Dr. Brunhild Stehr ══ ist Diplomsozialwissenschaftlerin und Allgemeinmedizinerin mit eigener Praxis in Köln. Sie hat Zu...
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Dr. Brunhild Stehr ══ ist Diplomsozialwissenschaftlerin und Allgemeinmedizinerin mit eigener Praxis in Köln. Sie hat Zusatzausbildungen in Homöopathie, Akupunktur und Naturheilkunde und arbeitet seit vielen Jahren mit diesen Verfahren.
Brunhild Stehr
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Akupunktur bei Stress
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Burnout, Migräne & Co typgerecht behandeln
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Brunhild Stehr: Akupunktur bei Stress. Burnout, Migräne & Co typgerecht behandeln 1. Auflage 2009 ISBN 978-3-86739-044-6 (Print) / 978-3-86739-732-2 (PDF) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Wenn Sie Erfahrungsberichte und fundierte Ratgeber zur Gesundheit suchen, besuchen Sie unsere Homepage: www.balance-verlag.de © BALANCE buch + medien verlag GmbH & Co. KG, Bonn 2009 Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne Zustimmung des Verlags vervielfältigt oder verbreitet werden. Lektorat: Umschlagkonzeption: p.o.l. kommunikation design, Köln unter Verwendung eines Fotos von panthermedia.com Illustrationen: Kerstin Gerhards, zackpuffpeng, Büro für Grafik und Illustration, Köln Typografie und Satz: Iga Bielejec, Nierstein Gesetzt in der Sabon in den Farbtönen HKS 40 und HKS 90 Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck Zum Schutz von Umwelt und Ressourcen wurde für dieses Buch FSC-zertifiziertes Papier verwendet:
TEIL I
Wieso Akupunktur bei Stress? Kein Widerspruch: Uralte Therapie gegen modernes Leiden 8 Wie Stress uns anfällig und krank machen kann 15 Krankheit und Immunsystem 15 Stress 17 Warum wir unter Stress stehen 19 Stressbedingte Erkrankungen 23 Strategien zur Stressbewältigung 27 Wie die Akupunktur hilft 29 Wie muss man sich eine Akupunkturbehandlung vorstellen? 30 Akupunktur und andere Behandlungen 32 Yin, Yang und die Funktionskreise 34 Überlegungen zur Charakterstruktur 43 Konstitution und Lebensphasen 46 Das Beispiel Schlafstörungen 48
TEIL II
Die fünf Persönlichkeitstypen in der traditionellen chinesischen Medizin Der Leber-Gallen-Meridian – Thema: Ärger 56 Zur Charakterstruktur 58 Häufige Erkrankungen 72 Wichtige Akupunkturpunkte 74
Der Herz-Dünndarm-Meridian – Thema: Freude 76 Zur Charakterstruktur 78 Häufige Erkrankungen 89 Wichtige Akupunkturpunkte 93 Der Milz-Magen-Meridian – Thema: Sorge 94 Zur Charakterstruktur 96 Häufige Erkrankungen 109 Wichtige Akupunkturpunkte 110 Der Lunge-Dickdarm-Meridian – Thema: Trauer 112 Zur Charakterstruktur 114 Häufige Erkrankungen 127 Wichtige Akupunkturpunkte 128 Der Nieren-Blasen-Meridian – Thema: Angst 130 Zur Charakterstruktur 132 Häufige Erkrankungen 149 Wichtige Akupunkturpunkte 151
EXKURS
Die Ohr-Akupunktur 152
Persönliche Schlussbemerkungen 157 Verwendete Literatur 159 Adressen 160
TEIL I
Wieso Akupunktur bei Stress?
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Kein Widerspruch: Uralte Therapie gegen modernes Leiden
Mit diesem Buch wage ich den Versuch, die traditionelle chinesische Medizin mit ihren komplizierten Regelsystemen zu entmystifizieren und sie auch für den Laien verständlich zu machen. Es ist geschrieben für Patienten, die mehr über diese Heilweise erfahren möchten und die Interesse haben, sich mit der Denkweise der Akupunktur auseinanderzusetzen. Es ist aber ebenso gedacht für Fachleute, die nach Anregungen für eine erweiterte Sichtweise suchen. Denn die hier aus langjähriger Erfahrung beschriebenen Charaktertypen zeigen durchaus neue Aspekte für die Praxis der Akupunktur. Dabei soll keineswegs die in dieser althergebrachten Heilungsmethode enthaltene Weisheit ins Profane gezogen werden. Mir geht es vielmehr darum, deutlich zu machen, dass Akupunktur auch heute noch, 5.000 Jahre nach ihrem vermutlichen Entstehen, ihre Gültigkeit und Berechtigung nicht nur bei der Behandlung von körperlichen Krankheiten hat – wie z. B. Schmerz der Wirbelsäule oder der Gelenke – sondern auch bei Stress und den sich daraus entwickelnden Folge-Erkrankungen. Sie kann, richtig angewandt, auch hier eine hocheffiziente Therapieform sein. Um zu verstehen, wie Akupunktur wirkt und eingesetzt werden sollte, habe ich in diesem Buch zunächst einmal die auf Erkenntnissen der traditionellen chinesischen Medizin basierenden, verschiedenen Persönlichkeitstypen charakterisiert. Grundlage für die Charakterisierung eines bestimmten Typus ist der Verlauf der Meridianstränge, also der Linien, die die einzelnen Akupunkturpunkte miteinander verbinden. Man geht davon aus, dass die Meridiane ein bestimmtes Energiepo-
tenzial besitzen, dessen Fluss bei einer Erkrankung gestört wird. Die Akupunktur ist eine Methode, den Fluss der Energien durch die Nadelung an bestimmten Punkten wieder in Gang zu bringen. Aus den verschiedenen Meridianen lassen sich jeweils fünf unterschiedliche Grundtypen entwickeln. Sie unterscheiden sich in ihren emotionalen Grundstimmungen, ihrem Temperament und ihren Krankheiten. Manche Patienten sind leicht diesen Grundtypen zuzuordnen, bei anderen wiederum überschneiden sie sich, was dann eine differenzierte Analyse und Typenbestimmung erfordert. Ich habe versucht, die Facetten der jeweils zu einem Meridianpaar passenden Konstitution mithilfe von Patientengeschichten besser verständlich zu machen. Als Ausgangspunkt wird jede typische Konstitution in ihrem Idealzustand, also mit ausgeglichenen Energien, beschrieben. Das soll deutlich machen, was ein mit sich und seiner Umwelt in Harmonie lebender Mensch für Möglichkeiten und Fähigkeiten besitzt. Im Anschluss daran habe ich die Störeinflüsse erläutert, die eine solche Harmonie aus dem Gleichgewicht bringen können. Also all das, was letztlich krank macht. Auch hierbei muss vielerlei berücksichtigt werden, da ja jeder Typus unterschiedlich auf Stress reagiert – egal, ob er sich aus unseren Lebensumständen oder den vielen Anforderungen des beruflichen und persönlichen Alltags ergibt. Dadurch soll deutlich werden, dass zum Beispiel Stress oder Ängste eines Menschen vom Typ des Milz-Magen-Meridians gänzlich anders behandelt werden müssen als die des Typus Nieren-Blasen-Meridian. Erst wenn man diese Unterschiede versteht, kann man mit der Akupunktur eine erfolgreiche Therapie erreichen. Denn eins dürfte nach der Lektüre der folgen-
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den Seiten feststehen: Es gibt in der traditionellen chinesischen Medizin nicht eine allgemein gültige Angst- oder Stresstherapie. Es gibt keinen allgemeinen Angst- oder Stresspunkt, der für jeden Menschen gültig ist. Jede Therapieform muss die Persönlichkeit des von Angst oder Stress geplagten Menschen mit berücksichtigen. Der Angstpunkt würde also für den MilzMagen-Typ auf dem ihm entsprechenden Milz-Magen-Meridian liegen, während er für den Blasen-Nieren-Menschen auf seinem speziellen Meridian zu finden ist. Jedes Meridianpaar bildet eine Einheit aus einem Yin- und einem Yang-Meridian. Yin tendiert dabei meist in die Richtung eines Mangels an Energie und Yang in deren Überfluss. Ziel ist immer, die jeweilige Energie in ihrem optimalen Zustand zu halten. Der ausgeglichene Energiefluss bildet die Grundlage körperlicher und seelischer Gesundheit. Auch wenn die hier vorgestellte Theorie die klassische chinesische Medizin vereinfacht, so versucht sie doch nicht zu simplifizieren, sondern den Kern herauszuarbeiten: die Einheit der Gegensätze von Yin und Yang, die unlösbare Einheit des Körpers mit der Seele oder Psyche, das Zusammenspiel der inneren mit der äußeren Natur. Die chinesische Medizin stammt aus einer Zeit vor circa 5.000 Jahren, in der der Mensch den Naturgewalten viel stärker ausgesetzt war als heute. Unter den damaligen Lebensumständen wurde der Einfluss des Klimas – Hitze, Kälte, Sturm oder Regen – als dominierender Faktor beim Entstehen von Krankheiten betrachtet. Viren, Bakterien und andere Erreger waren als Überträger noch nicht bekannt. Das hat sich seither verändert. In der modernen westlichen Welt spielt die Witterung außerdem nicht mehr eine so offensichtlich starke Rolle. Wir schüt-
zen uns in gutklimatisierten Häusern vor jeder Temperaturschwankung und sind nur auf kurzen Wegen den Wetterumschwüngen wirklich ausgesetzt. Wenn es im Auto zu heiß wird, schalten wir die Klimaanlage ein. Auch wenn wir vom Regen mal kurz durchnässt werden, können wir uns in unsere trockenen Wohnungen flüchten. All dies ändert aber nichts daran, dass nach wie vor das Wetter unsere Befindlichkeit beeinflusst: Lange trübe Perioden schlagen uns aufs »Gemüt«, die ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr beflügeln uns, der Vollmond lässt viele schlechter schlafen, Gewitter machen nervös. Viele Krankheiten sind abhängig von Jahreszeiten: Allergien im Frühling, Migräne bei schwülem Wetter, Gelenkerkrankungen im Herbst, Infekte im Winter. Der Einfluss der Witterung auf unser Befinden ist also noch immer spürbar. Diese äußeren Bedingungen können unser Immunsystem schwächen und damit Krankheitserregern Zutritt verschaffen. Mit einem intakten Immunsystem ist man weniger anfällig für Viren oder Bakterien. Ein zusätzlicher Einfluss wirkt heutzutage immer stärker: der Stress. Unser Leben ist von Hektik bestimmt. Tausend Ansprüchen müssen wir gerecht werden. Alles soll perfekt funktionieren. Immer schneller, immer besser, immer fehlerfreier sollen wir unseren Tag durchorganisieren. Mit einem Lächeln einen stets freundlichen Service bieten. Alles dies im Interesse der Steigerung von Verkaufszahlen, der Anhebung unserer eigenen Attraktivität – ob am Arbeitsplatz oder im Privatleben. Wer nicht schnell genug ist, wird gnadenlos ausgegrenzt. Wir kennen zur Genüge den Kampf um Arbeitsplätze, Aufstiegschancen, die Versuche, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.
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Etwa achtzig Prozent der Patienten in einer normalen Hausarztpraxis leiden heute unter psychosomatisch mitbeeinflussten Krankheiten. Dazu zählen wir den stressabhängig hohen Blutdruck, Verspannungen im Nacken oder in der Lendenwirbelsäule, Kopfschmerz, Schwindel, Verdauungsstörungen. Die Liste ließe sich endlos fortführen. Was wir heute Stressfaktoren nennen, ist der chinesischen Medizin keineswegs unbekannt – es sind die sogenannten »inneren Krankheitsfaktoren«. Damit sind neben der genetischen Ausstattung zum Beispiel die individuell unterschiedlichen Ängste und Sorgen gemeint, also das, was wir heute der psychosomatischen Seite zurechnen würden. Man muss also die traditionelle chinesische Medizin nicht in eine moderne westliche Sichtweise pressen. In ihr sind all diese Stresskrankheiten, wenn auch unter anderen Voraussetzungen, beschrieben worden. In der Interpretation allerdings gibt es unterschiedliche Gewichtungen. Die traditionelle Lehre der Akupunktur bringt uns zu einem erweiterten Verständnis von Krankheiten: Nicht nur das Symptom wird gesehen und behandelt, sondern der gesamte Mensch in seinem individuellen Zusammenhang betrachtet. Dadurch erst ist das Entstehen seiner Erkrankung verständlich. Und dadurch erst wird es möglich, die körperliche Krankheit, wie z. B. den Rückenschmerz, gleichzeitig mitsamt ihrem psychischen Anteil zu behandeln. Es geht hier keinesfalls darum, die Verdienste der modernen westlichen Medizin zu schmälern. Wir haben heute diagnostische Methoden wie Kernspintomografie oder Computertomografie, die uns einen differenzierten Aufschluss über Erkrankungen geben können. Ich halte es für einen fatalen Fehler,
diese Möglichkeiten nicht zu nutzen. Eine umfassende moderne Diagnostik sollte immer die Grundlage bilden, auf der man sich dann für unterschiedliche Therapien, auch die der klassischen chinesischen Medizin, entscheiden kann. Aber ein Tumor oder ein anderes bösartiges Geschwulst erfordert moderne Behandlungsmethoden. Weder Herzinfarkt noch Diabetes oder Knochenbruch – um nur einige zu nennen – dürfen jemals ausschließlich durch Akupunktur behandelt werden. In diesen Fällen ist die westliche Medizin in ihrer Diagnostik und ihren Therapiemöglichkeiten der traditionellen chinesischen Medizin absolut überlegen. Dennoch hat sie auch bei derlei Krankheiten ihren Platz: Den Herzinfarkt hätte man möglicherweise mit einer stressabbauenden Therapie vorab verhindern können. Die mit einem Knochenbruch einhergehenden Stressfaktoren können durch Akupunktur gemildert werden. Dieses Buch stellt eine Abgrenzung dar zu all den Publikationen, in denen die medizinischen Erkenntnisse zu dogmatischen Glaubensrichtungen ausufern. Damit sind alle Richtungen ärztlichen Denkens gemeint, die eine bestimmte Theorie für die allein und ausschließlich richtige und gültige halten. Diese Abgrenzung bezieht sich auf die Schulen der Akupunktur, die kein anderes Verfahren zur Therapie akzeptieren als das klassisch chinesische und die somit eine Einbeziehung der modernen westlichen Medizin in die Behandlung bestimmter Erkrankungen grundsätzlich ablehnen. Ebenso dogmatisch verhält sich ein großer Teil der »Schulmediziner«, die alle therapeutischen Erfolge der auf Erfahrung gegründeten chinesischen Medizin ignorieren, statt die Erweiterung ihrer therapeutischen Möglichkeiten zu begrüßen. Auch die Homöopathie erhebt zurzeit einen hohen Anspruch an Ausschließlichkeit und
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fordert von den Patienten, keine weiteren Heilverfahren zu nutzen. Selbst die Psychologie ignoriert noch immer weitgehend das große therapeutische Potenzial, das die Akupunktur in der Behandlung psychischer Krankheiten zu bieten hat. Mit diesem Buch plädiere ich für eine größere Aufgeschlossenheit unterschiedlicher Therapierichtungen gegenüber der Akupunktur. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass die Chancen, die diese Behandlungsmethode bietet, von allen medizinischen Strömungen genutzt und miteinbezogen werden. Dazu gehört Mut, aber auch Neugier, sich aus dem Vorhandenen das jeweils Beste herauszusuchen – zum Wohle der Patienten.
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Wie Stress uns anfällig und krank machen kann
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Krankheit und Immunsystem
Wie und warum wird ein Mensch eigentlich krank? Welche Faktoren machen den einen krank, während sie den anderen überhaupt nicht schädigen? Diese Fragen versuche ich, am Beispiel einer Bahnhofssituation zu beantworten: Ich stehe völlig gesund und munter am Bahnsteig und warte auf den Zug. ═══ Der Zug hat Verspätung. ═══ Es ist kalt und zugig. ═══ Der Mann neben mir hustet und putzt sich ständig die Nase. Hier gibt es drei Faktoren, die mein Immunsystem schädigen können: Viren, kalte Zugluft und Stress.
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Viren
Objektiv bin ich in dieser Situation einer großen Menge Rhinoviren ausgesetzt, die der Mann neben mir mit jedem Ausatmen durch die Luft schleudert. Ich könnte mich also anstecken. Aber ich muss nicht zwangsläufig erkranken. Krankheitserreger fliegen ständig und überall durch die Luft. Wenn alle Menschen darauf gleich reagieren würden, dürfte es nie einen gesunden Menschen geben. Das ist natürlich nicht so. Tatsächlich steckt sich nur ein sehr geringer Prozentsatz der in unmittelbarer Nähe des Hustenden stehenden Leute an. Wir haben nämlich ein Immunsystem, das sich normalerweise gegen Infektionen wehren kann. Es funktioniert nur nicht immer und bei jedem gleich gut.
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Kalte Zugluft
Die Abwehrkräfte werden geschwächt durch die kalte, zugige Luft. Ich bin viel zu dünn angezogen für diese Temperaturen und zittere vor Kälte. Dazu kommen noch weitere Umweltfaktoren, die mich beeinträchtigen: Staub, CO2-Austoß etc.
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Ärger, Angst, Stress
Der Ärger über das Warten kann mein Immunsystem mehr schädigen als alle anderen Faktoren. Das hängt natürlich von der momentanen Situation ab: Wie wichtig ist der Termin, zu dem ich fahren will? Wie viel Zeit bleibt noch, um pünktlich anzukommen? Wie groß ist die Blamage, wenn ich zu spät komme, mich als unpünktlich und damit unzuverlässig erweise? Welche Strapazen drohen mir, wenn ich Anschlüsse verpasse? Je nach Ausgangslage überwiegen Ärger oder Ängste und Selbstvorwürfe – man hätte einfach mehr Zeit einplanen müssen. Wenn ich jetzt krank werde, muss ich davon ausgehen, dass es drei Gründe dafür gibt. Wie groß der Anteil der einzelnen Faktoren, also der Viren, der Kälte und des Ärgers im Einzelfall ist, lässt sich schwer sagen. In jedem Fall ist es die Summe der Krankheitsauslöser, die hier eine Rolle spielt. Aber nach allen Erfahrungswerten ist der Stress (Ärger, Angst) letztlich der entscheidende Punkt; das Zünglein an der Waage, das die Richtung vorgibt, ob es das Immunsystem schaffen kann, auszugleichen, d. h. gesund zu bleiben oder krank zu werden.
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Stress
In der Stressforschung unterscheidet man zwischen positivem und negativem Stress. Beim Eustress steigt die Noradrenalinausschüttung mit der Folge, dass man sich glücklicher fühlt. Solche Leute sind gut konzentriert, leistungsbereit und motiviert. Sie machen ihre Arbeit gern, auch wenn Termindruck und hohe Anforderungen vorhanden sind. In der Freizeit – egal wie kurz sie auch sein mag – sind sie in der Lage, sich zu entspannen, neue Energie zu tanken. Beim Disstress dagegen, dem negativen Stress, wird vermehrt Adrenalin ausgeschüttet. Diese Leute erleben ihre Arbeitssituation als Belastung, unter der sie fast zusammenbrechen. Sie sind unkonzentriert, hektisch, schlecht gelaunt, können nicht abschalten. Eine Studie amerikanischer Ökonomen (Whitson und Galinsky 2008) zeigt, wie sehr diese Leute auch zu Fehleinschätzungen neigen und falsche Entscheidungen treffen. Diese Form von Stress führt in vielen Fällen zu Erkrankungen. In fast allen Forschungsergebnissen der letzten Zeit werden hier die Gründe für die Zunahme der psychosomatischen Krankheiten gesehen. Manche Stressforscher machen den sozialen Wandel, die Globalisierung und die zunehmende Unsicherheit in Bezug auf die eigene Zukunft als die wesentlichen Faktoren für das Entstehen von Stresskrankheiten verantwortlich. Es gibt sogar eine spezielle Zeitschrift, die sich kontinuierlich dem Thema Stress widmet: »International Journal of Stress Management«. Je mehr in den Medien und im sozialen Umfeld diese Unwägbarkeiten zum Thema werden, umso stärker ist die Rückwirkung
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auf die Personen. (vgl. Pinquart und Silbereisen 2008) Man sieht das zum Beispiel an einer Bankenkrise. Immer mehr Informationen erreichen die Menschen über die internationale Verwicklung der Finanzmärkte und deren drohenden Zusammenbruch. Jeder ist verunsichert, fühlt sich Strukturen ausgeliefert, die offenbar auch unsere besten Ökonomen und Politiker nicht mehr steuern können. Man fürchtet nicht nur den Verlust des eigenen Ersparten, sondern stellt auch sein persönliches Verhalten in Frage. Gilt die Regel noch, die wir gelernt haben, langfristig und sparsam sein Geld anzulegen? Wie soll man sich vor all den Risiken schützen und wessen Ratschlägen kann man noch trauen? Die Wahrscheinlichkeit für ein erhöhtes Gefühl von Stress nimmt allein mit diesen Fragen schon zu. Kommt der Einzelne dann noch unter Zeitdruck und steigen seine Arbeitsanforderungen, erlebt er eine starke psycho-soziale Belastung. Diese Belastung wird in dem Maß größer, in dem er Entscheidungsspielraum verliert, also immer mehr das Gefühl entwickelt, nur noch Ausführender von Entscheidungen zu sein, die er nicht mehr beeinflussen kann. So definiert Professor Jürgen Fritze von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde den heutigen Stress als den »Stress, sein eigenes Leben nicht steuern zu können«. Durch die zunehmende Technologisierung unserer Arbeitswelt fühlt sich der Einzelne nur noch als Rädchen im Getriebe. Ein Beispiel ist die Medizin. Hier wurden in den letzten Jahren zunehmend Leitlinien entwickelt, die sagen, welche Krankheit wie genau diagnostiziert und mit welchen Medikamenten therapiert werden muss. So viele Vorteile diese Konzepte sicherlich haben, so deutlich zeigt sich für den einzelnen Arzt der Nach-
teil: Sein individueller Entscheidungsspielraum wird immer geringer. Einfühlungsvermögen, Kenntnis der Lebensgeschichte des Patienten und seiner Familie und das Anpassen einer Therapie auf dieser Grundlage zählen immer weniger. Der Arzt fühlt sich austauschbar, denn es ist gleichgültig, wer das Standardprogramm durchführt. In sehr vielen Berufen leiden die Leute unter ähnlichen Strukturen.
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Warum wir unter Stress stehen
Stress durch erhöhte Leistungsanforderungen und großen Zeitdruck kennzeichnet fast jeden Beruf. Mitarbeiter, Kollegen werden entlassen und der Rest der Belegschaft muss deren Arbeit zusätzlich machen. Die Gnadenlosigkeit, mit der Überstunden erwartet werden, steigert den Stress. ═══ Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, wenn nicht alles perfekt und schnell geht. ═══ Der Druck der Konkurrenz, nicht gut genug zu sein und die Angst zu versagen. ═══ Das Gefühl, nicht mehr mithalten zu können, weil sich die Arbeitsbedingungen verändert haben. Das passiert nicht nur älteren Leuten, aber denen besonders häufig. ═══ Viele neue Vorschriften, die man für unsinnig erachtet, bereiten durch den Konflikt, sie einerseits erfüllen zu müssen und sie andererseits abzulehnen, doppelten Stress. Besonders Lehrer sind hier betroffen, aber auch viele andere Berufe. ═══ Die Möglichkeit, in einem Einzelfall eine persönliche Entscheidung zu treffen, wird immer geringer. Es entwickelt sich ein Gefühl von Ausgeliefert-Sein, nur noch Rädchen im Getriebe darzustellen.
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═══ Die doppelte Belastung von berufstätigen Eltern mit kleinen Kindern. ═══ Persönliche Krisen durch Trennung, Scheidung, Verlust von Partner oder Freunden oder andere Veränderungen im Leben können ebenfalls einen enormen Stress verursachen. Im Ergebnis bezeichnet Stress eine über längere Zeit erlebte Unzufriedenheit mit der Lebens- oder Arbeitssituation, mit dem ständigen Gefühl, gehetzt und getrieben zu sein, ohne eine Möglichkeit, sich zu entspannen.
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Der Stress mit den medizinischen Anweisungen
Sämtliche medizinischen Statistiken beweisen, dass die Ernährung der meisten Leute nicht besonders gesund ist: zu süß, zu fett, zu viel, Kaffee, Alkohol, Zigaretten – schädlich ist alles. Die Naturheilkundler gehen oft noch einen Schritt weiter und verurteilen weißes Mehl, weißen Zucker und zahlreiche andere industriell aufbereitete Nahrungsmittel. So sinnvoll und richtig alle Argumente für eine bessere Ernährung sind – von der psychologischen Seite gibt es immer dasselbe Problem: Der Genuss bleibt auf der Strecke. Die spontane Freude am guten Essen und Trinken wird durch die Vernunft deutlich eingeschränkt. Es gibt zahlreiche Regeln, Vorschriften und Verbote, die Diätvorschläge werden immer differenzierter. In irgendeiner Weise ist man so an seinen Krankheiten selbst schuld, weil man sich falsch ernährt hat. Offenbar schaffen es nur sehr wenige Menschen, trotz der vielen Informationen die wir haben, die richtige Ernährung durchzuhalten. Nach langer Erfahrung stelle ich folgende These auf: Die meisten Leute brauchen nicht mehr, sondern eher weniger Vor-
schriften, wie das »richtige« Leben zu bewältigen ist. Die Vielzahl der Regeln verstärkt Krankheiten, die durch Stress bedingt sind, weil jede weitere Forderung auch neuen Stress verursacht. Sieht man das Ganze etwas gelassener, kommt man schnell zu dem Ergebnis: Ein Weniger an Regeln und damit an Stress macht das Leben freundlicher und angenehmer. Eigentlich kommt es immer auf das Maß an: Natürlich ist der ausschließliche Verzehr von Fast-Food nicht gesund. Aber es ist auch nicht gesund, sich jedes ungesunde Essen zu verbieten, weil das nur zusätzlichen Stress verursacht. In der Konsequenz heißt das: Lieber mal was Süßes essen, denn das hat oft die Funktion des Trostes. Man tröstet sich über den ständigen Stress des Lebens und gönnt sich was Süßes. Das stabilisiert und macht wieder glücklich. Daran wäre nichts auszusetzen, wenn nicht bei jedem Essen von Süßigkeiten gleich das schlechte Gewissen zuschlagen würde. Man macht sich Vorwürfe, weiß, dass diese Süßigkeiten objektiv ungesund sind, befürchtet, man könne nun an Gewicht zulegen und weitere Krankheiten entwickeln. Nur stellt sich die Frage, ob es das Süße ist, das krank macht, oder das schlechte Gewissen, die Norm, die Regel, das Wissen – das ist ungesund. Ich behaupte, dass der doppelte Stress erst wirklich krank macht: die Stresssituation, die das Süße als Trost verlangt und der zweite Stress, der genau das wieder verurteilt, weil es ungesund ist und dick macht. Das gleiche Prinzip gilt bei der koronaren Herzerkrankung, eine der klassischen Stresskrankheiten. Gerade die Leute nach einem Herzinfarkt sind einem Übermaß von Verhaltensregeln ausgesetzt, medizinisch begründet und völlig zu Recht. Diese Anweisungen treiben aber gleichzeitig durch ihre Rigidität die
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Betroffenen so in die Enge, dass sich ihr Stress durchaus noch steigern kann. Im Klartext bedeutet das: Ein Herzkranker, der weiter raucht, sich schlecht ernährt und zu wenig bewegt, bekommt durch sein Wissen darüber, dass er sich selbst objektiv schadet, noch einen weiteren Stress. Während ein großer Teil der Naturheilkundigen im Übermaß zu Verhaltensregeln und Ernährungsvorschriften tendiert, deren Sinn manchmal fragwürdig bleibt und die den emotionalen Druck erhöhen, stellt die moderne westliche Medizin ebenso viele aus statistischen Daten und Fakten entwickelte Regeln und Normen auf, die den Stressfaktor ebenfalls steigern.
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Der Stress mit dem eigenen Körper
Aus der banalen Tatsache, dass kein menschlicher Körper perfekt ist, entwickeln viele, Frauen mehr als Männer, einen permanenten Stress um ihr Äußeres. Irgend etwas ist immer verkehrt: Man ist zu dick oder zu dünn, zu groß oder zu klein, die Beine sind zu lang oder kurz, die Hüften zu breit oder schmal, von Haut und Haaren ganz zu schweigen; die sind in jedem Fall nicht gut genug. Ein weiterer Faktor erhöht bei zahllosen Frauen den Stress immens: das immerwährende Gefühl, zu dick zu sein. Da es häufig objektiv nicht zutrifft, geht es in den meisten Fällen um minimale Veränderungen, um circa zwei bis drei Kilo, die sie unbedingt abnehmen müssen. Allein diese Idee zeigt bereits, dass es sich um völlig normalgewichtige Leute handelt. Und trotzdem entwickeln sie einen eigenen, immer wiederkehrenden Dauerstress: Nie ist der eigene Körper einfach nur gut, wie er ist, ständig gibt es Mängel, unter denen man leidet. Ein Gefühl
von Zufriedenheit kann zu keiner Zeit erlebt werden. Manchmal wird ein optimaler Zustand im Nachhinein thematisiert: Damals war ich schöner, schlanker, attraktiver als jetzt. In fast allen Fällen gab es aber zu diesem imaginären Zeitpunkt ebenso wenig Akzeptanz für den eigenen Körper wie zu dem jetzigen. Auch damals fühlte man sich schon nicht richtig wohl mit seinem Äußeren. Selbst das Ergebnis schwerer Lebenskrisen, in denen man automatisch, ohne eigenes Zutun plötzlich rapide abnimmt, wird dann idealisiert zu einer Phase von idealem Gewicht. Nicht der extreme Stress der Krise wird erinnert, sondern nur das vermeintlich bessere Aussehen. Das entspricht allerdings selten den Tatsachen, denn unter diesen Bedingungen sieht man meist einfach nur so fertig mit den Nerven aus, wie man ist. Die stete Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper kostet ein Übermaß an Energie und Zeit und verstellt den Blick für die wesentlichen Dinge: für Schönes, die Karriere, geistige Erweiterung etc.
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Stressbedingte Erkrankungen
Schlafstörungen ══ Am schlechten Schlaf bemerkt man den Stress
fast immer zuerst: Man kann sich nicht mehr entspannen, sich nicht fallen lassen. Die Gedanken kreisen im Kopf, verschiedene Arten von Einschlaf- und Durchschlafstörungen stellen sich ein (siehe das Kapitel »Das Beispiel Schlafstörungen«). Chronische Müdigkeit, Burnout-Syndrome, Erschöpfungszustände ══
Hiermit sind Leute gemeint, die völlig ausgebrannt sind vom Stress; sie wollen nichts mehr hören und sehen, fühlen sich nur noch müde und erschöpft. Sie verlieren das Interesse an all den
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Dingen, die das Leben schöner machen könnten, und ziehen sich von allem zurück. Die Hoffnung, dass man durch mehr Schlaf der Erschöpfung entgegenwirken könne, erfüllt sich nicht. Im Gegenteil: Der Schlaf ist nicht erholsam und die Müdigkeit am Morgen nicht geringer als am Abend. Ängste ══ Hier sind nicht die akuten, »normalen« Ängste gemeint, wie die vor Prüfungen, wichtigen Terminen oder Zahnarztbesuchen. Es geht um die chronischen Ängste, die immer wiederkehren, denen man dann hilflos ausgeliefert ist, weil man sie überhaupt nicht steuern oder beeinflussen kann. Manche treten nur in bestimmten Situationen auf, wie zum Beispiel beim Autofahren über Brücken oder im Tunnel, in Kaufhäusern, Menschenmengen oder in großen Höhen. Mit keiner Vernunft und gutem Zureden lassen sich diese Angstanfälle bewältigen. Sie können sich steigern bis hin zu unerklärlichen Panikattacken. Andere Ängste treten zwar nicht so regelmäßig und nur unter gewissen Bedingungen auf, können aber die gesamte Persönlichkeit verändern: Die Angst vor Krankheiten kann das ganze Leben dominieren wie auch die vor finanziellen Verlusten, vor allem Neuen etc. Depressionen ══ Stress kann sich auch auf unsere Stimmung und unseren Antrieb auswirken bis hin zur krankheitswertigen Depression. Dabei verödet das Gefühlsleben, die Betroffenen ziehen sich aus sozialen Kontakten zurück und können ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen. Man schätzt heute, dass etwa vier Millionen Deutsche manifest an Depressionen erkrankt sind. Bei den Gründen für Krankschreibungen nehmen die psychischen Erkrankungen einen rasant steigenden Anteil ein, davon ist der überwiegende Teil
durch Depression begründet. Nach den Zahlen der Deutschen Rentenversicherung für 2007 sind bei den Frühberentungen der Männer 28,7 Prozent und bei den Frauen 39,7 Prozent durch psychische Krankheiten bedingt. Es ist zu vermuten, dass die enorme Zunahme der Depressionen ihren Grund in einer immer anstrengenderen Lebensweise findet. Zwar beschrieb schon Hippokrates im alten Griechenland die Melancholie, aber sie trat bisher nicht in einer solchen Häufung auf. Schwindel ══ Es gibt mehrere Formen von Schwindel: Er kann von Veränderungen der Halswirbelsäule herrühren, durch Störungen im Innenohr bedingt sein oder durch unterschiedliche neurologische Erkrankungen. Die Ursache sollte immer eindeutig diagnostiziert werden. Im Ergebnis aber sind die häufigsten Störungen, die mit Schwindel einhergehen, psychosomatischer Natur. Tinnitus, Hörsturz ══ Der akute Hörsturz ist die Stresserkrankung
»par excellence«. Die Zahl der Betroffenen ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Für die lästigen Ohrgeräusche kann es mehrere unterschiedliche Gründe geben. Auch hier ist der Stress die häufigste Ursache. Daneben gibt es eine Vielzahl körperlicher Krankheiten mit psychischem Anteil: Verspannungen und Schmerzen der Wirbelsäule ══ stellen sich häufig
ein bei Menschen, die unter starkem emotionalen Druck stehen. Typisch dafür ist, dass sie immer wiederkehren und mit den üblichen orthopädischen Methoden nur unzureichend behandelt werden können. Oft sieht man im Röntgenbild oder bei der Computertomographie nur geringe Veränderungen.
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Schmerzen der Gelenke ══ wie Arthrosen oder Arthritis, treten häu-
fig im Zusammenhang mit psychischem Stress auf. Auch wenn hier oft von »Verschleiß« gesprochen wird und Veränderungen der Gelenke nachweisbar sind, so kann man doch in vielen Fällen mit einer Therapie, die den Stress vermindert, eine deutliche Verbesserung der Beschwerden erreichen. Allergien ══ verschwinden manchmal völlig, wenn die Leidtragenden ihre Lebensumstände verändert haben (siehe das Kapitel »Der Lunge-Dickdarm-Meridian«). Ein geschwächtes Immunsystem ══ mit einer hohen Anfälligkeit für Infekte wird in vielen Untersuchungen aus der Stressforschung thematisiert. Im Grunde kennt das jeder: Ist man glücklich und mit sich zufrieden, machen einem die Viren – selbst wenn man massenhaft damit konfrontiert ist – viel weniger aus, als in einer ohnehin schon angespannten Situation (siehe auch das Kapitel »Krankheit und Immunsystem«). Magen-Darmsymptome ══ als Stressreaktion kennen viele Leute. Das kann ein unklares Druckgefühl im Bauch sein, aber ebenso zu einer akuten Gastritis oder Colitis führen. Neuralgien oder Spannungskopfschmerzen ══ gehören zu den typischen Stresskrankheiten. Oft findet man hier zusätzlich eine hohe Spannung im Nackenbereich. Hautkrankheiten ══ können in einigen Fällen einen ausgeprägten psychischen Anteil haben. Sie treten dann nicht immer auf, sondern nur in Phasen, in denen die Betroffenen ohnehin schon unter einer emotionalen Belastung stehen.
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Strategien zur Stressbewältigung
Studien zeigen, dass der Umgang mit Stress ausschlaggebend dafür ist, ob man daran erkrankt oder nicht. Die Leute, die in der Lage sind, eine innerliche Distanz zu ihrer Arbeit aufzubauen, leiden weniger. Das heißt: Man kann die Bewältigung von Stress erlernen. Das geht in Seminaren oder Kursen, in denen man zum Beispiel Entspannungstechniken trainiert. Wichtig ist aber auch, sich bewusst zu machen, welche Faktoren im Einzelfall zum negativen Stress beitragen und an welchen Punkten man im Alltagsleben etwas verändern kann. Greifen diese Strategien nicht, ist auch der Einsatz von Medikamenten denkbar: Schlaf- und Beruhigungsmittel, Antidepressiva oder Anxiolytika (angstlösende Mittel). Bei allen Methoden, sich körperlich und seelisch zu entspannen, ist es wichtig, einen eigenen Weg zu finden, selbst auszuprobieren, auf welche Weise man sich aus dem Stress helfen kann. Für Leute mit einer großen inneren Unruhe oder mit Angst- und Panikattacken kann zum Beispiel Autogenes Training unerträglich sein. Sie brauchen Bewegung und entspannen sich besser, wenn sie einfach mal durch einen Park laufen. Denn die Adrenalinausschüttung bei Stress löst im Grunde einen Fluchtreflex aus – also losrennen, flüchten, weglaufen. Gerade bei akuter Panik sollte man dem Impuls zu fliehen nachgehen und möglichst sofort nach einer Möglichkeit zum Laufen suchen. Manchmal reicht es, nur einmal schnell um den Häuserblock zu gehen. In jedem Falle ist es nützlich, sich eine individuelle Strategie zu überlegen: Manche Leute entspannen sich besser beim Yoga als beim Laufen. Qi Gong ist für viele sehr erfolgreich, es wird
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auch in der modernen Schmerztherapie als ein Baustein in der Schmerzbewältigung empfohlen. Auch die Progressive Muskelentspannung kann hilfreich sein. Viele Leute brauchen aber mehr Bewegung, da könnte zum Beispiel Rudern oder Badminton oder Handball sinnvoll sein. Andere kommen bei gemütlichen Spaziergängen oder Gartenarbeit besser zur Ruhe. Natürlich schließt die eine Methode die andere nicht aus: Man kann auch Yoga machen und zweimal in der Woche laufen. Eine gute Möglichkeit, sich helfen zu lassen, bietet die Akupunktur, wie sie in diesem Buch beschrieben ist. Die Akupunktur hat den Vorteil, dass sie auch mögliche genetische Faktoren gleichzeitig mit den jeweiligen Stressfaktoren in die Behandlung einbeziehen kann. Sie ist damit eine erfolgreiche Methode, stressbedingte Erkrankungen zu behandeln. Es ist eine sanfte Methode der Therapie, sie hat also keine Nebenwirkungen, und sie wirkt schneller und intensiver als andere bekannte Verfahren.
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Wie die Akupunktur hilft
Kommen wir zurück zu der Geschichte des stressgeplagten Menschen, der am Bahnsteig steht, auf den verspäteten Zug wartet und der Kälte und den Viren ausgesetzt ist. In unserem Beispiel hat der Ärger überwogen, die Krankheit ist ausgebrochen. Wir sehen jetzt eine akute Erkältung, einen sogenannten »banalen« Infekt. Für eine gelungene Akupunkturbehandlung reicht es nun nicht, nur den Schnupfen, die Heiserkeit, den Kopfschmerz zu behandeln. Der Therapeut braucht die zusätzlichen Informationen über die Zugluft, über den Ärger und die Ängste. In den meisten Fällen steigert sich der Ärger ja durch die Krankheit noch zusätzlich: Durch die Fehlplanung der Bahn habe ich nicht nur wichtige Termine verpasst, sondern ich bin auch noch krank geworden, falle möglicherweise im Beruf aus, bekomme zusätzlichen Stress. Es gibt einen Akupunkturpunkt, mit dem sich die Situation schnell lösen lässt: der Punkt, der den »Wind zerstreut«, der »Teich des Windes« (Gb 20). An einem solchen Punkt zeigt sich das Geniale der chinesischen Akupunktur, denn er beseitigt nicht nur die Erkrankungen, die durch die Zugluft entstanden sind, sondern er liegt auch auf dem Gallen-Meridian, also dem Meridian, der immer einen Zusammenhang mit Ärger, mit Stress aufweist. Im idealen Fall löst also eine Akupunkturnadel an diesem Punkt nicht nur den Ärger – der Patient entspannt sich wieder – sondern auch sämtliche Erkältungssymptome auf. In der Regel dauert das nur wenige Stunden. Fazit: Für eine erfolgreiche Akupunktur braucht man nicht nur ein Symptom, wie z. B. Schnupfen oder Kopfschmerz, son-
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dern den Zusammenhang mit den Faktoren, die zur Erkrankung geführt haben. Einen guten Akupunkteur erkennt man daran, dass er Fragen nach genau diesen Zusammenhängen stellt. Der Patient ist nicht nur in der passiven Rolle dessen, dem einige Nadeln gestochen werden. Je mehr er selbst sich an der Analyse seiner Krankheit beteiligt, desto schneller wird der Erfolg einer Behandlung sich einstellen.
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Wie muss man sich eine Akupunkturbehandlung vorstellen?
In der Praxis bedeutet das, dass an bestimmten Stellen des Körpers Nadeln eingestochen werden. Dabei sind diese Akupunkturpunkte nicht unbedingt direkt am Ort des Schmerzes zu finden. Sie liegen auf den Meridianen, die nach den Regeln der klassischen Akupunktur betroffen sind. Das könnte bei einem akuten Infekt mit Kopfschmerz und Schnupfen zum Beispiel auch ein Punkt am Fuß sein, denn der später noch ausführlich erklärte Gallen-Meridian zieht vom Kopf bis zum Fuß. Er weist zusätzliche beruhigende Punkte in der unteren Körperhälfte auf. Daneben werden auch benachbarte Meridiane in die Therapie einbezogen. Allein der Reiz durch einige Nadeln an den richtigen Punkten reicht aus, um die Energien wieder auszugleichen. Das heißt: die Muskulatur des Nackens entspannt sich, die Schleimhaut der Nase schwillt ab, der Kopf wird klarer und der Mensch ist wieder gesund. Wenn er vorher keine anderen Krankheiten hatte, spürt er in der Regel den Effekt schon nach der ersten Behandlung, meist braucht es noch einige wenige weitere, um zu
stabilisieren. Bestand aber schon seit Monaten eine ständig wiederkehrende Verspannung in der Halswirbelsäule, dauert dieser Prozess möglicherweise etwas länger. Ebenso wird in den Fällen, in denen vor dem akuten Infekt bereits eine chronische Entzündung der Nasennebenhöhlen vorlag, eine längere Zeit der Behandlung erforderlich sein. Über die Häufigkeit von Akupunkturbehandlungen kann man nur im Einzelfall entscheiden. Die Nadeln sollten in einer entspannten Atmosphäre gesetzt werden, sie verbleiben etwa zwanzig bis dreißig Minuten und werden dann wieder entfernt. Ziel der Behandlung ist immer eine Symptom- oder Beschwerdefreiheit. Bei den stressbedingten Erkrankungen, um die es hier geht, lassen sich die Ursachen des Stresses, also die Lebens- und Arbeitsbedingungen und die psychische Ausgangssituation nicht unbedingt verändern. Ändern kann man aber die Reaktionsweise auf die vorhandenen Bedingungen. Das bedeutet, dass man in der Therapie der Schlafstörung, des Burnouts, des Kopfschmerzes eine Entspannung erreicht, die es ermöglicht, nicht auf jede belastende Situation mit den jeweiligen Symptomen zu reagieren. Die Akupunktur verhilft in diesen Fällen dazu, wieder ruhig und entspannt zu schlafen, ohne Kopfschmerz aufzuwachen und trotzdem den Belastungen des Alltags standzuhalten. Aus dem negativen Stress entwickelt sich auf diese Weise im Idealfall ein positiver. Ist dieser Zustand einmal erreicht, hält er in der Regel für längere Zeit an. Die Akupunkturbehandlungen müssen also keinesfalls endlos fortgesetzt werden. Wenn der Körper sich einmal auf den neuen, energetisch ausgeglichenen Zustand eingestellt hat, treten Kopfschmerz oder Schlafstörung nicht mehr so leicht auf.
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Akupunktur und andere Behandlungen
Anders als allgemein vermutet wird, lässt sich die Akupunktur völlig problemlos mit Medikamenten kombinieren. In der Schmerztherapie reicht manchmal die Wirkung der Akupunktur nicht aus, auch nicht, wenn man homöopathische oder phytotherapeutische Medikamente zusätzlich verabreicht. Bei sehr starken Schmerzen, die zum Beispiel mit Bandscheibenvorfällen oder Neuralgien einhergehen können, lässt sich die Akupunktur gut kombinieren mit Analgetika (Schmerzmittel) wie NSAR (Voltaren, Diclofenac u. a.), Cortison, Metamizol (Novalgin u. a.) und Tramadol u. a. In der Schmerztherapie setzt man heute meistens auf eine Kombination mehrerer Medikamente aus unterschiedlichen Wirkstoffgruppen, so dass man die analgetische, also schmerzlindernde Wirkung steigern und gleichzeitig die Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente gering halten kann. Die Akupunktur würde bei einer solchen Behandlung die Wirkungsweise der Medikamente unterstützen, wäre somit ein wichtiger Baustein der Gesamttherapie und hat darüber hinaus noch den Vorteil, keine Nebenwirkungen zu haben. Schmerzmittel heben die Wirkung einer guten Akupunktur offenbar nicht auf. Man sieht das immer dann, wenn Patienten mit einer gut gewählten, rein medikamentösen Therapie, trotzdem noch unter Schmerzen leiden. Oft zeigt sich dann die Wirkung der Akupunktur besonders gut: Auch wenn sie der fünfte oder sechste Baustein in einer Gesamttherapie ist, bringt sie noch deutliche Verbesserungen. Vermutlich lassen sich diese Erfolge unter anderem darauf zurückführen, dass die Akupunktur die Stressfaktoren bei ihrer Anwendung mit einbezieht.
Das Gleiche gilt beim Rheuma, der rheumatoiden Arthritis. In vielen Fällen reicht die Akupunktur allein nicht aus, um die Entzündung der Gelenke zu stoppen. Hier kann man die Basistherapie mit herkömmlichen Immunsuppressiva oder den »Biologicals«, den TNF-alpha-Blockern und Steroiden (Cortison) durchaus verbinden mit Akupunkturbehandlungen. In der Regel lassen sich die Dosierungen der Basistherapie dann reduzieren auf ein langfristig besser verträgliches Maß bei rückläufigen Entzündungsparametern. Gerade bei einer über lange Zeit laufenden Behandlung chronischer Erkrankungen ist es sehr wichtig, Folgeschäden durch Medikamente so gering wie möglich zu halten. So kann z. B. bei einer Dauerbehandlung mit Carbamazepin (Antiepileptikum, wird auch bei Trigeminusneuralgie eingesetzt) die Müdigkeit und Antriebslosigkeit, die dieses Medikament als Nebenwirkungen verursacht, verringert werden, wenn man die Dosis reduziert. Das funktioniert mit einer gezielten, die Behandlung unterstützenden und die fehlenden Medikamente ausgleichenden Akupunktur, so dass insgesamt die Lebensqualität für die Betroffenen besser wird. Auch Psychopharmaka, die sich z. B. bei einer bestimmten Art der Migräne sehr wirkungsvoll einsetzen lassen, können gut mit Akupunktur kombiniert werden. Das Ziel, also die dauerhafte Beseitigung von Migräneattacken, wird dadurch leichter erreicht, als dies mit dem ausschließlichen Einsatz nur einer der beiden Therapien gelingen würde. Homöopathische Medikamente sind nahezu ideal mit der Akupunktur zu verbinden. Vermutlich liegt das daran, dass Homöopathika auch einen breiteren Ansatz haben, also ebenso wie die Akupunktur auf Körper und Seele gleichzeitig wirken.
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Das funktioniert allerdings nur dann, wenn nach den klassischen Regeln der Homöopathie die Gesamtpersönlichkeit mit ihren aktuellen und chronischen Leiden einbezogen wird. Bei einem großen Teil der Stresserkrankungen bringt die Verbindung von Akupunktur und Homöopathie die schnellsten und besten Heilerfolge. Grundsätzlich lässt sich also Folgendes feststellen: Die meisten Medikamente der modernen westlichen Medizin sind mit einer Akupunkturbehandlung kombinierbar: Die Wirkung der Akupunktur wird durch die Medikamente ebenso wenig beeinträchtigt wie die Wirkung der Medikamente durch die Akupunktur. Im Gegenteil, die Kombination bringt in vielen Fällen die besseren Ergebnisse.
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Yin, Yang und die Funktionskreise
Grundlage der chinesischen Medizin ist die Yin-Yang-Lehre, die aus der Beobachtung von Naturphänomenen entwickelt wurde. Yin und Yang bezeichnen Gegensätze: ═══
Yin-Yang-Paare der Schatten die Nacht die Ruhe das Weibliche
⇚⇛ ⇚⇛ ⇚⇛ ⇚⇛
das Licht der Tag die Aktivität das Männliche
Es sind Gegensätze, die einander bedingen; das eine kann nicht ohne das andere existieren. Auf die Nacht folgt der Tag, jede Aktivität braucht die Ruhephase.
Die chinesische Medizin bezieht sich immer auf den Kosmos, auf das Ganze und darin bilden die Gegensatzpaare von Yin und Yang eine Einheit. Das Symbol dafür ist das Fou-ChiZeichen. ═══
Das Fou-Chi-Zeichen
Hier steht der blaue Bereich für Yin, der weiße für Yang, der umgebende Kreis für das Ganze und die Punkte dafür, dass das eine im jeweils anderen immer mitexistiert. Die Wellenlinie zwischen Blau und Weiß drückt den steten Wandel aus, wie den Zyklus der Jahreszeiten oder der Mondphasen, das stetig Wachsende und Vergehende oder auch hormonelle Zyklen. Akupunkturpunkte sind durch Linien miteinander verbunden, die Meridiane. Meridiane sind gedachte Energielinien, die den Körper überziehen und ihn so praktisch in Längsstreifen unterteilen. Bisher gibt es in der westlichen Medizin keine Struktur, die den Verlauf der Meridiane erklärt. Sie folgen nicht den Blutbahnen, nicht dem Nervensystem, auch nicht dem lymphatischen System; es gibt noch keine schlüssige Erklärung für den Verlauf. Im Bereich der biomedizinischen Forschung bestehen inzwischen mehrere Erklärungsansätze. Wahrscheinlich wird man zu einem späteren Zeitpunkt ein wissenschaftlich fundiertes Modell dafür entwickeln können. Bis dahin bedienen wir uns einer jahrtausendealten Erfahrung, die diese
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Die zwölf Hauptmeridiane sind paarig angelegt; sie laufen auf der rechten wie der linken Körperseite spiegelbildlich. Sie unterteilen sich in sechs Yin- und sechs Yang-Meridiane.
Ks KS He He
Ma Ma
Lu Lu
Gb Gb
Bl Bl
33EE Dü Dü Di Di
Gb Gb
Mi Mi
Ni Ni
Gb Gb
Le Le
Gb Gb
Di Di
Dü 33 EE Dü
Ni Ni
Gb Gb Bl Bl Ma Ma
Le
Le
Mi Mi
Die Yin-Meridiane und der Magen-Meridian (Yang) KS ══ Kreislauf
He ══ Herz Lu ══ Lunge Ma ══ Magen Mi ══ Milz Ni ══ Nieren Le ══ Leber
Die Yang-Meridiane 3 E ══ Dreifacher Erwärmer
Bl ══ Blasen Gb ══ Gallen Dü ══ Dünndarm Di ══ Dickdarm
Leitbahnen von Energie beschreibt. Denn der große Erfolg der Akupunkturbehandlung gibt den Erfahrungswerten recht. Stellt man sich einen Menschen vor, der mit erhobenen Händen steht, so liegen alle Yin-Meridiane auf der Vorderseite und alle Yang-Meridiane auf der Rückseite des Körpers. Es gibt allerdings hier eine Ausnahme: Der Magen-Meridian läuft, obwohl er Yang ist, vorn über den Körper. Hilfreich ist auch die Vorstellung eines gebeugt im Garten arbeitenden Menschen: Alles, was die Sonne bescheint, ist Yang, und was im Schatten liegt, ist Yin. Auch in der Richtung, in der die Energie fließt, sind die Meridiane gegensätzlich: Yang-Meridiane laufen von oben nach unten, also vom Kopf zum Fuß, oder bei erhobenen Händen von der Hand zum Kopf. Yin-Meridiane laufen von unten nach oben, vom Fuß zum Brustkorb und vom Brustkorb zur erhobenen Hand. Die Energie, die durch die Meridiane fließt, bildet beim Gesunden einen gleichmäßigen Fluss, er wechselt mit den Tagesund auch den Jahreszeiten. Entsteht eine Krankheit in einem Organ, ist der Energiefluss gestört. Durch die Akupunktur, den Reiz durch eine Nadel am richtigen Punkt, bringt man die Energie wieder in Gang und stellt so das Gleichgewicht wieder her. Das Organ wird dadurch entlastet und wieder gesund, und der ganze Körper findet zu einer harmonischen Einheit zurück. So kann zum Beispiel bei einer Gastritis (Magenschleimhautentzündung) die überschüssige Säureproduktion des Magens wieder reguliert werden durch einige Akupunkturnadeln an den entsprechenden Punkten. Je ein Yin- und ein Yang-Meridian bilden ein Paar. Zusammen bezeichnet ein Meridianpaar einen gemeinsamen Funktions-
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kreis oder Meridiankomplex. Er bildet wieder das Ganze als eine Einheit von Gegensätzen. Es gibt fünf Funktionskreise, die jeweils ihren Organen zugeordnet sind. Nur zehn der zwölf Meridiane sind inneren Organen zugeteilt, die zwei weiteren (der Dreifache Erwärmer und der Kreislauf-Meridian) sind nur als funktionelle Meridiane beschrieben. Der Leber-Meridian (Yin) bildet mit dem Gallen-Meridian (Yang) einen Funktionskreis, der Herz-Meridian (Yin) mit dem Dünndarm-Meridian (Yang), der Milz-Meridian (Yin) mit dem Magen-Meridian (Yang), der Lungen-Meridian (Yin) mit dem Dickdarm-Meridian (Yang), der Nieren-Meridian (Yin) mit dem Blasen-Meridian (Yang). Die traditionelle chinesische Medizin kennt fünf Elemente: Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Jedem dieser Elemente ist ein Meridiankomplex zugeteilt. Dahinter steht die Vorstellung, dass alles in der Natur von Yin und Yang und von den fünf Elementen beherrscht wird. Die Elemente verkörpern die grundsätzlichen Eigenschaften jeder Materie im Universum. Sie befinden sich im steten Wandel durch den Zyklus der Jahreszeiten in der Natur, ein Prozess der laufenden Veränderung, den man als die fünf Wandlungsphasen bezeichnet. Diesen Wandlungsphasen unterliegt alles Leben, das der Menschen, der Tiere und der Pflanzen.
Die fünf Wandlungsphasen
Wasser Niere / Blase
Erde Milz / Magen
b i l d e t du rch A ush ä r t en M etal l⇒
=⇒ hsen wac m Bau den ässt l r e s Was
Feuer Herz / Dünndarm F ==⇒ eue re r= e rg u ibt Fe r ü As f e ch e( lag d Erd n u r e) G === e === di t s === i =⇒ lz o H
Erde
Holz Leber / Galle
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An Metall kondensiert Wasser ======⇒
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Metall Lunge / Dickdarm
Außerdem gibt es eine Zuordnung zu den Jahreszeiten mit entsprechenden Klimafaktoren: Der Leber-Gallen-Meridian gehört zum Frühjahr mit Wind und schnellem Wetterwechsel, der Herz-Dünndarm-Meridian zum Sommer mit Hitze, der Milz-Magen-Meridian zum Spätsommer mit Feuchtigkeit der Luft und der Erde, der Lunge-Dickdarm-Meridian zum Herbst mit Trockenheit, der Nieren-Blasen-Meridian zum Winter mit Kälte. Ebenso werden die Sinnesorgane assoziiert: Auge, Zunge (Sprache), Mund (Geschmack), Nase, Ohren. Die Meridiankomplexe sind auch für bestimmte Gewebe des Körpers zuständig: Muskeln und Sehnen, Blutgefäße, Binde- und Fettgewebe, Haut, Knochen und Zähne.
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Zusätzlich finden die Elemente und die Jahreszeiten ihre Entsprechung in emotionalen Grundstimmungen: Zorn, Freude, Sorge, Trauer, Angst. ═══
Die fünf Meridiankomplexe mit ihren verschiedenen Assoziationen
Leber / Galle
Herz / Dünndarm Milz / Magen
Lunge / Dickdarm
Nieren / Blase
Holz
Feuer
Metall
Wasser
Erde
Frühling
Sommer
Spätsommer
Herbst
Winter
Wind
Hitze
Feuchtigkeit
Trockenheit
Kälte
Auge
Zunge
Mund
Nase
Ohren
Muskel
Gefäße
Bindegewebe
Haut
Knochen
Zorn
Freude
Sorge
Trauer
Angst
In den folgenden Kapiteln wird beschrieben, wie sich aus diesen Grundstrukturen bestimmte Charaktertypen entwickeln. Jeder Typus, der von seiner genetischen Grundlage her zu einem Meridiankomplex gehört, weist ein gewisses Spektrum an Reaktionsweisen auf. Er reagiert in seiner spezifischen Weise auf den Stress durch äußere Bedingungen. Kommt man auf die anfängliche Geschichte mit dem kalten und zugigen Bahnhof und dem verspäteten Zug zurück, so würde hier jeder Charakter seine spezielle Reaktionsweise auf die Situation zeigen. Als Beispiel für die unterschiedlichen Strukturen der Konstitutionstypen könnte man sich die fünf Charaktere auf dem Bahnsteig vorstellen: Der Typ vom Leber-Gallen-Meridian ══ reagiert mit Ärger und Wut. Er leidet sehr unter der Zugluft, dem Wind und verspannt seine Muskulatur. Die Augen werden leicht rot und trocken, er fürchtet eine Bindehautentzündung.
═══ Ist er mehr in Gallen-Stimmung, also Yang, das heißt aktiv, erklärt er den Mitreisenden lautstark, welche Schlamperei sich diese Bahn mal wieder geleistet hat, greift sich möglicherweise den Stationsvorsteher oder sonst jemanden, den er für verantwortlich hält, überschüttet ihn mit Verbalinjurien, zieht ihn zur Rechenschaft und droht ihm Schadensersatzforderungen an. ═══ Ist der Leber-Meridian aktiver, also das Yin-Prinzip, wird der Zorn etwas ruhiger ausgedrückt. Der Typus würde alle erdenklichen bösartigen Bemerkungen entweder nur denken oder ein paar anderen Wartenden mitteilen. Der Typ vom Herz-Dünndarm-Meridian ══ würde unter der Situation vermutlich viel weniger leiden. Die Zugluft macht ihm nicht so viel aus, er ist hitziger. Und er gebraucht seine Zunge, das heißt, er redet viel. Die Freude über die geplante Reise möchte er sich nicht verderben lassen, nur weil der Zug etwas später kommt. ═══ Bei mehr Yang würde er oder sie auf jeden Fall Kontakt mit den anderen aufnehmen, einige witzige Geschichten über andere Zugverspätungen erzählen und sich vielleicht darüber freuen, welch spannende Leute man auf einem trostlosen Bahnhof kennenlernen kann. ═══ Bei mehr Yin könnte die Wartezeit genutzt werden, noch schnell ein kleines Mitbringsel zu erwerben, um bei der Ankunft jemandem eine Freude zu bereiten. Der Typ vom Milz-Magen-Meridian ══ würde sich vor allem Sorgen machen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Er braucht jetzt etwas im Mund, das heißt, er denkt bei Stress zunächst an Essen und Trinken. ═══ Reagiert er mehr im Yang, dem Magen-Meridian, besorgt er erst einmal etwas zu essen, falls er nicht ohnehin schon ge-
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nügend dabei hat. Aus seiner Keksschachtel bietet er den Mitreisenden großzügig an, verteilt ein paar Schokoriegel und achtet darauf, dass mitwartende Kinder bei guter Laune bleiben. ═══ Bei mehr Yin, hier dem Milz-Meridian, könnte die Sorge darüber, dass der Zug möglicherweise entgleist ist, im Vordergrund stehen. Er oder sie grübelt darüber nach, ob man in einen eventuell defekten Zug überhaupt einsteigen sollte, wenn er dann kommt. Der Typ vom Lunge-Dickdarm-Meridian ══ fürchtet vor allem, die fal-
sche Entscheidung getroffen zu haben. Wäre man mit dem Auto gefahren, hätte man jetzt nicht den Stress am Bahnhof. Und vielleicht hätte man eine andere Strecke fahren sollen. ═══ Mehr im Yang-Meridian Dickdarm spürt der Typus schon das Kribbeln in der Nase. Er weiß, dass er jetzt krank werden wird. Missmutig und wortlos starrt er die Mitreisenden an. Ein wenig beneidet er den sich lautstark aufspielenden Typ vom Gallen-Meridian, aber gleichzeitig findet er ihn auch furchtbar peinlich in seiner Unbeherrschtheit. ═══ Mehr im Yin-Meridian Lunge verträgt der Typus die schreckliche Luft auf dem Bahnsteig nicht. Er reagiert leicht allergisch und denkt über die Zusammensetzung der unterschiedlichen Abgase nach, die die Umwelt für ihn unerträglich machen. Er sucht die Taschen nach seinem Asthmaspray ab. Der Typ vom Nieren-Blasen-Meridian ══ steht starr, unbeweglich und deutlich abseits von den anderen am Gleis. Unter der Kälte leidet er sehr, besonders an den Ohren. Noch mehr aber empört ihn, dass die Bahn offenbar nicht in der Lage ist, Termine korrekt einzuhalten. In seiner Übervorsichtigkeit ist er allerdings ohnehin schon eine Stunde früher unterwegs.
═══ Wenn er mehr auf dem Yang-Meridian der Blase reagiert, weiß er, dass Reisen sowieso Stress bedeutet und sehnt sich nach seinem ordentlich aufgeräumten Büro. Er hasst es, dass man ihm so unerträgliche Bedingungen aufgezwungen hat. Leicht angewidert registriert er die weniger ordentliche Kleidung der Mitreisenden und den Schmutz auf dem Bahnsteig. Selbstverständlich hat er zugige Bahnhöfe eingeplant und sich entsprechend gekleidet. ═══ Beim Nieren-Meridian, der die Yin-Energie hat, dominiert die Angst. Der Typus fürchtet, gerade jetzt zur Toilette zu müssen und wenn er ginge, führe bestimmt der Zug ein, den er dann doch noch verpassen könnte. Vielleicht gerät er auch in Panik wegen der unangenehmen Mitreisenden, die ihm bestimmt nachher den Sitzplatz wegnehmen.
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Überlegungen zur Charakterstruktur
In der Geschichte der Medizin hat es zahlreiche Ansätze gegeben, sich die Natur von Krankheiten zu erklären, das heißt, Gründe zu finden, warum der eine krank wird und der andere nicht. Und warum bei manchen Menschen dieses und bei anderen jenes Organsystem von Krankheit befallen wird. In den meisten Beschreibungen versucht man, Strukturen zu entwickeln, Charaktertypen zu analysieren, aus denen sich die verschiedenen Krankheiten herleiten könnten. In unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen sind so über die Jahrhunderte Systeme entwickelt worden, die als Grundlage entweder das Wirken eines göttlichen Willens annehmen oder auf Gesetzmäßigkeiten der Natur basieren. Am bekanntesten sind die klassischen griechischen Tempera-
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mente nach Hippokrates und Galen mit der Unterscheidung in Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker und Phlegmatiker. Die Lehre von den Konstitutionen nach Kretschmer beschreibt den leptosom-asthenischen Typ, den athletischen Typ, den pyknischen und dysplastischen Typ. Auch Sigmund Freud entwickelte Charaktertypen mit oraler, analer und genitaler Dominanz. Die Festlegungen der Konstitution in der Homöopathie sind sehr viel differenzierter: Ohne die Kenntnis von mindestens zweihundert häufig verwendeten und auf Typenbeschreibungen basierenden homöopathischen Medikamenten lässt sich die Homöopathie nicht fundiert betreiben. Heute arbeitet das moderne Kommunikationstraining mit schnellen Einschätzungen von verschiedenen Typen: Die Grünen sind die Harmoniesüchtigen; die Roten die Energiegeladenen, schnell Entschlossenen; die Blauen sind die Gründlichen, Genauen etc. Die chinesische Medizin unterscheidet nach den Funktionskreisen der Meridiane fünf unterschiedliche Charaktertypen. Sie legen zwar eine Grundstruktur fest, ein Thema oder Element, dem der jeweilige Typus zugehört, bleiben aber sehr flexibel in den Möglichkeiten der Charakterausprägung. Hier wird ein Potenzial beschrieben, das im Falle von ausgeglichenen Energien alle Eigenarten zu einer positiven Persönlichkeit zusammenfügt. Dann prägt zum Beispiel eine Frau vom Nieren-Blasen-Meridian nicht die für diesen Meridian typischen Ängste aus, sondern findet zu einer heiteren inneren Ruhe, die den Belastungen des Alltags mühelos standhält. In diesem Fall gibt es auch keine wesentlichen Erkrankungen, die Wirbelsäule verspannt sich nicht, die Blase entzündet sich nicht und aus
dem Stress entsteht keine Angstattacke. Sie weiß, dass sie ordentliche und klare Strukturen für ihr Gefühl von Sicherheit braucht und ist in der Lage, dafür zu sorgen, dass sie ihr Leben entsprechend einrichtet. Durch störende, krankmachende Einflüsse würden sich die negativen Seiten des Charakters zeigen. Hier gibt es eine Reihe unterschiedlicher Möglichkeiten, in welche Richtung die Grundstruktur sich entwickelt. Im Yin-Yang-Prinzip der gegenläufigen Strömungen ist eine große Variationsbreite denkbar. Außerdem entspricht niemand zu hundert Prozent einem bestimmten Charaktertyp; wenn das so einfach wäre, hätte sich die gesamte Psychologie nicht entwickelt. Grundsätzlich sind bei jedem Menschen alle Meridiane vorhanden, jeder hat Herz, Lunge, Leber, Magen, Nieren. Die traditionelle chinesische Medizin beschäftigt sich sehr differenziert mit den Einflüssen der Meridiane untereinander, wie sich zum Beispiel eine Schwäche der Energie der Nieren auf die der Leber auswirkt. Daraus ergeben sich sehr komplexe Systeme. Jeder hat eine Mischung von unterschiedlichen Anteilen, die seine ganz eigene Persönlichkeit ausmachen. Zum Glück lassen sich Menschen nicht so einfach in Typologien aufteilen: Sie sind so wunderbar verschieden. Die Anteile, die ein Mensch von bestimmten Meridianen oder Charaktertypen hat, verändern sich zudem im Laufe des Lebens kontinuierlich: ═══ Die Grundstruktur kann sich verändern durch äußere Faktoren: Berufswahl, Status, Traumata, besondere Schicksalsschläge, schwere Krankheiten. ═══ Mit zunehmendem Alter können sich andere Strukturen entwickeln. Manche Leute bleiben sich immer »treu«, andere verändern sich stärker.
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═══ Innerhalb der Grundstruktur kann sich die Gewichtung verändern: z. B. von mehr Yin- zu stärkeren Yang-Anteilen. Was die chinesische Medizin vor allen anderen Theorien zur Typologisierung von Menschen auszeichnet, sind ihre vielfältigen Möglichkeiten der Einflussnahme. Durch sie können Veränderungen herbeigeführt werden. Durch die Akupunktur kann das Gleichgewicht von Energien wiederhergestellt werden.
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Konstitution und Lebensphasen
Beim Lesen der Beschreibungen von Charaktertypen drängt sich oft das Gefühl auf, dass hier eigene, ganz persönliche Eigenarten beschrieben werden. Und bei jedem der fünf Typen fragt man sich, ob man sich hier nicht besonders deutlich widergespiegelt sieht. Tatsächlich hat jeder alle Anteile in sich, nur in unterschiedlicher Gewichtung. So wie die Meridiankomplexe Jahreszeiten zugeordnet sind, entsprechen sie auch Lebensphasen: Der Leber-Gallen-Meridian ══ bezeichnet nicht nur den Frühling in der Natur; es ist ebenso das jugendliche Alter gemeint, die Zeit des Wachsens und Werdens als eine Phase im menschlichen Leben. In dieser Zeit reagieren viele junge Menschen mit Zorn, sie sind im Aufbruch mit schnell wechselnden Gefühlen, suchen nach einem eigenen Weg für sich. Der Herz-Dünndarm-Meridian ══ entspricht der Zeit der ersten Verliebtheit, des Lachens und Strahlens, der großen Aktivität und Neugier auf die Welt. Es ist die Zeit, in der man seinen Lebenspartner sucht und Bindungen eingeht. Im Beruf entscheidet man sich für einen Weg. Hier hat man meist noch die Möglichkeit des Ausprobierens, Fehlentscheidungen zu korrigieren.
Der Milz-Magen-Meridian ══ der das Thema Sorgen und Versorgen
hat, würde der Zeit entsprechen, in der man Kinder bekommt und aufzieht. Die volle Konzentration liegt auf der Familie. Beruflich ist es die Zeit der Konsolidierung: Man baut aus, entwickelt seine Position, legt sich fest. Der Lunge-Dickdarm-Meridian ══ beschreibt die Phase des Lebens, in der die Kinder erwachsen werden und aus dem Haus gehen. Es kommt die Zeit der Trauer und des Abschieds, der Herbst des Lebens. Häufig ist damit eine neue oder veränderte Orientierung verbunden. Man baut andere Interessen aus und bereitet sich beruflich schon auf den Ruhestand vor. Der Nieren-Blasen-Meridian ══ der dem Winter entspricht, kennzeichnet die Lebensphase des älteren Menschen. Aus dem Beruf hat er sich zurückgezogen. Oft entwickelt sich eine gewisse Starre im Alter. In fast allen Fällen nehmen die Ängste zu. Natürlich läuft selten ein Leben so schematisch ab, dass man in der Jugend zornig und im Alter rigide wäre. In den unterschiedlichen Phasen des Lebens und der persönlichen Entwicklung prägt man verschiedene Tendenzen aus. Durch bestimmte Erlebnisse und Ereignisse kann ein Thema für eine bestimmte Zeit in den Mittelpunkt rücken. So wird zum Beispiel nach dem Verlust eines geliebten Menschen das Thema Trauer stark im Vordergrund stehen, unabhängig davon, in welcher Lebensphase man sich befindet oder welchen Charaktertypen man eher repräsentiert. In dem Fall kann sich mit dem Trauern die entsprechende körperliche und seelische Symptomatik des Lunge-Dickdarm-Meridians zeigen. Bei diesem Zustand besteht eine gelungene Akupunkturbehandlung auch tatsächlich in der Therapie der Punkte des Lunge-Dickdarm-Meridians. Liegt in der Tiefe aber möglicherwei-
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se die Konstitution des Herz-Dünndarm-Meridians zugrunde, wird sich dieses Thema in der Behandlung erst im Anschluss zeigen. Man würde also zunächst den Lungen-Meridian ausgleichen, dann die Symptome des Herz-Meridians erkennen und diese dann anschließend behandeln. Im Grunde bewegt man sich gedanklich kontinuierlich zwischen den Lebensphasen hin und her. Weil ja in jedem Leben die Vergangenheit wie auch das aktuelle eigene Lebenskonzept ständig präsent sind und sich jeder an die vorhergehende Phase erinnert und mit der älteren Generation darüber redet, ist niemand wirklich nur in der eigenen Lebensphase verhaftet. Vielmehr kann er auch die anderen Phasen sehen und beurteilen. Jeder weiß, wie er als Kind oder Jugendlicher war. Auch wenn sich viele Dinge in der Erinnerung unterschiedlich darstellen: Je nach Stimmung oder auch geistiger Entwicklung erinnert man sich vorwiegend an das Traurige, Unfähige, Schreckliche, die tausend Ängste oder die wunderbaren und schönen Dinge, die prägenden Erlebnisse. So sind unabhängig von der aktuellen Situation alle anderen Phasen im Denken stets vorhanden.
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Das Beispiel Schlafstörungen
In der westlichen Medizin gewinnen wir durch die Aufzeichnungen aus dem Schlaflabor Erkenntnisse über den normalen Schlafablauf. Man unterscheidet verschiedene Schlafphasen: die Zeiten des Tiefschlafes und die REM-Phasen. REM steht für Rapid Eye Movement, d. h. schnelle Augenbewegung. Das bezeichnet eine Phase des Schlafes, in der das Hirn mehr durchblutet wird als in anderen Schlafstadien und die Körpertemperatur etwas ansteigt. Es ist die Zeit der intensiven Träu-
me. Deswegen werden die Augen so viel bewegt. Diese REMPerioden werden auch als aktiver, paradoxer Schlaf bezeichnet. Der Tiefschlaf bleibt weitgehend ohne Träume. Beim normalen, ungestörten Schlaf wechseln die Phasen des Tiefschlafs und der REM-Phasen regelmäßig ab, so dass ein wiederkehrendes Wellenmuster entsteht. In der ersten Stunde nach dem Einschlafen wird der Tiefschlaf erreicht und im Lauf der zweiten dann die erste REM-Phase, die in der dritten Stunde wieder von der nächsten Tiefschlafperiode abgelöst wird. Bei einer Schlafdauer von acht Stunden hätten wir also vier REM-Phasen, alle zwei Stunden eine. Und zu diesen Zeiten wa-
chen die Menschen häufig auf. Auch in der chinesischen Medizin finden wir einen Zwei-Stunden-Rhythmus. Die Zeit, in der ein Meridian im Tages- oder Nachtverlauf besonders aktiv ist, dauert wiederum zwei Stunden. So lange wird jeder Meridian von maximaler Energie durchflossen und dann durch den folgenden abgelöst. Daraus ergibt sich eine Meridianuhr, die die Zeiten der Aktivität genau beschreibt. Herz
Die Organuhr
Dün nd arm
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Die Zeiten der Schlaflosigkeit sind individuell unterschiedlich. Trotzdem wissen wir aus Erfahrung, dass sehr viele Menschen zu bestimmten Uhrzeiten aufwachen: Die meisten wachen gegen zwei, vier oder sechs Uhr auf. Anders als in der westlichen Medizin bilden in der chinesischen Akupunktur diese Zeiten die Grundlage für eine gezielte Therapie. Es ist also wichtig zu wissen, um wie viel Uhr genau ein Patient mit Schlafproblemen aufwacht. Daraus ergibt sich eine Zuordnung zu einem bestimmten Meridian, über den die Schlafstörung behandelt werden kann. Trifft man die richtigen Akupunkturpunkte auf diesen Meridianen, wird der Schlaf erstaunlich schnell tiefer und ruhiger – vorausgesetzt natürlich, dass keine anderen Krankheiten oder Störungen zugrunde liegen. Beim Wechsel von der Sommer- zur Winterzeit ergeben sich überraschend wenige Änderungen. Offenbar passt sich der Mensch sehr schnell den neuen Uhrzeiten an. Auch bei den Menschen, die durch ihre Arbeitszeiten einen unterschiedlichen Schlaf- Wachrhythmus haben, scheint sich keine große Änderung in der Aktivität der Organzeiten zu entwickeln. Das ist wirklich verblüffend, denn im Grunde kann ja eine solche Organuhr, die vor Tausenden von Jahren entwickelt wurde, nur an Leuten orientiert sein, die mit dem Sonnenaufgang aufstehen und mit dem Sonnenuntergang wieder schlafen gehen.
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Einschlafstörung
23 – 1 Uhr, Gallen-Meridian ══ Leute, die diesem Meridian zugeord-
net sind, reagieren schnell zornig, haben rasche Stimmungswechsel, sind häufig sehr kreativ und entwickeln dann neue
Ideen kurz vor dem Schlafen. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: ═══ Sie können nicht einschlafen und werden darüber wütend, so dass sie erst recht nicht schlafen können. ═══ Sie quälen sich mit beruflichen oder privaten Problemen; die Gedanken kreisen, der Schlaf bleibt aus. ═══ Sie entwickeln aus dem Halbschlaf heraus plötzlich neue Lösungswege für die anstehenden Probleme und sind wieder hellwach. ═══ Sie können nicht einschlafen wegen Schmerzen. Hier sind häufig Halswirbelsäule, Schulter oder Hüfte betroffen. Dieser Typ bleibt immer zu lange auf, weil er weiß, dass er sowieso noch nicht schlafen kann, selbst wenn er früh aufstehen muss. In der Nacht hat er seine besten Ideen, kann sich von Büchern oder dem Fernseher nicht trennen und schon gar nicht von Gesellschaften. Gern diskutiert er noch lange mit Freunden, wird immer wacher, hat keine Lust, ins Bett zu gehen, ärgert sich, dass er so früh aufstehen muss, hätte lieber einen individuellen Tagesplan. Zusammengefasst sind das die Nachtmenschen, die sich lebenslang nicht an normale Bürozeiten gewöhnen möchten. Alles wäre gut, wenn man morgens länger schlafen dürfte.
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Aufwachen
1 – 3 Uhr, Leber-Meridian ══ Auf der emotionalen Ebene sind Leber-
und Gallen-Meridian schwer zu trennen, sie gehören der gleichen Funktionseinheit an, haben dasselbe Element (Holz). Trotzdem erscheinen die Menschen, die von ihren körperlichen Symptomen dem Leber-Meridian zuzuordnen sind, einen stille-
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ren Zorn zu haben. Sie sind nicht so explosiv wie die vom Gallen-Meridian, der Ärger wird nicht so deutlich ausgelebt, äußert sich weniger in Wutausbrüchen als in ewigem Gemecker: Alles ist falsch, alles ärgert sie, sie sind ständig unzufrieden. ═══ Der Ärger über zahllose Dinge lässt sie auch in ihren Träumen nicht los, sie wachen bald nach dem Einschlafen wieder auf. ═══ Viele sind suchtanfällig: Sie essen und trinken zu viel. Auch in der westlichen Medizin denkt man bei Leberstörungen sofort an Alkohol, zuviel davon lässt nicht ruhig schlafen. ═══ Eine depressive psychische Struktur lässt entweder nicht ein- oder nicht durchschlafen. ═══ Auch hier können Schmerzen am Schlaf hindern. 3 – 5 Uhr, Lungen-Meridian ══ Die Zeit gegen 4 Uhr morgens ist die häufigste Zeit, in der Menschen erwachen. Manche nur kurz, sie gehen zur Toilette und schlafen wieder ein. Viele werden in dieser Zeit von diffusen Ängsten geplagt, haben Albträume, aus denen sie aufschrecken und die ein Weiterschlafen verhindern. Die körperlichen Symptome entsprechen denen des Lungen-Meridians. ═══ Atemnot, Asthma; ═══ Schweißausbrüche; ═══ Heuschnupfen, akut oder chronisch; ═══ Neurodermitis, die Haut beginnt zu dieser Zeit extrem zu jucken; ═══ ängstliche Gedanken, die endlos im Kopf kreisen; ═══ Albträume; ═══ Träume von Versagen sind typisch für diesen Meridian: der wiederkehrende Traum, eine Prüfung nicht bestanden zu haben, sein gesamtes Wissen verloren zu haben.
5 – 7 Uhr, Dickdarm-Meridian ══ Dieser Meridian steht in enger Be-
ziehung zum Lungen-Meridian, er ist dessen Partner, der zugehörige Yang-Meridian. Er hat also ähnliche Empfindlichkeiten und Ängste. Trotzdem ergeben sich Unterschiede: Dort wo der Lungen-Meridian die Luft zum Atmen nimmt, der Stress, die Panik die Luft nicht mehr aus der Lunge entweichen lässt, hat der Dickdarm eher »die Nase voll«. Auch hier bekommt der Patient keine Luft mehr – aber nur weil die Nase verstopft ist. Das kann durch Infekte mit banalem Schnupfen, durch akute oder chronische Nasennebenhöhlenentzündung passieren wie auch durch allergische Reaktionen auf Staub oder Pollen. Auch die meisten Störungen der Darmfunktion gehören zu diesem Meridian. Häufige Symptome: ═══ Niesanfälle um 6 Uhr morgens; ═══ Heuschnupfen; ═══ Juckende Hautausschläge, dem Verlauf des Meridians entsprechend ist hier meist die Haut im Gesicht betroffen; ═══ Schmerz an Gelenken – besonders typisch: der chronische Tennisellbogen; ═══ Darmstörungen durch Nahrungsmittelunverträglichkeit oder Dysbiosen; ═══ Träume von Ängsten oder Versagen. 7 – 9 Uhr, Magen-Meridian ══ Da um diese Uhrzeit die meisten Menschen schon aufstehen, ist der Magen-Meridian nicht ganz so relevant für das Thema Schlafstörungen. Es gibt aber wichtige Punkte auf diesem Meridian, die zur inneren Beruhigung beitragen. Wenn man davon ausgeht, dass den meisten Schlafstörungen ein gestörtes seelisches Gleichgewicht zugrunde liegt, könnte man hier die ausgleichenden Punkte finden.
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Dauerndes Erwachen ohne bestimmte Zeiten
Die bedauernswerten Patienten, die über längere Zeit die ganze Nacht überhaupt nicht schlafen können oder fast jede Stunde aufwachen, könnten theoretisch jedem Meridian zugeordnet werden. Hier ist meist (starke Schmerzen oder andere körperliche Erkrankungen ausgenommen) eine extrem hohe innere Anspannung vorhanden, die ein Sich-Fallen-Lassen in den Schlaf unmöglich macht. Am häufigsten passiert das bei Menschen von der Konstitution des Nieren-Blasen-Meridians. Die neigen oft dazu, eine starke Spannung zu entwickeln. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Akupunktur bei Schlafstörungen ein sehr effizientes Therapieverfahren darstellt. Sie kann aber nur dann ihre große Wirkung entfalten, wenn für jeden Einzelnen eine individuelle Behandlung konzipiert wird. Dann reichen einige Nadeln an bestimmten Punkten, um auch langjährige Schlafprobleme zu verbessern.
TEIL II
Die fünf Persönlichkeitstypen der klassischen chinesischen Medizin
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Der Leber-Gallen-Meridian – Thema: Ärger
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Leber Meridian
41 Galle Meridian
Thema ══ Zorn, Wut, Ärger Verlauf ══ Der Gallen-Meridian beginnt am äußeren Augenwin-
kel, läuft mit einer Zacke um das Ohr, zur Stirn und wieder zurück über den Nacken und die Schulter, wieder in Zackenlinien seitlich am Körper und am Bein entlang bis zur vierten Zehe. Es ist ein Yang-Meridian. Der Leber-Meridian beginnt an der ersten Zehe und zieht an der Innenseite des Beins nach oben, seitlich über den Bauch und die Leber zur Brust. Es ist ein Yin-Meridian. Jahreszeit ══ Der Meridiankomplex wird in der chinesischen Medizin dem Frühjahr zugeordnet, der Zeit des schnellen Wetterwechsels, wie es unter dem Begriff des Aprilwetters bekannt ist: Sonne, Regen und Schnee wechseln innerhalb weniger Stunden. Es ist die Zeit des Wachsens und Werdens und der Veränderungen. Wir sehen die Natur langsam wieder erblühen, freuen uns über die ersten Blumen und Blüten. Der Wind, in Form von Frühlingsstürmen oder plötzlichen kalten Windböen, spielt als Klimafaktor eine zentrale Rolle für diesen Meridian. Sinnesorgan ══ Hier ist nicht nur die Anfälligkeit für Bindehautentzündungen oder trockene Augen gemeint. Man findet auch viele »Augenmenschen« unter diesem Komplex: Fotografen, Filmemacher, Ästheten, Leute, die »mit den Augen essen«, denen also die attraktive Gestaltung auf dem Teller wichtig ist. Element ══ Diesem Meridian ist das Holz als Element zugeordnet, das bekanntlich in westlichen Theorien nicht zu den Elementen gehört. (Wir haben die vier Elemente: Feuer, Wasser, Luft und Erde.) Mit dem Holz in diesem Zusammenhang kann sowohl der junge Baum gemeint sein, der sich im Wind biegt, ohne zu brechen, als auch das alte spröde Holz, das sehr wohl un-
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ter Belastung zerbricht und zerbröselt. Beim Baum geht es um die hohe Aktivität des Wachsens im Frühjahr, die schöpferische Energie, die zum Leber-Gallen-Meridian gehört. Menschentyp ══ Die Leute, die zu diesem Meridiankomplex gehören, können ebenso wechselhaft in ihrer Stimmung sein wie der Frühling. Meist haben sie klare Ziele vor Augen, sie lieben die Veränderung und den Wechsel zu etwas Neuem. Sie haben viel Energie und Durchsetzungsfähigkeit, sind oft sehr kreativ, reagieren aber leicht zornig oder ärgerlich, wenn etwas nicht nach ihren Wünschen läuft. Typisch ist eine hohe Empfindlichkeit gegen Wind oder Sturm. Lebensphase ══ Dem Frühling entsprechend ist hier das jugendliche Alter gemeint. Die Zeit, in der man schnell wechselnden Gefühlsschwankungen ausgesetzt ist, oft mit Zorn auf jede Einschränkung reagiert, unterschiedliche Pläne und Ideen hat und in der alles möglich erscheint. Viele Lebenswege stehen als Option offen, man sucht nach der eigenen Identität, kann noch zwischen verschiedenen Zielen entscheiden.
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Zur Charakterstruktur
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Engagement und Begeisterung
Sind die Leute vom Leber-Gallen-Meridian in ihrer Energie gut ausgeglichen, können sie ausgesprochen witzig und charmant sein. Sie verfügen über eine gute Intuition für andere Menschen, gehen daher schnell auf sie zu, finden den richtigen Ton. Sie sind voller Energie und Tatkraft. Meist sind es sehr fleißige Leute, die viel und auch gern arbeiten. Sie stürzen sich regelrecht in die Arbeit, können alles andere um sich herum dabei
vergessen. Das sind die Leute, die den Stress lieben, ja brauchen, sie benötigen die Herausforderung, das Über-sich-Hinauswachsen. Sie können die halbe Nacht noch weiter arbeiten und hören erst auf, wenn ein bestimmtes Ziel erreicht ist, und sicher nicht, wenn Büroschluss ist. Unterbrechungen ertragen sie nur für kurze Zeit, denn morgen gibt es neue Aufgaben und das beflügelt sie, ist ihr Lebenselixier. Selbst bei privaten Problemen sind sie in der Lage, alles auszublenden und sich in ihre Tätigkeit regelrecht zu flüchten, auch, weil es im Beruf bekanntlich klarere Lösungsmöglichkeiten für Fragestellungen gibt als im Privaten. Dort können sie schnell und bewusst Entscheidungen treffen, sich flexibel auf Neues einstellen, auch mal völlig umdenken oder querdenken. Wiederholt sich das Aufgabengebiet allzu sehr, scheint es ihnen leicht monoton; sie brauchen wechselnde Anforderungen und Anregungen. Sie lassen sich schnell von einer Idee, einem Projekt begeistern, engagieren sich mit ganzer Seele, verfolgen Pläne mit viel Energie, lassen sich durch Rückschläge nicht so leicht aus dem Konzept bringen, halten, zumindest für eine Weile, an der Idee fest, notfalls auch gegen massive Widerstände. Sie sind in aller Regel Einzelkämpfer. Durch ihr Engagement und ihre Tatkraft ziehen sie andere mit, begeistern auch die Mitmenschen, spornen sie zu größerer Leistung an. Sie können hoch pokern, powern, scheuen nicht das Risiko, setzen sich voll ein und gewinnen dabei oft, aber natürlich nicht immer.
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Geschwindigkeit und Dominanz
Die Charaktereigenschaften dieses Typs sind in vielen Berufen gefragt, die mit Wirtschaft und Finanzen zu tun haben und natürlich auch in der Politik; es sind ja Leute, die gern Entscheidungen treffen. Am Besten sind sie aufgehoben in irgendeiner Art von Selbstständigkeit; egal, ob als Handwerker, Büdchenbesitzer oder Leiter eines größeren Unternehmens: Sie lieben die Unabhängigkeit, die Möglichkeit zur freien Entscheidung, sie haben Führungsqualitäten und bestimmen gern das Arbeitstempo. Aber auch Leute, die etwas Neues schaffen – wie der Frühling – passen besonders hierher: Künstler und Menschen in kreativen Berufen. Vielleicht ist es eine besondere Form der Kreativität, die hier ausgeprägt ist, beispielsweise die der Werbeleute, die sehr schnell neue Ideen entwickeln und umsetzen und ihre Konzepte auch durchsetzen müssen. Filmemacher wie auch Journalisten brauchen all die oben genannten Eigenschaften: Engagement, Begeisterung, Durchsetzungsfähigkeit, Flexibilität. Dieser Typ versteht sich gern als Macher, als jemand, der was bewegt, was durchsetzt. Andere Menschen scheinen ihm oft zu langsam im Denken, zu wenig engagiert und interessiert. In einer Gruppe ist er häufig dominant, er kann sich schnell auf neue Situationen einstellen, andere Lösungswege für ein Problem finden und dabei merkt er manchmal nicht, dass er andere damit überfordert. Die gern wiederholte Frage »Warum muss ich eigentlich alles immer selbst machen, kann nicht mal jemand anderer was tun?« beantwortet sich von selbst. Der Typus verhindert im
Grunde durch sein Verhalten, dass andere sich verantwortlich fühlen. Gleichzeitig ist er sehr sensibel, wenn er sich verletzt oder zurückgewiesen fühlt, vermeidet es jedoch konsequent, das zu zeigen. Er reagiert spontan aggressiv auf jede Kränkung. Der Nachteil daran ist, dass andere dann gar nicht merken, dass sie ihn verletzt haben. Sie sehen sich nur unvermutet einem plötzlichen Zorn ausgesetzt. Es gibt natürlich auch die andere Seite: Die Leber-GallenLeute, die ihren Lebensweg nicht so eindeutig gefunden haben, die in Frustration und Selbstzweifeln verharren. Dann wird aus der Flexibilität, die die Ausgeglichenen haben, eine Unbeständigkeit in der Arbeit, ein schneller Wechsel von Euphorie und völliger Mutlosigkeit oder eine permanente Gereiztheit. Dabei gibt es zwar auch viele Ideen, aber sie lassen sich nicht durchführen, weil die Tatkraft und die Energie fehlen oder die Chance zur Realisierung gar nicht gegeben ist, und es bleibt eine ständige Unruhe und Rastlosigkeit. Der Typ des Leber-Gallen-Meridians kann sich relativ schlecht unterordnen, er braucht immer eine gewisse Autonomie, sonst fühlt er sich leicht eingeengt und seiner Freiheit beraubt. Findet er seine idealen Bedingungen nicht vor, rettet er sich in aller Regel in Zynismus und Bitterkeit. Und hier kann er dann wieder sehr kreativ werden, in zynischen Sprüchen über seine Arbeitskollegen und Vorgesetzten.
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Ärger und Krankheit
Dieser Typus ärgert sich schnell. Wenn etwas nicht so funktioniert wie erwartet, kommt es leicht zu heftigen Wutausbrüchen. Seine Toleranz ist wie weggeblasen. Der Ton wird schneidend, verletzend und vor allem laut. Auch vergleichsweise geringe Anlässe können schon seinen Zorn erregen. Es ist ein sehr heftiges, explosives Reagieren. Hier findet sich der Zusammenhang mit dem Wind, dem Sturm. Nicht jeder hat die Möglichkeit, seinem Ärger freien Lauf zu lassen. Es gibt ja nur wenige Positionen, in denen man sich ein solches Verhalten überhaupt leisten kann. Und da, wo sich dieser Ärger nicht ausleben lässt, kommt es leicht zu einer körperlichen Verkrampfung und zu starken Schmerzen. Krankheiten, die aus Zorn entstehen, zeigen sich meist an einer plötzlichen Spannung von Muskeln und Sehnen. Die Schmerzen schießen förmlich in den Rücken oder in das Hüft- oder Kniegelenk. Es wird viel zu wenig beachtet, wie stark der emotionale Faktor bei diesen Schmerzen ist. Wenn der Orthopäde ein akut schmerzendes Kniegelenk behandelt, was sonst keine besondere Schädigung hat, versäumt er meist zu fragen, was vorher war, oder nimmt ausschließlich ein physikalisches Trauma als Auslöser an. Vielleicht weiß er oft gar nicht, wie stark der Einfluss von Stress gerade auf das Knie sein kann. In der Akupunktur ergibt sich die Frage schon aus dem genauen Ort des Schmerzes: Seitliche Punkte vom Gelenk deuten auf den Gallen-Meridian hin. Fragt man dann, ob ein Ärger oder Stress vorausgegangen ist, erhält man in den meisten Fällen eine positive Antwort und kann ein Therapiekonzept entwi-
ckeln, das entsprechende Stresspunkte mitberücksichtigt. Auch in der Akupunktur wäre man recht erfolglos in der Schmerzbehandlung, wenn man Stressfaktoren nicht beachten würde. Das ist der Grund, weswegen die sogenannten »Standard-Akupunkturprogramme« einfach nicht greifen. Bei den betroffenen Leuten überwiegt zweifellos ein cholerisches Temperament. Bei einigen kann der Zorn zu einer chronischen, stets untergründig vorhandenen Geisteshaltung werden. Ihr stetiger Ärger richtet sich gegen alles und jeden: die schlechten Autofahrer, die einem die Vorfahrt nehmen, die unfähigen Handwerker, das angefaulte Obst aus dem Supermarkt und den zu langen Weg zum Biomarkt, wo auch niemand sicher sein kann, ob das alles Bio ist. Der Nachbar ist zu laut, die Verkäuferin inkompetent, die Menschen insgesamt rücksichtslos und egozentrisch, die Stadt voller Lärm und Dreck. Viele entwickeln ein ständiges Misstrauen gegen die Mitmenschen, von denen sie nur das Schlechteste erwarten. Sie gehen davon aus, dass man anderen nur mit Vorsicht begegnen sollte. Man weiß ja nie, was sie im Schilde führen. Sehr ausgiebig können sie sich auslassen über die vielen Fehler, die die anderen angeblich machen. Fühlen sie sich in ihrem Recht bedroht, sind sie durchaus in der Lage, den Staatsanwalt einzuschalten, Anzeigen zu erstatten, Prozesse zu führen. Dies alles in dem ausdrücklichen Bestreben, dem anderen mal richtig zu zeigen, mit wem er es zu tun hat, ihn klein zu machen, fix und fertig, ihn am Boden zu zerstören.
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Lebenspläne
In der chinesischen Medizin gilt die Leber als das Haus der Seele. Damit sind die Bilder gemeint, die sich jeder von seinem Leben macht, aus denen er seinen Lebensplan entwickelt. Hier spielen unbewusste Prägungen eine Rolle: die Herkunft, die Familie und der soziale Kontext. Aber auch die ausgesprochenen und heimlichen Erwartungen, die unser Leben prägen und die Entscheidungen für einen bestimmten Lebensweg beeinflussen. Je stärker der Leber-Meridian ist, umso deutlicher kann ein Lebenskonzept aus dem Unbewussten hervorgeholt, also zum Bewusstsein gebracht und damit beeinflusst, verändert werden. Das ist die Stärke der Leute, die »ihr Leben in die Hand nehmen«: Sie entscheiden sich weniger nach der Tradition, in der sie aufgewachsen sind, sondern bewusst für einen bestimmten Lebensweg, für ihre Ideen und Ziele. Oft sind es diejenigen, die aus bescheidenen Verhältnissen kommen und schon sehr früh und völlig allein um eine gute Ausbildung kämpfen mussten, trotz vieler Schwierigkeiten: von der ursprünglichen Familie oft belächelt oder angefeindet, auf der höheren Schule oder Universität möglicherweise sozial wenig akzeptiert, weil ihre Herkunft sich nicht verleugnen lässt. Diese Leute kämpfen sich oft in Spitzenpositionen. Manche haben eine ausgeprägte Idee, was sie werden wollen, wie z. B. in dem Film »I will Dance«, in dem sich ein kleiner Junge aus einer Bergarbeiterfamilie mit unendlicher Energie durchsetzt und Tänzer wird. ═══ FALL Ganz ähnlich ist das Beispiel einer jungen Frau, die von ihren Eltern in eine solide Beamtenkarriere gedrängt wurde.
Erst mit Ende zwanzig setzt sie sich durch und beginnt ein Kunststudium. Der Körper lässt sich nicht belügen und Leute, die unter starkem psychischen Druck stehen, entwickeln oft auch ebenso starke körperliche Symptome. Im Falle der jungen Frau war es eine Fibromyalgie, das ist ein diffuser Schmerz der gesamten Muskulatur, der meist von einem Bereich zum anderen wechselt und überaus schmerzhaft ist. Mit der Akupunkturbehandlung wurden zunächst die Schmerzen gelindert, aber auch gleichzeitig der emotionale Stress behandelt. Nach einigen Sitzungen verkündete sie plötzlich, dass sie sich gerade an der Kunsthochschule eingeschrieben habe. Im Laufe der folgenden Akupunkturen trat der Schmerz immer seltener auf und blieb schließlich ganz weg. ═══ Manche Leute brechen zu einem bestimmten Zeitpunkt aus den Erwartungen ihrer Familie und ihres Umfeldes aus, um einen unerwarteten Lebensweg einzuschlagen. Sie haben nicht nur eine Idee im Kopf, sie trauen sich auch zu, diese zu verwirklichen, obwohl sie in vielen Fällen kaum eine Unterstützung finden. Sie sind also eher das Gegenteil von den sogenannten begabten Kindern, deren Mütter mit viel eigenem Ehrgeiz und Engagement die Musiker-, Tennis- oder Eislaufkarriere ihres Sprösslings zu fördern versuchen.
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Chancen sehen
Viele Leute von diesem Meridiankomplex kämpfen um ihre Positionen mit viel Ehrgeiz. Sie zeigen dann gern, was sie erreicht haben: Das Haus, das Auto, alles muss repräsentabel sein. Und das heißt so groß und teuer wie eben möglich. Understatement ist nicht unbedingt ihr Ding, auch Kleidung und
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Schmuck müssen deutlich zeigen, was man erreicht hat. In manchen Kreisen gehört dazu die Kennerschaft in der Weinauswahl, die ausgiebig zelebriert wird, oder die Wahl von Spitzenrestaurants, Sportclubs, kulturellen Ereignissen. Es gibt viele Geschichten von »Selfmademen«. Sie entsprechen den Legenden vom Tellerwäscher, der durch Fleiß, Energie und Geschick zum Millionär wird. Tatsächlich gibt es diese Lebensläufe, wenn auch viel seltener, als man sich wünscht, aber wenn so etwas passiert, dann war es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Typ vom Leber-Gallen-Meridian. Jeder kennt solche Beispiele: der Weg von Bill Gates, der mit einem Freund in einer Garage Computersysteme entwickelte; der Gründer von Kieser, der ein neues und sehr erfolgreiches Konzept für Sportstudios entwickelte; der Erfinder von Bionade aus einem kleinen Getränkebetrieb etc. Ein älterer Geschäftsmann erzählte die Geschichte seines Betriebs: Er fand kurz nach dem Krieg einen Stapel von altem Papier auf der Toilette seiner Eltern, das in Ermangelung anderer Möglichkeiten als Toilettenpapier benutzt wurde. Beim Lesen sah er Adressen von Industriebetrieben in Süddeutschland; er stellte Kontakte zu den Firmen her und entwickelte daraus die Grundlage für ein größeres Unternehmen. Ein anderer saß nachts in einem Hotel in Japan, ohne die geringsten Kenntnisse der englischen oder gar der japanischen Sprache. Er blätterte im Telefonbuch von Tokio, fand Adressen von möglichen Kunden, bestellte einen Dolmetscher und entwickelte in zwei Tagen eine über Jahre lukrativ laufende Geschäftsbeziehung. Die Leber-Gallen-Leute haben sehr häufig die Fähigkeit, Chancen wahrzunehmen, die andere nicht erkennen. Sie entdecken
Möglichkeiten, die kaum jemand sonst wahrnimmt oder an deren Realisierung sich nur die wenigsten herantrauen. So werden Geschäftsideen entwickelt, die sich nachher wie Legenden anhören. Auf der anderen Seite reagieren gerade soziale Aufsteiger äußerst sensibel auf Kritik. Ein kleiner Rest Unsicherheit über den neuen Status scheint im Hinterkopf erhalten zu bleiben und die Vorstellung zu prägen: »Eines Tages kommt raus, dass ich gar nichts kann, nichts wert bin, alles nur Bluff war.« Das macht sie so empfindlich für die Meinung anderer. Sie werden misstrauisch, fürchten, dass über sie geredet wird. So sehr diese Charaktere den Stress lieben und regelrecht aufblühen, wenn viel zu tun ist, so sehr können sie sich auch überfordern, wenn eine bestimmte Grenze überschritten wird. Aus ihrer Aktivität können sie dann in völlige Teilnahmslosigkeit versinken, sich selbst und die Welt hassen, Symptome einer schweren Depression entwickeln.
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Kampf für Gerechtigkeit
Menschen von diesem Typ haben ein ausgeprägtes Gefühl für Ungerechtigkeit. Sie können sich sehr stark einsetzen für schlechter Bezahlte, Benachteiligte oder sozial Unterdrückte. Das kann im kleinen Bereich sein: in der Schule oder am Arbeitsplatz oder in Initiativen für bestimmte regionale Belange. Manche engagieren sich auch im globalen Rahmen. Da sie Visionen haben und die Kraft zu kämpfen, sind sie die ersten, die auf die Barrikaden gehen, die den Kampf aufnehmen für eine bessere Welt, eine Zukunft ohne Unterdrückung und Benachteiligung. Viele politisch engagierte Leute gehören zu diesem
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Meridiankomplex, aber auch Sozialreformer und Revolutionäre. Sie gehen bewusst Risiken ein, stellen ihr persönliches Interesse hinter das der Allgemeinheit, erheben Forderungen, suchen nach Wegen zur Veränderung und Verbesserung von Lebensbedingungen. Andere kämpfen vielleicht in ökologischen Bereichen oder Umweltprojekten. Sie sind entschlossen und haben sich für ein bestimmtes Ziel entschieden. Der Zorn der Leber-Gallen-Leute wird hier zu einem Zorn auf diejenigen, die sich Veränderungen entgegenstellen und am Bestehenden festhalten. Sie ärgern sich aber ebenso über die weniger Engagierten und nicht so Kampfbereiten in den eigenen Reihen. Die Toleranzschwelle für Andersdenkende kann sehr gering sein.
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Frustration und Depression
Das Leben läuft nicht immer gut. Möglicherweise findet man nicht seinen eigenen Weg, kann seine ganze Stärke nie entwickeln oder zeigen. Und manche Leute haben einfach keine Chance gehabt, etwas Positives aus ihrem Leben zu machen. Andere haben sich vielleicht für den falschen Beruf entschieden oder sie waren aus unterschiedlichen Gründen nicht erfolgreich in dem, was sie anstrebten. Sie wählten die falschen Partner oder die falschen Freunde. In anderen Fällen brechen alle Aktivitäten weg, weil man arbeitslos, krank oder einfach nur alt und müde wird. Menschen, die auf dem Leber-Gallen-Meridian reagieren, können unter diesen Bedingungen in völlige Apathie verfallen. Sie interessieren sich für nichts mehr, die kleinste Aufgabe scheint sie zu überfordern, jede Auseinandersetzung ist ihnen
zu viel. Kurz: Sie kommen in eine depressive Stimmung hinein. Auch die politisch engagierten Kämpfer bleiben oft ohne Erfolg für ihre Ideen. Das Beispiel der deutschen Studentenbewegung zeigt, wie schnell sich nach dem Zusammenbruch der Aktivitäten eine Resignation breit machte. So fragwürdig viele Ziele dieser Bewegung auch waren, für eine kurze Zeit gab es eine große Begeisterung für gesellschaftliche Veränderungen. Als sich nach wenigen Jahren unterschiedliche dogmatische oder radikale Gruppierungen daraus entwickelten, blieb ein großer Teil der ehemals hochengagierten Studenten resigniert zurück. Auch bei den anderen Formen des Engagements wird der Punkt der Enttäuschung häufig schnell erreicht. Ein Zorn oder eine Auflehnung, die für längere Zeit ohne Erfolg bleibt, führt leicht in die Depression.
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Kinder und Jugendliche
Viele von diesem Meridiantyp brauchen schon in sehr frühem Alter eine Abgrenzung nach außen, wollen in ihrer Persönlichkeit gesehen und beachtet werden. Tatsächlich prägen sie oft in jungen Jahren viele eigene Ideen und Vorstellungen aus. Damit liegen sie natürlich nicht immer richtig, aber Kritik oder gar Zurechtweisungen vertragen sie schlecht. Sie reagieren wütend auf alles, was ihre persönliche Freiheit, ihre Unabhängigkeit zu bedrohen scheint, und verstehen vieles als Einschränkung, was gar nicht so gemeint war. Als Jugendliche haben sie oft ein ausgeprägtes Bedürfnis, ihre Individualität zu zeigen, zum Beispiel durch Piercing oder exzentrische Kleidung und provokantes Auftreten. Manche grenzen sich auch durch be-
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stimmte Ernährungsvorstellungen von anderen ab. Sie werden Vegetarier, Veganer oder bestehen darauf, dass sie ausschließlich eine Sorte Getränk zu sich nehmen können: Nicht Milch, nicht Cola, nein, eine ganz bestimmte Sorte Saft. Der und kein anderer kann getrunken werden und wenn es den nicht gibt, verdurstet man lieber. Wie ausgeprägt dieses Verhalten sein kann, zeigt der Fall eines fünfjährigen Mädchens, das seinen Vornamen wechselte mit der Begründung, dass es ungerecht sei, wenn die Eltern allein über den Namen eines Kindes bestimmen dürften und es diesen dann sein Leben lang tragen müsse. Selbstverständlich setzte sie ihren neuen Namen überall durch. Wenn diese Kinder später das Glück haben, ihren eigenen Lebensweg zu finden, können daraus sehr glückliche und erfolgreiche Leute werden.
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Aktivität und Exzess
Charakteristisch ist das Verhalten beim Autofahren: Überwiegt die starke Energie des Gallen-Meridians, ist Tempo angesagt. Diese Leute fahren gern schnelle Autos, lieben den Blitzstart mit aufheulendem Motor, drängen gern den bedächtigeren Fahrer auf die Seite, lieben die Geschwindigkeit, den Rausch des schnellen Vorankommens. Liegt die Energie mehr auf dem Leber-Meridian, spielt der Ärger eine große Rolle, der stete Frust über unkorrektes Autofahren der Mitmenschen. Auch im Sport muss der Typ sich ausleben, austoben, seine Energie spüren, Kämpfen ist sein Metier, er will und muss siegen. Er braucht den Kampf, den Erfolg. Diese Art der Begeis-
terung findet man auch in der passiven Rolle: als Zuschauer bei Sportveranstaltungen oder vor dem Fernseher. Typisch ist die enorme Begeisterung, das Mitgehen mit dem Sportler, das Fiebern um den Sieg. Essen und vor allem Trinken spielt eine große Rolle: Leberleute lieben den Alkohol, die meisten haben immer mal wieder regelrechte alkoholische Exzesse.
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Wind
Bei fast allen Leuten, die mit dem Leber- Gallen-Meridian reagieren, finden wir eine sehr hohe Empfindlichkeit gegen Wind. Sie sind dann schnell gereizt und nervös. Das muss nicht nur ein starker Wind oder Sturm sein, auch zugige Räume oder Klimaanlagen lösen allzu schnell Unruhe, Schmerzen oder andere Beschwerden aus. Wie stark ihre Reaktion auf Wind ist, hängt von der Balance der Energien ab: Sind sie gut ausgeglichen, kann ein Spaziergang bei windigem Wetter sehr anregend wirken. Haben sie aber ohnehin schon Stress, wird das Klima als sehr unangenehm erlebt. Sie ziehen die Schultern hoch, verkrampfen sich, fürchten eine Krankheit und ärgern sich. Unabhängig davon, welches Organ letztlich erkrankt, es geht häufig um den Zusammenhang mit Wind. Das kann der Kopfschmerz des Cabriofahrers sein, der bereits bei der ersten Märzsonne mit offenem Wagen fährt, wie der Infekt nach einem kalten Luftstrom im Flugzeug, der verspannte Nacken durch Zugluft, der Rückenschmerz nach einem Spaziergang am Meer.
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Häufige Erkrankungen
Zugeordnete Körperbereiche ══ Auge, Muskeln, Sehnen und Bän-
der, Fingernägel. Dabei sind die Schmerzen in den meisten Fällen einseitig, betreffen also entweder die rechte oder die linke Körperseite. Sie treten im Verlauf des Meridians auf: Beim Gallen-Meridian also die seitliche Linie des Kopfes oder des Körpers; beim Leber-Meridian finden wir im Halsbereich auch Beschwerden, die in der Körpermitte liegen, wie z. B. den Spasmus des Kehlkopfes. Beschwerden treten in der Regel sehr plötzlich auf, innerhalb weniger Minuten oder Stunden; meist entwickeln sich innerhalb kurzer Zeit Krämpfe, Koliken oder Nervenschmerzen, die förmlich einschießen. Diese akuten Erkrankungen entwickeln sich im Zusammenhang mit zwei möglichen auslösenden Faktoren: Wind und Zorn. Charakteristisch für all diese Krankheiten ist der Ärger, der kurz vor dem Ausbruch der Beschwerden stattgefunden hat. Verspannungen der Muskulatur ══ Diese Art von Schmerzen des Nackens oder der Lendenwirbelsäule können mit der üblichen orthopädischen Behandlung oft nicht erfolgreich therapiert werden. Erst wenn man den größeren Zusammenhang mit dem Leber-Gallen-Meridian herstellt, lässt sich auch der Schmerz dauerhaft beseitigen. Schulter-Arm-Schmerz ══ Hier sind mehrere Muskelgruppen und / oder auch das Gelenk beteiligt. Je nach genauem Schmerzpunkt können unterschiedliche Meridiane betroffen sein. Viele Leute quälen sich über Wochen und Monate mit diesen lästigen Schmerzen. Mit der Akupunktur muss man hier sehr genau und differenziert arbeiten.
Schmerzen in Hüfte und Knie ══ Auch für diese Gelenke kommen
unterschiedliche Meridiane in Betracht. Allzu leicht wird für chronische Schmerzen in diesem Bereich ein »Verschleiß« verantwortlich gemacht. Häufig ist aber eine erhöhte Spannung von Muskeln und Sehnen beteiligt, die man durchaus lösen kann. Für das Kniegelenk gibt es die erstaunlichen Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie, in der eine sogenannte Scheinoperation durchgeführt wurde, also lediglich ein kleiner Hautschnitt statt einer echten Knieoperation. Der Erfolg der Scheinoperation war dem der echten Operation gleich. Das sagt nicht, dass sich die Menschen die Schmerzen des Knies nur einbilden. Es spricht vielmehr für einen großen psychischen Faktor bei diesem Gelenk. Neuralgien, z. B. Trigeminusneuralgie ══ Chronische Nervenschmer-
zen können furchtbar quälend sein. Meist ist hier eine kombinierte Schmerztherapie aus mehreren Verfahren sinnvoll. Fibromyalgie ══ Sie wird nach neueren Studien mit einer Hypersensibilität von Schmerzrezeptoren in Zusammenhang gebracht. Gleichwohl sind die physiologischen Ursachen letztlich noch nicht bekannt. Einen deutlichen Hinweis auf eine hohe psychische Beteiligung liefert die Tatsache, dass sich die Schmerzen durch Psychopharmaka lösen lassen. Andere Schmerzmittel helfen nicht. Die Akupunktur ist häufig erfolgreich. Migräne mit seitlicher Schmerzausstrahlung ══ Bei dieser Art von Mi-
gräne spielt oft der Ärger, vor allem der nicht ausgelebte oder unterdrückte, eine große Rolle. Gewichtsabnahme ══ schnelles Verbrennen von Energie.
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Erkrankung oder Reizung der Augen ══ Trockenheit, tränende Au-
gen, Bindehautentzündung – alles oft durch Wind ausgelöst oder verschlimmert, Krämpfe der Augenlider, zuckende Augen. Fingernägel ══ brüchig und mit Rillen. Stimmstörungen ══ Heiserkeit, plötzliches Versagen der Stimme. Stresserkrankungen ══ Nervosität und Schlaflosigkeit findet man
häufig. Auch depressive Verstimmungen sind nicht selten.
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Wichtige Akupunkturpunkte
Leber 3 Tai Chong – Großer Ansturm, großes Heranstürmen:
Wirkt krampflösend und schmerzlindernd für den ganzen Körper. Senkt hohen Blutdruck. Feuchtet trockene Augen. Starke psychische Wirkung bei Ärger und Zorn. Leber 8 Qu Quan – Gekrümmte Quelle:
Ein wichtiger Punkt für das Kniegelenk. Wird außerdem bei Lebererkrankungen, Blasenstörungen, Erkrankungen der Genitalorgane eingesetzt. Auch bei Reizbarkeit, Unruhe, Depression und chronischer Müdigkeit. Galle 20 Feng Chi – Teich des Windes:
Hilft gegen Verspannung der Halswirbelsäule, Migräne, Kopfschmerz, Schwindel und Augenerkrankungen. Wichtiger Punkt für alle »Winderkrankungen«, sei es durch Zugluft oder Klimaanlagen, mit körperlich und seelisch entspannender Wirkung. Galle 34 Yang Ling Quan – Quelle am Yang-Hügel:
Wirksam bei Schmerz des Knie- oder Hüftgelenks, unterschiedliche Muskelverkrampfungen im ganzen Körper, Entzündungen der Sehnen.
Galle 41 Zu Lin Qi – Wo die Tränen auftreffen:
Hat eine starke Wirkung auf alle Gelenke, wirkt antirheumatisch und schnell schmerzlindernd bei vielen akuten Lendenwirbelsäulenerkrankungen. Der Punkt wirkt bei stressbedingten Verspannungen.
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Der Herz-Dünndarm-Meridian – Thema: Freude
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He He 33
Dü Dü 8 8
Dü 3 3 Dü
Thema ══ Freude, Überschwänglichkeit Verlauf ══ Der Herz-Meridian beginnt in der Mitte der Achsel-
höhle und läuft an der Innenseite des Armes entlang, hat einen wichtigen Punkt am inneren Ende der Ellbogenfalte (He 3, der Punkt der Lebensfreude), zieht über das Handgelenk zum kleinen Finger und endet am inneren Winkel des Fingernagels. Die Punkte in der Nähe des Handgelenks werden häufig zur Beruhigung von Herz und Blutdruck benutzt. Insgesamt besteht der Meridian aus neun Akupunkturpunkten. Untrennbar verbunden mit dem Herz-Meridian und seiner Yin-Energie ist der Dünndarm-Meridian, der zugehörige YangMeridian. Zusammen bilden sie den Funktionskreis, der unter dem Zeichen des Feuers steht. Der Dünndarm-Meridian verläuft von der Außenkante des kleinen Fingernagels an der Handkante entlang zum äußeren Ellbogenknochen, geht dann in Zackenlinien über die Schulter zum Nacken, von dort zum Jochbein und schließlich zum Ohr. Erst am inneren Verlauf der Meridiane erkennt man die Verbindung mit dem Herzen und dem Dünndarm Jahreszeit ══ Als Jahreszeit entspricht der Meridiankomplex dem Sommer, dem Licht, der Freude, der blühenden Natur, der Überschwänglichkeit bunter leuchtender Farben, der heißen Sonne. Folglich ist im Tagesverlauf nach der Meridianuhr der Mittag die Zeit des Herz-Meridians. Seine höchste Aktivität entwickelt er um 12 Uhr mittags. Organ ══ Als Organ wird hier die Zunge zugeordnet, das heißt also die Sprache. Der Zusammenhang wird ganz deutlich in dem deutschen Ausdruck »Jemand trägt sein Herz auf der Zunge«, für eine Person, die ihre Emotionen unmittelbar ausdrücken kann und nicht in der Lage ist, ihre Gefühle zu verbergen.
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Element ══ Der Herz-Meridian entspricht dem Feuer. Das kenn-
zeichnet auch das Temperament der Leute, die von diesem Meridian bestimmt sind. Sie haben etwas Feuriges, Loderndes, sehr Aktives. Wenn sie einen Raum betreten, übersieht man sie nicht. Allerdings kann ein Feuer auch rasch verglühen. Menschentyp ══ Hier sind die herzlichen, zugewandten Typen gemeint, mit vielen Ideen und Geschichten. Von einer euphorischen Stimmung können sie auch – unter entsprechenden Stressbedingungen – in tiefe Verzweiflung fallen. Lebensphase ══ Es ist die Zeit im Leben, in der die Liebe die größte Rolle spielt: etwa zwischen dem zwanzigsten und dem dreißigsten Lebensjahr. Im Idealfall gibt es eine heftige Verliebtheit, man sucht einen Lebenspartner und geht dann Bindungen ein. Im Beruf werden die Weichen gestellt, ein Lebensweg wird eingeschlagen. Man kann noch etwas ändern, Fehlentscheidungen korrigieren, aber es ist nicht mehr jeder Weg offen.
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Zur Charakterstruktur
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Euphorie und Erschöpfung
Menschen, die von diesem Meridian bestimmt sind, haben in ihrem Temperament das Feuer. Man könnte das auch als Leidenschaftlichkeit bezeichnen. Es sind in der Regel extrovertierte Leute. Sie sind mitreißend und energiegeladen, sie bringen Schwung in ihre Umgebung, begeistern sich und andere. Sie haben im Idealfall eine optimistische Grundstimmung, sind voller Lebensfreude, lieben die geistreiche Kommunikation, das Schnelle, Spontane, Lebendige, Einfallsreiche. Sie sind of-
fen für alles Neue, können sich flexibel an Bedingungen anpassen und haben oft schöne Geschichten zu erzählen. In positiver Stimmung strahlen sie Freundlichkeit und Herzlichkeit aus. Meist sind sie sehr ausdrucksstark; sie sprechen auch mit den Händen und dem Körper, die Augen leuchten. Jede Euphorie hat auch ihre Gegenseite: die Erschöpfung, die Antriebslosigkeit, die Gelähmtheit, die Traurigkeit. Vom HerzMeridian geprägt sind Leute, deren Stimmungsamplitude sehr hoch nach oben ausschlägt – sie kann aber auch genauso tief nach unten gehen. »Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt«, sagt der Volksmund dazu.
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Empathie und Zeitmanagement
Diese Menschen können intensiv am Schicksal anderer Anteil nehmen, entwickeln echtes Mitleid und Empathie. Ihre gute Intuition ermöglicht es ihnen, sich in andere hineinzuversetzen, zu helfen, Rat zu geben. Manchmal stürzen sie sich mit so viel Energie in die Aufgabe, jemandem zu helfen, dass es für den anderen schon erdrückend ist. Sie sind oft diejenigen, die zuerst angerufen werden, wenn irgendeine Katastrophe im Freundeskreis passiert ist. Gern erfreuen sie mit kleinen persönlichen Geschenken; sie lieben es, anderen Freude zu bereiten und ihr ausgeprägtes Einfühlungsvermögen lässt sie immer etwas Besonderes, Individuelles finden. Durch die neuen Möglichkeiten der Kommunikation ergeben sich für diese Charaktertypen besonders gute Chancen für nette kleine Aufmerksamkeiten: Per SMS oder EMail kann man schnell serienweise liebe Grüße senden, den anderen zeigen, dass man an sie denkt.
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Das Risiko besteht darin, sich zu verzetteln, weil man in der positiven, euphorischen Phase zu viele Verpflichtungen eingegangen ist, niemanden enttäuschen möchte, aber die vielen Termine und Verabredungen gar nicht schaffen kann. Der Student, der an seiner Examensarbeit sitzt, verzweifelt an den Anrufen und Einladungen von Freunden und einem Besuch, der sich für das Wochenende angekündigt hat. Er bringt es nicht übers Herz abzusagen, er möchte ja niemanden kränken und er hat die Leute auch schon lange nicht gesehen. Wenn es zu viele Menschen gibt, die Hilfe brauchen, kommt man irgendwann an den Punkt, an dem die Zeit nicht mehr reicht, alle Ansprüche – die eigenen wie die der anderen – zu erfüllen. Plötzlich wird alles zu viel, alles ist nur noch Stress: Das Burnout-Syndrom ist da.
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Liebe und Anerkennung
Liebe spielt eine große Rolle im Erleben der Herzleute. Sie können sich sehr spontan verlieben, die ganz große Liebe finden, eine völlige Übereinstimmung, Seelenverwandtschaft spüren. Es ist die Intensität der Gefühle, die hier dominiert und eine hohe Emotionalität. Im Zweifelsfall können Herzleute für eine Liebe alles vernachlässigen, was ihnen vorher wichtig war. Es geht hier nicht nur um die Liebe zu einem Partner, sondern auch um innige Freundschaften, um Menschen, mit denen man sich verbunden fühlt auf geistiger oder emotionaler Ebene. Es umfasst die Liebe zur Menschheit, die oft zu einem sozialen Engagement führt, die Liebe zu den Aufgaben, die man sich stellt. Und meist finden wir eine tiefe Liebe zur Natur, zur Schöpfung, zum Leben, zur Musik, zur Kunst allgemein – im-
mer steht der Aspekt eines sehr intensiven Erlebens im Vordergrund. So kann ein schöner Garten oder auch nur eine einzelne Blume ebensolche Begeisterung auslösen wie ein Kunstwerk, ein Konzert. Wenn die Liebe zu sich selbst fehlt, die Akzeptanz der eigenen Person, die emotionale Basis, braucht man sehr viele Liebesbeweise von anderen, um die eigene Unsicherheit zu kompensieren. Dann wird das Bedürfnis zu gefallen, das ja jeder hat, zu einem Zwang – man braucht so sehr die Anerkennung, hätte gern etwas mehr Bewunderung, muss sich präsentieren, exponieren, seine Werte herausstellen, damit jeder merkt, dass man etwas Besonderes ist. Immer wieder drängt sich dabei das Gefühl in den Vordergrund, nicht wirklich geliebt zu werden, jedenfalls nicht richtig, nicht so, wie man wirklich ist. Weil man selbst seine dunkle Seite kennt, aber nicht akzeptiert und so ständig fürchtet, der andere wolle auch nur die helle Seite sehen. Sich aufzuopfern ist ein anderer Aspekt des gleichen Problems – man ringt um Liebe und Respekt in einem Kontext, der objektiv keine Chance lässt. Eine Frau, die mit einem schwer depressiven und daher auch stets auf sich selbst bezogenen, egozentrischen Ehemann zusammenlebt, versucht über viele Jahre mit all ihrer Liebe und Aufmerksamkeit endlich einmal die ihr gebührende Anerkennung zu finden für all das, was sie für ihn tut – vergeblich, denn er hat nicht gelernt, etwas anderes als sich selbst zu sehen. Das Gleiche passiert oft in der Pflege von alten, kranken oder dement werdenden Angehörigen: Die Dankbarkeit, die man gerne hätte, für die viele Arbeit in der Versorgung, wird man nicht mehr bekommen – jedenfalls nicht von demjenigen, den man pflegt.
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Die Flucht vor der Monotonie
Herzleute brauchen Anregung und Abwechslung. Viele sind gern ständig unterwegs und haben einen großen Freundeskreis, den sie regelmäßig kontaktieren. Auch wenn sie aus unterschiedlichen Gründen eher zurückgezogen leben, so sieht man doch, wie sie aufblühen und munter werden, wenn etwas Neues passiert, was die Routine des Alltags unterbricht. Gerade im höheren Lebensalter, wenn körperliche Gebrechen dazukommen, kann die Monotonie zur Qual werden. Was für andere Charaktere ein Glück in der Ruhe darstellt, kann für Herzleute die Hölle bedeuten. ═══ FALL Kurz nach seinem Rückzug aus dem Beruf verwirklichte ein Manager aus der Filmbranche einen alten Traum: Er zog mit seiner Frau in ein schönes altes Haus auf dem Land, weit weg vom Lärm der Großstadt. Die Aussicht auf das neue, entspannte Leben begeisterte ihn. Wenige Monate nach dem Umzug bekam er plötzlich Panikattacken mit Herzrasen und Schweißausbrüchen. Am schlimmsten war die Angst beim Autofahren. Er war immer ein guter Fahrer gewesen, liebte die schnelle Fortbewegung und hatte nie einen Unfall gehabt. Die Herzuntersuchung ergab keinen Befund, der Blutdruck war normal und der Patient war insgesamt gesund und fit. Während einer Akupunkturtherapie, welche die wesentlichen Punkte des Herz-Meridians einschloss, besserten sich die Beschwerden recht bald, aber erst nachdem ein Psychologe zugezogen wurde und der Patient daraufhin wieder zurück in die Stadt zog, verschwanden die Ängste völlig. Für ihn war das Landleben zu monoton gewesen, er brauchte die zahlreichen kulturellen Angebote: Kino, Theater, Restaurants, Ausstellun-
gen, Museen, das Essen mit alten Freunden, die Bekannten, die man zufällig trifft, die Cafés, in denen man Leute vorbeidefilieren sieht. ═══
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Konflikt zwischen Ideal und Realität
Die meisten Herzleute lieben ihren Beruf und zeigen viel Engagement darin. Gleichwohl ist ihnen ein ausgeprägter Ehrgeiz nicht fremd. Als Vorgesetzte sind sie häufig beliebt bei den Mitarbeitern. Ihre verständnisvolle, herzliche Art spornt zu höherer Leistung an. Ihr umsichtiger und kluger Führungsstil kann die Talente einzelner gut integrieren. Für neue Projekte sind sie manchmal allzu sehr zu begeistern; ihre Euphorie kann auch ein hohes Risiko bergen. Das ausgeprägte Einfühlungsvermögen prädestiniert zu Berufen, in denen diese Eigenschaft gebraucht wird. So findet man Herzleute in vielen sozialen und medizinischen Berufen, als Psychologen oder Lehrer. Aber gerade in diesen Bereichen mündet ein hohes Engagement leicht in Überforderung. Ein anderer Teil der Herzleute sieht sich gern in der Rolle des Stars. Exponiert oben auf irgendeiner Bühne zu stehen, entspricht ihrem Temperament. Wir finden daher viele Schauspieler, Musiker, Entertainer und Redner in dieser Kategorie. Überhaupt gehören häufig kreative Menschen dazu: Künstler leben oft von euphorischen Momenten in einer Schaffensperiode, z. B. Maler, Schriftsteller, Bildhauer. Im Prinzip sind die meisten Herzleute zufrieden mit der Wahl ihres Berufes. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass der Entschluss für eine bestimmte Tätigkeit mit dem Herzen getroffen wird und es daher nicht so viele Fehlentscheidungen
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gibt. Nur leider entspricht die berufliche Wirklichkeit oft nicht den Idealen, mit denen man einen bestimmten Weg eingeschlagen hat. Journalisten, Reporter, Medienleute leben sehr oft von ihren euphorischen Momenten. Sie haben den Beruf gewählt wegen des Kicks, der Spannung, des Unerwarteten und passen daher nicht selten in die Charakterstruktur des Herz-Meridians. Die reellen Arbeitsbedingungen allerdings drängen in ein enges Zeitkorsett, die Ansprüche sind immer höher als der zeitliche Rahmen, in dem sie erfüllt werden sollen. Zusätzlich besteht der Druck der korrekten politischen Haltung, der juristischen Abwägung, der Opportunität. Die Abhängigkeit der Medien von Werbeeinnahmen und die damit verbundene Einflussnahme der entsprechenden Firmen bestimmen zunehmend die Gestaltung der Inhalte. Krankenschwestern, Altenpfleger, Sozialarbeiter haben ihre Berufe gewählt wegen ihrer Liebe zu den Menschen, aus sozialem Engagement. In der Realität arbeiten sie oft unter extremem Zeitdruck, der es ihnen nicht mehr möglich macht, ihre Ideale zu verwirklichen. Sie stehen in ständigem Konflikt zwischen ihren Ansprüchen und den zeitlichen oder organisatorischen Möglichkeiten. Viele Lehrer haben ihre Aufgabe mit Enthusiasmus begonnen. Was könnte es Schöneres geben als eine Arbeit mit jungen, bildungshungrigen Menschen, als Kindern zu einer besseren Ausbildung zu verhelfen? Inzwischen leidet ein großer Teil der Lehrer unter einer zunehmenden Bürokratie, wechselnden Entscheidungen politischer Instanzen, die die ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung noch steigern: Alles soll dokumentiert werden, jeder Schüler noch genauer unter verschiedenen Gesichts-
punkten beurteilt werden. Sie sehen sich gefangen in dem ewigen Spagat zwischen ihrem Engagement für die Kinder und den Anforderungen der Bürokratie. Weil aber die Lehrer vergleichsweise viele Ferien haben, können sie selten auf Verständnis für ihre Situation in ihrer Umgebung hoffen. Ein Umstand, der den Stress mit dem Beruf nur noch verstärkt. Zunehmend häufig findet man daher Burnout-Syndrome, Blutdruckerkrankungen, Schlafstörungen und Schilddrüsenkrankheiten. Nicht jedem gelingt es, Arbeitsbereiche zu finden, in denen die eigenen positiven Fähigkeiten entwickelt werden können. In vielen Sparten wird Herzlichkeit als Schwäche ausgelegt. Im Wirtschaftsleben gilt der Kampf um eigene Vorteile oder die einer Firma mehr als die freundliche Zuwendung. In unserer stark ökonomisch orientierten Welt ist ein Gefühl wie Mitleid schon fast antiquiert. Wenn ein Geschäftsführer betriebsbedingte Kündigungen aussprechen muss, kann es ihn innerlich zerreißen, aber es ist sein Job. Er würde ihn sonst verlieren. Oft bezahlt er allerdings seine Entscheidung mit dem Risiko, eine Stresserkrankung zu bekommen. Wenn ein Kollege sein Arbeitspensum nicht mehr schafft, ist es in unserer Arbeitswelt schwer möglich, ihm zu helfen. Man setzt zu leicht den eigenen Job aufs Spiel. Nicht immer gelingt die Integration verschiedener Strömungen in der eigenen Person: die Balance zwischen Klarheit und Enthusiasmus, Begeisterung und Vernunft, Aktivität und Ruhe, Konzentration und Entspannung. Gerade Leute, deren Stimmung häufig instabil ist, die schnell zwischen Höhen und Tiefen wechseln, haben eine hohe Anfälligkeit für Stresserkrankungen. In der Realität gibt es eigentlich keinen Beruf, in dem man auch mal schlecht gelaunt sein
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darf. Leute, denen es nicht gelingt, ihre Impulsivität unter Kontrolle zu halten, haben es sehr schwer.
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Das Normale und das Besondere
Die Reisen von Herzleuten scheinen immer etwas Außergewöhnliches zu haben. Selbst wenn sie nur in die Eifel oder ins Sauerland fahren, wissen sie zahlreiche witzige Geschichten über ihre Erlebnisse zu erzählen. Lieber aber werden spektakuläre Reisen gemacht. Sie sind neugierig auf andere Menschen, fremde Kulturen, starke Eindrücke. Von einer ChinaReise lassen sich einfach bessere und spannendere Geschichten erzählen als von einer an die Ostsee. Menschen vom Herz-Meridian sind nicht die einsamen Reisenden. Sie sprechen, ohne zu zögern, Fremde an, treten in Kontakt und haben am Ende zahlreiche neue Freunde gewonnen. Auch das private Umfeld braucht etwas Flair. Wie immer ihre Wohnung aussehen mag, ob ein kleines Zimmer oder ein großes Haus – sie muss etwas Schillerndes haben. Das kann sich in starken Farben oder ungewöhnlicher Möblierung ausdrücken – in jedem Fall gibt es viel liebevolle Dekoration: Kunstwerke oder Mitbringsel, Andenken oder Fotos von den Lieben. Und gern sind sie auch selbst auf dem Bild. Ähnlich ist es mit der Kleidung: Sie muss nicht den neuesten Moderichtungen entsprechen, aber sie hat oft einen Hauch von Extravaganz. Manchmal ist es nur ein kleines Schmuckstück, ein Tuch, eine perfekt abgestimmte Farbkombination, was dem Äußeren mehr Charme verleiht. Wenn Leute vom Herz-Meridian in allzu unauffälliger Kleidung kommen, weiß man meist, dass sie in einer depressiven Stimmung sind.
Feste und Freunde spielen eine große Rolle. Eine Frau lädt zum Geburtstag »nur ihre zwanzig besten Freundinnen« ein, um das Fest »nicht so groß« werden zu lassen, und die bringen dann ihre Männer und möglicherweise noch ein paar weitere Freunde mit. Und auch wenn das Essen nicht reicht und die Getränke zu knapp sind und die Wohnung nicht groß genug ist für so viele Leute – das glückliche Strahlen der Gastgeberin lässt manches vergessen. Sie freut sich sichtbar über jeden einzelnen Gast. Die Ansprüche für das »ultimative Fest« können aber leicht so in den Himmel wachsen, dass sie nicht mehr zu realisieren sind. Zu viele Ideen schießen durch den Kopf, zu viele Leute sollen eingeladen werden und jeder Eingeladene soll maximal glücklich sein. Schon Wochen vor dem großen Ereignis können Herzleute oft nicht schlafen, haben immer noch neue Konzepte für das Gelingen des Festes – und manchmal sind sie so erschöpft davon, dass die ganze Geschichte nie stattfindet. Auch die Familie hat für den Typus vom Herz-Meridian immer etwas Besonderes an sich: Diese Menschen haben einfach immer die süßesten Babys, die erfolgreichsten Schulkinder mit mehreren speziellen Begabungen, den wunderbarsten Ehepartner, die glücklichste Familie.
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Geld und Risiko
Herzleute sind meist wenig am Geld orientiert; sie sind in Geldangelegenheiten genauso großzügig wie mit ihren Gefühlen, so dass sie finanzielle Verluste nicht so umwerfen wie andere Charaktere, für die das Geld und die damit verbundenen Statussymbole, wie Auto, Haus, Sportclub, wesentliche Merkmale ihres Selbstwertgefühls darstellen.
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Selbst unter wirklicher Armut würden Herzleute weniger leiden, als unter einem Mangel an sozialen Kontakten. Sie würden leiden unter Leuten, die sie nicht mehr einladen, weil ihnen der Finanzstatus so wichtig ist. Auf der anderen Seite kann die spontane Begeisterung von Herzleuten zu unüberlegten Entschlüssen führen: bei Investitionen oder riskanten Aktienkäufen ebenso wie beim Kauf von drei wunderbaren Kleidern, wo doch nur eins geplant war, fünf Paar Schuhen statt einem, das man wirklich braucht. Männer tätigen solche übertriebenen Spontankäufe häufiger in Baumärkten, in denen sie Unmengen von Werkzeugen erwerben. Auch leidenschaftliche Spieler gehören in diese Kategorie; die Euphorie über kleine Gewinne lässt sie größere Verluste aus den Augen verlieren.
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Krisen und Enttäuschungen
Mit ihrer freundlichen Art erleben die Herzleute immer wieder Enttäuschungen. Sie fallen sehr leicht rein auf die Freundlichkeit eines Bankberaters, des Versicherungsvertreters, von geschulten Verkäufern oder auf die Zugewandtheit des Dachdeckers, der einen großen Auftrag wittert. Zwar weiß jeder eigentlich, dass man es hier mit einer professionellen Freundlichkeit zu tun hat, aber man möchte so gern, dass es doch etwas mehr ist, dass man doch ganz individuell gemeint ist. Auch die persönliche Enttäuschung, dass andere einem in einer Notlage nicht so helfen, wie man es hätte erwarten können, nach all dem, was man für die Leute in selbstloser Großzügigkeit getan hat, kann krank machen.
Schicksalsschläge, auch wenn sie im Prinzip gut gemanagt werden, hinterlassen doch deutliche Spuren einer Stresserkrankung. ═══ FALL Nachdem die 76-jährige Patientin erfuhr, dass ihr Mann an Parkinson erkrankt war, setzte sie alles in Bewegung, um die Situation zu bewältigen. Sie las etliche Bücher über die Krankheit und den Umgang damit, besprach sich mit der Familie und den Freunden, besuchte Gruppensitzungen anderer Betroffener. Im Umgang mit ihrem immer vergesslicher werdenden Mann entwickelte sie eine aufmerksame Fürsorglichkeit, immer in dem Bemühen, ihn nicht vorzeitig zu entmündigen, ihm seine Würde zu erhalten. Ihre Verzweiflung versuchte sie zu verbergen; sie hatte sich das gemeinsame Altwerden völlig anders vorgestellt. Bei ihr stellte sich ein »grundloses« Herzrasen mehrmals am Tag ein. Objektiv war ihr Herz gesund, es war die Angst, die diese Anfälle auslöste. ═══ Richtig niederschmettern können persönliche Zurückweisungen wie Trennungen oder Scheidungen. Allerdings dauert die Zeit der Trauer meist nicht sehr lange. Herzleute haben in der Regel die Fähigkeit, sich von vielen Freunden und Freundinnen beraten und helfen zu lassen. Sie ziehen sich selten auf lange Dauer zurück und erholen sich daher schneller von der Krise.
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Häufige Erkrankungen
Zugeordneter Bereich ══ Das Herz ist der Sitz des »Shen«, das be-
deutet Seele, Geist, Bewusstsein. Im chinesischen sind diese Begriffe nicht so getrennt wie im europäischen Kulturkreis. Rein von der Sprachbedeutung her würden wir einen großen Unter-
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schied sehen zwischen der Seele und dem Geist, also der Psyche und dem Intellekt, gleichwohl wird das eine vom anderen beeinflusst. Der Funktionskreis Herz-Dünndarm steht demnach nicht nur für die Emotion, sondern auch für den Verstand, die geistige Klarheit, also für die Summe dessen, was eine Persönlichkeit ausmacht. Hyperaktivität ══ Das kann beruflich wie privat sein und Leuten
passieren, die überall dabei sein müssen, einen regelrechten Freizeitstress entwickeln, jeden Abend der Woche mit unterschiedlichen Menschen verabredet sind und am Wochenende mehrere Events haben, ständig vor dem Problem stehen, zwischen drei Einladungen entscheiden zu müssen, Vernissagen nicht zu verpassen, aber auch die Sporttermine nicht aus dem Auge zu verlieren. Nervosität, Unruhe ══ Oft entsteht ein unklares Gefühl von Gehetztsein, das man sich nicht erklären kann. Vor lauter Ideen kommt man nicht mehr zur Ruhe. Konzentrationsstörungen ══ Die vielen unterschiedlichen Ansprüche zerren an den Nerven, man möchte am liebsten alles gleichzeitig machen und kann sich dann nicht auf eine Sache wirklich konzentrieren. Erschöpfung, Burnout, Müdigkeit, Leistungsschwäche ══ Das kann akut
auftreten, nachdem man eine kurze Zeit auf Hochtouren gelaufen ist. Nun möchte man einfach niemanden mehr sehen und seine Ruhe haben. In einer Phase mit viel Energie hat man sich einfach zu viel vorgenommen, notwendige Erholungszeiten nicht beachtet. In solchen Fällen reichen oft ein paar Tage Ruhe. Das richtige Ausgebranntsein umfasst schon einen längeren Zeitraum und erfordert daher eine umfassendere Therapie.
Tachycardien ══ Ein anfallsweises Auftreten von Herzrasen ohne
wirkliche organische Ursache kann durchaus unterschiedliche Gründe haben: Das Herzklopfen kann durch spontane Freude bedingt sein, aber auch durch Angst. Herzneurose ══ Aus diffusen Ängsten entwickelt sich in einigen Fällen die Angst vor einer schweren Herzerkrankung, und auch, wenn das Herz nachweislich gesund ist, geht die Angst nicht weg. Manche Patienten wollen jede Woche eine Herzuntersuchung mit EKG, und oft erkennen die Internisten oder Kardiologen erst nach einiger Zeit, dass hier im Grunde eine Angsterkrankung vorliegt. Für den Patienten dauert es meist noch viel länger, denn er spürt ja immer wieder dieses Herzrasen und fühlt sich tatsächlich lebensbedrohlich erkrankt. (Eine echte Herzerkrankung muss natürlich in diesen Fällen immer sorgfältig ausgeschlossen werden.) Depression ══ Eine Depression kann verschieden starke Ausprägungen haben. Meist sind es eher depressive Verstimmungen, die fast jeder kennt. Man wird von einer Traurigkeit befallen, hat zu nichts mehr Lust, alles erscheint zu viel, zu anstrengend, nichts macht mehr Freude. Oft sitzt man untätig herum und grübelt über längst vergangene Dinge. Hyper- / Hypotonie ══ In vielen Fällen lässt sich der Blutdruck über Punkte auf dem Herz-Meridian wieder normalisieren. Übermäßiges Empfinden von Hitze oder Kälte ══ Übermäßiges Schwitzen ist ein häufiges Symptom für Störungen auf dem Herz-Meridian. Oft wird das gar nicht als Symptom für Stress erlebt. Auch ein Teil der dem Klimakterium zugeschriebenen Schweißausbrüche gehört hierher. Beim übermäßigen Frieren gilt der gleiche Zusammenhang.
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Schilddrüsenüberfunktion, Hashimoto ══ Von den Symptomen her –
Schweiß, Zittern, Nervosität, Schlaflosigkeit, Herzrasen – entspricht auch die Überfunktion der Schilddrüse denen des gestörten Herz-Meridians. Trotzdem lassen sich nur wenige Schilddrüsenerkrankungen mit der Akupunktur positiv beeinflussen. Daher muss man immer im Einzelfall entscheiden, ob eine schulmedizinische Therapie nicht erfolgreicher ist. Tremor ══ Das Zittern der Hände deutet in vielen Fällen auf eine innere Spannung hin. Sprachstörungen ══ Abgehacktes Sprechen in halb angefangenen Sätzen, die kein richtiges Ende finden, wie auch manche Arten des Stotterns bezeichnen oft eine sich überstürzende Sprache, bei der man einfach zu viel auf einmal sagen will. Die Emotion kann nicht schnell und klar genug ausgedrückt werden. Meist sind es Leute mit sehr viel Gefühl und zu vielen Gedanken, die versuchen, ihre Emotion in zu kurzer Zeit »rüberzubringen«. In einigen Fällen kommt es aus ähnlichen Gründen zur Aphonie; die Sprache, die Stimme ist plötzlich weg ohne einen organischen Grund. Zum Dünndarm-Meridian, also zum gleichen Funktionskreis gehören: Halswirbelsäulensyndrome ══ Schmerz und Verspannung der Hals-
wirbelsäule, des Nackens, sind oft ein Zeichen für eine hohe Anspannung, wie sie durch innere Konflikte entsteht zwischen den eigenen Ansprüchen und den Möglichkeiten, diese zu realisieren. Eine ausschließlich orthopädische Behandlung, also nur auf das körperliche Symptom ausgerichtete Therapie, scheitert hier häufig. Erst wenn der emotionale Aspekt der
Krankheit mitverstanden wird, kommt man zum therapeutischen Erfolg. Das Gleiche gilt auch für einen Teil der Schulter-Arm-Syndrome ══ Kieferverspannungen ══ Trigeminus- oder Facialisparesen ══
Wichtig ist zu verstehen, dass nur bestimmte Ausprägungen dieser Erkrankungen durch eine Störung des Herz-DünndarmMeridians bedingt sind. Dieselbe Krankheit, z. B. die Verspannung des Nackens, kann unterschiedliche Gründe haben und wird in der Akupunktur daher auch auf unterschiedlichen Meridianen behandelt.
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Wichtige Akupunkturpunkte
Herz 3 Shao Hai – Kleines Meer:
Wirksam bei Schmerz im Bereich von Hand, Schulter und Ellbogen sowie bei Erschöpfung, Überforderung, Angst und Depression. Punkt der Lebensfreude. Herz 7 Shen Men – Pforte der Geisteskraft:
Hilft gegen funktionelle Herzbeschwerden (bei organischer Gesundheit), Tachycardien, Unruhe, Angst, Aufgeregtheit, Konzentrationsstörungen. Dünndarm 3 Hou Xi – Hintere Talmulde:
Ist hilfreich bei Schmerz und Verspannungen in Arm, Schulter, Halswirbelsäule, Brustkorb. Starke muskelentspannende Wirkung. Emotional beruhigend und entspannend. Dünndarm 8 Xiao Hai – Kleines Meer:
Hat eine Wirkung bei Schmerz und Bewegungseinschränkung im Nacken-, Schulter- und Armbereich. Krampflösend, beruhigend, schmerzstillend.
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Der Milz-Magen-Meridian – Thema: Sorge
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Magen Meridian
Thema ══ Sorgen, Umsorgen Verlauf ══ Der Magen-Meridian ist ein Yang-Meridian. Er beginnt
mit zwei Ästen im Gesicht, der eine vom Auge, der andere von der Stirn, die sich seitlich am Unterkiefer vereinigen, und läuft dann über den Hals, etwas seitlich der Mittellinie über Brust und Bauch und am Bein entlang bis zur zweiten Zehe. Der Milz-Meridian ist eine Yin-Leitbahn. Er beginnt an der großen Zehe, läuft an der Innenkante des Fußes über den Innenknöchel, über Bein und Bauch und endet in der Achselhöhle. Jahreszeit ══ Dieser Meridian wird in der chinesischen Medizin
dem Spätsommer zugeordnet, der Zeit des feuchten, schwülen Klimas. Organ ══ Zugeordnete Sinnesorgane sind Zunge und Lippen, d. h. der Geschmack. Daher spielt das Essen eine große Rolle. Die Funktion des Meridiankomplexes besteht in einem Ausgleich der Energien zwischen Kopf und Bauch, Becken und Beinen. Element ══ Die Erde als Element kennzeichnet einen wesentlichen Aspekt dieses Charakters: Es sind erdverbundene Leute, denen ein stabiler sozialer Rahmen viel bedeutet. Menschentyp ══ Der Meridiankomplex beschreibt bodenständige Leute, die andere gern umsorgen, sich aber selbst auch viele Sorgen machen. Genuss und Sucht spielen eine große Rolle. Lebensphase ══ Der Milz-Magen-Meridian entspricht der Phase im Leben, in der die meisten Leute Kinder bekommen, sie umsorgen und aufziehen. Der Blick ist auf die Familie, auf ein vertrautes soziales Umfeld gerichtet. Beruflich ist es die Zeit der Konsolidierung: Man hat sich festgelegt für eine bestimmte Richtung und baut seine Position aus.
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Zur Charakterstruktur
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Fürsorglichkeit und Dominanz
Menschen, deren Konstitution dem Milz-Magen-Funktionskreis entspricht, gehören meist zu den gemütlichen, bodenständigen Typen. Sie stehen mit beiden Beinen auf der Erde, das heißt, sie besitzen einen gesunden Realismus. Sie lassen sich nicht gleich von jeder neuen Idee mitreißen, brauchen erst mal Zeit zum Überlegen und Verarbeiten, eine Sache von mehreren Seiten zu betrachten und verschiedene Leute dazu zu hören, bevor sie eine Entscheidung treffen. In der chinesischen Medizin spielt der Milz-Magen-Meridian eine zentrale Rolle in der Verarbeitung und Verdauung von Nahrung, aber auch von seelischen Eindrücken. Es geht hier um die Mitte des Körpers, den Ausgleich zwischen dem Geist und dem Körper, Kopf und Bauch. Im Idealfall sind das also Leute mit einem guten »Bauchgefühl«, das heißt, sie können es zwar noch nicht benennen, aber irgendetwas stimmt nicht an einer Entscheidung, die nach rein logischen Gesichtspunkten völlig richtig ist. Ihr Gefühl sagt ihnen, dass sie das Ganze überdenken müssen, die Informationen noch mal verarbeiten und vielleicht andere Aspekte mit einbeziehen sollten. Viele spüren auch im Voraus, was jemand sagen wird, sie ahnen es, ohne dafür einen Grund nennen zu können. Oder sie denken an jemanden, den sie schon längere Zeit nicht gesehen haben, und am nächsten Tag ruft genau derjenige an. Im Beruf sind es oft die Praktiker, die schnell mal zupacken können, keine Angst haben, sich dabei schmutzig zu machen, die einfach ein Problem konkret und handfest angehen, die
Dinge in die Hand nehmen. Sie sehen schneller als andere, wo Hilfe und Unterstützung gebraucht wird, an was es hier fehlt und gehen das Ganze tatkräftig an. Sie sind gute Planer, können kompetent organisieren, Aufgaben verteilen und zu vernünftigen Lösungen kommen. Wenn eine hohe Sachkompetenz zusammen mit praktischer Intelligenz gepaart ist, sind die Leute außerordentlich erfolgreich und genießen eine hohe Anerkennung bei den Mitarbeitern. Sie übernehmen gern und auch viel Verantwortung für »ihre« Leute, vermitteln das Gefühl, niemanden im Stich zu lassen. Bei Konflikten behalten sie die Interessen ihrer Mitmenschen im Auge, vergessen nie den sozialen Zusammenhang, in dem sie mit anderen stehen. Sie brauchen die Kommunikation, das Miteinander, ohne sich selbst zu verlieren. Dabei können sie sehr stark, auch dominant sein, wie z. B. eine Mutter, die die ganze Familie im Griff hat, an jeden denkt, für alle liebevoll sorgt, an der aber auch nichts vorbeientschieden werden darf, die allen das Bewusstsein vermittelt, dass sie die Fäden in der Hand hält, Entscheidungen zum Wohle aller trifft, jedem seine Aufgabe zuteilt und letztlich alles organisiert. Ein anderes Beispiel sind manche Mitarbeiterinnen – früher waren das oft die Chefsekretärinnen, die alle wesentlichen Informationen bei sich versammeln, für jeden ein offenes Ohr haben, immer wieder zwischen der Führungsebene und den Angestellten vermitteln: Sie sind die unangefochtene Seele des Betriebs. Fast immer sorgen sie auch nebenbei für das leibliche Wohl, halten immer einen Kaffee und ein paar Kekse bereit, trösten, versorgen, legen ein gutes Wort ein für jemanden in Schwierigkeiten, genießen das Vertrauen der meisten Mitar-
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beiter, kennen viele kleine Geheimnisse und Schwächen, aber auf ihre Diskretion kann man sich absolut verlassen, denn sie gehen völlig auf in dem Bemühen, alle zufrieden zu sehen. Der Gewinn, den sie daraus ziehen, ist das Glück der anderen: der eigenen Familie, der Mitarbeiter ihres Betriebes oder einer anderen Gruppe. Jemandem aus seinen Problemen zu helfen, ist ihr schönstes Ziel. Gleichzeitig haben sie selbst die höchste Anerkennung von allen: Sie brauchen nicht zu kämpfen um eine gute Position für sich selbst, sie haben sie schon. Auch der Patriarch gehört in dieses Bild: Er dominiert, entscheidet für alle, und im Idealfall wird das von allen Mitgliedern seines Clans verstanden, akzeptiert und für gut befunden. Sie fühlen sich aufgehoben in der Sicherheit, dass sie sich verlassen können auf einen Menschen, der alles im Blick hält, Vertrauen einflößt. Gefährlich wird es allerdings, wenn sich einem solchen Chef jemand in den Weg stellt, seine Vormachtstellung angreift. Zu Hause repräsentiert er den gefühlvollen, dicken Familienmenschen, der bei Widerspruch allzu laut und emotional reagiert, dann blaurot anläuft (weil er zur Hypertonie neigt), regelrecht despotisch sein kann, aber auch bis zur Sentimentalität gerührt. Gerade die Frauen dieses Typs halten immer ein leckeres Essen bereit, besitzen ein untrügliches Gefühl dafür, wann jemand erst einmal einen heißen Kakao oder einen Schnaps braucht. Dem Gast nähen sie schnell noch einen abgerissenen Knopf an, bevor er geht, und geben ihm noch ein Stück von dem Kuchen für zu Hause mit. Die entfernt wohnenden Kinder werden mit Päckchen versorgt, kein Geburtstag, Ostern, Pfingsten, Advent wird verges-
sen und sämtliche Freunde und Verwandten werden mit Selbstgebackenem versorgt. Selbst der Hausarzt bekommt zu Weihnachten ein kleines Geschenk, genauso wie der Briefträger und die nette Frau von nebenan. Haus und Garten sind wichtig, jede Pflanze wird liebevoll versorgt, Freunde und Nachbarn werden mit Ablegern beglückt.
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Sorgen und Rückzug
Das viele Umsorgen hat auch eine andere Seite: die unablässige Sorge um die Angehörigen oder um die materiellen Besitztümer. Nicht alles geht gut innerhalb einer Familie; die Tochter entscheidet sich vielleicht für den falschen Mann oder den falschen Beruf, der Sohn bricht die Ausbildung ab, um endlich frei zu sein, der Bruder trinkt zu viel, wird arbeitslos und bedürftig. Man möchte so gern die wunderbare Harmonie des glücklichen Familienlebens aufrechterhalten, aber die Verhältnisse lassen das nicht immer zu. Menschen, die auf dem Magen- Milz-Meridian erkranken, leben in steter Sorge: um den Partner, die Kinder, das Geld, das Wetter; alles könnte schiefgehen. Sie können sich hineinsteigern in Visionen von Unglücksfällen und dabei endlose Szenarien entwickeln über das, was alles passieren könnte. Am Schluss gibt es keinen vernünftigen Gedanken mehr, der Kopf ist voll mit Tausenden von Ängsten und Befürchtungen, die ihnen dann auch den Schlaf rauben. Steigert sich die Unzufriedenheit mit der Realität, kann sich aus der kraftvollen Aktivität des ausgeglichenen Charaktertyps eine dumpfe Lethargie und Antriebslosigkeit entwickeln. Er mag das Haus gar nicht mehr verlassen, möchte nur noch seine Ruhe haben, die ande-
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ren Menschen interessieren überhaupt nicht mehr. Das Ausgehen wird zum Stress: Die U-Bahn wird bestimmt nicht pünktlich kommen, die Nachbarin könnte ihn wieder so blöd anquatschen, eigentlich fühlt er sich nicht elegant genug, um unter die Leute zu gehen. Möglicherweise beginnt es gleich zu regnen und man könnte einen Anruf verpassen oder eine Fernsehsendung. Und dann stellt sich noch die Frage, welche Versicherung dafür aufkommt, wenn in der Abwesenheit das Haus abbrennt. Es kommt zur Entscheidungsunfähigkeit, zum Grübeln, zum sozialen Rückzug. Das sind die klassischen Merkmale der Depression. Der Depressive weiß ja nie, wie er sich entscheiden soll. Das fängt schon bei der Speisekarte im Restaurant an: Er grübelt und reflektiert über der Entscheidung, ob Fisch oder Fleisch, Reis oder Kartoffeln, denkt über die Preise nach, vielleicht besser doch lieber nur eine Vorspeise? Die anderen am Tisch warten mehr oder weniger geduldig, was den Druck, jetzt endlich zu entscheiden, noch erhöht, und mit Sicherheit wählt er dann doch das Falsche aus, ist unzufrieden mit sich und der Welt. Aber eins weiß er nach diesem Abend sicher: Er wäre besser allein zu Hause geblieben. Er kommt in die klassische Spirale von Rückzug und Grübeln.
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Die eigene Bedürftigkeit
Aus ihrem Bedürfnis, sich um andere zu kümmern, ergreifen viele Leute vom Milz-Magen-Meridian Berufe im sozialen Bereich: Krankenschwester, Sozialarbeiter, Seelsorger, auch Lehrer und medizinische Berufe. Da sie sich mühelos in andere hi-
neinversetzen und auch gut organisieren können, sind sie meist sehr kompetente Mitarbeiter, die ihren vollen Einsatz zeigen. Sie sind freundlich und zugewandt, erkennen schnell die kleinen Bedürfnisse der Patienten oder Klienten, sind liebevoll und engagiert in der Versorgung. Doch je mehr man sich einsetzt zum Wohle anderer, umso mehr entwickelt sich eine eigene Bedürftigkeit. Niemand kann immer nur geben, ohne je etwas zurückzubekommen. Leute von diesem Meridiankomplex können aber schlecht auf Gegenleistungen beharren. Sie sind zu sehr fixiert darauf, selbst in der großzügig helfenden Position zu bleiben. Trotzdem brauchen sie manchmal genauso viel Hilfe wie jeder andere auch. Der Wunsch, dass sich endlich mal jemand um sie sorgt und kümmert, wird immer größer. Bei manchen Leuten wird dieses Bedürfnis von der Familie oder dem Partner erfüllt, so dass die chronische Erschöpfung, unter der viele in diesen Berufen leiden, ausgeglichen und aufgefangen wird. Bei den meisten Menschen vom Milz-Magen-Meridian gibt es aber eine Konstellation in der Familie, in der auch hier permanent Versorgung erwartet wird. Die Bedürftigkeit steigt in diesen Fällen immer mehr an. Milz-Magen-Menschen reagieren dann gern mit Jammern und Klagen über die hohe Arbeitsbelastung, ohne jedoch konkrete Änderungen einzuleiten.
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Stressreaktionen
Viele Leute dieses Meridians weisen unter Stress einen ausgeprägten Hang zu Extremen auf: Ein Student beispielsweise hat hochaktive Phasen des schnellen Lernens, er kann die halbe Nacht durch arbeiten und dann fällt er plötzlich ins andere Ex-
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trem und ist nur noch müde, abgeschlagen, apathisch, begreift und lernt nichts mehr. In gewissem Maße vertragen die Leute, die zum Milz-MagenMeridian gehören, Stress und Hektik gut; die Arbeit beflügelt sie, sie laufen unter Termindruck zu Höchstleistungen auf. Steigt allerdings der Stress zu sehr, werden berufliche oder geschäftliche Sorgen zu drückend, reagieren viele von ihnen mit Starrheit und Sturheit. Sie halten an ihren Prinzipien fest, notfalls gegen jede Vernunft. Die Toleranz für die Mitmenschen und erst recht die für neue Ideen und andere Vorschläge geht dabei verloren. Meist schlägt ihnen die Situation auf den Magen oder den Darm, die Konzentration lässt nach und sie vergessen vieles, was vorher selbstverständlich war. ═══ FALL Eine Lehrerin entwickelt eine akute Colitis (entzündliche Darmerkrankung). Bis vor wenigen Jahren hatte sie ihren Beruf immer geliebt, sie war engagiert, dachte sich spannende Projekte für die Schüler aus, traf sich auch in der Freizeit mit ihrer Klasse zum Grillabend, leitete die Theatergruppe und war bei jedem Fest dabei. Im Lehrerberuf wie in vielen anderen Bereichen auch haben sich die Anforderungen in den letzten Jahren sehr verändert: Der Wissensstand für die Schüler soll vereinheitlicht und vergleichbar werden, zentrale Prüfungen und Unterrichtsthemen sind eingeführt, der Lernerfolg wird regelmäßig kontrolliert. Obwohl diese Lehrerin bereits fünfundzwanzig Jahre in ihrem Beruf ist, fühlt sie sich überfordert, reagiert gereizt auf die vielen für sie unsinnigen neuen Anforderungen und Verordnungen. Immer mehr fehlen ihr die Zeit und auch die Energie für Theatergruppen und Grillabende. Sie schläft schlecht, verträgt plötzlich viele Nahrungsmittel nicht mehr, eine Colitis wird di-
agnostiziert und Schmerzen und Durchfälle quälen sie Tag und Nacht. ═══ Eine Akupunkturtherapie bezieht sich in solchen Fällen auf Punkte des Milz-Magen-Meridians. Der Hauptpunkt ist der sogenannte Punkt des »göttlichen Gleichmuts« (M 36), über den neben anderen die innere Ruhe und Ausgeglichenheit eines Menschen wiederhergestellt werden kann. Und das ist in diesem Fall die Voraussetzung, um die Darmerkrankung erfolgreich zu behandeln. Natürlich lassen sich die Verhältnisse, die die Leute stressen, mitunter nicht verändern; mit der Akupunktur kann man aber die innere Einstellung so verändern, dass die Verhältnisse nicht mehr krank machen. Viele Leute vom Milz-Magen-Meridian leiden sehr unter Stress. Es gibt unterschiedliche Reaktionsweisen, die aber alle für diesen Meridian typisch sind. Die häufigste Reaktion auf Nichtanerkennung der Leistungen, Kränkungen und Zurückweisungen ist der Rückzug. Man möchte diese Menschen nicht mehr sehen und eigentlich auch niemanden anderes. Menschen dieses Meridiantyps können sich aber auch zunehmend in Krankheiten hineinsteigern, machen sich große Sorgen um ihren Körper, fürchten alle erdenklichen Krebserkrankungen und entwickeln sich allmählich zu Hypochondern. Andere, denen die seelische Mitte, die Ausgeglichenheit fehlt, können eine regelrechte Besessenheit entwickeln: Eine bestimmte Idee wird zwanghaft verfolgt. Auch Kontrollzwänge kommen häufig vor: immer wieder kontrollieren zu müssen, ob die Tür abgeschlossen ist, das Bügeleisen abgestellt, der Herd ausgeschaltet.
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Sicherheit und Geborgenheit
Die Suche nach Sicherheit und Geborgenheit bestimmt das Leben der Leute vom Milz-Magen-Meridian oft mehr, als das bei anderen Typen der Fall ist. Sie brauchen die vertraute Umgebung, in der sie aufgewachsen sind oder zumindest schon sehr lange leben. Hier kennen sie fast jeden, werden auf dem Markt gegrüßt und wissen, welchem Handwerker man vertrauen kann und wer einem sofort hilft, wenn das Auto nicht anspringt. Am liebsten sind ihnen die Freunde, die sie schon aus dem Kindergarten kennen, oder aus der Schulzeit. Das sind Beziehungen, die verlässlich sind, weil sie so lange bestehen und nicht mehr in Frage gestellt werden müssen. Ihre Bodenständigkeit kann durchaus zu Problemen führen. Manche haben große Schwierigkeiten, den Ort, der ihnen vertraut ist, zu verlassen. Sie fühlen sich nur hier geborgen und möchten gar nicht weg. Schon kleine Reisen können dann zur Qual werden. Typisch sind die Verdauungsstörungen, die sich bei solchen Leuten regelmäßig einstellen, sobald sie von zu Hause entfernt sind. Ein Umzug in eine andere Stadt oder sogar ein fremdes Land wäre für sie eine Katastrophe. Sind sie aber aus unterschiedlichen Gründen zu einem Ortswechsel gezwungen, kehren sie so oft wie möglich in ihre Heimat zurück. Oft weigern sie sich, die Sprache oder den Dialekt der neuen Umgebung zu lernen oder sich mit einer anderen Kultur zu beschäftigen. Sie fühlen sich unwohl und unsicher, und das strahlen sie auch aus. Auf diese Weise finden sie keine neuen Kontakte und das wiederum verstärkt die Sehnsucht nach dem alten Ort.
Andere Leute des Meridiankomplexes treibt eine ständige Suche nach dem idealen Platz von einem Ort zum nächsten. Sie sind getrieben von der Hoffnung, unter veränderten äußeren Bedingungen endlich zur Ruhe und Ausgeglichenheit zu finden.
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Genuss und Essstörung
Die schönste Vorstellung für die Milz-Magen-Leute ist das Bild des großen runden Tisches: Alle sind da, alle zufrieden, jetzt wird erst mal gegessen. Das hält bekanntlich Leib und Seele zusammen. Das Essen ist sorgsam und liebevoll ausgewählt, mit viel Mühe und Geschick schmackhaft zubereitet. Niemand kann sich dem Wohlgefühl entziehen, das sich einstellt. Für jeden ist gesorgt, dieser Meridiantyp behält im Kopf, wer keine Tomaten mag oder kein Fleisch isst und stellt die Gläser um als kleine Aufmerksamkeit für den Linkshänder. Man fühlt sich sofort akzeptiert, gemocht, geachtet, aufgehoben in einem harmonischen Ganzen. Der Genuss spielt eine zentrale Rolle im Leben der Milz-Magen-Leute: Sie essen und trinken sehr gern und ausgiebig und am liebsten in größerer Runde, sind gastfreundlich, zugewandt, interessiert, teilnahmsvoll. Das Übergewicht bleibt dabei allerdings selten aus. Der Kampf um das Abnehmen wird zum Dauerthema. Das maßvolle, vernünftige Essen ist für diesen Charaktertyp so besonders schwer, weil es ihm das Liebste und Schönste nimmt, das er hat: das üppige Essen im Kreise der Freunde. Die Konzentration auf das Essen kann bei schlechtem Ausgleich der Energien durchaus schwere Erkrankungen zur Folge haben: die Essstörungen.
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Viele Essstörungen lassen sich mit einer Akupunktur auf diesem Meridianpaar verbessern. Zwar haben die Störungen einen komplexen Hintergrund und werden individuell sehr unterschiedlich ausgelöst, aber es gibt bei der Anorexie wie bei der Bulimie immer auch einen eindeutigen Stressfaktor. Nicht umsonst leiden gerade sehr leistungsstarke Leute an diesen Erkrankungen. ═══ FALL Eine Studentin leidet unter Bulimie. Sie ist fleißig, strebsam, kontaktfreudig. Und sie ist ständig voller Sorgen. Jeder Student macht sich über seine Examen Sorgen. Aber hier geht die Sorge viel weiter: Gedanken über die fernere Zukunft dominieren den Alltag: Werde ich zufrieden sein mit dem gewählten Beruf, hätte ich nicht besser was anderes studiert? Was ist, wenn ich in eine neue Stadt muss? Die Studentin kann nicht mehr lernen, sitzt untätig da und grübelt, und die Zeit für die Prüfungsvorbereitung wird immer knapper. ═══ Über das Wesen der Bulimie wissen wir im Grunde nicht ausreichend Bescheid, aber hier reicht die genaue Beobachtung, um zu sagen: Die Krankheit liegt wesentlich auf dem MagenMeridian. Bei der Esssucht kommt immer auch ein depressiver Aspekt vor. Je weniger man sich selbst akzeptiert und es aushält, sich im Spiegel anzusehen, je weniger man seinen Körper mag, desto mehr muss man sich trösten durch noch mehr Essen. Dazu kommt, dass die Dicken in unserer Gesellschaft vielen Kränkungen ausgesetzt sind, was ihr Leben nicht gerade leichter macht und die Sucht wiederum verstärkt. Bei den meisten Essstörungen werden noch zusätzliche Behandlungen, wie Psychotherapie o. ä., erforderlich; die Akupunktur allein ist hier selten erfolgreich.
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Sucht
Die Grenze ist meist fließend, ab wann man das viele Essen und Trinken noch als Genuss oder schon als Sucht bezeichnet. Aber es gibt sie natürlich und die Leute dieses Meridians sind sehr gefährdet. Sie erreichen leicht den Punkt, an dem jeden Abend noch eine zweite Flasche Wein aufgemacht wird, viel und gern geraucht wird; Leute des Milz-Magen-Meridians finden einfach kein Ende, weil es so schön ist. Diese Leute trinken selten allein, sie brauchen die Gesellschaft, die Kommunikation. Sie müssen über ihre Probleme und Sorgen reden, sie von verschiedenen Seiten betrachten, anderen erzählen, immer wieder neu überlegen. Auch ohne Diskussion konkreter Ereignisse brauchen sie es, einfach nur zu wissen, dass die anderen da sind, dass man nicht allein ist. Der nächste Morgen wird dann oft sehr schwierig. Die Gastronomie hat ihre Freude an diesen Leuten, die ausufern, nicht gehen wollen, immer noch eine Runde bestellen. Es ist eine Gier nach Leben, nach Lebendigkeit, oft eine Flucht aus einem Alltag, der langweilt. Der Exzess kann beflügeln, Leute dieses Meridians gehen manchmal weit über die Grenzen der Vernunft und wissen natürlich, dass das Glück des Abends am Morgen danach anders aussieht – aber vielleicht war es das trotzdem wert. Bis zu einem gewissen Maß ist dieses Verhalten noch gut geeignet, um den Stress des Alltags abzubauen. Wird aber die Grenze überschritten, beginnt das exzessive Ausleben, körperliche und auch mentale Schäden anzurichten. Jede Freude endet da, wo die Sucht beginnt; dann wird es zwanghaft und der Spaß ist vorbei. Dann wird aus dem Reden und Erzählen ein
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stetes Wiederholen alter Geschichten, deren Sentimentalität die Zuhörer in die Flucht treibt.
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Geld
Der Typ vom Milz-Magen-Meridian braucht Rücklagen, etwas Erspartes, das ihm das Empfinden von Sicherheit vermittelt, das gute Gefühl, aus dem Vollen schöpfen zu können und eine solide Basis auch im finanziellen Bereich zu haben. Notfalls könnte er durchaus mit Rückschlägen, sogar mit Armut zurechtkommen, da nicht sein gesamtes Selbstwertgefühl von der finanziellen Sicherheit abhängig ist. Er würde aber vieles tun, um das zu vermeiden. In aller Regel ist er praktisch und umsichtig mit dem, was er hat, sorgt dafür, dass sich das Geld im vernünftigen Rahmen vermehrt. Er genießt es dann auch für sich selbst, doch fast noch mehr für die Familie. Sein größter Genuss ist das Verteilen seines Besitzes an den Clan: gezielt und nach seinem sicheren Bauchgefühl zu helfen und zu unterstützen, wo es gebraucht wird. Sein größtes Glück am Ende seines Lebens ist, alle versorgt zu haben, allen eine Chance geboten zu haben.
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Häufige Erkrankungen
Dem Milz-Magen-Meridian zugeordnet sind Bindegewebe und Fettgewebe. Dieser Komplex mit dem Element der Erde wird bei vielen unterschiedlichen Krankheiten zusätzlich behandelt. Er stellt die körperliche Mitte dar und hat daher einen unmittelbaren Zusammenhang mit allen anderen Organen. Die Nahrungsaufnahme und Verarbeitung ist eine zentrale Funktion. Bei allen Störungen im Magen-Darmbereich sollte eine Magenbzw. Darmspiegelung die Grundlage jeder Therapie bilden. Die meisten Störungen des Magens können über diesen Meridian therapiert werden. Akute und chronische Gastritis, der Reizmagen ══ Hier schlägt der
Stress typischerweise auf den Magen. Diarrhö ══ Störungen der Verdauung sind oft durch emotionalen Stress mitbedingt. Viele Leute reagieren mit Durchfall bei Aufregungen. Das kann unterschiedliche Ausmaße haben: Bei manchen stellen sich die Symptome nur bei seltenen Ereignissen wie Prüfungen und Vorstellungsgesprächen ein. Bei anderen reicht schon eine kleine Veränderung aus, wenn sie beispielsweise nur aus dem Haus gehen, um einzukaufen, oder ein Kino- oder Theaterbesuch. Auch die entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis und Morbus Crohn sind zu einem Teil durch Stressfaktoren mitverursacht. Obstipation ══ Bei der Obstipation, der Verstopfung, gibt es fast immer einen psychischen Anteil. Man muss natürlich ausschließen, dass sie durch Medikamente bedingt ist. Nahrungsmittelunverträglichkeit und -allergie ══ Allergische Reaktionen auf Lebensmittel nehmen immer mehr zu. Oft sind die
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Stoffe sehr schwer zu identifizieren. Über den Milz-MagenMeridian lassen sich viele dieser Unverträglichkeiten wieder regulieren. Sucht ══ Dass viele Menschen dieses Meridiankomplexes zum Suchtverhalten neigen, wurde oben bereits ausgeführt. Das betrifft sowohl die Esssucht als auch die Magersucht und die Bulimie, beim Essen neigen diese Leute zu extremen Übertreibungen. Das Gleiche gilt für den Alkohol und das Rauchen. Bindegewebsschwäche ══ Man findet ein schwaches Bindegewebe, Cellulitis, eine schlaffe Muskulatur und Fettgewebe, das sich im Bauchbereich konzentriert. Typische Krankheiten sind Schwellungen, Ödembildungen, die dicken, schweren Beine.
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Wichtige Akupunkturpunkte
Milz 6 San Yin Jiao – Kreuzung der drei Yin:
Unter dem Begriff »Frauencafé und Männerstammtisch« wird die Wirkung auf alle Genitalfunktionen zusammengefasst. Über diesen Punkt können Infertilität des Mannes, Menstruationsstörungen, klimakterische Probleme und Durchblutungsstörungen behandelt werden. Zudem werden viele Verdauungsprobleme hier therapiert. Aber auch allgemein hat dieser Punkt eine beruhigende, entspannende und klärende Funktion. Magen 36 Zu San Li – Drei Längen zum Fuß, der Punkt trägt den
Beinamen »der Göttliche Gleichmut«: Ein zentraler Punkt bei Stresserkrankungen mit Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Unzufriedenheit und Reizbarkeit. Daneben wirkt er auf alle Störungen des Magens und Darms.
Magen 40 Feng Long – Üppige Vorwölbung oder Überfülle:
Der Punkt wirkt stark schleimlösend bei Bronchitis oder Asthma. Er wird auch bei Schlaflosigkeit, Depression, Kopfschmerz und Krampf im Kehlkopf eingesetzt.
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Der Lunge-Dickdarm-Meridian – Thema: Trauer
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Lu Lu77
Lu 77 Lu
Lu Lu 55
Lu 5 Lu 5
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Lungen Meridian
Dickdarm Meridian
Thema ══ Trauer, Abschied Verlauf ══ Der Lungen-Meridian beginnt unterhalb des Schlüssel-
beins im oberen Lungenbereich. Er zieht sich an der Innenseite des Armes lang bis zum Daumennagel. Das ist der äußere Verlauf und hier liegen die Akupunkturpunkte, die behandelt werden, wenn eine Störung in diesem Meridianbereich vorliegt. Am inneren Verlauf erkennt man, warum z. B. bei einer akuten Halsentzündung auch Punkte des Lungen-Meridians wirkungsvoll sind. Der Dickdarm-Meridian läuft vom Zeigefinger seitlich über den Arm, über die Schulter, den Hals und endet neben dem Nasenflügel. Erst am inneren Verlauf sieht man die Verbindung mit dem Darm. Jahreszeit ══ Der Funktionskreis Lunge-Dickdarm ist dem Herbst und der Trockenheit zugeordnet. Die Tage werden kürzer, es wird kühler. Nach dem Licht und der Wärme des Sommers ahnen wir bereits die zunehmende Dunkelheit und Kälte des Winters. Das zentrale Thema dieses Meridiankomplexes ist die Trauer. Die Melancholie des Herbstes beeinflusst unsere Stimmung; es geht um Abschied. Organ ══ Dem Sinnesorgan Nase entsprechen viele Krankheiten, die auf dem Dickdarm-Meridian liegen. Der Erkältungsschnupfen wie auch der Heuschnupfen gehören hierher, aber auch eine Empfindlichkeit des Geruchssinnes: Jemanden nicht riechen können. Element ══ Metall Menschentyp ══ Leute vom Lunge-Dickdarm-Meridian sind meist
sehr soziale, aber zurückhaltende Menschen, die oft um Vergangenes trauern. Sie sind wahrscheinlich die stressanfälligsten von allen Meridiantypen; unter Druck leiden sie sehr.
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Lebensphase ══ Dem Herbst in der Natur entspricht auch der
Herbst des Lebens. Die Kinder sind aus dem Haus und im Beruf beginnt man meist nichts Neues mehr. Man muss zurechtkommen mit dem, was man erreicht hat. Oft stellt sich in dieser Lebensphase eine Trauer über das Vergangene ein. Interessen und Orientierungen können noch einmal eine neue Richtung bekommen, man geht zum Beispiel öfter in Konzerte, hat Zeit für Wanderungen oder den Garten.
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Zur Charakterstruktur
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Autonomie und sozialer Anspruch
Der Meridiankomplex zeigt den Charaktertyp eines Menschen, der sensibel und feinfühlig ist, aber zugleich immer etwas distanziert bleibt. Er scheut die allzu große Nähe, lässt selten jemanden ganz dicht an sich heran, nicht einmal Ehepartner oder Kinder. Er braucht seine Autonomie, seine Unabhängigkeit, kann sich schlecht unterordnen. Dabei möchte er aber auch nicht andere Leute dominieren, nicht allein bestimmen, was gemacht wird. Er ist nicht der Macher, der seine Ideen ohne Rücksicht durchsetzt, sondern der stets freundliche Kollege, der gern mit anderen an einem gemeinsamen Ziel arbeitet. Lunge-Dickdarm-Leute haben nicht die überschwängliche Euphorie und den Elan anderer Charaktere, sie begeistern sich nicht spontan für eine Idee, die sie dann sofort in die Tat umsetzen möchten. Sie haben nämlich über ihre Ideen und Ziele bereits gründlich nachgedacht und suchen nicht den Konkurrenzkampf, sondern vernünftige Lösungen. Eher meiden sie Konflikte, können und wollen nicht um Posi-
tionen kämpfen, weil sie damit ja andere verletzen oder brüskieren würden. Sie sind sympathische Mitarbeiter, auf die man sich verlassen kann, die einem nie übel mitspielen würden. Sie brauchen die freundliche Atmosphäre, die Kollegialität. Lieber würden sie einen Kollegen für eine Beförderung anpreisen als sich selbst. Tatsächlich ist vielen von ihnen ihr eigenes berufliches Fortkommen nicht so wichtig wie das Wohlergehen einer größeren Gemeinschaft; oft engagieren sie sich mit viel Idealismus für bessere, gerechtere Bedingungen für alle. Entscheidungen, die sie allein betreffen, zögern sie gern lange hinaus, aus Angst, einen mutigen Schritt nach vorn zu tun, ins kalte Wasser zu springen. Manchmal sind solche Leute beruflich nicht so erfolgreich, wie sie sein könnten, weil sie fürchten, sich in den Vordergrund zu drängen. Und das wäre ihnen peinlich. Ihre Fähigkeiten sollen anerkannt werden, ohne dass sie selbst darauf hinweisen müssen. In Berufen, in denen man um seine Position ständig kämpfen muss, sind sie schlecht aufgehoben. Wettbewerb fällt ihnen schwer. Oft zeigen sie dann eine Bescheidenheit, die sie gar nicht nötig hätten. Dabei träumen sie durchaus häufig von größeren Erfolgen, von mehr Anerkennung. Manchmal ist das Selbstvertrauen nicht besonders stark und sie können sich einfach nicht durchsetzen. So ein Mensch bleibt in der Warteschlange geduldig hinten stehen und nimmt eher in Kauf, keine Eintrittskarte zu bekommen, als sich vorzudrängen. Schlechtes, unsoziales Benehmen kann er nicht akzeptieren. Im privaten Bereich lieben Lunge-Dickdarm-Leute viele Kontakte, entwickeln ein hohes soziales Engagement, sehen sich gern als Teil einer Gruppe, einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Das können zum Beispiel lockere informelle Zusam-
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menschlüsse von Leuten sein, die sich gemeinsam für die Umwelt und für bessere Lebensbedingungen einsetzen, Fördervereine im sozialen oder kulturellen Bereich, Entwicklungshilfeprojekte.
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Der Stress
Leute, die sich sozial engagieren, erleben viele Rückschläge und Misserfolge. Sie leiden unter unvernünftigen politischen Entscheidungen, unter bürokratischen Strukturen und der Unwissenheit oder Uninteressiertheit ihrer Mitmenschen. Je mehr man sich einsetzt, umso schneller ist man erschöpft. Da ist auf der einen Seite der hohe Anspruch an sich selbst, der irgendwann an eine Grenze der zeitlichen Möglichkeiten stößt. Auf der anderen Seite werden engagierte Menschen auch oft ausgenutzt von ihren weniger interessierten Kollegen, die ihnen gerne einige wichtige Aufgaben zusätzlich übertragen in der Sicherheit, dass deren Moral es nicht zulassen kann, die weitere Arbeit, die sie für sinnvoll und notwendig halten, abzulehnen. Aus dieser Konstellation entwickelt sich schnell eine Überforderung, Erschöpfung, ein Burnout-Syndrom. Die sensiblen Leute des Lungen-Meridians sind oft stark erschüttert über das Leiden anderer Menschen. Das sind nicht nur die persönlichen Einzelschicksale, es geht um das, was sie repräsentieren: die Ungerechtigkeit und Hartherzigkeit einer Gesellschaft, in der so etwas möglich ist. Mit seiner klaren Vorstellung, wie man sich sozial und anständig verhält, kommt der Typus leicht mit seinen Mitmenschen in Konflikte. Er zieht sich zurück in stiller Verachtung, lehnt Kontakte ab, wird einsam.
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Richtig leben
Theorien, die einmal als richtig erkannt worden sind, werden konsequent umgesetzt: Jeder weiß, dass viele Lebensmittel aus dem Supermarkt hohe Umweltbelastungen haben. Aber nur der Lungentyp fährt Woche für Woche in den fünf Kilometer entfernten Bioladen, um das »richtige« Gemüse einzukaufen. Er investiert viel Zeit und Geld, um das als »richtig« Erkannte streng durchzuführen. Viele statten ihre Wohnung mit BioMöbeln aus, verwenden ausschließlich umweltgeprüfte Anstriche und Bodenbeläge, denken lange über die optimale biologische Körperpflege nach, entwickeln komplizierte Prinzipien des Müll-Trennens. Ein Verlag, der seine Reiseführer unter dem Titel »Richtig Reisen« vermarktet, hat hier mit Sicherheit seine Zielgruppe getroffen: Diese Leute fürchten sich sehr davor, etwas falsch zu machen. Egal, welche Anstrengung es im Einzelfall kosten mag, Hauptsache man steht auf der richtigen Seite. Einschränkend muss hier allerdings gesagt werden, dass es sich hier ja auch um sehr viele Allergiker handelt, die nach Möglichkeiten suchen, ihre Krankheit durch schadstofffreie Ernährung und Umgebung zu bewältigen. Dieser Meridiantyp nimmt viele Unannehmlichkeiten in Kauf, wenn es um das richtige Prinzip geht. Eine Patientin mit Hyperacusis, einem extrem überempfindlichen Gehör, die unter jedem Geräusch entsetzlich leidet, fährt mit dem Fahrrad in eine vier Kilometer entfernte Arztpraxis zur Rushhour durch die Innenstadt, mit lautem Verkehr und riesigen Baustellen, um sich wegen ihrer Geräuschempfindlichkeit behandeln zu lassen. Sie hat ein Auto, aber sie lässt es in der Garage stehen, um die Umwelt nicht so zu belasten.
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Hohe ethische und moralische Grundsätze werden getragen von dem absoluten Glauben an das Gute im Menschen. Wenn alle rücksichtsvoller wären, gäbe es viel weniger Probleme auf der Welt. Der Typus zeigt ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für seine Umgebung.
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Trauer
Trauer ist das dominierende Thema dieses Meridians. Es geht um den Verlust eines geliebten Menschen durch Tod oder Trennung. Die menschliche Seele hält sich ja nicht an feste Zeiten, wie lange eine Trauer dauern darf. Für viele Menschen bestimmt der Verlust ihr gesamtes weiteres Leben. Ein Kind, das früh die Mutter verliert, kann unter Umständen das ganze Leben darunter leiden. ═══ FALL Eine dreiundsiebzigjährige Patientin litt an schwerstem Asthma und so vielen Allergien, dass sie kaum noch wagte, das Haus zu verlassen. Sie war nach schulmedizinischen Regeln gut eingestellt, aber die Medikamente wirkten nicht mehr. Erst als sie ihre Lebensgeschichte erzählte, von Flucht und Vertreibung während des Krieges, bei der ihre Mutter umkam und sie unter schrecklichen Bedingungen als achtjähriges Kind in einer hartherzigen Bauernfamilie allein blieb, konnte die richtige Therapie entwickelt werden: Bestimmte Punkte des Lungen-Meridians halfen, die Trauer zu überwinden und damit das Asthma zu bessern. ═══ Bei vielen älteren Leuten, die den 2. Weltkrieg noch erlebt haben, spielen Traumata eine große Rolle; Erlebnisse, die erst jetzt, im hohen Alter wieder ins Gedächtnis kommen. Und fast immer geht es um Trauer.
Die Trauer einer vierzigjährigen Patientin über den frühen Tod ihres Vaters kam ihr erst ins Bewusstsein, als sie sich von ihrem Mann getrennt hatte. Sie entwickelte eine schwere Hautkrankheit, bei der sich dicke Krusten am ganzen Körper bilden und die mit den üblichen Methoden nicht therapierbar war. (Man muss hier anmerken, dass diese Art Hautkrankheiten zu einem großen Teil genetisch bedingt sind. Aber die Krankheit ist nicht das ganze Leben in gleicher Weise vorhanden; ob sie zum Ausbruch kommt oder nicht, hängt von der psychischen Situation und dem Immunsystem ab. Auch diese Patientin hatte in ihren glücklicheren Zeiten eine klare, glatte Haut.) Die Schlaflosigkeit einer Mutter, die ihren zwanzigjährigen Sohn bei einem Motorradunfall verloren hatte, gehört in das Thema Trauer. Ein Teil der Kinder mit endogenem Ekzem oder Neurodermitis hat Trennungen erlebt: Scheidung der Eltern oder auch den Verlust von Freunden durch einen Umzug, den Weggang einer vertrauten Kinderfrau, den Tod des geliebten Großvaters. Unter der Trauer über Trennungen leiden besonders viele Migranten. Die meisten haben Familie und Freunde zurückgelassen, müssen sich in einer neuen, fremden Sprache und in einer nicht immer freundlichen Umwelt zurechtfinden. Phasen der Trauer erlebt jeder in seinem Leben. Es gibt sicherlich niemanden, der sich nicht irgendwann einmal mit diesem Gefühl auseinandersetzen muss. Beim Lunge-Dickdarm-Meridian geht es aber um eine Trauer, die viele Jahre des Lebens bestimmt, um Menschen, die sich nicht mehr lösen können aus ihrer Trauer. Sie können nicht loslassen, sie verharren in dem Gefühl des Verlustes über lange Zeit und entwickeln Krankheiten.
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Das können psychosomatische oder auch rein psychische Erkrankungen sein.
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Lebenswege: die verpasste Chance
Mit dem Begriff der Trauer ist nicht nur das Gefühl angesichts eines Verlustes gemeint. Es gibt ebenso die Trauer über Dinge, die man in seinem Leben nicht gemacht hat, über Entscheidungen, die sich später als unglücklich herausstellten. Wenn ich mich für ein Jurastudium entscheide, kann ich wahrscheinlich kein berühmter Architekt werden. Aber möglicherweise bin ich dann mein Leben lang unzufrieden mit der Wahl des Studienfachs und werde auch kein guter Jurist. Wenn ich auf den Druck der Familie hin das elterliche Geschäft übernehme, bleibt mir wenig Zeit für meine anderen Interessen und ich habe mir vermutlich die Möglichkeit verbaut, eine künstlerische Karriere zu verfolgen. Ich werde nie erfahren, ob ich als Künstlerin glücklicher geworden wäre. Doch wenn ich ständig in dem Gefühl lebe, im falschen Beruf gelandet zu sein, kann mich das sehr unglücklich machen. Leute mit der Charakterstruktur des Lunge-Dickdarm-Meridians können sich ja häufig nicht gegen die Forderungen anderer durchsetzen, möchten niemanden verletzen, stehen Konflikte schwer durch. Und so treffen sie leicht Entscheidungen aus Gefälligkeit oder Konfliktscheu, hinter denen sie nicht richtig stehen. Und nicht nur das – sie sind auch nicht die Leute, die plötzlich alles hinwerfen und einen Neubeginn wagen. Ein Apotheker litt sein Leben lang darunter, dass er sich gezwungen fühlte, die Apotheke des Vaters zu übernehmen, statt
Archäologie zu studieren. Er entwickelte zunehmend Depressionen, entschied sich aber nie, seinen Beruf noch zu ändern. In zahlreichen Berufen haben sich die Anforderungen in den letzten Jahren stark verändert. Es gibt neue Technologien, die Arbeitsabläufe werden anders strukturiert. Nicht jeder erlebt das als Gewinn für sich. Es muss nicht unbedingt eine Überforderung sein, unter der die Menschen leiden; oft sind es auch als unsinnig erlebte Vorschriften, die es zu erfüllen gilt. Ein Mehr an Bürokratie macht den beruflichen Alltag unerfreulich und verdirbt die Freude, die man früher bei seiner Arbeit hatte. ═══ FALL Eine Patientin, 58 Jahre, hatte seit über zwanzig Jahren beim Arbeitsamt gearbeitet. Der Beruf machte ihr Spaß, sie war engagiert, kümmerte sich um die Rat- und Hilfesuchenden oft über das Maß ihrer normalen Arbeit hinaus. Sie dachte nach, fand neue Lösungen, kannte viele Betriebe und deren Personalleiter und konnte so oft scheinbar hoffnungslose Fälle noch vermitteln. Sie war beliebt bei den Kollegen und den Vorgesetzten, fühlte sich wohl in einem Team von Mitarbeitern. Dann wurden die Arbeitsämter umstrukturiert. An die Stelle ihres eigenen Büros, das sie mit Pflanzen und Bildern ausgestattet hatte, trat das moderne Großraumbüro. Alle Arbeitsabläufe wurden neu gestaltet: Sie bekam einen anderen Aufgabenbereich, der Zeitdruck nahm enorm zu, ihre persönlichen Qualitäten waren plötzlich nicht mehr gefragt. Sie erfüllte ihr Soll nicht, wenn sie zu lange mit einem Arbeitslosen sprach. Unter den Kollegen entwickelte sich ein harter Konkurrenzkampf. Sie wurde krank. Zuerst kam das Asthma, kurz darauf ein massiv juckendes, trockenes Ekzem. Sie fühlte sich nur noch erschöpft, die Wo-
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chenenden reichten zur Erholung nicht mehr aus. Schon am Sonntagabend stieg in ihr die Furcht auf vor der kommenden Woche. Sie schlief schlecht, wachte in der Nacht mehrmals auf, die Haut juckte und keine Therapie schlug so recht an. Die Erschöpfung nahm zu und allmählich entwickelte sich eine Depression. ═══ Oft ist es die Unzufriedenheit mit dem, was man erreicht hat. Manche Leute besitzen vielleicht eine hohe Begabung, die sie nicht realisiert haben; sie sind hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben. Zumindest haben sie selbst das Gefühl; ob sie tatsächlich in ihrem Bereich so gut gewesen wären, weiß man ja nicht. Dasselbe Thema der Trauer über die nicht genutzten Möglichkeiten, die verpassten Chancen kann sich auf jeden Bereich des Lebens beziehen – auf die Wahl des Partners oder der Freunde oder auf die Frage: »Warum habe ich damals meine große Liebe verlassen?« Die Konflikte der Frauen zwischen Beruf und Familie sind schon häufig beschrieben worden, z. B. für oder gegen Kinder – welche Entscheidung wäre die richtige gewesen? Zum Thema »was wäre gewesen, wenn …« sind schon etliche Romane geschrieben worden. Darum geht es hier nicht. Hier geht es um ein ständig präsentes, unterschwelliges Gefühl, falsch entschieden zu haben, nicht mutig genug gewesen zu sein, seine Chancen nicht genutzt zu haben. Und um die Krankheiten, die aus dieser Idee entstehen können.
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Neid, Sozialneid
Leicht entwickeln sich aus der chronischen Unzufriedenheit bei dieser Konstitution Neidgefühle. Der Schulfreund, der damals viel dümmer war als man selbst, hat es zu hohem Einkommen gebracht, der andere genießt für seine unausgegorenen Reden als Politiker enormes Ansehen, und im Zweifelsfall fällt uns immer noch Josef Ackermann ein, dessen Jahresgehalt in keinem vernünftigen Verhältnis zu seiner Leistung zu stehen scheint. Man selbst rackert sich ab und niemand bietet einem die Spitzengehälter, die tollen Positionen. Aus diesem Neid folgt für viele ein Rückzug von den Freunden, Verwandten, Bekannten. Man ist ja nicht so jemand Beeindruckendes geworden, findet nicht die Anerkennung, die man gern hätte. Und aus dem Gefühl des Versagens heraus, möchte man am liebsten keine Leute mehr treffen. Man nennt das sozialen Rückzug.
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Alter, Anti-Aging
Es ist nicht nur die Jahreszeit, die mit dem Begriff Herbst gemeint ist. Es ist ebenso die Lebenszeit: der »Herbst des Lebens«. Das betrifft konkret etwa das Alter zwischen 50 und 70 Jahren, man ist nicht mehr jung, aber auch noch nicht richtig alt. Viele Menschen stehen in dieser Lebensphase noch aktiv im Beruf, andere ziehen sich schon aus dem Berufsleben zurück. Die Kinder sind aus dem Haus gegangen und führen ihr eigenes Leben. Im günstigen Fall entwickelt man neue, andere Interessen; das Leben bekommt eine veränderte Orientierung.
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Es stellt sich aber auch eine Trauer ein über den Abschluss einer Lebensphase, man kann nicht noch einmal von vorn beginnen. Einen neuen, spannenden Beruf kann man in diesem Alter meistens nicht mehr lernen. Und wenn man bis zu diesem Zeitpunkt keine Kinder hat, wird man wohl kaum noch welche bekommen. Das, was man bis jetzt erreicht hat, ist von nun an in den meisten Fällen nicht mehr zu steigern. Die berufliche Position, die man jetzt hat, kann man mit Glück noch halten, aber Jüngere drängen sich in den Vordergrund, haben zwar weniger Erfahrung, sind aber schneller, flexibler. Da wo das Alter ausschließlich als ein Verlust von Jugendlichkeit erlebt wird, kommt man in Schwierigkeiten: Man beginnt unter den Anzeichen des Alterungsprozesses zu leiden. Die Kosmetikhersteller leben gut davon, dass wir uns nicht abfinden können mit den Hautfalten. Die zahllosen Anti-AgingKonzepte zeigen letztendlich auch, wie sehr wir der Jugend nachtrauern. In dieser Lebensphase entwickeln sich besonders viele depressive Verstimmungen. Zum Festhalten am Vergangenen gehört auch die Annahme, dass früher alles besser war. Man war nicht so verwöhnt, die Brötchen waren billiger, die Tomaten schmeckten besser. Die Familie hielt zusammen, die Alten wurden nicht ins Seniorenheim abgeschoben, die Kinder wuchsen in fröhlichen, glücklichen Familien auf. Es ist eine reine Illusion, anzunehmen, dass früher alles besser war, aber es drückt eine Sehnsucht aus nach etwas, was man nicht mehr leben kann. Und je mehr man festhält an dem Vergangenen, desto weniger zufrieden ist man mit der Gegenwart.
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Neigung zu Allergien
Die Zahl der Menschen mit allergischen Erkrankungen nimmt in der westlichen Welt immer mehr zu; und im Zuge der Industrialisierung breiten sich Allergien auch in anderen Regionen schnell aus. Am häufigsten sind: der Heuschnupfen, die allergische Bindehautentzündung, das Asthma ebenso wie die zahlreichen Nahrungsmittelallergien und allergische Hauterkrankungen. Man geht heute davon aus, dass Allergien ein komplexes Geschehen darstellen, das sich aus mehreren Faktoren entwickeln können: ═══ die zunehmenden Umweltbelastungen, wie z. B. Feinstaub, Industrieabgase, Ozon; ═══ Nahrungsmittel, die verändert werden durch Düngemittel, chemische Behandlung, Farbstoffe und Geschmacksverstärker etc.; ═══ Mangel an Abwehrkräften und fehlgeleitetes Immunsystem; ═══ zu viel Hygiene, die verhindert, dass das Immunsystem genügend ausgebildet wird; ═══ genetische Faktoren. Es ist anzunehmen, dass bei den meisten Leuten eine Mischung all dieser Faktoren vorhanden ist, wobei jeweils die eine oder andere Ursache im Vordergrund steht. Trotz der für viele Menschen ähnlichen Umweltbelastungen und dem verbreiteten Hygieneverhalten entwickelt aber nur ein Teil von ihnen wirkliche allergische Krankheiten. Es muss also noch etwas dazukommen, was aus der allgemeinen Belastung bei einigen zur Krankheit führt. Das ist auf der einen Seite eine Disposition, die sich aus genetischen Faktoren er-
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gibt und auf der anderen Seite der emotionale Faktor, der Stress. Immer wieder erlebt man in der Praxis Leute, die jahrelang unter allergischen Symptomen gelitten hatten und nach einer Veränderung der Lebensumstände diese vollständig verloren. Eine Frau, die viele Jahre unter massivem Heuschnupfen und Asthma litt und deren Erkrankung mit einer Akupunktur – allerdings nur eingeschränkt auf Allergiepunkte bezogen – immer nur akut gemildert, nicht aber wirklich behoben wurde, trennte sich aus einer unglücklichen Ehe (sie blieb im gleichen Haus, hatte die gleiche Arbeit) und war ab dem folgenden Jahr völlig beschwerdefrei. Auch in den nächsten Jahren hatte sie nie wieder eine allergische Reaktion. Ähnlich liegt der Fall eines Mannes, der nach einem beruflichen Wechsel keinerlei Allergie mehr aufwies. Vielleicht ist die Neigung zur Allergie gerade bei den Menschen vom Typ des Lunge-Dickdarm-Meridians zu finden, weil sie Konflikte und Veränderung in der Regel scheuen und so Leid und Aggression mit sich allein auskämpfen. Nun kann man aber auch nicht immer die Lebensumstände ändern, in der Hoffnung, damit auch seine Krankheiten zu bewältigen. In aller Regel geht es darum, innerhalb der Bedingungen eine neue Perspektive zu sehen, andere Möglichkeiten der Stressbewältigung zu erfahren. Das Ziel der Akupunkturbehandlung ist also, den Umgang mit dem Stress zu verändern, d. h. eine innere Ruhe wiederherzustellen und damit die positiven Seiten der Persönlichkeitsstruktur zu stärken. In der Auswahl der Akupunkturpunkte wird dabei die Konstitution gleichermaßen wie die individuellen Stresspunkte mitberücksichtigt.
Gefürchtet ist in der westlichen Medizin der sogenannte Etagenwechsel der Allergie: erst Nase, dann Asthma, dann Nahrungsmittel. Man hofft durch eine effiziente Therapie des Heuschnupfens eine tiefergehende Krankheit, das Asthma, zu verhindern. Leider funktionieren diese Behandlungen nicht so gut, wie die Theorie ist; die Zahl der Allergiker nimmt trotz all der Therapien stetig zu. In der Chinesischen Akupunktur wird der gesamte Komplex von vornherein mitgedacht: Heuschnupfen, Asthma und weitere Allergien können auf Punkten des Lunge-DickdarmFunktionskreises behandelt werden.
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Häufige Erkrankungen
Dem Lunge-Dickdarm-Meridian zugeordnet sind im Wesentlichen die Lunge, die Nase, die Haut, die Schleimhaut und die Gelenke im Bereich von Hand, Ellbogen und Schulter. Ein Teil der Krankheiten tritt typischerweise im Herbst vermehrt auf: Erkältungen, grippale Infekte, Arthritis und Arthrosen werden meist im Herbst schlimmer. Auch viele Hautkrankheiten verschlechtern sich mit Einsetzen der Kälte. Mit zunehmender Dunkelheit entwickeln sich mehr traurige Stimmungen. Erkrankungen und Irritationen der Nase ══ Erkrankungen in diesem Bereich sind sehr häufig: Die trockene Nase, die aber reaktiv auch zu laufen beginnt; der Heuschnupfen, aber auch Nasennebenhöhlenentzündungen und eine erhöhte Infektanfälligkeit. Erkrankungen der Haut und Schleimhaut ══ Die Haut ist eine Schwachstelle der Leute vom Lunge-Dickdarm-Meridian. Am häufigsten findet man: trockene Ekzeme, Neurodermitis, Psoriasis, allergische Hautreaktionen, Quincke-Ödem.
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Asthma, Bronchitis, Infektanfälligkeit von Bronchien und Lunge ══ Schmerzen und Entzündungen im Bewegungsapparat ══ Betroffen
sind hier z. B. die Schultergelenke, die Ellbogengelenke, besonders der Tennisellbogen sowie Finger- und Handgelenke. Erkrankungen im Darmbereich ══ Wie beim Milz-Magen-Meridian treten auf: Obstipation, Reizdarm, Colitis, Morbus Crohn, Nahrungsmittelallergien. Schlafstörungen ══ Typisch ist das Aufwachen in den frühen Morgenstunden und die Träume von Ängsten und Versagen.
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Wichtige Akupunkturpunkte
Lunge 7 Lie Que – Lückenspalte oder Engpass:
Der Punkt ist wichtig bei allen Erkältungskrankheiten und Allergien, besonders wenn die Bronchien mit betroffen sind. Er wirkt auf den ganzen Kopf- und Halsbereich. Daneben kommt er bei Schwächezuständen und Ängsten zum Einsatz. Lunge 5 Chi Ze – Teich am Ellbogen:
Neben seiner Wirkung auf die Lunge wird der Punkt vor allem bei Hautkrankheiten eingesetzt und bei Gelenkproblemen. Dickdarm 4 He Gu – Tal am Zusammenschluss:
Ist vor allem ein übergeordneter Schmerzpunkt. Zudem hat er eine schnelle Wirkung bei akuten Virusinfekten, Allergien, Erkrankungen der Nasennebenhöhlen und Hautkrankheiten. Psychisch wirkt er positiv bei Erschöpfung und Überanstrengung. Dickdarm 20 Ying Xiang – Die Düfte empfangen:
Leider ein unangenehmer, oft richtig schmerzhafter Punkt, der aber eine sehr schnelle Wirkung hat auf alle Erkrankungen im
Nasen- und Rachenbereich und der Haut im Gesicht. Er klärt den Kopf.
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Der Nieren-Blasen-Meridian – Thema: Angst
NiNi27 27
Bl 10 Bl 10
Ni 66 Ni
Bl 62 Bl 62
Thema ══ Angst, Waghalsigkeit Verlauf ══ Der Blasen-Meridian ist der längste des Körpers, er
zieht sich von den Augen über den Kopf rechts und links der Wirbelsäule entlang bis zum kleinen Zeh. Folglich können sämtliche Wirbelsäulenerkrankungen in diesem Meridianbereich auftreten und über die entsprechenden Punkte behandelt werden. Der Nieren-Meridian erfasst den vorderen Teil des Körpers: Er beginnt unter dem Fuß und geht bis zum inneren Teil des Schlüsselbeins, dem sogenannten Sternoclaviculargelenk. Jahreszeit ══ Die chinesische Medizin stellt immer einen Zusammenhang her mit der gesamten Natur. Die Krankheiten dieses Funktionskreises hängen mit dem Winter zusammen, der Zeit, in der in der Natur nichts wächst, alles erstarrt ist. Organ ══ Das Ohr als zugeordnetes Sinnesorgan deutet auf Erkrankungen hin, die bei diesem Meridiankomplex häufig auftreten: die Schwerhörigkeit im Alter, der Hörsturz und der Tinnitus. Element ══ Wasser als Element des Nieren-Blasen-Meridians gehört zu den Grundlagen für alles Leben auf dieser Erde. Im menschlichen Körper treten Störungen des Wasserhaushaltes im Zusammenhang mit Erkrankungen der Nieren oder der Blase auf. Menschentyp ══ Menschen des Nieren-Blasen-Funktionskreises
lieben die Ordnung und klare Regeln. Das gibt ihnen Zuverlässigkeit und Stabilität. Unter Stress entwickeln sie viele Ängste, die sie erstarren lassen, wie die Natur im Winter erstarrt. Lebensphase ══ Hier ist die Lebensphase des älteren Menschen ge-
meint. Aus dem Beruf hat er sich in aller Regel zurückgezogen.
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Im idealen Fall entwickelt er eine ruhige Gelassenheit und eine Weisheit des Alters. Bei manchen entwickelt sich eine gewisse Starre und Unbeweglichkeit. Sehr oft nehmen Ängste zu.
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Zur Charakterstruktur
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Stabilität und Starre
Typisch für den Nieren-Blasen-Meridian sind Leute, die klare Positionen beziehen, denen Tradition und feste Grundsätze sehr viel bedeuten. In ihren positiven Phasen weisen sie eine große charakterliche Stabilität auf, sind willensstark und klar auf ein Ziel orientiert: Sie wissen, was sie wollen, und können das auch mit viel Energie durchsetzen. Sie übernehmen, ohne zu zögern, die Verantwortung für das, was sie einmal zugesagt haben, stehen zu ihren Entscheidungen, man kann sich auf sie verlassen. Moral und Anstand sind ihnen sehr wichtig, ihre persönliche Integrität ist ihnen ein hohes Ziel. Sie sind sehr pflichtbewusst, planen genau, rechnen lieber alles noch mal nach, möchten keine Überraschungen erleben. Besonders erfolgreich sind sie in Berufen, in denen es um Planung und Durchführung geht oder um Gesetze und Vorschriften: Juristen, Beamte, Ingenieure und andere technische Bereiche, Architekten sowie Buchhalter. Sie haben nicht das Feuer des Herz-Meridians, sie verkörpern eher das Gegenteil, das Wasser, den klaren, ruhigen Fluss. Daher mögen sie auch nicht den schnellen Wechsel, sie schätzen eher ein ruhiges, gleichmäßig dahin fließendes Leben. Veränderungen lieben sie nicht besonders, wenn sie ihnen aufgezwungen werden, reagieren sie leicht irritiert.
Oft sind es zurückhaltende Leute, die eher im Hintergrund agieren und die, wenn sie Glück haben, eine hohe Anerkennung für ihre Fähigkeiten genießen. Allerdings passiert es ihnen leicht, dass sie von Leuten, die weniger gründlich und genau, dafür aber durchsetzungsfähiger sind, an den Rand gedrängt werden. Im Alter können sie eine große Gelassenheit, sogar Weisheit erlangen; manche altern körperlich schnell, aber selten geistig. Sie behalten eine sichere moralische Stabilität. Wenn das Selbstbewusstsein nicht so gut ausgeprägt ist oder durch Ereignisse des Lebens stark erschüttert, kann sich aus der Stabilität eine Art Starrheit entwickeln. Nierenleute fordern hohe Leistungen von sich. Können sie die aber nicht erbringen oder fehlt ihnen die Anerkennung dafür, versteifen sie sich seelisch wie körperlich. Dann halten sie sich an Regeln und Grundsätze, verlieren viel von ihrer Toleranz, werden dogmatisch, oft auch regelrecht pedantisch. Sie kämpfen ja ständig mit ihren Ängsten, und Veränderungen oder neue Anforderungen machen ihnen sehr leicht Angst. In der Psychologie würde man eine solche Starrheit in der Haltung als Angstabwehr bezeichnen. Leute, die auf diesem Meridianpaar reagieren, werden daher leicht als etwas unterkühlt und unbeweglich in ihrer Gefühlsstruktur erlebt. Körperlich drückt sich eine solche Starre nicht nur in den häufigen Verspannungen im Nacken- oder Lendenwirbelsäulenbereich aus, bei manchen versteifen auch die Gelenke, bilden sich Arthrosen. Viele Erkrankungen des rheumatoiden Formenkreises lassen sich mit einer Akupunktur des Nieren-Blasen-Meridians deutlich verbessern. Der emotionalen Kühle entspricht die typische Kälteempfindlichkeit bei diesen Symptomen.
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Perfektion und hoher Anspruch
Der Stress entsteht für diesen Typus aus dem Streben nach Perfektion: Alles soll korrekt und ordentlich geregelt werden, man soll ihm nichts nachsagen können. Steigen aber die Anforderungen von außen, ist er nicht in der Lage, etwas weniger perfekt zu tun, seine Ansprüche zu reduzieren. Er setzt sich selbst so hohe Maßstäbe, dass er sie ab einem bestimmten Punkt nicht mehr erfüllen kann. ═══ Der Koch, der sich um eine Stelle in einem besseren Restaurant bewirbt, träumt davon, Spitzenkoch zu werden, und plötzlich gelingt ihm die einfachste Soße nicht mehr. ═══ Die Putzfrau, die alles so perfekt sauber machen will, dass die Zeit nie reicht und sie am Ende ein Chaos hinterlässt. ═══ Die Lehrerin, die versucht, jedem benachteiligten Kind eine Chance zu bieten, und die aus Stress darüber krank wird. ═══ Der Sportler, bei dem ohnehin jeder kleinste Fehler zum Gegenstand breiter öffentlicher Diskussion wird, versagt auf einmal. Gleichgültig, ob es um Spitzenleistungen, um das Erfüllen hoher moralisch-ethischer Grundsätze geht oder um korrekte buchhalterische Abrechnungen: Es fehlt die Akzeptanz für die eigenen Fehler, die eigenen, manchmal auch nur bescheidenen Möglichkeiten. Man möchte diesen Leuten mehr Gelassenheit wünschen. In Berufen, in denen die Perfektion lebensnotwendiges Prinzip darstellt, steigt der Stress ins Extreme. Körperlich reagieren Leute dieses Typs dann oft mit einer Art von Starre. Gerade bei Künstlern sieht man das sehr häufig, möglicherweise fällt es hier aber auch nur mehr auf:
═══ Der Schriftsteller, der keinen Satz mehr zu Papier bringen kann, weil alles nicht reicht für seine hohen Ideale: Thomas Mann oder Goethe haben dann immer besser als man selbst geschrieben. ═══ Der begabte Musiker, dem plötzlich die Finger steif werden, wenn er sein Instrument in die Hand nimmt, nachdem er in ein bekanntes Orchester aufgenommen wurde. ═══ Der Schauspieler, der vor Angst erstarrt, weil er sich am Superlativ der Ausdruckskunst misst. Der hohe Anspruch produziert die Angst vor dem Versagen, der Druck steigt immer mehr. Denn je perfekter man etwas machen will, umso weniger gerät es oft. Man scheitert dann immer an der banalen Realität. Wenn jemand mit übersteigerten Erwartungen an sich selbst bemerkt, dass er Fehler macht, ist er verunsichert und macht in der Folge noch mehr Fehler. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Leute vom Nieren-Meridian schnell erschöpft sind, sich oft überfordert fühlen, Burnout-Syndrome entwickeln. Auch erholen sie sich schlecht und nur sehr langsam von Krankheiten. Egal um welche Krankheit es sich handelt, sie erleben sie als Versagen ihres Körpers und erhöhen damit den negativen Stress, was aber noch kränker macht. Ein hoher Anspruch wird meist auch an andere gestellt, so dass diese Leute ständig unter den Fehlern ihrer Mitmenschen zu leiden haben. Leicht entwickelt sich daraus eine arrogante Haltung: Sie fordern Spitzenleistungen von anderen und sehen gleichzeitig herab auf diejenigen, deren Intelligenz ihnen geringer erscheint als die eigene. Man kann die Überheblichkeit sehen und sich ärgern, aber es lohnt sich, die Angst vor dem Versagen, die hinter dieser Haltung steht, zu begreifen.
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FALL
Entnervt kommt ein junger, sehr ordentlich gekleideter
Mann in die Praxis. Er erträgt alles nicht mehr. Er kann die lärmenden Jugendlichen in der Straßenbahn nicht aushalten, den Lärm, den Gestank, das schlechte Benehmen. Er leidet unter dem Anblick der schwitzenden, übergewichtigen, älteren Frauen, die schlecht gekleidet sind und dummes Zeug reden. Der Mann kommt zur Behandlung seiner Ängste, aber er sieht keinen Zusammenhang zwischen seiner Haltung zu den Mitmenschen und seinen eigenen Versagensängsten. ═══
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Ängste
Angst ist das ganz große Thema des Nieren-Meridians. Bei einigen Menschen bilden sich nur eingegrenzte, spezielle Ängste aus, bei den meisten aber herrscht eine tiefere Angst vor, etwas was sich zur allgemeinen Charakterstruktur verfestigt. Es ist die Angst vor dem Leben an sich, vor allem und jedem, was einem begegnet. Aus Angst, etwas verkehrt zu machen, kann der Typus hinter seinen objektiven Möglichkeiten zurückbleiben. Ein Student, der sich auf die Abschlussprüfung vorbereitet, hat sämtliche Detailkenntnisse in seinem Fach besser und gründlicher erarbeitet als viele seiner Kommilitonen; er wagt aber nicht, zum Examen zu gehen, weil er immer noch etwas findet, was er nicht ganz genau weiß. Am Ende bleibt er ohne Studienabschluss. Die ausgeprägten Ängste vor allem Neuen, vor Veränderungen, vor jedem Wechsel lassen Nierenleute manchmal in Lebenssituationen verharren, die an die Grenze des Erträglichen gehen. Sie wechseln nicht aus der alten, unbequemen Woh-
nung, in der sie sich seit Jahren über die Nachbarn ärgern; sie lösen sich nicht aus Beziehungen, die eigentlich längst zu Ende sind. Die Angst vor Krankheiten ist ebenfalls ein zentrales Thema. Oft gibt es keinen objektiven Anlass für einen Arztbesuch, aber Nierenleute möchten gern alles kontrolliert haben. Sie brauchen die regelmäßige Bestätigung, dass wirklich alles mit ihnen in Ordnung ist und lassen deswegen zahlreiche Untersuchungen über sich ergehen. Stellen sich aber reelle Beschwerden ein, reagieren sie oft übermäßig. So wird ein Erkältungshusten leicht in ein Symptom für Lungenkrebs interpretiert, ein kurzes Herzklopfen als Zeichen für einen beginnenden Herzinfarkt gesehen. Die Angst vor körperlichem Versagen und peinlichen Situationen bringt zahlreiche Funktionsstörungen der Blase hervor; besonders die Reizblase ist hier typisch. Eine häufige Angst ist auch die vor dem Alleinsein. Kinder von diesem Typ können nicht einmal für kurze Zeit in einem Zimmer allein sein, auch wenn nebenan jemand ist. Erwachsene fürchten sich, allein in der Wohnung, oft vor Einbrechern, Gewalttätern oder den Schatten, die aus der Wand kriechen. Eine Variante ist die Angst, allein zu sein, verlassen von allen, niemand hilft einem. Auch hier muss nicht ein objektiver Grund vorliegen. Die Angst vor dem Tod, dem Sterben und dem Altwerden teilen die Nierenleute mit vielen anderen Charaktertypen, obwohl sie auf dem Nieren-Blasen-Meridian schon stärker ausgeprägt ist. Vielleicht ist es aber auch ein generelles Thema unserer Gesellschaft. Paradoxerweise entwickeln Angstpatienten häufig auch eine
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Angst vor der Behandlung ihrer Angst. Unsere westliche Medizin kennt eine Reihe gut wirkender angstlösender Psychopharmaka. Allerdings fürchten sich gerade die Leute mit einer sehr ängstlichen Grundstruktur derart vor den möglichen Nebenwirkungen, dass sie die Einnahme in aller Regel verweigern. (Die Nebenwirkungen sind natürlich vorhanden und nicht zu vernachlässigen, nur sollte man ja vor allem die Hauptwirkung sehen.) Grundsätzlich sind die meisten Menschen sehr skeptisch, wenn es um Eingriffe in ihr Seelenleben geht; sie fürchten, ihre Persönlichkeit zu verlieren. Oder auch in ihrer Individualität nicht akzeptiert, also für verrückt erklärt zu werden. Diese Befürchtungen treten bei der Akupunktur naturgemäß seltener auf; hier wird ja nichts zugeführt, sondern die eigene, vorhandene Energie wird anders ausgerichtet.
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Panikattacken
Steigen die Stressfaktoren ins Extreme, können sich leicht Panikattacken entwickeln. In der Regel entstehen Panikzustände aus einem Konflikt zwischen zwei Impulsen oder Handlungsmöglichkeiten, die sich widersprechen und beide nicht funktionieren. Das ist wie im klassischen Drama: Gleichgültig für welche Handlung sich die Akteure entscheiden, in der Konsequenz ist es immer falsch. Der Konflikt spitzt sich zu und man gerät in eine Verstrickung, aus der es keine Lösung mehr zu geben scheint. Panikattacken gehen in der Regel mit Herzrasen, Schwindel, Schweiß und Blutdruckstörungen einher. Der akute Hörsturz als eine häufige Stressreaktion weist alle diese Symptome auf
und ist daher auch als eine Form der Panikattacke zu verstehen. ═══ FA L L Herr G., ein Beamter im höheren Dienst, möchte im Laufe des nächsten Jahres vorzeitig in den Ruhestand gehen. Zu vieles hat sich in der Behörde verändert, ist umstrukturiert worden, er fühlt sich den Anforderungen und den Konflikten mit den jüngeren Kollegen nicht mehr gewachsen. Er verfügt über ein solides Einkommen, so dass er die finanziellen Einbußen durch die frühere Pensionierung gut verkraften kann. Die Ehe ist kinderlos geblieben, niemand muss noch versorgt werden. Es gibt gute Ersparnisse fürs Alter und ein eigenes Haus. Innerhalb weniger Monate verändert sich alles: Die Mutter stürzt, wird zum Pflegefall und muss versorgt werden. Der Bruder erleidet einen Autounfall, trägt schwere Behinderungen davon, ist nicht mehr arbeitsfähig und schlecht versichert. Selbstverständlich sagt Herr G. sämtliche Hilfen zu, übernimmt Prozesskosten und Rehabilitationsmaßnahmen und unterstützt die Familie des Bruders. Fast zeitgleich wird die Schwester der Ehefrau von ihrem Mann verlassen, steht mit Schulden allein, verarmt und verzweifelt da und fällt in eine tiefe Depression. In dieser Situation stellt sich plötzlich heraus, dass die Heizungsanlage in G.’s Haus veraltet und marode ist, man kann sie nicht mehr reparieren und die Kosten für ein neues Heizsystem würden sämtliche Ersparnisse übersteigen. Im Grunde wäre es am vernünftigsten, das Haus zu verkaufen, in dem man fast 25 Jahre gelebt, verschönert, umgebaut und renoviert und den Garten liebevoll gestaltet hat. Es sollte der sichere und ruhige Altersruhesitz werden.
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Zwei Tage nach dem Gespräch mit dem Bausachverständigen erleidet Herr G. einen akuten Hörsturz. Die Behandlung in der Klinik bleibt weitgehend erfolglos. Er kommt mit schweren Schwindelattacken und Hörstörungen voller Angst und Panik zu einer Akupunkturbehandlung. Die Therapie erfolgt auf Punkten des Blasen- und Nieren-Meridians. In wenigen Sitzungen lösen sich die Ängste, der Blick auf die Situation wird klarer und Herr G. kann jetzt erstmals über seine starken seelischen Spannungen reden. Erst jetzt lernt er zu begreifen, welche Konflikte seinen Hörsturz ausgelöst haben und dadurch löst sich die emotionale Spannung weiter. Im Laufe von einigen Wochen mit regelmäßigen Akupunkturbehandlungen stabilisiert sich das Hörvermögen, der Schwindel tritt nicht mehr auf und Herr G. kann ohne Panik und in ruhiger Gelassenheit seine Probleme angehen. ═══ Hier steigerte sich die Angst, das Haus zu verlieren, gleichzeitig mit der Angst, für seine Familienangehörigen nicht angemessen sorgen zu können. Im einen Fall verliert der Patient seine existenzielle Basis, im anderen seine moralische Existenzgrundlage. Ein weiteres, weniger dramatisches Beispiel ist der Konflikt, in dem beruflich engagierte Frauen mit Kindern und Familie stehen. Eins von beiden kommt immer zu kurz, und je mehr man sich bemüht, eine liebevolle Mutter mit Zeit und Ruhe für die Kinder zu sein und gleichzeitig perfekt und kompetent im Beruf, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, eine akute Stresskrankheit zu bekommen. Gerade junge Mütter, junge Väter natürlich genauso, reagieren häufig mit Hörsturz.
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Furchtlosigkeit und Waghalsigkeit
Es gibt auch einen ganz anderen Aspekt beim Nieren-BlasenKomplex: Es ist die auffällige Furchtlosigkeit von Leuten, die es geschafft haben, ihre Angst zu überwinden und nun ins andere Extrem streben. Was ihnen fehlt, ist ein Gefühl für realistische Risiken. Ein entweder sehr ängstliches oder ausgeprägt furchtloses Verhalten kann bedeuten, dass das Thema Angst in beiden Fällen präsent ist. Manche Menschen vom Nieren-Blasen-Meridian suchen geradezu die Gefahr. Sie rasen mit dem Auto um jede unübersichtliche Kurve, überholen mit hohem Risiko, fahren gern bei der gerade rot gewordenen Ampel noch durch und ignorieren jede Geschwindigkeitsbegrenzung. Viele lieben auch Motorräder, sie suchen das Abenteuer, die Herausforderung, den Adrenalinstoß. Andere begeistern sich für Achterbahnen, Drachenfliegen oder Fallschirmspringen. In vielen Fällen sind das Leute, die sonst sehr vorsichtig leben und nur in einem kleinen Bereich ihren Ausgleich suchen. Das ist wie ein Ausbruch aus einem überkorrekt organisierten Leben, eine kleine Nische, die einen vor der Langeweile schützt. In den USA trifft man am Wochenende Scharen von ordentlichen Angestellten, die mit Westernmontur ausgestattet und in der entsprechenden Kneipe den Anschein erwecken, als seien sie gerade vom Pferd gestiegen und durch die Prärie geritten; sie spielen einfach einmal in der Woche Cowboy. Entsprechende Vereine existieren vermutlich überall auf der Welt; sie schaffen den Ausgleich für einen zu gut strukturierten Alltag. Ähnliche Motive treiben auch die Leute, die normalerweise jeden Cent wohlüberlegt anlegen und dann alle drei Monate ei-
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nen Abend lang in der Spielbank alles riskieren. Oder andere, die ohne einen einzigen vernünftigen Grund plötzlich nach dem Tanken durchstarten, ohne zu bezahlen, obwohl sie wissen müssten, dass fast jede Tankstelle heute videoüberwacht ist.
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Massenveranstaltungen
Das Ablehnen von Massenveranstaltungen jeder Art gehört zu den sichersten Indizien dafür, dass wir es mit einem Menschen vom Nieren-Meridian zu tun haben. Das betrifft nicht sogenannte kultivierte Ereignisse wie Konzerte, Theater oder auch Kino. Hier gibt es einen festen Platz und die anderen Zuschauer stören nicht weiter. Aber ein Fest, auf dem man selbst für Kommunikation sorgen muss, eigenständig Kontakte, Gespräche herstellen, sich interessiert zeigen sollte an anderen Menschen, ist für sie kaum zu ertragen. Einfach nur tanzen, sich bewegen, mitschwingen in der Musik bildet ein Lebenselixier für zahllose Menschen, nicht aber für die Leute vom Nieren-Meridian. Die offene Struktur ist für sie Chaos, stört ihren Ordnungssinn, und ihre einzige Reaktion ist die schnelle Flucht, der Rückzug in die Wohnung, die Ordnung, das Gewohnte. Selbst Fußballspiele sehen sie lieber allein vor dem Fernseher, freuen sich durchaus mit über die Begeisterung der Massen, aber sie könnten nicht im Stadion oder in Kneipen mitfeiern.
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Ordnungssysteme und korrektes Auftreten
Auch die Wohnung des Nierenmenschen drückt seine vorherrschenden Charaktereigenschaften aus. In einem Fall ist sie ex-
trem sauber und geordnet, jedes Ding hat seinen festen Platz und darf nicht verrückt werden. Alte Gegenstände sollen so lange wie möglich erhalten bleiben, weil der Typus ja keine Veränderungen schätzt. Sie soll aber repräsentativ, vorzeigbar sein, damit ihm niemand etwas vorwerfen kann. Die andere Variante ist die verdreckte Wohnung des leidenschaftlichen Sammlers. Auch er hätte durchaus gern eine aufgeräumte Wohnung. Er sucht ständig nach neuen Systemen, die gesammelten Dinge perfekt zu sortieren, in eine wohldurchdachte Ordnung zu bringen. Der Anspruch ist aber letztlich so hoch, dass die Ordnungssysteme nie fertig werden. Das Gleiche passiert mit der Reinigung: Er kann nicht nur den Tisch abwischen, er müsste dann ja gleich noch den Fußboden saugen, die Fenster putzen, die Bücher abstauben, den Schrank gründlich aufräumen – das alles geht aber nicht, weil die Sammelstücke noch nicht katalogisiert worden sind und daher allen Platz im Zimmer einnehmen und die Zeit, das alles zu tun, niemals reichen wird. In diesem Fall entwickelt sich eine zunehmende Lethargie – nichts geht mehr – die wiederum sehr häufig in Angst- und Panikstörungen mündet. Die gleiche Struktur zeigt sich bei der Kleidung, was besonders bei Frauen zum ständigen Thema wird: Wie wirke ich, passen die Schuhe und der Schmuck perfekt zum Kleid? Ist das Outfit für den Anlass wirklich geeignet, ist eventuell der Ausschnitt zu tief, der Rock zu kurz, und was ist, wenn die Räume überheizt sind? Kann ich dann die Jacke ausziehen, oder sieht man die Unterwäsche? Könnten die Farben zu aufdringlich oder zu langweilig wirken? Oft müssen sie sich mehrmals völlig umziehen, bis sie das Gefühl haben, das Haus verlassen zu kön-
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nen, oder sie wechseln etliche Male am Tage die gesamte Kleidung, weil immer noch etwas nicht stimmig genug ist. Bunte Farben werden selten ausgewählt; die meisten Sachen sind schwarz-weiß oder grau. Die geben das Gefühl, nichts verkehrt zu machen, in jedem Fall korrekt zu sein.
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Schwarz-Weiß
Menschen vom Nieren-Meridian beherrschen oft die Zwischentöne nicht so gut. Etwas ist gut oder schlecht, dazwischen gibt es nichts. Entweder habe ich maximalen Erfolg oder ich bin ein kompletter Verlierer. Hierzu gehören auch Bewertungen mit Grundsatzcharakter: »Jemand, der mehr als ein Glas Wein zum Essen trinkt, ist haltlos und hat das Potenzial zum Alkoholiker«, »Meerestiere esse ich aus Prinzip nicht«, »Krankheiten werden durch falschen Lebenswandel verursacht«, »Diese Nachbarn sind dumm und aufdringlich, und ich wünsche keinerlei Kontakt zu ihnen«. Jemand, der einmal ein weniger schmackhaftes Essen bekommen hat, betritt das Restaurant nie wieder, obwohl er seit Jahren dort immer gut gegessen hat.
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Geld
Ein Teil der Nierenleute stellen ein »gefundenes Fressen« für Versicherungsmakler dar. Sie fürchten sich vor so vielen möglichen Ereignissen, dass sie sich am liebsten gegen jede Eventualität des Lebens versichern möchten. Sie ängstigen sich sehr um finanzielle Verluste und wagen daher selten eine gewinnbringende Geldanlage. Meist scheuen sie
das Risiko. Viele sind bis zum Geiz sparsam, brauchen das Gefühl, abgesichert zu sein und sehen trotzdem das Damoklesschwert der Verarmung über sich schweben. Kommt ein Nierentyp in echte Schwierigkeiten, wird er zum Beispiel arbeitslos, reagiert er verstörter als andere. Oft ist für ihn das Geld so stark mit seinem Selbstwertgefühl verbunden, dass er sich im Moment der finanziellen Katastrophe nur noch vernichtet fühlt. Er ist ohnehin kein Kämpfer und so ergibt er sich in sein Schicksal, wird lethargisch oder apathisch.
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Liebe
Nierenleute sind in aller Regel sehr zuverlässige Partner, fühlen sich für die Familie verantwortlich und tun alles, um eine sichere emotionale Basis zu bekommen und zu erhalten. Manchmal mag man bei ihnen die spontane Herzlichkeit vermissen, aber die Bindungen, die sie eingehen, sind tief und ehrlich. Sie brauchen einfach längere Zeit, um sich wirklich auf eine Beziehung einzulassen. Finden sie zu wenig Gegenliebe oder gibt es viel Streit, reagieren sie schnell emotional verschlossen. Sie kapseln sich ab und können regelrecht versteinern, so sehr erstarren sie, wenn sie sich verletzt, nicht gewürdigt fühlen. Es besteht eine deutliche Anfälligkeit für sexuelle Funktionsstörungen: Impotenz, Blasenentzündungen nach jedem Geschlechtsverkehr, mangelnde Libido. Auch ein Teil der dem Klimakterium zugeordneten Probleme findet auf dem NierenMeridian seine Entsprechung.
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Blasenentzündungen bei jungen Frauen
Ganz plötzlich setzen starke, krampfartige Schmerzen ein. Der Urin ist oft blutig, aber in den meisten Fällen sind keine Bakterien vorhanden. Deshalb nützen Antibiotika auch nicht. Leider werden sie trotzdem noch häufig verschrieben, obwohl diese Art der Blasenentzündung immer und immer wieder auftritt. ═══ FALL Einer 27-jährigen Frau wird eine höhere Position in einer anderen Abteilung ihres Betriebes angeboten. Sie hat sich in ihrem bisherigen Bereich wohlgefühlt, mag die Kollegen, ist mit vielen auch privat befreundet. Schon während des Gesprächs mit dem Chef über die Beförderung setzt der Schmerz in der Blase ein. Am folgenden Tag ist der Urin voller Blut, ohne Bakterien, und die Schmerzen sind kaum zu ertragen. Sie ist in einen Konflikt geraten: Auf der einen Seite bringt die neue Position mehr Geld und mehr Anerkennung, auf der anderen Seite müsste sie das vertraute Umfeld verlassen, weiß nicht, wie die neuen Kollegen sind und hätte möglicherweise längere Arbeitszeiten. Die Angst vor einer Entscheidung, vor der Veränderung verwandelt sich in diesem Fall in eine hochakute Blasenentzündung. Erkennt man die Angst nicht, kann man auch die Blasenentzündung nicht wirkungsvoll behandeln. ═══ In einen ähnlichen Konflikt geraten die Frauen, die nach jedem Geschlechtverkehr eine Blasenentzündung entwickeln. In manchen Fällen mag es eine sehr prüde Erziehung sein, die Sex als etwas Verbotenes erleben lässt und damit Ängste produziert. Bei anderen steht vielleicht eine Ambivalenz in der Beziehung dahinter: Möglicherweise ist es doch nicht der Richtige oder seine erotischen Ambitionen machen unsicher und ängst-
lich. Bei manchen Frauen ist der erotische Reiz so stark, dass sie sich selbst damit überfordert fühlen und eine mechanische Reizung der Blase bereits zur Entzündung führt. Es ist natürlich auch möglich, dass man einfach gerade keine Lust hat und der Partner, den man durchaus liebt, aber sehr großes Verlangen zeigt. Dann möchte man ihn nicht enttäuschen und versucht sich zu einer Erotik zu zwingen, was aber nicht ganz gelingt und damit in eine eher schmerzhafte Erfahrung mündet. In allen Fällen geht es um einen Konflikt zwischen entgegen gesetzten Impulsen, die so stark sind, dass sie die heftige Symptomatik der Blasenentzündung hervorbringen.
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Reisen
Häufig fällt es Leuten vom Nieren-Meridian schwer, das Haus und damit die stabile Sicherheit der eigenen vier Wände zu verlassen. Selbst wenn es nur um einen Einkauf oder einen kurzen Besuch geht, müssen sie oft noch ein-, zweimal auf die Toilette, bevor sie überhaupt starten können. Wenn eine längere Reise geplant wird – und sie wird mit Sicherheit sehr gut geplant, erwachen leicht subtile Ängste: vor Neuem, Unbekanntem, Unwägbarem. Es ist oft schwer zu entscheiden, was man noch vernünftige Vorsorge nennen kann und wann ein übertriebener Perfektionismus beginnt. Man muss ja einige Stunden Zeit für eventuelle Autobahnstaus einrechnen, wenn man abends noch die Fähre erreichen will. Flugreisen werden selten ins Auge gefasst, weil die Furcht davor, die Kontrolle abgeben zu müssen, nicht selbst lenken zu können, die Freude am schnellen Vorankommen überlagert. Dies ist der häufigste Grund für ausgeprägte Flugängste.
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Das Letzte, was man den Typen vom Nieren-Meridian zumuten könnte, wäre ein Abenteuerurlaub. Am liebsten steuern sie bekannte Ziele an, Urlaubsorte, die sie kennen, in denen sie schon öfter waren und bei denen sie sicher sein können, nicht unangenehm überrascht zu werden. Sie finden ihre Ruhe und Erholung in vorher bekannten Zusammenhängen.
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Analer Charakter?
Die Beschreibung der psychischen Struktur beim Nieren-Blasen-Meridian entspricht in vielen Teilen der des analen Charakters, den Sigmund Freud aus Störungen in der analen Phase herleitet. Es ist dies die Phase der frühkindlichen Entwicklung, in der die Kontrolle über die Ausscheidungen des Körpers gelernt werden, d. h. die Sauberkeitserziehung stattfindet. In der heutigen Psychoanalyse hat das Modell von Phasen, deren Verarbeitung die Charakterstruktur für das weitere Leben festlegen, eher nur noch historische Bedeutung (siehe das Kapitel »Überlegungen zur Charakterstruktur«). Interessant ist die Parallele zwischen den Zuordnungen in der 5.000 Jahre alten Akupunktur aus dem asiatischen Kulturkreis mit den Beobachtungen von Freud aus dem kulturhistorischen Hintergrund des 19. und Anfang 20. Jahrhundert in Europa. Es ist nicht zu vermuten, dass Freud die chinesische Akupunktur kannte. Trotzdem beschreibt er einen Menschentyp, der ziemlich genau dem des Nieren-Blasen-Funktionskreises entspricht.
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Häufige Erkrankungen
Körperlich zugeordnete Bereiche ══ Ohr, Kopfhaut und Haare, Ge-
hirn und Nerven, Knochen, Wirbelsäule, Zähne, Blase, Genitalfunktion. In der chinesischen Medizin werden Begriffe wie »Lebensfeuer« und »Lebensenergie« dem Nieren-Blasen-Funktionskreis zugeordnet. Dahinter steht die Vorstellung, dass hier das gesamte Erbgut, die genetische Disposition und damit auch die Charakterstruktur festgelegt sind. Das gesamte System der Hormonregulation ist in diesem Meridiankomplex enthalten, wie zum Beispiel die Schilddrüse, deren Funktion die Aktivität eines Menschen verändert; die Hormone der Nebennierenrinde wie Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin u.a., die bei Stress vermehrt ausgeschüttet werden; die Sexualhormone, wie Androgene und Östrogene, die die Ausprägung der Persönlichkeit stark beeinflussen können. Die Hypophysenfunktion ist hier ebenso enthalten wie der Salz- / Wasserhaushalt und die Wärmeregulation. Folgerichtig findet man vor allem folgende Erkrankungen bei diesem Meridiantyp: Blasenerkrankungen ══ akute Blasenentzündungen, die durch kalte Füße entstehen (der Meridian verläuft auch unter dem Fuß) oder nach Geschlechtsverkehr auftreten, Reizblase, Inkontinenz, Harnverhaltung, Einnässen. Erkrankungen der Ohren ══ Hierzu gehören Entzündungen, Hörstörungen, frühe Schwerhörigkeit, der akute Hörsturz, der alle Symptome einer Panikattacke aufweist, Tinnitus und Schwindel (sog. otogener, d. h. durch Störung im Innenohr bedingter Schwindel).
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Haarausfall ══ hormonell- und stressbedingt. Genitale Störungen ══ Impotenz, Prostatitis, Verkrampfungen,
Entzündungen. Hormonelle Störungen ══ wie Menstruationsprobleme und kli-
makterische Symptome. Erkrankungen der Wirbelsäule ══ Der Blasen-Meridian ist schon
von seinem Verlauf her an der Wirbelsäule entlang an allen Erkrankungen in diesem Bereich beteiligt. Gleichgültig an welcher Stelle der Schmerz sitzt, ob im Nacken oder an der Lendenwirbelsäule, der Meridian wird in die Therapie einbezogen. Arthrosen ══ Viele Probleme der Füße liegen im Bereich des Nie-
ren-Blasen-Meridians, z. B. Arthrosen der Zehen und des Großzehengrundgelenks, Schmerz der Achillessehne und Fersensporn. Angst- und Panikattacken ══ Diffuse Angstzustände, die sich nicht
auf ein konkretes Ereignis beziehen, entwickeln sehr viele Leute im Laufe ihres Lebens. Körperlich drückt sich das aus in Herzklopfen, Erstickungsgefühl, Brustschmerzen, Schwindelgefühl, Schweißausbruch. Auch Kopfschmerzen, Zittern und Unruhegefühl können dazugehören. Die Angst kann sich steigern zur Panik, im schlimmsten Fall entsteht das Gefühl zu sterben. Meist treten diese Anfälle plötzlich und ohne einen für den Betroffenen erkennbaren Grund auf. Depressionen ══ Die Depressionen weisen hier die besondere Charakteristik dieses Meridians auf. Damit sind sie zu unterscheiden von den Depressionen anderer Meridiane.
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Wichtige Akupunkturpunkte
Niere 6 Zhaohai – Leuchtendes Meer:
Der Punkt kommt bei Schlafstörungen, Angst und Unruhe zum Einsatz wie auch bei Schmerzen im Unterbauch, Blasenstörungen, Menstruationsstörungen. Als »Kardinalpunkt« setzt er in Verbindung mit dem Lungen-Meridian zentrale Stoffwechselprozesse in Gang und ist wichtig bei psychosomatischen Krankheiten. Niere 27 Shufu – Halle der Zustimmung:
Wirkt bei Asthma und anderen Erkrankungen der Atemwege, Stoffwechselstörungen, Angst- und Engegefühl. Blase 10 Tian Zhu – Säule des Himmels:
Ist indiziert bei Kopfschmerz, Schwindel, Spannung der Halswirbelsäule. Erkrankungen der Nase, des Rachens, der Augen und bei Haarausfall. Der Punkt hat eine harmonisierende Wirkung bei Stresserkrankungen. Blase 62 Shen Mai – Ausgestrecktes Gefäß:
Der Punkt ist überaus wirksam bei Schmerzen der Lendenwirbelsäule, Spannung der gesamten Wirbelsäule, Kopfschmerz, Tinnitus, Schlafstörungen und auch bei psychosomatischen Leiden.
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EXKURS Die Ohr-Akupunktur
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Innerhalb der Akupunktur stellt die Ohr-Akupunktur ein eigenes System dar. Es gibt zwar alte chinesische Zuordnungen für Akupunkturpunkte am Ohr, doch wurde im Grunde das, was wir heute unter Ohr-Akupunktur verstehen, erst 1951 von dem französischen Forscher und Arzt Paul Nogier entdeckt und weiterentwickelt. Neuere Erkenntnisse über die Ohr-Akupunktur gewann die Schule um Frank Bahr in München. Bahr gründete die Deutsche Akademie für Akupunktur und Aurikulomedizin. Dieser Gesellschaft verdanken wir viele wissenschaftlich fundierte Studien zur Wirkungsweise der Akupunktur. Besonders wichtig dabei ist die präzisere Zuordnung von Punkten der Ohr-Akupunktur. Auch die Übertragung der einzelnen Meridiane aus der Körperakupunktur auf Entsprechungspunkte am Ohr wurde von Bahr geleistet. Die Ohrmuschel stellt ein sogenanntes Mikrosystem dar, das heißt, alle Organe des Körpers werden auf das Ohr übertragen. Es gibt danach einen Punkt für die Lunge, einen für die Leber, einen für das Herz etc. Setzt man hier eine Akupunkturnadel, lässt sich die Funktion des Organs wesentlich verbessern. Auch jeder einzelne Abschnitt der Wirbelsäule findet sich an bestimmten Stellen des Ohres wieder. Es ist also durchaus möglich, den Schmerz bei einem Bandscheibenvorfall mit einigen Nadeln ins Ohr erst zu lindern und dann zu beseitigen. Dass das Ganze so beeindruckend funktioniert, hängt vermutlich mit der besonderen Nervenversorgung am Ohr zusammen, über die eine direkte Verbindung zu Hirnnerven und zum vegetativen System möglich ist.
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Über die körperlich bezogenen Punkte hinaus gibt es in der Ohr-Akupunktur Punkte, die eine unmittelbare Wirkung auf übergeordnete Systeme besitzen. So lässt sich hier etwa die hormonelle Regulation beeinflussen, was zum Beispiel für die Schilddrüsenfunktion oder für gynäkologische Probleme eine wichtige Rolle spielt. Auch Punkte zur Behandlung von Allergien findet man hier. Bestimmte Suchtstrukturen können hier behandelt werden: vor allem die Raucherentwöhnung ist erfolgreich. (Die Sucht nach Alkohol oder Drogen erfordert eine umfassendere Therapie und kann mit der Akupunktur grundsätzlich nicht behandelt werden.) Für das Thema der Stresserkrankungen besonders bedeutend sind die Punkte mit psychischer Wirkung. Am Ohr gibt es Punkte der Depression, der Aggression, der Sorge und der Angst, um nur einige zu nennen. Diese Punkte haben wiederum einen Zusammenhang mit den Meridianen in der traditionellen chinesischen Medizin. So findet sich der Depressionspunkt am Ohr auf dem entsprechend zugeordneten Areal des Herz-Meridians. Der Punkt des Göttlichen Gleichmuts befindet sich in der Projektion des Magen-Meridians auf der Ohrmuschel. ═══
Akpunkturpunkte am Ohr
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Die beste Methode, einen Ohrpunkt zu finden, geht über einen Pulsreflex. Dieser 1968 von Paul Nogier entdeckte Reflex gibt Auskunft darüber, ob in einem Bereich eine Störung vorliegt. Für einen kurzen Moment ändert sich der Pulsschlag, und zwar nicht erst beim Einstich, sondern schon dann, wenn man mit einem Metall in die Nähe des verdächtigen Punktes kommt. Das ist wie in der Musik: Eine minimale Rhythmusänderung zeigt an, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Das hört sich mystisch an, ist aber nachweisbar und funktioniert. Mit dieser Vorgehensweise lassen sich verschiedene Punkte gegeneinander abgrenzen, denn die nicht gestörten reagieren auch nicht. Leidet zum Beispiel eine Patientin unter Schlafstörungen und wacht jede Nacht um zwei Uhr auf, so weiß man von der Meridianuhr her, dass dies die Zeit des Leber-Meridians ist. In einem längeren Gespräch vor der Behandlung müssen die genauen Umstände geklärt werden: Etwa, wie lange es dauert, bis sie wieder einschläft, seit wann die Beschwerden bestehen und ob es noch andere Erkrankungen gibt. Stressfaktoren spielen natürlich eine große Rolle in der Anamnese der Schlaflosigkeit. Da man weiß, dass das Problem wahrscheinlich auf dem Leber-Meridian liegt, stellt sich besonders die Frage nach Zorn, unterdrückter Wut, nicht ausgelebter Aggressivität. Manchen Menschen fällt sofort etwas dazu ein und sie können sehr genau angeben, was sie bewegt und beschäftigt. Anderen ist gar nicht bewusst, dass ein vielleicht auch länger zurückliegender Ärger nachts im Kopf herumspukt. In der Nacht und in den Träumen taucht ja vieles auf, das wir bei klarerem Denken am Tag für längst erledigt halten. Es gibt noch weitere Möglichkeiten für eine Störung des LeberMeridians, die man nicht außer Acht lassen darf. Das kann
eine alte Hepatitis, eine Galle-Operation, aber auch eine Arthrose im Kniegelenk sein (siehe das Kapitel »Leber-GallenMeridian«). Spannungen in der Halswirbelsäule kommen infrage, auch Wetterfühligkeit bei Wind oder Klimaanlagen und natürlich auch der Alkohol oder zu fettes Essen. Am Ohr würde man jetzt mit dem Pulsreflex prüfen, ob der Leber-Meridian gestört ist und wenn ja, an welchem Punkt. Da es sich um ein Schlafproblem handelt, sind mit Sicherheit noch andere Meridiane beteiligt. Wesentlich dafür ist der Punkt des »Göttlichen Gleichmuts«, der auf dem Magen-Meridian liegt und eine ähnliche Wirkung entfalten kann wie einige bekannte Schlafmittel. Er hat allerdings nicht die Nebenwirkungen und ist vor allem mehr ausgleichend: Das heißt, der Schlaf in der Nacht wird tiefer und am Tage ist man wacher. In gleicher Weise kann man bei Schlafproblemen oft Angstpunkte auf dem Nieren-Meridian finden. Gefühle sind ja selten nur eindeutig; man kann durchaus gleichzeitig Wut und Angst haben. Zusätzlich werden fast immer Nadeln gesetzt für bestimmte Organe, die eine Störung aufweisen; das kann ein entzündeter Zahn sein oder chronisch vereiterte Nasennebenhöhlen. In der Regel werden am Ohr insgesamt fünf oder sechs Nadeln gesetzt. Ganz ähnlich geht man bei Allergien vor. In der Anamnese wird geklärt, welches Organ am stärksten betroffen ist. Beim Heuschnupfen ist es wichtig, ob mehr die Nase oder die Augen oder auch die Schleimhaut und die Bronchien reagieren. Danach bestimmt man die Punkte von Meridianen, auf denen zu suchen ist: Bei der Nase ist der Dickdarm-Meridian stärker beteiligt, bei den Bronchien der Lungen-Meridian, beim Auge der Leber-Meridian. Möglicherweise sind alle drei Bereiche
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betroffen, das findet man über den Pulsreflex heraus. In dem Fall wird für jedes Organ je eine Nadel gesetzt. Darüber hinaus gibt es übergeordnete Allergiepunkte am Ohr, deren Reaktion man prüfen kann. Weiterhin werden Störfelder durch andere Krankheiten bestimmt. Bei allergischen Erkrankungen spielen Stressfaktoren oder auch emotionale Probleme eine große Rolle. Meist müssen zusätzliche beruhigende Punkte mit einer Nadel behandelt werden. Grundsätzlich muss man sich bei der Ohr-Akupunktur auf wenige, sorgsam ausgewählte Punkte beschränken. Setzt man zu viele Nadeln, wird die Wirkung diffus. Zum besseren Verständnis sind hier die sehr viel komplexeren Verfahren der Ohr-Akupunktur vereinfacht dargestellt worden. Die Ohr-Akupunktur lässt sich durchaus mit Punkten aus der Körperakupunktur kombinieren, um in bestimmten Fällen die Wirkung zu verstärken. Allerdings setzt eine solche Verbindung sehr genaue Überlegungen voraus, welche Systeme man ansprechen möchte.
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Persönliche Schlussbemerkungen
Erst nach dem Medizinstudium und der klinischen Ausbildung hat sich mir das weite Feld der Naturheilverfahren allmählich erschlossen. Einige Verfahren wurden im Laufe der Jahre wieder verworfen, andere integriert in ein umfassenderes Konzept. Spezialisiert habe ich mich sowohl auf die Akupunktur als auch auf die Homöopathie als zwei sehr erfolgreiche Heilmethoden, die eine immer wieder neue Faszination auf mich ausüben. Die Akupunktur habe ich an verschiedenen Schulen erlernt: der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA), der Deutschen Akademie für Akupunktur und Aurikulomedizin, der Gottfried-Gutmann-Akademie in Hamm. Aufenthalte in China eröffneten mir neue Aspekte. Daneben habe ich mich mit der speziellen Augenakupunktur beschäftigt, der Neuen Punktuellen Schmerz- und Organtherapie (NPSO) und der japanischen Akupunktur nach Yamamoto. Gleichzeitig und im Wechsel erweiterte ich die Ausbildung in der Homöopathie mit ihren unterschiedlichen Schulen. Über viele Jahre habe ich Ausbildungskurse für die homöopathische Grundausbildung geleitet. Die therapeutischen Entwicklungen der Schulmedizin wollte ich dabei nie aus den Augen verlieren. Hier habe ich in den letzten Jahren noch eine Ausbildung in Verfahren der Schmerztherapie absolviert. Weil ja sowohl die Akupunktur als auch die Homöopathie nie zwischen den körperlichen und den seelischen Beschwerden eine Trennungslinie zieht, wie das in unserer Schulmedizin leider immer noch allzu häufig geschieht, muss man sich in der kon-
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kreten Therapie zwangsläufig stets mit beiden Aspekten einer Erkrankung auseinandersetzen. So haben mich während der gesamten Zeit die psychosomatische Medizin und auch die klassische Psychologie immer besonders interessiert. Das Buch stellt also die Quintessenz von zwanzig Jahren Forschen, Suchen und Erfahren dar. Für mich war es immer wichtig, sich nicht im starren Rahmen der einen oder anderen Schule zu bewegen, sondern individuelle Lösungen zu finden, mit denen sich Erkrankungen optimal behandeln lassen. Daraus folgt, dass nur unter dem Einsatz des gesamten Wissens über unterschiedliche Therapiemöglichkeiten für jeden einzelnen Patienten eine bestmögliche Behandlung zu erreichen ist.
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Literatur
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Adressen
Ärzteforum für Akupunktur
Gottfried-Gutmann-Akademie Ostenallee 107 59071 Hamm Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA)
Würmtalstraße 54 81375 München Deutsche Akupunkturgesellschaft (DAGD)
Goltsteinstraße 26 40211 Düsseldorf Deutsche Akademie für Akupunktur und Aurikulomedizin
Oselstraße 25 A 81245 München