John Grey
Wilde Blume Ronco Band Nr. 185/18
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 1967 stießen...
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John Grey
Wilde Blume Ronco Band Nr. 185/18
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 1967 stießen Bauarbeiter bei Abbrucharbeiten in einer kleinen Geisterstadt im Süden New Mexicos unter einem ausgebrannten Boardinghouse auf eine zugemauerte Kellernische. Sie fanden darin einen alten Revolver, der noch mit drei Patronen geladen war, ein silbernes US-Marshal-Abzeichen und einen indianischen Ledersack. Der mit Stachelschweinborsten und Perlen verzierte Sack enthielt fünf mit Lederriemen zusammengeschnürte Bündel alter Schulhefte. Es handelte sich um das Tagebuch eines Mannes, der in der Pionierzeit Amerikas gelebt hat. Dieser Mann ist nicht in die Geschichte eingegangen. Er hat sich auch nicht darum bemüht, Geschichte zu machen. Trotzdem hat er aufgeschrieben, was er erlebt hat. Vielleicht, weil er niemanden hatte, mit dem er über sein Leben sprechen konnte. Er nannte sich RONCO. Wir wissen nicht, ob das sein richtiger Name war. Vielleicht hat er aus Scham oder Stolz seinen Namen verschwiegen. Denn er war ein Outlaw, ein Gesetzloser, der Grund hatte, seinen Namen manchmal zu verschweigen. Obwohl aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, daß er unschuldig in die Mühlen der Behörden geriet und verzweifelt um seine Rehabilitation kämpfte. Aber seine Berichte zeigen mehr: Sie sprengen den Rahmen unserer Vorstellungen von der Pioniergeschichte der USA. Sie schildern diese Zeit wesentlich härter, rauher und wilder, als wir sie bisher gesehen haben. Basierend auf diesen Unterlagen wurde die Romanreihe RONCO gestaltet. Jedoch handelt es sich bei den für die Serie ausgewerteten Aufzeichnungen nur um einen Teil der Tagebücher. Um Ihnen, unseren Lesern, die ganze Geschichte dieses faszinierenden Mannes RONCO offenzulegen, haben wir uns entschlossen, in Abständen von fünf Wochen die Tagebuchaufzeichnungen dieses Geächteten zu veröffentlichen. Bearbeitet von den Autoren der RONCO-Serie. In diesen Romanen erzählt der Mann, der sich RONCO nannte, seine
eigene Geschichte.
Die Hauptpersonen des Romans Ronco – Knapp vierzehn Jahre alt, erfüllt den Auftrag eines Sterbenden und gerät in des Teufels Küche. Wilde Blume – Ein Kiowa-Halbblut, jung und hübsch und im Besitz begehrenswerter Nuggets. Buck Oldan – Anführer einer Bande von Skalpjägern, die vor nichts zurückschrecken. Caliko – Ein junger Kiowa-Krieger und harter Kämpfer, der sich mit Gewalt das holt, was ihm versprochen wurde.
Wilde Blume Juni 1879 Ich befinde mich noch immer in Colorado. Mit dem Heft auf den Knien sitze ich im Schatten eines Baumes, während Lobo einen Toten begräbt. Wir sind völlig erledigt. Die ganze Nacht haben wir im Sattel gesessen und nach dem Mann gesucht, der jetzt, nur ein paar Schritte von mir entfernt, mit zerschossenem Schädel im Gras liegt. Der Tote ist ein Schriftsteller aus den Oststaaten – oder besser, er war es. Erst war er wild darauf, über mich zu schreiben, dann stahl er mir einen Teil meiner Tagebuchaufzeichnungen und verschwand. Seitdem bin ich hinter ihm her. Jetzt habe ich ihn gefunden, aber das nutzt mir nichts mehr. Jemand hat ihn umgebracht, und ich werde herauskriegen müssen, wer es war, denn der Mörder hat die Leiche ausgeplündert und auch meine Aufzeichnungen mitgenommen. Ich kann mir nicht erklären, was für ein Interesse er daran haben kann. Vielleicht hat er sie nur irrtümlich eingesteckt, aber das glaube ich nicht. Ich vermute eher, daß schon wieder ein Verfolger auf meiner Spur reitet. Ich werde es bald genau wissen. Der Mörder hat seine Fährte schlecht verwischt. Sowie Lobo die Leiche unter die Erde gebracht hat, werden wir die Verfolgung aufnehmen. Ich werde mir mein Eigentum zurückholen, das ist sicher, und dann werde ich mir den Mann genau ansehen, der sich dafür interessiert hat. Die kurze Zeit, die mir für die Rast bleibt, will ich nutzen, um meine Aufzeichnungen fortzuführen. Seit mir ein Teil davon gestohlen worden ist, weiß ich wieder, wie wichtig sie mir persönlich sind. Außerdem lenkt es mich von meiner gegenwärtigen Lage ab, wenn ich an die Zeit meiner Kindheit und Jugend denke. Vor zwanzig Jahren, 1859, befand ich mich in Kansas, von der Welt des Weißen Mannes, in die ich zurückgefunden hatte, ziemlich desillusioniert. Ich hatte ein Angebot, nach St. Joseph, Missouri, zu kommen und bei einer Postkutschengesellschaft zu arbeiten. Einem
Agenten der Gesellschaft hatte ich am Arkansas River beigestanden, und ich glaube, ich hatte dem Unternehmen ein wenig nützlich sein können. Erst hatte ich das Angebot abgelehnt, aber da ich ohne Ziel war und keine festen Pläne hatte, hatte ich mich dann doch entschieden, den Weg nach St. Joseph anzutreten. Irgendwie mußte ich für meinen Lebensunterhalt sorgen, und es gab schlechtere Möglichkeiten, als für eine Kutschengesellschaft zu arbeiten. Begleitet wurde ich noch immer von Shita, dem treuen Bastardhund, der mir ein echter Freund geworden war. Ich war froh, nicht allein zu sein, als ich ostwärts durch Kansas zog …
1. Ich sah den Planwagen durch den Morgendunst rollen. Er bewegte sich durch die grauen Frühnebelschleier nach Osten. Es war ein schwerer Conestogaschoner, der von vier kräftigen Pferden gezogen wurde. Die Plane war vom Regen ausgeblichen, wies ein paar Löcher auf und hatte sich zum Teil von dem Bogengestänge, über das sie sich spannte, gelöst. Auf dem Bock entdeckte ich einen bärtigen, massig wirkenden Mann. Er hatte es eilig. Ich fragte mich, warum es ein vernünftiger Mensch am frühen Morgen bereits so eilig haben konnte. Shita stand neben mir, wedelte mit dem Schwanz und schien das gleiche zu denken wie ich. Ich lag flach im Gras oberhalb eines Tals. Neben mir standen einige hohe Ginsterbüsche. In ihrem Schatten hatte ich die Nacht verbracht, bis mich das Stampfen der Pferdehufe und das Knarren der Wagenräder geweckt hatten. Müde beobachtete ich das Gefährt, das in rascher Fahrt durch das Tal rollte. Trotz der frühen Morgenstunde und des Nebels war die Luft so abgestanden und warm wie in einem Ofenrohr. Kein Windhauch. Trübe schimmerte im Osten der Schein der aufgehenden Sonne durch den Dunst. Es roch geradezu nach einem Gewitter. Der Wagen hatte das Ostende des Tales fast erreicht, und ich wälzte mich wieder auf die Seite, um weiterzuschlafen, als erneutes Hufgetrappel mich aufschreckte. Reiter folgten dem Wagen.
Zunächst hörte ich nur die Hufgeräusche, dann sah ich sie. Sechs Männer. Sie jagten hinter dem Wagen her und holten beständig auf. Der bärtige Mann auf dem Bock hatte das erkannt. Er schlug mit der Peitsche auf das Gespann ein, aber die Reiter erreichten den Wagen und überholten ihn. Einer beugte sich seitlich aus dem Sattel und griff in die Zügel des Gespanns. Der Mann auf dem Bock schlug mit der Peitsche nach ihm. Der Reiter schrie auf und mußte die Gespannzügel loslassen. Dennoch hatte er die Wagenpferde nervös gemacht. Sie brachen plötzlich zur Seite aus und zerrten den Wagen die Böschung des ausgefahrenen Karrenweges hinauf. Dann blieben sie stehen. Die Reiter sprangen aus den Sätteln. Jetzt war ich hellwach. Mein Herz begann zu hämmern. Die Müdigkeit in mir war wie weggewischt. Ich richtete den Oberkörper halb auf, stützte mich mit den Ellbogen am Boden ab und starrte angespannt hinunter zu dem Wagen, aus dem eine Mädchenstimme klang. Shita bellte. Er hatte den Kopf vorgereckt und stand in angespannter Haltung da, wie zum Sprung bereit. In seinen Augen funkelte es. »Still!« Ich fuhr ihn an, ohne meinen Blick von dem Wagen im Tal zu wenden. Er gehorchte sofort. Ich sah, daß sich auf dem Wagenbock der bärtige Mann erhoben hatte. Er war nicht nur massig, er war auch sehr groß. Mit schwingender Peitsche stand er breitbeinig wie ein Rachegott auf dem Bock und wehrte die angreifenden Männer ab. Zweimal gelang es ihm, sie zu treffen, dann konnte einer den langen Lederriemen der Peitsche festhalten. Er riß sie dem Mann auf dem Bock aus der Faust, packte den Stiel, sprang auf das linke Vorderrad des Wagens und hämmerte dem bärtigen Mann den Peitschenstiel auf den Schädel. Der Mann riß beide Arme hoch und stürzte vom Bock. Er prallte am Boden auf und versuchte vergeblich, sich aufzurichten. Kraftlos sackte sein schwerer Oberkörper immer wieder zurück. Im selben Moment entdeckte ich eine Gestalt, die über die Heckbracke des Wagens zu Boden glitt und auf eine nahe Baumgruppe zulief. Es war eine schmale, in einen langen, dunklen Rock gehüllte Gestalt – ein Mädchen. Es raffte den Rock ein wenig
und bewegte sich auf dem holprigen Rasen stolpernd, steifbeinig und erschreckend hilflos. Die Männer entdeckten sie, bevor sie in den Schutz der Bäume gelangt war. Als sie sie packten und zurück zum Wagen zerrten, durchzuckte mich Zorn. Ich krallte die Finger in den weichen Boden und hatte plötzlich einen galligen Geschmack im Mund. Wenn Hilflose mißhandelt wurden, war von jeher Wut in mir hochgestiegen. Als der bärtige Mann das Mädchen sah, zwang er sich, aufzustehen, obwohl er starke Schmerzen zu haben schien. Er taumelte auf sie zu. Einer der Reiter stellte sich ihm in den Weg und schlug mit beiden Fäusten hart zu. Der Bärtige kippte wie ein Brett um und fiel auf den Rücken. Das Mädchen wurde gegen die Seitenbracke des Wagens gestoßen. Es schrie jetzt, so laut, daß ich es hören konnte und sich alles in mir zusammenkrampfte. Ich dachte an den schweren Navy-Colt, den ich im Hosengurt trug. Aber ich war allein, während sich unten im Tal sechs bewaffnete Männer befanden. Während das Mädchen immer noch schrie, schleiften zwei der Männer den bärtigen Kutscher um den Wagen herum. Ich konnte nicht mehr sehen, was geschah. Ich hörte den Bärtigen nur auf einmal brüllen. Seine Stimme verriet, daß er furchtbare Schmerzen haben mußte. Das Mädchen versuchte, zu ihm zu gelangen. Aber einer der Kerle hielt es fest und ließ es nicht zu, daß es den Wagen umrundete. Er lachte rauh und hielt das Mädchen an den Oberarmen gepackt. Es wehrte sich heftig. Ich hörte, daß es immer wieder das Wort »Vater!« schrie. Langsam richtete ich mich auf. Im Schutz der dichten Ginsterbüsche starrte ich auf die Szene hinunter. Ich konnte mich jetzt abwenden, weitergehen und alles vergessen, das wäre vernünftig gewesen. Aber dann wäre ich ein mieser Schuft gewesen. Ich griff unter mein verwaschenes Leinenhemd, das mir offen über den Gürtel hing, und umspannte mit der Rechten den Griff des schweren Navy-Colts, Kaliber .36. Während ich die Waffe hervorzog, dachte ich noch einmal daran, daß mich die Sache im
Grunde ja gar nichts anging. Dann hörte ich den bärtigen Mann hinter dem Wagen wieder laut brüllen, und das Mädchen wimmerte wie ein angeschossenes Tier. Entschlossen wandte ich mich ab und lief, im Schutz der Hügel, westwärts, um zu dem Buschgürtel zu gelangen, der das Tal von Westen bis nach Nordosten umschloß. Shita sprang neben mir her. Er schien zu spüren, daß das, was ich vorhatte, verdammt gefährlich war. Ich erreichte das Buschland und tauchte darin unter. Noch immer hingen Nebelfetzen über dem Tal, obwohl die Sonne bereits wie eine Vollreife Frucht über der Ebene im Osten hing. Noch regte sich kein Lüftchen. Schweiß rann mir über das Gesicht. Als plötzlich ein geradezu tierischer Schrei aus dem Mund des bärtigen Mannes zu hören war, blieb ich unwillkürlich stehen und zog trotz der drückenden Schwüle fröstelnd die Schultern hoch. Shita knurrte, und ich lauschte angespannt durch das Unterholz. Für wenige Sekunden war es fast so still wie in einem Sarg. * Der bärtige Mann lag am Boden und wand sich vor Schmerzen. Sein Gesicht war von den Schlägen gezeichnet. Sein Mund stand weit offen, in unregelmäßigen Abständen stieß er unartikulierte Laute aus. Rechts und links von ihm standen fünf Männer. Der sechste befand sich außerhalb meines Blickfeldes auf der anderen Seite des Wagens. Er war der einzige, der mir im Moment ernsthaft Sorgen bereitete, denn er hatte das Mädchen bei sich, und ich konnte nicht kontrollieren, was er mit ihr anstellte. Ich lag keine zwanzig Schritte vom Wagen entfernt im dichten Unterholz der Baumgruppe, zu der das Mädchen vorhin hatte fliehen wollen. Shita lag neben mir und gab keinen Laut von sich. Der bärtige Mann hatte beide Hände auf die Augen gepreßt. Mehr konnte ich nicht sehen. »Schrei nur, Craig«, sagte einer der Männer, die den Bärtigen umstanden. »Hier hört dich keiner. Schrei, so laut du kannst. Wir haben Zeit. Früher oder später wirst du schon reden, wenn du bis
dahin nicht vor Schmerzen den Verstand verloren hast. Nur eins, Craig, ist ganz sicher: Umbringen werden wir dich nicht, erst mußt du uns noch was erzählen. Eher schneiden wir dich in kleine Stückchen. Aber noch vorher nehmen wir uns deine Tochter vor. Du darfst dabei zusehen. Dein linkes Auge lassen wir dir dafür. Du sollst deinen Spaß haben. Bis jetzt waren wir noch sehr freundlich, aber du scheinst ja zu wollen, daß wir uns deine Tochter vorknöpfen.« Die gleichgültig und ruhig klingende Stimme des Mannes hob sich plötzlich. Er beugte sich vor. »Wo ist das Gold, Craig?« Der Bärtige wälzte sich herum und stieß ein unverständliches Lallen aus. Einer seiner Peiniger bückte sich und riß ihm die Hände vom Gesicht. Da erst sah ich, was sie ihm angetan hatten. Sie hatten ihm das rechte Auge zerstört. Ich war eine Menge gewöhnt und hatte schon viele üble Sachen gesehen, aber bei diesem Anblick drehte sich mir der Magen um. Ich senkte für einen Moment meinen Blick und schluckte den galligen Geschmack hinunter, der plötzlich in meiner Kehle aufgestiegen war. »Du solltest wirklich reden, Craig«, hörte ich einen anderen der Kerle sagen. »Wir erfahren doch, was wir wissen wollen, und du kannst dir viel Ärger ersparen, wenn du jetzt sprichst.« Ich hob wieder den Kopf und sah das grauenvoll entstellte Gesicht mit der leeren, entstellten Augenhöhle. Der Bärtige winselte leise und lag bewegungslos auf dem Rücken. Einer der fünf Kerle trat unvermittelt zu. Sein spitzer Reitstiefel traf Craig in die Seite. Der Stoß rollte ihn herum, und er stieß einen gellenden Schrei aus. »Chet, bring das Mädchen her!« rief der Mann, der zuerst gesprochen hatte. Er schien der Anführer der Kerle zu sein. * Ich spannte alle Muskeln und faßte den Griff des Navy-Colts fester. Es war so weit, daß ich handeln mußte. Sowie sich auch der sechste Mann mit dem gefangenen Mädchen in meinem Blickfeld befand, durfte ich nicht länger warten. Ich hörte jetzt wieder die Stimme des Mädchens. Es schien sich zu
wehren. Dann tauchte der Kerl, der es bewacht hatte, mit ihm hinter dem Wagen auf. Er schlug unvermittelt zu, und das Mädchen ging in die Knie. Brutal riß er es an den Oberarmen hoch und schleifte es mit. Geräuschlos spannte ich den Hammer des Navy-Colts. Im selben Moment bäumte sich der Vater des Mädchens auf. Ich hatte schon geglaubt, er habe das Bewußtsein verloren, aber er schien zäher zu sein, als ich gedacht hatte. Die Männer hatten sich alle nach dem Mädchen umgewandt und achteten nicht auf ihn. Ungehindert gelangte er auf die Beine und sprang den Anführer der Kerle an. Ich hatte genausowenig damit gerechnet wie die Kerle, aber der unerwartete Angriff des alten Craig brachte die Männer ganz schön durcheinander, was mir zugute kam. Unbeachtet konnte ich mich erheben. Im Schatten einiger tiefhängender Äste blieb ich stehen, und als einer der Kerle einen Revolver zog und auf den breiten Rücken des Alten zielte, der den Anführer der Bande zu Boden geworfen hatte, drückte ich ohne zu zögern ab. Der Knall des Navy-Colts hallte dumpf durch das Tal, in dem die schwüle Luft des Morgens wabernd wie ein heißer Brei stand. Ein dünnes Pulverfähnchen kräuselte sich aus der Mündung. Der Aufprall der Kugel schleuderte den Banditen seitlich gegen den Wagen. Er ließ seine Waffe fallen und starrte mit weit aufgerissenen Augen seine Kumpane an, als er am Hinterrad des Wagens zu Boden rutschte. Vergeblich versuchte er, sich an den Speichen festzuhalten. Ihm fehlte die Kraft. Ich hatte gut getroffen. Die Kugel hatte seinem Leben als Heckenschütze ein plötzliches Ende gesetzt. Nach dem Verhallen der Detonation wurde es sehr still. Dann fuhren die Männer herum. Ich warf einen Blick auf das Mädchen und sah, daß sie sich von ihrem Bewacher losgerissen hatte und neben ihrem Vater kniete, der nach Atem ringend auf dem Rücken lag. Der Anführer der Banditen hatte sich von ihm befreien können. Er stand bereits wieder auf den Beinen und starrte verblüfft zu mir herüber. »Pfoten hoch!« befahl ich. »Und dann schnallt eure Gurte ab, mit einer Hand, und immer einer nach dem anderen.« Sie konnten mich im Schatten der Bäume nicht richtig sehen, sonst
hätten sie gleich gewußt, daß ich noch sehr jung war, viel zu jung, um ein paar ausgewachsene Männer in Schach zu halten. Aber ich war durch die Schule der Apachen gegangen und bei den Indianern schon mit zwölf Jahren ein vollwertiger Krieger gewesen. Mir konnte man nicht mehr viel vormachen. Vierzehn Jahre war ich jetzt alt, und ich sah aus wie siebzehn. Ich war größer und viel kräftiger gebaut als die meisten Jungen meines Alters, und das harte, entbehrungsreiche Leben als Apache hatte meine Züge gezeichnet. Meine Haut war von der Sonne verbrannt, ich war mager und sehnig wie ein junger Wolf. Erster, weicher Bartflaum bedeckte meine Wangen. Mein sandfarbenes Haar fiel mir bis auf die Schultern. Das alles sahen die Männer am Wagen nicht. Sie sahen nur den Revolver in meiner Faust, auf den durch das Blätterdach der Bäume ein Streifen Licht fiel. Das fleckige Metall glänzte matt. »Auf was wartet ihr?« Ich spannte knackend den Hahn. Sie warfen scheue Blicke auf ihren Kumpan, den ich niedergeschossen hatte. Er war tot. Um seinen Kopf herum hatte sich das Gras dunkel verfärbt. Langsam griff der erste mit seiner Linken zur Schnalle seines Gurtes. Nach nicht einmal einer Minute lagen die Revolver der Männer im Gras. Ich befahl ihnen, bis an den Wagen zurückzutreten, dann verließ ich den Baumschatten. Leise knurrend tappte Shita neben mir her, bereit, sofort jeden der Männer anzuspringen, der eine falsche Bewegung machte.
2. »Das ist ja noch ein Kind«, sagte einer der Männer. »Verdammt, von diesem Bengel haben wir uns überrumpeln lassen.« Er trat einen Schritt vor und wollte sich nach seinen Waffen bücken. Ich feuerte sofort. Die Kugel traf sein linkes Ohr. Darauf hatte ich gezielt, denn ich hatte ihn nicht töten wollen. Der Mann brach in wildes Gebrüll aus und führte sich auf, als solle er am Marterpfahl gepeinigt werden. Von seinem Ohr fehlte lediglich das Läppchen. Er sackte auf die Knie nieder und preßte beide Hände auf die Wunde, als ob er das Läppchen wieder ankleben wolle. Tränen rannen ihm über das Gesicht. Sein Gesicht verzerrte
sich vor Schmerz zu einer Grimasse. Er schrie noch, als er auf die Seite stürzte. Einer seiner Kumpane wollte ihm zu Hilfe eilen, da sprang Shita auf ihn los. Er warf sich gegen den Mann und riß ihn zu Boden. Sein weitgeöffnetes Maul mit den gefletschten Zähnen näherte sich dem Gesicht des Kerls. »Zurück!« rief ich. Er gehorchte sofort, obwohl er mir einen zweifelnden Blick zuwarf. »Du da!« sagte ich zu dem Mann, den Shita zu Boden geworfen hatte. »Steh auf und hol die Gewehre von euren Pferden.« Gehorsam ging er zu den sechs wartenden Pferden hinunter und zog die Gewehre aus den Scabbards. Er warf sie ins Gras, und ich befahl den Männern, in die Sättel zu steigen. Sie sagten kein Wort mehr. Sie schleppten ihren verletzten Kumpan mit sich. Den Toten ließen sie liegen. Als sie ihre Pferde bestiegen hatten und westwärts davonritten, wurde mir erheblich wohler, obwohl mir klar war, daß sie zurückkehren würden, sowie sie die Möglichkeit dazu hatten. Ich wartete, bis die Reiter hinter den westlichen Hügeln verschwunden waren, dann steckte ich mit eckiger Bewegung den Revolver in den Gürtel zurück und näherte mich dem Mädchen, das neben dem bärtigen Mann kniete, der jetzt wirklich das Bewußtsein verloren zu haben schien. Schweigend blieb ich neben ihm stehen. Shita streckte sich im Gras aus und beobachtete die beiden Menschen wachsam, aber ohne Feindseligkeit. Das Mädchen hob den Kopf. Es sah mich an. Sein Gesicht war naß von Tränen, die Augen schimmerten feucht. Es hatte indianisches Blut in den Adern. Die Haut hatte einen leichten Bronzeton. Das Gesicht war schmal geschnitten und hatte hohe Wangenknochen. Langes, in der Mitte gescheiteltes pechschwarzes Haar fiel dem Mädchen glatt bis auf die Schultern. Ich schätzte es auf höchstens siebzehn Jahre. »Ist er – bewußtlos?« Ich war etwas befangen, ohne selbst zu wissen, warum. Das Mädchen nickte, und aus ihren Augen strömten neue Tränen. Ich hockte mich ins Gras und beugte mich über den Alten. Seine
Wunden bluteten nicht mehr, auch aus der leeren Augenhöhle quoll kein Blut mehr. Der Atem des Mannes ging rasselnd. Unruhig bewegte er den Kopf hin und her. »Wir müssen hier weg«, sagte ich, ohne meinen Blick von dem Alten zu wenden. »Die Kerle kehren bestimmt zurück, sobald sie sich neue Waffen beschafft haben. Ich kenne mich hier nicht aus, ich weiß nicht, wie weit es bis zum nächsten Ort ist.« »Ich auch nicht«, sagte das Mädchen. »Wenn irgendwo im Umkreis ein Ort ist, können die Männer schon bald wieder auf unserer Spur reiten«, sagte ich. »Er ist dein Vater?« Sie nickte wieder. Ihre Stimme erstickte in Tränen, als sie etwas sagen wollte. »Ich heiße Ronco«, sagte ich, und dann sprach ich sie unvermittelt im Apachendialekt an. Es war ein plötzlicher Gedanke, und ich bereute es beinahe schon, während ich redete. Das Mädchen hörte auf zu weinen. Durch Tränenschleier blickte es mich erstaunt an, und ich schwieg. »Meine Mutter war eine Kiowa«, sagte sie. »Wir sprechen ähnlich wie die Apachen. Woher kannst du ihre Sprache?« »Ich war – ein Apache«, sagte ich. »Das ist lange her.« Ich schaute über das Mädchen hinweg zum Westrand des Tales. Die Nebelschleier hatten sich aufgelöst, die Sonne stand schräg über uns. Sie schien hinter einer dicken Glasscheibe zu liegen. Sie stand wie ein trüber, schmutziger Fleck an einem taubengrauen Himmel, an dem sich im Nordwesten dunkle Wolken zusammenballten. »Ich heiße Wilde Blume«, sagte das Mädchen. »Ich bin auch getauft worden. Mein Vater ist ein guter Christ. Mein richtiger Name ist Esther Craig, aber jeder nannte mich Wilde Blume.« »Wilde Blume …« Ich schaute sie an. »Wir hatten eine Hütte in einem Wüstenstreifen«, sagte sie. »Dort wuchs nicht viel, aber bei unserem Haus gediehen zwischen ein paar Steinen wilde Blumen.« Sie errötete ein wenig. Ihre Tränen waren fast schon getrocknet. »Das war eine solche Seltenheit, daß …« Ihr Vater stöhnte wieder. Sie verstummte und beugte sich über ihn. Ich musterte sie aufmerksam. Ihre Gestalt war grazil, schlank und
geschmeidig. Irgendwie paßte der Name zu ihr. Wilde Blume … »Ist Wasser in den Fässern?« Ich deutete auf die schweren Fässer, die seitlich am Wagen angebracht waren. Sie nickte, und ich stand auf und holte in einem Blechnapf, den ich unter der Bockbank fand, Wasser. Wilde Blume band ihr Halstuch ab, tauchte es ins Wasser und wusch ihrem Vater behutsam das Blut vom Gesicht. Die kühle Feuchtigkeit brachte ihn wieder zu Bewußtsein. Er schlug sein linkes Auge auf und starrte uns an, ohne uns wirklich zu sehen. Sein Mund öffnete sich, und er stieß einen wilden, klagenden Schrei aus. Wilde Blume warf sich über ihn. Tränen schossen wieder aus ihren Augen. Sanft zog ich sie weg und versuchte, dem Mann Wasser einzuflößen. Er verschluckte sich und hustete, dann verlor er wieder das Bewußtsein. »Er braucht einen Arzt«, sagte ich. »Wenn sich die Wunde im rechten Auge entzündet, stirbt er.« Ich erhob mich und faßte den massigen Oberkörper unter den Achseln. Das Mädchen mühte sich mit den Beinen ab. Wir schleppten den schweren Mann zum Wagen und wuchteten ihn hinauf, ich weiß heute selbst nicht mehr, wie wir es schafften. Im Wageninnern befand sich nicht viel. Ein wenig Hausrat war darin untergebracht, Decken und ein paar feine Pelze von Wildtieren, von Mardern, Dachsen, Waschbären und anderen. Auch ein paar gegerbte Schlangenhäute entdeckte ich. Die Lebensmittelvorräte hielten sich in bescheidenen Grenzen. Ich räumte alles zur Seite und bereitete aus den Decken und Fellen dem Mann ein Lager. Zusammen mit Wilde Blume hob ich ihn darauf und legte ihm das feuchte Tuch, mit dem Wilde Blume ihm das Gesicht gereinigt hatte, über die Stirn. »Weißt du, wo die nächste Stadt ist?« Sie stand etwas verloren neben dem Gespann und schaute ins Leere. Wind kam plötzlich auf. Die dunkle Wolkenwand, die sich im Nordwesten gebildet hatte, rückte näher. Die Konturen der Sonne verschwammen mehr und mehr. »Nein«, sagte sie. »Wir kommen aus dem Niemandsland nördlich von Texas. Was östlich von hier liegt, weiß ich nicht. Ich war noch
nie hier.« »Ich auch nicht.« Ich sammelte die Waffen der Banditen ein und warf sie auf den Wagen. »Vielleicht finden wir irgendwo eine Stadt und einen Arzt.« Ich stieg über das rechte Wagenrad auf, und als Wilde Blume mir folgte, half ich ihr. Sie trug einen dunklen Poncho von einfachem Schnitt, aus derbem Leinen nach Indianerart gewebt. Als wieder ein Windstoß durch das Tal fuhr, zog sie sich den Poncho fester um die Schultern und kauerte sich neben mich auf den Bock. Ihr Gesicht war jetzt ganz grau, um ihren Mund hatten sich scharfe Falten gebildet. Ich half auch Shita auf den Bock. Er hockte sich zwischen uns und leckte mit seiner heißen Zunge die Hand von Wilde Blume, die vom Sitz herabhing. Mit seinen großen, ausdrucksvollen und klugen Augen blickte er sie unverwandt an. Ich nahm die Zügel auf und trieb das Gespann an. Langsam setzte sich der Wagen in Bewegung. Ich lenkte das Gefährt wieder auf den Karrenweg zurück und trieb die Pferde nach Westen aus dem Tal. Hinter uns schwoll der Wind an. Die Sonne verlor mehr und mehr an Kraft, es wurde dunkler, und in der Ferne rollte leise der Donner. Ich hatte recht behalten, es würde ein Gewitter geben. Vielleicht würde das Unwetter unsere Spur verwischen, so daß die Banditen, die den alten Mann und seine Tochter verfolgt hatten, uns nicht mehr finden würden. Groß war meine Hoffnung nicht. Ich gab mich keinen Illusionen hin. Einmal war es mir gelungen, die Kerle zu überrumpeln, ein zweites Mal würde es nicht gehen. Sie würden mich in Stücke schießen, wenn sie mir noch einmal begegneten, ohne mir eine Chance zu lassen. Ich hatte keine Ahnung, warum die Kerle hinter dem alten Mann und dem Mädchen her waren, aber was es auch war, ich gehörte jetzt dazu, ich hatte mich eingemischt und mußte nun die Folgen tragen. Mir war nicht gerade wohl dabei. Trotzdem war ich sicher, richtig gehandelt zu haben. Als wir das Tal verließen, grollte in der Ferne wieder der Donner, diesmal klang es bereits viel lauter. *
Die Savanne erstreckte sich von einem Ende des Horizonts zum anderen. Das Unwetter verwandelte sie in eine Seenplatte. Seit Stunden waren wir unterwegs, seit Stunden regnete es, und der Kern des Unwetters hatte uns noch nicht einmal erreicht. Windböen trieben den Regen geradezu hinter uns her. Er klatschte gegen die Plane des Wagens und traf Shita und mich auf dem Wagenbock. Wilde Blume hatte ich nach hinten zu ihrem Vater unter die Plane geschickt. Sie war nur zögernd gegangen, aber ich hatte ihr erklärt, daß es völlig sinnlos sei, wenn auch sie noch naß würde. Die Gespannpferde kämpften gegen den Regen an. Sie waren genau wie ich tropfnaß. Der weiche Boden des Weges bereitete ihnen immer größere Schwierigkeiten. Der Regen verwandelte den Boden in grundlosen Morast. Die breiten Räder des schweren Wagens sanken tief in den Schlamm ein. Hinter dem Wagen zuckten Blitze und krachte der Donner. Das Gewitter rückte immer näher. Der Wind schwoll wieder an, jagte heulend am Wagen vorbei und zerrte an der alten Plane. Schemenhaft tauchten die Umrisse eines Waldgürtels vor mir auf. Schlanke Redwoodfichten bogen sich im Sturm. Trotz des nahenden Gewitters lenkte ich den Wagen auf die Bäume zu, um einen sturmgeschützten Platz zu finden, an dem wir das Unwetter abwarten konnten. Hinter mir im Wagen hörte ich den Alten wieder schreien. Er hieß Jeremia Craig, wie Wilde Blume mir erzählt hatte. Ich nannte sie nur Wilde Blume, und tue dies auch in meinen Aufzeichnungen heute noch. Der Name paßte besser zu ihr als Esther, und sie war es gewöhnt, mit ihrem indianischen Namen angesprochen zu werden. Sie war ein stilles, sanftmütiges, aber dennoch sehr zähes und starkes und dabei hübsches Mädchen – wie eine Wildblume in einer kargen, trostlosen Landschaft von einer eigentümlichen und faszinierenden Schönheit. Ich hatte sie noch nicht gefragt, warum sie und ihr Vater verfolgt wurden. Es war noch keine Zeit dazu gewesen. Das einsetzende Unwetter hatte jedes Gespräch unterbunden, und nach Beginn des Regens war ich mit Shita allein auf dem Bock geblieben. Ich hatte
auch den Eindruck gehabt, daß sie darüber lieber schwieg. Obwohl ich ihr geholfen hatte, schien sie noch ein wenig mißtrauisch zu sein. Da ich ihr trotz allem fremd war, hatte ich kein Recht, ihr das übelzunehmen. Ich hatte bei den Apachen gelernt, Menschen einzuschätzen und war sicher, daß Wilde Blume früher oder später von selbst erzählen würde, in was für Schwierigkeiten sie und ihr Vater steckten. Es schien viel Schlimmes hinter ihr zu liegen, und ich wollte sie auch nicht mit Fragen quälen. Unweit des Wäldchens hielt ich den Wagen an, legte Bremsklötze unter die Räder und warf ein paar Decken über die Gespannpferde. Dann kroch ich, völlig durchnäßt, zusammen mit Shita unter die Plane ins Wageninnere. Auf einer Kiste mit Konserven stand ein halb heruntergebranntes Talglicht. Das Flämmchen flackerte heftig, als ich die Plane zurückzog und der Wind ungehindert durch den Wagen streichen konnte. Wilde Blume, die neben ihrem Vater kniete, richtete sich rasch auf und hielt schützend beide Hände vor die Kerze, damit das Licht nicht verlöschte. Ich schloß die Plane sorgfältig und streifte mir ohne weitere Umstände mein Hemd ab, das vor Nässe an meinem Körper klebte. Jetzt fror ich. Wilde Blume reichte mir ein trockenes Tuch, mit dem ich mich abrieb. Draußen schwoll das Unwetter an. Der Regen prasselte gegen die alte Plane, die ihm aber noch erstaunlich standhielt. Das Gewitter rückte immer näher. Die Donnerschläge ließen den Boden erzittern. Als ich durch ein Loch in der Plane hinausschaute, sah ich ein phantastisches Geflecht von Blitzen über den Himmel zucken. Geblendet schloß ich die Augen und wandte mich wieder ab. Unruhig wälzte sich der alte Jeremia Craig hin und her. Das schwache Licht des flackernden Flämmchens der Talgkerze fiel auf sein bärtiges, hager gewordenes Gesicht. Die leere rechte Augenhöhle starrte mich an. Wilde Blume hatte sie vom Blut befreit. »Er hat Fieber«, sagte sie. Sie tauchte einen Leinenlappen in eine Wasserschüssel, wrang ihn aus und legte ihn auf seine Stirn. »Jetzt im Sturm kommen wir nicht weiter«, sagte ich. »Wir
bleiben im Schlamm stecken und schaffen es allein nicht mehr, den Wagen wieder flottzukriegen. Wir müssen warten, bis das Schlimmste vorbei ist.« »Ich glaube nicht, daß ein Arzt ihm noch helfen kann«, sagte sie. »Warum nicht?« Meine Erwiderung klang heftig. »Es gibt Leute, die viel mehr als ein Auge verloren haben und trotzdem putzmunter sind.« »Vorhin hat er Blut gehustet«, erwiderte sie. Ich schwieg. Das hörte sich schlecht an. Vielleicht war die Lunge verletzt, vielleicht hatte ein anderes Organ etwas abgekriegt. Die Banditen hatten ihn schwer mißhandelt. Jeremia Craig war nicht mehr jung, und die Tritte und Schläge der Kerle hatten ihm sicherlich schwer zugesetzt. »Vielleicht hat das nichts zu bedeuten«, sagte ich, aber ohne große Überzeugung. Sie antwortete nicht darauf. Als sie nach einem Becher griff, in den sie für sich selbst etwas Wasser abgefüllt hatte, begann Jeremia Craig wieder zu husten. Es war ein hohler Husten, er klang rasselnd und bellend und schüttelte den massigen Körper, als sei er federleicht. Das bärtige, hagere Gesicht verzerrte sich. Der Oberkörper bäumte sich auf. Ich beugte mich rasch vor und drückte zusammen mit Wilde Blume den Mann auf sein Lager zurück. Der Hustenanfall ebbte ab. Dunkler Schleim rann aus seiner Nase und seinen Mundwinkeln. Wilde Blume wischte ihn mit dem feuchten Lappen weg und hielt den Lappen dicht neben das Talglicht. Da sah ich, daß der Schleim blutig war. Ich blickte stumm auf den feuchten Lappen und dann auf den bewußtlosen Mann. Draußen tobte der Sturm. Mit höllischem Geknatter zuckten die Blitze aus der Weite des Universums nieder. Sie stachen wie zornige Lichtfinger zur Erde, erloschen wieder, kaum daß man sie wahrgenommen hatte, und hatten mächtige Donnerschläge im Gefolge, die den Himmel zum Einsturz zu bringen und den Untergang der Welt einzuleiten schienen. Der Lärm des Unwetters dröhnte in meinen Ohren. Ich schaute den alten Mann wieder an und war nun auch sicher, daß er sterben
würde. Der Tod hatte ihn schon gezeichnet. Wilde Blume hatte es vor mir bemerkt. Jetzt sah ich es auch. Jeremia Craigs Haut wirkte im Kerzenlicht wie Pergament, dünn und durchsichtig und bleich wie feines Leinen. Wilde Blume tupfte ihm den Schweiß von der Stirn. Ich sah, daß ein paar Tränen über ihre Wangen rannen. Ihr schmales Gesicht aber zeigte nicht, was sie innerlich empfand. Es war starr wie eine Maske.
3. Der große Regen war vorbei. Das Gewitter war weitergezogen. Ein milder Wind strich über das Land. Ich hatte die mit Lederriemen verschnürte Plane am Bug und Heck des Wagens geöffnet. Frische Luft drang ins Innere und vertrieb den stickigen Dunst von Blut, Schweiß und Todesangst. Der erste Windhauch, der hereinstrich, löschte die Flamme der fast niedergebrannten Talgkerze. Jeremia Craig war erwacht. Er hatte nicht mehr lange zu leben. In der letzten Stunde war er von Hustenanfällen geschüttelt worden. Immer wieder hatte er helles, rosiges Blut ausgespuckt. Ich war sicher, daß es vom Magen kam, sagte aber nichts, denn ich verstand zu wenig davon, als daß ich ein festes Urteil hätte abgeben können. Vermutlich hatten die Tritte der Banditen eine schwere innere Verletzung im Leib Craigs zur Folge gehabt. Ihm konnte niemand mehr helfen. Die Nähe des Todes hatte noch einmal alle Energien seines Körpers mobilisiert. Ich kauerte mich neben ihn und schaute dabei zu, wie Wilde Blume immer wieder den Schweiß von seinem Gesicht wischte und ihm schluckweise Wasser einflößte. Sein Gesicht war verzerrt vor Schmerzen, aber er gab keinen Laut von sich. Er war ein harter Mann, und ich bewunderte ihn wegen seiner Zähigkeit. Er musterte mich mit seinem linken Auge lange und prüfend und schien zu versuchen, sich zu erinnern, was vorgefallen war. Ich hatte das Gefühl, daß es ihm gelang. Seine Lippen bewegten sich plötzlich. Er sagte: »Sind sie weg …« Ich wußte, wen er meinte. »Sie sind weg«, sagte ich.
Er schien mir nicht zu glauben. Schwerfällig wandte er den Kopf und schaute seine Tochter an. »Er hat sie verjagt, Vater.« Sie zeigte auf mich. »Er hat uns geholfen. Ohne ihn hätten sie uns beide umgebracht.« Er wandte sich mir wieder zu. Seine schwielige rechte Hand bewegte sich. Mühsam tastete er nach meinen Händen, und als er meine Linke fand, umschloß er sie fest. Seine Hände waren groß, rauh und stark, auch jetzt noch. Es steckte noch immer viel Kraft in diesen Händen. »Sie werden nicht aufgeben«, sagte er. Sein linkes Auge schaute mich unverwandt an. »Sie werden versuchen, Wilde Blume zu fangen.« Er atmete schwer. Das Sprechen bereitete ihm Mühe. »Du – bist ein guter Junge«, sagte er. »Du hast ehrliche Augen. Du wirst auf Wilde Blume aufpassen, ja?« Ich nickte. Meine Kehle war plötzlich eng, mein Mund trocken. Ich konnte nichts sagen. »Sie – kennt sich nicht aus in der Welt. Sie ist immer nur in der Wüste gewesen. Du – du läßt sie nicht allein, hörst du?« Ich nickte. Meine Stimme klang heiser, als ich sagte: »Ich laß sie nicht allein.« »Du weißt alles, nicht wahr?« Der Druck seiner großen Hand verstärkte sich so sehr, daß ich fast vor Schmerz geschrien hätte. Aber ich riß mich zusammen und hielt seinem starren, durchdringenden Blick stand. »Sie hat dir alles gesagt, nicht wahr?« Ich wußte nichts, trotzdem nickte ich. »Du wirst sie nicht hintergehen, du nicht …« Seine Stimme wurde schwächer. »Die Sonne«, flüsterte er auf einmal. »Ich möchte – die Sonne sehen. Bringt mich – raus …« »Du mußt still liegen, Vater.« Wilde Blume beugte sich über ihn und tupfte ihm wieder den dünnen Schweißfilm, der sich auf seiner Haut gebildet hatte, vom Gesicht. Seine Züge wurden immer schärfer, sein Gesicht verfiel mehr und mehr. »Du mußt ruhig liegen und darfst dich nicht anstrengen, sonst wird es schlimmer und …« »Es ist vorbei, mein Kind.« Er rang nach Atem. »Ich bin stark genug, um es zu ertragen. Jeder muß einmal sterben, und der Tod ist
nichts Schlimmes. Mit dem Tod ist nichts zu Ende. Gib mir die Bibel.« Sie drehte sich um, öffnete eine kleine Truhe und holte ein zerlesenes Buch mit fleckigem Lederumschlag heraus, auf dem ein schlichtes Kreuz abgebildet war. Jeremia Craig umschloß die Bibel mit beiden Händen und ließ den Kopf zurücksinken. »Jetzt bringt mich raus.« Ich nickte Wilde Blume zu und schob meine Hände unter seine Achseln. Er hatte sicherlich Schmerzen, als wir ihn aus dem Wagen trugen und nahe beim Wald auf eine Decke betteten, aber er sagte kein Wort. Er umklammerte nur die Bibel so fest, daß die Knöchel seiner Finger weißlich unter der braungebrannten Haut hervortraten. Als er dann lag, entwich der Atem pfeifend seinem Mund. Aber er schwieg und schaute zum Himmel auf. Die Sonne hatte den Zenit längst überquert und neigte sich dem Westen zu. Das Unwetter hatte fast den ganzen Tag gedauert. Jetzt war der Himmel blau, und nur ein paar kleine, einsame Wölkchen kreuzten den Horizont. Überall standen riesige Pfützen, die feuchte Luft duftete intensiv nach fetter Erde, Gras, Moos und Kräutern. Jeremia Craig war still geworden. Er atmete fast lautlos. Er schien noch einmal alles in sich aufzunehmen: die laue Luft, den leichten Wind, den Himmel, die Sonne, die Wolken, die weite Savanne, den Wald … Wilde Blume und ich kauerten neben ihm im Gras. Ich glaube, mir fiel als erstem auf, daß seine Züge sich mehr und mehr entspannten. Aller Schmerz wich aus seinem Gesicht. Das linke Auge wurde starr und gläsern, die Lippen bewegten sich nicht mehr. Ich nahm das feuchte Tuch, mit dem Wilde Blume ihm immer wieder den Schweiß von der Stirn gewaschen hatte, und legte es ihm über die Augen, dann wandte ich den Kopf. Wilde Blume kniete neben mir. Sie blickte etwas ungläubig auf den Toten und schien nicht fassen zu können, daß er nun doch gestorben war, obwohl sie es noch vor mir gewußt und sich keinen Hoffnungen hingegeben hatte. »Wir müssen ihn begraben«, sagte ich. »Mitnehmen können wir ihn nicht.«
Als sie nickte, bewegte sich ihr Kopf, als hinge er an Fäden. Ich stand auf, ging zum Wagen hinüber und holte einen Feldspaten, der unter dem Bock angebracht war. Shita trottete schniefend um Wilde Blume herum, blieb schließlich neben ihr stehen und winselte leise. Sie beachtete ihn nicht, und Shita verstummte und beobachtete, wie ich ein paar Schritte abseits am Waldrand eine flache Grube aushob. Es wurde Abend, bis ich mit Wilde Blume Jeremia Craig ins Grab legen konnte. Wir hatten ihn in eine Decke gewickelt. Stumm stand Wilde Blume dabei, während ich Erde auf den Leichnam warf. Die Dämmerung sank schon über das Land, die Sonne verglühte im Westen, als sich ein kniehoher Erdhügel über dem Toten wölbte. Ich ließ den Spaten sinken, ging in den Wald und kehrte mit ein paar geraden Ästen zurück. Ich schnitt sie zurecht, befreite sie von der Rinde und schnürte sie mit einem Lederriemen zu einem Kreuz zusammen, das ich in den Grabhügel steckte. »Hast du noch irgendwo Verwandte?« Ich blieb neben Wilde Blume stehen. Wir schauten auf das Grab, bis der Schatten des Kreuzes mit der sich verdichtenden Dämmerung eins wurde. »Nein.« »Ich auch nicht«, sagte ich. »Es ist hart, aber man wird allein ganz gut fertig, wenn einem nichts anderes übrigbleibt.« »Du hast ihm versprochen, daß du bei mir bleiben wirst«, sagte sie. »Du mußt dich nicht daran halten.« »Was ich verspreche, halte ich«, sagte ich. »Wenigstens solange, bis sicher ist, daß die Kerle dich nicht mehr erwischen, die deinen Vater umgebracht haben. Kannst du kochen?« »Warum?« »Ich hab Hunger«, sagte ich. »Den ganzen Tag habe ich noch nichts gegessen.« »Aber – Vater ist gestorben, und …« »Davon wird man nicht satt«, sagte ich. »Das Leben geht weiter. Dein Vater hat gesagt, ich soll auf dich achtgeben. Er hätte eine Menge dagegen, daß du vor lauter Trauer verhungerst.« »Wie kannst du so reden?« Ihre Stimme zitterte. »Es war nicht dein Vater.« »Hör zu«, sagte ich, und ich war absichtlich schroff zu ihr, denn
sie schien in ihrer Trauer die Gefahr zu vergessen, in der sie schwebte. »Dein Vater hat nichts davon, wenn du dich auch noch umbringen läßt. Die Kerle, die am Morgen über euch hergefallen sind, haben bestimmt nicht aufgegeben. Ich weiß nicht, warum sie euch verfolgten, aber es scheint ihnen verdammt wichtig zu sein. Deshalb wirst du mir jetzt zuerst einmal alles erzählen, die ganze Geschichte, von Anfang an. Warum die Kerle hinter euch her sind, wer sie sind und wo ihr hin wolltet. Es geht auch um meinen Kopf, verstehst du? Ich habe einen der Kerle erschossen und einen zweiten verwundet. Ich muß mich auch schützen.« »Dann brauchst du nur zu gehen!« rief sie. »Von mir aus sollen sie mich ruhig umbringen.« »Du spinnst ja.« Ich ging zum Wagen hinüber und suchte ein paar Lebensmittel zusammen. Schweigend stand sie neben dem Grab und blickte mit trotzig verzogenem Gesicht zu mir herüber. Schließlich setzte sie sich in Bewegung und folgte mir. Shita sprang neben ihr her und bellte sie ermunternd an. Sie setzte sich neben mich in das noch immer feuchte Gras. Ich sagte kein Wort, sondern widmete mich, ohne sie zu beachten, meinem trockenen Brotkanten und etwas kaltem Fleisch. »Es tut mir leid«, sagte sie leise. Ich antwortete nicht, hielt ihr statt dessen ein Stück Fleisch hin und grinste ein wenig. »Vor zwei Wochen ist meine Mutter ermordet worden«, sagte sie. »Und jetzt mein Vater …« »Iß ein bißchen«, sagte ich. »Und dann erzähl, was los war.« Sie griff zögernd nach dem Fleisch. »Ich erzähle dir alles«, sagte sie. »Vater wollte es so, und … Was soll ich sonst tun?« Sie schaute mutlos zu Boden, biß ein Stück von dem Fleisch ab und warf Shita den Rest hin. »Wir hatten eine Hütte im Niemandsland, vierzig Meilen westlich vom Canadian«, sagte sie. »Vater war Indianerhändler. Er war mit den Kiowas befreundet. Vor achtzehn Jahren hat er eine KiowaSquaw geheiratet. Ein Jahr später wurde ich geboren …«
* Die Reiter kamen aus dem Panhandle von Texas. Sie waren staubbedeckt und hager wie hungrige Wölfe. Sie ritten durch steiniges, wüstes Land. Kein Baum und kein Strauch unterbrachen die triste Einöde. Hier und da wucherten zwischen den riesigen Granitfindlingen und dem rötlichen vulkanischen Gestein kurze, bräunliche Gräser, die für Tiere ungenießbar waren. Die Reiter waren im Gebiet der Comanchen gewesen, an ihren Sätteln baumelten lange Skalpzöpfe, an denen das Blut derer, denen sie die Kopfhäute abgeschnitten hatten, noch nicht ganz trocken war. Jeder hatte zwei Revolver und im Sattelschuh einen Karabiner. Sie hatten sich seit Tagen nicht rasiert. Einer trug ein schmutziges Tuch um die Stirn, wo ihn ein Streifschuß erwischt, aber nicht sonderlich schwer verletzt hatte. Eine Schramme nur. Sie fühlten sich ziemlich ausgelaugt. Seit Stunden waren sie unterwegs, ohne auf Wasser gestoßen zu sein. Ihre Feldflaschen waren fast leer. Das Wasser reichte nicht einmal mehr für einen Tag, und bei dieser Berechnung gingen die Pferde leer aus. Feiner Alkalistaub erhob sich unter den Hufen der Tiere, blieb in der heißen Luft hängen, waberte in dünnen Schleiern hoch und legte sich auf die Schweißschicht, die die Gesichter der Männer bedeckte. Geschlafen hatten sie seit vierundzwanzig Stunden nicht mehr, denn sie wußten, daß Indianer auf ihrer Fährte ritten. Sie hofften, sie abhängen zu können. In drei oder vier Tagen, so hatten sie sich ausgerechnet, würden sie die nächste County-Stadt erreichen und dort die Prämien für die Skalps kassieren. Dann konnten sie sich für ein paar Wochen ein gutes Leben machen. Sie betrieben dieses blutige Geschäft schon ziemlich lange, ihre Jagdausflüge waren immer erfolgreich gewesen. Auch diesmal. Sie hatten ein Comanchendorf überfallen, dessen Krieger auf der Jagd gewesen waren. Nur Frauen, Kinder und Greise hatten sich in den Zelten befunden. Das konnte man den Skalps nicht ansehen, die die Reiter am Sattel trugen. Danach fragte auch keiner der Beamten, die die Skalpprämien auszahlten.
Sengend lag die Hitze auf dem Land. Es gab keinen Schatten, keinen Schutz vor den brennenden Strahlen der Sonne. Das Gestein schien zu kochen. Die ständige Trockenheit hatte hier und da den Boden aufplatzen lassen. Ein Netz von fingerbreiten Rissen durchzog die graubraune Erdkruste. Hier lagen Skorpione in der Sonne, manchmal auch eine Klapperschlange oder ein paar Echsen. Die Reiter sahen hart aus. Sie hatten einiges durchgestanden und waren nicht leicht zu beeindrucken. Sie sahen aus wie Männer, die über Leichen gingen, denen ein Menschenleben nicht viel wert war. Es war ihnen nicht anzumerken, daß sie beunruhigt waren. Sie hatten die Orientierung verloren. Das Land, durch das sie ritten, kannten sie nicht. Sie waren zum erstenmal in diesem Gebiet. Ihrer Meinung nach hätten sie längst den Canadian-Fluß erreicht haben müssen, aber seit dem Morgen waren sie sich darüber im klaren, daß sie sich verirrt haben mußten. Dennoch ritten sie weiter. Denn das Land sah überall gleich aus, und ein Zurück durfte es nicht geben. Die Sonne rückte langsam dem Zenit entgegen. Die Hitze nahm noch zu. Die Luft über dem Boden schien zu dampfen. Dann plötzlich, wie eine Luftspiegelung, tauchte zwischen einigen riesigen Granitquadern eine Hütte auf. Die Hütte war aus rohen Steinen gebaut, wie sie massenhaft in der Landschaft herumlagen. Dazwischen waren einige Balken zu erkennen, die der Erbauer, der Teufel mochte es wissen wie, irgendwo in dieser holzarmen Gegend aufgetrieben hatte. Neben der Hütte befand sich ein Ziehbrunnen. Die Männer spürten ihren Durst stärker, und auch die erschöpften Pferde beschleunigten noch einmal ihre Gangart. Sie hielten vor dem Haus an und glitten schwerfällig aus den Sätteln. Einer zog einen Eimer mit Wasser aus dem Brunnen, trank, und schüttete dann den gierig herandrängenden Pferden das Wasser in einen Steintrog neben dem Brunnen. Als auch seine Kumpane getrunken hatten, traten sie auf das Haus zu. Da stand die Indianerin schon auf der Schwelle. Sie war nicht mehr jung. Ihre Gestalt hatte längst begonnen, rundlich zu werden. Sie trug einen schlicht geschnittenen Rock aus gegerbtem Antilopenleder und eine einfache Leinenbluse. Das Haar hatte sie
gescheitelt und zu zwei dicken Zöpfen geflochten, die ihr rundes Kiowa-Gesicht einrahmten. Sie musterte die sechs Reiter, sah die Skalps an den Sätteln ihrer Pferde und wußte, was für Männer sie vor sich hatte. Trotzdem blieb sie auf der Schwelle der Hütte stehen. Mehr konnte sie nicht tun, denn ihr Mann war nicht zu Hause. Aber ihre Tochter war in der Hütte, und das bereitete ihr Sorgen, aber sie ließ sich nichts anmerken. Die Männer blieben stehen, schauten sich das Haus an und richteten dann ihre Aufmerksamkeit auf die Squaw. »Wohnst du allein hier?« Die rauhe Stimme des Anführers paßte zu der unwirtlichen Landschaft, sie klang unangenehm und böse. »Nein«, sagte die Frau. »Dein Mann ist ein Weißer?« Sie nickte. Der Anführer der Männer spie aus und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Wir haben seit anderthalb Tagen nichts mehr gegessen.« »Wir haben selbst nicht viel«, sagte die Indianerin. »Aber genug für uns wird doch noch da sein, wie?« Die Männer setzten sich in Bewegung und gingen auf die Tür zu, als sei die Frau gar nicht da. Sie blieb stehen, und da stießen sie sie beiseite. »Wilde Blume!« rief sie im Dialekt der Kiowa. »Wilde Blume, geh! Lauf davon! Schnell, schnell!« Einer der Männer fuhr herum und schlug ihr mit der flachen Hand auf den Mund. Ihre Unterlippe platzte auf, und ein paar Tropfen Blut rannen zu ihrem rechten Kinnwinkel. Sie taumelte und hielt sich am Türrahmen fest. Vor ihren Augen verschwamm alles. »Was schreist du da?« schnauzte der Mann, der sie geschlagen hatte. Im Haus polterte es. Die anderen stürmten in die hintere Kammer. Da floh gerade ein schlankes, graziles Mädchen durch ein Fenster und hetzte stolpernd auf eine Gruppe von mächtigen Findlingen zu. Der Anführer der Männer riß seinen Revolver aus dem Halfter und schoß durch das Fenster.
Die Detonation verhallte in der Weite. Irgendwo schlug die Kugel auf einen Stein, prallte ab und wirbelte jaulend als Querschläger in die kochende Luft. Das Mädchen verschwand unversehrt hinter einem Felsquader. Dann wurde es still. Die Männer gingen durch die Hütte. Sie hatte drei Kammern und einen kleinen Lagerraum. Hilflos lehnte die Frau an der Wand der Wohnstube und strich sich immer wieder mit dem Handrücken über die blutende Lippe. Nachdem sie sich alles angesehen hatten, wandten sie sich wieder der Frau zu. »Wo ist dein Mann?« Sie schwieg. Der Anführer schlug ihr die Faust auf den Mund. Ihr Kopf wurde an die Wand geschleudert. Sie sank auf die Knie nieder und preßte beide Hände vors Gesicht. »Laß sie in Ruhe«, sagte ein anderer Mann. »Sie reißt ihr Maul ohnehin nicht auf. Sag ihr lieber, sie soll ein paar Eier in die Pfanne hauen und Speck braten, Kaffee kochen und so. Mir hängt der Magen bis zu den Knien.« Der Anführer versetzte der Frau einen Tritt, so daß sie auf die Seite fiel. »Du hast es gehört«, sagte er. »Beeil dich, wir haben Hunger.« Sie stemmte sich mühsam hoch. Ihr Mund war blutverschmiert. Als sie in die kleine Küche wankte, folgte ihr einer der Kerle und beobachtete jede ihrer Bewegungen. Im Nebenzimmer hatten sich die Männer an den primitiv gebauten Tisch mit der gescheuerten Platte gesetzt und unterhielten sich darüber, ob sie das geflüchtete Mädchen verfolgen sollten. Sie beschlossen, es nicht zu tun. Es war ihnen nicht so wichtig. Wichtig war ihnen, daß sie etwas in den Magen kriegten und ein wenig Ruhe fanden. Nach kurzer Zeit brachte die Frau das Essen. Ausgehungert, wie sie waren, fielen sie wie Schakale über die Mahlzeit her.
4. Gegen Abend fanden sie das Gold.
Sie hatten in den Betten der Familie Craig – die Squaw hieß Caleya, die Skalpjäger hatten sie ausgequetscht und erfahren, daß ihr Mann, Jeremia Craig, Indianerhändler sei – geschlafen und abwechselnd Wache gehalten. Als letzter war der Anführer der Männer mit der Wache drangewesen. Er hatte nicht wie die anderen stupide dagesessen und die Indianerin angestarrt, die mit an den Leib angezogenen Knien in einer Ecke am Boden hockte und sich nicht rührte. Er war im Haus umhergegangen, nachdem er sich überzeugt hatte, daß der Frau keine Waffen in die Hände fallen konnten. Er hieß Buck Olden, was die Frau nicht wußte. Er wurde in Texas steckbrieflich gesucht, weil er nicht nur Indianer, sondern auch bei einem Postkutschenüberfall den Kutscher und einen Fahrgast umgebracht hatte. Seine Kumpane meinten, er habe eine Nase für gute Geschäfte. Ob das stimmte, konnte man nicht mit Sicherheit sagen. Zumindest hatte Buck Olden an diesem Abend Glück, denn er durchwühlte die Schränke im Haus und stieß auf einen kleinen Lederbeutel mit Nuggets – reinstem, unverdorbenem Gold. Als er zurück in die Kammer kam, in der Caleya Craig saß, hielt er den Lederbeutel auf der ausgestreckten rechten Hand. Caleya wurde bleich unter dem Bronzeton ihrer Haut. »Steht auf!« schrie Buck Olden. Verschlafen richteten sich seine Kumpane von den Lagerstätten auf. »Gold«, sagte Olden. »Dicke, feine Nuggets. Wo die her sind, da gibst auch noch mehr.« Er warf seinen Leuten den Beutel zu. Die Kerle waren sofort hellwach und begutachteten die kleinen Goldklümpchen, die im Licht der Petroleumlampe, die von der Decke hing, matt glänzten. Olden baute sich breitbeinig vor der Frau auf, die ihn angstvoll anschaute. »Hat dein Mann das Gold hier gefunden?« Sie schwieg, und er versetzte ihr einen Tritt, daß sie schrie. »Hat er?« Sie schüttelte den Kopf. Da bückte er sich, packte sie am Kragen ihrer Bluse und zerrte sie hoch. Mit häßlichem Laut riß der Stoff. »Lüg mich nicht an!« schrie er. »Wo ist er jetzt? Du weißt doch, wo er ist, und du weißt auch, wo er das Gold gefunden hat?«
Sie schüttelte wieder den Kopf, und Olden prügelte in blinder Wut erneut auf sie ein, so daß sie wieder zusammenbrach und sich übergab. Ihr Körper bäumte sich auf. »Los«, sagte Buck Olden. »Wir nehmen die Bude auseinander.« Sie ließen die Frau liegen und zerschlugen sämtliche Möbel im Haus. Sie rissen die Schränke auseinander, zerschlitzten die Betten und wühlten den aus gestampftem Lehm bestehenden Fußboden auf. Sie rissen ein paar Dachbalken herunter, so daß ein Teil des Daches einstürzte. Aber sie fanden nicht mehr als den kleinen Beutel mit Nuggets, den Olden entdeckt hatte. Sie gingen zu Caleya zurück. Olden packte sie an den Zöpfen und schleifte sie durch das Haus, das nur noch ein Trümmerfeld war. »Wo hat dein Mann das Gold her?« schrie er. »Wir kriegen es raus, verlaß dich drauf!« Sie schwieg noch immer, und Olden versetzte ihr einen Tritt in die Seite, so daß sie schrie und sich vor Schmerzen am Boden wälzte. In sinnloser Wut fiel er über sie her, schlug und trat sie, und sie versuchte vergeblich, sich zu schützen. Halb bewußtlos lag sie dann neben dem zerbrochenen Küchentisch, als er endlich von ihr abließ. Inzwischen hatte sich einer der Männer eine Petroleumlaterne genommen und die Hütte verlassen. Als Buck Olden sich keuchend von der Frau abwandte, kehrte er zurück. »Draußen ist eine Wagenspur zu sehen«, sagte er. »Sie führt auf die Felsen im Westen zu. Vielleicht hat der Mann das Gold dort gefunden, vielleicht ist er jetzt dort.« Wortlos riß ihm Olden die Laterne aus den Händen und ging hinaus. Seine Kumpane folgten ihm. Sie fanden die Fährte der breiten Wagenräder hinter dem Haus, unweit von einer Stelle, wo zwischen Glimmerschiefer, Granit und vulkanischem Geröll ein paar bunte Wildblumen wuchsen. Daß es dicht bei der Spur Quarzgestein gab, bemerkten sie nicht, wahrscheinlich hätte es ihnen auch nicht viel gesagt. »Wir folgen der Spur«, entschied Olden. »Klar, der Kerl hat das Gold in den Bergen gefunden. Die Fährte führt direkt auf die Canadian-Berge zu. Das müssen die Canadian-Berge sein. Wir sind gar nicht so weit weg von unserem eigentlichen Weg.«
Sie gingen zur Hütte und zu den wartenden Pferden. »Was wird mit der Squaw?« Olden antwortete nicht. Er ging ins Haus und fand die Frau in der hintersten Kammer. Sie versuchte gerade, durch das Fenster zu steigen, durch das auch ihre Tochter entkommen war. Olden sah die Todesangst in ihren Augen. Ungerührt griff er nach dem Kragen ihrer zerrissenen Bluse und zerrte sie zurück. In der rechten Hand hielt er sein großes Messer. Mit eiskalter Ruhe grub er ihr die Klinge in die Brust. Er zog sie zurück und stieß noch einmal zu. Dann ließ er sie los. Sie sank zu Boden, und Olden bückte sich, setzte ihr den rechten Stiefel auf den Nacken, griff in ihr volles Haar und schnitt ihr den Skalp ab. Dann drehte er sich um und ging hinaus, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Draußen waren seine Kumpane bereits in die Sättel gestiegen. Ihre Augen glänzten. Das Goldfieber hatte sie gepackt. Sie waren Männer ohne Skrupel und Hemmungen. Der Anblick der kleinen Goldklümpchen in dem Lederbeutel hatte sie um den Verstand gebracht. Sie wollten die Ader finden, sie wollten mehr Gold haben. Gold! Sie waren bereit, dafür zu töten, nicht nur Caleya Craig, die in ihren Augen nur eine schmutzige Indianersquaw, also kein Mensch, gewesen war. Sie waren bereit, jeden zu töten, der sich ihnen in den Weg stellte. Kaum saß Buck Olden im Sattel, da trieben sie ihre Pferde an. Sie ritten auf der Wagenspur westwärts auf die Canadian-Berge zu, wo sie Jeremia Craig, den Squawmann, zu finden hofften, der dort, wie sie meinten, eine Goldader ausbeutete. Der Hufschlag ihrer Tiere verhallte in der Nacht. * Wilde Blume kauerte im Schatten eines überhängenden Felsens und sah die Sonne im Westen sinken. Ab und zu hörte sie von der Hütte her rauhes Männerlachen, und dann schrie ihre Mutter. Jedesmal zog sie fröstelnd die Schultern hoch und grub die Zähne in die Unterlippe, um nicht selbst loszuschreien. Tränen rannen ihr über das
schmale Gesicht, und das Herz schlug ihr bis zum Hals, daß sie dachte, das Pulsieren ihres Blutes würde sie zerreißen. Es wurde Nacht, und die Temperaturen sanken abrupt, sowie die Sonne verglüht war. Wilde Blume fror nun wirklich, und immer noch lauschte sie zur Hütte hinüber. Eine Zeitlang war es dort still gewesen, dann hatte ihre Mutter wieder geschrien. Kurze Zeit darauf war ein Höllenlärm losgebrochen. Wilde Blume wäre am liebsten aufgesprungen und in die Nacht gelaufen, aber sie wagte es nicht, sie preßte sich noch fester gegen die schroffe Wand des Felsquaders, in dessen Deckung sie sich befand. Schließlich hörte sie Hufschlag, danach wurde es wieder still. Sie zog die Beine an den Leib, senkte das Gesicht auf die Knie und weinte leise in sich hinein. Wie lange sie so saß, wußte sie nicht. Sie hatte jedes Gefühl für Zeit verloren. Irgendwann im Laufe der Nacht hörte sie Wagengeräusche. Ihr Körper war übermüdet. Sie fror und hatte Schmerzen in den Gelenken. Das Knarren von Wagenrädern, das Klirren von Hufschlag und Geschirrketten näherten sich. Es waren vertraute Geräusche. Wie in Trance erhob sie sich, stolperte unbeholfen aus dem Schatten der Felsen und taumelte über die Ebene auf den Wagen zu, der sich von Norden näherte. Auf dem Bock saß ein massiger, bärtiger Mann, der sofort anhielt, als er sie entdeckte, und zu Boden sprang. Er eilte ihr entgegen und fing sie auf. Jetzt lösten sich ihre innere Anspannung und die aufgestaute Angst. Tränen strömten aus ihren Augen, und sie erzählte, stammelnd, kaum verständlich, bruchstückhaft, was vorgefallen war. Die Haltung des Mannes versteifte sich. Jeremia Craig lauschte seiner Tochter und hatte das Gefühl, ein ganz anderer Mensch zu sein. Was sie da erzählte, das konnte, das durfte nicht passiert sein. Schon vor Jahren war er mit seiner Frau in die Einsamkeit gezogen, um den Anfeindungen derer zu entgehen, die einen Squawmann verabscheuten, ihn ächteten und ausstießen. Das Leben in der Einöde war hart und entbehrungsreich, aber friedlich gewesen. Er weigerte sich im ersten Moment zu glauben, daß seine Idylle zerschlagen sein sollte. Und doch wußte er, daß seine Tochter die
Wahrheit sagte. Er war sich darüber im klaren, daß er sich eigentlich immer vor diesem Tag gefürchtet hatte. Er hatte immer gewußt, daß so etwas eines Tages passieren würde. Aber je länger der Frieden gewährt hatte, um so weiter hatte er diese Gedanken verdrängt. Jeremia Craig strich seiner Tochter durch das Haar und führte sie zum Wagen. Er half ihr beim Aufsteigen, kletterte dann selbst wieder auf den Bock und legte eine doppelläufige Schrotflinte Kaliber 12 quer über die Knie, als er das Gespann wieder antrieb. Wachsam schaute er sich um, als er auf seine Hütte zufuhr. Es blieb alles still, und auch, als er den Wagen vor der Hütte anhielt, rührte sich nichts. Mit der Schrotflinte in den Fäusten stieg Jeremia Craig vom Bock und ging zur offenstehenden Haustür. Drinnen brannte ein Licht. »Caleya!« Seine Stimme klang gepreßt. Er zwang sich zur Ruhe. Wilde Blume war hinter ihm vom Bock gestiegen und folgte ihm. Er hatte sie fast vergessen. Er stieg über die Trümmer, die dicht bei der Tür lagen, und Wilde Blume folgte ihm. Er gelangte schließlich in die hinterste Kammer und fand seine Frau. Auch Wilde Blume sah ihre Mutter, bevor Jeremia Craig es verhindern konnte. Sie stieß einen spitzen Schrei aus und drehte sich um. Sie wankte hinaus und übergab sich vor dem Haus. Als Craig die Hütte schließlich verließ, saß sie wie versteinert und kreidebleich auf dem Wagenbock. Ihre Hände zitterten. Sie konnte keinen zusammenhängenden Satz sprechen. Jeremia Craig trug seine tote und verstümmelte Frau zu der Stelle hinüber, wo zwischen dem schroffen Gestein wilde Blumen wucherten. Auch ihm rannen ein paar Tränen aus den tiefliegenden Augen über die zerfurchten Wangen. Sie sickerten in seinen dichten Bart, während er ein paar Steine zur Seite räumte, die eine flache Höhlung tarnten. Wer das Versteck nicht kannte, hätte sie nie bemerkt. Craig griff hinein und zog kleine Lederbeutel heraus, die prall mit Nuggets gefüllt waren. Es mochten zwei Dutzend sein, vielleicht auch ein paar mehr. Er schleppte sie zum Wagen, hob im Innern eine Bodenbohle hoch und legte die Beutel in eine Vertiefung, die er in einen Balken des Wagenunterbaus geschnitzt hatte. Wer
unter den Wagen schaute, sah nur die beiden Balken als Stütze des Wagenkastens, ganz normale Balken, kein Geheimfach. Und vom Wageninnern aus war das Versteck auch nicht zu erkennen. Craig legte sorgfältig die Bodenbohle zurück, nachdem er die kleinen Goldbeutel verstaut hatte. Dann ging er zu seiner toten Frau und begann, Steine über sie zu schichten. Er hatte diese Arbeit noch nicht zur Hälfte vollendet, als er Hufschlag hörte. Im Osten graute bereits der Morgen, von Westen näherten sich die Hufgeräusche mehrerer Pferde. Craig lauschte einen Moment, dann eilte er zu seinem Wagen und sprang auf den Bock, auf dem Wilde Blume noch immer in sich zusammengesunken saß und teilnahmslos vor sich hin starrte. Craig nahm die Zügel hoch und trieb die Pferde mit heiseren Schreien an. Schweiß perlte auf seiner Stirn, als sich der Wagen in Bewegung setzte und nach Norden rollte. Craig griff nach der Peitsche, die links von ihm in einer eisernen Halterung am Bock steckte. Er ließ sie über den Rücken der Gespannpferde knallen, und die Tiere legten sich mit aller Kraft ins Geschirr. In rasender Fahrt flog der Wagen über das steinige, unebene Land dahin. Er tauchte in den Schleiern des Morgennebels unter, hinter Craig und Wilde Blume verhallte der Hufschlag der Reiter, die von den Bergen aus zur Hütte ritten. Als die Sonne aufging, tauchten ein paar Kiowa-Zelte vor dem Wagen auf. Craig lenkte das Gefährt darauf zu. Er hielt vor den Zelten an. Als er vom Bock stieg, übernächtigt, erschöpft, hungrig und steif vom langen Sitzen, mit schmerzenden Muskeln, wurde am größten der Zelte die Lederhaut am Eingang zurückgeschlagen. Ein hagerer, mittelgroßer Mann mit schlohweißem Haar, das ihm bis auf die knochigen Schultern fiel, trat heraus. Zwei große Ohrringe aus Silberdraht baumelten rechts und links neben seinen Kinnwinkeln. »How, weißer Bruder Craig.« Der Alte winkte dem bärtigen Mann vergnügt zu. »Mein Herz ist erfreut, dich zu sehen.« »Es ist etwas passiert, Sartano«, sagte Craig in kehligem KiowaDialekt. Er verzichtete auf alle blumenreichen Umschreibungen, wie sie die Höflichkeit normalerweise gebot. »Deine Tochter Caleya ist
tot. Weiße Männer haben sie umgebracht. Sie sind hinter mir her.« Die Züge des Alten erstarrten. Seine dunklen Augen wurden eng. »Sie haben das Gold entdeckt, Craig?« Der massige Mann zuckte mit den Schultern. »Ich nehme es an. Sie haben alles durchwühlt und kurz und klein geschlagen. Dann sind sie fortgeritten. Als ich Caleya begraben wollte, kehrten sie zurück.« Der Alte blickte zu Boden. »Die gelben Steine vergiften den weißen Männern das Gehirn. Es war dein großes Unglück, Craig, daß du das Gold gefunden hast.« »Vielleicht, Sartano. Die Männer wären trotzdem gekommen und hätten Übles angerichtet, auch wenn sie das Gold nicht gefunden hätten.« »Vielleicht. Aber du hättest die gelben Steine nicht sammeln dürfen, Craig. Du hättest sie liegenlassen sollen. Du brauchtest sie nicht. Alles, was du brauchtest, das hattest du. In der Wüste kann man mit Gold nichts anfangen.« »Ich wollte ja nicht immer in der Wüste bleiben«, sagte Craig. »Einmal wollte ich fort von hier, und Wilde Blume sollte besser leben.« »Wilde Blume ist eine Kiowa«, sagte der Alte. »Sie ist die Tochter meiner Tochter. Sie gehört zu ihrem Stamm. Es kann ihr nirgends besser gehen.« »Wir haben oft darüber gesprochen«, sagte Craig. »Jetzt ist keine Zeit dazu. Ich fahre mit Wilde Blume fort. Ich wollte euch warnen. Nehmt euch in acht vor den weißen Männern.« Der Alte nickte. »Wilde Blume ist Caliko versprochen«, sagte er, ohne Craig anzusehen. »Es wird ihm nicht gefallen, daß sie fortgeht.« »Du hast sie ihm versprochen«, sagte Craig. »Aber sie ist meine Tochter, und ich nehme sie mit mir. Sieh zu, daß du mit ihm fertig wirst.« Er drehte sich um und ging zum Wagen zurück. Wilde Blume lag seitlich auf dem Bock. Ihr Kopf war auf die Bocklehne gesunken. Sie schlief. Jeremia Craig bestieg den Bock und nahm die Zügel wieder auf. Der alte Häuptling schaute ihm nach, als er den Wagen aus dem
Lager lenkte. Aus den anderen Zelten traten Männer und Frauen und ein paar Kinder. »Du hast sie taufen lassen!« schrie der alte Häuptling plötzlich hinter dem Wagen her. »Du hast sie nicht wie eine Kiowa erzogen!« Craig antwortete nicht. Er schaute auch nicht zurück. In rascher Fahrt rollte der Wagen nordwärts. Die Zelte versanken hinter dem Gefährt in der Ebene. Mit verkniffenem Gesicht starrte Jeremia Craig nach vorn. Der Fahrtwind zauste an seinem Haar, das unter dem breitrandigen Hut hervorquoll. Gegen Mittag erreichte er den Canadian-River. Hier ließ er die Pferde saufen und ergänzte die Wasservorräte für sich und Wilde Blume. Als er die Pferde wieder antrieb, erwachte das Mädchen. Es richtete sich aus seiner unbequemen Haltung auf dem Bock auf und schaute den Mann aus großen Augen an. »Ist Mutter tot?« Er ließ die linke Hand von den Zügeln sinken und legte seinen Arm um ihre Schulter. »Es ist vorbei«, sagte er. Seine rauhe Stimme klang sanft. »Versuch es zu vergessen. Deine Mutter war eine gute Frau. Sie lebt nicht mehr. Aber du lebst, und ich will dafür sorgen, daß das so bleibt.« Ihr Gesicht blieb unbewegt. Sie weinte nicht mehr. Ihre Blicke glitten ins Leere. Trauer und Schmerz lagen in ihren Zügen. Und Furcht vor dem Unbekannten, das Zukunft hieß. Der Wagen rollte nordwärts, auf Kansas zu.
5. Ich wußte jetzt die ganze Geschichte. Ich konnte nicht sagen, daß mich das fröhlicher stimmte. Es war Nacht geworden, während Wilde Blume erzählt hatte. Noch nistete die Nässe von dem großen Unwetter überall im Boden. Es war empfindlich kühl, und als von Westen Wind aufkam, fror ich, obwohl ich meine inzwischen getrockneten Sachen wieder angezogen hatte. Ich stand auf und hob Shita in den Wagen, dann kletterte ich selbst
hinein und half Wilde Blume beim Aufsteigen. Sorgfältig schloß ich die Plane. Wilde Blume zündete ein neues Talglicht an, während ich uns aus den Fellen und Decken im Wagen ein Lager bereitete. Seit sie ihre Erzählung beendet hatte, hatte ich geschwiegen. Immer wieder warf sie mir abwartende Blicke zu, aber ich schwieg beharrlich weiter, denn ich dachte darüber nach, wie wir aus dieser mißlichen Lage wieder heraus sollten. Aber mir fiel keine Lösung ein. Die Männer, die ihre Mutter und ihren Vater umgebracht hatten, waren skrupellose Killer und Abenteurer. Es ging um Gold, und für Gold waren solche Männer zu allem bereit, zu jedem Verbrechen, zu jedem Mord. Solange sie die Chance hatten, das Gold zu erhalten, würden sie auch nicht aufgeben. Das einfachste wäre wahrscheinlich gewesen, das Gold, das sich ja noch immer im Wagen befinden mußte, einfach zurückzulassen. Vermutlich wären wir die Verfolger damit los gewesen, aber auch nur vielleicht. Immerhin gab es inzwischen einen Toten und einen Verletzten zu rächen. Wer konnte schon mit Sicherheit sagen, was in den Hirnen solcher Kerle vor sich ging! Außerdem widerstrebte es mir, uns auf solche Art und Weise von der Verfolgung freizukaufen. Das Gold hatte dem Vater von Wilde Blume gehört, jetzt gehörte es ihr. Es war ihr rechtmäßiges Eigentum, und niemand hatte das Recht, es ihr abzunehmen. Ich hatte ihrem Vater versprochen, auf sie acht zu geben, und ich verstand darunter auch, daß ich versuchen mußte, ihr das, was sie noch besaß, zu erhalten. »Ich hab dir alles erzählt«, sagte sie plötzlich. »Wir schaffen es schon«, erwiderte ich. »Immerhin haben wir einen Vorsprung. Noch vor Sonnenaufgang morgen früh fahren wir weiter. Hattet ihr ein bestimmtes Ziel?« »Vater hat nichts gesagt.« »Dann fahren wir weiter ostwärts«, sagte ich. »Es ist auch ganz egal, wo wir landen. Du hast das Gold deines Vaters, und für Gold kann man sich in der Welt der Weißen fast alles kaufen.« Ich deutete auf die Decken. »Leg dich hin. Ich halte bis Mitternacht Wache, dann bist du dran.«
Sie nickte gehorsam und streckte sich auf dem Lager aus. Shita legte sich neben sie, preßte seinen Rücken an sie und wärmte sie. Ich hockte mich am Heck des Wagens hin und legte meinen NavyColt in den Schoß. Schon bald hörte ich Wilde Blume tief und regelmäßig atmen. Sicher war sie übermüdet, und das Gespräch hatte sie beruhigt, sonst hätte sie gewiß nicht so schnell und so fest geschlafen. Ich warf einen Blick in die Nacht hinaus und fühlte auch in mir bleischwer die Müdigkeit aufsteigen. Erschöpfung erfüllte mich. Kein Wunder nach allem, was hinter mir lag. Ich versuchte, mich dagegen zu wehren, aber ich konnte nicht verhindern, daß mir die Augen immer wieder zufielen, meine Glieder immer schwerer wurden und mein Kopf immer tiefer auf die Brust sank. Immer wieder zwang ich mich wachzubleiben. Aber dann war die Müdigkeit starker. Irgendwann im Laufe der Nacht schlief ich ein. Ich fiel auf die Seite. Der Navy-Colt rutschte von meinem Schoß und blieb neben meinem linken Knie auf den Bodenbrettern des Wagens liegen. Ich hörte nicht mehr das leise Singen des Windes, der um den Wagen strich. Ich hörte auch nicht, daß er in der Nacht stärker wurde, in den Wipfeln der Bäume rauschte und sie hin und her schwanken ließ. Er trocknete die vielen kleinen Pfützen, die der große Regen hinterlassen hatte, und ließ auch einige der großen Pfützen verschwinden. Nur die riesigen Wasserlachen auf dem Karrenweg und in den Bodenvertiefungen der Ebene widerstanden dem Wind. * Shita knurrte. Ich öffnete die Augen und wälzte mich verschlafen herum. Irgendwo in meinem Gehirn signalisierte ein Instinkt Gefahr. Aber ich war einfach zu müde, um sofort zu reagieren. Erst als Shita sich von seinem Platz neben Wilde Blume, die tief und fest weiterschlief, erhob und an mir vorbei zum Wagenheck tappte, rappelte ich mich auf. Hämmernder Kopfschmerz begann sofort in meinen Schläfen zu toben.
»Still«, flüsterte ich, als Shita wieder knurrte. »Ganz ruhig.« Ich strich ihm über den Kopf und tastete nach meinem Navy-Colt. Gerade, als ich den Lauf unter meiner rechten Hand spürte, hörte ich draußen das Schnauben eines Pferdes. Es war keines der Gespannpferde, denn es ertönte vom Wald her. Nach und nach wich die Schwere in meinem Körper, der hämmernde Schmerz ließ wieder nach. Ich hob den Revolver auf und schob mich an Shita vorbei. Ohne daß ich mein Gesicht, das in der Dunkelheit wie ein heller Fleck wirken würde und mich womöglich verraten konnte, über die Heckbracke des Wagens hob, spähte ich hinaus. Es war alles still. Nur der Wind rauschte in den Bäumen. Es war ein milder, warmer Wind. Am Himmel blinkten ein paar Sterne. Ich wischte mir über die Augen und versuchte, die letzte Müdigkeit abzuschütteln. Nirgends war ein Mensch zu sehen, aber Shita knurrte noch immer leise. Aufmerksam suchte ich mit den Augen den Waldrand ab, der im tiefen Schatten des bleichen Mondlichts lag. Es dauerte eine Weile, bis ich in der Finsternis die Umrisse eines Pferdes erkennen konnte. Das Tier stand halb verborgen und gedeckt vom Mondschatten im Unterholz des Waldes. Es war kein sehr großes Pferd, dunkel und mit langer Mähne – ein Indianerpony. Einen Moment überlegte ich, was zu tun war, dann schwang ich mich lautlos über die Heckbracke und glitt zu Boden. Lange kauerte ich reglos im Gras und lauschte in die Nacht. Dann bemerkte ich vor dem Wagen einen Schatten. Ich streckte mich flach aus und robbte unter dem Wagen hindurch bis zum Bock nach vorn. Neben den Gespannpferden gewahrte ich eine schmale Gestalt. Sie schien die Brandzeichen der Tiere zu überprüfen. Schließlich löste sie sich von den Pferden und bewegte sich auf den Bock zu. Ich preßte mich tief ins hohe Gras. Als das Mondlicht voll auf die Gestalt fiel, sah ich, daß es sich um einen jungen Krieger handelte. Er war ein Kiowa. Er trug sein Haar zu zwei Zöpfen geflochten. Um die Stirn hatte er sich ein einfaches, mit Perlen besticktes Lederband gebunden. Seine Kleidung bestand aus einer fleckigen
Wildlederhose, kniehohe Mokassins und einer ärmellosen Leinenweste, an der zwei silberne Conchos im Mondlicht blinkten. Er war höchstens achtzehn, nicht größer als ich, sehnig und hager. In seinem Gürtel hatte er ein Messer stecken, an der linken Seite baumelte ein alter, abgenutzter Tomahawk. Neben dem Bock blieb er stehen. Er schien zu zögern und zu überlegen. Schließlich schwang er sich auf das linke Vorderrad. Fast gleichzeitig glitt ich geschmeidig unter dem Wagen hervor. Ich war nun sicher, daß er allein war, und weiter als bis auf den Bock wollte ich ihn nicht kommen lassen. Er war gerade dabei, die Verschnürung der Plane hinter der Bocklehne zu lösen, als ich geräuschlos hinter ihm auf das linke Vorderrad stieg und mit dem Navy-Colt zuschlug. In letzter Sekunde merkte er jedoch, daß hinter seinem Rücken etwas vorging, vielleicht warnte ihn auch ein Instinkt. Er wirbelte herum, und mein Schlag traf nicht seinen Kopf, sondern seine rechte Schulter. Er ging in die Knie und stöhnte vernehmlich. Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Er krümmte sich zusammen und griff, während sein rechter Arm wie gelähmt am Körper herabbaumelte, mit der linken Faust zum Tomahawk. Bevor ich zum zweitenmal zuschlagen konnte, hielt er die Waffe bereits in der Faust und warf sich nach vorn gegen mich. Ich stand mit dem rechten Fuß auf der Felge des linken Vorderrades, mit dem linken auf der Radnabe und hatte keinen sicheren Halt. So brachte mich der Anprall seines Körpers aus dem Gleichgewicht. Ich kippte nach hinten um und stürzte rücklings vom Rad hinunter ins Gras. Einen Sekundenbruchteil später war der junge Kiowa-Krieger über mir, warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich und holte mit dem Tomahawk aus. Ich zog den Kopf ein und riß meinen Oberkörper mit aller Kraft zur Seite. Haarscharf neben meinem Kopf fuhr die Schneide des Tomahawks in den Boden. Gleichzeitig schlug ich von der Seite mit dem Revolver zu, den ich trotz des Sturzes festgehalten hatte. Ich hämmerte dem Indianer den Revolver auf den Rücken. Er bäumte sich auf vor Schmerzen, ohne jedoch einen Laut auszustoßen.
Sein zweiter Beilhieb ging ebenfalls ins Leere. Ich sah, daß seine Augen vor Schmerzen in Tränen schwammen. Mit einer heftigen Bewegung riß ich beide Beine an den Leib. Mein linkes Knie traf ihn voll in den Unterleib. Er stöhnte laut, und für einen Moment wich alle Kraft aus seinem Körper. Ich stieß ihn von mir und richtete mich auf. Nach Atem ringend stand ich breitbeinig über ihm, während er in verkrümmter Haltung am Boden lag. Er war geschlagen, aber ich war nicht sicher, ob er es einsehen und aufgeben würde. Er war ein guter Kämpfer, stark, geschmeidig und tapfer. Aber er war mein Gegner, wahrscheinlich sogar mein Feind. Es war noch gar nicht so lange her, da hätte ich jeden ausgelacht, der mir gesagt hätte, daß ich einmal einen Indianer als meinen Feind ansehen würde. Das war zu einer Zeit, als ich selbst ein Indianer gewesen war, ein weißer Apache, als ich auch in meinem Denken und Fühlen eins mit der Welt der Apachen gewesen war. Das war nur ein paar Monate her, und doch erschien es mir wie eine Ewigkeit. »Steh auf«, sagte ich im Apachendialekt, von dem ich wußte, daß er ihn zumindest verstehen würde. Wenn er überrascht davon war, daß ich ihn in der Sprache eines Indianervolkes ansprach, so zeigte er es zumindest nicht. Er stand wirklich auf, aber anders, als ich es erwartet hatte. Wie eine Sprungfeder schnellte er hoch und zerrte sein Messer aus dem Gürtel. Diesmal ließ ich mich nicht überrumpeln. Ich wich gedankenschnell einen Schritt zurück und ließ ihn heran. Dann schlug ich mit dem Revolver zu. Er konnte nicht mehr schnell genug ausweichen und mußte den Hieb voll nehmen. Auf seiner Stirn platzte die Haut auf. Ein dünner Blutfaden rann über sein Gesicht, als er zusammenbrach und wie ein Stein zu Boden stürzte. Reglos blieb er liegen. Ich bückte mich, nahm ihm Messer und Tomahawk weg und steckte erst dann den Navy-Colt in den Gürtel zurück. Dann drehte ich mich um, ging zum Wagen und stieg auf den Bock. Im Wageninnern schlief Wilde Blume tief und fest. Sie hatte nichts von dem Kampf bemerkt. Nur Shita hatte offenbar ungeduldig darauf
gewartet, eingreifen zu können. Die verschnürte Plane hatte ihn daran gehindert, den Wagen zu verlassen. Er schoß wie ein Pfeil an mir vorbei, sprang zu Boden und umschnüffelte knurrend und aufgeregt den bewußtlosen jungen Indianer. Ich weckte Wilde Blume auf. Verschlafen schaute sie mich an und verstand erst nicht, was ich wollte. Langsam erhob sie sich. »Komm mit«, sagte ich. »Wir haben Besuch. Ich hab das dumme Gefühl, du kennst ihn.« Sie sah, daß ich gekämpft hatte. Das Haar hing mir wirr um den Kopf, ich schwitzte und hatte Schmutzspuren im Gesicht. Mein Hemd war am Kragen eingerissen. Sie erschrak. Ich sah, daß sich ihre Augen weiteten, wandte mich wortlos ab und stieg wieder hinaus. Der Indianer war noch immer bewußtlos. Ich hatte gut getroffen. Wilde Blume folgte mir wenig später. Sie eilte auf die Gestalt im Gras zu und beugte sich über sie. Als sie sich wieder aufrichtete, war sie kreidebleich. »Das ist Caliko«, sagte sie. Ich runzelte die Stirn und überlegte. Dann fiel mir ein, daß sie den Namen bereits in ihrer Geschichte erwähnt hatte. »Ist das der junge Kiowa, dem du von deinem Großvater versprochen worden bist?« Sie nickte. »Großartig«, sagte ich. »Gibt es noch ein paar Leute, auf die wir uns einstellen müssen, die irgendwie mit dir verbunden sind?« Sie wandte sich trotzig ab und ging zum Wagen. »Bleib stehen!« rief ich ihr nach. »Was, zum Teufel, sollen wir jetzt tun?« Sie blieb wirklich stehen und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.« »Soll ich deinen Freund fragen?« Ich folgte ihr und blieb unmittelbar vor ihr stehen. »Ich glaube nicht, daß er auf mich gut zu sprechen ist.« »Mir liegt nichts an ihm.« Ihre Stimme zitterte. Ihre Nerven waren überreizt. »Mein Großvater hat mich nicht gefragt, als er mit seinen Eltern darüber gesprochen hat, daß ich seine Squaw werden sollte. Er
hat auch meinen Vater nicht gefragt.« Ich wollte sie nicht noch mehr aufregen und gab meiner Stimme einen sanften Klang. Einlenkend sagte ich: »Wir finden schon eine Lösung. Laß ihn erst mal wach werden.« Sie schüttelte den Kopf, und jetzt blinkten doch wieder Tränen in ihren Augen. »Ich will nicht mit ihm sprechen, ich will nicht …« »Du glaubst, er will dich zurückholen?« »Bestimmt will er das. Aber ich will nicht.« »Ich kann ihn nicht einfach totschlagen«, sagte ich. »Nein, aber …« Sie schaute an mir vorbei, und als ich sie so in ihrer Hilflosigkeit sah, fühlte ich eine eigenartige Wärme durch meinen Körper fließen. »Am besten ist es, wir fahren sofort weiter«, sagte ich. »Wir lassen ihn liegen. Vielleicht können wir ihn abhängen. Er wird sich hier auch nicht sehr gut auskennen, und wenn wir in die Nähe von besiedelten Gegenden oder Ortschaften gelangen, wird er es sicher aufgeben, dich zu verfolgen, denn dann wird die Gefahr für ihn zu groß.« Sie antwortete nicht. Sie schaute mich nur gläubig und hoffnungsvoll an. »Geh in den Wagen«, sagte ich. Während sie den Wagen wieder bestieg, zurrte ich die Geschirre der Gespannpferde fest. Verschlafen und unwillig schnaubten die Tiere. Als ich Shita auf den Bock gehoben hatte, hörte ich das leise Stöhnen des jungen Indianers. Er erwachte wieder. Mißmutig ging ich zu ihm hinüber. Während ich neben ihm stand und abwartend auf ihn hinunterschaute, empfand ich so etwas wie Eifersucht und Zorn darüber, daß er glaubte, Ansprüche auf Wilde Blume zu haben. Er öffnete die Augen und blinzelte, noch immer halb betäubt. Er entdeckte mich und versuchte, sich aufzurichten. Ich wartete, bis es ihm fast gelungen war. Dann schlug ich wieder zu. Er sackte abermals zu Boden, und ich war sicher, daß er eine ganze Weile ruhig schlafen würde. Die Waffen ließ ich ihm. Ohne Messer war er in der Wildnis aufgeschmissen. Ich bestieg den Bock, nahm die Zügel auf und trieb die Pferde an.
In raschem Tempo rollte der Wagen auf den Weg zurück, auf dem hier und da große Wasserlachen standen und der Boden noch aufgeweicht vom Unwetter war. Wir fuhren ostwärts durch die Nacht, und ich ahnte, daß der Ärger noch lange nicht zu Ende war.
6. Im Morgengrauen lag eine Stadt vor uns. Sie hieß Sedgewick City – ein anspruchsvoller Name. Die »Stadt« bestand aus höchstens zehn schäbigen Hütten und einem Handelsposten. Sie lag in einer Niederung und war anscheinend vom Unwetter schwer gebeutelt worden. Auf der einzigen Straße, die den Ort von Westen nach Osten durchschnitt, standen riesige Pfützen. Einige Häuser hatten hölzerne Vorbauten, die die Gehsteige ersetzten. Sie waren schlammbedeckt. Vor einem Barbierladen war ein breites Holzschild an einer Seite abgerissen worden. Es baumelte traurig herunter. Alles schlief noch. In den grauen Nebelschleiern, die über die Ebene wallten, wirkte das Nest wie eine verlassene Geisterstadt. Als ich den Wagen die morastige Main Street hinunterlenkte, öffnete gerade der Schmied seine Werkstatt. Er war ein hünenhafter Mann, dessen muskelbepackter Oberkörper nackt war. Um die Hüften trug er eine abgewetzte Lederschürze. Er blieb im knöcheltiefen Schlamm vor seiner Werkstatt stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften. Neugierig starrte er zu uns herüber. Ich hielt den Wagen vor dem Handelsposten am östlichen Ortsrand an. Mit dampfenden Flanken blieben die Pferde stehen. Sie waren erschöpft. Die Fahrt auf dem regendurchweichten Weg war ein hartes Stück Arbeit für sie gewesen. Die Räder waren tief eingesunken, und manchmal hatte ich befürchtet, wir würden steckenbleiben. Jetzt brauchten sie etwas Ruhe, und sie hatten es verdient, mal wieder etwas Hafer zu erhalten. Ich verfügte noch über fast zwanzig Dollar, die ich auf der Postkutschenfahrt verdient hatte. Wilde Blumes Gold zu verwenden, erschien mir nicht sehr ratsam. Gold löste seltsame Reaktionen in der Welt der Weißen aus, Empfindungen und Gefühle, die mir durch meine Erziehung durch die Mönche am Pease River und vor allem
durch die Apachen fremd waren. Ich wußte, daß man sich mit Gold eine Menge Dinge kaufen konnte, aber das war kein Grund für mich, wild zu werden, wenn von Gold die Rede war. Es war für mich nichts als ein gelbes Metall. Materielle Werte haben mich nie sonderlich interessiert. In der Welt der Apachen hatten sie keine Bedeutung gehabt. Dort zählten ein gutes Pferd und ein gutes Gewehr mehr als alles andere. Und dort gab es Werte, die man nicht kaufen konnte. Mit dem Besitz von Gold ist noch niemand glücklich und zufrieden geworden. Ich stieg mit steifen Beinen vom Bock. Meine Muskeln und Sehnen waren verkrampft und verhärtet vom langen Sitzen, und meine Arme schmerzten, denn das Lenken eines Vierergespanns erforderte Kraft, und ich war eine solche Arbeit schon lange nicht mehr gewöhnt. Shita steckte den Kopf hinter der Bocklehne durch die Plane und bellte. »Bleib wo du bist«, sagte ich und ging auf das Hauptgebäude des Handelspostens zu. Der Posten bestand aus vier Gebäuden und einem Mietstall. Drei der Gebäude – es waren solide Blockhütten – waren Magazine. Ich betrat das Hauptgebäude. Die Tür war bereits offen. Im Innern des Ladens, der aber auch teilweise als Lagerraum benutzt wurde, in dem sich Waren aller Art stapelten, war ein magerer Mann mit einem pickeligen Gesicht und einer Schürze vor dem Bauch gerade dabei, den Fußboden zu fegen. Er schaute auf, als ich eintrat, und langte mit ungelenker Handbewegung in eine Hosentasche. Er zog einen Kneifer mit Drahtgestell heraus und klemmte ihn sich auf die lange Nase, die viel zu dünn war, um dem Kneifer richtig Halt zu geben. So rutschte er immer wieder nach vorn, und der Mann schaute meistens gar nicht durch die dicken Gläser des Kneifers, sondern darüber hinweg, was ihm ein etwas lächerliches Aussehen verlieh. Er stützte sich auf den Stiel des alten Reisigbesens. Sein schmales Gesicht nahm einen etwas hochmütigen Ausdruck an. Offenbar hielt er mich für eine Art Landstreicher, und so sah ich vermutlich auch aus.
»Ich habe vier Pferde draußen«, sagte ich. »Die brauchen ein paar Stunden Ruhe und eine Krippe voller Hafer. Was kostet das?« Er bequemte sich dazu, den Besen gegen die wurmstichige Theke zu lehnen und zum Fenster zu schlurfen. Nach einem kurzen Blick nach draußen auf das Gespann sagte er: »Sind das deine Pferde?« »Ja«, sagte ich, ohne zu zögern. Ich hatte keine Lust, hundert Fragen zu beantworten und womöglich noch in Schwierigkeiten zu geraten. Auf diese Weise ging ich vielen Problemen aus dem Wege. »Es sind meine Pferde und die des Mädchens, das im Wagen schläft.« »Ein Mädchen?« er glotzte mich über die Brillengläser hinweg an. »Ja, ein Mädchen«, sagte ich ungeduldig. Auch ich war erschöpft und müde, denn ich hatte ja in der Nacht kaum geschlafen. »Das ist ein Mensch mit langen Haaren und einem Busen, falls Sie wissen, was ich meine. Soll ich Ihnen das genauer erklären?« Sein Gesicht verzerrte sich für einen Moment so sehr, daß ihm der Kneifer endgültig von der Nase rutschte und er ihn nur mit einer blitzschnellen Handbewegung auffangen konnte, bevor er womöglich am Boden zerbrochen wäre. »Werd ja nicht frech.« Seine Stimme klang hell vor Wut. »Was erlaubst du dir denn?« Ich ignorierte seinen Zorn und sagte: »Ich will die Pferde in den Stall stellen. Was kostet das?« »Ich werde mir noch überlegen, ob ich mich darauf einlassen kann«, schnaubte der Magere. »Hast du überhaupt Geld?« »Genug, um Sie zu bezahlen.« »Du könntest ja ein Verbrecher sein«, sagte er. Er hatte sich in Eifer geredet. »Wer sagt mir, daß die Pferde nicht gestohlen sind?« »Klar«, sagte ich, und jetzt wurde ich langsam selbst wütend. »Ich habe in Colorado zehn Priester erschlagen und einen nach dem anderen zum Frühstück verspeist. Das hat mir so viel Kraft gegeben, daß ich mich selbst vor den Wagen gespannt und ihn bis nach Kansas gezogen habe. Dann wurde mir die Sache zu mühsam, und ich habe vier Pferde geklaut. Sind Sie jetzt zufrieden?« Der Magere schnappte nach Luft, und jetzt fiel sein Kneifer wirklich auf den Boden und brach prompt in der Mitte entzwei. Ich
weiß nicht, was ihn mehr aufregte, meine Antwort oder die Tatsache, daß sein Kneifer zerbrochen war. Er lief rot an, so daß sein pickeliges Gesicht wie eine riesengroße Erdbeere aussah. Seine Lippen bewegten sich und formten lautlose Worte, aber er schien unfähig zu sein, sie auszusprechen. Schließlich hob er in der Gebärde eines Rächers die rechte Faust, maß mich mit einem Blick, der gewiß vier Zoll aus meinem Rücken herausragte und mich auf der Stelle getötet hätte, wäre ich nicht so robust gewesen, und entfloh mit wallender Schürze durch eine Seitentür. Ich blieb allein zurück und warf einen Blick aus dem Fenster. Zwei Männer standen neben dem Wagen und musterten ihn, wechselten ein paar Worte, umrundeten ihn und gingen dann weiter. Einige Türen hatten sich geöffnet. Über der Ebene ging die Sonne auf. Von Wilde Blume war nichts zu sehen. Ich war froh, daß sie im Wagen blieb. Wach war sie inzwischen sicher. Als ich mich umwandte, um den Laden in näheren Augenschein zu nehmen, hörte ich eine quäkende Stimme schimpfen, und dann näherten sich hastige Schritte der Seitentür, durch die der pickelige Verkäufer verschwunden war. Richtig erschien dort auch eine Sekunde später ein Mann, der genauso hoch war wie dick. Ein Kloß auf Beinen. Der Kopf schien direkt auf den Schultern zu sitzen, von einem Hals konnte ich nichts erkennen. Im Gehen schlüpfte er, was ihm sichtlich Schwierigkeiten bereitete, in eine offensichtlich zu klein geschnittene Jacke, die sich, als er sie endlich übergestreift hatte, über seinem Bauch und seinen Schultern spannte, als würde sie gleich aus den Nähten platzen. Offenbar hatte das Pickelgesicht ihn beim Frühstück gestört, denn an seinem linken Mundwinkel entdeckte ich Reste von Brot und Eigelb. Er hatte ein rosiges Gesicht wie ein Ferkel und bewegte sich trotz seiner Körperfülle so behende wie ein tatkräftiger Tintenfisch. Im Schlepptau hatte er den mageren Verkäufer, der mit anklagender Miene auf mich zeigte und von bodenloser Frechheit und seinem zerbrochenen Kneifer berichtete. »Wie konnten Sie den Kerl allein lassen?« schrie derweil der Dicke, ohne auch nur im geringsten darauf zu achten, was das Pickelgesicht ihm erzählte. »Der hätte uns ja den Laden leerrauben
können.« Er wandte sich an mich. Ich stellte fest, daß er fast einen ganzen Kopf kleiner war als ich, dafür hätte ich gut vier- bis fünfmal in seine Hosen gepaßt. »Was willst du?« schrie er mich an. »Wir wollen keine Landstreicher, Verbrecher und Radaubrüder in unserem Geschäft!« »Ich habe nur gefragt, was das Unterstellen und Füttern von vier Pferden kostet«, entgegnete ich ruhig. Und bevor er mir etwas antworten konnte, legte ich fünf Dollar auf die Theke. »Ist das genug? Kann ich die Pferde in den Stall bringen?« Mit dem Gesicht des Dicken ging eine wundersame Wandlung vor. Mit einem Schlag waren Zorn, Aufregung und Nervosität in seinen Zügen verschwunden. Statt dessen trat ein Leuchten in seine Augen, als sei in seinem Kopf eine blankgeputzte Laterne angegangen. Mit strahlender Miene trat er auf mich zu. »Selbstverständlich können Sie Ihre Pferde bei uns unterstellen und füttern, Sir.« Es war das erstemal in meinem Leben, daß mich jemand »Sir« nannte. »Fünf Dollar sind natürlich völlig ausreichend, Sir, und Jason wird Ihnen helfen, die Tiere auszuschirren und im Stall zu versorgen.« Nach diesen Worten verfinsterte sich sein Gesicht wieder. Er fuhr herum und schnauzte das fassungslose Pickelgesicht an: »Hast du gehört, Jason? Geh, und hilf unserem Kunden beim Ausschirren der Pferde! Du bist ein Obertrottel, Jason. Wenn du noch einmal einen meiner zahlenden Kunden beleidigst, kannst du im Saloon die Spucknäpfe auswaschen!« »Ja – jawohl, Sir, Mister Dulles, Sir«, stotterte das Pickelgesicht. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Als ich hinausging, vollführte der dicke Mister Dulles eine Verbeugung, und der pickelige Jason stolperte hinter mir her. Seinem Gesicht war anzusehen, daß er die Welt nicht mehr verstand. * Ich lenkte den Wagen in den Schatten des überhängenden Stalldaches und schirrte mit dem pickeligen Jason die Pferde aus. Wir führten sie in den Stall, wo sie in saubere Boxen gestellt und mit duftendem Hafer versorgt wurden. Zu zweit rieben wir sie gründlich
ab. Danach aber spürte ich jeden Knochen im Körper, und ich sehnte mich nach ein paar Stunden Schlaf. Als ich den Stall verließ, stand Wilde Blume mit Shita neben dem Wagen. Sie sah verschlafen und verängstigt aus. Shita saß neben ihr und ließ die Zunge aus dem Maul hängen. Er wedelte mit dem Schwanz, als er mich sah. Ein paar Leute waren auf der Straße stehengeblieben und starrten herüber. Ich spürte die feindselige Stimmung, die von ihnen ausging, fast körperlich. Sie sahen Wilde Blumes dunklere Haut, ihr schwarzes Haar. Ich wußte, wie ablehnend Indianer behandelt wurden, und ich konnte mir vorstellen, daß für sie zwischen einem Indianer und einem Halbblut kein Unterschied bestand. Auch Jasons unterwürfige Miene, die er nach dem Anraunzer durch Mr. Dulles an den Tag gelegt hatte, änderte sich, als er Wilde Blume sah. Er wurde wieder selbstbewußter und ließ mich grußlos stehen, als er zurück in den Laden ging. Ich ging zu Wilde Blume hinüber. Shita lief ein paar Schritte fort und leckte durstig das Wasser aus einer Pfütze. »Wir bleiben im Wagen«, sagte ich. »Das Versorgen der Pferde war teuer genug. Wir können uns auch im Wagen ausruhen. Ich jedenfalls brauche jetzt ein bißchen Schlaf.« »Ich bin nicht mehr müde«, sagte sie. Sie zog die Schultern hoch und fröstelte, obwohl die Sonne schon ziemlich hoch stand und bereits die Luft stark erwärmt hatte. Nach und nach verdunsteten die letzten Pfützen des großen Unwetters. »Trotzdem solltest du im Wagen bleiben.« »Die Leute«, sagte sie. »Sie starren mich an, als hätten sie noch nie einen anderen Menschen gesehen.« »Warst du vorher nie in einer Stadt?« »Nein.« »Du mußt noch viel lernen«, sagte ich. Sie blickte mich verständnislos an, aber ich brachte nicht den Mut auf, ihr zu erklären, was ich meinte. Sie würde es noch früh genug allein lernen. »Steig in den Wagen«, sagte ich. »Ist noch Fleisch da?« Sie nickte. Ich half ihr beim Einsteigen und beförderte auch Shita
wieder in den Wagen. Dann betrat ich noch einmal den Handelsposten und kaufte bei dem pickeligen Jason ein Brot. Damit kehrte ich zurück, bestieg ebenfalls den Wagen und aß zusammen mit Wilde Blume und Shita noch ein wenig, bevor ich mich auf dem Deckenlager ausstreckte, auf dem Wilde Blume vorher geschlafen hatte. Kaum hatte ich die Augen geschlossen, da war ich auch schon eingeschlafen. Ich träumte von den sechs Banditen, die Wilde Blume verfolgten. Auch der Mann, den ich erschossen hatte, war dabei. Er war quicklebendig und der wildeste von allen. Trotz der großen Schußwunde im Hals saß er im Sattel seines Pferdes, lachte laut und jagte mich vor sich her. Ich war allein und völlig unbewaffnet, rechts und links von mir ragten steile Berghänge auf. Die Reiter rückten immer näher, der Bandit mit der tödlichen Wunde im Hals an der Spitze. Und dann tauchte auch vor mir eine schroffe Felswand auf. Ich war am Ende. Außer Atem blieb ich stehen. Die Reiter rasten auf mich zu. Die Hufe der Pferde wirbelten dicht an meinem Kopf vorbei. Lange Flammenzungen zuckten aus den Revolvermündungen, leckten gierig auf mich zu. Aber sie trafen mich nicht. Einer der Männer beugte sich vor, und ich sah, daß ihm ein Ohr fehlte. Aus dem Loch, wo das Ohr gewesen war, strömte ein Strahl Blut, und aus der großen Schußwunde des anderen Banditen quoll ebenfalls Blut. Es wurde immer mehr, ein regelrechter blutiger Sturzbach, der nach und nach die zuckenden Mündungsflammen und die brutalen Gesichter der Banditen verschwimmen ließ. Alles war rot, dunkelrot, und dann löste sich der Boden unter meinen Füßen plötzlich auf, und ich stürzte. In diesem Moment wachte ich auf, denn ich stürzte gar nicht, ich wurde von Wilde Blume hin und her geschüttelt. »Was – was ist los?« Benommen fuhr ich hoch. »Da ist ein Mann.« Ihre Stimme zitterte. Furcht stand in ihren Augen, ich hörte Shita knurren. »Da draußen ist ein Mann, der fragt eine Menge Zeug.« Ich strich mir mit der linken Hand ein paar Haarsträhnen, die mir ins Gesicht fielen, nach hinten und wischte mir den Schlaf aus den
Augen. Dann begab ich mich zum Heck des Planwagens und schaute hinaus. Das erste, was ich sah, war ein Galgenvogelgesicht, dessen Anblick naive Seelen sicherlich von der Existenz des Teufels hätte überzeugen können. Ein knochiger, eckiger Schädel befand sich direkt vor meinen Augen. Er schien nur aus Knochen zu bestehen, über die eine lederartige Haut gespannt worden war. Die Haut war nicht einmal gut angepaßt worden, denn wenn er den Mund öffnete, rutschten Ober- und Unterlippe erstaunlich weit nach oben, beziehungsweise nach unten, so daß vom Ober- und Unterkiefer jeweils ein stattlicher Streifen rosiges Zahnfleisch zu sehen war. Es schien, als habe er eine große, entzündete Wunde mitten im Gesicht. Die Zähne standen schief und krumm, sofern sie überhaupt noch vorhanden waren, und hatten braune Flecken. Der Mann hatte sich seit Tagen nicht rasiert, Kinn und Wangen waren von einem dichten Stoppelbart bedeckt, in dem die Reste seiner Mahlzeiten von mindestens drei Tagen hingen. Über der Oberlippe wölbte sich ein mächtiger, struppiger Schnauzbart. Von Wasser und Seife schien der Mann noch nie etwas gehört zu haben. Auch ich hatte mich in diesen Tagen kaum regelmäßig waschen können, aber der Kerl am Wagen stank wie ein ganzer Komposthaufen. Ich hatte nicht übel Lust, meinen Revolver zu nehmen und ihm mit dem Lauf einen Scheitel zu ziehen, aber als ich meine Blicke etwas an der zerlumpten Gestalt hinuntergleiten ließ, entdeckte ich ein zerbeultes Abzeichen auf seinem fleckigen Hemd. Es war ein fünfzackiger Stern aus Blech. Der stinkende Kerl war der Town-Marshal von Sedgewick City. »Was wollen Sie?« fragte ich. Ich gab mir keine Mühe, meinen Unwillen darüber, daß ich schon wieder geweckt worden war, zu verbergen. »Die Fragen stelle ich!« schlappte der Marshal, wobei seine Lippen nach oben und nach unten zuckten und seinen Mund in ein riesiges rosig umrahmtes Loch verwandelten. Ich befürchtete, die Haut würde gleich völlig, wie eine Kapuze, über den knochigen Schädel zurückrutschen. Einen solchen Mann hatte ich noch nicht gesehen, und ich muß auch aus heutiger Sicht feststellen, daß mir ein
ähnlicher Mensch nie mehr wieder über den Weg gelaufen ist, und ich habe viele der merkwürdigsten Typen getroffen. »Wo kommt ihr her?« fragte der eigenartige Marshal. Schon hatten sich ein paar Neugierige in gebührendem Abstand angesammelt und verfolgten das Geschehen. Ich hatte stundenlang geschlafen. Die Sonne hatte den Zenit längst überschritten und rückte immer weiter nach Westen. »Wir kommen aus dem Niemandsland«, sagte ich, mich an Wilde Blumes Erzählungen erinnernd. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo dieses Gebiet lag, aber ich hoffte, daß es weit genug weg war, so daß der Marshal dich dort nicht auskannte. »Das Land nordlich von Texas?« fragte er. Ich nickte. »Genau das.« Es schien eine Weile zu dauern, bis er das verdaut hatte. Dann fragte er: »Seid ihr verheiratet?« »Nein«, sagte ich voreilig. »Wieso?« Seine Miene hellte sich auf. Er freute sich ganz offensichtlich, einen schwachen Punkt entdeckt zu haben. »Ihr fahrt zusammen durch die Gegend, ohne verheiratet zu sein?« »Muß man unbedingt heiraten, um in einem Planwagen fahren zu dürfen?« »Du denkst wohl, du kannst mich verulken, wie?« schnappte er sofort, und sein Mund klaffte auseinander, daß ich abermals befürchtete, gleich könne er buchstäblich nackt bis auf die Knochen vor mir stehen. Ich war sicher, durch seinen Mund bis in seinen Magen schauen zu können, und wahrscheinlich war er in der Lage, einen ganzen Präriehasen mit einem Bissen zu verschlingen. »Warum sollte ich Sie verulken?« entgegnete ich. »Ich kenne Sie ja gar nicht.« »Wir sind ein moralisches Land«, sagte er. »Bei uns wird geheiratet, richtig bei einem Priester geheiratet, bevor Mann und Frau zusammenleben.« »Ich weiß ja gar nicht, ob sie mich heiraten will«, sagte ich, »außerdem bin ich viel zu jung dazu, und ich weiß immer noch nicht, was Sie wirklich von uns wollen.« Das überstieg sichtlich sein Fassungsvermögen. Er hatte Mühe,
sich auszudrücken, setzte ein paarmal an, etwas zu sagen, gab es aber immer wieder auf. Er schien keine Worte für die Empörung zu finden, die ihn erfüllte. Nach langem Hin und Her stieß er schließlich mit allem Nachdruck hervor: »Ich – ich bin der Marshal.« Damit war offenbar alles gesagt. Ich wollte mich zurückziehen, aber er bleckte wieder sein Gebiß und rief mit Stentorstimme: »Wo wollt ihr hin?« »Ostwärts«, sagte ich. »Nach Missouri.« »Und was wollt ihr hier?« »Schlafen«, sagte ich und zog die Plane vor das Heck des Wagens. Damit streckte ich mich wieder auf den Decken aus und nickte Wilde Blume beruhigend zu. Ich hatte keine Lust, mich weiter mit diesem strohdummen Holzkopf abzugeben, der offenbar selbst nicht wußte, was er wollte. Von draußen pochte es jetzt heftig gegen die Heckbracke, dann hörte ich die aufgeregte, quäkende Stimme von Mister Dulles. Ich stand wieder auf und schob den Kopf hinaus. »Was ist denn noch?« Dulles stand neben dem Marshal und rang mit den Händen. »Das sind Kunden von mir, Henry, und sie haben bezahlt, fünf gute Dollars haben sie bezahlt, nur damit die Pferde sich im Stall ausruhen können.« »Das ist alles egal«, sagte der Marshal. Er schien sehr wütend zu sein. »Sie müssen meine Fragen beantworten. Vielleicht sind Pferde und Wagen gestohlen.« »Wer mir fünf Dollar auf den Tisch legt, der stiehlt nicht, Henry«, sagte Dulles. Das schien dem Beamten zu denken zu geben, aber so dumm, wie ich dachte, war er anscheinend nicht. Er sagte: »Das Geld kann auch gestohlen sein. Sie sind fremd, und von Fremden ist noch nie was Gutes gekommen.« »Aber ich lebe von den Fremden!« schrie der fette Mister Dulles. »Von den paar Dollars, die ihr bei mir ausgebt, kann ich nicht leben. Ich brauche die Farmer, die hier einkaufen, und die Reisenden, die hier rasten.« »Ich bin der Marshal!« schrie der zerlumpte Mann zurück. »Ich
muß meine Arbeit tun. Dabei darf mich niemand behindern.« »Sehr richtig«, mischte sich einer der Umstehenden ein. »Die beiden im Wagen, das sind schließlich noch halbe Kinder. Wie haben die einen solchen Wagen und vier gute Pferde in ihren Besitz gebracht, noch dazu Geld?« »Ganz recht!« Der Marshal drehte sich um, dankbar, daß ihm jemand beisprang. »Das ist alles sehr …« er suchte nach einem passenden Wort, »verdächtig«, sagte er schließlich erleichtert und schaute sich mit wichtiger Miene um. Dann wandte er sich mir zu und musterte mich grimmig. »Woher habt ihr den Wagen, die Pferde und das Geld?« Am liebsten wäre ich dem Kerl ins Gesicht gesprungen, aber ich spürte, daß die Situation gefährlich wurde. Es würde Schwierigkeiten geben, darüber war ich mir jetzt schon im klaren. »Geerbt«, sagte ich, und fand das nicht einmal gelogen. »Das Mädchen – das ist doch eine Indianerin, eine Rothaut?« »Ein Halbblut«, sagte ich. »Das ist egal«, sagte der Marshal. »Mir war der Junge gleich verdächtig«, sagte eine Stimme, die ich kannte. In mein Blickfeld schob sich der pickelgesichtige Jason, der mich triumphierend anstarrte und die Situation offenbar für geeignet hielt, sich für die am Morgen erlittene Demütigung zu revanchieren. Der fette Mister Dulles wirbelte wie ein Kreisel herum und schrie mit hochrotem Kopf: »Du bist entlassen!« Das triumphierende Grinsen im Gesicht Jasons verschwand sofort, und ich war dem fetten Ladenbesitzer sogar ein wenig dankbar, daß er sich so sehr für uns einsetzte, auch wenn ich wußte, weshalb er das tat. »Wie kann eine Rothaut etwas erben?« fragte mich der Marshal. »Wie kommt der Hengst auf die Stute?« sagte ich gereizt. Ich hatte jetzt wirklich genug, und wenn die Pferde angeschirrt gewesen wären und nicht im Stall gestanden hätten, hätte ich mich einfach auf den Bock gesetzt und wäre davongefahren, aber so saßen wir fest. »Unverschämtheit!« brüllte der seltsame Marshal. »Ihr seid verhaftet, du und die Rothaut. Wir werden alles überprüfen, jedes Wort von euch, und dann werden wir ja sehen, ob ihr gelogen habt.
Bei uns kommt kein Verbrecher davon, dafür sorge ich.« Ich überlegte gerade, ob ich nicht meinen Navy-Colt ziehen sollte, da hielt er mir auf einmal eine abgesägte Schrotflinte unter die Nase, die er bis jetzt offenbar hinter seinem Rücken verborgen gehalten hatte. Ich stieg aus und half Wilde Blume hinunter. Shita ging knurrend auf den Marshal los, aber ich hielt ihn zurück, denn ich wollte nicht, daß der Beamte ihn in Stücke schoß. Wilde Blume schaute sich ängstlich um. Sie war sehr blaß, und sie verstand gar nicht, was los war. Sie griff nach meiner rechten Hand, wie um Halt zu suchen, und drängte sich an mich. Trotz der mißlichen Lage, in der wir uns befanden, tat mir ihre Nähe gut. Ihre Berührung löste eine bisher unbekannte Wärme in mir aus. Ich drückte ihre Hand und warf ihr einen Blick zu, der Zuversicht vermitteln sollte. »Wie lange wollen Sie uns festhalten?« fragte ich den Marshal. »Das – das werden wir sehen«, sagte er und winkte gebieterisch mit der Schrotflinte. Noch immer hätte ich meinen Revolver ziehen können. Aber es standen bereits zu viele Leute herum, von denen einige bewaffnet waren, und die Schrotflinte des Marshals behagte mir gar nicht. Mochte er auch dumm sein, wie man ein Gewehr handhabte, das wußte er bestimmt. Und eine Schrotladung war schnell aus dem Lauf, zumal er den Finger ständig am Abzug hatte. Außerdem schien er gar nicht auf die Idee zu kommen, ich könne bewaffnet sein. Jedenfalls unternahm er nichts, um mich zu durchsuchen. So gab ich mich geschlagen und marschierte mit Wilde Blume vor ihm her die holprige Main Street hinunter. Shita war dicht neben uns und knurrte den Marshal ständig an. Wir langten vor einem windschiefen Holzgebäude an, über dem ein wetterzerfressenes Schild mit der verblichenen Aufschrift »Office« hing. Einer der Begleiter des Marshals – fast der ganze Ort lief neben dem Beamten her, um uns zu bestaunen – stieß die Tür auf, und wir mußten eintreten. Shita durfte nicht mit hinein. Das war es, was mich wirklich traf. Mit seinen großen klugen Augen schaute er mich an. »Der Hund bleibt draußen«, sagte der Marshal, stolz, endlich
jemanden zu haben, dem er etwas befehlen konnte. »Das ist ein Gefängnis, keine Hundehütte.« Ich blickte Shita wortlos an, und er schien zu verstehen. Vor der Tür setzte er sich in den Staub und sah zu, wie wir in der Hütte verschwanden. Auch hier durchsuchte der Marshal uns noch nicht, und ich war froh, daß ich meinen Revolver nicht gezogen hatte, als die Erfolgsaussichten nur klein gewesen waren. So verfügte ich noch immer über meine Waffe und konnte eine günstige Gelegenheit abwarten. Der Marshal führte uns zu einem Anbau, der aus einem einzigen Raum bestand und eine solide Holztür hatte, das stabilste Stück im ganzen Gebäude. Hinter uns klappte die Tür zu, und wir standen in einem stinkenden, finsteren Loch, dessen Boden mit fauligem Stroh bedeckt war. Durch ein vergittertes Fenster in der Rückwand fiel ein schmaler Streifen Licht. Wilde Blume schlang unvermittelt die Arme um meinen Hals und preßte ihr Gesicht an meine Brust. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, denn auch ich wurde von einer großen Resignation erfaßt. Hilflos strich ich ihr über das Haar, und wieder durchströmte mich ein seltsames Gefühl. Trotz der miesen Umgebung und der verfahrenen Lage, in der wir uns befanden, gaben mir ihre Nähe und ihr Vertrauen wieder Mut und eine gewisse Stärke. Ich fühlte mich für sie verantwortlich, ich mußte dafür sorgen, daß sie unversehrt blieb. Das hatte ich ihrem Vater versprochen. »Wir kommen hier schon wieder 'raus«, sagte ich. Meine Stimme klang erstaunlich fest und sicher. Sie hob den Kopf und schaute mich mit feuchten Augen an. »Was haben wir getan, daß wir in so ein Loch gesperrt werden?« »Das ist ein Gefängnis«, sagte ich. »Hier werden Verbrecher eingesperrt. Aber wir haben nichts getan, und deshalb kommen wir hier auch wieder raus.« »Gefängnis?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ein Gefängnis ist. Ich will zurück in unsere Hütte, zu Vater und Mutter.« Ich schwieg und dachte bei mir, daß sie noch viel härter werden müsse, wenn sie dem Leben gewachsen sein sollte. Der alte Jeremia
Craig hatte sie offenbar zu sehr von der Außenwelt abgeschirmt und alle mißlichen Einflüsse von ihr ferngehalten. Jetzt stürzte das Leben in seiner rauhesten Art und Weise auf sie ein, und ich befürchtete in diesem Moment, daß sie womöglich daran zerbrechen würde. Behutsam führte ich sie in eine Ecke der Zelle und reinigte dort notdürftig den Boden. Dann setzte sie sich und starrte apathisch vor sich hin. Besorgt beobachtete ich sie, bevor ich an das vergitterte Fenster trat und einen Blick hinauswarf. Der Anbau befand sich seitlich von der Office-Hütte. Das Fenster führte zum Hofeingang hinaus, so daß ich ein ganzes Stück der Main Street und den westlichen Ortseingang im Auge behalten konnte. Auf der Straße standen immer noch die Neugierigen herum und starrten herüber. Als sie mich hinter den Gittern auftauchen sahen, steckten sie die Köpfe zusammen. Dann entdeckte ich Shita. Er hatte sich ein Stück abseits vom Hofeingang des Gefängnisses im Schatten eines überhängenden Schuppendaches ausgestreckt und blickte unverwandt herüber. Nur eine schwache Bewegung seines Schwanzes zeigte mir, daß er mich gesehen hatte. Ich war froh, daß er da war, auch wenn wir getrennt waren. Es war ein gutes Gefühl, zu wissen, daß außerhalb des stinkenden Loches, in dem Wilde Blume und ich steckten, ein Freund auf uns wartete.
7. Hufschlag mehrerer Pferde weckte mich aus der dumpf brütenden Lethargie, in die ich seit Stunden versunken war. Es herrschte fast völlige Finsternis in der Zelle, seit die Sonne immer weiter nach Westen gesunken war und das Tageslicht mehr und mehr an Kraft verloren hatte. Ich warf einen Blick zu Wilde Blume hinüber. Ich konnte sie nur schemenhaft erkennen. Sie hatte sich nicht gerührt, seit sie sich am Boden niedergelassen hatte, und seitdem auch kein Wort mehr gesprochen. Ich sorgte mich um sie, aber was konnte ich jetzt schon tun. Ich hatte gehofft, daß ich beim Essenbringen den Marshal mit meinem Revolver würde überrumpeln können. Das hatte sich
zerschlagen, denn der Marshal dachte offenbar gar nicht daran, uns zu versorgen. Vielleicht hatte er uns schon vergessen, und wenn wir verhungerten, taten wir ihm und der sauberen Bevölkerung von Sedgewick City vermutlich noch einen Gefallen, dann brauchte sie sich nicht weiter den Kopf über uns zu zerbrechen. Ich tappte zum Gitterfenster und spähte in den Abend hinaus. Gerade gerieten die Reiter, die sich der Stadt näherten, in mein Blickfeld. Sie passierten die ersten Häuser am Westrand von Sedgewick City und lenkten ihre Pferde die Straße hinunter. Es waren fünf Männer. Einer trug einen breiten Verband schräg um den Kopf, so daß sein linkes Ohr verdeckt war. Er sah nicht gut aus. Sein Gesicht war eingefallen und hatte eine gelbliche, kranke Farbe. So ungefähr mußte ich in diesem Moment auch aussehen. Die fünf Männer waren die Mörder, die Wilde Blumes Mutter und auch ihren Vater umgebracht hatten und hinter dem Gold her waren, das der alte Jeremia Craig in der Wüste im Niemandsland gefunden hatte. Sie sahen ganz so aus, als hätten sie weder sich noch die Pferde geschont, um uns einzuholen. Nach der Schlappe, die ich ihnen beigebracht hatte, hatten sie sich erst wieder neu bewaffnen müssen. Das war ihnen glänzend, gelungen. Ich sah nagelneue Revolver und Gewehre, und zwei der Kerle hatten sich Patronengurte quer über den Oberkörper geschnallt. Sie sahen aus, als wollten sie einen Privatkrieg beginnen. Sie ritten am Hofeingang des Gefängnisses vorbei. Ich hörte den Hufschlag ihrer Pferde noch, als ich mich vom Fenster abwandte und einen Moment ratlos dastand. Sollte ich Wilde Blume von dem, was ich gesehen hatte, berichten? In spätestens einer Minute würden die Kerle den Wagen entdecken, und dann würden sie versuchen, uns zu finden. Ich bezweifelte, daß wir im Gefängnis vor ihnen sicher waren. Der eigenartige Marshal von Sedgewick City war gewiß nicht der Mann, um diese skrupellosen Killer aufzuhalten. »Was waren da draußen für Reiter?« Wilde Blumes Stimme klang seltsam hohl in dem stinkenden Loch, in dem wir gefangen waren.
»Es ist schon gut«, sagte ich. »Es ist nichts. Mach dir keine Sorgen.« »Sag mir die Wahrheit.« Ihre Stimme wurde fester, fordernder. Sie hatte einen feinen Instinkt, geschärft durch die bösen Erlebnisse, die hinter ihr lagen. Ich konnte ihr nicht ausweichen und durfte sie nicht belügen, sonst würde sie womöglich auch das Vertrauen zu mir verlieren, und dann würde sie völlig absacken. »Die Reiter haben etwas mit uns zu tun?« Da hing ihre Frage im dunklen Raum, und ich mußte sie beantworten, selbst wenn ich schwieg, würde sie wissen, daß sie mit ihrer Vermutung richtig lag. »Ja«, sagte ich. »Sind es – sind es die Männer, die …« Sie sprach nicht zu Ende. Ich versuchte, die Dunkelheit in der Zelle mit Blicken zu durchdringen, um sie anzuschauen. Aber ich sah ihr Gesicht nur als hellen Fleck. »Sind sie es, die …« Wieder sprach sie nicht zu Ende, aber ihre Stimme vibrierte jetzt, und sie klang hell und nervös. »Ja.« Danach war es still. Ich ging in einem plötzlichen Impuls zu ihr und hockte mich neben sie in das faulige Stroh. Als ich ihr die Hände auf die schmalen Schultern legte, hob sie den Kopf, und ihr Atem traf mein Gesicht. »Keine Angst«, sagte ich. »Es passiert nichts. Ich hab ja immer noch meinen Revolver.« »Es sind fünf«, sagte sie, und ich hatte das Gefühl, daß die Nähe der Gefahr sie sehr ruhig werden ließ. Sie schien innerlich wieder Halt zu finden und an Stärke zu gewinnen. Ich hoffte es in ihrem Interesse, denn irgendwann würde ich nicht mehr bei ihr sein, und sie würde allein mit ihrem Leben fertigwerden müssen. »Ich hab sechs Ladungen im Revolver«, sagte ich. »Sorg dich nicht.« »Ich sorge mich aber«, sagte sie. »Es war alles umsonst.« Sie strich mir mit der Rechten über das Gesicht. Mir wurde schwindlig, und ich erhob mich rasch und trat wieder ans Gitterfenster. Draußen wurde es immer dunkler. Von den Reitern war nichts mehr zu sehen
und zu hören. Auch Shita konnte ich nirgends entdecken. Ich hoffte, daß die Leute von Sedgewick City ihm nichts getan hatten. Versuchsweise rüttelte ich an den Gitterstäben. Aber die saßen unverrückbar fest. Der verlotterte Eindruck, den das ganze Gebäude machte, täuschte. Es gab nur einen Weg aus diesem Loch hinaus, und der führte durch die Tür. Ich ging zu Wilde Blume zurück und setzte mich neben sie. Stumm hingen wir unseren Gedanken nach. Obwohl viel Zeit verging, es Nacht wurde und die Stunden verrannen, hielt uns eine ständige Nervosität wach. Ich dachte über die Gefühle nach, die ich Wilde Blume entgegenbrachte, und verfluchte mich, daß ich noch so jung an Jahren war. Wilde Blume war mit siebzehn Jahren eine Frau, nicht nur bei den Indianern, auch bei den Weißen. Ich war in den Jahren, die hinter mir lagen, bereits zum Mann gereift, aber das änderte nichts daran, daß ich noch nicht ganz vierzehn war. Ich war alt genug, um zu kämpfen, um zu töten, um mich selbst durchs Leben zu schlagen, ich war reif genug, um auf eigenen Füßen stehen zu können, aber ich war nicht alt genug, um eine Frau nehmen zu dürfen. So gut es ging, versuchte ich, diese Gefühlskonflikte in mir zu verdrängen, denn die Situation, in der ich mich befand, ließ mir keinen Raum dafür. Aber immer wieder kehrten die Gedanken zurück, die sich mit dem Verhältnis zwischen Wilde Blume und mir beschäftigten. Ich wurde sie einfach nicht los. Sie überdeckten mit der Zeit sogar alles andere, was mir hätte Sorgen bereiten müssen. Unruhig erhob ich mich und ging in der finsteren Zelle auf und ab, in der es immer stickiger und die Luft immer dumpfer wurde. Ich schwitzte am ganzen Körper. Plötzlich klang in der Stadt Lärm auf. Ich hörte rauhe Stimmen grölen, Flaschen klirren und eine Frau kreischen. Dann krachte ein Schuß, und wildes Gelächter folgte. Ich brauchte kein Hellseher zu sein, um zu wissen, wer diesen Krach veranstaltete. Das einzige, was mich wunderte, war, daß sich die fünf Killer noch nicht mit uns befaßt hatten, denn ich war sicher, daß sie längst wußten, wo Wilde Blume und ich uns befanden.
8. Die Tür der Zelle flog auf und schlug krachend gegen die Wand. Grell flutete das Licht einer Petroleumlampe in das kleine, stinkende Loch. Wilde Blume und ich waren im Verlauf der Nacht doch noch eingeschlafen. Eng aneinandergepreßt hatten wir uns im fauligen Stroh ausgestreckt, wärmten uns gegenseitig und versuchten so, dem Ungeziefer, von dem es in der Zelle nur so wimmelte, möglichst wenig Angriffsflächen zu bieten. Jetzt wachten wir auf. Geblendet blinzelte ich zur Tür und konnte nur ein paar schemenhafte Gestalten wahrnehmen. Dann mußte ich die Augen wieder schließen, denn das Licht bereitete mir Schmerzen. Ich wälzte mich herum und richtete den Oberkörper auf. Das Licht wanderte über mich hinweg, und ich konnte die Männer erkennen, die in der Tür standen. Der erste, den ich sah, war der zerlumpte Marshal. Er hielt die Laterne in der Linken, in der Rechten hatte er seine abgesägte Schrotflinte. Die beiden Laufmündungen zeigten zu Boden. Neben ihm standen zwei staubige Kerle, die sich seit Tagen nicht rasiert und offenbar lange nicht geschlafen hatten. Ich erkannte sie sofort. Der eine war der Anführer der Mörderbande, die Wilde Blumes Eltern auf dem Gewissen hatte. Er hatte die Daumen hinter seinen breiten Revolvergurt gehakt und musterte mich und Wilde Blume mit triumphierender Miene. »Sind sie das, Mr. Olden?« fragte der Marshal in devoter Haltung. »Das sind sie, Marshal.« Der Bandit nickte befriedigt. »Sie haben umsichtig gehandelt und gute Arbeit geleistet, alles was recht ist. Das kann sich sehen lassen. Ganz allein haben Sie die beiden festgenommen, sagen Sie?« Der Marshal bleckte sein Gebiß, und wieder rutschte seine Oberlippe bis zur Nase und seine Unterlippe bis fast zum Kinn, daß einem angst und bange wurde. »Auf meine Nase kann ich mich verlassen, Mr. Olden«, brachte er mit einiger Mühe heraus.
»Das kann man wohl sagen.« Der Bandit klopfte dem Marshal auf die Schultern. »Ein dicker Fang. Die beiden haben fast vor unseren Augen den alten Mann, dem der Wagen gehört hat, umgebracht, nachdem sie von ihm erfahren hatten, wo er sein Gold versteckt hat. Am besten wird es sein, wir nehmen uns die beiden am Vormittag mal richtig vor. Sie werden sehen, die fangen bald an zu reden und erzählen Ihnen die ganze Geschichte. Ich hatte es schon aufgegeben, Marshal. Ich war sicher, die beiden sind über alle Berge. Als ich mit meinen Leuten hier eintraf, habe ich den Wagen sofort erkannt und meinen Augen nicht trauen wollen. Aber die Gerechtigkeit siegt am Ende doch, und das bin ich meinem alten Nachbarn schuldig, daß ich seine Mörder jage und seiner Familie das Eigentum sichere, für das er schwer gearbeitet hat. Wenn man bedenkt, es sind noch halbe Kinder und schon so ausgekocht …« »Mir – mir entgeht nichts«, versicherte der Marshal, der, wie ihm anzusehen war, von den Worten des Banditen so gut wie nichts verstanden hatte. Dafür hatte ich um so besser verstanden. Die Halunken hatten die große Dummheit des Marshals sofort erkannt und ihm eine Lügengeschichte aufgetischt, die genau den Vorstellungen entsprach, die sich die einfältigen Bürger dieses verdammten Nestes von Wilde Blume und mir gemacht hatten. Wahrscheinlich würden die Leute dieses Olden, wie der Marshal ihn genannt hatte, den Planwagen auseinandernehmen und dabei auf das Gold stoßen. Niemand würde sie daran hindern, es mitzunehmen. Und während sie mit ihrer Beute abziehen konnten, würden wir wahrscheinlich nebeneinander an einem Baum aufgehenkt werden. »Sowie wir ein Geständnis von ihnen haben, sollten Sie nicht lange fackeln, Marshal«, sagte Olden in diesem Moment. »Einfach aufhängen. Alles andere ist für so ein Pack viel zu schade.« »Wir haben noch nie eine Hinrichtung in Sedgewick City gehabt«, sagte der Marshal. Seinem Gesicht war anzusehen, daß der Gedanke ihm sehr gefiel. »Werden wir eigentlich gar nicht gefragt«, stieß ich jetzt hervor. »Diese Galgenvögel haben selber den Besitzer des Wagens, den Vater von dem Mädchen, totgeschlagen. Sie wollen sein Gold haben,
weiter nichts. Eine saubere Stadt ist das hier …« Olden trat in die Zelle und bückte sich, bevor ich ausweichen konnte. Er zerrte mich am Hemd hoch und versetzte mir eine schallende Ohrfeige, die mich rücklings gegen die hintere Zellenwand schleuderte. Benommen sackte ich daran hinunter und schmeckte Blut in meinem Mund. »Frech auch noch«, sagte Olden, »und um keine Ausrede verlegen, und wenn es die unverschämteste Lüge ist, die man sich denken kann. Aber das werden Sie ihm schon noch austreiben, Marshal, nicht wahr?« »Sicher, Mr. Olden.« Der Marshal nickte eifrig. »Gut, daß Sie die beiden gleich erkannt haben.« Er zog sich zurück und schlug die Tür zu. Der Riegel rastete in den Halterungen ein. Ich hörte Olden noch sagen: »Meine Leute sehen sich jetzt mal den Wagen an.« Dann entfernten sich Schritte, und es wurde wieder still. Ich setzte mich neben Wilde Blume und legte den Arm um ihre Schultern. Sie zitterte wieder am ganzen Körper. Schweigend saßen wir zusammen, und mit der Zeit wurde sie ruhiger. Ich dachte ernsthaft daran, mit meinem Revolver das Türschloß zu zerschießen. Aber der Lärm hätte den ganzen Ort alarmiert, noch bevor wir die Zelle verlassen hätten. Wir hätten es nie bis zum Mietstall geschafft, hätten die Pferde nicht schnell genug herausholen können und wären von den Banditen sehr schnell eingeholt worden. Wir steckten ganz schön in der Klemme. Ich zermarterte mir den Kopf, um eine Lösung zu finden, aber mir fiel nichts ein. Wir waren am Ende. * Der Indianer war seit zwei Stunden in der Stadt. Mitternacht war lange vorüber, es ging schon auf den Morgen zu. Im Schutz der Dunkelheit war der Indianer in die Stadt geschlichen und hatte sich im Hinterhof eines alten Lagerschuppens verborgen. Von hier aus hatte er die einzige Straße des Ortes beobachtet und geduldig alles registriert, was sich dort abgespielt hatte. Den wuchtigen Planwagen im Schatten des Mietstalls hatte er
sofort wahrgenommen und erkannt. Er hatte einmal auch versucht, sich an das Gefährt heranzupirschen, hatte diese Absicht aber aufgeben müssen, da der Wagen von einem hageren, unrasierten Mann mit zwei Revolvern bewacht wurde. Auch diesen Mann hatte der Indianer erkannt. Er hatte ihn zusammen mit fünf anderen Männern gesehen, die unweit von dem Zeltdorf, in dem er lebte, vorübergeritten waren – auf der Fährte des Squawmannes Jeremia Craig und seiner Tochter Esther, die den indianischen Namen Wilde Blume trug. Die Männer waren Skalpjäger, und sie hatten die indianische Frau Craigs ermordet. Der junge Indianer haßte sie und hätte sie gern getötet. Aber er wußte seine Möglichkeiten realistisch einzuschätzen. Sie waren ihm überlegen, nicht nur an Zahl, auch in der Bewaffnung. Eine gewisse Zeit hatte er abgewartet, um doch noch zum Wagen zu gelangen, aber der Wagen war nie unbewacht geblieben. So hatte er sich in den Hinterhof des alten Schuppens zurückgezogen und von dort aus wenig später beobachten können, daß zwei der Skalpjäger mit einem dritten Mann, der ein Abzeichen aus Blech am Hemd trug, ein kleines Holzgebäude mit einem Gitterfenster aufgesucht hatten. Dort waren sie eine Weile geblieben, und der junge Indianer hatte laute Stimmen gehört. Danach hatten die Männer das Haus wieder verlassen. Sie hatten sich ein Stück die Straße hinunter zum einzigen Saloon des Ortes begeben und dort lärmend weitergetrunken. Jetzt machten sie sich in der Nähe des Mietstalls zu schaffen. Der Indianer konnte nicht sehen, was sie taten, aber er vermutete, daß es mit dem Wagen zusammenhing. Er verließ sein Versteck, als ein leichter Wind aufkam und klammen Dunst vor sich her schob. Die ersten Nebel wallten aus den Niederungen, die Nacht ging zu Ende. Die schlanke Gestalt des jungen Kiowa glitt geräuschlos durch den Nebel. Niemand sah ihn, als er die Straße überquerte. Nur ein struppiger Bastardhund mit großen, ausdrucksvollen Augen hockte unter einem ausgetretenen Vorbau und beobachtete ihn aufmerksam. Der Indianer erreichte das Gefängnisgebäude und umrundete es. Er bewegte sich lautlos wie eine Wildkatze. Eine Zeitlang blieb er
neben dem Gitterfenster stehen und lauschte auf die Atemzüge, die er im Innern hörte, dann wagte er sich zur Vordertür des windschiefen Gebäudes. Er lauschte auch hier geduldig an den Fenstern, bevor er die Türklinke hinunterdrückte. Die Tür schwang nach innen. Abgestandene Luft schlug dem jungen Indianer entgegen. Er schlüpfte in den Raum und schloß die Tür hinter sich. Er wartete, bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, dann bewegte er sich weiter. Mit traumwandlerischer Sicherheit vermied er jedes Hindernis in dem stockfinsteren Raum. Er umging einen umgekippten Stuhl, stolperte nicht über eine leere Whiskyflasche, die mitten im Raum auf den Bodendielen lag, und stieß nicht gegen den klapprigen Schreibtisch. Er fand trotz der Dunkelheit einen alten Paterson-Colt, der hinter dem Schreibtisch an der Wand hing und, wie er feststellte, sogar geladen war. Er schob den Revolver in seinen Hosengurt und stand wenig später vor der Tür des Zellenanbaus. Wieder lauschte er einen Moment. Dann zog er sein Messer mit der Rechten und riß mit der Linken den Riegel der Tür zurück. Als die Tür nachgab, stieß sie der junge Kiowa ins Innere der Zelle und sprang geduckt in das finstere Loch. * Nachdem der Marshal und die Banditen uns verlassen hatten, waren wir schließlich doch wieder eingeschlafen. Die Müdigkeit war stärker gewesen als unsere Nervosität. Und nach den vielen bösen Erlebnissen der letzten Tage war sowohl bei mir als erstaunlicherweise auch bei Wilde Blume eine gewisse Abstumpfung eingetreten. Wir hatten keine großen Schwierigkeiten gehabt, zunächst einmal alles aus unseren Gedanken zu verdrängen. Wir hatten keine Stunde geschlafen, da wurde ich vom Klirren des Riegels geweckt. Ich hob den Kopf, und Wilde Blume wälzte sich verschlafen auf die Seite. Im selben Moment flog die Tür auf, und ein Schatten wirbelte herein.
Ich war viel zu überrascht, als daß ich sofort hätte reagieren können. Ich zog instinktiv den Kopf ein und rollte mich durch das stinkende Stroh zur Westwand der Zelle hin. Als ich mich aufrichtete, stand die schattenhafte Gestalt schon vor mir, und ich erkannte, daß es sich um einen jungen Indianer handelte. Einen Kiowa. Caliko. Ich schlug sofort zu, aber hinter meinem Hieb steckte keine Kraft. Noch war ich nicht richtig wach, und nachdem ich schon wieder in dieser Nacht sehr abrupt aus dem Schlaf gerissen worden war, hatte ich einen schweren Kopf und fühlte mich benommen. Der Indianer schlug zurück. Ich sah seine Faust mit dem Messer kommen, als gelte sie gar nicht mir, als sei ich Zeuge des Kampfes, als stünde ich neben mir selbst. In letzter Sekunde hob ich abwehrend die rechte Faust. Aber der Arm schien zentnerschwer zu sein, und ich war so langsam, so jämmerlich langsam. Wilder Schmerz durchraste meinen ganzen Körper, als das Messer meinen rechten Unterarm traf. In der Dunkelheit hatte Caliko den Stich nicht präzise geführt, so zerriß die Klinge nur meinen Hemdsärmel und schlitzte die Haut auf. Trotzdem schoß sofort das Blut warm und klebrig aus der Wunde und rann mir am Arm hinunter. Der Schmerz vertrieb die letzte Müdigkeit in mir. Ich konnte Caliko einen Fußtritt versetzen, daß er sich zusammenkrümmte und sein Messer fallen ließ. Mit beiden Fäusten hämmerte ich ihm ins Gesicht. Er stürzte nach hinten, und als ich ihm folgte, sprang er schneller wieder hoch, als ich gedacht hatte, und hielt seinen Tomahawk in der rechten Faust. Bevor ich in Deckung gehen konnte, hatte er zugeschlagen. Ich konnte in letzter Sekunde den Kopf wegreißen und wurde so nur noch von der flachen Seite der Schneide erwischt. Mir wurde schwarz vor Augen. Ich taumelte und stürzte, dann versank alles um mich her in einem rosaroten Nebel. Caliko wirbelte herum und starrte Wilde Blume an, die sich während des Kampfes erhoben und neben der Zellentür in eine Ecke
gedrängt hatte. »Komm«, sagte er im kehligen Dialekt der Kiowas. Er schob den Tomahawk in seinen Gürtel zurück. »Ich bin hier, um dich zu holen.« Sie rührte sich nicht. Aus großen Augen schaute sie ihn ungläubig an. Langsam ging er auf sie zu. »Ich habe dich lange gesucht«, sagte er. »Du gehörst zu mir. Du bist mir versprochen. Du gehörst in die Zelte der Kiowas und nicht zu den Weißen.« Sie schüttelte den Kopf. Ohne ein Wort zu sagen, stand sie da. Sie schien die Sprache verloren zu haben. Er spürte ihren Widerstand, beugte sich vor und packte sie. Seine Faust umklammerte ihr linkes Handgelenk. Sie wehrte sich, aber sie war nicht stark genug. Er zerrte sie hinter sich her, aus der Zelle und durch das Marshaloffice. An der Tür verharrte er kurz und schaute sich um. Trübe lagen die ersten Nebelschleier des nahenden Tages zwischen den alten Fassaden der Hütten. Vom Mietstall her waren Männerstimmen zu hören, zu sehen war kein Mensch. Der Indianer zerrte Wilde Blume über die Straße. Das war der Moment, in dem ich aufwachte. Mein Schädel brummte. Dichte Schleier wallten vor meinen Augen. Schwerfällig richtete ich mich auf. Ich hob das Messer des Indianers auf, das direkt vor meinem Gesicht lag, und torkelte durch die offene Zellentür hinaus. Am Schreibtisch des Marshals blieb ich einen Moment stehen und stützte mich schwerfällig auf die Kante. Dann eilte ich weiter. Als ich aus der Tür trat, sah ich Caliko und Wilde Blume gerade im Nebel verschwinden. Sie wehrte sich jetzt heftig und wollte sich losreißen. Ich hatte Blei in meinen Beinen, trotzdem bemühte ich mich, schnell zu laufen. »Laß mich los!« rief sie. »Ich will nicht zurück, ich will nicht.« Ich erreichte die beiden und stürzte mich auf den Indianer. Aber Caliko sah mich und rammte mir seinen rechten Fuß entgegen. Ich war noch immer nicht ganz klar nach der Bewußtlosigkeit, und der Nebel wurde immer dichter, so daß man kaum noch die Hand vor
Augen sehen konnte. So sah ich den Fuß nicht und erhielt den Tritt voll in den Leib. Ich hatte das Gefühl, von einem Schmiedehammer getroffen worden zu sein. Würgend stürzte ich auf den Rücken und wälzte mich unter Schmerzen auf die Seite. Mein Magen hob sich, ich übergab mich und hörte wie durch dicke Mauern Wilde Blume schreien: »Nein, tu es nicht!« Instinktiv warf ich mich herum, trotz der gewaltigen Schmerzen.Da sah ich Caliko mit erhobenem Tomahawk über mir stehen. Ich war verloren und schloß die Augen. Im nächsten Moment flog ein Schatten durch den Nebel – ein Hund. Er knurrte wild und stieß ein wütendes Bellen aus. Er prallte gegen den Indianer und warf ihn zu Boden. Shita. Während ich vor Schwäche zurücksank, überfloß mich ein heißes Gefühl der Dankbarkeit. Ich hatte nicht die Kraft, mich zu erheben, aber ich versuchte es. Ich sah Wilde Blume laufen. Sie flüchtete die Straße zum Westrand des Ortes hinunter. Caliko kämpfte sich hoch, schüttelte Shita ab, war aber offenbar verletzt. Er hatte seinen Tomahawk nicht mehr in der Faust und humpelte etwas. Ich richtete mich auf die Knie auf, und Caliko versetzte mir einen Fußtritt gegen die Stirn. Wieder hörte ich Shitas rasendes Knurren, sah, daß er gegen den jungen Indianer sprang, jedoch auch einen Fußtritt erhielt und zu Boden stürzte. Ich sah noch, daß Caliko Wilde Blume einholte und mit sich zerrte, dann verlor ich abermals das Bewußtsein.
9. Warm und feucht strich es über mein Gesicht. Es dauerte eine Weile, bis der hämmernde Schmerz in meinen Schläfen nachließ und ich klarer denken und empfinden konnte. Dann schlug ich die Augen auf und sah einen struppigen Kopf über mir. Shita war bei mir und leckte mir zärtlich über das Gesicht. Ich drehte den Kopf zur Seite und versuchte, ruhig durchzuatmen. Shita winselte besorgt. Er umrundete mich schwanzwedelnd und stieß mich mit seiner schwarzen, feuchten Nase an.
»Schon gut«, versuchte ich zu sagen. Aber nur ein paar undeutliche Laute drangen aus meinem Mund. Meine Zunge war schwer, und ich schmeckte gallige Magensäure in meinem Mund. Ich richtete den Oberkörper schwerfällig auf und spuckte aus. Als ich endlich auf den Beinen stand, bewegte ich mich unsicher über die Straße zu den halbverfallenen Frachtschuppen, hinter denen auch Caliko sich verborgen gehalten hatte, was ich aber nicht wußte. Es erschien mir fast wie ein Wunder, daß mich niemand während meiner Bewußtlosigkeit auf der Straße entdeckt hatte. Aber Sedgewick City schlief noch – bis auf Oldens Banditen. Die tobten am Mietstall des Handelspostens herum. Ich hörte sie, aber sie kümmerten mich im Moment nicht. Stolpernd erreichte ich die alten Schuppen und schlich in einen der Hinterhöfe. Hier stieß ich auf einen Brunnen. Die steinerne Fassung war zur Hälfte eingestürzt, ein Stützpfosten der Winde war abgebrochen. Aber ein alter Eimer war noch da. Ich hängte ihn an die rostige Kette und ließ ihn, die Kette in beiden Händen haltend, in den dunklen Schacht hinunter. Mit viel Mühe zog ich ihn gefüllt wieder heraus. Das Wasser im Eimer schien in Ordnung zu sein. Es schmeckte nicht schlecht. Ich trank nur ein paar Schlucke, dann goß ich mir den Rest über den Kopf. Triefend vor Nässe ließ ich mich am Boden nieder, eifrig und besorgt beschnüffelt von Shita. Die Kälte des Wassers tat mir gut. Der hämmernde Schmerz in den Schläfen ließ nach. Auch meine verkrampften Magenmuskeln entspannten sich. Die schmale Schnittwunde am rechten Unterarm schmerzte, aber sie war bereits von einem dicken Grind aus getrocknetem Blut bedeckt. Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Rückwand eines Schuppens und streckte die Beine aus. Während ich darauf wartete, daß die Verkrampfung meines Körpers sich löste und die Schmerzen nachließen, verfluchte ich mich, daß ich mich von dem jungen Kiowa-Krieger hatte überrumpeln lassen. Dabei hatte ich doch ein Recht auf etwas Schlaf gehabt, und wer hätte schon damit gerechnet, daß der junge Indianer plötzlich auftauchen würde? Trotzdem wurmte mich die Niederlage, und ich gestand mir
schließlich ein, daß es dabei gar nicht um mich ging. Es ging um Wilde Blume. Ich hatte sie mir wegnehmen lassen, das war der eigentliche Grund meines Zorns. Ich war nicht in der Lage gewesen, richtig auf sie aufzupassen, wie ich es ihrem Vater versprochen hatte. Und auch das war noch nicht ganz die Ursache meiner Erbitterung. Es war auch eine heftige Eifersucht, die ich verspürte. Ich hatte mich in Wilde Blume verliebt, das gestand ich mir jetzt ein, und ich konnte es einfach nicht ertragen, daß es einen anderen gab, der sie haben wollte, der es jetzt sogar geschafft hatte, sich ihrer zu bemächtigen. Das konnte und wollte ich nicht hinnehmen. Trotz der starken Schmerzen erhob ich mich wieder. Im selben Moment ertönte Hufschlag auf der Main Street. Im Osten lichteten sich bereits die Nebelschleier. Ich hörte rauhes Männerlachen, dazwischen war die Stimme des seltsamen Marshals zu hören. Shita bellte. Ich strich ihm über den Kopf, befahl ihm, still zu sein, und kroch auf allen vieren bis zur Straße. Im Schatten des alten Schuppens liegend sah ich die fünf Banditen und den Marshal vor dem Office. Sie gingen gerade hinein. Ich zog mich rasch etwas zurück, und wenig später stürmten sie alle wieder auf die Straße. In diesem Moment war ich Caliko beinahe dankbar. Wären ich und Wilde Blume jetzt noch in der Zelle gewesen, hätten die Kerle uns sicherlich auf der Stelle als lästige Zeugen umgebracht. So lebten wir noch, und das schien den Banditen ganz und gar nicht zu gefallen. Hier bei diesen Hinterwäldlern in Sedgewick City mochten sie schalten und walten können, wie sie wollten. Aber in einer anständigen Stadt konnte das alles anders aussehen. Dort waren die Vertreter des Gesetzes nicht so dumm und einfältig wie der Marshal hier. Die Banditen schwangen sich in die Sättel. Erst jetzt fiel mir auf, daß die Satteltaschen von Oldens Pferd besonders prall gefüllt waren. Außerdem hatte er einen Ledersack am Sattel hängen, der sehr schwer zu sein schien. Ich ahnte, was sich darin befand, und der Zorn in mir wurde noch größer. Nicht nur, daß Wilde Blume weg war, jetzt wurde auch noch ihr Gold gestohlen, und ich mußte tatenlos dabei zusehen.
In einer Aufwallung meiner Wut langte ich mit der Rechten unter mein Hemd und umspannte den Griff des Navy-Colts, den bis jetzt noch keiner entdeckt hatte. Aber ich ließ ihn stecken. Einmal hatte ich die Killer überrumpelt. Nur hatten da andere Voraussetzungen geherrscht. Hier in der Stadt gab es viele Deckungsmöglichkeiten für die Kerle. Wenn ich einen abgeschossen hatte, konnten die anderen bereits hinter Hütten und in Hofeingängen verschwunden sein und mich unter Feuer nehmen. Die Banditen sprengten die Straße entlang bis zum Ostrand der Stadt. Sie umrundeten die alten Hütten. Ich zog Shita an mich und drückte mich tief in den Schatten des Schuppens. Nur zwanzig Yards von mir entfernt ritten sie vorbei und jagten die Straße in westlicher Richtung hinunter. Als sie zurückkehrten, stand der Marshal breitbeinig vor seinem Office und hielt die abgesägte Schrotflinte in beiden Fäusten. »Keine Spur!« rief Olden aus dem Sattel. »Wir können ein Aufgebot zusammenstellen«, sagte der Marshal. »Aber wir haben keine Zeit mehr.« Olden stützte sich mit beiden Fäusten auf das Sattelhorn. »Die Angehörigen des Ermordeten werden auf Nachricht warten, und wir müssen ihnen das gestohlene Gold zurückgeben.« »Aber …« Der Marshal schien zu überlegen, was Buck Olden ihm vorgeschlagen hatte. Dann bleckte er sein Gebiß, und seine Oberlippe berührte fast seine Nase. »Das – das geht nicht. Ich kann Sie doch nicht einfach weglassen, wenn der Junge und das Mädchen frei herumlaufen. Ich brauche Sie doch als Zeugen für ein Protokoll.« »Ach was, Protokoll!« Olden zog sein Pferd herum. »Hängen Sie die beiden einfach auf, wenn Sie sie fassen, aber wahrscheinlich sind sie schon über alle Berge. Nur nicht viel Federlesens mit den beiden machen.« »Bleiben Sie hier!« Der Marshal schien sich auf seine Amtsautorität zu besinnen und darauf, daß er gewisse Pflichten hatte. »Sie müssen mir Ihre Adresse dalassen, schließlich ist es doch ein ganzer Haufen Gold, den Sie mitnehmen.« »Mißtrauen Sie uns etwa?« Oldens Stimme klang jetzt drohend. Er musterte den zerlumpten Marshal wie ein lästiges Insekt.
»Keinesfalls, aber soviel Gold …« »Sie wollen wohl was davon behalten?« Diese Frage schien den Marshal aus der Fassung zu bringen. Mehrfach fletschte er sein Gebiß, als wenn er etwas sagen wollte, aber jedesmal schloß er den Mund wieder, weil er keine Worte zu finden schien. Schließlich fuchtelte er eine Weile mit seiner Schrotflinte herum und stieß dann empört aus: »Das – das ist eine Beleidigung!« »Ach«, sagte Olden. Er winkte ab. »Lecken Sie mich doch am Arsch.« Er nahm die Zügel hoch und gab seinen Leuten, die den Marshal feixend betrachteten, das Zeichen zum Abritt. »Bleiben Sie hier!« Jetzt war der Marshal ernstlich wütend. »Ich – ich muß meine Pflicht tun und …« Die Hufe der Pferde stampften dicht an ihm vorbei. Oldens Tier rammte ihn mit der breiten, muskulösen Brust. Der Marshal verlor das Gleichgewicht und stürzte mit dem Rücken gegen den rechten Türpfosten seines Offices. Staub wallte vor ihm auf, und die Männer in den Sätteln lachten. Der Marshal sprang brüllend auf die Beine und rieß seine Schrotflinte an die Schulter. Vor lauter Aufregung stotterte er so heftig, daß kaum ein Wort von dem, was er sagte, zu verstehen war. »Ihr – ihr Bababanditen! Bleibt stehen! Wawawahrscheinlich stimmt alalalles gar nicht, was ihr …« Ein Schuß krachte. Von Oldens Hüfte aus leckte eine lange Flamme auf den Marshal zu. Die Kugel traf ihn hoch in die Brust und stieß ihn rücklings zu Boden. Die Reiter wandten sich wieder nach vorn und ritten westwärts aus der Stadt, ohne sich weiter um ihr Opfer zu kümmern. Sie verschwanden im Nebel, der sich von Osten her bereits aufzulösen begann. * Hinter ein paar Fenstern gingen Lichter an. Dann sah ich halbangezogene Menschen über die Straße laufen. Sie blieben neben der reglosen Gestalt vor dem Marshalsoffice stehen und beugten sich
über sie. Ich zog mich lautlos zurück. Shita folgte mir. Im Hof des alten Schuppens erhob ich mich und eilte im Schutz der letzten Nebelschwaden hinter den Häusern zum Ostende der Stadt. Auch im Handelsposten war Licht. Auf einer Veranda stand der kugelrunde Mister Dulles in einem knöchellangen Nachthemd. Umweht vom Nebel sah er aus wie ein Monster. Er spähte die Straße hinunter, vermutlich um zu erfahren, was dort passiert war. Ich umging das Hauptgebäude der Station und schlich zum Stall. Dort, wo ich den Planwagen abgestellt hatte, lagen nur noch Trümmer des Gefährts. Die Banditen hatten alles kurz und klein geschlagen. Die Plane lag zerfetzt am Boden, dazwischen lagen die zersplitterten Holzteile. Die Eisenverstärkungen hatten der Zerstörungswut der Kerle widerstanden. Ich suchte zwischen den Trümmern nach dem Proviant, der sich im Wagen befunden hatte. Ein halbes Brot fand ich, das nicht zu sehr verschmutzt und daher noch eßbar war. Mit dem Messer schnitt ich mir aus den Resten der Plane ein Stück Stoff und faltete mir daraus ein Bündel, in das ich das Brot steckte. Ich ging zur Stalltür und rüttelte daran. Sie war nicht verschlossen. Ich öffnete sie einen Spalt und schlüpfte hinein. Wenigstens die Pferde wollte ich für Wilde Blume retten. Außerdem hatte ich keine Chance, ihr zu helfen, wenn ich gezwungen sein sollte, zu Fuß hinter ihr und Caliko herzulaufen. Die Pferde standen in den Boxen, in denen ich sie selbst untergebracht hatte. Sie waren ausgeruht und gut versorgt worden. Vermutlich hatte sich der dicke Dulles nach unserer Verhaftung und dem Auftauchen der Banditen bereits als Besitzer der Tiere gesehen. Ich legte den Pferden einfache Halfter aus starkem, geflochtenem Hanf an und zog sie aus den Boxen. Shita stand derweil am Stalltor und hielt Wache. Ich betrachtete die Pferde etwas skeptisch. Es waren starke, muskulöse Wagenpferde. Was sie als Reittiere taugten, vermochte ich nicht zu sagen. Ich hoffte nur, daß sie über genügend Ausdauer und Zähigkeit verfügten, um meine Ansprüche zu erfüllen. Ich führte sie zum Tor. Draußen überflutete gerade das Licht des jungen Tages die Ebene. Wind vertrieb die letzten Fetzen des
Morgennebels. Mir blieb nicht mehr viel Zeit. Ich stieß das Tor ein Stück weiter auf und zog die Pferde hinter mir her. Gerade als ich das Tor wieder schließen wollte, tauchte aus dem Hauptgebäude der pickelgesichtige Jason auf. Seine Entlassung war also von Mister Dulles vermutlich wieder revidiert worden. Er ging vornübergebeugt, als hätte ihm jemand das Rückgrat verbogen. Seine lange, spitze Nase wirkte noch dünner als am Vortage. Er schleifte eine hölzerne Heugabel hinter sich her, deren Zacken lange Linien in den Staub kratzten. Dann sah er mich und blieb fassungslos stehen. Ich kümmerte mich nicht um ihn, sondern schwang mich auf den Rücken des Pferdes, das mir als Reittier am geeignetsten erschien. Da erst schien Jason aufzuwachen. »He!« rief er. »Halt!« Mit erhobener Heugabel rannte er hinter mir her, als ich mein Pferd zum Hofausgang lenkte und die anderen drei Tiere an den Zügeln hinter mir herzog. Der Mann hatte mich fast eingeholt, als Shita ihn von der Seite ansprang und zu Boden warf. Das Pickelgesicht brach sofort in mörderisches Geheul aus, so daß Shita vor lauter Schreck von ihm abließ. Er brauchte sich aber auch nicht weiter um Jason zu kümmern. Der hatte genug. Er wagte nicht, sich zu erheben. Jammernd und klagend kroch er auf allen vieren dem Hauptgebäude der Station zu. Dort erschien jetzt Mister Dulles an einem Fenster und schrie mit puterrotem Gesicht: »Haltet den Dieb! Jason, du verlauster, dreckiger, fauler Hundesohn! Warum hast du ihn nicht aufgehalten? Wofür bezahle ich dich? Zu gar nichts bist zu nutze! Du frißt mir nur die Haare vom Kopf und steckst mein gutes Geld in die Tasche, ohne auch nur einen Handschlag zu tun! Steh auf und lauf ihm nach! Auf was wartest du? Soll ich kommen und dich hinterher tragen, damit du die Pferde zurückholst?« Die Vorstellung, daß der Fettwanst mit dem dürren Jason auf dem Arm hinter mir herlaufen könnte, amüsierte mich sehr. Ich wartete aber nicht darauf, bis mir dieses einmalige Schauspiel geboten wurde, sondern ritt mit den Pferden zwischen zwei Häusern hindurch
südwärts aus der Stadt in die Ebene. Auf der Straße hatte ich einige Menschen gesehen, die sich alle in Höhe des Marshalsoffices aufgehalten hatten, wo noch immer die Leiche des Beamten im Staub lag. Ein paar der Männer hatten Gewehre bei sich getragen, und ich war nicht scharf darauf, beim Verlassen dieses gastfreundlichen Nestes auch noch eine Ladung Schrot verpaßt zu kriegen. Shita lief neben mir her. Sein schlanker Körper streckte sich. Es schien ihm Spaß zu bereiten, ungehindert über die Ebene jagen zu können. Er warf die langen Beine, blieb ab und zu stehen, drehte sich zu mir um und bellte erwartungsvoll. Mit weit aus dem Maul heraushängender Zunge stürmte er ins Hügelland. Als ich die Dächer von Sedgewick City nicht mehr hinter mir sehen und auch sicher sein konnte, nicht verfolgt zu werden, wandte ich mich nach Westen. Nach wenig mehr als einer Viertelstunde stieß ich auf die Spuren der Banditen und auf die Fährte von Caliko, der Wilde Blume vermutlich auf dem Rücken seines Pferdes mitgeschleppt hatte. Die Spuren waren leicht auseinanderzuhalten, da Caliko ein unbeschlagehes Indianerpony geritten hatte, während die Pferde der Banditen alle beschlagen waren. Eine Zeitlang liefen beide Fährten nebeneinander her, dann überkreuzten sie sich, und Caliko war nach Südwesten ausgewichen, während die Banditen schnurgerade weiter westwärts geritten waren. Ich überlegte kurz, dann entschloß ich mich, auf der Spur der Mörder zu bleiben. Von Caliko wußte ich ungefähr, welchen Weg er nehmen würde, denn er strebte vermutlich so schnell wie möglich zurück in das Gebiet seines Stammes. Von den Banditen dagegen wußte ich nichts. Wenn ich ihre Fährte verlor, war Wilde Blumes Eigentum unwiederbringlich verloren. Ich trieb mein Pferd an, das sich erstaunlich willig und zuverlässig als Reittier erwiesen hatte. Auch die anderen Pferde bereiteten mir keine Schwierigkeiten. Während die Sonne von Osten aus immer höher stieg und die Hitze von Stunde zu Stunde immer drückender und unerträglicher wurde, ritt ich nach Westen. Shita lief neben mir her.
10. Ich stand am Ufer eines Flusses, dessen Namen ich nicht kannte. Die Sonne hing tief im Westen und hatte die Kuppen der Hügel mit einem rötlichen Farbton überzogen. Lange Schatten krochen über das Land. Die Pferde standen mit den Vorderläufen im seichten Uferwasser und soffen. Shita hatte seinen Durst bereits gestillt und lag erschöpft, alle viere von sich gestreckt, im Gras. So, wie er den Tag über gelaufen war, hätten die Sohlen seiner Pfoten dampfen müssen, aber er war verdammt zäh, und es steckten Kräfte in ihm, die ich ihm, solange ich ihn nun schon bei mir hatte, gar nicht zugetraut hätte. Ein paarmal hatte ich angehalten, um ihn zu mir auf den Pferderücken zu nehmen, aber er hatte sich nicht um meine auffordernden Rufe gekümmert. Auf der anderen Seite des Flusses führte die Spur der Banditen weiter. Sie war höchstens eine halbe Stunde alt. Die Kerle fühlten sich sehr sicher. Mit einer Verfolgung durch die Bürger von Sedgewick City rechneten sie nicht, und damit hatten sie recht. Mit mir konnten sie nicht rechnen. Das war ihr Pech. Aber vermutlich hätten sie mich sowieso unterschätzt, obwohl ich ihnen schon einmal eine Niederlage beigebracht hatte. Den Tag über hatten sie oft gerastet und sich und den Pferden Ruhe gegönnt. Vermutlich hatten sie sich auch gründlich Zeit genommen, das Gold zu untersuchen. Sie konnten nicht wissen, daß ich ihnen dicht auf den Fersen war. Noch in dieser Nacht, spätestens beim Sonnenaufgang des nächsten Tages, würde ich sie eingeholt haben. Ich war der Jäger, und mein Vorteil war, daß sie nichts von mir wußten. Hier draußen in der Wildnis war ich stärker als sie. Ich war in der Wildnis aufgewachsen und hatte bei den Apachen gelernt, einen an Zahl überlegenen Gegner in der Wildnis zu bekämpfen und zu schlagen. Ich war meiner Sache sicher. Der Vorsprung der Killer war so knapp, daß jetzt ich mir eine kurze Rast gönnen konnte. Seit ich Sedgewick City verlassen hatte, hatte ich keine Pause eingelegt. Weder mir noch den Pferden hatte
ich Ruhe gegönnt. Als ich Hunger verspürt hatte, hatte ich das trockene Brot gegessen, das ich zwischen den Trümmern des Planwagens gefunden hatte. Ich ging in die Knie, beugte mich vor und schöpfte mit beiden Händen Wasser aus dem Fluß. Es war kühl und angenehm erfrischend. Ich wusch mir das Gesicht und trank. Als ich meinen Durst gestillt hatte, suchte ich den Schatten einiger Juniperen auf und ließ mich unweit von Shita nieder. Die Pferde standen mit gesenkten Köpfen am Flußufer und zupften an den Spitzen der Gräser. Shita beobachtete jede meiner Bewegungen. Ich streckte die Beine von mir, ließ mich rücklings ins Gras sinken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Ein Grashalm zwischen den Zähnen, blickte ich zum Himmel auf, während der linde Wind und die Abendsonne meine nasse Haut trockneten. Nach einiger Zeit ging mein Pulsschlag etwas ruhiger. Mein Körper entspannte sich. Ich dachte an den Marshal von Sedgewick City. Er war ein Idiot gewesen, und ein ekelhafter Kerl obendrein. Aber vielleicht mußte man in einem Drecknest wie Sedgewick City so werden, wie er geworden war. So oder so aber hatte es keinen Grund gegeben, ihn einfach niederzuknallen wie einen tollwütigen Hund. Und die Bürger der Stadt hatten feige um die Leiche herumgestanden. Keiner hatte auch nur den Versuch unternommen, ein paar Männer zusammenzutrommeln und die Mörder zu verfolgen. Ich schloß die Augen. Es würde sicher noch eine Zeit dauern, bis ich die Einstellung der Menschen in den kleinen Städten verstehen würde. Wer jahrelang an den Feuern der Apachen gesessen hat, kann sich nicht in ein paar Wochen umstellen und die neue Welt begreifen. Meine Gedanken wanderten weiter zu Wilde Blume. Wo mochte Caliko wohl mit ihr sein? Ob er jetzt ein Lager für sich und das Mädchen aufschlug? Der Gedanke regte mich auf. Er konnte ja wer weiß was mit ihr anstellen. Und wenn sie sich wehrte? Er war stärker. Ich wälzte mich auf die Seite und spuckte den Grashalm aus. Ich
kannte die Regeln der Indianer, schließlich war ich selbst mal einer gewesen, zumindest hatte ich mich als vollwertiger Apache gefühlt und war auch so behandelt worden. Wilde Blume war Caliko versprochen worden. Das war so gut wie eine Verlobung. Dabei spielte es keine Rolle, daß sie nicht gefragt worden war. Allerdings hatten Calikos Eltern den Handel nicht mit Wilde Blumes Eltern abgeschlossen, sondern mit ihrem Großvater. Die Eltern waren nicht gefragt worden. Damit war das Versprechen ungültig. Wenn ich Wilde Blume zurückholte, verstieß ich also nicht gegen die indianischen Regeln. Aber mir war klar, daß ich mich beeilen mußte, wenn ich verhindern wollte, daß Caliko Wilde Blume mit Gewalt zu seiner Squaw machte. Ich konnte insofern hoffen, als Caliko kein Interesse haben würde, bei menschlichen Ansiedlungen gesehen zu werden. Also würde er nicht sehr schnell vorankommen, da er immer wieder Ortschaften, Raststationen oder Farmen ausweichen mußte. Ich war sicher, ich würde sie einholen und Wilde Blume zurückholen. Dabei fragte ich mich, ob sie nicht bei den Kiowas besser aufgehoben war als bei den Weißen. Sie hatte keine Eltern mehr, auch keine anderen Verwandten. Genauso wie ich war sie ganz allein auf der Welt. Bei den Kiowas hätte sie wenigstens ein Zuhause gehabt. Aber ich hatte dem toten Jeremia Craig versprochen, auf seine Tochter aufzupassen. Und er wollte nicht, daß sie bei den Indianern aufwuchs – gewiß nicht aus feindseligen Gründen gegen die Kiowas. Immerhin hatte er sein halbes Leben lang unter ihnen gelebt, mit ihnen gehandelt, eine ihrer Squaws geheiratet. Im Grunde war er ein weißer Kiowa geworden, wie ich einst ein weißer Apache gewesen war. Aber Craig war sich wohl im klaren darüber gewesen, daß die Indianervölker hoffnungslos verloren waren. Der Ansturm der Weißen nach Westen war immer stärker geworden, und die Vertreibung der Indianer aus ihren angestammten Heimatgebieten wurde immer intensiver und brutaler betrieben. Die Indianer wehrten sich, aber sie waren dem weißen Mann von vornherein unterlegen. Sie hatten die schlechteren Waffen, sie waren zu wenige Krieger, sie
hatten keine Chance. Sie waren zum Untergang verdammt, und der Tag würde kommen, an dem der letzte Indianer verschwunden sein würde. Davon war ich damals überzeugt. Heute bin ich mir in diesem Punkt nicht mehr so sicher. Inzwischen sind Reservationen eingerichtet worden, und statt die Stämme vollständig zu vernichten, sind die traurigen Reste in diese riesigen Gefängnisse deportiert worden. Ob sie und ihre Lebensart dort überleben können, bezweifle ich. Jedenfalls war Jeremia Craig sicherlich genau wie ich vom Untergang der Indianervölker überzeugt, und vermutlich wollte er verhindern, daß seine Tochter dann das Schicksal der sterbenden Stämme teilen mußte. Aus diesem Grund hatte er sie mitgenommen und sich geweigert, sie einem Kiowa zur Squaw zu geben. Aus diesem Grund hatte er Gold gesucht und gesammelt. Jeremia Craig hatte bestimmt genau gewußt, was er tat. Die Zukunftspläne für seine Tochter hatten festgelegen. Ich brauchte nicht zu befürchten, gegen die ungeschriebenen Gesetze der Indianer zu verstoßen, vor denen ich noch immer großen Respekt hatte, auch wenn ich nun schon lange nicht mehr zu ihnen gehörte. Aber man kann die Sitten, Gebräuche und Regeln eines Volkes, mit dem man gekämpft, gelitten und gelebt, das man geliebt hat, nicht einfach von einem Tag auf den anderen wegwischen. Irgendwie fühlte ich mich noch immer den Indianern verpflichtet. Jeremia Craig hatte anders über seine Tochter verfügt, und ich mußte sein Vermächtnis erfüllen. Ich hatte es ihm auf dem Totenlager versprochen. Ich erhob mich. Die Sonne war inzwischen gesunken. Die Dämmerung hatte sich zu einem feinmaschigen Netz verdichtet, in dem sich das letzte Tageslicht fing und verglühte. Ein rötlicher Abglanz der versunkenen Sonne lag noch auf dem Wasser. Leise plätscherten die Wellen an die sandigen Ufer. Ich hatte eigentlich ein paar Stunden rasten wollen. Um die Banditen brauchte ich mich nicht zu sorgen, die lagen jetzt wahrscheinlich schon im tiefsten Schlaf. Aber ich konnte nicht ruhig liegen, ich war innerlich zu aufgewühlt. Unruhig lief ich am Flußufer auf und ab.
Es wurde Nacht, hinter einer dunklen Wolke tauchte der Mond auf. Sein milchigbleiches Licht sank auf das Land. Es schien die Wasser des Flusses in flüssiges Silber zu verwandeln. Schweiß rann mir in dichten Strömen über das Gesicht, als ich mich endlich wieder am Flußufer niederließ, meine löchrigen Mokassins auszog und die nackten Füße ins Wasser baumeln ließ. Langsam wurde ich ruhiger. Es war nicht das erstemal, daß ich zu kämpfen hatte. Jeder Kampf war ein Risiko, aber ich hatte ein gutes Gefühl und war sicher, daß ich mir über den Ausgang nicht den Kopf zu zerbrechen brauchte. Meine Unruhe betraf auch ausschließlich das Schicksal von Wilde Blume, sie betraf aber auch meine Gefühle zu dem Mädchen. Ich zog meine Schuhe wieder an und ging nachdenklich zu den Pferden hinüber. Sie hatten sich in der kurzen Zeit gut ausgeruht. Ich ging zu Shita und hockte mich neben ihn ins Gras. »Wie ist es?« sagte ich. »Kannst du schon wieder, oder soll ich dich aufs Pferd nehmen?« Er schaute mich gelangweilt an, riß sein Maul weit auf, um zu gähnen, und streckte alle viere von sich. Dann erhob er sich und schüttelte sich. Mit einem strafenden Blick, mit dem er mich zu fragen schien, ob ich ihn für einen Schlappschwanz hielte, trottete er zum Fluß hinunter und stillte seinen Durst. Dann lief er zurück und wedelte mit dem Schwanz. Erwartungsvoll schaute er mich an. Ich strich ihm über den Kopf. Er war wirklich ein Prachtkerl, einen besseren Freund als ihn hätte ich mir nicht wünschen können. Ich kehrte zu den Pferden zurück und führte sie zum Ufer. Hier schwang ich mich auf den Rücken eines der Tiere. Noch bevor ich die Tiere ins Wasser lenken konnte, war Shita hineingelaufen und schwamm bereits auf das andere Ufer zu. Der Fluß war an dieser Stelle seicht. Das Wasser reichte den Pferden nicht einmal bis zum Bauch. Als ich das andere Ufer erreichte, stand Shita bereits tropfnaß im hohen Gras und schüttelte sich. Dann eilte er mit großen Sätzen voraus. Ich ritt langsam, denn ich wollte nichts überstürzen und nicht aus Ungeduld einen Fehler begehen. Die Fährte der Banditen lag wie eine klar gezogene Linie vor mir im Mondlicht. Ich hatte mein Ziel
vor Augen. Jetzt lag es nur an mir, ob ich Erfolg hatte. Ich mußte ruhig und besonnen handeln. Keine voreiligen Entschlüsse. Keine übereilten Schritte. Irgendwo vor mir in der Nacht befand sich das Lager der fünf Banditen. Wenn es mir gelang, das Camp zu finden und zu erreichen, ohne daß ich vorher bemerkt wurde, hatte ich schon halb gewonnen. Bis dahin aber lag noch ein gutes Stück Weg vor mir. * Ein weitflächiges Buschgebiet tauchte vor mir auf. Wie ein Stachelpelz überzog es einen Teil der Ebene. In der Dunkelheit bot es sich mir abweisend, drohend und gefährlich wie ein natürlicher Wall dar, den zu überwinden unmöglich war. Ich ritt jetzt noch langsamer. Meine Sinne waren gespannt. Ich lauschte auf jedes kleine Geräusch, beobachtete jeden im Nachtwind tanzenden Schatten. Und erst, als ich das Brushland fast erreicht hatte, fiel mir auf, das Shita verschwunden war. Sofort zügelte ich die Pferde und spähte durch die Dunkelheit. Meine Augen begannen zu tränen, ich konnte Shita nicht entdecken. Schließlich stieg ich ab. Da tauchte er plötzlich aus dem Buschgebiet auf. Er hetzte heran und blieb vor Aufregung zitternd vor mir stehen. Die Zunge hing ihm weit aus dem Maul. Seine großen Augen leuchteten im Mondschein wie polierter Bernstein. »Was ist los?« Ich beugte mich zu ihm hinunter. Da drehte er sich um und trottete auf das Buschland zu. Ich zögerte kurz, dann nahm ich die Pferde am Zügel und folgte ihm zu Fuß. Nach einiger Zeit stieß ich auf einen Wildpfad, der direkt ins Brushgebiet führte. Immer wieder tauchte Shita vor mir auf, blickte mich auffordernd an und lief dann wieder voraus. Plötzlich tauchte vor mir eine Lichtung auf. Das dichte Dach aus Blättern und Zweigen über dem Wildpfad wurde durchlässiger. Blasses Mondlicht fiel auf die Lichtung und zeichnete lange Schatten ins Moos. Shita stand mitten auf der Lichtung und erwartete mich. Unweit
von ihr sah ich dunkel, längliche Gestalten im Gras liegen. Ich ließ die Zügel der Pferde los und bewegte mich zögernd auf die dunklen Körper zu. Den Navy-Revolver hielt ich in der Faust und hatte den Finger am Abzug. Nach wenigen Sekunden schob ich den Revolver in den Gürtel zurück. Mit angewidert verzogenem Gesicht stand ich zwischen vier toten Banditen – den Kumpanen von Buck Olden. Der Mann, dem ich das Ohr angeschossen hatte, war durch den Bauch geschossen worden. Er mußte noch eine ganze Weile gelebt haben. Er war noch warm, und sein Gesicht war noch im Tode vor Schmerz verzerrt. Er hatte beide Hände im Todeskampf in den weichen Waldboden gekrallt. Zwei andere hatten saubere Löcher in der Stirn, einen Fingerbreit oberhalb der Nasenwurzel. Der vierte schien als letzter gestorben zu sein. Er hatte offenbar versucht, davonzulaufen. Eine Kugel hatte ihn von der Seite getroffen und vermutlich beide Nieren durchschlagen. Dennoch hatte er sich blutend weitergeschleppt, war von einem Projektil im Rücken erwischt und schließlich mit einem Schuß in den Hinterkopf endgültig getötet worden. Buck Olden hatte sich seiner Kumpane entledigt. Er hatte alles Gold für sich allein haben wollen. Er würde nichts erhalten. Buck Olden hatte mir die Arbeit erleichtert, ohne es zu wissen. Jetzt hatte ich nicht mehr fünf, sondern nur noch einen Gegner, einen einzigen Mann, der sich sehr sicher fühlte, der im Hochgefühl seines schmutzigen Sieges war, der vom Goldfieber besessen war. Buck Olden hatte im Grunde gar keine Chance gegen mich. Ich fragte mich, was im Kopf eines Mannes vorging, der, ohne mit der Wimper zu zucken, seine vier Partner umbringt. So sehr mir die Tat des Banditen nutzte, so wenig verstand ich sie. Vermutlich lag das daran, daß ich nie die Gier nach Geld oder Gold gekannt habe. Es muß eine furchtbare Macht sein, die Männer in ihren Bann schlägt, daß sie die Kontrolle über sich verlieren und zu solchen Taten fähig werden. Ich bin froh, daß ich immun dagegen bin. Die Asche des erloschenen Feuers war noch nicht kalt geworden. Buck Olden konnte nicht weit sein. Vermutlich hatte er lediglich den
Ort seiner Schandtat verlassen, um die vier Leichen nicht ständig vor Augen zu haben. Ich war überzeugt, daß er ein Stück weiter seinen Rastplatz aufgeschlagen hatte und seelenruhig in dem Bewußtsein schlief, ein steinreicher Mann zu sein. Ich untersuchte den Boden und fand rasch seine Fährte. Er hatte sich nicht die Mühe bereitet, sie zu verwischen. Warum auch? Aus seiner Sicht hatte er in diesem weiten, unbesiedelten Land nichts zu befürchten. Unter normalen Umständen wären die Leichen, oder besser das, was von ihnen übriggeblieben wäre, erst in ein paar Wochen entdeckt worden, vielleicht auch erst in ein paar Monaten – von einem zufällig vorüberziehenden Trader. Und dann hätte sich niemand mehr darum gekümmert. Vier unbekannte Leichen in einem großen Land. Es gab Wichtigeres. Jeder hatte genug damit zu tun, in der Wildnis selbst am Leben zu bleiben. Ich überlegte kurz, ob ich die Toten begraben sollte. Dann ließ ich es. Es würde mich nur Kraft und Zeit kosten. Die Natur war selbst in der Lage, für die Beseitigung von Aas zu sorgen. Schon bald würden am Tag die Krähen erscheinen, und die Präriewölfe würden ihnen folgen. Ich durchsuchte die Toten flüchtig und fand eine Feldflasche, die ich gut gebrauchen konnte. Außerdem nahm ich eine Pulverflasche, eine Dose mit Zündhütchen und einen ledernen Kugelbeutel an mich. Neben der kalten Feuerstelle lag ein umgekipptes Holzgestell, das als Halterung für einen Bratspieß gedient hatte. Der Spieß lag auch noch da, und daran steckte ein Stück frisch gebratenes, aber jetzt kaltes Fleisch von einem Präriehasen. Ich hockte mich ins Gras. Shita näherte sich. Ich lobte ihn und strich ihm über den Kopf. Er schien es selbstverständlich zu finden, daß er das Lager entdeckt und mich hergeführt hatte, streckte sich zufrieden am Boden aus und legte den Kopf zwischen beide Vorderpfoten. Ich säuberte das Fleisch, so gut es ging, und verspeiste es mit Genuß. Ab und zu warf ich Shita einen Brocken hin, den er jedesmal gierig verschlang. Die Nähe der Toten schreckte mich nicht. Der Tod war nichts Ungewöhnliches, nichts Unbekanntes für mich. Er gehörte zum Leben.
Als ich das Fleisch verzehrt hatte, erhob ich mich wieder. Ich beschloß, nicht weiter zu reiten, sondern die Pferde am Zügel zu führen und zu Fuß zu gehen. Irgendwo weiter westlich, nicht sehr weit von hier, mußte sich das Lager Buck Oldens befinden. Er hatte Wilde Blumes Gold bei sich. Ich würde es mir zurückholen. Und Buck Olden würde für alles teuer bezahlen. Ich warf einen letzten Blick auf die Toten, bevor ich meinen Weg fortsetzte. Die Nase dicht am Boden, lief Shita vor mir her, als wir die Lichtung verließen und weiter dem Wildpfad folgten.
11. Es mochte drei Stunden nach Mitternacht sein, als Shita das Lager Buck Oldens entdeckte. Das dichtverwachsene Brushland lichtete sich vor uns, der Buschgürtel war bereits zu Ende. Etwa hundert Yards weiter erstreckte sich eine Bodenfalte. Einem plötzlichen Instinkt folgend, ließ ich die Pferde am Rande des Buschlandes neben ein paar Teufelsbirnensträuchern stehen und ging allein weiter. Im Gehen zog ich meinen Revolver. Shita war ein gutes Stück vor mir und hielt plötzlich am Rand der Bodenfalte. Unvermittelt drehte er um und kehrte zu mir zurück. Sein Verhalten war eindeutig. In der Bodenfalte befand sich jemand. »Bleib hier«, flüsterte ich und versuchte, meiner Stimme allen nur möglichen Nachdruck zu geben. »Komm mir nicht nach. Bleib hier, verstehst du?« Er verstand, aber er war beleidigt. Ich ging an ihm vorbei. Unwillkürlich duckte ich mich, als ich lautlos weiterschlich. Noch bevor ich die Bodenfalte erreichte, nahm ich den Schweißgeruch der Pferde wahr. Rasch ließ ich meine Blicke über die Ränder der Senke fliegen, dann entschied ich mich für die Südseite. Dort standen einige Sträucher. Ich glitt zu ihnen hinüber und schaute von der Deckung der Büsche aus in die Senke hinunter. Erst sah ich fünf Pferde, die eng zusammengedrängt unterhalb des Nordrandes der Bodenfalte standen. Unweit davon entdeckte ich eine in eine Decke gerollte schlafende Gestalt. Der Kopf des Mannes ruhte auf seinem Sattel. Er schnarchte leise.
Ich verließ den Schutz der Büsche. Lautlos glitt ich durch das hohe Gras in die Senke hinunter. Als ich keine fünfzehn Schritte mehr von dem Mann entfernt war, setzte ich mich auf einen Stein und blickte unverwandt auf den schlafenden Körper, ohne daß ich den Revolver aus der Hand legte. Ich war jetzt eiskalt. Die vier ermordeten Banditen gingen mich nichts an, trotzdem dachte ich in diesem Moment an sie. Der Mann vor mir hatte sie kaltblütig umgebracht. Und ich dachte an die Mutter von Wilde Blume, die ich nicht gekannt hatte. Auch sie war von Olden ermordet worden. Und dann dachte ich an Jeremia Craig, den Vater von Wilde Blume. Er war an den Verletzungen gestorben, die Olden und seine Kumpane ihm beigebracht hatten. Buck Olden war, um Craigs Gold zu erhalten, zu einem reißenden Tier geworden. Mit dem Marshal von Sedgewick City hatte er bereits sieben Menschen auf dem Gewissen, nur des Goldes wegen. Dennoch konnte er ruhig schlafen. Ich hatte kein Mitleid mit ihm, nicht im geringsten. Ich bückte mich, hob einen kleinen Stein auf und warf ihn mit der Linken zu dem Mann hinüber. Der Stein fiel Buck Olden auf die Brust. Er schluckte vernehmlich im Schlaf, schlürfte laut und wälzte sich auf die Seite. Da warf ich den zweiten Stein, und Olden erwachte. Er schien auch jetzt noch nicht an eine Gefahr zu glauben. Brummend rollte er sich herum und streifte dabei die Decke fast völlig ab. Verschlafen blinzelte er in alle Richtungen, und erst, als er sich wieder in die Decke wickeln und erneut einschlafen wollte, sah er mich. Einen Moment lag er wie gelähmt im Gras und starrte zu mir herüber. Dann richtete er ungläubig den Oberkörper auf. Ich sagte kein Wort. Ich schaute ihn nur an und zielte mit dem Navy-Colt auf ihn. Plötzlich streifte er die Decke ab und sprang auf. Jetzt war er hellwach. Trotzdem schien ihm das alles noch so unwirklich, so unwahrscheinlich, daß er einige Schritte auf mich zuging und den Kopf vorreckte, wie um sich zu überzeugen, daß ich keine Luftspiegelung war.
Ich spannte den Hammer des Colts. Das scharfe metallische Knacken sagte ihm deutlich, daß das alles kein Traum war. »Keinen Schritt näher«, sagte ich. »Wo ist das Gold?« Er war so überrascht, daß er wortlos auf die Satteltaschen und den Ledersack zeigte. Beides lag unmittelbar neben seinem Sattel und war bis jetzt von seinem Körper verdeckt worden. »Gut«, sagte ich. »Ich bin kein Mörder. Sie haben eine Chance. Treten Sie zurück, und holen Sie Ihre Waffe.« Er schüttelte den Kopf. »Du – bist doch ein Kind …« »Ich bin bei Apachen großgeworden«, sagte ich. »Ich bin mit den Indianern in den Kampf geritten. Ich habe Menschen getötet und skalpiert. Ich habe es nie gern getan, aber es hatte immer einen Grund, und meistens tat ich es, um mein Leben zu retten. Sie brauchen keine Rücksichten zu nehmen. Wenn Sie mich noch im Gefängnis von Sedgewick City erwischt hätten, hätten Sie mich auch getötet. Ich habe gesehen, wie Sie hineingegangen sind. Sie hätten das Mädchen und mich eiskalt abgeknallt. Jetzt können Sie es nachholen. Auf was warten Sie? Ich habe eine Waffe in der Hand, aber ich bin ja nur ein Kind, nicht wahr?« Ich lächelte dünn. Dann ließ ich den Revolver sinken und fixierte den Banditen scharf. Er schien zu zögern, zu überlegen. Vermutlich wurde ihm der Ernst der Lage jetzt erst richtig bewußt, und er dachte daran, daß ich schon einmal einen seiner Leute getötet hatte und nicht spielte. »Hör zu«, sagte er. Seine Stimme klang unsicher. »Wir können darüber reden. Du willst das Gold, nicht wahr? Gut, du sollst es haben. Ich gebe es dir, freiwillig, alles. Einverstanden?« »Sicher«, sagte ich. »Deshalb bin ich ja da. Das Gold hole ich mir sowieso.« Er lachte gekünstelt. »Nimm doch nicht alles so tierisch ernst, Junge«, sagte er. »Das Leben ist ein großes Spiel.« »Und Sie haben das Spiel verloren«, sagte ich. Er lachte wieder. Er lachte auch noch, als er seinen Colt hochriß. Er lachte sogar noch, als ihn meine Kugel zwei Handbreit oberhalb der Gürtelschnalle traf und er sich, wie von einer Riesenfaust in den Leib getroffen, zusammenkrümmte. Dann stürzte er seitlich zu
Boden, und krachend entlud sich sein Revolver noch einmal. Die Kugel bohrte sich in den Boden. Pulverdampf stieg stinkend auf, die Pferde scheuten und wieherten ängstlich. Buck Olden lachte nicht mehr. Buck Olden war tot. Ich hatte einen gemeinen Mörder getötet, aber ich fühlte mich nicht gut. Es ist ein scheußliches Gefühl, einen Menschen zu töten. So empfinde ich noch heute, und ich glaube, das ist gut so. Bei dem Leben, das ich von Kind auf führe, hätte es leicht geschehen können, daß ich abgestumpft und gleichgültig gegenüber menschlichem Leben geworden wäre. Dazu ist es nie gekommen, und dafür bin ich dankbar. Andernfalls wäre ich wohl wirklich zum Killer geworden, zu dem mich meine Gegner gern stempeln wollen. Mit eckiger Bewegung schob ich den Revolver zurück in den Gürtel. Als ich mich über Buck Olden beugte, tauchte am Rand der Bodenfalte Shita auf. Neugierig schaute er hinunter. Ich ging zu Oldens Sattel und öffnete die Satteltaschen. Sie waren prall mit kleinen Lederbeuteln gefüllt, die genauso aussahen, wie Wilde Blume mir die Goldsäckchen ihres Vaters beschrieben hatte. Auch in dem Ledersack fand ich einige davon. Einen Augenblick musterte ich zögernd die Pferde der Banditen. Olden hatte sie alle mitgenommen, vermutlich, um sie irgendwo zu verkaufen. An den Sätteln hingen noch immer die langen Skalpzöpfe. Ich hob schließlich Oldens Sattel auf, wuchtete ihn mir auf die Schulter und nahm die Satteltaschen und den Ledersack in die linke Hand. Dann verließ ich die Bodensenke und marschierte in Richtung Buschland davon. Die Pferde ließ ich stehen. Sie gehörten weder mir noch Wilde Blume. Ich hatte auch keine Lust, mich mit noch mehr zu belasten. Irgend jemand würde die Tiere schon finden. Wahrscheinlich würden sie eine Weile in der Bodensenke stehenbleiben und schließlich fortlaufen, um sich eine Wasserstelle und ergiebigere Futterplätze zu suchen. Vielleicht würden sie sich auch einer Wildpferdherde anschließen. Ich ächzte unter der Last des Sattels und des schweren Goldes. Das kurze Stück bis zum Wald erschien mir endlos lang. Als ich die vier Wagenpferde endlich erreichte, war ich naßgeschwitzt, und
meine Muskeln schmerzten. Ich legte einem der Tiere den Sattel auf und zurrte ihn fest. Dann schnallte ich die Satteltaschen daran und hängte den Ledersack ans Sattelhorn. Obwohl ich verdammt müde war, stieg ich sofort wieder auf. Gefolgt von Shita trat ich den Rückweg an. Noch bevor die Sonne aufging, stand ich wieder am Ufer des kleinen Flusses. Hier rastete ich zwei oder drei Stunden. Am Vormittag, als die Sonne bereits hoch stand und gnadenlos auf das Land herniederbrannte, war ich schon wieder unterwegs. Ich ritt südwärts. * Am Mittag des nächsten Tages fand ich die Fährte eines unbeschlagenen Pferdes. Sie war höchstens einen Tag alt, und ich wußte nun, daß ich die Chance hatte, auch mein zweites Ziel, Wilde Blume zu befreien, zu erreichen. Die Sonne stand am Zenit wie ein riesiger, weißglühender Stahlkern. Der Himmel dehnte sich in einem häßlichen, blaßgrauen Blau über mir, ein Hitzeschild, der die Erde zu verbrennen schien. Ich war fix und fertig, den Pferden und Shita ging es nicht besser. Die Stunden, die ich in den letzten Tagen geschlafen hatte, konnte ich an den Fingern einer Hand abzählen. Seit ich am gestrigen Vormittag den Fluß verlassen hatte, war ich auf keine Wasserstelle mehr gestoßen. Der Inhalt der Feldflasche, die ich dem einen toten Banditen abgenommen hatte, hatte für mich, die Pferde und Shita reichen müssen. Die Tiere und ich waren völlig ausgedörrt. Trotzdem hielt ich nicht an, als ich die Spur entdeckt hatte. Ich folgte der Fährte und ritt Stunde um Stunde, bis sich Dämmerung auf das Land legte und Schatten die Ebene bedeckten. Im rötlichen Glanz der Abendsonne entdeckte ich das Wasserloch vor mir. Shita und die Pferde hatten es schon längst wahrgenommen. Sie hatten ihre letzten Reserven mobilisiert und sich zu ungeahnten Kraftanstrengungen aufgerafft. Sie bewegten sich schneller, als es nach den bisherigen Strapazen eigentlich möglich gewesen wäre. Das Wasserloch lag in einer Bodenvertiefung. Es war ein Tümpel
von vielleicht zehn Yards im Durchmesser. Das Wasser war trübe, aber offenbar genießbar. Shita erreichte es als erster. Er stürzte sich geradezu hinein und soff, daß ich fürchtete, sein Bauch könnte platzen. Ihm folgten die Pferde, die ich nicht mehr halten konnte. Sie wateten tief in das schlammige Bett und schnaubten genußvoll, als sie die Köpfe senkten und gierig soffen. Mit steifen Gliedern und verhärteten Muskeln glitt ich aus dem Sattel, wobei es mir egal war, daß ich sofort bis zu den Knien im Wasser versank. Ich setzte mich einfach hin, so daß das Wasser mir bis zur Brust reichte, senkte den Kopf, befreite mein Gesicht vom Staub und vom Schweiß und trank. Wenig später streckte ich mich oberhalb des Wasserlochs im Gras aus. Ich war sicher, mich tagelang nicht mehr rühren zu können. Ich hatte mich sattgetrunken bis zum Kragen. Als ich aus dem Wasser gewankt war, hatte ich das Gefühl gehabt, entweder gleich zu platzen oder auszulaufen. Die Abendsonne hatte mich getrocknet. Jetzt war sie im Westen versunken, aber noch überzogen rote Flammengarben den Himmel, die die aufkommende Nacht nur nach und nach zu ersticken vermochte. Die Pferde grasten ein Stück abseits der Wasserstelle. Shita hatte sich neben mir ausgestreckt. Ich war entschlossen, meinen Gewaltritt in dieser Nacht nicht fortzusetzen. Der Vorsprung von Caliko war nicht so groß, daß ich mir nicht eine Rast hätte erlauben können. Caliko war ein gefährlicherer Gegner als die Banditen. Er war ein Teil der Wildnis. Er kannte sich aus. Es war nicht so einfach, ihn zu überrumpeln. Er hatte sicherlich die gleiche Erziehung genossen wie ich. Daß er kämpfen konnte, wußte ich bereits. Ihn zu überwinden, stellte eine schwere Aufgabe dar. Ich wollte ihn nicht töten. Er war ein Indianer, und ich sah ihn noch immer als meinen Bruder an. Aber ich befürchtete, daß mir keine Wahl blieb. Caliko würde wahrscheinlich um keinen Preis aufgeben, Wilde Blume zu sich zu holen, solange er am Leben war. Er würde ständig hinter uns her sein, und eines Tages würde er Erfolg haben und mich überlisten, denn ich konnte nicht ständig wachbleiben und auf der Lauer liegen. Ich würde ihn töten müssen.
Der Gedanke gefiel mir nicht. Es war schon genug Blut geflossen. Ich versuchte, innerlich ruhiger zu werden, aber der Gedanke an Caliko kehrte immer wieder beharrlich zurück. Zornig auf mich selbst wälzte ich mich herum. Da sah ich in einiger Entfernung einen Eselsohrenhasen, der offenbar das Wasserloch angesteuert und mich in letzter Minute gesehen hatte. Mit großen Sätzen floh er. Ich riß meinen Navy-Colt aus dem Gürtel und schoß hinter ihm her. Mit der zweiten Kugel erwischte ich ihn. Er überschlug sich und blieb liegen. Da Shita sich demonstrativ faul im Gras reckte und nicht daran dachte, die Beute zu holen, erhob ich mich und trottete müde zu dem toten Tier hin. Als ich den Hasen zu meinem Lager trug, lief mir bei dem Gedanken an sein saftiges Fleisch das Wasser im Mund zusammen. Trotzdem zog ich ihn nicht sofort ab und sammelte auch kein Feuerholz mehr. Meine Erschöpfung war größer als mein Hunger. Ich warf den Hasen ins Gras, schloß die Augen und schlief seltsamerweise sofort ein, ohne weiter von düsteren Gedanken behelligt zu werden. Ich schlief wie ein Bewußtloser und erwachte erst, als am nächsten Morgen die Sonne aufging. Noch völlig benommen richtete ich mich auf und taumelte zum Wasser hinunter. Am Rand des Wasserlochs warf ich mich auf den Boden und tauchte den ganzen Kopf unter. Danach fühlte ich mich besser. Ich suchte die Umgebung ab und fand sehr rasch eine Menge trockenes Holz. Im Schutz eines Salbeistrauches entfachte ich ein kleines, rauchloses Feuer. Den Hasen enthäutete ich und zerlegte ihn in kleinere Stücke, die ich auf Holzspieße steckte und über dem Feuer briet. Ab und zu tauchte ich das Fleisch in die Asche, damit es etwas Würze erhielt. Sobald es braun war, verzehrte ich es gierig. Shita fraß seinen Teil an der Beute roh. Eine Hinterkeule ließ ich übrig. Ich briet auch sie und steckte sie zu den Goldbeuteln in die Satteltasche. Dann zurrte ich die Sattelgurte fest, stieg auf und trieb die Pferde an. Shita lief mir voraus. Auf der Fährte Calikos ritt ich weiter südwestwärts.
* Gegen Mittag stieß ich auf eine kalte Feuerstelle. Ich untersuchte die Asche und stellte fest, daß das Feuer noch am Morgen gebrannt haben mußte. Ich hatte den nächtlichen Lagerplatz von Caliko gefunden. Jetzt hielt ich mich nicht länger auf. Trotz glühender Hitze trieb ich die Pferde zu größerem Tempo an. Auch Shita hielt mit. Im gleichförmigen Wolfstrott lief er neben mir her. Ich hatte meine Blicke fest auf die Spur geheftet. Mir entging nichts. Ich registrierte die kleinste Veränderung der Fährte, denn ich wußte, je weiter ich jetzt ritt, um so größer wurden mein Risiko und die Gefahr, von Caliko entdeckt und in eine Falle gelockt zu werden. Caliko war sicherlich wachsam. Er würde sich absichern, würde eine Verfolgung zwar für unwahrscheinlich halten, aber sich dennoch immer wieder nach Verfolgern umschauen. Ich mußte alles vermeiden, was ihn veranlaßte, das zurückliegende Land schärfer in Augenschein zu nehmen. Meine Chance lag darin, unentdeckt zu bleiben. Sobald Caliko wußte, daß ich auf seiner Fährte ritt, hielt er das Heft in der Hand und hatte alle Vorteile auf seiner Seite. Dazu durfte es nicht kommen. Ich ritt Meile um Meile. Langsam rückte die Sonne über den Zenit hinaus nach Westen. Sie blendete mich, aber ich hielt nicht an. Mit der Zeit ließ die Kraft der Sonnenstrahlen nach. Ein Mischwald tauchte vor mir auf. Und da stutzte ich. Ich riß den Zügel meines Pferdes so hart zurück, daß das Tier erbost schnaubte. Auch die anderen Pferde blieben stehen. Ich beugte mich im Sattel vor und starrte wie hypnotisiert auf die Fährte vor mir im Gras. Schließlich rutschte ich steifbeinig aus dem Sattel und kniete mich neben den Hufabdrücken im weichen Boden, neben den geknickten Grashalmen nieder. Ich tastete mit den Fingerkuppen über die Spur und richtete mich langsam wieder auf. In meiner Kehle schien ein Kloß zu stecken. Ich schluckte und spähte zum Wald hinüber, bevor ich zu den Pferden zurückging und wieder in den Sattel stieg.
Die Spur war nicht mehr so tief wie zu Beginn der Fährte, obwohl sich der Boden nicht verändert hatte. Das sagte mir, daß nicht mehr zwei Personen im Sattel des Ponys saßen, sondern nur noch eine. Und das wiederum konnte nur eins bedeuten: Caliko hatte gemerkt, daß er verfolgt wurde. Es überlief mich heiß und kalt. Ich bemühte mich, die Ruhe zu bewahren. Irgend etwas hatte ich übersehen, vermutlich während der Zeit, als die Sonne mir direkt ins Gesicht geschienen hatte. Es mußte irgendwo hinter mir eine Abzweigung von der Fährte geben, der ich gefolgt war. Caliko mußte seinen Weg kurz verlassen haben, um Wilde Blume abzusetzen und zu verstecken, um nicht von ihr behindert zu werden. Dann war er zurückgekehrt, hatte dabei die zweite Fährte gründlich verwischt und war weiter westlich geritten, als sei nichts geschehen. Er hatte mich täuschen können. Jetzt würde ich es noch schwerer haben, vielleicht hatte ich sogar bereits alle Chancen verspielt. Drohend krochen mir die langen Schatten des Waldes entgegen, als ich weiterritt. Dort irgendwo im Unterholz saß Caliko und wartete auf mich. Es hatte keinen Sinn, irgendwelche Tricks zu versuchen. Er hatte mich inzwischen längst gesehen, und vermutlich wußte er auch, daß ich seine List durchschaut hatte. Dennoch waren alle Trümpfe auf seiner Seite. Ich ritt ruhig auf den Wald zu. Ich saß aufrecht im Sattel. Ein Gewehr oder eine andere Schußwaffe hatte ich bei Caliko nicht gesehen, aber ich fühlte mich nicht gerade wohl und erwartete jeden Moment einen scharfen Knall und einen harten Aufschlag, der mich aus dem Sattel schleudern würde. Nichts geschah. Ich erreichte den Waldrand und drang mit den Pferden ins Unterholz ein. Sofort glitt ich aus dem Sattel und schlüpfte unter einen dichten Strauch. Mit dem Colt in der Faust hockte ich mindestens zwanzig Minuten da und lauschte in die Dunkelheit des Waldes. Shita hatte sich neben mich gelegt. Er schien zu ahnen, das etwas schiefgelaufen war, verhielt sich mustergültig still und unternahm keine Extratouren. Als auf der Ebene die Sonne versank, verließ ich mein Versteck
und glitt lautlos tiefer in den Wald. Nach Spuren zu suchen, war sinnlos. Natürlich hatte Calikos Pony Abdrücke im weichen Waldboden hinterlassen, aber es war viel zu dunkel, sie jetzt zu finden. Ich mußte mich ausschließlich auf meinen Instinkt verlassen, und der sagte mir, daß sich Caliko nach dem Eindringen in den Wald, als er sicher sein konnte, daß ich seiner Fährte bis hierhin folgen würde, nach Osten gewandt hatte. In westlicher Richtung reichte der Wald nicht mehr weit. Dort blieben ihm keine Möglichkeiten, auszuweichen und unterzutauchen, dort war er in die Enge zu treiben. Nach Osten hingegen dehnte sich der Wald über mindestens zwei Meilen. Hier hatte Caliko unbegrenzte Möglichkeiten, mit mir Katz und Maus zu spielen. Ich hoffte, daß es dazu nicht kommen würde und sich Caliko, seiner Vorteile gewiß, zum Kampf stellen würde. Es würde auch so für mich sehr schwer werden, ihn zu überwinden, auch ohne zermürbende Hetzjagd durch den nächtlichen Wald. Immer wieder blieb ich stehen, lauschte angespannt und bereit, bei einem unverhofften Angriff sofort zu reagieren. Aber ich hörte lange Zeit nur das Rauschen des leichten Abendwindes in den Wipfeln der Bäume, das Knacken von trockenem Gezweig im Unterholz, wenn wilde Tiere durch das Gesträuch huschten, und das Schlagen von Flügeln, wenn Vögel sich aus ihren Nestern erhoben. Inzwischen sank die Nacht über das Land. Trotzdem pirschte ich weiter durch das Unterholz. Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, ab und zu fiel ein blasser Schimmer des Mondlichts in das Dickicht. Von Caliko aber war keine Spur zu entdecken.
12. Unmittelbar vor mir flatterte eine Eule erschreckt auf. Ich ging sofort in die Knie und zog den Kopf ein. Danach blieb es jedoch still. Ich wartete eine Weile und tastete mich vorsichtig weiter. Wegen mir war der Vogel nicht geflüchtet. Ich hatte nicht das kleinste Geräusch
verursacht. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als ich weiterschlich. Plötzlich stand ich auf einer kleinen Lichtung. Im Schatten von tiefhängenden Zweigen entdeckte ich hier das gescheckte, stämmige Pony Calikos. Die hölzernen Steigbügel baumelten lose herunter. Ich erstarrte, dann fuhr ich herum, und da sah ich Caliko. Er saß auf einem umgestürzten Baumstamm und beobachtete mich ruhig. Seine dunkle Haut ließ ihn fast eins mit der Nacht werden. Er sagte kein Wort, er schaute mich nur an und zielte mit einem altertümlichen Paterson-Colt auf meinen Bauch. Mein Zorn darüber, daß ich mich hatte überlisten lassen, war groß, aber meine Hochachtung vor Caliko war größer. Er war ein wirklich guter Krieger. Während ich verschwitzt und ermattet von der dauernden Anspannung und der Suche war, hatte er hier gewartet und seine Kräfte gespart. »Du hast auf mich gewartet.« Ich hielt meinen NavyColt gesenkt. Ihn jetzt hochzunehmen, wäre Selbstmord gewesen. »Ich wußte, daß du kommen würdest.« Seine Stimme klang beherrscht und dunkel. Er sprach ein gutes Englisch. »Du bist sehr klug, weißer Junge. Mir war klar, daß du mich finden würdest. Wilde Blume hat mir gesagt, daß du bei den Apachen gelebt hast.« »Wo ist sie?« »An einem sicheren Ort.« Er lächelte dünn. »Ich dachte, daß sie mir Schwierigkeiten bereiten würde.« »Du hast deine Spur gut verwischt«, sagte ich. »Wie hast du mich entdeckt?« »Mehrmals am Tag habe ich von den Hügeln aus Ausschau gehalten, ob jemand auf meiner Spur reitet«, sagte er. Es war so, wie ich es mir gedacht hatte. »Die Sonne stand gegen dich, als ich dich gesehen habe. Du konntest mich nicht entdecken.« »Wilde Blume will nicht mit dir gehen.« Ich wußte, es war sinnlos, aber ich mußte irgend etwas sagen, um den entscheidenden Moment etwas hinauszuzögern, um vielleicht dann eine bessere Chance zu haben. »Ihr Großvater hat sie mir versprochen«, sagte Caliko. »Ihre Eltern waren nicht einverstanden.« »Ihre Eltern leben nicht mehr.« »Als er sie dir versprochen hat, lebten ihr Vater und ihre Mutter
noch.« »Wilde Blume ist eine Kiowa. Sie gehört zu ihrem Stamm. Dort lebt der Vater ihrer Mutter und die Mutter ihrer Mutter. Bei den Weißen hat sie niemanden. Oder willst du sie zur Squaw nehmen?« »Ich bin zu jung«, sagte ich. »Bei den Weißen gelten andere Regeln als bei euch.« »Die Welt der Weißen ist schlecht für sie.« Er spie aus. »Sie gehört zu uns.« »Die Welt der Weißen ist nicht gut«, sagte ich. »Aber ihr Vater wollte es so, und ihr Vater hatte allein das Recht, über sie zu bestimmen. Ich habe ihm versprochen, mich um sie zu kümmern und dafür zu sorgen, daß alles so geschieht, wie er es wollte.« »Dann mußt du dein Versprechen halten«, sagte Caliko. »Ja«, sagte ich. Im selben Moment flatterte wieder ein Nachtvogel über uns hinweg, und das Pony erschrak und schnaubte. Für einen Sekundenbruchteil wandte Caliko sich ab und ließ mich aus den Augen. Da ließ ich mich fallen und schoß im Liegen. Noch bevor ich den Boden berührte, feuerte auch Caliko. Aber die Waffe, die er in der Faust hielt, war alt und ihm unbekannt. Sein Schuß ging fehl. Ich spürte nur den sengenden Luftzug, als das Geschoß über meine linke Schulter jagte. Dann sah ich Caliko über den Baumstamm stürzen. Sein Oberkörper verschwand, nur seine Beine waren noch zu sehen. Ich erhob mich und ging vorsichtig auf ihn zu. Als ich mich über den Baumstamm beugte, sah ich ihn rücklings im Moos liegen. Der Revolver war ihm aus der Hand gefallen. Er schaute mich verwundert und ungläubig an. »Du warst gut«, sagte ich, »du hättest mich beinah geschafft.« Er versuchte zu lächeln, während sich auf seinem Leib ein großer roter Fleck ausbreitete. »Du warst besser, weißer Junge«, sagte er. »Du hast gewonnen.« Ich beugte mich noch tiefer über ihn. »Die Wunde ist nicht so schlimm, wie sie aussieht«, sagte ich. »Du kannst wieder gesund werden. Wenn dir jemand die Kugel herausschneidet …« »Du hast doch bei den Apachen gelebt«, sagte er. Seine Stimme
klang gepreßt. »Ich habe meinen Stamm verlassen, um Wilde Blume zu holen. Ich darf nicht besiegt zurückkehren. Es ist ehrenvoller, von einem guten Gegner besiegt zu sterben. Töte mich, weißer Junge.« »Wo ist Wilde Blume?« »Vielleicht – eine halbe Meile von hier …« Plötzlich spuckte er Blut, bäumte sich auf und wimmerte vor Schmerzen. Ich wandte mich ab, als seine Augen mich flehend anstarrten. »Bitte – töte mich, du – hast – gesiegt …« Ich sagte kein Wort, sondern ging davon. Sein Pony nahm ich mit. Ich hatte Caliko im Kampf besiegt, aber ein Killer war ich nicht. Hinter mir krachte ein Schuß. Ich wandte den Kopf und sah Caliko neben dem Baumstamm liegen. Die Kugel aus dem Paterson hatte seinem Leben ein Ende gesetzt. * Als der Morgen graute, fand ich Wilde Blume völlig aufgelöst und mit den Nerven fertig eine halbe Meile östlich am Waldrand. Sie war gefesselt und geknebelt. Als ich sie befreite, fiel sie mir um den Hals und weinte. Da küßte ich sie. Sie lag in meinem Arm, und ich verspürte den Wunsch, noch viel mehr mit ihr zu tun, aber dann ließ ich es. Es wäre gemein gewesen, ihre Hilflosigkeit und ihre augenblickliche Schwäche auszunutzen. Und ich hatte es mir schon hundertmal selbst gesagt: Ich war zu jung für Wilde Blume, und ich hatte keine Zukunft. Sie bestieg das Pony des toten Caliko, dann ritten wir ostwärts. Shita lief immer neben uns her. Wir wichen während der nächsten vierzehn Tage allen menschlichen Ansiedlungen aus. Was wir zum Essen brauchten, schoß ich, unseren Durst stillten wir an Flußläufen oder Wasserlöchern. In dieser Zeit sprachen wir auch über unsere Gefühle füreinander. Aber ich war sicher, daß Wilde Blume noch viel zu verwirrt und zu mitgenommen war, als daß sie die Tragweite vieler ihrer Worte begriff. Es war einfach so, daß ich nach dem Tode ihrer Eltern ihre einzige Bezugsperson war, der einzige Mensch, bei dem sie Halt
fand. Ich war sicher, daß sich ihre Einstellung ändern würde, wenn sie erst Abstand von all den bösen Erlebnissen, die hinter ihr lagen, gewonnen hatte. Nach drei Wochen steuerten wir zum erstenmal wieder eine Stadt an. Es war ein sauberer, gepflegter Ort, dessen Name ich vergessen habe. Hier verkauften wir die drei überzähligen Gespannpferde und erzielten einen guten Preis. Dann sorgte ich dafür, daß das Gold bei der örtlichen Bank eingetauscht wurde. Ich glaube, ich brachte den Bankdirektor zur Verzweiflung, aber ich hatte das Gefühl, er wollte Wilde Blume übers Ohr hauen, und so handelte ich mit ihm, bis ihm der Schweiß aus allen Poren drang und er fast zu weinen begann. Aber wir erzielten immerhin mehr als vierzigtausend Dollar. Damit war Wilde Blume eine reiche Frau, die, trotz ihrer Hautfarbe, alle Chancen hatte, doch noch ihr Leben zu gestalten. Nach weiteren zwei Wochen lag der Missouri vor uns. Und ein paar Tage später trafen wir in St. Joseph ein. Shita war den ganzen Weg gelaufen, und ich bewunderte ihn mehr denn je. In einem sauber aussehenden Boardinghouse, das von einer matronenhaften Frau namens Jessica Henderson – von allen Leuten nur »Tante Jess« genannt – geführt wurde, brachte ich Wilde Blume unter. Sie nannte sich jetzt Esther Craig, hatte das, was hinter ihr lag, weitgehend überwunden, und ich konnte sie beruhigt allein lassen, zumal Tante Jess sich mit einer wahren Affenliebe auf sie stürzte und versprach, sie wie ihr eigenes Kind zu bemuttern. Als ich mich von ihr trennte, weinte sie. Aber ich versicherte ihr, daß der Schmerz bald vorbeigehen würde. Außerdem hatte ich ja die Absicht, in St. Joseph zu bleiben. Wir würden uns sicher oft sehen. Das tröstete sie, und ich verließ das Boardinghouse und schlenderte zum Missouri hinunter. Mit meinem Schmerz mußte ich allein fertigwerden. Ich hatte niemanden, der mich tröstete. Ich würde Wilde Blume sicherlich nicht so rasch vergessen. Aber das Leben ging weiter, und ich hatte keine Zeit, Träumen nachzuhängen. Das Leben schenkte mir nichts. Ich mußte mir alles erkämpfen. Sogar das Recht, überhaupt leben zu dürfen. Der Abend sank über den Missouri.
Ein Schaufelraddampfer fuhr vorüber. Irgendwo am Rande der Stadt verkroch ich mich unter einem Uferstrauch. Shita preßte sich fest an mich. Wir waren wieder allein, und was der Tag morgen bringen mochte, das wußten wir nicht. Trotzdem war ich nicht unglücklich. Ich hatte Shita, meinen Freund, ich hörte das monotone Rauschen des Flusses und sah den weiten Sternenhimmel über mir. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, daß die ganze Welt mir gehörte, jedenfalls mehr, als man mit Geld oder Gold kaufen konnte. Und ich wußte, es war gut, zu leben …
ENDE
Vorschau Ronco erreichte einen Schuppen, den er auf der Rückseite umging. An der hinteren Ecke blieb er stehen und spähte über die breite Straße zwischen den Holzhütten. Er war ziemlich weit geritten und zum Umfallen müde. Das Geräusch hinter seinem Rücken hörte er zu spät. Er fuhr noch herum, sah einen Schatten und erhielt etwas mit solcher Wucht auf den Kopf geschmettert, daß er gegen die Schuppenwand prallte und an ihr zu Boden rutschte. Cordilio Abernathy, der Kopfgeldjäger, blickte sich hastig um. Aber niemand kümmerte sich um sie, niemand hatte bemerkt, wie er den großen, breitschultrigen Mann niedergeschlagen hatte. Er war mit seinem Opfer allein und grinste höhnisch … Die Jagd auf Ronco, den Geächteten, geht weiter. Lesen Sie nächste Woche Band 186 dieser großen deutschen WesternSerie:
Wolfsruf