Centauri-Zyklus i,
Nr. 6 von 12
Angriff der Bestien von Bernd Frenz en Desintegrator in der rechten Hand, glitt Shat ...
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Centauri-Zyklus i,
Nr. 6 von 12
Angriff der Bestien von Bernd Frenz en Desintegrator in der rechten Hand, glitt Shat Nermoy lautlos durchs Unterholz. Ge schmeidig wich er einigen langstieligen Farnblättern aus, die seinen Weg säumten. Nicht das geringste Rascheln markierte seine Position, während er die Lichtung erreichte, auf der sich das Fusionskraftwerk weit über die umliegende Natur erhob. Von verborgenen Scheinwerfern angestrahlt, wuchsen dort zwei kelchförmige Türme, die eine wuchtige Stahlkuppel flankierten, aus dem Dunkel dar Nacht Mechanische Rollbänder führten von einer verwaisten Landezone zu der automatisch arbeitenden Anlage, Die Ruhe, die über dem Gelände lastete. War geradezu verräterisch. Nicht einmal leises Insektenzirpen ließ sich ausmachen. Dafür kreisten einige verschreckte Vögel am Himmel, von denen der Offizier mit Gewissheit wusste, dass sie nicht nachtaktiv waren. Mehr Hinweise brauchte er nicht, um seinen Verdacht bestätigt zu sehen. Ganz klar, der Gegner war ihnen zuvorgekommen.
D
Trotz der angespannten Lage schlug Shats Herz in ruhigem Takt. Weder die Handflächen noch seine gebräunte Stirn zeigten Anzeichen von erhöhtem Schweißausbruch. Statt Angst fühlte er nur eine leichte Euphorie, die ihn vor Tatendrang geradezu bersten ließ. Shat liebte die Zeit vor Einsatzbe ginn mehr als alles andere auf der Welt. Seine Sinne waren dann auf unnatür liche Weise geschärft und das Bewusst sein geweitet. Farben und Gerüche er schienen ihm plötzlich viel intensiver, und selbst die Luft bekam einen unver gleichlichen, geradezu berauschenden Geschmack. Es waren Situationen wie diese, für die er ausgebildet worden war. Egal, wie schwierig die taktische Lage auch sein mochte, der Auftrag lag klar vor ihm. Noch während die anderen Mit glieder des Landungstrupps in weit auseinander gezogener Linie heran rückten, wanderten Shats Gedanken zurück zur Abschlussbesprechung. Die Worte ihres Schleifers, Steeg Kaluna, hafteten in seinem Gedächtnis, als er füllte dessen Stimme noch immer die Luft. »Zwanzig feindliche Raumer sind auf Di'akir gelandet«, hatte der Ratne ron ihre Lage kurz und bündig geschil dert. »Die Schwarzen Bestien haben unsere Verteidigungsfront in kürzester Zeit niedergewalzt und gehen nun dazu über, die Hauptstadt Ban'lafir zu beset zen. Eure Einheit schifft sich aus, um eines von zahlreichen Ablenkungsma növer durchzuführen, während die Flotte unter dem Kommando der DRO KAR versucht, die Raumhoheit zu rückzuerobern. Sollte das gelingen, kehrt ihr anschließend mit den Beiboo ten zurück. Falls nicht, versickert eure Gruppe im Hinterland, um von dort aus den Widerstand auf Basis von Gueril lataktiken zu organisieren.«
Wie in einer Endlosschleife jagten die Worte durch Shats Gehirnwindun gen. Ihre ständige Wiederholung war ein Ritual, das ihm dabei half» die Zeit des Wartens zu überbrücken, 'bis der neben ihm wachsende Dornenstrauch zu rascheln begann. Craso, der hinter den Zweigen hervorkroch, grinste ihn erwartungsvoll an. Auch die anderen bezogen ihre ver abredeten Positionen, so dass der zwölfköpfige Landungstrupp, den na türlichen Schutz von Bodenerhebun gen und Pflanzen nutzend, bald den ge samten südlichen Rand der Lichtung säumte. Shat konnte sehen, wie Altor Kang und Larina Kenin den mobilen Werfer einsatzbereit machten. Der durchtrainierte Körper der ehe maligen Broda-Spielerin, dessen ge schwungene Formen durch den eng an liegenden Schutzanzug eher betont als verhüllt wurden, zog seinen Blick gera dezu magisch an. Shat musste sich in nerlich zur Ordnung rufen, um sie nicht zu lange anzustarren. Für so etwas war jetzt keine Zeit. Mit einem Handzeichen wies er Kang und sie an, das Geschütz in Rich tung Kraftwerk auszurichten. Auf Sprechfunk verzichtete ihre Gruppe ebenso wie auf den Einsatz der Individualschirme, deren Energieab strahlung sofort Alarm bei den gegne rischen Ortern ausgelöst hätte. Sobald die Desintegratorkanone einsatzbereit war, schickte Shat das erste Duo auf den Weg. Die Trogs Lacar und Guzko eilten gebückt über den Landeplatz, direkt in den Schatten des Rollbandes. Statt auf die Lauffläche zu springen, rannten sie daneben her, um die Konstruktion als Deckung zu nutzen. Trotz aller Routine erhöhte sich Shats Herzfrequenz, als er den Weg seiner Untergebenen ver folgte. Falls die Schwarzen Bestien
wirklich in der Nähe lauerten, rannteii die beiden geradewegs ins Verderben, aber das störte den frisch ernannten Offizier im Range eines Ratner nicht. Ein taktischer Vorstoß war die beste Methode, um herauszufinden, wo der Gegner stand. Nur das zählte. In ihren grünen Schutzanzügen und den blauen Helmen sahen.Lacar und Guzko beinahe gleich aus, aber wer die beiden Mannschaftsdienstgrade näher kannte, konnte ihre unterschiedlichen Laufstile problemlos auseinander hal ten. Während Guzko mit weiten Sprüngen elegant über den Boden fe derte, trampelte Lacar mit kurzen, aber doppelt so schnellen Schritten hinterher. Auf halbem Weg machten beide Halt, um den Anmarsch des nächsten Duos zu decken - doch so weit kam es gar nicht mehr. Unversehens schlug ein grün schimmernder Energiestrahl ins Rollband ein. An der getroffenen Stelle löste sich das Material auf. Ein zweiter Strahl streifte Guzkos
Arm, der daraufhin - vom Ellenbogen an abwärts - in seine Atome zerfiel. Haut, Muskeln und Knochen lösten sich einfach auf. Übrig blieb nur eine glatte, wie mit dem Vibratormesser ge schnittene Wunde, aus der das Leben pulsierte. Wusste ich's doch! Shat ballte trium phierend die Hand zur Faust. Ohne den Untergebenen, der sprach los zu Boden ging, eines weiteren Bli ckes zu würdigen, suchte er den Ur sprung der feindlichen Attacke, der, zweihundert Meter vom linken Kelch turm entfernt, zwischen einer Baum gruppe lag. »Individualschirme aktivieren!«,'bef ahl er über Funk. »Feind lokalisiert in Sektor zwei-neun! Doppelschlag-Manöver einleiten!« Die in den Schutzanzügen eingebau ten Aggregate sprangen schlagartig an.1 Das mussten sie auch, denn im gleichen Moment, da sie auf den Ortern der Bes tien erschienen, verwandelte sich der Platz vor dem Kraftwerk in ein flam mendes Inferno.
Was bisher geschah: Wir schreiben den Februar des Jahres 1225 NGZ. Auf Einladung der Historikerin U da Zot tral besucht Atlan das auf einer Museumsinsel gelegene Epetran-Archiv, in dem Schätze und geheimes Wissen der Lemurer lagern. Diese Erste Menschheit besiedelte schon vor weit über fünfzig Jahrtausenden die Milchstraße; von ihr stammen alle gegenwärtig in der Galaxis existierenden humanoiden Völker ab. Als Unbekannte unter den Augen der Besucher einen Krish'un stehlen, einen Umhang le murtscherTamräte, nimmt Atlan die Ermittlungen auf. Mit dem Schweren Jagdkreuzer TO SOMA stößt er ins Zentrum von Omega Centauri vor, einem wegen seiner hyperenergeti schen Bedingungen bisher unerforschten Kugetsternhaufen. Auf der Handelswelt Yarn er hält er Informationen über lemurische Hinterlassenschaften auf Acharr. Nach einem Zwischenstopp auf Othmura, wo seine Crew unter die geistige Beeinflussung eines planetenweiten Bewusstseins gelangt, findet er auf Acharr eine Steuerzentrale der Lemurer. Dort wird sein Verdacht zur Gewissheit: Die Familie da Zoltral zieht im Hintergrund die Fäden. Atlan beschließt, sich in einem der drei Reiche umzusehen, die in Omega Centauri von Lemurer-Abkömmlingen gegründet wurden. Seine Wahl fällt auf Shahan, wo unmittelbar bei seinem Eintreffen ein Attentat auf die Tamrätin verübt wird ...
1. Das dreckige Dutzend 26, Februar 1225 NGZ
Ganze Bündel grüner Energiestrah len überbrückten die Lichtung schnel ler, als Shats Auge folgen konnte. Noch während die Bahnen auf seiner Netz haut nachschimmerten, prasselten Äste, Steine und Dreckklumpen auf ihn herab. Zwei Werfernester, verbun den durch eine Schützenreihe, analy sierte er kühl, obwohl die umherwir belnden Brocken nur wenige Zentime ter vor seinem Gesicht verglühten. Nicht einmal die zweite Salve, die di rekt auf die um seine Brust geschnallte Desintegratorbombe zujagte, konnte ihn in seiner Buhe erschüttern. Ein harter Schlag ließ seinen Körper erbe ben, während der Schirm den Treffer unter leichtem Flirren absorbierte. In einer tausendfach geübten Bewegung rollte er hinter einen Baumstamm in Deckung, um eine vorzeitige Überlas tung zu verhindern. Nachfolgende Strahlen rissen eine Furche in den Bo den, genau an der Stelle, an der er eben noch gelegen hatte. Auf eine knorrige Wurzel gestützt, feuerte Shat in eines der verlöschenden Abstrahlfelder auf der gegenüberlie genden Lichtungsseite. Ein rotes Leuchten zeigte an, dass ein Schutz schirm den Treffer absorbierte. Im In neren des energetischen Schimmers zeichneten sich sekundenlang die Um risse eines sechsgliedrigen Giganten ab. Die beiden unteren Extremitäten fest in den weichen Waldboden .ge stemmt, umklammerte er mit seinen vier Händen einen schweren Impuls strahler, dessen vernichtende Wirkung jeder normalen Handwaffe überlegen war. »Ziel markiert«, funkte Shat an' Craso Dankis, mit dem er ein einge
spieltes Duo bildete. Sein Flügelmann, ebenfalls frisch zum Ratner befördert, feuerte auf den verwirrten Gegner, der sich wegen des flackernden Schirms gut vor dem dunklen Waldrand abhob. Erneute Treffer gönnten dem gegne rischen Schild keine Ruhe. Laut triumphierend aktivierte Shat sein Gravopak. Die Auseinanderset zung begann Ihm langsam Spaß zu ma chen. Ausweichen, reagieren, schießen und treffen - hier waren alle Fertigkei ten gefordert, für die er sich zur Lan dungstruppe gemeldet hatte. Im Schutz des Baumstamms gewann er an Höhe, bis die ersten Äste den Weg versperrten. Trotz des Aufstiegs behielt er das Ziel ständig im Visier. Strahl für Strahl pulste aus seinem Desintegrator. Shat traf ein ums andere Mal. Craso ließ ebenfalls nicht locker. Gemeinsam konzentrierten sie den punktgenauen Beschuss auf den Geg ner, um dessen Schirm zu überlasten. Shat hielt nicht einmal inne, als der ihn schützende Baumstamm unter einem Volltreffer zersplitterte. Ohne Hast zog er diagonal in die Tiefe, glich den Hö henabfall mit einer leichten Handbe wegung aus und feuerte weiter. So lange, bis der gegnerische Schirm un ter dem Trommelfeuer zusammen brach und die Schwarze Bestie ver glühte. Hunderte von Übungseinheiten wa ren nicht umsonst gewesen; das Doppelschlag-Manöver hatte wieder zum Erfolg geführt. »Yee-Haa!« Shat und Craso feuerten sich mit ih rem Triumphgeheul gegenseitig an. Wie in den alten Tagen, als sie in der Broda-Liga so manches Spiel bestrit ten hatten, tanzten beide pausenlos in der Luft auf und ab, um dem gegneri schen Sperrfeuer auszuweichen. Ver einzelte Treffer, die von ihren Individu
alschirmen absorbiert wurden, nah men sie gleichmütig in Kauf. Furcht vor einer Verletzung oder gar dem Tod war ihnen fremd. Shats Herz frequenz bewegte sich weiterhin im ge hobenen Ruhebereich. Der leichte An stieg, den seine Instrumente verzeich neten, war lediglich auf die Hochstim mung zurückzuführen, die ihn immer stärker erfüllte. Großmütig überließ er es Craso, die nächste Bestie zu markie ren. Während sie den rot umhüllten Gegner mit Dauerfeuer belegten, ver folgte er aus den Augenwinkeln, wie die anderen Duos mit ähnlicher Rou tine agierten. Selbst Larina und Altor, die sich mit tels ihrer Desintegratoren eine De ckungsmulde schaffen mussten, zeig ten sich von dem Strahlengewitter, das über4ihren Köpfen wütete, wenig be eindruckt. Mit dem unablässig wum mernden Energiewerfer pflasterten sie die gegnerische Stellung f örmlich zu. Fünfzehn Sekunden dauerte die Auseinandersetzung bereits an. Zwanzig weitere folgten, in denen acht Schwarze Bestien verglühten, während auf ihrer Seite die Trogs Kuunz und Akno fielen. Deren ver waiste Flügelmänner schlössen sich umgehend zu einem-neuenDuo zusam men, das den Kampf ohne Unterbre chung fortsetzte. Die Verluste des Lan dungstrupps lagen im akzeptablen Be reich, trotzdem konnte Shai die derzei tige Taktik nicht dauerhaft fortführen. Zwei unter Beschuss stehende Bes " tien, die ihr Heil in der Flucht nach vorn suchten, boten die willkommene Gelegenheit, den Angriff zu forcieren. Das gegnerische Feuer flaute naturge-. maß ab, als die Kolosse unter Einsatz aller sechs Gliedmaßen über die Lich tung preschten. Drüben wollte nie mand die eigenen L.eute treffen. »Formation auflösen!«, befahl Shat
über sein Multifunktionsarmband. »Duos drei bis sechs nach zwei-neun vorrücken.« Während die Männer und Frauen in die befohlene Richtung flogen, bedeu tete er Craso mit einem Wink, ihm zu folgen. Schulter an Schulter jagten die beiden Offiziere dem Boden entgegen. Formationsflug war eine ihrer leichtes ten Übungen. Reflex fördernde Drogen, in der Broda-Liga noch als unerlaubtes' Hilfsmittel verboten, wurden bei den Landungstruppen gratis verabreicht. Das war nur einer der vielen Gründe, die die beiden zur Raumflotte verschla gen hatten. Geschickt fingen sie sich ei nen halben Meter über der Grasnarbe ab und schössen nun - im Schatten des Rollbandes - auf die Kraftwerkskup pel zu. Hinter ihnen begann Larinas Ge schütz zu wummern. In schnellem Takt gleißten die Strah len über ihnen hinweg und streckten sich dem Haupttor entgegen. Obwohl ein einziger Treffer aus dem schweren Geschütz genügt hätte, um ihre Indivi dualschirme kollabieren zu lassen, blieben die beiden Männer vollkom men ruhig. Sie wussten, dass Larina eine sichere Schützin war, auf die sie sich verlassen konnten. Der silberne Energieschirm, der das Kuppelgebäude im Abstand von einem Meter umhüllte, schimmerte am Ein schlagspunkt auf. Shat und Craso ver ringerten die Distanz von hundert auf fünfzig Meter, während die Barriere bei jedem weiteren Treffer stärker zu flim mern begann, bis die Struktur in einem Durchmesser von zwei Metern gänzlich kollabierte. » Eine Öffnung, groß genug, um hin durchzuschlüpfen ! Ein erregendes Prickeln fegte über Shats Rücken wie die Funken eines ex plodierenden Feuerwerks. Obwohl
rings um ihn Tod und Vernichtung tob ten, spürte er eine unendliche Leichtig keit, die seine Nervenbahnen bis zur letzten Spitze erfüllte. Jede Sekunde, die erlebend überstand, erschien ihm plötzlich wie ein Triumph, den es zu feiern galt. Der Kampf, die körperliche Leis tung, das ständige Agieren und Rea gieren - all das versetzte seine Hor mone in Aufruhr. Der aufregende Co'cktail körpereigener Stoffe, der durch seine Blutbahnen pulsierte, be friedigte einen stillen Hunger nach Aufregung, den Rekruten bei ihren psychologischen Einstellungstests bes ser verbargen. Die kreisrunde Öffnung in der Energiebarriere schien von goldenem Schimmer umgeben zu sein. Shat stieß einen unbändigen Laut der Freude aus, während sein Blick sich mit geradezu hypnotischer Macht an dem Strukturriss festsaugte. Den Duos, die seinen Vorstoß deckten, schenkte er dagegen keine Beachtung. Die sechs waren schon so gut wie tot, warum sich also noch Gedanken um sie machen? Nein, Shats Besorgnis galt einzig und allein dem glühenden Portal aus hochverdichtetem Stahl, das den Wer ferstrahlen bedenklich lange stand hielt. Craso und er richteten ihre Hand waffen aus, um den Beschuss zu ver stärken. Geschwindigkeit bedeutete in die sem Fall alles. Wenn sie nicht über gangslos ins Gebäude eindringen konnten, war ein Scheitern des Einsat zes vorprogrammiert. Neben ihnen zerfiel das Lauf band zi schend zu Staub. Gleich darauf er schütterten heiße Schläge ihre Ab schirmungen. Die Schwarzen Bestien durchbrachen die Flanke! Noch zwanzig Meter bis zum Portal!
Shats Pulsschlag beschleunigte sich erstmals, und in seinem Nacken sam melte sich kalter Schweiß. Nicht, weil er den Tod fürchtete, sondern weil sein Ehrgeiz kein Scheitern der Mission zu ließ. Die Stahlkuppel war nur noch zehn Meter entfernt, als der Werferbeschuss abrupt erstarb. Das konnte nur den Tod von Larina und Altar bedeuten. Verdammt, zu früh! Viel zu früh! Ohne die Geschwindigkeit zu dros seln, jagten Shat und Craso weiter auf das glühende Tor zu. Ein Kurswechsel kam nicht mehr in Frage, er hätte bloß ins gegnerische Feuer geführt. Die Strahlen ihrer Desintegratoren waren das Einzige, was sie noch vor einer schmerzhaften Kollision bewahren konnte. Noch acht Meter-der destabilisierte Stahl wölbte sich nach außen. Noch fünf Meter - sie überflogen die emporführenden Stufen. Noch zwei Meter - sie passierten den Schutzschirm; aber das Tor versperrte weiterhin den Weg. Noch einen Meter - die letzte Chance zum Abstoppen war vertan, eine Kolli sion von nun an unvermeidlich! Selbst hochverdichtetes Material verliert unter permanentem Beschuss irgendwann die Struktur, aber dies mal dauerte es fast zu lange. Bevor sich der Zerfall über die gesamte Stahlfront ausbreiten konnte, prallte Shat bereits mit voller Wucht dage gen. Direkt vor seiner Nasenspitze barst das destabilisierte Material. Trotz des Energieschirms pflanzte sich der Auf prall durch seinen Körper fort. Von den Haarspitzen bis zum kleinen Zeh stand plötzlich jeder Nerv in Flam men. Schulter an Schulter brach er mit Craso durch das berstende Metall.
Dichte Wolken atomaren Feinstaubs vernebelten die dahinter liegende Halle, sofern die Partikel nicht pras selnd an ihren Schirmen verdampf ten. Trotz der mangelnden Sicht nahmen beide Abstand zueinander. Keine Se kunde zu früh, denn das gegnerische Sperrfeuer erfüllte bereits die Luft. Eine Einheit Schwarzer Bestien nahm sie, durch ein Prallfeld gedeckt, vom Hauptgang aus unter Beschuss. Craso stürzte im Zickzackkurs auf die Schüt zen zu, während sich Shat nach links absetzte. Der Grundriss des Kraftwerks war ihm seit der Einsatzbesprechung wohl vertraut. Laut Holo-Modell bestanden die umliegenden Wartungsräume aus normalen Baustoffen, die einem Desin tegrator wenig entgegenzusetzen hat ten. Statt sich mit der Energiebarriere der Bestien herumzuärgern, schoss er einfach ein Loch in die vor ihm aufra gende Wand und tauchte in das dahin ter liegende Zimmer ein. Crasos Todesschrei heizte sein Tempo weiter an. Nicht aus Rache oder Furcht, son dern weil es von nun an niemanden mehr gabj der seinen Vorstoß decken konnte. An Emotionen wie Trauer, Wut oder Schmerz verschwendete er keinen Gedanken. Shats Denken und Handeln wurden nur noch von einem einzigen Wunsch beherrscht: Der Einsatz muss erfolgreich beendet werden! Es war wie der Schlussspurt beim Rollprallball, kurz bevor die stählerne Kugel im Fangkorb landete. In halsbrecherischem Tempo jagte er über die Wartungsterminals hinweg, die sich in mehrfach versetzten Reihen staffelten. Die rückliegende Wand löste sich unter dem grün flimmernden Strahl auf. Dahinter wurde ein geka chelter Flur sichtbar, der den verglas
ten Bereich der Fusionskammer um fasste. Kaum hatte Shat den Schutz der Mauer verlassen, zogen auch schon gleißende Strahlen vorbei. Die Bestien hatten ihn bereits erwartet. Er kippte nach links ab, aber das Netz aus Energiebahnen, das ihn plötz lich umgab, war viel zu eng gewebt, um daraus unversehrt entschlüpfen zu können. Nun, da die Bestien seine Tak tik durchschaut hatten, gab es kein Entkommen mehr. Unablässig häm merten die Strahlen auf Shat ein. Bis der Schild übergangslos zusam menbrach. Schutzlos dem Abwehrfeuer ausge liefert, langte Shat nach dem umge schnallten Sprengsatz und flog weiter. Beim nächsten Treffer löste sich das Gravopak in sämtliche Bestandteile auf. Seiner Schwerelosigkeit beraubt, fiel der Ratner zwei Meter in die Tiefe und knallte mit voller Wucht auf den kalten Fliesenboden. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen, aber er ignorierte den Schmerz, wälzte sich herum und nahm den nächstbes ten Schützen unter Feuer. Gleiphzeitig griff er nach dem Auslö ser seines explosiven Brustbeutels. Heranstürmende Bestien setzten noch alles daran, Shat an seinem Vorhaben zu hindern. Hastig abgefeuerte Strah len jagten über ihn hinweg. Einer bohrte sich sogar in Shats Bein, aber um ihn aufzuhalten, war es längst zu spät. Mit leisem Klicken schaltete sich die Zündung scharf. Gleich darauf erklang eine gewaltige Detonation, die das ge- • samte Kraftwerk in1 seinen Grundfes ten erschütterte. Shat lachte triumphierend. Mission erfüllt, war sein letzter Ge danke, bevor alles um ihn herum ver schwamm.
2.
Shahana 28. Februar-1225 NGZ Unsere diplomatische Mission war gründlich schief gegangen, so viel stand fest. Auf einen zufälligen Be trachter mochte das zerschmetterte Festbankett zu meinen Füßen zwar un freiwillig komisch wirken, aber in Wahrheit ging es um weitaus mehr als nur einige regenbogenfarbene Des serts, die als unappetitliche Brocken auf dem Fußboden klebten. Um mich herum herrschte das blanke Chaos. Beißende Rauchschwaden zogen durch den Saal, ohne die Toten zu ver hüllen, die inmitten von zerbrochenem Geschirr und umgestürzten Stühlen auf dem Boden lagen. Während noch die letzten durch Thermobeschuss ent fachten Brände gelöscht wurden, schloss die anrückende Leibgarde be reits einen engen Kreis um mich und meine Begleiter. Der harte Zug um ihre Mundwinkel zeigte deutlich, dass sie kurz davor stand, den Exekutionsbe fehl der Tamrätin auszuführen. Instinktiv rückten wir zusammen, obwohl die körperliche Nähe keinen Schutz vor den Desintegratoren bot. Rücken an Rücken ließ sich die Bedro hung leichter ertragen, das war ein na türlicher Reflex, den auch ich, trotz meiner jahrtausendelangen Erfahrung, nicht gänzlich unterdrücken konnte. Zu meiner Linken stand Akanara, der Junge Yarn mit den.präkognitiven Fähigkeiten, der mir leider auch kei nen Hinweis darauf geben konnte, ob wir die nächsten Minuten überleben würden. Rechts von mir näherte sich Zanargun, der Chef der Landungstrup pen, mit zwei seiner erfahrensten Raumsoldaten. Li da Zoltral, die arko nidische Historikerin - und meine Ge
liebte - krümmte sich einige Meter ent fernt auf den kalten Fliesen. Wenn nicht bald etwas geschah, das zu unseren Gunsten sprach, lief unsere Lebensuhr unwiederbringlich ab. Du musst handeln, ehe es zu spät ist, mahnte mein Extrasinn. Lieber falsch reagieren als überhaupt nicht. Wie schon so oft brachte es der Logiksektor genau auf den Punkt, aber angesichts des allgemeinen Aufruhrs ließ sich un sere Lage nur schwer einschätzen. Egal, welche Strategie ich auch ein schlug, es war durchaus wahrschein lich, dass sie die angespannte Situation noch weiter verschlimmerte. Und dabei konnte ich den Zorn un serer Gastgeberin sogar gut verstehen. Der ganze Tumult hatte damit be gonnen, dass Li sich ohne Vorwarnung auf die Tamaron geworfen hatte, in der klaren Absicht, sie zu verletzen. Was sie zu dieser Tat bewogen haben mochte, lag noch im Dunkeln, aber zum Glück war es mir gelungen, eine Verletzung der Politikerin abzuwen den. Bevor sich das Missverständnis wieder aus der Welt schaffen ließ, dreh ten leider noch weitere Gäste durch. In der Mehrheit ranghohe Militärs, die mit Dienstwaffen ausgestattet waren. Wie von Sinnen hatte plötzlich einer auf den anderen geschossen, als hätte eine böse Macht von der Gästeschar Besitz ergriffen. Es musste irgendeine Form von mentaler Beeinflussung da hinter stecken, anders ließ sich diese Massenpsychose nicht erklären. Möglicherweise diente das Handge menge aber auch nur als Ablenkungs manöver für eine Gruppe »kleiner Hu manoider«, die während des Gefechts wie aus dem Nichts aufgetaucht waren, um Li zu entführen. Das Vorhaben scheiterte, und außer mir schien nie mand den Auftritt der seltsamen Ge stalten bemerkt zu haben.
Für die Tamrätin. musste es deshalb Mit einer weit ausholenden Geste deu so wirken, als stünden unsere Ankunft tete ich zuerst auf die umliegenden To und der Aufruhr in direktem Zusam ten und dann auf Li, die wie ein Häuf menhang. Ihr von den kleinwüchsigen chen Elend auf dem Boden hockte. Entführern zu berichten, hätte nach ei »Sieh sie dir an! Sie wurde missbraucht ner billigen Ausrede geklungen. Wie wie alle anderen. Willst du sie dafür be sollte sie mir auch deren Existenz ab strafen?« nehmen, wenn ich sie selbst kaum fas Den Vorwurf, dass uns die Tamaron sen konnte? keinen Schutz unter ihrem eigenen Je einfacher deine Erklärung aus Dach gewähren konnte, ließ ich vorerst fällt, desto besser, stimmte mein Ex unausgesprochen. Eine Diplomatin ih trasinn zu. Gib dich in Bezug auf die res Formats hörte ihn ohnehin aus mei Kosmokraten lieber unwissend. nen Worten heraus. Während die Leibgardisten den »Wartet!« Ihre kurze Anweisung ge Kreis um uns langsam schlössen, tas nügte, um die Gardisten zu stoppen. tete ich nach meinem verdeckten Eine Armee widerstreitender Gefühle Schutzschirmprojektor. Ein nur hand marschierte über das Gesicht der tellergroßer Strahler befand sich eben knapp Sechzigjährigen, während sie falls in Griffweite, aber wenn ich ihn meine Worte eine Zeit lang abwog. Der einsetzte, konnte ich mich endgültig Schock, unter dem s je zweifellos noch von einer friedlichen Lösung verab stand, klang mit jeder Sekunde, die schieden. verstrich, weiter ab. Gleichzeitig »Bitte hör mich an«, sagte ich in kehrte ihre alte Fassung zurück. In ei Richtung der aufgebrachten Tamaron. ner zerstreuten Geste strich sie über »Unsere Ankunft auf Shahana hat ihre schlanken Oberarme. »Ich glaube nicht an Zufälle«, stellte nichts mit diesem Tumult zu tun!« Nestara Cherhay antwortete mit ei Nestara Cherhay mit ruhiger Stimme nem verächtlichen Laut, aber 'das klar, »Zwischen eurem Auftauchen und wollte nicht viel heißen. Soweit ich es diesem ...«, das nächste Wort kam ihr beurteilen konnte, war sie eine erfah nur schwer über die Lippen,»... Atten rene Politikerin, die normalerweise tat muss es einfach eine Verbindung ge nüchtern und sachlich agierte. Trotz ben. Andererseits hast du versucht, des Zorns, den sie wegen der Gefalle mich zu schützen, Atlan da Gonozal. nen empfand, wurde sie sicher auch Wie soll ich das nur verstehen?« von Zweifeln geplagt. An mir lag es Sie fixierte mich aus eisblauen Au nun, diese Bedenken zu nähren, um gen, Um ein ehrliches Gesicht bemüht, eine weitere Eskalation zu verhindern. nickte ich zustimmend. »Möglicher »Denk doch einmal nach«, appel weise stehen die Vorfälle in Zusam lierte ich an ihren Scharfsinn. »Wenn menhang mit den Ungereimtheiten, de wir wirklich die Fähigkeit hätten, nen ich in meiner Heimat auf der Spur deine Gäste gegeneinander aufzuhet - bin«, gab ich zu. »Aber das würde nur zen, warum soEte dich dann Li selbst bedeuten, dass wir die gleichen Feinde angreifen? Als wir die Einladung zum haben. Ein Grund mehr zu kooperie Bankett annahmen, begaben wir uns in ren, statt einander zu bekämpfen.« deine Hand! Meine Begleiterin wurde Mein Angebot der Partnerschaft dabei ebenso Opfer der widrigen Um schien Nestara Cherhay zu besänfti stände wie deine treuesten Anhänger.« gen. Kein Wunder. Bei unserer Ankunft
hatten wir der hiesigen Flotte die über legene Technik unseres Raumschiffes, der TOSOMA, in einer ganzen Reihe von waghalsigen Manövern demons triert. Von solch einem starken Partner zu profitieren musste verlockend er scheinen. Zumindest, wenn man sich gegenseitig vertraute. Ein Punkt, in dem die Tamaron noch unsicher war. Gib ihr etwas, das Vertrauen schafft, riet mein Extrasinn. Nutz den Krish'un! Mit einem herausfordernden Zupfen lichtete ich den Kragen des Umhangs aus, der in diesem Sektor als Symbol der Tamräte diente. »Mein Status gleicht dem deinen, Nestara Cherhay«, bog ich die Wahrheit ein wenig zurecht. »Darum gebe ich dir mein Ehrenwort, von einem'Tamrat zum anderen, dass weder ich noch ein anderes Besat zungsmitglied der TOSOMA etwas mit diesem Anschlag zu tun haben.« Ihren sich glättenden Gesichtszügen nach war die Politikerin durchaus ge willtj mir zu glauben. Ehe sie etwas entgegnen konnte, rannte jedoch eine Ordonanz herbei, die atemlos verkün dete: »Tamaron, du musst dich in Si cherheit bringen. In der Zentrale tref fen Meldungen aus ganz Shahana ein. Der Palastputsch war nur der Anfang, inzwischen herrschen überall Aufruhr und Chaos. Die Bevölkerung flieht in Panik aus den Städten.« Nestara Cherhays Gesicht er" bleichte. Angesichts dieser Hiobsbot schaft sah sie anklagend zu mir her über, besann sich dann aber eines Bes seren. Langsam dämmerte ihr wohl, wie widersinnig es für uns wäre, hier mit ihr zu streiten, wenn wir gleichzei tig den ganzen Planeten unter Kon trolle bringen wollten. »Wir sind gern bereit, deinem Volk zu helfen«, bot ich an, aber Nestara Cher
hay machte keinerlei Anstalten, ihre Garde zurückzupfeifen. Im Gegenteil. Mit kaltem Blick sah sie auf La hinab, die sich nur langsam von der Bewusst losigkeit erholte. »Deine Begleiterin wollte mich tö ten«, sagte die Tamaron knapp. »Bevor ich nicht sicher bin, dass sie wirklich unter fremdem Einfluss stand, bleibt ihr inhaftiert.« Ein unangenehmes Kribbeln zog meine Wirbelsäule empor. Ich spürte große Lust, die Hände zu ballen^ konnte den Wunsch aber erfolgreich bezähmen. Lass der Tamaron Zeit, mahnte mein Extrasinn. Selbst wenn sie dir Glauben schenkt, kann sie nicht ohne weiteres die Hilfe eines Fremden annehmen. Da mit würde sie ihr Gesicht verlieren. Ein Argument, das nicht von der Hand zu weisen war. Die lautstarke Art, in der Nestara Cherhay die folgenden Anweisungen erteilte, machte ebenfalls deutlich,, wie sehr sie Führungsstärke zeigen wollte. Trotz der angespannten Lage agierte sie besonnen und mit großem Sachver stand. Leider wurde ihre routinierte Umsicht nicht belohnt, denn schon eil ten weitere Ordonanzen herein, die et was zu vermelden hatten, was alle bis herigen Hiobsbotschaften in den Schatten stellte. Wenn ich zuvor gedacht haben sollte, dass dem Gesicht der Tamaron nicht noch mehr Blut entweichen könnte, wurde ich nun eines Besseren belehrt. Schlagartig nahm ihr ohnehin bleicher Teint den Farbton einer weiß gekalkten Wand an. Zuerst wollte sie der eingehenden Meldung keinen Glauben schenken, aber als ein Projektionsfeld etabliert wurde, ließ sich die Wahrheit nicht län ger leugnen. Unter leichtem Flackern schufen die
holografischen Projektoren den Ober körper eines wohlgenährten Mannes, der sich als Aureus Sollio-vorstellte, Kommandant der DROKAR, auf Patrouille am Rand des Doppelstern systems. Was seinen gut einen Meter fünfzig über dem Boden schwebenden Torso von terranischen Büsten der An tike unterschied, waren nicht so sehr die farblichen Nuancen der Wieder gabe, sondern vor allem die hektischen Gesten, mit denen er jedes einzelne sei ner Worte unterstrich. »Wir haben unsere Ortung doppelt und dreifach überprüft«, versicherte Sollio aufgeregt. »Es kann kein Zweifel bestehen! Eine Flotte von fünfund zwanzig Schiffen ist in unser System gesprungen und befindet sich nun auf Angriffskurs! Es handelt sifth um Schiffe des Imperiums Baylamor!« *
Heartbreak Ridge Flaggschiff DROKAR Sechsunddreißig Stunden zuvor Die Kacheln der Kraftwerkshalle verloren immer weiter an Dichte, bis sie völlig durchscheinend wurden, aber statt des Dschungels von Di'akir trat dahinter nur die graue Wand der HoloGeneratorkammer hervor. Selbst das Projektionsfeld, das die Auflösung von Shats getroffenem Bein simuliert hatte, yerblasste allmählich. Obwohl dieser Vorgang längst zur Routine geworden war, hatte er noch nichts von seiner Faszination einge büßt. In1 ganz Shah'taman existierte keine Technik, die den Holo-Kammern vergleichbar gewesen wäre. »Besser als jedes -Broda-Match, besser als Mograk Massaker II - und dabei rede ich von der unzensierten Version«, lautete selbst das Urteil von Asra Isleif, dem
ungekrönten Match-König aller virtu ellen und realen Spiele; sowie Modera tor von Kampfzone, der Jugendsen dung mit den höchsten Einschaltquo ten im ganzen Tamanium. »Glaubt mir, liebe Brodaler, wenn ich nicht durch meine Sponsorenverträge gebunden wäre, würde ich sofort zu den Fahnen eilen.« Dieser live übertragene Aussprueh blieb nicht ohne Auswirkung. Jeder passionierte JSrodo-Spieler, der etwas auf seinen Sensoranzug hielt, strebte von nun an nach dem neuen, uttima-* tiven Kick. Die Rekrutierungsbüros konnten sich gar nicht mehr vor Frei willigen retten, denn eine zivile Ver sion der Holo-Generatorkammern lag noch in weiter Ferne. Einmal, weil der* art lebensechte Simulationen rechtli che und ethische Fragen aufwarfen, die erst politisch geklärt -werden mus sten, zum anderen überstieg die hier verwendete Technik alles, was im Reich Shahan bisher wissenschaftlich möglich war. Der Ursprung der Geräte lag im Dunkeln. Die ersten hatten Archäolo gen vor wenigen Jahren bei Ausgra bungen auf Shahana entdeckt. Dem derzeitigen Erkenntnisstand nach wa ren sie über 50.000 Jahre zuvor von ei ner unbekannten lemurischen Kolonie namens Di'akir entwickelt worden, um den Nahkampf gegen so genannte Schwarze Bestien zu trainieren. Das Militär hatte sich natürlich sofort für die fremde Technik interessiert und ihre Erforschung unter strengste Ge heimhaltung gestellt. Wer den Nervenkitzel unter realen Bedingungen suchte, musste schon in die Flotteninfanterie eintreten, denn die Anlagen wurden inzwischen auf den Großraumschiffen des Tamaniums zum Kampftraining der Landungs truppen genutzt.
Raumsoldat, militärischer Drill, Be fehl und Gehorsam - früher waren das Vokabeln gewesen, die bei der spaßori entierten Jugend keinen guten Klang besaßen. Isleifs öffentliche Begeiste rung hatte daran einiges geändert, und böse Zungen behaupteten, dass dafür auch eine beträchtliche Summe geflos sen sei. Ob das stimmte oder nicht, ließ sich vermutlich nie richtig klären, aber eins stand unumstößlich fest: Isleif ein Probetraining zu ermöglichen hatte sich als genialster Coup seit Bestehen . der militärischen Pressestelle erwie sen. Allerdings gaben viele neue Rekru ten, die von den Älteren nur abwertend Brodaler genannt wurden, bereits während der entbehrungsreichen Grundausbildung auf, ohne die Gene ratorkammer auch nur von weitem zu sehen zu bekommen. Shat, der durch gehalten hatte, genoss das Training deshalb in vollen Zügen. Zufrieden mit dem Ubungsergebnis, reckte er beide Arme in die Höhe und brüllte: »Mission erfüllt!« Sein Ruf wurde von einigen Kamera den erwidert, die sich gerade an den Stellen, an denen sie zuvor im Kampf gefallen waren, vom Boden erhoben. Diejenigen von ihnen, die seinem Jahr gang angehörten, waren alle aus dem gleichen Grund wie er m die Truppe eingetreten. Weil sie den Reiz des Be sonderen, desAuserwahlten suchten. Das Grinsen gefror Shat allerdings auf den Lippen, als sein Blick das Steuerterminal streifte, hinter dem nicht nur das Bedienungspersonal saß, sondern auch Ratneron Kaluna, der ein äußerst finsteres Gesicht zur Schau stellte. Kaluna, der Held von Shagdul V. Ihren Ausbilder, der das grau me lierte Haar so kurz trug, dass seine Kopfhaut durchschimmerte, umgab
eine Aura des Respekts, die nicht nur von den Mythen lebte, die über ihn in Umlauf waren. Jeder Quadratzentime ter seines Körpers zeugte von über standenen Kämpfen. Im Laufe seiner Dienstzeit war er schon mit allem Er denklichen malträtiert worden: Fäus ten, Vibratorklingen, Thermogranaten, Nadlergeschossen und Desintegrator strahlen. Aber so viele Blessuren er sich auch eingehandelt hatte, seine Gegner sahen garantiert schlimmer aus, sofern sie überhaupt noch lebten. Von plötzlicher Nervosität erfasst, schnallte Shat den Helm ab; und fuhr mit der Rechten gegen den Strich durch sein blondiertes Haar, das einige Milli meter länger war, als es den Vorschrif ten entsprach. Es bildete sofort die charakteristische Stachelfrisur, für die er überall an Bord - besonders bei den weiblichen Besatzungsmitgliedern bekannt war. Ratneron Kaluna neigte von Natur aus nicht zu übertriebener Fröhlich keit. Die Veteranen behaupteten sogar, das Lachen wäre ihm auf Shagdul V endgültig vergangen. Den kalten Blick, mit dem er nun herangestampft kam, sah man allerdings ebenso selten. Ei gentlich nur, wenn er wirklich richtig wütend war. Shat spürte ein leichtes Zittern in den Knien, dessen sich nur schwer Herr werden ließ. Das Hochgefühl, das ihn während der Simulation erfasst hatte, schwand plötzlich schneller dahin, als er mit den Augenlidern zwinkern konnte. Kaluna hatte für Brodaler nichts üb rig, das war allgemein bekannt. »Kannst du mir mal sagen, was das gerade war, Ratner?'«, wollte er schon von weitem wissen. Obwohl der Aus bilder nicht schrie, erfüllte seine Stimme die ganze Halle. Shat sprang auf, um der verbalen
Abreibung wenigstens auf gleicher Shat spürte, wie ihm der Kragen des Höhe zu begegnen. »Eine zu hundert Schutzanzuges eng wurde. Ani liebsten Prozent erfüllte Mission?«, fragte er hätte er den oberen Verschluss geöff vorsichtig, obwohl ihm klar war, das net, aber das hätte seine Nervosität nur diese Antwort kein Wohlwollen her noch deutlicher gezeigt. »Wenn wir uns vorrufen würde. noch länger vor dem Kraftwerk aufge »falsch!«, bestätigte Kaluna, »Die halten hätten, wäre uns das Überra ser Einsatz war eine völlige Katastro schungsmoment verloren gegangen«, phe!« Nur zwei Schritte vor ihm blieb verteidigte er seine Strategie. »Dann er stehen und stemmte beide Hände in hätten die Schwarzen Bestien Zeit ge die Hüfte. Die Narben auf seinem Ge habt, sich auf unser Eindringen vorzu sicht, die vermutlich von einer Desin- bereiten,« tegrator-Granate stammten, wanden »Und wennschon«, seufzte Kaluna, sich wie angriffslustige Schlangen, der plötzlich seltsam müde wirkte. während er fortfuhr: »Wenn du lebens „Deine Einheit wurde komplett aufge müde bist, ist das allein dein Problem, rieben, schon vergessen? Noch höher Ratner! Aber wie kommst du dazu, den können die Verluste gar nicht ausfal ganzen Landungstrupp zu verheizen? len. Und dass deine Haudrauf-Taktik Dein Auftrag lautete, das Kraftwerk bei stärkerem Widerstand gescheitert zu sabotieren und mit den Überleben wäre, ist doch wohl ebenfalls klar, den zurückzukehren. Nicht, wie ein oder?« schießwütiger Brodaler herumzubal Shats Selbstvertrauen kehrte nun lern.« schlagartig zurück. »Stärkere Ver Verheizen? Shat verstand nicht, was bände waren nicht zu erwarten«, sagte dieser Vorwurf sollte. Das gesteckte er im Brustton der Überzeugung. »An Ziel war doch erreicht worden. Wozu gesichts des vorgegebenen Szenarios mussten die Aggressoren ihre Kräfte also diese Aufregung? Nervös sah er zu den anderen Solda zwangsläufig zersplittern.« ten, die sich inzwischen versammelt Kaluna schüttelte traurig den Kopf, hatten und neugierig näher kamen. Auf Trotz seiner sportlichen Statur, die einigen älteren Gesichtern las er un manch jungen Rekruten vor Neid er verhohlene Schadenfreude. Andere blassen ließ, sah man ihm plötzlidh die Kameraden, Brodaler, so wie Craso und Jahre an, die er an allen Fronten des Larina, zuckten nur mit den Achseln, Shah'taman verbracht hatte. »Solche als könnten sie den Vorwurf ebenfalls Einschätzungen sind meist der Anfang nicht nachvollziehen. vom Ende«, erklärte er in einem Ton Kalunas Wut schwoll weiter an, als fall, der ahnen ließ, dass er aus eigener er die Hilflosigkeit im Gesicht seines Erfahrung sprach. Gegenübers erkannte. Statt loszubrül Shat wollte etwas zu seiner Verteidi len, zwang er sich jedoch zu einem lei gung antworten, aber der Vorgesetzte sen, wenn-auch etwas gepresst klingen schnitt ihm mit einer raschen Geste das den Tonfall: »Dieser hirnlose Sturm Wort ab. »Außerdem gab es zahlreiche lauf war deiner Ausbildung unwürdig, Alternativen zu der von dir eingeschla Ratner. Ein guter Offizier hätte zuerst genen Strategie, Ratner«, fuhr Kaluna das fremde Terrain sondiert und dann fort. »Du hättest zum Beispiel ein versucht, den Gegner unter minimalen , Übertragungsrelais sabotieren können, Eigenverlusten zu bekämpfen.« um den Gegner zu zwingen, einen Teil
seiner Truppen zur Reparatur abzuzie hen.« »Mein Plan hat doch auch so zum Er folg geführt«, hielt Shat trotzig dage gen. Kalunas mehrfach gebrochene Nase, die aus dem Gesicht hervorstach wie der Dorn an einer Kampf keule, begann zu zittern. »Ja, glaubst du denn wirklich, euer selbstmörderisches Vorgehen hätte in einer echten Schlacht zum Erfolg ge führt?«, fragte er erstaunlich leise, als sollten die anderen des Landungs trupps seine Worte nicht hören. »In der Realität stürzt sich niemand kopfüber in den Nahkampf! Der Ernstfall ist kein Broda-Match, Ratner. Seine Un tergebenen in den Tod zu schicken ge hört zu den schwersten Aufgaben eines Offiziers. Glaub mir, wenn es kein Übungsende gibt, an dem die Leben den von den Toten auferstehen, fällt es dir nicht mehr so leicht, deine Werfer schützin zu opfern.« Larina errötete bei diesen Worten, weil sie hinter ihrer Erwähnung mehr vermutete als nur einen Vortrag über die richtige Taktik. Craso sah das wohl ähnlich, denn in seine Augen trat plötzlich ein kaltes Funkeln. Shat ignorierte die Reaktion seiner Kameraden und starrte Kaluna wort los an. Ihm war längst klar, dass jede weitere Rechtfertigung automatisch zu neuen Abkanzlungen führen würde, deshalb beließ er es bei seinem verknif fenen Schweigen. »In Ordnung«, verkündete Kaluna, kurz bevor die Pause endlos zu werden drohte. »Für heute ist das Training be endet. Schwingt euch alle in die Hygie nezellen und überlegt, was falsch ge laufen ist. Und zwar jeder von euch!« Danach etwas milder gestimmt, fügte er hinzit: »Morgen bringe ich euch dann. bei, wie man ein Kraftwerk nicht nur
sabotiert, sondern auch lebend vom Einsatz zurückkehrt.'« Die Männer und Frauen des Lan dungstrupps setzten sich in Bewegung. Einige mit hängenden Köpfen, andere, denen der Nervenkitzel mehr bedeu tete als die erfolgte Standpauke, mit ei nem breiten Grinsen im Gesicht. Shat wollte sich seinen Kameraden gerade anschließen, als Kaluna ihn zurück hielt. »Für dich habe ich noch eine Auf gabe, Ratner«, verkündete der Schlei fer, um dessen Mundwinkel ein un nachgiebiger Zug lag. »In der Waffen kammer hat sich die dritte Wach schicht krankgemeldet. Du über nimmst den Dienst. Nur, um sicherzu stellen, dass dir genügend Zeit zum Nachdenken bleibt.« Zum Wachdienst verdonnert? Shat blieb verblüfft stehen. Er als Offizier? Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Am liebsten hätte er den Schutzhelm zu Boden geschleudert, wie früher nach einem verlorenen Match; aber das hätte seine Situation nur noch verschlim mert. Wütend presste er seine Finger gegen den bruchfesten Kunststoff, 'bis die Knöchel weiß hervortraten, wäh rend Kaluna durch das aufgleitende Schott nach draußen verschwand. *
Shahana, Palast der Tamrätin 28. Februar 1225 NGZ Eine beklemmende Stille breitete sich aus, nachdem das holografische Abbild des , Flaggschiffskommandan ten wieder erloschen war. Keiner der anwesenden Ordonanzen sagte ein Wort. Alle Blicke richteten sich auf die Tamaron, die mit fahlem Gesicht ins Leere starrte. Baylamor! Allein der Name des Ri
valen reichte aus, die Temperatur im Saal auf ein frostiges Niveau zu sen ken. Nestara Cherhay hatte mir schon während des Banketts berichtet, dass sich die Shahano von diesem Imperium bedroht fühlten, aber ich hatte nicht geahnt, dass die Eskalation unmittel bar bevorstand. Die Tamaron vermut lich auch nicht, sonst wäre sie nicht dermaßen schockiert gewesen. »Nun ist es also so weit«, sagte sie tonlos, mehr an sich selbst als an ihre Untergebenen gerichtet. »Baylamor versucht unser Tamanium zu annektie ren.« Unter taktischen Gesichtspunkten war der Zeitpunkt für diesen Überfall gut gewählt. Man brauchte nur einen Blick auf die Uniformen der Gefalle nen zu werfen, um zu erkennen, dass der Großteil der shahanoischen Mili tärführung nicht mehr unter den Le benden weilte. Damit bekam die Mas senhysterie, die den Planeten überzog, einen ganz neuen Sinn. Natürlich! In den Städten herrschte Chaos, und die wichtigsten Militärs waren tot! Das Ganze stank geradezu nach einer von langer Hand vorberei teten Operation, die den Boden für eine Invasion bereiteten sollte. Alles, wor auf Baylamor warten musste, war ein Empfang gewesen, bei dem die höchs ten Würdenträger des Shah'taman zu sammentrafen. Dass ausgerechnet un sere Ankunft zum Katalysator der Er eignisse geworden war, ließ «inen bit teren Geschmack in mir aufsteigen. Die Hand fest gegen ihr Brustbein gepresst, als plagten sie Schmerzen, wandte sich Nestara Cherhay an die Ordonanzen. Trotz der katastrophalen Lage wirkte sie seltsam gefasst. »Alle überlebenden Berater treffen sich mit mir in der Zentrale!«, befahl sie mit ruhiger Stimme. »Alarmstart für die Flotte. Und requiriert zwei Dut
zend Robotgleiter, um alle noch ein satzfähigen Offiziere zum Haumhafen zu eskortieren.« Als hätte es nur des Anstoßes durch die Tamrätin bedurft, entwickelten die Ordonanzen plötzlich eine routinierte Betriebsamkeit. Mit positronischer Unterstützung erstellten sie eine Liste der Überlebenden, die je nach Verlet zungsgrad in den benötigten Funktio nen und Rängen eingesetzt wurden. Mir wurde klar, wie ernst es um den Planeten stand. »Wenn du es wünschst, wird sich die TOSOMA gern an der Verteidigung Shahanas beteiligen«, erneuerte ich mein Angebot. Nestara Cherhay sah überrascht zu mir auf, als hätte sie meine Anwesen heit völlig vergessen. »Du willst uns helfen?«, fragte sie verblüfft. »Warum solltest du? Du und deine Besatzung, ihr seid Fremde, die unser Schicksal nicht zu kümmern braucht.« Ein trauriges Lächeln kräu selte ihre Lippen, während sie den Gar disten endlich befahl, uns freizugeben. »Du brauchst mir kein Mitgefühl vor zugaukeln, um euer Leben zu retten. Der hiesige Aufruhr wurde von Bayla mor inszeniert. Es steht dir frei, deiner Wege zu ziehen.« Ehe ich antworten konnte, wurde die Tamaron schon wieder von aufgeregten Umformträgern in Beschlag genom men. Angesichts der prekären Lage gab sich keiner Mühe, die Stimme zu Dämpfen. Was der Tamaron berichtet wurde, deckte sich mit meinen bisheri gen Vermutungen. Zahlreiche Köm-* mandostrukturen mussten durch un tere Dienstgrade aufgestockt werden, um die Verluste an hohen Entschei dungsträgern auszugleichen. Allein die Übertragung entsprechender Berechti gungskodes verschlang Zeit, die dem Gegner in die Hände spielte.
Kümmere dich um Li, mahnte der Extrasinn. Sie ist zu sich gekommen. Ich sah zu ihr. Noch ein wenig orien tierungslos, kroch die Historikerin in meine Richtung und versuchte gerade, sich aufzurappeln. Zahargun machte Anstalten, ihr zu helfen, aber mit ei nem schnellen Satz kam ich ihm zuvor. Vorsichtig half ich Li hoch. v Ihre Balance ließ noch zu wünschen übrig, deshalb drängte sie ihren beben den Körper Halt suchend an meinen. Eine recht schutzbedürftige Geste, die so gar nicht zu der knallharten Kämp ferin passte, die gelegentlich in ihr durchbrach. Die präzise Art und Weise, in der sie dann handelte, wies auf eine militärische Ausbildung hin, aber der Hintergrund ihrer Fähigkeiten lag völ lig im Dunkeln. So hatte sie mir im Epetran-Archiv das Leben gerettet, ohne sich hinterher daran erinnern zu können. Ein Geheimnis umgab Li. Ei nes, von dem ich nicht wusste, ob ich die Lösung wirklich erfahren wollte. Weil du ein Narr bist, der seine Ge fühle über die Vernunft stellt! Ich ignorierte den Tadel des Logik sektors. In diesem Moment war mir viel wichtiger, meiner Geliebten die roten Haare aus der Stirn zu streichen und sie zärtlich anzulächeln. »Alles in Ordnung?«, fragte ich. Li nickte nur, das Sprechen fiel ihr schwer. »Ich kann mich nicht mehr er innern, was geschehen ist.« Der Aus druck in ihren Augen zeigte nur zu deutlich, wie sehr sie dieser Kontroll verlust ängstigte. »Du hast die Tamaron angegriffen«, sagte ich ohne Umschweife. »Aber keine Angst, das hatte nichts mit dei nen sonstigen Aussetzern zu tun. Im ganzen Saal wurden plötzlich Gäste aggressiv. Es gab zahlreiche Kämpfe, sogar Tote und Verletzte. Du hast noch mal Glück gehabt.«
Mit schnellen Worten klärte ich sie über die Vorkommnisse auf und ver schwieg dabei auch nicht, dass ich sie mit einem Dagorgriff hatte überwälti gen müssen. Sie quittierte dieses Ge ständnis mit einem schmerzverzerrten Ausdruck im Gesicht. »Deshalb tun mir alle Knochen weh«, stöhnte sie - und lächelte. Ihre Widerstandskraft war beachtlich. Die kurze Erholungspause hatte .bereits gereicht, um nicht nur ihre Kräfte, sondern auch den Humor zurückzu gewinnen. Nach einem sanften KUSS löste sich La aus meinen Armen, um volle Einsatzfähigkeit zu demonstrie ren. Die anderen Besatzungsmitglieder traten nun ebenfalls näher, um zu er fahren, wie es weitergehen sollte. Akanara zwängte sich mit seinem ma geren Leib zwischen den Erwachsenen hindurch. Am Glanz seiner Augen konnte ich bereits erkennen, dass er mir eine präkognitive Eingebung mit teilen wollte, aber in seinem Blick schwang auch eine seltsame Traurig keit mit, die mich erschauern ließ. »Die Tamaron lässt uns gehen«, raunte er. »Ich habe uns alle an Bord ei nes Robotgleiters davonfliegen sehen. Nur Li war nicht dabei.« Eisige Kälte brachte jede einzelne Nervenbahn meines Körpers zum Ge frieren. Das durfte doch nicht wahr sein! Wenn Nestara Cherhay tatsäch lich glaubte, dass sie ein Besatzungs mitglied der TOSOMA festnehmen konnte, um ihre niederen Rachegelüste zu befriedigen, biss sie bei mir auf Ar konstahl. Verliebter Narr, schimpfte mein Ex trasinn. Verlier bloß nicht die Nerven, weil es um deine Lebensabschnitts partnerin geht. Um die Frau, die ich liebe, korri gierte ich ärgerlich, auch wenn der Lo
giksektor nicht gänzlich falsch lag. Dank meines Zellaktivators würde ich - sofern kein gewaltsames Ende dazwi • schenkam- noch weitere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende überleben. Li war dagegen sterblich, so dass selbst eine Beziehung, die allein durch ihre Lebensspanne begrenzt wurde, für mich nur eine Momentaufnahme blei ben konnte. Aber so dachte und fühlte ich nicht. Keiner von uns potentiell Unsterbli chen. Wir lebten für die Gegenwart wie jeder andere Bewohner der Galaxis auch. Wenn wir es nicht täten, wären wir schon bar jeder Gefühle und keine »Menschen« mehr. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Tamrätin zu, die gerade den desolaten Zustand ihrer Flotte zur Kenntnis nahm. Kommandant Sollio hatte erneut einen audiovisuellen Funkkontakt hergestellt. SeinHolo schwebte in der Luft, wäh rend er berichtete: »Es gab einen ersten Zusammenstoß^bei dem sich der Feind an Kampfkraft und Strategie überle gen zeigte. Wir benötigen dringend Un terstützung an den von mir übermittel ten Kpordinaten, um eine neue Vertei digungslinie aufzubauen. Ich brauche vor allem die taktische Hilfe von Ge schwaderkommandant Wurkaff! Kei ner ist mit der Taktik der Baylamoro besser vertraut.« »Fragma Wurkaff befindet sich unter den Toten«, entgegnete Nestara Cher hay knapp. »Wir senden dir jedoch alle Unterstützung, die wir leisten kön nen.« Ihre gequälte Miene spiegelte die wahre Lage besser wider, als bloße Worte es vermocht hätten. »Sei dir dar über im Klaren, Ratner, dass es derzeit keinen erfahreneren Mann in der Flotte gibt als dich. Auf deinen Schultern las tet die Verantwortung, den heimtücki schen Angriff abzuwehren, bevor die
Baylamoro in Reichweite unseres Pla neten gelangen.« Sollio, der ihr Abbild genauso an Bord der DROKAR sehen konnte wie sie das seine, nickte verstehend. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um unser Tamanium zu schützen.« Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sobald die Verbindung beendet war, sackten die Schultern der Tamaron herab. Plötzlich schien sie von aller Kraft verlassen, und in ihren Blick trat eine Hoffnungslosigkeit, die dem Kom mandanten der DROKAR vermutlich allen Kampfesmut geraubt hätte. »Schickt Ratner Sollio alle verfüg baren Reserven«, wies sie die Ordonan zen an. »Es wird nicht das sein, was er erwartet, aber es muss genügen.« Falten, die eine Stunde zuvor noch nicht existiert hatten, durchzogen ihr Gesicht. Sie gruben sich noch tiefer in ihre Haut ein, als Nestara Cherhay hörte, dass einige Leichte Kreuzer zur Aufruhrbekämpfung in den Städten benötigt wurden und deshalb nicht zur außerplanetaren Verteidigung bereit standen. Die Lage entwickelte sich immer schlechter für die Shahano. »Du solltest mir das Kommando über deine Flotte übertragen«, schlug ich in die bedrückende Stille hinein vor. Mein Plan, die Anwesenden aufzu rütteln, ging besser auf, als ich zu hof fen gewagt hatte. Plötzlich waren alle Augen auf mich gerichtet. Selbst meine Kameraden von der TOSOMA schie nen von dem Vorschlag überrascht zu sein. Einzig Nestara Cherhay zeigte eine völlig unerwartete Emotion. Eine, die mir nicht sonderlich gefiel. Pures Misstrauen glomm in ihren eisblauen Augen. »Das ist es also«, sagte sie in einem vor Kälte zitternden Tonfall. »Pie
ganze Zeit habe ich mich gefragt, wel und ihre leeren Hände in einer entwaff * chen Sinn es für einen feindlichen nenden Geste nach oben drehte. »Wenn es mein Angriff ist, den du uns Spion haben sollte, sich der Gefahr ei ner Exekution auszusetzen. Nun weiß nachträgst, bin ich gern bereit, als Gei ich es. Du willst die Reste unserer sel in deinem Palast zu bleiben«, bot sie der Tamaron an. »Du kannst sicher Flotte ins Verderben führen.« »Unsinn«, wischte ich ihren Vorwurf sein, dass Atlan nichts unternehmen zur Seite. »Wenn ich deinem Volk wird, was mein Leben gefährdet.« schaden wollte, hätte ich mit der TO Mit dieser Eigenmächtigkeit hatte SOMA genügend Möglichkeiten dazu. ich nicht gerechnet, obwohl ich den Wir müssten nur an Bord gehen, wie du Mut und die Entschlusskraft von Li be es uns nahe gelegt hast. Stattdessen wundern musste. Verblüfft verfolgte biete ich dir Hilfe gegen die Aggresso ' ich, wie sich die beiden Frauen für Se* ren an. Und wenn du mir schon keine künden schweigend musterten und da uneigennützigen Motive zutraust, bei weit mehr an Informationen aus dann nimm bitte, zur Kenntnis, dass tauschten, als ich es in der Minuten wir in einem Boot sitzen. So heimtü währenden Diskussion vermocht hatte. Siedend heiß wurde mir klar, dass ich ckisch, wie die Baylamoro mit ihren Nachbarn umgehen, werden sie uns die Entscheidung der Tamrätin schon gegenüber nicht freundlicher gesinnt kannte, bevor sie von ihr gefällt wurde. sein. Es liegt in unserem ureigensten Akanara hatte sie schließlich voraus Interesse, Shahan in diesem Kampf zu gesehen. Ich hatte sie nur falsch inter unterstützen.« pretiert! Meine Worte hinterließen gebühren »In Ordnung.« Nestara Cherhays den Eindruck im Saal, aber das war Stimme klang ein wenig gepresst, aber auch kein Wunder. Das Gehader zwi ihr Gesicht drückte neuen Mut und schen Fragma Wurkaff und uns war ei Entschlossenheit aus. »Ich lasse der nes der Hauptgesprächsthemen des TOSOMA alle relevanten Daten und ganzen Banketts gewesen. Dass ich die Berechtigungskodes überspielen. Hof « Fähigkeiten der TOSOMA nun in den fentlich kämpft dein Schiff im Verband Dienst ,der Shahano stellen wollte, noch besser als allein auf weiter Flur.« schienen viele für die letzte Rettung zu Schwülstige Drohungen für den Fall 1 halten. meines Scheiterns sparte sich die Ta Einige Ordonnanzen begannen be maron, was ich ihr hoch anrechnete. schwörend auf die Tamaron einzure Auf einen kurzen Wink hin wurde Li den, wurden jedoch durch eine ärgerli jedoch von drei Gardisten umringt, die che Handbewegung in die Schranken sie von nun an nicht mehr aus den Au gewiesen. gen lassen würden. Die Historikerin »Du verlangst sehr viel Vertrauen schenkte mir ein aufmunterndes Lä von mir«, beschied mir Nestara Cher cheln, das ich mit einer vermeintlichen hay kühl, »besonders, nachdem ich von Selbstsicherheit beantwortete, die ich deiner Gefährtin angegriffen wurde.« gar nicht verspürte. Ich fluchte innerlich. Nun stand mir Niemand von uns wusste, was wirk der Moment der intimen Nähe, den wir lich an den Grenzen des Tamaniums kurz zuvor genossen hatten, bei den vor sich ging. Die TOSOMA war ein gu Verhandlungen im Weg. Allerdings nur tes Schiff, in dessen überlegene Tech so lange, bis Li einen Schritt vortrat nik ich großes Vertrauen setzte, abef
eine. Schlacht lebend zu überstehen oder den Krieg zu gewinnen waren zwei Paar Stiefel. Zu meiner Bestür zung war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher, dass wir es schaffen konnten. Um keine Zeit zu verlieren, eilten wir ohne großen Abschied hinaus aufs Flugdeck, wo uns die Robotgleiter schon erwarteten. Mit ihnen ging es durch die Nacht über die beleuchtete Hauptstadt hinweg. Innerhalb weniger Minuten gelangten wir zum Raumha- ' fen. Und von dort aus, nach einem Blitzstart, hinaus ins All, in dem, ir gendwo zwischen den Sternen, eine Schlacht auf Leben und Tod tobte. 3. Verdammt in alle Ewigkeit Flaggschiff DR OKAR Sechsunddreißig Stunden zuvor
Craso war der Einzige, der bei ihm - blieb. Larina drückte sich zwar kurz in ihrer Nähe herum, schloss sich dann aber den übrigen Soldaten an. Shat wartete ab, bis das Schott geschlossen war, bevor er seinem Unmut Luft machte: »So ein arroganter Idiot! Als könnte ich nicht zwischen Übung und Ernstfall unterscheiden!« Die Techniker hinter dem Bedie nungspult, die alles für die nächste Trainingsgruppe vorbereiteten, sahen missbilligend herüber, sagten aber kein Wort. Immerhin war Shat ein Ratner ~ wenn auch kein sonderlich beherrsch ter, »Woher willst du wissen, ob du das unterscheiden kannst?«, neckte ihn Crasö. »Von uns hat noch niemand ei nen echten -Einsatz erlebt. Kaluna schon.« ^ Shat ging nicht darauf ein. Erstens, weil Craso Recht hatte, zweitens plag ten ihn ganz andere Sorgen. Mit ver
kniffenen Lippen setzte er sich in Be wegung. Das aufgleitende Schott ent ließ sie in den lärmenden Alltag des eintausend Meter durchmessenden Kugelraumers, der ein komplexes La byrinth aus Decks, Gängen und Räu- , men beherbergte. Selbst altgediente Besatzungsmit glieder kannten nicht jeden Winkel des Flaggschiffes, aber farbig abgesetzte Sektoren und Leuchtschriften erleich terten die Orientierung. Den Korridor, dem Shat und Craso linker Hand folg ten, kleidete hellblau getönter Kunst stoff aus. Jeder ihrer Schritte wurde von einem energetischen Summen be gleitet, das von den lebenserhaltenden Anlagen stammte, die rund um die Uhr arbeiteten, um sie mit Luft, Wärme und Licht zu versorgen. Einige Bordtechni ker eilten mit gewichtigen Schritten vorbei, als lägen bedeutende Aufgaben vor ihnen, die keinerlei Aufschub dul deten. Andere Besatzungsmitglieder, die eine Freischicht genossen, flanier ten wesentlich gemächlicher durch die Gänge. »Was hast du denn?«, brach Craso das Schweigen. »Das war nicht der ers te Rüffel, den du kassiert hast, und es wird auch nicht der letzte gewesen sein. Die Veteranen haben nun mal eine Abneigung gegen alle, die sich nach Kampfzone zum Dienst gemeldet ha ben.« Kampfzone! Die Sendung, die sein Leben verändert hatte. Shat machte eine wegwerfende Handbewegung, »Ach was, Kalunas Gerede ist doch schon Sternenstaub von gestern. Es ist dieser Wachdienst; der mir nicht in den Kram passt. Gerade heute nicht.« »Wieso? Hast du etwas Besonderes vor?« Selbst der permanente Lärmpegel konnte nicht den eisigen Unterton ka schieren, der plötzlich in Crasos
Stimme mitschwang. Shat brauchte schlanker bist du auch wieder nicht, ihn nicht anzusehen, um zu wissen, dachte er wütend, sagte aber kein Wort. dass Hals und Kopf seines Freundes ge Craso verstand ihn auch so.'»Klar, rade einen Stich ins Rötliche bekamen. wenn sie so hässlich ist, dass der große Sie kannten sich schon seit Kindesbei Nermoy kein Interesse hat, darf ich nen, hatten diverse Broda-Meister- mich ruhig mit ihr abgeben, was?«, gif schaften miteinander bestritten und tete er so laut, dass einige vorbeieilende gemeinsam die Offiziersausbildung ab Techniker herübersahen. Den Unifor solviert. Crasos Vater war Berufssol men nach gehörten sie zum Stations dat, dem es nicht schwer gefallen war, personal, das sich nur selten auf den für sie eine Position auf dem gleichen tieferen Decks blicken ließ, trotzdem Schiff zu erwirken. Ein Umstand, den war die Situation peinlich. Shat, bei allem, was sie seit Jahren ver »Lass uns lieber das Thema wech band, manchmal bereute. seln«, sagte Shat, unbewusst sein »Du weißt doch«, knurrte Craso auf Tempo beschleunigend. Die letzten gebracht, »ich habe Larina zuerst an Meter bis zum Antigravschacht kamen gesprochen.« ihm vor wie eine Flucht. Shat schnaufte verächtlich. »Wie Schweigend überwanden sie fünf* kommst du darauf, dass es ausgerech zehn Decks bis zur großen Promenade, net um Larina geht?« wo sie auf ein Rollband wechselten. »Frag nicht so blöd!« Craso konnte Shat warf einen Blick zur linken Seite, genauso schneidend sprechen wie Ka an der ein paar Scheiben in die Kunst luna, nur, dass es bei ihm nicht halb so stoffverkleidung eingesetzt waren. beeindruckend wirkte. Sein Interesse galt nicht dem mit Grün Shat unterdrückte ein Seufzen. pflanzen und Springbrunnen ausge- Schon zu Zeiten, als sie noch die erste statteten Ruhebereich dahinter, son Projektionshaube miteinander teilten, dern ihren Gestalten, die sich in dem hatte Craso das Gefühl gehabt, in sei gepanzerten Glas widerspiegelten. nem Schatten zu stehen. Teilweise zu Shat war der Größere von beiden. Hecht. Ob Groupies, Sponsorenver Sein blondiertes Haar stand in starkem trage oder Einladungen zu Kampftone, Kontrast zu seiner dunklen Haut, die stets hatte Shat den Vorzug erhalten. von einem natürlichen Braun war, das »Es ist doch nicht meine Schuld, nicht durch Sonneneinwirkung ent wenn sich einige Frauen mehr für mich stand. Sein durchtrainierter, muskulö als für dich interessieren«, verteidigte ser Körper besaß kein Gramm Körper er sich lahm. • fett an der falschen Stelle. Bei Paraden »Wenn es um eine geht, die mir ge holten ihn die Vorgesetzten gern in die fällt, könntest du ruhig mal nein sa erste Reihe, denn er entsprach ihrem gen.« Idealbild eines Soldaten, »Was ist denn mit Sarroga, der Ser Craso war deutlich wuchtiger ge vicetechnikerin?«, fragte Shat, um das baut, wenn auch beileibe nicht dick. Gespräch in sinnvollere Bahnen zu len Auf Frauen, die eher kantige Typen ken. »Ich glaube, die mag dich sehr mochten, wirkte er mit seinem breiten gern.« Kinn, das etwas Energisches aus »Die Dicke? Soll das ein Witz sein?« strahlte, durchaus anziehend Leider Shat'bedachte seinen Freund mit ei zog er die zierlichen, sehr aufs Äußere nem scharfen Seitenblick. So viel bedachten 'ßroda-Groupies vor, die
wiederum eher auf weichere Kaliber wie Shat standen. In der Vergangenheit hatten einige von ihnen nur deshalb mit Craso angebandelt, um auf diese Weise ihren wahren Schwärm kennen zu lernen. Das hatte für einige Verstim mungen zwischen ihnen gesorgt, die unterschwellig weitergärten. Eigentlich war es vor allem die Ver bissenheit, mit der Craso eine Freundin suchte, die ihn regelmäßig scheitern ließ. Shat sparte sich jedoch Ratschläge in dieser Richtung. Vor allem, weil er gar nicht beurteilen konnte, wie es war, abgewiesen zu werden. Seit seinem fünfzehnten Lebensjahr hatte er in die ser Hinsicht nie Probleme gehabt, auch wenn bisher noch keine längerfristige Beziehung dabei herausgekommen war. Schweigend betraten die beiden Of fiziere einen weiteren Antigravschacht, der sie zum Wohndeck transportierte. Auf dem Weg zu ihren Unterkünften schauten sie noch im Amputierten Mo grak vorbei, dem bevorzugten Kasino der Landungstruppen. Larina und ei nige ihrer Kameraden saßen schon an einem langen Tisch, vor sich Schüsseln mit frittierten Amphibienschenkeln, denen das Kasino seinen Namen ver dankte. Alle aus ihrer Trainingsgruppe waren erst vor kurzem auf die DRO KAR versetzt worden. Deshalb suchten sie auch außer Dienst die gegenseitige Gesellschaft, und sei es nur in Ermang lung einer attraktiven Alternative. Verschwitzte Männer und Frauen in Kampf anzügen waren hier kein unge wöhnlicher Anblick, deshalb erregten die beiden lediglich die Aufmerksam keit des Service-Roboters. Mit zwei Gläsern Sternen/euer, einem leicht aphrodisierenden Getränk, versorgt, steuerten sie die letzten freien Plätze an. Einer von ihnen, direkt neben La rina, wurde sogleich von Craso in Be
schlag genommen. Shat setzte sich be wusst ein Stück entfernt nieder und ließ schweigend die spitzen Bemerkun gen über sich ergehen, die wegen Kalu nas Rüffel auf ihn einprasselten. Als Broda-Spieler hatte er zwar nie zur Spitze der Liga gehört, aber immerhin genügend Popularität genossen, um zweimal als Gast bei Kampfzone gela den zu werden. An den Neid, den solch eine Bekanntheit mit sich brachte, hatte er sich längst gewöhnt. Als Shat keine Reaktion auf den Spott zeigte, verebbte dieser ebenso schnell, wie er aufgekommen war. Er nutzte die Ruhe, um Crasos Balzvep halten zu beobachten. Wenn der Kerl wollte, konnte er durchaus lustig sein, und heute gab er sein Bestes. Larina kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Für Shats Geschmack kicherte sie zwar etwas zu viel und zu laut, um es ehrlich zu meinen, aber das mochte auch täuschen. Sicher war nur, dass die Frauen an Bord der DROKAR einen luxuriösen Vorteil genossen. Da sie nur knapp ein Drittel der Besatzung stellten, war ihre Gesellschaft entsprechend begehrt. Aber in der gesamten Abteilung für Außeneinsätze gab es nur drei weibli che Trogs ohne feste Beziehung. Eine von ihnen saß am Tisch. Larina. Um sie nicht ständig anzustarren, konzentrierte sich Shat auf die Holo projektion eines live übertragenen Broda-Matches. Eingezwängt in ihre vollsensorischen Anzüge, schwebten die Spieler per Gravopak durch eine mit Hindernissen gespickte Arena. Da bei schössen sie mit ungefährlichen Lichtstrahlen aufeinander, die die geg nerischen Sensoren bei jedem Treffer aufleuchten ließen. Allzu geschickt stellten sich die beiden konkurrieren den Duos nicht gerade an.
Und so etwas nannte sich erste Liga. Ein trauriges Lächeln huschte über Shats Lippen. Wie klein und armselig dieser Sport doch plötzlich wirkte, wenn, man erst einmal die Möglich keiten der Holo-Generatorkammern kannte. »Lass den Kopf nicht hängen, Ratner«,riiss ihn Trog Kang aus seinen Ge danken. »Morgen rekapitulieren wir die Übung unter Kalunas Führung, dann ist der Schleifer wieder zufrie den.« Kang war ein pflegeleichter Mann schaftsdienstgrad ohne besondere Am bitionen, der sein militärisches Hand werk perfekt beherrschte. Einige graue Haare, die seinen sauber gestutzten 'Kinnbart durchzogen, verrieten, dass er um einiges älter war als die Übrigen am Tisch, Larina würdigte der Veteran nicht einmal eines Blickes. Hinter vor gehaltener Hand erzählte man sich, dass die Hälfte seines Soldes in eine ge schiedene Ehe floss. Vermutlich hatte ihn das vorsichtig gemacht. »Ach was, Kaluna bildet sich viel zu viel auf seine Kampferfahrung ein!« Shat war selbst über die Heftigkeit sei ner Worte überrascht. Der Schmerz über die Zurechtweisung saß offen sichtlich tiefer, als er selbst für möglich gehalten hatte. »Klar, Kaluna hat uns einiges voraus«, schwächte er hastig ab. »Aber ich glaube, er ist auch verbit tert, weil wir uns so gut vorbereiten können. Auf Shagdul Fünf musste seine Einheit schwere Verluste hinneh men. Vieles von dem, was wir heute un ter simulierten Bedingungen trainie ren, musste er auf die harte Tour unter Realbedingungen lernen.« »Glaubst du wirklich, dass im Ernst fall alle so freudestrahlend in den Tod fliegen wie heute?«, mischte sich Guzko ein. Der hochgewachsene Rotschopf besaß eine ungewöhnlich bleiche Haut,
die von einer Pigmentstörung her rührte. Er war passionierter Brodaler wie Shat und Craso. Dass er während der Übung als Erster geopfert worden war, schien er nicht persönlich zu neh men. Seine Frage klang ernst gemeint. »Jetzt fang du nicht auch noch damit an!«, schimpfte Shat. »Die Ballerei war doch ein Riesenspaß, oder nicht? Im ganzen Reich Shahana gibt es vermö gende Leute, die Unsummen für so ei nen Waffengang ausgeben würden und trotzdem nie Gelegenheit dazu bekom men werden. Was ist dagegen schon die schlechte Laune eines Vorgesetzten?« »Zweifellos richtig«, stimmte Guzko lächelnd zu. »Das nächste Mal möchte ich nur nicht wieder als Erster geopfert werden, sondern etwas mehr von dem Gefecht haben.« Shat hielt das dickwandige Glas mit Sternenfeuer in die Höhe. »Verspro chen.« Guzko und Kang stießen mit ihm an. Wenigstens zwei, die auf seiner Seite standen. Dafür ließ sich auch das Schütteln ertragen, das ihn angesichts des bitteren Geschmacks erfasste. Shat unterdrückte ein Husten, um sich nicht lächerlich zu machen. Trotzdem, es schmeckte heute einfach nicht. Ver drossen stellte er das Getränk ab und stand auf. Kang sah nachdenklich über den Rand seines Glases hinweg. »Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Truppen der Mograk und Baylamoro im Ernstfall genauso leicht besiegen lassen wie die Schwarzen Bestien.« Shat winkte ab. »Wahrscheinlich be kommen wir nie einen von denen zu se hen und sterben alle an Altersschwä che.« Er wusste selbst nicht, ob er es ernst meinte oder das Gespräch nur mög lichst schnell beenden wollte., Shats Gedanken waren längst woanders.
Nach einem letzten Gruß in die Runde, den alle erwiderten - außer Craso, der seine Angebetete keinen Moment aus den Augen ließ -, verließ er die gesellige Runde. Während er dem Schott entge genstrebte, sahen zwei Technikerinnen kichernd zu ihm herüber. Ob es sich um alte'Oder neue Fans handelte, konnte Shat nicht sagen. Vorsichtshalber zwinkerte er ihnenvzu. Ganz automa tisch, weil er sich im Laufe der Jahre angewöhnt hatte, auf jedes weibliche Signal zu reagieren, das ihm entgegen gesandt wurde. Zwei Gänge später betrat er sein Quartier, entkleidete sich und suchte die Hygienezelle auf. Die Ultraschall wellen, die auf ihn niederprasselten, befreiten ihn von Schweiß und Schmutz, nur nicht von den schwer mütigen Gedanken, die ihn quälten. *
Schwerer Jagdkreuzer TOS OMA An der Verteidigungslinie tobte eine Schlacht. Ein Abfanggeschwader aus 30 Schiffen hatte sich den Baylamoro entgegengeworfen, konnte die zahlen mäßige Überlegenheit aber nicht recht zum eigenen Vorteil nutzen. Drei Leichte Kreuzer trieben bereits als lo dernde Feuerbälle aus dem umkämpf ten Sektor. Mit geschultem Auge ver folgte ich die sich kreuzenden Flug bahnen auf der Panoramagalerie. Agir-Ibeth Nir-Adar-Nalo Nilmalla dah IIIv für Funk und Ortung zustän dig, leistete wieder ganze Arbeit. Der Hasproner, kurz Agir-Ibeth oder der Giftzwerg genannt, was er beides auf den Tod nicht ausstehen konnte, ließ seine Hände nur kurz übers Terminal gleiten, danach hoben sich alle feindli chen Schiffe blau ab, um sie besser von den Einheiten des Shah'taman unter
scheiden zu können. Unsere Positronik analysierte alle erzielten Treffer und listete den jeweiligen Schiffsstatus in einem Detailindex auf. Zusammen mit dem optisch übertra genen Schlachtverlauf entwickelte sich vor meinen Augen ein komplexes Bild. Die Hauptkampfzone lag in ei nem würfelförmigen Sektor mit einer Kantenlänge von jeweils 250.000 Kilo»metern. Alle Schiffe kreuzten in per manenter Schussreichweite umeinan der und bestrichen sich gegenseitig aus ihren Bordgeschützen. Gleißende Im pulssalven, die wie Funken zwischen den gestaffelten Halbraumfeldern auf* blitzten, boten ein Schauspiel von zer störerischer Faszination. »Wahnsinn!«, flüsterte Akanara nur einige Sitze von mir entfernt. »Absolut krass.« Für den mageren Jungen, der früher nie über die Elendsviertel seines Planeten hinausgekommen war, muss ten die Bilder wie eine Trivid-Sequenz wirken. Die schnellen Bewegungen und das bunte Feuerwerk aus Explo*1 sionen, Salven und absorbierenden Schutzschirmen begeisterten ihn, ohn^ dass er begriff, was die Projektionen wirklich zeigten. Schließlich stand jede Kugel, die dort naturgetreu nachgebildet wurde, für ein reales Schiff, in dem Hunderte von Besatzungsmitgliedern um iJ^Le?f ben fürchteten. Ein weiterer Raumer der Shahano verlor sein Halbraumfeld und barst an der oberen Polkappe auseinander. AHanara rucke nach vorn, damit ihm nicht das geringste Detail entging. Mich presste der Anblick dagegen tie fer in den Kontursessel. Statt der glut roten Eruptionen, die einen der Bild ausschnitte erfüllten, sah ich das na menlose Entsetzen der Unglücklichen vor mir, die in diesem Feuersturm für immer vergingen.
Trotzdem vergaß ich keinen Moment lang, ciass ich hier war, um eine noch größere Tragödie zu verhindern: den Angriff auf Shahana, einen dicht besie delten Planeten! Um dieBaylamoro zu stoppen, muss te die Verteidigung möglichst effizient ausfallen. Die Kommandanten der Shahano-Raumer mochten allesamt Könner ,auf ihrem Gebiet sein, aber ih nen fehlte eine übergeordnete Hand, die den Kampf koordinierte. Ihr Geg ner verfolgte eine dezentrale Gefechts führung, in der sich Formationen aus drei bis vier Raumern gegenseitig den Rücken freihielten, um die eigenen Schutzschirme zu schonen. Eine cle vere Strategie, die sich durch vereintes Vorgehen aber rasch aufbrechen ließ. Du musst die Initiative übernehmen, mahnte der Extrasinn. Und zwar schnell. Auch January Khemo-Massai mejL dete sich zu Wort, der Kommandant meines Schiffes, ein gewissenhafter und äußerst entschlussfreudiger Afro terraner. »Die Shahano verzetteln sich in zu viele Einzelgefechte«, analysierte er ebenso richtig. »Ihre Schirme wer den im Schnitt deutlich stärker belas tet als die der Baylamoro.« »Wird Zeit, ein bisschen Ordnung ins Chaos zu bringen«, stimmte ich zu. »Agir-Ibeth Nir-Adar-Nalo Nilmalla'Üah der Dritte, Funkverbindung zur DROKAR. Übermittle den Berechti gungskode, damit uns Ratner Sollio das Kommando überträgt.« Trotz der prekären Situation sprach ich den Hasproner mit vollem Namen an. Ein langwieriger Streit über ver gessene Silben oder Zahlen kostete in der Regel weit mehr Zeit, als seine dies bezüglichen Empfindlichkeiten sofort zu berücksichtigen. Während der Gift zwerg mit gewohnter Routine rea gierte, erschütterte ein halbes Dutzend
schwerer Schläge die TOSOMA. Un sere Ankunft war bemerkt worden. Ich machte zwei Gegner aus, die aus dem Pulk der kämpf enden Flotten aus scherten und auf uns zurasten. Es wa ren zwei sechshundert Meter durch messende Räumer mit .äquatorialem Ringwulst, gegen die unser viermal kleinerer Jagdkreuzer erschreckend winzig wirkte. Aus ihren Thermoge schützen brandeten positronisch syn chronisierte Salven, die unseren drei fach gestaffelten Paratronschirm zum Glühen brachten. Akanara, der gerade noch jeden Treffer auf der Hologalerie begeistert beklatscht hatte, wurde plötzlich ver dächtig still. Vermutlich bekam er zum ersten Mal eine Ahnung davon, wie die Lage aus der Position des Verlierers aussah. »Ausweichmanöver!«, befahl ich, fast ein wenig zu spät. Altra da Orbanaschol, der Erste Pilot der TOSOMA und mein Patenkind, be schleunigte bereits mit maximalen Werten, verzögerte gleich darauf wie der und ließ die nachsetzenden Schlachtschiffe vorüberziehen. Gleich zeitig richtete Cisoph Tonk, der Leiter unserer Schiffsverteidigung, die bei den Doppellafetten der oberen Halb kugel auf sie und eröffnete aus vier Transformkanonen das Feuer. Die geg nerischen Kugelraumer stoben sofort auseinander, um dem Beschuss zu ent gehen. Cisoph Tonk schickte ihnen noch eine Intervallstrahl-Breitseite aus unseren Multi-Variablen-Hochenergiegeschützen hinterher, solange es sinnvoll erschien, und wartete da nach geduldig ihre Rückkehr ab. Den weiteren Kampf verlauf überließ ich Kommandant Khemo-Massai. Ich für meinen Teil musste den Ge samtzusammenhang im Auge behalten und das shahanoische Geschwader neu
formieren. Während sich ein Holo von Ratner Sollio aufbaute, kehrten die beiden 600-Meter-Raumer zweimal zurück, feuerten ihre Geschütze ab und verschwanden danach wieder in den Tiefen des Alls. Beide Male wählten sie einen Kurs, der zwischen uns und der Kampfzone lag. »Lasst euch nicht abdrängen«, mahnte ich, mehr aus einem Reflex her aus. x_ January und die Besatzung wissen selbst, was zu tun ist, tadelte mich mein Logiksektor. Kümmere dich lieber um das Wesentliche. »Du bist also das strategische Genie, das uns zum Sieg führen soll«, riss mich Ratner Sollio aus den Gedanken. Sein grobkörniges .Abbild zuckte an den äußeren Rändern und wurde oben drein von grellen Streifen durchlau fen. Die ungeheuren Energieentladun gen der Schlacht störten die Übertra gung. »Ich besitze einige Erfahrungen, die eurer Streitmacht von Nutzen sein könnten«, antwortete ich, seine spötti sche Bemerkung bewusst ignorierend. Wenn ich erst damit begann, meine Ge fechtserfahrung der letzten 10.000 Jahre auszubreiten, saßen wir noch Tage beisammen, ohne zu einem Ergeb nis zu kommen. »Die verschlüsselten Kodes der Tamaron bestätigen, dass ich autorisiert bin, dein Geschwader zu führen. Stellst du etwas davon in Frage?« Sollios Lippen verwandelten sich in einen blutleeren Strich. »Nein«, sagte er nach einem kaum wahrnehmbaren Zögern. »Unser Ge schwader kann jede Hilfe brauchen. Ich bestätige deine Autorisation.« Er blickte zur Seite und nickte kurz. Diese Geste galt keinem von uns, sondern dem Funkoffizier an Bord der DRO KAR. Dann fuhr er an mich gewandt
fort:< »Unsere Befehlskanäle stehen dir zur Verfügung.« Die Übertragung erlosch, ehe ich auch nur mit einer Höflichkeitsfloskel antworten konnte. Offenbar gab es auf der DROKAR Wichtigeres zu tun. Mit routinierten Bewegungen rief ich aus der Datenbank eine Standard information ab, die Agir-Ibeth an das mit uns vernetzte Geschwader über mittelte. Während wir die Bestätigun gen abwarteten, zerbrach einer der uns angreifenden Raumer unter einer An zahl präzise ins Ziel gesetzter Gravitraf-Bomben. Seine Hülle verwandelte sich umgehend in einen grellen Glut ball, der sich gedankenschnell ausbrei tete. Er ließ den hochverdichteten Stahl schlagartig verpuffen und wogte als Feuerwalze in die Kälte des Alls hinaus. »Volltreffer!«, brüllte Akanara mit sich überschlagender Stimme. »Du hast ihn voll erwischt, Cisoph!« Den Jungen hielt es vor Aufregung nicht mehr im Kontursessel. Mit einer ra schen Bewegung öffnete er die Magnet gurte, sprang auf die Sitzfläche und riss beide Arme empor, »Du hast ihn er wischt, Mann! Voll erwischt!« Sein Verhalten störte die notwendige Konzentration in der Zentrale. Mit ei ner scharfen Bemerkung ermahnte ich Akanara zur Ruhe. Meine Zurechtwei sung ließ ihn regelrecht zusammenfah ren. Verdutzt sah der Junge in die Runde, als könnte er gar nicht verste hen, dass sonst niemand Freude über den Abschuss zeigte. Nicht einmal Cisoph Tonk, der bei nahe verlegen an seinem Haarzopf zupfte. Es ärgerte mich, dass Akanara so we nig Respekt gegenüber der* Toten zeigte. Andererseits konnte ich ihm nicht zum Vorwurf machen, dass er die Auseinandersetzung, die über die Ho
logalerie nur sehr abstrakt zu erfassen war, nicht realistisch genug ein schätzte. Ich hatte schon zu oft selbst am Band einer Niederlage gestanden, um nicht auch die Situation des Geg ners zu kennen. Das war der Fluch mei nes fotografischen Gedächtnisses, mit dem der Junge, trotz seiner Hypno schulung, nicht mithalten konnte. Akanara rutschte ein wenig irritiert auf den Sitz zurück, während die TO SOMA auf einen eng umrissenen Sek~ tor Kurs nahm, in dem sich auf meinen Befehl hin die shahanoische Flotte ver sammelt hatte. Nun formierte sie sich anhand der Daten, die wir ihnen über mittelten, zu einer klassischen arkoni dischen Kegelformation, mit uns an der Spitze. Dank positronischer Ab stimmung hielt jedes der Schiffe exakt den richtigen Abstand zu seinem Nachbarn ein, so dass die geometrische Figur wie eine Einheit beschleunigen konnte. Geschlossen stießen wir in die Kampfzone vor. Die gegnerischen Verbände stürzten sich angriffslustig auf uns, aber dies mal war es das shahanoische Geschwa der, dessen Einheiten sich gegenseitig Deckung gaben. Dadurch wurden un sere Schutzschirme entlastet und die Vorteile des Gegners aufgehoben. Die Raumschlacht entbrannte in voller Härte. 4. Betrogen Flaggschiff DR OKAR 26. Februar 1225 NGZ Achtundzwanzig Stunden zuvor
In einer versteckten Datei des Depot-Terminals befand sich eine der schlüpfrigen Geschichten, wie sie auf allen Schiffen der Raumflotte kursier
ten. In diesem Fall ging es um einen Ratner, der durch einen Zeitsprung in eine barbarische Zukunft geschleudert wurde und dort mit einer Schwert schwingenden Wilden die unglaub lichsten Abenteuer erlebte. Eigentlich genau die Art von Storys, die Shat mochte, aber in dieser Nacht war er mit seinen Gedanken einfach nicht bei der Sache. Entnervt ließ er den Blick über die öde Umgebung schweifen. Außer eini gen Arbeitstationen hatte der fünf mal acht Meter große Vorraum wenig zu bieten. Die eigentliche Waffenkam mer, in der die Handwaffen, Aggregat gürtel und Gravopaks lagerten, be fand sich hinter einem gepanzerten Schott zu seiner Rechten. Um dort, hineinzukönnen, bedurfte es einer Sprachautorisation, die in den Hän den der zuständigen Offiziere lag. Vor Beginn der Tagesschicht würde sich allerdings niemand hier blicken las sen, abgesehen von einem unglückli chen Takna, der die vierte Wache über nehmen musste. Shat überprüfte sein Chronometer, bereute aber seine Neugier, als er sah, dass seit dem letzten Blick erst zehn Minuten vergangen waren. Obwohl ihm sein Gefühl vorgaukelte, schpn Ewigkeiten hier herumzuhängen, hatte er in Wirklichkeit noch nicht einmal die Hälfte der Fünfstundenschicht überstanden. Der Kontursessel gab knarrende Ge räusche von sich, während er sein Kör pergewicht von einer Seite auf die andere verlagerte. Sein brennender Wunsch nach Ablenkung verflog kurz darauf, als der Warnsummer eine Per son auf dem Korridor meldete. Überrascht blickte Shat auf eine Holo-Projektion, die eine miniaturi sierte Ausgabe von Larina Kenin wie dergab. So, wie sie feixend zu ihm in
die Höhe sah, musste sie direkt vor der Korridoroptik stehen. Shat aktivierte die interne Kommu nilgation und sprach in das Akustik feld, das sich vor seinen Lippen auf baute. »Was gibt's?«, fragte er schroffer als eigentlich beabsichtigt. »Du weißt doch, dass ich nicht wegkann.« Statt zu antworten, nahm Larina die Hände hinter dem Rücken hervor. In ihrer Linken hielt sie zwei langstielige Gläser, in der Rechten eine bauchige Perlwei,nflasche. Beim Anblick des Eti ketts Verzog Shat das Gesicht. Eidecko ohne Jahrgangsangabe. Eine süßliche blaue Mädchenplörre, die auf BrodaPartys literweise konsumiert wurde. Einen Moment lang wusste er nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Un möglich, diese Frau. Und definitiv ganz anders, als alle anderen, die er bisher kennen gelernt hatte. Ihn hier zu besu chen, obwohl er bei Kaluna auf der Ab schussliste stand, verlangte schon ziemlich viel Mumm. Ratlos strich Shat über seine Haare, bevor er zu einer Entscheidung ge langte. »Wirklich nett gemeint«, versi cherte er eine Spur sanfter, »aber wir sollten unser Rendezvous lieber auf später verschieben.« Larina zeigte keine Spur von Ent täuschung, sondern setzte zu einem lis tigen Grinsen an, das breit genug war, ihre weißen Zähne zwischen den halb geöffneten Lippen hervorblitzen zu lassen. Ohne ihre Mitbringsel abzule gen, langte sie an den Uniformkragen. Mit provozierender Langsamkeit öff nete sie den oberen Verschluss und zog die eng anliegende Jacke so weit aus einander, dass die nackten Ansätze ih rer Brüste bloßlagen. Kurz bevor es ju gendgefährdend wurde, hielt sie inne, aber in ihren grünen Augen glitzerte das Versprechen, noch weiter zu gehen, wenn er nicht umgehend reagierte.
Shat schnellte aus dem Kontursessel in die Höhe. Nicht vor Lust, sondern aus Unbehagen. So gering der Publi kumsverkehr in diesem Sektor auch sein mochte, falls jemand draußen vor beikam, stand gewaltiger Ärger an. Mit schnellen Schritten umrundete er das Terminal und eilte zum Korri dorschott. »Nermoy, Shat«, sprach er in das Akustikfeld, das seinen Bewegun gen folgte. »Autorisation acht^zwofünf-drei. Schott öffnen!« Lautlos glitt die Stahl wand zur Seite und gab den Blick auf Larinas trium phierende Miene frei. »Bist du irre?«, fuhr er sie an. »Was ist, wenn dich jemand so sieht?« Sein Versuch, sie fortzuscheuchen, scheiterte ebenso kläglich wie das Be mühen, sie am Eintreten zu hindern. Lachend hob sie Flasche und Gläser über den Kopf und zwängte sich zwi schen ihm und dem offenen Schott hindurch. Dabei ging sie stärker auf Tuchfühlung, als eigentlich nötig ge wesen wäre. Dass ihre kleinen, festen Brüste über seinen Oberarm streiften, war sicher beabsichtigt. Zumindest schien es sie eher zu amüsieren als zu stören. Ihr alkoholisierter Atem drang in Shats Nase. Ein Blick zum schwappen den Weinpegel bestätigte, dass bereits ein bis zwei Gläser des Inhalts fehlten. Den Perlwein und die Gläser empor schwenkend, drehte sie sich zweimal im Kreis, bevor sie auf die nächstbeste Arbeitsstation zuhielt. »Hier hast du dich also versteckt, um den Abend ohne mich zu verbringen«, tadelte sie mit gespieltem Schmollen. Shat warf einen schnellen Blick in den Korridor, um sicherzustellen, dass es* keine Zeugen für ihr unerlaubtes Eindringen gab. Eine Schrecksekunde lang glaubte er schon, eine schatten hafte Bewegung auszumachen, aber
zum Glück spielten ihm die überreizten Nerven nur einen Streich. Die größtanzunehmende Katastro phe war ihm also erspart geblieben. Shat schloss das Schott und erneu erte die Sicherheitskodierung, die un autorisierten Personen den Zutritt ver wehrte. Nachdem er das Akustikfeld wieder desaktiviert hatte, konnten sie alles in Ruhe klären. Kopfschüttelnd registrierte er den rasenden Herzschlag, der seinen Brust kasten zum Beben brachte. Das musste er Larina lassen, jegliche Langeweile war verflogen. Dafür pulsierte das Blut heiß durch seine Adern und ließ seine Knie stärker zittern als vor einem ent scheidenden Match. Dass Larina sich gerade an einem Wachvergehen mitschuldig machte, hinderte sie nicht daran, beide Gläser schwungvoll zu füllen. Einige Tropfen, die über das Terminal spritzten, wisch te sie mit dem rechten Unif ormärmel auf. Trotzdem breitete sich ein süßli cher Geruch aus, der bestimmt bis zur nächsten Wachschicht erhalten bleiben würde. Deutlicher ließ sich ihr Vergehen gar nicht dokumentieren. Was wohl als Nächstes kam? Eine Audioüberträ gung, direkt in Kalunas Kabine? Seine entsprechende Bemerkung entlockte der Trog ein weiteres Lä cheln* Ihr stufig geschnittenes Haar,, das den Nacken frei ließ, wippte leicht, als sie sich mit den gefüllten Gläsern zu ihm umdrehte. »Warum so nervös?«, fragte sie mit laszivem Augenaufschlag. »Ich dachte, du freust dich, wenn wir endlich etwas Zeit für uns alleine haben.« »Ja, sicher.« Shat nahm das für ihn bestimmte Glas entgegen. »Ich mache mir bloß Sorgen wegen Kaluna. Der be kommt es glatt fertig und prüft nach, ob alles nach Vorschrift läuft.«
»Lass ihn doch keifen«, wischte sie den Einwand beiseite. »Der alte Spie ßer hatte schließlich kein Hecht, unsere Verabredung zu torpedieren.« Larina stieß ihr Glas gegen das seine und nippte von dem perlenden, Getränk. »Ich gehe jedenfalls gern das Risiko ein, mit dir erwischt zu werden.« »Tatsächlich?« Shat verzichtete dar auf, von dem süßen Zeug zu trinken. »Vorhin sah es noch so aus, als wolltest du dich mit Craso trösten.« »Deinem Duo-Partner?« Ein Schat ten huschte über ihr Gesicht. »Was soll der Quatsch? Er ist ein witziger Typ, dem ich gern zuhöre. Ist das neuerdings verboten?« »Nein, natürlich nicht. Allerdings hofft er nun, dass du die Freischicht lie ber mit ihm verbringst.« Jetzt, da es heraus war, fühlte sich Shat besser. Im gleichen Maß, wie seine Laune stieg, begann die von Larina allerdings zu sinken. »Geht es wirklich um deinen Freund?«, fragte sie gereizt. »Oder ist eine Trog plötzlich nicht mehr gut ge nug für den aufstrebenden Ratner?« »So ein Unsinn! Standesdünkel sind mir völlig fremd. Das weißt du ganz genau.« Ihre Gesichtszüge glätteten sich, als hätte er gerade eine Liebeserklärung abgegeben. »Du brauchst dir wegen Craso keine Gedanken zu machen«, versicherte sie ihm in der irrigen An nahme, dass er von Eifersucht getrie ben wäre. Ddr melancholische Ausdruck ihrer dunklen Augen wollte nicht recht zu' der Härte passen, die Larina während der Ausbildung an den Tag legte. Ver mutlich war dieser Anflug von Sanft mut auf ihren Alkoholpegel zurückzu führen. Als wäre die Trog sich dessen bewusst, stellte sie plötzlich das Glas beiseite und streckte die Arme aus.
»Komm her!«, lockte sie. Schott stand und ihn mit kaltem Blick Shat zögerte, der Aufforderung fixierte. nachzukommen, aber was sollte er tun? Verdammt, der Kofoidorschatten ist Ihr sagen, dass es keinen Zweck mit ih also doch keine Einbildung gewesen! nen hatte, weil er jetzt schon wusste, Craso musste Larina gefolgt sein und ihr Treffen an den Vorgesetzten verpfif wie es ausgehen würde? Etwas drängte'ihn, genau das zu tun, fen haben. während ein anderer Teil von ihm vol Larina zog ein angriffslustiges Ge ler Hoffnung war, dass sie die eine sein sicht, als wollte sie sich am liebsten auf mochte, auf die er schon so lange war-» den Verräter stürzen, Shat gönnte ihm tete. Um zu erfahren, wie gut sie zu-* dagegen ein trauriges Lächeln. Er Sammenpassten, musste er Larina ei kannte Craso gut genug, um zu wissen, gentlich nur in die Arme schließen; dass sein alter Freund schon in weni aber da gab es noch Craso, für den diese gen Tagen von schwerer Reue geplagt Probe aufs Exempel sicher an Verrat werden würde, grenzen würde. Derart in Gedanken versunken, er Als Larina mit sanften Fingern über reichten ihn Kalunas Vorhaltungen nur seine erhitzten Wangen strich, verflo wie durch ein Dämpfungsfeld. Was gen alle Bedenken. Shat zog sie näher machte das schon? Shat wusste ohne und küsste sie. Ihre Lippen schmeckten hin, wofür er sich zu verantworten nach süßem Eidecko, aber das störte hatte. Nicht mal die Androhung einer ihn nicht weiter, denn da war noch offiziellen Meldung brachte ihn aus der mehr: Ruhe. Verlangen! Hitze! So kam es, wie es kommen musste. Und der Kitzel der verbotenen Si Während Craso als Wachvertretung zu rückblieb, wurden die Schuldigen vor tuation. Shat war so sehr damit beschäftigt, den Kommandanten zitiert. Ziemlich die einzelnen Gefühle auszukosten, viel Aufhebens für einen harmlosen dass er das schabende Geräusch im Verstoß, wie Shat fand, aber Kaluna Hintergrund nur unterschwellig regis sah das anders. Dass ihnen der Schlei* trierte. Bis ihm bewusst wurde, dass es fer keine Energiefesseln für den Weg sich um das aufgleitende Korridor anlegte, war tatsächlich das einzige schott handelte, war es schon zu spät. Zugeständnis, das sie ihm abringen Kalunas Gebrüll erfüllte bereits den konnten. Wachraum. »Bist du wahnsinnig geworden, Rat * ner? Was glaubst du eigentlich, wo du dich befindest? Auf einer Brodo-OrSchwerer Jagdkreuzer TOSOMA gie?« Larina ließ vor Schreck ihr Glas fal Unerbittlich tobte auch die Schlacht len, das prompt mit lautem Knall auf 'um Shahana. Tausende von Männern dem Boden zersplitterte. Shat hatte und Frauen verbrannten, erstickten sich etwas besser in der Gewalt, aber oder erfroren in ihren Schiffen. Der Tod als er sieh umwandte, wich ihm eben kam in vielerlei Gestalt, aber stets wa falls das Blut aus dem Gesicht. Nicht ren es grauenvolle Szenen, die sich da wegen Kaluna, der wütend heran im Verborgenen abspielten. stapfte, sondern weil Craso im offenen Die Panoramagalerie zeigte dagegen
nur den großen Zusammenhang. Den scheinbar »sauberen« Verlauf einer von gewaltigen Energien dominierten Aus einandersetzung, in der glutumtoste Kugeln lautlos zerbrachen und als ge schmolzene Fragmente auseinander glitten. Erfahrene Raumfahrer wussten na türlich» was an Bord dieser Schiffe vor sich ging. Aber im Eifer des Gefechtes gelang es selbst mir, jeden Gedanken an Sie individuellen Schicksale zu ver drängen und mich völlig auf die strate gischen Erfordernisse zu konzentrieren. Mit immer neuen Formationen drängten wir die Aggressoren in die Defensive. Es war ein Vorgehen wie aus dem Grundkurs für angehende Flot tenoffiziere, nur mit dem Unterschied, dass ich auf einige tausend Jahre stra tegische Entwicklung zurückgreifen konnte, die den Lemurerabkömmlin gen des Kugelsternhaufens, nach ihrem zwischenzeitlichen Niedergang, nicht zur Verfügung standen. Die Zahl der blau hervorgehobenen Schiffe hatte sich bereits erheblich ge lichtet. Der Hasproner filterte mit Hilfe der örterdaten die stark angeschlage nen Gegner heraus und machte sie zu vorrangigen Zielen, die Cisoph Tonk sich in Zusammenarbeit mit den shahanoischen Schiffen vornahm. Die exakte Abstimmung unserer Feuer kraft führte dazu, dass wir uns immer besser gegen die Baylamoro durchset zen konnten. Während sich unser Geschwader neu formierte, überflog ich die aktuellen Daten. Uns standen noch zwölf Kugelrau mer entgegen. Davon zwei Schlacht schiffe der 1000-Meter-Klasse, vier 600-Meter-Schlachtkreuzer sowie sechs Schwere Kreuzer von 230 Metern - von denen drei bereits unter instabilen Halbraumfeldern litten.
Auf Seiten der Shahano kämpften inklusive der TOSOMA noch ein undzwanzig Schiffe, darunter ein Schlachtschiff und sechs Schlacht kreuzer. Die Verluste hielten sich also in Grenzen, während die Baylamoro immer weiter ins Hintertreffen gerie ten. Nach unserer nächsten Attacke erlo schen zwei weitere blaue Markierun gen. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, dass Akanara triumphierend die Hände ballte. Von lautstarken Sieges bekundungen sah er nach meiner Zu rechtweisung zwar ab, aber als ein dritter Kreuzer angeschlagen das Weite suchte, drang ein enttäuschter Laut über seine Lippen. Der Junge hätte es wohl lieber gese hen, wenn wir den Flüchtling gnaden los zur Strecke gebracht hätten. Viel leicht, weil er in den Jahren, die er auf den Müllhalden von Yarn leben musste, selbst nie einen Akt der Gnade emp fangen hatte. Oder weil er in dem schrumpfenden Orterpunkt nur eine seelenlose Animation sah, aber keine Besatzung am Ende ihrer Kräfte. Ich dagegen schon. Gib dem Gegner kein Gesicht, raunte mein Extrasinn. In Zeiten des Krieges bleibt das quälende Gewissen den schlaflosen Nächten vorbehalten. Krieg! Der Logiksektor sprach aus, was andere lieber hinter Ausdrücken wie »bewaffneter Konflikt« oder »die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln« versteckten. Krieg! Ein ge walttätiger Zustand, in dem die Ge setze der Menschlichkeit zum Teil au ßer Kraft gesetzt wurden, ob es einem Kommandanten nun gefiel oder nicht. »Weitere Befehle für das Geschwa der?«, fragte Agir-Ibeth. Ich schüttelte meine düsteren Ge danken ab und konzentrierte mich wie
der auf die Panoramagalerie. Die un schuldigen Leben auf Shahana, die von den Angreifern bedroht wurden, hat ten zurzeit Vorrang vor allem anderen. Die blau abgesetzte Flotte formierte sich zu einem lang gezogenen SperrRiegel, in dein die beiden 1000-MeterSchiffe den Mittelpunkt bildeten. Eine Millitonta lang sah es so aus, als woll ten die Baylamoro unsere nächste At tacke abwarten, dann fielen ihre äuße ren Räumer völlig unerwartet nach hinten ab. Ihre beiden Schlachtschiffe deckten den Rückzug mit geballtem Sperrfeuer, bevor sie sich dem Kurs der kleineren Raumer anschlössen. Verwundert überprüfte ich unsere eigene Stärke. Inklusive der TOSOMA verfügten wir noch über achtzehn Einheiten, von denen allerdings vier mit sehr starken Energieproblemen zu kämpfen hatten. Obwohl wir zahlenmäßig im Vorteil waren, kam mir die Flucht der Bayla moro reichlich überstürzt vor. Zumal sie sich zwar vom Sonnensystem ent fernten, aber keine Anstalten machten, die Transition einzuleiten. KhemoMassai ging es wohl ähnlich. Er schaute mich an. »Dranbleiben!«, befahl ich, einem inneren Instinkt folgend. Akanara schien sein Triumphgeba ren ebenfalls vergangen zu sein. Ein dichtes Netz winziger Schweißtropfen glitzerte auf seiner Stirn, während er mit weit aufgerissenen Augen ins Leere starrte. Seine Lippen formten nur ton lose Worte, bis er aus seiner Apathie er wachte und laut aufschrie: »Da kom men noch mehr Schiffe der Baylamoro! Viel mehr!« Es waren Eingebungen wie diese, für die ich dem Jungen einen Sitz in der Zentrale eingeräumt hatte. Auch wenn seine Fähigkeit zur Präkognition mit Fehlern behaftet war, hatten seine
Warnungen uns schon oft genug vor dem Schlimmsten bewahrt. Khemo-Massai nahm seinen Ein wurf ebenfalls ernst. »Aufschließen!«, befahl er. »So dicht wie möglich an den Feind heran und ihm in die Flanke fal len!« Die eng vernetzte Kommunikation zwischen uns und den Shahano-Einheiten, von Agir-Ibeth meisterlich auf rechterhalten, sorgte dafür, dass der gesamte Verband wie eine geschlossene Einheit reagierte, als Altra die Verfol-gung aufnahm. Mit hoher Geschwin digkeit verließen wir die ursprüngliche ' Kampfzone und setzten den Baylamoro nach. Gerade noch rechtzeitig, um der Ka tastrophe zu entgehen. Ein schwerer Schlag erschütterte die TOSOMA mit solcher Wucht, dass die Andruckabsorber für einen Augen blick ausfielen. Ich wurde in meinem Kontursessel nach vorn gerissen, aber die Magnetgurte hielten mich fest an meinem Platz. Ein energetisches Knis tern erfüllte die Zentrale, als die Struk turtaster wegen der hohen Belastung durchbrannten. Akanara schrie in Panik auf, da er sich die plötzlich einwirkenden Gewal ten nicht erklären konnte. Ich ahnte dagegen, dass die ange kündigten Raumschiffe gerade in den Normalraum zurückgekehrt waren. Sie materialisierten direkt in der Kampfzone, zu der wir gerade genug Abstand gewonnen hatten, um nicht von den auftretenden Schockfronten zerrissen zu werden. »Fünfundzwanzig gegnerische Ku gelraumer lemurischen Typs«, meldete Agir-Ibeth ungerührt. »Zwei Schlacht schiffe, zehn Schlachtkreuzer und dreizehn Schwere Kreuzer. Sie stoßen keilförmig auf uns zu, während der flüchtende Verband eine Kehrtwende
einleitet. In weniger als zwanzig Se kunden stecken wir genau zwischen den Fronten.« Verdammt, durch diese Transition verschob sich das Zahlengefüge kräftig zu unserem Nachteil. Ich gruppierte unsere Schiffe zu einer geschlossenen Formation, um dem hereinbrechenden Angriff etwas von der Wucht zu neh men, aber es half nichts mehr. Der überlegenen Feuerkraft hatten wir nicht genug entgegenzusetzen. Einem unbarmherzigen Dauerbe schuss ausgesetzt, wich die TOSOMA von ihrer Position zurück. , »Wir werden vom Geschwader ge trennt!«, meldete Agir-Ibeth aufgeregt. Seine Knochenkämme glänzten vor Schweiß, und der handlange Kinnbart zitterte, als er hinzufügte: »Die DRO KAR ebenfalls.« Die Panoramagalerie bestätigte die Auswertung des Hasproners. Die DROKAR und die TOSOMA wurden von jeweils zehn Kugelrau mern bestürmt, in der festen Absicht, das Shahano-Geschwader führungslos zu machen. Unsere Feinde wussten ganz genau, was sie taten. Ihrem kon zentrierten Punktbeschuss konnte selbst ein HÜ-Schirm nicht auf Dauer widerstehen. »Beschleunigen!«, befahl ich, denn nur wenn wir den Sperr-Ring durch brechen konnten, besaßen wir eine Überlebenschance. Dank der hochwertigen TOSOMATechnik trotzten wir den zerstöreri schen Gewalten lange genug, um uns ein wenig Freiraum zu verschaffen. Für die DROKAR sah es dagegen schlecht aus. Per rote Energiemantel, der sie schützend umgab, erhielt erste Struk turrisse und brach schließlich völlig zusammen. Baylamorische Impuls- und Ther-* mostrahlen konnten nun ungehindert
einschlagen. Die stählerne Hülle erzit terte unter den Treffern. Glutwolken stiegen in Höhe des Ringwulstes auf, als einige Triebwerke zerbarsten. Trümmerstücke wirbelten durch die Leere des Alls. / Ihres Antriebs beraubt, konnte die DROKAR nicht einmal mehr manö vrieren. Nur noch von der Restge schwindigkeit angetrieben, flog sie in schnurgerader Linie davon. Für die Kanonen der Baylamoro war es daher ein Leichtes, das Flaggschiff zu erledigen. Wenn kein Wunder ge schah, war der Untergang vorprogram miert. Natürlich wollten-wir dem hilflosen Raumer gern zu Hilfe eilen, aber dazu mussten wir erst einmal der eigenen Vernichtung entgehen. Trotz unserer bedrohlichen Lage galten meine Ge danken ganz und gar der DROKAR, de-r ren Besatzung sich auf das Schlimmste gefasst machen musste. Wer wohl diese Männer und Frauen waren, die dort um ihr nacktes Überle ben kämpften? Ob auch nur einer von ihnen zuvor geahnt haben mochte, wie dicht ihr Ende bevorstand? 5. Flaggschiff DROKAR Siebenundzwanzig Stunden zuvor
Ratner Aureus Sollio, Kommandant der DROKAR, schien weniger über das Wachvergehen empört zu sein als über die Tatsache, dass er damit behelligt wurde. Mit gerunzelter Stirn blickte er von seinem Arbeitspult auf, als Ka luna, Larina und Shat in das kleine Dienstzimmer traten. Sobald er über den Vorfall in Kenntnis gesetzt worden war, rief Sollio einige Daten vom Ter minal ab. Danach hob er seine Hände ein Stück an und presste die Kuppen
cler gespreizten Finger in einer nach denklichen Geste gegeneinander. »Das ist eine ernste Lage, in die ihr euch da manövriert habt«, wandte sich der Kommandant an Shat und Larina. »Ein Raumschiff wie die DROKAB funktioniert nur, wenn sich alle Besat zungsmitglieder an gewisse Regeln halten- Wie ihr die Freizeit verbringt, ist natürlich allein eure Sache ...«, Kommandant Sollio gestattete sich ein dezentes Lächeln,»... aber während der Dienstzeit muss die Gemeinschaft hundertprozentig auf jeden Einzelnen zählen können, verstanden?« Ehe Shat Gelegenheit bekam, den Zerknirschten zu mimen, riss Kaluna das Gespräch an sich. »Diese ver dammten Brodaler sind doch völlig un fähig, den Ernst der Lage einzuschät zen!«, polterte er los. »In der HoloKammer herumballern, Drogen konsu mieren und wilde Partys feiern, mehr haben die alle nicht im Kopf!« Sollio hob seine rechte Hand in einer abwehrenden Bewegung. Es war nur eine kurze Geste, aber sie genügte, um Kaluna augenblicklich verstummen zu lassen. Nachdem die Hierarchie wie derhergestellt war, nahm er den verlo renen Faden erneut auf. »Eure Übungsergebnisse sind wirk lich ausgezeichnet«, lobte er Shat und Larina. »Die Flotte weiß den qualitati ven Zuwachs an Landungskräften sehr wohl zu schätzen, das könnt ihr mir glauben. Aber ihr müsst auch begrei fen, dass die DROKAR das Flaggschiff des lamaniums ist und keine Übungs anlage, die ihr mit euren Freunden zum Broden gemietet habt. Im Ernstfall ist die Flotte der einzige Schutz, der un sere Heimatwelten vor dem völligen Untergang bewahren kann. Da können wir keine Außeneinheiten brauchen, die zuerst ihren BaaZ-Rausch ausschla fen müssen.«
Shat hätte gern erwähnt, dass er seit der Rekrutierung kein Baal mehr nahm, aber die Pause, die der Kom mandant machte, war nicht lange ge nug, um den Einwand vorzubringen. »Leider bin ich gezwungen, ein Dis ziplinarverfahren gegen euch einzulei ten.« Sollio zog ein betrübtes Gesicht, als fiele ihm der Schritt wirklich schwer. Kommandanten mussten wohl ein gerüttelt Maß an schauspieleri schem Talent besitzen, um in ihrer Po sition zu bestehen. Seine nächsten Sätze galten bereits dem offiziellen Protokoll, das mittels eines Akustik felds aufgezeichnet wurde: »Innerhalb der nächsten zwei Tagesschichten tritt ein Militärgericht zusammen, das den Fall behandeln wird. Ratner Nermoy sitzt bis dahin ein. Da Trog Kenin dienstfrei hatte, liegt in ihrem Fall nur ein minderschweres Vergehen vor. Darum lasse ich es für sie bei einem Ausgangsverbot nach Dienstende be wenden.« Mit einem routinierten Tas tendruck rief Sollio zwei Angehörige der internen Sicherheit herein. Shat war überrascht, dass er weder seine Sicht der Dinge schildern noch eine Entschuldigung vorbringen durfte. Nach genauerer Überlegung begriff er allerdings, dass sich der Kommandant überhaupt nicht für sol che Kleinigkeiten interessierte. Wie dieser Fall ausging, war einzig und al lein Angelegenheit des zuständigen Disziplinarausschusses. Kurz bevor er von den Wachen in die Mitte genommen wurde, nutzte Shat die Gelegenheit, um Larina aufmun ternd zuzuzwinkern. Ein paar Tage Haft waren nichts, was ihn wirklich schreckte. Die Trog antwortete mit der Andeutung eines Lächelns. Mehr nah men sich beide nicht heraus, trotzdem vertrat Kaluna ihm wütend den Weg. Die steinerne Miene, die nur mühsam
seine wahren Gefühle verbarg, mochte das Letzte gewesen sein, was mancher Gegner (des Ratneron zu Lebzeiten ge sehen hatte. Statt die Waffe aus dem Hüftholster zu ziehen, ließ er es jedoch bei einer Drohung bewenden. »Glaub bloß nicht, dass du diesmal so leicht davonkommst«, warnte er Shat. »Ich habe Mittel und Wege, dir die Extravaganzen auszutreiben.« Die Drohung machte Shat mit aller Deutlichkeit bewusst, das sein Dienst nie wieder in den bisher gewohnten Bahnen verlaufen würde. Ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken. Be vor ihm auch noch die Beine versagen konnten, folgte er schnell den Wachen, die ihn nach draußen führten. Die beiden Trogs stellten keine Fra gen nach seinem Vergehen, sondern es kortierten ihn schweigend in den zwanzig Decks tiefer liegenden Bun ker, einen sechseckigen Raum, an des sen Seiten sich zwei mal drei Meter große Zellen anschlössen, die zur Mitte hin offen standen. Nach einer kurzen Leibesvisitation, die von einem ma schinellen Scan abgeschlossen wurde, verfrachteten sie ihn in die nächstlie gende Zelle und aktivierten ein Prall feld, das die offene Vorderfront versie gelte. Dass Shat der einzige Gefangene war, machte die Angelegenheit nur noch bedrückender. Einen nüchternen Abschiedsgruß, mehr bekam er nicht zu hören, als ihn die Wachen verließen. Sobald er alleine war, drohten Tränen seine Augen zu füllen, aber er kämpfte sie mühsam nieder. Alles, bloß nicht heulen wie ein kleines Kind! Diese Blöße wollte er sich angesichts der automatischen Überwachungsoptiken nicht geben. Ich habe Mittel und Wege, dir die Ex travaganzen auszutreiben! Kalunas Worte hämmerten ununter
brochen in sein Bewusstsein. Was der Ausbilder wohl mit dieser Drohung an deuten wollte? Zitternd ließ er sich auf der stähler nen Pritsche nieder. Neben dem Hygie nesitz der einzige Gegenstand in der Zelle. Die Hände fest um die Schultern geschlungen, versuchte Shat ein wenig Schlaf zu finden, aber es gelang einfach nicht. »Blöder Idiot«, murmelte er verzwei felt. »Wie kann man sich nur selbst der maßen in die Scheiße reiten?« Was sollte jetzt bloß werden? Er wusste es nicht. Früher, als Brodaler, hatte er tun und lassen können, was ihm beliebte. Das Geld seiner Eltern und die* sportliche Popularität hatten ihm jede erdenkliche Freiheit garan tiert. Nun war er Teil des Militärs, ei ner Gesellschaft, die nach eigenen Re geln funktionierte. Regeln, die ihm im mer noch fremd waren. Unversehens plagten Shat - zum ersten Mal, seit er zurückdenken konnte - echte Zu kunftsängste. Und das, obwohl er nicht einmal an satzweise ahnte, wie schlimm es noch werden sollte. *
Kommandant Sollio suchte seine mit silberglänzenden Schulterstücken be setzte Uniform nach imaginären, Staubkörnern ab, während Ratneron Kaluna darauf wartete, endlich aus dem Dienstzimmer entlassen zu wer den. Die beiden Offiziere standen einan der nicht sonderlich nahe, obwohl sie seit fünf Jahren auf dem gleichen Schiff dienten. Außerhalb der Dienst zeit gab es zwischen ihnen kaum Kon takte, aber sie respektierten sich ge genseitig als Fachleute auf ihrem Ge biet, die Hand in Hand arbeiteten. Zu
mindest so weit, wie es das natürliche Spannungsfeld zwischen fliegendem Personal und Landetruppen zuließ. Beide kannten einander gut genug, um zu wissen, dass es wegen des Zwi schenfalls noch einigen Klärungsbe darf gab. Nachdem Sollio von der ma kellosen Reinheit seiner Kleidung überzeugt war, sah er endlich in die Höhe, Seine Lippen zeigten ein unver fängliches Lächeln, aber die beiden stahlblauen Augen, die den hervor springenden Nasenrücken flankierten, glänzten so hart wie polierte Glasku geln. * »Bist du vielleicht etwas nervöser als sonst, Ratneron?« Für einen zufälligen Zuhörer mochte das wie eine unver fängliche Frage klingen, aber so, wie der Dienstgrad am Ende des Satzes be tont wurde, machte Sollio unmissver ständlich deutlich, dass er als Vorge setzter sprach. »Früher hättest du so eine Bagatelle innerhalb deiner Einheit gelöst, wenn nicht völlig unter den Tisch gekehrt.« Kaluna versuchte sich an einem aus druckslosen Gesicht, das leidlich gut gelang. Nur die rechte Schläfenader, die deutlich unter der Haut hervortrat, verriet, wie sehr ihn der Tadel des Kommandanten ärgerte. »Bagatelle? Du heißt diese Art von Wachvergehen also gut,Ratner?« »Natürlich nicht.« Der Komman dant ließ den Vorwurf lächelnd, an sich abprallen. »Ich stelle lediglich fest, dass wir uns nicht im Alafmzustand befinden, es sich bei dem KleinwaffenDepot um keinen wirklich neuralgi schen Punkt handelt und Ratner Ner moy für diesen unplanmäßigen Dienst absolut überqualifiziert war.« Mit süf fisantem Lächeln ließ er die Aufzäh lung eine Weile im Raum stehen, bevor er hinzufügte: »Außerdem weiß ich aus den Akten, dass du in jungen Jahren
selbst gern die Vorschriften außer Acht gelassen hast.« »Für meinen Leichtsinn musste ich auf Shagdul Fünf teuer bezahlen«, ent gegnete Kaluna, während er wie zufäl lig über die Narben seines Gesichts strich. »Meinen Untergebenen würde ich gern ein ähnliches Fiasko ersparen. Und da liegt auch schon das Problem,» vor dem die DROKAR steht. Ein großer Teil der Neuzugänge ist viel zu undis zipliniert, um sich sinnvoll auf den Ernstfall vorzubereiten. Ratner Ner moy ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Brodaler halten ihre Ausbildung für ei nen Riesenspaß!« »Zum Glück, kann man da nur sa gen!« Sollio schenkte dem empört dreinblickenden Offizier ein entwaff nendes Lächeln. »Vergessen wir Mejber nicht, wie unpopulär der Flottendienst noch vor kurzem gewesen ist, Mit ihrer Imagekampagne in Kampfzone hat die Pressekompanie allerdings gute Arbeit geleistet. Die, Broda-Liga erweist sich als wahre Fundgrube für unsere Trup pen, und die Holo-Generatorkammer ist der Köder, mit dem wir die besten Spieler des Shah'tama'n in unseren Dienst locken. Das ist eine ganz neue Qualität an Kampfkraft, die den Trup pen zugute kommt.« Sollio deutete vol ler Begeisterung auf sein Terminal. »Und damit das so bleibt, müssen wir die Truppenvorschriften eine Zeit lang lockern, bis sich unsere Wunderkinder eingewöhnt haben.« Hatte der Kommandant bis dahin wie ein gütiger Vater gesprochen, ge wann seine Stimme nun übergangslos an Schärfe. »Sollte sich Ratner Nermoy also noch einmal eines so lapidaren Dienstvergehens schuldig machen wie heute Abend, ruf nicht gleich wieder die offiziellen Instanzen an. Sperr ihn lieber für eine Woche vom Holo-'Erai*ning aus. Du wirst sehen, danach fres
sen dir die ganzen Adrenalinjunkies deren, gleichwertigen Posten für dich.« aus der Hand. Was wir dagegen auf kei Sekundenlang erschien Kaluna wie nen Fall brauchen können, ist ein un erstarrt/ dann deutete er ein leichtes ehrenhaft entlassener Ratner, der zur Kopfschütteln an. »Eine Ablösung ist besten Sendezeit darüber jammert, wie nicht nötig«, bekräftigte er mit brüchi öde, streng und reglementiert der Flot ger Stimme. »Ich habe die Lage in mei tendienst ist. Ich hoffe, wir sind uns ei ner Truppe völlig im Griff.« nig.« , , »Phantastisch.« Sollios Mundwinkel »Ich zweifle den höheren Kampf wert formten übergangslos das freundlichs der Brodaler entschieden an!«, be te Lächeln des ganzen Tamaniums. gehrte Kaluna wider besseres Wissen »Dann sind ja alle Probleme aus der auf. »Niemand weiß, wie diese naiven Welt geschafft. Und nicht verges Kindsköpfe reagieren, wenn es wirk sen ...«, er deutete mit dem Zeigefinger lich zum Gefecht kommt.« auf Kaluna, »... in fünf Tagen präsen »Das weiß man bei keinem Soldaten, tieren wir unsere RestruKturierungs bis er den ersten Toten sieht«, sagte zahlen in Anwesenheit der Tamrätin.. Kommandant Sollio beschwichtigend. Das ist auch deine große Stunde! Sollte »Niemand, der den Krieg nicht selbst mich niclvt wundern, wenn bald eine erlebt hat, kann sich vorstellen, wie es Beförderung ansteht. Jetzt, da uns die ist. So ist es dir und mir ergangen, und Brodaler so gute Popularitätswerte für die Brodaler wird es irgendwann einbringen.« dasselbe böse Erwachen geben".« Kaluna nickte nur schwach und ver Obwohl Sollio nur ausgesprochen sicherte erst auf Nachfrage des Kom hatte, was sie beide wussten, begann mandanten, dass er an dem Treffen teil die Ader an Kalunas Schläfe plötzlich nehmen würde. Danach meldete er sich unkontrolliert zu zucken. Seine dunkle vorschriftsmäßig ab und verließ das Stimme klang jedoch völlig teilnahms Dienstzimmer. los, als er entgegnete: »Ich möchte nur, Geschlagen, gedemütigt und seiner dass meine Untergebenen möglichst Ehre beraubt. gut auf den Ernstfall vorbereitet sind. Seit Shagdul V hatte er keine derar Damit der Preis, den sie einmal zahlen tige Niederlage mehr hinnehmen müs müssen, nicht so hoch wirld wie auf sen. Shagdul Fünf.« »Aber selbstverständlich«, pflichtete * Sollio bei. »Wir alle kennen deine Mo tivation und schätzen dich dafür. Es er Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA wartet auch niemand, dass ein Kriegs held wie du gegen seine Überzeugung Die feindlichen Kugelraumer zogen handelt.« Sollio legte eine bedeutungs Deinen engen Ring um die DROKAR, volle Pause ein, in der die Spannung, aber der vernichtende Schlag blieb die zwischen den Männern lastete, bei aus. Statt das Flaggschiff durch mas nahe zu knistern begann. Dann fuhr er sive Energieeinwirkung zu zermal mit gnadenloser Schärfe fort: »Die men, sandten sie nur wohl dosierte Na Raumflotte ist groß,*Ra£neron. Wenn du delstiche aus, die zwar Bewaffnung dich den Anforderungen als Ausbilder und Antrieb ausschalteten, die Stabi nicht mehr gewachsen fühlst, findet lität der Hülle aber nahezu unangetas das Flottenkommando sicher einen an tet ließen.
Was mochte nur hinter dieser neuen Strategie der Zurückhaltung stecken? Ich wusste es nicht, und ich hatte auch keine Zeit, mir darüber Gedan ken zu machen, denn der Gegner saß uns weiter fest im Nacken. Nicht ein mal der Virtuellbildner verschaffte uns einen Aufschub. Die Besatzung der TOSOMA gab trotzdem ihr Bestes. Altra da Orbanaschol, mein Paten sohn, hoch kompetent und reaktions schnell, flog ein waghalsiges Aus weichmanöver nach dem anderen. Da bei bestrichen die Doppellafetten der Transformkanonen unsere Verfolger unentwegt mit schweren Salven, die ihre Schirme erbeben Keßen. Ein Leichter Kreuzer zerplatzte in glühen den Eruptionen, während die großen Feindraumer trotz Altras gewagter Manöver in Waffenreichweite blieben und uns mit ihren Gegenpol-Kanonen zu bepflastern versuchten. Mein Logiksektor meldete: Die Bay lamoro wollen die DROKAR entern. Erschrocken blickte ich auf einen Bildschirm rechts von mir. Was ich sah, bestätigte die Worte meines inneren Selbst. Während sechs Feindraumer das treibende Flaggschiff der shaha noischen Flotte abschirmten, schleus ten die übrigen vier ihre Beiboote aus, die in einem unablässigen Strom der DROKAR entgegenstrebten. Wozu soll das gut sein?, fragte ich. An Bord des Flaggschiffs gibt es viele nützliche Daten. Wenn es den Bayla moro gelingt, den Bordrechner auszu bauen, stehen ihnen sämtliche Infor mationen zur Verfugung, die sie zur Er oberung von Shahana benötigen. Alarmiert sah ich zu dem Hasproner hinüber. »Funkspruch ans Geschwa der«, wies ich ihn an. »Jeder, der dazu in der Lage ist, muss der DROKAR zur Hilfe eilen.« Umgehend erfolgte die Antwort.
•Niemand konnte dem Flaggschiff bei stehen. Alle hatten genug mit sich sei- . ber zu tun. Agir-Ibeths braune Kno chenkämme traten deutlich zwischen dem zotteligen Fell hervor, das seinen faunartigen Schädel bedeckte, als er hinzufügte: »Noch immer keine Ver stärkung von Shahana zu orten.« Ich reagierte nicht auf seine Bemer kung. Wozu auch? Wir wussten alle, dass wir nur überleben konnten, wenn wir diesen Kampf alleine gewannen. Nur wie? Der Feind musste schleunigst geschwächt werden, sonst war alles verloren. Knapp achtzig Prozent der Beiboote haben inzwischen an der DROKAR an gedockt, teilte mir der Extrasinn mit. Die Enterkommandos gehen an Bord. Es klang fast wie ein Todesurteil. Und das war es wohl auch. Bei solchen Nahkämpfen, in denen um jeden ein zelnen Korridor gerungen wurde, ging es immer sehr urtümlich zu. Barmher zigkeit wurde in aller Regel weder er wartet noch gewährt. Jetzt mochte ich wirklich nicht in der Haut der Besatzung stecken, dachte ich. Ratner Sollio ist auf jeden einzel nen seiner Männer angewiesen. 6.
Gesprengte Ketten Flaggschiff DROKAR 28. Februar 1225 NGZ, nach Mitternacht Als Shat aus dem Schlaf hoch schreckte, brauchte er einen Moment, um zu begreifen, was ihn gerade ge weckt hatte. Ein durchdringender Heulton erfüllte draußen den Korridor. Gefechtsalarm! Und dazwischen eine Stimme, die laufend wiederholte: »Achtung, dies ist keine Übung! Eine unbekannte Flotte dringt in unseren
Sektor ein. Alles auf Gefechtsstation! Freundet dachte er grimmig. So schnell mache ich mich nicht nmss. Achtung, dies ist keine Übung!« Obwohl Shat inzwischen überzeugt Krächzend richtete er sich auf der Stahlliege auf. Was Shat da hörte, war, dass Kaluna ihn nur loppen wollte ihm nicht recht in den Sinn. Eine wollte, blieben seine Nerven zum Zer feindliche Flotte auf Angriffskurs? Das reißen gespannt. Er versuchte sich ein durfte doch nicht wahr sein! Ausge zureden, dass alles gleich wieder vorbei rechnet jetzt, da er hilflos im Bunker' sein würde, als ein kurzes, aber heftiges saß. Beben die DROKAR erschütterte. Draußen auf dem Korridor erklan*Gut, das war's! Einen Treffer gegen gen vorbeihastende Schritte. Gleich das doppelt gestaffelte Halbraumfeld zeitig wurde das Schiff von einer sanf konnte selbst Kaluna nicht für ihn in ten Vibration erfasst, die auf eine Leis szenieren. Draußen gab es tatsächlich tungserhöhung der achtzehn Ring- ein Gefecht! Shat begann wie wild in die Überwa wulst-Triebwerke schließen ließ. Es wurde tatsächlich ernst. Oder doch chungsoptik zu winken, in der vagen Hoffnung, dass die' Sicherheitskräfte nicht? Ich habe Mittel und Wege, dir die Ex jemanden vorbeischicken würden, der travaganzen auszutreiben! Kalunas ihn aus der Gefangenschaft entließ, als Drohung, die noch in seinen Ohren eine Welle weiterer Beben das Schiff dröhnte, erhielt plötzlich eine vollkom erschütterte. men neue Bedeutung. Wenn er das Krachen, das sich als Wollte ihm der Kerl vielleicht eins dumpfer Laut durch Wände und Den auswischen, indem er ein reales Ge ken fortpflanzte, richtig interpretierte, fecht simulierte? Nur um zu beweisen, explodierten da gerade einige Trieb dass den Brodalern im Ernstfall die werke. Gleichzeitig meinte er das Nerven so sehr flatterten, dass sie kei Wummern von abgeschossenen Tbrpe-» nen zielgerichteten Schuss mehr abge dos zu hören. ben konnten? Aber stimmte das auch wirklich? Zuzutrauen war es dem Schleifer si Trotz aller Aufregung war er einige {Stunden zuvor vom Schlaf übermannt cherlich. Shat sah zur Überwachungsoptik worden. Äußerst verdächtig! Vielleicht empor. Womöglich zeichnete man so hatte man ihn ja nur betäubt, um ihn eben seine Reaktionen auf, um sie spä unbemerkt in die Holo-Generatorter in großer Runde zu analysieren. Es kammer zu schaffen? Eine Arrestzelle war zwar nur eine wahnwitzige Theo nachzubilden konnte doch kein großes rie, aber letztlich auch nicht unwahr Problem für die Servicetechniker sein. scheinlicher, als dass gerade in dem Die Beben erfolgten nun in regelmä Augenblick eine Raumschlacht ent ßigen Abständen. Das Licht im Vor brannte, wenn er in Arrest saß. Eine auf raum begann zu flackern, stabilisierte den Korridor begrenzte Durchsage und sich jedoch wieder. Natürlich, wie sollte man auch sonst einige Veteranen, die draußen hin und her trampelten; mehr brauchte es doch seine Panik in Großaufnahme abspei nicht, um so eine Vorstellung auszu chern? Aber was wollte Kaluna damit hecken. schon beweisen? Hier, hilflos in der Nervös wischte er sich den perlenden Zelle, hätte doch jeder Todesangst ver Schweiß von der Stirn. Nicht mit mir, spürt. Mit «inem Nacüer oder^Desinte-
grator in der Hand sah die W<elt dage gen ganz anders aus, dachte er und zwang sich, ruhig und kontrolliert zu atmen. Ob der Angriff nun real war oder nicht, sich aufzuregen hatte kei nen Zweck. Seine Finger um die stählerne Liege flache gekrampft, lauschte er, was sich in den Weiten des Kugelraumers an geblich abspielte. Anhand der zuneh menden Erschütterungen konnte er ge nau verfolgen, wie das Halbraumfeld unter dem harten Beschuss kollabierte und weitere Triebwerke zerbarsten. Selbst das Andocken der feindlichen Enterschiffe verursachte ein metalli sches Knarren, das bis zum Bunker drang. Typisches Kampfszenario für Bo dentruppen, kombinierte er erleich tert. In Wirklichkeit würde uns der Gegner doch einfach zusammenschie ßen. Von neuer Hoffnung erfüllt, trat Shat an den Energieschirm, der ein Verlas sen der Zelle verhinderte. Seine Blick suchte die Optiken im Vorraum.. »Ist da wer?«, fragte er laut. »Ich habe euer Spiel durchschaut, ihr könnt aufhören.« Statt einer Antwort erklangen nur weitere Durchsagen aus dem Korridor. Besatzungsmitglieder wurden in ihre Verfügungsräume befohlen, verlorene Sektoren gemeldet und neue Verteidi gungslinien ausgerufen. Dazwischen immer wieder Stimmengewirr, das von vielfachem Laufschritt durchbrochen wurde. Aber niemand hielt an, um Shat aus der dämmrigen Enge seiner Zelle zu befreien. »Holt mich endlich hier raus!«, brüllte er wütend. »Qebt mir einen Kombistrahler in die Hand, damit ich euch zeigen kann, wozu ich fähig bin!« Natürlich wurde er nicht erhört. Dazu war der Lärmpegel auf dem Kor
ridor zu groß - oder das Szenario sah keine Rettung vor. Shat wusste einfach nicht mehr, was er noch glauben sollte. Er wollte nur noch eins: raus, um selbst nachzusehen, was Sache war. Wider besseres Wissen versuchte er das Prallfeld mit bloßen Händen zu durchbrechen. Alles, was er damit er reichte, war ein unangenehmes Krab beln, das seine Nervenbahnen durch flutete, bis der unsichtbare Widerstand schlagartig anwuchs und ihn zurück stieß wie einen entgegengesetzt gepol ten Magneten. Shat spürte-einen harten Schlag, als er mit der rechten Schulter gegen die Rückwand geschleudert wurde. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er über die geprellte Stelle. Verdammt, in über fünfzig Trainingseinheiten hatte er nicht so viele Blessuren davongetra gen wie in den letzten Minuten. »Übung abbrechen!«, verlangte er erbost, aber niemand reagierte darauf. Selbst die Durchsagen verstummten nach und nach, bis eine unheimliche Stille aufkam. Irgendwie war das noch viel schlimmer als der Gefechtslärm, der zuvor getobt hatte. Ob die DROKAR tatsächlich geen tert worden war? Shat blieb nichts anderes übrig, als sich wieder auf der Liege niederzulas sen. Doch die Ungewissheit zerrte an seinen Nerven, Heftig atmend sprang er auf und rannte von einer Zellen wand zur anderen. Da die Entfernung jedes Mal mit vier Schritten durchmes sen war, schlug er wütend gegen die Kunststoffverkleidung, bevor er den Rückweg antrat. Abwechselnd ver langte er brüllend oder bettelnd, dass man ihn endlich freilassen möge. ' Nichts dergleichen geschah. Das machte Shat stutzig. Wenn man ihn wirklich in die Holo-Kammer ver frachtet hatte, musste es dann Kaluna
und den anderen nicht langweilig wer den? Nun, da er ruhig stand, glaubte er wieder Schritte zu hören. Langsamer diesmal, überlegter, als wären nur we nige Personen unterwegs. Shat rief er neut um Hilfe, auch auf die Gefahr hin, damit den Feind herbeizulocken. Diesmal wurden seine Worte erhört. Zischend fuhr das Korridorschott zur Seite. Shat ballte vor Aufregung seine Hände, Alles in ihm betete darum, dass Kaluna -mit höhnischem Grinsen ein treten möge, um die Übung für beendet zu erklären. Stattdessen füllten zwei Lemurer in geschlossenen Raum kampfanzügen die Öffnung aus. Den Abzeichen nach gehörten sie dem Reich Baylamor an. Shat wusste erst nicht, wafe er davon halten sollte. Soweit er wusste, konn ten die Holo-Techniker nur Schwarze Bestien als Gegner generieren. Waren die beiden Kerle also echt, oder hatte Kaluna einige feindliche Uniformen aus der Asservatenkammer besorgt, um das hinterhältige Spiel noch weiter zu treiben? Seiner Hoffnung folgend, entschied sich Shat für die zweite Va riante. Wütend trat er gegen die Zel lenwand und forderte barsch: »Los, holt mich endlich hier raus, ihr Voll trottel!« Die beiden Raumsoldaten wechsel ten einen kurzen Blick miteinander, den kein Fremder zu deuten ver mochte. Dann legte einer von ihnen auf Shat an, während der andere ans Kon trollpult trat und mit seinen behand schuhten Fingern über die Armaturen glitt. Die Bedienung war offensichtlich ein Kinderspiel. Das Summen des Ge*neratorö erstarb, und der zweite Soldat feuerte in das zusammenbrechende Prallfeld hinein. Gleichzeitig klappte Shat mit dem Oberkörper nach vorn und hechtete in
den Voryaum. Er wusste selbst nicht, warum er so reagierte, obwohl er über zeugt war, in einem virtuellen Szenario zu stecken. Er reagierte einfach aus ei nem Reflex heraus, ohne sagen zu kön nen, ob der Energiestrahl, der nun über ihn hinwegjagte, real war oder nicht. Die Wucht, mit der er auf den Boden schlug, war jedenfalls keine Illusion. Den Schmerz ignorierend, sprang er wieder in die Höhe, auch wenn sein Gegner nur den Arm schwenken muss te, um ihm mit einem zweiten Schuss endgültig den Garaus zu machen. Das Abstrahlfeld glotzte Shat be reits wie ein kaltes Auge an, als er sich vorwärts wuchtete. Keine Ch'ance mehr, die Waffe noch rechtzeitig bei seite zu schlagen. Gleich würde er wis sen, ob seine Auflösung auf molekula rer Ebene nur durch ein holografisches Energiefeld simuliert wurde oder nicht. Falls es sich wirklich um ein Szena rio handelte, bewies er Kaluna wenigs tens, dass er bis zum Letzten kämpfen würde. Und falls nicht, war sowieso al les egal. Eine dumpfe Detonation ließ Shats Gedankengebilde wie eine Blase zer platzenw Noch bevor sein Gegner ab drücken konnte, explodierte dessen Unterarm. Bereits einen Sekunden bruchteil später hämmerte etwas mit großer Wucht gegen die Brust des Sol daten. Eine Mischung aus Entsetzen und ungläubigem Staunen zeichnete sich unter dem Visier seines Raumhel mes ab, als er zu Boden ging. Sein Kamerad versuchte noch, den explosiven Mikronadeln auszuwei chen, die plötzlich die Luft erfüllten, aber zwei blutige Knospen, die auf sei nem Anzug erblühten, ließen ihn eben falls in der Bewegung erstarren. Wie in Zeitlupe kippten beide Bay lamoro nach hinten weg und schlugen
beinahe synchron zu Boden. Shat spürte einige warme, klebrige Spritzer auf seinem Gesicht. Wenn es sich um holografische Felder handelte, waren sie von erstaunlich guter Qualität. Ungläubig drehte er sich zu seinem Retter um, der mit ausgestreckter Waffe im Schott stand. Craso! »Alles in Ordnung mit .dir?«, fragte sein alter Freund, der den Nadler auf die am Boden liegenden Soldaten schwenkte und vorsichtig näher trat. »Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte, aber das war gar nicht so ein fach. Überall auf dem Schiff wird ge kämpft,« Von den Angeschossenen ging keine Gefahr mehr aus. Die Atemluft, die aus ihren zerrissenen Anzügen entwich, schlug blutige Blasen auf den dunklen Lachen, die sich unter ihren Körpern ausbreiteten. Shat wollte etwas sagen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Er musste sich erst räuspern, bevor die Stimm bänder ihm wieder gehorchten. »So ein Zufall, dass du gerade recht zeitig gekommen bist, um das Ende rioch weiter hinauszuzögern«, würgte er endlich hervor. »Das nennt man Glück, was?« Craso strahlte ihn an wie nach einem gewon nenen Match. »Los, schnapp dir eine Waffe! Es gibt jede Menge zu tun.« Shat rührte sich keinen Millimeter von der Stelle. »Reicht es nicht, dass du mir den Arrest eingebrockt hast?«, fragte er verächtlich. »Musst du Ka luna auch noch helfen, diese Scharade zu verlängern?« Das Lächeln seines Kameraden er starb. »Wie bitte? Was soll das denn heißen?« »Ich weiß, was hier läuft«, behaup tete Shat. »Das ist ein Holo-Szenario, um mich zu disziplinieren. Die Techni
ker mögen inzwischen Lemurer als Gegner generieren können, aber sicher keine exakten Kopien aus dem realen Leben.« Anklagend deutete er mit dem blanken Finger auf sein Gegenüber. »Du musst also echt sein.« Seine Hoffnung, dass Craso - derart mit der Wahrheit konfrontiert - alles gestehen würde, ging in einer schallen den Ohrfeige unter. Shat sah den Schlag nicht einmal kommen. Er spürte nur das höllische. Brennen auf seiner linken Wange, als der Kopf zur Seite geschleudert wurde. »Komm zu dir!«, herrschte ihn sein Freund an. »Egal, was für eine Theorie du dir da zurechtgesponnen hast, wir stehen mit beiden Beinen in der Reali tät. Fünfzig Schiffe von Baylamor'taman sind in unser System eingedrun gen, und wie es scheint, haben sie es speziell auf die DROKAR abgesehen. Unser Streit ist völlig nebensächlich, solange da draußen unsere Freunde sterben. Reiß dich also gefälligst zu sammen!« Bei den letzten Worten entwand er einem der Toten den Desintegrator und drückte ihn Shat grob in die Hand. »Los, komm mit«, schnauzte Craso weiter, »oder lass es bleiben! Ich habe jedenfalls meine Schuld erfüllt.« Der verletzte Ausdruck in seinen Augen war echt, aber vielleicht ärgerte er sich auch nur, dass er so schnell durch schaut worden war. Als Craso sich umwandte und mit großen Schritten- den Bunker verließ, zielte Shat auf seinen Rücken, wagte aber nicht abzudrücken. Falls er sich irrte und der Desintegrator echt war, würde ihn die Salve zum Mörder ma chen. Dieses Risiko konnte er nicht ein gehen. Seinen aufkeimenden Zorn unter drückend, schloss er sich Craso an. Ob es ihm gefiel oder nicht: Bis absolute
Gewissheit herrschte, musste Shat das böse Spiel mitmachen. *
Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA Mein Blick ruhte auf der Panorama galerie. Sie zeigte die Kaperung der DROKAR. Das Flaggschiff der shaha noischen Flotte war von einem Ring feindlicher Kugelraumer umgeben, ge gen den wir nichts ausrichten konnten. »Kaum zu glauben, dass wir von der Bevölkerung Braangons jetzt erst er fahren, nicht wahr?«, murmelte Altra da Orbanaschol. Er hatte die TOSOMA gerade außer Schussweite der feindli ehen Einheiten gebracht und über prüfte nun mit einer Seelenruhe, als stünden wir nicht mitten in einer Schlacht, den Zustand unseres Schif fes. Khemo-Massai, der ebenfalls einen Routinecheck vornahm, antwortete automatisch: »Die Kleinreiche, die wir hier vorgefunden haben, verwenden zwar Transitionstriebwerke, aber ihre Posltroniken sind speziell auf die herr schenden Bedingungen ausgelegt. Ihre Transitionsreichweite liegt pro Einzel sprung bei höchstens drei bis fünf Lichtjahren, und die Speicherenergie reicht nur für eine begrenzte Sprung anzahl aus. Deshalb bleibt unsere Milchstraße für sie in gewisser Weise unerreichbar.« Er musste sich darüber schon vor ei niger Zeit Gedanken gemacht haben, sonst hätte es nicht so heruntergeleiert geklungen. Die Frage lag ja auch auf der Hand, da sehr viele Völker in die sem Sternhaufen übet eine hoch ent wickelte Raumfahrt verfügten. Und Arkon befand sich nur 40.000 Licht jahre von Omega Centauri entfernt. Vergiss nicht, raunte mein Extra
sinn, dass man innerhalb von Braan gon, wie wir Arkoniden diesen Stern haufen nennen, im Verlauf der Jahrtau sende »Transitionsrouten« ermittelt hat. Auf ihnen ist die Wahrscheinlich keit sich öffnender Lücken größer als im übrigen Sternhaufen, um nicht zu sagen hundert Prozent, Raumfahrt hat sich hier immer auf die als »ruhige En klaven« umschriebenen Zonen be schränkt. Wir Arkoniden? Ich stutzte über die Zurechtweisung dafür, dass ich die ter ranische Bezeichnung des Sternhau fens gewählt hatte. Seit wann fühlte sich mein Dialogpartner einer be stimmten Nationalität zugehörig?' Eine Erschütterung lief durch die ge samte Zentrale. Völlig unvorhergesehen und ent sprechend beängstigend. Es war eine dumpfe, tief schwingende Vibration, die bis in den Magen fuhr. Einige Meter entfernt ertönte ein lauter Knall, dem eine Kaskade zischender Geräusche folgte. Beißend dunkler Qualm, der aus einem Terminal aufstieg, markierte die Stelle, an der einige Schaltungen unter der Überlastung zusammengeschmol zen waren. »Der Zusammenbruch der Schutz schirmstaffeln droht«, meldete sich der Leiter der Schiffsverteidigung. »HÜ Schirm bei 125 Prozent.« Langsam wurde es brenzlig. Ein neuer Schachzug musste her. Eine Finte, die so überraschend kam, dass wir die Übermacht brechen konnten. Nur wie? Ich durchforstete mein foto grafisches Gedächtnis nach Erfahrun gen aus längst vergangenen Schlachten und stieß dabei auf etwas, das so abwe gig war, dass es vielleicht klappen konnte. »Das Thema Transitionen hat mich auf etwas gebracht«, sagte ich zu Altra, während ich meinen tollkühnen Plan
weiter ausformte. » Beschleunige! Ge schwindigkeit ist das Einzige, was uns noch helfen kann.« Narr, schimpfte mein Extrasinn. Das ist viel zu gefährlich. Uns weiter zusammenschießen zu lassen ist auch nicht gerade risikofrei, du Nationalist, hielt ich ihm entgegen und erntete darauf nur Schweigen. »Flucht?«, fragte Khemo-Massai heiser. Der Kommandant blickte mich fassungslos an. Der Schock über meine vermeintliche Feigheit musste sehr tief sitzen, denn mehr als dieses eine Wort brachte er nicht hervor. »Nein, keine Absetzbewegung«, be ruhigte ich ihn und den Rest der Mann schaft. »Wir werden quasi auf der Stelle springen. Etwas Ahnliches habe ich schon während der Auffang schlachten des Methankrieges prakti ziert. Was damals funktioniert hat, sollte uns doch heute ebenfalls gelin gen, oder?« »Das von dir vorgeschlagene Manö ver erfordert ein Maximum an Präzi sion«, gab Khemo-Massai zu beden ken. Aber ich kannte ihn gut genug, um bereits am Tonfall zu hören, dass er mit dem Plan einverstanden war. Altra bot sein ganzes fliegerisches Können auf, um den Impulssalven der Feindraumer so lange zu entkommen, wie der Kommandant und ich für die positronische Berechnung des Sprungs brauchten. Die Koordinaten lagen da für nahezu bei null, und an Energie wandten wir so wenig auf wie gerade nötig, um den Normalraum zu verlas sen. Obwohl prasselnde Impulssalven den HÜ-Schirm immer stärker an die Grenze der Belastbarkeit führten, brei tete sich in der Zentrale eine konzen trierte, Ruhe aus. Altra wählte die Flucht nach vom, was unsere Verfolger einen Augenblick lang aus dem Kon
zept brachte. Ihre Einschläge schienen zu verebben, als unsere Distanz zuein ander dahinschmolz. Genau der richtige Zeitpunkt für den berechneten Trick. »Fertig?«, fragte ich. »Fertig!«, bestätigte Altra. Jetzt gab es kein Zurück mehr. »Achtung - Sprung!« Auf der Panoramagalerie tauchte übergangslos das Grau des Hyper raums auf. Was danach folgte, lag nicht mehr in meiner Hand. Nach unserem Empfinden hielt etwas die TOSOMA an Ort und Stelle fest, und wir woEten ja auch keine echte Bewegung im Sinne eines fünfdimensionalen Koordinaten gefüges durchführen. Zumindest nicht, wenn alles nach Plan verlief. Falls wir uns allerdings verrechnet hatten, materialisierten wir womöglich weitab vom Schlachtfeld. In diesem Fall kam für die DROKAR jede Hilfe zu spät... 7. Die Nackten und die Toten . Flaggschiff DROKAR
Während sie Seite an Seite durch die Korridore eilten, gewannShat langsam die alte Sicherheit zurück. Ohne Gra vopak oder Individualschirm, nur mit der blanken Waffe in der Hand, schlich er dahin, spähte und reagierte. Fast wie in alten Zeiten. In der unte ren Broda-Liga. Die konditionierten Verhaltensmus ter halfen ihm,, einen Fuß vor den an deren zu setzen, ohne einen Gedanken an die Zerstörung zu verschwenden, die sie von allen Seiten umgab. Zwei Korridore entfernt blockierten zerfetzte Deckenplatten den Weg, Hier musste ein harter Kampf getobt haben.
Die Wände waren von Nadlergeschos sen durchlöchert worden, und dort, wo einst zwei schwere Schotten den unbe fugten Zutritt verwehrt hatten, gab es nur noch geschmolzenen Stahl. Die Folgen eines schweren Thermobe schusses. Blut klebte an den Wänden, teilweise bis hinauf zur Decke. Sie stiegen über zertrümmerten Kunststoff und Leichen hinweg. Die meisten der Toten gehörten zur Besat zung der DROKAR. »Der Angriff kam völlig überra schend«, erklärte Craso leise. »Wir hat ten nur noch Zeit, uns mit leichten Waffen einzudecken, dann standen die Baylamoro auch schon in unserem Sek tor. Mit ihrer Ausrüstung sind sie den meisten von uns überlegen. Wir müssen versuchen, zu unserem Deck zu gelan gen. Kaluna hat dort eine Verteidi gungslinie aufgebaut.« Shat war mit dem Vorschlag einver standen. Was blieb ihm auch anderes übrig? Sie eilten gerade geduckt zum Anti gravschacht, als zwei feindliche Solda ten aus dem Nebengang traten. Noch, aus der Bewegung heraus feuerte Shat auf den Vorderen der beiden, während Craso hastig in Deckung sprang. Die auf, den Punkt genau fokussierten Strahlen brachten den gegnerischen Schirm zum Flackern, konnteii ihn aber nicht auf Anhieb durchdringen. Statt den Beschuss in aller Ruhe zu erwidern, stolperte der Getroffene zu rück und feuerte erschrocken^ bevor seine Waffe richtig im Anschlag lag. Die ausgesandte Garbe schlug zwei Meter entfernt in die Wand ein und brannte dort mehrere Löcher in die Verkleidung. Shat nutzte die Zeit, um eine zweite Salve abzufeuern, die den Schirm des Soldaten weiter in Bedrängnisbrachte.
»Zieh den Kopf ein, du Idiot!«, brüllte ihm Craso zu, der endlich das gleiche Ziel anvisierte. Shat kniete nieder. Gerade noch rechtzeitig, um dem fauchenden Blitz zu entgehen, den der zweite Baylamoro abstrahlte. Der Schirm des ersten kollabierte in zwischen unter dem doppelten Be schuss. Crasos Nadler spie einen weite ren Schwärm mikrofeiner Nadeln aus, denen nur noch der Raumanzug entge genstand. Das war zu wenig. Vom, Ex plosionshagel zerrissen, brach der Mann zusammen. Shat lenkte das Feuer auf den ver bliebenen Gegner, der von ihrer hefti gen Gegenwehr so überrascht war, dass er im Schutz seines rettenden Schirms das Weite suchte. Von Jagdfieber ge packt, wollte Shat die Verfolgung auf nehmen, aber Craso hielt ihri zurück. »Das ist zu gefährlich«, warnte er. »Wir müssen zu den anderen.« Ohne weiteren Zwischenfall erreich ten sie den Gravoschacht, der sie sieben Decks höher transportierte. Eine weit aus größere Entfernung, als eine HoloKammer simulieren konnte. Flach auf ein funktionstüchtiges Laufband gepresst, ging es weiter in den blauen Sektor. Auf der vorüberzie henden Promenade brannten mehrere Feuer, deren verzehrende Flammen nicht nur im zerschlagenen Mobiliar, sondern auch in den Überall herumlie genden Toten reiche Nahrung fanden. Dichte Schwaden übel stinkenden Rauches zogen Shat entgegen, aber sol che Szenen gab es auch in den HoloKammern zu sehen und zu riechen. Es waren eher feine Nuancen, die den Unterschied zu den Trainingssze narien ausmachten. Etwa der schwere Grad der Verletzungen, die sie Überall sahen. Oder die überaus vorsichtige Weise, in der Craso plötzlich agierte.
All das gab Shat zu denken. Mit einem flauen Gefühl im Magen dämmerte ihm langsam, dass das Geschehen echt sein musste. Panikattacken, rasender Herzschlag und unkontrollierter Schweißaus bruch waren die Folge. Wenigstens nä herten sie sich dem vertrauten Sektor der Landungstruppen. Den Kopf zwischen die Schultern gezogen, sprangen beide vom Lauf band und eilten die blaue Promenade entlang. An einem zur Verteidigung er richteten Prallfeld wären sie fast er schossen worden, aber zum Glück er kannte Trog Kang noch rechtzeitig, wen er da anvisierte. Hastig schuf er eine Öffnung in der Energiebarriere und rief den hinter ihm Versammelten zu: »Die Ratner sind zurück!« Shat und Craso wurden sofort von weiteren Mitgliedern ihrer Ausbil dungsgruppe umringt. Eine gewisse Freude über das Wedersehen stand al len ins Gesicht geschrieben, aber rich tig lachen mochte niemand. Nicht ein mal Larina, die Shat sofort herbei winkte. Mit tränennassen Augen kniete sie neben einem Verletzten, den er erst auf den zweiten Blick als Ratne ron Kaluna identifizieren konnte. Von der rechten Schulter bis zur Hüfte wies der Ausbilder schwere Ver brennungen auf, die von einer Thermo granate stammen mussten. Uniform und Haut waren regelrecht miteinan der verbacken. Sein Gesicht wirkte un natürlich blass und die tief in den Höh len ruhenden Augen seltsam trüb, wie von milchigen Schlieren umgeben. Shat korrigierte seine erste Ein schätzung: Kaluna war nicht verletzt, sondern tot. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Steeg Ka luna, der Held von Shagdul V, im Kampf gefallen. Wenn es selbst so ei
nen erfahrenen Veteranen erwischen konnte, wie sollte er dann überleben? Larina sah zitternd zu ihm auf. »Jetzt sind wir erledigt.« Shat hätte ihr gern zugestimmt, aber ihm fiel rechtzeitig ein, dass er nun zusammen mit Craso - den höchsten Dienstgrad bekleidete. Unbehaglich ließ er den Blick über die Toten gleiten, die überall mit verrenkten Gliedern auf dem Boden lagen. So viele es auch wa ren, es konnte unmöglich die gesamte Landungstruppe sein. Auf Nachfrage wurde ihm bestätigt, dass der überwie gende Teil ihrer Einheit in andere Sek toren abgerückt war. Irgendwo in der eintausend Meter durchmessenden DROKAR, ob nun fünfzig oder hundert Decks entfernt, mochten sie gerade um ihr Überleben kämpfen ... oder längst verblutet sein. Ein Schicksal, das den hier Verblie benen ebenfalls drohte. Der traurige Rest sammelte sich um die beiden Ratner und bestürmte sie mit Fragen. Shat erkannte Guzko, Kuunz und Akno sowie einige Technik ker, die sich notdürftig bewaffnet hat ten. Alle wirkten älter, als Shat sie in Erinnerung hatte. Ihre Haut war fahl, und in den matten Augen stand ein Wissen um Dinge, die sie nie wieder vergessen würden. In Anbetracht dieser vielen bekann ten Gesichter verging auch seine letzte Hoffnung, dass er sich nur in einem vir tuellen Szenario befand. Es hatte kei nen Zweck mehr, das Offensichtliche zu leugnen. Der Aligriff auf die DRO KAR fand wirklich statt! Mit dieser Erkenntnis nahte ein nie gekanntes Gefühl der F\ircht, das Shat bis in die letzte Nervenspitze erfüllte. »Wir sind von den übrigen Einheiten abgeschnitten, Ratner«, riss ihn Guzko aus den Gedanken. »Was sollen wir jetzt machen?«
Shat versuchte zu antworten, aber er hatte plötzlich vollauf * damit zu tun, seinen Mageninhalt bei sich zu behal ten. Orientierungslos taumelte er zur Seite, bis seine Rechte Halt an einer glatten Kunststoffverkleidung fand. Heißer Schweiß perlte auf seiner Stirn, und zwar in solchen Mengen, dass ihm das salzige Nass brennend in die Augen rann. Nur nicht übergeben, hämmerte er Sich ein. Dann bist du bei allen unten durch. Shat schämte sich zwar für den Ge danken, aber am liebsten wäre er in seine Unterkunft gerannt und hätte den Eingang mit einem Prallfeld ver siegelt, um das Ende der Kampfhand lungen abzuwarten. Natürlich ging das nicht. Seine Ka meraden würden es nicht zulassen. Schon bevor er aufsah, fühlte er ihre ungläubigen Blicke auf seiner Haut brennen. Sie hatten alle auf ihn gebaut, den bekannten Brodaler aus Kampf zone, und nun stand er da wie ein bib bernder Idiot, der keinen Ton hervor brachte. »Lasst Shat in Ruhe«, nahm ihn aus gerechnet Craso in Schutz. »Er hat während des Gefechts allein in der Zelle gesessen.« Ehe jemand antworten gönnte, wies Craso allen Umstehenden eine Auf gabe zu. Sie sollten Waffen, Magazine und Aggregate herbeischaffen, Verbin dung zu den übrigen Verbänden auf nehmen und die Verteidigungsstellung stärker ausbauen. Egal was, Hauptsa che, die Männer und Frauen waren zu beschäftigt, um über ihre eigene Angst nachzudenken. Craso machte seine Sache wirklich gut, das musste Shat anerkennen. Und mit jedem Satz, den sein Freund von sich gab, strahlte er eine größere Selbstsicherheit aus, an der sich die an
deren aufrichten konnten. Plötzlich waren alle Augen auf ihn gerichtet. Selbst Larina schien den rundlichen Mann mit dem schütter werdenden Haar plötzlich in anderem Licht zu se hen. Mit glühenden Wangen blickte sie zu Craso auf, als er befahl, Kalunas Leichnam beiseite zu schaffen und sich neu zu bewaffnen. Du eitler Geck, fuhr es Shat durch den Kopf. Das ist wohl deine große Stunde, in der du dich vor allen zum Helden aufspielen kannst! Der aufkeimende Zorn dämpfte die Angst, die seine Glieder lahmte. Krächzend richtete er sich auf, über* prüfte den Desintegrator und trat an Crasos Seite. Larina, die ihre Hände gerade von Kalunas Blut reinigte, schenkte ihm ein verhaltenes Lächeln» Ganz abgeschrieben war er also noch nicht. Während sie fortging, um die Waffen der Toten einzusammeln, rannte ein Techniker herbei, der sich um die Kom munikation gekümmert hatte. Über seinem rechten Ohr glitzerte ein golde nes Akustikfeld, mit dem er den ver bliebenen Bordfunk abhörte. »Die feindlichen Raumsoldaten sto ßen zur Zentrale vor, Ratner«, berich tete er atemlos, an Craso gewandt. »Unser Widerstand steht kurz vor dem Zusammenbruch. Es ist nur noch eine Frage von Minuten, bis die Zentrale von den Invasoren besetzt wird.« »Die glauben wohl, wenn sie unsere 1 Führungsoffiziere in der Hand haben, wäre die Schlacht gewonnen«, erwi derte Craso grimmig. »Da haben sie aber die Rechnung ohne die Brodaler gemacht.« Mit lauter Stimme hielt er eine flam mende Rede, in der er einen Sieg her aufbeschwor, der einzig und allein vom Kampfeswillen ihrer kleinen Truppe abhing. Untätig herumzusitzen, bis ein
Rollkommando aus Baylamor vorbei war. Trotz der geringen Sprungweite kam, konnte den Untergang bedeuten, gab es die gewohnten körperlichen argumentierte er. Dann schon lieber Nachwirkungen der Transition. Aller selbst zuschlagen. Die allgemeine Be dings hatten wir alle gelernt, mit der geisterung hielt sich in Grenzen, aber Übelkeit und Benommenheit umzuge es widersprach auch niemand. hen. Agir-Ibeth bediente seinen Orter Craso taxierte Shat mit einem kur sogar schneller, als ich die Hologalerie zen Seitenblick. »Hast du einen besse absuchen konnte. ren Vorschlag?« »Entfernung zu unserem nächsten »Du hast die Führung übernommen, Verfolger ...«, der Hasproner zog alle also behalte sie auch.« Aufmerksamkeit auf sich, um dann Sein alter Freund grinste eine Spur stolz zu verkünden: »... 38.000 Kilome selbstzufriedener, als es eigentlich ' ter!« seine Art war. Shat wurde misstrau Geschafft! Ich atmete erleichtert auf. isch. Erst jetzt, da sie sich Auge in Auge Die TOSOMA war tatsächlich genau gegenüberstanden, fiel ihm auf, wie im Rücken der acht Kugelraumer auf klein Crasos Pupillen waren. Für den getaucht. Laien kaum sichtbar, erkannte ein Ein Während die Baylamoro noch unsere geweihter darin ein sicheres Zeichen überstürzte »Flucht« feierten, rasten für einen ßoaf-Rausch. Kein Wunder, wir bereits wieder auf sie zu. Der dass er so selbstsicher auftrat. Überraschungseffekt würde nur den Der Kerl war dicht bis unter die Bruchteil einer Millitonta andauern, Haarspitzen! aber wenn wir präzise arbeiteten, »Seht mal, Jungs, was ich euch mit reichte diese Zeitspanne vollkommen gebracht habe«, unterbrach Larina die aus. Analyse. »Wir konzentrieren uns zuerst auf Triumphierend hielt sie drei Aggre das große Schlachtschiff!«, befahl ich. gatgürtel in die Höhe. Einen für jeden »Wenn wir das knacken, sind die ande von ihnen. Gemeinsam legten sie die ren demoralisiert.« Ausrüstung an und aktivierten die Jn Khemo-Massai, Altra und Cisoph dividualschirme. Tonk agierten zeitgleich an den ver Die flirrende Aura, die ihre Körper schiedenen Systemenr um möglichst form nachzeichnete, strahlte für Shat effizient zuzuschlagen. Mit positroni etwas Beruhigendes aus. Trotzdem scher Unterstützung feuerten sie Salve blieb ein übles Gefühl in der Magenge um Salve aus den Transformkanonen gend, als er sich den anderen anschloss, und MVH-Geschützen ab. Der 1000die zielstrebig den nächsten Gravo Meter-Raumer wuchs auf der Panora schacht ansteuerten. magalerie zu einem beängstigend gro ' ßen Abbild heran, das zuletzt ein Vier tel der Wandrundung einnahm. In ei * nem Ausschnitt war deutlich zu sehen, Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA wie unsere Geschosse allesamt inner halb eines Quadrats von zwei mal zwei Als unser Schiff materialisierte, be Kilometern Kantenlänge einschlugen. nötigte ich nur einen Augenblick der Das rote Halbraumfeld erzitterte unter Orientierung, um mich davon zu über mehreren tausend Gigatonnen Verzeugen, dass das» Manöver gelungen gleichs-TNT.
Eine Belastung, der es nur 3,8 Se Schicksal der geenterten DROKAR kunden lang standhielt. auf, diectringend Hilfe benötigte. Danach brach das Feld zusammen, Noch war es vielleicht möglich, ei worauf die nachfolgende Breitseite nige ihrer Besatzungsmitglieder zu ret~ verheerende Schäden in der stählernen ten. Hülle verursachte. Wie in einer Ketten reaktion explodierten die Triebwerke 8. entlang des Aquatorwulstes, bis die ge samte Sphäre von glühenden Eruptio Apocalypse Now Flaggschiff DROKAR nen geschüttelt wurde. Den berstenden Koloss als Deckung nutzend, beschrieb Auf dem Weg zur Zentrale 'stieß ihre Altra mit der TOSOMA einen Halb kreis, bevor er erneut auf Angriffskurs Gruppe überall auf Spuren zurücklie . gender Kämpfe. In einigen der Korri ging. Die Baylamoro schienen von unse dore hatten Thermostrahler so große rem unerwarteten Wiederauftauchen Hitze entwickelt, dass selbst die feuer völlig schockiert zu sein. Unser Jagd feste Verkleidung geschmolzen war. kreuzer entging ihren gegnerischen Klebrige Kunststoffpfützen glänzten Salven, während wir zwei 600-Meter- dort auf dem Boden» und manchmal, Raumer kampfunfähig schössen. Ein wenn die herabfließende Masse schnel drittes Schiff, das uns die Stirn bieten ler getrocknet war, als sie abtropfen wollte, erlitt das gleiche Schicksal, konnte, mussten sie sogar glühend hei während es die übrigen vier vorzogen, ßen Stalaktiten ausweichen. die Flucht in den Hyperraum anzutre Der Widerstand auf Seiten der DRO ten. Und zwar mit einer ausgedehnten KAR erlahmte zusehends, andererseits Transition, die sie in weite Ferne streiften zahlreiche Baylamoro durchs Schiff, die erbarmungslos jeglichen sandte. »Die scheinen ja mächtig Respekt Widerstand mit Waffengewalt brachen. bekommen zu haben!« Cisoph Tönk Gefangene wurden nicht gemacht. An stieß ein befreiendes Lachen aus, das gesichts der verheerenden Kampfge angesichts der ausgebrannten Wracks, räte, die eingesetzt wurden, war das die uns in diesem Raumsektor umga auch kaum möglich. ben, reichlich deplatziert wirkte. Über die aktuelle Lage im Schiff »Ich will dein Selbstbewußtsein ja wusste Crasos Gruppe wenig bis gar nicht über Gebühr dämpfen«, versetzte nichts. Positronische Durchsagen Agir-Ibeth ein wenig spitz, »aber ich warnten vor dem Betreten einiger Sek denke, die Flucht der Baylamoro hängt toren, die wegen der Hüllenschäden auch mit tier Verstärkung zusammen, abgeschottet werden mussten. Dar die gerade von Shahana eintrifft.« über hinaus gab es nur Funkmeldun Tatsächlich! Auf der Hologalerie gen von versprengten Widerstands zeichnete sich eine ganze Armada von nestern, denen immer stärker zuge Kugelraumern ab, die aus allen Teilen setzt wurde. Andere Verbände blieben, des Doppelsonnensystems angeflogen ebenfalls in Bewegung, weil sie sich so kamen, Angeführt wurde sie von einem höhere Überlebenschancen ausrech Ratner Kenk Ruvo, der sich per Hyper neten. funk mit mir in Verbindung setzte. In Ihr Ziel gab jedoch keiner preis, aus wenigen Worten klärte ich ihn über das Furcht, dass der Feind die interne
Kommunikation abhören könnte. Craso hielt es genauso, auch auf die Gefahr hin, dass sie allein an der be setzten Zentrale eintrafen. Bei einem überraschenden {Zusam mentreffen mit einer gegnerischen Ein heit verloren sie beinahe die Hälfte ih rer Leute. Direkt an Shats Seite, keine zwei Meter entfernt, wurde Trog Guzko unter breit gefächerten Schüssen das Fleisch von den Knochen gerissen. Ei gentlich nichts Neues. In der Holo-Generatorkammer war ihm das gut zwei Dutzend Mal passiert. Angesichts der Endgültigkeit, die diesmal damit ver* bunden war, erschauerte Shat jedoch bis ins Mark. Immer wieder verzweifelt die De ckung wechselnd, entging er der eige nen Vernichtung gerade lange genug, bis ihre Gruppe den zahlenmäßig un terlegenen Angriff abgewehrt hatte. Shats Trefferquote war so miserabel wie nie zuvor. Er brachte einfach nicht die nötige Ruhe auf, um seine Garben sauber zu platzieren. Erst die Wut dar über, dass Kaluna am Ende noch Recht behalten mochte, spornte ihn weit ge nug an, um den Baylamoro erfolgreich die Stirn zu bieten. Auf ein trauriges Häuflein von neun Männern und Frauen geschmolzen, setzten sie den Weg fort. Mittels eines funktionsfähigen Gra voschachtes schwebte die Gruppe in das über der Zentrale liegende Deck, um von dort aus, über eine enge War tungsröhre, wieder hinabzusteigen. Auf diese Weise hofften sie, eine even tuell vorgelagerte Abwehrfront zu um gehen. Tatsächlich gelangten sie unge sehen in den umlaufenden Korridor, der, eine Abzweigung später, direkt auf die Zentrale zuführte. Mit desaktivierten Schilden schlichen sie näher. Ihre Handorter registrierten ein starkes Prallfeld, das die Zentrale
umgab. Der Struktur nach entstammte es einem baylamorischen Generator. »Wir durchbrechen den Schild mit punktgenauem Beschuss«, schlug Craso vor. »Sobald ein Loch hineinge schnitten wurde, nehmen wir die Zen trale im Sturm.« Larina, Kang und die anderen nick ten beflissen, nun Shat runzelte die Stirn. »Das ist doch Wahnsinn«, wider sprach er. »Keiner von uns weiß, wie viele Verteidigungskräfte dort zusam mengezogen wurden.« Der Blick, den ihm Craso daraufhin zuwarf, redete eine deutliche Sprache. Feigling!, stand darin zu lesen, aber stattdessen fragte sein alter Freund schnippisch: »Hast du einen besseren Vorschlag, Ratner Nermoy?« Plötzlich stand Shat wieder im Mit telpunkt des Interesses. Nicht alle in der Gruppe waren darauf versessen, ihr Leben im Kampf zu opfern. Ent sprechend hingen sie an seinen Lippen in der Hoffnung auf eine gangbare Al ternative. Shat fand zuerst nicht den Mut, seine Idee auszusprechen, aber schließlich platzte es aus ihm heraus: »Hier drinnen ist die Schlacht doch längst verloren. Wir sollten uns lieber zu den Rettungskapseln durchschla gen, um wenigstens unser Leben zu ret ten.« Larinas Augen weiteten sich vor Entsetzen, als sie den Vorschlag hörte, und Craso grinste nur höhnisch. Von den anderen schienen einige der Idee nicht ganz abgeneigt zu sein, aber nie mand wagte es, das offen auszuspre chen. »Du willst dich also 'drücken?«, fragte Craso lauernd. »Einfach ab hauen, nachdem die Baylamoro über uns hergefallen sind? Falls das stimmt, bist du deines Ranges nicht würdig.« »Mag sein«, gestand Shat. »Dafür bin ich wenigstens klar im Kopf.«
Die Anspielung auf das Baal war zu viel für Craso. Aufgebracht packte er Shat am Kragen und drängte ihn meh rere Schritte zurück, bis sie außer Hör weite waren) Unter dem Einfluss der enthemmenden Droge mutierte sein Gesicht zu einer verzerrten Fratze. »Jetzt hör mir mal gut zu«, flüsterte er rau. »Wenn für den Angriff nicht je der Mann wichtig wäre, würde ich dich auf der Stelle wegen Insubordination erschießen lassen. Wir nehmen jetzt die Kommandozentrale ein und erfüllen unsere Mission, ist das klar?« Shat ließ den Aggressionsschub wi derstandslos über sich ergehen. Eine Prügelei in unmittelbarer Nähe des Feindes war nun wirklich das Letzte, was sie brauchen konnten. Auf Larinas leisen Zuruf hin dämmerte das sogar Craso. Mit einer verächtlichen Bewegung ließ er den Kragen los. Nach kurzem Zögern fischte er noch zwei blaue Pastillen aus seiner Brust tasche, die er Shat grob in die Hand drückte. Baal. In höchster Konzentration. »Hier, schluck das!«, empfahl er. »Dann bist du wieder der Alte.« Als Craso zur Gruppe zurückkehrte, um die Einplanung des Angriffs vorzu nehmen, gab es keinen, der ihm noch widersprochen hätte. Eigentlich auch verständlich. Jeder von ihnen hatte ge wusst, auf was er sich beim Eintritt in die Flotte einließ. Nun mussten sie den eingeschlagenen Weg auch bis zum bit teren Ende gehen. Niedergeschlagen steckte Shat die Drogen ein und hockte sich neben die anderen; Angesichts der erlittenen Niederlage schlug ihm weder Ableh nung noch heimliche Zustimmung ent gegen. Niemand sah ihn direkt an. Alle schienen völlig mit sich selbst beschäf tigt zu sein.
Nur zu Larina fühlte er plötzlich eine unüberbrückbare Distanz. Sie hatte sich wohl etwas anderes unter dem leidlich bekannten Brodaler vorgestellt und er selbst, wenn er ehr lich war, auch. Wenn es wirklich stimmte, dass im Angesicht der Gefahr der wahre Charakter einer Person zu tage trat, konnte Shat mit seinem Er gebnis nicht sonderlich zufrieden sein. Seine Knie zitterten unentwegt, ob wohl die anfängliche Furcht längst ei ner gewissen Gleichgültigkeit gewi chen war, die allerdings nichts mit der Ruhe und Gelassenheit im Training ge mein hatte. Wie aus weiter Ferne ver nahm er Crasos Anweisungen, die er beflissen abnickte. Alle Verantwortung abzugeben machte es leichter, die ein mal eingeschlagene Richtung fortzu setzen. Die vorgesehene Taktik wurde ein letztes Mal durchgesprochen, bevor sich alle auf den Weg machten. In Sichtweite des georteten Prallfeldes wurden die Individualschirme akti viert. Dann stürmten sie vor, und das In ferno begann... *
Aus der Deckung einer zerschmolze nen Wand heraus nahmen sie den Prall schirm unter neunfachen Punktbe schuss. Drei feindliche Raumsoldaten erwiderten zwar das Feuer, konnten je doch nicht verhindern, dass die Bar riere unter dem konzentrierten An sturm zusammenbrach. Trog Kang fiel während der Attacke auf das gebors tene Schott, aber den Übrigen gelang es, die Verteidiger zurückzudrängen und in die Zentrale vorzudringen. Drinnen wurden sie von einer zwan zig Mann starken Einheit erwartet, die sich hinter weiteren Prallfeldepn ver
schanzte. Schlagartig wurde der Kaum von einem grün schimmernden Strah lenmeer durchflutet. Mikronadeln und Desintegratorstrahlen zogen unerbitt lich ihre Bannen. Dort, wo sie in dem engen Geflecht aufeinander stießen, wuchsen faustgroße Glutbälle heran, ausgelöst durch die Sprengköpfe, die vorzeitig zur Explosion gebracht wur den. Crasos Gruppe bediente sich des wohl einstudierten Doppelschlag-Manövers. Selbst immer in Bewegung, um das eigene Individualfeld zu schonen, konzentrierten sich jeweils zwei DuoPartner auf einen Gegner, um dessen Schild zu überlasten. Die Trainings stunden in der Holo-Kammer zahlten sich Schuss um Schuss aus, aber ob wohl sie viele der überraschten Bayla moro töten, nahm der eigene Blutzoll •erschreckende Dimensionen an. Zwei Techniker, die ein Duo bilde ten, zerriss es als Erstes. Ürei Trogs folgten. Shat, der als Einziger die Deckung des geborstenen Schotts nutzte, spürte einen Stich durchs Herz, sobald er ei nen Kameraden fallen sah. Bei diesem Gefecht war alles anders. Diesmal bra chen keine holografischen Energiebal lungen zusammen, sondern Indivi duen, von denen jedes auf seine Weise einmalig, kostbar und unersetzlich war. Trotzdem verging einer nach dem anderen im Sturm der Desintegrato , ren. Wofür nur? Wofür? Shats Blick irrte durch die Zentrale, während seine Freunde niedergemäht wurden. Anfangs wollte ihm nicht in den Kopf, warum die Zentrale mit sol cher Verbissenheit gehalten wurde, bis er sah, dass man die Kernspeicherein heit des Bordrechners von den Abde ckungen befreit hatte. Natürlich, das
musste der Hintergrund dieses Über falls sein! ' j Geheime Informationen, die nicht anders zu erhalten waren. Welchen immensen Wert mochten sie nur besitzen, dass solche Mengen an Leben und Material bedenkenlos geop fert wurden? Fast beiläufig registrierte er, wie La rinas Schirm zusammenbrach. Die ge schmeidige Trog versuchte noch, in Deckung zu hechten, aber eine Mi kronadel, die ihre Stirn streifte, been dete die Bewegung schon im Ansatz. Mit abgesprengtem Kopf sank sie in sich zusammen wie eine schlaffe Glie derpuppe mit versiegter Energie quelle. Alles in Shat verkrampfte sich. Ein gequälter Schrei erfüllte die Zentrale bis in den hintersten Winkel, Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass es seine eigene Stimme gewesen war. Der letzte Rest seines klaren Ver standes verkroch sich in die hinterste Windung seines Gehirns. Hier, losge löst von den Empfindungen und Refle xen des Körpers, handelte et- mit einer überraschenden Klarheit, die er niejau vor im Leben verspürt hatte. Sein rechter Arm hob sich von ganz allein. Mit tausendfacher Routine Vi sierte Shat den freigelegten Speicher kern an und feuerte den Desintegrator ab. Salve auf Salve schnitt quer durch die Zentrale. Seine Hand lag so ruhig, dass jeder Strahl exakt dem Schusska nal des vorhergehenden folgte. Eine grün schimmernd^ Schneise der Vernichtung brach sich unerbitt lich Bahn, schlug in den Bordspeicher eiivund zerfetzte das heiß begehrte Ob jekt zu einem Häufchen Staub. Der Schmerz, den er damit seinen Feinden zufügte, verschaffte ihm einen Hauch von Genugtuung, obwohl das weder Larina noch einen der anderen
wieder lebendig machte. Keinen von ihnen. Selbst Craso lag am Boden, und so wenig, wie von seinem Körper noch übrig war, würde er sich auch nie wie der erheben. Sobald die Baylamoro das Scheitern ihrer Mission erkannten, erstarb das Gefecht. In einer Mischung aus Un glauben und Hass starrten sie zu Shat herüber, bevor sie ihre Waffen neu aus richteten, um fürchterliche Rache zu nehmen. Angesichts der Übermacht tat Shat das einzig Vernünftige, was ihm noch blieb. Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte davon. *
Schwerer Jagdkreuzer TOSOMA »Ich stelle dir zwei Schlachtkreuzer zur Verfügung, damit du den Riegel um die DROKAR durchbrechen kannst«, bot Ratner Ruvo spontan an> »Mehr kann ich nicht entbehren, bevor die Lage unter Kontrolle ist. Aber ich stoße sofort mit weiteren Schiffen nach, wenn die Baylamoro die Waffen stre cken.« »Mehr Unterstützung ist gar nicht nötig«, versicherte ich. voller Überzeu gung. »Wie es scheint, nimmt die Ab setzbewegung der Baylamoro bereits größere Dimensionen an.« Das war eine Einschätzung, mit der ich leider nur etwa halbwegs richtig lag. Die Hologalerie leerte sich zwar tat sächlich von blau markierten Schiffen, aber der Riegel rund um die DROKAR blieb weiter bestehen. Erst nachdem wir einige massive Angriffe geflogen hatten, kehrten die Beiboote zu ihren Mutterschiffen zurück. Der größte Schwung wurde in die Hangars aufge nommen, aber einige Nachzügler, die
nicht schnell gelaug waren, ließ man einfach zurück, als die Lage zu prekär für die Kugelraumer wurde. Gut ein Drittel der ausgesandten Beiboote blieb jedoch an Bord der DROKAR. Entweder hatte es sehr hohe Verluste gegeben und ihre Besatzungen waren gefallen, oder es tobten dort drüben noch Gefechte, die den Rück zug verzögerten. Ein Gefühl der Bitternis durch strömte mich. Diese Schlacht hatte schon zu viele Opfer gefordert. Jeder Raumsoldat, der jetzt noch starb, war ein unnötiger Toter mehr. »Wir gehen an Bord«, entschied ich. »Ratner Sollio und seine Besatzung ha ben es verdient, dass wir ihnen nach .Kräften helfen.« Die anderen in der Zentrale empfan den ganz ähnlich. Niemand zuckte auch nur missbilligend mit der Braue. Akanara wollte mich sogar begleiten, aber ich lehnte entschieden ab. Der Junge hatte an diesem Tag schon weit mehr gesehen, als er verarbeiten konnte. Den Anblick der Toten, die uns auf der DROKAR erwarteten, wollte ich ihm lieber ersparen. So machte ich mich als Einziger der Zentrale auf den Weg zum Expressauf zug, um mich mit Zanargun, dem Chef der Landungstruppen, im Hangar der Stealth-Shifts zu treffen. Mit diesen Beibooten wollten wir den gleichen Weg nehmen wie die Enterkomman dos, die sich einen Weg durch die Au ßenschotten' der DROKAR gebrannt hatten. Es war unser fester Wille, das Blutvergießen an Bord des vom Schicksal geprüften Raumers zu been-r den. Wie hätte ich auch ahnen sollen, das ich stattdessen Tod und Verderben brachte? *
Flaggschiff DROKAR Ein halbes Dutzend Raumsoldaten nahm die Verfolgung auf, aber das war Shat nur recht. Während der vom Überlebensinstinkt getriebene Körper ganz automatisch reagierte, fasste sein Verstand einen tollkühnen Entschluss. Endlich. Zum ersten Mal seit Ausbruch des Gefechtes wusste Shat ganz genau, was er wollte. Sein Individualschirni begann be reits unter dem Einschlagshagel zu flir ren, als er auf einen aktiven Gravo schacht zuhielt und sich mit einem kräftigen Sprung in die rettende Tiefe absetzte. Das Zittern, das seinen Kör per durchlief, ließ im gleichen Maße nach, wie sein tollkühner Plan gedank lich Gestalt annahm. Ein Schwärm Mikronadeln, die ihn wie angriffslustige Insekten attackier ten, erinnerte ihn daran, dass die Raumsoldaten an seinen Fersen kleb ten. Obwohl Shat instinktiv die Augen schloss, drang die Glut der Explosionen.durch seine Lider und blendete ihn sekundenlang. Glücklicherweise ge hörte Gefechtsverhalten im Gravo schacht zu den trainierten Szenarien, sonst wäre er womöglich in Panik ge raten. Ohne über die Gefahr füre eigene Leben nachzudenken, bestrich er die gravomechanischen Projektoren mit Dauerfeuer. Der Ausfall dieser Felder verur sachte Turbulenzen, denen die Verfol ger zum Opfer fielen, als sie Sekunden später die beschädigte Stelle passier ten. Der erste Raumsoldat geriet ins Trudeln und schlug mit lautem Knall gegen die Stahlwandung. Seinen über ihm folgenden Kameraden erging es nicht, besser, so dass plötzlich alle wild durcheinander purzelten, bis die Kraftfelder im folgenden Abschnitt ihre Körper wieder ins Lot brachten.
Dank der Individualschirme nahm niemand ernsthaft Schaden, aber be vor sie sich von der Überraschung er holen konnten, hatte Shat den Schacht bereits verlassen und war auf ein Roll band gewechselt. Mit dem Rücken zur Fahrtrichtung nahm er den Schachtzu gang ins Visier und empfing seine Ver folger mit einer gezielten Garbe, die sie am Betreten des Decks hinderte. Auf diese Weise vergrößerte er den Vorsprung, bis zu seiner Linken ein Gang abzweigte, in den er mit einem geschmeidigen Sprung eintauchte. Sein Mulifunktionsarmband, zeigte Prallfelder an, die in einiger Entfer nung den Weg versperrten. Also wech selte er erneut die Richtung und suchte sich eine freie Strecke. Seine Häscher waren allerdings trai nierte Burschen, die sich nicht so leicht abhängen ließen. Mit Hilfe der Hand scanner spürten sie Shats Individual- ' schirm auf, der verräterische Frequen zen ausstrahlte. Und obwohl er um sein Leben rannte, gelang es ihnen bald darauf, wieder zu ihm aufzuschließen. Sobald sie in Sichtweite gerieten, prasselten Geschosse auf Shats Ab schirmung. Bevor sie das Aggregat überlasten konnten, gelang es ihm er neut, um die nächste Ecke zu entkom men. Auf Dauer konnte er sich mit sol chen Manövern natürlich nicht der Ver nichtung entziehen, aber was für die Baylamoro wie eine kopflose Flucht aussehen mochte, war in Wirklichkeit der Teil eines wohl durchdachten Plans. Shat wollte nämlich, dass sie ihm auf den Fersen blieben. Und zwar so lange, bis die Falle zuschnappte! Sein Ziel lag noch fünf Decks und vierhundert Meter in der Waagerechten entfernt, aber indem er immer neue Haken in angrenzende Korridore und Schächte schlug, entkam er seinen Hä scher lange genug, um das vertraute
Blau des heimischen Sektors zu errei chen. Höchste Zeit, denn sein Körper zeigte bereits schwere Erschöpfungs erscheinungen. Mehr taumelnd als rennend erreichte Shat die Stelle, an der ihn Trog Kang mit einem Prallfeld empfangen hatte. Nicht einmal zwanzig Minuten war das her, und doch schien es schon wie eine Episode aus einem vergangenen Leben zu sein. Damals hatten Kang und die ande ren noch gelebt, jetzt waren sie tot. Alle! Ohne Ausnahme. Shat wischte den Gedanken an die Verstorbenen fort, während er sich aus gepumpt neben dem mobilen Aggregat zu Boden warf, das noch immer an der gleichen Stelle stand. Zwei glühende Strahlen hüllten die Luft über ihm in grünen Schimmer, allerdings nur so lange, wie er brauchte, um das Gerät zu aktivieren. Danach zerschellten sie an dem emporfahrenden Energieschild. Am liebsten wäre Shat liegen geblie ben, um ein wenig zu verschnaufen, aber dazu blieb ihm leider keine Zeit. Begleitet von dem wütenden Gebrüll der Feinde, rappelte er sich auf und rannte weiter. Zehn, vielleicht fünf zehn Sekunden; länger würden sie nicht brauchen, um die Barriere zu durchbrechen. Diese Zeitspanne muss te reichen, sonst war er endgültig ver loren. Seine' Lunge brannte bei jedem Atemzug, während er zum Schott der Holo-Generatorkammer schwankte. Shat wartete nicht ab, bis es vollstän dig aufgeglitten war, sondern zwängte sich hindurch, sobald es einen Spalt weit offen stand. Drinnen empfing ihn Dunkelheit. Nur das zwanzig Meter entfernte Kontrollpult wurde von indi rektem Licht beleuchtet. Keuchend hielt er darauf zu. Seine Schritte klangen seltsam hohl durch
die dunkle Halle, deren wahre Abmes sungen zu einem konturlosen Nichts verschwammen. Solange kein Szenario lief, wirkte der Baum so einladend wie ein Exerzierplatz, aber das sollte sich bald ändern. Die blinkenden Statusanzeigen tauchten die Arbeitskonsole in ein buntes Lichtermeer, als Shat die Start sequenz aktivierte. Mit fliehenden Händen rief er das aktuelle Trainings szenario auf. Was folgte, waren die längsten Sekunden seines Lebens. Nur quälend langsam bauten sich die Pro jektionsfelder auf, die den Dschungel von Di'akir nachbildeten. Draußen sackte bereits das Prallfeld unter dem konzentriertem Beschuss seiner Verfol ger zusammen. Shat stellte rasch die höchste Schwierigkeitsstufe ein, dann richtete er seine Waffe auf das offene Schott. Von dem Deflektorfeld der Konsole verborgen, hatte er freie Sicht auf den erleuchteten Zugang, während seine Gegner nur üppige Vegetation zu sehen bekamen, die von hohen Baumstäm men, Blättern, Strauchwerk und Far nen dominiert wurde. Entsprechend verdutzt blieben die Baumsoldaten stehen, nachdem sie durch die Tür gestürmt waren. Ihre ak tivierten Schirme provozierten umge hend eine Reaktion der positronischen Szenarioführung. Ein Lächeln glitt über Shats Lippen, als er daran dachte, wie sie selbst beim ersten Training niedergeschossen wor den waren. Auch diesmal hatte sich eine Schar virtueller Bestien aus dem Unterholz gelöst und die Neuankömm linge unter schweres Feuer genommen. Die Raumsoldaten spritzten sofort auseinander, ohne zu ahnen, dass die Einschläge, die ihre Individualabschir mungen erschütterten, keine reale Ge fahr bildeten. Verzweifelt stellten sie
sich dem anrückenden Feind entgegen, der nicht die geringste Angst vor ihrem Abwehrfeuer zeigte. Shat wartete, bis die Schilde der Baylamoro zusammenbrachen, bevor er selber ins Geschehen eingriff. Mit stark fokussiertem Strahl streckte er zwei Angreifer auf Anhieb nieder. Der Beschuss schwächte zwar die tarnende Wirkung des Deflektorfeldes, aber die Verwirrung der Raumsoldaten war zu groß, um in dem holografischen Dschungel einen weiteren Gegner aus zumachen. Nachdem drei den Tod ge funden hatten, zog sich die restliche Truppe in Panik zurück/- Hals über Kopf sprangen sie auf den Korridor hinaus und liefen mit langen Schritten davon. Shat ließ das Schott hinter ihnen zu gleiten und verdammte die holografi schen Bestien mit einem Tastendruck zu absoluter Friedfertigkeit. Die unmittelbare Gefahr war erst einmal gebannt. , Mit festem Schritt hielt er auf die To ten zu, deren junge Gesichter vor Angst und Schmerz verzerrt waren. Sie konn ten nicht viel älter sein als Craso und die anderen. Ob sie wohl von ihrem Einsatzbefehl genauso überrascht ge wesen waren wie die Besatzung der DEOKAR von ihrem Angriff? Vermutlich, aber es war müßigr dar über zu spekulieren. Solange die Bay lamoro bewaffnet durchs Schiff streif ten, musste Shat jeden von ihnen als potentiellen Feind ansehen. Mit sicherem Blick suchte er sich ei nen Toten aus, der etwa seine Statur besaß, und entkleidete ihn. Die Schutz anzüge der Baylamoro unterschieden sich nur in Nuancen von den Standards der Shahano. Nach knapp einer Minute hatte er die Uniform übergestreift. Der Raumhelm mit dem getönten Vi sier machte Shat endgültig unkennt
lich. Nur der schwarz umrandete Durchschuss im Brustbereich verriet, dass diese Kleidung keinem Lebenden gehören konnte. Routiniert verriegelte er alle Ver schlüsse und überprüfte die Ladean zeige de& baylamorischen Thermo strahlers. Nicht einmal halb leer Da mit ließ sich noch ein ganzer Krieg ge winnen. Er atmete tief ein und aus und ging zum Schott. Das ist nur eine Simulation, häm merte er sich ein. Dir kann gar nichts passieren. Du musst nur genauso rea gieren wie immer. Ist alles eine reine Trainingssache. Sein unter Schock stehender Ver stand war nur zu gern bereit, dieser Selbstverleugnung zu folgen. Shat musste nicht einmal Baal schlucken, um sich in Kampfstimmung zu brin gen. Er brauchte nur den Tod von La rina und Craso Revue passieren zu las sen, den Rest besorgte seine Konditio nierung aus den Übungseinheiten. Entschlossen öffnete er das Schott, presste eine Hand auf den verräteri schen Durchschuss und stolperte vorn übergebeugt auf den Korridor hinaus. Zuerst wirkte alles leer, so dass er schon dachte, die Gegner wären gänz lich geflohen, dann verrieten erstaunte Ausrufe ihre Position. Nahe der Promenade, hinter geT schmolzenen Wandverkleidungen ver borgen, winkten sie ihn näher. Sie hiel ten ihn tatsächlich für einen der ihren.. Sehr gut! In Erwartung weiterer Schwarzer Bestien behielten sie das Schott hinter Shat im Visier. Ihm selbst gaben sie Deckung, während er sich bis auf wenige^Schritte näherte. Erst als Shat sie nicht mehr verfehlen konnte^ riss er den Thermostrahler hoch und schickte ihnen glühend heiße Salven entgegeh. Auf diese geringe Entfernung konn
ten die geschwächten Schirme der At tacke nichts entgegensetzen. Zwei Männer gingen sofort in Flammen auf. Von gelborange Lohen umgeben, spran gen sie in die Höhe und rannten schrei end davon. Das vermochte die sengende Hitze nicht zu lindern, deshalb warfen sie sich schoii wenige Schritte später verzweifelt auf den Boden und versuch ten» die Feuersbrunst durch heftiges Sichwälzen zu ersticken. Vergeblich. Sie verbrannten bei le bendigem Leib. Ein furchtbarer Anblick, aber Shat hatte solche Szenen schon häufiger in der Holo-Generatorkammer gesehen. Das ist nicht real, hämmerte er sich ein. Nur eine Übung. Gleichzeitig schoss er auf die übri gen Raumsoldaten, die gar nicht wuss ten, wie ihnen plötzlich geschah. Von Panik erfüllt, brachen sie in blindwü tiges Abwehrfeuer aus und rannten da von. Shat sandte ihnen eine wohlgezielte Garbe hinterher, die einen der Schirme durchbrach. Danach nahm er die Ver folgung auf und trieb sie regelrecht vor sich her. Von Jagdfieber erfasst, dezi mierte er sie gnadenlos. Shat wusste nicht, ob es der blinde Wunsch nach Erfüllung seiner Mission oder Rache gelüste waren, die sein Handeln be stimmten. Sein Körper reagierte jeden falls voü allein, während der Verstand seltsam unberührt blieb/ Verbissen blieb er den Gegnern auf den Fersen. Es war nicht zu übersehen, dass die Raumsoldaten den äußeren Habitaten entgegenstrebten, vermutlich, um sich über eines der Enterschiffe abzusetzen. Ihr Sperrfeuer sorgte für einen rapiden Energieabfall in seinem Gürtelaggre gat, bis der Schutzschirm übergangslos zusammenbrach. Auch das vermochte ihn nicht zu stoppen. Im Gegenteil. Er
verringerte die Distanz und setzte ihnen weiter zu. Ein grüner Energiestrahl, der knapp an seiner rechten Helmseite ent langjägte, löste das Schulterpolster sei nes Raumanzuges auf. Auch das schreckte ihn nicht. Von brodelndem Kampfesrausch er fasst, folgte er dem Trupp in einen La deraum, der zu den Hangars führte. Hier spritzten die fünf plötzlich aus einander, um hinter Kunststofftonnen und schwebenden Antigravplattfor men Deckung zu suchen. Ehe Shat ih nen mit dem Waffenlauf folgen konnte, fiel sein Blick auf neu einrückende Sol daten in fremden Kampfanzügen, die plötzlich wie aus dem Boden gewach sen im Raum standen. An der Spitze dieser Invasoren marschierte eine hochgewachsene Gestalt mit langem weißem Haar, das bei jedem Schritt auffächerte. Ein hoher Offizier zweifel los. Die Situation veränderte sich zu schnell, um^sie wirklich zu erfassen. Zum Nachdenken blieb keine Zeit, Shat musste reagieren. Sein Verstand blendete alles um ihn herum aus, wäh rend er den Fremden wie durch einen Tunnelblick fixierte. Alles, was er noch assoziieren konnte, war: UNBE KANNT = GEFÄHRLICH = VER NICHTEN! Noch bevor die Gedankenkette rich tig beendet war, löste er die Waffe aus. Warnschreie hallten durch den Hangar, aber für den Weißhaarigen war es längst zu spät. Der tödliche Strahl ras te ihm bereits unaufhaltsam entgegen. 9. Atlan An Bord der DROKAR
Der offene Hangar, in dem wir mit dem Stealth-Shift landeten, besaß ein
Kraftfeld, das die Halle gegen das Va kuum des Alls schützte. Zanargun und seine Männer sicherten schon den Vor marsch, als auch zwei Beiboote eines shahanoischen Baumers den halb durchlässigen Schirm passierten. Sie wollten ebenfalls nach Überlebenden suchen. Ihr kommandierender Offizier, Ratner Aruso,. bot an, unsere Gruppen zusammenzuschließen. Ein Vorschlag, den ich gern annahm. Nach allen Seiten sichernd, betraten wir einen der üblichen Laderäume, wie sie sich jedem Hangar anschlössen. Wie berechtigt unsere Vorsicht war, zeigte sich Sekunden später, als ein Schott in der Rückwand zur Seite glitt und förm lich fünf Soldaten ausspie, die mit ge zückten Waffen auf uns zuraunten. Ihre Umformen entlarvten sie als Angehö rige des baylaimorischen Enterkom mandos, die in uns ebenfalls ihre Feinde erkannten. Hastig warfen sie sich hinter Kumststofftonnen und An tigravplattfonmen in Deckung und er öffneten das Feuer. Zanargun und seine Raumsoldaten waren viel zu gut trainiert, um sich so leicht überrumpeln zu lassen. Sie erwi derten den Angriff mit kühler Präzi sion und deckten die fünf mit breiten Garben aus ihren Kombistrahlern ein. Der Schlagabtausch erfolgte so schnell, dass sich mein Eingreifen er übrigte. Einer alten Routine folgend, behielt ich lieber das offene Schott im Auge, nur für den Fall, dass dort wei tere Überraschungen lauerten. Ich sollte Recht behalten. Kaum hatte ich den Kombistrahler in Anschlag gebracht, stürmte schon ein Nachzügler herein. Seine Bewe gungen drückten blanke Mordlust aus, als er seinen Thermostrahler in meine Richtung stieß und abdrückte. Der Strahl zerfaserte an meinem Indivi dualschirm, der die aufschlagende
Energie nur mühsam absorbieren konnte. In diesem Moment der Gefahr dachte ich nicht nach, sondern handelte rein intuitiv, mit einer Routine, die sich in Tausenden von Kämpfen eingeschlif fen hatte. Den Gegner anvisieren und die Waffe auslösen bedeutete nicht mehr als eine flüssige Gebärde, die nur den Bruchteil einer Sekunde währte. Eine grün schimmernde Garbe bohrte sich in die Brust des unbekann ten Soldaten. Er blieb stehen, als wäre er gegen eine Mauer gerannt. Der Helm mit dem dunkel getönten Visier war reglos auf mich gerichtet, während er in den Knien einbrach und vornüber zu Boden schlug. Ich hatte den Mann gar nicht töten wollen, aber alles war so schnell gegan gen. Zwei Kämpfer in 'unterschiedli cher Uniform, jeder eine verhängnis volle Waffe in der Hand. Diese Fakto ren führten zwangsläufig zu einem be stimmten Ergebnis. Und so fühlte ich in diesem Moment sicher Trauer, aber keine tiefere Schuld. Du hast in Notwehr gehandelt, be stätigte mein Logiksektor. Selten wa ren wir derart einer Meinung wie in diesem Fall. Das Gefecht mit den übrigen Bayla moro ging ähnlich aus, nur zwei von ih nen waren so vernünftig, rechtzeitig die Waffen zu strecken. Während die Überlebenden gefangen genommen wurden, arbeiteten Zanargun und ich uns durch das offene Schott tiefer in den Schiffsleib vor. Dem Raumsolda ten, der vor dem Schott lag, schenkte ich keine Beachtung mehr, zumindest so lange, bis mich ein lautes Keuchen herumfahren ließ. Meine Befürchtung, dass noch wei tere Gegner aus ihren Verstecken stürmten, erwies sich zum Glück als
unbegründet. Stattdessen sah ich Rat ner Aruso, der neben dem Mann kniete, den ich getötet hatte, den Helm des To ten in der Hand. »Was ist los?«, fragte ich überrascht. »Stimmt etwas nicht?« Aruso sah mit offenem Mund in die Höhe. Aus seinem Gesicht war alles Blut gewichen. Er sah tatsächlich blas ser aus als der Tote zu seinen Füßen. »Den kenne ich«, flüsterte Aruso leise» von einer gewissen Ehrfurcht er füllt. »Das ist Shat Nermoy, der BrodaSpieler. Das ist einer von uns.« Ich wollte zuerst nicht glauben, was Aruso sagte, aber als man Nermoy den Schutzanzug abstreifte, trug er darun ter tatsächlich die Uniform der shaha noischen Landetruppen. Bei dieser Er kenntnis drehte sich mir fast der Ma gen um. Wir hatten auf derselben Seite gestanden und trotzdem aufeinander geschossen. Wozu das Ganze nur? Wozu? Du hast dir nichts vorzuwerfen, mahnte der Logiksektor. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände, in der du nur deine Haut verteidigt hast. Während wir noch über den Grund für Nermoys Maskerade rätselten, tra fen weitere Truppen ein, die sich statt unser der Durchsuchung des Flagg schiffs annahmen. Viel war es nicht, was sie fanden. In erster Linie Tote. 1 Zuerst mochte es niemand recht glauben, aber aus anfänglicher Skepsis erwuchs schließlich die bittere Er kenntnis, dass es auf der DRpKAR tat sächlich keinen einzigen Überleben den gab. Dafür hatten einige automa tische Optiken in der Zentrale aufge zeichnet, wie Nermoy in einem hitzigen Gefecht den Hauptspeicher zerstörte. Bereits zwei Minuten später war der Rückzug der Enterkommandos einge leitet worden. Also nicht, weil die TO
SOMA das Schlachtschiff zerstört hatte, sondern weil das < Gefecht an Bord der DROKAR ohne den Speicher kern sinnlos gewprden war. Shat Nermoy, ein Ratner, der noch Stunden zuvor wegen eines Wachver gehens eingesessen hatte - er galt plötzlich als der wahre Held dieser Schlacht! Und ich hatte ihn erschossen. Nicht, dass mir jemand deshalb ei nen Vorwurf machte, die Situation war eindeutig gewesen und von Ratner Aruso bestätigt worden. Trotzdem fühlte ich mich so schlecht wie lange nicht mehr, als ich mit Zanargun und seinen Männern an Bord der TOSOMA zurückkehrte. Sicher, ich besaß genü gend Lebenserfahrung, um zu wissen, dass jedes Erlebnis im Laufe der Jahr zehnte oder Jahrhunderte verblasste. Aber da gab es noch den Fluch mei nes fotografischen Gedächtnisses, das mich die Sekunden des kurzen Feuer gefechtes noch unzählige Male erleben lassen würde, bevor ich halbwegs Ruhe fand. Wenn ich nun gehofft hatte, dass es an diesem Tag nicht mehr schlimmer kommen konnte, wurde ich schon kurze Zeit später eines Besseren be lehrt. Wir befanden uns gerade im An flug auf Shahana, als in der Zentrale ein Hyperraumruf von Nestara Cher hay einging. Das holografische Abbild der Tama ron wirkte ungewöhnlich blass, als sie sich für die tatkräftige Hilfe der TO SOMA bedankte. Ihre Stimme klang brüchig. Sie verhaspelte sich oft und wirkte fahrig. Sie redet um den heißen Brei herum, raunte mein Extrasinn. Er lag richtig. Das zeigte sich, als Nestara Cherhay eine kurze Pause einlegte, ihr Kleid mit bedächtigen Bewegungen glatt strich und mir fest in die Augen sah.
»Es gibt da noch etwas, das ich dir mitteilen muss«, sagte sie endlich. »Es ist eine Nachricht, die dich sicher schockieren wird, aber ich kann sie dir nicht länger vorenthalten.« »Um was geht es denn?«, fragte ich gönnerhaft, denn ihre Herumdruckse-
rei zehrte langsam an meinen Nerven. So einen rüden Ton war sie als Tama ron sicher nicht gewohnt. Aber sie schien es mir nicht zu verübeln» son dern antwortete nur: »Es geht um deine Gefährtin, Li da Zoltral. Sie ist ent führt worden,«
ENDE
Atlan hat Shahana in einer großen Raumschlacht gegen das angreifende Reich Baylamor verteidigt. Damit die Tamrätin ihm überhaupt den Oberbefehl über ihre Flotte anvertraute, bot sich seine Geliebte als Geisel an. Wer steckt hinter der Entführung? Und gelingt es Atlans Crew, Li aus den Fängen der Entführer zu befreien? VORSTOSS ZUR WASSERWELT Unter diesem Titel erscheint in zwei Wochen der nächste Roman unserer span nenden Miniserie. Geschrieben wurde er von Frank Borsch,