Detlev Berning | Gerald Schwamberger Wirtschaftsmediation für Steuerberater
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Detlev Berning | Gerald Schwamberger Wirtschaftsmediation für Steuerberater
Detlev Berning | Gerald Schwamberger
Wirtschaftsmediation für Steuerberater Mediation als neues Beratungsfeld
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: RA Andreas Funk Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-0623-6
Vorwort Mediation hat in den letzten 10 Jahren in unserer Gesellschaft an Bedeutung gewonnen. Der Begriff ist in vieler Munde und wird nur noch selten mit Meditation verwechselt. Wesentlich dazu beigetragen hat in jüngster Zeit die Justiz, die den Bürger zunehmend mehr mit gerichtsinterner oder gerichtsnaher Mediation konfrontiert. Auch in der Wirtschaft ist der Begriff präsent, ohne allerdings die Bedeutung erlangt zu haben, die ihr – auch unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlichen Handelns – gebührt. Mit diesem Buch sprechen wir Steuerberater an, die Unternehmen betreuen. Zwischen Steuerberater und Mandant besteht traditionell eine ganz besondere Beziehung, die bis zur Hörigkeit des Mandanten gehen kann. Erklärlich ist es dadurch, dass gerade die KMU’s1 auf den Steuerberater als externen Experten für gutes Wirtschaften zurückgreifen. Dementsprechend groß ist auch die Erwartungshaltung der Klientel an den steuerlichen Berater. Von ihm wird erwartet, dass er seinem Mandanten den Weg weist, wie er gut und erfolgreich wirtschaftet. Mit diesem Buch geben wir dem Steuerberater ein Instrument an die Hand, das ihn (am effizientesten im Zusammenhang mit einer entsprechenden Ausbildung zum Mediator) in die Lage versetzt, seine Mandanten noch wirkungsvoller darin zu unterstützen, ihre Unternehmen besser zu führen als sie es ohne den externen Rat tun können. Wir Steuerberater können oft nur erahnen, was Konflikte in einem Unternehmen für die wirtschaftliche Situation bedeuten, wissen aber genau, dass die Einflüsse immer nachteilig sind und bis zur Existenzbedrohung reichen. Es ist ein tragisches Phänomen, dass gerade bei den KMU’s die Unternehmer, insbesondere dann, wenn sie persönlich in einen Konflikt einbezogen sind, diesen wirtschaftlichen Aspekt kaum zu sehen in der Lage sind. Ein entsprechend geschulter steuerlicher Berater als externer Experte kann diesen psychologisch erklärbaren Mangel ausgleichen helfen. Wo sich dazu Ansätze bieten und wie der Steuerberater in den unterschiedlichsten Lagen vorgehen kann, beschreiben wir in diesem Werk. PWC hat in Zusammenarbeit mit der Viadrina (Frankfurt/Oder)2 größere Unternehmen mit einem professionellen Management befragt, wie diese Konfliktlagen am besten gelöst sehen. Wir gehen auf die Studie im Buch näher ein, greifen hier aber das tendenzielle Bild auf, wonach die befragten Unternehmen einen Gang zum Gericht für am wenigsten sinnvoll erachten. Auffällig ist dann die Diskrepanz, dass auch diese Unternehmen trotz entsprechenden Bewusstseins im Zweifelsfall doch Gerichte anrufen, um Streitigkeiten entschieden zu bekommen. Nun verfügen größere Unternehmen über eine entsprechende Finanzkraft, solche Verfahren durchzustehen; es fällt nicht so auf. Bei den KMU’s ist die richtige Wahl des Weges, einen Konflikt zu lösen, häufig von existentieller Bedeutung. Insoweit weisen wir in diesem Buch auf ein neues Betätigungsfeld des Steuerberaters hin, nämlich die eines vorbereitenden Fallmanagers. Die besondere Vertrauenssituation des Steuerberaters zu seinem Mandanten lässt ihn als einzigen Experten in der Beraterlandschaft geeignet sein, dem Unternehmermandanten wirkungsvoll und zum Wohle des Unternehmens zur Seite zu stehen.
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Abkürzung für klein- und mittelständische Unternehmen. Commercial Dispute Resolution, Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich, Herausgegeben von PwC Deutsche Revision AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main. April 2005
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Vorwort Es ist gut verständlich, dass sich der Steuerberater auch mit seinem Expertenwissen in Sachen Mediation am Markt darstellen möchte. Auf die berufsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen geht das Werk ebenfalls ein. Wir verstehen dieses Buch sowohl als Lernhilfe für denjenigen, der sich als (Wirtschafts-) Mediator ausbilden lässt. So leiten wir den Interessierten hin auf die Hintergründe des „Problemfeldes“, auf dem die Mediation aufsetzt und wir beschreiben die Besonderheiten, die ein Mediator wissen und beachten sollte, der in der Wirtschaft tätig werden will. Es ist aber vornehmlich ein Praxisbuch, in das wir Autoren unsere Erfahrungen mit Wirtschaftsmediation haben einfließen lassen. Es ist weiterhin eine Orientierungshilfe, wo der Steuerberater ganz individuell Ansätze finden kann, seinen Mandanten über das bisherige Maß wirkungsvoll zu unterstützen. Wir freuen uns über jede Kritik und alle Anregungen, was wir vielleicht übersehen haben oder noch besser machen könnten. Im Juli 2008 Die Autoren
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Inhaltsübersicht Vorwort Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis Glossar Bearbeiterverzeichnis §1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator A. Wie kommt ein Steuerberater zur Wirtschaftsmediation? I. Mein Weg zur Mediationsausbildung 1. Grundlagenseminar 2. Was ist Mediation? a) Ziel – verbindliche Vereinbarung 21 aa) Rollen b) Prozessziele aa) Die Beteiligten c) Logistik 3. Rollenspiel 4. Übungen: Handhabung von unterschiedlichen Meinungen 5. Verlauf des Grundlagenseminars 6. Stimmung am Ende des Grundlagenseminars a) Ausbildung zum Mediator b) Mediationsverfahren im Allgemeinen aa) Wofür stehen Mediationsverfahren? bb) Was ist ein Konflikt? cc) Der Mediator dd) Das „Harvard-Konzept“ B. Wirtschaftsmediation C. Abgrenzung des Mediationsverfahrens zu anderen Streitbeilegungsverfahren I. Gerichtsprozesse II. Schiedsverfahren III. Schlichtung IV. Gerichtsnahe Mediation D. Arbeitsgebiete des Steuerberaters und Mediation I. Vorbehaltstätigkeiten i. S. d. § 33 StBerG II. Vereinbare Tätigkeiten gem. § 57 Abs. 3 StBerG III. Tätigkeiten als Wirtschaftsmediator §2 Verhandlungsformen A. Verhandeln I. Erfolgsfaktoren für Verhandlungen II. Typische Fehler von Beratern bei Verhandlungen:
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21 22 22 22 22 24 26 27 28 29 29 29 30 31 33 35 35 36 37 37 38 39 41 42 44 44 44 45 7
Inhaltsübersicht III. Verhandlungshindernisse 1. Komplexität 2. Verhandlungsdilemma 3. Andere Hindernisse B. Was ist verhandeln? I. Kommunikation 1. Verbale Kommunikation 2. Nonverbale Kommunikation a) Unbewusste nonverbale Kommunikation b) Teilbewusste nonverbale Kommunikation c) Bewusste nonverbale Kommunikation 3. Bedeutung der Kommunikationstheorie für Verhandeln II. Verhandlungstypen 1. intuitives Verhandeln a) Persönlichkeitsstrukturen b) Persönlichkeit und Verhandlungstyp c) kulturelle Einflüsse 2. Bewusstes Verhandeln a) Verhandlungsstil hart oder weich mit Gewinner und Verlierer b) gewählter Verhandlungsstil mit win-win Ziel c) Präferenzen von Führungskräften III. Verhandlungsstrategie und Verhandlungstaktik 1. Begriffe 2. Verhandlungsstrategie a) Bandbreite denkbarer Strategien b) Verhandlungsstrategien im Einzelnen aa) kompetitive Verhandlungsstrategie bb) Vermeidungsstrategie cc) Kooperative Strategie dd) Anpassungsstrategie ee) Kompromissstrategie c) Bewertung der Strategien aa) Typische Strategie der rechtsberatenden Berufe bb) Von der Position zum Interesse (1) Position (2) Interessen und Bedürfnisse (3) Gefühle cc) Das Harvard Konzept dd) Ergebnis 3. Verhandlungstaktik a) Spezielle Taktiken aa) Zu 1. „Good Cop, bad Cop“ bb) Zu 2. „Limited Authority” cc) Zu 3 „Highball-Lowball“ b) Vorbereitung von Verhandlungen c) Kommunikative „Taktiken“ 8
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Inhaltsübersicht
§3
aa) Aktives Zuhören bb) Gewaltfreie Kommunikation 4. Methoden als verhandlungstaktisches Konzept a) Sokratische Methode b) 4 M Methode 5. Harvard-Konzept und Verhandlungstaktiken IV. Das Verhandeln des Steuerberaters 1. StB verhandelt in eigenen Angelegenheiten 2. Er verhandelt als Berater für den Mandanten Wirtschaftsmediation A. Vom Verhandeln zur Mediation I. Beispiele: B. Wirtschaftsmediation C. Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation I. Pre-Mediation II. Main-Mediation 1. Vorgespräch a) Mit dem de jure Auftraggeber b) Mit den Konfliktparteien c) Mit Anwälten d) Fazit III. Der Mediationsvertrag 1. Form 2. Inhalt 3. Absprachen mit Anwälten IV. Organisatorische Absprachen 1. Vorbereitung auf die Mediationssitzung 2. Co-Mediation 3. Ort, Raum, Verpflegung 4. Beginn und Dauer 5. technische Ausstattung 6. Sitzordnung D. Weitere Besonderheiten I. Struktur von Konflikten in Unternehmen 1. Bedeutung der Unternehmenskultur E. Anforderungsprofil Wirtschaftsmediator I. Persönlichkeitskompetenz 1. soziale, menschliche Kompetenz a) Emphatie b) Ehrlichkeit c) Demut 2. Haltung a) Menschenbild b) Verantwortung c) Geschützter Rahmen
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Inhaltsübersicht
§4
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d) Allparteilichkeit und Fairness e) Offenheit f) Einfühlung und Ermutigung der Konfliktparteien g) Vertraulichkeit und Vertrauen h) Freiwilligkeit i) Eigenes Verhalten im Konflikt j) Professionalität 3. Selbstreflexion 4. Sechs Persönlichkeitsmerkmale II. Fachliche Kompetenz 1. Prozesskompetenz 2. Methodenkompetenz 3. Fachwissen/organisationelle Kenntnisse 4. Qualitätssicherung F. Exkurs Mobbing I. Was genau ist Mobbing? II. Die vier Phasen des Mobbing III. Nicht alles, was Mobbing betitelt wird ist Mobbing IV. Aufgabe für den Fallmanager V. Eskalationsstufen G. Exkurs Onlinemediation I. Begriffsklärung II. Integration von technischen Systemen in den Mediationsprozess III. Die Phasen in der Online Mediation 1. Pre-Mediation 2. „Vorgespräch“ 3. Das „Mediationsgespräch“ 4. Die Umsetzungsphase IV. Vergleich face-to face-Mediation und Onlinemediation V. Fazit Ablauf der Mediation A. Phase 0 B. Phase 1: „Aufwärmen“ I. Ankommen 1. Sicheren Rahmen schaffen 2. Rahmenbedingungen 3. Gesprächsregeln 4. Ungeduld 5. Wissensstand des Mediators II. Ende Phase 1 III. Praxistipp zur Phase 1 C. Phase 2: Konfliktidentifikation I. Konfliktparteien entlasten 1. Reihenfolge 2. Darstellung der Sichtweisen
94 94 95 95 95 95 95 95 96 96 96 97 97 98 98 99 100 101 101 102 106 107 108 110 110 110 110 112 112 112 114 114 114 114 114 115 115 116 116 116 117 117 117 117 117
Inhaltsübersicht 3. Ziele Arbeitstechniken 1. Visualisierung 2. Aktives Zuhören 3. Spiegeln 4. Konstruktives Umdeuten 5. Einsatz der Techniken (TIPP) III. Themensammlung 1. Komplexität reduzieren 2. Priorisieren IV. Ergebnis der Phase 2 D. Phase 3: Konfliktbearbeitung I. Ziel und Weg 1. Ziel 2. Weg 3. Wirkung II. Arbeitstechniken 1. Grundlegend: Gesprächsführung nach C. Rogers 2. Fragetechnik 3. Aktives Zuhören 4. Konstruktives Umdeuten 5. Transformieren 6. Perspektivenwechsel 7. Positive Konnotation 8. Paraphrasieren 9. Spiegeln 10. Reframing 11. Doppeln 12. Einzelgespräche 13. Looping 14. Reflecting Team 15. Visualisieren 16. Einsatz der Techniken a) Von der Position zum Interesse b) Verstehen des Gehörten c) Die unerwähnten Techniken III. Schwierige Gesprächs- und Krisensituationen. IV. Ergebnis der Phase 3 E. Phase 4: Sammeln und Bewerten von Optionen I. Ziel und Weg 1. Schritt 1 2. Schritt 2 3. Schritt 3 II. Arbeitstechniken 1. Moderationstechnik 2. Kreativitätstechniken II.
118 118 118 119 119 120 120 122 122 122 123 123 123 124 124 124 125 125 126 126 127 127 127 127 128 128 128 129 130 130 131 131 132 132 133 133 134 135 135 136 136 136 137 137 137 137 11
Inhaltsübersicht
§5
12
a) Brainstorming b) Pinnwandmoderation c) Provokationstechnik d) Laterales Denken und six thinking hats e) Zufallstechnik f) Semantische Intuition g) Mindmapping h) Analogietechnik 3. Verhandlungstechnik 4. Visualisierung III. Praxistipps IV. Ergebnis der Phase 4 F. Phase 5 – Vereinbarung I. Machbarkeitsprüfung II. allgemeine Kriterien der Vereinbarung III. Verschriftlichung 1. Wer schreibt 2. Rechtsqualität der Vereinbarung 3. Vollstreckbarkeit IV. Ergebnis V. Bilanzgespräch VI. Abschlussritual G. allgemeine Praxistipps I. Einleitung und Ausleitung der Sitzungen II. Schlüsselsätze 1. Einleitung/Überleitung Phasen 2 bis 4 2. Nach Gefühlen fragen III. Erhellung von Bedürfnissen 1. Gefühle erkennen und benennen a) Schuldzuschreibungen unterlassen und Gefühle auf Bedürfnisse beziehen b) Die Gefühle der Bedürfnisfrustration hinter Ärger, Wut oder Angst herausarbeiten c) Körperempfinden als Weg zum Fühlen d) Gefühle in Bildern ausdrücken e) Indirekte Sprache in Ich-Aussagen verwandeln f) Beurteilende Gefühlsworte in „fühlende“ Gefühlsworte verwandeln g) Gefühle spiegeln h) Zum gegenseitigen Spiegeln der Gefühle anregen 2. Bedürfnisse ausdrücken und empathisches Verstehen a) Vom Fühlen der Bedürfnisnot direkt zum Spüren der Bedürfnisse überleiten Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters A. Der Bedarf des Marktes I. PWC-Studie
138 139 139 139 139 139 140 140 141 141 141 142 143 143 143 143 143 144 144 144 144 144 145 145 145 145 146 146 146 146 147 147 148 148 148 148 149 149 149 150 150 150
Inhaltsübersicht II. Was brauchen und wünschen Unternehmer- Mandanten? III. Auslöser für Interesse an Mediation? 1. Unternehmensphilosophie 2. Vertragsklauseln, die eine mediative Schlichtung vorsehen 3. Zeitersparnis 4. Handlungs- und Gestaltungsfreiheit 5. Erhalt der Geschäftsbeziehung 6. Kosten des Verfahrens 7. „Konfliktkosten“ oder besser: teure Bindung von Ressourcen 8. Nichtöffentlichkeit 9. Freiwilligkeit 10. Die wichtigsten Hinderungsgründe nebst Konzept, damit umzugehen IV. Interessierte Branchen B. Grundqualifikation des Steuerberaters C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater I. mediative Kenntnisse für die (eigene) Steuerberatungspraxis 1. Als Arbeitgeber und Führungskraft 2. Als Partner in Sozietät 3. In Konflikten mit Mandanten II. Extern, d.h. bei Mandanten 1. In Unternehmen a) freiberufliche Partnerschaften und andere Gesellschafterkonflikte b) Konflikte in Kooperationen c) Konflikte in Leitungsgremien d) Konflikte zwischen Mitarbeitern e) Konflikte zwischen Teams und Abteilungen f) Mobbing g) Kündigungskonflikte h) Veränderungsprozesse in Unternehmen i) Unternehmensgründungen j) Generell: Spezialisierung und Systematisierung des Konfliktmanagements durch StB? k) Management by Wirtschaftsmediation? 2. Familienunternehmen a) Schenkungen zu Lebzeiten/Erbauseinandersetzungen b) Unternehmensnachfolge c) Trennung/Scheidung bei Unternehmerehepaaren 3. Zwischen Unternehmen und zu Behörden a) Kooperationen (wie z.B. Arge) b) Unternehmen und Kreditinstitut c) Kunden d) Unternehmen mit Lieferanten e) Versicherungen f) Behörden
153 154 155 155 155 156 156 157 157 158 159 159 160 161 162 162 162 164 164 165 165 166 167 167 168 169 170 170 171 172 172 173 174 176 177 178 180 181 181 182 184 185 185 13
Inhaltsübersicht
§6
4. Andere Mandanten bzw. Sachverhalte a) Erbverträge/Nachlassregelungen b) Schenkungen zu Lebzeiten c) Erbauseinandersetzungen d) Unternehmenskauf/-verkauf e) Investitionen in Vermögensanlagen Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator und Berufsrecht A. Das Berufsrecht der Steuerberater zur Wirtschaftsmediation I. Zulässige Tätigkeit des Steuerberaters als Wirtschaftsmediator 1. Wirtschaftsmediation als vereinbare Tätigkeit gem. § 57 Abs. 3 StBerG 2. Beachtung des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) a) Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) b) Die Steuerberaterin/Der Steuerberater als Parteiberater/in II. Erlaubte Werbung für Wirtschaftsmediation B. Das Honorar I. Honorar nach Zeitgebühr II. Pauschalhonorar III. Honorar nach Wertgebühren IV. Verschiedenes
Anlagen Stichwortverzeichnis
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186 186 187 188 191 191 193 193 193 194 195 196 196 197 198 198 199 200 200 201 217
Abkürzungsverzeichnis AktG Arge
Aktiengesetz Arbeitsgemeinschaft
B:B BMF BOStB BStBK bzw.
business to business Bundesministerium der Finanzen Berufsordnung für Steuerberater Bundessteuerberaterkammer beziehungsweise
d. h. DStV DVStB
das heißt Deutscher Steuerberaterverband Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften
EDV E-Mail etc. e.V. €
elektronische Datenverarbeitung electronic mail für und so weiter; von lat.: et cetera, „und die übrigen“ eingetragener Verein Euro
GfK ggf.
gewaltfreie Kommunikation gegebenenfalls
i.d.R. i.e.S. i.S.d. ISO IT
in der Regel im engeren (oder eigentlichen) Sinne im Sinne des Internationale Organisation für Normung Informations- und Datenverarbeitung
LAN Lat. lt.
Local Area Network lateinisch laut
NPO
non-Profit-Organisation
o.ä. OE OG
oder ähnliches Organisationsentwicklung Obergeschoss
PO PWC
Profit-Organisation PricewaterhouseCoopers, Frankfurt am Main Dispute Analysis & Investigations
15
Abkürzungsverzeichnis RA RBerG RDG RVG
Rechtsanwalt Rechtsberatungsgesetz Rechtsdienstleistungsgesetz Rechtsanwaltsvergütungsgesetz
S. s.o. StB StBerG StBGebV
Seite siehe oben Steuerberater Steuerberatungsgesetz Steuerberatergebührenverordnung
TOA
Täter-Opfer-Ausgleich
u.a. u.Ä. usw. u. U.
unter anderem und Ähnliches und so weiter. unter Umständen
WAN
wide area network
z.B.
zum Beispiel
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Literaturverzeichnis Alternatives Konfliktmanagement in der Bürgergesellschaft; Stiftung Mitarbeit, Bonn 2005 Aron, Raymond „Clausewitz. Den Krieg denken“, Propyläen Verlag (Juni 1986) Avenhaus, R. und Zartman, I. W. (Hrsg.), Diplomacy Games: Formal Models and International Negotiations, Springer – Verlag Berlin Heidelberg 2007 Seiten 297-322 Bähner, Christian und Oboth, Monika und Schmidt, Jörg: „Konfliktklärung in Teams & Gruppen“ Jungfermann 2008 Ballreich, Rudi und Glasl, Fiedrich „Mediation in Bewegung – Ein Lehr- und Übungsbuch ...“ Concadora Verlag Stuttgart 2008 Bay Rolf H. „Erfolgreiche Gespräche durch aktives Zuhören“ Expert-Verlag; Auflage: 5. A. (Januar 2006) Berning, Dr. Detlev „Mediations- bzw. Interessenklauseln in Verträgen?“ in „Spektrum der Mediation“ Nr. 23/III-2006, Seite 35 ff Berning, Dr. Detlev: „Konfliktkosten in Unternehmen“ Monographie 2006 Berning, Dr. Detlev und Novak, Dr. Andreas: 2 mal 5 gleich 1 – Leitung übergeben, Führung übernehmen in „Frischer Wind für Mediation“ 2007 Berse, Nicole und Steinitz, Daniel „Wirtschaftsunternehmen als Konflikt- und Mediationsfeld“ Besonderheiten in der Praxis – eine qualitative Studie; Frankfurt/Oder 2005 Besemer, Christoph: Mediation – Vermittlung in Konflikten, 5. Auflage, Darmstadt, 1998 Bühler, Wilhelm; König, Thomas: http://www.uni-hildesheim.de/RZ/irc.htm, Internet Relay Chat (IRC) Bundesverband Mediation e.V. www.bmev.de Busch, F.; Mayer, T.B.: Der Online-Coach – Wie Trainer virtuelles Lernen optimal Fördern können, Weinheim und Basel, 2002 de Bono, Dr. Edward „The six thinking hats“ – Seminarunterlage 2007 bei fabb Führungsakademie Berlin-Brandenburg, Berlin (www.fa-bb.de) DGB http://www.dgb.de/themen/mobbing/was_ist_mobbing.htm/ Ebay: http://www.ebay.de Elias, Norbert „Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Frankfurt a. M. (Band 2) 1982 Falk, Gerhard und Heintl, Peter „Handbuch Mediation und Konfliktmanagement“ Vs Verlag; Auflage: 1 (Mai 2005) Fisher, Roger Ury, Wiliam und Patton, Bruce M. „Das Harvard-Konzept“ Campus 22. Auflage 2004 Fromm, Erich „Die Kunst des Liebens“ Erstauflage 1956, 60. Auflage, Frankfurt/M. 2003 17
Literaturverzeichnis Gans, Brigitte: Mediation. Ein Weg des Umgangs mit Konflikten in der räumlichen Planung? Schriftenreihe zu ökologischen Kommunikation, Bd. 3 1994 München Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing (GpsM) e.V. http://www.mittelstandswiki. de/Mobbing Glasl, Friedrich (1999). Konfliktmanagement. Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. 6., erg. Aufl. Bern – Stuttgart 1999 Gordon, Thomas „Die Familienkonferenz“ Heyne Sachbuch Nr. 15, 1989 Haft, Fritjof „Verhandlung und Mediation“ C.H. Beck 2. Auflage 2000 Harrison, Roger „Rollenverhandeln“ 1971 Haynes/ Mecke / Bastine / Fong „Mediation. Vom Konflikt zur Lösung“ Unter Mitarbeit von Gretchen Haynes. Klett-Cotta 2004 Hernstein-Institut, Wien, Management Report 7/2005 Hesse, Jürgen. & Schrader, Hans-Christian „Krieg im Büro. Konflikte am Arbeitsplatz und wie man sie löst“. Eichborn Frankfurt a.M. 1993 Institut für Mittelstandsforschung Bonn http://www.ifm-bonn.org Izard, Carroll E. „Emotionen des Menschen“ BeltzPVU; Auflage: 4., neu ausgestattete A. (Juli 1999) Kellner, Hedwig „Konflikte verstehen, verhindern, lösen. Konfliktmanagement für Führungskräfte“ Carl Hanser Verlag 1999 Klandt, Prof. Dr. Heinz und Weihe H. (Hrsg.), „Dokumentation des 5. Forums Gründerforschung“ Josef Eul Verlag, 2002 Klein, Zamyt M. „Kreative Geister wecken – kreative Ideenfindung und Problemlösungstechniken“ managerSeminare Verlags GmbH 2006 Knapp, Peter/Novak, Dr. Andreas „Effizientes Verhandeln“ Sauer-Verlag 2003 Lenz, Christina „Pre-Mediation – die Klärung vor der Mediation“ B. in „Mediation in Organisationen“ von Harald Pühl (Hrsg.) 2003 Leymann, Heinz: Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Rowohlt, Hamburg 1993 Luhmann, Niklas „Vetrrauen“ Lucius & Lucius Stuttgart 2000 Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. Neue Medien in der Konfliktvermittlung – mit Beispielen aus Politik und Wirtschaft, Berlin, 2003 Maslow, Abraham H. „Motivation und Persönlichkeit“ Rowohlt Tb. 2002 Novak, Andreas „Schöpferisch mit System“ Sauer-Verlag 2001 Osgood, Charles “Perspective in Foreign Policy”, Palo Alto (Calif.), 1966 Pasztor, Susann und Gebns, Klaus-Dieter „Ich höre was, das Du nicht sagst“ – Gewaltfreie Kommunikation in Beziehungen. Jungfermann 2004 18
Literaturverzeichnis Porbeck, H.P.R. von „Neue Bellona oder Beyträge zur Kriegskunst und Kriegsgeschichte“ hrsg. von einer Gesellschaft Hessischer und Anderen Officiers und H. P. R. von Porbeck. – Leipzig : Reinicke u. Hinrichs, 1801 – 1806 PWC-Studie „Commercial Dispute Resolution – Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich“, veröffentlicht April 2005 Raith, Prof. Dr. Matthias „Entscheidungs- und Verhandlungsanalyse zur Unterstützung von Unternehmensgründungprozessen“ zusammen mit Ralf-H. Peters (Magdeburg) in G-Forum 2001 Dokumentation des 5. Forums Gründerforschung, Redlich, Prof. Dr. Alexander „KonfliktModeration“ Windmühle; Auflage: 6. A. (März 2004) Rosenberg, Marshall B. „Gewaltfreie Kommunikation“ Jungfermann 2003 Schein, Prof. Dr. Edgar H. „Organisationskultur“ Edition Humanistische Psychologie – Ehp (2003) Schulte-Zurhausen, Manfred „Organisation“ Vahlen; Auflage: 4., überarb. A. (April 2005) Schulz von Thun, Friedemann in „Miteinander reden“ 1 bis 3, rororo 1999 Squaretrade: http://www.squaretrade.com Stagge, Carsten und Redlich, Alexander Prof. Dr. „Auf dem Weg zu einer Methodik der Konfliktmoderation“ in Frischer Wind für Mediation 2007 S. 99 ff Der Standard, Printausgabe 24./25.6.2006 Thomann, Dr. Christoph „Klärungshilfe: Konflikte im Beruf “ rororo 2000 und „Klärungshilfe 2 – Konflikte im Beruf “ rororo 2007 Thomann, Dr. Christoph und Prior, Christian „ Klärungshilfe 3 – Das Praxisbuch“ Rowohlt Tb. (April 2007) Trenczek, Prof. Dr. Thomas „Leitfaden zur Konfliktmediation“ in ZKM 2005, 193 ff Troja, Dr. Markus/Schwitters, Eckard/Kessen, Stefan in in Haft/Schlieffen „Handbuch Mediation“ 2002 Tupy, Dr. Norbert (Redaktion) „Management by Wirtschaftsmediation“ Hrsg. Wirtschaftskammer Österreich Wien 2006 Wacker, Ulf: Online-Mediation,in ZKM Zeitschrift für Konfliktmanagement, 4. Jahrgang, 6/2001 Wahrig, Deutsches Wörterbuch
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Glossar Außergerichtliches Verfahren Verfahren, das jenseits des staatlichen Gerichtsverfahrens zur Konfliktbearbeitung zur Verfügung steht. Außergerichtliches Verfahren mit Drittbeteiligung Außergerichtliches Verfahren, in dem ein neutraler Dritter die Parteien in der Konfliktbearbeitung unterstützt (im Rahmen dieser Studie: Mediation, Schlichtung, Schiedsgutachten und Schiedsgerichtsbarkeit). Gerichtsverfahren Staatliches Verfahren, in dem Rechtsstreitigkeiten unter Führung eines Gerichtes durch ein Urteil oder einen Vergleich beendet werden. Mediation Strukturiertes Verfahren, in dem ein neutraler Dritter ohne Entscheidungsgewalt gemeinsam mit den Konfliktparteien eine einvernehmliche Lösung erarbeitet. Schiedsgerichtsverfahren Nicht-staatliches Verfahren, in dem Rechtsstreitigkeiten unter Führung eines mit von den Parteien benannten neutralen Dritten besetzten Gremiums durch einen bindenden Schiedsspruch beendet werden. Schiedsgutachten Entscheidungsvorschläge eines von den Konfliktparteien einvernehmlich bestellten Sachverständigen zu abgrenzbaren, strittigen (Fach-)Fragen, die für die Parteien – je nach vorab getroffener Vereinbarung – verbindlich oder unverbindlich sein können. Schlichtung Unterbreitung eines für die Parteien rechtlich unverbindlichen Konfliktlösungsvorschlags durch einen neutralen Dritten nach Anhörung aller Konfliktparteien. Verhandlung Eigenständige Konfliktbearbeitung durch die Parteien ohne Beteiligung eines neutralen Dritten, in denen erzielte Übereinkünfte als bindender Vertrag oder als informelle Vereinbarung formuliert werden können.
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Bearbeiterverzeichnis Es wurden bearbeitet von Dr. Detlev Berning Gerald Schwamberger
§§2, 3, 4 und 5 §§ 1 und 6
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1
§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator
1
Warum sollte sich ein Steuerberater zusätzlich zu seiner ohnehin hohen Arbeitsbelastung mit einer Materie befassen, die er neu lernen muss und die ihn zeitlich belastet? Diese berechtigte Frage wird dieses Buch eindeutig beantworten. Steuerberater – egal, ob sie selbständig oder als Arbeitnehmer tätig sind – sollten nie aufhören, nach Möglichkeiten zu suchen, die ihnen übertragenen Aufgaben möglichst effizient und erfolgreich für sich und ihre Mandanten zu erledigen. Die Zusatzkenntnisse, die ein Steuerberater durch die Fortbildung im Bereich der Wirtschaftsmediation erwirbt, stellen einen wesentlicher Baustein dar, um Verhandlungen und Konfliktlösungen erfolgreich zu führen.
A.
Wie kommt ein Steuerberater zur Wirtschaftsmediation?
A.
Wie Sie als Leser dieses Buchs zur Wirtschaftsmediation finden, kann ich natürlich nicht vorhersagen. Allein, dass Sie sich die Zeit nehmen, dieses Buch zu lesen, lässt hoffen, dass Sie entweder den Weg zur Wirtschaftsmediation gefunden haben oder Ihnen die Lektüre den Weg schmackhaft macht. Ich kann Ihnen jedoch schildern, wie ich selbst nach über 30-jähriger selbständiger Tätigkeit als Steuerberater zur Mediation und insbesondere zur Wirtschaftsmediation gefunden habe. Ich möchte Ihnen nachfolgend darstellen, wie ich selbst den Weg zur Mediation gefunden habe und welche Empfindungen und Motive mich bewegt haben. Ich möchte Ihnen Lust machen, dieses Buch durchzuarbeiten, sich anschließend mit dem Thema Wirtschaftsmediation zu befassen und eine entsprechende Ausbildung bei einem anerkannten Mediatoren zu genießen.
I.
1
2
Mein Weg zur Mediationsausbildung
Den Begriff Mediation hatte ich in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften gelesen, konnte mir jedoch nicht so recht vorstellen, was damit gemeint ist. Mediation wurde, soweit ich mich erinnere, im Wesentlichen im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung zwischen Eheleuten im Rahmen von Scheidungen oder im Rahmen von Eltern-Kind-Beziehungen erwähnt. Daher glaubte ich nicht, dass Mediation für den Beruf als Steuerberater Bedeutung hat. Glücklicherweise ergab sich bereits im Jahr 2002 eine Anregung vom Niedersächsischen Justizminister, Prof. Dr. Pfeiffer, an das Präsidium der Steuerberaterkammer, sich gelegentlich mit Mediation als Konfliktlösung zu befassen. Als Mitglied des Präsidiums der Steuerberaterkammer Niedersachsen genoss ich den Vorzug, an persönlichen Kontakten mit dem Justizministerium und dem Minister teilnehmen zu dürfen, bei denen das Medium Mediation erörtert wurde. Das Ministerium förderte ein Seminar über die Rechtsanwaltskammer Celle und die Rechtsanwaltskammer ermöglichte einigen Vorstandsmitgliedern der Steuerberaterkammer Niedersachsen die Teilnahme. In der Zeit vom 1. bis 4.3.2003 nahmen sechs Vorstandsmitglieder der Steuerberaterkammer an diesem Grundlagenseminar teil. Uns war inzwischen bekannt, dass in der Rechtsanwaltschaft bereits entsprechende Ausbildungsseminare bundesweit angeboten wurden und Rechtsanwälte als Mediatoren zugelassen waren.
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator
1.
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Grundlagenseminar
Ich hatte keine Vorstellungen, was dieses Seminar bieten sollte und welche Erkenntnisse für mich von Bedeutung sein würden. Mir war lediglich bekannt, dass die Mediation als zusätzliche Betätigung für Rechtsanwälte propagiert wird und dies auch für Steuerberater durchaus als zusätzliches Betätigungsfeld im Rahmen der vereinbaren Tätigkeiten im Sinne des § 57 Abs. 2 StBerG zulässig ist. Teilnehmer an dem Grundlageseminar waren im Wesentlichen Rechtsanwälte und Richter, so dass die sechs Nicht-Juristen der Steuerberaterkammer bei Beginn des Seminars von den übrigen Teilnehmern recht misstrauisch aufgenommen wurden. So war die Stimmung am Empfangsabend frostig und wir Steuerberater hatten Mühe, Kontakte zu den Juristen zu bekommen. Uns wurde deutlich klar gemacht, dass wir von den Juristen als Konkurrenz angesehen wurden. Es fiel auch die Äußerung, dass wir, wenn wir ebenfalls als Mediatoren tätig werden wollten, den Rechtsanwälten Arbeitspotential wegnehmen würden. Dieser Beginn des Grundlagenseminars war nicht in meinem Sinn, so dass meine Stimmung an den beiden ersten Tagen gedrückt und ich unzufrieden war, dass ich an diesem Seminar überhaupt teilnahm. Ein wenig Hoffnung kam auf, als der Ausbilder bereits am Empfangsabend – offenbar hatte er die allgemein verbreitete frostige Stimmung erkannt – versuchte, die Teilnehmer locker und aufgeschlossen für das Projekt zu machen. Dies gelang z.B. auch dadurch, dass zur Vorstellung der Teilnehmer Zweiergruppen gebildet wurden und die Teilnehmer durch ihren jeweiligen Partner vorgestellt wurden, soweit er entsprechende Informationen von diesem erhielt. Hierbei wurde darauf geachtet, dass sich die Paare nicht kannten. Eine leichte Lockerungsübung.
2. 5
Was ist Mediation?
In den folgenden Seminartagen wurde uns die allgemeine Mediation erläutert. Anhand von Rollenspielen wurden die einzelnen Phasen verdeutlicht. „Mediation ist ein freiwilliges Verfahren, in dem die Konfliktpartner mit Hilfe einer neutralen Person im direkten Gespräch miteinander eigene Entscheidungen ermitteln und verbindlich beschließen. Die Entscheidungen beruhen auf dem Verständnis, das sie von sich selbst und dem anderen haben unter Berücksichtigung der objektiven Lebensbedingungen.“1 Wie eine Mediation erfolgen soll und welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, ergibt sich nachfolgend:
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Ziel – verbindliche Vereinbarung
Rollen ■
Mediator/in ■ ist der Haltung der Neutralität verpflichtet ■ versucht, beide Klienten zu verstehen ■ hilft den Klienten, sich gegenseitig zu verstehen
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A. Wie kommt ein Steuerberater zur Wirtschaftsmediation? ■
■
b)
überwacht und fokussiert den Prozess ■ ist selbst Informationsquelle ■ hat keine Entscheidungsgewalt ■ arbeitet für eine verbindliche Vereinbarung Konfliktpartner ■ sind motiviert zur Mediation ■ sind bereit zur Kooperation (inkl. sich gegenseitig über alle relevanten Sachverhalte zu informieren) ■ sind verantwortlich für die Entscheidungen
Prozessziele
Die Beteiligten ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
c) ■ ■ ■
3.
1
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verstehen die Situation bestimmen eigene Prioritäten und drücken sie dem anderen gegenüber aus verstehen die Sichtweise des anderen sind gewillt, eine Vereinbarung zu erreichen, die für beide passt arbeiten Bezugspunkte für die Entscheidung heraus (inkl. Gesetz) überwinden Kommunikationshindernisse setzen beratende Rechtsanwälte und andere Experten ein
Logistik Zeit Honorar Aufsetzen von Vereinbarung2
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Rollenspiel
Die Empfindungen der an einer Mediation Beteiligten wurden den Teilnehmern des Grundlagenseminars durch Rollenspiele verdeutlicht. Für die Rollenspiele galten folgende Anweisungen:
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Instruktionen für die Personen 1. Nimm die Fakten des Rollenspiels auf. 2. Stell Dir vor, Du bist diese Person. 3. Versetze Dich in die Situation. ■ Wie fühlt es sich an, diese Person zu sein? ■ Wie sieht die Welt von dieser Rolle her aus? ■ Wie ist Deine Haltung 2
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator ■
dem Partner gegenüber? ■ der Mediation gegenüber? ■ dem Mediator persönlich gegenüber? 4. Merkst Du irgendwelche Reaktionen, insbesondere negativer Art? Nimm diese Reaktionen als ein Zeichen dafür, dass Du bei dieser Person irgendetwas nicht verstehst und dass Du diesem Gefühl zweckmäßigerweise nochmals nachgehst und versuchst herauszufinden, was es ausdrückt. Erst dann kannst Du die Rolle ganz spielen. 5. Versuche, das Rollenspiel möglichst echt zu spielen. Es kommt nicht darauf an, es dem Mediator besonders schwer zu machen, sondern Du sollst in die Schuhe der Person schlüpfen und von ihrer Warte aus die Problemlösung betreiben.
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Instruktionen für den Mediator 11
Bereite Dich darauf vor, einen kleinen Teil einer Mediationssitzung zu leiten. Du sollst Dir selbst vor der Sitzung folgende Frage stellen: ■ Welches Thema willst Du besprechen? ■ Worauf willst Du den Schwerpunkt in der Sitzung legen? Hier musst Du sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form, d.h.die objektiven und die subjektiven Elemente achten. Wie planst Du zu arbeiten? ■ Wie erwartest Du, dass sich das Verhältnis der Partner zueinander verändert in der Mediation, wie sich der Kontext ändert? Nachdem Du das Rollenspiel abgeschlossen hast, nimm Dir eine Minute Zeit, um darüber nachzudenken, was geschehen ist. ■ Wo hat sich während der Übung etwas verändert? ■ Wo bist Du oder Prozess steckengeblieben? ■ Wo geriet der Prozess eventuell aus dem Steuer? ■ Was passierte in diesem Moment? ■ Wer sagte was zu wem? Denke darüber nach, was nach Deiner Vorstellung zwischen den Partnern geschah und was dies in Dir auslöste. Teile diese Beobachtungen den anderen mit.
Instruktionen für den Beobachter 12
Beobachte sowohl den Inhalt als auch, was auf der Prozess- oder formalen Ebene vor sich geht. Was geschieht auf diesen beiden Ebenen (objektiv und subjektiv) ■ bezüglich der Partner, ■ bezüglich des Mediators, ■ bezüglich der Interaktionen dieser drei Personen? Versuche, beim Feedback eine Analyse sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Seite zu geben.
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A. Wie kommt ein Steuerberater zur Wirtschaftsmediation?
Rückmeldung
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Focus liegt auf dem Lernprozess des Mediators Medianten: ■ positiv formulieren ■ Ich-Botschaften: „Auf mich hat es so gewirkt ...“ ■ zuerst das Positive ■ danach, was problematisch war Gleiches gilt für Beobachter Mediator: ■ nur zuhören ■ keine Diskussion oder Rechtfertigung Die Entscheidung, ob die Rückmeldung angenommen wird, liegt allein beim Mediator.3
4.
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Übungen: Handhabung von unterschiedlichen Meinungen
1
a) Es gibt Zeiten, in denen ich anderen Verantwortung für die Lösung des Problems überlasse. b) Bevor ich über Unstimmigkeiten verhandele, fahre ich lieber mit den Dingen fort, in denen wir übereinstimmen. 2 a) Ich versuche, einen Kompromiss zu finden. b) Ich versuche, all seine und meine Belange mit einzubeziehen. 3 a) Ich kann meine Ziele gewöhnlich durchsetzen. b) Ich würde versuchen, die Gefühle des anderen zu beachten und die Beziehung zu bewahren. 4 a) Ich versuche, einen Kompromiss zu finden. b) Ich stelle manchmal meine eigenen Wünsche zugunsten der Wünsche anderer zurück. 5 a) Ich brauche die Hilfe des anderen bei der Ausarbeitung einer Lösung. b) Ich will alles tun, um unnötige Spannungen zu vermeiden. 6 a) Ich versuche, mir keine Unannehmlichkeiten zu bereiten. b) Ich versuche, immer zu gewinnen. 7 a) Ich versuche, Dinge aufzuschieben, bis ich Zeit hatte, darüber nachzudenken. b) Ich gebe einige Punkte im Austausch zu anderen auf. 8 a) Ich setze gewöhnlich meine Ziele durch. b) Ich versuche, alle Belange und Punkte sofort zur Sprache zu bringen. 9 a) Ich bin der Meinung, dass man sich nicht über alle Differenzen Gedanken zu machen braucht. b) Ich strenge mich an, meinen Weg zu gehen. 10 a) Ich setze meine Ziele durch. b) Ich versuche, einen Kompromiss zu finden. 3
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator 11 a) Ich versuche, alle Belange und Punkte sofort zur Sprache zu bringen. b) Ich könnte versuchen, die Gefühle des anderen zu beachten und die Beziehung aufrechtzuerhalten. 12 a) Ich vermeide manchmal Standpunkte, die zu Kontroversen führen könnten. b) Ich bestehe manchmal nicht auf Standpunkte, wenn sie/er mir auch meine lässt. 13 a) Ich schlag vor, sich in der Mitte zu treffen. b) Ich übe Druck aus, um meine Punkte durchzusetzen. 14 a) Ich erzähle ihr/ihm meine Gedanken und frage nach den ihren/seinen. b) Ich versuche, ihr/ihm die Logik und die Vorteile meines Standpunktes aufzuzeigen. 15 a) Ich versuche, die Gefühle des anderen zu beachten und die Beziehung aufrechtzuerhalten. b) Ich versuche alles, um Spannungen zu vermeiden. 16 a) Ich versuche, die Gefühle des anderen nicht zu verletzen. b) Ich versuche, die andere Person von den Vorzügen meines Standpunkts zu überzeugen. 17 a) Ich setze für gewöhnlich meine Ziele durch. b) Ich versuche alles, um Spannungen zu vermeiden. 18 a) Wenn es den anderen glücklich macht, lasse ich ihm seine Ansichten. b) Ich lasse ihm einige seiner Standpunkte, wenn er mir einige meiner Standpunkte lässt. 19 a) Ich versuche, alle Punkte und Belange sofort zur Sprache zu bringen. b) Ich versuche, Dinge aufzuschieben, bis ich Zeit hatte, darüber nachzudenken. 20 a) Um bei Verhandlungen voranzukommen, versuche ich, die Wünsche der anderen Person in Betracht zu ziehen. b) Ich versuche, eine faire Lösung mit Gewinnen und Verlusten für beide zu finden. 21 a) Um bei Verhandlungen voranzukommen, versuche ich, die Wünsche der anderen Person in Betracht zu ziehen. b) Ich bin immer für die direkte Diskussion eines Problems. 22 a) Ich versuche, einen Standpunkt zu finden, der zwischen seinem und meinem liegt. b) Ich setze meine Wünsche durch. 23 a) Ich beschäftige mich oft damit, all unsere Wünsche zu befriedigen. b) Es gibt Zeiten, in denen ich anderen die Verantwortung für die Lösung des Problems überlasse. 24 a) Wenn es den Anschein hat, als ob ihr/ihm der andere Standpunkt sehr wichtig sei, versuche ich, ihren/seinen Wünschen nachzukommen. b) Ich versuche, die andere Person zu einem Kompromiss zu bewegen. 25 a) Ich versuche, ihr/ihm die Logik und die Vorteile meines Standpunktes aufzuzeigen. b) Um in den Verhandlungen voranzukommen, versuche ich, die Wünsche der anderen Person in Betracht zu ziehen. 26 a) Ich schlage vor, sich in der Mitte zu treffen. b) Ich bin fast immer damit beschäftigt, all unsere Wünsche zu befriedigen. 28
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A. Wie kommt ein Steuerberater zur Wirtschaftsmediation? 27 a) b) 28 a) b) 29 a) b)
Ich vermeide manchmal Standpunkte, die zu Kontroversen führen könnten. Wenn es den anderen glücklich macht, lasse ich ihm seine Ansichten. Ich setze für gewöhnlich meine Ziele durch. Ich brauche für gewöhnlich die Hilfe des anderen, um eine Lösung zu finden. Ich schlage vor, sich in der Mitte zu treffen. Ich bin der Meinung, dass man sich nicht über alle Differenzen Gedanken zu machen braucht. 30 a) Ich versuche, die Gefühle des anderen nicht zu verletzen. b) Ich teile das Problem immer mit der anderen Person, so dass wir es aufarbeiten können.4
5.
Verlauf des Grundlagenseminars
Die Vorträge des Grundlagenseminars und mehr noch die Rollenspiele und Übungen hatten für mich eine grundsätzlich entscheidende Bedeutung, weil sie mir klar machten, dass Lebenssituationen aus verschiedenen Blickwinkeln derselben Person, insbesondere aber auch aus dem Blickwinkel Dritter zu beurteilen sind und dass das eigene Verhalten einen wesentlichen Einfluss auf die Lebenssituationen haben kann. Dies betrifft nicht nur die eigene Einschätzung der Situationen, sondern auch deren Entwicklung und Lösung. Diese Erkenntnis teilten alle Teilnehmer des Seminars, insbesondere aber erkannten alle – was in den folgenden Tagen die Stimmung zwischen den Rechtsanwälten und den Steuerberatern erheblich veränderte – , dass das Gegenüber ein Mensch wie ich selbst ist und Stärken und Schwächen hat, die er lebt und zu kaschieren versucht, die er aber bei objektivierter Betrachtung offenzulegen bereit ist, wenn das Gegenüber das auch tut. Diese Erkenntnis bewirkte meine wachsende Überzeugung, dass die Mediation für mich persönlich, aber auch für meine berufliche Tätigkeit von grundlegender Bedeutung ist. Mir wurde klar, dass ich in verschiedenen Tätigkeitsfeldern, insbesondere in streitigen Auseinandersetzungen – sei es mit der Finanzbehörde, mit Banken oder Finanzgerichten, aber auch mit Mandanten und anderen Dritten – mit anderen Mitteln und Verhaltensweisen, besser als in der Vergangenheit geschehen, erfolgreich vorgehen kann. Die Strategie, seine Meinung auf Biegen und Brechen durchzusetzen, führt, wie wir alle wissen, selten zum Erfolg, weil andere Lösungsmöglichkeiten außer Acht gelassen oder gar nicht bedacht werden. „Mediation wäre ein Schritt, ein Mittel, Konflikte als Chance für die Wahrnehmung kollektiver Autonomie zu erkennen und sie so auch zu handhaben. Sie ist als Redelegationsverfahren ja dazu angehalten, Streitpartnern zu helfen, sich selbst mit ihren Konflikten zu befassen, um gemeinsame Lösungen zu erreichen. Dieser Weg lässt, wenn er gelingt, wie bekannt die Kontrahenten sich mit ihren Lösungen – auch emotionell – identifizieren. Damit fällt eine Distanz. Um das Resümee zu ziehen: Meines Erachtens ist ein neuer Konfliktumgang, eine neue verbreitete Konfliktlösungsstrategie, für die Mediation steht, Voraussetzung für ein neues Verhältnis zu Staat, Macht, Demokratie. Das Erleben der Selbstbindung, freiwillig eingegangener Verpflichtungen, sorgt zusammen mit geglückten Konfliktlösungen für neue Identifikationen mit den Systemen des Rechts. Wir beginnen es als das Unsere zu begreifen. Diese Brücke wird notwendig sein, 4
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator um es überhaupt als ein Inneres menschlicher Gesellschaft, als Auslegung menschlicher Natur entscheiden und begreifen zu können.“5 Diese Aussage ist im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Rechts, der Frage von Gerechtigkeit und dem Rechtsverständnis von großer Bedeutung und gerade für die Tätigkeit des Steuerberaters wichtig, der für seine Mandanten Durchsetzungsberatungen gegenüber dem Fiskus ausführt. Aber nicht nur dort, sondern auch im Zusammenhang mit allen übrigen Beratungstätigkeiten.
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Zum Schluss waren alle Seminarteilnehmer begeistert von den Referenten und Mediatoren, von der Mediation selbst und von den neu gewonnenen Erkenntnissen. In einer Hochstimmung, die alle einschloss, lagen sich Rechtsanwälte, Richter und Steuerberater in den Armen, Freundschaften wurden geschlossen, Grundsätze revidiert. Ein Rechtsanwalt, Spezialist für Strafrecht, hatte sich zu Beginn des Seminars ablehnend über Mediation geäußert, weil für ihn im Falle des Konflikts nur die Entscheidung eines Gerichtes sinnvoll sei. Bei der Verabschiedung gab er zu, eines Besseren belehrt worden zu sein: In verschiedenen Fällen sei eine außergerichtliche Lösung im Rahmen einer Mediation durchaus denkbar. Für mich war nach dem Seminar völlig klar, dass ich die dort vermittelten Grundlagen in meine zukünftige Tätigkeit nicht nur als Steuerberater, sondern auch z.B. als Schlichter im Rahmen von Schlichtungen bei der Steuerberaterkammer beachten werde. Als weitere Erkenntnis nahm ich mit nach Hause, dass Konflikte nicht damit enden müssen, dass nach der Lösung des Konflikts die Konfliktparteien persönlich und menschlich zerstritten bleiben. Dies ist oft die Folge von Gerichtsverfahren, weil das Gericht eben nur ein Urteil fällt und nicht die Beteiligten zu einer einvernehmlichen Lösung führt. Bei der Mediation verläuft dies anders, weil die Konfliktparteien selbst durch die Moderation des Mediators die Lösung suchen. Damit einhergehend wächst das Verständnis für den Konfliktgegner, so dass nach Lösung des Konflikts durchaus gute Beziehungen zwischen den Konfliktparteien entstehen oder bestehen bleiben. Dies ist insbesondere bei der Wirtschaftsmediation oft von entscheidender Bedeutung, wenn z.B. Vertragspartner weiterhin zusammenarbeiten wollen.
a) 17
Stimmung am Ende des Grundlagenseminars
Ausbildung zum Mediator
Über Kontakte des Präsidiums der Steuerberaterkammer Niedersachsen zum Vorstand der DATEV wurde von dieser auf Initiative unserer Steuerberaterkammer ein Seminar „Wirtschaftsmediation für Steuerberater“ organisiert, das in der Zeit von September bis Dezember 2003 in Niedersachsen stattfand. 17 Teilnehmer wurde in vier Teilseminaren à drei Tage in Wirtschaftsmediation ausgebildet. Für mich übertraf diese intensive Ausbildung das, was mir das Grundlagenseminar bereits an Überzeugungen und Erkenntnissen gebracht hat, noch weit. Die gut strukturierte und auch auf die menschlichen Belange der Teilnehmer eingehende Ausbildung führte nicht nur dazu, dass Mediation, und insbesondere Wirtschaftsmediation, für mich als Grundlage für die weiteren Tätigkeiten in meinem Beruf diente, sondern wir alle erwarben Erkenntnisse über uns selbst, unsere emotionalen und geistigen Verhaltensweisen, die in bestimmten Lebenssituationen durchaus 5
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Heintel, Die Welt der Mediation
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A. Wie kommt ein Steuerberater zur Wirtschaftsmediation? korrekturbedürftig sind, wenn bestimmte Ziele und Lösungen erreicht werden sollen. Am Ende der Ausbildung hatten alle Beteiligten ein erhebendes Gefühl und als Begleiterscheinung ergab sich, dass alle Beteiligten weiterhin bis heute freundschaftlich verbunden blieben. Wir führen in halbjährlichen Abständen weitere eineinhalbtägige Fortbildungen in Zusammenarbeit mit anerkannten Mediationsausbildern durch. Dabei zeigt sich, dass die geschlossenen Freundschaften jeweils erneuert werden. Als wesentliche Erkenntnis haben wir nach der Ausbildung zur Kenntnis genommen, dass es nicht mit der Ausbildung allein getan sein kann, um sich selbst in die Lage zu versetzen, als Mediator Konflikte zu lösen. Es bedarf eines dauernden Trainings, das am besten in der Gruppe durch Fortsetzung der begonnenen Ausbildung erfolgen kann. Sicherlich das beste Training ist die Durchführung von Mediationsverfahren – möglicherweise unter Beteiligung eines Ko-Mediators – um die erlernten Techniken, die Einfühlung in die Situation betroffener Medianten und auch die emotionale Erfahrung zu sammeln, auf die es bei der Lösung von Konflikten im Einzelfall ankommt. Eine schematische Durchführung der erlernten Techniken reicht im konkreten Fall nicht aus, um eine Lösung des vorgetragenen Konflikts zu erreichen, weil die beteiligten Konfliktparteien nicht immer die Reaktionen zeigen, die zur Konfliktlösung erforderlich sind. Hier müssen Wege gesucht werden, um nicht nur die Bereitschaft zur Konfliktlösung bei den Beteiligten zu erreichen, sondern auch das Suchen und Finden des richtigen Lösungswegs mit den Parteien zu ermöglichen. Ich habe Ihnen meinen Weg aufgezeigt und darf Ihnen versichern, dass ich es als großes Glück empfinde, dass mir die Gelegenheit gegeben wurde, an Ausbildungen in Mediation, und insbesondere in Wirtschaftsmediation, teilzuhaben. Es freut mich ein wenig, dass ich selbst daran beteiligt war, entsprechende Seminare über die DATEV anzustoßen. In der Zwischenzeit werden von der DATEV bundesweit entsprechende Seminare angeboten. Wenn Sie dieses Buch ein wenig begeistert und Ihnen für Ihre berufliche Tätigkeit, aber auch im Umgang mit Menschen allgemein, neue Erkenntnisse und damit Handwerkszeug für erfolgreiche Verhandlungen und Verhaltensweisen bei Auseinandersetzungen bietet, sollten Sie erwägen, eine entsprechende Ausbildung auf sich zu nehmen. Ich bin davon überzeugt, dass auch Sie von der Methode begeistert sein werden.
b)
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Mediationsverfahren im Allgemeinen
Unter Mediation versteht man ein strukturiertes, außergerichtliches Verfahren, in dem ein besonders geschulter, neutraler Dritter versucht, gemeinsam mit den Konfliktparteien eine Einigung zu erarbeiten.6 Wichtig ist, dass der Mediator den Konflikt nicht entscheidet. Stattdessen vermittelt er und versucht, die Verhandlungsabläufe zu optimieren. Aus der Geschichte ist bekannt, dass bei der Beendigung des 30-jährigen Kriegs im Westfälischen Friedensschluss 1648 neben 148 Gesandten auch zwei Diplomaten als neutrale Vermittler beteiligt waren, nämlich der Nuntius des Papstes, Chigi, und der Botschafter der Republik Venedig, Contareno. Diese Vermittler hatten am Ende die führende Rolle der Vermittlung. Wie bekannt ist, haben die Verhandlungen zu einem Friedensschluss geführt. Vor allem in den USA wurde im letzten Jahrhundert die Mediation zu einer professionellen und systematisch einsetzbaren Methode entwickelt, die insbesondere als die Methode nach Harvard bekannt ist. 6
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Jörg Risse, Wirtschaftsmediation. C.H. Beck, München, 2003, 1. Aufl.
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator
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aa) Wofür stehen Mediationsverfahren? Das Mediationsverfahren kann für viele, wenn nicht für nahezu alle Konfliktlösungen eingesetzt werden, soweit die Konfliktparteien diesem freiwilligen Verfahren zustimmen. Die Methode, wie dieses strukturierte Konfliktbeilegungsverfahren gehandhabt wird, erläutert das Buch nachfolgend. Wichtig ist, dass dieses Verfahren auch flexibel gehandhabt werden kann und eine sture Abarbeitung der vorgegebenen Verfahrensabläufe in vielen Fällen nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Stattdessen ist die Kreativität des Mediators gefordert. Diese ist auch in den einzelnen Phasen erforderlich, je nach individueller Situation: in die vorherige Phase zurückzugehen oder Teile des Verfahrens zu überspringen, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Das zunächst komplex wirkende Verfahren ist lediglich eine Strukturierung von Vorgehensweisen, die jedermann in Teilbereichen anwendet, ohne sie zu gliedern oder sie zielgerichtet einzusetzen. Hinzu kommen aus der Psychologie entwickelte Verfahrensweisen, die das Erreichen der gesteckten Ziele erleichtern. Grundlage ist, dass der Mediator sich strukturiert und mit einem Konzept versehen mit den Streitparteien über Möglichkeiten der friedlichen Konfliktlösung unterhält. Er leitet die Konfliktparteien an, sinnvolle Verhandlungsabläufe einzuhalten und bestehende oder verdeckte Einigungsspielräume offenzulegen. Grundlage der Mediation sind Erkenntnisse der Verhandlungsforschung, wonach Parteien in den Verhandlungen eine Einigung erzielen sollen und ein falsches Verhandeln, das eine Einigung nicht zulässt, vermieden wird. bb) Was ist ein Konflikt? Konflikte entstehen bei unterschiedlichen Assoziationen von Personen, Meinungsverschiedenheiten und Beurteilungsdifferenzen. Konflikte ergeben häufig ein Bild von massiven, zum Teil aggressiv ausgetragenen Auseinandersetzungen, die mit starken Emotionen wie Angst, Frustration, Wut, aber auch Selbstbestätigung und Erfolg, Mitleid oder Selbstzufriedenheit verbunden sein können. Konflikte können positive und negative Wirkungen entfalten, je nachdem, wie mit ihnen umgegangen wird. Für ein Verständnis von Konflikten ist ein ordnender Überblick Voraussetzung, weil Konflikte in unserer Gesellschaft zahlreich und vielfältig vorkommen. Eine Systematisierung wird von der Wissenschaft vorgenommen, obwohl reale Konflikte selten vollständig einem bestimmten Idealtypus entsprechen. In der Mediation werden Konflikte in der Regel über das Konfliktverhalten der Konfliktparteien definiert, weil der Mediator dort ansetzen muss. Unter diesem Blickwinkel sind Konflikte manifest und nicht latent, sonst handelt es sich nicht um Konflikte, sondern um nicht thematisierte Probleme. Die Unterscheidung von Konflikten und Konfliktgegenständen erfolgt nach Inhalten, wobei die häufigste Typologisierung nach Streitgegenständen als vermutete Konfliktursache unterscheidet. Konflikte haben ein dynamisches Geschehen, wobei nur selten Streitobjekte zu isolieren sind. Eine Voraussetzung für die Suche nach tragfähigen Lösungsansätzen ist die Suche nach Konfliktinhalten als Teil der Konfliktdiagnose. So ergibt das Zusammenspiel einzelner Inhalte bzw. Konflikttypen oft einen Komplex. Sie tauchen nicht isoliert auf und können daher in einem Mediationsverfahren auch nicht einzeln nacheinander bearbeitet werden. Dem Mediator sollte bewusst sein, dass die Konfliktinhalte gehäuft auftreten, und dabei den Konfliktparteien vermitteln, dass die jeweiligen Inhalte Teile des Konflikts sind und die Wirklichkeit der Konfliktparteien prägen. So können bestimmte Gefühle genauso Teil der Konfliktrealität sein und müssen bei der Suche nach einer Lösung beachtet werden. Dies gilt ebenso für technische oder juristische Daten und Fakten. 32
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A. Wie kommt ein Steuerberater zur Wirtschaftsmediation? Folgende Konflikttypen lassen sich nach Hauptgegenständen des Streits unterscheiden: ■ Daten-/Faktenkonflikt: Informationsdefizite, Fehlinformationen, unterschiedliche Bewertung und Gewichtung von Daten, ■ Interessenkonflikt: verfahrensbezogene, psychologische und inhaltliche Bedürfnisse und Interessen, ■ Strukturkonflikt: betriebliche Abläufe, Kontrolle und Machtverteilung, Ressourcen, Kompetenzen und Zuständigkeiten, berufliche und private Rollen bzw. Rollenzuweisungen, gesellschaftliche Verhältnisse, ■ Wertekonflikt: Vorstellungen von Moral und Verantwortung, ■ Beziehungskonflikt: Emotionen wie Sympathie/Antipathie, Vorurteile und Stereotype, Kommunikationsformen. Konflikte haben grundsätzlich eine Beziehungsebene und eine Sachebene. Diese beiden Ebenen verstärken sich gegenseitig und sorgen für eine innere Dynamik in der Entwicklung des Konflikts, die geradezu mechanistisch in eine Eskalation führt. Die Entflechtung von Sach- und Beziehungsebene erfolgt durch Kommunikation, wobei bestimmte Kommunikationstechniken (s. § 2 dieses Buchs) anzuwenden sind. Hierbei sind nicht nur verbale, sondern auch nonverbale Verhaltensweisen auch durch die Art des Sprechens beeinflussbar. Hierbei können sich zusätzliche Möglichkeiten zur Konfliktbearbeitung ergeben. Eine wichtige Aufgabe des Mediators besteht hierbei darin, zwischen den Parteien, aber auch zwischen Mediator und Parteien, das richtige Kommunikationsverhalten zu finden. cc) Der Mediator Als externer Dritter ist der Mediator nicht am Konfliktgeschehen beteiligt. Er vermittelt zwischen den Parteien und ist selbst weder betroffen noch weisungsfähig. Wichtig ist, dass er allparteilich auftritt, also allen Konfliktparteien gleich verpflichtet ist, und keine Parteilichkeit vorliegt. In einem Mediationsverfahren muss der Mediator alle Konfliktparteien einbeziehen. Während des Verfahrens muss er die Teilnehmer auf ihre Eigenverantwortung und ihre eigene Verantwortlichkeit für die Lösungsfindung hinweisen. Der Mediator muss deutlich machen, dass die Lösung fallund problemspezifisch zu finden ist, dass das Verfahren ergebnisoffen gestaltet wird und freiwillig von den Parteien durchgeführt wird. Genauso wichtig ist der Hinweis, dass die Vertraulichkeit des Verfahrens und der im Verfahren bekannt gewordenen Tatsachen gesichert ist. Die Konfliktparteien müssen über ihre Situation in rechtlicher und ggf. auch wirtschaftlicher Hinsicht informiert werden, wobei hierzu auch Juristen oder andere Sachverständige hinzugezogen werden können. Für die Abgrenzung gegenüber anderen Verfahren sind folgende Punkte wichtig: Der/Die Mediator/in ■ wird als allparteilich angesehen (Kriterium für unternehmensexternen oder internen Vermittler), ■ hat keine inhaltliche Entscheidungskompetenz (anders als Schlichter oder Schiedsrichter), ■ unterstützt die Parteien bei der eigenverantwortlichen Konfliktlösung (anders als Berater bringt er keine eigenen Lösungskonzepte ein), ■ bearbeitet einen konkreten Konflikt mit dem Ziel einer verbindlichen Vereinbarung (i. Ggs. zu Beratung, Supervision, Coaching), ■ unterstützt Win-Win-Lösungen durch die Klärung der eigentlichen Interessen und Wünsche hinter den Streitpositionen (anders als rechtsförmige Verfahren). 33
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Auf der Ebene des Kommunikationsprozesses sind folgende Kompetenzen zentral: Der/Die Mediator/in ■ schafft Vertrauen durch Empathie und Wertschätzung, ■ ermöglicht konstruktive Kommunikation durch Gesprächstechniken, ■ strukturiert den Prozess durch die fünf Phasen der Mediation, ■ visualisiert und dokumentiert Fortschritte und Ergebnisse. dd) Das „Harvard-Konzept“ An der renommierten Harvard-Universität werden Verhandlungsabläufe und -strategien mit wissenschaftlicher Akribie untersucht und optimiert. In Deutschland ist unter dem Titel „Das Harvard-Konzept“7 ein Werk erschienen, das aus dem Englischen in 18 Sprachen übersetzt wurde, die Verhandlungsforschung revolutioniert und die Verhandlungspraxis tiefgreifend verändert hat. Die Harvard-Methode wird in Deutschland unterrichtet; sie wurde von deutschen Autoren aufgegriffen und weiterentwickelt. Sie liegt auch der Mediation als Verhandlungskonzept zugrunde. Im Vordergrund steht ein sachorientiertes Verhandeln, das nach den folgenden vier Prinzipien vorgeht, wobei die eigentlichen Interessen der Kontrahenten in den Mittelpunkt gestellt werden: ■ Trenne Sache und Person. ■ Auf Interessen konzentrieren, nicht auf Positionen. ■ Entwickle Optionen zu beiderseitigem Vorteil. ■ Bewerte Optionen nach objektiven Kriterien. Diese Verhandlungstechnik können Sie unter § 2 dieses Buchs nachlesen. Bei dieser Methode konzentriert sich der Verhandlungsansatz auf den Problembereich eines komplexeren Konflikts, der Optionen für Lösungen bietet. Die Problembereiche, die sich vorrangig durch Beziehungsprobleme oder vielschichtige Interessensebenen auszeichnen, werden vernachlässigt. Der Konfliktrahmen und insbesondere die Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten sind durch den Mediator durch das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten zu finden und zu formen. So werden die Verfahrensteilnehmer befähigt, ihre eigenen Konflikte selbstverantwortlich zu regeln. Sie gewinnen an Selbsterkenntnis und Selbstbewusstsein. Sie lernen sich Andersdenkenden gegenüber zu öffnen, die Situation der anderen Parteien nachzuvollziehen und deren Beurteilung und Einstellung zu akzeptieren und zu respektieren. Neue Perspektiven sozialen Lernens und einer generellen Veränderung von Mensch und Gesellschaft liegen darin, dass die Sichtweisen der jeweils anderen Konfliktparteien erkannt und respektiert werden. Der Ablauf der Mediation nach dem „Harvard-Konzept“ ist wie folgt gegliedert: Phase 0: Erstkontakt Erstkontakt wegen eines Konflikts/Problems. Klärung, um welche Art von Konflikt es geht – ist Mediation das geeignete Verfahren? – Vorbereitung der ersten Sitzung Die Methoden des Mediators sind in dieser Phase das aktive Zuhören und Paraphrasieren, Zusammenfassen und Fragen Stellen. Phase 1: Vorbereitung und Mediationsvertrag Der Mediator klärt mit den Konfliktparteien die Rahmenbedingungen. Wertschätzende Gespräche mit den Beteiligten, das Mediationsverfahren vorstellen – welches Vorwissen liegt vor, welche 7
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Fisher/Ury/Patton, Das Harvard-Konzept, passim.
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A. Wie kommt ein Steuerberater zur Wirtschaftsmediation? Informationen hat der Mediator bereits – Erwartungshaltung der Beteiligten erfahren – Hinweis auf die Eigenverantwortlichkeit, Allparteilichkeit, Ergebnisoffenheit, Freiwilligkeit, Informiertheit und Vertraulichkeit des Verfahrens – Mediationsvertrag besprechen und abschließen. Phase 2: Themensammlung In einer Sitzung werden von den Konfliktparteien die zu bearbeitenden Themen unter Anleitung des Mediators gemeinsam gesammelt. Dies sollte möglichst umfassend sein. Die Reihenfolge der Themen ist festzulegen und zu entscheiden, welche Themen als erstes bearbeitet werden sollen oder von der Wichtigkeit her herausragen. Phase 3: Interessensklärung In dieser Phase werden die Interessen der Beteiligten, ihre Wünsche, Motive und Bedürfnisse herausgearbeitet; lösungsoffene subjektive Bewertungskriterien für spätere Lösungsversuche und persönliche Motive und Wünsche sind herauszuarbeiten; der Raum zum Finden von Lösungen wird hierdurch größer und es wird zur Bereitschaft zu gegenseitigem Verständnis und zur Kooperationsbereitschaft der Beteiligten beigetragen. Die Wichtigkeit einzelner Themen und worum es den Beteiligten genau geht, ist zu erfragen; die Parteien sind zu bitten, Geduld aufzubringen; ruhiges Zuhören bei den Darstellungen der jeweils anderen Partei ist erforderlich und vom Mediator einzufordern; Lösungen sind nicht sofort möglich, sondern müssen nach Klärung der Interessen kontinuierlich erarbeitet werden. Phase 4: kreative Ideen suchen In dieser Phase dient die Sitzung mit den Parteien der gemeinsamen Sammlung von Lösungsideen und dem Öffnen des Lösungsraums. Die von den Parteien geäußerten Ideen sind möglichst umfangreich vom Mediator zu sammeln und es ist anzuregen, weitere Ideen beizutragen. Alle Ideen, die für eine Lösungssuche denkbar sind, sind aufzugreifen, zu sammeln und zu visualisieren. Phase 5: Auswahl und Bewertung von Lösungsvarianten/-optionen Die in Phase 4 entwickelten Ideen werden ausgewählt, soweit sie geeignet erscheinen, eine Lösung herbeizuführen. Hierbei sind die Ideen zu bewerten und auszuarbeiten, ggf. auch zu erweitern oder auf ihre Tauglichkeit zur Lösungsfindung zu überprüfen. Die kritische Überprüfung von Lösungsideen soll dazu führen, dass Win-Win-Lösungen erarbeitet werden können. Aus den ausgewählten Lösungsideen ist die bestmögliche Lösung zu benennen und am Grad der Interessenerfüllung zu messen. Anhand von Bewertungskriterien ist die Realisierbarkeit der Lösung zu prüfen. Die Lösungsideen sind ggf. anzupassen oder zu verändern, damit das Ziel erreicht werden kann. Phase 6: Vereinbarung und Umsetzung In Phase 5 haben sich die Parteien auf eine Lösung geeinigt. Diese soll nun in einer schriftlichen Vereinbarung Niederschlag finden. Nach Möglichkeit sollte ein verbindliches Dokument verfasst werden, das von den Parteien akzeptiert wird und als Leitfaden und Orientierungshilfe für die praktische Umsetzung Gültigkeit hat. Für die rechtliche Gültigkeit sind Rechtsanwälte oder Notare erforderlich; wenn die Parteien durch Rechtsanwälte vertreten werden, können diese rechtsverbindliche Vereinbarungen formulieren. Die gefundene Lösung ist in der Vereinbarung unmissverständlich darzustellen, so dass sie einen Aufforderungscharakter zur Umsetzung an die Teilnehmer vermittelt. Der Ablauf der einzelnen Phasen wird in § 4 dieses Buchs ausführlich dargestellt.
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B.
Wirtschaftsmediation
Einige Stationen in der Entwicklung der Wirtschaftsmediation ■ 1898 genehmigte der US-Kongress den Einsatz von Mediation bei Arbeitskonflikten. ■ 1913 Board of Mediation and Conciliation als nationale Einrichtung in den USA zur Regelung von Arbeitskonflikten bei den Eisenbahnen. ■ 1913 Newlands Act und weitere Gesetze zum Einsatz von Mediation bei „sozialen Konflikten in der Industrie“ (nicht als Alternative zum Rechtsstreit, sondern zu Streik und Konflikten). ■ Federal Mediation and Conciliation Service zur Regelung privater Arbeitskonflikte. ■ Ende 1970er/80er Superfund der Bundesregierung mit mehreren Mrd. US-Dollar zur Dekontaminierung industriell verseuchter Böden; Überprüfung ergibt, dass voraussichtlich 50 % der Geldmittel an die Rechtsanwälte fließen werden; als Alternative zum Rechtsstreit wird die Einführung von Mediation und verwandten Verfahren durch entsprechende Gesetzgebung auf der Bundesebene unterstützt. ■ 1981 Harvard Negotiation Project: Systematische Entwicklung eines strukturierten Verhandlungsverfahrens zur Konfliktlösung an der Harvard-Law-School, das später auch zum zentralen Leitbild für die Mediation wird. ■ Beispiel Motorola: 147.000 MitarbeiterInnen; Umsatz 37.480 Mrd. $; Netto-Gewinn 1.318 Mrd. $ (Zahlen von 2000); Einführung eines Alternative Dispute Resolution-Programm durch die Rechtsabteilung; Erfahrungen so positiv, dass Mediation und verwandte Verfahren nicht als Alternative, sondern als Norm betrachtet werden; Budget für Gerichtskosten in 10 Jahren, von 1984 bis 1994, um 75 % reduziert. ■ Nach einer empirischen Untersuchung aus dem Jahr 1998 haben 87 % der 1.000 größten amerikanischen Unternehmen in den letzten Jahren als Partei an einer Wirtschaftsmediation teilgenommen. Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmensvertreter nannten als Grund für ihre Teilnahme nicht nur Kosten- und Zeitvorteile, sondern auch die Chance, befriedigendere Ergebnisse zu erzielen. Mehr als 82 % betrachten es als einen Vorteil, selbst die Kontrolle über den Ausgang des Rechtsstreits zu behalten. ■ Mittlerweile haben sich in Deutschland Mediationsverbände und -vereine gebildet, Unternehmen nutzen externe Mediatoren und lassen Führungskräfte zu internen Mediatoren ausbilden. Die Wirtschaftsmediation als ein Teil der Mediation ist im deutschsprachigen Raum bisher nur wenig bekannt. Es fehlen vielfach Erfahrungen auf diesem Gebiet. Sie ist kein unjuristisches Verfahren, weil Recht und Gesetz auch in der Wirtschaftsmediation eine facettenreiche Bedeutung haben und über die Rolle des Rechts im Prozess als bloßem Entscheidungsmaßstab hinausgehen.8 Um rechtsverbindliche Vereinbarungen treffen zu können, ist die Anwesenheit von Rechtsanwälten regelmäßig erforderlich. Die Wirtschaftsmediation bleibt bei der rechtlichen Einordnung des Konflikts nicht stehen. Es werden ökonomische und persönliche (und auch emotionale) Aspekte strukturiert in die Vergleichsüberlegungen einbezogen. Das Mediationsverfahren ist als nüchternes, rationales und rationelles Verfahren zu betrachten, in dem beide Seiten ohne Vergleichsdruck Einigungsmöglichkeiten herausarbeiten und mit Hilfe des Mediators und von Rechtsberatern eine rechtsverbindliche Verein8
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Risse, BB 1999 (Beilage 9)
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B. Wirtschaftsmediation barung abschließen können. Vor Abschluss einer rechtsverbindlichen Vereinbarung können die Parteien frei zwischen der im Wirtschaftsmediationsverfahren erzielten Lösung und einem vielleicht aussichtsreicheren gerichtlichen Verfahren wählen. Jede Partei kann jederzeit ohne Rechtfertigung die Wirtschaftsmediation abbrechen und Klage erheben. Andererseits müssen sich die Parteien darüber im Klaren sein, dass in geeigneten Fällen die Wirtschaftsmediation zur Klärung des Konflikts sinnvoller, kostengünstiger und zeitnaher sein kann als die gerichtliche Auseinandersetzung. Das Wirtschaftsmediationsverfahren umfasst eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten und -gebieten, die man in einem groben Raster als unternehmensinterne oder unternehmensexterne Konflikte untergliedern kann. So zählen zu den internen Konflikten solche innerhalb oder zwischen Abteilungen, zwischen Arbeitgebern und Betriebsrat oder Streitigkeiten bei der Unternehmensnachfolge, Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern, zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern, zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern oder Betriebsrat. Unter den externen Konflikten finden sich solche zwischen Unternehmen, Unternehmen und Kunden bzw. Verbrauchern, Herstellern und Zulieferern, Mutter- und Tochterunternehmen, Unternehmen und anderen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen. Außenverhältnis ■ mit Geschäftspartnern/anderen Unternehmen ■ mit Kunden ■ mit Lieferanten ■ mit Behörden und Institutionen ■ mit Nachbarn und Öffentlichkeit Innenverhältnis ■ am Arbeitsplatz ■ Arbeitnehmer/in <-> Arbeitnehmer/in ■ Vorgesetzte/r <-> Mitarbeiter/in ■ Führungskraft <-> Führungskraft ■ zwischen Abteilungen ■ innerhalb der Geschäftsleitung ■ innerhalb des BR ■ zwischen Betrieben innerhalb eines Konzerns ■ zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat ■ bei Fragen der Unternehmensnachfolge Die aufgezeigten Konfliktbereiche lassen erkennen, dass der Steuerberater aufgrund seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit als Berater der Wirtschaft als Wirtschaftsmediator prädestiniert ist. Auch wenn er als Mediator die Lösung des Konflikts fachlich und sachlich nicht beeinflussen darf, ist er doch in der Lage wirtschaftliche Vorgänge zu verstehen und hat im Einzelfall die Kompetenz, die Darstellung der Sachverhalte zutreffend zu beurteilen und – soweit erforderlich – den Konfliktparteien verständlich zu machen. Situationen, die für die Wirtschaftsmediation typisch sind, und die dazugehörigen Abläufe werden in § 3 dieses Buchs ausführlich an Beispielen dargestellt. 37
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator
C.
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C.
Wie nachfolgend aufgezeigt wird, verdeutlicht die Abgrenzung der Mediation gegenüber anderen Streitbeilegungsverfahren die Charakteristik des Verfahrens. Lösungswege, die im Rahmen eines Mediationsverfahrens gefunden werden, unterscheiden sich in der Regel strukturell und inhaltlich von anderen Wegen der Konfliktbeilegung.
I. 35
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Abgrenzung des Mediationsverfahrens zu anderen Streitbeilegungsverfahren
Gerichtsprozesse
Auseinandersetzungen zwischen Parteien werden in der Regel durch Gerichtsprozesse entschieden, d.h. die Entscheidung in Form eines Urteils erfolgt aufgrund der Entscheidungsmacht des Richters, letztlich im Rahmen des staatlichen Gewaltmonopols. Das Verfahren ist gesetzlich durch entsprechende Verfahrensordnungen (z.B. ZPO) geregelt und stark formalisiert. Die Gleichbehandlung aller Streitparteien und die Bewältigung der Prozessflut erfordern eine formale Ausrichtung der Verfahren. Die Entscheidung des Richters erfolgt endgültig. Die Konfliktparteien können zur Teilnahme am Verfahren gezwungen werden, es sei denn, sie nehmen ein Versäumnisurteil in Kauf. Der Konflikt wird ausschließlich unter rechtlichen Gesichtspunkten entschieden. Die Behauptungen und Anträge der Parteien müssen durch Beweise untermauert werden, so dass zur Gewissheit des Gerichts die Richtigkeit festgestellt werden kann. Hierzu sind oft nicht nur Schriftstücke und Urkunden, sondern auch Aussagen von Zeugen erforderlich. Bei komplexen Konflikten kann dies eine sehr umfangreiche Beweiserhebungen erfordern. Können die Behauptungen nicht einwandfrei bewiesen werden oder sind Zeugenaussagen nicht unbedingt glaubwürdig, sind Fakten nicht schlüssig beweisbar, ist der Ausgang des Prozesses für die Beteiligten oft nicht kalkulierbar. Die Versäumung von Fristen, die nicht oder falsch gestellten Anträge der Parteien und die Unzulänglichkeiten der der mündlichen Verhandlung vorgeschalteten schriftlichen Vorträge der Parteien, die in der Regel von deren Rechtsanwälten verfasst werden, können den Ausgang des Gerichtsprozesses erheblich beeinflussen und im Urteil zu nicht erwünschten Ergebnissen führen. Das vom Gericht getroffene Urteil nimmt keine Rücksicht auf soziale oder emotional beeinflusste Lebenssituationen der Parteien, sondern ergeht ausschließlich aus einer rechtlichen Beurteilung des Streitgegenstands. Damit ist in der Regel ein Konflikt, der viele Ebenen hat, nur teilweise, nämlich auf der rechtlichen Ebene, entschieden. Das so entstandene Urteil ist für die Partei, deren Anspruch im Urteil bestätigt wird, mit staatlichen Gerichtsvollziehern durchsetzbar. Das Urteil kann durch formelle Fehler der Parteien oder des Gerichts zu Ergebnissen führen, die weder von den Parteien gewollt, noch sachlich gerechtfertigt sind. Im Unterschied hierzu ist die Mediation freiwillig. Das im Rahmen einer Mediation erzielte Ergebnis soll alle beteiligten Konfliktparteien zufriedenstellen (Win-Win-Ergebnis). Insbesondere dann, wenn im Konflikt emotionale Gründe eine besondere Rolle spielen, bleibt im Falle des Gerichtsprozesses der emotionale Konflikt in der Regel ungelöst. Die im freiwilligen Mediationsverfahren am Ende getroffene Vereinbarung regelt nicht nur den sachlichen Teil des Konflikts – natürlich unter Beachtung rechtlicher Bestimmungen. Der menschliche, soziale und emotionale Teil des Konflikts sollte ebenfalls behoben sein, so dass die Konfliktparteien in der Regel nach 38
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C. Abgrenzung des Mediationsverfahrens zu anderen Streitbeilegungsverfahren Abschluss des Verfahrens nicht nur eine Lösung in der Sache, sondern möglichst auch in der menschlichen Beziehung zueinander erfahren.
II.
Schiedsverfahren
Schiedsgerichtsverfahren kommen dann zum Zuge, wenn sich die Parteien auf dieses Verfahren geeinigt oder diese im Rahmen von Verträgen vereinbart haben. Dieses Verfahren wird nicht von den staatlichen Gerichten, sondern von einem von den Parteien benannten Richter oder einem Schiedsgericht, bestehend aus mehreren Personen, durchgeführt. Entscheidungsmaßstab ist in diesem Verfahren ausschließlich das anwendbare Recht. Das Verfahren ähnelt insoweit dem Prozess vor den öffentlichen Gerichten. Der Vorteil liegt darin, dass die Parteien den Streit nicht in der Öffentlichkeit austragen und dass der Schiedsrichter mehr Raum für ein einzelfallbezogenes prozessuales Vorgehen gegenüber den starren gesetzlichen Verfahrensordnungen hat. Darüber hinaus haben die Parteien die Möglichkeit, das Verfahren zu beeinflussen, indem sie bestimmte Beweisverfahren oder die Absetzung eines Schiedsrichters einvernehmlich beschließen können. Es bestehen durchaus Unterschiede zum Prozess vor öffentlichen Gerichten, andererseits ist wiederum nur die rechtliche Beurteilung eines Konflikts Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens. Die Verfahrensordnungen (z.B. ZPO) gelten für dieses Verfahren. Als Abgrenzung zur Mediation ist festzuhalten, dass zwar gewisse Einflüsse auf das Verfahren durch die Konfliktparteien möglich sind, die Lösung des Konflikts erfolgt jedoch nur auf der rechtlich-sachlichen Ebene. Die Durchsetzung des Schiedsgerichtsurteils kann durch Anerkennung eines staatlichen Gerichts ebenfalls durch Zwangsvollstreckung vollzogen werden. Im Vergleich zum Mediationsverfahren ist festzuhalten, dass keine Freiwilligkeit besteht, dass die Eigenverantwortlichkeit der Parteien nur eingeschränkt möglich ist und die Allparteilichkeit des Richters nicht unbedingt gegeben ist, weil seine Entscheidungen formal beeinflusst werden können. Die Ergebnisoffenheit des Verfahrens ist durch das formelle Verfahren nur bedingt möglich.
III.
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Schlichtung
Das Schlichtungsverfahren hat mit dem Mediationsverfahren einen großen Teil an Gemeinsamkeiten. In beiden Verfahren können rechtsfremde Aspekte in die Lösung eingebunden werden. Allerdings fällt der Schlichter einen Schlichtungsspruch und ist damit Autorität in dem Verfahren. Während der Mediator zum Inhalt des Konfliktstoffs weder Stellungnahme noch Bewertung abgibt, ist der Schlichter aufgrund seiner Autoritätsposition veranlasst, eine eigene Wertung des Konfliktstoffs vorzunehmen. Der Schlichter wird einen Schlichtungsspruch anstreben und die Parteien veranlassen, diesem Schlichtungsspruch zuzustimmen. Der Mediator hingegen versucht durch Optimierung der Verhandlungen die Parteien selbst zum Finden einer Lösung zu führen. Hierin liegen die wesentlichen Unterschiede der beiden Verfahren. Für Steuerberater gilt gem. § 31 Abs. 3 BOStB, dass bei Streitigkeiten unter Berufsangehörigen eine gütliche Einigung bei der zuständigen Steuerberaterkammer zu beantragen ist. Weiterhin gilt nach § 31 Abs. 4 BOStB, dass sie der Steuerberaterkammer die Möglichkeit geben, in der Angelegenheit zu vermitteln, bevor sie gerichtliche Maßnahmen gegen einen Berufskollegen ergreifen. 39
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator
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Selbstverständlich ist es möglich – und dies praktiziere ich auch – dass in solchen Schlichtungsverfahren auch Teile der Mediationstechnik eingesetzt werden. So ist es für die Beteiligten in den meisten Fällen wichtig, dass nach gefundener Lösung der Streit endgültig behoben ist und ein normales Verhältnis zueinander weiterbesteht oder wiederhergestellt wurde. Allerdings ist es verständlich, dass die Steuerberaterkammer, also die Aufsichtsbehörde für den Berufsstand, bei einer solchen Schlichtung von den Parteien nicht als allparteilich angesehen wird, während dies bei einem Mediator Voraussetzung ist. Hinzu kommt, dass durchaus Sachverhalte Gegenstand der Schlichtung sind, die unter Umständen als berufsrechtliche Verfehlungen oder gar als berufsrechtliche Vergehen angesehen werden könnten. Dies führt oft dazu, dass die Beteiligten zunächst nur sehr verhalten zu den Schlichtungsthemen Stellung beziehen und vorsichtig agieren. Auch Ergebnisoffenheit wird dem Schlichtungsverfahren von den Beteiligten oft nicht entgegengebracht. Durch Visualisieren, Paraphrasieren und Brainstorming ist es möglich, entsprechendes Vertrauen bei den Beteiligten zu erzeugen, so dass eine grundsätzliche Bereitschaft entsteht, eine Lösung zu finden. Dann kann auch durch eine kreative Ideensuche – ähnlich einem Mediationsverfahren – nach Auswahl und Bewertung der Lösungsoptionen und -varianten ein Ziel gefunden werden. Der Schlichtungsausschussvorsitzende hat im Schlichtungsverfahren die Möglichkeit, den Parteien seine Bewertung des Streits und Hinweise auf Lösungswege bekanntzumachen. So haben in meiner praktischen Erfahrung z.B. die Visualisierung und andere Techniken der Mediation bei der Lösung der Konflikte geholfen. Beide Verfahren sind sicherlich dem Gerichtsprozess oder dem Prozess vor einem Schiedsgericht vorzuziehen, in ihrem Ablauf jedoch sind sie unterschiedlich.
IV. 43
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Gerichtsnahe Mediation
Der Bundesgesetzgeber hat seine durch § 15 a EGZPO eingeleitete Linie einer stärkeren Betonung der gütlichen Streitbeilegung durch das am 1.1.2002 in Kraft getretene ZPO-Reformgesetz quasi bis ins gerichtliche Verfahren hinein fortgeschrieben. Die Neufassung der §§ 278 f. ZPO soll – so ausdrücklich die Begründung zum Gesetzesentwurf – eindringlich an alle Prozessbeteiligten appellieren, die in den meisten Streitfällen bestehenden materiellen und immateriellen Vorteile einer Streitbeilegung ohne streitiges Urteil (Zeitgewinn, Rechtsfrieden) in noch stärkerem Umfang als bisher zu nutzen. Nach § 278 Abs. 5 S. 2 u. 3 ZPO n. F. kann das Gericht den Parteien eine außergerichtliche Streitschlichtung – die Begründung des Gesetzentwurfs nennt ausdrücklich Mediation – vorschlagen und für deren Dauer das Ruhen des gerichtlichen Verfahrens anordnen. In Niedersachsen wurde eine Praxisphase des Projekts, nämlich die Streitbeilegung durch Mediation als Alternative zum gerichtlichen Verfahren in das Angebot der Justiz aufzunehmen, seit dem 1.9.2002 begonnen. Diese Praxisphase war auf zweieinhalb Jahre begrenzt. Eingebunden waren sechs Modellgerichte sowie ein Sozial- und Verwaltungsgericht. Die Erfolge dieser Streitbeilegung wurden für die Justiz als außerordentlich positiv festgestellt, so dass nunmehr in Niedersachsen landesweit in den Gerichten, insbesondere in Amts- und Landgerichten, ausgebildete Richter als Mediatoren die Streitbelegung im Rahmen der gerichtsnahen Mediation durchführen. Am zuvor erwähnten Seminar nahmen einige Richter als teil, die später als Mediatoren an ihren Gerichten tätig wurden. In Niedersachsen war die gerichtsnahe Mediation für die Justiz sehr erfolgreich: Die Verfahrensdauern wurden verkürzt, soweit die Streitparteien der gerichtsnahen Mediation zugestimmten. Etwa drei Viertel der Verfahren enden mit einer Lösung. Damit wird das gerichtliche Verfahren durch einen Vergleich abgeschlossen. Dieses Verfahren kann nicht mit der „Harvard-Methode“ 40
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D. Arbeitsgebiete des Steuerberaters und Mediation gleichgestellt werden, weil, wie bereits unter C. Schlichtung dargestellt, die Autoritätsperson eines Richters den Mediator stellt und damit bereits aus diesem Grund die Allparteilichkeit des Mediators nicht angenommen werden kann. Hinzu kommt, dass diese Verfahren zwar nicht im Gerichtssaal, aber doch in Räumlichkeiten des Gerichts stattfinden. Dadurch können die Konfliktparteien das Verfahren nicht als so neutral und objektiv wahrnehmen, wie dies bei einem Mediator in einem gemütlichen und ansprechenden Umfeld der Fall sein würde. Weiterhin ist festzustellen, dass die gerichtsnahen Mediationsverfahren in der Regel nach einer Sitzung und einer Dauer von ca. zwei bis drei Stunden abgeschlossen werden. Den Konfliktparteien wird dabei also nur eine relativ kurze Zeit zur Verfügung gestellt, um sich auf einen Kompromiss einzulassen. Dies lässt große Zweifel offen, ob hier nicht ein vereinfachtes Vergleichsverfahren abläuft, wie es sonst im Gerichtssaal stattfindet. Sicherlich ist die gerichtsnahe Mediation nicht nur negativ zu sehen. Allerdings sollte man darauf hinwirken, dass in vielen geeigneten Fällen eine Mediation außerhalb des Gerichtsverfahrens stattfindet, nämlich bei Mediatoren, bei denen die aufgezeigten hoheitlichen Voraussetzungen bei Gericht nicht vorhanden sind. So ist mir bekannt geworden, dass einzelne Gerichte z.B. in Schleswig-Holstein durchaus gerichtsanhängige Verfahren aussetzen und den Parteien empfehlen, einen privaten Mediator zur Hilfe zu nehmen, um den Konflikt zu lösen. Diese Methode sollte der Justiz bundesweit vorgeschlagen werden. Dies gilt insbesondere für wirtschaftliche Streitigkeiten, die Wirtschaftsmediatoren – und hier sind Steuerberater prädestiniert – besser lösen können als Richter, die in der Regel wirtschaftliche Abläufe und Prozesse nicht verstehen, weil ihnen hierfür die erforderlichen Erfahrungen fehlen.
D.
Arbeitsgebiete des Steuerberaters und Mediation
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D.
Die Arbeitsgebiete des Steuerberaters sind zum einen im Steuerberatungsgesetz (StBerG) für die sogenannten Vorbehaltsaufgaben festgelegt (§ 33 StBerG). Hierbei handelt es sich um Arbeitsgebiete, die als Grundlage der Tätigkeit der Berufsangehörigen anzusehen sind und überhaupt Grundlage waren, um diesen Berufsstand entstehen zu lassen. Inhalt der Tätigkeiten sind vorrangig die Hilfeleistung, Beratung und Vertretung der Auftraggeber in Steuersachen. Zu diesen Aufgaben gehören auch die Verteidigung in Steuerstrafsachen und die Durchführung von Rechtsbesorgungen, die unmittelbar mit der steuerberatenden Tätigkeit, wie zuvor beschrieben, in Zusammenhang stehen. Auch die Vertretung in Steuersachen vor Gerichten, insbesondere Finanzgerichten und Verwaltungsgerichten, gehört zum Tätigkeitsbereich. Ein weiterer in § 33 StBerG genannter Bereich ist die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die aufgrund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung. Aufgrund der Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 EStG, nach dem Grundlage für die Erstellung von Steuerbilanzen die Handelsbilanz des Auftraggebers ist, gehören auch alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit Beratung und Erstellung der Handelsbücher und Handelsbilanzen für die Auftraggeber dazu und sind damit ebenfalls Vorbehaltsaufgaben des Steuerberaters. Die vorbezeichneten Arbeitsgebiete sind für selbständige Steuerberater und Steuerberaterinnen eine wesentliche Grundlage ihrer Tätigkeit, obwohl die Anforderungen durch die Auftraggeber weit über diese Vorbehaltsaufgaben hinaus zunehmen. Die sogenannten vereinbaren Tätigkeiten i.S.d. § 57 Abs. 3 StBerG nehmen einen immer größer werdenden Teil der Berufstätigkeit ein. Dies ist nicht nur bedingt durch die Anforderungen der Mandanten, sondern für die Berufsangehörigen mittlerweile auch nötig, da im Bereich der Vorbehaltsaufgaben rückläufige Auftragsvolumina 41
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator
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festzustellen sind und durch die erheblich steigende Anzahl der selbständigen Berufsträger eine erhebliche Konkurrenz eingetreten ist. Weit über die in § 57 Abs. 3 StBerG genannten vereinbaren Tätigkeiten hinaus erschließen sich dem Steuerberater umfangreiche Betätigungsfelder, die gegenüber den Mandanten oder Nochnicht-Mandanten ein gezieltes und qualifiziertes Management der Kanzlei erfordern. Die auf diesem Gebiet anzubietenden Leistungen erfordern Erfahrungen und Kenntnisse in diesen wirtschaftlichen Tätigkeitsbereichen, die sich der Berufsträger beschaffen muss. Eine darauf ausgerichtete Kanzleiorganisation ist unabdingbar, wenn die vereinbaren Tätigkeiten einen größeren Umfang erreichen. Das Personal muss in diese Leistungen eingearbeitet werden. So sind z.B. Tätigkeiten in der Insolvenzberatung oder als Insolvenzverwalter ohne die erforderlichen Rechtskenntnisse kaum möglich. Auch die Erstellung der internationalen Rechnungslegung (IFRS) oder die Erstellung von Konzernbuchführungen und Konzernabschlüssen erfordern umfangreiche Kenntnisse der internationalen Buchführungsstandards bzw. solche über Konzernrechnungslegung. Die Tätigkeiten in der Anlageberatung für Mandanten erfordern erhebliche Erfahrungen und permanente Beobachtung der Kapitalmärkte. Ebenso ist auch die Tätigkeit als Mediator ohne ausführliche Ausbildung und ohne permanentes Training nicht vorstellbar. Was kann die Ausbildung zum Wirtschaftsmediator dem Steuerberater für die Tätigkeitsbereiche bringen, mit Ausnahme der zusätzlichen Möglichkeit, eine vereinbare Tätigkeit als Wirtschaftsmediator selbständig auszuführen? Diese Frage wird sich jeder Steuerberater, der sich neu mit dieser Materie befasst, stellen. Mein nachfolgender Erfahrungsbericht kann nur ein Hinweis auf die Möglichkeiten sein, die dem Steuerberater im Tagesgeschäft Vorteile bringen.
I. 48
Vorbehaltstätigkeiten i. S. d. § 33 StBerG
Bei der Erledigung der Vorbehaltstätigkeiten des Steuerberaters, also der Erledigung der Deklarations- und Durchsetzungsberatung, der Erstellung von Buchführungen und Jahresabschlüssen, tritt bereits eine erhebliche Anzahl an Möglichkeiten auf, die insbesondere durch eine vorzügliche Verhandlungstaktik und Verhandlungsführung dem Steuerberater Vorteile bringen können. So ist es bei der Beratung des Mandanten von großer Wichtigkeit, dass steuerrechtliche Empfehlungen so vorgetragen werden, dass er davon überzeugt ist. Dies ist schon deshalb nicht einfach, weil das Steuerrecht an sich für den Laien undurchschaubar ist und damit die Richtigkeit und die Vorteile der Beratung durchaus in Zweifel gezogen wird. Oft ist es erforderlich, dass der Mandant, um das Beratungsziel zu erreichen, lästige Arbeiten beiträgt, so dass bereits aus diesem Grund Vorbehalte beim Mandanten entstehen. Dies kann der Steuerberater mit einer exquisiten Verhandlungstaktik überzeugend darstellen, so dass Zweifel bei dem Mandanten entweder gar nicht erst entstehen oder weitgehend abgebaut werden können. Dies ist besonders wichtig bei Gestaltungsberatungen im Bereich der Unternehmen, der Gesellschaftsformen und den damit zusammenhängenden steuerlichen Auswirkungen. So können vorausschauende Entwicklungen einen Mandanten nicht überzeugen, wenn er nach der entsprechenden Präsentation durch den Steuerberater nicht vollkommen überzeugt ist. Hinzu kommt, dass Unternehmensumgestaltungen oder gesellschaftsrechtliche Veränderungen zusätzliche Kosten verursachen und die Beteiligten oft in ihren wirtschaftlichen Betätigungsfeldern eingeschränkt werden. Hier ist die Verhandlungsführung des Steuerberaters ganz entscheidend und die Ausnutzung von medialen Techniken kann zum Ziel führen. So habe ich festgestellt, dass die visuelle Darstellung von neuen Konzeptionen das berühmte Aha-Erlebnis auslöst, wenn sie mit 42
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D. Arbeitsgebiete des Steuerberaters und Mediation entsprechenden Erläuterungen z.B. auf dem Flipchart oder durch einen Beamer an der Leinwand dargestellt werden. Zur Überzeugungsarbeit gehört auch, dass die Vorstellungen des Mandanten paraphrasiert werden, damit er seine eigene Vorstellung unter den gegebenen rechtlichen Bedingungen besser versteht. Wichtig ist hierbei auch, die Interessen und Bedürfnisse des Mandanten zu erfragen und auf diese einzugehen. Auch emotionale Bedingungen sind unbedingt zu beachten. Oft sind es nicht nur die Steuerbelastungsfragen, die den Mandanten dazu bringen, bestimmte Umstrukturierungen vornehmen zu wollen, häufig sind auch andere, entweder zivilrechtliche (Haftungsfragen) oder emotionale Gründe ausschlaggebend. Dies ist bei einer professionellen Verhandlungsführung unbedingt zu ermitteln, bevor die möglichen Ziele durch eine ausgewogene Verhandlungsstrategie ermittelt und dem Mandanten nähergebracht werden. Selbstverständlich sind bei der Beratung die Steuergesetze zu beachten. Trotzdem bleibt ein großer Spielraum sowohl bei der Deklarations- als auch bei der Durchsetzungsberatung, der zum Vorteil des Mandanten genutzt werden kann. So möchte ich nachfolgend auf einige Beispiele aufmerksam machen: ■ vorausschauende Beratung bei der Vorsorgeberatung (Sonderausgaben), ■ vorausschauende Beratung bei Werbungskosten aus den Überschuss-Einkünften – z.B. Fahrtkosten, Arbeitsmittel, Absetzbarkeit von Reparaturaufwendungen, Arbeitszimmer usw., ■ Verhandlungen mit der Finanzverwaltung im Rahmen von Rechtsbehelfen bei Darstellung der Sachverhalte und Kompromissfindung bei unklaren rechtlichen Verhältnissen, ■ Verhandlungen im Rahmen von Betriebsprüfungen, ■ mündliche Verhandlungen vor dem Finanzgericht, ■ Verhandlungen mit Mandanten im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen – Verhandlungen in diesem Zusammenhang mit der Finanzverwaltung, ■ Beratungen im Zusammenhang mit Lösungen über Schenkungen von Vermögenswerten – Schenkungsteuer/Erbschaftsteuer, ■ Verhandlungen mit dem Finanzamt wegen Vollstreckungsmaßnahmen beim Mandanten, ■ Verhandlungen mit der Behörde wegen steuerstrafrechtlicher Tatbestände. Diese Beispiele können nur einen Teil der im Zusammenhang mit Vorbehaltsaufgaben vom Steuerberater zu erfüllenden Aufgaben benennen, die mit Erfolg zu Gunsten des Steuerberaters und des Mandanten ausgeführt werden können, wenn Verhandlungstechniken wie in § 2 dieses Buchs beschrieben angewendet werden. In der Regel sind die Gesprächspartner nicht so ausgebildet und versuchen oft, ihren Standpunkt ohne besondere Gesprächs- und Verhandlungstechnik rigoros durchzusetzen. Hier ist der entsprechend ausgebildete Steuerberater im Vorteil.
II.
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Vereinbare Tätigkeiten gem. § 57 Abs. 3 StBerG
Bei der Vermittlung einer Beratung über die vielfältigen Möglichkeiten und den umfangreichen Katalog der vereinbaren Tätigkeiten ist ähnlich wie unter den Vorbehaltsaufgaben beschrieben vorzugehen. So ist es durchaus denkbar, dass der Mandant eine betriebswirtschaftliche Beratung möchte, obwohl der Hintergrund seiner Vorstellungen ganz persönliche Gründe hat. Der Steuerberater muss also wie beim Mediationsverfahren auch zunächst einmal die Themen des Beratungsgegenstands vom Mandanten aufnehmen. Als nächstes gilt es, die Interessen des Mandanten 43
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator
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zu klären und die Bedürfnisse und die Wichtigkeit der einzelnen Positionen zu ermitteln. Denn hier werden die Weichen gestellt, in welche Richtung die Beratung durch den Steuerberater überhaupt gehen soll. Es wäre fatal, wenn die Beratung durch den Steuerberater ins Leere ginge, weil die Wünsche des Mandanten nicht erkannt werden, und eine Umsetzung des Beratungsziels nicht erfolgt, weil der Mandant das eigentlich von ihm gewünschte Ziel damit nicht erreichen würde. Nachfolgend ist die Kreativität des Steuerberaters gefragt, der Ideen, wie das Beratungsziel – manchmal sind es auch mehrere Ziele – erreicht wird, entwickelt. Hier ist es besonders wichtig, den Mandanten in die Ideenfindung einzubeziehen, diesen dazu zu motivieren, seine eigenen Ideen zu sammeln und zu visualisieren und ggf. so zu verändern, dass eine Zielerreichung möglich ist. Einzubeziehen ist auch z.B. die Umkehrmethode. Bei dieser wird die Alternative bei Befragung nach der extrem gegensätzlichen Lösung erörtert und damit die Überzeugung des Auftraggebers geweckt, dass dieses Ergebnis auf keinen Fall erzielt werden sollte. Dies führt dann oft dazu, dass positiv angedachte Ziellösungen leichter zu finden sind. Die so gefundenen Lösungsoptionen sind zu bewerten und bei kritischer Überprüfung der Lösungsideen festzulegen, welche Lösung dem Idealbild des Mandanten am nächsten kommt. Hierbei ist die Realisierbarkeit der gefundenen Lösung(en) anhand weiterer Bewertungskriterien zu prüfen, die Lösung(en) ggf. anzupassen und zu verändern, so dass die Realisierbarkeit gewährleistet ist. Die Verhandlungstechniken und -strategien werden unter § 2 dieses Buchs unter Hinweis auf die verschiedenen Verhandlungstypen ausführlich dargestellt. Allein die Anwendung der Verhandlungstechniken bringt dem Steuerberater bei den vorgenannten Tätigkeiten erhebliche Vorteile, weil er Konkurrenten und Verhandlungspartnern, die diese Techniken nicht beherrschen, weit überlegen ist. Mit diesen Techniken werden psychologische und emotionale Bereiche des Verhandlungspartners angesprochen, so dass seine Reaktionen in der Regel in die gewünschte Richtung gelenkt werden können. Einige wenige Bespiele für vereinbare Tätigkeiten möchte ich nachfolgend darstellen: ■ Bei der Finanzierungsberatung sind oft Verhandlungen mit Banken erforderlich. Die starre Haltung vieler Kreditberater eröffnet bei entsprechendem Einsatz einer professionellen Verhandlungstaktik und -strategie durchaus Möglichkeiten, Erfolge zu erzielen und die zunächst für unbedingt erforderlich gehaltenen Vorgaben des Bankberaters im Interesse des Mandanten aufzuweichen. ■ Insolvenzberatung erfordert viel Fingerspitzengefühl, um dem betroffenen Mandanten Chancen der Insolvenzvermeidung oder, wo dies nicht möglich ist, die Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zu vermitteln. Die insoweit oft notwendige Beratung, inwieweit Dritte betroffen sind, inwieweit Vermögen aus der Insolvenz herausgehalten werden kann usw., ist oft Lösungsziel des Mandanten. Die Realisierbarkeit muss hier unter Berücksichtigung sowohl der rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten, aber auch der emotionalen Situation des Mandanten beraten und vermittelt werden. ■ Anlageberatung ist ein diffiziler Bereich, weil er in der Regel voraussetzt, dass der Berater die wirklichen – nicht nur die vorgegebenen – Wünsche des Auftraggebers kennt. Darüber hinaus ist auch hier die Realisierbarkeit, das Risiko und die ganz persönliche Vorstellung des Mandanten zu beachten. Der Mandant gibt in der Regel Ziele vor, die möglicherweise auf verschiedenen Wegen erreichbar sind, deren unterschiedliche Beurteilung aus der Sicht des Beraters vermittelt werden müssen, damit der Mandant aus den Lösungsideen die nach seiner emotionalen Einstellung richtige heraussucht. Hier ist Kreativität der Beratung gefragt. Wichtig ist auch die Visualisierung und Paraphrasierung der Vorstellungen des Mandanten, damit er in die Lage versetzt wird, eine subjektiv gute Entscheidung zu treffen. 44
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D. Arbeitsgebiete des Steuerberaters und Mediation ■
Die betriebswirtschaftliche Beratung ist in vielen mittelständischen Betrieben von besonderer Bedeutung, weil eine fehlende effiziente und funktionierende kaufmännische Verwaltung den Bestand des Unternehmens gefährden kann. Hier spielen oft persönliche oder familiäre Gründe eine Rolle, die bei der Beratung zu beachten sind. Dies erfordert besonderes Fingerspitzengefühl des Beraters, weil jede Änderung einer Organisation sowohl vom Mandanten als auch von seinen Mitarbeitern (ggf. Familie) ungern vorgenommen wird. Hier erfordert es besondere Überzeugungsarbeit im Rahmen der Verhandlungstaktik, dass die Änderung der Organisation dem Unternehmen Vorteile bringt. Diese Beispiele sollen nur darauf hinweisen, dass der Steuerberater bei seiner täglichen Arbeit auch im Rahmen der vereinbaren Tätigkeiten ein umfangreiches Einsatzfeld medialer Verhandlungstechniken hat. Auch hier sind die Erfolge bei Einsatz der Techniken unter Umständen erheblich und ersparen manche unerfreuliche Auseinandersetzung oder gar die Kündigung des Mandats.
III.
1
Tätigkeiten als Wirtschaftsmediator
Zahlreiche Anwendungsgebiete für die Tätigkeit des Steuerberaters als Wirtschaftsmediator sind denkbar. Im Rahmen der vereinbaren Tätigkeiten kann er zusätzliche Aufträge auf diesem Gebiet akquirieren. Während zunächst die Rechtsanwälte als die typischen Mediatoren angesehen wurden, hat sich in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen sowohl bei den zuständigen Ministerien als auch bei den Berufskammern und Berufsverbänden die Einsicht gefestigt, dass der Mediator, insbesondere bei Anwendung des „Harvard-Konzepts“, nicht rechtsberatend tätig ist und damit die Mediation auch von anderen Berufsgruppen, z.B. Psychologen, Kommunikationswissenschaftlern, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern usw., durchgeführt werden darf. Die Honorierung dieser Tätigkeit ist nicht festgelegt, so dass der Steuerberater frei ist, das Honorar zu vereinbaren, wenn er als Wirtschaftsmediator beauftragt wird. Die Vereinbarung sollte zur Vermeidung von Auseinandersetzungen mit den Auftraggebern schriftlich erfolgen. Die Wirtschaftsmediation ist damit eine zusätzliche Tätigkeit zu den bisher üblichen vereinbaren Tätigkeiten, so dass für den Berufsstand neue Betätigungsfelder erschlossen werden können. Leider ist das Mediationsverfahren in Deutschland noch nicht so bekannt, so dass schnelle und zahlreiche Aufträge in diesem Bereich kurzfristig nicht zu erwarten sind. Es empfiehlt sich für den Steuerberater, sich an Netzwerken zu beteiligen, um auf diese Art und Weise Mediationsaufträge akquirieren zu können. Anwendungsgebiete aus der Steuerberatertätigkeit gibt es viele. Es ist die Frage, ob es sinnvoll ist, bei einigen Mandanten Mediationsverfahren anzubieten, weil in der Regel der Steuerberater als Mediator nicht allparteilich sein kann. Diesem Nachteil kann jedoch dadurch begegnet werden, dass nicht der Steuerberater selbst, sondern ein ihm in einem Netzwerk verbundener Steuerberater das Mediationsverfahren bei seinen Mandanten durchführt. In welchen Bereichen ist eine Wirtschaftsmediation für den Steuerberater sinnvoll und denkbar? ■ Auseinandersetzungen von Gesellschaftern oder Gesellschaftsgruppen können oft nicht rechtlich gelöst werden, weil die einzelnen Wünsche und Bedürfnisse der Beteiligten keine Rechtsfragen, sondern entweder wirtschaftliche Vorstellungen oder emotionale Bedürfnisse sind, die durch ein Gerichtsverfahren gar nicht oder nur schlecht gelöst werden können.
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§ 1 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator ■
Auseinandersetzungen zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern oder Gesellschaftern und Aufsichtsrat sind, wenn es sich nicht um Schadensersatz oder strafrechtliche Belange handelt, sehr schwer in einem Gerichtsprozess zu entscheiden. Die Wirtschaftsmediation wäre hier der richtige Weg zur Lösung der Konflikte. ■ Regelungen der Nachfolge in einem Unternehmen sind oft auf vielfältige Weise möglich, allerdings sind die Vorstellungen der Generationen sehr unterschiedlich. Auch hier spielen emotionale Bedürfnisse und Wünsche eine große Rolle. Sie können eigentlich nur im Rahmen von Verhandlungen oder einer Wirtschaftsmediation gelöst werden. ■ Lösungen für Erbauseinandersetzungen, nach Eintritt des Erbfalls, sind ähnlich wie Nachfolgeregelungen hochemotional. Oft drängt hier die Zeit, weil z.B. Erbausschlagungen oder von den gesetzlichen oder testamentarischen Erbregelungen abweichende Vereinbarungen nur unter Einhaltung bestimmter Fristen möglich sind. ■ Innerbetriebliche Konflikte, die zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitern, zwischen Abteilungen oder der Geschäftsführung mit dem Betriebsrat auftreten, können durch Wirtschaftsmediation gelöst werden. Hier ist ganz besonders die Allparteilichkeit des Mediators von Bedeutung, so dass der Steuerberater des Unternehmens wohl nicht in Frage kommt. ■ Die Durchführung der Sanierung von Unternehmen und damit die Lösung von Konflikten mit Lieferanten und Kunden ist ein typischer Fall für eine Wirtschaftsmediation. Auch hier kommt der Steuerberater des betroffenen Unternehmens wegen der fehlenden Allparteilichkeit nicht in Frage. Auch diese Aufzählung beinhaltet nur einige ww von Wirtschaftsmediationen durch Steuerberater, weil diese Konfliktarten in den Tätigkeitsbereichen der Steuerberater vorkommen, die zu ihren täglichen Beratungsbereichen zählen. Hier sind Steuerberater gegenüber Mediatoren aus anderen Berufsgruppen im Vorteil, weil sie die Hintergründe, die rechtlichen und steuerrechtlichen Gegebenheiten, beherrschen und dadurch z.B. Sachverständige nicht benötigt werden. Das Verständnis der Konflikte ist für den Mediator von großer Bedeutung, so dass in diesem Bereich für Steuerberater keine Probleme entstehen.
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§ 2 Verhandlungsformen Wir machen Sie zunächst mit Verhandeln im Allgemeinen vertraut, weil eine aktive Konfliktlösung ohne Verhandlung nicht denkbar ist. Verhandlungen bestimmen den Alltag von Steuerberatern: Verhandlungen mit den Mitarbeitern, den Mandanten, Behörden und Gerichten. Es zählt zu den Aufgaben des Steuerberaters, die Mandanten in deren Verhandlungsbedarf zu unterstützen. Verhandeln ist Steuerberatern also wohl vertraut.
A.
Verhandeln
A.
Zitat1: „Verhandeln ist Gefühlssache. Was den exzellenten Verhandler vom Amateur unterscheidet, ist sein Gespür für die Situation. Man weiß eben nicht, ob es in einer bestimmten Lage z.B. erfolgsversprechender wäre, mehr Druck aufzubauen oder aber sich konziliant zu zeigen, sondern spürt es allenfalls. Man kann es gar nicht wissen, denn das Verhalten der anderen Seite ist abhängig vom eigenen – aber dieses eben auch wieder umgekehrt von dem Verhalten der Anderen. In einem solchen System herrscht Rückbezüglichkeit. In logisch-mathematischer Betrachtungsweise verhält es sich damit nichtlinear und sein Verhalten kann prinzipiell nicht vorhergesagt werden. Es ist unberechenbar. Genauer gesagt: chaotisch. Zudem ist der Kontext meist komplex. Da zu viele Parameter an der Entscheidungsfindung beteiligt sind und diese miteinander wechselwirken, ist sie mit reiner Logik nicht zu durchdringen. So ließ etwa im Rahmen einer wissenschaftlichen Verhandlungssimulation der amerikanische Rechtsprofessor G. Williams 40 praktizierende Anwälte in einem Schadensersatzprozess nach dem Recht des Staates Iowa gegeneinander verhandeln. Die 20 Verhandlungsergebnisse lagen zwischen 15.000 und 95.000 $ mit erheblicher Streuung um den Mittelwert. Bei Gericht und auf hoher See... Wesensmerkmal jeder Verhandlung ist die relative Unvorhersehbarkeit in Verlauf und Ergebnis.“
I.
2
Erfolgsfaktoren für Verhandlungen
Der Erfolg von Verhandlungen beruht meist auf einer Kombination von guter Vorbereitung, klaren Verhandlungszielen und der Fähigkeit, den oder die jeweiligen Verhandlungspartner positiv zu beeinflussen und zu überzeugen. Alle Faktoren bedürfen zu ihrer sicheren Anwendung systematischer Planung und situationsgerechter Einübung. Das wird trainiert; in den Seminarangeboten steht: ■ Methoden für die gezielte Analyse der Verhandlungspartner ■ Führen durch Fragen ■ Argumentationstechniken ■ Behandeln von Widerständen und Aggressivität ■ Reaktion auf unfaire Methoden ■ Positiv abschließen 1
1
http://www.partner-newsletter.de/artikel/Verhandlungstaktik_2005-10.htm
47
3
2
2
§ 2 Verhandlungsformen Was ist daran? Was verbirgt sich hinter diesen Angeboten, denen die Annahme eines Schulungsbedarfes zugrunde liegt?
2
II. 4
5
Typische Fehler von Beratern bei Verhandlungen
Als typische Verhandlungsfehler von Steuerberatern (aber auch Juristen) werden durch die Seminarangebote für besseres Verhandeln suggeriert: Eine Verhandlungssituation wird nicht als solche wahrgenommen: Muss-Ziele werden in der Vorbereitung zwar formuliert, aber dem Gegner nicht kommuniziert, so dass der gar nicht weiß, worum es geht. Damit kann auch ein Verhandlungsspielraum nicht transpartent und somit nicht genutzt werden. Es verhandelt der Falsche: Auftraggeber oder Vorgesetzte sollten nicht (sofort) mit an den Verhandlungstisch. Für Rücksprachen wird die Verhandlung unterbrochen. Besteht der Auftraggeber aber auf seine Teilnahme, muss dennoch der Steuerberater/Jurist die Verhandlung führen und nicht etwa nur bei bestimmten Punkten hinzugezogen werden. Die Vorbereitung ist unzureichend: Wer in der Vorbereitung scheitert, bereitet sein Scheitern vor. Da erfahrene Verhandler um die Unvorhersehbarkeit eines Verhandlungsverlaufs wissen, ziehen sie oft den falschen Schluss daraus und bereiten sich zu wenig vor. Es wird zu wenig gefragt: Menschen konstruieren ihre eigenen Wirklichkeiten. Das Missverständnis, man verstehe einander, nur weil man die gleichen Worte verwendet, ist weit verbreitet. Juristische Definitionen – und nicht nur diese – sind aber keineswegs immer fassbar. Und Motive keineswegs immer selbstverständlich. Es wird zu wenig im Konjunktiv formuliert: Erfolgreiche Verhandlungen gestalten sich als kreativer Such- und Findungsprozess und nicht als Schlagabtausch. Prägnant formulierte und rhetorisch präzise vorgetragene Argumentationen verfehlen den beabsichtigten Zweck. Der emotionale Faktor wird nicht erkannt: Ein professioneller Verhandler bleibt stets gelassen, freundlich und höflich, selbst wenn es sich um Verhandlungen mit einem Geiselgangster handeln sollte. Es wird um Positionen gefeilscht: statt neue Lösungen für Interessen gesucht
III.
Verhandlungshindernisse
1.
Komplexität
Gerade der Steuerberater hat – wie auch Rechtsanwälte – häufig komplexe Sachverhalte zu verhandeln. Die Vielzahl von Aspekten, die jeder für sich von entscheidungserheblicher Relevanz ist oder sein kann, macht den Verhandlungsgegenstand unübersichtlich. Die Komplexität wächst, wenn der Verhandlungsgegenstand konfliktbehaftet ist oder wenn es um die Verhandlung von Konfliktlagen geht.
48
2
B. Was ist verhandeln?
2.
Verhandlungsdilemma
Befinden sich die Verhandlungspartner „im Krieg“, sind sie aufgrund der persönlichen Konfliktlage nicht mehr in der Lage, sich auf den Verhandlungsgegenstand zu konzentrieren. Für die Konfliktpartner heißt dies, sich wehrhaft zu verbarrikadieren, oder nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ aggressiv vorzugehen. Das führt zwangsläufig zu einer Eskalation des Konfliktes. Diese Situation des Verhandelns unter Gegnern wird als Verhandlungsdilemma bezeichnet.
3.
6
Andere Hindernisse
An anderen Hindernissen erwähnen wir einführend: Konfliktlagen ■ Fehlende Gesprächsbereitschaft oder die „Gegenseite“ verhandelt schlicht nicht ■ Der Verhandlungspartner hört nicht zu ■ Der Verhandlungspartner versteht Gesagtes anders als es gemeint gewesen ist
7
■
B.
Was ist verhandeln?
B.
Verhandeln ist Kommunikation mit Konzentration auf die verbale Kommunikation, die auf ein Ziel gerichtet ist. Ziel ist, eine Entscheidung herbeizuführen.
8
> Hierzu ein Beispiel: Anton Flieger (A) und Berthold Maier (B) sind (gleichberechtigte) Geschäftsführer der Maier und Co.. Maier und Co. ist eine Familiengesellschaft und hoch profitabel. Die beiden Geschäftsführer sind von den zwei Familienstämmen in die Geschäftsführung entsandt worden, auf die sich 100% der Geschäftsanteile verteilen. Während der Familienstamm von Anton (45% der Geschäftsanteile) an gleichbleibend hohen Gewinnausschüttungen interessiert ist, ist der Stamm hinter Berthold auf die Dividende nicht angewiesen. Berthold möchte durch Einstellung einer Rückstellung Risikovorsorge für das Unternehmen betreiben. Da das geschäftliche Risiko nur latent besteht, ist A gegen die Bildung dieser Rückstellung. Wenn A und B miteinander sprechen, ob und ggf. wie diese Rückstellung gebildet werden soll, verhandeln sie miteinander. Bevor wir in der Betrachtung des Beispiels fortfahren zunächst ein wenig Theorie zu Kommunikation.
I.
Kommunikation 2
Kommunikation (lat. communicare „teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen“) bezeichnet im menschlichen Alltag ein gemeinschaftliches Handeln, in dem Gedanken, Ideen, Wissen, Erkenntnisse, Erlebnisse (mit)geteilt werden und auch neu entstehen. Kom2
Das Wort Kommunikation fand erst Anfang der 1970er Jahre Eingang in den deutschen soziologischen Sprachgebrauch. Die Psychologen Paul Watzlawick, Don D. Jackson und Janet H. Beavin behandelten 1967 aus therapeutischer Sicht die Rolle von Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen. Im Vorwort zur deutschen Ausgabe ihres Werks Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien bezeichnet Watzlawick den Begriff Kommunikation als „im Deutschen ungewohnt“.
49
9
2
2
§ 2 Verhandlungsformen munikation in diesem Sinne basiert auf der Verwendung von Zeichen in Sprache, Gestik, Mimik, Schrift, Bild oder Musik. Unter Kommunikation wird auch das wechselseitige Übermitteln von Daten oder von Signalen verstanden, die für den Beobachter der Kommunikation eine festgelegte Bedeutung haben. Bei der Beschreibung sozialer Zusammenhänge kann Kommunikation als ein Prozess angesehen werden, in dem mehrere Lebewesen (Menschen) gemeinsam Probleme lösen. Als Grundlage für die Möglichkeit kommunikativer Problemlösung wird eine Geschichte gemeinsamen Lebens angesehen. In gemeinsamer Lebenspraxis entsteht beispielsweise die Sprache. Kommunikation passiert also nicht nur auf verbaler Ebene.
2
1. 10
Verbale Kommunikation
Wenn A und B über die Rückstellung sprechen, verhandeln sie. Das miteinander Reden ist Kommunikation und beschränkt sich niemals (wie zuvor bereits ausgeführt) allein auf die Worte. Neben der verbalen Kommunikation wirkt die nonverbale Kommunikation; gemeinsam ergeben sie das, was „mitgeteilt“ wird. Kommunikationswissenschaftler haben festgestellt, dass nur ca. 10 % eines kommunikativen Austausches über Worte geht; um die 90% werden nonverbal transferiert. Die Chancen für Kommunikationsstörungen sind groß: hört doch der Adressat einer Nachricht nicht unbedingt das, was der Sender mitteilen will. Das kann seine Ursachen sowohl beim Sender als auch beim Empfänger haben. Hinzu kommt, dass jede Nachricht vier Aspekte3 enthält: den Sachaspekt, den Beziehungsaspekt, den Selbstoffenbarungsaspekt sowie den Appellaspekt. Wir möchten die Theorie hier nicht weiter vertiefen, mit dem Hinweis jedoch verdeutlichen, dass Kommunikation eine vielschichtige und damit heikle Angelegenheit ist. > Zurück zum Beispiel: A und B argumentieren miteinander, ob die Rückstellung nun notwendig ist oder nicht. A hat ein Gutachten erstellen lassen, das zum Ergebnis kommt, die Rückstellung sei handelsrechtlich unzulässig und dürfe nicht gebildet werden. B argumentiert, dass er die Entscheidung zur Not über die Gesellschafterversammlung laufen lässt und ihm daher die Mehrheit der Stimmen sicher sei. In dieser Auseinandersetzung denkt A über B: „der ist auch nur der Handlanger von Onkel Willy, der uns die höhere Dividende nicht gönnt“. B denkt über A: „der hat noch nicht einmal den Mumm, klar und deutlich zu sagen, dass er von seiner Familie Druck bekommen hat, weil die das Geld (die Dividende) brauchen“. Wie können wir uns den Verlauf eines solchen Gespräches vorstellen? A und B kennen sich von Kindesbeinen an. Sie verfügen über Erfahrungswerte, wie solche Auseinandersetzungen ausgehen. B mag sich besonders stark fühlen, weil er mit der Strategie schon häufiger gut gefahren ist, die Gesellschafterversammlung entscheiden zu lassen. Das weiß A; er hat schon erlebt, dass seine inneren Bedenken den self-fullfilling-prophecy-Effekt hatten. War dem so, hat er seine Bedenken unbewusst und nonverbal kommuniziert und B hat diese Signale empfangen, was zu einer Stärkung in der Festigkeit zur Folge hatte, mit der er seine Position vertreten hat. Was genau ist also nonverbale Kommunikation?
3
50
Grundlegend Schulz von Thun in „Miteinander reden“
2
B. Was ist verhandeln?
2.
Nonverbale Kommunikation
Nonverbale Kommunikation ist der – nicht unbedingt bewusste – Ausdruck der Befindlichkeit eines Kommunikationspartners. Nicht jede Bewegung, die Menschen ausführen, zählt zur nonverbalen Kommunikation. Wird das Gesicht einer Person durch äußere Umstände willkürlich oder unwillkürlich in irgendeiner Weise verzerrt, sei es durch Berührung mit Händen oder Gegenständen, z.B. durch starken Winddruck beim Autofahren im Kabrio, so liegt ein Ausdruck vor. Ihm kann zwar durch den Beobachter Information entnommen werden, aber es handelt sich hierbei nicht um eine aktive Leistung. Auch Zweckbewegungen oder kurzfristige farbliche Ausdrucksveränderungen, wie z.B. durch Schattenwurf zählen nicht zur nonverbalen Kommunikation. Nonverbale Kommunikation wird manchmal auch als analoge Kommunikation bezeichnet, verbale Kommunikation als digitale.
a)
Unbewusste nonverbale Kommunikation
Neben den visuell aufgenommenen Informationen, denen in der nonverbalen Kommunikation generell ein hoher Stellenwert beigemessen wird (Mimik und Gestik), haben auch die übrigen Sinne eine enorme Bedeutung für das durch nonverbale, direkte Kommunikation gesteuerte Verhalten. Vor allem die über den Geruchssinn unterhalb der Wahrnehmungsschwelle aufgenommenen Signale wie beispielsweise entfernter Verwesungsgeruch, ein Feuerherd, die Zusammensetzung der Luft vor einem Gewitter oder die Rezeption von Pheromonen (sexuelle Botenstoffe des menschlichen Körpers) beeinflussen das menschliche Verhalten unbewusst. Dies hat seine Ursache in der bereits auf der Ebene des Stammhirns stattfindenden Verarbeitung, auch wenn die Schwelle zum Bewusstsein nicht überschritten wird. Da das Stammhirn, auch als „Reptilienhirn“ bezeichnet, ein wichtiges Steuerungsorgan für unsere autonomen Funktionen darstellt, können wir oft nicht erklären, warum uns plötzlich die Libido, Angst oder Unsicherheit scheinbar unvermittelt überkommen. Die genetische Prägung solch elementarer Signale, die auf Tod, Fortpflanzungsmöglichkeit oder Gefahr durch Naturgewalten hinweisen, wird als Erbe aus frühgeschichtlicher Vorzeit des Menschen angesehen. Die so gewonnenen Informationen werden anschließend im entwicklungsgeschichtlich viel jüngeren Großhirn kognitiv verarbeitet und mit archetypischen Verhaltensmustern gekoppelt. Im letzten Bearbeitungsschritt formt der intelligente Verstand aufgrund von sozialisierter Erfahrung dann die passenden Begründungen und Argumente und entwickelt intelligente Strategien, um beispielsweise einen Heimweg zu finden oder die Paarung zu ermöglichen. Doch längst nicht alle nonverbale Kommunikation verläuft unbewusst.
b)
11
12
Teilbewusste nonverbale Kommunikation
Bestimmte körpersprachliche Signale laufen teilbewusst ab. So bemerken wir i. d. R. durchaus bestimmte Veränderungen unserer Mimik selbst, über weite Strecken nehmen wir diese Veränderungen jedoch nicht wahr und können diese auch nicht bewusst zur Kommunikation einsetzen. Friedrich Nietzsche hat das schon auf den Punkt gebracht: „Man lügt zwar mit dem Mund, mit 51
13
2
2
§ 2 Verhandlungsformen
2
14
dem Maul, doch durch das, was man dabei macht, sagt man doch die Wahrheit.“ Bestimmte autonome Körperfunktionen wie beispielsweise Schweißbildung, Pupillenveränderung oder Pulsschlag, die dem Gegenüber auffallen, können nicht bewusst gesteuert werden, sind jedoch zum Teil durchaus selbst wahrnehmbar. Ähnlich den olfaktorischen Signalen bildet die Körpersprache ebenfalls Ausdrucksformen einer genetisch veranlagten Verhaltenssteuerung ab. Diese führen uns beispielsweise bei Gefahr zu erhöhter Leistungs- und Wahrnehmungsfähigkeit (Hautwahrnehmung durch Schweißbildung, gesteigerte Leistungsfähigkeit durch Pulsveränderung, Wahrnehmungsveränderungen des Gesichtsfeldes bei Gefahr etc.) oder sie helfen uns bei der Vorbereitung der Fortpflanzung, das jeweils beste erreichbare genetische Material zu gewinnen (die kräftige männliche Erscheinung als Zeichen für Durchsetzungsfähigkeit beziehungsweise die Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale der Frau zur Versorgung der Kinder). Da diese Einschätzungen teilweise unbewusst ablaufen, werden sie kulturell oft verleugnet. Längerfristige Veränderungen in den Lebensgewohnheiten des Menschen drücken sich ebenfalls körpersprachlich aus. Allgemein bekannt sind Haltungsstörungen im Wirbelsäulenbereich aufgrund mangelnder Vitalität oder mimische Veränderungen aufgrund lang anhaltender einseitiger emotionaler Lebenssituationen (die „griesgrämige Erscheinung“, die „Lachfalten“, das „markante Kinn“). Ein besonders wichtiges Beispiel ist in diesem Zusammenhang das Lachen. Vor allem Frauen haben aufgrund ihrer sozialbetonten Veranlagung das Lachen und das Lächeln kulturhistorisch auch immer schon als „Waffe“ eingesetzt, und zwar als Gegengewicht zu sozialen Spannungen in der Gruppe und in der Familie. Auch heute noch beobachten Verhaltensforscher, dass Frauen in Führungspositionen eher in der Lage sind, gekonnt mit einem Lächeln zum rechten Zeitpunkt entscheidende Verhandlungssituationen entspannen zu können. Dieses ist eine Fähigkeit, die genetisch veranlagt und durch die evolutionär geprägte Übung im Umgang mit Sozialisationsprozessen bei der Erziehung und Versorgung der Gruppe von überlebenswichtiger Bedeutung war.
c) 15
Bewusste nonverbale Kommunikation
Die Gestik des sprechenden Menschen drückt sich durch Arme und Hände aus. Die Mimik bezieht sich auf das Gesicht, insbesondere die Augen- und Mundpartie. Hier finden sich nuancenreiche Ausdrucksformen, die über das innere Erleben oft mehr sagen als viele Worte. Auch die Fähigkeit des „Lesens“ in einem Gesicht ist Teil unserer genetischen Veranlagung aus der Zeit, in der die Sprache noch nicht entwickelt war. Als Teil der gesellschaftlichen Sprache ist der bewusste Einsatz von Gesten, Mimik und Körperstellungen Bestandteil jeder menschlichen Kultur. In unterschiedlichen Gebieten der Erde haben ähnlich ausgeführte Gesten zum Teil eine vollkommen gegenteilige Bedeutung: so bedeutet beispielsweise das Kopfnicken in Griechenland und Bulgarien Ablehnung, das Abwinken mit der Handfläche nach unten bedeutet in Afrika und Asien eine Einladung. Im Gegensatz zu den teilbewussten Ausdrucksformen nonverbaler Sprache ist es in den bewussten Bereichen der Körpersprache möglich, nonverbale Ausdrucksformen zu erlernen.
52
2
B. Was ist verhandeln? > Zum Beispiel: Das Anlächeln des Gegenübers zur Kontaktaufnahme Das „Pokergesicht“ des Kartenspielers Die unterstützende Gestik mit den Händen im Dialog Der „selbstbewusste Händedruck“ des Verkäufers. Das eingeübte „Stehen“ des in Rethorik geschulten Redners
2
Das „Schönmachen“ durch die gezielte Verwendung von Duft- und Farbstoffen (Parfum, Lippenstift, Mascara usw.), sowie sorgfältig ausgewählter Kleidung ist eine kultivierte Kombination verschiedener Signalhandlungen bewusster nonverbaler Kommunikation. Sie dient in gesellschaftlicher Umgebung als Ausdruck „gepflegter“ und somit attraktiver Erscheinung. Umgangssprachlich stehen die Feststellungen „Kleider machen Leute“ bzw. „Des Kaisers neue Kleider“ oder die Geschichte des „Hauptmann von Köpenick“ exemplarisch für die Bedeutung, die dem Geschmack, dem Stil, aber auch dem Wert und der Funktion menschlicher Kleidung als gezielte Ausdruckselemente nonverbaler Kommunikation beigemessen wird. Kleidung und andere Maßnahmen der Körpergestaltung (wie Schmuck, Frisur, Barttracht, Tattoos, Kopfbedeckungen etc.) als Elemente der Körpersprache, sowie Maßnahmen der weiteren Umfeldgestaltung (Wohnung, Haus, Auto, Garten etc.), stellen den dritten Bereich der bewussten nonverbalen Kommunikation dar.
3.
Bedeutung der Kommunikationstheorie für Verhandeln
Wir wissen heute um die Bedeutung der nonverbalen Kommunikation. Elemente der bewussten nonverbalen Kommunikation werden in die Taktik beim Verhandeln eingebaut. Es bleibt jedoch die Tatsache bestehen, dass im Rahmen der unbewussten nonverbalen Kommunikation viele Informationen transferiert werden. Ist sich ein Kommunikationspartner dessen bewusst, kann dieser Umstand verunsichernd wirken. Beispielsweise fühlen sich manche Menschen in der Begegnung mit Psychologen verunsichert, weil sie davon ausgehen, dass die unbewusst vermittelten Kommunikationsinhalte vom Gegenüber erkannt und bewertet werden. Verunsichernder Umstand ist dabei häufig die Befürchtung, der Psychologe könnte mit seiner Deutung falsch liegen. Nun ist es eher nicht der Normalfall, dass Verhandlungen mit Psychologen stattfinden. Tatsache ist aber, dass der „ normale“ Verhandler annimmt, er vermittle mit Worten das, was er in die Verhandlung einbringen möchte. Je nach Bedeutung der Verhandlung für ihn persönlich gibt er sich dabei mehr oder weniger Mühe. Mehr Mühe geben heißt immer, dass er sich über verhandlungstaktische Aspekte Gedanken macht; weniger Mühe geben bedeutet, dass er sich mit in seinem typischen „Alltagsverhalten“ in der Verhandlung zeigt. Wie sieht eine Typologie von Verhandlern aus?
II.
16
Verhandlungstypen
Bei Verhandlungstypen differenzieren wir: der intuitive Verhandler ■ der reflektierte Verhandler
17
■
53
2
§ 2 Verhandlungsformen
1. 2
18
Haben Sie sich je bewusst gemacht, welche (unbewusste) Strategie und Taktik Sie beim Verhandeln verfolgen, was ihr Verhandlungsstil ist? Das hängt, solange Sie sich keine Gedanken darüber machen, von der Persönlichkeitsstruktur ab.
a) 19
intuitives Verhandeln
Persönlichkeitsstrukturen
Persönlichkeitsstrukturen werden vielfältig4 klassifiziert. Wir nennen hier beispielhaft das Eneagramm5, das LIFO-System6 oder HDI7, die sich alle mit Typisierungen von Menschen befassen betreffend ihr soziales Verhalten im wirtschaftlichen Umfeld. Wir wählen – auch wegen der Kürze – die Typisierung nach HDI: Der rationale Typ: ■ er analysiert, quantifiziert, ist logisch, ist kritisch, ist realistisch, liebt Zahlen, ist faktenorientiert, technisch, organisiert, ■ er verhandelt rational, sorgfältig, präzise, logisch, bestimmt Der experimentelle Typ: ■ er spekuliert, ist kreativ, konzeptionell, ist intuitiv, ist risikofreudig, übertritt Regeln, mag Überraschungen, ist neugierig / spielt; ■ er verhandelt erforschend, phantasievoll, abenteuerlustig, experimentell, kreativ Der sicherheitsbedürftige Typ: ■ er trifft Vorkehrungen, strukturiert, realisiert Dinge, ist zuverlässig, organisiert, ist ordentlich, ist pünktlich, plant; ■ er verhandelt sorgfältig, methodisch, ist Verfahrens-bewusst, zuverlässig, berechenbar, diszipliniert, detailliert, ein Macher Der (mit-) fühlende Typ: ■ er ist mitfühlend, ist gefühlsbetont, will unterrichtet sein, bewegt viel, ist hilfsbereit, ist expressiv, ist emotional, redet viel; ■ er verhandelt sozial freundlich, gesellig, mitfühlend, menschlich emotional Typisierungen sind immer Abstraktionen und Generalisierungen; in der beschriebenen Reinheit gibt es diese Menschen nicht, wohl aber entsprechende Dominanzen.
4 5 6 7
54
Überzeugend auch die Kapitel „Kommunikationsstile zwischen Persönlichkeits- und Beziehungsdynamik“ von Friedemann Schulz von Thun in „Miteinander Reden“ 2 Das Enneagramm ist ein psychologisches System, das neun grundlegende Persönlichkeitstypen erfasst. Wesentlich am Enneagramm (und hier unterscheidet es sich wohltuend von vielen anderen charakterologischen Systemen) ist, dass es nicht-wertend ist. Seht für „Life Orientations“ Herrmann-Dominanz-Instrument (H.D.I.®)
2
B. Was ist verhandeln?
b)
Persönlichkeit und Verhandlungstyp
Generell können Verhandlungstypen als kompetitiv, ■ kooperativ oder ■ individualistisch bezeichnet werden. Der kompetitive Typ hält immer an seiner harten Strategie fest. Im Extremfall sogar gespickt mit Bluff und Drohung. Sein Verhalten kann mit seiner Sicht der Dinge erklärt werden. Er geht davon aus, dass alle anderen auch kompetitiv eingestellt sind. Somit würde ein kooperatives Verhalten seinerseits dazu führen, dass er über den Tisch gezogen werden würde, sich jedenfalls so fühlte. Interessanterweise ändert ein anfänglich kooperativer Verhandlungspartner auch seine Vorgehensweise, falls er die Verhandlungen nicht einstellt, wenn er auf einen kompetitiven Strategen trifft. Durch dieses Verhalten wird der kompetitive Mensch in seinem Irrglauben bestätigt, dass alle anderen ebenfalls nur die kompetitive Verhandlungsstrategie anwenden. Der kooperative Verhandlungstyp will persönliche Konflikte vermeiden und macht daher eher Zugeständnisse, um so eine Übereinkunft zu erzielen; er sucht nach einer friedlichen Lösung. Der individualistische Verhandlungstyp ist offen für das, was kommt; er mag z.B. ein Spieler sein. So kann er ad hoc seine Strategie wechseln und die Taktik ändern. In diesem Sinne werden der rationale und der sicherheitsbedürftige Typ dazu neigen, kompetitiv zu verhandeln der fühlende Typ kooperativ und der experimentelle individualistisch. Die Typenbeschreibung zeigt aber auch, dass insbesondere der sicherheitsbedürftige Typ eher weniger unreflektiert handelt im Hinblick auf Strategie und Taktik in seinen Verhandlungen; auch der rationale Typ wird sein Tun eher reflektieren. Dagegen handeln sowohl der experimentelle als auch der fühlende Typ unreflektiert und leben damit ihre Typologie aus.
20
■
c)
kulturelle Einflüsse
Andere Kulturen haben eigene Verhandlungsstile, die sich von unseren unterscheiden und entscheidenden Einfluss auf die Kommunikation haben können. Beispielsweise verhält sich der Brite anders als ein Deutscher: Der britische Verhandlungspartner ist sehr höflich, mit einer Neigung zu subtilem Humor, der leiser, trockener und weniger aufdringlich ist als der Deutsche. Im Gegensatz zu den Deutschen gehen britische Verhandlungspartner weniger intensiv vorbereitet in Gespräche. Die Vorstellung vom Verhandlungsverlauf ist eher kooperativ als konfrontativ und relativ undogmatisch. Dies spiegelt sich auch in der Kommunikation wider: Die Anrede mit Vornamen ist normal und sollte somit nicht als besonderer Sympathie- oder Vertrauensbeweis interpretiert werden. Der britischen Höflichkeit folgend wird der britische Partner Ihnen selten offen widersprechen, sondern seine Bedenken höflich umschreiben. Wenn er sich für den Standpunkt der Gegenseite bedankt und ihn als „helpful“ oder „interesting“ bezeichnet, so heißt dies noch lange nicht, dass er die Position teilt. Im Gegensatz zum eindeutigen deutschen „Nein“ heißt es auf Englisch im Falle einer Verneinung oft „not really“. Die zwischenmenschliche Chemie ist bei den Briten sehr viel wichtiger als in Deutschland. Legen deutsche Geschäftsleute größeren Wert auf die fachliche, geschäftliche Ebene, so misst der Brite der persönlichen Sympathieebene einen größeren Wert bei. Ein wichtiger Gradmesser ist der Sinn für Fairplay. Wenn britische Manager auch weniger formell sind als vermutet, so gilt Gleiches 55
21
2
2
§ 2 Verhandlungsformen nicht für den Dresscode: Die Kleidung britischer Geschäftsleute ist nach wie vor konservativ. Semiberufliche Zusammenkünfte spielen bei der Geschäftsanbahnung und Kontaktpflege eine große Rolle. Zum zwanglosen Essen lädt der britische Partner seine Gäste eher in ein Restaurant als zu sich nach Hause ein. Wichtig ist, die Unterschiede in der innerbritischen Geschäftskommunikation zu kennen: Briten sind in der internen Kommunikation sehr zurückhaltend. In der Folge haben Vorgänge, die unterschiedlich eingeschätzt werden, oft fatale Folgen.
2
2. 22
Natürlich ist auch bewusstes Verhandeln in der gewählten Strategie und Taktik abhängig von der Persönlichkeit des Verhandlers; insoweit gilt die oben beschriebene Klassifizierung auch hier. Adjektive und Schlaglichter zu Verhandlungsstilen sind: ■ Hart aber fair ■ Rigide oder flexibel ■ Sachlich oder emotional ■ Wer argumentiert verliert ■ Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu
a) 23
gewählter Verhandlungsstil mit win-win Ziel
Misst ein Mensch einer Verhandlung große Bedeutung zu (ist das Ergebnis für ihn wichtig), wird er sich damit auseinander setzen, wie er verhandelt – er macht sich sein Tun bewusst. Das geschieht in der Regel durch gezielte Vorbereitung, in der Strategie und Taktik festgelegt werden. Manche Berufsgruppen lassen sich schulen; für Verkäufer zum Beispiel ist „richtiges“ Verhandeln von existenzieller Bedeutung. Auch Schulungen in Rhetorik mögen hin und wieder motiviert sein durch den Wunsch, verhandlungstaktisch besser gerüstet zu sein.
c) 25
Verhandlungsstil hart oder weich mit Gewinner und Verlierer
Die meisten Menschen kennen nur zwei Verhandlungsarten: die harte und die weiche. Beide Typen riskieren zu verlieren; es geht ihnen nicht um einen Interessenausgleich. Derjenige, der weich verhandelt, will persönliche Konflikte vermeiden und macht daher eher Zugeständnisse, um so eine Übereinkunft zu erzielen; er sucht nach einer friedlichen Lösung. Der hart verhandelnde betrachtet jede Situation als einen Willenskampf, in dem die Seite besser fährt, die die extreme Position einnimmt und sie länger durchhält. Er will gewinnen.
b) 24
Bewusstes Verhandeln
Präferenzen von Führungskräften
Auf die Frage, welchen Verhandlungsstil Führungskräfte im deutschsprachigen Raum bevorzugen8, kam heraus: „Am häufigsten ist unter den Führungskräften ein Verhandlungsstil zu finden, der eine win-win Situation (was damit gemeint ist, stellen wir später dar) anstrebt (38 Prozent). Dafür werden auch 8
56
Aus Hernstein, Management Report 7/2005 – www.hernstein.at
2
B. Was ist verhandeln? kleine Nachteile in Kauf genommen, da die Beziehung zum Verhandlungspartner wichtig ist. Insbesondere deutsche Führungskräfte bevorzugen diesen Verhandlungsstil (55 Prozent) und wollen damit auch nirgends „anecken“. 35 Prozent der Führungskräfte beschreiben ihren Verhandlungsstil als in der Sache hart, aber auch kompromissorientiert, bei Schweizer Führungskräften sind es sogar 44 Prozent. 23 Prozent verfolgen einen Verhandlungsstil ganz nach dem Motto „Hart aber fair“. Sie wollen nicht um jeden Preis gewinnen. Dieser Verhandlungsstil findet sich am häufigsten unter österreichischen Führungskräften (30 Prozent) und am seltensten bei deutschen Führungskräften (13 Prozent). Einen harten Verhandlungsstil, bei dem man unbedingt gewinnen will und bei dem man gelegentlich sogar zu Tricks und Strategien greift, um den Gegner zu verunsichern, verfolgen nur österreichische Führungskräfte, allerdings auch nur zu 3 Prozent. Es muß aber auch erwähnt werden, dass nicht alle Führungskräfte zugeben wollen, einen derartigen Verhandlungsstil zu praktizieren.“
III.
Verhandlungsstrategie und Verhandlungstaktik 9
1.
Begriffe
Strategie und Taktik hängen eng zusammen: Beide zielen auf den richtigen Einsatz bestimmter Mittel in Zeit und Raum ab, wobei sich die Strategie im Allgemeinen auf ein übergeordnetes Ziel bezieht, während Taktik den Weg und die Maßnahmen bestimmt, (kurzfristigere Zwischen-) Ziele zu erreichen. ■ Strategie ist definitorisch der „große Plan über allem“ oder das „grundsätzliche Muster der Handlungen“. Dieser Plan kann dabei eine Vision oder Mission (Wirtschaft), eine Mehrheit oder Macht (Politik) oder auch ein militärisches Ziel definieren. Strategie ist mittel- bis langfristig angelegt. ■ Als Taktik bezeichnet man militärisch das führen der Truppen ins Gefecht, also die unmittelbare Art des Einsatzes von Streitkräften in einem Gefecht. Politisch und wirtschaftlich beschreibt Taktik Maßnahmen und Handlungen, die mit den gegebenen Mitteln kurzfristige oder mittelfristige Ziele zu erreichen suchen. ■ Strategisches Handeln ist ein zielorientiertes Vorgehen nach einem langfristigen Plan.
9
Neuen Bellona schreibt Clausewitz über die Ableitung der Definition von Taktik und Strategie aus dem Begriffspaar Mittel-Zweck: „Die Strategie ist nichts ohne das Gefecht; denn das Gefecht ist der Stoff, dessen sie sich bedient, das Mittel, das sie anwendet. So wie die Taktik der Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht ist, so ist die Strategie der Gebrauch des Gefechtes, das heißt die Verbindung der einzelnen Gefechte zu einem Ganzen, zu dem Endzweck des Krieges.“ (Neue Bellona, S. 271; vgl. Aron, Den Krieg denken, S. 80.)
57
2
26
2
§ 2 Verhandlungsformen > Beispiele: Grundsatzhaltungen in Militär, Wirtschaft, Politik oder auch Spiel und Sport lassen sich z. B. gut in Angriffsstrategie, Abwehrstrategie oder Eroberungsstrategie klassifizieren. Taktik beinhaltet kurzfristige Maßnahmen und unmittelbare Reaktionen, wie z. B. das Bauernopfer im Schach, das taktische Foul im Fußball oder den taktischen Winkelzug. Taktik kann auch zur Anwendung kommen, ohne eine Strategie zu haben.
2
Verhandlungsstrategie ist demnach die Planung/Definition des Verhandlungszieles; es geht um das WAS: was soll verhandelt werden? Diese Festlegung gibt dem Verhandler die Orientierung, was er mit der Verhandlung überhaupt erreichen möchte. Verhandlungstaktik beschäftigt sich dagegen mit dem Vorgehen, gibt Antworten auf die Frage, auf welchem Weg und mit welchen Mitteln das Ziel erreicht werden soll, dreht sich also um das WIE. Wenn die Taktik erstrangige Bedeutung erlang, kann das Ziel/der Plan – also die strategische Ausrichtung – sogar unsichtbar werden. Die Taktik ist die Kunst der „Kampfesführung“. Im wechselseitigen Zusammenhang zwischen Strategie und Taktik obliegt der Strategie die führende Rolle.
2. 27
Demnach liegt die zentrale Aufgabe der Verhandlungsstrategie in der Beantwortung der Fragen: Was verhandle ich, will ich erreichen, welches Ergebnis? Was könnte schlimmstenfalls geschehen, wenn ich das nicht erreiche?
a) 28
Verhandlungsstrategie
Bandbreite denkbarer Strategien
Vorwiegend aus dem Bereich des Militärs kommen die nachgenannten Schlaglichter, die die Dimension von Strategie verdeutlichen helfen: ■ „Jede Niederlage beginnt damit, dass man die Position des Gegners anerkennt.“ (Strategieprinzip im Umkehrschluss)10 ■ „Eine Schlacht wird von Logistikern geschlagen bevor sie begonnen hat.“11 ■ „Nicht kleckern sondern klotzen“12 ■ „Wer überall ist, ist nirgendwo.13 ■ „Eile dorthin, wo dich der Gegner am wenigsten erwartet“ (Strategem14)15 ■ „Sei als erster da mit den meisten Kräften“16 ■ „Die Variationen des Konventionellen und Unkonventionellen sind sonder Zahl.“17 ■ „Die Verteidigung ist bei vorausgesetzten gleichen Mitteln leichter als der Angriff.“18 ■ „Es ist nicht weise, das zu verteidigen, was man ohnehin aufgeben muss.“ (Strategem)19 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
58
Winston Leonhard Spencer Churchill Erwin Rommel Heinz Guderian Lucius Annaeus Seneca Ein Strategem (auch Strategema oder Stratagem) (griechisch στρατήγημα) beschreibt eine List, einen Trick oder einen manipulativen Kunstgriff im politischen, militärischen, betriebswirtschaftlichen oder privaten Leben. Sunzi Sun Tzu Nathan Bedford Forrest Sunzi Sun Tzu Carl von Clausewitz Niccolo Machiavelli
2
B. Was ist verhandeln? ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■
b)
„In der Schlacht ist Kühnheit der beste Schachzug des Genies.“20 „Die meisten meiner Entscheidungen beinhalten ein Risiko“21 „Lasst uns Piraten sein.“22 „Lieber Geld verlieren als Vertrauen.“23 „Werde nicht müde, deinen Nutzen zu suchen, indem du anderen Nutzen gewährst.“ (Strategem)24 „Vier G dürfen einem Feldherrn nicht fehlen: Geld, Geduld, Genie und Glück.“ (Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen einer Strategie)25 „Disziplin ist die Mutter des Sieges.“ (Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen einer Strategie)26 „Übe dich unablässig darin, deinem Weg zu folgen.“ (Voraussetzung für das erfolgreiche Gelingen einer Strategie)
Verhandlungsstrategien im Einzelnen
■
Verhandlungen sind in ihrer Orientierung geprägt durch die Wahl einer Strategie. Das Spektrum denkbarer Strategien ist nicht so groß: ■ Durchsetzung, d.h., es kann nur einer gewinnen (Strategie ist die Position). ■ Kooperation, d.h., dass das Ergebnis günstig für die beide Verhandlungsparteien ist (Strategie ist das Interesse beider Verhandlungspartner). ■ Kompromiss, d.h., dass die Fähigkeit nachzugeben Bedeutung hat, um ein richtiges Maß zu finden (Strategie ist eine Position, die aber – je nach Situation – auch veränderbar ist). ■ Abbruch, d.h., dass beide Seiten verlieren (Strategie ist das Nichtverhandeln). Begrifflich wird – im Grunde auf der Basis der vier Möglichkeiten strategischen Verhandelns – unterschieden: ■ kompetitive Verhandlungsstrategie ■ Vermeidungsstrategie ■ Kooperative Strategie ■ Anpassungsstrategie ■ Kompromissstrategie aa) kompetitive Verhandlungsstrategie wird auch als Konkurrenzstrategie oder Win-Lose- Strategie bezeichnet. Das Wort kompetitiv kann mit dem englischen Ausdruck „to compete = konkurrieren“ gleichgesetzt werden. Merkmal dieser Verhandlungsstrategie ist, dass es entweder zu einem Sieg (Win) oder einer Niederlage (Lose) kommt. Eine Verhandlung wird also als Wettkampf gesehen. Es wird versucht, auf Kosten des Verhandlungspartners sein Ergebnis möglichst zu maximieren. Die Annahmen der Handeln20 21 22 23 24 25 26
2
Napoléon Bonaparte Richard Branson, Gründer von Virgin Steve Jobs, Gründer von Apple Robert Bosch, Gründer von Bosch Marc Aurel Helmuth Karl Bernhard Graf von Moltke Alexander Wassiljewitsch Suworow
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2
§ 2 Verhandlungsformen den sind daher, dass es sich um ein Nullsummenspiel handelt und dass die zur Verteilung stehende Masse/Sache determiniert ist (im Gegensatz zur kooperativen Verhandlungsstrategie).
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bb) Vermeidungsstrategie besagt, dass Verhandlungen überhaupt abgelehnt werden (Lose-Lose- Strategie). Das kommt vor, wenn weder ein interessengerechtes Ergebnis erwartet wird noch eine gute Beziehung zum Verhandlungspartner von Interesse ist. cc) Kooperative Strategie bedeutsam sind sowohl der Verhandlungsausgang als auch die Beziehung zum Verhandlungspartner (Win-Win-Strategie). Dieses setzt voraus, dass die Ziele der Verhandlungspartner aufeinander abgestimmt werden können. Wenn man über Kooperation spricht, meint man eine Abhängigkeit, einen Nutzen für die Teilnehmer, auch Gleichberechtigung der Interessen. Die kooperative Verhandlungsstrategie verlangt Kompromissbereitschaft und die Gleichberechtigung der Interessen. Die Bedürfnisse des Gegenübers haben Bedeutung und werden berücksichtigt. dd) Anpassungsstrategie (Lose to Win- Strategie) besagt, dass es sich der Verhandler offen lässt, wie er mit Widerständen umgeht; er ist bereit, sich in seiner Zielorientierung an die geänderten Bedingungen anzupassen. ee) Kompromissstrategie erlangt Bedeutung, wenn keine echte win-win-Kooperation aufgebaut werden, dennoch aber ein für alle ein zum Teil positives Verhandlungsergebnis erreicht werden kann und eine gute Beziehung von Bedeutung ist. So geben alle Parteien in einigen, für sie vielleicht nicht so gewichtigen Verhandlungspunkten nach, um ein gemeinsames Basisziel zu erreichen.
c) 35
Bewertung der Strategien
Auf das Umfelld des Steuerberaters (Mandanten, Behörden und Gerichte) projeziert wird schnell klar, dass alles vertreten ist. Es wird jedoch auch deutlich: In der Praxis kommen meist Mischformen dieser Strategien zur Anwendung. Sicherlich setzt sich die kooperative Strategie immer mehr durch (die kooperative Verhandlung ist eine vielversprechende Verhandlungsstrategie, weil die Einigung der Partner in der Zukunft bessere Ergebnisse geben kann; denn als Team kann man mehr erreichen), auch wenn die Anpassungs- und Kompromissstrategie im Alltag noch immer die bedeutsamste Rolle spielt – insbesondere bei Verhandlungen mit Behörden und vor Gerichten. Das liegt sicherlich auch daran, dass der Unterschied zwischen den beiden Strategien wenig bekannt ist. Von entscheidender Bedeutung ist das Begriffspaar Position und Interesse, auf das wir im nächsten Abschnitt ausführlich eingehen. Während der Verhandler bei der Anpassungs- und der Kompromissstrategie aus einer „Position“ in die Verhandlung geht, fehlt diese Festlegung bei der kooperativen Strategie. > Hierzu ein Beispiel: A baut ein Haus. Er stellt bei einer Begehung fest, dass das Bauunternehmen anders baut als im Plan ausgewiesen. Geht er in die Verhandlung, in der es um diesen Fehler geht, mit der Strategie: „der Bau muss so erstellt werden wie es der Plan sagt; mal sehen, inwieweit ich das durchsetzen kann“ nimmt er eine Position ein, nämlich die, dass er darauf einen Anspruch hat. Er öffnet diese Position für sich insoweit, als er bereit ist, Abstriche von seiner Maximalforderung zu machen, wenn der Bau z.B. zeitgerecht fertig wird oder er einen Preisnachlass erhält o.ä.. Geht er in die Verhandlung weil er 60
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B. Was ist verhandeln? sein Interesse gewahrt sehen möchte, das dahin geht, als Mensch von 1,90 m in den Keller gehen zu können, ohne sich den Kopf zu stoßen (die Treppe ins 1. OG hat an 1 Stelle nicht den geplanten Abstand zur Kellertreppe), dann möchte er, dass die Atmosphäre mit dem Bauunternehmen weiterhin gut bleibt. Offen für die Lösung seines Anliegens geht er in die Verhandlung, möchte dabei aber auch die Interessen des Bauunternehmens einbezogen sehen. aa) Typische Strategie der rechtsberatenden Berufe Insbesondere Juristen denken in sog. Positionen: weil es einen (gesetzlichen/vertraglichen) Anspruch gibt wird kompetitiv verhandelt. Das bedeutet, dass der Anwalt von vornherein signalisiert: entweder geht der Verhandlungspartner auf die Bedingung ein oder das Gericht soll entscheiden. Diese Strategie ist mehr oder weniger bewusst darauf angelegt, zu gewinnen oder zu verlieren. Der Anwalt verfolgt sie, weil er davon überzeugt ist, dass er für seinen Mandanten gewinnen wird. Diese Überzeugung gewinnt er aus seiner Beurteilung der Rechtslage. In der Folge dieser Einschätzung ist auch der Mandant darauf ausgerichtet, kompetitiv zu verhandeln bzw. verhandeln zu lassen! Auch Steuerberatern ist dieses Denken nicht fremd; ist es doch ebenfalls ihre Aufgabe, dem Mandanten zu seinem Recht zu verhelfen. Da sie jedoch dem wirtschaftlichen Prinzip des Gebens und Nehmens näher stehen als die Anwälte und Richter, sind Steuerberater weniger „positionsfixiert“. bb) Von der Position zum Interesse Um diesen Übergang verständlich zu machen, wählen wir ein Beispiel aus dem Beratungskontext eines Rechtsanwaltes, das jedermann leicht nachvollziehen kann.
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> Beispiel Der Mandant kommt zum Rechtsanwalt, weil seine Ehefrau ausgezogen ist. Sie lebt mit den vier gemeinsamen Kindern in einer anderen Wohnung und fordert ihren Ehemann auf, Unterhalt zu zahlen. Der Ehemann will die Trennung nicht, er möchte, dass Ehefrau und Kinder wieder in das gemeinsame Einfamilienhaus einziehen. Er fragt den Anwalt, ob er die Unterhaltsforderung seiner Ehefrau akzeptieren müsse. Der positionsorientierte Jurist fertigt ein Gutachten zur Rechtslage an und kommt vielleicht zu dem Ergebnis, dass die Unterhaltsforderung der Ehefrau deutlich überhöht ist und empfiehlt, die Forderung zurück zu weisen. Vielleicht berät er den Ehemann auch dahin, der Ehefrau das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder streitig zu machen; die Kinder könnten dann wieder im Haus wohnen und er bräuchte keinen Unterhalt zu zahlen. Was hat der Berater getan? Er hat das Interesse des Mandanten als Auftrag interpretiert, ein Rechtsgutachten zu erstellen, um auf dieser Grundlage kompetitiv zu verhandeln. Bewusst haben wir diesen Beispielsfall so gewählt, dass das Missverhältnis zwischen dem wirklichen Interesse des Auftraggebers und dem (vom Anwalt) verstandenen Auftrag deutlich auseinander fällt. Dieses Beispiel zeigt die Realität insoweit auf, als Rechtsberater häufig das Begehr eines Mandanten interpretieren/verstehen, es ginge um die Bestimmung und Festigung einer Position. Häufig fragen Berater gar nicht mehr nach dem Interesse, weil sie unterstellen, es ginge um die Positionierung auf der Grundlage eines rechtlichen Anspruchs. (1) Position Der Begriff (lateinisch positio – Stellung, Lage) wird in verschiedenen Zusammenhängen gebraucht. Uns interessiert hier der Zusammenhang mit einer Meining und da insbesondere dem des Rechts. Eine Rechtsposition schützt den Berechtigten vor der Willkür Dritter. Diese Verlässlichkeit hat der Position im Recht eine so große Bedeutung verschafft. Problem ist eben nur, dass 61
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§ 2 Verhandlungsformen
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zunehmend unklarer ist, was die Rechtsposition im Einzelfall ist, ob die Position tatsächlich z.B. von einem Gericht bestätigt wird. Die Tendenz, für den Mandanten eine Position zu finden, ist bei den Rechtsanwälten nach wie vor an der Tagesordnung. Allerdings dringt zunehmend mehr (auch) in das Bewusstsein dieser Berufsgruppe, dass eine Positionierung (die win-loose-Strategie) fragwürdig ist. Das hängt stark mit der Ungewissheit zusammen, ob das zur Entscheidung anzurufende Gericht die Rechtsauffassung des Rechtsanwaltes teilt; es ist aber auch darauf zurück zu führen, das Anwälte die Erfahrung machen, dass ein auf eine Position „getrimmter“ Mandant nur schwer davon zu überzeugen ist, einem Vergleich vor Gericht zuzustimmen. Denn es ist Alltagsrealität, dass vor Gericht (vorzugsweise in Zivilsachen) vor einer Entscheidung eine vergleichsweise Einigung verhandelt wird; dieses verlangt zumindest die Einstimmung des Mandanten auf die Anpassungsstrategie. Erreicht wird das durch den Hinweis des Rechtsanwaltes, dass es sein könne, dass das Gericht eine andere Rechtsauffassung hat und man dann (z.B. mit Vergleichsbereitschaft) reagieren müsse. Damit ist die Positionsorientierung jedoch kein Stück vom Tisch! Der Weg zum Interesse ist noch weit. Im Beispielsfall ist das Interesse des Ehemannes deutlich: er wünscht den Konflikt mit seiner Ehefrau so zu befrieden, dass sie und die gemeinsamen Kinder zu ihm zurückziehen; das Recht ist ihm dabei nicht wirklich wichtig. Dieses Interesse des Ehemannes verbietet kompetitives Vorgehen; es gebietet eine kooperative Strategie. Es geht also um eine strategische Ausrichtung. Diese muss der Berater selbst einbringen. Nur dann, wenn ihm das Interesse des Mandanten ein Anliegen ist, wird es ihm gelingen, offen für die Interessen des Mandanten zu sein. Dieses ist nur der erste Schritt und bewirkt, die wahre Interessenlage des Mandanten aufzudekken. Es geht um ein Hinterfragen von Positionen, wenn der Mandant eine solche formuliert (ich habe doch Anspruch auf ....., weil ......). Was motiviert27 ihn? (2) Interessen und Bedürfnisse Was sind Interessen? Im Wortsinne bedeutet Interesse28: „Aufmerksamkeit, Beachtung, Anteilnahme, Wissbegierde, Neigung; Gegensatz: Desinteresse; Vorteil, Nutzen, Sache, für die man eintritt; Belang, Wichtigkeit“. Es geht um Nöte, Wünsche, Sorgen und Ängste. Interessen können also nur aufgedeckt werden, wenn die Bedürfnisse transparent werden, um die es geht; denn Bedürfnisse29 diktieren die Gefühle und jedes Handeln30. (3) Gefühle Gefühl ist das subjektive Erleben einer Emotion wie z. B. Freude, Lust, Geborgenheit, Liebe, Trauer, Ärger, Wohlbehagen . Gefühle werden gewöhnlich als verschieden von Wahrnehmungen, Empfindungen und Denken, aber auch vom Wollen angesehen, können sich jedoch mit allen anderen Erfahrungsweisen verbinden. Gefühle werden dadurch ausgelöst, dass Bedürfnisse erfüllt oder unerfüllt geblieben sind. Ein Bedürfnis ist das Verlangen oder der Wunsch, einem empfundenen oder tatsächlichen Mangel Abhilfe zu schaffen. 27 Motivation (lateinisch motus = die Bewegung) bezeichnet in den Humanwissenschaften sowie in der Ethologie einen Zustand des Organismus, der die Richtung und die Energetisierung des aktuellen Verhaltens beeinflusst. Mit der Richtung des Verhaltens ist insbesondere die Ausrichtung auf Ziele gemeint. Energetisierung bezeichnet die psychischen Kräfte, welche das Verhalten antreiben. Ein Synonym von Motivation ist „Verhaltensbereitschaft“. 28 Aus Wahrig, Deutsches Wörterbuch 29 Motivationstheorie enthält die insoweit grundlegende Motivklassifikation von Maslow. Die menschlichen Bedürfnisse bilden die „Stufen“ der Pyramide und bauen dieser eindimensionalen Theorie gemäß aufeinander auf. Der Mensch versucht demnach zuerst, die Bedürfnisse der niedrigen Stufen zu befriedigen, bevor die nächsten Stufen Bedeutung erlangen. 30 Siehe hierzu grundlegend: Marschall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation
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B. Was ist verhandeln? Wer als Berater diese verschlungenen Pfade, eine Situation zu sondieren, zu folgen bereit und in der Lage ist, dem wird es nicht schwer fallen, die wahren Interessen des Mandanten zu ergründen. Dornenreich ist dieser Weg deshalb, weil sich die Menschen in unserer Gesellschaft ihrer wahren Interessen gar nicht bewusst sind, weil sie weder ihre Gefühle wahrzunehmen in der Lage sind noch ihr Befinden einer Bedürfnislage zuordnen können31.
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> Am Beispiel sei das verdeutlicht: Der Mann fühlt sich vielleicht einsam, hilflos oder ist gar in Panik, weil er die Trennung von Frau und Kindern nicht möchte. Dahinter mag das unerfüllte Bedürfnis nach Sicherheit oder Gemeinschaft (Familienleben) stehen. Wenn dem Berater diese Struktur deutlich ist, wird ihm nicht mehr einfallen, dem Mandanten einen Unterhaltsrechtsstreit zu empfehlen. Der nächste Schritt ist dann eher leicht: die strategische Ausrichtung auf die kooperative win-win Strategie. Denn wer seine eigenen Interessen auf vorgeschriebenem Weg heraus gearbeitet hat, ist interessiert, diese Hintergründe auch vom Verhandlungspartner zu erfahren. Allein dieses Interesse hat dann auch die Bereitschaft zur Folge, mit dem Partner eine für beide Seiten vorteilhafte Lösung zu finden. Bezogen auf den Beispielsfall wird der Anwalt den Mandanten auf die Möglichkeit einer Konfliktbearbeitung z.B. durch Mediation hinweisen. Oder gemeinsam suchen sie nach Ansätzen, wie die Lage der Familie atmosphärisch entspannt werden kann – beispielsweise dadurch, dass sich der Mann (erst einmal) großzügig zeigt. cc) Das Harvard Konzept Die bekannteste Variante der kooperativen Strategie ist das Harvard Konzept. Es geht zurück auf Roger Fisher und William Ury, die das Konzept im Rahmen des Harvard Negotiation Projects erarbeitet haben32. Den Entwicklern ging es um kluges, effizientes und gütliches Verhandeln33. Wir gehen hier gesondert auf dieses Konzept ein, weil Mediation dem Verhandeln nach dem Harvard-Konzept folgt. Ziel des Harvard Konzeptes ist es, auch in festgefahrenen Verhandlungen sachlich zu einer Lösung zu kommen. Ein „Erhitzen der Gemüter“ soll vermieden werden. Ferner soll sich keiner der Verhandlungsbeteiligten als Verlierer fühlen. Anders als bei manchen Formen der Rhetorik zielt das Harvard Konzept also keinesfalls auf eine Manipulation des Verhandlungspartners ab. Die Methode nennt sich „sachbezogenes Verhandeln“, was soviel bedeuten soll, dass sie in der Sprache klar und eindeutig, also bestimmt ist, mit den Verhandlungspartnern jedoch weich umgeht. Vier Bedingungen sind zu beachten, die sachbezogenes Verhandeln fördern oder auch erst ermöglichen: ■ die Beteiligten sollen Menschen und Probleme voneinander trennen ■ was zählt sind die Interessen, nicht die Positionen ■ für sich selbst, wie für den Verhandlungspartner werden Alternativen entwickelt, die für beide Vorteile bringen; konkret heißt das, dass es ohne Alternativen keine Entscheidung gibt ■ alle Beteiligten einigen sich auf objektive Kriterien, an denen das Verhandlungsergebnis gemessen werden kann Warum betrachten wir das Harvard-Konzept ausführlicher als die kooperative Strategie? Was ist daran besonders? 31 Wir verweisen zu diesem Thema auf das gut verständliche Werk von Pasztor/Gens „Ich höre was, das Du nicht sagst“ 32 In Buchform: Das Harvard-Konzept von Roger Fisher, Wiliam Ury und Bruce M. Patton, Campus 22. Auflage 2004 33 Fisher u.a., Das Harvard-Konzept S. 26
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§ 2 Verhandlungsformen Ziff 2 des Punktekataloges haben wir zuvor bei der Bewertung der Strategien erläutert – darin liegt also keine Besonderheit. Den Ausgangspunkt des „rationalen Verhandlungsmodells“ (wie das Harvard-Konzept auch genannt wird) bildet also die Aufforderung an die Parteien, die Konzentration von den Positionen auf die Interessen zu verlagern und zwar nicht nur auf die eigenen, sondern auch auf die des Gegenübers. (Schließlich soll der Konflikt nicht durch Streit, sondern durch Zusammenarbeit beigelegt werden.) Zu Ziff 1: Konflikte spielen sich, wie oben ausgeführt, zumeist nicht nur auf einer sachlichen, sondern zugleich auf einer zwischenmenschlichen Ebene ab. Auf dieser Ebene neigen Menschen besonders stark dazu, ihren Emotionen nachzugeben und im Rahmen einer Verhandlung intuitiv zu handeln. Ist die Nettigkeit34 eines Verkäufers der Grund, das Auto zu kaufen, hat die erforderliche Trennung nicht statt gefunden. Intuitives Verhalten bei Verhandlungen kann zwar auch Vorteile haben: Eine Verhandlung lässt sich eben leichter und produktiver führen, wenn sich beide Seiten von vornherein sympathisch sind und einander vertrauen. Doch trifft man in Konfliktfällen zumeist auf die entgegengesetzte Situation: Inhaltliche Konflikte werden dann zum Anlass für persönliche Angriffe genommen, besonders, wenn das Feilschen um Positionen wenig Hoffnung auf eine inhaltliche Einigung bietet. Ist der erste persönliche Angriff erst einmal lanciert, lässt der Gegenangriff meist nicht mehr lange auf sich warten und so fort. In dieser Situation ist die Trennung der Person von der Sache sinnvoll. Wir kennen es aus den Verhandlungen mit „nicht netten“ Menschen: es kommt zu Auseinandersetzungen, die nur scheinbar mit der Sache zu tun haben. Nach dem Harvard-Konzept spielen „Nettigkeit“ oder anderes taktisches Verhalten (siehe unten) keine Rolle; die Parteien können sich in aller Gelassenheit auf die Klarheit konzentrieren, mit der sie ihre Interessen in die Verhandlung einbringen und Lösungsansätze aufzeigen. Hier wird deutlich, dass sich Verhandeln auf zwei Ebenen abspielt: die Substanz = den Verhandlungsgegenstand und der Prozess. Prozess ist der Umgang mit dem Verhandlungsgegenstand. Zu Ziff 3: Ein besonderer Aspekt liegt in der kooperativen und kreativen Erweiterung der Entscheidungsmöglichkeiten. Idealerweise findet sich auf diese Weise ein Lösungsweg, den die Verhandlungsparteien in dieser Form zunächst gar nicht in Betracht gezogen haben, der aber ihren beiderseitigen Interessen entspricht. Diese Form der kreativen Lösungssuche nennt man auch „Kuchenvergrößerung“, da die Parteien auf diese Weise insgesamt mehr vom sprichwörtlichen Kuchen bekommen, als sie es nach ihren eigenen Lösungswegen für möglich gehalten hätten. Wie kann man kreative Lösungsmöglichkeiten so einfach aus dem Ärmel schütteln bzw. wie kann man die Entwicklung solcher Lösungen fördern? Der erste Schritt hierzu liegt im zuvor angesprochenen Grundsatz, das Augenmerk in der Verhandlung auf die beiderseitigen Interessen der Parteien zu richten. Dadurch, dass Interessen regelmäßig leichter miteinander zu vereinbaren sind als Positionen, wird die Suche nach sachgerechten Lösungen bereits entsprechend vereinfacht. Ergibt sich aus dieser Vorgehensweise allein noch nicht die optimale Lösung, müssen andere Wege der kreativen Entscheidungssuche beschritten werden. Eine Möglichkeit hierzu, die auch außerhalb von Verhandlungen als Mittel der Entscheidungsfindung weit verbreitet ist, ist das Brainstorming. Das Grundprinzip des Brainstorming35 34 Nettigkeit ist ein Aspekt der Verhandlungstaktik, auf die wir im nächsten Kapitel näher eingehen. Das HarvardKonzept ist somit keine reine Verhandlungsstrategie sondern ein Mix aus Strategie und Taktik. 35 Wurde in den späten 30er Jahren von Alex Osborne entwickelt. Ihre Produktivität beruht vor allem darauf, dass · zur Lösung eines Problems das Wissen mehrerer Personen genutzt wird, · denkpsychologische Blockaden ausgeschaltet werden, · durch die Ausgrenzung restriktiver Äußerungen die Lösungsvielfalt erweitert wird, · das Kommunikationsverhalten der Beteiligten gestrafft und „demokratisiert“ wird, · unnötige Diskussionen vermieden werden.
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B. Was ist verhandeln? liegt darin, zunächst möglichst viele Vorschläge zu sammeln, ohne sie zu bewerten. Die Bewertung findet erst statt, nachdem die Vorschläge gesammelt und sortiert bzw. strukturiert wurden. Die Vorzüge dieses Vorgehens liegen zum einen darin, dass es häufig gerade die auf den ersten Blick abwegigen Vorschläge sind, die sich nach abschließender Bewertung als gar nicht so abwegig entpuppen oder zumindest den gedanklichen Weg zu einer hierauf basierenden, variierten Lösung ebnen. Zum anderen liegt es nahe, dass eine sofortige Bewertung, also Kritik der geäußerten Ideen den „Erfindergeist“ der Teilnehmer eher hemmt als fördert. Es gibt weitere Kreativitätstechniken, auf die wir an dieser Stelle nicht eingehen36. Zu Ziff. 4: Die oben herangezogene Formel „Interessen statt Positionen“ ist kein Patentrezept für alle Situationen. Die Interessen der Parteien, mögen sie auch noch so objektiv und differenziert herausgearbeitet worden sein, können miteinander kaum oder gar nicht zu vereinbaren sein. Spätestens hier beginnen die Parteien dann gerne aufs Neue, im Sinne der „Basarmethode“ zu feilschen und zu manipulieren, also intuitiv zu verhandeln. Nach dem Harvard-Konzept ist an dieser Stelle der Verhandlung die Heranziehung neutraler, also objektiver Beurteilungskriterien der Vorzug einzuräumen. Objektive Beurteilungskriterien sind z.B. der Marktwert einer Sache, frühere Vergleichsfälle oder Gutachten von Sachverständigen. Objektive Kriterien haben den offensichtlichen Vorteil, dass sie der subjektiven Beurteilung durch die Verhandlungsparteien entzogen sind.
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> Beispiel: Ein Versicherungsnehmer verhandelt mit dem Sachbearbeiter einer Versicherung über die Entschädigungssumme für einen zerstörten Gebrauchtwagen. Der Sachbearbeiter bietet einen vergleichsweise niedrigen Betrag und beruft sich bloß auf Gepflogenheiten des Unternehmens (mehr haben wir noch nie gezahlt). Wer sich auf dieses Spiel nicht einlässt und eine Orientierung an objektiven Kriterien verlangt (Es mag ja sein, dass Ihre Forderung berechtigt ist, aber weisen Sie mir das bitte nach. Haben Sie z.B. eine Tabelle mit objektiven Schätzwerten?), zwingt seinem Gegenüber eine faire Verhandlungsstrategie auf. Beruft sich eine Partei auf objektive Kriterien, wird es der Gegenseite schwer fallen, ihr zu widersprechen. Sie kann es nur dann wirkungsvoll tun, wenn sie sich ihrerseits auf objektive Informationen stützen kann. dd) Ergebnis Kompetitives Verhandeln führt bestenfalls zur Wertverteilung, also zu distributiven Ergebnissen, häufig sogar zur Wertverminderung; kooperatives Verhandeln führt dagegen eher zu wertschöpfenden Ergebnissen. Allerdings beruht die Erkenntnis, dass allein kooperatives Verhandeln zu wertschöpfenden Ergebnissen führt, auf entsprechender Einsicht. Und diese Einsicht ist uns Menschen von Natur aus nicht gegeben, sondern will gelernt sein. Unser jahrtausende altes Erbe – und deshalb in konfliktträchtigen Stresssituationen Alltagsrealität – ist auf das Durchsetzen des eigenen Standpunktes (oder Flucht bzw. Vermeidung) gerichtet, weil dies das Überleben sicherte. Existenzängste fördern deshalb ein kompetitives Vorgehen. Diese Ängste werden in Stresssituationen wie z.B. in der Trennungssituation verstärkt, weil der eine oder der andere oder vielleicht beide Verhandlungspartner befürchten, über den Tisch gezogen zu werden. Für die Konfliktpartner heißt dies, sich wehrhaft zu verbarrikadieren, oder nach dem Motto, Angriff ist die beste Verteidigung, aggressiv vorzugehen. Das führt notwendig zu einer Eskalation des Konfliktes. Das Harvard-Konzept verhindert diese Eskalation, bedarf aber des bewussten Einsatzes. 36 Erwähnt seien die „six thinking hats“ sowie das „laterale Denken“ von Edward de Bono, auf die wir in § 3 zur Phase 4 der Mediation näher eingehen
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§ 2 Verhandlungsformen
3. 2
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Verhandlungstaktik
Nach der Entscheidung für eine Strategie stellt sich die Frage, wie die Verhandlung in Angriff genommen werden soll. Taktik bedeutet: mit welchen Mitteln können wir eine andere Personen davon überzeugen, sich um unsere Belange zu kümmern? Taktik ist in diesem Zusammenhang „geschicktes, planmäßiges Vorgehen“37. Es gibt eine Fülle von „Patentrezepten“. Schlagwortartig nennen wir: ■ wer argumentiert verliert ■ schlechtes Benehmen – bewusst eingesetzt ■ nett sein ■ fair bzw. unfair ■ mit allen Mitteln – auch Gewalt ■ sympathisch auftreten ■ hart oder weich verhandeln ■ Argumentationstechniken beachten ■ Rhetorik ■ bewusster Einsatz von nonverbaler Kommunikation ■ Gestaltung des Verhandlungsumfeldes (Raum, Bewirtung) ■ sexuelle Stimulation (Puffbesuche) ■ Bestechung ■ gute Vorbereitung der Verhandlung wie Recherchen über den Partner, Analyse dessen Interessen, Hypothesen zur Befindlichkeit und den Bedürfnissen des Verhandlungspartners Interkulturell tritt die Frage nach der richtigen Taktik schnell von alleine auf. So wird vielleicht dem Deutschen, der mit einem Briten verhandelt38 (siehe oben die Typisierung der Verhandlungsstile), geraten: ■ Lassen Sie Ihr Gegenüber in Ruhe aussprechen, seien Sie herzlich, aber nie „kumpelhaft“. ■ Humor hilft immer, die Verhandlungsatmosphäre zu verbessern – „Hauruck-Gute-Laune“ wird aber nicht gerne gesehen. ■ Vermeiden Sie Besserwisserei oder das „Herumreiten“ auf Details. Vertreten Sie Ihren Standpunkt argumentativ, ohne dabei unflexibel zu erscheinen. Was wird daraus deutlich? Taktisch ist jedes Verhandeln, auf das sich der Verhandler – möglichst bewusst – vorbereitet. Das Bedingungsumfeld jeder Taktik ist die Einstimmung auf Thema/Anlass, Bedeutung und Verhandlungspartner. So ist es eine Taktik, sich bei Verhandlungen mit Partnern anderer Kulturen mit deren Gepflogenheiten zu befassen (wie das Beispiel Brite-Deutscher oben zeigt). Eine Einstimmung auf die Person des Verhandlungspartners mag auch in der persönlichen Dynamik liegen (die Frau, die mit einem Mann verhandelt, von dem sie weiß, dass sie ihm sympathisch ist). Auch ist es eine Taktik, sich z.B. mit der Kleidung auf das Verhandlungsumfeld einzustellen (mit Anzug zur Bewerbung um eine Stelle bei der Deutschen Bank).
37 Wie vor 38 Der Standard, Printausgabe 24./25.6.2006
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B. Was ist verhandeln? Es gibt „Leitsätze“, die wir an dieser Stelle exemplarisch zitieren39: ■ sich keinesfalls vom Verhandlungspartner in die Karten gucken lassen ■ die Schwächen des Verhandlungspartners identifizieren und ihm deutlich vor Augen führen ■ dem Verhandlungspartner drohen und ihn unter Druck setzen ■ möglichst nicht zu großes Interesse zeigen (oder den gewünschten Verhandlungsgegenstand nieder machen) ■ dem Verhandlungspartner kräftig die Meinung sagen ■ den anderen möglichst kalt erwischen
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Spezielle Taktiken
Wir beschreiben drei Taktiken, die eine gewisse praktische Relevanz haben: ■ Good Cop, bad Cop ■ Limited Authority ■ Highball-Lowball oder Negotiation Dance
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aa) Zu 1. „Good Cop, bad Cop“ Diese Taktik setzt auf verteilte Rollen auf einer Verhandlungsseite. Die (wenigstens zwei) Verhandler verfolgen dasselbe Ziel und gestalten eine Dynamik, aufgrund derer sich die andere Partei kaum anders als geplant entscheiden kann. Die übertriebene Form der „good cop, bad cop“-Taktik, auch „good guy, bad guy“-Taktik genannt, ist vielen Menschen aus dem Fernsehen bekannt. Im klassischen Fall wird ein Verdächtiger von zwei Polizisten verhört. Während er vom bad cop (=böser Polizist) beschimpft und unter Druck gesetzt wird, versucht ihm der good cop (=guter Polizist) zu helfen und seinen Kollegen zu beruhigen. Der Verdächtige bekommt so das Gefühl, der good cop stehe auf seiner Seite und sei fair. Somit ist der Verdächtige oft bereit, dem good cop Geheimnisse anzuvertrauen. Auch außerhalb der Gefängnismauern wird diese Methode, wenn auch etwas abgeändert, verwendet. So kann z.B. der als bad cop agierende Verkäufer von einem Preisangebot seines als good cop auftretenden Kollegen dermaßen entsetzt sein, dass der Kunde im Glauben liegt, ein wahres Schnäppchen machen zu können, wenn er bei diesem Preis zuschlägt. bb) Zu 2. „Limited Authority“ Bewusst eingesetzt ist dieses eine typische Verhandlungstaktik der rechtsberatenden Berufe, insbesondere auch der Steuerberater. Bei der „limited Authority“-Taktik besitzt eine Verhandlungspartei eine übergestellte Person/Stelle (z.B. der Auftraggeber = Mandant), die bei der eigentlichen Verhandlung nicht körperlich anwesend ist. Ohne die Zustimmung des Mandanten kann ein Vertrag aber nicht endgültig abgeschlossen werden. Dies hat zur Folge, dass ein tatsächliches Ergebnis der Verhandlung erst nach Zustimmung des Mandanten zustande kommen kann. Somit kann sich mit dieser Taktik eine Verhandlungspartei wie z.B. der Steuerberater in ein Verhandlungsgespräch begeben und die Grenzen der anderen Verhandlungspartei ausloten, ohne selbst größere Zugeständnisse machen zu müssen oder gar zum Vertragsabschluss zu kommen. Der Vertrag kann also (erst) zu einem späteren Zeitpunkt, nach Rücksprache, abgeschlossen werden. Diese Taktik wird inzwischen allerdings bei Gerichten und auch vor Behörden (z.B. der Vollstrekkungsstelle eines Finanzamtes) durchaus kritisch gesehen. Um zu einer Entscheidung an Ort und 39 Aus Knapp/Novak: „Effizientes Verhandeln“ S. 69 ff
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§ 2 Verhandlungsformen Stelle kommen zu können wird erwartet, dass die erforderliche Rücksprache mit dem Auftraggeber/Mandanten telefonisch erfolgt.
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cc) Zu 3 „Highball-Lowball“ Die highball-lowball Taktik ist allgemein bekannt – wenn auch nicht unter dieser Bezeichnung. Viele lieben dieses „Spiel“ im Urlaub. Das Prinzip dahinter ist relativ einfach und vor allem auf beispielsweise Flohmärkten und Basaren vertreten. Bei einer Verhandlung ist immer davon auszugehen das beide Verhandlungsparteien ein minimales Ziel erreichen wollen. So hat z.B. ein Flohmarkthändler für ein Stück einen bestimmten Mindestpreis den er erhalten möchte. Da dieser Händler aber mit sicherer Gewissheit davon ausgehen kann, dass ein potentieller Kunde versucht, diesen Preis herunter zu handeln, setzt er einen deutlich höheren Preis fest (=highball). Somit hat er bei einer Verhandlung noch genügend Spielraum nach unten ohne sein Mindestziel (= Position) zu gefährden. Der potentielle Kunde wiederum möchte für dieses Stück nicht mehr als einen bestimmten Betrag ausgeben. Er bietet dem Händler zunächst einen Preis der unter seiner Zahlungsbereitschaft liegt (=lowball). Somit hat auch er noch einen Spielraum nach oben. Im Normalfall treffen sich die beiden Parteien in der Mitte (das ist die Mitteleuropäische Vergleichsebene). Verwendet wird die „highball-lowball“-Taktik vor allem bei Verhandlungen zwischen zwei privaten Verhandlungsparteien und auf Märkten. Dies liegt daran, dass bei solchen Geschäften die Preise von der Gesellschaft als nicht „fest“ angesehen werden, d.h. dass diese Preise noch verhandelbar sind. Daher gehen beide Verhandlungsparteien davon aus, die Gegenseite werde die Preise so gestalten, dass ein gewisser Verhandlungsspielraum besteht.
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Vorbereitung von Verhandlungen
Für den erfolgreichen Ausgang einer Verhandlung ist die im Vorfeld getätigte Vorbereitung eine wichtige Taktik, denn die Vorbereitung kann wesentlichen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg haben. Demzufolge kommt den wesentlichen Aspekten der Planung ein besonders Augenmerk zu. Zur Vorbereitung gehörende Elemente lassen sich wie folgt gliedern: ■ Informationen ■ Ziele ■ Alternativen ■ Argumentation ■ Bedingungen Informationen über die Verhandlungspartei sind von Bedeutung, um diese einschätzen und sich auf die Verhandlung gut vorbereiten zu können. Es geht z.B. um die Beziehung zur Gegenpartei, ob bereits Übereinkünfte in der Vergangenheit gegeben hat und wenn ja, was Erfolgsfaktoren waren. Bei einer bis dato unbekannte Verhandlungspartei macht es Sinn, sich über zugängliche Quellen (andere Kontakte, Internet) zur Person zu informieren. Ziele im Sinne dieses Punktes sind – neben der oben angesprochenen Strategie – die inhaltlichen Ziele: was sind meine Interessen, was sind die bekannten oder vermutlichen Interessen des Verhandlungspartners (bei kooperativer Verhandlungsstrategie), was ist meine Position und inwieweit bin ich bereit oder in der Lage, von dieser Position abzuweichen?
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B. Was ist verhandeln? Auf Alternativen in der Zielorientierung vorbereitet zu sein erhöht sich Sicherheit in der Verhandlungssituation und gibt eine gewissen Flexibilität. Die BATNA sollte vorher klar sein. BATNA ist die Best Alternative To a Negotiated Agreement, zu Deutsch, die beste Alternative, die noch besteht, bevor ein Vertrag nicht eingegangen wird. Diese gibt den Maßstab an, welche Verträge unterzeichnet und welche abgelehnt werden sollten. Bei der Vorbereitung der Argumentation geht es um die Reflexion der (guten) Gründe für die eigenen Ziele und die „Argumentationslinie“ im Hinblick auf die bekannten oder hypothetischen Ziele und Argumente des Verhandlungspartners. Bei den Bedingungen geht es sowohl um die Wahl der Lokalität und der Uhrzeit sowie die Ausarbeitung einer Sitzordnung. Auch die Gestaltung des Verhandlungsortes (Blumen o.ä.) sowie das Bereithalten von Getränken und ggf. Speisen zählen zu den Bedingungen, die es vorzubereiten gilt.
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Kommunikative „Taktiken“
aa) Aktives Zuhören40 Unter aktivem Zuhören wird in der interpersonellen Kommunikation die gefühlsbetonte (affektive) Reaktion eines Gesprächspartners auf die Botschaft eines Sprechers verstanden. Der USamerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers hat das aktive Zuhören erstmals als Werkzeug für die klientenzentrierte Psychotherapie (Gesprächspsychotherapie) beschrieben. Seine von einem humanistischen Menschenbild geprägte Arbeit legt besonderen Wert auf Begegnung im voll-menschlichen Sinn – d. h. unter Einschluss der emotionalen Ebene, der nonverbalen Äußerungen und des gegenseitigen prinzipiellen Wohlwollens. Das aktive Zuhören grenzt sich auf der einen Seite von der weniger direktiven Echo-Technik ab, in der nur mechanistisch das letzte Wort des Gehörten wiederholt wird und auf der anderen Seite von der direktiver wirkenden Paraphrase, welche den kognitiven Anteil der aufgenommenen Botschaft zurückgibt. Wir gehen später auf diese Gesprächstechnik näher ein. bb) Gewaltfreie Kommunikation Die Gewaltfreie Kommunikation (GfK) ist eine von Marshall B. Rosenberg entwickelte Kommunikations- und Konfliktlösungsmethode, die zur Absicht hat, in einen Kontakt mit anderen beziehungsweise sich selbst zu kommen, in welchem Geben und Nehmen ein fließender Prozess ist und freiwillig geschieht. Es geht also nicht (nur) darum, andere dazu zu bringen, zu tun, was man selbst will. Ziel ist, die Anliegen aller Parteien aufzuspüren und zu berücksichtigen. Rosenberg nennt die GfK auch „language of the heart“ oder „Giraffensprache“, mit der Giraffe als Symboltier für die GfK, denn sie ist das Landtier mit dem größten Herzen. Der Name Gewaltfreie Kommunikation bezieht sich gleichermaßen auf eine Haltung wie auch auf eine Methode, wobei die Methode ihre Wirkung am besten entfalten kann, wenn sie mit der besagten Absicht genutzt wird.
40 Z.B. Rolf H. Bay: Erfolgreiche Gespräche durch aktives Zuhören,
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§ 2 Verhandlungsformen
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Die Strategie ist jeweils eindeutig eine kooperative; die taktischen Konzepte betreffen hier spezielle Fälle. Wir nennen:
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4 M Methode
Die 4M-Methode ist das Ursachen-Wirkungs-, Ishikawa- oder Fischgräten-Diagramm41 und wurde in den fünfziger Jahren von dem Chemiker Kaoru Ishikawa entwickelt. Sie ist eine Methode, mit der man – alleine oder besser in einer Gruppe – ein definiertes Problem bearbeitet, um an die wahrscheinlichste Ursache des Problems zu gelangen. Ursprünglich wurde sie im Qualitätsmanagement zur Analysierung von Qualitätsproblemen angewendet. Die 4M Methode (oder auch 6M Methode) geht davon aus, dass Verhandlungserfolg nicht nur auf rhetorischem Geschick und der Stärke der Argumente beruht. Sie sieht den Schlüssel zum Erfolg in der „sozialen Intelligenz“ der Verhandlungsführenden. Dabei wird unter „sozialer Intelligenz“ verstanden, dass eine Person aus Sicht seines Gegenübers verhandeln und ihn deshalb besser überzeugen kann. Eines der Standbeine dieser Methode ist auch die Menschenkenntnis des Anwenders, die bereits in der Verhandlungsvorbereitung ansetzt. Diese Methode ist besonders hilfreich wenn Win-Win-Situationen angestrebt werden oder schwierige Verhandlungspartner zum verlassen ihrer Position gebracht werden sollen.
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Sokratische Methode
Die sokratische Methode ist für eine verhandlungstheoretische Betrachtung insofern interessant, als es ihr Ziel ist, zum jeweiligen Thema Antworten zu finden, denen alle Gesprächsteilnehmer aus eigener Überzeugung oder Einsicht zustimmen können. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass eine gewonnene Einsicht niemals Endgültigkeit für sich beanspruchen kann sondern jede Frage grundsätzlich ständig zur Disposition steht und sich daher Einsichten durch neue Erkenntnisse ändern können. Deutlich ist, dass die sokratische Methode nicht einen faulen Kompromiss, sondern einen Konsens zu finden versucht. Jedem ernst gemeinten Einwand muss also nachgegangen werden, da nur unter Berücksichtung aller verfügbaren Informationen die bestmögliche Lösung erzielt werden kann.
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Methoden als verhandlungstaktisches Konzept
Harvard-Konzept und Verhandlungstaktiken
Die vorbeschriebenen Taktiken sind nur teilweise mit dem Harvard-Konzept vereinbar. Hinter einigen Taktiken steht – leicht erkennbar – die Orientierung auf Positionen. Die beiden letztgenannten Methoden sind von einer kooperativen Strategie getragen und entsprechen auch in vollem Umfang dem Harvard-Konzept; ebenso die kommunikativen Konzepte des aktiven Zuhörens und die darauf aufbauende gewaltfreie Kommunikation. Das Harvard-Konzept kann aber durchaus auch keine Lösung bieten, wenn die Parteien einfach keine Lösungsalternativen finden oder sich eine Konfliktlage entwickelt. Für diese Fälle empfiehlt
41 Schulte-Zurhausen, M.: Organisation.
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B. Was ist verhandeln? Prof. Dr. Alexander Redlich42 folgende sechs zusätzliche Taktiken: ■ Eine Lösungsaufschub verabreden. ■ Eine bessere Lösung suchen. ( win- win) ■ Kompromiss suchen, bei dem die beiden Seiten nicht verlieren. ■ Kompromiss suchen, bei dem die beiden Seiten gleich viel verlieren. ■ Trennungsmöglichkeiten suchen. ■ Fairen Kampf um den Sieg anbieten.
IV.
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Das Verhandeln des Steuerberaters
Nach der Betrachtung der Verhandlungstheorie beleuchten wir noch kurz die für Steuerberater typischen Verhandlungsfelder. Wir geben dem Leser durch diese Listung Gelegenheit, das erlernte auf konkrete Situationen bezogen zu reflektieren.
42 KonfliktModeration
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56
2
§ 2 Verhandlungsformen
1. 2
57
StB verhandelt in eigenen Angelegenheiten
also (privat und als Unternehmer). Täglich wird verhandelt in unterschiedlichen Situationen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigen wir nachfolgend wo (die unterschiedlichen Orte), was (die Verhandlungsthemen) und mit wem (die beteiligten Partner) verhandelt wird43: Wo wird verhandelt?
Worüber wird verhandelt?
Beteiligte
Im Verhältnis zu Privatpersonen und Unternehmen
Produkte und deren Lieferung und Mängel, Dienstleistungen, Handwerker u.ä.
StB als Kunde/Lieferant
Im Verhältnis zu Behörden
Steuern, Gebühren, Bewilligungen
StB als Bürger/Behörde
Im Verhältnis zu anderen Privatpersonen
Kauf/Verkauf
StB zu Käufer/Verkäufer
Mietverträge
StB als Mieter/Eigentümer bzw. Vermieter
Kinder wollen Party feiern
Eltern/Kinder
Familienstand/Scheidung
Mann/Frau
Beruflicher Wechsel
Ich mit mir
Umzug
Ich mit mir
Arbeitsabläufe
StB bzw. Mitarbeiter/ Mitarbeiter
Einstellung von Personal
StB/Bewerber
Gehaltsverhandlungen
StB/Mitarbeiter
Zielvereinbarungen
StB/alle Mitarbeiter (Gruppe)
Mitarbeitergespräche
StB/Mitarbeiter
Einkauf von Sachmitteln
StB/Verkäufer
Einkauf von Dienstleistungen
StB/Dienstleister
Mandatserteilung
StB/Mandant
Gewährleistung/Haftung
StB/Mandant
In der Familie
Mit sich selbst
In der Praxis
43 Die Idee dieser Darstellungsweise sowie deren Inhalte (teilweise) haben wir dem Buch „Effizientes Verhandeln“ von Knapp/Novak entnommen
72
2
B. Was ist verhandeln?
2.
Er verhandelt als Berater für den Mandanten
Wo wird verhandelt?
Worüber wird verhandelt?
Beteiligte
Für den Mandanten
Vor Finanzämtern wegen Vollstreckung, Stundung, Erlass
StB als Vertreter mit Behördenvertreter und ggf. Mandant
Bei Betriebsprüfungen
StB als Bürger/Behörde
Vor Finanzgericht
StB als Prozessvertreter und das Gericht
Bei Finanzierungen
StB als Vertreter mit Bankmitarbeiter
Kauf/Verkauf
StB mit Mandanten und Käufer/ Verkäufer
Unternehmensnachfolge
StB mit Übernahmeinteressenten
Einstellung von Personal
StB als Berater mit dem Mandanten und ggf. Mitarbeiter
Konflikte im Unternehmen
StB mit Unternehmer und den Konfliktbeteiligten
Konflikte in der Unternehmensführung
StB mit den Beteiligten
Investitionen
StB mit den Entscheidern
Mit dem Mandanten unternehmensintern
Mit dem Mandanten unternehmensextern
Mit der Familie des Mandanten
2
Mit Gläubigern in der Krise Investitionen
StB mit Mandant und Investitionspartner
Scheidungsfolgen – steuerlich
StB mit Mann + Frau
Vermögensübertragung in der Familie
StB mit den Familienbeteiligten
(Private) Vermögensanlagen in der Krise
! Tipp: Diese zweite Kategorie verdeutlicht – und deshalb haben wir an dieser Stelle diese Gegenüberstellung platziert -, dass der Steuerberater in besonderem Maße für Dritte verhandelt. Was bedeutet das? Anders als vom Verhandlungsergebnis unmittelbar Betroffener kann der Berater die im Harvard-Konzept geforderte Trennung zwischen Person und Sache (Regel 1: Menschen und Probleme voneinander trennen) praktizieren. Ihm ist dieses für effizientes Verhandeln wichtige Prinzip geläufig, auch ohne dass ihm das bewusst (gewesen) sein muss. 73
3
§ 3 Wirtschaftsmediation 3
A. 1
2
A.
Vom Verhandeln zur Mediation
Steuerberater sind – ebenso wie andere Rechtsberater – von Berufs wegen häufig als Verhandler für Dritte tätig; das zeigt die Tabelle am Schluss des vorhergehenden Kapitels1. Durch die Tendenz, dass Steuerberater über Jahre hinweg regelmäßig mit ihren Mandanten im Kontakt stehen und dieser Kontakt in der Regel mit dessen persönlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen zu tun hat, besteht häufig ein sehr persönliches Verhältnis zwischen dem Steuerberater und seinem Mandanten. Längst bevor das Geschäft mit dem Coaching richtig begonnen hatte, waren die Steuerberater Coachs ihrer (Unternehmer-) Mandanten! Worin liegt der Unterschied zwischen der aufgezeigten Beratertätigkeit des Steuerberaters und der Tätigkeit eines Mediators? Der Begriff „Mediation“ lässt sich vom lateinischen Adjektiv „medius“ ableiten was bedeutet: „zwischen zwei Ansichten oder Parteien die Mitte haltend“, einen Mittelweg einschlagend, sich neutral, unparteiisch verhaltend2. Mediation (Vermittlung) ist ein außergerichtliches, nichtöffentliches Verfahren konstruktiver Konfliktregelung, bei dem die Parteien eines Streits mit Unterstützung eines Dritten, des Mediators, einvernehmliche Regelungen suchen, die ihren Bedürfnissen und Interessen gerecht werden. Dieses Verfahren ist klar strukturiert und bietet somit allen Beteiligten einen transparenten Rahmen, ohne dass dieser einengend sein muss. Die Mediation ist damit grundsätzlich eine besondere Form der Verhandlung, die durch einen Dritten unterstützt wird3. Wird der Steuerberater als Verhandler oder Unterstützer für Mandanten tätig, ist er Parteivertreter und damit nicht derjenige, der sich – im Sinne vorstehender Definition – zwischen zwei Ansichten oder Parteien in der Mitte hält, sich neutral und unparteiisch verhält. Und dennoch ist er oft nicht weit davon entfernt. Der Steuerberater ist es gewohnt, in Konfliktlagen „von außen“ auf den Konflikt zu blicken und damit eine Metaebene einzunehmen. Das tut der Rechtsanwalt als Parteivertreter zwar auch, ist aber – anders als der Steuerberater – immer konzentriert auf den einzelnen Konflikt und in diesem eher aggressiv für den Mandanten tätig. Die Leitung und Moderation von Verhandlungen mit Konfliktbearbeitung (Mediation) wird in der Regel einer besonders geschulten, unabhängigen und unparteiischen Vermittlungsperson (eben einem Mediator) übertragen. Der Mediator wird dabei nach festen Regeln als Vermittler „zwischen“ den Parteien tätig. Der Mediator unterstützt die Parteien dabei, die strittigen Themen und Streitpunkte zu identifizieren, sowie Lösungsoptionen zu erarbeiten. Dabei kommen die im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Grundsätze des Harvard-Verhandelns zum tragen. Mediatoren entscheiden niemals in der Sache, nicht „für“ oder „über“ die Parteien; sie regen auch nicht etwa einen „Vergleich“ an. Die Parteien müssen ihre Lösung oder Regelung selbst finden, damit ihnen nicht eine „Lösung“ durch einen Dritten (z.B. den Berater oder das Gericht) auferlegt oder auch nur anempfohlen wird. Dabei stellt sich meistens heraus, dass die Parteien das „entweder – oder“ überwinden und – oft sogar über den ursprünglichen Streitgegenstand hinaus – 1 2 3
74
In § 2 D 2 Alternatives Konfliktmanagement in der Bürgergesellschaft; Stiftung Mitarbeit, Bonn 2005 Haft, Verhandlung und Mediation S. 253; Trenczek, Leitfaden zur Konfliktmediation, ZKM 2005, S. 193 ff.
3
A. Vom Verhandeln zur Mediation gewinnen, d.h. eine Lösung oder Regelung finden, die Beider Interessen gleichermaßen dient. Wird schließlich eine Einigung erzielt, soll diese in einer Vereinbarung festgehalten (schriftlich fixiert) werden.
I.
Beispiele:
3
Greifen wir das Fallbeispiel aus § 2 II auf: Anton (A) und Berthold (B) müssen die Entscheidung treffen, ob eine Rückstellung gebildet werden muss oder nicht. Der Steuerberater kann den Jahresabschluss nicht fertig stellen, der Termin für die Gesellschafterversammlung steht aber schon fest. Die Geschäftsführer verharren in ihren Positionen: der eine für die Rückstellung und der andere dagegen. Allein kommen sie nicht weiter. Und die Blöße, die Gesellschafterversammlung entscheiden zu lassen und damit in diesem Gremium den Konflikt offenkundig zu machen, wollen sich beide eigentlich nicht geben.
3
Diese Situation drängt geradezu auf, dass ein Dritter hilft. Er hilft dann, wenn er die A und B in die Lage bringen kann, dass sie einvernehmlich einen Ausweg aus der Sackgasse finden. Ein anderes Beispiel verdeutlicht das Schema vielleicht noch besser, auch wenn es nicht dem Umfeld der Wirtschaft entstammt: Ein typischer Trennungskonflikt. Die nicht berufstätige Frau Schuster zieht mit den zwei unmündigen Kindern aus der ehelichen Wohnung aus. Seit Jahren leidet die Familie unter den Streitereien der Eltern. Nachdem sich Herr Schuster offen mit seiner Freundin zeigt, entscheidet sich seine Frau, das gemeinsame Haus zu verlassen. Durch den Auszug sind kurzfristig etliche Punkte zu entscheiden, u.a.: ■ wer bleibt letztlich im Einfamilienhaus wohnen? ■ Unterhaltszahlungen des Mannes an seine Frau (Kindesunterhalt und ehelicher Unterhalt) ■ Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder und ■ Umgangsrecht für den anderen Elternteil Die Eheleute können diese Themen unmöglich alleine miteinander verhandeln; sie sind ja noch nicht einmal in der Lage, miteinander zu sprechen. So liegt es auf der Hand, einen Dritten dazu zu holen. Dieser Dritte darf nicht „im Geruch“ stehen, auf der Seite entweder von Frau Schuster oder der Seite von Herrn Schuster zu stehen – er muss im vorgeschriebenen Sinne unabhängig und unparteiisch bzw. allparteilich4 sein; nur so besteht die Chance, dass die zerstrittenen Eheleute bereit sind, den Anweisungen5 und der Verhandlungsführung des Mediators Folge zu leisten. Diese Allparteilichkeit werden die Eheleute – beide – nur dann während der Verhandlung als durchgehend existent erleben, wenn und solange nicht einer das Gefühl6 hat, dass der „Unparteiische“ sich einer Seite eher oder gar offen zuneigt. Verhindern lässt sich das letztlich nur dadurch, dass der Vermittler beiden Eheleuten aktiv positiv begegnet, indem er sie gleichgewichtig wertschätzt.7 Das lernt ein Mediator (auch) in seiner Ausbildung. Der Mediator nutzt dann die Regeln des Harvard-
4 5 6 7
Der Begriff „allparteilich“ ist der Fachbegriff für die Haltung des Mediators und ist deshalb treffend, weil er die gleichwertige Zugewandtheit des Mediators an beide bzw. alle Konfliktpartner ausdrückt. Es geht eben nicht um ein sich raushalten – wie es die Unparteilichkeit verlangt – sondern um ein aktives Tun. Gemeint sind natürlich nur Anweisungen zum Prozess, niemals aber zum Inhalt, zur Gestaltung der Konfliktlösung Tatsächlich ist allein das subjektive Erleben entscheidend. Die Konfliktparteien bekommen – insbesondere auf nonverbalem Weg – mit, was in der Person des Mediators vorgeht. Wenn sich eine Partei „benachteiligt“ fühlt hat das in der Regel seine Ursache in der Haltung des Mediators! Sie dazu mehr später unter § 3 V. A..
75
4
3
3
§ 3 Wirtschaftsmediation Konzepts8, indem er ■ den Eheleuten erklärt, ihren persönlichen Konflikt und die zur Klärung anstehenden Sachfragen zu trennen. Er gibt Gelegenheit, die emotionale Befindlichkeit soweit zu äußern, wie es nötig ist, um gemeinsam die Sachthemen betrachten zu können; sonst könnte die verhandlungsnotwendige Trennung nicht gelingen. Auch diese Technik lernt der Mediator in seiner Ausbildung. ■ darauf achtet, dass die Eheleute ihre Interessen benennen und nicht in Positionen verharren (z.B. ich (Ehefrau) habe einen Anspruch auf das Einfamilienhaus, weil die Kinder bei mir leben). Das schafft der Mediator, indem er den Konfliktpartnern hilft, die hinter den Positionen stehenden Interessen zu erkennen und zu formulieren. ■ die Eheleute – nachdem beide ihre Interessen benannt haben und auch die Beweggründe für die jeweiligen Interessen allen Beteiligten transparent geworden sind – darin unterstützt, Lösungsalternativen zu entwickeln und auf der Basis der sich so ergebenden Möglichkeiten die Eheleute ihren Weg entscheiden lässt. ■ Ggf. die Eheleute bewegt, sich auf objektive Kriterien zu einigen, an denen das Verhandlungsergebnis gemessen werden kann (z.B., dass die Kinder nicht getrennt werden sollen, dass das Einfamilienhaus nicht verkauft werden soll – weil der Immobilienmarkt aktuell ungünstig ist). Das Beispiel zeigt die Dimension dessen auf, was ein Mediator leisten kann und was er können muss. Der Steuerberater bringt gute Voraussetzungen mit, weil ihm die Rolle des „Dritten“ (Verhandlers, Vermittlers) nicht unbekannt ist und er sich häufig in einer Vermittlerrolle findet. Sein Tätigkeitsfeld ist jedoch weniger der juristisch dominierte Bereich von Trennung und Scheidung sondern mehr das Feld der Wirtschaft. Dazu hat sich ein eigenes Tätigkeitsgebiet von Mediation etabliert.
8
76
Siehe oben Seite 63
3
B. Wirtschaftsmediation
B.
Wirtschaftsmediation
B.
Sachverhalte, die in den Bereich der Wirtschaftsmediation fallen, sind vielfältig. Die folgende Tabelle9 gibt einen Überblick: Wirtschaftsmediation/Sachverhalte PO’s Betriebsintern Arbeitnehmerkonflikte (Zust. des Arbeitsgerichtes) Arbeitnehmer/Arbeitnehmer Arbeitnehmer/Führungskraft Organstreitigkeiten Betriebsrat – Geschäftsführung
Anteilseigner
NPO’s Extern
in Familienunternehmen
Unternehmen – Kunde
Gesellschafterkonflikte
Kunde/ Unternehmen
Gesellschafter/ Geschäftsführung
Unternehmen – Lieferant
analog PO’s
Verbände Arbeitgeberverband/ zwischen anderen Gewerkschaften Verbänden
3 Verbraucherschutzverfahren
Projektmanagement?
Umwelt (Flughafen u.ä.)
im Bereich Planen und Bauen
Tarifkonflikte
Lieferant/ Unternehmen Gesellschafter/ Aufsichtsgremium
Unternehmen – Dienstleister (RA, StB, Bank o.ä.)
Betriebsrat – Mitarbeiter innerhalb des Betriebsrates
Unternehmen – sonst. Geschäftspartner
Abteilungs-/Bereichskonflikte
Unternehmen – Konkurrent
Veränderungskonflikte (=> OE)
Unternehmen/Behörde
5
konzerninterne Konflikte w.o. insbesondere bei Fusionen, Umstrukturierungen und Übernahmen
Warum ist die Wirtschaftsmediation ein eigenes Tätigkeitsfeld für Mediatoren? Die vorbeschriebenen Sachverhalte kann sich jeder Steuerberater mit einer Konfliktlage vorstellen. Vergleicht man diese mit dem Fallbeispiel oben (Familie Schuster, § 3, Rn. 3) ist augenfälliger Unterschied der Grad der Betroffenheit: in der Familiensache Schuster wird der Konflikt persönlich existenziell erlebt. Bei einem Konflikt zwischen einem Unternehmen und seinem Kunden (Liefermangel) oder im Beispiel in § 2 Rn. 35 (Konflikt zwischen Bauunternehmen und Bauherrn) erscheinen die persönliche Ebene und das Sachthema leichter trennbar. Das bedeutet nicht, dass Emotionen keine Bedeutung hätten; Gefühle von Ärger, Enttäuschung oder auch Wut spielen bei Konflikten immer eine Rolle, führen aber nicht zwangsläufig – wie in Familiensachen häufig – zur Sprachlosigkeit. Das soll nicht heißen, dass die emotianale Betroffenheit nicht ähnlich groß (wenn nicht sogar größer) sein kann wie im Trennungskonflikt; die Gefühle werden aber signifikant stärker tabuisiert10. Und die Kultur des miteinander Umgehens ist eine andere. Weiterhin nimmt die Bedeutung von Konfliktprophylaxe im betriebsinternen Bereich von PO’s zu – auch ein Tätigkeitsbereich für Mediation. Und so verlangt die Wirtschafsmeditation auch eine eigene Struktur. 9
PO = Profit Organisation, somit alle gewinnorientierten Unternehmen; NPO = non Profit Organisation, also z.B. gemeinnützige Einrichtungen Christina Lenz z.B. in „Mediation in Organisationen“ von Harald Pühl (Hrsg.) 2003 mit dem Aufsatz: Pre-Mediation – die Klärung vor der Mediation 10 Was dafür spechen kann, die Beteiligten als Mediator durch die „Schlangengrube ihrer Gefühle“ zu begleiten (so Thomann/Prior „Klärungshilfe 3“
77
3
§ 3 Wirtschaftsmediation
C. 6
3
C.
Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation
Es ist die vornehmliche Aufgabe von Führungskräften in Organisationen zu führen. Dazu zählt auch, dass sie Konflikte, die sich in ihrem Zuständigkeitsbereich zeigen, nicht unerkannt und unbearbeitet lassen. Wird ein das Arbeiten schädlich beeinflussender Konflikt zwischen einem Abteilungsleiter und einem seiner Mitarbeiter von dem Hauptabteilungsleiter erkannt, so sollte dieser sich darum kümmern, dass dieser Konflikt als gesehen benannt und bearbeitet wird. Diese Struktur, dass nicht die Konfliktparteien, sondern eine von diesen „unabhängige“ dritte Person die Initiative zur Konfliktklärung übernimmt, ist typisch für Wirtschaftskonflikte. Dieser Umstand hat eine besondere Struktur des Mediationsverfahrens zur Folge: es bedarf einer Vorklärung, auch Pre-Mediation11 genannt. > Beispiel: Kehren wir zu unserem Beispiel in § 2 Rn. 8 zurück. Geschäftsführer A der Mayer & Co. erzählt einem Mitglied seines Familienstammes von dem „Problem“, das er mit B hat. Dieses Familienmitglied realisiert, dass sich da ein heftiger Konflikt aufgebaut hat und ist der Meinung, dass etwas passieren muss. Darin ist er sich mit weiteren stimmberechtigten Familienmitgliedern einig, die dann eine Gesellschafterversammlung einberufen lassen. In der Versammlung sind sich die Gesellschafter einig, dass der Konflikt nicht unbearbeitet bleiben dürfe, weil die Erkenntnis vorherrscht, dass die Geschäftsführung im Konflikt an der Erbringung guter Arbeit gehindert ist. Ein Vertreter der Gesellschafterversammlung wird beauftragt, sich um darum zu kümmern, dass „etwas passiert“. Mit diesem Beschluss der Versammlung ist noch nicht entschieden ■ was passieren soll, wie also der Konflikt bearbeitet werden kann und soll ■ wie das geschieht und ■ wer ggf. unterstützend tätig werden kann. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung ist lediglich die „Spitze des Eisbergs“12 erkennbar; was und warum A und B ihren Konflikt nicht lösen können, weiß keiner und ist für einen Außenstehenden auch nicht ersichtlich. Dann gibt es verschiedene Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung; Mediation ist eine davon. Und eine Mediation kann überhaupt nur stattfinden, wenn die Konfliktpartner dazu bereit sind. Es gibt also eine Menge im Vorfeld zu klären. Das passiert in der sog. Pre-Mediation.
I. 7
Pre-Mediation 13
Die Pre-Mediation muss nicht unbedingt ein Mediator leisten. Es kann auch ein sog. „CaseDeveloper“14 sein, ein Fallentwickler. Ziele der Pre-Mediation sind ■ eine kurzfristige Deeskalation zu erreichen, die in der Regel allein durch den Beginn dieses Verfahrens eintritt (es-passiert-etwas-Effekt) ■ mit dem Auftraggeber/der Führungskraft die Ziele einer Konfliktbearbeitung festlegen und verschriftlichen (wobei der Fallentwickler auch die Funktion eines Coach einnehmen kann) 11 Christina Lenz in Pühl 2003 12 Eisbergtheorien gibt es in unterschiedlichen Kontexten. Die Eisbergtheorie im Zusammenhang mit Konflikt und Mediation stammt von Friedrich Glasl und besagt, dass jeder Konflikt einen von außen nicht einsehbaren Sockel hat; lediglich die Spitze ist erkennbar. Den Sockel aber kennen die Konfliktparteien. 13 Auch „prämediative Phase“ genannt- so z.B. Heintl/Falk in „Mediation in Organisationen“ a.a.o., S. 39 14 Christina Lenz a.a.o.
78
C.
3
Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation
■
die Indikationsklärung, also Beantwortung der Frage, was spricht für welches Schlichtungsverfahren; Indikatoren für eine mediative Bearbeitung sind: 1) Wiederherstellung und oder Verbesserung der Beziehungen (Zukunftsaspekt) 2) Ergebnis in kurzer Zeit 3) Vertraulichkeit (weil nichtöffentlich) 4) kostengünstig 5) Kontrolle über das Ergebnis 6) eine win-win Lösung ist gewollt ■ bei den Betroffenen Informiertheit herzustellen, dass sie also erfahren, was genau Mediation (bzw. ein alternatives Verfahren) ist und wie sie funktioniert ■ Motivation zur Mediation bei den Beteiligten abzufragen, weil sie zumindest Bereitschaft zeigen müssen, den Konflikt gemeinsam bearbeiten zu wollen ■ Klärung der Finanzierung ■ Evtl. Entscheidung für einen oder zwei Mediatoren (Co-Mediation) – kann aber auch später vom Mediator eingebracht werden ■ Ggf. Auswahl geeigneter Mediatoren Während die Mediation selbst nicht stattfinden kann, wenn sich die Konfliktparteien nicht freiwillig15 dazu bereit finden, ist die Teilnahme an dieser 1. Stufe durchaus verpflichtend. So können sich A und B unseres Beispielsfalles nicht der Mitwirkung an der Pre-Mediation entziehen; dazu kann sie die Gesellschafterversammlung verpflichten. Als Case-Developer kommt der steuerliche Berater in Betracht, auch wenn er als Mediator ausscheidet, weil er z.B. von den Konfliktparteien nicht als unparteilich/allparteilich angesehen wird. Wichtig ist für die sachgerechte Erledigung nur, dass diese Person Wissen und Erfahrung über die in Betracht kommenden Mittel/Instrumentarien aus dem Bereich der ADR16 hat. Es ist eine primär beratende Tätigkeit; das Rollenverständnis des externen Unterstützers ist also das eines Experten. Dennoch ist eine mediative Haltung des Experten schon in dieser Phase zumindest sachdienlich; denn schon in dieser Phase geht es um Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten, insbesondere des Auftraggebers! Konfliktbearbeitung ist mit verschiedenen Methoden und Verfahren möglich; wir nennen hier nur eine kleine Auswahl: ■ Verhandeln und verhandlungsbetonte Verfahren wie ■ Verhandlungsanalyse17 ein Tool zur Konfliktbearbeitung in Gruppen ■ Konfliktmoderation18 ■ Mediation und Klärungshilfe19
15 Die Voraussetzung der Freiwilligkeit gilt in der Wirtschaftsmediation nur abgeschwächt; es reicht, dass die Beteiligten bereit sind, eine Konfliktklärung in der Mediation anzugehen. 16 ADR ist die Abkürzung für „Alternative Dispute Resolutions“ und umreißt die außergerichtlichen Verfahren zur Beilegung von Konflikten 17 Ziel der Verhandlungsanalyse ist es, Verhandlungen zu strukturieren und Konflikte in Mehrpersonen-Entscheidungsproblemen sichtbar und bewertbar zu machen, um konstruktiv mit ihnen umgehen zu können. Verhandlungsanalytische Strukturierung bilateraler Konflikte mit Mitteln der Spieltheorie; Prof. Dr. Matthias Raith http://www.wiwi. uni-bielefeld.de/~imw/forschung/verhandlungsanalyse.php 18 Nach Redlich in KonfliktModeration 19 Nach Thomann/Prior in Klärungshilfe 3
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3
8
3
§ 3 Wirtschaftsmediation ■
Verfahren von Organisationsentwicklung und Konfliktbearbeitung wie ■ „Appreciative Inquiry“ (AI)20, ein Tool mit Schwerpunkt auf Organisationsentwicklung ■ Open Space21, ebenfalls ein Tool mit Schwerpunkt auf Organisationsentwicklung ■ World Cafe22, eine Abwandlung des „Knowledge-Café” ■ Schlichtung ■ Schiedsgutachten ■ Schiedsgerichtsverfahren ■ Gerichtsverfahren23 Kriterien für die „richtige“ Entscheidung sind ■ Autonomie bei der Verfahrensgestaltung ■ Vertraulichkeit ■ Fortführung der Geschäftsbeziehung ■ Nachhaltigkeit der Konfliktbeilegung ■ Ergebnisqualität ■ Verfahrensdauer ■ Indirekte Verfahrenskosten ■ Direkte Verfahrenskosten Danach kann der Fallmanager mit dem Unternehmen abstimmen, unter Einsatz welcher Mittel der Konflikt bearbeitet werden soll.
3
II. 9
Main-Mediation
Ist die Entscheidung für die Durchführung einer Mediation gefallen, kann der Mediator seine Tätigkeit aufnehmen. Er hat zwar das Votum für eine Beauftragung aber noch keinen Vertrag. Dabei geht es für den Mediator nicht nur um das bloße Verstehen und Übernehmen des Auftrages, ein guter Auftrag will vom Mediator – gerade in der Wirtschaftsmediation – aktiv gestaltet sein.
20 Einzelheiten unter http://www.appreciative-inquiry.de 21 Hauptziel des Open Space ist es, einen Raum besonderer Qualität zu öffnen, damit Menschen selbstorganisiert und selbstverantwortlich ihre Anliegen gemeinschaftlich bearbeiten können. Das können komplexe und dringliche gemeinsame, aber auch sehr persönliche Fragen und Themen sein. Sie werden erst am Tag des Anlasses selbst definitiv formuliert. Auch Konflikte können bearbeitet werden. Dabei sollen sich die Teilnehmenden nicht nur beteiligen, sondern ein möglichst breites gegenseitiges Verständnis oder Engagement erreichen, und es sollen alle den Raum und die Möglichkeit erhalten, ein Anliegen, das ihnen besonders am Herzen liegt, vorantreiben zu können. 22 Die Methode World Café fußt auf der zentralen Bedeutung des Gesprächs zwischen Menschen. Durch dieses Gespräch wird gelernt, wird die Realität neu interpretiert und werden Netze von Verbindungen geknüpft. Zukunft entsteht – in jeder Organisation und überhaupt – aus einem Gewebe von Gesprächen.Das Setting eines World Cafés ist sehr informell. Leitidee ist die entspannte Atmosphäre eines Straßencafés, in dem sich Menschen zwanglos unterhalten. Die Teilnehmer sitzen an kleinen Tischen, an denen jeweils vier bis fünf Menschen Platz finden können. Die zwanglose Atmosphäre und die kleinen Gruppen bewirken, dass die Teilnehmer beginnen, sich für einander zu interessieren und sich wirklich zuzuhören. Sie verteidigen keine Positionen, sondern lassen sich auf ihr Gegenüber ein. 23 Siehe wegen der weiteren Begriffe auch im Glossar – hinter dem Literaturverzeichnis
80
C.
1.
3
Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation
Vorgespräch
Die Konfliktbeteiligten selbst sind die „de facto“ Auftraggeber für die Mediation (innerer Auftrag) und in der Wirtschaftsmediation häufig nicht identisch mit dem „de jure“ Auftraggeber (äußerer Auftrag). Es gibt also zwei Institutionen/Personenkreise, mit denen Vorklärungen stattzufinden haben.
10
3
> Beispiel: Kommen wir zurück auf den Beispielsfall (§ 2, Rn. 8). Die Gesellschafterversammlung hat die beiden Geschäftsführer verpflichtet, ihren Konflikt zu bearbeiten. Ein Mitglied dieses Gremiums (der Mitgesellschafter) übernimmt in Bezug auf A und B die Führungsrolle, vielleicht vergleichbar mit einem Aufsichtsrat. Diese Person hat die Pre-Mediation organisiert und begleitet und hat Kontakt mit dem Mediator, den der Case-Developer empfohlen hat. Bevor also der Mediator mit den Konfliktparteien zu tun bekommt, lernt er den Gesellschafter kennen, der hier quasi als Auftraggeber auftritt. Dieses Auseinanderfallen von Auftraggeber und Betroffenem = Konfliktpartei ist typisch für Wirtschaftskonflikte. Selbst wenn die Handelnden personenidentisch sind ist es doch regelmäßig so, dass das Unternehmen die Kosten trägt.
a)
Mit dem de jure Auftraggeber
Der Mediator muss also zunächst die vertraglichen Dinge mit dem Auftraggeber verhandeln, allerdings ohne den Vertrag sofort abschließen zu können. In der Vertragsverhandlung hat der Mediator mit dem Auftraggeber folgendes zu klären24: ■ Warum möchte der Auftraggeber, dass der Konflikt mediiert wird? – was ist dessen Motiv? ■ Worum genau geht es dem Auftraggeber – Welches ist für ihn das Beste aller denkbaren Ergebnisse? Was ist sein Ziel? ■ Was passiert, wenn die Mediation nicht den gewünschten Erfolg einer Befriedung hat? Dieses ist die „Gretchenfrage“ zur Ergebnisoffenheit des Auftraggebers. ■ Was hat der Auftraggeber bislang schon unternommen, das gewünschte Ziel zu erreichen? ■ Akzeptiert der Auftraggeber die Selbstverantwortlichkeit der Konfliktparteien ■ Welche Entscheidungsspielräume akzeptiert der Auftraggeber? ■ Ist der Vertreter des (rechtlichen) Auftraggebers bereit, sich für den Fall an der Mediation zu beteiligen, dass einer oder beide/alle benannten Konfliktparteien der Auffassung sind, er sei einzubeziehen? Die ersten drei Fragen kreisen das wahre Motiv des Auftraggebers ein. Es gilt für den Mediator, herauszufinden, ob er mit seiner Arbeit z.B. nicht missbraucht werden soll, weil schon im Zeitpunkt der Auftragerteilung feststeht, was passieren wird. Wie zuvor schon angedeutet ist der Mediator schon hier mit seiner Kompetenz gefordert, unter Einsatz der Mediationstechniken die zu klärenden Punkte zu „besprechen“.
24 Siehe dazu auch Stagge/Redlich in „Auf dem Weg zu einer Methodik der Konfliktmoderation“ in Frischer Wind für Mediation 2007 S. 99
81
11
3
§ 3 Wirtschaftsmediation ! Tipp: Ein häufig auftretender Fehler ist, diese Verhandlung wie ein Kaufmann zu führen. Die Versuchung, so vorzugehen, ist dadurch groß, dass es scheinbar nur um veretragliches geht. Das ist aber falsch: der Auftraggeber hat eine große Bedeutung für das Gelingen einer Mediation; er ist als Mensch zu sehen, der seine Gefühle, Interessen und Bedürfnisse hat. Diese trägt er ebensowenig auf der Zunge wie Konfliktparteien. Der Mediator sollte also schon hier aktiv zuhören und ggf. Erhellungstechniken einsetzen.
3
> Hierzu wieder ein Beispiel: Der Konflikt zwischen dem Abteilungsleiter und seinem Mitarbeiter soll mediativ gelöst werden. Initiator ist der Hauptabteilungsleiter, der die Personalabteilung veranlasst hat, den Mediator einzuschalten. Hauptabteilungsleiter, Abteilungsleiter und Personalabteilung sind sich aber schon einig, dass der Mitarbeiter gehen muss. So ohne weiteres – das ist bekannt – wird der Betriebsrat dieser Entlassung nicht zustimmen. Also wird die Mediation beauftragt.
12
Durch die Fragen und insbesondere die Abfrage einer Bereitschaft, im Zweifelsfall als Beteiligter an der Mediation teilzunehmen erhöht der Mediator die Chance beträchtlich, das „falsche Spiel“ und seine Wirkung auf die Mediation aufzudecken. Die Durchführung eines Mediationsverfahrens muss also ergebnisoffen möglich sein – nur dann kann auch die erforderliche Bereitschaft der Konfliktbeteiligten angenommen werden. Dies setzt eine Weisungsunabhängigkeit des Mediators voraus. Gerade in den innerbetrieblichen Mediationen wird der Auftrag hierzu oft von einer am Mediationsverfahren nicht beteiligten Person mit einem bestimmten Ziel formuliert, wie z.B. „die sollen wieder zusammenarbeiten“. Entscheidend ist es an dieser Stelle, deutlich zu machen, dass ein Ergebnis nicht zugesichert werden kann. Wichtig ist es darüber hinaus, den Medianten transparent zu machen, dass ein Auftrag von ihrem Vorgesetzten erteilt wurde ggf. mit einem bestimmten Wunsch verbunden, aber mit einer Ergebnisoffenheit verknüpft. Wünschenswert ist es, dass der Auftraggeber diese Ergebnisoffenheit in Anwesenheit der Konfliktparteien formuliert, weil bei den Medianden häufig genau daran Zweifel bestehen. Weiterhin gilt es, klar zu stellen, dass der Mediator dem Auftraggeber weder aus noch über die Mediation berichten wird. Die Konfliktbearbeitung mit Mediation findet im geschützten Raum statt; Verschwiegenheit ist oberstes Gebot. Nur das, was die Konfliktparteien – übereinstimmend – nach außen dringen lassen möchten, wird offenbart. Auch das passt manchem Auftraggeber nicht.
b) 13
Mit den Konfliktparteien
Nach dem Vorgespräch mit dem Auftraggeber folgt ein Vorgespräch mit den Konfliktparteien. Wie dieses Vorgespräch genau aussehen soll, insbesondere welchen Umfang es hat, wird nicht einheitlich gesehen. Zwingend ist dieser Termin, um zwischen dem Mediator und den Konfliktparteien abzuklären, ob die Konfliktparteien den Mediator akzeptieren und umgekehrt, ob der Mediator sich in der Lage sieht, mit den Konfliktparteien zu arbeiten. Dabei geht es um eine rein subjektive Einschätzung und bei dem Mediator zusätzlich darum, ob er sich zutraut, den Konflikt den Regeln der Kunst entsprechend zu mediieren25. Ob der Mediator dieses Gespräch mit den Konfliktparteien getrennt oder aber zusammen führt muss er je nach Sachlage entscheiden. Für ein gemeinsames Gespräch spricht, dass keine Partei verunsichert in die Mediationssitzung 25 Es geht dabei um die unter § 3 unter V dargestellten Kompetenzen, wobei insbesondere die Einhaltung der Allparteilichkeit oft die größte Herausforderung darstellt.
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C.
3
Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation
gehen muss, weil sie nicht weiß, was die andere Partei dem Mediator im Vorgespräch mitgeteilt hat. Auch der Faktor Zeit spricht dafür (Ressourcenschonung). Ein gewichtiges Argument für getrennte Vorgespräche ist, dass jede Konfliktpartei für sich den Mediator offen und unbefangen „testen“ kann26. Ergebnis der Vorgespräche ist die Entscheidung, ob die Mediation in dieser Konstellation stattfindet oder nicht. Im Kontakt mit den Konfliktparteien, insbesondere wenn der Mediator mit diesen in Einzelgesprächen zusammen kommt, passiert es schnell, dass der Konflikt Gesprächsgegenstand wird. Für den Mediator kann es interessant sein, vor Beginn der Mediation in etwa zu wissen, worum es gehen wird. Verfügt er ansatzweise über Informationen zum Konflikt, kann ihn das in die Lage versetzen, sich vor Beginn der Mediation im erforderlichen Umfang sachkundig zu machen. So wird sich der Mediator ein Bild von der Situation machen müssen, wenn in einem Konflikt die Sitzordnung der Konfliktparteien in einen Großraumbüro von Bedeutung ist. Hatte der Mediator sich vor Beginn der Mediation hierüber informieren können, bedarf es keiner Unterbrechung der Sitzung für eine Ortsbesichtigung. Gegen Einzelgespräche mit den Konfliktparteien spricht die Tatsache, dass intransparente Informationsstände (was weiß der Mediator über den Konflikt von der anderen Seite?) irritierend wirken (s.o.). Wählt der Mediator dennoch diesen Weg, muss er eingangs der Mediationssitzung den Parteien transparent machen, was er an Informationen aus den getrennten Vorgesprächen mitgenommen hat.
c)
3
Mit Anwälten
Häufig sind die Konfliktparteien durch Anwälte vertreten. Das gilt immer, wenn ein Konflikt durch ein Gericht27 in die Mediation „geschickt“ wurde. Die Anwälte sind mit der Sachlage bestens vertraut und können für die Parteien – und auch den Mediator – in der Mediation hilfreich wirken. Der Mediator kann aber nicht davon ausgehen, dass Anwälte die „Spielregeln“ der Mediation kennen. So macht es Sinn, dass der Mediator auch mit ihnen ein Vorgespräch führt. Es gilt, eine vertrauensvolle Beziehung und ein „Arbeitsbündnis“ zu und mit den Anwälten zu begründen. Um das Verstehen zu können, werfen wir einen Blick auf Verbindungen und Beziehungen, die in einer Konfliktlage noch vertrauensvoll sind. Das Vertrauen zwischen den Konfliktparteien ist gestört; das ist typische Folge eines jeden Konflikts. Sucht sich eine Konfliktpartei einen Rechtsanwalt als Beistand, wird zwischen Anwalt und Mandant prima facie ein Vertrauensverhältnis entstehen. (In der Regel suchen und finden die Konfliktparteien dann auch noch Verbündete in der Organisation; auch diese bilden ein Vertrauensbündnis und tragen in der Regel zur Polarisierung in einer Organisation bei.) Wir halten hier zunächst fest, dass der beauftragte Rechtsanwalt Vertrauter der Konfliktpartei ist. Ein Mediator, der zwischen die durch Anwälte vertretenen Konfliktparteien tritt, ist keine Person des Vertrauens jeder einzelnen Konfliktpartei. Das ist, wie wir oben festgestellt haben, auch nicht notwendig, damit der Mediator seine Arbeit erfolgreich tun kann; es reicht, wenn die Konfliktparteien den Mediator als nicht parteilich erleben. Aufgrund der gewachsenen Vertrauensbeziehung des Anwaltes zu seinem Mandanten ist der Anwalt in der Lage, dem Mediator das Leben schwer zu machen. Beeinflusst er seinen Mandanten beispielsweise durch kritische Kommentare oder unsachgemäße Einschätzung der Arbeit eines Mediators, kann die Mediation kaum erfolgreich sein. Es kommt zu einem Konkurrenzkampf 26 In diesem Punkt muss jeder Mediator seine eigenen Erfahrungen machen. Getrennte Vorgespräche machen immer Sinn, wenn starke „Schieflagen“ wie z.B. bei Konflikten in Unternehmen mit Beteiligten aus unterschiedlichen Hierarchiestufen. Eine Gefahr von getrennten Vorgesprächen liegt darin, dass dort Gefühle geäußert werden um dann später in der Mediation selbst wieder zu „verstecken“. 27 Konzept der gerichtsinternen oder gerichtsnahen Mediation, das in fast allen Bundesländern derzeit erprobt wird.
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14
3
§ 3 Wirtschaftsmediation zwischen Anwalt und Mediator in der Mediationssitzung. Diese beschriebene Dynamik tritt schneller auf als man es sich so vorstellen kann und hängt damit zusammen, dass Anwälte dazu neigen, eifersüchtig auf ein konkurrenzloses Vertrauensverhältnis zu Ihren Mandanten zu achten und dafür zu kämpfen. Dieses gilt es im Vorhinein für den Mediator zu vermeiden. Es gelingt ihm, wenn er dem Anwalt transparent machen kann, dass er kein Konkurrent des Anwaltes ist, vielmehr beide (sowohl Anwalt die Mediator) von einer erfolgreichen Mediation profitieren.
3
! Tipp: In dem Vorgespräch (das häufig erst bei Beginn der ersten Mediationssitzung stattfinden kann – also vor der Phase 1), sind somit folgende Punkte zu klären: ■ Was ist das Motiv (Interesse, Bedürfnis) des Anwaltes, den Mandanten in der Mediation beizustehen? Insoweit ist der Mediatior mit seiner mediatorischen Qualifikation gefordert: er fragt empathisch, hört aktiv zu etc. Nur wenn sich der Anwalt sicher ist, dass der Mediator ihn verstanden hat und seine Rolle akzeptiert, wird es dem Mediator gelingen, den Anwalt im 2. Schritt zum Abschluss eines Arbeitbündnisses zu bringen. ■ Im 2. Schritt verdeutlicht der Mediator dem Anwalt, dass er als Rechtsexperte nur in der Phase 2, 4 und 5 ein Aktionsfeld finden wird. Wenn sein Einsatzfeld geklärt ist, haben Anwälte in aller Regel kein Problem damit, dem Mediator seine Prozesskompetenz zu lassen und in der Phase 3 zu schweigen. Auch dieses Gespräch muss der Mediator also mediativ führen; begegnet er dem Anwalt als „cooler Profi“ wird er ihn kaum verlässlich ins Boot holen.
d) 15
Fazit
Dem Mediator obliegt die Aufgabe, die Kommunikation so zu steuern, dass die Partner in einer vertrauens- und respektvollen Atmosphäre miteinander umgehen können. Diese Aufgabe hat eine große praktische Relevanz in Anbetracht der Tatsache, dass gerade in innerbetrieblichen Konflikten ein nicht unerheblicher %-satz von Konfliktbeteiligten eine Bearbeitung ihres Konfliktes nicht unbedingt wollen. Nach einer Erhebung28 , die sich mit innerbetrieblichen Konfliktregelungen befasst, entstand der Erstkontakt zum Mediator zu 70 % durch die Führungskräfte. Aus den Antworten im Konfliktfeld Vorgesetzter- Mitarbeiter ging nicht hervor, ob die Kontaktaufnahme den Wunsch des Vorgesetzten nach Konfliktregelung widerspiegelt oder ob es lediglich dem »Instanzenweg« entspricht, so dass der Vorgesetzte den Kontakt herstellen musste. Laut einem Drittel der Mediatoren haben die Mitarbeiter selber den Kontakt zu den Mediatoren hergestellt. Aber auch die Personalabteilung oder der Betriebs- oder Personalrat (Mitarbeitervertretung) sind mit den Mediatoren in Kontakt getreten. Bei der Feststellung, wer die Konfliktregelung wollte, gaben im Konfliktfeld Vorgesetzter -Mitarbeiter mehr als 70 % der Mediatoren an, dass der Wunsch von der Führungskraft ausging und knapp 58 %, dass die Mitarbeiter den Wunsch nach einer Konfliktbewältigung offiziell geäußert hätten. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass mehr als 40 % der Mediatoren annehmen, dass Führungskräfte und Mitarbeiter an den Mediationen teilnahmen, obwohl sie nicht den primären Wunsch nach einer Konfliktregelung hatten; diese befürchten Gesichtsverlust, Sanktionen oder sonstige Nachteile im Unternehmen. 28 Nicole Berse und Daniel Steinitz, WIRTSCHAFTSUNTERNEHMEN ALS KONFLIKT-UND MEDIATIONSFELD Besonderheiten in der Praxis – eine qualitative Studie; Frankfurt/Oder 2005
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C.
3
Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation
! Tipp: Es ist Aufgabe der Wirtschaftsmediatoren, den Konfliktparteien diese Befürchtungen zu nehmen, so dass sie freiwillig und ohne Angst in den Mediationsprozess gehen können. Dazu reicht u.U. schon die Gewissheit (auch durch die Haltung29 des Mediators ganz wesentlich gestützt), dass die Konfliktbearbeitung wirklich ergebnissoffen (auch von Seiten des Auftraggebers) stattfindet und jeder jederzeit aus dem Prozess aussteigen kann, wenn die Bereitschaft geschwunden ist, weiterhin an der Mediation teilzunehmen.
III.
3
Der Mediationsvertrag
Ist die wirtschaftliche Entscheidung gefallen, dass der Mediator tätig werden soll, wird der vorverhandelte Vertrag geschlossen. Grundsätzlich sind zwei Strukturen zu unterscheiden: ■ der Mediator wird in einem organisierten Netzwerk tätig ■ der Mediator verhandelt den Vertrag allein. Netzwerke wie z.B. die Mediationsstelle der Handelskammer Hamburg, verfügen über Vertragsrahmen, die sich im Fall der erwähnten Handelskammer „Mediationsordnung“ (Anlage I a) nennen und wie allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) wirken. Der Kundenkreis ist im Beispielsfall begrenzt auf Mitglieder einer deutschen IHK und Mitglieder einer Handelskammer; das bedeutet, dass wenigstens eine Konfliktpartei bzw. Vertragspartner eines Mediationsverfahrens Mitglied der genannten Kammern ist. Dieses umfangreiche Dokument (Anlage I a) enthält Informationen zu Inhalt, Form und Vertragsbedingungen für durch die Mediationsstelle vermittelte Mediationen. Abgestimmt auf diese AGB schließt dann der von der Mediationsstelle angebotene und von den Auftraggebern akzeptierte Mediator den Leistungsvertrag (Anlage I b). Die Vertragsanbahnung mit einer solchen Mediationsordnung im Hintergrund hat folgende Vorteile: ■ die „Kunden“ werden anhand eines Standards einheitlich (und in der Regel mit einem erprobtem Katalog an Aspekten) informiert/aufgeklärt ■ damit wirkt das Netzwerk „professionell“ und im Wirtschaftskontext damit vertrauensbildend ■ die Rechte und Pflichten sind frühzeitig bekannt ■ der Informations- und Aufklärungsaufwand des Mediators ist im Einzelfall deutlich reduziert Der Nachteil liegt auf der Hand: es geht ein Stück Individualität – und damit Vertrauen in die Person des Mediators – verloren. Noch gibt es nicht so viele Netzwerke dieser Art; wir gehen aber davon aus, dass sich das in nächster Zeit ändern wird. Der Normalfall ist (noch), dass der Mediator den Vertrag selbst verhandelt. Ein Vertragsmuster für die Situation, dass Auftraggeber und Konfliktparteien auseinander fallen, ist als Anlage II beigefügt.
1.
16
Form
Der Mediationsvertrag bedarf keiner Form, ist also auch mündlich geschlossen wirksam. Dennoch empfiehlt es sich, die Schriftform zu wählen. Die Schriftform hat den großen Vorteil, dass der Mediator die für seine Tätigkeit notwendigen Bedingungen als einzeln verhandelt dokumen29 Sie dazu die ausführlichen Darstellungen zur Persönlichkeitskompetenz des Mediators
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17
3
§ 3 Wirtschaftsmediation tiert und sich durch die Unterschrift des Auftraggebers noch einmal bestätigen lassen kann, dass insoweit Konsens besteht.
2. 3
18
Die „kritischen“ Punkte in diesem Sinne sind (wie oben im anderen Zusammenhang schon betrachtet): ■ Ergebnisoffenheit des Auftraggebers ■ Weisungsfreiheit des Mediators (frei von Weisungen des Auftraggebers) ■ Verschwiegenheit des Mediators – auch gegenüber dem Auftraggeber ■ Der Mediator kann die Mediation jederzeit abbrechen, wenn die Bereitschaft einer oder beider Konfliktparteien nicht mehr vorhanden sein sollte ■ Der Mediator schuldet keinen Erfolg, weil allein die Konfliktparteien eine Lösung für ihren Konflikt finden Wir verweisen auf die beigefügten Vetragsmuster und verzichten auf eine weitergehende Erläuterung.
3. 19
Inhalt
Absprachen mit Anwälten
Insbesondere bei Arbeitnehmerkonflikten, bei denen die berufliche und damit wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers tangiert ist – weil z.B. eine Kündigung droht – sind die Konfliktparteien häufig früh durch Anwälte vertreten. Es empfiehlt sich, die Anwälte in eine Konfliktschlichtung einzubeziehen; denn dieses Angebot macht es den Konfliktparteien leichter, sich zur mediativen Konfliktbearbeitung bereit zu finden. Auch hier gilt es, den Anwalt als Partner einzubinden30. Wie oben im Kapitel „Verhandeln“ ausgeführt geht ein Anwalt in der Regel anders mit Konfliktlagen um als es für die Mediation erforderlich ist. Der Anwalt geht mit einer (Rechts-) Position in das Gespräch, was der mediativen Konfliktbearbeitung abträglich ist. Aus diesem Grund ist es notwendig, mit den Anwälten ein gesondertes Vorgespräch zu führen. Die Abtrennung vom Vorgespräch mit den Konfliktparteien empfehlen wir insbesondere auch deshalb, weil die notwendigen Erklärungen in Anwesenheit der Mandanten als „Gesichtsverlust“ für den/die Anwälte erlebt werden könnte. Wir haben in der Anlage III ein Muster beigefügt, das die Besprechungspunkte auflistet. Diese Urkunde sollte auch den Konfliktparteien bekannt sein, wobei es oft taktisch sinnvoll ist, dieses den Anwälten zu überlassen (aus diesem Grund fehlt insoweit auch der Querverweis in der Hauptvereinbarung).
30 Siehe Ausführungen oben zum Vorgespräch mit an der Mediation teilnehmenden Anwälten
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C.
3
Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation
IV.
Organisatorische Absprachen
1.
Vorbereitung auf die Mediationssitzung
20
Vor der ersten Sitzung bedarf es organisatorischer Maßnahmen, die zum Teil gewichtige Erfolgsfaktoren darstellen. In jedem Fall macht es Sinn, dass sich der Mediator hierzu Gedanken macht. Zu reflektieren sind:
21
! Tipp ■ Co-Mediation ja/nein? ■ Ort der Mediationssitzung ■ Ausweichraum für Einzelgespräche ■ Verpflegung während der Mediationssitzungen ■ Uhrzeit für die Sitzungen ■ Dauer je Sitzung ■ Ausstattung des Konferenzraumes (technisch und atmosphärisch) ■ Sitzordnung während der Mediation ■ Informationen beschaffen – ohne Kontakt mit den Konfliktparteien und/oder Auftraggeber ■ Hypothesen zur Unternehmenskultur formulieren ■ Dramaturgie der Mediation (intellektuelle Vorbereitung) Wir erläutern die einzelnen Aspekte.
2.
Co-Mediation
!Tipp: Die Frage, ob der Mediator alleine arbeitet oder einen zweiten Mediator hinzu zieht, hängt sowohl vom Einzelfall (wird u.U. auch schon vom Fallmanager entschieden; s.o.) als auch der Selbsteinschätzung des Mediators ab, ob und inwieweit er sich der Fallbearbeitung allein gewachsen fühlt. Der zweite Aspekt bedarf keiner weiteren Betrachtung, weil er nur individuell beantwortbar ist. Die Komplexität lässt sich jedoch weiter differenzieren. Ein erster Aspekt ist der, ob an dem Konflikt Männer und Frauen beteiligt sind und Genderaspekte Teil des Konfliktes sind oder sein können; in diesem Fall kann es ratsam sein, dass auch auf der Seite der Mediatoren beide Geschlechter vertreten sind. Komplexität kann sich auch aus der Anzahl der teilnehmenden Personen ergeben. Eine größere Anzahl an Köpfen haben Teamkonflikte zur Folge. Auch wenn Anwälte als Parteivertreter in der Mediationssitzung anwesend sind, kann sich die Co-Mediation empfehlen. Komplexität kann sich auch aus dem Sachverhalt bzw. den Umständen ergeben. So kann es sich empfehlen, wenn beispielsweise technische Fragen eine Rolle spielen, jemanden als Co-Mediator hinzu zu ziehen, dem es leicht fällt, die geschilderten Vorkommnisse in ihrer Bedeutung einordnen zu können (das geht häufig nur mit Sachverstand in der Sache). Bei komplexen Sachverhalten ist es regelmäßig unumgänglich, den Konflikt zu visualisieren; damit sich der Mediator auf das Gespräch konzentrieren kann, macht es Sinn, für die Visualisierung einen Partner hinzu zu ziehen. In Wirtschaftsmediationen empfiehlt es sich, häufiger als in anderen Bereichen, die Konfliktparteien zu Einzelgesprächen zu bitten. Ist dieses Vorgehen absehbar, sollte sich der Mediator die Situation vor Augen halten, dass die andere Konfliktpartei allein irgendwo sitzt und auf die Rückkehr von Mediator nebst anderer Konfliktpartei wartet. Diese irritierende Situation wird durch Co-Mediation vermieden. 87
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3
3
§ 3 Wirtschaftsmediation Steuerberater31 arbeiten bei Besprechungen (also in einer Beratungssituation mit Mandanten) ungern im Team. Das prägt insofern, als dieser Personenkreis den Aspekt der Comediation eher aublendet. Das kann jedoch den Erfolg einer Konfliktbearbeitung von vornherein unmöglich machen; deshalb dieser Praxistipp. Ist die Entscheidung gefallen, in Co-Mediation zu arbeiten, bedarf diese einer sorgfältigen Vorbereitung unter den Mediatoren. Dabei sollten die Rollen/Funktionen nicht gewechselt werden – jedenfalls nicht in einer Sitzung, denn dann wirkt die Aufgabenverteilung frei floatend und irritiert die Konfliktparteien leicht. Und die Funktion jedes einzelnen Mediators in der sitzung sollte für die Konfliktparteien transparent sein. Als denkbare Rollen im temdem haben wir zuvor schon benannt: ■ Prozessleiter – Visualisierer ■ Prozessleiter – Beobachter ■ Prozessleitung bis zur Pause – Prozessleitung nach der Pause ■ Prozessleitung gendermäßig aufteilen
3
3. 23
Ort, Raum, Verpflegung
Zur Auswahl des Ortes sollte der Mediator frühzeitig eine Einstellung haben. Wir werden noch sehen, dass Unternehmenskulturen erhebliche Bedeutung auf Konflikte haben. Dieser Umstand spricht dafür, die Mediationssitzung nicht in den Räumen des Auftraggebers durchzuführen; dieser Ort ist vermutlich nicht neutral. Weiterhin wird es dem Mediator u.U. nur schwer gelingen die Verschwiegenheit zu gewährleisten, was ganz praktisch auch bedeutet, dass ein Mithören ausgeschlossen sein muss. Hinzu kommt, dass die Nähe zum Arbeitsplatz den einen oder anderen verleitet, in Pausen einen Blick auf den Schreibtisch werfen zu wollen. Der Faktor Zeit spielt in der Wirtschaftsmediation eine große Rolle; hierauf gehen wir später noch ausführlicher ein. Der Mediator sollte gewährleisten, dass die Mediationssitzungen als solche möglichst frei gestellt sind vom Stress des Arbeitsalltags. Das ist in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes nach unserer Erfahrung kaum zu gewährleisten. Ansonsten ist die Raumfrage diktiert durch den Platzbedarf sowie ästhetische Aspekte. An Räumen wird über das Sitzungszimmer hinaus wenigstens ein weiterer Raum für Einzelgespräche benötigt. Bestehen die Konfliktparteien aus Teams/Gruppen macht es Sinn, wenigstens zwei separate Räume verfügbar zu haben, damit sich die Gruppen ungestört zusammen finden können und die äußeren Bedingungen für beide Seiten gleich sind. Je nach Geschmack kann es auch sinnvoll sein, einen gesonderten Raum für Pausen vorzuhalten. Die ästhetische Gestaltung sollte ebenfalls nicht dem Zufall überlassen bleiben. In einer hellen, freundlichen und warmen Atmosphäre lässt es sich leichter über Konflikte konferieren als in kühlen, unpersönlichen Konferenzräumen. Obst, Getränke und Gebäck o.ä. sind für die Atmosphäre wichtig; Getränke teilweise notwendig. Auch insoweit ist bei der Auswahl des Ortes darauf zu achten, dass der Mediator diese Rahmenbedingungen gestalten kann.
31 Die nachfolgend beschriebene Eigenart trifft auf die meisten Freiberufler zu, insbesondere auch Rechtsanwälte.
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C.
3
Struktur des Verfahrens in der Wirtschaftsmediation
! Tipp: Bei Konflikten unter Führungskräften, beispielsweise Konflikten im Vorstand oder auch im Aufsichtsrat, hat sich bewährt, für die Konfliktschlichtung einen Ort in der Einsamkeit zu wählen wie z.B. ein Kloster. Die Anreise wird dann für den Abend vor Beginn ist der Mediation geplant; das gesamte Zeitkonzept ist dann natürlich ein besonderes.
4.
3
Beginn und Dauer
Beginn und Dauer der Mediationssitzungen sollte der Mediator sorgfältig planen und mit einem entsprechenden Konzept an die Konfliktparteien herantreten. Sitzungseinheiten von bis zu maximal drei Stunden haben sich bewährt. Sofern mehrere Einheiten für einen Tag angesetzt werden, sind entsprechende Pausenzeiten zu berücksichtigen. Pausen sind grundsätzlich produktiv wenn sie für Entspannung und Reflexion des Geschehenen genutzt werden. Dies gilt es zu bedenken, wenn größere Pausenzeiten eingeplant werden müssen, weil an einem Tag in mehreren Sequenzen verhandelt werden sollen. So macht es keinen Sinn, den Konferenzort mitten in ein Stadtzentrum zu legen, wo die Teilnehmer keine Frischluft in grüner Umgebung vorfinden. Der Beginn am Morgen sollte so angesetzt werden, dass alle Teilnehmer ohne Stress rechtzeitig anwesend sein können.
5.
technische Ausstattung
Zur Ausstattung des Konferenzraumes haben wir oben schon kurz Stellung genommen. Wir ergänzen hier lediglich um Hinweise zur Technik, die der Mediator benötigt. Es empfiehlt sich, dass der Mediator visualisiert, was die Parteien zum Konflikt vortragen. Die Visualisierung hat zum einen den Vorteil, dass die Konfliktparteien sicher sind, dass der von Ihnen genannte Aspekt gehört ist und dass er nicht vergessen wird. Dies gilt insbesondere für die in der ersten Phase geäußerten Interessen, die bei der Lösungsfindung gebraucht werden, um die „richtige“ Lösung bestimmen zu können. Traditionell werden zur Visualisierung Flipchart und Pinnwand benutzt. Es ist sicherlich auch denkbar, dass der Mediator mit Computer und Beamer die erforderliche Dokumentation erstellt. Welche Technik32 der Mediator im Einzelfall bevorzugt ist seine persönliche Entscheidung und mag auch davon abhängen, ob er die Sitzung alleine leitet oder in Co-Mediation tätig ist.
6.
24
25
Sitzordnung
Grundsätzlich ist zu entscheiden: ■ Gibt es eine Sitzordnung oder können die Beteiligten sich ihren Platz frei wählen? ■ Werden die Sitzgelegenheiten vom Mediator vorbereitet oder erledigen das die Konferenzteilnehmer gemeinsam? ■ Sitzen die Beteiligten an Tischen oder offen (im Stuhlkreis)? Beginnen wir mit dem letzten Aspekt: es gibt Mediatoren, die setzen die Beteiligten in einen Stuhlkreis, lassen also Tische nicht zu. Der Sinn liegt darin, dass die nonverbale Kommunikation stärker zum Tragen kommt. Nachteil ist, dass sich – gerade Menschen im unternehmerischen Kontext – unwohl fühlen, wenn sie nicht den „Schutz“ eines Tisches haben. Aus diesem Grunde empfehlen wir grundsätzlich an Tischen zu konferieren und den Stuhlkreis nur dann einzurich32 In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf die Ausführungen zur Onlinemediation auf S. 106 ff.
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3
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§ 3 Wirtschaftsmediation
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ten, wenn die Konfliktparteien dieses zuvor gebilligt haben. Es macht keinen Sinn, den bei Beginn einer Konfliktsitzung vorhandenen Stress der Parteien zusätzlich zu erhöhen; aus unserer Sicht wiegen evtl. Vorteile diesen Nachteil nicht auf. Es kann aber sinnvoll sein, in späteren Phasen33 der Mediation auf den Tisch zu verzichten; so macht es durchaus Sinn, sich für jede Sitzung neu Gedanken zu diesem Punkt zu machen. Aufgrund des Geschehens in der Mediation müssen sich möglichst alle Beteiligten gut sehen können. Dieses ist unproblematisch, solange der oder die Mediatoren mit zwei Personen am Tisch sitzen; man bildet ein Dreieck, wählt also am besten einen runden Tisch. So können sich die Konfliktparteien in der ersten Phase dem Mediator zuwenden und wenn die Kontaktaufnahme mit dem Konfliktpartner wieder möglich ist, steht dem die Sitzordnung nicht im Wege. Schwieriger wird es, wenn zwei Konfliktparteien mit ihren Beratern kommen. Wie früher bereits reflektiert sind die Berater die Vertrauenspersonen der Konfliktparteien; sie geben ihnen ein Stück Sicherheit in der Konfliktbearbeitung. Auch wenn die Prozessarbeit des Mediators die Aufmerksamkeit der Parteien binden soll, macht es Sinn, dass der Mediator durch die Sitzordnung dafür sorgt, dass die Beteiligten so sitzen, dass sie sich möglichst entspannt auf den Mediator konzentrieren können und dabei immer Blickkontakt mit ihrem Berater haben können. So bilden die Konfliktparteien am besten mit dem Mediator ein Dreieck und auf der Blickseite zum Mediator sitzen die Berater. Graphisch sieht das dann so aus: Mediator Berater I Konfliktpartei I
Berater II Konfliktpartei II
Bei Team- bzw. Gruppenkonflikten gelten die gleichen Grundsätze; sofern vorhanden empfiehlt sich ein ovaler Konferenztisch. Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass der Mediator die Sitzordnung nicht dem Zufall überlassen sollte. Ohnehin wird er zumindest seinen „Arbeitsplatz“ vorbereiten müssen, weil er die Visualisierungstechnik in einer für ihn gut erreichbaren Nähe positionieren muss. Leitidee – letztlich für alle Vorbereitungshandlungen – ist die Verantwortung des Mediators, alles zu unternehmen, um zusätzliche Stresse von den Konfliktparteien fern zu halten und für sich selbst ein möglichst effizientes und störungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen. Oder noch deutlicher, dass er sich überlegt, wie er die Konfliktparteien „einladen“ kann, mit ihm die Konfliktbearbeitung anzugehen. Dazu ist die bewusste Gestaltung einer entsprechenden Atmosphäre notwendig. D. 28
D.
Weitere Besonderheiten
Konflikte sind immer von ihrem Umfeld mit geprägt. Das gilt ganz besonders für die Wirtschaftskonflikte, die wir betrachten. In diesem Umfeld geht es nicht um Lust und Liebe (der Hintergrund von Beziehungskonflikten) sondern um Macht und Geld. Dann gibt es Strukturen, die für die 33 Wenn man z.B. in der Phase 3 das Doppeln einsetzt (nach Thomann) oder in der Phase 4 Kreativitätstechniken einsetzt, bei denen der Tisch eher störend wirkt.
90
3
D. Weitere Besonderheiten Einschätzung von Konflikten zu kennen bedeutsam sind. Alles zusammen ergibt dann eine Organisationskultur; in deren Umfeld die Konflikte entstehen, sich entwickelt haben und geschlichtet werden sollen. All das haben wir unter „Besonderheiten“ zusammen gefasst.
I.
Struktur von Konflikten in Unternehmen
3
Die Definition des Begriffs „Konflikt“ zu nennen vor dem Problem, dass aus wissenschaftlicher Sicht kein einheitlicher Konfliktbegriff existiert, ist kein einfaches Angehen; denn je nach Disziplin gibt es unzählige Definitionsversuche. Klassifizierungen und Typisierungen von Konflikten gibt es eine Menge. Zunächst grenzen wir unseren Betrachtungsbereich ein über den Zugang der vier Konfliktsysteme34. Das sind ■ Konflikte innerhalb einer Person ■ Konflikte zwischen zwei Personen ■ Konflikte innerhalb einer Gruppe ■ Konflikte zwischen Gruppen Der erste Fall scheidet für unsere Betrachtung aus, weil diese Konflikte durch Beratung und/oder Therapie behandelt werden35. Es verbleiben somit die zwischenmenschlichen Konflikte, die in der Wirtschaft an der Tagesordnung sind. Für die weitere Differenzierung wählen wir eine36 aus, die sich im Wesentlichen mit anderen Gliederungen deckt und die uns für unsere Betrachtung hilfreich erscheint. Demnach enthalten Konflikte eine soziale und eine psychische Ebene, die miteinander verwoben sein können. Als weiteren wichtigen Aspekt weisen Konflikte eine Sach- und eine Beziehungsebene auf. Während die erstere Gefühle, Befindlichkeiten, Wahrnehmungen und Werthaltungen der am Konflikt Beteiligten beinhaltet, stehen auf der zweiten Ebene Sachfragen wie z.B. Ziele, Wege und Methoden im Vordergrund. Bei der Austragung eines Konfliktes sind beide Ebenen maßgeblich beteiligt und miteinander vernetzt. So beeinflussen z.B. die sachunabhängigen, emotionalen und irrationalen Faktoren der Beziehungsebene die notwendigen Entscheidungen auf der Sachebene. Konflikte treten somit niemals als reine Sach- oder Beziehungskonflikte auf. Die Einzelaspekte: ■ Beziehungskonflikte: Es besteht Uneinigkeit über die sozialen Beziehungen. Auf einer oder beiden Seite(n) ist z.B. das Gefühl der Antipathie vorhanden. Ursachen dafür sind die unterschiedlichen Erfahrungen und Persönlichkeitsstrukturen der Beteiligten und die damit verbundenen Eigenheiten und Wertvorstellungen. ■ Rollenkonflikte: Der Begriff „Rolle“ beschreibt die Gesamtheit aller Erwartungen an einen Positionsinhaber. Häufig wechselnde Rollen (z.B. Hierarchiewechsel) können zur Rollenunsicherheit oder Mehrdeutigkeit der Rolle führen und damit eine Ursache für Konflikte sein. ■ Verteilungskonflikte: Hierbei geht es um die Verteilung von Ressourcen in Form von Macht, Kompetenzen, Anerkennung, Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Einen klassischen Konfliktstoff bietet dabei z.B. die Gehaltsverteilung. 34 Stagge/Redlich „Auf dem Weg zzu einer Methodik der Konfliktmoderation zwischen Gruppen“ in Frischer Wind für Mediation 2007 S. 95 35 Wobei es auch Konfliktlagen gibt, die sich vor dem Hintergrund einer psychischen Erkrankung einer Person entwikkelt haben. Solche Konflikte sind für eine Mediation grundsätzlich nicht geeignet. 36 Nach HESSE, J. & SCHRADER, H.C., 1994: Krieg im Büro. Konflikte am Arbeitsplatz und wie man sie löst. Frankfurt a.M.: Eichborn. (S.53)
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29
30
3
§ 3 Wirtschaftsmediation ■
3
Zielkonflikte: Konkurrierende Absichten oder Vorstellungen ergeben eine Uneinigkeit über die gemeinsamen Ziele. Häufig sind dabei unterschiedliche Erwartungen Einzelner oder Gruppen sowie mangelnde Kommunikation und Koordination bei der Zielfestlegung für das Entstehen eines Konflikts ausschlaggebend. ■ Beurteilungs- und Wahrnehmungskonflikte: Hierbei können Unvereinbarkeiten über den Weg oder die Methode, der/die zum Ziel führt, entstehen. Ursache dafür kann sein, dass Mitarbeiter z.B. auf unterschiedliche Erfahrungen zurückgreifen und dementsprechend handeln. Weiter können sie über unterschiedliche Kenntnisstände oder unterschiedliche Informationen verfügen oder Tatbestände individuell anders wahrnehmen. Das lässt sich in folgender Grafik zusammen fassen, die eine Einbindung in die Zielorientierung von Organisationen/Unternehmen versucht. Mit der Pyramide wird gleichzeitig die Dynamik versinnbildlicht, was sich wem unterzuordnen hat. Konfliktarten in Organisationen Zweck (der Organisation) Vision Kultur Wertekonflikt
Person
Mitarbeiterebene
? (Innere Konflikte)
Vorgehen
Beziehungen Erwartungen
Beurteilungskonflikt
Beziehungskonflikt
Sachebene
Aufgaben Ziele
Bewertungskonflikt
Ressourcen
Verteilungskonflikt © Dr. Detlev Berning 2006
Der Mediator in der Situation der Vorbereitung einer Mediation mag den Einstieg nach folgenden Kriterien leichter finden: ■ Ursachenorientiert. Der Mediator versucht, den Konflikt von seinen Ursachen her zu verstehen: welche Ursachen führen zum Verhalten der Kontrahenten? ■ Zielorientiert. Der Mediator versucht, den Konflikt aus den Absichten und Erwartungen der Kontrahenten zu verstehen: welche Ziele verfolgt jeder für sich? ■ Personenorientiert. Der Mediator erklärt sich Ursachen und Ziele als persönliche Motive, Absichten, Mängel, Ängste, Erwartungen der Konfliktparteien 92
3
D. Weitere Besonderheiten ■
Umwelt- und sachorientiert. der Mediator findet Anhaltspunkte, wonach Ursachen oder Ziele werden auf äußere Bedingungen (Aufgaben, Umwelt u.ä.) zurückgeführt werden können Diese zuletzt präsentierten Kriterien erscheinen uns für eine korrekte (d.h. der Facettenvielfalt gerecht werdende) Einschätzung des Konfliktumfeldes bei Wirtschaftskonflikten nicht auszureichen. Im Regelfall wird die organisationstypische Dynamik (im Sinne einer Zielorientierung) von ausschlaggebender Bedeutung sein. So kann bei der Ursachenorientierung heraus kommen, dass ein Kollege „störende“ Verhaltensweisen zeigt, die als Konfliktursache genannt hat. Dieser Focus lenkt jedoch davon ab, dass die Verhaltensweise des Mitarbeiters Folge des Umsatzdruckes ist, den das Unternehmen auf seine Mitarbeiter ausübt.
1.
3
Bedeutung der Unternehmenskultur
In allen Gemeinschaften/Organisationen gibt es Regelwerke, die das „System“ 37 zusammen halten. Selbst wenn ein Unternehmen von außen chaotisch wirkt stellt dieses Chaos ein Regelwerk dar, mit dem die in diesem System lebenden Menschen irgendwie klar kommen. In der Literatur wird dieser Aspekt auch vielfach Unternehmenskultur38 genannt. Weil Profit-Unternehmen durch ihre Gewinnorientierung unter einem messbaren Erfolgsdruck stehen, ist dieses Regelwerk oft sehr starr und wird teilweise sogar verschriftlicht; nichts anderes passiert in Unternehmen, die sich (z.B. ISO 9000) zertifizieren lassen. Da, wo Menschen die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit in Frage stellen oder auch nur zu stellen scheinen, das Regelwerk des Unternehmens zu akzeptieren und mitzuleben, treten Konflikte auf. Dieser Aspekt ist kein intrapsychischer, also nicht unbedingt an den Personen festzumachen, die in einen Konflikt einbezogen sind, sondern Folge einer Dynamik in der Organisation. Für den Mediator bedeutet dieser Zusammenhang, dass er eine Idee davon haben muss, wie das Regelwerk aussieht. Er bewegt sich in einem Bedingungsdreieck bestehend aus den (geschriebenen und ungeschriebenen) Gesetzen des Unternehmens (Unternehmenskultur), einem (erlebten) Regelverstoß, der zum Vertrauensverlust geführt hat in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit eines der Konfliktbeteiligten. Der dritte Punkt ist sein Ziel, Vertrauen zwischen den Konfliktparteien wieder entstehen zu lassen. Wichtig ist dabei, dass der Mediator das Vertrauen der Konfliktparteien (zunächst jeder Partei für sich) erwerben kann. Dieses Vertrauen zum Mediator kann nur entstehen, wenn sich die Konfliktparteien „verstanden“ fühlen. Neben der uneingeschränkten persönlichen Akzeptanz als Mensch spielt dabei eine wesentliche Rolle, dass der Mediator die Unternehmenskultur als das akzeptiert, was sie ist: der Bedingungsrahmen, in dem der Konflikt entstanden ist – und gelöst werden muss. Dieser Zusammenhang ist deshalb so bedeutsam, weil die Umgebung, in der sich der Konflikt „entwickelt“ hat, diesen prägt und somit davon nicht losgelöst betrachtet und bearbeitet werden kann. Der Mediator muss dieses Umfeld auch nicht unbedingt vollständig erkannt haben (was auch nach der Eisbergtheorie39 so ohne weiteres nicht möglich ist), darf aber keinen Fauxpas im Sinne des Regelwerks begehen. Zur Erläuterung einige Beispiele: 37 Siehe FN zur systemischen Sicht auf Organisationen 38 Oder allgemeiner „Organisationskultur“ so Edgar H. Schein, Organisationskultur 39 Das kulturelle Eisbergmodell wird im Bereich der Unternehmenskultur aufgegriffen. Das Modell geht zurück auf eine Arbeit von E. H. Schein, die in Form eines Eisbergs den Zusammenhang zwischen den sichtbaren und leicht zugänglichen Manifestationen von Kultur und den verdeckten Anteilen organisatorischen Verhaltens verdeutlicht. Es soll veranschaulichen, dass eine Unternehmenskultur analog zur menschlichen Psyche nur begrenzt sichtbar und bewusst wahrnehmbar ist und der weitaus größere, verdeckte Teil Paradigmen enthält, die gegenüber den offensichtlich kommunizierten Regeln und Verhaltensnomen zurücktreten
93
31
3
§ 3 Wirtschaftsmediation > Beispiele: ■ in vielen Profitunternehmen existiert das ungeschriebene Gesetz, dass über Gefühle nicht gesprochen wird. Wer angesichts einer solchen Unternehmenskultur unverzüglich die Gefühlsebene abfragt, ruft unnötig „Verwunderung“ hervor, die schnell zu Widerstand wird. ■ wer eine Unternehmenskultur missachtet, die eine bestimmte Kleiderordnung vorschreibt (beispielsweise Anzug und Krawatte bei Banken), wird schwerer zu den Menschen dort Zugang finden als der Mediator, der um die Bedeutung dieser Kultur Bescheid weiß und sich passend kleidet. ■ Manchmal zeigt sich eine solche Kultur auch in einer spezifischen Unternehmenssprache: nur wer diese beherrscht gehört dazu40! ■ Zu diesem Regelwerk kann auch die Üblichkeit zählen, dass „gelobt“ wird, indem nicht kritisiert wird (es wird also kein Lob ausgesprochen) ■ Oder auch der „Standard“, dass Umsatzvorgaben immer überschritten werden. ■ Auch die Sie- (in allen traditionellen Unternehmen üblich) oder Du-Kultur (in IT-Unternehmen typisch) kann für die Konfliktbetrachtung von Bedeutung sein.
3
32
Mit dem Respekt vor der Unternehmenskultur ist nicht gemeint, dass der Mediator die ungeschriebenen Regeln mitleben muss! Er muss darum nur wissen und kann diese vielleicht auch aufgreifen um ggf. sein abweichendes Verhalten für die Konfliktparteien akzeptabel erscheinen zu lassen. Wie schon gesagt: es geht darum, Zugang zu den Menschen zu finden, denen der Mediator bei ihrer Konfliktbearbeitung helfen will. Er muss Vertrauen zu diesen Menschen aufbauen, was bei Konflikten in Unternehmen (oder anderen Wirtschaftskonflikten) nur möglich ist, wenn die Kultur, in der sich der Konflikt abspielt, vom Mediator erkannt und akzeptiert ist oder die Konfliktparteien keinen Zweifel daran hegen, dass der Mediator sich auskennt. Konfliktsachverhalte, die zur Wirtschaftsmediation gezählt werden, sind vielfältig41. Sie betreffen nicht nur Konflikte in Unternehmen sondern auch solche zwischen Unternehmen. Natürlich ist die Kultur eines Unternehmens nicht gleichzusetzen mit der Kultur, die zwischen zwei Unternehmen/Vertragspartnern besteht. Diese können sich grundlegend voneinander unterscheiden. Auch gibt es innerhalb der Unternehmen Subsysteme mit eigenen Regeln. So wird das Regelsystem im Vorstand einer Aktiengesellschaft nicht zwingend mit der Unternehmenskultur im übrigen Unternehmen identisch sein, auch wenn von dort wichtige Regeln in das Unternehmen hinein strahlen. Kennzeichnend ist immer, dass das Regelwerk umso starrer wird, je höher wir uns in der Hierarchie eines Unternehmens befinden. Vorstand und Aufsichtsrat haben das strengste Regelwerk, das sich teilweise sogar durch eine gänzliche Ignoranz persönlicher Befindlichkeiten auszeichnen kann. Diesen Umstand sollte der Mediator im Auge behalten, wenn ein Konflikt innerhalb eines Unternehmens auf unterschiedlichen Hierarchieebenen42 angesiedelt ist. So ist es für den Mediator schon wichtig zu erkennen, ob eine Führungskraft in ein Team eingebunden ist (z.B. ein Vorstand, der in gemeinsamer Verantwortung43 das Unternehmen leitet) oder mit seiner Verantwortung mehr oder weniger alleine zurecht kommen muss.
40 Wobei sich der Mediator natürlich entscheiden kann, nicht dazu gehören zu wollen; dafür können gute Gründe sprechen. Er sollte aber wissen, dass er sich in den Augen seiner Klientel „anders“ verhält. 41 Siehe Überblick auf Seite XX 42 Unabhängig von der gängigen Regel, dass die Ansiedlung eines Konfliktes auf unterschiedlichen Ebenen der Hierarchie u.U. auch im Hinblick auf Machtausgleich u.ä. besonder Maßnahmen bedarf. 43 § 76 AktG
94
E.
3
Anforderungsprofil Wirtschaftsmediator
Kennzeichnend für NPO’s44 ist es (betriebswirtschaftlich), dass sie nicht auf das Ziel hinarbeiten, Gewinn zu erwirtschaften. Es ist von der gesamten Orientierung einer Organisation ein gravierender Unterschied, ob Gelder zur Finanzierung des Betriebes bereit stehen (wenn auch nicht unbedingt auf Dauer verlässlich und vielleicht auch in der Summe ggf. zu knapp bemessen, was den Zwang zum Haushalten zur Folge hat) und sich die Organisation in der Zielorientierung um beispielsweise einen sozialen Zweck dreht. Der Erfolg der Arbeit (z.B. ein soziales Anliegen wie eine Drogenberatung) ist vielleicht messbar an Fallzahlen o.ä. diese sagen letztlich über den Wirkungsgrad nicht zwingend das aus, worin das Ziel der NPO liegt. Im Profit-Unternehmen ist das anders: es geht nur um den Gewinn – und der ist bis auf den letzten € messbar. Von dort werden die Parameter für die Zielerreichung herunter gebrochen, indem Umsatzvorgaben je Bereich oder sogar je Mitarbeiter gemacht werden. Diese Messbarkeit ist unbestechlich, kalt und einer indiskutablen Konsequenz zugänglich45. Dass diese Unternehmen eine grundlegend andere Kultur gestalten als die Menschen in einer NPO ist gut verständlich. Bei einer „Kultur der Messbarkeit“ werden auch Konflikte und die Konfliktbearbeitung selbst in dieses Zielsystem von Profit-Unternehmen „eingemessen“. Die Konfliktbearbeitung muss sich „rechnen“ – wie auch jedes soziale Engagement von Profit-Unternehmen in die Zielorientierung passen muss! Bei Konfliktbearbeitung steht die Mediation eher weniger in dem Ruf, diesen Parametern gerecht zu werden. Anders der Rechtsanwalt, der – rein vordergründig – die Personalressourcen eines Unternehmens mit seiner Arbeit weniger strapaziert.
E.
Anforderungsprofil Wirtschaftsmediator
3
E.
Um all das leisten zu können, was lt. vorstehender Ausführungen von einem Mediator in der Wirtschaft geleistet werden muss, bedarf es besonderer Fähigkeiten. Es sind dieses Kompetenzen in ■ Persönlicher und ■ Fachlicher Hinsicht. Diese werden in einschlägigen Ausbildungen geschult, wobei insbesondere Qualitäten der persönlichen Kompetenz einen hohen Erfahrungsanteil enthalten, der also nicht allein durch Schulung erworben werden kann.
I.
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34
Persönlichkeitskompetenz
An den Mediator sind hohe Anforderungen gestellt, wenn er insbesondere die Allparteilichkeit wahren will. Eine allparteiliche Haltung ist keine passive sondern eine aktive. Wir erwähnen nachfolgend Aspekte, die dazu in Literatur und Praxis diskutiert werden; die Gesichtspunkte überschneiden sich zum Teil.
44 Von Non Profit Organisation 45 Im Sinne von: wenn Du diese Vorgabe nicht erreichst, dann ……… (ist z.B. das Vertragsverhältnis zu Ende)
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3
§ 3 Wirtschaftsmediation
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3
37
1.
soziale, menschliche Kompetenz
a)
Emphatie
Empathie ist ein zentraler Begriff in der Psychologie, dort besonders in der Gesprächstherapie, der in der Beziehung zwischen Mediator und Konfliktparteien eine wichtige Rolle spielt. Es handelt sich dabei um die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt des Klienten hineinzuversetzen sowie den Versuch, dessen Erlebnis- und Verhaltensweisen zu verstehen. Der Mediator bemüht sich dabei, den Konfliktparteien das subjektiv Verstandene mit eigenen Worten mitzuteilen, vor allem um deren emotionale Erlebnisinhalte zu verbalisieren. Fühlen sich die Konfliktparteien durch den Mediator verstanden und erleben sie diesen als authentisch und akzeptierend, so führt dies meistens zu einer zunehmend vertrauensvollen Beziehung, welche die Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und weitere Veränderungen darstellt.
b) 38
Ehrlichkeit im Reden bedeutet, die Wahrheit zu sagen; Ehrlichkeit im Verhalten meint, einen übernommenen Auftrag ohne eigenen Vorteil (bzw. nur dem bekannten Vorteil wie z.B. einem Honorar) wahrzunehmen und im Sinne der Auftraggeber sachlich zu Ende zu führen. Ehrlichkeit ist eines der bedeutsamsten Dinge, die Menschen im Umgang miteinander ausleben müssen, um dauerhaft harmonisch neben einander existieren zu können und produktiv und vor allem kreativ leisten zu können46. Hintergeht ein Mediator auch nur ein einziges Mal die Ehrlichkeit seiner Worte, indem er z.B. von einer vorherigen Zusage oder Abmachung abweicht, ohne allen übrigen Beteiligten einer Konfliktschlichtung eine einsichtige Begründung zu geben, und steht er, nachdem er dafür zur Rede gestellt wird, nicht zu seinem „Fehler“, indem er z.B. um Entschuldigung bittet, wird die „emotionale Situation“ innerhalb der Gruppe in Schieflage geraten und es werden sich langsam oder schnell – abhängig von der Konstellation der Gruppe – negative Schwingungen ausbreiten, die Produktivität, Leistung, Freude, Enthusiasmus, Kreativität und Energie in Mitleidenschaft ziehen. Das kann zum Abbruch einer Mediation führen. Dieses Gesetz bezieht sich auf alle Mitglieder einer Gruppe unabhängig von Alter, Rang oder sonstiger Position. Einzig Kindern und einigen speziellen Ausnahmen gegenüber wird eine Gruppe leichter umzustimmen sein in Bezug auf einen Vorfall von Unehrlichkeit. Ein Mediator kann sich Unehrlichkeit kaum leisten.
c) 39
Ehrlichkeit
Demut
Gemeint ist hier der psychologische Aspekt. Nach Erich Fromm47 ist Demut „die der Vernunft und Objektivität entsprechende emotionale Haltung als Voraussetzung der Überwindung des eigenen Narzissmus“. Der Mediator ist als Prozessbegleiter in der Konfliktbearbeitung eine „machtvolle Instanz“; auf ihn konzentrieren die Konfliktpartner ihre volle Aufmerksamkeit bis sie wie46 Ehrlichkeit hat auch eine besondere Bedeutung für Vertrauensbildung bzw. –erhalt. Zum Vetrauensbegriff siehe nachfolgend die Definition von Luhmann 47 Die Kunst des Liebens
96
E.
3
Anforderungsprofil Wirtschaftsmediator
der in der Lage sind, sich einander zuzuwenden. Gerade in dieser sensiblen Situation ist jegliche Überheblichkeit des Mediators „fehl am Platze“.
2.
Haltung
Haltung meint eine geistige Einstellung, die Gesinnung, die Konfliktparteien von einem Mediator erwarten dürfen. Dieses drückt sich im ethischen Selbstverständnis aus, das auch für Mediationen in Organisationen gilt. Mediationsverbände haben derartige Anforderungskataloge formuliert. Wir zitieren hier das „Ethische Selbstverständnis nach den Standards des Bundesverbandes Mediation e.V.“48: „Die nachfolgenden ethischen Grundsätze sind für uns Mediatoren kennzeichnend und wünschenswert für die Praxis der Mediation
a)
Menschenbild
Mediation geht von einem positiven und optimistischen Menschenbild aus. In jedem Menschen ist das Potenzial zum Umgang mit und zur Lösung eigener Konflikte vorhanden. Wir vertrauen in unsere und die Kompetenz der Parteien zur kreativen Gestaltung und Verständigung im Konflikt. Wir anerkennen die Autonomie jedes Beteiligten, respektieren die Einzigartigkeit eines jeden und gleichzeitig die Vielfalt der Unterschiede, in denen wir ein besonders Potenzial sehen.
b)
42
Geschützter Rahmen
Wir schaffen und wahren den geschützten Rahmen, der den Konfliktparteien ermöglicht, sich auf den Prozess der Lösungssuche einzulassen und Gewalt, Drohungen und Provokationen ausschließt.
d)
41
Verantwortung
Wir respektieren und fördern als MediatorInnen die Selbstverantwortlichkeit aller Beteiligten. Wir sind uns unserer Verantwortung für den geschützten Rahmen bewusst, der den Konfliktparteien das Sich einlassen auf den Prozess der Lösungssuche ermöglicht und ermutigen sie, die Verantwortung für den von ihnen eingebrachten Inhalt und die erarbeitete Vereinbarung zu übernehmen.
c)
40
43
Allparteilichkeit und Fairness
Wir nehmen die Bedürfnisse und Interessen aller Konfliktparteien mit gleichem Respekt wahr. Im Fall von Machtunterschieden zwischen den Konfliktparteien nehmen wir diese wahr und geben jeder Partei die Zeit und die Aufforderung, ihre Sache vollständig darzustellen. Wir stellen sicher, dass jede Konfliktpartei sich ihrer eigenen Bedürfnisse und Wünsche klar werden kann.
48 Der Bundesverband Mediation ist der mitgliederstärkste Verband in Deutschland.
97
44
3
3
§ 3 Wirtschaftsmediation
e) 45
Offenheit
Im Prozess der Mediation streben wir als MediatorInnen eine gelassene Aufmerksamkeit und ein Präsentsein an, und ermutigen die Streitparteien zu offener und direkter Aussprache, zu gegenseitiger Toleranz und Wertschätzung.
3
f) 46
Wir fühlen uns in die Konfliktparteien ein und achten das gesamte Spektrum der Gefühle aller Beteiligten. Wir fördern die gegenseitige Einfühlung der Konfliktparteien und ermutigen sie, ihren Konflikt gemeinsam auszutragen.
g) 47
Eigenes Verhalten im Konflikt
Wir sind bereit, Kritik entgegenzunehmen und im eigenen Konflikt diesen in einer Mediation zu bearbeiten. Wir mediieren nur in Konflikten, in denen unsere eigenen Interessen zu keinem Zeitpunkt berührt sind.
j) 50
Freiwilligkeit
Wir gewährleisten die freiwillige Teilnahme aller Konfliktparteien an der Mediation, indem wir sie vollständig über das Verfahren der Mediation informieren und sie auf dessen Möglichkeit und Grenzen hinweisen. Mit welchem Ergebnis und zu welchem Zeitpunkt sie den Mediationsprozess beenden wollen, bleibt ausschließlich den Konfliktparteien überlassen.
i) 49
Vertraulichkeit und Vertrauen
Alles, was wir in der Mediation erfahren, behandeln wir respektvoll und vertraulich. Wir vereinbaren mit den Konfliktparteien, dass sie uns im Falle eines Gerichtsprozesses nicht als Zeugen für Tatsachen benennen werden, die uns im Laufe des Mediationsverfahrens bekannt geworden sind. Durch unsere Integrität und Aufrichtigkeit verstärken wir das Vertrauen49 der Konfliktparteien in das Verfahren der Mediation und die Erreichbarkeit einer Lösung im Konflikt.
h) 48
Einfühlung und Ermutigung der Konfliktparteien
Professionalität
MediatorInnen verpflichten sich, durch sorgfältige Vorbereitung die Interessen der Konfliktparteien bestmöglich zu wahren. Wenn sie erkennen, dass eine parteiliche (juristische) Beratung für die Konfliktparteien nötig wäre, weisen sie darauf hin und ermutigen sie, diese für sich in Anspruch zu nehmen. Erkennen MediatorInnen, die die Allparteilichkeit nicht mehr gewährleistet ist, verpflichten sie sich, die Mediation an eine Kollegin/ einen Kollegen weiterzuleiten.“
49 Nach Luhmann ist Vertrauen: „Vertrauen ist die generalisierte Erwartung, dass der andere (Geschäftspartner) seine Freiheit, das unheimliche Potential seiner Handlungsmöglichkeiten, im Sinne der Persönlichkeit handhaben wird, die er als die seine dargestellt und sozial sichtbar gemacht hat.“
98
E.
3.
3
Anforderungsprofil Wirtschaftsmediator
Selbstreflexion
Diese Anforderung dreht sich um die Objektivität des Selbstbildes bzw. Überwindung des eigenen Narzissmus. Dazu bedarf es der richtigen Beurteilung der persönlichen Eigenschaften des Mediators, seiner Dispositionen, seiner Kräfte und seiner Werte des Selbst. Notwendig ist somit der Vergleich des Ich (des Mediators) mit Betätigungen und Reaktionen im Leben, in der sozialen Gemeinschaft. Wichtig für jedes beraterische Handeln ist die Kenntnis der eigenen Motivation, da diese die eigene Wahrnehmung sowie die eigenen Erklärungen für beobachtete Phänomene steuert50. Der Umgang mit eigenen Emotionen, das Erkennen von Projektions- und Übertragungsprozessen, sowie ein Bewusstsein für die individuellen und oft unbewussten Verhaltensmuster bei Konfliktstress50 ist ein weiterer Bestandteil einer hohen fachlichen Kompetenz von Mediatoren. Vor diesem Hintergrund ist es wünschenswert, dass ein Mediator selbst einmal Mediand gewesen ist und es für ihn selbstverständlich ist, dass er Konflikte mediativ bearbeitet.
4.
51
3
Sechs Persönlichkeitsmerkmale
Zusammenfassend und leicht merkbar seien die folgenden sechs Aspekte aufgeführt: Menschlichkeit und Fähigkeit zur Empathie ■ Mediationsparteien wirklich zu verstehen, ihnen mit Wertschätzung zu begegnen – und ihnen zu zeigen, dass auch sie sich nichts vergeben, wenn sie Empathie füreinander entwickeln. ■ Humor; Humor löst Blockaden. Einem humorvollen Streitvermitller gelingt es daher eher, für eine entspannte Atmosphäre zu sorgen. ■ Geduld und Wahrnehmungsfähigkeit ■ Weil der Mediator ein ebenso geduldiger wie aufmerksamer Zuhörer und Beobachter ist, gelingt es ihm rasch, Konflikthintergründe zu explorieren. ■ Nervenstärke ■ Es gilt. Ruhe zu bewahren, wenn Situationen zu eskalieren drohen oder wenn Kontrahenten versuchen, den Konflikt auf die Person des Mediators zu projizieren. ■ Lebenserfahrung und Peer-Fähigkeit ■ Der Mediator benötigt die soziale Anerkennung seiner Klientel. Diese Akzeptanz resultiert aus Faktoren wie Alter, Reife, Lebenserfahrung und Kenntnis des beruflichen Umfelds der Mediationsparteien. ■ Analytischer Verstand und Artikulationsfähigkeit ■ Der Mediator muss in der Lage sein, das, was er gehört hat, rasch zu begreifen und es geschickt in eigene Worte zu fassen, um die Interessen aus den Vorwürfen der Streitenden herauszuschälen. ■
50 Patera/Gamm, S. 247.
99
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3
§ 3 Wirtschaftsmediation
53
3
54
II.
Fachliche Kompetenz
1.
Prozesskompetenz
Das Mediationsverfahren ist ein Prozess, der durch eine logische Abfolge, die sogenannten Phasen definiert wird. Die Kompetenz eines Mediators im Hinblick auf den Prozess ist geprägt durch seine intuitive und situationsadäquate Gestaltung und Führung der Medianten durch alle Phasen der Mediation. Die Prozessgestaltung kann in folgende Ebenen unterteilt werden: ■ Beziehungsgestaltung (Aufbau einer Vertrauensbasis und Etablierung eines sicheren Rahmens, Akzeptanz und Wertschätzung von Emotionen) ■ inhaltliche Gestaltung (Klärung und Perspektiverweiterung, Provokation51, Problembehandlung, Ziel- und Ergebnisorientierung) ■ strukturelle Gestaltung (Verfahrenseinführung und Auftragsklärung, Hauptmediation und Abschluss sowie ggf. Einzelgespräche) ■ Prozessgestaltung i.e.S. (Anstoß einer Veränderungsdynamik, Sicherung von Kontinuität, Dringen auf klaren Abschluss).
2. 55
Anforderungen in der Arbeit als Mediator in Organisationen und spezieller in Unternehmen verlangen von diesem auch wenigstens Grundkenntnisse in benachbarten Methoden und Verfahren. So geht die PWC-Studie52 davon aus, dass der Markt sog. „hybride Verfahren“ wünscht. Unter hybriden Verfahren wird eine Verfahrenskombination verstanden, die den Beteiligten im Einzelfall ein Höchstmaß an Gestaltungsautonomie gewährleistet. Ein Beispiel dafür mag die Onlinemediation sein, aus der Elemente durchaus auch in face-to-face Mediationen eingebunden werden können.
3. 56
Methodenkompetenz
Fachwissen/organisationelle Kenntnisse
Gemeint ist das Fachwissen den Konflikt betreffend. Antworten auf die Frage, ob solche Kenntnisse erforderlich sind, fallen extrem widersprüchlich aus: von „muss gar nicht vorhanden sein“ bis zu „ohne das geht es nicht“. Viele halten Erfahrungen, wie Unternehmen funktionieren, für wichtig. zumindest muss die Gefasstheit da sein, mit dem „Überraschungen“ fertig werden zu können, die den Mediator bei solchen Konflikten ereilen können. Eine Position, wie sie unter anderem der amerikanische Wirtschaftsmediator Haynes53 in vielen Vorträgen vertreten hat, hält Fachwissen über die Inhalte des Konfliktes im Prinzip für unnötig. Die entgegengesetzte Meinung54 betont die Bedeutung und Notwendigkeit von Fachwissen beim Mediator, um die Mediation erfolgreich durchführen zu können. Beide Extrem- sowie Mischpositionen spiegelten sich in den Aussagen Beteiligter wieder.
51 52 53 54
100
Im Sinne von z.B. zirkulärem Fragen „Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich“ aus April 2005 Haynes u.a. „Mediation. Vom Konflikt zur Lösung“ Troja/Schwitters/Kessen, Handbuch Mediation § 51 Rn. 27
3
F. Exkurs Mobbing Mediatoren selbst gaben in einer Befragung55 an, dass sie Fachwissen für einen wichtiges Qualitätskriterium halten. Hierbei wurde insbesondere herausgestellt, wie wichtig ein „Wissen um die Unternehmenskultur, Organisationsstrukturen und Hierarchien“ sei. Ein gewisses Grundverständnis, wie Wirtschaftsunternehmen funktionieren, wurde als elementar erachtet. Auch müsse der Mediator kompatibel genug und ein „gewisser Stallgeruch“ vorhanden sein, damit die Medianten von diesem mediiert werden möchten. Als besonders wichtig wurde auch das „sprechen einer gemeinsamen Sprache“ betont, damit ein Gefühl von „abgeholt werden“ im Mediationsprozess entstehen kann. Dazu ist es auch notwendig, dass organisationelle Begriffe wie z.B. Mitarbeitergespräch und Zielvereinbarung inhaltlich verstanden werden. Andere Mediatoren halten Fachwissen für nicht wichtig und stellten auf die soziale Kompetenz ab, die im Vordergrund stehe. Unternehmensvertreter wie Personalleiter beurteilen die Wichtigkeit von Fachwissen unterschiedlich: „Ein Mediator ohne Fachwissen würde in unserer Firma nicht akzeptiert werden. Er sollte wissen, wovon er spricht und wissen, wie Prozesse in Firmen wirklich ablaufen“. Neue Berater würden in Bezug auf ihr fachliches Verständnis „erstmal fragetechnisch auseinander montiert“. Als besonders hilfreich wurde es angesehen, wenn der Mediator in einer derselben Branche angehörenden Firma längere Zeit „drin gewesen ist“56. Für andere Personalleiter ist das Fachwissen nur von sekundärer Bedeutung. Wichtigere Kompetenzmerkmale sind langjährige Mediationserfahrung und eine gute Grundausbildung. Medianten differenzieren zwischen inhaltlichem Fachwissen und einem Grundverständnis, wie Unternehmen aufgebaut sind. Ein inhaltliches Fachwissen wird eher nicht für wichtig erachtet, das Grundverständnis von einem Medianten „als nützlich bei sachlichen Problemen“ beurteilt. Das Vorhandensein einer hohen sozialen Kompetenz ist immer gefordert und wird als unerlässlich gewertet.
4.
Qualitätssicherung
Wir gehen hier nur auf die für die Wirtschaftsmediation bedeutsamen Aspekte der Co-Mediation und Supervision ein. Daneben sind natürlich auch die – auch für den Steuerberater – üblichen Aspekte wie laufende Fortbildung u.ä. bedeutsam. Da es sich bei den im Wirtschaftskontext stattfindenden Mediationen meist um sehr komplexe und/oder eskalierte Konflikte handelt, an denen häufig mehr als zwei Personen beteiligt sind, ist es bei vielen Mediatoren üblich, mit mehreren Mediatoren zu arbeiten. Das eröffnet ein größeres Repertoire an speziellen Techniken, wie z.B. parallele Einzelgespräche. Auch die Überprüfung bezüglich der eigenen Haltung und Grundsätze und das Bewusstsein für eigene „blinde Flecke“, werden so kollegial begleitet und unterstützt. Eine ähnliche Funktion erfüllt die Supervision. Diese führt zu einer Klärung der beim Mediator auftauchenden Fragen. Unterstützung bietet das Supervisionsgespräch bei einer Vielzahl von Aspekten im Graubereich wie z.B.: Ist das ein unfreiwilliger Fall? Kann wegen eines Mobbingvorwurfes noch mediiert werden? Sind die am Tisch sitzenden die richtigen Konfliktparteien?
F.
3
Exkurs Mobbing
57
F.
„Mobbing – ein Begriff macht Karriere. Dies veranschaulicht bereits eine kurze Recherche im Internet: So stehen im deutschen Netz von Google 544.000 Suchergebnisse zum Stichwort „Me55 Nicola Berse a.a.o 56 Nicola Berse a.a.o
101
58
3
§ 3 Wirtschaftsmediation diation“ 3.120.000 Einträge zum Stichwort „Mobbing“ gegenüber57. Was auch zu beobachten ist: In den letzten Jahren hat sich „Mobbing“ im allgemeinen Sprachgebrauch weitgehend zu einem Synonym für „Konflikte am Arbeitsplatz“ entwickelt. Ein Streit zwischen Kollegen, eine Schikane von Vorgesetzten oder eine unverschämte Bemerkung einer Mitarbeiterin – das alles wird im Alltag zunehmend und (vor-)schnell als Mobbing bezeichnet. Alltagssprachlich ausgedrückt bedeutet Mobbing, dass jemand – zumeist am Arbeitsplatz – fortgesetzt geärgert und schikaniert wird. Wenn Mobbingvorwürfe im Raume stehen, entfaltet dies eine ungeheure Brisanz in einer Organisation. Eine Konfliktlage wird von den Beteiligten unvermittelt als hoch eskaliert erlebt. Der Konflikt wird bewusst oder unbewusst auf eine juristische Ebene gestellt und polarisiert: ein Tatbestand ist gegeben oder nicht gegeben. Im Zuge der Notwendigkeit, den Vorwurf beweisen oder sich dagegen verwahren zu müssen, ziehen sich die Beteiligten schnell auf Positionen zurück. ■ Diejenigen die den Vorwurf erheben, wissen sich in ihrer Not nicht anders zu helfen als ihr subjektives Erleben der Ohnmacht mit diesem (alles andere als) objektiven Etikett zu bannen und mächtige Partner herbei zu rufen: Kollegen, Vorgesetzte, Justiz… ■ Diejenigen, denen Mobbing vorgeworfen wird, sehen sich einer Straftat (Nötigung) bezichtigt und reagieren abwehrend und verschanzen sich. ■ Betroffen sind ebenso Personen im sozialen Feld, die sich vom Konflikt angesprochen fühlen, an der Dynamik mitbeteiligt sind und in das Geschehen – z.B. als „Mitstreiter“ einbezogen werden. ■ Führungskräfte – und ggf. auch der Betriebsrat – müssen um die Reputation ihrer Abteilung/ Arbeit fürchten und sind aufgefordert ihrer gesetzlichen Fürsorgepflicht nachzukommen. Mobbing provoziert damit eskalationsdynamisch Machteingriffe und verschließt sich kooperativen Ansätzen wie Mediation. Wo möglicherweise bei genauem Hinsehen Konflikte mit Lösungspotenzial bestehen, werden Katastrophen vermutet.
3
I. 59
Was genau ist Mobbing?
Verschiedene Wissenschaftler und Autoren verwenden meistens unterschiedliche Definitionen; eine allgemein anerkannte gibt es nicht. Der Mobbing-Forscher Heinz Leymann58, der den Begriff Mobbing geprägt hat, unterscheidet fünf verschiedene Beziehungsformen, die er als Mobbingsituationen deutet: 1. Angriffe auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen ■ Das Opfer wird ständig unterbrochen ■ Seine Leistung und seine Arbeit werden ständig kritisiert ■ Es kann auch per Telefon oder in anderer Weise terrorisiert werden 2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen ■ Mit dem Opfer wird nicht mehr kommuniziert ■ Es wird ignoriert, wenn es versucht mit anderen Kontakt aufzunehmen ■ Das Opfer wird wie Luft behandelt 57 Im Januar 2008 58 Heinz Leymann: Mobbing – Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann.
102
F. Exkurs Mobbing 3. Auswirkungen auf das soziale Ansehen ■ Man macht sich über das Privatleben lustig ■ Man macht sich über seine Nationalität lustig ■ Es werden sexuelle Annäherungen versucht 4. Angriffe auf die Berufs- und Lebenssituation ■ Das Opfer bekommt keine Aufgaben mehr zugewiesen ■ Es erhält sinnlose oder kränkende Arbeitsaufgaben 5. Angriffe auf die Gesundheit ■ Es wird gezwungen gesundheitsschädliche Aufgaben zu erledigen ■ Es wird ihm körperliche Gewalt angedroht ■ Es kommt zu körperlichen Misshandlungen oder sexuellen Übergriffen Diese „Angriffe“ werden begrifflich erst dann zu Mobbing, wenn sie eine gewise Zeit andauern; sie müssen sich schon auf mehrere Monate erstrecken59. Die Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing (GpsM) e.V. definiert Mobbing60 als eine konfliktbelastete Arbeitssituation in Organisationen, ■ in der sich die betroffenen („gemobbten“) Personen systematischen Angriffen von einer oder mehreren anderen Personen ausgesetzt sehen, welche in ihrem Erleben während längerer Zeit anhalten und direkt oder indirekt mit dem Ziel bzw. dem Effekt des Ausstoßes einhergehen ■ und bei denen die betroffenen („gemobbten“) Personen sich als unterlegen und durch andere diskriminiert erleben. Diese zweite Definition verdeutlicht, dass nicht objektive Kriterien maßgebend sind sondern subjektive, nämlich das Erleben der Betroffenen. Die übliche Sicht ist eine andere. So liest sich die Definition bspw. auf der Internet-Seite des DGB wieder anders61: „Mobbing ist eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, ■ bei der die angegriffene Person unterlegen ist und ■ von einer oder mehreren anderen Personen systematisch und während längerer Zeit direkt oder indirekt angegriffen wird ■ mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes und ■ die angegriffene Person dies als Diskriminierung erlebt.“ Der Beschreibung eines subjektiven Konflikterlebens (welches den anderen Konfliktparteien damit implizit ebenfalls ein subjektives – und möglicherweise anderes – Konflikterleben zugesteht), steht eine Beschreibung gegenüber, die objektive Sachverhalte benennt, die vorliegen müssen, damit es sich um „Mobbing“ handelt; es geht also um Regelverstöße. Diese Figur des „Tatbestands“, dessen Erfüllung eine Bestrafung des Täters zur Folge hat und aus dem sich dann notwendigerweise Täter- und Opferzuschreibungen mit entsprechendem Rollenverhalten ergeben, führt dazu, dass eine Mediation nicht in Betracht kommen kann – allenfalls im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs.
59 Leymann wie vor S. 21 60 http://www.mittelstandswiki.de/Mobbing 61 http://www.dgb.de/themen/mobbing/was_ist_mobbing.htm/
103
3
3
3
§ 3 Wirtschaftsmediation
II. 60
3
Mobbing verläuft in verschiedenen Phasen. Am Anfang steht ein ganz „normaler“ Konflikt in der Arbeitswelt. Dieser wird aber nicht bearbeitet und weitet sich dadurch aus. Es bilden sich Täter und Opfer heraus, der Konflikt tritt in den Hintergrund, das problematische Verhalten verfestigt sich und hat Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit des Mobbing-Opfers. Verschiedene Symptome führen dazu, dass die Arbeitsleistung des Opfers geringer wird, sich Fehlzeiten häufen und ein Arzt oder Psychologe aufgesucht wird. Am Ende steht oft der Rückzug aus dem Erwerbsleben. Die Phasen nach Leymann sind: ■ Zu Beginn steht meist ein ungelöster Konflikt. Die Bereitschaft zu offener Kommunikation bricht auf beiden Seiten dann oft ab. ■ In der anschließenden Mobbing-Phase tritt der ursprüngliche Konflikt in den Hintergrund. Die Angriffe auf das Opfer werden massiver und persönlicher. Durch diesen Schikanen / Psychoterror am Arbeitsplatz verschlechtert sich häufig die psychische und körperliche Verfassung des Opfers. ■ Die dritte Phase ist durch eine Eskalation gekennzeichnet und häufig von einer destruktiven Personalverwaltung geprägt. Gespräche mit Personalverantwortlichen oder Vorgesetzten führen jetzt nur noch selten zu einem Ausweg. Ganz im Gegenteil werden die schlechte Verfassung des Opfers und seine inzwischen geringere Leistungsfähigkeit sogar als Vorwand für eine Versetzung oder Kündigung herangezogen. ■ In der letzten Phase kommt es für etwa 5 bis 10 Prozent der Betroffenen zum Verlust des Arbeitsplatzes, entweder weil die Betroffenen es nicht mehr aushalten und selbst kündigen, oder weil sie gekündigt werden (da sie mittlerweile aus Krankheitsgründen z.B. untragbar geworden sind). Die Entwicklung verläuft nicht unbedingt in der genannten Reihenfolge; einzelne Phasen können auch übersprungen werden.
III. 61
Die vier Phasen des Mobbing
Nicht alles, was Mobbing betitelt wird ist Mobbing
Nun stellen spannungsgeladene Situationen am Arbeitsplatz, wie etwa ein böses Wort aus Verärgerung, ein Streit zwischen Kollegen oder sich gegenseitiges Überbieten, um den Chef zu beeindrucken, noch lange kein Mobbing dar. Spannungen und Konflikte dieser Art sind alltäglich. Wenn es sich bei dem, was Menschen als „Mobbing“ bezeichnen, oftmals um nichts anderes als massive Konflikte am Arbeitsplatz handelt – ist dann Mediation nicht genau die richtige Antwort? Das gilt es im Einzelfall zu entscheiden. Die Aufgabe der Mediation kann in diesen Fällen sein, Betroffene auf ihr subjektives, differenziertes Erleben der Konfliktsituation zurückzuführen, Worte und Beschreibungen zu finden für das Unfassbare ihrer Situation. Dabei ist ein sehr sensibler und schützender Umgang mit denjenigen Beteiligten erforderlich, die sich Mobbinghandlungen ausgesetzt sehen, damit ihr Erleben weder abgewertet noch verharmlost wird.
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3
F. Exkurs Mobbing
IV.
Aufgabe für den Fallmanager
Im Rahmen unserer Terminologie ist der Fallmanager in der Pre-Mediation gefordert, im Sinne der vorbeschriebenen Differenzierung klären zu helfen, ob wirklich Mobbing vorliegt oder aber ein Konflikt, der beispielsweise in einer Mediation bearbeitet werden kann. Der Mediator bleibt Vermittler und wird nicht zum Ermittler. Wie das Beispiel Mediation im Strafrecht (TOA) zeigt, muss gerade an der Schnittstelle zur justiziellen Konfliktbewältigung auf Rollenklarheit und -trennung geachtet werden. Mobbing-Vorwürfe können als Analyse der Konflikteskalation dienen: werden Kampagnen betrieben, Arenen ausgeweitet, Machtlösungen provoziert? Steht ein Mobbingvorwurf im Raum, ist dies häufig ein Indiz dafür, dass der Konflikt bereits eskaliert62 ist. Stellt der Fallmanager fest, dass der Konflikt hoch eskaliert ist, kann er zu dem Ergebnis kommen, dass aus diesem Grund eine Mediation nicht mehr in Betracht kommt. Wann kommt überhaupt eine Mediation in Betracht? Sicherlich in der Phase 1 (s.o. unter B) und auch noch in der Phase 2. „In den Phasen 1-2 wollen die Gemobbten (vor allem wenn es Männer sind) meist nicht genau hinsehen und sind daher nicht zur Mediation oder anderen Hilfsangeboten bereit, und Mobbing wird in diesem Stadium von außen kaum einmal erkannt“.63 In den Phasen 3-4 sind die Gemobbten in der Regel so nachhaltig demoralisiert und geschwächt, dass Mediation kaum mehr in Frage kommt. Wie oben schon ausgeführt kann man, sofern fälschlicherweise „normale Konflikte“ als „Mobbing“ bezeichnet werden, diese mediieren. Dann geht es darum, die Parteien aufzuklären und ihnen abzuraten, diesen eskalierenden Begriff zu instrumentalisieren.
62
3
! Tipp: Außerdem ist es sinnvoll, Mobbing-Vorgänge systemisch zu betrachten: Was ist der Nutzen für die Organisation, wenn sie ein Konfliktgeschehen durch die Wahrnehmung von Opfern und Tätern polarisiert und Machtlösungen favorisiert? Dieser Blick auf die Situation kann insbesondere dem Steuerberater als Partner des Unternehmers hilfreich sein für einen Beratungs- und Betreuungsansatz.
V.
Eskalationsstufen
Ein gutes Hilfsmittel für die Einordnung eines Konfliktes in eine Eskalationsdynamik sind die Eskalationsstufen von Friedrich Glasl.64 Diese sind:65 ■ Verhärtung: Meinungen werden Standpunkte und nehmen starre Form an. Wahrnehmungsverzerrungen treten auf, Rollen verfestigen sich in Konfliktsituationen. Trotzdem glauben beide, dass die Missverständnisse mit verbalen Argumenten ausgeräumt werden können. ■ Polarisation, Debatte: Es gibt noch gemeinsame Ziele, aber die Interessen der Einzelnen beginnen stärker zu konkurrieren. Es wird befürchtet, dass ein Abgehen vom eigenen Standpunkt nachteilige Folgen bringen könnte. Jeder versucht, sich dem anderen gegenüber zu behaupten. Verhaltensweisen werden fixiert, die mit dem ursprünglichen Problem nichts mehr zu tun haben. Es besteht noch Interesse am Aufrechterhalten der Beziehung, aber taktische Schachzüge nehmen zu. 62 Zur Eskalation nachfolgend unter D. 63 So die Aussage von Tilman Metzger, der sich mit dem Thema Mobbing und Mediation sowohl theoretisch als auch praktisch beschäftigt hat. 64 Glasl, Friedrich. Konfliktmanagement 65 Wir sehen einen Konflikt auch dann schon gegeben an, wenn nur eine Partei sich in einem Konflikt sieht. In die Systematik von Glasl eingefügt wäre das die Stufe 0.
105
63
3
§ 3 Wirtschaftsmediation ■
Taten statt Worte: Eigene Auffassung wird nicht mehr in Frage gestellt der andere muss durch Druck überzeugt werden, es wird ihm das Recht auf Erwiderung abgesprochen. Gespräche werden aufgegeben. Taten sollen überzeugen und lösen gleichzeitig Gegenreaktionen aus. ■ Images und Koalitionen: Feindselige Haltungen nehmen zu, es geht um Sieg oder Niederlage, die eigene Existenz muss abgesichert werden. Pauschaliertes Negativbild des Gegners wird gezeichnet, das durch Erfahrungen nicht mehr korrigierbar ist. Gleichzeitig entsteht ein glorifiziertes Selbstbild. Die gegenseitigen Aktionen können diese Bilder nur mehr bestätigen. ■ Gesichtsverlust: Es wird versucht, den anderen vor der Öffentlichkeit zu demaskieren, um das eigene Erleben zu bestätigen. Keinerlei direkter Kontakt mehr möglich, Ekel und Abscheu vor dem Gegner. ■ Drohstrategien: Die Konfliktparteien schneiden sich jede Rückzugsmöglichkeit ab, Gewaltdenken und -handeln nehmen zu. Das Verhalten des Gegners erscheint aggressiv, das eigene Verhalten wird nur als Reaktion gesehen. Irrationales Handeln nimmt zu, die Gegenseite und die Gesamtsituation sollen unter absolute Kontrolle kommen. ■ Begrenzte Vernichtungsschläge: Der Gegner soll durch Schädigungsschläge entmachtet werden, die eigene Existenz muss gegen seine Anschläge gesichert werden. Jeder traut dem anderen alles zu und muss ihn unschädlich machen. Die eigenen Absichten müssen, koste es was es wolle, durchgesetzt werden. ■ Zersplitterung: Die Vernichtungsschläge richten sich nun gegen die Exstenzgrundlage des Gegners, er soll von seinen Unterstützern abgeschnitten werden. Sprunghaftes Ansteigen der Aggression, Ziel wird die größtmögliche Schädigung des Gegners, dabei wird aber noch versucht, die eigene Existenz nicht aufs Spiel zu setzen. ■ Gemeinsam in den Abgrund: Alle verfügbare Gewalt wird eingesetzt, selbst auf die Gefahr der Selbstvernichtung. Unbedingtes Ziel ist die totale Vernichtung des Gegners. Graphisch dargestellt sieht das dann so aus:
3
ng
härtu
1: Ver
n risatio 2: PolaDebatte &
rte!
tt Wo en sta 3: Tat
e Imag ge um n t 4: Sornd Koalitio verlus u sichts 5: Ge
n tegie hstra
6: Dro
e renzt hläge 7: Begichtungssc n erung Ver splitt 8: Zer
I „win-win“
m einsa und 9: Gemden Abgr in
II „win-lose“
III „lose-lose“
64
Bewegt sich ein Konflikt auf den Stufen 8 und 9 kommt eine Mediation kaum mehr in Betracht. Die Darstellung belegt: Konflikte bahnen sich langsam an und werden schrittweise intensiver. Es ist wichtig die ersten Signale zu erkennen und nicht zu warten, bis schon einiges passiert ist. Denn Konflikte eskalieren sprunghaft und bewegen sich Schritt für Schritt in die Tiefe. Vor jedem Schritt kann man eine Schwelle erleben, an der man grundsätzlich wach werden, zur Besinnung kommen und dem Tun ein Ende setzen kann. Schwellen haben eine Warn- und Signalfunktion.
106
F. Exkurs Mobbing Die Eskalation wird voran getrieben, da sich in Konflikten eine Eigendynamik entwickelt, nämlich ein Prozess von Teufelskreisen der „Selbstverstärkung“ und „Selbstansteckung“. Es beginnt mit Meinungsverschiedenheiten, dadurch wird das Gespräch miteinander mühsamer und das bewirkt Spannungen. Dadurch geraten die Menschen in Stress, reagieren ungeduldig, gereizt aufeinander, es kommt zu neuen Verärgerungen, was zu Aggressionen in Worten und Taten führen kann und schon befindet man sich in diesem Teufelskreis. Die Eskalationsstufen veranschaulichen diese „Anatomie“ von Konflikten, die immer ähnlich ist. Wie auch immer der Anlaß aussehen mag, der Ablauf bis zur Eskalation ist immer gleich, es treten immer die typischen Gefühle (erlebte Beeinträchtigung, Angst) der Beteiligten und interessierten Zeugen ein, immer ist die typische Wahrnehmungsverzerrung zu beobachten und es macht sich der Konflikt in den typischen Wirkungsbereichen (Kommunikation, Wahrnehmung, Einstellung und Aufgabenbezug) bemerkbar66. Die Eskalationsstufen können – gerade dem Steuerberater – somit als gutes Argument diesen, weshalb der Unternehmer frühzeitig tätig werden soll wenn er einen Konflikt bemerkt, ja schon, wenn er ihn auch nur erahnt. Gerade in den ersten Phasen ist die Erfolgsaussicht einer Konfliktbearbeitung groß und der Aufwand gering. Beides ändert sich im Verlaufe der Eskalation. ! Tipp: Was kann der Fallmanager bzw. der Mediator tun? Wir gehen die Eskalationstufen durch: Verhärtung ■ Auf der ersten Stufe kann noch viel getan werden; eines Dritten bedarf es nicht unbedingt. Aufpassen sollten die Betroffenen, dass sie nicht personifizieren. Konzentration auf die Kernthemen der Auseinandersetzung erleichtert eine Klärung; Passende Gesprächsmethoden wie aktives Zuhören entlasten die Auseinandersetzung. Ein Dritter ist zwar nicht erforderlich aber hilfreich, weil ihm die Wahrnehmungsverzerrungen leichter auffallen. ■ Steuerberatern, die viel mit Unternehmern zu tun haben, wird aus eigenen Erleben nicht unbekannt sein, dass – gerade bei Unternehmern – gegen einen aktiven Umgang mit im Konflikt bewußt gewordener Gefühle das über Jahrhunderte etablierte Ideal der Selbstbeherrschung und die historisch zunehmende Affektkontrolle67 steht. Es ruft Scham hervor, wenn man sich selbst, seine Affekte als unkontrolliert erlebt. Man muß sich selbst schon wichtig nehmen, wenn man sich auf seine Gefühle einläßt – und das wiederum gilt als egozentrisch, lächerlich oder unangemessen. Bei solchen Konstellationen passiert es leicht, dass sich ein Konflikt in die nächsten Stufen hinein entwickelt, weil die Betroffenen schlicht nicht in der Lage sind, sich um ihre Angelegenheiten angemessen zu kümmern. Debatte, Polarisation ■ Auf dieser Stufe sind Interventionen regelmäßig erfolgreich. Die entstandene Polarisation kann entschärft werden, wenn ■ eine Debatte verlangsamt, satt beschleunigt wird, ■ Spielraum geboten und gesucht wird, ■ zwischen den Extremen Schwarz-Weiß wieder Farben gesehen werden und ■ wenn Gleichheit statt Dominanz gesucht und geboten wird. 66 Kellner, Hedwig 1999 Seite 43 ff 67 Elias, Norbert Seite 446: „Je weiter man sich in die geschichtlichen Zusammenhänge vertieft, (...); desto klarer zeigt sich, in welchem Maße die Ängste, die den Menschen bewegen, menschen-geschaffen sind. Sicherlich ist die Möglichkeit, Angst zu empfinden, genau wie die Möglichkeit, Lust zu empfinden, eine unwandelbare Mitgift der Menschennatur. Aber die Stärke, die Art und Struktur der Ängste, die in dem Einzelnen schwehlen oder aufflammen, sie hängen niemals allein von seiner Natur ab, und zum mindesten in differenzierteren Gesellschaften auch niemals von der Natur, in deren Mitte er lebt; sie werden letzten Endes immer durch die Geschichte und den aktuellen Aufbau seiner Beziehungen zu anderen Menschen, durch die Struktur seiner Gesellschaft bestimmt; und die wandeln sich mit dieser.“
107
3
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§ 3 Wirtschaftsmediation ■
Durch konstruktives Konfrontieren kann der Einsatz von unfairen Taktiken des Debattierens und der Anwendung verbaler Gewalt (oder auch nur ein ungutes Gefühl) offenbart werden. Ich-Botschaften sind eine probate Technik in der Kommunikation zur Befriedung des Konflikts. Taten statt Worte ■ Der Konflikt beginnt nach außen deutlich zu werden; Beobachter nehmen die Spannungen wahr. Damit ist ein Signal gesendet, das als Aufforderung zur Unterstützung durch Dritte verstanden werden kann. Bisher wurden die Methoden „Ich-Botschaften“, „konstruktives Konfrontieren“, und das Artikulieren von non-values68 als helfende Techniken genannt. Um das Einleben ins Denken, Fühlen und Wollen einer Gegenpartei bei Gruppen zu fördern, kann man die Methode „Identifikation mit der Gegenpartei“69 und die des „Rollentausches“ anwenden. Die Methode des „Rollenverhandelns“ in Paaren oder in der Gruppe70 kann einer Entwicklung eines klischeehaften Feindbildes entgegenwirken und verhindert ein Festlegen auf bestimmte Kernbeiträge71. ■ Je weniger Kommunikation es zwischen den Konfliktparteien gibt, desto eingeschränkter wird die gegenseitige Wahrnehmung. Damit ist die mediative Unterstützung durch Dritte (den Mediator) sinnvoll bis angeraten. Images und Koalitionen ■ Hier muss auf externe Hilfe zurückgegriffen werden, da die Parteien schon so verfeindet sind, dass sie einander nicht mehr den ehrlichen Willen zur Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen zutrauen. Oft genügt allerdings eine „Nachbarschaftshilfe“, d.h. keine professionelle Konfliktberatung sondern eine oder mehrere nicht involvierte Personen, die das Vertrauen beider Parteien genießen. Beide Seiten leiden darunter, dass sich die feindliche Partei ein verzerrtes Bild macht. Deshalb ist es wichtig, Selbst- und Fremdbild sichtbar zu machen, um es dann korrigieren zu können. Durch externe Hilfe können verhängnisvolle Rollenbindungen und damit verbundenen Zwänge wieder aufgelöst werden. Gesichtsverlust ■ Für die externe Beratung bietet sich hier „Prozessberatung bzw. Prozessbegleitung“ sowie die Methoden Rollenverhandlung, Klärung des Fremd- und Selbstbildes, Mikro-Analyse kritischer Episoden und Auflösung ungeschriebener Rollenverträge an. All das leistet natürlich auch eine Mediation. Während in den Phasen 1 bis 4 der Steuerberater auch dann unterstützen kann, wenn er irgendwie „parteilich“ gebunden ist (sofern keiner der Konfliktpartner etwas gegen seine Unterstützung einzuwenden hat) beginnt hier die Bedeutung der Allparteilichkeit zu wachsen. Das bedeutet, dass sich der Dritte kritisch72 vergewissern muss, ob er dem Schlichtungsanliegen wirklich gerecht werden kann (weil eine Partei ihn womöglich als Unterstützer für den Gegner erlebt). Drohstrategien ■ Die gegenseitige Verkettung der Konfliktparteien muss gelockert oder durchbrochen und die gegenseitige Konditionierung beendet werden73. Die GRIT-Methode74 ist eine vertrauensbildende Maßnahme, mit der es durch einseitige Angebote zu einem schrittweisen Spannungsabbau kommt. Ein Dritter kann in dieser Situation durch eine Mediation gut helfen, den Konflikt zu lösen, wobei der Phase der Konflikrerhellung (Phase 3) eine deutlich größere Bedeutung zukommt als in der Stufen 1 bis 5.
3
68 Dabei wird Unerwünschtes ausgesprochen. Mit dem Aussprechen von „non-values“ gebe ich derGegenpartei zu verstehen, dass ich mir selbst Grenzen stecken will, weil es mir nicht einerlei ist, wohin der Konflikt mit uns abdriftet. 69 Ballreich, Rudi und Glasl, Friedrich „Mediation in Bewegung“ 70 Harrison, Roger „Rollenverhandeln“ 71 Glasl schlägt eine Variante des Modells von Harrison dergestalt vor, jeder Person eine Flipchart zur Verfügung zu stellen mit Namen und den Kategorien: a) Bitte tue überhaupt, von nun an, öfters, deutlicher folgendes: b) Bitte tue nicht mehr oder weniger folgendes: c) Bitte ändere nicht Dein folgendes Verhalten: Jeder schreibt bei jedem so viel auf, wie ihm einfällt (für ca. 20 min.), immer mit „Absender“. Anschließend klärt jeder nacheinander ihm undeutliche Wünsche und markiert, welche Wünsche er in Zukunft erfüllen will und kann. Es sollte ein Kontrolltermin vereinbart werden, um erfüllte Zusagen zu benennen und evtl. neue Zusagen zu wünschen. 72 Die gilt insbesondere für den unternehmerischen Bereich, wo Konfliktarbeit auch „verordnet“ wird. 73 Methode der De-Konditionierung nach Glasl in „Konfliktmanagement“ 1999 S. 173 ff 74 Osgood, Charles “Perspective in Foreign Policy”, Palo Alto (Calif.), 1966 S. 174 ff
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G. Exkurs Onlinemediation Begrenzte Vernichtungsschläge ■ Auf dieser Stufe ist Vermittlung bzw. klassische Mediation erforderlich. Zersplitterung ■ Hier können Mediatoren vielleicht erreichen, dass sich die Konfliktparteien auf eine schiedsrichterliche Beilegung der wichtigsten Streitpunkte einigen. Für eine Schlichtungs- bzw. Schiedskommission müssen sich die Gegenparteien über deren personelle Zusammensetzung einigen und sich vorher wenigstens über einige Kernpunkte verständigen, diese in einer „Unterwerfungserklärung“ festhalten. Viele Streifragen bleiben dabei aber ungelöst. In der Regel erledigen diese Aufgaben Anwälte; es ist schwer, von der Positionsorientierung weg zu kommen, weil die Parteien nicht mehr in der Lage sind, ihre Interessen zu erkennen geschweige denn, zu formulieren, weil der „Vernichtungswille“75 dominant ist. Gemeinsam in den Abgrund ■ Um den Unheil vielleicht doch noch Einhalt zu gebieten, ist das Mobilisieren einer Übermacht denkbar. (Oder ein Außenstehender stellt sich mutig zwischen die Parteien?)
G.
Exkurs Onlinemediation 76
3
G.
Kommunikation via Email und Internet zählt heute zum geschäftlichen/beruflichen Alltag. Diese neue Plattform schützt in keiner Weise davor, dass Konflikte entstehen. Internet-typische Besonderheiten sind die Anonymität der Teilnehmer und/oder deren geografische Entfernung, oft über Landesgrenzen hinweg. So hat das Internet neue Konflikte hervorgebracht, z.B. den Streit um Domainnamen, oder das „Versteigern“ von Waren über das Internet, das sich geradezu zum Volkssport entwickelt (allein eBay Deutschland bietet nach eigenen Angaben zu jedem Zeitpunkt Zugriff auf über 1 Million Artikel; lt Ebay werden jeden Tag in Tausenden von Kategorien Millionen von Artikeln angeboten. Käufer und Verkäufer können dabei weltweit miteinander handeln, denn eBay ist in 33 internationalen Märkten auf vier Kontinenten präsent. Inzwischen handeln bereits über 212 Mio registrierte Mitglieder weltweit bei eBay). Dass dieser neue Geschäftstyp auch ein spezielles Konfliktpotential birgt, liegt auf der Hand. Aber auch außerhalb kommerzieller Angebote eröffnen die neuen technischen Möglichkeiten neue Reibungspunkte. Die verschiedenartigen Online-Kommunikationsformen (Mailinglisten, Usenet, WWW-Foren, IRC77 und andere Chats, MUD78 usw.) sind immer wieder mit Störern konfrontiert, die sich nicht an die von allen zu respektierenden Regeln halten (die sog. „Netiquette“) und die andere Teilnehmer belästigen, beleidigen oder bedrohen; auch dieses spielt im Umfeld der Wirtschaft zunehmend eine Rolle. In den erwähnten Fällen kommunizieren Einzelpersonen und Teams miteinander, ohne dass sie sich persönlich kennen. Entstehen auf diesem Wege Konflikte, erscheint es logisch, dass diese auch mediativ gelöst werden können, ohne dass sich die Beteiligten persönlich begegnen, eben „online“. Es gibt verschiedene Bestrebungen das Internet planmäßig zur Lösung von Konflikten 75 Und der stellt kein Interesse der Konfliktparteien dar. 76 Wir danken Urban Heisig, Mediator BM in Hannover, für die Bereitstellung seines Knowhows 77 Internet Relay Chat, kurz IRC, bezeichnet ein etabliertes, rein textbasiertes Chat-System. Es ermöglicht Gesprächsrunden mit einer beliebigen Anzahl von Teilnehmern in so genannten Channels (Gesprächskanäle), aber auch Gespräche zwischen zwei Teilnehmern (Query). Neue Channel können üblicherweise jederzeit von jedem Teilnehmer frei eröffnet werden, ebenso kann man gleichzeitig an mehreren Channels teilnehmen. 78 MUD ist ein Akronym für Multi User Dungeon, selten auch Multi User Dimension. Es handelt sich dabei um ein Rollenspiel, das auf einem zentralen Computer (Server) läuft auf dem sich mehere Spieler (Mudder oder MudHead) gleichzeitig einloggen können.
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§ 3 Wirtschaftsmediation einzusetzen die im Internet entstanden sind. Im Jahr 1999 wurde beim Online-Auktionshaus eBay in den USA die Mediation per E- Mail getestet. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem US-Anbieter Squaretrade79 fortgesetzt. Um das Vertrauen der Konsumenten in den E-Commerce zu stärken, wird die außergerichtliche Streitbeilegung von verschiedenen staatlichen und wirtschaftsnahen Organisationen propagiert, darunter die OECD, die EU-Kommission und die US Federal Trade Commission. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 8.Juni 200080 weist der außergerichtlichen Konfliktlösung einen hohen Stellenwert zu. Die Mitgliedstaaten werden in Art. 17 angehalten, Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung nicht zu behindern. Diese Richtlinie hat auch schon zu einem Pilotprojekt der Handelskammer Hamburg zur Online-Mediation geführt. Für unsere Betrachtung drängt sich die Frage auf, ob und inwieweit Onlinemediation auch in anderen Situationen in Betracht kommt; denn gerade in der Wirtschaftsmediation spielt der Faktor Zeit eine gewichtige Rolle. Und eine Onlinemediation erscheint auf den ersten Blick zeit- und auch sonst ressourcenschonend. Die Onlinemediation ist im Vergleich zur „normalen“ Mediation ein beschleunigtes und bis zu einem gewissen Grad standardisiertes Verfahren.
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I. 66
Begriffsklärung
Wenn von Online-Mediation gesprochen wird, handelt es sich im Grunde um kein anderes Verfahren als das der Mediation mit bekannten Merkmalen wie Beteiligung aller Konfliktparteien, Vermittlung durch einen unparteiischen Dritten, Eigenverantwortlichkeit der Teilnehmer, Freiwilligkeit und Informiertheit.81 Auch die Online-Mediation muss sich an den üblichen Kriterien messen lassen: ■ Kann eine Deeskalation erreicht werden? ■ Wird das gegenseitige Verständnis erhöht? ■ Kommen neue Lösungsideen auf den Tisch? ■ Lernen die Konfliktparteien, miteinander umzugehen? ■ Wird eine Win-win-Lösung erzielt? Zitat einer Definition: „In der Online-Mediation tauschen sich die Beteiligten unter Zuhilfenahme von Computernetzwerken (LAN, WAN, Extranet, Intranet, Internet) aus.82 Ein entscheidender Vorteil ist, dass das Problem unterschiedlicher räumlicher Standorte entfällt. Vernetzte 79 In einem Pilotprojekt des Center for Information Technology and Dispute Resolution an der Universität von Massachusetts in Kooperation mit eBay wurde im Frühjahr 1999 ein kostenloser Mediations-Service für zerstrittene Auktionäre und Bieter angeboten. eBay führt Auktionen durch, in denen gebrauchte Gegenstände versteigert werden – was nicht immer konfliktfrei verläuft, wie sich zeigen sollte. Innerhalb von zwei Wochen wurden 225 Anmeldungen registriert, von denen sich 108 für Mediation eigneten, und von denen wiederum circa 50 Prozent einer Einigung zugeführt werden konnten. Das eBay-Projekt deckte nicht nur den großen Bedarf nach Instrumenten zur Handhabung von Konflikten im E-Commerce auf, sondern zeigte auch, dass Online-Mediation ein praktikables Konfliktlösungsmodell darstellt. In der Folge wurde deshalb der Mediations-Service für eBay-Nutzer durch die Beauftragung des Internet-Unternehmens Squaretrade.com fort geführt. 80 Die Verordnungsermächtigung wurde wahrgenommen durch die Verordnung über Informationspflichten nach bürgerlichem Recht (BGB-Informationspflichten-Verordnung – BGB-InfoV) vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 342). 81 Gans, Brigitte: Mediation. Ein Weg des Umgangs mit Konflikten in der räumlichen Planung? Schriftenreihe zu ökologischen Kommunikation, Bd. 3 82 Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation S. 7
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3
G. Exkurs Onlinemediation Computer können aber auch als zusätzliches Medium in Face-to-face-Mediationen eingesetzt werden, um so das Verfahren zu unterstützen. Weiterhin gilt es, den Grad der Computerunterstützung zu bedenken: Die Online-Mediation kann sowohl den gesamten Mediationsprozess als auch nur einen Teil davon umfassen.“83 Ob es sich wirklich um eine Mediation handelt oder nicht eher um eine Verhandlung, die sich am Mediationsprozess orientiert, sei hier dahin gestellt. Bei der Online-Mediation fehlt es nun einmal an jeglicher nonverbaler Kommunikation. Dieses ist insbesondere für die Phase 3 von besonderer Bedeutung (siehe die Ausführungen dort, S. 48 ff und S. 123 ff ) und aus diesem Grund nur für bestimmte Situationen geeignet. Für unsere weitere Betrachtung ist der Aspekt des zusätzlichen Einsatzes von Computern in Mediationen interessant, nämlich die computervermittelte Kommunikation in der (Wirtschafts-) Mediation.
II.
Integration von technischen Systemen in den Mediationsprozess
In der Onlinemediation werden vernetzte Computer als Übermittler und Verteiler von Nachrichten eingesetzt. Außer bei einer Videokonferenz fehlen die visuellen Eindrücke, die für die Faceto-face-Mediation unerlässlich sind, gänzlich. Und auch dort ist die nonverbale Kommunikation quasi zu vernachlässigen, weil die technischen Vorraussetzungen zumeist nicht gegeben sind.84 In der computergestützten Mediation wird zwischen synchroner und asynchroner Kommunikation differenziert. Asynchrone Kommunikation erlaubt den Austausch von Informationen ohne räumliche Anwesenheit und zeitgleiche Empfangsbereitschaft der Konfliktparteien. Bei der synchronen Kommunikation müssen alle Teilnehmer zeitgleich mit dem Internet verbunden sein und an ihren Computern sitzen. Weiterhin lassen sich synchrone und asynchrone Kommunikation wiederum differenzieren in textbasierte und sprachbasierte Kommunikation.85 Die computervermittelte Kommunikation ist stark durch räumliche Entfernungen sowie das geschriebene Wort geprägt; nichtsprachliche Ausdrucksformen spielen eine untergeordnete Rolle. Mit Hilfe von Kameras lassen sich schon Mimik und Gestik übermitteln. Diese Möglichkeit ist allerdings technisch noch so wenig ausgereift, dass sie bisher nicht oder nur selten zur Anwendung kommt.86 Daher soll hier auch nicht näher auf diese Variante eingegangen werden. Zunächst zur E-Mail. Ein wesentlicher Vorteil dieses Kommunikationsweges liegt in der Geschwindigkeit. Ein anderer liegt darin, dass die gespeicherte E-Mail beliebig bearbeitet werden kann. Nachrichten lassen sich bequem verfassen und andere Texte oder alle Formen von Dateien lassen sich einfügen beziehungsweise anhängen und in sekundenschnelle verschicken. Des Weiteren lässt sich der Zugriff unbefugter Dritter auf eine E-Mail weitgehend ausschließen. Obgleich die Kommunikation per E-Mail asynchron ist, sind durch die kurzen Fragen, Antworten und Rückfragen in schneller Abfolge Ähnlichkeiten zur Face-to-face-Kommunikation vorhanden. Es fehlen aber insbesondere optische und akustische Zusatzinformationen, wie sie durch Mimik, Gestik und Klang transportiert werden.87
83 84 85 86 87
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Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation S. 121 Busch, F.; Mayer, T.B.: Der Online-Coach S. 40 Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. S. 50 Busch, Frank; Mayer, Thomas B.: Der Online-Coach S. 40 Wacker, Ulf: Online-Mediationin ZKM 2001 S. 267
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§ 3 Wirtschaftsmediation 69
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Der Einsatz von E-Mails kann gerade am Anfang helfen, Kommunikationshemmschwellen sinken zu lassen, und eine Kommunikation zwischen den Konfliktparteien so in Gang bringen. Zudem ist der Rückgriff auf E-Mails geeignet, um Teamarbeit und gegenseitigen Informationsaustausch zu fördern.88 Weiteres Hilfsmittel sind Elektronische Diskussionsforen. Elektronische Diskussionsforen in Form von Mailinglists oder Newsgroups gestatten dem Anwender den Nachrichtenaustausch innerhalb des gesamten Internets. Sie stellen eine Art schwarzes Brett dar. Mit ihnen können Nachrichten und Mitteilungen zu allen möglichen Themen und Problemen veröffentlicht werden. Insbesondere für detaillierte, nicht zu eilige Diskussionen ist diese Form der Kommunikation geeignet.89 Der Chat ist die dritte Variante. Das Chat bietet den Beteiligten des Mediationsverfahrens die Möglichkeit einer schriftlichen Unterhaltung. Es werden Wörter eingegeben, die bei den anderen Konfliktparteien auf dem Bildschirm erscheinen. Es gibt im Chat eine klare Ordnung. Die Texte erscheinen alle der Reihe nach untereinander.90 Ein Vorteil ist, dass nicht dazwischen geredet wird und alle Stimmen gleich laut sind. Beim Einsatz von Chats im Mediationsverfahren haben die Mediatoren schon im Vorfeld darauf zu achten, dass keine gravierenden Unterschiede zwischen den Beteiligten im Bezug auf ihre Fingerfertigkeit im Umgang mit der Tastatur (technische Fertigkeit) und des sicheren und zügigen schriftlichen Ausdrucks bestehen (intellektueller Aspekt). Überdies eröffnen Chats die Möglichkeit, ähnlich dem Einzelgespräch innerhalb einer Mediation, in einem extra eingerichteten „private room“ eine private Nachricht zu senden, die nur der „Angepingte“ lesen kann. Die hohe Geschwindigkeit, die bei Chats vorherrscht, eignet sich gut bei der Lösungssuche in der Online-Mediation zum Brainstorming91 – aber eben nicht nur da. Die Softwareunterstützung in Mediationsverfahren ist möglich. Es gibt einige Programme speziell für die Arbeit virtueller Teams. Diese Programme verknüpfen verschiedene Kommunikationsund Visualisierungsarten miteinander. Mit Hilfe einer Plattform können Kommunikationswege wie der Chat oder das Newsforum mit Darstellungen wie Diagrammen, Heatmaps, Whiteboards und ähnlichem verbunden werden. Diese Programme sind in der Regel teuer und daher für die Online-Mediation mit Privatpersonen nicht geeignet. Mediatoren können sich in Plattformen, die diese Technik anbieten, für die Dauer einer Mediation einmieten. Es wird dann auf dem eigenen Computer nur ein Internetbrowser benötigt, um sich in das Portal einzuklinken.92 Andere Möglichkeiten zur Computerunterstützung der Mediation sind Groupware, oder Filesharing. Bei diesen Arten der Computernutzung greifen verschiedene Anwender zeitgleich auf Programme zu.93 Die Aufgabe des Mediators bei der Entscheidung, ob und wie er die Technik einer Online-Mediation einsetzt, ist fallabhängig94. Ungeeignet für die Onlinemediation sind in aller Regel Konflikte bei Ehescheidung und Trennung. Bei Teamkonflikten oder in vergleichbaren Situationen ist die Onlinemediation aber durchaus möglich. Sollte bereits zu Beginn der einer online begonnen Mediation erkennbar sein, dass die persönlichen Beziehungen eine bedeutsame Rolle im und für 88 89 90 91 92 93 94
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Busch, Frank; Mayer, Thomas B.: Der Online-Coach S. 43 Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. S. 305 Bühler, Wilhelm; König, Thomas: http://www.uni-hildesheim.de/RZ/irc.htm, Internet Relay Chat (IRC) Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. S. 57 Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. S. 121-133 Busch, Frank; Mayer, Thomas B.: Der Online-Coach S. 47 Man muss sich vor Augen halten: Ein Konflikt ist ein Problem plus emotionaler (man kann auch sagen beziehungsmäßiger) Verwicklung, die bewirkt, dass die Parteien nicht mehr voll rational handeln können – die Emotionen werden zum zusätzlichen Problem. In jedem Fall ist die „Onlinemediation“ ein effizientes Verhandlungsinstrument. Inwieweit emotionale Befindlichkeiten gelöst werden können bleibt für uns fraglich.
3
G. Exkurs Onlinemediation den Konflikt spielen, sollte der Onlinemediator einen entsprechenden Hinweis geben. Danach kann ggf. gemeinsam mit den Konfliktparteien entschieden werden, ob sie die Mediation beenden möchten oder zu einer Variante der Mediation überwechseln, bei der sie sich gemeinsam oder nacheinander persönlich mit dem Mediator treffen. Auch Onlinemediation und Präsenzmediation im Wechsel sind durchaus möglich. Die eigentliche Kompetenz des Mediators in der Online-Mediation liegt in der Anpassung des Wortlautes der E-Texte ohne Veränderung des Interessengehaltes; eine gezielte Hinterfragung dessen, was der „Sender“ mitteilen wollte, erfordert besonderes Fingerspitzengefühl; darin liegt die eigentliche Kernkompetenz des Mediators (siehe auch S. 127 ff ). Hierzu die richtigen Fragen zu stellen, ist die Leistung, für die der Onlinemediator bezahlt wird.
III.
Die Phasen in der Online Mediation
Die Online-Mediation unterliegt im Grundsatz der gleichen Struktur wie die Face-to-face-Mediation. Während die Struktur evtl. gestrafft wird, ist die Vorgehensweise in Teilen anders. Die Online-Mediatoren können beispielsweise nicht mit der nonverbalen Kommunikation arbeiten, die für den Face-to-face-Mediator als Werkzeug unerlässlich ist. Auch Mimik und Gestik fehlen vollständig. Der Online-Mediator hat als Arbeitsgrundlage in der Regel nur das geschriebene Wort.95 Der Mediator kann aber auch auf das Telefon zurückgreifen; das bietet sich beispielsweise an, wenn noch Formalien geklärt werden müssen oder ein Einzelgespräch gewünscht wird.
1.
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Pre-Mediation
Sofern eine solche sachlich geboten ist, gibt es keine Besonderheiten bis auf den Umstand, dass die Verhandlungen und Gespräche nicht Face-to-Face kommuniziert werden.
2.
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„Vorgespräch“
Auch hier ist es die Aufgabe der Mediatoren, alle am Konflikt Beteiligten an einen „Tisch“ zu bekommen96. Per Telefon oder E-Mail erläutern die Mediatoren den Verfahrensverlauf im konkreten Fall sowie die Rolle des Mediators und klären offene Fragen. Die Erläuterung des Verfahrens umfasst in diesem Fall auch eine Einführung in die Handhabung der Programme, die genutzt werden sollen. Schon im Vorfeld müssen sich die Mediatoren darüber klar sein, welche Anwendungen für die Konfliktparteien optimal nutzbar sind. Dabei gilt es einige Punkte zu klären: ■ Wie sehen die technischen Mittel aus, die den Konfliktparteien zur Verfügung stehen? ■ Wie groß ist das technische Verständnis der Streitenden? ■ Sind die Konfliktparteien intellektuell in der Lage, das in Worte zu fassen, was sie mitteilen möchten?
95 Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. S. 267 96 Besemer, Christoph: Mediation – Vermittlung in Konflikten
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§ 3 Wirtschaftsmediation
3. 77
3
Das „Mediationsgespräch“
In dem Online-Mediationsgespräch existieren – ebenso wie in der Face-to-face-Mediation – die fünf Phasen. Das erste „Treffen“ erfolgt, wenn alle Vorbedingungen abgeschlossen, das heißt alle Programme installiert sind und die Konfliktparteien Zeit hatten, sich mit ihnen vertraut zu machen. ■ In der Einleitung stellen die Mediatoren noch einmal den Verlauf des Verfahrens vor und verankern ihn, an einem „Ort“ – eben virtuell –, auf den alle Beteiligten jederzeit Zugriff haben, damit die Beteiligten jederzeit nachverfolgen können, an welcher Stelle im Mediationsverfahren sie sich gerade befinden. In dieser Phase der Mediation werden die Regeln für das Verhalten untereinander festgelegt, die „Netiquette“. Auch diese „Gesprächsregeln“ werden für alle sichtbar verankert. In dieser Phase kann die Kommunikation beispielsweise über E-Mails geregelt werden. Über Hyperlinks in der Mail werden die Konfliktparteien dann zu den Newsforen oder Kommunikationsplattformen geführt97. ■ In Form eines moderierten Diskussionsforums kann dann die Konfliktdarstellung erfolgen. Die Beiträge werden zunächst von den Mediatoren gelesen, bevor sie „veröffentlicht“ werden. Auf diese Weise können die Mediatoren noch einmal spiegeln, was sie verstanden haben, und bei einem zu scharfen Text um Umformulierung bitten98. Die Nutzung von Diskussionsforen ist eine asynchrone Form der Mediation. Hier wird das Tempo aus dem Verfahren genommen, was in der Regel deeskalierend wirkt99. ■ In der dritten Phase, der Konflikterhellung, werden die Hintergründe des Konflikts beleuchtet. Hier bietet sich eine Mischung aus synchroner und asynchroner Verhandlung an. Während die Diskussion grundsätzlich über das Forum weiterläuft, kann der Chat genutzt werden, um die Konfliktparteien wieder miteinander aktiver werden zu lassen und um eine Mediation, die ins Stocken gerät, wieder voranzutreiben100. ■ In der face-to-face-Mediation werden in dieser Phase Beobachtungen, Gefühlen und Bedürfnisse geklärt. Da passiert Entscheidendes nonverbal. Die Phase 3 ist gelungen, wenn die Parteien in sich und am anderen Neues entdecken, was den anderen wieder menschlicher, den Konflikt verstehbarer macht und eine Stimmung erzeugt, die den nachfolgenden Win-WinLösungsprozess beflügelt. In der face-to-face-Mediation lebt diese Phase vom unmittelbaren Erleben des Gegenüber. Dessen Betroffenheit und Erschütterung macht den anderen „weich“ und bereit, umzudenken, die „Glaubwürdigkeit“ des Konfliktgegners wird wieder hergestellt. Davon kann – erkennbar – die online-Mediation nur wenig leisten. ■ Bei der anschließenden Lösungssuche bietet sich die Nutzung des Chat an. In Form eines Brainstormings können hier Ideen gesammelt werden. Die Konfliktparteien können direkt aufeinander eingehen, Vorschläge aufnehmen und weiterentwickeln oder auch gleich verwerfen. Bei einer asynchronen Mediation kann mit einer solchen Spontaneität nicht gearbeitet werden. Die Zeitverzögerung, bis auf einen Vorschlag eine Antwort folgt, ist zu groß. Die Vereinbarung kann gemeinsam erstellt und allen Beteiligten zugesandt werden. ■ Auch in der online-Mediation wird in der Vereinbarung ein Termin für das Bilanzgespräch definiert.
97 98 99 100
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Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. S. 78 Besemer, Christoph: Mediation a.a.o S. 117-119 Besemer, Christoph: Mediation a.a.o. S. 73 Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. S. 70
3
G. Exkurs Onlinemediation
4.
Die Umsetzungsphase
Nachdem die Vereinbarung eine Zeit lang gelebt wurde, treffen sich noch einmal alle Beteiligten. In einem Chat können die Mediatoren abfragen, ob die Übereinkunft den Erwartungen entspricht oder ob es Veränderungswünsche gibt. Sofern Veränderungsbedarf besteht, wird die Vereinbarung modifiziert. Sollten es zu viele oder zu schwerwiegende Dinge sein, kann wieder neu in die Verhandlung eingetreten werden. Ansonsten ist die Online-Mediation an diesem Punkt beendet.101
IV.
3
Vergleich face-to face-Mediation und Onlinemediation
In beiden Mediationsformen werden grundsätzlich dieselben Verfahrenstechniken verwendet. Die Aussagen der Beteiligten werden gespiegelt, zu scharfe Aussagen werden reframed. Die Phasen der Mediation werden sowohl in der Face-to-face- als auch in der Online-Mediation als Struktur eingehalten. Wenn man das Augenmerk auf die Unterschiede lenkt, so fällt als bedeutsamste Abweichung auf, dass in der Online-Mediation die nonverbale Kommunikation fehlt. Andererseits bietet die Online-Mediation unübersehbare Vorteile. So können mit Hilfe dieser Mediationsvariante räumliche Abstände überwunden werden, die sonst einer Verhandlung entgegen stünden. Durch Anwendung der asynchronen Methode sind Menschen, die in verschiedenen Zeitzonen leben, in der Lage, an Mediationen teilzunehmen. Bei einer asynchronen Mediation kann jeder Teilnehmer zu dem Zeitpunkt an seinem Computer arbeiten, an dem es in seinen Zeitplan passt. Nachtarbeiter beispielsweise können ihre Gewohnheiten beibehalten. Es müssen also nicht erst Treffen vereinbart werden. Zu Recht muss sich die Online-Mediation immer wieder vorwerfen lassen, dass sich die Konfliktparteien hinter dem Computer verstecken könnten. Sicherlich ist dem so, andererseits kann sich ein Mensch auch in einer Face-to-face-Mediation so verstellen, dass seine tatsächlichen Interessen nicht benannt werden. Beide Formen der Mediation sind auf das Interesse der Konfliktparteien, ihren Konflikt lösen zu wollen, angewiesen.
V.
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Fazit
Die besonderen Vorteile des Online-Verfahrens gegenüber „normaler“ Mediation sind somit: ■ Die Parteien können ihren jeweiligen Wohnsitz auch an völlig verschiedenen Orten haben. Da sie keine gemeinsamen Termine bei einem Mediator wahrnehmen, muss der Mediator nicht unbedingt vor Ort gefunden werden. ■ Die Parteien müssen nicht zu jedem Verfahrensschritt an demselben Tag zur selben Zeit einen Termin verfügbar sein. Aufwendige Absprachen zwischen den Parteien entfallen völlig. ■ Jeder hat die Möglichkeit, seine Online-Korrespondenz zur Mediation zu der ihm passenden Zeit zu erledigen. Mediation vom Arbeitsplatz aus wird möglich. Dies sollte allerdings mit dem Arbeitgeber abgesprochen sein. ■ Persönlicher Kontakt zwischen den Konfliktparteien ist während des Verfahrens gar nicht nötig. Das wird von vielen Beteiligten als sehr entspannend erlebt; Freiwilligkeit auf ganzer Linie. 101 Märker, Oliver; Trénel, Matthias (Hg.): Online-Mediation. S. 72
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§ 3 Wirtschaftsmediation Lediglich darüber, dass die Beteiligten zur Mediation bereit sind, müssen sich die Parteien nach wie vor auch bei der Onlinemediation von Anfang an einig sein. Die Online-Mediation ist eine neue Variante des Mediationsverfahrens; angesichts unserer vorbeschriebenen Betrachtungen (unter G III 3) vielleicht auch eher eine Form des Verhandelns. Sie wird die Face-to-face-Mediation auf keinen Fall ablösen. Jedoch gibt es den Wunsch von Konfliktparteien nach einer online Hilfe zur Lösung ihrer Konflikte. Es gibt neue Konfliktformen, die im Internet entstanden sind, und dort kann auch ihre Lösung liegen. Einleuchtendes Beispiel ist der Handel über ebay102 und die Käufer-Verkäufer-Konflikte103. Immer mehr virtuelle Teams bilden sich, deren Mitglieder über die ganze Welt verstreut sind. Die Kollegen in solchen Teams werden sich nur sehr selten, wenn überhaupt, von Angesicht zu Angesicht begegnen. Weiterhin gibt es Menschen, die sich über den Chat oder Newsforen wesentlich besser öffnen können, als wenn sie mit ihrem Kontrahenten in einem Raum säßen. Das Verfahren der Mediation sieht vor, dass die Mediatoren einen geschützten Rahmen bieten, in dem sich die Konfliktparteien konstruktiv auseinandersetzen können. Wenn dieser Rahmen das Internet sein soll, so obliegt es den Mediatoren dieses zu nutzen und es den Nutzern anzubieten. ! Tipp Die Online-Mediation ist „einfach ausgedrückt“ ein neues Werkzeug im Repertoire der Mediatoren. In einigen Situationen kann dieses Werkzeug eingesetzt werden und in anderen nicht. Das hängt ebenso von der Situation als auch von den Wünschen der Konfliktparteien ab. Vorstellbar sind auch Mediationen, bei denen einige Sequenzen online, andere aber wiederum face-to-face verlaufen. In der Mediation wird der Computer immer häufiger genutzt, um Sachverhalte oder Prozesse zu visualisieren. Die Möglichkeiten, einen Computer zu nutzen, hören aber beim Visualisieren nicht auf. Auch wenn viele Dinge nicht über den Computer zu regeln sind, so wird er auch aus der Vermittlung im Konflikt zukünftig nicht mehr wegzudenken sein. Und gerade in der Wirtschaftsmediation wird die EDV-gestützte Mediation in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen, weil deren Einsatz eine zusätzliche Schonung von Ressourcen mit sich bringt.
102 www.ebay.de 103 Squaretrade: http://www.squaretrade.com
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§ 4 Ablauf der Mediation Eine Mediation wird üblicherweise in die verschiedenen Phasen gegliedert, durch die der Mediator die Konfliktparteien führt. In der Literatur werden bis zu 7 Phasen genannt, ohne dass sich das Gesamtverfahren im Inhalt unterscheidet. Wir beschreiben 5 Phasen – weder die „Phase 0“ noch eine Nachbetreuung mitgerechnet.
A.
4
Phase 0
A.
Die Phase 0 (Vorgespräche) ist im vorausgehenden Kapitel ausführlich beschrieben. In der Wirtschaftsmediation kommt dieser Phase eine besondere Bedeutung zu, weil der Mediator beziehungsweise die Mediatoren1 es mit verschiedenen Personen zu tun hat/haben, die teilweise nicht an der eigentlichen Mediationssitzung teilnehmen. Die nachfolgende Darstellung beginnt mit der Situation, in der feststeht, dass der Konflikt durch eine Mediation bearbeitet werden soll, der Auftraggeber den entsprechenden Auftrag erteilt hat und die Konfliktparteien ihre Bereitschaft erklärt haben, an einer Mediation teilzunehmen. So vorbereitet kommt es zum ersten Treffen zwischen dem Mediator bzw. den Mediatoren und den Konfliktparteien.
B.
Phase 1: „Aufwärmen“
I.
Ankommen
2
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Sicheren Rahmen schaffen
Die Konfliktparteien sind üblicherweise aufgeregt und erst einmal nicht in der Lage, sich auf den später folgenden Prozess zu konzentrieren. Weil das grundsätzlich so ist, besteht die erste Aufgabe des Mediators darin, die Konfliktparteien zu empfangen. Anspannung und Verunsicherung können sich schon dann verändern, wenn der Raum, in dem die Mediation stattfinden wird, eine angenehme Arbeitsatmosphäre aufweist. Eine angenehme Atmosphäre kann nur der Mediator als der Mensch schaffen, der er ist; das soll sagen, dass die Raumgestaltung nicht aufgesetzt sein darf. Der Mediator muss sich auch selbst „pudelwohl“ fühlen in dem von ihm gestalteten Raum. Zu den entsprechenden Vorbereitungshandlungen haben wir uns im vorausgegangenen Kapitel2 bereits geäußert. Die verbale Kontaktaufnahme besteht aus einer herzlichen Begrüßung und einleitendem smal talk. Alle Beteiligten müssen sich in Ruhe an ihrem ungewohnten „Arbeitsplatz“ erst einmal ein1
2
B.
Wer sich in die Situation der Konfliktparteien hinein versetzt, die sich zum ersten Termin mit dem Konfliktpartner und dem Mediator zusammenfinden, kann sich gut vorstellen, mit welchen Gemisch aus Angst, Unsicherheit und vielleicht auch Neugierde sie sich dort einfinden.
1.
1
Künftig in der Regel nur noch „Mediator“; damit ist ein Mediatorenteam ebenso gemeint wie ein allein tätiger Mediator § 3 C IV S. 84 ff
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§ 4 Ablauf der Mediation richten. Entspannend wirkt auch ein Begrüßungsgetränk. An den einführenden smal talk schließt sich an, dass sich der Mediator bzw. die Mediatoren kurz vorstellen. Insoweit nimmt der Mediator Bezug auf das, was in der Phase 0 bereits geschehen ist, in der es möglicherweise bereits zu einem Kontakt mit den Konfliktparteien gekommen ist. Kennen sich die Konfliktparteien untereinander nicht unbedingt gut (was bei Team- bzw. Gruppenmediationen vorkommen kann), sollte sich eine Kennlernrunde anschließen. Dieser einleitenden Phase kommt eine große Bedeutung zu, weil die Konfliktparteien in ihrer Anspannung vertrauenskritisch auf den Mediator zukommen können.
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! Tipp In der Wirtschaftsmediation ist es nicht einfach, das richtige Zeitmaß für alle Konfliktparteien zu finden. Da kann es die Führungskraft durch aus eiliger haben als der nachgeordnete Mitarbeiter. Das bedeutet, dass der Mediator ruhig und konzentriert aber auch zügig durch diese Anfangssituation führen muss.
2. 5
Nach dieser Einstimmungsrunde trägt der Mediator die wichtigsten Rahmenbedingungen der Mediation vor. Es geht um Ablauf und Ziel der Mediation, um rechtliche Aspekte (keine Zeugenschaft vor Gericht, Rechtsberatung nur durch Rechtsanwälte) sowie die Regeln, die während der Mediationssitzungen gelten. In aller Regel haben die Konfliktparteien3 kaum Fragen zu diesen Ausführungen. Der Mediator muss sich also auf einen Monolog einrichten. Diesen gilt es so attraktiv wie möglich zu gestalten. Vorbereitete Flipcharts erhöhen den Merkwert, bringen in diese monologe Phase Bewegung und haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie die Kompetenz des Mediators unterstreichen.
3. 6
Rahmenbedingungen
Gesprächsregeln
An Gesprächsregeln werden üblicherweise eingeführt: ■ Ausreden lassen. Jede Partei bekommt die Gelegenheit, den Konflikt darzustellen. Während der Darstellung wird der Redner nicht unterbrochen. Der Mediator kann ausnahmsweise unterbrechen, um klärende Fragen zu stellen. Die anderen Beteiligten hören zu und machen sich gegebenenfalls Notizen. ■ Jeder spricht von sich selbst. D.h. der Mediator unterstützt die Beteiligten darin, den Konflikt aus ihrer Sicht darzustellen. Es geht um die sog. Ich-Botschaften an Stelle der üblichen DuBotschaften. Das bedeutet konkret: sich mitteilen mit den ■ Wünschen ■ Bedürfnissen ■ Anweisungen ■ Meinungen ■ Lob / Tadel 3
118
Soweit künftig nicht ausdrücklich erwähnt, sind unter „Konfliktparteien“ sowohl zwei Einzelpersonen gemeint als auch im Streit befindliche Gruppen. Die Mediation von Gruppen/Teams verläuft grundsätzlich genauso wie die Mediation von zwei Einzelpersonen, erfordert jedoch ergänzende Arbeitstechniken.
B.
4
Phase 1: „Aufwärmen“
■
Respektvoller Umgang. Während der Mediation wird keiner der Anwesenden beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen. ■ Vertraulichkeit. Die Parteien vereinbaren, dass die Inhalte der Mediation vertraulich behandelt werden und klären, was das für sie konkret bedeutet. ■ Während die Konfliktparteien sich gegenseitig Ausreden lassen müssen, den Partner also nicht unterbrechen dürfen, steht dem Mediator als dem Prozessverantwortlichen das Recht zu, die Parteien unterbrechen zu dürfen. Diese Regeln können diskutiert und von den Parteien ergänzt werden. Es hat sich bewährt, die Gesprächsregelungen immer vor Augen zu haben. Das kann in der Weise gewährleistet werden, dass die Gesprächsregeln für die Konfliktparteien gut sichtbar auf dem Tisch liegen oder sie stehen auf einem vorbereiteten Flipchart.
4.
Ungeduld
Diese formalen Aspekte erleben die Konfliktparteien häufig als anstrengend; sie warten ungeduldig darauf, dass es jetzt endlich losgeht. Äußern die Konfliktparteien ihre Ungeduld deutlich sichtbar nonverbal oder gar verbal, geht der Mediator auf die Befindlichkeit ein mit dem Ziel, sich das Mandat zu holen, die einleitenden Klärungen zu Ende führen zu dürfen. Sind die formalen Dinge geregelt, fragt der Mediator die Konfliktparteien noch einmal ausdrücklich, ob sie weiterhin bereit sind, an der jetzt folgenden Mediation teilzunehmen (Bereitschaftsabfrage = grünes Licht für die Mediation). Dieser Schritt ist ein gutes Startsignal für die Mediation und wichtig, damit es keinerlei Missverständnis gibt im Hinblick auf die Bereitschaft, an der Mediation teilzunehmen und dass dieses auch von allen Beteiligten so gehört wird.
5.
7
Wissensstand des Mediators
Die vorstehende Anfrage des Einverständnisses kann auch nach dem jetzt folgenden Schritt eingefügt werden, der für die Vertrauensbildung und den Vertrauensstand des Mediators wichtig ist. Der Mediator schildert den Konfliktparteien seinen Wissensstand zum Konflikt und macht transparent, woher er dieses Wissen hat. Wie bereits ausgeführt geht es in der Phase 0 zwar primär um formale Dinge, die dann letztlich zum Vertragsabschluß mit dem Auftraggeber führen; der Konflikt mit seinem Inhalt wird jedoch zumindest in dem Umfang Thema sein, wie es für die Entscheidung notwendig ist, ob eine Mediation das richtige Mittel der Konfliktschlichtung überhaupt sein kann. Diese Informationen können vom Auftraggeber kommen; in Person kann das der Personalleiter sein oder der Vorgesetzte – in Wirtschaftkonflikten sind es häufig jedenfalls nicht die Konfliktparteien selbst. Hat ein Vorkontakt mit den Konfliktparteien (einzeln oder auch gemeinsam) stattgefunden, kann auch bei dieser Gelegenheit über den Konflikt gesprochen worden sein. All das, was der Mediator schon weiss teilt er den Kontrahenten einleitend mit.
II.
4
8
Ende Phase 1
Mit Abschluss dieser Einleitung sind die vorbereitenden Arbeiten erledigt, die im Wesentlichen der Mediator zu leisten hat. Es ist der sichere Rahmen geschaffen, in dem die eigentliche Konfliktbearbeitung beginnen kann. 119
9
4
§ 4 Ablauf der Mediation
III. 10
Immer wieder kommt es zu Mediationen, bei denen – für den Außenstehenden gut sichtbar – ein weiterer Beteiligter nicht mit am Tisch sitzt. Das ist in Wirtschaftskonflikten häufig der Vorgesetze. Und dennoch fordern die am Tisch sitzenden Konfliktparteien nicht, dass die Führungskraft hinzukommen möge. Der Mediator ist gut beraten, das zu akzeptieren; die Parteien haben ihre guten Gründe, das – jedenfalls im Moment – nicht zu verlangen. Häufig wird dann in der Phase 2, evtl. auch erst in der Phase 3 deutlich, dass es ohne die z.B. die Führungskraft (also den Fehlenden) nicht geht. Wenn dieser Wunsch dann geäußert wird, sollte die Sitzung unverzüglich unterbrochen werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Dritten fortzusetzen. Besteht keine Einigkeit zwischen den am Tisch sitzenden Streitparteien über die Bedeutung des fehlenden Dritten, muss das zunächst geklärt werden; denn dann liegen unterschiedliche Sichten auf den Konflikt vor (Phase 2). Solange auch nur 1 Konfliktpartei eine Dritte Partei als konfliktbeteiligt sieht, sollte diese einbezogen werden. Akzeptiert die andere Streitpartei dieses nicht, sind die Gründe dafür zu erhellen – ggf. in einem Einzelgespräch. Mit dem zutage tretenden Bedürfnis lässt sich in aller Regel ein guter Weg finden.
4
C.
11
C.
Phase 2: Konfliktidentifikation
I.
Konfliktparteien entlasten
Wie schon ausgeführt wünschen die Konfliktparteien regelmäßig, dass es endlich losgehen möge. Jetzt ist es soweit.
1. 12
Reihenfolge
Als erstes stellt sich die Frage, wer anfängt, wer sich seine Themen von der Seele reden darf. Der Mediator kann dieses den Konfliktparteien zur Selbstregelung anzubieten. Bestehen die Konfliktparteien aus Einzelpersonen, regelt sich das auf diesem Wege häufig problemlos. In Gruppenkonflikten kann es notwendig sein, die Reihenfolge festzulegen und das Verfahren, wie der Mediator diese Rangfolge festgelegt hat, transparent zu machen. Kriterien können dabei die Dauer der Zugehörigkeit zur Gruppe sein, es kann die Hierarchie sein oder auch die emotionale Beteiligung. In jedem Fall empfiehlt es sich, dem „unverstellten Blick“ die Vorfahrt zu geben was bedeutet, dass ein „Neuzugang“ vor dem „alten Hasen“ oder der Mitarbeiter vor dem Chef sprechen darf.
2. 13
Praxistipp zur Phase 1
Darstellung der Sichtweisen
Die Streitparteien stellen dem Mediator ihre Sicht zum Konflikt vor. Wenn der Mediator die Person, die sprechen darf, gezielt darum bittet, dass sie ihm die Situation schildert, besteht selten die Gefahr, dass die Konfliktparteien miteinander ins Diskutieren kommen. Jeder der Anwesenden Konfliktpartner hat seine eigene Sicht auf die Situation und kann (und will es natürlich auch) dazu etwas sagen. In dieser Phase geht es primär darum, dass der Mediator versteht, wie jede Partei die Situation erlebt hat, wie sie sich für ihn darstellt. Blickrichtung ist in dieser Phase ausschließlich die Vergangenheit. Für den Mediator bedeutet das, dass er sich voll und ganz demjenigen zuwendet, der seine Sichtweise darlegt. Der bzw. die anderen Konfliktparteien können in dieser Phase oft nur schwer still dabei sitzen, weil sich ihre Sichtweise völlig anders darstellt. Der Mediator 120
C.
4
Phase 2: Konfliktidentifikation
muss also aufpassen, den zeitlichen Rahmen für eine Partei in einem Umfang zu gestatten, dass die übrigen Beteiligten es noch aushalten können. Die subjektive Darstellung fordert den bzw. die anderen Konfliktparteien häufig regelrecht zur Erwiderung im Sinne einer „Klarstellung“ heraus. Ein solcher Beitrag sollte vom Mediator gewürdigt werden; der sich darin dokumentierende emotionale Druck kann gut mit dem Hinweis aufgefangen werden, dass auch für diese Konfliktpartei eine eigene und ausreichende Redezeit im Anschluss zur Verfügung stehen wird. Papier und Stift unterstützen die zu Zuhören verurteilten Konfliktpartner dabei, dass Gedankenblitze nicht in Vergessenheit geraten. An dieser Stelle zeigt sich, dass Gruppenkonflikte von einem Mediator allein nicht mediiert werden können; denn es ist schon bei zwei Konfliktparteien eine Herausforderung, sich in dieser Phase der darstellenden Partei voll und ganz zuzuwenden ohne dabei die andere Partei aus den Augen zu verlieren. Das notwendige Maß an Aufmerksamkeit vergrößert sich natürlich, wenn mehr als nur zwei Menschen etwas zum Konflikt loswerden möchten.
3.
Ziele
Die Darstellung der Sichtweise verfolgt mehrere Ziele: ■ Verständnis der Konfliktlage aus den unterschiedlichen Blickwinkeln ■ Sammlung der Themen4 ■ Priorisierung der Themen ■ erster Einblick in die emotionale Befindlichkeit der Konfliktparteien
II.
14
Arbeitstechniken
An Arbeitstechniken stehen dem Mediator zur Verfügung: ■ Visualisierung der genannten Themen beispielsweise auf einem Flipchart oder einer Pinnwand, um so einen Überblick zu schaffen ■ aktives Zuhören ■ spiegeln ■ Inhalte konstruktiv umdeuten
1.
15
Visualisierung
oder auch Veranschaulichung bedeutet im Allgemeinen, abstrakte Daten oder Zusammenhänge in eine graphische bzw. visuell erfassbare Form zu bringen. Dazu gehört etwa die graphische Darstellung eines Sachverhalts oder die Prozessvisualisierung im technischen Bereich. Im Speziellen bezeichnet Visualisierung den Prozess, sprachlich oder logisch nur schwer formulierbare Zusammenhänge in visuelle Medien zu übersetzen, um sie damit verständlicher zu machen Als Medien für Visualisierung kommen der Flipchart und die Pinnwand (klassisch) aber auch die Computergrafik bzw. Computeranimation zur Anwendung. Dazu werden die aus Sicht der Parteien wichtigen Stichpunkte verschriftlicht und für alle sichtbar gemacht. 4
4
Hat der Mediator einen Co, kann dieser die Themen protokollieren. Um „Übersetzungsfehler zu vermeiden macht es auch Sinn, die Streitparteien ihre Themen auf Karten aufschreiben zu lassen, die dann an eine Pinnwand geheftet werden. Mit Karten fällt das sich anschließende Priorisieren deutlich leichter.
121
16
4
§ 4 Ablauf der Mediation
2. 17
4
Unter aktivem Zuhören wird in der interpersonellen Kommunikation die gefühlsbetonte (affektive) Reaktion eines Gesprächspartners auf die Botschaft eines Sprechers verstanden. Der USamerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers hat das aktive Zuhören erstmals als Werkzeug für die klientenzentrierte Psychotherapie (Gesprächspsychotherapie) beschrieben5. Seine von einem humanistischen Menschenbild geprägte Arbeit legt besonderen Wert auf Begegnung im voll-menschlichen Sinn, d.h. unter Einschluss der emotionalen Ebene, der nonverbalen Äußerungen und des gegenseitigen prinzipiellen Wohlwollens. Das aktive Zuhören grenzt sich auf der einen Seite von der weniger direktiven Echo-Technik ab, in der nur mechanistisch das letzte Wort des Gehörten wiederholt wird und auf der anderen Seite von der direktiver wirkenden Paraphrase, die den kognitiven Anteil der aufgenommenen Botschaft zurückgibt. Sich einfühlen als wesentliche Regel bedeutet konkret: ■ Akzeptanz übermitteln ■ Interesse bekunden ■ Mitgefühl zeigen ■ Missverständnisse klären ■ Trost / Mut zusprechen Das wirkt sich auf das Agieren des Mediators wie folgt aus: ■ nicht kommentieren ■ nicht ausfragen ■ nicht von sich reden stattdessen: ■ beschreiben ■ wiederholen ■ nachfragen
3. 18
Aktives Zuhören
Spiegeln
Spiegeln ist eine Art von aktivem Zuhören und bedeutet, das Gesagte zusammenzufassen, teils in eigenen Worten und teils im Wortlaut des Sprechers. Spiegeln beinhaltet lediglich eine konstruktive Wiedergabe des Geäußerten, um Missverständnisse zu klären und eine bessere Verständigung zu erreichen. Eigene Stellungnahmen, Zurückweisungen oder Ratschläge dürfen nicht eingeflochten werden. Dabei gibt es zwei Hauptkategorien des Spiegels:
5
122
Die sog. „klientenzentrierte Interaktion“ ist im folgenden Abschnitt als grundlegende Technik der Gesprächsführung ausführlicher beschrieben.
C. ■ ■
4.
eine faire, kompakte Zusammenfassung und Wiedergabe der genannten Fakten, der Gefühle und der Gedanken. ein Zusammenfassung und Verdeutlichung des Gesagten in Form von Nachfragen um Fakten, Gefühle und Gedanken zu klären.
Konstruktives Umdeuten
Inhalte konstruktiv umzudeuten bedeutet, Vorwürfe, Schuldzuweisungen und Angriffe in positive Anliegen zu übersetzten, also „die Sprache zu reinigen“, indem negative Heftigkeit und Gemeinheiten herausgefiltert werden. Dieses Umdeuten ermöglicht für den Konfliktpartner entstresstes Zuhören und fördert so den Dialog. Ein Mediator muss kein Psychologe sein, um heraus zu hören, was die Menschen eigentlich bewegt. Er braucht Geduld, Zeit und Einsicht, um gewisse Dinge auszublenden und heraus zu lassen, dafür aber versteckte Angebote, Versöhnungsabsichten und Gemeinsamkeiten zu finden. Natürlich soll der Mediator immer wieder auf die Gesprächsregeln hinweisen, die ein Reden über den anderen verbieten und somit Hässlichkeiten zu und über den anderen Konfliktpartner eigentlich ausschließen. Dennoch kommt es dazu. Wenn eine emotional geladene Sprache im Gespräch überwiegt, weiß der Mediator, dass es Empfindungen von großer Bedeutung gibt, die mit der gebotenen Vorsicht in den Vordergrund geholt werden müssen6. Vom konstruktiven Umdeuten abzugrenzen ist die positive Konnotation.
5.
19
Einsatz der Techniken
!Tipp: In dieser Phase 2 der Mediationssitzung geht es darum, dass in der Kommunikation zwischen Streitpartei und Mediator möglichst keine Kommunikationsdefizite auftreten und sich die Kontrahenten – jeweils getrennt – vollständig zum Wesentlichen äußern. Ein Phänomen ist, dass sich Konfliktparteien in dieser Situation einander zuwenden und sich richtig zu streiten beginnen. Das liegt in der Wirtschaftsmediation in der Regel daran, dass die Konfliktparteien bis dahin keine richtige Gelegenheit hatten, sich zu streiten; derartige Auseinandersetzungen verbietet in aller Regel die Unternehmenskultur. Während in engen Beziehungen alles schon 10-mal gesagt ist, fehlt es an einem solchen Austausch in emotional aufgeladener Stimmung. Dass das passieren kann sollte der Mediator im Auge haben. Die notwendige „Ruhe und Ordnung“ zu schaffen gelingt, wenn die Konfliktpartner verstehen und akzeptieren, dass sie dem Mediator ihre Geschichte zu erzählen haben. Das gelingt zum einen nur in einer entsprechenden Atmosphäre, die zu schaffen dem Mediator obliegt. Zum anderen gilt es, immer wieder zu reflektieren und abzustimmen, ob der Mediator das verstanden hat, was gesagt wurde. In diesem Sinne haben die aufgeführten Techniken folgende Funktionen: ■ Die wohl wichtigste Technik ist das aktive Zuhören. Der Gesprächspartner erhält den Eindruck, ihm gelte die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Mediators. Die affektive Reaktion des Mediators auf das, was das Gegenüber sagt, macht dem Gegenüber Mut, weiter zu sprechen, sich weiter zu öffnen; denn er fühlt sich beim aktiv zuhörenden Mediator in guten Händen. ■ Ergänzt wird das aktive Zuhören durch das Spiegeln. Mit der Spiegeltechnik meldet der Mediator an die Konfliktpartei zurück, was er gehört hat. Weil das Spiegeln eingebunden ist in das aktive Zuhören, geschieht es emphatisch. Das bedeutet, dass der Mediator auch nonverbal auf das eingeht, was sein Gegenüber ausdrückt. Mit der so formulierten Wiedergabe des Gehörten erkennt der Sender, wie wichtig es dem Mediator ist, ihn richtig verstanden zu haben. So kommt es 6
4
Phase 2: Konfliktidentifikation
Dieses gilt es zu merken, um darauf ggf. in der nächsten Phase der Konflikterhellung wieder Bezug nehmen zu können.
123
20
4
4
§ 4 Ablauf der Mediation
■
zu einem konstruktiven Ringen um Kongruenz zwischen dem, was der Sender sagen will und dem, was der Empfänger verstanden hat. Das konstruktive Umdeuten ergänzt die beiden vorstehenden Techniken. Im Wesentlichen sind es in dieser ersten Phase 2 typische Verläufe, die den Einsatz dieser Technik besonders sinnhaft erscheinen lassen: ■ die Streitpartei spricht nicht von sich sondern über den Konfliktpartner (je emotionaler desto deutlicher)
oder ■
sie ist wenig geschult im verbalisieren. ■ Im ersten Fall macht es zunächst durchaus Sinn, den Kommunikationspartner zu bitten, selbst das Gesagte in eine IchBotschaft umzuformulieren. Gerade in Wirtschaftkonflikten wirkt eine solche Intervention jedoch schnell ausgrenzend und stört eher, als dass sie nützt. Da ist die Unterstützung des Mediators, indem er die Du-Botschaft in eine Ich-Botschaft übersetzt, prozessfördernd7. Der zweite Aspekt kommt häufig dann zum Tragen, wenn die Konfliktparteien unterschiedlichen Hierarchiestufen angehören oder einfach intellektuell unterschiedlich fähig sind. Der Mediator kann in liebevoller Zuwendung demjenigen, der das Wort nicht so beherrscht, dazu verhelfen, dass diese Partei ebenso eloquent wie der Kontrahent das einbringen kann, was aus seiner Sicht gesagt werden muss. In diesem Fall überschneidet sich diese Technik mit dem Spiegeln, bei dem der Mediator das, was er verstanden hat, durchaus auch mit eigenen Worten zurück melden kann. ■ Das Visualisieren ist eine ganz entscheidende Arbeitstechnik. Sie hilft, benannte Themen so zu verschriftlichen, dass sie allen Beteiligten vor Augen stehen. Der Effekt ist in mehrfacher Hinsicht positiv: ■ Zum einen ist für die mitteilende Partei unübersehbar, dass der genannte Aspekt gehört ist. Damit erspart sich der Mediator erfahrungsgemäß viel Zeit, weil das Thema nicht immer wieder erwähnt werden muss. ■ Zum anderen kann der Konfliktgegner auf bereits verschriftlichte Aspekte in seiner Betrachtung eingehen. Das macht die Darstellung des Konfliktgeschehens aus den unterschiedlichen Sichtweisen sehr viel schneller verstehbar. ■ Schließlich ist ein wesentlicher Teil der Arbeit für die spätere Bearbeitung der Verdichtung sowie der Priorisierung bereits geleistet. ■ In der Praxis wird entweder auf einem Flipchart visualisiert (was der Mediator dann erledigt) oder mit Karten an einer Pinnwand. Die Verwendung von Moderationskarten und Pinnwand bietet zum einen den Vorteil, dass die später folgende Verdichtungs- und Gliederungsarbeit ohne zusätzlichen Schreibaufwand erledigt werden kann. Zum anderen ist es häufig vorteilhaft, die Konfliktparteien selbst ihre Themen aufschreiben zu lassen. Unerfahrene Mediatoren erliegen leicht der Gefahr, aufgrund oberflächlicher Sachverhaltsschilderung ein Konfliktgeschehen als Tatsache zu unterstellen, das in Wahrheit eine Hypothese ist. Nur wenn die mit der Konfliktdarstellung geschaffene Datenbasis komplett ist, kann es dem Mediator gelingen, den Konflikt erfolgreich durch die nächste Phase zu geleiten. Sonst besteht die Gefahr, dass die Konfliktparteien unverändert ihre unterschiedlichen Sichtweisen im Kopf haben, von denen sie annehmen, das alle anderen darum wissen und deshalb aneinander vorbei reden! Auch wenn es in dieser Phase primär darum geht, dass sich die sprechende Konfliktpartei und der Mediator verstehen, haben natürlich auch die weiteren Beteiligten etwas von diesem kommunikativen Klärungsprozess. Diejenigen, die trotz ihrer Befangenheit im Konflikt zuhören können, erfahren schon jetzt etwas über die Konfliktsicht der anderen Streitpartei. Diejenigen, die dazu nicht in der Lage sind (und natürlich auch alle anderen), erfahren vieles über die achtsame Arbeit des Mediators und werden so gut vorbereitet auf das mit Ihnen folgende Gespräch.
4
7
124
An dieser Stelle wird bewusst das Umdeuten in eine Ich-Botschaft befürwortet; der Einsatz etwa von „gewaltfreier Kommunikation“ mit der Ansprache von Gefühlen, Interessen und Bedürfnissen geht in der Phase 2 leicht zu weit.
C.
III.
Themensammlung
Als Ergebnis der ersten Phase einer Mediation haben die Streitparteien gemeinsam mit dem Mediator eine Themensammlung erhoben. Anhand der visualisierten Themen ist die Bandbreite des Konfliktes sichtbar geworden. Die Parteien bescheinigen die Vollständigkeit der Sammlung.
1.
21
Komplexität reduzieren
4
Wenn die Themensammlung sehr komplex ist, kann es notwendig oder sinnvoll sein, die Komplexität zu reduzieren. Zu diesem Zweck wird geprüft, welche Themen zusammengehören. Findet die so gefundene neue Ordnung die Zustimmung aller Beteiligten, wird erneut geprüft, ob Themen bzw. Themenbereiche fehlen.
2.
4
Phase 2: Konfliktidentifikation
22
Priorisieren
Anschließend werden die Themenblöcke in eine Reihenfolge gebracht, in der diese nachfolgend bearbeitet werden sollen. Die Zustimmung der Konfliktparteien insbesondere zum ersten Thema, mit dem die weitere Bearbeitung begonnen werden soll, ist wichtig. Ist eine Priorisierung erforderlich, fällt es den Konfliktparteien oft schwer, die Wichtigkeit zu bestimmen. Die Angst vor der bevorstehenden Klärung und der vermuteten emotionalen Belastung verführt dazu, Sachthemen und Nebenkriegsschauplätze zu benennen. Der Mediator hat verschiedene Varianten, eine Reihenfolge festzulegen. Es seien insoweit angeführt: ■ erfolgversprechende oder mittelschwere Themen vor den großen Themen. Erste Erfolgserlebnisse bei der Bearbeitung schaffen Vertrauen und motivieren für die weiteren Herausforderungen. ■ die Reihenfolge Beziehungs- vor Sachthemen schafft eine menschliche Basis für die Bearbeitung von Sachthemen. Sind die zwischenmenschlichen Hürden geklärt, ist eine Einigung in der Sache schneller möglich (insoweit verweisen wir auch auf das früher dargestellte Eisbergmodell). ■ das belastendste und aktuellste Thema zuerst. Ist diese Hürde überwunden, haben die Streitparteien einen Durchbruch erlebt und klären anschließend die weiteren Themen leichter.
125
23
4
§ 4 Ablauf der Mediation
IV. 24
4
D. 25
Am Ende der Phase 2 haben die Konfliktparteien mit Unterstützung des Mediators eine Zusammenstellung ihrer Themen visualisiert und priorisiert. Damit verfügen sie über einen Wegweiser wie es in der nächsten Phase weiter geht. Dabei ist – quasi nebenbei – passiert, dass ■ die Positionen der Konfliktparteien – zumindest andeutungsweise – erkennbar sind sowie ■ Übereinstimmung und Dissens erkannt sind ■ entscheidungserhebliche Tatsachen offen liegen ■ emotionsgeladene Stimmungen abgebaut wurden ■ Konfliktmuster identifiziert sind Auch wenn die Beteiligten bereit sind, an der Lösung des Konfliktes zu arbeiten, sind sie meistens trotzdem noch nicht in der Lage, sachlich und unvoreingenommen zu sprechen oder der anderen Partei zuzuhören; denn die Herrschaft der emotionalen Antriebe bewirkt im Denken und Vorstellen eine Tendenz zum Freund-Feind-Denken, zu fixierten Urteilen und Bildern über sich selbst, die Feinde und die Situation. Wenn die Parteien gebeten werden, die Situation zu schildern, werden normalerweise kaum Beobachtungen beschrieben. Meinungen, Wertungen, Urteile werden ausgesprochen, meistens verknüpft mit emotionalen Willensäußerungen.
D.
Phase 3: Konfliktbearbeitung
Die Phase 3 ist Kernstück der Mediation: In dieser Phase verlassen die Parteien ihre Positionen und die verfestigten und damit einengenden Sichtweisen. Durch gezielte Fragestellung werden die Motive, Interessen und Bedürfnisse der Konfliktbeteiligten herausgearbeitet. Diese Klärung der Bedürfnisse, Interessen und Wünsche wird auch als „Königsweg der Mediation“ bezeichnet.
I. 26
Ergebnis der Phase 2
Ziel und Weg
Noch stehen – neben den „Konfliktgeschichten“ der Kontrahenten – die Ansprüche im Raum, die jede Konfliktpartei in sich trägt (mir steht das und das zu, weil ........... und ich habe ein Recht auf ...........). Das sind die Positionen8, die Streitparteien unbeweglich halten. Aus dieser „Positionsstarre“ sollen sie jetzt erlöst werden. Das geschieht dadurch, dass die Interessen transparent werden, die jede der Konfliktparteien hat. Diese wiederum sind gesteuert durch die Bedürfnisse, die unerfüllt geblieben sind und zufrieden gestellt werden möchten. All das wird auch „Exploration“ genannt. Es ist die zeitlich umfangreichste Phase und gibt den Konfliktparteien die Möglichkeit, ihre Sicht des Konflikts zu jedem Themenpunkt umfassend darzustellen. Informationen, Daten und Wahrnehmungen werden ausgetauscht, bevor auf die unterschiedlichen und gemeinsamen Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der Parteien vertieft eingegangen und damit der Konflikt umfassend erhellt werden kann. Dabei kommen neben den Positionen der Konfliktparteien deren Hintergründe, Interessen, und – je nach Ausrichtung und Ausbildung des Mediators – auch Emotionen und Identitätsaspekte (Rollen, Selbstbild) zum Vorschein.
8
126
Siehe dazu § 2 B II c – S. 58 ff
D.
1.
Ziel
Ziel ist, dass die Parteien beginnen, neben den Positionen der anderen Seite insbesondere die dahinter stehenden Beweggründe und Interessen zu erkennen; das muss also in dieser Phase herausgearbeitet werden. Positionen sind nicht verhandelbar. Menschen, die im Streit ihre Positionen vertreten und dabei zu ihrem Recht kommen wollen, sind fixiert auf diese Streitpositionen. Sie reden nicht über unerfüllte Bedürfnisse sondern darüber, dass sie mehr Geld, Recht oder irgendetwas anderes haben wollen. Wenn sie grundsätzlicher argumentieren, dann vertreten sie ihre Interessen. Diese Streitpositionen und Interessen sind aber psychologisch verknüpft mit den dazugehörigen Bedürfnissen. Es sind eigentlich Strategien, um die Erfüllung der elementaren Bedürfnisse zu erreichen9. Das heißt aber, die Bedürfnisfrustrationen, durch die ihre Emotionen ausgelöst wurden, bzw. wo sie Kränkung, Betroffenheit, Verletztheit, Bedrohtheit, etc. erlebt haben und erleben, kommen nicht zur Sprache. Erst die Kenntnis der dahinter liegenden Interessen und Bedürfnisse bildet eine Grundlage zur Lösungsfindung, denn hinter konträren Positionen verbergen sich oft neben unterschiedlichen auch gemeinsame Interessen, Befürchtungen und Nöte. Diese Klarheit über die existierenden Bedarfe, Motive und Bedürfnisse ist für alle beteiligten Streitparteien zu schaffen. Ziel ist weiterhin – insbesondere bei komplexen Konfliktlagen (vielen Themen oder vielen Streitparteien wie bei Team- oder Gruppenkonflikten) den Überblick zu behalten. So wird die Basis für die Suche nach konsensfähigen Lösungsoptionen geschaffen (Phase 4).
2.
4
28
Wirkung
All das hat eine deeskalierende Wirkung, was sich darin zeigt, dass die Kontrahenten in dieser Phase zunehmend mehr Blickkontakt zueinander aufnehmen und in die unmittelbare Kommunikation verfallen. So wird der Spielraum für Verhandlungen geschaffen, die bis dahin unmöglich waren. Die Streitparteien beginnen gleichzeitig, den Dialogschwerpunkt von der Vergangenheit in die Zukunft zu verlegen. Wie schon ausgeführt sind bei gegensätzlichen Positionen meist keine Vereinbarungen möglich. Unerfüllte Bedürfnisse, die in dieser Phase zum Vorschein kommen, wecken eher Verständnis, 9
27
Weg
Der Mediator unterstützt die Konfliktpartner darin, die Interessen und Bedürfnisse herauszufinden, die hinter den eigenen und den Positionen der anderen Partei stehen. Er versucht, Werte, Wünsche, Gefühle und noch verborgene Interessen und Bedürfnisse wahrzunehmen und anzusprechen, um dadurch erstarrte Positionen bewusst zu machen und aufbrechen zu lassen. Der Weg dorthin ist im Groben – und darin liegt die prozessleitende Arbeit des Mediators –: ■ unterschiedliche Wahrnehmung der Parteien zur Konfliktsituation transparent machen ■ gegenseitiges Verständnis für den Konfliktpartner fördern ■ mit Fragen von der Position zu Motiven und Interesse finden ■ Interessen und Bedürfnisse klären ■ von Beschwerden zu Zielen finden
3.
4
Phase 3: Konfliktbearbeitung
Rosenberg S. 29
127
29
4
§ 4 Ablauf der Mediation zumal es sich meist um wesentliche Grundbedürfnisse wie Sicherheit, Auskommen, Autonomie oder Anerkennung handelt. Das Verstehen unterschiedlicher Sichtweisen eröffnet dann einen viel weiteren Spielraum für Lösungen. Oft sind sich die Parteien nicht im Klaren über ihre Bedürfnisse. Dann ist es Aufgabe des Mediators, sie dabei zu unterstützen, diese zu erkennen, zu formulieren und entsprechend zu vertreten. Die Interessen sollen klar, konkret und auf die Zukunft bezogen formuliert werden. Häufig ergibt sich dabei, dass neben unterschiedlichen durchaus auch gemeinsame oder ergänzende Interessen aller Beteiligter vorliegen. Die so gefundenen Interessen gilt es dann in eine Beziehung zu bringen und das Problem so zu definieren, so dass beide Seiten zustimmen können. Sind dann die Problemdefinitionen für die Themenbereiche gefunden, erfolgt der Eintritt in die nächste Phase.
4
II. 30
Mediatoren sollen nicht nur die Abläufe und Fallstricke von Kommunikationsprozessen (er) kennen, sondern zu deren Überwindung eine Vielzahl an Methoden kennen und beherrschen. Schließlich geht es in der Mediation um Information und „Information ist beseitigtes Nichtwissen beim Empfänger“. Es geht darum aufzudecken, was allenfalls einer (der Sender nämlich) kennt, was aber sowohl dieser Konfliktpartei deutlich werden soll als auch allen anderen in der Mediationssitzung anwesenden. Dabei darf der Mediator nicht manipulativ führen. Dafür stehen bewährte Gesprächstechniken zur Verfügung, zu denen auch die (grundlegende) Fragetechnik gehört. Für den Mediator muss es darum gehen, die benötigten Informationen aufdecken zu helfen, um anschließend dafür zu sorgen, dass das Gesagte auch von allen gehört und verstanden wird. Für die Kommunikationstechniken bedeutet das, dass sie möglichst wenig manipulativ sein müssen.
1. 31
Arbeitstechniken
Grundlegend: Gesprächsführung nach C. Rogers
Das Konzept der klientenzentrierten Gesprächsführung beruht auf den Erkenntnissen der Gesprächspsychotherapie nach Carl R. Rogers. Grundlage bildet ein Menschenbild, das davon ausgeht, dass jeder Mensch über Kräfte und Potentiale verfügt, sich unter bestimmten Bedingungen zu einer verantwortlich handelnden Persönlichkeit zu entwickeln und eigene Probleme selbständig lösen zu können bzw. Veränderungen in die Wege zu leiten. Insofern wird der Mensch als ein soziales und rationales Wesen mit konstruktiven Möglichkeiten betrachtet. Der Zugang zu diesen Potentialen kann gefördert werden durch ein Klima von Achtung, Offenheit und einfühlendem Verstehen. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe. Die Prinzipien des klientenzentrierten Ansatzes erleichtern es auch Mediatoren, eine akzeptierende Haltung im Gespräch zu verwirklichen, das Gemeinte besser zu verstehen und sich selbst in das Gespräch einzubringen. Dadurch werden sowohl ein sachbezogener Dialog als auch eine tiefere menschliche Begegnung möglich. Regeln und Vorgehensweise: ■ Individualisierung der Gesprächsführung: Die Kommunikation muss auf die Besonderheiten der Probleme der jeweiligen Konfliktpartei eingehen und diese anerkennen. ■ Freier Ausdruck der Gefühle der Parteien: Der Mediator sollte weniger das Problem angehen, sondern die Beziehung der Streitpartei zu diesem Problem aufklären. ■ Empathie: Gemeint ist damit einfühlendes Verstehen, das vor allem über die Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte erfolgt, d.h. der Mediator versucht, mit eigenen Worten die Gefühle und inneren Prozesse der Konfliktpartei zu beschreiben. 128
D. ■ ■ ■ ■
■
■
2.
Positive Wertschätzung: Der Berater sollte die Streitpartei als Person akzeptieren. Nicht-Urteil: Es sollen vom Mediator keine sachlichen oder moralischen Bewertungen vorgenommen werden. Selbstbestimmung der Konfliktpartei: Der Mediator soll den Parteien zur Selbstbestimmung verhelfen. Verbalisierung als Wiedergabe: Hier versucht der Mediator beispielsweise, durch Verwendung von Synonymen (andere Begriffe für den gleichen Inhalt), Antonymen (Begriffe für das Gegenteil) oder von Wunschvorstellungen den Inhalt der Aussage der Parteien möglichst genau wiederzugeben ohne zu bewerten oder irgendwelche anderen Inhalte zu suggerieren. Die Parteien erkennen daran, dass sie verstanden werden. Verbalisierung als umkehrbare Beziehung: Der Mediator hebt durch seine Verbalisierung bisher latent Gebliebenes hervor. Dies ist deshalb zuweilen notwendig, weil die Konfliktparteien im Allgemeinen »Gefangene eines dominierenden Gesichtspunktes« sind und durch das Hinzutreten neuer Gesichtspunkte »ein präziseres und objektiveres Bewusstwerden der Situation« gefördert wird10. Klärende Verbalisierung: Ziel ist es hier, den Parteien den Sinn ihrer eigenen Aussage klarzumachen.
4
Fragetechnik
verfolgt das Ziel, ein Interview oder einen Dialog zu beginnen bzw. zu vertiefen und ggf. das Gegenüber dabei rethorisch zu lenken. Durch die geschickte Auswahl der Frageform bestimmt der Fragesteller den Grad der Einflussnahme (mehr oder weniger direktive Kommunikation). Erwähnt seien: ■ Offene und geschlossene Fragen (wobei in der Mediation in der Regel allein die offenen Fragen sachdienlich sind) ■ Fokussierende Fragen („Was können sie mir dazu noch sagen?“) ■ Reflexive Fragen („sie sagten vorhin …“) ■ Hypothetische Fragen („Was würde geschehen wenn..“) ■ Gerichtete und ungerichtete Fragen
3.
4
Phase 3: Konfliktbearbeitung
32
Aktives Zuhören 11
Auch in dieser Phase steht das aktive Zuhören an erster Stelle. Wie oben bereits ausgeführt bedeutet es, genau und aufmerksam darauf zu achten, was der andere sagt. Es muss beim Zuhören genau wahrgenommen werden, welche Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche den Gesprächspartner bewegen. Die Körperhaltung und der Gesichtsausdruck des anderen können Hinweise auf dessen Gefühle geben. Ehrliche Anerkennung und Wertschätzung der Medianten kommen zum Ausdruck, wenn der Mediator ■ eine der Streitparteien für die Zusammenarbeit würdigt ■ entdeckte gemeinsame Interessen für alle gut verstehbar aufnimmt 10 Mucchielli, 1972, S. 45 11 Siehe dazu auch grundlegend C. Rogers zur klientezentrierten Gesprächsführung unter 1.
129
33
4
§ 4 Ablauf der Mediation ■
Positionen wertfrei hinterfragt ■ Bei der Erhebung der emotionalen Befasstheit einer Partei ■ die Gefühle des Gesprächspartners ausdrückt ■ Vokabeln aus dem Gefühlsbereich verwendet ■ Verständnis für das Gefühl zeigt ■ das Gefühl nicht bewertet ■ Gefühle „fragend“ ausdrückt (es geht in der Regel um eine Hypothese) Spiegeln und paraphrasieren (s.U.) sind eine Ausdrucksform des aktiven Zuhörens und haben in dieser 3. Phase insofern eine neue Bedeutung, als diese Techniken nicht nur im Dialog Mediator – Konfliktpartei eingesetzt werden sondern auch im Dreiecksverhältnis des Mediators zu allen Streitparteien.
4
4. 34
Siehe oben unter III B 4
5. 35
Perspektivenwechsel
ist eine Technik aus der Sozialpsychologie, bei der man sich in die Rolle und Position eines anderen hineinversetzt und versucht, die Welt aus dessen Sicht zu sehen. „in den Mokkasins eines anderen gehen“ – (Indianische Redensart Vollständig: „Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gegangen bist“.) Diese ist eine ganz bedeutsame Technik in Phase 3, weil so der Kontrahent am besten erleben kann, wie es seinem Gegenüber im Konflikt geht, was ihn bewegt, wie er sich fühlt und was er will. Sie hilft, die subjektiven Sichtweisen als Gegebenheit zu akzeptieren. Der Mediator regt die Parteien zur Offenlegung ihrer eigentlichen Interessen an. Dabei schafft er bei der jeweiligen Gegenpartei Verständnis für die unterschiedlichen Standpunkte und Beweggründe.
7. 37
Transformieren
d.h. Zusammenfassen und Wiederholen der Aussagen in neutraler Form – und zwar ohne Wertung. Diese Technik enthält wesentliche Elemente des konstruktiven Umdeutens und wird deshalb nicht weiter beschrieben.
6. 36
Konstruktives Umdeuten
Positive Konnotation
ist eine Umdeutung im Sinne eines Perspektivenwechsels, der sich insbesondere dann empfiehlt, wenn eine Streitpartei immer gute Gründe dafür findet, einen neuen Weg mit Veränderungen (was für ihn auch am Perspektivwechsel liegen kann) nicht einzuschlagen. Anstatt nun diese Haltung zu „attackieren“ und damit verstärkten Widerstand gegen Wandel zu produzieren, kann der Mediator das systemische Gesetz „Was ist, muss sein dürfen“ einsetzen und damit beginnen, das „Gute im Schlechten“, also die positiven Nebeneffekte des Problems mit dieser Partei herauszuarbeiten. Es folgt dann eine hypothetische Frage im Sinne: „Was wäre anders, würde das Problem 130
D.
4
Phase 3: Konfliktbearbeitung
nicht mehr bestehen?“ Mit ihr klärt der Mediator die Bedeutung, die das Problem für das System hat und gegebenenfalls das „Thema hinter dem Thema“. Schließlich arbeitet die Partei mit der Frage des Verstehens des Gegenübers. Und was ihn hindert ist seine Befangenheit. Da verhilft die Frage: „Wie können Sie das Problem lösen und gleichzeitig das Gute mitnehmen, das Sie nicht verlieren möchten“ zu einer neuen Qualität, einer angemessenen Veränderung, einer neuen Sichtweise und Perspektive.
8.
Paraphrasieren
4
(griech. para = dazu, neben und fraseïn = reden, sagen) ist eine erklärende, verdeutlichende Umschreibung eines Sachverhalts oder Textes mit anderen Worten. Der Mediator drückt mit eigenen Worten aus, was der Gesprächspartner gesagt hat und ■ bleibt dabei auf dem gleichen Sprachniveau, vereinfacht höchstens ■ beharrt nicht auf Interpretationen ■ benutzt den Widerspruch Ganz wichtig ist: ■ Das Gegenüber weiß immer besser, was er gesagt hat ■ Somit muss der Mediator von ihm quasi das Einverständnis bekommen, dass er „richtig“ paraphrasiert hat. Beispiel: .. Ich habe das so verstanden. Ich fasse noch mal zusammen … um zu schauen, ob ich es richtig verstanden habe …
9.
Spiegeln
bedeutet, mit eigenen Worten wiederzugeben, was der andere gesagt und gefühlt hat (auch Zusammenfassen) und – wichtig – nachzufragen, ob das so Gesagte dem entspricht, was die jeweilige Partei inhaltlich auch meinte. Kernsätze zum Verständnis des Konflikts werden auch von der jeweiligen Gegenseite zusammengefasst – gespiegelt –, damit Missverständnisse vermieden werden und von den Positionen im Konflikt der Weg zu den Wünschen und Bedürfnissen gefunden wird. Der ursprüngliche Sender hat damit die Gelegenheit, Missverständnisse aufzudecken; er hat die Möglichkeit, seine Aussagen zu wiederholen, bis er verstanden wird. Beim Spiegeln muss der Empfänger darauf achten, die Sichtweise des Anderen darzustellen, ohne die Aussage zu bewerten. Es sollte nicht jede Aussage stereotyp gespiegelt, sondern darauf geachtet werden, nur die wesentlichen Aussagen wiederzugeben, da sonst die andere Person den Eindruck bekommen könnte, sich nicht richtig ausdrücken zu können
10.
38
39
Reframing
Begriff „Reframing“ leitet sich von dem englischen Wort „frame“ ab, was so viel heißt wie “Rahmen“. Reframing bedeutet wörtlich, den Dingen einen neuen Rahmen zu geben. Es wird der Rahmen einer Aussage verändert, um dieser damit einen anderen Sinn zu geben. Das Reframing (Umdeutung) ist als eine Methode der Systemischen Psychotherapie und des Neurolinguistischen Programmierens bekannt. Menschliche Denkmuster, Zuschreibungen, Erwartungen weisen in der Regel einen Rahmen (frame) auf, eine Ordnung, nach der Ereignisse interpretiert und dann wahrgenommen werden. Entweder ist das Glas halb voll oder halb leer. Obwohl scheinbar das 131
40
4
§ 4 Ablauf der Mediation Gleiche bezeichnet wird, sind der Akzent und die Bedeutung jeweils unterschiedlich, weil einmal ein eher positiver und das andere Mal ein eher negativer Rahmen gesetzt wird. Gelangt man aus der Sicht des halb leeren zur Sicht des halb vollen Glases, so hat ein Reframing, eine Umdeutung, stattgefunden. Eine andere sehr bekannte Form des Reframings liegt in der Struktur mancher Witze: Dort wird ein gewöhnliches, alltägliches Ereignis in einen neuen, untypischen Rahmen gestellt, wodurch eine missverständliche und unterhaltsame Wirkung erzielt wird, weil der Zuhörer in seiner Deutung der Situation zunächst von einem anderen (typischen) Rahmen ausgegangen ist. Bezogen auf die Mediation bedeutet das, innere Bilder neu zu rahmen, wie Ent-Täuschung oder Un-erhört. Reframing stellt eine Aussage oder einen Erfahrungsbereich also in einen neuen Kontext. Die „Einrahmung“ des Konflikts wird gewechselt und dadurch entstehen neue Zusammenhänge und Perspektiven der Wirklichkeit. Dies ist ein wichtiges Instrument zur Klärung und hat zur Folge, dass allgemeine Gegenüberstellungen und negative Meinungen umgewandelt werden. Reframing in der Mediation hilft, ■ positive Beziehung zu aggressiven Parteien aufzubauen ■ den Konfliktgegner vor Verletzungen zu schützen ■ handlungsfähig und flexibel zu bleiben ■ schützt vor Identifikationen mit einer Partei ■ die Allparteilichkeit bzw. Neutralität herzustellen ■ die Chance im Problem zu sehen Fragen zum Reframing: ■ Was ist das Gute am Schwierigen? ■ Was ist die gute Absicht der Beteiligten? ■ Worin besteht die Gelegenheit des Augenblicks? ■ Was ist das Gemeinsame bei den Konfliktparteien? ■ Was ist der Wert in der Übertreibung? ■ Was ist meine Lernchance? ■ „Sind sie ein Mensch, der …?“ „Wie ich sehe, ist für sie..?“
4
11. 41
Doppeln
Die Methode „Doppeln“ ist sehr wirksam, um von den vordergründigen Gefühlen zu den tiefer liegenden Gefühlen zu kommen, die direkt mit den bedrohten Bedürfnissen zusammen hängen. Dabei geht es darum, sich in die Situation des Anderen zu versetzen und auszusprechen, welche Gefühle und Bedürfnisse dabei erspürt werden. Das ist eine sehr intensive und direkte Intervention. Die Methode sollte deshalb vor der Anwendung erklärt und der Gesprächspartner um Erlaubnis gefragt werden. Der Mediator wird gewissermaßen als „Dolmetscher“ und „Zwischen-denZeilen-Hörer“ tätig, indem er in direkter Sprache für die Konfliktparteien spricht. Das Doppeln hilft in der Mediation, den Prozess zu verlangsamen und den Streitdialog zwischen den Konfliktparteien zu vertiefen. Indem der Mediator stellvertretend für die Parteien deren wirkliche Gefühlslage und Anliegen ausspricht, trägt die Methode des Doppelns zur Klärung und Entgiftung der Beziehung bei. Untrennbar von der Methode des Doppelns ist die Methode des Vertiefens der negativen Gefühle nach dem Prinzip: Identifizieren, Etikettieren, Akzeptieren und Transformieren sowie die Methode des systemischen Erklärens der Konfliktmechanismen aus einer Außen132
D.
4
Phase 3: Konfliktbearbeitung
sicht. Letzteres dient dazu, die Konfliktparteien aus dem Erleben der Gefühle des „Dialogs der Wahrheit“ auch wieder in die Lösungsphase („Land der leichten Lösungen“) herauszuführen. Der Ablauf kann wie folgt aussehen: Der Mediator fragt von seiner Sitzposition aus den Medianten, ob er an seiner Stelle etwas zur anderen Partei sagen darf, mit der Aufforderung an den Medianten, den Inhalt zu bestätigen. Nach Erlaubnis tritt er an die Seite des befragten Medianten, begibt sich in eine hockende Position und spricht den Konfliktpartner mit einer Ich-Aussage an. Er fragt dabei den Medianten, also die Person die gedoppelt wird, ob die Aussage so richtig ist. Gegebenenfalls wird nachgebessert. Danach geht der Mediator auf seinen Platz zurück, und fragt von diesem Platz aus den Konfliktpartner nach seiner Reaktion. Es kann eine Erleichterung, Verlangsamung, Klärung des Prozesses erreicht werden. Die gedoppelte Aussage wird so verfasst, dass der Gedoppelte sie noch erkennt und der Andere sie versteht. Notwendige Gefühle können so integriert, Projektionen rückgängig gemacht werden. Wichtig sind kurze Sätze, gleichgewichtiges Doppeln und nicht zu häufige Anwendung dieser Methode.
12.
Einzelgespräche
Bei Einzelgesprächen werden die Konfliktparteien getrennt und der Mediator führt mit einer – oder nacheinander auch beiden – Parteien ein Gespräch zu Beobachtungen, die er in der vorausgehenden Phase gemacht hat und von denen er annimmt, dass es besser ist, darüber zunächst nur mit der betroffenen Partei unter vier Augen zu reden. Das Einzelgespräch ist eine interessante Form der Prozessförderung: Obwohl die Trennung der Streitparteien scheinbar zeitverlängernd wirkt, verläuft die Mediation bei gut eingesetztem Einzelgespräch deutlich zügiger. Die Einzelgespräche sind vertraulich; in die Mediation werden natürlich Inhalte eingebracht, aber nur in dem Umfang, wie es die betroffene Partei wünscht. Der Mediator muss natürlich der anderen Partei mitteilen, ob und ggf. was er zum Konfliktgeschehen in diesem Einzelgespräch erfahren hat. Eine Erklärung dazu ist in der Regel notwendig oder zumindest sinnvoll, um die Allparteilichkeit nicht in Frage gestellt zu sehen.
13.
4
42
Looping
Ist eine exotische Technik und eher ein Spiel. Wenn sich die Streitparteien wieder einander zugewandt haben, kann sie gut eingesetzt werden. Erreicht wird mit dieser Technik, dass der Mediator die Gesprächsführung ein Stück weit an die Teilnehmer der Mediation abgibt. Einen Looping zu wagen heißt: ■ Sich voll und ganz auf eine Situation einzulassen ■ Sich auf eine Handlung zu konzentrieren ■ Etwas mit Präzision auszuführen ■ Teil eines dynamischen Prozesses zu sein ■ Auf bestehende Ressourcen und Fähigkeiten aufzubauen ■ Spaß zu haben und eine Aktion lustvoll zu gestalten ■ Nach einer Aktion (Standortbestimmung) die Möglichkeit zu haben, gleich oder anders weiter zu fahren ■ Motiviert zu sein, sich selber weiter zu entwickeln 133
43
4
§ 4 Ablauf der Mediation ■
Die Möglichkeit zu haben, verschiedene Perspektiven einzunehmen und mit der jeweiligen Reflexionsmöglichkeit zu verknüpfen Der Ablauf stellt sich wie folgt dar: ■ M12 fragt den P ■ P antwortet, erklärt es dem M ■ M zeigt und bestätigt dem P, was er verstanden hat ■ P antwortet dem M und sagt ihm, ob dieser ihn richtig verstanden hat ■ Wenn P nicht richtig verstanden wurde, beginnt M wieder bei 1, bis er den P richtig verstanden hat.
4
14. 44
Zwei Systeme (Ratsuchende und Beobachtende) begeben sich in einen gemeinsamen Prozess gerichteter und ungerichteter Kommunikation. Ein System wird bei der gerichteten Kommunikation, dem Beratungsgespräch (z.B. erklärt A dem B seine Sicht des Konfliktes) beobachtet. Später führen die Beobachter über diese Kommunikation im Beisein der Beobachteten ein Gespräch untereinander auf einer Metaebene (ungerichtete Kommunikation). Diese Methode aus der systemischen Therapie dient dazu, den Freiraum für Lösungsmöglichkeiten dadurch zu erweitern, dass die Integrität der Konfliktparteien gewahrt bleibt und so die Annahme der Vorschläge der Beobachtenden erleichtert wird. Weil für das reflecting Team (wenigstens) zwei Personen benötigt werden, ist diese Technik nur einsetzbar, wenn die Mediation von einem Team geleitet wird. Das Reflecting Team ist eine Methode, die im Rahmen von systemischer Beratung entwickelt wurde. Dies sollte auch beim Einsatz der Methode beachtet werden, so dass zumindest grundlegende Kenntnisse bezüglich systemtheoretischer Ansätze für einen kompetenten Einsatz der Methode wichtig sind. Der Ablauf kann sich wie folgt darstellen: ■ Formulierung des Anliegens durch Person A: Wie kann ich...? ■ Freie Assoziation des Teams: Was ist los, worum geht es? ■ Beratung durch das Team: Was kann Person A anders machen? ■ Rückmeldung durch Person A: Wo fühle ich mich verstanden? Was ist mir eher fremd? Was kann ich von dem, was mir das Team sagt, brauchen? Was nehme ich mit?
15. 45
Reflecting Team
Visualisieren
Insoweit verweisen wir auf die Ausführungen im vorangehenden Abschnitt III.
12 M und P sind Platzhalter für die interaktiven Personen (z.B. Michael und Peter)
134
D.
16.
4
Phase 3: Konfliktbearbeitung
Einsatz der Techniken
! Tipp: Wie bereits zuvor ausgeführt, geht es in dieser Phase 3 der Mediation darum, die Konfliktparteien aus ihrer positionsorientierten Haltung zu holen. Weiterhin geht es darum (und das kann als das zweite große Aktionsfeld gesehen werden) dafür Sorge zu tragen, dass alle Beteiligten verstehen, was die Konfliktparteien gesagt haben.
46
4
a)
Von der Position zum Interesse
Nachdem in der Phase 2 die „Story erzählt“ wurde, haben die Parteien jetzt Gelegenheit, zunächst ihre Position darzustellen. Gerade in Wirtschaftskonflikten ist es völlig normal, konfliktträchtige Sachverhalte mit Anspruchsvorstellungen zu verbinden. Dies ist in der Regel so normal, dass die Konfliktparteien auf die Frage, welche Interessen sie denn haben, nur antworten können, dass sie ihren Anspruch durchgesetzt sehen möchten. Die Aufgabe des Mediators ist es also, diese Fantasielosigkeit zu verändern und die Konfliktparteien dahin zu führen, dass sie benennen können was sie wollen. Zum Glück ist das Beharren auf Positionen regelmäßig mit einer emotionalen Komponente verbunden. Diese kann der Mediator leicht erkennen, weil Emotionen, auch wenn sie nicht in Worten zum Ausdruck kommen, nonverbal unübersehbar kommuniziert werden. Das sei an dieser Stelle deshalb besonders betont, weil in bestimmten Wirtschaftskonflikten von den Beteiligten immer wieder behauptet wird, die Gefühle spielten keine Rolle. Hat der Mediator Streitparteien, die mit dieser Einstellung in die Mediation kommen, besteht die Gefahr, dass die Medianten eine Mitarbeit verweigern, wenn sie zu direkt auf ihre Gefühle angesprochen werden. Generell ist es wenig ratsam, die Gefühlsebene mit (direkten) Fragen aufdecken zu wollen. Einen intellektuellen Einstieg bietet das Harvard Konzept. Insoweit verweisen wir auf die Darstellungen in § 2 Rn. 42 zum Verhandeln. Um die Gefühlsebene aufzudecken, bietet sich in aller Regel das Spiegeln an. Das Spiegeln erlaubt nicht nur verbale Beiträge (so die Nutzung schwerpunktmäßig in der Phase 2) zu verifizieren sondern auch nonverbale. Bei verbalen Gefühlsäußerungen hilft in aller Regel das aktive Zuhören und reicht vollständig aus, um über die Gefühle zu den Interessen einer Konfliktpartei zu gelangen. Spiegeln ist angesagt: ■ wenn das Gesagte von großer Bedeutung ist. ■ um Missverständnissen vorzubeugen ■ um den Konfliktparteien zu helfen, ihre Gedanken zu klären ■ um den Streitparteien Zuneigung u. Interesse zu bekunden Eine sehr hilfreiche Technik in dieser Situation ist auch das Doppeln. Der Einsatz dieser Technik erfordert allerdings viel Erfahrung, um sie souverän einsetzen zu können. Für einen Menschen, der überzeugt ist, für sich selbst gut sprechen zu können, kann das Doppeln so befremdlich sein, dass er sich von dem Mediator nicht mehr gut betreut fühlt. Also: Vorsicht im Einsatz dieser Technik. Spürt der Mediator, dass eine Konfliktpartei sich mit dem Öffnen insbesondere deshalb schwer tut, weil die andere Partei dabei sitzt, bietet sich ein Einzelgespräch an. In Einzelgesprächen ist das Kommunizieren erfahrungsgemäß sehr viel einfacher, weil der Rahmen noch einmal sehr viel vertraulicher ist als die Mediationssitzung in Anwesenheit aller Konfliktparteien. 135
47
48
4
§ 4 Ablauf der Mediation Ist eine Konfliktpartei nicht in der Lage, das, was sie sagen möchte, in Worte zu kleiden, kann der Mediator mit den Techniken des konstruktiven Umdeutens (oder auch der Transformation) Formulierungshilfe leisten. Eine Unterstützung des Mediators in dieser Richtung empfiehlt sich auch dann, wenn sich eine Partei zwar durchaus gut mitteilen kann, die Eloquenz allerdings deutlich hinter der der anderen Konfliktpartei zurückbleibt. Unterstützung in diesen Fällen dient dann allein dazu, das Gesagte für alle Beteiligten, also auch die andere Konfliktpartei, gut verständlich (im Sinne von hörbar) zu machen. Umgekehrt kann es Sinn machen, die Worte einer besonders eloquenten Partei zu paraphrasieren, um so das für die andere Konfliktpartei vielleicht Unverständliche hörbar zu machen (diese Technik setzt der Mediator auch dann ein, wenn er das Gehörte nicht verstanden hat). Auch das Reframing zählt zu den Techniken, die in dieselbe Kategorie passt, wird dadurch doch der Kontext ausgetauscht. Damit ergibt sich automatisch auch ein Perspektivwechsel – und zwar für die Konfliktpartei, die über ihre Eindrücke (Gefühle und Interessen) berichtet.
4
b) 49
Die Interessen der Konfliktparteien mit den vorgenannten Techniken aufzudecken gelingt regelmäßig. Hilfreich ist es immer, die Bedürfnislage der Konfliktparteien zu kennen. Ein in gewaltfreier Kommunikation geschulter Mediator wird relativ schnell Hypothesen zu unerfüllten Bedürfnissen in den Konfliktlagen in den Raum stellen können. Interviews zu diesem Aspekt der Konflikterhellung sind sehr persönlich, so intim, dass viele Menschen gerade im wirtschaftlichen Umfeld sich schwer tun, daran mitzuarbeiten. Ist die Konfliktbearbeitung für den Mediator erkennbar von ganz besonderer Bedeutung, weil die Parteien auch zukünftig miteinander auskommen müssen oder wollen, sollte er auf diese Vertiefung keinesfalls verzichten. Auch hier bieten sich wieder Einzelgespräche an, in denen effizient Vorarbeit geleistet werden kann. Das Aufdecken der Interessen, Gefühle und Bedürfnisse ist nur einer von zwei entscheidenden Schritten in dieser Phase 3 der Mediation. Die erfolgreiche Arbeit des Mediators mit einer Konfliktpartei ist letztlich nichts Wert, wenn die andere Konfliktpartei nichts verstanden hat. Es obliegt also dem Mediator, immer dafür zu sorgen, dass die andere Partei gehört und verstanden hat, was ihr Gegenüber mitgeteilt hat. Die wohl wichtigste Technik ist insoweit der Perspektivenwechsel. Diese ergänzt die Fragetechnik, die ganz direkt abfragt, was die andere Konfliktpartei gehört und verstanden hat. Ein solches Vorgehen kann jedoch leicht oberlehrerhaft wirken und damit wenig wertschätzend. Mit der richtigen empathischen Einstellung gelingt allerdings auch das regelmäßig sehr gut13.
c) 50
Verstehen des Gehörten
Die unerwähnten Techniken
Positive Konnotation ist eher selten erforderlich. Dadurch, dass die Medianten bereit sind, an der Konfliktbearbeitung mitzuarbeiten, greift üblicherweise eine der früher erwähnten Techniken. Lässt sich eine Streitpartei jedoch gar nicht darauf ein, einem Perspektivwechsel zu folgen, kann der Einsatz dieser Technik Erfolg bringen. Immerhin ist festzustellen, dass der Ansatz, mit dem die positive Konnonation arbeitet, den häufig pragmatisch denkenden Menschen im Umfeld der Wirtschaft nicht fremd ist.
13 Mit der „klientenzentrierten Gesprächsführung“ nach Rogers s.o.
136
D.
4
Phase 3: Konfliktbearbeitung
Das Reflecting Team ist schon allein wegen des Settings in einer Mediation mit 2 Streitparteien kaum vorstellbar. In Gruppen- oder Teamkonflikten kann diese Technik jedoch interessant sein, weil den Beteiligten sehr schön zu einem Perspektivwechsel verholfen werden kann. Das Looping ist eine spielerische Technik, die insbesondere effizient das Interview mit dem Verstehen bei allen Beteiligten verbindet. Ob der Mediator dieses Instrument verwendet, hängt von seiner Erfahrung im Umgang mit dieser Technik und der Situation im Einzelfall ab.
III.
Schwierige Gesprächs- und Krisensituationen
4
Es gibt vielfältige Gründe, die Situationen in einer Mediation für den Mediator schwierig erscheinen lassen. Die meisten Situationen sind allerdings auf den Mediator zurückzuführen. Schwierig wird es in der Praxis häufig dann, wenn ein Mediator seine Gelassenheit verliert oder sie vielleicht gar nicht erst hat. Geleitet der Mediator die Streitparteien in aller Ruhe, dennoch konsequent und achtsam durch den Prozess der Mediation, wird er intuitiv so vorgehen, dass es nicht zu wirklich schwierigen Situationen kommt. Der in der Praxis am häufigsten gemachte Fehler ist der, zu wenig mit Unterbrechungen zu arbeiten. Unterbrechungen können Pausen sein; es sind aber insbesondere auch die Einzelgespräche, die grundsätzlich deeskalierend wirken. Schwierig wird es für den Mediator regelmäßig auch dann, wenn er seine Allparteilichkeit nicht mehr wahren kann. Gerade in der Phase der Konflikterhellung achten die Streitparteien sehr genau darauf, wie der Mediator mit ihnen umgeht. Defizite in der Allparteilichkeit werden sowohl nonverbal als auch verbal für die Konfliktparteien sehr schnell sichtbar. Fühlt sich eine Partei beim Mediator nicht mehr gut aufgehoben, kann das zur Folge haben, dass er sich der Prozessleitung des Mediators nicht mehr anvertraut. Er macht einfach nicht mehr mit. In einem solchen Fall hilft häufig auch kein Einzelgespräch mehr; der Mediator ist gut beraten, wenn er in einer solchen Situation die Mediation beendet. Schwierig kann es auch werden, wenn der Mediator ein Konzept erarbeitet hat, nach dem er die Mediation gestalten will. Ist der Verlauf dann ein anderer, geht es los. Der Verlauf einer Mediation ist im Detail nicht vorhersehbar und damit auch nicht planbar. Mit zunehmender Erfahrung verzichten Mediatoren darauf, an die Einhaltung von irgendwelchen Strukturen zu denken. Auch die Phaseneinteilung, der wir hier folgen, ist ein Gerüst, das im Einzelfall durchaus nicht mehr erkennbar sein muss. Entscheidend ist allein, dass es dem Mediator gelingt, die Konfliktparteien wieder dazu zu bringen, miteinander zu sprechen, nachdem sie die konflikttragende Sicht des anderen kennen und akzeptiert gelernt haben. Einem Anfänger gelingt das allerdings selten, mit dem Strukturrahmen entspannt umzugehen. Gleiches trifft auf die Techniken zu, die wir hier vorgestellt haben. Die Techniken in sind kein Selbstzweck und der Mediator, der mehr daran interessiert ist, eine solche Technik richtig anzuwenden und dabei das Ziel aus den Augen verliert, braucht sich nicht zu wundern, wenn es in der Mediation schwierig wird. Auch der Einsatz einzelner Techniken ist im Detail nicht planbar 14. Nicht vom Mediator zu vertreten sind schwierige Situationen, die daraus resultieren, dass eine Konfliktpartei psychisch krank ist. Solches ist manchmal im Vorfeld nicht zu erkennen. Greift der Mediator, der eine Entgleisung kommen spürt, zum Mittel des Einzelgesprächs, wird er handlungsfähig bleiben, indem er wertschätzend verdeutlicht, dass ein Mediation in diesem Fall doch nicht das richtige Mittel sein kann. Überhaupt können Unzulänglichkeiten oder Defizite in der Vorklärung oder Organisation zu schwierigen Situationen führen. Praktisches Beispiel ist das Zeitmanagement: Ist das nicht gut geregelt, sind schwierige Situationen die absehbare Folge.
14 Definitiv nicht in der ersten Sitzung; später kann das jedoch schon einmal in Betracht kommen, wenn der Mediator die Streitparteien gut kennen gelernt hat.
137
51
52
53
4
§ 4 Ablauf der Mediation
IV. 54
4
E. 55
Bei erfolgreichem Abschluss dieser Phase 3 haben alle Konfliktparteien ihre Interessen und Bedürfnisse in Bezug auf die Konfliktthemen darlegen können und alle Beteiligten haben dieses verstanden. Die Atmosphäre hat sich grundlegend gewandelt. Die Streitparteien sind nicht mehr auf den Mediator fixiert sondern kommunizieren miteinander, sehen sich an und beginnen bereits, Lösungsansätze zu formulieren. Nicht in jedem Fall ist jedoch der Umstand, dass Lösungsideen offeriert werden ein Hinweis darauf, dass die Konfliktsituation wirklich erhellt ist. Gerade in Wirtschaftskonflikten kommen immer mal wieder frühzeitig Lösungsideen auf den Tisch, wobei dadurch nur verhindert werden soll, bei der Aufdeckung der Interessen und Bedürfnisse weiter in die Tiefe gehen zu müssen. Auch der Umstand, dass die Konfliktparteien beide eine Lösungsidee mit gleichem Inhalt haben, besagt nicht, dass sie voneinander verstanden haben, was den jeweils anderen wirklich bewegt hat. Dass die Zeit für die nächste Phase nicht reif ist, ist sehr gut daran zu erkennen, dass sich die Konfliktparteien auf einen einzigen Lösungsansatz fixieren. Das ist jedoch nicht gewollt. Reif für die nächste Phase sind die Konfliktparteien erst dann, wenn sie in der Lage sind, Lösungsansätze kritisch zu betrachten, wenn sie in der Lage sind, verschiedene Lösungen zu kreieren15.
E.
Phase 4: Sammeln und Bewerten von Optionen
Es beginnt die kreative Phase der Ideenfindung (Brainstorming), um unterschiedliche Lösungsoptionen zu entwickeln. In diese Phase gehört auch die Bewertung der Optionen, die Entscheidung im Wege von Konsens sowie die Vorbereitung einer verbindlichen Abschlussvereinbarung, in der Win-Win-Ergebnisse konkretisiert und formuliert werden. Manche Autoren empfehlen zudem Maßnahmen, um den Praxistransfer wahrscheinlicher zu machen, damit ‚Rückfälle‘ in konfliktuöse Situationen weniger schädliche Folgen haben können.
I. 56
Ergebnis der Phase 3
Ziel und Weg
Alle Beteiligten (der Mediator kann sich dabei durchaus auch einbringen) überlegen in einem kreativen Prozess, welche Ideen in Betracht kommen, die Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Für die Lösung tragen allerdings die Konfliktparteien gemeinsam die Verantwortung. Diese Phase verläuft zwei bis dreistufig: ■ sie beginnt mit der Generierung von Lösungsoptionen auf der Grundlage der zuvor gesammelten Interessen und Bedürfnisse im Rahmen eines Brainstorming und oder anderer Kreativitätstechniken; ■ es folgt im zweiten Teil, die so gesammelten Lösungsansätze zu bewerten und zu einem Lösungspaket zu entwickeln. ■ der Mediator fertigt zu dem gefundenen Ergebnis ein Memorandum an
15 Der Wechsel in die nächste Phase kann aber auch einmal bewusst forciert werden, um den Prozess durch eine „Schleife“ voran zu bringen; siehe dazu unter V A 2.
138
E.
1.
Schritt 1
In der ersten Stufe geht es darum, möglichst viele Optionen zu sammeln – zunächst ohne diese zu bewerten. Auch zuerst unsinnig erscheinende Ideen tragen häufig den Kern der Lösung in sich. Das bedeutet, dass Ideen unbegrenzt geäußert werden dürfen, ja werden müssen. Das zu erreichen ist die Hauptaufgabe des Mediators in dieser Phase. Die Erfahrung lehrt, dass die Parteien sich schnell zufrieden geben, wenn sich erste Tendenzen eines Lösungsansatzes abzeichnen. Insistiert der Mediator lediglich, weiter zu „brainstormen“, bewirkt er in der Regel wenig. Beherrscht er jedoch anregende Techniken, kann er die Konfliktpartner ggf. gut motivieren, weiter nach Lösungsansätzen zu suchen.
2.
4
Phase 4: Sammeln und Bewerten von Optionen
57
4
Schritt 2
Der zweite Schritt gliedert sich dann wiederum in mehrere Unterschritte: Zunächst wird jede Idee aus dem Brainstorming einzeln daraufhin untersucht, ob sie mit den in der Phase 3 aufgedeckten Bedürfnissen und Interessen der Parteien in Einklang zu bringen ist – und zwar getrennt für jede Streitpartei. ■ Dann werden die danach übrig bleibenden Optionen von den Parteien bewertet. ■ Im nächsten Schritt prüfen die Parteien mit Unterstützung des Mediators die Umsetzbarkeit. ■ Anschließend verhandeln die Streitparteien die für sie beste Lösung. ■ Dann wird noch einmal die Realitätstauglichkeit der so gefundenen Lösung betrachtet16. ■ und erst dann einigen sich die ehemaligen Streitparteien auf das so gefundene Ergebnis. In dieser zweiten Phase kommt es häufig zu einer Veränderung – und auch Ergänzung – der Ideen. Das ist – formal gesehen – ein Schritt zurück in die Phase der Ideenfindung und löst dann jeweils den folgenden Ablauf neu aus. Das zu moderieren und zu dokumentieren ist die Aufgabe des Mediators. Beim Abgleich mit den Ergebnissen aus der Phase der Konflikterhellung kommt es hin und wieder auch dazu, dass neue Aspekte zutage treten, die dann einen Rückgang in die Phase 3 erfordern können17.
58
■
3.
Schritt 3
In dem dritten Schritt kann vom Mediator ein Protokoll angefertigt werden, in dem die verhandelte Lösung beschrieben ist (Memorandum). Dieser weitere Zwischenschritt bietet sich insbesondere dann an, wenn zwischen Phase 4 und Phase 5 eine Sitzungspause liegt; ansonsten kann die Vereinbarung auch direkt (in der 5. Phase der Mediation) von den Konfliktpartnern verschriftlicht werden. In diesem Fall erübrigt sich ein Memorandum in der Regel. Eine Unterbrechung wiederum kann eintreten, wenn für den Abschluss der Tauglichkeitsprüfung im 2. Schritt eine rechtliche Prüfung (oder auch anderen Expertenwissens) erforderlich ist und die Rechtsberater an der Mediationssitzung nicht teilnehmen.
16 Soweit das ohne externe Unterstützung möglich ist – siehe weiteres dazu später. 17 Siehe dazu auch den nachfolgenden Praxistipp
139
59
4
§ 4 Ablauf der Mediation
60
4
II.
Arbeitstechniken
1.
Moderationstechnik
In dieser Phase 4 der Mediation übernimmt der Mediator eine ziel- und lösungsorientierte Leitung. Moderation zielt darauf ab, die Kreativität der Teilnehmer zu fördern, Ideen allen zugänglich zu machen, gemeinsam zu Ergebnissen und Entscheidungen zu gelangen, die von der ganzen Gruppe getragen und umgesetzt werden. Dabei ist es entscheidend, die Teilnehmer so zu beteiligen, dass sie engagiert und gezielt Aufgaben lösen. Dazu ist erforderlich, dass die Teilnehmer auch ihre eigenen Interessen verwirklichen können und weitgehend frei arbeiten. Entscheidend für das Gelingen sind die Atmosphäre, die Offenheit und der Umgang mit abweichenden Meinungen. Moderationsmethoden aktivieren alle Teilnehmenden zielgerichtet. In diesem Sinne sind die Kreativitätstechniken, die anschließend vorgestellt werden, gleichzeitig auch Moderationstechniken. Erwähnt sei an dieser Stelle das Strukturierungsmodell der „six thinking hats“ von Edward de Bono. Das ist eine Besprechungs- und Kreativitätstechnik, um eine Themenstellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Besprechungen werden mit den „Sechs Hüten des Denkens“ kreativ, zielgerichtet, ressourcenschonend und für alle Beteiligten zufriedenstellend gestaltet; insbesondere besteht bei Einsatz dieser Technik nicht die Gefahr, dass Konflikte erneut auftreten. Der Einsatz dieses Moduls erfordert eine spezielle Ausbildung, so dass wir auf weitere Einzelheiten hier nicht eingehen. (siehe auch nachfolgend bei den Kreativitätstechniken).
2. 61
Kreativitätstechniken
Erwähnt wird an dieser Stelle immer wieder das Brainstorming, das sicherlich auch gute Ergebnisse bringt. Ein Mediator wird speziell in wirtschaftlichen Streitigkeiten häufig erleben, dass die Parteien einem Brainstorming nur noch mühselig folgen, wenn eine Idee die Lösung zu bringen scheint. Dabei wäre es wünschenswert, die Ideenfindung ginge weiter. Allgemein sind Kreativitätstechniken Techniken zur Optionenerzeugung. Es sind Methoden, die geeignet sind, Probleme zu präzisieren, die Ideenfindung und den Ideenfluss Einzelner oder von Gruppen zu beschleunigen, die Suchrichtung zu erweitern und gedankliche Blockaden aufzulösen. Bei schlecht strukturierten, offenen Problemen ist die Zahl und Art der möglichen Lösungen nicht vorgegeben; jedes Ergebnis des Lösungsprozesses ist nur eine relativ optimale Lösung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Mit der Anwendung von Kreativitätstechniken wird die Kreativität angeregt, völlig neue, noch nicht realisierte Lösungen zu finden. Umgangssprachlich wird zwar die Bezeichnung „Ideenfindung“ benutzt, der Schwerpunkt liegt aber eher auf dem Generieren von neuen Ideen, als im Suchen/Finden von (schon vorhandenen) Ideen (Ideengenerierung). Für die Ideenfindung wurden zahlreiche Methoden entwickelt18. Diese Methoden sind keine Algorithmen, die zu einem „richtigen“ Ergebnis führen (wie z.B. 3. Wurzel aus 9) sondern Heuristiken, d.h. Verfahrensschritte, die sich in der Praxis als zielführend erwiesen haben und bei jeder Anwendung wieder unterschiedliche Ergebnisse liefern. Die bekannteste ist das schon erwähnte Brainstorming, das in den 1950er Jahren in den USA von Alex Osborn19 entwickelt wurde und seither als Inbegriff der Ideenfindung verstanden wird. 18 Eine interessante Zusammenstellung findet sich in Klein „Kreative Geister wecken“ 19 Alex Faickney Osborn war ein US-amerikanischer Autor
140
E.
4
Phase 4: Sammeln und Bewerten von Optionen
Qualität und Quantität der Ideen sind abhängig von der Aufgabe, der angewandten Methode, den Teilnehmern und insbesondere von deren innerer Einstellung. Die Ergebnisse sind vorher nicht bekannt. Die Qualität wird gesteigert, wenn die Teilnehmer kreative Denkstrategien anwenden. Intuitive Methoden liefern in kurzer Zeit sehr viele Ideen (in 30 Minuten 100 – 400 Einzelideen). Sie fördern Gedankenassoziationen bei der Suche nach neuen Ideen. Sie sind auf Aktivierung des Unbewussten ausgelegt; Wissen, an das man sonst nicht denkt. Diese Methoden sollen helfen, eingefahrene Denkgleise zu verlassen.
a)
4
Brainstorming
(engl.: durch das Gehirn stürmen, fegen) ist ein methodisches Vorgehen, bei dem alle Assoziationen zu einem Begriff oder Thema zunächst ungeordnet und ohne Kommentierung notiert werden. Danach wird das Aufgeschriebene durch die Teilnehmer geordnet, strukturiert und zusammengefasst. Das Zulassen aller Gedanken ermöglicht, dass mehr Ideen gesammelt und ungewöhnlichere Lösungswege beschritten werden. Die Teilnehmer nennen also spontan Ideen zur Lösungsfindung, wobei sie sich im optimalen Fall gegenseitig inspirieren und untereinander Gesichtspunkte in neue Lösungsansätze und Ideen einfließen lassen. Der Mediator kann sich in dieser Phase durchaus mit eigenen Einfällen einbringen und so Stimulanzen setzen. Die Ideen werden protokolliert. Die Teilnehmer sollten in eine möglichst produktive und erfindungsreiche Stimmung versetzt werden. Deshalb folgende Grundregeln: ■ Keine Kritik an anderen Beiträgen, Ideen, Lösungsvorschlägen (kreative Ansätze können sich auch aus zunächst völlig unsinnigen Vorschlägen entwickeln). ■ Keine Wertung der Ideen. ■ Jeder muss seine Gedanken frei äußern können. ■ Keine Totschlagargumente (.Totschlagargumente sollen Widerspruch verhindern, eben „totschlagen“) und nebenbei auch der Ablehnung oder der Herabsetzung des Gegenüber dienen). ■ Je kühner und phantasievoller, desto besser. Dadurch wird das Lösungsfeld vergrößert. Die so zustande kommenden Ideen werden – wie schon gesagt – visualisiert – am besten an einer Pinnwand.
b)
Pinnwandmoderation
Kreative Ideen werden auf Karten geschrieben. Diese Kartentechnik ist eine Form des Brainwriting (die schriftliche Form von Brainstorming). Je mehr Karten desto besser, und wie im Brainstorming gilt: alles ist erlaubt, auch „Verrücktes“. In einer Variante werden die Karten an den Nachbarn gegeben, der diese als Anregung für weitere oder weiterführende Ideen nimmt.
c)
62
63
Provokationstechnik
ist eine Methode zur Ideenfindung, die von Edward de Bono eingeführt wurde. Sie wirkt, indem sie mit Hilfe von sogenannten Provokationen bestehende Annahmen und Sichtweisen in Frage stellt. Sie existiert in vielen Variationen und gehört zu den wichtigsten Kategorien von Kreativitätstechniken.
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4
§ 4 Ablauf der Mediation
d) 65
4
Der Begriff laterales Denken wurde 1967 von Edward de Bono eingeführt und wird seitdem in zahlreichen Veröffentlichungen verwendet. Gelegentlich wird in der Fachsprache auch der Begriff nichtlineares Denken gebraucht. Umgangssprachlich heißt es auch Querdenken oder um die Ecke denken. Edward de Bono hat außerdem den Begriff „paralleles Denken“ geprägt, der die Fähigkeit beschreibt, in Bezug auf ein beliebiges Thema systematisch verschiedene Denk- und Wahrnehmungsperspektiven einzunehmen. Das wichtigste Beispiel für das parallele Denken sind die six thinking hats. Sie werden inzwischen weltweit in großen Organisationen in den Bereichen Kreativität, aber auch Kommunikation und Teamentwicklung eingesetzt.
e) 66
Zufallstechnik
Das Prinzip der Zufallstechniken besteht darin, Bilder oder Wörter aus zufälligen Quellen zu beziehen und diese als Anregung zur Lösung einer Ideenfindungsaufgabe zu verwenden. Das Zufallselement dient dazu, völlig neue Assoziationen und Ideen zu produzieren, auf die man bei einer Betrachtung des Problems allein nicht gekommen wäre. Der Ablauf dieser Technik ist sehr einfach: ■ Es wird eine möglichst große, allgemeine Menge von Bildern oder Wörtern bereitgestellt. ■ Daraus wird ein Wort oder Bild zufällig ausgewählt. ■ Dieses wird als Anregung zur Lösung der Aufgabe verwendet.
f) 67
Laterales Denken und six thinking hats
Semantische Intuition
Bei der Semantischen Intuition bildet man Wörter aus zwei Einzelwörtern, die aus dem Umfeld der Aufgabenstellung entnommen wurden. Das so entstehende Wort kann neue Ideen liefern. Dies wird häufig als Umkehrung der üblichen Vorgehensweise beschrieben, nach der man zuerst ein Produkt erfindet, und sich dann überlegt, wie es genannt werden soll. Bei der Semantischen Intuition bildet man zuerst den Namen eines möglichen Produktes und überlegt sich dann, wie dieses Produkt aussehen könnte. Vorgehensweise ■ Aus dem Umfeld, für das neue Ideen entwickelt werden sollen, wird eine Liste von Begriffen gesammelt. ■ Aus dieser Liste werden zwei Wörter zu einem neuen Wort kombiniert. ■ Es wird überlegt, was sich hinter dieser neuen Wortkombination verbergen könnte. Es können auch Wörter verwendet werden, die nichts mit der Aufgabenstellung zu tun haben. Dies kann zu innovativen Ideen führen, allerdings auf Kosten höherer Streuverluste. Als Beispiel werden Ideen für die Küche gesucht. ■ Liste von Begriffen aus dem Aufgabenumfeld: Rühr-, Topf, Kühl-, Messer, Gewürz, Eier, Pfanne, ■ Wortkreationen: Rührtopf, Eiergewürz, Kühlpfanne ■ Mögliche Innovationen: Ein Topf, der selbst seinen Inhalt rührt; Eine spezielle Gewürzmischung für Spiegel- oder Frühstückseier; Eine Pfanne mit Kühlfunktion für Desserts 142
E.
g)
Mindmapping
Mindmapping (engl. Gedankenflüsse aufzeichnen) ist ein methodisches Verfahren, das Gedankenabläufe sichtbar macht. Ausgehend von einem Schlüsselbegriff werden alle Assoziationen dazu in Form von Flüssen aufgezeichnet und benannt. Jeder neue Begriff kann weitere Gedanken auslösen, die ebenfalls aufgezeichnet werden. So entsteht ein verästeltes Bild aller Gedankengänge. Mindmapping eignet sich sowohl zum Erkennen von vielfältigen Verknüpfungen und übergeordneten Zusammenhängen als auch zur Bewusstmachung assoziativer Gedankengänge und deren Strukturierung und zur Verbesserung von Behaltensleistungen. Mindmaps enthalten das zu bearbeitende, zentrale Thema in der Mitte des Blattes. Es wird möglichst genau formuliert und/oder als Bild dargestellt. Nach außen sind verschiedene Hauptäste (Hauptkapitel) mit weiteren Unterästen (Unterkapitel) sichtbar, die die dazugehörenden Informationen ranggerecht darstellen. Auf den Ästen steht immer nur ein Schlüsselwort. Bei der Erstellung können Farben und Bilder benutzt werden, um der kreativen Arbeitsweise des Gehirns gerecht zu werden und um die Mindmap schneller lesen und überblicken zu können. Formal gesehen bestehen Mind Maps aus beschrifteten Baumdiagrammen (ggf. mit zusätzlichen Anmerkungen). Im Gegensatz zum Brainstorming, bei dem eine Reihe von unsortierten Begriffen produziert und anschließend mit der Pinnwandmoderation sortiert werden, wird beim Mindmapping von Beginn an eine vernetzte Struktur erzeugt. Eine Mindmap eignet sich auch zur Dokumentation für das Ergebnis eines Brainstormings, also die sortierte Fassung.
h)
4
Phase 4: Sammeln und Bewerten von Optionen
68
4
Analogietechnik
Die Analogietechnik ist eine Kreativitätstechnik zur Ideenfindung, die Merkmale (Eigenschaften, Attribute) der Aufgabenstellung verwendet, um verwandte Situationen aufzudecken. Dann werden aus diesem neuen Blickwinkel reale oder imaginäre Lösungen gesammelt und auf die ursprüngliche Aufgabenstellung übertragen. Die Analogietechnik ist vielseitig, da es viele Möglichkeiten zur Bildung von Analogien gibt. Die Bionik ist ein wichtiger Spezialfall der Analogietechnik, bei der die Analogien aus der Natur gesucht werden (in Wissenschaft und Forschung häufig angewendet). Vorgehensweise ■ Ein Merkmal des vorhandenen Systems wählen. ■ Inhaber dieser Merkmale sammeln. ■ Die Aufgabenstellung aus der Sicht dieser Inhaber lösen. ■ Die so gefundenen Lösungen auf die Aufgabenstellung übertragen. Beispiel dazu. Es werden Ideen für einen Supermarkt gesucht. ■ Frage: Was ist ein Merkmal eines Supermarktes? Antwort: Ein Supermarkt hat ganz lange Wände ■ Frage: Wo gibt es sonst ganz lange Wände? Antwort: In einer Kunstgalerie ■ Frage: Was wird dort den Menschen angeboten? Antwort: Bilder und Skulpturen ■ Frage: Wie können wir diese Lösung auf unsere Aufgabe übertragen? Antwort: Wir könnten im Supermarkt die Wände nutzen, um Bilder von Künstlern der Region oder von Kindern der örtlichen Schule auszustellen. 143
69
4
§ 4 Ablauf der Mediation
3. 70
Insoweit verweisen wir auf die Ausführungen in § 2. Von Bedeutung sind diese Aspekte primär für die verhandelnden Partner und weniger für den Mediator, der auch insoweit lediglich die Rolle des Moderators einnimmt.
4.
4 71
Visualisierung
Wie überhaupt in der Mediation kommt auch in der Phase 4 der Visualisierung eine große Bedeutung zu. Sie ist ein entscheidendes Instrument der Moderation. Neben Flipchart und Pinnwand bietet sich in dieser Phase ganz besonders auch das Mindmapping an. Empfehlenswert ist bei Vorhandensein der notwendigen Software sowie des weiteren Equippments der Einsatz des Programms Mindjet von MindManager. Vorteil der Arbeit mit dem Rechner ist, dass das Gesamtbild immer perfekt aussieht, weil Korrekturen keine Spuren hinterlassen. Eine Map zu malen erfordert, damit es wirklich ansprechend aussieht, gewisse künstlerische Fähigkeiten und eine ganz besonders hohe Konzentration, um möglichst wenige Gestaltungsfehler korrigieren zu müssen
III. 72
Verhandlungstechnik
Praxistipps
! Tipp: ■ Anders als in den vorhergehenden Phasen 2 und 3 kann sich der Mediator auf seine Tätigkeit in der Phase 4 gut vorbereiten, ja, sollte das sogar tun. Dieser Rat bezieht sich auf seine Tätigkeit als Moderator. Es ist sehr vom Einzelfall abhängig, mit welcher Technik zur Sammlung von Ideen und welcher Technik der Visualisierung der Mediator arbeiten will. Das erfordert jeweils auch entsprechende Vorbereitungen bis hin zur Verfügbarkeit der notwendigen Technik. ■ In den seltensten Fällen verläuft der Prozess in der Phase 4 so linear, wie er oben beschrieben ist. Die Konfliktparteien äußern gerade auch bei der Ideensammlung, wo ihre Interessen und Bedürfnisse liegen. Der Mediator kann sogar ganz bewusst aus der Phase 3 in die Phase 4 wechseln, obwohl er mit der Konflikterhellung noch nicht zufrieden ist, um die Ideensammlung dazu zu verwenden, wieder in die Konflikterhellung zurückzugehen. Besonders deutlich wird es dann, wenn eine Partei bei der Ideensammlung äußert, was nicht eintreten darf. Derartige Signale sollte der Mediator nicht übergehen sondern an geeigneter Stelle (in der Regel erst nach Abschluss des ersten Brainstormings) mit den bisherigen Ergebnissen aus der Phase 3 abgleichen. Derartige Informationsquellen im Brainstorming sind: ■ verdeckte Angebote ■ was jede Partei will und auch nicht will ■ zu welchen Zugeständnissen jede Partei bereit ist ■ wie weit eine Partei in Bezug auf einen Streitpunkt bereit ist, sich zu bewegen ■ Aus all dem lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, wie Motivation und Interessen des Senders gelagert sind. Weiterhin lassen diese Äußerungen Rückschlüsse auf das zu, was die Partei schaffen kann, was also realistisch ist. ■ Das Brainstorming verläuft in den seltensten Fällen wirklich stürmisch. Um die Parteien zu aktivieren, kann es sich anbieten, dass der Mediator im Brainstorming erklärt, jede Partei möge wenigstens 10 Einwürfe beisteuern. Das klappt erfahrungsgemäß besser als das Mitmachen in Bezug auf den Umfang der Beiträge unbestimmt zu lassen. ■ Bei Betrachtung der Ideen zur Lösung besteht die Gefahr, dass eine Partei frühzeitig auf seine Einschätzung fehlender Machbarkeit verweist. Das ist ein „Killer“ für den Abgleich der Ideen mit den Interessen und Bedürfnissen der Streit144
4
F. Phase 5 – Vereinbarung
■
■
IV.
parteien und raubt die Chance auf Anpassung guter Ideen an das Machbare. In dieser Phase ist sauberes Arbeiten in der oben beschriebenen Reihenfolge für einen guten Erfolg wertvoll. Eine Begrenzung von passenden Ideen erfolgt erst am Schluss und letztendlich erst durch die Instanz, die noch eine rechtliche Prüfung vornimmt und die Phase 5 (bei der Formulierung einer Vereinbarung)! Es kommt vor, dass eine Partei Ideen kreiert, was die andere Partei tun oder lassen könnte. Da hilft der deutliche und klärende Hinweis (z.B. als Rückfrage formuliert), was die Partei bereit ist zu geben, um seine Interessen und Bedürfnisse erfüllt zu sehen. Oder auch die Frage, was diese Partei mindestens braucht, um ihre Interessen gewahrt sehen zu können. Es kann sinnvoll sein, bei umfangreichem Material die Ideensammlung online20 zu organisieren; das Material kann erheblich umfangreicher ausfallen, weil die Parteien mehr Zeit haben, sich mit den verschiedenen Aspekten zu befassen.
Ergebnis der Phase 4
Nach Abschluss dieser Phase 4 stellt sich die Situation wie folgt dar: ■ es gibt mehrere Lösungsideen, die einzeln mit ihren Vor- und Nachteilen von den Parteien bewertet wurden ■ aus diesem Strauß von Ideen haben sie eine herausgefiltert, die den Konflikt im Sinne einer Win-Win Lösung zu beenden geeignet ist ■ die zu Beginn bestehende konkurrente Situation der Streitparteien hat sich in eine partnerschaftliche verwandelt. Atmosphärisch sind die Parteien gewiss, einen guten Weg für die Zukunft gefunden zu haben, wobei die nachrangigen Lösungsansätze diese Gewissheit entscheidend stärken.
F.
Phase 5 – Vereinbarung
73
F.
Die Parteien formulieren die in der Phase 4 gefundene Lösungsoption und halten diese in Form einer schriftlichen Vereinbarung fest.
I.
4
74
Machbarkeitsprüfung
Dazu bedarf es unter Umständen einer juristischen, wirtschaftlichen, organisatorischen, technischen, familiären, sozialen etc. Machbarkeitsprüfung. Je nach Einbezug Dritter (bei Arbeitnehmern in einem Unternehmen z.B. des Vorgesetzten oder der Personalleitung) müssen auch noch Dritte zustimmen. Der Sache dienlich ist es, wenn im Falle der Notwendigkeit einer solchen Machbarkeitsprüfung die externen Experten (insbesondere die Anwälte) während dieses Teils der Mediation anwesend sind. Der Vorteil liegt darin, dass alle Parteien die Gründe, die ein nachjustieren der in Aussicht genommenen Vereinbarung erfordern, verstehen und ihre Ideen, wie es anders gemacht werden kann, substantiiert einbringen können. Häufig werden externe Machbarkeitsprüfungen jedoch in dieses letzte Treffen zugeliefert was u.U. mehrfaches Prüfen der Machbarkeit erfordert. Sind mehrere externe Experten nötig, kann es durchaus sinnvoll sein, dieses im Wege einer Onlinemediation zu organisieren.
20 Siehe dazu die Ausführungen zur Onlinemediation § 3 G
145
75
4
§ 4 Ablauf der Mediation
II. 76
4
77
Eine Vereinbarung sollte fünf Kriterien erfüllen. Sie sollte ■ Spezifisch – wer tut was, wann, wo ■ mediativ – also allparteilich ■ akzeptabel – bis attraktiv ■ realistisch sein und ■ Treu und Glauben erfüllen – also nach bestem Wissen und Gewissen.
III.
Verschriftlichung
1.
Wer schreibt
Wenn es dieser Schlussphase nicht abträglich ist, sollte der Mediator die Verschriftlichung den Parteien überlassen; denn mit der Formulierung dessen, was jeder der Betroffenen für sich unter der zuvor getroffenen Verabredung verstanden hat, können durchaus noch einmal Dissense offenkundig werden. Diese Chance ergibt sich in aller Regel nur dann, wenn die Betroffenen selbst formulieren. Der Teufel steckt erwiesenermaßen im Detail! In dieser Phase scheitern Mediationen jedoch selten, dafür sind die mit persönlichem Einsatz gefundenen Vereinbarungen häufig haltbarer. Dennoch ist es nicht unüblich, dass der Mediator einen Formulierungsvorschlag unterbreitet. In diesem Fall sollte er – wie ein Notar – den Textentwurf laut vorlesen und anschließend die Urkunde von den ehemaligen Streitparteien unterschreiben lassen.
2. 78
allgemeine Kriterien der Vereinbarung
Rechtsqualität der Vereinbarung
Die so angefertigte Urkunde hat Rechtsqualität, begründet also Rechte und Pflichten. Ob das die Parteien so richtig verstehen, kann (und sollte, sofern ihn insoweit Zweifel beschleichen) der Mediator in seiner Rolle als Moderator dieser letzten Phase erfragen; Sofern die Parteien anwaltlich beraten werden, erübrigt sich das natürlich.
146
4
F. Phase 5 – Vereinbarung
3.
Vollstreckbarkeit
Manche Vereinbarungen sollen nach dem Willen der Parteien vollstreckbar sein. Dadurch erlangt die vereinbarte Leistungspflicht eine besondere Qualität, weil im Falle einer Nichterfüllung übernommener Pflichten diese direkt aus der Vereinbarung vollstreckt werden können (regelmäßig dann, wenn z.B. Zahlungspflichten festgeschrieben werden). Urkunden, die unter dem Gesichtspunkt der Einklagbarkeit und/oder Vollstreckung erstellt werden, sollten immer von Fachleuten formuliert werden. Ganz sicher im Formulieren vollstreckungsfähiger Vereinbarungen sind regelmäßig Notare. Diese übernehmen dann für die korrekte Formulierung ebenso die Verantwortung wie dafür, dass evtl. bestehende Formvorschriften (notarielle Form u.ä.) beachtet werden. Notare sind ggf. auch einzuschalten, wenn die Parteien vereinbaren wollen, dass bei Nichterfüllung aus der Urkunde direkt vollstreckt werden kann. Für grenzüberschreitende Konflikte in Handels- und Zivilsachen gibt es demnächst auf europäischer Ebene die sog. Mediationsrichtlinie21.
IV.
80
Bilanzgespräch
Die Umsetzung wird geregelt, u.U. ein Folgegespräch vereinbart. In einem solchen sog. „Bilanzgespräch“ wird gemeinsam überprüft, ob die Konfliktlösung tauglich war. Ggf. werden Korrekturen vorgenommen. Der Zeitraum, der bis zur Nachprüfung vergeht, liegt üblicherweise bei 3 bis 6 Monaten.
VI.
4
Ergebnis
Die Medianten besiegeln mit dieser Abschlussvereinbarung die Regelung Ihres Konfliktes. So lernen – und das ist auch das Ziel der Mediation – die Konfliktparteien im Laufe des Mediationsverfahrens, wieder kooperativ miteinander umgehen.
V.
79
81
Abschlussritual
So wie der Beginn der Mediation ein Ritual erfordert, braucht das Ende keine Form, die für den Mediationserfolg nötig wäre. Es kann jedoch – je nach Persönlichkeit des Mediators aber sicherlich auch abhängig vom Kontakt zu und unter den ehemaligen Streitparteien – ein schöner Abschluss eine erfolgreiche Mediation angemessen würdigen helfen. Wenigstens einen Handschlag der ehemaligen Kontrahenten sollte der Mediator initiieren.
21 „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen“ – am 28.02.2008 vom europäische Rat der Justizministerinnen und –minister beschlossen
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82
4
§ 4 Ablauf der Mediation
G. 83
84
4
85
86
G.
allgemeine Praxistipps (Tipp)
Nach Darstellung der Phasen mit der Bedeutung eines jeden Abschnitts und der Aufgabe des Mediators seien abschließend noch ergänzende Arbeitshilfen angeführt. ! Tipp: Einleitung und Ausleitung der Sitzungen Den Beginn der ersten Sitzung haben wir oben (Phase 1) beschrieben. In den folgenden Sitzungen gibt es zwar die prozeßleitende Notwendigkeit wie zu Beginn der Mediation nicht; und dennoch macht es Sinn, sich über ein Ein- und Ausleitungsritual Gedanken zu machen. Das sei als Hinweis verstanden, die Ausgestaltung so zu wählen, wie es der Persönlichkeit des Mediators entspricht. Zu Beginn der späteren Sitzungen gilt es, folgende Gesichtspunkte zu beachten: ■ Smal talk im Zusammenhang mit der Begrüßung ■ Kurze Bezugnahme auf die letzte Sitzung ■ Jede Seite bekommt Gelegenheit, Reflexionen auf das Vergangene zu äußern. ■ Je nach Inhalt kann das „neue Material“ einen Rückgang in bereits abgeschlossene Phasen erfordern. Für das Sitzungsende können folgende Punkte für einen guten Abschluss sorgen: ■ Kurze Zusammenfassung, von wo bis wohin der Prozess in der Sitzung gediehen ist ■ Wo und wie es in der nächsten Sitzung weiter geht ■ Frage an die Parteien, ob es etwas gibt, was diese nicht gesagt haben aber gern gesagt hätten und jetzt noch loswerden möchten – gleich aber mit dem Hinweis versehen, dass eine „Bearbeitung“ in der kurz vor dem Ende stehenden Sitzung nicht mehr erfolgen wird. ■ Je nach Situation kann es auch „Hausaufgaben“ für die Konfliktparteien geben. ! Tipp: Schlüsselsätze Es kann Sinn machen, dass sich der Mediator – auch zur eigenen Beruhigung – Schlüsselsätze notiert, die den gesicherten Anfang oder auch z.B. Übergänge in andere Phasen markieren. Ob das ein gutes Arbeitsinstrument ist, hängt von der Persönlichkeit des Mediators ab. Zur Anregung seien nachfolgend einige genannt: ! Tipp: Einleitung/Überleitung Phasen 2 bis 4 ■ Einleitung der Phase 2: Was sollte besprochen werden, wenn es nur nach Ihnen ginge? – Ziel ist es heute, die Situation zu verstehen und alle Facetten zu beleuchten. Ich möchte gern von Ihnen hören, was aus ihrer Sicht passiert ist. ■ Einleitung/Überleitung Phase 3: Sie haben sich entschieden, als erstes das Konfliktthema XYZ zu bearbeiten. Ich möchte gern erfahren, was sie mit diesem Thema verbindet. ■ Einleitung/Überleitung Phase 4: Ich höre schon Angebote und Ideen zur Lösung – herzlichen Dank. Ich lade Sie ein, dass wir jetzt zur Sammlung von Lösungsideen übergehen. Nennen Sie mir doch bitte jeder 10 Ideen – realistische, verrückte, noch nie dagewesene ........ Ich nehme erst einmal alles unbewertet auf.
148
G.
! Tipp: Nach Gefühlen fragen Wir sind in der Darstellung der Phase 3 nicht näher darauf eingegangen, wie der Mediator vorgehen kann, Gefühle und Bedürfnisse sichtbar zu machen. Die direkte Frage: „Wie fühlen Sie sich?“ kommt in Wirtschaftskontexten häufig nicht gut an, erzeugt Abwehr. Nachfolgend ist das Spezialthema gesondert aufgearbeitet, weil es immer wieder Konflikte gibt, zu deren Bearbeitung diese Ebene einfach nicht unbearbeitet bleiben darf. Hier Anregungen, wie auf Gefühle angesprochen werden kann (im Text unter C sind weitere Fragen und Vorgehensweisen aufgezeigt): ■ Wie geht es Ihnen, wenn Sie das hören? ■ Was löst ......... bei Ihnen aus? ■ Was sagt Ihr Bauch dazu? ■ Sie blicken nachdenklich?
I.
4
allgemeine Praxistipps (Tipp)
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4
Erhellung von Bedürfnissen 22
Kern eines Konfliktes sind immer bedrohte Bedürfnisse. Um diesen Kern transparent werden zu lassen, ist eine Wendung des Blickes nach innen auf die eigenen Erlebnisse notwendig, Es ist aber gar nicht so einfach, genau wahrzunehmen, welches Gefühl in einer Situation wichtig ist. Wenn starke Emotionen wie Wut, Angst oder Lähmung vorherrschen, ist der klare Blick getrübt, denn diese Emotionen wollen das Verhalten bestimmen: ■ Wut, die die Schuldigen bestrafen oder vernichten will; ■ Niedergeschlagenheit bzw. Lähmung, die verhindert, dass Gefühle überhaupt gefühlt werden und vor allem ■ Angst, die dazu führt, dass das eigene Erleben nicht ausgesprochen wird. Die im Vordergrund stehenden Emotionen sind oft das Durchgangstor, um zu den dahinter liegenden Gefühlen der Ohnmacht und den existenzbedrohenden Gefühlen von Panik zu gelangen, die mit der Frustration elementarer Bedürfnisse zusammenhängen. Erst dadurch wird es möglich, die bedrohten Bedürfnisse zu spüren. Um die Konfliktparteien zum Fühlen und bewussten Anschauen ihrer Gefühle hinführen zu können, braucht es je nach Situation verschiedener Methoden. Die Ansprache ist häufig schwierig; sofern der Mediator selbst Hemmungen verspürt, diese Vertiefung zu beginnen, kann sich dafür ein Einzelgespräch anbieten.
1.
Gefühle erkennen und benennen
a)
Schuldzuschreibungen unterlassen und Gefühle auf Bedürfnisse beziehen
Sobald sich der Blick nach innen wendet, z.B. auf die Frage: „Wie haben Sie sich gefühlt, als dies und das geschehen ist?“ kommen sehr häufig ausweichende Antworten, die mit Vorwürfen an die andere Partei verknüpft sind: „Wütend, weil die …gesagt haben“. Der Blick nach innen gelingt nicht! Es ist wichtig, diese Verknüpfung bewusst zu machen und klar zu stellen, dass es nicht darum geht, was die andere Partei getan hat, sondern was im innern gefühlt wurde. Denn: Gefühle 22 Die Inhalte sind dem Modell der „Gewaltfreien Kommunikation“ von M. Rosenberg entnommen.
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88
89
4
§ 4 Ablauf der Mediation entstehen nie, weil andere etwas getan haben, sondern sie sind Ausdruck dessen, ob und inwieweit Bedürfnisse in einer Situation erfüllt oder nicht erfüllt sind.
b) 90
4
Wenn bei den Konfliktparteien die Wut oder Angst sehr stark sind und sie keine Bereitschaft zeigen, die Bedürfnisbedrohungsgefühle der Schwäche, Ohnmacht, Frustration zuzulassen, ist es angeraten, im Bereich dieser Emotionen länger zu verweilen. Durch das Spüren, gegen was sich die Wut richtet und wie sich die Wut anfühlt, ist auch die tiefer liegende Ebene der Bedürfnisfrustrationsgefühle erreichbar. Hinter dem Urteilen steckt z.B. die treibende Emotion von Wut oder Ärger. Diese Emotion sollte bewusst werden, wenn sie versteckt da ist. Ggf. kann man auch dazu animieren, sie zu spüren: durch Spiegeln und durch die Frage: „Wo in Ihrem Körper sitzt dieser Ärger, diese Wut?“ Die Wut ist allerdings nur das vordergründige Gefühl, denn sie ist die Reaktion auf ein Bedrohungs- oder Frustrationserlebnis. Deshalb sollten im nächsten Schritt die Gefühle, die „unterhalb“ der Wut liegen, zum Bewusstsein kommen: das Mangelgefühl der Bedürfnisfrustration. Dazu kann man fragen: „Waren Sie wütend, weil Sie sich in der Situation bedroht/frustriert gefühlt haben? Können Sie diese Bedrohung/Frustration fühlen?“ Schwieriger ist es, wenn die Emotion Angst das Verhalten bestimmt. Dann ist ein Prozess des Auftauens und der Vertrauensbildung notwendig, bevor die damit zusammenhängenden Gefühle der Bedrohung und Verletzung zur Sprache kommen können. Wenn eine Lähmung im Vordergrund steht, ist das Spüren und darüber Sprechen noch schwieriger, weil das einem Schockzustand ähnlich ist. Es ist nicht einfach, in der Gegenwart des Gegners zu den eigenen Gefühlen der Bedürfnisfrustration zu stehen, denn das ist ein Zustand der Schwäche und Ohnmacht. Es ist viel einfacher wutgetrieben Vorwürfe zu machen oder angstgetrieben zu schweigen. Es erfordert Mut, sich in dieser Situation zu öffnen. Der Mediator sollte deshalb an diesem Punkt nicht drängen, sondern ggf. nachfragen, ob die Bereitschaft zum nächsten Schritt des Öffnens vorhanden ist. Diesen Prozess mit einem Einzelgespräch einzuleiten kann ein probates Vorgehen sein.
c) 91
Die Gefühle der Bedürfnisfrustration hinter Ärger, Wut oder Angst herausarbeiten
Körperempfinden als Weg zum Fühlen
Wenn es gelingt, ohne Blick auf den Konfliktpartner die Aufmerksamkeit wirklich auf sich selbst zu richten und die eigenen Gefühle zu beschreiben, dann ist ein ähnlich sicherer Boden erreicht, wie beim sachlichen Beschreiben der äußeren Situation. Eine gute Hilfe für Mediatoren ist es, die nonverbale Sprache der Gesprächspartner zu beachten; denn verbal ist es leicht, die vorhandenen Gefühle zu überspielen. Aber im Blick, in der Mimik, Gestik, in der Körperhaltung, im Atem oder in Bewegungen zeigt sich die Emotion ebenso direkt, wie im Klang der Stimme. Dabei kann man durch Fragen den Blick auf den Körper und das eigene Körpererleben lenken: Wo standen Sie in der Situation? Wie war Ihre Körperhaltung? Mit welcher Gestik haben Sie sich ausgedrückt? Können Sie sich erinnern, wie Sie sich in der Situation körperlich gefühlt haben? Sehr hilfreich ist es auch, das Körperempfinden im Hier und Jetzt, während des Erzählens zu erfragen: Wie fühlen Sie sich jetzt während Sie das erzählen? Dabei ist es wichtig, durch die Fragen zum differenzierten Beschreiben der konkreten Körperempfindungen anzuregen! Ist der „Damm gebrochen“ und hat eine Konfliktpartei zu erzählen begonnen, ist es erfahrungsgemäß unproblematisch, so vorzugehen. Interessant ist, dass häufig dann auch der Konfliktpartner bereit und in der Lage ist, sich in dieser Weise zu öffnen. 150
G.
d)
Gefühle in Bildern ausdrücken
Man kann die Konfliktparteien auch anregen, ihre Gefühle in Bildern auszudrücken: „Ich habe mich gefühlt, wie ein begossener Pudel!“
e)
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Beurteilende Gefühlsworte in „fühlende“ Gefühlsworte verwandeln
Es ist sehr hilfreich, genau hinzuhören, welche Worte für die Gefühlsbeschreibungen gewählt werden. Eine ganze Reihe von Gefühlsworten beschreibt eigentlich einen Gefühlszustand in Verknüpfung mit einem Urteil darüber, was die andere Partei getan hat: Ich fühle mich missachtet, verkannt, unterdrückt, gedemütigt, ignoriert, benutzt, unter Druck gesetzt, gezwungen… Alle diese Worte werden vermutlich von der anderen Streitpartei als Vorwurf verstanden, sie hätte missachtet, verkannt, etc. Wenn solche Vokabeln benutzt werden, kann der Mediator stoppen und fragen: „Wie fühlt es sich für Sie an, wenn Sie sich missachtet fühlen? Was spüren Sie dabei?“ „Beschreiben sie nicht, was die Gegenseite getan hat, sondern was sich in Ihnen abgespielt hat!“ Dadurch wird der Blick von den Anderen weg nach innen zum eigenen Fühlen gelenkt.
g)
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Indirekte Sprache in Ich-Aussagen verwandeln
Im Kern geht es beim Klären der Gefühle darum, dass sich die Aufmerksamkeit nach innen richtet und der Betrachter genau wahrnimmt, was im eigenen Gefühl los ist – ohne nach außen zu agieren, z.B. durch Du-Aussagen: Du bist…! Das Achten darauf, ob die Gefühlsaussagen als IchAussagen gemacht werden, ist dafür eine große Hilfe: „Ich fühle…, Ich empfinde…, Ich spüre…“ Diese Sätze sollten nicht verknüpft werden mit dem, was die Gegenpartei tut oder getan hat. Auch „Man fühlt sich ja hier verunsichert“, „Wir ärgern uns doch nicht immer über…“, „Es werden hier ständig Beschuldigungen ausgesprochen.“ sind verschleiernde Aussagen. Wenn “man“, „wir“, „es ist“ durch Ich-Aussagen ersetzt werden, übernimmt die sprechende Person Verantwortung für die eigenen Gefühle und steht dazu, indem sie diese erkennt und benennt. Dadurch wird es auch leichter, diese Gefühle zu spüren! Letztlich steht dahinter das Anliegen, dass jede Person die Verantwortung für das eigene Erleben übernimmt: “Ich fühle diese Gefühle, weil ich die gegebene Situation in einer bestimmten Weise interpretiere und weil dadurch meine individuell geprägten Bedürfnisse bedroht sind!“
f)
4
allgemeine Praxistipps (Tipp)
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Gefühle spiegeln
Eine große Hilfe beim Klären der Gefühle ist – wie oben schon ausgeführt – das empathische Spiegeln durch den Mediator. Dazu ist es zunächst nötig, neben dem inhaltlichen Zuhören auch mit dem „Empathieohr“ auf die Gefühlsregungen zu achten und sie innerlich mitzufühlen. Das Ausdrücken der erfühlten Gefühle sollte aber vorsichtig gehandhabt werden, denn dabei gibt es viele Unsicherheitsfaktoren. Die Fragehaltung muss im Vordergrund stehen: „Habe ich das richtig erfühlt oder fühlt es sich für Sie anders an?“ Wenn es gelingt, gut im Kontakt mit der anderen Person zu sein, kann das Spiegeln auch sehr spontan erfolgen: „Das war aber bestimmt ziemlich traurig für Sie!“ Durch die Spiegelung der Gefühle kann die gespiegelte Person aus einer gewissen Distanz auf das eigene Fühlen schauen und dadurch klarer erkennen, welche Gefühle vorherr151
95
4
4
§ 4 Ablauf der Mediation schend sind. Ggf. kann sie auch das gespiegelte Gefühl korrigieren und dadurch deutlicher machen, was sie eigentlich fühlt.
h) 96
4
Wenn es gelingt, die eigenen Gefühle, die mit den unerfüllten Bedürfnissen zusammen hängen, zu fühlen und sie auch auszudrücken, dann ist das ein Eintauchen in die Ebene des Schmerzes. Oft kommt der Schmerz sehr deutlich zum Ausdruck und es können Tränen fließen. Die andere Konfliktpartei erlebt diesen Vertiefungsprozess mit und sie erlebt auch mit, wie der Mediator durch sein empathisches Fragen und das Spiegeln in die „seelischen“ Schmerzen eintaucht. Das lässt sie in der Regel „nicht kalt“, sie wird durch das Freiwerden der Gefühle der Not berührt und gerührt. Wenn es nun gelingt, dass der Konfliktpartner die Not der anderen Partei nicht nur mitfühlt, sondern auch ausdrücken kann, welche Gefühle er bei seinem Streitgegner erfühlt, dann ist ein entscheidender Schritt getan. Denn dann hat sich die Härte und Gefühlsabschottung etwas gelöst und das verloren gegangene Mitgefühl für den anderen kehrt wieder zurück.
2. 97
Bedürfnisse ausdrücken und empathisches Verstehen
Wenn es gelungen ist, dass die Gefühle erlebt und ausgedrückt werden konnten, die mit den bedrohten Bedürfnissen zusammen hängen, ist es wichtig, schnell und direkt zum Spüren der elementaren Bedürfnisse zu kommen. Hier lauert die Gefahr, in die vordergründigen Streitpositionen zurückzufallen: „Wenn Du dies oder das tun würdest, dann würde ich mich gut fühlen!“ Dazu ist hilfreich:
a) 98
Zum gegenseitigen Spiegeln der Gefühle anregen
Vom Fühlen der Bedürfnisnot direkt zum Spüren der Bedürfnisse überleiten
Wenn die Gefühle der Bedrohung oder der Frustration deutlich gespürt werden, sind auch die damit zusammenhängenden nicht erfüllten Bedürfnisse bewusst. Oft wird das auch schon ausgedrückt: „Mir fehlt Respekt!“ Auf dieser Ebene kann man fragen: „Was hat Ihnen gefehlt? Welches Bedürfnis war nicht erfüllt?“ Dabei ist es wichtig, am Gefühl „dran zu bleiben“ und nicht intellektuell über die Bedürfnisse zu reden. Wenn das gelingt, sind die Menschen an einer tiefen Stelle berührt. Bei der zuhörenden anderen Partei kann sich Mitgefühl und Betroffenheit einstellen. Die Aufgabe des Mediators ist es, diesen seelischen Raum zu schützen, Zeit zu lassen und ggf. durch Spiegeln oder Doppeln den Prozess des Spürens der Bedürfnisnot zu unterstützen. Das ermöglicht ein tieferes Sich-Einlassen auf diese unangenehmen Gefühle.
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5
§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters Wie bereits an mehreren Stellen angesprochen, haben gerade Steuerberater aufgrund ihrer Beratungstätigkeit ein besonders enges, ja intimes Verhältnis zu ihren (Unternehmens-) Mandanten. Diese wünschen sich von ihrem Steuerberater geradezu, dass er sich in ihre Belange einmischt; gilt doch ein solches Engagement des Steuerberaters als anerkennenswert. So ist der Steuerberater eine Instanz, die dem Mandanten auch unbequeme Wahrheiten sagen kann, ohne dass sich der Mandant diesen verschließt. Weiterhin ist der Steuerberater in aller Regel Außenstehender und damit in der Lage, Konfliktlagen schnell und einfach zu erkennen. In aller Regel hat er zur Kultur, die in den von ihm betreuten Unternehmen herrscht, eine solche Distanz, dass ihm die dazu notwendige Außensicht (noch) gelingt. Bevor Einzelsituationen näher betrachtet werden, in denen Konfliktlagen typischerweise eine Rolle spielen, beschäftigt uns die Frage, wie sich deutsche Unternehmen überhaupt vorstellen, dass Konflikte in ihren Unternehmen bearbeitet werden könnten und sollten. Es geht also um Erwartungshaltungen des Marktes, um Wünsche. Zu eben dieser Frage hat sich eine Studie geäußert, die im Jahre 2005 von PWC in Zusammenarbeit mit der Viadrina in Frankfurt/Oder verfasst wurde.
A.
Der Bedarf des Marktes
I.
PWC-Studie1
2 3
5
A.
Zunächst der Blick auf Unternehmensmandate: Zitate betreffend diese Klientel aus der Veröffentlichung: „Ziel dieser Befragung war es, die gegenwärtigen Praktiken und Präferenzen von Unternehmen bei der Bearbeitung von Konflikten mit anderen Unternehmen sowie Veränderungsbedarf und zukünftige Entwicklungstrends in Erfahrung zu bringen. Beteiligt haben sich an unserer Umfrage 158 Unternehmen.“ „Gegenstand dieser Studie ist die Frage, wie Unternehmen in Deutschland Konflikte mit anderen Unternehmen bearbeiten.“ 2 Zu beachten ist der Focus auf die B to B3 Konflikte in dieser Untersuchung. Die nachfolgend zitierten Ergebnisse gelten damit nicht unbedingt für unternehmensinterne Konfliktlagen, die deshalb so bedeutsam sind, weil sie regelmäßig in besonderer Weise Ressourcen binden. Und dennoch sind die Ergebnisse für eine Gesamtbetrachtung interessant.
1
1
Studie mit dem Titel „Commercial Dispute Resolution – Konfliktbearbeitungsverfahren im Vergleich“, veröffentlicht April 2005 Seite 5 Abkürzung für Business to Business Konflikte, also zwischen Unternehmen/Organisationen
153
2
5
§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters
5
3
Die zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse lautet: 4 Das zentrale Ergebnis überrascht – zumindest auf den ersten Blick: Vorstellungen und Erwartungen, die Unternehmen mit Konfliktbearbeitungsverfahren verbinden, entsprechen nicht in vollem Umfang dem tatsächlichen Vorgehen im Konfliktfall. In aller Regel wird zunächst der Versuch unternommen, einen Konflikt auf dem Verhandlungsweg beizulegen. Scheitern die Verhandlungen, erfolgt zumeist direkt der Gang zum Gericht. Während die Verhandlung von den Unternehmen übereinstimmend sehr positiv bewertet wird, fallen Präferenzen und Verhalten hinsichtlich des Gerichtsverfahrens und der außergerichtlichen Verfahren mit Drittbeteiligung auseinander: ■ Das tatsächlich häufig genutzte Gerichtsverfahren wird in vielfacher Hinsicht eher als nachteilig bewertet. ■ Die generell als vorteilhaft wahrgenommenen und den Erwartungen der Unternehmen eher entsprechenden Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung5 mit Unterstützung Dritter (Schiedsgerichtsverfahren, Schiedsgutachten, Schlichtung und Mediation) werden in der Realität bislang eher selten genutzt. Interessant ist die Feststellung, dass Unternehmer anders handeln als sie es eigentlich für sachgerecht und effizient halten. Dieses Ergebnis betrifft sicherlich nicht nur das Handeln in B TO B Konflikten sondern auch bei internen Konfliktlagen. Ließe sich das generalisieren, hat der Steuerberater eine besonders große Chance, den Mandanten dabei zu unterstützen, Konflikte anders zu lösen als durch den schnellen Gang zu Gericht. Der Grad der Zustimmung zu zentralen Thesen ergab folgende Befunde6: ■ In deutschen Unternehmen besteht ein deutlicher Wunsch nach verstärkter Zusammenarbeit zwischen Management und Rechtsabteilung bei der Auswahl und Steuerung von Konfliktbearbeitungsverfahren. ■ Bei der Wahl von Konfliktbearbeitungsverfahren ist es den Entscheidungsträgern in Unternehmen sehr wichtig, dass die mit einem Verfahren verbundenen Risiken bekannt und überschaubar sind. Die Verfahrenskosten spielen dagegen bei der Wahl von Konfliktbearbeitungsmethoden eine eher untergeordnete Rolle. ■ Im Umgang mit Konflikten wird auf den Erhalt bestehender Geschäftsbeziehungen sehr viel Wert gelegt. ■ In der Bearbeitung von Konflikten werden Kooperation und die Wahrnehmung eigener Interessen nicht als sich gegenseitig ausschließend betrachtet. Es besteht das klare Bedürfnis, Verfahren und Ergebnis der Konfliktlösung möglichst autonom mitgestalten zu können. Dieser Befund wird dann wie folgt kommentiert7: „Angesichts dieser differenzierten Erwartungshaltung stellt sich die Frage nach den Gründen für das Auseinanderfallen von Präferenzen und Realität umso dringlicher. Das Datenmaterial der Studie kann zwar keine abschließenden Antworten, wohl aber Anknüpfungspunkte für Erklärungen bieten: Bislang reicht offensichtlich das Ausmaß praktischer Erfahrung mit außergerichtlichen Verfahren trotz theoretisch bereits vorhandener Überzeugungen noch nicht aus, um bekannte Verhaltensmuster nachhaltig zu verändern. Der Befund, dass mit zunehmender Unternehmensgröße der Einfluss 4 5 6 7
154
Weiter auf Seite 5 Zu den im folgenden verwendeten Begriffen verweisen wir auf eine umfassende Beschreibung im Glossar Seite 6 Weiter auf Seite 6
A.
der Rechtsabteilungen auf die Verfahrenswahl und die Einsatzhäufigkeit von außergerichtlichen Verfahren steigt, kann dahingehend interpretiert werden, dass ein systematischeres Konfliktmanagement zu einer effizienteren Nutzung der unterschiedlichen Verfahrensvorteile führt.“ Im weiteren Verlauf der Studie ist zu lesen8: „Trotz verbreiteter Kenntnis dieser Verfahrensalternativen (zwischen den beiden Polen der Konfliktlösung durch eigenverantwortliche Verhandlung einerseits und durch staatliche Gerichtsentscheidung andererseits existiert ein Spektrum außergerichtlicher Verfahrensformen9) setzt die Mehrheit der befragten Unternehmen in nationalen wie in internationalen Konflikten vorwiegend auf Verhandlung und Gerichtsverfahren als klassische Formen der Konfliktbearbeitung. 17 Prozent der Unternehmen nutzen sogar ausschließlich diese beiden Verfahrensarten.“ Bei der Untersuchung der Frage, weshalb es zu Gerichtsverfahren kommt, ergab sich10: „Auf die Frage, welche Gründe ausschlaggebend dafür sind, dass Konflikte mit anderen Unternehmen in Gerichtsverfahren ausgetragen werden, wird mit Abstand am häufigsten das Scheitern von anderen vorgeschalteten Konfliktbeilegungsverfahren genannt. An zweiter und dritter Stelle stehen die Klageerhebung durch den Gegner und die fehlende Bereitschaft der Gegenseite, sich auf den Einsatz anderer Verfahren einzulassen. Interessanterweise enthalten diese drei wichtigsten Gründe für den Einsatz von Gerichtsverfahren keine autonome oder inhaltliche Motivation der antwortenden Unternehmen, sondern beziehen sich eher auf die (wahrgenommene) Unvermeidbarkeit des Gangs zum Gericht.“ Interessant für unsere weitere Betrachtung ist noch das Ergebnis zu den Auswahlkriterien für Konfliktbearbeitungsverfahren11: ■ Ausgangspunkt der folgenden Analyse war die Frage an die beteiligten Unternehmen, inwieweit bestimmte Aspekte von Konflikten (hoher Streitwert, intensive Geschäftsbeziehung, großes finanzielles Volumen und hohe Sensibilität des Konfliktgegenstandes) die Auswahl eines bestimmten Verfahrens nahe legen. ■ Im Hinblick auf sämtliche vorgegebenen Konfliktmerkmale bewerten die Unternehmen die Auswahl des Verfahrens Verhandlung als mit Abstand am nächstliegenden – gefolgt von der Anrufung eines Schiedsgerichtes und der Einholung eines Schiedsgutachtens. ■ In Fällen, die insbesondere durch einen hohen Streitwert gekennzeichnet sind, wird die Einleitung eines Gerichtsverfahrens als ähnlich naheliegend angesehen wie die Initiierung eines Schiedsgerichtsverfahrens oder eines Schiedsgutachtens. Stehen hingegen eine intensive oder eine finanziell gewichtige Geschäftsbeziehung im Vordergrund, oder weist der Konfliktgegenstand eine hohe Sensibilität auf, wird die Durchführung einer Mediation oder Schlichtung als nahe liegender eingestuft als die Einleitung eines Gerichtsverfahrens. Als Steuerberater kennen wir die Tendenz der Unternehmensmandanten, in erster Linie auf dem Verhandlungswege einen Ausweg zu suchen; das gilt auch für unternehmensinterne Konflikte. Vergessen wir an dieser Stelle nicht, dass dieses Verhandeln in der Regel positionsorientiert verläuft; interessenbasiertes Verhandeln wie das Harvard-Verhandeln ist weitgehend unbekannt. 8 9 10 11
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters Weiterhin können wir immer wieder beobachten, dass Konflikte mit einer hohen Sensibilität im Mittelstand zur Ratlosigkeit führt, was dann oft ein Nichthandeln zur Folge hat. Zu dieser Art von Konflikten zählen in jedem Fall solche, in die der Unternehmer persönlich involviert ist. Von der Idee her dürfte auch der mittelständische Unternehmer eher einer Schlichtung zugeneigt sein als der gerichtlichen Auseinandersetzung. Dem typischen Mandanten des Steuerberaters ist das Instrumentarium alternativen Handelns weitgehend unbekannt und es besteht eine Scheu, sich z.B. mit Mediation zu beschäftigen. Den Mandanten nicht nur über die Chancen einer Konfliktbearbeitung durch Mediation aufzuklären sondern ihm darüber hinaus konkret sagen zu können, was ihn (den Unternehmer/die Führungskraft) als Konfliktbeteiligtem erwartet, ist ein besonderes Einsatzfeld des Steuerberaters. War die Konfliktbearbeitung erfolgreich und hat der Mandant erlebt, dass z.B. der befürchtete Gesichtsverlust nicht eingetreten ist, dass – im Gegenteil – nach erfolgreicher Bearbeitung des Konfliktes eine neue Qualität in der Beziehung zu seinen Kunden/ Mitarbeitern u.ä. entstanden ist, wird er schneller bereit sein, Konflikte mediativ zu bearbeiten und so in seinem Unternehmen eine neue Kultur im Umgang mit Konflikten begründen.
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II. 5
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Was brauchen und wünschen Unternehmer – Mandanten?
Jeder Unternehmer möchte sein Unternehmen erfolgreich führen. Ihm ist – sofern er mit Personal arbeitet – bewusst, dass dazu nicht nur zählt, ein guter „Sachbearbeiter“ zu sein. Sie haben durchaus ein Bewusstsein zu führen – sowohl intern als auch extern (z.B. bei der Akquisition, Auftragsverhandlungen etc.). Und dass dazu auch gehört, in Konfliktlagen aktiv werden zu müssen, ist erst einmal selbstverständlich. Werfen wir zunächst wieder einen Blick auf die größeren Unternehmen: Die systematische Steuerung von Prozessen der Konfliktbearbeitung nimmt mit steigender Unternehmensgröße signifikant zu.12 Das ist darauf zurück zu führen, dass mit steigender Unternehmensgröße der Einfluss der internen Unternehmensjuristen oder der Rechtsabteilungen auf die Auswahl der Verfahren signifikant wächst. Bei kleineren Unternehmen wird die Verfahrenswahl in der Regel durch die Unternehmensleitung gesteuert. Diese wird, so die Hypothese aus Vorstehendem, wird das Defizit, keine interne Stabsabteilung zu haben, möglichst durch externe Berater schließen. Und da bieten sich nur der „Hausanwalt“ und der Steuerberater an. Es ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Unternehmer-Mandanten ihren Steuerberater als Instanz zur systematischen Steuerung von Prozessen der Konfliktbearbeitung akzeptieren, wenn nicht sogar gern dort sähen. Was wünschen sich Unternehmer, welches Vorgehen bevorzugen sie? Auch dazu gibt die PWCStudie einen Hinweis13 in der Recherche der Vorteilswerte, die Unternehmen den unterschiedlichen Konfliktbearbeitungsverfahren beigemessen haben. „Ihr zufolge wird die Verhandlung14 mit einem Durchschnittswert von 90,8 Prozent mit Abstand am besten beurteilt. Ihr folgt die Mediation mit einem Wert von 73,9 Prozent, die Schlichtung mit einem Wert von 65,1 Prozent und das Schiedsgutachten mit einem Wert von 60,4 Prozent. Das Schiedsgerichtsverfahren erhält in der Gesamtbetrachtung den Wert von 48,5 Prozent, während das Gerichtsverfahren im Hinblick auf die abgefragten Kategorien einen durchschnittlichen Vorteilswert von 23,3 Prozent erreicht.“
12 PWC-Studie Seite 14 13 Seite 18 14 Wobei an dieser Stelle nicht differenziert wird zwischen positionsorientiertem Verhandeln und interessengeleitetem.
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Wie gesagt: diese Statistik betrifft B to B Konflikte! Offensichtlich haben die meisten Unternehmen noch immer zu wenig praktische Erfahrungen mit außergerichtlichen Verfahren mit Drittbeteiligung, um diese – jenseits theoretischer Vorteilsbewertungen – auch in der Praxis als selbstverständliche, gleichwertige Verfahrensalternativen wahrzunehmen15. Dieser Erklärungsansatz betrifft weniger die bereits im Unternehmensalltag etablierten Verfahren wie Schiedsgericht oder Schiedsgutachten als vielmehr Methoden wie Mediation und Schlichtung – sicherlich aber auch das interessenorientierte Verhandeln. Die mangelnde Praxiserfahrung geht einher mit einem durchaus ergänzungsbedürftigen Informationsstand zu den charakteristischen Merkmalen und der prozeduralen Einbettung der einzelnen Verfahren. ! Tipp: Das bedeutet für den Berater: er sollte mehrere Verfahren/Methoden der Konfliktbearbeitung kennen und er hat ein exzellentes Verkaufsargument für Mediation. Denn für die Mittelstandsklientel des Steuerberaters bedeutet das – und zwar alle Konfliktlagen betreffend: Es gibt eine Rangfolge der Verfahren nach dem Grad an Parteiautonomie: diejenigen Verfahren, welche den Konfliktparteien im Hinblick auf Vorgehensweise und Ergebnis am meisten Entscheidungsfreiraum belassen, erweisen sich bei der Gesamtbetrachtung aller abgefragten Vorteile als führend. Steuerberater können sich also ermutigt fühlen, dem Unternehmer die Mediation zu empfehlen, weil sie – nach dem Verhandeln – ihnen das höchste Maß an Privatautonomie belässt. Dieses hohe Maß an Privatautonomie ist demnach ein gewichtiges „Verkaufsargument“. Und: es dürften vor allem denjenigen Verfahren oder Verfahrenskombinationen („hybride Verfahren“) eine wachsende Aufmerksamkeit zuteil werden, die den Parteien ein der Verhandlung nahe kommendes Maß an Handlungsautonomie gewähren – und zusätzlich die Vorteile der Unterstützung durch neutrale Dritte bieten. Und nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass Mandanten immer daran interessiert sind, der Steuerberater möge sie so beraten wie es ihren Interessen entspricht. Häufig sind die Mandanten aber gar nicht in der Lage – oder tun es schlicht nicht -, ihrem Berater exakt zu sagen, wo ihre Interessen und Bedürfnisse liegen. Was tut der Steuerberater? Er unterstellt eine Standardsituation und berät auf der Grundlage eines vermuteten Interesses. Der mediativ ausgebildete Steuerberater weiß um die Gefahr einer solchen Unterstellung und kommuniziert mit seinem Mandanten anders. Von allen Beratern, die eine Mediationsausbildung gemacht haben, wird gesagt, dass sie anders kommunizieren und sich die Zufriedenheit von Berater und Mandant signifikant verbessert habe.
III.
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Auslöser für Interesse an Mediation?
Wir betrachten an dieser Stelle, welche Gesichtspunkte bzw. Umstände Unternehmer-Mandanten veranlassen können, Ihnen aufmerksam zuzuhören, wenn Sie als Steuerberater mit ihm über eine außergerichtliche Konfliktschlichtung ins Gespräch kommen wollen. Die Gründe, die einem Unternehmer einleuchten, sind strukturell begrenzt. Wir betrachten diese bevor wir uns anschließend mit branchentypischem Verhalten zum Umgang mit Mediation auseinander setzen. Vorab seien Folgen ungelöster Konflikte für Unternehmen noch einmal schlagwortartig vor Augen geführt. Ungelöste Konflikte führen zu: ■ Geringerer Leistungsfähigkeit ■ Fehlzeiten und hohem Krankenstand ■ Verlorener Arbeitszeit 15 Seite 23
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Vertragsklauseln, die eine mediative Schlichtung vorsehen
Derartige Vertragsklauseln sind bislang nur in geringem Umfang branchentypisch. Im nächsten Kapitel Näheres dazu. Verträge enthalten traditionell in den sog. Schlussvorschriften, was im Konfliktfall zu passieren hat. Da finden sich Regelungen zum Gerichtsstand und möglicherweise auch Schiedsgerichtsklauseln (soweit die Vertragsparteien sich bei Vertragsabschluß darüber Gedanken gemacht haben, dass z.B. die Austragung eines Konfliktes in der Öffentlichkeit nicht gewollt ist). Da auch bei den Vertragsjuristen das Wissen um die Bedeutung einer außergerichtlichen Streitbeilegung wächst, empfehlen diese immer mehr Schlichtungsklauseln17. Inwieweit sich die Vertragsparteien über deren Bedeutung wirklich im Klaren sind mag zweifelhaft sein; in jedem Fall gibt eine solche Klausel Anlass, sich mit dem Thema der außergerichtlichen Streitbeilegung, zu der ja auch die Mediation zählt, auseinanderzusetzen. Für den Steuerberater ergibt sich hier ein „eleganter“ Einstieg in die Diskussion zum Thema.
3. 10
Unternehmensphilosophie
Ansatzpunkt ist hier die Ratio. So wie in größeren Unternehmen, die sich eigene Rechtsabteilungen leisten können, der Einsatz außergerichtlicher Konfliktbearbeitungsverfahren deutlich höher ist (siehe PWC-Studie S. 14), dort also die Einsicht in die Sinnhaftigkeit – auch aufgrund des größeren Abstandes zum eigentlichen Konflikt – vorhanden ist, ist die Unternehmensphilosophie als Selbstverpflichtung der erfolgversprechendste Ansatz, Unternehmer von der Sinnhaftigkeit der Durchführung einer Mediation zu überzeugen16.
2. 9
Schlechteren Entscheidungen und Arbeitsergebnissen Sabotage, Diebstahl und Beschädigung Verlust von Mitarbeitern Verfahrenskosten
Zeitersparnis
Es ist ein bekanntes Dilemma gerichtlicher Verfahren, dass deren Dauer kaum einschätzbar ist. Immer dann, wenn der Konflikt in einem definierten Zeitraum gelöst sein muss, scheidet das gerichtliche Verfahren praktisch aus. In den Köpfen vieler Anwälte lebt dann das Schiedsgericht auf, das im Ruf steht, recht zügig zu Ergebnissen zu führen. Das ist im Prinzip auch richtig, wobei es dafür allerdings keine Gewähr gibt. Wenn wir den Aspekt Zeit hier betrachten, geht es um einen Zeitraum, in dem auch ein Schiedsgericht nicht zu Ergebnissen kommen kann. Allein bis zur Installation eines Schiedsgerichtes dauert es durchaus drei Monate, so dass auch bei zügiger Verhandlung mit einem Ergebnis vor einem halben Jahr nicht gerechnet werden kann. Nun gibt es Sachverhalte, an deren Klärung die Existenz eines oder mehrerer Beteiligter hängen kann. Im folgenden Abschnitt bringen wir hierzu ein Beispiel aus der Baubranche. Die Dimension Zeit kann nicht als objektives Maß gesehen werden sondern als eines, das von den Konfliktparteien 16 Hierzu gibt es eine Initiative des Bundesverbandes Mediation e.V. – Fachgruppe Wirtschaftsmediation mit dem Titel „fair-sprechen“. Diese Initiative wird in Kooperation mit „De Fair“ (DK) aufgebaut. 17 Siehe auch Aufsatz Dr. Berning mit dem Thema: Mediations- bzw. Interessenklauseln in Verträgen? Veröffentlicht in „Spektrum der Mediation“ Nr. 23/III-2006, Seite 35 ff
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als problematisch erlebt wird. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Aspekt Zeit tatsächlich weit bedeutsamer ist als er von den Konfliktbeteiligten kommuniziert wird. ! Tipp: Als Praxis-Tipp sei deshalb an dieser Stelle genannt, den oder die Beteiligten auf den Aspekt Zeit anzusprechen. Gerade als Steuerberater haben wir die indirekten Konfliktkosten mit im Blick, auf die wir später noch eingehen. Da diese mit jedem Tag, an dem der Konflikt nicht geklärt ist, das Unternehmensbudget belastet, liegt es im Beratungsauftrag, hier im Sinne des Mandanten tätig zu werden.
4.
Handlungs- und Gestaltungsfreiheit
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Auch wenn gerade Unternehmer wissen, dass der Ausgang gerichtlicher Verfahren ungewiss ist, erschrecken sie sich doch, wenn der Anwalt das Risiko des Unterliegens beispielsweise bei 50 % ansiedelt. Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins bewegt jeden, der in einer Konfliktsituation die Entscheidung auf eine dritte Instanz überträgt. Eigentlich widerstrebt gerade Unternehmern die Aufgabe der eigenen Gestaltungsfreiheit, die mit dem Schritt verbunden ist, ein Gericht anzurufen. Die PWC Studie erwähnt hierzu18: „Diese Inkongruenz zwischen Einstellung und Handeln lässt sich auch mit einem Fokus auf das außergerichtliche Verfahren formulieren: Obgleich deren Vorteile deutlich wahrgenommen werden und eine Reihe der zentralen Erwartungen von Unternehmen an Konfliktbearbeitungsverfahren (Erhalt von Geschäftsbeziehungen, Gestaltungsautonomie) direkt und primär mit diesen Verfahren assoziiert werden, spielen die meisten außergerichtlichen Verfahren mit Drittbeteiligung in der unternehmerischen Praxis eine untergeordnete Rolle.“ Nach unserer Beobachtung ist diese Inkongruenz zurückzuführen auf Bequemlichkeit und darauf, eine Konfliktentscheidung schlicht zu vertagen. Man könnte auch formulieren, dass die Protagonisten feige sind: Sie haben Angst davor, sich persönlich und unmittelbar in die Konfliktauseinandersetzung zu begeben. Es sei hier die Hypothese eingeführt, dass Unternehmer bei entsprechender Unterstützung sowohl bereit als auch in der Lage sind, sich einer Mediation zu öffnen, weil sie ihre Gestaltungsautonomie nicht wirklich aufgeben wollen. Im Gespräch des Steuerberaters mit seinen Mandanten kann dieser Aspekt also von erheblicher Bedeutung sein; in jedem Fall wird der Unternehmer seinem Berater genau zuhören wenn dieser ihm einen Weg aufzeigen will, wie er sich seine Handlungsfähigkeit erhalten kann. Auch wenn im Focus unserer Darstellung die Mediation steht: An diesem Punkt weisen wir noch einmal darauf hin, dass viele Verhandlungen scheitern, weil sie positionsbezogen und nicht interessenbasiert geführt werden. So kann schon der Hinweis auf ein anderes Verhandeln hilfreich sein, weil er ein neues Vorgehen eröffnet.
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Erhalt der Geschäftsbeziehung
Die Geschäftsbeziehung sehen wir hier nicht nur im Verhältnis eines Unternehmens zu einem anderen Unternehmen sondern durchaus auch intern beispielsweise zu wichtigen Mitarbeitern. Welche Beziehung für ein Unternehmen oder auch den Unternehmer persönlich wichtig ist, weiß vorzugsweise der Unternehmer. Der Unternehmer (dazu zählen wir hier auch Geschäftsführer 18 Seite 23
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters und Führungskräfte mit entsprechender Handlungsmacht) ist jedoch in der Konfliktsituation primär Mensch und damit persönlich betroffen. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass wegen der persönlichen Betroffenheit ein Unternehmer nicht zwingend die Bedeutung der Geschäftsbeziehung für das Unternehmen richtig einschätzen kann. Als Externer ist es wiederum häufig der Steuerberater, der die Realitäten nüchtern einschätzen kann. Wir kennen alle das Phänomen, dass ein hervorragender Mitarbeiter, der Leistungsträger im Unternehmen ist, in den Köpfen der Unternehmer zu einer Niete mutiert, wenn er das Unternehmen verlassen hat. Dass dabei Wunschdenken eine große Rolle spielt, ist ohne weiteres einsichtig. Der Steuerberater ist also unter diesem Gesichtpunkt der erste Ansprechpartner für den Unternehmer, die Bedeutung einer Geschäftsbeziehung im Konfliktfall richtig einordnen zu können. Hierin liegt der entscheidende Schritt; denn ist erst einmal festgestellt, dass der Erhalt der Geschäftsbeziehung wichtig ist (strategisches Ziel damit gefunden), folgt zwingend die Diskussion, wie das erreicht werden kann (Taktik). Und da bieten sich im Konfliktfall nur die außergerichtlichen Schlichtungen an. Sicherlich steht da die Mediation mit seinen Förmlichkeiten nicht im Rampenlicht der Handlungsalternativen; ein mediatives Konfliktgespräch ist jedoch sicherlich als eine Alternative zur Verhandlung in Betracht zu ziehen. Der Steuerberater ist an dieser Stelle in erster Linie für den Mandanten dabei der Mensch, mit dem er über seine Sorgen spricht. Sich in einem Konflikt zu finden ist in der Regel eine einsame Geschichte und es tut gut und hilft die Situation richtig zu betrachten, darüber mit einer unbeteiligten Person offen reden zu können.
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6. 14
Diese spielen so gut wie keine Rolle. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, dass Geld bei der Konfliktbearbeitung ohne Bedeutung ist. Insbesondere überzeugen die durch ein gerichtliches Verfahren ausgelösten Kosten bzw. das damit akzeptierte Kostenrisiko keinen Unternehmer, das günstigere Schlichtungsverfahren wie beispielsweise eine Mediation zu wählen. Im Einzelfall mag das – personen- und situationsabhängig – anders sein; als alleiniges Argument wird es jedoch nie ausreichen, eine Entscheidung gegen ein Gerichtsverfahren herbeizuführen
7. 15
Kosten des Verfahrens
„Konfliktkosten“ oder besser: teure Bindung von Ressourcen
Steuerberater kennen den Schaden, den Unternehmen durch Fehlnutzung von Ressourcen erleiden. Kaum jemand macht sich jedoch die Bedeutung wirklich klar, weil die Erfassung solcher Vermögensnachteile schwierig ist. > Dazu einige Lebenssachverhalte: Der Geschäftsführer eines Unternehmens streitet sich mit einem seiner Abteilungsleiter über dessen Führungsqualitäten, weil die wirtschaftlichen Zahlen in der Abteilung nicht so sind wie sie sein sollten. Der Abteilungsleiter hält seinem Chef vor, dieser hindere ihn daran, seinen Bereich vernünftig zu führen. Beide sind mit ihrer Fehde intensiv beschäftigt und wesentliche Bereiche des Unternehmens beobachten das Geschehen mit großem Interesse. Was bedeutet das z.B. in Zahlen? Geschäftsführer und Abteilungsleiter nutzen vielleicht jeder 20 Prozent ihrer Arbeitszeit, um die Fehde auszutragen. Weitere 30 Prozent (mal mehr, mal weniger) gehen dabei drauf, sich mit der Auseinandersetzung zu beschäftigen. Die Konzentration in 160
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den restlichen 50 Prozent erreicht bei weitem nicht das übliche Niveau, was zu Fehlern führt. Insbesondere bewirkt die Befangenheit im Konflikt, dass sich andere Mitarbeiter sowohl vom Geschäftsführer als auch vom Abteilungsleiter nicht mehr gesehen fühlen und reagieren entsprechend. Das bedeutet, dass auch diese Mitarbeiter in ihrer Leistungsbereitschaft nachlassen. Es entsteht also ein „Flächenbrand“ an Produktivitätsabbau. Dieser muss sich in der Qualität der Arbeit dokumentieren, was irgendwann entsprechende Außenwirkung hat. Auch die Kunden erleben, dass im Unternehmen etwas nicht stimmt und wechseln vielleicht zu einem anderen Konkurrenten. Um das beispielhaft mit Zahlen zu belegen heißt das, dass wenn bei einer möglichen Effektivität von einem investierten Euro 2,- € Ertrag herauskommen kann sich das Verhältnis vielleicht auf 1 : 1 oder noch schlechter verändert.
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> Beispiel: In einer Abteilung kriselt es. Die Motivation der Mitarbeiter lässt nach, weil die ursprünglich gute Stimmung nicht mehr da ist. Die Arbeit macht keinen Spaß mehr. Im Gegensatz zu früher schreiben Mitarbeiter private Emails während der Dienstzeit, spielen auch mal Computerspiele und sind auch ansonsten wenig strukturiert bei der Arbeit. Die Infrastruktur des Unternehmens wie Telefon, Fotokopierer, Schreibtechnik etc. wird in zunehmend größerem Maße für private Zwecke von den Mitarbeitern genutzt. > Beispiel: Im Bereich der Verwaltung, die mit der Beitreibung von Forderungen beschäftigt ist, gärt ein Konflikt. Dieser hat zur Folge, dass sich die Mitarbeiter in der Abteilung zunehmend mehr vom Unternehmen distanzieren, weil sich keiner um den Konflikt kümmert. Sie fühlen sich alleingelassen. Unverändert ist Ihnen die Bedeutung ihrer Arbeit für die Liquidität ihres Arbeitgebers bewusst; es ist ihnen jedoch zunehmend mehr egal, wie die Liquidität aussieht. Riefen Kunden an und wollten die offenen Posten klären, behandelten die Mitarbeiter die Kunden immer freundlich und zuvorkommend, bemühten sich erkennbar um einen guten Kontakt zum Kunden. Ruft jetzt ein Kunde an, wird dieser abgefertigt; der Ton ist unverbindlich bis unfreundlich. Nach Möglichkeit reduzieren die Mitarbeiter ihre Tätigkeit auf die schriftliche Kommunikation mit den Kunden. Wegen anderweitiger, nicht auf das Unternehmen bezogener Tätigkeiten schaffen die Mitarbeiter ihre Arbeit nicht mehr. Als Folge erhöht sich der Forderungsbestand um ein Drittel. Es wird dem Steuerberater nicht schwer fallen, einem im Konflikt befindlichen Unternehmer diesen Effekt zu erklären. Eigentlich kann es sich kein Unternehmer leisten, einer solchen Fehlnutzung von Ressourcen tatenlos zuzusehen. Beobachtet beispielsweise ein Unternehmer, dass Mitarbeiter ihre effektive Arbeitszeit dadurch verringern, dass sie unerlaubt ihre Mittagspause verlängern, sind heftige Reaktionen an der Tagesordnung. Bei Konflikten sind die Schäden jedoch ungleich höherer19 – und dennoch bleibt der Unternehmer auf diesem Ohr zumindest schwerhörig, wenn nicht gar taub. Wir beschreiben dieses Phänomen so ausführlich, weil der Überzeugungsweg über die Konfliktkosten zwar dornenreich ist, auf der anderen Seite aber in der Praxis eine viel zu geringe Beachtung findet. Wir brauchen nur im eigenen Bereich hinzusehen, wo sich Sozietäten trennen und diese in Neuorientierungen nicht nur im Ausnahmefall Existenzen bedroht. Wir sehen hier durchaus ein wichtiges Betätigungsfeld des Steuerberaters, dem Mandanten die faktisch kaum aufhaltbare Dynamik vor Augen zu führen, die ein durch Konflikte ausgelöster Niedergang zur Folge hat. 19 Siehe Monographie Dr. Berning mit dem Titel: „Konfliktkosten in Unternehmen“
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8. 17
Intransparenz ist in der Regel ein Aspekt, den eine oder beide Konfliktbeteiligten im Kopf haben. Ein ausschlaggebendes Argument20 wird die Nichtöffentlichkeit jedoch seltener sein; als ergänzendes Argument ist sie jedoch immer gut.
9. 18
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Freiwilligkeit
Eng mit der Handlungs- und Gestaltungsfreiheit verbunden und dennoch ein weiteres gutes Argument ist, dass die an einer Schlichtung teilnehmende Partei dazu lediglich bereit sein muss, daran teilzunehmen. Ändert sich beispielsweise die ursprüngliche Bereitschaft im Prozess, kann jede Partei sagen, dass sie nicht weiter teilnehmen möchte. Diese „Gestaltungsmöglichkeit“ ist jedoch nur gegeben bei der Verhandlung und der Schlichtung, insbesondere der Mediation. In allen förmlichen Verfahren ist die Konfliktpartei dieser Handlungsmöglichkeit beraubt. Diese Freiheit rechtfertigt das Argument: „Versuch es doch einfach mal, Du kannst jederzeit wieder aussteigen“. Damit können die Konfliktparteien erst einmal nichts verlieren21.
10. 19
Nichtöffentlichkeit
Die wichtigsten Hinderungsgründe nebst Konzept, damit umzugehen
Wir haben diese Aspekte themenbezogen immer wieder benannt, fassen diese hier noch einmal zusammen, um den Wirtschaftsmediator „einzustimmen“, womit er rechnen muss, wenn er die Mediation als probates Verfahren zur Lösung eines Konfliktes anbietet. ■ Sind Verhandlungen gescheitert ist im Kopf der Konfliktpartei der Gang zu Gericht die einzige Möglichkeit, den Konflikt zu lösen – auch wenn ihr das Ausgeliefertsein zutiefst zuwider ist. Lösungsansatz: zum einen transparent machen, dass die Verhandlungen an der Positionsorientierung gescheitert sind und mit der Mediation eine grundlegend neue Chance eröffnet ist, den Konflikt selbstbestimmt zu lösen. ■ Es bleibt das Hemmnis, dass die Menschen keine Erfahrung mit Mediation haben und sich deshalb scheuen, diesen Weg der Konfliktschlichtung zu gehen. Lösungsansatz: mit folgenden Argumenten zum ausprobieren anregen: Der Mediator sorgt dafür, dass er sich nie „gefährdet“ fühlen muss (ist deutlich weniger unangenehm als in der mündlichen Verhandlung vor Gericht als Partei angehört zu werden); sollte dem so nicht sein, kann er jederzeit ohne Angabe von Gründen aussteigen. Und das, was passiert ist und gesagt wurde, ist und bleibt vertraulich. Bis auf die Überwindung des „inneren Schweinehundes“ ist nichts nötig. ■ Ein Hinderungsgrund ist auch schlicht der Begriff „Konflikt“. Dieser wirkt so wenig einladend, sich darum kümmern zu wollen, dass die Bearbeitung gern delegiert wird. Das schimmert immer wieder durch, wenn wir aspektebezogen erörtert haben, wie der Wirtschaftsmediator eine Konfliktpartei ansprechen kann. Wir ergänzen die Überzeugungstaktik um folgenden
20 Als Aspekt taucht sie in der PWC-Studie z.B. gar nicht auf! 21 Das ist allerdings insoweit zu relativieren, dass sehr wohl eine echte Chance vertan ist, wenn der Mediator sein Handwerk nicht versteht und eine Konfliktpartei seinetwegen eine Mediation abbricht. Z.B. wenn sie das Gefühl hat, der Mediator ist nicht (mehr) allparteilich – sicherlich der häufigste Grund.
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! Tipp: Führen Sie den Mandanten durch einen Entscheidungsprozess, in dem er das Für und Wider aus seiner Sicht benennt. Dafür bietet sich in hervorragender Weise der Einsatz der „six thinking hats“22 an.
IV.
Interessierte Branchen
Wir wollen an dieser Stelle kurz darstellen, welche Branchen schon heute für Mediation offen sind und warum das so ist (dafür gibt es gute Gründe, die wir zuvor strukturell erläutert haben). Es gibt Branchen, in denen es inzwischen üblich ist, Mediationsklauseln bzw. Konfliktklauseln zu vereinbaren mit dem Ergebnis, dass dort deutlich klarere Vorstellungen bestehen, was außergerichtliche Konfliktbearbeitung bedeutet. Die Klauseln gibt es typischerweise in Verträgen von Unternehmen mit anderen Unternehmen (also B TO B); der von dort kommende Einfluss ist hier angesprochen. In Arbeitsverträgen haben wir Schlichtungsklauseln, spez. Mediationsklauseln eher selten erlebt. Die bereits zitierte PWC-Studie stellt dazu fest23: „So werden in den Branchen Verarbeitende Industrie, Bau & Immobilien und insbesondere im Sektor Energie & Bergbau Vertragsklauseln, die die Anwendung außergerichtlicher Verfahren vorsehen, deutlich häufiger eingesetzt als bei den befragten Unternehmen der übrigen Branchen.“ Insbesondere im Baugewerbe nebst angrenzenden Dienstleistungen nimmt die Erkenntnis beobachtbar zu, dass der Zeitfaktor gerade in Konfliktsituationen eine tendenziell brisante Bedeutung hat.
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> Dazu ein kleines Beispiel: Ein Hochbauunternehmen tritt als Generalunternehmer am Markt auf und bietet die schlüsselfertige Erstellung von Immobilien an. Für die Firma X soll ein Bürogebäude erstellt werden. Den Rohbau hat der Auftragnehmer selbst erstellt. Das Decken des Daches hat das Unternehmen an einen Subunternehmer vergeben. Dieser ist mit seinen Leistungen im Verzug, weil er das Material zu spät bestellt hat (so der Vorwurf des Generalunternehmers). Durch diesen Verzug gerät der gesamte Zeitplan ins Wanken, weil bestimmte Arbeiten im Innenausbau davon abhängen, dass das Dach gedeckt ist. Die zeitgerechte Fertigstellung des Bürogebäudes ist durch eine Vertragsstrafe belegt, die fällig wird, wenn der Generalunternehmer nicht zeitgerecht leistet. Diese Vertragsstrafe droht nun fällig zu werden, was sich im Verhalten gegenüber dem Dachdecker in mehrfacher Hinsicht äußert: der Ton ist rau und keineswegs herzlich, vereinbarte Zahlungen werden unter Hinweis auf die Vertragsstrafe zurück gehalten und es wird mit Ersatzvornahme gedroht. Der Dachdecker reklamiert für sich Fehlverhalten des Generalunternehmers und droht, seine Arbeiten einzustellen. Wird dieser Konflikt durch ein Gericht entschieden, dauert das Jahre. Wegen der vernetzten Arbeiten am Bau ist eine schnelle Klärung nötig. Dies geht nur, wenn die Konfliktparteien selbst (indem sie die Handlungs- und Gestaltungsfreiheit nicht abgeben) den Konflikt lösen. Eine irgendwie geartete gerichtliche Entscheidung nützt keinem der Beteiligten; das ist offenkundig.
22 Von Edward de Bono. Distributor für den deutschsprachigen Raum ist die fabb Führungsakademie Berlin-Brandenburg in Berlin (www.fa-bb.de) 23 A.a.o. Seite 18
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In diesen Fällen und damit der betroffenen Branche gebietet es die Vernunft, ganz zügig Konfliktlösungen anzustreben. Dass Konflikte schnell gelöst werden ist häufig ein existenzieller Faktor. Im Beispielsfall riskiert der Generalunternehmer u.U., dass der Dachdecker insolvent wird und er damit den gesamten wirtschaftlichen Schaden24 allein zu tragen hat. Verallgemeinernd können wir festhaltend, dass in allen Branchen, in denen typischerweise verschiedene, rechtlich und wirtschaftlich selbständige Partner in die Herstellung eines Produktes eingebunden sind und deren Arbeiten miteinander verbunden werden, wobei es nur einen Ergebnisverantwortlichen gibt, eine schnelle Konfliktlösung so bedeutsam ist, dass der „natürliche“ Widerstand gegen die Teilnahme an einer Mediation überwunden werden kann. Die Softwareerstellungsbranche kennt ähnliches. Losgelöst vom Branchenansatz trifft diese Betrachtung auf alle Rechtskonstrukte zu, die sich zum Zweck der Erfüllung eines Auftrags in einer sog. ARGE25 zusammenschließen. Das ist interessanterweise aber nur bedingt Realität; offenkundig bedarf es über die existentielle Bedrohung hinaus einer branchentypischen „Kultur“. Die Konstruktion einer ARGE unterscheidet sich von der des Hauptauftragnehmers, der Arbeiten an Subunternehmer weiter gibt, dadurch, dass der Haftungsrahmen bei der ARGE für alle Mitgesellschafter gleich ist. Wenn wir jetzt die Parallele zu den Sozietäten der Freiberufler ziehen, die gleich organisiert sind, zeigt sich, dass die (potentielle oder auch konkrete) existentielle Bedrohung kein Grund ist, sich einer mediativen Konfliktbearbeitung zu öffnen; sonst gingen nicht täglich Sozietäten auseinander – mit beträchtlichen Schäden für alle Beteiligten. Bei der Zulieferindustrie gibt es wegen der Abhängigkeit vom Auftraggeber (z.B. der Automobilindustrie) eine Abhängigkeit, die ein existenzielles Interesse am Erhalt der Geschäftsbeziehung zur Folge hat. Auch hier ist das Interesse an einen konsensualen Konfliktschlichtung groß. Die Hoffnung auf Zeitersparnis als Auslöser für die Entscheidung, ein außergerichtliches Verfahren zu wählen, spielt für Unternehmen der Verarbeitenden Industrie häufiger eine Rolle.
B.
Grundqualifikation des Steuerberaters
Der Steuerberater bringt für eine mediatorische Tätigkeit, die er seinen Mandanten andienen will – insbesondere Unternehmensmandanten – günstige Voraussetzungen mit. Diese sind: Qualifikation Durch seine Ausbildung hat er Kenntnisse zu Abläufen in Wirtschaft und Gesellschaft erworben, die für eine realistische Einschätzung von Konfliktlagen günstig ist. Es erweist sich immer als günstig, wenn der Mediator in der Lage ist, Interessen und Bedürfnisse der Konfliktparteien erahnen zu können; denn dieses klar und verständlich zu formulieren fällt vielen Menschen schwer. Das gilt in besonderem Maße für Unternehmer und andere Führungskräfte. ■ Als „Zahlenmensch“ fällt es ihm leicht, Unternehmenseckdaten in ihrer „Konflikthaftigkeit“ einzuordnen.
24 Da kommen in Betracht: Ausschreibung der Restarbeiten, die der Dachdecker zu erbringen hatte, der Mehraufwand (weil ja schnell eine Lösung gefunden werden muss); ggf. Vertragsstrafen an andere Subunternehmer, die nicht im Zeitplan arbeiten können bis hin zur Vertragsstrafe, die an den Auftraggeber zu zahlen ist. Ganz entscheidend sind die Schäden, die durch nicht zielgerichtete (d.h. auftragsbezogene) Ressourcenbindung im Unternehmen selbst entstehen. 25 Das bedeutet Arbeitsgemeinschaft und ist zivilrechtlich nichts anderes als eine BGB-Gesellschaft
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater ■
Steuerberater verfügen aufgrund ihrer Ausbildung und Arbeit über große Erfahrung in der Theorie der Unternehmensführung ■ Der nichtjuristische Steuerberater denkt und handelt weniger positionsorientiert als ein Jurist, so dass ihm der Zugang zur interessenbasierten Lösung eines Konfliktes leichter fällt. Vom Berufs wegen muss er nicht Recht bekommen sondern „gute“ Lösungen finden helfen. ■ Steuerberater sind konflikterprobt durch die tägliche Arbeit ■ Steuerberater verfügen über hinreichende Erfahrungen zur Beurteilung von Chancen und Risiken gerichtlicher Verfahren Zugang zu den Mandanten-Menschen ■ Das Vertrauensverhältnis zwischen einem Steuerberater und seinem Mandanten ist ein besonderes: Es beruht nicht auf singulärer Beauftragung (wie beim Rechtsanwalt) sondern auf einem häufig jahrelangen Kontakt. So ist der Steuerberater auch zwischenmenschlich/persönlich eine Vertrauensperson. ■ Außerdem verfügt der Steuerberater über „intime“ Daten des Mandanten, indem er in der Regel mehr Wissen um die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten hat als dessen Lebenspartner. Auch zu solchen Faktoren wie Bonität etc. hat er oft eine wirklichkeitsnähere Einschätzung als der Mandant. ■ Durch die Zusammenarbeit mit Unternehmensmandanten besteht Vorwissen in Bezug auf die spezifische Unternehmenskultur, was wiederum die Einordnung eines Konfliktes erleichtert. Vernetzung Steuerberater sind gut vernetzt. Das bedeutet, dass sie für den Fall, dass sie an der Übernahme eines Mediationsauftrages gehindert sind, schnell und einfach einen Kollegen empfehlen können, der über eine vergleichbare Ausgangsqualifikation verfügt.
C.
Anwendungsgebiete für den Steuerberater
I.
mediative Kenntnisse für die (eigene) Steuerberatungspraxis
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C.
Bevor wir Einzelsachverhalte betrachten, für die Wissen über Konfliktmanagement typischerweise von besonderer Bedeutung ist, wollen wir auf die Situation des Steuerberaters als Unternehmer eingehen.
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters
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Als Arbeitgeber und Führungskraft
Typischerweise erledigt der Steuerberater seine Arbeit arbeitsteilig, dass bedeutet, dass er Personal beschäftigt. Das mögen angestellte Mitarbeiter sein oder aber auch freiberuflich tätige Kollegen. Der Steuerberater ist damit als Unternehmer Führungskraft und als Führungskraft gefordert, Konflikte im eigenen Unternehmen zu managen. Die größte Herausforderung als Führungskraft eines Unternehmens scheint die Kommunikation zu sein. Defizite in der Kommunikation führen unweigerlich zu Missstimmungen und in der Folge zu Konflikten. Gleiches gilt für die unternehmerischen Hauptaufgaben strategisch und taktisch zu führen. In einem Schaubild lässt sich das Erwartungsgefüge aus Sicht der Mitarbeiter wie folgt darstellen:
„Rang-Waage“ Führungskräfte
Verantwortung
Privilegien
Kommunikation - Information - Emotionale- und - Soziale Kompetenz
Macht
Orientierung - Visionen - Ziele
Wissen
Ressourcengestaltung - personaler Art - sächlicher Art
Geld
Bedürfnisse: Sicherheit, Entfaltung (Kreativität)
Typisch für uns Menschen und damit auch für den Unternehmer ist es, Konflikte zu vermeiden. Es ist völlig normal, dass Konflikte in der eigenen Organisation ein Gefühl von Bedrohung hervorrufen. Die Bedrohung ruft entweder eine Verunsicherung hervor oder folgt aus der Verunsicherung, der Führungsaufgabe nicht gewachsen zu sein. An der Tagesordnung ist es, dass Unternehmer den Machteingriff wählen, einen Konflikt also per Anweisung regeln. Die Folge ist, dass es normalerweise Gewinner und Verlierer gibt. Der Verlierer fühlt sich auch als Verlierer, verliert damit an Motivation und zieht in der Regel Arbeitskollegen mit in die Demotivation. Dies ist eine natürliche Reaktion des Systems auf ein solches Vorgehen der Führungskraft.
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater Wir erwähnten hier kurz Vor- und Nachteile von Konflikten, betrachten also stichwortartig, welchen Nutzen Konflikte haben und welche Nachteile sie mit sich bringen: Nutzen ■ können zur Aussprache führen; andere Sichtweisen werden deutlich ■ beide Seiten entdecken gemeinsam etwas Neues und Drittes = Innovationsaspekt ■ so kann Motivation zur Steigerung der Leistung führen ■ nach Bereinigung: bessere emotionale Bindung, einem gegenseitigen besseren Verständnis ■ Erfahrungen werden gesammelt (Zuhören lernen, Verstehen lernen, Verständnis aufbringen) – die können sehr intensiv sein (Unterschiede zwischen mir und dem anderen werden deutlich – die Eigenreflexion wird größer, umfassender, deutlicher) ■ Selbsteinschätzung wird realistischer Schaden ■ Beziehungen können dauerhaft gestört bzw. zerstört werden ■ spätere Konflikte können entstehen ■ kann hochgradig demotivierend sein ■ kann Leistungsfähigkeit „niedermachen“ Wenn man sich weiterhin vor Augen führt, dass Mitarbeiter im Wesentlichen zwei Bedürfnisse haben, die zufrieden gestellt werden müssen, nämlich das Bedürfnis nach Sicherheit und das Bedürfnis nach Entfaltung (Kreativität) wird die Bedeutung einer offensiven Herangehensweise in einer konflikthaften Situationen deutlich. Der zum Mediator ausgebildete Steuerberater kann diese Dimensionen einschätzen und verfügt über die grundlegenden Instrumentarien, ein sachgerechtes und offensives Konfliktmanagement in seinen eigenen Unternehmen einrichten und praktizieren zu können. Was nach unserer Erfahrung zu überwinden bleibt ist die oben bereits angesprochene Hemmung, Konflikte anzugehen, in denen eine Führungskraft persönlich involviert ist. Das Wissen um die Zusammenhänge erleichtert es jedoch, sich auch in diesen Situationen zum Handeln aufzuraffen.
2.
Als Partner in Sozietät
Von ganz besonderer wirtschaftlicher Bedeutung sind die Partnerschaftskonflikte in Sozietäten. Auch insoweit ist der als Mediator ausgebildete Steuerberater natürlich weit eher in der Lage, angemessen und zügig auf Konflikte regieren zu können als der nicht ausgebildete Steuerberater. Zu weiteren Einzelheiten verweisen wir auf die späteren Ausführungen im nächsten Abschnitt. Dort sind weitere Situationen angesprochen, die es natürlich auch im Unternehmen eines Steuerberaters gibt.
3.
5
26
In Konflikten mit Mandanten
Es ist völlig normal, dass auch im Verhältnis zu den Mandanten Konflikte entstehen. Konfliktparteien sind dann der Steuerberater, vielleicht auch noch ein Mitarbeiter des Büros auf der einen Seite sowie der Mandant auf der anderen Seite.
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters
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In dieser Situation die mediative Kompetenz nicht zu vergessen ist eine besondere Herausforderung. Das belegen jedenfalls die Erfahrungen die zeigen, dass eine abgeschlossene Mediationsausbildung keinesfalls die Gewähr bietet, dass der Mediator seine eigenen Konflikte mediativ löst. Wir beschreiben dieses Phänomen als eine empirische Tatsache. Da wir in diesem Buch die mediative Konfliktbearbeitung anpreisen, möchten wir nicht darauf verzichten, dem Steuerberater das notwendige Rüstzeug an die Hand zu geben, um sich selbst im Konflikt interessengerecht verhalten zu können. Wir gehen davon aus, dass der beobachtete Mangel an Zugang zur Mediation im eigenen Konflikt darauf zurückzuführen ist, dass der betroffene Mediator die Situation nicht hinreichend zu reflektieren in der Lage ist. Wenn eine persönliche Betroffenheit vorliegt, ist das psychologisch nachvollziehbar. ! Tipp Aus diesem Grund geben wir hier den Tipp, dass sich der in Mediation ausgebildete Steuerberater regelmäßig mit in gleicher Weise ausgebildeten Kollegen trifft und die eigene Situation reflektiert. Wir verweisen an verschiedenen Stellen darauf, dass es Sinn macht, wenn sich in Mediation ausgebildete Steuerberater mit anderen gleich ausgebildeten Kollegen vernetzen, weil sich in vielen Fällen, insbesondere bei der eigenen Klientel Tätigkeitsverbote ergeben. Die an dieser Stelle empfohlenen Zusammenschlüsse haben verschiedene Vorteile: ■ regelmäßige Kontakte fördern vertrauensvolle Beziehungen ■ die Offenheit in der Reflexion eigener Unzulänglichkeiten wirkt ebenfalls vertrauensbildend ■ gleichzeitig wächst mit dem sich entwickelnden Vertrauen die Sicherheit im Empfehlungsmanagement.
II. 29
Extern, d.h. bei Mandanten
Wir haben nachfolgend Lebenssachverhalte betrachtet, die das Berufsleben eines Steuerberaters typischerweise begleiten und einen mediatorisch ausgebildeten Steuerberater ansprechen, diese nicht unbetreut vorbeiziehen zu lassen. Natürlich sind die Lebenssachverhalte nicht vollständig; die Auswahl soll dazu anregen, den Blick für die Vielzahl an Interventionsmöglichkeiten bei den Mandanten eines Steuerberaters zu schärfen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Steuerberater, der seinen Mandanten in Konfliktlagen lösungsorientiert beistehen kann, eine deutlich größere Mandatsbindung erreicht. Wegen der Besonderheit des Beistandes in Konfliktsituationen wird der Steuerberater als um persönlichen Einsatz für den Mandanten bemüht erlebt. Genau darüber sprechen die Mandanten auch Dritten gegenüber, so dass das Empfehlungsmanagement, das auf traditionelle Art zu Mandatszuwächsen führt, in messbarer Weise gestärkt wird. Möchte der Steuerberater mit dem Mandanten auch in Konfliktlagen zusammen arbeiten, erfordert das natürlich einen anderen Kontakt zu ihm. Einige der beschriebenen Situationen bekommt der Steuerberater auch heute schon mit; andere Situationen wird er nur gewahr werden können, wenn der Mandant ihn einbindet. Das gilt es vorzubereiten, wenn sich der Steuerberater auch für diese Sachverhalte als qualifiziert anbieten möchte. Wir gehen auf diese Zugangsmöglichkeit in jedem Einzelfall gesondert ein. Wir differenzieren nachfolgend zwischen ■ Unternehmensmandanten und ■ Nichtunternehmen
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater Bei den Unternehmensmandanten haben wir wiederum differenziert nach Familienunternehmen und anderen. Das erscheint uns sinnvoll wegen der besonderen Situation von Familiengesellschaften im Hinblick auf Konfliktlagen. Weiterhin haben wir differenziert nach Konflikten innerhalb von Unternehmen und solchen, die extern angesiedelt sind.
1.
In Unternehmen
Wie bereits zuvor beim Unternehmen des Steuerberaters vor Augen geführt, sind die Konflikte, die sich innerhalb einer Organisation abspielen für den Außenstehenden nicht ohne weiteres erkennbar. Wird ein Unternehmen durch interne Konflikte gebeutelt sind sowohl die Unternehmensleitung als auch die Mitarbeiter ganz besonders darum bemüht, hiervon möglichst nichts nach außen dringen zu lassen. Nun ist der Steuerberater zwar externer, aber nicht unbedingt Außenstehender im vorstehenden Sinne. Einige der nachbetrachteten Situationen werden dem Steuerberater typischerweise mitgeteilt. Andere kann er bei entsprechender Aufmerksamkeit sofort erkennen, wenn er über persönliche Kontakte im Unternehmen verfügt und diese regelmäßig pflegt. Wieder andere sind für den Steuerberater identifizierbar aus den Unterlagen, die ihm das Unternehmen regelmäßig zuschickt. So kann er etwa aus den Informationen für die Lohnabrechnungen Rückschlüsse auf eine Fluktuation ziehen, was regelmäßig Konflikthintergründe hat. In Konfliktsituationen leidet häufig auch die Qualität der Unterlagen, die zur Erstellung der Buchhaltung an den Steuerberater geschickt werden. Schließlich kann die betriebswirtschaftliche Auswertung Hinweise auf Konflikte geben. Erforderlich ist allerdings jeweils, dass sich entweder der Steuerberater oder der zuständige Mitarbeiter mit dem Mandanten in der Weise befasst, dass er aus den zur Verfügung stehenden Informationen Konfliktlagen identifizieren möchte26.
a)
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freiberufliche Partnerschaften und andere Gesellschafterkonflikte
Konflikte unter Gesellschaftern sind regelmäßig besonders problematisch für die wirtschaftliche Situation sowohl des Unternehmens als auch der Gesellschafter. Besonders gravierend sind die Folgen bei Gesellschafterkonflikten in Personengesellschaften und in Kapitalgesellschaften, in denen die Gesellschafter gleichzeitig auch Geschäftsführer und damit im Unternehmen tätig sind. Bei Gesellschaften mit Fremdgeschäftsführung erfährt die Unternehmensleitung nicht unbedingt unmittelbar etwas über die Konfliktsituation. So kann es eine Zeit dauern, bis im Unternehmen Auswirkungen spürbar werden. Beschränken wir uns in der Betrachtung auf die jedem Steuerberater bekannte Situation einer Partnerschaft unter Freiberuflern. Täglich gehen Sozietäten auseinander, wobei die Rechtsanwälte hier besonders auffallen. Vielleicht sind die Rechtsanwälte deshalb besonders gefährdet, weil sie von Berufs wegen eine Konfliktkultur praktizieren, die nichts mit einer interessenbasierten Auseinandersetzung im Konflikt zu tun hat. Anwälte sind durchaus geschult, für Ihre Mandanten zu verhandeln. Betrifft es sie selbst, herrscht eine faszinierende Sprachlosigkeit vor. Nur so ist es möglich, dass greifbare Konfliktlagen über längere Zeit hinweg vom gesamten Betrieb wahrgenommen werden, eine Bearbeitung allerdings unterbleibt. Dadurch eskaliert der Konflikt immer weiter und führt letztlich dazu, dass es zur Trennung der Partnerschaft keine Alternative mehr gibt. In der Zwischenzeit hat sich das Klima in der Praxis deutlich verschlechtert, Mitarbeiter sind 26 Im Sinne von Ursachenanalyse danach sucht.
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters
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in die innere Kündigung gegangen, die guten Mitarbeiter, die woanders eine Stelle bekommen konnten, sind ausgeschieden. Die Betreuung der Mandanten verändert sich mit dem Ergebnis einer zunehmenden Unzufriedenheit der Kunden. Der Niedergang auf allen Ebenen bedeutet betriebswirtschaftlich: Die Umsätze sinken und die Kosten steigen. Die Auflösung der Sozietät stellt dann das Tüpfelchen auf dem i dar, weil diese für alle Beteiligten noch einmal mit zum Teil nicht unbeträchtlichen Investitionen verbunden ist. Der Steuerberater, der im regelmäßigen Kontakt mit einem oder mehreren Gesellschaftern einer Partnerschaft steht, erkennt – bei entsprechender Aufmerksamkeit – schnell die Konfliktlage. Wir nehmen einmal eine Partnerschaft an, in der die Konfliktkultur besagt, Konflikte nicht frühzeitig anzusprechen. ! Tipp Erkennt der Steuerberater, was los ist, steht für ihn die strategische Entscheidung an, ob er die Konfliktlage zur Bearbeitung bringen möchte. Diese Entscheidung wird von vielen Steuerberatern als nicht leicht erlebt, fürchten sie doch um das Mandat, wenn sie sich – so ihre Einschätzung – in intime Angelegenheiten der Partner einmischen. Angesichts der drohenden Schäden dürfte die strategische Ausrichtung des Steuerberaters im Ergebnis nur dahin gehen dürfen, die Beteiligten möglichst zügig dazu zu bringen, sich mit dem Konflikt zu beschäftigen. Entscheidend ist die taktische Vorgehensweise: Mit welchen Mitteln kann der Steuerberater entgegen der (verfestigten) Konfliktkultur eines Unternehmens die Protagonisten dazu bringen, sich einer Konfliktbearbeitung zu stellen? Wir können an dieser Stelle die im Einzelfall in Betracht kommenden Taktiken nicht aufführen; dazu sind diese zu stark einzelfallabhängig. Was sicherlich nicht geht, ist eine Empfehlung des Steuerberaters: „Jetzt müsst ihr mal eine Mediation machen“. Erfolgreicher ist es, sich „in guten Zeiten“ für diesen Fall das Mandat zu holen, die Situation ansprechen zu dürfen. Oder er kann mit einem nicht in den Konflikt einbezogenen Partner das Gespräch suchen, der die Taktik des Steuerberaters mit trägt. Gibt es einen Aufhänger in der betriebswirtschaftlichen Auswertung, kann der Steuerberater auch das Zahlenmaterial nutzen, um bei der Ursachenforschung auf die Konfliktlage anzusprechen. ! Tipp: Halten Sie eine Mediation für denkbar, setzen Sie sich nach der Strategieentscheidung mit dem Kollegen, den Sie ggf. als Mediator ins Gespräch bringen möchten, zusammen und reflektieren mit ihm die Taktik. Der Kollege wird in Anbetracht des greifbaren Geschäfts sicherlich bereit sein, Sie bei dieser wichtigen Vorarbeit zu unterstützen. Eines steht fest: Erreicht der Steuerberater, dass sich die Konfliktparteien zusammen setzen und zum Beispiel in einer Mediation einen guten Weg aus der Krise finden, hat er mehr für die Konfliktkultur in diesem Unternehmen getan als das jeder Organisationsentwickler bewirken kann. Schwelt ein Konflikt unter Gesellschaftern, die nicht im Unternehmen tätig sind, und ist das Unternehmen der Mandant, wird die Geschäftsführung auf Sie zukommen, sofern diese über ihre Qualifikation als Mediator informiert ist. In diesem Fall können Strategie und Taktik mit der Geschäftsführung unproblematisch festgelegt werden.
b) 33
Konflikte in Kooperationen
Kooperationen unterscheiden sich von Personengesellschaften dadurch, dass zeitlich begrenzte Verbindungen eingegangen werden, die häufig in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts organisiert sind. Sie dienen im engeren Sinne der Erreichung eines gemeinsamen Zwecks, etwa der Realisierung eines einzigen Projektes.
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater Von den zuvor geschilderten Sachverhalten unterscheidet sich die Kooperation dadurch, dass sie über eine kaum tragfähige Unternehmenskultur verfügt. Diese findet sich in den Partnerunternehmen. Konflikte in diesen Kooperationen werden von den Beteiligten in der Regel schnell als das realisiert, was sie sind und werden nicht verheimlicht. Die Kooperationspartner sind empfänglich für einen Hinweis darauf, dass es außerhalb der gerichtlichen Verfahren und der Verhandlung noch andere Schlichtungsverfahren gibt, die sie nutzen können.
c)
Konflikte in Leitungsgremien
Besteht die Leitung eines Unternehmens aus mehr als einer Person, also einem Team, sind Konflikte völlig normal. Konflikte sind so normal wie sie eben unter Menschen vorkommen. Typisch ist jedoch für den Umgang mit Konflikten in diesen Teams, dass Konflikte nicht als völlig normal unter Menschen angesehen werden. So entwickeln sich Missstimmungen schnell zu Konflikten die sich dann wiederum über längere Zeit „ausbauen“ können, bevor die Tendenz zur Eskalation nach außen hin deutlich wird. Warum ist das so? Auffällig ist, dass der beschriebene Zustand eher die Regel als die Ausnahme ist. Nach unseren Beobachtungen gibt es einen Zusammenhang mit der Führungs- beziehungsweise Leitungsverantwortung, die jedes Mitglied eines Führungsteams für seinen Bereich übernommen hat. Es gibt nur wenige Führungspersönlichkeiten, die in sich so gefestigt sind, dass sie sich von der an jeder Ecke zu lesenden Betrachtung, was zu einer guten Führung dazugehört, nicht irritieren lassen. Alle Regeln beachten zu wollen, die irgendwann irgendwo aufgestellt worden sind und die jede für sich durchaus überzeugend sind, ist unmöglich. Nur derjenige, der sich – wie bei der Kindererziehung – eingesteht, nicht perfekt sein zu können und es dann auch nicht mehr anstrebt, wird die eigenen Fehler mit der nötigen Gelassenheit hinnehmen. Dies ist aber, wie schon gesagt, die Ausnahme. Wer sich seiner eigenen Führungsqualität nicht sicher bzw. bereit ist, zu eventuell offenkundig werdenden Defiziten auch zu stehen, neigt in Konfliktlagen dazu, sich zu verstecken. Aus diesem Grund ist die offene Bearbeitung von Konflikten in Leitungsgremien solange schwierig, wie nicht die Einsicht Oberhand gewonnen hat, dass nur der offensive Umgang mit Konfliktlagen dem entspricht, was einer guten Führung entspricht. An anderer Stelle haben wir bereits dargelegt, wie schnell Konflikte im Leitungsteam (oder auch um eine einzelne Führungskraft herum) in das Unternehmen hinein strahlen dort schnell irritierend wirken. Die Irritation wird schließlich abgelöst durch Demotivation und innere Kündigung. Befindet sich das Unternehmen erst einmal auf einer solchen Talfahrt, ist es mit dem vorhandenen Personal ausgesprochen schwer, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.
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! Tipp Auch hier wieder die Reflexion, wie der Steuerberater als Mediator tätig werden kann: Da ist zunächst zu differenzieren, wie die Geschäftsführung eingebunden ist, ob sie ihrerseits z.B. dem Aufsichtsrat, einem Beirat oder anderem Gesellschaftergremium gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Existiert diese übergeordnete Hierarchiestufe, ist diese vorrangig zum Handeln berufen. Der Steuerberater tut gut daran, diese Instanz nicht zu ignorieren sondern ggf. über diese Bewegung in die Konfliktbearbeitung zu bringen. Gibt es dieses übergeordnete Organ nicht, kann der Steuerberater, sofern das Vertrauensverhältnis zu allen Mitgliedern des Leitungsteams entsprechend gut ist, sogar als Mediator tätig werden. Weil es aber eine Vorgeschichte gibt, ist es sinnvoll, die am Konflikt Beteiligten zu befragen, ob sie „ihren“ Steuerberater als allparteilich sehen. Ob der Steuerberater sich als Mediator vor dem 171
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters Hintergrund der steuerberatenden Tätigkeit ins Spiel bringen soll ist eine andere Frage, die dieser selbst für sich beantworten muss. In jedem Fall kann der Steuerberater es als seine Aufgabe betrachten, das Führungsteam darin zu unterstützen, in eine Konfliktbearbeitung zu gehen. Hat der Steuerberater diese strategische Frage für sich bejaht, geht es wieder um die Taktik. Es hat sich gezeigt, dass Leitungsteams mit ihrer Leitungsverantwortung als Team gut ansprechbar sind und zwar insbesondere vom Steuerberater. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die emotionale Befindlichkeit (die wir oben beschrieben haben) in diesem besonderen Fall über den Verstand in dem Sinne überwunden werden kann, als die widerstrebenden Gefühle ein Handeln letztlich nicht verhindern. Das beste Argument ist die Verantwortung für das Wohl der Unternehmensentwicklung, die bei Nichtbearbeitung des Konfliktes in Frage gestellt ist. Und das lässt sich mit guten Argumenten leicht darstellen.
5
d) 37
Konflikte zwischen Mitarbeitern
Diese sind ebenfalls an der Tagesordnung. In der Hierarchie einer Organisation ist es Sache der Führungskraft, sich um Konflikte in ihrem Zuständigkeitsbereich zu kümmern. Hierin unterscheiden sich diese Sachverhalte grundlegend von den zuvor betrachteten Konflikten auf Unternehmerebene beziehungsweise in Leitungsteams. So ist es sehr viel schwieriger herauszufinden, wer wirklich Konfliktpartei ist. Auch wenn zwei Personen in einem Team als im Konflikt befindlich ausgemacht werden, bedeutet das nicht, dass hier auch die Ursache für den Konflikt liegt. In sehr vielen Fällen stellt sich im Verlaufe der Konfliktbearbeitung heraus, dass die Führungskräfte mit diesem Konflikt und dessen Entstehung viel zu tun haben, also eigentlich mit in eine Konfliktbearbeitung/Mediation einbezogen werden müssten. Diesen Aspekt beleuchten wir im folgenden Abschnitt bei den Teamkonflikten näher. Üblicherweise hat der Steuerberater keinen unmittelbaren Zugang zu diesen Sachverhalten. Insofern kann es weniger darum gehen, dass sich der Steuerberater mit einzelnen Konfliktfällen beschäftigt. Im Rahmen seines Mandates, die Unternehmensleitung darin zu begleiten, dass diese das Unternehmen (in der Regel mit steuerlicher Ausrichtung) optimal führt, kann eine Strategie des Steuerberaters nur dahin gehen, ein Konfliktmanagement zu initiieren. ! Tipp: Der Vorteil, nicht in einer akuten Situation handeln zu müssen, liegt darin, dass sich der Steuerberater genau überlegen kann, wann und wie er mit der Geschäftsführung über den Themenkomplex sprechen will. Auch hier ist der Fassettenreichtum denkbarer Taktiken groß und kann hier im Einzelnen nicht dargestellt werden. Wir können von guten Erfahrungen berichten, das Gespräch zum Jahresabschluss als Anlass zu nehmen, sich über Ressourcenbindung durch Konflikte zu unterhalten. Derartige Gespräche sind unproblematisch möglich, enden allerdings auch in der Unverbindlichkeit, wenn nicht der Initiator die Gelegenheit beim Schopfe packt, sich das Mandat für weiteres Tun gleich mitgeben zu lassen. Dramaturgisch gut aufgebaute Verhandlungen dieser Art, die den Verlauf zu keinem Zeitpunkt dem Zufall überlassen, führen in der Regel zu befriedigenden Ergebnissen. Hilfreich ist es, wenn der Steuerberater einen konkreten Konflikt aus der Organisation benennen kann, der auch den übrigen Beteiligten klar ist. Ein ganz eigenes Thema ist es, ein Konfliktmanagementsystem in Unternehmen einzuführen. Diesen Aspekt können wir an dieser Stelle nicht vertiefen. Angemerkt sei allerdings noch, dass ein gut eingeführtes Konfliktmanagementsystems die Unternehmenskultur dergestalt verändert, dass Konflikte auf allen Ebenen der Unternehmenshierarchie frühzeitig angegangen werden und in schwierigen Fällen externer Rat eingeholt wird.
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater
e)
Konflikte zwischen Teams und Abteilungen
Die Besonderheit dieser Sachverhalte gegenüber den zuvor betrachteten liegt darin, dass sich (statt Einzelpersonen) Gruppen in einer Konfliktsituation befinden. Grundsätzlich können wir auf unsere Ausführungen zu Konflikten zwischen Mitarbeitern (§ 5, Rn. 37.) verweisen. Erfährt die zuständige Führungskraft frühzeitig von der sich entwickelnden Konfliktlage, kann sie durch Verhandlungen, in denen die Führungskraft aktiv zuhört, eine Konfliktbearbeitung bewirken. Das ist insbesondere dann möglich, wenn sich die Teams im Zuständigkeitsbereich einer Führungskraft befinden. Häufig stehen jedoch Teams oder Abteilungen in einem Konflikt, für die unterschiedliche Führungskräfte zuständig sind. Hinzu kommt, dass Team- bzw. Abteilungskonflikte ohne Beteiligung der Führungskräfte kaum vorkommen. Das bedeutet, dass die Führungskräfte selbst in den Konflikt eingebunden sind und das auch sehr genau spüren. In vielen Organisationen fehlt es allerdings an einer Transparenz von Bereichsgeschehen über die Abteilung hinaus – insbesondere die Hierarchie aufwärts. Der Grund liegt darin, dass zum einen Führungskräfte, die in Konflikte einbezogen sind, befürchten, als nicht qualifiziert von ihren Vorgesetzten angesehen zu werden; hinzu kommt allerdings auch die Haltung der übergeordneten Führungskräfte, die von der unteren Hierarchiestufe erwarten, dass sie Konflikte in ihrem Zuständigkeitsbereich regeln. Genau das ist aber nicht möglich. Als Beteiligter in einem Konflikt scheidet die Führungskraft als Schlichter dieses Konfliktes aus. Notwendig wäre eine Unternehmenskultur, die es Führungskräften gestattete, sich beispielsweise externe Unterstützung zur Konfliktbearbeitung holen zu dürfen. Ein Konfliktmanagement muss Regeln für diese Fälle enthalten, damit kein Systemfehler vorliegt. Die Interventionsmöglichkeiten des Steuerberaters entsprechen denen im vorhergehenden Abschnitt.
f)
5
Sonderfall Mobbing
Wegen der strafrechtlichen Dimension im Hintergrund und einer quasi verordneten Handlungsnotwendigkeit für das Management nimmt das Mobbing bei so gut wie allen Unternehmen eine Sonderstellung ein. Wir verzichten hier darauf, den Konflikt noch einmal zu analysieren und verweisen stattdessen auf unsere Ausführungen oben (§ 3 F, S. 98 ff ). Der Steuerberater wird auf Grund seiner berufstypischen Arbeit mit diesen Fällen vom Management nicht befasst werden. Gibt er sich jedoch als Fachmann für Konflikte zu erkennen und engagiert sich für das Unternehmen in diesem Bereich, sind die Chancen gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen groß, im Krisenfall gerufen zu werden. Nur selten wird der Steuerberater gehindert sein, mit seiner mediativen Kompetenz die Situation im Sinne unserer theoretischen Ausführungen oben klären zu helfen.
g)
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Kündigungskonflikte
Sind Konflikte mit Angestellten Mitarbeitern (aber auch freiberuflich Mitarbeitern) eskaliert, steht am Ende die Vertragskündigung. Kündigungskonflikte sind also grundsätzlich eskalierte Konflikte, in denen der Arbeitgeber bzw. Auftraggeber keinen anderen Weg mehr sieht als den der Vertragsbeendigung. Wünschenswert und von der Sache her sinnvoll ist es, wenn eine Konfliktbearbeitung früher ansetzt. Die Vertragsbeendigung als ein Punkt der Einigung unter den 173
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5
§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters Vertragsparteien (z.B. als Ergebnis einer Mediation) ist nicht unüblich, hat allerdings eine ganz andere Ergebnisqualität als die einseitig erklärte Kündigung. Wenn in dieser Situation also noch eine Mediation stattfinden soll, dann allein zu dem Zweck, einen Kündigungsschutzprozeß des Arbeitnehmers bzw. eine Klage des Auftragnehmers zu vermeiden. Vom Stand des Verfahrens her ist dem Steuerberater normalerweise der Zugang zu diesen Sachverhalten verschlossen, weil das Management bereits einen Rechtsanwalt eingeschaltet hat bzw. die Rechtsabteilung des Unternehmens tätig ist. Die Auseinandersetzungen bei Kündigungen (Kündigungskonflikte) binden typischerweise Ressourcen im Unternehmen, die für einen produktiven Einsatz nicht mehr zur Verfügung stehen. Hier ist die Kompetenz des Steuerberaters als begleitender Beobachter der wirtschaftlichen Entwicklung gefragt und sein Rat von der Unternehmensführung auch gewünscht.
5
! Tipp: Derartige Fälle bieten sich somit in besonderer Weise an, der Geschäftsführung die Einführung eines Konfliktmanagementsystems nahe zu legen.
h) 41
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Veränderungsprozesse in Unternehmen
Tagtäglich begegnen wir Strukturveränderungen unterschiedlicher Natur in Unternehmen: ■ Wechsel in der Geschäftsführung ■ personelle Veränderung in der Bereichs/Abteilungsleitung ■ Fusionen von Unternehmen ■ Zusammenlegung oder Teilung von Abteilungen ■ personelle Veränderungen jeglicher Art ■ Änderung der Organisationsstruktur ■ verordnete Änderung der Unternehmenskultur ■ räumliche Veränderungen Wir belassen es bei diesen Schlaglichtern. Dem Leser werden bei der Aufzählung vermutlich Bilder kommen von Änderungsprozessen der genannten Art, die durch die Presse gegangen sind. Politiker und Gewerkschafter laufen Sturm gegen die Fusion von Unternehmen. Bei Großunternehmen bleibt kein Vorstandswechsel unbemerkt und diese werden regelmäßig mit einer Hypothese belegt, was die Veränderung für das Unternehmen und die Mitarbeiter im Unternehmen bedeuten wird. Auch wenn die Zusammenlegung von Abteilungen oder die räumliche Veränderung nicht so öffentlichkeitswirksam stattfinden, haben sie doch für die betroffenen Menschen vergleichbare Bedeutung. Menschen haben ein grundlegendes Bedürfnis, und zwar das nach Sicherheit. Das Sicherheitsbedürfnis steht nach Maslow27 auf Stufe 2 und ist somit mit einer hohen Energie belegt, dieses auch zu befriedigen. Veränderungen wirken immer verunsichernd. Bei einem Umzug in ein neues Büro, auch wenn es neuer und schöner ist, tritt die Angst betroffener Menschen ebenso auf wie bei der Zuordnung zu einem anderen Team. Nicht umsonst kümmern sich Organisationsentwickler bei Fusionen darum, das Konfliktpotenzial zu minimieren. Auch wenn in dieser Art der betreuten Veränderungen viel gesprochen wird bleibt die Verunsicherung bestehen, die durch die Verände27 Maslow, Abraham H.: Motivation und Persönlichkeit
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5
C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater rung hervorgerufen wird. Unweigerlich kommt es damit zu Konflikten. Diese gilt es aufzufangen, indem sie nicht unbearbeitet bleiben. Für den steuerlichen Berater bedeutet das: In einige Veränderungssituationen ist der Steuerberater regelmäßig eingebunden; so, wenn die Geschäftsführung wechselt und Unternehmen fusioniert werden. Im Vordergrund stehen andere Leistungen des Steuerberaters wie die, an der Konzeption des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers mitzuwirken oder die steuerlichen Auswirkungen eines Zusammenschlusses zu ermitteln. Da in diesen „großen“ Veränderungssituationen regelmäßig Rechtsanwälte eingebunden sind, ist der Steuerberater als Generalist eher nicht gefragt (im Unterschied zu den anderen Beispielssituationen, die wir vorstehend betrachtet haben). ! Tipp Ungeachtet der zum Teil merkwürdigen Konkurrenzen unter den beteiligten Beratern nimmt es kein Auftraggeber gerade dem Steuerberater übel, wenn dieser – über den Tellerrand hinaus blickend – auf das in der Veränderung liegende Konfliktpotenzial hinweist; schließlich ist die wirtschaftliche Sicht auf Veränderungsprozesse das Metier des Steuerberaters. Der Tipp lautet also: einfach ansprechen! Trennungsprozesse mit einer gewissen Bedeutung treten nicht plötzlich auf sondern haben einen planerischen Vorlauf. Damit gilt das bereits oben ausgeführte: um sich als Betreuer eines Konfliktmanagements im Unternehmen anzubieten kann der Steuerberater eine andere Gelegenheit nutzen (wie beispielsweise die Abschlussbesprechung), um im Zusammenhang mit der Betrachtung der Ressourcenbindung durch Konflikte auch auf die Veränderungsprozesse einzugehen.
i)
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Unternehmensgründungen
Bei der Gründung eines Unternehmens bzw. Existenzgründungen sind Steuerberater immer eingebunden. Auch wenn ein Unternehmensberater die Gründung als solche betreut, legt dieser Wert darauf, dass frühzeitig ein Steuerberater hinzugezogen wird, der mit der erforderlichen Verlässlichkeit Bedingungen und strukturelle Anforderungen erläutert und berät, was für die Erfüllung der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten erforderlich ist. Bei der „Geburt“ eines Unternehmens beratend dabei zu sein, bedeutet, Einfluss nehmen zu können auf die Grundstrukturen des neuen Unternehmens. In dieser Situation werden entscheidende Weichen gestellt. Traditionell werden Organisationsstrukturen beraten; das rechtliche Umfeld wird beratend gestaltet und für eine Übergangszeit wird möglicherweise auch eine unternehmensberatende Begleitung verabredet. Das Thema Konflikte und Konfliktbearbeitung zählt nicht zu den traditionell als wichtig eingestuften Themen, die frühzeitig betrachtet werden. Häufig ist die Zeit auch derart knapp, dass aufschiebbar erscheinende Themen in die Zukunft verlagert werden. Die Situation, gleich bei der Unternehmensgründung auf die Bedeutung eines Konfliktmanagementsystems hinzuweisen, erscheint somit attraktiv, weil sich eine Vakanz zeigt. Denn es bietet sich die Gelegenheit, gleich von Beginn an daran beteiligt zu sein, dass die Weichen im Hinblick auf die Konfliktkultur richtig gestellt werden. Da der Steuerberater von Anfang an als Berater engagiert ist, bräuchte er die Gelegenheit einfach nur wahrzunehmen. Doch ganz so einfach ist das in der Praxis nicht. Werden die Existenzgründungen von Unternehmensberatern begleitet, wachen diese häufig eifersüchtig darauf, dass ihnen keiner ins Gehege kommt. In vielen Fällen sind es die Unternehmensberater, die den Steuerberater ins Geschäft bringen. Handelt der so ins Geschäft gebracht Steuerberater gegen die Interessen des Unternehmensberaters, ist die Empfehlungsschiene für die 175
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters Zukunft vermutlich beendet. Sinnvoll ist es deshalb, sich vorher mit dem Unternehmensberater abzustimmen. Häufig fehlt diesen die spezielle Kompetenz in Sachen Konfliktbearbeitung; auch haben sie – nach derzeitigem Stand – wenig Interesse daran, dieses Beratungsfeld für die Zukunft zu besetzen28. Insofern ist im Ergebnis festzuhalten, dass sich dem Steuerberater bei Existenzgründungen ein interessantes Betätigungsfeld in Sachen Konfliktbearbeitung auftut; auch in diesem Fall gilt es, taktisch richtig vorzugehen.
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Generell: Spezialisierung und Systematisierung des Konfliktmanagements durch StB?
Wir haben vorstehend Einzelsituationen in Unternehmen betrachtet. Um die denkbare Rolle des steuerlichen Beraters in die Entwicklung von Unternehmen einordnen zu können, zitieren wir an dieser Stelle noch einmal aus der PWC- Studie: „Ein weiterer Erklärungsansatz ergibt sich aus der (im Wesentlichen) über alle Branchen hinweg zutreffenden Beobachtung, dass mit zunehmender Unternehmensgröße auch die Einsatzhäufigkeit sämtlicher außergerichtlicher Verfahren steigt. Verknüpft man dieses Phänomen mit dem Ergebnis, dass mit der Größe des Unternehmens der Einfluss von Unternehmensjuristen und Rechtsabteilungen auf die Auswahl eines Konfliktbearbeitungsverfahrens zunimmt, liegt eine Hypothese nahe: Aufgrund der mit steigender Unternehmensgröße zunehmenden innerbetrieblichen Arbeitsteilung nimmt mit der Unternehmensgröße auch der Grad an Spezialisierung und Systematisierung in der Konfliktbearbeitung zu. Dies ermöglicht wiederum eine Differenzierung und Optimierung in der Nutzung des gesamten zur Verfügung stehenden Verfahrensspektrums.“29 Wir verstehen die aufgezeigte Tendenz so, dass die Einrichtung eines professionellen Konfliktmanagements im eigenen Hause das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses ist. Abhängig ist die Einrichtung ausschließlich von der Größe des Unternehmens und damit auch von der Finanzkraft. Nun leistet eine Rechtsabteilung in einem Unternehmen mehr als das, was der Steuerberater als Dienstleister in Sachen Konfliktmanagement leisten kann. Dennoch handelt es sich um einen wichtigen Baustein. Das vorstehende Zitat macht Mut, die Chance zu nutzen, im unteren bis mittleren Mittelstand diese Vakanz als Steuerberater mittelfristig zu besetzen.
k) 46
Management by Wirtschaftsmediation? 30
Im Gegensatz zu den bisher erörterten und in Ergänzung zum unter j. betrachteten Einsatzfeld kann Mediation auch als strategisches Instrument im Management eingesetzt werden. Unter dem Label „Management by Wirtschaftsmediation“ verbirgt sich also die Methode, mit der Führungskräfte ihre Leitungstätigkeit effektiver gestalten können. Nutzen können dieses Instrument natürlich die Führungskräfte selbst. Es wird aber auch diskutiert, dass sich das Management externer Mediatoren bedient, um Führungsverantwortung unter Hinzuziehung eines Dritten auszufüllen. Dass der Steuerberater auch in dieser Situation ein guter Partner des Unternehmers bzw. Unternehmens sein kann, liegt auf der Hand. 28 Das ist daraus zu schließen, dass sich kein Unternehmen mit dem Focus auf Einzelfallkonflikte profiliert. 29 Aao Seite 24 30 Ansätze dazu aus „Management by Wirtschaftsmediation“ 2006
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater Aus der Literatur seien einige Situationen stichwortartig aufgezählt, für die der Einsatz externer Mediatoren als Unterstützer im Management diskutiert werden: ■ Mediatoren als Begleiter für das Zwischenmenschliche ■ Verhinderung von innerer Kündigung ■ Meinungsverschiedenheiten beim Arbeitnehmerschutz sowie generell im Arbeits- und Sozialrecht ■ bei Gewährleistung und Schadenersatz ■ bei Betriebsansiedlung; zwischen Unternehmen und Anrainern ■ in Sanierungs- und Veränderungssituationen ■ bei Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretung ■ zur nachhaltigen Verbesserung der internen Kommunikation im Unternehmen. Diese stichwortartige Aufzählung soll dazu anregen, sich diesem Aspekt, der noch in den Kinderschuhen steckt, eingehender zu widmen. Erkennbar geht es nicht darum, das zuvor beschriebene Phasenmodell auf konkrete Situationen anzuwenden. Führungshandeln hat eben nicht primär Einzelkonflikte zwischen Personen und Gruppen/Teams im Blick; die Verantwortung geht darüber hinaus. Diese Art von mediativem Handeln erreicht auch Anonyma und Interessenvertreter wie Personalvertretungen etc. Somit geht es darum, die Wirkungsinhalte dessen, was Mediation ausmacht, in ein Unterstützen des Managementhandelns zu transferieren.31
2.
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Familienunternehmen
In Familienunternehmen treffen zwei unterschiedliche soziale Systeme aufeinander: die Familie und das Unternehmen. Beide Systeme funktionieren teilweise nach kontradiktorischen Spielregeln. Die Familie galt über Jahrhunderte hinweg als ökonomische Institution. Sie war für ihre Mitglieder Arbeits- und Wohnort zugleich, definierte klare Verhaltensmuster, übte soziale Kontrolle aus und erbrachte wichtige gesellschaftliche Leistungen. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Familie praktisch alleine zuständig für die Bereitstellung der Nahrung und des Wohnraums, die Erziehung, die Krankenpflege, die Fürsorge im Alter, den Vermögensaufbau und -erhalt sowie die Altersvorsorge. Im Laufe der Zeit wurden viele dieser Aufgaben zu großen Teilen an wirtschaftliche oder gesellschaftliche Institutionen delegiert. In der Folge entwickelten sich die Funktionen von Familie und Unternehmen immer stärker auseinander. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts können Familie und Unternehmen als zwei verschiedene soziale Systeme verstanden werden, in denen unterschiedliche Verhaltens- und Kommunikationsregeln gelten. Diese Regeln passen nicht immer zusammen und schließen sich häufig sogar aus. In Familien stehen die Personen, ihre Beziehungen, Emotionen, Bedürfnisse und langfristige Entwicklungsprozesse im Vordergrund. Bei der Unternehmung hingegen sind Aspekte wie die formale Funktionserfüllung, personenunabhängige Arbeitsabläufe sowie die Wirtschaftlichkeit entscheidend. Folgendes Schaubild gibt einen Überblick:
31 Mit diesem Thema beschäftigt sich die Initiative „FAIR-sprechen“ der Fachgruppe Wirtschaftsmediation im Bundesverband Mediation e.V.
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters Zentrale Unterschiede der zwei Sozialsysteme Familie und Unternehmen: Familie Beziehungen
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Unternehmung
kündbar, Funktionen vertraglich geregelt, abnicht kündbar, aufgrund biohängig von fachlicher Qualifikation und Arbeitslogischer Gegebenheiten und/ oder Liebe konstant, Funktionen leistung austauschbar, Loyalitäts- verpflichtungen
Währung
Liebe
Geld
Gerechtigkeit
Gleichbehandlung, abgestimmt auf Stärken und Schwächen der Einzelnen
vertraglich festgelegt, in der Regel Belohnung der Leistungsfähigsten
Überlebensbedingung
emotionaler Zusammenhalt
ökonomische Rentabilität
Entscheidungsfindung
nach dem Gerechtigkeitsprinzip aufgabenorientiert, Funktionalität ist ausschlagder Gleichbehandlung, Status als gebend Familienmitglied ist ausschlaggebend
Kommunikation
personenorientiert, informell, mündlich, teilweise unverbindlich
aufgabenorientiert, formaler Rahmen, schriftlich bzw. mündliche Abmachungen werden festgehalten
Familie
Unternehmung
In einem Familienunternehmen treffen also diese zwei unterschiedlichen Sozialsysteme mit all ihren Gegensätzen aufeinander. Die Gleichzeitigkeit familiärer und unternehmerischer Regeln sowie die personelle Identität von Familienmitgliedern und Mitarbeitenden macht eine Integration notwendig. Dies ist für alle Beteiligten sehr anspruchsvoll. Dadurch ist die Interaktion und Kommunikation in Familienunternehmen häufig konfliktanfälliger als in anderen Unternehmen. Die enge Koppelung und parallele Entwicklung von Familie und Unternehmen wirken auf die Familiendynamik, die dann wiederum Einfluss auf die Unternehmung nehmen kann: ■ Kinder in Unternehmerfamilien erleben die Unternehmung oft als Konkurrenz in Bezug auf elterliche Liebe und Aufmerksamkeit. Dies führt häufig zu einer ambivalenten Beziehung gegenüber der Unternehmung. Die Kinder distanzieren sich entweder, oder sie bemühen sich besonders um eine Tätigkeit innerhalb der Firma, um Anerkennung und Beachtung zu finden. ■ Eltern ihrerseits haben vielfach das Gefühl, ihren Kindern nicht genügend Zeit zu widmen und reagieren mit offenen oder verdeckten Schuldgefühlen. Als mögliche Folge „entschädigen“ die Eltern ihre Kinder materiell oder deklarieren ihr berufliches Engagement als Zeichen des Familiensinns, im Sinne von „Wir tun alles nur für die Kinder“. Dies bringt die Kinder wiederum in eine Zwickmühle und lässt sie zwischen Dankbarkeit und Vorwurfshaltung schwanken. Unternehmerpersönlichkeiten zeichnen sich gemäß verschiedener Studien häufig durch Streben nach Unabhängigkeit und Macht, Lust an Gestalten und Entscheiden sowie einen patriarchalischen Führungsstil aus. Sie erwarten von ihren Kindern einerseits Gefolgschaft und Unterord178
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater nung, andererseits sehen sie sich selber als Erfolgsmodell und wünschen sich Nachfolger, die ihrem Vorbild folgen. Dies bringt die Kinder in die sogenannte Doppelbindungssituation: Unterwerfen sie sich, übernehmen sie die schwache Position und verlieren Respekt. Entwickeln sie Unternehmerpersönlichkeit, sind Konflikte im bestehenden Machtgefüge vorprogrammiert. In Unternehmerfamilien steht der Wunsch und die Hoffnung, dass das Geschäft von der nächsten Generation weitergeführt wird, explizit oder implizit im Raum. Während ihrer gesamten Entwicklung haben die Kinder die sinnstiftende Funktion des Unternehmens für die Familie und ihre Eltern miterlebt. Mit ihrer Berufswahl geraten sie in die Rolle, über den Fortbestand der Familienunternehmung zu entscheiden. Dieses Dilemma kann zu einer Parentifizierung der Kinder führen, d.h., die Kinder fällen ihre eigenen Lebensentscheide aus Motiven der Eltern, in elterlicher Delegation. Dies muss nicht zwangsläufig geschehen, doch die Abgrenzung gegenüber solchen Erwartungen und Hoffnungen bedarf eines besonderen psychischen Aufwands aller Beteiligter. Familiäre Beziehungen mit ihren vielfältigen Verletzlichkeiten bieten somit ein erhebliches Konfliktpotenzial, das jederzeit auf die Unternehmung überschwappen kann. Dies ist der Hintergrund, vor dem die folgenden Sachverhalte (a) bis (c) zu sehen sind, die im Hinblick auf die Konfliktpotentiale eine besondere Herausforderung an alle Berater stellen. Dass die Familiengesellschaft als solche mit den im Unternehmen tätigen Familienmitgliedern sowie der vom Ertrag lebenden Familie ein Konfliktherd sein kann, ist ohne weiteres nachvollziehbar.
a)
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Schenkungen zu Lebzeiten/Erbauseinandersetzungen
Wir fassen beide Aspekte in einem Punkt zusammen, auch wenn sich die Zeitpunkte unterscheiden, in denen sich der Sachverhalt zuträgt; doch in der Einschätzung der Konfliktlagen ähneln sie sich. Nachlassregelungen von Familienunternehmen sind dadurch geprägt, dass das Unternehmen häufig den größten Nachlaßwert ausmacht. Ist der Erblasser bzw. Schenker im Unternehmen leitend tätig, kann man von der zuvor beschriebenen Tradition ausgehen, dass dem Unternehmer ein Nachfolger aus der Familie folgen soll. Die Familiendynamiken führen zu den unterschiedlichsten Situationen: es mag sein, dass sich alle Kinder darum reißen, im Unternehmen an führender Stelle tätig sein zu können oder es kann sein, dass sich aus der Familie kein Nachfolger findet. Egal wie die Situation im Einzelfall aussieht: das Gestaltungsdilemma ist an der Tagesordnung. Zum Sonderaspekt „Nachfolge in der Unternehmensführung“ verweisen wir auf die Ausführungen unter 4d (§ 5, Rn 76). So vielfältig wie die Ausgangssachverhalte, so vielfältig sind auch die Lösungsmöglichkeiten. Diese sind nicht Thema dieses Buches; hier geht es allein um den Aspekt Konflikte. Wie aus der Eingangsdarstellung ersichtlich existiert ein Spannungsverhältnis zwischen dem, was die Familie als Familie braucht und erwarten darf sowie dem Unternehmen. Besteht diese konfliktträchtige Spannung ohnehin permanent zwischen den Beteiligten, spitzt sich die Situation zu, wenn Nachlassregelungen anstehen. Dabei ist es unerheblich, ob der Nachlass noch zu Lebzeiten des Erblassers durch Schenkung erfolgt oder aber nach dessen Tod. Auf der einen Seite geht es darum, die Erbberechtigten „gerecht“ zu bedenken, was in der Regel bedeutet, dass die zugewandten Vermögensanteile in etwa gleichwertig sind. Zum anderen geht es darum, die Existenz des Unternehmens als wirtschaftliche Einheit zu erhalten. Die Vorstellungen, wie das möglich ist, gehen im Regelfall deutlich auseinander zwischen denjenigen, die weiterhin aktiv im Unter179
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters nehmen tätig sind und auch in der Zukunft tätig sein wollen und denen, die rein kapitalistische Interessen verfolgen. Nüchtern betrachtet dürfte es nicht schwer sein, die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten unter einen Hut zu bekommen. Problematisch ist diese Konfliktsituation (und darin unterscheidet sie sich von den meisten anderen hier bislang betrachteten Konflikten) dadurch, dass in der Auseinandersetzung erst einmal nur die Spitze des Eisbergs zu erkennen ist. Damit ist gemeint, dass das Thema Nachlassregelung Konflikterlebnisse der Beteiligten zum Hintergrund hat, die sich im Laufe der Leben aller ergeben haben. So mag ein Kind, das im Unternehmen künftig nicht an führender Stelle tätig sein wird, sich allein deshalb benachteiligt fühlen, weil dieses Gefühl der Benachteiligung schon immer dominant gewesen ist. Den Erblasser wiederum mag der Fall späteren „groben Undanks“ bewegen, d.h. die Frage, wie er sich seine Gestaltungsfreiheit erhalten kann. Es geht in dieser Situation also nicht allein um eine nüchterne Regelung von Vermögensverhältnissen; in dieser Situation finden auch Abrechnungen statt, die ihre Ursache im Familienleben haben. Zivilrechtlich besteht Einigkeit, dass die beste Lösung ein Erb- bzw. Schenkungsvertrag ist, den alle Beteiligten unterzeichnen (ist nach dem Tod des Erblassers zwar noch möglich und weiterhin sinnvoll, aber als Erbvertrag eben nicht mehr). Damit ein solcher Vertrag jedoch zu Stande kommen kann, bedarf es einer Konfliktbearbeitung. Diese kann in einer sog. Familienkonferenz32 stattfinden, die ohnehin erhebliche mediative Anteile hat oder auch in einer ganz normalen Mediation. Der Steuerberater des Familienunternehmens ist traditionell derjenige, der den ersten Zugriff auf die Gestaltungssituation hat; ja, in der Regel ist er es sogar, der die Nachlassgestaltung anregt. Dafür sprechen steuerliche und ökonomische Gesichtspunkte, die ohne weiteres einleuchtend sind. Typische Erfahrung von in dieser Weise initiativen Steuerberatern ist, dass gerade im unteren oder mittleren Mittelstand Unternehmer die Sinnhaftigkeit sofort einsehen, jedoch inaktiv bleiben. Neben der Scheu, sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen, kommt das Wissen um die Konfliktträchtigkeit hinzu. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Unternehmer, die der Einsicht in die Handlungsnotwendigkeit keine Taten folgen lassen, bereitwillig Hilfe annehmen. Wenn also der Steuerberater weiter insistiert und die vermuteten Gründe für die Inaktivität offen anspricht, dafür sogar noch eine Lösung in den Raum stellen kann, ist der Mandant keineswegs böse und zieht sich zurück. Der Steuerberater selbst scheidet in aller Regel als Mediator einer solchen Familienkonferenz aus; dafür ist die Nähe zu dem Unternehmer-Familienmitglied einfach zu groß. Für diese Situation einen Mediator empfehlen zu können, der von allen Beteiligten akzeptiert wird, wird gern angenommen. Allerdings spielt regelmäßig der Vorbehalt eine hinderliche Rolle, die für den Unternehmer darin liegt, dass er die Auseinandersetzung mit seiner Familie fürchtet. Diese Angst kann letztlich nur der ins Gespräch gebrachte unabhängige Mediator sowohl dem Unternehmer wie später auch den übrigen Beteiligten nehmen.
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b) 53
Unternehmensnachfolge
Unter diesem Stichwort geht es darum, dass in einer Familiengesellschaft die Elterngeneration (Vater oder Mutter) in der Unternehmensleitung durch einen oder mehrere Kinder abgelöst werden (sollen). Es ist also der Fall, in dem das Traditionsmodell der Unternehmensfortführung in der Familie klappen kann, weil ein Nachfolger existiert. Später betrachten wir die Situation von Unternehmensnachfolgen im Allgemeinen. Die dortigen Ausführungen gelten grundsätzlich auch für Nachfolgen in Familienunternehmen. Diese weisen allerdings zusätzliche Besonderheiten auf, die hier dargestellt werden sollen. 32 nach Thomas Gordon „Die Familienkonferenz“ 1970
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater Bei einem Unternehmensverkauf an einen fremden Dritten haben die Vertragsparteien in der Regel miteinander keine „Vorgeschichte“. Wie in den Eingangsausführungen zu diesem Kapitel dargelegt, ist die Familie, in deren Mittelpunkt ein Unternehmen steht, nicht nur durch diesen Dualismus geprägt sondern auch durch die damit zusammenhängenden Momente. Wenn wir uns das klassische Bild des Vaters und Unternehmers vor Augen führen, der als Macher das Unternehmen vorangebracht hat, hat es der Sohn, der ihm nachfolgen will, schwer. Typisch ist, dass der Vater auf der einen Seite den Sohn als eigenständig und souverän erleben möchte, auf der anderen Seite tut er alles dafür, dass diese Souveränität (zumindest in seinem Erleben) nicht eintritt. Dieses Bild, das auf wesentliche Zeiträume des 20. Jahrhunderts durchaus noch passte, muss zwar für das 21. Jahrhundert relativiert werden, weil traditionelle Gefolgschaften in Familien in Frage gestellt werden (dürfen); die hinter diesem Bild stehende Dynamik ist jedoch keineswegs verschwunden. Geändert hat sich sicherlich, dass die Patriarchen nicht mehr ganz so selbstherrlich mit ihren Nachfolgern „umspringen“, weil sie wissen, dass die Kinder auch einen anderen Weg einschlagen können. Bei der Unternehmensnachfolge in Familiengesellschaften ist also das ganz besondere Augenmerk auf die persönliche Beziehung zwischen dem abgebenden Senior und dem Nachfolger zu richten. Dieses gilt es auch zu bearbeiten, bevor irgendwelche Verträge unterzeichnet werden, weil aus der Aufarbeitung, die beispielsweise in einer Mediation geschehen kann, Verabredungen folgen, die für das Vertragswerk von Bedeutung sind. Ein weiterer Aspekt mit erheblichem Konfliktpotenzial darf nicht übersehen werden: es geht um die Nachlassregelung. Übernimmt, um beim vorherigen Beispiel zu bleiben, der Sohn die Leitung des Familienunternehmens vom Vater, ist diese Entscheidung des Sohnes in aller Regel eine Entscheidung für sein weiteres berufliches Leben. Unterstellen wir weiterhin, dass dieses Unternehmen zivilrechtlich im Alleineigentum des Vaters steht, lebt der Sohn mit dem Risiko, dass er beim Tod des Vaters Mutter und Geschwister auszahlen muss. Da die Abfindung der Erben in Geld zu erfolgen hat (sofern nicht ein Testament oder ein Erbvertrag etwas anderes regeln) kann das schlimmstenfalls die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens nach sich ziehen.
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! Tipp: Es geht somit um zwei sich ergänzende Sachverhalte, die jeweils ein hohes Konfliktpotenzial aufweisen und für eine tragfähige Nachfolgeplanung bearbeitet werden müssen. Was den Zugang des Steuerberaters als Mediator angeht können wir auf die Ausführungen zum vorhergehenden Sachverhalt verweisen. Der das Mandat betreuende Steuerberater dürfte als Mediator ausscheiden. Aufgrund seiner engen Beziehung zum Unternehmer sowie – inhaltlich – zu der Nachfolgeproblematik ist er diejenige Instanz, die das Thema anschneiden und so den Anstoß geben kann, dass eine Konfliktbearbeitung stattfindet.
c)
Trennung/Scheidung bei Unternehmerehepaaren
Sorge- und Umgangsrechtsregelungen sowie Vereinbarungen über die anderen Scheidungsfolgen können im Rahmen einer Mediation getroffen werden – das ist inzwischen allgemein bekannt. Dieses Angebot entstand aus der Kritik am juristischen Scheidungsverfahren seitens der Richter, Rechtsanwälte, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und – nicht zuletzt – der Geschiedenen selbst. Beim juristischen Verfahren wird zum einen die Aufgabe, Entscheidungen über die Scheidungsfolgen zu fällen, von den eigentlich verantwortlichen Ehepartnern an Rechtsanwälte und Richter delegiert. Zum anderen führt das juristische Verfahren oft zu antagonistischen 181
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters
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Verhaltensweisen der beiden Parteien. Außerdem beziehen Rechtsanwälte und Richter (letztere sind daran im Regelfall sogar von Gesetzes wegen gehindert) zu wenig die den jeweiligen Fall charakterisierenden, ganz spezifischen Faktoren in ihre Überlegungen ein. Schließlich ist die Legitimation der juristischen Entscheidung gefährdet, wenn eine oder beide Parteien mit ihr nicht einverstanden sind und sie verletzen oder Berufung einlegen. Bei Unternehmerehepaaren geht es oft um die wirtschaftliche Existenz der sich trennenden Eheleute. Das gilt jedenfalls dann, wenn kein Ehevertrag existiert, der insbesondere die Vermögensfolgen einer Trennung und Scheidung regelt. Bei vereinbarter Gütertrennung ist zumindest gewährleistet, dass das Unternehmen in seiner Existenz nicht durch Ausgleichszahlungen belastet werden muss. Ist auch noch die Unterhaltsfrage vertraglich so geregelt, dass die Finanzquelle, aus der auch künftig die wirtschaftliche Existenz der sich trennenden Eheleute bestritten werden muss33, nicht ruiniert wird, bedarf es unter dem Gesichtspunkt der Unternehmenssicherung keiner Konfliktschlichtung. In der Praxis kommen alle Varianten (Versorgungsausgleich – der ohnehin bei vertraglicher Regelung noch vom Familiengericht gebilligt werden muss – und Kinderaspekte einmal unbetrachtet) vor: ■ Unternehmerehen ganz ohne Ehevertrag ■ Unternehmerehen mit Ehevertrag, in dem der Zugewinnausgleich (z.B. durch Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennung) ausgeschlossen ist ■ Unternehmerehen, in denen Zugewinnausgleich ausgeschlossen sowie ein Unterhaltsverzicht vereinbart ist. Vorab ist zu den angesprochenen Sachverhalten Vermögensausgleich und Unterhalt festzuhalten, dass sich die Eheleute grundsätzlich frei einigen können, wie sie die Sachverhalte regeln möchten. Überlassen Sie die Regelung dem Gericht, entscheidet dieses nach dem Gesetz. Das bedeutet, dass bei im gesetzlichen Güterstand lebenden Eheleuten der Zugewinn in Euro ermittelt wird und dieser vom einen an den anderen Ehegatten in Geld auszuzahlen ist. Bei Unternehmensvermögen können diese Werte hoch ausfallen, weil bei einer Unternehmensbewertung stille Reserven einbezogen werden, die in Form von liquiden Mitteln nicht zur Verfügung stehen. Um stille Reserven realisieren zu können, müsste das Unternehmen verkauft oder das Vermögen muss beliehen werden. Da auf der anderen Seite das Unternehmen die Quelle ist, aus der der Familienhaushalt finanziert wurde und auch zukünftig finanziert werden muss, kann die richterliche Entscheidung den Bankrott aller zur Folge haben. Hinzu kommt noch, dass das Gericht auf Grund der aktuellen Einkommensverhältnisse sowie den Lebensverhältnissen während der Ehezeit einen Unterhaltsanspruch festsetzt, der in keiner Weise berücksichtigt, was mit der Leistungsfähigkeit des Zahlungsverpflichteten nach Durchführung des Zugewinnausgleichs passiert34. Eine gerichtliche Entscheidung muß somit in dieser ersten Alternative in den allermeisten Fällen unbedingt vermieden werden; sie liegt im Interesse keines der Beteiligten. Ist der Zugewinnausgleich geregelt und nur noch die Unterhaltsentscheidung offen, bleibt eine existenzielle Gefährdung dann möglich, wenn der Unternehmerehegatte Gewinneinkünfte bezieht und die Entnahmen aus Gründen, die im Liquiditätsbedarf des Unternehmens liegen, deutlich unter den Gewinnen verblieben sind. In diesen Fällen kann es passieren, dass der Entnahmebedarf durch die Verpflichtung zur Unterhaltszahlung derart steigt, dass das Unternehmen in die Krise gerät. 33 Denn der tätige Unternehmer bezieht seinen Lebensunterhalt ebenso daraus, wie Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Partner und Kinder gewährleistet sein müssen. 34 Denn anders als bei Angestellten Gehaltsbeziehern kann bei Gewinneinkünften die Zahlung eines Zugewinnausgleichs direkte Auswirkung auf die Höhe der Einkünfte haben.
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater Weiterhin sind Sachverhaltsgestaltungen denkbar, in denen der Ausschluss des Zugewinnausgleichs von einem der Partner als grob unbillig erlebt wird. Dies kommt in der Praxis vor, wenn in Familienunternehmen das von der Vorgeneration übernehmende Familienmitglied qua Tradition verpflichtet ist, den Zugewinnausgleich betreffend das Unternehmensvermögen durch einen Ehevertrag auszuschließen. Wenn nun der eingeheiratete Partner in entscheidender Weise dazu beigetragen hat, dass sich das Unternehmen während der Ehezeit gut entwickeln konnte, kommt es zu solchen „Schräglagen“. Wird dieser Umstand übergangen, hat dies Folgen für die Intensität anderer Auseinandersetzungen im Rahmen der Trennung bzw. Scheidung. Da solche Konflikte wertvolle Ressourcen des Unternehmers binden, die im Regelfall im Unternehmen gebraucht werden, lässt es auch in diesen Fällen angeraten sein, den Konflikt in einer Mediation aufzuarbeiten. In der dritten Alternative scheint soweit alles geklärt zu sein; eine Gefährdung des Unternehmensvermögens ist vor dem Hintergrund der trennungs- bzw. scheidungsnotwendigen Regelungen ausgeschlossen. Es bleibt jedoch der Aspekt der Ressourcenbindung durch den Konflikt. Der Unternehmer ist nun einmal Schlüsselperson im Unternehmen. Ist er durch den Trennungskonflikt gehindert, sich mit der erforderlichen Intensität auf seine Aufgaben als Unternehmer zu konzentrieren, sind ebenfalls unerwünschte Vermögensnachteile denkbar. Auch in diesen Fällen kann somit angeraten sein, den Trennungskonflikt in einer Mediation zu bearbeiten. Der Steuerberater als Vertrauensperson des Unternehmers ist in der Regel über alle rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie sie vorstehend erwähnt sind, informiert. Weiterhin sind ihm Persönlichkeit und andere bedeutsame Verhältnisse soweit bekannt, dass er einschätzen kann, ob und inwieweit eine Gefährdung des Unternehmens im Raum steht. Nun ist der Steuerberater sicherlich nicht der erste Ansprechpartner, wenn die Rechtsfragen bei einer Trennung bzw. Scheidung zu klären sind; den ersten Zugriff auf die Situation hat er somit eher selten. Zu irgendeinem Zeitpunkt wird er allerdings einbezogen, weil etwa für den Zugewinn die Gewinnermittlungen zurückliegender Jahre gebraucht werden oder für Unterhaltsfragen die zur Berechnung erforderlichen Unterlagen. Häufig kommen diese Anfragen vom Rechtsanwalt, den der Unternehmer beauftragt hat. Schätzt der Steuerberater die Sachlage so ein, dass eine konsensuale Regelung im Interesse des Unternehmens unbedingt angeraten ist, kann er problemlos den Rechtsanwalt ansprechen. Auch kann er ein Gespräch mit Rechtsanwalt und Mandant initiieren. Besteht ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant, wird er von letzterem frühzeitig informiert und als beratende Instanz angehört. Da der Steuerberater immer unter dem Gesichtspunkt des Unternehmenswohls argumentiert, wird der Mandant seine Argumente gern anhören, erlebt er sie doch als Unterstützung für seine Interessen. Als Mediator scheidet der Steuerberater mit großer Sicherheit aus; als Initiator einer mediativen Konfliktlösung kann er jedoch eine entscheidende Rolle einnehmen.
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Zwischen Unternehmen und zu Behörden
Es geht hier um die sog. B TO B35 Konflikte, also solche, die sich zwischen dem Unternehmen und seinen Geschäftspartnern abspielen, wobei zu den Geschäftspartnern auch unausweichliche Beziehungen wie die zum Finanzamt und anderen Behörden zählen. Es gibt Branchen wie beispielsweise Architekten, die ganz wesentlich auf eine konfliktarme Zusammenarbeit mit Behörden angewiesen sind. Ansonsten zählen dazu die Auftrageber oder Kunden eines Unternehmens sowie die Auftragnehmer oder Lieferanten. 35 Ausgeschrieben: Business to Business
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters
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Dieses Verhältnis bewegt sich auf der Ebene der Auftragnehmer im Verhältnis zum Unternehmen, ist aber projektbezogen auf eine Gleichstellungsebene gehoben worden. Diese Verhältnisse sind geprägt durch eine im Außenverhältnis bestehende gleichgewichtige Verantwortung/Haftung (z.B. gegenüber einem Hauptauftrageber) mit der sich daraus ergebenden Dynamik. Insoweit können wir auf die Ausführungen in § 5 Rn. 30 ff. verweisen.
b) 5
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Kooperationen (wie z.B. Arge)
Unternehmen und Kreditinstitut
Diese Beziehung ist rechtlich auch dem Unternehmer – Auftragnehmer – Verhältnis zuzuordnen (auch wenn Banken häufig von Unternehmern nicht wie Dienstleister erlebt werden). Die Geschäftsbeziehung zwischen Unternehmen und Bank hat gerade für den Mittelstand eine große Bedeutung. In vielen Fällen kann man sogar von einer Abhängigkeit des Unternehmens sprechen. Der Bedeutung entsprechend empfindlich ist dann häufig auch diese Geschäftsbeziehung, die sich mit deutlich konflikthafter Tendenz verändert, wenn sich herausstellt, dass sich das Unternehmen nicht wie prognostiziert entwickelt und eine Abhängigkeit des Unternehmens vom Geschäftspartner „Bank“ für die Bank erkennbar wird. Spätestens in der Krise bittet der Unternehmer seinen Steuerberater, ihn beim Besuch der Bank zu begleiten. Häufig ist die Aufgabe, die der Steuerberater – unausgesprochen – übernehmen soll, die, den Mitarbeiter der Bank von der Bonität des Unternehmens bzw. Unternehmers zu überzeugen. Im Grunde sitzt der Steuerberater in diesem Zeitpunkt bereits als Dritter in einem Konflikt der da lautet: „Ich brauche die Liquidität von der Bank“ (so der Unternehmer) und „dem können wir kein Geld mehr geben, wir sehen unsere Kredite gefährdet“ (so der Banker). Als Vertreter des Unternehmers ist der Steuerberater eindeutig Parteivertreter. Kraft seiner fachlichen Autorität erwartet der Mandant von ihm, dass er dem Banker klarmacht, dass der Finanzierungswunsch des Unternehmens das übliche Risiko für die Bank nicht übersteigt. Jeder Steuerberater kennt den Spruch des Mandanten: „es hat sich doch gar nichts verändert; bisher haben Sie mir den Kredit gewährt und jetzt drehen die mir den Hahn ab“. In der Tat spielen die handelnden Menschen in dieser Geschäftsbeziehung eine ganz entscheidende Rolle. Besteht zwischen dem zuständigen Mitarbeiter der Bank und dem Unternehmer ein vertrauensvolles Verhältnis, erhält der Unternehmer Kreditzusagen, die im anderen Fall undenkbar wären. Was ist Vertrauen? „Vertrauen ist die generalisierte Erwartung, dass der andere (Geschäftspartner) seine Freiheit, das unheimliche Potential seiner Handlungsmöglichkeiten, im Sinne der Persönlichkeit handhaben wird, die er als die seine dargestellt und sozial sichtbar gemacht hat36.“ Das bedeutet, dass der Bankmitarbeiter den Versprechungen des Unternehmers (weiterhin) glaubt. Zeichnet sich ein Defizit ab, soll der Steuerberater dieses ersetzen. Das Dilemma vieler Steuerberater in derartigen Situationen besteht darin, dass sie auf der einen Seite ihrem Mandanten helfen wollen, sie auf der anderen Seite aber dem Vertreter der Bank eine garantieartige Sicherheit geben sollen, dass sich die Zukunft so entwickelt, wie es der Mandant prognostiziert. Dies ist jedoch unmöglich.
36 Nilkas Luhmann
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater ! Tipp: Sieht der Steuerberater seine Aufgabe darin, den sich anbahnenden bzw. bereits bestehenden Konflikt zwischen seinem Mandanten und dem Mitarbeiter der Bank bearbeitend zu klären, ist diese Aufgabe erfüllbar. Eine Mediation mit allen Förmlichkeiten des Verfahrens wird es in dieser geschäftlichen Beziehung kaum geben, weil der Mitarbeiter der Bank dazu nicht bereit sein wird. Schätzt dieser das Engagement seines Hauses als problematisch ein, geht es im Regelfall darum, diesen Kunden los zu werden. Das „Geschäft“, einen Bankkunden loszuwerden, betreiben die Banken traditionell in der Weise, dass sie dem Kunden unmissverständlich nahe legen, einen anderen Finanzierer zu finden, wenn nicht sogar der Vertrag gekündigt wird; Kreditverlängerungen oder gar die Bewilligung neuer Kredite gibt es nicht. Angesichts eines solchen Handlungsschemas wird sich ein Bankmitarbeiter kaum auf eine Mediation einlassen. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass genau das unter der Regie des Steuerberaters geschieht, was in einer Mediation passiert. Engagiert sich der Steuerberater als mediatorischer Schlichter, wird er sowohl seinem Mandanten als auch dem Mitarbeiter der Bank helfen, die das jeweilige Handeln bestimmenden Interessen und Bedürfnisse für den jeweils anderen Teil transparent zu machen. Auf diesem Wege tritt vielleicht zutage, welcher Umstand es genau ist, der den Banker nicht mehr vertrauen lässt. Ist das bekannt, kann der Mandant die Chance nutzen, genau da anzusetzen, wo der Mitarbeiter der Bank eine vertrauensbildende Unterstützung braucht.
c)
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Kunden
Kunden sind für das Unternehmen die Auftraggeber, die „Geldbringer“, also diejenigen, von und mit denen das Unternehmen existiert. Dieser Beziehung kommt somit eine besondere Bedeutung zu. Mitarbeiterschulungen, die den Umgang mit Kunden verbessern sollen, sind anerkannt und an der Tagesordnung. Im Kern hat diese Schulungsintention zwei Zielrichtungen, die für die weitere Betrachtung interessant sind: ■ zum einen die Fähigkeit, das Produkt des Unternehmens richtig und angemessen an den Kunden zu bringen (Kommunikation) und ■ zum anderen, das Konfliktpotenzial, das in der Beziehung zum Kunden liegt, zu minimieren (Organisation). Interessant ist, dass in diesem Bereich ausschließlich Konfliktprophylaxe betrieben wird. Kommt es zu einem Konflikt mit dem Kunden, gibt es zwar auch Instanzen oder Verfahren, die damit umgehen sollen (wie beispielsweise Beschwerdemanagement oder Ombudsstellen); eine kriselnde Kundenbeziehung als einen Konflikt explizit zu betrachten und entsprechend zu behandeln ist bislang jedoch die Ausnahme. Angesichts der verbreiteten Erkenntnis, dass der Kunde eigentlich der „König“ für das Unternehmen ist, erscheint diese Beobachtung erstaunlich. Sie reizt geradezu danach, die Ursachen zu erforschen. Die Gründe dafür, dass Unternehmen alles dazu tun, mit ihren Kunden ein konfliktarmes Zusammenleben zu gewährleisten, im Konfliktfall jedoch nur eine „Konfliktverwaltung“ vorsehen, lässt nur den Schluss zu, dass man schlicht und einfach nicht weiß, wie man mit dem Kunden einen Konflikt im Sinne einer individuellen Schlichtung lösen soll – und zwar mit einem vertretbaren Zeitaufwand. Wählen wir hierzu ein praktisches Beispiel: > Beispiel Frau Maier kauft sich einen Mantel im Kaufhaus. Sie hat diesen Mantel im Geschäft anprobiert und entscheidet sich daraufhin zum Kauf. Zuhause führt sie das gute Stück ihrer Familie vor, die entsetzt reagiert. Am nächsten Tag bringt sie den Mantel zurück und erwartet, dass die Rückgabe unproblematisch funktioniert. 185
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters Zivilrechtlich müsste sich der Verkäufer darauf nicht einlassen, es sei denn, die Rücknahme bei Nichtgefallen ist im Vertrag vereinbart worden37. Viele Unternehmen gestatten im Rahmen ihrer Kundenpflege die Rückgabe, zahlen dann allerdings das Geld nicht aus, sondern geben einen Gutschein aus oder nehmen die Ware nur im Tausch gegen den Kauf anderer Ware zurück. In vielen Fällen handelt es sich um eine Goodwill Aktion des Unternehmens. Diese kommt zustande, weil sich das Unternehmen einen interessenbasierten Vergleich für diesen Fall einer Konfliktlage ausgedacht hat: das Unternehmen beharrt nicht auf seinem Recht sondern nimmt die Ware im Regelfall zurück, bindet den Kunden mit dem Umsatz allerdings durch Ausgabe eines Gutscheins. Eine Auseinandersetzung im Einzelfall ist nicht vorgesehen. Die mit den Kunden kommunizierenden Mitarbeiter verstecken sich hinter der Anweisung der Geschäftsführung und lassen nur diesen einen Weg der Vertragsrückabwicklung zu. Dass diese Lösung nicht unbedingt zu einer Beendigung des Konflikts führt38, liegt auf der Hand und hat gerade größere Kaufhäuser veranlasst, bei Rückgabe der Ware den Kaufpreis wieder auszuzahlen. Betrachten wir ein anderes Beispiel aus dem freiberuflichen Bereich, der nicht vom Massenkundengeschäft geprägt ist.
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> Beispiel Rechtsanwalt Dr. Schlau hat Frau Streng, von Beruf Lehrerin, umfänglich beraten. Nach Abschluss der Beratung schickt er ihr die Kostennote. Prompt ruft Frau Streng in der Kanzlei an und fragt, wie denn der Rechnungsbetrag zustande kommen könne; sie habe doch überhaupt nur dreimal den Herrn Dr. gesehen. Was passiert? Vielleicht lässt sich der Rechtsanwalt verleugnen und bittet die für das Inkasso zuständige Mitarbeiterin, sich mit der Dame abzugeben. Diese verweist dann auf die Gebührenordnung und erklärt, dass die Höhe des Honorars nicht im Belieben des Rechtsanwalts stünde. Die Mandantin ist in keiner Weise zufrieden gestellt und entschließt sich, erst einmal nicht zu zahlen. Nach der ersten Mahnung versucht sie erneut, mit dem Rechtsanwalt die Honorarrechnung zu klären. Da die Rechnung jetzt schon im Beitreibungsverfahren ist, spricht er erst recht nicht mehr mit der Mandantin. Die Mitarbeiterin, die die Rechnung angemahnt hat, reagiert schnippisch: „wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen gezahlt haben, geht die Klage raus“. Im Klageverfahren gibt es dann richtig Theater, weil die Mandantin Beratungsmängel einwendet. 65
Es geht an dieser Stelle nicht um die Ressourcenbindung, die mit dem Konflikt einhergeht. Es geht allein um den Konflikt zwischen Unternehmen und Kunde, der rein positionsorientiert in die Sackgasse führt. Erfahrene Unternehmer kennen dieses Problem und versuchen, dem über Konfliktprophylaxe dergestalt beizukommen, dass sie zum einen bei Auftragsannahme die Vergütungsfrage klären und im Regelfall auch eine Anzahlung bzw. Bezahlung nach Arbeitsfortschritt absprechen. Typisch ist jedoch, dass für den Fall dennoch eintretender Konflikte kein Konzept existiert. Einen dritten Aspekt beziehungsweise eine weitere Konstellation sprechen wir ergänzend kurz an: das ist der Fall der Gewährleistung. Dieser wird bis heute auf der Positionsebene eingeleitet, indem der Kunde auf seine Rechte verweist. Das Unternehmen antwortet darauf, indem es dem Anspruch des Kunden Recht gibt oder aber nicht. Kunden, die Mängel rügen, sind weitaus „schwierigere“ Menschen39 als die bisher betrachteten. Sie haben sich, bevor sie einen Mangel rügen, bereits intensiv mit diesem Mangel beschäftigt, sich darüber geärgert und schließlich aufgerafft, den dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Es gibt also selten einen Kunden, der seinen Gewährleistungsanspruch gelassen vorträgt. Wir haben so gut wie keinen Unternehmer beziehungsweise kein Unternehmen kennen gelernt, das dieser emotionalen Verfasstheit 37 Als Reaktion auf die Onlineanbieter setzt sich eine solche Zusage im Handel immer mehr durch. Grund ist damit eher die Konkurrenzsituation als eine Kundenorientierung. 38 Beendet ist der Konflikt dann, wenn beide Seiten zufrieden sind. 39 Im Sinne der Intensität des Konflikterlebens
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater eines Kunden im Gewährleistungsfall irgendwie Rechnung trägt. Wird der Kunde mit seinem vermeintlichen Rechtsanspruch nicht befriedigt, wird der Unternehmer diesen kaum mehr als Kunden sehen. Dass er darüber hinaus auch noch andere abhalten wird, mit dem Unternehmer Geschäfte zu machen, ist auch klar. Den Grund für dieses Vermeidungsverhalten haben wir an verschiedenen Stellen in diesem Buch bereits analysiert. Wir halten dazu ohne weitere Erklärung fest, dass allein die Vokabel „Konflikt“ Unbehagen auslöst und das viele Unternehmen der Ansicht sind, dass sie mit der Verwendung dieser Vokabel alles nur noch schlimmer machen. Auch fehlt die Idee, wie man sich in solchen Situationen „gut“ verhalten kann, ohne dass dem Kunden zu viel zugemutet wird.
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! Tipp: Was kann der Steuerberater da tun? Mit den Kundenkonflikten hat er in aller Regel weder unmittelbar noch mittelbar zu tun. Ein Gesprächspunkt ist der Sachverhalt jedoch immer wieder zwischen Steuerberater und Mandant, wenn nämlich über dem Forderungsbestand diskutiert wird. So ist der Steuerberater traditionell der Reflexionspartner des Unternehmers, um zu klären, was dieser tun kann, um den Forderungsbestand zu senken. Der Aspekt Umsatzentwicklung im Rahmen des Jahresabschlussgespräches führt u.ä. auf den Gesichtspunkt der Kundenzufriedenheit. In beiden Fällen ist es für den Steuerberater ein Leichtes, mit dem Unternehmer die Konfliktlandschaft zu betrachten. Dabei nimmt es kein Unternehmer dem Steuerberater übel, wenn er über die Gestaltung der Konfliktprophylaxe hinaus das zuvor betrachtete Ende der Kundenbetreuung ins Visier zieht, wenn nämlich ein Kunde trotz aller Vorsichtsmaßnahmen einen Konflikt mit dem Unternehmer erlebt. Der mediativ ausgebildete Steuerberater wird mit dem Unternehmer sachgerecht und kompetent nach Wegen suchen, wie derartige Konflikte geschlichtet werden können. So ist durchaus denkbar, dass der Steuerberater von dem Mandanten beauftragt wird, ein entsprechendes Gutachten zu erstellen und in der Umsetzung beratend und gestaltend tätig zu werden.
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Unternehmen mit Lieferanten
An dieser Stelle betrachten wir den umgekehrten Fall: der Unternehmer seinerseits ist Kunde. Die Situation ist aufgrund der vorbeschriebenen Sachverhalte (unter c) relativ klar. Auf den Gewährleistungsfall gehen wir noch einmal gesondert ein. Unternehmer verhalten sich ebenso wie zuvor unter c) ausgeführt wie andere Kunden, dass sie nämlich daran, einen Anspruch geltend machen zu können, interessiert sind. Liegt ein Mangel vor und ist somit die Gewährleistung offenkundig, ist das auch in Ordnung. In der Praxis kommen allerdings auch andere Gestaltungen vor. Da ist das Unternehmen, das mit einem Einkauf deshalb nicht zufrieden ist, weil die Vorstellungen andere waren. Energien werden daran gesetzt, diese Unzufriedenheit durch die Konstruktion eines Gewährleistungssachverhaltes dem Lieferanten anzuhängen. Diesem Unternehmer ist nicht klar, dass er sich mit seinem Ärger bereits in einem Konflikt befindet, von dem sein Vertragspartner nur noch nichts weiß. Unter dem Gesichtspunkt des Konflikts ist es legitim, dass er seine Unzufriedenheit dem Lieferanten mitteilt und ihn bittet, mit ihm gemeinsam eine Lösung zu finden. Dabei ist erkennbar der Ansatz nicht ein Rechtsanspruch sondern das Interesse, mit der Investition zufrieden sein zu können. Ein kundenorientierter Vertragspartner wird auf dieses Ansinnen eingehen40. Der Steuerberater erfährt auch von diesen Sachverhalten im Einzelnen nichts. Weder besteht für den Mandanten Anlass, ihn hinzuzuziehen noch eröffnet die regelmäßige Erörterung des Jah40 Jedenfalls dann, wenn es nicht um Massenware geht wie Büroartikel o.ä. Für den Lieferanten ist es in der Regel leichter, sich auf ein solches Schlichtungsgespräch einzulassen als es zu initiieren.
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters resabschlusses eine Betrachtung dieses Aspekts der Unternehmensführung. Im Einzelfall kann das anders sein, wenn eine Fehlinvestition mit erheblichen finanziellen Folgen eine Sonderabschreibung nach sich zieht oder aber eine Rückstellung erfordert. Ein Steuerberater, der mit seiner mediativen Kompetenz dem Mandanten nahe steht, wird allerdings sehr viel eher in derartigen Konfliktfällen angesprochen als ein Rechtsanwalt, der die im Beispielsfall beschriebene Positionsorientierung untermauern muss. Außerdem lässt sich die generelle Formel leicht kommunizieren, dass der Mandant in aller Regel keinen Nachteil hat, wenn er seine Unzufriedenheit in jedem Fall mit dem Vertragspartner kommuniziert und diesem damit Gelegenheit gibt, an einer Lösung mitzuarbeiten. Es kann sogar für den Unternehmer interessant sein, auf diesen Weg für sich Klarheit zu erlangen, wie wichtig er seinem Vertragspartner eigentlich ist.
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Die Vertragsbeziehungen eines Unternehmens zu Versicherungen sind insofern eigener Art, als sie sich in der Regel dann als konflikthaft zeigen, wenn ein Leistungsfall eingetreten ist. An einer Klärung der Sach- und Rechtslage kommen Unternehmer und Versicherung nicht herum, weil es Leistungen nur gibt, wenn ein Rechtsanspruch darauf besteht. Insoweit können wir dieses Vertragsverhältnis außen vor lassen. Es bleibt jedoch auch hier ein Bereich, der sehr wohl einer Schlichtung zugänglich ist. Häufig geht es um die Art und Weise, wie der Versicherungsnehmer den Nachweis für seine Anspruchsberechtigung zu erbringen hat. Aus diesem Grund und mit dem Ziel eines beidseitig akzeptierten Weges macht ein „Schlichtungsgespräch“ in jedem Fall Sinn. Auch diese Fälle werden dem Steuerberater typischerweise nicht zur Kenntnis gegeben mit dem Ansinnen auf Unterstützung. Unter dem Aspekt, mit den Ressourcen zielorientiert umzugehen, kann der Hinweis des steuerlichen Beraters dankbar aufgenommen werden, der Mandant möge die Einzelheiten seiner Darlegungs- und Beweispflicht vor Beginn der Dokumentationsarbeiten mit der Versicherung unmissverständlich klären. Dabei gilt es insbesondere auch, das Interesse des Unternehmers einzubringen, mit möglichst wenig zusätzlichem Aufwand einen Leistungsanspruch realisieren zu können; denn dieser Verwaltungsaufwand wird von den Versicherungen nicht erstattet.
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Versicherungen
Behörden
Wie Versicherungen sind auch Behörden an Recht und Gesetz gebunden. Gerade der Steuerberater weiß jedoch aus eigener Erfahrung, was das konkret bedeutet. So sind die sogenannten tatsächlichen Verständigungen mit der Finanzverwaltung heute an der Tagesordnung. Diese tatsächlichen Verständigungen sind reine Sachverhaltklärungen, auf die das Gesetz dann angewendet wird. Diese Klärungen erfolgen zielorientiert und vermitteln hin und wieder den Eindruck, als spielte das Recht dabei keine Rolle. Dem ist aber nicht so. Der Eindruck ist insofern an dieser Stelle wichtig festzuhalten, als er verdeutlicht, wie dieses miteinander kommunizieren selbst von den steuerlichen Beratern erlebt wird. Durch das miteinander Sprechen ersparen sich sowohl die Finanzverwaltung als auch der Steuerberater und sein Mandant im Einzelfall viel Arbeit und viel Zeit (und damit viel Geld – von den Nerven ganz abgesehen). Das Ergebnis ist transparent und für alle Beteiligten frühzeitig kalkulierbar. Genau das ist auch das Interesse, das der Mandant hat, wenn das Finanzamt zum Beispiel bei ihm eine 188
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater Betriebsprüfung durchführt oder die Steuerfahndung verborgene Sachverhalte aufzudecken versucht. Wer derartige Verhandlungen mit Behördenvertretern mitgemacht hat, weiß, dass nicht nur der Bürger diese Art der Zusammenarbeit schätzt sondern auch der Vertreter der Behörde. Wie schon zuvor bei dem Leistungsanspruch gegenüber einem Versicherer gibt es natürlich auch hier keinen Spielraum für eine interessengerechte Gestaltung im Hinblick auf die Rechtslage. Das gesamte Drumherum kann jedoch interessengerecht gestaltet werden. Berater mit mediativer Kompetenz gehen derartige Verhandlungen mit Behördenvertretern deutlich souveräner an als andere. ! Tipp: Wir haben die Erfahrung gemacht und hören es immer wieder, dass Initiativen für eine derartige Verständigung von Behördenvertretern begrüßt werden. In der Regel ist es nicht die Behörde, die insoweit aktiv wird; der Steuerberater, der sich in dieser Weise für den Mandanten mit einer Behörde in Verbindung setzt, wird dort in aller Regel mit offenen Armen empfangen. Nun findet in diesem Verhältnis kaum eine Mediation zwischen Mandant und Behördenvertreter statt; wohl aber ist Harward-Verhandeln möglich und sinnvoll.
4.
Andere Mandanten bzw. Sachverhalte
Steuerberater haben neben den genannten Mandantengruppen insbesondere auch Einzelpersonen, die sie beraten und steuerlich betreuen. Weiterhin gibt es spezielle Situationen, die an Steuerberater herangetragen werden mit der Bitte um Unterstützung bei der Klärung bzw. Realisierung von Vorhaben. Dieser Art gibt es eine Menge Gelegenheiten, von denen wir die nachfolgenden näher betrachten wollen.
a)
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Erbverträge/Nachlassregelungen
Wir erörtern unter diesem Stichwort Nachlassregelungen, bei denen sich im Vermögen kein Unternehmen befindet, das innerhalb der Familie zu übergeben ansteht. Die Situation ist also die, dass beispielsweise ein Erblasser oder auch das Ehepaar regeln möchten, was mit ihrem Vermögen nach dem Tod passiert. Dabei kann es darum gehen, mehrere Kinder zu bedenken; es können Außenstehende mitbedacht werden sollen. Gestaltungsbedarfe ergeben sich häufig dann, wenn ein Erblasser, der geschieden oder verwitwet ist, wieder neu geheiratet hat und aus beiden Beziehungen Erbberechtigte existieren. Die zur Gestaltung anstehenden Situationen sind vielfältig und häufig konfliktträchtig. Zum einen gibt es oftmals innere Konflikte des bzw. der Erblasser, die eine Regelung finden wollen, die für die Zukunft Bestand hat. Zum anderen geht es um Konfliktlagen, die im familiären Umfeld mehr oder weniger deutlich existieren und in der Situation, den Nachlass regeln zu wollen, klarer ins Blickfeld treten. Erblasser, die ihren Nachlass regeln, Wünschen sich Sicherheit in vielerlei Hinsicht. Eckpunkte sind ■ Beibehaltung der Testierfreiheit ■ Einverständnis in der Familie ■ Sicherheit, dass die Nachlassregelung über den Tod hinaus Bestand hat ■ Sicherheit, dass durch eine eventuelle Begrenzung in der freien Verfügung über das Vermögen die eigenen Lebensverhältnisse nicht nachteilig verändert werden ■ unter Umständen der weitestmögliche Ausschluss von pflichtteilsberechtigten Erben 189
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters 72
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In den meisten Fällen ist wegen des konfliktbeladenen Umfeldes eine Konfliktklärung unumgänglich, um dem Testierwilligen die notwendige Sicherheit zu geben, was er tun soll. So gibt es immer den Spagat, ob sich die Erblasser mit den Erben in einem Vertrag einigen sollen, was allerdings eine unwiderrufliche Verbindlichkeit für alle Beteiligten zur Folge hat oder ob sie einseitig testieren mit der Flexibilität, noch nicht gestaltete Sachverhalte für die Zukunft wieder verändern zu können. Ein Erbvertrag ist nur möglich, wenn das dafür notwendige Vertrauen insbesondere der Erblasser zu den übrigen Vertragsbeteiligten besteht. Eine Klärung dieser Grundsituation lässt sich im Grunde nur durch eine Mediation bzw. Familienkonferenz herbeiführen. Das im Vordergrund stehende Bedürfnis der Erblasser ist in allen Fällen die Sicherheit. Sicherheit wird dann erlebt, wenn Vertrauen existiert. In Konfliktlagen gibt es kein Vertrauen. Dieses ist aber über eine Konfliktbearbeitung herstellbar – und da hat sich die Mediation als geeignetes Verfahren heraus gestellt. Der Steuerberater ist neben dem Rechtsanwalt bzw. Notar derjenige, den die Menschen aufsuchen, die ihren Nachlass zu Lebzeiten regeln wollen. Auch wenn die Mandanten weniger mit dem Ansinnen kommen, der Steuerberater möge gestalterische Optionen aufzeigen sondern von ihm die steuerlichen Eckdaten aufgezeigt bekommen möchten, wird der Steuerberater, um eine optimale Gestaltung beraten zu können, den Sachverhalt und die Interessen der Erblasser genau recherchieren müssen. Zu den Möglichkeiten, mit einem Mandanten hierüber ins Gespräch und ins Geschäft kommen zu können, verweisen wir auf unsere Ausführungen bei Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen unter § 5 Rn. 51 ff.
b) 73
Schenkungen zu Lebzeiten
Die Schenkung unter Lebenden zählt zu den Nachlassregelungen, enthält allerdings keine Gesamtverfügung sondern eine Einzelverfügung. Erblasser tun sich sehr viel leichter, in dieser Weise über Vermögensteile zu verfügen als die Vermögensnachfolge insgesamt zu regeln. Das in der Praxis am häufigsten vorkommende Beispiel ist die Übertragung des Einfamilienhauses auf Abkömmlinge. Typische Konfliktlagen sind ■ die Schenker möchten bis zu ihrem Lebensende im Haus wohnen bleiben ■ der bzw. die Schenker behält sich das Nutzungsrecht (Nießbrauch oder Wohnrecht) für eine dritte Person vor ■ die Beschenkten leben mit im Haus und übernehmen Versorgungsverpflichtungen für die Eltern bzw. Schenker ■ neben den Beschenkten existieren weitere pflichtteilsberechtigte Erben Was Lösungs- und Gestaltungsansätze angeht verweisen wir auf den vorhergehenden Abschnitt. Gleiches gilt für den Zugang des Steuerberaters zu diesen Sachverhalten.
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater
c)
Erbauseinandersetzungen
Die unter diesem Stichwort betrachtete Situation unterscheidet sich von der Nachlassregelung unter Lebenden (siehe oben a) dadurch, dass der Erblasser verstorben ist und sich die Erben auseinandersetzen müssen. Da gibt es wiederum zwei grundsätzlich unterschiedliche Ausgangslagen: ■ der Erblasser hat ein Testament hinterlassen ■ der Erblasser hat nicht testiert Im ersten Fall geht es darum, dass die durch das Testament oder von Gesetzes wegen Berechtigten miteinander klären, wie sie den Nachlass zu den Bedingungen, die das Testament vorgibt, untereinander aufteilen. Im zweiten Fall geht es darum, dass die von Gesetzeswegen als Erben berufenen den Nachlass zu den gesetzlichen Bedingungen untereinander verteilen. Was den hier zu betrachtenden Aspekt Konfliktpotenzial angeht, unterscheiden sich beide Situationen nicht grundsätzlich. Der Kristallisationspunkt von Konflikten bei der Erbauseinandersetzung sind die „Familiengeschichten“. Ohne eine Aufarbeitung dieser alten Konflikte gibt es praktisch keine einvernehmliche Nachlassregelung. Sind die Erben (noch) an einer fortbestehenden familiären Beziehung interessiert, kommen Sie um eine mediative Konfliktschlichtung kaum herum. Nun ist der Kontakt des Steuerberaters zu diesen Sachverhalten eher zufällig. Bei größeren Vermögen kommt es durchaus vor, dass sich die Erbengemeinschaft von einem Steuerberater beraten lässt, wie sie den Nachlass steueroptimal verteilen können. Hauptansprechpartner ist in diesen Fällen der Rechtsanwalt oder auch ein Notar. Soweit ein Steuerberater zur Gestaltungsberatung hinzugezogen wird, ist er häufig weniger die Vertrauensperson sondern mehr der Experte. Wenn wir bislang die Möglichkeiten des Steuerberaters reflektiert haben, Mandanten zu einer Konfliktbearbeitung zu bewegen, haben wir immer die Vertrauenssituation zwischen Steuerberater und Mandant im Auge gehabt. Dieser Aufhänger scheidet bei derartigen Sachverhalten eher aus. Eine Handlungsmöglichkeit ergibt sich für den Steuerberater, indem er mit dem Rechtsanwalt, der in gleicher Sache tätig wird, diesen Aspekt reflektiert und eine Empfehlung ins Gespräch bringt, dem Mandanten eine Mediation zu empfehlen.
d)
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Unternehmenskauf/-verkauf 41
Dieses Thema beschäftigt Steuerberater zunehmend mehr. Nicht zuletzt deswegen, weil Unternehmensnachfolgen in der eigenen Klientel42 anstehen oder stattgefunden haben und die Mandanten dazu eine Beratung erwarten bzw. wünschen. So gibt es inzwischen sogar Qualifizierungsangebote, die Steuerberater in die Lage versetzen sollen, derartige Veränderungssituationen in Unternehmen gut begleiten zu können. Daran haben diese auch ein erhebliches Interesse; schließlich steht bei einem Unternehmerwechsel auch das Mandat auf dem Spiel. Die Bedeutung wird deutlich, wenn man sich folgende Zahlen vor Augen hält (die in den nächsten Jahren nicht abnehmen):
41 Familienunternehmen haben wir unter Ziff. 2 gesondert betrachtet; einige hier dargestellte Grundsätze gelten natürlich auch bei der Übergabe von Unternehmen in der Familie 42 Unter diesem Gesichtspunkt hätten wir dieses Thema auch früher erörtern können. Da es jedoch auch – wegen Neumandatierung durch den Käufer/Übernehmer um Nichtmandanten geht, die gut betreut werden sollen, haben wir uns für diesen Ort entschieden.
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters
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Die Schätzung der Unternehmensnachfolgen im Mittelstand43 für 2006 besagt: ■ 70.000 Unternehmensnachfolgen ■ Zwischen 680.000 und 850.000 Arbeitsplätzen sind davon betroffen. Folgende Statistik belegt die Umsetzung (Zahlen für 2005): 70.900 übergabereife Unternehmen (betroffene Arbeitsplätze: knapp 700.000); davon ■ An Familienmitglieder: 43,8% (31.000) ■ An Mitarbeiter: 10,2% (7.300) ■ In den Verkauf: 21,1% (15.000) ■ An externe Führungskräfte: 16,5% (11.700) ■ Stilllegung: 8,3% (5.900) Die Statistik zeigt, dass von den übergabereifen Unternehmen etliche Betriebe mangels Nachfolger aufgeben mussten; die Betriebsschließungen mangels Nachfolge werden – auf der Basis von 2005 – auf etwa 6000 jährlich geschätzt. Bei den Übergaben, die zustande kommen, ist der volkswirtschaftliche Schaden durch nicht erfolgreiche Unternehmensübergaben beträchtlich. Die anwaltliche Erfahrung bestätigt, dass es bei Unternehmernachfolgen regelmäßig zu Konflikten kommt, deren Auswirkungen bis zur Vernichtung der Existenzen reichen. Häufig beginnt der wirtschaftliche Niedergang mit Konflikten, die zwischen Abgeber und Übernehmer entstehen. Über Erfolg und Misserfolg von Übernahmen sagen die zitierten Statistiken nichts aus! Bei näherem Hinsehen, insbesondere der Analyse solcher Situationen, wird deutlich, dass Konfliktpotentiale einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen: Üblicherweise sprechen Anwälte Konfliktfelder verschiedener Art an und versuchen, sie in den Verträgen zu regeln. Als üblich haben sich entwickelt: ■ Due Diligence (rechtlich und wirtschaftlich) 44 als Basis; ■ Unternehmensbewertung als Grundlage zur Kaufpreisbestätigung und ggf. der Finanzierung; ■ Kaufvertrag, der von Anwälten (beider Seiten) entwickelt werden und in dem Garantien enthalten sind, die wertemäßig von Wirtschaftprüfern/Steuerberatern ermittelt werden. Verkäufer und Käufer sind nicht oder kaum in der Lage, sich selbst mit diesen Aspekten zu befassen. Sie delegieren an die beteiligten Berater und schöpfen aus dem Vertrauen zu diesen den Mut bzw. die Gewissheit, dass sie für einen „schmerzfreien“ Vollzug des Geschäftes bestens gerüstet sind. Dafür geben sie viel Geld aus, wobei der Aspekt des „return on investment“ erst einmal keine Rolle spielt. Es wird kritiklos viel Geld45 ausgegeben. Im Nachhinein betrachtet, besonders dann wenn Konflikte auftauchen, ist es immer wieder erstaunlich, mit welcher Blauäugigkeit die Beteiligten über die damals bereits greifbaren Konfliktfelder hinweggesehen haben. Dabei haben die Beteiligten ein großes Interesse daran, dass das Nachfolgegeschäft erfolgreich verläuft (dokumentiert durch die Bereitschaft, erhebliche – finanzielle – Mittel in dieses Geschäft zu investieren, indem die unterschiedlichsten Berater beauftragt und finanziert werden, die Geschäf43 U.a. zu finden beim Institut für Mittelstandsforschung Bonn http://www.ifm-bonn.org; 44 „Due diligence“ ist die „gebotene Sorgfalt“, mit der das zu kaufende Objekt im Hinblick auf das Zahlenwerk sowie sonstige offene und versteckte Risiken und die Chancen überprüft und untersucht wird. So wird in der Regel eine auf das Zahlenwerk orientierte due Diligence beauftragt und eine rechtliche, die alle vertraglichen – und sonstige rechtlichen – Risiken begutachtet. 45 Eine due diligence ist kaum unter T€ 50 zu bekommen (auch wegen des hohen Haftungsrisikos); für ein Unternehmensbewertungsgutachten sind Beträge in ähnlicher Größenordnung nicht unüblich; die übrigen Berater kosten – in Abhängigkeit von der Größe des Deals – deutlich mehr als beide Gutachten zusammen, so dass Ausgaben von mehreren 100.000 € keine Seltenheit sind.
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater te durch ausführliche Gutachten46 abgesichert werden etc.). Dennoch besteht wenig Neigung, sich persönlich unbequemen Themen (wie es Konfliktsituationen nun einmal sind) zuzuwenden, um den Erfolg des Geschäftes nicht zu gefährden. Letzteres hängt vermutlich damit zusammen, dass die Veränderungssituation häufig euphorische Gefühle auslöst. Der Blick in die Zukunft scheint ungetrübt, und das macht Freude, motiviert und gibt Kraft. Die Situation der Unternehmensnachfolge unter fremden Dritten ist also für sich nicht konflikthaft. Interessant ist dieser Gestaltungsbereich deswegen, weil die Erfahrung zeigt, dass diese hochinvestiven Geschäftsvorfälle in der Durchführung dadurch gefährdet sind, dass zu einem späteren Zeitpunkt Konflikte auftreten, die dann nicht angemessen bearbeitet werden (können). Der uns interessierende Aspekt ist somit der, ob und inwieweit Konfliktprophylaxe möglich ist und speziell vom Steuerberater gut an den Kunden gebracht werden kann. Die Entstehung von und der Umgang mit Konflikten, die den größten Schaden anrichten, sind mit Ursache und Wirkung im Vertragswerk nicht beschrieben. Es geht z.B. um die Enttäuschung unausgesprochener Erwartungen.
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> Dazu ein Beispiel: Ein im Unternehmen tätiger Geschäftsführer verkauft das Unternehmen an einen Nachfolger. Wegen der Überleitung der Kunden auf den Nachfolger wird vereinbart, dass Verkäufer und Käufer noch einige Zeit gemeinsam im Unternehmen tätig sind. Am ersten Arbeitstag will der Käufer das „ Chefzimmer „ mit seinen Möbeln einrichten. Er ist gerade beim Umräumen, als der Verkäufer und Senior im Büro erscheint und konsterniert vor dem Geschehen steht. Es kommt zu einem heftigen Wortwechsel der eine für beide Seiten unbefriedigende Lösung nach sich zieht, weil einer weicht und der andere siegt (die Win-Loose-Lösung). Waren die Partner bis dahin besten Willens und voller Vertrauen, ist durch diese kleine Episode das Vertrauen auf beiden Seiten massiv gestört. So kommt eins zum anderen und weil der sich entwickelnde Konflikt nicht bearbeitet wird, kommt es zu Machtkämpfen, die unweigerlich das gemeinsame Projekt einer guten Übergabe gefährden, wenn nicht verhindern. Dieser Art Konflikte gibt es eine Menge und sie sind angesichts der Persönlichkeiten und der Verhältnisse zu einem gewissen Grad absehbar. An diese Erkenntnis knüpft ein Beratungsprodukt47 an, das folgende Ziele verfolgt: ■ die Parteien – jede für sich – werden darin unterstützt, für sich zu klären, was sie mit dem Geschäft erreichen wollen, welche Bedürfnisse damit befriedigt werden sollen48 ■ die Vertragsparteien akzeptieren, dass Konflikte normal sind und auch in einer Vertragsabwicklung, die gut vorbereitet ist, Konflikte auftreten werden; ■ sie haben sich mit einem Blick in die Zukunft beschäftigt und an Hand personinfizierter hypothetischer Situationen realisiert, dass sie selbst solche Konflikte erleben werden ■ sie lernen, miteinander mediativ eine Lösung zu finden. Mit diesem Beratungsprodukt wird nicht nur erreicht, dass der Unternehmensverkauf bzw. die Unternehmensübergabe unter realistischeren Rahmenbedingungen eingegangen wird; die Parteien wissen, dass sie miteinander Konflikte lösen können und aufkommende Konflikte nicht zu einem Vertrauensverlust führen müssen. Weiterhin besteht ein großes Maß an Wahrscheinlichkeit, dass 46 Üblicherweise eine wirtschaftliche und eine rechtliche due diligence sowie Unternehmensbewertungsgutachten 47 2 mal 5 gleich 1 – Leitung übergeben, Führung übernehmen von Dr. Detlev Berning und Dr. Andreas Novak, beschrieben im gleichnamigen Buchbeitrag „Frischer Wind für Mediation“ 2007; auch www.2mal5gleich1.de 48 Diese Klärung ist bedeutsam für eine interessengerechte Formulierung der Verträge und somit eine entscheidende Information für Anwälte und Notar, die ihrerseits im Regelfall jedoch auf diesem Feld nicht „forschen“.
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§ 5 Einsatzgebiete für Mediation im Praxisalltag des Steuerberaters sich die Konfliktkultur im Unternehmen dergestalt verändert, dass Konflikte akzeptiert sind und bearbeitet werden dürfen bzw. sollen. Steuerberater haben auf zweierlei Wegen Zugang zu diesen Sachverhalten: zum einen als vertrauter Berater des Verkäufers bzw. Abgebers oder aber als Berater des Käufers oder Übernehmers. Dass diese spezielle Veränderungssituation in einem Unternehmen am Steuerberater vorbei geht, ist praktisch ausgeschlossen. Auch wenn dem Auftraggeber am Expertenwissen des Steuerberaters gelegen ist, das vielleicht sogar im eigentlichen Zentrum des Interesses steht; als Prozessberater49 ist er in jedem Fall auch willkommen. Und in der Rolle des Prozessberaters ergibt sich die Chance für den Steuerberater, dass er das Thema einer Konfliktprophylaxe dem Mandanten nahe bringen kann. Wie die Konfliktprophylaxe im Einzelnen aussehen kann, ist ein weites Feld und soll hier nicht weiter betrachtet werden. Wir verweisen hierzu auf Angebote am Markt.50
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Investitionen in Vermögensanlagen
Als Experte für Möglichkeiten der Steuerentlastung wird der Steuerberater immer wieder von Mandanten um Beratung nachgesucht, wenn es um Vermögensanlagen geht. Die leidvolle Erfahrung der Steuerberater besteht darin, dass Mandanten diesen Rat erst nachsuchen, wenn sich die Investition als problematisch herausstellt. Es gibt hin und wieder auch Vermögensanlagen, die nach vorheriger Konsultation des Steuerberaters getätigt wurden und dann die Erwartungen nicht erfüllen; auch gibt es Vermögensanlagen, die als „Steuersparmodelle“ von Steuerberatern selbst angeboten werden. In all diesen Fällen kann es sein, dass sich der Steuerberater in einem Konflikt mit seinem Mandanten wieder findet. Diese Sachverhalte haben wir an anderer Stelle (S. 164) erörtert. Gegenstand der Betrachtung an dieser Stelle ist ausschließlich der Sachverhalt, dass ein Mandant investiert hat und sich die Erwartungen nicht erfüllt haben. Der Steuerberater ist über diese Verhältnisse frühzeitig informiert, wenn er die Einkommensteuererklärung des Mandanten erstellt und die Investition auch deswegen getätigt wurde, weil sich durch eine Verlustzuweisung steuerliche Vorteile ergeben sollen. Konfliktlagen entstehen, wenn sich die Erwartungen des Mandanten in die Rendite der Anlage nicht erfüllen. Konfliktpartner ist in aller Regel die Person, die dem Mandanten die Vermögensanlage verkauft bzw. die Institution, die den Anlageprospekt herausgegeben hat. Die Handlungsalternativen sind primär juristischer Natur, weil zu klären ist, ob strafrechtlich relevantes Handeln vorliegt, eine Rückabwicklung des Vertrages in Betracht kommt etc. Eine Konfliktschlichtung wird in aller Regel scheitern, weil ■ als Konfliktpartner in Person nur der Verkäufer in Betracht kommt und dieser vielfach durch Freizeichnungsklauseln für den Misserfolg nicht verantwortlich ist, sich jedenfalls in dieser Rolle sieht und in der Regel nicht bereit ist, an einer Konfliktbearbeitung teilzunehmen; ■ die Institution, die für die Vermögensanlage selbst und deren Verwaltung verantwortlich ist, ist in Person nicht greifbar, so dass eine Mediation ausscheidet; 49 Es geht um das unterschiedliche Beraterverständnis: Prozessberatung – Expertenberatung: Expertenberatung ist strategische Beratung; dazu zählt auch das steuerrechtliche Gutachten. Prozessberater erarbeiten mit ihren Klienten zusammen Wege, strategische Ziele (die der Klient vorgegeben hat oder die mit ihm erarbeitet wurde) umzusetzen. Eine wichtige Bedingung für die Umsetzung ist, dass die Betroffenen zu Beteiligten gemacht werden. 50 Siehe z.B. FN 36
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C. Anwendungsgebiete für den Steuerberater ■
eine Regelung für die Zukunft uninteressant ist, weil der Mandant mit diesem Anlageverkäufer und dessen Umfeld zukünftig keine Geschäfte mehr wird machen wollen. Warum haben wir diesen Punkt dennoch aufgeführt? In erster Linie deshalb, weil solche Fälle das Alltagsleben eines Steuerberaters erheblich belasten können. Da kommen Änderungsbescheide vom Betriebsfinanzamt, das für die Vermögensanlage zuständig ist und verändert das Beteiligungsergebnis. In der Folge ändert sich die Einkommensteuerveranlagung und es kommt regelmäßig zu Zahlungsverpflichtungen des Mandanten. Dieser ist erbost und äußert seinen Unmut beim Steuerberater. Andere Investitionen (typisches Beispiel die Investition in Immobilien in den neuen Bundesländern) belasten das Budget des Mandanten derart, dass dieser absehbar zahlungsunfähig wird. Es geht uns also hier um den belasteten Mandanten, der vor lauter Sorgen oder auch Ärger nicht mehr weiß, was er tun soll. Die Wut über das Missgeschick führt ihn in die Handlungsunfähigkeit. Der in Mediation ausgebildete Steuerberater kann diesem Mandanten mit seiner Kompetenz aus der Sackgasse helfen. Eine Mediation selbst scheidet aus, weil – wie wir zuvor festgestellt haben – ein Konfliktpartner nicht greifbar ist. Er ist in der Lage, dem Mandanten so zuzuhören, dass sich dieser beruhigt und wieder einen klaren Kopf bekommt. Kann der Mandant wieder klar denken, geht ist darum, mit ihm eine Strategie für das weitere Vorgehen festzulegen. Es geht um solche Fragen wie ■ Einschaltung eines Rechtsanwaltes mit dem Ziel, eine Strafanzeige zu fertigen ■ Einschaltung eines Rechtsanwaltes mit dem Ziel, zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen ■ Ausstieg aus der Anlage durch Kündigung ■ Ausstieg aus der Anlage durch Verkauf ■ zusätzliche Investition, um das Anlageobjekt marktgängig zu machen Die genannten Strategien sind nur einige wenige von vielen und sollen aufzeigen, was es als erstes festzulegen gilt. Anschließend geht es darum, wie das Ziel erreicht werden kann (Taktik). Da ist der Steuerberater dem Mandanten insofern ein guter Partner, als er nicht in neue Aufträge für sich investiert sondern in den Erhalt des Mandates, wenn er mit dem Mandanten klärt, welche Ressourcen zur Zielerreichung erforderlich sind. So kostet beispielsweise die Beauftragung eines Rechtsanwaltes weiteres Geld, das dann nicht sinnvoll investiert ist, wenn absehbar ist, dass vom Anspruchsgegner ohnehin nichts mehr zu holen ist. Der Steuerberater verhilft somit dem Mandanten, zu erkennen, welches Handeln unter Einschluss aller Konsequenzen wirklich in seinem Interesse liegt. Im Ergebnis wird der Mandant dann eine Entscheidung fällen, für die er die alleinige Verantwortung trägt. Der Steuerberater hat mit seiner mediativen Kompetenz zugehört, dem Mandanten geholfen, seine Interessen zu erkennen und an der einen oder anderen Stelle sein Expertenwissen eingebracht.
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§ 6 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator und Berufsrecht A.
1
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A.
Das Berufsrecht für Steuerberaterinnen und Steuerberater kennt zwei Arten von beruflichen Tätigkeiten, nämlich die sog. Vorbehaltsaufgaben i.S.d. § 33 StBerG und die vereinbaren Tätigkeiten i.S.d. § 57 Abs. 3 StBerG. Wenn man die Vorbehaltsaufgaben zusammenfassend so definiert, dass hiermit jegliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Steuern und Rechnungswesen gemeint sind (wobei beim zweiten schon verschiedene Tätigkeiten als vereinbar anzusehen sind), stellen die vereinbaren Tätigkeiten eine Vielzahl möglicher Betätigungen der Berufsträger dar, die hinsichtlich ihrer Zulässigkeit zu überprüfen sind. Bei aller Kritik, die man der Reglementierung durch das Steuerberatungsgesetz entgegenbringen kann, müssen die Angehörigen des Berufsstands doch zur Kenntnis nehmen, dass ohne diese Reglementierung, die die meisten Staaten der EU nicht kennen, das Ansehen des Berufsstands und der Schutz gegenüber unqualifizierter und unlauterer Konkurrenz nicht möglich wäre. Da in anderen Staaten kein qualifizierter Nachweis für spezifische Berufskenntnisse gefordert wird, um Steuerberatungstätigkeiten ausführen zu können, sind dort diese Berufsgruppen auch in der Lage, gewerbliche Tätigkeiten auszuüben, die die Integrität und Qualität der Berufsträger beeinträchtigen können. So sind diese Berufsträger oft weder zur Verschwiegenheit noch zum Nachweis einer entsprechenden Haftpflichtversicherung verpflichtet. So ist es in verschiedenen Staaten durchaus denkbar, dass Berufsangehörige steuerberatender Berufe ihre Kenntnisse, die sie aus der Steuerberatung bei Mandanten gewinnen, gewerblich ausnutzen dürfen.
I. 2
Das Berufsrecht der Steuerberater zur Wirtschaftsmediation
Zulässige Tätigkeit des Steuerberaters als Wirtschaftsmediator
Wie in diesem Buch ausführlich dargestellt, ist die Tätigkeit eines Mediators insbesondere nach dem „Harvard-Konzept“ nicht darauf gerichtet, den Konflikt in Form eines Urteilsspruchs oder einer Lösungsentscheidung zu lösen, sondern er ist verpflichtet, allparteilich gegenüber den Konfliktpartnern diese im Rahmen des dargestellten Konfliktlösungswegs zu einer von den Parteien gefundenen Einigung zu führen. Es ist nicht seine Aufgabe, rechtliche Lösungsaspekte zu vermitteln oder rechtlich bindende Vereinbarungen zu entwerfen. Dies müssen die Parteien selbst tun und sich ggf. rechtlicher Beratung von Dritten bedienen.
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A. Das Berufsrecht der Steuerberater zur Wirtschaftsmediation
1.
Wirtschaftsmediation als vereinbare Tätigkeit gem. § 57 Abs. 3 StBerG
Die berufsbildbezogenen Tätigkeiten der Angehörigen der steuerberatenden Berufe werden im Wesentlichen in § 33 StBerG dargestellt. Die darüber hinaus zulässigen Tätigkeiten nach § 57 Abs. 3 StBerG sind dort nur zum Teil, auf keinen Fall abschließend benannt. Allein die Abgrenzung zwischen Vorbehaltsaufgaben und vereinbaren Tätigkeiten fällt insbesondere bei Tätigkeiten im Rahmen von Rechnungslegungen nicht immer leicht. So ist z.B. die Erstellung einer Handelsbilanz, weil sie aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips des § 5 Abs. 1 EStG Grundlage der Besteuerung ist, zu den Vorbehaltsaufgaben zu zählen. Eine freiwillige Prüfung der Buchführung und des Jahresabschlusses oder eine Plausibilitätsprüfung durch die Steuerberaterin/den Steuerberater ist in der Regel nicht für die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage erforderlich, so dass sie zu den vereinbaren Tätigkeiten zu zählen ist. So kann die Beratung im Zusammenhang mit Kostenrechnungen oder Controlling in der Regel nur den vereinbaren Tätigkeiten zugerechnet werden, während sie für die Rechnungslegung durchaus von Bedeutung ist, die üblicherweise den Vorbehaltsaufgaben zuzurechnen ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass mit dem Beruf jede Tätigkeit vereinbar ist, die nicht gewerblich, also gem. § 57 Abs. 4 StBerG nicht erlaubt, ist oder nicht in einem Anstellungsverhältnis in einem gewerblichen Betrieb (Ausnahme § 58 S. 2 Nr. 5 u. 5 a StBerG) ausgeübt wird und dem Ansehen des Berufs nicht schadet. Unzweifelhaft ist die Tätigkeit als Wirtschaftsmediator mit dem Beruf einer Steuerberaterin/eines Steuerberaters vereinbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass in der Wirtschaftsmediation im Wesentlichen Konflikte, die wirtschaftliche Interessen der Parteien betreffen, zur Lösung anstehen und dies ein Hauptbetätigungsfeld für Berufsangehörige ist. Die Berufsgrundsätze des § 57 Abs. 1 StBerG sind im Wesentlichen solche, die auch ein Wirtschaftsmediator erfüllen muss. Weiterhin sind viele vereinbare Tätigkeiten i.S.d. § 57 Abs. 3 StBerG wie unternehmens- und wirtschaftsberatende Tätigkeiten, Treuhandtätigkeiten, Anlageberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, Finanzierungsberatung, Fördermittelberatung, Insolvenzberatung, Nachlassverwaltung und Testamentsvollstreckung Tätigkeiten, die wirtschaftliche Interessen von Auftraggebern beratend oder vertretend von den Berufsangehörigen zulässigerweise erfüllt werden können. So wurde durch das 8. Steuerberatungsänderungsgesetz mit Wirkung ab 1.7.2008 § 57 Abs. 4 Nr. 1 dahingehend geändert, dass Steuerberaterinnen/Steuerberater eine gewerbliche Tätigkeit ausüben können, soweit die zuständige Steuerberaterkammer Ausnahmen zulässt. Diese Ausnahmen werden erteilt, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von Berufspflichten nicht zu erwarten ist. In der Gesetzesbegründung ist z.B. die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter, soweit sie Geschäftsführungstätigkeiten betreffen und damit im berufsrechtlichen Sinne eine gewerbliche Tätigkeit darstellen, zulässig. Auch Geschäftsführertätigkeiten von Unternehmen, die nur das eigene Familienvermögen der Berufsangehörigen verwalten, sollen ebenfalls zulässig sein. In § 39 der Berufsordnung der Steuerberaterkammer (BOStB) werden weitere Tätigkeiten, die mit dem Beruf eines Steuerberaters insbesondere vereinbar sind, aufgeführt. Zwar ist auch hier der Mediator noch nicht erwähnt, allerdings ist die Aufzählung nicht abschließend, so dass sowohl durch die Gesetzesänderungen des Steuerberatungsgesetzes als auch durch die Ausführung in der BOStB Wirtschaftsmediation zulässigerweise eine vereinbare Tätigkeit für Steuerberaterinnen und Steuerberater ist.
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§ 6 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator und Berufsrecht
2. 4
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Beachtung des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG)
So war bereits in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in verschiedenen Bereichen, insbesondere bei Familienkonflikten, Mediation bekannt. Die ausgebildeten Mediatoren waren von ihrer beruflichen Vorbildung her entweder Juristen oder Psychologen. Unstreitig wurde z.B. bei Ehescheidungen die Mediation durch Psychologen durch die Gerichte anerkannt, weil eine Scheidung immer durch ein Familiengericht entschieden werden muss. Die im Vorfeld tätigen Mediatoren haben letztlich nur dazu beigetragen, dass die Urteilsfindung für die Gerichte vereinfacht wurde, weil sich die Parteien bereits im Vorfeld geeinigt hatten. In anderen Konfliktbereichen wurden vielfach Juristen als Mediatoren tätig. Soweit Nicht-Juristen die Mediatorentätigkeit ausübten und dies durch Gerichte zu beurteilen war, erging eine sehr unterschiedliche Rechtsprechung. So hat das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 29.2.2000 – 312 O 323/99 – entschieden: „Mediatoren besorgen im allgemeinen fremde Rechtsangelegenheiten und bedürfen daher einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz.“ Auch das OLG Rostock hat mit Urteil vom 20.6.2001 – 2 U 58/00 – entschieden: „Leistet ein Mediator bei der außergerichtlichen Streitbeilegung Hilfe, indem er u.a. bei der Abfassung der schriftlichen Mediationsvereinbarung mitwirkt, besorgt er fremde Rechtsangelegenheiten i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 Rechtsberatungsgesetz (RBerG). ... Der Mediator kann sich nicht auf Art. 1 § 2 RBerG berufen, da sich seine Tätigkeit wesentlich von derjenigen eines Schiedsrichters unterscheidet.“ Anders hat das Landgericht Rostock in seinem Urteil vom 11.8.2000 – 5 O 67/001 – entschieden: „1. Ob Wirtschaftsmediation durch eine nicht zur Rechtsberatung befugten Person einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz darstellt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. 2. Ein solcher Verstoß ist zu verneinen, wenn die mediative Leistung nicht im Bereich des Rechtlichen liegt. Die Darlegungslast hierfür trägt derjenige, der mediativ tätig werden will. 3. Aus Art. 1 § 2 RBerG (Schiedsrichtertätigkeit) lässt sich keine generelle Erlaubnis zur Wirtschaftsmediation herleiten. 4. Aus der Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 5 RBerG lässt sich die Zulässigkeit einer im Bereich des Rechtlichen liegenden Mediation nur herleiten, wenn der Rechtsbesorgung eine untergeordnete Rolle in der Gesamttätigkeit des Mediators zukommt und sie insofern als ein notwendiges Hilfsgeschäft des Mediators anzusehen ist.“ Im letztgenannten Urteil wird ausgeführt, dass es entscheidend ist, welchen Auftrag die Konfliktparteien dem Mediator erteilen, ob den Medianten an einer Mediation im „rechtlichen Rahmen“ oder allein an der spezifischen, mediativ geweckten Stärkung ihrer Parteiautonomie und einer Konfliktlösung gelegen ist. Des Weiteren soll es darauf ankommen, wie die mediativen Leistungen des Mediators, insbesondere seine Mediationstechnik und deren Inhalte, bestimmt sind. So ist ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz dann nicht zu erwarten und gegeben, wenn ein Mediator aufgrund seiner psychosozialen Spezialkenntnisse interdisziplinär mit einem Anwaltsmediator oder anderen berechtigten Personen nach dem Rechtsberatungsgesetz rechtlich gelagerte Mediationsfälle gemeinsam bearbeitet oder die Medianten während der Mediation jeweils begleitend durch Parteianwälte zu den anstehenden Rechtsfragen beraten sind und der Mediator sich auf seinen nicht rechtlichen Spezialbereich in der Mediation beschränkt.
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StbG 2001, Nr. 8, S. 374
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A. Das Berufsrecht der Steuerberater zur Wirtschaftsmediation Diese Rechtsprechung ist bei der Übernahme von Mediationsaufträgen durch die Steuerberaterin/den Steuerberater zu beachten. Die Mediation ist nicht dafür geeignet, rechtliche Konflikte zu lösen, wenn die Konfliktparteien nicht durch Rechtsanwälte beraten werden. Letztlich sind in jedem Konflikt auch rechtliche Aspekte zu beachten, so dass Rechtsberatung, sei es durch einen Juristen für den Mediator oder für die Konfliktparteien, erforderlich wird. Auch die Abfassung der Mediationsvereinbarung sollte, wenn sie nicht durch die Konfliktparteien selbst vollzogen wird, durch beigezogene Rechtsberater erfolgen, damit zum einen keine Rechtsfehler in der Vereinbarung formuliert werden und zum anderen die Vereinbarung verbindlich ist.
a)
Das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)
Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, vom 12.12.2007 vom Bundestag beschlossen2, wurde das Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen – Rechtsdienstleistungsgesetz – neu gefasst. In Art. I § 2 wird der Begriff der Rechtsdienstleistung definiert. Die Rechtsberatung für viele Berufsgruppen wurde in diesem Gesetz erheblich gelockert und der Entwicklung in der Realität angepasst. So wird in § 2 Abs. 3 definiert, was keine Rechtsdienstleistung ist. Nach § 2 Abs. 3 RDG gilt folgendes: Rechtsdienstleistung ist nicht: „... Mediation und jede vergleichbare Form der alternativen Streitbeilegung, sofern die Tätigkeit nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift, ...“ Der Gesetzgeber hat also der Realität entsprechend für die Mediation verbindlich festgelegt, dass sie vom Grundsatz her keine Rechtsdienstleistung ist, es sei denn, es werden rechtliche Regelungsvorschläge im Rahmen der Mediationsgespräche oder der Mediationsvereinbarung durch den Mediator eingebracht. Dies bedeutet, dass der Steuerberater als Wirtschaftsmediator – soweit er die Mediation nach dem in diesem Buch dargestellten Mediationsmuster durchführt, indem er durch Empathie und Wertschätzung allparteilich Vertrauen schafft und durch eine konstruktive Kommunikation den Prozess durch die fünf Phasen der Mediation strukturiert – keine Rechtsberatung betreibt und damit kein Verstoß gegen das RDG vorliegt. Im anderen Fall kann auch aus Haftungsgründen nur empfohlen werden, Rechtsberater beizuziehen.
b)
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Die Steuerberaterin/Der Steuerberater als Parteiberater/in
Im Zusammenhang mit dem RDG soll darauf hingewiesen werden, dass Steuerberaterinnen/ Steuerberater auch als Berater der Konfliktparteien auftreten können. Inwieweit hier ein Verstoß gegen das RDG vorliegen kann, ist im Einzelfall zu prüfen. Berufsangehörige werden nur dann als Berater eingeschaltet, wenn es sich um einen Konfliktstoff handelt, bei dem steuerliche oder wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen, und den Parteien entsprechende Beratung wichtig erscheint. Eine Rechtsberatung durch Berufsangehörige ist zulässig, soweit es sich um Sachverhalte handelt, die entweder zu den Vorbehaltsaufgaben i.S.d. § 33 StBerG oder zu den vereinbaren Tätigkeiten gem. § 57 Abs. 3 StBerG zählen. So können z.B. Beratungen im Zusammenhang mit einer Erbauseinandersetzung, die erbschaftsteuerliche, gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftliche Aspekte beinhalten, durch Steuerberater erörtert werden, weil diese Tätigkeiten zulässig sind und damit nicht das RDG berühren. 2
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BGBl. 2007 I, Nr. 63, 17.12.2007
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§ 6 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator und Berufsrecht Es stellt sich aber die Frage, ob bei der Abfassung einer verbindlichen Vereinbarung zum Schluss des Mediationsverfahrens der Steuerberater rechtsberatend die Partei vertreten kann. Nach den Ausführungen in § 5 Abs. 1 RDG ist die Rechtsdienstleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört, erlaubt. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Hier ist für die Berufsangehörigen Vorsicht geboten, weil nicht jede Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Berufsangehörigen zählt, insbesondere dann nicht, wenn zivilrechtliche Beratungen erforderlich werden, die zwar auch das Berufsbild der Berufsträger berühren, aber nicht ausschließlich zur Erzielung von steuerlichen Auswirkungen erforderlich sind (z.B. Haftungsfragen). Es empfiehlt sich bei Unsicherheit, ob § 5 Abs. 1 RDG eingehalten oder gegen ihn verstoßen wird, einen Rechtsanwalt beizuziehen.
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II. 7
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Erlaubte Werbung für Wirtschaftsmediation
Werbung ist den Angehörigen der steuerberatenden Berufe gem. § 57 a StBerG nur erlaubt, soweit diese über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. § 10 Abs. 2 erläutert weiter, dass die Unterrichtung sachlich zutreffend und objektiv nachprüfbar sein muss, die Darstellung nicht reklamehaft sein darf und eine vergleichende oder wertende Aussage nicht zulässig ist. Werbung auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall ist nach § 10 Abs. 3 BOStB insbesondere der Fall, wenn der Umworbene in einem konkreten Einzelfall der Beratung oder Vertretung bedarf und der Werbende dies in Kenntnis der Umstände zum Anlass für seine Werbung nimmt. Nach § 11 BOStB dürfen Steuerberater Teilgebiete ihrer beruflichen Tätigkeit als Tätigkeitsschwerpunkte bekanntgeben. Zunächst muss festgestellt werden, dass gem. § 43 Abs. 2 StBerG die Führung der Berufsbezeichnung „Mediator“ oder „Wirtschaftsmediator“ unzulässig ist und durch die zuständige Steuerberaterkammer berufsrechtlich geahndet wird. Auch das 8. Steuerberatungsänderungsgesetz hat keine Lösung gebracht, weil es lediglich zwei Fachberaterbezeichnungen nach § 1 der Fachberaterverordnung in der Fassung vom 28.3.2007 zugelassen hat, nämlich für Internationales Steuerrecht und für Zölle und Verbrauchssteuern i.S.v. § 86 Abs. 4 Nr. 11 StBerG. Dies ist insbesondere deshalb bedauerlich, weil Rechtsanwälte aufgrund ihres Berufsrechts die Fachbezeichnung „Mediator“ führen dürfen. Insoweit herrscht ein erheblicher Darstellungsnachteil für Steuerberaterinnen und Steuerberater. Wie kann die Steuerberaterin/der Steuerberater der Öffentlichkeit bekanntmachen, dass sie/er Wirtschaftsmediation anbietet? Nach § 11 BOStB dürfen Steuerberater Teilgebiete ihrer beruflichen Tätigkeit als Tätigkeitsschwerpunkt bekanntgeben. In ihrem Kommentar zur BOStB erläutern Mittelsteiner/Gilgan/Späth den Begriff in Tz. 8 zu § 11 BOStB wie folgt: „Tätigkeitsschwerpunkte sind Gebiete der beruflichen Betätigung (steuerliche Rechtsgebiete, Gebiete zulässiger Unternehmens- und Wirtschaftsberatung u. ä.), auf denen der Berater bereits nachhaltig tätig war und demzufolge Erfahrungen gesammelt hat.“ Dies bedeutet, dass zulässige vereinbare Tätigkeiten für die Berufsangehörigen als Tätigkeitsschwerpunkte auf Briefbögen, Praxisbroschüren, Homepage, Anzeigen und anderen Werbemitteln ausgewiesen werden können. Zwar ist die Anzahl von Tätigkeitsschwerpunkten in der BOStB nicht begrenzt. Eine Begrenzung der zulässigen Angabe von auf einer soliden Grundlage beruhenden Tätigkeitsschwerpunkten ergibt sich jedenfalls schon
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B. Das Honorar aus dem Begriff selbst und aus dem Verbot berufswidriger Werbung3. Diese Darstellung für die Öffentlichkeit ist jedoch kein Ersatz für die Berufsbezeichnung, die Rechtsanwälten aufgrund ihres Berufsrechts erlaubt ist. Hier könnte allerdings eine von der Berufsbezeichnung abgesetzte Darstellung erfolgen, wie die Regelung für Fachberater für vereinbare Tätigkeiten zwischen der BStBK und dem DStV vereinbart wurde. Die Voraussetzungen dürften sich an die Fachberaterordnung anlehnen, so dass die Berufsbezeichnung zwar nicht unmittelbar beim Namen und der Berufsbezeichnung „Steuerberaterin“ oder „Steuerberater“ stehen darf, jedoch z.B. auf einem Briefbogen abgesetzt am rechten Rand oder am unteren Rand des Blattes zulässig wäre, wenn zu der Bezeichnung noch eine private Vergabeinstitution (z.B. DATEV eG) hinzugefügt wird. Nicht zulässig ist eine Bezeichnung wie z.B. FH XXXX, weil bei der Vergabe der Mediatorenqualifikation durch eine Fachhochschule oder eine Universität der irreführende Eindruck erweckt wird, es handele sich hierbei um einen akademischen Grad. Zulässig dürfte auch die Führung der Berufsbezeichnung „Mediator“ oder „Wirtschaftsmediator“ sein, wenn diese Tätigkeit in Räumlichkeiten in angemessener Entfernung von den Räumlichkeiten der Kanzlei der Steuerberaterin/des Steuerberaters durchgeführt wird und die Berufsbezeichnung Steuerberater auf Briefbögen, dem Praxisschild und anderen Darstellungen nicht geführt wird. Auf diese Weise kann die Tätigkeit nicht mit der Tätigkeit im steuerberatenden Beruf verwechselt werden; die Benachteiligung des Berufsrechts gegenüber anderen Berufsgruppen, die die Berufsbezeichnung „Mediator“ führen dürfen, wird damit aufgehoben.
B.
Das Honorar
B.
Die Angehörigen der steuerberatenden Berufe sind gem. § 64 Abs. 1 StBerG an eine Gebührenordnung gebunden. Nach § 1 der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) hat der Verordnungsgeber festgelegt, dass diese Gebührenordnung nur für Vorbehaltsaufgaben i.S.d. § 33 StBerG gilt. Dies bedeutet, dass für vereinbare Tätigkeiten die übliche Gebühr i.S.d. § 612 BGB vereinbart werden kann. Es ist sicherlich sinnvoll, bei Auftragserteilung mit den Konfliktparteien schriftliche Vereinbarungen über die Höhe des Honorars zu treffen, damit es bei der Abrechnung nicht zu Auseinandersetzungen kommt. Dies ist auch erforderlich, um von Anfang an auch hinsichtlich der finanziellen Belastungen der Konfliktparteien Transparenz und Offenheit herzustellen. Auch Regelungen über die Fälligkeit und ggf. zu zahlende Abschläge oder Vorauszahlungen sollten im schriftlichen Mediationsvertrag mit den Parteien vereinbart werden. Der Mediator hat bei Durchführung einer Mediation eine erhebliche persönliche Leistung zu erbringen, die nicht ohne weiteres von den Konfliktparteien von vornherein erkannt werden kann. Je nach Konfliktstoff und Mitwirkung der Parteien können die Probleme bei der Konfliktlösung erheblich werden. Daher sollte der Mediator den Mediationsvertrag mit der Honorarvereinbarung erst abschließen, wenn er einen Überblick über die von ihm zu erbringenden Leistungen hat.
I.
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Honorar nach Zeitgebühr
Da der zeitliche Aufwand für die Durchführung einer Mediation von Anfang an kaum annähernd bestimmt werden kann, wird es in der Regel sinnvoll sein, das Honorar nach zeitlichem Aufwand zu bemessen. Hier spielen Entwicklungen bei der Bearbeitung der fünf Phasen des Mediationsablaufs eine große Rolle, weil sich in den einzelnen Phasen durch die eine oder andere Partei Verzö3
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Mittelsteiner/Gilgan/Späth: Kommentar zur BOStB, Tz. 21 zu § 11 BOStB
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§ 6 Der Steuerberater als Wirtschaftsmediator und Berufsrecht
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gerungen oder unvorhergesehene Behinderungen des Ablaufs usw. ergeben können, die nicht vorhersehbar sind. Bei der Planung des Mediationsverfahrens sollte hinsichtlich des zeitlichen Plans großzügig verfahren werden, weil in der Regel unvorhergesehene Entwicklungen auftreten. Wichtig ist für die Transparenz bei der Honorarvereinbarung, festzulegen, welcher Zeitaufwand des Mediators bezahlt wird. Sollten es nur die Sitzungen mit den Parteien sein, muss sich im Stundensatz die erforderliche Vorarbeit des Mediators niederschlagen. Soweit die Vorarbeit jedoch gesondert erfasst und berechnet werden kann, ist festzulegen, wie eine nachweisbare Grundlage geschaffen werden kann, die den Parteien erlaubt, den tatsächlichen Zeitaufwand nachvollziehen zu können. Zwischen dem Mediator und dem Auftraggeber sollte von vornherein versucht werden, ein gutes Vertrauensverhältnis aufzubauen. Dies kann durch eine entsprechend flexible und transparente Honorarvereinbarung nach Zeitgebühren durchaus erzielt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Nachweis des verbrauchten Zeitkontingents durch digitale Erfassung nachzuweisen, wobei nur der Zeitaufwand erfasst wird, der ausschließlich für die durchgeführten Sitzungen und deren Vorbereitung erforderlich ist. Sondertätigkeiten, die mit den Medianten abgesprochen sind, sollten selbstverständlich auch erfasst werden. Reine Verwaltungs- und Organisationszeiten für das Projekt sollten kalkulatorisch im Stundensatz untergebracht werden, weil die Auftraggeber diese Zeiten nicht akzeptieren würden. Dies trifft auch für Hilfsarbeiten wie solche von Schreibkräften oder Sekretariatsarbeiten zu. Wichtig ist, dass in der schriftlichen Vereinbarung eine genaue Zeittaktklausel enthalten ist (z.B. ein 15-Minuten-Intervall), damit nicht durch großzügige Pauschalierung oder Aufrundung des Zeitaufwands eine ungerechtfertigte Abrechnungsbasis entsteht. In der Regel wird bei der Mediation das Honorar auf die Parteien gleichmäßig verteilt, das bedeutet, dass bei zwei Konfliktparteien jeder die Hälfte trägt und entsprechend bei mehreren Parteien eine anteilige Aufteilung erfolgt. Die Höhe des Stundensatzes sollte von der Wichtigkeit und Bedeutung des Konfliktfalls und den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Parteien abhängig gemacht werden. Da im Stundensatz die gesamte Infrastruktur der Kanzlei der Steuerberaterin/des Steuerberaters, Nebenleistungen und ggf. auch Nebenzeiten erfasst werden, ist ein Stundensatz von 150-300,00 € als durchaus angemessen anzusehen.
II. 12
Pauschalhonorar
Die Vereinbarung eines Pauschalhonorars hat sowohl für den Mediator als auch für die Auftraggeber den großen Vorteil, dass durch Festsetzung eines pauschalen Gesamtbetrags von vornherein feststeht, welche Zahlungen für den Auftrag anfallen. Für den Mediator erfordert dies jedoch, dass die Anzahl und Länge der Sitzungen sowie die zu erbringenden Leistungen festgelegt werden müssen, damit die Honorarvereinbarung in einem angemessenen Verhältnis zum Leistungsaufwand steht. Die Auftraggeber erfahren bei entsprechender Vereinbarung eines Pauschalhonorars eine feste Summe und können damit kalkulieren. Für den Mediator ist es wichtig, dass er bei Festlegung eines Pauschalhonorars den Umfang und die Schwierigkeiten des Konfliktstoffs genau kennt und das Risiko vermieden werden kann, dass durch ein Pauschalhonorar der tatsächliche Aufwand nicht ausreichend bezahlt wird. Dies kann z.B. in Frage kommen, wenn der Konfliktstoff vom Mediator mehrfach in seiner praktischen Erfahrung bearbeitet wurde und er dadurch übersehen kann, wie hoch sein Aufwand sein wird.
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B. Das Honorar Wichtig ist auch bei dieser Honorarvereinbarung, dass zum einen die Leistungsfähigkeit der Auftraggeber und zum anderen die angemessene Bezahlung des Mediators beachtet werden. Eine überhöhte Gebühr kann Auftraggeber abschrecken, den Auftrag überhaupt zu erteilen. Andererseits kann man durch entsprechende Vereinbarungen bei einer nicht vorhersehbaren Ausweitung der Tätigkeit zusätzliche Honorarmöglichkeiten der konkret genannten Zusatzleistungen vorsehen.
III.
Honorar nach Wertgebühren
Für die Mediation mit Wertgebühren zu operieren, ist sehr außergewöhnlich. Es ist jedoch nicht ganz ausgeschlossen, weil bei Vorliegen eines Konfliktstoffs, bei dem es überwiegend um wirtschaftliche Werte geht, auch die Bemessung des Honorars nach dem Wert des Streitgegenstands durchaus sinnvoll sein kann. Wie bei den anderen Honorarberechnungsmethoden ist auch in diesem Fall ein ausführliches Honorargespräch erforderlich, damit eine entsprechende Transparenz für die Auftraggeber hergestellt werden kann. Das Honorar für den Auftrag verändert sich nur, wenn sich der Wert des Streitgegenstands verändert. Ansonsten ist es eine feststehende Größe, die für die Auftraggeber fest kalkulierbar ist. Auch die notwendigen Tätigkeiten des Mediators bei der Erläuterung des Mediationsablaufs und seiner Tätigkeit ist für die Verdeutlichung der Honorargröße erforderlich. Für den Mediator selbst ist es sicherlich notwendig, wie bei den Pauschalhonoraren seine Tätigkeiten, seine Kosten und die erforderlichen Nebenleistungen genau zu kalkulieren, um den Leistungsaufwand angemessen vergütet zu bekommen. Chancen und Risiken liegen hierbei gleichmäßig zwischen den Auftraggebern und dem Mediator verteilt.
IV.
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Verschiedenes
Der Leser dieses Buchs soll mit Freude Wirtschaftsmediation in seinen Tätigkeitsbereich aufnehmen oder fortführen. Es ist zu wünschen, dass Wirtschaftsmediation in der Öffentlichkeit bekannter und angenommen wird. So wie verschiedene Gerichte in geeigneten Fällen trotz Rechtshängigkeit den Parteien empfehlen, einen privaten Mediator zur Konfliktlösung einzuschalten, so könnten Steuerberater für wirtschaftsbezogene Sachverhalte als Mediatoren herangezogen werden. Dies würde nicht nur die Justiz entlasten, sondern auch der Streitkultur in Deutschland gut tun. Nachteilig für Steuerberater ist, dass sie nach qualifizierter Ausbildung nicht die Berufsbezeichnung „Mediator“ neben der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ führen dürfen, obwohl dies für Rechtsanwälte und andere Berufsgruppen zulässig ist. Es ist zu wünschen, dass eine gesonderte gesetzliche Regelung für Mediatoren gefunden wird. Das Niedersächsische Justizministerium hat bereits ein „Mediations- und Gütestellengesetz“ entworfen, das allerdings noch nicht in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde. Danach wäre die Bestellung von Mediatorinnen und Mediatoren staatlich anerkannt und damit nach § 43 Abs. 2 StBerG als staatlich verliehene Berufsbezeichnung zulässig. Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass der Bekanntheitsgrad der Mediation zunimmt. Viele ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren bemühen sich, Mediation durch Veranstaltungen und Messen der Öffentlichkeit näherzubringen. Ich wünsche allen Steuerberaterinnen und Steuerberatern als Leser dieses Buchs viel Erfolg, Freude an den erlernten Techniken, nicht nur bei der Konfliktlösung, sondern auch bei Verhandlungen, und empfehle Netzwerke von Gleichgesinnten beizutreten oder solche zu gründen. 203
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Anlagen Anlage Ia Hamburger Mediationsordnung Hamburger Mediationsordnung für Wirtschaftskonflikte Die Hamburger Mediationsordnung für Wirtschaftskonflikte (im folgenden „Hamburger Mediationsordnung“) regelt ein freiwilliges Verfahren zur außergerichtlichen Lösung von Konflikten. Das Mediationsverfahren ist eine Alternative zu Gerichts-, Schiedsgerichts- oder Schlichtungsverfahren. Die Verfahrensparteien sollen im Mediationsverfahren mit Hilfe eines Mediators selbst eine interessengerechte Lösung ihres Konflikts finden. Die Hamburger Mediationsordnung wird inhaltlich betreut und in ihrer Anwendung gefördert von ■ der Handelskammer Hamburg, ■ der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg und ■ dem Hamburger Institut für Mediation e. V. Für Verfahren nach der Hamburger Mediationsordnung besteht bei der Handelskammer Hamburg Adolphsplatz 1 20457 Hamburg eine Mediationsstelle.
§1 Anwendungsbereich (1) Parteien eines Verfahrens nach der Hamburger Mediationsordnung können natürliche und/ oder juristische Personen und ihre Mitarbeiter sein. An dem Verfahren können mehr als zwei Parteien beteiligt sein. (2) Mindestens eine der Parteien muss Mitglied einer deutschen Industrie- und Handelskammer oder einer deutschen Handwerkskammer sein. Der Konflikt zwischen den Parteien muss in Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit entstanden sein. Eingeschlossen sind innerbetriebliche Konflikte. Bei gesellschaftsrechtlichen Konflikten genügt es, wenn die Gesellschaft Mitglied einer deutschen Industrie- und Handelskammer oder einer deutschen Handwerkskammer ist.
§2 Mediationsstelle (1) Die Mediationsstelle berät die Parteien in Fragen, die ein Mediationsverfahren betreffen. Auf Wunsch hilft sie den Parteien bei der Auswahl von Mediatoren.
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§3 Einleitung eines Mediationsverfahrens (1) Das Verfahren beginnt mit dem Eingang des Antrags auf Durchführung der Mediation. Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. Er kann auch elektronisch gemäß § 126 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gestellt werden. Der Antrag soll Namen und Anschriften der Parteien, eine kurze Sachverhaltsdarstellung und Kopien aller für den Sachverhalt relevanten Unterlagen enthalten. (2) Die Mediationsstelle sendet der anderen Partei den Mediationsantrag, die Mediationsordnung und die Honorarordnung zu. Sie fordert die andere Partei auf, gegenüber der Mediationsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Mediationsantrags schriftlich zu erklären, ob sie einem Mediationsverfahren nach der Hamburger Mediationsordnung für Wirtschaftskonflikte zustimmt. Stimmt sie zu, dann soll sie gegenüber der Mediationsstelle den Sachverhalt aus ihrer Sicht kurz schriftlich darstellen. Das Verfahren ist bis zu diesem Zeitpunkt kostenfrei. Erklärt die andere Partei die Zustimmung zum Mediationsverfahren, gilt dies als Aufnahme von Verhandlungen gemäß § 203 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
§4 Ernennung des Mediators (1) Die Mediationsstelle hilft den Parteien bei der Auswahl des Mediators. Die Parteien können einen oder mehrere Mediatoren ernennen. Die Mediationsstelle muss die Ernennung des Mediators bestätigen. Sie bestätigt die Ernennung, wenn der Mediator die Voraussetzungen der Mediatorenordnung erfüllt. Konnten sich die Parteien innerhalb von vier Wochen ab Eingang der Kostenpauschale bei der Mediationsstelle nicht auf einen Mediator einigen, endet das Verfahren. Ein Anspruch auf Rückerstattung der Kostenpauschale besteht nicht. (2) Die Parteien und der Mediator schließen eine Mediationsvereinbarung. Sie sollen hierzu die von der Mediationsstelle empfohlene Vereinbarung verwenden. Der Mediator schickt ein von allen Parteien unterschriebenes Exemplar an die Mediationsstelle. Er kann dieses von der vorherigen Zahlung eines Vorschusses auf sein Honorar gemäß § 10 Absatz 4 abhängig machen. (3) Die Parteien können den Mediator jederzeit einvernehmlich entlassen und einen anderen Mediator ernennen. Eine bereits erbrachte Leistung des Mediators ist gemäß § 10 Absatz 3 zu vergüten.
§5 Neutralität des Mediators (1) Mediator kann nur sein, wer die Parteien vor Beginn des Verfahrens noch nicht in Bezug auf den dem Mediationsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt beraten oder vertreten hat. Mediator kann auch nur sein, wer mit den Parteien nicht in geschäftlicher Verbindung steht. Der Mediator muss allparteilich und verschwiegen sein. (2) Der Mediator darf die Parteien während des Verfahrens nicht beraten oder vertreten. Nach Beendigung des Verfahrens darf der Mediator die Parteien nicht in Bezug auf den dem Mediationsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt beraten oder vertreten.
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Anlagen
§6 Vertraulichkeit (1) Die Parteien, der Mediator und die Mediationsstelle behandeln die Durchführung der Mediation vertraulich. Das gilt für alle in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen Informationen. Die Parteien verwenden die Informationen nur für das Verfahren. Nach Beendigung des Verfahrens geben sie erhaltene Informationen zurück, vernichten sie oder verwahren sie so sicher auf, dass sie Dritten nicht zugänglich sind. Das gilt auch für während des Verfahrens gemachte Aufzeichnungen. Als sicher gilt eine Verwahrung durch eine der Schweigepflicht auf Grund ihres Berufes unterliegende Person. Ausnahmen hiervon können schriftlich vereinbart werden. Von dem Vertraulichkeitsgebot sind insbesondere auch erfasst: ■ alle im Mediationsverfahren geäußerten Vorschläge und Ansichten der anderen ■ Partei in Bezug auf eine mögliche Beilegung des Konflikts, ■ alle erfolgten Eingeständnisse der anderen Partei im Laufe des Mediationsverfahrens, ■ die Vorschläge des Mediators oder ■ die verhandelten Vergleichsangebote. Diese dem Vertraulichkeitsgebot unterliegenden Umstände dürfen von den Konfliktparteien nicht in ein Gerichts- oder Schiedsverfahren eingeführt werden bzw. keine Partei darf sich darauf berufen, gleichgültig, ob sich das Verfahren auf den Gegenstand des Mediationsverfahrens bezieht oder nicht. (2) Zu Beginn des Mediationsverfahrens klärt der Mediator darüber auf, ob er von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und in einem etwaigen späteren Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen kann. Soweit der Mediator von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, wird er in einem etwaigen späteren Gerichts- oder Schiedsverfahren von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen, es sei denn, beide Parteien entbinden ihn von seiner Schweigepflicht. Ist der Mediator von Berufs wegen nicht zur Verschwiegenheit verpflichtet, wird er zu Beginn des Mediationsverfahrens darauf hinwirken, dass die Parteien vertraglich vereinbaren, den Mediator in einem etwaigen späteren Gerichts- oder Schiedsverfahren nicht als Zeugen für Tatsachen zu benennen, von denen er nur durch das Mediationsverfahren Kenntnis erlangt hat. Die Mediationsstelle weist darauf hin, dass ein solcher Prozessvertrag die Vernehmung des Mediators von Amts wegen nicht verhindern kann. (3) Sollen im Einvernehmen aller Beteiligten Dritte in das Mediationsverfahren einbezogen werden, die nicht von Berufs wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, sind sie ebenfalls zur Vertraulichkeit zu verpflichten. Der Mediator wird darauf hinwirken, dass die Parteien vertraglich vereinbaren, den Dritten in etwaigen späteren Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren nicht als Zeugen für Tatsachen zu benennen, von denen er nur durch das Mediationsverfahren Kenntnis erlangt hat. Die Mediationsstelle weist darauf hin, dass ein solcher Prozessvertrag die Vernehmung des Dritten von Amts wegen nicht verhindern kann.
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§7 Mediationsablauf und Aufgabe des Mediators (1) Der Mediator ist ab seiner Ernennung für den Ablauf der Mediation verantwortlich. Der Mediator sorgt insbesondere für eine zügige Festsetzung von Sitzungsterminen. Die Parteien haben hieran mitzuwirken. In einem ersten Termin sollen insbesondere besprochen werden: ■ Ablauf einer Mediation, ■ Aufgaben von Mediator, Parteien und Rechtsanwälten der Parteien in einer Mediation ■ und ■ der streitige Sachverhalt aus der Sicht der Parteien. Der Mediator erstellt in Absprache mit den Parteien einen Zeitplan für die Mediation. (2) Die Parteien nehmen an den Sitzungen persönlich teil. Juristische Personen werden durch eine natürliche Person vertreten, die mit dem Sachverhalt vertraut und zum Abschluss von verfahrensbeendenden Vereinbarungen berechtigt ist. (3) Der Mediator leitet die Sitzungen und achtet auf die Einhaltung der Verfahrensregeln. Er achtet insbesondere darauf, dass die Parteien ausreichend Gelegenheit haben den Sachverhalt aus ihrer Sicht darzustellen, ihren Standpunkt und ihre Interessenlage darzulegen und Ideen zur Lösung ihres Konflikts zu entwickeln. Der Mediator sorgt für eine an den Interessen der Parteien ausgerichtete, lösungsorientierte und offene Verhandlungsführung. Er kann anregen, dass weitere Informationen offen gelegt werden. Bei der Suche nach einer Lösung des Konflikts können auch über den eigentlichen Sachverhalt hinausgehende Lösungen in Betracht kommen. (4) Der Mediator fördert die Aufklärung des Sachverhalts und seine einvernehmliche Lösung in jedem Stadium des Verfahrens. Die Parteien können sich in jedem Stadium des Verfahrens durch Rechtsanwälte beraten lassen. Die Parteien können Rechtsanwälte zu dem Mediationsverfahren hinzuziehen, wenn sie dies rechtzeitig vor der nächsten Sitzung ankündigen. Der Mediator berät die Parteien nicht in rechtlicher Hinsicht. (5) Auf Wunsch der Parteien kann der Mediator einen Rechtsgutachter oder sonstige Sachverständige hinzuziehen. Die Kosten hierfür tragen die Parteien zu gleichen Teilen. Die Parteien können schriftlich eine hiervon abweichende Vereinbarung treffen.
§8 Beendigung des Mediationsverfahrens (1) Das Verfahren endet, wenn ■ die Parteien eine den Konflikt beendende Vereinbarung abgeschlossen haben, oder ■ die Parteien eine den Konflikt teilweise beendende Vereinbarung abgeschlossen haben ■ und das Verfahren im Hinblick auf den verbleibenden Teil nicht fortsetzen wollen, oder ■ eine Partei oder der Mediator den anderen Verfahrensbeteiligten schriftlich mitteilt, ■ dass sie/ er das Verfahren für gescheitert hält ■ und das der Mediationsstelle schriftlich mitgeteilt wurde.
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Anlagen (2) Die Parteien sollten eine den Konflikt beendende Vereinbarung vor Abschluss rechtlich überprüfen lassen. Die rechtliche Prüfung der Vereinbarung gehört nicht zu den Aufgaben des Mediators. (3) Der Mediator erstellt ein Ergebnisprotokoll über den Ausgang des Verfahrens, welches die Parteien unterzeichnen. Eine darüber hinausgehende Protokollierung erfolgt nur, wenn die Parteien das mit dem Mediator vereinbart haben. Die Parteien verpflichten sich, das Ergebnisprotokoll nicht an Dritte weiterzugeben oder ihnen zugänglich zu machen. Sie können schriftlich eine hiervon abweichende Vereinbarung treffen. (4) Der Mediator kann auf Wunsch der Parteien auf einen vollstreckungsfähigen Titel hinwirken, beispielsweise im Wege einer Protokollierung der Vereinbarung durch die Gütestelle der Handelskammer Hamburg gemäß § 794 Abs. 1 Ziffer 1 Zivilprozessordnung, die öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle der Freien und Hansestadt Hamburg gemäß § 794 Abs. 1 Ziffer 1 Zivilprozessordnung, der Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs gemäß § 796a Zivilprozessordnung oder einer notariellen Vollstreckbarerklärung gemäß § 794 Abs. 1 Ziffer 5 Zivilprozessordnung. (5) Die Art der Beendigung des Verfahrens hat keine Auswirkung auf die Ansprüche der Mediationsstelle und des Mediators gemäß § 10.
§9 Gerichtsverfahren (1) Die Parteien sorgen dafür, dass laufende Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, denen derselbe Sachverhalt wie dem Mediationsverfahren zugrunde liegt, für die Dauer des Mediationsverfahrens ruhen. Sie sollen vereinbaren, dass für die Dauer des Mediationsverfahrens keine Klagen bei einem Gericht oder Schiedsgericht erhoben werden, denen derselbe Sachverhalt wie dem Mediationsverfahren zugrunde liegt. Das gilt nicht für Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Über geplante oder bereits laufende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes soll in einer kurzfristig stattfindenden Mediationssitzung beraten werden.
§ 10 Kosten (1) Die Mediationsstelle kann für ihre Tätigkeit unter Berücksichtigung des Streitwertes und des für sie zu erwartenden Aufwandes eine Kostenpauschale in Höhe von 100 bis 500 Euro erheben. Darüber hinaus hat sie gegen die Parteien einen Anspruch auf Ersatz von notwendigen Auslagen. Die Parteien zahlen die Kostenpauschale und die notwendigen Auslagen zu gleichen Teilen. Sie können im Innenverhältnis eine davon abweichende Vereinbarung treffen. Sie haften gegenüber der Mediationsstelle als Gesamtschuldner. (2) Haben die Parteien einem Mediationsverfahren zugestimmt, fordert die Mediationsstelle sie zu gleichen Teilen zur Zahlung der Kostenpauschale nach § 10 Absatz 1 auf. Die Kostenpauschale ist innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung zu zahlen. (3) Die Parteien und der Mediator vereinbaren zu Beginn des Mediationsverfahrens ein Honorar, das der gültigen Honorarordnung entspricht. Darüber hinaus hat der Mediator gegen die Parteien einen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Auslagen. Die Parteien zahlen das Honorar und die notwendigen Auslagen zu gleichen Teilen. Die Parteien können im Innenverhältnis eine davon abweichende Vereinbarung treffen. Sie haften gegenüber dem Mediator als Gesamtschuldner. 208
Anlagen (4) Der Mediator kann seine Tätigkeit zu jeder Zeit von der Zahlung eines durch beide Parteien zu leistenden angemessenen Vorschusses abhängig machen. Die Zahlungen sind direkt an den Mediator zu leisten. (5) Die Parteien tragen die ihnen während des Mediationsverfahrens entstehenden Kosten einschließlich der Kosten für eine anwaltliche Vertretung selbst. Ein späterer Kostenausgleich auf Grund gerichtlicher Entscheidung oder vertraglicher Vereinbarung wird dadurch nicht ausgeschlossen.
§ 11 Haftungsbeschränkung (1) Die Mediationsstelle haftet nicht für das Verhalten des von ihr vermittelten Mediators. Die Haftung der Mediationsstelle, ihrer Organe und Mitarbeiter ist außer in den Fällen der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder, soweit vertragliche Beziehungen bestehen, der Verletzung wesentlicher Vertragspflichten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. (2) Die Haftung des Mediators richtet sich nach der mit dem Mediator getroffenen Mediationsvereinbarung.
Anlage I b – Mediationsvereinbarung zur Hamburger Mediationsordnung Mediationsvereinbarung zwischen den Parteien 1. anwaltlich vertreten durch und 2. anwaltlich vertreten durch und dem Mediator (bzw. den Mediatoren) 1. Die vorstehend genannten Parteien vereinbaren hiermit, ein Mediationsverfahren gemäß der Hamburger Mediationsordnung für Wirtschaftskonflikte (im Folgenden: ”Hamburger Mediationsordnung”) zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten durchzuführen. Sie beauftragen hiermit den Mediator/die Mediatoren, hinsichtlich der zwischen den Parteien entstandenen Streitigkeiten mit folgender Kurzbeschreibung tätig zu werden: Der Mediator/die Mediatoren erklärt / erklären sich bereit, das Mediationsverfahren nach den Regeln der Hamburger Mediationsordnung durchzuführen. 2. Der Mediator / die Mediatoren erklärt / erklären, dass keine Tatsachen vorliegen, die seine / ihre Neutralität beeinträchtigen oder die nach § 5 der Hamburger Mediationsordnung seine / ihre Tätigkeit ausschließen. 3. Die Beteiligten (Parteien und Mediator / Mediatoren) übernehmen hiermit ausdrücklich die in der Hamburger Mediationsordnung aufgezählten Pflichten der Parteien bzw. des Mediators / der Mediatoren als persönliche Verpflichtung, insbesondere die Pflicht zur Neutralität und Verschwiegenheit gemäß §§ 5 und 6 sowie die Pflicht zur Zahlung der Kosten gemäß § 8. Die Parteien verpflichten sich insbesondere, den Mediator/die Mediatoren in einem nachfolgenden Schiedsgerichts- oder Gerichtsverfahren nicht als Zeugen oder Sachverständigen für
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Anlagen Tatsachen zu benennen, die ihm / ihnen während des Mediationsverfahrens offenbart wurden. 4. Für den Fall, dass die Parteien anwaltlich vertreten sind, kann eine streitbeendende Vereinbarung als vollstreckbarer Anwaltsvergleich abgeschlossen werden. 5. Die Parteien sind darauf hingewiesen worden, dass in dem Mediationsverfahren eine individuelle Rechtsberatung durch den Mediator / die Mediatoren nicht stattfinden kann und sie jederzeit einen Rechtsanwalt ihrer Wahl konsultieren und sich von diesem beraten lassen können. Dieser kann an dem Verfahren teilnehmen, sofern die andere Partei damit einverstanden ist. Vor Abschluss einer den Konflikt beendenden Vereinbarung wird den Parteien empfohlen, diese mit einem Rechtsbeistand ihrer Wahl zu besprechen. 6. Die Verjährung der in diesem Mediationsverfahren befangenen Ansprüche wird, soweit nicht bereits Verjährung eingetreten ist, mit Wirksamkeit dieser Vereinbarung bis 2 Monate nach Beendigung dieses Mediationsverfahrens gehemmt. Das Mediationsverfahren ist zu dem Zeitpunkt beendet, in dem eine Einigung zustande kommt oder den Parteien die schriftliche Mitteilung des Mediators / der Mediatoren oder einer der Parteien über das Scheitern des Verfahrens zugeht. 7. Die Parteien vereinbaren, dass laufende Gerichtsverfahren in Bezug auf den Gegenstand der Mediation während der Dauer des Mediationsverfahrens ruhen und dass keine neuen Gerichtsverfahren eingeleitet werden. Ausgenommen hiervon sind Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes. 8. Die Haftung des Mediators / der Mediatoren wird auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. 9. Jeder Beteiligte kann das Mediationsverfahren jederzeit ohne Angabe von Gründen schriftlich einseitig beenden. Für diesen Fall verpflichten sich die Parteien, die bis zur Beendigung entstandenen Kosten der Mediationsstelle und des Mediators / der Mediatoren gemäß § 8 der Hamburger Mediationsordnung zu tragen. 10. Die Vereinbarung wird mit Einzahlung des angeforderten Honorarvorschusses und mit Unterzeichnung durch die Beteiligten wirksam.
(Unterschriften Parteien / Mediator(en), Ort und Datum)
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Anlagen
Anlage II Mediationsvertrag ohne Mediationsordnung mit Auftraggeber Unternehmen Mediationsvertrag zwischen …………………………………… – auch „Mediator“ genannt – und Firma ……………………… – auch „Vertragspartner“ genannt – sowie als Konfliktbeteiligte Herrn/Frau/Team ................. – auch „Konfliktpartei 1“ genannt – Herrn/Frau/Team .................. – auch „Konfliktpartei 2“ genannt –. Unter den Vertragsparteien (Mediator und Vertragspartner) haben Vorgespräche zur Durchführung einer Mediation stattgefunden; die Konfliktparteien haben Mediator kennen gelernt und sind zur Zusammenarbeit mit ihm bereit. Der Konflikt wurde in seinen groben Umrissen erörtert. Die Konfliktparteien werden von ihren Anwälten in der Mediation begleitet; diese unterzeichnen mit dem Mediator eine gesonderte, diesen Vertrag ergänzende Vereinbarung. Mediator hat erklärt, dass er die Mediation für eine Lösung des Konfliktes als in Betracht kommend bewertet. Vertragspartner und Konfliktparteien sind über das Mediationsverfahren informiert. Ziel der Mediation ist die einvernehmliche Lösung des Konfliktes im beiderseitigen Interesse der Konfliktparteien. Die Interessen des Auftraggebers sind insoweit ohne Bedeutung; er erklärt ausdrücklich, ergebnisoffen zu sein. Mediationssitzungen finden nur in Anwesenheit aller Konfliktpartner statt. (Bei Teamkonflikten: Jede Konfliktpartei garantiert, dass mindestens eine anwesende Person (Partei selbst oder Vertreter) autorisiert ist, eine abschließende Vereinbarung zu Beendigung der Angelegenheit abzuschließen.)
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Anlagen
Die Beteiligten vereinbaren: §1 Auftrag (1) Auftraggeber beauftragt Mediator, den Konflikt der Konfliktparteien zu mediieren. (2) Der Mediator unterliegt keinen Weisungen des Auftraggebers. (3) Die Mediationssitzungen finden im Büro des Mediators statt.
§2 Rolle und Aufgabe des Mediators (1) Der Mediator ist unabhängig, verhält sich allparteilich und unterstützt die Konfliktparteien dabei, gemeinsam eine Vereinbarung auszuhandeln. (2) Der Mediator vermittelt, indem er das Mediationsverfahren erläutert, leitet und strukturiert. In Bezug auf den Konflikt hat er keine Entscheidungskompetenz und ist für das Ergebnis nicht verantwortlich. Er schuldet dem Auftraggeber gegenüber demgemäß keinen Erfolg. (3) Er versichert, für keine der Konfliktparteien in irgendeiner Weise beruflich oder privat tätig gewesen zu sein. Auch eine Verbindung seines Büros mit einer der Konfliktparteien hat nicht bestanden. (4) Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass in dem Mediationsverfahren eine individuelle Rechtsberatung durch den Mediator nicht stattfinden kann, sie dazu jederzeit einen Rechtsanwalt ihrer Wahl konsultieren und sich von diesem beraten lassen können. Dieser kann an dem Verfahren teilnehmen, sofern die andere Konfliktpartei damit einverstanden ist. Vor Abschluss einer den Konflikt beendenden Vereinbarung wird den Parteien empfohlen, diese mit einem Rechtsbeistand ihrer Wahl zu besprechen. (5) Mediator verpflichtet sich zu absoluter Verschwiegenheit bezüglich sämtlicher Informationen, die er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erlangt hat; dieses gilt insbesondere auch gegenüber dem Auftraggeber. Der Mediator fertigt zu seiner eigenen Information Protokolle von jeder Mediationssitzung an. Es besteht weder für die Konfliktparteien noch für Dritte ein Einsichtsrecht. Schriftliche Unterlagen wird er nach Abschluss der Mediation (erfolgtem Bilanzgespräch) vernichten. Die Konfliktparteien erklären, sich schon heute zu verpflichten, Mediator von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht einseitig zu entbinden. (6) Der Mediator wird in dieser Angelegenheit weder als (ehrenamtlicher) Richter in einem etwaigen anschließenden (Arbeits-) Gerichtsverfahren noch in einem sonstigen Schiedsgerichtsverfahren (z. B. vor der IHK) zur Verfügung stehen. (7) Für Dokumentationszwecke ist der Mediator ermächtigt, unter Veränderung aller vertraulichen Daten die Angelegenheit als Fall zu dokumentieren. (8) Die Haftung des Mediators / der Mediatoren wird auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
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§3 Pflichten des Auftraggebers (1) Der Auftraggeber verpflichtet sich, das Honorar des Mediators gem. § 8 dieses Vertrages zeitgerecht zu bezahlen. (2) Er verzichtet darauf, das Vertragsverhältnis zu kündigen, solange keine Konfliktpartei die Mediation für beendet erklärt hat. (3) Sollte sich während des Mediation herausstellen, dass weitere Personen aus dem Unternehmen des Auftraggebers Beteiligte im gegenständlichen Konflikt sind (dieses gilt insbesondere für Führungskräfte), verpflichtet sich Auftraggeber, alles dazu zu tun, dass diese in die Konfliktschlichtung einbezogen werden können. (4) Auftraggeber wird grundsätzlich jede von den Konfliktparteien gefundene Konfliktlösung akzeptieren. Die Gestaltungsfreiheit ist wie folgt begrenzt ……….(ggf. Grenzen beschreiben)
§4 Rolle und Aufgabe der Konfliktparteien (1) Die Konfliktparteien erklären, sich aus freien Stücken für das Mediationsverfahren zur Bearbeitung ihres Konfliktes entschieden zu haben. Den Beteiligten ist die Bedeutung der Freiwilligkeit/Bereitschaft für den Erfolg einer Mediation bekannt. (2) Die Konfliktparteien sind gewillt, während der Mediation offen und fair miteinander zu verhandeln. Sie nehmen persönlich an den Mediationssitzungen teil. (3) Die Konfliktparteien verpflichten sich, im Mediationsverfahren alle Informationen, die für eine Einigung erheblich sind, offen zu legen. Sie und ihre Vertreter sind bereit, uneingeschränkt und offen mit dem Mediator zu kooperieren. (4) Die Konfliktpartner verpflichten sich, den Mediator in einem etwaigen anschließenden Gerichtsverfahren nicht als Zeugen zu benennen.
§5 Rechte und Pflichten aller Beteiligten (1) Auftraggeber und Konfliktpartner verpflichten sich, allenfalls zur Fristwahrung Klage zu erheben und alle Beteiligten sowie den Mediator hiervon umgehend in Kenntnis zu setzen. Während des Mediationsverfahrens verpflichten sich die Beteiligten, keine neuen gerichtlichen Schritte einzuleiten; ausgenommen ist der Fall der Wahrung einer Rechtsposition (insbesondere Fristwahrung). Die Beteiligten verpflichten sich, bei anhängigen Verfahren das Gericht oder die staatliche Stelle (z. B. Hauptfürsorgestelle) über das Mediationsverfahren zu informieren und eine Unterbrechung des förmlichen Verfahrens bis zum Abschluss der Mediation zu beantragen. Ein Beweisverfahren soll während der Mediation keinesfalls durchgeführt werden. Alle Beteiligten verpflichten sich, hierzu beizutragen. (2) Sowohl der Mediator als auch jede Konfliktpartei (nicht aber der Auftraggeber) können das Mediationsverfahren jederzeit ohne Angabe von Gründen schriftlich einseitig beenden. Für den Fall des Abbruchs der Mediation ist der Mediator verpflichtet, den Auftraggeber hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Auch für diesen Fall verpflichtet sich der Auftraggeber, die bis zur Beendigung entstandenen Kosten des Mediators zu tragen. (3) Auftraggeber und Konfliktparteien verpflichten sich, im Rahmen der Mediation erhaltende Informationen vertraulich zu behandeln. Eine Verwertung in einem möglicherweise anschlie213
Anlagen ßenden Gerichtsverfahren ist ausgeschlossen. Die Beteiligten sind sich über dieses wechselseitige Verwertungsverbot einig.
§6 Verjährung (1) Eine Verjährung der in diesem Mediationsverfahren befangenen Ansprüche wird, soweit nicht bereits Verjährung eingetreten ist, mit Wirksamkeit dieser Vereinbarung bis 2 Monate nach Beendigung dieses Mediationsverfahrens gehemmt. Das Mediationsverfahren ist zu dem Zeitpunkt beendet, in dem a) eine Einigung zustande kommt oder b) den Parteien die schriftliche Mitteilung des Mediators oder einer der Parteien über das Scheitern des Verfahrens zugeht.
§7 Zeitlicher Umfang der Mediation Nach dem Vorgespräch gehen die Vertragsparteien davon aus, dass auf den Mediator folgender Zeitaufwand zukommt: ■ zwei Vorgespräche von je ca. 1 Stunde ■ ...Mediationssitzungen â 3 Zeitstunden ■ 1,5 Stunden Vor- und Nachbereitung je Mediationssitzung ■ Ein Nachschau (Bilanzgespräch), das nach gefundener Konfliktlösung und Dokumentation des Ergebnisses zwischen den Mediator und Konfliktparteien vereinbart wird (2 Stunden) ■ Der geschätzte Zeitaufwand beträgt somit … Stunden.
§8 Vergütung (1) Der Mediator erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung die wie folgt: a. ein Zeithonorar von € ... die angefangene halbe Stunde b. ein Pauschalhonorar von € .... (2) Dem Honorar hinzugerechnet werden Auslagen in nachgewiesener Höhe( alternativ in Hohe einer Pauschale von € 20,00). (3) Dem Honorar einschließlich der Auslagen ist die Umsatzsteuer in gesetzlicher Höhe (zurzeit 19%) hinzuzurechnen. (4) Das Pauschalhonorar wurde unter der Annahme vereinbart, dass sich der Zeitaufwand des Mediators auf ... Stunden belaufen wird (§ 7). Überschreitet der tatsächliche Zeitaufwand den der Vereinbarung zugrunde gelegten wesentlich (mehr als 20%), erhöht sich das Pauschalhonorar um € ... je angefangene halbe Stunde. (5) Werden Mediationstermine von einem der Beteiligten weniger als 48 Stunden vor dem jeweiligen Termin ohne wichtigen Grund abgesagt, trägt die absagende Partei die gesamten Gebühren für diese Sitzung allein. (6) Das Honorar ist unabhängig vom Erfolg der Mediation zu zahlen. (7) Auch wenn die Mediation – aus welchen Gründen auch immer – abgebrochen wird, ist das vereinbarte Honorar nach Stand des Verfahrens anteilig zu zahlen (%-Anteil der geplanten (§ 7) zur tatsächlich aufgewandten Zeit). 214
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§9 Zahlungsbedingungen (1) Auf das Honorar sind bis zuerst Mediationssitzung 50% als Vorschuss zu leisten. Mit Abschluss des Vermittlungsverfahrens wird der Restbetrag zur Zahlung fällig.
§ 10 Schriftformerfordernis (1) Mündliche Nebenabreden bestehen nicht. Mündlich getroffene Absprachen werden durch diese schriftliche Vereinbarung vollumfänglich ersetzt. (2) Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
§ 11 Salvatorische Klausel (1) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages rechtsunwirksam sein oder werden, so berührt es die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht. Die Vertragspartei verpflichtet sich vielmehr, ein rechtlich wirksame Regelung durch eine solche zusätzliche im wirtschaftlich gewollten Zweck am nächsten kommt und rechtlich wirksam ist. Gleiches gilt für eine evtl. Lücke im Vertrag. Hannover, den ________________________ Mediator
__________________________ Auftraggeber
_________________________ Konfliktpartei 1
___________________________ Konfliktpartei 2
Anlage III Erklärung der die Konfliktparteien begleitenden Berater
215
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Zusatzerklärung der Berater der Konfliktparteien Wir, die rechtlichen Berater Rechtsanwalt .... als Berater von Konfliktpartei 1 und Rechtsanwalt ... als Berater von Konfliktpartei 2 Im Mediationsverfahren XXXXXXXXX/XXXXXXXXXXX erklären: ■ Uns ist der Mediationsvertrag bekannt, den der Arbeitgeber unserer Mandanten (unter Zustimmung unserer Mandanten) mit dem Mediator geschlossen hat. Die darin enthaltenen Vereinbarungen werden wir auch für unsere Tätigkeit und Rolle beachten. ■ Der Mediator hat uns das Mediationsverfahren mit Sinn und Zweck sowie dessen Ablauf erklärt. Wir akzeptieren, dass unsere Aufgabe in der Mediation nicht darin besteht, Rechtspositionen zu vertreten oder unsere Mandanten daran zu erinnern, weil es ausschließlich um die Streitbeilegung auf der Ebene der Interessen unserer Mandanten geht. Wir sind damit einverstanden, dass der Mediator uns unterbricht, sollten wir – aus alter Gewohnheit – gegen diese Verabredung verstoßen. ■ Wir werden unsere Mandanten insbesondere darin unterstützen, die Sachlage dazustellen und überlassen es anschließend grundsätzlich den Konfliktparteien, ihre Interessen zu formulieren. Soweit uns aus unserem Mandat Interessen des Mandanten bekannt sind, werden wir den Mandanten darauf hinweisen. ■ In der Phase, in der Lösungsmöglichkeiten gesucht werden, können wir uns am Brainstorm beteiligen. Einigen sich die Parteien auf eine Lösung ihres Konfliktes, werden wir auf die rechtliche Zulässigkeit achten. Sofern einer von uns Zweifel an der Zulässigkeit der beabsichtigten Einigung haben sollte, werden wir um eine Unterbrechung der Mediationssitzung bitten um möglichst noch in der Sitzung zu einem übereinstimmenden Votum kommen zu können. ■ Einigen sich die Parteien auf die Vollstreckbarkeit eines oder beider Ansprüche, die sich aus der Vereinbarung ergibt, werden wir die Vollstreckbarkeit durch einen Anwaltsvergleich herstellen. ■ Wir bestätigen, dass die Konfliktparteien uns von unserem Zeugnisverweigerungsrecht zu keinem Zeitpunkt befreien können, weil sie sich gegenseitig zur Verschwiegenheit verpflichtet haben. Eine Entbindung ist also nur möglich, wenn und soweit alle Konfliktpartner entsprechende Erklärungen schriftlich abgegeben haben. ■ Wir verpflichten uns, sämtliche Aufzeichnungen, die wir während und im Zusammenhang mit der/den Mediationssitzung(en) anfertigen, nach Abschluss der Mediation zu vernichten. Der Mediator (sofern Rechtsanwalt) erklärt: Ich verpflichte mich, keine der Konfliktparteien jemals anwaltlich zu beraten (Mandatsschutz). Hannover, den ____________________________ ____________________________ Rechtsanwalt 1 Rechtsanwalt 2 _____________________________ Mediator 216
Stichwortverzeichnis
A Absprachen 3 20 ff Abteilungen 5 38 ADR 3 8 ADR 3 8 Aktives Zuhören 2 50; 4 17, 20, 33 Allparteilichkeit 3 35, 44; 4 52 Analogietechnik 4 69 Anforderungsprofil 3 34 Angst 4 90 Anpassungsstrategie 2 33 Anwalt 3 14, 19; 4 75 Arbeitstechniken 4 15, 30 Ästhetische Gestaltung 3 23 Asynchrone Kommunikation 3 67 Atmosphäre 3 23; 4 4 Aufgabenverteilung 3 22 Auftraggeber 3 11 ff Ausbildung – Mediationsausbildung 1 3, 17 ff Außergerichtliche Konfliktbeilegung 5 2
B B TO B Konflikt 5 59 BATNA 2 49 Bedürfnis 5 42 Bedürfnisse 2 40; 4 26, 49, 88; 5 25, 79 Begriff Konflikt 3 29 Behörden 5 59 Beobachter 3 52 Berater 3 27 Bereitschaft 4 7 Berufsrecht 6 1 ff Betriebswirtschaftlich Auswertung 5 30 Beurteilungs- und Wahrnehmungskonflikte 3 30 Bewusstes Verhandeln 2 22 Beziehungskonflikte 3 30 Bilanzgespräch 4 81 Brainstorming 2 42; 3 70; 4 61, 62 Branchen 5 20
C Case-Developer 3 7 Chat 3 70
Coaching 3 1 Co-Mediation 3 22 Computervermittelte Kommunikation 3 66
DDauer 3 24 Debatte 3 64 Demut 3 39 Doppeln 4 41 Drohstrategien 3 63, 64
E Echo-Technik 2 50 Ehrlichkeit 3 38 Eigenes Verhalten im Konflikt 3 49 Einfühlung und Ermutigung der Konfliktparteien 3 46 Einzelgespräch 3 13; 4 42, 88, 90 Eisbergtheorie 3 31 Elektronische Diskussionsforen 3 69 Emotionen 3 5 Emphatie 3 36 Erbauseinandersetzungen 5 74 Erbvertrag 5 52 Erfolg von Verhandlungen 2 3 Erfolgsfaktoren 3 21 Ergebnisoffenheit 3 11, 18 Ergebnisoffenheit des Auftraggebers 3 18 Erhalt der Geschäftsbeziehung 5 13 Erwartungshaltung 5 1 Eskalation 5 34 Eskalationsdynamik 3 63 Eskalationsstufen 3 63 Exploration 4 26
F Fachliche Kompetenz 3 53 Fachwissen 3 56 Fachwissen/organisatorische Kenntnisse 3 56 Fairness 3 44 Faktor Zeit 3 23, 65 Fallmanager 3 62 Familienkonferenz 5 52, 72 Familienunternehmen 5 47 ff 217
Stichwortverzeichnis Finanzverwaltung 5 69 Fluktuation 5 30 Forderungsbestand 5 66 Fragetechnik 4 32 Freiwillig 3 8 Freiwilligkeit 3 8, 48; 5 18 Führung 5 34 Führungskraft 5 25 Fusionen 5 41
G Gefühle 2 41; 4 88 Gefühlsworte 4 94 Gelassenheit 4 51 Gerichtsprozess 1 35 ff Gerichtsverfahren 3 8; 5 2, 6 Geschützter Rahmen 3 43 Geschützter Raum 3 12 Gesellschaftskonflikte 5 31 Gesichtsverlust 3 63, 64; 5 4 Gesprächsregeln 4 6 Gesprächstechniken 4 30 Gesrächsführung nach C. Rogers 4 31 Gestaltungsfreiheit 5 11 f Gestik 2 15 Gesundheit 3 59 Gewährleistung 5 65 Gewaltfreie Kommunikation 2 51 Good cop – bad Cop 2 45 f GRIT-Methode 3 64 Grundbedürfnisse 4 29 Gruppen 5 38
HHaltung 3 40 Handlungsautonomie 5 6 Harvard Konzept 2 41, 42, 55; 3 2, 4 Harvard-Verhandeln 3 2 Highball-Lowball 2 45, 48 Honorar 6 9 ff Hybride Verfahren 3 55 Hypothese 4 20, 33
I Ideenfindung 4 55 Images 3 64 Innerbetriebliche Konfliktregelung 3 15 Interesse 2 29, 40, 42; 4 26, 47, 49 Interkulturell 2 44 218
Interne Konflikte 5 30 Internet 3 65
K Klärungshilfe 3 8 Koalitionen 3 63, 64 Kommunikation 2 8 ff – aktives Zuhören 2 50 – Echo-Technik 2 50 – Gestik 2 15 – Kommunikation gewaltfreie 2 51 – Kommunikationstheorie 2 16 ff – Mimik 2 15 – nonverbale 2 11 ff – verbale 2 8, 10 Kommunikationstheorie 2 16 Kompetenz – fachliche 3 53 ff – Fachwissen 3 56 – Methodenkompetenz 3 55 – Organisation 3 56 – Prozesskompetenz 3 54 – Qualitätssicherung 3 57 Kompetitiv 2 36 Kompetitive Typ 2 20 Kompetitive Verhandlungsstrategie 2 30 Kompetitives Verhandeln 2 43 Komplexität 2 5; 4 22 Kompromissstrategie 2 34 Konflikt 5 66 – Arbeitnehmerkonflikte 3 19 – Beurteilunskonflikt 3 30 – Beziehungskonflikt 3 30 – innerbetriebliche Konfliktregelung 3 15 – Konfliktarten 3 30 – Konfliktbegriff 3 29 – Konfliktidentifikation 4 11 ff – Konfliktumfeld 3 30 – Rollenkonflikt 3 30 – Verteilungskonflikt 3 30 – Wahrnehmungskonflikt 3 30 – Wirtschaftskonflikt 3 30 – Zielkonflikt 3 30 Konfliktklauseln 5 20 Konfliktkosten 5 15 Konfliktkultur 5 31, 43 Konfliktmanagement 5 25, 37
Stichwortverzeichnis Konfliktmoderation 3 8 Konfliktprophylaxe 5 78 Konfliktumfeld bei Wirtschaftskonflikten 3 30 Konstruktives Umdeuten 4 19, 20 Kooperationen 5 53 Kooperative Strategie 2 32, 42 Kooperative Typ 2 20 Kooperatives Verhandeln 2 43 Kosten 5 14 Kostenrisiko 5 14 Kreative Denkstrategien 4 61 Kreativitätstechniken 2 42; 4 61 Kreditinstitut 5 61 Kultur der Messbarkeit 3 33 kulturelle Einflüsse 2 21 Kunden 5 63 Kündigungskonflikte 5 40
L Laterales Denken 4 65 Lebenserfahrung 3 52 Leitungsgremien 5 34 Lieferanten 5 67 Limited Authority 2 45, 47 Looping 4 43
MMachbarkeitsprüfung 4 75 Machteingriffe 3 58 Main-Mediation 3 9 Management by Wirtschaftsmediation 5 46 Mandanten 5 1, 23 Mandantsbindung 5 29 Mediation 1 5; 3 1 – Ablauf 4 1 ff – Anforderungsprofil 3 34 ff – Atmosphäre 3 23 – Aufgabenverteilung 3 22 – Auslöser 5 7 ff – Co-Mediation 3 22 – Dauer 3 24 – Einsatzgebiete 5 1 ff – Erfolgsfaktoren 3 21 – Main-Mediation 3 9 ff – Management by Wirtschaftsmediation 5 46 – Mediationsausbildung 1 3, 17 ff – Mediationsgespräch 3 77
– – – – – – – – –
Mediationsordnung 3 16 Mediationsverfahren 1 20 ff Mediationsvertrag 3 16 ff Onlinemediation 3 65 Ort 3 23 Pausenzeiten 3 24 Phasen 3 54 Pre-Mediation 3 7 f Wirtschaftsmediation 1 31 ff; 3 1 ff, 5 ff; 6 3 – Zeit 3 23 Mediationsklauseln 5 20 Mediationsordnung 3 16 Mediationsvertag 3 16 Memorandum 4 56 Menschenbild 3 41 Methodenkompetenz 3 55 Mimik 2 15 Mindmapping 4 68 Mitarbeiter 5 37 Mitgefühl 4 96 Mittelstandsklientel 5 6 Mobbing 3 58 ff; 5 39 Moderationstechnik 4 60 Moderator 4 72
NNachlassregelungen 5 51, 71 Narzissmus 3 51 Negotiation Dance 2 45 Netiquette 3 65, 77 Netzwerk 3 16 Nonverbale – Kommunikation 2 11; 3 66 – Sprache 4 91 NPO 3 33
O Offenheit 3 45 Öffentlichkeit 5 17 Ombudstellen 5 63 Onlinemediation 3 65; 4 75 Organisationsentwicklung 3 8 Organisationskultur 3 28 Organisatorische Absprachen 3 20 Ort 3 23
P Paraphrasieren 4 33, 38 219
Stichwortverzeichnis Partnerschaftskonflikte 5 26 Patriachen 5 53 Pauschalhonorar 6 12 Pausen 4 51 Pausenzeit 3 24 Peer-Fähigkeit 3 52 Persönlichkeitskompetenz Allparteilichkeit und Fairness 3 44 Persönlichkeitskompetenz 3 35 ff – Beobachter 3 52 – Demut 3 39 – Ehrlichkeit 3 38 – Einfühlung 3 46 – Emphatie 3 37 – Ermutigung 3 46 – Freiwilligkeit 3 48 – geschützter Rahmen 3 43 – Haltung 3 40 – Lebenserfahrung 3 52 – Menschenbild 3 41 – Narzissmus 3 51 – Offenheit 3 45 – Peer-Fähigkeit 3 52 – Professionalität 3 50 – Selbstreflexion 3 51 – Verantwortung 3 42 – Verhalten 3 49 – Vertrauen 3 47 – Vertraulichkeit 3 47 – Zuhörer 3 52 Persönlichkeitsstrukturen 2 19 – kompetitiver Typ 2 20 – kooperativer Verhandlungstyp 2 20 Perspektivwechsel 4 36 Phase 1 4 3 Phase 2 4 10 Phase 3 4 25 Phase 4 4 55 Phase 5 4 74 Phasen 3 54, 74 Phasen des Mobbings 3 60 Pinnwandmoderation 4 63 Polarisation 3 63, 64 Position 2 29; 4 47 Positionen 2 42; 3 58; 4 26 Positive Konnotation 4 37 Pre-Mediation 3 7, 75 220
Priorisierung 4 23 Professionalität 3 50 Profit-Unternehmen 3 31, 33 Provokationstechniken 4 64 Prozesskompetenz 3 54 Prozessziele 1 7
Q Qualitätssicherung 3 57 R Rechtsabteilungen 5 5 Rechtsanwalt 5 23 Rechtsberater 4 59 Rechtsberatungsgesetz 6 4 ff Rechtsdienstleistungsgesetz 6 5 Reflecting Team 4 44 Reframing 4 40 Regeln 4 5 Regelwerk 3 31 Ressourcenbindung 5 57 Rollenklarheit 3 62 Rollenkonflikte 3 30 Rückstellung 5 68
S Scheidung 5 55 ff Schenkung 5 73 Schiedsgericht 5 4, 10 Schiedsgerichtsverfahren 3 8; 5 6 Schiedsgutachten 3 8; 5 6 Schiedsverfahren 1 38 f Schlichtung 1 40 ff; 3 8; 5 4, 6 Schriftform 3 17 Selbstreflexion 3 51 Semantische Intuition 4 67 Sicheren Rahmen schaffen 4 4 Sicherheit 5 42 Sitzordnung 3 26 ff Six thinking hats 4 65 Sokratische Methode 2 53 Soziale Intelligenz 2 54 Sozietäten 5 31 Spiegeln 4 18, 20, 33, 39 Steuerberater 5 1, 23 – Anwendungsgebiete 5 24 ff – Grundqualifikation 5 23 Strategie 2 26; 4 27
Stichwortverzeichnis Streitbeilegungsverfahren 1 34 Stress 3 26, 27 Subsysteme 3 31, 32 Supervision 3 57 Synchrone Kommunikation 3 67 System 3 31
T Taktik 2 26, 44 Täter 3 59 Teams 5 38 Techniken 4 53 Technische Ausstattung 3 25 Themensammlung 4 21 Transformieren 4 35 Trennung/Scheidung 5 55
UUnparteiisch 3 2 Unterhalt 5 56 Unternehmen 5 2 Unternehmensberater 5 43 Unternehmensgründung 5 43 Unternehmenskauf 5 76 ff Unternehmenskultur 3 31 Unternehmensnachfolge 5 53 ff, 76 Unternehmerehepaar 5 55
V Veränderungsprozesse 5 41 Verantwortung 3 42 Verbale Kommunikation 2 8, 10 Vereinbare Tätigkeiten 1 51 ff Verfahrenskosten 5 3 Vergleich 3 2 Verhandeln 2 2; 5 4 Verhandlung 5 6 Verhandlungen 5 12 – 4 M Methode 2 54 – Anpassungsstrategie 2 33 – Bedürfnisse 2 40 – bewusstes Verhandeln 2 22 ff – Erfolgsfaktoren 2 3 – Gefühle 2 41 – Interesse 2 29, 37ff, 42 – interkulturelle Verhandlungstaktik 2 44 – kompetitive Verhandlungsstrategie 2 30, 36, 43
– Komplexität 2 5 – Kompromissstrategie 2 34 – Konfliktmoderation 3 8 – kooperative Strategie 2 32, 42, 43 – Position 2 29 – Position 2 37 ff, 42 – sokratische Methode 2 53 – Verhandeln 2 2; 3 1 f – Verhandlungsanalyse 3 8 – Verhandlungsdilemma 2 6 – Verhandlungsfehler 2 4 – Verhandlungshindernisse 2 5 ff – Verhandlungsstil 2 23 ff – Verhandlungsstrategie 2 26 ff – Verhandlungstaktik 2 26, 44 ff – Verhandlungstypen 2 17 ff – Vermeidungsstrategie 2 31 – Vorbereitung 2 49 Verhandlungsanalysen 3 8 Verhandlungsdilemma 2 6 Verhandlungsfehler 2 4 Verhandlungsstil 2 25 Verhandlungsstrategie 2 27 Verhandlungstaktik 2 44 Verhandlungstechnik 4 70 Verhandlungstypen 2 17 Verhärtung 3 63, 64 Vermeidungsstrategie 2 31 Vermögensanlagen 5 81 Vernichtungsschläge 3 63, 64 Verschwiegenheit 3 18 Verschwiegenheit des Mediators 3 18 Versicherung 5 68 Verteilungskonflikte 3 30 Vertrag 3 9 – Erbvertrag 5 71 – Mediationsvertrag 3 16 ff – Schriftform 3 17 Vertragsklauseln 5 8 Vertrauen 3 14, 31 f, 32, 47; 5 62, 72, 79 Vertraulichkeit 3 47; 4 6 Visualisieren 4 20 Visualisierung 3 25; 4 16, 71 Vollstreckbarkeit 4 79 Von der Position zum Interesse 2 37 Vor- und Nachteile von Konflikten 5 25 Vorbehaltstätigkeiten 1 48 ff 221
Stichwortverzeichnis Vorbereitung von Verhandlungen 2 49 Vorgespräch 3 10 ff, 76; 4 2
WWeisungsfreiheit 3 18 Weisungsfreiheit des Mediators 3 18 Weisungsunabhängigkeit 3 12 Win-loose-Strategie 2 38 Wirtschaftsmediation 3 1, 5 – Berufsrecht 6 1 ff – Management by Wirtschaftsmediation 5 46 – Tätigkeiten 1 54 f – vereinbare Tätigkeit 6 3
222
– Werbung 6 7 f – 1 31 ff Wünsche 4 26 Wut 4 90
Z Zeitersparnis 5 10 Zeitmaß 4 4 Zersplittung 3 63, 64 Zielkonflikte 3 30 Zufallstechnik 4 66 Zugewinnausgleich 5 56 Zuhörer 3 52