Sonja Lehrke Reinhold G. Laessle Adipositas im Kindes- und Jugendalter Basiswissen und Therapie 2., aktualisierte und ü...
75 downloads
1494 Views
4MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Sonja Lehrke Reinhold G. Laessle Adipositas im Kindes- und Jugendalter Basiswissen und Therapie 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage
Sonja Lehrke Reinhold G. Laessle
Adipositas im Kindes- und Jugendalter Basiswissen und Therapie
2., aktualisierte und überarbeitete Auflage Mit einem Geleitwort von Dr. Johannes Oepen
K
Dr. rer. nat. Sonja Lehrke Prof. Dr. phil. Reinhold G. Laessle Universität Trier FBI, Psychologie Johanniterufer 15 54290 Trier
ISBN 978-3-540-48350-2 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2009 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden, derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Renate Scheddin Projektmanagement: Meike Seeker Lektorat: Achim Blasig, Heidelberg Satz: Crest Premedia Solutions (P) Ltd., Pune, India SPIN: 10818099 Gedruckt auf säurefreiem Papier
2126 – 5 4 3 2 1 0
V
Geleitwort Unsere Kinder und Jugendlichen passen immer weniger in ihre Umgebung, und sind ihr immer weniger gewachsen – oder ist es umgekehrt? Die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas gerade in den Entwicklungsjahren, also zu Beginn des menschlichen Lebens nimmt in den letzten 20 Jahren weltweit zu – mit Folgeerkrankungen und psychosozialen Belastungen aber auch einer belastenden (Selbst-) Ausgrenzung und Stigmatisierung. In den eher besser situierten Ländern der westlichen Welt sind es vornehmlich Kinder aus sozial belasteten Familien, während es in den Ländern der Dritten Welt oft die Kinder der sich am westlichen Lebensstil orientierenden Familien der Mittel- und Oberschicht sind. »Überfütterte« Kinder sind aber nicht etwa gesünder, sondern erleiden in unterschiedlicher Weise Mangel in einer wichtigen Entwicklungsphase ihres Lebens. Die KiGGS-Studie hat diesen Trend für Deutschland 2007 in eindrucksvoller Weise bestätigt. – Da sich diese Steigerung der Gewichtszunahme kaum über Veränderungen der genetischen Disposition erklären lässt, sind Aspekte des Lebensstils in den Vordergrund gerückt. Wertschätzung von Anstrengung, Aktivität und Aufschub aktueller Versuchungen sind bei uns eher eine Tradition im Bildungsbürgertum und anderer Eliten. Die Möglichkeiten den Traum vom Schlaraffenland umzusetzen, sind für die belasteten Bevölkerungsgruppen heute wohl noch so attraktiv wie für die Knechte in Breughels Gemälde vom Schlaraffenland – aber im ungünstigen Sinne umsetzbar. Inaktivität und Nahrung, die im Überfluss zur Verfügung steht, die wie die sprichwörtlichen »gebratenen, fetten Tauben« einem geradezu in den Mund fliegen und ebenso süßer »Nektar«: Das waren in Zeiten des Mangels durchaus mit Energie und Sehnsucht erstrebte Ziele, als tägliche körperliche Aktivität eine, wenn auch mühsame und wenig geschätzte, Selbstverständlichkeit war, und nicht etwa durch persönlichen Entschluss erreicht und durch Mitgliedschaft in einem Verein aufgebaut werden musste. Haben Sie sich schon mal überlegt, dass das Ideal des Schlaraffenlandes am besten in einem Gefängnis umgesetzt wird? Inaktiv sein dürfen – und müssen, das Essen wird gereicht, Notwendigkeit und Möglichkeit von Kontakten sind nicht mehr gegeben. Neben der in der postindustriellen Gesellschaft möglichen Inaktivität, die uns in Urlaubsprospekten und anderer Werbung immer noch als erstrebenswertes (Kauf-)Ziel angeboten wird, hat sich die Verführung zur Inaktivität ‒ durch die »Mattscheiben-Zeiten« bei Kindern und Jugendlichen ‒ noch einmal erheblich vergrößert. Es braucht schon eine enorme Widerstandskraft beim einzelnen Kind, eine natürliche Begabung und Freude an der Anstrengung, selbstverständliche Rituale und Vorbilder im familiären Umfeld des Kindes, um dem nicht zu erliegen. Je weniger solche Schutzfaktoren vorhanden sind, umso schwerer haben es und werden die Kinder bzw. Jugendlichen, umso mehr sind sie in Gefahr in eine Abwärtsspirale von Depression, Rückzug und Selbstabwertung zu geraten und die Motivation für Aktivität zu verlieren. Einige Schutzfaktoren lassen sich nur über »politische« Veränderungen wieder gewinnen. Wertschätzung für Politiker, die sich für diese Ziele einsetzen ist eine Aufgabe von uns allen: Sichere Wege für die Kinder in den Kindergarten und die Schule, die auch zu Fuß bewältigt werden können, ohne dass Eltern befürchten müssen, dass ihr Kind einer Lebensgefahr im Straßenverkehr ausgesetzt wird. Oder der tägliche Beginn eines Schultages mit einer »Bewegungsfreude-Stunde«, wie ihn die Kinderärzte seit langem fordern – was nicht nur der Zunahme von Körperfett und Abnahme von Muskelmasse entgegenwirken würde, sondern auch anderen belastenden Folgen der Inaktivität, die wir gerade bei den »dicken Kindern« vermehrt beobachten: Rückzug, verkümmernde Interessen und Lernerfolge, Kontakte zu anderen Kindern, Selbstwirksamkeitserleben usw. Je früher und länger
VI
Geleitwort
unsere Kinder und Jugendlichen durch fehlende Begabung, unzureichende Gelegenheiten und mangelnde Ermutigung zu Anstrengung an »ihre« Inaktivität (und käufliche Ersatzbefriedigungen) gewöhnt sind und von der Freude über das Erreichen eigener Grenzen und gemeinsamer »Powerstunden« aber auch der Anerkennung über erreichte Fortschritte ausgesperrt waren, umso schwerer haben sie es und umso geringer werden ihre Chancen, da wirklich rauszukommen. Es ist demnach aber auch enorm wichtig, in dieser schönen neuen Welt Hilfen zu entwickeln, um vom frühestmöglichen Zeitpunkt an immer besser mit ihr zurechtzukommen. Es lohnt sich, die Ressourcen der Kinder und Jugendlichen zu entdecken und sie gegen den Strom der Versuchungen zu unterstützen, sodass sie selbst stärker werden können. Dafür sind verhaltenstherapeutisch orientierte multimodale Programme besonders wertvoll, die (nach einer Bedingungsanalyse) eine Anleitung geben können zur Strukturierung des Alltags und eigene Begabungen, Neigungen und Begeisterung für angemessene Ernährung, Bewegung und Aktivitäten zu entdecken, aber auch Selbstkontrolle und Selbstbestätigung und Unterstützungsmöglichkeiten für die von ihnen erstrebten Änderungen – und sie dann im persönlichen Alltag zunehmend nutzbar zu machen, sich daran zu gewöhnen wie ein gutes Leben sich anfühlt, es möglichst selbstverständlich werden zu lassen. Das Autorenteam Lehrke und Lässle hat das Wissen von Zusammenhängen, aufrechterhaltenden Faktoren und Erfolg versprechenden Strategien zum Aufbau eines angemessenen Ernährungs- und Bewegungsverhaltens, aber auch der Begleitfragen zu Befindlichkeit, sozialen Kontakten und Tagesstruktur seit Jahren nicht nur studiert sondern mit ambulanten Therapiegruppen von Kindern und Jugendlichen ihrer Region real erprobt und modifiziert. Darauf aufbauend liegt nun die 2. Auflage des Buches Adipositas im Kindes- und Jugendalter – Basiswissen und Therapie vor. Auf ausführliche, durchaus weiterführende Literatur aufbauend und doch leicht lesbar durch didaktische Elemente (z. B.: Übersicht, Zusammenfassung), die das Wesentliche zusammenstellen. Es ist zu hoffen, dass es eine Leserschaft findet, die sich dies zunutze machen kann, sowohl »alte Hasen«, die immer profitieren können von der schönen Darstellung der Fakten und der Prinzipien für die Gruppen. Aber auch Therapeutinnen und Therapeuten, die auf diesem Gebiet mithilfe des Programms Orientierung finden können, ihre Hilfen für die 9–15 Jahre alten Kinder und Jugendlichen (und ihre Eltern) strukturiert und individuell angepasst zu vermitteln. Gerade die belasteten Kinder und Jugendlichen brauchen neben den wichtigen gesellschaftlich-politischen Anpassungen, die wir alle leisten müssen, solche persönliche, realistisch geplanten Hilfen, und können damit erhebliche Gewinne an Lebensfreude und Teilhabe in unserer Gesellschaft erreichen. Eingebettet in gute Angebote für Kontakte und Aktivität in den Gemeinden, Erleben einer Wertschätzung in Schule und Familie nicht nur für »die Begabten und Besten«, sondern für die, die was leisten, was für sie nicht von allein erreicht werden konnte, sind solche Unterstützungen unersetzlich. Das kann sowohl für Therapeuten eine Orientierung geben, als auch gerade für die, die an der Umgebung der Kinder und Jugendlichen in ihrem Kontext mitwirken: Wir gewinnen alle, wenn unsere Kinder nicht mehr übermäßig sondern wieder gut gedeihen. Es ist zu hoffen, dass dieses Buch die Leserschaft findet, die das nutzen kann. Dr. Johannes Oepen Vorsitzender Adipositasnetzwerk Rheinland-Pfalz
VII
Vorwort zur 2. Auflage Das vorliegende Buch richtet sich an alle, die mit übergewichtigen Kindern arbeiten möchten, es bietet aber auch interessierten Laien oder Angehörigen von Betroffenen die Möglichkeit, sich einen Überblick über theoretische und therapeutische Grundlagen der Adipositas im Kindes- und Jugendalter zu verschaffen. Im ersten Teil werden die die theoretischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit gelegt, indem die wesentlichen Forschungsergebnisse zur Adipositas im Kindes- und Jugendalter anschaulich und praxisnah umrissen werden. Im Vergleich zur 1. Auflage wurde dieser Teil sehr viel ausführlicher gestaltet und um aktuelle Erkenntnisse ergänzt. Der Hauptteil des Buches umfasst ein detailliertes Therapiemanual mit umfangreichen Therapiematerialien, die den jeweiligen Trainingssitzungen als Anhang beigefügt sind. Die Bausteine des nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien aufgebauten Trainings sind flexibel einsetzbar und so ausführlich beschrieben, dass sie auch von einem zunächst unerfahrenen Therapeuten im klinischen Alltag nach kurzer Einarbeitungszeit durchgeführt werden können. In mehreren wissenschaftlichen Studien an der Universität Trier konnten wir belegen, dass das vorliegende Programm sowohl kurz- als auch langfristig erfolgreich ist. Weiterhin konnten wir zeigen, dass die Effektivität unseres Trainings durch Hinzufügen eines sportlichen Begleitprogramms, das im Manualteil beschrieben wird, optimiert werden kann. Wir danken dem Springer Verlag für die Möglichkeit, unser Manual in einer 2. Auflage gemäß unserer wissenschaftlichen und therapeutischen Erfahrungen der letzten Jahre weiter zu verbessern und noch stärker den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen anzupassen. Insbesondere danken wir Frau Renate Scheddin und Frau Meike Seeker sowie unserem Lektor, Herrn Achim Blasig, die für alle Fragen ein offenes Ohr hatten und uns als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung gestanden haben. Weiterhin gilt unser Dank der Deutschen Forschungsgemeinschaft, deren Förderung wesentlich zur Entstehung dieses Therapiemanuals beigetragen hat. Für die inhaltliche Konzeption des Sportprogramms danken wir Herrn Gunnar Schäfer, Spirit Center Trier. Wir danken weiterhin Herrn Bernhard Wollscheid für die Möglichkeit, die Sportsitzungen über den Bodystyle Gesundheits- und Rehasport e.V. in Trier durchführen zu können, sowie Frau Judith Knob, die mit hohem Engagement die Durchführung der Sportsitzungen übernommen hat und uns immer eine wichtige sowie kompetente Ansprechpartnerin war. Nicht zuletzt danken wir Frau Dipl.-Psych. Sabine Kikker, Frau Cand. Psych. Mareike Winterroll und Herrn Cand. Psych. Jens Heinrich für die Anregungen und Rückmeldungen zur Überarbeitung des Manuals und zur Gestaltung der Anhänge. Schließlich gilt unser ganz besonderer Dank Herrn Klaus Berghaus, der mit vielen kreativen Ideen die bildliche Gestaltung der Anhänge übernommen und unser Manual damit sehr bereichert hat. Trier, im Juni 2008 Sonja Lehrke und Reinhold Laessle
IX
Inhaltsverzeichnis Teil I
Basiswissen
1
Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2
Epidemiologie und Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3
Folgebelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 3.2
Medizinische Folgebelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychosoziale Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9 10
4
Bedingungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.4 4.5 4.6
Essverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quantitative Nahrungsaufnahme . . . . . . . . . . Qualitative Nahrungsaufnahme . . . . . . . . . . . Energieverbrauch und Stoffwechsel . . . . . . . . Komponenten des Energieverbrauchs . . . . . . . Messmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energiestoffwechsel und Gewichtsentwicklung . Genetische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychologische und psychosoziale Einflüsse . . . Soziokulturelle Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . Biopsychosoziales Modell . . . . . . . . . . . . . . .
5
Interventionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.3 5.4
Ernährungsmanagement . . . . . . . Diäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Langfristige Ernährungsumstellung Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhaltenstherapeutische Verfahren Multimodale Interventionsansätze .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
13 14 14 15 16 16 17 18 19 21 23 23
. . . . . .
25 25 25 27 29 31 33
6
Ansatzpunkte und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
7
Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unter Mitarbeit von Dr. Harald Wurmser Erfragung und Aufbau von Therapiemotivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzüge verhaltenstherapeutischen Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau von Selbstmanagementfertigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung weiterer verhaltenstherapeutischer Techniken/SORKC-Modell
. . . . . . .
39
. . . .
40 41 41 42
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
Teil II Trainingsmanual
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
X
Inhaltsverzeichnis
8
Durchführung des Trainingsprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7
Aufbau der Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturiertes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ambulante Durchführung der Therapie . . . . . . . . Durchführung als Gruppen- oder Familientherapie Begleitendes Sportprogramm . . . . . . . . . . . . . . Indikationen und Kontraindikationen . . . . . . . . . Einbeziehung der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
45 45 46 46 46 47 47 48
Sitzung 1: Kennenlernen und Zielabklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Elterntreffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
Sitzung 2: Ernährungshaus, derzeitiges Essverhalten, alternative Verhaltensweisen .
93
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
Teil III Darstellung der Trainingssitzungen
Sitzung 3: Essregeln, strukturierte Esstage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Sitzung 4: Party, Sensibilisierung für interne Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Sitzung 5: Fettdetektiv, Neinsagespiel, bewusstes Genießen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Sitzung 6: Zuckerdetektiv, Anti-Hänsel-Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Sitzung 7: Körperbezogene Übungen, Selbstwert und Umgang mit negativen Gefühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Sitzung 8: Wiederholung, bilanzierender Rückblick und Rückfallprophylaxe . . . . . . . 215 Sitzung 9: Gemeinsames Kochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Sportprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Konzipiert von Gunnar Schäfer Teil 1: Gruppentraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Teil 2: Ausdauertraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
I Teil I
Basiswissen
1
Definition und Klassifikation
–3
2
Epidemiologie und Verlauf –7
3
Folgebelastungen
3.1 3.2
Medizinische Folgebelastungen – 9 Psychosoziale Konsequenzen –10
4
Bedingungsfaktoren
4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.4 4.5 4.6
Essverhalten –14 Quantitative Nahrungsaufnahme –14 Qualitative Nahrungsaufnahme –15 Energieverbrauch und Stoffwechsel –16 Komponenten des Energieverbrauchs –16 Messmethoden –17 Energiestoffwechsel und Gewichtsentwicklung –18 Genetische Faktoren –19 Psychologische und psychosoziale Einflüsse –21 Soziokulturelle Einflüsse –23 Biopsychosoziales Modell –23
5
Interventionsansätze
5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.3 5.4
Ernährungsmanagement –25 Diäten –25 Langfristige Ernährungsumstellung –27 Sport –29 Verhaltenstherapeutische Verfahren –31 Multimodale Interventionsansätze –33
–9
–13
–25
3
1 Definition und Klassifikation Definition
Die Begriffe Übergewicht und Adipositas werden in der Literatur häufig nicht unterschieden (Wirth 2008). Streng genommen bezeichnen sie jedoch Unterschiedliches: Definition Man spricht von Übergewicht, wenn im Vergleich zur Körpergröße ein zu hohes Körpergewicht vorliegt. Eine Adipositas liegt vor, wenn der Körperfettanteil gemessen an der Gesamtkörpermasse zu hoch ist.
Der Körperfettanteil
Ab wann ein Kind oder ein Jugendlicher aufgrund seines Körperfettanteils als adipös zu bezeichnen ist, lässt sich schwer beantworten. Dieser ändert sich nämlich im Laufe der Entwicklung, wobei diese Veränderung nicht nur alters- sondern auch geschlechtsabhängig ist. In der Regel steigt der Körperfettanteil (und auch der Body-Mass-Index; 7 unten) im 1. Lebensjahr an, anschließend bis etwa zum 6. Lebensjahr fällt er kontinuierlich ab und steigt dann wieder an. Mit zunehmendem Alter sinkt er wieder ab (Burniat 1997) und pendelt sich am Ende des Wachstums bei Mädchen um 23–26% und bei Jungen um 11–17% ein. Bei normalgewichtigen Frauen liegt der Körperfettanteil bei 20–24%, bei normalgewichtigen Männern beträgt er 10–14% (Jones u. Lourie 1981). Nach Herold (1999) liegt eine Adipositas vor, wenn der Körperfettanteil 30% (bei ausgewachsenen Frauen) bzw. 20% (bei ausgewachsenen Männern) überschreitet. Zur Messung des Körperfettanteils steht eine Reihe von Verfahren zur Verfügung. Einfachere Methoden sind die Messung der Hautfaltendicke, die Bioelektrische Impedanzanalyse sowie Ultraschalluntersuchungen, aufwändiger sind z. B. DEXA, Densitometrie sowie Magnetresonanztomographie (Deutsche Adipositasgesellschaft 2006). Einen Überblick über die verschiedenen Verfahren gibt Wirth (2008). Der Body-Mass-Index (BMI)
Da eine exakte Bestimmung des Körperfettanteils nur mit sehr kostspieligen und aufwändigen Methoden geleistet werden kann, wird zu dessen Schätzung häufig der Body-MassIndex (BMI) verwendet. Dieser wird berechnet, indem man das Körpergewicht (in kg) durch die quadrierte Körpergröße (in m2) dividiert. Zwischen BMI und dem Fettanteil des Körpers konnten Korrelationen zwischen 0,6 und 0,8 gezeigt werden, sodass der BMI als akzeptabler Schätzer des Körperfettanteils sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern angesehen werden kann (Daniels et al. 1997; Pietrobelli et al. 1998). Zur Einteilung in Untergewicht, Normalgewicht und Übergewicht, bzw. verschiedene Grade der Adipositas liegen bei Erwachsenen feste Grenzwerte vor (Deutsche Adipositasgesellschaft 2007). Diese sind in . Tab. 1 dargestellt.
1
4
Kapitel 1 • Definition und Klassifikation
. Tab. 1. Klassifikation der Adipositas nach dem Body-Mass-Index. (Modifiziert nach WHO 2000)
1
BMI = kg/m2
Klassifikation
Beispiel (Mann oder Frau) 1,68 m
1,80 m
Untergewicht
<18,5
<56,4 kg
<64,8 kg
Normalgewicht
18,5–24,9
56,5–70,5 kg
64,8–80,7 kg
Übergewicht – Präadipositas – Adipositas Grad I – Adipositas Grad II – Adipositas Grad III
≥25 25–29,9 30–34,9 35–39,9 ≥40,0
≥70,6 70,6–84,4 kg 84,7–98,5 kg 98,8–112,6 kg ≥112,9 kg
≥81,0 81,9–96,9 kg 97,2–113,0 kg 113,4–129,3 kg ≥129,6 kg
Da der BMI bei Kindern und Jugendlichen starken alters- und geschlechtsabhängigen Veränderungen unterliegt, müssen Alter und Geschlecht bei der Beurteilung des Gewichtsstatus in diesen Altersgruppen mit berücksichtigt werden. Hierfür liegen Normtabellen, bzw. Diagramme (. Abb. 1 und 2) mit geschlechtsspezifischen Altersperzentilien für den BMI vor (z. B. Kromeyer-Hauschild 2000; Kromeyer-Hauschild et al. 2001). Die Deutsche Adipositasgesellschaft (2006) empfiehlt als Grenzwerte für das Vorliegen von Übergewicht bzw. Adipositas das 90. Perzentil (ca. 1 Standardabweichung vom Mittelwert) bzw. das 97. Perzentil (ca. 2 Standardabweichungen vom Mittelwert). Mit dieser Festlegung ist ein nahezu kontinuierlicher Übergang zu den entsprechenden Grenzwerten im Erwachsenenalter gegeben. Die Berechnung und diagnostische Bewertung des BMI bei Erwachsenen sowie Kindern und Jugendlichen kann auch im Internet, z. B. unter http://www.mybmi.de durchgeführt werden. 40 Name, Geburtsdatum
38 36 34 32
BMI (kg/m2)
30 28
P97
26
P90
24 22
P75 P50 P25 P10 P 3
20 18 16 14 12 10 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11 12
13 14
15 16 17
18
Alter (Jahre) . Abb. 1. Perzentile für den Body-Mass-Index von Mädchen im Alter von 0–18 Jahren, P Perzentil. (Nach Kromeyer-Hauschild et al. 2001)
1
5 1
Definition und Klassifikation
40 38
Name, Geburtsdatum
36 34 32
BMI (kg/m2)
30 28
P97
26 24
P90 P75 P50 P25 P10 P 3
22 20 18 16 14 12 10 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11 12
13 14
15 16 17
18
Alter (Jahre) . Abb. 2. Perzentile für den Body-Mass-Index von Jungen im Alter von 0–18 Jahren, P Perzentil. (Nach Kromeyer-Hauschild et al. 2001)
. Abbildung 3 zeigt ein Beispiel zur Bestimmung des Gewichtsstatus bei einer erwachsenen Person sowie einem 10-jährigen Mädchen. Obwohl der BMI identisch ist, liegt bei der erwachsenen Person Normalgewicht vor, während das Mädchen als adipös einzustufen ist. Anmerkung: Liegt der BMI eines Kindes wie im Beispiel in . Abb. 3 auf dem 97. Perzentil, so bedeutet dies, dass 97% aller gleichaltrigen Kindern des gleichen Geschlechts einen niedrigeren BMI aufweisen, nur 3% haben einen höheren BMI. Das Fettverteilungsmuster
Hinsichtlich der medizinischen Folgebelastungen der Adipositas sollte bei der Klassifikation nicht nur die erhöhte Fettmasse, sondern auch das Fettverteilungsmuster berücksichtigt werden, das sich allerdings erst am Ende der Pubertät manifestiert. Man unterscheidet zwischen Beispiel:
Beispiel:
Mann oder Frau
Mädchen, 10 Jahre
Gewicht: 74,5 kg, Größe: 1,78 m
Gewicht: 46 kg, Größe: 1,40 m
BMI = 74,5 kg / (1,78 m)2 = 23,5 kg/m2
BMI = 46 kg / (1,40 m)2 = 23,5 kg/m2 97. Perzentil
Normalgewicht
Adipositas
. Abb. 3. Bestimmung des Gewichtsstatus anhand des BMI bei einer erwachsenen Person und einem 10-jährigen Mädchen
6
1
Kapitel 1 • Definition und Klassifikation
einer weiblichen (gynoiden) Form (vermehrtes Fettgewebe v. a. an Hüften und Oberschenkeln; sog. Birnentyp) und einer eher männlichen (androiden) Form (Fettkonzentration v. a. in der Bauchregion; sog. Apfeltyp). Das Risiko für Folgekrankheiten steigt im Erwachsenenalter bei abdominaler Fettverteilung an (Wolfram 1990). Eine grobe Einschätzung des Fettverteilungsmusters kann anhand des Verhältnisses von Taillen- und Hüftumfang (waistto-hip ratio, WHR) erfolgen. Ein abdominales Fettverteilungsmuster liegt vor bei Frauen mit WHR >0,85, bei Männern für WHR >1,0. Eine gynoides Fettverteilungsmuster liegt vor bei Frauen mit WHR <0,85, bei Männern für WHR <1,0.
Zusammenfassung Übergewicht: Gemessen an der Körpergröße liegt ein zu hohes Gewicht vor. Adipositas: Der Körperfettanteil ist erhöht. Bestimmung des Gewichtsstatus: 4 Berechnung des BMI: Körpergewicht (kg)/Körpergröße (m2). 5 Bei Erwachsenen liegen feste Grenzwerte zur Beurteilung des BMI vor: – Normalgewicht liegt vor, wenn der BMI zwischen 20 und 24,9 liegt, – bei einem BMI zwischen 25 und 29,9 liegt Übergewicht (Präadipositas) vor, – bei einem BMI über 30 spricht man von Adipositas. 5 Bei Kindern: Verwendung geschlechtsspezifischer Altersperzentilien: – Ab dem 90. Perzentil liegt Übergewicht vor, – ab dem 97. Perzentil spricht man von Adipositas. Hinsichtlich des medizinischen Risikos ist auch das Fettverteilungsmuster von Bedeutung: 4 Androide Form (Apfeltyp, Fettkonzentration in der Bauchregion): erhöhtes medizinisches Risiko, 4 gynoide Form (Birnentyp, Fettkonzentration an den Hüften und Oberschenkeln): geringeres medizinisches Risiko.
7
2 Epidemiologie und Verlauf Die Auftrittswahrscheinlichkeit von Übergewicht und Adipositas ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen (Deutsche Adipositasgesellschaft 2007). Nach Mensink et al. (2005) sind derzeit in Deutschland ca. 50% der erwachsenen Männer übergewichtig (BMI ≥25) und etwa 18% adipös (BMI ≥30); bei den erwachsenen Frauen sind etwa 35% als übergewichtig und 20% als adipös einzustufen. Im internationalen Vergleich zählt Deutschland damit zu den Ländern mit sehr hoher Prävalenz der Adipositas, wobei die Tendenz steigend ist. Auch im Kindes- und Jugendalter nimmt die Zahl der Betroffenen stetig zu (van Kries 2005). In Deutschland sind je nach Definition etwa 10–20% aller Schulkinder und Jugendlichen übergewichtig, 4–8% gelten sogar als adipös. Die Prävalenz steigt mit dem Alter an, wobei mit zunehmendem Alter besonders Jungen betroffen sind (Warschburger et al. 2005). Auch das Ausmaß der Adipositas und damit die Anzahl extrem adipöser Kinder sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Dies ist als alarmierend anzusehen, weil Längsschnittuntersuchungen ergeben haben, dass adipöse Kinder ein erhöhtes Risiko aufweisen, auch im Erwachsenenalter adipös zu sein. Übergewichtige Kinder haben gegenüber normalgewichtigen Kindern ein 2- bis 4-fach erhöhtes Risiko für Übergewicht im Erwachsenenalter, die Persistenzraten liegen insgesamt bei etwa 50%. Als prognostisch ungünstig gelten ein frühzeitiger Beginn der Gewichtsstörung, extremes Übergewicht, eine Fortdauer der Adipositas bis nach der Pubertät und Übergewicht der Eltern. Eine weitere Vorhersagemöglichkeit für den Verlauf der Erkrankung stellt der »adiposity-rebound« dar. Die Gewichtsentwicklung verläuft normalerweise dergestalt, dass der BMI bis zum 1. Lebensjahr ansteigt, anschließend kontinuierlich bis zum Alter von ca. 6 Jahren absinkt und anschließend wieder ansteigt. Diejenigen Kinder, bei denen dieser »rebound« eher früh erfolgt, weisen ein höheres Risiko auf, in der Adoleszenz übergewichtig zu sein als Kinder mit einem späten »rebound« nach dem siebten Lebensjahr (Lehrke u. Laessle 2003). Einen Überblick über die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas in Deutschland sowie eine Zusammenfassung der prognostisch relevanten Faktoren findet sich in der folgenden Übersicht. Verbreitung von Übergewicht 4 50% der erwachsenen Männer 4 35% der erwachsenen Frauen 4 10–20% der Schulkinder und Jugendlichen Verbreitung von Adipositas 4 18% der erwachsenen Männer 4 20% der erwachsenen Frauen 4 4–8% der Schulkinder und Jugendlichen Prognostisch relevante Faktoren für eine Persistenz des Übergewichts bis ins Erwachsenenalter 4 Frühzeitiger Beginn der Gewichtsstörung 4 Extremes Übergewicht 4 Fortdauer der Adipositas bis nach der Pubertät 4 Übergewicht der Eltern 4 Früher »adiposity-rebound«
2
8
Kapitel 2 • Epidemiologie und Verlauf
Zusammenfassung
2
4 Die Auftrittswahrscheinlichkeit von Übergewicht und Adipositas ist in den vergangenen Jahren in allen Altersgruppen gestiegen. 4 Bei Kindern steigt die Zahl der Betroffenen mit zunehmendem Alter an, besonders bei den Jungen. 4 Übergewichtige Kinder und Jugendliche weisen im Vergleich zu ihren normalgewichtigen Altersgenossen ein erhöhtes Risiko auf, auch im Erwachsenenalter übergewichtig zu sein.
9
3 Folgebelastungen 3.1 Medizinische Folgebelastungen Übergewicht und Adipositas werden vielfach vorwiegend als kosmetisches Problem angesehen. Die herausragende gesundheitspolitische Bedeutung ergibt sich jedoch aus der Vielzahl Adipositas-assoziierter Begleiterkrankungen. Jährlich entfallen Kosten in Milliardenhöhe auf Adipositas und deren Folgeerkrankungen. Besonders erschreckend sind Zahlen aus den USA, wo ca. 280.000 Todesfälle pro Jahr auf die Adipositas mit ihren Folgeerkrankungen zurückgeführt werden, wobei diese damit die zweithäufigste Todesursache nach dem Rauchen darstellt (McGinnis u. Foege 1993). Die Adipositas ist somit als chronische Erkrankung und nicht nur als biologische Variante anzusehen (Deutsche Adipositasgesellschaft 2006). Eine erschöpfende Darstellung sämtlicher Folgeerkrankungen würde den Rahmen dieses Buches sprengen, der interessierte Leser sei z. B. auf Wirth (2003) verwiesen. Zahlreiche Organsysteme sind von der Adipositas betroffen, wobei ein besonders enger Zusammenhang zwischen Adipositas und 4 Diabetes mellitus, 4 Bluthochdruck, 4 Fettstoffwechselstörungen, 4 Gallensteinleiden und 4 Schlafapnoe besteht (Wirth 2003). Zudem findet sich eine erhöhte Mortalität ab einem BMI >25. Der Anstieg der Mortalität ist bis zu einem BMI von 30 nicht allzu bedeutend, ab einem BMI >30 erhöht sich diese jedoch beträchtlich. Besonders betroffen sind Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen, bei ihnen liegt die Mortalität im Vergleich zu Personen mit einem BMI im Normbereich um 50–100% höher. Viele der Adipositas-assoziierten Folgeerkrankungen kommen bereits im Kindesalter vor, wie z. B. 4 arterielle Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen (Wirth 2008), 4 beschleunigtes Längenwachstum, 4 orthopädische Komplikationen, 4 respiratorische Probleme und 4 ein abnormer Glukosemetabolismus (Dietz 1998). In einer Studie von Freedmanet al. (1999) waren die Blutwerte übergewichtiger im Vergleich zu denen normalgewichtiger Schulkinder um das 2,4- bis 12,6-Fache erhöht, und bei mehr als 50% fand sich ein Nachweis für mindestens einen Risikofaktor für das kardiovaskuläre System. Weiterhin ist belegt, dass das langfristige Morbiditätsrisiko bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen stärker ausgeprägt ist als bei normalgewichtigen Kindern. So fanden z. B. Must et al. (1992) bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen noch nach 55 Jahren ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko, unabhängig vom Gewichtsstatus als Erwachsene. Von einer verringerten Lebenserwartung übergewichtiger Jugendlicher gehen auch Solomon und Manson (1997) aus. Kontroverse Ergebnisse liegen bezüglich der Frage vor, ob bereits bei Kindern und Jugendlichen mit abdominaler Fettverteilung mit einem erhöhten medizinischen Risiko zu rechnen ist (Dietz 1995; Caprio et al. 1996; Goran u. Gover 1999).
3
10
Kapitel 3 • Folgebelastungen
. Tab. 2. Folgeschäden der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. (Modifiziert nach Dietz 1995; WHO Consultation on Obesity 1998; 7 auch Lehrke 2004)
3
Hohe Wahrscheinlichkeit
Mittlere Wahrscheinlichkeit
Niedrige Wahrscheinlichkeit
Beschleunigtes Längenwachstum Persistenz der Adipositas Fettstoffwechselstörung Erhöhter Blutdruck
Abnormaler Glukosemetabolismus Leberverfettung Persistenz der Adipositas
Orthopädische Komplikationen Schlafapnoe Hypertonie Pseudotumor cerebri Polyzystisches Ovarialsyndrom Gallensteinleiden
Dietz (1995) sowie die WHO Consultation on Obesity (1998) nehmen eine Einteilung der Folgeschäden einer Adipositas im Kindes- und Jugendalter nach deren Auftretenswahrscheinlichkeit vor (. Tab. 2). Andere Autoren (z. B. Must & Strauss, 1999; Laessle, Lehrke, Wurmser & Pirke, 2001) unterscheiden kurz- und langfristige Risiken, wobei als langfristige Risiken v. a. eine mögliche Persistenz der Gewichtsstörung, kardiovaskuläre Probleme und eine verringerte Lebenserwartung beschrieben werden.
Zusammenfassung 4 Adipositas im Erwachsenenalter geht mit einem erhöhten Risiko für eine Vielzahl von Begleiterkrankungen und einem erhöhten Mortalitätsrisiko einher. 4 Viele der Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen kommen bereits im Kindes- und Jugendalter vor. 4 Bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen besteht langfristig ein erhöhtes Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko (unabhängig vom Erwachsenen-Gewicht!).
3.2 Psychosoziale Konsequenzen Obwohl Stigmatisierungen gegenüber Minderheiten heute weitgehend sanktioniert werden, scheint dies bei übergewichtigen Personen nicht zuzutreffen. Die Akzeptanz und das gesellschaftliche Ansehen adipöser Personen sind in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Verständnis von Seiten der Umwelt ist allenfalls dann zu erwarten, wenn das Übergewicht nicht als primär selbst verschuldet angesehen wird (Warschburger 2000). In den meisten Fällen wird jedoch mangelnde Willensstärke der Betroffenen ungeprüft als Ursache für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Gewichtsstörung angenommen (Brownell 1991). Nicht selten übernehmen die Übergewichtigen diese Zuschreibung und leiden demzufolge unter starken Schuldgefühlen.
11 3.2
Psychosoziale Konsequenzen
Die Diskriminierung Übergewichtiger beginnt bereits in jungen Jahren (Turnbull et al. 2000): Bereits 4-Jährige belegen die Silhouette eines adipösen Kindes mit vorwiegend negativen Attributen, wie z. B. »dumm«, »faul«, »hässlich« und »verlogen«. Mit zunehmendem Alter setzt sich die Diskriminierung fort. Übergewicht wird von vielen Jugendlichen als Makel angesehen, besonders bei Frauen (Diehl 1996). Viele Übergewichtige geben an, wegen ihres Übergewichts gehänselt zu werden, was mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden ist (Neumark-Sztainer et al. 2002). Zudem werden Übergewichtige allgemein als unattraktiver, unerotischer und weniger für ein Rendezvous in Frage kommend eingeschätzt als schlanke Personen (Halpern et al. 1999). Übergewicht ist somit auch als bedeutsames Hindernis für die Ehe anzusehen. Tatsächlich berichten Gortmaker et al. (1993), dass übergewichtige Frauen bei einer Heirat häufiger in eine niedrigere soziale Schicht wechseln als normalgewichtige Frauen. Zahlreiche Beispiele belegen auch eine soziale Benachteiligung adipöser Personen (geringeres Einkommen, schlechtere Aufstiegschancen, verringerte Zugangsmöglichkeiten zu höherer Bildung; Warschburger et al. 2005). Widersprüchliche Ergebnisse liegen hinsichtlich der Frage vor, ob übergewichtige Kinder und Jugendliche unter einem verringerten Selbstwertgefühl leiden. Die Befunde sprechen insgesamt dafür, dass trotz der erheblichen Diskriminierungen und Ausgrenzungen nicht von einer generellen Beeinträchtigung des Selbstkonzepts auszugehen ist. Lediglich in klinischen Gruppen (d. h. bei Kindern und Jugendlichen mit extremem Übergewicht, die an einem Gewichtskontrollprogramm teilnehmen) ergaben sich diesbezüglich Einschränkungen (French et al. 1995). Ähnliche Ergebnisse fanden sich zum Vorliegen von Ängstlichkeit sowie Depressivität. Der Prozentsatz der betroffenen Kinder und Jugendlichen liegt bei etwa 5–30% (Epstein et al. 1996), wobei eine klinisch relevante Adipositas i.d.R. mit einer stärkeren Belastung einhergeht (Braet et al. 1997). Insgesamt sollte man jedoch bei Adipösen weniger von psychischen Problemen, sondern besser von einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Körper sprechen. Einschränkungen im körperbezogenen Selbstbild sind bei übergewichtigen Kindern gut belegt (Überblick z. B. bei French et al. 1995). Diese können, insbesondere bei Mädchen, über die Adoleszensperiode hinaus persistieren und in manchen Fällen den Boden für die Entwicklung von Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimie) bereiten. 3–5% der adipösen Jugendlichen leiden unter einer »Binge Eating Disorder« (Heißhungeranfälle ohne gegenregulierende Maßnahmen zur Verhinderung von Gewichtszunahme, wie z. B. Erbrechen; Warschburger u. Kröller 2005). Deutliche Einschränkungen bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen liegen hinsichtlich der Lebensqualität vor, die im Vergleich zum Selbstwert ein umfassenderes Konstrukt darstellt und sich auf Einschränkungen im Alltag bezieht. Ergebnisse aus aktuellen Studien weisen darauf hin, dass übergewichtige Kinder nicht nur eine geringere Lebensqualität als normalgewichtige gesunde Kinder aufweisen, sondern dass sie auch im Vergleich mit Kindern, die unter anderen Krankheiten (z. B. Asthma, Diabetes und Krebs) leiden, deutlich stärker belastet waren (Ravens-Sieberer et al. 2001; Schwimmer et al. 2003).
3
12
Kapitel 3 • Folgebelastungen
Zusammenfassung Übergewicht und Adipositas gehen mit einer Vielzahl von psychosozialen Beeinträchtigungen einher. Diese werden allgemein als schwerwiegender betrachtet als die medizinischen Folgen.
3
Psychosoziale Beeinträchtigungen adipöser Personen 4 Diskriminierung und Ausgrenzung, 4 Schwierigkeiten bei der Partnersuche, 4 soziale Benachteiligung, 4 Einschränkungen im körperbezogenen Selbstbild sowie 4 verringerte Lebensqualität. Vor allem bei Vorliegen einer klinisch relevanten Adipositas ggf. zusätzlich: 4 verringertes Selbstwertgefühl, 4 Ängstlichkeit und Depressivität.
13
4 Bedingungsfaktoren Viele aktuelle Studien befassen sich mit der Frage, wie Übergewicht und Adipositas entstehen und welche Faktoren an der Entstehung beteiligt sind. Zunächst erscheint die Antwort auf diese Frage sehr einfach: Die Gewichtsentwicklung erfolgt in Abhängigkeit vom Gleich- bzw. Ungleichgewicht von Energieaufnahme und Energieverbrauch: Halten sich Energieaufnahme und Energieverbrauch die Waage, bleibt das Körpergewicht konstant. Wird mehr Energie verbraucht als aufgenommen wird, erfolgt eine Gewichtsabnahme, im umgekehrten Fall nimmt das Körpergewicht zu. Übergewicht bzw. Adipositas sind somit das Resultat längerer Phasen einer positiven Energiebilanz. Die Zusammenhänge zwischen Energieaufnahme, Energieverbrauch und Gewichtsentwicklung sind in . Abb. 4 veranschaulicht. Dieses sehr einfache, auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten basierende Prinzip stieß in der Vergangenheit sowohl bei Laien als auch bei Experten schnell auf Akzeptanz, und man schlussfolgerte, Abnehmen sei somit sehr einfach, man müsse nur weniger essen. In der Folge wurden wir mit zahlreichen Diäten beworben, mit z. T. wundersamen Versprechungen, wie z. B. »fünf Kilo in nur drei Wochen, völlig mühelos« (und bei bester Laune – anschließend dann ein Leben lang nur noch schlank und glücklich). Dies klingt zunächst sehr verlockend, die dahinter liegende Einstellung lautet, dass jeder, der sich nur ein kleines bisschen bemüht, eine »Idealfigur« erreichen kann. Jeder, der dies nicht schafft, wird demnach als willensschwach abgestempelt. Diese Einstellung trägt zu ungerechtfertigten Vorurteilen gegenüber Übergewichtigen bei (▶ Abschn. 3.2): Merkwürdig ist nämlich, dass die Zahl der adipösen Personen nicht – wie angesichts all der angeblich so wunderbaren Diäten eigentlich zu erwarten gewesen wäre – gesunken ist, sondern dass sie in den letzten Jahren sogar noch angestiegen ist. Dies bedeutet, dass die Entstehung und Aufrechterhaltung von Übergewicht und Adipositas sehr viel komplexer ist als in . Abb. 4 dargestellt. Diese Komplexität ergibt sich daraus, dass eine ganze Reihe von Faktoren existiert, die einen Einfluss auf Energieaufnahme oder -verbrauch haben und die in ihrem Zusammenspiel dafür verantwortlich sind, dass eine langfristige Gewichtsabnahme sehr viel schwieriger zu erzielen ist, als es ursprünglich den Anschein hatte. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Adipositas findet sich in ▶ Abschn. 4.6. Adipositas ist somit kein einheitliches sondern ein heterogenes Störungsbild mit einer multifaktoriellen Genese. Im konkreten Einzelfall ist es daher wichtig zu untersuchen, welche Faktoren bei der Entstehung und
ewichtsstabilität Gew me G nah ich u z s tsv t e rl ich w us t Ge
Energieaufnahme
Energieverbrauch
. Abb. 4. Gewichtsentwicklung in Abhängigkeit von Energieaufnahme und Energieverbrauch
4
14
Kapitel 4 • Bedingungsfaktoren
Aufrechterhaltung der Gewichtsproblematik eine Rolle spielen. Im Folgenden sollen einige ätiologisch bedeutsame Faktoren näher beleuchtet werden.
4.1 Essverhalten
4
Die Energieaufnahme wird durch das Essverhalten einer Person bestimmt. Entscheidend ist zum einen, wie viel Energie ‒ gemessen in Kalorien pro Tag ‒ insgesamt aufgenommen wird (quantitative Nahrungsaufnahme). Zum anderen ist auch die Nahrungszusammensetzung, d. h. der Anteil der Makronährstoffe Kohlenhydrate, Fett und Protein (qualitative Nahrungsaufnahme) von Bedeutung, da diesbezüglich Unterschiede in der Energiedichte und im Sättigungsgehalt bestehen.
4.1.1 Quantitative Nahrungsaufnahme Häufig wird diskutiert, ob adipöse Personen mehr Kalorien pro Tag zu sich nehmen als normalgewichtige. Um diese Frage zu beantworten, müsste die Energiezufuhr übergewichtiger und normalgewichtiger Personen exakt ermittelt werden, was jedoch in der Praxis schwer realisierbar ist, da man sich auf die Angaben (Ernährungstagebücher) der Probanden verlassen müsste. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, Studien in geschlossenen Krankenhausabteilungen mit extremen Überwachungsmaßnahmen durchzuführen; eine Übertragung auf Alltagsbedingungen wäre in diesem Fall jedoch fraglich. Eine Klärung der Frage, ob adipöse und normalgewichtige Personen sich hinsichtlich der quantitativen Nahrungsaufnahme unterscheiden, konnte erst erzielt werden, als es möglich wurde, mithilfe der Doppelisotopenmethode (▶ Abschn. 4.2.2) den Gesamtenergieverbrauch einer Person festzustellen. Folgende Versuchsanordnung wurde gewählt: Beispiel Ein Dutzend adipöser Frauen mit einem durchschnittlichen Gewicht von 100 kg protokollierte ihr Essverhalten über eine Dauer von 14 Tagen. Gleichzeitig wurde der Gesamtenergieverbrauch mit der Doppelisotopenmethode erfasst. Als Kontrolle wurden dieselben Daten von 12 normalgewichtigen Frauen erhoben. Bei der Kontrollgruppe fand sich eine gute Übereinstimmung zwischen den Angaben in den Ernährungsprotokollen und dem Gesamtenergieverbrauch: Einer Kalorienaufnahme von 2.300 kcal/Tag stand ein Energieverbrauch von 2.357 kcal/Tag gegenüber. Die adipösen Frauen haben im Mittel 3.400 kcal/Tag verbraucht bei einer protokollierten Kalorienzufuhr von nur 2.000 kcal/Tag. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Adipösen ihre Kalorienzufuhr stark unterschätzt haben, da das Gewicht konstant blieb (Platte et al. 1995).
Diese systematische Unterschätzung der Kalorienzufuhr findet sich bereits bei der Adipositas im Kindesalter (Wurmser 1995). Diese und viele andere Untersuchungen belegen die zentrale Rolle einer erhöhten Kalorienzufuhr für die Entstehung der Adipositas. Allerdings scheint es auch eine Teilgruppe adipöser Personen zu geben, die sich bezüglich der Kalorienaufnahme nicht von Normalgewichtigen unterscheidet.
15 4.1
Essverhalten
Zusammenfassung 4 Zahlreiche Studien belegen, dass eine erhöhte Kalorienzufuhr bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas eine zentrale Rolle spielt. 4 Übergewichtige Personen neigen dazu, ihre Kalorienzufuhr deutlich zu unterschätzen.
4.1.2 Qualitative Nahrungsaufnahme Neben der Gesamtkalorienaufnahme pro Tag ist die Zusammensetzung der Nahrung von Bedeutung. Nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (1996) sollten idealerweise nicht mehr als 30% des täglichen Gesamtenergiebedarfs durch Nahrungsfett gedeckt werden. Tatsächlich nehmen die Deutschen jedoch seit den 1960er Jahren durchschnittlich ca. 40% des Gesamtenergiebedarfs in Form von Fett zu sich, ähnliche Zahlen werden auch für die anderen westlichen Industrienationen berichtet. Auch hinsichtlich der qualitativen Nahrungsaufnahme konnten Unterschiede zwischen adipösen und normalgewichtigen Personen nachgewiesen werden. Nach Tucker und Kano (1992) konsumieren Übergewichtige pro Tag im Durchschnitt etwa 25 Gramm mehr Nahrungsfett als normalgewichtige Vergleichspersonen. Diese Differenz erscheint zunächst unbedeutend; in der Jahresbilanz akkumuliert sie sich jedoch zu einer Gewichtszunahme von 9 kg. Belege für einen erhöhten Fettverzehr Übergewichtiger liefern auch zahlreiche weitere Untersuchungen (z. B. Pudel 2003). Ein erhöhter Anteil an Nahrungsfett ist deshalb bedenklich, weil Nahrungsfett mit 9 kcal/g eine mehr als doppelt so hohe Energiedichte hat wie Kohlenhydrate und Protein (jeweils 4 kcal/g). Bei der Einnahme fettreicher Mahlzeiten werden demnach bis zum Eintritt der Sättigung mehr Kalorien aufgenommen als beim Verzehr kohlenhydratreicher Speisen, sodass eine positive Energiebilanz begünstigt wird. Zudem hat Fett einen geringeren Sättigungswert, denn fettreichere Speisen haben ein geringeres Volumen als kohlenhydrathaltige Lebensmittel: Beispiel Ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte enthält z. B. ca. 575 Kalorien, einen vergleichbaren Brennwert haben z. B. acht Äpfel oder fünf Bananen.
Es kommt hinzu, dass Kohlenhydrate und Fett in sehr unterschiedlicher Weise im Körper verarbeitet werden, wobei Nahrungsfett sehr viel effizienter in Körperfett konvertiert wird als Kohlenhydrate (und Protein). Der Abbau von Körperfett ist hingegen sehr mühselig. Für eine Reduktion des Körperfetts um 1 kg ist eine Einsparung von 7.000–9.000 Kalorien erforderlich. Fettreiche Ernährung ist somit ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas. Dies wird durch die Ergebnisse von Pudel und Westenhöfer (1992) bestätigt, die in einer repräsentativen Umfrage nachweisen konnten, dass zwischen dem Fettgehalt der Ernährung und dem durchschnittlichen BMI eine positive Beziehung bestand, während die
4
16
Kapitel 4 • Bedingungsfaktoren
Beziehung zwischen dem BMI und dem relativen Kohlenhydratkonsum invers war, selbst wenn ein größerer Anteil in Form von Zucker aufgenommen wurde.
Zusammenfassung
4
4 Eine fettreiche Ernährung begünstigt die Entstehung von Übergewicht: 5 Fett hat eine mehr als doppelt so hohe Energiedichte wie Kohlenhydrate und Protein, 5 Fett hat einen geringeren Sättigungswert, 5 Nahrungsfett wird mit höherer Effizienz in Körperfett verwandelt. 4 Verglichen mit normalgewichtigen Personen nehmen Übergewichtige mehr Nahrungsfett zu sich.
4.2 Energieverbrauch und Stoffwechsel Während es in 7 Abschn. 4.1 um die Energieaufnahme ging, befasst sich das vorliegende Kapitel mit der anderen Seite der Energiegleichung, dem Energieverbrauch. Zunächst werden die Komponenten, aus denen sich der Gesamtenergieverbrauch zusammensetzt, erläutert, anschließend werden Methoden zu deren Messung dargestellt. Abschließend wird auf mögliche Zusammenhänge zwischen Energiestoffwechsel und Gewichtsentwicklung eingegangen.
4.2.1 Komponenten des Energieverbrauchs Unter Alltagsbedingungen beträgt der Gesamtenergieverbrauch durchschnittlich ca. 2.200 kcal für Frauen und ca. 2.600 kcal für Männer. Je nach Körpergewicht, Körperzusammensetzung, Kalorienzufuhr und körperlicher Aktivität kann die Größe sehr unterschiedlich ausfallen. Eine Übersicht über die Komponenten des Energieverbrauchs findet sich in . Abb. 5. Aktivtätsinduzierte Thermogenese ca. 15–50%
Diätinduzierte Thermogenese ca. 10–15%
Grundumsatz ca. 70% . Abb. 5. Komponenten des Energieverbrauchs
17 4.2 Energieverbrauch und Stoffwechsel
Grund- oder Ruheumsatz (GU)
Der GU hat mit etwa 70% den größten Anteil am Gesamtenergieverbrauch. Er beträgt bei Erwachsenen etwa 1 kcal pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht. Bei einem 70 kg schweren Menschen liegt er somit um die 1.700 kcal. Es handelt sich hierbei um die Energie, die zur Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Funktionen (Herzschlag, Atmung, Temperaturregulation auf 37°C, Organfunktion, Stoffwechsel etc.) unter Ruhebedingungen benötigt wird. Maßgeblich wird der GU durch die fettfreie Körpermasse (Muskulatur, innere Organe etc.) bestimmt. Die Fettmasse dient in erster Linie als Energiedepot und ist in ihrem Stoffwechsel weitgehend inaktiv. Auch in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand ergeben sich nur geringfügige Modifikationen des Ruheumsatzes. Diätinduzierte Thermogenese (DIT)
Die DIT stellt die zweite Komponente des Energieverbrauchs dar; ihr Anteil am Gesamtenergieverbrauch beträgt ca. 10–15%. Es handelt sich um die Energie für die gastrointestinale Verarbeitung, Resorption und den Stoffwechsel der aufgenommenen Nahrung direkt nach dem Essen. Je nach Nahrungsmittel kann der Energiebedarf sehr unterschiedlich ausfallen. Der geringste Energiebedarf besteht für die Fett- und der höchste für die Eiweißaufnahme. Aktivitätsinduzierte Thermogenese (AIT)
Die AIT ist der Energieverbrauch für die körperliche Bewegung einer Person. Diese Komponente des Gesamtenergieverbrauchs unterliegt den größten interindividuellen Schwankungen und ist abhängig vom Ausmaß der physischen Aktivität. Während die AIT bei einer Person, die keinen Sport treibt, etwa 15% des Gesamtenergieverbrauchs ausmacht, kann sie bei Sportlern ein Mehrfaches des Grundumsatzes betragen.
Zusammenfassung Der Gesamtenergieverbrauch setzt sich zusammen aus: 4 Grundumsatz (ca. 70%): Energiebedarf zur Aufrechterhaltung unserer Lebensfunktionen unter Ruhebedingungen. 4 Diätinduzierte Thermogenese (ca. 10–15%): Energieverbrauch für die gastrointestinale Verarbeitung, die Resorption und den Stoffwechsel der aufgenommenen Nahrung. 4 Aktivitätsinduzierte Thermogenese (ca. 15–50%): Energieverbrauch für körperliche Bewegung.
4.2.2 Messmethoden Gängige Methoden zur Messung des Ruheumsatzes sind die direkte und indirekte Kalorimetrie. Bei der indirekten Kalorimetrie wird durch Registrierung von Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe unter einer Atemhaube der Kalorienverbrauch pro Zeiteinheit ermittelt. Das Prinzip der direkten Kalorimetrie beruht hingegen darauf, dass die tatsächliche Wärmeproduktion des Organismus in speziellen Kalorimeter-Kammern gemessen wird. Auf diese Weise kann auch die DIT gemessen werden. Die Erfassung der AIT stellt sich komplizierter dar. Man kann zwar den Energieverbrauch für eine bestimmte Aktivität mit Hilfe von Atemhauben kaliometrisch über den Sauerstoffverbrauch und die Kohlendioxidproduktion
4
18
Kapitel 4 • Bedingungsfaktoren
bestimmen, doch Messungen über einen Zeitraum von mehreren Tagen ist so natürlich nicht praktikabel. Dies kann anhand der Doppelisotopentechnik geleistet werden. Diese Methode ermöglicht eine Erfassung der gesamten Kohlendioxidproduktion eines Menschen über 2–3 Wochen. Dabei wird ein spezielles Wasser verwendet, bei dem Wasserstoff- und Sauerstoffatome (nichtradioaktiv) markiert sind. Erläuterungen zu den einzelnen Messmethoden finden sich bei Noack (1995) und Wirth (2008).
4
4.2.3 Energiestoffwechsel und Gewichtsentwicklung In Zusammenhang mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Übergewicht sind v. a. die AIT und der Ruhestoffwechsel von Bedeutung, während die DIT nur einen unbedeutenden Einfluss hat. Die Rolle der AIT
Zahlreiche Studien belegen eine verminderte körperliche Aktivität Adipöser, die sich bereits im Kindes- und Jugendalter manifestiert. Demnach verbringen übergewichtige Kinder mehr Zeit mit Fernsehen und Computerspielen und weniger Zeit mit Sport und Bewegungsspielen (Gortmarker et al. 1996; Craig et al. 1996). Dies führt zu einem Rückgang auf Seiten des Energieverbrauchs, wodurch bei gleich bleibender Nahrungszufuhr eine positive Energiebilanz begünstigt und die Energiebilanz des Körpers in Richtung Gewichtszunahme verstellt wird. Allerdings ist das Ursache-Wirkungs-Verhältnis von Inaktivität und Adipositas zum heutigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig geklärt: Ebenso wie Inaktivität zur Entstehung von Adipositas beitragen kann, kann Adipositas umgekehrt auch einen inaktiven Lebensstil begünstigen, denn Sport wird von Übergewichtigen als weniger angenehm und weniger Erfolg versprechend empfunden. Auch wenn die Frage nach dem Ursache-Wirkungs-Verhältnis von Inaktivität und Adipositas weiterhin unklar bleiben muss, so ist zumindest unbestritten, dass der Inaktivität bei der Aufrechterhaltung und Verschlimmerung der Gewichtsstörung eine bedeutsame Rolle zukommt, sodass die aktivitätsinduzierte Thermogenese weiterhin als wichtiger Ansatzpunkt für therapeutische Ansätze anzusehen ist. Die Rolle des Ruheumsatzes Durch Sport kann nicht nur eine Erhöhung der aktivitätsinduzierten Thermogenese, sondern auch eine vorübergehende Stimulierung des Grundumsatzes erzielt werden. Bereits
30 Minuten physischer Aktivität bei 70% des maximalen Sauerstoffverbrauchs führen noch mehrere Stunden über die Bewegung hinaus zu einer signifikanten Erhöhung. Dieses Phänomen wird auch Post-exercise-Thermogenese genannt (Übersicht bei Ravussin u. Swinburn 1993). Vermutlich dient dieser zusätzliche Energieaufwand der Reparatur kleiner sportbedingter Defekte in der Muskulatur. Über eine Erhöhung der Muskelmasse führt Sport zudem indirekt zu einer dauerhaften Erhöhung des Grundumsatzes. Inwieweit ein erniedrigter Grundumsatz als Ursache für Adipositas in Frage kommt, ist noch unklar. In zahlreichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Adipöse nicht grundsätzlich einen erniedrigten Grundumsatz aufweisen. Die überwiegende Zahl der untersuchten Adipösen hatte sogar einen hohen Grundumsatz. Adipöse Personen weisen nämlich nicht nur eine erhöhte Körperfettmasse, sondern auch eine größere magere Körpermasse auf. Normiert auf Körpergewicht und -zusammensetzung ist der Grundumsatz bei den meisten Adipösen als normal anzusehen.
19 4.3
Genetische Faktoren
Andererseits liegen Ergebnisse aus Untersuchungen vor, die auf einen Zusammenhang zwischen einem erniedrigten Grundumsatz und einer Gewichtszunahme schließen lassen: Dass ein hoher Ruheumsatz zu einer Gewichtsabnahme und ein niedriger Ruheumsatz zu einer Gewichtszunahme führen kann, ist aus dem Bereich der Schilddrüsenerkrankungen bekannt; außerdem belegen Ergebnisse aus prospektiven Longitudinalstudien an Erwachsenen und Kindern, dass Personen mit einem niedrigen Grundumsatz eine höhere Gewichtszunahme aufweisen als Personen, bei denen der Grundumsatz normal oder erhöht ist. In einer Längsschnittstudie konnte zudem gezeigt werden, dass Babys mit einem geringen Energieverbrauch zur Entwicklung einer Adipositas neigen. Ursachen für einen erniedrigten Grundumsatz gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf genetische Faktoren zurück. Ein verminderter Energieverbrauch kann jedoch auch Ergebnis wiederholter Reduktionsdiäten sein, da mehrfache Gewichtsabnahmen eine erhöhte metabolische Effizienz nach sich ziehen können.
Zusammenfassung 4 Übergewichtige Personen bewegen sich weniger als normalgewichtige und verbringen mehr Zeit mit sog. Ruheaktivitäten. 4 Das Ursache-Wirkungs-Verhältnis von Inaktivität und Adipositas ist noch nicht eindeutig geklärt. 4 Es kann nicht grundsätzlich von einem erniedrigten Grundumsatz bei Adipösen ausgegangen werden. 4 Ein erniedrigter Grundumsatz ist jedoch ein prognostisch relevanter Faktor bei der Entstehung von Adipositas.
4.3 Genetische Faktoren Die Frage nach der Bedeutung genetischer Faktoren für die Entstehung von Adipositas ist schon seit längerer Zeit Gegenstand des Interesses. Belege für eine genetische Komponente finden sich u. a. in der familiären Häufung der Gewichtsstörung. Während Kinder mit zwei übergewichtigen Elternteilen ein Risiko von 80% aufweisen, adipös zu werden, liegt die Wahrscheinlichkeit bei Kindern schlanker Eltern nur bei 20%. Allerdings könnte auch argumentiert werden, dass diese Unterschiede ebenso gut auf Umweltfaktoren, wie z. B. familiäre Einflüsse zurückgeführt werden können. Stärkere Belege für eine genetische Komponente liefern Zwillings- und Adoptionsstudien (z. B. Stunkard et al. 1990; Wardle et al. 2008). Insbesondere die Tatsache, dass der BMI von Adoptivkindern stärker mit dem BMI der leiblichen als mit dem der Adoptiveltern korreliert, spricht dafür, dass genetischen Faktoren eine bedeutsame Rolle zukommt. Dies wird auch durch die Ergebnisse aus den Zwillingsstudien bestätigt. Insgesamt liegen Schätzungen des Varianzanteils genetischer Faktoren zwischen 30 und 70% (Übersicht bei Bouchard 1997). Bis heute ist noch nicht eindeutig geklärt, über welche Mechanismen sich die genetische Komponente manifestiert. Relevante Faktoren sind u. a. der Energieverbrauch sowie die Anzahl der Fettzellen (Adipozyten). Man geht davon aus, dass einmal angelegte Fettzellen höchst wahrscheinlich nicht mehr in ihrer Anzahl, sondern nur noch in ihrer Größe reduziert werden können. Da der Organismus bestrebt ist, ein bestimmtes Volumen der Adipozyten nicht zu unterschreiten, ist es für extrem Übergewichtige kaum möglich, ein »ideales«
4
20
Kapitel 4 • Bedingungsfaktoren
Körpergewicht zu erzielen. Eine Zusammenstellung weiterer genetisch beeinflusster Faktoren findet sich in der folgenden Übersicht.
4
Faktoren, die genetischen Einflüssen unterliegen (WHO Consultation on Obesity 1998) 4 Lipolyse im Fettgewebe 4 Muskelzusammensetzung und Oxidationspotenzial 4 Fettpräferenz 4 Thermogenetischer Effekt der Nahrung 4 Spontane körperliche Aktivität 4 Insulin-Sensitivität 4 Leptinspiegel
Entscheidend ist, dass nicht die Adipositas selbst, sondern lediglich die Veranlagung vererbt wird. Genauso wie eine Person, die die Veranlagung hat, leicht einen Sonnenbrand zu bekommen, dies dadurch vermeiden kann, dass sie sich nicht übermäßig der Sonne aussetzt, können Personen mit Veranlagung zur Ausbildung einer Adipositas durch günstige Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten einen Einfluss auf die Gewichtsentwicklung nehmen. In den letzten Jahren wurden große Fortschritte auf dem Gebiet der Genetik gemacht durch die Isolierung und Klonierung des sog. Obesitas-(ob-)Gens. Es codiert für ein Protein, das Leptin, das im Fettgewebe synthetisiert wird. Über die Konzentration dieses Botenstoffes erhält das zentrale Regulationssystem Informationen über die Größe der Fettspeicher. Erste Erkenntnisse über die Funktion und Wirkungsweise des Leptin ergaben sich durch Untersuchungen an ob/ob-Mäusen, bei denen aufgrund eines Gendefekts kein Leptin synthetisiert werden kann. Diese Tiere sind phänotypisch durch extremes Übergewicht gekennzeichnet und ihre ausschließliche Aktivität scheint im Fressen zu bestehen. Nach Injektion von Leptin fraßen die Mäuse deutlich weniger, und in der Folge kam es zu einer starken Gewichtsabnahme. Nach heutigen Erkenntnissen besteht die hypothalamische Wirkung des Leptins in der Hemmung zweier Hunger auslösender Botenstoffe, zudem wirkt es Metabolismus steigernd. Neben dem ob/ob-Modell konnten vier weitere monogenetische Defekte ausgemacht werden, die bei Mäusen zur Ausbildung einer Adipositas führen können. Für alle diese Defekte ist es gelungen, Analogien im Humanbereich aufzudecken (Übersicht bei Bouchard et al. 2000). Die sich daran knüpfenden Hoffnungen auf eine Erklärung für die Adipositas und evtl. Therapiemöglichkeiten haben sich leider nicht erfüllt, denn nur in extrem seltenen Fällen konnten monogenetische Defekte bei Menschen nachgewiesen werden. So haben Übergewichtige i.d.R. kein Leptindefizit, sondern sogar erhöhte Leptinwerte, die umso größer sind, je höher die Fettmasse ist. Offensichtlich besteht bei Adipösen eine Unempfindlichkeit gegenüber dem Leptin auf Rezeptor- oder Postrezeptorebene, die sich erst nach einer Gewichtsabnahme wieder verliert. Insofern erscheint die Möglichkeit, Leptin als Medikament zur Behandlung der Adipositas einsetzen zu können, wenig Erfolg versprechend. Eine noch nicht ganz erforschte Rolle bei der Vermittlung genetischer Einflüsse können die »entkoppelnden Proteine« spielen, über die der Wirkungsgrad der Energienutzung in den Mitochondrien reguliert wird. Es ist denkbar, dass bei normalgewichtigen Personen überschüssige Energie in Wärme umgewandelt wird, während bei Übergewichtigen im
21 4.4 Psychologische und psychosoziale Einflüsse
Übermaß aufgenommene Energie eher als Körperfett gespeichert wird (Crowley u. VidalPuig 2002).
Zusammenfassung 4 Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien belegen eine starke genetische Komponente der Adipositas. 4 Schätzungen des Varianzanteils genetischer Faktoren reichen von 30–70%. 4 Vererbt wird nicht die Adipositas selbst, sondern nur die Veranlagung. Die Gewichtsentwicklung kann durch günstiges Ess- und Bewegungsverhalten positiv beeinflusst werden. 4 Bei Mäusen führt ein Mangel des Botenstoffs Leptin zur Entwicklung massiven Übergewichts. 4 Es konnten jedoch leider keine Rückschlüsse auf die Entstehung von Übergewicht im Humanbereich und evtl. Therapiemöglichkeiten gezogen werden.
4.4 Psychologische und psychosoziale Einflüsse In ▶ Abschn. 4.1 wurde berichtet, dass eine erhöhte Kalorienzufuhr sowie ein erhöhter Anteil an Nahrungsfett bei der Entstehung von Adipositas eine wichtige Rolle spielen. Zudem wurde dargestellt, dass übergewichtige Kinder und Jugendliche sich weniger bewegen als ihre normalgewichtigen Altersgenossen (▶ Abschn. 4.2). Die beiden verhaltensbezogenen Faktoren Ess- und Aktivitätsverhalten unterliegen verschiedenen psychologischen und psychosozialen Einflüssen, die im Folgenden dargestellt werden sollen. Sowohl die Häufigkeit von Mahlzeiten als auch die Kalorienaufnahme bei einer Mahlzeit werden in hohem Ausmaß durch emotionale Faktoren und Lernprozesse beeinflusst, die bereits im Kindes- und Jugendalter zum Tragen kommen. Eltern stellen Modelle für ihre Kinder dar, die deren Ess-, Trink-, und Bewegungsverhalten sowie die Einstellung gegenüber dem Körper schon früh übernehmen. Eine Koppelung zwischen negativen emotionalen Zuständen und der Zufuhr von Nahrung kann z. B. dann entstehen, wenn Äußerungen des Unbehagens beim Kind mit der Verabreichung von Nahrung beantwortet werden. Als Konsequenz wird in Zukunft Nahrung nicht nur bei Hunger, sondern bei allen Gefühlszuständen aufgenommen, die in der Lerngeschichte mit Nahrungsaufnahme verbunden waren. Eine Untersuchung von Brakhoff (1987, zit. nach Petermann 1994) kam zu dem Ergebnis, dass 38% der Befragten aus Langeweile essen, 22% bei Einsamkeit und 11% bei depressiven Verstimmungen. Wolf (1993) nennt als Motiv für eine Nahrungsaufnahme ohne Hunger Gefühle, v. a. seelische Probleme und aversive Empfindungen wie Stress, Langeweile, Angst und Einsamkeit. Misslungene Diätversuche können ebenfalls zu Frustrationen führen, die dann mit Hyperphagie beantwortet werden. Weitere Untersuchungen zum Verstärkungsverhalten der Eltern zeigten, dass Ermutigungen der Eltern zum Essen mit einer erhöhten Mahlzeitendauer auf Seiten der Kinder einhergehen und positiv mit deren Körpergewicht korrelieren (Klesges et al. 1984, 1986). Die Verstärkerhäufigkeit für körperliche Aktivität der Kinder ist positiv mit deren tatsächlicher Aktivität und negativ mit deren Körpergewicht korreliert (Klesges et al. 1986). In diesem Zusammenhang erwies sich die elterliche Inaktivität als starker Prädiktor für die kindliche
4
22
4
Kapitel 4 • Bedingungsfaktoren
Inaktivität, die wiederum invers mit dem kindlichen Übergewicht korrelierte (Fogelholm et al. 1999). Eine erhöhte Außenreizabhängigkeit (z. B. Uhrzeit, Attraktivität von Speisen) als Ursache des Übergewichts, wie sie von Schachter (1976) postuliert worden war, konnte in neueren Untersuchungen nicht bestätigt werden. Sie tritt nicht nur bei manifest Adipösen, sondern bei allen Personen auf, die ihre Nahrungsaufnahme kognitiv kontrollieren, und kann daher mit hoher Wahrscheinlichkeit als eine Folge intermittierenden Diätierens betrachtet werden (Pudel u. Westenhöfer 1991). Von großer Bedeutung für die Entstehung von Übergewicht ist jedoch eine Zügelung des Essverhaltens mit dem Ziel der Gewichtsregulation, wenn diese mit rigiden Kontrollstrategien (starre Diätgrenzen und Ernährungsvorschriften, häufig in Form von absoluten Ge- und Verboten) einhergeht. Derart strenge Verhaltensvorschriften können leicht scheitern, weil die sog. verbotenen Nahrungsmittel eine erhöhte Valenz erhalten, sodass eine Übertretung der selbst auferlegten Regeln wahrscheinlich wird. Ist die interne Diätgrenze einmal überschritten, was im Extremfall schon durch eigentlich unbedeutende Ereignisse, wie z. B. den Verzehr eines Stückes Schokolade passieren kann, so wird die kognitive Kontrolle häufig, vermittelt durch den Gedanken: »Jetzt ist es sowieso egal!« außer Kraft gesetzt zugunsten einer ungehemmten, meist zügellosen Nahrungsaufnahme. So kann ein ständiger Wechsel zwischen Phasen strenger Diätvorschriften und Phasen zügellosen Essens entstehen. Vielfach nehmen gezügelte Esser auf diese Weise deutlich mehr zu sich als Personen, die ihr Essverhalten nicht zu kontrollieren versuchen. Pudel und Westenhöfer (1992) konnten zeigen, dass gezügeltes Essverhalten mit einem höheren BMI einhergeht als eine flexible Verhaltenskontrolle (Regulation der Nahrungsaufnahme v. a. durch Hunger- bzw. Sättigungssignale, Beschränkung der Nahrungsaufnahme – wenn überhaupt – nur innerhalb von Verhaltensspielräumen, die Möglichkeit zur Kompensation lassen).
Zusammenfassung 4 Die Nahrungsaufnahme wird in hohem Ausmaß durch emotionale Faktoren und Lernprozesse beeinflusst. 4 Hunger tritt als Auslöser für Essverhalten vermehrt in den Hintergrund. 4 Essen wird häufig funktional eingesetzt (z. B. als Trost oder Belohnung). 4 Dem Verstärkungs- und dem Modellverhalten der Eltern kommt eine wichtige Rolle zu. 4 Eine rigide Kontrolle des Essverhaltens eignet sich nicht zur Gewichtsregulation: 5 Je starrer die selbst auferlegten Regeln sind, desto wahrscheinlicher wird ein »Regelverstoß«. 5 Ist die interne Diätgrenze einmal überschritten, tritt die Denkschablone »eh egal« in Kraft und es kommt zu einer ungehemmten Nahrungsaufnahme. 5 Gezügeltes Essverhalten geht daher häufig mit einem höheren BMI einher als eine flexible Verhaltenskontrolle.
23 4.6
Biopsychosoziales Modell
4.5 Soziokulturelle Einflüsse Während vor nicht allzu langer Zeit längere Perioden von Nahrungsmittelknappheit und Hungersnöte keine Seltenheit waren und Menschen körperlich sehr hart für ihren Lebensunterhalt arbeiten mussten, leben wir heute in einer sog. Überflussgesellschaft: Nahrungsmittel mit hoher Energiedichte sind im Überfluss vorhanden und jederzeit verfügbar. Zudem werden immer weniger Mahlzeiten zu Hause im Familienkreis eingenommen (van Itallie u. Kissileff 1990), wobei es sich bei den außer Haus verzehrten Nahrungsmitteln häufig um Fast-Food-Produkte mit hoher Energiedichte handelt, die nicht zuletzt auch aufgrund irreführender Werbung (Pudel u. Ellrott 1995; Diehl 1996, 1999) bei Kindern und Jugendlichen eine sehr hohe Akzeptanz besitzen. Es kommt hinzu, dass sehr viele Freizeitangebote existieren, die durch körperliche Inaktivität gekennzeichnet sind. Insgesamt bewegen sich Kinder und Jugendliche deutlich weniger und sind motorisch ungeschickter als früher (Hebebrand u. Bös 2005). Die wichtigste Rolle bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas scheint Computerspielen und Fernsehen zuzukommen, wobei Letzteres häufig auch mit erhöhter Nahrungsaufnahme einhergeht (Coon et al. 2001).
Zusammenfassung 4 Wir leben heute unter Überflussbedingungen: 5 Nahrungsmittel sind in uneingeschränktem Ausmaß vorhanden, und 5 es existieren viele Freizeitangebote mit körperlicher Inaktivität. 4 Eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Übergewicht haben Computerspiele und Fernsehen sowie Fast-Food-Produkte, wobei Kinder und Jugendliche sich häufig von irreführender Werbung beeinflussen lassen.
4.6 Biopsychosoziales Modell Die in den vorausgegangenen Kapiteln beschriebenen Einflussfaktoren sollen an dieser Stelle in ein umfassendes Modell integriert werden. Dieses ist in . Abb. 6 dargestellt. Das Körpergewicht entwickelt sich in Abhängigkeit von Energieaufnahme (▶ Abschn. 4.1) und Energieverbrauch (▶ Abschn. 4.2): 4 Energieaufnahme < Energieverbrauch → Gewichtsabnahme, 4 Energieaufnahme = Energieverbrauch → Gewichtskonstanz, 4 Energieaufnahme > Energieverbrauch → Gewichtszunahme. Energieaufnahme und -verbrauch stehen unter dem Einfluss der verhaltensbezogenen Faktoren Essverhalten, Aktivitätsverhalten und Ruhestoffwechsel. Die Energieaufnahme wird im Wesentlichen durch das Essverhalten einer Person bestimmt, das durch die qualitative und quantitative Nahrungsaufnahme beschrieben wird (▶ Abschn. 4.1). Aktivitätsverhalten und Ruhestoffwechsel haben Einfluss auf den Energieverbrauch (▶ Abschn. 4.2). Ess- und Aktivitätsverhalten sowie der Ruhestoffwechsel unterliegen dem Einfluss verschiedener Hintergrundfaktoren, dies sind im Wesentlichen psychosoziale, soziokulturelle und genetische Faktoren. Bezogen auf die psychosozialen Faktoren ist die Lerngeschichte von großer
4
24
Kapitel 4 • Bedingungsfaktoren
! Lerngeschichte/Elternhaus (Funktion des Essens, Nahrungsmittelpräferenzen) Stress und emotionale Befindlichkeit
4
qualitative Nahrungsaufnahme, quantitative Nahrungsaufnahme
! Leichte Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln mit hoher Energiedichte (Überflussgesellschaft). Viele Freizeitangebote mit körperlicher Inaktivität
"
Hohe Fettzellen-Anzahl Niedriger Energieverbrauch Fettpräferenz
#
. Abb. 6. Biopsychosoziales Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung von Übergewicht bzw. Adipositas
Bedeutung, die einen starken Einfluss sowohl auf Nahrungsmittelpräferenzen als auch hinsichtlich der Funktion des Essens haben kann. Die Lerngeschichte wird zum großen Teil durch das Elternhaus bestimmt (▶ Abschn. 4.4). Soziokulturelle Faktoren wirken auf das Ess- und Aktivitätsverhalten: Nahrungsmittel aller Art sind leicht verfügbar, und es bestehen viele Freizeitangebote mit körperlicher Inaktivität (▶ Abschn. 4.5). An genetischen Faktoren, die bei der Entstehung von Übergewicht eine Rolle spielen können, sind v. a. eine hohe Fettzellenanzahl, ein niedriger Energieverbrauch sowie eine Vorliebe für fetthaltige Nahrungsmittel zu nennen (▶ Abschn. 4.3). In Kap. 4 wurde bereits erwähnt, dass Adipositas kein einheitliches, sondern ein heterogenes Störungsbild mit multifaktorieller Genese ist. Die Komplexität des oben dargestellten Modells soll unterstreichen, dass es nicht damit getan ist, einfach mal eben weniger zu essen, sondern dass es im Einzelfall unerlässlich ist, die oben genannten Faktoren in Bezug auf ihre Funktion und ihren Stellenwert bei der Entstehung und Aufrecherhaltung der Gewichtsstörung zu untersuchen, um daraus die optimale Behandlungsstrategie abzuleiten.
25
5 Interventionsansätze Im Folgenden sollen die derzeit gängigsten Interventionsmethoden »Ernährungsmanagement«, »Sport« und »Verhaltenstherapie« dargestellt werden. Weitere Behandlungsmethoden stellen die medikamentöse Therapie sowie die Chirurgie dar. Da diese jedoch im Kindes- und Jugendalter nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen, werden sie hier nicht näher beschrieben; eine Übersicht über diese Methoden gibt z. B. Ellrott (2003).
5.1 Ernährungsmanagement Diäten stellen einen wesentlichen Bestandteil der Adipositastherapie dar. Mit einer Diät (= Einschränkung der Kalorienzufuhr) soll eine negative Energiebilanz erzielt werden, die zur Gewichtsabnahme führt. Mindestens genauso wichtig wie die initiale Gewichtsreduktion ist jedoch die Gewichtsstabilisierung bzw. die Minimierung einer Wiederzunahme. Diese kann i.d.R. nur durch eine langfristige Ernährungsumstellung erreicht werden. Daher sollen in diesem Kapitel – nach einem Abschnitt über Diäten – wesentliche Grundzüge einer langfristigen Ernährungsumstellung erläutert werden.
5.1.1 Diäten Wer abnehmen will, denkt i.d.R. in erster Linie an eine Beschränkung der Nahrungsaufnahme. Es wird grob unterschieden zwischen: 1. extrem niedrig kalorischer Kost (ca. 450–700 kcal/Tag), 2. niedrig kalorischer Kost (ca. 700–1.000 kcal/Tag), 3. hypokalorischer Mischkost (1.000–1.800 kcal/Tag). Anmerkung: Bei Punkt 1 und 2 meist als Formula-Diäten, z. B. in Form von 5 Milchshakes pro Tag. Bei Punkt 3 unter Verwendung herkömmlicher Nahrungsmittel.
Die vorherrschende Meinung besteht immer noch darin, dass diejenigen Diäten am besten und effektivsten sind, mit denen möglichst viel Gewicht in möglichst kurzer Zeit abgenommen werden kann. Entsprechend werden z. T. Blitz-, Crash-, Hungerdiäten mit extremer Nährstoffrelation oder sogar Nulldiäten durchgeführt, die jedoch ernährungsphysiologisch nicht sinnvoll und meist auch gesundheitsschädlich sind. Insbesondere im Kindes- und Jugendalter ist Vorsicht geboten, da bei extrem hypokalorischen Diäten ein erhöhtes Risiko für Wachstumsstörungen besteht (Ikeda u. Mitchell 2001). Ein weiteres Problem reiner Diätkuren besteht darin, dass sie zwar kurzfristig durchaus erfolgreich sind, die erzielten Gewichtsabnahmen jedoch i.d.R. nicht aufrechterhalten werden können. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass es durch die Kalorienrestriktion zu metabolischen und endokrinen Anpassungsvorgängen kommt, die den Energieverbrauch absenken. Dies ist eine Notfallreaktion des Körpers, der nicht weiß, dass die Gewichtsabnahme freiwillig erfolgt und daher davon ausgeht, dass eine Hungersnot besteht. Entsprechend schaltet er zur Verteidigung seiner Energiereserven auf Sparflamme, wobei es neben einer Absenkung des Energieverbrauchs zusätzlich zu extremen Hungergefühlen kommt, sodass die Entstehung von Heißhungerattacken begünstigt wird. Dieses Sparprogramm bleibt über das Ende der Diät hinaus noch einige Zeit bestehen, sodass bei normaler Kalorienzufuhr zunächst eine positive Energiebilanz entsteht. Dadurch kommt es wieder zu einer
5
26
5
Kapitel 5 • Interventionsansätze
Gewichtszunahme bis zum Ausgangsgewicht und oft sogar darüber hinaus. Neben einer Unzufriedenheit mit ihrer Figur leiden die Betroffenen z. T. zusätzlich unter dem Gefühl »wieder einmal versagt zu haben«. Häufig kommt es zu einem weiteren (evtl. noch restriktiveren) Diätversuch – wieder mit anschließender Gewichtszunahme. So entsteht ein Teufelskreis, der auch als »Jo-Jo-Effekt« beschrieben wird. Die geschilderten Vorgänge werden in . Abb. 7 nochmals verdeutlicht. Neben Risiken für die Gesundheit besteht die Gefahr der Sensibilisierung für Essstörungen. Wird Diät als eine Therapiekomponente eingesetzt, so wird allgemein eine hypokalorische Mischkost empfohlen. In Deutschland wird das Konzept der optimierten Mischkost (optimiX; Kersting et al. 1993a,b) propagiert, das auch von der Deutschen Adipositasgesellschaft (2006) als Rahmen für das Ernährungsmanagement bei der Therapie übergewichtiger Kinder empfohlen wird. Die Nahrung sollte wenig Fett (25–30%), viele komplexe Kohlenhydrate (50–55%) und ausreichend Eiweiß (20–25%) enthalten. Da der Energiebedarf altersund geschlechtsbedingten Schwankungen unterliegt, ist es wichtig, diesen jeweils individuell anzupassen. . Tabelle 3 zeigt Empfehlungen der DGE/aid (2000) für den normalen und reduzierten Energiebedarf von Mädchen und Jungen in verschiedenen Altersstufen. Unter Berücksichtigung dieser Angaben kann ein moderater Gewichtsverlust von ungefähr 0,5 kg pro Woche erzielt werden, der sich nicht negativ auf die körperliche Entwicklung des Kindes auswirkt. So ist es möglich, Körperfett abzubauen, ohne dass es zu den oben beschriebenen Verteidigungsmechanismen des Körpers kommt. Außerdem kann dieses Ernährungsprogramm auch langfristig mit einer höheren Kalorienanzahl fortgeführt werden und damit als Einstieg in eine langfristige Ernährungsumstellung dienen. Die Grundzüge einer solchen Ernährungsumstellung sollen in ▶ Abschn. 5.1.2 kurz angerissen werden.
Gewichtszunahme
Restriktive Diät
Konsequenzen Senkung des Energieverbrauchs, extreme Hungergefühle, verringerte Willensstärke
Meldung an den Körper: Vorsicht, Hungersnot
. Abb. 7. Teufelskreis von Diät und anschließendem Wiederanstieg des Körpergewichts
27 5.1 Ernährungsmanagement
. Tab. 3. Altersgemäßer und reduzierter Energiebedarf von Jungen und Mädchen nach der optimierten Mischkost. (Mod. nach Deutsche Adipositasgesellschaft 2006) Alter (Jahre)
10–12
13–14
15–18
Energiebedarf (kcal/Tag)
w
m
w
m
w
m
Original
2.150
2.150
2.200
2.700
2.500
3.100
Reduziert
1.750
1.750
1.800
2.200
2.000
2.500
Zusammenfassung 4 Blitz-, Crash- und Hungerdiäten sind nur kurzfristig erfolgreich. 4 Langfristig können die so erzielten Gewichtsabnahmen i.d.R. nicht aufrechterhalten werden, da es aufgrund von Verteidigungsmechanismen des Körpers zu einer raschen Wiederzunahme des Körpergewichts kommt, teilweise sogar über das Ausgangsgewicht hinaus (Jo-Jo-Effekt). 4 Zudem besteht bei drastischem Nahrungsentzug eine Gefährdung für die Gesundheit. 4 Für eine langsame aber dauerhafte Gewichtsabnahme ohne Gesundheitsrisiko wird allgemein die hypokalorische Mischkost empfohlen.
5.1.2 Langfristige Ernährungsumstellung In ▶ Abschn. 5.1.1 wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Reduktionsdiät erzielte Gewichtsabnahmen nur dann dauerhaft aufrechterhalten werden können, wenn eine Gewichtsstabilisierung durch langfristige Ernährungsumstellung realisiert werden kann. Hierfür ist es wichtig, dass die zugrunde liegenden Ernährungsstrategien möglichst einfach und flexibel sind, sodass sie im Alltag gut umgesetzt werden können. Verbote sind aus psychologischer Sicht nicht als sinnvoll anzusehen. Wie bereits weiter oben dargestellt, wird als Basis für eine kindgerechte Ernährung die optimierte Mischkost herangezogen. Die Empfehlungen der optimierten Mischkost orientieren sich nicht an einzelnen Nährstoffen, sondern an Lebensmitteln. Als Grundlage dient der Ernährungskreis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der in . Abb. 8 dargestellt ist. Die Größe der Segmente gibt an, wie hoch der Anteil der jeweiligen Lebensmittel an der täglichen Kost sein sollte. Die tägliche Nahrungsaufnahme sollte sich auf insgesamt 5 Mahlzeiten (3 Haupt- und 2 Zwischenmahlzeiten) verteilen. Günstigerweise sollte die größte Mahlzeit mittags eingenommen werden. Sehr wichtig ist außerdem eine ausreichende Trinkmenge von mindestens 1,5 Liter pro Tag. Als Faustregel können die folgenden drei Grundsätze herangezogen werden: 4 reichlich: Getränke (möglichst energiefrei) und pflanzliche Lebensmittel, 4 mäßig: tierische Lebensmittel (fettarme Varianten), 4 sparsam: fett- und zuckerreiche Lebensmittel.
5
28
Kapitel 5 • Interventionsansätze
5
. Abb. 8. Ernährungskreis in Anlehnung an die DGE. 1 Getreide, Getreideprodukte und Kartoffeln, 2 Gemüse und Hülsenfrüchte, 3 Obst, 4 Getränke, 5 Milch und Milchprodukte, 6 Fisch, Fleisch und Eier, 7 Fette und Öle
Weitere Regeln für eine gesunde Ernährung (Mod. nach Deutsche Gesellschaft für Ernährung 1996) 4 Möglichst vielseitig essen, jedoch nicht zu viel 4 Wenig Fett und fettreiche Nahrungsmittel 4 Wenig Süßes 4 Viele Vollkornprodukte 4 Viel Gemüse, Kartoffeln, Obst 4 Wenig tierisches Eiweiß
Gelingt eine Umstellung nach diesen Prinzipien, lässt sich der Gewichtsverlauf bei Kindern günstig beeinflussen.
29 5.2
Sport
Zusammenfassung 4 Als Basis für eine kindgerechte Ernährung wird die optimierte Mischkost herangezogen. 4 Es sollten pro Tag insgesamt 5 Mahlzeiten eingenommen werden. 4 Von besonderer Bedeutung ist eine ausreichende Trinkmenge von mindestens 1,5 Liter pro Tag. 4 Als Orientierung für die Auswahl und Menge der Nahrungsmittel für die tägliche Energiezufuhr dient der Ernährungskreis der DEG (7 Abb. 8).
5.2 Sport Während bei einer Diät eine negative Energiebilanz durch Reduzierung der Energieaufnahme erreicht werden soll, wird durch Sport eine Erhöhung des Energieverbrauchs angestrebt. Dies geschieht gleich in dreifacher Hinsicht (▶ Abschn. 4.2.3): 4 Aufgrund einer Erhöhung des Arbeitsumsatzes (aktivitätsinduzierte Thermogenese) kommt es zu einer unmittelbaren Erhöhung des Gesamtenergieverbrauchs. 4 Durch eine Erhöhung der Muskelmasse wird eine nachhaltige Steigerung des Ruheumsatzes erreicht, sodass der Energieverbrauch dauerhaft erhöht ist. 4 Zusätzlich kann es durch die Post-exercise-Thermogenese zu einer kurzfristigen Erhöhung des Grundumsatzes ‒ mehrere Stunden über die sportliche Aktivität hinaus ‒ kommen. Aufgrund der letzten beiden Punkte verbrauchen Personen, die regelmäßig Sport treiben, auch während sog. Ruheaktivitäten (z. B. Fernsehen) mehr Kalorien als inaktive Personen. Soll eine Gewichtsreduktion durchgeführt werden, ist Sport als alleinige Maßnahme i.d.R. nicht ausreichend (Vögele 2003); körperliche Aktivität ist jedoch hervorragend geeignet zur Unterstützung von ernährungsbezogenen und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen. Insbesondere während diätetischer Maßnahmen können durch Sport der Abfall der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der Abbau von Muskelmasse verhindert werden. Bewegungstherapie führt somit im Rahmen eines Gewichtsreduktionsprogramms kurzfristig zu einer Steigerung der Gewichtsabnahme und trägt langfristig zur Gewichtsstabilisierung bei. Neben den günstigen Auswirkungen auf die Gewichtsentwicklung kommt es durch Sport zu einer Steigerung der körperlichen Fitness, die sich positiv auf das körperliche Wohlbefinden sowie die Körperzufriedenheit auswirkt. Durch die körperliche Betätigung können außerdem Erfolgserlebnisse vermittelt und eine Steigerung des Selbstwertgefühls erzielt werden. Auch medizinische Parameter werden durch Sport positiv beeinflusst: So führt regelmäßige körperliche Aktivität zu einer deutlichen Verringerung der mit Adipositas assoziierten Begleit- und Folgeerkrankungen. Außerdem haben Übergewichtige, die sich regelmäßig bewegen, bessere laborchemische Parameter und ein niedrigeres Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Die Steigerung motorischer Fähigkeiten wie Koordination und Flexibilität wirkt sich zudem förderlich auf die geistige Entwicklung aus (s. auch Lawrenz u. Lawrenz 2005). Wird Bewegungstherapie in der Gruppe betrieben, so wirkt sie der sozialen Isolation entgegen. Da viele übergewichtige Kinder beim Sport die Erfahrung gemacht haben, ausgelacht oder in Gruppenspielen ignoriert worden zu sein, ist es wichtig, ihnen zunächst wieder
5
30
Kapitel 5 • Interventionsansätze
Freude an der Bewegung zu vermitteln, sodass sie sich in beurteilungsfreien Situationen
erproben und angenehme Erfahrungen in der Gruppe machen können. Lawrenz und Lawrenz (2005) nennen drei Möglichkeiten der Bewegungssteigerung für adipöse Kinder und Jugendliche: 4 Verringerung der körperlichen Inaktivität, 4 Steigerung der Alltagsaktivität, 4 Sportprogramme. Verringerung der körperlichen Inaktivität
5
Da eine vermehrte körperliche Inaktivität als wesentlicher ätiologischer Faktor bei der Entstehung von Übergewicht und Adipositas anzusehen ist, ist es wichtig, die Zeit, die Kinder mit Ruheaktivitäten verbringen (z. B. Fernsehen, Computerspiele) zu verringern. Allein durch diesen Schritt kann ein signifikanter Rückgang des Körpergewichts erzielt werden. Steigerung der Alltagsaktivität
Da viele Adipöse nur schwer für sportliche Aktivitäten zu begeistern sind, stellt sich die Frage, ob nicht auch andere Möglichkeiten existieren, das Aktivitätsniveau dieser Zielgruppe zu erhöhen. Tatsächlich ist es möglich, bereits durch eine gesteigerte Alltagsaktivität, in Verbindung mit einer Verringerung der Inaktivität, eine Verbesserung des Gewichtsstatus zu erreichen. Nach aktuellen Befunden ist eine aktive Freizeitgestaltung (leichte Gartenarbeit, Treppen steigen statt Benutzung des Fahrstuhls etc.) oft nicht weniger wirkungsvoll, z. T. sogar langfristig effektiver als ein Sportprogramm, da erstere besser in den Alltag zu integrieren ist (Korsten-Reck 2007). Zudem werden Alltagsaktivitäten wegen ihrer geringeren Intensität und dafür höheren Frequenz besser toleriert und daher eher langfristig aufrechterhalten. Sportprogramme
Aus theoretischer Sicht ideal wäre für adipöse Kinder ein aerobes Training, bei dem viele Muskelgruppen bewegt werden (z. B. Rad fahren, Schwimmen, Skilanglauf, Inlineskaten, Walken) in Verbindung mit einem leichten Krafttraining (Gutin et al. 2002). Mittlerweile liegen verschiedene Studien mit Sportprogrammen vor, die jedoch sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich des Trainingsumfangs variieren. Zwar konnten i.d.R. signifikante Verbesserungen des Gewichtsstatus erzielt werden, aber allgemeine Daten, aus denen sich Hinweise auf ein »ideales Sportprogramm« ableiten lassen, liegen noch nicht vor. Wichtiger als die Art der sportlichen Betätigung ist deren langfristige Beibehaltung, wobei nur diejenigen Sportarten längerfristig weitergeführt werden, die vom Patienten nicht als lästige Pflicht empfunden werden. So mag es zwar aus medizinischen Gründen vorübergehend nötig sein, sich strikt an den oben genannten Empfehlungen zu orientieren; sobald es jedoch möglich ist, sollten Patienten ermutigt werden, verschiedene Sportarten auszuprobieren, um die für sie passende herauszufinden. Das primäre Ziel sollte also darin bestehen, eine dauerhafte Motivation für eine regelmäßige sportliche Betätigung zu schaffen.
31 5.3 Verhaltenstherapeutische Verfahren
Zusammenfassung 4 Sport trägt zur Steigerung des Energieverbrauchs bei und ist hervorragend geeignet zur Unterstützung von ernährungsbezogenen und verhaltenstherapeutischen Maßnahmen. 4 Körperliche Aktivität unterstützt die Gewichtsabnahme und trägt langfristig zur Gewichtsstabilisierung bei. 4 Zusätzlich führt Sport zu einer Steigerung der Fitness und des körperlichen Wohlbefindens, zu einer Verminderung der Risikofaktoren sowie zu einer Verbesserung des Selbstwertgefühls. 4 Für Adipöse besonders geeignet sind Ausdauersportarten, wie z. B. Walken, Rad fahren und Schwimmen. Persönliche Vorlieben sollten jedoch, wenn möglich, unbedingt berücksichtigt werden, damit die Bewegung auch langfristig weitergeführt wird. 4 Nennenswerte Erfolge lassen sich bereits durch eine Steigerung der Alltagsaktivität erzielen.
5.3 Verhaltenstherapeutische Verfahren Zur Behandlung von Adipositas werden neben Ernährungsmanagement und Sport auch psychologische Interventionsmethoden angewandt, wobei verhaltenstherapeutischen Behandlungstechniken, ergänzt durch kognitive Methoden, die größte Bedeutung zukommt. Verhaltenstherapie dient in erster Linie der Modifikation ungünstiger und der Stabilisierung neu erlernter, günstigerer Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten sowie ggf. der Bewältigung psychischer und sozialer Folgeprobleme der Adipositas. Die Notwendigkeit des Einsatzes von verhaltenstherapeutischen Verfahren ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Im Prinzip hat jeder Mensch eine Vorstellung davon, was es heißt, sich gesund zu ernähren. Jeder weiß auch, dass sich regelmäßige Bewegung günstig auf die Gewichtsentwicklung auswirkt. Möglicherweise ist das Wissen vieler Personen unvollständig oder z. T. sogar unzutreffend; dennoch gilt: Wenn jeder das, was er über Ernährung und Bewegung weiß, umsetzen würde, wären wesentlich weniger Menschen übergewichtig. Es existiert also ein gravierender Unterschied zwischen dem Wissen und dessen Umsetzung. Dies wird auch bei Betrachtung von . Abb. 6 ersichtlich: Übergewicht und Adipositas sind multifaktoriell bedingt. Interventionen, die sich lediglich auf das Ess- und Bewegungsverhalten beziehen, sind daher nicht ausreichend. Für eine erfolgreiche Therapie der Adipositas müssen alle Faktoren (also auch diejenigen, die ein ungünstiges Ess- und Bewegungsverhalten auslösen und aufrechterhalten) berücksichtigt werden. Hierfür bietet die Verhaltenstherapie den Rahmen: Im Rahmen einer Verhaltensanalyse werden ungünstige Verhaltensmuster, die zur Entstehung des Übergewichts beigetragen haben, bezüglich ihrer auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen analysiert. Im Anschluss daran werden alternative Verhaltensmöglichkeiten erarbeitet und umgesetzt. Dabei soll der Patient in die Lage versetzt werden, seine Umwelt so umzugestalten, dass es ihm möglich wird, die neuen Verhaltensweisen langfristig durchzuhalten, sodass die zunächst notwendige therapeutische Fremdkontrolle allmählich in eine Selbstkontrolle des Patienten übergeht. Eine wichtige Rolle kommt in diesem Zusammenhang dem Erwerb flexibler Verhaltensstrategien zu (▶ Abschn. 4.4).
5
32
Kapitel 5 • Interventionsansätze
Die wichtigsten verhaltenstherapeutischen Methoden sind in der folgenden Übersicht zusammengefasst. Die Anwendung dieser Methoden ist im Therapiemanual detailliert beschrieben.
5
Verhaltenstherapeutische Techniken im Rahmen der Adipositastherapie 4 Token-Programme 4 Verstärkung der Selbstkontrolle durch: 5 Selbstbeobachtung 5 Selbstbewertung 5 Selbstverstärkung 4 Stimuluskontrolltechniken 4 Verhaltensübungen 4 Verhaltensverträge 4 Kognitive Techniken: 5 Selbstinstruktion 5 Kognitive Umstrukturierung 4 Training sozialer Kompetenzen 4 Stressmanagement 4 Rollenspiel 4 Modelllernen 4 Genusstraining 4 Misserfolgsprophylaxe und -bewältigung
Insbesondere bei jüngeren Kindern ist es notwendig, die Anwendung dieser Prinzipien auch an die Eltern zu vermitteln, wobei der Erfolg der Elternteilnahme v. a. in der längerfristigen Aufrechterhaltung der Therapieerfolge zu sehen ist (Haddock et al. 1994). Die größten Erfolge sind dann zu erwarten, wenn Eltern und Kinder in getrennten Gruppen geschult werden.
Zusammenfassung 4 Verhaltenstherapie bietet den konzeptuellen Rahmen für die Umsetzung des Ernährungs- und Bewegungswissens. 4 Sie dient in erster Linie der Modifikation ungünstiger und der Stabilisierung neu erlernter, günstigerer Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten. 4 Ungünstige Verhaltensmuster, die zur Entstehung des Übergewichts beigetragen haben, werden bezüglich ihrer auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen analysiert, alternative Verhaltensmuster werden erarbeitet, erlernt und langfristig umgesetzt.
33 5.4 Multimodale Interventionsansätze
5.4 Multimodale Interventionsansätze In den vorausgegangenen Kapiteln wurde ein Überblick über die gängigsten Behandlungsansätze in der Adipositastherapie vermittelt. Nachdem unimodale Interventionsformen, die noch in den 1970er Jahren praktiziert wurden, eher mäßige Erfolge nach sich gezogen haben, ging man in den 1980er Jahren dazu über, verschiedene Verfahren miteinander zu kombinieren. Dabei hat es sich bewährt, Ernährungsmanagement und Sport mit verhaltenstherapeutischen Methoden zu koppeln. Diese bilden den konzeptuellen Rahmen für die ernährungs- und bewegungsbezogenen Interventionen, wobei v. a. eine langfristige Veränderung aller aufrechterhaltenden Bedingungen der Adipositas angestrebt wird. Somit ruht die moderne Adipositastherapie auf drei Säulen, diese sind in . Tab. 4 dargestellt (vgl. auch Lehrke 2004). Mit dieser Dreifachkombination lassen sich die besten und stabilsten Therapieerfolge erzielen. Zudem ist es mit dieser Herangehensweise am ehesten möglich, der multifaktoriellen Genese der Adipositas gerecht zu werden. Während Gewichtsreduktionsmaßnahmen im Erwachsenenalter als wenig Erfolg versprechend gelten, haben sich multimodale Interventionsprogramme bei Kindern als sehr wirksam erwiesen (Summerbell et al. 2004). Dies kann folgende Gründe haben: 4 Bei Kindern besteht die Möglichkeit, bei längerfristiger Gewichtskonstanz unter Ausnutzung des Längenwachstums eine relative Gewichtsabnahme zu erzielen. 4 Einer Vermehrung der Fettzellenanzahl kann rechtzeitig vorgebeugt werden. 4 Ungünstige Ess- und Bewegungsgewohnheiten können besser modifiziert werden, weil diese noch nicht so lange bestanden haben wie bei Erwachsenen.
. Tab. 4. Die drei Säulen der Verhaltenstherapie Ernährungsmanagement
4 Gewichtsabnahme (z. B. hypokalorische Mischkost) und anschließende Gewichtsstabilisierung, 4 langfristige Ernährungsumstellung (qualitativ und quantitativ), 4 Vermittlung flexibler Verhaltenskontrolltechniken
Sport
4 Steigerung des Gewichtsverlustes, 4 Verhinderung einer erneuten Gewichtszunahme, 4 Steigerung der Fitness und des allgemeinen Wohlbefindens
Verhaltenstherapie
4 Modifikation ungünstiger und Stabilisierung neu erlernter, günstigerer Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten, 4 Analyse und Veränderung der auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren für ungünstiges Ess- und Bewegungsverhalten, 4 Vermittlung von Selbstkontrolltechniken, 4 ggf. Bewältigung psychischer und sozialer Folgeprobleme der Adipositas
5
34
Kapitel 5 • Interventionsansätze
Interventionen zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas sollten somit möglichst frühzeitig begonnen werden.
Zusammenfassung
5
4 Die besten und stabilsten Therapieerfolge lassen sich mit einer Dreifachkombination aus Ernährungsmanagement, Sport und Verhaltenstherapie erzielen. 4 Während Interventionsprogramme bei Erwachsenen eher entmutigende Ergebnisse erbrachten, haben sich multimodale Behandlungsformen bei Kindern sowohl kurz- als auch langfristig als erfolgreich erwiesen. 4 Interventionen sollten daher möglichst frühzeitig begonnen werden.
I Teil II Trainingsmanual 6
Ansatzpunkte und Ziele –37
7
Methodik
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2
Erfragung und Aufbau von Therapiemotivation – 40 Grundzüge verhaltenstherapeutischen Vorgehens – 41 Aufbau von Selbstmanagementfertigkeiten – 41 Darstellung weiterer verhaltenstherapeutischer Techniken/SORKC-Modell –42
–39
8
Durchführung des Trainingsprogramms
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7
Aufbau der Sitzungen – 45 Strukturiertes Vorgehen – 46 Ambulante Durchführung der Therapie – 46 Durchführung als Gruppen- oder Familientherapie – 46 Begleitendes Sportprogramm – 47 Indikationen und Kontraindikationen – 47 Einbeziehung der Eltern –48
–45
37
6 Ansatzpunkte und Ziele Bei der Behandlung übergewichtiger Kinder ist eine allzu rasche Gewichtsreduktion aufgrund möglicher unerwünschter Auswirkungen auf das Wachstum nicht erstrebenswert; zudem wurde schon darauf hingewiesen, dass derartige Gewichtsabnahmen i.d.R. langfristig nicht aufrechterhalten werden können (▶ Abschn. 5.1). Daher soll eine langsame Reduktion des Körpergewichts, eine Gewichtskonstanz über mehrere Monate oder eine Reduktion der Gewichtszunahme unter Ausnutzung des Längenwachstums als Behandlungserfolg angesehen werden, insbesondere wenn es dabei zu einer Reduktion des Körperfettanteils kommt und die erzielten Veränderungen sich als nachhaltig erweisen. Die eigentlichen Ziele des vorliegenden Interventionsprogramms beziehen sich jedoch nicht in erster Linie auf die Gewichtsentwicklung sondern vielmehr auf eine langfristige Veränderung des Ess- und Aktivitätsverhaltens. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil vergleichbare Verhaltensänderungen bei verschiedenen Kindern unterschiedlich schnell zu Verbesserungen im Gewichtsstatus führen können. Wären letztere Hauptziel der Behandlung, würde dies für Kinder, bei denen sich die positiven Auswirkungen auf das Körpergewicht eher langsam zeigen, mit einem erhöhten Frustrationspotenzial einhergehen. Es bestünde die Gefahr, dass diese ihre diätetischen Bemühungen forcieren und dabei zu rigiden Kontrollstrategien (gezügeltes Essverhalten; ▶ Abschn. 4.4) greifen. Verbesserungen im Gewichtsstatus sind zwar erwünscht, sollen aber nicht zu sehr fokussiert werden, da sie nur die Folge der angestrebten Änderungen im Verhalten sind. Aus diesem Grunde sollte auch Verstärkung nicht für erzielte Gewichtsabnahmen sondern für erwünschte Verhaltensweisen erteilt werden. Im Einzelnen sollen folgende Ziele erreicht werden:
Ansatzpunkte und Ziele 4 Vermittlung und Umsetzung von Ernährungswissen: 5 Was sollte gegessen werden? 5 Wie sollte gegessen werden? 4 Identifizierung individueller Auslöser für ungünstiges Essverhalten und Erarbeitung von Alternativen 4 Erwerb flexibler Verhaltenskontrolltechniken 4 Steigerung sozialer Kompetenzen, v. a. in essens- und gewichtsbezogenen Situationen 4 Sensibilisierung für interne Signale von Hunger und Sättigung 4 Steigerung des Selbstwertgefühls und der Körperzufriedenheit 4 Steigerung der Alltagsaktivität 4 Vermittlung von Spaß an der Bewegung 4 Förderung von Eigenaktivität und Selbstkontrolle
Weder die Restriktion der Energieaufnahme noch die Reduktion des Körpergewichts sind erklärte Trainingsziele. Die Qualität der täglichen Ernährungsweise soll insgesamt verbessert werden, indem fett- und zuckerreiche Nahrungsmittel durch Alternativen ersetzt werden. Der Energieverbrauch soll erhöht, die Rate der Gewichtszunahme reduziert und die Körperzusammensetzung verändert werden. Die neu erlernten Verhaltensweisen sollen im Alltag gut und einfach realisierbar sein, damit diese dauerhaft aufrechterhalten werden können.
6
39
7 Methodik Unter Mitarbeit von Dr. Harald Wurmser Bei dem vorliegenden Behandlungsmanual handelt es sich um ein multimodales Interventionsprogramm mit den Elementen »Ernährungsmanagement«, »Sport«, und »Verhaltenstherapie«. Die Verhaltenstherapie bietet den Rahmen für die Umsetzung der ernährungsund bewegungsbezogenen Veränderungen, indem möglichst alle Faktoren, die ungünstiges Ess- und Bewegungsverhalten auslösen oder aufrechterhalten, bearbeitet werden sollen. Eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Verhaltensmodifikation ist die Motivation des Patienten (aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im weiteren Verlauf dieses Textes die maskuline Form stellvertretend für beide Geschlechter benutzt!). Nur wenn diese vorhanden oder aufgebaut worden ist, kann mit den Interventionen begonnen werden. Das »Health-BeliefModell« bietet einen Rahmen relevanter Faktoren, die zu Beginn des Programms zusammen mit den Kindern und ihren Eltern bewertet werden sollten (▶ Abschn. 7.1). Die Umsetzung der Verhaltensmodifikation geschieht mit Hilfe verhaltenstherapeutischer Techniken, deren wesentliche Grundzüge in ▶ Abschn. 7.2 dargestellt werden. Für einen dauerhaften Behandlungserfolg müssen die Kinder und Jugendlichen in die Lage versetzt werden, das Gelernte selbständig umzusetzen. In diesem Sinne stellt der Erwerb von Selbstmanagementfertigkeiten (▶ Abschn. 7.2.1) einen wesentlichen Bestandteil der vorliegenden Intervention ‒ der sich durch das gesamte Behandlungsprogramm zieht ‒ dar. Zur Erleichterung der Umsetzung neu erworbener Ess- und Bewegungsgewohnheiten kommt eine Vielzahl weiterer verhaltenstherapeutischer Techniken zum Einsatz, die sich anhand einer vereinfachten Version des sog. SORKC-Modells auf die Auslöser ungünstigen Verhaltens, das Verhalten selbst oder auf dessen Konsequenzen beziehen lassen (▶ Abschn. 7.2.2). Der Zusammenhang der genannten Faktoren ist in . Abb. 9 veranschaulicht.
. Abb. 9. Relevante Faktoren bei der Durchführung einer Verhaltensmodifikation. Zunächst muss eine ausreichende Therapiemotivation gegeben sein. Die Veränderung des Verhaltens erfolgt mit Hilfe verhaltenstherapeutischer Methoden, wobei der Erwerb von Selbstmanagementfertigkeiten den übergeordneten Rahmen darstellt, während zur Erleichterung der konkreten Umsetzung spezielle VT-Techniken angewendet werden
7
40
Kapitel 7 • Methodik
7.1 Erfragung und Aufbau von Therapiemotivation
7
Nach den Annahmen des Health-Belief-Modells ist davon auszugehen, dass Menschen nur dann gesundheitsförderliches Verhalten zeigen, wenn sie gewisse minimale Kenntnisse von Gesundheit und Krankheit besitzen und bestrebt sind, Gesundheit aufrechtzuerhalten oder zu erlangen. Darüber hinaus müssen sie glauben, dass sie unter bestimmten Bedingungen erkranken können. Schließlich müssen die Patienten an die Effektivität einer Behandlung sowie an die Rechtfertigung ihres Aufwands glauben. Dieser Entscheidungsprozess hat somit den Charakter einer Kosten-Nutzen-Analyse. Zwei Komponenten des Health-Belief-Models sind die wahrgenommene Vulnerabilität und der perzipierte Schweregrad der Erkrankung: Patienten sind v. a. dann motiviert, gesundheitsförderliches Verhalten zu zeigen, wenn sie der Meinung sind, dass sie krank werden können oder sogar ein erhöhtes Erkrankungsrisiko aufweisen. Außerdem muss die Erkrankung als ausreichend schwer angesehen werden. Dies würde bedeuten, dass Kinder und Jugendliche, die zum Ziel haben, das Risiko für Adipositas-assoziierte Begleiterkrankungen zu verringern, besonders motiviert sein müssten. Allerdings stellen die medizinischen Folgebelastungen für Kinder und Jugendliche i.d.R. keine Motivation dar, ihr Ess- und Bewegungsverhalten zu verändern, wenn nicht bereits erste gesundheitliche Beeinträchtigungen vorhanden sind. Erfahrungsgemäß sind es eher die Eltern der übergewichtigen Kinder, die das mit dem Übergewicht verbundene medizinische Risiko als Behandlungsgrund angeben. Für Kinder und Jugendliche sind eher andere Motive relevant (z. B. Veränderung des körperlichen Erscheinungsbildes, höhere Akzeptanz unter Gleichaltrigen etc.). Entscheidend ist auch, ob das übergewichtige Kind ein Behandlungsangebot auf eigene Initiative oder auf Drängen der Eltern in Anspruch nimmt. Ein Machtkampf zwischen Eltern und Kind kann bewirken, dass selbst ein aufgeschlossener Patient sich gegen eine Verhaltensmodifikation sperrt. Um diesen Kampf zu vermeiden, sollten die Ziele des Kindes eruiert, auf Erreichbarkeit hin überprüft, ggf. zusammen mit dem jeweiligen Kind modifiziert und im Training berücksichtigt werden. Ein weiteres Element des Health-Belief-Modells ist der wahrgenommene Nutzen oder die Erwartung an eine gesundheitsfördernde Intervention. Oft besteht der Wunsch der Kinder darin, eine möglichst rasche und starke Gewichtsreduktion zu erreichen. Es kann sich deshalb als schwierig erweisen, mit den Kindern an einem gesunden Ess- und Aktivitätsverhalten zu arbeiten, ohne die Priorität auf eine Abnahme des Körpergewichts zu legen. Den Trainingsteilnehmern sollten daher die längerfristigen positiven Auswirkungen eines gesunden Lebensstils und die Bedeutung einer relativen Gewichtsabnahme (Gewichtskonstanz trotz Längenwachstums) erklärt werden. Weitere wichtige Komponenten des Health-Belief-Modells sind die Ergebnis- und die Kompetenzerwartung. Gesundheitsförderliches Verhalten wird nur dann gezeigt, wenn Patienten glauben, dass dieses auch zum gewünschten Erfolg führt und dass sie in der Lage sind, die Veränderungen durchzuführen. Viele übergewichtige Kinder weisen eine langwierige Diätgeschichte auf und haben falsche bzw. überzogene Vorstellungen über Strategien zur Gewichtsreduktion. Möglicherweise befürchten sie aufgrund früherer Misserfolgserlebnisse weiteres Versagen. Deshalb ist es bereits vor und während der Phase der Baseline-Erhebung wichtig, zur Steigerung der Kompetenzerwartung das Trainingsprogramm zu beschreiben und hervorzuheben, dass es auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt werden kann und die gesetzten Ziele erreichbar sind. Dadurch können ein überhöhter Erwartungsdruck und Befürchtungen seitens der Kursteilnehmer oder ihrer Eltern reduziert werden. Darüber hinaus sollten die positiven Aspekte des gegenwärtigen Essverhaltens und des Aktivitätsniveaus verstärkt werden und Veränderungen nur langsam erfolgen. Eine weitere Strategie zur
41 7.2
Grundzüge verhaltenstherapeutischen Vorgehens
Steigerung der Kompetenzerwartung besteht darin, Fernziele in viele leicht und kurzfristig zu erreichende Teilziele zu unterteilen, die dem Kind das Gefühl der Selbstwirksamkeit vermitteln. Durch die Erhöhung der Selbstwirksamkeit kann die Mitarbeitsbereitschaft und die Effektivität des Trainings gesteigert werden. Zudem sollte die Umsetzung der Kursziele in Interventionsprogrammen bei Kindern ‒ unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Kindesalters ‒ möglichst auf spielerische Weise erfolgen. Die Inhalte sollten übersichtlich und attraktiv gestaltet sein. Relevant sind auch Kosten-Nutzen-Erwägungen und wahrgenommene Barrieren: Gesundheitsförderliches Verhalten wird nur dann gezeigt und aufrechterhalten, wenn der wahrgenommene Nutzen die notwendigen Bemühungen und Entbehrungen rechtfertigt. Daher sollten die Patienten im Vorfeld (wenn möglich im Rahmen eines Vorgesprächs) die kurz- und langfristigen Vor- und Nachteile einer Verhaltensänderung (gewichtet nach deren persönlicher Bedeutung) zusammenstellen. Dabei ist es von besonderer Wichtigkeit, dass Patienten ermutigt werden, sämtliche Bedenken zu nennen, um gemeinsam schauen zu können, ob und unter welchen Bedingungen eine Teilnahme trotzdem gewünscht wird. Zudem können falsche Vorstellungen von dem Interventionsprogramm korrigiert und evtl. Ängste relativiert werden. Anfänglich nicht ausgesprochene Bedenken können sich im Laufe der Therapie zu Motivationshindernissen entwickeln.
7.2 Grundzüge verhaltenstherapeutischen Vorgehens 7.2.1 Aufbau von Selbstmanagementfertigkeiten Um sicherzustellen, dass die Kinder und Jugendlichen in der Lage sind, die Trainingsinhalte auch über das Therapie-Ende hinaus umzusetzen, ist es wichtig, von Anfang an die Eigenverantwortung der Teilnehmer hervorzuheben. Erfolgreiches eigenverantwortliches Handeln setzt die Fähigkeit zum Selbstmanagement voraus, deren Aufbau ein wesentliches Element des vorliegenden Interventionsprogramms ist. Selbstmanagement umfasst die drei Schritte: 4 Selbstbeobachtung, 4 Selbstbewertung, 4 Selbstverstärkung. In den Sitzungen werden diese Schritte erlernt, sodass die Teilnehmer diese später eigenständig anwenden können. Selbstbeobachtung
Bevor es möglich ist, Ansatzpunkte für eine Verhaltensänderung zu formulieren, muss das Verhalten selbst zunächst erfasst und analysiert werden. Hinsichtlich des Essverhaltens sollte also erhoben werden, was und wie viel die betreffende Person isst. Entscheidend ist aber auch, wie und in welchen Situationen sie isst und wodurch Essverhalten ausgelöst wird. So können Verhaltensabläufe, die bislang automatisch vonstatten gegangen sind, bewusst gemacht werden. Da die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung Voraussetzung für alle weiteren therapeutischen Schritte darstellt, soll diese direkt zu Beginn der Intervention erlernt werden. Die Teilnehmer werden angewiesen, ein Ernährungstagebuch zu führen, das die Nahrungsaufnahme über einen Zeitraum von sieben aufeinanderfolgenden Tagen dokumentieren soll. Mithilfe die-
7
42
Kapitel 7 • Methodik
ser Ernährungstagebücher ist es möglich, die qualitative Zusammensetzung der Nahrung, das Ernährungsmuster (Häufigkeit, zeitlicher Verlauf und Größe der einzelnen Haupt- und Zwischenmahlzeiten) und den Ort der Nahrungsaufnahme zu ermitteln. Daneben sollen die Teilnehmer vor jeder Mahlzeit die Größe des subjektiven Hungerempfindens und die psychische Gestimmtheit dokumentieren. Auf diese Weise sollen die Teilnehmer ihre Essgewohnheiten kennen lernen, um im nächsten Schritt Ansatzpunkte für Veränderungen zu erkennen und zu formulieren. Erste Verbesserungen ergeben sich meist schon unmittelbar, da durch die Protokollierung das zu verändernde Verhalten i.d.R. positiv beeinflusst wird. Die Selbstbeobachtung des Essverhaltens soll während des gesamten Trainings weitergeführt werden; ab der zweiten Sitzungen sollen hierfür jedoch aus motivationalen Gründen weniger aufwändige Protokollbogen (Ampelkarte und Essregeln) verwendet werden. Selbstbewertung
7
Um eine Selbstbewertung anhand der Protokollbögen vornehmen zu können, müssen die Teilnehmer über ein entsprechendes Ernährungswissen verfügen. Daher wird die Einführung der Protokollbogen mit thematisch abgestimmten psychoedukativen Einheiten verbunden (Therapiebausteine Ernährungshaus, Essregeln, Fett- und Zuckerdetektiv). Auf dieser Basis wird dann das aktuelle Essverhalten der Teilnehmer bewertet. Dabei sollen sowohl positive Aspekte des bisherigen Essverhaltens betont und verstärkt als auch Ansatzpunkte für Veränderungen herausgestellt werden. Mit jedem Teilnehmer wird eine individuelle und konkrete Zielsetzung für die folgende Woche vereinbart. Die Protokollbögen werden in jeder Sitzung besprochen, wobei die Teilnehmer beurteilen sollen, inwieweit es ihnen gelungen ist, das vereinbarte Ziel zu erreichen. Anschließend entscheiden sie in Absprache mit den Therapeuten, ob sie die Zielsetzung beibehalten oder ein neues Ziel festlegen wollen. Im Laufe des Trainings soll dieser Prozess von den Teilnehmern mit zunehmender Selbständigkeit durchgeführt werden. Selbstverstärkung
Der letzte Schritt besteht darin, dass die Teilnehmer lernen, sich für günstiges Verhalten selbst zu verstärken (d. h. zu belohnen). In der Praxis hat es sich bewährt, die Verstärkung zunächst durch die Therapeuten erfolgen zu lassen. Dies geschieht durch ein sog. TokenProgramm: Tokens sind Tauschobjekte (z. B. Spielmünzen oder Bonuspunkte), die nach einem festgelegten Schlüssel gegen andere Verstärker (z. B. Schlüsselanhänger, Kinokarten) eingetauscht werden können. Sie können für ein vorher vereinbartes, erwünschtes Verhalten erworben werden. Dieses Belohnungssystem kann nach Abschluss des Interventionsprogramms durch die Eltern weitergeführt werden; bei Jugendlichen sollte die Fremdverstärkung allmählich in eine Selbstverstärkung überführt werden.
7.2.2 Darstellung weiterer verhaltenstherapeutischer Techniken/ SORKC-Modell Therapiemotivation stellt eine Grundvoraussetzung für eine Verhaltensmodifikation dar, wobei Selbstmanagement den übergeordneten Rahmen für die Durchführung und Aufrechterhaltung der Veränderungen darstellt. Für die konkrete Umsetzung gelangen verschiedene weitere verhaltenstherapeutische Techniken zum Einsatz (▶ Abschn. 5.3). Dazu werden zunächst möglichst alle Faktoren, die ungünstiges Verhalten auslösen und aufrechterhalten, analysiert. Dazu wird eine sog. Verhaltensanalyse durchgeführt, wobei das SORKC-Modell nach Kanfer et al. (1996) verwendet wird (S = Stimulus, auslösende Situation; O = Organismusvariable, Besonderheiten, Eigenschaften der jeweiligen Person;
43 7.2
Grundzüge verhaltenstherapeutischen Vorgehens
R = Reaktion, Verhalten; K = Kontingenz; C = kurz- und langfristige Konsequenzen des
Verhaltens). An dieser Stelle soll das SORKC-Modell in vereinfachter Form zur Anwendung kommen, indem die Auslöser ungünstigen Essverhaltens, das Essverhalten selbst sowie die Konsequenzen einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Auslöser für ungünstiges Essverhaltens sind z. B.: 4 Anblick von Speisen, 4 Situationen, die gewohnheitsmäßig mit Essen verknüpft sind (z. B. beim Fernsehen), 4 Langeweile und 4 unangenehme Gefühle (z. B. Frust, Ärger, Anspannung, Stress). Das ungünstige Essverhalten selbst ist häufig gekennzeichnet durch:
4 4 4 4 4
Essen ohne Hungergefühl, zu große Portionen, schnelles Essen, Essen mit schlechtem Gewissen sowie Verzehr von zucker- und fettreichen Nahrungsmitteln.
Mögliche Konsequenzen ungünstigen Essverhaltens sind z. B.: 4 kurzfristig: angenehme Gefühle, bzw. Wegfall unangenehmer Gefühle, 4 mittelfristig: schlechtes Gewissen, Völlegefühl und 4 langfristig: Gewichtszunahme.
Das Ziel der verhaltenstherapeutischen Interventionen besteht darin, dass die Teilnehmer lernen, kritische Situationen wenn möglich zu vermeiden oder – wenn dies nicht möglich ist – diese zu meistern. Hierzu sollen die langfristig negativen Konsequenzen ungünstigen Verhaltens verdeutlicht werden. Alternative Verhaltensweisen, die langfristig positive Konsequenzen (z. B. günstige Gewichtsentwicklung, Selbstwirksamkeitssteigerung, erhöhte Körperzufriedenheit) nach sich ziehen, sollen aufgezeigt, eingeübt und umgesetzt werden. Darstellung ausgewählter Interventionen, die sich auf die Auslöser beziehen Zur Vermeidung nahrungsbezogener Reize sollen Stimuluskontrolltechniken vermittelt
werden. Es handelt sich um einfache »Alltagstricks«, mit deren Hilfe typische Auslösesituationen für ungünstiges Essverhalten vermieden werden können, z. B.: 4 Hochkalorische Nahrungsmittel nur in geringen Mengen einkaufen, 4 Süßigkeiten nicht sichtbar aufbewahren, 4 immer an einem festen Ort essen und 4 keine Ablenkung während des Essens (also nicht fernsehen oder lesen). Da es nicht möglich ist, sämtliche Auslösesituationen zu umgehen und das Essverhalten zudem auch durch Kognitionen und Erwartungen gesteuert wird, ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen lernen, ihre Nahrungsaufnahme mittels Selbstinstruktionstechniken zu steuern. Hierfür werden geeignete Selbstverbalisierungen (z. B. »Nein, ich werde jetzt nicht essen, da ich momentan nicht hungrig bin!«) erarbeitet, die in kritischen Momenten zum Einsatz kommen sollen. Im Gegensatz zur Vermeidung nahrungsbezogener Reize (Sti-
7
44
7
Kapitel 7 • Methodik
muluskontrolle) ermöglicht die Selbstinstruktion einen angemessenen Umgang mit diesen Reizen. Für das vorliegende Trainingsprogramm ist außerdem der adäquate Umgang mit negativen Gefühlen ‒ wie z. B. Ärger oder Angst ‒ von besonderer Bedeutung, da diese bei vielen Kindern Auslöser für Essverhalten darstellen. Eine wichtige Rolle spielt daher die Erarbeitung der individuellen Auslöser und die Bereitstellung alternativer, inkompatibler Verhaltensweisen, die im Rahmen eines Trainings sozialer Kompetenzen erprobt und geübt werden. Ein besonderer Fokus wird dabei auf die Bewältigung essens- und gewichtsbezogener Situationen gelegt: Die Teilnehmer lernen z. B., sich gegen Hänseleien zu wehren und Nahrungsmittel adäquat abzulehnen. Bei vielen übergewichtigen Kindern kann die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper zu Frustrationsgefühlen führen, die möglicherweise unangemessenes Essverhalten auslösen. Daher besteht ein weiteres Ziel darin, die Körperzufriedenheit zu erhöhen. Dies geschieht mithilfe von Massageübungen. Zudem wird davon ausgegangen, dass die mit dem vorliegenden Programm angestrebte Erhöhung der körperlichen Aktivität sich günstig auf das körperbezogene Selbstbild auswirkt. Mittels Diskussionen über erstellte Collagen oder Selbstbildnisse kann den Kindern zusätzlich verdeutlicht werden, wie soziokulturelle Vorstellungen die Einstellung zur eigenen Figur beeinflussen. Darstellung ausgewählter Interventionen, die sich auf das Essverhalten selbst beziehen
Während in den vorangegangenen Abschnitten vorwiegend Interventionen beschrieben wurden, die sich auf die Auslöser ungünstigen Essverhaltens beziehen, zielen die folgenden Interventionen auf das Essverhalten selbst ab: Regeln für ein günstiges Essverhalten (z. B. langsam essen, gründlich kauen) werden besprochen und umgesetzt. Zudem werden die Teilnehmer für interne Signale von Hunger und Sättigung sensibilisiert und sollen diese beachten. Ein weiteres Trainingselement besteht darin, genussvolles Essen zu fördern. Dies ist von besonderer Bedeutung, da übergewichtige Kinder und Jugendliche häufig nur noch mit schlechtem Gewissen essen und aufgrund der damit verbundenen mangelnden Befriedigung das Gefühl haben, nie genug zu bekommen. Dies soll dadurch verändert werden, dass sie lernen, angemessene Nahrungsmengen ohne schlechtes Gewissen intensiv zu genießen. Darstellung ausgewählter Interventionen, die sich auf die Konsequenzen beziehen
Die Konsequenzen eines Verhaltens bestimmen dessen weitere Auftretenswahrscheinlichkeit: Wenn ein Verhalten positive Konsequenzen nach sich zieht, wird es weiter beibehalten, bei negativen Konsequenzen hingegen wird es eher selten gezeigt oder ganz eingestellt werden. Im Rahmen der Adipositastherapie besteht ein wesentliches Problem darin, dass die kurzfristigen Konsequenzen ungünstigen Essverhaltens durchaus positiv sein können (7 oben), während sich die unerwünschten Konsequenzen eher langfristig zeigen, wobei i.d.R. die kurzfristigen Konsequenzen handlungsleitend sind. Im Rahmen der vorliegenden Intervention sollen die Teilnehmer für die langfristig negativen Folgen ungünstigen Verhaltens sensibilisiert werden. Zusätzlich werden alternative Verhaltensweisen, die langfristig positive Konsequenzen nach sich ziehen, erarbeitet. Idealerweise können Verhaltensweisen gefunden werden, die auch kurzfristig verstärkend wirken und mit ähnlichen kurzfristigen positiven Konsequenzen einhergehen wie das ungünstige Essverhalten. Eine kurzfristige Verstärkung des erwünschten Verhaltens kann auch durch den Therapeuten (oder durch die Eltern, im Idealfall sogar durch den Teilnehmer selbst) herbeigeführt werden, dies geschieht i.d.R. mit Hilfe sog. Token-Programme (7 oben).
45
8 Durchführung des Trainingsprogramms Das Trainingsprogramm besteht aus neun Sitzungen, die ca. 120 Minuten in Anspruch nehmen und in wöchentlichen Abständen durchgeführt werden. Es ist auch möglich, die Sitzungsinhalte auf eine höhere Anzahl kürzerer Termine zu verteilen. Als Gruppengröße empfiehlt sich eine Zahl von 6–8 Teilnehmern, wobei es sich als zweckmäßig erwiesen hat, mit 2 Therapeuten zu arbeiten.
8.1 Aufbau der Sitzungen Die einzelnen Sitzungen weisen eine einheitliche Strukturierung auf. Dies hat den Vorteil einer besseren Orientierung für die Trainer und die Kinder, für die die Abfolge bestimmter Trainingselemente ‒ gerade am Anfang und am Ende der Sitzungen ‒ fast den Charakter eines Rituals annehmen kann. Auf diese Weise sollen der Zusammenhalt gestärkt und Sicherheit vermittelt werden. Jede Sitzung beginnt mit einem Stimmungsbarometer. Die Kinder erhalten Gelegenheit, ihre aktuelle Befindlichkeit darzustellen und ggf. zu berichten, was sie an dem jeweiligen Tag erlebt haben. Auf diese Weise wird zum einen ein leichter Einstieg für die Teilnehmer gewährleistet, zum anderen erhalten die Trainer so möglicherweise wichtige Informationen, die sie in ihr weiteres Vorgehen mit einfließen lassen können. Aktuelle Vorkommnisse sollten von den Trainern aufgegriffen und berücksichtigt werden. Im Anschluss erfolgt die Besprechung der Hausaufgaben. Diese sollte sehr ernst genommen werden, um die Motivation für die recht umfangreichen Übungen aufrechtzuerhalten. Den Hausaufgaben kommt in diesem Training eine wichtige Rolle zu, da diese dazu angelegt sind, einen Transfer des Gelernten in den familiären Alltag zu gewährleisten. Eine zusätzliche Motivation stellt die extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben dar, die immer im Anschluss an deren Besprechung stattfindet. Es folgt ein Bewegungsspiel; auf diese Weise sollen Spaß und körperliche Aktivität kombiniert werden. Die in den einzelnen Sitzungen beschriebenen Bewegungsspiele sollen als Anregung dienen. Sie sind problemlos untereinander austauschbar und können durch andere Spiele ersetzt werden. Anschließend werden Informationsbausteine, Diskussionsrunden und Übungen durchgeführt, aus denen sich die Hausaufgaben zur jeweils nächsten Sitzung ableiten. Die Treffen enden mit einem weiteren Bewegungsspiel, dem sich eine Zusammenfassung der Hausaufgaben zur kommenden Sitzung anschließt. Den Abschluss bildet eine kurze Rückmelderunde, durch die die Trainer ein Feedback über Qualität und Wirkung der Sitzung erhalten. Da eine Sitzungsdauer von 120 Minuten sehr lang ist, empfiehlt es sich, nach etwa der Hälfte der Zeit eine aktiv gestaltete Pause einzuplanen. Bei der Planung des Trainingsprogramms wurden bewusst die Bausteine zum Ernährungsmanagement und zur Aktivitätssteigerung an den Anfang gesetzt, um möglichst schnell Verhaltensänderungen zu induzieren und über eine so erreichte Erhöhung der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit die Motivation der Teilnehmer zu steigern. Den Übungen zur Förderung des Selbstvertrauens und der sozialen Fertigkeiten wird dann im weiteren Verlauf des Trainingsprogramms ein immer wichtigerer Stellenwert beigemessen.
8
46
Kapitel 8 • Durchführung des Trainingsprogramms
8.2 Strukturiertes Vorgehen Durch die genaue Beschreibung der einzelnen Sitzungen und der Trainingsbausteine weist dieses Training ein hohes Maß an Strukturierung auf. Dies hat den Vorteil, dass auch Therapeuten, die noch über wenig praktische Erfahrung verfügen, mithilfe dieses Manuals nach kurzer Einarbeitungszeit in der Lage sind, das Trainingsprogramm durchzuführen. Gegenüber individuell zugeschnittenen Therapiestrategien könnte ein weiterer Vorteil in der Spezifität und Konkretheit der beschriebenen Vorgehensweise begründet sein. Der häufig angeführte Einwand, aufgrund der Vorgaben des Manuals könne nicht ausreichend auf individuelle Bedürfnisse der Teilnehmer eingegangen werden, kann dahingehend entkräftet werden, dass auch innerhalb des beschriebenen Vorgehens genügend Raum besteht, etwa durch zusätzliche Diskussionsrunden und Informationsbausteine, Besonderheiten und Wünsche einzelner Kinder oder der Gruppe zu berücksichtigen. Außerdem besteht die Möglichkeit, die einzelnen Trainingsbausteine je nach Bedürfnislage unterschiedlich ausführlich zu behandeln. Mit zunehmender Erfahrung werden sich die Trainer zudem immer weniger wörtlich am Manual orientieren, sondern dieses vielmehr als Leitfaden benutzen, innerhalb dessen sie gemäß ihres persönlichen Stils vorgehen können.
8
8.3 Ambulante Durchführung der Therapie Das vorliegende Trainingsprogramm wurde für die ambulante Durchführung konzipiert. Grundsätzlich können die meisten Trainingsbausteine auch im stationären Setting angewendet werden. Eine stationäre Maßnahme kann nach Angaben der Deutschen Adipositasgesellschaft (2006, S. 37) sinnvoll sein, wenn: 4 eine Schulung des Patienten erforderlich ist, die intensiver sein soll als dies unter ambulanten Bedingungen möglich ist, 4 ein kurzzeitiger Aufenthalt eines jugendlichen Patienten außerhalb der familiären Umgebung sinnvoll ist, um eine selbständige Mitarbeit zu erreichen und 4 die bestehende Komorbidität eine stationäre Therapie erforderlich macht. Langfristige Erfolge können jedoch nur erzielt werden, wenn die Kinder das Gelernte auch unter ihren gewohnten Lebensbedingungen, also im familiären Alltag, erproben, üben und etablieren. Aus diesem Grunde ist es empfehlenswert, das vorliegende Programm wenn möglich ambulant durchzuführen oder – wenn eine stationäre Behandlung indiziert ist – eine ambulante Weiterbetreuung sicherzustellen.
8.4 Durchführung als Gruppen- oder Familientherapie Das hier dargestellte Training wurde zunächst für die Realisierung im Gruppensetting entwickelt. Die Durchführung in der Gruppe hat neben dem ökonomischen Aspekt den Vorteil, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben, Anregungen und Erfahrungen auszutauschen. Vorschläge zur Verhaltensmodifikation werden zudem möglicherweise besser angenommen und akzeptiert, wenn sie von anderen Kindern kommen als wenn die Trainer diese unterbreiten. Die Gruppe schafft immer auch eine Konkurrenzsituation, wodurch eine zusätzliche Motivation zur Etablierung günstiger Verhaltensweisen gegeben ist. Bei Übungen zur Förderung sozialer Kompetenzen können im Gruppenformat Situationen, in denen der Umgang
47 8.6 Indikationen und Kontraindikationen
mit Gleichaltrigen geübt werden soll, überzeugender im Rollenspiel nachgestellt werden, wobei sich die Kinder außerdem gegenseitig als Modell dienen können. Das Training wurde so konzipiert, dass es ohne Probleme auch als Familientherapie durchgeführt werden kann. Dies könnte deshalb von Vorteil sein, weil das Übergewicht im familiären Rahmen entstanden ist und aufrechterhalten wurde. Durch Einbeziehung der Familie ist langfristig möglicherweise ein besserer Transfer der gelernten Verhaltensweisen in den Alltag der Kinder, der ja zu einem Großteil in der Familie stattfindet, gewährleistet. Im Rahmen einer kontrollierten Studie (Lehrke 2004) konnte ein Vorteil der Familientherapie jedoch nicht nachgewiesen werden, sodass grundsätzlich aus ökonomischen Gründen dem Gruppensetting der Vorzug gegeben werden sollte. Allerdings eignen sich nicht alle Kinder und Jugendliche für eine Behandlung in der Gruppe; bei Vorliegen schwerwiegender psychosozialer Belastungen oder psychischen Störungen sollte eine Einzel- oder Familientherapie durchgeführt werden (▶ Abschn. 8.6).
8.5 Begleitendes Sportprogramm Im Rahmen des vorliegenden Therapieprogramms besteht die Sportkomponente aus Bewegungsspielen während der Sitzungen und Empfehlungen zur Steigerung der Alltagsaktivität, zusätzlich wird in allen Sitzungen die Hausaufgabe erteilt, 5-mal pro Woche 10 Minuten Zusatzbewegung durchzuführen. In Kombination mit den Komponenten Ernährungsmanagement und Verhaltenstherapie kann so die Entwicklung des Gewichtsstatus (BMI, Körperfettanteil) kurz- und längerfristig beeinflusst werden (Lehrke 2004). Die Effekte können optimiert werden, wenn zusätzlich zu den neun Therapiesitzungen ein spezielles Sportprogramm durchgeführt wird, das eigens für übergewichtige Kinder entwickelt wurde. Um biologisch-relevante Effekte zu erzielen, sollte das Sportprogramm 2-mal pro Woche durch eine in diesem Bereich erfahrene Fachkraft durchgeführt werden. Das Sportprogramm wird am Ende des Manualteils genauer beschrieben.
8.6 Indikationen und Kontraindikationen Das Training wurde konzipiert für die Behandlung übergewichtiger und adipöser Kinder und Jugendlicher (BMI oberhalb des 90. Perzentils nach Kromeyer-Hauschild et al. 2001). Auch für mäßig übergewichtige Kinder ist das Programm geeignet, weil Grundsätze einer gesunden Ernährungsweise und flexible Techniken der Verhaltenskontrolle vermittelt werden. Auf diese Weise soll eine günstige Weiterentwicklung des Körpergewichts ohne Rückgriff auf radikale Maßnahmen zur Gewichtsreduktion gewährleistet werden, womit außerdem das Risiko für die Entstehung von Essstörungen verringert wird. Das Programm wurde für Kinder und Jugendliche im Alter von 9–15 Jahren entwickelt, wobei die Gruppen möglichst altershomogen sein sollten. Hinsichtlich der Gruppenzusammensetzung sollte außerdem auf Geschlechtshomogenität oder gleichmäßige Verteilung von Mädchen und Jungen geachtet werden. Bei gemischt-geschlechtlichen Gruppen kann es sich als vorteilhaft erweisen, bestimmte Übungen (z. B. Umgang mit Hänseleien, Massageübung) für Mädchen und Jungen getrennt durchzuführen. Weitere Bedingungen für eine Teilnahme sind Gruppenfähigkeit und ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache. Bei sehr jungen Teilnehmern sollte vorab überprüft werden, ob diese in der Lage sind, die Kursinhalte nachzuvollziehen.
8
48
Kapitel 8 • Durchführung des Trainingsprogramms
Es liegen eine Reihe von Ausschlusskriterien vor, bei deren Vorliegen eine Teilnahme nicht empfehlenswert ist: 4 Sekundäre Entstehungsformen der Adipositas, 4 bulimische Verhaltensweisen (z. B. selbst induziertes Erbrechen, Einnahme von Appetitzüglern), 4 schwerwiegende psychosoziale Belastungen, 4 psychische Störungen und/oder Verhaltensauffälligkeiten sowie 4 geistige Behinderungen, Lernbehinderungen bzw. unterdurchschnittliches intellektuelles Niveau. Zur Überprüfung des Vorliegens körperlicher Kontraindikationen ist eine Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt/Kinderarzt empfehlenswert, der ggf. auch eine körperliche Begleitdiagnostik vornehmen kann. Zudem sollte von ärztlicher Seite bestätigt werden, dass die Kinder in der Lage sind, am Sportprogramm teilzunehmen.
8.7 Einbeziehung der Eltern
8
Parallel zu den Kindern und Jugendlichen sollten auch deren Eltern geschult werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Eltern aus Unwissenheit gegen das Kurskonzept arbeiten, etwa indem sie auf eine schnelle Gewichtsabnahme drängen. Außerdem gewährleistet die Einbeziehung der Eltern einen besseren Transfer des Gelernten in den familiären Alltag. Die Eltern sollten in einem Vorgespräch über das Training, dessen Aufbau und Ziele informiert werden. Zwischen dem ersten und zweiten Kindertreffen kann eine Elternsitzung durchgeführt werden, die dazu dient, die wichtigsten Inhalte des Trainings transparent zu machen. Die Eltern bekommen außerdem die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam zu erarbeiten, wie sie ihre Kinder bei der Gewichtskontrolle unterstützen können. Die Kinder und Jugendlichen erhalten in jeder Sitzung ausführliche Unterlagen, anhand derer die Eltern die behandelten Inhalte nachvollziehen können. Bei jüngeren Kindern empfiehlt es sich, dass die Eltern diese bei der Erledigung der Hausaufgaben unterstützen.
I Teil III Darstellung der Trainingssitzungen Sitzung 1:
Kennenlernen und Zielabklärung
– 51
Elterntreffen – 73 Sitzung 2:
Ernährungshaus, derzeitiges Essverhalten, alternative Verhaltensweisen – 93
Sitzung 3:
Essregeln, strukturierte Esstage
–113
Sitzung 4: Party, Sensibilisierung für interne Signale –133 Sitzung 5:
Fettdetektiv, Neinsagespiel, bewusstes Genießen
– 149
Sitzung 6: Zuckerdetektiv, Anti-Hänsel-Spiel – 171 Sitzung 7:
Körperbezogene Übungen, Selbstwert und Umgang mit negativen Gefühlen –193
Sitzung 8: Wiederholung, bilanzierender Rückblick und Rückfallprophylaxe –215 Sitzung 9:
Gemeinsames Kochen
Sportprogramm – 249
– 235
51
Sitzung 1: Kennenlernen und Zielabklärung Überblick > Ziele 4 Kennenlernen 4 Vermittlung einer Kursübersicht 4 Abklärung von Zielen und Erwartungen der Kinder 4 Steigerung der Alltagsaktivität 4 Erfassung des derzeitigen Essverhaltens/Schulung von Selbstbeobachtungsfertigkeiten 4 Motivation zur Mitarbeit
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.
Begrüßung und Vorstellung der Kursleiter/Erarbeitung von Gruppenregeln Bewegungs- und Kennenlernspiel: Name und Bewegung Kursübersicht Wappen über sich selbst malen Erwartungen und Wünsche Einführung des Bonussystems Gewicht und Körperfett Wiegespiel Einführung der Ernährungstagebücher Bewegungs- und Kennenlernspiel: Zipp-Zapp Hausaufgaben 4 Ein Selbstbildnis malen 4 5-mal pro Woche 10 Minuten Zusatzbewegung (in den Übersichtskalender eintragen) 4 Ernährungstagebuch führen 12. Stimmungsbarometer und Rückmelderunde 13. Verteilung von Mitarbeits-Bonuspunkten
Vorbereitung und Materialien Trainingsmappen mit den für diese Sitzung benötigten Materialien (Übersichtblatt über den Kursverlauf, Bonuspunktliste, Übersichtskalender zum Eintragen der 5-mal 10 Minuten Zusatzbewegung, Ernährungstagebücher, Hausaufgabenblatt, Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien), Tesakrepp, Faserstifte, 3 weiße Plakate, Übersichtsfolie über den Kursverlauf, Tageslichtprojektor, leere DIN-A3-Blätter (2 Stück pro
52
Sitzung 1: Kennenlernen und Zielabklärung
Teilnehmer), Flipchart, Nahrungsmittel für das Wiegespiel (verschiedene Obstsorten, Brotscheibe, etc.), Küchenwaage, Smiley-Aufkleber.
Therapeutisches Vorgehen 1. Begrüßung und Vorstellung der Kursleiter/Erarbeitung von Gruppenregeln
Zu Beginn der Sitzung begrüßen die Kursleiter die Teilnehmer und stellen sich kurz vor (Name, Beruf, bisherige Erfahrungen mit Therapien bei Übergewicht). Jeder Teilnehmer bekommt eine Mappe mit den Materialien, die in dieser Sitzung benötigt werden (7 Anhang Sitzung 1). Um gute Voraussetzungen für eine konstruktive und konzentrierte Arbeitsatmosphäre zu schaffen, werden drei Gruppenregeln vorgestellt: 1. Es spricht immer nur einer. 2. Niemand wird ausgelacht oder gehänselt. 3. Alles, was die Gruppenteilnehmer berichten, bleibt hier im Raum bzw. wird nicht weitererzählt. Die Regeln werden auf ein Plakat geschrieben und im Kursraum aufgehängt. Im weiteren Verlauf des Trainings kann es sinnvoll sein, weitere Regeln zu ergänzen. 2. Bewegungs- und Kennenlernspiel: Name und Bewegung
Die Kinder stellen sich im Kreis auf. Ein Kind beginnt, indem es seinen Namen nennt (»ich heiße ...«) und eine typische Bewegung ausführt. Der nächste Teilnehmer wiederholt den Namen und die Bewegung des vorherigen Kindes(»er/sie heißt ...«) und nennt anschließend seinen eigenen Namen mit einer für ihn typischen Bewegung. So kommen schließlich alle Kinder nacheinander an die Reihe, wobei jeder Teilnehmer zunächst Namen und Bewegungen aller Kinder, die schon dran waren, wiederholt, bevor der eigene Name genannt und eine passende Bewegung präsentiert wird. Anschließend schreibt jedes Kind seinen Namen auf Tesakrepp und klebt sich den Namensstreifen auf die Brust. 3. Kursübersicht
Den Kindern wird anhand einer Folie (7 Anhang) eine Übersicht über den Kurs bzw. die Inhalte der einzelnen Sitzungen gegeben. Auf diese Weise soll das Vorgehen transparent gemacht und die Compliance gefördert werden. Die Folie liegt auch in Form einer Kopie als erste Seite den Mappen mit den Materialien bei, die zu Beginn der Sitzung verteilt worden sind. Der folgende Text soll als Beispiel dienen, wie die Kursübersicht den Kindern vermittelt werden kann. Wenn zwei Trainer die Sitzung durchführen, können sie sich beim Vortrag abwechseln:
53 Therapeutisches Vorgehen
Beispiel Bevor wir so richtig loslegen, möchte ich Euch kurz erzählen, was Euch in diesem Trainingsprogramm erwartet. Ich habe eine Übersicht mitgebracht, auf der Ihr nachlesen könnt, was wir in den einzelnen Sitzungen machen werden. Heute wollen wir die Sitzung nutzen, um uns besser kennenzulernen. Außerdem sind wir neugierig, was Ihr von diesem Training erwartet und ob Ihr schon bestimmte Vorstellungen und Wünsche habt, was Ihr hier tun und erreichen wollt. In der 2. Sitzung geht es darum, was man essen sollte. Es gibt Nahrungsmittel, an denen Ihr Euch ohne Bedenken satt essen könnt, ohne dass Ihr Euch Sorgen um Euer Gewicht machen müsst. Andere Nahrungsmittel dagegen liefern sehr schnell sehr viel Energie. Von diesen Nahrungsmitteln braucht der Körper nur ganz wenig, Ihr solltet also eher selten und nicht so viel davon essen. Nachdem Ihr gelernt habt, von welchen Nahrungsmitteln man wie viel essen sollte, wollen wir schauen, wie Ihr Euch bisher ernährt habt. Außerdem wollen wir zusammen überlegen, was Ihr tun könnt, wenn Euch langweilig ist. In Sitzung 3 geht es darum, wie man essen sollte. Vielleicht kennt Ihr ja schon einige Essregeln, wie z. B. langsam essen, gut kauen, usw. Wir werden noch weitere Regeln sammeln, die beim Essen wichtig sind. Wenn Ihr möglichst viele dieser Regeln befolgt, wird sich Euer Essverhalten verbessern. In der 4. Sitzung haben wir eine Überraschung für Euch. Wir werden zusammen eine Party feiern, zu der Ihr etwas zu Essen mitbringen sollt. Auch wir werden etwas mitbringen. Wir werden gemeinsam essen und zusammen überlegen, woran Ihr erkennen könnt, ob Ihr noch hungrig oder schon satt seid. Man sagt ja, es sei nicht gut, zu viel Fett zu essen. Viele Leute wissen aber gar nicht, wie viel Fett in den einzelnen Nahrungsmitteln enthalten ist. Daher werdet Ihr beim 5. Termin etwas über den Fettgehalt verschiedener Speisen lernen. Viele von Euch essen nun jedoch gerade fett- und zuckerhaltige Nahrungsmittel, wie z. B. Schokolade, besonders gerne. Auf diese Nahrungsmittel müsst Ihr auf keinen Fall ganz verzichten. Es ist nur wichtig, dass Ihr lernt, diese Speisen so bewusst zu genießen, dass Euch schon kleine Mengen, wie z. B. ein Stück Schokolade, reichen. Dann müsst Ihr beim Essen auch kein schlechtes Gewissen haben. Außerdem lernt Ihr, wie Ihr Nahrungsmittel höflich aber bestimmt ablehnen könnt, wenn Ihr gerade nichts essen möchtet. In der 6. Sitzung lernt Ihr, wie viel Zucker in verschiedenen Nahrungsmitteln enthalten ist. Außerdem erfahrt Ihr, wie Ihr Euch am besten gegen Hänseleien wehren könnt. Zum Schluss dieser Sitzung werden wir ein Spiel spielen: Bislang habt Ihr wahrscheinlich immer nur über die Nachteile des Dickseins nachgedacht. Bei diesem Spiel sollt Ihr Euch Gedanken darüber machen, welche Vorteile es haben könnte, schwer zu sein. Einige von Euch haben vielleicht schon einmal etwas gegessen, obwohl sie gar keinen Hunger hatten. Vielleicht war Euch da einfach langweilig, oder Ihr habt Euch über jemanden geärgert. In Sitzung 7 geht es darum, in welchen Situationen Ihr besonders häufig esst, ohne Hunger zu haben. Wir werden anschließend schauen, ob Ihr in diesen Situationen auch andere, vielleicht bessere Dinge tun könnt als essen. Den Rest dieser Sitzung werden wir nutzen, um Dinge zu sammeln, die Ihr an Euch mögt.
6
54
Sitzung 1: Kennenlernen und Zielabklärung
In der 8. Sitzung würden wir gerne von Euch erfahren, wie Euch das Trainingsprogramm gefallen hat und was sich bei Euch im Laufe der Therapie verändert hat. Am Ende dieser Sitzung werden wir besprechen, was Ihr tun könnt, wenn Ihr wieder in alte Gewohnheiten zurückfallt. Eine Woche später findet noch ein Abschlusstreffen statt. Wir werden zusammen kochen und anschließend gemeinsam essen.
Im Anschluss haben die Kinder die Möglichkeit, Fragen zu stellen. 4. Wappen über sich selbst malen
Während der Darstellung der Kursübersicht mussten die Kinder über einen längeren Zeitraum zuhören. Der folgende Baustein dient – neben dem Kennenlernen der Teilnehmer – der Auflockerung; die Kinder werden wieder aktiver mit einbezogen. Die Kinder erhalten leere DIN-A3-Blätter und Faserstifte. Sie sollen ein Wappen über sich selbst malen, indem sie z. B. Hobbys, Familie, Haustiere, individuelle Wünsche etc. bildlich und/oder verbal auf dem Papier darstellen. Die Kursleiter gehen währenddessen herum und lassen sich von jedem Kind erklären, was auf dem jeweiligen Plakat zu sehen ist. Im Anschluss daran stellt jedes Kind sein Wappen vor. Die Wappen bleiben am Ende der Sitzung im Kursraum. 5. Erwartungen und Wünsche
Dieser Baustein dient der Erfassung individueller Erwartungen und Wünsche der Teilnehmer. Dies ist insofern von großer Wichtigkeit, als realistische Vorstellungen und erreichbare Ziele Voraussetzungen für eine erfolgreiche Trainingsteilnahme darstellen. Unrealistische Erwartungen, wie z. B. eine starke Gewichtsabnahme innerhalb kurzer Zeit, sollten dringend korrigiert werden. Sie können zu Frustrationsgefühlen, Motivationseinbußen und sogar Therapieabbrüchen führen, da die entsprechenden Teilnehmer die sich selbst gesteckten Ziele gar nicht erst erreichen oder ihre Erfolge auf lange Sicht nicht halten können. Es werden Plakate aufgehängt, auf die die Kinder schreiben können: a) Warum komme ich hier her? Was möchte ich hier tun? b) Wovor habe ich Angst? Was sollte hier auf keinen Fall passieren? Beispiel Nachdem wir Euch berichtet haben, was Euch in etwa hier erwartet und Ihr Euch untereinander ein bisschen kennengelernt habt, sind wir gespannt, welche Wünsche und Ziele Ihr habt. Wir habe zwei Plakate aufgehängt, auf denen Ihr eintragen könnt: a) Warum komme ich hier her? Was möchte ich hier tun? b) Wovor habe ich Angst? Was sollte hier auf keinen Fall passieren?
Die Eintragungen werden anschließend vorgelesen und bezüglich des tatsächlichen Ablaufs besprochen. Unrealistische Erwartungen werden korrigiert, zu allgemein formulierte Ziele präzisiert und operationalisiert. Nennt beispielsweise ein Kind als Ziel, es wolle sich besser fühlen, so kann nachgefragt werden, was passieren müsste, damit das Ziel erreicht wird oder woran es merken würde, dass es dem Ziel näher gekommen ist, bzw. es erreicht hat.
55 Therapeutisches Vorgehen
6. Einführung des Bonussystems
Die Kinder können für die Erledigung der Hausaufgaben und gute Mitarbeit während der Sitzungen eine festgelegte Anzahl von Bonuspunkten (Tokens) in Form von Smiley-Aufklebern erwerben, die wiederum nach einem bestimmten Schlüssel gegen materielle Verstärker eingetauscht werden können. Auf diese Weise sollen Motivation und Compliance der Kinder gestärkt werden. Beispiel Wir haben uns für dieses Training etwas Besonderes einfallen lassen. Für die Erledigung der Hausaufgaben, die Ihr jede Stunde aufbekommt, und für gute Mitarbeit während der Trainingssitzungen bekommt Ihr Bonuspunkte, die Ihr später gegen Aufkleber, Schlüsselanhänger, Stofftiere oder Kinokarten eintauschen könnt: 4 Wer die Hausaufgaben vollständig erledigt hat, kriegt 3 Bonuspunkte. 4 2 Bonuspunkte bekommt Ihr, wenn Ihr die Hausaufgaben fast vollständig gemacht habt. 4 Wer die Hausaufgaben unvollständig erledigt hat, kann nur einen Bonuspunkt kriegen. 4 Wurde die Hausaufgabe gar nicht erledigt, vergeben wir keinen Punkt. 4 Für gute Mitarbeit während des Kurses erhaltet Ihr zwei Punkte, wenn Ihr nur ein bisschen mitmacht, kriegt Ihr immerhin einen Punkt. So könnt Ihr in jeder Sitzung zwischen 0 und 5 Punkte sammeln. In Eurer Mappe ist ein Blatt – es müsste das zweitoberste sein – mit der Überschrift: Bonuspunkt-Liste, dort könnt Ihr Eure Punkte, die Ihr in den einzelnen Sitzungen bekommen werdet, aufkleben. Zu Begin n jeder Sitzung könnt Ihr die Bonuspunkte dann eintauschen: 4 Einen Aufkleber kriegt Ihr für 2 Bonuspunkte. 4 Einen Schlüsselanhänger könnt Ihr gegen 4 Bonuspunkte eintauschen. 4 Für 5 Bonuspunkte bekommt Ihr ein Stofftier. 4 Eine Kinokarte bekommt Ihr, wenn Ihr 7 Bonuspunkte gesammelt habt. Die von Euch eingetauschten Punkte werden auf Eurer Bonuspunkt-Liste durchgestrichen, damit Ihr sie nicht doppelt benutzen könnt.
7. Gewicht und Körperfett
Der Informationsbaustein wird durch eine Diskussionsrunde zum Thema »Wiegen« eingeleitet. Die Kinder sollen berichten, wie oft sie sich wiegen und wie sie sich fühlen, wenn die Waage mehr oder weniger anzeigt als beim letzten Mal. Dieser Baustein ist ganz wichtig, weil viele Kinder sehr auf ihr Gewicht fokussiert sind. Die Körpermasse setzt sich jedoch u. a. zusammen aus Fett, Muskelmasse, Wasser und dem Magen-Darm-Inhalt. Eine Gewichtsveränderung kann also ganz verschiedene Ursachen haben und ist nicht ohne weiteres mit einem Fettab- oder -aufbau gleichzusetzen. Ziel des Trainings sollte somit nicht in erster Linie eine Gewichtsabnahme sein. Es geht vielmehr darum, sich gesund zu ernähren, sich regelmäßig zu bewegen und fettfreie Körpermasse aufzubauen sowie den Körperfettanteil zu reduzieren.
56
Sitzung 1: Kennenlernen und Zielabklärung
Beispiel Viele Leute glauben, je mehr man wiegt, desto dicker ist man. Das stimmt nicht ganz. Das Gewicht alleine sagt noch nicht allzu viel über Euer Aussehen aus. Arnold Schwarzenegger ist z. B. sehr schwer, aber nicht dick. Das liegt an seinen vielen Muskeln. Muskeln wiegen nämlich mehr als Fett. Wenn Ihr viel Sport macht, bekommt Ihr auch mehr Muskeln, d. h., dass Euer Gewicht möglicherweise gleich bleibt, Ihr aber ganz anders, nämlich dünner, ausseht. Ziel dieses Trainings ist also nicht, dass Ihr soundso viel Kilo abnehmt, sondern dass Ihr Muskeln aufbaut und Fett abbaut. Ihr könnt Euch auch vorstellen, dass Ihr Fettmasse in Muskelmasse umwandelt. Das schafft Ihr, indem Ihr regelmäßig Sport macht. Ein Teil Eurer Hausaufgabe wird daher sein, dass Ihr Euch in der kommenden Woche an 5 Tagen 10 Minuten lang zusätzlich bewegt. Wichtig ist dabei, dass die Bewegung wirklich zusätzlich ist, also über Euer normales Maß an Bewegung hinausgeht. Ihr könnt dafür eine Sportart auswählen, die Euch Spaß macht oder auch mit Euren Freunden Spiele spielen, bei denen man sich bewegen muss, wie z. B. Fangen. Wer hat noch Ideen, wie Ihr Euch bewegen könnt? Die Trainer notieren die Vorschläge der Kinder auf dem Flipchart. In Euren Mappen findet Ihr als drittoberstes Blatt einen Übersichtskalender, in den Ihr die zusätzliche Bewegung eintragen könnt.
8. Wiegespiel
Dieser Baustein dient als Vorübung für das genaue Ausfüllen der Ernährungstagebücher. Die Kinder schätzen der Reihe nach das Gewicht verschiedener Lebensmittel. Mit Hilfe einer Küchenwaage wird anschließend das tatsächliche Gewicht festgestellt. 9. Einführung der Ernährungstagebücher
Vor der eigentlichen Einführung sollen die Kinder in einer kurzen Diskussionsrunde darüber diskutieren, warum ein Ernährungstagebuch sinnvoll ist. Dadurch soll die Motivation gestärkt werden, die Tagebücher sorgfältig und regelmäßig auszufüllen. Beispiel Ich möchte Euch bitten, in der kommenden Woche jeden Tag auf einem Bogen, der sich in Euren Mappen befindet, alles einzutragen, was Ihr gegessen habt. Bevor ich Euch genau erkläre, wie Ihr das machen sollt, werden wir kurz gemeinsam überlegen, warum es sinnvoll ist, ein solches Ernährungstagebuch zu führen. Wer hat eine Idee? Schlagt jetzt bitte Eure Mappen auf. Hinter der Bonuspunkt-Liste findet Ihr sechs bunte Nahrungsmittelbögen. Immer einen pro Tag, jeder Tag hat eine andere Farbe, und das Blatt: »Anleitung zum Führen der Ernährungstagebücher«, auf dem beschrieben wird, was Ihr beim Ausfüllen beachten sollt. Wer möchte dieses Blatt jetzt vorlesen? Bringt die ausgefüllten Bögen bitte zur nächsten Sitzung mit.
57 Mögliche Schwierigkeiten
10. Bewegungs- und Kennenlernspiel: Zipp-Zapp
Die Kinder stellen sich im Kreis auf, ein Kind steht in der Mitte. Es soll jeweils auf ein Kind im Kreis zeigen und »Zipp« oder »Zapp« sagen. Dieses muss dann innerhalb von 10 Sekunden den Namen seines linken (Zipp) bzw. rechten (Zapp) Nachbarn sagen. Gelingt es dem Kind nicht, den richtigen Namen in der vorgegebenen Zeit zu nennen, muss es sich in die Mitte des Kreises stellen. Das Kind in der Mitte hat auch die Möglichkeit »Zipp-Zapp« zu rufen. In diesem Fall müssen alle Kinder im Kreis die Plätze tauschen. 11. Hausaufgaben
Die Trainer fassen die Hausaufgaben zur kommenden Sitzung zusammen: 4 Ein Selbstbildnis malen (die Kinder sollen zu Hause ein Selbstbildnis anfertigen. Jedes Kind erhält zu diesem Zweck einen Bogen der Größe DIN A3. Auf diese Weise können Informationen in Hinblick auf die Selbstwahrnehmung der Kinder gewonnen werden), 4 5-mal pro Woche 10 Minuten Zusatzbewegung (in den Übersichtskalender eintragen), 4 Ernährungstagebuch führen. Die Kursleiter weisen darauf hin, dass sich ganz unten in der Mappe mit den Materialien für diese Sitzung noch zwei Blätter (7 Anhang) befinden. Auf dem vorletzten sind die Hausaufgaben noch einmal aufgeführt, auf dem letzten Blatt ist zusammengefasst, was die Kinder zur nächsten Sitzung mitbringen sollen. 12. Stimmungsbarometer und Rückmelderunde
Zum Abschluss hat jedes Kind Gelegenheit zu sagen, wie es sich gerade fühlt. Dies kann auch in Form eines »Wetterberichts« geschehen (z. B. gute Laune = Sonnenschein, schlechte Laune = Regen, Ärger = Blitz und Donner oder Hagel etc.). Zusätzlich sollen die Kinder berichten, was ihnen an dieser Sitzung gut bzw. weniger gut gefallen hat. 13. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Zum Ende einer jeden Sitzung verteilen die Trainer die Bonuspunkte für Mitarbeit nach dem vereinbarten Schlüssel.
Mögliche Schwierigkeiten Es besteht eine allgemeine anfängliche Unsicherheit
Die Kinder haben zu Beginn dieser Sitzung noch keine Vorstellung davon, was in diesem Training auf sie zukommt. Außerdem ist das eigene Übergewicht für viele Teilnehmer ein heikles Thema, über das nur ungern gesprochen wird. Es kann daher die Schwierigkeit auftreten, dass die Kinder anfangs unsicher und verlegen sind, was sich in einer allgemeinen Zurückhaltung und Schüchternheit äußern oder durch komische Bemerkungen und Albernheit kompensiert werden kann. Gerade im letzten Fall ist es wichtig, dass die Trainer mit Verständnis reagieren und eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen. Erfahrungsgemäß kann die anfängliche Scheu der Kinder auf diese Weise relativ schnell abgebaut werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Darstellung der Kursübersicht. Die dadurch erreichte Transparenz trägt im Allgemeinen dazu bei, dass die Unsicherheit und Ungewissheit aufseiten der Teilnehmer reduziert werden.
58
Sitzung 1: Kennenlernen und Zielabklärung
Die Trainingsbausteine und das therapeutische Vorgehen werden von den Teilnehmern als kindisch abgetan
Die Altersspanne der Kinder ist mit 9–15 Jahren sehr groß. Daher könnte es sein, dass gerade ältere Kinder die spielerische Vermittlung der Trainingsinhalte kritisieren. Hier ist es wichtig, dass sich die Trainer nicht persönlich angegriffen fühlen und den betreffenden Kindern beweisen möchten, dass sie mit dem Kursstoff doch nicht unterfordert sind. Vielmehr könnten sie die Kritik positiv umdeuten: Da sie schon älter sind, fällt ihnen hier vieles leichter als den jüngeren Kindern. Sie können daher anderen Teilnehmern behilflich sein und zusätzlich den Kurs durch ihr Wissen bereichern. Außerdem sollten die Trainer sicherstellen, dass für diesen Teilnehmer besonders relevante Punkte und Fragen genügend Raum bekommen, damit er auf jeden Fall von dem Training profitiert. Ein oder mehrere Kinder äußern Desinteresse an der Trainingsmaßnahme
Es kann passieren, dass ein oder mehrere Kinder das Training »madig machen«, indem sie offen Unlust oder Desinteresse äußern, da sie der Meinung sind, die Trainingsinhalte seien bereits weitgehend bekannt oder banal. Dies kann Kinder, die dem Training positiv gegenüberstehen, in Konflikte bringen, da sie glauben, Stellung beziehen zu müssen. Die Trainer sollten darauf hinweisen, dass das bloße Wissen, wie das Körpergewicht positiv zu beeinflussen ist, nicht ausreicht. Da es sehr schwer ist, neue Gewohnheiten aufrechtzuerhalten, muss das Zielverhalten systematisch geübt werden, was eines der Hauptanliegen dieses Trainings ist. Das Wissen, wie ein Computerspiel funktioniert, führt ja auch nicht dazu, dass gleich eine Bestzeit erreicht werden kann, auch hier ist viel Übung nötig. Ein Kind stellt das Training in seiner Wirksamkeit in Frage
Manche Kinder haben schon verschiedene erfolglose Versuche unternommen, ihr Übergewicht zu reduzieren. Möglicherweise befürchten sie aufgrund früherer Misserfolgserlebnisse weiteres Versagen. Deshalb ist es wichtig, das therapeutische Vorgehen transparent zu machen und hervorzuheben, dass das Training auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt werden kann und die gesetzten Ziele zu erreichen sind. Auf diese Weise könnte es möglich werden, einen überhöhten Erwartungsdruck und Befürchtungen seitens der Kursteilnehmer oder ihrer Eltern zu reduzieren. Die Kinder sind auf eine schnelle Gewichtsabnahme fixiert und können für andere Trainingsziele nur schwer motiviert werden
Viele Menschen messen den Erfolg von Therapiemaßnahmen mit Übergewichtigen am Grad deren Gewichtsabnahme. Dies ist ein allgemeines Missverständnis, aufgrund dessen ein überhöhter Erwartungsdruck aufgebaut wird, der einem Therapieerfolg nur im Wege stehen kann. Daher ist es von großer Wichtigkeit, diesen Punkt möglichst früh anzusprechen. Die Trainer sollten den Kindern den Jo-Jo-Effekt erklären und ihnen so klarmachen, dass eine stabile Gewichtsregulation nur durch eine langfristige Umstellung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten erreicht werden kann. Sind die Kinder damit unzufrieden und immer noch sehr auf ihr Körpergewicht fixiert, so hilft im Allgemeinen der Hinweis darauf, dass sich das Gewicht aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt und nicht mit dem Körperfettanteil gleichzusetzen ist. Erhöht sich z. B. das Maß somatomotorischer Aktivität, so wird Fett- in Muskelmasse umgewandelt. Da Muskeln schwerer sind als Fett, wird eine Gewichtsabnahme eher enttäuschend ausfallen, obwohl sich der Körperumfang deutlich verringert hat (7 oben, »7. Gewicht und Körperfett«).
59 Mögliche Schwierigkeiten
Die Kinder wollen keine Hausaufgaben bekommen
Hausaufgaben werden von vielen Kindern als lästig erlebt, zumal sie auch für die Schule viel zu Hause arbeiten müssen. Die extrinsische Verstärkung (Token-System) wird zwar als Anreiz erlebt; trotzdem kommen immer wieder Diskussionen auf, in denen sich die Kinder über die Hausaufgaben beschweren. Die Trainer sollten die Wichtigkeit der Umsetzung des Gelernten in den familiären Alltag betonen, die nun einmal in Form von Hausaufgaben stattfindet. Es wurde bereits weiter oben darauf hingewiesen, dass günstige Verhaltensweisen nicht nur bekannt sein sondern auch systematisch geübt werden müssen. Zusätzlich kann darauf hingewiesen werden, dass eine Woche 168 Stunden hat, von denen die Teilnehmer nur 2 Stunden am Kurs teilnehmen. Das Training kann somit nur dann Erfolg haben, wenn sie sich auch in der Zwischenzeit mit den Kursinhalten beschäftigen.
61
ANHANG SITZUNG 1
62
Anhang Sitzung 1
63 Anhang Sitzung 1
64
Anhang Sitzung 1
65 Anhang Sitzung 1
66
Anhang Sitzung 1
67 Anhang Sitzung 1
68
Anhang Sitzung 1
Anhang Sitzung 1
69
70
Anhang Sitzung 1
71 Anhang Sitzung 1
73
Elterntreffen Überblick > Ziele 4 Kennenlernen und Erfahrungsaustausch 4 Vermittlung eines Kursüberblicks 4 Transparentmachung der wichtigsten Kursziele und -inhalte 4 Förderung der Bereitschaft und der Fähigkeit, die Kinder bei der Erreichung der Kursziele zu unterstützen
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5.
Begrüßung und Vorstellung der Kursleiter Vorstellungsrunde der Eltern Vorstellung des Trainingsprogramms Wie kann ich mein Kind bei der Erreichung der Kursziele unterstützen? Beantwortung evtl. weiterer Fragen und Verabschiedung
Vorbereitung und Materialien Flipchart, Taschenrechner, Merkblätter »Trainingsziele« und »Ablauf der Trainingssitzungen«, Perzentilkurven für den Body-Mass-Index, Übersichtblatt über den Kursverlauf, Informationsblatt »Ernährungshaus«, Ampelkarte, Merkblatt »Essregeln«, Merkblatt für das Streichholzspiel, Formular zur Planung eines strukturierten Esstags, Merkblätter »Umgang mit Ärger« und »So kann ich mein Kind unterstützen«, Liste mit weiterführender Literatur.
Therapeutisches Vorgehen 1. Begrüßung und Vorstellung der Kursleiter
Die Trainer stellen sich zu Beginn kurz vor (Name, berufliche Tätigkeit, bisherige Erfahrungen mit Therapien bei Übergewicht). 2. Vorstellungsrunde der Eltern
Es tun sich jeweils zwei Elternpaare zusammen. Diese haben zunächst ca. 10 Minuten Zeit, sich gegenseitig zu interviewen, anschließend stellt jedes Paar seine Interviewpartner kurz vor. Dabei soll neben dem Namen der Familie, des Kindes und ggf. seiner Geschwister auf folgende Fragen eingegangen werden, die der Trainer vor Beginn der Sitzung auf dem Flipchart notiert: 4 Wie wurden Sie auf das Training aufmerksam? 4 Warum haben Sie sich gerade jetzt entschlossen, an der Maßnahme teilzunehmen? 4 Welche Gründe hat Ihrer Meinung nach das Übergewicht Ihres Kindes? 4 Welche Erwartungen haben Sie an das Training?
74
Elterntreffen
4 Was unternimmt Ihre Familie in der Freizeit? 3. Vorstellung des Trainingsprogramms
Dieser Baustein dient dazu, den Eltern die wichtigsten Ziele und Inhalte des Trainingsprogramms zu vermitteln. Die Vorstellung der Kursziele ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil manche Eltern eine falsche Vorstellung vom Kurskonzept haben. Dies kann dazu führen, dass sie diesem entgegenwirken, etwa indem sie ihre Kinder zu einer raschen Gewichtsabnahme drängen. Um einen langfristigen Trainingserfolg zu erzielen, ist es unerlässlich, dass den Eltern die Kursziele transparent gemacht werden, damit diese ihre Kinder entsprechend unterstützen können. Der Trainer stellt die Ziele, die er auf dem Flipchart notiert, kurz vor: 4 Körperliche Ziele: 5 Verhinderung einer weiteren Gewichtszunahme oder Reduktion der Gewichtszunahme (unter Ausnutzung des Längenwachstums kann so eine relative Gewichtsabnahme erreicht werden), vielleicht sogar leichte Gewichtsabnahme sowie 5 Reduktion des prozentualen Anteils der Fettmasse am Gesamtkörpergewicht und Erhöhung des Anteils der Muskelmasse. 4 Verhaltensbezogene Ziele: 5 Langfristige Ernährungsumstellung (weniger Fett, mehr Kohlenhydrate), 5 Verbesserung der Essgewohnheiten (z. B. niedrigere Essgeschwindigkeit, niedrigere Essmenge, keine Ablenkung während des Essens) und 5 Steigerung der körperlichen Aktivität. 4 Psychologische Ziele: 5 Aufbau eines positiveren Körpergefühls, 5 Herausarbeitung individueller Auslöser ungünstigen Essverhaltens und Erarbeitung von Alternativen, 5 Steigerung des Selbstvertrauens, des Durchsetzungsvermögens und der sozialen Fertigkeiten sowie 5 Verbesserung der Kommunikations- und Interaktionsmuster. Die einzelnen Ziele werden von den Trainern in Bezug auf die in der Vorstellungsrunde genannten Erwartungen erläutert und mit den Eltern diskutiert. Ein Arbeitsblatt, auf dem die Ziele noch einmal aufgeführt sind, ist dem Anhang beigefügt und kann an die Eltern verteilt werden. Im Folgenden wird mit den Eltern erarbeitet, wie diese das Ausmaß des Übergewichts ihrer Kinder feststellen können. Dazu soll anhand von Beispielen besprochen werden, wie der BMI errechnet und mit Hilfe der geschlechtsspezifischen Altersperzentilien, die an die Eltern ausgeteilt werden, interpretiert wird. Die Trainer können an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, wie sich eine längerfristige Gewichtskonstanz unter Ausnutzung des Längenwachstums auf den Gewichtsstatus auswirkt. Außerdem kann demonstriert werden, dass sich bei Kindern und Jugendlichen Verbesserungen im Gewichtsstatus bereits dann ergeben, wenn der BMI über mehrere Jahre konstant bleibt (d. h. auch eine mäßige Gewichtszunahme ist als Therapieerfolg zu werten). Es folgt die Vorstellung der Trainingsinhalte. Der Trainer schildert zunächst den Ablauf der Sitzungen (▶ Abschn. 8.1), wobei er auch auf die Bedeutung der Hausaufgaben eingeht und das Bonussystem vorstellt. Außerdem erläutert er, warum es wichtig ist, sich viel zu bewegen (▶ Sitzung 1, 7. »Gewicht und Körperfett«). Ein entsprechendes Formblatt ist dem Anhang zu diesem Treffen beigefügt.
75 Therapeutisches Vorgehen
Anschließend stellt er die wichtigsten Trainingsbausteine vor, erklärt, zu welchem Zweck diese im Rahmen des vorliegenden Trainings eingesetzt werden und geht ggf. darauf ein, wie die Eltern ihre Kinder zu Hause in Bezug auf den jeweiligen Baustein unterstützen können. Die Trainingsblätter, die den Kindern zur Verfügung gestellt werden, dienen dabei als Illustrationsmaterial und werden an die Eltern ausgeteilt. Folgende Kurselemente sollen hier zur Vorstellung gelangen: 4 Vermittlung einer Kursübersicht, 4 Ernährungshaus, 4 Ampelkarte, 4 Essregeln, 4 Streichholzspiel, 4 strukturierte Esstage, 4 Gefühle und Essen: Umgang mit Ärger. Abschließend kann darauf hingewiesen werden, dass den Kindern in jeder Sitzung umfangreiche Informations- und Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt werden, die die Eltern einsehen und sich auf diese Weise einen Überblick über die genauen Sitzungsinhalte verschaffen können. 4. Wie kann ich mein Kind bei der Erreichung der Kursziele unterstützen?
Anhand des Merkblatts »So kann ich mein Kind unterstützen« werden die einzelnen Punkte erläutert und diskutiert. Anschließend wird den Eltern eine Liste mit weiterführender Literatur (▶ Anhang) ausgeteilt. 5. Beantwortung evtl. weiterer Fragen und Verabschiedung
77
ANHANG ELTERNTREFFEN
78
Anhang Elterntreffen
79 Anhang Elterntreffen
80
Anhang Elterntreffen
81 Anhang Elterntreffen
82
Anhang Elterntreffen
Anhang Elterntreffen
83
84
Anhang Elterntreffen
85 Anhang Elterntreffen
86
Anhang Elterntreffen
87 Anhang Elterntreffen
88
Anhang Elterntreffen
89 Anhang Elterntreffen
90
Anhang Elterntreffen
91 Anhang Elterntreffen
92
Anhang Elterntreffen
93
Sitzung 2: Ernährungshaus, derzeitiges Essverhalten, alternative Verhaltensweisen Überblick > Ziele 4 Stabilisierung der Bereitschaft zu vermehrter körperlicher Aktivität 4 Vermittlung eines Überblicks über ernährungsphysiologisch wertvolle und ungünstige Nahrungsmittel 4 Vermittlung von Grundzügen einer gesunden Ernährung 4 Erkennen von Langeweile als möglichen Auslöser der Nahrungsaufnahme 4 Aufbau alternativer Verhaltensweisen 4 Förderung der Fähigkeit, sich etwas Gutes zu tun, auch ohne zu essen 4 Erfassung des derzeitigen Süßigkeitenkonsums
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Stimmungsbarometer/Wetterbericht Bewegungsspiel: Fangen nach Namen Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben Besprechung der Aktivitäts-Hausaufgabe Gemeinsames Betrachten der Selbstbildnisse Vermittlung von Ernährungswissen: Das Ernährungshaus Stillarbeit: Selbstbeurteilung der Ernährungstagebücher Ampelkarte Anti-Langeweile-Box Einführung des Streichholzspiels Bewegungsspiel: Zeitungsschlagen mit Namen Hausaufgaben 4 Ampelkarte 4 Weiterhin 5-mal pro Woche Zusatzbewegung 4 Sammeln von Streichhölzern für gegessene Süßigkeiten ohne Mengenbegrenzung 4 Bei Langeweile die Anti-Langeweile-Box einsetzen 13. Wetterbericht und Rückmelderunde 14. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Vorbereitung und Materialien Trainingsmaterialien (Übersichtskalender zum Eintragen der zusätzlichen Bewegung, Ampelkarte, Ratespiel »Wer ist wer?«, Informationsblatt »Ernährungshaus«, Übersichtsblatt für das Streichholzspiel, Hausaufgabenblatt, Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien),
94
Sitzung 2: Ernährungshaus, derzeitiges Essverhalten, alternative Verhaltensweisen
Smileys, Aufkleber, Schlüsselanhänger, Stofftiere und Kinogutscheine als extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben, Flipchart, nummerierte Schildchen für das Ratespiel, Wappen der Teilnehmer, Ernährungshaus, Korb mit Lebensmitteln oder Lebensmittelattrappen, farbige Stempel oder Stifte (rot, gelb, grün), Anti-Langeweile-Boxen, kleine Faltzettel, Streichhölzer, Tüten zum Sammeln der Streichhölzer, zusammengerollte Zeitung, mit Klebeband fixiert.
Therapeutisches Vorgehen 1. Stimmungsbarometer/Wetterbericht
Jedes Kind berichtet, wie es ihm gerade geht (in Form eines persönlichen Wetterberichts) und was es an diesem Tag erlebt hat. 2. Bewegungsspiel: Fangen nach Namen
Die Kinder stellen sich in zwei Reihen gegenüber. Ein Kind (Kind A) beginnt, indem es den Namen eines anderen Kindes (Kind B) ruft, das in der Reihe gegenüber steht. Kind B muss dann versuchen, zur anderen Kinderreihe zu laufen, während Kind A versucht, es zu fangen. Erreicht Kind B die gegenüberliegende Kinderreihe, ohne gefangen zu werden, ist Kind A erneut an der Reihe. Lässt sich jedoch Kind B fangen, muss es nun, wie vorher Kind A, den Namen eines Kindes in der Reihe gegenüber rufen und versuchen, dieses Kind zu fangen, bevor es die andere Kinderreihe erreicht. 3. Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben
Die Trainer lassen sich die Hausaufgaben (Ernährungstagebücher, Übersichtskalender für die Zusatzbewegung und Selbstbildnisse) zeigen und kleben die für die Erledigung der Hausaufgaben vereinbarte Anzahl von Smileys in die Bonuspunktlisten der Kinder. Sie gehen mit jedem Kind die Ernährungstagebücher durch und zeigen ggf. auf, wie diese noch besser und exakter ausgefüllt werden können. Anschließend besteht die Möglichkeit, die Bonuspunkte nach dem festgelegten Schlüssel gegen materielle Verstärker einzutauschen. Die Kinder erhalten im Anschluss daran die Arbeitsblätter für diese Sitzung, die sie in ihre Mappe legen sollen. 4. Besprechung der Aktivitäts-Hausaufgabe
Ihr solltet Euch in der letzten Woche 5-mal 10 Minuten zusätzlich bewegen. Was habt Ihr genau gemacht? Die Beiträge der Kinder werden am Flipchart gesammelt. Anschließend wird besprochen, ob es den Kindern leicht oder schwer fiel, sich zusätzlich zu bewegen und die Zusatzbewegung zu protokollieren, welche Probleme ggf. aufgetreten sind und wie die genannten Probleme gelöst wurden bzw. in Zukunft gelöst werden können. Die Trainer sollten darauf achten, dass jedes Kind zu Wort kommt. Die zusätzliche Bewegung soll auch in der kommenden Woche als Hausaufgabe beibehalten werden. Ein entsprechender Übersichtskalender zum Protokollieren der Zusatzbewegung liegt den Trainingsmaterialien bei. Es ist empfehlenswert, die Selbstwirksamkeitserwartung der Kinder hinsichtlich der Aktivitätshausaufgabe zu erfragen (Wie sicher bist Du Dir auf einer Skala von 0, d. h. überhaupt nicht sicher, bis 10, d. h. absolut sicher, dass Du es schaffst, die Zusatzbewegung in der kommenden Woche zu erledigen?). Nennt ein Teilnehmer
95 Therapeutisches Vorgehen
z. B. daraufhin die Zahl 7, kann nachgefragt werden, was bis zur 8 und bis zur 10 fehlt. Auf diese Weise können erwartete Probleme und Bedenken erfasst und Lösungen erarbeitet werden. Im weiteren Verlauf des Trainings sollte die Selbstwirksamkeitserwartung von Zeit zu Zeit auch bei anderen Hausaufgaben erfragt werden. 5. Gemeinsames Betrachten der Selbstbildnisse Mit dem folgenden Trainingsbaustein soll die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Kinder
gefördert werden. Die Selbstbildnisse werden nebeneinander im Raum ausgelegt, jedes Bild erhält eine Nummer. Die Kinder sollen versuchen zu erraten, welches Bild von welchem Kind stammt. Dies geschieht in Form eines Ratespieles: Zunächst sollen die Kinder auf dem Blatt »Ratespiel: Wer ist wer?« (7 Trainingsmaterialien) neben jeder Bildnummer eintragen, welcher Kursteilnehmer ihrer Meinung nach auf dem entsprechenden Bild dargestellt ist. Anschließend wird bei jedem der Bilder diskutiert, wer es gemalt haben könnte und woran man erkennen kann, welches Kind auf dem jeweiligen Bild zu sehen ist. Anschließend erfolgt die Auflösung. Für jeden richtigen Eintrag gibt es einen Punkt. Die Kinder sollen die erreichten Punkte zusammenzählen und auf dem Arbeitsblatt eintragen. Die Selbstbildnisse werden mit den dazugehörigen Wappen im Raum aufgehängt. 6. Vermittlung von Ernährungswissen: Das Ernährungshaus
Bei diesem Baustein geht es darum, Wissen darüber zu vermitteln, welche Nahrungsmittel ernährungsphysiologisch wertvoll und welche eher ungünstig sind. Um die Kinder nicht zu überfordern, wird auf genaue Kalorienangaben und komplexe Einteilungssysteme, wie z. B. den Ernährungskreis der DGE, verzichtet und eine grobe Einteilung der Nahrungsmittel in 3 Energiestufen vorgenommen, die durch die Farben einer Verkehrsampel gekennzeichnet sind (in Anlehnung an die Ampeldiät von Epstein u. Squires 1988): 4 Die Nahrungsmittel aus dem roten Ampelbereich haben eine hohe Energiedichte, sie liefern also sehr schnell sehr viel Energie und sollten daher nur selten gegessen werden (Beispiele: Süßigkeiten, Torte, Nutella, Speck, Schwarzwälder Schinken, Leberwurst, Chips, Pommes, Majo, Cola, Limo). 4 Die Nahrungsmittel aus dem gelben Ampelbereich liefern mittelmäßig viel Energie und sollten daher ab und zu in Maßen ausgewählt werden (Beispiele: Milch, Käse, Eier, Butter, Fleisch- und Wurstwaren, Nudeln, Weißbrot, Müsli, ungemischte Säfte). 4 Die Nahrungsmittel aus dem grünen Ampelbereich enthalten wenig Energie, dafür aber viel Vitamine und Ballaststoffe. Lebensmittel aus diesem Bereich dürfen unbedenklich und in beliebigen Mengen verzehrt werden (Beispiele: Gemüse, Obst, Kartoffeln, Vollkornbrot, gedünsteter Fisch, Naturjoghurt, Magerquark, Früchte- und Kräutertee, Mineralwasser, Fruchtsaftschorlen mit 1/3 Fruchtsaft und 2/3 Wasser). Das Ernährungshaus hat drei Stockwerke, wobei die Farben wie bei einer Ampel angeordnet sind. Die Trainer stellen einen Korb mit Lebensmittelattrappen (es können auch richtige Lebensmittel verwendet werden) neben das Haus. Jeweils ein Kind sucht sich ein Lebensmittel aus; anschließend wird darüber diskutiert, in welches Stockwerk das jeweilige Nahrungsmittel einzuordnen ist. Eine Zusammenfassung über die 3 Ampelbereiche und eine Einteilung verschiedener Nahrungsmittel in die Etagen des Ernährungshauses findet sich unter den Trainingsmaterialien für diese Sitzung. Der Trainingsbaustein kann folgendermaßen eingeleitet werden:
96
Sitzung 2: Ernährungshaus, derzeitiges Essverhalten, alternative Verhaltensweisen
Beispiel Bestimmt habt Ihr schon einmal davon gehört, dass bestimmte Nahrungsmittel besonders dick machen. Wem von Euch fallen Beispiele dazu ein? Was ist Eurer Meinung nach der Grund dafür, dass dieses Nahrungsmittel besonders dick macht? Die Trainer sammeln die Beispiele und die genannten Gründe dafür, dass die entsprechenden Lebensmittel »Dickmacher« sind, am Flipchart. Es kann passieren, dass Nahrungsmittel aufgezählt werden, die eher dem gelben oder grünen Ampelbereich zugehören oder dass Begründungen genannt werden, die nicht zutreffend sind. Die Trainer sollten in diesen Fällen fragen, ob die anderen Kinder derselben Meinung sind und eine kurze Diskussionsrunde einleiten, im Rahmen derer sie bei Bedarf auch Informationen vermitteln können, wie z. B.: Es gibt Nahrungsmittel, die als sog. Dickmacher bekannt sind, wie z. B. Kartoffeln oder Nudeln. Das ist nicht ganz zutreffend. Nudeln und Kartoffeln selber könnt Ihr ohne Bedenken essen. Was dick macht ist die Art und Weise der Zubereitung. So machen Pommes und Bratkartoffeln wegen des vielen Fetts, mit dem sie frittiert bzw. gebraten werden, dick, nicht wegen der Kartoffeln selber. Reine Nudeln könnt Ihr auch ruhig essen, Ihr müsst nur mit der Soße vorsichtig sein, besonders, wenn sie viel Käse oder Sahne enthält. Ihr wisst sicher alle, was Kalorien sind. Manche Nahrungsmittel haben viele, andere weniger Kalorien. Allerdings ist es schwierig und mühsam, sich genaue Kalorienzahlen zu merken, außerdem gibt es unterschiedliche Arten von Kalorien: Wertvolle Kalorien sind z. B. in Obst, Vollkornbrot oder Kartoffeln, wertlose Kalorien finden sich z. B. in Süßigkeiten. Bei der Verwertung von Obst oder Kartoffeln verbraucht der Körper auch wieder Kalorien, außerdem erhält er Vitamine und andere wichtige Stoffe. Bei der Verwertung von Süßigkeiten verbraucht er dagegen kaum Kalorien. Die Kalorienzahl alleine ist also nicht so entscheidend, es kommt mehr darauf an, dass Ihr viele wertvolle Nahrungsmittel esst. Im Anschluss daran erläutern die Trainer die Einteilung der Nahrungsmittel in die 3 Ampelbereiche: Ihr habt sicher schon gemerkt, dass es sehr wichtig ist, was Ihr esst. Da Kalorienzählen umständlich und kompliziert ist und es außerdem unterschiedliche Arten von Kalorien – nämlich wertvolle und wertlose Kalorien – gibt, habe ich eine andere Idee, wie Ihr Euch merken könnt, welche Nahrungsmittel günstig und welche weniger günstig für Euch sind. Wir werden die Lebensmittel in 3 Bereiche einteilen, denen die Farben einer Verkehrsampel zugeordnet sind. Die Nahrungsmittel, die dem roten Bereich zugeordnet sind, liefern dem Körper sehr schnell sehr viel Energie, Ihr solltet nur selten davon essen. Die Nahrungsmittel, die dem gelben Ampelbereich angehören, liefern mittelmäßig viel Energie, Ihr könnt ab und zu in Maßen davon essen. An den Nahrungsmitteln im grünen Ampelbereich könnt Ihr Euch jeder Zeit unbedenklich satt essen.
6
97 Therapeutisches Vorgehen
Ich habe ein kleines Haus, das sog. Ernährungshaus mitgebracht. Es hat 3 Stockwerke, die wie die Farben einer Ampel angeordnet sind. Das obere Stockwerk ist rot, hier werden die Nahrungsmittel des roten Ampelbereichs eingeordnet. In das mittlere Stockwerk kommen die Nahrungsmittel des gelben Ampelbereichs. Das untere Stockwerk hat die Farbe grün, hier könnt Ihr die Nahrungsmittel des grünen Ampelbereichs einordnen. Anschließend stellen die Trainer den Korb mit den Lebensmittelattrappen neben das Ernährungshaus. Das weitere Vorgehen wurde bereits weiter oben beschrieben. Da die Einordnung von Cola light in den gelben Ampelbereich im Allgemeinen zu Erstaunen führt, sollten die Trainer hierzu eine kurze Erläuterung geben: Cola light hat zwar kaum Kalorien, gehört aber trotzdem in den gelben Ampelbereich. Das liegt daran, dass Cola light (oder andere Nahrungsmittel, die viel künstlichen Süßstoff enthalten) zu Heißhungeranfällen führen können: Wenn Ihr Cola light trinkt, schmeckt das süß, und das Gehirn bekommet von Euren Geschmacksnerven gemeldet, dass Ihr Zucker gegessen habt. Daraufhin produziert der Körper einen Stoff (das Insulin), der den Zucker abbauen soll. Da Cola light aber gar keinen richtigen Zucker enthält und das Insulin trotzdem im Körper wirkt, geratet Ihr in einen Zustand der Unterzuckerung, und das kann zu Heißhunger führen. Das bedeutet, dass Cola light zwar selber fast keine Kalorien hat, aber dazu führen kann, dass Ihr mehr esst. Sind alle Nahrungsmittel eingeordnet, sollen die Kinder das Informationsblatt »Das Ernährungshaus« in ihren Mappen aufschlagen, das im Folgenden kurz besprochen wird. Schlagt jetzt bitte Eure Mappen auf. Dort findet Ihr ein Blatt mit der Überschrift: »Das Ernährungshaus«. Hier sind die 3 Ampelbereiche und die zugehörigen Lebensmittel noch einmal zusammengefasst. Auf diesem Blatt könnt Ihr immer nachschauen, wenn Ihr nicht wisst, zu welchem Ampelbereich ein Nahrungsmittel gehört.
7. Stillarbeit: Selbstbeurteilung der Ernährungstagebücher
Dieser Baustein dient dazu, das Gelernte anzuwenden und das eigene Essverhalten kritisch zu reflektieren. Die Kinder sollen die Ernährungsprotokolle, die sie in der vergangenen Woche geführt haben, beurteilen. Sie erhalten dazu jeweils drei Stempel oder Stifte in den Farben rot, gelb und grün, mit denen sie die Nahrungsmittel, die sie in den letzten 7 Tagen gegessen haben, gemäß den entsprechenden Ampelbereichen kennzeichnen sollen. Die Trainer gehen währenddessen von Kind zu Kind, besprechen die Protokolle und erarbeiten ggf. Verbesserungsvorschläge. 8. Ampelkarte
Die Selbstbeobachtung des Essverhaltens stellt einen wichtigen Bestandteil des Trainings dar und soll daher während des gesamten Kurszeitraums weitergeführt werden. Das Ausfüllen der Ernährungstagebücher ist jedoch sehr aufwändig, sodass es im Laufe der Zeit zu Motivationseinbußen kommen kann. Aus diesem Grund soll das Essverhalten künftig mit Hilfe der sog. Ampelkarte (nach Reinehr et al. 2003) erfasst werden, was sehr viel weniger Zeit (maximal 2 Minuten pro Tag) in Anspruch nimmt.
98
Sitzung 2: Ernährungshaus, derzeitiges Essverhalten, alternative Verhaltensweisen
Beispiel Wir hatten in der letzten Stunde besprochen, warum es wichtig ist, dass Ihr aufschreibt, was Ihr esst. Da es sehr viel Zeit kostet, die Ernährungstagebücher auszufüllen, haben wir uns etwas für Euch überlegt, was sehr viel schneller geht: Die Ampelkarte, das drittoberste Blatt in Euren Unterlagen. In der 2., 3. und 4. Zeile seht Ihr den roten, gelben und grünen Ampelbereich. Außerdem seht Ihr eine Spalte für jeden Wochentag. Eure Aufgabe wird sein, an jedem Tag bei allem, was Ihr esst und trinkt, einen Strich bei dem betreffenden Ampelbereich zu machen. Füllt das Blatt möglichst genau aus. Dabei kann es sein, dass Ihr bei einer Mahlzeit mehrere Striche machen müsst: Wenn Ihr z. B. zum Frühstück ein Vollkornbrot mit Magerquark und Marmelade esst und eine Apfelsaftschorle (Mischungsverhältnis 1/3 Saft und 2/3 Wasser) trinkt, dann macht Ihr für das Vollkornbrot einen Strich im grünen Ampelbereich, für den Magerquark macht Ihr noch einen Strich im grünen Ampelbereich, für die Marmelade macht Ihr einen Strich im gelben Ampelbereich und für die Apfelsaftschorle macht Ihr einen Strich im grünen Ampelbereich. Bei Bedarf können die Trainer weitere Beispiele bringen. In der 5. Zeile schreibt Ihr auf, wie viele Mahlzeiten Ihr an dem jeweiligen Tag gegessen habt. Am letzten Tag (kurz vor Kursbeginn) zählt Ihr die Striche der gesamten Woche zusammen und notiert das Ergebnis in der Spalte »gesamt«. In der Spalte »das war« sollt Ihr eintragen, wie zufrieden Ihr mit der Zahl der Striche für den betreffenden Ampelbereich seid. Malt dafür einen Smiley mit lachendem, griesgrämigem oder neutralem Gesicht. Die Spalte »Ziel« braucht Ihr diese Woche nicht auszufüllen.
9. Anti-Langeweile-Box
Essverhalten kann manchmal durch Langeweile ausgelöst werden. Die Nahrungsaufnahme hat kurzfristig positive Konsequenzen: Die Langeweile verschwindet für die Zeit des Essens, und es stellt sich ein wohliges Gefühl ein. Langeweile kann so im Laufe der Zeit zu einem Hinweisreiz für die Aufnahme größerer Mengen von Nahrung werden, insbesondere dann, wenn alternative Verhaltensweisen nicht zur Verfügung stehen. Längerfristig kann die Langeweile jedoch durch Essen nicht beseitigt werden, da nicht unbegrenzt Nahrung aufgenommen werden kann; außerdem stellt sich mit der Zeit ein Völlegefühl ein, das unter Umständen von einem schlechten Gewissen begleitet ist. Das resultierende schlechte Gefühl ist bei manchen Menschen wiederum Auslöser für Essverhalten, sodass ein Teufelskreis entsteht. Mit Hilfe des folgenden Trainingsbausteins sollen die Kinder lernen, durch Selbstverbalisation die Handlungskette zu unterbrechen und alternative Verhaltensweisen, die in einer Diskussionsrunde erarbeitet und in der Anti-Langeweile-Box gesammelt werden, zu erproben. Der Baustein beginnt mit einer kurzen Runde; jedes Kind soll sagen, wann ihm zum letzten Mal langweilig war. Anschließend wird darüber gesprochen, ob bzw. wie häufig die
99 Therapeutisches Vorgehen
Kinder in solchen Situationen etwas gegessen haben. Dabei können die Trainer nachfragen, ob sie hungrig waren, wie sie sich beim bzw. nach dem Essen gefühlt haben (positive und negative Emotionen) und ob alternative Verhaltensweisen ausprobiert worden sind. Die Kinder sollen erkennen, dass Langeweile häufig dazu führt, dass sie essen, ohne dass sie wirklich Hunger haben. Anschließend werden alternative Verhaltensweisen gesammelt. Dies können die Trainer z. B. folgendermaßen einleiten: Beispiel Wir alle haben manchmal Langeweile. So ziemlich jeder von Euch hat schon mal aus Langeweile gegessen, obwohl er gar keinen Hunger hatte. Das kann auch eine Zeit lang funktionieren. Wenn wir essen, sind wir beschäftigt, außerdem schmeckt es lecker. Aber irgendwann sind wir satt, manchmal sogar zu satt, müssen aufhören zu essen, haben vielleicht ein schlechtes Gewissen, und die Langeweile ist immer noch da. Essen ist hier also keine gute Lösung. Wer von Euch hat andere Ideen, was Ihr bei Langeweile tun könnt? Was macht Euch Spaß, das nicht mit Essen zu tun hat? Die Vorschläge der Kinder werden am Flipchart gesammelt. Die Trainer verteilen kleine Zettel und Pappboxen, sog. Anti-Langeweile-Boxen. Oben auf den Boxen ist ein Stoppschild aufgeklebt mit der Aufschrift: »Stopp, ich werde jetzt nichts essen, da ich nicht hungrig bin«. Jedes Kind soll aus den gesammelten Vorschlägen diejenigen Tätigkeiten, die ihm Spaß machen, auf die Zettel schreiben, die Zettel falten und in die Anti-Langeweile-Box legen. Immer dann, wenn die Kinder aus Langeweile essen wollen, sollen sie sich mittels geeigneter Selbstverbalisation stoppen, stattdessen einen Zettel aus der Box ziehen und die betreffende Tätigkeit ausführen. Anschließend soll der Zettel wieder zurück in die Box gelegt werden. Wir haben jetzt einige Beschäftigungsmöglichkeiten gesammelt. Überlegt Euch bitte einen Moment lang, welche dieser Tätigkeiten Euch Spaß machen. Die schreibt Ihr dann auf die kleinen Zettel, die ich gerade verteilt habe, auf jeden Zettel eine Tätigkeit. Faltet dann die Zettel und legt sie in das Pappkästchen. Dieses Pappkästchen ist ab jetzt Eure Anti-Langeweile-Box. Immer wenn Euch langweilig ist und Ihr darüber nachdenkt, etwas zu essen, obwohl Ihr gerade keinen Hunger habt, nehmt Ihr die Box und lest den Text auf dem Stoppschild. Dann zieht Ihr einen Zettel und macht, was darauf geschrieben steht. Anschließend legt Ihr den Zettel zurück in die Anti-Langeweile-Box. Ein Teil Eurer Hausaufgabe wird darin bestehen, dies in der nächsten Woche auszuprobieren.
10. Einführung des Streichholzspiels
Bei diesem Baustein geht es darum, den Süßigkeitenkonsum der Kinder zu erfassen.
100
Sitzung 2: Ernährungshaus, derzeitiges Essverhalten, alternative Verhaltensweisen
Beispiel Ich werde Euch jetzt ein Spiel erklären, das sog. Streichholzspiel. Das funktioniert so, dass Ihr als Hausaufgabe in der nächsten Woche für die Süßigkeiten, die Ihr gegessen habt, Streichhölzer sammelt. Ich teile jetzt an jeden von Euch eine Packung Streichhölzer und eine Tüte aus, in der Ihr die benötigten Streichhölzer sammeln könnt. In Eurer Trainingsmappe findet Ihr eine Liste, auf der Ihr erkennen könnt, wie vielen Streichhölzern bestimmte Süßigkeiten entsprechen. Wenn Ihr z. B. ein Stück Schokolade gegessen habt, legt Ihr ein Streichholz in die Tüte. Esst Ihr Süßigkeiten, die nicht auf der Liste stehen, schätzt Ihr die Streichholzmenge einfach ungefähr ab. Vielleicht hilft es Euch, wenn Ihr Euch überlegt, wie vielen Stücken Schokolade diese Süßigkeit entspricht. Versucht nicht, in der nächsten Woche besonders wenig Süßigkeiten zu essen. Es kommt nicht darauf an, möglichst wenig Streichhölzer zu sammeln, sondern wir wollen erstmal feststellen, wie viele Süßigkeiten Ihr in dieser Woche esst. Unten auf der Ampelkarte könnt Ihr am Ende der Woche eintragen, wie viele Streichhölzer Ihr verbraucht habt. Habt Ihr noch Fragen?
11. Bewegungsspiel: Zeitungsschlagen mit Namen
Ein Kind steht mit einer zusammengerollten und mit Klebeband fixierten Zeitung in der Mitte eines Stuhlkreises. Es bekommt vom Spielleiter einen Namen gesagt. Diesem Kind muss das Kind in der Mitte mit der Zeitung auf die Beine klopfen, bevor dieses einen neuen Namen sagt. Sagt ein Kind zu spät einen neuen Namen, muss es in die Mitte und das Kind aus der Mitte erhält den frei gewordenen Platz. Bevor dieses sich hinsetzt, muss es einen neuen Namen sagen. 12. Hausaufgaben
4 Ampelkarte, 4 weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (auf dem entsprechenden Arbeitsblatt protokollieren), 4 Sammeln von Streichhölzern für gegessene Süßigkeiten (ohne Mengenbegrenzung), 4 bei Langeweile die Anti-Langeweile-Box einsetzen. Die Trainer gehen mit den Kindern das Hausaufgabenblatt sowie die Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien (7 Anhang Sitzung 2) durch. 13. Wetterbericht und Rückmelderunde
In einer kurzen Abschlussrunde soll jedes Kind einen kurzen persönlichen Wetterbericht geben und sagen, was ihm an dieser Stunde gut bzw. weniger gut gefallen hat. 14. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
101 Mögliche Schwierigkeiten
Mögliche Schwierigkeiten Die Kinder behaupten, alles, was gut schmecke, mache auch dick
Bei der Einteilung der Nahrungsmittel in die 3 Etagen des Ernährungshauses stellt sich u. U. bei den Teilnehmern eine Unzufriedenheit darüber ein, dass »alles, was gut schmeckt auch dick macht (dem roten Bereicht zugeordnet ist)«. In der Tat bedeutet eine bewusste und gesunde Ernährung für Kinder, die es gewohnt sind, vorwiegend Fast-Food und Süßigkeiten zu essen, eine große Umstellung. Die Trainer sollten sehr deutlich machen, warum es von Vorteil ist, sich gesund zu ernähren und dass die Nahrungsmittel aus dem roten Bereich fortan nicht verboten sind. Sie sind zum Genießen da, während die Lebensmittel aus dem grünen Bereich zum Sattessen gedacht sind. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis auf das breite Nahrungsmittelangebot im grünen Ampelbereich, durch das gewährleistet ist, dass bei näherer Betrachtung jeder Teilnehmer einige gesunde Speisen nennen kann, die er gerne isst. Die Hausaufgaben wurden unvollständig oder gar nicht erledigt
Wurden die Hausaufgaben von einigen Kindern unvollständig oder gar nicht erledigt, sollten die Trainer genau nach den Gründen fragen. Manchmal liegt eine Unzufriedenheit mit den Therapiezielen oder ein Missverständnis darüber vor, wie diese zu erreichen sind. Es sollte in diesem Fall unbedingt noch einmal transparent gemacht werden, warum die gesteckten Ziele sinnvoll sind und welche Funktion den Hausaufgaben bei deren Erreichung zukommt. Außerdem sollten die Trainer mit den Kindern zusammen erarbeiten, was die vollständige Erledigung der Hausaufgaben in Zukunft erleichtern würde.
103
ANHANG SITZUNG 2
104
Anhang Sitzung 2
105 Anhang Sitzung 2
106
Anhang Sitzung 2
107 Anhang Sitzung 2
108
Anhang Sitzung 2
109 Anhang Sitzung 2
110
Anhang Sitzung 2
111 Anhang Sitzung 2
113
Sitzung 3: Essregeln, strukturierte Esstage Überblick > Ziele 4 Vermittlung der wichtigsten Essregeln und Förderung der Bereitschaft, diese auch anzuwenden 4 Förderung der Bereitschaft zu vollwertiger Ernährung und zur täglichen Einnahme von fünf Mahlzeiten 4 Förderung der Bereitschaft, sich selbst Beschränkungen aufzuerlegen und diese auch einzuhalten 4 Vermittlung flexibler Techniken der Essverhaltenskontrolle 4 Förderung der Kompetenz eigene Vorstellungen zu entwickeln, äußern und durchzusetzen bzw. gegebenenfalls Kompromisse einzugehen
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Stimmungsbarometer/Wetterbericht Bewegungsspiel: Rushhour in Tokio Extrinsische Verstärkung für Erledigung der Hausaufgaben Hausaufgabenbesprechung »Anti-Langeweile-Box« Informationsbaustein: Essregeln Strukturierte Esstage Besprechung und Erweiterung des Streichholzspiels Planung der Party Bewegungsspiel: Zublinzeln Hausaufgaben 4 Weiterhin 5-mal pro Woche Zusatzbewegung (protokollieren) 4 Ampelkarte 4 Einen strukturierten Esstag planen (aber noch nicht durchführen) 4 Streichholzspiel: Einhalten der festgelegten Anzahl von Streichhölzern 4 Blatt mit den Essregeln an dem Platz aufhängen, an dem am häufigsten gegessen wird 4 Versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln befolgt wurden (Smileys) 4 Materialien für die Party mitbringen 11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Vorbereitung und Materialien Trainingsmaterialien (Übersichtskalender zum Eintragen der zusätzlichen Bewegung, Ampelkarte, 2 Merkblätter »Essregeln«, Merkblatt »Regeln für die strukturierten Esstage«,
114
Sitzung 3:
Essregeln, strukturierte Esstage
Formular zur Planung eines strukturierten Esstags, Beispiel für einen strukturierten Esstag, Hausaufgabenblatt, Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien), Smileys, Aufkleber, Schlüsselanhänger, Stofftiere und Kinogutscheine als extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben, Flipchart, Streichhölzer, Tüten zum Sammeln der Streichhölzer, leere Streichholzschachteln.
Therapeutisches Vorgehen 1. Stimmungsbarometer/Wetterbericht 2. Bewegungsspiel: Rushhour in Tokio
Ein Kind steht in der Mitte eines Stuhlkreises und fordert durch die Vervollständigung des Satzes »Alle die ...« jeweils Kinder mit bestimmten Eigenschaften (z. B. braune Haare, schwarze Schuhe) auf, den Platz zu wechseln. Während dieser Zeit muss es versuchen, einen freien Platz zu ergattern, denn das Kind, das keinen Platz bekommt, muss in die Mitte. Bei dem Kommando »Rushhour in Tokio« müssen alle den Platz wechseln. 3. Extrinsische Verstärkung für Erledigung der Hausaufgaben
Die Kinder erhalten die Arbeitsblätter für diese Sitzung, die sie in ihre Mappe legen sollen. Die Trainer lassen sich die ausgefüllte Ampelkarte, die Übersichtskalender zum Eintragen der zusätzlichen Bewegung und die Tüten mit den gesammelten Streichhölzern zeigen, gehen die Blätter mit den einzelnen Kindern kurz durch und kleben die vereinbarte Anzahl von Smileys in die Bonuspunktlisten der Kinder. Sie besprechen mit jedem Kind die Ampelkarte und fragen, inwieweit es mit seinem Essverhalten in der vergangenen Woche und der Anzahl der Striche für die 3 Ampelbereiche zufrieden ist. Dies kann anhand einer visuellen Analogskala von 0 (gar nicht zufrieden) bis 10 (total zufrieden) geschehen, wobei anschließend gefragt werden sollte, was bis zur nächst höheren Zahl und bis zur 10 fehlen würde. Die geäußerten Ideen werden hinsichtlich ihrer Umsetzungsmöglichkeiten besprochen. Zusammen mit den Trainern legen die Kinder dann für jeden Ampelbereich eine Zielvorgabe für die kommende Woche fest und tragen diese in der Ampelkarte, die mit den Unterlagen für Sitzung 3 ausgeteilt wurde, ein. Auch der Protokollbogen für die Zusatzbewegung und evtl. diesbezügliche Probleme sollten kurz mit jedem Kind besprochen werden. Im Anschluss daran dürfen die Kinder Smileys gegen materielle Verstärker eintauschen. 4. Hausaufgabenbesprechung »Anti-Langeweile-Box«
Die Kinder sollen im Rahmen einer kurzen Runde berichten, ob sie die »Anti-LangeweileBox« verwendet haben, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben und welche Probleme sich möglicherweise ergeben haben. Sollten Schwierigkeiten aufgetreten sein, werden gemeinsam Lösungsmöglichkeiten gesammelt. Eventuell genannte Probleme und Lösungsvorschläge werden auf dem Flipchart festgehalten.
115 Therapeutisches Vorgehen
5. Informationsbaustein: Essregeln Beispiel In der letzten Sitzung ging es v. a. darum, welche Nahrungsmittel günstig, welche eher ungünstig sind und wie viel Ihr aus den 3 Bereichen des Ernährungshauses essen solltet, wenn Ihr Euch gesund und sinnvoll ernähren möchtet. Ihr habt also gelernt, was und wie viel man günstigerweise essen sollte. Heute geht es darum, wie Ihr esst. Sicher kennt Ihr schon einige Essregeln, wie z. B. langsam essen. Wem von Euch fallen weitere Regeln ein?
Die von den Kindern genannten Regeln werden am Flipchart gesammelt und ggf. von den Trainern ergänzt. Anschließend gehen die Trainer mit den Kindern das Blatt »Essregeln«, auf dem die wichtigsten Regeln zusammengefasst sind, durch. Die Kinder sollen in einer kurzen Runde überlegen, warum die einzelnen Regeln nützlich sind. Auf diese Weise soll die Motivation gefördert werden, diese in Zukunft einzuhalten. Dabei können die Trainer fragen, welche Kinder die jeweilige Regel bereits befolgen. Das Blatt »Essregeln« liegt den Trainingsmaterialien in 2-facher Ausführung bei. Das erste Blatt sollen die Kinder zu Hause an dem Platz, an dem sie am häufigsten essen, gut sichtbar aufhängen. Als Hausaufgabe sollen die Kinder versuchen, die Essregeln einzuhalten. Auf dem 2. Exemplar sollen die Kinder jeden Abend einschätzen, inwieweit sie die jeweiligen Regeln eingehalten haben, indem sie unter jeder Regel einen lachenden (Regel sehr gut und immer eingehalten), neutralen (Regel einigermaßen eingehalten) oder griesgrämigen (Regel nicht eingehalten) Smiley malen. 6. Strukturierte Esstage
Mit diesem Baustein sollen die Kinder bei der Umsetzung des bisher erworbenen Ernährungswissens unterstützt werden. Auf diese Weise soll das Gefühl der Selbstwirksamkeit verstärkt und die Selbstkontrolle der Nahrungsaufnahme sowie des Körpergewichts erhöht werden. Die Durchführung strukturierter Esstage gewährleistet eine sinnvolle Verteilung der Nahrungsaufnahme über den Tag und den Verzehr bestimmter, ernährungsphysiologisch günstiger Nahrungsmittel; durch die vorgegeben Regeln wird es für die Kinder leichter, das bisher erworbene Ernährungswissen umzusetzen. Da die Kinder ihre strukturierten Esstage selber planen können, haben sie die Möglichkeit, neben der Befolgung der aufgestellten Regeln auch ihre eigenen Bedürfnisse und Vorlieben zu berücksichtigen. Rigide Ernährungsvorschriften werden auf diese Weise vermieden zugunsten flexibler Ernährungsrichtlinien, die den Bedürfnissen der Kinder angepasst werden können. Die Regeln für die strukturierten Esstage, ein Beispielformular sowie ein Formular für die Planung eines strukturierten Esstags ist den zu Beginn der Sitzung ausgeteilten Trainingsmaterialien beigefügt (7 Anhang Sitzung 3).
116
Sitzung 3:
Essregeln, strukturierte Esstage
Beispiel Ihr habt jetzt schon viel über Ernährung gelernt. Ihr wisst, welche Nahrungsmittel gesund sind, und Ihr habt in dieser Sitzung erfahren, welche Essregeln es gibt, also wie man essen sollte. Einige von Euch halten sich schon ganz gut an die Essregeln und versuchen, hauptsächlich Nahrungsmittel aus dem grünen Ampelbereich zu essen. Ihr werdet aber vielleicht gemerkt haben, dass man an sehr viele Dinge denken muss, wenn man sich gesund ernähren möchte und dass das nicht immer ganz einfach ist. Wir haben uns etwas überlegt, das Euch dabei helfen könnte: sog. strukturierte Esstage. Diese Tage sehen so aus, dass Ihr Euch an bestimmte Regeln haltet, ansonsten aber selber entscheiden könnt, wie Ihr Euch ernähren wollt. Schlagt bitte das Blatt »Regeln für einen strukturierten Esstag« auf. Dort ist beschrieben, wie ein strukturierter Esstag aussieht. Ihr sollt am besten 5 kleine Mahlzeiten essen, die 3 Hauptmahlzeiten Frühstück, Mittagessen und Abendbrot sowie 2 Zwischenmahlzeiten, eine am Vormittag, eine am Nachmittag. Versucht die Mahlzeiten möglichst gleichmäßig über den Tag zu verteilen. Außerdem sollt Ihr darauf achten, dass Ihr an strukturierten Esstagen bestimmte Lebensmittel auf jeden Fall esst. Wer möchte vorlesen, welche Lebensmittel das sind? Als Hausaufgabe möchte ich Euch bitten, einen strukturierten Esstag zu planen (aber noch nicht durchzuführen). In Euren Trainingsmappen findet Ihr ein Blatt mit der Überschrift »Formular zur Planung eines strukturierten Esstages«. Dort tragt bitte ein, wie Ihr den strukturierten Esstag gestalten wollt. Ein Beispiel findet Ihr ebenfalls in Euren Trainingsmappen.
Die Kursleiter sprechen das Beispiel mit den Kindern durch. Sie sollen begründen, warum dort die Regeln für strukturierte Esstage erfüllt sind. 7. Besprechung und Erweiterung des Streichholzspiels
In einer kurzen Runde sollen die Kinder berichten, welche Erfahrungen sie in der vergangenen Woche mit dem Streichholzspiel gemacht haben. Folgende Fragen sind hierbei v. a. von Interesse: 4 Fiel es leicht oder schwer, Streichhölzer für gegessene Süßigkeiten zurückzulegen? 4 Gab es Probleme, wenn ja, welche? 4 Wie sind die Kinder mit der Süßigkeitenliste, mithilfe derer die Anzahl der zu sammelnden Streichhölzer ermittelt werden sollte, zurechtgekommen? 4 Waren die Kinder überrascht, wie viele (oder auch wie wenig) Streichhölzer zusammengekommen sind? Auch in der kommenden Woche sollen die Kinder Streichhölzer für gegessene Süßigkeiten sammeln. Jedes Kind weiß nun, wie viel Süßigkeiten es in etwa pro Woche isst. Es geht nicht darum, Süßigkeiten grundsätzlich zu verbieten, die Kinder sollen aber lernen, bewusster mit ihnen umzugehen und evtl. auf längere Sicht weniger davon zu essen.
117 Therapeutisches Vorgehen
Jedes Kind soll daher überlegen, wie viele Süßigkeiten es in der kommenden Woche essen möchte. Dabei sollen die Teilnehmer nicht versuchen, sich gegenseitig zu unterbieten und möglichst wenig Streichhölzer zu verbrauchen, sondern die Zahl der benötigten Streichhölzer möglichst realistisch festlegen. Das Ziel besteht darin, dass die Kinder lernen, sich selbst Grenzen zu setzen und diese auch einzuhalten. Der Zeitraum von einer Woche wurde bewusst gewählt und ist aus psychologischer Sicht sehr viel günstiger als die tageweise Zuteilung von Streichhölzern, da die Kinder auf diese Weise je nach Appetit und Bedürfnis an manchen Tagen mehr, an anderen dafür weniger Süßigkeiten essen können. So wird eine flexible Form der Verhaltenskontrolle (7 Abschn. 4.4) begünstigt. Beispiel Ihr wisst jetzt, wie viel Süßigkeiten Ihr in der vergangenen Woche gegessen habt. In der letzten Sitzung habt Ihr gelernt, dass Süßigkeiten dem roten Ampelbereich zugeordnet sind. Das bedeutet nicht, dass Ihr ganz auf sie verzichten sollt, es wäre nur günstig, wenn Ihr nicht so viel davon esst. Ich möchte Euch bitten, als Hausaufgabe noch einmal Streichhölzer für gegessene Süßigkeiten zu sammeln. Allerdings sollt Ihr die Menge an Streichhölzern, die Ihr in der nächsten Woche verbrauchen dürft, jetzt selbst festlegen. Ich möchte jeden von Euch bitten zu überlegen, wie viele Streichhölzer er in der kommenden Woche benötigt. Es kommt dabei nicht darauf an, wer am wenigsten Streichhölzer nimmt. Ihr sollt Euch nicht gegenseitig unterbieten, sondern jeder soll die Anzahl von Streichhölzern nehmen, die er für richtig hält. Es ist wichtiger, dass Ihr Euch an die von Euch festgelegte Menge haltet, als dass Ihr möglichst wenig Streichhölzer mitnehmt. Wenn Ihr Euch entschieden habt, könnt Ihr nach vorne kommen und die entsprechende Menge an Streichhölzern bei uns abholen. Wir geben jedem von Euch eine leere Streichholzschachtel mit, in die Ihr die Streichhölzer hineintun sollt. Außerdem bekommt Ihr wieder eine Tüte, in der Ihr die Streichhölzer für die Süßigkeiten, die Ihr gegessen habt, sammeln könnt. Tragt bitte die Zahl der Streichhölzer, die Ihr mitgenommen habt, unten auf der Ampelkarte in der Spalte »ich habe ___ Streichhölzer mitgenommen« ein. Am Ende der Woche notiert Ihr dann die Zahl der Streichhölzer, die Ihr tatsächlich verbraucht habt, in der Spalte »ich habe ___ Streichhölzer verbraucht«.
8. Planung der Party
Durch diesen Baustein sollen die Kinder lernen, eigene Vorstellungen zu entwickeln und zu äußern. Außerdem soll die Kompetenz gefördert werden, diese durchzusetzen oder, wenn erforderlich, einen Kompromiss zu finden. In der nächsten Sitzung ist eine Party geplant, bei deren Gestaltung die Kinder maßgeblich mit einbezogen werden. Sie sollen überlegen, welche Speisen und Getränke für das Buffet vorbereitet werden sollen. In einer Diskussionsrunde einigen sich die Kinder, wer was mitbringt und auch dafür verantwortlich ist, es dabeizuhaben. Die Kursleiter lassen den Kindern freie Hand bei der Auswahl der Lebensmittel. Die Ergebnisse der Diskussion werden am Flipchart festgehalten. Außerdem soll jedes Kind die Nahrungsmittel und Getränke, für die es verantwortlich ist, auf seinem Hausaufgabenblatt eintragen.
118
Sitzung 3:
Essregeln, strukturierte Esstage
9. Bewegungsspiel: Zublinzeln
Jeweils 2 Kinder bilden ein Team. Die Zweiergruppen bilden einen Kreis, und zwar so, dass jeweils ein Kind aus jedem Team vorne, das andere dahinter steht. Die Kinder, die hinten stehen, verschränken die Hände hinter dem Rücken. Ein Kind bleibt übrig. Es blinzelt einem der Kinder, die im Kreis vorne stehen, zu. Das Kind, das »angeblinzelt« wurde, muss versuchen, zu dem alleine stehenden Kind, das geblinzelt hat, hinzulaufen. Das Kind hinter ihm muss versuchen, dies zu verhindern, indem es probiert, seinen Vordermann festzuhalten. Gelingt dies nicht, muss das Kind, das jetzt alleine steht, ein anderes Kind anblinzeln. 10. Hausaufgaben
4 4 4 4 4
Weiterhin 5-mal pro Woche Zusatzbewegung (protokollieren), Ampelkarte, einen strukturierten Esstag planen (aber noch nicht durchführen), Streichholzspiel: Einhalten der festgelegten Anzahl von Streichhölzern, Blatt mit den Essregeln an dem Platz aufhängen, an dem am häufigsten gegessen wird, 4 versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln befolgt wurden (Smileys), 4 Materialien für die Party mitbringen. Die Kursleiter gehen das Hausaufgabenblatt und die Übersicht über die Materialien, die die Kinder zur nächsten Sitzung mitbringen sollen (7 Anhang Sitzung 3) mit den Kindern kurz durch. 11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Mögliche Schwierigkeiten Es werden Schwierigkeiten bei der Planung und Durchführung der strukturierten Esstage avisiert
Bei der Erläuterung der strukturierten Esstage wird von den Teilnehmern häufig der Einwand genannt, dass sie nicht im Voraus wissen, was ihre Mütter an den jeweiligen Tagen kochen werden. Dem kann entgegnet werden, dass die Eltern über die Kursinhalte, insbesondere über die strukturierten Esstage, informiert wurden und sich bereit erklärt haben, die Teilnehmer zu unterstützen. Somit besteht die Möglichkeit, sich bezüglich des Speiseplans mit den Müttern abzusprechen und ggf. die Bitte zu äußern, bestimmte Vorgaben zu erfüllen. Sollten dann bei der Durchführung der strukturierten Esstage doch geringfügige Änderungen eintreten (z. B. Nudeln statt Reis, Bohnen statt Erbsen), so ist dies von untergeordneter Rolle, solange die Grundidee der strukturierten Esstage erhalten bleibt und die Vorgaben erfüllt werden. Im Rahmen des Streichholzspiels bahnt sich eine Konkurrenzsituation an
Beim Streichholzspiel ist häufig die Situation gegeben, dass die Kinder versuchen, sich gegenseitig zu unterbieten. Ein Ansporn durch die Gruppensituation ist zwar durchaus wünschenswert, doch die Kinder sollten auf keinen Fall übertreiben. Eine zu starke Reglementierung des Süßigkeitenkonsums kann auf lange Sicht nicht aufrechterhalten werden
119 Mögliche Schwierigkeiten
und führt leicht zu Rückfällen in alte Verhaltensmuster. Das Ziel sollte somit darin bestehen, den Kindern einen adäquaten Umgang mit Süßigkeiten zu vermitteln. Die Trainer sollten unbedingt darauf hinweisen, dass es nicht darauf ankommt, wer die wenigsten Streichhölzer verbraucht, sondern dass jedes Kind die Streichholzmenge festlegt, die es für sich selber als sinnvoll erachtet.
121
ANHANG SITZUNG 3
122
Anhang Sitzung 3
123 Anhang Sitzung 3
124
Anhang Sitzung 3
125 Anhang Sitzung 3
126
Anhang Sitzung 3
127 Anhang Sitzung 3
128
Anhang Sitzung 3
129 Anhang Sitzung 3
130
Anhang Sitzung 3
131 Anhang Sitzung 3
133
Sitzung 4: Party, Sensibilisierung für interne Signale Überblick > Ziele 4 Kennenlernen gesunder Speisen und Getränke als Alternativen für sonst übliche »PartyVerpflegung« 4 Erkenntnis, dass auch gesunde Nahrungsmittel lecker schmecken können 4 Förderung der Gruppenkohäsion 4 Sensibilisierung für interne Signale von Hunger und Sättigung 4 Vermittlung flexibler Techniken der Essverhaltenskontrolle
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Stimmungsbarometer/Wetterbericht Bewegungsspiel: Obstsalat Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben Hausaufgabenbesprechung (Essregeln, strukturierte Esstage und Streichholzspiel) Gemeinsames Dekorieren des Raumes und Aufbau des Büfetts Vorstellung der »gesunden« Alternativen Gemeinsames Essen Hunger- und Sättigungssignale Bewegungsspiel: Fangen Hausaufgaben 5 Weiterhin 5-mal pro Woche Zusatzbewegung (protokollieren) 5 Ampelkarte 5 Den in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstag an einem beliebigen Tag in der kommenden Woche durchführen, auf dem entsprechenden Formular von Sitzung 3 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden 5 Einen weiteren strukturierten Esstag planen 5 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung 5 Versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln befolgt wurden (Smileys) 5 Versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten 11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
134
Sitzung 4:
Party, Sensibilisierung für interne Signale
Vorbereitung und Materialien Trainingsmaterialien (Übersichtskalender zum Eintragen der zusätzlichen Bewegung, Ampelkarte, Merkblatt »Essregeln«, Formular zur Planung eines strukturierten Esstags, Rezepte, Hausaufgaben-Blatt, Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien), Smileys, Aufkleber, Schlüsselanhänger, Stofftiere und Kinogutscheine als extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben, Flipchart, Streichhölzer, Tüten zum Sammeln der Streichhölzer, leere Streichholzschachteln, gesunde Alternativen für das Büfett, Geschirr, Luftballons, Luftschlangen.
Therapeutisches Vorgehen 1. Stimmungsbarometer/Wetterbericht 2. Bewegungsspiel: Obstsalat
Den Kindern werden paarweise Namen von Obstsorten zugeteilt. Die Kinder sitzen auf Stühlen im Kreis, ein Kind steht in der Mitte. Das Kind in der Mitte ruft eine Obstsorte auf. Die betreffenden Kinder müssen die Stühle tauschen, das Kind in der Mitte versucht, einen der beiden Plätze zu erwischen. Das Kind, das keinen Stuhl abbekommen hat, muss sich nun in die Mitte stellen und ruft dort wiederum eine Obstsorte auf. Ruft das Kind in der Mitte »Obstsalat«, müssen alle Kinder die Plätze tauschen. 3. Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben
Die Kinder erhalten die Arbeitsblätter für diese Sitzung, die sie in ihre Mappe legen sollen. Die Trainer lassen sich die Hausaufgaben (Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung, die Ampelkarte, das Formular mit den Essregeln, die Tüten mit den Streichhölzern, das Formular mit dem geplanten strukturierten Esstag, die Lebensmittel für die Party) zeigen, sprechen die Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung sowie die Ampelkarte (mit Zielvereinbarung für die kommende Woche) mit jedem Teilnehmer durch und kleben die entsprechende Anzahl von Smileys in die Bonuspunktlisten der Teilnehmer. Diese können anschließend Smileys gegen materielle Verstärker eintauschen. 4. Hausaufgabenbesprechung (Essregeln, strukturierte Esstage und Streichholzspiel)
Die Kinder sollten versuchen, die Essregeln eine Woche lang einzuhalten. Jedes Kind wird gefragt, ob und ggf. wie sich sein Essverhalten dadurch in der vergangenen Woche verändert hat. Außerdem sollen die Kinder über mögliche Schwierigkeiten bei der Einhaltung der Regeln berichten. Dabei interessiert v. a., welche Regeln besonders schwer bzw. besonders leicht einzuhalten waren. Sind Schwierigkeiten aufgetreten, werden Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Der Versuch, die Essregeln einzuhalten, wird auch in der kommenden Woche als Hausaufgabe beibehalten. Ein weiterer Teil der Hausaufgabe bestand darin, einen strukturierten Esstag zu planen. Die Trainer besprechen die entsprechenden Formulare mit jedem Kind einzeln gemäß den Vorgaben und unterbreiten ggf. Verbesserungsvorschläge. Die Kinder sollen den geplanten strukturierten Esstag an einem beliebigen Tag in der kommenden Woche durchführen und auf dem entsprechenden Formular von Sitzung 3 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden. Zur nächsten Sitzung soll wieder ein strukturierter Esstag geplant werden. Ein entsprechendes Formular liegt den Trainingsmappen bei.
135 Therapeutisches Vorgehen
Die Kinder sollten Streichhölzer für gegessene Süßigkeiten sammeln. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Streichhölzer war von den Kindern in der letzten Sitzung selbst bestimmt worden. Jedes Kind wird gefragt, ob es sich an die festgelegte Zahl gehalten hat und wie schwer oder leicht es ihm gefallen ist. Die Kinder sollen darüber nachdenken, ob sie in der kommenden Woche mehr, weniger oder genauso viele Streichhölzer benötigen wie in der letzten Woche. Jedes Kind legt die Anzahl seiner Streichhölzer für die kommende Woche fest und kann sie bei den Trainern abholen. 5. Gemeinsames Dekorieren des Raumes und Aufbau des Büfetts
Die Kinder packen die mitgebrachten Speisen und Getränke aus, bauen zusammen mit den Kursleitern das Büfett auf und decken den Tisch. Für die gemeinsame Dekoration des Raumes stellen die Trainer Luftschlangen und Luftballons bereit. 6. Vorstellung der »gesunden« Alternativen
Vor Kursbeginn haben die Trainer »gesunde« Alternativen für das Büfett vorbereitet (z. B. Obstfondue, Gurkenschlange, die Rezepte finden sich unter den Trainingsmaterialien). Die Kursleiter stellen die gesunden Alternativen unter Angabe der Zutaten kurz vor. 7. Gemeinsames Essen
Das Büfett wird eröffnet. Die Kinder und die Kursleiter sitzen gemeinsam am Tisch, essen und trinken und haben die Möglichkeit, sich dabei besser kennenzulernen. Ist die gemeinsame Mahlzeit beendet, stellen die Kinder das Geschirr zusammen und wischen den Tisch sauber. 8. Hunger- und Sättigungssignale
Durch diesen Baustein soll erreicht werden, dass die Kinder für interne Signale von Hunger und Sättigung sensibilisiert werden, d. h. sie sollen lernen, diese Signale besser wahrzunehmen und sie zu beachten. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil manche übergewichtige Kinder sich häufig an externalen Reizen (z. B. Verfügbarkeit von Nahrung, Sättigung, wenn der Teller leer gegessen ist) orientieren, und zum Teil sogar verlernt haben, Hunger- und Sättigungsgefühle wahrzunehmen. Zunächst werden Signale für Hunger und Sättigung gesammelt und schriftlich am Flipchart festgehalten. 4 Hungersignale sind z. B.: Magenknurren, Magendruck, Leeregefühl im Magen, Übelkeit, Denken an Essen, Träumen von Essen, Appetit, Speichelfluss (»das Wasser läuft im Mund zusammen«), Kopfschmerzen, Zittern, Schweißausbruch. 4 Sättigungssignale sind z. B.: Appetitverlust, Völlegefühl, Wärmegefühl im Magen, Geschwindigkeitsreduktion beim Essen (längeres Kauen, kleinere Bissen, geringere Bissenfrequenz). (Nach Waadt et al. 1992) Damit die Kinder in der Lage sind, Sättigungssignale zu bemerken, ist es wichtig, dass sie beim Essen nicht abgelenkt sind (z. B. dadurch, dass sie nebenbei noch etwas anderes tun). Die Kursleiter weisen die Kinder noch einmal auf die entsprechende Essregel hin. Als Hausaufgabe sollen die Teilnehmer versuchen, in der kommenden Woche auf Hunger- und Sättigungssignale zu achten und sich nach ihnen zu richten. Die Trainer können diesen Baustein folgendermaßen einleiten:
136
Sitzung 4:
Party, Sensibilisierung für interne Signale
Beispiel Wir haben gerade gemeinsam gegessen und getrunken. Seid Ihr alle satt geworden? Woran erkennt Ihr eigentlich, dass Ihr satt seid? Die Beiträge werden am Flipchart gesammelt. Und woran erkennt Ihr, dass Ihr Hunger habt? Die Beiträge werden am Flipchart gesammelt. Wie ist das, wenn Ihr zu Hause esst, merkt Ihr dann, wenn Ihr satt seid? Hört Ihr dann auf zu essen oder esst Ihr weiter? Die Kinder berichten über ihre Erfahrungen. Damit Ihr auch mitkriegt, ob Ihr satt seid oder ob Ihr noch Hunger habt, ist es wichtig, dass Ihr ganz in Ruhe esst und nichts nebenbei macht, wie z. B. lesen oder fernsehen. Vielleicht erinnert Ihr Euch, es gibt auch eine Essregel, nämlich die dritte, dass Ihr beim Essen nichts anderes machen sollt. Als Hausaufgabe bitte ich Euch zu versuchen, in der kommenden Woche auf Hungerund Sättigungssignale zu achten und Euch nach ihnen zu richten (hierzu haben wir auch eine neue Essregel formuliert): 4 Wenn Ihr merkt, dass Ihr hungrig seid, sollt Ihr etwas essen. 4 Wenn Ihr merkt, dass Ihr keinen Hunger mehr habt, dass Ihr also satt seid, dann hört auf zu essen, auch wenn Ihr noch etwas auf dem Teller habt. 4 Wenn Ihr nicht hungrig seid, dann esst auch nichts, auch nicht wenn Ihr gerade etwas Leckeres im Haus habt oder Euch langweilig ist (Ihr könntet dann Eure AntiLangeweile-Boxen einsetzen).
9. Bewegungsspiel: Fangen
Ein Kind, das sich freiwillig gemeldet hat, versucht, alle anderen Kinder zu fangen. Wurde ein Kind abgeschlagen, muss es so lange stehen bleiben, bis ein anderes Kind unter seinen Beinen durchgekrabbelt ist. Es wird ein Ort abgemacht, an dem sich die Kinder für 10 Sekunden ausruhen können und nicht gefangen werden dürfen. Als Variante kann auch vereinbart werden, dass diejenigen Kinder nicht gefangen werden dürfen, die einen Kranich nachahmen (dazu heben sie das Bein, fassen mit dem Arm von außen unter dem Knie durch und berühren ihre Nase). 10. Hausaufgaben
4 Weiterhin 5-mal pro Woche Zusatzbewegung (protokollieren), 4 den in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstag an einem beliebigen Tag in der kommenden Woche durchführen, auf dem entsprechenden Formular von Sitzung 3 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten befolgt wurden, 4 einen weiteren strukturierten Esstag planen, 4 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung, 4 versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln befolgt wurden (Smileys), 4 versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten.
137 Mögliche Schwierigkeiten
11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Mögliche Schwierigkeiten Einige Kinder können Hunger- und Sättigungssignale weder nennen noch erkennen
Die Nahrungsaufnahme Neugeborener wird in erster Linie durch interne Signale von Hunger und Sättigung gesteuert. Im Laufe der Entwicklung werden zunehmend auch Lernerfahrungen verhaltensbestimmend. Durch Konditionierung können sich Reaktionsbereitschaften herausbilden, die subjektives Erleben von Hunger und Sättigung nicht mehr nur an interne, sondern auch an externe Signale (z. B. Sättigung, wenn der Teller leer ist) bindet. Dies ist v. a. bei Menschen der Fall, die ihr Essverhalten in hohem Maße kognitiv kontrollieren. Auch Übergewichtige haben häufig Schwierigkeiten, interne Signale von Hunger und Sättigung adäquat wahrzunehmen, was durch ungünstige Essgewohnheiten, wie z. B. Ablenkung bei der Nahrungsaufnahme durch Fernsehen oder Lesen, zusätzlich begünstigt wird. Die Sensibilität für interne Signale muss in diesem Fall neu erworben werden. Das Sammeln von körperlichen Anzeichen für Hunger und Sättigung in der Gruppe sowie die bewusste Nahrungsaufnahme ohne Nebenbeschäftigungen können sich für diesen Lernprozess als förderlich erweisen.
139
ANHANG SITZUNG 4
140
Anhang Sitzung 4
141 Anhang Sitzung 4
142
Anhang Sitzung 4
143 Anhang Sitzung 4
144
Anhang Sitzung 4
145 Anhang Sitzung 4
146
Anhang Sitzung 4
147 Anhang Sitzung 4
148
Anhang Sitzung 4
149
Sitzung 5: Fettdetektiv, Neinsagespiel, bewusstes Genießen Überblick > Ziele 4 Förderung der Bereitschaft, sich selbst Beschränkungen aufzuerlegen und diese auch einzuhalten 4 Ausbau flexibler Techniken der Essverhaltenskontrolle 4 Vermittlung eines Überblicks über den Fettgehalt verschiedener Nahrungsmittel 4 Förderung der Bereitschaft und der Kompetenz, Nahrungsmittel freundlich aber bestimmt abzulehnen 4 Förderung der Fähigkeit, die Nahrungsaufnahme zu beenden, auch wenn das Gefühl besteht, man habe bereits zu viel gegessen, und nun sei alles egal 4 Förderung der Bereitschaft, bestimmte Nahrungsmittel nur in kleinen Mengen zu sich zu nehmen und diese ganz bewusst zu genießen
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Stimmungsbarometer/Wetterbericht Bewegungsspiel: Reise nach Jerusalem Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben Hausaufgabenbesprechung Fettdetektiv Zu viel gegessen – eh egal? Genießerspiel Neinsagespiel Bewegungsspiel: Krabben fangen Hausaufgaben 5 Weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (protokollieren) 5 Ampelkarte 5 2 strukturierte Esstage planen 5 Den in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstag an einem beliebigen Tag in der kommenden Woche durchführen, auf dem entsprechenden Formular von Sitzung 4 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden 5 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung 5 Versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln eingehalten wurden (Smileys); die Essregel, die bislang am seltensten befolgt wurde, kennzeichnen und mindestens 4-mal einzuhalten versuchen (lachender Smiley) 5 Versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten 11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
150
Sitzung 5:
Fettdetektiv, Neinsagespiel, bewusstes Genießen
Vorbereitung und Materialien Trainingsmaterialien (Übersichtskalender zum Eintragen der zusätzlichen Bewegung, Ampelkarte, Merkblatt »Essregeln«, 2 Formulare zur Planung strukturierter Esstage, Blatt »Der Fettdetektiv«, ein Schmierblatt, Merkblatt »Das Stoppschild«, Merkblatt »Das Neinsagespiel«, Hausaufgabenblatt, Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien), Smileys, Aufkleber, Schlüsselanhänger, Stofftiere und Kinogutscheine als extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben, Flipchart, Streichhölzer, Tüten zum Sammeln der Streichhölzer, leere Streichholzschachteln, Kassettenrekorder, Musikkassette, Löschblätter, Reagenzgläser, Öl, Nahrungsmittel für das Spiel »Fettdetektiv«, eine Tafel Schokolade.
Therapeutisches Vorgehen 1. Stimmungsbarometer/Wetterbericht 2. Bewegungsspiel: Reise nach Jerusalem
Es wird eine Reihe von Stühlen aufgestellt, wobei die Anzahl der Stühle um eins kleiner als die Anzahl der Kinder ist. Die Trainer lassen Musik laufen, und die Kinder gehen in einer Reihe hintereinander um die Stühle herum. Wird die Musik ausgeschaltet, versucht jedes Kind, sich auf einen Stuhl zu setzen. Das Kind, das keinen Stuhl abbekommt, scheidet aus. Anschließend wird ein Stuhl weggenommen und das Spiel so lange fortgeführt, bis nur noch ein Kind übrig ist. 3. Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben
Die Kinder erhalten die Arbeitsblätter für diese Sitzung, die sie in ihre Mappe legen sollen. Die Trainer lassen sich die Hausaufgaben (Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung, Ampelkarte, das Formular mit den Essregeln, die Tüten mit den Streichhölzern, das Formular mit dem geplanten strukturierten Esstag) zeigen, sprechen die Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung sowie die Ampelkarte (mit Zielvereinbarung für die kommende Woche) mit jedem Teilnehmer durch und kleben die entsprechende Anzahl von Smileys in die Bonuspunktlisten der Teilnehmer. Anschließend besteht die Möglichkeit, Smileys gegen materielle Verstärker einzutauschen. 4. Hausaufgabenbesprechung
Die Kinder sollten den in der vorletzten Woche geplanten strukturierten Esstag durchführen. Es wird kurz besprochen, ob es den Kindern gelungen ist, sich an die geplanten Abläufe zu halten, ob es ihnen schwer oder leicht gefallen ist und wo evtl. Probleme aufgetreten sind. Nennen die Kinder Probleme, wird über Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Die Trainer gehen anschließend mit jedem Kind den in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstag gemäß den Vorgaben durch und unterbreiten ggf. Verbesserungsvorschläge. Der strukturierte Esstag soll an einem beliebigen Tag in der kommenden Woche durchgeführt werden. Zur nächsten Sitzung sollen die Kinder 2 strukturierte Esstage planen. Entsprechende Formulare liegen den Trainingsmaterialien bei. Die Kinder sollten versuchen, sich an die Essregeln zu halten. Hier interessiert v. a., ob sich gegenüber der letzten Woche Veränderungen ergeben haben und welche Essregeln noch
151 Therapeutisches Vorgehen
gar nicht oder nur mit großen Problemen befolgt wurden. Die Kinder sollen überlegen, was die Einhaltung dieser Regeln erleichtern könnte. Zur nächsten Sitzung sollen die Kinder wieder versuchen die Essregeln einzuhalten. Dabei sollen sie schauen, welche der Regeln sie bisher noch am seltensten befolgt haben und probieren, sich in der kommenden Woche möglichst oft (mindestens 4-mal) an sie zu halten. Diese Regel ist auf dem Formular zu kennzeichnen. Ein weiterer Teil der Hausaufgabe bestand darin, auf Hunger- und Sättigungssignale zu achten und auf sie zu reagieren. Im Plenum wird darüber gesprochen, ob es den Kindern zu Hause gelungen ist, Hunger- und Sättigungsgefühle wahrzunehmen. Gab es dabei Probleme, wird herausgearbeitet, was der Erkennung dieser Signale möglicherweise im Wege gestanden haben könnte (z. B. Ablenkung). Anschließend wird besprochen, ob die Kinder die internen Signale auch beachtet haben. Zunächst sollen die Kinder berichten, welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben, die Mahlzeit bei Sättigung zu beenden. Die Trainer erfragen, welche Kinder bereits in der Vergangenheit auf Sättigungssignale reagiert haben und ob es Kinder gibt, für die diese Erfahrung gänzlich neu war. Außerdem wird darüber gesprochen, welche Probleme sich ergeben haben und wie sie gelöst werden können. Ein häufig genanntes Problem ist in diesem Zusammenhang, dass Kinder oft von ihren Eltern oder Verwandten gedrängt werden, den Teller leer zu essen oder einen Nachschlag zu nehmen. In dieser Sitzung wird hierzu ein eigener Trainingsbaustein durchgeführt, in dem die Kinder lernen, Nahrungsmittel höflich aber bestimmt abzulehnen. Im Anschluss daran wird besprochen, ob die Kinder es geschafft haben, nichts zu essen, wenn sie nicht hungrig waren und ob es ihnen gelungen ist, bei Langeweile alternative Verhaltensweisen zu finden (z. B. die Anti-Langeweile-Box einzusetzen). Auch in der kommenden Woche sollen die Kinder auf Hunger- und Sättigungssignale achten und sich nach ihnen richten. Die Teilnehmer sollen kurz berichten, welche Erfahrungen sie in der letzten Woche mit dem Streichholzspiel gemacht haben. Jedes Kind wird gefragt, ob es sich an die festgelegte Anzahl von Streichhölzern gehalten hat und ob es ihm schwer gefallen ist. Anschließend sollen die Kinder darüber nachdenken, ob sie mit der Menge der von ihnen gegessenen Süßigkeiten zufrieden sind oder ob sie die Anzahl der Streichhölzer für die kommende Woche verändern möchten. Jedes Kind legt die Zahl der benötigten Streichhölzer für die nächste Woche fest. Die Trainer verteilen Streichhölzer, Tüten und leere Streichholzschachteln an die Teilnehmer. 5. Fettdetektiv
Viele Kinder können den Fettgehalt – und damit auch die Energiedichte – verschiedener Nahrungsmittel nur schwer einschätzen. Durch diesen Baustein soll den Kindern ein Überblick über den Fettgehalt bestimmter Nahrungsmittel gegeben werden. Die Kinder werden daran erinnert, dass fettreiche Nahrungsmittel dem roten Ampelbereich zugeordnet sind und daher nur selten und in Maßen gegessen werden sollten. Zur Illustration erhält jedes Kind ein Löschblatt, auf das es jeweils einen kleinen Fett- und einen Wasserfleck machen soll. Während der Wasserfleck nach einiger Zeit trocknet, bleibt der Fettfleck bestehen. Dies ist der Grund, warum wir uns an manchen Nahrungsmitteln satt essen können, während bei fetthaltigen Speisen Vorsicht geboten ist: Das Fett bleibt! Die Kinder spielen nun Fettdetektiv, indem sie den Fettgehalt der folgenden Nahrungsmittel schätzen:
152
Sitzung 5:
Fettdetektiv, Neinsagespiel, bewusstes Genießen
Fettgehalt von Nahrungsmitteln 4 200 g Pommes Frites: 4 Bratwurst (1 Stück): 4 Salami (100 g): 4 Mettwurst (100 g): 4 Döner (290 g): 4 Big Mäc (210 g): 4 Chips (100 g): 4 1 Croissant: 4 Schokolade (1 Tafel, 100 g): 4 Kinderschokolade (1 Tafel, 100 g):
29 g Fett 46 g Fett ca. 45 g Fett ca. 60 g Fett 33,4 g Fett 25,2 g Fett 40 g Fett 26 g Fett 30 g Fett 34 g Fett
Die Nahrungsmittel werden der Reihe nach auf einem Tisch platziert. Die Teilnehmer nennen ihre Schätzungen und tragen sie auf dem Blatt »Der Fettdetektiv«, das den Trainingsmaterialien beiliegt, ein. Anschließend werden die richtigen Ergebnisse vorgestellt und durch Einfüllen von Öl in Reagenzgläser veranschaulicht. Die tatsächlichen Fettwerte werden ebenfalls auf dem Blatt »Der Fettdetektiv« notiert. Das Kind, das am besten geschätzt hat, wird als Fettdetektiv gekürt. 6. Zu viel gegessen – eh egal?
Viele Menschen, die ihre Nahrungsaufnahme streng reglementieren, kennen das Phänomen, dass sie sich zwar über längere Zeit ganz gut mit dem Essen zurückhalten können; ist aber die selbst auferlegte Diätgrenze einmal überschritten (und sei es nur, dass sie einen einzigen Keks zu viel gegessen haben), essen sie ungezügelt weiter und können gar nicht mehr aufhören, denn sie haben nun das Gefühl, jetzt sei sowieso alles egal. Während solcher Essanfälle werden häufig große Mengen von Nahrungsmitteln aus dem roten Ampelbereich verschlungen. Durch diesen Baustein soll die Kompetenz vermittelt werden, die Nahrungsaufnahme zu beenden, auch wenn das Gefühl besteht, schon zu viel gegessen zu haben und nun sei »eh alles egal«. Außerdem sollen die Kinder lernen, dass sie ihr Essverhalten nicht zügeln müssen, sondern dass sie bei Hunger ohne Angst um ihr Gewicht Nahrungsmittel aus dem grünen Ampelbereich und – wenn auch in Maßen – aus den andern beiden Ampelbereichen essen dürfen. Dies ist von besonderer Bedeutung, da durch ein solches spontanes Essverhalten Essanfälle vermieden werden, die letztlich zu einem Anstieg des Körpergewichts oder gar zu der Entwicklung einer Bulimie führen können. Beispiel Wer von Euch kennt folgende Situation: Ihr habt mehr gegessen, als Ihr eigentlich wolltet, konntet dann gar nicht mehr mit dem Essen aufhören und habt am Ende immer weiter gegessen, weil Ihr das Gefühl hattet, dass es jetzt sowieso völlig egal war?
Die Kinder berichten von ihren Erfahrungen, wobei die Trainer nachfragen, welche Nahrungsmittel die Kinder in diesen Situationen gegessen und wie sie sich dabei gefühlt haben. Erfahrungsgemäß werden in solchen Momenten Nahrungsmittel mit hoher Energiedichte
153 Therapeutisches Vorgehen
verzehrt (7 oben), wobei der Kontrollverlust als sehr belastend erlebt wird und mit einem schlechten Gewissen einhergeht. Es werden Ideen gesammelt und am Flipchart festgehalten, wie es in solchen Situationen besser gelingen könnte, die Nahrungsaufnahme zu beenden. Die Trainer können die Vorschläge der Teilnehmer ergänzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erarbeitung geeigneter Selbstverbalisationen, wie z. B.: »O.K., ich habe ein bisschen zu viel gegessen. Das ist nicht schlimm, ich brauche kein schlechtes Gewissen zu haben. Keiner kann sich beim Essen ständig kontrollieren.« Oder: »Auch wenn ich gerade etwas zu viel gegessen habe, lohnt es sich, jetzt aufzuhören«. In den Trainingsmappen der Kinder befindet sich ein Blatt mit der Überschrift »Das Stoppschild«. Jeder Teilnehmer soll in einer Stillarbeit auf einem Schmierblatt eine für ihn passende Selbstverbalisation vorformulieren, mit den Trainern, die währenddessen herumgehen, besprechen und diese dann auf das Blatt »Das Stoppschild« übertragen. Immer dann, wenn die Kinder Schwierigkeiten haben, eine Mahlzeit zu beenden, sollen sie ihre Selbstverbalisation einsetzen. Außerdem ist es wichtig, dass alternative Verhaltensweisen zur Verfügung stehen, dies ist durch die Anti-Langeweile-Box gegeben, die die Kinder in solchen Situationen benutzen sollen. Abschließend informieren die Trainer die Kinder darüber, dass spontanes Essverhalten das Ausbleiben solcher Essanfälle begünstigt. Beispiel Situationen, in denen jemand Schwierigkeiten hat, mit dem Essen aufzuhören und große Mengen von Nahrungsmitteln verschlingt, nennt man Essanfälle. Essanfälle bekommt man v. a. dann, wenn man gehungert hat oder wenn man sich bestimmte Nahrungsmittel, wie z. B. Schokolade ganz verboten hat. Es ist also ganz wichtig, dass Ihr etwas esst, wenn Ihr Hunger habt. Wenn Ihr Nahrungsmittel aus dem grünen Ampelbereich esst, braucht Ihr Euch um Euer Gewicht keine Sorgen zu machen, Ihr könnt immer davon essen, wenn Ihr hungrig seid. Selbstverständlich könnt Ihr auch Speisen aus den beiden anderen Ampelbereichen essen, achtet dann aber auf die richtigen Mengenverhältnisse.
7. Genießerspiel
Dieser Baustein schließt sich direkt an den vorherigen an. Viele Kinder haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie Süßigkeiten essen. Dieses unangenehme Gefühl kann wiederum zum Auslöser von Essverhalten werden, sodass ein Teufelskreis entsteht. Um dies zu vermeiden, sollen die Kinder lernen, bestimmte Nahrungsmittel ganz bewusst zu genießen, sodass bereits geringe Mengen ausreichend sind, bei deren Verzehr sie kein schlechtes Gewissen zu haben brauchen. Der Baustein beginnt mit einer kurzen Gruppendiskussion. Die Kinder sollen berichten, ob sie das Gefühl des schlechten Gewissens beim Verzehr von Süßigkeiten kennen. Anschließend leiten die Trainer das Genießerspiel ein.
154
Sitzung 5:
Fettdetektiv, Neinsagespiel, bewusstes Genießen
Beispiel Nahrungsmittel aus dem roten Bereich braucht Ihr Euch nicht ganz zu verbieten. Ihr braucht auch kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Ihr davon esst. Im Gegenteil: Wenn Ihr Hunger auf Süßigkeiten habt, dann könnt Ihr ruhig welche essen. Es ist aber wichtig, dass Ihr sie ganz intensiv genießt. Ihr werdet sehen, dass Ihr dann gar nicht so viel davon zu essen braucht. Es kommt also nicht darauf an, wie viel Ihr esst, sondern wie Ihr esst. Wenn Ihr Süßigkeiten intensiv in kleinen Mengen genießt, braucht Ihr kein schlechtes Gewissen zu haben. Wir wollen das jetzt zusammen ausprobieren. Jeder von Euch bekommt jetzt ein Stück Schokolade. Legt es zunächst auf Euren Handrücken – wie fühlt es sich auf Eurer Haut an? Streicht jetzt mit dem Finger drüber. Jetzt riecht daran. Leckt nun mit der Zunge einmal über das Stück Schokolade. Streicht jetzt mit dem Stück über Eure Lippen und legt es dann zurück auf den Handrücken. Leckt die Lippen mit der Zunge ab. Beißt nun ein kleines Eckchen von der Schokolade ab. An welcher Stelle im Mund ist es am angenehmsten? Rechts vorne im Mund, links vorne im Mund, rechts hinten im Mund, links hinten im Mund? Wenn das Stück alle ist, dann beißt noch ein kleines Eckchen von der Schokolade ab. Wie ist es vorne an der Zungenspitze, in der Mitte oder hinten auf der Zunge? Oder vielleicht unter der Zunge, an verschiedenen Stellen dort? Zwischen Unterlippe und Zähnen? Nehmt jetzt den Rest der Schokolade in den Mund und lutscht ihn langsam auf, probiert wieder aus, an welcher Stelle im Mund Ihr den Geschmack am intensivsten wahrnehmt.
Anschließend wird diskutiert, wie den Kindern das Genießerspiel gefallen hat, ob es ihnen schwer fiel, die Schokolade nicht gleich aufzuessen, ob sie den Geschmack durch das langsame Essen mehr genießen konnten und ob das Bedürfnis nach mehr aufgetreten ist. 8. Neinsagespiel
Durch diesen Baustein sollen die Kinder lernen, Speisen höflich aber bestimmt abzulehnen. Viele Kinder haben nämlich Probleme, ein Nahrungsangebot (z. B. von Freunden oder Verwandten) nicht anzunehmen, da sie negative soziale Reaktionen von ihrer Umwelt fürchten und niemanden beleidigen wollen. Dies führt dann häufig dazu, dass die Kinder in diesen Situationen essen, obwohl sie gar keinen Hunger haben. Zunächst sollen die Kinder Situationen nennen, in denen es ihnen nicht gelungen ist, ein Nahrungsangebot abzulehnen, anschließend wird das »Neinsagen« in Rollenspielen geübt. Günstige Verhaltensweisen werden am Flipchart gesammelt.
155 Therapeutisches Vorgehen
Beispiel Stellt Euch jetzt bitte folgende Situation vor: Jemand bietet Euch etwas zu Essen an. Obwohl Ihr eigentlich gar keinen Hunger hattet und überhaupt nichts essen wolltet, habt Ihr es dann angenommen und aufgegessen, damit der andere nicht sauer oder beleidigt ist. Wer hat so etwas schon erlebt? Die Kinder nennen Beispiele von Situationen, in denen sie bei solchen Anlässen »ja« statt »nein« gesagt haben. Ihr habt in der letzten Sitzung gelernt, dass es wichtig ist, auf seine inneren Signale von Hunger und Sättigung zu hören. Wenn Ihr also nicht hungrig seid, solltet Ihr auch nichts essen. Wenn Euch in einer solchen Situation jemand etwas zu Essen anbietet, könnt Ihr es ohne Bedenken ablehnen. Wenn Ihr das höflich tut, hat der andere keinen Grund, beleidigt zu sein. Wenn er es dann trotzdem ist, ist das nicht Eure Schuld. Ich möchte das »Neinsagen« jetzt mit Euch üben. Dazu brauche ich 2 Freiwillige. Bei Gruppen mit jüngeren Teilnehmern kann es sinnvoll sein, dass zu Orientierungszwecken zuerst die Trainer das Rollenspiel durchführen!
Die beiden Freiwilligen spielen eine entsprechende Alltagssituation nach. Anschließend wird besprochen, was derjenige, der die Speise ablehnen sollte, schon gut gemacht hat. Anschließend wird darüber diskutiert, worauf man beim Neinsagen achten sollte. Die Ergebnisse werden am Flipchart festgehalten. Eine Zusammenstellung günstiger Verhaltensweisen für solche Situationen findet sich auf dem Blatt »Das Neinsagespiel«, das den Trainingsmaterialien beigefügt ist (7 Anhang). Die Trainer gehen das Blatt mit den Kindern kurz durch. Die genannten Verhaltensweisen werden in weiteren Rollenspielen eingeübt, wobei jetzt die Trainer denjenigen spielen, der die Speisen anbietet. Dies hat den Vorteil, dass sie den Schwierigkeitsgrad den Kompetenzen der Kinder anpassen können. 9. Bewegungsspiel: Krabben fangen
Alle Kinder stützen sich rücklings wie in einer Brücke auf ihren Händen auf. Auf ein Startzeichen hin müssen die Kinder versuchen die anderen »Krabben« im Raum mit den Beinen zum Umkippen zu bringen. Wer das Gleichgewicht verliert und auf den Boden kippt, scheidet aus. 10. Hausaufgaben
4 4 4 4
Weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (protokollieren), Ampelkarte, 2 strukturierte Esstage planen, den in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstag an einem beliebigen Tag in der kommenden Woche durchführen, auf dem entsprechenden Formular von Sitzung 4 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden, 4 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung, 4 versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln eingehalten wurden (Smileys); die Essregel, die bislang am seltensten befolgt wurde, kennzeichnen und mindestens 4-mal einzuhalten versuchen (lachender Smiley), 4 versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten.
156
Sitzung 5:
Fettdetektiv, Neinsagespiel, bewusstes Genießen
11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Mögliche Schwierigkeiten Es werden keine passenden Selbstinstruktionen gefunden
Im Rahmen des Therapiebausteins »Zu viel gegessen – eh egal?« haben manche Kinder Probleme, eine geeignete Selbstinstruktion zu finden. Andere Teilnehmer haben die Schwierigkeit, sich nicht zwischen mehreren Varianten entscheiden zu können. Die Trainer sollten sie für ihr Engagement und ihre Kreativität loben, gleichzeitig aber betonen, dass es wichtig ist, sich für eine Selbstinstruktion zu entscheiden und diese in entsprechenden Situationen immer zu benutzen, sodass sie nach einiger Zeit automatisch aktiviert wird. Um den Kindern zu helfen, die geeignete Selbstinstruktion zu finden, können die Trainer fragen, ob sich die Kinder an Situationen erinnern können, in denen sie das Essen eingestellt haben, obwohl sich das »Eh-egal-Gefühl« bereits eingestellt hatte. Durch Exploration begleitender Gedanken und Gefühle können bereits angewandte Selbstinstruktionen aktiviert und genutzt werden. Gleichzeitig wird den Kindern das eigene Selbsthilfepotenzial vor Augen geführt. Ähnlich können die Trainer bei Teilnehmern vorgehen, denen zunächst erst gar keine Selbstinstruktion einfällt. Ein Teilnehmer kritisiert das Genießerspiel
Beim Genießerspiel sollten die Trainer auf den Einwand vorbereitet sein, das Geschmackserlebnis beim langsamen Auflutschen kleinerer Schokoladenkrümel sei in seiner Intensität mit dem Kauen ganzer Schokoladenstücke nicht vergleichbar. Sie könnten entgegnen, dass auch das Genießen trainiert werden kann. Wer bislang gewohnt war, Süßigkeiten »herunterzuschlingen« und womöglich noch andere Dinge nebenher zu tun, muss erst lernen, sich ganz auf den Geschmack zu konzentrieren und langsam zu essen. Im Laufe der Zeit wird sich dann das Geschmacksempfinden intensivieren, sodass bereits kleine Mengen an Süßigkeiten als ausreichend erlebt werden.
157
ANHANG SITZUNG 5
158
Anhang Sitzung 5
159 Anhang Sitzung 5
160
Anhang Sitzung 5
161 Anhang Sitzung 5
162
Anhang Sitzung 5
163 Anhang Sitzung 5
164
Anhang Sitzung 5
165 Anhang Sitzung 5
166
Anhang Sitzung 5
167 Anhang Sitzung 5
168
Anhang Sitzung 5
169 Anhang Sitzung 5
171
Sitzung 6: Zuckerdetektiv, Anti-Hänsel-Spiel Überblick > Ziele 4 Wiederholung des Ernährungswissens 4 Vermittlung eines Überblicks über den Zuckergehalt verschiedener Nahrungsmittel 4 Stärkung des Selbstbewusstseins durch Förderung der Kompetenz zum adäquaten Umgang mit Hänseleien
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Stimmungsbarometer/Wetterbericht Bewegungsspiel: Impuls weitergeben Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben Hausaufgabenbesprechung Wiederholungsspiel »Ernährungshaus« Zuckerdetektiv Anti-Hänsel-Spiel Symptom verkaufen Bewegungsspiel: Bodyguard Hausaufgaben 4 Weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (protokollieren) 4 Ampelkarte 4 3 strukturierte Esstage planen 4 Die beiden in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstage an 2 beliebigen Tagen in der kommenden Woche durchführen, auf den entsprechenden Formularen von Sitzung 5 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden 4 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung 4 Versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln eingehalten wurden (Smileys); eine Essregel, die noch Probleme macht (eine andere als in der letzten Woche), kennzeichnen und mindestens 4-mal einzuhalten versuchen (lachender Smiley) 4 Versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten 4 Werbesprüche sammeln (ggf. aus Illustrierten ausschneiden) und die betreffenden Produkte mitbringen 11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
172
Sitzung 6:
Zuckerdetektiv, Anti-Hänsel-Spiel
Vorbereitung und Materialien Trainingsmaterialien (Übersichtskalender zum Eintragen der zusätzlichen Bewegung, Ampelkarte, Merkblatt »Essregeln«, 3 Formulare zur Planung strukturierter Esstage, Blatt »Der Zuckerdetektiv«, Merkblatt »Umgang mit Hänseleien«, Hausaufgabenblatt, Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien), Smileys, Aufkleber, Schlüsselanhänger, Stofftiere und Kinogutscheine als extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben, 1 Würfelbecher, 1 Würfel, Flipchart, Klebepunkte, Streichhölzer, Tüten zum Sammeln der Streichhölzer, leere Streichholzschachteln, Blatt »Wiederholungsspiel: Das Ernährungshaus«, farbige Stempel oder Stifte (rot, gelb, grün), Nahrungsmittel für das Spiel »Zuckerdetektiv«, Zuckerstückchen, 1 Softball.
Therapeutisches Vorgehen 1. Stimmungsbarometer/Wetterbericht 2. Bewegungsspiel: Impuls weitergeben
Zwei gleichgroße Mannschaften sitzen hintereinander in 2 Stuhlreihen, die mit einem Abstand von etwa einem Meter nebeneinander stehen. Die Kinder fassen mit der rechten Hand die rechte Hand des Vordermanns und mit der linken Hand die linke Hand des Kindes, das hinter ihnen sitzt. Auf der Höhe der letzten Kinder in den beiden Stuhlreihen sitzt der Spielleiter. Würfelt dieser eine 1 oder 6, müssen die Kinder durch Händedruck das Signal in ihrer Mannschaft zum Vordermann weitergeben. Wenn das Signal bei dem 1. Kind in der Stuhlreihe ankommt, muss dieses schnell nach hinten zum Spielleiter laufen. Die Mannschaft des Kindes, welches als Erstes beim Spielleiter eintrifft, darf einen Platz nach vorne rutschen. Bei »Fehlalarm« müssen die Kinder in der Stuhlreihe jeweils einen Platz nach hinten aufrutschen. Die Mannschaft, bei der das Kind, welches zu Beginn des Spiels auf dem vorderen Platz gesessen hat, als Erstes wieder auf diesem Platz angekommen ist, hat gewonnen. 3. Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben
Die Kinder erhalten die Arbeitsblätter für diese Sitzung, die sie in ihre Mappe legen sollen. Die Trainer lassen sich die Hausaufgaben (Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung, das Formular mit den Essregeln, die Tüten mit den Streichhölzern, die beiden Formulare mit den geplanten strukturierten Esstagen) zeigen, sprechen die Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung sowie die Ampelkarte (mit Zielvereinbarung für die kommende Woche) mit jedem Teilnehmer kurz durch und kleben die entsprechende Anzahl von Smileys in die Bonuspunktlisten der Teilnehmer. Anschließend besteht die Möglichkeit, Smileys gegen materielle Verstärker einzutauschen. 4. Hausaufgabenbesprechung
Der in der vorletzten Woche geplante strukturierte Esstag sollte in der vergangenen Woche durchgeführt werden. In einer kurzen Runde haben die Kinder die Möglichkeit, ihre Erfahrungen auszutauschen, insbesondere, ob es ihnen gelungen ist bzw. wie schwer oder leicht es ihnen gefallen ist, sich an die Vorgaben zu halten, mit welchen Problemen sie zu kämpfen hatten usw. Anschließend gehen die Trainer die in der vergangenen Woche geplanten strukturierten Esstage mit jedem Kind einzeln gemäß den Vorgaben durch und unterbreiten ggf. Verbesserungsvorschläge. In der kommenden Woche sollen die Kinder die beiden geplanten
173 Therapeutisches Vorgehen
strukturierten Esstage an 2 beliebigen Tagen durchführen und 3 weitere strukturierte Esstage planen. Entsprechende Formulare liegen den Trainingsmaterialien für diese Sitzung bei. Anschließend sollen die Kinder berichten, ob sie die von ihnen festgelegte Streichholzmenge eingehalten haben, ob es ihnen schwer oder leicht fiel und welche Probleme aufgetreten sind. Anschließend legt jedes Kind die Anzahl seiner Streichhölzer für die kommende Woche fest und kann sie bei den Trainern abholen. Die Kinder diskutieren nun, welche Erfahrungen sie bei dem Versuch, die Essregeln einzuhalten, gemacht haben. Insbesondere interessiert hier, inwieweit sich das Essverhalten in den letzten Wochen verändert hat. Außerdem wird erfragt, welche Regeln den Kindern noch die meisten Probleme bereiten. Die Kinder sollen sagen, warum die Einhaltung dieser Regeln ihnen so schwer fällt und was ihnen deren Befolgung erleichtern könnte. Zum Schluss wird darüber gesprochen, ob die Kinder es geschafft haben, die Regel, die ihnen am meisten Schwierigkeiten bereitet hat, mindestens 4-mal zu beachten und welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben. Hierbei aufgetretene Probleme und Lösungsmöglichkeiten werden zusammengetragen. Zur nächsten Sitzung sollen die Kinder weiter versuchen, die Essregeln zu befolgen und sich eine andere Regel, die ihnen noch Probleme macht, aussuchen, diese kennzeichnen und mindestens 4-mal beachten. Der letzte Teil der Hausaufgabe bestand darin, Hunger- und Sättigungssignale zu beachten. Es wird kurz besprochen, wie die Kinder mit dieser Aufgabe klargekommen sind und ob sich gegenüber der vergangenen Woche Veränderungen ergeben haben, z. B. dergestalt, dass sie die internen Signale jetzt sensibler wahrnehmen oder besser in der Lage sind, sich nach ihnen zu richten. Eventuelle Probleme werden besprochen und Lösungsmöglichkeiten gesammelt. Auch in der kommenden Woche sollen die Kinder versuchen, Hunger- und Sättigungssignale zu beachten. 5. Wiederholungsspiel »Ernährungshaus«
Die Kinder teilen sich in 2 Mannschaften auf. Jede Mannschaft erhält eine Liste mit Nahrungsmitteln (7 Anhang) und 3 farbige Stempel oder Stifte (rot, gelb, grün). Mit Hilfe der Farben soll gekennzeichnet werden, welchem Ampelbereich die jeweiligen Nahrungsmittel zugeordnet sind. Die Kinder, die eine Mannschaft bilden, sollen bei der Lösungsfindung zusammenarbeiten. Anschließend werden die Lösungen vorgestellt und diskutiert. Für jede richtige Zuordnung gibt es einen Punkt, das Team mit den meisten Punkten hat gewonnen. 6. Zuckerdetektiv
Zuckerhaltige Speisen werden von den meisten Kindern gern gegessen. Allerdings ist häufig gar nicht bekannt, wie viel Zucker in bestimmten Nahrungsmitteln enthalten ist. Die Trainer sollten noch einmal darauf hinweisen, dass Nahrungsmittel mit hohem Zuckergehalt dem roten Ampelbereich zugeordnet sind, d. h. sie sollten nur in geringen Mengen gegessen werden. An dieser Stelle kann noch einmal an das Genießerspiel erinnert werden: Wer ein Stück Schokolade langsam und genussvoll verzehrt, kann auf diese Weise ein intensiveres Geschmackserlebnis erzielen als durch das unbedachte Herunterschlingen einer ganzen Tafel. Die Teilnehmer spielen jetzt Zuckerdetektiv, indem sie zu erraten versuchen, wie vielen Zuckerstücken der Zuckergehalt folgender Nahrungsmittel entspricht:
174
Sitzung 6:
Zuckerdetektiv, Anti-Hänsel-Spiel
Zuckergehalt von Nahrungsmitteln (in Würfelzuckerstückchen) 4 1 Schokokuss (20 g): 5 4 100 g Gummibärchen: 25 4 1 Liter Cola: 36 35 4 1 Liter Fruchtnektar (z. B. Aprikose): 4 1 Vanille-Milchshake (0,25 l): 11 4 1 Tafel Schokolade (100 g): 17 4 1 Tafel Kinderschokolade (100 g): 18 4 1 Schokoriegel (z. B. Mars, 67 g): 18 4 1 Glas Nutella (400 g): 75 4 1 Becher Monte Kinderjoghurt: 6 4 1 Becher Fruchtzwerge (50 g): 3 5 4 3 Esslöffel Ketchup (60 g):
Die Nahrungsmittel werden in einer Reihe aufgestellt. Jeder Teilnehmer nennt seine Schätzung und notiert sie auf dem Blatt »Der Zuckerdetektiv«, das den Trainingsmaterialien beiliegt. Anschließend werden die richtigen Ergebnisse vorgestellt und durch Aufeinanderstapeln der entsprechenden Anzahl von Zuckerstücken veranschaulicht. Die tatsächliche Anzahl von Zuckerstücken wird ebenfalls auf dem Blatt »Der Zuckerdetektiv« eintragen. Das Kind, das am besten geschätzt hat, wird als Zuckerdetektiv gekürt. 7. Anti-Hänsel-Spiel
So ziemlich jedes übergewichtige Kind kann Situationen nennen, in denen es schon einmal wegen seiner Figur gehänselt wurde. Durch diesen Baustein lernen die Kinder Techniken im Umgang mit Hänseleien, die sie anschließend in Rollenspielen erproben und einüben können. Zur Erleichterung des Einstiegs kann mit einer Geschichte begonnen werden, in der ein Kind gehänselt wird und nach anfänglichen Schwierigkeiten die Situation meistert. Ganz bewusst wurde als Grund für die Hänselei nicht Übergewicht gewählt. Auf diese Weise soll gezeigt werden, dass Kinder aus ganz unterschiedlichen Gründen geärgert oder ausgelacht werden können und dass nicht nur übergewichtige Kinder gehänselt werden. Beispiel Du bist in den Sommerferien mit Deiner Familie in eine neue Stadt gezogen. Heute Morgen ist der erste Tag in Deiner neuen Schule. Du sitzt mit Deiner Schwester beim Frühstück, und Ihr seid schon sehr neugierig, was Euch erwartet. Ihr habt aber auch ein bisschen Angst davor, gleich in Eure neuen Klassen zu gehen und fragt Euch, ob Eure Klassenkameraden nett sein werden. Es ist Zeit aufzubrechen, und Euer Vater bringt Euch zur Schule. Die Aufregung steigt, als Ihr aus dem Auto aussteigt und über den Schulhof geht. Du bist froh, dass Deine Schwester noch bei Dir ist. Jetzt betretet Ihr die Schule und geht durch den Flur. Ihr seht andere Kinder. Sie spielen miteinander und scheinen Euch gar nicht zu bemerken. Du fragst Dich, ob sie vielleicht in Deine Klasse gehen. Deine Aufregung steigt, Du merkst, wie Deine Knie anfangen zu zittern. Als es
6
175 Therapeutisches Vorgehen
klingelt, gehen alle in ihre Klassen. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Du Dich von Deiner Schwester trennen musst. Jetzt schlägt Dir Dein Herz bis zum Hals. Du versuchst tief durchzuatmen und gehst dann in Dein Klassenzimmer. Plötzlich zeigt ein Junge auf Dich und ruft: »Wie sieht denn die aus? Bei den Segelohren muss die aufpassen, dass sie beim Laufen nicht wegfliegt«. Die ganze Klasse lacht und macht sich über Dich lustig. Du kämpfst mit den Tränen und würdest am liebsten direkt wieder aus dem Klassenzimmer laufen. Dann nimmst Du all Deinen Mut zusammen, atmest tief durch, stellst Dich gerade hin und sagst mit fester Stimme: »Ja, ich habe Segelohren, aber wenigstens habe ich es nicht nötig, mich auf Kosten anderer lustig zu machen«. In der Klasse ist es plötzlich ganz still, dann fangen Deine Klassenkameraden zu lachen an, aber diesmal nicht über Dich, sondern über den Jungen, der Dich gehänselt hat. Der wird knallrot, und Du findest ganz schnell viele neue Freunde. Anschließend sollen die Teilnehmer über Situationen berichten, in denen sie von anderen Kindern geärgert worden sind. Erfahrungsgemäß kommen dabei vorwiegend Hänseleien wegen des Körpergewichts zur Sprache. Ist dies nicht der Fall, sollten die Trainer konkret danach fragen. In der Geschichte, die ich Euch gerade erzählt habe, wurde ein Mädchen wegen seiner Segelohren gehänselt. Hat jemand von Euch auch schon einmal eine Situation erlebt, in der er von anderen Kindern beschimpft, geärgert oder ausgelacht wurde? Die Kinder haben Gelegenheit, ihre Erfahrungen auszutauschen. Die Trainer stellen folgende Fragen: 4 Was ist genau passiert? 4 Wie hast Du Dich in dieser Situation verhalten? 4 Welche Konsequenzen hatte Deine Reaktion? 4 Wie hast Du Dich genau gefühlt? 4 Wer von Euch hat schon einmal Ähnliches erlebt? Wie Ihr seht, steht Ihr mit Euren Erfahrungen nicht allein da. So ziemlich jeder von Euch ist schon wegen seines Gewichts gehänselt worden. Aber wie Ihr gerade in der Geschichte gehört habt, werden auch Kinder, die kein Übergewicht haben, manchmal von anderen geärgert. Oft sind das Kinder mit irgendwelchen Auffälligkeiten, wie z. B. abstehende Ohren, Leberflecken oder bestimmte Art von Kleidung. Wenn man es aber darauf anlegt, kann man eigentlich bei jedem Menschen irgendetwas finden, mit dem man ihn ärgern kann. Warum glaubt Ihr, haben manche Kinder Spaß daran, andere zu hänseln?
Es folgt eine kurze Runde, in der unter Bezugnahme auf die eingangs erzählte Geschichte erarbeitet werden soll, dass Kinder andere hänseln, weil sie sich dadurch stärker fühlen und dass sie sich v. a. solche Kinder aussuchen, von denen sie glauben, dass sie sich nicht wehren können und dass sie sich über die Hänseleien ärgern werden. Im Anschluss daran wird in der Gruppe diskutiert, wie die Kinder reagieren können, wenn sie von anderen geärgert werden, und welche Möglichkeiten sie haben, sich zu wehren. Verschiedene Reaktionsmöglichkeiten werden gesammelt und dahingehend diskutiert, ob sie angemessen sind und die gewünschten Konsequenzen (nicht mehr gehänselt werden) nach sich ziehen. Die besten und wichtigsten Reaktionen werden am Flipchart gesammelt. Danach gehen die Trainer mit den Kindern das Blatt »Umgang mit Hänseleien«, das den Trainingsmaterialien beiliegt, durch. Dort sind noch einmal beispielhaft einige Reaktions-
176
Sitzung 6:
Zuckerdetektiv, Anti-Hänsel-Spiel
möglichkeiten zusammengefasst. Außerdem wurde auf dem Blatt Platz gelassen, wo jedes
Kind eigene Varianten, die ihm persönlich besonders liegen, notieren kann. In Rollenspielen sollen die erarbeiteten Verhaltensweisen ausprobiert und eingeübt werden (auch hier kann es bei Gruppen mit jüngeren Teilnehmern sinnvoll sein, dass zu Orientierungszwecken zuerst die Trainer das Rollenspiel durchführen). Das Kind, das gehänselt wird, hat dabei die Möglichkeit, durch Heben des rechten Arms das Rollenspiel zu unterbrechen und sich mit den anderen Kindern zu besprechen. Anschließend wird die betreffende Sequenz wiederholt. Die Trainer sollten dafür sorgen, dass derjenige, der gehänselt wird, die Situation am Ende erfolgreich meistert. Jedes Rollenspiel wird kurz nachbesprochen: 4 Wie hat sich der Gehänselte gewehrt? 4 Wie wirkungsvoll war seine Strategie? 4 Wie haben sich die Akteure gefühlt? 8. Symptom verkaufen
Durch den vorliegenden Therapiebaustein sollen die Kinder lernen, ihren Körper so zu akzeptieren, wie er im Moment ist: Wurden von der Umwelt bislang die negativen Seiten des Dickseins in den Vordergrund gestellt, so sollen die Kinder durch diese Übung spielerisch erfahren, dass es auch Vorteile haben kann, schwer zu sein. Beispiel Wenn Euch jemand fragen würde, welche Nachteile es hat, schwerer zu sein als andere, würde Euch bestimmt sofort eine ganze Menge einfallen. Vielleicht seid Ihr erstaunt, wenn wir Euch jetzt sagen, dass Dicksein auch Vorteile haben kann. Wir möchten gerne mit Euch ein Spiel spielen: Stellt Euch vor, Ihr seid Marktschreier und wollt Euer Übergewicht anpreisen. Ihr nennt die Vorteile, die es hat, dick zu sein, damit die anderen das Übergewicht auch kaufen, z. B.: »Meine Damen und Herren, kaufen Sie Gewicht, denn wenn dicke Leute Kleidung kaufen, bekommen sie mehr Stoff für ihr Geld«. Steht jetzt bitte der Reihe nach auf und preist weitere Vorteile des Schwerseins an.
Anschließend werden weitere Vorteile ergänzt (z. B. stärker sein, sich nicht so leicht wehtun, viel essen können, nicht so leicht frieren, nicht so schnell verhungern, nicht so leicht weggeweht werden können, manche Opernsänger sind dick, dicke Menschen sind gemütlicher usw.). 9. Bewegungsspiel: Bodyguard
Drei Kinder stehen in der Mitte eines Kreises. Die Außenstehenden Kinder müssen versuchen, eins der Kinder im Kreis, welches zuvor als »Very Important Person« (VIP) ernannt wurde, mit einem Softball abzuwerfen. Die beiden anderen Kinder im Kreis sind die »Bodyguards« der VIP und müssen versuchen diese vor dem Softball zu schützten. Wird die VIP getroffen, darf das Kind, welches getroffen hat, als VIP in die Mitte. 10. Hausaufgaben
4 Weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (protokollieren), 4 Ampelkarte, 4 3 strukturierte Esstage planen,
177 Mögliche Schwierigkeiten
4 die beiden in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstage an 2 beliebigen Tagen in der kommenden Woche durchführen, auf den entsprechenden Formularen von Sitzung 5 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden, 4 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung, 4 versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln eingehalten wurden (Smileys); eine Essregel, die noch Probleme macht (eine andere als in der letzten Woche), kennzeichnen und mindestens 4-mal einzuhalten versuchen (lachender Smiley), 4 versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten, 4 Werbesprüche sammeln (ggf. aus Illustrierten ausschneiden) und die betreffenden Produkte mitbringen. 11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Mögliche Schwierigkeiten Ein Kind stellt die strukturierten Esstage als eintönig dar
Häufig haben die Kinder Schwierigkeiten, die verschiedenen strukturierten Esstage abwechslungsreich zu gestalten und beklagen sich darüber, dass diese sich untereinander kaum unterscheiden. Die Trainer sollten, um dem zu entgegnen, die Teilnehmer bitten, möglichst viele Lebensmittel zu nennen, die den 4 Nahrungsmittelgruppen (Obst, Gemüse, Vollkornund Milchprodukte) zugeordnet werden können. Außerdem können sie die verschiedenen Zubereitungsformen für die genannten Speisen sammeln lassen, sodass deutlich wird, dass innerhalb der Vorgaben strukturierter Esstage genügend Variationsmöglichkeit besteht, um mehrere dieser Tage zu planen. Weitere Anregungen können die Kinder aus Kochbüchern erhalten. Den Kindern fallen keine Vorteile des Schwerseins ein
Beim Spiel »Symptom verkaufen« treten häufig Anfangsschwierigkeiten auf, die sich darin äußern, dass den Kindern keine Vorteile des Schwerseins einfallen. Die Trainer sollten in diesem Fall anfänglich Hilfestellungen geben. Sind erst einmal die ersten Vorteile genannt worden, fallen den Kindern erfahrungsgemäß weitere ein. Die Rollenspiele werden stark übertrieben
Beim Anti-Hänsel-Spiel kann es passieren, dass das hänselnde Kind stark übertreibt und dem »Gehänselten« kaum eine Chance lässt. Von der Möglichkeit, die Übung durch Handzeichen zu unterbrechen, wird im Eifer des Gefechts oft kein Gebrauch gemacht. Die Trainer sollten nicht zu früh eingreifen, um dem Kind, das den Gehänselten spielt, die Möglichkeit zu geben, die Situation alleine zu meistern. Ist aber abzusehen, dass dies nicht gelingt, ist das Rollenspiel sofort zu unterbrechen, um gemeinsam zu erarbeiten, wie sich das Kind, das gehänselt wurde, am besten wehren kann. Gegebenenfalls sollten die Trainer das hänselnde Kind bitten, es seinem Mitspieler nicht ganz so schwer zu machen.
179
ANHANG SITZUNG 6
180
Anhang Sitzung 6
181 Anhang Sitzung 6
182
Anhang Sitzung 6
Anhang Sitzung 6
183
184
Anhang Sitzung 6
185 Anhang Sitzung 6
186
Anhang Sitzung 6
187 Anhang Sitzung 6
188
Anhang Sitzung 6
189 Anhang Sitzung 6
190
Anhang Sitzung 6
191 Anhang Sitzung 6
193
Sitzung 7: Körperbezogene Übungen, Selbstwert und Umgang mit negativen Gefühlen Überblick > Ziele 4 Vermittlung eines positiven Körpergefühls 4 Erhöhung des Bewusstseins für die individuellen Auslöser der Nahrungsaufnahme 4 Aufbau alternativer Verhaltensweisen 4 Erarbeitung von Möglichkeiten des Umgangs mit negativen Gefühlszuständen 4 Förderung eines adäquaten Ärgerausdrucks 4 Steigerung des Selbstwertgefühls
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.
Stimmungsbarometer/Wetterbericht Bewegungsspiel: Zeitungsschlagen Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben Hausaufgabenbesprechung Schönwettermassage Gefühle und Essen Was verspricht die Werbung? Positive Eigenschaften Bewegungsspiel: Luftballon-Wettlauf Hausaufgaben 4 Weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (protokollieren) 4 Ampelkarte 4 3 strukturierte Esstage planen 4 Die 3 in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstage an 3 beliebigen Tagen in der kommenden Woche durchführen, auf den entsprechenden Formularen von Sitzung 6 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden 4 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung 4 Versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln eingehalten wurden (Smileys); eine Essregel, die noch Probleme macht (eine andere als in den letzten beiden Wochen), kennzeichnen und mindestens 4-mal einzuhalten versuchen (lachender Smiley) 4 Versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten 11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
194
Sitzung 7:
Körperbezogene Übungen, Selbstwert und Umgang mit negativen Gefühlen
Vorbereitung und Materialien Trainingsmaterialien (Übersichtskalender zum Eintragen der zusätzlichen Bewegung, Ampelkarte, Merkblatt »Essregeln«, 3 Formulare zur Planung strukturierter Esstage, Arbeitsblatt »Umgang mit Ärger«, Merkblatt »Umgang mit Ärger«, Arbeitsblatt »Eigenschaften von Personen« – »Meine Stärken«, Arbeitsblatt »Ich mag an ________ ...«, Hausaufgabenblatt, Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien), Smileys, Aufkleber, Schlüsselanhänger, Stofftiere und Kinogutscheine als extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben, Zeitung (fest zusammengerollt und mit Klebeband fixiert), Flipchart, Klebepunkte, Streichhölzer, Tüten zum Sammeln der Streichhölzer, leere Streichholzschachteln, Tennisbälle, Tesakrepp, Stifte, Luftballons, ausgeschnittene Werbesprüche und die betreffenden Produkte, DIN-A3-Blatt, Klebestift, Schere, Obst.
Therapeutisches Vorgehen 1. Stimmungsbarometer/Wetterbericht 2. Bewegungsspiel: Zeitungsschlagen
Die Kinder sitzen im Stuhlkreis, in der Mitte steht ein freier Stuhl. Ein Kind, das ebenfalls in der Mitte steht, beginnt und klopft mit einer mit Klebeband fixierten Zeitung einem Kind im Stuhlkreis auf dessen Bein. Anschließend legt es die Zeitung auf den Stuhl in der Mitte. Das Kind, das am Bein getroffen wurde, muss die Zeitung nehmen und versuchen, das Kind aus der Mitte mit der Zeitung zu treffen, bevor es sich auf den frei gewordenen Platz gesetzt hat. 3. Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben
Die Kinder erhalten die Arbeitsblätter für diese Sitzung, die sie in ihre Mappe legen sollen. Die Trainer lassen sich die Hausaufgaben (Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung, das Formular mit den Essregeln, die Tüten mit den Streichhölzern, die 3 Formulare mit den geplanten strukturierten Esstagen) zeigen, sprechen die Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung sowie die Ampelkarte (mit Zielvereinbarung für die kommende Woche) mit jedem Teilnehmer kurz durch und kleben die entsprechende Anzahl von Smileys in die Bonuspunktlisten der Teilnehmer. Anschließend besteht die Möglichkeit, Smileys gegen materielle Verstärker einzutauschen. 4. Hausaufgabenbesprechung
Die Trainer besprechen mit den Kindern die Hausaufgaben (Zusatzbewegung, Durchführung dreier strukturierter Esstage, Planung dreier weiterer Esstage, Streichholzspiel, Befolgung der Essregeln, Hunger- und Sättigungssignale wahrnehmen und beachten, 7 auch Sitzung 6). Die in der vergangenen Woche geplanten strukturierten Esstage sollen in der kommenden Woche an 3 beliebigen Tagen durchgeführt werden. Zur nächsten Sitzung sollen die Kinder 3 weitere strukturierte Esstage planen. Jedes Kind legt die benötigte Menge von Streichhölzern für die kommende Woche fest und holt sie bei den Trainern ab. Zum nächsten Treffen sollen die Kinder wieder versuchen, die Essregeln einzuhalten. Eine weitere Regel, die noch Probleme bereitet, soll gekennzeichnet und mindestens 4-mal einzuhalten versucht werden, sodass ein lachender Smiley vergeben werden kann. Außerdem sollen die Kinder weiter auf Hunger- und Sättigungssignale achten.
195 Therapeutisches Vorgehen
5. Schönwettermassage
Die Kinder bilden Paare. Jeweils einer der Partner steht mit leicht gebeugten Knien und beugt den Oberkörper nach vorne, sodass dieser entspannt hängt, der andere stellt sich dahinter. Die Trainer erzählen eine Geschichte, eine »Schönwettergeschichte«. Die Kinder, die hinten stehen, sollen das beschriebene Wetter auf dem Rücken des Partners mit Fingern, Handballen, Handkanten oder der gesamten Hand durch Klopfen oder Streichen in unterschiedlicher Intensität nachahmen. Haben manche Kinder Schwierigkeiten, das andere Kind anzufassen, kann stattdessen mit Tennisbällen massiert werden. Beispiel Es ist ein wunderbarer Frühlingstag, und Du hast Lust, zum Spielen aus dem Haus zu gehen. Vor Dir liegt eine wunderschöne Wiese, und Du legst Dich ins Gras, um den Tag zu genießen. Du spürst die Sonne auf Deinem Rücken. Noch sind die Strahlen ganz zart, sie bekommen immer mehr Kraft, und es ist richtig warm. Plötzlich zieht ein leichter Wind auf, der Dir über den Rücken streift. Kleine Wolken ziehen auf, der Wind wird stärker, einige Hagelkörner sind auch dabei. Die Wolken verziehen sich wieder, hier und da kommt sogar die Sonne schon wieder hervor. Jetzt strahlt sie wieder mit ganzer Kraft. Genieße noch einmal ihre Wärme. Langsam hast Du Lust aufzustehen und nach Hause zu gehen. Richte ganz langsam Deinen Oberkörper wieder auf.
Die Massage wird mit getauschten Rollen wiederholt. Anschließend wird in einer kurzen Runde besprochen, was den Kindern gefallen bzw. nicht gefallen hat. 6. Gefühle und Essen
Ungünstiges Essverhalten kann durch verschiedene Auslöser hervorgerufen werden, eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang negative Gefühlszustände. Die Rolle von Langeweile als Auslöser wurde bereits an früherer Stelle behandelt und alternative Verhaltensweisen erarbeitet; Übungen zum Selbstkonzept (Symptom verkaufen, Umgang mit Hänseleien, positive Eigenschaften etc.) sollen den Kindern helfen, ihren Körper besser akzeptieren zu lernen, u. a. um zu verhindern, dass Frustration über die eigene Figur zum Auslöser für die Nahrungsaufnahme wird. In diesem Baustein geht es um das Gefühl »Ärger«. Die Kinder nennen Situationen, in denen sie sich über andere geärgert haben. Möglichkeiten, mit dem Ärger umzugehen, werden erarbeitet, diskutiert und erprobt. Auf diese Weise sollen die Kinder lernen, Konflikte zufrieden stellend auszutragen und ihren Ärger adäquat auszudrücken, statt ihn »in sich rein zu fressen«. Zunächst überlegen die Kinder, worüber sie sich in der letzten Woche geärgert haben. Die Trainer greifen verschiedene Situationen auf, in denen die Kinder nicht in der Lage waren, ihren Ärger adäquat auszudrücken. Im Gegensatz zum Baustein »Umgang mit Hänseleien« soll es an dieser Stelle nicht um Situationen gehen, in denen die Kinder offenkundig und intentional geärgert wurden. Gesucht werden hier Situationen, in denen die Teilnehmer sich durch andere verletzt, nicht genug geachtet oder ungerecht behandelt gefühlt haben. Jedes Kind soll sich eine Situation, die es kürzlich erlebt hat und bei der es seinen Ärger nicht adäquat zum Ausdruck gebracht hat, vorstellen und auf dem Arbeitsblatt »Umgang mit Ärger« die folgenden Fragen schriftlich beantworten: 4 Über wen habe ich mich geärgert? 4 Worüber habe ich mich geärgert? 4 Was habe ich in dieser Situation gesagt oder getan, wie habe ich reagiert?
196
Sitzung 7:
Körperbezogene Übungen, Selbstwert und Umgang mit negativen Gefühlen
4 Was war die Folge meiner Reaktion? (Wie hat sich der andere verhalten, wie habe ich mich gefühlt?) 4 Was hätte ich eigentlich gerne gesagt oder getan, wie hätte ich gerne reagiert? 4 Warum habe ich anders reagiert als ich eigentlich wollte? Jedes Kind stellt seine Ergebnisse kurz vor; diese werden in der Gruppe diskutiert. Anschließend sollen die Kinder darüber diskutieren, worauf sie achten müssen, wenn sie ihren Ärger ausdrücken. Die wichtigsten Ergebnisse werden am Flipchart gesammelt. Die Trainer können die erarbeiteten Punkte noch einmal zusammenfassen und ggf. durch weitere Informationen ergänzen. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte könnte folgendermaßen aussehen: Beispiel Wenn Ihr Euch über jemanden geärgert habt, dann ist es wichtig, dass Ihr Euren Ärger auch zum Ausdruck bringt und ihn nicht hinunterschluckt. Oft hat es die Person, über die Ihr Euch geärgert habt, gar nicht so gemeint oder sie hat noch nicht einmal gemerkt, dass sie Euch verletzt hat. Es ist wichtig, dass sie weiß, dass Ihr Euch über sie geärgert habt und auch worüber Ihr Euch genau geärgert habt, damit sie sich in Zukunft anders verhalten kann. Aber auch, wenn jemand Euch wirklich ärgern wollte, ist es wichtig, dass Ihr Euch das nicht gefallen lasst. Wenn Ihr Euch nicht wehrt, wird diese Person vielleicht immer so weitermachen. Wenn Ihr Euren Ärger zum Ausdruck bringt, ist es wichtig, dass Ihr auf Folgendes achtet: Schaut die Person direkt an und sprecht mit fester Stimme. Bleibt auf jeden Fall höflich. Wenn Ihr unfreundlich werdet, könnt Ihr nicht erwarten, dass der andere bereit ist, vernünftig mit Euch zu sprechen. Ganz wichtig ist, dass Ihr das Wort »ich« benutzt, dass Ihr also über Euch und Eure Gefühle redet, z. B.: »Ich habe mich darüber geärgert, dass ...« oder »ich bin sehr verletzt, weil ...«. So könnt Ihr dem anderen mitteilen, wie sein Verhalten auf Euch gewirkt hat, ohne ihn direkt anzugreifen. Versucht dem anderen auf diese Weise klarzumachen, worüber Ihr Euch genau geärgert habt. Achtet außerdem darauf, dass Ihr immer direkte Beispiele nennt. Sagt z. B. nicht »Du hörst mir nie zu«, sondern z. B.: »Als wir neulich beim Abendessen gesessen haben und ich Dir von meiner Mathearbeit erzählen wollte, hat es mich sehr verletzt und geärgert, dass Du mir nicht zugehört hast«. Euer Gesprächspartner weiß dann besser, was Ihr meint und kann sich nicht so leicht rausreden.
Die Trainer gehen anschließend das Merkblatt »Umgang mit Ärger«, das den Trainingsmaterialien beiliegt, mit den Kindern durch. Dort findet sich eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte zu diesem Thema. Die Trainer greifen nun die Ergebnisse der Stillarbeit auf. Die Kinder haben die Möglichkeit, die betreffenden Situationen im Rollenspiel nachzustellen und sich so zu verhalten, wie sie es sich gewünscht hätten. Dabei sollen sie versuchen, das Gelernte (Blickkontakt, Ich-Botschaften etc.) anzuwenden. Die Rollenspiele werden in der Gruppe besprochen. Zunächst haben die Akteure die Möglichkeit anzumerken, was ihnen ihrer Meinung nach gut bzw. weniger gut gelungen ist. Die anderen Kinder sollen anschließend das Merkblatt »Umgang mit Ärger« als Checkliste verwenden und jeweils prüfen, welche der Punkte schon
197 Therapeutisches Vorgehen
beachtet wurden. Danach werden Verbesserungsvorschläge gesammelt, wobei es ggf. nützlich sein kann, konkrete Formulierungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Das betreffende Rollenspiel kann bei Bedarf noch einmal wiederholt werden. 7. Was verspricht die Werbung?
Während der typischen Kinderfernsehzeiten entfällt ein erheblicher Anteil der Sendezeit auf Lebensmittelwerbung. Beworben werden v. a. stark fett- und zuckerhaltige Nahrungsmittel, die angeblich – u. a. aufgrund von Vitamin- und Mineralstoffanreicherungen – besonders gesund sein sollen. Werbung ist wegen der markanten Slogans und der häufigen Wiederholungen sehr einprägsam: Bereits Vorschulkinder erkennen Werbebotschaften für bestimmte Nahrungsmittel wieder. Nach Kersting (2007) schätzt ein Drittel der Kinder und Jugendlichen stark beworbene Lebensmittel hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Wirkung eher positiv ein, unabhängig vom tatsächlichen ernährungsphysiologischen Wert. Durch diesen Baustein sollen die Kinder lernen, Werbebotschaften kritisch zu hinterfragen, und sie sollen für die Methoden der Werbung sensibilisiert werden. Die Teilnehmer sollten Werbesprüche für Lebensmittel sammeln, ausschneiden und das betreffende Produkt mitbringen. Auch die Trainer bereiten entsprechendes Material vor. Die Werbesprüche werden jeweils vorgelesen. Es wird herausgearbeitet, mit welchen »Tricks« wir dazu gebracht werden sollen, das Produkt zu kaufen und welche Botschaften uns vermittelt werden. Diese werden anschließend – ggf. unter Bezugnahme auf die Zutatenlisten auf den Verpackungen – kritisch hinterfragt. Es sollte z. B. besprochen werden, dass Süßigkeiten und Fast-Food-Produkte häufig von schlanken, erfolgreichen und augenscheinlich glücklichen Menschen beworben werden. Da man so sein möchte wie diese, möchte man auch die Lebensmittel aus der Werbung konsumieren, obwohl gar nicht klar ist, ob die Darsteller diese Lebensmittel auch im »richtigen Leben« essen. Außerdem sollte herausgearbeitet werden, dass nährstoffangereicherte Nahrungsmittel, die angeblich den Körper mit wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen versorgen, oft auch einen hohen Zucker- und/oder Fettgehalt aufweisen. Die Trainer sollten darauf hinweisen, dass zur Deckung des täglichen Bedarfs an diesen Stoffen andere Nahrungsmittel zur Verfügung stehen, die ernährungsphysiologisch günstiger sind. So sind z. B. vitaminhaltige Bonbons in erster Linie eine Süßigkeit; die betreffenden Vitamine sind auch in Obst und Gemüse enthalten. Aus den Werbesprüchen wird auf einem DIN-A3-Blatt, das die Trainer im Raum aufhängen, eine Collage erstellt. Im Anschluss daran werden die Werbesprüche in so genannte Antiwerbesprüche umgewandelt (z. B. »XY macht Kindern einen dicken Po und Erwachsenen ebenso«), die aufgeschrieben und ausgeschnitten werden. Die Werbesprüche auf der Collage werden nach und nach mit den entsprechenden Antiwerbesprüchen überklebt. Abschließend dürfen die Teilnehmer die mitgebrachten Lebensmittel gegen Obst eintauschen. 8. Positive Eigenschaften
Viele übergewichtige Kinder werden zu Hause und in der Schule häufig wegen ihrer Figur kritisiert, was dazu führen kann, dass sie sich öfter als andere Kinder mit ihrem Gewicht beschäftigen und z. T. ihr Selbstwertgefühl ausschließlich aus diesem ableiten. Manchmal geht dies sogar so weit, dass diese Kinder glauben, als Mensch nichts wert zu sein und abgelehnt zu werden, weil sie dick sind. Da eine Gewichtsreduktion, wenn überhaupt, nur langfristig zu erreichen ist, ist es dringend erforderlich, dass die Kinder lernen, ihren Körper zunächst so wie er ist zu akzeptieren und ihre eigenen Stärken zu erkennen. Dies fällt vielen Übergewichtigen schwer, da sie sich bislang »auf ganzer Linie« (im wahrsten Sinne des Wortes) abgelehnt haben.
198
Sitzung 7:
Körperbezogene Übungen, Selbstwert und Umgang mit negativen Gefühlen
Um den Einstieg zu erleichtern, sollen die Kinder sich zunächst eine Person (z. B. einen Freund) vorstellen, die sie gerne mögen und aufzählen, was sie an dieser Person schätzen und was ihnen an ihr nicht gefällt. Beispiel Bei der nächsten Übung geht es um Eigenschaften von Personen. Es gibt Menschen, die wir mögen, und es gibt welche, die wir nicht so gerne haben. Keine Person hat jedoch nur gute oder schlechte Seiten. Ich möchte Euch bitten, dass jeder von Euch sich eine Person vorstellt, die er gut kennt und die er gerne mag. Das kann z. B. ein Freund von Euch sein. Nehmt jetzt bitte das Arbeitsblatt »Eigenschaften von Personen« aus Euren Trainingsmappen und tragt ein, was Ihr an dieser Person mögt und was Ihr an ihr nicht mögt. Die Ergebnisse werden in der Gruppe besprochen. Eigenschaften, die eine Person auszeichnen, werden gesammelt. Dabei betonen die Trainer, dass das Körpergewicht, wenn überhaupt, nur ein Aspekt ist, nach dem eine Person beurteilt wird. Die Kinder sollen lernen, dass das Körpergewicht nur eine von vielen Eigenschaften ist, die einen Menschen ausmachen und wenig damit zu tun hat, ob sie als Person anerkannt werden oder nicht. Wir haben gerade herausgefunden, dass jede Person Eigenschaften hat, die wir mögen und solche, die wir nicht mögen, egal ob sie dick oder dünn ist. Das Körpergewicht ist nur eine Eigenschaft von vielen, die einen Menschen auszeichnen, und hat wenig damit zu tun, ob Ihr von anderen gemocht werdet. Viel wichtiger sind Eure menschlichen Eigenschaften, also Euer Charakter. Der nächste Schritt besteht darin, dass die Kinder versuchen, eigene Stärken zu nennen. Ich möchte Euch jetzt bitten darüber nachzudenken, was Ihr an Euch mögt. Das können Eigenschaften oder auch Äußerlichkeiten (z. B. Hände, Augen, Haare) sein. Jeder von Euch trägt bitte fünf Dinge auf dem Blatt »Meine Stärken« ein.
Die Trainer gehen währenddessen herum und helfen, wenn Schwierigkeiten auftreten. Jedes Kind liest die Punkte, die es aufgeschrieben hat, vor. Anschließend kleben die Trainer jedem Kind mit Tesakrepp einen Zettel mit der Überschrift »Ich mag an ____________, dass er/sie ...« (7 Trainingsmaterialien) auf den Rücken. Die Kinder gehen im Raum herum und schreiben auf die Zettel, was sie an dem betreffenden Kind mögen. Jedes Kind liest vor, was die anderen auf seinem Zettel notiert haben und ergänzt die Eigenschaften, die es selber über sich aufgeschrieben hat. Zur Nachbesprechung der Übung stellen die Trainer folgende Fragen: 4 Ist es Euch schwer gefallen, Dinge aufzuschreiben, die Ihr an Euch mögt? 4 Wie leicht oder schwer war es, den anderen Kindern ein Kompliment zu machen? 4 Wie war es, von anderen Kindern Komplimente zu bekommen? 4 Stimmen die Komplimente, die Ihr von den anderen Kindern bekommen habt mit Eurem Bild von Euch selbst überein?
199 Mögliche Schwierigkeiten
9. Bewegungsspiel: Luftballon-Wettlauf
Es werden 2 Mannschaften gebildet. Immer 2 Kinder aus einem Team klemmen einen Luftballon zwischen ihren Köpfen ein und laufen so bis zu einem festgelegten Punkt im Raum und wieder zurück zu ihrer Mannschaft. Dort geben sie den Ballon an die beiden nächsten Läufer ab, die nun wiederum bis zu dem vereinbarten Punkt und zurück rennen. Fällt der Luftballon auf den Boden, muss erst bis fünf gezählt werden, bevor weitergelaufen werden darf. Das schnellere Team gewinnt. 10. Hausaufgaben
4 4 4 4
Weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (protokollieren), Ampelkarte, 3 strukturierte Esstage planen, die 3 in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstage an 3 beliebigen Tagen in der kommenden Woche durchführen, auf den entsprechenden Formularen von Sitzung 6 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden, 4 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung, 4 versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln eingehalten wurden (Smileys); eine Essregel, die noch Probleme macht (eine andere als in den letzten beiden Wochen), kennzeichnen und mindestens 4-mal einzuhalten versuchen (lachender Smiley), 4 versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten. 11. Wetterbericht und Rückmelderunde 12. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Mögliche Schwierigkeiten Die Teilnehmer verwechseln adäquaten Ärgerausdruck mit aggressiver Durchsetzung
Werden die Kinder gefragt, wie sie sich in Situationen, in denen sie ihren Ärger nicht adäquat zum Ausdruck gebracht haben, im Nachhinein am liebsten verhalten hätten, nennen sie häufig aggressive Reaktionen, wie z. B. Beschimpfungen oder sogar körperliche Gewalt. Die Trainer sollten in diesem Fall mit der Gruppe herausarbeiten, welche langfristigen Folgen eine solche Reaktion hätte, alternative Verhaltensweisen sammeln und deren mögliche Konsequenzen diskutieren. Außerdem sollten sie darauf hinweisen, dass es zwar Situationen gibt, in denen es von Vorteil sein kann, sich auch mal aggressiv durchzusetzen, wie es teilweise bei der Übung »Umgang mit Hänseleien« der Fall war. Hier gehe es dagegen um Situationen, in denen der Ärger über andere Personen daraus resultiere, dass diese – womöglich ohne dies zu merken – die Kinder verletzt hätten. Eine adäquate Reaktion bestände in diesem Fall darin, dass die Teilnehmer über ihre Gefühle sprechen. Die Kinder haben Schwierigkeiten, eigene positive Eigenschaften zu nennen
Erfahrungsgemäß fällt es den Teilnehmern schwer, etwas Positives über sich selbst zu schreiben. Umso wichtiger ist es, dass die Trainer die Kinder ermutigen, über die eigenen Stärken nachzudenken. Unsere Gesellschaft ist so ausgelegt, dass wir uns häufig selber kritisieren, während das Herausstellen eigener Kompetenzen als verpönt gilt (Eigenlob stinkt). Diese Einstellung prägt unser Denken dahingehend, dass wir große Schwierigkeiten haben, eigene
200
Sitzung 7:
Körperbezogene Übungen, Selbstwert und Umgang mit negativen Gefühlen
Stärken zu benennen. Aus diesem Grunde kommt der vorliegenden Übung eine besonders große Bedeutung zu. Hat ein Teilnehmer Schwierigkeiten, positive Eigenschaften bei sich selbst zu finden, können die Trainer diesen bitten, sich eine Person vorzustellen, die ihn mag und darüber nachzudenken, wie diese Person ihn beschreiben würde.
201
ANHANG SITZUNG 7
202
Anhang Sitzung 7
203 Anhang Sitzung 7
204
Anhang Sitzung 7
205 Anhang Sitzung 7
206
Anhang Sitzung 7
207 Anhang Sitzung 7
208
Anhang Sitzung 7
209 Anhang Sitzung 7
210
Anhang Sitzung 7
211 Anhang Sitzung 7
212
Anhang Sitzung 7
213 Anhang Sitzung 7
214
Anhang Sitzung 7
215
Sitzung 8: Wiederholung, bilanzierender Rückblick und Rückfallprophylaxe Überblick > Ziele 4 Einholen von Rückmeldungen über den Kurs 4 Wiederholung der vermittelten Lerninhalte 4 Bereitstellung eines »Notfallkoffers« für evtl. Rückschläge
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Stimmungsbarometer/Wetterbericht Bewegungsspiel: Meine Tante aus Amerika Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben Hausaufgabenbesprechung Wiederholungsspiel Ausführliche Rückmelderunde Der »Notfallkoffer« (Rückfallprophylaxe) Bewegungsspiel: Eierlaufen Hausaufgaben 4 Weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (protokollieren) 4 Ampelkarte 4 3 strukturierte Esstage planen 4 Die 3 in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstage an 3 beliebigen Tagen in der kommenden Woche durchführen, auf den entsprechenden Formularen von Sitzung 7 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden 4 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung 4 Versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln eingehalten wurden (Smileys); eine Essregel, die noch Probleme macht (eine andere als in den letzten beiden Wochen), kennzeichnen und mindestens 4-mal einzuhalten versuchen (lachender Smiley) 4 Versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten 10. Wetterbericht und Rückmelderunde 11. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
Vorbereitung und Materialien Trainingsmaterialien (Evaluationsbogen, Übersichtskalender zum Eintragen der zusätzlichen Bewegung, Ampelkarte, Merkblatt »Essregeln«, 3 Formulare zur Planung strukturierter Esstage, Arbeitsblätter »Der Notfallkoffer«, Hausaufgabenblatt, Übersicht über die zur nächsten Sitzung mitzubringenden Materialien), Smileys, Aufkleber, Schlüsselanhänger,
216
Sitzung 8:
Wiederholung, bilanzierender Rückblick und Rückfallprophylaxe
Stofftiere und Kinogutscheine als extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben, Flipchart, Klebepunkte, Streichhölzer, Tüten zum Sammeln der Streichhölzer, leere Streichholzschachteln, Stifte, Löffel, kleine Bälle.
Therapeutisches Vorgehen 1. Stimmungsbarometer/Wetterbericht 2. Bewegungsspiel: Meine Tante aus Amerika
Die Kinder sitzen im Kreis. Ein Mitspieler beginnt, indem er sagt: »Meine Tante ist aus Amerika zurückgekommen«. Die anderen Teilnehmer fragen: »Und was hat sie mitgebracht?« Der Spieler nennt nun irgendeinen Gegenstand (z. B. einen Schaukelstuhl) und macht eine passende Bewegung (z. B. hin- und herschaukeln), die die anderen Kinder nachmachen. Nun kommt die Reihe nach und nach an die anderen Kinder. Alles läuft genauso ab wie beim ersten Mal, wobei jeder Teilnehmer zunächst der Reihe nach die Gegenstände wiederholt, die die anderen Spieler genannt haben (mit Bewegungen, die von allen Kindern mitgemacht werden), bevor es seinerseits einen Gegenstand nennt und eine Bewegung präsentiert. Das Spiel ist beendet, wenn jeder Spieler an der Reihe war. 3. Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben
Die Kinder erhalten die Arbeitsblätter für diese Sitzung, die sie in ihre Mappe legen sollen. Die Trainer lassen sich die Hausaufgaben (Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung, das Formular mit den Essregeln, die Tüten mit den Streichhölzern, die 3 Formulare mit den geplanten strukturierten Esstagen) zeigen, sprechen die Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung sowie die Ampelkarte (mit Zielvereinbarung für die kommende Woche) mit jedem Teilnehmer kurz durch und kleben die entsprechende Anzahl von Smileys in die Bonuspunktlisten der Teilnehmer. Anschließend besteht die Möglichkeit, Smileys gegen materielle Verstärker einzutauschen. 4. Hausaufgabenbesprechung
Die Besprechung der Hausaufgaben (Zusatzbewegung, Ampelkarte, Durchführung dreier strukturierter Esstage, Planung dreier weiterer Esstage, Streichholzspiel, Befolgung der Essregeln, Hunger- und Sättigungssignale wahrnehmen und beachten) erfolgt wie in den vorherigen Sitzungen. Die Kinder bekommen die Aufgabe, die in der vergangenen Woche geplanten strukturierten Esstage in der kommenden Woche an 3 beliebigen Tagen durchzuführen und auf den entsprechenden Formularen von Sitzung 7 einzutragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden. Zur nächsten Sitzung sollen die Kinder 3 weitere strukturierte Esstage planen. Jedes Kind legt die benötigte Menge von Streichhölzern für die kommende Woche fest und holt sie bei den Trainern ab. Zur nächsten Sitzung sollen die Kinder weiter versuchen, die Essregeln zu befolgen. Die Regel, die noch am meisten Probleme bereitet, soll gekennzeichnet und mindestens 4-mal einzuhalten versucht werden. Außerdem sollen die Kinder auf Hunger- und Sättigungssignale achten. 5. Wiederholungsspiel
Dieser Baustein dient dazu, das Gelernte zu wiederholen und zu festigen. Die Wiederholung wird als Quiz durchgeführt. Die Kinder werden in 2 Gruppen aufgeteilt, jede Gruppe legt einen Sprecher fest. Die Trainer stellen den Gruppen abwechselnd
217 Therapeutisches Vorgehen
Fragen (7 unten). Die Mitglieder dürfen sich kurz beraten, bevor der gewählte Sprecher die Antwort nennt. Wird die Frage richtig beantwortet, erhält die Gruppe einen Punkt und die andere Gruppe ist mit der nächsten Frage an der Reihe. Ist die Antwort falsch oder wird die Frage gar nicht beantwortet, darf die andere Gruppe versuchen, die richtige Lösung zu nennen. Kann die andere Gruppe die Frage richtig beantworten, erhält sie einen Punkt und ist noch einmal an der Reihe. Kann die Gruppe die Frage auch nicht korrekt beantworten, wird die richtige Antwort von den Trainern genannt und erläutert. Es geht dann weiter mit Gruppe 1. Bei den Fragen zum Fett- und Zuckerdetektiv handelt es sich um Schätzfragen, hier sollen beide Gruppen antworten. Die Gruppe, deren Schätzung am nächsten am tatsächlichen Wert liegt, bekommt den Punkt. Die erreichten Punkte werden am Flipchart notiert. Die Gruppe mit den meisten Punkten gewinnt.
Fragen zum Wiederholungsspiel
1. Wie viele Stockwer ke hat das Ernährungshaus? 2. Welche Farben haben die Stockwerke und was bedeuten sie? 3. In welches Stockwerk gehört (grün) 4 Obst? (grün) 4 Vollkornbrot? (rot) 4 Schokolade? (grün) 4 Gedünsteter Fisch? (gelb) 4 Nudeln? (gelb) 4 Käse? (rot) 4 Pommes? (grün) 4 Kartoffeln? (gelb) 4 Müsliriegel? 4. Nenne 2 weitere Nahrungsmittel, die ins obere, rote Stockwerk gehören. 5. Nenne 2 weitere Nahrungsmittel, die ins mittlere, gelbe Stockwerk gehören. 6. Nenne 2 weitere Nahrungsmittel, die ins untere, grüne Stockwerk gehören. 7. Nenne eine Essregel und erkläre, warum sie sinnvoll ist. 8. Nenne eine weitere Essregel und erkläre, warum sie sinnvoll ist. (Die Trainer fragen so lange, bis alle Regeln genannt wurden oder bis beide Gruppen nicht mehr weiterwissen. Gegebenenfalls nicht erinnerte Regeln werden von den Trainern ergänzt.) 9. Warum ist es wichtig, dass Ihr Euch viel bewegt? 10. Wann und warum sollt Ihr die Anti-Langeweile-Box benutzen? 11. Nennt 3 Dinge, auf die Ihr beim Neinsagen achten sollt. 12. Nennt 3 Dinge, auf die Ihr beim Umgang mit Ärger achten sollt. 13. In welchen Situationen sollt Ihr das Stoppschild benutzen? 14. Wie viele Zuckerstücke sind in 4 einem Schokokuss? (5) 4 einem Liter Cola? (36) 4 einer Tafel Schokolade? (17) 4 100 g Gummibärchen? (25) 4 einem Vanille-Milchshake? (11)
6
218
Sitzung 8:
Wiederholung, bilanzierender Rückblick und Rückfallprophylaxe
15. Wie viel Gramm Fett sind in 4 200 g Pommes? 4 einer Tafel Schokolade? 4 einem Croissant? 4 einer Bratwurst? 4 100 g Chips?
(29) (30) (26) (46) (40)
6. Ausführliche Rückmelderunde
Während die Rückmelderunden am Ende eines jeden Treffens sich lediglich auf die jeweils aktuell abgeschlossene Sitzung bezogen haben, soll an dieser Stelle ein Feedback über den gesamten Trainingsverlauf gegeben werden. Die Rückmeldungen der Kinder können den Trainern zum einen als Anregungen für ihre weitere therapeutische Arbeit dienen, zum anderen wird aufgrund der durch die Teilnehmer wahrgenommenen Veränderungen transparent, wie diese den Erfolg des Trainingsprogramms einschätzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein Vergleich der Einschätzungen der Kinder mit den Ergebnissen einer Abschlussdiagnostik (z. B. Feststellung des BMI, des Körperfettanteils etc.). Die Trainer verteilen die Evaluationsbögen (7 Anhang), die die Kinder in Stillarbeit ausfüllen sollen. Anschließend werden die Fragen nacheinander in der Gruppe diskutiert, wobei jedes Kind zu jeder Frage etwas sagen sollte. 7. Der »Notfallkoffer« (Rückfallprophylaxe)
Im Rahmen des vorliegenden Trainings haben die Teilnehmer Anregungen zur Veränderung ihrer Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten erhalten. Dauerhafte Erfolge können jedoch nur dann erzielt werden, wenn das neue Verhalten auch langfristig durchgehalten wird. Dass dabei im Laufe der Zeit Schwierigkeiten auftreten können, ist völlig normal. Viele Menschen sind der irrationalen Überzeugung, sie müssten immer perfekt sein. Sie können mit Rückfällen nicht gut umgehen, da sie glauben, auf ganzer Linie versagt zu haben. Der Ärger über sich selbst kann entweder zum Auslöser von weiterem Essverhalten werden oder dazu führen, dass die Person, um ihren Fehler wieder auszugleichen oder um sich selbst zu bestrafen, eine extreme Diät macht, was wiederum aufgrund der Nahrungsdeprivation zu Essattacken führen und in einen Teufelskreis münden kann. Durch diesen Baustein sollen die Kinder lernen, dass es ganz normal und menschlich ist, wenn auch mal Schwierigkeiten auftreten. Schließlich ist es nicht leicht, alte Gewohnheiten langfristig umzustellen. Kleinere Rückschläge sind keine Katastrophe, wenn man richtig mit ihnen umzugehen weiß. »Der Notfallkoffer« besteht aus 3 Blättern, auf denen zusammengefasst ist, was die Kinder in problematischen oder Rückfallsituationen tun können. Sie sollen auf diese Weise das Gefühl bekommen, auch nach Abschluss des Trainings kritische Situationen meistern und ihre Gewichtsentwicklung beeinflussen zu können. Die Trainer lassen die Blätter »Der Notfallkoffer« von den Kindern vorlesen und sprechen die einzelnen Punkte ggf. noch einmal mit der Gruppe durch. Der Baustein kann folgendermaßen eingeleitet werden:
219 Therapeutisches Vorgehen
Beispiel In der Rückmelderunde haben viele von Euch berichtet, dass sich bei ihnen durch das Training einige Dinge verändert haben. Ihr esst bewusster und bewegt Euch mehr. Jetzt kommt es darauf an, dass Ihr diese neuen Gewohnheiten auch beibehaltet. Es wird Phasen geben, in denen Euch dies leicht fällt, es können aber auch mal Zeiten kommen, in denen Schwierigkeiten auftreten. Wichtig ist, dass Ihr dann nicht aufgebt. Kleinere Rückfälle sind keine Katastrophe, wenn Ihr richtig damit umgeht. Ich habe etwas vorbereitet, das Euch dabei helfen soll. Schlagt bitte das Blatt »Der Notfallkoffer« auf. Wer möchte anfangen vorzulesen?
Im Anschluss sollen die Teilnehmer mögliche kritische Situationen, die zu einem Rückfall führen können, nennen. In der Gruppe soll diskutiert werden, welche Lösungsmöglichkeiten zusätzlich zu denen, die im Notfallkoffer aufgeführt sind, in dem jeweiligen Fall zur Verfügung stehen. Zum Schluss können die Trainer nachfragen, wie sicher die Kinder auf einer Skala von 0–10 sind, dass sie ihre neuen Verhaltensgewohnheiten langfristig beibehalten können (0 = sehr unsicher; 10 = klappt auf jeden Fall). Über die Frage, was bis zur nächst höheren Zahl bzw. bis zur 10 fehlt, können weitere mögliche Hindernisse exploriert und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden. 8. Bewegungsspiel: Eierlaufen
Jeweils 2 Kinder laufen um die Wette. Dabei hält jedes Kind einen Löffel in der Hand, auf dem ein kleiner Ball liegt. Lässt ein Kind seinen Ball fallen, muss es erst bis 5 zählen, bevor es diesen aufheben und weiterlaufen darf. Das Kind, das zuerst im Ziel ist, gewinnt. Der Wettlauf kann auch als Staffel durchgeführt werden. 9. Hausaufgaben
4 4 4 4
Weiterhin 5-mal pro Woche bewegen (protokollieren), Ampelkarte, 3 strukturierte Esstage planen, die 3 in der letzten Woche geplanten strukturierten Esstage an 3 beliebigen Tagen in der kommenden Woche durchführen, auf den entsprechenden Formularen von Sitzung 7 eintragen, inwieweit die geplanten Mahlzeiten eingehalten wurden, 4 Streichholzspiel mit selbst auferlegter, aber freier Mengenbegrenzung, 4 versuchen, die Essregeln einzuhalten, einschätzen, inwieweit die einzelnen Regeln eingehalten wurden (Smileys); eine Essregel, die noch Probleme macht (eine andere als in den letzten beiden Wochen), kennzeichnen und mindestens 4-mal einzuhalten versuchen (lachender Smiley), 4 versuchen, Hunger- und Sättigungssignale wahrzunehmen und zu beachten. 10. Wetterbericht und Rückmelderunde 11. Verteilung von Bonuspunkten für Mitarbeit während der Sitzung
221
ANHANG SITZUNG 8
222
Anhang Sitzung 8
223 Anhang Sitzung 8
224
Anhang Sitzung 8
Anhang Sitzung 8
225
226
Anhang Sitzung 8
227 Anhang Sitzung 8
228
Anhang Sitzung 8
229 Anhang Sitzung 8
230
Anhang Sitzung 8
231 Anhang Sitzung 8
232
Anhang Sitzung 8
233 Anhang Sitzung 8
234
Anhang Sitzung 8
235
Sitzung 9: Gemeinsames Kochen Überblick > Ziele 4 Förderung der Fähigkeit, Speisen selber zuzubereiten 4 Förderung der Freude am Selbstzubereiten von Speisen 4 Erhöhung der Valenz gesunder Nahrungsmittel
Ablauf der Sitzung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Stimmungsbarometer/Wetterbericht Bewegungsspiel: Affe, Palme, Elefant Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben Hausaufgabenbesprechung Zubereitung der Speisen Gemeinsames Essen Bewegungsspiel: Affe, Palme, Elefant (Fortsetzung) Verabschiedung
Vorbereitung und Materialien Trainingsmaterialien (Rezepte), Smileys, Aufkleber, Schlüsselanhänger, Stofftiere und Kinogutscheine als extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben, Geschirr, Kochgelegenheit, Nahrungsmittel für das gemeinsame Kochen (wird eine Vollkornpizza zubereitet, bereiten die Trainer den Teig im Vorfeld vor).
Therapeutisches Vorgehen 1. Stimmungsbarometer/Wetterbericht 2. Bewegungsspiel: Affe, Palme, Elefant
Die Kinder stehen im Kreis – ein Kind steht in der Mitte. Das Kind in der Mitte zeigt auf ein Kind im Kreis und sagt »Affe«, »Palme« oder »Elefant«. Das Kind im Kreis muss daraufhin mit seinen beiden Nachbarn eine vorab vereinbarte Bewegung ausführen: 4 Affe: Das Kind in der Mitte kratzt sich am Kopf, die beiden außen stehenden kratzten sich unter den Achseln. 4 Palme: Das Kind in der Mitte streckt die Arme über den Kopf – die beiden anderen formen mit ihren Armen Kokosnüsse. 4 Elefant: Das Kind in der Mitte greift mit der linken Hand seine Nase und führt den rechten Arm über dem linken durch, um einen »Rüssel« zu bilden. Die beiden Kinder rechts und links formen mit ihren Händen große wackelnde Ohren.
236
Sitzung 9:
Gemeinsames Kochen
Macht ein Kind einen Fehler oder reagiert zu langsam, wechselt es mit dem, das in der Mitte steht, den Platz. Im weiteren Verlauf können immer neue Darstellungsformen hinzugenommen werden, z. B.: 4 Ente: Das Kind in der Mitte formt einen Schnabel und »quakt«. Die beiden Außenstehenden wackeln mit ihren Hintern. 4 Toaster: Die beiden Kinder außen umschließen mit ihren Armen das Kind in der Mitte, welches mit den Händen eng am Körper angelegt auf und ab hüpft und »Pling« ruft. 4 Mixer: Das Kind in der Mitte hält die Hände über die beiden anderen Kinder, welche sich im Kreis drehen. 4 Känguru: Das Kind in der Mitte formt mit seinen Armen einen Beutel, die beiden anderen Kinder schauen verzückt in den Beutel hinein, wackeln mit den Fingern und rufen: »dutzi dutzi«. 4 Kotzendes Känguru: Das Kind in der Mitte formt mit seinen Armen einen Beutel, die beiden anderen Kinder beugen sich über den Beutel und tun so, als würden sie in ihn hinein erbrechen. 3. Extrinsische Verstärkung für die Erledigung der Hausaufgaben
Die Kinder erhalten die Arbeitsblätter für diese Sitzung, die sie in ihre Mappe legen sollen. Die Trainer lassen sich die Hausaufgaben (Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung, das Formular mit den Essregeln, die Tüten mit den Streichhölzern, die Formulare mit den geplanten strukturierten Esstagen) zeigen, sprechen die Übersichtskalender zum Eintragen der Zusatzbewegung sowie die Ampelkarte (mit Zielvereinbarung für die Zeit nach dem Training) mit jedem Teilnehmer kurz durch und kleben die entsprechende Anzahl von Smileys in die Bonuspunktlisten der Teilnehmer. Anschließend besteht zum letzten Mal die Möglichkeit, Smileys gegen materielle Verstärker einzutauschen. 4. Hausaufgabenbesprechung
Die Trainer besprechen mit den Kindern die Hausaufgaben (Durchführung dreier strukturierter Esstage, Planung dreier weiterer Esstage, Streichholzspiel, Befolgung der Essregeln, Hunger- und Sättigungssignale wahrnehmen und beachten). 5. Zubereitung der Speisen
Als Gericht ist Vollkornpizza (7 Anhang) sehr gut geeignet, da diese viele Nahrungsmittel aus dem grünen Ampelbereich enthält und die Teilnehmer den Belag gemäß ihrer geschmacklichen Vorlieben auswählen können. Die Kinder teilen sich in Gruppen auf, die unter Anleitung der Trainer zunächst die verschiedenen Gemüsesorten waschen und klein schneiden und anschließend ihren Teig ausrollen und belegen. Während die Pizzableche im Ofen sind, wird der Tisch gedeckt und dekoriert. 6. Gemeinsames Essen 7. Bewegungsspiel: Affe, Palme, Elefant (Fortsetzung)
Das Bewegungsspiel »Affe, Palme, Elefant« wird fortgesetzt, indem weitere Darstellungsformen eingeführt werden (7 oben). 8. Verabschiedung
237 Mögliche Schwierigkeiten
Mögliche Schwierigkeiten Ein oder mehrere Teilnehmer sagen, sie mögen einige der zubereiteten Speisen nicht
Es kann vorkommen, dass ein oder mehrere Kinder im Vorfeld darauf hinweisen, dass sie einige der zubereiteten Nahrungsmittel nicht mögen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Kinder häufig bei der gemeinsamen Mahlzeit die genannten Speisen doch gerne gegessen haben. Anderenfalls sollen die Teilnehmer von denjenigen Lebensmitteln essen, die ihnen schmecken. Das bereitgestellte Nahrungsmittelangebot ist so breit, dass für jeden etwas dabei ist, das er mag.
239
ANHANG SITZUNG 9
240
Anhang Sitzung 9
241 Anhang Sitzung 9
242
Anhang Sitzung 9
243 Anhang Sitzung 9
244
Anhang Sitzung 9
245 Anhang Sitzung 9
246
Anhang Sitzung 9
247 Anhang Sitzung 9
248
Anhang Sitzung 9
249
Sportprogramm Konzipiert von Gunnar Schäfer > Ziele a) Sportliche Ziele: 4 Verbesserung von Kraft und Ausdauer 4 Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten b) Medizinisch/physiologische Ziele: 4 Verbesserung der Herz-Kreislauf-Funktionen 4 Verbesserung der Körperzusammensetzung (Verringerung des Körperfettanteils) 4 Anregung des Stoffwechsels, insbesondere des Fettstoffwechsels durch pulsgesteuertes Ausdauertraining 4 Ökonomisierung von Bewegungsabläufen zur Entlastung der Großhirnrinde und Energieeinsparung c) Pädagogische Ziele: 4 Vermittlung von Bewegungserfahrung und Körpergefühl 4 Förderung von Freude an der Bewegung 4 Aufbau einer positiven Einstellung zum Sport 4 Einstellung zu einem körperbewussten und gesunden Lebensstil Dauer und Häufigkeit der Sportsitzungen
2 × 60 Minuten pro Woche über einen Zeitraum von ca. 3 Monaten (insgesamt 24 Trainingseinheiten). Die Adaptionszeit der Muskulatur liegt bei 2–6 Wochen, die der Herzmuskulatur und des Herz-Kreislauf-Systems bei 3–6 Wochen. Daher ist dieser Zeitraum notwendig, damit der Körper die Möglichkeit hat, sich an die gesetzten Trainingsreize anzupassen, um die oben genannten Ziele zu erreichen. Ablauf der Sitzungen
Eine Trainingseinheit von 60 Minuten wird in 2 Teile à 30 Minuten unterteilt:
Teil 1:
Gruppentraining
Das Gruppentraining hat folgende Schwerpunkte: 1. Aufwärmprogramm mit Musik mit koordinativen Elementen
Übungen im Stil von Aerobic: 4 Rhythmische Schritte auf Musik (dem Alter und den Interessen der Kinder angepasst), 4 verschiedene Gehformen am Platz mit Arm- und Beinvariationen, 4 das Bewegungsrepertoire wird nach und nach erweitert. 2. Übungen zur Verbesserung und Erhaltung der Beweglichkeit
Dehnungsübungen der verkürzungsanfälligen Muskulatur: 4 Ischiokrurale Muskulatur (Hüftgelenksextensoren), 4 Musculus rectus femoris (Oberschenkelstrecker),
250
Sportprogramm
4 Musculus iliopsoas (Hüftbeuger), 4 Musculi adductori (Schenkelanzieher) und 4 Musculus pectoralis major (großer Brustmuskel). Außerdem Mobilationsübungen für die Wirbelsäule: 4 Rotationsübungen im dreidimensionalen Bewegungsmuster, 4 das Kind sitzt im Schneidersitz, die Hände sind im Nacken verschränkt, 4 Oberkörperrotation links, Seitneigung rechts + Streckung der Wirbelsäule (entsprechend zur anderen Seite). 3. Übungen zur Verbesserung von Kraft und Schnelligkeit mit dem eigenen Körpergewicht, Gymnastikhanteln und Elastiktrainingsbändern
Rückenmuskelkräftigung: 4 Bauchlage: strecken der Arme nach vorne und nach oben; 4 Vierfüßlerstand: Arme und Beine werden in verschiedene Positionen gebracht. Übungen für die Bauchmuskulatur: 4 Physiologische sit-up’s aus der Rückenlage (gerade Bauchmuskulatur); 4 Seitlage, Heben des Rumpfes (schräge Bauchmuskulatur). Kräftigung der Schulter- und Nackenmuskulatur: 4 Seitheben mit Gymnastikgewichten. Kräftigung der Beinmuskulatur: 4 Physiologische Kniebeugen. Verbesserung der Schnell- und Reaktivkraft: 4 Hopsersprünge. 4. Spiel zur Verbesserung der Geschicklichkeit und Freude an der Bewegung
Kleine Wettspiele, z. B.: 4 Luftballonvolleyball oderRinghockey: Jedes Kind steht auf einer Matte, welche seinen Bewegungsraum darstellt und die es nicht verlassen darf. . Abbildung 10 zeigt die Anordnung der Matten im Raum.
Team 1
Team 2
Team 1
Team 2
Team 1
Tor
Tor Team 2
Team 1
Team 2
. Abb. 10. Anordnung der Matten bei Ringhockey
Team 1
Team 2
251 Teil 2:
Ausdauertraining
Teil 2:
Ausdauertraining
Ausdauertraining auf unterschiedlichen Ergometern zur Anregung des Fettstoffwechsels und Unterstützung der Gewichtsreduktion: 1. 10 Minuten Laufband, 2. 10 Minuten Stepper oder Crosstrainer, 3. 10 Minuten Fahrradergometer. Alle Geräte verfügen über drahtlose Pulsmesser. Die Belastung wird automatisch so gesteuert, dass sich der Widerstand der Ergometer an eine individuell berechnete Pulsfrequenz anpasst. Beim Ergometertraining besteht die Möglichkeit, ein Unterhaltungsprogramm mit Musik oder über Fernsehbildschirme zu nutzen.
253
Literatur Bellizzi MC, Dietz WH (1999) Workshop on childhood obesity: summary of the discussion. Am J Clin Nutr 70: 173S–175S Bouchard C (1997) Genetic determinants of regional fat distribution. Hum Reprod 12: 1–5 Bouchard C, Chagnon YC, Pérusse L, Weisnagel SJ, Rankinen T (2000) The Human Obesity Gene Map: The 1999 Update (Review). Obes Res 8: 12–19 Braet C, Mervielde I, Vandereycken W (1997) Psychological aspects of childhood obesity: A controlled study in a clinical and nonclinical sample. J Pediatr Psychol 22: 59–71 Brownell KD (1991) Personal responsibility and control over our bodies: when expectation exceeds reality. Health Psychol 10: 303–310 Burniat W (1997) Childhood obesity: which specificities? Int J Obes 21: 136 Caprio S, Hyman LD, McCarthy S, Lange R, Bronson M, Tamborlane WV (1996) Fat distribution and cardiovascular risk factors in obese adolescent girls: Importance of the intraabdominal fat depot. Am J Clin Nutr 64: 12–17 Coon KA, Goldberg J, Rogers BL, Tucker KL (2001) Relationship between use of television during meals and children’s food consumtion patterns. Pediatrics 107(1): e7 Craig SB, Bandini LG, Lichtenstein AH, Schaefer EJ, Dietz WH (1996) The impact of physical activity on lipids, lipoproteins and blood pressure in preadolescent girls. Pediatrics 98: 389–395 Cremer M (2002) Ganz schön proper. Ratgeber für Eltern übergewichtiger Kinder. Umschau Buchverlag Crowley V, Vidal-Puig AJ (2002) Mitochondrial uncoupling proteins (UCPs) and obesity. Nutr Metab Cardiovasc Dis 1: 70–75 Daniels SR, Khoury PR, Morrison JA (1997) The utility of body mass index as a measure of body fatness in children and adolescents: differences by race and gender. Pediatrics 99: 804–807 Deutsche Adipositasgesellschaft (2006) Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter. http://www.a-g-a.de/Leitlinie.pdf (November 2007) Deutsche Adipositasgesellschaft (2007) Prävention und Therapie der Adipositas. Evidenzbasierte Leitlinie. http:// www.adipositas-gesellschaft.de/daten/Adipositas-Leitlinie-2007.pdf (November 2007) DGE – Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (1996) Der Mensch ist was er isst. Selbstverlag, Frankfurt DGE – Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (1998) Richtig Essen. Verlag Umschau Braus, Frankfurt/Main DGE/aid (2000) Optimix-Empfehlungen für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen, 2. Aufl. aid, Frankfurt/ Main Diehl JM (1996) Sozio-kulturelle Einflüsse im Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen. In: Ministerium Ländlicher Raum Baden Württemberg (Hrsg) Kinderernährung heute. Schneider-Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler, S 45–81 Diehl JM (1999) Nahrungspräferenzen 10- bis 14-jähriger Jungen und Mädchen. Schweiz Med Wochenschr 129: 151–161 Dietz WH (1995) Childhood obesity: Prevalence and effects. In: Brownell KD, Fairburn CG (eds) Eating disorders and obesity: a comprehensive handbook. The Guilford Press, New York, pp 438–440 Dietz WH (1998) Childhood weight affects adult morbidity and mortality. J Nutr 128(2): 411–414 Ellrott T (2003) Medizinische Behandlung, Medikamente und chirurgische Maßnahmen. In: Petermann F, Pudel V (Hrsg) Übergewicht und Adipositas. Hogrefe, Göttingen, S 183–206 Ellrott T, Ellrott B (2000) Fettfalle Supermarkt. Finden Sie die fettarmen Alternativen. Verlag Umschau Braus, Frankfurt/Main Ellrott T, Ellrott B (2001) Fettfalle Fastfood. Finden Sie die fettarmen Alternativen. Verlag Umschau Braus, Frankfurt/Main Epstein LH, Squires S (1988) The stoplight diet for children: An Eight-Week Program for Parents and Children. Little Brown, Boston
254
Literatur
Epstein LH, Myers MD, Anderson K (1996) The association of maternal psychopathology and family socioeconomic status with psychological problems in obese children. Obes Res 4: 65–74 Fogelholm M, Nuutinen O, Pasanen M, Myohanen E, Saatela T (1999) Parent-child relationship of physical activity patterns and obesity. Int J Obes Relat Metab Disord 23(12): 1262–1268 Forschungsinstitut für Kinderernährung (2001) OptimiX – Empfehlungen für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen. aid, DGE (Hrsg), Bonn. Bestellung: www.fke-do.de; FKE-Broschürenbetrieb Tel 01805/798183 Forschungsinstitut für Kinderernährung (2003) Empfehlungen für die Ernährung von übergewichtigen Kindern – gemeinsam abnehmen mit optimiX. aid, DGE (Hrsg), Bonn. Bestellung: www.fke-do.de; FKE-Broschürenbetrieb Tel 01805/798183 Forschungsinstitut für Kinderernährung (2003) Optimix Kochbuch für Kinder. aid, DGE (Hrsg), Bonn. Bestellung: www.fke-do.de, FKE-Broschürenbetrieb Tel 01805/798183 Freedman DS, Dietz WH, Srinivasan SR, Berenson GS (1999) The relation of overweight to cardiovascular risk factors among children and adolescents: the Bogalusa Heart Study. Pediatrics 103(6): 1175–1182 French SA, Story M, Perry CL (1995) Self-esteem and obesity in children and adolescents: a literature review. Obes Res 3(5): 479–490 Goran MI, Gower BA (1999) Relation between visceral fat and disease risk in children and adolescents. Am J Clin Nutr 70[Suppl]: 149S–156S Gortmaker SL, Must A, Perrin JM, Sobol AM, Dietz WH (1993) Social and economic consequences of overweight in adolescence and young adulthood. N Engl J Med 329: 1008–1012 Gortmark as a cause of increasing obesity among children in the United States, 1986–1990. Arch Pediatr Adolesc Med 150: 356–362 Gutin B, Barbeau P, Owens S, Lemmon CR, Baumann M, Allison J, Kang HS, Litaker MS (2002) Effects of exercise intensity on cardiovascular fitness, total body composition, and visceral adiposity of obese adolescents. Am J Clin Nutr 75: 818–826 Haddock CK, Shadish WR, Klesges RC, Stein RJ (1994) Treatments for childhood and adolescent obesity – metaanalysis. Ann Behav Med 16(3): 235–244 Halpern CT, Udry JR, Campell B, Suchindran C (1999) Effects of body fat on weight concerns, dating, and sexual activity: a longitudinal analysis of black and white adolescent girls. Dev Psychol 35(3): 721–736 Hebebrand J, Bös K (2005) Umgebungsfaktoren – Körperliche Aktivitäten. In: Wabitsch M, Zwieauer K, Hebebrand J, Kiess W (Hrsg) Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 50–60 Herold G (1999) Innere Medizin. Verlag Arzt und Information, Köln Ikeda JP, Mitchell RA (2001) Dietary approaches to the treatment of the overweight pediatric patient. Pediatr Clin North Am 48: 955–968 Jones PRM, Lourie JA (1981) Fat and lean mass. In: Weiner JS, Lourie JA (eds) Practical human biology. Academic Press, London, pp 87–97 Kanfer FH, Reinecker H, Schmelzer D (1996) Selbstmanagement-Therapie. Ein Lehrbuch für die klinische Praxis, 2. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Kersting M (2007) Einfluss der Ernährung. In: Graf C, Dordel S, Reinehr T (Hrsg) Bewegungsmangel und Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen. Prävention und interdisziplinäre Therapieansätze bei Übergewicht und Adipositas. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, S 21–38 Kersting M, Chahda C, Schöch G (1993a) Optimierte Mischkost als Präventionsernährung für Kinder und Jugendliche. Teil 1: Lebensmittelauswahl. Ernährungs-Umschau 40: 164–169 Kersting M, Zempleni S, Schöch G (1993b) Optimierte Mischkost als Präventionsernährung für Kinder und Jugendliche. Teil 2: Nährstoffzufuhr. Ernährungs-Umschau 40: 204–209 Klesges RC, Coates T, Moldenhauer L, Holzer B, Gustavson J, Barnes J (1984) An observational system for assessing physical activity in children and associated parent behavoir. Behav Assess 6: 333–345 Klesges RC, Malott JM, Boschee PF, Weber JM (1986) The effects of parental influences on children’s food intake, physical activity, and relative weight. Int J Eat Disord 5(2): 335–346 Kolbe H, Weyhreter H (1998) Mein Kind hat Übergewicht. Midena Verlag, Augsburg
255 Literatur
Korsten-Reck U (2007) Sport zur Prävention und Therapie von Übergewicht bei Kindern. http://www.aerzteblatt. de/v4/archiv/artikel.asp?id=54029 (September 2007) Kries R von (2005) Epidemiologie. In: Wabitsch M, Hebebrand J, Kiess W (Hrsg) Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 16–23 Kromeyer-Hauschild K (2000) Perzentile für den Body Mass Index für das Kindes- und Jugendalter. Aktuelle Ernährungsmedizin 25(5): 257 Kromeyer-Hauschild K, Wabitsch M, Geller F, Ziegler A, Geiß HC, Hesse V, Hippel V, Jaeger U, Johnsen D, Kiess W, Korte W, Kunze D, Menner K, Müller M, Niemann-Pilatus A, Remer T, Schaefer F, Wittchen HU, Zabransky S, Zellner K, Hebebrand J (2001) Perzentile für den Body Mass Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschr Kinderheilkd 149: 807–818 Laessle RG, Lehrke S, Wurmser H, Pirke KM (2001) Adipositas im Kindes- und Jugendalter – Basiswissen und Therapie. Springer, Berlin Heidelberg New York Laessle RG, Wurmser H, Angst A, Stichler W, Pirke KM (2008) Longitudinal prediction of fatness in preadolescent girls by resting metabolic rate and food intake. Psychosom Med Lawrenz A, Lawrenz W (2005) Bedeutung von Bewegung und Sport beim adipösen Kind. In: Wabitsch M, Hebebrand J, Kiess W (Hrsg) Adipositas bei Kindern und Jugendlichen. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 315–320 Lehrke S (2004) Adipositas-Therapie bei übergewichtigen Kindern: Vergleich zwischen einer multimodalen verhaltenstherapeutisch orientierten Gruppentherapie und einer inhaltlich identischen Familientherapie mit zusätzlichen systemischen Komponenten. Verlag Dr. Kovac, Hamburg Lehrke S, Laessle RG (2003) Adipositas. In: Ehlert U (Hrsg) Lehrbuch der Verhaltensmedizin. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 497–529 McGinnis JM, Foege WH (1993) Actual causes of death in the United States. JAMA 270: 2207–2212 Mensink GB, Lampert T, Bergmann E (2005) Übergewicht und Adipositas in Deutschland 1984–2003. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 48: 1348–1356 Müller MJ, Körtzinger I, Mast M, König E (1997) Adipositas-Prävention bei Kindern und Jugendlichen – Die Kieler Adipositas Präventionsstudie (KOPS), Konzept und erste Ergebnisse. Prävention 4(20): 99–102 Must A, Strauss RS (1999) Risks and consequences of childhood and adolescent obesity. Int J Obes 23[Suppl 2]: 2–11 Must A, Jacques PF, Dallal GE, Bajema CJ, Dietz WH (1992) Long-term morbidity and mortality of overweight adolescents. A follow-up of the Harvard Growth Study of 1922 to 1935. N Engl J Med 327(9): 1350–1355 Neumark-Sztainer D, Falkner N, Story M, Perry C, Hannan P, Mulert S (2002) Weight-teasing among adolescents: Correlations with weight status and disordered eating behaviors. Int J Obes Relat Metab Disord 26(1): 123– 131 Noack R (1995) Energiehaushalt. In: Biesalski H-K, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Pölert W, Puchstein C, Stähelin HB (Hrsg) Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart, S 19–29 Petermann F (1994) Chronische Krankheiten bei Kindern und Jugendlichen. Berlin-München: Quintessenz, Berlin München Pietrobelli A, Faith MS, Allison DB, Gallagher D, Chiumello G, Heymsfeld SB (1998) Body mass index as ameasure of adiposity among children and adolescents: a validation study. J Pediatr 132: 204–210 Platte P, Pirke KM, Wade SE, Trimborn P, Fichter MM (1995) Physical ativity, toal energy expenditure, and food intake in grossly obese and normal weight women. Int J Eat Disord 17: 51–57 Pudel V (1997) Ketchup, BigMäc, Gummibärchen. Kinder „wissen«, was sie brauchen – die richtige Ernährung für Ihr Kind. Heyne, München Pudel V (2003) Grundlagen des Essverhaltens. In: Petermann F, Pudel V (Hrsg) Übergewicht und Adipositas. Hogrefe, Göttingen, S 69–85 Pudel V, Ellrott T (1995) Ernährungsverhalten in Deutschland. Internist 36(11): 1032–1039 Pudel V, Westenhöfer J (1991) Ernährungspsychologie. Hogrefe, Göttingen
256
Literatur
Pudel V, Westenhöfer J (1992) Dietary and behavioural principles in the treatment of obesity. Int Monitor on EP & WC 1: 2–7 Ravens-Sieberer U, Redegeld M, Bullinger M (2001) Quality of life after in-patient rehabilitation in children with obesity. Int J Obes 25: 63–65 Ravussin E, Swinburn BA (1993) Energy metabolism. In: Stunkard AJ, Wadden TA (eds) Obesity. Theory and therapy. Raven Press, New York, pp 97–123 Reinehr T, Dobe M, Kersting M (2003) Therapie der Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Das Adipositas-Schulungsprogramm OBELDICKS. Hogrefe, Göttingen Schachter S (1976) Übergewicht und Essen. In: Ferstl R, Kraemer S (Hrsg) Abhängigkeiten. Ansätze zur Verhaltensmodifikation. Urban & Schwarzenberg, München Berlin Wien (Fortschritte der Klinischen Psychologie, Bd 9) Schwimmer JB, Burwinkle TM, Varni JW (2003) Health-related quality of life of severely obese children and adolescents. JAMA 289(14): 1813–1818 Solomon CG, Manson JE (1997) Obesity and mortality: a review of the epidemiologic data. Am J Clin Nutr 66[Suppl]: 1044–1050 Stunkard AJ, Harris JR, Pedersen NL, McClearn GE (1990) The body-mass index of twins who have been reared apart. N Engl J Med 322: 1483–1487 Summerbell CD, Ashton V, Campbell KJ, Edmunds L, Kelly S, Waters E (2004) Interventions for treating obesity in children. The Cochrane Database of Systematic reviews, CD001872 Tucker LA, Kano MJ (1992) Dietary fat and body fat: a multivariate study of 205 adult females. Am J Clin Nutr 56: 616–622 Turnbull JD, Heaslip S, McLeod HA (2000) Pre-school children’s attitudes to fat and normal male and female stimulus figures. Int J Obes Relat Metab Disord 24(12): 1705–1706 van Itallie TB, Kissileff HR (1990) Human obesity, a problem in body energy economics. In: Stricker EM (ed) Neurobiology of food and fluid intake. Plenum Press, New York, pp 207–240 Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., Düsseldorf (2005) Bärenstarke Kinderkost, 9. Aufl. Vögele C (2003) Sport und Bewegung als Behandlungsansatz. In: Petermann F, Pudel V (Hrsg) Übergewicht und Adipositas. Hogrefe, Göttingen, S 283–302 Waadt S, Laessle RG, Pirke KM (1992) Bulimie. Ursachen und Therapie. Springer, Berlin Heidelberg New York Wardle J, Carnell S, Haworth CM, Plomin R (2008) Evidence for a strong genetic influence on childhood adiposity despite the force of the obesogenic environment. Am J Clin Nutr 87: 398–404 Warschburger P (2000) Chronisch kranke Kinder und Jugendliche. Psychosoziale Belastung und Bewältigungsanforderungen. Hogrefe, Göttingen Warschburger P, Kröller K (2005) Adipositas im Kindes- und Jugendalter: Was sind Risikofaktoren für die Entstehung einer Binge Eating Disorder? Z Gesundheitspsychol 13: 69–78 Warschburger P, Petermann F, Fromme C (2005) Adipositas. Training mit Kindern und Jugendlichen, 2. Aufl. Beltz, Weinheim WHO Consultation on Obesity (1998) Obesity. Preventing and managing the global epidemic. Weltgesundheitsorganisation, Genf WHO Consultation on Obesity (2000) Obesity. Preventing and managing the global epidemic. Weltgesundheitsorganisation, Genf Wirth A (2003) Adipositas-assoziierte Krankheiten. In: Petermann F, Pudel V (Hrsg) Übergewicht und Adipositas. Hogrefe, Göttingen, S 105–126 Wirth A (2008) Adipositas. Ätiologie, Diagnostik, Folgekrankheiten, Therapie, 3. Aufl. Springer, Berlin Heidelberg New York Wolf D (1993) Übergewicht und seine seelischen Ursachen, 8. Aufl. PAL Verlagsgesellschaft, Mannheim Wolfram G (1990) Fettsucht: Neubewertung des Risikos. Abhängigkeit von relativem Körpergewicht, Lebensalter und Fettgewebsverteilung. Ernährungsumschau 37: 347–354 Wurmser H (1995) Exogene und endogene Kofaktoren der primären Adipositas im Kindesalter: Verhalten und Energiestoffwechsel bei adipösen, präadoleszenten Kindern. Dissertation, Universität Trier
257
Sachverzeichnis A abdominale Fettverteilung 6, 9 Adipositas 3ff – Auftrittswahrscheinlichkeit 7 – Bedingungsfaktoren 13 – Begleiterkrankungen 9, 10 – Definition 3 – Entstehung 14, 15, 19, 21 – Folgebelastungen 9, 10 – Folgeschäden 10 – Grad 3, 4 – Klassifikation 4, 5 – psychosoziale Konsequenzen 11 – sekundäre Entstehungsformen 48 – Therapie 25, 31, 32, 33, 41, 42, 43, 44 – Verbreitung 7 – Verringerung von Begleit- und Folgeerkrankungen 29 adiposity-rebound 7 Adipozyten (Fettzellen) 19, 24, 33 Adoptionsstudien 19, 21 aerobes Training 30 Aktivität, körperliche 16, 17, 18, 20, 21, 29, 30, 31, 44, 45, 74, 93 aktivitätsinduzierte Thermogenese (AIT) 17, 18, 29 Aktivitätsniveau 30, 40 Alltagsaktivität 30, 31, 37, 47, 51 Alter 3, 4, 7, 11, 17, 26, 47, 58, 249 ambulante vs. stationäre Therapiedurchführung 46 Ampelkarte 42, 73, 75, 83, 93, 97, 98, 100, 106, 113, 114, 117, 118, 133, 134, 149, 150, 155, 171, 172, 176, 193, 194, 199, 215, 216, 219, 236 androide Fettverteilung 6 Angst 21, 41, 44, 54, 152
Ängstlichkeit 11, 12 Anorexia nervosa 11 Anti-Langeweile-Box 93, 98, 99, 100, 113, 114, 136, 151, 153, 217 Apfeltyp 6 Ärger 43, 44, 73, 174, 175, 194, 195, 196, 199, 209, 210, 217, 218 arterielle Hypertonie 9 Ausdauersportarten 31 Ausgrenzung 11, 12 Ausschlusskriterien 48 Außenreizabhängigkeit 22
B Bewegung 17, 18, 29, 30, 31, 37, 51, 52, 56 93, 94, 113, 114, 134, 150, 172, 194, 215, 216, 235, 249, 250 Bewegungsspiel 18, 45, 47, 93, 94, 100, 113, 114, 118, 133, 134, 136, 149, 150, 155, 171, 172, 177, 193, 194, 199, 215, 216, 219, 235, 236 Binge Eating Disorder 11 bioelektrische Impedanzanalyse 3 biopsychosoziales Modell 23, 24 Birnentyp 6 Bluthochdruck 9 BMI-Perzentil 4, 5 Body Mass Index (BMI) 3, 4, 5, 6, 7, 9, 15, 16, 19, 22, 47, 73, 74, 218 Bonussystem 51, 55, 64, 65, 74 Bulimie 11, 152
C Chirurgie 25
A–C
258
Sachverzeichnis
D Densitometrie 3 Depressivität 11, 12 Desinteresse an der Trainingsmaßnahme 58 DEXA 3 DGE-Ernährungskreis 27 28, 95 Diabetes 11 Diabetes mellitus 9 Diät 13, 19, 21, 22, 25, 26, 29, 218 Diätgeschichte 40 Diätieren 22 diätinduzierte Thermogenese (DIT) 16, 17, 18 Diskriminierung 11, 12 Doppelisotopenmethode 14
E Einsamkeit 21 Eiweiß 17, 26, 28 Eltern 7, 19, 21, 22, 32, 39, 40, 42, 44, 48, 58, 73, 74, 75, 118, 151 emotionale Faktoren 21, 22 endokrine Anpassungsvorgänge 25 Energieaufnahme 13, 14, 16, 23, 24, 29, 37 Energiebedarf 15, 17, 26, 27 Energiebilanz 13, 15, 18, 25, 29 Energiegleichung 16 Energiestoffwechsel 16, 18 Energieverbrauch 13, 14, 16, 17, 18, 19, 23, 24, 25, 29, 31, 37 – Erhöhung 29 – niedriger 24 – Senkung 26 Energieverbrauch unter Ruhebedingungen (GU) 17 entkoppelnde Proteine (uncouplingproteins) 20 Epidemiologie 7 Ernährungs-/Essgewohnheiten 42, 74, 137
Ernährungshaus 42, 73, 75, 82, 93, 94, 95, 97, 101, 108, 115, 171, 172, 173, 217 Ernährungskreis der DGE 27 28, 95 Ernährungsmanagement 25, 26, 31, 33, 34, 39, 45, 47 Ernährungsmuster 42 Ernährungsprotokoll 14, 97 Ernährungstagebuch 14, 41, 42, 51, 56, 57, 67, 68, 69, 93, 94, 97, 98 Ernährungsumstellung 25, 26, 27, 33, 74 Ernährungswissen 37, 42, 93, 95, 115, 171 Essattacke 218 Essregeln 42, 53, 73, 75, 84, 113, 115, 116, 118, 125, 126, 133, 134, 136, 149, 150, 151, 155, 171, 172, 173, 177, 193, 194, 199, 215, 216, 219, 236 Essstörungen 11, 26, 47 Essverhalten 14, 22, 23, 24, 40, 41, 42, 43, 44, 51, 53, 74, 93, 97, 98, 114, 134, 137, 152, 153, 173, 195, 218 – gezügeltes 22, 37 – Kontrolle 113, 133, 149 – ungünstiges 37, 43 extrinsische Verstärkung 45, 59, 93, 94, 113, 114, 133, 134, 149, 150, 171, 172, 193, 194, 215, 216, 235, 236
F Familientherapie 46, 47 Fett 14, 15, 16, 17, 26, 28, 53, 55, 56, 58, 74, 96, 151, 152, 218 Fettanteil des Körpers 3, 6, 37, 47, 55, 58, 218, 249 Fettaufnahme 15, 17 Fettdetektiv 149, 150, 151, 152, 164 Fettgehalt von Nahrungsmitteln 15, 53, 149, 151, 152, 197 Fettgewebe 6, 20 Fettmasse 5, 27, 30, 55, 58, 74 fettreiche Ernährung 15, 16 Fettstoffwechselstörungen 9, 10 Fettverteilungsmuster 5, 6
259 Sachverzeichnis
Fettzellen (Adipozyten) 19 – Anzahl 24, 33 flexible Formen der Verhaltenskontrolle 22, 47, 117, 133, 149 flexible Verhaltensstrategien 31 Folgebelastungen 5, 9, 40
G Gallensteinleiden 9, 10 Gefühle 21, 43, 44, 75, 156, 193, 195, 196, 199 genetische Faktoren 19, 23, 24 Genießerspiel 149, 153, 154, 156, 173 Genusstraining 32 Geschlecht 4, 5, 17, 26, 47 Gewicht 5, 6, 10, 14, 25, 51, 53, 55, 56, 58, 152, 153, 175, 176, 197 Gewichtsabnahme 13, 19, 20, 23, 25, 26, 27, 29, 33, 37, 40, 47, 48, 54, 55, 58, 74 Gewichtsentwicklung 7, 13, 16, 18, 20, 29, 31, 37, 43, 218 Gewichtsregulation 22 58 Gewichtsstabilisierung 25, 27, 29, 33 Gewichtsstatus 4, 5, 6, 9, 30, 37, 47, 74 Gewichtsveränderung 55 Gewichtsverlauf 28 Gewichtszunahme 11, 13, 15, 18, 19, 23, 26, 33, 37, 43, 74 gezügeltes Essverhalten 22, 37 Glukosemetabolismus 9 – abnormaler 10 Grade der Adipositas 3, 4 Größe 5 Grundumsatz 16, 17, 18, 19, 29 gynoide Fettverteilung 6
H Hänseleien 44, 47, 53, 171, 172, 174, 175, 189, 195, 199
Hausaufgaben 45, 48, 51, 55, 57, 59, 74, 93, 100, 101, 113, 118, 133, 136, 149, 155, 171, 176, 193, 199, 215, 219 Hautfaltendicke 3 Health Belief Modell 39, 40 Heißhungeranfälle 11, 25, 97 Hunger 21, 99, 136 Hungergefühl 25, 26, 43 Hungersignale 32, 37, 44, 135, 136, 137 Hypertonie 9, 10 hypokalorische Mischkost 25, 26, 33
I Inaktivität 18, 21, 22, 23, 24 Insulin 20, 97 intermittierendes Diätieren 22
J Jo-Jo-Effekt 26, 58
K Kalorien 14, 15, 26, 29, 96, 97 Kalorienzufuhr/-aufnahme 14, 15, 16, 21, 25 Kalorimetrie 17 kardiovaskuläre Erkrankungen 9 Klassifikation 4, 5 kognitive Kontrolle des Essverhaltens 22, 137 kognitive Umstrukturierung 32 Kohlenhydrate 14, 15, 16, 74 Konsequenzen kindlicher Adipositas 9ff Kontraindikationen 47, 48 körperbezogenes Selbstbild 11, 44 Körperfettanteil 3, 37, 47, 55, 58, 218, 249 Körpergefühl 74, 193, 249
D–K
260
Sachverzeichnis
Körpergewicht 3, 6, 13, 16, 17, 18, 20, 21, 23, 26, 30, 37, 40, 47, 58, 115, 152, 175, 198, 250 Körpergröße 3, 6 Körpermasse 3, 17, 18, 55 Körperzufriedenheit 29, 37, 43, 44 Körperzusammensetzung 16, 37, 249 Kosten-Nutzen-Analyse 40 Krafttraining 30
N Nahrungsfett 15, 21 negative emotionale Zustände 21, 193, 195, 209, 210 Neinsagespiel 149, 154, 155, 167 Normalgewicht/normalgewichtig 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 11, 14, 15, 19, 20, 21 Notfallkoffer 215, 218, 219, 230, 231, 232 Nulldiät 25
L Langeweile 21, 43, 93, 98, 99, 114, 151, 195 langfristige Ernährungsumstellung 25, 26, 27, 33, 74 Lebensqualität 11 Leberverfettung 10 Leptin 20 Lerngeschichte 21, 23, 24 Lipolyse 20
M Magnetresonanztomographie 3 Massageübungen 44, 47, 195 medikamentöse Therapie 25 medizinische Folgebelastungen 5, 9ff, 40 metabolische Anpassungsvorgänge 25 Modelllernen 21, 32 monogenetische Defekte 20 Morbidität 9, 29, 46 Mortalität 9, 29 Motivation 30, 39, 40, 42, 45, 46, 51, 55, 56, 115 multifaktorielle Genese 13, 24, 33 multimodale Interventionsmethoden 33, 39
O ob-Gen 20 optimierte Mischkost (optimiX) 26, 27 orthopädische Komplikationen 9, 10
P Perzentile 4, 5, 47, 74, 79 polyzystisches Ovarialsyndrom 10 Post-exercise-Thermogenese 18, 19 Präadipositas 4, 6 Prävalenz 7 Protein 14, 15, 20 Pseudotumor cerebri 10 psychoedukative Einheiten 42 psychologische Interventionsmethoden 31 psychologische und psychosoziale Einflüsse 21 psychosoziale Belastungen 12, 47, 48 psychosoziale Einflüsse 21f psychosoziale Konsequenzen 10f
261 Sachverzeichnis
Q qualitative Nahrungsaufnahme 14, 15, 23, 24 quantitative Nahrungsaufnahme 14, 23, 24
R relative Gewichtsabnahme 33, 40, 74 respiratorische Probleme 9 Rezepte 145, 146, 241ff rigide Kontrollstrategien 22, 37 Rollenspiel 32, 47, 154, 155, 174, 176, 177, 196, 197 Rückfallprophylaxe („Notfallkoffer“) 215, 218f, 230, 231, 232 Ruheumsatz 17, 18, 19, 29
S Sättigungssignale 22, 133, 135, 136, 137, 149, 151, 155, 171, 173, 177, 193, 194, 199, 215, 216, 219, 236 Schilddrüse 19 Schlafapnoe 9, 10 schlechtes Gewissen 43, 44, 53, 98, 99, 153, 154 Schuldgefühle 10 sekundäre Entstehungsformen der Adipositas 48 Selbstbeobachtung 32, 41, 42, 51, 97 Selbstbewertung 32, 41, 42 Selbstbildnis 44, 51, 57, 93, 94, 95 Selbstinstruktion 32, 43, 44, 156 Selbstkontrolle 31, 32, 37, 115 Selbstkonzept 11, 195 Selbstmanagement 39, 41, 42 Selbstverbalisation 98, 99, 153
Selbstverstärkung 32, 41, 42 Selbstwahrnehmung 57 Selbstwertgefühl 11, 29, 31, 37, 193, 197 Selbstwirksamkeit 41, 43, 45, 94, 95, 115 Signale von Hunger und Sättigung 22, 37, 44, 133, 135, 136, 137, 149, 151, 155, 171, 173, 177, 193, 194, 199, 215, 216, 219, 236 SORKC-Modell 39, 42ff soziokulturelle Einflüsse 23, 24 Sport 17, 18, 25, 29ff, 31, 33, 39, 56, 249 Sportprogramm 30, 47, 48, 249ff Stimmungsbarometer 45, 51, 57, 93, 94, 113, 114, 133, 134, 149, 150, 171, 172, 193, 194, 215, 216, 235 Stimuluskontrolle 32, 43 Streichholzspiel 73, 75, 85, 93, 99, 100, 109, 113, 116, 118, 133, 134, 136, 149, 151, 155, 171, 177, 193, 194, 199, 215, 216, 219, 236 Stress 21, 24, 43 Stressmanagement 32 strukturierter Esstag 73, 75, 86, 87, 115, 116, 127, 128, 129, 134, 150, 172, 177, 194, 215, 216, 236 Süßigkeiten 43, 85, 93, 95, 96, 99, 100, 101, 109, 116, 117, 118, 119, 135, 151, 153, 154, 156, 197 Symptom verkaufen 171, 176, 177, 195
T Teufelskreis 26, 98, 153, 218, 232 Token-Programm 32, 42, 44 Tokens 42, 55 Training sozialer Kompetenzen 32, 37, 44, 46 Trainingsmappen 51, 116, 134, 153, 198
L –T
262
Sachverzeichnis
U Übergewicht 3, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 29, 30, 31, 34, 37, 40, 44, 47, 52, 57, 58, 73, 74, 135, 137, 174, 175, 176, 197 Ultraschalluntersuchungen 3 Unsicherheit, anfängliche 57 Untergewicht 3, 4
V Verfahren zur Messung des Körperfettanteils 3 Verhaltensanalyse 31, 42 verhaltenstherapeutische Methoden/Verfahren 29, 31f, 33, 39, 42ff Verhaltenstherapie 25, 31, 33, 39, 47 Verhaltensübungen 32 Verhaltensverträge 32 Verstärker 42, 55, 94, 114, 134, 150, 172, 194, 216, 236
W waist-to-hip ratio (WHR) 6 Wappen 51, 54, 94, 95 Werbesprüche 171, 177, 194, 197 Werbung 23, 193, 197
Z Zuckerdetektiv 42, 171ff, 188, 217 Zügelung des Essverhaltens 22 Zwillingsstudien 19