in Schweizer Unternehmen, Bern 1997 Reynolds, I. (1998) Perspective from Other Industries: Best Practice and Evolving Tests, in: Kennedy, T. (Hrsg., 1998), S. 81-100 Richter, R. (1991) Institutionenökonomische Aspekte der Theorien der Unternehmung, in: Ordelheide,D./ Rudolph, B./Büsselmann, E. (Hrsg., 1991), S. 395-429 Roever, M. (1991a) Goldener Schnitt, in: Manager Magazin, 21. Jg. (1991) Nr. 11, S. 253-264 Roever, M. (1991b) Kettenreaktion, in: Manager Magazin, 21. Jg. (1991) Nr. 12, S. 243-249 Rogers, M. J./Anshuman, G./Maranas, C. D. (2002) Real Options Based Analysis of Optimal Pharmaceutical Research and Development Portfolios, in: Industrial&Engineering Chemical Research, Vol. 41 (2002), S. 66076620 Röhrle, C. (1997) Ein entscheidungsunterstützendes System zur Bewertung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten, Lohmar/Köln 1997 Romeike, F. (2005) Frühaufklärungssysteme als wesentliche Komponente eines proaktiven Risikomanagements, in: Controlling, 17. Jg. (2005) Nr. 4/5, S. 271-279 Romeike, F./Müller-Reichart, M. (2005) Risikomanagement in Versicherungsunternehmen, Weinheim 2005 Röder, K. (1999) Kurswirkungen von Meldungen deutscher Aktiengesellschaften, Lohmar/Köln 1999
Literaturverzeichnis
233
Rösgen, K. (2000) Investitionscontrolling: Konzeption eines lebenszyklusorientierten Controllings von Sachanlagen, Frankfurt am Main 2000 Royer, P. S. (2000) Risk management: the undiscovered dimension of project management, in: Project Management Journal, o. Jg. (2000) Nr. 1, S. 6-13 Rücker, U.-C. (1999) Finanzierung von Umweltrisiken im Kontext eines systematischen Risikomanagements, Schriftenreihe „Finanzmanagement“, Band 1, in: Hölscher, R. (Hrsg., 1999) Rupprecht, C. (2002) Ein Konzept zur projektspezifischen Individualisierung von Prozessmodellen, Karlsruhe 2002 Saari, H.-L. (2004) Risk Management in Drug Development Projects, Helsinki University of Technology, Laboratory of Industrial Management Report, Nr.1/2004, Helsinki 2004 Saitz, B./Braun, F. (Hrsg., 1999) Das Kontroll- und Transparenzgesetz: Herausforderungen und Chancen für das Risikomanagement, Wiesbaden 1999 Schanz, G. (1990) Der verhaltenswissenschaftliche Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 19. Jg. (1990) Nr. 5, S. 229-234 Schäppi, B. (2005a) Integrierte Produktentwicklung – Entwicklungsprozesse zielorientiert und effizient gestalten, in: Schäppi, B. et al. (Hrsg., 2005), S. 3-27 Schäppi, B. (2005b) Produktplanung – von der Produktidee zum Projekt-Businessplan, in: Schäppi, B. et al. (Hrsg., 2005), S. 265-291 Schäppi, B./Andreasen, M./Kirchgeorg, M./Radermacher, F.-J. (Hrsg., 2005) Handbuch Produktentwicklung, München/Wien 2005 Schärer, M./Botteron, P. (2001) Wie lässt sich der Wert strategischer Projekte bestimmen? Der Realoptionen-Ansatz als Grundlage für bessere Investitionsentscheidungen im E-Business, in: Der Schweizer Treuhänder, o. Jg. (2001) Nr. 11, S. 1119-1126 Scherer, A. G. (1999) Kritik der Organisation oder Organisation der Kritik? Wissenschaftstheore tische Bemerkungen zum kritischen Umgang mit Organisationstheorien, in: Kieser, A. (Hrsg., 2001), S. 1-37
234
Literaturverzeichnis
Schewe, G. (2005) Unternehmensverfassung: Corporate Governance im Spannungsfeld von Leitung, Kontrolle und Interessensvertretung, Berlin 2005 Schiebel, W. (2004) Entwicklung und Durchführung von Innovationsprozessen in Betrieben, Wien 2004 Schierenbeck, H. (2003) Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 16. Aufl., München 2003 Schiller, T. (2000) Kompetenz-Management für den Anlagenbau: Ansatz, Empirie und Aufgaben, Wiesbaden 2000 Schindler, M./Eppler, M. J. (2003) Harvesting project knowledge: a review of project learning methods and success factors, in: International Journal of Project Management, 21. Jg. (2003), S. 219-228 Schmelzer, H. J. (1992) Organisation und Controlling von Produktentwicklungen: Praxis des wettbewerbsorientierten Entwicklungsmanagements, Stuttgart 1992 Schmelzer, H. J. (1993) Zeitmanagement in der Produktentwicklung, in: Domsch, M./Sabisch, H./Siemers, S. (Hrsg., 1993), S. 119-135 Schmelzer, H. J./Sesselmann, W. (2001) Geschäftsprozessmanagement in der Praxis: Kunden zufrieden stellen – Produktivität steigern – Wert erhöhen, München 2001 Schmidt, G. (1983) Methoden und Techniken der Organisation, 5. Aufl., Gießen 1983 Schmidt, R. H. (1990) Grundzüge der Investitions- und Finanzierungstheorie, 2. Aufl., Wiesbaden 1990 Schmitting, W./Siemes, A. (2003) Konzeption eines Risikomanagementmodells – Begriffsrahmen und IT-Umsetzung, in: Controller Magazin, 28. Jg. (2003) Nr. 6, S. 533-540 Schnauffer, H.-G./Stieler-Lorenz, B./Peters, S. (Hrsg., 2004) Wissen vernetzen: Wissensmanagement in der Produktentwicklung, Heidelberg 2004 Schnauffer, H.-G./Voigt, S./Staiger, M. (2004) Vom Charakter des Wissensmanagement in der Produktentwicklung – Typische Probleme mit einer anderen Brille betrachtet, in: Schnauffer, H.-G./Stieler-Lorenz, B./Peters, S. (Hrsg., 2004), S. 1-11 Schneeweiß, C. (1984) Elemente einer Theorie betriebswirtschaftlicher Modellbildung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 54. Jg. (1984) Nr. 5, S. 480-504
Literaturverzeichnis
235
Schnorrenberg, U./Goebels, G. (1997) Risikomanagement in Projekten: Methoden und ihre praktische Anwendung, Braunschweig/Wiesbaden 1997 Schöffski, O./Fricke, F.-U./Guminski, W./Hartmann, W. (Hrsg., 2002) Pharmabetriebslehre, Berlin/Heidelberg/New York 2002 Schön, A. (2001) Innovationscontrolling: eine Controlling-Konzeption zur effektiven und effizienten Gestaltung innovativer Prozesse in Unternehmen, Frankfurt am Main u.a. 2001 Schorcht, H./Brösel, G. (2005) Risikomanagement und Risikocontrolling im Lichte des Ertragsmanagements, in: Keuper, F./Roesing, D./Schomann, M. (Hrsg., 2005), S. 3-33 Schreyögg, G. (1994) Zum Verhältnis von Planung und Kontrolle, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 23. Jg. (1994) Nr. 7, S. 345-351 Schulte-Zurhausen, M. (2005) Organisation, 4. Aufl., München 2005 Schütte, R. (1998) Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung: Konstruktion konfigurationsund anpassungsorientierter Modelle, Wiesbaden 1998 Schwaninger, M. (1989) Integrale Unternehmungsplanung, Frankfurt am Main/New York 1989 Schwaninger, M. (1990) Wege zu einem integralen Management, in: Harvard Manager, 12. Jg. (1990) Nr. 1, S. 42-52 Schwarzer, B. (1994) Prozessorientiertes Informationsmanagement in multinationalen Unternehmen: eine empirische Untersuchung in der Pharmaindustrie, Wiesbaden 1994 Schwarzer, B./Krcmar, H. (1995) Grundlagen der Prozessorientierung: eine vergleichende Untersuchung in der Elektronik- und Pharmaindustrie, Wiesbaden 1995 Scio GmbH Multidimensionaler Projektmanagement-Prozess, http: www.scio.biz/ consulting-projekt.php, Stand vom 01.09.2005 Sepp, H. M. (1996) Strategische Frühaufklärung, Wiesbaden 1996
236
Literaturverzeichnis
Servatius, H.-G. (1994) Evolutionäre Führung in chaotischen Umfeldern, in: Zeitschrift für Führung und Organisation, 63. Jg. (1994) Nr. 3, S. 157-164 Shah, N. (2004) Pharmaceutical supply chains: key issues and strategies for optimization, in: Computers and Chemical Engineering, o. Jg. (2004) Nr. 28, S. 929-941 Shalala, D./Henney, J./Woodcock, J./Trenter, M. (1999) From testtube to patient: Improving health through human drugs, Rockville MD, USA 1999 Sharpe, P./Keelin, T. (1998a) F&E: Die Mittel richtig einsetzen, in: Harvard Business Manager, 20. Jg. (1998) Nr. 6, S. 93-100 Sharpe, P./Keelin, T. (1998b) How Smithkline Beecham makes better Resource-Allocation Decisions, in: Harvard Business Review, o. Jg. (1998) March-April, S. 45-57 Simon, D. (1985) Die Früherkennung von strategischen Diskontinuitäten durch Erfassung von „Weak Signals“, Dissertation, Wien 1985 Sjurts, I. (1995) Kontrolle, Controlling und Unternehmensführung, Wiesbaden 1995 Smith, P. G. (2002) Managing Risk Proactively in Product Development Projects, Tagungsunterlagen zum IPLnet Workshop, 10.-11.09.2002, Saas-Fee, Valais Schweiz 2002 Specht, G./Beckmann, C. (1996) F&E-Management, Stuttgart 1996 Stachowiak, H. (1965) Gedanken zu einer allgemeinen Modelltheorie, in: Studium Generale, 18. Jg. (1965) Nr. 7, S. 432-463 Stachowiak, H. (1973) Allgemeine Modelltheorie, Wien 1973 Stachowiak, H. (Hrsg., 1983) Modelle – Konstruktion der Wirklichkeit, München 1983 Stachowiak, H. (1983) Erkenntnisstufen zum Systematischen Neopragmatismus und zur Allgemeinen Modelltheorie, in: Stachowiak, H. (Hrsg., 1983), S. 87-146 Staehle, W. H. (1999) Management: eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 8. Aufl., München 1999
Literaturverzeichnis
237
Steinmann, H. (Hrsg., 1981) Planung und Kontrolle: Probleme der strategischen Unternehmensführung, München 1981 Steinmann, H. (1981) Der Management-Prozeß und seine Problemschwerpunkte, in: Steinmann, H. (Hrsg., 1981) S. 1-19 Steinmann, H./Schreyögg, G. (1997) Management: Grundlagen der Unternehmensführung: Konzepte, Funktionen, Fallstudien, 4. Aufl., Wiesbaden 1997 Stephan, P. (2002) Nachfolge in mittelständischen Familienunternehmen: Handlungsempfehlungen aus Sicht der Unternehmensführung, Wiesbaden 2002 Stoner, J. A. (1982) Management, 2. Aufl., Englewood Cliffs 1982 Strebel, H. (1975) Forschungsplanung mit Scoring-Modellen, Baden-Baden 1975 Stuffer, R. (1994) Planung und Steuerung der Integrierten Produktentwicklung, München/Wien 1994 Taylor, F. W. (1911) The Principles of Scientific Management, New York 1911 Thommen, J.-P./Achleitner, A.-C. (2001) Allgemeine Betriebswirtschaftslehre – Umfassende Einführung aus managementorientierter Sicht, Wiesbaden 2001 Tidd, J./Bessant, J./Pavitt, K. (2001) Managing innovation: integrating technological, market and organizational change, 2. Aufl., Chichester 2001 Tritle, G. L./Scriven, E. F. V./Fusfeld, A. R. (2000) Resolving Uncertainty in R&D Portfolios, in: Research Technology Management, 43. Jg. (2000) Nr. 6, S. 47-55 Tück, W. (1998) Elemente eines Risiko-Managementsystems, in: Der Betrieb, 51. Jg. (1998) Nr. 1/ 2, S. 8-14 Ulrich, H. (1971) Der systemorientierte Ansatz der Betriebswirtschaftslehre, in: Kortzfleisch, G. v. (Hrsg., 1971), S. 43-60 Ulrich, H./Probst, G. J. (1988) Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln: Ein Brevier für Führungskräfte, Bern/Stuttgart 1988
238
Literaturverzeichnis
VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller (1997) Klinische Forschung in Deutschland, Bonn 1997 VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller (1998) Zur Sache 5: Innovation – Der Schlüssel zum Erfolg. Innovationskraft der forschenden Arzneimittelhersteller am Standort Deutschland, Bonn 1998 VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller (2000) Wirkstoffsuche, Bonn 2000 VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller (2003) F&E konkret 1: Forschung für das Leben. Entwicklungsprojekte für innovative Arzneimittel, Berlin 2003 VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller (2004) Zur Sache 2: Klinische Forschung in Deutschland. Eine Standortbestimmung, Berlin 2004 VFA – Verband Forschender Arzneimittelhersteller (2005) Der Schutz des geistigen Eigentums: Patente – Voraussetzung für Innovation, Berlin 2005 Völker, R. (1999) Wertorientiertes Controlling der Produktentwicklung, in: krp-Kostenrechnungspraxis, 43. Jg. (1999) Nr. 4, S. 201-208 Völker, R. (2000) Wertmanagement in F&E: Allokation der F&E-Ressourcen auf Projekte, Bereiche und Standorte, München 2000 Völker, R. (2001) Planung und Steuerung von Entwicklungsprojekten in der Pharmabranche, in: Gassmann, O./Kobe, C./Voit, E. (Hrsg., 2001), S. 231-247 Wall, F. (1999) Planungs- und Kontrollsysteme: informationstechnische Perspektiven für das Controlling; Grundlagen – Instrumente – Konzepte, Wiesbaden 1999 Walter, M. (1989) Strategische Kontrolle von Forschungs- und Entwicklungsprojekten: Konzeption und Implementierung eines Projekt-Controllings für Neuentwicklungen und angewandte Forschung in Unternehmen, Berlin 1989 Weber, J./Bramsemann, U./Heineke, C./Hirsch, B. (2004) Wertorientierte Unternehmenssteuerung: Konzepte, Implementierung, Praxisstatement, Wiesbaden 2004 Weber, J./Krahnen, J./Weber, A. (1995) Scoring-Verfahren – häufige Anwendungsfehler und ihre Vermeidung, in: Der Betrieb, 48. Jg. (1995) Nr. 33, S. 1621-1626
Literaturverzeichnis
239
Weber, J./Liekweg, A. (2000) Statutory Regulation of the Risk-Management Function in Germany: Implementation Issues for the Non-Financial Sector, in: Frenkel, M./Hommel, U./Rudolf, M. (Hrsg., 2000), S. 277-294 Weber, J./Schäffer, U. (2000) Balanced Scorecard & Controlling: Implementierung – Nutzen für Manager und Controller – Erfahrungen in deutschen Unternehmen, 3. Aufl., Wiesbaden 2000 Weiber, R./Kollmann, T./Pohl, A. (2006) Das Management technologischer Innovationen, in: Kleinaltenkamp, M. et al. (Hrsg., 2006), S. 83-207 Welge, M. K./Al-Laham, A. (1999) Strategisches Management: Grundlagen – Prozess – Implementierung, 2. Aufl., Wiesbaden 1999 Weule, H. (2002) Integriertes Forschungs- und Entwicklungsmanagement – Grundlagen – Strategien – Umsetzung, München/Wien 2002 Wiesehahn, A. (2001) Geschäftsprozessoptimierung für Versicherungsunternehmen: theoretische Konzeption und praktische Durchführung, München 2001 Wild, J. (1982) Grundlagen der Unternehmensplanung, 4. Aufl., Opladen 1982 Wittmann, W./Kern, W./Köhler, R./Küpper, H.-U./v. Wysocki, K. (Hrsg., 1993) Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Teilband 2, I-Q, 5. Aufl., Stuttgart 1993 Wöhe, G. (2002) Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 21. Aufl., München 1996 Wolbers, J. (1999) Die Früherkennung von Risiken mit Hilfe wertorientierter Unternehmensführung, in: Saitz, B./Braun, F. (Hrsg., 1999), S. 99-127 Wolf, J. (1997) Selbstorganisationstheorie – Denkstruktur und Erklärungswert bei betriebswirtschaftlichen Fragestellungen, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 117. Jg. (1997) Nr. 4, S. 623-662 Wolf, K. (2003) Risikomanagement im Kontext der wertorientierten Unternehmensführung, Wiesbaden 2003 Wolf, T./Unkelbach, H. D. (1986) Informationsmanagement in Chemie und Pharma: seine Bedeutung in tech nischwissenschaftlichen Bereichen, Stuttgart 1986
240
Literaturverzeichnis
Zielasek, G. (1999) Projektmanagement als Führungskonzept: erfolgreich durch Aktivierung aller Unternehmensebenen, 2. Aufl., Berlin u.a. 1999 Zwerger, F./Paulus, S. (2002) E-Business-Projekte: warum sie scheitern und wie man sie zu Erfolg führt, Bonn 2002