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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Fantasy Spezial
Zauberträume 4
'Zauberträume' ist eine kost...
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Geschichten aus dem Fantastik Magazin WARP-online
Das Fantasy Spezial
Zauberträume 4
'Zauberträume' ist eine kostenlose Fantasy Anthologie von www.WARP-online.de, dem Fantastik Magazin. Alle Rechte der Geschichten und Bilder verbleiben bei den jeweiligen Autoren und Künstlern.
Zauberträume 4 Copyright 2003 WARP-online Herausgeber: www.WARP-online.de Satz und Layout: Bernd Timm Alle Texte und Bilder sind bereits jeweils einzeln bei www.WARP-online.de erschienen und zur Veröffentlichung durch WARP-online freigegeben. Die Magazin-Reihe ist eine Sammlung von Beiträgen, die zusätzlichen Kreis interessierter Leser anspricht und die Namen der Autoren und Künstler bekannter macht. Weder das Fehlen noch das Vorhandensein von Warenzeichenkennzeichnungen berührt die Rechtslage eingetragener Warenzeichnungen.
1000 Seiten Fantastik www.WARP-online.de bringt das ganze Spektrum der Fantastik: Bilder, Geschichten, Artikel, Projekte, Reportagen, Interviews, Wissenschaft, Comic, Kostüme, SF-Kabarett, Lyrik, Film-& TV-Projekte, Modelle und mehr!
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Inhalt Cover von Freawyn Königsschwert
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von Rupert Benedikt Der Krieger Rolin stößt in eine Höhle vor und findet sein Schicksal...
Warum man Dichtern nicht glauben sollte
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von Andrea Tillmanns Barden haben eine große Macht, wenn man es recht betrachtet...
König unter dem Berge
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von Rupert Benedikt Der Sage nach schläft er den ewigen schlaf, bis jemand dreimal seinen Namen ruft!
Der Angeklagte hat das Wort
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von Andrea Tillmanns Plötzlich stehst Du vor einem sehr eigenartigen Gericht...
Schmerzhafte Begegnung (Teil 1)
14
von Lynaeus Wie der Held Lynaeus von Tyros Gabrielle und Xena traf und ihnen sein eigentümliches Schicksal erzählte...
Bittere Erinnerungen, Schmerzhafte Begegnung (Teil 2)
17
von Lynaeus Lynaeus bildet Gabrielle in der Kunst des Kampfstabes aus. Aber eine dunkle Last schwebt über beiden...
Bittere Erinnerungen, Schmerzhafte Begegnung (Teil 3) Ein neuer Kampfgenosse 22 von Lynaeus Lynaeus wird an einen Teil seiner Vergangenheit erinnert, und der Falke fliegt wieder...
Der Auftrag
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von Karin Sittenauer Er soll seinem König die Tochter des früheren Herzogs bringen. Als er jedoch in die Unterwelt der Katakomben gerät, ändert sich alles.
Der Ursprung des Windes
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von Andrea Tillmanns Die Quelle mancher Dinge ist ganz einfach verblüffend!
Ein zweite Leben 3
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von Karin Sittenauer Sie ist eine Gefangene und wartet nur noch auf den Tod. Doch dann geschieht ein Wunder...
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Königsschwert von Rupert Benedikt
Der Krieger Rolin stößt in eine Höhle vor und findet sein Schicksal...
Es fiel kaum Licht von außen in die dunkle Öffnung, und doch schien es, als würde weit hinten eine Lichtquelle in sanftem Blau ein wenig Helligkeit verströmen. Die Höhlenöffnung verengte sich mit jedem Schritt, bis die mutigen Eindringlinge schließlich mit beiden Schultern an der Wand streiften und sich bücken mußten, um nicht mit dem Kopf an der zackigen Decke anzustoßen. Das einzige Licht, welches sie nach wenigen Metern noch wahrnehmen konnten, war das ungewisse Leuchten von vorn. Gespannt und auf seltsame Weise freudig erregt schritt Rolin, der Krieger, der in einer anderen Zeit König hätte sein können, voran. Er wußte zwar nicht genau, was ihn erwartete, aber mittlerweile war er sich sicher, daß dort vorne etwas war, das auf ihn und zwar ausschließlich auf ihn wartete. Rolin konnte fast spüren, wie ihn etwas vorwärtsdrängte, so stark, daß er sich direkt zurückhalten mußte, um nicht in Laufschritt zu verfallen. Aber schließlich erweiterte sich der Gang zu einem kleinen Raum, dessen Mitte von einer Steinbank ausgefüllt war. Von dort kam auch das bläuliche Leuchten. Rolin trat einen Schritt zur Seite, damit seine Gefährten auch den Raum betreten konnten. Staunen war in alle Gesichter geschrieben, und voller Ehrfurcht schauten sie auf die Gestalt, die auf der Steinbank saß. "Wer ist das?" fragte einer im Flüsterton. Er hatte zwar gewiß schon Bilder von dem toten Krieger vor ihm gesehen, aber noch wollte er nicht wahrhaben, welch Bild sich ihm hier darbot. Niemand mochte, konnte ihm antworten, stattdessen richteten sich aller Augen abschätzend auf Rolin, der noch immer wie versteinert die Gestalt seines längst verstorbenen Vorfahren ansah. Dieser wußte nun, was ihn mit solcher Macht angezogen hatte, es war ein Gegenstand, der an der Seite des toten Königs hing, eine Hand hatte jener wie schützend darüber gelegt, sodaß es aussah, als ob das blaue Licht aus dem Körper des Königs sickerte. Aber in Wahrheit kam es von dessen Schwert, welches in einem anderen Zeitalter Birragel genannt wurde, "Todesstrahl", und ein Todesstrahl war es auch gewesen in ach so vielen Schlachten. Durch viele Generationen war dieses Schwert gesucht worden, denn einer Sage nach war es nicht in die Hände der Feinde gefallen, damals nach der letzten Schlacht, als mit dem Tod des Königs auch das Reich gefallen war und nun stellte sich dieser Aberglaube als Wahrheit heraus, hier vor seinen Augen war es, das Königsschwert, und in seinem Kopf flüsterte es Rolin seltsame Botschaften zu. Komm zu mir! Zulange habe ich auf einen Krieger aus deinem Geschlecht gewartet, endlich bist du hier. Ich kann sie schon schreien hören in den Schlachten, die wir schlagen werden. Ich werde für dich und du wirst mit mir singen, und ich werde dir zeigen, was es heißt, eine Klinge von jenseits des Meeres zu führen. Hörst du sie auch schreien? Es ist ihr Blut, das um Gnade winselt, fast tausend Jahre habe ich es nicht mehr gespürt! Wie in Trance streckte Rolin die Hand aus, um Birragel von seinem Urahn einzufordern. Das Schwert vibrierte in der Scheide, und mit einem furchterregend hohen Klingen sprang es heraus in die geöffnete Hand Rolins. Des toten Königs Arm, der über der Scheide gelegen hatte, wurde von der Wucht mitgerissen, es sah fast so aus, als greife der tote König nach seinem Schwert, um es ein letztes Mal zu berühren, oder wie viel später, in all den Geschichten über Rolins, des neuen Königs Sieg, erzählt werden sollte, um es seinem rechtmäßigen Träger zu übergeben. Der Tote fiel durch den Ruck nach vorne, und in dem Moment, als er nicht mehr in Berührung war mit Birragel, zerfiel sein Körper zu Staub. 5
Das Schwert lag perfekt in Rolins Hand und die Linien seiner Hand verschmolzen mit den Runenmustern am Griff. Vielleicht war dies ein Erkennungsmerkmal, daß Rolin der wahre und würdige Träger war, aber noch auf andere Weise sollte die Klinge ihn prüfen. Das von Elfenhand geschmiedete Schwert begann zu singen, anders konnte Rolin das Gefühl nicht beschreiben, das durch seine Hand wogte, erst langsam, dann immer heftiger, eine Welle durchraste seinen Körper, nahm zögernd Besitz von seinem Geist und erfüllte seinen Kopf mit Bildern, Erinnerungen gleich, und dazwischen wie Blitze freudige Ausblicke auf die Zukunft. Es waren die Erinnerungen der Träger des Schwertes, die vor Rolin die Macht besessen hatten, Birragel zu führen und auch die Erinnerungen des Schwertes selbst. Unsägliche Trauer durchlebte Rolin, als er den Tod seiner Vorgänger spürte, das Schwert hatte nie aufgehört, sie zu beweinen und würde wohl auch nie Ruhe finden. Aber jetzt endlich hatte es einen neuen und würdigen Träger, und wie Frühlingserwachen spürte Rolin, wie die Trauer langsam von einem neuen Gefühl voller Freude verdrängt, wenn auch nicht vergessen wurde. Rolin würde wohl einige Zeit brauchen, bis er diesen plötzlichen Einsturm von fremden Erinnerungen in seinen Geist verkraften würde. Aber erst einmal zog sich die Macht des Schwertes zurück, und Rolin begriff auch, daß dies nicht nur für ihn ein Kennenlernen gewesen war, auch die Elfenklinge hatte seine Gedanken und Gefühle geteilt und nach der Erinnerung geforscht, die ihn zum Träger des Königsschwertes erkor. Nun, da er wußte, daß die Seelen der Verstorbenen ihn im Kampf begleiten würden, würde es ein leichtes sein, hinauszugehen und die Königswürde, die der letzte Träger des Schwertes verloren hatte, in diesem kommenden, in seinem Krieg zurückzugewinnen.
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Warum man Dichtern nicht glauben sollte von Andrea Tillmanns
Barden haben eine große Macht, wenn man es recht betrachtet...
Einst gab es zu Anoret einen bekannten Dichter, der die Geschehnisse in seiner Heimatstadt stets durch treffliche Parabeln zu beschreiben wußte, ebenso wie die Menschen, die in Anoret lebten oder auf ihren geschäftlichen Fahrten die kleine Stadt besuchten. Nun waren seine Geschichten nicht lange unbemerkt geblieben, da er sie besonders gerne mit den Abbildern von Personen aus den höchsten und einflußreichsten Kreisen zu schmücken pflegte, was das einfache Volk so amüsierte, daß seine Parabeln bald in aller Munde waren. Selbstverständlich betrachtete man zu Hofe sein Treiben mit Sorge und bald darauf auch mit verhaltenem Zorne, doch war nie einer imstande, dem Dichter sein schändliches Verhalten nachzuweisen, da dieser sorgsam darauf achtete, keinen einzigen Namen zu nennen, und immer wieder bestritt, bestimmte Menschen beleidigend dargestellt zu haben. Alles, so sagte er, sei einzig und allein seinem eigenen Geiste entsprungen, keinerlei Ähnlichkeit bestehe sicherlich zwischen den Eseln, die durch seine Gedanken spukten, und den hochwohlgeborenen Herrschaften zu Hofe. Freilich mochte diese Aussage niemand bestreiten, der soeben voller Scham oder Zorn sein genaues Ebenbild in einer Anekdote, auf dem Markte oder in den Straßen vernommen, zu entdecken geglaubt, weshalb der Dichter für lange Jahre weiterhin ungestört seine Geschichten zum Besten geben konnte. Doch begab es sich eines Tages, daß eine Welle der Neugierde durch die Stadt lief, da besagter Dichter eine ganz unglaubliche Geschichte ersonnen, in der keiner der Höflinge und Oberen wiederzufinden war, so sehr sich die Menschen auch bemühten, einen entsprechenden Sinn zu erkennen. Stattdessen sprach das Werk des Dichters von höchst merkwürdigen Dingen, die keiner je gesehen hatte und die die kühnsten Phantasien der Leute bei weitem überstiegen. So erzählte er beispielsweise von fliegenden Schiffen aus unedlen Metallen, wozu sich die Zuhörenden nach einem kurzen Moment der Verwirrung durchweg beifällig äußerten, wenn sie auch den Nutzen einer derartigen Geschichte nicht zu verstehen vermochten. Als sie ihn danach fragten, erklärte der Dichter mit stolzgeschwellter Brust, lange Nächte habe er wachgelegen und über das Kommende nachgedacht und sei nun überzeugt, dieses Land, das er gerade den Leuten begreiflich zu machen versuche, könne seiner bescheidenen Meinung nach dereinst, wenn auch sicherlich in sehr fernen Zeiten, durchaus existieren. Und weiter las er seine Geschichte vor: Da gebe es andere Schiffe aus ähnlichen Metallen, die sich wie Fische unter Wasser bewegen könnten, und gar Rüstungen für Menschen, auf daß sie zu Fuß den Grund des Meeres erforschen könnten. An dieser Stelle seiner Ausführungen lachte die Menge begeistert auf. Der Dichter jedoch ließ sich davon nicht im Mindesten irritieren oder gar von einer weiteren Verlesung seiner Gedanken abhalten. Fast schien er noch mehr angestachelt, denn mit wachsender Begeisterung fuhr er fort zu erzählen: Noch weitere Schiffe werde es geben, mit denen man viel höher als mit den erstgenannten werde fliegen können, höher als jeder Vogel, und in manchen bestimmten Rüstungen könne man gar die Sterne betreten, die in Wahrheit viel größer seien als von dieser Welt aus zu sehen. Nun kannte das Gelächter der Zuhörenden kein Halten mehr. Der Dichter ersuchte sie um Ruhe, was jedoch nicht viel nutzte, da selbst die wenigen anwesenden Stadtsoldaten sowie die aus sicherer Entfernung herüberlauschenden Höflinge in Lachen ausgebrochen waren. So 7
wartete er notgedrungen, bis sich die Menge wieder beruhigte, ehe er erneut zu sprechen anhob: In besagter ferner Zeit, fuhr er, dennoch unverdrossen, fort, würden auch Scharmützel und Landstreitigkeiten anders aussehen, große Kriege werde es geben, in denen man nicht nur gegen die nächsten Nachbarn zu kämpfen hätte, und die Könige der einzelnen Länder würden Waffen besitzen, die zu benutzen sie nur einen Schalter betätigen müßten, ja, ein anderes Königreich oder gar ein Dutzend derselben zu vernichten werde weniger Arbeit bereiten, als eine Laterne anzuzünden. Nach diesen Worten lachte niemand, zu ungeheuerlich war diese Vorstellung, um vom einfachen Volke sofort zur Gänze begriffen zu werden. Einer der Höflinge jedoch begab sich eiligst zu den wenigen Soldaten, die alsbald die Menge auseinander zu treiben begannen, um sich danach ohne überflüssige Worte des Dichters anzunehmen und ihm auf das Deutlichste klarzumachen, wieviel besser es für ihn sei, auf der Stelle und ohne jegliche Gegenwehr mitzukommen. Notgedrungen ließ sich dieser also zum Palaste des Königs schleifen, wo er sogleich dem Herrscher vorgeführt wurde. Nachdem der König über alles Notwendige unterrichtet worden war, begann er den Gefangenen zu befragen: Woher dieser denn die angeführten neuen Waffen kenne, und bis wann er als getreuer Einwohner von Anoret der Stadt einige der erwähnten Schiffe bauen könne? Seine Beteuerungen, dies sei völlig unmöglich, nützten ihm nichts. Der Herrscher befahl ihm fortwährend, seine Geheimnisse preiszugeben, schließlich sei gemeinhin bekannt, daß die Erzählungen des Dichters stets einen wahren Kern zu bergen pflegten. Nach einigen unwiderstehlichen Ermunterungen durch wohlgezielte Schläge seitens der Schloßwache seufzte der Dichter tief, bevor er mit zerknirschtem Gesichtsausdrucke kundtat, von all diesen Wundern, die er berichtet habe, habe er auf einer Reise durch die Zeit erfahren, die mittels eines Mechanismus vonstatten gegangen sei, den zu erklären er sich nicht bemächtigt fühle. Der König, der inzwischen erregt aufgesprungen war, befahl seinem Gefangenen, ihm auf der Stelle sein Wissen mitzuteilen. Da auch diese Aufforderung von den Schloßwachen nachdrücklich bekräftigt wurde, seufzte der Dichter erneut, ehe er in verschwörerischem Tone berichtete, das Tor in eine andere Zeit befinde sich auf dem Grunde des Meeres, direkt unterhalb der Großen Wand, die nördlich des Schlosses steil zum Wasser hin abfiel. Zwar könne man es tauchend nicht erreichen, doch sei dies ihm, dem Dichter, mittels eines gewagten Sprunges in die Tiefe hinab gelungen, den man jedoch solch hochwohlgeborenen Herrschaften wie den Anwesenden nicht zumuten könne. Mit einer verächtlichen Handbewegung tat der König diesen Einwand ab und befahl seinen Wachen, sich zu rüsten und an der bezeichneten Stelle ins Meer hinabzuspringen, um einige der Wunder mit heimzubringen. Ohne jeden Widerspruch führten die Untergebenen diesen Befehl aus. Dem Herrscher, der vom oberen Rand des Steilhanges interessiert zusah, schienen nach einiger Zeit Zweifel an dem Gelingen des Vorhabens zu kommen, was der Dichter jedoch noch zur rechten Zeit sah. Sicherlich, erklärte er, seien die Soldaten so begeistert von der unbekannten Zeit, daß sie gerne noch eine Weile verblieben, was natürlich hier in Anoret durch die bloße Anwesenheit des Königs habe vermieden werden können. Der Herrscher zögerte nicht lange, bevor er den Höflingen befahl, den Soldaten auf gleichem Wege zu folgen und auf der Stelle mit wundervollem Wissen zurückzukehren. Diese zögerten schon länger als die Soldaten, ehe sie in die ungewisse, wenn auch verheißungsvolle Tiefe sprangen. Doch die Minuten verstrichen, und auch die Höflinge kehrten nicht zurück. Als die Miene des Königs sich erneut zu umwölken begann, beeilte sich der Dichter zu mutmaßen, daß wohl auch diese Männer den unbekannten Dingen in der fernen Zeit nicht gewachsen seien, schließlich seien sie bekanntlich nicht so reich an Geiste 8
wie der Herrscher. Dieser zauderte sehr lange, ehe er den wohlwollenden Vorschlag des Dichters befolgte und seinen Männern nachfolgte. Es dauerte einige Tage, ehe man in der nördlichen Bucht die auf dem Wasser treibenden Männer des Königs sowie ihn selber, deutlich erkennbar an seinem purpurnen Umhang, entdeckte. Ein Arzt stellte, während er vorsichtig über den Rand der Steilwand hinausblickte, eindeutig eine allgemeine geistige Umnachtung, vermutlich hervorgerufen durch zu fettes Essen, als Ursache des Todes fest. Der Dichter lebte noch lange unbehelligt in Anoret und beglückte die Menschen durch kleine Parabeln, die in seinen letzten Lebensjahren immer öfter von Lemmingen handelten.
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König unter dem Berge von Rupert Benedikt
Der Sage nach schläft er den ewigen schlaf, bis jemand dreimal seinen Namen ruft!
Leise schlichen sich die beiden Kinder durch die dank des lauen Spätsommerabends gut besetzten Tische des Gasthauses, immer vorsichtig nach den beiden Kellnern ausspähend, die, schwere Bierkrüge auf überquellenden Tabletts balancierend, kein Verständnis für im Weg herumstehende Gäste hatten, die noch zu jung für das viel gerühmte Selbstgebraute des Wirten waren. Langsam näherten sich die beiden, denen man gar ansah, daß sie Bruder und Schwester waren, der Gestalt, die sie auserkoren hatten, das Opfer irgendeines ihrer kleinen Späße zu sein, für welche sie schon oft und viel zu streng, wie zumindest sie es empfanden, von ihren Eltern bestraft worden waren. Aber als sie sich schließlich an den alten Mann herangeschlichen hatten, bemerkten sie, daß dieser gar nicht, wie sie gedacht hatten, ein gemütliches Nickerchen in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne machte. Im Gegenteil, unter der breiten Krempe des seltsam anmutenden spitzen Hutes, der den größten Teil seines Gesichtes in schattiger Dunkelheit verbarg, leuchteten aufmerksame und wache blitzblaue Äuglein hervor, die seinem offensichtlichen Alter so gar nicht entsprachen. Noch ehe der ältere der beiden Geschwister sich überlegen konnte, wie es ihm möglichst unauffällig gelingen würde, sich und seine jüngere Schwester wieder in das Gewühl der Gäste zurückzubugsieren, richtete der alte Mann seine Augen auf ihn. "Ihr seid sicher hier, um das Schild zu lesen und den König zu ehren." tönte die tiefe und melodische Stimme aus dem ungewissen Dunkel unterhalb des tiefschwarzen Hutes. Verwirrt, aber plötzlich auch voller Interesse bemerkten die beiden die Gedenktafel, die hinter dem seltsamen alten Mann in die Wand des Wirtshauses eingelassen war. Und dann, nachdem sie diese gelesen hatten, war jeder Gedanke an Schabernack wie weggewischt. Hier an diesem Ort, so stand auf der Tafel geschrieben, hatte der große König den letzten Abend vor der großen Schlacht verbracht und mit den engsten Freunden gefeiert, gefeiert vor dem Töten und der Schlacht, wie es seiner Natur entsprach, ehe er im Kampf um die silberne Stadt das Wunder vollbracht und ihn, dessen Namen zu nennen Unglück bringt, niedergestreckt hatte und selber den tödlichen Streich empfangen hatte. Seitdem, so geht zumindest die Sage, liegt der König unter dem Berge im ewigen Schlaf gefangen und wartet darauf, daß ihn jemand dreimal bei seinem Namen ruft, damit er hervorkomme und wieder in die Schlacht reitet. Wie von selber wandten sich die Augen der beiden Kinder hinüber zu dem Anblick, der schon so manches Herz zu Tränen gerührt hatte, die silberne Stadt der Elfen, aufblitzend in den Strahlen der untergehenden Sonne, voll der schlanken Türme, der verspielten Brücken, wo selbst die einfachen Häuser Palästen glichen, deren Oberfläche aus weißem Marmor so kunstfertig gehauen war, daß die Verzierungen beinahe lebendig wirkten. Es war dies wohl die beste Zeit, um zu verstehen, warum die Elfenstadt die Silberne genannt wurde, denn im Lichte der Abendsonne schien es wirklich, als sei sie aus diesem edlen Metall geschaffen. Es war ein feines aber freundliches Lächeln, das den Mund des alten Mannes umspielte, als er die Ergriffenheit der beiden Kinder erkannte. Selten genug kam es vor, daß jemand die alten Geschichten ernst nahm, die Erzählungen über den damaligen Krieg, den Ritt des Königs und seinen Tanz mit dem Tode. Viele Generationen hatten seither die Äcker rund um die Stadt bestellt und der Heldenmut der damaligen Krieger wurde, wenn überhaupt, bloß noch in Sagen oder Legenden besungen. "Der König unter dem Berge, er soll tatsächlich hier verweilt haben?" fragte schüchtern das kleine Mädchen den fremden alten Mann, denn irgendwie erschien es ihr, als ob dieser 10
seltsame Alte mit dem noch seltsameren Hut die Antworten auf solche Fragen wissen sollte. Lange saß der Alte da und blickte scheinbar ins Leere, als seine Gedanken sich in die Weiten der Vergangenheit erstreckten, Erinnerungen suchten, an denen schon lange, ach so lange Jahre nicht mehr gerührt worden war. Doch schließlich, die Kinder hatten beinahe schon gedacht, die Frage werde unbeantwortet bleiben, richtete der Mann wieder seinen unergründlichen Blick auf sie und sprach: "Nicht alles, was Legende zu sein scheint, muß der Fantasie entsprechen und oft ist das Unerklärliche, das wahrhaft Sagenhafte der Wahrheit näher, als sich irgendjemand träumen ließe. Ja, es ist wahr, oftmals weilte der König hier und dort vor den Toren der silbernen Stadt fand er sein ruhmreiches Schicksal sich endlich erfüllen." Damit wandte der Fremde sich ab und überließ die beiden Kinder ihren eigenen Gedanken und Hoffnungen, bestehend aus dem kindlichen Glauben, ja Aberglauben an große Helden und ruhmreiche Kriege. Er selber aber schritt davon in der sich langsam ausbreiteten Abenddämmerung, den eigenen, weniger erfreulichen Gedanken nachhängend. Er seufzte. "Ach Marlin, mein König, so schwer ist die Last der Jahrhunderte. So gerne würde ich wieder an deiner Seite stehen, aber niemals um den Preis, den Krieg, diese schreckliche Zeit, wieder erleben zu müssen." Erneut seufzend wandte sich der Wächter über die Zeiten dem Abend zu und verschwand schließlich in der Nacht, unfähig jemals zu vergessen, und der König unter dem Berge, noch immer schlafend im ach so verdienten Frieden, wälzte sich unruhig im Schlaf, als so er seinen Namen ausgesprochen hörte.
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Der Angeklagte hat das Wort von Andrea Tillmanns
Plötzlich stehst Du vor einem sehr eigenartigen Gericht...
"Ähm, also, Hohes Gericht, dazu kann ich nur sagen, also ich war es nicht. Schon gut, ja, vielleicht war ich's ja doch, aber ich wollte es ganz sicher nicht. Es war Notwehr! Wirklich! Außerdem - wer kann denn ahnen... Ja, schon gut. Aber meinen Sie nicht, daß die Zeugen vielleicht... okay, nein, sie sind natürlich völlig objektiv, und das Hohe Gericht natürlich auch, und alle hier im Saal. Schon verstanden. Aber ich - ja, ist ja gut, ich erzähle ja schon. Also, da war dieser Sommertag, wissen Sie, und gerade hatte die Saison.... ähm, ich meine natürlich die Badesaison, entschuldigen Sie vielmals, ich wollte Ihre Gefühle nicht verletzen, also jedenfalls war es schön warm, und ich war mit ein paar Freunden unterwegs, ja, genau, den Mitangeklagten, und wenn sie schon so fragen, ja, also genaugenommen hatten wir schon Waffen mit. Gewehre. Aber wir wollten doch nur...! Okay, okay, ich werde mich natürlich an die Fakten halten. Also, da war dieser schöne Sommertag, und wir wollten zu diesem See fahren, wissen Sie, der neben dem großen Wald im Süden, kennen Sie sicher auch... Ihr Lieblingssee? Oh, das wußte ich natürlich nicht. Auch damals nicht, wenn ich das mal so bemerken darf... Schon gut, ich erzähle ja weiter. Ähm, ja, wenn Sie das jetzt so genau wissen wollen, ja, wir hatten auch diese Pfeifen mit. Wie, warum wollen Sie mich jetzt auch noch wegen Betruges anklagen? Ja reicht Ihnen dreifacher Mord denn noch immer nicht? Dafür geben Sie mir ja sowieso schon lebenslänglich! Dreimal sogar? Macht auch keinen großen Unterschied mehr, finden Sie nicht? Schon gut, wenn Sie meinen, daß würde die Hinterbliebenen glücklicher machen... Nun weinen Sie doch nicht, meine Dame! War ja nicht so gemeint! Herr Richter, davon lassen Sie sich doch wohl hoffentlich nicht beeinflussen! Doch? Schon gut. Jedenfalls war ich mit den drei Mitangeklagten unterwegs, genau, mit meinem Wagen, da der den größten Kofferraum hat - aber meine Dame, nun beruhigen sie sich doch! Wir wollten doch nur genug Proviant mitnehmen können, belegte Brote und so - ja, sicher mit Käse. Nun ja, eigentlich auch ein paar mit - ähm - Wurst. Schon gut, aber der Herr Richter stellt doch immer diese Fragen, warum beschimpfen Sie den dann nicht - ja, Herr Richter, ich weiß, es dient alles nur der Wahrheitsfindung. Wie meinen Sie? Na ja, also genaugenommen - ja natürlich, wo um alles in der Welt hätten wir die Gewehre denn sonst verstauen sollen? Auf der Fahrt brauchten wir sie schließlich noch nicht! Okay, okay, ich werde nicht mehr so drastisch sein. Also, wie war noch gleich Ihre Frage? Ach so, ja, dann kamen wir also an dem See an, genau, die drei Mitangeklagten und ich, na ja, und dann... Also Herr Richter, warum lassen Sie eigentlich nicht den Saal räumen, Sie verstehen mich doch sowieso nicht, wenn ständig irgend jemand dazwischenheult - ach so, Sie wissen eh schon alles? Ja warum fragen Sie mich denn dann überhaupt noch? Weil es so im Gesetz steht? Stand da nicht auch einmal, daß jeder Angeklagte das Recht auf einen Verteidiger hat? Ich nicht? Die anderen auch nicht? Und denen wollen Sie auch nicht zuhören? Schon gut, ich habe verstanden. Aber werfen Sie doch mal einen Blick ins Grundgesetz! Das ist Rassendiskriminierung! Das dürfen Sie nicht! Doch? Aber - ach so, das Grundgesetz gilt für uns auch nicht. Schon kapiert. Darf ich dann jetzt gehen? Schon gut, ich erzähle ja weiter. Also, da war dieser See, und da haben wir die Gewehre ausgepackt - kann ich noch auf unschuldig plädieren? Nein? Na gut, dann haben wir auch die Pfeifen herausgeholt, und dann - passen Sie gut auf, jetzt kommt der Teil mit der arglistigen Täuschung - dann haben wir... Nein, Herr Richter, ich will mich natürlich nicht über Sie lustig machen. Das heißt - kann das Strafmaß noch verschärft werden? Ja? Nein, dann wollte ich Sie nicht auf den Arm nehmen. Also, um es kurz zu machen, ich gebe hiermit zu, daß wir die 12
Pfeifen zur arglistigen Täuschung ihrer Freunde und Bekannten benutzt haben. Darf ich jetzt gehen? Was wollen Sie denn noch hören, Sie sehen doch selbst, wie aufgelöst die Hinterbliebenen sind... Ein Geständnis? So ein richtiges? Wollen Sie nicht doch den Saal... schon gut, ja, natürlich verstehe ich das, daß sie mich alle hassen. Kann ich vielleicht noch auf Notwehr...? Auch nicht? Nein, ich finde das nicht lächerlich, ich will mich doch nur verteidigen... Wie? Auch das nicht? Was darf ich denn dann überhaupt noch? Sonst nichts? Nur Ihre Fragen beantworten? Auch keine Erklärung für mein Verhalten? Aber... Na gut, Sie wollten es ja nicht anders. Also, nachdem wir die Pfeifen benutzt hatten, legten wir an und erschossen auf hinterlistige Art und Weise drei Ihrer Artgenossen. Sind Sie jetzt zufrieden? Schon gut, ja, also, hiermit möchte ich mich bei allen Hinterbliebenen für unser ungeheuerliches Verbrechen entschuldigen. Ja, ich weiß ja selber, daß sie davon auch nicht wieder lebendig werden, aber der Herr Richter hat doch gesagt... Wie, jetzt darf ich gehen? Wirklich? Danke schön auch, Herr Richter. Und wie ist das mit dem Urteil? Aber natürlich kann ich darauf noch ein paar Minütchen warten." Er setzte sich wieder auf die Anklagebank, neben seine Freunde, und wartete. Nicht viel später kam der Richter mit seinem Gefolge zurück, nahm hoheitsvoll auf seinem Sessel Platz und schickte sich an, das Urteil zu verkünden. "Dreimal lebenslänglich für alle", lispelte er, "und noch ein viertes Mal für den letzten wegen Mißachtung des Gerichtes! Die Sitzung ist geschlossen!" In diesem Moment konnte der letzte Angeklagte sein Lachen nicht mehr zurückhalten und prustete los. Es sah aber auch wirklich zu komisch aus, wie die Ente den Richterhammer zu schwingen versuchte.
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Schmerzhafte Begegnung (Teil 1) von Lynaeus
Wie der Held Lynaeus von Tyros Gabrielle und Xena traf und ihnen sein eigentümliches Schicksal erzählte...
Der Abend senkte sich über die Hochebene bei Lytina. Ich war seit langem unterwegs, noch etwa fünf Stunden, und ich würde die Stadt Tyron erreichen. In einiger Entfernung war das Leuchten eines kleinen Feuers zu sehen, das interessierte mich. Die Sklavenhändler sind in der Gegend und hier schlägt irgend ein Unbedarfter sein Lager auf! Vorsichtig näherte ich mich dem einzigen Wesen, das hier außer mir zu sein schien. Es war ein schlafender Engel, mit wunderschönen rotblonden Haaren und einer süßen Stupsnase. Da ich es nicht über mich brachte die schlafende Schönheit zu wecken, sammelte ich Brennholz in direkter Nähe des Lagers und schürte das Feuer, alsdann wollte über ihren wehrlosen Schlaf wachen. Als ich merkte, das dieses göttliche Wesen dabei war sich aus Morpheus Armen zu befreien, bereitete ich ein Morgenmahl für sie. Gerade als ich die Kapuze meines Umhangs abnehmen wollte, sagte sie:" Hab ich dich Xena! Xena? ". In diesem Moment traf mich ein Knüppel mit mörderischer Kraft ins Genick und ich fragte mich, wer zum Teufel ist Xena? Dann gingen bei mir die Lichter aus. Mit einem dumpfen Grmpf kam ich langsam wieder zu mir, und blickte in smaragdgrüne Augen. Schuldbewusst sah sie mich an. "Verzeih mir , ich dachte, du wärst Xena". "Was in aller Welt hat Dir diese Xena denn getan?" "Xena? Mir?? Sie könnte mir nie wehtun!" "Und deshalb verprügelst du sie mit dem Stab!" "Das verstehst du falsch, Xena würde sich nie treffen lassen. Sie ist eine große Kriegerin verstehst du?" Ich rieb mir den Nacken. Im Gegensatz zu mir. "Aber womit hast du mich getroffen?" Stolz reichte sie mir ihren Kampfstab. "Du bist also Gabrielle, die Bardin aus Potidaea". Gabrielle glaubte nicht recht zu hören. Verwirrt fragte sie : "Woher weißt du das? Bist du ein Seher?" Grinsend berichtete ich ihr von meiner Begegnung mit Meleager, dem Mächtigen. Es war schon merkwürdig, dass der alte Kämpe eine ganze Taverne zerlegte, nur weil der Wirt ihm einen Wein ausgeben wollte, den er ablehnte, denn er hatte einer Freundin versprochen, nicht mehr zu trinken. Als der Wirt keine Ruhe gab, drehte Meleager durch und zerlegte die Hütte in Kleinteile. Anschließend erzählte er mir die Geschichte mit Argus. "Nun musste ich nur noch eins und eins zusammenzählen, rotblonde Schönheit mit grünen Augen, Amazonenkampfstab und Kriegerin." Ich berichtete, wie Meneager dem Wirt drohte: "Ich bring dich um" und um es zu demonstrieren, zielte ich mit meinem Wanderstab auf Gabi. Dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Xena näherte sich dem Lager und hörte die gebrüllte Drohung. Sofort riss sie ihr 14
Chackram hoch und warf es gegen den vermeintlichen Mörder. Gabrielle schrie: "Nein, Xena ", und konnte nicht begreifen, dass ich einfach nur stehen bleib und versuchte meinen Kopf mit meinem rechten Unterarm zuschützen. Sieht er die Gefahr denn nicht, fragte sich die Bardin, die ihn schon mit gespaltenem Schädel auf dem Boden wähnte. Doch das Wunder geschah, das Chackram prallte von seinem Unterarm ab und kehrte zu Xena zurück. Gabrielle und Xena sahen erst sich und dann mich verwirrt an. Erst dachte ich mein Arm würde explodieren, doch der Schmerz ebbte langsam ab. "Was geht hier vor Gabi und wer ist der Typ?" Die Kriegerin sprang mit gezogenen Schwert zwischen uns und bedrohte mich. Gabi klärte Xena über den wahren Sachverhalt auf und starrten auf meinen rechten Unterarm. Ich schob den Ärmel nach oben und gab damit den Blick auf einen metallischen Unterarmschutz frei. "Hephaistos lässt grüßen". Xena grinste: "Sei gegrüßt Lynaeus von Tyros." " Was ist den heute los? Spielen wir wer bin ich?" Gabrielle wirkte etwas frustriert: "Woher...." "Erinnerst du dich an die Befreiung von Diamedes dem Sohn des Hephaistos? Dort ist der Retter." Mit einer ausladenden Bewegung zeigte die Kriegerin auf mich. Gabis Augen glänzten. "Du hast...." "Ich gestehe. Lasst uns etwas essen und bei einem Becher Wein erzähle ich euch, was vor drei Jahren wirklich geschehen ist." Während Gabrielle das Mahl bereitete fragte Xena: "Lynaeus, warum wanderst Du unbewaffnet durch die Welt? Das passt doch nicht gar nicht zu Dir, so ganz ohne Schwert !" "Ich werde auch nie wieder eines führen können, doch habe Geduld bis nach dem Essen." Das Mahl war gut und reichlich. Xena reichte mir den Wein und ich begann zu erzählen: "Damals war ich Offizier im Heer des Marmax und nach dem Sieg bei Arika zogen wir wieder Richtung Athen. Ich ritt voraus, ich war des Kämpfens müde und noch müder der Geschichten an den Lagerfeuern, die im Laufe der Zeit aus mutigen Gegnern schwache Feiglinge machte. Auf einer Lichtung sah ich einen Mann, der, das Schwert erhoben, einen vielleicht fünf Jahre alten Jungen bedrängte. Ich sprang vom Pferd und streckte ihn mit einem Schlag nieder. Der Junge aber war verwirrt und ängstlich, er ergriff das Schwert und hielt es linkisch und nach Hilfe suchend vor sich. Ich redete ruhig und beschwörend auf ihn ein, doch er wurde noch unsicherer und als ich auf ihn zuschritt, warf er das Schwert nach mir. Um das Gesicht zu schützen riss ich den Arm hoch, doch die Klinge durchstieß die Armpanzerung und meinen Arm. Hätte ein Erwachsener das Schwert geworfen, hätte es wohl auch noch meinen Schädel gespalten. Nach dem ich meine Wunde versorgt hatte, suchte ich nach dem Jungen. Er lag auf der Lichtung und weinte herzzereissend. Ich nahm ihn in den Arm und versuchte ihn zu beruhige. Bald schlief er unter Tränen ein. Ich wickelte ihn in meinen Mantel und machte Feuer mit dem Holz, das ich auf der Lichtung fand. Alsdann besah ich mir die Klinge genauer, es war das Schwert des Hephaistos. Ich fluchte, denn ich wusste, dass eine Wunde, geschlagen von diesem Schwert, nie verheilen würde. Am nächsten Morgen erwachte ich, als ich spürte, dass jemand das Lager betreten hatte Ich griff nach meinem Schwert, doch durch meine Wunde fehlte mir die Kraft es zu heben. Der Fremde sagte nur: " Lass es einfach". Ich stand auf und besah mein Gegenüber. Er stellte sich mir als Hephaistos vor und dankte mir für die Rettung seines Sohnes. Als Lohn erhielt ich den Armschutz des Hephaistos. Angepasst von ihm und aus seinem Metall er deckt die Wunde auf ewig ab, aber ein Schwert werde ich mit diesem Arm wohl nicht mehr führen können. Aber was macht ´s, ein guter Stock kann manchmal auch recht hilfreich sein, Xena, frage deine Freundin."
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Die Dämmerung tauchte den Himmel langsam in ein tiefes Blau. "Sag mal, Xena, Du läst Gabrielle hier allein und schlafend im Lager zurück, wenn Sklavenhändler in der Gegend sind?" Sie grinste mich an: "Jetzt sind keine mehr in der Gegend." Langsam begann Morpheus nach uns zu rufen, und wir breiteten unsere Schlafrollen aus. "Eine Frage hätte ich da noch", meinte Gabi , "woher hattest Du dieses leckere Nussbrot ? Es war wirklich gut!" "Selbstgebacken", grinste ich, " wieso fragst du?" "Du kannst so gut backen?" Die Bardin war erstaunt. "Tja," bestätigte ich, "ich habe nun mal viele..." "Nein, sag es nicht," schrie Gabrielle. Xena grinste und ich schüttelte nicht verstehend den Kopf drehte mich um und begrüßte Morpheus.
Fortsetzung folgt!
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Bittere Erinnerungen, Schmerzhafte Begegnung (Teil 2) von Lynaeus
Lynaeus bildet Gabrielle in der Kunst des Kampfstabes aus. Aber eine dunkle Last schwebt über beiden...
Als Lynaeus erwachte, saß Xena schon am Feuer und beobachtete Gabrielle, die sich schlafend in ihre Decke verknotet hatte. "Ist sie nicht wunderschön, wie sie da so liegt?" Diese Frage hätte für Lynaeus tödlich sein können, und Xena knurrte ihn an. "Schleiche Dich nie wieder so an!" " Sorry" sagte er und breitete eine Lederunterlage aus, holte einige Zutaten aus seiner Tasche und begann sie miteinander zu vermengen. "Was wird das?" ,wollte Xena wissen. "Nussbrot", antwortete Lynaeus, "sie mag es doch so gern." "Du backst jetzt Nussbrot für sie? Magst du sie?", fragte Xena misstrauisch und ein wenig Eifersucht klang in ihrer Stimme mit. "Ja, sie erinnert mich sehr an meine Frau Syrina", erklärte er. Xenas Züge entspannten sich. "Wo ist sie denn? In Tyros?" "Tot. Als ich vorgestern an Gabrielles Lager vorbei kam, dachte ich erst, dass Hades Mitleid mit mir hätte und mir Syrina zurückgegeben hätte. Sie sehen sich so ähnlich, als wären sie Schwestern. Nur hatte Syrina die wärmsten und braunsten Augen auf diesem Erdball. Sie starb vor fünf Jahren, als sie mir gegen die Banditen des Mezentius beistehen wollte." Lynaeus legte den Teig in die Glut und zog sich zurück. Xena sah, dass ihm die Tränen in den Augen standen und merkte, dass er den Tod seiner Frau noch nicht überwunden hatte. Sie ließ ihn wortlos gehen, um ihn nicht bloßzustellen . Einige Zeit später kehrte er zurück, und war wieder Herr seiner Gefühle. Der Duft von frischem Nussbrot lag in der Luft und zog auch an Gabrielle nicht spurlos vorbei. Die Bardin setzte sich auf und mit einem "Nussbrot, mjam." ließ sie immer mehr des Brotes in ihrem Mund verschwinden. Xena rettete mit einem schnellen Griff die andere Hälfte des Brotes davor, der ersten Hälfte zu folgen. Und begann schallend zu lachen. Lynaeus setzte mit ein, als er sah, das Gabrielle noch schlief. Die Bardin rollte sich am Feuer zusammen, bettete ihren Kopf auf den Schoß der Kriegerprinzessin und begann ganz leise vor sich hin zu schnarchen. Der Himmel schien in Flammen zu stehen, als der Tag erwachte. Xena erzählte Lynaeus von dem jungen Mädchen , das sie in Amphipolis vor einer Steinigung bewahrt hatte, und Lynaeus erzählte von einer Liebe, die klar und tief wie der Ozean war und von einer Frau deren Seele so groß und rein war, das man sie zur Göttin aller guten Seelen machen konnte. Dann erzählte er von Ländern, wo er mit Syrina gewesen ist. Langsam erwachte Gabrielle : "Was gibt es zum Frühstück?", wollte die junge Bardin wissen. Die beiden Krieger sahen sich nur an und grinsten. "Sag mal Lynaeus , ich habe gehört, du seiest recht gut mit dem Kampfstab?" fragte Xena und 17
warf ihm den seinen zu. Dann ging sie zu Gabi und reichte ihr den Amazonenstab . "Zeig ihm doch mal wie gut du bist" meinte die Kriegerin, und setzte sich neben das Feuer. Die beiden umkreisten sich langsam, die Stäbe trafen immer schneller aufeinander und Lynaeus steigerte das Tempo immer mehr, der Stab tanzte regelrecht in seinen Händen, mit flüssige, zielgerichtete Bewegungen traf er immer schneller, härter und stürmischer auf sein Pendant. Die Amazone konnte den Stab, der unter jedem Treffer mehr zu vibrieren begann , kaum noch halten .Gabi wollte aufgeben, aber er ließ sie nicht und bedrängte sie immer mehr . "Du musst schneller werden Syrina , viel schneller, sonst töten sie Dich erneut." Gabrielle sah den Schatten des Wahnsinns in seinen Augen. Als Zeichen der Aufgabe warf sie ihm den Stab entgegen. Lynaeus sah darin einen Angriff und wehrte Gabis Stab mit dem seinen ab. Der Amazonenstab sauste zurück und traf Gabi am Kopf . Sie verdrehte die Augen und sackte in sich zusammen. Aus einer Platzwunde nahe ihrer Schläfe lief ein feines rotes Rinnsal. "Gabrielle" schrie Xena .Lynaeus ,der durch diesen Schrei wieder zu sich gekommen war, sah die Kriegerin mit erhobenem Schwert und verzerrten Zügen auf sich zukommen und begriff, dass ihn nur noch die Flucht retten konnte. Er floh in den Wald. Xena untersuchte Gabi, die gerade wieder zu sich kam. Sie strahlte die Kriegerin an. "Hast du das gesehen? Nie habe ich einen so schnell geführten Kampfstab gesehen. Aber was ist geschehen und wo ist Lynaeus?" "Verzeih mir, es war ein Versuch ihm zu helfen, er kommt nicht über den Tod seiner Frau Syrina hinweg. Sie war, so sagte er, ein Abbild Deiner. Also dachte ich, wenn ihr kämpft..." Xena erzählte der jungen Bardin alles, was sie am Morgen von Lynaeus erfahren hatte. " Fast hätte es geklappt" meinte Gabrielle. "Aber leider nur fast. Ich glaube, ich sollte mal nach ihm suchen" sagte die Kriegerin und wischte das geronnene Blut von der Schläfe ihrer Freundin. "Du? Du meinst Wir." Vom Wald her war ein auf - und abschwellendes Pfeifen zuhören . "Xena, was ist das?" wollte Gabi wissen. " Ich tippe auf Lynaeus . Komm, folgen wir dem Ton." Sie näherten sich einer Lichtung und kletterten auf eine alte Eiche, um den Platz überblicken zu können. Mitten auf der Wiese stand Lynaeus und kämpfte mit imaginären Gegnern. Dabei ließ der den Kampfstab tanzen und man hatte das Gefühl, das er ein Eigenleben entwickelte. Je schneller der Stab sich bewegte, desto höher war der Ton. "Hätte ich das gewusst, hätte ich euch nie kämpfen lassen" sagte Xena. " Was gewusst?" Gabi sah ihre Freundin fragend an. "Also pass auf. Lynaeus scheint den Kampfstab auf der Insel Delos erlernt zu haben, denn nur auf Delos gibt es das Holz , das singt. Man muss nur ein paar Kerben an den richtigen Stellen in das Holz schneiden und Voil´a, der Stab kann singen. Aber täusche Dich nicht, es erfordert noch eine sehr große Geschicklichkeit und Schnelligkeit, um die Stimme des Stabes zu wecken." Xena sah wieder auf die Lichtung herab. Lynaeus wurde schneller und schneller und aus dem Singen des Stabes wurde ein Heulen. Gabrielle fragte die Kämpferin. "Was passiert da?" "Er durchlebt noch einmal den Verlust seiner geliebten Syrina" vermutete Xena. Nach fast einer Stunde wirbelnden Kampfes blieb Lynaeus wie angewurzelt stehen, blickte 18
zur Seite und brüllte: " Syrina!!!". Die Kniee knickten ein, " Syrina NEIIIN!!!! ". Dann fiel er vorüber in den Staub und die Erschöpfung raubte ihm das Bewusstsein. Xena warf ihn über den Sattel, und Argo trug ihn zurück ins Lager. Angekommen betteten sie in auf seiner Schlafrolle und deckten ihn mit allen Decken, die sie hatten, zu . "Sieh zu , dass sein Körper warm bliebt, mehr können wir nicht für ihn tun" sagte die Kriegerprinzessin. Sie setzte sich ans Feuer und schärfte ihr Schwert. "Du Xena ?"fragte Gabrielle. "Du sagtes:' wenn ich das gewusst hätte...' Was???" "Dass er den Stab singen lassen kann., Du musst wissen, das habe ich bisher erst einmal erlebt, bei der Belagerung in Korinth. Ich habe meine Kräfte mit einem Krieger von der Insel Delos gemessen. Hätte ihn nicht ein Verräter aus den eigenen Reihen hinterrücks ermordet, hätte ich wohl kaum gegen ihn bestehen können." Langsam legte der Abend sein schwarzes Tuch über den Horizont. Die Sterne am Himmel, so schien es Xena, buhlten um die Gunst, für Gabrielle scheinen zu dürfen. Die Bardin hatte ihren Kopf in den Schoß der Freundin gebettet und sah hoch zu den Sternen. Sie streckte den Nacken durch und betrachtete Xena lange. "Oh ihr Götter", dachte sie," was sieht Xena in mir, das ich mit ihr so viel erleben darf, ich, das Mädchen aus dem kleinen Dorf Potidaea?" Auch Xena hing ihren Gedanken nach: Warum ist sie noch bei mir ? Warum darf ich mich an ihrer inneren Sonne wärmen? Sie ist es, die mir die Tage erträglich macht ,die mir Halt und Hoffnung gibt. Sie ist mein Licht und meine Seele. Aber was würde ich tun, wenn ich mit ansehen müsste, wie sei fällt, erschlagen von einem Feind, wie bei Lynaeus und Syrina. Sie schüttelte den Kopf, um die düsteren Gedanken zu verscheuchen. Wie sagte doch einst Salmonäus "Lebe das Jetzt und das Heute ,in Tausend Jahren sind wir nur noch Staubkörner der Geschichte." Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als Lynaeus erwachte. Er sah Gabrielle am Feuer schlafen, von Xena war nichts zu entdecken. Er packte seine Sachen in die Umhängetasche, griff nach seinem Kampfstab und verließ das Lager. Er war noch keine hundert Meter vom Lager entfernt, da verstellte Xena ihm den Weg. "Schon so früh auf Achse?" wollte sie wissen. "Es ist besser für Gabrielle, ich hätte sie fast getötet . Bitte sie um Verständnis , um Verzeihung kann ich sie nicht bitten, nicht nach dem..."Lynaeus brach ab, denn nun näherte Gabrielle sich den beiden. "Ach, erst Randale machen und dann heimlich verschwinden? So nicht!" sagte Gabi mit herausforderndem Unterton. Den Blick auf den Boden gerichtet meinte er:" Es ist besser für Dich, ich schulde Dir ein Leben, und werde nicht hier bleiben, um Deins zu gefährden." "Sieh mich an, ich lebe noch," fuhr ihn die Bardin an, " und mit Deiner Hilfe wird es auch noch weiter so bleiben!" Jetzt lachte sie . Unverständnis lag in seinem Blick : " Wie meinst Du das?" Die beiden Frauen grinsten einander an . "Du wirst mich am Kampstab ausbilden. Auf diese Weise zahlst Du Deine Schulden zurück." Entgegnete Gabrielle grinsend. Aber verstehst Du nicht? Syrina , meine geliebte Frau, war meine Schülerin und was hat es ihr genützt? Sie wurde erschlagen ,in meiner Nähe, ohne dass ich ihr helfen konnte. Es waren zu viele Gegner, ich kam einfach nicht bis zu ihr durch. Außerdem was ist wenn ich beim Training wieder durchdrehe?" Lynaeus sah Gabi fragend an. 19
"Keine Angst, "sagte Xena," ich bin ja auch noch da. Kein Training in meiner Abwesenheit, verstanden? Außerdem glaube ich, nach der gestrigen Aktion bist Du über den größten Schmerz hinweg". Sie gingen zurück ins Lager. Am Feuer warf Lynaeus Gabi ihren Kampfstab zu und forderte: "Einverstanden. Dann zeige mir jetzt, was Du kannst!" Und sofort legte das Temperamentsbündel los. Angriff, Parade, neuer Angriff, den Gegner bedrängen, versuchen ihn zu blockieren, Schläge gegen die Beine, um ihn zu Fall zu bringen, Hebelfiguren und Punktschläge. Gabi lief der Schweiß von von der Stirn und es ärgerte sie, dass Lynaeus nicht einmal schwer atmete. "Nicht schlecht, damit lässt es sich arbeiten" meinte er abschließend. Dann setzten sich die beiden an die schwelende Glut und während er Holz nachlegte, erklärte er der Bardin, an welchen Techniken sie wie arbeiten solle. Anschließend sprach er mit Xena : " Ich habe deinen merkwürdigen Blick gesehen, Kriegerin. Aber der harte Schlag mit dem Stab war genau dosiert, sie muss lernen, dass eine starke Prellung ein Körperteil lähmen kann, und man trotzdem weiter kämpfen muss. Keine Angst, ich will nur helfen. Sie hat großes Potential. - Aber ich sehe auch Dein Problem: Es ist das selbe wie bei Syrina und mir. Man kann Menschen, die man liebt, nicht wissentlich weh tun. Aber bei einem richtigen Training muss der Partner gefordert werden, ohne Gnade. Dieser Fehler kostete das Leben meiner Liebsten, aber das passiert mir nicht noch mal! Ich werde sehr hart zu Gabrielle sein, aber nur im Kampf. Ich hoffe, Du bist einverstanden ?" In den nächsten Tagen verbesserte Gabrielle ihren Kampfstil rapide. Aber die Anzahl an Prellungen und Schürfwunden wurden größer, Lynaeus gönnte der Bardin keine Blöße. Mit der Zeit wurde er immer stiller und immer öfter verließ er nach dem Training das Lager . "Irgend etwas stimmt nicht mit ihm", überlegte Gabi, als sie mit Xena sprach . "Wo geht er immer hin?" Xena zuckte mit den Achseln " keine Ahnung". Dann versorgte die Wunden ihrer Gefährtin. "Ich wünschte, er würde nicht so hart zuschlagen", sagte sie und bestrich einen weiteren Bluterguss mit Heilcreme. "Du solltest froh sein" verteidigte sie ihren Lehrer. "Er lehrt mich auch den Schmerz im Kampf.". Das gab Xena einen Stich im Herzen und sie dachte: Bin ich nicht Deine Freundin, Lehrerin und Mentorin? Und doch verteidigst Du ihn. Ihn der Dich so malträtiert .Na warte, Lynaeus. Nächstes mal werde ich Dich verfolgen und dein Geheimnis offenbaren. Nach dem Training am nächsten Tag folgte die Kriegerin ihm heimlich. Nach einer Weile setzte er sich mitten auf eine kleine Lichtung. Die Beine gekreuzt, den Kampfstab zu seiner Rechten . Die rechte Hand zur Faust geballt und von der linken umschlossen, so saß er da. Die Augen geschlossen, versunken in sich selbst wie im Gebet. Doch nach einigen Minuten sprang er auf , der Kampfstab schien ihm in die Hand zu springen und er ließ ihn tanzen. Xena saß in einer Baumkrone und betrachtete aufmerksam die Szenerie. Sie merkte, das Lynaeus sich zurückhielt, um den Stab nicht singen zu lassen. Dicht neben dem Krieger entstand ein blendendes Licht und als es verging, stand dort eine junge Frau mit einem Bogen. "Artemis" rief Lynaeus erleichtert aus " Ich danke Dir, das Du gekommen bist." "Was ist los, alter Freund?" fragte die Göttin "so kenne ich Dich ja gar nicht!" "Ich brauche Deine Hilfe, denn ich fürchte um die Seele Deiner Königin und um die meine. 20
Sie lernt zu schnell, zu agressiv . Ich habe Angst, dass sie die Macht die ich ihr gebe, nicht bewältigen kann. Deshalb bitte ich Dich, mir zu verzeihen, wenn ich Deinen Auftrag, sie meine Kunst zu lehren, nicht weiter ausführen kann. Denn mit der Kraft, mit der ich gegen Gabrielle vorgehen muss um sie auch den Schmerz im Kampf zu lehren, mit der selben Kraft zerstöre ich meine Seele .Ein letzter Waffengang morgen , dann breche ich das Training ab." "Lynaeus, wie oft haben wir zusammen gejagt? Ich kenne dich gut und ich möchte nicht, das Gabis oder Deine Seele Schaden nehmen. Stoppe das Training. Übrigen habe ich Gabrielle´s Fortschritte verfolgt und danke Dir dafür. Vielleicht gehen wir mal wieder Jagen?" "Du weißt, ich helfe immer gern, besonders dir. Und was die Jagd angeht, jederzeit." Bei diesen Worten verschwammen ihre Konturen und sie war fort. Langsam und nachdenklich kehrte Lynaeus ins Lager zurück. Gabrielle sah ihn fragend an, und obwohl er nichts sagte, sah sie an seinem Blick, dass ihm eine schwere Last von den Schultern genommen wurde. Er ging zu Gabi, und verkündete : "Morgen wirst Du vorläufig Deine letzte Übungseinheit erhalten. In den nächsten Tagen werde ich nach Tyros reisen." Die Bardin wollte aufbegehren, doch ein Blick von Xena lies sie verstummen. "Wie Du meinst" entgegnete die Bardin nur. Lynaeus wirkte als seien Jahre von ihm abgefallen . Seit Tagen sahen sie ihn erstmals wieder lächeln. Fragend sah Gabrielle ihre Gefährtin an. Zu Lynaeus sagte sie "Wir sind bald zurück ." Er nickte ihnen etwas verwundert zu und sah ihnen nach als, sie das Lager verließen. Kaum waren sie außer Hörweite, fragte Gabrielle : "Nun erzähl schon, was ist mit Lynaeus los? Warum lehrt er mich nicht weiter? Denkt er, ich schaffe es nicht? Na warte , den Kerl hau ich windelweich!" "Hör Dich doch mal selbst an. Er will nicht, das deine Seele Schaden nimmt. Aber ich denke, das können wir wieder ausbügeln. Außerdem fürchtet er um seine eigene Seele", berichtete Xena. "Um seine Seele?" Gabi knurrte. " Wer hat denn hier Prügel bezogen? Er oder....oh .. ich verstehe." Jetzt erzählte die Kriegerin, was sie belauscht hatte. Als Xena geendet hatte, lächelte die Amazonenkönigin : " Ich glaube, ich muss mit meiner Schutzgöttin mal ein paar Takte reden". Xena atmete tief ein. "Ich weiß, was es heute abend zu Essen gibt. Ich liebe Wildschwein." Die Gefährtinnen beschleunigten ihren Schritt und hatten das Lager bald erreicht. Als sie ihre Schlafstatt erreichten, sahen sie Lynaeus wie er den Braten über dem Feuer drehte .Das Wildschwein würde für alle reichen. Selbst Gabrielle wurde pappsatt . Was für ein Essen!, dachte Gabi, als sie sich zum schlafen niederlegte. Artemis sei dank.
Fortsetzung folgt.
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Bittere Erinnerungen, Schmerzhafte Begegnung (Teil 3) Ein neuer Kampfgenosse von Lynaeus
Lynaeus wird an einen Teil seiner Vergangenheit erinnert, und der Falke fliegt wieder...
Nachdem Gabrielle sich zum Schlafen niedergelegt hatte, saßen Lynaeus und Xena noch am Feuer. "Nun sag schon, was läuft da zwischen Artemis und dir?", wollte Xena wissen. "Aha! Du warst das Knacken in der Baumkrone.", grinste der Krieger. "Ups, Erwischt," meinte dir Kriegerin. "aber erzähl, wie war das mit Artemis??". "Frag Gabrielle. Als Amazonenkönigin sollte sie die Geschichte kennen und du weist, wie sie gern sie erzählt.", erwiderte Lynaeus. "Ich will es mal so sagen ... ich kenne viele Leute und so manchen Gott". "Aber was war mit dem Training? Ich war doch dabei. Es war Gabrielles Entscheidung." Wollte Xena wissen. "Das meinst du, aber du hast Artemis nicht hinter Gabby gesehen, als sie mir den Auftrag erteilte - ich schon. Außerdem, hast du Artemis vor jeder Schlacht um Schutz für deine Amazonenkönigin gebeten, so dass sie mich gebeten hatte, einen kleinen Schlenker auf meinem Weg um das Grab von Syrina zu ehren zu machen". Als Xena merkte, dass sie aus Lynaeus keine weiteren Informationen heraus bekommen würde, legte sie sich neben ihrer Bardin nieder und war wenige Augenblicke später eingeschlafen. Nun bettete sich auch Lynaeus zur Ruhe, und es wurde eine fast ruhige Nacht. ****
Noch bevor die Sonne aufging erwachte Lynaeus und sah das Xena bereits erwacht war. Sie saß im Schneidersitz und wartete auf den Sonnenaufgang. Lynaeus setzte neben sie, so saßen sie dort wie zwei Statuen und hingen ihren Gedanken nach bis Gabrielle erwachte. Spöttisch meinte sie: "Die Statuen des Kriegers und der Kriegerin in Stein gemeißelt und bemalt von der großen Gabrielle". "Also, diese Statue hat jetzt Hunger", sagte Lynaeus und holte einen Rest Nussbrot und einige Früchte aus seiner Tasche. Dabei pfiff er eine Melodie, die den anderen nur allzu bekannt 22
war. Xena und Gabrielle sahen sich an und fragten wie aus einem Mund: " Du kennst Joxer?" "Was ist Joxer?" wollte der Krieger wissen. "Nicht was ... sondern wer.", antwortete Gabrielle, "Ein tollpatschiger aber guter Freund." "Verzeihung, ich wusste ja nicht, wer er war.", entgegnete Lynaeus. Gabby sah ihn entsetzt an. "Du hast ihn doch nicht... ?" Der Krieger grinste, nahm seinen Dolch und warf ihn gegen einen Baum. Dabei zerschnitt er ein darum geknotetes Seil und ein geknebelter und gefesselter schlafender Joxer landete unmittelbar vor Gabrielles Füßen. Nach dem ersten Schreck befreite die Bardin das gut verschnürte Häufchen Elend. Joxer stand auf stellte sich vor Lynaeus hin und versuchte den Harten zu spielen, was im gründlich missglückte. Er sagte mit gebrochener Stimme: "Weil du ein Freund von Xena und Gabrielle zu seien scheinst ... verzeihe ich dir." Lynaeus verneigte sich vor Joxer sah ihn an und sagte: "Ich danke dir für dein Verständnis, aber als du so ein Lärm machtest und sagtest 'Diesmal erwische ich Xena. Das gibt ein Erwachen!!!' und als du dann noch anfingst zu singen, musste ich handeln, um den Schlaf der Damen zu schützen." Die Freundinnen drehten sich weg, damit Joxer das breite Grinsen nicht sah. Dann wandte sich selbiger an die Kriegerin: " General Marmax bittet um deine Hilfe. Das Heer des Toxeus befindet sich bei Messini und er glaubt, dass Toxeus binnen drei Wochen in Pylos einfallen will. Er sammelt bereits Söldner um sich." Xena wante sich an Gabrielle. "Pack unsere Sachen! Wir brechen bald auf, ich muss möglichst bald mit Marmax sprechen. Dein letztes Training kannst du unterwegs bekommen. Wie ich Lynaeus kenne wird er mitkommen wollen." Die Kriegerin warf Lynaeus einen fragenden Blick zu. "Ich stoße in zwei Tagen in Tripolis zu euch. Ich habe hier noch eine heilige Pflicht zu erledigen. In Tripolis übernachtet ihr am besten bei Thalassa, wenn ihr ihr sagt, dass ich euch schicke, könnt ihr bei Thalassa umsonst wohnen." "Meinst du die Thalassa?", wollte Gabrielle wissen. "Jap.", bestätige Lynaeus. Aufgeregt sprach die Bardin weiter. "Xena, er kennt die Thalassa.". Die Kriegerin lächelte. "Gabrielle, jeder Mann zwischen Acht und Achtzig, der je in Tripolis war, kennt Thalassa und sei es nur des Namens nach." Die Bardin war entsetzt "Aber Thalassa ist doch eine... äh... also... ich meine... " Die 23
Gesichtsfarbe Gabrielles wechselte in ein tiefes Rot. "Bordellbesitzerin!" half Xena aus. "Jap, und sie besitzt einen der saubersten Gasthöfe, die ich kenne.", stellt Lynaeus richtig.. Der Kämpfer und die Bardin rollten die Schlafdecken zusammen, und Gabrielle lies die letzten Tage in Gedanken revue passieren. Nun wusste sie wer er wirklich war. Plötzlich stand sie auf und Schritt ganz wie eine Königin auf Lynaeus zu. " Habe Dank, im Namen meines Volkes. Die Amazonen schulden dir viel, Falke." Xena zog eine Augenbraue fragend hoch. "Falke?" "Komm hör auf," sagte Lynaeus, "der Falke des Nordens fliegt seit Jahren nicht mehr." Gabrielle widersprach. "Für die Amazonen wirst du immer der Falke des Nordens bleiben, der Retter der Artemis.". Lynaeus wurde das Gespräch langsam unangenehm. Dies lag alles lange hinter ihm und da er fertig gepackt hatte trat er die Flucht an. Er verabschiedete sich von den Freunden und rief: "Wir sehen uns in zwei Tagen bei Thalassa.", damit verschwand Lynaeus aus dem Lager. ****
Xena sah die Bardin lange an. "Ich glaube, du hast mir einiges zu erzählen, vom Falken, der Rettung Artemis, und einen neuen Freund namens Lynaeus." Und Gabrielle began voller Inbrunst zu berichten: "Ich erzähle von Lynaeus, dem Falken des Nordens, und von der Rettung der Artemis. Artemis weilte wieder mal auf Erden und wie so oft in der Form eines Rehs. Doch dieses mal machte sie einen Fehler. Sie wagte sich zu nahe an das Dorf Levadi, wo sie von einem Jäger entdeckt und verwundet wurde. Sie war als Tier verwundbar und zu schwach sich zurück zu verwandeln, so zog sie sich tiefer in den Wald zurück, und legte sich zum Sterben nieder. Oben im Baum schlief der 12 jährige Lynaeus den Schlaf des Gerechten, doch er erwachte durch das Heulen eines Wolfes, der sich der Beute dem Fuße des Baumes sicher wähnte, aber Lynaeus Herz war groß und er hatte Mitleid mit dem Reh. Mit seinem Dolch voran stieß er wie ein riesiger Falke durch das Blätterschild des Baumes. Der Wolf, ein älteres Tier, erkannte, dass seine Chance verspielt war und zog sich zurück. Lynaeus aber nahm das Reh mit nach Hause und pflegte es gesund. Kaum war Artemis stark genug, verwandelte sie sich in ihre ursprüngliche Gestalt. Vor Lynaeus stand die Göttin. Aus Dank für ihre Rettung schwor Artemis ihm ewige Freundschaft und gab ihm den Beinahmen: Der Falke des Nordens. Auf das er in eine große Aufgabe hineinwachse, als Hilfe für ihre geliebten Amazonen.
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Doch nach dem Tot seiner Frau Syrina glaubte er es nicht wert zu sein, den Namen zu tragen. Doch für jede Amazone wird er der Falke bleiben, und ich werde das Gefühl nicht los, das er den Namen bald wieder tragen wird. Dafür werden meine Amazonen schon sorgen!" ****
Einige Kilometer und einige Stunden später. Lynaeus setzte sich an das Grab seiner geliebten Syrina. Er breitet ein Mittagsmahl für zwei Personen. Von hinten erklang eine weibliche Stimme: "Hey das ist ein Grab und kein Picknickplatz." Lynaeus grinste und er antwortete: "Das ist meine Art Syrinas Andenken zu ehren. Vielleicht möchtest du ihren Platz einnehmen und mit mir speisen, ich nehme an, Syrina hätte nichts dagegen." Die Frau die ihm gegenüber stand lächelte und an ihrer Kleidung konnte man sie sofort als Amazone identifizieren. Sie setzte sich zu ihm und sagte: "Das Angebot nehme ich dankend an, aber bei Dämmerung wirst du den Platz räumen müssen." "Warum?", wollte Lynaeus wissen. "Der Falke wird kommen, um das Grab seiner Frau zu ehren, und ich werde dafür sorgen, dass niemand Lynaeus stört.", entgegnete die Amazone. "Was weißt du über den Falken?", hakte der Krieger nach. Ihre Augen verklärten sich schwärmerisch, und sie sprach wie in Trance: "Er ist groß und mächtig, Artemis verwandelte ihren Kämpfer in einen Falken, um sie zu retten, danach pflegte er sie gesund. Sollte eine Amazone in Not geraten, so kann sie ihn um Hilfe bitten. Nie würde er die Bitte einer Amazone um Hilfe ablehnen! Er ist ein mächtiger Krieger und hat den Sohn des Hephaistos gerettet. Er ist der einzige Mann der je mit Artemis Jagen war. Und heute ist es soweit ... heute werde ich, Tiara die Amazone, Lynaeus, den Falken des Nordens kennen lernen!" "Stellst du den Falken nicht auf einen zu hohen Sockel? Was tust du, wenn er fällt?", wollte Lynaeus wissen. "Niemals! Der Falke wird kommen und dann wirst du mir recht geben. Du wirst es sehen.", rief Tiara mit dem Brustton der Überzeugung. "Du vergötterst ihn ja richtig. Wenn du Syrina verehren würdest, sie war die Liebe in Person und kämpfen konnte sie, dass würde ich verstehen, aber Lynaeus?" In diesem Moment tauchte ein unangenehm aussehender Kerl mit gezogenem Schwert auf und lachte. "Wer diese feine Frau kannte," meinte er, "hat auch ein paar Dinare übrig. Also 25
her mit der Kohle!!" Lynaeus sprang auf und man hatte das Gefühl sein Kampfstab flog ihm in die Hand. Sein rechte Arm blockierte den Schwerschlag mit dem Armschutz und mit dem Stab brachte er den Gegner zu Fall. Nach dem zweiten unfreiwilligen Salto kam der Gangster wieder auf die Beine und gab Fersengeld. Lynaeus fluchte: "Schon wieder ein Hemd hin." Das Schwert hatte den Ärmel aufgeschlitzt und gab den Blick auf den Armschutz des Hephaistos frei. Der herausgearbeitete Falke auf dem Armschutz war gut zu erkennen. Tiara machte einen Kniefall und sagte verwirrt: "Du ... du ... bist der Falke?" "Ich bin Lynaeus." Er zog Tiara hoch und drohte ihr: "Wenn du noch einmal vor mir kniest, wird diese Falkenhand Bekanntschaft mit einem Amazonenhintern machen, was für dich sehr Schmerzhaft sein dürfte. Verstanden?" Zögernd bejahte sie seine Frage. "Aber warum dürfen wir dich nicht verehren?", wollte Tiara wissen. "Ich bin auch nur ein Mensch wie du und die ganzen Geschichten um meine Person wurden von den Barden immer mehr übertrieben. Ihr verehrt jemanden, den es nicht wirklich gibt.", herrschte Lynaeus sie an. "Aber du bist der Falke des Nordens, Artemis hat dich dazu gemacht ... als Hilfe für ihr Volk. Dein Name gibt Vertauen und hilft Frieden zu stiften. Ich bitte dich verrate meine Göttin nicht." Die Amazone sah ihn verzweifelt an. Der Krieger setzte sich wieder und überdachte die Bitte Tiaras. Er mochte diese quirlige, vorlaute, junge Frau und er dachte an Syrina. Hatte sie ihn nicht auch gern als Falken bezeichnet? Was soll`s. Wenn die Amazonen den Falken brauchen, dann bei Artemis, sollen sie ihn kriegen. Er griff in seine Umhängetasche und förderte ein Bündel heraus. Neugierig verfolgte Tiara was Lynaeus dort tat. Er entwirrte das Bündel und förderte ein ärmelloses sandfarbenes Wildlederhemd und eine gleichartige Weste. Diese war in der Höhe der rechten Brust mit einem wunderschönen, handteller großen Falken bestickt. Die Weste war das letzte Geschenk von Syrina. Er riss sich das beschädigte Hemd vom Leibe und nahm Hemd und Weste und kleidete sich in dem Braun des Falken der Artemis, kniete vor Syrinas Grab und sagte: "Einst sagtest du 'Wir müssen lernen, unsere Bestimmung zu erkennen', ich hoffe ich habe es getan.". Er erhob sich und sagte: "So sei es, Artemis. Möge der Falke wieder fliegen." Lynaeus sah die Amazone an " Morgen bei Tagesbeginn wandere ich nach Tripolis, Xena und Gabrielle warten dort auf mich." "Du kennst Königin Gabrielle und Xena, die Kriegerprinzessin?", wollte Tiara wissen. 26
"Tja, ich kenne viele Leute, und den einen oder anderen Gott.", grinste der Falke. "Ähm ... Lynaeus", druckste Tiara, "... darf ich dich nach Tripolis begleiten?", bat die Amazone. "Aber nur unter zwei Bedingungen:" brummte der Falke. " Erstens - Ich bin auch nur ein Mensch, genau wie du, keine Vergötterung mehr. Zweitens - Du kochst!" Tiara strahlte. Damit kann ich leben dachte sie. ****
Der Abend kündigte sich an und färbte den Himmel blutrot. Lynaeus grinste, als er sah, wie sich Tiara mit dem Essen kochen abmühte. Diese hing ihren Gedanken nach. Sie hatte Lynaeus kennen gelernt, den Falken, der so ganz anders war, als sie es erwartet hatte. Was würde sie wohl da erst erwarten, wenn sie ihrer Königin Gabrielle gegenüber stände? Sie war ihr noch nie persönlich begegnet, denn Tiara wuchs in den nördlichen Niederlassungen der Amazonen auf. In dem Gebiet, das dem Falken zum Schutze anvertaut worden war. Als sie dreizehn Sommer zählte, wollte sie ihn unbedingt kennen lernen, doch wo immer sie ankam, der Falke war grade weiter gezogen und als der Falke verschwand gab sie auf. Sie sah zum Falken hinüber. Ja, er hatte recht, er war nur ein Mann, oder? War er nicht doch mehr? Er war der Falke, der Botschafter, er stand außerhalb der Amazonengesetze, so konnte er tun was keine von ihnen tun durfte und nur eine Frau durfte über ihn richten. Das war die Göttin Artemis selbst. Sie hatte ihn eingesetzt, als Hilfe und Freund für ihre geliebten Amazonen. Sie aßen, und dann erzählte Lynaeus von seinen Reisen, wie gebannt lauschte Tiara seinen Worten. Nach einiger Zeit legte Lynaeus noch Holz ins Feuer und bettete sich zum schlafen auf seine Decke. Tiara beobachtete den schlafenden Falken, der neben dem Feuer lag und sie wusste, dass der Falke sogar im Schlaf ihre Blicke spürte. Langsam verstand sie warum er nicht vergöttert werden wollte, er wollte einfach nur er sein. Mit diesem Gedanken schlief sie ein.
Als Tiara erwachte, sah sie sich um. Das Feuer brannte und neben ihr lagen zwei Äpfel und etwas Nussbrot, aber vom Falken war keine Spur zu sehen. Fluchend erhob sich die junge Amazone und wollte gerade nach Lynaeus rufen, als sie sich ergriffen spürte und ihr eine Hand den Mund zuhielt. Ehe sie sich versehen hatte, machte die Person hinter ihr einen Salto und Tiara fand sich in der Baumkrone wieder. 27
Gerade wollte sie sich von dem Gegner befreien, als dieser: "Still!" zischte, und sie erkannte seine Stimme. Vorsichtig nahm der Falke seine Hand vom Mund der Mitreisenden. Diese stieß Lynaeus ärgerlich und unerwartet an, so dass er fast vom Ast gefallen wäre, er konnte sich gerade noch fangen und zeigte Tiara dann was er bemerkt hatte. Nicht weit von ihnen lagerte ein größeres Heer und Lynaeus schlug ihr vor wie er es zu umgehen gedachte. Die Amazone nickte und lies sich grinsend auf dem selben Weg von Lynaeus herunter bringen. Doch diesmal brauchte er ihr den Mund nicht zuzuhalten. Als dann machten sie sich leise auf den weg. Nach ca. 20 Minuten Fußweg trafen sie auf eine Patrouille von 18 Mann. Im Handumdrehen waren die beiden Freunde umstellt, dicht Rücken an Rücken stehend, um einander den selbigen freizuhalten, schienen Tiara und Lynaeus vor Energie fast zu explodieren, als die Soldaten angriffen. Sie reagierten nicht wie zwei Personen, sondern ergänzten einander als wären sie ein Individuum. So ein Zusammenspiel der Kräfte hatte der Falke erst einmal erlebt - bei seiner Frau und ihr Tod lag jetzt schon 5 Jahre zurück. Selbst in der Zeit als er mit Angel umher zog, stellte sich kein so perfektes Zusammenspiel der Kämpfenden ein, wie hier nach wenigen Minuten. Der Kampf ging dem Ende entgegen und Lynaeus bewunderte die kraftvollen geschmeidigen Bewegungen seiner Mitstreiterin. Der Falke hoffte, dass Tiara einige Zeit an seiner Seite bleiben würde, doch er war zu stolz das offen auszusprechen, denn er mochte diese junge Amazone sehr. Endlich hatte er wieder einen echten Kampfgenossen an seiner Seite und, so hoffte er, einen Freund. Als der letzte Gegner am Boden liegen blieb, machten sich die beiden Kampfgenossen auf den Weg nach Tripolis, denn dort warteten bei Thalassa noch Xena und Gabriella auf Lynaeus. Der Falke beschloss jeden Tag mit Tiara an seiner Seite wie ein Geschenk zu nehmen. Die Amazone empfand genauso für Lynaeus, wie jener für sie. Doch das konnte sie ihm nicht sagen, denn sie wollte nicht, dass er glaubte, sie vergöttere ihn noch immer so sehr. Tiara hatte eingesehen, der Falke war auch nur ein Mann, wenn auch einer den sie mochte.
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Der Auftrag von Karin Sittenauer
Er soll seinem König die Tochter des früheren Herzogs bringen. Als er jedoch in die Unterwelt der Katakomben gerät, ändert sich alles.
“Bring sie hier her!” Guys Miene zeigte keine Regung. “Mylord”, antwortete er, “sie ist verschwunden.” “Dann such sie!” “Ja, Mylord.” Unbewegt verharrte Guy, bis der König ihm die Erlaubnis erteilte, sich zu entfernen. Dieser aber wandte sich dem Essen zu. Der junge Mann blieb stehen. Er war es gewöhnt, Befehle auszuführen. In Gedanken verweilte er bereits bei seinem Auftrag, die Tochter des früheren Herzogs zu suchen. Das konnte sich als schwierig erweisen. Seit Wochen galt sie als verschwunden, vielleicht noch länger. Zuerst musste Guy seine Spitzel aufsuchen. Bereits vor Tagen hatte er sie gemahnt, die Augen offen zu halten. Meist ahnte er die Befehle lange im Voraus. König Penbios blickte auf. “Was tust du noch hier? Verschwinde!” Nach einer kurzen Verbeugung entfernte sich der junge Mann. In unauffälliger Kleidung verließ er die Burg und stieg die gewundene Straße zur Stadt hinab. In dem Viertel, das er jetzt aufsuchen würde, durfte niemand den Grafen in ihm erkennen. Das würde ihn sein Leben kosten. Die Stadt war gebeutelt vom Krieg, von Eroberung und Fremdherrschaft. Überall wurde geplündert, vergewaltigt und gemordet. Das kümmerte Guy nicht. Für ihn war es eine normale Begleiterscheinung des Krieges, daran konnte er nichts ändern. Zuerst schritt er zügig voran. Niemand beachtete ihn. Dann aber verjüngten sich die Straßen und wurden zu Gassen auf deren Grund kaum Tageslicht fiel. Die Mauern neigten sich über Guys Haupt zueinander, als wollten sie sich gegenseitig auffangen. Quer über dem Boden lagen Männer. Schlafend oder tot, wen berührte das? Unwillig stieg der junge Graf über die Körper. Mit einem Mal regte sich etwas. Eine der Lumpengestalten packte sein Bein. Guy schwankte, riss sich los und trat nach dem Penner. “Miargh othar deai”, klang es zwischen den Lumpen hervor. Diese Barbaren! Solche unverständliche, kehlige Laute! Ihre undefinierbaren Gesichter! Guy zog die Brauen zusammen. Alle Schlafenden erwachten zum Leben, richteten sich auf und krochen von überall her auf Guy zu. Beinahe hätte dieser “schert euch weg” gerufen, besann sich jedoch eines Besseren. Diese Worte in seiner Sprache hätten ihn als Fremden, als einen der Eroberer entlarvt. So blieb er stumm. Er trug kein Schwert bei sich, es hätte seine Tarnung verraten. Stattdessen lag eine Hand auf seinem Dolch. Wieder packte der Mann in grauen Lumpen sein Bein und zog sich daran hoch. “Lagdishta”, wimmerte er.
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Weitere Hände griffen nach Guy. Sie zerrten an seinem Umhang. Ohne lange zu überlegen stach der junge Mann zu; ein geübter, glatter Stich direkt ins Herz. Dem Bettler entrang sich kein Laut. Stumm brach er zusammen und blieb auf dem Rücken liegen. Die anderen Männer wichen vor dem blutigen Dolch zurück und kauerten sich wieder auf ihre Plätze. Ungerührt setzte Guy seinen Weg fort. Hinter ihm durchwühlten die Bettler die Lumpen des Getöteten. Einen Augenblick lang, als er den Dolch wieder unter dem Umhang verbarg, zitterten seine Hände. Jetzt blieb ihm Zeit zu denken und er verstand das Wort “lagdishta”. Es hieß nichts anderes als “hilf”. Nun denn, er hatte geholfen. Jetzt gab es einen Schmarotzer weniger. Der Rote Hahn lag am Ende der Gasse; ein schmales, schiefes Gebäude ohne Stall. Wer hierher kam konnte sich kein Pferd leisten. Und wenn ja doch, dann behielt er es nicht lange. Guys Gesicht verdüsterte sich. Diese Absteige mit dem niedrigen Raum und den schmierigen Tischen hasste er. Der Geruch von Betrunkenen hing wie Dunst zwischen den Bänken. In einer dunklen Nische, von der er den Raum überblicken konnte, setzte er sich. Der Wirt starrte kurz zu ihm hinüber, dann verschwand er durch eine niedrige Türe im hinteren Teil der Schankstube. Kurz darauf kehrte er zurück. Ihm folgte Ekop, ein junger Bursche, dem er einen Kelch in die Hand drückte. All das beobachtete Guy nur aus den Augenwinkeln. Mehr Aufmerksamkeit schenkte er den anderen Gästen. Abgerissene Männer in dünner Kleidung und mit verfilztem Haar. Ihre Gespräche bestanden aus Lallen, das er nicht verstehen konnte. Auch wenn er der einzige der neuen Herren des Landes war, der mit den Einheimischen sprach, es bereitete ihm immer noch Schwierigkeiten. Der Bursche kam heran, setzte sich auf die schmale Bank gegenüber, wuchtete den Kelch vor Guy auf den Tisch und beugte sich herüber. Wie jedes Mal, dachte der Graf und regte sich nicht. “Eu‘r Wein, Sir”, flüsterte Ekop. Guy würde ihn nicht anrühren, verschwendete nicht einmal einen flüchtigen Blick darauf. Stattdessen gab er seinem Gegenüber mit einem knappen Nicken zu verstehen, dass er hörte. Langsam, damit der Graf der fremden Sprache folgen konnte, begann der magere Bursche: “Überfall‘ne Karawanen. Inner Wüste. Sie lauern drauf, die Bandit‘n.” Dies wusste Guy schon lange. Sein ausdrucksloses Gesicht zeigte dem Spitzel, dass seine Information keinerlei Interesse fand. Dafür würde er keine Münze sehen. So versuchte Ekop es erneut: “Gänge sinn unnerm Tempel. Alles unnerhölt. Streng geheim, s‘Ganze.” Endlich etwas Interessanteres, dennoch wirkte Guy gelangweilt. “Das ist mir bekannt”, sprach er langsam. “Hast du nichts anderes zu bieten?” Nervös rutschte der Junge auf seinem Hosenboden hin und her. Er sah seine Belohnung in Staub zerrinnen. “Sir, nee, nichs Neu‘s! Ich würds sagn! Wen solle bespitzeln?” “Ich suche jemanden ....”
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Gespannt lauschte der Bursche. “Wen? Wen? Ich find‘n!” “Kiaren von Tiredachan. Die Tochter des früheren Herzogs.” Die Augen in dem mageren Gesicht vergrößerten sich wie von Zauberhand. Einen Moment herrschte Stille, dann piepste die dünne Stimme: “Sie‘s tot! Gestorben! Beim Überfall!” “Warum denkst du, dass ich dir nicht glaube?” “Es‘s wahr!” Jetzt zappelte er noch mehr auf der Bank hin und her. “Bring mir Beweise.” Schweigen folgte diesen Worten. “Das kannst du nicht? Weil du lügst! Führe mich zu ihr!” “Nee, dann binne n‘Verräter.” “Das bist du ohnehin ... Du wirst ein wohlhabender Verräter sein! Und wenn du erst einmal Gold in deinen Händen hältst, wer fragt dann noch nach dem Woher?” Guy schob seine Hand über den Tisch, darauf bedacht, sein Gegenüber nicht zu berühren. Als er die Finger zurückzog kamen zwei Goldmünzen zum Vorschein. “Das ist nur die Anzahlung...”. Ein gieriges Flackern verlieh Ekops Augen einen fiebrigen Glanz. Seine Hand schnellte hervor und schon war das Gold verschwunden. “Es‘s gefährlich.” “Geh voran!” “Jo, Sir!” Der Bursche sprang auf und Guy folgte ihm. Mehrere der zwielichtigen Gestalten beobachteten ihn. Sie erhoben sich und verließen einige Augenblicke später die Schänke. Gespannt musterte Guy sie. An der Hausmauer blieben sie stehen und erleichterten sich. Von ihnen drohte keine Gefahr. Die Aufmerksamkeit des Grafen erlahmte. Sein Interesse galt den Schattengestalten in den Gassen und dem Weg, den sie zurücklegten. Auf keinen Fall durfte er die Orientierung verlieren. Dies gestaltete sich als schwierig, denn die gewundenen Gassen der Stadtmitte bildeten an sich bereits ein Labyrinth. Als sie den großen Markt vor dem Tempel erreichten, breitete die Nacht bereits ihr undurchsichtiges Tuch über die Stadt. Der Platz vor dem großen Tor lag verlassen da. Als Guy vor Monaten in die Stadt eingeritten war, hatten Fackeln das gesamte Areal erhellt. Jetzt war das anders. Die fremde Religion hatte man verboten, das Gotteshaus geplündert und die Priester hingerichtet. Dieses große Gebäude war nichts anderes als ein leeres Skelett, das in den Himmel ragte. Ekop späte um sich, dann überquerte er den Platz und führte den jungen Grafen an eine Seitenpforte, die er durch einen kräftigen Stoß einen Spalt weit aufschob. Guy stockte der Atem. Beide glitten in unerträglichen Gestank hinein. Erst nach einiger Zeit konnte der Graf in der Dunkelheit etwas erkennen. Dann sah er die halb verwesten Leichen, die am Boden lagen. 31
Alles erweckte den Eindruck, als hätte seit Wochen niemand den Fuß in den Tempel gesetzt. Und doch durchquerte Ekop den Raum dermaßen zielgerichtet, dass diese Annahme schnell widerlegt wurde. Er befand sich regelmäßig hier, daran gab es keinen Zweifel. Um die eigene Anwesenheit zu verbergen begrub man die Leichen absichtlich nicht. Der steinerne Altar lag in Trümmern, ebenso wie eine Anzahl irdener Opferschalen. Sie tasteten sich um den zerstörten Altar herum. Guy hielt sich an der Mauer fest und zuckte zurück. Er hatte einen der in Stein gemeiselten Götzen berührt. Irgendetwas hatte ihn in die Handfläche gestochen. Hinter sich hörte er ein Geräusch. Schreckhaft fuhr er herum. Nichts, jetzt blieb alles stumm. Er hörte schon Geister flüstern, wie lächerlich! Während er Ekop in eine Kammer hinter dem Altarraum folgte, führte er seine Hand an den Mund und schmeckte Blut. “Wir brauchen Licht, Bastard”, zischte er. “Sofort, Sir”, kam die leise Antwort. Der Bursche blieb stehen, beinahe wäre Guy mit ihm zusammengestoßen. “Was tust du?” “Aufmach‘n, Sir.” Lautlos glitt eine überlebensgroße Figur eines bärtigen Mannes mit Hirschgeweih zur Seite und gab den Blick auf einen schmalen Gang frei. In einem eisernen Ring an der Wand steckte ein brennender Holzspan und erhellte die Umgebung. Die kleine Flamme flackerte in dem Luftzug. “Wohin führt der Gang?” “Inne Katakomben”, erwiderte der Spitzel. “Wie hast du ihn geöffnet?” Der dünne Bursche zeigte auf die Verziehrungen, die rings um den Eingang die steinerne Wand ausfüllten. Spiralen und Endlosmuster. Diese Symbole kannte Guy zu genüge. In diesem fremden Land fand man sie überall. Ekop deutete auf eine gewundene, endlose Schlange. “Auf‘n Kopf drück‘n und schon isse auf.” “Geh voran.” Auf der Innenseite gab es ein genaues Ebenbild der Schlange. Wieder drückte Ekop. So lautlos er vorher seinen Platz verlassen hatte schob sich der Stein wieder zurück. Auf dem Boden lagen mehrere Holzspäne. Ekop entzündete zwei und reichte einen davon dem Grafen. Der Gang führte in die Tiefe. Guy schwindelte. Wie in eine Gruft, ein unendlich großes Grab. Immer wieder zweigten Gänge ab, häufig wechselten sie die Richtung. Ohne dass sein Führer es bemerkte schwärzte Guy die Abbiegungen mit seinem Holzspan. Er musste den Weg auch alleine finden. Wenn sich die Aufständigen hier verbargen, dann würde er das Nest ausheben lassen! Als der Spitzel erneut stehen blieb, war Guy um die Rast froh. Er lehnte sich an die gewölbeartige Wand und atmete tief durch. Die Luft hier machte ihn krank. “Wartet, Sir. Ich lock‘se her!” Mit einem Nicken bestätigte Guy und sah Ekop verschwinden. Er schloss die Augen. Bei allen Göttern, er fühlte sich elend. Ein Luftzug ließ die Flamme in seinen Händen flackern, 32
blies sie beinahe aus. Dann brannte sie wieder ruhig und stetig. Lauschend verharrte der junge Graf. Irgendetwas lief hier vollkommen verkehrt. Er würde umkehren und mit Bewaffneten zurück kommen. Langsam löste er sich aus der Nische. Sein Körper fühlte sich wie nach dem Genuss von allzu viel Wein ungewohnt träge an. Unvermittelt sah er die Lichter zu beiden Seiten des Ganges. Dann drang das Geräusch von Stiefeln auf Gestein zu ihm. Männer mit Schwertern und Messern kamen auf ihn zu. Eine Falle! Er war blindlings in eine Falle getappt! Viel langsamer als sonst zog er den Dolch und schob seinen Rücken zurück in die Nische. Ihm blieb keine Chance! Wenn er ausbrechen wollte, dann musste er sich den Weg frei kämpfen. Aus der Richtung, die er mit Ekop gekommen war, näherten sich nur zwei Männer. Als sie näher kamen erkannte Guy sie: die zwei Männer aus der Bar! Sie hatten ihn verfolgt. Ein simpler Plan, um ihn zu töten! Ihm blieb wenig Zeit, er musste sie erledigen, bevor die anderen Angreifer heran kamen. Ein kurzer Kampf entbrannte. Den einen Mann verletzte er am Arm. Dem anderen wollte er den Dolch in den Hals stoßen, verfehlte ihn und führte ihm nur eine Schnittwunde zu. Schon wurde er von hinten gepackt. Man entwaffnete ihn. Seine Reaktionsfähigkeit war miserabel. Der eigene Körper wollte ihm nicht gehorchen! Ansonsten hätte er es ihnen schwerer gemacht. Grob zerrte man Guy den Gang entlang. Nun verlor er entgültig die Orientierung. Dieses Labyrinth konnte er nicht mehr überblicken. Irgendwann, es schien ihm eine Ewigkeit, erreichten sie ein weiträumiges Gewölbe. Niedrig aber unendlich weit erstreckte sich der Saal in alle Richtungen. Die Decke wurde von sechseckigen Säulen gestützt. Überall saßen Frauen, Männer und Kinder. Zwischen die Säulen gespannte Decken trennten kleine Nischen ab und schafften ein Minimum an Abgeschiedenheit. Es erschien Guy wie ein Traum, ein unerträglicher Albtraum. Große, hungrige Augen starrten ihn an, während er weiter gezogen wurde. Er stolperte mehrmals. Jäh erkannte er Ekop unter den Leuten. Der Spitzel trat vor und hielt fordernd die Hand auf. “Her mit de Beutel, wie versproch‘n!” Mehrere Hände betatschten Guys Wäsche, bis sie das Gold fanden. Ohne den Inhalt zu prüfen warf ein Mann das Säckchen zu Ekop. Gierig fing ihn dieser auf, öffnete die Verschnürung, starrte hinein und grinste. Dann hüpfte er an dem Grafen vorbei, zeigte ihm eine lange Nase und sang: “Ein reicher Verräter! Jetzt binne ein reicher Verräter!” Noch einmal schnitt er eine Grimasse und verschwand in der Menge. Guy hätte ihm nicht trauen dürfen. Man sollte niemals einem Verräter vertrauen, nicht einmal beim Verrat. Irgendwie aber schien es ihm nicht mehr wichtig, alles wurde für ihn mehr und mehr nebensächlich. Er hatte das Gefühl, als würde dies nicht wirklich geschehen. Die Menschen, die sich herandrängten und ihn anstarrten. Der große, dunkle Mann, vor den man ihn führte und der ihn abfällig musterte, bevor er ihm eine riesige Faust in den Magen rammte. Selbst den Schmerz verspürte er nurmehr am Rande. Seine Umgebung schien sich um ihn zu drehen. Auch die Worte, mit denen man ihn als des Königs Laffen beschimpfte, berührten ihn nicht wirklich. Er machte sich nicht einmal mehr Sorgen um seine Zukunft. Selbst der Tod verlor seinen Schrecken oder vielmehr, Guy dachte nicht darüber nach. Er sah die Geschehnisse an
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sich vorüberziehen, sich in einem Strudel schneller und schneller drehen und in die Tiefe sinken. Dann zerrten sie ihn weiter, stießen ihn auf die Knie und rissen seinen Kopf hoch. “Sieh ihn dir an!” Er kniete vor einem steinernen Podest. Darauf befand sich ein grobschlächtiger steinerner Sitz, der sicherlich einen Thron darstellen sollte. Eine Gestalt im Lumpenmantel saß darauf. “Das ist dein König! Ja, knie nieder vor ihm, so wie er uns zur Unterwerfung zwingen will!" Der große Mann brüllte, dennoch drangen seine Worte nur vage in Guys Bewusstsein vor. Dort saß ein Skelett. Der König war eine Leiche, der man eine hölzerne Krone auf das Haupt gedrückt und einen verschlissenen Mantel um die Schultern gelegt hatte. Große, leere Augenhöhlen starrten auf die Menge herab. “Küss seine Füße!” Man stieß Guy noch näher. Er beugte sich dennoch nicht hinab, starrte auf diesen Totenkopf, der sich zu bewegen schien. Der König der Bettler neigte sein Haupt zu ihm herab und öffnete den fleischlosen Mund. Des Grafen Augen weiteten sich in schierem Entsetzen. Wieder wurde er gestoßen, doch er konnte sich nicht abwenden. Das schaffte er nicht. Ohnehin lief alles nur am Rande ab, alles bis auf diesen Toten, der eine Hand hob und auf ihn zeigte! Wieder bewegte sich das offenliegende Gebiss, wieder schien es ihm etwas mitteilen zu wollen. Er aber konnte es nicht hören. Plötzlich schlug man ihn. Hart stürzte Guy zu Boden. “Tu, was ich dir gesagt habe! Küss die Füße deines geliebten Königs!” Eine Farce! Das alles war eine Posse, die sie zur Belustigung der vertriebenen Menschen aufführten. Der König eine Verhöhnung des wirklichen und Guy als sein Gefolgsmann eine der Hauptpersonen. Allerdings begriff er nichts davon. Wie in Trance rappelte er sich auf. Er konnte seinen Blick nicht von dem skelettierten Gesicht abwenden. Voller Grauen beobachtete er, wie die leeren Augenhöhlen seinen Bewegungen folgten. Er wurde erneut geschlagen. Guy besaß kein Zeitgefühl mehr und auch keine Schmerzempfindung. Er fühlte sich ebenso leer wie das Skelett und zugleich ergefüllt von Geräuschen und Botschaften. Wenn er sie nur verstehen könnte. “Bring es zu Ende!”, befahl der große Dunkle erbarmungslos. “Ich schneide ihm die Kehle durch!” Die scharfe Klinge seines eigenen Dolches wurde ihm an den Hals gehalten. Als sie die Haut verletzte tat es weh. “Nein! Ich will diese Sauerei nicht! Brich ihm das Genick.” Die Klinge wurde weg genommen. Einen Moment lang durchdrang Erleichterung Guys Gleichgültigkeit. Irgendwie stand er neben sich, beobachtete das Geschehen wie im Traum. Ein Arm legte sich um sein Genick, eine große Hand auf seinen Kopf. Sie begann zu drücken. Guy fühlte sich vollkommen wehrlos. Wieder grinste das Skelett. Es öffnete den Mund und schüttelte sich vor Vergnügen. Die Knochen schlugen aufeinander. Das konnte Guy ganz deutlich hören. Jäh gaben seine Beine nach. Er stürzte auf die Knie. Das lockerte den tödlichen Griff ein wenig, jedoch nicht lange. Kinder standen neben ihm, Finger in den Mündern und auf den
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Nägeln kauend. Dann plötzlich stand sie vor ihm. Eine junge Frau trat zwischen ihn und den König. Damit durchbrach sie den unheimlichen Bann zwischen Guy und dem Toten. “Hört auf!” Der Griff um seinen Hals lockerte sich. “Was ist mit ihm?”, fragte sie. “Keine Ahnung! Was soll sein, Kiaren? Er ist ein Lakei des Königs. Er ist verrückt!” Sie beugte sich zu ihm, bis ihr schmales Gesicht vor dem seinen auftauchte, starrte ihm in die Augen und berührte seine Stirn. “Er ist heiß.” “Wen kümmert das?” Die Fremde nahm die Hände des jungen Grafen und drehte die Handflächen nach oben. Er hatte keine Kraft und keinen Willen mehr, sie ihr zu entziehen. “Ein Einstich”, murmelte sie und fuhr mit einem Finger über den kleinen, geröteten Punkt. “Er hat einen der Götter berührt.” Vor Guys Augen breitete sich vollkommene Schwärze aus. Er stürzte.
Nur mühsam ließen sich seine Augen öffnen. Die Lider fühlten sich wie Blei an. Kurz sah Guy über sich etwas funkeln, dann fielen sie ihm wieder zu. Befand er sich noch in der Gewalt der Aufständigen? Er würde sich ganz still halten, um ihnen nicht zu zeigen, dass er wach war. Vorsichtig zwang er seine Augen nochmals auf. Diesmal für längere Zeit. Der Morgenstern stand über ihm am Himmel, als Letzter noch gut zu sehen, während die kleineren Sterne in der beginnenden Morgendämmerung verblassten. Ganz langsam drehte er seinen Kopf. Das versetzte ihm schmerzende Stiche. Er war alleine! Und er befand sich nicht mehr in den Katakomben. Abrupt richtete er sich auf. Schwindel überfiel ihn so heftig, dass er sich erbrechen musste. Als sein Magen sich wieder beruhigte blickte er sich erneut um. Man hatte ihn unweit der Stadt am Fluss liegen gelassen. Schwerfällig kroch er die wenigen Fuß zum Wasser, streckte seine Hände danach aus und trank. Nein, es war kein Traum gewesen! Er tastete seinen Körper ab. Als er auf verletzte Stellen traf zuckte er mehrmals zurück. Seine Börse fehlte, doch der Dolch steckte in seinem Gürtel, als wäre nichts geschehen. Die Erinnerung kehrte nur zögernd und undeutlich zurück. Er sah die Katakomben, die Männer und er wusste wieder, dass sie ihn geschlagen hatten. Das erklärte seine Schmerzen. Noch ein Bild tauchte auf: eine schlanke, junge Frau in Männerkleidung. Der Name Kiaren spukte in seinem Geist. Die Herzogstochter? Verflucht, hätte Ekop ihn nur nicht verraten! Guy wusch sich das Gesicht, bis das kühle Wasser seine Sinne klärte. Seine linke Handfläche war gerötet. Die Stimme der Frau sprach wie aus Nebelschwaden: “Er hat einen der Götter berührt.” Das hatte ihn also außer Gefecht gesetzt! Dieser kleine Stich vom steinernen Bildnis eines Götzen! Dornen, die mit Gift getränkt waren. Er lachte verächtlich auf. Dies würde nicht noch einmal geschehen! Schwankend kam er auf die Beine und stapfte los. Jetzt blieb ihm alle Zeit der Welt. Den Mechanismus des geheimen Eingangs kannte er. Ja, Ekop verriet alles, das zu verbergen wichtig wäre! Die Sonne spähte erst knapp über den Horizont, als Guy den Tempel betrat. Wieder wurde ihm vom Gestank übel, doch er musste sich nicht mehr übergeben. Das Dämmerlicht des Morgens erhellte das Innere. Er konnte sich vergewissern, dass sich niemand hier befand. Die Geheimtüre ließ sich leicht öffnen und dahinter brannte noch immer die kleine Flamme am Holzspan. Sogar seine schwarzen Markierungen zeigten noch den Weg. Sehr vorsichtig 35
schlich er sich ins Innere des Labyrinths. Plötzlich endeten seine Wegweiser, hier hatte man ihn überfallen. Ab jetzt musste er sich selbst zurechtfinden. Erst mit der Zeit wurde ihm bewusst, wie unendlich sich die verborgenen Gänge erstreckten. Hin und wieder hörte er Stimmen, schlich sich näher, doch nie bekam er seine Beute zu sehen! Aufgeben würde er trotzdem nicht. Jetzt galt es nicht nur einen Befehl auszuführen, sondern auch seine Ehre zu retten. Lange schlich er durch die Gänge bis er sie entdeckte. Eine junge Frau in Männerkleidung, dunkles Haar, schlanker, beinahe magerer Körper. Ein triumphierendes Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit. Nur Geduld, die passende Gelegenheit würde sich ergeben! Er verharrte im Schatten und beobachtete die Herzogstochter. Diese Narren fühlten sich derart sicher, dass sie keine Wachen postiert hatten und niemandem Kontrollgänge befahlen. Nein, hätte Guy hier die Befehlsgewalt, dann würde es so einen Leichtsinn nicht geben! Endlich kam der Augenblick, an dem sie alleine war und ihm den Rücken zuwandte. Schnell stand er hinter ihr, packte sie und hielt ihr den Dolch an die Kehle. “Keinen Mucks! Ihr seid schneller tot, als dass Euch jemand helfen könnte!”, flüsterte er. Sie bewegte sich nicht, atmete nur sehr hastig. Guy zog sie mit sich in die Gänge zurück und damit in die Dunkelheit. Vollkommen leise ging all dies vonstatten und nachdem sie mehrere Biegungen hinter sich gebracht hatten hörte er ganz leise eine Frauenstimme, die nach Kiaren rief. Sie aber antwortete nicht – war vernünftig genug, es nicht zu tun. Als sie das Innere des Tempels erreichten, fiel warmes Sonnenlicht durch die Fenster. Gedämpfter Lärm vom Marktplatz drang herein. Die Stadt war erwacht. Bevölkert von Einheimischen stellte sie für Guy eine Gefahr dar. Fiel er allein nicht wieter auf, mit einer Gefangenen an seiner Seite würde er es zweifellos tun. Nein, er konnte die Herzogstochter jetzt nicht auf die Burg schaffen. Hastig sah er sich im Tempel um. Götzen wohin er blickte. Die Toten aber lagen alle im vorderen Bereich. Offensichtlich sollten sie Eindringlinge vom Altar und damit von der Geheimtür abhalten. Grob stieß Guy die junge Frau vorwärts. “Wollt Ihr mir die Rippen brechen?”, fuhr sie ihn an. “Nein.” “Das tut Ihr aber!” Er blieb stehen. Mit hochgezogenen Brauen musterte er Kiaren. “Soll ich Euch abtasten, um festzustellen, was noch heil ist?” “Nur zu! Wenn Ihr wollt, dass ich Euch in eine gewisse Stelle trete!” Vielleicht erwartete er Angst oder Zurückhaltung. Eine mutige Antwort von einer Gefangenen jedenfalls nicht. Sie brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Vor seinem inneren Auge tauchte dieser Totenkönig wieder auf. Erneut sah er, wie das Skelett sich vor Lachen schüttelte. Eine boshafte Freude, die es empfunden hatte, weil man ihn töten wollte.
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“Dann geht von alleine”, sprach er und zeigte die Richtung. Vorsichtig stieg sie über die Leichen und bahnte sich einen Weg in den südlichsten Teil des Tempels. Wieder sah sich der Graf um. Schließlich entdeckte er eine Nische, die hinter Gesteinsbrocken beinahe unsichtbar blieb. “Dort hinein!” “Zu Befehl”, murrte sie. “Setzt Euch!” Ohne ein Wort gehorchte sie. Mit seinem Gürtel band er ihr die Hände hinter dem Rücken. Mittlerweile erinnerte er sich. Sie hatte ihm das Leben gerettet. Wie dumm! Wenige Schritte von ihr entfernt ließ auch er sich nieder. Mit seinem Körper versperrte er ihr den Weg zum Ausgang. “Wie gehabt. Solltet Ihr schreien, so töte ich Euch”, erklärte er. Sie war hübsch. In feinen Kleidern und mit gepflegtem Haar könnte sie eine Schönheit sein. Der König würde sich mit ihr vergnügen. Der Fürst stand auf Mädchen, die gerade zu Frauen wurden und noch keine Erfahrung in der Liebe gesammelt hatten. Vielleicht würde er sie heiraten, um die Völker zu einen. Die Menschen zu unterdrücken und mit Gewalt gefügig zu halten gefiel dem König, doch nicht lange, das wusste Guy aus Erfahrung. Irgendwann würde es ihn langweilen. “Es wäre alles nicht nötig gewesen”, murmelte Guy mehr zu sich selbst. “Was?” Er machte eine ausladende Bewegung mit der Hand. “Die Zerstörungen, überhaupt der Krieg.” Kiaren hob eine Braue, sagte aber nichts. Guy fuhr fort: “Der König hätte um Eure Hand anhalten können. Nach dem Tod Eurer Eltern hättet Ihr das Herzogtum Tiredachan geerbt. Damit wäre es an den König gefallen; in einem besseren Zustand als jetzt.” Die junge Frau lachte kurz und verächtlich auf. “Denkt Ihr, ich hätte ihn geehelicht?” “Sicher nicht freiwillig. Doch hätte Euer Vater nach Eurem Willen gefragt?” “Ich hatte einen Bruder.” Trauer überschattete ihre Züge. “Er wäre der künftige Herzog geworden.” “Euer Bruder hätte seine Volljährigkeit nicht erlebt.” Das Gesicht des Grafen zeigte keinerlei Regung. Kiaren aber presste die Lippen aufeinander. Purer Hass loderte in ihrem Inneren. Vorsichtig späte Guy aus der Nische. “Wenn es dunkel ist, machen wir uns auf den Weg”, erklärte er ungerührt. “Und wem gebührt die Ehre, zu einer Ehe mit Euch gezwungen zu werden? Oder dürft Ihr nicht heiraten, um ganz dem König zu gehören?” 37
Aus irgendeinem Grund konnte er nicht wütend sein, überhörte ihren Spott bewusst. Vermutlich lag es an seiner Müdigkeit. Er wünschte sich ein heißes Bad und danach ein warmes Bett, um seine schmerzenden Glieder auszustrecken. Erschöpft schloss er die Augen, begann aber trotzdem leise zu erzählen: “Ich bin verlobt. Das Mädchen ist fünf Jahre alt. Wenn sie zwölf ist werden wir heiraten. So lange wird sie von meiner Mutter erzogen.” Trotz der gebundenen Hände erhob sich Kiaren vollkommen lautlos. Ständig starrte sie den Mann an. Unmerklich öffnete er eines seiner Augenlider einen Spalt. Jetzt konnte er schemenhaft durch die Wimpern spähen. Offensichtlich wollte sie an ihm vorbei und aus dem Tempel gelangen. Draußen auf dem Marktplatz würde sie Hilfe finden. Einen Schritt nach dem anderen bewegte sie sich vorwärts. Guy sprach weiter: “Solange bleibt sie ein Unterpfand dafür, dass ihr Vater keinen Angriff auf unsere Grafschaft ausführt.” Inzwischen war die Herzogstochter bei ihm. Hielt sie ihn für solch einen Idioten, dass sie annahm, er würde nichts bemerken? “Wenn meine Mutter meine Braut erzieht, ist gewährleistet, dass sie mir später gehorcht.” Genau als Kiaren über ihn steigen wollte packte er ihre Beine. Sie stürzte zu Boden. Guy rollte sich über sie und blieb auf ihr liegen. Verzweifelt wand sie sich unter ihm. “Herunter! Geht weg! Schert Euch zu den Bestien, die Euch hervorgebracht haben!” “Das werde ich tun. Nachts. Und Ihr werdet mich zum König begleiten.” Immer noch versuchte sie sich von ihm zu befreien. Ein Lächeln ließ sein Gesicht freundlicher erscheinen. Ihre Bewegungen unter seinem Körper gefielen ihm. Diese junge Frau bewies Mut. Im Grunde genommen war sie viel zu schade für den König. Er könnte sie hier und jetzt nehmen! “Wenn Ihr noch einmal zu fliehen versucht, töte ich Euch!” “Etwas anderes wisst Ihr nicht zu sagen?”, fuhr sie ihn an. “Eure hübsche Hand mit dem funkelnden Siegelring bringe ich dem König als Beweis für Euren Tod!” Jetzt hielt sie still. Mit großen, braunen Augen sah sie ihn an. “Einen schnellen Tod fürchte ich nicht! Wisst Ihr, ich habe bereits Schlimmeres als abgeschlagene Hände gesehen!” Ja, sie wollte tapfer sein, doch Guy ließ sich nicht täuschen. Diesen Ausdruck in ihren Augen kannte er, hatte ihn häufig bemerkt, wenn er sich die Zeit genommen hatte hinzusehen. Heute hatte er Zeit, viel Zeit. Interessiert musterte er Kiarens Gesicht. Ihre Lippen waren sicherlich einmal voll gewesen, doch jetzt presste sie sie zusammen. Die winzige Falte zwischen ihren Brauen deutete an, dass sie für ihre Jugend zu ernst war. Vor allem ihre Augen zeigten die Berührung des Krieges. Diese Mischung aus Zorn, Schmerz und aussichtslosem Aufbäumen war die Frucht der Gewalt. Und dennoch wirkte Kiaren unerfahren und gutgläubig. Der junge Graf berührte mit den Fingerspitzen ihre Wangen, fuhr 38
über die weiche Haut. Sogleich drehte sie den Kopf zur Seite. Endlich ließ er von ihr ab. Beide setzten sich an ihre vorherigen Plätze. Später sprach Kiaren leise: “Was Ihr mit Eurer Braut macht ist schändlich. Das ist Menschenhandel! In Tiredachan ist das schon lange verboten.” Der junge Graf schwieg lange. Dabei blickte er Kiaren in die Augen. Sie wich ihm nicht aus. Schließlich nickte er: “Ihr habt Recht. Allerdings macht sie eine gute Partie.” Verächtlich lachte sie. “Ihr seid zu alt! Ihr könntet der Vater des Mädchens sein!” Wieder nickte er. “Ja, beinahe.” Warum hatte er ihr all das erzählt? Aus welchem Grund sprach er mit ihr? “Wieso habt Ihr mir das Leben gerettet?”, fragte er schließlich. “Vermutlich nur deshalb, weil schon zu viele Menschen getötet wurden.” Wieder malte der Schmerz verfrühte Reife auf ihr Gesicht. “Nicht weil Ihr es verdient hättet. Ihr führt die Befehle des Königs aus. Dabei ist es Euch gleichgültig, ob sie gerechtfertigt sind!” “In der Tat, so ist es”, sprach der Graf. “Und jetzt haltet den Mund.” Lange Zeit saßen sie schweigend nebeneinander. Guy kämpfte mit dem Schlaf. Dann wieder musterte er die Herzogstochter. Ihre langen Wimpern gefielen ihm ebenso gut wie das schmale Gesicht, der sanfte Schwung des Halses und die geraden Schultern. Auch ihre dunkelbraunen Haare mit dem rötlichen Schimmer drängten danach, berührt zu werden. Plötzlich erhob er sich und ging zu ihr. Er zog seinen Dolch. “Was habt Ihr vor?”, fragte sie. Zum ersten Mal erkannte er Furcht in ihren Zügen. Schon löste er den Gurt von ihren Handgelenken. “Ab heute seid Ihr tot”, erwiderte er. Angstvoll zuckte sie zusammen. Er zog er den goldenen Siegelring der Herzöge von Tiredachan von ihrem Finger und verließ die Nische. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sie ihn beobachtete. Endlich fand er, wonach er suchte. Die Leiche einer Frau. Angewidert beugte er sich hinab, steckte den Ring an einen verwesten Finger, riss der Frau einen Teil ihres Rockes vom Leib und hieb ihr mit dem Dolch die Hand ab. Als er das stinkende Fleisch in das Tuch wickelte erschien Kiaren neben ihn. “Beim Überfall auf die Stadt wurde ich getötet?”, fragte sie verwirrt. Nach einem langen Blick in ihre Augen lächelte er. “Jetzt sind wir quitt. Mein Leben gegen Eures.” Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und verließ den Tempel. Abendröte überzog den Himmel. Niemand achtete auf den Grafen, als er allein die Straße zur Burg hinauf stieg.
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Der Ursprung des Windes von Andrea Tillmanns
Die Quelle mancher Dinge ist ganz einfach verblüffend!
Und es begab sich in den Zeiten, als die Welt noch jung war und andere Menschen andere Planeten bevölkerten, ohne von ihren fernen Nachkommen auf der Erde oder ihren Brüdern und Schwestern in weit entfernten Galaxien zu wissen, daß eine Sage entstand, die fortan von der Mutter an die Tochter und vom Vater an den Sohne weitergegeben wurde. So begann man sich zu erzählen von dem Ursprung des Windes, der auf Preion in gleichmäßigen Abständen abwechselnd aus den kalten Regionen des Nurn und den warmen der Sonda kam; so regelmäßig, daß man begonnen hatte, die siebzehn Tage, nach denen stets der Wechsel von Nurn zu Sonda erfolgte, zu einem Wind zusammenzufassen, nach deren sieben sich die Jalappos immer wieder aus ihrem langen Schlaf erhoben, um den Menschen erneut als Nahrung zu dienen und den Beginn eines neuen Ianes anzuzeigen. Einst, so hieß es, habe sich eine kleine Gruppe mutiger junger Männer und Frauen aufgemacht, das Geheimnis des Windes zu erkunden. Weit nach Süden seien sie gegangen, um den sagenhaften Riesen zu finden, der da durch seinen Odem den Wind schickte, der die Sporen und den Blütenstaub der Blumen und Gräser durch die Luft zu seinen fernen Zielen geleitete. Sie gingen viele Winde lang, immer wieder einige Nächte lang begleitet von einem schwachen Lichte, das langsam und stetig den Himmel durchwanderte und am Tage verblaßte vor der Schönheit und dem Glanze der Sonne, und darauf durch fast ebenso viele dunkle Nächte, in denen es zu mühsam gewesen wäre, sich einen Weg zu suchen, so daß sie länger und tiefer schliefen als an den anderen Tagen. Weiter und weiter wanderten sie, bis sie, weit in der Sonda, auf einen riesigen Gebirgszug trafen, den zu umgehen sie viele weitere Winde gebraucht hätten, so daß sie sich entschlossen, trotz aller Gefahren die Berge zu erklimmen. So kletterten sie mehrere Tage lang, bis sie endlich die Gipfelkette erreichten. Der Wind, der sich vor zwei Tagen gedreht hatte, wehte nun nicht mehr aus dem Nurn, sondern seitlich von ihnen, auch des nachts, als das langsam wandernde helle Licht am Himmel ihnen seltsame Träume schenkte. Den Wind im Rücken, suchten sie sich mühsam einen Weg entlang der Berggipfel, bis sie endlich in einem kleinen, von Bergen umgebenen Tal den Riesen fanden. Und sie blieben einen ganzen Wind lang, den Riesen zu betrachten, und sie sahen seine Miene sich trüben und fühlten ihn vor Enttäuschung tief seufzen, als das Licht am Himmel nach Tagen verschwand, und sie sahen das Leuchten seiner Augen und spürten sein gewaltiges Aufatmen, da das Licht wieder erschien. Und sie gingen zurück in ihre Heimat, um ihren Freunden und Anverwandten zu berichten von dem Riesen, der den Wind machte. Und manchmal hörte man einen von ihnen in dunklen Nächten leise seufzen und dann wieder erleichtert aufatmen, wenn das Licht erneut seine Reise über den Himmelsbogen antrat.
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Ein zweite Leben von Karin Sittenauer
Sie ist eine Gefangene und wartet nur noch auf den Tod. Doch dann geschieht ein Wunder...
Gleich einem geisterhaften Wind flüsterte es im Kerker von Tiredachan; Furcht kroch durch die dunklen Gewölbe. Im Verlies der Burg stöhnten die abgemagerten Gefangenen: Sie raunten sich zu: "Es gibt einen neuen Wärter! Er ist scharf auf frisches Fleisch!" Der zerlumpte, widerwärtige Mann neben Kiaren stieß sie mit dem Fuß an. Wie ein Pferd schnaubte er durch die Nasenflügel. "Hast du gehört, Junge!" Er grinste breit und zeigte seine braunen Zähne. "Einen hübschen Jungen wie dich wird er gerne nehmen." Jetzt lachte er schrill und laut. "Hoffentlich lässt er uns wenigstens zusehen. Ein wenig Abwechslung!" "Lass mich in Ruhe!" Kiaren drückte sich noch tiefer in ihren Winkel. Sie versuchte gleichsam eins zu werden mit feuchtem Stroh und kalten Mauern. In wenigen Tagen würde ihre Blutung einsetzen. Jeder könnte sehen, dass sie eine Frau war und kein schmächtiger, unterernährter Junge. Wie ausgehungerte Wölfe über gefundenes Aas würden die Männer über sie herfallen. Nein, nicht ihre Mitgefangenen. Sie alle lebten mit Ketten an ihren Platz gezwungen. - Die Kerkerwärter würden kommen und sich ihrer erinnern. Kiaren flehte zu sämtlichen Mächten, dass sie diesen Tag nicht mehr erleben musste. Mit einem Seufzer schloss sie die Augen, versuchte ihren Atem zu beruhigen. Sie fühlte sich schon beinahe wie tot. Dieser Körper gehörte nicht mehr zu ihr. Ihr Geist wanderte davon; in ein grünes Tal mit sich sanft wiegenden Gräsern und einem ruhig fließenden Fluss, dessen Ufer große Weiden begrenzten. Das Flüstern im Kerker wurde zu wispernden Blättern im Wind. Würde dieses schwache Herz doch endlich zu schlagen aufhören und sie unter den Weiden zurück lassen. Auf einmal tauchte eine Gestalt aus dem Wasser. Obwohl Kiaren den Mann noch nie zuvor gesehen hatte, fühlte sie sich in seiner Nähe wohl, lächelte ihm zu wie einem guten Freund. Seine Augen waren wie grünes Moos und langes Haar trieb wie Algen im Wasser. Das bleiche Gesicht erinnerte Kiaren an den Mond, geduldig und voller Sanftmut. Sie streckte ihm ihre Arme entgegen und glitt ins Wasser. Jetzt dachte sie nicht mehr an das Elend, das hinter ihr lag. Sie fühlte sich umgeben von streichelnden Wellen und beruhigenden Worten. "Du sollst noch nicht sterben", rauschten die Bäume über ihr und plätscherte das Wasser, in das sie versank. "Ich geh nicht zurück. Ich bleibe hier bei euch", erwiderte sie und fühlte sich voller Hoffnung. "Noch nicht! ... Du gehörst nicht hierher!" Kiaren begriff nichts, hielt sich an dem fließenden Körper fest und trieb selbst in unendliche Glückseligkeit davon. Sie löste sich auf, verteilte sich im zärtlichen Nass und sah blankgeriebene Kieselsteine am Grunde liegen. - Sanft umschmeichelt von ruhigem Wasser, 41
dann von groben Wellen der Schneeschmelze hin und her gerollt. "Du gehörst nicht hierher", tönte es erneut. Nichts blieb übrig von dem zart wiegenden Weggleiten. Kiaren schlitterte zurück, unfreiwillig, ärgerlich und störrisch. Wieder wurde sie geschüttelt und die gleiche Stimme beschwor sie: "Wach auf! Ich habe nicht viel Zeit. Jetzt komm endlich, sonst ist es zu spät!" Eine Gestalt beugte sich über sie. Dunkel war alles, was Kiaren von dem Fremden sah. Dem Schwarz des Mantels wurde vom Feuerschein der Fackel ein bläulicher Schimmer verliehen. Wie die Tiefen des Wassers, denen man Kiaren soeben entrissen hatte. Dennoch roch sie den Fluss immer noch - der Mann verströmte diesen Duft von Reinheit in dieser grauenhaften Umgebung. Jetzt fühlte Kiaren wieder die Schwäche ihres Körpers, die Machtlosigkeit ihres eigenen Willens und ihre verzweifelte Sehnsucht nach Erlösung. "Sagt' ich's doch!", zischte der Gefangene neben ihr. "Frisches Fleisch!" Jetzt kicherte er. Das hohe, abgehackte Kichern eines Wahnsinnigen. "Du bist ein hübsches Bürschchen. Fast wie ein Mädchen! Hätt' ich direkt auch Lust drauf!" Die junge Frau biss sich auf die Lippen und drehte den Kopf zur Wand. Der Fremde löste ihre Ketten. Ihre Hände zitterten. Kiaren wusste allzu gut, was sie nun erwartete. Er zog sie auf die Füße. Ihr schwindelte. Sie vermochte kaum zu stehen, schwankte, bis er einen Arm um ihren Körper legte und sie stützte. Er hielt sie fest und führte sie aus der Zelle. Der Mitgefangene schrie ihnen giftig hinterher: "Nein! Nicht draußen! Mach' es hier, hier, hier!" Dann verfiel er in erbärmliches Gewinsel. Die Hand des Wärters lag unter Kiarens Brust. Jetzt klärte sich ihr Geist vollkommen. Entsetzen umfing sie. Er musste einfach fühlen, dass sie eine Frau war! Und er tat es. Wissend sah er in ihre Augen, hielt ihren Blick fest, während sich sein Griff um ihren Körper lockerte. Schließlich lag sein Arm um Kiarens Taille, unverfänglich und doch stützend. Seine Mine zeigte etwas wie Verlegenheit wegen der zu großen Vertraulichkeit. "Wer ... wer seid Ihr?", fragte Kiaren atemholend. Je weiter sie durch die düsteren Gewölbe gingen desto auffälliger hinkte er. Ein Gebrechen, das sich zu verschlimmern schien, je tiefer sie ins Gestein vordrangen. "Fenbog", sprach er, nichts als diesen Namen. Wenn er noch schwächer würde, dachte Kiaren, könnte sie ihn leicht überwältigen. Er führte sie weiter; der Gang verengte sich. Wasser tropfte von den Felsen. Es kündete wie das sie umgebende Urgestein von Anfang und Ende zur gleichen Zeit. Das Ende, ja, danach sehnte Kiaren sich. Zurückzukehren in die Welt der Nymphen, zu dem Bach, dessen ruhiges Plätschern im Gleichklang mit ihrem Herzschlag war. Kein Leid mehr zu fühlen und nie mehr verletzt zu werden! Zuletzt stützte Kiaren den Mann mehr als er sie. Das wäre die Gelegenheit, sich von seiner Gegenwart zu befreien! Sie holte tief Atem, nahm allen Mut zusammen. Jetzt müsste sie ihn niederstoßen, sofort! Mit einem Mal blieb er stehen, atmete tief ein, so wie ein Verdurstender Wasser in sich aufsog. 42
"Ich bin nicht geschaffen für das Land", sprach er "und du nicht für das Leben im Wasser." Kiaren hielt in ihrem Angriff inne, ehe sie ihn begonnen hatte. Ihre Furcht wandelte sich zu Neugier. Dieser Fremde schien ihr nichts antun zu wollen. Langsam, als würde dies seine letzten Kräfte beanspruchen, schob er die Kapuze zurück, öffnete den Umhang und ließ ihn zu Boden gleiten. Dort blieb nichts zurück als eine Pfütze klaren, blaugrünen Wassers, das sich kurz darauf einen Weg in die Tiefe suchte. Im Schein der langsam verlöschenden Fackel erkannte Kiaren das Flussbett, das vor ihnen lag. "Du kannst den Fluss durchschwimmen. Am anderen Ufer erwartet dich die Freiheit." Sein bleiches Gesicht erinnerte Kiaren an den Mond, geduldig und voller Sanftmut. "Danke", flüsterte sie und fühlte Tränen über ihre Wangen perlen. "Wir sagten dir doch, dass es für dich noch nicht an der Zeit ist zu sterben." Als er in das dunkle Nass eintauchte wirkten seine Augen wie grünes Moos und sein langes Haar trieb wie Algen im Wasser. Dann versank er, hinterließ kaum erkennbare Wellen, die schnell mit dem Lauf des Flusses entschwanden. Kiaren aber nutzte das Geschenk, das er ihr gemacht hatte: Ein zweites Leben, aufgestiegen aus den Tiefen des Todes. Leise ließ sie sich ins Wasser gleiten und schwamm.
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