Sebastian Träger Wettbewerbsmanagement
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Sebastian Träger Wettbewerbsmanagement
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Unternehmerisches Personalmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Karl-Friedrich Ackermann Universität Stuttgart und Professor Dr. Dieter Wagner Universität Potsdam
Unternehmerisches Personalmanagement ist Kernstück eines ganzheitlich angelegten Change Management, das durch diese Schriftenreihe neue Impulse erfahren soll. Die Reihe bietet ein Forum für theoriegeleitete, praxisorientierte Arbeiten, die der Weiterentwicklung des Personalmanagements im globalen Wettbewerb dienen und zur Lösung von Implementierungsproblemen in Industrie- und Dienstleistungsunternehmen beitragen. Entscheidend ist, dass das Potenzial des Personalmanagements zur Sicherung dauerhafter Wettbewerbsvorteile und damit zum Erhalt von Arbeitsplätzen erkannt und in Abstimmung mit anderen Teilbereichen der Unternehmensführung optimal genutzt wird. Dabei fällt der Personalabteilung eine entscheidende Rolle als Change Agent und internes Kompetenzzentrum zu.
Sebastian Träger
Wettbewerbsmanagement Der Beitrag von Wettbewerbsvorteilen zum Unternehmenserfolg
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Karl-Friedrich Ackermann und Prof. Dr. Dieter Wagner
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Potsdam, 2008
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Britta Göhrisch-Radmacher Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1102-5
Geleitwort
In der Reihe „Unternehmerisches Personalmanagement“ erscheinen Arbeiten, die im Wesentlichen aus hochschulbezogenen Forschungszusammenhängen entstanden sind. Charakteristisch für die Schriftenreihe ist, dass die einzelnen Bände praxisnah und wissenschaftlich fundiert einen Themenbereich aus dem Personalwesen und angrenzenden Gebieten wie der Organisationslehre behandeln. Sie wendet sich damit an Wissenschaftler und Studierende des Personalwesens sowie den interessierten Praktiker in Wirtschaft und Verwaltung. Zweifellos gibt es mittlerweile zahlreiche Dissertationen zum strategischen Management. Dabei lässt die theoretische Fundierung vieler Abhandlungen häufig zu wünschen übrig. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Frage, wie im Rahmen der verschiedenen Views des strategischen Managements die Generierung des unternehmerischen Erfolgs erklärt wird. Es ist sehr verdienstvoll von Sebastian Träger, dass er diese Lücke aufgreift und die damit verbundene komplexe Problematik zum Gegenstand seiner Dissertation gemacht hat Die vorliegende Arbeit stellt insofern eine außergewöhnliche Leistung dar, weil sie besonders kritisch und gründlich eine Bestandsaufnahme der aktuellen Schulen des strategischen Managements vornimmt und dabei immer konsequent ihren jeweiligen Erfolgsbeitrag hinterfragt. Allein hierfür ist dem Verfasser großes Lob zu zollen. Sehr verdienstvoll ist auch sein Versuch, die offensichtlich hier vorhandenen Kausalitätsmythen zu beschreiben und wissenschaftslogisch/-theoretisch sehr anspruchsvoll eine Einordnung vorzunehmen, um entsprechend fundierte Schritte auf dem Wege zu einer valideren Theorie des Unternehmenserfolges zu gehen. Dabei umgeht Sebastian Träger geschickt die Fallstricke, die bei einer allzu einfachen Harmonisierung der einzelnen Views des strategischen Managements auftreten würden. Geschickt ist dabei die Besinnung auf ganzheitliche und integrative Ansätze bei Gutenberg und Bleicher, um einen entsprechenden Ordnungsrahmen aufzuspannen. Dabei bleibt der Verfasser nicht bei den Unternehmensgrenzen stehen, sondern „wagt“ sich konsequent in den Bereich der marktlichen und der nicht-marktlichen Interaktionen, eben in das Wettbewerbsmanagement. „Nebenbei“ überschreitet Sebastian Träger dabei die klassischen Grenzen zwischen den beiden Wirtschaftswissenschaften, aber auch in den Grenzbereich zur Politikwissenschaft „stößt“ er vor. Verdienstvoll ist dabei sein Mut, nicht nur bei einer Bestandsaufnahme überaus akribisch, kritisch und souverän vorzugehen, sondern darüber hinaus auf einer wohl fundierten begriffslogischen Basis ein geschlossenes, neues Gesamtkonzept des (Wettbewerbs)-Managements vorzulegen. Hierfür ist der vorliegenden Arbeit eine breite Diskussion zu wünschen.
Prof. Dr. Karl-Friedrich Ackermann Prof. Dr. Dieter Wagner
V
Vorwort
„Die konventionelle Perspektive dient dazu, uns vor dem schmerzhaften Prozess des Denkens in Schutz zu nehmen.“ John Kenneth Galbraith In der überwiegenden Literatur zum strategischen Management wird gern das Argument der immer komplexer werdenden Zusammenhänge der Leistungserstellungsprozesse oder der wachsenden Marktdynamik herangezogen, um auf die Notwendigkeit einer ganzheitlichen, i. S. e. strategischen Unternehmensführung hinzuweisen. Die Hinwendung zu einer strategischen Unternehmensorientierung soll helfen, so die allgemein vertretene Lehrmeinung, Marktdynamiken frühzeitig zu antizipieren und hierdurch neue Wettbewerbsvorteile aufbauen zu können. Folglich wird mit der Zielfunktion des strategischen Managements von Unternehmen eng der Aufbau von Wettbewerbsvorteilen verbunden, da diese als kritischer Faktor des Unternehmenserfolges verstanden werden. Allerdings bleibt das strategische Management bislang eine Antwort darauf schuldig, welcher Wirkungszusammenhang zwischen Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg tatsächlich besteht. Im Zeitverlauf haben sich hier vielzählige und miteinander konkurrierende Erklärungsansätze herausgebildet, die sich jeweils mehr oder weniger konkret bzw. umfassend der Behandlung des Phänomens »Wettbewerbsvorteil« sowie dessen Einfluss auf den Unternehmenserfolg widmen. Infolgedessen hat sich das strategische Management in eine beachtliche inhaltliche Fragmentierung hineinmanövriert, die die Erkenntnisgenerierung zur Erklärung der tatsächlichen Kausalität des Unternehmenserfolges nachweislich behindern. Das strategische Management zeichnet sich derzeit durch eine überwiegend in Denkschulen verwurzelte, bisweilen dogmatische Argumentationsweise aus und zeigt entsprechend nur wenig Interesse für ganzheitliche Erklärungsansätze. Der durch die hohe inhaltliche Fragmentierung ablesbare geringe fachliche Reifegrad des strategischen Managements zeigt sich ferner in dem terminologischen Wildwuchs der verschiedenartigen Argumentationslinien. Offensichtlich stellt der in der Fachliteratur omnipräsente Begriff Wettbewerbsvorteil ein vielfach verwendetes, jedoch gänzlich unbestimmtes Konstrukt im Hinblick auf dessen Inhalt und Bedeutung dar. Ungeachtet dessen stellt die Realisierung eines wie auch immer gearteten Wettbewerbsvorteils einen allgemein akzeptierten, wenn auch unterschiedlich deduzierten Indikator dar, der Aussagen über die Leistungs- bzw. Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens oder einer Branche vermeintlich zulässt. Implizit wird damit grundsätzlich unterstellt, dass das Vorhandensein oder das Erreichen eines dezidierten Wettbewerbsvorteils per se zu einer überdurchschnittlichen Unternehmensperformanz beiträgt. Diese, mehr oder weniger bewusst geäußerte Annahme ist in dieser Form jedoch nicht zutreffend, denn die Verbindung zwischen Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolg ist – wie in der Arbeit ausführlich gezeigt wird – weitaus komplexer, als diese eindimensionalen Argumentationslinien suggerieren mögen. Entsprechend ist die implizite Gleichsetzung von Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg in dieser Form als grundsätzlich fragwürdig einzuschätzen. Auch wenn in der vorliegenden Arbeit personalwirtschaftliche Fragen per se nicht vordergründig behandelt werden, so haben die Ergebnisse der Untersuchungen auch eine erhebliche Relevanz für das Personalmanagement. Speziell vor dem Hintergrund des von Ed Michael VII
(McKinsey) 1998 ausgerufenen „War for Talents“ müssen sich Personaler die Frage gefallen lassen, ob diese relativ einfache Maßgabe die Zielfunktion des Personalmanagements zutreffend beschreibt. Analog zu den holzschnittartigen Argumentationsketten des strategischen Managements läuft das Personalmanagement gleichsam Gefahr, dass Talente oder sogenannte High Potentials als wichtigster Erfolgsfaktor eines Unternehmens verklärt werden. Diese Annahme ist ähnlich unhaltbar wie die singuläre Suche nach idiosynkratischen Wettbewerbsvorteilen. Der Kampf um Talente bzw. die Besten ist lediglich eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für den Unternehmenserfolg. Eine notwendige Bedingung ist sie, weil Potenzialträger sicherlich eine wichtige Voraussetzung bspw. für Innovationen oder operative Exzellenzinitiativen sind. Letztendlich müssen die Potenziale jedoch auch mit den unternehmensinternen wie marktlichen Herausforderungen korrespondieren, d. h. sich in messbare, erfolgrelevante Maßnahmen und Leistungen auch umsetzen lassen. Erst in diesem Fall könnte den Talenten bzw. Potenzialen das Attribut hinreichend für den Unternehmenserfolg zugeschrieben werden – wenn auch nur ex post. Daher zeigt sich auch hier, dass der Kampf um die Besten lediglich eine undifferenzierte Phrase ist, die in dieser Form inhaltsleer und schlimmer noch, zu einer pauschalierten Personalauswahl mit nicht absehbaren Folgen für ein Unternehmen führt. Personaler wären entsprechend gut beraten, die Auswahlkriterien auf ein differenziertes, den eigenen Kontextvariablen gerecht werdendes Fundament zu stellen. Ein möglicher konzeptioneller Rahmen dafür wird in der vorliegenden Arbeit vorgestellt. Im Zusammenhang mit der Erstellung dieser Arbeit gilt ein besonderer Dank meinem Doktorvater und akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Dieter Wagner, der mir während meiner beruflichen Zeit an seinem Lehrstuhl die inhaltlichen Freiheiten eingeräumt hat, die für die Entwicklung eines unkonventionellen Ansatzes ganz im o. g. Sinne von Kenneth Galbraith notwendig sind. Gleichsam habe ich sehr geschätzt, dass der konzeptionelle Fortschritt der Arbeit nicht an vordefinierten, starren Meilensteinen gemessen wurde, sondern grundsätzlich in meiner eigenverantwortlichen Bringschuld stand. Dafür sowie für die stets unkomplizierte Zugänglichkeit bei inhaltlichen Fragestellungen nochmals herzlichen Dank. Darüber hinaus möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Christoph Rasche für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie seine konstruktiven fachlichen Hinweise während der Entstehung dieser Arbeit sehr bedanken. Ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Dr. Achim Seisreiner, der mir bei der Ideenentwicklung und -umsetzung stets eine sehr große Hilfe und Motivator war. Ohne die oftmals beim Kaltgetränk endenden Gedankenaustausche wäre diese Arbeit sicherlich nicht so schnell zum Ende gekommen. Gleichsam herzlich zu bedanken habe ich mich für die immer uneingeschränkte Unterstützung meiner Eltern und Familie sowie bei Herrn Michael Karl für die akribische Durchsicht des Manuskripts. Schließlich sei meiner Partnerin Carmen Roloff für das jahrelang entgegengebrachte Verständnis sowie für das Tragen der aus der Fernbeziehung resultierenden persönlichen Einschränkungen zutiefst gedankt. Die hierdurch entgegengebrachte Unterstützung hat einen ganz wesentlichen Beitrag zum positiven Abschluss dieser Arbeit geleistet.
Sebastian Träger
VIII
Inhaltsverzeichnis
1
Argumentationslogik des Strategischen Managements zur Erklärung unternehmerischer Erfolgsgenerierung: Eine problemorientierte Einführung ..... 1
1.1
Anliegen und Entwicklung des strategischen Managements im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Forschung ................................................................................. 1 Problemsstellung und Relevanz des Themas .................................................................. 7 Zielsetzung und gedanklicher Aufbau der Arbeit .......................................................... 16
1.2 1.3 2
Bestandsaufnahme: Strategisches Management zwischen Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolg ...................................................... 21
2.1
Die konzeptionelle Emergenz des Wettbewerbsvorteils als argumentativer Stellhebel zur Erklärung des Unternehmenserfolges ...................................................................... 21 Generisches Erklärungsmuster I: Die marktorientierte Begründung von Wettbewerbsvorteilen .................................................................................................... 27 Die Grundlogik des marktorientierten Ansatzes ............................................................ 28 Zum Wesen des Wettbewerbsvorteils im marktorientierten Ansatz.............................. 35 Generisches Erklärungsmuster II: Die ressourcenorientierte Begründung von Wettbewerbsvorteilen .................................................................................................... 37 Die Grundlogik des ressourcenorientierten Ansatzes .................................................... 38 Zum Wesen des Wettbewerbsvorteils im ressourcenorientierten Ansatz ...................... 46 Generisches Erklärungsmuster III: Die kompetenzorientierte Begründung von Wettbewerbsvorteilen .................................................................................................... 48 Die Grundlogik des kompetenzorientierten Ansatzes.................................................... 49 Zum Wesen des Wettbewerbsvorteils im kompetenzorientierten Ansatz...................... 58 Zwischenfazit: Würdigung der generischen Erklärungsmuster von Wettbewerbsvorteilen .................................................................................................... 62
2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 3
Problemfelder des strategischen Managements bei der Erklärung der Kausalität des Unternehmenserfolges ........................................................................ 65
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.3 3.3.1
Problemfeld I: Semantische Defizite ............................................................................. 65 Sprachliche Hygiene als essentielles Wissenschaftsziel ................................................ 65 Semantische Verwirrungen des strategischen Managements ........................................ 72 Implikationen der semantischen Verwirrung ................................................................. 79 Problemfeld II: Logisch-Syntaktische Defizite.............................................................. 85 Die Sprachverwendung als Stimulus für den Denkprozess ........................................... 85 Syntaktische Verwirrungen des strategischen Managements ........................................ 94 Implikationen der syntaktischen Verwirrung............................................................... 101 Problemfeld III: Pragmatische Defizite ....................................................................... 108 Bedeutungszusammenhang zwischen Sprache und Handlung für die Erkenntnisgewinnung................................................................................................... 108 3.3.2 Pragmatische Verwirrungen des strategischen Managements ..................................... 115 3.3.3 Implikationen der pragmatischen Verwirrung ............................................................. 124 IX
3.4
Zusammenfassende Bewertung des Erkenntnisstandes zur kausalen Logik des Unternehmenserfolges.................................................................................................. 130
4
Notwendige Basisentscheidungen für eine validere Theorie des Unternehmenserfolges ............................................................................................... 135
4.1
Zur Notwendigkeit einer holistischen Untersuchung unternehmerischer Erfolgsgenerierung im strategischen Management...................................................... 135 Der Inkommensurabilitätsmythos im strategischen Management ............................... 138 Die Untersuchung des Unternehmenserfolges zwischen Hegemonie, Funktionalismus und Freiheit von Methodenzwang .................................................... 146 Entwicklung eines Identitätsprinzips zur Herstellung einer multiparadigmatischen Erkenntnisperspektive .................................................................................................. 154 Modellierung der Unternehmung als Input-Throughput-Output System..................... 157 Die Erfolgsgenerierung im Lichte markt- und nichtmarktlichen Wettbewerbs........... 166 Berücksichtigung der Mehrdimensionalität unternehmerischer Erfolgsgenerierung im Wettbewerb ............................................................................. 175 Kausale Nichtlinearität und Equifinalität des Unternehmenserfolges ......................... 178 Die Operationalisierung des Unternehmenserfolges als abhängige Variable .............. 185 Zusammenfassende Bewertung der Basisentscheidungen zu einer präziseren Bestimmung des Unternehmenserfolges...................................................................... 201
4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 5
Wettbewerbsmanagement als alternatives Konzept zur Erklärung des Prozesses unternehmerischer Erfolgsgenerierung.................................................. 207
5.1
Konzeptionelle Wurzeln des Wettbewerbsmanagements als alternative Rahmenkonzeption zur Erklärung des Unternehmenserfolges .................................... 207 5.2 Dimensionen des Wettbewerbsmanagements .............................................................. 212 5.2.1 Akquisitionsentscheidungen und Resource-based Competition .................................. 221 5.2.2 Transformationsentscheidungen und Competence-based Competition ....................... 223 5.2.3 Distributionsentscheidungen und Market-based Competition ..................................... 225 5.3 Implikationen der Wettbewerbsmanagement-Konzeption für die Bewertung des Unternehmenserfolges.................................................................................................. 229 5.4 Kritische Würdigung: Möglichkeiten und Grenzen des Wettbewerbsmanagements zur Evaluierung des Unternehmenserfolges................................................................. 233 6
Zusammenfassende Schlussbetrachtung und Ausblick auf den Beitrag des Wettbewerbsmanagement-Konzepts zur Fortentwicklung des strategischen Managements.............................................................................................................. 241 Literaturverzeichnis................................................................................................... 251
X
Abbildungen und Tabellen
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit und Gang der Untersuchung ................................................16 Abbildung 2: Klassisches und modifiziertes Structure-Conduct-Performance Paradigma......31 Abbildung 3: Die generischen Wettbewerbsstrategien ............................................................34 Abbildung 4: VRIO-Ressourcenklassifikation nach BARNEY ..................................................43 Abbildung 5: Erfolgskritische Ressourceneigenschaften nach BARNEY und PETERAF ...........45 Abbildung 6: Einordnung von Kompetenzen in das System unternehmerischer Fähigkeiten.55 Abbildung 7: Der Prozess der Rentengenerierung im kompetenzorientierten Ansatz.............61 Abbildung 8: Der Wettbewerbsvorteil als amorphes Konstrukt ..............................................62 Abbildung 9: Das Semantische Dreieck...................................................................................71 Abbildung 10: Die Semantik des strategischen Managements ................................................75 Abbildung 11: Divergierende Intensionen und Extension in der Wettbewerbsvorteilsforschung...........................................................................................................78 Abbildung 12: Die Syntaktische Aussagenlogik......................................................................92 Abbildung 13: Logische Untersuchung der Wettbewerbsvorteil-UnternehmenserfolgImplikation........................................................................................................96 Abbildung 14: Die klassischen Gebiete der Linguistik ..........................................................109 Abbildung 15: Paradigmatische Betrachtung der generischen Ansätze (Idealtypisch)..........142 Abbildung 16: Etablierung und Permeabilität der paradigmatischen Grenzziehung .............153 Abbildung 17: Grundschema einer Unternehmung................................................................161 Abbildung 18: Vereinigung der generischen Ansätze in einen gemeinsamen Referenzrahmen ..............................................................................................164 Abbildung 19: Marktliche und nichtmarktliche Wettbewerbsarena.......................................169 Abbildung 20: Gefährdungsmatrix zur Bestimmung der Implikationen staatlicher Einflussnahme.................................................................................................173 Abbildung 21: Equifinalitätsdimensionen ..............................................................................179 Abbildung 22: Logisch und empirisch vollständige Hypothesenbildung ..............................190 Abbildung 23: Darstellung des Unternehmenserfolges aus der Payments-Perspektive.........200 Abbildung 24: Die Basisentscheidungen zur Erklärung des Unternehmenserfolges im Überblick.........................................................................................................202 Abbildung 25: Wettbewerbspositions-Matrix nach HUNT und MORGAN ..............................210 Abbildung 26: Allgemeiner Rahmen des Wettbewerbsmanagements ...................................214 Abbildung 27: Das Gesamtkonzept »Wettbewerbsmanagement« .........................................220 Abbildung 28: Dreidimensionale Wettbewerbspositions-Matrix...........................................230 Abbildung 29: Unterschiedliche Grenzziehungskonzeptionen ..............................................238 XI
Abbildung 30: Zusammenfassende Darstellung der Zusammenhänge dieser Arbeit.............246
Tabelle 1: Exemplarische Übersicht über die konzeptionelle Evolution des Phänomens »Wettbewerbsvorteil« .............................................................................................. 25
XII
Abkürzungsverzeichnis
aktual. ................................... aktualisierte AN ........................................ Ausstattungsnachteil Anm. ..................................... Anmerkung AP ......................................... Ausstattungsparität Aufl....................................... Auflage AV ........................................ Ausstattungsvorteil Bd. ........................................ Band bearb. .................................... bearbeitete CBV ...................................... Competence Based View DUV ..................................... Deutscher Universitätsverlag engl. ...................................... englisch erg. ........................................ ergänzte erw. ....................................... erweiterte f............................................. folgende F. ........................................... Folie ff. .......................................... fortfolgende griech. ................................... griechisch grundl.................................... grundlegend Hrsg. ..................................... Herausgeber i. S. e. .................................... im Sinne eines, im Sinne einer i. S. v..................................... im Sinne von ITO ....................................... Input-Troughput-Output Jg........................................... Jahrgang m. a. W. ................................ mit anderen Worten MBV ..................................... Market Based View MSN ..................................... Marktstellungsnachteil MSP ...................................... Marktstellungsparität MSV ..................................... Marktstellungsvorteil RAT ...................................... Resource Advantage Theory RBV ...................................... Resource Based View rev. ........................................ revidierte S. ........................................... Seite XIII
SCP ....................................... Structure-Conduct-Performance sog......................................... sogenannte überarb. ................................. überarbeitete UE......................................... Unternehmenserfolg unveränd. .............................. unveränderte Verf....................................... Verfasser Vgl. ....................................... Vergleich Vol. ....................................... Volume vollst. .................................... vollständig WFN ..................................... Wettbewerbsfähigkeitsnachteil WFP ...................................... Wettbewerbsfähigkeitsparität WFV ..................................... Wettbewerbsfähigkeitsvorteil WV ....................................... Wettbewerbsvorteil WZB ..................................... Wissenschaftszentrum Berlin z. T. ....................................... zum Teil
XIV
1
Argumentationslogik des Strategischen Managements zur Erklärung unternehmerischer Erfolgsgenerierung: Eine problemorientierte Einführung
1.1 Anliegen und Entwicklung des strategischen Managements im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Forschung Die Evolution des Forschungsprogramms zum strategischen Management ist beeindruckend. Kaum ein anderer Forschungszweig der Betriebswirtschaftslehre kann für sich in Anspruch nehmen, innerhalb von nur ca. vierzig Jahren eine vergleichbar große scientific community vereinigt zu haben. Beleg dafür sind nicht zuletzt die stetig steigende Anzahl an diesbezüglichen Konferenzen, Veröffentlichungen und die Etablierung strategiefokussierter Zeitschriften in den Listen der Top Tier-Journals.1 HITT bemerkt hierzu treffend: „The field of strategic management has advanced substantially in both the theoretical domain and empirical research…. While the roots of the field can perhaps be traced back as early as 320 BC to the work of Sun Tsu, the evolution of the field in the last few decades has been dramatic.“2
Die Gründe für diese rasante disziplinäre Entwicklung sind vielfältig. MÜLLER-STEWENS und LECHNER bspw. identifizieren in diesem Zusammenhang u. a. die nordamerikanischen Business Schools in ihrem Bestreben, beginnend mit dem Anfang des letzten Jahrhunderts, die eher funktionsorientierten Kurse wie Marketing oder Finanzierung mit einer konzeptionellen, zunächst als Business Policy titulierten Klammer zu umspannen.3 Die Orchestrierung betrieblicher Funktionsbereiche durch die Unternehmenspolitik (später dann Strategisches Management genannt) konnte somit zu einem festen Bestandteil der akademischen Ausbildung wer-
1 Als relevante Konferenzen gelten z. B.: Atlanta Competitive Advantage Conference (ACAC), Annual Conference on Corporate Strategy (ACCS) sowie die Meetings der Strategic Management Society und der Academy of Management. Zu den Zeitschriften sind v. a. zu zählen: Academy of Management Review, Academy of Management Journal, Business Horizons, California Management Review, Industrial and Corporate Change, Journal of Business Strategy, Long Range Planning, Sloan Management Review, Strategic Change oder das Strategic Management Journal. Vgl. z. B.: Boyd, B. K. / Finkelstein, S. / Gove, S. (2005): How advanced is the Strategy Paradigm? The Role of Particularism and Universalism in shaping Research Outcomes. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 841-854, hier: S. 841. 2 Hitt, M. A. (2005): Spotlight on Strategic Management. In: Business Horizons, Vol. 48, S. 371-377, hier: S. 371. 3
Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 9; Nag, R. / Hambrick, D. C. / Chen, M.-J. (2005): What is Strategic Management, Really? A Consensus View on the Essence of the Field. Academy of Management Best Conference Paper 2005, S. H1-H6, hier: S. H1; Schendel, D. / Hofer, C. W. (1979): Strategic Management – A New View of Business Policy and Planning, Boston: Little, Brown, S. 1f..
1
den. Einen weiteren Entwicklungseinfluss stellt die Unternehmenspraxis dar, die sich in zunehmendem Maße nicht-linearen Veränderungen der wettbewerblichen Rahmenbedingungen ausgesetzt sieht und entsprechend einen hohen Bedarf an fundierten Antworten zu befriedigen sucht, wie eine probate „Unternehmensführung der Zukunft“ zu gestalten und der Unternehmenserfolg zu sichern sei.4 Die sich früher allein mit diesem Thema beschäftigende Volkswirtschaftslehre – speziell die neoklassischen Forschungsansätze und die sich daran orientierenden Subdisziplinen – konnte aufgrund ihres teilweise sehr restriktiven, realitätsfernen Axiomenkorsetts dazu kaum zufrieden stellende Auskünfte geben, was schlussendlich den Ruf nach einer anwendungsorientierteren Forschungskonzeption begründete.5 Diese konzeptionelle Schieflage traditioneller Erklärungsmuster bedeutete die Geburtsstunde des strategischen Managements als eigenständiger Forschungszweig innerhalb der Management- bzw. Betriebswirtschaftslehre. PETTIGREW ET AL. verweisen in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auch auf den Beitrag der Unternehmensberatungen zur (nicht nur rein sprachlichen) Diffusion strategisch-planerischer Denkansätze als probater Ansatz zur Kanalisierung wettbewerblicher Diskontinuitäten.6 Insofern haben die frühzeitige akademische Institutionalisierung und die stets große Praxisrelevanz unternehmensstrategischer Fragestellungen zur Popularität
4
Vgl. Ansoff, I. (1988): Corporate Strategy. Revised Edition, London u. a.: Penguin Books, S. 31-33.
5
Faulkner, D. / Campell, A. (2003): Introduction to Volume I: Competitive Strategy through Different Lenses. In: Faulkner, D. / Campell, A. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Strategy. Oxford: Oxford University Press, S. 1-17, hier: S. 2. Dieses Defizit der Neoklassik beschreibt SCHMIDT sehr treffend, denn „[d]iese Theorie sieht Unternehmen … an als eingebunden in ein sehr enges Korsett aus vollkommenen (Kapital-)Märkten und in ihren Innen- und Außenbeziehungen strikt determiniert durch vollständige Verträge. Die Kombination von vollständigen Märkten und vollkommenen Verträgen führt in der Tat dazu, dass nicht nur Fragen der Unternehmensstrategie und der Unternehmensverfassung gegenstandslos, sondern auch solche der internen Organisation und der Unternehmensführung trivial oder zumindest zu nicht-ökonomischen Fragen werden.“ Schmidt, R. H. (1998): Erich Gutenberg und die Theorie der Unternehmung. Arbeitspapier Nr. 13 der Wilhelm Merton-Professur für Ökonomie des Welthandels and der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main: Johann Wolfgang Goethe-Universität, S. 11. Ohne dem weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgreifen zu wollen, so wird jedoch paradoxerweise die dargestellte Frustration der Unternehmenspraxis im Hinblick auf die Modelle der Industrieökonomie derzeit gleichsam gegenüber dem strategischen Management geäußert, da sich der erhoffte Erkenntniszuwachs bis dato nicht eingestellt hat. Vgl. z. B. McKiernan, P. / Carter, C. (2004): The millennium nexus: Strategic management at the cross-roads. In: European Management Review, Vol. 1, S. 3-13, hier S. 3; Stoelhorst, J. W. / van Raaij, E. M. (2004): On explaining Performance Differentials – Marketing and Managerial Theory of the Firm. In: Journal of Business Research, Vol. 57, S. 462-477, hier: S. 463f.. So argumentieren bspw. PRIEM und BUTLER im Zusammenhang mit den ressourcenorientierten Ansatz: “Simply advising practitioners to obtain rare and valuable resources in order to achieve competitive advantage and, further, that those resources should be hard to imitate and nonsubstitutable for sustainable advantage, does not meet the operational validity criterion.“ Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 31. 6 Vgl. Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (2002): Strategic Management: The Strengths and Limitations of a Field. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 3-30, hier: S. 5; Whittington, R. / Jarzabkowski, P. / Mayer, M. / Mounoud, E. / Nahapiet, J. / Rouleau, L. (2003): Taking Strategy Seriously: Responsibility and Reform for an Important Social Practice. In: Journal of Management Inquiry, Vol. 12, S. 396-409, hier: S. 399.
2
strategischen Denkens und damit zur nachhaltigen Prosperität dieses betriebswirtschaftlichen Forschungszweiges einen entscheidenden Beitrag leisten können.7 Obschon die ersten wissenschaftlichen Arbeiten zur Unternehmensstrategie von Igor Ansoff oder Alfred Chandler eine schnelle Verbreitung und Akzeptanz gefunden haben, so hat sich in der weiteren Entfaltung der diesbezüglichen akademischen Auseinandersetzung das jeweilige Erkenntnisinteresse periodisch verändert. Analog zu den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in den westlichen Ökonomien zeichnen sich im historischen Verlauf auch die Arbeiten zu strategischen Fragestellungen durch unterschiedliche inhaltliche Akzentuierungen aus. GLUCK ET AL. bspw. zufolge lassen sich hierbei v. a. vier, einander abwechselnde Orientierungsphasen unterscheiden:8 1. Die Phase der Finanzplanung (ca. 1945-1960) 2. Die Phase der Langzeitplanung (ca. 1960 – 1970) 3. Die Phase der strategischen Planung (ca. 1970 – 1980) 4. Die Phase des strategischen Managements (ca. 1980 bis heute) Die Phase der Finanzplanung ist inhaltlich überwiegend von Gedanken TAYLORistischer Prägung im Zusammenhang mit dem Scientific Management zu sehen, die die Realisierung von kurzfristigen Rationalisierungspotenzialen in den Industriebetrieben in den Vordergrund stellen. Strategische Fragestellungen beschränken sich auf ein- bis zweijährige Budgetplanungen und dem Aufdecken von Produktivitätslücken. Das in den 1960er Jahren einsetzende Wachstum und die Internationalisierung der Märkte führten in der Folge zu einer Verschiebung des Unternehmensinteresses von kurzfristigen Budgetplanungen hin zu den Möglichkeiten der langfristigen Produktionsplanung. Die wachstumsinduzierte Konglomeratisierung der Indust-
7 Hierbei lassen sich durchaus auch disziplinäre Selbstverstärkungs- bzw. Rückkopplungseffekte identifizieren, denn durch die zunehmende Integration von strategischen Problemstellungen in die akademische Forschung und Ausbildung wird bei den Unternehmenslenkern das Bewusstsein für die offensichtliche Bedeutsamkeit einer strategischen Unternehmensorientierung geschärft, was über das Hineintragen dieser Gedanken in die Unternehmen die empfundene Relevanz des Themas für die Praxis allgemein stärkt. Auf der anderen Seite führen die Probleme bei der praktischen Umsetzung der allgemein akzeptierten Strategiekonzepte in den spezifischen, permanent veränderlichen Unternehmenskontext zu einer gewissen Frustration bei der Unternehmenspraxis, was wiederum in einer verstärkten, akademischen Auseinandersetzung resultiert. 8 Gluck, F. W. / Kaufman, S. P. / Walleck, A. S. (1980): Strategic Management for Competitive Advantage. In: Harvard Business Review, Vol. 58, S. 154-161, hier: S. 155-159. Vgl. auch Bea, F. X. / Haas, J. (2001): Strategisches Management. 3. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 11-14; Bowman, E. H. (1995): Strategy History: Through Different Mirrors. In: Thorelli, H. B. (Hrsg.): Advances in Strategic Management. Vol. 11A: Integral Strategy: Concepts and Dynamics. Greenwich u. a.: JAI Press, S. 25-45, hier: S. 28-29; Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 13.
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rien9 machte nun Überlegungen erforderlich, wie die einzelnen Funktionsbereiche (Finanzierung, Personal, Produktion etc.) intern koordiniert werden können, um auch zukünftige, überwiegend auf Trendextrapolationen beruhende Wachstumspotenziale nutzen zu können. Die Arbeiten in der Phase der strategischen Planung dagegen fokussieren weniger auf interne Koordinationserfordernisse, sondern rücken nun die Charakteristika der Abnehmer und Wettbewerber als zentrale Determinanten zukünftiger unternehmerischer Chancen und Risiken in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Markt- und Wettbewerbsanalysen, die einen Aufschluss über die aussichtsreichste Positionierung eines Unternehmens bzw. dessen strategische Geschäftsfelder (sog. Strategic Business Units) geben, bilden die konzeptionellen Kernstücke dieser überwiegend auf externe Erfolgspotenziale rekurrierenden Forschungsphase. Die die disziplinäre Entwicklung abschließende, vorerst letzte Phase des strategischen Managements10 lässt sich hinsichtlich der Forschungsorientierung weitaus weniger trennscharf erfassen, wie dies in den anderen Entwicklungsstadien tendenziell möglich war. Dies liegt v. a. darin begründet, dass im Gegensatz zu den Arbeiten früheren Datums nunmehr unterschiedliche Analyseebenen (z. B. interner oder externer Fokus, einzelne Unternehmen, ganze Industrien), divergierende, theoretische Rahmenkonzepte (z. B. Industrieökonomie, Evolutionstheorie, Systemtheorie etc.) sowie unterschiedlichste Forschungsmethodiken (z. B. Induktion, Deduktion etc.) in das Forschungsprogramm Einzug gehalten haben.11 GAVETTI und LEVINTHAL bemerken hierzu: „The strategy field is intellectually broad in its disciplinary roots, which range from economics to organizational sociology, and in the problem domains that define its scope of applications.“12
Diese zunehmende inhaltliche Heterogenisierung ist der neueren Auffassung geschuldet, dass der unternehmerische Erfolg nicht – wie traditionell geschehen – auf der Basis eindimensio-
9 Vgl. Bowman, E. H. (1995): Strategy History: Through Different Mirrors. In: Thorelli, H. B. (Hrsg.): Advances in Strategic Management. Vol. 11A: Integral Strategy: Concepts and Dynamics. Greenwich u. a.: JAI Press, S. 25-45, hier: S. 28. 10
In einigen Arbeiten wird die Ansicht vertreten, dass die Phase des strategischen Managements heute zunehmend von der wertorientierten Unternehmensführung (Value Based Management) als nächste Evolutionsstufe abgelöst wird. Vgl. z.B. Goos, P. / Hagenhoff, S. (2003): Strategisches Innovationsmanagement: Eine Bestandsaufnahme. Arbeitsbericht Nr. 11/2003 des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Georg-AugustUniversität, Göttingen: Georg-August-Universität , S. 11.
11
Vgl. Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 92.; Hitt, M. A. / Gimeno, J. / Hoskisson, R. E. (1998): Current and future Methods in Strategic Management. In: Organizational Research Methods, Vol. 1, S. 6-44, hier: S. 7f.
12
Gavetti, G. / Levinthal, D. A. (2004): The Strategy Field from the Perspective of Management Science: Divergent Strands and Possible Integration. In: Management Science, Vol. 50, S. 1309-1318, hier: S. 1309.
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naler Planungsansätze abgeleitet werden kann. Das kontinuierliche wirtschaftliche Wachstum, die zunehmende Internationalisierung der Unternehmenstätigkeit sowie die durch die Innovationsdynamik vorangetriebene Verkürzung von Produktlebenszyklen führen zu einer erhöhten Komplexität, Unsicherheit sowie Unschärfe unternehmerischer Entscheidungs- und Zielsetzungsprozesse, die mit dem Instrumentarium der Langzeit- oder strategischen Planung nur unzureichend abgesichert werden können. In diesem, von Dynamik und Komplexität geprägten Unternehmensumfeld bedarf es vielmehr
– so die geläufige (Lehr-)Meinung – einer
ganzheitlichen, strategischen Orientierung, die die Chancen und Risiken im Wettbewerb frühzeitig antizipiert und dadurch dem Unternehmen mögliche Handlungsalternativen aufzeigt.13 Vor diesem Hintergrund ergeben sich nun automatisch auch die Ziele und Inhalte des strategischen Managements nach HUNGENBERG und WULF aus „… einer ganzheitlichen Perspektive mit Fragen der Strategieanalyse, -formulierung und insbesondere -implementierung ….“14
Die ganzheitliche Perspektive des strategischen Managements äußert sich allgemein in dem Versuch, den jeweiligen Beitrag der unternehmensinternen Strukturvariablen und der unternehmensexternen Kontextvariablen zum Unternehmenserfolg in inhaltlicher und prozessualer Hinsicht abzubilden. Der analytische Fokus liegt somit sowohl auf den strategisch relevanten bzw. als erfolgskritisch erachteten internen Steuerungsmechanismen, als auch auf den die Unternehmenstätigkeit beeinflussenden Markt- und Wettbewerbsbedingungen. An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass der Unternehmenserfolg und dessen strategische Bestimmungsfaktoren (sog. Erfolgsfaktoren) das zentrale Erkenntnisziel dieses Zweiges der Betriebswirtschaftslehre darstellen. Daraus ergibt sich die Aufgabe für die Forschungsdisziplin strategisches Management, geeignete Strategiekonzepte zu entwickeln, die die Identifizierung, Nutzbarmachung und Erhaltung von (internen und externen) Erfolgspotenzialen nachweislich sicherstellen. Allerdings liegt dieser Zielstellung somit jedoch die Annahme zugrunde, dass eine Strategie an sich bzw. das Vorhandensein einer strategischen Orientierung in einem Unternehmen erfolgskritisch ist, d. h. einen maßgeblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausübt. Im Rahmen der eingangs dargestellten ideengeschichtlichen Entwicklung des Faches
13
Vgl. z. B. Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S.3f.
14 Hungenberg, H. / Wulf, T. (2004): Strategisches Management: Was die Wissenschaft für die Praxis leisten kann. In: Hungenberg, H. / Meffert, J. (Hrsg.): Handbuch des Strategischen Managements. Wiesbaden: Gabler, S. 165-190, hier: S. 166; Vgl. auch Johnson, G. / Scholes, K. (1997): Exploring Corporate Strategy. 4. Aufl., London u. a.: Prentice Hall, S. 17.
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konnte überblicksartig aufgezeigt werden, dass eine derartig ganzheitliche Ausrichtung im Vergleich zu den eindimensionalen Planungskonzepten als prinzipiell überlegen betrachtet wird, um den aktuellen Herausforderungen des Wettbewerbs begegnen zu können. Grundsätzlich muss hierzu jedoch angemerkt werden, dass weder die Notwendigkeit, noch der Übergang zu einer ganzheitlicheren i. S. e. strategischen Unternehmensführung einer validen theoretischen und empirischen Fundierung unterzogen worden ist. Es gibt bis dato keine gesicherten bzw. überzeugenden Untersuchungen, die einen konkreten Beleg dafür liefern können, dass Unternehmen, die eine Strategie verfolgen, per se erfolgreicher sind, als diejenigen, die sich eher anderen, bspw. überwiegend operativen Steuerungsmechanismen bedienen.15 Entdeckungs- und Begründungszusammenhang des strategischen Managements werden damit bereits im Vorfeld jedweder Analyse zirkelschlussartig verwischt, denn auf der einen Seite wird der Unternehmenserfolg als eine Funktion des Grades der strategischen Orientierung eines Unternehmens betrachtet (Entdeckungszusammenhang), während auf der anderen Seite konstatiert wird, dass Unternehmen, um erfolgreich zu sein, annahmegemäß eine Strategie ihren Aktivitäten zugrunde legen sollten (Begründungszusammenhang). Die in der analytischen Wissenschaftstheorie propagierte Trennung von Geltung und Genese wird hiermit durchbrochen, da die Geltungsansprüche einer Wissenschaft bzw. deren Erkenntnisse und die Umstände ihrer Entdeckung methodisch nicht mehr zu separieren sind.16 Als Resultat kann hierbei nun von einer ontologischen Konfusion17 des strategischen Managements gesprochen werden, denn „Sinn“ und „Sein“ des Unternehmenserfolges sind nicht mehr voneinander zu trennen.18 Die Begründung, dass der Erfolg eines Unternehmens von dem Vorhandensein ei-
15
Im Grunde genommen bedeutet dies, dass das strategische Management als Forschungsprogramm in der heutigen Form den Nachweis einer fachlichen Legitimation schuldig bleibt, da eine (empirische) Fundierung der Hypothese „Strategy Matters!“ bislang nicht gelungen ist. Vgl. z. B. Franklin, P. (2001): Guest Editorial: Is Strategy still relevant? In: Strategic Change, Vol. 183-188, hier: S. 184-187. Für eine vermeintlich gegenläufige Meinung, die sich schlussendlich jedoch selbst relativiert vgl. Bowman, E. H. / Helfat, C. E. (2001): Does Corporate Strategy matter? In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 1-23, hier: S. 19f..
16
Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 549.
17
Vgl. z. B.: Klein, J. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 320-321.
18
SEIFFERT führt in diesem Zusammenhang folgendes Beispiel an: „Kant muss essen, um philosophieren zu können, anderenfalls stirbt er und kann nicht mehr denken. Aber: das, was er denkt, ist von seiner Nahrungszufuhr völlig unabhängig.“ Seiffert, H. (1997): Einführung in die Wissenschaftstheorie 4. München: C. H. Beck, S. 137 (kursiv im Original). Übersetzt in den Kontext des strategischen Managements bedeutet dies: Unternehmen müssen eine Strategie verfolgen, um erfolgreich zu sein, anderenfalls verschwinden sie vom Markt. Aber: wie erfolgreich ein Unternehmen sein wird, ist von seiner Strategie völlig unabhängig. Der zweite Teil dieser Aussage ist im Kontext des strategischen Managements nicht erfüllt, was zu einer Vermischung des „an sich Seienden“ und des „Erkannten“ führt, da annahmegemäß unterstellt wird, dass die Strategie ein zentraler Erfolgsfaktor ist.
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ner Strategie abhängt, ist methodisch somit nicht verteidigbar, denn in der heutigen konzeptionellen Ausprägung ist diese Aussage und damit auch die Forschungsrichtung an sich ein Produkt seiner selbst.
1.2 Problemsstellung und Relevanz des Themas An dieser Stelle soll jedoch keineswegs der Eindruck erweckt werden, es handele sich bei dieser Arbeit um ein Manifest gegen das strategische Management und gegen die Bestrebungen, diese Forschungsdisziplin mit gesicherten Erkenntnissen zu untermauern. Im Gegenteil, denn in der Tat zeichnen sich eine Vielzahl von Märkten und Industrien durch immer komplexer werdende Leistungserstellungsprozesse aus, die die Notwendigkeit zu einer ganzheitlichen Unternehmensführung über den ersten Blick hinaus rechtfertigen. Diese Auffassung wird im Folgenden uneingeschränkt geteilt, obgleich die derzeitige Herangehensweise an diese Problemstellung scharf zu kritisieren bleibt, da der Erklärung des Erfolgsbeitrages von Unternehmensstrategien ein tautologischer Charakter innewohnt, wenn dieser die Annahme zugrunde gelegt wird, dass Strategien im Gegensatz zu anderen Steuerungsinstrumenten per se erfolgskritisch(er) sind. Ungeachtet dessen, welche Auffassung hinsichtlich der Legitimität dieses Forschungsansatzes vertreten wird, so bleibt die grundsätzliche Frage zu beantworten, welche Lösungsmöglichkeiten bzw. alternative Steuerungsmechanismen in offensichtlich volatiler werdenden Umwelten im Rahmen des strategischen Managements bislang generiert werden konnten, die einer Rechtfertigung – wenn auch nur noch ex post – für die Notwendigkeit einer ganzheitlicheren, i. S. e. strategischen Perspektive der Unternehmensführung zweckdienlich sind. Vor diesem Hintergrund ist es zunächst erforderlich, sich einmal zu vergegenwärtigen, welche zentralen Forschungsfragen im strategischen Management bearbeitet werden. Hierbei lassen sich v. a. drei Leitgedanken herauslösen: 1. Die Erklärung bzw. die Prognose unternehmerischen Verhaltens im Wettbewerb. 2. Die Erklärung von Performanzunterschieden. 3. Die Bestimmung derjenigen Faktoren, die den Unternehmenserfolg nachhaltig beeinflussen.19
19
Vgl. z. B.: Bowman, E. H. / Singh, H. / Thomas, H. (2002): The Domain of Strategic Management: History and Evolution. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 31-51, hier: S. 33; Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of
7
MINTZBERG
ET AL.
verweisen in diesem Zusammenhang exemplarisch auf insgesamt zehn
unterschiedliche Denkschulen, die sich hinsichtlich ihrer inhaltlichen Grundorientierung bei der Beantwortung dieser Themenstellungen in drei Gruppen aufteilen lassen: präskriptive, deskriptive und konfigurative Ansätze.20 Die Arbeiten präskriptiver Natur beschäftigen sich überwiegend mit dem (normativen) Prozess, wie Strategien formuliert werden sollen. Hierbei wird ein Kontinuum an unterschiedlichen Auffassungen von Strategieformulierungsprozessen aufgespannt, das von einer „künstlerisch-gestalterischen“ Perspektive (Design School) bis hin zu einem rational-formalisierten Planungsprozess (Planning School) reicht. Komplettiert wird diese Gruppe durch diejenigen Konzepte, die den Strategieinhalt als Resultat marktstruktureller Gegebenheiten betrachten (Positioning School). Im Gegensatz dazu beschäftigen sich die Anhänger der deskriptiven Denkschulen weniger mit idealtypischen Empfehlungen hinsichtlich des „Wie“ und des „Mit welchem Inhalt“ die Strategien entwickelt werden sollen, sondern vielmehr mit der Untersuchung, wie und wodurch diese in einem Unternehmen tatsächlich entstehen. Analog zu den präskriptiven Ansätzen zeichnen sich die hierunter subsumierbaren Untersuchungen mit einer ähnlichen perspektivischen Breite aus. Die Initiierung einer Strategie wird hierbei als individueller Entscheidungsprozess (Entrepreneurial School, Cognitive School) bis hin zu einem kollektiven Verhandlungsprozess (Power School, Cultural School) modelliert. Weiterhin fallen in diesen Bereich Denkansätze, die sich mit der unternehmerischen Legitimationserfordernis (Environmental School) als auch mit der Strategie als Ergebnis eines inkrementalen, iterativen Lernprozesses beschäftigen (Learning School). Den Abschluss dieser MINTZBERGschen Kategorisierung des strategischen Managements bilden die Denkrichtungen mit konfigurativer Prägung (Configuration School). Kernanliegen dieser Schule bildet die Verknüpfung und Integration der anderen Denkansätze sowie ferner die Applikation einzelner Modelle in unterschiedlichen (bspw. räumlichen oder zeitlichen) Handlungsräumen, wodurch sich ein spezifisches Interesse an unternehmerischen Wandlungs- bzw. Transformationsprozessen manifestiert.
Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 415; Hitt, M. A. (2005): Spotlight on Strategic Management. In: Business Horizons, Vol. 48, S. 371-377, hier: S. 372.; Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 38. 20
Mintzberg, H,. / Ahlstrand, B. / Lampel, J. (1998): Strategy Safari. A Guided Tour through the Wilds of Strategic Management. New York: Free Press, S. 4-7. RASCHE offeriert eine alternative Klassifizierung und differenziert die forschungsmethodischen Ansätze nach: Market Based View, Competitor Based View, Resource Based View, Institutional Based View und Finance Based View. Vgl. Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 384.
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Diese überblicksartige Darstellung veranschaulicht die große inhaltliche Fragmentierung des Forschungsprogramms zum strategischen Management. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die einzelnen Forschungsströmungen eine parallele oder gar gleichberechtigte Beachtung innerhalb der scientific community finden. Dass dies nicht der Fall ist, wird exemplarisch von HOSKISSON ET AL. veranschaulicht, die metaphorisch von einem „schwingenden Pendel“ dominierender Sichtweisen und Analysemethodiken im strategischen Management sprechen.21 In ihrer Untersuchung können sie den Nachweis erbringen, dass sich insbesondere im Hinblick auf den unternehmensinternen oder -externen Analyseschwerpunkt periodische Schwankungen in das ein oder andere Betrachtungsextremum offenbaren. Prominentestes Beispiel hierfür sind die, später noch genauer zu analysierenden konzeptionellen „Grabenkämpfe“ zwischen den Vertretern des marktorientierten Ansatzes (zugehörig zu der präskriptiven Positionierungs-Schule) und den der ressourcenorientierten Denkschule (zugehörig zu der deskriptiven Kultur-Schule). Eine ähnliche Auseinandersetzung, wie bei den Ansätzen der Strategieinhaltsforschung, lässt sich auch für die Vertreter der Strategieprozessforschung aufdecken. Im letzteren Fall kreisen die Auseinandersetzungen um die divergierenden Vorstellungen, ob Strategien planbar sind (der präskriptiven Planungs-Schule zuzuordnen), oder einem emergenten, durch organisationale Lernprozesse vorangetriebenen Prozess entspringen (der deskriptiven Lern-Schule zuzuordnen). Die Forschungsdisziplin strategisches Management ist gefüllt mit derartigen Auseinandersetzungen, was PETTIGREW
ET AL.
zurecht darin
begründet sehen, dass von Anfang an „… the field of strategic management more generally has been short on reflexity [and] it has not been devoid of thematic and theoretical eclecticism”.22
HAMBRICK sieht dies als Ursache für seine Beobachtung, dass „[i]n my 25 years in the field of strategic management, I have observed a distinct trend toward separateness; beyond that, parochialism; and beyond that, dogmatism.”23
Das von PETTIGREW ET AL. angesprochene eklektische, m. a. W. nicht reflexive und unschöpferische Einbeziehen anderer Theoriezweige in die Analyse der eingangs genannten drei zent-
21
Vgl. Hoskisson, R. E. / Hitt, M. A. / Wan, W. P. / Yin, D. (1999): Theory and Research in Strategic Management: Swings of a Pendulum. In: Journal of Management, Vol. 15, S. 417-456, hier: S. 417.
22
Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (2002): Strategic Management: The Strengths and Limitations of a Field. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 3-30, hier: S. 9.
23
Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 93.
9
ralen Problemstellungen im strategischen Management hat also dazu geführt, dass sich zu keiner Zeit eine allgemein akzeptierte Kerntheorie bzw. ein Rahmenkonzept hat herausbilden können, das die nötige Orientierungshilfe bei der Präzisierung der Problemstellungen bietet. Dazu bemerkt HAMBRICK vorausblickend, dass „[i]f Dick Rumelt were to draw one of his diagrams depicting the relatedness among the many strands of theory and research in the field of strategic management today, … the result would be a picture of long tentacles, the thinnest linkages and no apparent core or center. … Our field is rapidly being pulled apart by centrifugal forces. Like a supernova that once packed a wallop, our energy is now dissipating and we are quickly growing cold. … [U]nless the field of strategic management can regain some amount of coherence, its disparate research agendas will be taken over by microeconomists, organizational sociology, marketing and psychology. In turn, our purpose as a field … will cease to have a place on the academic landscape.”24
Dieser Darstellung folgend ist grundsätzlich zu konstatieren, dass die konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem strategischen Management von Unternehmen im Wettbewerb noch weit von einer hinlänglichen Reife entfernt ist. Zurückzuführen ist dies v. a. darauf, dass die (soziale) Konstruktion des damit in Verbindung stehenden Forschungsprogramms sowie dessen Grenzen bislang nicht abschließend gelungen ist. Eine Übereinkunft zur programmatischen Grenzziehung i. S. e. Etablierung von positiven und negativen Heuristiken (Gebotsund Verbotsregeln) der Problembehandlung ist aktuell nicht festzustellen, da bisher de facto keine allgemein akzeptierten Kernhypothesen extrahiert werden konnten.25 In diesem Zusammenhang stellen NAG ET AL. verwundert fest, dass „[t]he field’s lack of interest in addressing this basic, almost essential, question is noteworthy“.26 MCKIERNAN und CARTER charakterisieren die Zukunft des strategischen Managements daher sehr drastisch: „Strategic Management should have grown up by now. Yet, its protracted history, through the planning, learning, positioning and resource-based paradigms … has, after four decades, left it groping out of adolescence for direction, role, respect and contribution. Its importance to organization and business schools is under threat as a spectre of irrelevance and stagnation casts its shadow over much of the extant research.”27
24
Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 91.
25
Vgl. z. B. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 664; Nag, R. / Hambrick, D. C. / Chen, M.-J. (2005): What is Strategic Management, Really? A Consensus View on the Essence of the Field. Academy of Management Best Conference Paper 2005, S. H1-H6, hier: S. H1.
26
Nag, R. / Hambrick, D. C. / Chen, M.-J. (2005): What is Strategic Management, Really? A Consensus View on the Essence on the Field. Academy of Management Best Conference Paper 2005, S. H1-H6, hier: S. H2.
27
McKiernan, P. / Carter, C. (2004): The millennium nexus: Strategic management at the cross-roads. In: European Management Review, Vol. 1, S. 3-13, hier: S. 3-13.
10
Die an dieser Stelle geäußerte, eher akademische Kritik lässt sich beispielhaft anhand der Empfehlungen des ressourcenorientierten Ansatzes, als derzeit dominierende Denkrichtung des strategischen Managements,28 für die Unternehmenspraxis gleichsam spiegeln: „The central message of the RBV [Resource Based View; Anm. des Verf.] is that strategic assets are essentially intangible and therein lies the paradox. How do managers recognize, define and shape the intangible? The features [of the RBV] … are either abstract nouns or adjectives and provide little of a concrete nature that managers would use as a touchstone. These words are of a highly generalized and qualitative nature and contain a vastly diverse range of potential meanings. It is this imprecision in terms that render real meaning unascertainable. It is this largely rhetorical nature that may render the RBV unusable in practical terms.”29
POWELL kommt zu dem gleichen Schluss, denn “[i]t has not been widely appreciated by researcher-consultants that our leading … propositions – entailing constructs managers can neither observe, understand, replicate nor acquire – are philosophically untenable.”30
Dieser, nur als unbefriedigend zu bezeichnende fachliche Reifegrad ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass sich – wie gezeigt – im Rahmen des strategischen Managements eine Vielzahl, teilweise konkurrierender und v. a. partialanalytischer Erklärungsansätze (Denkschulen) entwickelt haben, die jeweils für sich gesehen – trotz des oftmals selbst geäußerten Anspruchs – weder konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis ableiten, noch eine widerstandsfähige Theorie als Basis für ein Wissenschaftsprogramm liefern können. Eine solche inhaltliche Heterogenität ist jedoch an sich, wenn als eine Entwicklungsphase auf dem Weg hin zu einem vereinenden Paradigma betrachtet, nicht weiter problematisch, denn komplexe Sozialphänomene, wie sie im strategischen Management analysiert werden, eröffnen eine Vielzahl an unterschiedlichen Erklärungsmöglichkeiten, die im Idealfall in einem, zumindest zeitweise kohärenten Erklärungsansatz (Paradigma) münden. Die pluralistische Herangehensweise an eine heterogene Unternehmenswelt ist somit also durchaus legitim, insofern diese gleichzeitig Bestrebungen zulässt, die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse zu reflektieren, miteinander in Verbindung zu setzen bzw. diese zu integrieren. Einander
28
Vgl. z. B. Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 424; Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S. 9.
29
Connor, T. (2002): The Resource-based View of Strategy and its Value to practising Managers. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 307-316, hier: S. 311-312 (Hervorhebung im Original).
30
Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 885.
11
abwechselnde Phasen der Fragmentation und Integration zeichnen daher die Evolution eines Wissenschaftsprogramms – nicht nur in den Sozialwissenschaften – aus. In diesem Zusammenhang muss für das strategische Management jedoch ein Verharren in der durch einzelne Subfelder dominierten Fragmentation konstatiert werden, wie nicht zuletzt auch MINTZBERGs noch immer aktuelle Klassifikation exemplarisch zeigt.31 Das strategische Management zeichnet sich nach wie vor durch eine überwiegend in diesen Denkschulen verwurzelte, bisweilen dogmatische Argumentationsweise aus und lässt entsprechend nur wenig Raum für integrativ-synthetisierende Ansätze. Die Gründe für diese, nur als intellektuelle Stagnation zu bezeichnende Situation sind vielfältig. Neben anderen, an späterer Stelle noch einmal aufzugreifenden Aspekten, sind hierzu zunächst die restriktiven Regeln des Publikationsprozesses zu nennen. In seiner Fundamentalkritik am strategischen Management greift HAMBRICK dieses Problem wie folgt auf: „Our major journals will not publish anything that is not new nor fresh. No wonder we keep pushing in new directions without comprehending where we have already been. And now wonder we do not know very much for sure. We are not allowed to study the same thing even twice. By comparison, more secure and established fields allow – and encourage – a constant regimen of replications, extensions and minor refinements, all as a way to gain understanding of which theories really hold water.”32
Ergänzend dazu bemerkt HARDY, dass „... work that engages with practice, takes on the “big picture” problems, and adopts alternative approaches is often difficult to publish. In other words, work … being narrow and insular continues to dominate the American journals, whereas alternative approaches, which wrestle with the complexities …, still struggle to find a voice.”33
Vor diesem Hintergrund wird evident, dass die fachliche Fragmentation ein Resultat der institutionellen Ausgestaltung des Publikationsprozesses ist bzw. dadurch weiter verstärkt wird. Reflexive, integrative Arbeiten werden gegenüber vermeintlich neuartigen, stark ausdifferenzierten Analysen hinsichtlich ihrer Bedeutung weit weniger geschätzt, da letztere der akade-
31
Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 93.
32
Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 94-95.
33
Hardy, C. (2002): On the Edge of a Pluralistic World. In: Journal of Management Inquiry, Vol. 11, S. 16-18, hier: S. 17.
12
mischen Karriere der involvierten Wissenschaftler weitaus dienlicher sind.34 Gleichsam beurteilen PETTIGREW ET AL. diese Situation, da „... in an over-published world the constant drive for recognition and a place in the scholarly and consultancy-marketplace has meant that novelty is priced over the careful accumulation of evidence-based knowledge. So apparent innovation may be spurious and ephemeral, a language game just as easily won as lost.”35
Im Endeffekt manifestiert sich dadurch ein kollektiver methodologischer Bias verbunden mit einer zunehmenden, oftmals nur rein auf divergierenden Termini beruhenden Spezialisierung in den Subbereichen innerhalb des Forschungsprogramms zum strategischen Management.36 Perspektivisch gesehen etabliert sich dadurch im schlechtesten Fall ein sich selbst verstärkender Sog zu immer weiterer Spezialisierung mit den angedeuteten negativen Relevanzlosigkeitseffekten.37 Neben diesen, miteinander eng verwobenen forschungsmethodischen und institutionellen Problemkreisen sind ferner grundlegende terminologische Unzulänglichkeiten für den bislang geringen Erkenntnisfortschritt verantwortlich zu machen. Als ein prominentes Beispiel hierfür lässt sich in diesem Zusammenhang das Phänomen »Wettbewerbsvorteil« anführen, dass spätestens seit den Arbeiten von PORTER (insbesondere „Competitive Strategy“ und „Competitive Advantage“) als argumentativer Stellhebel zur Erklärung der Unternehmensperformanz im Speziellen und des Unternehmenserfolgs im Allgemeinen herangezogen wird.38 Ohne der
34 Im Zusammenhang mit der Erfolgsfaktorenforschung problematisiert KIESER sicherlich etwas polemisch, aber dennoch treffend: „Blöd ist nur, dass jeder betriebswirtschaftliche Forscher andere Erfolgsfaktoren kunstvoll aus seinen Daten herausdestilliert. Das liegt ein wenig an der Erfolgsfaktoren im System der Wissenschaft, wo ein wichtiger Erfolgsfaktor die Innovation ist, man also ein bisschen was Neues – neue Erfolgsfaktoren z. B. – bieten muss, um veröffentlicht zu werden. … Veröffentlichungen sind überhaupt der Erfolgsfaktor in der Wissenschaft. (Ob die Veröffentlichungen auch gelesen werden ist nicht so wichtig, die Hauptsache ist, Evaluationsund Berufungskommissionen zählen sie richtig zusammen)“. Kieser, A. (2006): Wie Erfolgsfaktoren Ihnen Erfolg bringen. In: ZFO – Zeitschrift für Führung + Organisation, Jg. 76, S. 241-242, hier: S. 241 (Hervorhebung im Original). 35
Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (2002): Strategic Management: The Strengths and Limitations of a Field. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 3-30, hier: S. 9.
36
Vgl. Heugens, P. M. A. R. / Mol, M. J. (2005): So you call that research? Mending methodological biases in strategy and organization departments of top business schools. In: Strategic Organization, Vol. 3, S. 117-128, hier: S. 117.
37
Das gleiche Phänomen zunehmender Spezialsierung hat DRUCKER bereits 1958 im Zusammenhang mit der funktionalen Zergliederung von Unternehmen erkannt, was daher eine adäquate Analogie darstellt. Vgl. Drucker, P. F. (1958): Business Objectives and Survival Needs: Notes on a Discipline of Business Enterprise. In: The Journal of Business, Vol. 31, S. 81-90, hier: S. 82.
38
Vgl. z. B. Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 2; Flint, G. D. (1999): What is the Meaning of Competitive Advantage? In: Journal of Global Competitiveness, Vol. 7, S. 9-15, hier: S. 9; Klein, J. (2002):
13
folgenden Diskussion an dieser Stelle vorweg greifen zu wollen, so stellt der in der Literatur omnipräsente Begriff »Wettbewerbsvorteil« ein gänzlich unbestimmtes Konstrukt im Hinblick auf dessen Inhalt und Bedeutung dar. Die inhaltliche Fragmentierung des strategischen Managements zeigt sich also unmittelbar auch in diesem Fall, denn mit diesem Phänomen werden unterschiedliche, aus den einzelnen Denkschulen generierte und somit konkurrierende Vorteilsparameter wie z. B. Marktpositionierung, Ressourcenausstattung, Kompetenz- und Kapabilitätspotenziale bis hin zur Lern- und Lobbyismusfähigkeit in Verbindung gebracht. Trotz dieser Vielzahl an Erklärungsvariablen zeigt sich, so argumentieren MARCH und SUTTON, dass „[m]ost studies of organizational performance are incapable of identifying the true causal relations among performance variables and other variable correlated with them through the data and methods they normally use. Although there are studies that mitigate these shortcomings, the emperor of organizational performance studies is for the most part rather naked. New enthusiasms succeed old ones, but the process often appears to be less one of gradual accumulation of knowledge than of intellectual drift stimulated by competition for scholarly reputation.”39
Ungeachtet dessen stellt die Realisierung eines wie auch immer gearteten Wettbewerbsvorteils einen allgemein akzeptierten, wenn auch unterschiedlich deduzierten Indikator dar, der Aussagen über die Leistungs- bzw. Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens oder einer Branche vermeintlich zulässt. Implizit wird damit grundsätzlich unterstellt, dass das Vorhandensein oder das Erreichen eines dezidierten Wettbewerbsvorteils per se zu einer überdurchschnittlichen Unternehmensperformanz beiträgt. Diese, mehr oder weniger bewusst geäußerte Annahme ist in dieser Form jedoch nicht zutreffend, denn die Verbindung zwischen Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolg ist – wie noch zu zeigen sein wird – weitaus kom-
Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 318-320; Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier: S. 15; Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier S. 875f.; Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 198; Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 38f.; Träger, S. / Seisreiner, A. (2005): Corporate Advantage Revisted. Considering Comparative, Competitive and Nonmarket Aspects. In: ACCS Conference Proceedings. Vallendar, S. 2. 39 March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 702.
14
plexer, als diese eindimensionalen Argumentationslinien suggerieren mögen.40 So sind bspw. Situationen denkbar, in denen spezifische Vorteilspositionen keinen Erfolgsbeitrag leisten bzw. sogar negativ im Hinblick auf den Erfolg eines Unternehmens wirken können.41 Ebenso ist es vorstellbar, dass Unternehmen erfolgreich sind, obwohl sie offensichtliche Wettbewerbsnachteile aufweisen. Entsprechend ist die implizite Gleichsetzung von Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg als grundsätzlich fragwürdig einzuschätzen. Die Verbindung zwischen beiden Variablen umfasst diverse Dimensionen, die die aktuellen Arbeiten in diesem Zusammenhang nicht verdeutlichen können. Vor diesem Hintergrund wird evident, dass die zentrale Erklärungsvariable des strategischen Managements »Wettbewerbsvorteil« somit weder syntaktisch, noch semantisch exakt bezeichnen. Das bedeutet, dass sowohl der formale Gebrauch (syntaktische Definition), als auch die semantische Interpretation (semantische Definition) eines Wettbewerbsvorteils bis dato völlig ungeregelt sind.42 Diese syntaktische und semantische Unbestimmtheit des Wettbewerbsvorteils hat ferner den Effekt, dass in den aktuellen Arbeiten zum strategischen Management ein verzerrtes Bild gezeichnet wird, welche Variablen das Explanans und welche das Explanandum verkörpern. Die überwiegend unterstellte Identität von Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg lässt den fälschlichen Schluss zu, dass die Vorteilspositionen das Explanandum, m. a. W. die abhängige Variable und die dazu führenden (Erfolgs-)Faktoren das Explanans darstellen. Da das zentrale Erkenntnisziel jedoch der Unternehmenserfolg ist und dessen Existenz grundsätzlich nicht pauschal aus Wettbewerbsvorteilen abgeleitet werden kann, ist das strategische Management im Grunde genommen eine reine Explanans-Forschung, die das eigentliche Erkenntnisziel bzw. die abhängige Variable unbewusst, aber dennoch aus den Augen verloren hat.43
40
Vgl. auch Rouse, M. J. / Daellenbach, U. S. (1999): Rethinking Research Methods for the Resource-based Perspective: Isolating Sources of Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 487-494, hier: S. 488.
41
Vgl. Gilbert, C. G. (2005): Unbundling the Structure of Inertia: Resource versus Routine Rigidity. In: Academy of Management Journal, Vol. 48, S. 741-763, hier: S. 742f.; Vgl. auch Kraatz, M. S. / Zajac, E. J. (2001): How Organizational Resources affect Strategic Change and Performance in Turbulent Environments: Theory and Evidence. In: Organization Science, Vol. 12, S. 632-657, hier: S. 634; Leonard-Barton, D. (1992): Core Capabilities and Core Rigidities: A Paradox in Managing New Product Development. In: Strategic Management Journal, Vol. 13, S. 111-125, hier: S. 118-121; Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier: S. 24-26.
42
Vgl. auch Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 439.
43
Vgl. March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 699-700. Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579-596, hier: S. 579f..
15
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der eigene fachliche Anspruch, den Wettbewerbserfolg von Unternehmen im Rahmen einer Theorie des Unternehmenserfolges kausal herzuleiten, inzwischen von einer Theorie des Wettbewerbsvorteils verdrängt worden ist, die jedoch bislang keine validen Aussagen zur ursprünglichen Zielstellung generieren kann. Die bereits an anderer Stelle angesprochene Verwischung von Begründungs- und Entdeckungszusammenhang lässt sich somit ebenso anhand dieses Beispiels nachweisen. Zusammenfassend zeigt sich somit, dass die zentralen Schwachstellen im strategischen Management institutioneller, forschungsmethodischer und sprachlicher Natur sind. Der aktuell relativ geringe Erkenntnisstand ist folglich den Anreizmechanismen der scientific community bezüglich chancenreicher Veröffentlichungen und Karrierewege, der in Denkschulen verorteten, dogmatischen Argumentationslinien sowie der fehlenden semantischen und syntaktischen Präzision hinsichtlich der verwendeten Variablen und deren Beziehungen untereinander geschuldet. Entlang dieser, für die Fortentwicklung und das Überleben dieses Forschungsprogramms essentiellen Problemkreise, gliedert sich die folgende Diskussion.
1.3 Zielsetzung und gedanklicher Aufbau der Arbeit Aus diesen überblicksartig dargestellten Schwachstellen des strategischen Managements ergibt sich nun die Zielstellung und der gedankliche Aufbau dieser Arbeit (vgl. Abbildung 1).
1
Monokausale Erklärungsmuster, Ambiguität und Stereotypisierung im strategischen Management
2 Bestandsaufnahme: Strategisches Management zwischen Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolg
3 Wettbewerbsvorteile als Treiber des Unternehmenserfolges?
Problemfelder
Strategisches Management zwischen Kausalitätsmythen und definierter Realität
5 Wettbewerbsmanagement: Management von interdependenten Vorteilssequenzen
4 Notwendige Basisentscheidungen für eine Theorie des Unternehmenserfolges
Unternehmen als dreistufige Ressourcenumwandlungssysteme
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit und Gang der Untersuchung 16
Wie gezeigt, sind die aktuellen fachlichen Insuffizienzen hinsichtlich der Beantwortung der drei eingangs formulierten zentralen Fragestellungen auf verschiedenartige Ursachen zurückzuführen, die es im Folgenden aufzuarbeiten gilt. Dazu ist es zunächst erforderlich (Kapitel 2 und 3), die Grundlagen für eine semantisch und syntaktisch präzise disziplinäre Kommunikation zu schaffen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, das Phänomen Wettbewerbsvorteil selbst und dessen Beziehung zum Unternehmenserfolg einmal genauer zu analysieren. Dazu werden die einzelnen, sich damit beschäftigenden Argumentationslinien der prominentesten Denkschulen im strategischen Management kritisch analysiert und miteinander verglichen, um eine größere Klarheit im Hinblick auf die jeweils angenommenen kausalen Zusammenhänge zu generieren. Hierbei wird erwartungsgemäß deutlich werden, dass die verschiedenen Ansätze zum größten Teil auf unterschiedliche Vorteilspositionen rekurrieren. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die einzelnen Denkschulen ihre Analysen auf divergierenden Annahmen basieren, so dass die generierten Ergebnisse entsprechend voneinander abweichen. So verorten z. B. die ressourcenorientierten Arbeiten den Unternehmenserfolg ursächlich in komparativen Ausstattungsvorteilen, die marktorientierte Sichtweise dagegen in marktlichen Positionierungsvorteilen oder der kompetenzbasierte Argumentationsfokus auf Adaptionsbzw. Wettbewerbsfähigkeitsvorteilen. Die traditionell sich überwiegend durch Konkurrenz auszeichnende akademische Diskussion im strategischen Management entbehrt vor diesem Hintergrund de facto jedweder konfliktstiftenden Forschungsergebnisse, was grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, die nun augenscheinlich komplementären Ansätze in einem holistischen Konzept aufgehen zu lassen.44 Auf Grundlage dieser Erkenntnisse sollen im daran anschließenden 4. Kapitel die einzelnen, denkschulbasierten Kausalketten miteinander in Verbindung gesetzt werden, um so zu einem allgemeinen theoretischen Grundgerüst für das strategische Management zu gelangen. Die Entwicklung eines solchen konzeptionellen Grundsteins für die Erklärung von Performanzunterschieden und somit des Unternehmenserfolges setzen eine Reihe von Basisentscheidungen voraus, auf denen die weiteren Auseinandersetzungen zu diesem Thema fußen sollen. Zu diesen Basisentscheidungen zählt bspw., dass sich die in dieser Arbeit noch zu entwickelnde Alternativkonzeption des Unternehmenserfolges keiner der traditionellen Denkschulen des strategischen Managements verpflichtet sieht, sondern, ganz im Gegenteil, mit dieser
44
Vgl. auch Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1127; Mauri, A. J. / Michaels, M. P. (1998): Firm and Industry Effects within Strategic Management: An empirical Examnination. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 211-219, hier: S. 216f..
17
Herangehensweise ausdrücklich bricht. Diese Abkehr ermöglicht ferner die Loslösungen von den teilweise restriktiven Annahmen und somit eine neue holistische Sichtweise auf die Unternehmung an sich und ihrer Aktivitäten zur Erfolgsgenerierung. Entsprechend werden in dieser Arbeit die Unternehmen nicht als Ressourcen- bzw. Fähigkeitsbündel oder gar als Black-Box, sondern als dreistufige Ressourcenumwandlungssysteme verstanden. Diese Betrachtung steht in der Tradition GUTENBERGs, der die Unternehmung (neudeutsch) als ein Input-Throughput-Output-System versteht und den Erfolg des Leistungserstellungsprozesses aus diesen Ebenen ableitet.45 Diese differenzierte Charakterisierung der Unternehmung eröffnet neue Wege zur Bestimmung des Unternehmenserfolges, der in dieser Form somit auf einer dreistufigen Entscheidungssequenz beruht. Vor dem Hintergrund der sich herausschälenden Vielschichtigkeit der Erfolgsdeterminanten soll im 5. Kapitel dieser Arbeit ein ganzheitliches Konzept vorgestellt werden, das die Identifizierung, Aufbau bzw. Nutzung und Erhaltung unternehmerischer Erfolgspotenziale auf den drei Entscheidungsebenen sichtbar macht. Dieser, als Wettbewerbsmanagement bezeichnete Ansatz stellt zugleich einen differenzierten Weg zur Erklärung des Unternehmenserfolges dar und fokussiert somit wieder auf das originäre Erkenntnisziel der Forschungsdisziplin strategisches Management. In dieser Alternativkonzeption werden die aus den traditionellen (strategischen) Managementkonzepten gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich vermeintlich erfolgskritischer Vorteilspositionen mit den drei zentralen Entscheidungsprozessen in einem Unternehmen in Verbindung gebracht. Hierbei zeigt sich, dass durch Akquisitionsentscheidungen (Input-Ebene), Transformationsentscheidungen (Throughput-Ebene) und Distributionsentscheidungen (Output-Ebene) eine Vielzahl an unterschiedlichen Vorteilen gegenüber den Wettbewerbern erzielt werden können, deren Einfluss auf den Unternehmenserfolg es zu untersuchen gilt. Diese Darstellungsform bietet damit zugleich die Gelegenheit, der Mehrdimensionalität des Unternehmenserfolg sowie der Simultanität und Interdependenz verschiedenartiger Vorteilspositionen gerecht zu werden, was schlussendlich zu einer realistischeren Bestimmung der Erfolgsvariablen – insbesondere im Hinblick auf deren notwendigen und hinreichenden Charakter – führt. Im konkludierenden 6. Kapitel gilt es, die im Rahmen des »Wettbewerbsmanagements« generierbaren Erkenntnisse abschließend zusammenzufassen, kritisch zu würdigen und vorausblickend deren Beitrag zu einer innovativen, wettbewerbsbasierten Theorie der Unternehmung
45
Gutenberg, E. (1998): Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung. Wiesbaden: Gabler, unveränderter Nachdruck der Auflage Berlin 1929, S. 42-44, 104f..
18
auszuloten. Abschließend sei an dieser Stelle jedoch noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die nachstehenden Überlegungen nicht das Ziel verfolgen, einen erneuten Katalog über die Quellen unternehmerischer Erfolgsgenerierung zu entwerfen und daraus populistische Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis abzuleiten. Vielmehr soll im Folgenden ein grundlegender Analyserahmen geschaffen werden, der die möglichen Ursachen von Performanzunterschieden sichtbar und damit das bisher wenig greifbare Phänomen Unternehmenserfolg operationalisierbar macht. Vor diesem Hintergrund sei die folgende Arbeit als ein erster Versuch zu verstehen, die u. a. von MCKIERNAN und CARTER angedeutete Stagnation der Erkenntnisgewinnung im strategischen Management zu überwinden.
19
2
Bestandsaufnahme: Strategisches Management zwischen Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolg
2.1 Die konzeptionelle Emergenz des Wettbewerbsvorteils als argumentativer Stellhebel zur Erklärung des Unternehmenserfolges Wie im einführenden Kapitel bereits andeutungsweise gezeigt werden konnte, konzentriert sich das Forschungsprogramm zum strategischen Management von Unternehmen überwiegend auf die Bestimmungsfaktoren erfolgreicher Unternehmensführung, weshalb in diesem Zusammenhang oftmals auch von der sog. Erfolgsfaktorenforschung gesprochen wird.46 Die hierunter fallenden Arbeiten versuchen diejenigen Aspekte zu identifizieren, die einem Unternehmen (dauerhafte) Vorteile gegenüber dessen Konkurrenten verschaffen und somit das (langfristige) Überleben sichern.47 Die Überlebensfähigkeit und die zielgerichtete, i. S. e. erfolgreichen Steuerung der Evolution einer Unternehmung im Wettbewerb, stellen daran anknüpfend die konzeptionellen Koordinaten der strategischen Unternehmensführung dar.48 Vor diesem Hintergrund wird ein Unternehmen somit gewissermaßen in einem quasisozialdarwinistischen Umsystem eingebettet, im Rahmen dessen sich die unternehmerische Entwicklung aus dem Druck zur stetigen Anpassung an die jeweils vorherrschenden Umweltbedingungen vollzieht. Das damit verbundene, permanente Differenzierungserfordernis materialisiert sich in konfigurativen Variationen der konstituierenden Unternehmensmerkmale, die von den ursprünglichen Eigenschaften abweichen und das Ziel verfolgen, den veränderten Umweltbedingungen gerecht zu werden.49 Inwiefern sich diese Variationen schlussendlich als situationsadäquat erweisen, wird über wettbewerbliche Selektionsmechanismen bestimmt, die letztlich Aufschluss darüber geben, ob die unternehmensindividuellen Anpassungen den über-
46
Vgl. z.B. Jacobs, S. (1992): Strategische Erfolgsfaktoren der Diversifikation. Wiesbaden, S. 28-32; Jenner, T. (2003): Erfolg als Ursache von Misserfolg – Hintergründe und Ansätze zur Überwindung eines Paradoxons im strategischen Management. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 63, S, 203-219, hier: S. 203-204; Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579-596, hier: S. 580.
47
Vgl. Rumelt, R. P. / Schendel, D. / Teece, D. J. (1991): Strategic Management and Economics. In: Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 5-29, hier: S. 6.
48
Vgl. Nelson, R. R. / Winter, S. G. (1982): An Evolutionary Theory of Economic Change. Cambridge, MA: Harvard University Press, S. 1-5; Simon, H. A. (1993): Strategy and Organizational Evolution. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 131-142, hier: S. 132-134.
49
Vgl. March, J. G. (2006): Rationality, Foolishness, and adaptive Intelligence. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 201-214, hier: S. 206f..
21
lebenskritischen Fit zwischen Unternehmung und Umsystem wieder herstellen können.50 Die (Wieder)Herstellungsfähigkeit einer solchen Harmoniebeziehung bestimmt daher, einmal abgesehen von konservierenden bzw. beharrenden Mechanismen, inwieweit Unternehmen ein (über)lebensfähiger Bestandteil des Marktsystems bleiben. Vor diesem evolutionstheoretischen Hintergrund stellt sich die nicht nur akademisch relevante Frage, warum es einigen wenigen Unternehmen im Vergleich zu ihren Wettbewerbern gelingt, von Variationsmechanismen profitieren zu können, die sich im Endeffekt gegenüber den wettbewerblichen Selektionskräften als robust erweisen. Diese Problemstellung bildet zugleich das verbindende Kernstück zwischen den drei eingangs genannten Fragestellungen des strategischen Managements, denn das Erkenntnisobjekt Unternehmensperformanz kann grundsätzlich als eine Funktion der unternehmerischen Variationsfähigkeit verstanden werden.51 Demnach – so die geläufige Lehrmeinung – muss es eine Reihe von (Erfolgs-)Faktoren geben, die diesen Unternehmen Vorteile im Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit an die jeweiligen Wettbewerbsbedingungen verschaffen, die, ganz im Sinne eines Vorteils, bei den anderen Marktteilnehmern entsprechend nicht vorhanden sind und daraus resultierend zu einer vergleichsweise schlechteren Unternehmensperformanz führen. BEA und HAAS bspw. bezeichnen diese Faktoren als (kritische) Erfolgspotenziale, die einen Speicher spezifischer Stärken darstellen und den Unternehmen eine vorteilhafte marktliche Positionierung im Einklang mit der stets veränderlichen Umwelt ermöglichen.52 Dieser Argumentation folgend ist es nahe liegend, als forschungsfundamentale Zielstellung diejenigen Potenzialfaktoren zu destillieren, die für diese superiore Befähigung zur selektionsrobusten Variation und damit zu einem wettbewerblichen Vorteil einen entscheidenden Beitrag leisten. Für das Forschungsprogramm zum strategischen Management bedeutet dies, dass Wettbewerbsvorteile bzw. die Strategien, die zu deren Entstehung führen, zur zentralen Erklärungsvariablen im Hinblick auf die Bestimmung des Unternehmenserfolges avancieren. Die Erklärungsansätze, die sich konkret mit dem Thema Wettbewerbsvorteil und dessen Bestimmungsfaktoren beschäftigen, weisen eine relativ lange Tradition auf und reichen zurück bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts. Entsprechend unüberschaubar groß wirkt die Anzahl
50
Vgl. auch Adner, R. / Zemsky, P. (2006): A Demand-based Perspective on Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 215-239, hier: S. 234f..
51
Vgl. auch Lovas, B. / Goshal, S. (2000): Strategy as Guided Evolution. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 875-896, hier: S. 890f..
52
Vgl. auch Bea, F. X. / Haas, J. (2001): Strategisches Management. 3. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 109.
22
der Arbeiten, die sich seither mit dieser Materie entweder direkt oder indirekt befasst haben. Zur Veranschaulichung der ideengeschichtlichen Entwicklung dient die folgende Darstellung, die exemplarisch einmal eine Vielzahl der dazugehörigen Veröffentlichungen chronologisch sortiert und naturgemäß keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Vertreter
Titel
Inhaltlicher Fokus
Alderson (1965)
„The Search for Differential Advantage”
Fundament differenzieller Vorteile: Technologie, Recht, Standort; Vorteilskritische Strategien: Segmentierung, Selektive Werbung, Kosteneffizienz, Differenzierung
Ansoff (1965)
„Corporate Strategy”
Lösung des „strategischen Problems“ als planungsgetriebene Positionierungsentscheidung zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen über Synergien
Spence (1984)
„Industrial Organization and Competitive Advantage in Multinational Business”
Die Fähigkeit zum Aufbau von Markteintrittsbarrieren bestimmt die Höhe des Wettbewerbsvorteils
Hall (1980)
„Survival Strategies in a Hostile Environment”
Erfolgreiche Unternehmen realisieren kostenminimalste oder differenzierteste Marktpositionierung
Henderson (1983)
„The Anatomy of Competition”
Darstellung der Positionierungsvorteile als wettbewerblicher Anpassungsprozess
Porter (1985)
„Competitive Advantage”
Beschreibung von Kosten-, Differenzierungs- und Nischenvorteilen über die Wertkette
Coyne (1986)
„Sustainable Competitive Advantage: What it is and what it isn’t”
Wettbewerbsvorteile entstehen aus Fähigkeitslücken (capability gaps)
Ghemawat (1986)
„Sustainable Advantage”
Beschreibung nachhaltiger Vorteilspositionen: Größe des Zielmarktes, Ressourcen- und Kundenzugang und limitiertes Handlungsportfolio der Wettbewerber
Day / Wensley (1988)
„Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority”
Einzigartige Fähigkeiten und Ressourcen als Quellen von Wettbewerbsvorteilen; Charakterisierung der Vorteile aus Wettbewerber- und Kundensicht
Dierickx / Cool (1989)
„Asset Stock Accumulation and Sustainability of Competitive Advantage”
Wettbewerbsvorteile als Resultat der Ambiguität und Nichtimitierbarkeit der Leistungserstellung
Hamel / Prahalad (1989)
„Strategic Intend”
Die Kreierung neuer Wettbewerbsvorteile sollte der Erhaltung bestehender Vorteilspositionen vorgezogen werden
Prahalad / Hamel (1990)
„Core Competence of the Corporation”
Wettbewerbsvorteile als Resultat (einzigartiger) Kernkompetenzen
Barney (1991)
„Firm Resources and Sustained Competitive Advantage”
Seltene, nicht-imitierbare, nicht-ersetzbare, immobile Unternehmensressourcen als Quelle (nachhaltiger) Wettbewerbsvorteile
23
Vertreter
Titel
Inhaltlicher Fokus
Powell (1992)
„Organizational Alignment as Competitive Advantage”
Der strukturelle Fit eines Unternehmens mit seiner Umwelt bestimmt die Fähigkeit zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen
Peteraf (1993)
„The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource Based View”
Untersuchung der Bedingungen zur Entstehung von Wettbewerbsvorteilen: Ressourcenheterogenität, ex post und ex ante Wettbewerbsbeschränkungen, beschränkte Ressourcenmobilität
Bharadwaj / Varadarajan / Fahy (1993)
„Sustainable Competitive Advantage in Service Industries”
Wettbewerbsvorteile materialisieren sich lediglich aus Konsumentensicht
Hall (1993)
„A Framework linking Intangible Resources and Capabilities to Sustainable Competitive Advantage”
Identifizierung derjenigen intangiblen Ressourcen, die für Fähigkeitslücken und damit für Wettbewerbsvorteile verantwortlich sind
Day / Nedungadi (1994)
„Managerial Representations of Competitive Advantage”
Die Kunden- oder Wettbewerberorientierung determiniert die Strategien und damit die Vorteilspositionen eines Unternehmens
Balachander / Srinivasan (1994)
„Selection of Product Line Qualities and Prices to Signal Competitive Advantage”
Ein Wettbewerbsvorteil resultiert aus einer Reihe von Signalling-Entscheidungen, die Wettbewerber von einem Markteintritt abhalten
Baron (1995)
„Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components”
Wettbewerbsvorteile als Ergebnis der Fähigkeit zur Einflussnahme auf den ordnungspolitischen Rahmen des Wettbewerbs
Hunt / Morgan (1995)
„The Comparative Advantage Theory of Competition”
Bestimmung von komparativen Ressourcenvorteilen, die in absatzmarktlichen Wettbewerbsvorteilen resultieren können
Grant (1996)
„Toward a Knowledgebased Theory of the Firm”
Wissen(svorsprünge) als Wettbewerbsvorteil
Oliver (1997)
„Sustainable Competitive Advantage: Combining Institutional and Resourcebased Views”
Sowohl Ressourcen, als auch institutionelle Arrangements bestimmen die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen
Shrivastava / Shervani / Fahey (1998)
„Market-based Assets and Shareholder Value: A Framework for Analysis”
Beziehungs- und wissensbasierte Vermögensgegenstände führen zu Wettbewerbsvorteilen, insofern sie ein Mehr Kundenutzen stiften
Rindova / Fombrun (1999)
„Constructing Competitive Advantage: The Role of Firm-Constituent Interactions”
Wettbewerbsvorteile sind keine objektiven Zustände, sondern subjektive Konstrukte bzw. Glaubens-Systeme, die aus dem Beziehungsgeflecht der Wettbewerber resultieren
„Constellation of Competitive Advantage Components and Dynamics”
Ein Wettbewerbsvorteil setzt sich aus verschiedenen Vorteilspositionen zusammen: dominante, unterstützende, komplementäre und konkurrierende Vorteilspositionen
Ma (1999)
24
Vertreter
Titel
Inhaltlicher Fokus
Hatch / Dyer (2004)
„Human Capital and Learning as a Source of Competitive Advantage”
Investitionen in das Humankapital bestimmen die Fähigkeit zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen (Human Resources als Wettbewerbsvorteil)
Jensen / Zajac (2004)
„Corporate Elites and Corporate Strategy: How Demographic Preferences and Structural Position Shape the Scope of the Firm”
Die Zusammensetzung der Unternehmensführung und der Hintergrund der einzelnen Mitglieder bestimmen die unterschiedliche Fähigkeit zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen
Tabelle 1: Exemplarische Übersicht über die konzeptionelle Evolution des Phänomens »Wettbewerbsvorteil«53 Diese überblicksartige Zusammenstellung der Literatur zum Thema Wettbewerbsvorteil lässt bereits erahnen, dass diesem Phänomen im Rahmen des strategischen Managements eine relativ große Aufmerksamkeit zuteil wird. Dazu bemerken WIGGINS und RUEFLI, dass „[o]ne of the fundamental missions of strategic management research is to investigate and explain differences in performance among firms. The reigning incumbent explanation for the heterogeneity of firm economic performance is based on the concept of competitive advantage.”54
Trotz der als hoch eingeschätzten thematischen Relevanz zur Erklärung von Variations- respektive Performanzunterschieden bleibt die inhaltliche Bestimmung aktuell äußerst unscharf.55 Wie der oben stehenden Darstellung zu entnehmen ist, besteht u. a. Uneinigkeit in der Frage, ob Wettbewerbsvorteile aus Kunden- und/oder Wettbewerbersicht zu definieren sind. Ferner ist unbestimmt, ob ein Wettbewerbsvorteil das Resultat eigener Stärke oder die Folge der Schwächen der anderen Mitbewerber darstellt, noch ob eine wettbewerbliche Vorteilsposition entwickelt oder nur angeeignet bzw. besetzt werden kann. Einigkeit scheint bis-
53 Quelle: In Anlehnung an: Hoffman, N. P. (2000): An Examination of the „Sustainable Competitive Advantage” Concept: Past, Present, and Future. In: Academy of Marketing Science Review, Online Ausgabe: http://www.amsreview.org/articles/hoffman04-2000.pdf (Zugriff am 19.05.2006), S. 3-5 und eigene Recherchen. 54
Wiggins, R. R. / Ruefli, T. W. (2002): Sustained Competitive Advantage: Temporal Dynamics and the Incidence and Persistence of Superior Economic Performance. In: Organization Science, Vol. 13, S. 82-105, hier: S. 82 (Hervorhebungen nicht im Original).
55
Vgl. z. B. Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1123; Faix, A. / Görgen, W. (1994): Das Konstrukt »Wettbewerbsvorteil« – Grundlagen, Kennzeichnung und Planung. In: Marketing – Zeitschrift für Forschung und Praxis, Heft 3, S.160-166, hier: S. 160; Flint, G. D. (1999): What is the Meaning of Competitive Advantage. In: Journal of Global Competitiveness, Vol. 7, S. 9-15, hier S. 13; Klein, J. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 317f.; Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier S. 15; Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 875f..
25
lang lediglich darin zu bestehen, dass Wettbewerbsvorteilen ein wie auch immer gearteter, grundsätzlich positiver Einfluss auf den Unternehmenserfolg zuzusprechen ist. Über diese Vermutung hinaus, die mglw. lediglich auf der rein intuitiven Nachvollziehbarkeit einer „Vorteil = Erfolg-Beziehung“ beruht, ist ein valider Beweis hinsichtlich eines hinreichenden Erfolgsbeitrages bisher nicht erbracht worden. Spiegelbildlich zu der gesamten Entwicklung des Forschungsprogramms zeichnet sich die in diesem Zusammenhang geführte Debatte daher eher durch Heterogenität und Dissens, statt durch Homogenität und Konsens im Hinblick auf Inhalt und die zugrundeliegenden Kausalzusammenhänge aus. Symptomatisch kritisiert POWELL in diesem Zusammenhang, dass „[a]t the moment, there is no falsifiable, unfalsified theory of competitive advantage, nor any competitive advantage proposition defensible without resort to ideology, dogmatism or faith.”56
FLINT beschreibt den derzeitigen Erkenntnisstand zu diesem Thema etwas drastischer und beobachtet dennoch treffend, dass „[t]he terminology used in the field of strategic management that might possibly garner the prize for the most overworked and least understood catch phrase of the field is ‘competitive advantage’.”57
Anhand dieser illustrativen Fundamentalkritiken an dem derzeit die Erklärung von Performanzunterschieden dominierenden Konzept der Wettbewerbsvorteile lässt sich ablesen, dass im Hinblick auf dessen syntaktische und semantische Präzision erheblicher Nachholbedarf besteht. Da dieser Zustand nicht nur aus forschungsmethodischer Sicht unbefriedigend ist, bedarf es zusätzlicher Anstrengungen, die dieses programmatisch-fundamentale Defizit zu überwinden helfen. Zu diesem Zweck soll im Folgenden der konzeptionelle Erkenntnisstand über die tabellarische Darstellung hinaus zusammengetragen, analysiert und anschließend im 3. Kapitel präzise aufgearbeitet werden, um eine größere Klarheit des gegenwärtigen Verwendungszusammenhanges generieren zu können. Grundlegend lassen sich die bislang vorliegenden Arbeiten thematisch in v. a. drei zentrale Denkschulen einordnen, deren gemeinsames Ziel zwar die Identifizierung derjenigen Wettbewerbsvorteile ist, die eine hinreichende Erklärungskraft für den Erfolg von Unternehmen haben, im Hinblick auf deren Inhalt jedoch zum Teil gravierend voneinander abweichen. Zu diesen generischen Ansätzen der Wettbe-
56
Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 883.
57
Flint, G. D. (1999): What is the Meaning of Competitive Advantage. In: Journal of Global Competitiveness, Vol. 7, S. 9-15, hier S. 9.
26
werbsvorteilsforschung zählen der markt-, der ressourcen- und der kompetenzorientierte Ansatz.58 59
2.2 Generisches Erklärungsmuster I: Die marktorientierte Begründung von Wettbewerbsvorteilen Der marktorientierte Ansatz (engl. market-based view of the firm bzw. MBV), dessen inhaltlicher Ursprung in der Industrieökonomie zu verorten ist, beschäftigt sich im Kern mit der Leistungsfähigkeit von Unternehmen im marktlichen Branchenverbund.60 Die in diesem Zusammenhang verfassten Arbeiten legen die Annahme zugrunde, dass die Handlungsalternativen und damit das Renditepotenzial (m. a. W. der Erfolg) eines Unternehmens überwiegend von den Markt- bzw. Branchenbedingungen determiniert werden.61 Somit bildet im Rahmen des MBV das unternehmensexterne Umfeld den analytischen Schwerpunkt bei der Exemplarisierung der Determinanten des Unternehmenserfolges. Die Unternehmen selbst bzw. deren
58
An dieser Stelle sei zusätzlich angemerkt, dass die genannten Ansätze vornehmlich in Hinsicht auf deren Erklärungsmuster von Wettbewerbsvorteilen untersucht werden sollen und daher von einer ausführlichen Inhaltsanalyse abgesehen wird, da dies an vielen anderen Stellen bereits erschöpfend erfolgt ist. Insofern erfolgt die anschließende Diskussion in etwas aggregierter bzw. kompakter Form. Darüber hinaus ist hier zu konstatieren, dass diese Einteilung in drei generische Ansätze keineswegs einer allgemeinen Lehrmeinung entspricht. So unterscheidet bspw. RASCHE fünf unterschiedliche Denkschulen, während z. B. GRANT, MAKADOK oder OLIVER jeweils weitere Ansätze zur Erklärung von Wettbewerbserfolgen identifizieren. Jedoch soll diese Arbeit auf der Unterscheidung in drei generische Ansätze beruhen, lassen sich doch die anderen Denkansätze als marginale Weiterentwicklungen der traditionellen Kernstücke des strategischen Managements beschreiben. Vgl. Grant, R. M. (1996): Toward a Knowledge-based Theory of the Firm. In: Strategic Management Journal, Vol. 17, S. 109122, hier: S. 109f.; Makadok, R. (2001): Toward a Synthesis of the Resource-based and Dynamic-Capability Views of Rent Creation. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 387-401, hier: S. 387f.; Oliver, C. (1997); Sustainable Competitive Advantage: Combining Institutional and Resource Based Views. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 697-713, hier: S. 698-700; Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, hier: S. 383-392. 59 In diesem Zusammenhang bemerkt SEISREINER an, dass es die hier genannten Ansätze in dieser Form eigentlich nicht gibt, sondern dass die herausgebildeten Termini lediglich die Funktion eines „Sammelbeckens“ übernehmen, die eine Vielzahl an unterschiedlichen Arbeiten vereinen, die aus divergierenden Traditionen oder Zeiten entstammen, jedoch im Hinblick auf ihren Analysefokus intern Gemeinsamkeiten aufweisen. Vgl. Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 170. 60
Vgl. Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 145.
61
Vgl. z. B. Bain, J. S. (1956): Barriers to New Competition: Their Character and Consequences in Manufacturing Industries. Cambridge: Cambridge University Press, S. vii; Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 102f.; Barney, J. B. (1995): Looking Inside for Competitive Advantage. In: Academy of Management Executive, Vol. 9, S. 49-61, hier: S. 49f.; Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1123f.; Spanos, Y. E. / Lioukas, S. (2001): An Examination into the causal Logic of Rent Generation: Contrasting Porter’s Competitive Strategy Framework and the Resource-based Perspective. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 907-934, hier: S. 908; Teece, D. J. / Pisano, G. / Shuen, A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 509-533, hier: S. 511.
27
systembildende Merkmale sind dagegen nur von nachrangiger Bedeutung und werden als strukturell homogen betrachtet (Black-Box-Betrachtung), da grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass die Unternehmensentscheidungen von dem Ausmaß marktlicher Attraktivität bestimmt werden.
2.2.1 Die Grundlogik des marktorientierten Ansatzes Diese grundlegende Analyselogik entspricht der u. a. von BAIN bereits im Jahre 1956 aufgestellten Structure-Conduct-Performance Hypothese62, nach der die Branchenspezifika (Structure) das unternehmerische Verhalten (Conduct) und über diesen Weg die Erfolgsaussichten eines Unternehmens (Performance) bestimmen.63 Diesem unidirektionalen Argumentationspfad folgend besteht für ein Unternehmen die zentrale Zielstellung darin, in diejenigen Märkte einzutreten, die die höchste Renditeattraktivität verkörpern. Hierbei gelten v. a. diejenigen Märkte als attraktiv, die sich bspw. durch einen geringen Konzentrationsgrad auf Anbieterseite auszeichnen, geringe Marktein- und -austrittskosten (sog. Mobilitätsbarrieren bzw. Marktschranken) aufweisen sowie eine relativ homogene Angebotsstruktur offenbaren.64 Der Erfolg eines Unternehmens ist demnach primär ein Positionierungsproblem, wobei die Höhe der aneignungsfähigen Rendite dabei weniger als eine Funktion unternehmensindividueller Leistungsfähigkeit, sondern als marktinhärent bzw. exogen bestimmt verstanden wird. Den unternehmensspezifischen Fähigkeiten zur Erschließung zusätzlicher Renditepotenziale wird demnach keine weitere Beachtung geschenkt. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass sich
62
Vgl. Bain, J. S. (1956): Barriers to New Competition: Their Character and Consequences in Manufacturing Industries. Cambridge: Cambridge University Press. In vielen Arbeiten wird in diesem Zusammenhang oftmals auch vom „MASON-BAIN-Paradigma“ gespochen, obgleich BAIN die Hauptrolle bei der konzeptionellen Weiterentwicklung der SCP-Hypothese zugesprochen werden kann, weshalb in dieser Arbeit auf die Nennung der ebenfalls in diesem Zusammenhang genannten Forscher wie z. B. ALFRED CHANDLER oder auch EDWARD CHAMBERLAIN verzichtet werden soll. 63
Vgl. Ghemawat, P. (2002): Competition and Business Strategy in Historical Perspective. In: Business History Review, Vol. 76, S. 37-74, hier: S. 53; Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 145.; Porter, M. E. (1981): The Contributions of Industrial Organization to Strategic Management. In: Academy of Management Review, Vol. 6, S. 609-620, hier: 611; Vgl. auch Abbildung 2.
64
Vgl. Caves, R. E. (1980): Industrial Organization, Corporate Strategy, and Structure. In: Journal of Economic Literature, Vol. 18, S. 64-92, hier: S. 64f.; Caves R. E. / Porter, M. E. (1977): From entry barriers to mobility barriers: Conjectural decisions and contrived deterrence to new competition. In: Quarterly Journal of Economics, Vol. 91, S. 241-261, hier: S. 249-252; Jacobsen, R. (1988): The Persistence of abnormal Returns. In: Strategic Management Journal, Vol. 9, S. 415-430, hier: S. 417-419; Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 145; Spence, A. M. (1984): Industrial Organization and Competitive Advantage in Multinational Industries. In: American Economic Review, Vol. 74, S. 356-360, hier: S. 356-358.
28
das Unternehmensverhalten in dem wettbewerblichen Umfeld widerspiegelt, woraufhin den unternehmerischen Fähigkeiten, annahmegemäß, kein direkter erfolgskritischer Charakter innewohnt. Einfacher ausgedrückt liegt das Renditepotenzial also im Markt und nicht im Unternehmen selbst. Die Unterschiedlichkeit der Unternehmensperformanz ist in diesem Aussagesystem rein über die divergierende Renditenaneignungsfähigkeit der Unternehmen zu begründen. Nach dieser sehr axiomatischen Sichtweise können Unternehmen somit per se als „Spielball“ ihrer (Absatz-)Märkte betrachtet werden, denn die strategischen Entscheidungsprozesse sind auf die Identifizierung und Besetzung attraktiver Branchen beschränkt.65 Dazu bemerkt PORTER: „Competitive strategy is the search for a favorable competitive position in an industry…. Competitive strategy aims to establish a profitable position against the forces that determine industry competition.”66
Die Vergrößerung des insgesamten Renditepotenzials einer Branche obliegt dieser Logik folgend also nicht unmittelbar den Marktteilnehmern selbst. Im Mittelpunkt stehen vielmehr Überlegungen, mit welchen wettbewerbsstrategischen Maßnahmen eine Marktposition besetzt und erhalten werden kann, die eine überdurchschnittliche Aneignung marktinhärenter Renditen ermöglicht. Dies impliziert im Grunde genommen jedoch eine kontinuierliche Suche nach Möglichkeiten des Aufbaus von monopolistischen Marktpositionen, im Rahmen derer die (Monopol-)Renditen naturgemäß umfangreicher und einfacher abzuschöpfen sind.67 Da die Aneignungsmöglichkeit eines Unternehmens also in einer negativen Beziehung zur Wettbewerbsintensität steht, sind die damit in Verbindung stehenden Entscheidungsprozesse im Kern von wettbewerbsvermeidendem Charakter.68 In diesem Zusammenhang ist eine Branche dann als attraktiv zu bezeichnen und demzufolge zu besetzen, wenn die Möglichkeit zum Aufbau einer mächtigen Marktstellung strukturell realistisch erscheint.
65
Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen KompetenzManagements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 41f..
66
Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York: Free Press, S. 1.
67
Vgl. Williamson, O. E. (1991): Strategizing, Economizing, and Economic Organization. In: Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 75-94, hier: S. 79f..
68
Vgl. z. B. Deephouse, D. L. (1999): To be different, or to be the same? It’s a Question (and Theory) of strategic Balance. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 147-166, hier: S. 150f.; Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 39f.; Träger, S. / Seisreiner, A. (2005): Corporate Advantage Revisited. Considering Comparative, Competitive and Nonmarket Aspects. In: ACCS Conference Proceedings. Vallendar, S. 7.
29
Derartige Überlegungen veranlassen PORTER, dem ein maßgeblicher Einfluss bei der Popularisierung des marktorientierten Ansatzes im strategischen Management zuzuschreiben ist, zu einer Modifizierung und Erweiterung des klassischen BAINschen SCP-Paradigmas, denn die Implikationen unternehmensindividueller strategischer Verhaltensweisen auf die Branchenstruktur wurden bislang (annahmegemäß) ausgeblendet.69 PORTERs Grundgedanke ist, dass die strategischen Handlungen bzw. die Wettbewerbsstrategie eines Unternehmens Rückkopplungseffekte auf die Branchenstruktur und dessen Renditepotenzial aufweisen: „Both industry attractiveness and competitive position can be shaped by a firm…. While industry attractiveness is partly a reflection of factors over which a firm has little influence, competitive strategy has a considerable power to make an industry more or less attractive. At the same time, a firm can clearly improve or erode its position within an industry through its choice of strategy. Competitive strategy, then, not only responds to the environment, but also attempts to shape that environment in a firm’s favour.”70
Daher propagiert PORTER die Hypothese, dass der Wettbewerbserfolg eines Unternehmens sowohl von der originären Branchenstruktur, als auch von den strategischen Aktionsparametern des Unternehmens zur vorteilhaften Veränderung der vorherrschenden Wettbewerbsbedingungen determiniert wird. PRIEM und BUTLER konkretisieren dies und argumentieren, „the competitive environment represents what must be done to compete effectively in satisfying customer needs.“71
Diese, in Abbildung 2 veranschaulichte Erweiterung des klassischen SCP-Paradigmas beinhaltet nunmehr die angedeuteten Feedback-Effekte, die einerseits der bisherige Erfolg unternehmerischer Aktivitäten auf die Evaluation der bestehenden Verhaltensalternativen und anderseits die gewählten Handlungen auf die Branchenstruktur aufweisen.72
69
Vgl. z. B. Hitt, M. A. / Ireland, R. D. / Hoskisson, R. E. (2003): Strategic Management, Competitiveness and Globalization. Cincinnati u. a.: South-Western College Publishing, S. 21-23.
70
Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York: Free Press, S. 2.
71
Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based „View“ a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 23.
72
Vgl. Porter, M. E. (1981): The Contributions of Industrial Organization to Strategic Management. In: Academy of Management Review, Vol. 6, S. 609-620, hier: S. 615f..
30
Klassische Sichtweise
Wettbewerbsumwelt
Wettbewerbsstrategie
Unternehmenserfolg
STRUCTURE
CONDUCT
PERFORMANCE
Modifizierte Sichtweise
Wettbewerbsumwelt
Wettbewerbsstrategie
Unternehmenserfolg
STRUCTURE
CONDUCT
PERFORMANCE
Abbildung 2: Klassisches und modifiziertes Structure-Conduct-Performance Paradigma73 Damit werden nun sowohl Branchenstruktureffekte, als auch die individuell verschiedenartigen strategischen Verhaltensaspekte im Rahmen von kompetitiven Auseinandersetzungen in die Analyse des Wettbewerbserfolges einbezogen. Die Erweiterung des strukturdeterministischen Attraktivitätsgrads einer Branche um die Möglichkeit der verhaltensinduzierten Veränderbarkeit eben dieser konstitutiven Branchenbedingungen führt zugleich zu einer Ausweitung der strategischen Handlungsalternativen eines Unternehmens. Durch die im modifizierten SCP-Paradigma vollzogene Endogenisierung der Branchenbedingungen gelten nunmehr diejenigen Branchen als attraktiv, die zum einen ein hohes Renditepotenzial qua geringem Konzentrationsgrad oder niedrige Mobilitätsbarrieren etc. aufweisen sowie zum anderen die Möglichkeit bieten, einen solchen Zustand über strategische Verhaltensweisen selbst herbeiführen zu können.74 Ein Unternehmen ist damit weitaus mehr als nur ein „Spiel-
73
Quelle: In Anlehnung an Porter, M. E. (1981): The Contributions of Industrial Organization to Strategic Management. In: Academy of Management Review, Vol. 6, S. 609-620, hier: S. 611 und 616.
74
Vgl. z. B. Caves R. E. / Porter, M. E. (1977): From entry barriers to mobility barriers: Conjectural decisions and contrived deterrence to new competition. In: Quarterly Journal of Economics, Vol. 91, S. 241-261, hier: S. 249-257; Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1124f.; Jacobsen, R. (1988): The Persistence of abnormal Returns. In: Strategic Management Journal, Vol. 9, S. 415-430, hier: S. 417-419; Porter, M. E. (1979): The structures within industries and companies’ performance. In: Review of Economics and Sta-
31
ball“ seiner Absatzmärkte, denn die verhaltensinduzierte Veränderbarkeit der Spielregeln des Wettbewerbs adjustiert die individuell verschiedenartig betrachtete Branchenattraktivität, auf die die einzelnen Unternehmen einen schöpferischen Einfluss über ihre Wettbewerbsaktivitäten nehmen können. Zur Bestimmung des Attraktivitätsgrades einer Branche entwickelt PORTER einen Analyserahmen, der die marktlichen Kräfte offen legt, denen ein maßgeblicher Einfluss auf die Wettbewerbsintensität einer Branche zugesprochen werden kann. Im Zusammenhang mit dem als 5-Kräfte-Modell titulierten Ansatz werden fünf grundlegende branchenspezifische Wettbewerbskräfte identifiziert, die den Erfolg von Unternehmen im (potenziellen) Wettbewerb mit deren Mitbewerbern bestimmen.75
76
Zu diesen Einflussfaktoren zählen die allgemeine Be-
drohung durch Markteintritte, die bestehende Wettbewerbsintensität zwischen den aktuellen Marktteilnehmern, die Gefahr durch Substitutionsangebote, sowie die Verhandlungsmacht sowohl von Zulieferern als auch von Abnehmern. PORTER zufolge ist diesen, die Wettbewerbsintensität beeinflussenden Kräften gemein, dass sie – in „negativer“ Ausprägung – die Preisgestaltungsmöglichkeiten und damit die Renditeaneignungsfähigkeit eines Unternehmens entscheidend beschneiden. Der Wettbewerb fungiert nach dieser Logik als die zentrale Bestimmungsvariable des Unternehmenserfolges. Entsprechend sollten Unternehmen die Option zur Marktbearbeitung nur dann ziehen bzw. weiter aufrechterhalten, wenn sie in der Lage sind, diesen Wettbewerbskräften erfolgreich, i. S. v. eindämmend begegnen zu können. Kann ein Unternehmen diese Fähigkeit für sich in Anspruch nehmen, hat es die erfolgskritischen Bedingungen erfüllt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Branchenattraktivität kein objektives Strukturmerkmal im BAINschen Sinne ist, sondern ein Charakteristikum, das sich ferner über die individuelle „Wettbewerbsentziehungsfähigkeit“ eines Unternehmens bestimmt. Vor diesem Hintergrund schlägt PORTER vor, dass sich Unternehmen einem Bündel von
tistics, Vol. 61, S. 214-228, hier: S. 216f.; Porter, M. E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York: Free Press, S. 4; Spanos, Y. E. / Lioukas, S. (2001): An Examination into the Causal Logic of Rent Generation: Contrasting Porter’s Competitive Strategy Framework and the Resource-Based-View. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 907-934, hier: S. 910f.; Wiggins, R. R. / Ruefli, T. W. (2002): Sustained Competitive Advantage: Temporal Dynamics and the Incidence and Persistence of Superior Economic Performance. In: Organization Science, Vol. 13, S. 82-105, hier: S. 85. 75
Vgl. Porter, M. E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York: Free Press, S. 3-33; Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York u. a.: The Free Press, S. 4-11; Porter, M. E. (1991): How Competitive Forces Shape Strategy. In: Montgomery, C. A. / Porter, M. E. (Hrsg.): Strategy: Seeking and Securing Competitive Advantage. Boston: Harvard Business Press, S. 11-25, hier: S. 12-20.
76
Für eine Diskussion der Performanzeffekte potenziellen Wettbewerbs vgl. Cool, K. / Röller, L.-H. / Leleux, B. (1999): The relative Impact of actual and potential Rivalry on Firm Profitability in the Pharmaceutical Industry. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 1-14, hier: S. 4-7.
32
„offensive and defensive actions [bedienen sollten,] to create a defendable position in an industry, to cope successfully with the five competitive forces and thereby yield a superior return on investment for the firm.”77
Zu diesen offensiven und defensiven Maßnahmen, die entweder dem Markteintritt (offensiv) oder der Abwehr von Markteintritten (defensiv) zweckdienlich sind, zählen die als die drei generischen Wettbewerbsstrategien bekannt gewordenen Kostenführerschafts-, Differenzierungs- und Nischenbesetzungsstrategien.78 Für welche dieser drei Strategiearten sich ein Unternehmen entscheiden sollte, hängt schlussendlich davon ab, welche Ausprägungen die fünf Wettbewerbskräfte aufweisen sowie welche Leistungstiefe und -breite bei der Herstellung eines Produktes erforderlich bzw. als strategisch relevant erachtet wird. Diese, mit letzterem Aspekt in Verbindung stehenden Leistungserstellungsprozesse lassen sich systematisch anhand der sog. Wertkette abbilden, die zugleich den Ausgangspunkt für die Identifizierung von kosten- und/oder werttreibenden Aktivitäten bildet, auf Basis derer die Strategiewahl fußen soll. PORTER fasst dies wie folgt zusammen: „The value chain disaggregates a firm into its strategically relevant activities in order to understand the behavior of costs and the existing and potential sources of differentiation. A firm gains a competitive advantage by performing these strategically important activities more cheaply or better than its competitors“79
Durch die konkrete Sichtbarmachung der Stufen der Leistungserstellung im Rahmen der Wertkette lassen sich demnach aus den nun identifizierbaren Stärken (Schwächen) strategisch relevante Stoßrichtungen offenlegen, die für eine aktuell vorteilhafte (nachteilige) Marktposition ursächlich verantwortlich gemacht werden oder einem Unternehmen via einer verstärkten Ausbeutung (Korrektur) zukünftige Wettbewerbsvorteile gegenüber dessen Konkurrenten verschaffen können. Im Idealfall führt eine adäquate Evaluation des Wertschöpfungsprozesses sowie der marktspezifischen Wettbewerbsbedingungen zu einer Marktpositionierung, die die fünf Wettbewerbskräfte respektive die Wettbewerbsintensität auf ein Minimum reduziert. Je nach Ausprägung auf den einzelnen Ebenen der unternehmerischen Wertschöpfung definiert sich eine derartig vorteilhafte Marktposition über Kosten-, Differenzierungs- oder Nischen-
77
Porter, M. E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York: Free Press, S. 34.
78
Porter, M. E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York: Free Press, S. 35; Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York u. a.: The Free Press, S. 11-26.
79
Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York: Free Press, S. 33-34.
33
vorteile, die mit einer entsprechenden, d. h. daran orientierten strategischen Ausrichtung nachhaltig abgesichert werden sollen (vgl. auch Abbildung 3).80
Wettbewerbsvorteil
Gesamtbranche Nische
Strategischer Fokus
Kostenvorteil
Kostenführerschaft
Differenzierungsvorteil
Qualitätsführerschaft
Nischenbesetzung
Abbildung 3: Die generischen Wettbewerbsstrategien81 Im Kern verfolgen die drei generischen Wettbewerbsstrategien demnach den Aufbau und die Festigung einer einzigartigen Wettbewerbsposition, wobei prinzipiell die Art der verfolgten Strategie die Art des (anvisierten) Wettbewerbsvorteils determiniert:
80
In der Literatur wird einem Unternehmen das Potenzial zur Kostenführerschaft zugesprochen, wenn es in der Lage ist, z. B. Massenproduktionsvorteile (economies of scale), produktionstechnische Verbundvorteile (economies of scope), lernkurveninduzierte Kostendegressionsvorteile (economies of learning) oder auch Zugangsvorteile bei der Rohstoffbeschaffung (economies of sourcing) zu realisieren. Dagegen gilt eine Differenzierungsführerschaft als wahrscheinlich, wenn Wahrnehmungsvorteile aus Kundensicht im Hinblick auf Design, Service, Qualität oder Technologie erreicht werden können. Diese Wahrnehmungsvorteile müssen jedoch nicht mit einer tatsächlichen Vorteilhaftigkeit im Einklang stehen, solange dieser Umstand von den Konsumenten nicht erkannt wird. Grundsätzlich gilt ein Differenzierungsvorteil als realisiert, wenn dieser als solches bei den Konsumenten wahrgenommen wird. Ein Nischenvorteil stellt insgesamt gesehen ein Konglomerat aus Kosten- und Differenzierungsvorteilen dar, ist jedoch jeweils im Bezug zu einem kleineren Marktsegment zu sehen. Vor diesem Hintergrund kann ein Unternehmen einen Nischenvorteil (aus Kosten- oder Differenzierungssicht) für sich verzeichnen, auch wenn es keinen insgesamten, d.h. branchenweiten Vorteil für sich in Anspruch nehmen kann. Ein Nischenvorteil ist in diesem Zusammenhang also ein Kosten- oder Differenzierungsvorteil in einem Subsegment einer Branche. Vgl. z. B. Porter, M. E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York: Free Press, S. 35-41; Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York: Free Press, S. 12-16.
81
Quelle: In Anlehnung an: Porter, M. E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York: Free Press, S. 39; Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York: Free Press, S. 12
34
„The notion underlying the concept of generic strategies is that competitive advantage is at the heart of any strategy, and achieving competitive advantage requires a firm to make a choice – if a firm is to attain a competitive advantage, it must make a choice about the type of competitive advantage it seeks to attain and the scope within which it will attain it:”82
An dieser Stelle zeigt sich wiederum die von PORTER herausgestellte Interdependenz zwischen Unternehmensverhalten und Branchenstruktur, denn die Entwicklung und Verbindung der Analyseinstrumente zur Bestimmung der Branchenattraktivität (5-Kräfte-Modell) und der unternehmerischen Wertschöpfung (Wertkette) lassen Prognosen über das relative Renditeaneignungspotenzial und damit über den möglichen Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens zu. Veranschaulicht wird dies durch den Umstand, dass das Erzielen eines Wettbewerbsvorteils durch ein Unternehmen die Branchenbedingungen insgesamt wesentlich verändert, da in einem solchen Fall eine Kosten- oder Differenzierungsführerschaft die jeweilige Branche in eine Phase eines (temporären) Leistungsmonopols verschiebt. Die Wettbewerbsintensität verringert sich dadurch erheblich, was zu einer Verbesserung der Aussicht auf eine überdurchschnittliche Renditeaneignung mangels Konkurrenz führt, weshalb die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils die zentrale unternehmerische Zielfunktion darstellt.83
2.2.2 Zum Wesen des Wettbewerbsvorteils im marktorientierten Ansatz Der Kausallogik des marktorientierten Ansatzes folgend gibt es augenscheinlich nicht den Wettbewerbsvorteil, sondern – wie beschrieben – Kosten- oder Differenzierungsvorteile, die ein Unternehmen in Branchen oder deren Nischen zu realisieren sucht. Der Begriff Wettbewerbsvorteil fungiert in diesem Zusammenhang offensichtlich lediglich als eine allgemeine Orientierungshilfe, die das Vorhandensein eines kompetitiven Alleinstellungsmerkmals im Wettbewerb herausstellen soll. In syntaktischer Hinsicht, also im Verwendungszusammenhang betrachtet, ist ein Wettbewerbsvorteil demnach aus dem Blickwinkel der Konkurrenz zu verstehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im MBV der Wettbewerb bzw. die Wettbewerbsintensität als zentrale Bestimmungsvariable des Unternehmenserfolges gilt. Somit ist der Tatbestand eines Wettbewerbsvorteils und damit einer überdurchschnittlichen Unternehmensperformanz mit der Realisation von Kosten- und Differenzierungsvorsprüngen erfüllt, da in derartigen Situationen die direkten Wettbewerber nicht in der Lage sind, für den Kunden
82
Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York: Free Press, S. 12.
83
Vgl. auch Deephouse, D. L. (1999): To be different, or to be the same? It’s a Question (and Theory) of strategic Balance. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 147-166, hier: S. 150f..
35
eine gleichwertige Leistung zu ähnlich geringen Kosten zu produzieren oder ein aus Kundensicht weit überlegenes Angebot anzubieten. In Konsequenz führt dies zwangsläufig zu einer nachteiligen Wettbewerbsposition für die Konkurrenz. Die Existenz eines Wettbewerbsvorteils kristallisiert sich entsprechend immer dann heraus, wenn Unternehmen eine leistungsmonopolistische Marktposition aufbauen können. In diesem Zusammenhang von einer Monopolstellung zu sprechen ist nahe liegend, da eine vorteilhafte Wettbewerbsstellung die Abschöpfung überdurchschnittlicher Renditen entweder durch eine differenzierungsinduzierte Preiserhöhung oder durch eine effizienzinduzierte Preissenkung unter das Wettbewerbsniveau ermöglicht. Diese Renditen lassen sich dann als Monopolrenditen beschreiben, da diese außerhalb einer wettbewerblichen Auseinandersetzung appropriiert werden können. Die drei genannten generischen Wettbewerbsstrategien haben vor diesem Hintergrund paradoxerweise also nicht – wie der Begriff suggerieren mag – die wettbewerbliche Auseinandersetzung mit der Konkurrenz zum Ziel, sondern die Vermeidung genau dieser kompetitiven Konfrontation. Es handelt sich hierbei also vornehmlich um Wettbewerbsvermeidungsstrategien mit dem Ziel der Branchentransformation i. S. e. signifikanten Ausschaltung der fünf Wettbewerbskräfte. Das Erreichen eines Wettbewerbsvorteils gegenüber der Branchenkonkurrenz bedeutet hierbei folglich nichts anderes, als die (fortlaufende) Verwirklichung von Wettbewerbsvermeidung respektive eines erfolgreichen Verminderns der Wettbewerbsintensität und einer Appropriation der damit verbundenen Monopolrenditen.84 Wie gezeigt, wird in diesem Zusammenhang ein Wettbewerbsvorteil implizit über die Existenz zweier Subvorteile beschrieben, die letztlich, so die Hypothese, zu einem Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb führen. Vorraussetzung für eine derartige Argumentation ist jedoch ein relativ enger Branchen- oder Segmentbegriff, da ansonsten Aussagen zu dem Wertigkeitsverhältnis der einzelnen Subvorteile im Hinblick auf die relative Gesamtunternehmensperformanz erforderlich werden. Würde der Branchenbegriff weiter gefasst, dann müsste die Frage beantwortet werden, ob eine Kostenführerschaft im Hinblick auf die anzueignende Rendite höher einzuschätzen ist, als eine Qualitätsführerschaft oder umgekehrt. Eine solch differenzierte Betrachtungsweise der Performanzimplikationen der unterschiedlichen Vorteilspositionen wird jedoch nicht aufgespannt, was grundsätzlich daran liegt, dass die Annah-
84 Caves, R. E. (1980): Industrial Organization, Corporate Strategy, and Structure. In: Journal of Economic Literature, Vol. 18, S. 64-92, hier: S. 68f.; Caves, R. E. (1984): Economic Analysis and the Quest for Competitive Advantage. In: American Economic Review, Vol. 74, 127-132, hier: S. 129f.; Spence, A. M. (1984): Industrial Organization and Competitive Advantage in Multinational Industries. In: American Economic Review, Vol. 74, S. 356-360, hier: S. 356-358; Teece, D. J. (1984): Economic Analysis and Strategic Management. In: California Management Review, Vol. 26, S. 87-110, hier: S. 88f..
36
me eines relativ homogenen Produktprogramms in einer Branche auch von PORTER nicht aufgegeben wird.
2.3 Generisches Erklärungsmuster II: Die ressourcenorientierte Begründung von Wettbewerbsvorteilen Die Argumentationslogik des ressourcenorientierten Ansatzes (engl. resource-based view of the firm bzw. RBV) zur Begründung von Wettbewerbsvorteilen vollzieht sich konträr zum unternehmensextern bzw. outside-in fokussierten marktorientierten Erklärungsmuster. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Neoklassik bzw. die Preistheorie und die damit verbundene funktionale Charakterisierung von Unternehmen als Ressourcenbündel.85 Im analytischen Mittelpunkt dieses nun vornehmlich inside-out geprägten Ansatzes stehen somit vordergründig die Unternehmen bzw. deren konstituierende Systemelemente. Historisch gesehen ist die Emergenz dieses Forschungsprogramms im Rahmen des strategischen Managements also aus der Kritik am MBV hervorgegangen, dass zum einen den unternehmensinternen Strukturmerkmalen bei der Erklärung der Unternehmensperformanz zu wenig Beachtung geschenkt wird und zum anderen, dass die Versuche zur empirischen Validierung des angenommenen positiven Zusammenhanges zwischen Branchenstruktur und Unternehmenserfolg zum Teil widersprüchliche Ergebnisse hervorbringen.86
85
Vgl. z. B. Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 101f.; Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 414f.; Spanos, Y. E. / Lioukas, S. (2001): An Examination into the causal Logic of Rent Generation: Contrasting Porter’s Competitive Strategy Framework and the Resource-based Perspective. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 907-934, hier: S. 909; Penrose, E. T. (1959): The Theory of Growth of the Firm: London: Oxford University Press, S. 24f.; Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 179f.; Wernerfelt, B. (1984): A Resource-Based View of the Firm. In: Strategic Management Journal, Vol. 5, S. 171180, hier: S. 171f..
86 So fand bspw. RUMELT heraus, dass die Unterschiedlichkeit der Unternehmen innerhalb einer Branche einen höheren Einfluss auf den Unternehmenserfolg eines Unternehmens hat, als deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche. Vgl. Rumelt, R. P. (1991): How much does Industry matter? In Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 167-185, hier: S. 168. Daraufhin veröffentlichten MCGAHAN und PORTER eine andere Untersuchung, die wiederum den unterschiedlichen Einfluss des Branchenspezifika auf den Unternehmenserfolg nachweisen konnte, wobei sie derartige Effekte insbesondere in den servicenahen Industrien offenlegen konnten. Vgl. McGahan, A. M. / Porter, M. E. (1997): How much does Industry matter, really? In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 15-30, hier: S. 15f.. Trotz der unscharfen Beweisführung hinsichtlich der tatsächlichen Determinanten des Unternehmenserfolg haben sich berechtigte Zweifel an der Verlässlichkeit der im marktorientierten Ansatz generierten Kausallogiken herausgebildet und so zu dem Paradigmenwechsel beigetragen. Vgl. auch Hawawini, G. / Subramanian, V. / Verdin, P. (2003): Is Performance driven by Industry- or Firm-specific Factors? A new look at the Evidence. In. Strategic Management Jornal, Vol. 24, S. 1-16, hier: S. 2-4; Hoskisson, R. E. / Hitt, M. A. / Wan, W. P. / Yin, D. (1999): Theory and Research in Strategic Management: Swings of a Pendulum. In: Journal of Management, Vol. 15, S. 417-456, hier: S. 430. Die Debatte, ob Branchen- oder Unternehmensaspekte ursächlich ausschlaggebend für den (nachhaltigen) Unternehmenserfolg sind, setzt sich bis
37
2.3.1 Die Grundlogik des ressourcenorientierten Ansatzes Ansatzpunkt diesbezüglicher Arbeiten folgt dem oben angedeuteten, grundlegenden Perspektivenwechsel, dass Unternehmen „nicht länger als Abbildung einer homogenen, allen frei zugänglichen Produktionsfunktion (wie im neoklassischen Modell des perfekten Wettbewerbs) oder als Menge von Produkt-Marktpositionen (wie im industrieökonomischen Ansatz), sondern als Bündel von Ressourcen [betrachtet werden].“87
Faktisch werden damit die Erfolgspotenziale und die dauerhafte Profitabilität eines Unternehmens mit dessen Ressourcenausstattung begründet, die aufgrund akquirierungsgeschichtlicher Pfadabhängigkeiten in jedem Unternehmen unterschiedlich ist.88 Die strukturelle Heterogenität
der
Marktteilnehmer
lässt
sich
demnach
über
die
unterschiedliche
Ressourcenkonfiguration beschreiben, wobei es im Hinblick auf die Erklärung von Performanzunterschieden nun wesentlich ist, diejenigen Ausstattungsmerkmale zu identifizieren, denen ein maßgeblicher Einfluss auf eine überdurchschnittliche Marktperformanz zugemessen werden kann. Dazu PENROSE grundlegend: „The fact that most resources can provide a variety of different services is of great importance for the productive opportunity of a firm. It is the heterogeneity, and not the homogeneity, of the productive services available or potentially available from its resources that gives each firm its unique character. This kind of heterogeneity in the services from the material resources … permits the same resources to be used in different ways and for different purposes ….”89
Insofern stellt die Ressource bzw. die ressourceninduzierten Services und deren unternehmensindividuelle Spezifität die unausweichliche Analyseeinheit im Rahmen des ressourcenorientierten Ansatzes dar, wenngleich die diesbezüglichen definitorischen Darstellungen bis-
heute fort, wie die Diskussion zwischen RUEFLI und WIGGINS auf der einen sowie MCGAHAN und PORTER auf der anderen Seiten veranschaulichen. Vgl. Ruefli T. W. / Wiggins, R. R. (2003): Industry, Corporate and Business-Segment Effects and Business Performance: A non-parametric Approach. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 861-879; McGahan, A. M. / Porter, M. E. (2005): Comment on ‚Industry, Corporate and Business-Segment Effects and Business Performance: A non-parametric Approach’ by Ruefli and Wiggins. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 873-880. 87
Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 357 (Hervorhebung nicht im Original).
88 Vgl. Ahuja, G. / Katila, R. (2004): Where do Resources come from? The Role of idiosyncratic Situations. In: Strategic Management Journal, Vol. 25, S. 887-907, hier: S. 889f.; Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 102f.; Dosi; G. (1982): Technological paradigms and technological trajectories: A suggested Interpretation of the determinants of technological change. In: Research Policy, Vol. 11, S. 147-162, hier: S. 148f.. 89
Penrose, E. T. (1959): The Theory of Growth of the Firm: London: Oxford University Press, S. 75.
38
weilen erheblich voneinander abweichen.90 Offensichtlich ist jedoch, dass sich die Erklärung von Erfolgspotenzialen auf der Basis von Entscheidungen zur Ressourcenakquisition und Ressourcenmanagement bzw. -verwendung, also von Seiten des Beschaffungsmarktes respektive der Input-Ebene eines Unternehmens vollzieht. In Anlehnung an die Charakterisierung des MBVs lässt sich für den ressourcenorientierten Ansatz die grundlegende Kausallogik damit als Resource-Conduct-Performance Hypothese umschreiben, nach der die Qualität der Ressourcenausstattung (Resource) das unternehmerische Verhalten (Conduct) und daraus folgend die Erfolgsaussichten (Performance) bestimmt.91 Damit wird verdeutlicht, dass der Unternehmenserfolg eine Funktion der Ressourcenkonfiguration und die anzueignende Rendite im Grunde genommen einen ressourceninduzierten Rentenstrom darstellt. Während im MBV der Unternehmenserfolg noch relativ uneinheitlich über absatzmarktinhärente Renditen, Returns on Investment oder ganz allgemein über Industry Profits dargestellt wird, gilt im ressourcenorientierten Ansatz die Rente als zentrales Erfolgsmaß.92 Dies ist v. a. auf die mikroökonomischen Wurzeln des RBV zurückzuführen, wobei insbesondere das Produktivitätstheorem von RICARDO sowie das Faktorproportionentheorem von HECKSCHER und OHLIN aus
90
Die in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen Definitionsversuche reichen von der allgemeinen Darstellung als Gesamtheit aller einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Inputfaktoren (z. B. Amit, R. / Schoemaker, P. J. H. (1993): Strategic Assets and Organizational Rent. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 33-46, hier S. 276; Wernerfelt, B. (1984): A Resource-Based View of the Firm. In: Strategic Management Journal, Vol. 5, S. 171-180, hier: S. 172) bis hin zu relativ spezifischen Klassifizierungen, die Ressourcen lediglich im Hinblick auf Marktrelevanz (z. B. Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 101) Imitierbarkeit (z. B. Teece, D. J. / Pisano, G. / Shuen, A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 509-533, hier S. 334) beschreiben. Für eine umfassendere Darstellung vgl. Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 357; Rasche, C. (1994): Wettbewerbsvorteile durch Kernkompetenzen: Ein ressourcenorientierter Ansatz. Wiesbaden: DUV, S. 38-42; Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 170-175.
91
Vgl. z. B. Rühli, E. (1994): Die Resource-based View of Strategy: Ein Impuls für einen Wandel im unternehmenspolitischen Denken und Handeln? In: Gomez, P. / Hahn, D. / Müller-Stewens, G. / Wunderer, R. (Hrsg.): Unternehmerischer Wandel: Konzepte zur organisatorischen Erneuerung; Knut Bleicher zum 65. Geburtstag. Wiesbaden: Gabler, S. 31-57, hier: S. 42.
92
Vgl. z. B. Foss, N. J. / Knudsen, T. (2003): The Resource-Based Tangle: Towards a Sustainable Explanation of Competitive Advantage. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 24, S. 291-307, hier: S. 291-292; Lado, A. A. / Boyd, N. G. / Hanlon, S. C. (1997): Competition, Cooperation, and the Search for Economic Rents. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 110-141, hier: S. 113-115; McGrath, R. G. / Tsai, M.H. / Venkatraman, S. / MacMillan, I. C. (1996): Innovation, Competitive Advantage and Rent: A Model and Test. In: Management Science, Vol. 42, S. 389-403, hier S. 390f.; Peteraf, M. A. / Barney, J. B. (2003): Unravelling the Resource-Based Tangle. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 24, S. 309-323, hier: S. 310; Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 205f.; Spanos, Y. E. / Lioukas, S. (2001): An Examination into the Causal Logic of Rent Generation: Contrasting Porter’s Comeptitive Strategy Framework and the Resource-based Perspective. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 907-934, hier: S. 909f..
39
der realen bzw. reinen Außenhandelstheorie als das forschungsprogrammatische Fundament angesehen werden können. Beiden, für den RBV grundlegenden Ansätzen ist gemein, dass sie die Art der Faktorausstattung einzelner Länder als Bestimmungsvariable für die Erklärung des Zustandekommenes eines erfolgreichen Außenhandels heranziehen. Obgleich beide Theoreme auf relativ restriktive Axiome zurückgreifen (RICARDO: u. a. konstante Faktorpreise und Faktormengen, neutrale Technologiedifferenzen; HECKSCHER-OHLIN: u. a. identische Produktionsfunktionen), so kommen sie doch zu dem für den RBV fundamentalen Ergebnis, dass einerseits relative Faktorproduktivitätsvorteile (RICARDO) und andererseits relative Faktorproportionen- bzw. -ausstattungsvorteile (HECKSCHER-OHLIN) bei endlichen Ressourcenvorkommen zu komparativen Kostendifferenzen mit den korrespondieren Spezialisierungseffekten führen.93 Folgt man MÜLLER-STEWENS und LECHNER, die eine Rente als „diejenigen Erträge [bezeichnen] die die Opportunitätskosten des Ressourceneinsatzes in einem Industriezweig überschreiten“94, dann führt die Spezialisierung der Ressourcennutzung zu einer Absenkung der Opportunitätskosten verbunden mit einem effizienzinduzierten Anstieg der aus den Ressourcen erzielbaren Renten. Übersetzt in den Kontext des strategischen Managements kann daraus abgeleitet werden, dass der Ressourcenbestand je nach Beschaffenheit oder mengenmäßiger Zusammensetzung zu relativen Effizienzvorteilen führen und positiv zum Unternehmenserfolg beitragen können.95 Vor diesem Hintergrund lässt sich nun die zentrale Zielstellung des ressourcenorientierten Ansatzes ableiten, nach der nun diejenigen strategisch wertvollen bzw. effizienzförderlichen Ressourcenkonfigurationen offen gelegt werden sollen, die in dauerhaft überdurchschnittlichen Rentenströmen resultieren. Zur Bestimmung des Rentenpotenzials einer Ressource werden im RBV eine Vielzahl an unterschiedlichen Variablen herangezogen, denen ein positiver Einfluss auf den von RICARDO und HECKSCHER-OHLIN identifizierten Verwendungszusammenhang beigemessen wird. Darüber hinaus werden einige der oben angeführten restriktiven mikroökonomischen Grundannahmen gelockert, was zu einer insgesamt praktikableren Beschreibung des dargestellten Kausalzusammenhanges beiträgt. Zu diesen Annahmen zählen die grundsätzliche Heterogeni-
93
Vgl. Rose, K. / Sauernheimer, K. (1999): Theorie der Außenwirtschaft. 13., überarb. Aufl., München: Verlag Vahlen, S.408-415.
94
Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 357.
95
Vgl. Williamson, O. E. (1991): Strategizing, Economizing, and Economic Organization. In: Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 75-94, hier: S. 78f..
40
tät des verfügbaren Ressourcenbestandes und dessen tendenzielle Immobilität.96 Diese konzeptionellen Eckpfeiler gelten als grundlegend, da ohne eine immobile, heterogene Ressourcenbasis die Möglichkeit zur Unternehmensdifferenzierung im Wettbewerb nicht besteht, da jeder vorteilhaft erscheinende Vorstoß von den Wettbewerbern sofort kopiert werden würde.97 Exemplarisch führt BARNEY dazu an: „Imagine an industry where firms possess exactly the same resources. This condition suggests that firms all have the same amounts and kinds of strategically relevant physical, human, and organizational capital. Is there a strategy that could be conceived of and implemented by any one of these firms that could not also be conceived of and implemented by all other firms in this industry? The answer to this question must be no.”98
Insofern ermöglicht erst eine ausstattungsbedingte Unterschiedlichkeit der Ressourcen in Verbindung mit einer (zumindest zeitweisen) Nichtstransferierbarkeit des Ressourcenbestandes die Entwicklung von einzigartigen Wettbewerbsstrategien mit den korrespondierenden Performanzdivergenzen. Als Vorraussetzung für die Immobilität und Heterogenität der Ressourcenausstattung wird hierbei auf unvollkommene, d. h. entweder ineffiziente oder nicht existierende Faktormärkte verwiesen, deren Unvollkommenheit als Konsequenz unvollständiger Information und der eingeschränkten Handelbarkeit von Inputfaktoren zu verstehen ist.99 So konstatieren auch BAMBERGER und WRONA bspw., dass Unternehmen nicht immer in der Lage sind, Ressourcen zeitnah in beliebiger Menge und Qualität zu erwerben, weshalb sie oftmals gezwungen werden, die benötigten Ressourcenbestände außerhalb der Faktormärkte selbst zu entwickeln.100 BARNEY dagegen zeichnet die unterschiedliche Fähigkeit zur Antizipation des Zukunftswertes strategischer Entscheidungen dafür verantwortlich, dass Ressourcen zu Preisen akquiriert werden können, die den tatsächlichen (Verwendungs-)Wert des Faktors entweder unter- oder überschreiten (Fall ineffizienter Faktormärkte).101 Dagegen
96
Diese beiden Annahmen stellen zugleich eine fundamentale Abkehr vom marktorientierten Ansatz dar, der grundsätzlich von einer Mobilität und Homogenität der Ressourcenbestände ausgeht.
97
Eine solche Situation entspräche dem neoklassischen Idealbild des perfekten Wettbewerbs (engl. perfect competition).
98
Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 103-104.
99
Vgl. Barney, J. B. (1986): Strategic Factor Markets: Expectations, Luck, and Business Strategy. In: Management Science, Vol. 32, S. 1231-1241, hier: S. 1232.
100 Bamberger, I. / Wrona, T. (1996): Der Ressourcenansatz und seine Bedeutung für die Strategische Unternehmensführung. In: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), Vol. 48, S. 130-153, hier: S. 135-137 101 Barney, J. B. (1986): Strategic Factor Markets: Expectations, Luck, and Business Strategy. In: Management Science, Vol. 32, S. 1231-1241, hier: S. 1233f.. PETERAF sieht in der Unterschiedlichkeit der Prognosefähigkeiten der Unternehmen den Tatbestand der ex ante Wettbewerbsbeschränkung (ex ante limits to competition) gegeben, die eine notwendige Voraussetzung zur Akquirierung wertvoller Ressourcen darstellt. Hätten alle Markt-
41
zeichnen sich insbesondere immaterielle Ressourcen (z. B. Reputation, Unternehmenskultur, Image etc.) durch Nichthandelbarkeit aus, da sich ihre Werthaftigkeit über den unternehmensspezifischen Kontext definiert, die im Falle der Veräußerung verloren gehen würde (Fall nicht existierender Faktormärkte).102 Über die Verfügungsrechte hinaus müssen die vorhandenen Ressourcen jedoch auch selbst bestimmten Spezifika entsprechen, damit sie zu einem Vorteil im ricardianischen Sinne beitragen und entsprechend als erfolgskritisch bezeichnet werden können. Die Existenz einer heterogenen und tendenziell immobilen Ressourcenausstattung reicht allein nicht aus, die Entstehung von überdurchschnittlichen Rentenströmen zu fundieren. Vielmehr bedarf es dazu eines Kriterienkataloges, der die Ressourcen über ihre Beitragsfähigkeit zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen konkretisiert. Berühmtheit hat in diesem Zusammenhang bspw. die VRIO-Klassifikation von BARNEY erlangt, der das Rentenpotenzial einer Ressource zusammenfassend anhand der Kriterien Werthaftigkeit (Value), Seltenheit (Rare), Imitierbarkeit (Imitability) und unternehmerische Einsetzbarkeit (Organization) veranschaulicht (vgl. Abbildung 4).103
teilnehmer den gleichen Informationsstand über die Zukunft, würde im Vorfeld der Akquisitionsentscheidung der Preis eine Ressource deren tatsächlichen Wert widerspiegeln, weshalb von der Ressource keine zukünftigen Rentenströme zu erwarten wären, was wiederum der Tatbestand der Werthaftigkeit negieren würde. Vgl. Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 185. 102 Vgl. Amit, R. / Schoemaker, P. J. H. (1993): Strategic Assets and Organizational Rent. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 33-46, hier: S. 37-40; Dierickx, I. / Cool, K. (1989): Asset Stock Accumulation and Sustainability of Competitive Advantage. In: Management Science, Vol. 35, S. 1504-1511, hier: S. 1505f.. 103 Vgl. Barney, J. B. (1997): Gaining and Sustaining Competitive Advantage. Reading, MA: Addison-Wesley Publishing Company, S. 163f. Barney, J. B. (2001): Is the Resource-based ‘View’ a useful Perspective for Strategic Management Research? Yes. In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 41-56, hier: S. 42-46. Alternative Ressourcenklassifikationen finden sich bspw. bei Amit, R. / Schoemaker, P. J. H. (1993): Strategic Assets and Organizational Rent. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 33-46, hier: S. 279 oder auch bei Grant, R. M. (1991): The Resource-Based Theory of Competitive Advantage: Implications for Strategy Formulation. In: California Management Review, Vol. 33, S. 114-135, hier: S. 123-128.
42
Werthaftigkeit
Seltenheit
Schwer imitierbar
Einsetzbarkeit
Wettbewerbsimplikationen
Unternehmenserfolg
Nein
Nein
Nein
Nein
Wettbewerbsnachteil
Unterdurchschnittlich
Ja
Nein
Nein
Wettbewerbsparität
Durchschnittlich
Ja
Ja
Nein
Temporärer Wettbewerbsvorteil
Überdurchschnittlich
Ja
Ja
Ja
Dauerhafter Wettbewerbsvorteil
Überdurchschnittlich
Ja
Abbildung 4: VRIO-Ressourcenklassifikation nach BARNEY104 Damit eine Ressource einen Beitrag zu einem Wettbewerbsvorteil leisten und entsprechend als erfolgskritisch bezeichnet werden kann, bedarf es nach BARNEY zunächst einer gewissen Werthaftigkeit, die sich prinzipiell über die Verwendungsmöglichkeiten definiert. Der Wert einer Ressource ist daher spiegelbildlich zu den damit verbundenen marktlichen Chancen zu sehen, was gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag der Ressource zur Risikoabwehr im Wettbewerb einschließt. Weiterhin ist im Hinblick auf ihre Verfügbarkeit eine mengenmäßige Restriktion zu unterstellen. Dies impliziert ebenso eine Beschränkung der Zugriffsfähigkeit der Wettbewerber, wodurch sich der Zustand der Seltenheit sowohl über eine natürliche Mengenbeschränkung als auch über die Restriktionen bei der Zugangsfähigkeit zu den Ressourcen manifestiert. Ferner zeichnen sich erfolgskritische Ressourcen durch eine schwere Imitierbarkeit aus, die vor allem dann gegeben ist, wenn die spezifischen (konfigurativen) Ressourceneigenschaften und deren Verwendungszusammenhänge durch kausale Ambiguität oder relati-
104 Quelle: In Anlehnung an Barney, J. B. (1997): Gaining and Sustaining Competitive Advantage. Reading, MA: Addison-Wesley Publishing Company, S. 163. Die VRIO-Konzeption kann als seine Weiterentwicklung der sog. VRIN-Klassifizierung von BARNEY verstanden werden, die den strategischen Charakter einer Ressource über die Attribute Wertvoll (Valuable), Selten (Rare), Nichtimitierbar (Imperfect Imitablity) und Nichtsubstituierbar (Non-Substitutability) herleitet. Vgl. Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 105-112. Die Weiterentwicklung der VRINKonzeption besteht in der begrifflichen Erweiterung der Nichtsubstituierbarkeit („N“) zur organisatorischen Einsetzbarkeit („O“), womit eine stärkere Gewichtung des strategischen Verwendungszusammenhanges gewährleistet werden soll.
43
onale Komplexität der Konkurrenz verborgen bleiben, was deren Duplikation erheblich erschwert.105 Schlussendlich gelten Ressourcen als strategisch bzw. erfolgskritisch, wenn diese mit den genannten Eigenschaften auch ihrem Potenzial entsprechend in einem Unternehmen bzw. dessen Organisation eingesetzt werden können. Dahinter verbirgt sich der Aspekt der vollständigen Nutzungs- oder Ausbeutungsfähigkeit der Ressourcenpotenziale bzw. die Schaffung der strukturellen Voraussetzungen, dass eine optimale Verwendung der seltenen, werthaften und schwer imitierbaren Inputfaktoren gewährleistet ist.106 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, d. h. werden die unternehmenseigenen VRIO-Ressourcen durch ex ante (Heterogenität) und ex post Mechanismen (Nichtimitierbarkeit) zur Beschränkung des Wettbewerbs um diese Input-Faktoren geschützt, dann ist nach BARNEY die Realisierung eines Wettbewerbsvorteils durch die optimale Ausbeutung dieser Ressourcen gewährleistet: „… [A] firm is said to have a competitive advantage when it is implementing a value creating strategy not simultaneously being implemented by any current or potential competitors. A firm is said to have a sustained competitive advantage when it is implementing a value creating strategy not simultaneously being implemented by any current or potential competitors and when these other firms are unable to duplicate the benefits of this strategy.”107
Diesen Überlegungen zufolge zeigt sich, dass das Vorhandensein eines sich durch bestimmte Eigenschaften auszeichnenden, m. a. W. idiosynkratischen Ressourcenbestandes automatisch zu einer im Wettbewerb einzigartigen Wertschöpfungsstrategie führt (vgl. Abbildung 5).
105
PETERAF spricht im Zusammenhang mit der Imitierbarkeit auch von der Bedingung der ex post Wettbewerbsbeschränkung (ex post limits to competition), die eine Art Sicherheitsmechanismus für die Ressourcenheterogenität darstellt, so dass eine erfolgreiche Ressourcenkombination von den Wettbewerbern nicht zeitnah kopiert und damit neutralisiert werden kann. Vgl. Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 182f.. Bei RUMELT lässt sich dagegen der Begriff Isolationsmechanismen (isolating mechanisms) finden, der ebenso verschiedenartige Faktoren subsumiert, die die Unternehmen vor dem Kopieren erfolgskritischer Ressourcenbestände schützen. Vgl. Rumelt, R. P. (1984): Towards a strategic theory of the firm. In: Lamb, R. B. (Hrsg.): Competitive Strategic Management. Prentice-Hall: Englewood Cliffs, S. 556-570, hier: S. 566-568. Vgl. auch: Lippman, S. A. / Rumelt, R. P. (1982): Uncertain Imitability: An Analysis of Interfirm Differences in Efficiency under Competition. In: Bell Journal of Economics, Vol. 13, S. 418-438, hier: S. 419f..
106 Vgl. Amit, R. / Schoemaker, P. J. H. (1993): Strategic Assets and Organizational Rent. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 33-46, hier: S. 37-40; Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 105-112; Barney, J. B. (1997): Gaining and Sustaining Competitive Advantage. Reading, MA: Addison-Wesley Publishing Company, S. 159-165; Dierickx, I. / Cool, K. (1989): Asset Stock Accumulation and Sustainability of Competitive Advantage. In: Management Science, Vol. 35, S. 1504-1511, hier: S. 1507-1509; Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 186-190. 107
Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 102. (Hervorhebungen im Original)
44
BARNEY (1997)
PETERAF (1993)
Werthaftigkeit
Heterogenität
Seltenheit
Nichtimitierbarkeit
Einsetzbarkeit
Immobilität
Wettbewerbsvorteil
Ex post Wettbewerbsbeschränkung Ex ante Wettbewerbsbeschränkung
Abbildung 5: Erfolgskritische Ressourceneigenschaften nach BARNEY und PETERAF 108 Im Rahmen dieses Kausalzusammenhanges, der im Grunde genommen das Wesen der eingangs vorgestellten Resource-Conduct-Performance Hypothese wiedergibt, wird der Unternehmenserfolg demnach als Resultat einer ressourceninduzierten Anders- bzw. Einzigartigkeit beschrieben. Dies impliziert, dass sich im Wettbewerb einzigartige, heterogen ausgestattete Unternehmen gegenüberstehen, die aufgrund verschiedenartiger Ressourcenausstattungen auch unterschiedliche Potenziale zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen aufweisen.109 Damit zeigt sich ferner, dass die Evaluation der Ressourcen bezüglich ihrer Erfolgswirksamkeit im Hinblick auf die Wettbewerber bzw. dem Marktgeschehen erfolgt, denn schließlich können die Attribute wie z. B. Seltenheit oder Imitierbarkeit per definitionem erst in einem zumindest paarweise erfolgten Vergleich mit der Konkurrenz belegt werden. Der
108
Quelle: In Anlehnung an: Foss, N. J. / Knudsen, T. (2003): The Resource-Based Tangle: Towards a Sustainable Explanation of Competitive Advantage. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 24, S. 294.
109 Vgl. z. B. Collis, D. J. (1994): How Valuable are Organizational Capabilities? In: Strategic Management Journal, Vol. 15, S. 143-152, hier: S. 143f.; Lado, A. A. / Zhang, M. J. (1998): Expert Systems, Knowledge Development and Utilization, and Sustained Competitive Advantage: A Resource-Based Model. In: Journal of Management, Vol. 24, S. 489-509, hier: S. 490f.; Reed, R. / DeFillippi, R. J. (1990): Causal Ambiguity, Barriers to Imitation, and Sustainable Competitive Advantage. In: Academy of Management Review, Vol. 15, S. 88-102, hier: S. 89f.; Teece, D. J. / Pisano, G. / Shuen, A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 509-533, hier: S. 510f..
45
weithin geäußerten Feststellung, dass der ressourcenorientierte Ansatz lediglich auf die internen Erfolgsfaktoren Bezug nimmt, kann demnach nur begrenzt zugestimmt werden.110
2.3.2 Zum Wesen des Wettbewerbsvorteils im ressourcenorientierten Ansatz Für den ressourcenorientierten Ansatz zeigt sich somit insgesamt, dass der unternehmerische Erfolg als eine Funktion von effizienten Akquisitionsentscheidungen auf unvollkommenen Faktormärkten anzusehen ist. Begründet wird dies durch den Umstand, dass die Güte der Ressourcenakquisition sowie des Ressourcenmanagements einen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der aneignungsfähigen ressourceninhärenten Rente hat.111 Während die Erfolgsaussichten eines Unternehmens im marktorientierten Ansatz über die Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens auf die Wettbewerbsbedingungen ihren Ursprung haben, liegt der Unternehmenserfolg im Rahmen der Argumentationslogik des RBV dagegen ursächlich in der Proaktivität (aber auch in dem Glück) bei der Akkumulation vergleichsweise einzigartiger Ressourcen begründet.112 Die Proaktivität ist als maßgebliches Erfolgskriterium zu bezeichnen, da die Aneignung der Ressourcen im Vorfeld der Identifizierung ihrer tatsächlichen Werthaftigkeit durch die Wettbewerber erfolgen muss, da im anderen Fall der strategische Ressourcenwert durch nachfrageinduzierte Preissteigerungen erodiert werden würde. Kann einem Unternehmen diese prognostische Fähigkeit, die auch als absorptive Kapazität113 bezeichnet wird, zugesprochen werden, hat es einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz, da die Res-
110 Vgl. z. B. Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier: S. 31. Grant, R. M. (1991): The Resource-Based Theory of Competitive Advantage: Implications for Strategy Formulation. In: California Management Review, Vol. 33, S. 114-135, hier: S. 131-133. 111
Der Aspekt des Ressourcenmanagements wird insbesondere von GRANT herausgestellt, der die Nachhaltigkeit eines Ressourcenvorteils über die Managementfähigkeit bestimmt, die Ressourcenbasis kontinuierlich weiterentwickeln, erneuern und im Hinblick auf ihre Erfolgsattribute überprüfen zu können. Vgl. Grant, R. M. (1991): The Resource-Based Theory of Competitive Advantage: Implications for Strategy Formulation. In: California Management Review, Vol. 33, S. 114-135, hier: S. 116-123.
112
Vgl.z. B. Barney, J. B. (1986): Strategic Factor Markets: Expectations, Luck, and Business Strategy. In: Management Science, Vol. 32, S. 1231-1241, hier: S. 1233f.; Denrell, J. (2004): Random Walks and Sustained Competitive Advantage. In: Management Science, Vol. 50, S. 922-934, hier: S. 922f..
113 Vgl. z. B. Cohen, W. M. / Levinthal, D. A. (1990): Absorptive Capacity: A new Perspective on Learning and Innovation. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 35, S. 128-152, hier: S. 128; Lane, P. J. / Koka, B. R. / Pathak, S. (2006): The Reification of Absorptive Capacity: A critical Review and Rejuvenation of the Construct. In: Academy of Management Review, Vol. 31, S. 833-863, hier: S. 836-839; Lane, P. J. / Lubatkin, M. (1998): Relative Absorptive Capacity and Interorganizational Learning. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 431-477, hier: S. 436-466; Tsai, W. (2001): Knowledge Transfer in Interorganizational Networks: Effects of Network Position and Absorptive Capacity on Business Unit Innovation and Performance. In: Academy of Management Journal, Vol. 44, S. 996-1004, hier: S. 996f.; van den Bosch, F. A. J. / Volberda, H. W. / de Boer, M. (1999): Coevolution of Firm Absorptive Capacity and Knowledge Environment: Organizational Forms and Combinative Capabilities. In: Organization Science, Vol. 10, S. 551-568, hier: S. 552f..
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sourcenausstattung zu einem vergleichsweise geringen Preis erworben werden konnte, was eine überdurchschnittliche Aneignung der mit den Ressourcen tatsächlich verbundenen Renten ermöglicht.114 Folglich resultiert ein Wettbewerbsvorteil aus der Fähigkeit eines Unternehmens, diese spezifischen Ressourcen identifizieren, aneignen und vor dem Zugriff der Wettbewerber schützen zu können.115 Entsprechend wird im Rahmen des ressourcenorientierten Ansatzes der Wettbewerbsvorteil und damit der Erfolg eines Unternehmens folglich maßgeblich durch die Seltenheit kritischer Produktionsfaktoren und der individuellen Fähigkeit, diese mit einer möglichst hohen PreisWert-Disparität anzueignen, bestimmt.116 Die Höhe der resultierenden Rentenströme ergibt sich nun daraus, inwiefern die Ressourcenbestände dem VRIO-Kriterium entsprechen. Entgegen der Logik des marktorientierten Ansatzes, nach der ein Wettbewerbsvorteil aus aussichtsreichen Absatzmarktcharakteristika resultiert, wird in der ressourcenorientierten Argumentation ein Konkurrenzvorteil durch günstige Faktormarktbedingungen determiniert. Streng genommen bedeutet dies, dass der Erfolg eines Unternehmens beim erstgenannten Ansatz kausal vom Absatzmarkt, beim letztgenannten dagegen vom Beschaffungsmarkt bestimmt wird, was im Endeffekt zu einer modellimpliziten Exogenisierung des Wettbewerbserfolgs führt. Zu begründen ist dies dadurch, dass konzeptionell gesehen Unternehmen in diesen beiden Ansätzen lediglich Positionierungs- oder Akquisitionsentscheidungen treffen und rentengenerierende Veredelungsprozesse über das Ressourcenmanagement hinaus entsprechend ausgeblendet werden.117 Der Erfolg eines Unternehmens wird damit überwiegend zu einem
114 Vgl. z. B.: Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1126f.. 115 Vgl. auch Ghemawat, P. (1991): Sustainable Advantage. In: Montgomery, C. A. / Porter, M. E. (Hrsg.): Strategy: Seeking and Securing Competitive Advantage. Boston: Harvard Business Press, S. 27-38, hier: S. 31-34. 116 Vgl. Barney, J. B. (1986): Strategic Factor Markets: Expectations, Luck, and Business Strategy. In: Management Science, Vol. 32, S. 1231-1241, hier: S. 1238f.; Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 106; Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 180-182; Williamson, O. E. (1991): Strategizing, Economizing, and Economic Organization. In: Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 75-94, hier: S. 81f.. 117 Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf verweisen, dass innerhalb des ressourcenorientierten Ansatzes zwischen Akquisitionsentscheidungen und Entscheidungen zum Ressourcenmanagement unterschieden wird. Dies bedeutet, dass sich im RBV im Grunde genommen zwei Subdenkschulen entwickelt haben, deren Analysefokus sich diesbezüglich unterscheidet. Die akquisitionsorientierten, d. h. auf die Ressourceneigenschaften abstellenden Arbeiten (Entdecken, Nutzen, Sichern von Ressourcen) lassen sich der sog. „Strukturschule“ (structural school) zuordnen, während die Untersuchungen zum effektiven Ressourcemanagement (Aufbauen, Erneuern, Ersetzen von Ressourcen) in die „Prozessschule“ (process school) eingeordnet werden können, wobei die Grenzen nicht immer trennscharf zu ziehen sind. Vgl. Schulze, W. S. (1994): The two Schools of Thought in Resource-based Theory. In: Shrivastava, P. / Huff, A. S. / Dutton, J. E. (Hrsg.): Advances in Strategic Manage-
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Aneignungsproblem „degradiert“, da resource-picking und market-picking Strategien als unternehmerische Erfolgsquellen vordergründig behandelt werden, wohingegen der Erfolgsbeitrag unternehmensinterner Transformationsprozesse kaum eine Beachtung erfährt.118 Damit liegt der Unternehmenserfolg entweder im Absatzmarkt oder im Inputfaktor, also vornehmlich unternehmensextern begründet.
2.4 Generisches Erklärungsmuster III: Die kompetenzorientierte Begründung von Wettbewerbsvorteilen Der zeitlich gesehen aktuellste Ansatz zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen kombiniert eine Vielzahl der bereits diskutierten Aspekte und ist durch die zusätzliche Integration von Erkenntnissen bspw. aus der Soziologie (v. a. aus der System- und Sozialkapitaltheorie) weniger partialanalytisch, als die überwiegend in der Volkswirtschaftslehre verwurzelten marktund ressourcenorientierten Denkrichtungen. Ausgangspunkt des kompetenzorientierten Ansatzes (engl. competence-based view of the firm bzw. CBV) ist die Annahme, dass nicht nur die Verfügungsgewalt über strategische bzw. kritische Ressourcen das Erreichen eines Wettbewerbsvorteils bestimmt, sondern insbesondere die Kompetenz eines Unternehmens, das Potenzial der vorhandenen Ressourcen auch nutzen zu können.119 Insofern setzt die Erklärung unternehmerischen Erfolges zeitlich gesehen im Anschluss an die Ressourcenakquisition an, wobei nun insbesondere die effektive und effiziente Koordination des Ressourcenpotenzials in den konzeptionellen Vordergrund rückt. Vor diesem Hintergrund kann der Kompetenzansatz auch als eine Fortführung bzw. Weiterentwicklung des RBV verstanden werden,120 wobei
ment, Vol. 10A, Greenwich u. a.: Jai Press, S. 127-151, hier: S. 127-137; Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 175-179. 118 Vgl. z. B. Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1127; Makadok, R. (2001): Toward a Synthesis of the Resource-based and Dynamic-Capability Views of Rent Creation. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 387-401, hier: S. 387-391. 119 Vgl. z. B. Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier: S. 31f.; Freiling, J. / Gersch, M. / Goecke, C. (2006): Notwendige Basisentscheidungen auf dem Weg zu einer Competence-based Theory of the Firm. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 4-34, hier: S. 19-22; Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Competence-based Strategic Management: Concepts and Issues for Theory, Research, and Practice. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 3-42, hier: S. 7-9. 120 Bezogen auf die Klassifikation nach SCHULZE, ist der konzeptionelle Ursprung insbesondere im Zusammenhang mit der Prozessschule des ressourcenorientierten Ansatzes zu sehen, da diese auf die Ressourcenentwicklungsfähigkeit rekurriert. Vgl. Schulze, W. S. (1994): The two Schools of Thought in Resource-based Theory. In: Shrivastava, P. / Huff, A. S. / Dutton, J. E. (Hrsg.): Advances in Strategic Management, Vol. 10A, Greenwich u. a.: Jai Press, S. 127-151, hier: S. 127-137.
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sich jedoch wesentliche Unterscheidungspunkte im Hinblick auf die Art und Weise der Rentengenerierung offenlegen lassen, was prinzipiell darin begründet liegt, dass die Black-Box »Unternehmung« über dessen Ressourcenkonfiguration hinaus geöffnet wird.121
2.4.1 Die Grundlogik des kompetenzorientierten Ansatzes Diesen ersten Überlegungen folgend wird evident, dass die unternehmerische Erfolgsgenerierung im Rahmen des kompetenzorientierten Ansatzes über die Ressourcenkoordinationskompetenz eines Unternehmens beschrieben wird. Entsprechend wird unterstellt, dass Unternehmen erfolgreicher als ihre Konkurrenten sind, wenn sie die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcenbestände effizienter und effektiver orchestrieren können.122 Diese Grundlogik vermag die noch dem RBV gegenüber geäußerte Kritik eines tautologischen Aussagesystems zu umschiffen, denn „[a]t its worst, the resource-based view is circular. Successful firms are successful because they have unique resources. They should nurture these resources to be successful.” 123
Folglich stellen die Charakteristika der Unternehmensressourcen keine hinreichende Erfolgsbedingung dar, denn nach dem CBV-Erklärungsmuster ließen sich Wettbewerbserfolge ebenso über Inputfaktoren realisieren, die nicht dem VRIO-Kriterium entsprechen. Vielmehr bedarf es eines Sets an variabel einsetzbaren Kompetenzen, die die Potenziale der vorhandenen Ressourcenbestände nutzbar machen. Folglich gelten Kompetenzen als die zentrale Erklärungsvariable des Unternehmenserfolges, weshalb dem kompetenzorientierten Ansatz analog zu den vorherigen Ausführungen auch das Verfolgen einer Competence-ConductPerformance Hypothese zugeschrieben werden kann. Dementsprechend ist der Unternehmenserfolg (Performance) als eine Funktion der einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Kompetenzen (Competence) zu verstehen, die das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten
121
Vgl. z. B. Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: SchäfferPoeschel, S. 359; Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Competence-based Strategic Management: Concepts and Issues for Theory, Research, and Practice. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 3-42, hier: S. 6.
122 Vgl. z. B. Freiling, J. (2002): Strategische Positionierung auf der Basis des »Produktivitätsgrenzen-Ansatzes«. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 379-397, hier: S. 386f.; Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier S. 29; Galunic, D. C. / Rodan, S. (1998): Resource Recombinations in the Firm: Knowledge Structures and the Potential for Schumpeterian Innovation. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 1193-1201, hier: S. 1193-1195. 123 Porter, M. E. (1991): Towards a Dynamic Theory of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 95-117, hier: S. 108.
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im Wettbewerb (Conduct) maßgeblich determinieren. Einschränkend muss hierzu jedoch angemerkt werden, dass im Hinblick auf die begriffliche Spezifikation der Kompetenzen in der Literatur zum Teil erhebliche Divergenzen bestehen, weshalb es zunächst erforderlich ist, die nachfolgenden Ausführungen auf einem einheitlichen Begriffsverständnis aufzubauen.124 Bei der Sichtung der zum kompetenzorientierten Ansatz zählenden Arbeiten eröffnet sich eine diffuse Begriffswelt, die über das amorphe Ressourcenverständnis im RBV weit hinauszugehen scheint.125 Zu den in diesem Zusammenhang aufzuzählenden Begriffen zählen bspw. Fertigkeiten (skills)126, entscheidende Kapabilitäten (distinctive capabilities)127, organisatorische Kapabilitäten (organizational capabilities)128, dynamische Kapabilitäten (dynamic capabilities)129, strategische Kapabilitäten (strategic capabilities)130, Kernkapabilitäten (core capabilities)131, dynamische Kompetenz (dynamic competence)132 sowie Kernkompetenzen (core
124 In diesem Zusammenhang muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass sich die nachfolgende Entwicklung eines transparenten Sprachhorizonts überwiegend auf unternehmerische Kompetenzen in ihrer Gesamtheit konzentriert. Durch die Einnahme dieser Makroperspektive können individuelle Kompetenzen, die allgemein als Grundlage für die Entstehung unternehmerischer bzw. organisationaler Kompetenzen konzeptionalisiert werden, in der folgenden Betrachtung keine weitere Berücksichtigung finden. Insofern wird (nicht zuletzt auch aus Gründen der Übersichtlichkeit) die Schwäche der Literatur zum strategischen Kompetenzmanagement auch in dieser Arbeit fortgeschrieben, in der es nach wie vor an einem Ansatz mangelt, der individuelle und organisatorische Kompetenzen integriert behandelt. Für eine ausführliche Diskussion zu dieser wichtigen Problemstellung vgl. Wagner, D. / Debo, S. / Bültel, N. (2005): Individuelle und organisationale Kompetenzen: Schritte zu einem integrierten Modell. QUEM-report Heft 94, S. 50-148. 125 Vgl. Jacobides, M. G. (2006): The Architecture and Design of Organizational Capabilities. In: Industrial and Corporate Change, Vol. 15, S. 151-171, hier: S. 152; Wagner, D. / Debo, S. / Bültel, N. (2005): Individuelle und organisationale Kompetenzen: Schritte zu einem integrierten Modell. QUEM-report Heft 94, S. 50-148, hier: S. 53. 126 Vgl. z. B. Aaker, D. A. (1989): Managing Assets and Skills: The Key to a Sustainable Competitive Advantage. In: California Management Review, Vol. 31, S. 91-106, hier: S. 91. Klein, J. A. / Edge, G. M. / Kass, T. (1991): Skill-based Competition. In: Journal of General Management, Vol. 16, S. 1-15, hier: S. 4-8. 127 Vgl. z. B. Hitt, M. A. / Ireland, R. D. (1985): Corporate Distinctive Competence, Strategy, Industry and Performance. In: Strategic Management Journal, Vol. 6, S. 273-293, hier: S. 273f.; Snow, C. C. / Hrebiniak, L. G. (1980): Strategy, Distinctive Competence, and Organizational Performance. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 25, S. 317-336, hier: S. 317f.. 128 Vgl. z. B. Collis, D. J. (1994): How Valuable are Organizational Capabilities? In: Strategic Management Journal, Vol. 15, S. 143-152, hier: S. 143f.; Makadok, R. (2001): Toward a Synthesis of the Resource-based and Dynamic-Capability Views of Rent Creation. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 387-401, hier: S. 388f. 129
Vgl. z. B. Eisenhardt, K. M / Martin, J. A. (2000): Dynamic Capabilities: What are they? In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1105-1121, hier: S. 1105f.; Teece, D. J. / Pisano, G. / Shuen, A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 509-533, hier: S. 509f..
130 Vgl. z. B. Stalk, G. / Evans, P. / Shulman, L. E. (1992): Competing on Capabilities: The new Rules of Corporate Strategy. In: Harvard Business Review, Vol. 70, S. 57-69, hier: S. 57f.. 131
Vgl. z. B. Leonard-Barton, D. (1992): Core Capabilities and Core Rigidities: A Paradox in Managing New Product Development. In: Strategic Management Journal, Vol. 13, S. 111-125, hier: S. 111f..
132
Vgl. z. B. SubbaNarasimha, P. N. (2001): Strategy in Turbulent Environments: The Role of Dynamic Competence. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 22, S. 201-212, hier: S. 201f..
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competences)133.134 Verbunden mit der die Aneignungsfähigkeit von Ressourcen determinierenden absoptiven Kapazität135 erstreckt sich das hierbei verwendete Begriffsspektrum über Fertigkeiten (skills), Kapabilitäten (capabilities) und Kompetenzen (competences). Zur terminologischen Abgrenzung dieser Begriffe hat SEISREINER eine Klassifikation entwickelt, nach der sich die in diesem Ansatz als zentral erweisende Analyseeinheit »Kompetenz« vergleichsweise trennscharf erfassen lässt.136 Ausgangspunkt seiner Überlegungen bildet die Hypothese, dass Unternehmen verschiedenartige Transformationspotenziale aufweisen, die zu der Umwandlung von Ressourcen (Inputs) in erfolgskritische Aktivitäten (Outputs) beitragen. Unter diesen Fähigkeitspotenzialen sind die Wertungs-, Erklärungs-, Gestaltungs-, Lenkungsund Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens zu subsumieren.137 Während die Wertungsfähigkeit eng im Zusammenhang mit der „richtigen“ Evaluation der vorhandenen Ressourcenpotenziale zu sehen ist, beschreibt die Erklärungsfähigkeit im Grunde genommen die kausale Spezifikation der identifizierten Potenziale im Hinblick auf ihre (innovative) marktliche Verwertbarkeit. Die Gestaltungsfähigkeit ist indessen fest mit der zielführenden Verknüpfung der Ressourcenbestände verbunden, um die identifizierten Potenziale optimal (aus)nutzen zu können. Die Gestaltungsfähigkeit eines Unternehmens gibt entsprechend Aufschluss über die tatsächlichen Umsetzungsmöglichkeiten innerhalb eines Unternehmens, denn nicht alle identifizierbaren Ressourcenpotenziale lassen sich problemlos in die bestehende Unternehmensarchitektur integrieren. Entsprechend vordergründig wird in diesem Zusammenhang die Adjustierung bestehender Transformationsprozesse und die Koordination der Potenzialfaktoren betont. Mit der Lenkungsfähigkeit lässt sich die unternehmerische Anpassungs-, respektive Reaktionsfähigkeit in Verbindung bringen, die einen Aufschluss über den Fit zwischen Transformationspotenzial und Marktanforderung gibt. In diesem Zusammenhang geht es folglich um die Utilisation vorhandener Ressourcenpotenziale im Hinblick auf ihre marktliche Eig-
133 Vgl. z. B. Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1990): The Core Competence of the Corporation. In: Harvard Business Review, Vol. 68, S. 79-93, hier: S. 79f.. 134 Da entsprechend häufig auf den Begriff „Kapabilität“ (capability) rekurriert wird, werden teilweise competence-based und capability-based view of the firm synonym verwendet. Vgl. z.B. Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 359-362. Vgl. auch Wagner, D. / Debo, S. / Bültel, N. (2005): Individuelle und organisationale Kompetenzen: Schritte zu einem integrierten Modell. QUEM-report Heft 94, S. 50-148, hier: S. 53-56. 135
Vgl. z. B. Vgl. z. B. Cohen, W. M. / Levinthal, D. A. (1990): Absorptive Capacity: A new Perspective on Learning and Innovation. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 35, S. 128-152, hier: S. 128.
136 Vgl. Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 180-204. 137
Vgl. Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 183.
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nung respektive ihrer optimalen Verwendungsmöglichkeit. Als abschließendes Transformationspotenzial rekurriert SEISREINER auf die unternehmerische Entwicklungsfähigkeit, die eine die anderen Fähigkeiten umspannende Klammer darstellt und den unternehmerischen Entwicklungsprozess als Ergebnis dieses Fähigkeitenensembles abbildet.138 Im Anschluss an die Darstellung der Transformationsprozesse eines Unternehmens lassen sich nun auch konkrete Aussagen zur terminologischen Bestimmung und Abgrenzung der im Literaturvergleich mitunter unterschiedlich gebrauchten Begriffe Kapazität, Kapabilität, Fertigkeit und Kompetenz herleiten. So argumentieren bspw. COHEN und LEVINTHAL, dass „[t]he ability to exploit external knowledge is … a critical component of innovative capabilities. We argue that the ability to evaluate and utilize outside knowledge is largely a function of the level of prior related knowledge. … Thus, prior related knowledge confers an ability to recognize the value of new information, assimilate it, and apply it to commercial ends. These abilities collectively constitute what we call a firm’s “absorptive capacity”.139
Diesen Ausführungen folgend zeigt sich, dass die Kapazität ein untergeordnetes Konstrukt einer Kapabilität darstellt, die sich über die evaluative Informationsverarbeitungsfähigkeit definiert. Die Kapazität eines Unternehmens ist daher an der Fähigkeit eines Unternehmens zu messen, das absolut verfügbare Ressourcenpotenzial identifizieren zu können. An dieser Stelle sei daher auf die inhaltliche Ähnlichkeit zu der unternehmerischen Wertungsfähigkeit verwiesen, weshalb hierbei ein kongruenter Zusammenhang unterstellt werden kann. Im Hinblick auf die Spezifikation unternehmerischer Kapabilitäten, als eine offensichtlich auf Kapazitäten aufbauende Fähigkeit, zeigen KOGUT und ZANDER, dass „[c]reating new knowledge does not occur in abstraction from current abilities. Rather, new learning, such as innovations, are products of a firm’s combinative capabilities to generate new applications from existing knowledge. By combinative capabilities, we mean the intersection of the capability of a firm to exploit its knowledge and the unexplored potential of the [resources]…”.140
138
Vgl. Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 186.
139
Cohen, W. M. / Levinthal, D. A. (1990): Absorptive Capacity: A new Perspective on Learning and Innovation. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 35, S. 128-152, hier: S. 128. (Hervorhebung nicht im Original) 140
Kogut, B. / Zander, U. (1992): Knowledge of the Firm, Combinative Capabilities, and the Replication of Technology. In: Organization Science, Vol. 3, S. 383-397, hier: S. 391. (Hervorhebung anders als im Original) Ähnlich argumentieren auch AMIT und SCHOEMAKER, denn „[c]apabilities … refer to a firm’s capacity to deploy Resources, usually in combination, using organizational processes, to affect a desired end. They are informationbased, tangible or intangible processes that are firm-specific and are developed over time through the complex interactions among the firm’s Resources.” Amit, R. / Schoemaker, P. J. H. (1993): Strategic Assets and Organizational Rent. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 33-46, hier: S. 35. (Hervorhebungen im Original)
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Vor diesem Hintergrund lassen sich demnach Kapabilitäten für die Nutzbarmachung der vorhanden Informationen verantwortlich machen. Sie beschreiben die Fähigkeit eines Unternehmens, die Ressourcenpotenziale mit den marktlichen An- und Herausforderungen kausal in Einklang zu bringen bzw. darüber hinaus neuartige Verwendungsmöglichkeiten (sog. Opportunitäten)141 offenzulegen. Hierbei wird die Verbindung zur Erklärungsfähigkeit offensichtlich, womit sich Kapabilitäten in den unternehmerischen Transformationsprozess integrieren lassen. Zu unterscheiden sind diese, eher kognitiven Fähigkeiten von den mechanischen Fertigkeiten, die überwiegend auf die Assemblierungsfähigkeit eines Unternehmens fokussieren. Ausgehend von AAKERs Feststellung, dass Fertigkeiten im Zusammenhang mit relativen Effizienz- und Effektivitätsvorteilen bei z. B. Produktionsprozessen oder Marketingaktivitäten zu sehen sind142, argumentiert MAJUMBDAR: „One reason why heterogeneity among firms occurs or there are resource utilization differences is because of the existence of a unique coordination process within firms. Coordination involves allocation of specific resources towards activities that take place. … Routines … are characterized by explicit rules as well as tacit responses made on the basis of implicit reactions; but routines are lower-order organizational abilities in undertaking activities. The analogous higher-order skill that enables a firm to be more successful than its counterparts is in coordination, which initially involves the allocation of resources as well as the assessment of activity interdependencies.”143
In dieser Darstellung werden Fertigkeiten als koordinative Fähigkeiten begriffen, die die Ressourcen gemäß ihres (interdependenten) Potenzials der besten Verwendungsmöglichkeit zuführen, um die identifizierten Opportunitäten zu besetzen.144 Fertigkeiten haben dieser Logik folgend also eine Gestaltungsfunktion, womit wiederum der Bezug zu SEISREINERs Typologie der Transformationsprozesse hergestellt werden kann. Schlussendlich bedarf es noch einer Konkretisierung des Kompetenzbegriffs, der konsequenterweise im Zusammenhang mit der
141
Vgl. z: B. Denrell, J. / Fang, C. / Winter, S. G. (2003): The Economics of Strategic Opportunity. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 977-990, hier: S. 977f..
142
Vgl. Aaker, D. A. (1989): Managing Assets and Skills: The Key to a Sustainable Competitive Advantage. In: California Management Review, Vol. 31, S. 91-106, hier: S. 91.
143 Majumbdar, S. K. (1998): On the Utilization of Resources: Perspectives from the U.S. Telecommunications Industry. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 809-831, hier: S. 811. (Hervorhebung nicht im Original) In diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen von KLEIN, EDGE und KASS zu sehen, die Fertigkeiten als „….systematic property [sehen], a property of the organization as a whole. … Corporate skill can take years to build up; it is a dynamic concept which simultaneously involves both thought and action and ist constantly being updated and modified through use.” Klein, J. A. / Edge, G. M. / Kass, T. (1991): Skill-based Competition. In: Journal of General Management, Vol. 16, S. 1-15, hier: S. 2. (Hervorhebung nicht im Original) 144
Vgl. z. B. Teece, D. J. (1998): Capturing Value from Knowledge Assets: The New Economy, Markets for Know-How, and Intangible Assets. In: California Management Review, Vol. 40, S. 55-79, hier: S. 74.
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unternehmerischen Lenkungsfähigkeit steht. MAHONEY unterstützt diese These und definiert (Kern-)Kompetenzen als „….function of the tacit understanding [m. a. W. die Kapazität; Anm. des Verf.], skills and resources that a firm accumulates over time. Core competences that accumulate over time must satisfy a customer need better than a competitor.”145
Gleichsam urteilen TEECE, PISANO und SHUEN, denn „[c]ore competences must … be derived by looking across the range of a firm’s (and its competitors) products and services. …The degree to which a core comepetence is distinctive depends on how well endowed the firm is relative to its competitors, and how difficult it is for competitors to replicate its competences.”146
Diesen Überlegungen zufolge sind die Kompetenzen eines Unternehmens – einmal abstrahiert von dem Präfix „Kern“ – als Fähigkeiten zu beschreiben, die den marktlichen Anforderungen entsprechen bzw. über diese definiert werden. Damit sind sie der engste Fähigkeitsbegriff, dessen Charakter nur im Vergleich zum Wettbewerb und damit über den vermittelbaren Kundennutzen zu deduzieren ist.147 Im Kern spiegeln Kompetenzen demzufolge den Fit eines Unternehmens mit seiner Wettbewerbsumwelt wider, wodurch das absolut zur Verfügung stehende Ressourcenpotenzial eine Relativierung im Hinblick auf dessen tatsächliche Verwertungsmöglichkeit durch ein Unternehmen im Wettbewerb erfährt. Die hier angestellten Überlegungen sind in der Abbildung 6 noch einmal im Gesamtzusammenhang dargestellt, die auch die hier nicht weiter vertiefte Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens über Feedback- bzw. Rückkopplungseffekte zwischen den einzelnen Fähigkeitsebenen abbildet.
145 Mahoney, J. T. (1995): The Management of Resources and the Resource of Management. In: Journal of Business Research, Vol. 33, S. 91-101, hier: S. 92. (Hervorhebungen anders als im Original) 146
Teece, D. J. / Pisano, G. / Shuen, A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 509-533, hier: S. 516. (Hervorhebungen nicht im Original)
147 Vgl. auch Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1990): The Core Competence of the Corporation. In: Harvard Business Review, Vol. 68, S. 79-93, hier: S. 79-82.
54
Absolutes Ressourcenpotenzial
Absatzmarkt
„Evaluation“
Kapazitäten
„Spezifikation“
Kapabilitäten
„Koordination“
Fertigkeiten
„Utilisation“
Kompetenzen
U n t e r n e h mu n g
Ressourcenbestand
Relatives Ressourcenpotenzial
Faktormarkt
W e t t b e w e r b svorteil Unternehmensentwicklung
Abbildung 6: Einordnung von Kompetenzen in das System unternehmerischer Fähigkeiten148 Vor diesem Hintergrund werden die Unternehmen im CBV also nicht mehr ausschließlich als heterogene Ressourcenbündel, sondern als verschiedenartige Kompetenzsysteme mit entsprechend unterschiedlich ausgeprägten (ressourcenverwertenden) Fähigkeiten und Logiken der Unternehmensführung verstanden.149 Diesen Überlegungen folgend lassen sich Unternehmen auch als offene (Kompetenz-)Systeme charakterisieren, da die wettbewerbliche Dynamik den Aufbau verschiedenartiger Kompetenzen erfordert, die damit einem kontinuierlichen Evaluierungs- und Selektionsprozess unterliegen.150 Die Offenheit und damit auch die Variabilität des Systems Unternehmung sowie dessen Führung liegt dadurch ursächlich in der divergierenden Wertungs- und Erklärungsfähigkeit eines Unternehmens begründet, die durch die marktinduzierten Rückkopplungseffekte eine kontinuierliche Adjustierung erfahren. Dieser fortdauernde
148 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 198. 149 Vgl. z. B. Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier: S. 31; Sanchez, R. / Heene, A. (1996): A Systems View of the Firm in Competence-based Competition. In: Sanchez, R. / Heene, A. / Thomas, H. (Hrsg.): Dynamics of Competence-based Competition: Theory and Practice in the New Strategic Management. Oxford: Elsevier Pergamon, S. 39-62, hier: S. 43f.; Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Reinventing Strategic Management: New Theory and Practice for Competence-based Competition. In: European Management Journal, Vol. 15, S. 303-317, hier: S. 307f.. 150 Vgl. z. B. Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Competence-based Strategic Management: Concepts and Issues for Theory, Research, and Practice. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 3-42, hier: S. 11.
55
Anpassungsprozess bei der Evaluation des absoluten Ressourcenpotenzials führt zu einer Aufnahme neuer und zu einem Verwerfen alter Interpretationen der Transformationszusammenhänge (sog. Strategische Logiken), der im Vergleich zu den Wettbewerben durch die Pfadabhängigkeit der Entwicklung unterschiedlich abläuft.151 Dies zusammenfassend argumentieren SANCHEZ und HEENE: „Firms are characterized as open systems which pursue strategic goals that comprise sets of objectives distinctive to each firm. In pursuit of these goals, each firm develops and follows a rationale or strategic logic for achieving some level of goal attainment. The strategic logic shapes the management processes that determine how a firm identifies, acquires, and uses resources. … Firms can therefore be fundamentally distinguished not only by their resource endowments … but also by their distinctive sets of strategic goals, by their strategic logics for achieving their distinctive goals, and by the different ways in which firms coordinate deployments of … resources in pursuit of their goals.”152
Als Folge dieser systemischen Offenheit weisen Unternehmen divergierende systemkonstituierende Elemente auf, was dazu führt, dass Unternehmen variable Rationalitäten im Hinblick auf den Aufbau (sog. Competence Building) und die Ausbeutung (sog. Competence Leveraging) von Ressourcenpotenzialen verfolgen.153 Die Heterogenität von Unternehmen und deren Performanz im Wettbewerb resultiert demnach aus den individuell verschiedenartig verfolgten
Rationalitäten 154
cen(aus)nutzung. ternehmens
damit
(m. a. W.
Cognitive
Maps)
hinsichtlich
adäquater
Ressour-
Im kompetenzorientierten Ansatz wird der Wettbewerbserfolg eines Unwieder
endogenisiert,
da
unternehmensspezifische
lern-
und
entwicklungsinduzierte Pfadabhängigkeiten im Transformationsprozess zu unterschiedlichen Handlungsoptionen im Rahmen wettbewerblicher Auseinandersetzungen führen.155
151 Vgl. auch Ackermann, R. (2003): Die Pfadabhängigkeitstheorie als Erklärungsansatz unternehmerischer Entwicklungsprozesse. In: Schreyögg, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Managementforschung 13, Wiesbaden: Gabler, S. 225-255, hier: S. 229-231; Mintzberg, H. / Ahlstrand, B. / Lampel, J. (1998): Strategy Safari. A Guided Tour through the Wilds of Strategic Management. New York: Free Press, S. 160f.. 152 Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Competence-based Strategic Management: Concepts and Issues for Theory, Research, and Practice. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 3-42, hier: S. 7. (Hervorhebungen im Original) 153 Vgl. z. B. Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier: S. 32-34; Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1993): Strategy as Stretch and Leverage. In: Harvard Business Review, Vol. 71, S. 75-84, hier: S. 75f.; Sanchez, R. / Thomas, H. (1996): Strategic Goals. In: Sanchez, R. / Heene, A. / Thomas, H. (Hrsg.): Dynamics of Competence-based Competition: Theory and Practice in the New Strategic Management. Oxford: Elsevier Pergamon, S. 63-84, hier: S. 66f.. 154
Vgl. z. B. Mintzberg, H. / Ahlstrand, B. / Lampel, J. (1998): Strategy Safari. A Guided Tour through the Wilds of Strategic Management. New York: Free Press, S. 160f..
155 Vgl. z. B. Dierickx, I. / Cool, K. (1989): Asset Stock Accumulation and Sustainability of Competitive Advantage. In: Management Science, Vol. 35, S. 1504-1511, hier: S. 1506f.; Leonard-Barton, D. (1992): Core Capabilities and Core Rigidities: A Paradox in Managing New Product Development. In: Strategic Management Journal, Vol. 13, S. 111-125, hier: S. 121-123; Levitt, B. / March, J. G. (1988): Organizational Learning. In:
56
Neben diesem unternehmensinternen Bezug wird im CBV folglich auch der wettbewerbliche Kontext thematisiert, da eine Unternehmenskompetenz letztlich nur über die marktliche Utilisierbarkeit charakterisiert werden kann.156 Richtigerweise wird hierbei zwischen kompetitiven Auseinandersetzungen auf dem Faktor- und auf dem Absatzmarkt unterschieden, wobei bei ersterem auf die ressourcenorientierte Argumentationslogik zurückgegriffen wird. Grundlage für den faktormarktlichen Wettbewerb bildet in diesem Zusammenhang die Unterscheidung in unternehmensspezifische (firm-specific) Ressourcen und in Inputfaktoren, auf die alle Unternehmen zugreifen können (firm-addressable resources).157 Durch die unterschiedliche Kapazität der Unternehmen, den exakten ressourceninhärenten Wert erfassen zu können, entsteht v. a. um die Verfügungsgewalt auf letztere eine wettbewerbliche Auseinandersetzung auf der Basis unterschiedlicher Zahlungsbereitschaften. Je nach Knappheit und dem jeweiligen strategischen Wert der „adressierbaren“ Ressource, variiert die Intensität des Akquisitionswettbewerbs.158 Auf dem Absatzmarkt dagegen führt die unternehmensindividuelle Perzeption hinsichtlich des „richtigen“ Mixes exploitativer und explorativer Ressourcennutzung zu unterschiedlichen Produkt- und Prozessinnovationen, die wiederum die Wettbewerbsintensität in dem betreffenden Markt beeinflussen.159 Die Unterschiedlichkeit bei der Wahrnehmung der für die Zukunft erforderlichen Kompetenzen führt demnach zu einer Diversität strategischer Zielstellungen und damit zu miteinander konkurrierenden Technologien, Produkten, Dienst-
Annual Review of Sociology, Vol. 14, S. 319-340, hier: S. 322f.; Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1990): The Core Competence of the Corporation. In: Harvard Business Review, Vol. 68, S. 79-93, hier: S. 81f.; Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1993): Strategy as Stretch and Leverage. In: Harvard Business Review, Vol. 71, S. 75-84, hier: S. 77f.; Teece, D. J. / Pisano, G. / Shuen, A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 509-533, hier: S. 518-524; Wagner, D. / Debo, S. / Bültel, N. (2005): Individuelle und organisationale Kompetenzen: Schritte zu einem integrierten Modell. QUEM-report Heft 94, S. 50-148, hier: S. 65-68; Wagner, D. / Seisreiner, A. / Surrey, H. (2001): Typologie von Lernkulturen in Unternehmen. QUEM-report Heft 73. 156 Vgl. z. B. Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier: S. 31f.; Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Reinventing Strategic Management: New Theory and Practice for Competence-based Competition. In: European Management Journal, Vol. 15, S. 303-317, hier: S. 307f.. 157 Vgl. z. B. Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Competence-based Strategic Management: Concepts and Issues for Theory, Research, and Practice. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 3-42, hier: S. 8; Sanchez, R. / Thomas, H. (1996): Strategic Goals. In: Sanchez, R. / Heene, A. / Thomas, H. (Hrsg.): Dynamics of Competence-based Competition: Theory and Practice in the New Strategic Management. Oxford: Elsevier Pergamon, S. 63-84, hier: S. 69f.. 158 Vgl. z. B. Gardner, T. M. (2005): Interfirm Comeptition for Human Resources: Evidence from the Software Industry. In: Academy of Management Journal, Vol. 48, S. 237-256, hier: S. 241. 159 Vgl. z. B. March, J. G. (1991): Exploration and Exploitation in Organizational Learning. In: Organization Science, Vol. 2, S. 71-87, hier: S. 79-81; Rothaermel, F. T. / Hill, C. W. L. (2005): Technological Discontinuities and Complementary Assets: A Longitudinal Study of Industry and Firm Performance. In. Organization Science, Vol. 16, S. 52-70, hier: S. 52; Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Reinventing Strategic Management: New Theory and Practice for Competence-based Competition. In: European Management Journal, Vol. 15, S. 303317, hier: S. 312f..
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leistungen oder auch Organisationsformen.160 An dieser Stelle sei daher noch einmal abschließend darauf verwiesen, dass einem Unternehmen erst dann eine Kompetenz zugesprochen werden kann, wenn sich die damit verbundenen Fähigkeiten gegenüber dem Wettbewerb als robust erweisen.
2.4.2 Zum Wesen des Wettbewerbsvorteils im kompetenzorientierten Ansatz Wettbewerbsvorteile entstehen der skizzierten Argumentation des kompetenzorientierten Ansatzes folgend also immer dann, wenn Unternehmen die Kompetenz besitzen, aus knappen Ressourcen den im Vergleich zu den Wettbewerbern größten (Kunden-)Wert generieren zu können. In einem solchen Fall ist ein Unternehmen kapazitär in der Lage, die Ressourcenpotenziale zu erkennen; die verfügbaren Kapabilitäten können die Ressourcenpotenziale kausal mit den absatzmarktlichen Chancen verknüpfen; die Fertigkeiten können die extrahierten Ressourcenpotenziale im Hinblick auf ihre spezifischen sowie synergetischen Eigenschaften effektiv orchestrieren; und das daraus entwickelte Produktprogramm stiftet den größten Kundennutzen.161 Im Ergebnis bedeutet dies, dass die unternehmerische Fähigkeit zu idiosynkratischen oder innovativen Ressourcenarrangements den Grundstein für die Kompetenzentwicklung respektive den Unternehmenserfolg legt. Vor diesem Hintergrund wird jedoch auch deutlich, dass der im ressourcenorientierten Ansatz verwendete Rentenbegriff als zentrale Bestimmungsvariable des Wettbewerbsvorteils im kompetenzorientierten Ansatz nur bedingt verwendbar ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die avisierten Rentenströme nur teilweise auf ricardianischen Faktorproduktivitätsvorteilen beruhen. Vielmehr werden im CBV die Ressourcenkombinations- und Ressourcenveredelungsfähigkeiten in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses gerückt, wodurch die ressourceninhärenten RICARDO-Renten mit zunehmender Unternehmensspezifität162 des Ressourcenbestandes von nachrangiger Be-
160 Vgl. z. B. Adner, R. (2002): When are Technologies Disruptive? A Demand-based View of the Emergence of Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 667-688, hier: S. 669f.; Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1994): Competing for the Future. Boston: Harvard Business School Press, S. 177-194; Sanchez, R. (1995): Strategic Flexibility in Product Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 16, S. 135-159, hier: S. 135f.. 161 Vgl. z. B. Connor, K. R. (1991): A historical Comparison of Resource-based Theory and five Schools of Thought within Industrial Organization Economics. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 121-154, hier: S. 145; Mosakwoski, E. / McKelvey, B. (1997): Predicting Rent Generation in Competence-based Competition. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 65-85, hier: S. 82. 162
WILLIAMSON definiert die Spezifität einer Ressource als eine Funktion idiosynkratischer Ressourcenattribute oder in negativer Definitionsform als Standardisierungsgrad eine Ressource. Je geringer der Standardisierungsgrad, desto eher ist ein Lock-In der Ressource in einem Unternehmen zu vermuten, was einen alternativen Ein-
58
deutung werden. Zurückzuführen ist das auf die Tatsache, dass die originären Ressourceneigenschaften, auf denen die ricardianischen Renten grundsätzlich beruhen, im Zuge des experimentellen Ressourceneinsatzes mitunter tiefgreifenden Veränderungen unterliegen, weshalb der ursprüngliche Ressourcenwert nunmehr kein Indiz für die zu erwartenden Rentenströme darstellt.163 Dies bedeutet, je weiter der Ressourcentransformationsprozess voranschreitet, desto eher basieren die zu erwartenden Rentenströme auf der (innovativen) Verknüpfung sowie Konfiguration von Ressourcenpotenzialen, weshalb nun von fähigkeitsinduzierten Renten gesprochen werden muss. Daher wird im Zusammenhang mit der kompetenzorientierten Sichtweise auch auf die Innovations- oder SCHUMPETER-Rente rekurriert, die ein diesbezüglich adäquateres Rentenverständnis darstellt. Diese ist als ein Pioniergewinn im Sinne SCHUMPETERs zu verstehen, da deren Generierung auf Grundlage eines einzigartigen Produktions- oder Produktprogramms geschieht und nur solange Bestand hat, bis Imitatoren oder eigene Weiterentwicklungen die Einzigartigkeit erodieren. Aus diesem Grund weisen derartige Renten eine Tendenz zur Selbstzerstörung auf, da durch Diffusionsprozesse das Wissen über die strategische Logik des Transformationsprozesses in die Wettbewerbsumwelt gelangt, was wiederum zu einem neuen Zyklus der „schöpferischen Zerstörung“ zwischen Innovatoren und Imitatoren führt.164 Von entscheidender Bedeutung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung dieser Rentenströme ist hierbei auch der Grad an „gewolltem“ Organizational Slack („organisatorischer Überschuss“),165 das ein Kontingent an Ressourcen und Fähigkeiten darstellt, welches derzeit keinen direkten Beitrag zur Kompetenzbildung leistet, aber dennoch im Unternehmen vorhanden
satz außerhalb des einsetzenden Systems erheblich erschwert bzw. unmöglich macht. Vgl. z. B. Williamson, O. E. (1985): The Economic Institutions of Capitalism. New York u. a.: The Free Press, S. 52-54. 163
Vgl. z. B. Makadok, R. (2001): Toward a Synthesis of the Resource-based and Dynamic-Capability Views of Rent Creation. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 387-401, hier: S. 389.
164
Vgl. z. B. Müller-Stewens, G. / Lechner, C. (2005): Strategisches Management: Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Der St. Galler General Management Navigator®. 3., aktual. Aufl., Stuttgart: SchäfferPoeschel, S. 361.
165 Unter „gewolltem“ Organizational Slack wird in diesem Zusammenhang ein optimaler Grad an Überschuss im Sinne von NOHRIA und GULATI verstanden, die konstatieren, dass „[t]oo little slack is inimical to innovation, because it discourages any kind of experimentation whose success is uncertain. Equally, too much slack is inimical to innovation, because it breeds complacency and a lack of discipline that makes it possible that more bad projects will be pursued than good. … Thus, the right question to ask is not whether slack is uniformly good or bad for innovation, but rather, what amount of slack is optimal.” Nohria, N. / Gulati, R. (1996): Is Slack good or bad for Innovation? In: Academy of Management Journal, Vol. 39, S. 1245-1264, hier: S. 1260. Vgl. auch Love, E. G. / Nohria, N. (2005): Reducing Slack: The Performance Consequences of Downsizing by large Industrial Firms, 1977-93. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 1087-1108, hier: S. 1088-1093.
59
ist.166 Nach BOURGEOIS ist die Existenz von Slack in einem Unternehmen wünschenswert, da diese Puffer (sog. „cushions“) einen Akzelerator kreativen Verhaltens darstellen und dadurch die strategischen Entscheidungsspielräume im Wettbewerb erheblich vergrößert werden können.167 Diese, einer in Verwendung befindlichen Kompetenz nicht direkt zurechenbaren Ressourcen und Fähigkeiten stellen somit ein Flexibilitäts- und Entwicklungspotenzial dar, die „…may be deployed wherever needed [, um einem Unternehmen] leeway in managing responses to competitive pressures and a changing environment [zu ermöglichen]. It also permits the firm to experiment with innovation, take greater risks, and be more aggressive.”168
Zusammenfassend ist diese Argumentationslogik noch einmal in Abbildung 7 dargestellt.
166 Differenziert werden hierbei mehrere Arten von Slack: „easy to recover slack“ und „difficulat to recover slack“, die sich im Hinblick auf ihre Abbaugeschwindigkeit unterscheiden lassen. Darüber hinaus wird ferner zwischen „Absorbed Slack“ und „Unabsorbed Slack“ unterschieden, wobei erstere im Leistungserstellungsprozess integriert (z. B. Überkapazitäten bzw. hohe Produktionskosten) und letztere als im Unternehmen frei und nicht direkt einem Output zurechenbar gelten (z. B. ungenutzte Rohstoffvorräte). Vgl. z. B. Cyert, R. / March, J. G. (1961): A Behavioral Theory of the Firm. Englewood Cliffs: Prentice-Hall, S. 36; Nohria, N. / Gulati, R. (1996): Is Slack good or bad for Innovation? In: Academy of Management Journal, Vol. 39, S. 1245-1264, hier: S. 1247f.; Hambrick, D. C. / Cho, T. S. / Chen, M.-J. (1996): The Influence of Top Management Team Heterogeneity on Firm’s competitive Moves. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 41, S. 659-688, hier: S. 659f.; Mishina, Y. / Pollock, T. G. / Porac, J. F. (2004): Are more Resources always better for Growth? Resource Stickiness in Market and Product Expansion. In: Strategic Management Journal, Vol. 25, S. 1179-1197, hier: S. 1182f.. 167 Bourgeois, L. J. (1981): On the Measurement of Organizational Slack. In: Academy of Management Review, Vol. 6, S. 29-39, hier: S. 35f.. 168
Smith, K. G. / Ferrier, W. J. / Ndofor, H. (2001): Competitive Dynamics Research: Critique and Future Directions. In: Hitt, M. A. / Freeman, R. E. / Harrison, J. S. (Hrsg.): The Blackwell Handbook of Strategic Management. Oxford: Blackwell Publishers, S. 315-361, hier: S. 331.
60
Kompetenz
Slack
Fertigkeit
Kapabilität
Slack
Slack
Kapazität
Nutzbares Ressourcenpotenzial
RICARDO-Rente
Option
Strategische Logik
Unternehmensspezifität / Zeit
Erfolg
SCHUMPETER-Rente
Misserfolg
Rentenpotenzial
Abbildung 7: Der Prozess der Rentengenerierung im kompetenzorientierten Ansatz169 Der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens resultiert hier ursächlich also aus der individuell verschiedenartigen Kompetenz zum Aufbau und zur Nutzung von zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren. Daher werden diejenigen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erringen, die eine den Wettbewerbs- sowie Markterfordernissen entsprechend probateste Ressourcenverwendungsstrategie verfolgen. In diesem Zusammenhang ist demnach für den CBV zu konstatieren, dass der Zustand eines Wettbewerbsvorteils dann als realisiert gilt, wenn Kompetenzen entwickelt werden konnten, die zum einen den Wettbewerbskräften widerstehen können (horizontale Wettbewerbsvorteile) und zum anderen zu einem Produktprogramm führen, dass den Konsumenten den größten (wahrgenommenen) Kundennutzen stiftet (vertikale Wettbewerbsvorteile).170 Für den Erfolg von Unternehmen im Wettbewerb spielt damit die individuelle Verfügbarkeit und die Möglichkeit zur Akkumulation sowie (Fort-)Entwicklung von strategischen Kompetenzen die entscheidende Rolle.171 Aus diesem Grund gelten im
169 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: McGrath, R. G. / Tsai, M.-H. / Venkataraman, S. / MacMillan, I. C. (1996): Innovation, Competitive Advantage and Rent: A Model and Test. In: Management Science, Vol. 42, S. 389-403, hier: S. 393. 170 Vgl. z. B. Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier: S. 33. 171 Vgl. z. B. Dierickx, I. / Cool, K. (1989): Asset Stock Accumulation and Sustainability of Competitive Advantage. In: Management Science, Vol. 35, S. 1504-1511, hier: S. 1506-1509.
61
Rahmen des kompetenzorientierten Ansatzes diejenigen Unternehmen als erfolgreich, die derartige Wettbewerbsvorteile aus der konzertierten Sicht von Konsumenten und Wettbewerber generieren können.
2.5 Zwischenfazit: Würdigung der generischen Erklärungsmuster von Wettbewerbsvorteilen Als Ergebnis dieser überblicksartigen Diskussion bleibt festzuhalten, dass das Phänomen Wettbewerbsvorteil – obschon begrifflich oft verwendet – inhaltlich ein offensichtlich hochgradig amorphes Konstrukt darstellt (vgl. Abbildung 8).
Ansoff Ansoff (1988) (1988) Hofer/Schendel Hofer/Schendel (1978) (1978)
Grant Grant (1991) (1991) Coff Coff (1999) (1999)
Spence Spence (1984) (1984) Caves Caves (1980,1984) (1980,1984)
Aufbau und Nutzung von Opportunitäten
Aufbau von Markteintrittsschranken
Day Day (1984) (1984)
Generierung einzigartigen Kundennutzens
Kontrolle der Rentenaneignung
Wettbewerbsvorteil
Institutionelle Einbettung
Ambiguität der Ressourcenaneignung
Kosten- und Differenzierungsführerschaft Oliver Oliver (1997) (1997) Bresser/Millonig Bresser/Millonig (2003) (2003)
Porter Porter (1985) (1985)
Kausale Ambiguität Kapabilitätsunterschiede
Hall Hall (1993) (1993)
Idiosynkratische Ressourcen
Barney Barney (1991) (1991) Black/Boal Black/Boal (1994) (1994)
Dierickx/Cool Dierickx/Cool (1989) (1989)
Reed/DeFillippi Reed/DeFillippi (1990) (1990)
Abbildung 8: Der Wettbewerbsvorteil als amorphes Konstrukt172 Ausgehend von der vorangehenden Analyse zeigt sich, dass das Wesen eines Wettbewerbsvorteils sowohl in seiner Bedeutung, als auch im Hinblick auf den Verwendungszusammenhang bislang uneinheitlich erfasst bzw. nur über interpretative Gedankenspiele erschließbar ist. Weder das Zustandekommen von wettbewerblichen Vorteilspositionen bzw. die zugrunde liegenden Ursachen von Vorteilen gegenüber den Wettbewerbern, noch deren Wirkungsweise im Hinblick auf den Unternehmenserfolg werden exakt, einheitlich und explizit erfasst. Im Gegenteil, denn Wettbewerbsvorteile unterliegen verschiedenartigen, teilweise sogar konkur-
172 Quelle: Träger, S. / Seisreiner, A. (2005): Vortragsunterlagen im Rahmen der Annual Conference on Corporate Strategy am 11.-12. März 2005 in Vallendar, Folie 3.
62
rierenden sowie mehr oder weniger explizit geäußerten Kausalitätsmustern. Eine inhaltliche Einheitlichkeit bei der Bestimmung der Zielfunktion des strategischen Managements, also der Erklärung von Performanzunterschieden, ist folglich nicht festzustellen. Nur im Hinblick auf die Vermutung, dass Wettbewerbsvorteile und Unternehmenserfolg anscheinend untrennbar miteinander in Verbindung stehen, scheint Konsens in der darüber hinaus recht fragmentierten Forschungslandschaft zu bestehen. Diese Auffassung ist jedoch zunächst noch nur von rein hypothetischem Charakter, da der Nachweis über die Verbindung zwischen überdurchschnittlichem Erfolg und Wettbewerbsvorteilen bislang nicht erbracht werden konnte. Dies ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass grundsätzlich die Erzielung von vorteilhaften Wettbewerbsbedingungen explizit im Fokus des Erkenntnisinteresses steht, nicht jedoch der Unternehmenserfolg. Letzterer erscheint als ressourcen-, kompetenz- oder positionierungsinduziert und materialisiert sich entsprechend zwangsläufig aus den damit verbundenen vorteilsinduzierten Rentenströmen. Vor dem Hintergrund der Argumentationsweise des ressourcenorientierten Ansatzes fragen sich bspw. FOSS und KNUDSEN daher zurecht, ob das „RBV building … contains a theory of competitive advantage or a theory of rents or both“.173 Diese Frage trifft den Kern der hier offensichtlich werdenden Problematik, denn aus den generischen Ansätzen wird nicht klar, welcher Wirkungszusammenhang tatsächlich betrachtet wird. Geht es in diesem Rahmen um eine Theorie des „besten“ oder „richtigen“ Vorteils, um eine Theorie der Rentenaneignung und darüber hinaus, wie lässt sich der Bezug zum Unternehmenserfolg konkret herstellen? Klare Antworten hierauf können derzeit nicht generiert werden, da diese Fragen in dieser Form bislang kaum behandelt werden.174 Im Endeffekt muss somit konstatiert werden, dass der momentane Erkenntnisstand zu den Ursachen von Wettbewerbsvorteilen sowie deren Wirkungen im Hinblick auf die Unternehmensperformanz relativ unbefriedigend ist. Kurzum: Es ist derzeit nicht möglich, die Frage zu beantworten, was den Tatbestand eines Wettbewerbsvorteils allgemein erfüllt. Darüber hinaus bleibt ferner offen, ob das Konstrukt Wettbe-
173 Foss, N. J. / Knudsen, T. (2003): The Resource-Based Tangle: Towards a Sustainable Explanation of Competitive Advantage. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 24, S. 291-307, hier: S. 291. 174 Vgl. z. B. Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier: S. 28f.; Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 318f.; Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier: S. 15; March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 699f.; Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 875; Wiggins, R. R. / Ruefli, T. W. (2002): Sustained Competitive Advantage: Temporal Dynamics and the Incidence and Persistence of Superior Economic Performance. In: Organization Science, Vol. 13, S. 82-105, hier: S. 82f..
63
werbsvorteil eigentlich ein berechtigtes Intermediär zur Erklärung des Unternehmenserfolgs darstellt, oder ob – wenn überhaupt – alternative Variablen eine adäquatere UrsacheWirkungs-Beziehung generieren können bzw. sogar sollten. Entsprechend unscharf bleibt somit insgesamt auch das Phänomen Unternehmenserfolg, da dieses in den generischen Ansätzen kausal eng mit dem Vorhandensein von wettbewerblichen Vorteilspositionen verbunden wird.
64
3
Problemfelder des strategischen Managements bei der Erklärung der Kausalität des Unternehmenserfolges
Im Rahmen dieser noch recht allgemeinen Kritik lässt sich zusammenfassend herausstellen, dass die Wettbewerbsvorteilsforschung im derzeitigen Stadium sowohl in terminologischer, als auch im Hinblick auf die betrachteten Kausalzusammenhänge erhebliche Defizite aufweist. Da diese Unzulänglichkeiten für die aktuellen, fundamentalen Schwierigkeiten bei der Erklärung von Performanzunterschieden verantwortlich gemacht werden müssen, sollen im Folgenden diese Mängel präzise herausgearbeitet werden, bevor im Anschluss daran eine alternative Herangehensweise an diese Problemstellung entwickelt wird, die die offen gelegten Problemfelder zu überwinden und eine konkretere Erklärung des Unternehmenserfolges sucht. Die kritische Analyse der Defizite widmet sich daher zunächst den semantischen und syntaktischen Problemfeldern, bevor im Anschluss daran insbesondere die pragmatischkonzeptionellen Mängel der generischen Ansätze herausgearbeitet werden sollen.
3.1 Problemfeld I: Semantische Defizite 3.1.1 Sprachliche Hygiene als essentielles Wissenschaftsziel Grundlegend für die Artikulation eines Sachverhaltes oder einer identifizierten Problemstellung sowie für einen wissenschaftlichen Dialog darauf aufbauender Erklärungsansätze ist eine gemeinsam genutzte Terminologie bzw. Sprache, über die die Auseinandersetzung mit dem Erklärungsgegenstand erfolgt. Liegt eine solche (noch) nicht vor, was für gewöhnlich bei sich neu herausbildenden Forschungsrichtungen der Fall ist, dann bedarf es gemeinschaftlicher Anstrengungen zur Entwicklung und Offenlegung der zu verwendenden Begriffe, damit eine Informationsübermittlung und entsprechend auch eine Transparentmachung der erkannten Problemstellung erfolgen kann. Folglich gehört „[e]in Wissen um die Sprache … zu den Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens und Denkens“.175 Erst eine allgemein anerkannte und verwendete Sprache, die sich im Ergebnis als eine Fachsprache darstellt, ermöglicht eine wissenschaftliche Kommunikation ohne Reibungsverluste und damit die gemeinsame sowie zielführende Problembehandlung. Dies bestätigen auch NAG ET AL., denn
175 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 123f..
65
„[t]he words and language that scientist use to craft their ideas are largely influenced by their own perceptions of what they and other members of the field consider as the consensual norms of expression.“176
Sprache
stellt
sich
vor
diesem
Hintergrund
als
ein
unabdingbares
Werkzeug
(griech. = Organon) eines Wissenschaftlers dar, deren Eigenschaften die Problemlösungsfähigkeit einer von ihm vertretenen Wissenschaftsrichtung maßgeblich bestimmt.177 Sie ist demnach als ein Träger bzw. Übermittlungsmedium von Daten zu verstehen, wobei die Art und Weise der Sprachnutzung über die Güte der zu übermittelnden Daten entscheidet. Entsprechend lebt die Wissenschaft von der verwendeten Sprache, woraufhin den Merkmalen und der Bedeutung der sprachkonstituierenden Elemente (m. a. W. den Wörtern) eine entscheidende Bedeutung zuteil wird.178 Deutlich wird in diesem Zusammenhang v. a. auch, dass Sprache – insbesondere in einer Wissenschaft – ebenso eine Tätigkeit (griech. = Energeia) ist, da deren Zustandekommen bzw. Herausbildung als ein kreativ-schöpferischer Akt der sich mit der Problembehandlung beschäftigenden Personen zu verstehen ist.179 Eine Wissenschaftssprache existiert somit nicht a priori, sondern verkörpert das Ergebnis eines langfristigen, von Dialogen geprägten evolutorischen Entwicklungsprozesses, wobei im Optimalfall die scientific community schlussendlich auf eine allgemein akzeptierte, exakte und ambiguitätsfreie Sprache (m. a. W. eine Sprachkonvention) zurückgreifen kann. Darüber hinaus ist die Beschäftigung mit der Sprache bzw. deren (Fort-)Entwicklung für jede Forschungsdisziplin von essentieller Bedeutung, da die Artikulation und Diskussion von identifizierten Problemstellungen grundsätzlich in individuell-subjektiven Dimensionen (sog. cognitive frames) erfolgt. COOPER und BURRELL bspw. zufolge haben Wörter per se keine Bedeutung, denn „meaning and understanding are not naturally intrinsic to the world … they have to be constructed“.180 LUNDBERG unterstützt dies und meint, „meanings are not in the
176
Nag, R. / Hambrick, D. C. / Chen, M.-J. (2005): What is Strategic Management, Really? A Consensus View on the Essence on the Field. Academy of Management Best Conference Paper 2005, S. H1-H6, hier: S. H2.
177 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 123. 178
Vgl. Seiffert, H. (1991): Einführung in die Wissenschaftstheorie 1. 11. Aufl., München: C. H. Beck, S. 114.
179
Vgl. Nag, R. / Hambrick, D. C. / Chen, M.-J. (2005): What is Strategic Management, Really? A Consensus View on the Essence of the Field. Academy of Management Best Conference Paper 2005, S. H1-H6, hier: S. H2; Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 123.
180 Cooper, R. / Burrell, G. (1988): Modernism, postmodernism and organizational analysis: An introduction. In: Organization Studies, Vol. 9, S. 91-112, hier: S. 99 zitiert in Franklin, P. (1998): Thinking of Strategy in a Postmodern Way: Part 2. In: Strategic Change, Vol. 7, S. 437-448, hier: S. 441. Auch bei SCHOPENHAUER lässt sich die im Gegensatz zum Realismus stehende Trennung von objektiv-vorhandener und subjektiv-gedachter Welt nachlesen: „Ich denke, dass dies Alles, bei näherer Betrachtung, absurd genug ausfällt und dadurch zu der Über-
66
words but in our minds, and very much context-dependent“.181 Der kognitive Erfassungsbereich von Individuen ist jedoch prinzipiell unterschiedlich, unterliegt also subjektiven Pfadabhängigkeiten, die außerhalb eines Individuums – also allgemein-objektiv gesehen – ohne zusätzliche Informationen nicht zu erschließen ist. Dies bedeutet, dass „[t]o perceive a situation and understand what it is or is not occurring in it requires that we have something in mind. Whatever we have in mind is, of course, learned previously, it may or may not accurately reflect reality, and we may or may not even be consciously aware of it. Nevertheless, what is in our mind situationally “frames” our noticing as well as our subsequent understanding.”182
Die Bedeutung ist demnach kein inhärenter Bestandteil eines Wortes, sondern individuellsituativ konstruiert, weshalb es einer konkreten Auseinandersetzung mit den möglichen Bedeutungsinhalten
der
verwendeten
Wörter
bedarf.
Problembewusstsein
als
auch
-lösungsvermögen differieren vor diesem Hintergrund von Individuum zu Individuum, da die zugrunde gelegten kognitiven Schemata gleichsam verschieden sind, was automatisch zu einem unterschiedlichen Wortverständnis bzw. einer unterschiedlichen Interpretation der Problemwelt an sich sowie der identifizierten Ideen zur Lösung des erkannten Problems führt. Der Sprache wird in diesem Zusammenhang nun die wichtige Aufgabe zuteil, die diversen kognitiven Schemata zu explizieren bzw. in ein allgemein verständliches Rahmenwerk zu übersetzen, um kommunikative Reibungsverluste über die Offenlegung der möglichen Bedeutungen zu minimieren. Dazu bemerkt wiederum LUNDBERG: „The reason we refer to language is straightforward – language is the medium for communication, as well as for thinking and hence for sensemaking. Systematic and sophisticated sensemaking thus depends upon clear thinking, which in turn depends upon the careful use of language.”183
zeugung führt, dass jene absolut objektive Welt, außerhalb des Kopfes, unabhängig von ihm und aller Erkenntnis, welche wir zuerst gedacht zu haben wähnten, eben keine andere war, als schon die zweite, die subjektiv erkannte, die Welt der Vorstellung, als welche allein es ist, die wir wirklich zu denken vermögen. Demnach drängt sich von selbst die Annahme auf, dass die Welt, so wie wir sie erkennen, auch nur für unsere Erkenntnis da ist, mithin in der Vorstellung allein, und nicht noch einmal außer derselben. Dieser Annahme entsprechend ist sodann das Ding an sich, d. h. das von unserer und jeder Erkenntnis unabhängig Daseiende, als ein von der Vorstellung und allen ihren Attributen, also von der Objektivität überhaupt, gänzlich Verschiedenes zu setzen….“ Schopenhauer, A. (1999): Sämtliche Werke. Bd. 3: Die Welt als Wille und Vorstellung II. Mundus Verlag, S. 17f. (Hervorhebungen im Original). 181
Lundberg, C. (2004): Is there really nothing so practical as a Good Theory? In: Business Horizons, Vol. 47, S. 7-14, hier: S. 9.
182
Lundberg, C. (2004): Is there really nothing so practical as a Good Theory? In: Business Horizons, Vol. 47, S. 7-14, hier: S. 8 (Hervorhebungen nicht im Original).
183
Lundberg, C. (2004): Is there really nothing so practical as a Good Theory? In: Business Horizons, Vol. 47, S. 7-14, hier: S. 8 (Hervorhebungen nicht im Original).
67
Die Sprache nimmt demnach eine sensible Transmissionsfunktion wahr, da sie als datenübertragendes Medium zur Stimulierung eines Denkvorgangs bei dem Empfänger dient. Eine erfolgreiche Transmission i. S. e. reibungsarmen Datenübermittlung ist dabei umso effektiver, je weniger abstrakt, d. h. je präziser die sprachliche Ausdrucksweise des Senders ist, weil dadurch ein Denkprozess beim Datenempfänger im Einklang mit der Kognition des Senders gewährleistet wird.184 Insofern ist der Tatbestand einer effektiven Verständigung zwischen zwei Parteien erst dann erfüllt, wenn die den Daten zugrunde gelegten kognitiven Schemata übermittelt werden können. Diese Aussage wird durch das „linguistische Relativitätsprinzip“ aufgegriffen, das besagt, dass die genutzte Sprache lediglich eine individuelle Weltsicht darstellt, die je nach Ausprägung den Blick auf gewisse Objekte der Wirklichkeit zulässt, jedoch andere wiederum von der gleichen Aufmerksamkeit ausschließt.185 Daher bezeichnet VENKER die Sprache entsprechend auch als ein „Wahrnehmungsfilter, durch den eine spezifische Weltsicht [m. a. W. ein kognitives Schema] abgebildet wird“.186 Das bedeutet, dass nicht das
184 In der Linguistik wird in diesem Zusammenhang auf die sog. „Abstraktionsleiter“ verwiesen, die die Sprache und somit auch die Kommunikation als fortwährenden Abstraktionsprozess der Wirklichkeit darstellt. Wie im nachstehend beschriebenen linguistischen Relativitätsprinzip wird auch hierbei davon ausgegangen, dass der Gegenstand der Wahrnehmung „nicht das „Ding an sich“, sondern eine Wechselwirkung zwischen unserem Gehirn (mit all seiner Unvollkommenheit) und etwas, was außerhalb des Gehirns ist.“ Hayakawa, S. I. (1993): Sprache im Denken und Handeln. 9., erw. Aufl., Darmstadt: Verlag Darmstädter Blätter Schwarz & Co, S. 239. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Wahrnehmung eines Gegenstandes der außersprachlichen Wirklichkeit auf bereits bestehende, ähnliche Gegenstands-Klassifikationen (Wörter) zurückgegriffen wird, wodurch automatisch ein Abstraktionsprozess in Gang gesetzt wird. Der Verweis auf bestehende Klassifikationen findet deshalb statt, da der Welt-Gegenstand in seiner Vollkommenheit von einem Individuum niemals vollständig erfasst werden kann (vgl. auch SIMONs Konzept der bounded rationality). Implizit wird damit jedoch eine Abstraktion i. S. e. (unbewussten) Weglassens von bestimmten Gegenstandsmerkmalen vorgenommen, weshalb sprachliche Ausdrücke niemals auf die tatsächliche Wirklichkeit rekurrieren können. Insofern ist in unserer Kognition der identifizierte Gegenstand gleichzeitig eine Abstraktion der 1. Ordnung bzw. untersten Stufe, da eine Vielzahl von Merkmalen des Welt-Objektes ausgeblendet werden. Ein solcher Abstraktionsprozess ist insofern unerlässlich, da ansonsten eine Gesprächssituation nicht stattfinden kann. Dies ist darauf zurückzuführen, da ein Abstrahieren zu einer Verringerung der Anzahl an Wörtern zur Beschreibung eines Gegenstandes führt, wodurch ein sprachlicher Austausch entscheidend vereinfacht wird. Daher ist die Bildung von Wörtern auf einer höheren Abstraktionsebene grundsätzlich ein Vorteil für die Kommunikation, da sie diese verkürzt. Gleichzeit bewirkt die Bewegung auf eine höhere Abstraktionsebene jedoch auch eine zunehmende Entfernung von den Gegenständen der Wirklichkeit, auf die das sprachliche Zeichen originär Bezug nimmt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Wörter auf derjenigen höchstmöglichen Abstraktionsebene gefunden werden müssen, die noch einen Rückschluss auf das bezugnehmende Welt-Objekt zulassen (d. h. so hoch wie möglich, so niedrig wie nötig). M. a. W.: Der Abstraktionsprozess darf nur diejenigen Gegenstandsmerkmale vernachlässigen, die sich als nicht „wesentlich“ zur Beschreibung der Wirklichkeit erweisen. Vgl. Hayakawa, S. I. (1993): Sprache im Denken und Handeln. 9., erw. Aufl., Darmstadt: Verlag Darmstädter Blätter Schwarz & Co, S. 239-242; Seiffert, H. (1997): Einführung in die Wissenschaftstheorie 4. München: C. H. Beck, S. 17. 185 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 123. 186 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 123.
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objektiv Seiende, sondern eine subjektiv-gedachte Weltsicht durch die Sprache dargestellt wird. Dieser wichtige Zusammenhang beschäftigt auch LUNDBERG, denn „[a]t the outset we need to remember as best as we can to distinguish between the words we use to communicate ideas and that to which the ideas refer. This is sometimes stated in shorthand via the reminder that “the word is not the thing.” While this may be obvious, too often people forget it and use key words as if they were the things to which they refer.“187
Die tatsächliche, reale Welt und diejenige, die die Sprache abzubilden vermag, können demnach (ungewollt) zum Teil erheblich voneinander divergieren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Sender das zugrunde gelegte kognitive Schema nicht expliziert. Die Welt, so wie wir sie sehen und beschreiben, wird demnach also durch den Bedeutungshorizont unserer Sprache bestimmt, wobei der Sprachhorizont als Ergebnis unserer Erfahrungen und Erklärungsmuster betrachtet werden muss.188 Dieser Tatbestand an sich ist jedoch nicht unbedingt kritisch zu betrachten. Solange im kommunikativen Austauschprozess berücksichtigt wird, dass das gezeichnete Weltbild einem spezifischen, mitunter von der eigenen Kognition abweichenden Schema entspringt, lässt sich vor diesem Hintergrund dennoch ein klares Bild der faktisch aufgeworfenen Problemstellung deduzieren. Mit genau diesen Bedeutungsproblemen des Kommunikationsprozesses beschäftigt sich die Semantik189 als Teilgebiet der allgemeinen Sprachwissenschaft (Semiotik), deren Aufgabe die Erforschung von Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke ist.190 Grundlegend dazu argumentiert VENKER: „Das Wesen der Sprache ist die Bedeutung. Die Sprache repräsentiert Bedeutungen. Sprache und Bedeutung sind nicht Gegensatz oder Identität von zweien, sondern die Bedeutung ist ein Ursprüngliches der Sprache … .“191
Demgemäß wird insbesondere eine Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen sprachlichen Zeichen und ihren Referenzobjekten bzw. denjenigen Gegenständen der außersprachli-
187
Lundberg, C. (2004): Is there really nothing so practical as a Good Theory? In: Business Horizons, Vol. 47, S. 7-14, hier: S. 8.
188 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 123. 189 Oftmals wird in der Literatur in diesem Zusammenhang u. a. auch von der Referenzsemantik, externen Semantik oder der Semiotik gesprochen. Vgl. z. B. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 3, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 768-786. 190
Vgl. Lyons, J. (1980): Semantik: Band I. München: Verlag C.H. Beck, S. 15.
191
Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 127.
69
chen Wirklichkeit in den Vordergrund gestellt, auf die die sprachlichen Zeichen letztendlich rekurrieren.192 Die grundlegende, bereits angedeutete These der Semantik ist daher, dass „[m]an … in der Semantik einfach nicht von einer sprachlichen Fähigkeit ausgehen [kann], die von Kenntnissen des Sprechers über die Welt unabhängig ist: die Bereiche sind im Grunde untrennbar.“193
Dies bedeutet, dass das Verhältnis von Sprache (Wort) und Wirklichkeit (Welt-Objekt) keinesfalls eindeutig bzw. einfach zu erschließen ist. Im Gegenteil, denn die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks lässt sich nur über den „normalen“ Gebrauch innerhalb einer diesen Ausdruck verwendenden sprachlichen Gemeinschaft erschließen.194 Insofern steht weniger der Ausdruck selbst, sondern dessen Verwendungszusammenhang im Fokus des Erkenntnisinteresses der Semantik, denn die wahrhafte Bedeutung eines Zeichens lässt sich erst erschließen, wenn dessen Gebrauchswelt bzw. sinnstiftender Referenzpunkt offengelegt wird. Zu diesem Zweck wurde das semantische Dreieck entwickelt, das die Beziehung zwischen sprachlichem Zeichen und Welt-Objekt nicht direkt, sondern indirekt veranschaulicht (vgl. Abbildung 9).
192 Vgl. Bussmann, H. (1983): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner, S. 672f.; Seiffert, H. (1991): Einführung in die Wissenschaftstheorie 1. 11. Aufl., München: C. H. Beck, S. 114. 193 194
Palmer, F. (1977): Semantik: Eine Einführung. München: C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, S. 51.
Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 127.
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Bedeutung / Intension / Sinn
Semantik
Bezug / Extension / Referenz Zeichen / sprachlicher Ausdruck
Abbildung 9: Das Semantische Dreieck195 Im Rahmen des semantischen Dreiecks wird eine Kommunikationssituation nicht als eine dyadische Beziehung dargestellt, in der eine direkte und eindeutige Beziehung zwischen sprachlichem Ausdruck und dem Referenzobjekt in der realen Welt besteht. Vielmehr wird die Kommunikation durch eine indirekte, triadische Beziehung modelliert, nach der die sprachlichen Ausdrücke eine individuelle Sinnstiftung bzw. Interpretation erfahren, woraufhin unterschiedliche Bezüge zur außersprachlichen Wirklichkeit erzeugt werden. WITTGENSTEIN begründet dies damit, dass es keinen einheitlichen Begriff eines Wortes gibt, sondern lediglich sprachliche Ausdrücke, die ihren Sinn je nach Verwendungszusammenhang verändern bzw. erst erhalten.196 Dies bedeutet, dass ein Zeichen (m. a. W. ein Wort) auf die reale Wirklichkeit nur über kognitive Interpretationsprozesse Bezug nimmt. Sprachliche Ausdrücke initiieren
195 Quelle: In Anlehnung an Ogden, C. K. / Richards, I. A. (1974): Gedanken, Wörter und Dinge. In: Ogden, C. K. / Richards, I. A. (Hrsg.): Die Bedeutung der Bedeutung. Eine Untersuchung über den Einfluss der Sprache auf das Denken und über die Wissenschaft des Symbolismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 7-32., hier: S. 18. 196
Vgl. Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 239-243. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angemerkt, dass WITTGENSTEIN zu dieser Erkenntnis erst in seinen späteren Arbeiten gekommen ist. Im für den Positivismus grundlegenden Werk „Tractatus“ ist er noch von der These ausgegangen, dass alles was sich aussprechen lässt, auch klar, d. h. widerspruchsfrei ausgesprochen werden kann. Dieser Überzeugung liegt die Annahme zugrunde, dass Aussagen wahr und verständlich sind, wenn der Sachverhalt, über den eine Aussage getroffen wird, in der Realität auch tatsächlich besteht, d.h. wirklich ist. Er war damit der Ansicht, dass die Logik der einzige Weg sei, die Gedanken zu klären. Alles was nicht über diesen Weg erschließbar sei, dennoch aber existiere, ist von mystischer Natur. Letzteres ist zwar unsagbar, ließe sich aber über das klar sagbare deduzieren. Symbolhaft dazu sein Schlusssatz: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“.
71
also kognitive Repräsentationen, die wiederum an individuelle Erfahrungen und Lernprozesse gebunden sind,197 weshalb der Bezug zur Wirklichkeit von Individuum zu Individuum unterschiedlich ist. Die Referenzbeziehung (sog. Extension) zwischen Zeichen und Wirklichkeit wird demnach durch eine individuelle Bedeutungsbeziehung (sog. Intension) „moderiert“, was nun dazu führt, dass ein dargelegtes Zeichen keine eindeutige Beziehung zu einem realen Objekt garantiert.198 Insofern drücken nach WITTGENSTEIN sprachliche Ausdrücke keine eindeutigen „Wesenheiten“ aus; sie verweisen nur auf Ähnlichkeiten und wechseln daher ihre Bedeutung.199 Doch in welcher Beziehung stehen diese Ausführungen zu der eingangs durchgeführten Analyse des Erkenntnisstandes des strategischen Managements zur Erklärung des Unternehmenserfolges?
3.1.2 Semantische Verwirrungen des strategischen Managements Das 2. Kapitel widmete sich der Darstellung der unterschiedlichen Erklärungsansätze zur Kausalität des Unternehmenserfolgs, die innerhalb der Forschungsdisziplin strategisches Management eine gewichtige Stellung gefunden haben. In diesem Zusammenhang konnte herausgearbeitet werden, dass in den generischen Ansätzen dem Wettbewerbsvorteil jeweils ein entscheidender Beitrag zur Erklärung des Wettbewerbserfolges beigemessen wird. Das Zeichen bzw. der sprachliche Ausdruck »Wettbewerbsvorteil« wird vor diesem Hintergrund implizit in eine dyadische, direkte Referenzbeziehung zum Unternehmenserfolg gesetzt, was sich letztlich ebenfalls aus den unterschiedlichen conduct-performance-Hypothesen ablesen lässt. In der Argumentation der drei Denkschulen wird die Extension des Wettbewerbsvorteils demnach von einer positiven Beziehung geleitet, da ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz – so zumindest die Argumentationslogik – einen positiven Beitrag zur Unternehmensperfor-
197 Für eine ausführliche Diskussion individueller Lerntypen vgl. Wagner, D. / Seisreiner, A. / Surrey, H. (2001): Typologie von Lernkulturen in Unternehmen. QUEM-report Heft 73. 198 In diesem Zusammenhang wird auch zwischen der extensionalen und der intensionalen Semantik unterschieden. Während erstere sich mit der Vielzahl an Welt-Objekten beschäftigt, die eine identische Bedeutung oder einen gleichen Bedeutungsbestandteil haben (Anwendungsbezug), untersucht die intensionale Semantik die Vielzahl von Bedeutungen ein und desselben Zeichens bzw. sprachlichen Ausdrucks (Bedeutungsbezug). Vgl. auch Abraham, W. / Elema, R. / Griesen, R. (1988): Terminologie zur neueren Linguistik. 2. völlig neu bearb. und erw. Aufl., Tübingen: Niemeyer, S. 309f., 731-734. 199 In diesem Zusammenhang prägte WITTGENSTEIN den Begriff der „Sprachspiele“ für diejenigen Bereiche, in denen die einzelnen sprachlichen Ausdrücke ihre Bedeutung bzw. ihren Sinn verändern. Vgl. Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 241.
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manz leistet. Somit steht der Wettbewerbsvorteil in der Sprache des strategischen Managements in Bezug zum Welt-Objekt bzw. der außersprachlichen Wirklichkeit »Unternehmenserfolg«. Problematisch ist jedoch, dass das sprachliche Zeichen Wettbewerbsvorteil in den jeweiligen Ansätzen extensional gleichsam verwendet wird, dessen Intension jedoch jeweils grundlegend verschieden ist. Diese Problematik sei daher anhand der nunmehr triadischen Kommunikationssituation veranschaulicht, wie sie auch im semantischen Dreieck modelliert ist. Im Zusammenhang mit dem MBV konnte gezeigt werden, dass der Erfolg eines Unternehmens primär von den Branchenbedingungen bestimmt wird. Für ein Unternehmen ist es daher erstrebenswert, durch Differenzierungs- oder Kostenvorsprünge alternative Branchensegmente zu erschließen, die von der Konkurrenz nicht im gleichen Maße besetzt werden können. In einer solchen Situation hat das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erzielt, der sich als temporäres (Leistungs-)Monopol mit der Möglichkeit zur Aneignung überdurchschnittlicher Renten materialisiert. Der Logik des marktorientierten Ansatzes folgend hängt der Erfolg im Wettbewerb also grundsätzlich immer davon ab, inwieweit Unternehmen in der Lage sind, existierenden Wettbewerbskräften zu begegnen bzw. Lücken im Wettbewerbsgefüge einer Branche auszunutzen. Begrifflich gesehen ist im Rahmen dieser Argumentation ein Wettbewerbsvorteil entsprechend eng mit dem Aufbau und Erhalt von Marktmacht verbunden (via Kosten- oder Differenzierungsvorteile).200 Im Ergebnis bedeutet dies, dass Unternehmen nach (fortwährenden) kompetitiven Marktstellungsvorteilen streben, um die marktinhärenten Residuen im Rahmen eines Leistungsmonopols abschöpfen zu können. Die Intension (m. a. W. die Interpretation) des Wettbewerbsvorteils im MBV vollzieht sich also entlang kompetitiver Marktstellungs- oder Marktmachtvorteile, wodurch der Bezug zum Unternehmenserfolg als Referenz-Objekt hergestellt ist. x
MBV-Interpretation: Wettbewerbsvorteil = kompetitiver Marktstellungsvorteil
Dagegen fokussiert der RBV bei der Erklärung des Unternehmenserfolges überwiegend auf die Faktorpotenziale eines Unternehmens. Entsprechend gestaltet sich auch die Kernaussage
200 McGahan, A. M. / Porter, M. E. (1997): How much does Industry matter, really? In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 15-30, hier: S. 21f.; Teece, D. J. / Pisano, G. / Shuen, A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 509-533, hier: S. 511-513; Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen KompetenzManagements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 40; Williamson, O. E. (1991): Strategizing, Economizing, and Economic Organization. In: Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 75-94, hier: S. 89f.
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des RBV, denn entlang dieser Argumentationslogik werden Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen, wenn sie eine spezifische bzw. einzigartige Ressourcenausstattung akquirieren können, die nicht im gleichen Maße von der Konkurrenz angeeignet werden kann, was für letztere mit einem Abschlag hinsichtlich der erzielbaren Renten verbunden ist. In diesem Aussagesystem werden Wettbewerbsvorteile demnach als (fortwährende) komparative Ausstattungsvorteile im Sinne RICARDOs und HECKSCHER-OHLINs interpretiert, die Aufschluss darüber geben, in welchem Maße sich Unternehmen Knappheitsrenten aneignen können.201 Folglich ist die Intension des Wettbewerbsvorteils im RBV vordergründig an Ressourcenvorteilen orientiert, wodurch zwar der Bezug zum Unternehmenserfolg hergestellt werden kann, dies jedoch auf eine vom MBV divergierende Weise. RBV-Interpretation: Wettbewerbsvorteil = komparativer Ausstattungsvorteil
x
Der CBV bestimmt den Wettbewerbserfolg dagegen über einzigartige unternehmerische Fähigkeiten bzw. Kompetenzen, die es einem Unternehmen ermöglichen, aus dem vorhandenen Faktorbestand den größten (Kunden-)Wert zu generieren. Entsprechend implizieren diese Überlegungen ein von den bisher skizzierten Ansätzen grundlegend verschiedenes Verständnis von Wettbewerbsvorteilen. Wenn im Rahmen des kompetenzorientierten Ansatzes von Wettbewerbsvorteilen gesprochen wird, dann wird der oben geführten Diskussion folgend auf eine vergleichsweise „bessere“ Wettbewerbsfähigkeit respektive auf Wettbewerbsfähigkeitsvorteile rekurriert. Während in den konkurrierenden Argumentationen kompetitive Marktstellungs- und komparative Ausstattungsvorteile bei der Erklärung unternehmerischen Wettbewerbserfolges im Vordergrund stehen, rücken nun (fortwährende) Anpassungs- und Innovationsvorteile in das Zentrum des Erkenntnisinteresses.202 Im Kern wird im CBV damit die Beziehung zwischen Wettbewerbsvorteil und Referenzobjekt Unternehmenserfolg über die Existenz von Wettbewerbsfähigkeitsvorteilen interpretiert, was sich wiederum von den anderen beiden Denkschulen maßgeblich unterscheidet. x
CBV-Interpretation: Wettbewerbsvorteil = Wettbewerbsfähigkeitsvorteil
201
Vgl. z. B. Barney, J. B. (1986): Strategic Factor Markets: Expectations, Luck, and Business Strategy. In: Management Science, Vol. 32, S. 1231-1241, hier: S. 1233-1238; Makadok, R. (2001): Toward a Synthesis of the Resource-based and Dynamic-Capability Views of Rent Creation. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 387-401, hier: S. 388; Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A ResourceBased View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 180f..
202
Vgl. z. B. Rothaermel, F. T. / Hill, C. W. L. (2005): Technological Discontinuities and Complementary Assets: A Longitudinal Study of Industry and Firm Performance. In. Organization Science, Vol. 16, S. 52-70, hier: S. 65f.
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Was an dieser Stelle deutlich und in Abbildung 10 noch einmal zusammenfassend abgebildet wird, ist, dass der Diskurs zwischen den einzelnen Denkschulen durch sprachliche Defizite entscheidend gestört wird.
kompetitiver Marktstellungsvorteil
komparativer Ausstattungsvorteil
Wettbewerbsfähigkeitsvorteil
Bedeutung / Intension / Sinn
Semantik
Wettbewerbsvorteil
Bezug / Extension / Referenz
Unternehmenserfolg
Zeichen / sprachlicher Ausdruck
Abbildung 10: Die Semantik des strategischen Managements203 Es besteht eine grundsätzliche Kongruenz zwischen den Ansätzen in der Auffassung, dass ein Wettbewerbsvorteil per se einen positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausübt. Der Wettbewerbsvorteil steht somit in einer direkten Beziehung zum Unternehmenserfolg. Nachvollziehbar ist dann, dass die angenommene Kausalkette einer genauen Analyse mit dem Ziel unterzogen wird, diejenigen Erfolgspotenziale herauszufiltern, die den größten Einfluss auf die Unternehmensperformanz aufweisen. Diese allgemeine Übereinstimmung in der analytischen Grundlogik wird jedoch durch sinnverschiedene Interpretationen des Ausdrucks Wettbewerbsvorteil durchbrochen, weshalb de facto eine Kommunikation i. S. e. effektiven Gedankenaustausches zwischen den Ansätzen nicht stattfindet bzw. stattfinden kann. Kurzum: Es wird aneinander vorbei argumentiert. Ein Gedankenaustausch findet deshalb nicht statt, da über Wettbewerbsvorteile im Lichte unterschiedlicher kognitiver Schemata oder Weltsichten diskutiert wird. Im Rahmen einer solchen Weltsicht, bspw. des RBV, entwickelt sich ein eigener, denkschulgeprägter Sprachho-
203
Quelle: Eigene Darstellung.
75
rizont i. S. e. Wahrnehmungsfilters entlang der Argumentation „Unternehmen sind Ressourcenbündel“, wodurch der Blick auf andere Interpretationsräume versperrt wird. Bestätigt wird dies bspw. auch von ACEDO ET AL., da „[i]t is very difficult, indeed almost impossible, to keep current with the developments and trends of an expanding and diverse subject such as the RBT (Resource-based Theory, Anm. des Verf.). It follows that the analysis made by various researchers are limited by their own cognitive barriers. These, in turn, are determined by the personal circumstances of the researchers, including their education, their experiences, and the social groups to which they belong. … However, it is probable that … [the analysis] offer an incomplete picture ….”204
Dieser Argumentationslinie folgend sind Wettbewerbsvorteile dann also ursächlich sowie notwendigerweise in Ressourcenvorteilen zu verorten. Ein anderer Vorteilsparameter kann aus der „Unternehmen sind Ressourcenbündel“-Ontologie nicht deduziert werden, da die RBV-Interpretation der außersprachlichen Wirklichkeit einen Vorteil, der außerhalb des Ressourcenraumes liegt, nicht zulässt, da sonst die eigene Ontologie ad absurdum geführt werden würde.205 Folglich stehen hier eigentlich nicht unterschiedliche Wettbewerbsvorteile und deren Einflüsse auf den Unternehmenserfolg zur Disposition, sondern konkurrierende Wege der Sinnstiftung bzw. Ontologien. Jeder der drei generischen Anätze verfolgt eine andere Kognition: Gemäß dieser rückt der MBV die Branchencharakteristika, der RBV die Faktorausstattung und der CBV unternehmerische Ressourcenverwendungsfähigkeiten als zentrale Erfolgsfaktoren in den Mittelpunkt der Argumentation. Die daraus resultierenden Vorstellungen über Wettbewerbsvorteile müssen zwangsläufig voneinander abweichen, liegen ihnen doch jeweils unterschiedlich konstruierte Weltsichten zugrunde. Insofern geht es im Kern hier nicht um die Konkurrenz verschiedener Vorteilspositionen als Ursache des Unternehmenserfolges, sondern um eine Rivalität kognitiver Schemata. Unterstützend sei hier auf FRANKLIN verwiesen, der argumentiert, dass
204 Acedo, F. J. / Barroso, C. / Galan, J. L. (2006): The Resource-based Theory: Dissemination and main Trends. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 621-636, hier: S. 622. 205
Diesen Sachverhalt unterstützend lässt sich an dieser Stelle wiederum auf KIESER verweisen, der im Zusammenhang mit seiner Fundamentalkritik an der Erfolgsfaktorenforschung ebenfalls meint, dass „[d]er Einkaufsmanager könnte darauf verweisen, dass Einkauf der Erfolgsfaktor ist, der Marketingmanager, dass dieses Prädikat dem Marketing zukommt, der Personalmanager, dass alle anderen Erfolgsfaktoren ohne die richtige Personalauswahl zum Scheitern verurteilt sind usw. … Die betriebswirtschaftliche Erfolgsfaktorenforschung weist aber nicht nur nach, dass alles ohne … (hier kann der Leser jetzt die Funktion eintragen, in der er oder sie tätig ist) nichts ist, sondern auch, dass bestimmte Strategien wissenschaftlich eindeutig … als Erfolgsfaktoren angesehen werden können. Auch hier hat der Praktiker wieder freie Wahl zwischen allen möglichen Strategien, denn jeder Forscher kriegt was anderes raus. (Weil … nur neuartige Befunde veröffentlicht werden und weil jeder andere statistische Methoden bevorzugt)“. Kieser, A. (2006): Wie Erfolgsfaktoren Ihnen Erfolg bringen. In: ZFO – Zeitschrift für Führung + Organisation, Jg. 76, S. 241-242, hier: S. 241.
76
„… language is not neutral: … words … have unique meanings imputed to them by those who read them. Thus the word ‘tree’ is likely to have a different meaning for me than for you. … Possibly more profoundly, the way you picture the tree I’m writing about, may well be different from the way I hope or intention you to imagine the tree. … We therefore have a basis for potential conflict should I go on to assert a strategic requirement; namely, that the way I picture my tree is the only way for you to picture your trees in future.”206
Analog zu dem von FRANKLIN beschriebenen Gedankenspiel über das Aussehen von Bäumen stellt sich die Situation mit der konfliktreichen Debatte um den Wettbewerbsvorteil dar. Der Ausdruck »Wettbewerbsvorteil« ist nicht neutral i. S. e. eindeutigen Referenzbeziehung zur außersprachlichen Wirklichkeit. Im Gegenteil, denn hinter diesem verbergen sich Konkurrenz-, Ausstattungs- oder Fähigkeitsvorteile, wodurch dieses sprachliche Zeichen schlussendlich auf unterschiedliche Bedeutungsinhalte rekurriert. Insofern stellt sich der Wettbewerbsvorteil als ein mehrdeutiger, unterschiedlich bewerteter (sog. value-laden) Ausdruck dar. Der in den generischen Denkansätzen jeweilig vollzogene (bisweilen dogmatische) Verweis auf einen spezifischen Wettbewerbsvorteil stellt gemäß dem linguistischen Relativitätsprinzip also jeweils eine individuelle Weltsicht dar, weshalb eine Diskussion über diesen zwangsläufig zu Konflikten führen muss – wie im strategischen Management geschehen sowie von FRANKLIN beschrieben. Vor diesem Hintergrund muss die erste Teilfrage von FOSS und KNUDSEN, ob der RBV (wie auch die anderen Denkschulen) in der momentanen Form nach einer Theorie des absoluten Wettbewerbsvorteils strebt, mit ja beantwortet werden.207
206
Franklin, P. (1998): Thinking of Strategy in a Postmodern Way: Part 2. In: Strategic Change, Vol. 7, S. 437-448, hier: S. 439-440 (Hervorhebung im Original).
207
Vgl. auch Freiling, J. (2004): A Competence-based Theory of the Firm. In: management revue, Vol. 15, S. 27-52, hier: S. 33; Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 319f.; March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 699-702; Wiggins, R. R. / Ruefli, T. W. (2002): Sustained Competitive Advantage: Temporal Dynamics and the Incidence and Persistence of Superior Economic Performance. In: Organization Science, Vol. 13, S. 82-105, hier: S. 82-84.
77
Co m pe te nc e
Kompetenzorientierter Ansatz
t uc nd Co
Re so ur ce
Ressourcenorientierter Ansatz
t uc nd Co
t uc nd Co
Kognitives Schema bzw. Ontologie
St ru ct ur e
Marktorientierter Ansatz
Performance
Performance
Performance
Sprachlicher Ausdruck
Wettbewerbsvorteil
Wettbewerbsvorteil
Wettbewerbsvorteil
Intension
Kompetitiver Marktstellungsvorteil
komparativer Ausstattungsvorteil
Wettbewerbsfähigkeitsvorteil
Unternehmenserfolg: Monopolrente
Unternehmenserfolg: Knappheitsrente
Unternehmenserfolg: Innovationsrente
Extension
Abbildung 11: Divergierende Intensionen und Extension in der Wettbewerbsvorteilsforschung208 Paradoxerweise besteht in der Wettbewerbsvorteilsforschung im Grunde also nicht Dissens zwischen dem „besten“ Vorteil, sondern zwischen dem zugrunde gelegten Interpretationsraum bzw. der für sinnvoll erachteten Weltsicht. MBV, RBV und CBV verfolgen unterschiedliche Ontologien, d. h. interpretieren die außersprachliche Wirklichkeit in unterschiedlichen Schemata, weshalb das Verwerfen einer anderen Wettbewerbsvorteilslogik aufgrund der ontologischen Divergenzen tatsächlich unzulässig ist. Die Erfolgswirksamkeit von Positionierungs-, Ressourcen- oder Fähigkeitsvorteilen kann nicht miteinander vergleichen werden, da diese das Produkt verschiedenartiger Denkmuster über die außersprachliche Wirklichkeit sind. Entsprechend ist jede Vorteils-Hypothese als wahr zu bezeichnen209, denn innerhalb der individuellen Weltsicht lässt sich der Bezug zum Referenzobjekt »Unternehmenserfolg« darüber zweifelsfrei, wenn auch bisweilen zirkelschlussartig herstellen.210 Die Kritik an dem
208 Quelle: In Anlehnung an Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 44. 209
Präziser ausgedrückt: Die Aussagen der einzelnen Denkschulen sind weder falsch, noch sind sie wahr. Sie lassen sich lediglich im Bezug auf ihre Nützlichkeit beurteilen.
210 Für eine detaillierte Diskussion über die Zirkelschlussartigkeit (Tautologie) z. B. des RBV vgl. Barney, J. B. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? Yes. In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 41-56; Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol.
78
Stellenwert eines jeweiligen Vorteilsparameters aus einem divergierenden Interpretationsoder Bedeutungsraum heraus ist sprachlich und somit methodisch fragwürdig. Darüber hinaus sei an dieser Stelle auf ein weiteres sprachliches Defizit verwiesen, das in engem Zusammenhang mit der zweiten Teilfrage von FOSS und KNUDSEN zu sehen ist: „RBV building … contains … a theory of rents“.211 Dieser Aspekt bezieht sich im Kern auf die Frage, was inhaltlich gesehen den Unternehmenserfolg darstellt. Mit Hilfe des semantischen Dreiecks lässt sich auch hier aufzeigen, dass das sprachliche Zeichen »Unternehmenserfolg« keineswegs einheitlich verwendet wird. So wird offensichtlich, dass der Unternehmenserfolg im MBV am relativen Niveau erzielbarer Monopolrenten, im RBV an der relativen Höhe aus Ressourcen extrahierbarer Knappheitsrenten und im CBV am relativen Grad der erzielbaren Innovationsrente abzulesen ist.212 Auch dieser Umstand lässt sich auf die unterschiedlichen Ontologien zurückführen, denn in den einzelnen Denkwelten kann der Unternehmenserfolg nur über sehr spezifische Rententypologien deduziert werden, während andere Rentenarten per definitionem i. S. des VENKERschen Wahrnehmungsfilters der Sprache von der Betrachtung ausgeschlossen sind. Analog zum Wettbewerbsvorteil stellt sich der Unternehmenserfolg in seinem Bedeutungszusammenhang gleichsam amorph dar, was den Diskurs zwischen den einzelnen Denkansätzen des strategischen Managements zusätzlich erschwert. Im Gesamtzusammenhang betrachtet bleibt somit festzuhalten, dass sowohl der Wettbewerbsvorteil als auch der Unternehmenserfolg jeweils in ihrer Intension und Extension unterschiedlich gebraucht werden, was eine Kommunikation zwischen den Ansätzen de facto unmöglich macht.
3.1.3 Implikationen der semantischen Verwirrung Diesen Überlegungen zufolge muss konstatiert werden, dass die Wettbewerbsvorteilsforschung in der aktuellen Ausgestaltung mit ganz erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert ist, die ursächlich darin begründet liegen, dass bis dato keine (semantische) Nominaldefinition der Kernvariablen Wettbewerbsvorteil extrahiert werden konnte. Insofern ist es dann auch
26, S. 22-40¸ Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Tautology in the Resource-based View and the Implications of externally determined Resource Value: Further Comments In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 57-66. 211 Foss, N. J. / Knudsen, T. (2003): The Resource-Based Tangle: Towards a Sustainable Explanation of Competitive Advantage. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 24, S. 291-307, hier: S. 291. 212
Vgl. z. B. Spanos, Y. E. / Lioukas, S. (2001): An Examination into the causal Logic of Rent Generation: Contrasting Porter’s Competitive Strategy Framework and the Resource-based Perspective. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 907-934, hier: S. 908-911.
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durchaus nachvollziehbar, dass die bislang generierten Kausalmuster hinsichtlich der Determinanten des Unternehmenserfolges ein überwiegend diffuses Bild hinterlassen. Denn neben der Notwendigkeit zur Sprachverkürzung, die sich aus einem Abstraktionsprozess ergibt, haben Nominaldefinitionen die zentrale Aufgabe, für ein Regelwerk der Sprachnutzung (Sprachregelung) zu sorgen.213 Sie verdeutlichen die gedanklichen Abbilder, die mit Worten oder Symbolen verbunden werden (sollen), wodurch ein ganz erheblicher Beitrag zur Sinnstiftung geleistet wird.214 Wird an dieser Stelle der These von NAG ET AL. gefolgt, dass „[t]he primary point of departure for our research project is the premise that a scientific field is a community of scholars who share a common identity and language”215, dann ist die grundlegende Voraussetzung zur Entwicklung eines Forschungsprogramms de facto nicht gegeben. Für das strategische Management kann weder das Vorliegen einer gemeinsamen Weltsicht, noch eine gemeinsam genutzte Sprache nachgewiesen werden. Im Gegenteil, denn die Sinnstiftung vollzieht sich jeweils in hochgradig differenzierten, diametralen Ansichten über die Wirklichkeit bzw. wird die Wirklichkeit auf divergierenden Wegen konstruiert. Da es eine Vielzahl von unterschiedlichen Ansätzen oder Denkschulen gibt, die ihren Kausalmustern jeweils eine andere Ontologie zugrunde legen, zeichnet sich die derzeitige Sprache des strategischen Managements also durch sprachliche Ausdrücke ohne kognitiven, d. h. ohne sinnstiftenden Kern aus. Ressourcen, Fähigkeiten, Unternehmenserfolg, Wettbewerbsvorteile etc. sind daher, einmal ganz allgemein betrachtet, leere Worthülsen bzw. Leerformeln, da ihnen jeweilig verschiedenartige Intensionen innewohnen. WITTGENSTEIN zufolge haben all diese Wörter (und damit auch die darauf beruhenden Kausalketten) keine Bedeutung, weil ihnen nichts (Konkretes) entspricht.216 Dies ist insbesondere problematisch, da
213 Vgl. Chmielewicz, K. (1994): Forschungskonzeptionen der Wirtschaftswissenschaft. 3. unveränd. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 51. 214 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 217f.; Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 439f.. 215
Nag, R. / Hambrick, D. C. / Chen, M.-J. (2005): What is Strategic Management, Really? A Consensus View on the Essence on the Field. Academy of Management Best Conference Paper 2005, S. H1-H6, hier: S. H2 (Hervorhebung nicht im Original).
216 Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 261.
80
„[i]f we assume that scientific knowledge is socially constructed, the language, in the form of scientific discourse, is the fundamental medium which makes the social construction possible.”217
Das Nichtvorhandensein einer allgemein verständlichen, bedeutungsklaren Fachsprache (Wörter des kognitiven Kerns bzw. Termini) verhindert demnach also die Konstruktion eines zentralen Forschungsprogramms mit konkreten Hypothesen, entlang derer eine konkrete Problemverschiebung
stattfinden
kann.
Daher
stellen
Nominaldefinitionen
nach
CHMIELEWICZ eine unerlässliche Vorstufe zur Theoriebildung dar, sorgen diese doch für eine präzise Begriffsbildung und einen zielgerichteten, konstruktiven Diskurs.218 Ein derartiges, durch Definitionen (m. a. W. durch Verwendungsregeln) geprägtes sprachliches Regelwerk, als auch Anstrengungen zur Bildung eines solchen, lassen sich für die Wettbewerbsvorteilsforschung bislang kaum nachweisen. So kommen auch DOSI
ET AL.
zu der
Feststellung, dass sich das strategische Mangement derzeit v. a. durch „terminological flotilla and anarchy“ auszeichnet.219 Diesen, aus Wissenschaftlersicht nur als unbefriedigend zu bezeichnenden Zustand sieht VENKER sogar für die gesamte Betriebswirtschaft gegeben, denn „[d]ie Fachsprache der Betriebswirtschaftslehre neigt – wie jede andere Fachsprache – dazu, die Lebendigkeit des Geistes eher zu verlieren, wenn durch formalistische Definitionen, sinnentleerte Worthülsen und repetitive Phrasen eine sprachliche und geistige Armut erzeugt wird.“220
Während eine Vielzahl von Forschungsanstrengungen – so zumindest der auf das aktuelle Anreizsystem der Wissenschaft gestützte Eindruck – darauf abzielen, durch die Bestimmung und Einbeziehung publikationsförderlicher neuer, vermeintlich präziserer Ausdrücke einen entscheidenden Beitrag zur Erkenntnisvermehrung zu leisten, so haben sie im Prinzip genau das Gegenteil erreicht. So argumentieren auch PETTIGREW ET AL., dass „[u]nlike … natural sciences, where the stereotype is of knowledge accumulation progressively and linearly like some clear edged and tidy ribbon, in the social sciences knowledge seems to accumulate more as a mosaic, the patterning on a untidy quilt. This quilt-like form is certainly evident in the management sciences and especially so in the field of strategic management, where the fads and fashions of a field living with the dual-
217
Nag, R. / Hambrick, D. C. / Chen, M.-J. (2005): What is Strategic Management, Really? A Consensus View on the Essence on the Field. Academy of Management Best Conference Paper 2005, S. H1-H6, hier: S. H2.
218 Vgl. Chmielewicz, K. (1994): Forschungskonzeptionen der Wirtschaftswissenschaft. 3. unveränd. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 51. 219 Dosi, G. / Nelson, R. R. / Winter, S. G. (2000): The Nature and the Dynamics of Organizational Capabilities. Oxford: Oxford University Press, S. 3. 220 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 124.
81
ity of theory and practice periodically emblazon a patch with sharp vibrant colours which pushes the other patterns out of sight and mind.“221
Im Verlauf der konzeptionellen („Weiter-“)Entwicklung der Denkschulen haben immer wieder vermeintlich neuartige Begriffe (sog. Buzzwords) Einzug in die ohnehin schon diffuse Diskussion um das Entstehen und Wesen von Wettbewerbsvorteilen gefunden, die oftmals lediglich inhaltliche Nuancen abbilden und damit eher zu einer Verstärkung des begrifflichen „Wirrwarrs“, als zu einem Erkenntniszuwachs beitragen konnten.222 Mit der wechselnden Popularität der generischen Erklärungsansätze (MBVoRBVoCBV) wurde der Wettbewerbsvorteil damit jedoch nicht präzisiert, sondern inhaltlich, je nach zugrunde gelegter Forschungsorientierung, durch andere Spezifikationen substituiert, ohne jedoch den Ausdruck »Wettbewerbsvorteil« selbst weiter zu konkretisieren. Im Ergebnis führte dies zu den beschriebenen patchworkartigen Erklärungsmustern. Dass derartige Auflösungserscheinungen kein ausschließliches Phänomen der Neuzeit bzw. des strategischen Managements ist zeigt LOCKE, denn „[d]ie Verwendung verschwommener und bedeutungsloser Worte und die Vergewaltigung der Sprache gilt von jeher als der Weisheit letzter Schluss; und dunkle oder falsch angewandte Worte, die wenig oder gar keinen Sinn haben, geben sich den Anschein so tiefer Gelehrsamkeit und so hohen Gedankenflugs, dass man weder denen, die solche Worte in den Mund nehmen, noch denen, die sie anhören, beweisen kann, dass sie nur zur Bemäntelung der Unwissenheit dienen und dem echten Wissen im Weg stehen.“223
221 Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (2002): Strategic Management: The Strengths and Limitations of a Field. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 3-30, hier: S.6 (Hervorhebung nicht im Original). 222 Beispielsweise wurde insbesondere von TEECE, PISANO und SHUEN sowie von EISENHARDT und MARTIN konstatiert, dass das originäre Ressourcen- oder Kapabilitäten-Konzept nicht geeignet ist, die Nachhaltigkeit von Wettbewerbsvorteilen in dynamischen oder gar hyperkompetitiven Märkten zu erklären, woraufhin sie diese Konzeption um das Attribut „dynamisch“ (sog. dynamic capabilities) erweiterten. Allerdings setzen sich diese Erweiterungen damit dem Vorwurf der Tautologie aus, da das zu definierende bereits in dem definierenden enthalten ist. Die Konzepte werden durch die Erweiterungen immunisiert, da sie somit unter allen Umständen als wahr gelten, woraufhin sie jedoch ihren Gehalt bzw. ihre Aussage verlieren. Vgl. Eisenhardt, K. M / Martin, J. A. (2000): Dynamic Capabilities: What are they? In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1105-1121, hier: S. 1106f.; Teece, D. J. / Pisano, G. / Shuen, A. (1997): Dynamic Capabilities and Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 509-533, hier: S. 516. Gleiches ist für die begriffliche „Weiterentwicklung“ des Kompetenzbegriffs hin zu Kernkompetenzen festzuhalten. Vgl. z. B. Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Competence-based Strategic Management: Concepts and Issues for Theory, Research, and Practice. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 3-42, hier: S. 11. 223
JOHN LOCKE zitiert in Hayakawa, S. I. (1993): Sprache im Denken und Handeln. 9., erw. Aufl., Darmstadt: Verlag Darmstädter Blätter Schwarz & Co., S. 60.
82
Auch SCHOPENHAUER stellt fest, „[d]ass, gleichen Schrittes mit der Vermehrung der Begriffe, der Wortvorrat einer Sprache vermehrt werde, ist recht und sogar notwendig. Wenn hingegen Letzteres ohne Ersteres geschieht; so Ist es bloß ein Zeichen der Geistesarmut, die doch etwas zu Markte bringen möchte und, da sie keine neuen Gedanken hat, mit neuen Worten kommt.“224
Zusammenfassend muss daher konstatiert werden, dass „[s]aloppe oder platte Ausdrucksweisen, Modewörter und umgangssprachliche Wendungen … keine Mittel der klaren wissenschaftlichen Sprache [sind.] … Sie lassen die erforderliche Sachlichkeit, Gedankenschärfe und Wissenschaftlichkeit vermissen.“225
Im Gesamtzusammenhang gesehen zeigt sich somit, dass die zentralen Variablen des strategischen Managements »Wettbewerbsvorteil« sowie »Unternehmenserfolg« vollkommen verschiedenartigen Bedeutungen unterliegen, obschon die jeweils gleichsam verwendeten sprachlichen Zeichen eine Bedeutungsidentität suggerieren.226 Dass dem nicht so ist, konnte unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse aus der Semantik nachgewiesen werden. Die hier zutage tretende Grundproblematik des strategischen Managements ist im Kern zunächst also ein Problem sprachlicher Unreinheit. „Die Sprache wird dadurch, dass sich Heterogenes in die Fugen der sonst so durchsichtigen logischen Beziehungen eindrängt, gleichsam verunreinigt. In den sprachlichen Ausdruck mischt sich indirekt etwas von »dem dunklen Hintergrund und der Fülle des Seelenlebens«, das in den manifesten Gehalt nicht aufgenommen werden kann und daher für den Anderen der Interpretation bedarf.“227
Obschon sich der Wettbewerbsvorteil als ein offensichtlich allgemein anerkannter Referenzpunkt zur Beschreibung erfolgreicher Unternehmen darstellt, so ist dessen tatsächlicher Inhalt nur interpretativ zu erschließen. Es ist derzeit nicht nachzuvollziehen, warum der Ausdruck Wettbewerbsvorteil Einzug in die Sprachwelt des strategischen Managements gefunden hat, noch welche Erklärungsfunktion er tatsächlich wahrnimmt. Die bislang mit Wettbewerbsvorteilen in Verbindung gebrachten unterschiedlichen Unternehmensspezifika führen im Endeffekt dazu, dass ein Wettbewerbsvorteil und damit auch der Unternehmenserfolg jeweils durch unterschiedliche Ausgangsbedingungen und „Gesetzmäßigkeiten“ abgeleitet wird. Das Eintre-
224
Schopenhauer, A. (1999): Sämtliche Werke. Bd. 6: Parerga und Paralipomena II. Mundus Verlag, S. 499.
225
Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 124. 226 Vgl. auch Freiling, J. / Gersch, M. / Goecke, C. (2006): Notwendige Basisentscheidungen auf dem Weg zu einer Competence-based Theory of the Firm. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 4-34, hier: S. 7. 227
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 207f. (Hervorhebung nicht im Original).
83
ten, als auch das Wesen eines Wettbewerbsvorteils beruht somit offensichtlich auf unterschiedlichen Ursachen, was jedoch im Endergebnis dazu führt, dass dieser allgemein verwendete Begriff diverse konstituierende Merkmale aufweist, was zu ausgeprägten Sinnverschiedenheiten und in der Folge zu einem gestörten wissenschaftlichen Diskurs führt. Als Folge daraus stellt der Wettbewerbsvorteil in der derzeitigen Diskussion ein diffuses, bedeutungsleeres Konstrukt dar, dessen Wesen nur über die jeweils unterschiedlich zugrundegelegten Annahmen deduziert werden kann. Die inhaltliche Unbestimmtheit des Wettbewerbsvorteils ist jedoch nicht nur wissenschaftstheoretisch ein unbefriedigender Zustand, denn die Klärung der drei eingangs angeführten zentralen Problemkreise des Forschungsprogramms zum strategischen Management hängt maßgeblich von einem eindeutigen, allgemein kommunizierbaren Verständnis von Wettbewerbsvorteilen ab, da diesem Phänomen eine offensichtlich hohe, wenn auch noch genauer zu spezifizierende (strategische) Bedeutung zugemessen wird.228 Zur Lösung dieses Problems kann daher nur empfohlen worden, das Bewusstsein über eine ausgeprägte sprachliche Hygiene der verwendeten Begriffe in semantischer Hinsicht zu stärken, denn erst die präzise Artikulation einer Problemstellung ermöglicht die Bündelung der Anstrengungen zu einer insgesamt validen Erklärung von Performanzunterschieden. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf VENKER verwiesen, der treffend bemerkt: „Die Überwindung dieser sprachlichen Armut und dieses geistigen Mangels muss durch Offenheit, Lernbereitschaft und Kreativität erstrebt werden. Ziel ist die Klarheit wissenschaftlichen Ausdrucks, die zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen führt.“229
Nur eine gestärkte Sensibilität im Umgang mit der zu verwendenden Sprache ermöglicht die Überwindung der WITTGENSTEINschen „Sprachspiele“230, die die Weiterentwicklung des Erkenntnisstandes zum Unternehmenserfolg bislang entscheidend behindern haben. Vor diesem Hintergrund scheint es daher empfehlenswert, zukünftige Analysen vom Phänomen »Wett-
228
Vgl. z. B. Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 885f..
229 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 125. 230
Vgl. Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 241.
84
bewerbsvorteil« zu lösen bzw. einem konkreten Kausalzusammenhang zuzuordnen.231 Im 4. Kapitel soll dieser Punkt erneut aufgegriffen und in eine präzise Systematik überführt werden.
3.2 Problemfeld II: Logisch-Syntaktische Defizite 3.2.1 Die Sprachverwendung als Stimulus für den Denkprozess Im voran stehenden Abschnitt wurde auf den wichtigen Aspekt hingewiesen, dass sich eine Wissenschaftssprache nur dann als suffizentes Medium der Verständigung auszeichnet, wenn die verwendeten sprachlichen Ausrücke den intensionalen Bezug zur außersprachlichen Wirklichkeit ambiguitätsfrei herstellen können. D. h. eine Fachsprache stellt sich dann (und nur dann) als semantisch widerspruchsfrei und somit als in sich konsistent heraus, wenn aus den gebrauchten Wörtern keine (Bedeutungs-)Widersprüche ableitbar sind.232 Der Bedeutungszusammenhang der genutzten Ausdrücke wäre in diesem Fall eindeutig normiert. Dass die aktuelle Sprache des strategischen Managements das Kriterium der semantischen Widerspruchsfreiheit nicht erfüllen kann, konnte am Beispiel des Wettbewerbsvorteils gezeigt werden, denn aus diesem sprachlichen Zeichen lässt sich kein allgemeingültiger, d. h. kognitionsübergreifender Zustand ableiten.233 Das sprachliche Bedeutungsspektrum ist demnach nicht standardisiert, was mglw. zu der Stagnation der Erkenntnisgewinnung im Hinblick auf die Kausalität des Unternehmenserfolges beigetragen hat. Neben einem eindeutigen Bedeutungsspektrum ist es für eine wissenschaftliche Sprache jedoch von gleichwertiger Relevanz, dass eindeutige Verwendungsregeln für die (semantisch widerspruchsfreien) sprachlichen Ausdrücke und dessen Verknüpfungen existieren.234 Mit diesen Regeln, die den sprachlichen Verwendungs- und damit auch den Sinnzusammenhang bestimmen, beschäftigt sich die (logische) Syntaktik, die, ebenso wie die Semantik, ein Teil-
231 Vgl. z. B. Flint, G. D. (1999): What is the Meaning of Competitive Advantage. In: Journal of Global Competitiveness, Vol. 7, S. 9-15, hier: S. 14f.; Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 48; Träger, S. / Seisreiner, A. (2005): Corporate Advantage Revisited. Considering Comparative, Competitive and Nonmarket Aspects. In: ACCS Conference Proceedings. Vallendar, S. 9-11. 232
Vgl. z. B. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 1168; Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 4, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 688f..
233 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 1168. 234 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 13.
85
gebiet der Semiotik darstellt.235 Das Ziel bzw. die Aufgabe der logischen Syntaktik ist die Untersuchung des Aufbaus, der Struktur sowie der Beziehung von einzelnen Zeichenreihen zu- und untereinander im Hinblick auf deren (Sprach-)Richtigkeit. Bei der Syntaktik geht es demnach vordergründig um die (syntaktische) Richtigkeit der Wortwahl in extensionaler Hinsicht und nicht um das von der Semantik analysierte Bedeutungskontinuum (Intension) der verwendeten sprachlichen Ausdrücke im Hinblick auf ihr außersprachliches Referenzobjekt.236 Im syntaktischen Zusammenhang wird daher formal von dem Sinngehalt, also der semantischen Bedeutung der sprachlichen Zeichen abstrahiert und lediglich das logische Beziehungsgeflecht der sprachlichen Zeichen analysiert.237 Nach KLAUS und BUHR hat dies den entscheidenden Vorteil, dass „…an die Stelle des Operierens mit Bedeutungen ein Operieren mit ungedeuteten Zeichen treten kann, dass das Denken also im Prozess der durchzuführenden Umwandlung nicht mit den Bedeutungen belastet wird.“238
Die Trennung zwischen Zeichen und Bedeutung folgt der richtigen Überlegung, dass was man meint zu wissen nicht unbedingt mit dem im Einklang steht, was tatsächlich wahr bzw. durch valide empirische Befunde belegbar ist. „So, by providing a method for separating what we think we know (the subjective) from what is (the objective), we are in a better position to evaluate complex lines of reasoning involving both subjective and objective elements.”239
Durch die Abstraktion vom Bedeutungszusammenhang wird es demnach möglich, die Ungenauigkeiten der Gebrauchssprache herauszufiltern und ein logisches Verständnis über den Sprachgebrauch zu entwickeln, denn „[i]n der Umgangssprache kommt es ungemein häufig vor, dass dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet – also verschiedenen Symbolen angehört – oder, dass Wörter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, äußerlich in der gleichen
235 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 1057. 236 Vgl. z. B. Seiffert, H. (1991): Einführung in die Wissenschaftstheorie 1. 11. Aufl., München: C. H. Beck, S. 113. Bildlich gesprochen wird die für die Semantik entwickelte „Dreiecksbeziehung“ (semantisches Dreieck) in der Syntaktik somit zu einer direkten Beziehung, d.h. zu einer „syntaktischen Gerade“. 237
Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 4, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 176¸ Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 23.
238 Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 1057. 239 Brønn, C. (1998): Applying epistemic Logic and evidential Logic to strategic Arguments. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 81-95, hier: S. 82.
86
Weise im Satz angewandt werden. … So entstehen leicht die fundamentalsten Verwechslungen….“240
Im Kern wird nun also der Frage nachgegangen, wofür die verwendeten Zeichen im Gesamtzusammenhang betrachtet konkret stehen.241 Zur Beantwortung dieser Fragestellung unterscheidet WITTGENSTEIN zwischen einer Oberflächengrammatik (syntaktische Oberflächenstruktur)
und
einer
Tiefengrammatik
(syntaktische
Tiefenstruktur).242
Die
Oberflächenstruktur, die für den folgenden Verlauf dieser Arbeit keine Relevanz haben soll, beschäftigt sich mit der Aussprache und Schreibweise von Zeichenketten bzw. all denjenigen Aspekten, die „man mit dem Ohr erfassen kann“.243 Dagegen bezieht sich die Tiefenstruktur auf die eigentliche Verwendungsbedeutung der sprachlichen Zeichen, also nicht auf das, was man hört, sondern das, was man versteht.244 245 Das Verstehen des Sprachgebrauchs setzt die eingangs angesprochenen Verwendungsregeln voraus, die das formallogische Übersetzen von einem Ausdruck in einen anderen ermöglichen, ohne jedoch einen logischen Widerspruch zu verursachen. Zur Lösung dieses Problems schlägt WITTGENSTEIN vor: „Um diesen [umgangssprachlichen; Anm. des Verf.] Irrtümern zu entgehen, müssen wir eine Zeichensprache verwenden, welche sie ausschließt, indem sie nicht das gleiche Zeichen in verschiedenen Symbolen, und Zeichen, welche auf verschiedene Art bezeichnen, nicht äußerlich auf die gleiche Art verwendet. Eine Zeichensprache also, die der logischen Grammatik – der logischen Syntax – gehorcht.“246
240
Vgl. Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 22.
241
Vgl. Seiffert, H. (1991): Einführung in die Wissenschaftstheorie 1. 11. Aufl., München: C. H. Beck, S. 113.
242
Vgl. Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 478f.
243 Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 478. 244
Vgl. Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 478.
245 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Unterscheidung zwischen Oberflächen- und Tiefenstruktur nicht unumstritten ist, zeichnet sich die WITTGENSTEINsche Definition der Tiefenstruktur doch durch eine hohe Ähnlichkeit zur Semantik aus. Nach WITTGENSTEIN bestimmt die Tiefenstruktur die Bedeutung eines Satzes, was jedoch ebenso ein zentrales Erkenntnisziel der Semantik darstellt. Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 1050. 246 Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 22 (hervorhebungen im Original). Der Vollständigkeit halber muss an dieser Stelle darauf verwiesen werden, dass Wittgenstein im Rahmen seiner „Philosophischen Untersuchungen“ von dem Instrument der logischen Syntax abgegangen ist. Im späteren Verlauf widmete er sich wieder verstärkt linguistischen, also auf der Semantik beruhenden Instrumenten der Sprachanalyse. Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 102.
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WITTGENSTEIN verfolgt bei der Analyse der syntaktischen Tiefenstruktur demnach die Offenlegung von (logischen) Äquivalenzbeziehungen qua der Regeln einer logischen Syntax, die die Welt und die Sprache in Einklang bringen.247 Folglich geht es ihm also darum, die Bedeutungszusammenhänge (semantische Strukturen) mittels spezifischer, mit Syntax bezeichneter Verwendungsregeln (syntaktische Strukturen) in sprachlichen Ausdrücken logisch korrekt zu verbriefen.248 Damit entspricht er der These von CARNAP, dass jede Sprache eine logische (Grund-)Struktur hat, die zugleich frei von den Ungenauigkeiten der Gebrauchssprache ist.249 Eine, unter den Gesichtspunkten der Logik durchgeführte Analyse der gebrauchten (Wissenschafts-)Sprache kann daher einen entscheidenden Beitrag zur Durchsetzung einer strengen, begrifflich exakten Denkhaltung beitragen.250 Durch diese Methode lassen sich etwaige Mehrdeutigkeiten aufdecken, die, ohne die Berücksichtigung der logischen Syntax, den Denkprozess in irreführenden Bahnen lenken würden. „In vielen Fällen hat die logische Analyse [der Wissenschaftssprache; Anm. des Verf.] ergeben, dass Irrtümer und Mängel in den Wissenschaftssprachen darin zu suchen sind,
247
Derartige, auf der Logik basierende Sprache- und Bedeutungsanalysen sind im Wesentlichen auf die Vertreter des sog. „Wiener Kreises“ zurückzuführen, die zugleich als Gründungsväter des Positivismus in der Wissenschaftstheorie gelten. Gegen solch logikinduzierte Überlegungen gibt es (bis heute), zum Teil berechtigt, zum Teil weniger berechtigt, bisweilen große Einwände. Ein prominenter Vertreter des Widerstandes gegen den Positivismus ist bspw. PAUL FEYERABEND, der die Methodik der Logik im Hinblick auf deren Beitrag zur Erkenntnisgewinnung besonders kritisch sieht. Vgl. Feyerabend, P. (1983): Wider den Methodenzwang. suhrkamp, S. 334-341. Beispielsweise schreibet er: „Unklarheit und Ungenauigkeit aberist etwas, was ein Logiker nicht dulden kann. … Er erkennt nicht, dass [eine lockere Argumentation; Anm. des Verf.] die einzige Möglichkeit ist, entweder neue Auffassungen zu produzieren oder Auffassungen zu verstehen, die sich von der seinen unterscheiden, und so verlangt er eine »Klärung« der Hauptbegriffe der Diskussion. … [U]nter einer »Klärung« versteht er einen Vorgang, bei dem die fraglichen Ideen mit bereits existierenden Begriffen aus den völlig anderen Gebieten der Logik und des Alltagsverstandes erfüllt werden, bis sie selber alltäglich klingen, wobei darauf geachtet wird, dass der Prozess der Erfüllung den anerkannten Gesetzen der Logik und des Empirismus genau gehorcht. … So wird jede Untersuchung in die engen Geleise des bereits Bekannten umgelenkt, und die Möglichkeit einer grundlegenden theoretischen Entdeckung … wird erheblich verringert. … [M]an [muss] lernen, mit unerklärten Begriffen zu argumentieren und Sätze verwenden, für die noch keine klaren Gebrauchsregeln vorhanden sind.“ Feyerabend, P. (1983): Wider den Methodenzwang. suhrkamp, S. 335f. (Hervorhebungen im Original). Diese Auffassung wird im Rahmen dieser Arbeit nicht geteilt, denn die Erfahrung (und der weitere Verlauf dieser Arbeit) hat gezeigt, dass die wesentlichen Probleme der Erkenntnisgenerierung im strategischen Management auf sprachlichen Ungenauigkeiten beruhen. 248
Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 4, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 178f..
249
Carnap, R. (1968): Logische Syntax der Sprache. Wien u. a.: Springer, S. 246; Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 24f..
250 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 665. So argumentiert auch BRØNN, denn „[f]ormal logic provides a powerful representation language for complex, knowledge-intensive domains. Arguments are presented in natural language format … and it can often be difficult to detect logical errors and inconsistencies in them.” Brønn, C. (1998): Applying epistemic Logic and evidential Logic to strategic Arguments. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 81-95, hier: S. 82.
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dass zweistellige Relationen so behandelt wurden wie einstellige [und] dass zwischen den Beziehungen des Elementseins und des Enthaltenseins nicht genügend exakt unterschieden wurde….“251
Erst eine der logischen Analyse widerstehende Sprache ermöglicht somit ein korrektes Schließen und folglich einen Fortschritt auf dem Weg zur Erkenntnisgewinnung, denn „…das Denken [hat gleichsam] die Gesetze der Logik zu beachten …, wenn es dem Zweck erfolgreichen Argumentierens dienen soll“.252 Damit wird ausgedrückt, dass das Denken i. S. e. geistigen Erkennens, Erfassens und Beurteilens von Sachverhalten eng an die Sprache gebunden ist, worauf per definitionem einem Irrtum in der Sprachverwendung automatisch eine Falschheit im Denken folgt.253 Folglich können falsche Worte die Ursache konfuser Kausalitätsannahmen sein. Die individuelle Vorstellung von der (korrekten) Syntax der Sprache kann demnach zugleich Stimulus, aber auch Hemmnis auf dem Weg zur Erkenntnis sein. Sprache und Denken stehen in einem interdependenten Verhältnis zueinander, weshalb das Wissen um diese Verbindung den Ausgangspunkt einer jeden wissenschaftlichen Untersuchung bilden sollte.254 Dazu wiederum WITTGENSTEIN: „Eine unpassende Ausdrucksweise ist ein sicheres Mittel, in einer Verwirrung stecken zu bleiben. Sie verriegelt gleichsam den Ausweg aus ihr. … Gedankenloses und nicht gedankenloses Sprechen ist zu vergleichen dem gedankenlosen und nicht gedankenlosen Spielen eines Musikstücks.“255
Die Rationalität (m. a. W. die Vernunft) der Wissenschaft hängt demzufolge entscheidend von der Existenz sinnstiftender Anhaltspunkte bezüglich der exakten und richtigen Verwendung von sprachlichen Ausdrücken ab. Vor dem Hintergrund, dass „[j]ede wissenschaftliche Erkenntnis … eine in Sprache gekleidete geistige Schöpfung“256 darstellt, ist die Rationalität
251 Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 665. 252
Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 627.
253
So schreibt WITTGENSTEIN: „…die Sprache selbst ist das Vehikel des Denkens“. Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 384. Vgl. auch Schopenhauer, A. (1999): Sämtliche Werke. Bd. 3: Die Welt als Wille und Vorstellung II. Mundus Verlag, S. 100f.; Schopenhauer, A. (1999): Sämtliche Werke. Bd. 6: Parerga und Paralipomena II. Mundus Verlag, S. 497.
254 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 135. 255 Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 387f.. 256 Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 136.
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dieser „Verkleidung“ von ausschlaggebender Bedeutung. Eine rationale, also vernünftige Wissenschaft zeichnet sich dann durch das Vermögen aus, in schöne Stoffe gehüllte Scheinausdrücke oder Scheinsätze von nackten aber tatsächlich wissenschaftlichen Begriffen und Aussagen trennen zu können, da diese den allgemeinen, auf den Prinzipien der Logik basierenden Verwendungsregeln nicht entsprechen würden. Die Syntax bildet den systematischen Rahmen bzw. die Ordnung, im Rahmen dessen diese (dann) wissenschaftlichen Aussagen gebildet werden können. Sie ist daher zugleich die Wurzel der Sprachbeherrschung und des Denkvermögens. Die explizite Berücksichtigung des logischen Verwendungszusammenhanges der genutzten Ausdrücke führt sodann zu einer Sprachnutzung aus rein inhaltlich gehaltvollen Motiven und nicht aus dem bloßen subjektiven Willen zur Kreativität. Erkenntnisgegenstände und -ziele werden verständlich sowie sinnstiftend, Irrtumsquellen i. S. e. Verwechslung von Worten oder Sachverhalten dagegen ausgeschlossen.257 Wie diese Ausführungen zeigen, kann mit Hilfe der logischen Syntaktik ein Aussagesystem im Hinblick auf dessen Widerspruchsfreiheit, also seiner (logischen) Wahr- oder Falschheit hin überprüft werden. Dabei sei jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass es hier nicht um ein Wahrheitspostulat im sprachlichen Bedeutungs-, sondern im Verwendungszusammenhang geht. Der hierbei jetzt nachrangige Informationsgehalt der Sprache ist Teil einer semantischen Analyse, wie sie im vorangegangen Abschnitt skizziert wurde. Vielmehr soll nun also das Vorhandensein in sich konsistenter, d. h. widerspruchsfreier Zeichenketten untersucht werden, ohne dabei auf die Interpretation der verwendeten Zeichen zurückzugreifen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Wahrheit einer Aussage als ein nur auf deren logischer Form basierendes Charakteristikum dar. Eine Aussage oder Aussagenverbindung ist dann als wahr bzw. syntaktisch sinnvoll zu bezeichnen, wenn aus ihr kein logischer Widerspruch (sog. Kontradiktion) abzuleiten ist.258 Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Aussage syntaktisch sinnwidrig ist, wenn sich (a) aus ihr keine Bedingungen herauslösen lassen, unter denen sie wahr oder falsch
257 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 137. 258 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 1168; Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 4, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 689.
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ist oder (b) jede beliebige Aussage aus ihr ableitbar ist.259 Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.260 Man stelle sich die (mglw. aus umfangreichen empirischen Beobachtungen stammende) Aussage vor, dass wenn es regnet, Mary ins Kino geht. Wird dieser Satz in seine Elementarsätze261 zerlegt, so ergeben sich die beiden logischen „Atome“ bzw. „Partikel“262 R (es regnet) und M (Mary geht ins Kino). Darüber hinaus zeigt sich, dass beide Elementarsätze R und M durch eine „wenn-dann“ Beziehung (sog. Implikation) miteinander verknüpft sind (vgl. Box 1 in Abbildung 12). Sie werden demnach sprachlich in eine funktionale Äquivalenzbeziehung gesetzt (Der Kinogang ist eine Funktion des Wetters). Um die Wahrheitsfunktion der zwei Elementarsätze und damit auch die syntaktische Sinnhaftigkeit der gesamten Aussagenverbindung zu untersuchen, gilt es nun, das logische Gefüge im Hinblick auf etwaige Mehrdeutigkeiten hin zu analysieren. Vor diesem Hintergrund lässt sich jedem Elementarsatz grundsätzlich eine Wahrheit oder Falschheit zusprechen, die wiederum den Wahrheitswert der Gesamtaussage (sog. Wahrheitsfunktion) determiniert.263 Dabei sei jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass die Wahrheit einer Aussage hier nur von der logischen Form der Aussage selbst und nicht von dessen Inhalt bestimmt wird. Wenn nun eine Aussage wahr oder falsch sein kann, dann besteht ebenso die logische Möglichkeit der Existenz einer gegenläufigen Aussage, also Nicht-R sowie Nicht-M. Anhand dieser Kriterien lässt sich dann eine syntaktisch sinnvolle Aussage herleiten, wenn diese durch die wahr-falsch-Gegenüberstellung als einzige übrig bleibt, denn
259 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 1168; Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 4, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 688f.. 260 Dieses Beispiel ist entnommen aus Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier S. 874-876. 261 Elementarsätze zeichnen sich durch die Eigenschaft aus, unzerstörbar zu sein, d. h. er kann nicht in andere Sätze zerlegt werden. Er setzt sich zwar aus sprachlichen Ausdrücken zusammen, diese sind im Zusammenhang jedoch von ursprünglicher Natur; sie bezeichnen einen Gegenstand oder eine Sache in der außersprachlichen Welt. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 133. 262
Vgl. Schopenhauer, A. (1999): Sämtliche Werke. Bd. 3: Die Welt als Wille und Vorstellung II. Mundus Verlag, S. 101.
263 Die Aussage über Wahrheit oder Falschheit eines Satzes nennt SCHOPENHAUER ein hypothetisches Urteil: „Das hypothetische Urteil sagt aus, dass von der Wahrheit des ersten der hier [in einer Aussagenverbindung; Anm. des Verf.] verknüpften kategorischen Urteile die des zweiten abhängt, und von der Unwahrheit des zweiten die des ersten; also dass diese zwei Sätze, in Hinsicht auf Wahrheit und Unwahrheit, in einer direkten Gemeinschaft stehn.“ Schopenhauer, A. (1999): Sämtliche Werke. Bd. 3: Die Welt als Wille und Vorstellung II. Mundus Verlag, S. 102.
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„[w]as die Namen der Sprache [in unserem Beispiel: Mary geht ins Kino, wenn es regnet; Anm. des Verf.] bezeichnen, muss unzerstörbar sein: denn man muss den Zustand beschreiben können, in dem alles, was zerstörbar ist, zerstört ist. Und in dieser Beschreibung wird es Wörter geben; und was ihnen entspricht, darf dann nicht zerstört sein, denn sonst hätten die Wörter keine Bedeutung.“264
Die Überprüfung der sprachlich-logischen Unzerstörbarkeit des Kinobesuchs im Regen und damit dessen syntaktischer Konsistenz bedarf daher zunächst des Versuchs der logischen Zerstörung. Zu diesem Zweck wird mit Hilfe der Kombinatorik die Aussagenverbindung in alle logisch möglich, d. h. sinnhaften Erscheinungsformen aufgebrochen (vgl. Box 2 in Abbildung 12). Dabei wird vorausgesetzt, dass „…der Wahrheitswert einer Aussagenverbindung nichts von außen Hinzukommendes ist, sondern eine logische Funktion der Wahrheit oder Falschheit jener Aussagen, aus denen sie sich zusammensetzt.“265
Die angesprochene Wahrheit der hier untersuchten Elementarsätze R und M wurde empirisch überprüft, so dass im Folgenden also nur die logische Wahrheit der Aussagenverbindung untersucht wird.
1 R: Die Möglichkeitenmenge „Es regnet“
RÆM
M: Die Möglichkeitenmenge „Mary geht ins Kino“
2
B1: „Es regnet, aber Mary geht nicht ins Kino“ R B1
M B3
B2
B4
B2: „Es regnet nicht, aber Mary geht ins Kino“ B3: „Es regnet, und Mary geht ins Kino“ B4: „Es regnet nicht, und Mary geht nicht ins Kino“
Abbildung 12: Die Syntaktische Aussagenlogik266
264 Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 271. 265 Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 156.
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Wie aus der Gegenüberstellung ersichtlich wird, kann die Aussage über den Regen, als auch die Aussage über den Kinobesuch in vier, logisch mögliche Kombinationen zerlegt werden (B1-B4). Aussagenverbindungen wie unsere, die über eine Implikation (wenn-dannVerknüpfung) miteinander in Beziehung gesetzt werden, gelten dann als falsch, wenn der erste Aussagenteil wahr, der zweite jedoch falsch ist.267 Dies bedeutet, dass Mary bei Regen ins Kino geht (B3), ist eine wahre Aussagenverbindung, denn beide Bestandteile der Aussagen gelten gemäß der empirischen Beobachtung als wahr. Daraus folgt entsprechend, dass ein Nichtbesuch des Kinos bei Regen (B1) logisch möglich, jedoch eine falsche Implikation darstellt. Sie ist falsch, da sie die Negation von M voraussetzt, was jedoch per definitionem ausgeschlossen ist, da der Wahrheitswert von M nicht (von außen hinzukommend) verletzt werden darf. Allerdings, und das ist das syntaktisch problematische an dieser Aussagenverbindung, sind die Implikationen B2 und B4 ebenfalls logisch wahr. D. h., dass diese Aussagenverbindung ebenso einen Kinogang, als auch ein Zuhausebleiben bei Sonnenschein impliziert. Im Ergebnis bedeutet dies, dass aus den vier logisch möglichen Implikationen sich eine als falsch, jedoch drei als wahr herausstellen. Es zeigt sich hier ein logischer Widerspruch, denn aus dieser Aussagenverbindung lassen sich zwei widersprüchliche Sachverhalte ableiten: Ein Kinogang bei Sonne und bei Regen (Nicht-R und R). Die Aussagenverbindung ist unvollständig, denn es wird nicht bezeichnet, wie sich Mary’s Besucherverhalten bei Sonnenschein darstellt. Eine konsistente, d. h. syntaktisch widerspruchsfreie Sachverhaltsbezeichnung ist für diese Aussagenverbindung damit nicht nachzuweisen. Im Gegenteil, denn die originäre Aussagenverbindung ist syntaktisch sinnwidrig, da aus ihr (fast) jede beliebige Aussage ableitbar ist. Syntaktisch korrekt hätte die Aussagenverbindung lauten müssen, dass wenn es regnet und nicht wenn es nicht regnet, geht Mary ins Kino. Auch wenn diese Aussagenverbindung keine neuen Informationen enthält, deren Betrachtung auch nicht Anliegen der logischen Syntaktik ist, so erfüllt sie doch den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit von Aussagen und verhindert Konfusionen beim Ableiten von Sachverhalten bzw. Kausalitäten, wie sie anhand dieses Beispiels aufgezeigt werden konnten. Ursache und Wirkung respektive Bedingung und Bedingtes lassen sich jetzt zweifelsfrei abbilden und deren logische Wahrheit (Konsistenz) beweisen. Dass
266 Quelle: Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier S. 875. 267 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 511; Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 213.
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derartige, von der logischen Sprachanalyse geleitete Gedanken zu neuen Erkenntnissen im strategischen Management führen können, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit evident werden.
3.2.2 Syntaktische Verwirrungen des strategischen Managements Die Relevanz einer auf Logik basierenden Sprachanalyse für das strategische Management zeigt sich bereits darin, wenn die Ergebnisse des voranstehenden Beispiels auf die Kernhypothese dieses Forschungsprogramms übertragen werden: wenn Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus.268 Dieser Aussage nach implizieren Wettbewerbsvorteile einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg (wenn-dann-Verknüpfung). Wettbewerbsvorteile und Unternehmenserfolg werden entsprechend in eine funktionale Äquivalenzbeziehung gesetzt.269 Analog zum obigen Beispiel sei an dieser Stelle wiederum darauf hingewiesen, dass es für die logische Sprachanalyse nachrangig ist, welche Bedeutungszusammenhänge mit dem Wettbewerbsvorteil (als auch mit dem Unternehmenserfolg) verbunden werden. Dies wurde im Zusammenhang mit den semantischen Verwirrungen des strategischen Managements beleuchtet, wobei
268
Vgl. z. B. Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 99f.; Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1123; Coff, R. W. (1999): When Competitive Advantage doesn’t lead to Performance: The Resource-based View and Stakeholder Bargaining Power. In: Organization Science, Vol. 10, S. 119-133, hier: S. 120; Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 1; Dierickx, I. / Cool, K. (1989): Asset Stock Accumulation and Sustainability of Competitive Advantage. In: Management Science, Vol. 35, S. 1504-1511, hier: S. 1504; Flint, G. D. (1999): What is the Meaning of Competitive Advantage. In: Journal of Global Competitiveness, Vol. 7, S. 9-15, hier: S. 9; Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 317; Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier: S. 15; Oliver, C. (1997); Sustainable Competitive Advantage: Combining Institutional and Resource Based Views. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 697-713, hier: S. 697; Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 185; Porter, M. E. (1985): Competitive Advantage: Creating and Sustaining Superior Performance. New York u. a.: The Free Press, S. 20; Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 876; Reed, R. / DeFillippi, R. J. (1990): Causal Ambiguity, Barriers to Imitation, and Sustainable Competitive Advantage. In: Academy of Management Review, Vol. 15, S. 88-102, hier: S. 88f.; Rouse, M. J. / Daellenbach, U. S. (1999): Rethinking Research Methods for the Resource-based Perspective: Isolating Sources of Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 487-494, hier: S. 487; Stoelhorst, J. W. / van Raaij, E. M. (2004): On explaining Performance Differentials – Marketing and Managerial Theory of the Firm. In: Journal of Business Research, Vol. 57, S. 462-477, hier: S. 463; Wiggins, R. R. / Ruefli, T. W. (2002): Sustained Competitive Advantage: Temporal Dynamics and the Incidence and Persistence of Superior Economic Performance. In: Organization Science, Vol. 13, S. 82-105, hier: S. 82.
269
Vgl. auch Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier S. 874.
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die dort gewonnenen Erkenntnisse über das jeweilige Wesen des Wettbewerbsvorteils jetzt (zunächst) aber keine weitere Rolle spielen sollen. In dem folgenden Zusammenhang soll es nur um die logische Auseinandersetzung mit dieser Aussagenverbindung gehen, wobei die herausgestellte Ambiguität des Wettbewerbsvorteils per se außer Acht gelassen wird. Die syntaktische Untersuchung der Argumente (die sog. „logischen Partikel“ Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg) der o. g. Kernhypothese lässt nun wiederum vier logisch mögliche Aussagenkombinationen zu, wie sie auch in Abbildung 13 wiedergegeben sind.
Wenn Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. (B3)
Wenn Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen unterdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. (B1)
Wenn Unternehmen keine Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. (B2)
Wenn Unternehmen keine Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen unterdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. (B4)
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1 WV: Die Möglichkeitenmenge „Wettbewerbsvorteil“ WV Æ UE
UE: Die Möglichkeitenmenge „Unternehmenserfolg“
2
B1: „Wettbewerbsvorteil, aber keinen Unternehmenserfolg“ WV B1
UE B3
B2
B4
B2: „keinen Wettbewerbsvorteil, aber Unternehmenserfolg“ B3: „ Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg“ B4: „kein Wettbewerbsvorteil und keinen Unternehmenserfolg“
Abbildung 13: Logische Untersuchung der Wettbewerbsvorteil-UnternehmenserfolgImplikation270 Wenn wie üblicherweise zunächst angenommen wird, dass beide Partikel der Kernhypothese durch empirische Beobachtungen einen positiven Wahrheitswert haben, m. a. W. wahr sind, dann ergibt sich den Regeln der logischen Implikation folgend wieder eine insgesamte Falschheit der Aussage, wenn die zweite Aussage (Vorliegen eines überdurchschnittlichen Unternehmenserfolges) falsch ist – wenn sich also kein überdurchschnittlicher Unternehmenserfolg nachweisen lässt. Dieser Annahme zu folgen bedeutet, dass sich ein Unternehmenserfolg beim Vorliegen eines Wettbewerbsvorteils einstellt (B3) eine wahre Aussagenverbindung ist, denn beide Bestandteile der Aussagen gelten gemäß der (angenommenen) empirischen Beobachtung als wahr. Daraus folgt wiederum, dass ein unterdurchschnittlicher Unternehmenserfolg bei der gleichzeitigen Existenz eines Wettbewerbsvorteils (B1) eine logische Möglichkeit, jedoch eine falsche Implikation darstellt. Sie ist falsch, da sie die Negation von UE voraussetzt, was jedoch per definitionem wieder ausgeschlossen ist, da der (angenommene) Wahrheitswert von UE nicht (von außen hinzukommend) verletzt werden darf. Allerdings offenbart sich hier wiederum ein syntaktisches Problem, denn nach dieser Aussagenverbindung sind die logisch möglichen Implikationen B2 und B4 ebenfalls wahr. Die
270
Quelle: In Anlehnung an Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 875.
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Kernhypothese des strategischen Managements ist folglich syntaktisch sinnwidrig, denn in dieser sprachlichen Form lässt sich der Unternehmenserfolg ebenso auf das Vorhandensein eines Wettbewerbsnachteils (Nicht-WV) zurückführen. Der Unternehmenserfolg wäre dann sowohl eine Folge von Vorteilen, aber auch von Nachteilen im Wettbewerb. Diese Aussagenverbindung ist damit nicht widerspruchsfrei, denn es lassen sich hier zwei widersprüchliche Sachverhalte ableiten, wobei insbesondere das nunmehr aufstellbare Postulat vom Wettbewerbsnachteil die gesamte Kausalkette der oben beschriebenen generischen Ansätze ad absurdum führt. Die Aussagenverbindung ist daher unvollständig, denn in ihr wird nicht bezeichnet, wie sich der Unternehmenserfolg bei Vorliegen eines Wettbewerbsnachteils verhält bzw. darstellt. Eine konsistente, d. h. syntaktisch widerspruchsfreie Sachverhaltsbezeichnung wäre erst dann nachzuweisen, wenn die Aussagenverbindung wie folgt lauten würde: wenn Unternehmen über Wettbewerbsvorteile verfügen und nicht wenn sie Wettbewerbsnachteile aufweisen, dann zeichnen sie sich durch einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. Auch wenn diese Aussagenverbindung wiederum keine neuen Informationen enthält, so erfüllt doch nur sie den elementaren Grundsatz der Widerspruchsfreiheit von wissenschaftlichen Aussagen. Damit wirft die logische Analyse der Kernhypothese des strategischen Managements jedoch eine über die sprachliche Sinnwidrigkeit hinausgehende, durchaus als fundamental anzusehende, weitere Problemstellung auf. Diese betrifft die postulierten Wahrheitswerte der logischen Partikel und damit auch die der gesamten Aussagenverbindung, die gemäß der geläufigen Meinung im strategischen Management als positiv (d. h. wahr) angenommen werden. Syntaktisch korrekt formuliert zeigt sie auf, dass sich der Unternehmenserfolg dann und nur dann einstellt, wenn ein Wettbewerbsvorteil tatsächlich vorliegt und gleichzeitig die Existenz von Wettbewerbsnachteilen (oder auch paritätisch-neutralen Vorteilspositionen271) ausgeschlossen werden kann. D. h., dass eine empirische Untersuchung sich sowohl mit der Existenz eines Vorteils als auch mit dem Vorhandensein eines Wettbewerbsnachteils im Hinblick auf den Unternehmenserfolg beschäftigt haben muss, um eine derartige Kausalbeziehung berechtigterweise aufstellen zu können. Tatsächlich muss jedoch konstatiert werden, dass weder die postulierte Wahrheit der ersten, noch die Falschheit der letzteren Aussagenverbindung empirisch belegt ist. Derzeit gibt es keine Untersuchungen, die eine valide Bestätigung (d. h. eine empirische Äquivalenz) des unterstellten, positiven Zusammenhanges zwischen Wettbe-
271 Auf paritätische Vorteilspositionen wird noch einmal im späteren Verlauf dieses und in einem späteren Kapitel (Kapitel 4.3.1) explizit Bezug genommen.
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werbsvorteilen und Unternehmenserfolg nachweisen können.272 Dies ist v. a. damit zu begründen, dass die anderen logisch möglichen Aussagenverbindungen (B1, B2, B4) vollständig ignoriert und damit von einer konkreten Untersuchung ausgeschlossen werden. Wettbewerbsnachteile und Unternehmensfehlschläge spielen im strategischen Management nur eine nachrangige Rolle.273 Die Gesamtheit der aufgezeigten Verknüpfungsmöglichkeiten, die alle zum Beweis der Richtigkeit der Aussagenverbindung B3 empirisch untersucht werden müssten, werden im Rahmen des strategischen Managements paradoxerweise also nicht als empirische Eventualitäten berücksichtigt.274 Im Gegenteil, denn in den vorliegenden empirischen Analysen wird dogmatisch von der Wahrheit dieser Aussagenverbindung ausgegangen, wobei lediglich Dissens in der Hinsicht besteht, „welcher“ Wettbewerbsvorteil (Marktpositionierung, Ressourcenausstattung oder Kompetenzakkumulation) der tatsächlich erfolgskritische ist.275 Das bedeutet, dass der Äquivalenzzusammenhang zwischen den Variablen Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg de facto ein definitorischer ist, denn beide Aussagenpartikel werden nicht aus einer empirischen Beobachtung heraus (sog. Beobachtungsaussage), sondern auf der Basis einer spezifischen ontologischen Seinswahrnehmung miteinander definitorisch verknüpft
272 Vgl. Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579-596, hier: S. 581-584. 273
Vgl. Denrell, J. (2003): Vicarious Learning, Undersampling of Failure, and the Myths of Management. In: Organization Science, Vol. 14, S. 227-243, hier: S. 228f.; Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579-596, hier: S. 585.
274 Vgl. Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 876. 275 Kritisch dazu vgl. March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 699; Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579-596, hier: S. 585f.. Empirische Studien, die dem „Vorteil = Erfolgs-Mythos“ unterliegen sind bspw. Cool, K. / Dierickx, I. (1993): Rivalry, Strategic Groups and Firm Profitability. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 47-59, hier: S. 90-96; Fritz, W. (2004): Über Tautologien, gesicherte Erkenntnisse und ein problematisches Wissenschaftserkenntnis. Eine Antwort auf die Kritik von Alexander Nicolai und Alfred Kieser. Arbeitspapier der TU Braunschweig AP-Nr. 04/06. Abrufbar unter www.dialog-erfolgsfaktorenforschung.de, hier: S. 15-17; Hawawini, G. / Subramanian, V. / Verdin, P. (2003): Is Performance driven by Industry- or Firm-specific Factors? A new look at the Evidence. In. Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 1-16, hier: S. 11-14; Markides, C. C. / Williamson, P. J. (1994): Related Diversification, Core Competences and Corporate Performance. In: Strategic Management Journal, Vol. 15, S. 149-165, hier: S. 162-164; McNamara, G. / Aime, F. / Vaaler, P. M. (2005): Is Performance driven by Industry- or Firm-specific Factors? A Response to Hawawini, Subramanian, and Verdin. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 1075-1081, hier: S. 1077-1081; Stalk, G. / Evans, P. / Shulman, L. E. (1992): Competing on Capabilities: The new Rules of Corporate Strategy. In: Harvard Business Review, Vol. 70, S. 57-69, hier: S. 58-60; Ruefli T. W. / Wiggins, R. R. (2003): Industry, Corporate and Business-Segment Effects and Business Performance: A non-parametric Approach. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 861-879, hier: S. 875-877; Rumelt, R. P. (1991): How much does Industry matter? In Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 167-185, hier: S. 192-198.
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(sog. Behauptungsaussage).276 KIRSCH zufolge ist dies jedoch eine fatale Erkenntnisperspektive, denn „[w]er ein Objekt »verbessern« will, braucht empirisch bewährtes Wissen über dieses Objekt. Dabei darf es a prori kein durch ein irgendwie geartetes Erkenntnisobjekt vorgesehenes Auswahlprinzip geben, das nur einen Teil oder einen spezifischen Aspekt dieses Objektes als relevant erscheinen lässt.“277
Die Aussagenverbindung beruht somit auf einer konstruierten Wirklichkeitslogik, nach der ein Vorteil im Wettbewerb per se etwas positives bewirkt, woraufhin die Verbindung zum (positiven) Unternehmenserfolg per definitionem schlüssig und sinnvoll erscheint. Vor diesem Hintergrund warnt jedoch NEUBERGER: „Betrachtet man die derzeitige Praxis der BWL …, dann gibt es … nicht nur archäologische Bestandsaufnahme, sondern ein gutes Stück Science Fiction: Es werden erdachte Funde beschrieben. Beides – das Vorhandene und das Phantasierte – wird in den Museen der Disziplin (den Lehrbüchern) zur Schau gestellt und man sieht den Exponaten nicht an, zu welcher Gruppe sie gehören.“278
Die Realisierung strategischer Vorteilspositionen und der Erfolg eines Unternehmens im Wettbewerb werden im Kontext des strategischen Managements also synonym verstanden.279 Die implizite Gleichsetzung „Vorteil = Erfolg“ erscheint zunächst sprachlich schlüssig, denn das Vorhandensein bzw. die Identifizierung eines Vorteils suggeriert eine simultane Abwesenheit von Nachteilen in dem jeweiligen Untersuchungsbereich. Vor diesem Hintergrund ist es dann nahe liegend, vermeintliche Vorteilspositionen mit dem positiven Erfolg von Unternehmen im Wettbewerb in Verbindung zu setzen. Folgerichtig wird dadurch automatisch eine
276 Vgl. Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 876; Powell, T. C. (2003): Strategy without Ontology. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 285-291, hier: S. 286. 277
Kirsch, W. (1970, 1971): Entscheidungsprozesse. Bd. 3, Wiesbaden: Gabler, S. 31. Zitiert in Bleicher, K. (1995): Betriebswirtschaftslehre – Disziplinäre Lehre vom Wirtschaften in und zwischen Betrieben oder interdisziplinäre Wissenschaft vom Management?. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 91-119, hier: S. 97.
278 Neuberger, O. (1995): Betriebswirtschaftslehre: Management-Wissenschaft? Management der Wissenschaften vom Management? (Wirtschafts-)Wissenschaft fürs Management!. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 53-66, hier: S. 59 (Hervorhebung im Original). 279 Vgl. Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 319-321; Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier: S. 15-17; Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 45; Träger, S. / Seisreiner, A. (2005): Corporate Advantage Revisited. Considering Comparative, Competitive and Nonmarket Aspects. In: ACCS Conference Proceedings. Vallendar, S. 9-11.
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Identität von Wettbewerbsvorteilen mit dem Unternehmenserfolg unterstellt.280 Überlegungen, nach denen ein Wettbewerbsvorteil zu einem unterdurchschnittlichen Unternehmenserfolg oder gar Wettbewerbsnachteile zu einem überdurchschnittlichem Erfolg führen, sind mit dieser Weltsicht dann nicht kompatibel. Folglich wird von den letztgenannten logischen sowie empirischen Möglichkeiten abstrahiert und die Gefahr der Vermischung von Realität und Science Fiction, vor der NEUBERGER so warnt, ist gegeben. Ein Vorteil und der Erfolg eines Unternehmens werden in eine dieser Ontologie entsprechende, positive Beziehung gesetzt, wodurch sowohl die Wahrheit von B3, aber auch die Falschheit von B1, B2 sowie B4 definitorisch (und nicht empirisch) bestimmt ist. Dazu bemerkt POWELL treffend: „… [W]e cannot merely assert that sustainable competitive advantages cause sustained superior performance, and then rely on that assertion as proof. … It is not enough to assert that competitive advantage and performance are functionally equivalent – the logical alternatives must be taken seriously and shown empirically to be false, note merely defined as false. … [S]trategy research is burdened with an immense body of obfuscatory grammar … that, while conveying a kind of common-sense truth, obscures the fact that competitive advantage and performance are related definitionally, not functionally.”281
Die Wirklichkeitslogik des strategischen Managements basiert demnach auf Kausalitätsmythen, da die postulierte Verbindung zwischen Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg rein definitorischer Natur ist und darüber hinaus jegliche empirische Grundlage vermissen lässt. Derartig diffuse Seinswahrnehmungen (in POWELLs Worten die „common-sense truth“282), die ohne eine logische Überprüfung als plausibel gelten, sind gefährlich, denn sie können zu diffusen Denk- und Kausalitätsmustern führen, die den Weg der Erkenntnisgenerierung nachhaltig versperren. „[B]eliefs have theoretical and methodological consequences, and habitual beliefs can lead to dogmatism, illusion, or despair. … [N]either philosophers nor empirical researchers can afford the luxury of carrying dogmatic ontological beliefs on the backs of their epistemologies.“283
280 Vgl. auch Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 198. 281
Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 874, 876 (Hervorhebung im Original).
282
Vgl. auch Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 320.
283
Powell, T. C. (2003): Strategy without Ontology. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 285-291, hier: S. 286f..
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Vor diesem Hintergrund hat die Kernhypothese keinen objektiv-faktenbasierten, sondern lediglich einen subjektiv-gewerteten (sog. value-laden) Charakter,284 da diese Aussagenverbindung nicht einer (ontologieneutralen) Empirie, sondern einer spezifischen Ansicht über das Seiende zu verdanken ist. Aus Wissenschaftssicht ist der im strategischen Management eingeschlagene Weg der Hypothesengewinnung inakzeptabel, da die hier angenommenen Kausalitäten weder vollständig, konsistent (m. a. W. widerspruchsfrei), noch empirisch gehaltvoll sind. Umso erstaunlicher, dass bislang nur wenige Arbeiten diese logische Schwäche erkannt und die erforderlichen Konsequenzen im Hinblick auf die Abkehr von dieser undifferenzierten Aussagenverbindung gezogen haben. Dabei kann „[a]n audience … [not] be expected to accept a controversial statement, the claim, without at least some supporting data (evidence) and a logic (warrant) to link the evidence with the claim.”285
Die scientific community des strategischen Managements scheint jedoch weniger sensibel im Hinblick auf die Tragfähigkeit der verwendeten Hypothesen, denn anders ist die Persistenz der Vorteil = Erfolgs-Behauptung nicht zu erklären.
3.2.3 Implikationen der syntaktischen Verwirrung Als Ergebnis der hier vorgenommenen logischen Analyse der Kernhypothese des strategischen Managements zeigt sich, dass diese zwar logisch wahr, darüber hinaus jedoch zum einen syntaktisch sinnwidrig bezeichnet sowie, zum anderen, beliebigen Charakters ist, da sie aus einem definitorischen und nicht aus einem empiriebasierten Zusammenhang heraus gewonnen wird. Daher ist diese Aussagenverbindung willkürlich formuliert, denn sie zeichnet ein verzerrtes Kausalitätsbild, das Ergebnis eines definierten und daher unvollständigen empirischen Möglichkeitenraumes ist. Im strategischen Management wird nur eine der vier logisch möglichen Verknüpfungsmöglichkeiten der beiden Partikel WV und UE in Betracht gezogen, was der angesprochenen „Vorteil = Erfolg-Ontologie“ geschuldet ist. Damit hat sich (unbewusst) eine Art Konvention bzw. Übereinkunft herausgebildet, nach der die Geltung dieser Aussagenverbindung a priori, d. h. unabhängig von der tatsächlichen, empirisch beobachtbaren Wirklichkeit bestimmt ist. Es scheint, dass aus rein pragmatischen Gründen an dieser
284 Vgl. Powell, T. C. (2003): Strategy without Ontology. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 285-291, hier: S. 286. 285 Brønn, C. (1998): Applying epistemic Logic and evidential Logic to strategic Arguments. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 81-95, hier: S. 84.
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Aussage festgehalten wird, da deren Widerlegbarkeit zwar logisch möglich, jedoch ontologisch sinnwidrig ist, woraufhin die erforderliche Betrachtung wettbewerblicher Nachteilspositionen aus dem Blickfeld verschwindet. Damit ist der Wahrheitswert der Kernhypothese jedoch, wie gesagt, de facto definitorisch bestimmt und somit nichts weiter als eine Behauptung. Durch die definitorische Verknüpfung der beiden logischen Partikel wird eine Synonymisierung des Vorteils mit dem Unternehmenserfolg vollzogen, wodurch sich jedoch eine analytische bzw. tautologische Aussagenverbindung ergibt, da sie unabhängig von dem Wahrheitswert ihrer logischen Partikel (WV und UE) allgemein unter allen Umständen als wahr betrachtet wird.286 In diesem Zusammenhang von einer Tautologie zu sprechen begründet sich darin, dass die eigentlich zu erschließende Schlussfolgerung (sog. Konklusion) bereits in dieser Aussage qua der definitorischen Konvention enthalten ist.287 Genauer gesagt, ist bei einer tautologischen Aussagenverbindung das zu Bezeichnende (Unternehmenserfolg) bereits im Bezeichnenden (Wettbewerbsvorteil) enthalten. Die, und nur die Aussage, dass ein Vorteil zum Erfolg führt ist somit immer wahr, da sie allein aufgrund definitorischer Vereinbarungen begründbar ist.288 Zur Veranschaulichung der fälschlichen Verbindung von Bezeichnendem und Bezeichneten im strategischen Management sei an dieser Stelle auf BARNEY verwiesen, der einen Wettbewerbsvorteil wie folgt beschreibt: „…[A] firm is said to have a sustained competitive advantage when it is implementing a value creating strategy not simultaneously being implemented by any current or potential competitor and when these other firms are unable to duplicate the benefits of this strategy.”289
Augenscheinlich an dieser Definition ist, dass der (nachhaltige) Wettbewerbsvorteil synonym zum Unternehmenserfolg verstanden wird. Der Wettbewerbsvorteil bezeichnet bzw. definiert hier eindeutig den Unternehmenserfolg. Anders ausgedrückt: Eine einzigartige wertgenerierende Strategie (WV) führt zu einem einzigartigen, für die Konkurrenz unerreichbaren Wert
286 Vgl. auch Vgl. Popper, K. R. (1994): Logik der Forschung. 10., verbesserte und vermehrte Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 34f.; Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 43. 287
Vgl. auch Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 1070; Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 4, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 213.
288
Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 104.
289
Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 102 (Hervorhebungen im Original).
102
(UE). BARNEY hat eine analytische Aussage gebildet. Eine Trennung beider Variablen kann hier also nicht mehr vorgenommen werden, da diese einen Zirkelschluss – m. a. W. eine Tautologie – bilden. Zur Bestimmung der Richtigkeit bzw. Wahrheit dieser Aussage sind daher keine empirischen Beobachtungen nötig. POWELL veranschaulicht diesen Sachverhalt sehr treffend: „Suppose … that a researcher failed to locate any sources of competitive advantage whatsoever, and claimed to have found in firm i an anomaly – a firm with sustained superior performance and no sustainable competitive advantages. If resource-based propositions were synthetic (i. e. had empirical content) this would exist as a possibility, i. e. there would be a possible world in which resource-based propositions were false. But if the theory precludes these possible worlds by asserting, for example, that sustainable competitive advantages must be there somewhere because superior performance has been observed, then clearly the theory has made itself analytic….”290
Da hier das Erfahrungswissen also keine Rolle spielt, können tautologische Aussagen allerdings die tatsächliche Wirklichkeit nicht bestimmen.291 Dies begründet HABERMAS damit, dass „sich Realität nicht unabhängig von den Regeln, unter denen der Forschungsprozess steht, konstituiert, [weshalb] … nicht der Hinweis auf diese Realität dazu herhalten [kann], die Geltung der Regeln des Forschungsprozesses, eben der Schlussmodi, zu begründen.“292
Zurückzuführen ist dies auf die mit der Aussage verbundene enge und sehr restriktive Wahrheitsbedingung, die „den Spielraum, der den Tatsachen durch den Satz gelassen wird“293 stark begrenzt. Damit werden jedoch analytische und faktische Wahrheit voneinander getrennt. Das große Problem von Tautologien ist demnach erkenntnistheoretischer Natur, denn aus diesen Aussagen lassen sich keine (neuen) faktischen Erkenntnisse generieren. Es lässt sich immer nur das ausdrücken, was in diesen Aussagen bereits implizit oder explizit enthalten ist.294 Dem entgegen steht jedoch das zentrale Wissenschaftsziel, Erkenntnisse zu erweitern bzw. ihnen Neues zuzuführen. Da analytische bzw. tautologische Aussagen hierzu jedoch nur einen
290 Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 882 (Hervorhebung im Original). 291 Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 44. 292
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 151.
293
Wittgenstein, L. (1984): Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe 1, suhrkamp, S. 43. 294 Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 1070.
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geringen Beitrag leisten können, da sie lediglich Informationen über die Beziehung der betrachteten Partikel beinhalten, bedarf es im strategischen Management der verstärkten Anstrengung, synthetische Aussagen zu formulieren, deren Wahrheit nicht allein über die Art und Weise der Begriffsverwendung ableitbar ist.295 Synthetische Aussagen zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf Beobachtungen beruhen und somit empirisch gehaltvoll sind. Demnach können diese problemlos im Hinblick auf nichtsprachliche Sachverhalte empirisch überprüft werden.296 Die Korrektheit einer solchen Aussage, damit sie als synthetisch bezeichnet werden kann, wird folglich nur durch die reale Welt bestimmt. Beide Aussagen unterscheiden sich also im Hinblick auf den Grund sowie der Wahrheitswerte der durch sie aufgestellten Behauptung (analytisch: Definition oder Konvention; synthetisch: Beobachtung oder Erfahrung).297 Ungeachtet dessen nutzen die Mehrzahl der aktuellen Arbeiten zur Erklärung des Unternehmenserfolgs den analytischen Kausalitätsmythos als Fundament ihrer empirischen Untersuchungen. In diesen Arbeiten wird davon ausgegangen, dass die aufgestellte Kernhypothese ein Phänomen der realen, objektiven Welt ist. Folglich und fälschlicherweise wird dieser Aussage ein synthetischer Charakter zugesprochen, deren Geltungsbereich unter (empirischem) Bezug auf die außersprachliche Wirklichkeit überprüft werden kann. Für die vielzähligen, daran anknüpfenden empirischen Untersuchungen hat dies zur Folge, dass „… researchers may belief they are testing the truth value of competitive advantage propositions, when in fact they are looking for coincidence between empirical phenomena named in propositions that cannot be false.“298
Worauf POWELL in diesem Zusammenhang richtigerweise rekurriert ist, dass die empirischen Validierungsversuche der generischen Ansätze nach Korrelationen suchen, die nur die eigene und von vornhinein als wahr betrachtete Wettbewerbsvorteilslogik bestätigen. Dies ist insofern unsinnig und entsprechend überflüssig, da die Wahrheit bereits aufgrund des analytischen Aussagencharakters gegeben ist. Dennoch wird bei der Beobachtung einer überdurchschnittlichen Unternehmensperformanz automatisch auf das Vorhandensein einer Vorteilsposition
295 Vgl. auch Vgl. Popper, K. R. (1994): Logik der Forschung. 10., verbesserte und vermehrte Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 13. 296
Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 4, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 182.
297
Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 105.
298 Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 882 (Hervorhebung nicht im Original).
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geschlossen. Ein davon abweichender Rückschluss wäre in diesem Zusammenhang zwar logisch möglich, jedoch ontologisch unzulässig, da sonst die definitorisch a priori bestimmte Kausalität des Unternehmenserfolgs verletzt werden würde. Folglich beginnen die darauf aufbauenden empirischen Untersuchungen mit der Untersuchung erfolgreicher Unternehmen, da per definitionem der Erfolg des Untersuchungsobjektes in Wettbewerbsvorteilen begründet liegen muss. Sodann besteht die Aufgabe darin, diejenigen Faktoren herauszufiltern, die die Ursache des unterstellten Wettbewerbsvorteils darstellen. Je nach Zugehörigkeit zu den einzelnen Denkschulen werden im Anschluss daran idealerweise jeweils einzelne Positionierungs-, Ressourcen- oder Fähigkeitskomponenten identifiziert und für den Unternehmenserfolg verantwortlich gemacht. Postuliertes Ergebnis dieser deduktiven Schlüsse ist eine Bestätigung der Kernhypothese, dass derartige Wettbewerbsvorteile zu einem einzigartigen Unternehmenserfolg führen. Interessanterweise zeigt sich hier, dass zur (empirischen) Verifizierung der in den generischen Ansätzen jeweilig aufgestellten conduct-performance Hypothesen die Argumentationskette umgekehrt wird. Denn in diesem Zusammenhang wird offensichtlich, dass die empirischen Untersuchungen von dem Unternehmenserfolg (performance) auf die vermeintlich handlungsleitenden (conduct) Vorteilsparameter (structure, resource oder competence) schließen. Derartige Untersuchungen, wie sie vielfach im strategischen Management anzutreffen sind, verkehren damit ihren eigenen hypothetisierten Grundsatz, nach der ein bestimmter Parameter den Unternehmenserfolg überdurchschnittlich positiv beeinflusst. Korrekterweise müsste der empirische Test damit jedoch in entgegengesetzter Richtung verlaufen, damit die aufgestellte Kernhypothese tatsächlich bewiesen werden kann. Ausgangspunkt wäre dann eine spezifische Marktpositionierung, Ressourcenausstattung oder ein gewisses Fähigkeitsniveau, das im Anschluss auf seine Erfolgswirksamkeit untersucht werden könnte. Nur in diesem Fall wäre gesichert, dass der Unternehmenserfolg und nicht der Wettbewerbsvorteil als abhängige Variable betrachtet wird.299 Eine solche Vorgehensweise lässt sich für das strategische Management allerdings kaum feststellen, was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass Wettbewerbsvorteilen u. a. eine kausale Ambiguität zugesprochen wird,300 die ihre Erfolgswirksamkeit
299 Vgl. z. B. March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 699f.; Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 875. 300
Dierickx, I. / Cool, K. (1989): Asset Stock Accumulation and Sustainability of Competitive Advantage. In: Management Science, Vol. 35, S. 1504-1511, hier: S. 1507-1509; King, A. W. (2007): Disentangling Interfirm and Intrafirm causal Ambiguity: A Conceptual Model of Causal Ambiguity and Sustainable Competitive Advantage. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 156-178, hier: S. 157f.; Lippman, S. A. / Rumelt, R. P.
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verliert, würde sie (im Vorfeld) empirisch entdeckt.301 NICOLAI und KIESER fassen diese Dilemmasituation wie folgt zusammen: „Der Aufbau des Wettbewerbsvorteils ist sehr vorraussetzungsvoll. Die normative PaaVForschung [PaaV: Performance als abhängige Variable; Anm. des Verf.] setzt hingegen auf schlichte Imitation des in der Vergangenheit Erfolgreichen. Paradoxerweise zeigt die Strategieforschung aber, dass ein wirklicher Wettbewerbsvorteil nur deshalb einer ist, weil ihn andere Unternehmen nicht ohne weiteres imitieren können.“302
Für die aus den Untersuchungen innerhalb der einzelnen generischen Ansätze resultierenden Ergebnisse muss daher konstatiert werden, dass es sich hierbei nur um vage ex post Rationalisierungen des Unternehmenserfolges handelt,303 die hinsichtlich einer präzisen ex ante Prediktion des Unternehmenserfolges keinen wesentlichen Beitrag leisten können, da sie jeweils aus unvollständigen bzw. einseitig-dogmatischen Analysen resultieren, die darüber hinaus die abhängige Variable vertauschen.304 Als Folge dieses Vorgehens entstehen zwangsläufig Erfolgsmythen, da „…competitive advantages can never be simply observed – they can only be inferred from actual or expected competitive outcomes“.305
Zusammenfassend und abschließend kann festgehalten werden, dass eine formal-logische Analyse der Gebrauchssprache erstaunliche Irreführungen offen legen kann, die ohne eine solche Untersuchung verborgen bleiben würden. SCHOPENHAUER sieht dies ähnlich, denn „[p]raktischen Nutzen wird die Logik, wenigstens für das eigene Denken, nicht leicht haben. Denn die Fehler unsers eigenen Räsonnements liegen fast nie in den Schlüssen, noch sonst in der Form, sondern in den Urteilen, also in der Materie des Denkens. Hingegen
(1982): Uncertain Imitability: An Analysis of Interfirm Differences in Efficiency under Competition. In: Bell Journal of Economics, Vol. 13, S. 418 438, hier: S. 418-421; Reed, R. / DeFillippi, R. J. (1990): Causal Ambiguity, Barriers to Imitation, and Sustainable Competitive Advantage. In: Academy of Management Review, Vol. 15, S. 88-102, hier: S. 88f. 301 Vgl. z. B. March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 699. 302
Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579-596, hier: S. 586.
303 Vgl. Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (2002): Strategic Management: The Strengths and Limitations of a Field. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 3-30, hier: S. 11-15; Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 33; Weick, K. E. (1979): The Social Psychology of Organizing. New York: Random House, S. 91, 152-165. 304
Vgl. Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 875.
305
Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317 327, hier: S. 320.
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können wir bei der Kontroverse bisweilen einigen praktischen Nutzen von der Logik ziehn, indem wir die … trügerische Argumentation des Gegners, … auf die strenge Form regelmäßiger Schlüsse zurückführen und dann ihm Fehler gegen die Logik nachweisen.“306
Im Zusammenhang mit der hier vollzogenen Analyse der Kernhypothese des strategischen Managements bestätigt sich, dass es „trügerische Argumentationen“ gibt, die die Erkenntnisgewinnung im Hinblick auf die Kausalität des Unternehmenserfolgs entscheidend erschweren. Zunächst konnte nachgewiesen werden, dass die untersuchte Aussagenverbindung syntaktisch sinnwidrig ist. Die Sinnwidrigkeit liegt in der Unvollständigkeit der Aussage begründet, da sie die Gesamtheit der logischen Verknüpfungsmöglichkeiten (WV, Nicht-WV, UE, NichtUE) ignoriert. Ergebnis dieser eingeschränkten Sichtweise ist eine Aussage, die widersprüchliche Implikationen zulässt, nach der bspw. der Unternehmenserfolg ein Resultat von Wettbewerbsnachteilen ist. Ein Ergebnis, das die gegenwärtige Ontologie des strategischen Managements ad absurdum führt. Ferner wurde herausgearbeitet, dass die Kernhypothese des strategischen Managements keinen empirischen Gehalt hat, was auf die definitorische Bestimmung der Wahrheitswerte zurückzuführen ist. Die sich hierdurch herausbildende Konvention, dass Wettbewerbsvorteile immer und nur zu Unternehmenserfolgen führen, hat zur Folge, dass eine Vielzahl, in der Wirklichkeit mglw. wahrer, empirischer Eventualitäten ausgeschlossen wird. Dadurch wird die Wahrheit dieser Aussage jedoch nur durch sich selbst bestimmt (analytische Wahrheit), was dem Tatbestand einer Tautologie und damit der Abspaltung von der außersprachlichen Wirklichkeit entspricht. Dessen ungeachtet wird diese analytische Aussagenverbindung paradoxerweise als eine synthetische behandelt, die anhand der realen Wirklichkeit untersucht werden kann. D. h., dass de facto eine empirisch gehaltlose Aussage an der Realität gespiegelt wird. Auch in diesem Zusammenhang konnte herausgestellt werden, dass die hierbei generierten Validierungsversuche sowohl methodisch fragwürdig, als auch die eigene Erklärungslogik verkehrend (qua ex post Rationalisierungen) zu sehen sind. Wenig verwunderlich, dass z. B. POWELL die hieraus gewonnenen Ergebnisse als Folge von Dogmatismus oder Illusion kritisiert.307 Schlussendlich muss somit konstatiert werden, dass die Kernhypothese des strategischen Managements in der aktuell verwendeten Form jegliche Legitimationsbasis vermissen lässt, weshalb dringend zu raten ist, die Funda-
306
Schopenhauer, A. (1999): Sämtliche Werke. Bd. 3: Die Welt als Wille und Vorstellung II. Mundus Verlag, S. 100.
307
Vgl. Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 883.
107
mente dieses Forschungsprogramms auf dessen Tragfähigkeit hin logisch zu überprüfen. Dazu sei abschließend auf BRØNN verwiesen, denn „[a]rgumentation is a knowledge-based activity where what one ‘knows’ may, in fact, not actually be true or not be supported by evidence, as is often the case in underlying and untested assumptions. So, by providing a [formal-logische; Anm. des Verf.] method for separating what we think we know (the subjective) from what is (the objective), we are in a better position to evaluate complex lines of reasoning involving both subjective and objective elements.”308
3.3 Problemfeld III: Pragmatische Defizite 3.3.1 Bedeutungszusammenhang zwischen Sprache und Handlung für die Erkenntnisgewinnung Nachdem die Wettbewerbsvorteilslogik des strategischen Managements im Hinblick auf dessen Bedeutungs- und Verwendungszusammenhang untersucht und als lückenhaft beanstandet worden ist, soll nun anschließend der Frage nachgegangen werden, welchen Einfluss die sowohl semantisch, als auch syntaktisch diffus verwendeten sprachlichen Zeichen auf die eigentlichen Forschungshandlungen haben. Diese Frage zu untersuchen hat eine erhebliche Relevanz, denn die Art und Weise des Sprachgebrauchs hat einen wesentlichen Einfluss auf den Denkprozess und damit, in letzter Konsequenz, auch auf das Verstehen von Zusammenhängen der außersprachlichen Wirklichkeit. Folglich stellt der sprachinduzierte Handlungszusammenhang einen wichtigen Evaluationspunkt dar, an dem die Variablen eines Forschungsprogramms im Hinblick auf deren Leistungsfähigkeit analysiert werden können. Da die Sprache als ein Medium zur sozialen Interaktion bzw. zur intersubjektiven Kommunikation verstanden wird, verbirgt sich innerhalb der genutzten Sprache immer auch ein Regelwerk zu dessen Gebrauch. Wäre ein solches nicht vorhanden, könnte ein sprachlicher Austausch im eigentlichen Sinne nicht stattfinden, da der Empfänger nichts mit den gebrauchten Ausdrücken oder Symbolen anzufangen wüsste. Eine daran anschließende Aktivität wäre demzufolge sinnlos, da sie nicht verstanden würde. Folglich lösen sprachliche Ausdrücke immer eine Reaktion, Meinung oder Handlung beim Benutzer aus, deren soziale Angemessenheit i. S. e. Korrektheit davon abhängt, ob die Sprache entweder verstanden (kongruentes Regelwerk) oder missverstanden (konträres Regelwerk) wird.
308 Brønn, C. (1998): Applying epistemic Logic and evidential Logic to strategic Arguments. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 81-95, hier: S. 82.
108
Die Untersuchung der Beziehung zwischen Zeichen und Zeichenbenutzer ist Aufgabe der Pragmatik, die neben der Semantik und Syntaktik nun als drittes Teilgebiet die Linguistik komplettiert (vgl. Abbildung 14).309
SYNTAKTIK
Zeichen
Sprachliches Zeichen Bedeutung SEMANTIK
Benutzer PRAGMATIK
Abbildung 14: Die klassischen Gebiete der Linguistik310 Im Zusammenhang mit der Pragmatik geht es um die Analyse sprachlicher Äußerungen im Hinblick auf deren Implikationen auf die sich daran anschließenden Handlungen.311
309 Die Trennung dieser drei Teildisziplinen, die auf MORRIS beruht, ist nicht unumstritten, denn, so die geäußerte Kritik, die drei Bereiche sind oftmals nicht trennscharf. Insbesondere die Unterscheidung zwischen der Semantik und der Pragmatik ist an einigen Stellen nicht eindeutig, weshalb letztere noch konzeptioneller Grundlagenforschung bedarf. Darüber hinaus bedingen sich die Gebiete teilweise gegenseitig bzw. setzen einander voraus, wodurch sich die Zuordnung verschiedener Problemstellungen zu dem ein oder anderen Gebiet nicht immer zweifelsfrei herstellen lässt. Dennoch soll in dieser Arbeit die sicherlich etwas holzschnittartige Trennbarkeit vorausgesetzt werden, da sich vor diesem Hintergrund interessante spezifische Probleme des strategischen Managements gesondert bzw. gezielt herausarbeiten lassen. 310 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Morris, C. W. (1972): Grundlagen der Zeichentheorie. München: Hanser, S. 417. 311 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 864; Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 3, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 323.
109
„Die pragmatische Zeichendimension hat es mit den Beziehungen zwischen den Zeichen, dem, wofür sie stehen, und dem was das Bezeichnete für die beteiligten Personen als Handlungsaufforderung darstellt, zu tun.“312
Sprachliche Ausdrücke stehen der Pragmatik zufolge immer in einer funktionalen Verbundenheit mit dem menschlichen Handeln. Bei der Untersuchung der Beziehung zwischen Zeichen und Benutzer werden Intension (Semantik) sowie Extension (Syntaktik) als gegeben angenommen und lediglich die spezifischen Verwendungs- und Handlungssituationen auf deren Plausibilität hin betrachtet. Im Unterschied zur Syntaktik, die die Untersuchungen auf das Fundament der formalen Logik stellt, ist die Pragmatik demnach auf empirische Daten angewiesen, die sich aus den handlungs- und gebrauchsorientierten Sprechbeobachtungen ergeben. Das bedeutet, dass die Pragmatik einen psychologischen und gesellschaftlichen Bezug hat, stellen diese doch den Kontext dar, in dem sich die Sprachhandlungen bzw. Verständigungen vollziehen.313 Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass sich die Sinnhaftigkeit einer Aussage nicht primär aus den logischen Regeln des Sprachgebrauchs, sondern ebenfalls aus den Lebenszusammenhängen der Sprachbenutzer erschließen lässt. Derartige Lebenszusammenhänge sind grundsätzlich durch Prozesse der intersubjektiven Kommunikation und Interpretation geprägt, die in Interaktionsgemeinschaften der gleichen Sprache ablaufen, die dadurch zugleich auch eine Interpretationsgemeinschaft bilden.314 „Das Spezifische an dieser sprachlich strukturierten Gemeinschaft ist nun, dass in ihr individuierte Einzelne kommunizieren. Auf dem Boden der Intersubjektivität kommen sie in einem Allgemeinen derart überein, dass sie sich miteinander identifizieren und gegenseitig als gleichartige Subjekte ebenso erkennen wie anerkennen; gleichzeitig können aber die Einzelnen in der Kommunikation auch voneinander Abstand halten und gegeneinander die unveräußerliche Identität ihres Ich behaupten. Die Gemeinsamkeit, die auf der intersubjektiven Geltung sprachlicher Symbole beruht, ermöglicht beides in einem: Identifikation und das Festhalten an der Nicht-Identität des Einen mit dem Anderen. Im dialogischen Verhältnis ist eine dialektische Beziehung des Allgemeinen und des Individuellen realisiert, ohne die die Ich-Identität nicht gedacht werden kann: Ich-Identität und umgangssprachliche Kommunikation sind komplementäre Begriffe. Beide nennen von
312 Seiffert, H. (1991): Einführung in die Wissenschaftstheorie 1. 11. Aufl., München: C. H. Beck, S. 116 (Hervorhebungen im Original). 313 Vgl. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 2, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 863; Powell, T. C. (2003): Strategy without Ontology. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 285-291, hier: S. 290. 314 Vgl. Rodi, F. (1979): Diesseits der Pragmatik. Gedanken zu einer Funktionsbestimmung der hermeneutischen Wissenschaft. In: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie, Vol. 10, S. 288-315, hier: S. 289.
110
verschiedenen Seiten die Bedingungen einer Interaktion auf der Ebene reziproker Anerkennung.“315
Damit sich in diesen Interaktionsgemeinschaften eine zielführende oder zweckrationale Kommunikation vollziehen, d. h. die HABERMASsche Ich-Identität allgemein (intersubkektiv) verständlich veräußert werden kann, bedarf es spezifischer, allgemeingültiger sprachlicher Verwendungsregeln, die darauf abzielen, gleichsam gerichtete Verhaltensmuster auszulösen. Das bedeutet, „dass es Signifikation ohne ein den Zeichenbenutzer voraussetzendes Applikationsschema, als die für den Interpreten gültige Anwendungsregel, die zugleich intersubjektive Geltung hat, nicht geben kann. … Was einen Gegenstand oder Sachverhalt zum Zeichen macht, ist … vor allem der Umstand, dass er für den Organismus und dessen Verhaltensdispositionen dasjenige Objekt vertritt, bei dessen Erreichung eine bestimmte Reaktionsfolge zum Abschluss kommt.“316
Die Pragmatik versteht die Kommunikation also prinzipiell als ein Akt der Interpretation von Zeichen. Dabei wird die Interpretation selbst als ein empirisch beobachtbares Reagieren auf ein Zeichen, also als ein zeichengeleitetes Verhalten betrachtet.317 Durch diese Sichtweise ist es möglich, die Art und Weise des Sprachgebrauchs sowie dessen Einfluss auf individuelle Verhaltensweisen zu untersuchen. Damit wird der Sprache neben ihrer Gestalt (Syntaktik) und Bedeutung (Semantik) nun auch ein zielgerichteter, handlungsanleitender Charakter zugesprochen, da „Sprachhandlungen ihre Struktur von einem Ziel her erhalten und durch Zeichen auf dieses Ziel hin vermittelt sind“.318 In pragmatischer Hinsicht ist es daher essentiell, dass die in der intersubjektiven Kommunikation genutzten sprachlichen Zeichen zielkongruent sind. Im Anschluss an die für die Pragmatik grundlegenden Arbeiten von PIERCE bedeutet dies für HABERMAS, dass die individuellen Lebenszusammenhänge (die Ich-Identität) objektiviert werden müssen, damit Kommunikation, und im wissenschaftlichen Kontext die Wahrheitsfindung, überhaupt stattfinden kann, denn
315
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 198f. (Hervorhebungen im Original).
316
Vgl. Rodi, F. (1979): Diesseits der Pragmatik. Gedanken zu einer Funktionsbestimmung der hermeneutischen Wissenschaft. In: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie, Vol. 10, S. 288-315, hier: S. 290f. (Hervorhebungen im Original). 317 Vgl. Rodi, F. (1979): Diesseits der Pragmatik. Gedanken zu einer Funktionsbestimmung der hermeneutischen Wissenschaft. In: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie, Vol. 10, S. 288-315, hier: S. 290. 318 Rodi, F. (1979): Diesseits der Pragmatik. Gedanken zu einer Funktionsbestimmung der hermeneutischen Wissenschaft. In: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie, Vol. 10, S. 288-315, hier: S. 292.
111
„…die Intersubjektivität der Verständigung in der umgangssprachlichen Kommunikation und im Handeln [ist] unter gemeinsamen Normen zu sichern.“319
Die gemeinsamen Normen stellen eine gemeinschaftliche Überzeugung der Sprachgemeinschaft dar, an diesen das individuelle (Kommunikations-)Verhalten ausgerichtet wird bzw. auszurichten ist. „Eine Überzeugung ist eine Verhaltensregel, aber nicht das durch Gewohnheit bestimmte Verhalten selbst. Verhaltenssicherheit ist das Kriterium ihrer Geltung: eine Überzeugung bleibt unproblematisch, solange die Verhaltensweisen, die sie steuert, an der Realität nicht scheitern. Sobald eine Verhaltensgewohnheit durch Widerstände der Realität verunsichert wird, entstehen Zweifel an der verhaltenssteuernden Orientierung. … [D]er Zweifel motiviert Anstrengungen, um neue Auffassungen zu finden, die das gestörte Verhalten wieder stabilisieren.“320
Eine pragmatisch konsistente, m. a. W. widerspruchsfreie Sprache lässt sich entsprechend dadurch charakterisieren, dass sie Ungewissheit eliminiert, stabile Meinungen zulässt oder unproblematische Überzeugungen anerkennt. Von Ungewissheit freie Meinungen und Überzeugungen sind in den Begriffen materialisiert, die die Interaktionsgemeinschaft zur Kommunikation verwendet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Objektivierung der individuellen Lebenszusammenhänge gewährleisten, wodurch die intersubjektive Kommunikation und Interpretation auf einem gemeinsamen Bezugssystem fußt.321 Auf dieses System beruhende Begriffe, sowie deren Verbindung zu Aussagen erfüllen demnach das pragmatische Sinnkriterium, nach dem die sich im Anschluss daran vollziehenden Handlungen nicht konträr zur objektiven Realität stehen. Könnten sich die verwendeten sprachlichen Zeichnen nicht an der außersprachlichen Wirklichkeit messen, d. h. führen sie zu widersprüchlichen Handlungen der Interpreten, würden sie verworfen und durch pragmatisch sinnvollere ersetzt. „Die Verständigung über sprachliche Symbole unterliegt der dauernden Kontrolle durch das tatsächliche Eintreten der im Kontext erwarteten Handlungen, und die Handlungen ihrerseits können bei gestörtem Konsensus durch sprachliche Mitteilung interpretiert werden. … Sprache und Handeln interpretieren sich wechselseitig.“322
Folglich gewinnen Begriffe und Aussagen ihren Sinn „einzig aus dem Bezugssystem möglichen erfolgskontrollierten Handelns“.323
319
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 221 (Hervorhebung nicht im Original).
320
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 153f. (Hervorhebung nicht im Original).
321
Vgl. Popper, K. R. (1994): Logik der Forschung. 10., verbesserte und vermehrte Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 18. 322
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 212.
323
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 155 (Hervorhebung im Original).
112
HABERMAS sieht in diesem Zusammenhang auch die essentielle Frage nach der adäquaten Forschungslogik, wie wissenschaftlicher Fortschritt möglich ist, beantwortet, „indem … die Geltung synthetischer Schlussformen aus dem transzendentalen Zusammenhang instrumentellen Handelns legitimiert“ ist.324 Dies konnte ebenfalls bereits im voranstehenden Abschnitt aufgezeigt werden, da nur synthetischen Aussagen ein empirischer Gehalt innewohnt und somit sich nur diese an der außersprachlichen Realität erfolgskontrolliert spiegeln lassen. So argumentiert HABERMAS, dass „… der Zusammenhang von symbolischen Vorgängen des Schließens und faktischen des Handelns … erst klar [wird], wenn wir instrumentales Handeln als die Kontrolle von äußeren Bedingungen der Existenz verstehen, die nur unter Bedingungen eines kumulativen Lernprozesses erworben und ausgeübt werden kann: jedes Handeln nach technischen Regeln ist zugleich ein Test dieser Regeln, jedes Scheitern eines am Erfolg kontrollierten Handelns ist zugleich die Widerlegung einer Hypothese, jede Reorientierung eines gestörten Verhaltenssystems ist die Erweiterung einer bis dahin ausgeübten technischen Verfügungsgewalt und Resultat eines Lernprozesses in einem.“325
Analytische Aussagen können einem erfolgskontrollierten Handeln nicht genügen, da die Realität in diesen definiert ist, was wiederum die von HABERMAS angesprochenen kumulativen Lernprozesse bspw. innerhalb einer Forschungsgemeinschaft behindert, da die Widerlegung der in analytischen Aussagen verbrieften Regeln unmöglich ist. Analytische Aussagen sind entsprechend empirisch gehaltlos, da sie sich nicht falsifizieren lassen.326 Pragmatisch gesehen stehen sie dem Erkenntnisfortschritt im Wege, da diese Aussagen um nichts Hinzugedachtes hypothetisch ergänzt werden können, da dies nicht mit der definierten Realität konform gehen kann bzw. die Wirklichkeit verändern würde.327 Dass solche Aussagen (wie im strategischen Management) dennoch einer empirischen „Erfolgskontrolle“ unterzogen werden, was zugleich aus pragmatischer Sicht eine sinnwidrige Handlung darstellt, sieht HABERMAS in der Psychologisierung forschungslogischer Sachverhalte verortet:328 „Im institutionalisierten Forschungsprozess treten theoretische Sätze und punktuelle Erfahrungskontrollen freilich so auseinander, dass die logische Struktur der Erfahrung verkannt werden kann. … Dass Falsifikationen zur abduktiven Erzeugung neuer Hypothesen nötigen und so den Stellenwert einer bestimmten Negation einnehmen, wird als logisches
324
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 155 (Hervorhebungen nicht im Original).
325
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 158f. (Hervorhebung im Original).
326
Vgl. Popper, K. R. (1994): Logik der Forschung. 10., verbesserte und vermehrte Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 13-17. 327
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 182.
328
Vgl. auch Popper, K. R. (1994): Logik der Forschung. 10., verbesserte und vermehrte Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 6.
113
Verhältnis unkenntlich. Abduktion erscheint als ein kontingenter Vorgang der Forschungspsychologie, sobald Test und Annahme, Handlung und Hypothese nur noch äußerlich aufeinander bezogen werden. Nur innerhalb des transzendentalen Rahmens instrumentellen Handelns ist zu sehen, dass in Wahrheit neue Hypothesen nach Regeln der Abduktion gebildet werden müssen und nicht der Beliebigkeit einer hypothesenschaffenden Phantasie anheimgestellt sind.“329
Vor diesem Hintergrund wird im handlungsgeleiteten Zusammenhang der Pragmatik daher vorgeschlagen, grundsätzlich deduktiv-analytische durch abduktiv-synthetische Schlussweisen zur Hypothesengewinnung zu ersetzen:330 „Neue Annahmen können wir nur … abduktiv auffinden, nur dann können wird daraus bedingte Voraussagen deduzieren, und nur dann die zugrundegelegten Hypothesen durch fortgesetzte Induktion bestätigen.“331
Im Gegensatz zu analytischen Aussagen ermöglicht das abduktive Ziehen synthetischer Schlüsse eine daran anschließende Handlung, oder genauer gesagt, eine Untersuchung dieser Aussage im Hinblick auf dessen Realitätsbezug. Ferner lassen sich diese problemlos ergänzen oder umstellen, da Abduktionen eine erfahrungsgeleitete, hypothetische Nachbildung einer vergegenständlichten Wirklichkeit sind.332 Da die Vergegenständlichung bzw. Objektivierung der Realität in einem intersubjektiven Bezugssystem erfolgt, ist die „vergegenständlichte Natur … [immer] Korrelat eines Ich, das instrumentell handelnd in die Wirklichkeit eingreift.“333 Dieses individuelle Handeln kann niemals vollständig oder allumfassend sein, da es Produkt eines subjektiven und damit begrenzten Lebenszusammenhanges ist.334 Ihrer Natur nach las-
329
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 159f. (Hervorhebungen nicht im Original).
330
Induktion: Entdeckung von Gesetzen; Abduktion: Entdeckung von Ursachen; Deduktion: Voraussage von Wirkungen. Vgl. z. B. Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 36; Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 28. 331
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 161.
332
So schreibt bspw. POWELL: To abduct a proposition is to acknowledge ist capacity to withstand competition among rival theories, while recognizing the formal end empirical complexities of knowledge-claiming – and showing respect fort he fragility and instability of human knowledge. Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 897. 333
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 181.
334
So argumentiert DILTHEY: „Für die Geisteswissenschaften … [liegt] der Zusammenhang des Seelenlebens als ein ursprünglich gegebener [zugrunde]. Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir. Denn in der inneren Erfahrung sind auch die Vorgänge des Erwirkens, die Verbindungen der Funktionen als einzelne Glieder des Seelenlebens zu einem Ganzen gegeben. Der erlebte Zusammenhang ist hier das erste, das Distinguieren der einzelnen Glieder desselben ist das Nachkommende. Das bedingt eine sehr große Verschiedenheit der Methoden, vermittels deren wir Seelenleben, Historie und Gesellschaft studieren, von denen, durch welche die Naturerkenntnis herbeigeführt worden ist. Zitiert in Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 184f.. HABERMAS selbst verweist darauf, „[e]in Lebensbezug fixiert sowohl bestimmte Bedeutsamkeiten von Dingen und Menschen für ein Subjekt als auch bestimmte Verhaltensweisen eines Subjektes zu seiner Umgebung. Der Lebensbezug ermöglicht eine kognitive Auffassung nur in dem Maße, in dem er zugleich eine affektive Einstel-
114
sen solche Aussagen also Raum für Kritik, für Konkurrenz zu alternativen Überzeugungen sowie für erforderlich erachtete Anpassung und haben entsprechend solange Bestand, bis ein adäquateres Zeichen aus empirisch erfolgskontrollierten, m. a. W. der Realität eher entsprechenden Handlungen resultiert. So argumentiert auch POPPER, denn „[e]in empirischwissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können“.335 Dies impliziert, dass die Pragmatik sprachliche Zeichen oder Aussagenverbindungen insbesondere im Hinblick auf deren Sinn und Praktikabilität für den menschlichen Lernprozess beurteilt. „To a pragmatist, a true proposition is one that facilitates fruitful paths of discovery. So long as a proposition provides a profitable leading, we retain it, deploy it, and improve it. But when it begins to frustrate discovery, and alternative propositions become more attractive, we abandon our original proposition, and call it false. … Therefore truth is not a proposition of empirical reality … but rather a practical concern of human beings desiring an advance in understanding or scientific discovery.”336
Hier offenbart sich ein interessanter, von den anderen beiden Ansätzen abweichender Weg zur Bestimmung des Wahrheitswertes von Aussagen, der sich aus der Zweckmäßigkeit bzw. dem zielführenden Charakter im Hinblick auf den wissenschaftlichen Fortschritt ergibt. Pragmatisch sinnvolle bzw. wahre Aussagen stimulieren Denkprozesse. POWELL zufolge ist die pragmatische Wahrheit also „not correspondent, but instrumental“.337
338
Die Wahrheit einer
Aussage ist demnach immer temporär. Insofern dient sie als ein Instrument, den eigenen Wahrheitswert mglw. zukünftig in eine Falschheit zu transformieren und über die Konkretisierung einer „neuen“ Realität einen Beitrag zum Erkenntniszuwachs zu leisten.
3.3.2 Pragmatische Verwirrungen des strategischen Managements Wird diesen Überlegungen der Pragmatik gefolgt, gelten sprachliche Zeichen oder Aussagen als pragmatisch wahr bzw. sinnvoll, wenn sie sich
lung und handlungsorientierende Gesichtspunkte festlegt. Im Kontext von Lebensbezügen wird ein Gegenstand nur in dem Verhältnis theoretisch erfasst, wie er sich unter Wertorientierungen zeigt und zugleich unter Regeln möglicher Zwecktätigkeit präsentiert.“ Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 191. 335
Popper, K. R. (1994): Logik der Forschung. 10., verbesserte und vermehrte Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 15 (Hervorhebung anders als im Original).
336 Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 884. 337 Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 879. 338 POPPER übersetzt die pragmatische Auffassung von der Wahrheit einer Aussage in die Adjektive nützlich, erfolgreich, bestätigt oder bewährt. Vgl. Popper, K. R. (1994): Logik der Forschung. 10., verbesserte und vermehrte Aufl. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 221.
115
x
im Handlungszusammenhang der außersprachlichen Wirklichkeit als (temporär) robust erweisen (abduktiv-hypothetisierter Realitätsbezug),
x
durch empirische Untersuchungen spiegeln lassen (erfolgskontrolliertes Handeln),
x
durch einen objektivierten, d. h. möglichst ontologiefreien Lebenszusammenhang darstellen (Intersubjektive Kommunikationsmöglichkeit),
x
durch ein minimales Maß an (Rest-)Ungewissheit im Hinblick auf den handlungsanleitenden Charakter auszeichnen (Zielkongruenz bzw. Zweckrationalität) sowie
x
als praktikabel für den menschlichen Lernprozess erweisen (instrumentaler Wahrheitswert).
Dies garantiert „… innerhalb kultureller Überlieferungen ein mögliches handlungsorientierendes Selbstverständnis von Individuen und Gruppen und ein reziprokes Fremdverständnis anderer Individuen und anderer Gruppen…. Es ermöglicht die Form zwanglosen Konsensus und die Art gebrochener Intersubjektivität, von denen kommunikatives Handeln abhängt. … Wenn diese Kommunikationsströme abreißen und die Intersubjektivität der Verständigung entweder erstarrt oder zerfällt, wird eine Bedingung des Überlebens zerstört, die so elementar ist wie die komplementäre Bedingung des Erfolgs instrumentalen Handelns: nämlich die Möglichkeit zwangloser Einigung…. Weil diese Vorraussetzung von Praxis ist, nennen wir das erkenntnisleitende Interesse der Geisteswissenschaften >praktisch<.“339
Vor diesem Hintergrund bestätigt sich erneut die im Zusammenhang mit der semantischen Analyse des strategischen Managements bereits geäußerte Kritik, dass die Ambiguität des Wettbewerbsvorteils der Erkenntnisvermehrung grundsätzlich im Wege steht. Aus pragmatischer Sicht lässt sich dies damit begründen, dass Interaktionsgemeinschaft (die Forschungsdisziplin Strategisches Management) und Interpretationsgemeinschaft (die drei Denkschulen) nicht deckungsgleich sind. Sie sind nicht deckungsgleich, da sich die Interpretationsgemeinschaft, zumindest nach der in dieser Arbeit vertretenen Logik, dreigliedrig darstellt. Die Zersplitterung der Interpretationsgemeinschaft liegt ursächlich darin begründet, dass die individuellen Lebenszusammenhänge der drei generischen Ansätze nicht objektiviert werden, so dass die interaktiven Kommunikationsströme abgerissen sind bzw. de facto nie existiert haben. Selbst- und Fremdverständnis der Denkschulen stehen also nicht reziprok zueinander. Eine objektivierte Intersubjektivität der Verständigung lässt sich nicht nachweisen, denn die verwendeten Zeichen benennen eine unterschiedliche Gebrauchsorientierung. Damit ist im
339
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 221f. (Hervorhebung im Original).
116
Anschluss an HABERMAS die elementarste Bedingung des Überlebens einer Forschungsdisziplin verletzt: die Objektivation der Sprache im Denken und Handeln. Die fehlende Objektivation verschließt die Möglichkeit einer „zwanglosen Einigung“ im strategischen Management, weshalb sich die scientific community in der Tat einer fundamentalen Krise gegenübersieht. Auch dafür hat HABERMAS eine Erklärung, denn „[a]n die Stelle des Verhältnisses von beobachtendem Subjekt und Gegenstand tritt hier das Verhältnis von teilnehmendem Subjekt und Gegenspieler. Erfahrung ist durch die Interaktion beider vermittelt – Verstehen ist kommunikative Erfahrung. Deren Objektivität ist mithin von beiden Seiten bedroht: durch den Einfluss des Interpreten, dessen beteiligte Subjektivität die Antworten verzerrt, nicht weniger als durch die Reaktion des Gegenüber, der einen partizipierenden Beobachter befangen macht.“340
Die Lösung dieses pragmatischen Dilemmas sieht HABERMAS in der Rolle des reflektierenden Mitspielers bzw. Interpreten, der sich fremde Objektivationen aneignet und durchschauen lernt: „Eine Interpretation kann die Sache nur in dem Verhältnis treffen und durchdringen, in dem der Interpret diese Sache und zugleich sich selbst als Momente des beide gleichermaßen umfassenden und ermöglichenden objektiven Zusammenhangs reflektiert.“341
Ein objektives Verstehen des Kommunikationszusammenhanges als elementare Grundlage der Erkenntnisgenerierung ergibt sich demnach nur auf diesem Weg. Die Sinnstiftung kann deshalb nur über eine sich aus der permanenten Reflektion ergebende und daher verlässliche Verständigung erreicht werden. „Das Verstehen terminiert nicht in Einfühlung, sondern in der Nachkonstruktion einer geistigen Objektivation. … Allerdings lässt sich der objektive Zusammenhang geltender Symbole … nur durch erlebende Rekonstruktion verstehen, so also, dass wir in den Prozess der Hervorbringung von Sinn zurückgehen.“342
Wird die hier dargestellte Sinnhervorbringung (sog. Transposition) auf die Zusammenhänge des strategischen Managements angewendet, d. h. wird die geistige Objektivitation der generischen Ansätze in das „nachvollziehende Erleben“343 zurück übertragen, wie dies bereits einführend im Hinblick auf das (unterschiedliche) Wesen des Wettbewerbsvorteils (Abschnitt 3.1.2) geschehen ist, so offenbaren sich weitere sprachliche Verwirrungen. Diese betreffen zunächst v. a. die pragmatischen Sinnkriterien Zweckrationalität und Praktikabilität für den
340
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 227 (Hervorhebung im Original).
341
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 228 (Hervorhebung im Original).
342
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 186f. (Hervorhebung im Original).
343
Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 183.
117
menschlichen Lernprozess. Damit das sprachliche Zeichen Wettbewerbsvorteil diese beiden Kriterien erfüllen kann, muss es zu einer konkreten, intersubjektiv identischen Handlungsaufforderung führen und darüber hinaus durch diese Handlung einen empirischen Beitrag zur Evaluierung des zugrunde gelegten (instrumentellen) Wahrheitswertes leisten. Allein vor dem bereits erörterten Hintergrund einer zergliederten Interpretationsgemeinschaft sowie des überwiegend analytischen Charakters der verwendeten Hypothesen lässt sich bereits konstatieren, dass der Wettbewerbsvorteil im pragmatischen Sinne inkonsistent ist. Die pragmatische Inkonsistenz zeigt sich darüber hinaus jedoch auch, wenn einmal die Handlungsebenen erlebend rekonstruiert werden, auf die sich die drei generischen Ansätze de facto jeweils beziehen. So konnte im Anschluss an den marktorientierten Ansatz herausgearbeitet werden, dass unternehmerische Wettbewerbsvorteile in marktstrukturellen Faktoren begründet liegen. Für den Unternehmenserfolg bedeutet dies, dass dieser Zustand per definitionem ein Resultat branchenstruktureller Gegebenheiten ist. Diese angenommene Kausalität hat zur Folge, dass die dieser Denkschule verpflichteten Vertreter nach marktlichen Strukturdeterminanten suchen, die ein Höchstmaß aneignungsfähiger Renditen versprechen. Damit wird deutlich, dass die Wettbewerbsvorteilslogik im MBV per se einen Mechanismus nachfrageseitiger Art bzw. auf der Ebene der Leistungsdistribution darstellt. Diesen Aspekt betont auch KLEIN, denn „[w]hile PORTER’s ostensible unit of analysis is the firm, it is arguable that the specific competitive advantages he describes (cost and differentiation) are better understood as qualities of products rather than of firms.”344
Pragmatisch betrachtet fordert der Wettbewerbsvorteil im marktorientierten Ansatz demnach Handlungen auf der unternehmensexternen Absatzseite. Durch die Hinzuziehung der Argumentation des ressourcenorientierten Ansatzes verschärft sich diese Inkonsistenz deutlich: denn nach der hier verfolgten Logik resultieren Wettbewerbsvorteile aus der Verfügbarkeit eines einzigartigen Ressourcenbestandes. Der Unternehmenserfolg stellt sich in diesem Aussagesystem als eine pfadabhängige Variable der Ressourcenausstattung dar, wodurch die Wettbewerbsvorteile im RBV auf die Ebene der Ressourcenakquisition rekurrieren, aufgrund dessen faktormarktliche Parameter nun an die Stelle der produktmarktlichen Einflussgrößen
344 Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317 327, hier: S. 322 (Hervorhebung nicht im Original).
118
treten.345 Die Gebrauchsorientierung dieses sprachlichen Zeichens entspricht demnach einer vom MBV gänzlich verschiedenen Organisationsebene der Leistungserstellung, da sie (aus Unternehmenssicht) angebotsseitige Faktoren in den analytischen Mittelpunkt rückt. Ähnliches lässt sich für den kompetenzorientierten Ansatz konstatieren, denn dieser sieht die unternehmerischen Ressourcenverwendungsfähigkeiten als Wettbewerbsvorteil respektive Schlüssel zum Unternehmenserfolg. Dieser Argumentation folgend vermitteln Wettbewerbsvorteile auf die Ebene der Ressourcenveredelung, da hier transformationsseitigen Fähigkeiten ein erfolgskritischer Charakter zugesprochen wird. Die pragmatische Konfusion ist dadurch komplettiert. „In general, however, competitive advantage is used in ways that blur the distinction between competition between products and between firms. Descriptions of competitive advantage often straddle the product domain and the firm domain, with consequent imprecision. Most often, it is unclear in which of these domains the advantage is being claimed. Because the two domains are logically separate, entities can only compete against other entities from the same domain.”346
Im Gesamtzusammenhang gesehen zeigt die Gebrauchsorientierung des Wettbewerbsvorteils in drei innerhalb und außerhalb von Unternehmen liegenden Richtungen: Akquisition, Transformation und Distribution. Obwohl dieses sprachliche Zeichen auf die Bedeutung des Unternehmenserfolgs verweist, ist die forschungsmethodische Handlungsaufforderung, die sich aus diesem Zeichen ergibt, für einen Wissenschaftler (und auch Praktiker) jeweils diametral. Damit verliert der Wettbewerbsvorteil jedoch seine pragmatische Praktikabilität, da er Unsicherheit nicht abbaut, sondern, im Gegenteil, diese noch verstärkt. Der Wettbewerbsvorteil in der aktuellen Gebrauchsweise ermöglicht zielinkonsistente Handlungen, was ein Erfolgskontrollieren zusätzlich erschwert, da dies auf komplementären und nicht auf substitutiven, d. h. gleichartigen Ebenen erfolgen muss. Entsprechend unbrauchbar erweist sich die Kernhypothese des strategischen Managements, da ihr kein für den Erkenntnisfortschritt notwendiger (m. a. W. instrumenteller) Wahrheitswert zugeordnet werden kann, was auf die angesprochene Fokussierung auf voneinander abweichende „Erfolgsebenen“ zurückzuführen ist. Die hierdurch vollzogene, partialanalytische Herangehensweise der generischen Ansätze zur Erklärung des Unternehmenserfolges erweist sich dadurch als wenig hilfreich für das Verstehen
345
Vgl. z. B. Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 29-31; Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Tautology in the Resource-based View and the Implications of externally determined Resource Value: Further Comments In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 57-66, hier: S. 64.
346 Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317 327, hier: S. 322 (Hervorhebung nicht im Original).
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von Zusammenhängen, denn diese scheitert zwangsläufig an der Realität und behindert durch eine nachhaltige Verfolgung den menschlichen Lernprozess. Die Forderung nach der Abkehr von partialanalytischen Kausalitätsmythen zur Erklärung des Gesamterfolges von Unternehmen lässt sich an dieser Stelle daher nur erneuern. Im Zusammenhang mit dem instrumentellen, d. h. aus pragmatischer Sicht erforderlichen Realitätsbezug der hier untersuchten Aussagenverbindung zeigt sich eine weitere Inkonsistenz der Wettbewerbsvorteilsforschung mit den entsprechenden Implikationen für den durch Verstehen vollzogenen Lernprozess. Der Pragmatik zufolge werden Aussagen als wahr bezeichnet, wenn sie zweckdienlich, intersubjektiv kommunizierbar sowie dem aktuellen Kenntnisstand über die Realität genügend sind. Ergeben sich neue, beobachtungsinduzierte Erkenntnisse über die außersprachliche Wirklichkeit, wird die bestehende Aussage abduktiv verändert oder, im Falle einer mglw. unüberbrückbaren Falschheit, ganz verworfen. Wird die Aussage, dass Wettbewerbsvorteile zum Unternehmenserfolg führen, anhand des Realitätsbezuges untersucht, ergibt sich ein problematisches Verständnis der Wirklichkeit. Begründet werden kann dies damit, dass diese Aussagenverbindung eine vollständige Rationalität der Untersuchungsobjekte sowie ein Denken in Gleichgewichtszuständen unterstellen.347 Denn alle drei generischen Ansätze untersuchen die Wirksamkeit einzelner Variablen hypothetisch entlang einer sich rational vollziehenden, linearen Beziehung zum Unternehmenserfolg. Diese findet Ausdruck in den jeweils formulierten conduct-performance-Hypothesen, unabhängig davon, ob sie mit „structure“, „resource“ oder „competence“ beginnen. Die angenommene Rationalität zeigt sich darin, dass in den jeweiligen Ansätzen die unternehmerischen Entscheidungsprozesse komplett ausgeblendet werden, denn die Argumentationslogik ist grundsätzlich derart, dass sich die Existenz eines wie auch immer benannten Vorteils gesetzmäßig in den Erfolg eines Unternehmens übersetzt.348 Ohne dieses Rationalitätspostulat könnte die
347 Diese Modellannahmen sind damit zu erklären, dass die theoretischen Wurzeln insbesondere des markt- und ressourcenorientierten Ansatzes in der neoklassischen Theorie liegen, die sich neben diesen beiden Annahmen auf ein noch weit umfangreicheres Axiomensystem stützen. Vgl. auch Freiling, J. / Gersch, M. / Goecke, C. (2006): Notwendige Basisentscheidungen auf dem Weg zu einer Competence-based Theory of the Firm. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen KompetenzManagements. Wiesbaden: DUV, S. 4-34, hier: S. 8; Lewin, P. / Phelan, S. E. (2000): An Austrian Theory of the Firm. In: Review of Austrian Economics, Vol. 13, S. 59-79, hier: S. 67f.; Mathews, J. A. (2006): Ricardian Rents of Knightian Profits? More Austrian Insights on Strategic Organization. In: Strategic Organization, Vol. 4, S. 97-108, hier: S. 97; Stoelhorst, J. W. / van Raaij, E. M. (2004): On explaining Performance Differentials – Marketing and Managerial Theory of the Firm. In: Journal of Business Research, Vol. 57, S. 462-477, hier: S. 463f.. 348 Vgl. Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 416; Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Ad-
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eindimensionale Ursache-Wirkungs-Beziehung nicht formuliert werden, da sonst Reibungsverluste durch suboptimale Entscheidungsprozesse integriert werden müssten, die die kausale Linearität zwischen Vorteil und Performanz zerstören.349 Anhand des ressourcenorientierten Ansatzes beschreiben BROMILEY und PAPENHAUSEN: „The direct tie between resources to performance only exists if you assume firms make optimal decisions – they use their resources in the way that gives most value. Without this assumption, scholars would have to recognize the possibility that a firm uses its resources in less than optimal ways and would have to consider those utilization decisions.”350
Demzufolge müsste bspw. angenommen werden, dass die Unternehmensführung einen nutzbaren Vorteil nicht als einen solchen erkennt, was im Übrigen im RBV paradoxerweise als ein Wettbewerbsvorteil dargestellt wird (kausale Ambiguität führt zur Nichtimitierbarkeit351), woraufhin sich durch die Nichtausbeutung kein positiver Unternehmenserfolg einstellen würde. Eine derartige Situation ist zwar realistisch möglich, wird jedoch durch die unterstellte Rationalität der Entscheidungsträger per axiomem ausgeblendet.352 Das bedeutet, dass in der Modellwelt der generischen Ansätze existierende Vorteilspositionen grundsätzlich genutzt werden. Folglich sind die Entscheidungsprozesse eines Unternehmens in den Denkschulen für die Erklärung überdurchschnittlicher Unternehmensperformanz jeweils unerheblich, da sie sich den Annahmen entsprechend prinzipiell rational vollziehen.353 Jedoch,
vantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1128; Stoelhorst, J. W. / van Raaij, E. M. (2004): On explaining Performance Differentials – Marketing and Managerial Theory of the Firm. In: Journal of Business Research, Vol. 57, S. 462-477, hier: S. 463; Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S. 7. 349 Für eine umfassende Diskussion der Entscheidungsprozesse in Organisationen vgl. Simon, H. A. (1964): On the Concept of Organizational Goal. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 9, S. 1-22. 350
Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 426 (Hervorhebungen nicht im Original).
351 Vgl. King, A. W. (2007): Disentangling Interfirm and Intrafirm causal Ambiguity: A Conceptual Model of Causal Ambiguity and Sustainable Competitive Advantage. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 156-178, hier: S. 156f.; Lippman, S. A. / Rumelt, R. P. (1982): Uncertain Imitability: An Analysis of Interfirm Differences in Efficiency under Competition. In: Bell Journal of Economics, Vol. 13, S. 418-438, hier: S. 436; Reed, R. / DeFillippi, R. J. (1990): Causal Ambiguity, Barriers to Imitation, and Sustainable Competitive Advantage. In: Academy of Management Review, Vol. 15, S. 88-102, hier S. 100. 352 An dieser Stelle sei daran erinnert, dass im Rahmen der logisch-syntaktischen Analyse (Abschnitt 2.3.2.2) der hier untersuchten Aussagenverbindung das gleiche Ergebnis herausgearbeitet werden konnte. 353
Vgl. z. B. Spanos, Y. E. / Lioukas, S. (2001): An Examination into the causal Logic of Rent Generation: Contrasting Porter’s Competitive Strategy Framework and the Resource-based Perspective. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 907-934, hier: S. 924; Stoelhorst, J. W. / van Raaij, E. M. (2004): On explaining Per-
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„[i]f one assumes all firms make optimal choices, then the choice really has little interesting content. In such a world, choices simply reflect tangible preconditions. … Assuming the choices [are] optimal makes it logically impossible to say one firm made better … choices than another or to prescribe alternative … choices.”354
Die Vernachlässigung der unternehmerischen Entscheidungsprozesse hat den entscheidenden (methodischen) Vorteil, dass der Unternehmenserfolg kausal in Verbindung zu einer beliebig wählbaren „tangiblen“ Vorraussetzung gesetzt werden kann, ohne diese entscheidungsinduzierten Störfaktoren aussetzen zu müssen. Vor diesem Hintergrund lassen sich dann für Unternehmen „Handlungsempfehlungen“ ableiten, die jedoch vom Wesen her reine Identifizierungstatbestände darstellen, da diese lediglich das Ziel verfolgen können, die jeweils vorgeschlagenen Erfolgsfaktoren (preconditions) zu identifizieren und für das Unternehmen anzueignen.355 Verhält sich ein Unternehmen in diesem Sinne rational, wird es in der Konsequenz einen Performanzvorsprung im Marktgleichgewicht aufweisen, der dann jedoch nur der aufgestellten precondition geschuldet ist, da die Unternehmenshandlungen selbst vollständig rational sind. Im Ergebnis ist der Aufbau von Wettbewerbsvorteilen demnach als die Erreichung eines für Unternehmen optimalen Gleichgewichtszustandes zu verstehen.356 Aus Unternehmenssicht ist dieses Gleichgewicht optimal, da „[b]y definition, if a market is in equilibrium firms cannot improve their situation.“357
Das bedeutet, dass in dieser Situation Unternehmen mit den definierten, prekonditionalen Wettbewerbsvorteilen auch einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aufweisen, der im (statischen) Gleichgewicht von den Konkurrenten nicht erodiert werden kann. Verhalten sich Unternehmen in einem Marktsystem also vollständig rational, d. h. nutzen sie die ihnen zur Verfügung stehenden Vorteilspositionen in rationalen Entscheidungsprozessen, bewegen
formance Differentials – Marketing and Managerial Theory of the Firm. In: Journal of Business Research, Vol. 57, S. 462-477, hier: S. 463. 354
Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier S. 416.
355 Eine tatsächliche, entscheidungsorientierte Handlungsempfehlung erübrigt sich vor dem Hintergrund der angenommenen Entscheidungsrationalität, denn diese resultiert prinzipiell in optimalen Entscheidungen. Diese sind somit lediglich abhängig von den Unternehmensbedingungen (Marktcharakteristika, Ressourcenbestand oder Fähigkeiten). 356 Dem Postulat der Akteursrationalität folgend konvergieren Unternehmen grundsätzlich in einen marktlichen Gleichgewichtszustand, da die vollständige Informiertheit der Marktteilnehmer zu einer vollständigen Ausschöpfung aller möglichen Handlungsalternativen führt und nunmehr kein Unternehmen seine eigene Marktstellung gegenüber der Konkurrenz verbessern kann. 357
Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 416.
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sich alle Marktteilnehmer in eine Gleichgewichtssituation, die sich eigentlich dadurch auszeichnet, dass sie aufgrund der Performanzunterschiede ungleichgewichtig ist.358 Diesen Umstand der de facto Ungleichgewichtigkeit haben bspw. auch die Vertreter des ressourcenorientierten Ansatzes erkannt und versuchen diesen durch die Annahme „no two firms are identical“359 zu rechtfertigen. Diese weitere Annahme ist zwar logisch wahr, jedoch, dreht man diese Aussage um, dann zeigt sich, „that two firms are identical … is absurd: two identical firms would be one firm, not two“.360 Durch diese Annahme, die aufgrund der Nichtüberprüfbarkeit wiederum empirisch gehaltlos ist, lassen sich Wettbewerbsvorteile jetzt jedoch als ein Gleichgesichtszustand im klassischen Sinne modellieren, der eine Folge der Rationalität der Marktteilnehmer ist und dessen Performanz-Ungleichgewichtigkeit durch die Existenz verschiedenartiger preconditions bestimmt wird. D. h., da unterschiedliche Ausstattungsmerkmale zu abweichenden Handlungsräumen und -möglichkeiten führen, stellt sich im unter vollständig rationalen Handlungen erreichten Gleichgewicht automatisch eine Verschiedenartigkeit der Unternehmenserfolge ein. Die Verbindung zur Realität, in der Unternehmen unterschiedlich erfolgreich sind, kann nun vermeintlich hergestellt werden, ohne die in der mikroökonomischen Theorie verwurzelten Annahmen über rationales Verhalten und die marktliche Tendenz zum Gleichgewicht aufgeben zu müssen. Dazu bemerkt POWELL kritisch, dass “…all hypotheses that insist on firm-specific advantages need the heterogeneity assumption to explain empirical observations that violate perfectly competitive equilibrium conditions and outcomes”361
und kommt zu dem Ergebnis:
358 Mit der klassischen Gleichgewichtstheorie, wie sie bspw. im Modell der vollständigen Konkurrenz Anwendung findet, ist eine derartige, durch Performanzunterschiede gekennzeichnete Situation nicht vereinbar, denn hier kann kein Unternehmen einen Vorteil gegenüber den Wettbewerbern besitzen. Die Annahme rationalen Verhaltens, das per definitionem zu einem Gleichgewicht führen muss, und der Wettbewerbsvorteil, der de facto eine Situation des Ungleichgewichts darstellt, widersprechen also einander. Wettbewerbsvorteile bezeichnen Ungleichgewichte, da sie den Vorsprung eines Unternehmens gegenüber dem Wettbewerb manifestieren. In einer solchen Situation ungleicher Möglichkeiten zur Renditeaneignung versuchen nun aber (neue) Konkurrenten, diese für ein Unternehmen vorteilhafte Position zu erodieren, um die eigenen Renditepotenziale zu steigern. D. h. diese Situation wird sich erst dann wieder beruhigen, m. a. W. in eine Gleichgewichtssituation übergehen, wenn der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens nicht mehr existiert. 359 Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 881. 360 Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 881 (Hervorhebung nicht im Original) 361 Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 881.
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“The error is not in microeconomics, but in ourselves, when we insist that their axioms make sense or take empirical referents.”362
Gleichgewichtsdenken und die Annahme rationaler Unternehmensentscheidungen innerhalb der drei generischen Ansätze des strategischen Managements führen zu einem Wahrheitswert der verwendeten Hypothesen, der dem Kriterium der Instrumentalität für die Erkenntnisgewinnung nicht genügen kann. Die verwendeten Axiome, insbesondere das der Akteursrationalität, sind derart restriktiv, dass von der Realität im Prinzip völlig abstrahiert wird bzw. eine modelltheoretisch adäquatere Wirklichkeit Einbezug findet. Eine zweckrationale bzw. erkenntnisgeleitete Theoriebildung kann innerhalb dieses Axiomenkorsetts nur schwerlich vollzogen werden.363 Daran erinnern auch ASTLEY und VAN DE VEN, denn „[t]o say that A causes B … may be predictive, but intellectually sterile until one can explain the process by which the … relationship unfolds over time.”364
3.3.3 Implikationen der pragmatischen Verwirrung Wie schon im Rahmen der semantischen Untersuchung des sprachlichen Zeichens »Wettbewerbsvorteil« konnte auch bei der pragmatischen Analyse der Verbindung dieses Ausdrucks zum Unternehmenserfolg herausgearbeitet werden, dass ein normierter Verwendungszusammenhang bislang nicht nachzuweisen ist. Durch den von HABERMAS bezeichneten Prozess der erlebenden Rekonstruktion365 konnte herausgestellt werden, dass das Regelwerk zur Verwendung der zentralen Variablen der Sprachgemeinschaft strategischen Managements lückenhaft ist, denn diese erschließen einen jeweils divergierenden Sinnzusammenhang, der von der jeweiligen Interpretationsgemeinschaft abhängig ist. Die hier durchgeführte Objektivierung der vermeintlich klar formulierten Kernhypothese des strategischen Managements legt offen, dass diese unterschiedliche Gebrauchsanweisungen enthält, die sich ohne eine Transposition nicht erschlossen hätten. Offengelegt werden konnte in diesem Zusammenhang, dass die Logik der Erfolgsgenerierung auf verschiedenartige Ebenen der unternehmerischen Leistungserstellung rekurriert, wobei die eigentlich erfolgsgenerierenden Entscheidungen bzw. Handlungen der
362 Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 881 (Hervorhebung nicht im Original). 363 Vgl. auch Nelson, R. R. / Winter, S. G. (1982): An Evolutionary Theory of Economic Change. Cambridge, MA: Harvard University Press, S. 162. 364 Astley, W. G. / van de Ven, A. (1983): Central Perspectives and Debates in Organization Theory. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 28, S. 245-273, hier: S. 267 (Hervorhebung nicht im Original). 365
Vgl. Habermas, J. (1973): Erkenntnis und Interesse. Suhrkamp, S. 186f..
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Unternehmen durch das Rationalitätspostulat von der Betrachtung systematisch ausgeschlossen werden. Entsprechend einfach erscheinen die in den generischen Ansätzen formulierten „Handlungsempfehlungen“, nach denen die Identifizierung von aussichtsreichen Märkten, Ressourcenbeständen oder Kompetenzportfolios den Unternehmenserfolg herbeiführt. Die Konstruktion solch eindimensionaler, linearer Bezüge zwischen einem Ausschnitt der unternehmerischen Leistungserstellung und dem Gesamterfolg lässt vermuten, dass sich eine zumindest temporäre Robustheit im Hinblick auf die Realität darüber nicht herstellen lässt. Die bislang erbrachten empirischen „Befunde“ für die Belegung eines Ansatzes auf Kosten einer konkurrierenden Denkschule stellen vor diesem Hintergrund kein erfolgskontrolliertes Handeln dar, da der Untersuchungsbereich zu eng und, wie oben beschrieben, durch die jeweils definierte Wirklichkeit verzerrt wird. In diesem Zusammenhang fällt ferner auf, dass durch die Formulierung eindimensionaler Abhängigkeiten zwischen Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolg die für die Realität unterstellte Akteursrationalität sogar ad absurdum geführt wird. Sie entwickelt sich zu einem Absurdum, da der Verweis auf die Wichtigkeit der Aneignung idiosynkatischer Ressourcenoder Fähigkeitenbestände, als auch die Besetzung von Märkten mit hohem Rentenpotenzial von suboptimalen Entscheidungen in der Unternehmensvergangenheit ausgeht, da diese Charakteristika von Unternehmen im Vorfeld offensichtlich nicht erkannt worden sind.366 Demnach konnten rational handelnde Unternehmen in der Vergangenheit ihre Erfolgspotenziale nicht ausschöpfen (sonst würde sich die Handlungsempfehlung grundsätzlich erübrigen), was nun jedoch den Tatbestand einer Irrationalität beschreibt. Somit ergibt sich ein Paradoxon, weil in den generischen Ansätzen den rational handelnden Unternehmen aufgezeigt wird, wie sie ihre Performanz verbessern können, was jedoch ein Vorliegen unausgeschöpfter Handlungsmöglichkeiten, also eine Suboptimalität (m. a. W. Irrationalität) der vergangenen Entscheidungsprozesse impliziert. Damit gerät jedoch auch der modellimplizite Gleichgewichtsgedanke in Schieflage, denn „[i]f firms do not make optimal decisions, then markets generally should not reach equilibria (since the firms in the market could improve their positions by making better positions).367
366 Vgl. Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 416. 367
Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 416.
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Insgesamt zeigt sich an dieser Stelle, dass sowohl die verhaltenssteuernde Orientierung (Akquisitions-, Transformations- und Distributionsebene) als auch die zugrunde gelegten Annahmen über die Entscheidungs- sowie Handlungsprozesse der Unternehmen (Entscheidungsrationalität und Gleichgewichtsstreben) erhebliche Inkonsistenzen aufweisen, die sich wiederum in der Realität nicht nachweisen lassen. „Empirically, both optimal decision-making and equilibrium have been shown to be either incorrect descriptions of firm (and individual) behavior, or, at the very least, not generally correct descriptions of firm behaviour.”368
Im Bezug zur Realitätsnähe der in den generischen Ansätzen angenommen Kausalitäten muss ferner kritisch angemerkt werden, dass sich das System der Vorteilsaneignung allein auf marktlich-wettbewerbliche Einflussfaktoren stützt. Die aktuelle Wettbewerbsvorteilslogik suggeriert, dass der Unternehmenserfolg ursächlich auf den Wettbewerb zwischen Unternehmen auf Faktor- Technologie- oder Produktmärkten zurückzuführen ist. In diesem Zusammenhang wird also unterstellt, dass der Unternehmenserfolg ein Resultat des Marktprozesses ist.369 Diese Unterscheidung der Quellen unternehmerischer Vorteilsgenerierung nach Marktsellung, Ressourcen- oder Fähigkeitenausstattung ist jedoch keineswegs vollständig. In den bisherigen Überlegungen stehen auf der einen Seite lediglich die Abschöpfung (Appropriation) marktinhärenter Monopol- sowie ressourceninduzierter Knappheitsrenten und auf der anderen Seite die Schaffung (Generation) von kompetenzgetragenen, schumpeterischen Pioniergewinnen im Vordergrund (vgl. auch Abbildung 11). Ebenso entscheidend ist allerdings auch die Befähigung eines Unternehmens, generierte bzw. potenzielle Renten nachhaltig vor dem Zugriff der Wettbewerber schützen (Protektion) zu können.370 Diese Fähigkeit wird maßgeblich vom Ausmaß der individuellen Gestaltungsmöglichkeit des Wettbewerbs bestimmt.371
368
Bromiley, P. / Papenhausen, C. (2003): Assumptions of Rationality and Equilibrium in Strategy Research: The Limits of Traditional Economic Analysis. In: Strategic Organization, Vol. 1, S. 413-437, hier: S. 416.
369
Vgl. Klein, J. A. (2002): Beyond Competitive Advantage. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 317-327, hier: S. 323.
370 Vgl. Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 398-400; Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 212. 371 Vgl. Baron, D. P. (1995): Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components. In: California Management Review, Vol. 37, S. 47-65, hier: S. 48f.; Baron, D. P. (1995): The Nonmarket Strategy System. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 37, S. 73-85, hier: S. 75f.; Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S. 8; Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklä-
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Wenngleich der kompetenzorientierte Ansatz auf die Veränderungsfähigkeit der Unternehmensumwelt ausdrücklichen Bezug nimmt, so basiert in diesem Rahmen der endogene Charakter von Marktstrukturen jedoch ausschließlich auf der Weiterentwicklung von Ressourcen und Kompetenzen, die die allgemeinen „Spielregeln“ des Wettbewerbs durch neuartige Produkt- und Serviceangebote beeinflussen.372 Damit werden allerdings nur generative und keine rentenschützenden Aktivitäten als dominante Treiber der wettbewerblichen Evolution identifiziert. Diese Annahme spiegelt ein unvollständiges Abbild der Realität wider, in der sich schließlich (über den marktorientierten Ansatz hinaus) Wettbewerbsvermeidungsstrategien nachweisen lassen.373 Die angedeutete interdependente Beziehung von rentengenerierenden und schützenden Aktivitäten werden explizit im Rahmen des nichtmarktorientierten Ansatzes untersucht (vgl. Abschnitt 4.2.2). Die Interdependenz zwischen marktlichen und nichtmarktlichen Handlungsoptionen führt dazu, dass das Zustandekommen strategischer Vorteilspositionen nicht nur über marktstrategische Erfolgspotenziale erklärt werden kann. Die Erklärung, dass Unternehmen marktinhärente Residuen via generierende oder appropriierende Handlungen abschöpfen, ist somit keine hinreichende Bedingung für das Zustandekommen (nachhaltig) vorteilhafter Wettbewerbspositionen. Flankierend müssen notwendigerweise nichtmarkt- bzw. interventionsinduzierte Marktgestaltungsvorteile bei der Erklärung von Unternehmensvorteilen berücksichtigt werden, denn die damit verbundenen Wettbewerbsimplikationen ermöglichen den Brückenschlag zwischen rentengenerierenden und -schützenden Handlungsoptionen als weitere potenzielle Erfolgsquellen.374 Vor diesem Hintergrund lässt sich abschließend festhalten, dass nicht eine
rung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 49-51. 372 Vgl. Adner, R. (2002): When are Technologies Disruptive? A Demand-based View of the Emergence of Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 667-688, hier: S. 678-683; Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1994): Competing for the Future. Boston: Harvard Business School Press, S. 62-71; Sanchez, R. (1993): Strategic Flexibility, Firm Organization, and Managerial Work in Dynamic Markets: A Strategic Options Perspective. In: Advances in Strategic Management, Vol. 9, Greenwich: JAI Press, S. 251-291, hier: S. 263f.; Sanchez, R. (1995): Strategic Flexibility in Product Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 16, S. 135159, hier: S. 150f.. 373
Vgl. z. B. Aragón-Correa, J. A. / Sharma, S. (2003): A contingent Resource-based View of proactive Corporate Environmental Strategy. In: Academy of Management Review, Vol. 28, S. 71-88, hier: S. 71f.;Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen KompetenzManagements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 49; Träger, S. / Seisreiner, A. (2005): Corporate Advantage Revisited. Considering Comparative, Competitive and Nonmarket Aspects. In: ACCS Conference Proceedings. Vallendar, S. 8f..
374 Vgl. Baron, D. P. (1995): The Nonmarket Strategy System. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 37, S. 73-85, hier: S. 74f.; Ghemawat, P. (1991): Sustainable Advantage. In: Montgomery, C. A. / Porter, M. E.
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superiore Marktstellung, nicht eine einzigartige Ressourcenausstattung und nicht eine idiosynkratische Ressourcenkombinationsfähigkeit (Kompetenz) allein den Unternehmenserfolg bestimmen, sondern vielmehr eine Kombination aus diesen strategischen Erfolgspotenzialen im orchestrierten Zusammenspiel mit nicht-marktlichen Interventionen.375 Die traditionelle Analyse von Wettbewerbsvorteilen kann dieser Mehrdimensionalität von Vorteilspositionen (Marktstellungs-, Ressourcen-, Kompetenz- und Befähigungsvorteile) und Aktionsebenen (Märkte und Nichtmärkte) bisher nicht Rechnung tragen, weshalb sich der derzeitig geringe Erkenntnisstand im Bezug zu den elementaren Quellen des Unternehmenserfolgs logisch nachvollziehen lässt.376 Diese Unzulänglichkeit scheint im strategischen Management nur durch die konzeptionelle Neuorientierung von eher diametralen, denkschulgeprägten Vorteilspositionen hin zu integrierten, interdependenten Vorteilssequenzen überwindbar.377 Bei der Analyse der Kernhypothese des strategischen Managements im Hinblick auf dessen pragmatische Güte wird entsprechend deutlich, dass dessen Realitätsbezug und empirische Überprüfbarkeit (m. a. W. das erfolgskontrollierte Handeln) entscheidende Schwächen bezüglich der Praktikabilität für die Erkenntnisgewinnung aufweist. Die Verfolgung einfacher, partialanalytischer und somit unvollständiger Kausalitäten führt zwar zu analytisch wahren, jedoch faktisch falschen Generalisierungen, da diese von der definierten Wirklichkeiten überblendet werden.378 So schreibt bspw. VON HAYEK „[e]ine einfache Theorie über Phänomene, die ihrer Natur nach komplex sind … ist wahrscheinlich notwendigerweise falsch – jedenfalls ohne eine spezifizierte ceteris-paribusAnnahme.“379
(Hrsg.): Strategy: Seeking and Securing Competitive Advantage. Boston: Harvard Business Press, S. 27-38, hier: S. 34-36. 375
Vgl. Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 51.
376
Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 398-400; Stoelhorst, J. W. / van Raaij, E. M. (2004): On explaining Performance Differentials – Marketing and Managerial Theory of the Firm. In: Journal of Business Research, Vol. 57, S. 462-477, hier: S. 471f..
377
Vgl. Wiggins, R. R. / Ruefli, T. W. (2005): Schumpeter’s Ghost: Is Hypercompetition making the best of Times shorter? In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 887-911, hier: S. 887f..
378 Vgl. auch Freiling, J. / Gersch, M. / Goecke, C. (2006): Notwendige Basisentscheidungen auf dem Weg zu einer Competence-based Theory of the Firm. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 4-34, hier: S. 7. 379
Hayek, F. A. von (1972): Die Theorie komplexer Phänomene. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 16 (Hervorhebung teilweise anderes als im Original).
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MEYER und O’SHAUGHNESSY sehen vor diesem Hintergrund die Entstehung von Performanzparadoxien begründet, denn Partialanalysen führen zu einer „simultaneous proliferation and non-correlation of performance measures“.380 Dass die Entwicklung von ceteris paribus Annahmen in der Modellwelt der (mikro-)ökonomischen Theorie aus methodisch-technischen Gesichtspunkten durchaus Sinn hat, ist sicherlich unbestritten. Wenn diese jedoch ausschließlich nach den Maximen einer modelltheoretischen Praktikabilität gebildet werden, dann laufen sie Gefahr, die Realität zu verzerren, woraufhin die daraus ableitbaren Kausalzusammenhänge an Praktikabilität zur Erklärung der außersprachlichen Wirklichkeit verlieren.381 So zeigt sich im strategischen Management, dass zentrale Einflüsse auf den Unternehmenserfolg vernachlässigt werden: unternehmerische Entscheidungsprozesse und nichtmarkliche Interventionen zur Veränderung der wettbewerblichen „Spielregeln“. Vor diesem Hintergrund zeigen sich die Vorteile der pragmatischen Analyse von allgemein als anerkannt geltenden Hypothesen, schärft sie doch das Bewusstsein über das tatsächliche Erkenntnisziel, dem Verstehen von Zusammenhängen in der Realität, dem sich die wissenschaftlichen Methoden unterzuordnen haben. Das bestätigt auch POWELL: „Pragmatism is founded on an inclusive empiricism, and makes no judgement on strategy’s scientific value in relation to economics or any other discipline.”382
Ein konsequentes, erfolgskontrolliertes Überdenken der allgemein akzeptierten Hypothesen sowie ihrer Grundlagen erscheint vor diesem Hintergrund erforderlich, damit Relevanz (relevance) und Wissenschaftlichkeit (rigor) in ein gleichgewichtiges Verhältnis zurückfinden.383 „Der nicht immer günstige Einfluss der wissenschaftstheoretischen Schriften hat … dazu geführt, dass hochaggregierte, >bodenferne< theoretische Bezugsrahmen gesucht und als wissenschaftlich wertvoll angesehen wurden. Die praktische Forschung hat hier eine gewisse Ernüchterung bewirkt. Man hat erkannt, dass sich nur konkret und exakt formulierte Hypothesen in der Realität testen lassen und dass solche Hypothesen aus >bodennahen< theoretischen Ableitungen hervorgehen. Die Forschungsergebnisse mögen daraufhin weniger abstrakt und imposant sein. Dafür sind sie in dem Sinne nützlich, dass ein nachgewiesener Variablenzusammenhang einen unmittelbaren Anwendungsbezug
380 Meyer, M. W. / O’Shaughnessy, K. C. (1993): Organizational Design and the Performance Paradox. In: Swedberg, R. (Hrsg.): Explorations in Economic Sociology. New York: Russell Sage, S. 249-278, hier: S. 252 (Hervorhebungen nicht im Original). 381 Vgl. auch Meyer, M. W. / O’Shaughnessy, K. C. (1993): Organizational Design and the Performance Paradox. In: Swedberg, R. (Hrsg.): Explorations in Economic Sociology. New York: Russell Sage, S. 249-278, hier: S. 252. 382
Powell, T. C. (2003): Strategy without Ontology. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 285-291, hier: S. 290.
383 Vgl. auch Wunderer, R. (1995): Betriebswirtschaftliche Führungsforschung und Führungslehre. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 33-49, hier: S. 44.
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findet. Wenn eine im Forschungsprozess bewährte Wenn-Dann-Aussage vorliegt, kann durch Herbeiführung der Wenn-Komponente die Dann-Wirkung realisiert werden.“384
3.4 Zusammenfassende Bewertung des Erkenntnisstandes zur kausalen Logik des Unternehmenserfolges Die in Kapitel 2 und 3 vollzogene kritische Bestandsaufnahme des Forschungsprogramms zum strategischen Management von Unternehmen, das sich im Wesentlichen mit der Untersuchung der unternehmerischen Erfolgsgenerierung beschäftigt, offenbart auf dessen „Landkarte“ eine Vielzahl an weißen Flecken und problematischen Kausalitätsmythen. Im Gesamtzusammenhang betrachtet weisen die drei populärsten der vielzähligen Denkschulen erhebliche Defizite auf, deren Aufarbeitung längst überfällig ist. Die Kennzeichnung dieser konzeptionellen Schieflage war Aufgabe dieses Abschnitts, wobei insbesondere philosophische und sprachwissenschaftliche Analysetechniken interessante Einblicke in die aktuelle Forschungslandschaft gewährt haben. Vor diesem Hintergrund wurde vorgeschlagen, die zentralen Problemfelder des strategischen Managements aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, um ein möglichst objektives und umfassendes Bild über den derzeitigen Erkenntnisstand generieren zu können. Hierbei konnte herausgearbeitet werden, dass die grundlegende Kernhypothese des strategischen Managements, also dass Wettbewerbsvorteile Ursache von Unternehmenserfolgen sind, z. T. gravierende Probleme in semantischer, syntaktischer und pragmatischer Hinsicht aufweist. Im Zusammenhang mit der semantischen Analyse dieser Kernhypothese wurde herausgearbeitet, dass diese Aussagenverbindung semantisch widersprüchlich und daher sinnlos ist, da sie in intensionaler Hinsicht divergierend bezeichnet. Folglich findet ein und dasselbe sprachliche Zeichen Verwendung in unterschiedlichen Sinnzusammenhängen (kognitive Schemata), die jeweils Abbild voneinander abweichender Weltsichten (Ontologien) sind. So hat sich gezeigt, dass im Rahmen der Weltsicht des marktorientierten Ansatzes der Wettbewerbsvorteil einen Marktmacht- bzw. -stellungsvorteil und der Unternehmenserfolg eine positionierungsinduzierte (Monopol-)Rente bezeichnet. Davon abweichend stellt sich der Wettbewerbsvorteil im ressourcenorientierten Ansatz als komparativer Ausstattungsvorteil dar, während sich der Unternehmenserfolg durch die Höhe der ressourceninduzierten Knappheitsrenten (RICARDORente) bestimmt. Dementgegen rekurriert der Wettbewerbsvorteil im kompetenzorientierten
384 Witte, E. (1995): Zur Entwicklung der Entscheidungsforschung in der Betriebswirtschaftslehre. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 23-31, hier: S. 29 (Hervorhebung nicht im Original).
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Ansatz auf marktrelevante Fähigkeitenportfolios, also auf Wettbewerbsfähigkeitsvorteile, die im Ergebnis über Innovationsrenten (SCHUMPETER-Rente) den Unternehmenserfolg determinieren. Folglich sind die sprachlichen Zeichen »Wettbewerbsvorteil« und »Unternehmenserfolg« nicht neutral i. S. e. eindeutigen Referenzbeziehung zur außersprachlichen Wirklichkeit. Allgemein betrachtet fokussiert die Kernhypothese des strategischen Managements auf unterschiedliche Bedeutungsinhalte, die bislang nur interpretativ erschließbar sind. Der Tatbestand einer sinnentleerten Worthülse für beide sprachliche Zeichen ist somit gegeben, da der Bedeutungszusammenhang nicht spezifiziert ist bzw. es keine allgemein anerkannte Interpretation gibt, unter der die Aspekte des Wettbewerbsvorteils gelten. In einem zweiten Schritt wurde untersucht, inwiefern die hier untersuchte Aussagenverbindung syntaktisch korrekt gebildet wurde. Verfolgt wurde hierbei die Frage, unter welchen Verwendungsregeln die Kernhypothese des strategischen Managements gebildet wird und inwieweit diese einer logischen Vollständigkeit bzw. Richtigkeit entsprechen. Auch unter dem Blickwinkel der Syntaktik stellt sich heraus, dass die Verbindung zwischen Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg syntaktisch inkonsistent und demzufolge sinnwidrig ist, denn der Logik zufolge lässt sich aus dieser Aussage ebenso schlussfolgern, dass ein Unternehmenserfolg auch Resultat eines Wettbewerbsnachteils sein kann. Dieses Ergebnis ist nicht weiter kritisch zu sehen, denn dieses könnte durch eine syntaktisch präzise Neuformulierung gelöst werden. Jedoch hat sich in diesem Zusammenhang weiterhin gezeigt, dass die Wahrheitswerte dieser Aussage grundsätzlich definiert sind. D. h., ein hypothetisierter Zusammenhang wird zu einem Sachverhalt (v)erklärt, dessen Wahrheit keine gesicherte empirische Grundlage hat. Dies würde voraussetzen, dass sich die Erfolgsfaktorenforschung gleichsam mit der logisch sowie empirisch möglichen Existenz von Wettbewerbsnachteilen und deren Einfluss auf den Unternehmenserfolg beschäftigt haben muss. Derartige Analysen lassen sich für das strategische Management jedoch kaum nachweisen, weshalb in diesem Zusammenhang von einer definierten und darüber hinaus auch tautologischen Wirklichkeitslogik gesprochen wurde, die sowohl logisch, als auch empirisch falsch ist und nur über ex post Rationalisierungen vermeintlicher Unternehmenserfolge haltbar bleibt. Folglich ist die Kernhypothese des strategischen Managements syntaktisch unvollständig und nicht widerspruchsfrei, da die hier postulierte Beziehung zwischen zwei Variablen im Widerspruch zum formalen, d. h. alle logischen sowie empirischen Möglichkeiten umfassenden Ableitungssystem steht. Abschließend wurde untersucht, welchen Einfluss der Kausalitätsmythos, dass Wettbewerbsvorteile einen einzigartigen Wettbewerbserfolg bewirken, auf die Handlungen der scientific
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community hat. Grundlage der in diesem Rahmen durchgeführten Analyse ist die Überlegung, dass der Sprachgebrauch einen wesentlichen Einfluss auf den Denkprozess und somit auch auf die Fähigkeit des Verstehens von Zusammenhängen in der außersprachlichen Wirklichkeit ausübt. Unter Berufung auf die Erkenntnisse aus der Pragmatik konnte herausdestilliert werden, dass die bereits im semantischen Zusammenhang angedeutete Nicht-Objektivierung des Interpretationszusammenhanges zu unterschiedlichen und darüber hinaus diametralen Gebrauchszusammenhängen führt, die jeweils für sich gesehen eine geringe Praktikabilität für den Erkenntniszuwachs aufweist. Zum einen zeigt sich die pragmatische Inkonsistenz im Hinblick auf die unterschiedlichen Ebenen der unternehmerischen Leistungserstellung (Akquisition, Transformation, Distribution), auf die die divergierenden Verständnisse von Wettbewerbsvorteilen rekurrieren. Zum anderen zeigt sie sich in dem strengen Axiomenkorsett, das Unternehmen eine vollständige Handlungsrationalität und ein Streben nach Gleichgewichtszuständen unterstellt, wodurch die im Rahmen der logischen Analyse herausgestellte definierte Wirklichkeitslogik der einzelnen Denkschulen untermauert wird. Das pragmatische Sinnkriterium für eine Aussage ist hierdurch insgesamt verletzt, da der aussageninhärente instrumentale Wahrheitswert von der heute bekannten Wirklichkeit stark abweicht und zudem missverständlich ist. Dies konnte nicht zuletzt auch dadurch belegt werden, dass die aktuelle verhaltenssteuernde Orientierung der Wettbewerbsvorteilslogik den wichtigen Einfluss rentenschützender Interventionen auf den Unternehmenserfolg kategorisch ausblendet. Im Anschluss an die Zusammenfassung der Ergebnisse, die in diesem Kapitel gewonnen werden konnten, gilt es in den verbleibenden Abschnitten dieser Arbeit eine Herangehensweise an die Erklärung von Performanzunterschieden zu entwickeln, die die aktuellen sprachlichen und konzeptionellen Defizite überwinden hilft. Grundlegend und als Ausgangspunkt dazu sei auf die KANTsche Kategorientafel verwiesen, die einen Überblick über die Maxime einer erkenntnisleitenden Wissenschaftssprache vermittelt.385 1. Maxime der Quantität x
Gestalte die Aussagen so informativ wie nötig!
x
Mache Aussagen nicht informativer als nötig!
385 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 138.
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2. Maxime der Qualität x
Formuliere keine Aussagen als Behauptung!
x
Ziehe keine Schlussfolgerungen ohne Begründung!
3. Maxime der Relation x
Stelle den Bezug (Relevanz und Extension) der Aussage her!
x
Füge die Aussagen in eine Ordnung oder Systematik!
4. Maxime der Modalität x
Strebe nach Klarheit des Ausdrucks!
x
Suche die Eindeutigkeit der Bedeutung!
x
Nutze die Verständlichkeit der Sprache!
Die anhand dieser Qualitätskriterien möglich werdende kritische Überprüfung unser genutzten (Fach-)Sprache sowie der darauf beruhenden Konzepte eröffnet die Chance, Daten, die vermeintlich unser Wissen um die Wirklichkeit verkörpern, kontinuierlich an dieser selbst zu spiegeln. Daran erinnert auch VENKER, denn „[d]ort wo Terminologie absolut geworden ist, ist das Wissen zum Mechanismus von Lernbarkeit geworden, die Kreativität der Forschung erstickt, der Erkenntnisprozess ersetzt durch Scholastik.“386
Erst dann ist es denkbar, dass die Richtigkeit des Glaubens an das Wissen um Erfolgsfaktoren durch die Richtigkeit dieses Wissens ersetzt wird.387
386 Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 137. 387
Vgl. Kieser, A. (2006): Wie Erfolgsfaktoren Ihnen Erfolg bringen. In: ZFO – Zeitschrift für Führung + Organisation, Jg. 76, S. 241-242, hier: S. 242.
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4
Notwendige Basisentscheidungen für eine validere Theorie des Unternehmenserfolges
4.1 Zur Notwendigkeit einer holistischen Untersuchung unternehmerischer Erfolgsgenerierung im strategischen Management Im Anschluss an die vorangegangene Analyse der Schwachstellen des strategischen Managements wird klar, dass die derzeitige Forschungspraxis einer Generalüberholung bedarf.388 Die aktuellen Forschungsanstrengungen, die sich in einer Vielzahl von Parallelwelten mit z. T. erheblich voneinander divergierenden Denkmustern vollziehen, müssen überdacht werden, damit das strategische Management nicht Gefahr läuft, im „Sumpf der Bedeutungslosigkeit“ zu versinken.389 Die durch den Drang zur kontinuierlichen Kreierung von neuartigen „Erkenntnissen“ (novelty) vollzogene Fragmentierung des strategischen Managements in diverse Denkschulen390 hat einen multidisziplinären „melting pot“391 geschaffen, der die gesamte scientific community orientierungslos erscheinen lässt. „… [D]er Wissenschaftsbetrieb und der ihm inhärente Innovations- und Originalitätsdruck [fördert] … den Wildwuchs der Paradigmen, weil er die Etablierung jener Labels belohnt, und weil fortschreitende Ausdifferenzierung die immer höher spezialisierten Ansätze vor Kritik bewahrt: In der selbstgemachten Unübersichtlichkeit kann sich ein jeder gemütlich einrichten.“392
In der Folge sieht sich die Forschungsgemeinschaft in miteinander konkurrierenden, meristischen Detailfragen verstrickt, die schleichend an die Stelle eines vereinenden, der fachlichen Komplexität gerecht werdenden Rahmenwerkes bzw. erkenntnisleitenden Paradigmas getre-
388
Vgl. auch Volberda, H. W. (2004): Crisis in strategy: fragmentation, integration or synthesis. In: European Management Review, Vol. 1, S. 35-42, hier: S. 35.
389
Vgl. auch Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 91.
390
Vgl. auch Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 94. An dieser Stelle sei aber nochmals daran erinnert, dass die drei hier untersuchten Denkschulen keineswegs die Gesamtfragmentierung des strategischen Managements abbilden. Es gibt eine große Vielzahl von weiteren Ansätzen, die jeweils Weiterentwicklungen der hier Vorgestellten darstellen, weshalb sie in diesem Rahmen keine weitere Berücksichtigung erfahren haben. Das Gesamtbild des strategischen Managements ist insgesamt betrachtet also weitaus fragmentierter, als hier beschrieben.
391 Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (2002): Strategic Management: The Strengths and Limitations of a Field. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 3-30, hier: S. 9. 392 Ortmann, G. / Sydow, J. (2001): Strukturationstheorie als Metatheorie des strategischen Managements – Zur losen Integration der Paradigmenvielfalt. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 421-447, hier: S. 425.
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ten sind respektive die Entwicklung eines solchen behindern. Obwohl die Vertreter der einzelnen Denkschulen bisweilen dogmatisch von der ganzheitlichen Erklärungskraft ihres Denkansatzes zur Kausalität des Unternehmenserfolges ausgehen, so konnte im Rahmen des voranstehenden Kapitels gezeigt werden, dass sie de facto nur eine Teilbetrachtung durchführen. Sie beziehen sich auf unterschiedliche Ebenen der unternehmerischen Leistungserstellung, ohne das System Unternehmung oder dessen wettbewerbliches Umsystem in seiner jeweiligen Gesamtheit zu betrachten.393 Ihrem Wesen nach sind die generischen Ansätze demnach meristisch, da sie implizit Teilausschnitte als originäre Ursache von Unternehmenserfolgen als Ganzheiten verabsolutieren. WITTE sieht diese Tendenz zum konkurrierenden Merismus, m. a. W. die faktische Vernachlässigung der Ganzheitlichkeit, in vielen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre gegeben und schlussfolgert daher berechtigt, dass „[d]ie … üblichen wissenschaftlichen >Schulen<, die sich im Innenverhältnis einig … [sind] und im Außenverhältnis … [bekämpfen], in einem Wissenschaftsprozess der ständigen kritischen Auslese nicht mehr haltbar [sind].“394
Wie im voranstehenden Kapitel dargelegt werden konnte, hat die verwendete Terminologie einen entscheidenden Beitrag zu dieser auseinanderdriftenden Entwicklungsrichtung geleistet bzw. diese noch verstärkt, stellt sie doch nur auf dem ersten Blick eine präzise handlungsleitende Fachsprache im Sinne identischer Bedeutungsmuster dar. Die unpräzise Sprache des strategischen Managements hat die ohnehin bereits vorhandene inhaltliche Fragmentierung weiter vorangetrieben, da sie bislang nicht in der Lage ist, die faktischen Referenzpunkte der Denkschulen in der außersprachlichen Wirklichkeit exakt offenzulegen. Eine denkschulenübergreifende Diskussionskultur konnte sich vor diesem Hintergrund faktisch nicht durchsetzen. Augenscheinlich identische sprachliche Zeichen, die zu offenkundig übereinstimmenden Aussagen verbunden werden, bezeichnen inhaltlich unterschiedliche Sachverhalte. Die Basis für Konflikte innerhalb des strategischen Managements ist dadurch gelegt, die jedoch de facto überwiegend auf fehlende Sprachhygiene zurückzuführen sind. Würden die unterschiedlichen Bedeutungsinhalte des Wettbewerbsvorteils oder des Unternehmenserfolges expliziert, wie in dieser Arbeit geschehen, wäre der Anlass für die bestehende Kontroverse tendenziell erodiert.
393 Vgl. auch Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S. 8f.. 394 Witte, E. (1995): Zur Entwicklung der Entscheidungsforschung in der Betriebswirtschaftslehre. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 23-31, hier: S. 30.
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MARCH problematisiert diese Entwicklung sehr treffend im Zusammenhang mit der sich gleichsam vollziehenden „Balkanisierung“ der Organisationstheorie: „This unparalleled flowering of scholarship has not always been accompanied by easy conversations among the gardeners. As the field has grown and elaborated new perspectives, it has continually been threatened with becoming not so much a new integrated semidiscipline as a set of independent, self-congratulatory cultures of compression. … Although … [the] subfields have been particularly successful in augmenting our understanding of organizations …, they have exhibited persistent symptoms of isolation, engaging in intermittent internecine worldview cleansing. In the name of technical purity and claims of universality, energized subfields have tended to seal themselves off, each seemingly eager to close further the minds of the already converted, without opening the minds of others. … Exploiting interesting ideas often thrives on commitment more than thoughtfulness, narrowness more than breadth, cohesiveness more than openness. These advantages tend to be self-sustaining and to cumulate into a balkanization of a field.”395
Für MARCH resultiert das Erfassen von Zusammenhängen in sich selbst „beweihräuchernden“ Denkschulen in einer fachlich-spezifischen Isolation und damit einhergehend in einer partikularistischen Bereinigung der Wirklichkeit um ihre wesentlichen Bestandteile. Diese Entwicklung gilt es zu stoppen, denn wie die Geschichte des strategischen Managements zeigt, verschließen derartig enge Ideologien wichtige Wege der Erkenntnisgewinnung über komplexe Phänomene wie die des Unternehmenserfolges. So schreibt auch SCHUMPETER im Zusammenhang mit der zunehmenden fachlichen Ideologisierung: „Had we time, we could everywhere observe the same phenomenon: that ideologies crystallize, that they become creeds which for the time being are impervious to argument; that they find defenders whose very souls go into the fight for them.”396
Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die weitreichende Frage nach einer adäquaten Ausgestaltung des Forschungsprozesses im strategischen Management, damit die bislang wettbewerbsresistenten Kausalmuster der generischen Ansätze einer fruchtbaren Diskussion zugänglich werden. So wird an vielen Stellen die Überzeugung geäußert, dass die andauernde Verfolgung und gegenseitige Verwerfung inhaltlich begrenzter Ansätze zur Erklärung des Unternehmenserfolges dem Interesse an einer ganzheitlichen Herangehensweise weichen sollte.397 So argumentiert auch NEUBERGER, denn
395 March, J. G. (1996): Continuity and Change in Theories of Organizational Action. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 41, S. 278-287, hier: S. 280 (Hervorhebung nicht im Original). 396
Schumpeter, J. A. (1949): Science and Ideology. In: American Economic Review, Vol. 39, S. 345-359, hier: S. 358 (Hervorhebung nicht im Original).
397 Vgl. z. B. Mintzberg, H. / Lampel, J. (1999): Reflecting on the Strategy Process. In: Sloan Management Review, Vol. 40, S. 21-30, hier: S. 21.
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„[d]as Schubladendenken …, die Inkompetenz- und Unzuständigkeitserklärungen der Spezialisten, die Häufung der immer drastischer werdenden »unintendierten Konsequenzen« fordern geradezu eine holistische oder systemische Perspektive heraus, die das Vereinzelte zusammensieht und verantwortlich steuert.“398
Der Ruf nach einer holistischeren Sichtweise innerhalb des strategischen Managements ist berechtigt, denn die Zeit scheint gekommen, die durch die konkurrierenden partialanalytischen Ansätze induzierte Erkenntnisstagnation durch Anstrengungen zur gegenseitigen Befruchtung (cross-fertilization) abzulösen, um der Komplexität sozialwissenschaftlicher Erkenntnisobjekte wieder gerecht werden zu können. In diesem Zusammenhang argumentiert auch HAMBRICK, dass „[i]n order to overcome the debilitating fragmentation that has occurred in the field of strategic management, researchers need to start filling in, or adding depth, texture and linkages to our many disparate nuggets of insight …. It is time to start taking stock of what we already know, as well as to examine the interconnections and implications of what we know.”399
Für einen konzeptionellen Neuanfang müssen notwendigerweise eine Reihe von Basisentscheidungen getroffen werden, die einen holistischen Analyserahmen vergegenständlichen können, in dessen Rahmen sich die Erklärung unterschiedlicher Unternehmensperformanzen und wettbewerblichen Verhaltens vollziehen soll.
4.1.1 Der Inkommensurabilitätsmythos im strategischen Management Überlegungen, die verschiedenen Theorieströmungen innerhalb des strategischen Managements in ein holistisches Gesamtkonzept einzuordnen, sind nicht neu. So argumentiert SHRIVASTAVA bereits frühzeitig, dass eine erhebliche Notwendigkeit besteht, „[to] examine their [die Forschungsgemeinschaft; Anm. des Verf.] unstated managerial values and assumptions, and to encourage them to generate less ideologically value-laden and more universal knowledge about the strategic management of organizations.“400
Die sich in diesem Zusammenhang entwickelnde kritische Strategieforschung, die insbesondere die nichtreflexive Arbeitsweise im strategischen Management kritisiert, hat bislang je-
398 Neuberger, O. (1995): Betriebswirtschaftslehre: Management-Wissenschaft? Management der Wissenschaften vom Management? (Wirtschafts-)Wissenschaft fürs Management!. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 53-66, hier: S. 59. 399 Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 93. 400 Shrivastava, P. (1986): Is strategic management ideological?. In: Journal of Management Studies, Vol. 12, S. 363-377, hier: S. 364 (Hervorhebung nicht im Original.
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doch nur relativ wenig Beachtung gefunden. PETTIGREW ET AL. zufolge zeigt sich das darin, dass kritische Arbeiten, die die fragmentierte Meanstream-Forschung in der derzeitigen Form zu überwinden suchen, bislang nur als Arbeits- oder Konferenzpapiere zirkulieren bzw. in zweitrangigen Zeitschriften veröffentlicht werden401 und somit dem Diktat dominierender, partikularistischer Interessen unterworfen sind.402 An dieser Stelle stellt sich folglich die Frage, warum der Ruf nach einer universelleren Herangehensweise an die Problemkreise des strategischen Managements, also die Entwicklung einer integrativen Problemlösungskompetenz, nur vergleichsweise wenig Gehöhr findet. Eine Antwort darauf findet sich relativ schnell, denn im Allgemeinen wird argumentiert, dass die Integration der Erkenntnisse aus den generischen Ansätzen nicht legitim sei, da diese jeweils auf unterschiedlichen Annahmen beruhen. Entsprechend unvereinbar, so die Vertreter dieser Ansicht, sind die im Zusammenhang mit der pragmatischen Analyse erkennbaren unterschiedlichen Handlungsempfehlungen, die sich aus den einzelnen Denkschulen generieren lassen. Folglich lassen sich die ableitbaren Kausalitäten über den Unternehmenserfolg miteinander nicht vergleichen, geschweige denn integrativ verbinden, da dies zwangsläufig zu einer Nichtberücksichtigung der unterschiedlichen Kontexte führen würde.403 Vor diesem Hintergrund stellt sich entsprechend nicht mehr die Frage nach einer Integration, sondern lediglich nach einem angemessenen Umgang mit der konzeptionellen Pluralität. Die Vertreter des aktuellen Mainstreams, d. h. der denkschulgeleiteten Herangehensweise an die Erklärung von unternehmerischen Performanzunterschieden verteidigen ihre Position demnach mit dem Argument der Inkommensurabilität ihrer divergierenden Handlungsperspektiven.404 Dies führt zu dem grotesken Ergebnis, dass „… die Profilierungserfordernisse des Wissenschaftsbetriebes zu simplifizierenden Konfrontationen à la „resource-based view“ versus „market-based view“ [führen] – als würde auch nur ein ernstzunehmender Forscher sei es einzig die Unternehmensressourcen, sei es einzig den Markt als Bedingungskomplex für differente Unternehmungsstrategien ins
401 Vgl. Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (2002): Strategic Management: The Strengths and Limitations of a Field. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 3-30, hier: S. 14. 402
Vgl. Alvesson, M. / Willmott, H. (1995): Strategic Management and Domination and Emancipation: From Planning and Process to Communication and Praxis. In: Shravistava, P. / Stubbart, C. (Hrsg.): Advances in Strategic Management: Challenges from Outside the Mainstream. Greenwich: JAI Press, S. 85-112, hier: S. 85f..
403
Vgl. z. B. Proff, H. (2006): Dynamische Strategien: Versuch einer umfassenden Erklärung. In: Priddat, B. P. / Jansen, S. A. / Stehr, N. (Hrsg.): zu|schnitt 003. Friedrichshafen: Zeppelin University, S. 25.
404
Vgl. z. B. Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S. 7.
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Auge fassen. Einfachheit, gewiss ein wichtiges Merkmal erfolgreicher Theoriebildung, wird erkauft durch Einseitigkeit.“405
Die Inkommensurabilitätshypothese, die gemeinhin zur Zementierung des status quo herangezogen wird,406 ist jedoch selbst nicht unumstritten, weshalb die Berufung auf diese keinen Anlass geben sollte, die notwendigen Integrationsbemühungen im Vorhinein zu verurteilen. Insofern stellt sich nicht nur die Frage nach der Legitimität der Vereinbarung unterschiedlicher Denkansätze, sondern ebenso die Frage nach der Legitimität der angenommenen Unvereinbarkeit.407 Ausgangspunkt der Frage nach der Inkommensurabilität von Denkmodellen ist die Auffassung, dass sich wissenschaftliche Untersuchungen im Rahmen von in sich geschlossenen Paradigmen vollziehen. Diese Sichtweise, die im Wesentlichen auf den Überlegungen von THOMAS S. KUHN408 beruht, verneint die Vorstellung, dass die Wissenschaft nach allgemeinen methodischen Regeln handelt bzw. ihre Handlungen über diese rekonstruierbar sind.409 Vielmehr stellt ein Paradigma einen durch Konventionen stabilen, jedoch begrenzten, kognitiven Handlungsraum dar, der sich durch ein individuelles Sprach- und Regelsystem auszeichnet. Ein Paradigma ist demnach ein heuristischer Rahmen, da es genaue Verfahren und Interpretationsräume vorgibt, wie identifizierte Problemstellungen erforscht werden sollen. In diesem Raum gibt es eine, auf einer einheitlichen Weltsicht beruhende Sprache, mit der die Anhänger dieser Weltsicht ambiguitätsfrei miteinander kommunizieren können.410 Die Grenze eines Paradigmas bzw. zwischen Paradigmen manifestiert sich an einem Punkt, wo sich eine unterschiedliche Vorstellung über die Rationalität, m. a. W. über die Vernunft wissenschaftlichen
405 Ortmann, G. / Sydow, J. (2001): Strukturationstheorie als Metatheorie des strategischen Managements – Zur losen Integration der Paradigmenvielfalt. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 421-447, hier: S. 423f. (Hervorhebungen anders als im Original). 406
DONALDSON spricht in diesem Zusammenhang etwas überspitzt von einer „apartheid for paradigms“. Donaldson, L. (1988): In successful Defence of Organization Theory: A Routing of the Critics. In: Organization Studies, Vol. 9, S. 28-32, hier: S. 31.
407
Vgl. z. B. Weaver, G. R. / Gioia, D. A. (1994): Paradigms Lost: Incommensurability vs Structurationst Inquiry. In: Organization Studies, Vol. 15, S. 565-590, hier: S. 568-570; Willmott, H. (1993): Breaking the Paradigm Mentality. In: Organization Studies, Vol. 14, S. 681-719, hier: S. 688f..
408 Vgl. Kuhn, T. S. (1991): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 2. rev. und um das Postskriptum von 1969 erg. Aufl., Suhrkamp. 409
Vgl. Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 3, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 33.
410
Vgl. Hazlett, S.-A. / McAdam, R. / Gallagher, S. (2005): Theory Building in Knowledge Management: In Search of Paradigms. In: Journal of Management Inquiry, Vol. 14, S. 31-42, hier: S. 34.
140
Handelns ergibt.411 Was als eine vernünftige Herangehensweise an eine Problemstellung verstanden wird, ist demnach v. a. von der Sicht über das Seiende (Ontologie) bzw. dessen Behandlung (Epistemologie) determiniert, die die Vertreter eines Paradigmas als legitim erachten.412 Beide Aspekte determinieren demnach die Grenze eines Paradigmas. Paradigmen fungieren demzufolge als Orientierungssysteme, denen ein handlungsleitender Charakter innewohnt. Folglich kann es in dem System Wissenschaft mehrere, parallel existierende Paradigmen geben, die sich über unterschiedliche Richtungen einer Problemlösung bzw. Ansichten über die Problemwelt definieren. Dabei ist davon auszugehen, dass bei einer Zunahme der Komplexität der Untersuchungsobjekte auch die Anzahl verschiedenartiger Paradigmen steigt, da absehbar ist, dass sich vor diesem Hintergrund tendenziell mehrere Weltanschauungen formieren können. In der hier vertretenden Sichtweise über das strategische Management haben wir es demzufolge mit drei verschiedenen Paradigmen zu tun,413 die ihrerseits jeweils unterschiedliche Perspektiven über die Erklärung von Performanzunterschieden aufweisen. Wie im 2. und 3. Kapitel ausführlich gezeigt werden konnte, lassen sich die generischen Ansätze als Paradigmen
411 Vgl. z. B. Kuhn, T. S. (1991): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 2. rev. und um das Postskriptum von 1969 erg. Aufl., Suhrkamp, S. 187; Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 97 412 In diesem Zusammenhang wurde eine Vielzahl von klassifikatorischen Ansätzen formuliert, die die Grenzziehung zwischen Paradigmen anhand spezifischer Kriterien operationalisieren helfen. Zu den bekanntesten bzw. einflussreichsten, jedoch auch umstrittenen Grenzziehungskonzeptionen zählen die 2x2 Matrizen von BURRELL / MORGAN sowie von ASTLEY / VAN DE VEN. Vgl. Astley, W. G. / van de Ven, A. (1983): Central Perspectives and Debates in Organization Theory. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 28, S. 245-273, hier: S. 247; Burrell, G. / Morgan, G. (1979): Sociological Paradigms and Organizational Analysis. Cambridge: Cambridge University Press, S. 3, 22. Für eine umfassende Übersicht vgl. Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 129-148. 413 Der Vollständigkeit halber muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass der paradigmatische Status des strategischen Managements keineswegs einheitlich beurteilt wird. Das Spektrum der Meinungsverschiedenheit reicht von der Ansicht, dass das strategische Management paradigmenlos ist, bis hin zu der Überzeugung, dass es ein dominierendes sowie auch mehrere gleichzeitig existierende Paradigmen gibt. Vor diesem Hintergrund gibt es entsprechend auch verschiedene Ansichten über den Reifegrad dieser Forschungsdisziplien, der gemeinhin an den KUHNschen Kriterien wissenschaftlichen Fortschritts festgemacht wird. Für einen Überblick über diese Diskussion vgl. Göbel, E. (1997): Forschung im strategischen Management. Darstellung, Kritik, Empfehlungen. In: Kötzle, A. (Hrsg.): Strategisches Management. Theoretische Ansätze, Instrumente und Anwendungskonzepte für Dienstleistungsunternehmen. Stuttgart: Lucius & Lucius, S. 3-25, hier: S. 6-10. Vgl. auch Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S. 10-13. Da die Diskussion über den paradigmatischen Status der generischen Ansätze für diese Arbeit nicht zielführend ist, soll diese im Folgenden keine weitere Berücksichtigung finden. Fakt ist, dass die hier untersuchten Denkschulen einige Merkmale eines Paradigmas i. S. von KUHN aufweisen, weshalb ihnen diese Bezeichnung auch zugesprochen werden soll gleichwohl wissend, dass diese Ansicht unterschiedlich bewertet wird. Vgl. auch Ortmann, G. / Sydow, J. (2001): Strukturationstheorie als Metatheorie des strategischen Managements – Zur losen Integration der Paradigmenvielfalt. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 421-447, hier: S. 424.
141
beschreiben, da ihnen jeweils unterschiedliche Weltsichten zugrunde liegen (vgl. auch Abbildung 15).
CBV
Disziplinäre Tradition
RBV MBV
Problemlösungsansatz
Abbildung 15: Paradigmatische Betrachtung der generischen Ansätze (Idealtypisch)414 Diese Weltanschauungen materialisieren sich in divergierenden Erklärungsansätzen, da sowohl das Untersuchungsobjekt »Unternehmung« (MBV: Black Box, RBV: Ressourcenbündel, CBV: Fähigkeitenansammlung) als auch die Logik der unternehmerischen Erfolgsgenerierung
aus
unterschiedlichen
Blickwinkeln
(MBV:
Branchenbedingungen,
RBV:
Ressourcenbestände, CBV: Fähigkeitsmerkmale) betrachtet wird. Ferner, als weiteres Merkmal eines Paradigmas, zeichnen sich die Ansätze jeweils durch einen individuellen Sprachhorizont aus, der innerhalb der eigenen Denkschule auf der Basis identischer Interpretationsräume relativ ambiguitätsfrei ist, jedoch im Perspektivenvergleich auf verschiedene Art und Weise bezeichnet. Das sprachliche Zeichen »Wettbewerbsvorteil« im ressourcenorientierten Sinne hat im marktorientierten oder auch im kompetenzorientierten Ansatz demnach keine Substanz bzw. keinen inhaltlichen Stellenwert (und vica versa), weil es als solches in die Ontologie der jeweils anderen Paradigmen nicht einzuordnen ist. Eine Kommensurabilität der generischen Ansätze scheint vor diesem Hintergrund nicht möglich.
414
Quelle: In Anlehnung an Volberda, H. W. (2004): Crisis in strategy: fragmentation, integration or synthesis. In: European Management Review, Vol. 1, S. 35-42, hier: S. 36.
142
Da sich diese Weltanschauungen also auf unterschiedliche Glaubensgrundsätze (belief systems) berufen, gehen die Befürworter der Inkommensurabilitätsthese davon aus, dass eine Gemeinsamkeit zwischen bzw. eine ganzheitliche Betrachtung von Paradigmen wegen dieser sprachlichen, kognitiven oder methodischen Unterschiede nicht herzustellen sei.415 „According to the incommensurability thesis, the radically different assumptions attendant on alternative paradigms entail that linguistic symbols take on different meaning, and perhaps different reference, across paradigms. … Consequently, no possibility of straightforwardly comparing alternative paradigms appears to exist; direct translation from one paradigmatic frame to another is not possible.”416
Anders ausgedrückt bedarf es für die Vereinbarkeit von Paradigmen einer gemeinsamen „Maßeinheit“ oder eines Vergleichsrahmens, nach der die verschiedenen Perspektiven gemeinschaftlich beurteilt werden können.417 Aus diesem Grund stellen Paradigmen, die aufgrund der Unmöglichkeit interparadigmatischen Vergleichs miteinander nicht vereinbar sind, stabile Orientierungssysteme dar, die sich jeweils nur parallel weiterentwickeln können.418 Die Parallelität der Entwicklung ist somit logisch zwingend, da sich Paradigmen aufgrund divergierender Sprach- und Regelsysteme gegenseitig ausschließen. BURRELL und MORGAN, als prominente Annhänger der Inkommensurabilitätsthese zufolge, sind Paradigmen „…[a]lternatives, in the sense that one can operate in different paradigms sequentially over time, but mutually exclusive, in the sense that one cannot operate in more than one paradigm at any given point in time, since in accepting the assumptions of one, we defy the assumptions of all the others.“419
Zwischen Paradigmen kann dieser Ansicht nach nicht vermittelt werden, da sie sich durch (radikal) verschiedene Orientierungssysteme auszeichnen, die gegeneinander in einem Kon-
415 Vgl. z. B. Jackson, N. / Carter, P. (1991): In Defence of Paradigm Incommensurability. In: Organization Studies, Vol. 12, S. 109-127, hier: S. 117; Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 150. 416 Weaver, G. R. / Gioia, D. A. (1994): Paradigms Lost: Incommensurability vs Structurationst Inquiry. In: Organization Studies, Vol. 15, S. 565-590, hier: S. 568f. 417
Vgl. Jackson, N. / Carter, P. (1993): ‘Paradigm Wars’: A Response to Hugh Willmot. In: Organization Studies, Vol. 14, S. 721-725, hier: S. 721.
418 So argumentieren BURRELL und MORGAN: „Theorists who wish to develop ideas … cannot afford to take a short cut. There is a real need for them to ground their perspective in the philosophical traditions from which it derives; to start from fist principles; to have the philosophical and sociological concerns by which the paradigm is defined at the forefront of their analysis; to develop a systematic and coherent perspective within the guidelines which each paradigm offers. … Each paradigm needs to be developed in its own terms.” Burrell, G. / Morgan, G. (1979): Sociological Paradigms and Organizational Analysis. Cambridge: Cambridge University Press, S. 397 (Hervorhebung nicht im Original). 419 Burrel, G. / Morgan, G. (1979): Sociological Paradigms and Organizational Analysis. Cambridge: Cambridge University Press, S. 25 (Hervorhebung anders als im Original).
143
kurrenzverhältnis stehen. Paradigmen schließen sich BURRELL und MORGAN zufolge also gegenseitig aus. Folglich unterstellt die Inkommensurabilitätsthese zugleich eine Verschiedenheit und eine Konkurrenzsituation zwischen Paradigmen, damit diese zutrifft.420 In diesem Zusammenhang erkennen WEAVER und GIOIA jedoch ein grundlegendes Paradoxon, denn, angenommen es besteht eine durch die radikale Verschiedenheit induzierte Unvereinbarkeit zwischen Paradigmen, wie kann diese Unvereinbarkeit dann festgestellt werden, wenn dazu doch (annahmegemäß) die sprachlichen sowie methodischen (Meß-)Mittel fehlen? „How, then, it is possible that different paradigms should be counted contradictory…? If the meanings of the relevant terms genuinely differ in a cross-paradigm ‘comparison’, there could be only the appearance of contradiction, an appearance arising from the equivocal nature of the linguistic symbols in use at the time. … Thus if incommensurability did hold, it would be difficult to see how organizational paradigms could, in fact, be said to contradict each other.”421
Auf den Punkt gebracht kritisieren WEAVER und GIOIA: „If ‘meaningful communication is not possible’ across paradigms, or if paradigms share no common concepts or entities, how do the statements of each contradict each other?”422
Diese Kritik ist berechtigt, steht die Auffassung über die Inkommensurabilität von Weltsichten doch im krassen Widerspruch zum alltäglichem Leben, im Rahmen dessen sich eine durchaus routinisierte Kommunikation über verschiedenartige Kulturkreise (m. a. W. Paradigmen) hinweg nachweisen lässt.423 Die Unvereinbarkeitsthese unterstellt demnach, dass interparadigmatische Lernprozesse, die zu einem Verständnis über die Weltsicht des jeweils anderen Paradigmas führen, nicht möglich sind. In dieser strikten Auffassung ist diese These somit nicht haltbar, was selbst KUHN zu einer Revidierung seiner ursprünglichen Ansichten veranlasst hat:
420
Vgl. Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 150.
421
Weaver, G. R. / Gioia, D. A. (1994): Paradigms Lost: Incommensurability vs Structurationst Inquiry. In: Organization Studies, Vol. 15, S. 565-590, hier: S. 571 (Hervorhebungen im Original). 422 Weaver, G. R. / Gioia, D. A. (1994): Paradigms Lost: Incommensurability vs Structurationst Inquiry. In: Organization Studies, Vol. 15, S. 565-590, hier: S. 571. 423 Weaver, G. R. / Gioia, D. A. (1994): Paradigms Lost: Incommensurability vs Structurationst Inquiry. In: Organization Studies, Vol. 15, S. 565-590, hier: S. 572.
144
„Anything that can be said in one language can, with sufficient imagination and effort, be understood by a speaker of another. What is a prerequisite to such understanding, however, is not translation but language learning.”424
Vor diesem Hintergrund fordert SCHERER berechtigt: „Wir müssen uns also fragen, ob und wie wir die Relativität von Forschungsperspektiven in der Wissenschaft … und von praktischen Orientierungen in der Managementpraxis zugunsten einer gemeinsamen Orientierung überwinden können, wenn wir uns der eigentümlich paradoxen Inkommensurabilitätsthese, mit der schlichtweg das Regellose [die Existenz einer Vielzahl von Paradigmen; Anm. des Verf.] zum Regelhaften erklärt wird, (begründet) nicht anschließen wollen.“425
Zur Überwindung des fortwährenden Unvereinbarkeitsdenkens schlägt er daraufhin vor, dass sich die Vertreter verschiedenartiger Paradigmen verstärkt einer Binnenperspektive zuwenden, denn „die Differenzen zwischen ihren Orientierungen [lässt sich] erst in einer konkreten Situation gemeinsam feststellen und gegebenenfalls auch gemeinsam überwinden“.426 Durch die Einnahme einer Position, die HABERMAS als die eines reflektierenden Beobachters bzw. Mitspielers beschreibt, war es bereits im vorangegangen Kapitel möglich aufzuzeigen, dass die vermeintliche Unvereinbarkeit der generischen Ansätze durch das Ersetzen der Innenperspektive mit einer Binnenperspektive relativiert werden kann. Die Relativierung ergab sich dadurch, dass das allgemeine Zeichen »Wettbewerbsvorteil« durch dessen Spieglung an den Grundannahmen bzw. Weltanschauungen der jeweiligen Denkschule erlernt bzw. verstanden werden konnte. Hierbei eröffnete sich sodann die Möglichkeit eines interparadigmatischen Vergleichs, der im Ergebnis dazu führte, dass die divergierenden Bezeichnungsmöglichkeiten expliziert werden konnten. Durch die Identifizierung von Marktsstellungs-, Ausstattungs- und Fähigkeitsvorteilen ergibt sich folglich ein neuer Weg zur (zumindest partiellen) Überwindung des dogmatischen Inkommensurabilitätspostulats, denn nun lassen sich ehemals konkurrierende Erklärungsansätze über den Weg der KUHNschen Spracherlernung miteinander ins Verhältnis setzen.
424 Kuhn, T. S. (1990): Dubbing and Redubbing: The Vulnerability of rigid Designation. In: Savage, C. W. (Hrsg.): Minnesota Studies in the Philosophy of Science. Bd. XIV: Scientific Theories. Minneapolis: University of Minnesota Press, S. 298-318, hier: S. 300 (Hervorhebungen anders als im Original). 425
Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 96.
426
Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 180.
145
4.1.2 Die Untersuchung des Unternehmenserfolges zwischen Hegemonie, Funktionalismus und Freiheit von Methodenzwang Ein Wissenschaftssystem wie das strategische Management, das sich durch divergierende, aber dennoch durchaus kommensurable Anschauungen über die Realität auszeichnet, steht jedoch vor der Herausforderung, wie mit der inhärenten Pluralität an Perspektiven erkenntnisleitend umgegangen werden soll. Die Hinwendung zu einer holistischeren Auffassung im strategischen Management, wie sie eingangs gefordert wurde, wirft damit die Frage auf, wieviel konzeptionelle Heterogenität bzw. Diversität ein nun auf Ganzheitlichkeit bedachtes, d. h. komplexitätssensibleres Forschungsprogramm verkraften kann, damit es nicht weiter auseinanderdriftet. Die Frage ist insofern relevant, weil die Forderung nach einem ganzheitlicheren Erklärungsansatz ein Mehr an Einflussfaktoren impliziert, die konzeptionell Berücksichtigung finden müssen. Hierbei gibt es verschiedenartige Auffassungen, die von einer Unwichtigkeit der Begrenzung427 bis hin zu einer restriktiven Handhabung der Integration alternativer Ansätze428 in das Forschungsprogramm sprechen.429 Die strategische Frage nach dem richtigen Maß konzeptioneller Pluralität ist schwierig wenn nicht gar unmöglich zu beantworten, obgleich sie eine erhebliche Relevanz aufweist, denn die Antwort, insofern gefunden, steckt den Rahmen ab, in dessen sich die Entwicklung des strategischen Managements zukünftig zu vollziehen hat.430 In diesem Zusammenhang geht es im Kern also um die Klärung, ob sich das strategische Management künftig stärker fokussieren oder das Augenmerk weiterhin auf eine inhaltliche Differenzierung legen sollte. Der erste Teil dieser Fragestellung über die fachliche Entwicklungsrichtung beinhaltet eine eher monistische Sichtweise, die die Anzahl heranzuziehender Erklärungsperspektiven im Rahmen eines hegemonialen Paradigmas tendenziell begrenzt. Im Vordergrund stehen hier
427 PRAHALAD und HAMEL zufolge hat „Strategy as field … an abundance of issues, which can be studied from a multiplicity of theoretical vantage points. There is no need to limit variations in approaches at this time.” Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1994): Strategy as a Field of Study: Why Search for a new Paradigm?. In: Strategic Management Journal, Vol. 15, S. 5-16, hier: S. 15. Vgl. auch Mahoney, J. T. (1993): Strategic Management and Determinism: Sustaining the Conversation. In: Journal of Management Studies, Vol. 30, S. 173-191, hier: S. 175f.. 428
So argumentiert bspw. VOLBERDA: „Although we highly value pluralism that has had a major impact on the development and evolution of strategic management, … the time is ripe to evaluate critically the added value of further fragmentation.“ Volberda, H. W. (2004): Crisis in strategy: fragmentation, integration or synthesis. In: European Management Review, Vol. 1, S. 35-42, hier: S. 36. Vgl. auch Camerer, C. (1985): Redirecting Research in Business Policy and Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 6, S. 1-15, hier: S. 4.
429
Vgl auch Franklin, P. (2002): Guest Editorial: Elephants, Metaphors and Tropes in Strategic Management Theory: Implications for a Strategy for Strategy?. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 117-129, hier: S. 120.
430
Vgl auch Franklin, P. (2002): Guest Editorial: Elephants, Metaphors and Tropes in Strategic Management Theory: Implications for a Strategy for Strategy?. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 117-129, hier: S. 121.
146
Bestrebungen, die Forschungsgemeinschaft entlang einer theoretischen und methodologischen Leitlinie zu vereinen.431 Für DONALDSON, einem der prominentesten Vertreter dieser Denkrichtung, ist dieser Weg der einzig mögliche, um die durch den Inkommensurabilitätsmythos verfestigten Grenzen zwischen Paradigmen aufzubrechen und so zu einem uniformen (Gesamt-)Paradigma zu gelangen.432 Grundsätzlich ist eine solche Herangehensweise jedoch abzulehnen, denn die derzeitig stark fragmentierte Forschungslandschaft sollte nicht durch einen konzeptionellen Monismus i. S. e. vereinenden Denkschule bzw. Paradigmas gemaßregelt werden, denn „[e]s gehört auch zur Freiheit der Wissenschaft, nicht auf ein bestimmtes Objekt oder eine einzige Perspektive oder eine Methode festgelegt zu werden – und nur diese Unschärfe und Mehrdeutigkeit erlauben Innovationen und Paradigmenwechsel, und somit den Fortschritt der Wissenschaft.“433
Die analytische Homogenisierung einer komplexen und damit nur pluralistisch zu erfassenden Welt wäre demnach und richtigerweise der falsche Weg.434 Dies würde allenfalls eine Fortführung der bisherigen, begrenzten Herangehensweise an die Erklärung des Unternehmenserfolges bedeuten, nun jedoch im konzeptionellen Rahmen einer verabsolutierten Perspektive.435 Das ist allein schon vor dem Hintergrund abzulehnen, dass keiner der hier beschriebenen Ansätze – wie im Zusammenhang mit den pragmatischen Verwirrungen des
431
Vgl. Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 153.
432
Vgl. Donaldson, L. (1988): In successful Defence of Organization Theory: A Routing of the Critics. In: Organization Studies, Vol. 9, S. 28-32, hier: S. 31. Vgl. auch: Teece, D. C. (1990): Contributions and Impediments of Economic Analysis to the Study of Strategic Management. In: Frederickson, J. W. (Hrsg.) Perspectives on Strategic Management. New York: Harper & Row, S. 39-80, hier: S. 40. 433 Neuberger, O. (1995): Betriebswirtschaftslehre: Management-Wissenschaft? Management der Wissenschaften vom Management? (Wirtschafts-)Wissenschaft fürs Management!. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 53-66, hier: S. 55 (Hervorhebungen im Original). 434 Vgl. Bleicher, K. (1995): Betriebswirtschaftslehre – Disziplinäre Lehre vom Wirtschaften in und zwischen Betrieben oder interdisziplinäre Wissenschaft vom Management?. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 91-119, hier: S. 97; Bresser, R. K. F. (1998): Strategische Managementtheorie. Berlin u. a.: Walter de Gruyter, S. 675; Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (2002): Strategic Management: The Strengths and Limitations of a Field. In: Pettigrew, A. / Thomas, H. / Whittington, R. (Hrsg.): Handbook of Strategy and Management. London u. a.: Sage Publications, S. 3-30, hier: S. 11. 435
Das bestätigen auch WEAVER und GIOIA, denn “[o]f course, it is not the case that every aspect of existing ’paradigms’ may be readily incorporated. Surely, any claim of comprehensiveness on the part of some paradigm or other will be denied in a structurationist account.” Weaver, G. R. / Gioia, D. A. (1994): Paradigms Lost: Incommensurability vs Structurationst Inquiry. In: Organization Studies, Vol. 15, S. 565-590, hier: S. 581 (Hervorhebung im Original). Vgl. auch Ortmann, G. / Sydow, J. (2001): Strukturationstheorie als Metatheorie des strategischen Managements – Zur losen Integration der Paradigmenvielfalt. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 421-447, hier: S. 424.
147
strategischen Managements bereits ausführlich beschrieben wurde – auch in einer integrierten Version dem kausalen Facettenreichtum der Wirklichkeit gerecht werden kann.436 So argumentieren auch GLYNN ET AL., denn „[w]e have relied primarily on models that seek to explain organizational phenomena in terms of universal laws that relate independent and dependent variables as invariant to contexts. … Theoretical development seems to have proceeded along the lines of homogenizing an increasingly diverse set of organizational stakeholders, often by emphasizing common or shared organizational goals …. Ironically, while plurality is problematized at the organizational level, it appears less so at both more macro levels as well as more micro levels.”437
Die Ausführungen von GLYNN ET AL. belegen bspw. die in Abschnitt 3.3.3 geäußerte Kritik, dass die in den generischen Ansätzen (insbesondere im RBV und MBV) unterstellte Akteursrationalität zu einer Homogenisierung unternehmerischer Entscheidungsprozesse (Mikroebene) führt, wodurch sich die Generierung von Wettbewerbsvorteilen auf Unternehmensebene in invarianten Wettbewerbskontexten (Makroebene) vollzieht. Gleichsam argumentieren auch SYDOW und ORTMANN auf der Basis der zu strikten Annahmen gegen die Vorherrschaft am Beispiel des ressourcenorientierten Ansatzes, denn „[i]m Ergebnis führt eine Vorherrschaft des ressourcenorientierten Ansatzes im strategischen Management zu dem paradoxen Ergebnis, dass die Einbeziehung der Organisation zwar als dringlicher denn je erscheint, methodologisch durch die Vorherrschaft eben dieses, im Kern mikroökonomischen Ansatzes aber behindert, wenn nicht verhindert wird.“438
Da sowohl die (unternehmerische) Mikro- als auch die (wettbewerbliche) Makroebene einen entscheidenden, wenn auch einen bislang vernachlässigten Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausüben, bedarf es entsprechend eines pluralistischeren Analysefokus, der die Komplexität der unternehmerischen Erfolgsgenerierung berücksichtigt. „… [O]ur theorizing seems to have emphasized generalizability and simplicity over accuracy. … The complexity of organizational and everyday life warrants a variety of interpretations, as well as rich frameworks for understanding and acknowledging plurality and
436 Vgl. auch Glynn, M. A. / Barr, P. S. / Dacin, M. T. (2000): Pluralism and the Problem of Variety. In: Academy of Management Review, Vol. 25, S. 726-734, hier: S. 726. 437
Glynn, M. A. / Barr, P. S. / Dacin, M. T. (2000): Pluralism and the Problem of Variety. In: Academy of Management Review, Vol. 25, S. 726-734, hier: S. 728 (Hervorhebung nicht im Original).
438 Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S. 11f..
148
differences. Thus, universality in theorizing must be paired with theoretical relativism, and attention to commonalities balanced against that paid to diversity.”439
Aus diesen Überlegungen folgt, dass komplexe Sozialphänomene nach komplexitätssensiblen Erklärungsmustern verlangen, die sich im Ergebnis mglw. durch ein geringeres Maß an Generalisierbarkeit auszeichnen, sich aber gegenüber der Realität robuster erweisen. Dass die generischen Ansätze in der aktuellen Form dieser Forderung nach einer pluralistischen Herangehensweise jeweils nicht gerecht werden können bzw. die Etablierung einer pluralistischen Forschungslandschaft durch die inkommensurabilitätsgetriebene, apodiktische Ablehnung der jeweils konkurrierenden Sichtweisen sogar behindern, ist vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation unbestritten. Dies rechtfertigt allerdings auch nicht, um auf den zweiten Teil der o. g. Frage zu sprechen zu kommen, die aktuellen Ansätze ihres meristischen Charakters wegen insgesamt zu verwerfen und durch ein strikt holistisches, d. h. die Gesamtheit aller denkbaren Einzelteile zwingend vereinendes Konzept zu ersetzen. Das würde nur bedeuten, dass nun die Ganzheit auf Kosten seiner Teile verabsolutiert wird. Diese Ansicht eines strikten Holismus bzw. Funktionalismus440 ist nicht tragfähig, denn diese impliziert, dass die Grenzen des Ganzen bereits a priori bekannt sind. Eine derartige Auffassung, auch wenn ihr eine gewisse Berechtigung im Hinblick auf das wissenschaftliche Sach- bzw. Erkenntnisziel zukommt, ist unrealistisch und entspricht daher nicht den Praktikabilitätskriterien von Hypothesen, wie sie im Abschnitt 3.3.2 dekliniert worden sind. In der Konsequenz würde sich über die Diversifizierungsbemühungen in einem derzeit nicht begrenzbaren Erkenntnisraum eine chaotisch-anarchische Forschungslandschaft institutionalisieren, in der der damit zwangsläufig einhergehende Eklektizismus kaum Raum für Reflexionen lässt. Das wird auch von MINTZBERG ET AL. bestätigt, die daran erinnern, dass „to see the entire beast … we also need to understand the parts“.441 Da vor dem Hintergrund des derzeitigen Erkenntnisstandes über den Unternehmenserfolg weder dessen Ganzes, noch dessen bestimmende Teile annährend erklärt werden können, ist dem Fokus auf noch näher zu definierende Teilbestand-
439 Glynn, M. A. / Barr, P. S. / Dacin, M. T. (2000): Pluralism and the Problem of Variety. In: Academy of Management Review, Vol. 25, S. 726-734, hier: S. 728 (Hervorhebung anders als im Original). 440 Funktionalismus als „Sammelbezeichnung für ein auf makrotheoretische Analysen komplexer Systeme bezogenes Forschungsprogramm…, in dem das Funktionieren von als strukturierte Ganzheiten betrachteten Systemen nicht durch Aggregation isolierter Kausalerklärungen von Teilaspekten, sondern aus der Interdependenz der auf die ermittelten Strukturelemente bezogenen, für die Bestandserhaltung notwendigen Funktionen erklärt werden soll.“ Mittelstraß, J. (Hrsg.) (2004): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 1, Stuttgart u. a.: J.B. Metzler, S. 694. 441
Mintzberg, H. / Ahlstrand, B. / Lampel, J. (1998): Strategy Safari. A Guided Tour through the Wilds of Strategic Management. New York: Free Press, S. 3 (Hervorhebung nicht im Original).
149
teile eine vorrangige Berechtigung zuzusprechen. Folglich ist im aktuellen Stadium die verstärkte Hinwendung zum Ganzen bzw. der Komplexität von Sozialphänomenen problematisch zu sehen, da es zu einem solchen Forschungsansatz aktuell an konzeptionell sinnstiftenden Anhaltspunkten mangelt. Da also weder die Selektion einer existierenden Denkschule, noch die rigorose Auflösung der generischen Ansätze in ein Totalmodell zu einer valideren Erklärung des Unternehmenserfolgs beitragen können, wird an dieser Stelle ein hybrider Analysefokus vorgeschlagen, der die existierenden Partialanalysen bzw. Denkschulen vorsichtig zusammenfügt und in diesem Zusammenhang die Möglichkeit zu einer verantwortungsvollen (Gesamt-)Steuerung im Sinne NEUBERGERs eröffnet.442 In diesem Zusammenhang wird eine holistische Sichtweise im strategischen Management als eine Herangehensweise verstanden, die die Erkenntnis als „… eine der Welt innewohnende schöpferische Kraft und Richtung [erfasst], [die] in aufsteigender Evolution von relativ einfachen zu immer komplexeren Gefügen in stetiger Annäherung an das Ideal der Ganzheit [voranschreitet].“443
Für die Forschungsdisziplin strategisches Management wird damit unterstellt, dass der Erkenntnisfortschritt nur durch einen multiplen Fokus sowohl auf das universale Ganze, aber auch auf die konstituierenden Bestandteile des Erkenntnisobjektes zu erreichen ist.444 Allerdings bedeutet diese pluralismusbewahrende Sichtweise nicht, dass es jedem Wissenschaftler relativ freistünde zu wählen, welche Perspektive für richtig zu halten sei, wie dies bspw. FEYERABEND in seinem Werk „Wider den Methodenzwang“ vorschlägt.445 Ein derartiger Fokus resultiert in einem konzeptionellen Sammelsurium à la „Anything Goes“, was den fragwürdigen Zustand einer insgesamten Regellosigkeit bzw. eines unbegrenzten Relativismus und daraus folgender Irrationalität des Wissenschaftsbetriebes impliziert.446 HAMBRICK ent-
442
Vgl auch Franklin, P. (2002): Guest Editorial: Elephants, Metaphors and Tropes in Strategic Management Theory: Implications for a Strategy for Strategy?. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 117-129, hier: S. 120.
443 Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 479 (Hervorhebung nicht im Original). 444
Vgl. Franklin, P. (2002): Guest Editorial: Elephants, Metaphors and Tropes in Strategic Management Theory: Implications for a Strategy for Strategy?. In: Strategic Change, Vol. 11, S. 117-129, hier: S. 122.
445
So schreibt FEYERABEND bspw. „Grundlage des Lernens muss die Neugierde, nicht der Zwang sein, der Lehrer soll diese Neugierde fördern und sich nicht auf festgelegte Methoden verlassen. Die Spontaneität ist König, im Denken, in der Wahrnehmung wie auch im Handeln.“ Feyerabend, P. (1983): Wider den Methodenzwang. suhrkamp, S. 247.
446 Vgl. auch Ortmann, G. / Sydow, J. (2001): Strukturationstheorie als Metatheorie des strategischen Managements – Zur losen Integration der Paradigmenvielfalt. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 421447, hier: S 424; Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 164.
150
sprechend sind derartige Tendenzen derzeit auch im strategischen Management zu beobachten, weshalb er vor der immanenten Gefahr der „Vaporisierung“ sinnstiftender Rahmenkonzepte warnt: „Granted, the natural tendency is for an academic field to drift toward specializations, and even subspecializations, as it matures and accumulates a body of knowledge. But this does not mean that it must loose its core underpinnings, as has happened – and is increasingly happening – in the field of strategic management. When such dissolution occurs, the field ceases to be a field.”447
Zur Umsetzung einer gemäßigt holistischen Herangehensweise an die Erklärung des Unternehmenserfolges, wie sie hier im Zuge der stetigen Annäherung an das Ideal der Ganzheit vorgeschlagen werden soll, sind nun zwei Dinge erforderlich. Zum einen empfiehlt es sich, die Grenzen der einzelnen Paradigmen anzuerkennen sowie, zum anderen, jedoch auch deren Überschreitung zuzulassen, damit der Entwicklungsprozess des strategischen Managements in multiple Richtungen stimuliert werden kann.448 Die Anerkennung der Grenzen der generischen Ansätze, wie sie im Rahmen der semantischen und pragmatischen Analyse identifiziert werden konnten, ist notwendig, weil nur über eine exakte Grenzziehung eine kognitive Klarheit und Übersichtlichkeit über das, was untersucht werden soll, gewährleistet ist. Klar formulierte Grenzen haben eine Strukturierungs- und Unterscheidungsfunktion, da sie einen eindeutigen Referenzrahmen darstellen, aus dem sich eine Zurechenbarkeit bzw. Zugehörigkeit von Denkansätzen im Gesamtbild ergibt. In dieser Funktion besitzen Grenzen einen sinnstiftenden Charakter, der sich aus dem begrenzten Alternativenraum ergibt und darüber verständliche Handlungshinweise generiert.449 So ist für den ressourcenorientierten Ansatz zu konstatieren, dass dessen Grenze die Verbindung zwischen konkurrierenden Unternehmen und Faktormärkten umreißt. Dagegen lässt sich der kompetenzorientierte Ansatz im Hinblick auf die Fähigkeitsparameter unternehmensinterner Transformationsprozesse begrenzen, während der marktorientierte Ansatz seine paradigmatische Abgrenzung über die Beziehung zwischen konkurrierenden Unternehmen und den Absatzmärkten erfährt. Gleichzeitig ist die Möglichkeit zur Grenzüberschreitung von entscheidender Relevanz, denn sowohl das Verlassen des eigenen Handlungsraumes, als auch das Eindringen divergierender
447 Hambrick, D. C. (2004): The Disintegration of Strategic Management: It’s Time to consolidate our Gains. In: Strategic Organization, Vol. 2, S. 91-98, hier: S. 91 (Hervorhebung nicht im Original). 448
Vgl. auch Berthoin Antal, A. / Quack, S. (2006): Innovation durch Neugier. In: WZB-Mitteilungen, Heft 114, S. 11-13, hier: S. 11.
449 Vgl. Berthoin Antal, A. / Quack, S. (2006): Innovation durch Neugier. In: WZB-Mitteilungen, Heft 114, S. 11-13, hier: S. 12.
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Sichtweisen in den eigenen Handlungsraum eröffnet die Aussicht auf neue Denkansätze (vgl. die schwarz eingefärbte Fläche in Abbildung 15). Die Überschreitung des eigenen Deutungssystems kann zu innovativen Ansätzen führen, wenn dieser zur Erklärung der Realität nicht mehr ausreichend erscheint. Die Überwindung des konzeptionellen Rahmens eigenen Denkens erschließt alternative Denkhorizonte, die zu einem Experimentieren mit Neuem veranlassen. „Dabei wird deutlich, dass Grenzüberschreitung immer mit einer vorangegangenen Grenzziehung zu tun hat und möglicherweise neue Grenzziehungen erforderlich macht. Das eine kann nicht ohne die Dynamik des anderen verstanden werden.“450
Da ein Schlüssel zu innovativen Denkansätzen im Aufbrechen traditioneller Grenzen liegt, ist die konzeptionelle Grenzziehung immer als ein temporärer Zustand zu betrachten. Dies erfordert, dass die Nutzer eines abgegrenzten Handlungsraumes die Grenzen ihres Forschungsgebiets als permeabel verstehen und folglich auf den Versuch des Eindringens neuer Erfahrungen oder Einflüsse nicht mit Abwehr oder Abschottung reagieren.451 Die Auflösbarkeit von Grenzen ermöglicht demnach die Kombination von ehemals getrennten Interpretationen zu einer alternativen Auffassung über die Wirklichkeit mit den entsprechenden Tendenzen zur Anpassung der Grenzen an den neuen sinnstiftenden Referenzrahmen. NEUBERGER zufolge ist die Fähigkeit zur Auflösung von Denkgrenzen eine Grundvoraussetzung für wissenschaftliches Arbeiten, denn „Wissenschaft ist … Allegorie: Bilder, Texte, Daten, Fakten anders lesen, denn sie sprechen nicht für sich! Wissenschaft darf sich nicht zufriedengeben mit der Oberfläche der Erscheinungen; es ist ihr paranoider Zug, dass sie grundsätzlich zweifeln und misstrauen muss und in ihren detektivischen Bemühungen nicht vom nahe liegenden Passenden, sondern gerade vom Unstimmigen ausgeht – und es in ein Denk-Modell einfügt.“452
Wissenschaftsinduzierte Lernprozesse zeichnen sich folglich dadurch aus, dass Grenzen überschritten werden können, was in der Konsequenz zu der Verknüpfung von zunächst unstim-
450
Berthoin Antal, A. / Quack, S. (2006): Innovation durch Neugier. In: WZB-Mitteilungen, Heft 114, S. 11-13, hier: S. 12.
451 Vgl. Berthoin Antal, A. / Quack, S. (2006): Innovation durch Neugier. In: WZB-Mitteilungen, Heft 114, S. 11-13, hier: S. 13. 452 Neuberger, O. (1995): Betriebswirtschaftslehre: Management-Wissenschaft? Management der Wissenschaften vom Management? (Wirtschafts-)Wissenschaft fürs Management!. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 53-66, hier: S. 56 (Hervorhebungen im Original).
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mig erscheinenden Elementen aus zuvor isolierten Paradigmen (P1 – Pn) in ein (neues) Denkmodell führt (vgl. auch Abbildung 16).453
1
P1
P2
Pn
2 P1
P2
Pn
Abbildung 16: Etablierung und Permeabilität der paradigmatischen Grenzziehung454 Durch das gleichzeitige Akzeptieren von begrenzten Denkwelten und ihrer jeweiligen Durchlässigkeit entsteht die Möglichkeit, dass im strategischen Management die dialektische Behandlung von Sozialphänomenen die dogmatische Widerstandsbewegung des Paradigmendenkens wieder überwiegt. Die Rückbesinnung darauf, dass die Wahrheitsfindung eher auf dem Fundament eines Gedankenaustausches als auf der Grundlage von isolierten Gedankenpostulaten beruht, setzt naturgemäß voraus, dass die divergierenden Intensionen der gleichsam verwendeten sprachlichen Zeichen in einer durch die Einnahme einer Binnenperspektive erreichten differenzierten Fachsprache Berücksichtigung finden. Einen Vorschlag zur sprachlichen Differenzierung des Wettbewerbsvorteils als zentrale Erklärungsvariable des Unternehmenserfolges wurde im Verlauf des 3. Kapitels entwickelt. Durch die Abkehr von der leeren Worthülse »Wettbewerbsvorteil« hin zu einer verfeinerten Betrachtung der tatsächlich fokussierten Vorteilsposition (Ressourcenvorteile, Kompetenzvorteile, Marktpositionierungs-
453 Vgl. Berthoin Antal, A. / Quack, S. (2006): Innovation durch Neugier. In: WZB-Mitteilungen, Heft 114, S. 11-13, hier: S. 12. 454
Quelle: Eigene Darstellung.
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vorteile) kann ein qualitativ hochwertigeres Bild über das aktuelle Wissen um den Unternehmenserfolg gezeichnet werden. In diesem neuen, denkschulübergreifenden Bild über das strategische Management offenbart sich ein höheres Maß an Ganzheitlichkeit, da sich nun ein multipler Fokus auf den Unternehmenserfolg ergibt, der bislang durch die Isolationsbestrebungen der generischen Erklärungsansätze verdeckt worden ist. Hat bislang das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Denkschule das Bewusstsein um die (mögliche) Kompatibilität der Erklärungsansätze getrübt, zeigt sich nun ein differenzierter, multiperspektivischer Referenzrahmen zur Darstellung der Kausalität des Unternehmenserfolges. Als erste Basisentscheidung kann somit für den weiteren Verlauf dieser Arbeit festgehalten werden, dass eine multiparadigmatische Sichtweise als ein geeigneter Weg zur Überwindung der aktuellen Erkenntnisstagnation erscheint. Diese Wahl ist keineswegs als ein Paradeweg zu betrachten, denn jede neue Perspektive über den geeigneten Weg der Erkenntnisgewinnung offenbart eine Reihe von intervenierenden Variablen, die Zweifel über die Richtigkeit des empfohlenen Weges hervorrufen. So ließe sich an dieser Stelle bspw. der Vorwurf einer Beliebigkeit der Paradigmenberücksichtigung und -kombination anbringen, der nicht entkräftet werden kann, ohne auf eine hegemoniale Leitlinie zurückgreifen zu müssen. Dennoch, sowohl die Emporhebung einer existierenden Denkschule, als auch die strikte Abkehr von den aktuellen Erklärungsmustern verbunden mit der Entwicklung einer neuen, strikt holistischen Perspektive läuft Gefahr, dass das Verhältnis von Teil und Ganzem in ein Ungleichgewicht der Überbewertung fällt. Vor diesem Hintergrund ist der hier eingeschlagene Weg als eine weitere Stufe auf der forschungsmethodischen „Evolutionsleiter“ zu verstehen, die ein kompletteres Bild über die Kausalität des Unternehmenserfolges zulässt und somit einen Beitrag zur Annäherung an das Ideal der Ganzheit leisten kann. Insofern schließt sich diese Arbeit der Einschätzung von PRIEM und BUTLER an, denn „[p]erspectives … need not be complete in order to contribute to our understanding of strategic management.“455
4.2 Entwicklung eines Identitätsprinzips zur Herstellung einer multiparadigmatischen Erkenntnisperspektive Die voranstehende Diskussion zum paradigmatischen Status des strategischen Managements zusammenfassend wird in dieser Arbeit zunächst also vorgeschlagen, die Forschungsanstrengungen zur Erklärung von Performanzunterschieden auf ein multiparadigmatisches Funda-
455 Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 31.
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ment zu stellen. Dies hat im Vergleich zu den anderen, o. g. Herangehensweisen den Vorteil, den konzeptionellen Pluralismus zu wahren, der anerkanntermaßen zu dem schnellen Anwachsen der Bedeutung unseres Forschungsprogramms beigetragen hat. Allerdings zeigt die Diskussion auch, dass das strategische Management nun mit dem Problem konfrontiert ist, dass der empfohlene Theorienpluralismus die Grundfesten der Forschungsgemeinschaft (weiter) verwässert. Sinnstiftende Orientierungspunkte lassen sich immer mehr jeweils nur noch in den stark fragmentierten Paradigmen ausloten, woraufhin die Gemeinsamkeiten der gesamten scientific community, wenn sie also solche wegen ihres Sammelsurium-Charakters noch so zu bezeichnen ist, zunehmend geringer erscheinen. Um dieser Entwicklung, die nachweislich negative Auswirkungen auf die Forschungsergebnisse innerhalb der Disziplin strategisches Management im Allgemeinen und der Erfolgsfaktorenforschung im Speziellen ausübt, eine neue Richtung zu geben, schlägt BLEICHER vor, sich wieder stärker auf die „Suche nach einem Identität vermittelnden Erkenntnisobjekt“ zu begeben.456 „Die Betriebswirtschaftslehre bietet … ein undeutliches, ja vielleicht sogar zerrissenes Bild. Es verbleibt, nach einer möglichen Paradigmen-, und »community«-übergreifenden Identität in Zielen und Inhalten … zu suchen.“457
Dies, so BLEICHER, ermöglicht ein „Herausschälen und Isolieren fachspezifischer Fragestellungen“458 mit dem Ergebnis, dass sich die Forschungsanstrengungen auf einen begrenzten Kreis von Erscheinungen bündeln können. In der Folge wird damit wieder verstärkt ein zweckrationales, m. a. W. zielgerichtetes Handeln gefördert und eine konkrete Abgrenzung zu anderen disziplinären Erkenntnisbestrebungen erreicht.459 Konkret bedeutet dies: „Das Identitätsprinzip stellt … weniger die Frage nach dem, was eine Schule, einer Gruppe Gleichgesinnter und ähnlich Orientierter innerhalb eines Faches, einer Disziplin kohä-
456 Bleicher, K. (1995): Betriebswirtschaftslehre – Disziplinäre Lehre vom Wirtschaften in und zwischen Betrieben oder interdisziplinäre Wissenschaft vom Management?. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Managementund Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 91-119, hier: S. 96 (Hervorhebung nicht im Original). 457 Bleicher, K. (1995): Betriebswirtschaftslehre – Disziplinäre Lehre vom Wirtschaften in und zwischen Betrieben oder interdisziplinäre Wissenschaft vom Management?. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Managementund Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 91-119, hier: S. 97. 458 Bleicher, K. (1995): Betriebswirtschaftslehre – Disziplinäre Lehre vom Wirtschaften in und zwischen Betrieben oder interdisziplinäre Wissenschaft vom Management?. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Managementund Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 91-119, hier: S. 96. 459 Vgl. Bleicher, K. (1995): Betriebswirtschaftslehre – Disziplinäre Lehre vom Wirtschaften in und zwischen Betrieben oder interdisziplinäre Wissenschaft vom Management?. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 91-119, hier: S. 96.
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siv aneinander bindet, als vielmehr nach den gemeinsam akzeptierten Elementen, die einer Disziplin ihr unverwechselbares Gepräge verleihen.“460
BLEICHER folgend fokussiert die zweite in dieser Arbeit zu treffende Basisentscheidung auf den Umstand, dass die Verfolgung einer forschungsprogrammatischen Multiparadigmenstrategie nur im Zusammenhang mit einem allgemein akzeptierten Identitätsprinzip erfolgen kann. Durch die Zugrundelegung einer gemeinsamen Identität kann automatisch eine Begrenzung der hinzuziehbaren Erklärungsansätze (Paradigmen) erreicht werden, ohne einer Forschungsgemeinschaft strenge, restriktive und somit zu Konflikten führende Richtlinien auferlegen zu müssen. Ferner ließe sich dadurch auch der Vorwurf der Beliebigkeit im Hinblick auf die zuzulassenden Erklärungsansätze entkräften, müssen diese sich doch zukünftig hinsichtlich des Fits am Identitätsprinzip beurteilen lassen können. Vor diesem Hintergrund stellt sich jedoch die Frage, was im Rahmen des strategischen Managements die Funktion der Identitätsstiftung übernehmen kann. Die Antwort ist eigentlich naheliegend: Die Unternehmung. Doch wie sollte die Unternehmung charakterisiert werden, damit sie einerseits identitätsstiftend sein und andererseits dem multiparadigmatischen Rahmen gerecht werden kann, um nicht selbst Gefahr zu laufen, eine enge, methodenmonistische Leitlinie zu oktroyieren? Dieses Spannungsfeld lässt sich am besten auflösen, wenn die Unternehmung so einfach wie möglich sowie so präzise wie nötig beschrieben wird. Diese Qualitätskriterien mögen auf dem ersten Blick recht trivial wirken, jedoch erinnert uns BRESSER richtigerweise daran: „Für eine sozialwissenschaftliche Theorie ist es unmöglich, zugleich umfassend, akkurat und einfach zu sein. … Zwischen genereller Gültigkeit, Genauigkeit und Einfachheit bestehen „tradeoffs“, die den sozialwissenschaftlichen Forscher zwingen, Kompromisse zu machen. Man kann sich z. B. darum bemühen, umfassende und akkurate Theorien zu entwickeln; diese werden allerdings auch sehr komplex und schwierig nachvollziehbar sein. Alternativ kann man umfassende und einfache Theorien anstreben; diesen wird dann die nötige Präzision fehlen, um Detailprobleme erklären zu können. Schließlich kann man einfache und akkurate theoretische Modelle entwickeln, deren generelle Gültigkeit aber suspekt ist.“461
Durch eine relativ grobe bzw. weite Beschreibung der Unternehmung ergibt sich daher ausreichend Raum für die Entwicklung multiparadigmatischer Erklärungsmuster, denen ein positiver Effekt im Hinblick auf die Gültigkeit und Einfachheit der hieraus generierbaren Aussa-
460 Bleicher, K. (1995): Betriebswirtschaftslehre – Disziplinäre Lehre vom Wirtschaften in und zwischen Betrieben oder interdisziplinäre Wissenschaft vom Management?. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Managementund Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 91 119, hier: S. 97 (Hervorhebungen anders als im Original). 461
Bresser, R. K. F. (1998): Strategische Managementtheorie. Berlin u. a.: Walter de Gruyter, S. 676.
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gen zuzusprechen ist. Dagegen unterstützt das Präzisionskriterium das BLEICHERsche Gepräge der Unverwechselbarkeit einer Forschungsdisziplin sowie die Genauigkeit des hierin untersuchten Erklärungsgegenstandes. Da dem Anspruch nach ausreichender Breite und Präzision keiner der in den generischen Ansätzen verwendeten Vorstellungen von Unternehmen gerecht werden kann, bedarf es einer grundlegend alternativen Unternehmenskonzeption, die diesen Kriterien nachkommt.
4.2.1 Modellierung der Unternehmung als Input-Throughput-Output System Eine solch einfache, zu einer allgemeinen Identitätsstiftung mglw. beitragende Unternehmenskonzeption findet sich bspw. bei einem Blick in die mittlerweile stark vernachlässigte klassische Literatur zur Theorie der Unternehmung, die im deutschsprachigen Raum eng mit GUTENBERG, SCHMALENBACH oder HEINEN in Verbindung gebracht wird. Der Rückgriff auf diese klassischen Unternehmungskonzepte hat dabei gleichzeitig den Charme, „[to free] us from the immediate present, [to expose] us to voices that do more than duplicate our own, and [to enlarge] the horizon of theoretical alternatives beyond the finite bounds of current possibilities.”462
Durch die Hinzuziehung der klassischen betriebswirtschaftlichen Literatur kann ein relativ wertneutraler, allgemeiner Referenzpunkt für die heutige Forschung institutionalisiert werden, da sie losgelöst von dem aktuellen, durch Paradigmenkriege463 gekennzeichneten Diskurs sind bzw. sich diesem entziehen können. Die heutige Diskussion kann dadurch in einem neuen Licht erscheinen und mglw. relativiert werden, besteht vor diesem Hintergrund doch die Aussicht, derzeit allgemein anerkannte Interpretationsmuster oder gar „Erkenntnisse“ neu zu hinterfragen. Auch KILDUFF und DOUGHERTY plädieren für eine grundsätzliche Berücksichtigung der Klassiker unseres Faches, denn „…by revisiting the classics we remind ourselves of where we have come from, discern more clearly where we are going, and formulate more alternative paths of inquiry.”464
462 Camic, C. (1997): Introduction: Classical Sociological Theory as a Field of Research. In: Camic, C. (Hrsg.): Reclaiming the Sociological Classics: The State of Scholarship. Malden, MA: Blackwell, S. 1-10, hier: S. 6 zitiert in Kilduff, M. / Dougherty, D. (2000): Change and Development in a pluralistic World: The View from The Classics. In: Academy of Management Review, Vol. 25, S. 777-782, hier: S. 778. 463 Vgl. Jackson, N. / Carter, P. (1991): In Defence of Paradigm Incommensurability. In: Organization Studies, Vol. 12, S. 109-127, hier: S. 109. 464 Kilduff, M. / Dougherty, D. (2000): Change and Development in a pluralistic World: The View from The Classics. In: Academy of Management Review, Vol. 25, S. 777-782, hier: S. 778.
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Ein relativ wertneutraler, identitätsstiftender Referenzrahmen lässt sich am einfachsten dadurch generieren, wenn man sich zunächst einmal vergegenwärtigt, wie die Wirkungszusammenhänge innerhalb eines Unternehmens, sowie die Interaktionsmuster zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt klassisch beschrieben werden. Traditionell wird dabei zunächst allgemein davon ausgegangen, dass das Verhalten von Unternehmen einerseits von vielfältigen Austauschbeziehungen mit den Märkten (Umsystem) geprägt ist, auf denen sie tätig sind: Faktor- und Gütermärkte.465 Unternehmen stehen demnach in vielfältigen Interaktionsbeziehungen mit ihrer Umwelt, um die für den Leistungserstellungsprozess notwendigen Ressourcen auf den Faktormärkten beschaffen und das Ergebnis der Leistungserstellung auf den Gütermärkten absetzen zu können.466 So argumentiert auch HEINEN, denn „[k]ennzeichnend für industrielle Organisationen ist die relativ dauerhafte Beziehungsstruktur, die Zielgerichtetheit des Systems in Bezug auf die Erstellung und marktliche Verwertung von Sach- und Dienstleistungen sowie die sich daraus ergebende Offenheit des Systems gegenüber der Umwelt.“467
Aus dieser Betrachtung der Außenperspektive wird ferner deutlich, dass sich die Unternehmung auch im Innenverhältnis durch spezifische Interaktionsmuster auszeichnet. Diese Prozesse lassen sich grob dadurch beschreiben, dass für die (erfolgreiche) Leistungserstellung Ressourcen beschafft, umgewandelt und die Ergebnisse daraus veräußert werden.468 Diesen Überlegungen zufolge haben Unternehmen grundsätzlich eine Potenzial-, Prozess- bzw. Transformations- sowie Ergebnisdimension.469 Die Potenzialdimension signalisiert die Fähigkeit zur Leistungserstellung, d. h. dass Ressourcen zur Verfügung stehen und Möglichkeiten zu deren Kombination vorhanden sein müssen. Folglich haben Ressourcen eine Potenzialfunktion, da sie ein Potenzial zu einer gewissen Leistungserstellung verkörpern. Die Fähigkeit zur Ressourcenkombination und ihrer Transformation in vermarktbare Produkte sind Merk-
465 Vgl. Albach, H. (1995): Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft vom Management. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 81-89, hier: S. 83. ALBACH führt in diesem Zusammenhang zusätzlich noch den Finanzmarkt an, auf dessen explizite Berücksichtigung an dieser Stelle verzichtet werden soll, denn die Kapitalbeschaffung lässt sich ebenfalls als Ressourcenbeschaffung begreifen. Insofern wird hier ein relativ breiter Ressourcenbegriff unterstellt, der sowohl physische als auch monetäre Ressourcen umfasst. 466 Vgl. auch Vgl. Brandenburger, A. M. / Nalebuff, B. J. (1997): Coopetition. New York u.a.: Doubleday , S. 16-22. 467
Heinen, E. (1991): Industriebetriebslehre: Entscheidungen im Industriebetrieb. 9., vollst. neu bearb. und erw. Aufl. Wiesbaden: Gabler, S. 57.
468 Vgl. Heinen, E. (1991): Industriebetriebslehre: Entscheidungen im Industriebetrieb. 9., vollst. neu bearb. und erw. Aufl. Wiesbaden: Gabler, S. 57. 469 Vgl. z. B. Hilke, W. (1989): Grundprobleme und Entwicklungstendenzen des Dienstleistungs-Marketing. In: Hilke, W. (Hrsg.): Dienstleistungs-Marketing. Wiesbaden: Gabler, S. 5-44, hier: S. 15.
158
mal der Prozess- bzw. Transformationsdimension eines Unternehmens. Diese Dimension umreißt demnach die Produktion als Prozess der betrieblichen Leistungserstellung.470 Abschließend verweist die Ergebnisdimension eines Unternehmens auf den Grad der Verwertbarkeit der Ergebnisse des Transformationsprozesses auf dem Absatzmarkt. Dieser (vereinfachenden) Innenperspektive zufolge sind Unternehmen ganz allgemein betrachtet nichts anderes als (mehrwertschaffende) Umwandlungssysteme von Ressourcen.471 Die einfache Beschreibung von Unternehmen entlang der Potenzial-, Prozess- bzw. Transformations- und Ergebnisdimension lässt sich bspw. bereits 1929 bei GUTENBERG nachweisen, der ein Unternehmen zwar nicht konkret anhand dieser dezidierten Dimensionen, jedoch auf der Basis von dreischichtigen Kapitalumwandlungsprozessen beschreibt.472 So unterscheidet er den Umwandlungsprozess des unternehmerischen Kapitals von der Geldform in die Sachform (entspricht der Potenzialdimension), von der Sachform in eine neue Sachform (entspricht der Prozess- bzw. Transformationsdimension) sowie von der neuen Sachform in die Geldform (entspricht der Ergebnisdimension).473 GUTENBERG beschreibt die interdependente Beziehung zwischen diesen identifizierten Unternehmensdimensionen als Kernstück der Betriebswirtschaftslehre und argumentiert: „… [E]s sind aufzuwendende Kapitalbeträge (Gütermengen mal Preise) und zurückerhaltene Kapitalerträge (Gütermengen mal Preise), die die Elemente der betriebswirtschaftlichen Überlegungen bilden. Eine technische Neuerung besteht, betriebswirtschaftlich gesehen, in einem Mehr oder Weniger an hergestellten Gütern und diese Quanten sind es, um welche betriebswirtschaftliches Denken im engsten Sinne kreist und die die eigentliche Domäne der theoretischen Betriebswirtschaftslehre bilden. … Nimmt man nun eine solche Änderung der Produktionsmethoden in theoretischen Überlegungen an, so können … nicht die technischen Details der Neuerungen, sondern lediglich die mengenmäßigen Verschiebungen in der Betriebswirtschaft und ihre Rückwirkungen z. B. auf den Einkauf und Verkauf den Gegenstand theoretischer Untersuchungen bilden.“474
470
Vgl. z. B. Steven, M. (1998): Produktionstheorie. Wiesbaden: Gabler, S. 1.
471
Vgl. Hinterhuber, H. H. (2004): Strategische Unternehmensführung. Bd. I: Strategisches Denken. 7., grundl. neu bearb. Aufl., Berlin u. a.: Walter de Gruyter, S. 2.
472 Vgl. Gutenberg, E. (1998): Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung. Wiesbaden: Gabler, unveränderter Nachdruck der Auflage Berlin 1929, hier: S. 33-39, 42-44. 473 Vgl. auch Neuberger, O. (1995): Betriebswirtschaftslehre: Management-Wissenschaft? Management der Wissenschaften vom Management? (Wirtschafts-)Wissenschaft fürs Management!. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 53-66, hier: S. 57. 474 Gutenberg, E. (1998): Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung. Wiesbaden: Gabler, unveränderter Nachdruck der Auflage Berlin 1929, S. 37f. (Hervorhebungen im Original).
159
Kerngedanke der GUTENBERGschen Theorie der Unternehmung bildet demnach der Umwandlungsprozess „von Geld in Güter und von Gütern in Geld“.475 Auf diesen Überlegungen aufbauend hat sich in der Folgezeit der Gedanke von Unternehmen als Input-Throughput-OutputSysteme (nachfolgend ITO-Systeme genannt) entwickelt, die eine Erweiterung des klassischen Denkens in Produktionsfunktionen darstellt, nach dem die Einsatzfaktoren in unmittelbarer Beziehung zur Ausbringungsmenge stehen.476 GUTENBERG ist es folglich zu verdanken, dass diese unmittelbare Input-Output-Beziehung, in der betriebliche Transformationsbedingungen noch keine Rolle spielen, durch eine mittelbare Relation erweitert werden konnte, die den eigentlichen Produktionsprozess (Throughput) direkt thematisiert (vgl. auch Abbildung 17).477 Der GUTENBERGschen Typologie entsprechend werden hierbei Unternehmen (nun) als dreigliedrige produktive Systeme verstanden, wobei die unternehmerische Produktivität nicht mehr nur in den Ressourcenpotenzialen, m. a. W. in der Ergiebigkeit der einzelnen Produktionsfaktoren liegt, sondern in deren prozessualen Kombinationsmöglichkeiten bzw. Zusammenwirken.478
475 Gutenberg, E. (1998): Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung. Wiesbaden: Gabler, unveränderter Nachdruck der Auflage Berlin 1929, S. 43. 476 Vgl. Schmidt, R. H. (1998): Erich Gutenberg und die Theorie der Unternehmung. Arbeitspapier Nr. 13 der Wilhelm Merton-Professur für Ökonomie des Welthandels and der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main: Johann Wolfgang Goethe-Universität, S. 2. 477
Vgl. z. B. Steven, M. (1998): Produktionstheorie. Wiesbaden: Gabler, S. 172.
478
Vgl. Schmidt, R. H. (1998): Erich Gutenberg und die Theorie der Unternehmung. Arbeitspapier Nr. 13 der Wilhelm Merton-Professur für Ökonomie des Welthandels and der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main: Johann Wolfgang Goethe-Universität, S. 7.
160
Input
Throughput
Output
Arbeitsleistungen, Informationen, Rohstoffe, Geld, Maschinen
Sachleistungsprogramm, Dienstleistungsprogramm, Informationen
Potenzialdimension
Transformationsdimension
Ergebnisdimension
Abbildung 17: Grundschema einer Unternehmung479 Für GUTENBERG bestehen Unternehmen demnach aus drei interdependenten sog. Eigensektoren (Beschaffung, Produktion und Absatz respektive Input, Throughput und Output), deren Orchestrierung, also der innerbetriebliche Anpassungsprozess zwischen den Sektoren auf der Basis veränderlicher Marktdatenkonstellationen, Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung ist.480 ALBACH fasst dies wie folgt zusammen: „Das Unternehmen ist nach GUTENBERG ein arbeitsteiliges System von Produktivitätsbeziehungen. Diese Produktivitätsbeziehungen beschreiben die Interdependenz der betrieblichen Teilbereiche. Die Optimierung der betrieblichen Teilbereiche erfordert die Abstimmung dieser Partialoptima auf das Unternehmensganze. Die Lösung dieses Interdependenzproblems durch Koordination der betrieblichen Teilbereiche ist nach GUTENBERG die erste Aufgabe einer betriebswirtschaftlichen Theorie der Unternehmung.“481
Deutlich wird hierbei, dass die unternehmerische Leistungserstellung und damit auch die Erfolgsgenerierung als ein Bündel von koordinierten Kombinationsprozessen zwischen den be-
479 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Heinen, E. (1991): Industriebetriebslehre: Entscheidungen im Industriebetrieb. 9., vollst. neu bearb. und erw. Aufl. Wiesbaden: Gabler, S. 57. 480 Vgl. Gutenberg, E. (1998): Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Forschung. Wiesbaden: Gabler, unveränderter Nachdruck der Auflage Berlin 1929, S. 104f.. 481
Albach, H. (1997): Gutenberg und die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre. WZB Diskussionspapier FS IV 97-16. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin, S. 3f. (Hervorhebung nicht im Original).
161
trieblichen Eigensektoren zu erfassen ist. Folglich wird „[i]m Kombinationsprozess … der gesamte güterwirtschaftliche Betriebsprozess abgebildet“482, der den vollständigen Prozess von der Güterbeschaffung, über deren Kombination bis hin zur kundenwunschgemäßen Vermarktung des resultierenden Leistungsprogramms umfasst. Die drei hier beschriebenen Eigensektoren einer Unternehmung stellen sich folglich als komplementäre Systeme unternehmerischer Erfolgsgenerierung dar und bedürfen entsprechend einer gleichrangigen Berücksichtigung, wenn die Frage nach der Kausalität des Unternehmenserfolges gestellt wird. Vor diesem Hintergrund offenbart sich zugleich auch der Nutzen dieser Unternehmenskonzeption für das strategische Management, da es das Potenzial zur Synthese der Erkenntnisse aus den generischen Denkschulen bietet, denen im Zusammenhang mit Kapitel 3.3.3 ein komplementärer Charakter zugewiesen werden konnte.483 Auch für SCHMIDT ist die hier vorgeschlagene Rückbesinnung auf die traditionelle Charakterisierung einer Unternehmung als ITO-System i. S. v. GUTENBERG „deshalb [so] interessant, weil sie sich inhaltlich auf neuste Entwicklungen in der Theorie der Unternehmung beziehen lässt und weil … der Vergleich mit der Grundstruktur von GUTENBERGs Werk hilft, diese Entwicklungen besser zu verstehen und einzuordnen“.484 Die Übertragung des Gedankens von Unternehmen als Input-Throughput-Output-Systeme auf das strategische Management hat zugleich den entscheidenden Vorteil, eine relativ breite (identitätsstiftende) Perspektive bieten zu können, die den unterschiedlichen Unternehmensverständnissen der generischen Denkschulen insgesamt gerecht werden kann.485 Zur Erinnerung:
482
Vgl. Albach, H. (1997): Gutenberg und die Zukunft der Betriebswirtschaftslehre. WZB Diskussionspapier FS IV 97-16. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin, S. 5.
483
Vgl. auch Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1127; Mauri, A. J. / Michaels, M. P. (1998): Firm and Industry Effects within Strategic Management: An empirical Examnination. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 211-219, hier: S. 216f.; Peteraf, M. A. / Barney, J. B. (2003): Unravelling the Resource-Based Tangle. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 24, S. 309-323, hier: S. 320f.; Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 31.
484 Schmidt, R. H. (1998): Erich Gutenberg und die Theorie der Unternehmung. Arbeitspapier Nr. 13 der Wilhelm Merton-Professur für Ökonomie des Welthandels and der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main: Johann Wolfgang Goethe-Universität, S. 1 (Hervorhebung nicht im Original). 485 Die im Vergleich der generischen Ansätze evident werdende Unterschiedlichkeit der Unternehmensverständnisse, wie auch die Unterschiedlichkeit des Verständnisses von Wettbewerbsvorteilen, ist SCHMIDT zufolge darauf zurückzuführen, dass „das untersuchte Objekt, die Unternehmung, immer ein gedankliches Konstrukt, inspiriert von realer Anschauung und geformt in einer für den jeweiligen Ansatz spezifischen Weise“. Schmidt, R. H. (1998): Erich Gutenberg und die Theorie der Unternehmung. Arbeitspapier Nr. 13 der Wilhelm MertonProfessur für Ökonomie des Welthandels and der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main: Johann Wolfgang Goethe-Universität, S. 4.
162
Der ressourcenorientierte Ansatz beschreibt Unternehmen als Ressourcenbündel und rekurriert daher überwiegend auf die faktorbedingte Vorteilsgenerierung; die kompetenzorientierte Denkschule charakterisiert Unternehmen als eine Ansammlung von Fähigkeiten und fokussiert demnach vornehmlich auf die Vorteile, die aus der Umwandlung bzw. Transformation der Inputfaktoren gewonnen werden können; die marktorientierte Argumentationsweise dagegen modelliert die Unternehmen überwiegend als Black Box, d. h. Strukturmerkmale werden vernachlässigt und vornehmlich marktinhärente Vorteilspotenziale betrachtet, die v. a. im Absatzmarkt begründet liegen. Diese Argumentationsstränge stützen die hier dargestellte GUTENBERGsche
Theorie der Unternehmung, nach der ein Unternehmen als ein System interde-
pendenter Kombinationsprozesse begriffen werden kann, in dem gemäß der unternehmensindividuellen Produktionsmöglichkeiten Input- zu Outputfaktoren transformiert werden. Die ITO-Systematik kann damit als eine konzeptionelle Klammer bzw. ein sinnstiftender Referenzrahmen fungieren, im Rahmen dessen die hier entwickelte Sprache des strategischen Managements Anwendung finden kann. In die durch das 3. Kapitel bereinigte Sprache des strategischen Managements übersetzt bedeutet dies, dass Unternehmen im Idealfall in der Lage sind, knappe, wertvolle, für die Konkurrenz nichtimitierbare und nichtsubstituierbare Ressourcen (Inputs als Ausstattungsvorteil) durch die Befähigung zur einzigartigen Ressourcenkombination bzw. -umwandlung (Throughputs als Wettbewerbsfähigkeitsvorteil) Produkte und Dienstleistungen herzustellen, die den vergleichsweise höchsten Kundennutzen stiften (Outputs als Marktstellungsvorteil). Gemäß diesen Überlegungen kann der gesamte unternehmerische Ressourcenumwandlungsprozess entsprechend auch durch die drei im Zusammenhang mit Kapitel 3.3.2 identifizierten zentralen Entscheidungsebenen beschrieben werden,
wobei
sich
wiederum
Akquisitionsentscheidungen
auf
der
Input-,
Transformationsentscheidungen auf der Throughput- und Distributionsentscheidungen auf der Outputebene eines Unternehmens einordnen lassen. Daher wird an dieser Stelle deutlich, dass sich die generischen Ansätze durch die Modellierung von Unternehmen als einfache ITOSysteme in eine relativ simple systematische Ordnung überführen lassen, wie sie zusammenfassend in Abbildung 18 dargestellt ist.
163
Faktormarkt
RBV
Potenzialdimension
THROUGHPUT
CBV
Prozessdimension
OUTPUT
MBV
Ergebnisdimension
Umsystem
System Unternehmung
INPUT
Absatzmarkt
Abbildung 18: Vereinigung der generischen Ansätze in einen gemeinsamen Referenzrahmen486 Die Aufspaltung der unternehmerischen Leistungserstellung in eine der Input-ThroughputOutput-Systematik entsprechende dreistufige Entscheidungs- und Ressourcenumwandlungssequenz hat den großen Nutzen, eine differenziertere Erklärung wettbewerblicher Auseinandersetzungen und den damit verbundenen Quellen unternehmerischer Erfolgsgenerierung aufzeigen zu können. Gleichzeitig lassen sich hierbei die durchaus komplementären Erkenntnisse der traditionell diskutierten Ansätze zu einem Gesamtkonzept synthetisieren, ohne Gefahr zu laufen, die generischen Ansätze beliebig miteinander zu verknüpfen.487 Darauf macht auch SCHERER aufmerksam, denn „[w]enn eine „Integration“ verschiedener Perspektiven des Strategischen Managements angestrebt wird, dann kann es dabei sicher nicht nur darum gehen, diese schlichtweg nebeneinander zu schreiben. Vielmehr müssen die Perspektiven systematisch in ein Ver-
486
Quelle: Eigene Darstellung.
487
Vgl. Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 5-8; Stewart, D. W. (1996): Managing Market Structure: Achieving Competitive Advantage and Market Dominance. In: Journal of Managerial Issues, Vol. 8, S. 13-24, hier: S. 13-15; Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen KompetenzManagements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 53.
164
hältnis zueinander gesetzt werden. Dabei muss aufgezeigt werden, wie Widersprüche zu verarbeiten sind.“488
Diesem hier formulierten Anspruch nach perspektivischer Verhältnismäßigkeit wird die Überführung der generischen Ansätze in die ITO-Systematik gerecht, denn die jeweilige Analyse der Erklärungshorizonte konnte die inhaltliche Komplementarität der Denkschulen des strategischen Managements herausarbeiten, woraufhin das Ergebnis der Zusammenführung nur eine logische Konsequenz darstellt. Dabei sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die hier durchgeführte Überführung der Ansätze in die ITO-Systematik als ein Akt der Synthese489 und nicht als eine Integration der Denkschulen i. S. v. SCHERER zu verstehen ist. Eine Integration der Ansätze in eine Systematik höherer Ordnung hätte die Folge, dass die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der einzelnen Forschungsrichtungen zugunsten der nun holistischeren Betrachtungsweise eingebüßt werden würde.490 „Integration ist immer mit Dedifferenzierung verbunden, da durch die neuen Relationen bestimmte, zwischen den Teilsystemen bestehende Unterschiede aufgehoben werden.“491
Im Zusammenhang mit Kapitel 4.1.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass in dieser Arbeit ein gemäßigt holistischer Ansatz präferiert wird, da sonst eine Überbetonung des (noch unbekannten) Ganzen auf Kosten seiner Teile die Folge wäre. Der mit Integrationsbemühungen einhergehende, sprunghafte Anstieg der Modellkomplexität würde die aktuell zur Verfügung stehenden Methoden und Instrumente des strategischen Managements überfordern, weshalb die Synthese, d. h. die vorsichtige Zusammenfassung bzw. Verknüpfung der derzeitigen Erkenntnisse als der geeignetere Weg erscheint.492 Daher hier der Hinweis auf den synthetisierenden Charakter dieser Zusammenführung, die dadurch eher als ein dialektikinduzierter, schöpferischer Erkenntnisvorgang zu betrachten ist, der die existierenden Einzelteile, m. a. W.
488
Scherer, A. G. (1995): Pluralismus im Strategischen Management. Wiesbaden: DUV, S. 68.
489
Genauer gesagt handelt es sich hierbei um eine produktive Synthese, da hier verschiedene Teilelemente einer Gesamtheit zu einem neuen Ganzen unter einem neuen Ordnungsaspekt (ITO-Systematik) zusammengeführt werden. Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 65. 490
Vgl. auch Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 529f..
491 Klaus, G. / Buhr, M. (Hrsg.) (1971): Philosophisches Wörterbuch. Bd. 1, 8., berichtigte Aufl., Leipzig: Bibliographisches Institut, S. 530 (Hervorhebung nicht im Original). 492 So argumentiert auch VOLBERDA: „Synthesis is less far-reaching than integration. It does not attempt to develop a single paradigm consisting of universal concepts and laws covering the entire strategic management field. Instead, it is anchored in a few clusters of strategic management problem areas… The argument is that such a straightjacket is not required to achieve accumulation of knowledge”. Volberda, H. W. (2004): Crisis in strategy: fragmentation, integration or synthesis. In: European Management Review, Vol. 1, S. 35-42, hier: S. 37, 40.
165
die generischen Ansätze durch die jeweilige Spracherlernung einem „höheren“ Sinn zuführt.493 „Die Synthese als ein Entwicklungsprozess bildet das Endergebnis des dialektischen Denkens oder eines dialektischen Prozesses einer Bewegung oder Veränderung des Zueinanders oder Auseinanders zweier Dinge oder Sachverhalte.“494
Dieser höhere Sinn bezieht sich also auf die Unternehmung als ein dreistufiger Ressourcenumwandlungsprozess entlang der Potenzial-, Transformations- sowie Ergebnisdimension, wie sie u. a. von GUTENBERG propagiert wird, um einen gründlicheren Erkenntnisbildungsprozess im strategischen Management über das begrenzte Denken in Schulen anzustoßen. Ein solcher Sinn entsteht allein schon dadurch, dass „… attention to the multiple dimensions of social phenomena … fosters a style of research that focuses on the interplay between erstwhile dichotomous phenomena.”495
Ein „klassifizierender“ Bezugsrahmen zur Berücksichtigung des Mehrebenencharakters sozialer Phänomene konnte im Rahmen dieses Abschnitts entwickelt werden, der die partialanalytischen Erkenntnisse aus den generischen Ansätzen miteinander in Verbindung setzt und dadurch den Blick auf die erfolgskritischen, interdependenten Koordinationsprozesse zwischen Unternehmen und ihren Märkten lenkt.
4.2.2 Die Erfolgsgenerierung im Lichte markt- und nichtmarktlichen Wettbewerbs Im voranstehenden Abschnitt konnte die Unternehmung in ein interdependentes Geflecht von internen sowie externen Koordinations- und Austauschbeziehungen eingeordnet werden. Analog zur GUTENBERGschen Systematik wurde der unternehmerische Leistungserstellungsprozess in Input-, Throughput- und Outputprozesse differenziert, deren Ausgestaltung durch das Angebot an Ressourcen (Angebots- bzw. Faktormarktseite) und die Nachfrage nach den produzierten Gütern und Dienstleistungen (Nachfrage- bzw. Absatzmarktseite) bestimmt wird. Dies bedeutet folglich, dass die Unternehmen allgemein auf der Beschaffungs- und der Absatzebene in Konkurrenz zueinander stehen. Während die Beschaffungsmarktkonkurrenz die
493 Vgl. Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 65. 494 Venker, K. (1993): Die wissenschaftlichen Arbeits- und Denkmethoden der Betriebswirtschaftslehre: Darstellung, Anleitung und Übung. München: Akademischer Verlag, S. 68. 495 Weaver, G. R. / Gioia, D. A. (1994): Paradigms Lost: Incommensurability vs Structurationst Inquiry. In: Organization Studies, Vol. 15, S. 565-590, hier: S. 582 (Hervorhebung im Original).
166
Auseinandersetzung um Zugangswege und die Sicherung des Faktorstroms umfasst, ist der Wettbewerb auf der Absatzseite durch den Anreiz der Besetzung lukrativer Branchen und Marktnischen bestimmt, die sich durch eine hohe Zahlungsbereitschaft der Konsumenten auszeichnen. Insofern wird die Performanz eines Unternehmens nach dieser Logik durch den Wettbewerb um Ressourcen, Transformationstechnologien, sowie durch den Wettbewerb um Konsumenten determiniert. In den Mittelpunkt der Erfolgsgenerierung treten somit vordergründlich Akquisitions-, Transformations- und Distributionsentscheidungen mit dem Ziel, einen wie auch immer gearteten Vorteil gegenüber den Wettbewerbern auf der Beschaffungsund Absatzseite zu erlangen und die damit verbundenen Renten abzuschöpfen. Allerdings muss hierzu einschränkend angemerkt werden, dass die marktlichen Austauschund Kombinationsprozesse nicht im „luftleeren“ Raum stattfinden,496 sondern durch normativ-staatliche Einflussnahmen in das Marktsystem bestimmt bzw. reguliert werden können. So argumentiert auch ALBACH, denn „[d]as Funktionieren dieses Systems von Austauschbeziehungen ist nicht selbstverständlich. Ohne die ordnende Hand des Staates mag die Unternehmung auch versucht sein, durch missbräuchliches Verhalten die eigenen Ziele zu verfolgen. Der Staat mag aber auch für notwendig halten, ein bestimmtes Verhalten der Unternehmungen zu erzwingen. Dies mag er durch Auflagen (wie im Umweltschutz) oder durch institutionelle Gestaltung des Unternehmens selbst (wie in der Mitbestimmung) zu erreichen suchen.“497
Die ordnungspolitischen Eingriffe des Staates in den Marktprozess stellen demnach eine (weitere) gewichtige Komponente bei der Erklärung unternehmerischen Verhaltens dar, weshalb der „Betriebswirt, der das Verhalten der Unternehmung erklären und verbessern will, … den Gesamtzusammenhang zwischen Unternehmung … und Staat in einer marktwirtschaftlichen Ordnung erklären [muss]“498. Entsprechend reicht die alleinige Betrachtung der betrieblichen Beschaffungs-, Transformations- und Absatzdomänen nicht aus, um eine klare Vorstellung über die Erfolgsgenerierung geben zu können.499 Eine solche Betrachtung ist ungenügend, da die staatlichen Eingriffe in das Marktgeschehen die Rationalität, d. h. die Vernunft wirtschaft-
496 Vgl. Drucker, P. F. (1958): Business Objectives and Survival Needs: Notes on a Discipline of Business Enterprise. In: The Journal of Business, Vol. 31, S. 81-90, hier: S. 85. 497 Albach, H. (1995): Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft vom Management. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 81-89, hier: S. 83. 498 Albach, H. (1995): Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft vom Management. In: Wunderer, R. (Hrsg.): BWL als Management- und Führungslehre. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 81-89, hier: S. 83. 499
Vgl. Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 49f..
167
lichen Verhaltens beeinflusst. Das äußert sich v. a. darin, dass die Wettbewerbssituation oder auch die Handlungsfähigkeit eines Unternehmens durch staatliche Eingriffe in das Marktbzw. Wettbewerbsgeschehen eingeschränkt wird. So argumentieren auch HILLMAN
ET AL.,
denn „[g]overnment entities have power over the opportunity sets faced by firms and shape their competitive environments“500, woraufhin sich – je nach Ausmaß des Eingriffes – die Rationalität sowie die Performanzimplikation marktstrategischer Aktivitäten verändern können.501 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die unternehmerische Erfolgsgenerierung nicht losgelöst von den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen analysiert werden kann, was in den generischen Ansätzen bislang jedoch kaum Berücksichtigung findet.502 Um ein diesbezüglich vollständigeres Bild über die Kausalität des Unternehmenserfolges zeichnen zu können, bedarf das Beziehungsgeflecht zwischen Unternehmen und Staat daher einer gesonderten Untersuchung. Obgleich das Verhältnis zwischen Staat und Unternehmung im strategischen Management bislang relativ wenig Berücksichtung findet, so sind derartige Analysen in der Volkswirtschaftslehre oder auch in der Politikwissenschaft fester Bestandteil des wissenschaftlichen Diskurses. Allerdings lässt sich derzeit in unserem Forschungsbereich ein gestiegenes Interesse an diesen Fragestellungen nachweisen, was sich nicht zuletzt auch durch die Tendenz zur Entwicklung eines nichtmarktorientierten Ansatzes innerhalb des strategischen Managements belegen lässt.503 Grundlage dieses nichtmarktorientierten Ansatzes bildet die Tatsache, dass Unternehmen zum Zweck der Vorteilsgenerierung nicht allein auf Märkten, sondern auch auf sog. Nichtmärkten agieren.504 Im Gegensatz zu Märkten entstehen Nichtmärkte nicht auf
500
Hillman, A. J. / Zardkoohi, A. / Bierman, L. (1999): Corporate Political Strategies and Firm Performance. Indications of Firm-specific Benefits from Personal Service in the U.S. Government. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 67-81, hier: S. 67 (Hervorhebung nicht im Original).
501 Vgl. auch Hillman, A. J. / Keim, G. D. / Schuler, D. (2004): Corporate Political Activity: A Review and Research Agenda. In: Journal of Management, Vol. 30, S. 837-587, hier: S. 850. 502
Lediglich PORTER weist auf die Möglichkeit hin, dass neben der Besetzung lukrativer Branchen den Unternehmen zum Zwecke der Vorteilsgenerierung ebenso die Möglichkeit offen steht, die Branchenbedingungen zu ihren Gunsten zu verändern: „Industry Structure is partly exogenous, and partly subject to influence by firm actions“. Vgl. Porter, M. E. (1991): Towards a Dynamic Theory of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 12, S. 95-117, hier: S. 100.
503
Vgl. z. B. Hillman, A. J. / Keim, G. D. / Schuler, D. (2004): Corporate Political Activity: A Review and Research Agenda. In: Journal of Management, Vol. 30, S. 837-587, hier: S. 838f.; Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 398-400; Shaffer, B. / Quasney, T. J. / Grimm, C. M. (2000): Firm Level Performance Implications of Nonmarket Actions. In: Business & Society, Vol. 39, S. 126-143, hier: S. 128.
504 Vgl. Baron, D. P. (1995): Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components. In: California Management Review, Vol. 37, S. 47-65, hier: S. 47f.; Baron, D. P. (1995): The Nonmarket Strategy System. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 37, S. 73-85, hier: S. 73f.; Baron, D. P. (2001): Theories of Strategic Nonmar-
168
Grundlage relativer Transaktionskostenvorteile,505 sondern auf den Fundamenten ordnungsund strukturpolitischer Eingriffe des Staates bzw. dessen hoheitlich-marktregulierenden Institutionen. BARON zufolge, als einer der prominentesten Vertreter dieser nichtmarktorientierten Denkrichtung, zeichnen sich Nichtmärkte durch v. a. vier Komponenten aus: Interessen (interests), Informationen (information), Institutionen (institutions) sowie Regulative (issues) (vgl. auch Abbildung 19).506
Markt
Nichtmarkt
Konsumenten
Informationen
Substitute
Wettbewerb Newcomers
Wettbewerb
Interessen
Regulative
Zulieferer
Institutionen
Input
Throughput
Output
Potenzialdimension
Transformationsdimension
Ergebnisdimension
Abbildung 19: Marktliche und nichtmarktliche Wettbewerbsarena507 Zu den Regulativen sind Gesetzgebungs- oder Regulierungsinitiativen zu zählen, die der Staat entweder bereits erlassen hat oder aber in Zukunft beabsichtigt durchzuführen. Als Institutio-
ket Participation: Majority-Rule and Executive Institutions. In: Journal of Economics and Management Strategy, Vol. 10, S. 47-89, hier: S. 47f.; Shaffer, B. / Quasney, T. J. / Grimm, C. M. (2000): Firm Level Performance Implications of Nonmarket Actions. In: Business & Society, Vol. 39, S. 126-143, hier: S. 128f.. 505 Vgl. z. B. Williamson, O. E. (1985): The Economic Institutions of Capitalism. New York u. a.: The Free Press, S. 73f.. 506 Vgl. Baron, D. P. (1995): Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components. In: California Management Review, Vol. 37, S. 47-65, hier: S. 48; Baron, D. P. (1995): The Nonmarket Strategy System. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 37, S. 73-85, hier: S. 74f.. Für eine umfassende Darstellung und Diskussion der unterschiedlichen Sichtweisen über das Wesen von Nichtmärkten vgl. Boddewyn, J. J. (2003): Understanding and Advancing the Concept of „Nonmarket“. In: Business & Society, Vol. 42, S. 297-327. 507
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Träger, S. (2005): Vortragsunterlagen im Rahmen des 4. Symposium zum Strategischen Kompetenzmanagement am 02.-04. November 2005 in Bremen, F. 12.
169
nen gelten diejenigen staatlichen Einrichtungen, die sich entweder direkt (in Deutschland bspw. der Bundestag) oder indirekt (in Deutschland bspw. das Kartellamt oder die Bundesnetzagentur) mit der Regulierung beschäftigen. Davon zu unterscheiden sind die Interessen, die diejenigen Akteure umfassen (bspw. Interessenvertreter oder Lobbyisten), die ein direktes Interesse an der Regulierung haben bzw. davon betroffen sind. Als das Nichtmarktsystem abrundend gelten nach BARON die Informationen, die beide Seiten, d. h. der Staat und die Unternehmen über die Konsequenzen der im Fokus stehenden Regulative besitzen. Diese umfassen ferner die Eingriffs- bzw. Zugriffsfähigkeiten der beteiligten Akteure auf die Institutionen und Ausgestaltung des Regulierungsprozesses. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die marktlichen Austauschprozesse zwischen konkurrierenden Unternehmen, den Zuliefern und Konsumenten von den Austausch- und Koordinationsprozessen auf den Nichtmärkten ganz erheblich unterscheiden. Während sich ein Markt durch überwiegend freiwillige, private Arrangements auszeichnet, so ist die Beziehung der Akteure auf dem Nichtmarkt in der Regel durch Öffentlichkeit und normativen Zwang gekennzeichnet.508 Das bedeutet, dass die unternehmerische Erfolgsgenerierung auf der Marktseite durch die in Eigenregie erfolgte Ausgestaltung der privaten Verträge selbst beeinflusst werden kann, während die Ergebnisse der Auseinandersetzungen auf den Nichtmärkten (Regulierungen, aber auch Deregulierungen) eine Art Fremdregie auf die Unternehmenstätigkeit ausüben, da die Handlungsalternativen normativ begrenzt werden. Folglich besteht zwischen den Systemen Markt und Nichtmarkt eine Interdependenz, da nichtmarktliche Arrangements in die privatwirtschaftlichen Handlungsräume nachhaltig intervenieren können. Entsprechend groß ist der Anreiz auf Unternehmensseite, auf die Ergebnisse des nichtmarktlichen Verhandlungsprozesses Einfluss zu nehmen, um so ihre eigenen Handlungsräume entweder zu schützen oder zu erweitern. Damit unterstellt der nichtmarktorientierte Ansatz eine Steuerungsfähigkeit des Gesetzgebungsprozesses durch die Marktteilnehmer. Diese Überlegungen stehen im Gegensatz zur traditionellen Auffassung, dass die Regeln des Wettbewerbs exogen vorgegeben sind. „A common misperception is that the public policy arena is largely exogenous and that firms must simply react to policy decisions. Instead, the public policy process in every non-totalitarian system in the world is based in interest aggregation which creates opportunities for firms, just like other interest groups, to shape public policy. It is fairly common to see businesses active on economic and social regulation issues and the non-
508 Vgl. Baron, D. P. (1995): Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components. In: California Management Review, Vol. 37, S. 47-65, hier: S. 47.
170
uniform application of antitrust regulation also creates opportunities for businesses to shape government outcomes.”509
Der Unternehmenserfolg resultiert dieser Vorstellung nach also nicht mehr nur aus den Auseinandersetzungen innerhalb marktlicher Wettbewerbsarenen, deren Grenzen durch die Ordnungs- und Wettbewerbspolitik des Staates vorgegeben sind. Vielmehr muss auch der Wettbewerb auf dem Nichtmarkt einbezogen werden, da den Unternehmen diverse Möglichkeiten offen stehen, die „Spielregeln des marktlichen Wettbewerbs“ zu beeinflussen, weshalb neben (marktliche) leistungs- auch (nichtmarktliche) interventionsinduzierte Möglichkeiten der Vorteilsgenerierung berücksichtigt werden müssen.510 Da die Regeln des Marktprozesses somit endogener Bestandteil unternehmerischer Entscheidungsprozesse sind, ist der Unternehmenserfolg als Resultat des Zusammenspiels von Markt- und Nichtmarktstrategien zu sehen.511 BARON differenziert diese beiden strategischen Orientierungsmuster wie folgt: „A market strategy is a concerted pattern of actions taken in the market environment to create value by improving economic performance…. A nonmarket strategy is a concerted pattern of actions taken in the nonmarket environment to create value by improving its overall performance.”512
Auch wenn BARON die Unterscheidung zwischen ökonomischer und insgesamter Performanz schuldig bleibt, so sieht er die berechtigte Notwendigkeit zur Verfolgung eines beide Aspekte
509
Hillman, A. J. / Zardkoohi, A. / Bierman, L. (1999): Corporate Political Strategies and Firm Performance. Indications of Firm-specific Benefits from Personal Service in the U.S. Government. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 67-81, hier: S. 68.
510
Vgl. auch Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 398-400. Zu derartigen Maßnahmen sind zu zählen: Direktes Lobbying, Parteispenden, Meinungsbildung, aktives Stakeholdermanagement bis hin zu illegalen Aktivitäten wie z. B. die Bildung von (Preis-)Kartellen, Absprachen, Boykotten, Korruption oder wettbewerbsbehindernden Verträgen wie z. B. Boykotten etc.. Vgl. auch Flint, G. D. (1999): What is the Meaning of Competitive Advantage. In: Journal of Global Competitiveness, Vol. 7, S. 9-15, hier: S. 13f.; Morris, D. J. / Sinclair, P. J. N. / Slater, M. D. E. / Vickers, J. S. (1986): Strategic Behavior and Industrial Competition: An Introduction. In: Oxford Economic Papers, Vol. 38, S. 1-8, hier: S. 2f.; Rehbein, K. A. / Schuler, D. A. (1999): Testing the Firm as a Filter of Corporate Political Action. In: Business & Society, Vol. 38, S. 144-166, hier: S. 148f..
511
Vgl. Morris, D. J. / Sinclair, P. J. N. / Slater, M. D. E. / Vickers, J. S. (1986): Strategic Behavior and Industrial Competition: An Introduction. In: Oxford Economic Papers, Vol. 38, S. 1-8, hier: S. 1f.; Shaffer, B. / Quasney, T. J. / Grimm, C. M. (2000): Firm Level Performance Implications of Nonmarket Actions. In: Business & Society, Vol. 39, S. 126-143, hier: S. 127-129; Spiller, P. T. (2001): Introduction to the Special Issue on Integrating Market and Nonmarket Strategies. In: Journal of Economics and Management Strategy, Vol. 10, S. 3-5, hier: S. 3.
512 Baron, D. P. (1995): Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components. In: California Management Review, Vol. 37, S. 47-65, hier: S.47 (Hervorhebungen anders als im Original).
171
umfassenden integrierten Strategieansatzes, weil sowohl der Markt, als auch dessen regulierende Institutionen Parameter des Wettbewerbserfolges darstellen.513 Die Verfolgung eines integrierten Erfolgsgenerierungsansatzes ist für Unternehmen insofern relevant, da staatliche Interventionen in das Wettbewerbsgeschehen die unternehmensindividuellen Handlungsoptionen im Markt und die damit verbundenen Rentenpotenziale beeinflussen. Entsprechend haben Unternehmen ein unmittelbares Interesse, auf die damit verbundenen Regulierungen im Vorfeld der gesetzlichen Verankerung Einfluss zu nehmen. Ziel derartiger Einflussnahmen ist die Initiierung oder Veränderung von wettbewerbsregulierenden Staatseingriffen, die im Rahmen der individuellen Ressourcenausstattung und Marktstellung zukünftige Erfolgspotenziale eröffnen bzw. strategisch vorteilhafte Erfolgspositionen erhalten sollen.514 Analog zu marktlichen Konkurrenzbeziehungen entsteht vor diesem Hintergrund eine wettbewerbliche Auseinandersetzung auf dem Nichtmarkt zwischen Unternehmen bzw. deren Interessenvertretern (z.B. Interessengruppen, Verbände oder Lobbyisten) um die perspektivisch vorteilhafteste Einflussmöglichkeit auf den legislativen Entscheidungsprozess.515 Dabei wird die Intensität der wettbewerblichen Auseinandersetzungen um den Einfluss auf politische Entscheidungsträger zunehmen, je stärker einzelne Unternehmen eine strategische Erfolgsposition bedroht sehen bzw. nachhaltig besetzen wollen. Dabei steigen die Anreize der Unternehmen zu nichtmarktlichen Interventionen, je stärker ein Geschäftsfeld mit hohem Renditepotenzial von einer (De-)Regulierung betroffen scheint (vgl. auch Abbildung 20).516
513 Vgl. Baron, D. P. (1997): Integrated Strategy, Trade Policy, and Global Competition. In: California Management Review, Vol. 39, S. 144-169, hier: S. 146-148. 514 Vgl. Baron, D. P. (1995): Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components. In: California Management Review, Vol. 37, S. 47-65, hier: S. 60f.; Baron, D. P. (1995): The Nonmarket Strategy System. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 37, S. 73-85, hier: S. 75f.; Baron, D. P. (1997): Integrated Strategy, Trade Policy, and Global Competition. In: California Management Review, Vol. 39, S. 144-169, hier: S. 149; Baron, D. P. (2001): Private Politics, Corporate Social Responsibility, and Integrated Strategy. In: Journal of Economics and Management Strategy, Vol. 10, S. 7-15, hier: S. 8; Beardsley, S. C. / Bugrov, D. / Enriquez, L. (2005): The Role of Regulation in Strategy. In: The McKinsey Quarterly, Nr. 4, S. 93-102, hier: S. 93; Spiller, P. T. (2001): Introduction to the Special Issue on Integrating Market and Nonmarket Strategies. In: Journal of Economics and Management Strategy, Vol. 10, S. 3-5, hier: S. 3; Ginsberg, A. (1994): Minding the Competition: From Mapping to Mastery. In: Strategic Management Journal, Vol. 15, S. 153-174, hier: S. 154f.. 515 Vgl. auch Sydow, J. / Ortmann, G. (2001): Vielfalt an Wegen und Möglichkeiten: Zum Stand des strategischen Managements. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 3-23, hier: S. 8. 516 Vgl. auch Hillman, A. J. / Zardkoohi, A. / Bierman, L. (1999): Corporate Political Strategies and Firm Performance. Indications of Firm-specific Benefits from Personal Service in the U.S. Government. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 67-81, hier: S. 68f..
172
Zukünftig erwarteter Erfolgsbeitrag des betroffenen Geschäftsfeldes
Erwartete rechtliche Regelungsintensität
gering
gering
mittel
hoch
geringes Gefahrenpotenzial
mittel
hoch
hohes Gefahrenpotenzial
Interventionsanreiz
Abbildung 20: Gefährdungsmatrix zur Bestimmung der Implikationen staatlicher Einflussnahme517 Durch nichtmarktliche Arrangements lassen sich folglich einerseits neue Vorteilsquellen erschließen, indem bspw. Märkte dereguliert und Monopole aufgebrochen werden (zusätzliches Rentengenerierungspotenzial), oder bereits vereinnahmte Vorteilspositionen durch bspw. die Erhöhung von Umwelt- oder Sicherheitsstandards schützen (Rentenprotektion). Während im ersten Fall eine neue, erfolgversprechende wettbewerbliche Auseinandersetzung durch Marktzutritte gesucht wird, so sind letztere Umstände mit einer Erhöhung der direkten Kosten für die Wettbewerber und damit mit einer tendenziell abnehmenden Wettbewerbsintensität verbunden (z. B. über Marktzutrittsschranken).518 Grundlage dafür ist jedoch, dass die Einflussnahme im Ergebnis zu neuen (De-)Regulierungen führt, die auf die unternehmensindividuellen Ausstattungs- und/oder Positionierungsmerkmale abgestimmt sind. Besteht für ein Unternehmen z. B. die Möglichkeit, Schadstoffemissionen ohne größeren Aufwand zu redu-
517 Quelle: In Anlehnung an Görgen, W. (1992): Strategische Wettbewerbsforschung. Bergisch Gladbach u. a.: Verlag Josef Eul, S. 112. 518
Vgl. z. B. Aragón-Correa, J. A. / Sharma, S. (2003): A contingent Resource-based View of proactive Corporate Environmental Strategy. In: Academy of Management Review, Vol. 28, S. 71-88, hier: S. 75-79; Baron, D. P. (2001): Private Politics, Corporate Social Responsibility, and Integrated Strategy. In: Journal of Economics and Management Strategy, Vol. 10, S. 7-15, hier: S. 15, 42f.; Flint, G. D. (1999): What is the Meaning of Competitive Advantage. In: Journal of Global Competitiveness, Vol. 7, S. 9-15, hier: S. 14.
173
zieren (bspw. aufgrund selbstentwickelter, hocheffizienter Filtersysteme), so könnte dieses Unternehmen einen erheblichen Vorteil aus einer restriktiveren Emissionsrichtlinie ziehen, da eine solche Normverschärfung mit erheblichen Modernisierungsinvestitionen für die Wettbewerber verbunden sein wird. Die Folge wäre eine aktive Kampagne auf dem Nichtmarkt mit dem Ziel, eine restriktive Emissionsrichtlinie zu erlassen. Eine in diesem Sinne erfolgreiche Beeinflussung setzt die Akkumulation entsprechender Kompetenzen voraus, den politischen Entscheidungsprozess effektiver als die Konkurrenz steuern zu können. Neben finanziellen Ressourcen stehen hierbei insbesondere personelle Zugangsmöglichkeiten zu und die Unternehmensreputation bei den Entscheidungsträgern im zentralen Blickfeld nichtmarktlicher Strategien.519 Die Zugangsfähigkeit bzw. die Möglichkeiten zum Eingriff in den ordnungspolitischen Normierungsprozess stellt somit eine strategische, unternehmensspezifische Befähigung dar, die im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen langfristig aufgebaut werden kann. Ob die Option zur nichtmarklichen Intervention schlussendlich dazu genutzt wird, um von Deregulierungen geschützter Märkte oder von Regulierungen der Wettbewerber zu profitieren, hängt jedoch von der jeweiligen Marktpositionierung und den strategischen Zielstellungen des Intervenierenden ab. Das belegen auch HILLMAN ET AL., denn „[u]ltimately, the goal of business political behavior is to influence government processes so that the outcomes of these processes better reflect the goals of the given organization.”520
Diese Ausführungen machen deutlich, dass der Prozess der unternehmerischen Erfolgsgenerierung nicht nur auf der Basis marktstrategischer Fragestellungen zu erklären ist. Es reicht nicht aus, den Unternehmenserfolg als ein Ergebnis erfolgreicher Beschaffungs-, Transformations- oder Distributionsentscheidungen zu erfassen. Durch die Endogenisierung des ordnungspolitischen Wettbewerbsrahmens als ein Ansatzpunkt unternehmerischer Entscheidungsprozesse entsteht ein komplexeres, jedoch realitätsnahes Muster der Erfolgsgenerierung, das neben der Fähigkeit zur Leistungserstellung die Begabung zur Intervention in den politi-
519
Vgl. Aragón-Correa, J. A. / Sharma, S. (2003): A contingent Resource-based View of proactive Corporate Environmental Strategy. In: Academy of Management Review, Vol. 28, S. 71-88, hier: S. 73-75; Baron, D. P. (1995): Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components. In: California Management Review, Vol. 37, S. 47-65, hier: S. 60; Hillman, A. J. / Zardkoohi, A. / Bierman, L. (1999): Corporate Political Strategies and Firm Performance. Indications of Firm-specific Benefits from Personal Service in the U.S. Government. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 67-81, hier: S. 70f.; Rehbein, K. A. / Schuler, D. A. (1999): Testing the Firm as a Filter of Corporate Political Action. In: Business & Society, Vol. 38, S. 144-166, hier: S. 153f..
520
Hillman, A. J. / Zardkoohi, A. / Bierman, L. (1999): Corporate Political Strategies and Firm Performance. Indications of Firm-specific Benefits from Personal Service in the U.S. Government. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 67-81, hier: S. 69.
174
schen Gesetzgebungsprozess als Erfolgskriterium berücksichtigt. Somit sei als dritte Basisentscheidung für diese Arbeit formuliert, dass die Parameter unternehmerischer Erfolgsgenierung gleichzeitig sowohl auf marktlicher, als auch auf nichtmarktlicher Ebene zu suchen sind.
4.3 Berücksichtigung der Mehrdimensionalität unternehmerischer Erfolgsgenerierung im Wettbewerb Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen, dass die Quellen des Unternehmenserfolges im konzertierten Zusammenspiel zwischen leistungs- und interventionsorientierten Unternehmensstrategien zu suchen sind, lässt sich die eingangs geäußerte Kritik erneuern, dass (marktliche) Wettbewerbsvorteile nur bedingte Erklärungskraft für den Unternehmenserfolg aufweisen.
Wettbewerbsvorteile
im
originären
Sinn
erfassen
lediglich
eine
Seite
der
„Erfolgsmedaille“ und bedürfen entsprechend einer konzeptionellen Anpassung an die Realität. Diese (Erfolgs-)Realität zeichnet sich eben nicht durch lineare Effekte im marktlichen Vorteilssystem der Unternehmung aus, sondern durch eine mehrebeneninduzierte kausale Ambiguität, die von den Vertretern der generischen Ansätze (insbesondere als Erfolgsquelle) bisweilen erkannt, in den konzeptionellen Überlegungen jedoch keine weitere Berücksichtigung finden.521 Diesen Umstand kritisieren auch MARCH und SUTTON und kommen zu dem Ergebnis, dass dadurch meist simple “speculations about predicting and controlling performance outcomes” den Diskurs um die Faktoren erfolgreicher Unternehmensführung beherrschen.522 SEISREINER zufolge ergibt sich dadurch der unschöne Nebeneffekt, dass sich durch diese Spekulationen „…in der Unternehmenspraxis eine begierige Nachfrage nach simplifizierenden Steuerungskonzepten etabliert hat. Um diese Nachfrage zu befriedigen werden in der Unternehmensführungslehre und -praxis vielfach Konzepte entwickelt und umgesetzt, die häufig reiner Suggestion bzw. reinem Wunschdenken entsprießen und von MARCH und SUTTON als kollektive und individuelle Heuchelei („collective and individual hypocrisy“) bezeichnet werden.“523
521 Vgl. Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 200. 522 March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 703 (Hervorhebung nicht im Original). 523
Seisreiner, A. (2006): Rationalität wertorientierter Managementkonzepte: Einordnung und kritische Wirkungsanalyse. Potsdam: Habilitationsschrift, S. 134.
175
Zur Überwindung dieser Fehlentwicklung bleibt daher nur zu empfehlen, dass der Unternehmenserfolg verstärkt als ein mehrdimensionales Konstrukt verstanden wird, dessen Herleitung nicht auf linearen, simplifizierenden (marktstrategischen) Kausalitäten beruhen sollte.524 Die Kausalität des Unternehmenserfolges ist grundsätzlich nichtlinear und mehrdimensional, da es schwierig ist, die Ursache des Erfolges zweifelsfrei entweder auf der Markt-, auf der Nichtmarktseite oder in beiden Handlungsräumen zu verorten. Der Unternehmenserfolg ist folglich aus dem Wechselspiel beider Wettbewerbsarenen herauszulösen, dessen Wirkungszusammenhänge jedoch aufgrund der oftmaligen Verborgenheit bzw. Nichtzurechenbarkeit von Interventionsbemühungen nicht zweifelsfrei identifizierbar sind. In diesem Zusammenhang ist auch die Kritik von MAIR einzuordnen, der in den traditionellen Herangehensweisen die Gefahr erkennt, dass (unbeabsichtigt) Scheinvorteile zur Erklärung überdurchschnittlicher Unternehmensperformanzen herangezogen werden, die die tatsächlichen Erfolgsursachen verkennen.525 Aus diesem Grund ist es daher unbedingt erforderlich, die unternehmerische Erfolgsgenerierung grundsätzlich als einen equi- und multifinalen Prozess zu verstehen, nach dem der Unternehmenserfolg Resultat verschiedenartiger (markt- und nichtmarktlicher) Ursachen sein kann (Equifinalität) bzw. eine bestimmte Unternehmenskonfiguration (bspw. eine einzigartige Ressourcenausstattung) zu verschiedenen, d. h. auch suboptimalen Ergebnissen führen kann (Multifinalität).526 Während im ersten Fall eine präzise Einschätzung des Ergebnisauslösers unmöglich wird (Fehlen gesicherter Mittel oder Ursache-Erkenntnisse), ist im letzteren Zusammenhang eine Vorhersage der Handlungsfolgen schwierig (Fehlen gesicherter Ziel oder Wirkungs- Erkenntnisse). Die Berücksichtigung dieser Prinzipien, wobei im Fol-
524 Vgl. z. B. Lado, A. A. / Boyd, N. G. / Hanlon, S. C. (1997): Competition, Cooperation, and the Search for Economic Rents. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 110-141, hier: S. 112; Stoelhorst, J. W. / van Raaij, E. M. (2004): On explaining Performance Differentials – Marketing and Managerial Theory of the Firm. In: Journal of Business Research, Vol. 57, S. 462-477, hier: S. 471f.. 525 Vgl. Mair, A. (1999): Learning from Honda. In: Journal of Management Studies, Vol. 26, S. 25-44, hier: S. 26. 526 Vgl. z. B. Gresov, C. / Drazin, R. (1997): Equifinality: Functional Equivalence in Organization Design. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 403-428, hier: S. 403f.; Kraatz, M. S. / Zajac, E. J. (2001): How Organizational Resources affect Strategic Change and Performance in Turbulent Environments: Theory and Evidence. In: Organization Science, Vol. 12, S. 632-657, hier: S. 654; Payne, G. T. (2006): Examining Configurations and Firm Performance in a suboptimal Equifinality Context. In: Organization Science, Vol. 17, S. 756770, hier: S. 756; Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 29; Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 380f.; Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 202; Seisreiner, A. (2006): Rationalität wertorientierter Managementkonzepte: Einordnung und kritische Wirkungsanalyse. Potsdam: Habilitationsschrift, S. 134.
176
genden insbesondere die Equifinalität der unternehmerischen Entscheidungs- und Leistungsprozesse im Vordergrund stehen soll, hat gleichzeitig den Vorteil, die erfolgsinhärenten kausalen Ambiguitäten näher erforschen und konzeptionell einbeziehen zu können. In den folgenden Überlegungen wird damit ferner unterstellt, dass Unternehmen diskretionäre Handlungsfreiheiten besitzen, die über die statische Auffassung eines simplen Resource-, Competence- oder Market-Pickings hinausgehen.527 Derartige Entscheidungsprozesse können nicht – wie in den generischen Ansätzen geschehen – voneinander losgelöst bzw. isoliert betrachtet werden, sondern bilden nicht zuletzt auch durch die Linse der ITO-Systematik betrachtet eine verbundene, komplementäre Entscheidungssequenz, die von nichtmarktlichen Interventionen „moderiert“ werden. Entsprechend zahlreich und vielschichtig sind die Entscheidungsvariablen, die innerhalb der Unternehmen Berücksichtigung finden (müssen). Den Gesetzen der Kombinatorik zufolge ergeben sich demzufolge eine größere Anzahl an (Entscheidungs-)Möglichkeiten und Ansatzpunkte, auf die Unternehmen mit dem Ziel der Erfolgsgenerierung de facto zurückgreifen. Je nach Unternehmenskonfiguration können die Entscheidungsprozesse daher unterschiedlich ausgestaltet sein oder andere Zielhorizonte verfolgen.528 Simplifizierende Handlungsempfehlungen haben in dieser Realität keinen Platz. Vielmehr bedarf es der Berücksichtigung funktionaler Äquivalente529 und damit der Möglichkeit verschiedenartiger Wege der Erfolgsgenerierung, wodurch der Unternehmenserfolg schlussendlich selbst als ein der Realität entsprechendes, mehrdimensionales Phänomen erscheint.
527
Vgl. auch Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1126f.; March, J. G. (2006): Rationality, Foolishness, and adaptive Intelligence. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 201-214, hier: S. 202; Volberda, H. W. (1998): Building the Flexible Firm. Oxford: Oxford University Press, S. 279f..
528 Vgl. auch Simon, H. A. (1964): On the Concept of Organizational Goal. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 9, S. 1-22, hier: S. 14-20. 529 Dem Prinzip der funktionalen Äquivalente liegt die Auffassung zugrunde, dass eine Unternehmensstruktur nichts über dessen Funktion bzw. Ergebniswirkung aussagt, da diese unterschiedliche Funktionen wahrnehmen können. Vgl. z. B. Gresov, C. / Drazin, R. (1997): Equifinality: Functional Equivalence in Organization Design. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 403-428, hier: S. 407; Payne, G. T. (2006): Examining Configurations and Firm Performance in a suboptimal Equifinality Context. In: Organization Science, Vol. 17, S. 756-770, hier: S. 757; Pennings, J. (1992): Structural Contingency Theory: A Reappraisal. In: Research in Organizational Behavior. Vol. 14, S. 267-309, hier: 267f.; van de Ven, A. H. / Drazin, R. (1985): The Concept of Fit in Contingency Theory. In: Research in Organizational Behavior. Vol. 7, S. 333-365, hier: S. 333f..
177
4.3.1 Kausale Nichtlinearität und Equifinalität des Unternehmenserfolges Dem wichtigen Prinzip der Equifinalität unternehmerischer Transformationsprozesse nachkommend kann allgemein davon ausgegangen werden, dass unterschiedliche Handlungs- oder Verhaltensalternativen zu einem gleichen Ergebnis führen.530 Herausgestellt wird hier, dass es verschiedene Wege gibt, die sich in Hinblick auf das Ergebnis der zugrunde liegenden Handlungen als zielkongruent bzw. -äquivalent herausstellen.531 Folglich stehen Unternehmen diverse strategische und/oder strukturelle Möglichkeiten offen, die tendenziell zu dem gleichen Ergebnis bzw. Ziel führen.532 Für die Untersuchung des Unternehmenserfolges ergibt sich dadurch jedoch die Schwierigkeit, dass multiple Wege zur Erklärung ein und desselben Phänomens zur Verfügung stehen. So argumentiert auch RASCHE, denn „die Equifinalität [unterstellt] somit eine Koexistenz mehrerer plausibler Lösungen für komplexe und unscharfe Problemfelder. … [Daher] erweisen sich die zu lösenden Fragestellungen als derart offen und opak, dass sich die Ableitung situativ optimierter Partiallösungen … als wenig hilfreich erweisen.“533
Vor dem Hintergrund der Insuffizienz der auf kausalen Linearitäten und Partialanalysen beruhenden generischen Ansätze, die equifinale Prozesse des Erfolgsstrebens ihrer Ontologie entsprechend ausschließen, bedarf es daher einer konkreten Auseinandersetzung mit dem Phänomen multipler Erfolgsgenerierung. Diesen Tatbestand haben GRESOV und DRAZIN aufgegriffen und eine Equifinalitätstypologie entwickelt, die den Entscheidungsspielraum der Unternehmensführung bei der Entwicklung marktkonformer Leistungserstellungsprozesse bzw. Unternehmensstrategien berücksichtigt (vgl. auch Abbildung 21).
530
Vgl. Gresov, C. / Drazin, R. (1997): Equifinality: Functional Equivalence in Organization Design. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 403-428, hier: S. 403f..
531 Vgl. Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 380f.; Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 202. 532
Vgl. Payne, G. T. (2006): Examining Configurations and Firm Performance in a suboptimal Equifinality Context. In: Organization Science, Vol. 17, S. 756-770, hier: S. 756; Volberda, H. W. (1998): Building the Flexible Firm. Oxford: Oxford University Press, S. 279.
533
Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 380f..
178
Gr ad konkur r i er ender Anf or der ungen
2
4 Suboptimale Equifinalität
hoch
1
gering
Konfigurationale Equifinalität
3 Idealprofile
begrenzt Grad
struktureller
Tradeoff Equifinalität
unbegrenzt Flexibilität
Abbildung 21: Equifinalitätsdimensionen534 GRESOV und DRAZIN unterscheiden in Ihrer Konzeption drei verschiedenartige Equifinalitätstypen, die sich jeweils über zwei begrenzende Dimensionen definieren lassen. Die erste Dimension umfasst dabei den Grad konkurrierender Umweltanforderungen an die Unternehmen, die sie in ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen müssen. Diese Anforderungen lassen sich idealtypisch entweder mit geringem Konfliktpotenzial einstufen (z. B. stabile Nachfrageverhältnisse, hohe Regulierungsdichte, Duopolstrukturen etc.) oder mit hohem Konfliktpotenzial bewerten (z. B. hoher Innovationsdruck, hohe Wettbewerbsintensität, differenzierte Nachfragerstrukturen etc.). Der Konkurrenzgrad der Umweltanforderungen beschreibt somit das Ausmaß der Berücksichtigungsfähigkeit bzw. -möglichkeit durch ein Unternehmen, wobei sich diese jeweils in das Kontinuum zwischen komplementär bis hin zu konfligierend einordnen lassen.535 Derartige Anforderungen determinieren wiederum den Grad der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Unternehmensführung im Hinblick auf
534 Quelle: In Anlehnung an Gresov, C. / Drazin, R. (1997): Equifinality: Functional Equivalence in Organization Design. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 403-428, hier: S. 406. 535 Für eine diebezüglich umfassende Diskussion vgl. auch Ruef, M. (1997): Assessing Organizational Fitness on a Dynamic Landscape: An empirical Test of the relative Inertia Thesis. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 837-853, hier: S. 838-843. Vgl. auch Gibson, C. B. / Birkinshaw, J. (2004): The Antecedents, Consequences, and mediating Role of Organizational Ambidexterity. In: Academy of Management Journal, Vol. 47, S. 209-226, hier: S. 210-214; Goshal, S. / Bartlett, C. A. (1994): Linking Organizational Context and Managerial Action: The Dimensions of Quality of Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 15, S. 91-112, hier: S. 91f..
179
die zu wählende Strategie, wobei im einfachen Fall die diversen Umweltcharakteristika durch ein Set kompatibler Handlungen insgesamt abgedeckt werden können und im komplizierten Fall eine Alternativenauswahl getroffen werden muss, wobei es nun zu Tradeoffs zwischen den Handlungsalternativen kommen kann. Die hiermit umrissene zweite Dimension umfasst daher die Ebene der Unternehmensgestaltung, wobei es hierbei insbesondere um die Gestaltungsflexibilität im Hinblick auf die Umweltanforderungen geht. Unterschieden wird hier wiederum idealtypisch zwischen einer begrenzten Flexibilität (nur wenige Optionen zur Anforderungsbewältigung) und einer relativ unbegrenzten Alternativenauswahl (viele Optionen zur Anforderungsbewältigung). Vor dem Hintergrund dieser beiden Dimensionen lassen sich GRESOV und DRAZIN zufolge nun vier Situationen unterscheiden, wobei drei davon dem Tatbestand der Equifinalität entsprechen. Von einer solchen Situation ausgeschlossen ist Feld 1, das als Idealprofil eines Unternehmens beschrieben werden kann. Hierbei handelt es sich um einen Zustand, in dem die Umweltanforderungen relativ einfach sind und folglich die Flexibilität bei der Handlungswahl verhältnismäßig begrenzt ist, da die Mittel zur Bewältigung der Herausforderungen klar zutage treten. In dieser Situation handeln Unternehmen idealtypisch, oder das Handlungsergebnis ist suboptimal.536 Die Wahrscheinlichkeit equifinaler, d. h. unterschiedlicher Handlungsergebnisse ist in diesem Fall also vergleichsweise gering. Anders sieht das in den drei anderen (2 - 4) Feldern aus. Feld 2 zeichnet sich durch konfligierende Umweltanforderungen in einer Situation begrenzter Handlungsalternativen aus. In einer solchen Situation steht ein Unternehmen vor der Herausforderung, diverse Anforderungen erfüllen zu müssen, ohne auf die dazu erforderlichen Mittel zurückgreifen zu können. Die Bezeichnung einer suboptimalen Equifinalität ist daher treffend, weil insgesamt die Mittel fehlen, die konkurrierenden Anforderungen gleichsam bzw. simultan erfüllen zu können. Als Folge tritt eine Handlung hervor, die in ihrem Wesen prinzipiell suboptimal ist, da die Nichtberücksichtigung gleich welcher Umweltbedingung automatisch zu Defiziten bei dem Handlungsergebnis führt. Die Equifinalität ist in dieser Situation das Ergebnis eines Wahlaktes im Hinblick auf die zu berücksichtigende Herausforderung.537 Das Feld 3 bezieht sich dagegen auf einen Zustand, in dem eine relativ einfache bzw. klare Umweltanforderung mehrere (äquivalente) Handlungswege legiti-
536
Vgl. auch Payne, G. T. (2006): Examining Configurations and Firm Performance in a suboptimal Equifinality Context. In: Organization Science, Vol. 17, S. 756-770, hier: S. 757.
537
Vgl. auch Payne, G. T. (2006): Examining Configurations and Firm Performance in a suboptimal Equifinality Context. In: Organization Science, Vol. 17, S. 756-770, hier: S. 758.
180
miert, um die damit verbundenen Herausforderungen zu überwinden. Hierbei sind die Unternehmen nun mit einem Tradeoff konfrontiert, welche der zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen den größten Erfolg verspricht. Da in dieser Situation jedes Unternehmen eine Opportunitätsnutzenrechnung durchführt, ist trotz vergleichsweise transparenter Umweltanforderungen mit einem höheren Maß an Equifinalität, d. h. Ergebnisvarietät als in Feld 2 zu rechnen, da per definitionem Unternehmen verschiedenartige (konstitutive) Merkmale aufweisen und daher insgesamt ein Mehr an Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Nachvollziehbar ist dann, dass in einer solchen Situation mit relativ einfachen Umweltanforderungen eine Vielzahl an unterschiedlichen Handlungsergebnissen nachweisbar werden, da die wählbaren Handlungswege bzw. die Wahlflexibilität relativ hoch ist. Dass den Analyserahmen von GRESOV und DRAZIN abrundende 4. Feld ist gekennzeichnet von relativ komplexen Anforderungsmustern und einem hohen Flexibilitätsmaß bei den wählbaren Handlungsoptionen. In dieser Situation sieht sich ein Unternehmen tendenziell zwei Tradeoffs gegenüber. Zum einen muss eine Entscheidung zur Priorisierung der Umweltanforderungen getroffen werden (wie in Feld 2) und zum zweiten bedarf es eines Wahlaktes, wie der Herausforderung instrumentell begegnet werden soll (wie in Feld 3). Folglich zeichnet sich diese Situation durch ein Höchstmaß an Equifinalität aus, da hier ein Maximum an unterschiedlichen Kontext- und Strukturvariablen in dem Entscheidungsprozess Berücksichtigung findet. Demzufolge wird in diesem Zusammenhang auch von der konfigurationalen Equifinalität gesprochen, da in diesem Fall die Unternehmen den höchsten Diversifizierungsgrad in struktureller und Ergebnishinsicht aufweisen, was dem vergleichsweise großen Handlungsraum geschuldet ist. Durch die Berücksichtigung der Überlegungen von GRESOV und DRAZIN lässt sich für das strategische Management konstatieren, dass der unterstellte lineare Automatismus zwischen dem unternehmerischen Vorteilsstreben und dem Unternehmenserfolg in dieser Diktion unzulänglich ist. Dieser angenommene Zusammenhang ist defizitär, da die allgemeine Argumentationsweise der generischen Ansätze stark der Logik des oben beschriebenen Idealprofils ähnelt und somit equifinale Leistungserstellungsprozesse ignoriert. Einen Beleg dafür findet sich bspw. in den Ausführungen von PAYNE, denn er beschreibt diese Situation als einen Zustand, wo „there is a single dominant function with only one specific design option that achieves the highest level of performance“.538 Der Charakter dieses Idealprofils lässt sich bei den
538
Payne, G. T. (2006): Examining Configurations and Firm Performance in a suboptimal Equifinality Context. In: Organization Science, Vol. 17, S. 756-770, hier: S. 757 (Hervorhebung nicht im Original).
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generischen Ansätzen daran erkennen, dass bspw. der ressourcenorientierte Ansatz auf die Umweltherausforderungen mit einem eingeschränkten Set an Handlungsempfehlungen antwortet mit dem Ziel, die Herausforderungen mittels einer idiosynkratischen Ressourcenausstattung zu bewältigen. Ähnlich argumentieren auch der kompetenz- und der marktorientierte Ansatz im Hinblick auf das zu wählende Kompetenzprofil bzw. die zu bearbeitenden Branchen. Diese Herangehensweise ist scharf zu kritisieren, ist es doch unvorstellbar, dass die Ressourcenausstattung, ein Kompetenzprofil oder eine Marktbearbeitungsstrategie isoliert in der Lage ist, simultan sämtliche Umweltanforderungen zu erfüllen und somit einen einzigartigen Unternehmenserfolg zu erzeugen. Allein vor diesem Hintergrund ergibt sich eine Notwendigkeit der Einbezugnahme multipler Ursachen des Unternehmenserfolges.539 Dies ist insofern notwendig, da ein vermeintlich als erfolgskritisch betrachtetes Strukturmerkmal einer Unternehmung keinen Rückschluss auf dessen tatsächliche (Erfolgs-)Funktion zulässt. In funktionaler Hinsicht lassen sich in Unternehmen strukturelle Äquivalente nachweisen, die trotz unterschiedlicher Wesensmerkmale eine identische Wirkung erzielen können. Diesem Tatbestand gilt es Rechnung zu tragen, da sonst die erhebliche Gefahr besteht, verzerrte Bilder über die Ursachen des Unternehmenserfolges zu zeichnen. In dieser Weise schlussfolgert auch DRUCKER, denn „no one simple objective is „the“ objective of a business; no one single yardstick „the“ measure of performances, prospects, and results of a business; no one single area „the“ most important area. Indeed, the most dangerous oversimplification of business enterprise may well be that of the „one yardstick“.“540
Bislang findet die Equifinalität der unternehmerischen Erfolgsgenerierung im strategischen Management jedoch kaum Berücksichtigung, da diskretionäre Handlungsspielräume der Unternehmen annahmegemäß keine Bedeutung spielen, was in der Folge zu unifinalen, idealtypischen Kausalitätsmustern führt.541 Wird der Unternehmenserfolg dagegen als Ergebnis eines equifinalen Leistungserstellungs- bzw. Ressourcenumwandlungsprozess verstanden, dann würden die hier betrachteten Ansätze an Aussagekraft verlieren, da ein solches Phänomen aus den Denkschulen heraus kausal nicht erklärt werden kann. So wäre ein überdurchschnittlicher
539
Vgl. auch Payne, G. T. (2006): Examining Configurations and Firm Performance in a suboptimal Equifinality Context. In: Organization Science, Vol. 17, S. 756-770, hier: S. 758.
540 Drucker, P. F. (1958): Business Objectives and Survival Needs: Notes on a Discipline of Business Enterprise. In: The Journal of Business, Vol. 31, S. 81-90, hier: S. 87f.. 541 Vgl. auch Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1126; March, J. G. (2006): Rationality, Foolishness, and adaptive Intelligence. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 201-214, hier: S. 202.
182
Unternehmenserfolg, der bspw. auf einer Ansammlung von Windfall Profits beruht (z. B. aufgrund von (zufällig) optimalen Kauf- oder Verkaufsentscheidungen von Unternehmensbeteiligungen), mit dem RBV de facto nicht erklärbar, da der Erfolg in diesem Beispiel nicht auf komparative Ausstattungsvorteile zurückzuführen ist (außerhalb von interpretativen sowie die Wirklichkeit verfälschenden ex post Rationalisierungen). Paradoxerweise ist diese Zufälligkeit jedoch konzeptioneller Bestandteil des ressourcenorientierten Ansatzes, denn „… in focusing on the dynamics of competence and resource creation, the RBV is centrally concerned with the degree to which successful firms are indeed ‘lucky’ – since it suggests that many of the competencies underlying advantage are the result of investments made under a heavy cloud of uncertainty.”542
Zur Lösung dieses Problems sei an dieser Stelle daher vorgeschlagen, dass das Denken in isolierten (Wettbewerbs-)Vorteilspositionen aufgegeben werden sollte. Wettbewerbsvorteile, gleich welcher Art und Diktion, lassen keinen gesicherten Rückschluss auf den Unternehmenserfolg zu, da die mehrdimensionalitätsinduzierte Ambiguität des Unternehmenserfolges die Etablierung von kausalen Rückschlüssen auf tatsächliche Vorteilspositionen erheblich erschwert.543 Das konzeptionelle Aufbrechen des Wettbewerbsvorteils-Erfolgs-Automatismus ist deshalb erforderlich, da es nicht den Wettbewerbsvorteil geben kann, der einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg erschöpfend bzw. hinreichend erklären kann, ohne auf mutmaßliche ex post Rationalisierungen zurückgreifen zu müssen. Der Unternehmenserfolg stellt sich als ein Ergebnis equifinaler Ressourcenumwandlungsprozesse dar, weshalb lineare Vorteil = Erfolg-Kausalitäten generell als absurd einzuschätzen sind. Vor diesem Hintergrund kommt MA zu dem richtigen Ergebnis, dass „[a]s such, may be we should not use the general term competitive advantage as a surrogate for superior performance, nor should we assume that competitive advantage, whatever type, automatically leads to superior performance. Competitive advantage and performance are two different constructs and their relationship seems to be complex.”544
Vermeintliche Vorteilspositionen und der Unternehmenserfolg sind zwei völlig verschiedenartige, sehr komplexe Phänomene und sollten daher getrennt voneinander analysiert werden, es sei denn, der Unternehmenserfolg lässt sich (ex ante) auf konkrete, idiosynkratische Markt-,
542 Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1128. 543 Vgl. auch Drucker, P. F. (1958): Business Objectives and Survival Needs: Notes on a Discipline of Business Enterprise. In: The Journal of Business, Vol. 31, S. 81-90, hier: S. 88; March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 699. 544 Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier: S. 16 (Hervorhebung nicht im Original).
183
Ressourcen oder Fähigkeitenkonfigurationen zurückführen, die gleichzeitig bei weniger erfolgreichen Unternehmen nicht nachgewiesen werden können. Da ein solcher Nachweis schwierig zu führen sein wird und zugleich realitätsfern erscheint, sollte die Erklärung des Unternehmenserfolges prinzipiell über die Einbeziehung von Vorteilen und auch den damit in Verbindung stehenden Benachteiligungen erfolgen.545 Dies schließt ebenfalls die Berücksichtigung von Situationen ein, in denen kein Unternehmen eine klare Vorteilsposition für sich in Anspruch nehmen kann – also insgesamt weder signifikante Vor-, noch Nachteile identifizierbar sind.546 Derartig paritätische Wettbewerbskonstellationen lassen sich zum einen damit begründen, dass sich der Unternehmenserfolg aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Vorteilspositionen zusammensetzen kann (sog. compound advantages)547, wobei hierbei keiner der Wettbewerber die optimale i. S. e. erfolgskritischen oder -beeinflussenden Vorteilssignatur aufbauen konnte.548 Zum anderen lässt sich ein solcher Zustand wiederum durch die hier dargestellte Equifinalität unternehmerischer Leistungserstellung erklären, nach der unterschiedliche Pfade zur Realisierung eines analogen Produktionsprogramms eingeschlagen werden können.549 Während im ersten Fall die Parität durch vergleichbar unvollständige Vorteilspositionen abgeleitet werden kann, stehen im letzten Zusammenhang v. a. divergierende Vorteilssequenzen im Mittelpunkt, die zwar ein unternehmensindividuelles Optimum darstellen (können), jedoch zu keinen signifikanten Performanzunterschieden führen.550
545
Vgl. Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 7; Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S.876f..
546 Vgl. Barney, J. B. (1995): Looking Inside for Competitive Advantage. In: Academy of Management Executive, Vol. 9, S. 49-61, hier: S. 52; Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 877f.; Powell, T. C. (2003): Strategy without Ontology. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 285-291, hier: S. 288-290. 547 Vgl. Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier: S. 18. 548
Vgl. Nohria, N. / Gulati, R. (1996): Is Slack good or bad for Innovation? In: Academy of Management Journal, Vol.39, S. 1245-1264, hier: S. 1247f..
549 Vgl. Black, J. A. / Boal, K. B. (1994): Strategic Resources: Traits, Configurations and Paths to Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 15, S. 131-148, hier: S. 131-135; Løwendahl, B. R. / Revang, Ø. (2004): Achieving Results in an After Modern Context: Thoughts on the Role of Strategizing and Organizing. In: European Management Review, Vol. 1, S. 49-54, hier: S. 51f.; Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 202. 550
Vgl. Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 7f..
184
Zusammenfassend lässt sich somit konstatieren, dass die vielfach praktizierte deduktive Ableitung von Vorteilspositionen aus temporären Wettbewerbserfolgen sehr kritisch zu betrachten ist, da die damit verbundenen „Erkenntnisse“ prinzipiell nicht valide sein können.551 Wettbewerbsvorteile und der Unternehmenserfolg sind jeweils vielschichtige Phänomene, die ihrer offensichtlichen Mehrdimensionalität entsprechend zunächst getrennt analysiert und erst anschließend miteinander in Verbindung gebracht werden sollten.552 Als Resultat dieser differenzierteren Herangehensweise sollte sich das strategische Management wieder verstärkt auf die Vorhersage und weniger auf die ex post Rationalisierung von vermeintlich erfolgreichen Unternehmenskonfigurationen konzentrieren können.
4.3.2 Die Operationalisierung des Unternehmenserfolges als abhängige Variable Die verdeutlichte Notwendigkeit für ein Bewusstsein um die Unterschiedlichkeit von Vorteilspositionen und dem Unternehmenserfolg kann nun einen entscheidenden Beitrag leisten, die im Zusammenhang mit Abschnitt 3.2.2 aufgeworfenen syntaktischen Verwirrungen des strategischen Managements zu entschärfen. Hierbei konnte nachgewiesen werden, dass der zu untersuchende Zusammenhang zwischen Wettbewerbsvorteil und Unternehmenserfolg de facto eine definitorische Beziehung darstellt, deren ingesamter Wahrheitswert damit nicht auf validen empirischen Erkenntnissen basiert, sondern auf einer definierten Wirklichkeitslogik, die die kausalen Ambiguitäten vernachlässigt. Der Logik der generischen Ansätze zufolge resultiert der Unternehmenserfolg aus dem Vorhandensein einer spezifischen Vorteilsposition, da ein beobachtbarer Unternehmenserfolg (wahre Aussage) einen Wettbewerbsvorteil per definitionem voraussetzt (wahre Aussage), wodurch anderslautende Hypothesen zwar empirische Eventualitäten, jedoch falsche Implikationen darstellen. Als Folge dieser definierten Wirklichkeitslogik hat sich im strategischen Management der bereits oft angeführte Vorteil = Erfolg-Automatismus eingestellt, was eine Synomisierung beider Ausdrücke impliziert. Eine Folge dieser konzeptionellen Herangehensweise ist, dass die zentrale Fragestellung nach der Ursache von Performanzunterschieden, deren Beantwortung in eine Theorie des Unternehmenserfolges münden würde, de facto zu einer Theorie des besten Vorteils verkümmert
551
Vgl. Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 885f.; Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 878f..
552 Vgl. auch Ma, H. (2000): Competitive Advantage and Firm Performance. In: Competitiveness Review, Vol. 10, S. 15-32, hier: S. 16.
185
ist.553 Der Unternehmenserfolg hat somit den Status der zu erklärenden Variable verloren. Infolgedessen hat die Forschungsdisziplin strategisches Management damit jedoch seine zentralen programmatischen Fragestellungen aus dem Blick verloren mit der Konsequenz, dass meristische Detailfragen den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs beherrschen. Im Verlauf dieser Arbeit, insbesondere im Zusammenhang mit den Phänomenen der Equifinalität und der nichtmarktlichen Interventionsmöglichkeit, hat sich jedoch gezeigt, dass die Wahrheitswerte der hier untersuchten Aussagenverbindung keineswegs als positiv zu bezeichnen sind. Dies hat v. a. zwei Gründe: Zum einen hat diese Aussagenverbindung keine universelle Geltung, da erfolgreiche Unternehmen, die per definitionem Wettbewerbsvorteile aufweisen müssten, keineswegs an nicht erfolgreichen Unternehmen gespiegelt werden. Insofern ist es paradox von einem Vorteil zu sprechen, wenn die Analyse etwaiger Nachteile unterbleibt, da für die Richtigkeit dieses Postulates dann der faktische Referenzpunkt fehlt. Zweitens ist diese Kausalkette nicht tragfähig, da sie nichts über die Aneignungsfähigkeit der mit den Wettbewerbsvorteilen vermeintlich verbundenen Rentenströme aussagt. So sind bspw. Situationen denkbar, in denen Unternehmen exklusive Lieferantenbeziehungen aufbauen konnten oder sehr erfolgreich in (vielversprechende) Innovationen investieren etc., jedoch keine überdurchschnittliche Performanz aufweisen. Obwohl diese Unternehmen der allgemeinen Logik nach Faktor- oder Fähigkeitsvorteile aufweisen, so weisen sie doch nur einen unterdurchschnittlichen Unternehmenserfolg auf.554 Folglich bedarf es hierbei der Berücksichtigung der Rentenaneignungsproblematik, um tatsächlich erfolgreiche Unternehmen von „Scheinperformern“ abgrenzen zu können.555 Beide Aspekte sollen im Folgenden veranschaulicht werden. Auf die erstgenannte Notwendigkeit der Spiegelung von Vorteilspositionen an den Merkmalen nicht erfolgreicher Unternehmen weist insbesondere DENRELL hin. Seiner Argumentation zufolge ist die Berücksichtigung von am Wettbewerb scheiternden Unternehmen unerlässlich,
553 Vgl. auch Foss, N. J. / Knudsen, T. (2003): The Resource-Based Tangle: Towards a Sustainable Explanation of Competitive Advantage. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 24, S. 291-307, hier: S. 291. 554 Für eine ähnliche Argumentation vgl. Rouse, M. J. / Daellenbach, U. S. (1999): Rethinking Research Methods for the Resource-based Perspective: Isolating Sources of Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 487-494, hier: S. 489. 555 So argumentiert auch KRÜGER bei dem Versuch, die Frage nach den Merkmalen erfolgreicher Unternehmen zu beantworten, denn „wer sich allein am Gewinn orientiert, sieht nur die Spitze des Eisbergs. Auch hier gilt, dass der größere und wichtigere Teil des Problems der unmittelbaren Wahrnehmung entzogen ist. Es ist daher nach Maßgrößen zu suchen, die den »Unterwasserbreich« des Gewinns abdecken“. Krüger, W. (1988): Die Erklärung von Unternehmenserfolg: Theoretischer Ansatz und empirische Ergebnisse. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 48, S. 27-43, hier: S. 27f..
186
da ansonsten die Zuweisung des Attributes „erfolgskritischer Vorteil“ beliebig und folglich unhaltbar ist. „… [T]here is a strong tendency to focus on successful firms and individuals in books, cases, and the business press. Such sample bias implies that the example that managers encounter and attempt to undersample failure. Practicing managers observe the performances and practices of other firms, but they may not observe the practices of firms that have failed.”556
Das führt in der Konsequenz dazu, „…that undersampling of failure can imply that organizations will get a misleading picture of the determinants of corporate performance. As a result of undersampling of failure, practices unrelated to performance in the full population of organizations may seem to be related to performance in the subset of observed [erfolgreiche; Anm. des Verf.] organizations.”557
Diese Vorgehensweise, die der bereits geschilderten Umdrehung der aufgestellten conductperformance Hypothesen durch performance-conduct Analysen geschuldet ist, führt in der Folge dazu, dass unterdurchschnittlich erfolgreiche Unternehmen und die damit verbundenen Ursachen von der empirischen Betrachtung systematisch ausgeschlossen werden. Dies ist Resultat der oben beschriebenen ontologischen Komplementaritätsannahme (Vorteil = Erfolg und nun auch Erfolg = Vorteil), nach der lediglich der überdurchschnittlich positive Unternehmenserfolg den empirischen Ausgangspunkt bildet. D. h. es werden nur erfolgreiche Unternehmen analysiert, wodurch jedoch alle damit verbundenen empirischen Studien biased, also voreingenommen sind.558 Eine Erklärung für diese einseitigen Untersuchungen mag sicherlich darin liegen, dass es zum Teil beträchtliche Schwierigkeiten bei der Identifizierung der Ursachen gescheiterer Unternehmen gibt, da diese nach dem Scheitern oftmals nicht mehr existieren. Ferner sehen WILKINSON und MELLAHI eine weitere Ursache darin begründet, dass Erfolg endemischer Teilbestandteil westlicher Kulturen sei und kommen daher zu dem Schluss, dass „[f]ailure is a brush to be tared with rather than something to be learnt from. Managers … profess to draw a line and ‚move on’, not dig out the lessons from failure which
556 Denrell, J. (2003): Vicarious Learning, Undersampling of Failure, and the Myths of Management. In: Organization Science, Vol. 14, S. 227-243, hier: S. 227 (Hervorhebung nicht im Original). 557 Denrell, J. (2003): Vicarious Learning, Undersampling of Failure, and the Myths of Management. In: Organization Science, Vol. 14, S. 227-243, hier: S. 227f. (Hervorhebungen nicht im Original). 558 Vgl. auch Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579-596, hier: S. 584f..
187
is confined to the ‘irrelevant’ past“.559 Somit lässt sich die Vernachlässigung von Misserfolg in den Untersuchungen des strategischen Managements zwar erklären, jedoch nicht legitimieren.560 Eine Legitimation fällt insbesondere auch daher schwer, weil unterdurchschnittliche Erfolgsniveaus deshalb von der Betrachtung ausscheiden, da sie zum Beweis der aufgestellten Vorteil = Erfolg-Hypothese uninteressant sind bzw. aufgrund der angenommenen Wahrheitswerte von WV und UE eine falsche Implikation darstellen würden. Schlussendlich wird damit nämlich unterstellt, dass weniger erfolgreiche Unternehmen grundsätzlich andere Charakteristika aufweisen, als die im Fokus stehenden (erfolgreichen) Untersuchungsobjekte.561 Bei näherer Betrachtung ist diese Vorgehensweise im Kontext des strategischen Managements nicht ganz unbedenklich, da die Nichtbetrachtung von mutmaßlich benachteiligten bzw. weniger erfolgreichen Unternehmen unzulässig ist, sobald von den angenommenen, jedoch problematischen Wahrheitswerten der hier betrachteten Aussagenverbindung Abstand genommen wird. Es wurde bereits vielfach darauf hingewiesen, dass die Wahrheit der Kernhypothese des strategischen Managements definitorischer und nicht empirischer Natur ist, weshalb alle logisch möglichen Verknüpfungsmöglichkeiten als empirische Eventualitäten gleichberechtigt Berücksichtung finden müssen. In diesem Fall können die Ursachen und Wirkungen eines Vorteils nicht mehr losgelöst von einer Analyse etwaiger Nachteile erfolgen.562 Die Benennung
559 Wilkinson, A. / Mellahi, K. (2005): Organizational Failure: Introduction to the Special Issue. In: Long Range Planning, Vol. 38, S. 233-238, hier: S. 235. 560
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in neuerer Zeit verstärkt auch Unternehmensfehlschläge in die konzeptionellen Überlegungen zum strategischen Management Einzug halten. Vgl. z. B. Jenner, T. (2003): Erfolg als Ursache von Misserfolg – Hintergründe und Ansätze zur Überwindung eines Paradoxons im strategischen Management. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 63, S. 203-219; Krüger, W. (1988): Die Erklärung von Unternehmenserfolg: Theoretischer Ansatz und empirische Ergebnisse. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 48, S. 27-43; Probst, G. / Raisch, S. (2005): Organizational Crisis: The Logic of Failure. In: Academy of Management Executive, Vol. 19, S. 90-104; Thornhill, S. / Amit, R. (2003): Learning about Failure: Bankruptcy, Firm Age, and the Resource-Based View. In: Organization Science, Vol. 14, S. 497509; Wilkinson, A. / Mellahi, K. (2005): Organizational Failure: Introduction to the Special Issue. In: Long Range Planning, Vol. 38, S. 233-238 und die weiteren Beiträge in dieser Special Issue zum Thema Organizational Failure.
561
Vgl. Denrell, J. (2003): Vicarious Learning, Undersampling of Failure, and the Myths of Management. In: Organization Science, Vol. 14, S. 227-243, hier: S. 227f.; Denrell, J. (2004): Random Walks and Sustained Competitive Advantage. In: Management Science, Vol. 50, S. 922-934, hier: S. 922-924; Moulton, W. / Thomas, H. (1993): Bankruptcy as a Deliberate Strategy: Theoretical Considerations and Empirical Evidence. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 125-135, hier: S. 125f..
562
Vgl. Denrell, J. (2003): Vicarious Learning, Undersampling of Failure, and the Myths of Management. In: Organization Science, Vol. 14, S. 227-243, hier: S. 227f.; Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 7; Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 877-879; Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 876f..
188
eines sog. erfolgskritischen Vorteils und damit die Bestätigung der Kernhypothese des strategischen Managements kann entsprechend nur dann erfolgen, wenn sich die damit verbundenen Unternehmensspezifika nicht ebenfalls für weniger erfolgreiche Unternehmen nachweisen lassen. Die Zuweisung eines Wettbewerbsvorteils an ein Unternehmen auf der Basis marktüberdurchschnittlicher Performanz ist beliebig, wenn die Ursachen für diesen Unternehmenserfolg nicht exakt herausgearbeitet und von weniger erfolgreichen Unternehmen explizit abgegrenzt werden können.563 Das bestätigt DENRELL, denn „[i]f only the best, but not the worst, performers are observed, performance will seem to be associated with variability. As a result, features associated with high variability will seem to be associated with high performance. … The implication is that in these circumstances observation of existing organizations should not be used to draw inferences about the determinants of corporate performance.”564
Insgesamt zeigt sich, dass die Untersuchung nur erfolgreicher Unternehmen zu restriktiv ist, so dass letztlich hinsichtlich der kritischen Determinanten des Unternehmenserfolges kaum präzise Ergebnisse abgeleitet werden können.565 Im Gegenteil, denn diese Herangehensweise kann zu grotesken Ergebnissen führen: „… organizational behavior may be difficult to understand without an understanding of the properties. Organizations may engage in behavior that is inefficient and wasteful, but believed to be effective and important.”566
Der Rückschluss von einem (allgemein) beobachtbaren Erfolg auf eine (spezifische) Vorteilsposition ist somit eine zufällige Vermutung und infolgedessen methodisch fragwürdig. Daran erinnern auch MARCH und SUTTON, denn „… identifying the true causal structure of organizational performance phenomena on the basis of the incomplete information generated by historical experience is problematic.
563
Vgl. Denrell, J. (2003): Vicarious Learning, Undersampling of Failure, and the Myths of Management. In: Organization Science, Vol. 14, S. 227-243, hier: S. 235f.; March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 703-705; Moulton, W. / Thomas, H. (1993): Bankruptcy as a Deliberate Strategy: Theoretical Considerations and Empirical Evidence. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 125-135, hier: S. 133f.; Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 885f..
564 Denrell, J. (2003): Vicarious Learning, Undersampling of Failure, and the Myths of Management. In: Organization Science, Vol. 14, S. 227-243, hier: S. 228. 565
Vgl. Løwendahl, B. R. / Revang, Ø. (1998): Challenges to existing Strategy Theory in a post Industrialist Society. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 755-774, hier: S. 53f.; Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579-596, hier: S. 584f..
566 Denrell, J. (2003): Vicarious Learning, Undersampling of Failure, and the Myths of Management. In: Organization Science, Vol. 14, S. 227-243, hier: S. 227 (Hervorhebung nicht im Original).
189
Students of organizational performance rarely exercise experimental control over predictor variables. They rely instead on analyses of observations made of naturally occurring events. As a result, they confront problems of finding adequate archival data and of soliciting and interpreting the accounts of informants. These records of naturally occurring histories of organizational performance are notoriously difficult to interpret. Any observation-based organizational history is rife wife resolute ambiguities that can frustrate the efforts … to identify causal links among historical events.”567
Vor diesem Hintergrund ist daher erforderlich, dass die definitorische Wahrheitsbeziehung zwischen beiden Variablen aufgelöst und durch die Berücksichtigung sämtlicher empirischer Eventualitäten
abgelöst
wird,
die
sich
aus
der
Kombination
dieser
ergeben
(vgl. Abbildung 22).
H2 H2
H1 H1
WV
Æ
w w f f
~WV
UE
w w f f
w f w f
H3 H3
UE
Æ
w f w f
H4 H4
WV
Æ
w w f f
~UE w f w f
~WV
Æ
~UE
w w f f
w f w f
WV: Wettbewerbsvorteil, ~WV: Kein Wettbewerbsvorteil, UE: Unternehmenserfolg, ~UE: Kein Unternehmenserfolg w: wahr, f: falsch, Æ: impliziert
Abbildung 22: Logisch und empirisch vollständige Hypothesenbildung568 Durch die Auflösung der aktuell vertretenen Kausalkette zwischen Wettbewerbsvorteilen und dem Unternehmenserfolg lassen sich nun vier zu untersuchende Hypothesen entwickeln, wie sie bereits im Zusammenhang mit der syntaktischen Untersuchung aufgestellt werden konnten (vgl. Abschnitt 3.2.2). x
Wenn Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. (H1)
567 March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 699. 568
Quelle: Eigene Darstellung.
190
x
Wenn Unternehmen keine Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen überdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. (H2)
x
Wenn Unternehmen Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen unterdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. (H3)
x
Wenn Unternehmen keine Wettbewerbsvorteile haben, dann zeichnen sie sich durch einen unterdurchschnittlichen Unternehmenserfolg aus. (H4)
Erst die Beantwortung jeder einzelnen der hier postulierten Hypothesen, die der oben geforderten konzeptionellen Trennung zwischen beiden Variablen entspricht, lässt die Bestimmung hinreichender Erfolgsdeterminanten zu. Ferner sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Wettbewerbsvorteile hier jetzt nicht mehr als eine isolierte bzw. spezifische Vorteilsposition verstanden, sondern als eine Vorteilssequenz i. S. der ITO-Systematik konzeptionalisiert werden, was den Basisentscheidungen 2 und 3 Rechnung trägt und im Rahmen des 5. Kapitels en detail aufgegriffen wird. Durch die konzeptionelle Trennung des Unternehmenserfolges von denkbaren Vorteilspositionen ergibt sich ferner die Möglichkeit, einen zweiten Grund zu analysieren, warum die Wahrheitswerte der hier untersuchten Aussagenverbindung gemeinhin nicht als positiv angenommen werden können. Wie bereits eingangs angesprochen, kann die Aussagenverbindung in dieser Form nicht Bestand haben, weil grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass die generierten Renten im Anschluss auch 1:1 dem Unternehmen zufließen. Dieser Umstand wird in der Literatur als Rentenaneignungsproblematik thematisiert und bedarf daher einer gesonderten Beachtung bei der Evaluierung des Unternehmenserfolges.569 In diesem Sinne weist auch COFF darauf hin, dass „… [t]he assumption of a tight link between rent generation and firm performance is inaccurate and misleading. … It is not enough to predict when rent will be generated. In order to predict performance differentials among firms, it is just as important to understand who will appropriate the rent.“570
569 Vgl. z: B. Adner, R. / Zemsky, P. (2006): A Demand-based Perspective on Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 215-239, hier: S. 234; Lepak, D. P. / Smith, K. G. / Taylor, M. S. (2007): Value Creation and Value Capture: A Multilevel Perspective. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 180-194, hier: S. 180f.. 570
Coff, R. W. (1999): When Competitive Advantage doesn’t lead to Performance: The Resource-based View and Stakeholder Bargaining Power. In: Organization Science, Vol. 10, S. 119-133, hier: S. 120 (Hervorhebungen nicht im Original).
191
Da vor diesem Hintergrund die Höhe der generierten Renten keinen Maßstab für den Unternehmenserfolg
bilden
kann,
darf
RASCHE
zufolge
auch
kein
zwingender
Vor-
teils-/Rentenautomatismus bzw. im umgekehrten Fall bei Wettbewerbsnachteilen ein Rentenversagen unterstellt werden.571 „[Es] lassen sich zahlreiche Belege dafür finden, in denen Akteure auf nicht-kompetitiven Wege „unverdiente“ Renten appropriieren, ohne dass entsprechende Wertäquivalente generiert werden. … Umgekehrt entgeht Unternehmen häufig das „verdiente“ Rentenäquivalent für korrespondierende KKVs [komparative Konkurrenzvorteile; Anm. des Verf.] in Form superiorer Absatzleistungen aufgrund von Eigen- oder Fremdverschulden bzw. schwacher Verhandlungspositionen.“572
Für eine realitätskonforme Einschätzung erfolgreicher Unternehmensführung ist es daher besonders erforderlich, den gesamten Prozess von der Rentengenerierung bis hin zur Rentenaneignung genauer zu untersuchen, da offensichtlich ein beträchtliches Risiko zum Rentenverlust besteht.573
a) Der Prozess der Rentengeneration Zur Abbildung dieses Prozesses sei einführend daran erinnert, dass Unternehmen zur Bestandssicherung ganz allgemein danach streben, ein Residuum zu erwirtschaften, das die Kosten des Unternehmensbestandes mindestens deckt. Folglich lassen sich die unternehmerischen Entscheidungsprozesse grundsätzlich als „continuing search for rent“574 beschreiben, die im idealtypischen Erfolgsfall dazu führen, dass außergewöhnliche Rentenniveaus erreicht werden. Zu diesem Zweck benötigt ein jedes Unternehmen Inputfaktoren, was im Umkehrschluss dazu führt, dass „[t]he value of any economic organization … derives from and reflects the
571 Vgl. Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 206. 572
Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 206.
573 Vgl. auch Adner, R. / Zemsky, P. (2006): A Demand-based Perspective on Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 215-239, hier: S. 215; Lepak, D. P. / Smith, K. G. / Taylor, M. S. (2007): Value Creation and Value Capture: A Multilevel Perspective. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 180-194, hier: S. 180f.. 574 Bowman, E. H. (1974): Epistemology, Corporate strategy and Academe. In: Sloan Management Review, Vol. 15, S. 35-50, hier: S. 47.
192
value to it of the resources under its control“.575 Die Rentengenerierungsmöglichkeiten eines Unternehmens sind demnach zunächst immer Spiegelbild seines Faktorbestandes bzw. dessen Produktivpotenzials.576 Die zur Verfügung stehenden Ressourcen eines Unternehmens haben einen spezifischen (diskontierten Gegenwarts-)Wert, der sich über die unternehmensindividuellen Perzeptionen über die Zukunft definiert. Davon zu unterscheiden ist der Ressourcenpreis, der sich wiederum über den Grad der Ressourcenknappheit und der Faktormarktunvollkommenheit, d. h. dem Ausmaß an Informationsasymmetrien bestimmt.577 Das bedeutet, dass das Niveau der Rentengenerierung von dem Preis-Wert-Verhältnis abhängt, zu dem ein Inputfaktor akquiriert werden kann. Folglich unterscheiden sich die damit verbundenen Generierungsniveaus im Unternehmensvergleich, da divergierende Zukunftseinschätzungen sowie abweichende Informationsbestände bestehen, die definitionsgemäß den individuellen Wert der Ressource beeinflussen. Als ein erster, bestimmender Parameter der Rentengenerierung ist daher diejenige (ressourceninduzierte) Rente zu benennen, die sich aus dem Delta zwischen faktormarktlichem Ressourcenpreis und unternehmensindividuellem Ressourcenwert ergibt.578 Ein in diesem Sinne erfolgreiches Unternehmen ist in der Lage, sich Ressourcen zu einer größtmöglichen Preis-Wert-Disparität anzueignen, da die hier generativ zu extrahierenden Rentenniveaus am höchsten sind.579 Dieses erste Erfolgsverständnis entspricht dem ressourcenorientierten Ansatz, in dessen Zusammenhang auch dieses ricardianische Rentenver-
575
Lewin, P. / Phelan, S. E. (2000): An Austrian Theory of the Firm. In: Review of Austrian Economics, Vol. 13, S. 59-79, hier: S. 61.
576 Vgl. z. B. Cockburn, I. M. / Henderson, R. M. / Stern, S. (2000): Untangling the Origins of Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 1123-1145, hier: S. 1124. 577 Vgl. z. B: Barney, J. B. (1986): Strategic Factor Markets: Expectations, Luck, and Business Strategy. In: Management Science, Vol. 32, S. 1231-1241, hier: S. 1233f.; Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 107-111; Denrell, J. / Fang, C. / Winter, S. G. (2003): The Economics of Strategic Opportunity. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 977-990, hier: S. 978, hier: S. 980-982; Mahoney, J. T. / Pandian, J. R. (1992): The Resource-Based View within the Conversation of Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 13, S. 363-380, hier: S. 364. 578
Vgl. z. B. Lewin, P. / Phelan, S. E. (2000): An Austrian Theory of the Firm. In: Review of Austrian Economics, Vol. 13, S. 59-79, hier: S. 62; Mahoney, J. T. / Pandian, J. R. (1992): The Resource-Based View within the Conversation of Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 13, S. 363-380, hier: S. 364; Mathews, J. A. (2003): Competitive Dynamics and Economic Learning: An extended Resource-based View. In: Industrial and Corporate Change, Vol. 12, S. 115-145, hier: S. 127.
579 Zur Verdeutlichung: Der Preis einer Ressource ist das Resultat des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage unter der Nebenbedingung, dass Faktormärkte unvollkommen sind. Dagegen ist der Wert einer Ressource im Hinblick auf die daraus individuell erwarteten, zukünftigen Rentenströme zu bestimmen (diskontiert auf den Gegenwartswert). Die Höhe der beiden Variablen ist wegen der Marktunvollkommenheit unterschiedlich, da divergierende Perzeptionen über die Zukunft und das Ressourcenverwendungspotenzial bestehen.
193
ständnis (Knappheitsrente) verankert wurde (vgl. Abschnitt 2.3.1).580 Ein zweiter Bestandteil des Rentengenerierungsprozesses, der im RBV traditioneller Prägung nicht einbezogen wird, ist die Fähigkeit eines Unternehmens, die Ressourcenbestände zu kombinieren und/oder zu veredeln. Die Kombinations- und Veredelungsprozesse entsprechen dem veränderten Unternehmensverständnis vom Ressourcenverwalter hin zum Entrepreneur, wie es auch im kompetenzorientierten Ansatz zum Ausdruck kommt. Durch die Einbeziehung dieser Prozesse lassen sich zusätzliche Rentengenerierungspotenziale erfassen, die über die Qualität des Faktorbestandes hinausgehen. Derartige Rentenpotenziale werden auch als Entrepreneuroder SCHUMPETER-Rente umschrieben, da sie über „risk-taking and entrepreneurial insight in an uncertain/complex environment“581 entstehen.582 Ihrem Wesen nach liegen diese Renten folglich nicht in den Merkmalen der Ressourcen, sondern in den (synergetischen) Ergebnissen ihrer Kombination begründet.583 Diese Rentenart ist in ihrem Niveau hochgradig variabel und „selbstzerstörerisch“, da Wissensdiffusionen diese Vorsprungsgewinne schnell kompensieren können. Die Möglichkeiten zur Rentengenerierung sind damit jedoch noch nicht erschöpft, denn die Erkenntnisse aus den Überlegungen des nichtmarktorientierten Ansatzes zeigen, dass, drittens, nichtmarktliche Interventionen a) das Preis-Wert-Verhältnis eines Inputfaktors entscheidend beeinflussen und b) Innovations- und die damit verbundenen Nachahmerprozesse fördern oder behindern können. Folglich lassen sich zusätzliche Rentenpotenziale generieren, wenn diese interventionistischen Eingriffe in den regulativen Handlungsrahmen zu verteilungspolitischen
Ergebnissen 584
zweckdienlich sind.
führen,
die
dem
intervenierenden
Unternehmen
Durch derartige Interventionen lassen sich Renten generieren, die in
580
Vgl. Lewin, P. / Phelan, S. E. (2000): An Austrian Theory of the Firm. In: Review of Austrian Economics, Vol. 13, S. 59-79, hier: S. 63; Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A ResourceBased View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 180-182.
581 Mahoney, J. T. / Pandian, J. R. (1992): The Resource-Based View within the Conversation of Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 13, S. 363-380, hier: S. 364. 582 Vgl. auch Lado, A. A. / Boyd, N. G. / Hanlon, S. C. (1997): Competition, Cooperation, and the Search for Economic Rents. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 110-141, hier: S. 119; Mathews, J. A. (2006): Ricardian Rents of Knightian Profits? More Austrian Insights on Strategic Organization. In: Strategic Organization, Vol. 4, S. 97-108, hier: S. 64; Rumelt, R. P. (1987): Theory, Strategy and Entrepreneurship. In: Teece, D. J. (Hrsg.): The Competitive Challenge: Strategies for Industrial Innovation and Renewal. Cambridge, Mass.: Ballinger, S. 137-158, hier: S. 143f.. 583 Vgl. Mathews, J. A. (2003): Competitive Dynamics and Economic Learning: An extended Resource-based View. In: Industrial and Corporate Change, Vol. 12, S. 115-145, hier: S. 127. 584 Vgl. Baron, D. P. (1995): The Nonmarket Strategy System. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 37, S. 73-85, hier: S. 79; Ghemawat, P. (1991): Sustainable Advantage. In: Montgomery, C. A. / Porter, M. E. (Hrsg.): Strategy: Seeking and Securing Competitive Advantage. Boston: Harvard Business Press, S. 27-38, hier: S. 34-36; Lado, A. A. / Boyd, N. G. / Hanlon, S. C. (1997): Competition, Cooperation, and the Search for Economic Rents. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 110-141, hier: S. 120.
194
dieser Arbeit als BARON-Renten bezeichnet werden sollen, die sich zum einen darin zeigen, dass Innovationen entweder langfristig durch umfangreiche Patentrechtsregelungen abgesichert oder durch neue Marktzutrittsmöglichkeiten in ehemals geschützte Branchen vermarktet werden können (Wertansatz). Zum anderen offenbaren sich diese Rentenpotenziale auch immer dann, wenn sich die Faktorpreise durch staatliche Eingriffe (z. B. Umweltauflagen, Handelsbarrieren etc.) derart ändern (Preisansatz), dass sich wiederum das Delta des Preis-WertVerhältnisses vom Faktorbestand des intervenierenden Unternehmens vergrößert. Während im ersten Fall durch Nichtmarktinterventionen zusätzliche Potenziale zur Generierung von SCHUMPETERschen Pioniergewinnen entstehen, vergrößern sich im zweiten Fall die ressourceninhärenten RICARDO-Renten.
b) Der Prozess der Rentenappropriation Diesen Überlegungen entsprechend wird das Niveau der Rentengenerierung von drei unterschiedlichen Rentenpotenzialen bestimmt. Das vor diesem Hintergrund erzielbare Rentenniveau entspricht demnach auch den maximal appropriierbaren Rentenpotenzialen. Es wurde aber bereits darauf hingewiesen, dass hierbei nun jedoch kein Aneignungsautomatismus zu unterstellen ist. Generierte bzw. generierbare und schlussendlich angeeignete Renten können in ihrer Quantität zum Teil erheblich voneinander abweichen. Die Niveauunterschiede kommen deshalb zustande, weil Teile des (generierten) Rentenstromes nicht vollständig zu dem „Besitzer“ des Faktorbestandes, d. h. den Unternehmen zurückfließen.585 Derartige Reibungsverluste entstehen bspw. immer dann, wenn sich ein Unternehmen starken Appropriationsregimen auf Stakeholderseite (Konsumenten, Angestellten, Wettbewerbern, Staat etc.) gegenübersieht, die sich durch eine große Verhandlungsmacht auszeichnen. Nach COFF ist eine solche Situation v. a. dadurch geprägt, dass „… stakeholders 1) are capable of acting in a unfied manner, 2) have access to key information, 3) have a very high replacement cost to the firm, and 4) face low costs if they move to another firm.“586
585
Vgl. z. B. Coff, R. W. (1999): When Competitive Advantage doesn’t lead to Performance: The Resourcebased View and Stakeholder Bargaining Power. In: Organization Science, Vol. 10, S. 119-133, hier: S. 121f.; Deligonul, S. / Kim, D. / Roath, A. S. / Cavusgil, E. (2006): The Achilles’ Heel of an enduring Relationship: Appropriation of Rents between a Manufacturer and its foreign Distributor. In: Journal of Business Research, Vol. 59, S. 802-810, hier: S. 803
586
Coff, R. W. (1999): When Competitive Advantage doesn’t lead to Performance: The Resource-based View and Stakeholder Bargaining Power. In: Organization Science, Vol. 10, S. 119-133, hier: S. 122.
195
In dieser Lage werden Unternehmen mit dem Problem konfrontiert, dass sich derart mächtige Interessengruppen an den generierten Rentenströmen „bedienen“, was das Niveau an appropriierbaren und letztlich ausweisbaren Renten für das Unternehmen erheblich schmälert.587 Dieses Phänomen wird auch als „value slippage“588 bezeichnet und führt in der Folge dazu, dass Unternehmen zunehmend den Anreiz verlieren, ihre Leistungen unter diesen Bedingungen zu erstellen und sich alternativen Betätigungsfeldern zuwenden. Beispielsweise werden in einer Marktsituation, gekennzeichnet durch hohe SCHUMPETERsche Pioniergewinne, Wettbewerber angezogen, die durch intensive Nachahmertätigkeiten den Innovationswert (SCHUMPETER-Rente) verringern. Ergebnis dieses intensiven Wettbewerbs sind abgeschöpfte SCHUMPETER-Renten, die nun nicht dem Innovator, sondern den Nachahmern zufließen. Der damit einhergehende Rentenverlust lässt sich nur stoppen, wenn konterkarierende Isolationsmechanismen589 auf Innovatorseite installiert werden. „Möchten Unternehmen den anvisierten Rentenstrom aus der produktiven Ressourcenbewirtschaftung vollständig kontrollieren, so drängen sich restriktive Appropriationsregime auf. Eine fast vollständige Monopolisierung des Rentenpotenzials scheint nur dann möglich, wenn effektive Isolationsmechanismen im unmittelbaren Verfügungsbereich der einzelnen Unternehmung als Protektoren fungieren.“590
Diese Isolationsmechanismen verfolgen dabei das Ziel, Barrieren aufzubauen, die die Duplizierung der für die Rentengeneration verantwortlichen Parameter (z. B. Fähigkeiten, Produkte etc.) verhindert.591 In der Folge wäre es dem Unternehmen dann wieder möglich, sich ein vergleichsweise hohes Maß des originär generierten Rentenpotenzials anzueignen. Denkbar sind hier bspw. Maßnahmen, die zu einer Verknappung von relevanten Inputfaktoren führen, für
587
Für eine umfangreiche Diskussion dieser Problematik vgl. Seisreiner, A. (2006): Rationalität wertorientierter Managementkonzepte: Einordnung und kritische Wirkungsanalyse. Potsdam: Habilitationsschrift.
588 Vgl. Lepak, D. P. / Smith, K. G. / Taylor, M. S. (2007): Value Creation and Value Capture: A Multilevel Perspective. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 180-194, hier: S. 187. 589
Rumelt, R. P. (1984): Towards a strategic Theory of the Firm. In: Lamb, R. B. (Hrsg.): Competitive Strategic Management. Prentice-Hall: Englewood Cliffs, S. 556-570, hier: S. 566-568.
590
Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 222.
591 Vgl. Jacobsen, R. (1988): The Persistence of abnormal Returns. In: Strategic Management Journal, Vol. 9, S. 415-430, hier: S. 417-419; Lepak, D. P. / Smith, K. G. / Taylor, M. S. (2007): Value Creation and Value Capture: A Multilevel Perspective. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 180-194, hier: S. 188; Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 182; Rumelt, R. P. (1984): Towards a strategic theory of the firm. In: Lamb, R. B. (Hrsg.): Competitive Strategic Management. Prentice-Hall: Englewood Cliffs, S. 556-570, hier: S. 566-568.
196
die die nachahmenden Wettbewerber dann ein opportunitätskostenadäquates Premium zahlen müssten.592 Da diese, durch Isolationsmechanismen umgelenkten Rentenströme dann jedoch nicht mehr direkt aus generativen Unternehmensaktivitäten entspringen, sollen diese rückgeführten Rentenpotenziale in dieser Arbeit als Quasi-Renten bezeichnet werden.593 Die Höhe der Quasi-Renten wird von dem „Erfolg“ der Isolationsmechanismen bestimmt, denn diese bedeuten gleichzeitig eine Preiserhöhung einer spezifischen Ressource für alternative Nutzer.594 PETERAF definiert diese Rentenpotenziale folglich auch als „excess of an asset’s value over its value to the second-highest valuing potential user or bidder for the resource”.595 Das Niveau appropriierbarer Quasi-Renten drückt demnach die Opportunitätskostenhaltung der Wettbewerber aus und kann entsprechend, z. B. je nach Wettbewerbsintensität, variieren. Wie diese Überlegungen zeigen, sind neben, aus generativen Aktivitäten resultierende Rentenströme, auch die diejenigen Rentenpotenziale zu erfassen, die auf der Grundlage von Isolationsmechanismen angeeignet werden konnten. Da diese Mechanismen niemals einen vollständigen Schutz vor „value slippage“ bieten können, unterschieden sich generierte und appropriierbare Rentenströme in ihrer Höhe.
c) Der Prozess der Rentenprotektion Neben produktiven Rentengenerierungsaktivitäten und den Maßnahmen, das damit verbundene Rentenpotenzial auch anzueignen, lassen sich ebenfalls unternehmerische Entscheidungsprozesse nachweisen, die das Ziel verfolgen, die Quellen der Erfolgsgenerierung zu schützen. Die Gefahr des Verlustes bspw. einer erfolgskritischen Ressourcenbasis veranlasst Unterneh-
592
Vgl. z. B. Lewin, P. / Phelan, S. E. (2000): An Austrian Theory of the Firm. In: Review of Austrian Economics, Vol. 13, S. 59-79, hier: S. 66.
593
Vgl. Klein, B. / Crawford, R. G. / Alchian, A. A. (1978): Vertical Integration, Appropriable Rents, and the Competitive Contracting Process. In: Journal of Law and Economics, Vol. 21, S. 297-326, hier: S. 298-302. Um einer gewissen argumentativen Vollständigkeit Genüge zu tun, sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass die Quasi-Rente eine Erweiterung des ricardianischen Rentenverständnisses darstellt, wobei die inhaltliche Weiterentwicklung v. a. durch ALFRED MARSHALL vorangetrieben wurde. In seinem Konzept der Quasi-Rente verweist er zusätzlich zu DAVID RICARDO darauf, dass die Knappheitsrente nicht nur auf Situationen mit begrenztem Faktorangebot zutrifft, sondern auf jegliche Inputfaktoren Anwendung finden kann, da sich auch diese in einer Situation temporärer Knappheit befinden können. Für eine umfassende Darstellung vgl. Lewin, P. / Phelan, S. E. (2000): An Austrian Theory of the Firm. In: Review of Austrian Economics, Vol. 13, S. 59-79, hier: S. 64f.. 594 Ein hohes Maß an Quasi-Renten drückt demnach ein effektives System von Isolationsmechanismen aus, das die Anreize für die Wettbewerber zur ex post Appropriation den generierten Renten entscheidend verringert (durch die Verschlechterung des Preis-Wert-Deltas). Vgl. Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 185. 595
Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 184.
197
men „Präventivmassnahmen, multilaterale Reziprozitätsnormen oder effektive Abschreckungsregime“596 zu installieren, um die Rentenbasis vor dem Zugriff der Wettbewerber zu schützen. Entsprechend wichtig ist es daher, dass Unternehmen generative, appropriierende und protektionistische Maßnahmen gleichermaßen im Blick behalten, um die Rentenpotenziale nachhaltig (ab)sichern zu können. In diesem Zusammenhang unterscheidet RASCHE eine Reihe von „Treibergrößen“, die sich im konzertierten Zusammenspiel (sog. Protektionsstrategie) in diesem Sinne nützlich erweisen: Rechtliche (z. B. Patente, Markenrechte etc.), ökonomische (z. B. Kapitalmarktzugang, „Deep Pockets“ etc.), technologische (Realoptionen, FuEKooperationen etc.), organisatorische (z. B. Gatekeeping, Closed Door Policy etc.), verhaltensbedingte (z. B. Sanktions- und Anreizmechanismen etc.) sowie politische Protektoren (z. B. Lobbyismus, Stakeholder Management etc.).597 Da die damit einhergehenden Handlungsziele im Ergebnis weder rentengenerierenden, noch rentenappropriierenden Charakter haben, sind die hiermit verbundenen Rentenpotenziale gesondert zu erfassen. Zu diesem Zweck sei hier auf die Monopolrente verwiesen, die die Gesamtheit der unternehmensrelevanten Rentenströme dadurch abrunden. In diesem Zusammenhang von Monopol-Renten zu sprechen ist daher adäquat, da protektionistische Maßnahmen grundsätzlich mit dem Aufbau von wie auch immer gearteten Schranken bzw. Barrieren gepaart sind. So argumentieren auch MAHONEY und PANDIAN, die die Monopolrente bspw. als Resultat von „government protection or … collusive arrangements [bezeichnen,] when barriers to potential competitors are high”.598 Folglich sind derartige Rentenpotenziale von den anderen hier besprochenen zu unterscheiden: „What distinguishes monopoly profits from Ricardian rents is that monopoly profits result from a deliberate restriction of output rather than an inherent scarcity of resource supply.”599
596
Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 214.
597
Rasche C. (2004): Der Wettbewerbsvorteil im Fadenkreuz der Resource Based View: Optionen der Rentengenerierung, -protektion und -appropriation. In: von den Eichen, S. A. F. / Hinterhuber, H. H. / Matzler, K. / Stahl, H. K. (Hrsg.): Entwicklungslinien des Kompetenzmanagements. Wiesbaden: DUV, S. 197-229, hier: S. 216-222.
598 Mahoney, J. T. / Pandian, J. R. (1992): The Resource-Based View within the Conversation of Strategic Management. In: Strategic Management Journal, Vol. 13, S. 363-380, hier: S. 364. 599
Peteraf, M. A. (1993): The Cornerstones of Competitive Advantage: A Resource-Based View. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 179-191, hier: S. 182.
198
Die Entstehung von Monopolrenten kann dabei sowohl in der marktlichen, als auch in der nichtmarktlichen Wettbewerbsarena erfolgen, wobei hier zu beachten ist, dass die daraus entstehenden Rentenpotenziale nicht mit den Renten zu verwechseln sind, die im Rahmen eines Leistungsmonopols entstehen. Letztere sind Teil der oben beschrieben SCHUMPETER-Renten und daher in die Sphäre der Rentengenerierung zu verorten. Monopolrenten, so wie sie in dieser Arbeit Verwendung finden, bezeichnen nur Rentenpotenziale, die auf restriktive Schutzmechanismen zurückzuführen sind, die die Wettbewerbsintensität zu verringern suchen. Dazu zählen bspw. Preisabsprachen, exklusive Lieferverträge sowie lobbyismusinduzierte, wettbewerbsvermeidende Marktregulierungen oder dergleichen mehr. Schlussendlich kann somit festgehalten werden, dass der Unternehmenserfolg Resultat verschiedenartiger Rentenpotenziale ist. Das direkte Ergebnis des unternehmerischen Leistungserstellungsprozesses ist somit kein hinreichendes Indiz dafür, wie erfolgreich eine Unternehmung tatsächlich ist. Zur Bestimmung des Unternehmenserfolges ist es daher erforderlich, generative, appropriierende und protektionistische Rentenpotenziale in einem Gesamtzusammenhang zu erfassen. Zu diesem Zweck sei der Unternehmenserfolg in dieser Arbeit als das Resultat einer Rentenkette modelliert, wie sie in Abbildung 23 dargestellt ist.600
600
Der Begriff »Rentenkette« wurde ursprünglich von BARON in Anlehung an die Wertkettenkonzeption von PORTER geprägt. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass BARON seine Rentenkette in einen anderen Gesamtzusammenhang, nämlich nur im Rahmen von Nichtmarktaktivitäten einordnet und deren konstitutive Merkmale folglich nicht dieser Darstellung entsprechen. „Since nonmarket strategies, like market strategies, are also directed at creating value, there is an analogous concept for nonmarket strategies that I refer to as the rent chain. It is a framework for formulating strategies to address distributive politics issues.” Baron, D. P. (1995): The Nonmarket Strategy System. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 37, S. 73-85, hier: S. 79 (Hervorhebung nicht im Original).
199
Generation
• Ricardo-Rente
Appropriation
• Quasi-Rente
Protektion
• Monopolrente
Payment
• Knight-Profit / strategischer Profit
• Schumpeter-Rente • Baron-Rente
Risiko des Rentenverlustes Risiko des Rentenverlustes Unternehmenserfolg
Abbildung 23: Darstellung des Unternehmenserfolges aus der Payments-Perspektive601 In dieser Auffassung werden Unternehmen zugleich als interdependente Generations-, Appropriations- und Protektionsregime verstanden, wodurch der Unternehmenserfolg durch eine Reihe von Rentenströmen determiniert wird, die der Unternehmung letztlich als Payments zufließen.602 Diese Payments lassen sich auch als strategische Profits603 umschreiben, da sie Resultat einer Vielzahl an strategischen Voraussichten und Entscheidungen sind, wie RICARDO-, SCHUMPETER-, BARON-, Quasi- oder Monopolrentenpotenziale abgeschöpft werden können.604 Die Charakterisierung des Unternehmenserfolges als Payment bzw. strategischer Profit ist in dem Sinne zweckmäßig, weil sie dem Anspruch genügt, dass
601
Quelle: Eigene Darstellung.
602
Vgl. auch Lippman, S. A. / Rumelt, R. P. (2003): The Payments-Perspective: Micro-Foundations of Resource Analysis. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 903-927, hier: S. 903; Lippman, S. A. / Rumelt, R. P. (2003): A Bargaining Perspective on Resource Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 1069-1086, hier: S. 1082.
603
Vgl. Lewin, P. / Phelan, S. E. (2000): An Austrian Theory of the Firm. In: Review of Austrian Economics, Vol. 13, S. 59-79, hier: S. 71f. (Anmerkung: LEWIN und PHELAN nennen dieses Payment “strategische Rente”).
604 Vgl. auch Ahuja, G. / Coff, R. W. / Lee, P. M. (2005): Managerial Foresight and Attempted Rent Appropriation: Insider Trading on Knowledge of imminent Breakthroughs. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 791-808, hier: S. 791-794.
200
„… the focus is on how firms strategize to win profits …, rather than on how they win rents from positions of resource superiority or product market superiority.”605
MATHEWS zufolge lässt sich der strategische Profit auch als KNIGHT-Profit beschreiben, da der Ökonom FRANK KNIGHT den Unternehmenserfolg als „pure residual income after all contractual payments for factors utilized have been paid” versteht.606 Diese Darstellung korrespondiert mit der hier verfolgten Sichtweise, dass das generierte Rentenpotenzial nicht gleichzusetzen ist mit der letztlich zufließenden Menge an Renten. Vielmehr, wie gezeigt, bestehen sowohl Reibungsverluste durch das Abzweigen von Rentenpotenzialen an diverse Stakeholder als auch Multiplikatoreffekte durch bspw. nichtmarktliche Interventionen. Dementsprechend lässt sich die Höhe des Unternehmenserfolges erst dann feststellen, wenn alle damit verbundenen Unternehmensaktivitäten „bezahlt“ wurden:607 „After paying all contractual terms …, they keep the residual either positive (they are in business) or negative (they declare bankruptcy). This is the KNIGHTian definition of pure profits as residual, as calculated over a sufficiently long period to enable revenues to balance outlays.”608
Zusammenfassend kann durch diese Konzeption des Unternehmenserfolges aus der Payments-Perspektive dem gesetzten Anspruch nach einer Mehrdimensionalität des Unternehmenserfolges Rechnung getragen werden. Ferner konnte mit der Rentenkette ein konzeptionelles Rahmenwerk vorgelegt werden, das der als notwendig erachteten Trennung von vermeintlichen Vorteilspositionen und den aneignungsfähigen Rentenpotenzialen genügt, was im Gesamtzusammenhang betrachtet den Inhalt der vierten Basisentscheidung wiedergibt.
4.4 Zusammenfassende Bewertung der Basisentscheidungen zu einer präziseren Bestimmung des Unternehmenserfolges Das 4. Kapitel dieser Arbeit hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Reihe von Basisentscheidungen zu formulieren, die die im Rahmen des 3. Kapitels aufgeworfenen Schieflagen des strategi-
605 Mathews, J. A. (2006): Ricardian Rents of Knightian Profits? More Austrian Insights on Strategic Organization. In: Strategic Organization, Vol. 4, S. 97-108, hier: S. 100 (Hervorhebung nicht im Original). 606 Mathews, J. A. (2006): Ricardian Rents of Knightian Profits? More Austrian Insights on Strategic Organization. In: Strategic Organization, Vol. 4, S. 97-108, hier: S. 101-103. 607
Vgl. auch Lippman, S. A. / Rumelt, R. P. (2003): The Payments-Perspective: Micro-Foundations of Resource Analysis. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 903-927, hier: S. 924f..
608 Mathews, J. A. (2006): Ricardian Rents of Knightian Profits? More Austrian Insights on Strategic Organization. In: Strategic Organization, Vol. 4, S. 97-108, hier: S. 102 (Hervorhebung nicht im Original).
201
schen Managements überwinden helfen. Dazu wurden vier grundlegende Ansatzpunkte vorgestellt, wie sie noch einmal zusammenfassend in Abbildung 24 gezeigt werden.
1
Multiparadigmatische Sichtweise
2
Mehrdimensionales Erfolgsverständnis
Unternehmenserfolg
Identitätsprinzip ITO-Systematik
4
Zweidimensionales Wettbewerbsverständnis 3
Abbildung 24: Die Basisentscheidungen zur Erklärung des Unternehmenserfolges im Überblick609 Basisentscheidung 1 widmete sich zunächst dem Problem, dass sich das strategische Management durch einen „Wildwuchs der Paradigmen“610 mit der Folge gegenübersieht, dass sich die Forschungslandschaft zusehends in Detailfragen verstrickt. Erschwerend kommt hinzu, dass diese partialanalytischen Ansätze eine meristische Auffassung unterstellen. Das hat v. a. dazu geführt, dass Teilausschnitte des Untersuchungsgegenstandes »Unternehmenserfolg« als Gesamtheiten verklärt werden, was die mittlerweile immer öfter geforderte Rückbesinnung auf eine ganzheitlichere Problemlösungskonzeption erheblich erschwert. Zur Begründung und auch zur Legitimation des Status quo wird im Allgemeinen argumentiert, dass die ausdifferenzierten Denkschulen miteinander nicht kommensurabel sind. Unterschiedliche Weltvorstellungen und damit einhergehende Annahmen über die Realität verbieten dieser Auffassung zufolge einen Vergleich und folglich auch eine Verknüpfung der Erkenntnisse aus den einzel-
609
Quelle: Eigene Darstellung.
610
Ortmann, G. / Sydow, J. (2001): Strukturationstheorie als Metatheorie des strategischen Managements – Zur losen Integration der Paradigmenvielfalt. In: Ortmann, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Strategie und Strukturation. Strategisches Management von Unternehmen, Netzwerken und Konzernen. Wiesbaden: Gabler, S. 421-447, hier: S. 425.
202
nen Denkschulen. Allerdings wurde in diesem Zusammenhang evident, dass erhebliche Zweifel am Inkommensurabilitätspostulat bestehen, weshalb ihm ein gewisser Mythos, also eine (An-Dichtung) innewohnt, denn es bestehen durchaus Möglichkeiten, einzelne Paradigmen miteinander in Beziehung zu setzen. Bereits im 3. Kapitel konnte dazu der Grundstein gelegt werden, indem ein gemeinsames Sprachwerk entwickelt worden ist, das die divergierenden Bedeutungsinhalte des Wettbewerbsvorteils durch eine differenzierte Sprachverwendung verdeutlicht. Damit konnte ein Ansatzpunkt zur Synchronisierung der Paradigmen geschaffen werden. Hierbei stellte sich nun jedoch die Frage, wie mit der Paradigmenvielfalt erkenntnisleitend umgegangen werden soll. Dazu wurde vorgeschlagen, einerseits die Grenzen der generischen Ansätze anzuerkennen, diese jedoch durchlässig zu formulieren. Dadurch kann zum einen die als positiv verstandene Paradigmenvielfalt gewahrt bleiben, jedoch der „Wildwuchs“ tendenziell begrenzt werden. Als Basisentscheidung 1 ist somit festzuhalten: x
Für die Erklärung des Unternehmenserfolges wird eine begrenzt-holistische Multiparadigmenperspektive empfohlen, die ihrerseits Paradigmen als temporäre, permeable Rahmengebilde begreift, die sich im Zuge des evolutorischen Erkenntnisgewinnungsprozesses in ihrer Gestalt und Grenzziehung verändern können.
Basisentscheidung 2 beschäftigt sich im Anschluss daran mit der Schaffung eines Identitätsprinzips, nach dem die generischen Ansätze in eine Ordnung finden können. Das damit verbundene Ziel ist die Etablierung eines sinnstiftenden Orientierungsrahmens, der außerhalb der einzelnen Paradigmen zu verorten ist, damit die Funktion einer paradigmenübergreifenden Sinnstiftung auch wahrgenommen werden kann. Auf die Frage, welches Konzept die Funktion einer gemeinsamen Identität übernehmen kann, wurde mit der GUTENBERGschen und nun neudeutsch formulierten Input-Throughput-Output-Systematik geantwortet, die zugleich ein relativ allgemeines, jedoch genügend präzises Rahmenwerk darstellt, um den existierenden Denkschulen inhaltlich Rechnung zu tragen. Da das zentrale Anliegen des strategischen Managements die Erklärung des Unternehmenserfolges ist, bietet sich diese traditionelle Unternehmensauffassung als konzeptionelle Grundlage gerade zu an. Die Darstellung der Unternehmung als dreistufiges Ressourcenumwandlungssystem hat den weiteren Vorteil, die drei generischen Ansätze inhaltlich miteinander in Verbindung setzen und damit einen holistischen Ansatz zur Erklärung des Unternehmenserfolges entwickeln zu können. Die Verbindung der Denkschulen wurde dabei durch eine Synthese hergestellt, da diese gegenüber einer Ansatzintegration die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der traditionellen Forschungsrichtungen i. S. e. begrenzten Holismus wahrt. Der ITO-Logik folgend konnte der ressourcen-
203
orientierte Ansatz der Potenzialdimension (Input), der kompetenzorientierte Ansatz der Prozess- bzw. Transformationsdimension (Throughput) sowie der marktorientierte Ansatz der Ergebnisdimension (Output) zugeordnet werden, wodurch der Prozess der unternehmerischen Erfolgsgenerierung eine dreistufige Begründung erfährt. Basisentscheidung 2 lautet daher wie folgt: x
Für eine valide Erklärung des Unternehmenserfolges wird für das strategische Management empfohlen, die generischen Ansätze entlang der GUTENBERGschen ITO-Systematik zu synthetisieren und somit der Multiparadigmenperspektive eine gemeinsame Identität und Kommunikationsbasis zu verschaffen.
Basisentscheidung 3 beinhaltet eine Auseinandersetzung mit den Wettbewerbsarenen, im Rahmen derer sich die unternehmerische Erfolgsgenerierung vollzieht. In diesem Zusammenhang konnte herausgearbeitet werden, dass die Prozesse bzw. die Ergebnisse der Ressourcenumwandlung nicht nur über den marktlichen Wettbewerb zu eruieren sind. Zur Begründung wurde auf die Erkenntnisse des nichtmarktorientierten Ansatzes verwiesen, der die unternehmerischen Möglichkeiten der interventionsinduzierten Erfolgsgenerierung thematisiert. Diesen Überlegungen nachkommend sind unternehmerische Zielhorizonte sowohl im Markt-, als auch im Nichtmarktsystem verankert. Durch die Möglichkeit zur nichtmarktlichen Intervention lassen sich die Rahmenbedingungen der Ressourcenumwandlung entweder verbessern, oder die der Wettbewerber verschlechtern. Somit weisen die damit verbundenen Maßnahmen einen erheblichen Einfluss auf die Potenzial-, die Transformations- und die Ergebnisdimension der Leistungserstellung auf. In diesem Sinne lässt sich Basisentscheidung 3 folgendermaßen formulieren: Eine präzise Erfassung der Quellen unternehmerischer Erfolgsgenerierung kann nur dann erfolgen, wenn der Unternehmenserfolg als ein Ergebnis (marktlicher) leistungs- und (nichtmarktlicher) interventionsorientierter Entscheidungshorizonte begriffen wird. Basisentscheidung 4 fokussiert auf das zentrale Problem des strategischen Managements, dass einzelne Vorteilspositionen und der Unternehmenserfolg synonym gebraucht werden. Bei der Analyse der generischen Ansätze hat sich herausgestellt, dass ein Vorteil = ErfolgAutomatismus unterstellt wird, der in dieser Form jedoch (außerhalb einer definierten Wirklichkeit) unzutreffend ist. Die Unzulänglichkeit dieser konzeptionellen Herangehensweise liegt darin begründet, dass der Unternehmenserfolg ein mehrdimensionales Phänomen ist und dessen Zustandekommen daher eine erhebliche kausale Ambiguität zuerkannt werden muss. Begründend wurde hierzu konstatiert, dass die Prozesse der Erfolgsgenerierung equi- und 204
multifinaler Natur sind, weshalb von isolierten Vorteilspositionen nicht automatisch auf den Unternehmenserfolg geschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund wurde vorgeschlagen, dass die implizite Erklärung des Unternehmenserfolges durch die Identifizierung einzelner Vorteilspositionen grundsätzlich aufzugeben ist. Beide Aspekte (Vorteile und Erfolg) erfordern eine voneinander getrennte Betrachtungsweise, woraufhin sich eine genauere Identifizierung der möglichen Quellen unternehmerischer Erfolgsgenerierung erreichen lässt. Das wurde nicht zuletzt auch dadurch erreicht, dass die isolierte Untersuchung des Unternehmenserfolges ein differenziertes Verständnis von interdependenten Rentenpotenzialen (Generations-, Appropriations- und Protektionspotenziale) hervorbringen konnte und der Erfolg eines Unternehmens nun als residuale Payments begriffen werden kann. Folglich beinhaltet Basisentscheidung 4: x
Da der Unternehmenserfolg Resultat generativer, appropriierender sowie protektionistischer Handlungshorizonte ist, kann von isolierten Vorteilspositionen nicht auf den Wettbewerbserfolg geschlossen werden. Beide Variablen, d. h. vermeintliche Vorteilspositionen und der Unternehmenserfolg bedürfen einer getrennten Untersuchung, um ein vollständiges Bild über die Erfolgsquellen zeichnen zu können.
205
5
Wettbewerbsmanagement als alternatives Konzept zur Erklärung des Prozesses unternehmerischer Erfolgsgenerierung
5.1 Konzeptionelle Wurzeln des Wettbewerbsmanagements als alternative Rahmenkonzeption zur Erklärung des Unternehmenserfolges Nachdem nun eine Reihe von Grundlagenentscheidungen zu Behandlung des Phänomens »Unternehmenserfolg« getroffen worden sind, stellt sich die Aufgabe, in Anlehnung daran ein alternatives Rahmenkonzept zur passgenaueren Erklärung des Unternehmenserfolges zu entwickeln. Die große Herausforderung besteht dabei v. a. darin, die im 3. Kapitel aufgeworfenen Kritikpunkte in semantischer, syntaktischer sowie in pragmatischer Hinsicht zu berücksichtigen, jedoch gleichzeitig ein relativ präzises Argumentationsgerüst zu entwickeln. Das Spannungsfeld zwischen den Gütekriterien Komplexitätsaffinität sowie Einfachheit und Genauigkeit gilt es einzubeziehen, um nicht Gefahr zu laufen, ähnlich partialanalytische Kausalmodelle zu entwickeln, wie sie hier kritisiert wurden. Derartige Überlegungen zur Konsolidierung des Forschungsprogramms zum strategischen Management sind grundsätzlich nicht neu und haben teilweise Beachtung gefunden. Jedoch, so der Eindruck nach einem Zitationsvergleich, konnten diese Arbeiten nur zeitweise die fachliche Diskussion befruchten, bevor sie sich wieder dem ontologischen Diktat der generischen Ansätze bzw. deren Vertreter in den einflussreichen Positionen bei Verbänden und Zeitschriften beugen mussten. Da diese Arbeiten jedoch die historischen Wurzeln des im Folgenden noch zu entwickelnden Erfolgskonzeptes verkörpern, sollen sie eine überblicksartige Erwähnung finden. Zu den ersten Vertretern, die die Notwendigkeit zu einer ganzheitlicheren Betrachtung des Unternehmenserfolges verstanden haben, zählen DAY und WENSLEY, die den Erfolg eines Unternehmens aus Sicht der Kunden und aus Sicht der Wettbewerber zu unterscheiden wissen.611 Auch wenn beide Autoren den in dieser Arbeit deduzierten dichotomischen Charakter der Beziehung zwischen Vorteil und Erfolg nicht erkennen,612 so weisen sie doch korrekter-
611 Vgl. Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 1f.. Ein ähnlicher Ansatz findet sich bei SLATER und NARVER: Vgl. Slater, S. F. / Narver, J. C. (1994): Market Orientation, Customer Value, and superior Performance. In: Business Horizons, Vol. 37, S. 22-28. 612 So argumentierten auch DAY und WENSELY, dass „[t]he notion that superior performance requires a business to gain and hold an advantage over competitors is central to contemporary strategic thinking. Businesses seeking advantage are exhorted to develop distinctive competences and manage for lowest delivered cost or differentiation through superior customer value. The promised payoff is market share dominance and profitability above average for the industry.” Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing
207
weise darauf hin, dass Unternehmensvorteile grundsätzlich relationale Terme darstellen und folglich jeweils aus Kunden- oder Wettbewerbersicht zu eruieren sind. Diesen Überlegungen zufolge greift die traditionelle, rein potenzialorientierte Bestimmung von Vorteilspositionen insgesamt zu kurz. „A competitor-centered perspective leads to a preoccupation with costs and controllable activities that can be compared directly with corresponding activities of close rivals. Customer-focused approaches have the advantage of examining the full range of competitive choices in the light of the customers’ needs and perceptions of superiority, but lack an obvious connection to activities and variables that are controlled by management. Clearly a balance of the two characteristic perspectives is needed.”613
Vor diesem Hintergrund entwerfen DAY und WENSELY ein im Vergleich zu den generischen Ansätzen differenzierteres Konzept von Wettbewerbsvorteilen, das gleichzeitig die Ursachen bzw. Quellen, die möglichen Erscheinungsformen sowie die Performanzimplikationen in ein gemeinsames Argumentationsgerüst aus Kunden- und Wettbewerbsperspektive vereinigt.614 Der hier entwickelten Logik zufolge weisen überdurchschnittlich erfolgreiche Unternehmen im Vergleich zum Wettbewerb einen höherwertigen Ressourcen- und Fähigkeitenpool auf (Vorteilsquellen), verfügen über vergleichsweise geringere Kostenniveaus und/oder deren Produkte über einen höheren wahrgenommenen Kundennutzen (Vorteilspositionen) sowie in der Folge über eine größere Profitabilität und/oder einen höheren Marktanteil (Performanzergebnis). Die Nachhaltigkeit derartiger Vorteilspositionen aus Kunden- und Wettbewerbersicht wird in dieser Konzeption über Reinvestition der Profits in die Ressourcen- und Fähigkeitenbasis erreicht. DAY und WENSELY leisten durch diese Argumentation aus heutiger Sicht einen wichtigen Beitrag zur Bestimmung des Unternehmenserfolges, denn sie verweisen dabei gleichzeitig auf die diskretionären Handlungsspielräume der Unternehmen bei der Wahl der Marktperspektive. „Managers … adopt a customer-focused or competitor-centered perspective to help simplify their environment and decide what information is to be gathered and how it is to be
Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 1 (Hervorhebungen nicht im Original). 613 Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 2 (Hervorhebungen nicht im Original). 614 Vgl. Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 2-5.
208
screened and interpreted. Simplification comes at a cost, which is the risk that only a partial and biased picture of reality is created.“615
Die Performanzunterschiede sind demnach Ergebnis eines unsicherheitsinduzierten und folglich auch durchaus irrationalen Wahlaktes, was im Umkehrschluss wiederum bedeutet, dass „[s]uperior skills and resources are not automatically converted into positional advantages, nor is there a certain payoff from superior cost or differentiation positions. Both conversions are mediated jointly by strategic choices.”616
Diese Argumentationslogik liefert somit einen ersten Erklärungsansatz, dass sich der Unternehmenserfolg als ein Balanceakt aus Kunden- und Wettbewerbersicht darstellt, wodurch die „myopia … [of] selective attention and simplification“ minimiert werden kann.617 Als eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes können die Überlegungen von HUNT und MORGAN begriffen werden, die die überwiegende Output-Orientierung von DAY und WENSLEY zusätzlich mit einer input- und wettbewerbsorientierten Sichtweise verknüpfen. Vor diesem Hintergrund entwickeln sie die sog. Resource Advantage Theory of Competition (nachfolgend RAT), die nun explizit Ausstattungsvorteile (comparative advantages) mit mgl. Absatzmarktvorteilen (competitive advantages) in Verbindung setzt:618 „A comparative advantage in resources exists when a firm’s resource assortment … enables it to produce a market offering that, relative to extant offerings by competitors, (1) is perceived by some market segments to have superior value and/or (2) can be produced at a lower cost. … A comparative advantage in resources, then, can translate into a position of competitive advantage in the market place and superior financial performance – but not necessarily.”619
In dieser Argumentation wird ersichtlich, dass HUNT und MORGAN keinen Ausstattungsvorteil-Marktvorteil-Automatismus unterstellen, sondern eine Trennung zwischen Ressourcenund Marktpotenzialen vornehmen, die in ihrer Ausprägung für ein Unternehmen positiv (vor-
615 Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 2 (Hervorhebungen nicht im Original). 616 Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 7 (Hervorhebungen nicht im Original). 617 Vgl. Day, G. S. / Wensley, R. (1988): Assessing Advantage: A Framework for Diagnosing Competitive Superiority. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 1-20, hier: S. 16. 618 Vgl. Hunt, S. D. (1999): The Strategic Imperative and Sustainable Competitive Advantage: Public Policy Implications of Resource-Advantage Theory. In: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 27, S. 144-159, hier: S. 148f.; Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 7f.. 619
Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 7 (Hervorhebungen nicht im Original).
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teilhaft), paritätisch (gleichwertig) oder negativ (nachteilig) sein können. Zur Veranschaulichung dieser nichtlinearen Beziehung zwischen Faktor- und (Absatz-)Marktpotenzialen entwickeln sie eine 9-Felder Matrix, die die Kosten der Ressourcenbeschaffung mit dem Kundenwert in Beziehung setzt, der sich aus den verfügbaren Ressourcen generieren lässt (vgl. Abbildung 25).
Generierbarer, relativer Kundenwert
gering
Relative Ressourcenkosten
1
gering
2
?
4
paritätisch
3
5
Marktvorteil
6
Paritätische Marktposition 8
Marktnachteil
hoch
Marktvorteil
Marktnachteil
7
hoch
paritätisch
Marktvorteil
9
Marktnachteil
?
Abbildung 25: Wettbewerbspositions-Matrix nach HUNT und MORGAN620 Ohne an dieser Stelle in die Details der RAT gehen zu wollen, so ist das Ergebnis dieser konzeptionellen Herangehensweise doch interessant, denn dieser Logik zufolge können Ressourcenvorteile aus der Kundenperspektive egalisiert werden (Feld 1; im umgekehrten Fall vgl. Feld 9). Eine solche Situation liegt bspw. immer dann vor, wenn ein relativ hohes Ressourcenrentenpotenzial im ricardianischen Sinne nicht am Markt realisiert werden kann, da das ressourceninduzierte Marktangebot nur einen geringen wahrgenommenen Kundennutzen stiftet. Die Folge aus der niedrigen Zahlungsbereitschaft auf Konsumentenseite für die angebotenen Güter ist nun ein mäßiges Rentenappropriationsniveau. Welche Effekte sich im Anschluss daran für den Unternehmenserfolg einstellen hängt maßgeblich davon ab, inwiefern sich Pro-
620 Quelle: In Anlehnung an Hunt, S. D. (1999): The Strategic Imperative and Sustainable Competitive Advantage: Public Policy Implications of Resource-Advantage Theory. In: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 27, S. 144-159, hier: S. 149; Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 7.
210
duzentenrente621 und Zahlungsbereitschaft622 einander unter- oder überkompensieren (veranschaulicht durch das „?“). Dagegen berücksichtigt bspw. Feld 5 equifinale Leistungserstellungsprozesse, denn in dieser Situation generieren Unternehmen trotz unterschiedlicher Wesensmerkmale ein gleichwertiges Ergebnis, was in der Wahrnehmung aus Konsumentensicht daher zu vernachlässigbaren bzw. paritätischen Nutzenunterschieden führt. In dieser Argumentationsweise lassen sich auch die Felder 2, 3, 6 und 4, 7, 8 beschreiben, wobei die erste Feldergruppe die simultane Existenz von Ressourcen- und Absatzvorteilen bezeichnet, während letztere die Situation eines ausstattungsinduzierten Wettbewerbsnachteils erfüllen. Aus dieser Klassifikation lassen sich für ein Unternehmen nun strategische Entscheidungsräume identifizieren, die darauf abzielen, die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern bzw. die der Wettbewerber zu unterlaufen. „Different resource assortments suggest targeting different market segments and/or competing against different competitors. Competition, then, consists of the constant struggle among firms for a comparative advantage in resources that will yield a marketplace position of competitive advantage and, thereby, superior financial performance.”623
Auch wenn in den Ausführungen von HUNT und MORGAN der Ressourcenausstattung, relativ zu anderen Unternehmensmerkmalen (z. B. Veredelungsfähigkeiten), eine übergewichtige Bedeutung zugemessen wird, so verdeutlichen sie doch die Wichtigkeit der gleichwertigen Betrachtung sowohl der Input- als auch der Outputseite zur Bestimmung des Unternehmenserfolges. Beide Seiten der Leistungserstellung stehen in einer interdependenten Beziehung zueinander, weshalb erst eine konzertierte Analyseweise hinreichende Bestimmungsgründe für den Erfolg eines Unternehmens darlegen kann. Beide Ansätze stellen somit erste, wichtige Ansatzpunkte dar, in welcher Weise die identifizierten „Problemzonen“ des strategischen Managements behandelt werden können. Sie weisen richtigerweise darauf hin, dass die Potenzial- und Ergebnisdimension eines Unternehmens nur im Zusammenhang mit dem Wettbewerb um Kunden zu beurteilen ist, dass in einer durch Vorteile gekennzeichneten Situation gleichzeitig auch Nachteile nachweisbar sein müssen, sowie dass unternehmerische Entscheidungsprozesse durch Freiräume gekennzeichnet sein können, was in der Konsequenz, d. h. ex post betrachtet, auch zu irrationalen Handlungen
621
Entspricht dem Delta der Preis-Wert-Disparitat bei der Ressourcenbeschaffung.
622
Entspricht dem wahrgenommenen Nutzen aus Kundensicht.
623
Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 8.
211
führen kann.624 Diese Aspekte in Kombination mit den vier Basisentscheidungen sollen nun aufgegriffen und in ein Gesamtkonzept »Wettbewerbsmanagement« zusammengeführt werden.
5.2 Dimensionen des Wettbewerbsmanagements Im Zusammenhang mit der Entwicklung eines gemeinsamen Identitäts- bzw. Strukturationsprinzips für die Denkschulen des strategischen Managements wurde darauf verwiesen, dass diese Funktion die GUTENBERGsche ITO-Systematik übernehmen kann. Hierbei wurden Unternehmen als ein System interdependenter Kombinationsprozesse verstanden, in denen gemäß der individuellen Produktionsfunktion Input- über Throughput- zu Outputfaktoren transformiert werden. Dieser Systematik zufolge lassen sich Unternehmen allgemein in drei leistungsorientierte Entscheidungsdimensionen unterteilen, die jeweils einen eigenen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass die leistungsorientierten Entscheidungsprozesse von den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen legitimiert, jedoch auch begrenzt werden. Die Rationalität unternehmerischer Aktivitäten kann demnach nicht nur vor dem Hintergrund betriebswirtschaftlicher Effizienz- und Effektivitätskriterien analysiert werden. Folglich bedarf es ebenfalls der Einbezugnahme des rechtlichen Rahmens sowie der Interventionsmöglichkeiten, die sich in diesem System für ein Unternehmen ergeben. Die erste Entscheidungsdimension fokussiert somit notwendigerweise auf die Aneignung von kritischen Produktionsfaktoren (Inputs) von den Faktormärkten (Kapital, Infrastruktur, Mitarbeiter, Rohstoffe, Technologie etc.).625 Die Verfügbarkeit und auch die Zugriffsfähigkeit auf diese Ressourcen können dabei beschränkt sein, wenn die Austauschbeziehungen auf den Faktormärkten durch Handelsbarrieren, Kontingente oder staatliche Kontrollen etc. geprägt sind. Diese unternehmerische Entscheidungsebene bezieht sich folglich auf die Angebotsseite, weshalb hier insgesamt auch von dem Akquisitionsumfeld der Unternehmung gesprochen werden soll. Geprägt wird dieses Umfeld somit v. a. von dem Ressourcenangebot bzw. dessen Knappheit, der rechtlichen Vertragssituation, der Anbieterkonzentration sowie der Anzahl an
624 Vgl. auch Simon, H. A. (1964): On the Concept of Organizational Goal. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 9, S. 1-22, hier: S. 14-20. 625 Vgl. auch Pfeffer, J. / Salancik, G. R. (1978): The external Control of Organizations: A Resource Dependence Perspective. New York u. a.: Harper & Row, S. 46-51.
212
Unternehmen, die auf einen gewissen Ressourcenbestand Zugriff nehmen.626 Einmal abstrahiert von Anbieter- oder Nachfragermonopolen, so zeichnet sich das Akquisitionsumfeld eines Unternehmens durch eine marktunvollkommenheitsgetriebene Wettbewerbsintensität auf dem Faktormarkt aus, die im Wesentlichen die Preisbestimmung der (sowie die Wertvorstellung über die) benötigten Ressourcen übernimmt. Dagegen beinhaltet die zweite Entscheidungsdimension eines Unternehmens all diejenigen Handlungshorizonte, die in unmittelbarer Verbindung mit der Umwandlung von Ressourcen in vermarktbare Produkte und Dienstleistungen stehen. In diesem Zusammenhang fokussieren die Entscheidungsprozesse auf den Aufbau, die Nutzung und die Weiterentwicklung von transformatorischen Fähigkeiten, die für die absatzmarktorientierte Ressourcenumwandlung, d. h. für die zweckrationale Faktorveredelung und -kombination als essentiell erachtet werden.627 In dieser Dimension, die demgemäß als Transformationsumfeld eines Unternehmens bezeichnet werden soll, stehen Unternehmen miteinander im Wettbewerb um diejenigen Fähigkeitenträger, denen ein kritischer Charakter bei der Ressourcenumwandlung zugesprochen wird. Unterschieden werden können diese Fähigkeitenträger im Hinblick auf deren Mobilitätsgrad, da dieser Zeugnis über deren Veräußerbarkeit ablegt. Dabei wird die Intensität der wettbewerblichen Auseinandersetzungen um die mobilen Transformationspotenziale umso größer sein, je spezifischer (der gedachte) Erfolgsbeitrag des Fähigkeitenträgers ist.628 Darüber hinaus wird die Handlungsfähigkeit im Transformationsumfeld wiederum von den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen begrenzt, denn diese beeinflussen bspw. über Umweltauflagen,
Property
Rights
Regelungen
oder
Technologieabschottungen
die
Transformationsmöglichkeiten eines Unternehmens. Davon zu differenzieren ist die dritte Entscheidungsdimension, deren Zielhorizont die Vermarktung des erstellten Leistungsprogramms umfasst. Spiegelbildlich zu der Angebotsseite wird in diesem Zusammenhang von der Nachfrageseite gesprochen, da es sich in dieser Handlungsdomäne um die Befriedigung der Marktnachfrage nach Produkten und Dienstleistungen dreht. Demzufolge geht es hier im Kern um Distributionsentscheidungen, die den Absatz-
626 Vgl. auch Sirmon, D. G. / Hitt, M. A. / Ireland, R. D. (2007): Managing Firm Resources in Dynamic Environments to create Value: Looking inside the Black Box. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 273292, hier: S. 275ff. 627 Vgl. auch Lippman, S. A. / Rumelt, R. P. (2003): A Bargaining Perspective on Resource Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 1069-1086, hier: S. 1082. 628 Naturgemäß kann kein Wettbewerb um immobile Fähigkeitenträger entstehen, da solche Fähigkeiten durch dieses Charakteristikum als nicht veräußerbar und folglich auch nicht als transferierbar gelten
213
markt eines Unternehmens betreffen. Analog zum Wettbewerb auf dem Faktormarkt zeichnet sich der Absatzmarkt je nach Vollkommenheitsgrad durch ein unterschiedliches Maß an Wettbewerbsintensität aus. Die Intensität der absatzmarktlichen Auseinandersetzungen um die Konsumenten wird dabei umso höher sein, je größer die Zahl der Anbieter ist, die ein relativ homogenes Produktprogramm anbieten. Insofern werden Unternehmen im Distributionsumfeld bestrebt sein, ein möglichst differenziertes Produktprogramm anzubieten, das im Vergleich zur Konkurrenz den höchsten Kundennutzen generiert bzw. suggeriert.629 Abschließend ist auch im Zusammenhang für das Distributionsumfeld eines Unternehmens zu konstatieren, dass die Handlungsmöglichkeiten hier rechtlich beschränkt sein können, wenn sich Absatzmärkte durch z. B. eine hohe Regelungsdichte oder geschützte Bereiche auszeichnen, die mit rein ökonomischen Mitteln nicht durchbrochen werden können.
FAKTORMARKTWETTBEWERB
INPUT
Angebotsseite
NICHTMARKT
Akquisitionsentscheidungen „Akquisitionsumfeld“
THROUGHPUT
„Transformationsumfeld“
Transformationsentscheidungen
„Distributionsumfeld“
Distributionsentscheidungen OUTPUT
Nachfrageseite
ABSATZMARKTWETTBEWERB
Abbildung 26: Allgemeiner Rahmen des Wettbewerbsmanagements630
629
Vgl. auch Deephouse, D. L. (1999): To be different, or to be the same? It’s a Question (and Theory) of strategic Balance. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 147-166, hier: S. 150f..
630
Quelle: In Anlehnung an Träger, S. (2005): Vortragsunterlagen im Rahmen des 4. Symposium zum Strategischen Kompetenzmanagement am 02.-04. November 2005 in Bremen, F. 7.
214
Diese Ausführungen über die unternehmerischen Entscheidungssituationen, wie sie noch einmal in Abbildung 26 veranschaulicht werden, machen deutlich, dass sich Unternehmen in einem mehrdimensionalen Leistungswettbewerb befinden, der durch ordnungspolitische „Spielregeln“ moderiert wird, die im Nichtmarkt beeinflusst werden können (vgl. Abschnitt 4.2.2). Der Umfang der wettbewerblichen Auseinandersetzungen umfasst damit den Wettbewerb um Ressourcen, den Wettbewerb um (mobile) transformative Fähigkeiten, den Wettbewerb um Konsumenten sowie den damit zusammenhängenden Wettbewerb um den Einfluss auf hoheitliche Entscheidungsträger. In dieser Konzeption wird die Herbeiführung des Unternehmenserfolges analog zum Marktprozess verstanden, in dem Angebots- und Nachfragebedingungen im Zusammenspiel das Marktergebnis determinieren.631 Durch die hier vollzogene Kombination von Angebots- und Nachfrageseite kann bspw. der Forderung von PRIEM und BUTLER nachgekommen werden, das denkschuleninhärente Dogma der impliziten Annahmen über jeweils nicht betrachtete Marktrealitäten aufzugeben: „Whereas the simplifying assumptions of the environment-focussed models of competitive advantage [z. B. der MBV; Anm. des Verf.] are made on the resource-side, the implicit assumptions of the RBV are made on the demand side.”632
Die Verbindung dieser drei Entscheidungsebenen zu einem Gesamtkonzept ermöglicht den Übergang bzw. die Rückbesinnung auf den ursprünglichen General Management Charakter des strategischen Managements.633 Erst dadurch kann dann auch wieder die Frage beantwortet werden, in welchen Zusammenhängen (wie, wo, wann) sich Ressourcen tatsächlich als nützlich erweisen. Die überwiegende Konzentration des RBV auf die Akquisitionsproblematik „nützlicher“ bzw. „wertvoller“ Ressourcen lassen diesbezüglich de facto keine Rückschlüsse
631 Vgl. auch Rindova, V. P. / Fombrun, C. J. (1999): Constructing Competitive Advantage: The Role of FirmConstituent Interactions. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 691-710, hier: S. 691f.; Robertson, P. L. / Yu, T. F. (2001): Firm Strategy, Innovation and Consumer Demand: A Market Process Approach. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 22, S. 183-199, hier: S. 183f.; Stewart, D. W. (1996): Managing Market Structure: Achieving Competitive Advantage and Market Dominance. In: Journal of Managerial Issues, Vol. 8, S. 13-24, hier: S. 13. 632 Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 29 (Hervorhebungen nicht im Original). Exemplarisch für den RBV argumentieren sie weiter: „The RBV value definitions clearly show, however, that it is the market environment … that determines the degree of value held by each firm resource in the RBV. As the competitive environment changes, resource values may change. Thus, resource value is determined from a source exogenous to the RBV.” Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 29f. (Hervorhebungen im Original). 633 Vgl. z. B. DeSarbo, W. S. / Grewal, R. / Wind, J. (2006): Who competes with whom? A Demand-based Perspective for identifying and representing asymmetric Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 101-129, hier: S. 127; Meyer, A. D. (1991): What is Strategy’s distinctive competence? In: Journal of Management, Vol. 17, S. 821-833, hier: S. 824.
215
zu, da der Ressourcenverwendungszusammenhang über Annahmen faktisch ausgeblendet ist. Insofern ist eine Verbindung zur Ebene der Distributionsentscheidungen unerlässlich, denn „value in the factor market is [grundsätzlich] influenced by demand in the product market”.634 Gleichsam lässt sich für den absatzmarktorientierten MBV feststellen, dass der Rat zur Besetzung einer lukrativen Branche inhaltsleer ist, solange keine Aussagen über die erforderlichen Fähigkeiten getroffen werden, die zu einer einzigartigen Produktdifferenzierung oder zu effizienten Kostenstrukturen (als Voraussetzung zum Markteintritt) führen.635 Hier offenbart sich entsprechend eine Notwendigkeit zur Hinwendung zu den vorgelagerten Stufen, d. h. zu den Potenzial- und Prozessdimensionen eines Unternehmens. Der Relevanz dieser Rückkopplungseffekte zwischen den hier genannten Ebenen sowie deren Marktbezug lässt sich in dieser Konzeption veranschaulichen, wodurch dem Hinweis von BOURGEOIS nachgekommen wird, dass „[t]he central tenet in strategic management is that a match between environmental conditions and organizational capabilities and resources is critical to performance, and that a strategist’s job is to find and create this match.”636
Die bereits angesprochenen Rückkopplungseffekte zwischen den Entscheidungsebenen und deren Wettbewerbsumfelder bedürfen noch einmal einer gesonderten Berücksichtigung, denn durch die Einbezugnahme von verhaltenssteuernden Feedback-Loops lassen sich die bisher vernachlässigten diskretionären Entscheidungsspielräume der Unternehmensführung konzeptionell einbeziehen.637 Grundlage dafür bildet die realitätskonforme Annahme, dass die Faktor- und Absatzmärkte unvollkommen sind. Zentraler Bestandteil dieser Unvollkommenheit sind fehlende Informationen über die Wettbewerber und v. a. über die marktliche Entwicklung, was zu einer Unsicherheit über die zu verfolgende Strategie führt.638 Gleichzeitig stehen
634 Priem, R. L. / Butler, J. E. (2001): Is the Resource-based “View” a useful Perspective for Strategic Management Research? In: Academy of Management Review, Vol. 26, S. 22-40, hier: S. 31. 635
Vgl. auch Stewart, D. W. (1996): Managing Market Structure: Achieving Competitive Advantage and Market Dominance. In: Journal of Managerial Issues, Vol. 8, S. 13-24, hier: S. 21.
636 Bourgeois, L. J. (1985): Strategic Goals, perceived Uncertainty, and economic Performance in volatile Environments. In: Academy of Management Journal, Vol. 28, S. 548-573, hier: S. 548 (Hervorhebungen nicht im Original). 637 Vgl. auch Ackermann, R. (2003): Die Pfadabhängigkeitstheorie als Erklärungsansatz unternehmerischer Entwicklungsprozesse. In: Schreyögg, G. / Sydow, J. (Hrsg.): Managementforschung 13, Wiesbaden: Gabler, S. 225-255, hier: S. 235-245; March, J. G. (2006): Rationality, Foolishness, and adaptive Intelligence. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 201-214, hier: S. 202, 204-206 638 Vgl. auch Courtney, H. / Kirkland, J. / Viguerie, P. (1997): Strategy under Uncertainty. In: Harvard Business Review, Vol. 75, S. 67-79, hier: S. 68-70; Simon, H. A. (1993): Strategy and Organizational Evolution. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 131-142, hier: S. 134-137.
216
Unternehmen vor der großen Herausforderung, dass zukünftige Ereignisse größtenteils unscharf sind, d. h., dass die inhaltlichen Referenzpunkte in der Zukunft fehlen, woran eine Strategie inhaltlich auszurichten ist.639 Die Erfolgswirksamkeit einer gewählten bzw. zu wählenden Handlung kann somit nicht a priori vorhergesagt werden, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Unternehmen zu einem gewissen Zeitpunkt durchaus eine rationale Entscheidung treffen, die sich a posteriori jedoch als suboptimal herausstellen kann. Da jede Handlungsweise eine Markt- bzw. Wettbewerberreaktion hervorruft, sind Unternehmen erst im Nachhinein in der Lage, die Erfolgswirksamkeit einer spezifischen Aktivität über Rückkopplungseffekte zu beurteilen und entsprechend gegenzusteuern.640 Diese Ausführungen belegen, dass zur Erklärung von Performanzunterschieden zum einen statische Modelle unzulänglich sind, und dass es zum anderen erforderlich ist, Entscheidungsspielräume zu endogenisieren, da eine unvollständige Informationslage prinzipiell eine Reihe von second-best Handlungsalternativen nach sich zieht. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Unternehmen und deren Umfelder sowohl intra-, als auch interdependente, koevolutionäre Systempaare darstellen, die Unsicherheit und Unschärfe durch adaptive Gegensteuerung behandeln.641 Für die Erklärung des Unternehmenserfolges ist es somit erforderlich, diese dynamischen Verhaltensweisen zu konzeptionalisieren. Hilfreich ist hierzu die Exploration-Exploitations-Dichotomie von MARCH, die die Anpassungsprozesse von Unternehmen an sich verändernde Umweltherausforderungen zum Inhalt hat. Zur Bewältigung der Unsicherheits- und Unschärfeproblematik schlägt MARCH in Anlehnung an SCHUMPETER vor, bestehende Gewissheiten auszubeuten (Exploitation) sowie Unge-
639 Für eine umfassende Diskussion vgl. Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 211-221. 640 Vgl. z. B. Mintzberg, H. (1991): Crafting Strategy. In: Montgomery, C. A. / Porter, M. E. (Hrsg.): Strategy: Seeking and Securing Competitive Advantage. Boston: Harvard Business Press, S. 403-420, hier: S. 409f.. 641 Vgl. auch Hult, G. T. M. / Ketchen Jr., D. J. / Slater, S. F. (2005): Market Orientation and Performance. An Integration of disparate Approaches. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 1173-1181, hier: S. 1174f.; Jacobides, M. G. / Winter, S. G. (2005): The Co-Evolution of Capabilities and Transaction Costs: Explaining the Institutional Structure of Production. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 395-413, hier: S. 399-406; Lewin, A. Y. / Long, C. P. / Carroll, T. N. (1999): The Coevolution of New Organizational Forms. In: Organization Science, Vol. 10, S. 535-550, hier: S. 536-539; Pfeffer, J. / Salancik, G. R. (1978): The external Control of Organizations: A Resource Dependence Perspective. New York u. a.: Harper & Row, S. 4043; Sirmon, D. G. / Hitt, M. A. / Ireland, R. D. (2007): Managing Firm Resources in Dynamic Environments to create Value: Looking inside the Black Box. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 273-292, hier: S. 275f..
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wissheiten durch die kontinuierliche Suche nach neuen Unternehmens- und Marktpotenzialen (Exploration) zu begegnen.642 „Exploration includes things captured by terms such as search, variation, risk, taking, experimentation, play, flexibility, discovery, innovation. Exploitation includes such things as refinement, choice, production, efficiency, selection, implementation, execution.”643
Explorative Entscheidungshorizonte beinhalten demzufolge eine Experimentiertätigkeit in multiple Richtungen, wobei relativ wenige Kriterien vorliegen, welcher der verfolgten Experimentierstränge der erfolgversprechendere ist bzw. sich zukünftig auch im positiven Unternehmenserfolg widerspiegelt. Das hiermit verbundene experimentelle Lernen kanalisiert zum einen die Unschärfeproblematik, denn in diesem Zusammenhang lässt sich (spielerisch) ein Kontinuum über zukünftig mögliche Ereignisse entwickeln, deren Eintritt zwar ungewiss, über deren mögliche Existenz nun jedoch Informationen generiert werden können. Zum anderen lässt sich durch explorative Aktivitäten das Unsicherheitsproblem tendenziell entschärfen, da die Herbeiführung in der Zukunft liegender, jedoch bereits antizipierter Umweltzustände durch eigene Innovationen zeitlich beeinflusst bzw. sogar vorgezogen werden können, die als Ergebnis verschiedenartiger Experimente entstehen können. Im Kontrast dazu sind exploitative Entscheidungshorizonte zu sehen, die die Sicherung und den Ausbau einer bereits besetzen Marktposition oder Faktorausstattung in den Mittelpunkt des Interesses stellen. Exploitative Handlungen werden demnach immer dann anzutreffen bzw. dominierende Aktionsmuster sein, wenn sich über Rückkopplungseffekte abzeichnet, dass eine spezifische Aktivität zu einem gewünschten (oder sogar besseren) Ergebnis geführt hat. Insofern bestehen konkrete Selektionsmechanismen, die die Zielrichtung bzw. das Zielobjekt der Exploitation exakt definieren. Derartige Entscheidungsorientierungen sind folglich überwiegend gegenwartsbezogen und beinhalten somit einen relativ niedrigen Grad an Unsicherheit und Unschärfe. Nach MARCH zeichnen sich vor diesem Hintergrund anpassungsfähige (d. h. rückkopplungssensible, adaptive) Unternehmen nun dadurch aus, dass explorative und exploitative Handlungen in einem Gleichgewicht Anwendung finden, denn „… systems that engage in exploration to the exclusion of exploitation are likely to find that they suffer the costs of experimentation without gaining many of its benefits. …
642 Vgl. March, J. G. (1991): Exploration and Exploitation in Organizational Learning. In: Organization Science, Vol. 2, S. 71-87, hier: S. 71, March, J. G. (2006): Rationality, Foolishness, and adaptive Intelligence. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 201-214, hier: S. 205. 643 March, J. G. (1991): Exploration and Exploitation in Organizational Learning. In: Organization Science, Vol. 2, S. 71-87, hier: S. 71 (Hervorhebungen nicht im Original).
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Conversely, systems that engage in exploitation to the exclusion of exploration are likely to find themselves trapped in suboptimal stable equilibria. As a result, maintaining an appropriate balance between exploration and exploitation is a primary factor in system survival and prosperity.”644
Eine Unternehmung, die exploitativen Handlungen den Vorrang i. S. e. exzessiven Nennermanagements gibt, läuft somit Gefahr, in einer Stagnation zu verharren und maßgebliche Entwicklungen aus dem Blickfeld zu verlieren.645 Diese Handlungsorientierung wird folglich vom Rentensicherungsstreben bestimmt, wodurch jedoch die Basis für die Rentengeneration und infolgedessen auch für den Unternehmenserfolg entzogen wird. Dagegen führt eine Überbetonung explorativen Experimentierens i. S. e. übermäßigen Zählermanagements dazu, dass ein hohes Maß an Organizational Slack und eine Vielzahl von Realoptionen generiert werden, ohne die nötige Kompetenz zu besitzen, diese auch in marktfähige Produkte und Dienstleistungen übersetzen zu können.646 Gleichsam resultiert die damit einhergehende Dominanz des Rentengenerierungsgedankens in einer fahrlässigen Nichtbeachtung von appropriations- und protektionsorientierten Rentensicherungsmaßnahmen mit entsprechend negativen Einflüssen auf den Unternehmenserfolg. Insofern ist es für Unternehmen zwingend erforderlich, den richtigen Mix aus beiden Handlungsorientierungen zu finden, wobei erschwerend hinzukommt, dass Exploration und Exploitation einander ausschließende Orientierungsmuster sind, die (intern) um die gleichen Ressourcen konkurrieren.647 Dennoch, obwohl oder gerade weil beide Entscheidungsorientierungen Extrempunkte eines Kontinuums darstellen, so grenzen sie doch die Handlungsoptionen eines Unternehmens sinnvoll ab. Aus diesem Grund sollen sie in die folgende Diskussion Einbezug finden und jeweils in den identifizierten Entscheidungsebenen als Entscheidungsmerkmale integriert werden.
644 March, J. G. (1991): Exploration and Exploitation in Organizational Learning. In: Organization Science, Vol. 2, S. 71-87, hier: S. 71 (Hervorhebung nicht im Original). 645 Vgl. auch Kraatz, M. S. / Zajac, E. J. (2001): How Organizational Resources affect Strategic Change and Performance in Turbulent Environments: Theory and Evidence. In: Organization Science, Vol. 12, S. 632-657, hier: S. 634. 646 Vgl. March, J. G. (2006): Rationality, Foolishness, and adaptive Intelligence. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 201-214, hier: S. 205; Seisreiner, A. (1999): Management unternehmerischer Handlungspotenziale. Wiesbaden: DUV, S. 1-5; Seisreiner, A. (2006): Rationalität wertorientierter Managementkonzepte: Einordnung und kritische Wirkungsanalyse. Potsdam: Habilitationsschrift, S. 147f. 647 Vgl. Gupta, A. K. / Smith, K. G. / Shalley, C. E. (2006): The Interplay between Exploration and Exploitation. In: Academy of Management Journal, Vol. 49, S. 693-706, hier: S. 695; He, Z.-L. / Wong, P.-K. (2004): Exploration vs. Exploitation: An Empirical Test of the Ambidexterity Hypothesis. In: Organizational Science, Vol. 15, S. 481-494, hier: S. 482-484; Lovas, B. / Goshal, S. (2000): Strategy as Guided Evolution. In: Strategic Management Journal, Vol. 21, S. 875-896, hier: S. 881f..
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NICHTMARKT MARKT Kapital
Rohstoffe
Services
Infrastruktur
HR
Wissen
Technologie
INPUT 1
Akquisitionsentscheidungen
EXPLORATIV
TROUGHPUT
2
3
EXPLOITATIV
Transformationsentscheidungen
EXPLORATIV
„competence-based „competence-based competition“ competition“
EXPLOITATIV
Distributionsentscheidungen
EXPLORATIV
„resource-based „resource-based competition“ competition“
„market-based „market-based competition“ competition“
EXPLOITATIV
OUTPUT
Unternehmenserfolg
Abbildung 27: Das Gesamtkonzept »Wettbewerbsmanagement«648 Somit ergibt sich nun ein Gesamtbild über das Konzept »Wettbewerbsmanagement« (vgl. Abbildung 27), das sich durch drei leistungsorientierte Entscheidungsebenen auszeichnet, die jeweils eine explorative oder eine exploitative Ausprägung annehmen können. Darüber hinaus ist das System Unternehmung in zwei Wettbewerbsarenen (Markt und Nichtmarkt) eingebettet, wobei sich die marktliche Wettbewerbsarena vorwiegend über kompetitive Auseinandersetzungen auf den Faktor- und Absatzmärkten definiert. Die sich in diesem Zusammenhang vollziehenden Auseinandersetzungen werden im Folgenden Resource-based respektive Market-based Competition genannt und beschreiben die Effekte der Akquisitions- und Distributionsentscheidungen auf der Angebots- und Nachfrageseite eines Unternehmens. Darüber hinaus soll von diesen beiden „Wettbewerbsarten“ die Competence-based Competition unterschieden werden, die in der Tradition des kompetenzorientierten Ansatzes stehend die Equifinalität des Leistungserstellungsprozesses thematisieren kann, im Rahmen dessen diver-
648 Quelle: In Anlehnung an Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 52.
220
gierende Wege der Transformation eingeschlagen werden, die im Ergebnis wiederum zu konkurrierenden Technologien oder Organisationsformen führen können. Insgesamt zeigt sich hier, dass die Unternehmung und ihr Beziehungsgeflecht durch verschiedenartige Teilsysteme beschrieben wird, die jeweils intra- und intersystemisch in einem über Rückkopplungseffekte gesteuerten interdependenten Verhältnis zueinander stehen.
5.2.1 Akquisitionsentscheidungen und Resource-based Competition Wie bereits an anderen Stellen ausführlich beschrieben, ist der Ausgangspunkt eines jeden Leistungserstellungsprozesses zunächst das Vorhandensein spezifischer Ressourcen, die die Realisierung eines geplanten Produktionsprogramms erst ermöglichen. Vor diesem Hintergrund stellt die Entscheidung zur Akquisition bestimmter Ressourcen(bündel) eine erste Erklärungsvariable im System der Erfolgsgenerierung dar.649 Da alle Marktteilnehmer in diesem Punkt eine gleiche Zielfunktion aufweisen, wird durch Akquisitionsentscheidungen eine Resource-based Competition induziert, da die erforderlichen Produktionsfaktoren in der Regel knapp sind. Der ressourcenorientierten Argumentation folgend steht im Mittelpunkt der Akquisitionsentscheidungen das grundsätzliche Bestreben eines Unternehmens, strategisch wichtige bzw. kritische Produktionsfaktoren zu einem Preis unterhalb des aus der zukünftigen Verwendung resultierenden diskontierten Gegenwartswertes aneignen zu können.650 Da alle Marktteilnehmer ein solches Interesse verfolgen, entsteht eine wettbewerbliche Auseinandersetzung um die wertvollsten, d. h. als zukünftig erfolgskritisch erachteten Ressourcen auf den Faktormärkten. Die Intensität des Wettbewerbs um diese Ressourcen steht dabei folglich in Abhängigkeit von dem individuell erwarteten Zukunftswert des jeweilig im Fokus stehenden Inputfaktors. Je identischer (unterschiedlicher) diese Zukunftserwartungen sind, desto stärker werden Unternehmen bestrebt sein, explorative (exploitative) Akquisitionsstrategien zu ver-
649
Vgl. auch Schilling, M. A. / Steensma, H. K. (2002): Disentangling the Theories of Firm Boundaries: A Path Model and Empirical Test. In: Organization Science, Vol. 13, S. 387-401, hier: S. 387f..
650 Vgl. auch Barney, J. B. (1986): Strategic Factor Markets: Expectations, Luck, and Business Strategy. In: Management Science, Vol. 32, S. 1231-1241, hier: S. 1231f.; Barney, J. B. (1991): Firm Resources and Sustained Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 17, S. 99-120, hier: S. 101f.; Sirmon, D. G. / Hitt, M. A. / Ireland, R. D. (2007): Managing Firm Resources in Dynamic Environments to create Value: Looking inside the Black Box. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 273-292, hier: S. 273.
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folgen, um sich damit den Konsequenzen des Faktormarktwettbewerbs zu entziehen bzw. daraus resultierende Vorteile anzueignen.651 Exploitative Akquisitionsstrategien zielen grundsätzlich auf den Ausschluss der direkten Wettbewerber von dem Zugriff auf allgemein bzw. aktuell für wertvoll erachtete Ressourcen. Folglich fokussieren diese Strategien auf den Aufbau von Marktzugangsbarrieren, da dies die Unsicherheit über die zukünftige Ressourcenbasis sowie das Gewicht von einflussreichen Appropriationsregimen tendenziell verringert.652 Durch die Fähigkeit zum Zugriffs- bzw. Nutzungsausschluss durch bspw. langfristige Lieferverträge, durch die Vorwärtsintegration von Ressourcenlieferanten oder durch die Veranlassung von Handelsbarrieren, lassen sich durch die damit verbundenen relativen Preisvorteile ausstattungsinduzierte Effizienzgewinne realisieren.653 Die erfolgreiche Aneignung der Verfügungsrechte über strategische Inputfaktoren führt demnach zu vorteilhaften Faktormarktbedingungen, da der Zugriff der Wettbewerber beschränkt wird. In diesem Fall haben die zugriffsbeschränkenden Unternehmen den Vorteil, über aktuell erfolgskritische Ressourcen in ausreichendem Maße verfügen zu können, was einen Schutz der Vorteilsposition impliziert. Dagegen stehen explorative Akquisitionsentscheidungen eng im Zusammenhang mit der Suche nach neuartigen bzw. bislang nicht verwendeten Ressourcen, die bspw. durch die Identifizierung einer veränderbaren Ressourcenkombination für ein Unternehmen an strategischem Wert gewinnen, woraufhin die individuelle Zahlungsbereitschaft für traditionell konsumierte Inputs sinkt. MILLER nennt diese Ressourcen auch Asymmetrien, da diese nicht den „Qualitätskriterien“ erfolgskritischer Ressourcen entsprechen (vgl. VRIO-Klassifikation, Abschnitt 2.3.1), jedoch durch experimentelles Zusammenfügen einen erfolgskritischen Charakter er-
651
Vgl. auch Vgl. z. B. Gardner, T. M. (2005): Interfirm Comeptition for Human Resources: Evidence from the Software Industry. In: Academy of Management Journal, Vol. 48, S. 237-256, hier: S. 237f.; Kogut, B. / Kulatilaka, N. (2001): Capabilities as Real Options. In: Organization Science, Vol. 12, S. 744-758, hier: S. 744f..
652 Vgl. Cool, K. / Henderson, J. (1998): Power and Firm Profitability in Supply Chains: French Manufacturing Industry in 1993. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 909-926, hier: S. 911f.; Pfeffer, J. / Salancik, G. R. (1978): The external Control of Organizations: A Resource Dependence Perspective. New York u. a.: Harper & Row, S. 113-117. Vgl. auch: Caves R. E. / Porter, M. E. (1977): From Entry Barriers to Mobility Barriers: Conjectural Decisions and contrived Deterrence to new Competition. In: Quarterly Journal of Economics, Vol. 91, S. 241-261, hier: S. 242-247; Fink, R. C. / Edelman, L. F. / Hatten, K. J. / James, W. L. (2006): Transaction Cost Economics, Resource Dependence Theory, and Customer-Supplier Relationships. In: Industrial and Corporate Change, Vol. 15, S. 497-529, hier: S. 501-506; Porter, M. E. (1980): Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York u. a.: The Free Press, S. 17-23. 653 Vgl. auch Lippman, S. A. / Rumelt, R. P. (1982): Uncertain Imitability: An Analysis of Interfirm Differences in Efficiency under Competition. In: Bell Journal of Economics, Vol. 13, S. 418-438, hier: S. 419f..
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langen.654 Diese Ressourcen haben zum Zeitpunkt der Akquisition in der Regel einen geringen Preis (und auch Wert), weshalb die Rentenpotenziale im Falle einer erfolgreichen Ressourcenkombination sehr ergiebig sind. Die Fähigkeit zu innovativen Ressourcenarrangements führt somit zu vorteilhaften Faktormarktbedingungen, da die Konkurrenz um die neu benötigten Inputfaktoren tendenziell geringer sein wird, was die Aneignung dieser vor dem Hintergrund einer überdurchschnittlichen Preis-Wert-Disparität begünstigt.655 Zusammenfassend lassen sich demnach komparative Ausstattungsvorteile als Resultat einer erfolgreichen Auseinandersetzung auf dem Faktormarkt in explorativer und exploitativer Hinsicht begreifen. Entscheidend für den faktormarktlichen Wettbewerbserfolg ist somit der richtige Mix aus ressourcenerschließenden und zugriffsverwehrenden Akquisitionsentscheidungen. Entgegen der ressourcenorientierten Logik stehen folglich nicht nur das Vorhandensein wertvoller Ressourcen im Mittelpunkt des Ausstattungsvorteils, sondern auch die vom kompetenzorientierten Ansatz herausgestellte Fähigkeit zur Identifizierung, Aneignung und Weiterverwendung von potenziell erfolgskritischen Produktionsfaktoren.656
5.2.2 Transformationsentscheidungen und Competence-based Competition Wie im Verlauf dieser Arbeit bereits häufig deutlich wurde, hängt eine Akquisitionsentscheidung maßgeblich auch von der Ressourcenumwandlungsbefähigung eines Unternehmens ab. Entsprechend können die Auseinandersetzungen auf dem Faktormarkt und deren Wettbewerbs- bzw. Erfolgsimplikationen nicht losgelöst von der unternehmensindividuellen Logik der Leistungserstellung analysiert werden.657 Daher rücken nun die unternehmensinternen
654
Vgl. Miller, D. (2003): An Asymmetry-based View of Advantage: Towards an attainable Sustainability. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 961-976, hier: S. 962. DENRELL ET AL. haben sich mit einem ähnlichen Phänomen beschäftigt, nannten dies im Anschluss jedoch “strategische Opportunitäten”. Vgl. Denrell, J. / Fang, C. / Winter, S. G. (2003): The Economics of Strategic Opportunity. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 977-990, hier: S. 978. Vgl. auch Lippman, S. A. / Rumelt, R. P. (2003): A Bargaining Perspective on Resource Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 1069-1086, hier: S. 1082.
655
Vgl. auch Schilling, M. A. / Steensma, H. K. (2002): Disentangling the Theories of Firm Boundaries: A Path Model and Empirical Test. In: Organization Science, Vol. 13, S. 387-401, hier: S. 396f..
656 Vgl. auch Sirmon, D. G. / Hitt, M. A. / Ireland, R. D. (2007): Managing Firm Resources in Dynamic Environments to create Value: Looking inside the Black Box. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 273292, hier: S. 275. 657 Vgl. Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1994): Competing for the Future. Boston: Harvard Business School Press, S. 50-52; Sanchez, R. / Heene, A. (1996): A Systems View of the Firm in Competence-based Competition. In: Sanchez, R. / Heene, A. / Thomas, H. (Hrsg.): Dynamics of Competence-based Competition: Theory and Practice in the New Strategic Management. Oxford: Elsevier Pergamon, S. 39-62, hier: S. 46-49; Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Competence-based Strategic Management: Concepts and Issues for Theory, Research, and Practice. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 3-42, hier: S. 19-21.
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Transformationsentscheidungen als eine weitere Variable zur Erklärung von Wettbewerbserfolgen in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses. Analog zu den Akquisitionsstrategien lassen sich bei der Umwandlung von Ressourcen in vermarktbare Produkte und Dienstleistungen explorative und exploitative Transformationsentscheidungen unterscheiden, die wiederum ihrerseits – wie im kompetenzorientierten Ansatz expliziert – die Spielregeln im Wettbewerb (auch auf den vor- und nachgelagerten Stufen) entscheidend determinieren. Vor dem Hintergrund einer hohen Komplexität und einer damit verbundenen Unsicherheit und Unschärfe hinsichtlich der zukünftigen martklichen Entwicklungen, orientieren sich Transformationsentscheidungen allgemein an der Erhöhung des Grades strategischer Flexibilität von Leistungserstellungsprozessen.658 Somit stehen die Schaffung (Exploration) und die Ausbeutung (Exploitation) strategischer Optionen (bzw. Realoptionen) zur Überwindung aktueller und zukünftiger Wettbewerbsherausforderungen im zentralen Blickfeld diesbezüglicher Entscheidungsprozesse.659 Der Grad an strategischer Flexibilität wird dabei zum einen durch die Adaptionsfähigkeit der verfügbaren Ressourcenausstattung an die jeweiligen Wettbewerbsherausforderungen bestimmt (Ressourcenflexibilität) und zum anderen durch die unternehmenseigene Fähigkeit bzw. Kompetenz, diese Ressourcen einer neuen Verwendung zuführen zu können (Koordinationsflexibilität). Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Unternehmen beim Aufbau und bei der Einlösung von Realoptionen unterschiedlich erfolgreich sind, werden konkurrierende Pfade der Leistungserstellung eingeschlagen, die schlussendlich zu miteinander konkurrierenden Technologien, Produktionsprozessen und Wertschöpfungsketten führen.660 Transformationsentscheidungen können demnach entscheidend zum Wettbewerbserfolg eines Unternehmens beitragen, wenn ein effektives Optionsmanagement i. S. e. effektiven Aufbaus erfolgversprechender und Verwerfens nicht realisierbarer Hand-
658 Vgl. Lewin, A. Y. / Long, C. P. / Carroll, T. N. (1999): The Coevolution of New Organizational Forms. In: Organization Science, Vol. 10, S. 535-550, hier: 539-539; Sanchez, R. (1993): Strategic Flexibility, Firm Organization, and Managerial Work in Dynamic Markets: A Strategic Options Perspective. In: Advances in Strategic Management, Vol. 9, Greenwich: JAI Press, S. 251-291, hier: S. 268-273; Sanchez, R. (1995): Strategic Flexibility in Product Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 16, S. 135-159, hier: S. 135f.. 659 Vgl. z. B. Adner, R. / Levinthal, D. A. (2004): What is not a Real Option: Considering Boundaries for the Application of Real Options to Business Strategy. In: Academy of Management Review, Vol. 29, S. 74-85, hier: S. 74f.; Amram, M. / Kulatilaka, N. (1999): Real Options: Managing Strategic Investment in an uncertain World. Bostin: Harvard Business School Press, S. 5-12; Copeland, T. / Antikarov, V. (2001): Real Options: A Practitioner's Guide. New York u. a.: Texere, S. 5-24; Kogut, B. / Kulatilaka, N. (2001): Capabilities as Real Options. In: Organization Science, Vol. 12, S. 744-758, hier: S. 746f.; Trigeorgis, L. (1996): Real Options: Managerial Flexibility and Strategy in Resource Allocation. Cambridge, Mass.: MIT Press, S. 9-21. 660 Vgl. auch Kogut, B. / Kulatilaka, N. (2001): Capabilities as Real Options. In: Organization Science, Vol. 12, S. 744-758, hier: S. 749-751; Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1994): Competing for the Future. Boston: Harvard Business School Press, S. 177-193.
224
lungsoptionen betrieben wird.661 Unterstützung dazu können bspw. auch nichtmarktgerichtete Interventionen leisten, da diese zum einen den Optionsraum (m. a. W. die Menge denkbarer Handlungsalternativen) variieren oder die Eintrittswahrscheinlichkeit avisierter Zukunftsszenarien in positiver und negativer Hinsicht beeinflussen können.
5.2.3 Distributionsentscheidungen und Market-based Competition Im Rahmen der Leistungserstellungen sind eine superiore Ressourcenausstattung und einzigartige Kompetenzen wichtige Eckpfeiler des Unternehmenserfolges, jedoch reichen diese vorteilhaften Charakteristika allein nicht aus, wenn der Ressourcenumwandlungsprozess zu Ergebnissen führt, die keinen Kundennutzen stiften oder von den Konsumenten nicht wahrgenommen werden.662 Schlussendlich stehen Unternehmen daher auch absatzmarktlichen Wettbewerbsherausforderungen gegenüber, denen im Rahmen von strategischen Distributionsentscheidungen begegnet werden soll. Die Entwicklung einer vorteilhaften Absatzmarktstellung hängt eng mit der wahrgenommenen Wertschätzung der angebotenen Produkte und Dienstleistungen auf Kundenseite zusammen.663 Die Fähigkeit eines Unternehmens, Kundenbedürfnisse qualitativ besser als die Wettbewerber befriedigen und dies in dieser Form auch signalisieren zu können, bestimmt demnach den Wettbewerbserfolg auf dem Absatzmarkt.664 Grundlage absatzmarktlichen Er-
661
Vgl. Adner, R. / Levinthal, D. A. (2004): What is not a Real Option: Considering Boundaries for the Application of Real Options to Business Strategy. In: Academy of Management Review, Vol. 29, S. 74-85, hier: S. 7882.
662 Vgl. auch Adner, R. / Zemsky, P. (2006): A Demand-based Perspective on Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 215-239, hier: S. 234; Day, G. S. (1984): Strategic Market Planning: The Pursuit of Competitive Advantage. St. Paul, MN: West Publishing, S. 1-5; Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 10f.; Priem, R. L. (2007): A Consumer Perspective on Value Creation. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 219-235, hier: S. 219; Srivastava, R. K. / Fahey, L. / Christensen, H. K. (2001): The Resource-based View and Marketing: The Role of Market-based Assets in gaining Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 27, S. 777-802, hier: S. 783-787; Zeithaml, V. A. (1988): Consumer Perceptions of Price, Quality, and Value: A Means-End Model and Synthesis of Evidence. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 2-22, hier: S. 2f. 663 Vgl. z. B. Rindova, V. P. / Fombrun, C. J. (1999): Constructing Competitive Advantage: The Role of FirmConstituent Interactions. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 691-710, hier: S. 691f.; Zeithaml, V. A. (1988): Consumer Perceptions of Price, Quality, and Value: A Means-End Model and Synthesis of Evidence. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 2-22, hier: S. 2f. 664 Vgl. auch Priem, R. L. (2007): A Consumer Perspective on Value Creation. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 219-235, hier: S. 220; Slater, S. F. / Narver, J. C. (1998): Costumer-led and Market-oriented: Let’s not confuse the Two. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 1001-1006, hier: S. 1001; Vandenbosch, M. / Dawar, N. (2002): Beyond better Products: Capturing Value in Customer Interactions. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 44, S. 35-42, hier: S. 35f..
225
folges ist somit ein Angebot, das sich durch eine vergleichsweise hohe Preis-NutzenDisparität für die Konsumenten auszeichnet. Demzufolge sind Unternehmen bestrebt, existierende Zahlungsbereitschaften durch exploitative Distributionsentscheidungen auf Kosten der Konkurrenz abzuschöpfen und/oder potenzielle Bedürfnisse im Rahmen explorativer (Neu-)Positionierungen zu erschließen.665 Vor diesem Hintergrund verfolgen exploitative Entscheidungen vornehmlich das Ziel, im Rahmen des bestehenden Leistungserstellungsprozesses die aktuelle Stellung auf einem Absatzmarkt zu festigen bzw. weiter auszubauen.666 Daher zeichnen sich damit verbundene Aktivitäten durch eine hohe Nachfrageorientierung aus, deren Zweck die maximale Befriedigung existierender Kundenbedürfnisse ist. Zentraler Ansatz exploitativer Distributionsentscheidungen ist somit die Veränderung bzw. das Management der Entscheidungsregeln (decision rules) von Konsumenten.667 Die Entscheidungsregeln der Konsumenten spielen insofern eine große Rolle, da sie das Käuferverhalten dirigieren. So haben KAHNEMANN und TVERSKY nachgewiesen, dass positive Kauferlebnisse bei einem Konsumenten spezifische Referenzpunkte schaffen, an denen ein zukünftiger Anbieterwechsel gemessen wird.668 Konnte ein positiver Referenzpunkt gebildet werden, ist ein Anbieterwechsel relativ unwahrscheinlich, da Konsumenten eine sichere gegenüber einer unsicheren Kaufentscheidung vorziehen, auch wenn letztere einen relativen Nutzenzuwachs beim Konsumenten generieren würde.669 Neben der Exploitation bestehender Entscheidungsregeln auf
665 Vgl. z. B. Priem, R. L. (2007): A Consumer Perspective on Value Creation. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 219-235, hier: S. 227; Srivastava, R. K. / Fahey, L. / Christensen, H. K. (2001): The Resource-based View and Marketing: The Role of Market-based Assets in gaining Competitive Advantage. In: Journal of Management, Vol. 27, S. 777-802, hier: S. 785f.. 666
SLATER und NARVER bezeichnen derartige Entscheidungsprozesse auch als customer-led Orientierung eines Unternehmens. Vgl. Slater, S. F. / Narver, J. C. (1998): Costumer-led and Market-oriented: Let’s not confuse the Two. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 1001-1006, S. 1005f.
667 Vgl. z. B. Adner, R. / Zemsky, P. (2006): A Demand-based Perspective on Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 215-239, hier: S. 234f.; Haake, J. / Jolivet, P. (2001): Some Reflections on the Link between Production and Consumption for Sustainable Development. In: International Journal of Sustainable Development, Vol. 4, S. 22-32, hier: S. 24f.; Shoham, A. / Fiegenbaum, A. (1999): Extending the Competitive Marketing Strategy Paradigm: The Role of Strategic Reference Points Theory. In: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 27, S. 442-454, hier: S. 448; Stewart, D. W. (1996): Managing Market Structure: Achieving Competitive Advantage and Market Dominance. In: Journal of Managerial Issues, Vol. 8, S. 13-24, hier: S. 13; Vandenbosch, M. / Dawar, N. (2002): Beyond better Products: Capturing Value in Customer Interactions. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 44, S. 35-42, hier: S. 36f.. 668 Vgl. z. B. Kahneman, D. / Tversky, A. (1979): Prospect theory: An Analysis of Decision under Risk. In: Econometrica, Vol. 47, S. 263-291, hier: S. 263f.; Kahneman, D. / Tversky, A. (1982): The Psychology of Preferences. In: Scientific American, Vol. 246, S. 160-173, hier: S. 161; Kahneman, D. / Tversky, A. (1984): Choices, Values, and Frames. In: American Psychologist, Vol. 39, S. 341-350, hier: S. 341f.. 669
Vgl. auch Stewart, D. W. (1996): Managing Market Structure: Achieving Competitive Advantage and Market Dominance. In: Journal of Managerial Issues, Vol. 8, S. 13-24, hier: S. 17. Diesen Umstand beschreibt SIMON im Zusammenhang mit dem Satisficing-Phänomen, nach dem Konsumenten aufgrund begrenzter Rationalität ihre Suchanstrenungen tendenziell begrenzen und an dem Punkt eine Entscheidung treffen, wenn sie ein optimales
226
Konsumentenebene besteht für ein Unternehmen ferner die Möglichkeit, den Absatzmarkt bzw. dessen Marktteilnehmer durch Standardisierungen in den Zustand des Lock-In zu versetzen.670 In dieser Situation wird wiederum der Anbieterwechsel erschwert, da eine erfolgreiche Standardisierung Netzwerkeffekte verursacht, die zu prohibitiv hohen Wechselkosten führen.671 Im Idealfall führen all diese Entscheidungen zur Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und zum Ausschluss der Konkurrenten von den damit verbundenen Rentenpotenzialen. Auf der anderen Seite stehen bei den explorativen Distributionsentscheidungen Handlungsoptionen im zentralen Blickfeld, die das mögliche Leistungsspektrum in bisher nicht erschlossene Branchensegmente erweitern.672 Hierbei stehen demnach weniger nachfrage-, als vielmehr angebotsorientierte Handlungsoptionen zur Etablierung einer vorteilhaften Absatzmarktstellung im Mittelpunkt des Unternehmensinteresses. Inhalt derartiger Entscheidungen ist folglich der Versuch, Referenzpunkte bzw. Entscheidungsregeln zu generieren und zwar immer dort/dann, wo/wenn bisher noch keine Käuferpräferenzen existieren. Explorative Handlungsperspektiven fokussieren demzufolge auf Differenzierung sowie Segmentierung und die Schaffung neuer Präferenzen. Nach ALDERSONS Vorstellungen eines vollkommen heterogenen Marktes lässt sich jedem Konsumenten eine spezifische Präferenz und somit ein spezifisches Produkt zuweisen, das die Präferenzvorstellung vollkommen erfüllt.673 Der Alternativenraum für potenzielle Explorationen ist dieser Auffassung nach unendlich, weshalb
(und nicht maximales) Ergebnis realisiert sehen. Die Optimalität enstpricht dem Ausgleichspunkt von Aufwand und Nutzen der Suchanstrengungen. Vgl. Simon, H. A. (1957): Models of Man: Social and Rational. New York: John Wiley and Sons, Inc., S. 241-260; Simon, H. A. (1979): Rational Decision-Making in Business Organizations. In: American Economic Review, Vol. 69, S. 493-512, hier: S. 493-496. 670
Vgl. Arthur W. B. (1989): Competing Technologies, Increasing Returns, and Lock-In by Historical Events. In: Economic Journal, Vol. 99, S. 116-131, hier: S. 116; Arthur W. B. (1996): Increasing Returns and the new World of Business. In: Harvard Business Review, July-August, S. 100-109, hier: S. 101-103; David, P. (1986): Understanding the Economics of QWERTY: The Necessity of History. In: Parker, W. (Hrsg.): Economic History and the Modern Economist, Oxford: Blackwell, S. 30-49, hier: S. 30f.; Prahalad, C. K. / Hamel, G. (1994): Competing for the Future. Boston: Harvard Business School Press, S. 194-196.
671 Beispiele dafür sind QWERTY als Tastaturstandard oder das DOS-Betriebssystem. vgl. Arthur W. B. (1989): Competing Technologies, Increasing Returns, and Lock-In by Historical Events. In: Economic Journal, Vol. 99, S. 116-131; vgl. Arthur W. B. (1996): Increasing Returns and the new World of Business. In: Harvard Business Review, July-August, S. 100-109; David, P. (1986): Understanding the Economics of QWERTY: The Necessity of History. In: Parker, W. (Hrsg.): Economic History and the Modern Economist, Oxford: Blackwell, S. 30-49. 672
SLATER und NARVER bezeichnen diese Entscheidungsprozesse auch als market-led Orientierung eines Unternehmens. Vgl. Slater, S. F. / Narver, J. C. (1998): Costumer-led and Market-oriented: Let’s not confuse the Two. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 1001-1006, S. 1006.
673
Vgl. Alderson, W. (1965): Dynamic Marketing Behavior: A Functionalist Theory of Marketing, Homewood, IL: Richard D. Irwin, S. 23-51.Vgl. auch Stewart, D. W. (1996): Managing Market Structure: Achieving Competitive Advantage and Market Dominance. In: Journal of Managerial Issues, Vol. 8, S. 13-24, hier: S. 21.
227
Unternehmen in diesem Fall bspw. auf Co-Produktionen zurückgreifen müssen, um den Differenzierungsbemühungen eine Zielrichtung vorgeben zu können.674 Co-Produktionen verkörpern Anstrengungen zur kollaborativen Rentengenerierung, die sich dadurch auszeichnen, dass Produzenten und Konsumenten durch reziproken Informationsaustausch gemeinsam Renten generieren.675 Für Unternehmen ergibt sich hieraus der Vorteil, Einblick in die Präferenzstrukturen und Entscheidungsregeln der potenziellen Konsumenten zu nehmen und die zukünftige Angebotsstruktur entsprechend anzupassen.676 In diesem Zusammenhang wird wiederum die Verbindung zu den Transformationsentscheidungen deutlich, da sowohl explorativ, als auch exploitativ ausgerichtete Distributionsentscheidungen maßgeblich von den unternehmenseigenen Ressourcen bzw. Kompetenzen und damit von der Anpassungs- und Gestaltungsfähigkeit (strategische Flexibilität) des Leistungserstellungsprozesses (im Hinblick auf z. B. Kapazitätsausweitungen, Spezialisierung, Innovationen, Standardisierung) abhängen.677 Infolgedessen bedingen sich im Idealfall absatzmarktliche Chancen und unternehmensinterne Fähigkeiten gegenseitig.678 Je eher dies gewährleistet ist, desto wahrscheinlicher lassen sich Marktstellungsvorteile realisieren, die damit ihrerseits zum Wettbewerbserfolg beitragen können.
674 Vgl. Grün, O. / Brunner, J.-C. (2003): Wenn der Kunde mit anpackt – Wertschöpfung durch Co-Produktion. In: ZFO – Zeitschrift für Führung + Organisation, Jg. 72, S. 87-93, hier: S. 87-89; Prahalad, C. K. (2004): The Blinders of Dominant Logic. In: Long Range Planning, Vol. 37, S. 171-179, hier: S. 173; Prahalad, C. K. / Ramaswamy, V. (1999): Co-Opting Customer Competence. In: Harvard Business Review, Vol. 78, S. 79-87, hier: S. 81-84; Prahalad, C. K. / Ramaswamy, V. (2004): Co-Creating unique Value with Customers. In: Strategy & Leadership, Vol. 32, S. 4-9, hier: S. 5f.; Ramírez, R. (1999): Value Co-Production: Intellectual Origins and Implications for Practice and Research. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 49 65, hier: S. 49. 675 Vgl. auch Hult, G. T. M. / Ketchen Jr., D. J. / Slater, S. F. (2005): Market Orientation and Performance. An Integration of disparate Approaches. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 1173-1181, hier: S. 1174; Lado, A. A. / Boyd, N. G. / Hanlon, S. C. (1997): Competition, Cooperation, and the Search for Economic Rents. In: Academy of Management Review, Vol. 22, S. 110-141, hier: S. 120. 676 Vgl. auch Priem, R. L. (2007): A Consumer Perspective on Value Creation. In: Academy of Management Review, Vol. 32, S. 219-235, hier: S. 227-231. 677
Vgl. z. B. Rothaermel, F. T. / Hill, C. W. L. (2005): Technological Discontinuities and Complementary Assets: A Longitudinal Study of Industry and Firm Performance. In. Organization Science, Vol. 16, S. 52-70, hier: S. 65f.; Sanchez, R. / Heene, A. (1997): Competence-based Strategic Management: Concepts and Issues for Theory, Research, and Practice. In: Heene, A. / Sanchez, R. (Hrsg.): Competence-based Strategic Management. New York u. a.: John Wiley & Sons, S. 3-42, hier: S. 29f.
678 Vgl. z. B. Hall, R. (1993). A Framework Linking Intangible Resources and Capabilities to Sustainable Competitive Advantage. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 607-618, hier: S. 607f.; Zeithaml, V. A. (1988): Consumer Perceptions of Price, Quality, and Value: A Means-End Model and Synthesis of Evidence. In: Journal of Marketing, Vol. 52, S. 2-22, hier: S. 2f..
228
5.3 Implikationen der Wettbewerbsmanagement-Konzeption für die Bewertung des Unternehmenserfolges Die vorangegangene Diskussion zeigt deutlich, dass die Erzielung von Wettbewerbserfolgen nur im Rahmen einer vielschichtigen, interdependenten Sequenz von potenziellen Unternehmensvorteilen beschrieben werden kann, da sonst die Gefahr besteht, dass bestimmte (erfolgskritische) Parameter ausgeblendet werden.679 Der Unternehmenserfolg stellt sich somit als ein mehrdimensionales Phänomen dar, dessen Entstehung Aufschluss darüber gibt, inwiefern es einem Unternehmen gelungen ist, auf den einzelnen Ebenen der Leistungserstellung eine in exploitativer und/oder explorativer Hinsicht marktdominierende Stellung zu erlangen.680 STEWART veranschaulicht diesen interdependenten Zusammenhang sehr treffend, denn „[a] necessary condition for market dominance is the ability of the firm to influence the consumer’s decision rule. This demand-side factor … is not a sufficient basis for market dominance. Rather, the firm must be capable of maintaining and defending its influence in the face of competitive actions. This requires advantages on the supply-side, such as cost advantages or patents. [S]uch supply-side advantages [, however,] offer no means for influencing the consumer (and, hence, providing a competitive advantage) unless they are translated into some means of influence on the demand-side.”681
Durch die Zusammenführung der drei Ebenen der Leistungserstellung lassen sich demzufolge notwendige und hinreichende Bedingungen des Unternehmenserfolges unterscheiden. STEWART zufolge sind notwendige Erfolgsfaktoren auf der Nachfrageseite, also auf dem Absatzmarkt zu verorten, während hinreichende Erfolgsfaktoren auf den vorgelagerten Stufen zu suchen sind. Diese Feststellung lässt sich weiter konkretisieren, wenn die möglichen Wettbewerbs- bzw. Marktergebnisse der Entscheidungsebenen miteinander in Verbindung gesetzt werden (vgl. Abbildung 28).
679 Vgl. auch Wiggins, R. R. / Ruefli, T. W. (2005): Schumpeter’s Ghost: Is Hypercompetition making the best of Times shorter? In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 887-911, hier: S. 887f.. 680
Vgl. auch Powell, T. C. (2003): Varieties of Competitive Parity. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 61-86, hier: S. 61f.; Powell, T. C. / Lloyd, C. J. (2005): Toward a General Theory of Competitive Dominance: Comments and Extensions on Powell (2003). In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 385-394, hier: S. 385f.; Stewart, D. W. (1996): Managing Market Structure: Achieving Competitive Advantage and Market Dominance. In: Journal of Managerial Issues, Vol. 8, S. 13-24, hier: S. 22.
681
Stewart, D. W. (1996): Managing Market Structure: Achieving Competitive Advantage and Market Dominance. In: Journal of Managerial Issues, Vol. 8, S. 13-24, hier: S. 22.
229
Wettbewerbsfähigkeit
VORTEIL
PARITÄT
NACHTEIL
VORTEIL
MSV AV WFV
MSV AP WFV
MSV AN WFV
PARITÄT
MSP AV WFV
MSP AP WFV
MSP AN WFV
NACHTEIL
MSN AV WFV
MSN AP WFV
MSN AN WFV
Faktormarktbedingungen VORTEIL
Absatzmarktbedingungen
Absatzmarktbedingungen
Faktormarktbedingungen VORTEIL
PARITÄT
PARITÄT
NACHTEIL
MSV AV WFP
MSV AP WFP
MSV AN WFP
PARITÄT
MSP AV WFP
MSP AP WFP
MSP AN WFP
NACHTEIL
MSN AV WFP
MSN AP WFP
MSN AN WFP
VORTEIL
Absatzmarktbedingungen
Faktormarktbedingungen
VORTEIL
PARITÄT
NACHTEIL
VORTEIL
MSV AV WFN
MSV AP WFN
MSV AN WFN
MSV – Marktstellungsvorteil AV – Ausstattungsvorteil WFV – Wettbewerbsfähigkeitsvorteil
PARITÄT
MSP AV WFN
MSP AP WFN
MSP AN WFN
MSP – Marktstellungsparität AP – Ausstattungsparität WFP – Wettbewerbsfähigkeitsparität
NACHTEIL
MSN AV WFN
MSN AP WFN
MSN AN WFN
MSN – Marktstellungsnachteil AN – Ausstattungsnachteil WFN – Wettbewerbsfähigkeitsnachteil
NACHTEIL
Wettbewerbsfähigkeit
Abbildung 28: Dreidimensionale Wettbewerbspositions-Matrix682 Der Annahme folgend, dass der Unternehmenserfolg eine Sequenz strategischer Vorteilspositionen darstellt, lässt sich nun die Wahrscheinlichkeit marktüberdurchschnittlicher Wertschöpfung anhand spezifischer Wettbewerbskonstellationen ableiten.683 Zu diesem Zweck werden zunächst die unternehmensindividuellen Faktormarkt-, Wettbewerbsfähigkeits- und Absatzmarktbedingungen miteinander verknüpft. Der Unternehmenserfolg i. S. e. marktüberdurchschnittlichen Performanz erscheint nun am wahrscheinlichsten, wenn Unternehmen im
682 Quelle: Träger, S. (2006): Der Beitrag des strategischen Kompetenzmanagements zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. In: Burmann, C. / Freiling, J. / Hülsmann, M. (Hrsg.): Neue Perspektiven des Strategischen Kompetenz-Managements. Wiesbaden: DUV, S. 35-66, hier: S. 57. 683 Vgl. auch Bharadwaj, S. G. / Varadarajan, P. R. / Fahy, J. (1993): Sustainable Competitive Advantage in Service Industries: A Conceptual Model and Research Propositions. In: Journal of Marketing, Vol. 57, S. 83-99, hier: S. 84-86; Hunt, S. D. / Morgan, R. M. (1995): The Comparative Advantage Theory of Competition. In: Journal of Marketing, Vol. 59, S. 1-15, hier: S. 7f.; Träger, S. / Seisreiner, A. (2005): Corporate Advantage Revisited. Considering Comparative, Competitive and Nonmarket Aspects. In: ACCS Conference Proceedings. Vallendar, S. 20-26.
230
Rahmen der Akquisitionsentscheidungen komparative Ausstattungsvorteile (AV) realisieren, wenn die Transformationsentscheidungen den Wettbewerbserfordernissen entsprechend zu einer einzigartigen strategischen Flexibilität der Leistungserstellung führen (WFV) und wenn die Distributionsentscheidungen in einer beherrschenden Absatzmarktstellung resultieren (MSV). Dies impliziert, dass strategische Inputfaktoren zu einer großen Preis-Wert-Disparität beschafft, die Ressourcenumwandlungsprozesse auf der Basis adaptionsfähiger Technologien durchgeführt und die Leistungen zu einem vergleichsweise hohen Preis-Nutzen-Verhältnis angeboten werden können. In diesem (Ideal-)Fall haben Unternehmen auf allen (relevanten) Märkten eine insgesamt vorteilhafte Stellung verwirklicht (MSV, AF, WFV), was im Endeffekt die gleichzeitige Benachteiligung der Wettbewerber auf den jeweiligen Märkten impliziert (vgl. Matrize oben links in Abbildung 28). Entsprechend wird die Realisierung marktüberdurchschnittlicher Renditen umso unwahrscheinlicher, je eher eine der genannten Vorteilspositionen in Gefahr gerät, von einem Wettbewerber besetzt zu werden. Ein solches Risiko besteht immer dann, wenn ein Unternehmen auf abrupte exogene Schocks (z.B. Rohstoffkrisen, Wertewandel etc.) nicht adäquat reagieren kann. Derartige Veränderungen können im Extremfall soweit führen, dass durch das Zustandekommen eines einzigen Unternehmensnachteils eine Kettenreaktion ausgelöst wird, die zu Benachteiligungen auf allen drei Ressourcenumwandlungsebenen führt (MSN, AN, WFN; vgl. Matrize unten links in Abbildung 28).684 Bspw. können instabile Nachfragepräferenzen dazu führen, dass ein bis dahin einzigartig bedürfnisbefriedigender Leistungserstellungsprozess nicht mehr in der Lage ist, den veränderten Konsumentenwünschen gerecht zu werden, woraufhin sich einstmalige Wettbewerbsfähigkeitsvorteile (WFV) zu Wettbewerbsfähigkeitsparitäten (WFP) oder gar zu Wettbewerbsfähigkeitsnachteilen (WFN) umkehren. In dieser Situation behindern demnach ehemalige Kompetenzvorteile die Anpassung an die neuen Nachfragebedingungen mit entsprechend negativen Auswirkungen hinsichtlich der zukünftigen Absatzmarktbedingungen.685 Die Abmilderung einer solchen Entwicklung lässt sich dann nur über spezifische Gegenreaktionen auf derjenigen Entscheidungsebene initiieren, die die Krise durch suboptimale Entscheidungen zu verantworten hat. Die Interdependenz der Ent-
684
Vgl. z. B. Feddersen, T. J. / Gilligan, T. W. (2001): Saints and Markets: Activists and the Supply of Credence Goods. In: Journal of Economics and Management Strategy, Vol. 10, S. 149-171, hier: S. 149-151; Robertson, P. L. / Yu, T. F. (2001): Firm Strategy, Innovation and Consumer Demand: A Market Process Approach. In: Managerial and Decision Economics, Vol. 22, S. 183-199, hier: S. 183f..
685 Vgl. auch Leonard-Barton, D. (1992): Core Capabilities and Core Rigidities: A Paradox in Managing New Product Development. In: Strategic Management Journal, Vol. 13, S. 111-125, hier: S. 122; Levitt, B. / March, J. G. (1988): Organizational Learning. In: Annual Review of Sociology, Vol. 14, S. 319-340, hier: S. 322f..
231
scheidungsebenen und die aus der Mehrdimensionalität resultierende Fragilität des Unternehmenserfolges lassen sich somit relativ problemlos durch diese Gegenüberstellung abbilden. Obwohl der Unternehmenserfolg nun anhand konkreter Koordinaten abgeleitet werden kann, so bleiben jedoch bislang zwei Fälle aus den abbildbaren Verknüpfungen heraus nicht erklärbar: Zum einen kann dieses Matrizensystem mögliche Situationen nicht begründen, in denen MSV-AV-WFV-Unternehmen keine überdurchschnittliche Performanz aufweisen. Zum anderen bleibt die Gegenüberstellung eine Antwort für ein denkbares Szenario schuldig, in dem benachteiligte oder paritätisch aufgestellte Unternehmen dennoch marktüberdurchschnittliche Erfolge realisieren. Der Matrizenlogik nachkommend würde bei der erstgenannten Konstellation ein automatischer (Fehl-)Rückschluss auf den Unternehmenserfolg erfolgen, während im zweiten Fall eine solche Verbindung undenkbar wäre. Da dieses Problem nicht über die marktlichen Auseinandersetzungen zu erklären scheint, müssen wiederum die nichtmarktlichen Arrangements herangezogen werden, die zwar nicht direkt über den Ressourcenumwandlungsprozess, aber indirekt über die Veränderung der die Leistungserstellung beeinflussenden Rahmenbedingungen zu insgesamt vorteilhaften Wettbewerbszuständen beitragen können.686 Wie bereits ausführlich diskutiert, sind Unternehmen durchaus in der Lage, eine den eigenen Zielen dienliche Intensität der wettbewerblichen Auseinandersetzung durch Interventionen in den regulativen Entscheidungsprozess herbeizuführen. Je nach Interessenlage des Intervenierenden lassen sich hierbei wettbewerbsfördernde (z.B. Deregulierung, Privatisierung) und wettbewerbsvermeidende (Regulierung, Subventionen) Interventionsziele unterscheiden, die die Entscheidungsparameter auf der Akquisitions-, Transformations- und Distributionsebene und damit die Erfolgsgenerierung in den jeweiligen Wettbewerbsarenen maßgeblich beeinflussen. Im Extremfall bedeutet dies für den Unternehmenserfolg, dass eine marktüberdurchschnittliche Performanz nicht durch einzigartige Ausstattungs- oder Ressourcenumwandlungsfähigkeiten, sondern durch erfolgreiche nichtmarktliche Arrangements realisiert wird.687
686 Zur Hinzuziehung dieser Einflüsse wäre in Abbildung 28 eine vierte Dimension erforderlich, auf die jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet wurde. Am Grundschema dieser Darstellung würde sich dadurch nichts verändern. 687 Vgl. z. B. Baron, D. P. (1995): Integrated Strategy: Market and Nonmarket Components. In: California Management Review, Vol. 37, S. 47-65, hier: S. 50-54; Baron, D. P. (1995): The Nonmarket Strategy System. In: MIT Sloan Management Review, Vol. 37, S. 73-85, hier: S. 78f.; Baron, D. P. (1997): Integrated Strategy, Trade Policy, and Global Competition. In: California Management Review, Vol. 39, S. 144-169, hier: S. 150-153; Bresser, R. K. F. / Millonig, K. (2003): Institutional Capital: Competitive Advantage in Light of the New Institu-
232
Dies zeigt, dass Ausstattungs-, Kompetenz-, und Marktstellungsvorteile zwar für den Erfolg eines Unternehmens notwendige, keineswegs aber hinreichende Bedingungen sind.688 Insofern erfährt die von STEWART postulierte These, dass sich notwendige und hinreichende Erfolgsbedingungen auf der Nachfrage- und Angebotsseite einstellen, eine gewisse Relativierung. Durch den Einbezug der nichtmarktlichen Vorteilsgenerierung und deren Wirkung auf marktliche Vorteilspositionen in das Matrizensystem lässt sich abschließend erklären, warum vermeintlich benachteiligte Unternehmen dennoch als erfolgreiche Anbieter in Erscheinung treten können. Vor diesem Hintergrund kann schlussendlich festgehalten werden, dass der Aufbau einzelner Unternehmensvorteile strategisch sinnlos ist, wenn diese letzten Endes nicht zum Unternehmenserfolg beitragen können. Aus diesem Grunde sei abschließend nochmals betont, dass wettbewerbliche Vorteilspositionen und Unternehmenserfolg zwei völlig unterschiedliche und getrennt voneinander zu behandelnde Phänomene sind, die sich einander nicht zwangsläufig bedingen müssen.
5.4 Kritische Würdigung: Möglichkeiten und Grenzen des Wettbewerbsmanagements zur Evaluierung des Unternehmenserfolges Das hier vorgestellte Bewertungsraster stellt einen ersten Versuch dar, der in dieser Arbeit unterstellen Mehrdimensionalität des Unternehmenserfolges gerecht zu werden. Zusammenfassend lässt sich in diesem Zusammenhang konstatieren, dass der Unternehmenserfolg ein vielschichtiges, komplexes Phänomen ist, dessen Ursprung nicht auf der Basis monokausaler Argumentationsketten deduziert werden kann. Die unternehmensinternen und -externen Abläufe sind zu komplex, um in eindimensionalen Argumentationslinien erfassbar zu sein.689 Die Etablierung einer marktdominierenden Stellung kann auf eine einzelne, aber viel wahrscheinlicher auf eine Vielzahl strategischer Vorteilspositionen zurückzuführen sein, was aus den traditionellen Erklärungsmustern des strategischen Managements in dieser Weise bislang
tionalism in Organization Theory. In: Schmalenbach Business Review, Vol. 55, S. 220-241, hier: S. 226-230; Ginsberg, A. (1994): Minding the Competition: From Mapping to Mastery. In: Strategic Management Journal, Vol. 15, S. 153-174, hier: S. 170f.; Oliver, C. (1997); Sustainable Competitive Advantage: Combining Institutional and Resource Based Views. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 697-713, hier: S. 704-706. 688
Vgl. auch Powell, T. C. (2001): Competitive Advantage: Logical and Philosophical Considerations. In: Strategic Management Journal, Vol. 22, S. 875-888, hier: S. 875f.; Powell, T. C. (2002): The Philosophy of Strategy. In: Strategic Management Journal, Vol. 23, S. 873-880, hier: S. 876f..
689 Vgl. auch March, J. G. / Sutton, R. I. (1997): Organizational Performance as a Dependent Variable. In: Organization Science, Vol. 8, S. 698-706, hier: S. 700f.; Nicolai, A. / Kieser, A. (2002): Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs. In: Die Betriebswirtschaft (DBW), Vol. 62, S. 579596, hier: S. 591f..
233
nicht hervorgeht.690 Zur Überwindung dieses Missverhältnisses wurde hier ein alternativer Ansatz zur Bestimmung des Verhältnisses von Unternehmensvorteilen und dem Wettbewerbserfolg entwickelt, der die bisherigen Erkenntnisse des strategischen Managements synthetisiert. In dieser Konzeption wird ein Unternehmen als offenes, dynamisches und dreistufiges
Ressourcenumwandlungssystem
verstanden,
das
durch
kompetitive
Auseinanderstetzungen auf Märkten und Nichtmärkten nach erlöskritischen Vorteilen gegenüber den Wettbewerbern strebt. In diesem Zusammenhang wurde ersichtlich, dass die Realisierung einzelner strategischer Vorteilspositionen kein Garant für den Unternehmenserfolg darstellt, wenn diese im orchestrierten Zusammenspiel keine den Marktcharakteristika angepasste Vorteilssignatur aufweisen.691 Die durch ex post Rationalisierungen geleitete, monokausale Deduktion von etwaigen Vorteilspositionen, die auf der Basis temporärer Wettbewerbserfolge entstehen, kann somit nicht erkenntnisleitend sein. Auch wenn das Wettbewerbsmanagementkonzept die Vielzahl der Bestimmungsvariablen des Unternehmenserfolges veranschaulichen und in Verbindung bringen kann, so stellt es gleichwohl lediglich einen ersten Versuch dar, das Beziehungsgeflecht einer erfolgreichen Leistungserstellung insgesamt abzubilden. Vor diesem Hintergrund weist das juvenile Konzept naturgemäß Schwächen und Grenzen auf, deren Überwindung eine Aufgabe daran ansetzender Arbeiten sein könnte. So ist an dieser Stelle zu konstatieren, dass die hier vorgestellte Erfolgskonzeption an ihre Grenzen stößt, wenn Unternehmen betrachtet werden sollen, die sich in einem asymmetrischen Wettbewerb befinden.692 Asymmetrische Wettbewerbskonstellationen sind v. a. dadurch geprägt, dass die Wettbewerbsintensität bzw. das Wettbewerbsverständnis zwischen zwei Unternehmen nicht reziprok bzw. gleichgerichtet ist. D. h., dass die Zielrichtungen wettbewerblicher Auseinandersetzungen differieren können, so dass ein Unternehmen ein anderes als Konkurrenten, im umgedrehten Fall das andere Unternehmen erst-
690
Vgl. auch Powell, T. C. (2003): Varieties of Competitive Parity. In: Strategic Management Journal, Vol. 24, S. 61-86, hier: S. 61f.; Powell, T. C. / Lloyd, C. J. (2005): Toward a General Theory of Competitive Dominance: Comments and Extensions on Powell (2003). In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 385-394, hier: S. 385f.. Besonders anschaulich wird dieser Umstand bei einem Blick in die Lehrbücher der einzelnen Subdisziplinen der Betriebswirtschaftslehre, die in ihren Einleitungskapiteln jeweils konstatieren, dass der dargestellte Untersuchungsbereich einen, wenn nicht sogar »den« zentralen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung darstellt.
691 Vgl. auch Bharadwaj, S. G. / Varadarajan, P. R. / Fahy, J. (1993): Sustainable Competitive Advantage in Service Industries: A Conceptual Model and Research Propositions. In: Journal of Marketing, Vol. 57, S. 83-99, hier: S. 84-86. 692 Für eine umfassende Diskussion der damit verbundenen „Wettbewerbsarten“ vgl. Ketchen Jr., D. J. / Snow, C. C. / Hoover, V. L. (2004): Research on Competitive Dynamics: Recent Accomplishments and Future Challenges. In: Journal of Management, Vol. 30, S. 779-804.
234
genannten jedoch nicht als Wettbewerber ansieht.693 Zurückzuführen ist dieses Phänomen auf die Tatsache, dass (insbesondere diversifizierte) Unternehmen auf einer Vielzahl von unterschiedlichen Märkten miteinander im Wettbewerb stehen (sog. Multimarket Contact),694 wobei sich der jeweilige Wettbewerb durch eine divergierende Intensität auszeichnet.695 Die Definition eines Wettbewerbers und damit wer zu den Wettbewerbern zu zählen ist, differiert somit von Unternehmung zu Unternehmung sowie von Markt zu Markt, so dass die Referenzpunkte für einen paarweisen Vergleich oftmals schwammig bzw. falsch gewählt sein können. Paarweise Vergleiche sind jedoch zentraler Bestandteil bei der Evaluierung, ob ein Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb eine vorteilhafte oder benachteiligte Stellung innehat. Die in dieser Arbeit gewählte Konzeptionalisierung der Marktteilnehmer als begrenzt rationale Akteure führt nun also dazu, dass die dominante Logik der Unternehmensführung von einer rationalen Steuerung abweichen kann, was ebenfalls die divergierenden Perzeptionen bzw. kognitiven Repräsentationen (die Cognitve Maps bzw. Mind Sets)696 über den als relevant erachteten Wettbewerb(er) hervorruft.697 Zur Überwindung dieses Problems könnte wiederum
693
Vgl. z. B. Carpenter, G. S. / Cooper, L. G. / Hanssens, D. M. / Midgley, D. F. (1988): Modelling Asymmetric Competition. In: Marketing Science, Vol. 7, S. 393-412, hier: S. 393; Chen, M. J. (1996): Competitor Analysis and Interfirm Rivalry. In: Academy of Management Review, Vol. 21, S. 100-134, hier: S. 116; DeSarbo, W. S. / Grewal, R. / Wind, J. (2006): Who competes with whom? A Demand-based Perspective for identifying and representing asymmetric Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 101-129, hier: S. 101.
694 Vgl. z. B. Baum, J. A. C. / Korn, H. J. (1999): Dynamics of Dyadic Comeptitive Interaction. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 251-278, hier: S. 253-259; Gimeno, J. (1999): Reciprocal Threats in Multimarket Rivalry: Staking out ‘Spheres of Influence’ in the U.S. Airline Industry. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 101-128, hier: S. 102-107; Gimeno, J. / Woo, C. Y. (1996): Hypercompetition in a Multimarket Environment: The Role of Strategic Similarity and Multimarket Contact in Competitive De-Escalation. In: Organization Science, Vol. 7, S. 322-341, hier: S. 325f.; Gimeno, J. / Woo, C. Y. (1999): Multimarket Contact, Economies of Scope, and Firm Performance. In: Academy of Management Journal, Vol. 42, S. 239-259, hier: S. 239f.; Kalnins, A. (2004): Divisional Multimarket Contact within and between Multiunit Organizations. In: Academy of Management Journal, Vol. 47, S. 117-128, hier: S. 118-121; McGrath, R. G. / Chen, M.-J. / MacMillan, I. C. (1998): Multimarket Maneuvering in uncertain Spheres of Influence: Resource Diversion Strategies. In: Academy of Management Review, Vol. 23, S. 714-740, hier: S. 714f.. Für eine umfassende Diskussion des Phänomens »pluarlistischer Wettbewerb« vgl. Rasche, C. (2002): Multifokales Management. Strategien und Unternehmenskonzepte für den pluralistischen Wettbewerb. Wiesbaden: DUV, S. 235-260. 695
Dieses Phänomen ist z. B. auch darauf zurückzuführen, dass zwischen Unternehmen gleichzeitig sowohl kompetitive, als auch kooperative Beziehungen bestehen können. Dieses Interaktionshybrid wird gemäß BRANDENBURGER und NALEBUFF als Coopetition bezeichnet und beinhaltet die (sequentiellen oder simultanen) Bestrebungen zur Wettbewerbsvermeidung und Wettbewerbsförderung. Vgl. Brandenburger, A. M. / Nalebuff, B. J. (1997): Coopetition. New York u.a.: Doubleday , S. 28-39. 696 Vgl. Prahalad, C. K. / Bettis, R. A. (1986): The Dominant Logic: A new Linkage between Diversity and Performance. In: Strategic Management Journal, Vol. 7, S. 485-501; hier: S. 491. 697
Vgl. Ahuja, G. / Katila, R. (2004): Where do Resources come from? The Role of idiosyncratic Situations. In: Strategic Management Journal, Vol. 25, S. 887-907, hier: S. 890-893; DeSarbo, W. S. / Grewal, R. / Wind, J. (2006): Who competes with whom? A Demand-based Perspective for identifying and representing asymmetric Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 101-129, hier: S. 103; Gilbert, C. G. (2006): Change in the Presence of Residual Fit: Can Competing Frames Coexist? In: Organization Science, Vol. 17, S. 150-167, hier: S. 151-153; Grant, R. M. (1988): On ‘Dominant Logic’, Relatedness and the Link between Diversity and
235
die Annahme der vollständigen Information über das Marktgeschehen herangezogen werden, wodurch jedoch die diskretionären Handlungsspielräume der Unternehmen wieder ausgeblendet werden würden, die allerdings nachweislich – wie hier gezeigt werden konnte – einen großen Einfluss auf den Unternehmenserfolg ausüben. Insofern ist von der Rückbesinnung auf diese Annahme abzuraten, da sie entscheidende Parameter der unternehmerischen Erfolgsgenerierung von der Betrachtung ausschließen sowie zwangsläufig in eine partialanalytische Betrachtungsweise zurückführen würde. Einen ersten, weit weniger restriktiven Rahmen zur Überwindung dieser konzeptionellen Schwäche könnten die Arbeiten zu den strategischen Gruppen bieten,698 die asymmetrischen Wettbewerb explizit berücksichtigen. Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang die Herausforderung, eine exakte Grenzdefinition der strategischen Gruppe zu finden, denn innerhalb der Gruppen wird wiederum von einem symmetrischen Wettbewerb ausgegangen.699 Es formiert sich folglich erneut die Problematik der Referenzpunktbewertung, nun jedoch in etwas abgemilderter Form. Daher scheint diese Konzeption als Grundlage für die Entwicklung eines methodisch-validen paarweisen Vergleichs durchaus aussichtsreich, da die Auffassung von strategischen Gruppen Kriterien zur Bestimmung tendenziell gleichartiger und damit vergleichbarer Unternehmen liefern kann. Die in dem Zusammenhang mit den strategischen Gruppen bereits angedeutete Grenzziehungsproblematik ist eine weitere Schwäche des hier vorgestellten Wettbewerbsmanage-
Performance. In: Strategic Management Journal, Vol. 9, S. 639-642, hier: S. 639f.; Prahalad, C. K. / Bettis, R. A. (1986): The Dominant Logic: A new Linkage between Diversity and Performance. In: Strategic Management Journal, Vol. 7, S. 485-501; hier: S. 490f.; March, J. G. (1981): Footnotes on Organizational Change. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 26, S. 563-577, hier: S. 570f.; Rindova, V. P. / Fombrun, C. J. (1999): Constructing Competitive Advantage: The Role of Firm-Constituent Interactions. In: Strategic Management Journal, Vol. 20, S. 691-710, hier: S. 692; Simon, H. A. (1991): Bounded Rationality and Organizational Learning. In: Organization Science, Vol. 2, S. 125-134, hier: S. 132f.; Simon, H. A. (1964): On the Concept of Organizational Goal. In: Administrative Science Quarterly, Vol. 9, S. 1-22, hier: S. 14-20; Stephan, J. / Murmann, J. P. / Boeker, W. / Goodstein, J. (2003): Bringing Managers into Theories of Multimarket Competition: CEOs and the Determinants of Market Entry. In: Organization Science, Vol. 14, S. 403-421, hier: S. 405-408. 698 Vgl. z. B. Caves R. E. / Porter, M. E. (1977): From Entry Barriers to Mobility Barriers: Conjectural Decisions and contrived Deterrence to new Competition. In: Quarterly Journal of Economics, Vol. 91, S. 241-261; Cool, K. / Dierickx, I. (1993): Rivalry, Strategic Groups and Firm Profitability. In: Strategic Management Journal, Vol. 14, S. 47-59; Dranove, D. / Peteraf, M. / Shanley, M. (1998): Do Strategic Groups exist? An economic Framework for Analysis. In: Strategic Management Journal, Vol. 19, S. 1029-1044, hier: S. 1031-1033; MásRuiz, F. J. / Nicolau-Gonálbez, J. L. / Ruiz-Moreno, F. (2005): Asymmetric Rivalry between Strategic Groups: Response, Speed of Response, and ex ante vs. ex post competitive Interaction in the Spanish Bank Depsoit Market. In: Strategic Management Journal, Vol. 26, S. 713-745; McGee, J. / Thomas, H. (1986): Strategic Groups: Theory, Research and Taxonomy. In: Strategic Management Journal, Vol. 7, S. 141-160; Nath, D. / Gruca, T. S. (1997): Convergence across alternative Methods for forming strategic Groups. In: Strategic Management Journal, Vol. 18, S. 745-760. 699 Vgl. auch DeSarbo, W. S. / Grewal, R. / Wind, J. (2006): Who competes with whom? A Demand-based Perspective for identifying and representing asymmetric Competition. In: Strategic Management Journal, Vol. 27, S. 101-129, hier: S. 104.
236
ments. In dieser Konzeption werden Unternehmen als offene, prozessgeleitete ITO-Systeme verstanden, was gleichbedeutend ist, dass die Grenzen der Unternehmung durch den Umfang der Leistungserstellung definiert werden. Das ist, in der Tat, eine recht allgemeine Grenzziehung und stellt das Ergebnis des Versuchs dar, einen genügend breiten Rahmen für eine muliparadigmatische Sichtweise über den Unternehmenserfolg bieten zu können. Damit wird die Unterscheidung der Systeme »Unternehmung« und »Umwelt« insbesondere dann schwierig, wenn die Leistungserstellung z. B. maßgeblich durch nichtmarktliche Interventionen bestimmt wird.700 Die Zuordnung der (realen) Ertragskraft zu einer Ebene der Leistungserstellung wäre in diesem Fall schwierig, da die Kausalität des Unternehmenserfolges hier nicht zweifelsfrei eruierbar ist. D. h., durch die Modellierung einer Unternehmung als offenes System, ist deren Grenzziehung grundsätzlich temporär und folglich von Fall zu Fall bzw. von Markt zu Markt unterschiedlich. Aus diesem Grund scheint es erforderlich, eine auf dem Prozessgedanken der ITO-Systematik aufbauende, jedoch konkretere Grenzziehungskonzeption zu entwickeln, was ebenfalls unmittelbare, positive Effekte für die Durchführbarkeit von paarweisen Vergleichen impliziert. Einen wichtigen Ansatzpunkt dazu können die Ausführungen von SANTOS und EISENHARDT bilden, nach denen vier Vorstellungen über die Grenzziehung zwischen Unternehmung und Umwelt unterschieden werden können (vgl. Abbildung 29).701
700 Vgl. auch Pfeffer, J. / Salancik, G. R. (1978): The external Control of Organizations: A Resource Dependence Perspective. New York u. a.: Harper & Row, S. 29-32. 701 Vgl. Santos, F. M. / Eisenhardt, K. M. (2005): Organizational Boundaries and Theories of Organization. In: Organization Science, Vol. 16, S. 491-508. Für eine alternative, aber ähnliche Argumentation vgl. Garrouste, P. / Saussier, S. (2005): Looking for a Theory of the Firm: Future Challenges. In: Journal of Economic Behavior & organization, Vol. 58, S. 178-199; Koza, M. P. / Thoenig, J.-C. (2003): Rethinking the Firm: Organizational Approaches. In: Organization Studies, Vol. 24, S. 1219-1229.
237
Transaktionskostenorientierte Grenzziehung
Machtorientierte Grenzziehung
Unternehmung Regierung Wettbew.
Partner M a r k t
M a r k t Machtgrenze Rechtsgrenze
Spezifische Aktivität
Transaktion
Kompetenzorientierte Grenzziehung
Strategische Kontrolle
Strategische Abhängigkeit
Identitätsorientierte Grenzziehung Umwelt
Markt A
Identitätsstiftung
M a r k t
pot. Markt B
Markt C
Rechtsgrenze
Rechtsgrenze
Identitätsgrenze Ressource Ressourcenverbindung
Ressourcenraum Ressourcenapplikation
Gruppenaktivität
Gruppeninteraktion
Abbildung 29: Unterschiedliche Grenzziehungskonzeptionen702 SANTOS und EISENHARDT zufolge ist die Verinnerlichung der unterschiedlichen Darstellungsmöglichkeiten unternehmerischer Grenzen zwingend erforderlich, da „… the conceptions are not only lenses to view demarcation of the organization from the environment, but are also distinct reflections of the essence of internal organization.”703
So zeigen beide Autoren im Zusammenhang mit der transaktionskostenorientierten Grenzziehung, dass die interne Organisation einer Unternehmung Spiegelbild von (effizienzorientierten) „make or buy“ Entscheidungen ist, während im Rahmen der Machtorientierung die Strukturierung aus den Erfordernissen zur Machtausübung sowie -erweiterung auf die Umwelt entsteht. Davon wiederum zu unterscheiden sind die Strukturergebnisse einer überwiegenden Kompetenzorientierung, die Folge einer marktlichen Verwertbarkeit der Ressourcenausstattung darstellen, wie sie bereits im Abschnitt 2.4.1 dekliniert werden konnten. Die
702 Quelle: in Anlehnung an Santos, F. M. / Eisenhardt, K. M. (2005): Organizational Boundaries and Theories of Organization. In: Organization Science, Vol. 16, S. 491-508, hier: S. 492, 495, 497, 500. 703 Santos, F. M. / Eisenhardt, K. M. (2005): Organizational Boundaries and Theories of Organization. In: Organization Science, Vol. 16, S. 491-508, hier: S. 492 (Hervorhebungen nicht im Original).
238
strukturellen Merkmale, die aus einer identitätsorientierten Grenzziehung resultieren, fokussieren dagegen stärker auf den institutionellen Charakter einer Unternehmung, nach dem die Grenzen einer Unternehmung Ausdruck von Sinneswahrnehmungen der Unternehmensmitglieder bzw. einer Sinngemeinschaft sind. Derartige Überlegungen über die Unternehmensstruktur führen in der Konsequenz nun dazu, dass den strategischen Handlungsräumen jeweils divergierende Zielhorizonte zugrunde liegen. So argumentieren SANTOS und EISENHARDT, dass die effizienzorientierten Grenzziehungen Entscheidungen in den Vordergrund stellen, die überwiegend taktischer Natur sind (Struktur- bzw. Governance-Entscheidungen), während die Handlungsfelder der drei anderen Konzeptionen vornehmlich strategische Ziele wie Wachstum und Marktdominanz verfolgen.704 Da diese Grenzziehungskonzepte für die Beschreibung von Unternehmen von großer Relevanz sind und folglich ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Charakteristik des Unternehmenserfolges ausüben, bedarf es zukünftig einer Erweiterung bzw. Verfeinerung der ITO-Systematik um die Problematik exakter Grenzziehung. Neben den hier skizzierten Hauptschwächen des vorgestellten Konzeptes lassen sich gewiss weitere anfügen, die sich im Kern jedoch auf diese Ausführungen zurückführen lassen. Das betrifft z. B. die Berücksichtigung kooperativer Erfolgsgenerierung, den Prozess der Kompetenzentwicklung (individuell und organisatorisch) oder auch die Bewertbarkeit von z. B. Fähigkeitsvorteilen, die in dieser Form sicherlich aufwendig zu konzeptionalisieren sein werden.705 Diese Grenzen und Schwächen sind offensichtlich und stellen das Ergebnis eines ersten, vorsichtigen Zusammenfügens ehemals isolierter Denkansätze dar, was naturgemäß eine weitere Verfeinerung zwingend erfordert. Insofern war das hauptsächliche Ziel dieser Arbeit nicht dem Anspruch auf Vollständigkeit nachzukommen, sondern den Grundstein für eine alternative Denkrichtung zu legen, der die Erklimmung einer höherliegenden Evolutionsstufe des Wissenschaftsprogramms zum strategischen Management von Unternehmen mglw. gestattet. In diesem Zusammenhang sei daher (und die hier vorgetragene Argumentation unterstützend) abschließend auf VON HAYEK verwiesen, der völlig zutreffend bekennt, dass „[e]ines der wichtigsten der bisher durch theoretische Arbeit … erreichten Ergebnisse scheint … der Nachweis zu sein, dass … die konkreten Umstände, von denen die individuellen Ereignisse abhängen, in der Regel so zahlreich sind, dass wir sie praktisch nie alle ermitteln können und das folglich nicht nur das Ideal „Voraussage und Kontrolle“ weit-
704 Vgl. Santos, F. M. / Eisenhardt, K. M. (2005): Organizational Boundaries and Theories of Organization. In: Organization Science, Vol. 16, S. 491-508, hier: S. 492. 705 Einen Überblick über diese Problematik und mgl. Lösungsansätze dazu gibt z. B. Hussey, D. (1998): Sources of Information for Competitor Analysis. In: Strategic Change, Vol. 7, S. 343-356.
239
gehend unerreichbar ist, sondern auch die Hoffnung, wir könnten durch Beobachtung regelmäßige Beziehungen zwischen den individuellen Ereignissen entdecken, illusorisch bleibt.“706
706
Hayek, F. A. von (1972): Die Theorie komplexer Phänomene. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), S. 25 (Hervorhebung nicht im Original).
240
6 Zusammenfassende Schlussbetrachtung und Ausblick auf den Beitrag des Wettbewerbsmanagement-Konzepts zur Fortentwicklung des strategischen Managements In dieser Arbeit wurde das Ziel verfolgt, die zentrale Kernhypothese des strategischen Managements, dass Wettbewerbsvorteile einen einzigartigen Unternehmenserfolg erzeugen, einmal einer genauen Untersuchung zu unterziehen. Der Grund für die Auseinandersetzung mit diesem Thema liegt in dem Phänomen begründet, dass aktuell kaum Veröffentlichungen nachweisbar sind, die nicht dieser mutmaßlichen Ursache-Wirkungs-Beziehung folgen. Die damit verbundene Omnipräsenz stellt für sich gesehen noch kein gravierendes Problem dar. Allerdings ist kritisch zu beurteilen, dass diese Hypothese über den Verweis auf MICHAEL E. PORTER und andere Gründungsväter hinaus keine Herleitung findet. Ihre Existenz wird nicht hinterfragt bzw. nach Bestimmungsgründen gesucht, die die Verwendung tatsächlich rechtfertigen würden. Im Gegenteil, die scientific community folgt dieser Doktrin wie die Lemminge dem ungehörten Aufruf zu einer kollektiven Wanderung. Vor diesem Hintergrund ist auch die Motivation zur Entwicklung des Konzepts »Wettbewerbsmanagement« zu sehen, das einen weiteren Versuch darstellt, das Bewusstsein über die Verfolgung vermeintlich gesicherter Erkenntnisse zu schärfen. Ein solches Bewusstsein scheint im Anschluss an die Ergebnisse aus der problemorientierten Bestandsaufnahme zum strategischen Management umso wichtiger, denn unser Forschungsprogramm läuft zunehmend Gefahr, ein ähnliches Schicksal zu ereilen, das die Lemminge am Ende ihrer Reise erwartet: einen Sturz von der Klippe. Um eine solche Situation zu vermeiden, ist es entsprechend wichtig, abschließend noch einmal die Ergebnisse und damit die Relevanz dieser Arbeit zusammenfassend zu verdeutlichen. Damit die Richtigkeit der hier untersuchten Kausalbeziehung überprüft werden konnte, wurde damit begonnen, die beiden konstituierenden Variablen zunächst getrennt voneinander inhaltlich zu erschließen. Zur Kontextbildung wurden die drei populärsten Denkschulen des strategischen Managements herangezogen und im Hinblick auf die jeweilige Variablenverwendung untersucht. In diesem vergleichenden Zusammenhang konnte herausgestellt werden, dass Wettbewerbsvorteilen jeweils unterschiedliche Ursachen zugewiesen werden können, woraufhin ein uneinheitliches Bild über die tatsächlichen Entstehungsgründe gezeichnet werden konnte. So sieht der RBV die Ursachen von Wettbewerbsvorteilen in der Ressourcenausstattung, der CBV in den unternehmerischen Kompetenzen und der MBV in den bearbeiteten Marktsegmenten begründet. Obwohl sich diese Ansätze mit dem gleichen Phänomen beschäftigen, so kommen sie doch zu divergierenden Ansichten über die Gründe der Genese. Ferner 241
hat sich hierbei herausgestellt, dass die generischen Denkschulen dem Wettbewerbsvorteil selbst überwiegend keine Beachtung schenken, denn Anstrengungen zu einer terminologischen Konkretisierung lassen sich nur vereinzelt nachweisen. Paradoxerweise wird demnach eine Erscheinung untersucht, über deren Wesensmerkmale bislang kaum etwas ausgesagt werden kann. Vor diesem Hintergrund erschien es notwendig, die Bedeutung des Wettbewerbsvorteils in den generischen Ansätzen jeweils selbst zu erschließen. Eine methodische Hilfestellung dazu lieferte die Semantik, deren Erklärungshorizont die Intensionen der verwendeten Sprache umfasst. Im Zusammenhang mit der semantischen Analyse des sprachlichen Zeichens »Wettbewerbsvorteil« konnte herausgearbeitet werden, dass ein und dasselbe Zeichen unterschiedlich bezeichnet. Die in den Denkschulen vermittelten Intensionen weichen folglich erheblich voneinander ab. Aus diesem Grund wurde der Wettbewerbsvorteil auch als leere Worthülse tituliert, da ein Begriff, um als solcher so bezeichnet zu werden, auf einen konkreten Zustand in der außersprachlichen Wirklichkeit Bezug nehmen muss. Das ist im strategischen Management allerdings nicht der Fall, da in diesem Zusammenhang von positionierungsinduzierten (MBV), von ausstattungsinduzierten (RBV) sowie von fähigkeitsinduzierten Alleinstellungsmerkmalen gesprochen wird. Aus Gründen der Sprachhygiene wurde daher konstatiert, von dem Wort »Wettbewerbsvorteil« sinnvollerweise Abstand zu nehmen und stattdessen auf Positionierungs-, Ausstattungs- oder Fähigkeitsvorteile zu rekurrieren, da diese Begriffe den jeweiligen Intensionen entsprechen. Im Zusammenhang mit dem sprachlichen Zeichen »Unternehmenserfolg« konnte zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen werden, denn in den generischen Ansätzen enthält auch dieses Phänomen divergierende Intensionen. Das äußert sich v. a. darin, dass sich der Unternehmenserfolg im RBV auf eine Knappheitsrente, im MBV auf eine Monopolrente und im CBV auf eine Innovationsrente bezieht. Wie im Fall des Wettbewerbsvorteils wurde auch hier geschlussfolgert, dass eine sprachlich differenzierte bzw. mehrdimensionale Betrachtungsweise des Unternehmenserfolges notwendig erscheint. Im Anschluss an die semantische Analyse der hier untersuchten sprachlichen Zeichen konnte dann überprüft werden, inwiefern die Kernhypothese des strategischen Managements in der aktuellen Form einen konkreten Sachverhalt in der außersprachlichen Wirklichkeit bezeichnet. Als ein in diesem Zusammenhang dienliches Instrument hat sich die Logik herausgestellt, mit Hilfe derer die Gültigkeit der Aussagenverbindung untersucht wurde. Bei der logischen Zerlegung dieser Aussage hat sich nun herausgestellt, dass sie (syntaktisch) sinnwidrig ist und sich aus ihr ein gravierender Widerspruch ableiten lässt. Das hat sich darin geäußert, dass die Aussagenverbindung in dieser Form einen Unternehmenserfolg als Ergebnis von Wettbe242
werbsvorteilen (gleich welcher Art), aber auch von Wettbewerbsnachteilen sieht. Diese logische Inkonsistenz ließe sich aus rein sprachlichen Gesichtspunkten relativ einfach überwinden. Jedoch stellt das Ergebnis der logischen Analyse eine schwerwiegende Schieflage für das strategische Management dar, denn das Phänomen »Wettbewerbsnachteil« spielt in der Modellwelt der generischen Ansätze keine Rolle. Denn, wie sich vor diesem Hintergrund herausgestellt hat, wird die Existenz von nachteiligen Wettbewerbspositionen definitorisch ausgeblendet. Somit basiert die Kernhypothese des strategischen Managements auf einer definierten Wirklichkeitslogik, nach der die Wahrheitswerte dieser Aussage a priori vorgegeben sind. Insofern versuchen die generischen Ansätze eine analytische Aussage auf ihre Gültigkeit in der außersprachlichen Wirklichkeit hin zu kontrollieren, die jedoch de facto wegen des definierten Wahrheitswertes empirisch nicht überprüft werden kann. Analytische Aussagen werden somit als synthetische Aussagen behandelt, was aus wissenschaftstheoretischer Sicht sehr kritisch zu sehen ist. Zur Überwindung dieser erheblichen Defizite wurde vorgeschlagen, die definierte Wirklichkeitslogik dieser Aussagenverbindung aufzugeben und eine der Gesamtheit aller empirischen Eventualitäten gerecht werdende Hypothesenbildung zuzulassen. Die später genauer untersuchte konzeptionelle Trennung von Vorteilspositionen und dem Unternehmenserfolg erscheint vor diesem Hintergrund als ein erster wichtiger Schritt, denn es fehlen derzeit valide Wahrheitswerte für die untersuchten Variablen. Erst durch die Identifizierung der jeweiligen Wahrheitswerte wird es möglich, eine implikative Varibalenverknüpfung vorzunehmen und der Entwicklung von Kausalitätsmythen bzw. Performanzparadoxien vorzubeugen. Der abschließende Teil der Bestandsaufnahme zum Wesen des Wettbewerbsvorteils im strategischen Management widmete sich den Handlungsempfehlungen bzw. den Implikationen, die sich aus dieser (empirisch nicht validen) Aussagenverbindung für die Forschungsgemeinschaft ergeben haben. Im Rahmen der hier vorgenommenen pragmatischen Analyse wurde skizziert, dass der definierte Zusammenhang zwischen Wettbewerbsvorteilen und Unternehmenserfolgen einen Vorteil = Erfolg-Automatismus generiert hat, was zu dem perfiden Schluss führt, dass einer erfolgreichen Unternehmensperformanz prinzipiell eine Vorteilsposition ursächlich zugrunde liegt. Die postulierten conduct-performance Hypothesen basieren somit auf ex post Rationalisierungen, die in den performance-conduct Interpretationen bzw. Vermutungen ihren Ursprung haben. Das strategische Management zeichnet sich somit durch einen starken Sample-Bias aus, nach dem lediglich erfolgreiche Unternehmen von Interesse sind, da, per definitionem, nicht erfolgreiche Unternehmen keine Vorteilspositionen aufweisen können. Entsprechend bedeutungslos sind Misserfolge für die Bewertung von Wettbe243
werbsvorteilen, was allerdings paradoxerweise dazu führt, dass ein Vorteil ohne einen (negativen) Referenzpunkt seinen inhaltlichen Sinn verliert. Ungeachtet dessen werden erfolgreichen Unternehmen Vorteilspositionen zugewiesen, wobei nun zwischen den generischen Ansätzen lediglich Dissens in der Hinsicht besteht, welcher der vielzähligen Wesensmerkmale einer Unternehmung der tatsächlich erfolgskritische Parameter ist. Da in diesem Zusammenhang kaum eine allgemeingültige Aussage abgeleitet werden kann, wird sich damit beholfen, Unternehmen als univariable Gebilde darzustellen, was die Anzahl möglicher Erfolgsquellen signifikant verringert. Da darüber hinaus eine Rationalität bei der Ausbeutung der Vorteilspositionen unterstellt wird, lässt sich ein einfaches Bild über die Ursachen des Unternehmenserfolges zeichnen, da Entscheidungsfreiräume in dieser Diktion ausgeblendet werden können. Vor diesem Hintergrund werden Unternehmensentscheidungen und daran anschließende Aktivitäten zur Erfolgsgenerierung demnach als simples Market-, Resource- oder CompetencePicking modelliert. Derartige Aussagesysteme erweisen sich jedoch aus pragmatischen Gesichtspunkten wenig zweckdienlich, denn diese Handlungszusammenhänge sind weder empirisch robust, noch beherbergen sie einen instrumentellen Wahrheitswert, denn die Praktikabilität dieser Ursache-Wirkungs-Beziehung ist für den Erkenntnisfortschritt unter derart restriktiven Axiomen nicht gegeben. Aus dieser programmatischen Schieflage heraus ist die Entwicklung des Konzeptes »Wettbewerbsmanagement« zu sehen, das neben den hier genannten Aspekten eine Vielzahl an weiteren Problemzonen des strategischen Managements behandelt, die im Zusammenhang mit dieser Arbeit herausdestilliert werden konnten. Grundlage für diese Alternativkonzeption bilden insgesamt vier Basisentscheidungen, die als Eckpfeiler zu verstehen sind, die den „Schieflagenbezug“ insgesamt eingrenzen. Zu diesen Basisentscheidungen zählt zunächst die Berücksichtigung der Vielschichtigkeit des unternehmerischen Leistungserstellungsprozesses, die im Rahmen der GUTENBERGschen ITO-Systematik grundlegend abgebildet werden kann. Mit dieser allgemeinen Darstellung von Unternehmen als dreistufige Ressourcenumwandlungssysteme konnte gleichzeitig ein identitätsstiftendes Rahmenwerk konstruiert werden, in dem die als sinnvoll erachtete multiparadigmatische Sichtweise der Erfolgsgenerierung gewahrt werden kann. Die Entscheidung zur Beibehaltung einer pluralistischen Forschungsperspektive ist Resultat der Auffassung, dass weder ein aktuell verfolgter Ansatz, noch ein (alternatives) strikt holistisches Konzept dem Facettenreichtum des Unternehmenserfolges insgesamt gerecht werden kann. Daher wurde in diesem Zusammenhang konstatiert, dass die unterschiedlichen Paradigmen einer Synthese bedürfen, denn die Auffassung, dass Paradigmen inkommensurabel sind, konnte durch die Einnahme einer (spracherlernenden) Binnenperspektive 244
widerlegt werden. Darüber hinaus kann durch den Verweis auf die Syntheseeigenschaft gewährleistet werden, dass der „Wildwuchs der Paradigmen“ im strategischen Management eine Begrenzung findet. Im Bewusstsein um den heutigen Erkenntnisstand erscheint ein durch die ITO-Systematik regulierter, multiparadigmatischer Ansatz als ein vorläufig geeigneter Ausgangspunkt, der Komplexität der Erfolgsgenerierung insgesamt gerecht werden zu können. Darüber hinaus wurde berücksichtigt, dass sich der Wettbewerb zwischen Unternehmen nicht nur durch eine Leistungsorientierung auszeichnet. Vielmehr bedarf es der Berücksichtigung des ordnungspolitischen Rahmens, in dem sich der unternehmerische Ressourcenumwandlungsprozess vollzieht. Da die damit verbundenen Regulierungen jedoch keine statischen Parameter sind, d. h. einer kontinuierlichen und v. a. interessengeleiteten Veränderung unterliegen, ist die leistungsinduzierte Erfolgsgenerierung von der interventionsinduzierten Erfolgsgenerierung konzeptionell zu flankieren. Insofern wird für das Wettbewerbsmanagement unterstellt, dass ordnungspolitische Rahmenbedingungen einen endogenen Charakter aufweisen, wodurch sich für ein interventionsbefähigtes Unternehmen zusätzliche Erfolgsquellen erschließen können. Schlussendlich bieten diese drei Basisentscheidungen die Grundlage für die Darstellung des Unternehmenserfolges als ein mehrdimensionales Phänomen, das sich über multiple Einflussfaktoren definiert. Auf dieser Grundlage konnte der Unternehmenserfolg aus einer Payments-Perspektive konzeptionalisiert werden, nach der ein erfolgsbestimmendes Residuum aus einer Vielzahl an Rentenströmen resultiert, wobei hier generativen, appropriierenden und schützenden Aktivitäten eine gleichwertige Bedeutung für den Unternehmenserfolg zugemessen wird. Durch diese Darstellungsweise kann auch der eigenen Forderung entsprochen werden, dass ein Zusammenhang zwischen isolierten Vorteilspositionen und dem Unternehmenserfolg nicht automatisch zu unterstellen ist.
245
Kompetenzorientierter Ansatz
OUTPUT
TROUGHPUT
INPUT
MARKT
Unternehmenserfolg: Innovationsrente
Unternehmenserfolg: Knappheitsrente
Unternehmenserfolg: Monopolrente
4
Wettbewerbsfähigkeitsvorteil
komparativer Ausstattungsvorteil
Kompetitiver Marktstellungsvorteil
3
2
Rohstoffe
Services
Infrastruktur
EXPLOITATIV
EXPLOITATIV
EXPLORATIV
Wissen
Technologie
„market-based „market-based competition“ competition“
„competence-based „competence-based competition“ competition“
„resource-based „resource-based competition“ competition“
HR
3
2
MSV AN WFV MSP AN WFV MSN AN WFV
MSP AP WFV MSN AP WFV
MSP AV WFV MSN AV WFV
PARITÄT
NACHTEIL
NACHTEIL MSV AP WFV
PARITÄT MSV AV WFV
VORTEIL
Faktormarktbedingungen
VORTEIL
5
OUTPUT
Throughput Throughput
Output Output
NACHTEIL
PARITÄT
VORTEIL
MSN AV WFP
MSP AV WFP
MSV AV WFP
VORTEIL
MSN AP WFP
MSP AP WFP
MSV AP WFP
PARITÄT
MSN AN WFP
MSP AN WFP
MSV AN WFP
NACHTEIL
Faktormarktbedingungen
NACHTEIL
PARITÄT
VORTEIL
Bewertungssystem
A Ab bs sa a tt z zm ma a rr k k tt
NACHTEIL MSV AN WFN MSP AN WFN MSN AN WFN
MSV AP WFN MSP AP WFN MSN AP WFN
MSP AV WFN MSN AV WFN
PARITÄT
Faktormarktbedingungen MSV AV WFN
VORTEIL
Ergebnisdimension Ergebnisdimension
Prozessdimension Prozessdimension
CBV
MBV
Potenzialdimension Potenzialdimension
RBV
F Fa ak k tt o o rr m ma a rr k k tt
Synthetisierter Paradigmenpluralismus
THROUGHPUT
INPUT
Input Input
Die Unternehmung als dreistufiges Ressourcenumwandlungssystem
Abbildung 30: Zusammenfassende Darstellung der Zusammenhänge dieser Arbeit
Unternehmenserfolg
EXPLOITATIV
Distributionsentscheidungen
EXPLORATIV
Transformationsentscheidungen
EXPLORATIV
Akquisitionsentscheidungen
Kapital
1
NICHTMARKT
Wettbewerbsmanagement
Wettbewerbsvorteil
Wettbewerbsvorteil
Wettbewerbsvorteil
Performance
Performance
St ru ct ur e
Performance
Re so ur ce
Ressourcenorientierter Ansatz Co m pe te nc e
Marktorientierter Ansatz
Wettbewerbsvorteile als Treiber des Unternehmenserfolges?
SystemUnternehmung
t uc nd Co Absatzmarktbedingungen
t uc nd Co Absatzmarktbedingungen
246 t uc nd Co Absatzmarktbedingungen
1
Umsystem
Vor dem Hintergrund dieser Basisentscheidungen wurde dann ein Konzept entwickelt, das einen möglichen Lösungsansatz für die in dieser Arbeit aufgeworfenen Problemstellungen des strategischen Managements bietet. Wie die Entwicklungsgeschichte dieses Konzeptes zeigt (vgl. Abbildung 30), liegen dessen Ursprünge in einer Vielzahl von Faktoren, die die Komplexität des hier analysierten Untersuchungsobjektes verdeutlichen. Inwiefern es geeignet ist, einen Beitrag zur Beantwortung der drei zentralen Fragestellungen des strategischen Managements zu leisten, soll nun an dieser Stelle abschließend kurz skizziert werden. So lässt sich die Prognose unternehmerischer Verhaltensweisen im Wettbewerb relativ problemlos über das Matrizensystem verfolgen, da hier einem Unternehmen nun spezifische Vorteils-, Paritäts- oder Nachteilskoordinaten zugeordnet werden können.707 Durch die Möglichkeit, einzelne Unternehmen spezifischen Wettbewerbskoordinaten i. S. e. vorteilhaften, paritätischen oder nachteiligen Stellung auf den jeweiligen Tätigkeitsebenen zuordnen zu können, lassen sich mögliche zukünftige Handlungsmuster prognostizieren. Die Voraussage zukünftiger Entscheidungswege bzw. denkbarer strategischer Handlungsoptionen orientiert sich dabei an der Optimierung oder Erhaltung einer spezifischen Unternehmenskonfiguration, die die jeweilige Wettbewerbsposition im Vergleich zu den Wettbewerbern zu verantworten hat. In diesem Zusammenhang ist jedoch anzumerken, dass die möglichen Handlungsziele nicht per se an der Verwirklichung einer vorteilhaften Stellung auf jeder Tätigkeitsebene interessiert sein müssen. Vielmehr werden die Entscheidungsprozesse darauf rekurrieren, eine den Umwelt- bzw. Branchenbedingungen jeweils genügende Vorteilssignatur aufzubauen. Insofern können erfolgreiche Unternehmen durchaus auch Wettbewerbsnachteile aufweisen. Folglich lassen sich notwendige und hinreichende Vorteilspositionen unterscheiden, die von Branche zu Branche einen divergierenden Stellenwert aufweisen, was dazu führt, dass die Tätigkeitsebenen im Unternehmens- und Branchenvergleich eine abweichende Bedeutung (bzw. Gewichtung) im individuellen System der Erfolgsgenerierung aufweisen können. So ist für die Pharmaindustrie bspw. anzunehmen, dass Ressourcenvorteile oder auch Distributionsvorteile im Vergleich zu transformations- oder interventionsseitigen Vorteilspositionen eine nachrangige Bedeutung innehaben, denn diese Branche zeichnet sich durch eine relativ hohe Regulierungsdichte aus, was der Interventionsfähigkeit eines Unternehmens einen gewichtigen Einfluss im Rahmen der nachhaltigen Erfolgsgenerierung einräumt. Dagegen wird eine erfolgskritische Vorteilssignatur z. B. im Maschinenbau von der der Pharmabranche abwei-
707 Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass aus einem Benchmarking die erforderlichen Informationen generiert werden können.
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chen bzw. andere Merkmale aufweisen, denn in einer ressourcenintensiven Branche wie dieser ist anzunehmen, dass die Wichtigkeit der leistungsinduzierten Erfolgsgenerierung die der interventionsinduzierten Erfolgsgenerierung tendenziell überwiegt. Die Betrachtung der Erfolgsgenerierung als einen vielschichtigen Prozess ermöglicht somit wiederum die Unterscheidung zwischen notwendigen und hinreichenden Vorteilspositionen, wodurch ein differenzierteres Bild über den Unternehmenserfolg entsteht. Dementsprechend können Prognosen über wettbewerbliche Handlungsoptionen abgeleitet werden, die jeweils darauf abzielen werden, eine den Branchenbedingungen entsprechende und folglich hinreichende Vorteilssequenz aufzubauen. Die Klassifizierung der Wettbewerber nach vorteilhaften, paritätischen oder nachteiligen Stellungen in den unterschiedlichen Wettbewerbsarenen lässt gleichzeitig auch eine dezidiertere Bestimmung der wirklichen Ursachen von Performanzunterschieden zu. Diese lassen sich nun darauf beziehen, inwiefern Unternehmen eine hinreichende Vorteilssequenz haben aufbauen können, die die Möglichkeiten der Wettbewerber insgesamt überwiegt. Im Rahmen dieser Analyse lassen sich ferner Phänomene wie z. B. Windfall Profits als Auslöser temporär-überdurchschnittlichen Erfolges ausschließen, da derartige Erscheinungen keine Vorteile i. S. optimaler Akquisitions-, Transformations-, Distributions- oder Interventionsentscheidungen darstellen, sondern zufällig entstehen und entsprechend keinen Aufschluss über die reale Ertragskraft eines Unternehmens geben. Da in Situationen geprägt durch Windfall-Profits zwangsläufig Scheinvorteile (durch die aktuelle Praxis der ex post Rationalisierungen) als Treiber des Unternehmenserfolgs deduziert werden, bietet die hier vorgestellte Matrix eine Möglichkeit zur Überprüfung der postulierten Vorteilsposition und somit den Ausschluss von Performanzparadoxien. Auch wenn hierbei gewiss keine präzisen Erkenntnisse über die tatsächliche Erfolgsursache generiert werden können, so besteht dennoch die Aussicht auf die Begrenzung erfolgskritischer Parameter sowie die Einschränkung der Mythenbildung. Durch die Unterscheidungsmöglichkeit in reale und scheinbare bzw. in hinreichende und notwendige Vorteile lassen sich schließlich greifbare Faktoren herausstellen, die den Unternehmenserfolg nachhaltig beeinflussen. Die vorangegangene Diskussion zeigt, dass sich die Triebkräfte des unternehmerischen Erfolges durch die Auseinandersetzungen auf den Faktor-, Technologieund Absatzmärkten auf der einen und durch die Möglichkeit der Einflussnahme auf die „Spielregeln“ des Wettbewerbs auf der anderen Seite bestimmen lassen. Dabei wurde ferner deutlich, dass nur eine den (wechselnden) Branchencharakteristika entsprechende, kontinuierliche Realisierung hinreichender Vorteilspositionen einem Unternehmen einen nachhaltigen Erfolg sichert. Durch die Betrachtung von Unternehmen als dreistufige, interdependente Res248
sourcenumwandlungssysteme, die in einem vielschichtigen Wettbewerb zueinander stehen, bestimmt den langfristigen Erfolg eines Unternehmens daher im Grunde nur ein Faktor: die Unternehmensführung („Leadership“) bzw. die Fähigkeit des zielgerichteten Orchestrierens eines vielschichtigen Leistungserstellungsprozesses und der damit verbundenen Entscheidungsprozesse.708 Abschließend sei nochmals betont, dass das hier entwickelte Erklärungsmuster lediglich einen ersten Versuch darstellt, die Quellen unternehmerischer Erfolgsgenerierung in einem umfassenderen konzeptionellen Rahmen zu erfassen und entsprechend keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Naturgemäß werfen alternative Ansätze mehr Fragen als Antworten auf, die jedoch ihrerseits zu innovativen Denkrichtungen führen können. Daher ist diese Arbeit als eine Art Grundlagenforschung zu verstehen, die das Anliegen verfolgt, dem Denken in interdependenten Erfolgsdimensionen zu einer Renaissance zu verhelfen. Ziel der hiermit verbundenen Überlegungen war es folglich, das Entstehen des Unternehmenserfolges losgelöst von dem teilweise dogmatischen Denken in ressourcen-, markt- oder kompetenzorientierten Strategieschulen zu analysieren. Für das Forschungsprogramm des strategischen Managements ist der hier vorgestellte Argumentationsstrang hilfreich, um zukünftig zu einem ganzheitlichen Erklärungsansatz zu gelangen. Wie hier gezeigt werden konnte, ist damit keineswegs die oftmals geäußerte Forderung nach der Aufgabe von konzeptioneller Pluralität zu verbinden, jedoch scheint eine stärkere Abkehr von der auf Minimalanalysen beruhenden Konkurrenz vermeintlich inkommensurabler, jedoch komplementärer Paradigmen hinsichtlich eines weiteren Erkenntniszuwachses empfehlenswert. Ein Grundstein für eine diesbezügliche Weiterentwicklung konnte mglw. in diesem Rahmen gelegt werden, wobei es zukünftig v. a. darum gehen sollte, die hier herausgestellten erfolgskritischen Vorteilspositionen einer weitergehenden bzw. verknüpfenden (empirischen) Überprüfung zu unterziehen. Möglicherweise lassen sich hieraus weitere Erkenntnisse hinsichtlich des relativen Stellenwertes einzelner Vorteilspositionen für den Unternehmenserfolg ziehen. Eine in diesem Zusammenhang zu klärende Frage wäre, inwieweit (nichtmarktliche) Marktgestaltungsvorteile andere Unternehmensvor-
708
An dieser Stelle lässt sich wiederum der Bezug zu GUTENBERG herstellen, der in seinen Überlegungen zur ITO-Systematik bereits frühzeitig die Wichtigkeit des (originären und derivaten) dispositiven Faktors als Regeleinrichtungen zur vorausschauenden Steuerung von soziotechnischen Systemen hervorhebt. Für eine diesbezügliche Diskussion vgl. z. B. Wagner, D. (2003): Professionelles Personalmanagement. In: Wagner, D. / Ackermann, K.-F. (Hrsg.): Wettbewerbsorientiertes Personalmanagement: Steuerung und Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten. 2. Aufl., Potsdam: General Management Institute Potsdam, S. 5-42; Zahn, E. (2003): Leadership und Unternehmensentwicklung – Beitrag des Top Managements zur Unternehmensperformance. In: Speck, P. / Wagner, D. (Hrsg.): Personalmanagement im Wandel: Vom Dienstleister zum Businesspartner. Wiesbaden: Gabler, S. 37-58.
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teile kompensieren können bzw. welche Vorteilssequenzen in welchen Branchen als hinreichend und welche als notwendig zu bezeichnen sind. Die damit verbundene Konkretisierung der hier aufgestellten Hypothesen über den Unternehmenserfolg könnte dazu beitragen, wieder greifbare Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis bereitzustellen, die über Moden und Mythen hinausgehen. Doch wie diese Arbeit zeigen konnte, haben selbst ideologieinduzierte Moden und Mythen einen gewichtigen Stellenwert im Zusammenhang mit der Evolution eines Forschungsprogramms, denn bereits SCHUMPERTER hat uns daran erinnert, dass „[t]here is … comfort in the observation that no economic ideology lasts forever and that, with a likelihood that approximates certainty, we eventually grow out of each. This follows not only from the fact that social patterns change and that hence every economic ideology is bound to wither but also from the relation that ideology bears to that prescientific cognitive act … called vision.”709
709 Schumpeter, J. A. (1949): Science and Ideology. In: American Economic Review, Vol. 39, S. 345-359, hier: S. 359 (Hervorhebungen anders als im Original)
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